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GESAMMELTE SCHRIFTEN
VON
THEODOR MOMMSEN
SIEBENTER BAND
PHILOLOGISCHE SCHRIFTEN
BERLIN
WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG
1909
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PHILOLOGISCHE SCHRIFTEN
VON
THEODOR MOMMSEN
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BERLIN
WEIDMAKt^SCHE BUCHHANDLUNG
1909
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Vorwort.
Trincipi philologonim' begann das von F. Bücheier vorgeschlagene
Telegramm, das die zu Köln im Jahre 1895 tagende Philologen-
versammlung Mommsen unter begeisterter Acclamation vieler Hunderte
sandte. Die Zahl seiner in diesem Bande vereinigten kleinen philologi-
schen Schriften ist so groß, daß noch während des Drucks die Teilung
des Bandes in zwei Halbbände in Erwägung gezogen wurde ; doch ist
es aus äußeren Grründen bei dem einen Bande geblieben. Einige
Schwierigkeiten bereitete nur die Absonderung des Philologischen
vom Historischen; Mommsens eigne Angaben, die er O. Hirschfeld
darüber gemacht hatte, waren, wie dieser im Vorwort zu den
Juristischen Schriften I und zu den Historischen Schriften I dargelegt
hat, nur ganz provisorischer Natur, sodaß die Entscheidung darüber
den Dispositionen Hirschfelds vorbehalten blieb. Daß diese oft mehr
auf Grund äußerer als innerer Argumente erfolgen mußte, wird
Jeder begreifen, der die unlösbare Einheit philologischer und ge-
schichtlicher Arbeit Mommsens erwägt: hat doch gerade er. auch darin
ein großer Lehrmeister, die Konstruktionen von Theoretikern, die
jetzt diese Einheit sprengen woUen, durch seine Praxis als gegen-
standslos erwiesen. Immerhin dürfte imser Prinzip Billigung finden,
wonach wir außer den sprachlichen, exegetischen und kritischen
Arbeiten auch diejenigen, deren sachliche Darlegungen eng an den
Text eines Schriftstellers anschließen, zu den philologischen im
weiteren Sinne des Wortes gerechnet haben; warum Tacitus von
VI Vorwort.
seinem Freunde Plinius, mit dem er sogar in unserer Überlieferung
durch Personalunion vereinigt war, hier getrennt worden ist, hat
Hirschfeld im Vorwort zum ersten Bande der Hist. Sehr. S. YI an-
gegeben.
Die 87 in diesem Bande vereinigten Abhandlungen, deren Umfang
alle Stadien von einer Miscelle bis zu einem libellus durchläuft, sind
in der Weise geordnet worden , daß auf die latina die graeca und auf
diese die grammatica folgen ; zwei Artikel allgemeineren Inhalts bilden
den Schluß. Innerhalb jener Abschnitte ist das Prinzip chronologi-
scher Reihenfolge, soweit sie sich ohne Pedanterie erzielen ließ,
zugrunde gelegt worden. Ein paar kleine Irrtümer, die sich nach
Beendigung des Drucks herausstellten, sind am Schlüsse des Inhalts-
verzeichnisses vermerkt worden.
Nach Mommsens eignem Wunsche sollte 'geradezu Fehlerhaftes
und Beseitigtes' nicht wieder abgedruckt werden (vgl. Vorwort zum
ersten Bande der Jur. Sehr. S. VI). Es hat sich nur verschwindend
weniges dieser Art finden lassen. Vom Abdruck ausgeschlossen
worden sind auch diejenigen Aufsätze, deren Inhalt Mommsen bei
anderen Gelegenheiten, fast immer in verbesserter und erweiterter
Form, wiederholt hat. Dagegen gelang es, unter nr. XLIV und
LVII zwei Inedita zu bringen. Ebenfalls entsprechend Mommsens
Wunsche sind die philologischen Schriften, wie die übrigen, in der
Weise zum Abdruck gelangt, daß zu ihrer Ergänzung oder Korrektur
außer Mommsens eignen späteren Behandlungen desselben Gegen-
standes auch die anderweitige moderne Literatur herangezogen und
in [ ] vermerkt wurde. Wenn mir dabei manches zweifellos ent-
gangen sein wird, so bitte ich das mit der Vielheit der Materien,
deren einige meinem Arbeitsgebiet ferner liegen, zu entschuldigen;
an einigen ganz wenigen Stellen, in deren Beurteilung ich mich
kompetent zu fühlen glaubte, habe ich meine eigne Auffassung an-
zudeuten mir erlaubt. Offenkundige Schreibfehler oder Versehen
Mommsens sind stillschweigend berichtigt worden; wo aber auch nur
ein leiser Zweifel obwalten konnte, wurde die Korrektur den Worten
Vorwort. VII
Mommsens mit einem Fragezeichen eingefügt. Die Schriftstellertexte
sind, wo es sich nicht um bloß gelegentliche Zitate handelt, überall
nach den neuesten Ausgaben, z. T. mit Unterstützung seitens meines
Neffen cand. phil. Siegfried Vogt in Marburg, revidiert worden.
Bei meiner Arbeit habe ich mich des sachkundigen Rates be-
freundeter Kollegen zu erfreuen gehabt, derer ich an mehreren
Stellen dieses Bandes dankbar gedachte. Nicht unterlassen aber
darf ich es, an dieser Stelle namentlich H. Dessau zu danken, der
mich mit unermüdlicher Opferbereitschaft unterstützt und die Be-
arbeitung von nr. LXYIII (Polemii Silvii laterculus) ganz übernommen
hat, wie B. Kubier diejenige von nr. XXXII (Yolusii Maeciani distri-
butio partium). Mir selbst hat die Arbeit, deren Übernahme ich
dem Vertrauen von 0. Hirschfeld und U. v. Wilamowitz danke,
nicht bloß — was selbstverständlich war — eine bedeutende Er-
weiterung meines Wissens, sondern auch reichen innem Gewinn
gebracht. Denn es hat wahrlich etwas Erhebendes und Ergreifendes
zu sehen, wie dieser Große überall auch die Arbeit der Kleinen
selbst tat, wie er das eigne Urteil mit unerbittlicher Wahrheits-
liebe den Bedingungen des stofflich Gegebenen unterordnet und
die Vermehrung des Tatsachenmaterials höher wertet als alle Kom-
binationen, die sich ihm dank seiner den Zeiten und Personen kon-
genialen Intuition aufdrängten; die schönen Worte, die er 1869 im
Nachruf auf 0. Jahn von der philologischen Methode schrieb (Reden
und Aufsätze S. 459), hat er Zeit seines Lebens in die Tat umgesetzt.
Die jetzige Generation hat das Erscheinen vieler der hier vereinigten
Aufsätze und den Impuls, den sie jedesmal brachten, in starkem
Mitfühlen noch an sich erlebt, andere besitzen schon für sie den
Zauber ehrwürdiger Vergangenheit. Daran können wir die Ehrfurcht
ermessen, mit der künftige Geschlechter diese Monumente betrachten
werden, vor allem die jedesmalige Jugend; denn gerade ihr war er
und wird er fürderhin ein durch sein großes Beispiel wirkender
strenger aber liebevoller jiaidaycoyög sein, bloßer Bewunderung ab-
hold, aber jedem ernsthaften Mitarbeiter, und sei es im Kleinsten,
VI 11 Vorwort.
ZU Dank und Anerkennung freudig bereit, Forscherarbeit wird, wenn
sie wahre Werte geschaffen hat, in den Strom lebendigen Wissens,
der durch die Jahrhunderte rauscht, aufgenommen mit der Bestim-
mung, in ihm zu zerfließen; aber wenn der Forscher zugleich
ein Gigant des Wollens und ein Künstler des Gestaltens war,
so bleibt von seinem Werke nicht nur das sachliche Ergebnis als
gestaltlose Potenz, sondern der Mensch und der Schöpfer wirken
fort in ewig junger Energie.
Berlin. Eduard Norden.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
I. Zum Prolog der Casina (1856) 1
IL Über eine Leydener Handschrift von Ciceros Cato maior (1863) . 6
III. De Laelii Ciceroniani codice Didotiano narratio Theodori Momm-
seni (1863) 9
IV. Über eine Blätterversetzung im zweiten Buch der Briefe Ciceros
ad Quintum fratrem (1844) 13
V. Die Florentiner Handschrift der Briefe des Cicero (1845) ... 28
VI. Zu Ciceros Reden (1883) 36
VII. Theod. Mommsenii Excursus ad Ciceronis or. pro Fonteio cap. IX
§ 19 (1854) 37
VIII. Zu Cicero de republ. 2, 10 (1860) 39
IX. Zu Caesar (1867) 42
X. Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum (1894) 44
XI. Zum bellum Hispaniense (1893) 61
XII. Mamilius Sura, Aemilius Sura, L. Manlius (1861) 70
XIII. Zu Sallustius (1866) 77
XIV. Kritische Miscellen (1854) 88
;XV. T. Livii ab Urbe condita lib. III — VI quae supersunt in codice
rescripto Veronensi (1869) 96
XVI. Analecta Liviana (1873) 149
XVII. Zu Livius (1868) 160
XVIII. Zu Livius (1866) 161
XIX. Anecdoton Livianum (1870) 163
XX. Theodori Mommsenii epistula [de Romanorum prodigiis ad Ottonem
Jahnium] (1853) 168
XXI. Die Litteraturbriefe des Horaz (1880) 175
XXII. lullus und lulus (1889) 187
XXIII. Der Tribun Tillius (1898) 189
XXIV. Trimalchios Heimath und Grabschrift (1878) 191
XXV. M. Valerius Probus de notis antiquis (1853) 206
XXVI. Zu den notae iuris (1890) 214
XXVII. Anecdoton Parisinum (1845) 217
XXVIII. Plinius und Catullus (1866) 219
XXIX. Vitorius Marcellus (1878) 221
XXX. Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus (1870) 224
Inhaltsverzeichnis.
XXXI.
XXXII.
XXXIII.
XXXIV.
XXXV.
XXXVI.
XXXVII.
XXXVIII.
XXXIX.
XL.
XLI.
XLII.
XLIII.
XLIV.
XLV.
XLVI.
XLVII.
XLVIII.
XLIX.
L.
LI.
LH.
LIII.
LIV.
LV.
LVI.
LVII.
LVIII.
LIX.
LX.
LXI.
LXII-LXIII.
LXIV.
LXV.
LXVI.
LXVII.
LXVIII.
LXIX.
LXX.
LXXI.
LXXII.
LXXIII.
LXXIV.
LXXV.
LXXVL
Seite
Das Verhältniss des Tacitus zu den Acten des Senats (1904) 253
Volusii Maeciani distributio partium (1853) 264
Festi codicis quaternio decimus sextus (1865) 269
Zu Festus (1857) 280
Zur lateinischen Stichometrie (1885) 283
Zu den Scriptores hist. Aug. (1878) 298
Die Scriptores historiae Augustae (1890) 302
Über den kritischen Apparat zum Ammianus (1872) .... 363
Weiteres über den Apparat zum Ammian (1873) 375
Über die Ammianhandschrift des Accursius (1873) . * * ' . 384
Zur Kritik Ammians (1880) 389
Zu Ammian (1882) 392
Ammians Geographica (1881) 393
Bemerkungen zu einzelnen Stellen Ammians (Manuskript) . . 426
Zu Ammian und Ennodius (1889) 430
Eutropius Breviarium ab urbe condita (1866) 432
Zu der Origo gentis Romanae (1877) 434
Zu Vegetius (1866) 442
Firmicus Maternus (1894) 446
Ein gromatisches Fragment in einer Mailänder Handschrift (1861) 451
Über den codex Arcerianus der Gromatici und eine Handschrift
des Petrarca (1852) 459
Die Interpolationen des gromatischen Corpus (1895) .... 464
Zu Dictys (1876) 483
Carmen codicis Parisini 8084 (1870) 485
Zur lateinischen Anthologie (1854) 499
Zu den Scholien der virgilischen Georgica (1861) 505
Zeitalter des Scholiasten Juvenals (Manuskript) 509
Aus und über Leydener und Münchener Handschriften (1861) 512
Lateinisches Glossar des cod. Vat. 2730 (1874) 515
Über eine Stelle des Ennodius (1872) 517
Jamblichos bei Jordanes (1883) 519
Eugippiana (1897, 1898) 521
Über den Chronographen vom J. 354 (1850) ....... 536
Die armenischen Handschriften der Chronik des Eusebius (1895) 580
Die älteste Handschrift der Chronik des Hieronymus (1889) . 597
Über die Quellen der Chronik des Hieronymus (1850) . . . 606
Polemii Silvii Laterculus (1857) 633
Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr. (1861) 668
Schlussbericht über die Herausgabe der Auetores antiquissimi
(1898) 691
Die Historia Papirii des Henoch von Asculum (1866) .... 695
Zur Kritik der Geographie des Ptolemaeos (1880) 697
Zosimus (1903) 699
Über die dem Cassius Dio beigelegten Theile der Planudischen
und der Constantinischen Excerpte (1871) 700
Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes
Malalas (1872) 710
Lateinische Malalasauszüge (1895) 751
Inhaltsverzeichnis. XI
Seite
LXXVII. Zur byzantinischen Chronographie (Ifc^ö?) 753
LXXVIII. Die Orthographie der sogenannten Tabulae honestae missionis
(1866) 755
LXXIX. Terruncias (1887) 763
LXXX. Zahl- und Bruchzeichen (1887) 765
LXXXI. Quingenta milia (1869) 788
LXXXII. Die Wiedergabe des griechischen ^ in lateinischer Schrift (1878) 792
LXXXIII. Templa domus vici insulae plateae angiportus (1860) . . . 804;
LXXXIV. Triquetrum (1886) 806
LXXXV. fnxg6.-T/.Eov (1884) 807
LXXXVI. Gutachten über das Unternehmen eines lateinischen Wörter-
buchs (1891) 808
LXXXYII. Besprechung von: Martin Hertz, Karl Lachmann. Eine Bio-
graphie. Berlin 1851 (1851) 814
Sachliches Register 817
Register der behandelten Stellen 823
Berichtigungen.
S. 392. Die hier gegebene Verbesserung einer AmmiansteUe hat Mommsen
7 Jahre später — s. S. 430 — wiederholt, ohne sich zu erinnern, daß
er sie bereits veröffentlicht hatte (vgl. S. 790*). Sie ist nun auch hier
versehentlich zweimal zum Abdruck gelangt.
^i. 571 A. 2 hinzuzufügen: [vgl. über den obigen Abschnitt den unten nr. LXXVII
abgedruckten Aufsatz S. 753].
S. 699 Z. 4 V. u. lies: Eustathius statt: Epiphanius.
Zum Prolog der Casina.*)
Ueber die chronologischen Daten des interessanten Prologs der 122
Casina ist vielfach verhandelt worden, zuletzt und am sorgfältigsten
von Ritschi (parerga I, S. 180), der denselben etwa um 595 geschrieben
glaubt. Dass er nicht früher geschrieben sein kann, da der Verfasser
darin den Tod aller namhaften Dichter des römisch -griechischen
Lustspiels beklagt, daran wird wohl kein Zweifel sein; ob er aber
nicht vielleicht beträchtlich später fallen kann, dürfte minder fest-
stehen. Ritschl stützt sich vorzugsweise darauf, dass die älteren
Zuschauer das Stück schon kannten und liebten: 'vos probastis qui
estis in senioribus' ; allein das Stück ist doch gewiss nicht bloss ein-
mal gegeben worden und es steht nichts davon da, dass die älteren
Zuschauer, an die der Prolog hier sich wandte, gerade der ersten 123
Aufführung beigewohnt hätten.**) Mehr ins Gewicht dürfte es fallen,
dass später, wo von den Sklavenehen die Rede ist, der Prolog den
Anstoss, den diese seinen römischen Zuschauem gaben, beseitigt
durch die Bemerkung [V. 71 f.]:
Ät ego aio hoc fieri in Graecia et Carthoffini
Et hie in nostra terra in Apulia.
Denn konnte dies noch gesagt werden nach 608, wo Karthago zer-
stört ward? — Ich meine: in diesem Zusammenhang doch; der
Prolog hatte ja ein altes lange vor Karthagos Zerstörung geschriebenes
Lustspiel zu vertheidigen und konnte sich daher sehr wohl auf den
Brauch von Karthago bei-ufen und den Zuschauem die Wette an-
*) [Rhein. Mus, 10, 1856, S. 122—127. Obwohl das chronologische Resultat
dieses Aufsatzes nicht haltbar ist, wird man ihn doch schon wegen der erst-
maligen richtigen Deutung der mimtni novi hier gern abgedruckt finden.]
**) [S. hiergegen Ritschis nachträgliche Bemerkung in den Opuscula philol.
II, 1868, S. 659 f.]
MOMIISEN, SCHR. Yll. 1
2 Zum Prolog der Casiua.
bieten, dass jeder 'punische Geschwome' für die Gültigkeit der
Sklavenehen sich aussprechen werde. Liegt hiernach in diesen
beiden Angaben eine bestimmte Zeitgrenze nicht, so scheinen mir
dagegen zwei andre auf eine spätere Epoche zu deuten. Die eine
ist freilich nur sehr allgemeiner Art; ich meine die Hindeutung auf
das archäologische Interesse, das bei dem zuhörenden Publikum in
Litteratur und Kunst vorausgesetzt wird, und die Zusammenstellung
des plautinischen Lustspiels, der antiqua {aliqua) comoedia [V. 13]
mit den antiqua opera et verha [V. 7]. Das sieht schon an sich viel
mehr nach der Zeit des Sulla aus als nach der des Mummius; vor
L. Aelius Stilo wird von archäologischer Sprachforschung kaum die
Rede gewesen sein und das Kennerinteresse an *^alten' Kunstwerken
geht auch in Rom nicht weiter zurück. Yor allem aber scheint die
Zusammenstellung der plautinischen Komödien mit alten Bildwerken
wenig zu passen für die ersten Jahre nach dem Tode des Dichters
(f 570); so würde man heutzutage eine ähnliche Befürwortung
schwerlich anwenden für ein Stück von Immermann oder Grabbe,
aber wohl für eines von Lessing oder Iffland. — Wichtiger aber als
diese Erwägung, die ein bestimmtes Ergebniss nicht liefern kann,
ist mir die Hindeutung auf die zu der Zeit des Prologs umlaufenden
schlechten Geldstücke [V. 9 f.] : *)
— nunc novae quae prodeunt comoediae
Multo sunt nequim-es quam nummi novi.
Die Untersuchung ist über diese Stelle in die Irre gegangen, indem
124 sie anknüpfte an die Einführung des semuncialen anstatt des uncialen
Fusses im römischen Kupfergeld. Das ist zwiefach verfehlt, denn
einmal war diese Maassregel nichts als eine Aenderung des Scheide-
münzgehalts und kann den Verkehr so wenig gestört haben, als er
heute gestört werden würde, wenn man anfinge die preussische
Kupfermünze um die Hälfte leichter auszugeben; zweitens sind die
nummi bekanntlich eben nicht Kupfer-, sondern Silber-, allenfalls
auch Goldstücke. Zwingen uns also Geschichte wie Grammatik hier zu
denken an eine Verschlechterung des Silbergeldes, so giebt es kaum
eine Zeit, wo diese weniger annehmbar ist als die vermuthete Ab-
fassungszeit des Prologs. Von Plautus Tode an bis auf den Bundes-
genossenkrieg sind die Staatsfinanzen und der römische Verkehr in
*) [Vgl. Geschichte des röm. Münzwesens S. 385 ff., wo Mommsen seine im
folgenden vorgetragene Ansicht etwas zurückhaltender formuliert hat. Die
Vermehrung des numismatischen Materials lehrte übrigens , daß gefütterte
Münzen schon seit 600 (154 v. Chr.) häufig sind; vgl. Bahrfeldt in der Wiener
numismat. Zeitschr. 16, 1884, S. 309— 366, Graf ebd. 35, 1903, S. 66 — 74.]
Zum Prolog der Casina. 3
einem Zustand, zu dem die bezeichneten Zeilen gar wenig passen,
während dagegen vom Beginn des marsischen Krieges bis auf Sullas
Dictatur (663 — 672) in der That man Grund genug hatte auf das
'neue Silbergeld"* zu schelten. Zwar eine Münzverschlechterung in
unserm Sinn, eine Reduction des Gewichts oder des Feingehalts
haben die Römer in der ganzen Zeit der Republik nicht vorgenommen;
wohl aber gab die Regierung in Zeiten der Noth kupferne mit
dünnen Silberblättchen plattirte Denare mit den wirklich silbernen
aus^, so z. B. im zweiten punischen Krieg (Zonar. S a. E.) und M.
Drusus beantragte in seinem Tribunat 663 die merkwürdige Maass-
regel auf je sieben silberne einen plattirten Denar zu geben — ein
Yorschlag, den man heutzutage etwa so formuliren würde, dass der
Staat das Recht haben solle auf je sieben Silberthaler, die aus seinen
Münzstätten hervorgehen, einen Papierthaler zu emittiren. Mag dies
Gesetz einen praktischen Erfolg gehabt haben oder nicht, so steht
soviel fest, dass während der marianischen Unruhen eine unerhörte
Masse von solchen schlechten Denaren in Umlauf war und das
Publikum sehr darunter Utt: laddbatur, sagt Cicero (de off. 3, 20, 80),
Ulis temporihus numtnus sie uf nemo posset scire quid haheret. Dass
das Probiren der Denare, welches diesem Unwesen eine Grenze
setzte, auf den Prätor M. Marius Gratidianus (um 670) zurückgeführt 125
wird oder vielmehr auf einen Beschluss der vereinigten Prätoren
und Yolkstribunen, und dass ihm desshalb von sämmtlichen Quartieren
der Hauptstadt Statuen errichtet und an denselben Dankopfer dar-
gebracht wurden, ist bekannt (Cic. de off. 1. c. Plin. 33, 9, 132. 34,
6, 27); allein die Darstellung des Plinius und der Neueren, dass
Gratidianus die Technik des Probirens erfunden habe, lässt sich
weder mit seiner amtlichen Stellung vereinigen, noch motivirt sie
eine so unerhörte Dankbezeigung, noch ist es glaublich, dass die so
äusserst einfache Manipulation, durch einen Einschnitt in das Geld-
stück die Kupferanima zu ermitteln, bis auf Gratidian unentdeckt
geblieben sei. Ich zweifle nicht, dass hier eine viel wichtigere
Maassregel vorliegt. Es ist für die Kaiserzeit nachweislich und für
die republikanische nicht minder gewiss, dass jene plattirten Denare
gleich den ächten genommen WQi-den mussten; Gratidianus wird das
Probiren gestattet und vielleicht em öffenthches Probirbureau ein-
gerichtet haben. Diese Maassregel lief also im Wesentlichen hinaus auf
eine Verrufung des Zeichengeldes; ob mit oder ohne Wiedereinlösung,
1) Der technische Ausdruck ist aes argento miscere. S. meine Abhandlung
über den Verfall des röm. Münzwesens in den sächs. Berichten 1851 S. 219.
[Vgl. Gesch. d. röm. Müuzwesens S. 385 flf.]
1*
4 Zum Prolog der Casina.
wird zwar nicht gesägt, aber es ist wohl kaum zu bezweifeln, dass
die öffentliche Kasse angewiesen ward die plattirten Denare durch
ächte zu ersetzen, da sonst das Publikum dem Urheber der Maassregel
vermuthlich ganz andre Dinge als Weihrauch verabreicht haben würde.
Ist dies richtig, so wird man befugt sein die Abfassungszeit des
Prologs zwischen 660 und 670 anzusetzen. Hierzu passen denn auch
vortrefflich die militärischen Hindeutungen der traditionellen Formel
am Schluss [V. 87 f.]:
— bene rem gerite et vincite
Virtute vera, quod fecistis antidhac
indem man damals die Landung der asiatischen Legionen beständig
erwartete und eifrig sich rüstete sie zu empfangen; ja wer Lust
hat, mag selbst bei dem Gleichniss Z. 50:
Sibi nunc uterque contra legiones parant
an Sulla und Cinna denken. Ebenso passen sehr wohl die An-
spielungen auf die Schuldwirren Z. 23 ^^^. :
eicite ex animo curam atque alienum aes;
126 Ne quis formidet flagitatorem suum!
Ludi sunt; ludus datus est argentariis.
Tranquillum est; Alcedonia sunt circa forum.
Ratione utuntur ludis; poscunt neminem
Secundum ludos; reddunt autem (ob item?) nemini*)
wobei damals jeder Hörer denken musste an die gar nicht halcyoni-
schen Tage des Jahres 665, als auf dem Markt der Prätor Asellio
von den Gläubigern erschlagen ward, weil er nicht nach ihrem "Willen
Recht sprach (App. b. c. 1, 54. Liv. ep. 74. Val. Max. 9, 7, 4). —
Natürlich sollen diese Beziehungen hier nicht als weitere Beweise
geltend gemacht werden, sondern nur als Anspielungen, die, wenn
der Prolog in die angenommene Zeit fällt, jedem unabweislich sich
aufdrängen mussten. In demselben Sinn mag es noch erlaubt sein
auf zwei Punkte aufmerksam zu machen, wo durch Datirung des
Prologs Daten für andere Thatsachen genommen werden. Einmal
gehört hieher der merkwürdige Beweis, den der Prolog giebt für
den noch in der sullanischen Zeit Apulien beherrschenden Hellenis-
mus, wodurch vervollständigt wird, was ich darüber in einem andern
Zusammenhang ausgeführt habe (unterital. Dial. S. 89 fg.). Aehn-
liches bezeugt übrigens auch für die plautinische Zeit die bekannte
Stelle im miles glor. 654 [648 L.], deren Pointe der ungeschlachte
Hellenismus Apuliens ist:
*) [Vgl. die Interpunktion dieser Verse in Leos Ausgabe.]
Zum Prolog der Casina. 5
Post Ephesi sum natus, non sum in Apulis, non Animul/ie*)
wo ein deutscher Komöde etwa gesagt hätte:
Denn ein Meissner, kein Lausitzer bin ich und aus Zittau
keineswegs.
Zweitens aber und vor allem würde danach anzunehmen sein, dass
die Stücke der alten Palliata des sechsten Jahrhunderts bis etwa
620 — 630 sich fortwährend auf der Bühne erhielten, dann vom
Repertoir verschwanden und nach einer Unterbrechung von etwa
30—40 Jahren wieder hervorgesucht wurden, um in der ciceronischen
Zeit zum zweiten Mal die Bühne zu beherrschen. Wem diese
Untersuchungen geläufiger sind als mir, möge darüber entscheiden;
unwahrscheinlich dünkt mich dieser Entwicklungsgang eben nicht.
Plautus Komödien waren für die Menge geschrieben und hielten sich
durch deren Beifall. Die Kennerkreise wie der des jungem Scipio 127
werden sicherlich sich nicht damit begnügt haben eine reinere, kunst-
gerechtere, sittlichere Komödie zu schaffen und zu proniren,**) sondern
auch die alte mehr volksmässige Komödie vom Theater zu ver-
drängen bemüht gewesen sein; das heisst sie weckten nicht bloss
die Muse des Terenz, sondern sie verbannten auch die des Plautus.
Das, denke ich, hatte Tacitus im Sinn, als er die Worte schrieb
(ann. 14, 21): 2^ossessa Achaia (608) Asiaqiie (624) hidos curathis
editos; mit der 'verfeinerten Bühne' vertrug freilich die halb possen-
hafte und oft ungezogene, nicht selten pöbelhafte plautinische Komödie
sich nicht. Als dann später die Zeit der römischen Philologie begann,
die Zeit der Stilo und Yarro, schlug das Urtheil natürlich wieder
um und die antiqiii lepores traten jetzt bei den Kennern in ihre
Rechte. Es ist ein Entwicklungsgang, wie er in England und
Deutschland auch vorgekommen ist. Zwischen Shakespeare und
Plautus in ihrer Stellung zum Volke und zum Theater, ebenso
zwischen S. Johnson und Addison einer- und Terenz und Lucilius
andererseits Hessen artige Parallelen sich ziehen und der Gräcismus
des scipionischen Kreises erinnert vielfach an die französirenden
Zirkel Dalbergs und der Herzogin AmaUe. Ueberall aber weckt
dieses fremdländische und charakterlose Wesen nach kurzer Frist
wieder eine litterarische Reaction, die die alte volksmässige Litteratur
wieder zu Ehren bringt und sich in der Production an sie anlehnt.
*) [Vgl. die adn. bei Leo.]
**) [Ilaoa Ttvi xeiTui; D. Sanders, Wörterb. d. deutsch. Sprache II, 1 belegt
dies (bei Grimm DW. fehlende) "Wort im Sinn von 'ausposaunen' aus Immer-
manns Münchhausen (Werke 1835 fF„ III, S. 198), übrigens einem Lieblingsbuch
Mommaens.]
IL
Über eineLeydener Handschrift von Ciceros Cato maior.*)
l^> Ich theile nachfolgend eine Anzahl Lesungen mit aus einer
bisher meines Wissens unbenutzten Handschrift von Ciceros Cato
maior, die, wie ich glaube, der besten unter den bisher verglichenen,
der Pariser 6332 (F) ebenbürtig und doch von ihr wesentlich ver-
schieden ist. Es sind zwölf Pergamentblätter in Folio aus dem
zehnten Jahrhundert, zu Anfang bezeichnet: ex libris Petri Danielis
Aurelii 1560, jetzt dem Miscellanband der Leydener Bibliothek
Yoss. fol. n. 12 als Bl. 16 — 26 und an 26 sich anschliessend Bl. 15
einverleibt. Die ersten 19 Seiten, vor denen nichts zu fehlen scheint,
enthalten den Cato maior vollständig, die letzten 5 den Anfang von
Macrobius Commentar zum somnium Scipionis, welcher abbricht mit
arescentihus laureis 1, 4, 2.
Der Text des Cato ist gewissermassen ein zwiefacher, denn die
Handschrift ist sorgfältig von einer wenig jüngeren Hand durch-
corrigirt, ohne dass doch dadurch, von wenigen und unwichtigen
Stellen abgesehen, die ursprüngliche Schrift unlesbar geworden wäre.
Indess diese Lesungen zweiter Hand haben im Ganzen genommen
keinen selbstständigen Werth; denn die Handschrift, der sie ent-
nommen sind, ist noch vorhanden: es ist keine andere als jene
Pariser 6332, die dem Alter und wohl auch der Heimath nach mit der
Leydener gleich steht. Aus diesen also werden wir nichts Neues lernen
mit Ausnahme etwa des jetzt in der Pariser Handschrift fehlenden
Schlusses (§ 78 fg.), wofern, worüber ich nicht entscheiden will, unser
Corrector die Pariser Handschrift vollständiger gehabt und nicht
hier einen andern Text benutzt hat. Der eigentliche Werth der
Handschrift liegt in dem Text der ersten Hand; dieser ist eine
freilich nicht sehr sorgfältig, aber unbefangen gemachte Abschrift
*) [Monatsberichte der Berliner Akad. 1863 S. 10—21. Die Beschreibung
dieser Hs., die seitdem in der Kritik dieser Schrift Ciceros eine wichtige Stellung
erhalten hat, ist hier wegen des sonst nirgends so genau zu findenden Details
aufgenommen, dagegen die aus ihr von Mommsen notierten Lesarten (sowie
einige weniger wichtige Bemerkungen M.'s dazu) nicht wieder abgedruckt
worden, da sie, soweit sie von Bedeutung sind, in den seitherigen Ausgaben
Platz gefunden haben.]
über eine Leydener Handschrift von Ciceros Cato maior. 7
eines verlorenen Codex, der, wenn er noch vorhanden wäre, ver-
muthlich unseren ganzen übrigen Apparat entbehrlich machen würde. 1 1
Am nächsten verwandt ist der Leydener Text erster Hand mit dem
der genannten Pariser Handschrift; an zahlreichen Stellen haben
diese beiden allein die echte Uberliefemng erhalten gegenüber allen
übrigen, die man insofern als interpolirte Familie zusammenfassen
kann. Aber dennoch sind diese beiden Texte unter sich wieder
sehr wesentlich verschieden und zwar in der Art, dass beide wohl
auf ein gemeinschaftHches von Verderbnissen , Interpolationen imd
besonders von Glossen schon nicht ganz freies Original zurückgehen,
aber beide dies selbstständig wiedergeben und das Richtige bald
dort, bald hier bewahrt ist. Im Ganzen scheint P sorgfältiger als
L geschrieben, aber häufiger interpolirt zu sein. In der Leydener
Handschrift begegnen ausser einer sehr (besonders im Wechsel von
€ und i) verwilderten Orthographie eine Menge kleiner Fehler, die
grossentheils herrühren aus der Schwierigkeit in der Vorlage a und
u, r und s zu unterscheiden und aus der Ungewandtheit des Schreibers
in der Auflösung der in der classischen Zeit gangbaren Abkürzungen:
so wird der Vorname Publius p. sehr häufig wiedergegeben durch
pre, so ist cos. verdorben in quos, e sen(atu) in esse u. dgl. m. Auch
kleinere Auslassungen, wie sie bei mangelnder Wortabtheilung der
Vorlage so leicht entstehen, finden sich in ziemlicher Anzahl. Hie
und da ist auch wohl ein Wort eingeschoben, so p. 586, 23 (der
Halmschen Ausgabe) ut vor multo, 592, 11 Ennü vor idem, 594, 24
quidem vor tum, 596, J5 aut vor audierim u. a. m.; aber diese
Interpolation hält sich doch in weit bescheideneren Grenzen als
dies in P der Fall ist, wo z. B. 591, 1 aus Naeuii poetae ludo ge-
macht ist Saevü posteriore libro. Die Zahl der SteDen, an denen
L gegen P das Richtige bewahrt hat, ist sehr gross und nicht ganz
klein diejenige, an denen L allein unter allen Handschriften, zum
Theil übereinstimmend mit den Citaten der Grammatiker, den ur-
sprünglichen Text darbietet. Auch haben schon die Philologen des
zehnten Jahrhunderts erkannt, dass die beiden Texte L und P von
einander unabhängig sind und sich gegenseitig berichtigen: denn
nicht bloss ist, wie schon gesagt ward, L nach P durchcorrigirt,
sondern auch umgekehrt P nach L. Die Correcturen und Varianten
der zweiten Hand in P gehen wenigstens dem grössten Theil nach
bestimmt zurück auf L: so stehen zum Beispiel gleich in den 12
Anfangsversen des Ennius die Lesungen letiauero und et quid erit
praemii, die in P am Rande stehen, ebenso in L und die erstere
in keiner anderen mir bekannten Handschrift.
g über eine Leydener Handschrift von Ciceros Cato maior.
Yon dieser kritischen Operation, welche wir in den Hand-
schriften des zehnten Jahrhunderts ausgeführt finden, ist das Ergebniss
der Text, welchen die jüngeren Handschriften vom eilften Jahr-
hundert an aufzeigen, Offenbar sind sie alle geflossen aus Hand-
schriften ähnlicher Art wie L und P, in denen die beiden alten
Familien mit einander collationirt waren. Die Erfurter und die
Rheinauer Handschrift (ER) schliessen sich enger an i, die drei
Münchener (BIS) enger an P an; aber es sind sämmtlich conta-
minirte Texte, die nach Gutdünken und oft nicht ohne Verstand
der einen oder der anderen Lesung folgen, auch nicht selten beide
neben einander in den Text setzen oder selbstständig den Text
emendiren. Unmittelbar aus L und P stammen sie indess nicht;
namentlich kann die Erfurter Handschrift, so vielfach sie mit der
Leydener stimmt, doch nicht aus dieser abgeschrieben sein, sondern
nur aus einer von demselben Original copirten und in gleicher Weise
durchcorrigirten , hie und da auch besseren Schwesterhandschrift.
Ein sicherer Beweis dafür ist, dass 599, 25 tarnen, das in P und den
davon abhängigen Handschriften fehlt, aber als bei Nonius stehend
unzweifelhaft echt ist, sich in Eli findet, während in Z^ die Worte
qui in prima — tarnen etiam ausgefallen und von der zweiten Hand
aus P, also ohne tarnen ergänzt sind. Danach möchte auch 605, 26
est tarn, das ER und Nonius haben, während P und L etiam, BIS
beides vereinigend est etiam tarn lesen, nicht Conjectur, sondern alte
Überlieferung sein. Aber Fälle dieser Art, wo die ursprüngliche
Lesung in L und P nicht , sondern nur in der geringeren Familie
sich vorfindet und doch nicht füglich Conjectur sein kann, sind sehr
selten und werden, wo nicht Grammatikerzeugnisse hinzutreten, auch
nicht leicht zur Evidenz gebracht werden können. Im Ganzen werden
in Zukunft, wenn nicht etwa noch bessere Hülfsmittel auftauchen
sollten, für den Text des Cato lediglich L^ und P^ in der Art
massgebend sein, dass zwischen ihnen selbst die Wahl frei bleibt.
Das Hinzutreten der übrigen geringeren Handschriften zu der einen
oder der anderen Lesung verstärkt deren Autorität nicht: in der
13 Regel sind jene selbst getheilt und auch wo sie es nicht sind, stimmen
sie gar nicht selten, wie das bei contaminirten Texten begreiflich
ist, nicht mit der richtigen, sondern nur mit der leichteren Lesung.
So hat 601, 2 acini vinaceo ausser Nonius nur P, L und alle übrigen
acino; 594, 28 parci aetatis, was mit dem richtigen ^;ar^i' aetatis des
Nonius zusammenfällt, nur L^, P und alle übrigen die interpolirte
Lesung parcitatis.
III.
De Laelii Ciceroniani codice Didotiano
narratio Theodor! Mommseni.*)
Firminus Didot Parisinus, qui cum aliis nominibus egregie de 594
artibus liberalibus meruit tum parata sibi bibliotheca non minus
splendida quam utili, inter alios quos inde protulit codicem mihi
exhibuit, quem ex subnotatione saec. XY scripta ('iste liber est ecdie
Comtan') apparuit olim fuisse Constantiae itaque descendere omnino
ex ditissimo librorum thesauro Scotorum ordinis S. Benedicti qui
Sangallense et Augiense aliaque per Alamanniam monasteria a
saeculo inde YII fundavenint. Codex de quo agimus membranaceus
est formae quartanae , quaternionum opinor sex, quorum tarnen
numerus non notatus est nisi f. 29 in extremo quarto (ml = q = ml),
foliorum vero 43; scilicet primi quatemionis primum folium, item
extremi folia aliquot perierunt, praeterea ex quarto quatemione
desiderantur folia secundum (inter f. 24 et 25) et septimum (inter
f. 2S. 29). Scriptus est liber saeculo decinio vel fortasse exeimte
nono. Continentur eo f. 1 — 32 r. Ciceronis Laelius inscriptione
antiqua nulla, subscriptione hac : expUcit liber tiiUü et f. 32 v. — 43 r.
'sententiae Senece phylosopM. In eadem pagina extrema manu eadem,
sed postea ut videtur adiecta leguntur haec:
'Incipiunt versi
O mortalis homo mortis reminiacere casus
Nil pecude distas tantum si prospere (sie) captas'.
Yersa item scripta est versibus sententiisve , sed ita detrita ut nisi
remedio aliquo adhibito legi nequeat. Sententias Senecae quae
dicuntur descripsi; dispositae sunt secundum primas litteras et re 595
ipsa bipertitae, nam prior pars ad f. 3S v. : nondum felix es si nondum
te turha deridet (v. 531 Ribb.) pertinet ad corpus sententiarum hodie
*) [Rhein. Mus. 18, 1863, S. 594 — 597.1
10 De Laelii Ciceroniani codice Didotiaao narratio Theodor! MommsenL
notum 8ub nomine Syri, posterior, quae incipit sie: Nam etsi nullos
inimicos tibi faciat iniuria, muUos tarnen facit invidia constat sententiis
pedestri oratione conceptis iisque vulgaribus et magna ex parte
argumenti Christiani, quibus librarius aliquis corpus illud quod im-
perfectum accepit videtur explevisse. Sententias illas mea causa
examinavit Hauptius neque quidquam in iis contineri docuit, quod
ad corpus quod habemus vel augendum vel emendandum magnopere
pertineret; itaque missas feci.*) Contra in Laelio libros quos prae-
terea accurate novimus vincit opinor omnes Parisinus cum aetate
(nam inter eos quibus usus est in nova editione Halmius unus Gudi-
anus ad saec. X ascendit) tum bonitate, id quod vel unus locus 615, 4
extra dubium ponit. Nam cum ibi sit in codicibus D E G sed nee
comparantur cato in (catoni D E^, in codd. BSV sed hi quidem nee
catoni comparantur, veram neque interpolatam lectionem sed hi in
pueris, Cato in dudum protulit Carolus Langius ex lacobi Susii
libro, ad quam iam lectio libri Parisini sed Jii iniueris cato in tam
prope acccdit, ut hunc librum aut gemellum esse Susiani necesse sit
aut eum ipsum. Item 622, 18 quod hodie legitur ex coniectura
Turnebi vel uxoriae condicionis id ipsum fere, scilicet vel luxoriae,
legitur in codice hoc, cum in reliquis sit vel luxuriae. Haud scio
an etiam comma quod est 627, 23 sperni ... 24 novis male adiunctum
praecedentibus nee fortasse satis aptum delendum sit, cum desit in
solo libro Parisino. Idem confirmant reliquae lectiones pauca quidem
offerentes aliunde plane ignota et nova, sed omnes ita comparatae,
ut Parisinum librum quamquam non exemptum mendis sibi propriis,
tamen in summa re reliquis omnibus praestare appareat, Proxime
autem ad eum accedunt ex Halmianis Vindobonensis 3115 (B), qui
nonnunquam vel in peculiaribus erroribus cum Parisino consentit, et
Erfurtensis (E); paulo longius absunt reliqui Gudianus (G), Bene-
dictoburanus (B)^ Salisburgensis (S), Vindobonensis 275 (V). Propter
596 hanc libri praestantiam, cum praesertim extet in bibliotheca privata,
visum est hoc loco ad editionem Halmianam a. 1862 edere variam
lectionem omnem, ut excepi ego, confirmavit quibusdam locis gener
Didoti vetus mihi familiaris Noel des Vergers. De orthographicis
autem potiora hie summatim adnotabo.
Orthographia libri in Universum proba est, cuius generis scrip-
turas praeter eas, in quibus codex cum editione consentit (ut sunt
adulescens, intellegere, neglegere aliaque complura) adnotabo paucas.
Vocabula quae semiplena scribi solent vel adeo debent, ut prae-
nomina, cos., pr. (637, 25), tr. pl, rei p., p. R., plerumque adsunt
*) [Auch W. Meyer in seiner Ausgabe der sententiae des Syrus , Leipzig
1880, ignoriert diese Hs.]
De Laelii Ciceroniani codice Didotiano narratio Theodori Mommseni. H
compendiata. Non semper sed saepissime reperitur maxumus, proxu-
mus, optumus, amicissumi (614, 25), hibklo, existuniare; raro i simplex
pro duplici (socis 616, 2; riitili 639, 8^, unde etiam in vocativo saepe
pro i legitur ii; semel Fili (620, 8), pro Philo; semper henivolentia,
valitudo, repperire, item pernitiosus (634, 1 7. 637, 33), quod notandum
cum c ei t rarissime permutentur (adnotavi tantum divicias 618, 14;
inicio 620, 20; conditionis 622, 18). In assimilatione admittenda
vel reicienda über non sibi constat, ut tamen saepius praetereatur ;
adnotavi inlustris, inpendere, inpröbus (contra implerisque 616, 12),
cmüegium, conlatus, conrohoratus, adpetere, adgnoscere, ecferre (619, 27),
exflorescere (639, 2). Ybi fluctuat usus inter c et qu, plerumque illud
scribitur, sed loquutus est 613, 32 corruptelaeque vocabuli cum inter-
dum (615, 34. 617, 8. 619, 8) indigitant scripturam archetypi quum
sive qtiom. In vocabulis syUabisve extremis permutantur & et p
(suptüius 614, 15; reahse 623, 24;, d et t (ad 623, 4; quod 619, 17.
18. 19. 629, 17; capiid^2ö, 13. 629, 10; inquid 613, 16; laut 618, 13).
Inter meros soloecismos longe frequentissimum est ae pro e, sie in
adverbiis heafae, benivolae, eaquae, maximde, item in quaerella, cae-
perunt, caeteri, interpraetari, laevitas, paenuria, praecari, praetiosus,
quaeant, quaeri, repraehendere , saeveritas, adeoque in benivolaentia
(619, 15) et in consulaere (626, 25); simile est coeperit (620, 11).
Error contrarius e pro ae ut originis recentioris ita in hoc codice
longe rarior est neque adnotavi commissum nisi sexies cause, humane, 597
fhature, vestre, Grecia, merere (616, 22). Praeterea haec adnotavi:
hemiciclio, archita — ßo pro Philo (631, 12) — aceruius (628, 10)
— contempnunt (635, 9) — hutilitas (636, 1); ospitis (619, 27); pyrro
(621, 3) — magestas (637, 17) — suppellex (627, 27) ; inbecüus (619, 12),
oportunus (618, 32) — coniunta 616, 31) — diliciis (627, 3) — poene
pro paene (634, 5). Haec etsi plena esse non spondeo, tamen suffi-
cient ad indolem codicis orthographicam recte repraesentandam.
Denique observandum est interlocutorum nomina ubi adsunt (nam
desiderantur 614, 3. 23. 29. 617, 5. 10. 620, 6. 9. 10. 12. 622, 6) in
margine scripta esse, primam autem paginam (ad p. 613, 8 utebare)
situ et usu ita detritam esse, ut aegre legatur. In edenda varia
lectione libri Parisini fP) ubi visum est notitiae causa aut de cete-
rorum librorum omnium (C) aut de certorum quorundam lectione
admonere, signa retinui Hahniana ; nota o distinguit mendas quasdam
inutiles libro Parisino proprias.*)
*) [Es folgen auf S. 597—601 die Lesarten der Hs., die in die neueren Aus-
gaben aufgenommen worden sind, hier daher nicht abgedruckt werden bis auf
zwei, zu denen Mommsen ausfuhrlichere Bemerkungen gemacht hat.]
12 De Laelii Ciceroniani codice Didotiano narratio Theodor! Mommseni.
598 623, 1 [11, 36] hecilUnum. Cassii cognomen praeter hunc locum
non invenitur nisi apud Dionysium 5, 49 [, 1] ubi quod in codd.
proditum est OYCKEAINOC, probabiliter OYEKEAINOC inter-
pretabimur; apud Chronographum a. 354, apud quem est VigelUnus
sive BigelUnus et in fastis Idatianis Siculisque, ubi in melioribus
exemplis est Vitellinus, in deterioribus quibusdam Viscellinus similesve
corruptelae. Vide C. I. L. I p. 486. 488 ad a. 252. 261. 266. 268.
Quare VisceUini nomen omnino abiciendum restituendumque Vecellini.
[Vgl. Rom. Forsch. I 107, 82. II 153, 2.]
601 637, 21 [25, 96] coaptatio PC; etiam in lege lulia municipali
(C. I. L. I p. 121) V. 86 est coaptato (cf. v. 106 coptato). Cum o
geminatam antiqua lingua non admitteret, fortasse pro ea substituerunt
modo 0, modo oa, ut pro uu scribitur modo u, modo ou.*)
*) [Vgl. coptamus C. I. L. I, 532, coptaverunt VIII, 68.]
IV.
üeber eine Blätterversetzung im zweiten Buch der
Briefe Ciceros ad Quintum fratrem.*)
Im zweiten Buche der Briefe Cicero 's an seinen Bruder herrscht 593
schon seit alten Zeiten die grösste Yerwiming, welche Jedem,
welcher Cicero's Werke für antiquarische oder historische Zwecke
benutzen will, die grössten Schwierigkeiten in den Weg legt. Die
Frage nach der Zeitfolge ist hierbei eine Vorfrage, die nicht ab-
gewiesen werden kann, und wie Drumann im Laufe seiner aus-
gezeichneten Untersuchungen vielfaltige falsche und vage Zeit-
bestimmungen hat berichtigen müssen, so wird es Jedem ergehen,
der sich ernstlich mit diesen ebenso anziehenden als schwierigen
Sammlungen beschäftigt. Für die Zeitfolge ist aber die Stellung
der Briefe von der grössten Bedeutung, so dass wir, auch abgesehen
von dem rein philologischen Interesse der Untersuchung, keine über-
flüssige Arbeit unternehmen werden, wenn wir die ursprüngliche
Reihenfolge einiger Episteln in dieser Sammlung nachweisen.
Es ist anerkannt, dass die beste Hdschr. der Briefe ad Quintum
fiatrem der codex Mediceus (plut. XLIX cod. 18) ist. Blicken wir
einmal vorläufig nur auf diesen (die Gründe, warum wir von den
übrigen noch abstrahiren, werden sich später ergeben): so stösst
*) [Zeitschrift für die Altertumswissenschaft, hrg. von Bergk und Caesar
2, 1844, Nr. 75. 76 Sp. 593—605. Die notwendige Korrektur einer Einzelheit
hat Mommsen selbst in dem ersten Teile der folgenden Abhandlung vorgenommen;
es schien aber wünschenswert, die erste und zweite Fassung hintereinander
abzudrucken, da es nur um so bewunderungswürdiger ist, wie Mommsen trotz der
falschen Angaben Orellis das Richtige gleich in der ersten Abhandlung erkannt
h£.t. Der hier geführte Nachweis ist, wie die meisten Einzelemendationen, seit-
dem Gemeingut aller Ausgaben Ciceros geworden; wichtige Nachträge und
B(!richtigungen von Einzelheiten gab W. Stemkopf, Untersuchungen zu den
Biiefen Ciceros ad Quintum fratrem, im Hermes 39, 1904, S. 383 ff.]
14 Blätterversetzung im zweiten Buch der Briefe Ciceros ad Quintum fratrem,
man gleich im ersten Briefe des zweiten Buches an. Wir ersuchen
die Leser hier die angefügte Tafel vor sich zu nehmen; wenn sie
die dort bezeichneten fünf Abschnitte nach der in der zweiten
Colonne angegebenen Ordnung disponiren, so dass also z. B. die
Worte; aperte pecunias unmittelbar auf inteUegere. Dixit folgen, so
werden sie eine genaue Darstellung der Beschaffenheit des cod. Med.
in den ersten neun Briefen dieses Buches vor sich haben, wie die-
selbe von Orelli in der Gesammtausgabe III, 1 p. 432. 438 — 440
nach del Furia's Collation angegeben ist. Auf den ersten Blick
zeigt es sich nun, dass die Worte aperte pecunias sq. nicht die
Fortsetzung der vorigen sind, dass vielmehr diese erst mit den Worten
Milo. Coepit demittere fortgehen^. Dadurch wird das Stück von
aperte pecunias bis superioris ipsius herausgelöst ; wo es einzuschieben
594 ist, bleibt nicht lange zweifelhaft, indem der Cod. bald nachher in
den Worten creditores vero regis copiis sed magna eine Lücke an-
deutet, in welche das lose Stück aperte pecunias — superiores ipsius
nach beiden Seiten hin vollkommen hineinpasst; so dass also die
richtige Ordnung ist creditores vero regis aperte pecunias superio-
res ipsius copiis. Sed magna. Wir haben hier also eine offenbare
Versetzung zweier Abschnitte der Handschrift:
II. Milo. Coepit — Creditores vero regis
I. aperte pecunias — superiores ipsius,
die alsdann wieder in richtiger Ordnung fortgeht. Dies ist auch
längst bemerkt, und sei es nun durch Conjectur sei es durch Ver-
gleichung anderer Handschriften ^ die richtige Ordnung in die Aus-
gaben übergegangen. Allein auch die nun folgenden Briefe sind in
der Handschrift keineswegs richtig geordnet. In dem Briefe PLA-
CITYRUM. TIBI, wie er im Med. und danach bei Orelli a. a. O.
S. 439 steht, ist im Anfang von dem Consul Crassus (55 a. Chr.),
dann vom Consul Lentulus (56 a. Chr.) die Eede; zwei Briefe aus
demselben zu machen, würde wenig helfen, weil der jüngere Brief
doch voranstehen würde. Ueberdies fehlt es an einem geeigneten
Anfangspunct. Wie andere mit diesem natürlich längst bemerkten
1) Ich lese Milo mit dem cod., da die Worte sententias se rogaturum negavit
quid senatus sentiret, se inteUegere. Bixit Milo. Coepit dimittere (sc. Lupus),
wenn man sie nur gehörig interpungirt, einen guten und richtigen Sinn geben.
Die Conjectur intellegere dixit. In illo coepit, die man jetzt im Text hat, ist
also nicht nöthig, obwohl sie sehr elegant ist. [Dies ist von Stemkopf a. a. 0.
S. 388fF. berichtigt worden.]
2) Der cod. Regius hat die richtige Ordnung, während der cod. Bessarionis
sich, wenn Orelli 1. c. p. 434 genau spricht, dem Med. anschliesst.
Blätterversetzung im zweiten Buch der Briefe Ciceros ad Quintum fratrem. 1 5
Fehler verfahren sind, davon nachher; uns fiel es auf, dass Niemand
auf die Idee gekommen war, ob hier nicht eine ähnliche Blatt-
versetzung zum Grunde liegen sollte, wie sie die epp. 1 — 3 früher
verunstaltete. Dass nämlich die in diesen eben bemerkte Verwirrung
auf einer Blattversetzung im archetjpon des Mediceus beruht, folgt
mit Sicherheit aus der gleichen Länge der beiden versetzten Ab-
schnitte; jeder hält etwa 56 Zeilen in der Orellischen Ausgabe.
Nun ist es doch in der That sehr leicht möglich, dass diese Blatt-
versetzung sich nicht auf jene Blätter beschränkte, sondern auch
andere Blätter der fraglichen Lage des Urcodex betraf. Möglichkeit
ist nicht Gewissheit; allein die' doppelte Yer^s-irrung ist da, die
Ursache der einen klar, und so hat es wenigstens einige "Wahrschein-
Uchkeit, wenn wir auch das zweite Yerfahren aus einer theilweise
schon bekannten Veranlassung ableiten. Zwar mit der ganz ein-
fachen Annahme, dass zwei Bogen umgestellt und dadurch die
Ordnung der Blätter 1. 2. 3. 4 in 2. 1, 4. 3 umgewandelt sei, von
denen die ersten beiden die schon bekannte, die letzten die von
uns nachzuweisende Versetzung enthielten — mit dieser Annahme, 595
sage ich, reichen wir nicht aus,*) indem zwischen den beiden ver-
wirrten Abschnitten ein richtig geordneter liegt, der sich an das
Ende des ersten superiores ipsius mit den Worten copiis. Sed mag^ia
e^'ident anschliesst. Allein die Annahme ist sehr wohl möglich»
dass der innere Theil der Lage in seiner ursprünglichen Ordnung
bheb, während die äusseren Blätter verlegt wurden. Ob dieselbe
Realität habe, ist nun zu untersuchen und zunächst zu ermitteln, wo
die Grenzpuncte der Versetzung nach inneren Gründen sein können.
Es ist schon bemerkt, dass von dem Briefe PLACITVRVM ein
Theil dem Jahr 56, ein anderer dem Jahr 55 angehört, so dass der
ältere, der vom Jahr 56, den Schluss macht. Bis zu den Worten
ad nostrum lovem revertamur ist nun ebenso offenbar von den Er-
eignissen des J. 55 die Rede, als das folgende von 'AfxcpiXacpiav aiitem
illam bis zum Ende dem J. 56 angehört; für die letzte Behauptung
mag vorläufig nur der gleich zu Anfang erwähnte Hausbau Cicero's
angeführt werden, der bekanntlich ins J. 56 fällt (Drumann 11, 332
Anm. 75). In den nach dem Cod. Med. nun folgenden Brief
DEDERAM sind in der Gestalt, wie dieser codex ihn darbietet,
ebenfalls Bestandtheile der J. 56 und 55 gemengt, nur dass hier
Ereignisse des J. 56 voranstehen. Die Verhandlungen über den
*) [Grade diese Annahme stellte sich hinterher als die richtige heraus,
S.29.]
16 Blätterversetzung im zweiten Buch der Briefe Ciceros ad Quintum fratrem.
Getreidekauf (Drumann IV, 513) und den ager Campanus (Drum. II,
322) gehören ins J. 56, während das SCtum de ambitu vom 11. Febr.
(nicht Mai: Drumann III, 279, not. 39) 55 ist. Zwar hat Tunstall
(bei Orelli a. a. O. S. 434) dasselbe in 56 gesetzt und darum diesen
letzten Theil des Briefes DEDERAM mit beispielloser Willkür in
den dritten Brief SCRIPSI. AD. TE an irgend einer beliebigen
Stelle eingerückt, indem ja beide Briefe vom Februar sind (!). Allein
der Vorschlag, dass die Prätoren 60 Tage im Privatstande bleiben
sollen, zeigt, dass eine sehr bedeutende Verspätung der Comitien
stattgefunden hatte, was nicht im Febr. 56, wohl aber im Febr. 55
der Fall war^. Auch sind die hierbei erwähnten Consuln offenbar
nicht die optimatischen des J. 56, sondern in Opposition mit dem
Senat. Genau sind freilich in diesem Briefe die den beiden Jahren
angehörenden Ereignisse nicht zu scheiden, da die dazwischen er-
wähnte Ausstossung des Furius Flaccus aus dem capitolinischen
Collegium eben so wohl dem einen als dem anderen Jahre angehören
kann. Allein so viel ist klar, dass hier der Schluss eines Briefes
und der Anfang eines andern, die beide dem Jahre 56 angehören,
zwischen die Briefe des Jahres 55 gekommen sind; es löst sich auch
hier ein Fragment ab, durch dessen Auswerfung die beiden Theile
59(5 des Briefes PLACITVRVM an einander treten. Zählen wir die
Zeilen 'A/A,q)da(piav — iacentem, so finden wir mit Einschluss des
Passus über Furius etwas über 54, wodurch einestheils unsere An-
nahme vollkommen bestätigt, andemtheils die noch nicht bestimmte
Ausstossung des Furius dem Jahr 56 zugewiesen wird.
Weiter ist nun zu untersuchen, wo das abgelöste Fragment
'Aju(piXa<piav — iacentem seine ursprüngliche Stelle hatte. In irgend
einer Stelle zwischen den Worten copiis. Sed magna — und ad
nostrum lovem revertamur im Med. müssen sie eingeschoben werden.
Dieser Abschnitt, wie er im Med. steht, also auf unserer Tafel Bl.
5. 6. 9. 10 enthält c. 106 Zeilen, also ungefähr das Doppelte der
von uns als Einheit bei dieser Blattversetzung bemerkten Zeilenzahl.
Dies passt sehr gut zu der früher gemachten Bemerkung, dass der
Anfang dieses Passus copiis. Sed magna nicht versetzt, sondern an
seiner ursprünglichen Stelle geblieben ist. Wir gewinnen nun die
1) Drum. 1,37. III, 277 fg., der übrigens das fragliche SCtum de ambitu
nicht richtig aufgefasst hat. Der Senat beschloss nicht, dass die Prätoren ihr
Amt gleich nach der Wahl antreten sollten, was sie ohnehin thaten, sondern
er unterliess es, das Gegentheil zu beschliessen ; der eigentliche Inhalt des
SCtum war eine blosse Phrase, eine Einschärfung der leges de ambitu, die
Niemand zu halten gedachte.
Blätterversetzung im zweiten Buch der Briefe Ciceros ad Quintom frairem. 17
Möglichkeit, nach diesem unversetzten Doppelblatt — bei uns
Bl. 5. 6 — wie bei der ersten Versetzung zwei Doppelblätter folgen
zu lassen, wodurch der für eine Lage erforderhche Parallelismus
vollkommen hergestellt wird. Ich sage Doppelblatt, weil es jetzt
auch klar ist, dass die Einheit bei der Versetzung nicht ein einzelnes
sondern ein Doppelblatt war. Nimmt man ein einzelnes Blatt an,
-0 würde das Versetzungsschema:
ursprüngliche Ordnung: Versetzung:
3 3
was dasselbe Resultat giebt. aber darum zu verwerfen ist, weil ein
einzelnes Blatt in der Lage keinen Platz finden kann. Bei Doppel-
blättem ist dagegen das Schema:
urspr. Ordnung: Versetzung:
3^8 1 ^ 10
wobei Alles in Ordnung ist. Es ist auch keine unwahrscheinliche
Annahme, dass in den altem weitläufig und luxuriös geschriebenen
Codices auf vier Seiten nur etwa 56 Orellische Zeilen gestanden
hätten: man vergleiche nur z. B. den rescriptus der Ciceronischen
Republik. — Wir haben also einen quinio vor uns, dessen dritter
und vierter Bogen durch irgend einen Zufall vor den ersten imd
zweiten geriethen, wodurch denn natürlich an zwei Stellen Versetzungen
itstanden, während das mittlere fünfte Blatt seine Stelle behielt.
Es bleibt noch übrig, genau die Stelle zu ermitteln, wo das
äe Doppelblatt 'AucfiXatfiav — iacentem einzuschalten ist, indem
dem Bisherigen nur noch hervorgeht, dass dasselbe etwa in der
[itte zwischen copiis. Sed magna und lovem revertamur zu stehen
)mmt. Zählen wir von lovem revertamur 56 Zeilen zurück, so
^ommen wir auf folgende Stelle: Dies erant duo, qui post Latirms
}entur religiosi; cetero confectum erat Latiar erat exiturus a. d. 597
Till. Id. Apr. sponscdia CrassijJedi praehui, die augenscheinlich
>rrupt ist. Mir scheint es sicher, dass das Wort exiturus nicht zu
jr Stelle vom Latiar gehört, worauf es allgemein bezogen wird,
mdem zu der vom Brautschmause, wo es vortrefflich passt. Dadurch
fird es leicht, die Stelle zu restituiren: Ceterum (cetero für cetera)
1 8 Blätterversetzung im zweiten Buch der Briefe Ciceros ad Quintum fratrem.
cmfedum Latiar erat Exitiirus a. d. VIII Id. Apr. sponsalia Crassi-
pedi praebui. Nachdem hier die richtige Lesart und Abtheilung
hergestellt ist, können wir die Einschaltung vornehmen. Yon Exi-
turus a. d. VIII Id. hängt alles so zusammen, dass dieselbe hier
nicht stattfinden darf; namentlich kann die Unpässlichkeit des
Quintus fil. nicht von dem gleich nachher erwähnten Besuche getrennt
werden, wo Cicero denselben völlig wohl findet. Dagegen hängt
dieser ganze Bericht mit der Erwähnung des latinischen Festes gar
nicht zusammen, während er sich, wenn man das Fragment "Afxcpdacp.
iacent. zwischen Latiar erat und exiturus einschaltet, vortrefflich
an den Anfang der Epistel DEDERAM als Fortsetzung anfügt. In
diesem will nämlich Cicero die Ereignisse vom 5. April an berichten
und beginnt in gewohnter Weise im wahren Zeitungsstyl mit denen
des 5. April selbst; worauf sehr passend die Erwähnung des Braut-
mahls vom 6. April folgt. — Zwar kommen auf diese Weise von
den 106 Zeilen dieses Abschnittes auf Blatt 5. 6 copüs. Sed magna
— Latiar erat nur etwa 50, dagegen auf Bl. 9. 10 Exiturus — rever-
tamur die gewöhnliche Zahl von 56; allein dass eines der Doppel-
blätter des archetypon einmal etwas weitläufiger geschrieben war,
ist weniger zu verwundern, als die im Ganzen in der That über-
raschende Gleichmässigkeit der von uns nachgewiesenen Abschnitte.
Die also wiederhergestellte ursprüngliche Reihenfolge der Briefe
zeigt unsere Tafel, indem sie zugleich die Doppelblätter des arche-
typon darstellt. Es ist nur noch übrig, diese Folge mit den andern
Ausgaben zu vergleichen. Um indess nicht weitläufig zu werden,
beschränken wir uns auf die Orellische. Zuvörderst ist es ein Vor-
zug unserer Umstellung, dass sie die handschriftlichen Anfangspuncte
der Briefe festhält, und dadurch zugleich es vermeidet, Cicero nach
Sardinien hin kleine nichtssagende Billete schreiben zu lassen. Die
ersten fünf Briefe dieses Buchs (nach unserer Zählung) sind detaillirte
Briefe über die häuslichen und öffentlichen Angelegenheiten, keine
fliegenden Blätter, wie Cicero sie mit Atticus von seinen Landhäusern
aus wechselt. Die kurzen Episteln, wie Orelli sie hat, wie ep. 4. 5.
7, sind offenbar für diesen Stand der Dinge nicht passend, und zum
Theil augenscheinUch fragmentarisch, wie die siebente, die fast nur
das Datum hat. Bei uns sind die sechs Briefe IV — IX Orell. in
vier zusammengezogen: SESTIVS NOSTER — DEDERAM
OLITERAS - PLACITVRVM TIBI, wie sie auch der Mediceus
hat. — Um ferner auch durch den sachlichen Zusammenhang unsere
Umstellung zu befestigen, möge es uns gestattet werden, die Briefe
in dieser Beziehung kurz durchzugehen.
ßlättervei-setzung im zweiten Buch der Briefe Ciceros ad Quintum fratrem. 1 9
Ep. IV. SESTR'S NOSTER vom März 56.
Als Tagesneuigkeit ^\'ird Sestius Freisprechung a. d. II Id. 598
Mart. gemeldet, welches Datum nicht mit Orelli in a. d. V. Id. Mart.
zu verändern, sondern eine andere Schreibart für prid. Id. ist, also
den 14. März.*) Dies ist das einzige bestimmte Datum dieses Briefes:
dass er an dem hiduum posf Lafinas geschrieben ist, hilft uns nicht
weiter, da diese conceptivae waren (Varr. 1. 1. VI. 25). — Von Privat-
angelegenheiten berichtet Cicero über den Unterricht von Quintus
Sohn: vom Hausbau beider Brüder: von TuUias bevorstehender
Verlobung (de nostra Tidlia spero cum Crassipede nos confecisse); über
Cicero's ökonomische Verlegenheit (äfxcpikacpiav desidero, vgl. Schütz
im Ind. Graeco-Lat.^, wohl mit einem Seitenblick auf die Summen,
die Marcus an Quintus schuldete (ad Att. IV, 3 fin.). — Hieran
schliessen sich die öffentlichen Angelegenheiten. Der treffliche
Consul Lentulus Marcellinus hindere den Volkstribun C. Cato seine
im Anf. Febr. (ad Qu. fr. H. 3, § 4 ad fam. I, 4, 1. nicht im Januar,
wie Drumann V, 203 hat) promulgirten Gesetze über Milo (unbe-
kannten Inhalts) und über den Proconsul von Cilicien Lentulus
Spinther (dass das Volk diesem das Imperium nehme, damit er
nicht, wie Cicero ihm rieth ad fam. I, 7, 4, aus eigener Machtvoll-
kommenheit den Ptolemaeus wieder nach Aegj-pten führe, vgl.
Drum, n, 541); ferner die Caesarianer ihre „monstra" (unbekannten
Inhalts) durchzubringen, indem er alle Comitialtage durch Erneueiamg
des Latinischen Festes und andere Mittel eximire. Von den im
Jan. d. J. so eifrig betriebenen Bestrebungen des Tribuns L. Cani-
nius. die Zurückführung des Ptolemaeus dem Pompejus zu übertragen,
sei es jetzt ganz still (Drum. II, 539, Anm. 12. der wohl nicht richtig
annimmt, dass das von Caninius projectirte Gesetz ad fam. I. 4, 1
auch durch dieses Verfahren des Marcellinus verhindert sei). —
Milo habe C. Cato's Bande gekauft und der Tribun Racilius sie
öffentlich als solche feilbieten lassen (Drum. V, 204). Der Brief
berichtet weiter über Pompejus verzweifelte Stellung, die ihn bald
zwang, sich Cäsar in die Arme zu werfen (Drum. IV, 514): ferner
über Milo's Anklage des Sex. Caelius, was wohl mit Recht in Sex.
Clodius verbessert ist (Drum. II, 386).**) — Die Worte Appius a
Caesare nondtim redierat hat man missverstanden. Gemeint ist
Appius Claudius cos. 54, der damals als Proprätor in Sardinien stand
I
*) [,M. habet notam, quae et II et F significare potest" Baiter; vgl.
Stemkopf a. a. 0. S. 407, der sich, wie auch Tyrrell-Purser (The eorrespondence
" Cicero II* 1906 S. 48), für V entscheidet.]
**) [Bestätigt von Sternkopf a. a. 0. S. 413.]
2*
20 BlätterversetzuDg im zweiten Buch der Briefe Ciceros ad Quintum fratrera.
und von da aus in Cäsars berühmte Winterquartiere zu Luca ge-
gangen war, um sich das Consulat zu verschaffen, welches er auch
für 54 erhielt. (Drum. II, 188. 111,264, der aber diese Reise des
Appius zu Cäsar mit einer andern als Consul für 54 zusammen-
zuwerfen scheint). Q. Cicero war damals als Legat des Pompejus,
dem im Sept. 57 die Oberaufsicht über die gesammte Zufuhr auf
5 Jahre übertragen war (Drum. II, 307 fg.), mit Getreidekäufen eben-
falls in Sardinien beschäftigt (pro Scauro 2, 38); ohne Zweifel sind
also Cicero's Worte nicht berichtend, sondern eine Frage an seinen
Bruder: Appius a Caesare nondum redierat? , da ja Appius nach
Sardinien, nicht nach Rom zurückkehren musste.*) — Der Brief
schliesst damit, dass man von Quintus Getreidesendungen erwarte,
sobald das Meer wieder offen sei.
599 Ep. V DEDERAM. AD. TE. vom 12. April 56.
Dederam ad te, beginnt Cicero, litteras antea, quibus erat scrip-
tum Tulliam nostram Crassipedi prid. Non.**) Apr. (4. April) esse
desponsam ceteraque de re publica privataque perscripseram. Postea
sunt haec acta. Nonis April, etc. Der Brief, von dem Cicero hier
spricht, scheint uns zu fehlen, wie ja auch Cicero nicht alle von
Quintus geschriebenen Briefe empfing (ep. 8 Orell.), da die förmliche
Anzeige von Tullia's Verlobung nirgends steht, und auch wie es
scheint, der Bericht in ep. 4 nicht viel über Mitte März hinausreicht.
Mit dem 5. April nimmt Cicero seine Erzählung wieder auf und
meldet zunächst die an diesem Tage im Senat gepflogenen Ver-
handlungen über die Getreidekäufe des Pompejus (Drum. IV, 513)
und über das Julische Ackergesetz (Drum. II, 322, Anm. 10. IV, 514);
dann die Ausstossung des Furius aus dem CoUegium Capitolinum.
Hieran schliesst sich der Bericht über die Privatangelegenheiten: den
Brautschmaus, den Cicero seinem Schwiegersohn am 6. April gegeben,
als er im Begriffe war, Rom zu verlassen; dann am Tage vor seiner
Abreise Besuch bei seinem Neffen, Besichtigung des Baues, zu Tische
bei Crassipes, seinem Schwiegersohn, nach Tische Besuch bei
Pompejus. Cenatus in hortos ad Pompeium lectica latus sunt. Lucceium
convenire non potueram, quod abfuerat. Videre autem volebam, quod
eram postridie Roma exiturus et quod ille in Sardiniam Her habebat.
Hominem conveni et ab eo petivi, ut quam primum te nobis redderet.
Statim, dixit. Erat autem iturus, ut aiebat, a. d. III. Id. Apr. ut
aut Labrone aut Pisis conscenderet. Tu mi f rater simul ut ille venerit,
*) [S. jedoch Sternkopf a. a. 0. S. 411.]
**) [Non. fehlt in der Hs,, ist aber richtig ergänzt: vgl. Sternkopf a. a. 0.
S. 412 m]
Blätterversetzung im zweiten Buch der Briefe Ciceros ad Quintum fratrem. 21
prhnam navigationem — dnmmodo idonea tenipestas sit — ne omiseris.
Diese Stelle scheint verdorben; erst wird Lucceius verfehlt, dann
heisst es ohne alle weitere Bemerkung: Hominem conreni — und
was soll überhaupt dieser Lucceius? Vergleicht man nun ad fam.
I, 9, 8 Mnrcellino et Fhüiiypo coss. Non. Äjn: mihi est senatus assensus,
ut de agro Campano freqiienti senatu Idib. Martiis referretur. —
§ 9. Hoc SCto in meatn sententiam facto Fompeitis cum mihi nihil
ostendisset se esse off'enstim (nämlich bei der Zusammenkunft am Tage
vor Ciceros Abreise) in Sardiniam et in Africam profectus est eoque
itinere Lttcam ad Caesarem venit. Yon da ging Pompejus nach
Sardinien ab. wo er Quintus traf, der bald nachher nach Italien
zurückkehrte (Dnimann III, 265. IV. 515). Hiernach scheint es mir
klar, dass die Worte videre autem voleham sq. auf Pompejus gehen,
der ja im Begriffe stand nach Sardinien zu reisen und dort seinen
Legaten abzulösen. Keinen konnte Cicero passender bitten, nt fratrem
sibi reddei-et. Allein störend bleibt die Erwähnung des Lucceius
immer: wie wäre es, wenn man für Lucceium schriebe Liu^ eum?
Wie vortrefflich dies passt, mag der Leser selbst beurtheilen: die
paläographische Leichtigkeit ('/«fj/e^tm aus luceium)^ kann nicht grösser 600
gedacht werden. — Uebrigens sind die Daten im Medic. offenbar
verschrieben. Der Tag. an dem Cicero alle diese Besuche macht,
imd den er selbst als den vor seiner Abreise bezeichnet, wird in
demselben angegeben a. d. III. Id. April*) Damit ist es in Wider-
spruch, dass Pompejus an diesem Tage gesagt haben soll, er werde
a. d. III. Id. Apr. über Pisa oder Livorno nach Sardinien abreisen ;
femer dass Cicero schon a. d. //.**) Id. Aptil. ante Jucem einen
Brief in itinere dictirt, wonach er doch wenigstens schon den andern
Tag unterwegs gewesen sein muss. Mit Bestimmtheit emendiren
lässt sich hier nicht ; die einfachste Annahme möchte sein, die beiden
letzten Daten stehen zu lassen und das erete in a. d. VII. Id. April.
(7. April) zu ändern. Es ist am natürlichsten, dass Cicero exiturtis
6. Apr. die Brautmahlzeit giebt, bei der Quintus wegen Unpässlich-
1) Lticeius ist richtiger als Lttcceius und findet sich in den alten Ausgaben
und in den Handschriften. z.B. im Reg. B. D. der epp. ad Att. (Orelli III. 2
p. XIIJ) und einem kürzlich von mir eingesehenen Handschriftenfragment. —
Der Name ist offenbar das Adjectiv von Lucius, wie Marcius von Marcus; die
adjectivischen Endungen auf eins sind häu%. [Vgl. W. Schulze. Zur Gesch. lat.
Eigennamen, Berlin 1904, S. :359. 426.]
*) [M. hat im Text VI, Obergeschrieben III. Die schon vor Mommseu
von Wesenberg vorgenommene Änderung dieser Zahl in T'JJist in die neueren Aus-
gaben übergegangen. Die Überlieferung VI verteidigt Sternkopf a. a. 0. S. 414 f.]
**) [Überliefert ist statt II vielmehr y, was andere in V oder VI ändern.]
22 Blätterversetzung im zweiten Buch der Briefe Ciceros ad Quintum fratrem.
keit fehlt, dann am folgenden Tage 7. Apr. sich nach dessen Befinden
erkundigt, bei seinem Schwiegersohn die Gegenmahlzeit einnimmt
und seine Angelegenheiten zur Abreise ordnet, die dann am 8. April
stattfindet. Damit verträgt es sich, dass Pompejus am 11. Rom zu
verlassen dachte, und das Datum des Briefes vom 12. April, obwohl
ich diesen Zahlen nicht viel vertrauen möchte. Soviel ist gewiss,
dass Cicero etwa einen Monat auf dem Lande sich aufhalten und
erst prid. non. Mai, (6. Mai) wieder in Rom sein wollte, quoniam in
Non. Maias Miloni dies prodicta est. Die letzten Worte hat
Drumann II, 326, Anm. 34 missverstanden. Prodita, was der Med.
hat, ist gar Nichts, offenbar ist mit Orelli und A. prodicta zu
schreiben.*) Da nun aber prodicere technisch nur von den Volks-
gerichten steht, so ist es nicht zu billigen, wenn Drumann diesen
Termin auf „einen andern Rechtshandel" bezieht, als auf den von
Clodius am 2. Febr. 56 gegen Milo eingeleiteten. Dass dieser eine
diei dictio ad populum war, scheint dem trefflichen Historiker über-
haupt entgangen zu sein, obgleich es sowohl aus Cic. pro Sest. 44, 95.
pro Mil. 15, 40 und dazu schol. Bob. p. 288. Ascon. in Mil. 14, 38 p. 49
Or. [43 K.- Seh.], als auch aus dem Formellen des Verfahrens deut-
lich hervorgeht. Dass aber zwei verschiedene Processe gegen Milo
beim Volke in dieser Zeit eingeleitet seien, wird Drumann selbst
nicht behaupten wollen. Der weite Zwischenraum zwischen der
dritten und vierten Verhandlung (17. Febr. — 7. Mai), der Drumann
bedenklich gewesen zu sein scheint, ist aus dem Princip der quattuor
accusationes zu erklären, dessen richtiges Verhältniss ich an einem
andern Orte mittheilen werde.**)
601 Ep. VI. 0. LITTERAS aus der Mitte Mai 56.
Ein kurzes Glückwünschungsschreiben an Quintus nach dessen
Rückkehr aus Sardinien, wahrscheinlich von Rom aus nach dem
Orte hingeschrieben, wo der Bruder gelandet war. Uebrigens hat
Orelli hier eine Interpolation im Texte, der im Medic. so lautet:
Mihi cum sua sponte iucundum (Gabinio supplicationem esse negatam)
tum iucundius quod me absente est enim elkxgivkg iudicium sine
oppugnatione sine gratia nostra eram ante quod Idibus et postridie
fuerat dictum de agro Campano actum iri non est actum***) Dies
ist corrupt, aber sehr leicht; für est enim ist etenim und erat für
*) [Die Emendation stammt von Victorius.J
**) [Vgl. Neue Jenaische allg. Literaturzeitung (1844) S. 251 und Staats-
recht 3, S. 354 ff.. Strafrecht S. 165.]
***) [Die Hs. hat vielmehr non (dies in Rasur von anderer Hand) ut est
actum. Vgl. über die ganze Stelle Sternkopf a. a. 0. S. 416 f.]
1
Blätterversetzung im zweiten Buch der Briefe Ciceros ad Quintum fratrem. 23
ram zu schreiben, wo denn abzutheilen ist: quod nie dbsente. Etenim
— erat. Ante quod etc. Orellis Conjectur*) Eram Antü, so scharf-
sinnig sie ist, ist darum zu verwerfen, weil Cicero als Grund seiner
Abwesenheit nicht die Unparteilichkeit, sondern nur die Bedenklich-
keit des Gerichts hätte nennen können.
Ep. YII. PLACITVRYM. TIBI vom Februar 55.
Zwischen diesem und dem voiigen Briefe liegt fast ein Jahr,
in dem die Brüder, wie Cicero es früher gehofft hatte, contuhernales
waren. lieber die Zeitbestimmung und Anordnung dieses Briefes ist
es überflüssig weiter zu sprechen, da theils schon oben davon die Rede
war, theils hier und in dem vorigen Briefe die gewöhnliche An-
ordnung mit der unsrigen übereinstimmt. — Soviel dürfen wir be-
haupten, dass die von uns angestellte Uebersicht des Factischen,
das in diesen Briefen enthalten ist, nirgends das geringste Bedenken
gegen unsere Anordnung ergeben und in ihrem Totaleindruck das
auf kritischem Wege gewonnene Resultat bestätigt hat. Es bleibt
ims nur noch übrig, die gewöhnliche Disposition dieser Briefe mit
der unsrigen zu vergleichen.
Im Ganzen muss man sagen, dass die gemeine Ordnung, wie
sie sich seit Manutius in allen Ausgaben (mit Ausnahme der Yicto-
riana, die dem Med. genau folgt) im Wesentlichen gleichförmig
findet, auf einer tappenden Verbesserung der offenbaren Fehler
beruht, wie dies ja auch nicht anders sein konnte, wenn man zwar
die Existenz der Verwirrung, aber nicht deren Quelle und somit die
sichere Abhülfe einsah. Dass das Fragment äuq:da<piav — iacentem 602
dem J. 56 angehöre und den Zusammenhang zwischen lovem rever-
tanmr und A. d. III. Id. Febr. SCtum factum est de ambitu unge-
hörig unterbreche, begriff man; man rückte diese Stellen zusammen;
allein wo nun hin mit dem losen Bruchstück? Man hatte den
Schluss eines Briefes, den Anfang eines andern ; den letzten Dederam
— iacentem Hess man für sich stehen, übrigens aber schob man ihn
im Ganzen an die richtige Stelle ein. Am verlegensten und unglück-
lichsten war man mit dem Abschnitt äfjicfdacpiav — m'i f rater, vale;
man hängte denselben an die AVorte m omiseris im 6. Briefe (nach
Orelli's Zählung), wo sie den im Medic. ganz richtigen Zusammen-
hang unterbrechen und zwischen Cicero's Anstalten zur Reise und
den Reiseplan auf die verkehrteste Weise eingeschoben sind. Da-
durch kam es denn, dass der vierte Brief SESTIYS. NOSTER.
seines Schlusses entbehrte, wofür das Wort exiturus. das den Anfang
■*) [Sie findet sich schon in der Ausgabe des Manutius.]
24 Blätterversetzung im zweiten Buch der Briefe Ciceros ad Quintum fratreni.
des 6ten Briefes bei Orelli hätte machen sollen, an demselben
hängen blieb; ein Fehler, dessen Entdeckung dadurch erschwert
ward, dass mittlerweile zwischen den vierten und sechsten Brief
übrigens richtig der fünfte Orellische eingeschoben war. Der Brief
DEDERAM ward gar gänzlich zerstückt und muss aus vier Briefen
Orelli's zusammengesetzt werden, indem der Anfang bis iacenfem
eine eigene Epistel bildet (ep. 5 Or.), das Wort exiturus beim vierten
Briefe geblieben war, die folgenden Worte a. d. VIII. Id. Apr.
sponsalia ohne handschriftliche Beglaubigung und ohne Wahrschein-
lichkeit zum Anfang eines eigenen Briefes, des sechsten, gemacht
waren ^, und endlich der Schluss des Briefes durch ungehörige Ein-
schiebung des Fragments a[xcpdaq)iav — mi f rater vale von dem
Haupttheil getrennt und wieder zu einem eigenen wunderlich unbe-
deutenden Briefe constituirt war. Wenn also auch hin und wieder
Ansätze zu einer richtigeren Ordnung sich zeigen, so war die positive
Verwirrung doch bisher noch gross genug, wenn man es auch für nichts
anschlagen will, dass erst jetzt die niedere Kritik die höhere recht-
fertigt und ergänzt, und an die Stelle der principlosen Versetzung
eine sichere kritische Vermuthung tritt.
Bisher ist nur von der Ordnung der Florentiner Handschrift
einer- und der postmanutianischen Ausgaben andererseits die Rede
603 gewesen. Wir müssen jetzt noch einen Blick auf die kritischen
Hülfsmittel überhaupt werfen. Jener Codex ist eine von Petrarca
genommene Abschrift*) der Briefe Ciceio's ad Brutum, ad Quintum
fratrem, ad Atticum aus einem gemeinschaftlichen längst verlornen
Original (Orelli in opp. Cic. vol. III pars 2 p. V— VII). Dass indess
dieses letztere nicht die (xrundschrift aller vorhandenen Handschriften
dieser Briefsammlungen ist, steht fest, indem der Mediceus selbst
mehrere bedeutende Lücken hat, welche in anderen Handschr. und
Ausgaben ergänzt sind (Orelli a. a. 0. p. XVI. XVII). Allein so
weit meine Bemerkungen reichen, erstrecken sich die Lesarten der
Familia Gallicana, aus der diese Verbesserungen herzurühren scheinen,
nur auf die Briefe ad Atticum. nicht auf die damit verbundenen
1) Diesen Fehler hätte naan jeden Falls vermeiden können, wie denn auch
Lambin die epp. 5. (j combinirt hat. Selbst in der Aldina 1564, die Manut.
folgt, sind sie verbunden.
*) [Daß der Med. 49. 18 die von Petrarca aus der verlorenen Urhs. ge-
nommene Abschrift sei, hat sich inzwischen als irrtümlich herausgestellt. Da-
gegen ist das, was Mommsen weiterhin über die hs. Grundlage der Briefe ad
Q. ausführt, bisher nicht widerlegt: vgl. die Ausgabe Pursers (Cic. epistulae
vol. III, Oxford 1902, praef.).]
Blätterversetzung im zweiten Buch der Briefe Ciceros ad Quintum fratrem. 25
anderen Briefsammlungen, so dass also namentlich für die Briefe an
Quintus nur eine Handschriftenfamilie, die italienische, zu existiren
scheint (vgl. auch Orelli vol. IIL pai-s l. p. 375 von den Briefen ad
Qu. Fr.: Diversas edd. familias nondum investigavi: nam si eos cum
Mediceo compares, magis minusve correctos ab Italis, magis minusve
interpolatos reperies omnes nunc notos). Für die Richtigkeit dieser
Annahme ist die von uns nachgewiesene Versetzung entscheidend,
sowie umgekehrt der Xachweis, dass auch bei den Briefen ad Qu.
Fr. eine vom Original des Medic. unabhängige FamiUe existirte,
unsere Hjpothese wankend machen würde. Das scheint gewiss, dass
alle übrigen Hdschr. und die Ausgaben vor Manutius in den Briefen
4 — 9 im Wesentlichen die Ordnung des Mediceus befolgen. Zwar
haben wir nur die Ascensiana von 1511 fol. und eine Aldina von
1513. S. einsehen können: allein da diese sich durchaus dem Med.
conformiren und Orelli wenigstens (a. a. O. p. 434) angibt, dass in
allen Hdschr. und den Ausgaben vor Manutius seine ep. V mit
ep. IX, § 3 wie im Med. verbunden ist, so ist mit einer an Gewiss-
heit grenzenden AVahrscheinlichkeit zu behaupten, dass die Ordnung
des Med. die bis auf Manutius allgemeine und die von uns nach-
gewiesene in keiner Handschrift enthalten ist. — Eine Abweichung
findet sich in dem codex Bessarionis (übrigens höchst wahrscheinlich
einer blossen Copie des Mediceus, Orelli HI, 2, p. 9 in fine) nach
Manutius Angabe (bei Orelli HI. 1 p. 434), indem hier der Passus
dederam — iacentem nach den Worten superiores ipsius copnis ein-
gerückt war und damit ein eigener, ausserdem noch den Schluss
des dritten Briefes von Sed magna manus an enthaltender, Brief
begann. So wenigstens verstehe ich die dunkeln Worte. Dass diese
Abweichung nichts ist als eine schlechte Emendation des im Med.
vorliegenden Textes, bedarf keines Beweises , obwohl sie wahr-
scheinlich Manutius zu seiner Umstellung veranlasst hat. Sollten
sich auch noch in andern Handschr. ähnliche Umstellungen finden,
so würden diese doch nur dann von Wichtigkeit sein, wenn sie sich
nicht mit Leichtigkeit aus Yerbesserungsversuchen des im Med. vor-
liegenden Textes ableiten Hessen. So findet sich die erste Versetzung
in epp. 1 — 3 schon in Hdschr. berichtigt ; allein schon Orelli bemerkte,
dass diese Verbesserung nicht nothwendig aus einer dem archetypon 604
des Med. coordinirten Hdschr. zu erklären sei. sondern gar wohl a
peracuto aliquo Italo sec. XV herrühren könne. Dass dieselben
Gelehrten auch an der zweiten Versetzung Anstoss nahmen, und
wenn es auch ihnen hier nicht gelang, die richtige Ordnung wieder
herzustellen, doch derselben sich näherten, ist begreiflich. So sah
•76 Blätterversetzung im zweiten Buch der Briefe Ciceros ad Quintum fratrem.
der Schreiber des Cod. Bessar. ein, dass die Verlobung Tullia's mit
Crassipes ins Jahr 56 falle, und warf darum den Passus dederam —
iacmtem, freilich auf eine sehr unglückliche Weise, unter die Briefe
des J. 50, nach den Worten ipsms copiis; wahrscheinlich in der
Annahme, dass hier ja die (damals schon berichtigte — denn das
Wort copiis steht an seinem Orte — ) erste Versetzung aufhöre und
dies Fragment noch dazu gehört haben möge. — Wir müssen also
weiter gehen als Orelli; wir müssen die richtige Ordnung einiger
Handschriften in epp. 1-3 mit Sicherheit als die scharfsinnige Con-
jectur eines Gelehrten des 15. Jahrhunderts bezeichnen, indem eine
Handschrift aus einer andern Familie auch in der zweiten mit der
ersten zusammenhängenden und bisher nicht befriedigend gehobenen
Versetzung die ursprüngliche Ordnung geboten haben würde; wir
müssen endlich mit Bestimmtheit behaupten, dass unser Text der
Briefe ad Qu. Fr. auf einer einzigen verlornen Hdschr., dem arche-
typon des cod. Med. beruht, ebenso wie durch Orelli's vortreffliche
Beweisführung es für mich wenigstens zur Evidenz gebracht ist, dass
das archetypon aller unserer Hdschr. der Briefe ad familiäres der
noch vorhandene Florentiner Codex plut. XLIX cod. 9 ist^. Die
weitere Untersuchung, ob aus dem archetypon des Med. plut. eod.
cod. 1 8 noch andere Abschriften direct geflossen oder ob alle übrigen
Handschriften Copien der angeblichen petrarchischen Abschrift sind,
ist von unserer Entdeckung unabhängig.
1) Orelli's Gegner in Bezug auf die Briefe ad famil. [ — daß sie im Recht
waren, haben neuere Handschriftenfunde gelehrt — ] könnten sich allenfalls auf
die berühmte Verheftung im letzten Titel des Florentiner Pandectenexemplars
berufen , die in alle andern Handschr. übergegangen ist und erst im 16. Jahr-
hundert von Ant. Augustinus entdeckt wurde; während doch kürzlich von
Savigny erwiesen ist, dass die Pandecten keineswegs auf der litera Pisana allein
beruhen. Allein die Verhältnisse sind nicht gleich. Einmal konnte auch der,
weicher zwei verschieden geordnete Exemplare des Titels de regulis iuris vor
sich hatte, die falsche Ordnung vorziehen, da nur durch genaue Nachforschung
die ursprünglich beabsichtigte ermittelt werden konnte. Für die Briefe gilt
dies nicht. Dann ist es unbestreitbar, dass das Mittelalter andere dem Flor,
coordinirte Pandectenhandschriften kannte, dagegen nur eine Handschrift der
Briefe seit Petrarca erwähnt wird, ferner sind die Ergänzungen der andern
Hdschr. in Vergleich mit der Flor, unendlich bedeutender und zahlreicher als
die eine von Wunder in den Briefen angeführte. Endlich ist es mir selbst
nach Savigny's Darstellung immer höchst wahrscheinlich erschienen, dass die
sog. vulgata auf einer vollständigen Pandectenhandschr. (der Flor.) und einer
am Ende defecten beruht, so dass für das sog. digestum novum, in das die
Verheftung lUllt, in der That die Flor, das einzige archetypon ist, wie ja denn
auch, was hier fehlt, erst aus den Basiliken von Cujaz ergänzt ist. Wir kommen
vielleicht vor dem juristischen Publicum hierauf zurück. [Vgl. die Prolegomena
zHr großen Ausgabe der Digesten, S. XII ff.l
Blätter Versetzung im zweiten Buch der Briefe Ciceros ad Quintum fratrem. 27
Dieses zweite Resultat unserer Untersuchung, das die ganze
Textesconstitution bedingt und leicht das wichtigere von beiden sein
möchte, setzt allerdings noch eine genaue Prüfung der varia lectio 605
voraus, ehe es als sicher auzusehen ist. Wir überlassen diese, wie
billig, unsern philologischen Grenznachbarn. Das erste Bedürfniss
möchte eine genauere Yergleichung des Mediceus selbst sein, dessen
von Orelli mitgetheilte Collation keineswegs ausreicht; aber auch
die Beschaffenheit der schlechtem Handschriften ist besonders im
zweiten Buche genauer zu prüfen.*) Möge unsere Bitte namentlich
an den sospitator der literae Tullianae, an Orelli, der ja schon längst
eine neue Ausgabe der ciceronischen Briefe vorbereitet, nicht ver-
gebens ergehen, diese Untersuchung, auf welcher die Textescritik einer
für uns so wichtigen Quelle beruht, aufnehmen, und wenn unsere
Resultate sich bewähren, weiter und zum Abschluss führen zu wollen.
Folia ar-
chetypi.
male
recte
dispo-
sita.
dispo-
sita.
AD QVINTVM FRATREM.
L. II.
quid senatus seutiret, se intelJigere. Dixit
Milo. Coepit dimittere
NON. OCCVPATIONE»
quid cupiant, omnes videut. Creditores vero regis
apert« pecunias suppeditant contra Lentulum.
SCRIPSI. AD. TE
In eo multo sumus superiores ipsius
copiis. Sed magna manus ex Piceno et Gallia.
SESTIVS NOSTER
habentur religiosi. C'etenam confectum Latiar erat
'Afi<pi}M(piav autem illam, quam tu soles dicere.
DEDERAM. AD. TE
praesentem ad pedes uniuscuiusque iacentem . .
Exiturus a. d. VIII. Id. Apr. sponsalia Crassipedi praebui.
A. d. II. Id. Apr. ante lucem hanc epistolam . .
O. LITERA.S
PLACITVRVM TIBI
Sin minus, ad nostrum lovem revertamur . . .
A. d. III. Id. Febr. SCtum est factum de ambitu.
Series epi-
stolamm.
nostra
dispos.
Orelli-
1. 2. 3. 4
ep. 1.
contin.
ep. 2.
ep. 1.
contin.
ep. 2.
1. 2.
ep.
ep.
5. 6.
5. 6.
7. 8.
9. 10.
ep. 4.
ep. 5.
ep. 6.
pars
altera
ep. 5.
9. 10.
7. 8.
ep. 6.
ep. 7.
ep. 6.
pai-s
prior
ep, 7,
ep. 8.
ep. 9.
*) [Die letztere Forderung ist noch immer nicht vollkommen erfüllt.]
1) Die Lapidarschrift bezeichnet die von uns angenommenen Briefanfänge.
V.
Die Florentiner Handschrift der Briefe des Cicero.*)
779 Sie fragen mich, geehrter Herr, ob ich Ihnen nicht jetzt, seit
ich die berühmte Florentiner Handschrift der Briefe ad Quintum
j&*atrem und ad Atticum selbst gesehen habe, zu meinem Aufsatz
über eine Blätterversetzung im zweiten Buche der ersteren Samm-
lung (Jahrg. n N. 75 fg.) einen Nachtrag mitzutheilen habe. Aller-
dings bin ich im Stande die damals aufgestellte Yermuthung jetzt
besser zu stützen und gerade durch eine Thatsache, die mich im
ersten Augenblick, wo ich sie wahrnahm, befürchten Hess, ganz
umsonst gearbeitet zu haben. Die bei Orelli mitgetheilte Collation,
auf die ich meine Hypothese gründete, ist nämlich wie in vielen
andern Dingen, so auch in Betreff der Ordnung der Briefe im zweiten
Buch ganz unzuverlässig. Die handschriftliche Ueb erlief erung, wie
780 sie nicht bloss der Mediceus, sondern auch alle anderen nicht zurecht
corrigirten Handschriften z. B. die pariser und vaticanischen haben,
ist constant folgende:
se intelligere dixit.
omnes vident. Creditores vero regis^ aperte pecunias — bis In
eo midto sumus superiores ipsius.
Milo coepit dimittere bis familiäres eins quid cupianf
'Aju(pda(piav autem illam quam tu soles dicere — bis praesentem ad
pedes uniuscuiusque iacentem
copiis, sed magna manus ex Jficeno — bis Ceterum confectum
Latiar o'at
Exiturus a. d. VIII. Id. Apr. sponsalia u. s. w.
*) [Zeitschrift für die Alterturaswissenschaft hrg. von Bergk und Caesar
3, 1845, Nr. 98. 99. Sp. 779-787. Der erste Teil dieser in der Form eine.%
,Keiseberichtes" aus Florenz an die Redaktion der genannten Zeitschrift ge-
sandten Abhandlung ist die Fortsetzung der unter der vorigen Nummer zum
Abdruck gebrachten.]
1) Unwesentlich war der Fehler, dass die orellische Collation diese fünf
Worte o. V. c. v. r. nach cupiant stellte.
Die Florentiner Handschrift der Briefe des Cicero. 29
oder, wenn Sie die Tafel, die ich meinem früheren Aufsatz beigab,
vergleichen: es folgen in den Handschriften die Stücke, wie ich sie
in der ersten Colurane (folia archetypi recte disposita) numerirt
habe, also aufeinander;
3. 4
l. 2
7. 8
5. 6
9. 10
So kommen wir denn freilich bedeutend leichter zum Ziele; die
künstliche Annahme von einem quinio. dessen dritter und vierter
Bogen vor den ersten und zweiten gerathen und das Mittelblatt an
seiner Stelle geblieben — eine Annahme, die mir selbst bei der
evidenten Richtigkeit des Resultats viele Bedenken erregte, können
wir jetzt bei Seite werfen und die einfachste Versetzung von vier
Blättern (2. 1. 4. 3 statt 1. 2. 3. 4) dafür substituiren. Von dem
Worte Exiturus an ist in den Handschriften genau die Ordnung,
wie ich sie vorgeschlagen habe und nur in den Ausgaben ist durch
eine der beliebten kritischen Halbheiten das Fragment 'Aju(fiXa(piav
— lacentem, das man auswerfen musste, um die offenbar zusammen-
gehörenden Worte superiores ipsius und copiis an einander zu rücken,
ungeschickt hinter reiertamur eingeschaltet worden, wodurch denn
freilich der Kritik die Wiederauffindung der ursprünglichen Ordnung
in diesem Abschnitt ungemein erschwert war. Ich darf aber hoffen,
dass nun, wo zu dieser inneren Richtigkeit der früher vorgeschlage-
nen Disposition eine äussere Autorität hinzukommt, dieselbe als
kritisch gesichert wird gelten können.
Da ich Ihnen einmal über diese Blätterversetzung in den Briefen
schreibe, so benutze ich die Gelegenheit noch eine zweite aufzu-
decken, die den Schluss des vierten Buches der Briefe ad Atüciim
verunstaltet.*) Die handschriftliche Ordnung, die bei Orelli p. 108
in der zweiten Columne richtig angegeben ist, hat man auch an
dieser Stelle in den Ausgaben zerstört und ohne etwas Besseres an
<lie Stelle zu setzen sich begnügt, die Stücke noch etwas mehr durch-
einander zu werfen. Dass der Grund der Verwirrung eine Trans-
])08ition ist, kann dem aufmerksamen Leser nicht entgehen. Im 781
Anfange des sechzehnten Briefes sagt Cicero, dass er den ihm von
M. Paccius übergebenen Brief beantworten wolle. Er erwiedert nun
*) [Die folgende Darlegung ist von Sternkopf, Hermes 40, 1905. S. 1 ff.
geprüft und in ihren sämtlichen Hauptergebnissen als richtig befanden worden.]
20 Die Florentiner Handschrift der Briefe des Cicero.
auch zuerst in Betreff der Bücher über den Staat, dann über Privat-
angelegenheiten (bei § 4 einen neuen Brief anfangen zu lassen ist
nicht nöthig), auf die Anfrage über C. Cato, über den Prozess des
Drusus, der im Juli beginnen sollte, und andre politische Neuigkeiten.
Soweit hängt alles wohl zusammen. Aber nun folgt auf einmal ein
Bericht über die skandalöse Coition der Candidaten des Consulats
im J. 700 und Memmius Denunciation derselben, der das Datum
vom ersten October hat (§ 7). Dies Fragment muss also von dem
Anfang abgelöst werden. — Dagegen gehören die Worte, die jetzt
ep. XVI § 13 stehen — Paccianae epistolae respondi — augenschein-
lich zusammen mit dem Anfang des sechzehnten Briefes, eben der
Antwort auf die epistola Pacciana und danach wird auch, was jetzt
XVn, 2 bis zu den Worten Catone praesertim ahsoluto steht, hierher
zu ziehen sein, denn in den Handschriften geht dieser Passus un-
mittelbar dem Paccianae epistolae respondi voraus und ist nur in
den Ausgaben mit grenzenloser Willkür davon getrennt. Soviel ist
also klar, dass in XVI, § 1—12, XVII, § 3, XVII, § 1—2, XVI,
13 — 15, XVIII — so ist die handschriftliche Folge — , da XVI, 5
und XVI, 13 zusammengehören, XVI, 6 sq. aber später gestanden
haben muss, ein Stück eingeschoben ist, und es kommt nur darauf
an die Ränder zu ermitteln. In XVI, 5. 6 ist die Fuge offenbar in
der corrupten Phrase enthalten:
senatus consultum quod hie consules de provinciis fecerUnt QUICUN-
QUE POSTHAC non mihi ut quod (ita Med.) iam inteUegebamus
(intellegebas Med. m. \) enuntiationem illam Memmii valde Caesari
displicere (Med. despicerem) ;
denn während der Anfang noch zu dem politischen Tagesbericht
vom Quintil gehört, ist die enuntiatio Memmii offenbar schon aus
dem Briefe vom Oktober. Die entsprechende Fuge muss in XVII,
1 . 2 gesucht werden und zwar in dem Satze :
Quin tu huc advolas et (Med. sed) incisis illius nostrae reipublicac
germane (ita Med.) putavi de nummis ante comitia tributim uno
loco divisis palam inde ahsolutum Gahinittm detur esse valitunim.
De Messala quod quaeris quid scribam nescio ; nunquam ego vidi
tarn pares candidatos.
Denn die Freisprechung des Gabinius fällt bedeutend später als der
Bericht über die Consularcandidaten, der noch vor der ärgerlichen
Coition derselben geschrieben ist und vortrefflich in den Bericht von
Quintil passt. Demnach füge ich folgendermassen zusammen:
Die Florentiner Handschrift der Briefe des Cicero. 31
Senahis cmisiiUum quod Jiic consules de provinciis fecerimt: QÜI-
CUNQUE POSTHAC non mihi vi\detur esse valiturum.
Sie sehen, wie gut dies passt; die kleine Aendening von ut in
vi hat besonders im Mediceus nicht das geringste Bedenken. Damit
ist der erste Brief OCCUPATIONUM. MEARUM ^N-ieder hergestellt:
er wird aus folgenden Stücken zusammenzusetzen sein: 7S2
Orelli.
XVI, 1 — 5 Occupationwn mearum — wow mihi vi
XVII, 1 fin. — 2 detur esse valiturum — Catone praesertim ahsohtto
XVI, 13 -fin. Paccianae epistolae — de Eutychide quid egeris.
Wer sie in diesem Zusammenhange liest, wird nirgends Anstoss
nehmen; für das Zusammengehören der Fragmente ist auch noch
die doppelte Erwähnung von C. Cato's Freisprechung geltend zu
machen, XVI. 5. XVII, 2; umgekehrt ist zu beachten, dass in diesem
Briefe Drusus und Scaurus Anklage (XVI, 5. XVIl, 2), in einem
anderen ihre Freisprechung erwähnt wird.
Gehen wir weiter in unserer Untersuchung, die freilich einige
Geduld erfordert, nicht so sehr wegen ihrer inneren Schwierigkeit,
als weil der heillose Zustand der Ausgaben den Ueberblick der
handschriftlichen Grundlage unmöglich macht, so finden wir in den
Manuscripten nach dem Schluss des Briefes vom Juli — de Eutychide
quid egeris den mit den Worten PVTO. TE. EXISTDIARE be-
ginnenden (XVm Orell.). Dieser Brief hebt an. wie natürlich, mit
der Neuigkeit von der infamen Coition der Candidaten mit den
Consuln und Memmius Anzeige davon; bald aber stösst man auch
hier an:
Memmius dirempta coitione invito Calvitio plane refrixerat et eo
magis nunc cociace dictaturam fruere ^ iustitio et omnium rerum
licentia. Perspice aequitatem animi mei u. s. w.
Denn wenn man auch den schroffen Uebergang von dem Bericht
über die Coition zu dem über Ciceros Ergebung in das Schicksal
und sein gutes Verhältniss zu Caesar sich gefallen lassen und ihn
roit der Corruptel entschuldigen will, so ist doch entscheidend, dass
aus dem Schluss der ep. 18 der Brief offenbar geschrieben ist, als
Cicero Atticus Landung erfahren und ihn in wenigen Tagen zu sehen
erwartete; das passt eben so schlecht zu dem Anfang von ep. 18
('A)ca et itinera tua nihil habere certi videoj als vortreffUch zu ep. 17:
0 expectatas mihi tiias litter as! o gratum adventum! Kommt nun
hinzu, dass wir in XVI, 6 den Schluss eines Berichtes über die
1) tum steht nicht im Med.
32
Die Florentiner Handschrift der Briefe des Cicero.
Coition lesen und dass diesem in XVIII, 2. 3 eben der Schluss
fehlt, — die Angabe über die Processe nämlich, die durchaus nicht
wegbleiben kann, — so ist wohl unzweifelhaft, dass hier wieder eine
Fuge entdeckt ist und wir nur die Stücke zusammenzusetzen haben.
Wir fanden oben bei Ablösung des ersten Fragments, dass für das
zweite nachblieb:
.... quod iam intellegebamus enuntiaiionem illam Memmii Caesari
valde dispUcere
und sehr natürlich schliesst sich dies an die obenstehenden Worte an :
Memmius dirempta coitione invito Calvino plane refrixerat et eo
783 magis nunc hoc iacet quod iam intellegebamus enuntiationem illam
Memmii Caesari valde dispUcere.
Ob in dem verdorbenen cociace gerade hoc iacet steckt, will ich
freilich nicht versichern , obgleich die Aenderung leicht ist, denn
das c ist wie unzähligemal im Med. nur falsche Gemination und wull
man einen handschriftlichen Beleg für das ^, so kann man daran
erinnern, dass vor dem quod die Handschrift ut hat und das letzte
t davon ebenso gut das uns fehlende als aus dem i von vi entstanden
sein kann. Doch est modus in rebus!*) — So viel scheint mir
gewiss, dass die Fortsetzung des Briefes PÜTO. TE in XYI, 6 sq.
zu suchen ist, wo auch bis zum Schluss des § 6 wohl Corruptelen,
aber keine Lücken sich finden ; im Gegentheil bezieht sich Alles auf
die eine grosse Tagesneuigkeit, den Ambitus der Consularcandidaten
und die daraus resultirenden Processe. Der zweite Brief PVTO.
TE besteht demnach aus folgenden zwei Stücken:
Orelli.
XVIII, 1 — 3 in. Puto te existimare — et eo magis nunc hoc iacet
XVI, 6 — 8. quod iam intelligehamus — nihil reperio.
Geschrieben ist er 30. Sept. 1. Oct., was sehr wohl dazu passt, dass
Cicero im Anfang sich über sein langes Stillschweigen entschuldigt
und der vorige Brief vom Juli war. Von dem nun folgenden dritten
Briefe fehlt uns der Anfang,**) wie vielleicht von dem vorigen der
Schluss. Für uns beginnt er XVI, 2: Ntmc ut opinionem haheas
verum ferendum est. Dass dies nicht bloss Corruptel ist, — Lambin
hat, aber schwerlich aus dem Turnesianus: Nunc de Gäbinio habe
absoluto. Verum ferendum est — geht schon daraus hervor, dass
*) [Vgl. über die Korruptel und Momnisens Besserungsversuch Purser, The
correspondence of Cicero IP, 1906, S. 179. Abweichend Stemkopf a. a. 0.
S. 30 f. 40.]
**) [Anders hierüber Sternkopf S. 34 ff.]
Die Florentiner Handschrift der Briefe des Cicero. 33
auch bei dieser Lesart der Anfang noch gar nicht befriedigt; eine
80 wichtige Neuigkeit, die Atticus noch unbekannt sein musste, konnte
80 nicht eingeführt werden, und wo will man hin mit dem ille inquies
vi ferebat? Die Hauptsache aber ist, dass in diesem Briefe es
heisst (§ 11): Candidati consulares onmes rei ambittis, wogegen in dem
Briefe PVTO. TE am Schluss gesagt ist: Tres candidati fare rei
putabanhir ; ein anderer Brief liegt also jedenfalls vor und wahr-
scheinlich mit einem Defect im Anfang, etwa vor ferendum est, so
dass nunc — rerum .... noch zu dem Briefe PVTO. TE gehören
würde. Uebrigens ist dieser Brief nur in den Ausgaben, nicht in
den Handschriften zerrissen; es gehören dazu
Orelli
XVI, 9 — 12 ferendum est — in Ciliciam cogitat.
XVII, 3 Ah Quinto fratre — Epheso a. d. V. Id. Sext. datas.
Geschrieben ist er Ende Okt. oder Anfang Nov.; Cicero schreibt
darin, dass Pomptinus a. d. IV. Non. Nov. triumphiren wolle und er
die letzten Briefe aus Britannien a. d. IX. Kai. Nov. empfangen habe.
Der letzte Brief endlich, mit dem das Buch schliesst und schliessen
muss, ist das kurze Schreiben 0 EXSPECTATAS ep. XVH, womit
Cicero dem Atticus zu seiner Landung in Italien Glück wünscht und 784
ihm einige eilige Nachrichten zum Vorschmack ihrer Gespräche mit-
theilt. Wie gedankenlos es ist in demselben Brief zusammenzustellen:
0 exspectatas mihi tuas litteras ! o gratum adventum ! und : dbs ' te
proximas litteras hahebam Epheso a. d. V. Id. Sext. datas, hätte man
längst sehen sollen. Es gehören dazu:
Orelli
XVII, 1. 0 exspectatas mihi tuas litteras — inde absolutum
Gabinium.
XVni, 3. dictattiram fruere iustitio — cum tuis maneas.
Die Fugen , die hier zusammenschliessen , sind schon früher nach-
gewiesen; die Verbindung ergiebt:
Quin tu huc advolas et inmsis illius nostrae rei publicae germane
putavi de nummis ante comitia tributim uno loco divisis palani
inde absohitum Gabinium dictaturam fruere iustitio et omnium
rerum licentia.
Die erste Corruptel weiss ich nicht zu lösen; für fruere möchte
ich fervere vorschlagen, dictaturam fervere iustitio et o. r. licentia
passt recht gut.*) Uebrigens passt es sehr wohl, dass hier noch
auf die letzten politischen Skandalgeschichten kurz hingedeutet wird:
*) [invisis illius nostrae rei publicae gennanae {imaginem: add. Wesenberg).
i'Cft vide nummis . . . palam; vide a. Gabinium (Manutius).]
HOMMSEN, SCHR. VII. 3
34
Die Florentiner Handschrift der Briefe des Cicero.
785
Scaunis Zahlungen (XVI, 7), Gabinius Freisprechung (XVI, 9),
Pompe jus Dictatur (XVI, 11); der kurze Brief schliesst wohl zusammen
und das Buch vortrefflich ab.
Ihrer leichteren Uebersicht wegen gebe ich auch hier eine Tafel
über die handschriftliche und ursprüngliche Anordnung:
il
S
s
1
2
AD ATTICÜM
L. IV.
fecerunt quicunque posthac non
mihi vi-
Series
ex nostra
dispositione
epistolarum
ex Orelliana
detur esse valiturum
ep. 16
contin.
fep.l7pars(§lfin.2)
\ep.l6 » (§ 13fin.)
1
2
PUTO. TE. EXISTIMARE . .
plane refrixerat et eo magis nunc
hoc iacet
ep. 17
»
ep. 18 pars (§ 1-3)
quod iam intelligebamus
»
ep. 16 pars (§6— 8) i
2
1
NVNC. VT. OPINIONEM . . .
ep. 18
fep.16 » (§9-12)
lep.l7 » (§3)
0. EXSPECTATAS. MIHI . . .
ep. 19
ep.l7 » (§1)
uno loco divisis palam, inde abso-
lutum Gabinium
dictaturam fervere iustitio et omnium
rerum.
Sie sehen, die Umsetzung ist sehr einfach : das eine Stück von
detur esse bis hoc iacet ist von seinem Platze abgekommen und ver-
setzt, was man auch ohne Zweifel längst bemerkt hätte, wenn nicht
die rein willkürliche Durcheinanderwürfelung der Stücke in den
Ausgaben im Wege gewesen wäre. Bemerkens werth ist, dass das
erste dieser Stücke detur esse — hoc iacet etwa 60, das zweite quod
iam — Gabinium etwa 90 orellische Zeilen hat; es hat also Schwierig-
keit bloss eine Umstellung zweier Blätter anzunehmen.*) Es kann
dies indess unsre Annahme, wenn sie sonst begründet ist, nicht
erschüttern, da der Urcodex an dieser Stelle,^ wie auch die
zahlreichen und schweren Verderbnisse zeigen, sehr beschädigt
und wie wir oben vermutheten, vielleicht an einer Stelle lückenhaft
war. Aus diesem Grunde wird es auch gerathen sein über die un-
zähligen Möglichkeiten, wie diese Versetzung entstehen konnte, nicht
weiter Worte zu verlieren; obwohl es interessant wäre zu wissen, ob
*) [Dies ist durch die scharfsinnige Kombination Sternkopfs a. a. 0. S. 3 ff.
erledigt.]
Die Florentiner Handschrift der Briefe des Cicero. 35
der Urcodex der Briefe ad Atticum dieselbe Zeilenzahl auf einem
Blatte hatte, wie der der Briefe ad Quintum fratrem, oder wie es
eher scheint eine verschiedene. Für die Geschichte der Kritik könnte
diese Notiz brauchbar sein.
Sie sehen wohl schon aus dem oben Gesagten, dass die medi-
ceischen Handschriften der Briefe noch nicht ausgenutzt sind; ich 7S6
erfahre es täglich, dass noch manche gute Lesart sich daraus ge-
winnen lässt. So begreife ich z. B. nicht, warum Orelli ad YI, 1,
17, wo von zwei Statuen, der einen ad Opis per te posita, der andern
ad IloXvdevxovg, hercide! die Rede ist, nicht die handschriftlichen
Lesarten aufgenommen hat: cdt Opis parte posita und ad Uo/.vyJJovg
(cod. nOJ^YKEAOYC) Hercuhm — statt des unmöglichen per te
und des inepten hercule! Die letzte Lesart wenigstens hat del Furia
nicht übersehen und vielleicht giebt sie den Archäologen ein neues
Kunstwerk. Doch davon vielleicht ein andermal;*) für diesmal will
ich Ihnen noch über die berühmte SteDe Cic. de rep. H, 22 [§ 39],
die ich im Tatican eingesehen habe. Einiges mittheilen, da vermuth-
lich noch mancher Philolog mit dieser Sphinx sich zu schaffen machen
wird. Ist soviel darüber exegesirt vmd conjicirt, so können Sie auch
immer die paar Notizen über die Beschaffenheit der Handschrift
drucken lassen, die wenigstens zeigen, wie Mai verfahren ist.**)
Aber leben Sie wohl; ich schliesse meinen Brief, ehe er ganz 737
zum Korrespondenzartikel wird. Das indess darf wohl auch noch in
einer philologischen Zeitschrift stehen, dass seit kurzem die Laurentiana
gleich der Marciana sechs Stunden täglich geöffnet ist und die edle
Liberalität der toskanischen Regierung sich auch hierauf erstreckt hat.
*) [Mommsen selbst ist m. W. nicht darauf zurückgekommen; wohl aber
hat Th. Bergk, der Adressat dieses Briefes, die neue Erkenntnis sofort verwertet
in einer Abhandlung, die er in seiner Zeitschrift dem Briefe Mommsens auf dem
Fuße folgen ließ : 'Über den Hercules des Poljcles' S. 787 ff. Vgl. auch Brunn,
Gesch. d. gr. Künstler 2. Aufl., Stuttg. 1889. Bd. 1, S. 378.]
**) [Die kurze Mitteilung Mommsens über diese Stelle Ciceros ist hier fort-
gelassen, da er selbst im Staatsrecht wiederholt darauf zurückgekommen ist.
besonders 3, 274, 4. Übrigens haben die Worte, mit denen er diese Mit-
teilung schließt: „Von Schreibfehlern würde eine neue CoUation des Codex
gewiss noch eine bedeutende Nachlese liefern'' nicht die Beachtung gefunden,
die sie verdienen: nach der von Halm benutzten Kollation du Rieus (1860) hat
sich kein Kundiger mehr mit dem Palimpsest beschäftigt. — Es folgen dann
Bemerkungen über eine Inschrift von Cora und über die vom Sarkophag des
Scipio Barbatus. Sie werden in der epigraphischen Abteilung der Gesammelten
Schriften zum Abdruck gelangen. — Hier folgen im Text daher nur noch die-
jenigen "Worte, mit denen Mommsen seinen Brief schließt.]
3*
VI.
Zu Ciceros Reden.*)
160 Unter den epigraphischen Collectaneen des Mariangelus Accur-
sius (cod. Ambros. 0 125 sup.; in Abschrift 0 248 sup.) befindet
sich eine Lage (jetzt f. 180—183), welche einige in der Juntina 1521
fehlende Stellen der ciceronischen Reden in Vatinium und pro Flacco
enthält. Es sind dieselben, welche gedruckt zuerst in der Ausgabe
des Andr. Cratander (Basel 1528) erschienen, und zwar
in Yatin. 8, 24 cum filio principe iuventutis
14, 34 Q. (so) Memii puUicis tdbulis — 15, 35 legationis
mentio facta (so) est
pro Flacco 31, 75 primum ut in oppidum — 33, 83 esse cetera.
Die Ergänzungen zu der ersten Rede haben sich seitdem in allen
massgebenden Handschriften derselben gefunden und verdienen keine
weitere Aufmerksamkeit ; dagegen steht das hier ergänzte Stück der
Rede pro Flacco in unseren Ausgaben lediglich auf der Cratandrina,
und zwar ist in dieser angemerkt, dass Konrad Peutinger dasselbe
von Hieronymus Rorarius Foroiuliensis aus einem seitdem ver-
schollenen Manuscript erhalten hat. Da Accursius in den Jahren
1522. 1525. 1530 in Deutschland war und wenigstens in dem letzten
Jahre auch in Augsburg, so ist es mehr als wahrscheinlich, dass er
diese Mittheilungen eben von Peutinger erhalten hat und für unsern
Text daraus kein wesentlicher Nutzen erwächst : doch können wenig-
stens für die Beschaffenheit der von Rorarius eingesehenen Hand-
schrift diese Auszüge vielleicht in Betracht kommen.
*) [Hei-mes 18, 1883, S. 160.]
VII.
Theod. Mommsenii
Excursus ad Ciceronis or. pro Fonteio cap. IX § 19.*)
Agitur hoc loco de portorio ab iis solvendo qui ex Italia in 477
Galliam vinum navibus portarent; nam praeter Massiliense Italico
vino maxime usos esse Gallos doeet Posidonius apud Athen. lY
p. 151 E innnitque Cicero hie cum ait nostros fructus. Naves igitur
intelleguntur quae appellebant Narbone, qui ea aetate unicus Roma-
norura portus maritimus fuit in Gallia transalpina; neque tarnen
Narbone neque in agro Narbonensi portorium exactum est, ne coloni
Ifarbonenses cives Romani eo gravarentur, sed ad vias quae a Xar-
bone ad provinciam Romanam et ad populos ea aetate adhuc liberos
ferebant. Primaria statio collocata est Tolosae, quo a Narbone inter
montes Pyrenaeos et Gebennicos natura ipsa viam patefecit quodque
oppidum in provincia Narbonensi primum inter provinciaUum ci^'itates
locum tum obtinuisse nemo dubitat. A Tolosa cum proxime abesset
qui eo tempore fuit terminus pro^dneiae Romanae et viae inde exirent
et in Hispaniam et in Aquitaniam et Burdigalam et ad Cadurcos,
nullo alio loco commode institui potuit statio quo vini ad hostem
portandi portorium solveretur nisi Tolosae: quare ubi codex habet
vellenfelosi vel veUentelesi in archetypo fuisse videtur veUent tolose.
Qui de Elusa cogitaverunt, quae est in media Aquitania, iis antea
docendum fuit quomodo statio portorii y\m ad peregrinos vehendi
in ipso hostico solo collocari potuerit. Neque de Elusione. qui ^'icus
est inter Tolosam et Xarbonem, recte cogitatur; qui enim scire
potuerunt eo loco stationarii vinum utrum ferretur ad provinciales
*) [In: Ciceronis opera ex recensione Orellii, ed. altera. Vol. II Pars I.
Turici 1854, Seite 477 — 478. Die Stelle Ciceros lautet bei Orelli so: Cognoscite
nunc de crimine rinario, quod ilU inridiosissimum et maxinmm esse rohierunt.
Crimen a Maetorio, iudices, ita constitutum est: 31. Fonteio non in Gallia primum
enisse in mentem, ut jx>rtorium vini institueret, sed, in Italia iam hac proposita
ratione, Eoma p}-ofectum. Itaque Titurium Tolosae qnaternos denarios in singiilas
vini amphoras pjortorii nomine exegisse, Segoduni Porcium et Munium ternos,
Volcalone Seriaeum binos et rictoriatum, atque in his locis Segoduni et Volcalone
ah iis poiiorium esse exactum, si qui Eburomago, qui vicus inter Tolosam et Nar-
bonem est, dererterentur neque Tolosam ire vellent: Tolosae Oduluscantum sertos
denarios ob iis, qui ad hostem portarent. exegisse.]
3g Excursus ad Ciceronis or. pro Fonteio cap. IX § 19.
an ad peregrinos? Neque tarnen sufficiebat Tolosana statio, cum
via Tolosa Narbonem diverticulum haberet ad vicum aliquem Cobia-
machum, quo qui diverteret, non Tolosam perveniret sed Secrodunum
et Vulchalonem. Sic omnino tria haec nomina in codice scripta
sunt ; quod enim priore loco croduni legitur, factum est quod primam
syllabam absorbuit praecedens exegisse. Neque opus est docere
quantopere sententiam perverterit Wesenbergius (Observv. in or. p.
Sestio p. 26) scribens Cohiamachum pro Cohiamacho; sane non diverte-
bant Cobiamachum, sed Cobiamacho Secrodunum et Vulchalonem.
— Tres hi loci ubi fuerint, quaeritur. Cobiamachum Walckenaer
(geogr. anc. des Gaules I. 194) putat esse vicum qui hodie dicitur
Cambiac «au midi de Caraman et d'Auriac et dans la direction de
Toulouse a Narbonne » ; quod non probo, neque enim nominis simili-
tudine haec quaestio diiudicanda est neque viam Tolosa Narbonem,
in qua ipsa Cobiamachus fuerit necesse est, Cambiaci transisse credo.
Omnino diiudicabunt hanc quaestionem qui in viae huius diverticula
aliquando accuratius inquirent, quam adhuc factum esse videtur.*)
Quod si mihi huiusmodi rerum notitia plane destituto coniecturam
proponere licet, pro Cobiamacho vel potius Cobiamago restituerim
aut Sostomagum (si quidem emendate sie scribitur in itin. Hierosol.
p. 551, quod unum huius vici memoriam servavit) aut Hebromagum
sive Eburomagum, qui vici eunti Narbone Tolosam hie lapide LXII,
478 ille lapide LXXII occurrunt. Inde non incommode divertitur Sego-
dunum Rutenorum, quod hodie est Rodez; sie enim scribendum
videtur pro Secroduno. Quod oppidum solet quidem hodie Rutenis
provincialibus abiudicari, sed fit hoc ex coniectura d'Anvillii (notice
de la Gaule p. 562) parum certa, neque quidquam obstare videtur
ne eo extendatur provincia Narbonensis. Vulchalo vel potius Yolcalo
forma nominis plane Gallica ubi fuerit, non constat, nisi quod in
agro Volcarum sive Tectoragum sive Arecomicorum fuisse non facile
quis negabit; quo optime pervenire potuit qui Ebromago diverterat.
— Ad lectionem quod attinet, praeter ea, quae supra notavi, delevi
victoriatos m post terms, ne nimis inaequalia vectigalia efficiantur.
Deinde pro bims et victoriatos m (quo loco qui deleverunt et, non
cogitaverunt male dici pro denario binos victoriatos) scripsi binos et
Victor iatuni. Oduluscanti nomen num corruptum sit et, si est, quo-
modo emendandum, in medio relinquendum est; Gallica nomina in
atus desinentia non rara sunt, ut Adnamatus, Gutruatus. Exegisse
pro exegissent eraendavit Pantagathus.
*) [Es ist m. W. bis jetzt nicht geschehen.]
VIII.
Zu Cicero de republ. 2, 10.*)
Cicero führt in seiner Schrift vom Staate (2, 10) den Satz durch, 165
dass die Vergötterung des Romulus bereits in die rein geschichtliche
Zeit falle und desshalb diesem Bericht ein anderes Gewicht zukomme
als den gleichartigen Erzählungen der Griechen aus ihrer Mythenzeit.
Er belegt dies durch Anführungen aus der damals gangbaren griechi-
schen Chronographie (Graecorum annalesj: Roms Erbauung werde
in das zweite Jahr der siebenten Olympiade gesetzt, wo Griechen-
land schon voll von Dichtern und Musikern war; falle doch Lykurgos
108 Jahre vor die erste Olympiade, Homer mindestens 30 Jahre vor
Lykurgos, also Romulus viele Jahre nach Homer. Hier bricht der 166
Text ab ; nach einer Lücke von etwa 230 Buchstaben folgt der
Schluss derselben Argumentation in dem folgenden defecten Satz:
US ne MS id di . . . . nt quidam . x filia quo .... iUe
mor ödem no na moni ympia . .
xta . . quin .... esima .... cilius . . t . . legi pos m
im
de Bo . . U iam mortdlitate creditum , cum iam inveterata vita
homimcm ac tractata esset et cognita.
In einem von 3Iai zu dieser Stelle mitgetheilten Briefe Niebuhrs
wird der letzte Theil unzweifelhaft richtig so ergänzt: iiatus Simo-
nides Olympiade sexta et quinquagesima, quo facilius intellegi possit
tum de Romuli immortalitate creditum u. s. w. Denn Simonides
Geburt fällt der Ueberlieferung gemäss auf die 56. Olympiade und
man kann auch nur beistimmen, wenn Xiebuhr hinzufügt: illud mihi
extra controversiam esse videtur Ciceronem in hac lacuna enumeravisse
poetas Graecos qui sub Romanis regibus floruerunt atque ita desivisse
in Simonide sene, qui cum reges urbe pellerentur quadragenario maior
•irat. — Nominatum fuisse ante alios Archilochum propterea mihi
*) [Rhein. Mus. 15, 1860, S. 165 - 167.]
40 Zu Cicero de republ. 2, 10.
persuadeo quod in Tusc. 1, 1 sub Romulo floruisse dicitur , tum
vero Alcaeum, Stesichorum etc. Ohne Zweifel wollte Cicero durch
Aufzählung verschiedener Dichtergenerationen von Homer bis auf
den verhältnissmässig schon modernen Simonides deutlich machen,
wie Romulus Zeitalter der mythischen Dichtung fern und inmitten
der historischen Epoche stehe. Aber wenn Niebuhr die vorher-
gehenden Worte ergänzt: eodem nomine alius nepos eins ut dixerimt
quidam ex ßlia, quoniam ille mortuus eodem est anno, so kann man
ihm hierin nicht beipflichten. Er stützt sich darauf, dass der selten
genannte jüngere Simonides von Keos bei Suidas ein Enkel des
bekannten Dichters heisst; allein weder ist die Erwähnung eines
80 obscuren Individuums in Ciceros Weise noch wird durch
dieselbe sein Zweck irgend gefördert noch wird es deutlich,
worauf sich die Worte quoniam ille mortuus eodem est anno nach
dieser Ergänzung beziehen. — Weit näher liegt es hier die
Angabe zu erkennen, dass das Jahr oder vielmehr die Olympiade
der Geburt des Simonides zugleich die des Todes des Stesichoros
ist, und also zu ergänzen: *) Stesichorus nepos eins
ut dixerunt quidam ex filia. Quo vero ille mortuus, eodem est
anno natus Simonides Olympiade sexta et quinquagesima. Schwierig-
keit macht hier nur die Bezeichnung des Stesichoros als des
Tochtersohns eines Individuums, dessen Name in der Lücke unter-
gegangen ist; denn eine hiezu genau passende Notiz ist anderweit
nicht erhalten. Man erwartet einen Dichter oder doch sonst einen
167 sehr berühmten Mann, geeignet neben Homer, Lykurg, Stesichoros
und Simonides genannt zu werden; und ein solcher, wie er geeig-
neter nicht gedacht werden kann, wird allerdings dem Stesichoros
zwar nicht als Grossvater, aber als Yater beigelegt: Hesiodos, den
ebenfalls mit Homer, Stesichoros und Simonides derselbe Cicero
anderswo (Cat. mai. 7, 23) zusammen nennt. Des Hesiodos und der
Klymene Sohn heisst Stesichoros bei Philochoros (Proclus zu Hesiod
opp. 272), bei Aristoteles oder wer sonst hier von Tzetzes excerpirt
ist (fr, 115 Müller) und bei Suidas (unter ^ryoixogog). Man sieht,
welche angesehene Namen an diesen Bericht sich knüpfen und auch
die innere Wahrhaftigkeit mangelt ihm nicht, wofern er richtig
gefasst wird (Welcker, kl. Sehr. 1, 151). Aber ein sachverständiger
griechischer Chronograph hat ihn in dieser Form unmöglich sich
*) [Vgl. zum Folgenden E. Rohde, Rh. Mus. 36, 1881, S. 567, der Mommsens
Ergänzungen annimmt, aber neque enim vor Stesichorus und enim statt rero:
ergänzt.]
Zu Cicero de republ. 2, 10. 4 1
aneignen können, da Stesichoros Geburt nach constanter Annahme
Ol. 37 = V. Chr. 632, Hesiodos aber selbst von denen, die ihn am
jüngsten machen, noch 30 Jahre vor die erste Olympiade = v. Chr.
806 gesetzt wird — denn dass Tzetzes, von dem jene verwirrte
Angabe herrührt, den Herodot auf die elfte Olympiade = v. Chr. 736
bringt, ist ohne Zweifel nm- Folge jener Verwirrung^ und reicht
doch auch noch nicht aus. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass
der Chronograph, den Cicero benutzt hat — vermuthlich Apollo-
dor*) — die Ueberlieferung, dass Stesichoros ein Sohn des Hesiodos
gewesen, mit der Milderung aufnahm, dass er aus dem Sohn einen
Enkel machte und auch dann noch, da das Intervall immer noch zu
gross blieb, ihn mit qiiidam dicunt einführte; Cicero aber nahm
diese Nebenbemerkung bereitwillig auf, weil sie das ungefähre
Altersverhältniss des Hesiodos und Stesichoros seinen Lesern ver-
sinnlichte. Demnach wird Cicero den Faden, den er mit dem Be-
weise, wie viel früher Homer gelebt habe als Romulus, angesponnen
hatte, etwa folgendermassen weiter geführt haben:
[Eesiodum deinde, quamquam multis saeeuUs posf Homerum fuit^,
tarnen ei ipsum constat vixisse ante JRonitdmn^. Non multos annos
post conditam urhem natus est Stesichor]us, ne[pos hui]us ut
di[xeru]nt quidam [e]x filia. Quo [vero] ille mor[ttms, e]odem [est
an]no na[tus Si]mom[des ol]ympia[de se]xta [et] qum[quag]esima:
[ut fa\cilius [in\t[eV^€gi pos[sit tu]m de Ro[mu]li immortalitate
creditum, cum iam inveterata vita Jioniinnm ac tractata esset
et cognita.
1) Yrgl. Clinton fasti Hell. 1, 361.
*) [Vgl. F. Jacoby, Apollodors Chronik, Berlin 1902, S. 196 f.]
2) Homerus multis ut mihi lidetur ante (Hesiodum) saecitlis fuit. Cicero
Cat. mai. 15. 54.
3) Bomerus fuit et Hesiodus ante Romam conditam. Cicero Tusc. 1,1,3.
IX.
Zu Caesar.*)
145 Nachdem Caesar im Januar 706 mit einem Tlieile seines Heeres
von Brundisium nach Illyricum übergegangen war, wurden von dem
Führer der feindlichen Flotte M. Bibulus von Kerkyra aus Anstalten
getroffen, um die Nachsendung der übrigen Truppen zu verhindern,
und namentlich die ganze Küste besetzt, wie Caesar (b. c. 3, 8 [, 4])
angiebt: a Salonis ad Oricum portus stationes Utoraque omnia longe
lateque classihus occupavit. So lesen die meisten Herausgeber, ohne
dass Rechenschaft darüber gegeben wird, warum Bibulus nur diesen
Theil der Küste besetzen lässt und die ganze lange Küste von
Salonae nordwärts vernachlässigt. Aber die gangbare Lesung beruht
nur auf Textverderbung; die Handschriften haben vielmehr a Sasonis
ad Corici portum stationes Utoraque omnia . . . occupavit und dies ist
wesentUch richtig. Saso ist die kleine Insel Saseno, die vor den
Häfen von Oricum und Apollonia liegt; sie wird bei den Alten
ziemlich häufig genannt (Scylax 26; Polybios 5, HO [, 2]; Strabon
6, 3, 5 p. 281; Silius 7, 480; Plinius 3, 26, 152; Ptolemaeos 3, 13, 47
[3, 12, 44 (Müller)]; Itin. Ant. p. 489. 520; geogr. Rav. 5, 24 p. 408, 19,
wo sie Sarona heisst) und war bekannt als Piratenstation (Plinius
a. a. 0.); es ist die erste wichtige Position an der Küste nördlich
von Corfu. Corici oder vielmehr Curici portus trifft auf die heutige
Insel Veglia (slavisch Kerka), die nördlichste unter denen der dalma-
tinischen Küste. Diese heisst Curictae (so auf einer kürzlich daselbst
gefundenen Inschrift (C. I. L. III, 3126) und bei Plinius 3, 21, 139),
Curictice (Strabo 2, 5, 20 [p. 123], 7, 5, 5 [p. 315]), Curicta (Ptole-
maeos 2, 16, 13 [2, 16, 8]; curica die Peut. Tafel); die letzte Form
brauchte wahrscheinlich auch Caesar 3, 10 [, 5] wo die handschriftlich
überlieferte Lesung ad corcijram auf die (nach meinem Vorschlag
*) [Hermes 2, 1867, S. 145—146.]
Zu Caesar.
43
on Kraner aufgenommene) Verbesserung ad Curidam führt.*)
lie Stadt auf der Insel aber nennt Ptolemaeos, der einzige, der
irer besonders gedenkt, Kovqixov, eben wie Caesar an unserer Stelle ;
enn diese ist hier gemeint. Wenn also Bibulus von Kerkyra aus
ie Besetzung der Küste von dem Hafen von Saseno bis zu dem
on Veglia anordnete, so heisst das einfach, dass er die ganze Küste
on Corfu nordwärts besetzen Hess, wie es die Sache fordert; von
er Küste südlich von Corfu ist nicht die Rede, theils weil diese 146
bnehin von der Flotte der Pompeianer occupirt war, theils weil bei
aesars Stellung die Verstärkungen nicht nach dem eigentlichen
riechenland. sondern nach Illyrien dirigirt werden mussten.
*) [Sie ist auch in die neueren Ausgaben aufgenommen worden. Vgl. auch
atsch bei Pauly-Wissowa, R.-E. IV Sp. 18:34 f.]
198
X.
Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum.*)
Die hier mitgeteilten, die Textkritik von Cäsars gallischen
Commentarien betreffenden Yorschläge sind hervorgerufen worden
durch die nicht abschliessende, aber in dem Keiz ihrer Knappheit
vielleicht um so mehr anregende Ausgabe Heinrich Meusels.**) Indem
dieselbe einerseits lehrt, wie unvollständig und vielfach fehlerhaft der
bisher gedruckt vorliegende Apparat war und demselben Einfachheit
und Sicherheit giebt, zeigt sie andererseits mit einer freilich uner-
freulichen Deutlichkeit, wie schwer das schöne und wichtige Ge-
schichtswerk bereits in derjenigen Handschrift entstellt war, auf die
alle erhaltenen zurückgehen, und in welchem Umfang dasselbe durch
eine vor, und vielleicht lange vor dem fünften Jahrhundert einge-
tretene Diaskeuase, namentlich durch Interpolationen beschädigt
worden ist. Der gute Glaube, in dem ich wenigstens mich bisher
befunden habe, dass die gallischen Commentarien uns recht leidlich
überliefert seien, ist der Überzeugung gewichen, dass diese freilich
in besserer als die des Bürgerkriegs, aber dennoch in einer Gestalt
uns vorliegen, welche zwar weniger crasse Fehler aufweist als die
Bücher des Livius und des Tacitus, aber um so mehr durch will-
kürliche Correctur gelitten hat.
Dass die beiden Familien, deren Scheidung noch in die Römer-
zeit zurückgeht — Orosius benutzte eine der geringeren Klasse sich
nähernde Handschrift — , neben einander gebraucht werden müssen,
steht seit langem fest; die schärfere Gegenüberstellung derselben
und die Beseitigung der wertlosen Specialfehler ist das Hauptverdienst
der neuen Recension. Es hätte wohl darin insofern noch weiter
gegangen werden können, als da, wo ein Teil der Handschriften
*) [Zeitschrift für das Gymnasialwesen 48. Jg., 1894; Jahresberichte u
philologischen Vereins zu Berlin 20. Jg. S. 198 — 218.]
**) [C. lulii Caesaris belli Gallici libriVII A. Hirtii liber VIII, Berol. 1894.
Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum. 45
t'istor Klasse mit der zweiten oder ein Teil der Handschriften zweiter
Klasse mit der ersten geht, damit in der Regel (denn Dittographien
des Originals und Zufälligkeiten sind natürlich auch im Spiel) über
die Lesung der Urhandschrift ebenso entschieden ist wie wo beide 199
Familien mit einander übereinstimmen. — Was die Schätzung der
beiden Familien anlangt, so kann über den Vorrang der Klasse a
ebensowenig gestritten werden wie über den secundären Wert der
Klasse ß; wenngleich Xipperdey dieser letzteren wohl zu enge
Grenzen gezogen hat, so scheint Mensel dieselben eher zu weit zu
greifen. So weit ich urteilen kann, ist die Klasse a von selbständiger
Interpolation frei; die sehr seltenen Stellen, wo ß gegenüber a die
nicht interpolierte Fassung bewahrt zu haben scheint (7, 77, 10;
8, 16. 2; vielleicht auch 7, 77, 13), gehen vielleicht auf Dittographien
des Originals zurück und dürfte der Schreiber des princeps von a
wohl öfter geirrt, aber nicht corrigiert haben. Das Umgekehrte gilt
sicher von dem Schreiber des prmceps der zweiten Klasse ; dreiste und
unwissende Textänderungen, wie z. B. 1, 47, 4 die Herauscorrigierung
von Ariovists Kenntnis der gallischen Sprache und 4, 10, 3 die Um-
wandelung der dem Schreiber unbekannten Xantuaten nach Auswahl
entweder in Nemeter oder in ^iTamneter, begegnen hier in grosser
Menge. Bei dieser Sachlage wird es wohl zulässig sein, da, wo die
Lesung von a sich ß gegenüber auf Wortausfall oder auf Wort-
umstellung oder sonst auf einfachen Schreibfehler zurückführen lässt,
der letzteren zu folgen; wo dagegen, wie das sehr häufig der Fall
ist, die Verschiedenheit der beiden Texte eine Diaskeuase voraus-
setzt, dürfte der zweiten Familie vielleicht nicht dasjenige Vertrauen
zu schenken sein, welches der neueste Herausgeber, obwohl er ihre
secundäre Stellung anerkennt, ihr thatsächlich einräumt.*) Mehrere
dei- folgenden Bemerkungen geben dazu die Belege.
1, 3, 2 constituerunt ea quae ad proficiscendum pertimrent comparare
cum proximis ciintatihus pacem et amicitiam confirmare. in
rfhim annum profectionem lege conßnnant. ad eas res conficiendas
'"jetorix deligitw: is sibi legaüonem ad civitates suscepit. Der
lach confirmare überlieferte Satz ad eas res conficiendas hiennium
■ühi satis esse duxerunt, der neben dem gleichartig anfangenden
nicht bestehen kann, ist sachlich entbehrlich (ein ähnlicher müssiger
Zusatz ist 1 , 26, 5 triduum m&rafi nach die quarto\ dagegen nicht
entbehrlich der folgende gleichartig anfangende, da, wenn dieser
*) [Vgl. R. Schneider in derselben Zeitschr. 49. Jg., 1895; Jahresber. 21. Jg.
8. 116 ff.]
46 Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum.
gestrichen wird, Orgetorix deligitur in der Luft steht, weshalb
diese Streichung weiter zur Einsetzung von dux genötigt hat.
Auch gewinnt die Verbindung, wenn dem Orgetorix nicht die
noch in der Ferne stehende Heerführung, sondern die Leitung der
Vorbereitungen übertragen und die Beschickung der Nachbarn
enger mit dem betreffenden Beschluss verknüpft wird. Endlich
kann sihi dann in dem Sinne gefasst werden, dass von den ihm
übertragenen Geschäften Orgetorix die übrigen anordnet, die
Unterhandlungen mit den Nachbarstaaten aber selbst übernimmt.
2<>0 1, 6, 1. Das Her per Sequanos angustum et difficile, durch welches
die Helvetier nach Gallien gelangen konnten und nach Verlegung
des Marsches durch das römische Gebiet in der That gelangt sind,
ist die über den Jura durch Yverdun und Pontarlier nach Besangon
führende Strasse. Auf diese passt die Angabe inter montem luram
et flumen Rhodanum in keiner Weise; diese Worte sind ebenso
sicher Glosse wie 1, 33, 4 die verwandte Angabe cum Sequanos a
provincia nostra Rhodanus divideret.
1, 8, 4 vielleicht ratibusque complurihus (actis {alii), aliis vadis Rho-
dani. Indes bemerkt mir Meusel, dass diese Stellung des alii
sonst bei Cäsar sich nicht findet.
1, 10, 4 ihi Ceutrones et Grai Oceli et Caturiges locis superioribus
occupatis ifinere exercitum prohibere conantur. Das überlieferte
graiocaeli (so a, gaioceli ß) ist, da eine Völkerschaft dieses Namens
sonst nirgends genannt wird, so wie geschehen aufzulösen. Die
Graier als Bewohner der graischen Alpen nennt Plinius h. n.
3, 20, 134: credunt . . . eiusdem (Herculis) exercitus et Graios
fuisse Graiarum Älpium incolas. Ocelum, auch sonst öfter genannt,
wird gleich darauf als citerioris provinciae extremum bezeichnet,
wo der Gegensatz zu den Vocontii uUerioris provinciae die Zu-
setzung der genaueren Ortsbezeichnung fordert. Erst durch diese
Wortteilung wird die Sache klar. Die Ceutronen (vgl. Hirschfeld,
C. I. L. Xn p. 16 ; die alte Missform Centrones sollte billig der
Vergessenheit verfallen) haben ihren Mittelpunkt in Axima (Aisme),
dem Hauptort der späteren Provinz der graischen Alpen, und in
eben dieser müssen auch die Graier gesessen haben. Ocelum liegt
nicht in diesem Gebiet, sondern etwas südlich davon; die Bewohner
der graischen Alpen überschritten also ihre Grenzen, um Cäsars
Marsch zu hindern. Derselbe ging dagegen durch das Gebiet der
Caturigen (Hauptstadt Briangon); diese brauchten sich also zu dem
gleichen Zweck nur längs der Strasse aufzustellen.
Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum. 47
1 . 1 3, 6 se ita a patnhus maioribtisque suis didicisse, ut magis virtute
quam [dolo contenderent autj insidiis nitei'entur.
1. 14, 4 quodqiie tarn diu se impune [iniurias] ttdisse admirarenfur.
Die Änderung intidisse empfiehlt sich nicht: denn nirgends ist in
der Rede der Helvetier die Rede von dauernder Schädigung der
Römer durch sie, wohl aber ist darin angedeutet, dass die Römer
sich lange Zeit des Angriffs auf sie enthalten hätten.
1, 17. 2 hos . . . multitudinem deterrere, ne frumentum conferant;
[quodj praestare [deheant], si u. s, w. ; quod debeant ist offenbar
Interpolation zu jrraestare und nicht zu versetzen, sondern zu
streichen. Ebenso wird nachher debeant gewiss mit Recht von
Dähne gestrichen.
1, 17, 6 quod necessaria, re coactus, Caesari enuntiaHt ist schon von 201
anderen vorgeschlagen statt des überlieferten necessariam rem;
zu verstehen dürfte sein, dass er, durch die Sachlage gezwungen,
das Erforderliche eröffnet.
1, 18, 10 in quaerendo ist müssig, da dies von der ganzen Erörterung
gilt; inquirendo (Conjectur eines Teils der Handschriften zweiter
Klasse) ist angemessen, indem es hervorhebt, dass diese den
Dumnorix belastenden Angaben von seinen Landsleuten erst auf
besonderes Befragen gemacht werden.
1, 19,4 in concilio Gallorum scheint mir unbedenklich; es war an-
gezeigt hervorzuheben, dass nicht Römer, sondern Landsleute den
Dumnorix also bezichtigt hatten. In diesem Zusammenhang kami
die Versammlung der vornehmen Haeduer (c. 16, 5j auch concilium
Gallarum genannt werden.
1. 25, 7 Romani [conversa] signa Inpertito intidenmt. Bei den ersten
beiden Treffen tritt Frontwechsel nicht ein.
l. 33. 2 et sectmdum ea midtae res eum Jioitcdjantur ist schwerlich
richtig; vielleicht secum dum ea {reputat), obwohl dum besser vor
reputat stände.
j . 36, 1 idem populum Romanum ist wohl richtig und tenere hinzu-
zudenken oder ein "Wort ausgefallen.
1,40,10 cum aiit de officio Imperatoris d^sperare viderentur auf
praescribere auderent. Die Familie a hat desperare aui praescribere
ciderentur. die Familie ß desperare auf praescribere auderent; hier
1^ dürfte jede einen Teil des Richtigen bewahrt und in X gestanden
b viderentur
48 Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum.
1, 47, 2 pridie eins diei, am gestrigen Tag, weiss ich mit dem hiduo
2)0st c. 41, 1 nicht in Einklang zu bringen. Corruptelen scheinen
nicht vorzuhegen, eher Ungenauigkeit der Relation.
1, 47, 3. Wenn ex suis gestrichen wird, fehlt der Anschluss an das
Vorhergehende wie an das Folgende; nicht einen Boten verlangt
Ariovist, sondern als Boten einen Offizier, und einen Boten schickt
Cäsar, aber keinen Offizier. Dass ex suis nicht allgemein zu
fassen, sondern ex suis legatis zu verstehen ist, was sonst Anstoss
geben könnte, wird hier durch den Zusammenhang gedeckt.
1, 51, 2. Die richtige Schreibung Marcomani steht fest durch das
inschrifthche Zeugnis Augustus mon. Anc. Lat. 6, 3 = Graec. 17, 4,
sowie durch die Quantität (Statins silv. 3, 3, 170: quae modo Mar-
comanos post horrida hello). Auch Marcommani ist inschriftlich
belegt (C. I. L. YIII, 619 = 11780) und findet sich ferner bei
Strabon 7, 1,3 p. 290. Dass in unseren Handschriften, namentlich
202 den lateinischen, die Form Marcomanni vorwiegt, kommt dagegen
nicht in Betracht; Cäsar kann so nicht geschrieben haben.
1, 54, 1, Die Änderung von uhi in Ubii empfiehlt sich nicht; eher
dürfte nach 1, 37, 3 an die linksrheinischen Treverer zu denken sein
als an jene damals rechtsrheinische Yölkerschaft. Die Kunde über
diesen Vorgang auf dem rechten Rheinufer ist Cäsar wohl nur
unsicher zugekommen und die allgemeine Ausdrucksweise dadurch
bedingt.
2, 3, 4 Germani qui eis Bhenum incolant ist sachgemäss ; die Fassung
der geringeren Familie qui ripas Bheni incolunf hat offenbar die
späteren Verhältnisse zur Voraussetzung, während sie auf die hier
gemeinten Germanen (2, 4) nicht passt. Übrigens zeigt arhitrari
2, 4 a. E., dass diese Germanen an dem eoncilium der Beiger
nicht teilgenommen haben.
2, 4, 5 totiusque belli imperium sibi postulare ist insofern auffallend,
als später nirgends darauf Bezug genommen wird, und mit dem,
was dann über Galbas Stellung folgt, nicht wohl zu vereinbaren,
also vielleicht Emblem.
2, 11,4 hi novissimos adorti et multa milia passuum prosecuti magnam
nmlütudinem eorum fugientium conciderunt und nachher ita sind
wohl zu streichen. Es ist reine Wiederholung und fugientium
geradezu falsch.
2, 17,4 inflcxis crebrisque, was in a fehlt, ist Interpolation für das
in ß fehlende richtige enatis. Die jungen Bäume werden gekappt
und dadurch der Astwuchs auf die Seite gezogen; jener Zusatz
verdunkelt.
Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum. 49
2, 20, 1 ist wohl der ganze Satz vexilliim . . . tuha dandum Emblem.
Das vexiUum proponere kann nicht füglich unter den Obliegen-
heiten des Feldherrn bei Abwehr des Überfalles aufgeführt werden.
2, 22, 1 deiedusque collis scheint Glosse. Was der Hügel soll neben
loci natura sehe ich nicht ein und noch weniger, was man sich
bei deiecUis zu denken hat.
cum divisis legionibtis dliae alia in parte hostibtis resisterent.
Die Änderung des überlieferten diversis legionibtis in diversae
legiones hat keine AYahrscheinlichkeit. Angemessen wird erst die
Trennung der verschiedenen Tmppenkörper und dann deren Einzel-
kampf bezeichnet.
2, 25, 1 ab novissimis desertos gehört wohl zusammen und ist Emblem ;
ah novissimis ist aus dem Folgenden genommen.
2, 29, 5 j^ost eorum abitum, nicht obitum. Die Bedrängung wird
nicht bedingt durch die späteren Schicksale der Kimbern und
Teutonen, sondern durch deren Abzug. Auch ist obitus für diese
Katastrophe nicht passend.
3, 4, 3 diutumitate pugnae hostes defessi {si) proelio excedebant. 203
3, 6, 4 frumenti [commeatusque] inopia. Die Glosse verrät sich
durch das in der zweiten Familie fehlende qtie.
3, 8, 1 in magno impetu maris litore (statt atque) aperto.
3, 9, 3 legatos, quod nomen ad omnes nationes sanctum inviolatumque
semper fuisset, retentos ab se et in vincula coniectos ist ein müssiger
und trivialer Satz, wahrscheinlich Zusatz.
3, 9. 7 aliam esse navigationem in concluso mari atque in oceano ist
wohl die ursprüngliche Fassung; ein Teil der Handschriften erster
Klasse setzt vor oceano ein vasiissimo, andere vastissimo atque
apertissimo; die Handschriften zweiter Klasse haben zum Teil
vastissimo vor mari, sämtlich apertissimo vor oceano. "Wahrschein-
lich standen die Prädikate vastissimo imd apertissimo in X als
Glosseme.
3. 11, 2 Germanos, qui auxilio a Belgis (ab belgis a, a gaUis ß) arcessiti
dicebantur kann, da augenblickhch Gallien im wesentlichen befriedet
ist, nur zurückweisen auf die niedergeschlagene Erhebung der
Beiger, und es ist darum kein Grund vorhanden, von der präciseren
Lesung der besseren Familie abzuweichen. Allerdings sind diese
rechtsrheinischen Germanen, deren Eintreten in den Kampf be-
fürchtet wird, verschieden von den 2, 3, 4 als daran beteiligt
genannten linksrheinischen; aber es ist nichts im Wege, vielmehr
an sich wahrscheinlich, dass die Beiger versucht haben, auch
jene in den Kampf zu ziehen. Die Beiger sind wohl im vorjährigen
MOMMSEN, SCHR. VII. 4
50 Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum.
Feldzug niedergeworfen ; aber dass Cäsar dem Frieden nicht traut,
ergiebt die Stelle selbst. Wahrscheinlich hat er eine neue Schild-
erhebung derselben mit germanischem Zuzug besorgt.
3, 13, 7 cum se saevire ventus coepisset vento dedissent hat a, cum se
vento dedissent ß; m X stand wohl:
se uento dedissent
cum saeuire uentus coepisset
und ist die Glosse in a in den Text eingedrungen, in ß an dessen
Stelle getreten.
3, 17, 2 ex quibus exercitum [magnasque copias] coegerat.
3, 17, 4. Die Einschaltung des et beschädigt den Sinn. Das aus
verkommenen Bauern hervorgegangene Raubgesindel kann nicht
als dritte Kategorie zu perditi homines latronesque gestellt werden,
sondern entwickelt deren Wesen genauer.
3, 20, >2 Tolosa (oder Tolosae) et Narbone der Handschriften a ist
zweifellos die echte Lesung; die der zweiten Familie Tolosa Car-
casone et Narbone ist als Interpolation gezeichnet durch die
fehlende Copula. Auch sachlich passt die unbedeutende Ortschaft
Carcaso übel zu den beiden Hauptstädten der Provinz.
204 3, 26, 2 eductis iis cohortibus scheint mir tadellos für das Heranführen
der Infanteriereserve durch Reiteroffiziere. Gegen die Änderung
devectis ist sprachlich einzuwenden, dass durch die Stelle 1 , 43
[, 2] legionem quam equis devexerat (oder vexerat) das einfache
devehere im Sinne von beritten machen keineswegs erwiesen wird;
sachlich, dass nach der Beschaffenheit der römischen Truppen
eine solche Operation in dem gegebenen Zusammenhang schlechter-
dings undenkbar ist.
4, 8, 2 neque aequum, esse statt des überlieferten verum,.
4, 10, 1 Vacalus in Oceanum influit neque longius ab Oceano m. p.
LXXX insulam efficit Batavorum, wo dann zu in Oceanum influit
als Correctur beigesetzt ist in Bhenum influit. Überliefert ist
Vacalus insulamque efficit Batavorum in Oceanum influit neque
longius ab Oceano m. p. LXXX in Bhenum influit.
4, 2] , ^ perspectis [regionibus] omnibus. Die bessere Klasse hat
regionibus omnibus, die geringere regionibus; auch hier hat X die
regionibus
Dittographie omnibus gehabt und ist die Glosse regionibus (was
sachlich nicht wohl für diese kurze Erkundung passt) in der ersten
Familie neben die richtige Lesung, in der zweiten an deren Stelle
getreten.
Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum. 51
4, 23, 2 a quibus kann nur auf die Reiter bezogen werden, ist aber
dann falsch, denn die folgende Erzählung zeigt, dass j)rwme w«ves
die der Hauptflotte sind, und dass die Reiter nicht paulo tardüis,
sondern gar nicht eintreffen. Wird a quibus gestrichen, so ist der
Bericht tadellos: die Einschiffung vollzog sich nicht so rasch, wie
es hätte geschehen sollen, und so gelangte nur der Feldherr selbst
mit wenigen Schiffen um die vierte Tagstunde an die Küste.
Das unpersönliche cum paulo tardius esset administratum legte die
Interpolation nahe. Die Yermuthung von Th. Bergk, dass nach
administratum etwas fehlt, etwa aestu naves in continentem reiectae
sunt, kann ich nicht teilen; die Fahrt der Reiter wird c. 28
berichtet, und es wäre ungeschickt gewesen, den ersten Abschnitt
derselben hier zu anticipieren.
4, 23, 3 montibus afigusti(i)s ist auch wohl Dittographie und angustis
nicht zu ändern, sondern zu tilgen.
4. 23, 5 monuitque, tU rei militaris ratio, maxime ut marititnae res
postulahant (statt postularent) , tä, cum (statt quam) celerem . . .
motum haherent, ad mttum . . . omnes res ah iis administrarentur.
4, 25, 3 aeque (atque a, at ß) nostris militihus cunctantibus. Trotz
des Zuriickweichens der Feinde zögern die Soldaten.
4, 25, 6. In dem überlieferten ex proximis primis navibus wird das 205
dritte Wort nicht zu streichen, sondern mit Madvig in primi zu
ändern sein, da die Parallele des aquilifer auch für die übrigen
Schiffe Vormänner fordert, auch suis omnibus consecutis darauf
hinweist. Die Stellung freilich ist auffallend imd vielleicht navibus
zu tilgen.
4, 29, 2 sind die Worte longas und onerarias wohl zu streichen;
dagegen compleverat nicht mit dem complebat der schlechten
Familie zu vertauschen. Gefordert wird der Gegensatz der auf
den Strand gezogenen Schiffe, welche die Flut mit Wasser gefüllt
hatte, und der vor Anker liegenden, die der Gewalt der Wellen
unterlagen; warum nur die Kriegsschiffe und diese alle auf den
Strand gezogen sind, ist nicht einzusehen.
4, 33, 1 cum se insinuaverunt kann wegen primo nicht fehlen; aber
inter equitum turmas ist wohl falsch und gemeint inter ardines.
5, 3, 5 et familiaritate Cingetorigis adducti wird mit a beizubehalten
sein; auctoritate, was die andere Klasse bietet, liegt so nahe,
dass es schon dadurch verdächtig wird und ist eigentlich nichts-
sagend, während sachgemäss die näheren Freunde des Cingetorix
I hier genannt werden.
! 4*
52 Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum.
5, 4, 4 [id factum] graviter tulU Indutiomarus suam gratiam inter
suos niinui. Die letzteren Worte mit dem scharfen Gegensatz
sehen nicht nach Interpolation aus.
5, 5, 2. Da die Legionen, welche die Schiffe herstellen, alle in
Belgis wintern (4, 38, 4), so kann man nicht wohl die Yenelli hier
einsetzen. Das Marnegebiet dagegen passt, und es ist überhaupt
schwer zu glauben, dass die selten genannten Melder hier inter-
poliert sein sollen.
5, 12, 4 aut aliis ferreis muss in X gestanden haben, da a und ein
Teil von ß hierin stimmen; taleis in den übrigen Handschriften
zweiter Klasse ist wohl aus 7, 73 [, 9] entlehnte Conjectur. Danach
dürfte mit F. Keller talis zu schreiben sein.
5, 13, 6. Ich glaube nicht an das eingesetzte alter. Von den drei
Ecken nennt Cäsar zwei bei dem ersten Abschnitt, die dritte bei
dem dritten. Das kann man tadeln; aber die Einsetzung des
alter macht das Fehlen der Ecken im zweiten Absatz erst recht
störend.
5, 15, 4 novo genere pugnae perterritis nostris ist wohl Glosse; vgl.
4,34,1.
5, 24, 3. 46, 1. 6, 6, l, das heisst an sämtlichen Stellen, wo Cäsar
M. Crassus den Sohn einführt, wird er als Quästor bezeichnet:
5, 24, 3 tres (legiones) in Bellovacis collocavit: Ms M. Crassum
quaestorem (quintwn a, fehlt ß) et L. Munatium Plancum et C.
Trehonium legatos praefecit. — 46, 1 nuntium in Bellovacos ad
206 M. Crassum qu/iestorem (fehlt ß) mittit .... alterum ad C. Fdbium,
legatum mittit. — 6, 6, t partitis copiis cum G. Fdbio legato et
M. Crasso quaestore.
Diese Stellen beziehen sich alle auf den Winter des Jahres
700/1 und lassen sich damit vereinigen, dass Crassus am 5. December
700 die Quästur antrat. Cäsar kehrte im September 700 aus Bri-
tannien zurück und die Legionen werden schon vor dem December
in die Winterquartiere eingerückt sein. Wenn demnach Crassus
auch erst in diesen sein Amt antrat, so konnte ihm dennoch von
vornherein dieser Titel gegeben werden, und erscheint es mir nicht
gerechtfertigt, die drei offenbar correlaten Stellen verschieden zu
behandeln. Wenn man sich erinnert, welches enge Verhältnis den
Quästor mit dem Statthalter verband und in welchem Ansehen das
Haus der Licinii Crassi stand, so wird man diesen Hinweis eben bei
den ersten Erwähnungen ungern vermissen. — Fraglicher ist es, ob
in der Zusammenfassung 5, 25, 5 ah omnihus legatis quaestorihusque,
quibus legiones tradiderat die Überlieferung gehalten werden kann.
fl
Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum. 53
Dass Cäsar als Statthalter zweier Provinzen auch zwei Quästoren
gehabt hat, ist mehr als wahrscheinlich ; der statthalterliche Stab ist
für ihn in anderer Hinsicht erweitert, also sicher hierin nicht ge-
schmälert worden, und von Pompejus, dem Statthalter beider Spanien,
giebt es Münzen sowohl mit Varro pro q. wie mit Cn. Piso pro q.
Auch kann unmöglich angenommen werden, dass er, der die Legionen
ohne weiteres bald in der einen, bald in der anderen Provinz ver-
wendete, nicht auch beiden Quästoren neben einander ein aktives
Kommando gewähren konnte. Aber ein Fehler steckt auf jeden
Fall in der Überlieferung. Hat sich unter den Legionskommandanten
nur ein Quästor befunden, so muss man entweder quaest&ribusque
ändern in quaestm-eque, was sprachlich bedenklich ist (vgl. zu 6, 12, 6),
oder mit Mensel leqatis quaestoribusque streichen, wozu man sich
auch nicht gern entschliesst, eben wegen des befremdenden Plurals.
Aber wenn man diese Worte festhält, muss die voraufgehende Auf-
zählung der Legionskommandanten (5, 24) nicht bloss einen Quästor
nennen, sondern zwei, also bei einem Namen der Titel q. ausgefallen
sein. Li der That heisst es kurz nachher (5, 53, 6): ah L. Roscio
qtuiestore (so a, legato ß), quem legiani XIII praefecerai; der Amtstitel
ist hier freilich, vermutlich weil man an dem zweiten Quästor Anstoss
nahm, in der geringeren KJasse korrigiert imd in unseren Ausgaben
gestrichen, aber zweifellos in a richtig überliefert und vielmehr q.
hier vor quartam ausgefallen. L. Roscius Fabatus ist auch sonst
bekannt: er ist wahrscheinlich der Münzmeister der mit diesem
Kamen bezeichneten Denare (mein röm. Münzwesen S. 644), nach
unserer Stelle Quästor (Proquästor) im J. 700 oder 701 , im J. 705
Prätor (Cäsar BC. 1, 3. S. 10; Cicero, ad Att. 8, 12, 2; Dio 41, 5),
in welcher Eigenschaft er das auf der atestinischen Bronze erwähnte 207
Gesetz einbrachte (Bruns fontes^ S. 103) und fiel bei Mutina 711
(Cicero ad fam. 10, 33, 4). Dass das Litervall zwischen Quästur und
Prätur danach sich nur auf vier bis fünf Jahre stellt, berechtigt
nicht, die Identität der Person zu bezweifeln. Die AlterssteUung der
Quästur ist durchaus nicht sicher (Staatsrecht I^ 570), und wenn
bei Männern wie Cicero und Cato, die in frühen Jahren dieses Amt
erlangten, das Intervall zwischen diesem und der Prätur sich be-
deutend länger stellt, so folgt daraus nichts für diejenigen, bei denen
kein Grund ist, den gleichen vorzeitigen Antritt vorauszusetzen.
Übrigens wird gleich bemerkt werden, dass Roscius recht wohl
mehrere Jahre früher die Quästur bekleidet haben und da, wo
Cäsar ihn errwähnt, Proquästor gewesen sein kann. — Unter allen
Umständen wird daran festzuhalten sein, namentlich mit Rücksicht
54 Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum,
auf Cäsars Worte 1, 52: Caesar singuUs legionihus singulos legatos
et quaestorem praefecit, 4, 13, 4: consiUo cum legatis et quaestore
communicato und 4, 22, 3: quaestori legatis praefectisque distrihuit,
dass Cäsar die beiden staatsrechtlich durchaus verschiedenen Titu-
laturen streng auseinander hält und nirgends den Quästor als Legaten
behandelt oder unter den Legaten mit begreift, — Eine andere
Frage ist es, ob, wo der Quästor genannt wird, damit notwendig
der Magistrat des Amtsjahres gemeint ist oder diese Bezeichnung
auch von dem nach Ablauf desselben die Funktion fortführenden
Proquästor verstanden werden kann. Letzteres hat die Wahrschein-
lichkeit für sich. Für Hirtius steht dieser Gebrauch fest (8, 50)
und bei Cicero (ad Att. 7, 8, 5) heisst Antonius noch im Dec. 7(
Cäsars Quästor. Es können also Crassus und Fabatus die Quästur
auch schon vorher verwaltet haben.
5, 31, 5 omnia excogitantur, quare nee sine periculo eatur (maneatur
Hss.^ et languore militum et vigiliis periculum attgeatur. Dieser'
bittere Tadel kann nicht wohl interpoliert sein, schon weil dann
die Verbindung fehlt zwischen dem unliebsamen Preisgeben des
Gepäcks und der Gefährdung des Marsches durch dessen Mitnahme.
„Es geschieht alles, um den Abmarsch so gefährlich wie möglich,
zu machen und die Soldaten vor demselben zu ermüden". Das
von Hartz vorgeschlagene mane eatur empfiehlt sich insofern nicht,
als der Aufbruch in der Morgenfrühe die Gefährdung nicht steigert.
5, 35, 2 Interim eam [partem] nudari necesse erat et ab latere aperto
tela recipi; Subjekt ist die ausfallende Cohorte und partem wohl
Glosse. Gemeint ist nicht, dass dieselbe den Platz, wo sie stand,
entblösst, so&dern dass sie selbst die Flankendeckung verliert.
5, 43, 6 paulum quidem intermissa flamma et ist wohl zu streiche
Es ist abenteuerlich, dass der Brand im Lager die feindlichen
Türme abwehrt, also wo dieser Brand eine Lücke lässt, diese
208 angreifen; und anders lassen sich die Worte nicht verstehen.
6, 3, 4 ut omnia postponere videretur {rebellibus subigendis). Eine
solche Wendung scheint zu fehlen.
6, 10, 2 adductos wohl zu streichen.
6, 1 0, 5 Cheruscos ab Suebis Suebosque ab Cheruscis [iniuriis incursi-
onibusquej prohibere.
6, 12, 6 gratia [dignitateque] amplificata. Wenn die Sequaner sich
auch gleicher Gunst erfreuen wie die Haeduer, so können sie
nicht füglich, nachdem sie den Principat verloren haben, im An-
sehen ihnen gleichgestellt werden. „Auch sprachlich", bemerkt
Beiträge zur Kritik des Bellum Grallicum. 55
Meusel, „ist dignitateqtie bei Cäsar sehr bedenklich; bei guten
Schriftstellern wird que nicht an ein mit kurzem e endigendes
Wort angehängt''.
6, 12, 8 ita [et] novam et repente collectatn auctoritatem tenehant.
6, 13, 2 sese in servittUem dicant nobilihus {nobilibusque) in hos eadem
omnia sunt iura quae dominis in servos. Der Gegensatz der
geringeren Freien paene servi und der wirklichen Unfreien tritt also
deutlicher heiTor, als wenn quihus nach nobilihus eingesetzt wird.
6, 17, 3 quae superaverint scheint Glosse, angelehnt an quMe hello
ceperint.
6, 22, 2 gentibus cognationibusque hominum quicumque (quicum a,
quique ß) iina coierunf. Damit wird näher festgestellt, welche
Gemeinschaften bei der Ackerteilung Landlose empfangen; es
sind Sippen, aber diesen selbst bleibt es überlassen, festzustellen,
wen sie als zugehörig betrachten.
6, 22, 3 ne latos fines parare sttideant potentiares (j)ot€ntiores)que
humiliores possessi&nibus expellant.
6, 24, 4 quod in eadem [inopiaj egestate patientia {anti)qua Gennani
permanent. Unmöglich können egestas und patientia coordiniert
werden.
6, 32, 2 ad se ut deducerentur statt reducerentur.
6, 43, 1 profectus {equites) magno coacto numero .... dimittit.
7, 11,4 qui (Carnutes) . . . adlato nimtio de oppugnatione Vellaunoduni
. . . . jiraesidium Cenabi [tuend i causa] quod eo mitterent comparabant.
Die Mannschaft wird in Cenabum gesammelt, nicht um dies,
sondern um Vellaunodunum zu verteidigen.
7, 14, 5 a JBoia quoqiie versus gehört zusammen und wird ganz zu
streichen sein.
7. 15, 2 hoc ideni fit in reliquis civitatibus ist Zusatz. Es handelt
sich nur um Yerwüstung hoc spatio, quo pabtdandi causa adire
posse videantur (Bomanij und es ist abenteuerlich, dies gleichzeitig 209
auf ganz Gallien zu erstrecken. Auch was folgt in omnibus partibus
incendia conspiciuntur führt nur auf das Gebiet der Biturigen.
7. 21, 3 quod penes eos, si id oppidum retinuissent, siimmam nictoriae
constare inteUegebant scheint mir richtig zu sein, Dass die Biturigen
durch eigene Kraft die Römer abwehren, wünschen die übrigen
Yölkerschaften nicht, weil sie ihnen diesen Kriegserfolg beneiden.
7. 27, 1 refectisque (statt derectisque) operibus.
7. 27, 2 legionibusque extra vifieas in occidto expeditis., wie a liest,
scheint richtig und die Lesung von ß intra statt extra eine der
I
5ß Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum.
dieser Familie eigenen gewaltsamen Interpolationen. Die Belagerten
erwarten den Angriff aus den vineae; statt dessen wird er ge-
richtet auf den ganzen Mauerring, ex omnihus partibus , und
mussten also die Legionen um die Mauer herum ausserhalb der
vineae aufgestellt werden.
7, 38, 9 qui eins praesidii fiducia una ierant (statt erant).
7, 42, 5 iter ad legionem facientem ist besser als legiones, da der
Offizier zu einer bestimmten Legion gehört; suam scheint ent-
behrlich, da kein Grund ist die Zugehörigkeit besonders zu betonen.
7, 45, 5. Die Änderung unam in decimam ist meines Erachtens
sinnstörend. Die zehnte Legion ist bei dem Corps, das nachher
angreift; die hier gemeinte wird bei dem Scheinangriff auf der
anderen Seite verwendet, wie dies die Worte augetur Gallis
suspicio zeigen. Auch eodem iugo ist richtig und silvis occtiltat
so zu verstehen, dass die verdeckte Aufstellung den Feind über
die Stärke der Truppe täuschen und ihn bestimmen soll, sie für
das Hauptheer zu halten. Die weitere Ausführung würde hier zu
weitläufig werden.
7, 58, 2. c. 58, 6. c. 60, 1. c. 61, 5. Meines Erachtens kann weder
bestritten werden, dass an diesen vier Stellen dieselbe Ortschaft
gemeint, noch dass diese Ortschaft das heutige Melun ist; der
Name aber ist in seltsamer Weise entstellt:
meclodone (dritte Stelle) oder metclodone (zweite Stelle) ablativisch
ein Teil der Handschriften erster Klasse (B M),
mellodunum oder ablativisch melloduno ein Teil der Handschriften
erster Klasse (A Q) an der ersten und der zweiten Stelle.
melledunum die übrigen Handschriften erster (B M S) und ein
Teil derjenigen zweiter Klasse (h l) an der ersten Stelle,
metlosedum ein Teil der Handschriften erster Klasse (BMS)
an der vierten Stelle,
210 mctiosedum die übrigen Handschriften erster Klasse (A Q) an
der vierten Stelle und sämtliche Handschriften zweiter
Klasse an allen vier Stellen mit Ausnahme von hl an der
ersten.
Andererweitig heisst der Ort:
Mecledo im Itin. Ant. p. 383 (mededo die beste Handschrift, die
übrigen meclet-, metlet-, medet-)^ was Ablativ von Mecledum
sein muss, nicht Nominativ, da sonst das Wort nach Analogie
von Narhone, Tarracone flectiert sein würde.
Meteglo die Peut. Tafel, verdorben aus Megleto.
Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum. 57
Mecledonense castrum, Megledotiensis pagus hat Gregor von
Tours hist. Franc. 6, 31 (ohne wesentliche Variante). 32 (die
besten Handschriften ebenso, andere megled-, methed-).
Mecledone episcopiis, Mecledonensis episcopus die fränkische
Urkunde vom J. 538 bei Ruinart zum Gregor p. 1328.
Die jetzt gangbare Meinung, dass der Ort einen Doppelnamen
geführt hat, wird aufgegeben werden müssen ; überall liegt in ver-
schiedenen Abwandelungen oder Yerschreibungen dasselbe "Wort
vor. Die Formen der Cäsarhandschriften meclo-, mello-, metlo-,
t
metclo- (wohl aus meclo- entstanden) , niefio- entsprechen dem ander-
weitig beglaubigten mecle-; es wird also meclo- festzuhalten und das
kurze o in e übergegangen sein. Hinsichtlich der Endung führen
die nachcäsarischen Angaben auf MecUdum oder Meclediinum; doch
möchte die letztere als aus gallischer Quelle stammend mehr für
sich haben. Auch die cäsarischen weisen teils auf Meclodo, teils
dMi Meclodununi ; Metlosedum hat wohl daneben in X als Dittographie
gestanden und ist daraus in einzelne Handschriften der ersten und
in die meisten der zweiten Klasse übergegangen. Vermutlich hat
Cäsar selbst Meclodunum geschrieben.
7, 64, 1 ipse imperat reliquis cimtatihus ohsides, decimum (statt denique)
ei rei constituit diem.
7, 70, 3 hostes in fugam coniecti se ipsi multitudine impediunt atque
migusüorihus portis relictis coacervati: tum Germani u. s. w. ist
mit a zu schreiben. Der Rückzug wird behindert teils durch die
grosse Zähl der Feinde, teils dadurch, dass sie an den allzu
schmalen in der maceria gelassenen Durchlässen sich zusammen-
drängen.
7. 72, 2 in nostros opere distentos statt operi desti^mtos.
7. 73, 1 erat eodem tempore et materiari et frumentari et tantas
. munitiones fieri necesse [deminutis nostris copiis quae longius a
castris progrediebantiir] . Die "Worte deminutis nostris copiis quae 211
l. a. c. progrediehantur sind nicht bloss überflüssig, sondern auch
incorrect.
7, 73, 2 perpetuae fossae (quinque) quinos pedes aUae. Die Zahl der
Gräben muss schon hier angegeben werden; sie ergiebt sich aus
den quini ordines.
7. 74, 1 tit ne magna quidem multitudine, si ita accidat [eius discessu]
{ut) munitionum pmesidia circumfundantur (hdschr. munitiomim
praesidia circumfundi possent aut), cum periculo ex castris egredi
cogatur, dierum XXX pabtdum frumentumque habere omnes con-
5^ Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum.
vectum iuhet. Dies ungefähr wird gefordert; sichere Herstellung
des Textes ist damit freilich nicht erreicht.
7, 75, 2 Amhivaretis (amhluaretis X) ist wohl in Ämbarris zu ändern :
unmöglich kann jene neben den Menapiern wohnhafte kleine
Völkerschaft in der Chentel der Haeduer gestanden haben, und
das Fehlen der Ambarri in dieser Verbindung befremdet. Dies
ist nicht Schreibfehler, sondern Interpolation; der Diaskeuast, von
dem X herrührt, vermisste die kurz nachher (7, 90 [, 6]) in
dem Verzeichnis der Winterquartiere genannten Ambivareti. Die
an sich nicht wahrscheinliche Annahme, dass es zwei Völkerschaften
dieses Namens gegeben hat, wird dadurch ausgeschlossen, dass
alsdann Cäsar die südliche hier, die nördliche gleich darauf ohne
unterscheidenden Beisatz genannt haben würde.
7, 75, 3 Esuviis et Äulercis Ehurovicihus terna dürfte zu schreiben
sein statt Lexoviis et Äulercis JEburonibus terna der Familie a,
woraus die Lesung ß Lexoviis Ehuronihus durch offenbare Inter-
polation gemacht ist. Die Verbesserung des schon in der Urhand-
schrift fehlerhaften Ehuronihus in Ehurovicihus ist längst gefunden
und evident. Die Streichung der Lexovii empfiehlt sich nicht,
zumal da dann terna in tria verwandelt werden muss; aber der
Name ist vielleicht verdorben. Denn die Lexovii erwartet man
zunächst unter den aremoricanischen Gauen, und nicht ohne Wahr-
scheinlichkeit hat bei diesen Nipperdey diesen Namen statt der
hier unzulässigen Lemovices eingesetzt; Ehurovices, was Kubier
dafür setzen will, ist unmöglich, da in einer Liste, welche die
Aulerci Brannovices und die Aulerci Cenomani aufführt, die Aulerci
Ehurovices nicht bloss mit dem letzteren Namen figurieren können.
Man muss entweder Lexoviis hier stehen lassen und unten die
Lemovices streichen oder für diese mit Nipperdey die Lexovii ein-
setzen und an der ersten Stelle für Lexoviis schreiben Esuviis,
deren Fehlen in dem Verzeichnis befremdet und die gut zu
den benachbarten Aulerci Ehurovices passen.
7, 75, 4. Die aremoricanischen Amhiharii sind sicher identisch mit
den 3, 9 [, 9] in ähnlicher Verbindung genannten Amhiliati, wie
212 sie in der besseren Familie heissen, während die geringere dafür
Amhiani setzt, Orosius Amhivariti, beides offenbar durch Inter-
polation. Welche der beiden Formen Amhiliati und Amhiharii
die richtige ist, lässt sich nicht entscheiden.
7, 77, 13 cuizis rei iudicarem fehlt in der geringeren Klasse
vielleicht mit Recht; es sieht ganz aus wie ein altes rhetorisches
Emblem und unterbricht die Verknüpfung des voraufgehenden
Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum. 59
und des nachfolgenden Satzes. Der letztere indes nam quid iUi
simile hello fuit ist schwerlich gesund; vielleicht ist zu schreiben:
rMtn quid iUis (maiorihus) simile fuit?
7, 79, 3 concurruni hi (statt his) auxilüs visis.
7, 84, 3 quod suam in aliena vident virtute sahäem constare. Für
suam haben die Handschriften suum periculum, für virtute salutem
liest a salute, ß virtute.
8 praef. 2 commentarios rerum gestarum .... contexui novissimoque
imperfecto (statt novissimumque imperfectuni) . . confeci, so dass
commentarios wie mit contexui, so auch mit confeci verbunden
wird. Hirtius kann nicht sagen, dass er den letzten unvollständigen
commentarius geschrieben, wohl aber, dass er die von Cäsar ge-
schriebenen teils in Zusammenhang gebracht, teils fortgeführt
habe.
8, 4, 1 centurionibus II (statt tot) milia nummum praedae nomine
cmidonatae (statt condonata) pollicettir. Dass II ebenso durch bina
wie durch diio aufgelöst werden kann, weiss jeder Epigraphiker.
Die den Soldaten gespendete Beute wird zu Gelde angeschlagen
und abgelöst, so dass sie dann selber für Rechnung des Aerars
verkauft werden kann.
S, 5, 2 in tecta partim Gallorum, partim [quaej conlectis celeriter
stramentis tentoriorum integendorum gratia [erant inaedificata]
milifes compegit. Die Soldaten werden unter Dach gebracht teils
in den stehen gebliebenen gallischen Behausungen, teils durch
Anlage von strohgedeckten Zelten.
8. 5, 4 dispersi wohl zu tilgen.
^. 12, 2 eodemque equites postero die mittunt, qui [primumj elicerent
nostros, insidiae deinde circumventos adgrederentur. Nicht insidiae,
das unentbehrlich ist, sondern primum ist zu streichen.
8, 13, 2. Nach der früher für diese deutschen Fusssoldaten ange-
gebenen und hier wiederholten Bemerkung, dass sie eqiiitibus
interpositi fechten, befremdet es, sie hier als selbständige Infanterie-
truppe verwendet zu sehen, und ich habe an der Richtigkeit des
Textes gezweifelt; aber in ähnlicher Weise treten die auxilia levis
armaturae 8, 17 f. und die Germani pedites 8, 36 auf.
8, 14, 4 atque [id] iugum. 213
S. 16, 1 turmas mittit scheint mir sicher Interpolation der schlechteren
Klasse; aber auch in eodem loco fehlte besser.
^. 35, 4 cum cohortibus admotis (statt armatis) ex proximis casteUis.
36, 4 ad {ea) Germanos equitesque . . . advolasse.
K
gQ Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum.
8, 46, 4 //// legiones in Belgio conlocavit cum M. Antonio et C.
Trebonio et P. Vatinio et Q. Tullio legatis kann nicht richtig sein.
M. Antonius bewarb sich im Winter 701/2 während der milonischen
Händel um die Quästur (Cicero Phil. 2, 20), oflPenbar um eine der
Stellen, für welche verfassungsmässig im Sommer 702 die Wahlen
stattzufinden hatten und deren Zeit vom 5. December 702 zum
4. December 703 lief. Mit Recht wird er also am Ausgang der
Campagne 702 als legatus bezeichnet (7,81 [, 6]), dagegen in dem
Bericht über den Feldzug 703 durchaus als quaestor (8, 2. 24. 38).
Da die oben angeführte Stelle von den Winterquartieren 703/4
handelt, also die zweite Hälfte derselben nicht mehr in das Amts-
jahr des Antonius fiel, so könnte man meinen, dass er darum hier
wieder legatus heisst; indes ist schon vorher bemerkt worden,
dass für den sein Amt über die Amtszeit hinaus verwaltenden
Quästor diese Bezeichnung schwerlich zulässig ist ^, sondern er Pro-
quästor oder auch Quästor zu tituliren war. Aber auch in anderer
Beziehung ist die Stelle mehr als bedenklich. Die bessere Familie
liest et P. Vatinio legato oder legatis, die geringere et P. Vatinio
et Tullio legato; die oben gegebene Lesung ist nichts als verkehrte
Conjectur. Denn der Bruder Ciceros kann hier nicht genannt
sein; er ging im Juli 703 mit diesem nach Kilikien (Drumann
6, 737) und kann also in den gallischen Winterquartieren 703/4 kein
Kommando geführt haben. Also ist sein Name hier eine der in
der geringeren Familie so zahlreichen Schlimmbesserungen; den aus-
gefallenen vierten, den die Zahl der Legionen fordert, können wir
nicht erraten, den Zusatz legato (denn dass X dies hatte, zeigt
die Übereinstimmung eines Teils von a mit ß und die grössere
Schwere der Corruptel) ebensowenig mit Sicherheit emendieren.
8, 48, 3 ne sua vulnera fide (perfidia oder per ßdem die Hand-
schriften) interposita paterentur impunita. conversoque equo se
{seorsus) a ceteris incautius permittit in praefectum.
8, 48, 7 quod fubi malum] dux equi velocitate evitavit.
1) Ein legatus pro quaestwe kommt freilich vor (Staatsrecht P, 687), aber
es dürfte diese Bezeichnung nur da zutreffen, wo die Proquästur aus freiem
Mandat des Statthalters hervorgeht, nicht wo sie auf der Continuierung des
militärischen Amtes beruht.
XL
Zum bellum Hispaniense.*)
Bei den folgenden überwiegend kritischen Bemerkungen habe 607
ich sowohl eine von Herrn Dr. Graeven für mich angefertigte
CoUation der Florentiner Handschrift (A) Ashbumham 33 saec. XXI
benutzt, wie auch die mir von Herrn Mensel gefälligst mitgetheilte
Revision der wichtigsten von den bisherigen Herausgebern benutzten
Handschriften T (Paris 5764 saec. XII), Y (Wien 95 saec. XH), U
(Yatican 3324 saec. XII). Mit Hülfe dieser sich gegenseitig theils
stützenden, theils berichtigenden Texte ^ lässt sich die allen zu Grande
liegende Lrhandschrift mit genügender Sicherheit restituiren; die
Abweichungen der uns vorliegenden von dieser sind in den folgenden
Erörterungen nur da angeführt, wo sie mehr sind oder sein können
als Fehler des einzelnen Schreibers, was nicht häufig der Fall ist.
Die gemeinsame Grundlage aber war bereits so heillos zerrüttet,
dass in zahlreichen Fällen auf eine auch nur den Historiker be-
friedigende Herstellung des ursprünglichen Textes verzichtet werden
muss. Für die Prüfung und Sichtung meiner Yorschläge bin ich
meinem Freunde Yahlen mehrfach Dank schuldig geworden.
c. 1, 4. de Cn. Pompeio darf nicht gestrichen werden. Dass
Gnaeus die Caesarianer zur Verantwortung zieht, versteht sich von
selbst; aber er vergreift sich auch an den Führern seiner eigenen
*) [Hermes 28 (1893) S. 607—614, = Zur Geschichte der caesarischen Zeit III.
Die beiden ersten Teile sind in den Historischen Schriften I S. 169 — 179 zum
iVbdruck gebracht. — Für die folgenden kritischen Bemerkungen zum bellum
Hispaniense ist die in der Behandlung dieser Stellen mehrfach abweichende
Ausgabe von Köhler (Leipz. 1897) zu vergleichen, zu der Mommsen zahlreiche
linendationsvorschläge beigesteuert hat.]
1) Von einer fünften unvollständigen Handschrift Laurent. 68, 8 saec. XI
lat H. Rostagno kürzlich (studi italieni di filologia classica 2, 135) die Varianten
veröffentlicht; dieselbe geht mit ü und ist werthlos.
02 Zum bellum Hispaniense.
Partei, wenn ihr Reichthum ihn reizte; und offenbar stand die ört-
liche Aristokratie der wohlhabenden Provinz auf seiner Seite.
c. 1, 4. ita paucis (so AT, j>aas UV) commoda ohtenta: eo maiores
augehantur copiae. Für ohtenta eo haben die Handschriften hoste
hortafo. Die incorrecte Gemination der Vermehrung wird diesem
Schriftsteller zu belassen sein.
c. 2, 1. legatique Cordubenses qui a Cn. Pompeio discessissent.
Es sind die aus Corduba vertriebenen Caesarianer gemeint; gefordert
wird Cordubensium oder Cordubenses eorum qui a Pompeio disces-
sissent.
c. 2, 1. Die mit Recht von Nipperdey angenommene Lücke muss
dem Sinne nach etwa in folgender Weise ausgefüllt werden: simulque
608 quod tdbellariis, qui a Cn. Pompeio dispositi omnihus locis essent, qui
certiorem Cn. Pompeium de Caesaris adventu facerent, [ipse suum
eius adventus metum significassetj .
c. 3, 5. litusque (so A, quem TUV) vis tempestatis ita ohscurabat.
Dies scheint eine der wenigen Stellen zu sein, in denen A allein
(mit den interpolirten, die aus litus gemacht haben aditus) die alte
Corruptel bewahrt hat. Was in derselben steckt, wage ich nicht
zu entscheiden; man erwartet etwa visumque cuiusque vis tempe-
statis adeo ohscurabat, ut vix proximum agnoscere posset. Dass der
einzelne Soldat gemeint ist, zeigt proximus.
c. 4, 2 wird falsch interpungirt: qui simul in conspectum oppidi
se dederunt (so U wohl aus Conjectur, sederunt ATV), cum equis
recipiuntur, hoc (das Aufsitzen der Infanteristen) a Cordubensibus
nequaquam poterat animadverti.
c. 5. Die Erzählung kann nur so verstanden werden, dass
Caesar, am linken Ufer des Baetis anrückend, durch Steinschüttungen
eine Brücke herstellt und der am rechten Ufer gelegenen Stadt
Corduba gegenüber sein Lager schlägt: ponte facto copias ad castra
tripertito traduxit: tendebat (so Kraner, tenebat die Hdschr.) ad-
versus oppidum: e regione ponit trahes, ut supra scripsimus; der
Stadt gegenüber legt er die Brückenbalken, ut supra scripsimus
weist zurück auf ponte facto. Bipartito huc (hoc TU) cum Pompeius
cum suis copiis venisset, ex adverso pari ratione castra ponit. Das
Wort bipartito braucht nicht zu dem vorigen Satz gezogen und auch
nicht emendirt zu werden. Dann wird um die Brücke gestritten
und beide Theile suchen von ihren Lagern, von den verschiedenen
Ufern aus, befestigte Linien zu derselben zu führen, um sich deren
Besitz zu sichern.
Zum bellum Hispaniense. 63
c. 5, 7. 6, 1. Caesar sucht das feindliche Heer zur Schlacht zu
zwingen, die Pompeius verweigert: diebus compluribus cupiehat
Caesar, si qua condicione posset, adversarios in aequum locum de-
ducere et primo quoque tempore de hello decernere, cum id (die
Hdsehr. id cum) animadverteret adversarios minime velle. quos quoniam
ah Ulia (a uia die Hdschr.y retraxerat, ut (tit fehlt in A, wenn
die Collation richtig ist^ in aequum deduceret, copiis flumine traductis
noctu iuhet ignes fieri magnos. Dies ist wohl richtig : nachdem Caesar
seinen ersten Zweck, den Entsatz von Ulia erreicht hat. überschreitet
er den Fluss unter Abbrennung seines Lagers am rechten Ufer, um
sich gegen die Städte der Pompeianer am linken zu wenden. Weiter
muss es wohl heissen: contra (ita die Hdsehr.^ firmissimum eiu3 609
praesidium Ateguam proficiscitur. Diö folgenden lückenhaften imd
verdorbenen Worte können dem Sinne nach etwa so gelautet haben:
id cum Pompeius ex perfugis rescisset, qua die facultatem [nactus est,
relinquens montes] et angustias carra complura multosque (multos 1)
lanistas (lanystas A, lanistos T) retraxit (retaxit Tj et ad Corduham
se recepit. Der Marsch nach Corduba steht dem Pompeius offen.
Dass er bisher auf unwegsamem Terrain stand, fordert das Bestreben
Caesars ihn in aequum locum zu bringen. Die lanistae, wenn sie
richtig sind, rücken dem Gegner vor, dass sein Heer zum grössten
Theil aus Sclaven bestand (34, 2. 4, vgl. 7, 5).
c. 6, 3. Cui de Pompeio cum nuntius esset oMatus eo die pro-
ficisci, cuius in adventum praesidii causa Caesar complura casteUa
occupasset .... hie ... incidit. So zum Theil nach einem Vorschlag
Yahlens. Ueberliefert ist proficiscitur cuius, was nicht richtig sein
kann, denn nicht Caesar marschirt. sondern Pompeius. Auch zeigt
die weitere Erzählung, dass die Pompeianer an diesem Tage schon
unterwegs sind.
c. 6, 3. in stationes in excuhitu sieht nach Glossem aus; in
stationes wohl zu streichen.
c. 7, 3. haec loca sunt montuosa et natura impedita ad rem
militarem, quae planitie dividmüur, Salso flumitie, proxime tarnen
Ateguam ut flumen sit. Circiter passuum (passus die Hdsehr.^ II
milia e regione oppidi in montihus castra hahtiit posita Pampeius.
Für impedita haben die Handschriften edita: dass ein Berg ,von
I^atur' hoch ist. kann selbst diesem Schriftsteller nicht zugetraut
werden und ebenso wenig, dass ein hoher Berg besonders zum
Schlagen sich eignet. Die Parallelstelle 8, 1, welche Yahlen dagegen
geltend macht : loca sunt edita et ad castrorum munitiones non parum
iihnea dürfte doch mit dem wunderlichen Ausdruck editus ad rem
g4 Zum bellum Hispaniense.
militarem kaum zusammenzustellen sein; eher könnte danach edita
in idonea geändert werden, da impeditus und idoneus je nach dem
verschiedenen Standpunkt des Angriffs und der Yertheidigung auf
dasselbe hinauskommen und der Schreiber bei seiner infantia sich
stetig selber wiederholt. Für e regione ist überliefert ex ea regione,
wo is keine Beziehung hat und ferner die 2 Milien wohl passen für
die Entfernung des pompeianischen Lagers von der Stadt, während
für die Entfernung der Stadt von dem flunien proximum bei diesen
engen Yerhältnissen 2000 Schritt viel zu viel sind.
610 c. 7, 4. Ueber die Bedeutung der legio vernacula vgl. diese
Zeitschr. XIX 1 3.*) Aber mit Unrecht habe ich dort mit dieser
Stelle die zwei varronischen Legionen b. c. 2, 18 in Verbindung
gebracht: diese sind vielmehr aus den römischen Bürgern ausgehoben,
während die legio vernacula eine aus geborenen Nichtbürgern ge-
bildete Legion bezeichnet. Im bell. Alex. 53 fg. tritt nur eine legio
vernacida auf, und ebenso bei unserem Verfasser weiterhin 10, 3.
12, 1. 20,2. 4. 5; man könnte die Lesung beanstanden und hier
vorschlagen duae fuerunt vernacula et II quae a Trehonio trans-
fugerant, um dieser Schwierigkeit zu entgehen. Die legio secunda
Pompeiana 13, 3 und bell. Alex. a. a. 0.
c. 7, 4. una facta ex coloniis quae (colonis qui A) fuerunt in
his regionibils. Colonie im Rechtssinne kann in Baetica zu dieser
Zeit höchstens Corduba gewesen sein; ohne Zweifel ist das Wort
hier im factischen gebraucht von Ortschaften wie Italica und Gades
mit starker römischer Bevölkerung, wenn auch ohne römisches
Stadtrecht. Dasselbe wird auch anzunehmen sein hinsichtlich der
so oft bei Cicero und bei den Historikern erwähnten Colonien der
von Antonius und Caesar unter die Waffen gerufenen caesarischen
Veteranen; Capua und die sonstigen wenigen eigentlichen Colonien
Caesars sind darunter wohl hauptsächlich, aber schwerlich aus-
schliesslich verstanden (vgl. C. I. L. X p. 369). Das Perfect fuerunt
ist auffallend, erklärt sich aber auch am erträglichsten in der Weise,
dass dem Schriftsteller dabei der factische Bestand der römischen
Bewohnerschaft im Sinn gelegen hat, da dieser ja dem Wechsel
unterworfen war.
c. 8, 3. omnia loca, quae sunt ab oppidis remota, turribus ei
munitionibus retinentur, sicut in Africa: rudere, non tegulis teguntur.
So muss wohl die Interpunction geändert werden; der Verfasser
*) [In der Abhandlung : „Die occidentalischeu und die orientalischen
Legionen". Sie wird in Band VI der Ges. Schriften (= Band III der Eist. Sehr.)
erscheinen.]
Zum bellum Hispaniense. 65
scheint sagen zu wollen, dass die Sitte die einzeln liegenden Land-
häuser burgartig zu befestigen Spanien und Africa gemeinsam ist,
aber die Deckung dort aus Ziegeln, hier aus Steinschutt hergestellt
wird.
c. 10, 2. Der Abmarsch des Pompeius nach Corduba, der hier
berichtet wird, findet nicht statt, wie die weitere Erzählung zeigt;
er scheint bloss das Lager gewechselt und der Schreiber unseres
Journals sich über den Charakter der Bewegung getäuscht zu haben.
Es ist dies bezeichnend für die successive Aufzeichnung des Be-
richtes.
c. 11, 2. sie ut omnigenus (omne genas quihus Hdschr.y ignis
per iactus solitus est tnüti. Yahlen bemerkt dazu, dass omne genus
stehen bleiben könne, wenn man es in gleichem Sinne erkläre.
c. 12, 2. et Trebonio transfugae erant statt transftigerant. 611
c. 12, 6. hi (l die Hdschr.^ cum eruptionem facere coepissent,
tarnen virtute militwn tiosfrorum qui etsi inferiore loco premehantur
tarnen ist reine Wiederholung und vielleicht zu streichen. Ygl.
16, 4. [„l significare videtur vel aut aliter" Kühler.]
c. 13, 3. se scutum esse posituros statt positurum; ein einzelner
Soldat genügt hier nicht.
c. 13, 6. permagna pars hominum statt fere magna.
c. 14, 1. eins praeter iti temporis (tem A^ ist wohl Rest einer
Bemerkung über die Fortsetzung der 13, 1 erwähnten Schanzarbeit,
etwa opus continuans praeteriti temporis Pompeius trans flumen (vom
Standpunkt des Pompeius aus) castellwn constituit.
c. 14, 2. nostrorum equitum ist zu tilgen.
c. 14, 4. qui cum aliquo loco a nostris recepti essent, ut conr-
suessent, eximia (statt ex simili) virtute, clamore facto aversati sunt
proelium facere. Der Conjunctiv consuessent ist incorrect, aber ebenso
setzt unser Autor fuisset 11,2 (wo fuit A), fuissent 22, 2. 3. 6.
c. 15, 1. dimisso equo darf nicht gestrichen werden, da die
folgende Erzählung sich um abgesessene Reiter dreht; bei id quod
'11. hoc accidit proelio ist gemeint: ut par haheretur, nicht das Gegen-
:heil.
c. 15, 6. Die Iwspites sind die in Ategua lebenden Römer.
Eben diese senden dann Botschaft an Caesar.
c. 16, 4. Dies ist unverständlich, die Rückbeziehimg auf einen
vorher nicht genannten cunicidus wahrscheinlich vom Erzähler ver-
schuldet; der seltsame Bericht, dass der Mörder selbst von der
li'ortführung der Schlächterei abmahnt, mag auf Schreibfehler beruhen.
•Vielleicht ist unum zu schreiben statt lunium.
MOMMSEN, SCHR. YII. 5
ßg Zum bellum Hispaniense.
c. 18, 1. Die zerrüttete Erzählung lief wohl darauf hinaus, dass
einer der Abgesandten der römischen Einwohnerschaft Miene machte
dem mitgesandten Lusitaner nicht in die Stadt zu folgen, darauf
dieser Gewalt brauchte und nun zwei der römischen Gesandten sich
zu Caesar flüchteten. Correctur ist nicht möglich; gestanden kann
etwa haben: remissis legatis cum ad portam venissent Tiberius et (et
fehlt, in V hinter tib. leerer Raum von 5 Buchst.) Tullius et cum
introeuntem Catonem hie (intro euntem c. antonius Hdschr.^ insecutus
non esset, revertit ad portam u. s. w. Für die Machtstellung der
römischen Einwohnerschaften in den spanischen Städten ist diese
Erzählung (neben 19, 5) bezeichnend.
612 c. 18, 4. 5. servus .... in Pompei castra discessit et indicium
glande scriptum misit, per quod certior fieret Caesar, quae in oppido
ad defendendum compararentur. ita lifteris acceptis cum in oppidum
revertissent (so A, -tisset TVü), mittere glandem inscriptam solehant
ist sicher verdorben; der Sclave dessen Hinrichtung 20, 3 berichtet
wird, kann nicht das zu misit gehörige Subject sein. Es ist entweder
missum oder Aehnliches für misit zu schreiben, oder es fehlt etwas.
Am Schluss fehlt nach solehant das, was auf diese Mittheilungen
geschah, und zwar, da Utteris acceptis dies fordert, im caesarischen
Lager.
c. 22, 7. eumque (eum qui k) non amplius a(sses) VII accipere
— so wird wohl XVII (sedecim \]) aufzulösen sein. Dies ist, auf den
As von ^/i6 Denar berechnet, ein Jahressold von 160 Denaren, was
zu passen scheint. Marquardt Handb. 2, 95.
c. 25, 2. Wohl so zu interpungiren : simulque vociferantibus
legionariis cum locum efflagitarent ut consueti insequi (existimare
posses paratissimos esse ad dimicandum), nostri . . hene longe sunt
egressi. Die Handschrift A hat hier mit den interpolirten ex consue-
tudine insequenti für ut consueti insequi; nachher posse speratissimos
TÜV, posses paratissimos (wenn die CoUation nicht trügt) A.
c. 25, 6. ita avidi cupidique suarum quisque partium virorum,
fautorumque voluntatis (Hdschr. voluntas) habebatur scheint erträglich ;
ex vor partium fehlt in A wie in T.
c. 26, 1. milia XIII und milia XII (die Hdschr. haben statt
XII alle 0-C Gl) sind wohl x III und x II = denarium tria und duo
milia. Das Denarzeichen ist an der zweiten Stelle nicht zu ver-
kennen und milia oder mii Schreiberauflösung des Querstrichs.
c. 26, 6. profectu (Hdschr. profecto) nostro commeatu privati
necessario ad dimicandum descendent (descendunt AV). Noster com-
Zum bellum Hispaniense. 67
meatus kann nicht wohl bezeichnen, was es nach dem Zusammenhang
bezeichnen müsste, die von den caesarischen Belageningstruppen
aus dem Gebiet der pompeianisch gesinnten Städte bis dahin be-
zogene Verpflegung; profectus im Sinne von profectio, Abmarsch
passt zu 27, 3,
c. 27, 3. Pompeius castra movit et contra Hispalim (spcdim ATU,
sparim \) in oliveto constituH. Sevilla liegt von ücubi mindestens
fünf Tagemärsche westlich, während das gleich nachher erwähnte
Ventipo, dessen Lage feststeht, von Ucubi nur etwa zwei Tage-
märsche entfernt ist. Entweder ist der Stadtname verdorben oder
die Präposition; in der Richtung auf Sevilla kann Pompeius aller- 613
dings abmarschirt sein, aber nicht Hispalis gegenüber Lager ge-
schlagen haben. Der folgende Bericht zeigt, obwohl übel redigirt,
dass Pompeius, als er ,contra Hispalim' Stellung nahm, noch in
nächster Jfähe von Ucubi stand, dieses mit der Nachhut besetzt
hielt und diese anwies die Stadt einzuäschern und ihm dann in die
castra maiora zu folgen. Auch die Stadt, die, weil sie ihm ihre
Thore geschlossen hat , niedergebrannt wird , kann nur (vgl. 20, 1 )
Ucubi sein; es ist Caesar, nicht Pompeius, der vom Flusse Salsus
aus (23, 1) Pompeius nachfolgend, nach Ventipo, zwei Tagemärsche
südlich vom Salsus, und von da nach Carruca rückt. Wenn fort-
gefahren wird: hinc itinere facto in campum Mundensem (so A,
undensem TüV) cum esset ventum, castra contra Fompeium constituit,
so scheint mit der jetzt über die Lage dieser verschollenen Stadt
herrschenden Meinung weder dieser Bericht in Einklang gebracht
werden zu können noch die über die Lage Mimdas anderweitig
vorliegenden Zeugnisse. Wenn Strabon (3, 2, 2) sagt: eit öe ev alg
oi IIojujiTjiov Tialdeg y.arejiokEft^&rjoav, Movvda xai 'Aieyova xal Ovqocov
xal Tovxxig xai OvXia xai ÄTyova (?) ' aTiaoai d' avrai Koqdvßrjg ovx
abiay&ev ' XQonov de riva /xrjrgoTioXig xaTeorr] rov tojiov xovrov [Movvda] '
dii'/ei de Kagrrjiag [f] Movvda] oradiovg yiXiovg xai xerQOxoaiovg,
30 darf der evidente Fehler der Ueberlieferung nicht in den Zahlen
gesucht werden, sondern es ist durch Literpolation auf Munda über-
tragen, was von Corduba gesagt war, dass es als Hauptstadt von
Baetica gilt (vgl. bei unserm Autor 3, t : Cordubam tenebat, quod eius
provinciae caput esse existimahatur) und 1400 Stadien =175 Milien
von Carteia entfernt ist (vgl. denselben 32, 6: Carteiam contendit,
quod oppidum ahest a Corduba milia passuum CLXX). Dagegen ist
die bei den zugleich genannten uns sonst bekannten Städten zu-
treffende Angabe, dass sie um Corduba liegen, für Munda ebenso
unanfechtbar wie unvereinbar mit der Ansetzung des Ortes bei den
ßg Zum bellum Hispaniense.
Haras de Monda unweit Ronda, das ausserhalb des Flussgebiets des
Baetis liegt und durch ansehnliche Gebirge von demselben getrennt
ist. Aehnliche und noch grössere Schwierigkeiten macht die Angabe
des Plinius (h. n. 3, 1, 12): huius (Astigitani) conventus sunt reliquae
coloniae immunes Tucci . . . Iptuci . . . Ucuhi TJrso . . ., inter
quae fuit Munda cum Pompeio filw rapta. Einmal kann der Bezirk
614 von Ecija sich unmöglich südwärts bis Ronda erstreckt haben;
zweitens können die Worte des Plinius nichts anderes heissen, als
dass Munda zwischen Ucubi und Urso lag, also etwa am mittleren
Lauf des Singilis (Jenil), was in jeder Hinsicht, auch zu der Er-
zählung in unserer Schrift vortrefflich passt, wogegen, wenn man
Munda nach Ronda setzt, der Marsch von Ventipo im Gebiet des
Jenil in das des Guadalete geradezu abenteuerlich herauskommt.
Endlich die weitere Meldung (c. 4t, 5), dass, da es für die Belagerung
von Urso an Holz fehlte, dies von der den Tag zuvor genommenen
Stadt Munda herbeigebracht ward, fordert dieselbe Oertlichkeit.
Die Localforschung geht davon aus, dass von den zwei in der Neuzeit
Monda genannten Ortschaften, der einen unweit der Küste westlich
von Carteia und derjenigen bei Ronda, die erstere sicher nicht
zutrifft, und darin kann ihr nur beigetreten werden, nicht aber in
dem Köhlerglauben, dass damit die zweite nicht minder unmögliche
Annahme möglich werde. Die Stadt, zerstört nach der Schlacht, ist
verschollen, aber sicher im Singilisgebiet zu suchen.
c. 28. 29. Es ist vermuthUch die Schuld des subalternen Be-
richterstatters, dass Pompeius Anerbieten zu schlagen bald als
Maske hingestellt wird, bald als ernstlich gemeint, so dass die
Gegner und Caesar selbst die Entscheidungsschlacht erwarten.
Wahrscheinlich durfte und wollte Pompeius nicht schlagen, wurde
aber durch seine Erklärungen an die Provinzialen dazu gedrängt
wenigstens sich zum Kampf aufzustellen und Caesar zwang ihn dann
Ernst zu machen.
c. 29, 6. qui tamen a munitione oppidi longius non audehant
procedere: immo se ibi (in quo sihi Hdschr.^ prope mumm adver-
sariis constituebant.
c. 32, 1. praeterea pars evasit (hoc habuit Hdschr.^ eoc fuga
Jiac, qui oppidum Mundam sibi (mundamis ibi AT) constituissent
praesidium.
c. 33, 3. tofius seditionis caput: das sinnlose vor caput
eingesetzte familiae et libertinorum ist aus dem folgenden anti-
cipirt.
Znni bellam Hispaniense. 69
c. 34, 2. qui in Caesaris adventum cives caedere coeperurü.
So etwas muss für descendere gestanden haben.*) Nachher ist wohl
repugnaretur turres zu schreiben statt repugnarentur res.
c. 35, 2. clam quendam Phihnem gehört zum Vorigen; das
von Nipperdey angenommene Anakoluth scheint mir unstatthaft.
c. 38, 3. ita leciica a turre cum (a turrem quem ATU, ad turrem
quam Y) esset dblatus, in ea ferebatur Lusitanis (lusitanus Hdschr.^
more militari.
*) [Später hat Mommsen in Küblers Ausgabe excedere vermutet.]
XII.
Mamilius Sura, Aemilius Sura, L. Manlius.*)
282 Die über die oben genannten in den Namen ähnlichen Schrift-
steller überlieferten Notizen gehörig zu sondern ist der Zweck der
nachfolgenden Zeilen, welche zum Theil die in dem belehrenden
Werke Reifferscheids über Sueton p. XVI sq. enthaltene Ausführung
veranlasst hat.
1) Mamilius Sura wird in den Quellenverzeichnissen der
Bücher 8. 10. 11. 17. 18. 19 der Naturgeschichte des Plinius auf-
geführt, mit Namen angeführt aber nur an einer einzigen Stelle 18,
16, 143, wo er mit Cato und Yarro zugleich wegen einer seitdem
abgekommenen Futtersorte (ocinum) genannt und deren Bestand-
theile und Behandlung aus ihm mitgetheilt werden. Schon hieraus
geht hervor, dass er einer der zahlreichen älteren römischen Acker-
schriftsteller gewesen sein muss ; und dies bestätigt sich vollkommen
dadurch, dass für die Bücher, bei denen Plinius ihn gebraucht hat,
entweder nur oder doch vorzugsweise mit Geoponiker benutzt worden
sind. An allen angeführten Stellen heisst er Mamilius Sura oder
Sura Mamilius^ nur im Verzeichniss zum 11. Buch bloss Mamilius
(was Sillig willkürlich in Manilius geändert hat); doch macht die
Zusammenstellung mit den übrigen dem Plinius geläufigen Acker-
schriftstellern wie auch die mit dem auch sonst mit ihm zusammen
stehenden Nigidius es unzweifelhaft, dass er hier gemeint ist. Ander-
weitig kommt er nicht vor und scheint auch, da er meistentheils
ganz oder fast zuletzt steht, nach Brunns (de indic. Plin. p. 16) wahr-
scheinlicher Vermuthung von Plinius selbst erst nachträglich benutzt
worden zu sein. — Mit dem Redner Manlius Sura, den Quintilian
inst. 6,3,54. 11,3,126 als Zeitgenossen des Domitius Afer (f 59
n. Chr.) erwähnt, jenen Landwirth zu identificiren berechtigt gar nichts.
*) [Rhein. Mus. 16, 1861, S. 282-287.]
Mamilius Sura, Aemilius Sura, L. Manlius. 71
2) Aemilius Sura. Eine alte gelehrte Glosse, die in den
Text des Velleius 1, 6 gerathen ist, lehrt uns einen anderen Sura
kennen. Sie lautet: Aemilius Sura de annis popidi Ramani. Assyrii
principes omnium gentium rerum potiti sunt, deinde Medi, postea
Persae, deitide Ilacedones; exinde duobus regibus Philippo et Antiocho, 283
qui a Macedonibus oriundi erant, hattd multo post Carthaginem
subactam dsvictis. summa imperii ad populum Bomanum pervenit.
Inter Jioc tempus et initium regis Nini Assyriorum , qui princeps
rerum potitus (sehr, potitust), intersunt anni MDCCCCXCV. Man
hat bisher und gewiss mit Recht inter hoc tempus auf die Besiegung
des Antiochos bei Magnesia 564 d. St, bezogen; Reifferscheids
Annahme, dass inter hoc teynpus 'die gegenwärtige Zeit' bezeichnen
solle, ist sprachUch wie sachlich gleich bedenklich und wird schwer-
lich jemand die daraus gezogenen Folgerungen billigen, wonach
der Yerfasser dieser Glosse, nach Anführung einer Stelle des
Sura über die Weltmonarchien, das Jahr, in dem er schrieb, als
das 1995ste nach Ninus bezeichnet und demnach im J. 85 n. Chr.
diese ^otiz geschrieben haben soll. Vielmehr ist hier einfach eine
Parallelstelle zum Yelleius hinzugefügt worden, eine Aufzählung der
vier der römischen voraufgehenden Weltmonarchien imd die Be-
rechnung ihrer Gesammtdauer auf 1995 Jahre, welche wahrscheinlich,
wie schon Clinton (fasti HeU. I p. 264) sah, sich an Ktesias anlehnt
und etwa folgendermassen ansetzte:
AssjTische Monarchie 1306 Jahre ^
Mediscbe
Persische
Makedonische
1993 Jahre.
Bei der Unsicherheit der handschriftlichen Ueberlieferung und den
unendlichen Schwankungen dieser grösstentheils fictiven Zahlen wird
diese Aufstellung genügen, um ungefähr den Weg zu zeigen, auf
dem Sura zu seiner Zahl kommen konnte und damit die nächst-
liegende Interpretation der fraglichen Worte zu schützen. Vermuth-
317
r
227
n
143
r)
1) Clinton fasti Hell. I, 263.
2) Clinton a. a. 0. I, 261. Da die erste Hälfte der medischen Eönigsliste
in die assyrische Periode fällt, durfte dieselbe eigentlich nicht mitgerechnet
werden; aber es lag nahe, die Gesammtzahl der Jahre der verschiedenen
Monarchien einfach zu addiren.
o) Auch hier ist wie oft von den alten Glironologen vom ersten Jahre des
Kyros Ol. 55, 2, nicht von der Eroberung Babylons an gerechnet.
72 Mamilius Sura, Aemilius Sura, L. Manlius.
lieh folgte bei Sura eine Berechnung der fünften noch dauernden Welt-
monarchie und sind dies die anni populi Romani, die der Schreiber
der Glosse im Sinn hatte. Berechnungen ähnlicher Art sind von
den älteren Theologen, z. B. Sulpicius Severus und Augustinus,
öfters angestellt worden, und man begreift, wesshalb eine solche
Parallelstelle einem Späteren bemerkenswerth erschien.*) — Reiffer-
scheids Vorschlag endlich den Namen Aemilius Sura in Mamilius
Sura zu ändern und den Urheber unserer Stelle mit dem von Plinius
284 benutzten Schriftsteller dieses Namens zu identificiren , kann ich in
keiner Weise beipflichten. Das Buch, dem jene Stelle entnommen
ist, kann keine landwirthschaftliche Fachschrift gewesen sein, sondern
war vermuthlich ein kurzer etwa dem velleianischen ähnlicher Abriss
der Weltgeschichte. Dass es weiter nicht erwähnt wird, giebt keine
Veranlassung seine Existenz zu bezweifeln — würden wir doch auch
vom Velleius selber kaum den Namen wissen, wenn sich nicht zu-
fällig eine Handschrift seiner Geschichte erhalten hätte. Der
Beiname Sura aber ist gemein und begegnet in den verschiedensten
Geschlechtern.
3) L. Manlius. Auf diesen Schriftsteller, den ältesten und bei
weitem merkwürdigsten der hier besprochenen, beziehen sich, wenn
ich nicht irre, die folgenden Stellen, die vor Augen zu haben nützlich
sein wird.
Dionysios ant. I, 19 (aus ihm Steph. Byz. u. d. W. 'AßoQiylveg)
erzählt von dem Kriege zwischen den Pelasgern und Aboriginern
und wie jene, als sie die schwimmende Insel am heiligen See bei
Cutilia erblickt, gemeint, dass das ihnen verheissene Zeichen sich
erfülle : 6 yaQ ev Acodcovrj yevojuevog amoig ■x^QYjOfibg, ov (prjoi Aevxiog
Mdfxiog (so die Handschriften) ävrjQ ovh äorj/uog avxbg ideiv im tivog
T(bv ev TM re/LievEi rov Aiog xei/nevcov tqitioÖcov yQajujuaoiv aQy^aioig
lyxexaQayixEvov, (hol eixe'
oxeixeie juaiojuevoi ^ixeIwv üaxoQviov alav
fjd' AßoQiyivecov KorvXrjv, ov väoog oxeiraf
olg ävajuix'&evreg dexdzrjv exJie/uyjatE 0oißcp
xal xscpaXäg Kgovidtj xal reo Tiargi Tiejunere cp&xa.
Ohne Zweifel schöpfte Dionysios dies alles aus Varro, aus dem
Macrobius (sat. 1, 7, 27) und Lactantius (inst. 1, 21) das Orakel an-
*) [In seiner Ausgabe des Solinus, 2. Aufl., Berlin 1895, S. XCII schreibt
Mommsen die Interpolation vermutungsweise einem Schottenmönche zu. Die
obige Berechnung ist bestätigt worden von C. Trieber, Die Idee der vier Welt-
reiche, Hermes 27, 1892, S. 337 t. und E. Schwartz, Die Königslisten des Erato-
sthenes und Kastor, Göttingen 1894, S. 56, 1.]
Mamilius Sura, Aemilius Sara, L. Manlius. 73
führen. — Der Schluss des Orakelspruehs deutet hin auf die Ent-
stehung zweier römischer alterthümlicher Gebräuche, wie Macrobius
a. a. O. dies weiter ausführt; die Hinabwerfung binsengeflochtener
Puppen von der Brücke und die Sendung von Kerzen an den Satur-
nalien — beides wird von dem Orakelmann dargestellt als eine von
Herakles aufgebrachte menschlichere Interpretation der beiden
doppelsinnigen Orakelworte y.e(paXäg und (pwxa. Danach ist nicht
zu bezweifeln, dass der in der fragmentirten Glosse des Festus
sexagenarios de ponte (p, 334 Müll.) als Gewährsmann angeführte
Mani .... eben der L. Mamius des Dionysios ist, da zumal der
ganze Bericht genau übereinstimmt ; und sicher entnahm auch Festus
diese Anführung des Manilius aus einer varronischen Stelle. "Wenn
es endlich bei Macrobius sat. 1, 10, 4 heisst: Sed MaUius ait eos qui
se, ut supra, (c. 7, 27) diximus, Saturni nomine et religione defende-
rant, per triduum festos instituisse dies et Saturnedia vocavisse; unde
et Augustiis huius itiqiiit rei opinionem secutus in legibus iudiciariis
triduo servari ferias iussit (vgl § 23), so muss es dahingestellt 285
bleiben, ob hier ein nachaugusteischer sonst ganz unbekannter
Mallius gemeint oder, sei es durch die Abschreiber, sei es durch
Macrobius selbst, hier etwas verwirrt ist — wenn das inquit fehlte,
würde Niemand zweifeln, dass hier abermals der varronische
Manilius begegnet.
Varro de 1. lat. 5, 32 : Europa ah Europa Agenoris, quam ex
Phoenice Manlius scribit taurum exportasse, quorum egregiam imaginem
ex aere Fythagoras Tarenti {fecit).
Derselbe 7, 16 nach Lachmanns Herstellung, die mir Haupt mit-
getheilt hat: Titanis Trivia Diana est, ab eo dicta Trivia
Titanis dicta, quod eam genuit, ut in Plocio, Lato. Ea, ut
scribit Manilius, est
Coeo creata Titano.
id idem scribit:
Latona parit casta amplexu
lovr Deliadas geminos ^ ^ —
iil est ApoUinem et Bianam'^.
1) Ueberliefert ist: gemiit ut ni plant; lato ea est coecreata
eusta complexn iovis delia dös geminos dianam dii quod tüanis deliade.
Was auf Dianam folgt, hat Lachmann als Randglosse — Diana Titanis Deliadae
— getilgt. — Ribbeck trag. Enn. 376 und ihm folgend Vahlen (Enn. tra^. 424)
haben das zweite Fragment des Manlius fälschlich dem kurz vorher genannten
Eimius zugetheilt. [Sie haben das in den neuen Auflagen geändert. Die anderen
Vorsuche, die korrupte Überlieferung zu verbessern, verzeichnet A. Spengel in
se.ner Ausgabe der varronischen Schrift, BerHn 1885.]
74 Mamilius Sura, Aemilius Sura, L. Manlius.
Derselbe 7, 28: Cascum vetus esse signißcat Ennius — eo magis
Manilius quod ait:
Cascum duxisse cascam non mirahile est,
Quoniam cariosas^ conficiebat nuptias.
Amobius 3, 38 (vgl. 39): Novensües — deos — credit — deos
novem Manilius, quibus solis lupiter potestatem iaciendi sui permiserit
fulminis. Eben daselbst werden über denselben Gegenstand die
Meinungen angeführt von Piso, Granius, Aelius, Yarro, Cornificius,
Cincius, lauter Schriftstellern der republikanischen oder der augustei-
schen Zeit; wahrscheinlich rührt der ganze Bericht aus Cincius her,
der wieder die Collectaneen des Yarro benutzt haben wird, — Zu
dem von Fulgentius (S. 560 [114, 20 Helm]) erfundenen Titel Mani-
lius Crestus de deorum hymnis mag dieser arnobische Manilius den
Anstoss gegeben haben.
Plinius im Autorenverzeichniss des 10. Buchs: Manilio (so die
guten Handschriften); ferner 10, 2, 4 vom Phönix: Primus atque dili-
gentissime togatorum de eo prodidit Mamilius (so die Handschriften
hier)*) Senator ille maxumis nobilis doctrinis doctore nullo: neminem
286 extitisse qui viderit vescentem, sacrum in Ärabia soli esse, vivere annis
JDXL, senescentem casia turisque sur cutis construere nidum, replere
odoribus et superemori; ex ossibus deinde et medidlis eiu^ nasci primo
ceu vermiculum, inde fieri pullum principioque iusta funer a priori
reddere et totum deferre nidum prope Panchaiam in Solis urbem et
in ara ibi deponere. Cum Jiuius alitis vita magni conversionem anni
fieri prodit idem Mamilius (so die Handschriften)**) iterumque signi-
ficationes tempestatum et siderum easdem reverti, hoc autem circa
meridiem incipere, quo die signum arietis sol intraverit, et fuisse eius
conversionis annum prodente se P. Licinio Cn. Cornelio cos. [657
d, St.] ducentesimum quintum decumum '^.
1) Auch diese sichere Verbesserung rührt von Lachmann her. Ueberliefert
ist carioras; Scaliger vermuthete Caron eas.
*) [Maniillius nach Detlefsen.]
**) [Einige Hss. nach Detlefsen hier Manilius.]
2) Lepsius (Chronol. der Aegypter 1, 170 fg.) will in dieser Stelle statt DXL
und CCXXV schreiben MC DL XI und MCCXV, wodurch er auf das in der
ägyptischen Chronologie auch sonst wichtige J. 1322 v. Chr. als Anfangsjahr
der zu Manilius Zeit laufenden Phönixperiode kommt. Indess ist es mehr als
bedenklich beide in allen besseren Handschriften ohne Abweichung überlieferten
Zahlen, von denen die erstere auch noch durch Solinus 33, 12 beglaubigt wird,
zu ändern; und wenn die Phönixperiode anderweitig gewöhnlich auf 500, zu-
weilen auf 1461 Jahre gesetzt wird, so ist man doch schwerlich berechtigt bei
Mamilius Sura, Aemilius Sura, L. Manlius. 75
Dass der von Plinius hier ausgezogene *) Manilius oder Mamilius
mit dem anderweitig von ihm benutzten Mamilius Sura zusammen-
falle, ist nach Jans Vorgang — welcher sogar Sura statt Senator
schreiben wollte — von Reifferscheid a. a. O. angenommen worden,
aber nichts desto weniger erweislich falsch. Denn Plinius nennt für
das zehnte Buch unter den lateinischen Quellen an erster Stelle den
Manilius. an letzter den Mamilius Sura; und nach dem jetzt fest-
gestellten gerade in diesem Buch besonders deutlich hervortretenden
Yerhältniss der pUnianischen Citate zu dem Quellenverzeichniss (vgl.
Brunn a. a. 0. S. 17) kann der gleich zu Anfang des Buches ange-
führte Mamilius kein anderer sein als der an der Spitze des Quellen-
verzeichnisses stehende Manilius, also gewiss nicht Mamihus Sura.
Der ganz unbedachte Vorschlag Silligs z. d. St. in diesem Manilius,
der 657 schrieb, den bekannten Juristen Manius Manilius Consul 605
zu erkennen, verdient kaum der Erwähnung. — "Vergleichen wir
vielmehr die oben zusammengestellten Angaben von Varro und
Plinius, so scheinen sie sämmtlich auf denselben Mann zurückgeführt
werden zu müssen. Wenn man nach dem allgemein angenommenen
Vorschlag Niebuhrs (R. Gr. 1, 13) das bei Dionysios überheferte
MAMIOZ in MAAAIOZ ändert, so lassen sich die sämmtlichen
überlieferten Namensformen mit Leichtigkeit auf den Namen L.
Manlius zurückführen; ein Cognomen scheint derselbe nicht geführt
zu haben. Auch der Zeit nach stimmen die verschiedenen Angaben
wohl überein: für den Schriftsteller, den schon Varro vielfach be- 287
nutzt hat, passt sehr gut, was von dem plinischen Manilius berichtet
wird, dass er in seinem Fache zuerst Bahn gebrochen (maxumis
nohilis doctrinis doctore nidlo) und im J. 657 geschrieben habe.
Endlich kehrt der äv^Q ovx aarjfiog des Dionysios wieder in dem
phnischen Senator. Möglicher Weise ist sogar der L. Manlius, den
wir aus den Münzen Sullas als dessen Proquästor um 670 und ander-
weitig (Oros. 5, 23; Liv. 90; Cäsar b. c. 3, 20; Plutarch Sert. 12) als
Statthalter des narbonensischen Galliens um 677 kennen lernen (vgl.
mein röm. Münzwesen S. 595) kein anderer als eben dieser schrift-
«tellernde Senator. Vor allen Dingen aber spricht der Inhalt der
oben zusammengestellten Nachrichten sehr entschieden für ihre Zu-
sammengehörigkeit. Wem es beschieden war das Pelasgerorakel
einem solchen Gegenstand und in einem leichtfertigen Wunderbuch, wie das
tianlische gewesen sein muss, die von den gangbaren abweichenden Fabelzahlen
zu emendiren.
*) [D. h. indirekt benutzte, vgl. Münzer, Beitr. zur Quellenkritik der Natur-
gesch. d. Plinius, Berlin 1897, S. 163.1
76 Mamilius Sura, Aemilius Sura, L. Manlius.
über die schwimmende Insel im Sabinerland von einem der dodo-
näischen Dreifüsse abzuschreiben, der war sicher auch zur Sache
legitimirt hinsichtlich der schwimmenden Delos und der Fahrten der
Leto so wie derjenigen der Tochter des Agenor Europe und der rechte
Prophet für das grosse Wunder vom Phönix und der Sonnenstadt
im Lande Panchaia. In welcher Form der vornehme Verfasser all
diese wunderhaften Dinge seinen Landsleuten vorgelegt haben mag,
wage ich nicht zu bestimmen; ausser jenem griechischen Epigramm
kamen lateinische iambische und lyrische Verse in dem Buche des
Manlius vor, während anderes daraus Angeführte füglicher, obwohl
keineswegs mit zwingender Nothwendigkeit in prosaischer Form
gedacht wird. Unter dem Einfluss des Euhemeros, den ja bereits
Ennius bearbeitet hatte, ist das Reise- und "Wunderbuch des L.
Manlius wohl auf jeden Fall entstanden. Immer aber bleibt es eine
litterargeschichtlich merkwürdige Thatsache, dass ein vornehmer
Römer der sullanischen Zeit aus dem Abhub griechischer Fabulistik
für seine Landsleute lateinische Mirabilien zurecht gemacht hat und
mag derselbe als Urvater des italischen Pelasgerthums den betreffenden
Gläubigen hiemit bestens empfohlen sein.
Noch füge ich hinzu, dass Gellius 3, 3, ohne Zweifel nach Varro,
mit fünf anderen Gelehrten des siebenten Jahrhunderts auch einen
Manilius als Verfasser eines Verzeichnisses der echten plautinischen
Komödien aufführt. Er ist mit Wahrscheinlichkeit von Ritschi
(parerga I, 242) mit dem von Plinius angeführten Senator identificirt
worden.*)
*) [Die Identität bezweifelt M. Schanz, Gesch. d. röm. Literatur I \ München
1898, S. 403, 1.]
XIII.
Zu Sallustius.*)
In Sallusts Darstellung des jugurthinischen Krieges findet sich 427
eine chronologische und staatsrechtliche Schwierigkeit, die bisher
unbeachtet geblieben zu sein scheint.
Der Gang der Ereignisse ist nach der wohl zusammenhängenden
und sorgföltigen Erzählung folgender. Nach Beendigung des thaten-
losen Sommerfeldzugs 644 begab sich der commandirende Feldherr,
der Consul Sp. Postumius Albinus nach Rom zui'ück, um rechtzeitig
dort die Comitien abzuhalten (c. 36, 1. 4). Allein der Versuch
zweier Yolkstribune sich das Amt wieder auf das folgende Jahr zu
verschaffen, verzögerte die sämmtlichen Wahlen dieses Jahres. Yer-
muthlich werden die Tribüne gegen die Zulassung jener beiden zur
Tribunenwahl für 645 Einspruch gethan haben (resistentibus coUegis
c. 37, 2j — dass verfassungsmässig einer solchen "Wiederwahl bei den
Tribunen, die nicht magistratus populi Rotnani waren, nichts im
AVege stand, ist sowohl aus andern Gründen wie auch durch diese
Angabe selbst ausser Zweifel — und haben sodann die zurück-
gewiesenen Tribüne ihrerseits die sämmtlichen Comitien des Jahres
verhindert, bis ihnen ihr Wille gethan sein würde. Denn im Uebrigen
wurden zwar sowohl die Magistrate der Gemeinde wie die der Plebs
in der Rangfolge gewählt, also die Aedilen der Plebs erst nach deren
Tribunen, die Prätoren erst nach den Consuln, die curulischen Aedilen
erst nach den Prätoren; aber die Wahlen der patricischen und der
plebejischen Magistrate sind in keiner Weise connex und durch die
Terhinderung der einen Gattung wird die andere an sich nicht
berührt ^ — Durch diese Zwischenfälle muss die Wahl der Consuln
fuj 645 sich bis in dieses Jahr selbst hingezogen haben; denn die
Erzählung giebt an, dass dem Nachfolger des Albinus durch die
*) [Hermes 1 (1866) S. 427—437.]
1) Es zeigt dies namentlich der Brief des Caelius ad fam. 8. 4.
7g Zu Sallustius.
Verzögerung der Comitien die für die Operationen im Felde gegebene
Frist verkürzt worden sei (c. 44, 3: aestivorum tempus comitiorum
428 mora imminuerat), was nur dann einen Sinn hat, wenn die Comitien
erst nach dem letzten December 644 stattfanden. Dasselbe ergiebt
sich aus dem weiteren Verlauf der Erzählung. Der stellvertretende
Oberfeldherr in Africa, des Consuls 644 Bruder A. Albinus, in
Kenntniss gesetzt davon, dass bei der Verschleppung der Comitien
das Eintreffen des neuen Oberfeldherrn so bald noch nicht zu er-
warten sei, beginnt im Januar (c. 37, 3: mense lanuariö) 645 einen
Feldzug gegen lugurtha, der in raschem Verlauf zu einer Niederlage
der Römer und zu einem schimpflichen Frieden führt. Dieser
Friedensvertrag wird vom Senat cassirt. Darauf begiebt sich Sp.
Albinus, nachdem er noch in Italien zur Verstärkung der africanischen
Armee Truppen ausgeschrieben hat, zum Heer nach Africa (c. 39),
wo er während eines Theils des Sommers das Commando führt
(c. 44, 4: quantum temporis aestivorum in imperio fuit)^ freilich ohne
das Gebiet des Feindes zu betreten, geschweige denn zum Schlagen
zu kommen. Dass die Vertheilung der Provinzen unter die endlich
gewählten Consuln für 645 später fällt als die Niederlage und der
Friedensschluss des Aulus, wird ausdrücklich gesagt (c. 43, 1); allem
Anschein nach machte erst die africanische Calamität jenem Wahl-
gezänk in der Art ein Ende, als der eine Theil der Tribüne nach-
gab und die Comitien also zu Ende geführt werden konnten.
Metellus kann demnach, zumal da er nach seinem Amtsantritt noch
Truppen in Italien aushob (c. 43, 3. 4), erst spät im Sommer 645
nach Africa gelangt sein; und da er hier zunächst das Heer reor-
ganisirte und es eine Zeit lang in der Provinz Africa Uebungs-
märsche machen Hess, so ist es ganz begreiflich, dass er überhaupt
in diesem Jahr nicht zum Schlagen kam, sondern seine Kriegführung
erst 646 begann. Denn, wie ich dies anderswo (E,. 0. 2, 149 der
4. Ausg. [146'']) gezeigt habe, die Kriegsereignisse, die Sallust c. 46 — 73
erzählt, von dem ersten Ueberschreiten der feindhchen Grenze
(c. 46, 5: infesto exercitu in Numidiam procedif) bis zu den Winter-
quartieren in der Provinz (c. 61, 2: exercitum in provinciam, qua —
nicht quae — proxuma est Numidiae, hiemandi gratia coUocat) und
zu dem in die Zeit dieser Winterquartiere fallenden Zug gegen die
Stadt Vaga (c. 68, 2) gehören einem einzigen Feldzug an, der nach
dem Verhältniss, in dem er zu Marius Consulwahl steht, nothwendig
in das Jahr 646 gesetzt werden muss. Von dieser Seite her ist also
alles in vollkommener Ordnung und der sachliche und chronologische
Zusammenhang der Ereignisse evident.
Zu Sallustius. 79
Aber zwei Stellen in der Erzählung Sallusts fügen dieser Dar-
stellung sich nicht gehörig ein. Einmal wenn es nach der Erzählung 429
ier Niederlage des Aulus und des Friedensschlusses heisst (c. 39, 2):
?6 ea cotisul Albinus .... senatum de foedere constdebat, et tarnen
Interim exercitui supjüementum scribere, ab socüs et nomine Latino
auxilia accersere, denique omnibus modis festinare. Senattis . . .
üecernit suo atque popidi iniussu nidlum potuisse foedus fieri. Consul
impeditus a tribunis plebis ne quas paraverat copias secum partaret,
pancis diebus in Äfricam j^roficiscitur — so ist aus dem Gesagten
klar, dass diese Dinge Monate nach dem letzten December 644
vorfielen, mit dem Albinus aufgehört hatte Consul zu sein. Der
Anstand, dass der gewesene Consul noch mit diesem Namen genannt
wird, ist von keiner besonderen Bedeutung; diese Nachlässigkeit im
Ausdruck begegnet bekanntlich nicht selten und kehrt zum Beispiel
gleich c. 47, 4 für Metellus wieder. Aber dass Sallustius in der That
sich den Albinus hier als noch fungirenden Consul gedacht hat,
zeigen die Worte senatum consuluit, die in ihrer technischen Eigen-
thümlichkeit nicht dem Proconsul, sondern nur dem den Torsitz im
Senat führenden Consul zukommen. Allerdings heisst es ähnlich bei
Livius (44. 13, [7]) in der Erzählung der Vorbereitungen zu dem
Kriege gegen Perseus: designatos (consuJes et praetares) extemplo
placuit sortiri provincias, ut, cum utri Macedonia constdi cuique prae-
tori classis evenisset sciretur, ii iam inde cogitarent pararentgue quae
bello usui forent senatumque consulerent, si qua de re consulto opus
esset.*) Indess diese Stelle so wenig wie die des Sallust können
den Satz umstossen, dass weder die designirten noch die gewesenen,
sondern nur die fungirenden beikommenden Beamten befugt sind
den Senat zu befragen; und wo hiervon abgewichen wird, wird man
nicht umhin können, den Schriftsteller irriger Yorstellungen oder
wenigstens falscher Redewendungen zu zeihen. — Den sachlichen
Zusammenhang wird man sich wohl so zu denken haben. Sp. Albinus
verliess die Provinz offenbar in der Absicht bis zum Jahresschluss
in Rom zu bleiben und somit alsdann das Imperium abzugeben.
Ah aber die "Wahl seines Nachfolgers sich hinzögerte, fing er an sich
Rechnung zu machen auf ein zweites Feldhermjahr in Africa imd
verhess, um sich dieses nicht zu verschlagen, noch vor dem letzten
December 644 Rom, um bei Ablauf seines Amtsjahrs ausserhalb des
Pomerium zu sein und also sein Imperium zu behalten. Damit
hängt sicher zusammen, dass der Bruder des Consuls, jedenfalls auf
*) [^gl- Staatsr. 1' S. 591, 7, wo einige weitere Belege hinzugefügt worden
sinci.]
kl
gQ Zu Sallustius.
dessen Geheiss, den africanischen Feldzug trotz der rauhen Jahres-
zeit bereits im Januar 645 wieder eröffnete.' Als nun nach der
430 Katastrophe in Africa der Senat zusammentrat, berufen sei es von
den Yolkstribunen, wenn es deren damals gab, sei es von dem Inter-
rex, konnte Albinus, seit dem 1. Jan. 645 Proconsul, an dieser
Sitzung allerdings theilnehmen, wie in einer ähnlichen Stellung
Pompeius, wenn der Senat im Tempel des Apollo oder sonst vor den
Thoren zusammentrat; und wir haben keinen Grund zu bezweifeln, dass
er dies gethan und also factisch den Senat abgehalten hat. Gerecht-
fertigt ist damit die Darstellung, wie Sallust sie giebt, zwar in keiner
Weise; aber er hat hier doch mehr in der Form als in der Sache gefehlt.
Wenn hier ein zwar nicht geringes, aber doch nicht unbegreif-
liches Versehen des Schriftstellers vorliegt, so lässt sich von der
zweiten anstössigen Stelle kaum auch nur dies behaupten. Es ist
dies die Angabe c. 43, 1 : post Äuli foedus exercittisque nostri foedam
f'ugam Metellus et Silanus consules designati provincias inter se XMrti-
verant. Jener Friedensschluss fällt in den Januar oder Februar
645, die Wahl der Consuln frühestens in den Februar dieses ihres
Amtsjahres, wahrscheinlich noch später; wie können sie demnach
designati genannt werden? Denn dass, wenn die Wahl der Consuln
erst nach dem festgesetzten Antrittstag erfolgt, sie gar nicht erst
designati werden, sondern ex templo antreten, ist selbstverständlich
und notorisch. Auch sonst macht diese Angabe Schwiergkeit: denn
der Regel nach theilen die Consuln sich in ihre Competenzen erst
nach dem Amtsantritt und wenngleich aus älterer Zeit einige Fälle
vorkommen, wo sie aus besonderen Gründen bereits früher dazu
schreiten (Liv. 27, 36. 44, 17. Becker 2, 2, 120), so ist es doch sehr
zweifelhaft, ob im siebenten Jahrhundert, nachdem das sempronische
Gesetz die Theilung der consularischen Competenzen ein für allemal
geordnet hatte, dies noch statthaft war. Indess es bedarf dieses
Nebengrundes nicht; das zuerst angeführte Moment ist entscheidend,
und will man nicht annehmen, dass der zwar nicht sehr gründliche,
aber gewandte und sachkundige Schriftsteller sich in unbegreifHcher
Weise hier verwirrt hat, so bleibt nur die Annahme übrig, dass der
überlieferte Text verdorben ist. Nach meiner Ansicht ist statt
consules designati zu schreiben consules de senatus sententia, welche
letztere Formel wenigstens in Gesetzurkunden und auf Münzen be-
kanntlich abgekürzt wird DE • S • S^ und ohne Zweifel, eben wie
1) Vgl. wegen der Inschriften C. I. L. I p. 612, wegen der Münzen mein
röm. Münzwesen S. 378. 453. Bekanntlich hat die Eingangsforrael der kx Antonia
de Ttrmensibus, wonach die Tribunen DESS das Gesetz rogiren, lange Zeit die
Zu Sallustius. Sl
das verwandte s. c, eine der wenigen allgemein gültigen Abkürzungen 431
gewesen ist, die in der klassischen Zeit auch in historischen Schriften
zugelassen wurden. Diese Abkürzung aber konnte von einem minder
kundigen Schreiber, zumal wenn sie, wie hier, hinter COSS. stand,
irrthümlich durch designati aufgelöst werden. Damit ist nicht bloss
jener arge Uebelstand beseitigt, sondern auch erklärt, was ein
Pragmatiker wie Sallust nicht unterlassen konnte zu erklären, auf
welchem Wege bei der Theilung der Competenzen Africa an Meteilus
kam: es war der Wunsch des Senats, dem der College sich
fügte. — In der neuesten Ausgabe des Sallustius von H. Jordan,
die für diesen so viel behandelten Schriftsteller anstatt der früheren
eben so weitschichtigen wie unzuverlässigen Apparate zuerst eine
knappe und feste Textgrundlage geschaffen hat, ist dieser dem
Herausgeber von mir mitgetheilte Vorschlag bereits berücksichtigt
worden.*)
Mit diesem Anstoss, den Sallusts Darstellung des jugurthinischen
Krieges dem aufmerksamen Leser hervorruft, wird es nicht unpassend
sein einen anderen in der Schilderung der catilinarischenYerschwörung
begegnenden und nur zu wohl bekannten zusammenzustellen.**)
Die Frage, an welchem Tage die erste catilinarische Rede ge-
halten sei, ist oft, zuletzt von Madvig (opusc. 1, 194), Drumann
(5, 456) und Halm in der Einleitung zu seiner kleineren Ausgabe
der Catilinarien § 17 behandelt worden, ohne dass ein befriedigendes
Ergebniss erreicht worden wäre. Denn Drumanns Interpretationen
der einzelnen Stellen sind keineswegs genau, und Madvigs Resultat,
dass die erste catilinarische Rede in der Nacht vom 7. auf den
Missdeutung erfahren, als sei dasselbe von designirten Volkstribunen eingebracht
worden. Uebrigens findet sich sehr häufig de senatus sententia und ex senatus
considto, selten ex senatits sententia (Cic. ad fam. 12, 4, 1) , vielleicht niemals de
ienatus consulto. Auch sind die beiden Formeln im Werth nicht völlig identisch ;
sententia ist das Gutachten, constdtum der Beschluss und dem entspricht der
Gebrauch der Präpositionen. Man kann vergleichen, dass lateinisch nur de con-
süii sententia gesagt wird, nie ex consilii consulto, da das consiliiim bekanntlich
nurberäth, der Berathene aber nicht rechtlich verpflichtet ist dem Gutachten
zu folgen.
*) [Vgl. Staatsr. a. a. 0., wo die Möglichkeit eines Versehens des Sallust
cffen gelassen wird. Daraufhin hat Jordan in der 3. Ausg. die Änderung
Mommsens aus dem Text entfernt, aber mit Unrecht.]
**) [Vgl. zum Folgenden (gegen Mommsen): C. John, Die Entstehungs-
geschichte der catilinarischen Verschwörung, in: Jahrb. f. cl. Phil. Suppl. 8,
1875/76, S. 778 f. und: Der Tag der ersten Rede Ciceros gegen Catüina, Philol.
46, 1888, S. 650 ff.]
MOMMSEN, SCHK. \n. fi
g2 Zu Sallustius.
8. Nov. gehalten und also gleichsam zweien Tagen zuzuschreiben sei,
ist ebenso ein Nothbehelf wie Halms Annahme, dass Cicero bei
Niederschreibung der Reden sich um einen Tag versehen haben
müsse. Indess scheint es nicht unmöglich, wenn man bloss die
Ciceronischen Stellen ins Auge fasst, zu einem befriedigenden Ergeb-
niss zu gelangen. Es wird nothwendig sein, so bekannt dieselben
auch sind, sie hier zusammenzustellen.
432 1. Cicero pro Sulla 18,52 schildert die von ihm abgehaltenen Con-
sularcomitien und fährt dann fort: (C. Cornelius) inter falcarios
ad M. Laecam nocie ea quae consecuta est posterum diem nonarum
Novembrium me consule Catilinae denuntiatione convenit. Quae
nox omnium temporum coniurationis acerrima fuit atque acerhis-
sima. Tum Catilinae dies exeundi, tum ceteris manendi condicio,
tum discriptio totam per urbem caedis atque incendiorum constitufa
est; tum . . . . (C. Cornelius) illam sibi officiosam provinciam depo-
poscit, ut cum prima luce consulem salutatum veniret, . . . . me in
meo lectulo trucidaret.
2. Cicero in Cat. 1, 1, 1 .... quid proxima, quid superiore nocte
egeris, ubi fueris, quos convocaveris , quid consili ceperis, quem
nostrum ignorare arbitraris? .... 4, 8: recognosce . . . mecum
noctem illam superiorem .... dico te priore nocte venisse inter
falcarios ... in M. Laecae domum .... 9 . . . Fuisti . . . apud
Laecam illa nocte, Catilina, distribuisti partes Italiae, statuisti quo
qu£mque proficisci placeret, delegisti quos Bomae relinqueres, quos
tecum educeres, discripsisti urbis partes ad incendia, confirmasti te
ipsum iam esse exiturum, dixisti paulum tibi esse etiamnunc morae,
quod ego viverem. Reperti sunt duo equites Romani, qui . . . sese
illa ipsa nocte paullo ante lucem me in meo lectulo interfecturos
pollicerentur. Haec ego omnia vixdum etiam coetu vestro dimisso
comperi, domum meam maioribus praesidiis munivi atque firmavi,
exclusi eos, quos tu ad me salutatum mane miseras, cum Uli ipsi
venissent quos ego iam multis ac summis viris ad me id temporis
esse venturos pra^dixeram.
3. Cic. in Cat. 2, 6, 13: quaesivi a Catilina, in nocturno conventu
apud Laecam fuisset necne. . . . patefeci cetera, quid ea nocte
egisset, quid in proximam constituisset , quem ad modum esset ei
ratio totius belli discripta, edocui.
Zu Sallustius. S3
Die einzige unter diesen Angaben, die eine positive Zeitangabe
enthält, ist in ihrer Fassung nicht ganz klar und die Bezeichnung
i%ox quae coiisecuta est posierum diem nonarum Novembriwn ver-
schiedener Deutung fähig. Drumann, Madvig, Halm nehmen nach
dem Vorgang von Ferratius den posterus dies nonarum Novembrium
als gleichbedeutend mit postridie nonas, d. h. den 6. und setzen
demnach die Zusammenkunft bei Laeca übereinstimmend in die
Nacht vom 6. auf den 7. Xov. Beispiele indess für diese B-edeweise
sind nicht beigebracht worden mit Ausnahme der Stelle des Tacitus
bist. 1, 26, die in den Ausgaben lautet postero iduiim die; aber da 433
nach dem Zusammenhang hier die Iden ohne Hinzufügung des
Monats immöglich gestanden haben können imd auch in der Hand-
schrift nicht die steht, sondern dierum, ist die Stelle als verdorben
für den Sprachgebrauch auf keinen Fall beweisend^. Andrerseits
ist nicht nachgewiesen worden, dass da, wo es nicht zunächst darauf
ankommt den Tag als postriduanus zu bezeichnen, in gew(Anlicher
Datirung der Sprachgebrauch postridie nonas Nov. statt a. d. VIII id.
Nov. zu sagen gestattet. Dagegen lassen Ciceros Worte sich unge-
zwungen dahin verstehen, dass posterus gar zur Datinmg nicht gehört,
sondern den Tag als den auf die eben vorher erzählten Consular-
comitien folgenden bezeichnet, die Datirung also nur in den Worten
nonarum Novembrium angegeben ist, gleich als wenn Cicero ge-
schrieben hätte posterum diem, qui dies fuit nonarum Novembrium.
Danach wären die Wahlen auf den 4. Nov. gefallen, welcher Tag
auch dem Kalender zufolge comitial ist, und hätten sieh die Yer-
schworenen in der Nacht vom .5. auf den 6. im Hause des Laeca
versammelt. Es war natürlich und angemessen in der Erzählung
den zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen dem Ausfall
der Wahlen und dem Ausbruch der Yerschwörung dadurch hervor-
zuheben, dass die Yerschwörungsnacht als die zweitfolgende nach
dem Tag der Comitien bezeichnet ward. — Dass die Nacht, in der
die Verschwomen bei Laeca sich versammelten, die zweitletzte vor
dem Tage war, an dem Cicero im Senat die erste Rede gegen
Catilina hielt und dass sie in dieser Rede als die nox superior oder
prior vor der unmittelbar dem Tage der Rede vorhergehenden, der
nox proxima unterschieden wird, steht ebenso fest wie dass der
Mordversuch auf den Consul an demselben Morgen stattfand, an dem
1) Man hat auch vorgeschlagen lamiariarum oder Decembriutn statt dierum
zu schreiben. Vielleicht ist postero iduitm dierum nicht« als falsche Auflösung
von postridie und der Tag gemeint nach demjenigen, an dem der Abfall der
germanischen Legionen in der Hauptstadt bekajint ward.
6*
g4 Zu Sallustius.
er wenige Stunden später seine Rede hielt. Hesterno die, heisst es
in der zweiten catilinarischen Rede 6, 12, cum domi meae paene
interfedus essem, senatum in aedem lovis Statoris vocavi, rem omnem
ad patres conscriptos detuli — dass es unmöglich ist hesterno die von
dem Vordersatz zu trennen und bloss mit senatum vocavi zu verbinden,
haben Madvig und Halm mit vollem Recht bemerkt. Danach ordnen
sich die Ereignisse also in folgender Weise :
434 prid. non. Nov. (Nov. 4) Consularcomitien
non. Nov. ( „ 5)
Versammlung bei Laeca (nox superior)
VIII id. Nov. ( „ 6)
Mordversuch auf Cicero (nox proxima)
VII „ « ( » 7) erste catilinarische Rede
VI „ „ ( „ 8) zweite „ „
Unter diesen Voraussetzungen, und ich meine unter diesen allein,
lässt sich auch die Angabe des Asconius (in Pison. p. 6 [p. 5 K.-Sch.])
befriedigend erklären, dass von dem Senatsbeschluss, der die Consuln
mit dictatorischer Gewalt bekleidete, bis zu dem Tage der ersten
catilinarischen Rede nicht, wie Cicero (in Cat. 1, 2, 4) ungenau
angebe, zwanzig, sondern achtzehn Tage verflossen seien, wobei sowohl
nach der allgemeinen Sitte als nach dem Zusammenhang Anfangs-
und Endtag mitgezählt sein müssen. Denn jener Beschluss ist vom
21. Oct. (Cic. pro Mur. 25, 51; in Cat. l, 3, 7) und von da bis zum
7, Nov. sind achtzehn Tage. Dass aber hier, wenn irgendwo, Asconius
genau gerechnet hat, kann keinem Zweifel unterliegen.
Untergeordnete Bedenken können in diesem so schwierigen
Dilemma nicht entscheiden. Man wird es auffallend finden, dass die
Schilderhebung des Manlius bereits am neunten Tage vor den Wahlen,
am 27. Oct. stattgefunden hat. Aber dass Manlius die Nachricht von
dem Ausfall der Wahlen nicht abwartete, um loszuschlagen, wird
allgemein zugegeben; was kommt alsdann darauf an, ob er neun
Tage oder einen Tag vor den Wahlen losschlug? Andrerseits lag es
im Interesse der Optimaten, von denen die Festsetzung des Wahl-
tages abhing, die Comitien hinzuzögern, bis die revolutionäre Partei
zu offener Gewalt geschritten war, und dadurch entweder Catilina
zum Rücktritt von der Candidatur zu zwingen oder mindestens ihm
die Stimmen der Schwankenden zu entfremden. Auch stellt Cicero
nirgends den offenen Aufstand des Manlius als eine Folge der
Niederlage seiner Partei in der Wahlschlacht dar. — Ein ernst-
licherer Einwurf kann daraus hergenommen werden, dass die Corai-
Zu Sallustius. S5
tien auf den 28. Oct, angesetzt gewesen zu sein scheinen. Freilich
erfahren wir mit Bestimmtheit nur, dass dieselben am 21. Oct. hatten
stattfinden sollen, aber am Tage vorher durch Senatsbeschluss ver-
tagt wurden (Cic. in Cat. l, 3, 7 und pro Mur. 25, 51). Indess wenn
nach Ciceros Angabe in der ersten catilinarischen Rede Catilina den
28. für die Ausführung seines Mordplanes bestimmt hatte, imd an
diesem Tage eine Anzahl der angesehensten Senatoren sich von 435
Rom entfernten, Cicero aber, der zurückblieb, den Mordplan ver-
eitelte, so wird, namentlich nach Yergleichung der correlaten Berichte
in den Reden für Murena und für Sulla, nicht wohl geleugnet werden
können, dass der Mordplan des 28. Oct. mit den Consularcomitien
in Zusammenhang gestanden hat. Jedoch folgt daraus noch nicht
mit Nothwendigkeit. wie auch schon von Andern (Halm a. a. O.
A. 49) mit Recht hervorgehoben worden ist, dass der Vorgang am
28. Oct. und der an den Consularcomitien zusammengefallen sind:
was Cicero in der ersten catilinarischen Rede von seinen Gegen-
anstalten am 28. Oct. berichtet, ist anders gehalten als wo er über
sein berühmtes Auftreten im Panzerhemd handelt. Man wird an-
nehmen dürfen, dass die Comitien auf den 28. Oct. verschoben
waren, Cicero aber zunächst sich wieder durch eine Vertagung half
und sie daher erst am 4. Nov. stattfanden. Um dies ziemlich
schwächliche Verfahren zu bemänteln ist, wie es scheint, in den
Darstellungen die Vertagung umgangen.
Aber, wird man sagen, alle diese Erwägungen scheitern an der
bestimmt bezeugten Thatsache, dass der Mordversuch auf Cicero
unmittelbar auf die nächtliche Zusammenkunft der Verschworenen
bei Laeca gefolgt ist, ja die beiden Mörder aus dieser selbst weg-
gegangen sind um die That auszuführen, während nach der obigen
Aufstellung zwischen beiden Ereignissen vierundzwanzig Stunden
hegen. — Gewiss legen Ciceros Worte diese Auffassung nahe ; allein
sie sagen doch, streng genommen, nur, dass die beiden Mörder sich
in der Zusammenkunft nicht bloss zu der Blutthat, sondern auch zu
deren sofortiger Vollziehung bereit erklärten. Wie wenn Catilina
darauf erwiedert hätte, dass er das Anerbieten annehme, aber dass
es für diesen Tag zu spät sei und auf den nächsten Tag verschoben
werden müsse? Verschiedene Umstände scheinen diese Annahme zu
unterstützen. In den beiden ersten catilinarischen Reden wird mit
Nachdruck von den Vorgängen an zwei verschiedenen Nächten
gesprochen, während, wenn der Mordversuch auf Cicero sich unmit-
telbar an die Conferenz bei Laeca anschloss, es völlig dunkel bleibt,
warum Cicero nicht bloss die vorletzte Nacht erwähnt. In der zuletzt
gß Zu Sallustius.
abgedruckten Stelle wird sogar deutlich gesagt, dass in der ersten
Nacht der Plan entworfen, die zweite zu dessen Ausführung bestimmt
gewesen sei. Was kann die 'für die nächste Nacht festgesetzte
Unthaf anders gewesen sein als die Ermordung Ciceros? Denn alle
die andern Vornahmen, die in der Conferenz bei Laeca beschlossen
wurden, die Anzündung der Stadt und so weiter sollten augenschein-
436 lieh erst nach Catilinas Abreise stattfinden, der unbequeme Consul
aber vorher beseitigt sein (paulum tibi esse etiamnunc morae, quod
ego viverem). Ferner begreift man schwer, wenn der Mordversuch
unmittelbar auf die Zusammenkunft folgte, wie Cicero in der Lage
sein konnte den spät in der Nacht gefassten, am frühen Morgen ins
Werk gesetzten Plan vorher vielen angesehenen Männern mitzutheilen.
Man kann zwar sagen, dass bereits die ersten Morgenbesucher sich
bei dem Consul eingefunden hatten, als die Mörder erschienen, und
Cicero diesen deren Erscheinen vorhersagte; aber dagegen spricht,
dass die Mörder auf jeden Fall die früheste Morgenzeit wählen
mussten, so lange das Empfangzimmer noch leer war. Weit ein-
facher gestaltet sich alles, wenn die nächtliche Berathung bei Laeca
sich so lange hinzog, dass Yargunteius und Cornelius ihren Plan um
vierundzwanzig Stunden verschieben mussten; es ist sehr möglich,
dass nur dieser Aufschub Cicero gerettet hat. Dass er diese Zwischen-
zeit nach Möglichkeit in den Schatten stellt und für den Zuhörer
verschwinden lässt, ist ganz in seiner Weise. In stiller Allmacht und
Allwissenheit gleich der waltenden Vorsehung machte der grosse
Consul die Pläne der "Verschworenen augenblicklich zu Schanden;
es schadete dem drastischen Effect, sowohl wenn man die Quelle
erfuhr, aus welcher diese Vorsehung sich informirte, als wenn die
Zeitfrist bekannt ward, die derselben zur Abwendung des Schlages
verstattet war.
Wenden wir uns nun von Cicero zu Sallustius, so erzählt dieser
(c. 27), wesentlich wie Cicero selbst, die Conferenz bei Laeca, Cati-
linas Erklärung, dass er zum Heer abgehen werde, so wie Cicero
gefallen sei; das Erbieten des Vargunteius und Cornelius diesen sofort
aus dem Wege zu räumen: constituere ea nocfe paulo post cum armatis
hominibus sicuti salutatum introire ad Ciceronem ac de improviso domi
suae imparatum conf ödere. Curius . . . propere per Fulviam Ciceroni
doluni qui parabatur enuntiat. Ita Uli ianua prohibiti tantum facinus
frustra susceperant Niemand wird bezweifeln, dass Sallustius die
Zusammenkunft bei Laeca und den Mordversuch als unmittelbar auf
einander folgend betrachtet; aber wir sind gewiss befugt anzunehmen,
dass er unter dem Einfluss der catilinarischen Reden schrieb und diese
Zu Sallustius. 87
genauer studirt hatte als die Acten des Senats : das Missverstandniss
des Zusammenhangs, das Cicero seinen Hörern nahe legt, hat sich
hier vollzogen. Natürlich ist bei ihm auch sonst der Zusammenhang
der Dinge gänzlich verschoben: er (und ähnlich nach ihm Die 37,
30. 31) erzählt erst (26) den Ausfall der Comitien (4. Nov.); dann
(27, 1. 2) die Entsendung des Manlius; hierauf (27, 3—28, 3) die
Zusammenkunft bei Laeca und den Mordversuch gegen Cicero 437
(6. 7. Nov.); danach (28, 4) das Losschlagen des Manhus in Etrurien
(27. Oct.) und endlich (29, 1. 2) die Ausstattung der Consuln mit
dictatorischer Gewalt (21. Oct.), während in Wahrheit die Ereignisse
in einer ganz anderen, zum Theil gerade in der umgekehrten Folge
eingetreten sind. Die von Linker vorgeschlagene Transposition,
wonach der Abschnitt 27, 3 — 28, 3 vor die Erzählung von Ciceros
Auftreten im Senat am 7. Nov. gerückt wird, wird kein besonnener
Philologe billigen, da sie weder zerrissene Satzglieder vereinigt noch
auch nur ohne Aenderungen an dem überlieferten übrigens ganz
unanfechtbaren Text durchgeführt werden kann; aber auch sachlich
beseitigt sie nur einen Anstoss unter vielen. Vielmehr wird man
sich dabei zu beruhigen haben, dass Sallustius ohne genaue Prüfung
und nach ziemlich obei-flächlicher Lesung insbesondere der ciceroni-
schen Reden seine Darstellung niederschrieb, sichtlich bemüht die
Dinge in einen pragmatischen Zusammenhang zu bringen, aber ziem-
lich gleichgültig dagegen, ob dieser Zusammenhang der wirkliche
war oder nicht.
XIV.
Kritische Miscellen.*)
153 Sallust fr. bist. 1, 27 Kritz [I 34 Maur.] lautet bei Donatus: inde
ortus sermo, percontantihus utrinque: satin' salve? quam grati ducihus
suis? quantis familiaribus copiis agerenturi Die letzten Worte sind
verdorben; denn dass copiae familiäres die Zufuhr bedeute, wie Kritz
meint, wird kaum Jemand billigen. Es stand wohl: quantis mili-
aribus copiae agerenturi wie stark die Tagemärsche? Aehnlieh steht
in den Feldmessern 244, 1 0 Lachm. familiaris XII für miliario XII.
Sallust bist. fr. 1, 46 Kritz [I 63 Maur.] wird angeführt theils
bei Nonius p. 264 Merc. : quin lenones et vinarii laniique quorum
praeterea vulgus in dies usum habet pretio compositi; theils bei
Charisius p. 58 Putsch, 42 Lind. [G. L. K. l, p. 75 f.]: quin vinarii
{laniique). Es wird wohl zu lesen sein: quin lenones et vinarii laniique
iiqtie quorum praeterea vulgus in dies usum habere solet pretio com-
positi. .Gemeint sind die Inhaber von Bordellen, Schenkwirthschaften
und Kneipen; der lanius ist, denke ich, nicht wie Kritz meint der
Fleischverkäufer, sondern der Inhaber der popina, wo Fleischspeisen
bereitet und servirt werden.
Sallust fr. bist. 4, 19 Kritz [IV 69, 2 Maur.] heisst es in dem
Briefe des Königs Mithradates an den König Arsakes: Tibi si per-
petua pace frui licet, nisi hostes opportuni et scelestissumi, egregia
fama, si Romanos oppresseris, futura est, neque petere audeam socie-
tatem et frustra mala mea cum bonis tuis misceri sperem. So haben
die Handschriften; wenn Kritz die Lesung der alten Ausgaben Tibi
perpetua pace frui liceret wieder hergestellt hat, 'quod haud dubie (?)
ex codicibus fluxit", so kann ich in dieser Lesung nur eine alle
Satzgliederung zerstörende und schlechthin verwerfliche Conjectur
*) [Berichte über die Verhandlungen der Sachs. Gesellsch. d. Wiss., phil.-
hist. -Klasse. 6, Leipzig 1854, S. 153—160.]
Kritische Miscellen. 89
erkennen. Es ist vielmehr zu schreiben mit Aenderung eines einzigen
Buchstabens: Tibi si perpetua pace frui licet, nisi hostes oppm-tuni
et scelestissumi; egregia famu, si Roma nos oppresserit, futura est:
neque petere audeam societatem et frustra nmla mea cum honis tuis
misceri sperem. Vor egregia fama ist in Gedanken si zu wiederholen.
Liv. 22, 49 [15 f.] heisst es von der cannensischen Schlacht:
Quadraginta quinque milia quingenti pedites, duo milia septingenti
equites — — caesi dicuntur; in Ms ambo considum quaestores L. 154
Atüius et L. Fiirius Bihaculus; et viginti untis de tribunis militum,
consulares quidam praetariique et aedilicii (inter eos Cn. Servüium
Geminum et M. Minucium numerant, qui magister equitum priore
anno, aliquot annis ante constd fuerai); octoginta praeterea aut
senatores aut qui eos magistratus gessissent, unde in senatum legi
deberent, cum sua voluntate milites in legionihus fa^ti essent. — Es
ist nicht überflüssig darauf aufmerksam zu machen, dass der Annalist
hier auszeichnet unter den Gefallenen 1) die höheren Staats-
beamten, die Quästoren; 2) die Legionscommandanten, unter denen
diejenigen, welche curulische Aemter bekleidet hatten, noch besonders
ausgezeichnet werden; 3) die freiwilligen Soldaten senatorischen
Ranges. Daran, dass selbst Consulare als Kriegstribunen wieder
eintraten, wird Niemand sich stossen, s. Düker zu Livius 36, 17;
ebenso wenig daran, dass Cn. Geminus, obwohl er in der Schlacht
das Centrum commandirte, doch nur Kriegstribun und nicht Legat
genannt wird. Legatus*) ist überhaupt ursprünglich gar kein be-
stimmter in die militärische Aemterstaffel eingereihter Offiziergrad,
sondern bezeichnet den mit einem stellvertretenden Separatcommando
vom Obergeneral betrauten Offizier — nach dem bezeichnenden
Ausdruck des Plebiscits de Thermensibus [C. L L. I^ p. 114 n. 204j
3. 44. 52 [II 1.6. 14] legatus pro magistratu — ; wesshalb z. B. Cato
in seinem makedonischen Feldzug 563 unter Glabrio mit gleichem
Recht bald Legatus, bald Kriegstribun genannt wird — jenes, weil
er das auf den Kallidromos detachirte Corps commandirte, dieses
nach seinem Offiziersrang. — Diese Auseinandersetzung ist veranlasst
durch ein aus falscher Interpunction hervorgegangenes Missverständ-
niss dieser Stelle in dem sonst so schätzbaren Buche Hofmanns (der
römische Senat S. 49); der Verfasser meint, dass constdares praetorii
aedilicii sämmtliche gewesene Consuln, Prätoren, Aedilen und nicht
bloss diejenigen darimter, die eben Kriegstribunen waren, bezeichnen,
imd bezieht demnach die "Worte qui eos magistratus gessissent, unde
*) [Vgl. Staatsrecht 1, 229 f.]
90 Kritische Miscellen.
in senatum legi deberent auf diejenigen, die nicht curulische Aemter
bekleidet hatten. Auf diese Stelle wenigstens lässt sich diese Be-
hauptung nicht begründen, ich halte sie aber überhaupt für falsch.*)
Bis auf Sulla scheint nur die Verwaltung eines jener drei curulischen
Aemter ihren Inhabern theils sofort die factische Theilnahme an
den Senatssitzungen, theils das gesetzliche Anrecht auf Einzeichnung
155 in den Senat gegeben zu haben; so dass der Censor vermuthlich,
wenn er sie wegliess, dieselben Formen beobachten musste wie bei
der Streichung eines wirklichen Senators. Einen deutlichen Finger-
zeig, dass noch 672, unmittelbar vor Sulla's Reconstituirung der
Republik, diese Verhältnisse bestanden, giebt der livianische Bericht
(bei Eutrop. 5, 9. Oros. 5, 22), dass der Bundesgenossen- und der
Bürgerkrieg weggerafft habe consulares XXIV, praeforios VII,
aedilicios LX, senatores fere CG — eben wie Livius die qui eos
magistratus gessissenf unde in senatum legi deberent zusammen-
stellt mit den senatores. Dass daneben factisch auch die niederen
Beamten eine Expectanz hatten bei der nächsten Censur in den
Senat zu kommen, ist begreiflich, auch durch Val. Max. 2, 2, 1 und
sonst bezeugt; wesshalb denn die Präterition natürhch auch für sie
eine Makel war.
Bei Servius [Dan.] zur Aeneis 1, 421 heisst es: Älii magalia
casas Poenorum pastorales dicunt. De his Sallustius »quae mapalia
sunt circumiecfa civitafi suburbana aedificia magalia.« Et alibi**)
Cassius Hemina docet ita »Sinuegsae* magalia addenda murumque
circum ea.« Die gemeinte Stelle des Sallust ist ohne Zweifel, wie
auch Kritz (in der Vorrede zu Sallusts Historien S. XXXIX) bemerkt,
lug. 18: aedificia Numidarum agrestium quae mapalia Uli vocant;
was also bei Servius folgt, sind seine Worte, nicht die des Sallust,
und es ist etwa zu schreiben: De his Sallustius. Magalia sunt
circumiecta civitati suburbana aedificia; Cassius Hemina docet ita
»Sinuessae magalia addenda murumque circum ea.« Die Besserung
von Sinuegsae ist längst gemacht; magalia et alibi scheint eine in
den Text gerathene Randglosse; ob etwas Gesundes und was in dem
verdorbenen quae nach Sallustius steckt, weiss ich nicht. In den
Worten des Hemina [fr. 38 Peter] erkennt man sofort ein Bruchstück
aus dem Verzeichniss censorischer Verdingungen, um so bestimmter
als die Herstellung der öffentlichen Bauten in den Bürgercolonien
*) [Vgl. z^m Folgenden Staatsrecht 3, 860 f. , wo auch die Liviusstelle
erwähnt ist.]
**) [alii CS alibi C\]
Kritische Miscellen. 91
den römischen Censoren oblag und Sinuessa Bürgercolonie war. Nun
aber lesen wir bei Livius 41, 27 [Hf-], dass der Censor des J. 580
Q. Flaccus unter anderm verdang: Pisauri viam silice sternendam et
Sinuessam a ga . . aviariae in his et clo . . um circumducend . . et
forum 2)0)iicibus tabemisque claudendum et lanos tres faciendos; es
ist wohl nicht zu bezweifeln, dass zu schreiben ist et Sinuessa[e]
maga[lia addendu] aviariae in his et clo[acas faciendos et
mur]um circtimdticend[um . . . Was sich verbirgt in dem . . . aviariae,
weiss ich nicht; vermuthlich irgend etwas in oder auf den Magalien 156
Befindliches, vielleicht et caularia in his, Yorrichtungen um Schafe
in den Hürden (magaliaj unterzubringen.
Velleius 2, 27 heisst es von der Schlacht, die Sulla den Sam-
idten am collinischen Thor lieferte, sie habe stattgefunden abhinc
annos XI Tcal. Novemhribus. Man begnügt sich gewöhnlich hier XI
in CXI oder besser mit Kritz in CIX zu ändern, wonach als Tag
der Schlacht der erste IS^ovember angenommen wird. Allein dabei
ist übersehen, dass die nach Yelleius a. a. O. (vgl. Pseudo-Ascon.
p. 143 Orell.) zum Andenken dieses Sieges von Sulla gestifteten
Spiele der Yictoria nach den Kalendern vom 27. bis zum 31. Oct.
gefeiert wurden, der Schlachttag also entweder der erste oder der
letzte dieser Tage gewesen sein muss. Es dürfte danach eine Lücke
anzunehmen und überdies XI in VI zu ändern sein, so dass Yelleius
geschrieben: abhinc annos CIX ante diem VI kal. Nov.
Yelleius 2, 29 in der Charakterschilderung des Pompeius: poten-
tiae qnae honoris causa ad eum deferretur, non vi cd) eo occuparetur,
cupidissimus. Die Ueberlieferung giebt dafür non vi ab eo.
Plinius h. n. 2, 104, 235 heisst es bei SiUig: In urbe Commagenes
Samosata stagnum est emittens limum (maltham vocant) flagrantem.
Cum quid attigit solidi, adhaeret; praeterea tactu exsequitur ftigientis.
Sic defendere muros oppugnante Lucuüo (vgl. Dio 36, 3 a. Bekk. 75,
1 1) [Boiss. 1 p. 259, 9 f.]. Dies giebt keinen Sinn. Da aber die beste
Handschrift (A) statt ta^tu exsequitur hat tactu et sequi, so wird zu
schreiben sein : flagrantem cum quid attigit solidi; adhaeret praeterea
tactu et sequitur fugientes. Der zähe Schlamm klebt, wenn man ihn
anrührt, und wird von dem Zurückweichenden nachgezogen.
Florus 2, 9 (3, 21) [p. 89, 21 Jahn] ist überliefert: Scipione Nor-
lanoque considibus tertius ille turbo civilis insaniae tote furore detonuit;
quippe cum hinc octo legiones, inde quingentae cohortes starent in armis,
iide ab Asia cum Victore exercitu Sulla properaret. Die Herausgeber
streichen das erste inde: mit Unrecht, denn weder sind acht Legionen
gleich fünfhundert Cohorten, noch lässt es sich rechtfertigen, dass die
92
Kritische Miscellen.
Heeresstärke theils in Legionen, theils in Gehörten angegeben wird.
Vielmehr sind die acht Legionen die sullanischen , sei es nun, dass
Florus dachte an die fünf Legionen, die Sulla nach Asien und wieder
157 zurück führte (App. Mithr. 30. b. c. I, 79; vgl. Vell. 2, 24) und die
zwei des Fimbria (App. Mithr. 51. 64) und ungenau acht statt sieben
setzte, oder dass er — verkehrt, wie er pflegt — jene fünf Legionen
mit den dreien zusammenzählte, die Cn. Pompeius für Sulla warb
(Drumann IV, 327). Die 500 Cohorten des cinnanischen Heeres
sind sicher rund gesetzt statt der 450, die Sulla's eigener Bericht
nannte (Plutarch Sulla 27; woher auch Velleius 2, 24 'mehr als
200 000 Mann' genommen sind — 450 X 500 = 225 000). — Wenn
also die Ueberlieferung bis zu den Worten in armis tadellos ist, so
bleibt es freilich zweifelhaft, wie weiter zu helfen sei. Vielleicht ist
nach in armis ein Satz ausgefallen, der sich auf Cinna's versuchte
Expedition nach der illyrischen Küste bezog: hinc naves iani con-
scenderent ad Achaiam occupandam milites Cinnani.
Aus der Rede, die der Consul C. Fannius gegen C. Gracchus
Vorschlag den Latinern das Bürgerrecht zu ertheilen im J. 632 hielt,
hat Victor p. 224 Or. [p. 402 Halm] die Worte aufbewahrt: Si Latinis
civitatem dederitis, credo existimatis vos ita ut nunc constitisse in
contione hdbituros locum auf ludis et festis diebus interfuturos. Für
das verdorbene constitisse schlug Orelli constitutum est, Spengel con-
suestis, Dübner constituitis oder constituistis vor; das Richtige ist
constitistis*) »Ihr meint also auch dann so wie ihr jetzt vor mir
steht in der Versammlung Platz finden zu können?«
Bei Charisius p. 74 Lind. [G. L. K. I 138] heisst es: NohiUore.
comparativa Plinius e putat dblativo finiri tarnen ait per i
locutos guippe fastos omnes et libros a Fulvio NohiUori scripta rettu-
lisse; wofür zu schreiben sein wird: . . , tarnen ait per i locatos ah
ipso fastos et omnes lihros a Fulvio NohiUori scriptos etulisse. In der
Lücke, wo der Name des Coelius jetzt mit Recht beseitigt ist, ergänzt
Hertz de L. Cinciis p. 101 den des Gracchanus; es scheint aber nicht
der eines Historikers, sondern der eines Grammatikers ausgefallen,
Locatos für locutos ist alte Verbesserung der ersten Ausgabe, wenn
nicht Lesung der Handschrift,**) in der a und u schwer zu unterscheiden
sind; gemeint sind die Fasten, »quos in aede Rerculis Musarum
posuit Fulvius Nohilior« (Macrob. sat. 1, 12), aber der Grammatiker
durfte nicht verschweigen, dass dieselben von Nobilior herrührten so
*) [cotistitisse ist richtig : Modusangleichung, wie oben S. 65 Zeile 28 f.]
**) [Nach Keil hat sie locutos.]
Kritische Miscellen. 93
gut wie die Bücher, und darum scheint die Umänderung von quippe
in ah ipso nothwendig. Die Aenderung von scripta rettulisse statt
des gewöhnlichen scriptos rettulisse in sa'iptos etidisse empfiehlt sich 158
sachlich wie paläographisch.*)
Bei Festus p. 326 lesen wir folgende Trümmer, denen im Aus-
zug nichts entspricht:
lutationes vo
unc ludi scenicos
s primum fecisse C.
liutn M. Popilium M.
ediles memoriae
historici solehant
in orchestra dum
hulae conponeren
scaetiis
Ursinus und Müller zogen den Anfang zu dem voraufgehenden
Artikel. Jener liest: [Salutari]s poria ap[peUata est] . . . [vel ita ob
sa]lutation€s. Vo[cantur Megalensia qui n\unc ludi; dieser: [vel ita
ob sa]lutation€s vo[catur. Thymelici qui ti]unc ludi. Beides kann
nicht richtig sein, da die Reihenfolge der Artikel hier ein mit SAL
anfangendes Lemma fordert. Es ist eine Ausrede, wenn Müller
meint, diesen Artikel als einen bloss zur Erklärung des folgenden
Salva res est vorausgesandten betrachten zu können; das ist gegen
Festus "Weise und in der That bedarf der folgende Artikel keines-
wegs einer solchen Vorrede. Mir scheint es nicht zweifelhaft, dass
das Lemma war salfationes — woraus durch ein leichtes Yerderbniss
sahdationes ward — uud dass Festus von irgend einer Art Bühnen-
spiele spricht, die ehemals »Tänze« genannt worden seien. Welche
Alt er meint, ist durch die schwer heilbare Corruptel der zweiten
Zeile unsicher geworden. Möglichkeiten bieten sich bei dem engen
Zusammenhang beider Künste mancher Art; das römische Bühnen-
stiick entwickelte sich bekanntUch aus dem Tanz — noch der jüngere
Scipio (bei Macrob. sat. 2, 10) nennt die Tanzschule abwechselnd
ludus saltatorius und ludu^ histrionum — und man könnte vielleicht
eben an die älteste Phase der römischen Bühne hier denken. Aber
wahrscheinlicher dünkt es mich in den »Tänzen« die späteren Mimen
*) [finiri; (antiquos) tarnen ait per i locutos, quippe fastos omnes et Kbros 'a
Fttlvio Xohiliori' scriptum rettulisse Keil; vgl. J. "W. Beck, Plinii liber dub. serm.
fra:?m., Leipz. 1894, S. 14.]
94 Kritiscbe Miscellen.
zu erkennen, die bekanntlich recht eigentlich auf dem Tanz beruhten.
Danach möchte ich folgende Ergänzung versuchen, ohne sie freilich
als sicher bezeichnen zu wollen:
Sa]ltationes vo
cabantur qui n]unc ludl oHrjvixcög
159 dicuntur mimi, quo]s primum fecisse C.
fi]lium M. Popilium M.
filium plehis a\ediles memoriae
prodiderunt] historici. Solebant
enim saliare] in orchestra, dum
quae opus erant fa]bulae conponeren-
tur, cum gestihus oh]scaenis.
Die Angabe am Schluss kehrt wieder bei Diomedes 3 p. 487. Putsch
[G. L. K. 1, p. 490] in einer Stelle, die nach O. Jahns Beobachtung als
aus Sueton [p. 14 f. Reiff,] geflossen gelten kann: (planipedem actores)
olim non in suggestu scaenae, sed in piano orchestrae positis instru-
mentis mimicis actitabant. — Der Aedil M. Popilius dürfte derselbe
sein, den Plinius 7, 48, 158 nennt: (Galeria Copiola emboliaria) annum
VIII agens producta fuerat tirocinio a M. Pompilio aedile plebis
C. Mario Cn. Carbone consulibus. Wenn dies richtig ist,*) so ist hier-
mit ermittelt, dass im Jahre 672 zuerst der Mimus in Rom öffentlich
aufgeführt worden ist; dass der Mimus um diese Zeit in Aufnahme
kam und dass er anfänglich vorwiegend Nachspiel war, ist bekannt.
Plutarch Sulla 36 wird unter Sulla's Genossen aus dessen letzter
Zeit auch Zwqi^ ö aQ^tfujuag genannt. Sollte dies nicht derselbe
Schauspieler sein, von dem sich zwei Hermen in Pompeii gefunden
haben (inscr. Neap. 2209. Orell. 2644 [C. I. L. X, 814J) mit der Auf-
schrift: C. Norbani Soricis secundarum mag. pagi Aug. felicis subur-
bani ex d. d. loc. d., welche ich so verstehen möchte: C. Norbani
Soricis, secundarum, (hnaginem) magistri pagi Augusti felicis subur-
bani (posuerunt), ex decreto decurionum loco dato. Dass der actor
secundarum partium und der archimimus nicht identisch sind, versteht
sich; aber auch ohne einen Irrthum Plutarchs anzunehmen, lässt sich
recht wohl denken, dass Sorex in den Komödien die zweiten Rollen,
in den eben um diese Zeit aufkommenden Mimen die Hauptrollen
spielte ; wenn nicht etwa der Titel archimimus vielmehr den Director
*) [Nach Deftlesen hat nur der cod. R Pompilio, die übrigen Pomponio.
Auch abgesehen davon wäre die Identifizierung des Popilius mit Pompilius
unbegründet.]
Kritische Miscellen. 95
der Truppe bezeichnet. Sulla verlebte die letzten Jahre auf seinem
Landgut bei Cumae; Sorex wird also auch in Campanien gelebt
haben und es ist begreiflich, dass noch in der augusteischen Zeit die
Pompeianer seiner sich erinnerten. Yomame und Name lassen ver-
muthen, dass der Schauspieler dem Gesinde des Hauses angehörte,
aus dem der Consul C. Xorbanus 671 entsprang.*)
*) [Es folgt als letzte Miszelle die Behandlung eines Luciliusfragments
(621 Marx). Dieser Deutungsversuch ist unhaltbar und daher hier nicht wieder-
holt worden.]
XV.
T. Livii ab ürbe condita
Hb. III -VI
quae supersunt in codice rescripto Yeronensi
descripsit et edidit
Th. Mommsen.*)
153 Codex, ad quem Liviana ea quae praecedunt expressa sunt, est
codicis ^ibiiothecae capitularis Yeronensis^ signatus hodie n. 40 (antea 38)
Veronensis ^ " . „
descriptio. mombranaceus formae quaternanae, posteriore scnptura, quae retert
saeculum IX, proponens S. Gregorii papae moralium in lob libros
XXVIII — XXXY^ priore autem haec:
fol. 1—204 non rescr.
/205 Vergilius
^206
207—9 non rescr.
^210
non
rescr.
//m.
Vergilius
/A212
-
[m
~
\V\215
-
\X2i6
-
^217
non
rescr.
*) [Philologische und historische Abhandlungen der Berliner Akademie aus
dem Jahre 1868, Berlin 1869, S. 31—215. Die Seiten 33—152, die den Text des
Veronensis reproduzieren mitsamt den Varianten der anderen Hss., sind hier
nicht wieder zum Abdruck gebracht worden, da die neueren Liviusausgaben,
was den Text des Veronensis betrifft, auf der Mommsenschen Kollation beruhen.
Dagegen erschien es wünschenswert, die folgende Beschreibung dieses Codex
und der Besonderheiten seines Textes als vorbildliches Muster paläographischer
Akribie unverkürzt aufzunehmen.]
1) Olim Bobiensem videri fuisse ait Henr. Keil in praefatione ad scholia
Vergiliana p« XI; ego non perspicio, cur Veronenses libri vetusti repetantur
ex bibliotheca potissimum Bobiensi. [Keils Behauptung ist ohne Angabe eines
Grundes wiederholt von E. Lommatzsch in seiner Ausgabe der appendix Serviana
rec. H. Hagen (Leipz. 1902) S. IX.]
2) Cf. Reifferscheid bibl. patrum Lat. I (in academiae Vindobonensis actorum
minorum volumine XLIX) p. 59 seq.
T. Livii ab ürbe condita Hb. III— VI.
97
'218 non rescr.
J19 Vergilius
.220
//221
U222
\223
-224
-225 non rescr.
226 non rescr.
27 Yergilius
228
[eest
232 non rescr.
233 non rescr.
234 Yergilius
235
236
237
238
239
240
241
242 non rescr.
154
243 Vergilius
244
245
MOMMSEN, SCHR. VII.
98
T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI.
155
259 Vergilius
60
267 Livius huius ed. p. 117. 118*)
- P-
- P-
- P-
- P-
- P-
- P-
- P-
103. 104.
5. 6.
54. 53.
48. 47.
3. 4.
105. 106.
111. 112.
275 Livius huius ed. p. 15. 16.
p. 35. 36.
p. 18. 17.
p. 39. 40.
p. 37. 38.
p. 24. 23.
p. 41. 42.
p. 9. 10.
283 Livius huius ed.
290
291 Livius huius ed.
292 - - -
_ ^ _
81. 82.
57. 58.
91. 92.
30. 29.
32. 31.
89. 90.
63. 64.
83. 84.
95. 96.
45. 46.
59. 60.
19. 20.
21. 22.
61. 62.
55. 56.
97. 98.
*) pOie Seitenzahlen hier und im folgenden auf Bücher und Kapitel unserer
Ausgaben umzuschreiben, erschien untunlich ; nur an einzelnen, genauer behandel-
ten Stellen ist es zur Erleichterung der Identifikation geschehen.]
T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI.
99
299 Livius huius ed.
300
I
85. 86.
107. 108.
75. 76.
73. 74.
71. 72.
69. 70.
101. 102.
79. 80.
/307
Livius huius
ed. p. 87. 88.
X/308
-
-
- p. 2. 1.
/ A309
-
-
- p. 28. 27.
( / F^
-
-
- p. 113. 114.
l l V'^^
-
-
- p. 115. 116.
\\ \312
-
-
- p. 26. 25.
\^813
-
-
- p. 8. 7.
^314
-
-
- p. 78. 77.
^Blb Christiani hominis tractatus argumenti philosophici.
^-316 Livius huius ed. p. 109. HO.
^317 - - - p. 44. 43.
,318 tractatus philosophicus.
^319
^320 Livius huius ed. p. 84. 38.
^321 - - - p. 119. 120.
322 tractatus philosophicus.
323 tractatus philosophicus.
324 Livius huius ed. p. 49. 50.
325 non rescr.
(non. num.) Livius huius ed. p. 68. 67.
[326—329 non extant praeteritis numeris his in foliis signandis].
330 Euclides Latine factus.
331 - - -
332 Livius huius ed. p. 66. 65,
333 - - - p. 51. 52.
334 tractatus philosophicus.
335 tractatus philosophicus.
336 Euclides Latine factus.
337 Livius huius ed. p. 12. 11.
338 Euclides Latine factus.
339 Livius huius ed. p. 94. 93.
340 - - - p. 100. 99.
341 Euclides Latine factus.
342 Livius huius ed. p. 14. 13.
343 Euclides Latine factus.
344 tractatus philosophicus.
156
100
T. Livii ab Urbe condita lib. III —VI,
Folia igitur quae quidem antiquiorem scripturam habeant extant
CXXV connumerata lacinia quae superest post fol. 325, quorum
foliorum Livianis reliquiis occupantur numero sexaginta, Yergilianis
unum et quinquaginta , octo philosophico, sex mathematico tractatu.
stndiain gx his Vcrgiliana tractarunt carmina Ribbeckius, sed ut rem non
p^SIr absolverit et a venenomm usu prohibitus et temporis praeterea
angustiis impeditus ^, scholia Angelus Malus (1818), Henricus Keilius
(1848), Arnoldus Hermannus^; Euclidea a se descripta Gulielmus
Studemund mox public! iuris faciet;*) philosophus adhuc iacet non
exscriptus.**) Liviana autem primus examinavit Blumius indicemque
foliorum dedit diligenter factum in museo Rhenano vol. 2 a. 1828
p. 336 seq. (cf. itineris Italici t. 1, 263. 4, 189) una cum specimine
variae lectionis pertinente maxime ad huius ed. p. 19. Post eum
Detl. Detlefsenus codice denuo examinato in Philologi vol. XIV
a. 1859 paginas duas (huius ed. p. 2. 7) diligenter descriptas pro-
posuit exemplo lithographico. Denique A. G. Zumpt quattuordecim
codicis paginis descriptis in commentatione 'de Livianorum librorum
inscriptione et codice antiquissimo Veronensi' (Berolini 1859. 4) duas
earum edidit (huius ed. p. 9. 16), reliquarum variae lectionis specimina
dedit, denique exemplaris sui apographum Veronae reliquit optimo
consilio, ut qui deinceps codicem retractarent illo adiuvarentur.
Ceterum tam Blumio quam Detlefseno et arte impar et diligentia
multis locis erravit, quos errores cum plerumque tacite emendarim,
hie praemonendum est Zumptianas lectiones a meis diversas omnes
reiectas esse examine Institute in re praesenti,
157 Hunc igitur laborem per plus quinquaginta annos, postquam
codicem repperit Maius, vixdum incohatum tandem ego suscepi et
absolvi mensibus Aprili Maio lunio a. 1867 Yeronae. Sed ratio habenda
erat et temporis, quod mihi aliis quoque eodem tempore studiis
intento ad Livium superesse viderem, et commodi, quod in crisin
Livii redundaret ex hoc libro plene excusso, non spernendo sane,
sed Plauti Ambrosiano et Verrinarum Vaticano fide praestantiaque
1) Cf. eius prolegomena Vergiliana p. 227.
2) Cf. Buecheler in mus. Rhen. novo 19, 639. Recognitio tota propediem
ut edatur optamus. [Sie liegt jetzt vor in der Appendix Serviana von H. Hagen,
Leipz. 1902.]
*) [Das ist nicht geschehen. Diese Euclidea sind noch unpubliziert: vgl.
J. Heiberg, Euclidis opera V (Leipz. 1888) prolegg. p. XCIX.]
**) [Das gilt noch für jetzt. Auch habe ich nichts Näheres über ihn in
Erfahrung bringen können.]
T. Livii ab ürbe condita lib. III— VI. 101
minime pari. Itaque non hoc egi, ut imaginem codicis talem
repraesentarem, qualem vel typis exhiberi posse aliquando demon-
strabit exemplar Plautini libri Studemundianum, sed satis habui quae
elementa ita oculis deprehendissem , ut de iis mihi satis constaret,
ea in schedas referre et publice proponere secundum paginas versus-
que codicis interpositis. ubi is hiabat, supplementis ; nam haec si
omisissem, usui multo minus habile exemplum futurum fuisset nee
propter eas molestias melius certiusve. Accurate et plene num
repraesentata sint quae supersunt in codice, iudicabunt qui postea
cum recognoscent; ego feci quod potui, non usu eiusmodi lectioni
adsuefactus, sed adiutus libera usurpatione venenorum chymicorum
concessa nobis a praestantissimo bibliothecae eins bibliothecario et
in hac academia coUega Carole Giuliario, qui item permisit, ut folia
examinarentur compagibus solutis, id quod in plicaturis magnopere
profuit; adiutus item ab optimo amico et per illos menses suavissimo
contubernali Gulielmo Studemundo, qui cum simul Yeronae degere-
mus Livium ego pertractans, ille Gaium, laboris socius mihi factus
saepenumero ope et consilio me sustinuit, ut est huiusmodi scrutatio-
num hodie facile omnium peritissimus. Hoc non licuit, quod vellem
licuisset, ut codicem descriptum iterum recognoscerem totum ductus-
que evanidos et magna ex parte oblitteratos tempore interposito
denuo examinarem. Nee tamen propterea exemplum diutius premere
volui, quod tamdiu litteris debetur; satius enim visum est incurrere
aliquando descriptorem in reprehensiones quasdam quam gravissüni
auctoris vetustissimum librum diutius latere. Ceterum adhibui in
codice recognoscendo editionem unicam quam habemus tali apparatu,
qualem hodie requirimus, aliquatenus certe instructam et, ut omnium
quae extant sine dubio longo deterrimam, ita a codicum lectione
rarissime recedentem et propter id ipsum si alii nulli, certe huius-
modi negotio maxime aptam Alschefskianam. Item ubicumque vel
lectionis diversitas vel etiam cum recepta consensus scrupulum in re 158
praesenti iniecisset, vocabulum 'sie' adscripsi, ita testatus codicem
de ea ipsa re data opera examinatum vere id habere quod ex eo
edidi. Praeterea adnotatione adiecta quantum in me fuit curavi, ut
simul idoneum apparatum criticum editio haec repraesentaret, quatenus
pervenit, eumque ita adornatum, ut qui ea utatur et facile et certo
lectionis traditae discrepantiam percipiat. In quo apparatu conficiendo
cum subsidia Alschefskiana non sufficere viderem (caremus enim
adhuc neseio quomodo in ipso Livio et omnium maxime in decade
prima pleno et absolute critico instrumento), ut ea non exigua accessione
locupletarentur, factum est partim Rudolfi Schoellii mei sollertia, qui
^02 T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI,
Florentiae degens mea causa Mediceum denuo excussit, partim
Pluygersii Leydensis liberalitate , quae eo gratior accidit, quod iam
est consueta. Quod autem in varia lectione ea, quae bonis libris
tradita est, referenda me continui abstinuique ab omni non dico
emendationis faciendae periculo, sed ab ipsa emendationum factarum
commemoratione , id in eiusmodi exemplo necessario fieri debuit;
neque enim Livium recognovi, sed Codices eius antiquissimos
repraesentavi nee utile est miscere diversa et sua natura seiuncta.
Uvü codex Quo tempore Livii codex de quo agimus scriptus sit, certo
^'*° *®'^°'® determinari non potest, nisi quod vocabula quae sunt consul et
scnptus. r 1 1 x
consules sie notata cons • et gonss • ostendunt antiquarium qui librum
scripsit non vixisse ante Diocletianum ^. Quod si hoc sumere licet
scripsisse eum antequam fieret recensio Nicomachiana , propterea
quod ipse sequitur recensionem diversam, adiudicandus est saeculo
quarto; eam tamen ratiocinationem et per se incertam esse video et
satis constare Cassiodorium saeculo sexto ineunte usum esse codice
Liviano recensionis non Nicomachianae 2. Ea autem quae in codice
observatur scribendi proprietas ab illo tempore nequaquam abhorret;
nam cum labentis litteraturae permulta indicia habeat, a barbarismis
veris eam plane immunem esse infra videbimus et omnino ita com-
159 paratam, ut tam in veris quam in falsis optime conveniat saeculo
quarto. Litterae quoque pulcherrimae sunt, quarum si fieri poterit
etiam ectypum aliquando parabo ; premere autem editionem, donec
fieret, nolui nee puto multum inde profectum iri. Nam quam incerta
opinatio hodie dominetur in huius generis libris ex litterarum nescio
quibus differentiis aestimandis, pudet commemorare.
Quater- Liviana folia sexaginta ea, de quibus agimus, pertinuerunt olim
mones foUa ^^ quatcmiones quindecim, quorum cum numeri in extremis quater-
codicis. nionibus adnotati supersint quattuor XII. XXII. XXX. XXXII,
etiam reliquos facile ad suos numeros Blumius revocavit sie:
[q. XV] fol. 2 fol. 5
_ o _ ft
- 6 q. XVII fol. 1
- 7 - 3
[q. XVI] fol. 3 - 6
- 4 - 8
1) Cf. Rossi inscr. ehr. I p. XXIII : 'Diocietiana aetate littera s post k
gemiuari coepit ac deinde soUemne semper fuit nota cons • unum , conss • duos
consules indicare, quamquam hanc regulam artificum imperitia saepe neglexit.'
Ante Diocletianum consules notantur tribus fere litteris cos • , raro nee nisi tertio
saeculo quattuor cons •
2) Vide quae infra observabuntur ad Liv. III, 65 [nicht abgedruckt, s. u. S. 138*].
T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI. 103
[q. XVin] fol. 4 [q. XXVn] foL 2
- 5 - 3
[q. XTK] fol. 2 - 4
- 7 - 5
[q. XX] fol. 2 - 6
- 3 - 7
- 4 [q. XXTX] fol. 3
- 5 - 6
- 6 q. XXX fol. 1
- 7 - 2
q. XXII fol. 1 - 7
- 3 - 8
- 4 [q. XXXI] fol. 2
- 5 - 3
- 6 - 6
- 8 - 7
[q. XXIII] fol. 3 q. XXXII foL 1
- 4 - 3
- 5 - 4
- 6 - 5
[q. XXIY] fol. 4 - 6
- 5 - 8
[q. XXVI] fol. 3
- 4
- 5
lara cum folia CXLIII, quae in codice olim fuerunt a primo ad
postremum eonim foliorum quae supersunt, respondeant paginis
editionis Hertzianae c. CLXXYII, folia quae ante primum superstes 160
perierunt CXLH pro portione respondent Hertzianis paginis c. CXXIX,
ut codicem incepisse appareat ab ipso exordio annalium Livianonim.
Quousque pervenerit, ignoratur neque quicquam cogit, ut eum ad
denariam annalium Livianorum divisionem perscriptum fuisse statua-
mus: quod si pervenit ad finem decadis primae, constitit quater-
nionibus c. LIV, foliis c. CCCCXXXIt. — Subscriptio servata est
p. 112 quinti libri coniuncta, ut fieri solet, cum inscriptione sequentis.
— Singulis paginis inscriptum est versis nomen auctoris, rectis libri
numerus ad hoc exemplum titi • liüi||lib • iiii^, prout in palimpsesto
Yaticano libro legitur titi • liuiIlib • xci similiterque etiam in reliquis
libris Livianis paris vel supparis aetatis. — Chartas dimensus Det-
lefsenus adnotavit altas esse hodie centim. 27^2, latas hodie esse cen-
1) In ipso libri numero erravit librarius p. 83 (ubi errorem postea correxit).
87. 109. Ceteram ad hasce inscriptiones non satis attendi nee dubito multo
plures earum superesse in codice quam adnotavi.
104 T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI.
tim. 21, fuisse aliquando centim. 25, eius mensurae scripturam occupare
in altitudinem centim. 26, in latitudinem centim. 8 -{- 8 (singulae enim
chartae binas paginas comprehendunt) marginibus et supra et infra
et utrimque et inter binas paginas late patentibus. Paginae singulae
versuum sunt tricenorum breviusculorum , cum habere non soleant
nisi litteras a senis denis ad vicenas; ut appareat librarium librum
parare voluisse non perito solum, sed cuivis homini lectu commodum.
Inveniuntur tamen non raro versus qui numerum illum excedunt
cum propter marginis aequalitatem non anxie observatam tum prop-
terea quod extremae litterae modo contignantur modo imminuuntur;
quas contignationes in editione expressimus, minutarum autem litterarum
rationem non habuimus. — Praeterea in duabus certe paginis 34
et 64 cemuntur vel extremi versus litteris coartatis scripti excurrentes-
que vel adeo versus quidam supra tricenarium numerurii in ima
margine additi, ut appareat librario certum terminum propositum
fuisse, quo si casu aliquo non pervenisset, extra ordinem quae
deerant adiceret. Quocum componendum est, quod inter p. 14. 15,
quamquam eae se exceperunt codice etiam tarn integro, tamen
excidit tantum, quantum unam huiusce codicis paginam aequat.
Quibus perpensis crediderim librum ita ex archetypo expressum esse
161 vel potius exprimi debuisse, ut pagina paginae, fortasse etiam versus
versui responderet^; quod si probari potest in usu fuisse, neque eius
usus ratio latet (nam errores, maxime omissiones ita et evitabantur
optime et non evitati facile deprehendebantur; deinde ita facta
exempla plura in scholis auditionibusque commode simul adhibebantur)
et quae adhuc in obscuro posita est stichometria quo pertinuerit
iam intellegetur. Quam ob rem qui in talia inquirunt, diligenter
velim attendant, si qua forte similia alicubi lateant. Certe quod
Livii Über alter rescriptus, nempe Vaticanus, totidem in pagella
versus totidemque fere in versu litteras habere invenitur^, quot in-
venimus in Veronensi, aliquatenus quod posuimus commendat^. —
Ceterum folia Liviana cum ad Gregoriana perscribenda aptarentur,
margines desectae sunt, quas late patere voluerat scriptor Livianorum
1) Versus 80, 27 cur dimidia parte vacuus remanserit, non perspicio.
2) Vide p. 89. 90 editionis Niebuhrianae (Rom. 1820).
3) Vindobonensis decadis quintae codex habet in pagina versus undetricen
in versu litteras circiter vicenas quinas nee in binas paginas ibi charta divisa
est; divisa est in Puteauo decadis tertiae, ut pagina habeat versus vicenos senos,
litteras a senis denis ad vicenas (cf. Silvestrii palaeogr. vol. 2 tab. 88 et Aischefski
vol. 3 p. IX). Mihi uterque liber recentior creditur Veronensi etiam propter
orthographiam.
J
T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI. 105
qua desectione cum in inferiore margine litterarum nihil, in superiore
autem tantummodo paginarum inscriptiones quaedam perierint, paginae
exteriores complures mutilatae sunt. Quae damna cum ipsa editio
proponat, licet propter supplementa adiecta typorumque rationem
aequabilitate hiatuum aliquantum imminuta ^, hoc loco non opus est
enumerare.
Notae in Yeronensi libro usurpantur eae, quibus locus esse Notae.
potest vel etiam debet in annalibus similibusque libris exarandis,
ut de his pauca tantum observanda sint. Praenomina quamquam 162
plerumque notantur, ut fieri oportet ubi nomen proxime sequitur,
tamen non raro inveniuntur perscripta, e. c. 14, i. 19, 40. 30, 3«. 49, 46.
55, 11, 56, 20. 61, 41. 64, 19. 74, n. 114, 5&. Gaii cum plerumque recte
notetur per litteram c •, g • quoque reperitur 29, 12. 94, 4. 35, 37.
Praeterea adnotabo p(atres) c(onscripti) 13, 37. 91, 56 ; I(uppiter)
efptimus) m(aximus) 32, 32; imp(erator) passim, item imp(erium)
53, 10; p(opuUj 61, 20 comitante nulla alia Httera singulari. De notis
cons. = consul, conss. = consules supra p. 158 [102] dictum est; quae
quamquam passim permutantur (cf. 3, 35. 13, le. 14, 17 cet.), tamen
regula apparet. Errorem inde ortum habemus 22, 42 consclib • tan-
TissiMO factum ex coxstaxtissimo. Ex notis non cum rei publicae
ordinatione coniunctis, sed grammaticis mere nullae reperiuntur nisi
Q . = que et B • = btis, quarum utraque etiam in mediis vocabulis
toleratur (q • rextes 6, 7 = querentes; seq-JJtis 65, 30 = sequentis;
RELixQ • RE 110, 8 = relinquere; amb • tum 89, 52 = amhustum). Ad
has prope accedit n vel m littera tractu super proximam proximasve
collocato significata ibi, ubi in versu aut ultima aut paenultima est;
nam in medio versu eiusmodi compendium non admittitur nisi ubi
continua scriptura interrumpitur perforata membrana, ut accidit 90, 35.
Similiter litterarum contignationes non reperiuntur nisi in fine versi-
culorum, sed ut contignentur etiam tertia secundaque a fine (33, 60.
1) In supplementis recipiendis cum id maxime egerim, ut reliquorum
librorum lectionem repraesentarem, non raro evenit, ut receptae litterae earum,
(luae perierunt, numerum aut non expleant aut superent, discrepantia orta ex
mtionibus diversis; nam modo subest compendium aliquod a librario admissum,
modo error ipsius, modo archetypi nescio quae diversitas. Videant igitur viri
«locti de singulis quid statuendum sit; hoc moneo supplementa a me admissa
in marginibus desectis non exacta esse ad numerum litterarum singulis locis
deficientium, quem tamen facile colliges ex totius paginae propter similem
truncationem in ea re aequabilitate. Aliud est in iis quae supplevi ibi, ubi
Membrana cum supersit, legi non potest; haec enim ad numerum exegi vel,
tibi sie exigere non potui, de ea re monui ; quamquam fateor aecuratius attendi
' '^biiisse ad hiatuum ambitum, quam a me factum est.
106 T. Livii ab Urbe condita lib. III — VI.
35, 44. 45, 9 al.), raro quarta tertiaque (47, 12), scilicet ubi eae quae
sequuntur contignationem non patiuntur. In medio versu contig-
nationem semel tantum (25, 4) observavi.
Capita et Eminent elementa cuiusvis paginae prima, ut mos est in huiusce
interstitia. ^ß^a^^g codicibus;*) in hoc autem quod interdum eminent primi
paginae versiculi et prima littera et postrema (ita p. 16. 56. 108.
115), id alibi vidisse me non memini. — Interpunctio post notam
(etiam post numeros, ut 3, 21. 113, 59) sollemnis est et ubi deficit,
aetate oblitterata magis quam a librario omissa; ubi comma finit,
eam non observavi nisi in ipso libri fine (p. 111, ss) et praeterea
uno loco 3, 15 (cf. 47, 9). — Contra et principia orationum et in
Universum commata insigniora destinguuntur modo capite facto (7, 22.
11, 60. 22, 27. 32, 2V. 43. 45, 48. 63, 42. 77, 55. 91, 56. 104, 3. 107, 42),
quod certe locis tribus (32, 43. 63, 42. 77, 55) incipit a littera eminente,
modo spatio in medio versu vacuo relicto (3,26. 5,54. 13,36. 16,4.
17, 39. 22, 52. 35, 12. 47, 9. 49, 1. 50, 29. 53, 45. 59, 25. 67, 2. 93, 51.
94, 29. 101, 37. 105, 52).
163 Correctorem über nactus non est; nam quae subinde apparent
^^^"^®^^" .^ litterae expunctae inductaeve (2, 2. 6, 22. 9, n. is. 34, 52. 36, 48. 55, si.
libro obviae.55. 60, 15, 64, 59. 66, 33. 55. 91, 6. 92, 7. 43. 96, 29. 31. 97, 56. 98, 16) vel
etiam mutatae (11, 42. 20, 35. 54, 16. 48. 61, 15. 69, 56. 83 inscr. 89, w.
92,34. 104,44. 105,55. 107,57) additaeve (16,54. 76, 15. 108, so), eae
iure tribuentur ei ipsi qui codicem exaravit. Quaedam autem vel
in bis mutata deprehenduntur in peius, ut 54, 16. 55, 55. 61, 15. 96, 28.
107, 57.
schoiia Scholia in codice reperiuntur perpauca, nempe praeter oblitteratum
Latinaetp 4^1 Latina duo iuxta verba adscripta p. 61 Lucius JPmari[us\
(littera u scripta super c quo pertineat ignoro) et p. 107 [ord\tio
Camüli dictatoris ad p. B. , Graeca item duo posita in margine in-
feriore p. 61: ort xax exivo xegov rov Xoi/xov iv rfj Pcofxrj .... nqbg
E^decooiv rfjg yevajuevfjg vooov reo "AnoXXoivi vaöv eyigai rjv^avro,
quae respondent verbis textus 4, 25, 3: pestilentia eo anno . . . aedis
Apollinis pro valetudine populi vota est, et p. 88 aarevörrcDv
e^'&Q oig oTQatsvjuaoiv xivovoiv . . . ol 'Poj/uaioi noXirevodfievoi
. ... ig Tolg noXefjLoig rov ÖLxra.ro[Qa\ . . . v JigoxigiCovrai , quae de
dictatore adnotatio hominis non admodum docti non coniuncta est
*) In den 'Addeuda' ist von M. folgende Bemerkung Studemunds notiert:
'In codice Veronensi Gaii in cuiusvis paginae versu priino praeter primam
eminere solent litterae modo una modo duae vel tres ad arbitrium librarii
delectae.']
1) Non numero lusus manus posterioris, ut p. 51.
T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI. 107
cum Livianis in pagina illa perscriptis. Haec scholia licet videantur
cum ipso libro magis exarata esse quam postea adiecta, tarnen quod
propterea Blumius iudicavit librum in Graecia scriptum \'ideri inde-
que allatum esse Yeronam, mihi non probatur; nam saeculi quarti
grammatici quicumque erant, etiam in Italia degentes utramque
linguam callere solebant neque mirum est ab eiusmodi homine quae-
dam Graece ad Li\dum adnotari.*)
Videamus de scribendi ratione. — Syllabarum divisionem Latinam, syUabarnm
id est eam, quae nititur in consonantibus geminatis distrahendis in '^*^*^*»-
scribendo sie, ut in voce formanda distrahi debent^, perpetuo ob-
servavit librarius, ut vix bis terve eam neglegeret^. Exempla 164
apponam non omnia, sed quae sufficiant et peculiaria quaedam
illustrent, maxime veriloquii in talibus nullam omnino rationem haben:
c\t: duc\tu 106, 1/2; introduc\ti 91, 53/4; noc\tis 102, 53/4; noc\-
turnae 106, eo; spec\taculum 9t, 31/2.
n\s: tran\sisse 96, 2/3.
p\t: (yp\timus 106, 51/2; prop\ter 95, 27/8.
s\c: des\cendisset 104, 19/20; proficis\centis 101, 12/3.
s\p: res\ponso 7, 19/20; res\ponsum 75, u's, 20/1. 86, is/e.
s\f: cas\tella 81,31/2; Pos\tumius 61,41/2; praes\tifuta 118,25/6;
2)ra€s\fitufum 14, 51/2; praes\to 18, le/r. 102, 54/5; tris\tissimi
107, 44/5; tms\tatio 82, 33/4.
*) [Studemund a. a. 0. 'Etiam in Frontonis libro Mediolanensi quae repe-
riuntur Graece adscripta, constat proficisci ab antiquario Latino'.]
1) Legem eam in libris qui quidem auctoritatem habent peraeque obtinere
Lachmannus monuit in praefatione ad novum test. vol. I p. XXVII; eundem
usum etiam in aere et marmore scribentes secutos esse ego observavi in addendis
ad legum Salpensanae Malacitanaeque editionem p. 505 [= Jurist. Schrift. 1
S. 381]. Exceptionem quidem facit monumentum Ancyranum (v. ed. meae p. 145
[190*]); eins tamen in ea quaestione non talis auetoritas est qualis in reliquis,
cum Graecus quadratarius facillime in ea ipsa re ad patrium usum declinare
potuerit. [Vgl. ferner Mommsen in seiner Ausgabe der Digesta I (1870) praef.
p. XXV über den Codex Florentinus, sowie inschriftliche Beispiele bei E. Hübner,
E:iempla script. epigr. lat. (1885) S. LXXVIII f.]
2) Ita 8,23/4 totuadibtcs, 56, 5/6 an'ienem, 73, 22l% proxim'a; contra 19, 41/2
cuius ita explicari potest, ut pro trisyllabo vocabulum aecipiamus (cf. cumi
91,56 pro cui), quamquam qii od similiaque ab hoc quidem libro aliena sunt
(nam qu\orum 104, 31/2 incertum). Non numero syllabas male divisas propterea
quod librarius verba non recte diremit, ut 32, 22/3 suamet; 39, 58/9 rogaret t»;
5£, 56/7 dictator iam; 82,57/8 ^it aestate; 94, 23/4 creati sex; 111,42/3 omisso s\uij
nee magis quod scribitur 27, is/s abesset et 79, 13/4 postea, nam haec vocabula
pro binis habere potuit, quamquam alibi talia coniunxit, ut 36, 52/3. 82, 59/60
le'itur si.ctit.
108
T. Livii ab Urbe condita Hb. III— VI,
g\n: adsig\natus 118, is/e; benig\nitatem 86, 31/2; ig\nomini- 34,4o/i.
88, 53/4; ig\nota 2, 47/8; indig\num 52, 3/4; insig\nefn 114, 6/7;
mag\na 104, ss/a; mag\nos 93, 30/1; i?M^|wa similiaque 6, 31/2.
42/3. 9, 1/2. 19, 22/3. 56, 57/8. 96, 35/6; reg\num 52, 2/3. 77, 7/8;
sig\nificare 86, 22/3. Diversam divisionem non inveni;
inveni divisum ne\glegens 104, 39/40, cum divisio nec\legens
87, u/2 videatur coniuncta cum scripturae diversitate.
Tres consonantes ubi concurrunt, syllabam novam orditur fere
maxime pinguis, praecipue mutae cpt:
bs\c: abs\cedimus 80, 20/1; abs\cedunt 102,21/2.
ls\c: Vols\c- 16,14/5. 47,5/6. 63,7/8. 70,3/4. 75,29/30. 90,12/3; al.
ns\c: trans\cendere 96, 29/30.
ns\p: cons\pexisset 99,21/2; cons\piratwnem 38,5/6.
hs\t: abs\territi 100,23/9; ohs\tare 5,35/6; öbs\tinato 99,43/4.
165 mp\t: temp\tationem 24, 36/7.
.nc\t: Qmnc\tius 48, 40/1; cunc\ta 76, 51/2.
ns\f: ins\tare 81, 52/3.
ns\tr: ins\tructo 120,4/5; ins\tructum 6,47/3; mens\truo 51, 18/9.
s\tr: cas\tris 15,37/3. 64,53/4. 88,3/9. 106,4/5; magis\trat- 9,34/5.
39,40/1. 72, 40/1; wosj^r- 42,25/6. 80,57/3. 92,4/5; pos\tremo
51, 2/3. 88, 33/4; plaus\trum 99, 35/6; ves\tr- 43, 3/9; 92, 3/4 al.
Littera sua natura gemina x ad secundam syllabam trahi
solet: di\xit 56, 23/4; du\xit 101, 17/3; eni\xae 64, 30/1; e\xudetur 81,51/2;
ma\xim- 8,52/3. 63,1/2. 93,7/3; pro\xum- 59,33/9. 87,36/7; ve\xationes
49, 56; u\xorem 99, 33/4. Semel tantum repperi contrarium ex\uti
. 42, 46/7.
Denique notabilis est divisio co\epta 111, 27/3 et denuo ibidem
31/2, item coe\ptum 47, 13/9, qua confirmantur, quae ad Lucretii versum
4, 619 siquis forte manu premere ac siccare coepit docte et caute, ut
solebat, adnotavit Lachmannus. Ceterum secunda divisio nihilo
minus legem infringit, etsi trisyllabum statuas co\ep\tum.
Unum addam extra ordinem. Cum ad manum esset pandectarum
Florentinorum quinque paginarum adumbratio photographica, eius
codicis in syllabis dirimendis observantiam intellexi ab ea, de qua
supra exposuimus, in plerisque recedere. Nam deprehendi ibi quidem
dis\cedere, item contes\tata, dis\tulerit, praes\titerit ; at refragantur alia,
ut quae\stio, re\stüm, item edi\cto et da\mnum et nu\ptiarum, et
prone\ptis quinquies similiter sie diremptum; denique ne de librarii
incuria cogites, corrector vocabulum ipse (ed. meae vol. 2 p. 360
T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI. 109
V. 5) a primo librario sie divisum ip\se ita emendavit, ut ^; litteram
ad secundam syllabam revocaret faceretque i\pse. Quam differentiam
dubium non est inde explicandum esse, quod digestonim codex
Florentinus Veronensi annalium Livianonim aliquantum inferior est
aetate. Nam contraria sibi sunt in hac quidem re aetatis bonae
quae quidem auctoritatem habeant monumenta omnia conspirantia
in divisione ea de qua dixi, et Prisciani reliquorumque grammaticorum
praecepta, quae qui sequuntur hodie, in sexti saeculi doctrina innixi
Latinam eonsuetudinem iam fere sustulerunt, peccantes scilicet in
partem doctiorem. Similiter in novo testamento Fuldensi, quem
librum Victor Capuanus emendavit a. 546 imperante lustiniano,
Lachmannus^ observavit librarium vocabula in versuum confiniis ad 166
morem antiquum divisisse, emendatorem autem grammaticorum scitis
fraudem fieri non ferentem talia pleraque omnia sua manu reforma-
visse. Idem igitur factum est in libro digestonim exarato aut eodem
saeculo aut sequente. At in Veronensi non Prisciani praecepta, sed
antiqua consuetudo viget, quam quamquam tarde exolevisse is ipse
de quo dixi Fuldensis liber significat, tamen si quis aliquando in
codicum huius generis discrimina aetatesque data opera inquiret, ei
Byllabarum divisio non erit neglegenda.
Orthographica quae observavi hoc loco composui, quamquam Otüm^^pm»
taedet quaestiones huius generis mole sua iam laborantes a me quo- '^^^'^
que augeri. Sed pertinet ad codicis quem expressi proprietatem
dignoscendam. ut etiam de talibus constet et fines aliquatenus regantur
inter mera calami menda et leges sive certe usum scribendi. Quorum
finium hodie quidam obliti sordes sordibus dum cumulant. dis-
quisitionem sua natura exilem et ingratam etiam ineptam et fasti-
diendam reddiderunt. Ad id quod mihi proposui sufficient quae
iam proferentur; nee tamen spondeo exemplorum ordines plenos pro-
poni nee deerunt opinor, qui quae desiderantur cupide expleturi sint
Aceusativus pluralis numeri in is eonstanter fere reperitur in
participiis similibusque , ut sunt dbrmentis 119, 3; agentis 103, 33;
castigantis 71, 48; conferentis 120, 50; confluentis 56, 47; fatenfis 47, so;
hahentis 105, 30: ingentis 71, le; palantis 70, 3g; parentis 77, 32;
potentis 117, e; proficiscentis 101, 12; recipientis 16, 1; recurrentis
70,35; repetentis 80,56: sequentis 65, 30; spectantis 81,38; toUentis
3t, 60; trahentis 120, 52; vergentis 96, 52. Formati in es quattuor
tantum exempla adnotavi fideiites 35, 46; ftigientes 116, 1; sedentes
100, 41 ; vagantes 103, 31. E contrario in nominativo qui respondet
1) In praefatione ad novum test. vol. I p. XXYII.
IIQ T. Livii ab Urbe condita Hb. III— VI,
dominatur es, ut 3, i. 41,57. 66,29. 91, 30. 99,8. 100, 13; nee nisi
semel repperi formatum in is, nempe hellantis 11,3$ indubio errore,
ut erratum est item in senioris nominativo pluralis 40, 48. Similes
sunt accusativi consularis 13, le; militaris 106, u. 109, 54 (at militares
30, 1); popularis 38, 52; inmortaUs 60, 10. 106, 34 (at annales 66, 19);
talis 120, 45; civilis 40, 21 (sed QuinctUes 114, 11; Sextiles 3, 21. 113,59;
inexpugnahiles 84, 13; omnes 16,3); tris 69,45 (accusativus tres est
45, 1. 55, 2. 69, s; nominativus tres 29, n. 76, le; i(m 71, 24); pluris
55, 2 (at complures 45, 51). Item accusativi Antiatis 71, 46; Veientis
167 109, 38; ^ewa^is 44,42. 110,49; contra eodem casu legimus Antiates
16,17. 119,48; Ardeates 101, 31; Fidenates 80,47; optimates 21,54.
47, 1; simultates 44, 22, ut mittam nominativos similes 45, 31. 99, 2.
101, 37. 60. 120, 58. Accusativi sunt etiam niontis 3, 44. 83, 6 (at mmites
65, 10); turris 81, 40; civis 17, 27. 104, 11 (at eodem casu dves 33, 29);
Alpis 96, 15 (at eodem casu Alpes 96, 33, ut colles 2, 15. 3, 40; ignes
85, 28; nives 83, 5; secures 31, »4; viVes 4, 35. 35, 52). Denique variatur
hoc casu inter finis 3,27. 71,58. 81, 21 et fines 70,5. 76,22. 118,53
et inter hosfis 3, 29, 25, 38. 36, 30. 49, 12. 84, 30. 114, 47 et hostes 2, 28.
3,40. 33,30. 58,40. 65,1. 104, 11. 115,43, cum hostis nominativo
plurali 106, 38 originem traxerit ex corruptela, quam Codices secundi
ordinis evitaverunt. — Haec igitur recte conveniunt legibus sermonis
aetate Augusta obtinentibus, de quibus nuper exposuit Corssenus
Aussprache des Latein, ed. 2 vol. 1 p. 744, nimirura in vocabulis
tortiae declinationis genetivo pluralis retinentibus vocalem i accusa-
tivum eiusdem numeri formari solere in is, sed ut es, quae forma
postea sola obtinet, vel ea aetate non improbaretur.
Ablativus singularis tertiae sequi tur fere accusativum pluralis, ut
ubi hie retineat is, in illo esse soleat vel certe esse possit i. Ad- i
notavi ex eo genere adiectivae formae insequenti 58, 56. 75, 8. 97, 25. \
103,58 (insequente 50, 4, ut sequente 20,53 et persequente 107, 4oj;
ingenti 26,33. 35,37. 37,24. 60,28. 62, 50. 64,33. 76,43. 93,49. 102, eo; i
atroci 7,19; ancipiti 100,4; Fidenati 87, 4o; Veienti 93,33. 103, is !
(sed Veiente 82, 36. 115,7). Item formae substantivae civi 95, so; I
classi 66, le ; sorti 38, 28. 89, 58, ut mittam sifi 84, 14 ; at semper parte |
legitur et hoste. Comparativorum ablativum e requirere et notum j
est et confirmat hie quoque über 86, 57. 88, e. 105, 53. 114, 5 al.; nam j
altiori 76, 4i mendosum est. |
Nominativum singularem tertiae notabo unum aedis 61, is et j
aedes 93, 34. j
Mensum genetivus est 16, 52; praeterea ex eo genere non repperi \
notabiliora. '
T. Livii ab Urbe condita lib. 111— VI. Ul
In declinandis vocabulis i geminata secundum recentiorum
consuetudinem praevalet, quamquam vetustior orthographia per unum
i quibusdam locis remansit. Ita reperiuntur genetivi singularis eiceidi
59, 21; offici 11, 51; suffragi 69, e; nominativi pluralis all 39, 13; Fäbi
114, 2; ßi 17, 27; patrici 61, 39; plebei 62, 15; ablativi pluralis alis
107, 9; dis 100, 48. 119, 11; is 21, 46. 41, 26. 46, u. 48, &). 59, 23; isdem
32,39. 43,47. 60,22; iurgis 30,42; nimis 93,5?; pleheis 71,36. 74,6. 168
77,44; qimestons 69, u servatum ideo, quod librarius pro genetivo
habuit (cf. 69, 48); Veis 80, 22. 104, 4i. 118, is, item 79, 10. 109, e, ubi
a Beis librario visum est significare ab eis. Eiusdem generis sunt
perfecta perit 11, 20; petit 76, 23, item dbissent 30, 54, adissent 116,24,
desisse 71, eo, exisse 70, 5 et exisse^it 3, 13. Diversum est, quod in
genetivo singularis nominum propriorum constanter remansit forma
contracta, nempe in Anti 14, 32; Äppi 27, 47; Servili 57, 2; Tolumni
55, 23; Valeri 9, 20; Vergini 28, 22; Volsci 19, 10; Volusci 16, u. Ipsum
Livium exempiaque eins vetustiora multo saepius retinuisse i simplicem
neque uno loco geminationem intulisse librarium cum ex supra
allatis exemplis quaestoris, ah eis, nimis colligitur, quae intacta re-
mansenint propterea quod non intellegerentur, tum ex solutionibus
eius generis perperam factis, quo pertinent vocativi Cornelii 120, 22 et
Valerii 119,59, genetivus puhlicii 120,24, ablativus Hemiciis 64,29,
denique Falatii 104, 49 pro participio quod est palati et hiis 49, 37
pro is. Nihilominus cum satis constet aetate Augusta in bis vocalem
plerumque duplicatam esse, sed ut exciperentur nomina propria (id
quod nuper docui in Hermae vol. 1 p. 461 [s. u. bei Nr. LXXTX])
nee credendum sit exceptionem hanc mature oblitteratam , quippe
quam constet et in titulis plebeium sermonem referentibus saepissime
neglegi et ignorari a grammatistis Latinis iis quos habemus omnibus,
codicis huius librarium ex sua ipsius doctrina tarn diligenter observasse,
hoc documentum est codicis Yeronensis orthographiam in Universum
accurate referre pristinam Livianam.
ei antiquum plane abest a Yeronensi libro. I^eque enim ad
eam orthographiam pertinet dativus singularis plebei.^ quae forma cum
etiam ex aliis libris Livio vindicata sit (v. Schneider gramm. Lat.
2, 359) , iam in Yeronensi quoque legitur 39, 40. 86, 33 ut eodem
casu plebe 22, 1, cum plehi occurrat 69, 50. 70, 12. 93, 15. Genetivi
simihs nullum exemplum repperi (cf. tamen infra ad Y, 24, 8), cum
plebis passim l^atur. Plane similiter Ancyrana inscriptio genetivum
format in plebis., dativum in plebei (v. ed. meae p. 147 [194 ^J) nee
j dubium est ita loqui usitavisse saeculi Augusti homines. Non magis
ad vetustam diphthongum pertinet dativus ablativusve eis 78, 44.
j ^ 2 T. Livü ab Urbe condita lib. III —VI.
79, 34. 91, 28. 106, 57. 111, 10 non rarus, licet frequentius scribatur iis
vel is.
Geminata u constanter reperitur secundum usum ab Augusto
inde receptum nullaque vestigia deprehendi neque antiquae loquelae
169 ab eiusmodi geminatione abhorrentis (nam novom 109, 17 mendum
est) neque barbarismonim talium, quäle est volgo in digestis Floren-
tinis obvium (cf. vulgus 113, si al.). Nam Volscus quod constanter
fere scribitur, item Volsiniensis 93, 53. s«. 94, 37. 58. eo et VoUumna
59, 28. 61, 50, non adversatur, cum et nomina propria ab orthographiae
lege communi quodammodo exempta esse soleant et ne hoc quidem
certum sit secundam litteram in bis vocalis u sonum habuisse.
Quamquam quod reperitur Vulscum 32, 4o. 43, 4o, Vultumna 114,33,
ostendit librarium etiam in talibus aliquatenus deflexisse ab antiqua
scriptura, ut similiter 118,45 pro Corvus male dedit Curvus, 88,4
monimentis pro munimenüs (cf. 115, 29). — In genetivis pluralis
quartae et contracto secundae pro uu non raro scribitur u simplex,
ut magistratum 42, 57. 72, 40. 43 (at magistratuum 46, 20. 94, 28); passum
12, 45 (at passuum 47, 13); dumviri 61, 20 (at duumviros 106, 42). Idem
cum passim redeat alibi et inter alia in optimae aetatis carminibus
(v. Schneider gramm. Lat. 2, 334) et in ipso monumento Ancyrano (v. ed.
meae p. 146 [193 ^J), utramque formam statuendum erit simul obtinuisse.
Litterae u in superlativis alibique ibi positae, ubi postea obtinuit
«, vestigia repperi non multa, sed tamen aliqua, sunt autem haec:
decumam 89, 12; proxumo 59,39; finitumus 50,27. 51,7. 55, 51 (quo
loco ante u litteram deleta est ^). 83, 49, cum finitimus sit 46, «a.
66, 51. 75, 37. 79, 6. 98, 55. 101, 6. 119, 55. Item lubet 84, ss, quamquam
libef similiave leguntur 30, 11. 45. 73, 12. 79, le; recuperare 105,2«.
108, 19. 114, 52, cum reciperatum habeamus 9, 7. 10, 17. 26. 108, 11.
Etiam lacrimae est 86, 34.
De consonantibus geminandis vel non geminandis missis vulga-
ribus et hodie satis notis, ut luppiter 11,8. 33, 42. 106, 51; mercennario
80, 10; Äppenninus 96, 33. 57 similibusque , haec tantum adnotabo:
occassionem 63, 48 (at occasio 74, 42); post tridie 114, 10. le. 19 ter repe-
titum ortum fortasse ex etymologia perversa; operiri 82, 59 non
tegendi sensu, sed expectandi ; cotidie 30, 4i (at cottidie 6, 57) ; abscisa
47, 60; comisantium 19, 3; denique Aliam fluvium scribi 97, 10. 27.
105,56. 110,45, quamquam Älliensis est 114,5, quae vera scriptura
est (cf. C. I. L. I p. 397) illis locis obscurata opinor eo quod inscitus
librarius male ibi cogitavit de adiectivo. Betulere 26, 26. 66, 19 item
erratum est; certe rettuUt est 33, 7. 44, 19. 56,9. 106,36. Causa.
paulo semper habent consonantem non geminatam.
T. Livü ab Urbe condita lib. III— VI. 113
cu pro quu non ramm est. Exempla adnotavi haec: aecum 170
28,4. 72,56. 80,4 (aequum est 80, is>; inicum 28,8; relicum 13,«
(at reliquum 84, 59, ut longinquum 82, 44); relincunt 36, 51; securUur
19, 39. Simile est cottidie 6, 57 et cotidie 30, 4i (at quotannis 11, 4«).
Quod aliquoties invenitur nee quicquam 51, 9. 10. 61, eo pro neqtiiquam
videtur pendere ex vocabulorum confusione potius quam ex ortho-
graphiae diversitate : vera scriptura obvia est, ut 59, 55. 61, 54. 70,39.
71, 10. 72, 24 cet.
Adsimilatio litterarum in praepositionibus, quae coaluerunt cum
yerbis, quatenus perveniat, breviter indicabo. Äd adsimilatum repperi
ante c fere constanter (decedere; accendere; accidere; accipere; accire
38,46. 88,41. 95,31; at adcommodare 12,27^; ante l (cdlati 25, so);
ante p saepe (ajjparare passim, semel atparatum 66, 50; apparere
passim, semel adparebat 6, u; appeUare semper; at adpetere 66,31.
102,25; adprobare 19,6. 53,23. 111,24; adpropinqttare 21, w. 97, 1»^;
ante r (arripi 7, 49^; ante s raro (aspicere 68, 40; aspirare 67, 13; at
passim adsciscere; adsentiri; adserere; adservare; adsiduus 61, 1. 70, 19.
107. 34. 113, 15; adsignare; adsolere; adstitisse; adsuefcicere ; adsurgere);
numquam ante f (adfectus; adfeire; adfirniare; adfuturus) g (adgredi)
t (adtinere 35, 20. 119,48; adtonitus 104,36^. — Con assimilatum
repperi ante l semel (collatum 1 07, n, cum conlatus sit 58, 13. 97, s».
107, 22, conlaudatus 39, 5. 119, 27^; ante m omnibus locis (commercium;
committere; communis et communicare; communire) exceptis duobus
(conmittere 54, 56; corimuni 102, 8j; ante r (corrumpere 85, 3. 96, 8^;
com factum ex con ante p bis (composito 37,7; compressi 103,45^,
cimi obvia sint conpertus, conplexus, conpositus, conprimere, conptdsus.
— In mutatum in im vel il in Universum ramm est (inheUis; inbutus;
inlatus; inlibatus: irüicere; inligatus; inmensus; inmeritus 53, 7. 77, u;
irtminere; inminuere; inmiscere; inmissus; inmitis; inmortalis 53,37;
inpedire 19, 12. 22,35. 69, 60. 70,42; inpendere et inpensa; inpertiri;
inpetrare; 89, 40; inpehis 84, 5. 103, 44; inpiger; inplere 37, 47. 43, 46.
84, 29; inplicitus; inplorare; inponere; inpressio; inprobare; inprovidus;
wprovisus: inpugnare 21, 4i; inpune; inritare; inritus) nee repperi
im nisi paucis locis ante m (immeritus 53, 34; imnwrtalis 106, v>. 49^,
paullo pluribus ante p (impedimentum 51,44; impetratus 74,37; im-
petus 36,32. 97,7. 115,52. 116,12; implere 2,59; importunus 77, a;
imptignare 78, 33; impulisse 71, 42^, sed ut imperium cum derivatis
ita praevaleat, ut inperium non legatur nisi tribus locis 17, 36. 60, 15. 171
92, 25. — Ob mutatur tantummodo ubi sequuntur c (occipere 70, 10.
94, 31; occupare; occun-ere) f (off ender e) p (opperiri; opponere; opportu-
nes; opprimere; oppugnare), in bis autem constanter. — Pei' cum
MOMMSEN, SCHR. VII. 8
114 T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI.
( non facile mutetur, iamevi pellatis est 30, 57; sed perlatus 11, 20. 21, 5;
perlicere 27, e. — Suh item in sua forma manet (submUtere; sub-
movere; subpositus 21, 55). — Ceterum in minutiis his nee nusquam
me in describendo excerpendove peccasse spondeo et patet librarium
suo sive arbitrio sive licentiae aliquid dedisse, cum etiam talia repe-
riantur qualia sunt im plebem 78, u; Conlina porta 57, 42 (cf. 30, 27.
58, 2); in Ädventino 109, e; de immovisse pro dei movisse 111, 1.
Nihilo minus haud scio an quae satis certo deprehenduntur scribendi
leges aut ipsius Livii fuerint aut certe aetatis Livianae.
In eompositis cum praepositione ex, cum simplex incipiat ab s
littera, ea plerumque absorbetur scribiturque excendere 107, 40; exequi
7, 41. 59, 50. 98, 60 ; exul et exilium passim; expectare passim; extitisse
6, 28. 7, 27; exudare 52, e; exultare 41, 43; exutus 25, 13. Inveniuntur
tarnen exsolvere 12, 15. 53, is. 89, 26 et exsurgere 118, 30, ut alibi
51, 33 pro ex equestri male scriptum est ex sequestri.
Litteras dt ei b p \n vocabulis extremis sie fere repperi in
codice adhibitas. At et atque particulae utuntur fere littera rf, illa
33,37. 43,56. 44,27, haec 7, 10. 11,10.29. 14, 30, 17,28. 19,56. 24, 1.
33, 2. 45, 21. 46, 57. 56, 37. 57, 41. 62, 53. 66, 20. 67, 24. 75, 49. 76, 55.
98, 28. 119, 47. 1 20, 10. 48 ; at non repperi nisi 84, 29 , atque non nisi
79, 1. 7. 88, 37. 96, 50. 98, 13. 101, 30. Item in eompositis at non ob-
servavi nisi semel in atparatum 66, 50. Similiter qtwd et aliquod
etiam iis locis, ubi ad numerum pertinent, sie scribuntur, illud 8, 21.
80, 32. 33. 96, 58, hoc 3, 12. 7, 26. 26, 1; quot per se semel tantum
enotavi 108, 44 (cf. quotannis 77, 46). Semper in codice est alind,
plerumque illtid et id, quamquam legi illut 63, 30. 78, 39, it 20, w.'
Perpetuum item est sed, nisi quod set est 95, 23 et fortasee 59, m,
et haud, quod repperi vicies, haut non nisi ter 7, 46. 46, 39. 51, 4, ut
mittam corruptum in auf 48, 40. 50, 64. 103, 34. Contra librarius
constare fere sibi videtur in aput 16, 17. 22. 46, 8. 63, 2. 79, 17. 84, S4.
41. 91, 42. 102, 4. 114, 47, cum apud sit 84, 30. 85, 2. i7, item in aut et
met enclitico (32, 22/3. 42, 4i) et velut 100, 48. Haec pleraque sunt
172 ex mediis, ut neutram scripturam plane reicias; barbarismum, quo d
infertur in tertiam singularis verbi, non deprehendi nisi in inquid
11,28. 13,36. 35,13. 54,39, cum recte scribatur inquit 54,4. 60, so»,
119, 59. Quae forma sola corruptelam passa est inter tot similes*.
sine dubio propter confusionem tov e(pr] cum eo quod est in quid.
— Quod attinet ad & et p elementa, invenimus scribti 3, 32; saib-
tores 16, 28; conscribtum 115, 4; item dilabsi 98, 54. 100, 20 (at dilapsis
70, 30); Hern pieps 45, 54. st. 69, 44, cum plebs obvium sit; item optinere
50, 18. 74, 13. 77, 22 et opstitisse 2, 21, cum praeterea in eompositis
T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI. 115
sit ob', nam opprimere similiaque diversa sunt, nempe mutata ob
adsimilationem.
Quae subieci per saturam collegi nullo ordine:
maiius 66, 28, nisi hoc mendum est.
ab codex Veronensis passim Livio reddit, ubi ex reliquis libris
editur a: ita 46, 32. 47, 24. 53, 32. 57, 4. 48, 59, lo. 71, 28.
115,21. 119,34. Contrarium est 55,52.
dilectus semper est in codice neque umquam aliter scripserant
antiqui, scilicet non ignorantes, quod hodie multi ignorant,
in dilectu non tarn agi de seligendis fortissimis quibusque
ex populo universo quam de distribuendis civibus idoneis
in legiones quateraas vel binas. E contrario dirigere quod
hodie obtinet obtinuitque iam labentis rei publicae Romanae
temporibus, et veriloquium barbarismi convincit et tituli,
qui quidem bonae aetatis sint, consentientes in forma quae
est derigere.
Exquiliae quod legitur 43, 37. so, sine dubio grammaticus in
Livium intulit propter veriloquium sive verum sive falsum,
certe receptum; nam inscriptiones cum in ipsa tribus nota
s solum admittant, de vera scriptura dubitare non sinunt,
quam his quoque locis libri Nicomachiani servarunt tertio-
que 41, 52 ipse Yeronensis.
nec^da similiaque ea divisione quam indicavi non minus
saepe repperi 50, 52. 87, 11. 102, 58. 107, 3 quam ne\glegens
104, 40. similiaque 58, 30. 108, 32. 59. 109, 49.
tranant 65, 27 et travolat 36, 27; at traiisferre, translattis,
transmigrare, transvectus, transverstis.
terros 20, 3 (terror est 62, eo^ videndum num aliis exemplis
confirmetur.
augeres 12, 32 (at augures 2, 45. 45, u). Cf. Priscianus 1, 35 173
p. 27 Hertz : 'antiqui auger et augeratus pro attgtir et augu-
ratus dicebant." Ceterum vide ne casui illud tribuendum
sit vel etiam grammaticus Livium se ipso vetustiorem red-
diderit, ut nunc facere solent nostrates ; tituli certe augerem
ignorant.
rediebant 100, 32 cum retineant libri omnes, examine dignum
est, num forte alibi quoque reperiatur (cf. exiebat Henzen
inscr. 6644 [C. I. L. X, 6977 = Dessau 1558]).
duoviris 57, 17; at diiumviros 106, 42, dumviri 61, 20.
promiscue similiaque 61, 26. 69, le. 54. 72, 37. 111, 26, non prOmisce^
quam formam boni testes vereor ne reiciant omnes.
116
T. Livii ab Urbe condita Hb. III— VI.
urguerunt est 65, s, urgemus 80, la.
vincla legitur 31, 4. 32, is. 64, lo, vincula 8, s. 63, 57.
Quinctius nomen recte scribitur plerisque locis, non ita multis
Quintius 6, 19. 17, 2. 24. 42, 11. 46, 10. 56, 28, semel Quincius
12, n. Cum ilh) licebit componere autior pro audior
44, 18 et 14, 8 «M^ mm pro aucfam. Quinfus similiaque c
illud non admittunt.
sescentis 36, 4, quod unice verum est et est etiam in monu-
mento Ancyrano. Ceterum s pro x codex non admittit;
nam ausere 8, 54 solitarium est.
pernici(a)e 61 , 27, quam solam scripturam idonei testes te-
stantur.
Soioecismi Ex soloecismis qui in hoc codice deprehenduntur nullus tarn
codicis. ia,te patet quam e vocalis et ae diphthongi permutatio ita comparata,
ut quam vis e pro ae passim reperiatur, tamen in contrarium etiam
frequentius peccetur. In extremo vocabulo ae reperitur in que
passim \ item in adverbiis duhiae 16, 42. 59, 12. 106, 19; aegregiae
19, 21. 26, 8. 63, 41; enixae 64, 31; ferae 1, 30; inpigrae 18, 15; longae
17, 50; maturae 35, 25; piae 32, 37; promiscuae 61, 26; publicae 17, 24.
55,48. 111,28.32; utrimquae 63,4. 64, eo; in ablativis aciae 44,32.
100, 4; pacae 3, 5. 106, 18; perniciae 61, 27; posttridiae 114, 10; rahiae
41, 41 ; in imperativis sto^^*ä!e 111, 17; exspectatae 6, 2; in tertia pluralis
174 perfecti semel fuerae 56, 53; in infinitivo item semel dicerae 84, 4o.
Nee sae pro se repperi nisi in corrupto saepe ne 52, 47 effecto ex se
paene. Inverso errore reperiuntur que 25, i7. 35, 55. 53, 2. 57, 7.
62,47. 67,15. 97,26. 103,7. 105, 4i. 107, 1. 119,44; item acte 9,12;
aliaene 22, eo; College 119, le; date 95, e; Fidene 55, 14. 61, 57; he
107, 43; Monete 46, 30; periculose 33, 36 ; praede 65, 49; publice 70, 44;
Bomane 17, 50; sue 36, 31; VoUumne 61, so. In primis vocabulorum
syllabis similiter erratum est priore erroris genere in bis: aehumis
99,54; aedita 113, so; aegregius cum derivatis 6,43.47. 19, 21. 26,8.
63, 41; aegerunt 16, 48; aegressus 102, 55. 111, 22; aelati 34, is; aeques,
aequus cum der. 33, 59. 36, le. 26. 46, so. 53, 44. 57, ss. 64, 36. 65, 12. i4.
85, 52. 86, 12. 48. 50. 51. 92, 31; Aetruria 59, 30. 61, 31. 80, 53. 82, e. 25. 35.
84,36. 114,29. 115,7.12. 120,7; aevertere 110,54; laevandae 45,34;
praeces cum der. 7, 16. 48, 6. 53, se. 57, 39. 62, 27. 74, 48. 93, 4. s. 95, 4i;
praemebat 7,22; praetium 27, e. 89, 29. 117,59; quaeri 7, 19. 30,55.
1) 2, 6. 16. 18. 50. 3, 57. 6, 49. 7, 18. 11, 18. 14, 14. 17, 9. 19, 46. 26, 55. 57. 27, 58.
28, 42. 29, 45. 32, 3. 37. 54. 33, 4. 36, 41. 38, 38. 57. 39, 1. 45, 33. 38. 46, 48. 47, 15. 19.
48, 55, 50, 1. 23. 51, 20. 53, 48. 54, 6. 18. 61, 23. 63, 23. 64, 3. 72, 45. 77, 36. 85, 29. 51.
98, 28. 102, .■>9. 111, 30. 116, 46. 118, 14. 120, 54.
T. Livii ab Urbe condita üb. III— VI. 117
45, 19, 61, 56. 62, 6; Baegillum 114, 4o; saecum 16, ss; spraetos 62, 7,
quibus adde cUiaenus 22, so. 81, i«. In contrarium peccatum est in
bis: Ehutius 49,5. 47. 57, 59, Equi 66, 41. 71, 15; cedere 48, 5. 111, 29;
herere 44, 45. 77, 23; Melius 51, 32; Nevius 66, js; pene 48, 5«. 52, 47.
91, 40; penitere 42, 42. 75, 35. 92, 19; predam 41, se; prestitutum 14, 51;
sepire 81,6. 115,28; tedium 74,8. 84,82. Singularia sunt sociaetas
91, 6 et venissaet 6, 53.
Oe diphthongus ubivis recte ponitur (dboedire quoque legitur
64, 31. 78, 53; uno loco excepto praelii 33, 26, cum idem vocabulum
recte scriptum passim inveniatur.
In aspiratione ponenda omittendave perpaucae mendae depre-
henduntur, ut äbita 20,24 (cf. abieri = haben 44, 59); proibitus
104, 33; Tyrrenum 96, so; Oratio 32, 44; his 20, 8 et hiis 72, 33 pro
//5, item 49,37 pro is; cohorta lectionis dubiae 60,59; denique aut
pro haud 48, 40. 50, 54. 103, 34 (cf. audiuie = haud dubie 70, 52), liaud
pro aut 78, 19. Apparet librarium qui haec scripsit regulas de littera
ea perdidicisse et magis erravisse vocabulis similibus male permu-
tatis quam in ipsa orthographia.
In litteris affinibus & et v simile quid observamus. Meri errores
in ponendis iis rari sunt, ut h pro v reperitur in fäborem 74, 24;
interbentum 55, 32; Lanubio 64, 52; nobos 38, is; item constanter fere
in Bibtdanus 14, w; 22, 55. 49, 2. 56, 30. 74, 19 (Vibulantis est 61, u);
similiter v pro b in acerua 51, 24; adprouantibus 53, 2s; Volas 116, 9; 175
Gavina 1 , 23 ; iuvendi 89, 19. Contra non ita raro sie erratur in verbis
ambiguis, ut in nobis 31, 25. 41, 19. 110, 53; vidtio 37, 8; bis 71, 43; ab
eis (= a Yeiis) 78, 10. 109, e; denique corruptelae quaedam inde
explicantur, ut uerior 90, 27 pro tiberior, audivie 70, 52 pro haud
dubie. Omnino codex, a quo pendebat librarius, eins generis errores
longo plures habuit et emendationem grammatici talem, qualem prae
se ferunt digesta Florentina, etiam Liviani libri subierunt.
Littera m quamquam non permutatur cum n (nam triunphus
37, 28. 38, cum passim legatur tritimpJius, et tanquam 54, 58 solitaria
sunt; cf. 69, se, ubi ex tanidem factum tandeni), tarnen saepe male
omittitur, saepius etiam male additur, ut antequam hie liber scribere-
tur obmutuisse fere eam appareat librariumque in ea ponenda
grammaticonim leges magis secutum esse quam aurium iudicium.
Exempla litterae eins male additae haec sunto: haudquamquam
'. 32; supersederim 114, 17 pro supersederi; cumi 91,56 pro cui; cum
'US 6, 36 pro cuius; Herctdems 80, 24 pro Hercules; tesseramrum
•>5, 25 pro tesserarum; postumlant 28, 10 pro postulant; sumperbia 6,1
pro superbia.
11g T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI.
Littera n similiter modo demitur modo additur propter Vitium
pronuntiandi. Ea labes maxime grassata est in coniugationis formis,
ut creasset et creassent, malet et mallent et eius generis alia passim
permutentur; sed alibi quoque similia reperiuntur, ut fungitis pro
fugitis 44, 49; interando pro iterando 7, 7; non uere pro nouere 42,4».
In numeralibus solita est inconstantia: miliens 80, 46, cum in corrup-
tela 107, 50 lateat milies; vicensimus 80, 34, at tricesimo 20, 24, qua-
dringentesimum 102, is. Semenstris legitur 80, 5.
Denique monendum est, ut appareant in libro Yeronensi labentis
sermonis neque incerta nee pauca vestigia, ita plane abesse ab eo
barbarismos meros. Nullo loco vel fere nullo reperies litteras x et
s, diphthongos oe et ae inter se permutari, nusquam vocalem additam
ante sp et similia, nusquam pro Graeco ph substitutum Latinum /",
nusquam p neque male neglectam inter ms et mt litteras (ut in
contempsi sumpsü, emptus temptare) neque male intrusam inter litteras
mn (ut in damnare, confemnere), ne dicam nusquam commutatas
litteras c et (, quod qui ante septimum saeculum obtinuisse sibi
persuadent, ne ii vehementer errant. Neque puto uUum .librum
176 Livianum superesse hoc nomine Yeronensi parem praeter paucas
pagellas ex libro XCI superstites et in aliis omnibus et in ortho-
graphia vel pares Yeronensi vel superiores ; nam tam in Yindo-
bonensi quam in Puteano talia, qualia sunt milex, suplicatio, suple-
mentum, sumsit, adhorti, Änfhiocus, Epydicus^ sescentis locis offendes^.
Quapropter haud scio an qui Livium deinceps recognoscent, si qui
erunt, qui neque eiusmodi minutias süperbe contemnant neque ortho-
graphia saeculi undecimi Livium adornare cupiant, in talibus Yero-
nensis libri auctoritatem vel maxime secuturi sint. Sed de bis videant
quorum interest; nobis codicis sufficiet scribendi proprietates ex-
posuisse. Quas qui expenderit, non negabit opinor Livii Yeronensem
librum in eiusmodi quaestionibus aliquid momenti habere, quippe
qui, cum propter supra p. 158 [102] observata ante quartum saeculum
scriptus esse nequeat, propter orthographiam plane Latinam et in
multis priscae consuetudinis vestigia retinentem vix recte infra id
ipsum detrudetur.
Sed ne videamur in Livii annalibus elementa tantum captare,
iam pergendum est ad codicis in emendandis iis utilitatem enarrandam
et vitiis item declaratis determinandam.
1) In verbis dirimendis Vindobonensis communem legem sequi videtur,
quamquam edita scripturae specimina non satis certa argumenta subministrant.
Eandem legem obtiuere in Puteano ex Silvestriano specimine (v. p. 161 n. 3
[104, 3]) coUigitur, ut ne in hac quidem re non errarit Älschefskius contendens
eum divisionem sequi non syllabariam, sed arbitrariam.
T. Livii ab Urbe condita lib. III —VI.
119
Decadis primae Livii quicunque innotuerant libri ante repertum Codices
Veronensem. eos originem ducere constat ex recognitione a Nico- ^"i«>-
machis duobus Flaviano (cos. a. p. Chr. 394, f eodem anno) et Dextro ^^ *^
et a nescio quo Victoriano instituta exeiinte saeculo quarto, ipsos
autem in duo quodammodo genera discedere, melius alterum reprae-
sentatum codice Yormatiensi iam deperdito et extantibus hodie
Mediceo Parisinoque, alterum in Universum fidei minoris, sed ut
quibusdam locis illos vincat, repraesentatum Leidens! primo et
Harleiano et Florentino S, Marci aliisque. Sed Veronensem librum c^^x
iam Zumptius recte iudicavit non pendere ex Nicomachianorum ^eronensis
archetypo, cum et subscriptionem eorum neque habeat neque habuerit
umquam et in lectionibus tam veris quam falsis ab illis longe recedat,
maxime nullum vestigium habeat dittographiarum earum. quae propriae
simt Nicomachianorum librorum et cum proficisci videantur a gram-
matico aetatis Romanae, iure revocantui* ad ipsam illam recognitlonem
aaeculi quarti ^. Commodum autem visum est ad auctoritatem libro-
jum plenius et certius definiendam hoc loco componere, quae eius codicibns
generis lectiones Xicomachianae incidunt in folia Yeronensia compa- ,„^^1^^
rationemque recipiunt. iitem dirimit
genens
diveisi.
177
Dissen-
tientibns
inter se
Veronensis.
scriptura primitiva: scripttira emendata:
16, 34 L. Lucretius V
17, u satin salve TP''
P. Lucretius PL
[satisne salva essent
omnial
scripturae primitiva et
emendata coniunctae:
P. L. Lucretius M
sat iam satisne salua
essent omnia in sa-
luem AI, satine salua
essent omnia P*i
1) Madvigium (emend. Liv. p. 5) non ignoro duplices scripturae hasrepetere
non ab ipso archetypo codice Nicomachorum, sed ab exemplari aliquo inde
descripto nostrorum archetypo comrauni, estque sane quaestio haec ex earum
umnero, quas difficulter decidas, cum praesertim satis constet interpolationem
in hac decade non solum late grassatam esse, sed etiam crevisse per gradus.
Sed in contrarium me ducit maxime, quod inter duplices lectiones quaedam
inveniuntur enatae ex fastorum laterculo cum annalibus Livianis collato; talis
<uiim emendatio magis apta videtur saeculi quarti grammatico quam aetatis
posterioris. Utut est. non inutile erit quod supra institui duplicium lectionum
Nicomachianorum librorum ad Veronensem examen. — Ceterum in Veronensi
libro geminatae lectiones et rarissime reperiuntur et si quae sunt, eae diversae
fomt a Nicomachianis. Itä p. 62, is in his est Cm. lulitts Mento, in Veronensi
■jvutem genuciits cn. inUm , quod vix admittit aliam explicationem. Similiter
«ocplicari poterunt tui et tum 17, i9, cum requiratur tum; deretinenda 10, n, vt\fi
videtur scribendum retmenda.
120
T. Livii ab ürbe condita Hb. III -VI.
scriptura primitiva:
22, 20 obsecundando VL
27, 5 amore amens VP
35, 17 consilio VF'
52, 17 Agrippa Mallius V
57, 59 Postumium Aebu-
tium Helvium VPL
178 60,31 mihi diuturna non
placere imperia V
66, 59 ad quam publice
consensu venerant
VPL
78, 11 aliquando fuerunt
VPL
80, 84 nos intra V
87, 6 L. Verginium V
93. 94 Sappinates VML
100
, 15 arcemque solam
VL
102, 2 pro tantis VP
scriptura emendata:
[obsequendo]
amore ardens L
consulto L
Agrippa Menenius
PL
[Postumium Aebu-
tium HelvamJ
quam mihi diuturna
non placeant im-
peria PL
[ad quam consense-
rant consilio pu-
blico?]
[aliquando incide-
runt]
nobis intra ML
P. Verginium P
Salpinates PML
[arcemque totam]
[pro Latinis]
scripturae primitiva et
emendata coniunctae:
obsequendo secum dan-
do M, obsecundo ob-
secundando P
amore ardens mens M
consilio consulto M,
consul consilto P«
agrippa mia manilius
enenius M
postumium aebutium
helvam heluium M
quam mihi diuturna
non placeant re im-
peria M
ad quam consenserant
consilio publice con-
sensu venerant M
aliquando inciderunt
fuerunt M
nos bis intra P
P. L. Verginium ML
sal sappinates M,
salppinates P«. Cf.
infra ad h. l.
arcemque totam solam
M, arcem totamque
solam P
pro tantis pro Latinis
ML
Quod si recte Veronensem diximus a Nicomachianis origine
diversum esse, ubi hi aut contaminatarum lectionum duarum vestigia
prae se ferunt aut eorum familiae inter se dissentiunt, eam lectionem
aut veram esse oportet aut a vera proxime seiunctam, cui calculum
adiciat Veronensis; eamque ratiocinationem confirmant supra relati
loci ita fere comparati, ut binarum lectionum Nicomachianarum ea
vera esse inveniatur, quam retinet Veronensis. Quod si duobus certe
locis 52, 17. 57, 59 contrarium accidit, ii ad fastos pertinent potuerunt-
que a grammatico saeculi quarti etiam contia exemplum emendari
sive facili coniectura sive, quod magis crediderim, adhibito fastorum
T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI. 12t
aliquo laterculo incorrupto. Similiter ubi dissentiunt inter se libri
pleni, Veronensis stare solet cum genere meliore, maxime cum
Mediceo Yormatiensique ^, quorum librorum lectiones quasdam singu-
lares et adhuc prae ceteronim consensu spretas iam docet aut veras 179
esse (vide infra ad III, 44, e) aut veris proximas (vide infra ad lY,
23,3. V, 41,3). Sed idem aliis locis confirmat lectionem librorum
deteriorum, Leidensis dico similiumque, quo pertinent et loci infra
enarrati quidam, ut Y, 52, is et VI, 1,8, et minoris momenti alii, ut
44. 3 in quo statu VL, quo statu MF; 45, u ah Ärdea VL, ah ardeat
F, ah ardeatihus 31; 50, lo nequiquam VL, nequaqtiam MF; 88, so
Ul Octoh. VL, a hol. Odoh. MF; 94, 4 C. Mius VL, iulius 3IF.
His quos diximus locis cum in dissensu Nicomachianorum Veronensis
teneat lectionem per se probabilem, sunt quidam, sed numero pauci
nee magni momenti, in quibus cum item dissentiant Nicomachiani,
Veronensis facit cum lectione corrupta:
lectio Vera: lectio corrupta:
20, 57 celebrant MF celebrabant VL
24, 16 addit 3IF addidit VL
107,5 iussumque templum 3fP iussumque et templum FL
12,9 habituros edicimus M'' FL habituros sedicimus Füf"
19, 20 ad Eretum FL ad fretum VM Cf. 24, 3
70, *i tum FL cum VM
32, 42 apparare MF^L apparere VF"
In quibus id ipsum evenisse potest quod supra statuimus de locis
52, 17 et 57, £.9, scilicet corruptam lectionem in his primitivam esse
ex archetypo communi in utriusque generis libros translatam, emen-
dationem autem coniectura inventam esse sive ab ipso Nicomacho
ita, ut altera quoque scriptura in eins exemplari remaneret, sive a
librario aetatis posterioris. Sed etiam casui aliquid dandum est in
talibus neque quae vera esse in Universum apparet, tam anxie perse-
quenda, quasi omnia tam parva quam magna lex et ratio peraeque
regerent.
At sicut certum est Veronensem libnim non proficisci ex Nico- veronensis
machorum, ita non minus constat tam hunc quam illum pendeVe ab^^*^"™^*^ *"
' ^ i^ noromque
commones.
archetypo communi eoque a primitivo Livii exemplari longe remoto errores
inquinatoque iam multis mendis tam ex incuriositate enatis quam ex
1) 9, 18 pace parta Veronensis et Vormatiensis adstipulante codice S. Marci,
pate pace P, parta pace ML.
122
T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI.
mala sedulitate antiquariorum emendatorumque. Quod cum quivis
non hebe» ipse intellegat, confirmabo paucis exemplis allatis cör-
ruptelarum indubitatarum , in quibus consentiant libri Veronensis et
Nicomachiani.
180 Vera lectio:
2, 46 T. Verginius Rutilus
11,48 actionem tam gravis rei
16, 44 dixerat
17, 37 virum ipso imperio vehe-
mentiorem
1 9, 24 Fabius
21, 1 ad rumores hominum de
unoquoque legum capite editos
satis correctae viderentur
21, 27 appellationi
21, 42 cum qua contenderant
22, 38 per coitionem
24, 3 ad Eretum
30, 9 quam quem
3 1 , 13 at se provocare
43, 37 Esquilias vidimus
50, 5 C. Furio Pacilo
55, 53 nefanda
58, 12 Nomento
66,55 Sp.Nautius Rutilus
79, 37 nee opera
80, 40 quicquam
82, 5 num
93, 7 legem una plures tribus
corrupta lectio reperta in VC:
T. Verginius Rutilius
rei om.
dixerant
virum in ipso imperio vehemen-
tiorem
Fabius Quinctius
edito ^wo editos
appellatione
cum qua contenderent
per contionem
ad fretum. Cf. 19, 20
quamque
ait se provocare
Esquilias quidem
C. Furio Pacilio
nefandis F, nefandas M", ne-
fandum L
momento
Sp. Naevius Rutilius
nee operam
quisquam
nunc
legem unam plures tribus
Accedunt exempla, de quibus infra dicetur, ubi Yeronensis servavit
corruptelarum archetypi in Mcomachianis male emendatarum formam
primitivam. Quamquam igitur lectionis iam praeter Nicomachianoa
a Veronensi quoque testatae auctoritas non exiguo momento crevit
nee facile recedemus a testium antiquissimorum consensu, tamen auc-
toritas illa nequaquam ea est, quae probabilem ratiocinationem aut
excludat aut vincat. Sunt sane quaedam, ubi propter Yeronensem
librum ab iudicio etiam optimorum criticorum appellandum esse
crediderim; ita fortasse ferendum erit quod legitur 3, 29, 7 = p. 19, is
T. Livü ab Urbe coudita lib. III— VI. 123
Lanuvium exilium abiit omissa praepositione ; nee magistrum equitum 181
L. Tarquinium 3, 27, i = p. 17, 45 commutarim in L. Tarquitittni
propter fastos Capitolinos, quibus in Universum a Sigonio inde nimium
tiibui existimo in crisi Liviana. At pleraque, quae sani iudicii
grammatici in Livianis corrupta iudicaverunt, non propterea vindicata
enint. quod totidem litteris perscripta leguntur in Yeronensi.
Propria quae habet Yeronensis. alia bona sunt, alia mala nee corrupteiae
negari poterit in plerisque vincere haec Nieomachianuraque codicem, ®* *°*®''-
,. . . 1 1 .^ . n 1 Ti- • polationes
licet non ipso utimur, sed exemplanbus eius, et nde et diligentia ubri
aliquantum praestare Yeronensi.*) Qui quem scripsit pulehre magis ^'®'<'°®'^'^-
quam bene quoties peccarit ignavia inscitiave, non opus est multis
exagitare, cum ipsae huiusce editionis margines infelicem hominem
eatis castigarint et qui volet errorum copias inde petere possit et si
qui erunt mendorum venatores, etiam iustos ordines eomm sibi con-
texere. Missos igitur faeimus tales errores, quales sunt 2, 43 circa
pro clari; 14,8 aut iam pro auctam; IQ, ts aegerunt quam pro aeger
w)iquam; 32, 32 ab ea pro ah eam; 5S, 45 ad vmeas pro ad vanas:
97, 58 qtwd iniquiore pro quo id aequiore; 100, 1 a continuatione pro
a conieniione: 101, le uhi CamiUus exuhdahat pro exulabat; 107, 4<
quo ad Ardeam vixi pro qnoad Ärdeae vixi. Sed quod vel in his
8pparet Studium corrupta vel non intelleeta ita formandi, ut verba
certe efficiantur Latina, ut ipsum interpolationi proximum est, ita
aliis locis et plurimis quidem ad veram interpolationem degeneravit.
Rariora et exquisitiora, quae librarius non assequeretur, audacius nescias
an inepäus immutavit, ut 4, 43 heUi vires substituit pro helli res; 7S. 24
viderentur pro renfur; 99, 51 censas pro tensas; 99, 15 ubi de Spitrio
religio est pro tibi d^spui religio est, maxime exosus propria et
sollemnia, ut 35, 32 ex agiteduni feeit agite; 27, 16 pro postulantibus
vindicias cedere maluit petentibiis vindicias edere: 28, 31 lege agere
\ ccrrupit in lege adsignare. Tribus locis inflati vocabulum in Livium
1 intulit bis pro elato 51, so. 94, 1, tertium pro irritato 69, 42, ut alibi
1 62, 4& iratus maluit quam irritattcs ^. Alibi conditas religiones dedit
i pro positis 108, 26, contemnere pro aspernando 118, 23, reportare pro
*) [Die nun folgenden Untersuchungen über das Verhältnis von F zu der
anderen Klasse sind in Anlehnung an Mommsen fortgesetzt worden von A.
1 Wodrig, Analeeta Liviana de codicis Veronensis auctoritate, Greifewald 1873
I nnd W. Jung, De fide codicis Teronensis cum xecensioue Victoriana comparati,
' Hannover 1881.1
I ....
I 1) Studiis quod ibidem est pro animis, non tarn consilio videtur orationi
I iUatum quam adsumptum ex versu sequente, ut similiter 35, 49 victofiae scriptum
i est pro gloriae ideo quod illud mox redit.
124 T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI.
182 referendo 1, e,*) infestum pro infenso 47, 55, remitiere pro relinquendo
106, 30, oppressum pro ohsesso U, 5, excursationem pro excursione
24, 20, exilire ex equo pro desiliendo 36, 4, g-MCxi Caesonis sodalicium
fuit pro g-MOf? Caesonis sodalium fuit 8, 53, praefectus erat urbis pro
praeeraf urhi is 3, 55 (cf. Liv. 3, 9, 6). Quae qui examinabit, plera-
que inveniet ita comparata, ut ne tolerabilia quidem sint; ita 51, 50
efferri supra modum et 94, 1 efjferri superhia tarn apte dicitur quam
inepte inflari supra modum et superhia inflari, nee tertio loco 69, 42
inflati utriusque partisanimi pro «VW^ai^is patronum facile invenient;
reliqua autem si qua erunt per se non improbanda, eiusmodi socie-
tatis labe trahuntur. Omnium maxime inscita haec temeritas grassata
est in nomina propria, pro quibus librarius saepe subdidit vocabula
communia, ut 27, u virginis dedit, ubi est Vergini; 76, 24 alteras et^
ubi Ecetras; 107, e aut alio loco, ubi Äio Locutio; 69, 54 Uli, ubi
Icilii; 76, 32 anxis, ubi Anxur. Item lulios lulos cum ferri non
posse sibi persuasisset, cognomen constanter suppressit 66, 56. 71, 25.
118, 45 in libris Nicomachianis ita servatum, ut abierit fere in Tullu^
vel Tullius. Denique ne numerem Servilios Sulpicios 2, 46. 1 1 8, 47,
quod genus est erroris diversum, Icilios non semper (30, 12? 69, 6.
70, 53. 71, 29), plerisque tarnen locis (21, eo. 26, hi. 27, 35. 28, 50. 57 cf.
37, 26) in Sicilios transformavit. Praeterea non paucis locis suo arbitrio
particulam quandam vel aliud quoddam vocabulum inseruit, ut 2, 40
quamquam coniunctum id cum corruptela quae praecedit quamquam
tarn pro quxim quanta; 50, 33 tibi natum fortasse ex vocabulo quod
praecedit consulibus; 76, 36 hac propter id quod praecedit ah ea parte;
85, 45 nee propterea quod idem praecedit v. 4i eique quod respondet
alterum wec v. 42 corruptela oblitteratum est; 78,38 sive illud pro
plebe [est] sive [illud] contra plebem est sit auxit ut indicavi. Simi-
liter, licet de origine minus ibi constet et ex parte non interpolationes
hae, sed errores esse videantur, insertum reperies 56, 51 in; 62, se,
item 64, 44 est; 66, 46 neque; 70, 12 enim; 11, 26 nisi; 89, se dum;
94, 83 iterum; 108, 10 eam. — His in Universum observatis aliquot
locos subieci item interpolatos, sed propter certas causas non indignos,
quos brevi enarratione persequamur.
p. 2, so [III 7, 7]: senatus . . . ad deos populum ac vota vertit:
iussi . . . supplicatum ire . . . ad id quod sua quemque mala cogehant
auctoritate publica evocati omnia delubra implent. Sic haec recte scripta
183 sunt in libris vulgaribus, nisi quod antiquissimo errore cum Veronensi
quoque communicato pro publicaevocati legitur publicevocati. At idem
*) [III 6, 6; reportare ist richtig, vgl. Wodrig S. 4 f.]
T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI. 125
Veronensis mira interpolatione enuntiatum ita defonnavit: itissos . . .
supplicatum ire auctoritate publice vocat: omnia deluhra impleant:
quamquam etiam magis mirum est inventum esse qui hoc defenderet,
quasi LIatIus tarn inani repetitione uti potuerit, ut cives tarn iuberentur
supplicare quam auctoritate publica ad id evocarentur.
p. 30, 30 [III 51, lo] ubi legitur: urhem intravere suh signis media-
que tirhe agmine in Aventinuni 2)et'gttnt, Veronensis post agmine inserit
ingenti. Scilicet grammaticus non intellexit vim orationis non in
numero plebeiorum niti, sed in ordinatione militari.*)
37, 2 [ni 63, b] populus iniussu et altero die frequens iit suppli-
catumque est reliqui libri, populi iussu et altero die supplicatumque
est Veronensis. Extrema que est male intrusa esse dudum per-
spexerunt viri docti neque defendi potenmt, quamquam iam intelle-
gimus adiecta haec esse antiquissimo tempore; prior autem interpolatio
propria est Veronensi.
48, 19 [IV 10, e] Rcmanus Ärdeae turbatas seditione res . . .
cmnposuit. Sic recte iam libri deteriores; at optimi quique ex
Nicomachianis pro turbatas habent turbata idque ipsum est etiam
in Veronensi omittente praeterea res et pro Ardeae dante Ardea,
illud casu opinor, hoc ex interpolatione accommodata ad mendam
primitivam videlicet antiquissimam.
49,1 [IV 11, i] Consules creant M. Fdbium Vibulanum Postu-
mum Aebutium Cornicinem. Ita Nicomachiani ; at Veronensis: con-
stdes creantur M. Fahius Bibulanus Postumius M. Aehutius Cornicen
evidentissima interpolatione, nam Marci praenomen altero loco originem
duxit ex littera exti-ema accusativi Postiimum male ad nominativum
redacti. Causa interpolandi videtur fuisse Postumi praenominis
ignorantia.**)
51. 4.' [IV 13, 2] ad levandam publica cura annonam. Nico-
machiani libri cum habeant fere publica curam annona, Veronensis
gliscente interpolatione sie dat: publicam curam ännona. Quamquam
in minoribus hisce et a pronuntiandi vitiis pendentibus erroribus
difficillime fines reguntur inter consensum eum, quem casus fecit, et
ex archetypo propagatum.
52, 19 [IV 13, 7] L. Minucius praefectus annonae seu refecttis
seu . . . in incerfum creatus. Sic recte reliqui libri ; Veronensis cum
*) [ingenti ist nicht sicher, da bloß . . . enti zu lesen ist; silenti Wodrig
a. a. 0. S. 13.]
**) [Die passive Konstruktion ist die bei Livius übliche, vgl. Wodrig
a. a. 0. S. 19.]
126 T. Livii ab Urbe condita Hb. III— VI.
pro refedus dedisset praefectus, praefectus aunonae qui praecedit
ibidem factus est praetor.
184 62, M [IV 26, i] tumultus causa fuit Veronensis interpolator ita
immutavit ut fieret tumultus causae fuerunt.
p. 62, .^8 [IV 26, 2] Cn. lulius Mento consul Veronensi dicitur
Genucius Cn. lulius omisso cognomine, quod etiam Cassiodoriana
excerpta Livio adserunt, adsuto autem primo nomine, quod originem
traxisse videtur ex praenomine male repetito (cf. p. 177 not. [119, 1]),
p. 92, H [V 28, 4] qui legatorum nomen donumque et deum cui
mitteretur et doni causam veritus ita pessumdedit interpolator, ut
post causam intruderet cognovit.
p. 99, 4 [V 40, 7] quae sacrorum secum ferenda, quae, quia vires
ad omnia ferenda deerant, relinquenda essent consultantes simili inter-
polatione ita corrupta sunt in Veronensi, ut et quae insereretur ante
relinquenda.
p. 102, 34 [V 44, 7] nee pati haec omnia Galliam fieri cum librario
nimium videret, pro Galliam inepte substituit a Gallis.
p. 104, 41 [V 46, 4] non animi tantum in dies, sed [numerus] etiam
vires[que] crescehant. Intra parentheses conclusa solus habet Veronensis.
p. 108, 8 sq. [V 51,3] quid enim repetiimus, quid ohsessam ex
hostium manihus eripuimus, si reciperatam ipsi deserimusl Veronensis
interpolator post manihus inserit eam, deinde pro ipsi vocabulo sub-
stituit ohsidione, illius vim non satis assecutus.
p. 110, 3 [V 52, 17] postquam Camillus orationis primam partem
absolvit oppidi translationem uetari religione, secundum librum
Veronensem ad secundum locum de necessitate migrandi ita transitum
facit : at enim apparet quidem nia nee ullis piaculis expiari
posse. Quae videntur adiecta esse a rhetore quodam, ut partes
orationis facilius distinguerentur : nihil enim hoc quidem loco desi-
deratur nee causa apparet, propter quam librarius haec omittere
potuerit.*)
p. 115, 4h [VI 2, 11] post Valium quod est in uno Veronensi [a]
militibiis munitum, manifeste glossa est.
Haec similiaque qui considerarit in Veronensi inventa, cum
Nicomachiani omnes quamquam quinque minimum saeculis post eum
»cripti a tali labe immunes sint, ne ille recensione Nicomacbiana
aliquantum profectum esse intelleget (quamquam Nicomachus fortasse
non tam sua emendatione Livio profuit quam selecto exemplari aliquo
antiquo et prae eins aetatis vulgaribus emendato), nee negabit in
*) [Für die Echtheit tritt ein Wodrig a. a. 0. S. 37 ff.]
servant.
T. Livii ab Urbe coudita lib. III— VI. 127
summa re, ubi ratiocinatio deficiat, illos sequi tntius esse quam 185
librum nuper nobis restitutum non tantum propter ftmdamenti aequa-
bilitatem, sed etiam propter ingeneratam illorum praestantiam.
Nihilominus ut probi iudices ubi fieri potest duobus testibus veronensis
, . • • • /! 1 • •. • Über quibus
rem agere malunt quam uno nee eum. qui mmons fidei sit, propterea j^^.^ Xemm
de foro pellunt. ita Veronensis quoque liber non paucis locis solus soius
verum servavit et ut plurimis locis erroris et interpolationis con-
vincitur a Nicomachianis. aliis nirsus similiter bos coarguit et eius
quidem interpolationis, quae cum longe distet ab ineptis Veronensis
librarii commentis, eo facilius fallat et magis noceat (v. ad III 65).
Haec deinceps enarravimus. scilicet missis iis, quae tota pendent ex
auctoritate librorum K missis item minoribus non ita paucis 2, maxime,
ubi lectio per se certa et dudum restituta iam emergit ex Veronensi;
neque omnino hoc egimus, ut compleeteremur quidquid ex fönte iam
patefacto in crisin Livianam redundaturum sit, nee potuissemus, etsi
maxime voluissemus. ^N^eque enim Livium edo neque editurus sum,
quippe cui satis sit aliquatenus didicisse eo uti. At hoc a meo
incepto non abhorret componere meliora et graviora, quae quidem
intellegam a codice Veronensi suppeditari. Pertractare autem eius-
modi quaestionem et quantum nostrae aetati datum est absolvere
eum unus homo possit ex iis qui ho die sunt Madvigius, hoc optamus,
ut telam a nobis incohatam et retexat, ubi opus est, et detexat,
ni 8, 7 p. 3, 5u urbi quoque Romae ingens praebitus terror magis
re Silbita quam quod .... partim virium esset. Sic Zumptius 1. c.
1) Quo pertinet ordo verborum non raro in Veronensi diversus a reliquis,
ut 5, 46. 7, 41. 9, 18. 11, 12. 16. 49. 25, is. 26, 28. 29, 47. 33, 58. 42, 26. 51. 43, 55. 52, 9.
5c-, 24. 56, 42. 58, 59. 60, 28. 61. 58. 62, 37. 70, i7. 80, 14. 86, 39. 93, 29. 94, 45. 97, 29.
101,45. 115, i. 117, 35. 118, 39. 119,41; nam argumentis raro talia diiudicabis, ut
8C>, 14 aperte peccat Veronensis, contra 9, 18 ideo sequendus erit, quod Vormatiensis
et quodammodo etiam Parisinus cum eo stant. [In den oben, S. 123, genannten
Abhandlungen ist die Richtigkeit der Wortstellung im Veronensis an vielen
Stellen aus dem Sprachgebrauch des Livius erwiesen worden.] Idem cadit in
similia, ut in permutationem particularum et, ac, que e. c. 41, 24. 44, su; formas
tei-tiae pluralis perfecti -re et -runt, ut 32, 46. 45, se; faciendum et facitmdum
110, 27; rursiis et rursum 81, so; uti et tU 119, 40, alia non pauca, etiam gravioris
momenti, ut 16,4 ancipites haeremus, utrum legamus cum Nicomachianis ad
Cclumen an cum Veronensi ad Colume.
2) Ut hospitum pro Jtostium 51, 40; a ceteris pro ctteris 37, 56; et söllemnibus
ioiis pro ex soUemnibiis locis 19, 2 ; seqtieretur pro sequerentur 27, 4s; rei pro rei
1». 29, 44; inuJta pro inmta 29,52; praerogaHvam pro praerogativa 30, 16; ni pro
ne 32, 14; Äulus Postumitts Tubertus pro Aurelius Postumitis Tuberos vel Tuber
59 35.
i[28 T. Livü ab Urbe condita lib. III— VI.
186 p. 22 et Madvigius (ed. vol. II p. IV) secundum Yeronensem, in quo
est res subita-, reliqui in re subita.
III 12, 4 p. 6, 19 T. Quinctius CapitoUnus . . . ad firmabat ....
Sp. Furius missum ab Quinctio Capitolino sibi eum venisse subsidio.
Sic, nempe Furius missum, Veronensis, ut restituerunt iam editores
antiqui; Furtum ipsum missum libri reliqui.
in 12, r. p. 6, 38 L. Lucreiius Veronensis recte , male reliqui
(solo Florentino S. Marci excepto, nisi de hoc quoque errat Hertzius,
sicut de Leidensi primo non recte rettulit Drakenborchius) P. Lu-
cretius*)
in 12, 7 p. 6, hb quod offendat in eo fervorem et audaciam aetatem
cottidie magis auferre. Vocabulum magis, quod habet solus Vero-
nensis, tarn apte sententiam explet, ut quamquam eins additamenta
pleraque falsa esse constat, hoc retinendum esse mihi quidem per-
suasum sit.
III 1 3, 6 p. 8, 10 pecuniamque, ni sistatur, populo promitti Vero-
nensis, cum nisi sistatur in reliquis sit contra usum in his formulis
sollemnem.
III 1 3, 8 p. 8, 19 unum vadem tria milia aeris obligaverunt Vero-
nensis, cum reliqui libri meliores notas habeant. lUud videant
grammatici num ferri possit, cum summa vadimonii non, ut summa
credita, causam obligationis in se contineat itaque fortasse defendi
possit obligari nos assibus centum creditis, sed ex vadimonii causa
obiigari centum asses.**)
III 13, 10 p. 8, 40 devio quodam tugurio sie ut restituerunt Cam-
panus et Rhenanus etiam Veronensis, cum deuo sit in Vormatiensi
et Mediceo, de uUo in reliquis.***)
III 19, 3 p. 9, 39 tribus liberis, quorum nemo Caesoni cedebaf
magnitudine animi, consilium adhibendo ubi res posceret priores erant.
Verba et modum, quae in reliquis libris leguntur post consilium,
a Veronensi autem afuisse iam Zumptius sensit, delenda esse
apparet.f)
III 19, 12 p. 11, 32 nescio quo fato magis bellantes quMm pacati
propitios habemus deos. Fato repertum adhuc tantummodo in libris
deterioris notae iam confirmat Veronensis; optimi secundi generis
fa^to, Madvigius pacto.
*) [Zingerle ed. a. 1888 L im Text ohne Variante.]
**) [W. Heraeus, Quaest. crit. Liv., Beriin 1885, S. 50 hält die Konstruktion
der Worte in V. für unmöglich.]
***) [Zingerle devio ohne Variante.]
t) [Die Worte standen vielleicht auch in V,]
T. Livü ab Urbe condita lib. III— VI. • 129
TTT 21, 2 p. 13, 18 senatus constdta ftunt, ut neque tribuni legetH
eo anno ferrent neque consides ah urbe exercitum educerent; in reli-
quum nuigistratus contimcari et eosdem tribunos refici senatum iudicare
contra rem p. esse. Sic Yeronensis. Ex reliquis libris excidit ut^
quapropter Madvigius (emend. p. 72) proposuit senatus constdtum 187
ß, ut. Pluralis autem recte se habet, nam secundum consuetudinem
Romanam talia comprehendi solebant non uno eodemque consulto
argumenti miscellanei , sed pluribus simul factis. Deinde eosdem
irihunos Yeronensis, sicut edidit Frobenius, eos tribunos reliqui, imde
fecerunt consides tribunos Heerwagenus, cmisuUs tribunosve Mad-
vigius. Yidemur autem adquiescere posse in lectione Yeronensis
ita. ut decretum de magistratibus continuandis accipiamus de patriciis,
quibus solis satis constat vere eonvenire nomen magistratus ^ ; simi-
literque loeutus est Livius mox c. 64, i : ut iidetn tribuni reficerentur
et . . . consulibus quoque continuarent magistratum. Yerum est mox
Livium de continuandis magistratibus ita dicere, ut aperte compre-
hendantur plebeii (§ 4 : quia plehs senatus cousuUum in continuandis
magistratibus solvit) ; at cum minus proprie etiam tribunis magistratus
tribuatur, potuit Livius in senatus consulto referendo legitimum usum
sequi, in oratione consulis cottidianum.
in 23, 6 p. 16, 4 Victor ad Columen (Colume Yeron.^ exerdtu
reducto castra locat. Hoc quod dudum Sabellicus Livio restituit
illumque secuti Madvigius et Weissenbornius, nunc prodit ex ipso
libro Yeronensi (nam errat de eo Zumptius); relicio pro reducto libri
reliqui.
in 24, 5 p. 16, 56 adfirmantibus qui una meruerant secutn eum
tum frequentem ad signa sine idlo commeatu fuisse. Frequentemque
libri vulgares, frequente Yeronensis; unde frequentem, quod olim
Sigonius sub auctoritate ut solet ementita reposuit, verum esse
agnovit Madvigius in ed. vol. II p. lY.*)
III 26. 9 p. 17, 3 fossam fodiens palae innixus Sabellicus itemque
teste Zumptio p. 35 is qui scripsit librum Yaticanum n. 3329 pro-
posuerunt, cum pah sit in libris idoneae auctoritatis omnibus; iam
quod est in Yeronensi paleae (non pelele, quod legere sibi visus est
Zumptius) etsi non verum, tamen aliquanto propius a vero abest.
1) Scilicet magistratiua plebis sive phbeii tribuni aedüesque plebis recte
i dijuntur et proprie, non recte moffistratus populi Romani nee magis recte
I muffistratus simpliciter, certe in actis publicis, ubi quidquid eins generis nude
1 enuntiatur, ipsa re refertur ad populum. [Vgl. Staatsrecht 1* S. 16 ff.]
*) [frequentem in einem von Zingerle benutzten cod. C saec. XIII.]
MOMMSEN, SCHR. VII. 9
130 T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI.
PauUo post V. 10 idem liber recte habet quod hene verferet, ubi in
reliquis est verteraf.*)
III 29, 6 p. 1 9, 5 eo die L. Mamilio Tusculano . . . civitas data
Veronensis, data est reliqui. Similiter III 31, i p. 20, 48 annona
198 propter aquarum intemperiem laboratum ille, lahoratum est hi. Item
III 65, 4 p. 40, 2 unde Aspero etiani inditum cognomen ille, inditum
est hi.
III 34, 6 p. 21, 5 leges perlatae sunt, qui nunc qtioque .... fons
omnis publici privatique est iuris. Ita, nempe qui . . . fons Vero-
nensis,**) quae .... frons libri vulgares; posterior mendae pars dudum
sublata est, prior adhuc remansit.
III 38, 5 p. 24, 22 : Aequi . . . depopulantur . . . Tusculanum
a^rum; legati ea ah Tusculo praesidium orantes nuntiant. Ua, quod
est in uno Veronensi, magis crediderim ab Nicomachianis male
omissum quam in illo adiectum.
III 38, 9 p. 24, 56 solitum quicquam liherae civitati Veronensis;
quod exhibent reliqui civitatis emendarunt iam Drakenborchius
Madvigiusque.
III 42, 4 p. 25, 4 numquam se aequo certamini committentes.
Certamini Veronensis, reliqui certamine; illud dubitans licet pro-
posuerat olim Gronovius. Ceterum numquam Veronensis et Leidensis,
nusquam Parisinus et Mediceus.***)
III 42, 7 p. 25, 29 arma Tu^culum ac supplementum decernerentj
quod proposuit Gronovius probante Madvigio pro lectione tradita
ad supplementum, visus sum mihi legisse in Veronensi.
III 43, 6 p. 26, 16 postquam nullum spoliatum ibi corpus Sicciumque
in m^dio iacentem armatum omnibus in cum versis corporibus videre
Veronensis recte deleta particula que, quae in reliquis adhaesit ad
armatum. Nam una cogitatio est, quae enuntiatur, nee incidendo
distrahenda.
III 44, 4 p. 27, 7 postquam, omnia pudore saepta animadvertit
Veronensis, non animadverteraf, ut vulgati. Offendit fortasse, cum
sie pergatur ad crudelem superbamque vim animum convertit, duorum
enuntiatorum similis exitus.
III 44, 5 p. 27, 12 M. Claudio clienti negotium dedit, ut virginem
in servitutem adsereret . . . . ; quod pater puellae abesset, locum iniuriae
*) [verteret auch in einigen mittelalt. Hss.]
**) [fons auch in einigen ma. Hss.]
***) [certamine ist richtig, vgl. die Erklärer, ebenso nusquam das noch eine
dritte Hs. hat.]
T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI. 131
esse. Quod in fine addunt reliqui libri rattis a Veronensi abest,
recte puto.
in 44, 6 p. 27, L'o virgini venienti in foro — ibi namque in
tabernaculis ludi litterarum erant — minister decemviri libidinis cet.
Sic Veronensis cum Yormatiensi et Mediceo, cum in iabernis sit in
Nicomachianis reliquis. Hoc qui nuper Livium recognorunt omnes
admisisse praeter unum Alschefskium , qui mallem nulkis esset,
ipsumque Madvigium (emend. p. 27) inter menda duobus illis codi- 189
cibus propria hoc quoque numeravisse miror; neque enim dubium
videtur tabernaculum in foro ad tempus positum ludo multo magis
aptum esse quam tabemam angustam et forum versus patentem.
Denique interpolatio facile desumi potuit ex iis quae sequuntur
c. 48, 5.
m 44, 6 p. 27, 20 virgini .... niamtm inicit serva stia natam
servamque appellans: sequi itibebat cunctantemque vi dbstracturam
Veronensis; manum iniecit servam stiam natam servaniqiie appellans
esse sequique se ivibebat, cunctantem vi abstracturam reliqui, ubi setDa
Sita restituerunt et esse induxerimt editores. Omnino illa lectio
praestat, nisi quod que post cuticfantem non probarim. In eo quod
sequitur: Vergini patris sponsique Icili populäre nomen celebratur,
haec Leidensis libri alionimque lectio confirmatur eo quod in Yero-
nensi est celebratum; nam reliqui celebrabatur.
m 50, 14 p. 29, 9 quippe ab ipsis datum loctim seditioni esse.
Reliqui seditionis, quod recte emendarunt Glareanus Dukerus Mad-
rigius.
rH, 50, 16 p. 29, 22 non defuit quod responderetur Veronensis id-
que pro tradita lectione quid vel qui dudum revocarunt Reizius
Hertzius Madvigius, Similiter eadem pagina v. 44. 52 et sequens v. le
emendationes quasdam etiam per se certas confirmant.
in 56, 12 p. 31, 7 quod si tribuni eodem foedere obligatos se fate-
antur toUendae appellationis , in quam conspirasse Xviros criminati
sint, ait se provocare ad populum. Sic haec scripta sunt in Veronensi
eiecta voce cau^a. quam reliqui libri admittunt post appellationis
aperta interpolatione. Praeterea quae temptaverunt viri docti in
quod pro in quam Madvigius,*) at pro ait Gronovius probabiliter,
iis Veronensis liber non suffragatur.
in 61, 12 p. 34, 35 lam Horatius eos (miütes) excursionibus proe-
Irisque levibus experiundo adsuefecerat sibi . . . fidere Veronensis
omisso vocabulo sufficiendo post excursionibus obvio in reliquis libris,
*) [Vgl. ed. II S. 101 f.]
9*
L.
1^32 T. Livii ab Urbe condita lib. III — VI.
quod intellegi posse recte negavit Madvigius, minus feliciter substituit
suhigendo.*) Etiam levibus iam codice confirmatur; nam lenibus
Nicomachiani.
III 62, 3 p. 35, 20 quod ad me adtinet, id consilii animigue habi-
turus sum, quod vos mihi feceritis, milites. Sic partim lectum est,
partim ad spatia suppletum in Veronensi confirmante in Universum
restitutionem huius loci Madvigianam (emend, p. 84); mihi tegerifis
Leidensis, mihi effeceritis Paris., milites geritis Med., quorum trium
librorum archetypum hoc quidem loco accurate videtur repraesentare
190 Leidensis, ex cuius lectione duae aliae videntur effectae coniectura
plus minusve felici. Extremum [milite\s incertum est, cum in Vero-
nensi non apparuerit nisi post spatium sufficiens littera s.
III 62, 8 p. 36. 4 equites . . . sescenti fere Veronensis (nisi quod
sescentis librarius dedit) ut dudum emendarunt editores; ac pro de
libri reliqui.
III 63, 5 p. 36, 59 senatus unum diem suppUcationis consulum
nomine decrevit liber Yeronensis ; in unum diem suppUcationis ( — nis
P") reliqui.
III 63, 7 p. 37, 21 iam tum ApolUnare appelläbant Veronensis,
ut olim restitutum est; libri reliqui apollinarem uel apoUinarum.
III 63, 9 p. 37, 35 in trihunum Veronensis deteriorum coniecturae
calculum adiciens, in tributum Nicomachiani qui fidem habent.
III 64, 2 p. 38, 15 iura tribunorum plebis Veronensis, iura plebis
reliqui.
III 64, 3 p. 38, 20 per factionis suMe consules. Lectio haec a
Madvigio substituta pro tralaticia factionis (s. factiones) suas commen-
datur Veronensi, quae videtur esse factionis sua.
III 64, 6 p. 38, 52 auctores populäres sententiae haud populari
Veronensis optime; libri reliqui pro populari habent populäres^
editiones popularis.
III 64, 7 p. 38, 60 memor libertatis per illos receptae domi, memor
militiae rerum gestarum. Sic scribi iussit I. Fr. Gronovius, cum in
libris repperisset rerumque; iam quod quae rerum proponit Vero-
nensis, ex interpolatione quarto saeculo antiquiore, sed eo tempore
sedis adhuc incertae particulam que originem traxisse declarat neque
aliud patitur oppositorum ratio.
III 64, 9 p. 39, 20 tribuni modo ut relinquerentur. Dukeri haec
emendatio pro eo quod traditur tribunis confirmatur Veronensi etsi
hoc versu obscurato.
<') [a. a. 0. 102.
T. Livii ab ürbe condita lib. III— VI. 133
III 64, 10 p. 39, 26 recitabatque rogationis Carmen, in quo: si trüntr
nos plehis X rogabo. si qui vos minus Jiodie X tribunos plebis fecerifis,
tum uti quos hi sibi coUegas cooptassint, legitimi eadem lege tribuni
plebis sint, ut Uli quos hodie tribunos plebis feceritis. Sic fere haec
videtur constituenda esse. Post in quo inseniit Madvigius esset idque
verum est aegre desiderari; at coniunctionem si quae sequitur sustulit
non recte. cum nuda positio 'tribunos . . rogabo' a sermone legitime
abhorreat, duplex autem eiusmodi condicio plane ei conveniat. In 191
mentem venit si inquit pro in quo si. Deinde verba »i qui vos
minus hodie X tribunos fecerint iis (sie P, fecerint ii ML), in Vero-
nensi recte legi non potuerunt, quamquam feritis, quod unum verum
est, reapse in eo videtur perscriptum fuisse. Sequentia autem duobus
locis ope eins libri emendantur, primum inserto vocabulo hi, deinde
sublatis vocabulis ut Uli in vulgatis libris male repetitis ante legitimi;
nam afuisse ea a Veronensi spatii rationes demonstrant.*)
m 65, 4 p, 39, 57 ut qui plebem R. tribunos pl. rogaret, is adeo 192
rogaret, dum X tribtmos pl. faceret. In libris praeter Yeronensem
quod legitur usque eo**) pro adeo, fortasse interpolatum est, cum
adeo hac significatione praeterea non inveniatur nisi in antiqua
locutione 'adeo rem rediisse',***) videatur autem hisce verbis utpote
desumptis ex antiquissima lege obsoletae significationis vocabulum
recte convenire.
III 65, 5 p. 40, 6 contentiones Veronensis cum edd., contiones
ceteri.
in 65, 6 p. 40, 18 urbano quoque otio foris omnia tranquilla esse.
Sic Codices vulgares. Contra Madvigius emend. p. 85: 'debebat dici
urbano otio foris quoque nee ulla est mutati ordinis excusatio\
Similiter, nempe urbano otio foris, liber Veronensis habet, nisi quod
particulam non transponi iubet, sed deleri.f)
in 66, 2 p. 41, 12 sed imminebat utrumque iam, nee ultra discordia
invium reprimi poterat Yeronensis ; rion pro nee Nicomachiani ; utrum
verum sit, videndum.fl)
*) [Es folgt die ausführliche Behandlung der Stelle III 65 novi tribuni —
cooptavere. Da Mommsen seine Interpretation selbst widerrufen hat (^Staatsrecht
2' S. 277, 1), so ist dieser Abschnitt hier weggelassen worden.]
**) [Einige Hss. bloß usque, andere uso eo.]
***) [Vgl. Thes. 1. 1. I Sp. 605, 60 f.]
t) [Der V. hat in der Tat: urban(o otio fojcis quoque om(nia tra)nquiUa
tise: so Ms, Apographon.]
tt) [utrunique. iam non uUra die neueren Ausgaben.]
b
I
134
T. Livii ab Urbe condita Hb. III —VI.
in 67, 1 p. 42, 5 cum piidore summo in conspectum vestrum Pro-
cessi Veronensis ; in contionem vesfrani recentiores. Illud praetulerim.
TU 67, 5 p. 42, 37 si in vohis Yeronensis cum edd., sin vdbis
ceteri.
in 67, 6 p. 42, 50 discordia ordinum et venenum huius urUs
patrum ac plebis certamina Yeronensis proponit ut coniecit Madvigius
em. p. 86; nam est pro et Nicomachiani. At in iis quae sequuntur,
5 : nisi erravi ego, Yeronensis quoque habet ut reliqui sustulere Uli
aninios, non Ulis.
193 III 67, 6 p. 42, 56 nos pleheiorum Yeronensis cum codd. deteriori-
bus, hos pleheiorum Nicomachiani incorrupti.
in 67, 10 p. 43, 27 ecquando unam urhem habere, ecquando com-
munem hanc esse patriam licebitt Sic Nicomachiani; at prius colon
ecquando unam urhem höhere abest a Yeronensi fortasse recte.
III 68, 7 p. 44, 47 sequetur vos necessitas militandi quam fugitis
Yeronensis cum edd., sequifur Nicomachiani.
lY 7, 3 p. 45, 14 C. Curtius cum requiratur, c. curiatius habent
reliqui libri, c. curatius Yeronensis. Haec sine dubio antiqua cor-
ruptela est, illa emendatio grammatici imperiti.
lY 7, 11. 12 p. 46, 21 credo quod trihuni militum initio anni fuerimt,
eo, perinde ac totum annum in imperio fuerint, suffectorum iis con-
sidum praetermissa nomina. Licinius Macer auctor est etiam in
foedere Ardeatino et in linteis lihris ad Monetae ea inventa. Sic
fere crediderim constituendum locum graviter corruptum; Yeronensis
quomodo differat ab alterius familiae libris, supra proposuimus.*)
Perinde ac magis Livianum esse videtur quam perinde ac si (cf.
Hand. Tursell. 4, 460); illud Yeronensis hoc loco habet, hoc libri
Vulgares.
lY 8, 2 p. 46, 54 quae (censura) deinde tanto incremento aucta
est, ut morum disciplinaeque Bomanae penes eam regimen, senatum
equitumque centuriis decoris dedecorisque discrimen suh dicione eins
Magistratur, eins puhlicorum ius privatorumque locorum, vectigalia
*) [Nämlich der cod. V. so (die | bezeichnen die Zeilenschlüsse): fuerint
8u(f)\ fectijs iis conss. praeter\missa nomina consulv | horum Licinius Macer \ u. s. w.,
dann ad Monetea\ inventa; die übrigen codd.: fuerint, snffectis iis consulihus
praetermissa nomina consulum hoi'um. Licinius Macem- u. s. w., dann ad Monetae
ea inventa. Die Vermutung Ms. hat Zingerle in den Text aufgenommen ; Madvig,
em. Liv.* S. 112 schlug vor: fuerint, suffectos iis consules praetennissos. nomina
consulum horum Licinius Macer auctor est .... ad Monetae inventa. Die Über-
lieferung bietet eine zwar ungefüge, darum aber nicht unlivianische Periodi-
sierung.]
T. Livü ab Ürbe condita lib. III— VI. 135
2}optdi Romani stib ntäu atque arhifrio essent. Tribus bis commatis
apte comprehenduntur tres partes officii censorii, civium recensus,
senatus equitumque Romanonim ordinatio, vectigalium locatio. Recte
igitur ut solet Madvigius emend. p. 92 defendit codicum scripturam
iam Veronensi quoque libro confinnatam centuriis pro eo quod sub-
«tituimt pleriqne recentiores centuriae; in eo opinor erravit quod
pro senatus proposuit in senatuj^) Kam senatus decoris dedecorisque
discrimen cum genetivo duplici per se offensionem nullam habet;
deinde vero quod auctor a genetivo. nempe priore, ad ablativum
deflexit, fecit ratione; nam equites simplieiter nominare non potuit,
cum censoria constitutio non ad eos in Universum pertineat, sed ad
solos centuriatos, equitum centuriarum decoris dedecorisque discrimen
dicere noluit, ne triplicis genetivi cumulatione oratio obscuraretur.
In principio tertii commatis addidi eins in Yeronensi libri corruptum
in ?i<s, in reliquis omissum nee tarnen omittendum; nam ut supra 194
dixit penes eam regimen, sub didone eius magistratus, ita hie quo-
que eius . . . sub nutti atque €urhitrio requiritur nee recte procedunt
extrema nude posita. Accedit quod tertium comma, ne qui legit
offendat, ita constituendum erat, ut agi hie de uno tantum negotio
hcet bifariam expresso statim intellegeretur. Nam sua vi ac potes-
tate ins publicorum privatorumque locorum censori non recte tribuitur,
sed ita ei in hos ius est, ut non potest non esse magistratui vecti-
galia locorum publicorum ordinanti et propterea fines quoque regenti
quodammodo inter publicum privatumque.
IV 9, 12 p. 47, 6 duce Aequo Cluilio editiones recte ; ciuilio Vero-
nensis,**) ciuili libri vulgares. Hie quoque apparet in illo proponi
antiquam corruptelam, in his grammatici cuiusdam infelicem emen-
dationem. E contrario IT 10, 7 pro Cluilio duce in libris vulgaribus
est ciuilio duce, in Yeronensi visimi est esse ciuili duce.
rV 11, 7 p. 49, 58 qui . . . vexationes . . . remanendo in coloniä
. . . vitavermif. Sic Veronensis omissis verbis, quae ante rematiendo
inserunt libri vulgares, coloni adscripti; quae etsi adhuc in suspicionem
non venerunt, iam admoniti ab antiquissimo libro omnino eiciemus.***)
IV 12, 9 p. 51, 12 qui cum . . . nulluni momentum annonae fecisset.
Sic editiones accedente iam Veronensi libro; ut ante mdlum addunt
libri vulgares.f) . ...iJi^ ridu
I
*) [Madvig emend. ed. 2 S. 113 hält daran fest.]
**) [Sowie der cod. C]
***) [Die neueren Herausgeber belassen sie im Text.]
t) [Zingerle nunum ohne Variante.]
136 T. Livii ab Urbe condita Hb. III — VI.
IV 12, 10 p. 51, 16 quod nunc legitur profiteri cogendo frumentum
et vendere, quod usui menstruo superesset etsi offensionem nullam
habet, tarnen quod est in Veronensi ut venderet erunt fortasse qui
ita tueantur, ut primitiva lectio fuerit ut venderent, corrupta in
Veronensi libro, coniectura emendata in Nicomachianis. Kam quam-
quam homines publice cogendi erant non tantum ad professionem,
sed multo magis ad venditionem , causativam particulam recte ita
accipiemus, ut sub hoc modo professiones fieri iuberentur.
IV 13, 4 p. 51, 52 Jiatid dvhium consulatum plebe ei favore ac spe
(sipe Veron.^ despondente ipse . . . ad altiora et non concessa tendere
et, quoniam consulatus quoque eripiendus invitis patrihus esset, de regno
agitare. Sic fortasse verba haec scribenda sunt ita tradita, ut pro
plebe ei Veronensis det pleheio, Leidensis ei, omittant ea Mediceus
Parisinusque , deinde despondente sit in Veronensi, despondentem in
195 reliquis. Nam hoc qui retinent videant ne ipse quod sequitur non
habeat cui satis respondeat, cum lectione ad Veronensem forraata
recte opponantur consulatus et regnum. Ceterum qui hoc probabit,
hunc locum addat necesse est iis, ubi deterius in Universum Nico-
machianorum librorum genus meliori praestat.
IV 13, 4 p. 52, 3 id unum dignum tanto apparatu consiliorum et
certamine quod ingens exsndandum esset praemium fore. Sic Vero-
nensis stabiliens coniecturam a philologis bominibus, qui quidem sani
iudicii essent, dudum receptam, nam libri vulgares scribunt certoy
minum.
IV 13, 8 p. 52, 34 rem conpertam ad senatum defert Veronensis
optime, cum Nicomachiani legant refert. Illam lectionem postquam
idoneum auctorem nacta est non erit opinor quin probet. Praeivit
Madvigius apud Ussingium p. XXII: 'probabiliter editio Curionis
deferf.
IV 13, 12 p. 53, 21 se dictatorem L. Quinctium dicturum: animum
parem tantae potestati esse. Ante animum quod inserunt libri reliqui
ihi abest a Veronensi, recte fortasse.*)
IV 1 4, 6 p. 54, 27 haec eum vociferantem adsecutus Ähala Servilius
öbtruncat respersusque cruore . . . dictatori renuntiat. Quod addunt
libri Nicomachiani ohtruncati post cruore, eleganter Veronensis
omittit.**)
*) [Im Apographum bezeichnet Mommsen die beiden letzten Buchstaben
von dicturum als unsicher.]
**) [Die Herausgeber behalten es bei.]
T. Livii ab Urbe condita Hb. III— VI. 137
IV 17,1 p. 55, u Fidenae . . . ad Lartem Tolumnium Veieniium
regetn defecere. Quod post regem addunt Nicomachiani ac Veientes,
eo libenter carebimus.*;
lY 17, 2 p. 55, 20 Inter legatos a Fidenatibus interfectos qui
nominatur Spuritis Nautius Plinio h. n. 34, 6, 23, apud Ciceronem
(Philipp. 9, 2, 5) dicitur Sp. Antitis (et spuraniio Vat.y itemque apud
Livium hoc loco testibus Nicomachianis. At quod in Veronensi legitur
Spuantium . . . inter fecerunt , cum eiusmodi codicis librarium vix
credibile sit Spurii praenomen tribus primis litteris expressisse per-
verse, haud scio an ducat ad ipsam nominis fonnam Plinianam, ut
metathesi elementonim Laniitis evaserit qui esse debebat yautius.
Gerte veram esse iliam constat non tarn quod Xautionim gens clarior
longe et vetustior est Antia, quam quod Spurii praenomen proprium
est Nautiorum. Qui autem factum sit, ut similis corruptela insederit
tam in Livii recensione Mcomachiana quam in Ciceronianis libris
quos habemus, num liceat cogitare de interpolatione scholastica in
utrumque scriptorem pariter grassata, definient qui aliquando data
opera de ea re quaerent.
IT 17, 3 p. 55, 24 levant regis facinus. Recte opinor omittit 196
Yeronensis quod ante regis collocant reliqui Codices quidam; neque
enim diversas relationes hie referre videtur Livius, sed causam
facinoris ab auctore relatam reicere aliam ex coniectura substituens
probabiliorem.**)
lY 21,6 p. 57,26 ut non modo praedandi catisa quisqttam ex
agro Romano exiret. Negationem ante exiret repetitam in libris
vulgaribus omittit Yeronensis probantibus Madvigio et Ussingio (cf.
ed. eorum vol. I p. XXII vol. 11 p. lY).
lY 21, 7 p. 57, 30 qtii se primo aut morUihus atU muris tenuerarU.
Quod post primo plus habent libri praeter Yeronensem omnes aut
oppido, id delendum esse iam fere consentiunt viri docti, postquam
abesse a Yeronensi Zumptius indicavit ; antea ex coniectura sustulerat
Madvigius.
lY 23, 3 p. 59, 11 Licinio libros . . . sequi linteos placuit: Tubero
iiicertus veri est. Sic Yeronensis; placet et tubero libri Mcomachiani;
placet Tubero hodie legitur ex emendatione MuretL In iis quae
Bcquimtur: sed inter cetera vettistate conperfa hoc quoque in incerto
Position cum iam Yeronensis cum Mediceo consensus patefecerit ab
*) [ad Lartem Tolumnium ac Veientes H. J. MüUer.]
**) [Die Herausgeber belassen quidam im Text; in V. schließt mit levant
di.i Zeile.]
138 T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI.
hac lectione proficiscendum esse, incomperta autem, quod habent
Nicomachiani reliqui, venire ab emendatore, haud scio an scribendum
sit emendatione et faciliore et ni fallor elegantiore vetustate
cooperta.*)
IV 24, 7 p. 60, 34 deposito suo magistratu, inposito fine alteri cum
gratulatione ac favore ingenti populi domum est reductus. Sic optime
Veronensis eiectis verbis, quae post magistratu reliquis libris inhae-
serunt modo aliorum magistratui, confirmans emendationem Mad-
vigianam, nisi quod iam intellegitur non posterius, ut voluit Mad-
vigius, comma delendum esse, sed prius.
IV 25, 1 p. 61, 3 trihuni plebi adsiduis contentionibus prohibendo
consularia comitia, cum res prope ad interregnum perducta esset, evicere.
Ubi contentionibus in Veronensi,**) contionibus legitur in reliquis;
illud praetulerim, cum tribuni plebis ubi praeterea comitia impediunt,
non soleant id facere per circuitum contione advocata, sed directo
per intercessionem.
IV 25,4 p. 61, 28 famem quoque ex pestilentia, morbo
inplicitis cultoribus agrorum, timentes in Etruriam .... frumenti
causa misere. Quae diductis litteris expressimus omissa in reliquis
libris nunc demum supplentur ex Veronensi.
197 IV 26, 2 p. 62, 56 Poenos dictos fuisse Quinctios Cincinnatos, non
Pennos iam efficitur ex codice Veronensi,***) in quo talia permutari
non solent. Confirmant idem plerisque locis reliqui libri Liviani in
geuere secundo optimi, item laterculi fastorum locis longo plerisque
(cf. C. I. L. I p. 496 [1102] ad a. 323; p. 498. 499 [HO. HP] ad
a. 326; p. 510. 511 [126. 127^] ad a. 403), cum in Capitolinis fastis
cognomen integrum nusquam supersit. Neque impediunt lunii Penni
quamquam per se satis certi, quominus fuerint Quinctii Poeni.
IV 26, 5 p. 63, 14 senatui dictatorem dici placuit, quia etsi saepe
victi populi maiore tarnen conatu quam alias umquam rebellarant.
Hoc quod proposuit Sigonius pro tradita lectione rebellarent confirmat
liber palimpsestus.
IV 26, 12 p. 64, 20 dilectus simul edicitur et iusiitium neque aliud
tota urbe agi quam bellum apparari, cognitio vaeantium militiae
munere post bellum differri. Sic Veronensis, addens dilectus vocabulum,
quod ex reliquis excidit propter id quod praecedit dictus, et differri
Bubstituens pro eo quod ibi est differtur.
*) [Von den Herausgebern aufgenommen.]
**) [Sowie im cod. C]
***) [Poeno auch in cod. C]
T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI. 139
IV 33, 10 p. 65, 14 et equitem passim . . . distulissent equi. Coniec-
turam Gronovii (nam libri vulgares dispulissent) confinnat Yeronensis.
IV 34, 4 p. 66, 2 singuUs captivis ah equite ac centurione sorte
dttctis. Sic scribi iussit Madvigius pro eo quod traditum est in
libris Nicomachianis ab equite ad centurionem. Veronensis paulo
propius abest a vera lectione legens ah equi[te ad] centurionis;
neque enim dubium est ab s vocabuli proxime sequentis male
geminato errorem orsum deinde eo crevisse, quod eraendator pluralem
centuriones ad praecedentem singularem reformarit.
IV 34, 5 p. 66, 12 ipse deinde abdicavit Veronensis, abdicat reliqui;
illud commendat quod praecedit exerdtum Rotnam reduxit.
IV 54, 3 p. 69, 1 C. Appius quaestor plebeius tertio loco creatus
dicitur in Veronensi, P. Pipius in Mcomachianis libris, unde P.
Pupitis legitur vulgo. In re ineerta illa lectio retinenda erit, cum
Appiam gentem nisi aetate liberae rei publicae, certe saeculo p. Chr.
primo constet fuisse inter senatorias.
IV 54, 4 p. 69, 9 hi male intrusum post creatos, deletum autem
in editione Frobeniana recte omittit Veronensis.
IV 54, 5 p. 69, 14 si ne in quaestoriis quidem comitiis . . . satis
animi populo esset ad id quod tarn diu veUet. Sic Veronensis; in 198
«mittunt scribuntque vellent reliqui.
IV 55, 3 p. 70, 21 tini contionihus data nunc retinenda, nunc con-
cienda plehs. In vulgaribus est detinendn, in Veronensi deretinendn;
yidetur antiqua dittographia a diasceuasta non recte emendata.
IV 56, 5 p. 71, 46 eorum legatos utriusque gentis populos circuisse
castiganfes ignaviam. Sic Veronensis cum editione Frobeniana
expulsa particula que^ quae post castigantes reliquis libris insidet.
IV 56, 6 p. 71, 58 nee ipsos modo Romanos sua divisui höhere,
sed Ferentimwi etiam de se captum Hernicis donasse. Quod commen-
davit exemplis allatis lo. Fr. Gronovius divisui^ ei ita patrocinatur
über antiquissimus, ut eins loco proponat diuis, unde divisa, quod
tenent reliqui, effectum videri potest emendatione.
r\^ 56, 12 p. 72, 36 si quando promiscui honores communicata re
publica essent videtur scribendum esse, cum rep. esset sit in Veronensi
Leidensique, resp. esset in Florentino Parisinoque.
rV 56, 13 p. 72, 42 interim patricii soluti legum magistratuumque
vi atque verecundia per se potestatemque tribuniciam agerent. Sic iam
haec leguntur legebanturve in Veronensi, ex quo accedimt nunc
demum verba vi a[fqtie] apte, cum vis propria sit legum, verecundia
niagistratuum. Deinde quod in eo legitur potestatetn quae tribuniciam^
140 T. Livü ab Urbe condita Hb. III— VI.
cum in reliquis libris sit quoque trihuniciam potestatem, praeclaram
huius loci interpretationem Madvigianam confirmat.
IV 58, 4 p. 74, 60 quia summa vi restari nuntiäbatur scripserim,*)
cum in Veronensi sit restari nuntiahantur , in reliquis libris restare
nuntiabantur.
IV 58, 13 p. 76, 1 quid super sanguinis, quod dari pro re publica
posset. In Veronensi libro quod est quod vulgatae lectioni qui videtur
praestare.
V 3, 2 p. 77, 55 si umquam dubitatum est, Quirites. Sic editores
dudum restituerunt, cum libri pro eo quod est Quirites alii quis aut
quin proponant, alii id omittant. In Veronensi quod est qui non
verum est, sed antiqua corruptela, unde errores illi manarunt.
V 3, 7 p. 78 , 34 Veronensis non habet quod reperitur in Mco-
machianis comma nisi forte hoc dicitis, quod apte omitti pauci opinor
negabunt.**)
199 V 4, 1 p. 79, 9 hoc consilium collegarum meorum, quod abducere
infecta re a Veis exercitum noluerunt. Ubi Veronensis quod, reliqui
habent quo.
V 4, 2 p. 79, 22 si mihi ipsi nihil quod dicerem in mentem venire
posset Veronensis, confirmans iudicium grammaticorum eorum, quorum
in crisi huius auctoris ratio haberi debet, librorum alterius ordinis
ipse pro ipsi nullo modo posse defendi.***)
V 4, 5 p. 79, 45 mdleste antea ferebat miles .... gaudebat inde
.... gaudet nunc . . . aequo igitur animo patiatur . . . Ubi inde est
in Veronensi, f) idem proponunt reliqui libri; sed et argutius illud
est, cum hoc ipsum demonstratum eat orator molestiam illam causam
esse gaudii illius ut gaudium hoc molestiae huius, et melius sie sibi
respondent quae opponuntur. Ibidem quod sequitur ab domo ac re
familiari . . . abesse puto item praeferendum lectioni reliquorum
librorum ab re familiari, nam anastrophe hoc quidem loco rationem
non habet. Denique paulo post cum legitur : si ad calculos etiam
res publica vocet, ubi pro etiam in ceteris codicibus eum est, oratio
gravier redditur concinniorque.
V 4, 8 p. 80, 9 sie . . . agere debent, qui mercennario milite
utuntur: nos tamqtmm cum patria agi nobiscum aequum censemus.
Sic Veronensis, cum reliqui libri secundum enuntiatum ita amplificent:
*) [Von derl Herausgebern aufgenommen.]
**) [Das voraufgehende comma schließt mit agitis.]
***) \vpsi auch cod. U saec. X/XI.]
t) [Das e -wird im Apographon als unsicher bezeichnet.]
T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI. 141
fios tatnquam cum civibus agere volumus agique tamquam cum patria
nobiscum aequum censemtis. Cum propter infinitivum agi diverso loco
positum non possit cogitari de mera omissione librarii incuria com-
missa, magnopere vereor, ne haec lectio interpolata sit. Nam com-
mendatur Veronensis eo, quod ne in opposito quidem enuntiato
partitio ulla est; denique gravitas orationis non augetur repeätione
si quid video inani.
V 5, 4 p. 81, 24 ülud quod j)roprie ad milites pertinet, quibus
bani tribuni plebis Stipendium extorquere voluerunt, nunc consuUum
repente volunt, quäle estt Sic optime Yeronensis deleta particula
cum*) inserta in secundi ordinis libri ante Stipendium^ a Madvigio
post alios mutata in tum.'^*) Paulo post v. 29 in Veronensi est Valium
fossamque, ingenfis utramque ran ojjeris. ubi utnmique rem libri
reliqui, utrumque deleto substantivo Madvigius dubitans.
V 5, 7 p. 81, 44 cum tantum laboris exhaustum sit et ad finem
iam operis tandem perventum, relinquendane haec censetis, ut ad
aestatem rursum novus de integro his instituendis exsudetur labor, an
instare ac perseverare defungique cura brevi? Brevis enim et quae 200
sequuntur. Sic haec videntur esse ordinanda secundum Yeronensem,
in quo quam quam non omnia legi potuerunt, tamen satis constat
nuniquam fuisse enuntiatum quanto est minus opera tueri facta, quod
in reliquis libris post labor vocabulum ita inseritur, ut pro an detur
et. Deinde brevi ante brevis quod proposuerunt viri docti omissum
in ceteris libris non adest quidem in Yeronensi, sed videtur requiri
spatiis V. 54, Mox quod dudum revocaverunt viri docti uno tenore
pro tradita lectione uno tempore, ei calculum iam adicit Veronensis.
Contra quod sequitm*: curne ipsi .... lentiorem spem nostram facimus'i
admodum dubium est, cum non soleant particulae istae copulari,
ut tutius subsistere videamur in lectione familiae alterius nee ipsi.
Y 6, 2 p. 82, 60 sicut aestivas aves statim autumno tecia ac re-
cessus circumspicere Yeronensis ; reliqui habent recessum minus proprie,
cum recessus ipsae sint latebrae.
Y 6, 15 p. 84, 51 adeo quidquid tr. pl. loquitur etsi prodendae
patriae . ... est adsuestis audire videtur fuisse in Yeronensi omisso
qui quod inserunt reliqui libri post adsuestis, mutatum ab aliis in
acqui, ab aliis in quieti; sed audire nude positum sufficit. Fieri potest
ut qui corruptum sit ex Quirites ut supra p. 77, 55 [Y 3, 2].
*) [Nach Zingerle so nur eine Hs., die übrigen eum.]
**) [Madvig, em. Liv. * S. 134, 1 'potest abesse'.]
142 T. Livii ab Urbe condita Hb. III— VI.
V 7, 8 p. 86, 9 tum vero superfundenti se laetitiae vix temperatum
est Veronensis omissa post uero particula iam.
V 7, n p. 86, 32 certatim patrihus pleheique manare gaudio lacri-
mae. Deinde revocatis in curiam patribus senatus consultum factum
est. Sic Veronensis, cum in reliquis pro deinde sit donec; at lacrimas
manasse, donec senatus consultum fieret, indignum est scriptore gravi
neque inepto.
V 7, 13 p. 86, 50 tum primum equis suis merere equites coeperunt.
Yera haec scriptura in reliquis libris obscurata, dudum vero ex
epitome recuperata in Yeronensi mansit intacta.
V 8, 3 p. 87, 19 minus militum periit, quia praeter aegros lixarum
in modum omnes negotidbantur. Quae verba inserunt post omnes
iibri vulgares per agros vicinasque urhes, ea ab Livio aliena esse
iutellegitur ex Veronensi.*)
V 8, 11 p. 88, 28 ne opem ab inimico videretur petisse Veronensis
omisso ante opem vocabulo quam.
V 24, 8 p. 90, 40 ceterum partem plebis, partem senatus habitando
201 destinabant Veios duasque urbes communi re publica incoli a populo
Romano posse. Sic haec constituenda existimo, cum in Veronensi
repertum sit partim plebs, partim senatus, in reliquis libris partem
plebi, partem senatus; quod ipsum posset defendi, si liceret plebi
habere pro genetivo (v. supra p. 168 [111]). Deinde habitando destina-
bant Veios Veronensis, destinabant habitandos Veios ceteri. Mox
communi re Veronensis, communes rei p. reliqui.**)
V 27, u p. 91, 44 fides Romana, iustitia imperatoris in foro, in
curia celebrantur. Veronensis in curia celebratur, reliqui et curia
celebrantur.
V 28, 1 p. 92, 4 taciti eius verecundiam non fulit senatus Vero-
nensis Gronovii coniecturam confirmans Madvigio probatam; nam
Iibri reliqui facite.
V 31, 5 p. 93, 54 propter famem pestilentiamque in agro Romano
ex siccitate caloribus nimiis ortam. Recte opinor pro caloribusque
vocabulo Simplex caloribus substituit Veronensis.***)
*) [Die neueren Herausgeber halten die Worte für echt; ebenso im
Folgenden quam.]
**) [partim plebi partim senatui destinabant habitandos Veios Rhenanus,
partem plebis partem senatus destinabant (ad) habitandos Veios Weissenbom-
Luterbacher. — communis reipublicae mit einer Hs. saec. XII die neueren
Herausgeber.]
***) [In V. ist CALOBIB ■ geschrieben.]
T. Livii ab Urbe condita Hb. III— VI. 143
Y 31. 32 p. 93, 60. 94, 39. 04. 57 Salpitiates qui dici solent in
editionibus, in Yeronensi appellantur p. 93, eo Sapienates^ p. 94, s?
Sa»pinates; reliqvii libri habeant sappinates, scdpinates, sdLppinates,
$ai
sal sapphiates, ut appareat in archetypo eonim foisse sappinates
(cf. p. 17S [120]). Itaque restituenda est antiqua forma Sappinates^
quam Nicomachiani expulenint. Tribus tamen Sappinia Umbriae (LIt.
31. 2, 6, 33, 37, 1) cum Sappinatibus bis non recte componetur; illam
enim satis constat fuisse ad fluvium Sapini prope Sassinam Gallis
Boiis conterminam, cum Sappinates hi quaerendi sint prope Yolsi-
nienses, quibuscum iunguntur.
Y 31, 5 p, 94, 2 agros incursavere Yeronensis, a^ros Bomanos
reliqui.*)
Y 32, 2 p. 94, 87 Vohinienses provincia evenit Yeronensis (nisi
quod Volsienses ibi videtur fuisse), ut restituit Madvigius; Vulsiniensis
reliqui libri.**)
Y 32, 3 p. 94, 45 fusa primo concursu acies: in fugam versa milia
octo armatorum in deditionem venerunt. Yeronensis in fugam
versa, reliqui in fiigam^ unde in fuga fecit Madvigius^.
Y 33, 3 p. 96, 8 ira corruptae uxoris ab Lucumone, cui tutor 202
ipse fuerat Yeronensis simplicius quam quod est in reliquis cui tutor
ts fuerat ipse.
Y 39, 7 p. 97, 12 deinde sub occasum solis, quia liaud muHum
diei supererat, ante noctem rati invasuros Yeronensis expulso ante
invasuros vocabulo se, quo sententia obscuratur.
Y 39, 11 p. 97, 41 sacerdotesque et Vestales sacra publica ....
auferre nee ante deseri cuUum dearum, quam non superessent qui
colerent. Cum in libris vulgaribus legatur flaminem sacerdotesque
Vestales, iure Madvigius monuit pro flaminem expectari flamines.
lam cum sit in Yeronensi flaminem sacerdotesque et Vestales, pate-
factum est illud vocabulum eiciendum esse huic loco illatum ex
sequentibus.***) Deinde quod est in Yeronensi deortim, non eorum,
gravitatem orationis adauget.
*) [Gegen V. die neueren Herausgeber.]
**) [Volscinienses cod. C]
1) Quamquam ad Veronensem id non pertinet, tamen licebit monere
c. 33, s male neglegi traditam lectionem accitis domiim tribulibm clientibtis, quae
migna pars plebis erat inserta post tribtiUlnis copula. jSam clientium, nempe
liljertinomm et inde oriundorum, hac quidem aetate tribus ea ipsa fuerit
ntcesse est, in qua censeretur patronus, et ut Ap. Claudium narrant cum
clientibus considentem in agro Romano Claudiam tribum constituisse, ita hie
quoque clientes Furiae domus iidem sunt tribules nee recte bis opponuntur.
***) [Von Madvig a. a. 0. S. 147 gebilligt.]
j^44 T. Livii ab Urbe coudita Hb, III— VI.
Y 39, 12 p. 97, 53 si arx .... super fuisset, facilem iacturam esse
seniorum . . . turhae. Quod num praeferendum sit vulgatae lectioni
superfuerit, videant grammatici.*)
Y 40, 8 p. 99, 16 cetera inter eos onere partito feruntur via quae
cet. Sic libri, nisi quod quod pro eos Yeronensis es, reliqui se;
editiones hoc retinentes feruntur mutarunt in ferunt. Patet hoc
loco vetustam corruptelam servatam esse in Yeronensi imperfecte
emendatam in diasceuasi Nicomachiana. Item paulo post [§ 9] recte
opinor de plehe homo legitur in Veronensi omisso quod addunt alii
Bomana.
Y 40, 10 p. 99, 29 religiosum rafus, quod restituit Yaassenus pro-
bavitque Weissenbomius , iam tuetur Yeronensis liber, nam reliqui
inreligiosum Christiane magis quam Latine.
Y 4], 1 p. 99, 41 turba seniorum domos regressi adventum hostium
.... expectabat Yeronensis, regressa .... expectahat reliqui, quod
facile oriri potuit ex emendatione.
Y 41, 3 p. 99, 55 M. Folio pontifice maximo Yeronensis adstipulante
quadamtenus Mediceo libro, in quo est m. fiUo; contra M. Fäbio
reliqui omnes adstipulante Plutarcho Camill. 21 e^r}yov fxevov 0aßiov
Tov oLQxieQeo)?. Nullus dubito, quin hoc quoque loco gentis patriciae,
sed parum notae Fosliae sive Foliae nomen male abierit in vulgatum
et in narratione maxime Gallicae obsidionis celebratum Fabiorum,
neque ex consensu deteriorum librorum Livii et compilatoris Graeci
203 quicquam efficitur praeter erroris proclivitatem. Intellegitur opinor
M. Folius tr. mil. a. 321. Cf. quae dixi röm. Forsch. 1, 114.
Y 43, 4 p. 101, 3 per eos ipsos dies Yeronensis, quod praeceperat
Gronovius; a libris reliquis ab est eos.
Y 44, 1 p. 101, 3 Ardeates . . veter es amici, novi etiam cives mei,
guando et vestrum heneficium ita tulit et fortuna hoc egit mea. Id
quod est hoc egit ferri non posse intellexit Madvigius, commendans
pro 80 coegit: in Yeronensi tamen nee hoc fuit neque illud, sed
verbum aliquod, cuius ultima syllaba plena esset it, puto voluit.**)
Y 44, 7 p. 102, 36 prima vigilia capite arma frequentesque me
sequimini Yeronensis probantibus Zumptio p. 29 et Madvigio in ed.
vol. II p. lY; que abest a reliquis non recte, nam frequentia aptius
ad sequendum refertur quam ad armandum.
Y 45, 3 p. 103, 12 excursione ab oppidanis facta Yeronensis, in-
cursione ab oppidanis in palatos facta Mcomachiani ; utrum praeferas,
*) [super fuerit die neueren Herausgeber.]
**) [eguit Walker.]
T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI. 145
ambigi potest, quamquam illud malim, cum incursionis vocabulum
mox redeat apud Livium.
Y 45, 4 p. 1 03, 45 plenique praedae Veios etam frraesidiumque,
spem idtimam Romani nominis, in animo hdbuerint opptignare. Yero-
nensis et cum omittit ante spem, verum videtur servasse; nam clarius
ita separantur urbs militesque qui oppugnarentur ab iis quae addit
auctor ad eius oppugnationis momentum declarandum.
Y 46, 2 p. 104, 17 Gahino cinctu sacra manibiis gerens Yeronensis
ut debuit esse ediditque Madvigius; cinctus reliqui.
Y 50, 2 p. 106, 36 senatiis considtum facii, fana omnia, quoad ea
hosiis possedisset, resütuerentur expiarenturque. Sic haec videntur
constituenda. Nam quod quamquam habent libri omnes, tamen rei
contrarium est; Capitolina enim fana Galli non invaserunt. Deinde
terminarentur quod inserunt secundi ordinis libri post restituerenfur,
crediderim referendum inter interpolationes Nicomachianas; nam
proprie terminatio pertinet ad fani institutionem potius quam ad
restitutionem. et ut admittas terminare etiam eum qui terminos
oblitteratos incendio vel vetustate restituit, tamen einsmodi terminos
yix crediderim intra pomerium stetisse.
Y 50, 5 p. 107, 5 in nova via Aio Locutio legendum esse dudum
iiitellectum est, cum in libris ex secundo genere optimis uia aio
abierit in ia uel tin; diversa corruptela Yeronensis in noua uia aut 204
alio loco. Similiter c. 52, ii pro Aio Locutio libri vulgares legunt
aUocutio (Leid.) vel locutio (Med. Par.), Yeronensis autem apatu-
locutio.
Y 50, 6 p. 107, u cum quo referri oporteret confusa memoria
esset Yeronensis; in qtiae (templa) quod habent reliqui pro quo^
videtur ortum ex interpretatione.
Y 51, 3 p. 108, 12 cum victorious GaUis .... Capitolium tamen
atque arcetn diique et homines Romani tenuerini et Jiabif averint, vie-
tcribus Romanis . . . arx quoque et Capitolium deseretur et plus
vastitatis huic urhi secunda nostra fortuna faciet et quae sequuntur.
Supplet Yeronensis quam recte desideraverunt viri docti et copulam
ante habitaverint, quod vocabulum qui delent, \'ideant ne aceurate
opposita sibi pessumdent, nempe tenendi deserendique vocabula et
hubitandi vastitatisque faciendae.
Y 52, 12 p. 109, 23 si una cum GaUis urbem Romanam relicturi
fvimus, si non voluntate mansimus in Capitolio . . . sed ab hostihus
mettc retenti sumus. Quae Yeronensis libri scriptura magis placet
quam quod pro sed est in reliquis s?, nam duo enuntiata extrema
particulatim sibi respondent.
KOIOCSEK, SCHB. TII. 10
1
146 T. Livii ab ürbe condita Hb. III— VI.
V 52, 13 p. 109, 33 una illa sedes est, ex qua eas nihil umquam
praetcrquam urhs capta movit. Lectioni huic deteriorum librorum
nunc suffragatur antiquissimus omnium : pro eos Leidensis similesque
habent fas^ omittunt id Mediceus et Parisinus.
V 53, 3 p. 110, 31 etiamsi tum migrandum fuisset incolumi urhe,
nunc has ruinas relinquendas non censerem. Libri praeter Veronensem
incolumi tota urhe: at in eiusmodi admonitione excipere arcem urbis
non exustam interpolatoris magis est quam Livii.
V 55, 1 p. 111, 1 movisse Camillus . . . oratione . . . dicitur
Veronensis omisso vocabulo eos, quod inventum in libris aliis post
movisse non habere, quo recte referatur, dudum Madvigius monuerat.
Delevit Weissenbornius ex auctoritate libri Yeronensis eodemque
iam inclinat Madvigius (cf. ed. vol. II p. lY [, em. Liv. ^ S. 153]).
VI 1,8 p. 113, 32 is tribunos militum proconsulari potestate creat
cum et in Veronensi sit et in Leidensi, ab auctoritate magis defenditur
quam quod est in Mediceo Parisinoque consulari potestate emendationem
referens. Proprio magis consularem potestatem tribunis tribui quam
205 proconsularem etsi nemo ignorat, tarnen hoc nee re falsum est neque
alienum ab sermone Liviano (cf. V, 2, 9, item lY, 7, 7 41, 10).
VI 1, 10 p. 113, 44 foedera ac leges .... conquiri quae non com-
parerent iusserunt. Sic Veronensis simplicius certe quam quod pro-
ponunt editiones quae comparerent factum ex lectione librorum
Nicomachianorum quae compararent.
VI 2, 6. 7 p. 114, 58 iustitio indicto dilectum iuniorum habuit, ita
ut senior es quoque centuriaret, et exercitum .... trifariam
divisit. Copulam supplevit Veronensis.
VI 2, 14 p. 116, 7 Victor ex Volscis in Aequos transiit. Quod
addunt libri praeter Veronensem et ipsos bellum molientes haud scio
an adiecerit corrector, offensus eo quod antea Livius locutus est de
motu solorum Volscorum.*)
VI 3, 8 p. 117, 29 ni praecones . . . parci inermibus iussissent nee
praeter armatos quemquam violari. Inermibus Veronensis, inermi
reliqui.
VI 6, 7 p. 119, 20 sibi destinatum id animo esse, quod videtur
esse in Veronensi, Liviano sermoni convenit (cf. IX, 16, 19. XXVIII
24, 3); destinatum in animo esse, quod habent reliqui, num ferri
possit dubito.**)
*) [Die neueren Herausgeber belassen die Worte im Text.]
**) [Vgl. E. Wölfflin im krit. Anh. zu XXI 44, 9 seiner erklärenden Aus-
gabe, 4. Aufl., Leipz. 1891.]
T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI. 147
YI 6, 8 p. 119, 37 tarn honoratorum coUegarum ohsequio. Lectio
haec hodie recepta vera videtur, cum in Veronensi sit honorato, in
reliquis bonis libris hon&rafum*)
VI 6, 13 p. 120, 3 te, Q. Sermli, altero exercitu . ... ad urbem
castra habere. Ubi ad urbem Yeronensis, in urbe scribunt reliqui,
quod quam sit molestum vel potius ineptum, per se quins intellegit
Sed eiusmodi mendum quis tollere ausus esset sine exemplo?
YI 6, u p, 120, 20 quaeque alia belli tempora poscent Yeronensis,
sicut scribi iusserunt Reizius et Madvigius; beUi alia [atia ML]
reliqui Codices.**)
T. Livii ab Urbe condita lib. XCI
quae supersunt in codice Vaticano Palatino.
Livianorum annalium libri XCI reliquias servatas in codice 207
Yaticano Palatino n. 24, editas autem post Paulum lacobum Bnms
(fragmentum ex lib. XCI historianim T. Livi. Hamburgi 1773. fol.)
et Yitum Mariam Giovenazzium (Romae 1 773. rep. cm*ante Emestio
eodem anno Lipsiae 8.) codice recognito a Niebuhrio (M. Tullii
Ciceronis orationum pro Fonteio et Rabirio fragmenta cet. Romae
IS20 p. 85 — 97) cum propter summam utriusque libri similitudinem
huius Yeronensiura schedarum exempli non inutilem accessionem
fore intellexissem , petii ab amico Romae forte degente Paulo
Kniegero iure consulto, quem eiusmodi negotio perficiendo et parem
esse noram et paratum, ut libnim excuteret tertium exemplumque
pararet huiuscemodi editioni aptum. Quod ille libenter receptum
impigre perfecit, non medicamentorum usu adiutus, a quo nescio
quam ob causam intercluduntur plane qui Yaticanam bibliothecam
explorant, sed oculorum acie intenta meisque de singulis locis quae-
stionibus et temptamentis, ut solet in eiusmodi negotio divinatio
lectionem non tam subsequi quam praevertere. Ita quae eruimus,
hi-3 proponuntur adiecta lectione priorum ^ eatenus, quatenus utilitatem
*) \hoiwraio entspricht dem Uvianischen Sprachgebrauch, vgl. Madvig,
a. J. 0. S. 155.]
**) [Es folgen auf S. 206 'Emendanda et Addenda', die, soweit sie die oben
ab;»edruckten Teile betreffen, dort verwertet sind, dann auf S. 207 — 215 eine
Ausgabe des großen Fragments des 91. Buches ; hiervon sind im folgenden nur
die Prolegomena aufgenommen worden, die Ausgabe selbst ist von Weissenbom
und H. J. Müller (T. Livii libri, XI*, Berlin 1880, S. 162 ff.) verwertet worden.]
l) H est editio Hamburgensis, B Romana Giovenazzii, ^ Niebuhriana,
K coUatio Kruegeriana.
10*
I
J48 T. Livii ab Urbe condita lib. XCI.
habere visa est, scilicet ut quid praestiterimus hac iterata recognitione,
facilius et certius deprehendatur.
Codicum Palatini et Veronensis summa similitudo cum appareat,
tarnen non ea est, ut cogitare possis de reliquiis utrisque ad idem
integri corporis Liviani exemplum revocandis. Nam differunt inter
alia litterae in principio eminentes eo, quod in Veronensi singularum
208 paginarum prima quaeque littera eminet, in Palatino in tribus chartis
ex quattuor tantummodo prioris paginae littera prima. Deinde in
vocabulis dirimendis cum in Veronensi deprehenderimus ins\pexisse,
ins\truxisse (v. p. 164 [108]), in Palatino est 1, 55/6 ins\pectis, 2, 4/5
in\struxit. Orthographia cum in Palatino in Universum aut eadem sit
aut pauUo emendatior, tamen semper ibi scribitur Ponpeius 2, 56. 5».
3, 17. 44. Denique etiam formae litterarum differunt, quae in Palatino
quadrata est etiam in litteris D et E ^ ; item lineolae quae vices
facit litterae M vel N punctum suppositum etsi non expressimus nisi
ubi vel hodie certo apparet, tamen olim ubivis (excepto uno loco 2, 13)
fuisse videri Kruegerus adnotavit. Simile punctum cernitur etiam in
Gaio Yeronensi et in digestis Florentinis.
1) Specimina quae dicuntur scripturae Livianae adiecta in editionibus
Romana a. 1773 et inde repetita Lipsiensi cum a Livianis intellexissem aliena
esse, interrogatus de ea re Kruegerus rescripsit pertinere ad scripturam posteriorem
codicis ita, ut ordo is qui incipit cumas legatur f. 78', alter incipiens addec
f. 75'. Haec igitur addent qui volent collectaneis de incredibilibus philologorum.
— Contra Niebuhrianum scriptm-ae speeimen in Universum probum est et fidum.
XVI.
Analecta Liviana
Ediderunt
^, Th. Mommsen et G. Studemund.*)
I. Codicum Livii quattuor antiquissimorum
exemplaria photolithographica.
I. Quattuor abhinc annis cum in actis maioribus Academiae l
Berolinensis (a. 1668 p. 29— 216) [s. oben S. 96 ff.] annalium Livia-
norum libri III — YI quae in codice rescripto Veronensi supersunt
fragmenta a me descripta ederem, scripturae specimen nullum addidi:
illo enim tempore eo carebam neque donec pararetur librum retinere
volui. lam vero postquam optimi viri mihique amicissimi Caroli
Giuliani ecclesiae cathedralis A^eronensis canonici et bibliothecarii
saepe ante a me laudata liberalitas et munificentia intercedente
Studemundio hoc quoque mihi concessit, ut exemplum photographicmn
paginae codicis eins fieret, id supplementi loco cum iis communicare
placuit, quorum haec intersunt, quam quam ductus in ipso codice
admodum evanidi in hoc exemplo parum apparent Selegi quae
leguntur in codicis folio ut nunc numerantur 278 recto, cui adhaeret
pars folii 279 versi: quae folia respondent Livianis in eo codice
superstitibus 38. 39, editionis meae p. 70. 71 continentque quae in
editionibus nostris leguntur 1. 3 c. 64, 5 ad c. 65, 4. Tabulam (I)
inspicienti ut item apographum praesto esset, subiecimus tres ad
quas pervenit scripturae ordines; medii tarnen latentis sub recenti
scriptura in tabula vestigia nulla fere comparent et reliqua quoque
aegre admodum in ea leguntur.**)
*) [Lipsiae. Apud S. Hirzel 1873. Die von Stndemxmd verfaßten Abschnitte
werden hier nicht wiederholt.]
**) [Die Facsimiles dieser und der bei IL 111. IV genannten Bss. sowie
das im Text erwähnte apographum sind hier nicht wieder abgedruckt worden,
ebensowenig die bei II genannten Subscriptionen.]
150 Analecta Liviana.
3 Hac occasione oblata visum est etiam reliquorum triiim librorum
Livianomm qui hodie extant litteris quadratis exarati scripturam
repraesentare, scilicet tertiae decadis libri Parisini 5730 olim Puteani,
quintae decadis libri Vindobonensis, denique libri XCVII palimpsesti
Vaticani; nam palirapsestus Taurinensis, de quo in hisce Analectis
exposuit Studemundius , tarn male habitus est, ut de eiusmodi imi-
tatione desperandum sit. De singulis tabulis pauca addam.
11. Puteani libri dedimus locum ex libro XXI c. 21, 6 — 13.
Addo quae Paulus Kmeger, quo curam agente photographia sumpta
est, simul de eius libri scripturae proprietate a me rogatus adnotavit
neque m et n litteras lineola repraesentari neque litteras contignari
nisi in versu extreme, item in syllabis dividendis scriptorem eandem
in summa re legem secutum esse de qua exposui Veronensem
enarrans: exempli causa verba sie diremit: fac\ta^ pac\tis^ profec\tus
— ag\mine — mag\no — cap\ta — his\paniam — ip\se, sump\sit —
ades\tis^ Jios\ti, ves\tra. Idem Kruegerus observavit singulis libris
emendatorem subscripsisse aut recognohi Ahellini (1. 21. 24. 25) aut
recognohi uhis (1. 23) aut recognohi uos (1. 22) aut recognohi (1. 26—30),
quarum subscriptionum hie subiecimus quinque priores [....]
Libri XXIII subscriptio diversam manum prodit, reliquae ab eadem
sunt, quae item passim in ipso libro cernitur. Legit illam Hauptius
sie: recognohi uhi s(upra), simile quiddam item latere opinatus in
subscriptione libri XXII.
III. Vindobonensis libri repraesentaviraus et eam paginam,
quae complectitur principium 1. XLY, et voluminis extremam. Hanc
cum conferrem cum editionibus, aliquot eleraenta in ea apparuerunt
in editionibus aut praetermissa aut non recte relata. Sic enim ad
ectypum legi:
4 ciRCÄURBen . xxxAUTAnpUusbiesi^
ReGNunesTPROFecTUSACTunquei^
äsiäB e llun////feR////////7///NeTG AÜos
IHblllllll
TTfl llül
AtuRBeCONblTA
iste codex est theutberti epi de dorostat.
ITb xTu exp
INC liB /////FellCITeR
Analecta Liviana. 151
Plerique qui librum contulenmt cum finiant in vocabulo actum-
qtie, verba in Asia bellum agnovit Kopitarius, confirmantque ea et
ectypum et amici Conzius et Hartelius, qui mea causa codicem
identidem inspexerunt. Post hiatuni tredecim fere litterarum , in
quo literarum T 6 R vestigia quaedam parum certa Conzius agnovit,
de iis quae sequuntur NeTGÄlloS | INÖ mihi ectypo inspecto
dubitatio nulla remansit, amici in ipso codice legerunt alter
nONeTGAlloS I IN, alter URei (vel T) // loS | INÖ///.
In fine quot litterae desint, non apparet, sed versus qui incipit I N b
videtur fuisse huius libri extremus cuiusque pars posterior scripta
non esset. Hartelio tarnen paenultimus magis fuisse videtui*, ut qui
sequebatur totus evanuerit. — Yidetur igitur Livius librum finivisse
verbis bis fere : acfumque in Asia bellum [in\ter [Eumene]n et Gallos
■'md[e coepit]. Locutionis bellum agere exempla composuit Nipperdeius
spicil. crit. in Nepotem p. 69. Ad rem quod attinet, de origine
belli inter Eumenen regem et Galatas gesti Polybius exposuit ad
Ol. 153, 1 = a. u. c. 5S7, quo pertinent ex reliquiis eius 1. 30, l — 3,
ex Livianis 45, 20, 1. Idem anno sequente Ol. 153, 2 = a. u. c. 5SS
postquam de regis Prusiae in urbem adventu ea rettulit, quae
respondent Livianis 1. 45 extremi, quamquam hie eum adventum
ad annum 587 enarrat, mox (30, 20 [17], 12) mentionem i^ACit [xeydXov
V71Ö rcbv rakaxcöv emxQsjuafievov xivdvvov t/; ßaodeiq. Bellum autem
illud Eumenes non cum Gallis solis gessit, sed quodammodo etiam
cum rege Prusia; certe a. 590 legati Prusiae regis questi sunt de
Eumene, quod fines suos popularetur neque Gallos lacessere desineret
(Liv. ep. 46; Polyb. 31, 6), itemque a. 591 Gallos adversus Eumenen
concitasse dicitur (Polyb. 31, 9). simiUterque a. 594 Prusiae regis
legati cum Gallis Romam veniunt ad accusandum Eumenen (Polyb. 5
32, 3, 1. c. 5, 5). Anno denique 603 Attalus rex Eumenis successor
palam bellum gerit cum rege Prusia (Polyb. 3, 5, 2). Prusias igitur,
etsi postea demum ipse contra Pergamenos arma movit, Galatarum
causam ab ipsa inde eorum defectione ita amplexus esfc, ut reditus
eius in regnum inter proximas causas belli Galatici recte omnino
referatur nee sine idonea ratione utrumque Livius coniunxerit.
Praeterea subscriptio postea adiecta a hbri domino adhuc nee
pleno lecta est nee recte. Yahlenus enim inde non agnovit nisi
tixtrema de dorestaf., Endlicherus (catal. codd. phil. Lat. bibl. Pal.
Yind. p. 49 seq.) quique Madvigii causa librum recognovit sutberti
(pi de dorostat; unde Endlicherus collegit scripsisse haec sanctum
Buithbertum monachonim Scotorum unum ex Hibernia in Germaniam
^52 Analecta Liviana.
saeculo YII translatorum christianaeque fidei apud Frisios primum
apostolum, quem Dorostadii per biennium praedicasse vita eius
tradit. At eam vitam commenticiam esse constat et alia quoque
opponi possent, si operae pretium esset in coniecturis morari,
quarum fundamentum nullum est. In photographia enim, in qua
litterae aetate obscuratae clarius fortasse quam in ipso codice cer-
nuntur, et ego vidi videruntque Jaffeus et Hauptius scripta esse
litteris saeculi circiter octavi haec: iste codex est Theutherti epi de
Dorostat. De ea subscriptione Jaffeus mens paucis diebus antequam
litteris amicisque eriperetur in epistula, quae omnium ab eo ad me
datarum postrema fuit, monuit Dorostati, id est Wyk hy Duurstede
ad fluvium Leck, episcopum nullo tempore sedem habuisse videri,
at Ultraiectum in diplomate Caroli magni a. 777*) appellari 'Traiectum
vetus subtus Dorestado' itaque Theutbertum illum probabiliter quae-
rendum esse in laterculo episcoporum Ultraiectinorum. Reperiri
autem ibi sub finem saeculi YIII, ab a. fere 785 ad 791, episcopum
dictum Theodardum, pro quo nomine sibi videri restituendum esse
ex codicis subscriptione Theutbertum. Muellenhoffius praeterea ad-
monuit me presbyteri cuiusdam scholae Ultraiectinae nomine Thiatbrat
saeculi octavi commemorati apud Altfridum in vita S. Liudgeri c. 15
(mon. Germ. 2, 409). Promiserat Jaffeus in Analectis bis, quae eo
tempore parabam, de universa quaestione, quam subscriptio codicis
suscitat, se diligenter disputaturum ; sed promissis quominus staret,
infelix fatum prohibuit, estoque hoc quoque desiderium inter tot
alia, quae carum caput illud amicis reliquit.**)
IV. Libri denique palimpsesti Vaticani Palatini n. 24, qui annalis
Liviani XCI partem servavit post alios a me editam ad calcem
codicis Veronensis p. 207 seq. [s. o. S. 147**], adieci exemplum
photolithographicum paginae ex quattuor quae supersunt tertiae
superioris (p. 211 ed. meae) factum ad photographicum , quod ut
mea causa fieret, eius bibliothecae praefecti benigne permiserunt.***)
*) [Mon. Germ., Dipl. Carol. 1, 164, 12.]
**) [Die Subscription ist seitdem genau behandelt worden von M. Gitlbauer,
De codice Liviano vetustissimo Vindobonensi, Vindob. 1876, S. 2—21, und von
W. van Hooff in den Analecta Bollandiana VI , Paris-Brüssel 1887, S. 73— 76.
Vgl. auch L. Traube, Paläograph. Forsch. IV, München 1904, S. 17. Das Problem
ist noch nicht endgültig gelöst.]
***) [Es folgt S. 6-31: II.
De Livii palimpsesto Taurinensi
von Studemund.]
Analecta Liviana. 153
ni. Codicum octoginta duorum Livianorum
decadis tertiae specimen.
Postquam Heerwagenus edita 'commentatione critica de T. Livii 32
26, 41, IS — 44, r (Norimbergae 1S69. 4) demonstravit tertiae decadis
crisin pendere a duobus libris auctoritatis aut paris aut supparis
Puteano et Spirensi confirmaruntque eam demonstrationem et Carolus
Halmius folio uno libri deperditi Spirensis felici casu recuperato
(v. acta minora academiae Monacensis a. 1869 p. 580 — 5S4) et
GuÜelmus Studemund reliquiis librorum XXYII et XXIX in lucem
prolatis (supra p. 6 — 31) ex codice palimpsesto Taurinensi quibusdam
locis cum Spirensi contra Puteanum consentiente , operae pretium
Visum est reliquorum eius decadis codicum examine instituto peri-
culum facere, quatenus eorum ope libri Spirensis iactura resarciri
possit. Xeque enim Spirensis libri notitia tota comprehenditur folio
illo uno hodie adservato in bibliotheca Monacensi, quod pervenit
a 28, 39, 16 ita videtur ad 28, 41, 12 quid perictdi, iisque quae ex
eo enotavit qui post renatas litteras unus eum adhibuit Beatus
Rhenanus a fine libri XXYI ad principium 1. XXX (plura enim
Rhenanus certe in eo non repperit). Immo etiam vulgati libri
quidam ea ipsa additamenta easque ipsas lectiones exhibent, quae
Spirensi propria sunt, restatque indagandimi, quinam ii libri sint et
quaenam eorum cum Spirensi coniimctio, a qua indagatione nemo
est quin videat crisin decadis tertiae iam vel maxime pendere.
Selegi igitur locos duos maiores, 27, 33, 5 P. Sulpicius — c. 34, 14
taliaque argiienteni et 28, 39, 16 — c. 41, 12 eum, quem ex Spirensi 33
modo dixi superesse, item minores aliquot 26, 41, 18 — 26, 48, 7 —
27. 20. 9 — 28. 13, 10 — 29, 6, 5 — 29, 28, 8 peculiaribus Spirensis
lectionibus insignes, eosque ad eos Codices, quorum mihi copia
fieret, recognovi. Contuli ipse Berolinensem n. 8 et Lugdunensem
n. 12; contulerunt mea causa Parisinos (P et n. 1 — 7) Carolus Morel,
Monacenses (S et n. 9. 10) et Bambergensem (n. 9) Carolus Halm,
Xorimbergensem (n. 11) Henr. Gul. Heerwagen. Guelferbytanos
(n. 13. 14) Otto ab Heinemann bibliothecarius, Dresdensem (n. 15)
Schnorr a Carolsfeld item bibliothecarius, Yindobonenses (n. 16 — 21)
Gulielmus Hartel, Oxonienses (n. 22 — 25) Maximilianus Mueller,
Cantabrigiensem (n. 26) Henricus Bradshaw, Londinienses (n. 27 — 33)
Gulielmus Wright. Yenetos (n. 34. 35) Edmundus Hedicke, Floren-
tiaos (n, 36 — 51) et Senensem (n. 52) Aeneas Piccolomini, Neapoli-
tanos (n. 53. 54) Gulielmus Corssen, Romanos (n. 55 — 73) alios
154 Analecta Liviana.
Rud. Scholl, alios lustus Jeep, Lipsiensem (n. 74) Rudolfus Hirzel,
Augustanum (n. 75) Fr. Mezger, Matritenses (n. 76 — 81) Aurelianus
Ferdinandus Guerra, Sangaliensem (n. 82) Henricus Reimer. In
bibliothecis Taurinensi Ambrosiana Angelicana aliisque pluribus
amici de ea re interrogati huius generis Codices extare negaverunt.
Ulis viris optimis eruditisque, qui mea causa libros inspexerunt, et
ego ex intimo corde gratias ago et agent opinor quicumque bis
utentur; nam ut hasce copias non mihi paravi, sed Liviani operis
recognitoribus futuris, ita et ipsae non tarn meae sunt quam ami-
corum, neque aliam praedicationem eo nomine appeto nisi fortasse
felicitatis, quod amici mihi sunt tam in patria quam apud exteros
plurimi et praestantissimi.
Yaria lectio haec ad orthographica non respicit exceptis duobus
libris primariis Puteano et Spirensi.*)
69 Haec trado iis, qui Livium aliquando ita recognoscent, ut
recognoscatur oportet auctor historiae Romanae inter Latinos longe
Primarius, sed nihilominus ut ingenio cum aliorum tum Madvigii
praeclare expurgatus, ita in decade certe tertia adhuc iusto apparatu
destitutus. Erit spero inter gnavos adulescentes , qui saepe hodie
quid agant pro bono communi circumspiciunt et a magistris ex-
quirunt, qui hoc specimine incitatus ad ipsum negotium sese ac-
cingat.**) Equidem opitulari volui crisi Livianae, non in ea facienda,
quae meae vires sunt, ipse operam collocare. Nihilominus pauca
adiciam, quo quid his copiis profectum esse videatur aliquatenus
certe appareat.
Medio aevo qui Livii decadem tertiam descripserunt, pependerunt
omnes a codicibus duobus, Puteano et Spirensi ^, quorum ille dudum
*) [Der nun folgende 'conspectus librorum' und deren varia lectio (S. 34 — 68)
sind hier nicht wieder abgedruckt worden.]
**) [Die Aufgabe löste, Mommsens hier gegebenen Anregungen folgend,
A. Luchs, Livi libri XXVI— XXX, Berol. 1879. Infolge genauerer Collation der
Hss., als sie Mommsen zu Gebote stand, sind dort zwei Einzelheiten corrigiert
worden; da aber nach Luchs' eignem Zeugnis p. IUI Mommsens Scharfblick
den richtigen Weg gewiesen hat, so schien es wünschenswert, auch die folgende
Darlegung zum Abdruck zu bringen.]
1) Sane fieri potest, ut quae iam indicabuntur cum Spirensi conspirantia
non ex ipso venerint omnia, sed ex libro aut archetypo eins aut gemello. Sed
pro ea quae adhuc est librorum Livianorum notitia hodie otiosum est talibus
immorari.
Analecta Liviana. 155
ante quam hie innotuit. Discedunt igitur libri reliqui in summa re
in duo genera, descriptorum ex solo Puteano eiusve exeraplaribus
et eorum. qui plus minus traxenmt ex Spirensi. Illud autem genus
ipsum bipertitum est exemplarium sincerorum et interpolatorum.
Ad illud pertinent libri antiquissimi quique, imprimis n. 66 Yati-
canus Reginae n. 762 saec. IX; n. 9 = Bambergensis et n. 36 Lau-
rentianus uterque saec. XI; n. 1 = Parisinus saec. Xu, omnino
quotquot superant saeculum XIII. Huius tamquam mala nota est
insignis interpolatio loci in Puteano hiantis 26, 41, 18, quae vocabulum
arniaverat expulit et futili additamento hiatum celavit. Haec omnia
missa facimus: neque enim utilitatem uUam habent praeterquam
quod apographa illa antiquissima eam partem Puteani explent, quae
antiquis descriptoribus praesto erat, hodie vero desideratur. Xobis
videndum est de Spirensi et hoc aliquatenus certe demonstrandum,
quibus modis ex codicibus deterioribus Spirensis lectio, ubi neque
ipse superest neque Rhenani de eo testimonium suppetit, einii possit.
Qua de re haec potissimum tenenda sunt.
1. XuUus liber extat aut certe inter adhuc examinatos nullus
repertus est, qui Spirensem librum accurate et plene reddat. Exempli
causa 26, 48, 7 lectio Spirensis libri que tectus classis corrupta ea,
sed ut a vero praefectus classis propius absit quam Puteani lectio
que classis, in nostrorum librorum nuUo comparuit. Itaque quos
mox videbimus Spirensem librum aut contulisse aut descripsisse,
conferentes non adnotavei-unt quae inutilia sibi viderentur, describentes 70
autem cum alterum exemplum vulgare item praesto haberent, in
locis vitiatis passim hoc praetulerunt.
2. In margine codicis Laurentiani LXYIII, 21 saec. XTTT, nobis
n. 37 quae leguntur, profecta sunt ex codice Spirensi. Exempli
causa 28, 41, 8 cum pro vero accingeris Puteani in Spirensi sit haec
ingeris^ id ipsum adscriptum est ad cod. 37, neque eins lectionis
vestigia praeterea reperiuntur in nostris nisi in tribus libris 55 sive
Yaticano 1S47 saec. XIII, 48 sive Laurentiano LXXXIX inf. 3^
saec. XY, 63 sive Palatino 876 saec. XY.*) Ex hisce Yaticanus
cum a prima manu habeat hec ingeris accingeris, aperte fluxit ex
libro Laurentiani simillimo, cuius et primariam et secundariam
lectionem Yaticani scriptor coniunxerit: id quod alibi quoque in eo
codice factum est, ut in loco de quo statim dicemus 28, 40, 9.
Solam Spirensem, licet corruptam habent duo libri reliqui 48 (hoc
*) [Über die letztere Hs. handelt , an Mommsen anknüpfend , H. Nohl im
Hermes 3, 187-5, S. 243 ff.]
J56 Analecta Liviana.
ingeris) et 63 (ingeris). Similiter in loco 28, 13, 10 ipsam corruptelam
praelio quod, quam ex Spirensi enotavit Rhenanus, ex nostris tres
tantum libri proponiint, nempe iidem duo 48 et 63 et praeterea
n. 65 sive Urbinas 424 a manu prima, PauUo mutata, nempe prelio
quo, legitur in libris duobus supra dictis n. 37 in margine et n. 55,
interpolata in prelio equo in aliis novem (5. 13. 17, 20, 24. 41. 57.
68. 78), Quae cum ita sint, ante omnia necessaria erit secundariarum
codicis Laurentiani lectionum plena et accurata enotatio; praeterea
autem Yaticano quoque libro collato opus erit, Nam non ex ipso
Laurentiano eum descriptum esse inde colligitur , quod non raro
Spirensia habet in ea margine aut non reperta aut aliter tradita.
Ita 28, 41, 1 cognoscere, quod errore legitur in Spirensi pro ignoscere,
adest in Yaticano a manu prima, cum non sit in margine Laurentiani;
item paullo post verba in Spirensi solo servata bono publico praeponam
recte habet Vaticanus, perponam errore scribit Laurentianus. Etiam
libri duo 48 et 63 quamquam pro Spirensi lectione passim Puteanam
habent vel ex Puteana immutatam, hie etiam inter hunc et sequentem
ordinem nescio quomodo medius stat, fortasse cum aliquo fructu
excutientur. Contra novem illi libri, quos vidimus consentire in
lectione interpolata prelio equo, cum longius absint a communi origine,
tuto praetermitti poterunt, cum praesertim etiam aliis locis iidem
fere libri consentiant in lectione ex Puteana et Spirensi contaminata.
Sic 28, 40, 2 aliter id fieri P, id aliter finiri S, aliter id finiri et 48.
55 et 5. 17. 20. 41. 57, 65, 68, 78, Item 28, 40, 9 et mea ratio
P. 37*, aemulatio S. 37'', uel emulacio et mea ratio 55", uel emulatio
5, 13, 17, 20. 41, 55^ 57, 68. Tam hos autem quam praedictos
(37^, 48. 55, 63) inter eos, quibus omnino affinitas est cum Spirensi,
propriam familiam efficere cum alia argumenta sunt tum maxime
quod excepto uno libro infimae aetatis 41 additamento insigni, quod
ad 26, 41, 18 suppeditat liber Spirensis, hi omnes destituuntur eoque
tamquam vinculo arte inter se copulantur, Descendunt opinor haec
antiquae scripturae testimonia ex Spirensis libri relectione instituta
non ante saeculum XIII ita, ut magnum illud additamentum cum
margo non reciperet, aut omitteretur aut seorsum perscriptum postea
periret, Laurentiano adscripta varia lectio num universa Spirensi
accepto ferenda sit, ab ulteriore examine pendebit; in specimine
quod mihi praesto est diversae originis indicia non repperi,
3, Quod si reliquos libros examinamus cum Spirensi aliqua
ratione coniunctos, qui sunt fere magnum illud additamentum habentes
numero quinque et viginti, sed ut ad sex eorum id manus secunda
demum adiecerit, statim intellegitur , id quod consentaneum est.
Analecta Liviana.
157
utriusque familiae lectionum contaminationem per gradus crevisse
et cum nullus über extet a leetionibus Puteani immunis, alios per-
pauca ex Spirensi traxisse, alios plura, alios denique ita comparatos
esse, ut multo saepius cum Spirensi quam cum Puteano faciant et
quidquid ad illius notitiam ex hoc quidem librorum genere colligi
possit, exemplaribus non ita multis contineatur, quibus determinatis
reliqua recte omittentur. lam ut intellegatur hi libri quinam sint,
selectis leetionibus quibusdam libri Spirensis minus vulgaribus Codices
adscripsi, in quibus praeterea invenirentur. Adscripsi item potiorum
ordinis prioris librorum (scilicet 37''. 48. 55. 63) numeros, ut utraque
familia quatenus Spirensis proprietatem repraesentet ex hoc indice
quatenus pervenit uno obtutu comprehendatur. Asteriscum ubi adieci,
codex is de quo agitur lectionem Spirensem habet paullum immu-
tatam.
9 r
nagis P, astu 19
magis S
*25
27b 28
32 34
*43
*47
50
5 l
). P, procos. S
27b
32 34
43
47
50
4 c
•areret P, caruerit S
28
32
43
47
50
18 B
ilia eis P, alii aliis S
25
28
*32 34
43
47
*50
19,
Draeberi P, prae-
bere S
28
34
43
50 57
» c
ena P, dece S,
decem:
28
34
43
47
50
i^ '
;sse P, om. S
28
32 34
43
47
50
12 .
iliter id fieri P, id
aliter finiri S
28
32 34
43
47
50
tnsportaret P,
25
28 29b 34
43
47
50
transportassetetS
4
jerta iam P, iam
certa S
28
32 34
43
47
io\
ipud populum P,
ad populum S
32 34
43
47
50
13
am uiuendo non P,
uidendo iam non S
34
58
W
Darta P, parata S
28*29» 34
43
47
50
1
gnoscere P, cog-
noscere S
43
47
53
i y,
-em publicam P, re
25
28 29b32 34
43
47
50
imperatorum S,
rem imperatorum :
>,3
D. P, om. S
28
32 34
43
47
50
a2
nifficiamuspraeben-
dis P, prebendis
sufficiamus S
28
32 34
43
47
50
64 69 73
64
73
73
»65
65 73
74
74
73
accedunt ex
ordine prior e:
37«> 63
63
63
*48*5d 63
63
37b 48 55
37»> 48 55b
48 55» 63
48 »63
I
j^58 Analecta Liviana.
Codices igitur, qui in cognatione cum deperdito Spirensi prae reliquis
eminent, sex numero sunt hi: 28 = Londiniensis Burn. 198; 32 =
Londiniensis Harleianus 2781; 34 = Marcianus 364; 43 = Lauren-
tianus LXIII, 17; 47 Laurentianus XIX sin. 8; 50 = abbatiae
Florentinae, praecedenti simillimus. Descendere autem videntur ab
exemplari descripto ex ipso Spirensi;*) aliter enim vix explicari
poterit, qui factum sit, ut hunc potissimum sequantur non solum
ubi errat, sed etiam in vocabulorum omissione et verborum collo-
catione similibusque aliis, quae descriptorem, non recognitorem
arguunt. Denique duplicium lectionum vix ulla vestigia in bis repperi.
Sed ut qui primarium huius familiae librum exaravit ipsum Spiren-
sem descripserit, idem item adhibuerit necesse est exemplum alterum
familiae diversae. Nam ut mittam quibusdam locis Spirensem
lectionem in nullo huius ordinis libro comparere (ut in loco supra
p. 70 [155] tractato 28, 41, 8 haec ingeris nuUus eorum habet, sed omnes
cum Puteano accingeris), ipsum illud additamentum ficticium ad
73 26, 41, 18, quo interpolata Puteani exempla tamquam mala nota
distingui diximus, etiam in his libris omnibus ita adest, ut verum
additamentum ex Spirensi desumptum ficticio illi medium inseratur.
Quam ob rem huius familiae ipsum archetypum exemplar contami-
natum fuit ex Puteanae recensionis interpolatae aliquo et ex Spirensi,
sed ut Spirense describeretur, alterum hie illic inspiceretur. Exem-
plaria deinde ex hoc archetypo propagata passim immutata sunt
ita, ut alterius ordinis lectio Spirensi substitueretur ; multis enim
locis, ut supra vidimus, in aliis huius ordinis libris Puteana lectio
reperitur, in aliis remansit Spirensis. Primarius autem inter huius
familiae libros est opinor is qui et temporis ordine primus est
scriptus a. 1389 n. 34 Marcianus omnium rarissime a Spirensi re-
cedens; ita 28, 40, 13 genuinam Spirensis lectionem uidendo iam
non solus fere exhibet, cuius loco reliqui huius familiae 28. 32. 43.
47. 50 substituerunt lectionem uiuendo iam non Spirensi ad Puteanam
(iam uiuendo non) emendata. Quamquam Marcianus quoque 28, 4 1 , 1
verum ignoscere Puteani recepit, non errorem Spirensis cognoscere
servatum in libris duobus Laurentianis scriptis a. 1421 et 1455.
Praeterea is a quo hi libri originem ducunt verba non raro sua
coniectura emendavit vel interpolavit. Ita 28, 13, 10 cum in Spirensi
repperisset numqnam praelio quod insequenfis^ in exemplaribus ex
Puteano derivatis aliquotiens sequentes (om. numquam), coniectura
non infelici reposuit numquam aliquot; sie enim libri 28. 32. 34. 43.
*) [Dies ist von Luchs S. XV ff. widerlegt worden.]
Analecta Liviana. < 159
47. 50 praeter alios non paucos ex contaminatis. Item 28, 40, l
pro P. Scipioni in quattuor eonim 2S. 32. 34. 43 est P. Cornelio
Scipioni et paulo post pro finiendum in omnibus 2S. 32. 34. 43.
47. 50, item in 46 dif finiendum ^ a qnibus interpolationibus et PS
immmies simt et reliqui libri omnes. Quam ob rem etiam optimi
quique huius stirpis libri vel adeo omnes consentientes caute ad-
hibendi sunt, cum lectio huic familiae propria tam ex interpolatione
profecta esse possit quam ex codice Spirensi. Ceterum longe plenius
haec familia quam quae praecedit Spii-ensis deperditi proprietatem
repraesentet necesse est, si quidem non a recognitione eius pendet,
sed ab exemplari saeculo opinor XTV" exeunte inde sumpto.
4. Denique dicendum est de ratione quae intercedit inter ordines
duos quos posui priorem ortum ex recognitione Spirensis codicis
repraesentatum libris nostris 37 **. 48. 55. 63 et posteriorem pendentem
ex codicis Spirensis apographo passim interpolato repraesentatum
libris nostris 28. 32. 34. 43. 47. 50. Ante omnia ne quis statuat
priorem ordinem non pendere ex ipso Spirensi, sed ex exemplari
aliquo ordinis posterioris, examinatis singulis reperiet prioris ordinis
testimonia et differre magnopere ab altero et fere bis praestare.
Ita supra iam monuimus 28, 41, 8 lectionem Spirensis liaec ingeris 74
a priore ordine satis accurate servatam in posteriore nusquam reperiri;
item 28, 13, 10 optima quaeque prioris ordinis exempla corruptelam
Spirensis accurate repraesentare, posterioris ordinis libros lectionem
substituisse ex duplici tradita ingeniöse effectam. Similiter 27, 34, 1 [?]
yerba a solo Spirensi servata plena leguntur in ordinis prioris libris
quibusdam, in posterioris omnibus dimidiata. Unus autem über
singulari casu utrumque genus in se recepit, scilicet 63 = Palatinus
S76. Prioris hunc ordinis esse dubitari non potest, cum propter
lectiones tum quod additamento primario (26, 41, 18) caret: sed
tam multa recepit ex ordine posteriore priori praeterea plane ignota,
nt qui archet^'pum eius exaravit duo exemplaria ha.buisse videatur,
alterum prioris, alterum posterioris ordinis et cum illud descripsisset,
ex hoc quaedam adnotasse. Sane vel propter hanc peculiarem
libri condicionem optandum est, ut qui haec studia in se suscipiat
eum quoque licet fortasse memorabilem magis quam vere utilem
diligenter inspiciat. Liviani annales quid profecturi sint ex eiusmodi
labore certe ingenti, hodie divinari non potest; Spirensis tamen libri
l'3ctio multis locis sperandum est fore ut certa ratione recuperetur,
modo recte posuerimus praeter Rhenanum duobus testibus nos de
€0 uti recognitore et descriptore. Nam cum ipsi testes nequaquam
exceptione maiores sint, consensus eorum aliquantum ponderis habebit.
XVII.
Zu Livius.*)
304 In einer Kölner Handschrift (W der Krügerschen Ausgabe^ der
Institutiones Justinians aus dem 12. Jahrhundert findet sieh zu 2, 1, 34
folgende Glosse:
Protagenes Ätheniensis fuit, Livius (so) ab urhe condita tesfante,
qui pernimium diligehat Apellem (iusta Athenas stans am Rande
von erster (?) Hand). Apellis enim solus Alexandri faciebat
picturam.
Die Notiz beruht auf Plinius h. n. 35, 10, 81. 85, und die Verwechse-
lung seines Namens mit dem des Livius ist nicht ungewöhnlich;
auffallend aber die Bezeichnung der Annalen desselben mit dem
richtigen Titel.
*) [Hermes 3, 1868, S. 304.]
XVIII.
Zu Livius.*)
Livius giebt im Allgemeinen bei den Schätzungen, die er be- 129
richtet, die Ziffer des Lustrum nicht an; eine Ausnahme machen, so
weit die uns erhaltenen Bücher reichen, nur die folgenden zwei
Stellen:
3, 24 bei dem J. 295: census . . . perßcitur idque Ittstrum ab
origine tirhis dechnum conditum ferunt.
10, 47 bei dem J. 461 : lustrum conditum eo anno est a P. Cor-
nelio Arvina C. Marcio Rutilo censor^ms . . . censores vicesimi
sexti a primis censoribus, lustrum undevicesimum fuit.
Die bereits in einer Anzahl jüngerer Handschriften begegnende und
in neuerer Zeit von Huschke (Serv. Tüll. S. 520) wieder in Schutz
genommene Yerbesserung lustrum inde mcesimtim fuit ist zweifellos
richtig, wenn gleich sie weder von Hertz noch von Madvig auf-
genommen worden ist. Zunächst ist das Lustrum des Jahres 461
den Fasten zufolge nicht das einundzwanzigste, sondern das dreissigste,
wenn von Anfang an, und das zwanzigste, wenn von der Einsetzimg
der Censur 311 gezählt wird; denn das Lustrum von 311 folgt un-
mittelbar auf das des J. 295 und ist das elfte. Livius kann aber
auch weder den Ausgangspunkt der Zählung unbezeichnet lassen, 130
da er ihn sowohl in der Parallelstelle 3, 24 wie in der Stelle selbst
für die Censoreri ausdrücklich angiebt, noch ist es wahrscheinlich,
dass er rein willkürlich hier die Lustrenziffer beigefügt hat, während
er sie sonst regelmässig weglässt. Vielmehr wird man annehmen
müssen , dass er. vermutlich nach dem Vorgang älterer Annalisten,
clie Lustrenziffern von zehn zu zehn angemerkt hat, ähnlich wie in
c en capitolinischen Fasten die Jahreszahl ab urbe condita bei jedem
*) [Hermes 1, 1866, S. 129 — 130.]
MOMMSEN, SCHR. VII. H
ik
Jß2 ^" Livius.
zehnten Jahre angemerkt wird. Dieser Annahme steht wenigstens
nichts im Wege. Denn das Fehlen des zwanzigsten Lustrums, das
die capitolinischen Fasten bei dem J. 391 verzeichnen, erklärt sich
daraus, dass Livius diese Censoren überhaupt aufzuführen vergessen
hat. Das vierzigste Lustrum, das des J. 520, fällt in das verlorene
zwanzigste Buch der livianischen Annalen. Über den Census des
fünfzigsten Lustrums berichtet Livius zwar im vierzigsten Buch aus-
führlich, das Lustrum desselben aber, das in der capitolinischen
Tafel unter 575 verzeichnet steht, muss er seiner Weise gemäss
(C. I. L. I p. 566 [= I 1 2 p. 33]) unter dem J. 576 gemeldet haben,
in dem es stattfand; und diese Notiz ist mit dem Anfang des ein-
undvierzigsten Buches untergegangen. Endlich über das sechzigste
Lustrum des J. 629, das letzte decennale, das in den Bereich der
livianischen Annalen fällt, handelte Livius in dem sechzigsten Buch,
das ebenfalls verloren ist.
XIX.
Anecdoton Livianum.*)
[Liuius lihro uicesimo. P. Celius patricius primus 372
aduersus ueterem morem intra septimum cognationis gra-
duni dtixit uxorem. oh hoc M. Mutilius pleheius sponsam
sihi praeripi nouo exemplo nuptiarum dicens sedicionem
populi concitatiit adeo ut patres territi in Capitolium per-
fug er ent.]
Ex periochis Livianis quas habemus cum constet comprehensas
fuisse T. Livii annali XX res gestas ab anno urbis conditae DXIII
ad annnum DXXXV, qui proxime praecessit eum quo coepit bellum
Hannibalicum , ad id tempus referre licebit rixam eam, de qua 373
agitur, de puellae cuiusdam sponsalibus inter patrieium hominem
plebeiumque natam indeque ortam civium dissensionem senatusque
in Capitolium fugam. aliunde eins rei notitia nulla ad nos pervenit,
neque facile id quod iani didicimus recte percipi et plene intellegi, quas
*) [Hermes 4, 1870, S. 372— 376. Diesem Aufsatz unmittelbar vorausgeht
eine Mitteilung von Paul Krüger, aus der das zum Verständnis des Mommsen-
8'jhen Aufsatzes Notwendige hier abgedruckt ist: „Cum in codice Parisiensi
Latino 3858 C (saec. XII exeuntis) quaererem quasdam constitutiones codicis
lastiniani, quas ibi legi Biener (Beiträge zur Revision des Justin. Codex p. 230)
docuit, praeter expectationem incidi in fragmentum quoddam Livianum. in
coUectionis enim canonum secundum rerum ordinem eompositae, quae folia 1 — 55
ojcupat duabusque partibus eonstat parte priore capitum CCCCLXXXII, quae
titulo caret (.altera autem inscripta de ordine accusacionum XCVIII habet capita),
qaattuor occurrunt capita generis diversi ab reliquis, quae sunt excerpta ex
decretis conciliorum et Romanorum pontificum epistulis. quorum quattuor
capitum tria (CCCCXVIII — CCCCXX) exscripta sunt ex codice lustiniano cum
praescriptione hac 'ex quinto libro regum'; quartum caput, quod in codice habet
nimerum CCCCXVII, infra posui." Es folgt dann das von mir zur Bequemlichkeit
dtar Leser oben in den Text gesetzte Anecdoton, an das sich, nach wenigen
Bemerkungen Krügers, der oben abgedruckte Mommsensche Aufsatz anschließt.]
11*
164
Anecdoton Livianum.
subieci observationes demonstrabunt. nani quae insperato emersit
narrationis plenae et iustae summa et obscura et exilis cum quae-
stionem unam solvat, plures movet.
I. Ad originem huiusce äjioojiaafxariov definiendam non habeo
quod afferam, nisi quod in memoriam revocavit perioehae, quae inter
nostras prima est, condicionem singularem, nempe ita comparatae,
ut libri primi brevem summam sequatur altera aliquanto magis pro-
lixa. videntur igitur Livianorum annalium duae certe summae ex-
titisse, quas contaminare coepit librarius is a quo proficiscitur peri-
ocharum recensio hodie superstes. fieri igitur potuit, ut ecclesiastici
corporis cuiusdam conditor in summam Livii uberiorem incideret et
inde excerperet quod a monacho non alienum esse putaret. cete-
rum iuris canonici periti ut in corporis, quo Liviana haec continentur,
originem diligenter inquirant, nomine philologorum publice ab iis
petimus ^.
II. Qui nominantur duo homines P. Celius patricms et M. Rtdi-
Ims pleheius, eorum primum vere dici P. Cloelium paene certum est.
gentes enim patricias, quae quidem ad sextum usque saeculum
duraverint, omnes nobis innotuisse credibile est neque ulla est inter
eas praeter Cloeliam, quae ad traditam lectionem prope accedat;
Cloelius autem vocabulum librariis minus notum alibi quoque, ut
apud Livium 40, 42, [1] et Valerium Maximum 1, 1, 4 et Diodorum
374 15, 57, [1] aut in omnibus aut in deterioribus libris invenitur similiter
corruptum. denique Publii praenomen Cloeliis recte convenit; nam
nominantur P. Cloelius Siculus tribunus militum cos. pot. a. u. c. 376
(Liv. 6, 31, [1]; Diodor. 15, 57, [1]) et eiusdem nominis vir flamen
Dialis creatus a. u. c. 574 (Liv. 40, 42, [11]; Val. Max. 1. c); quorum
nihil obstat quominus is de quo agitur alterius nepos proneposve
1) Litteraturae iuris canonici peritissimus Maassenus antecessor Gratzensis
per litteras a me interrogatus , quid de hac sylloge comperisset, rescripsit eam
se repperisse praeter Parisinum in tribus codicibus bis: Monacensi 22289 saec.
XII; Sangallensi 676 saec. XII; Ambrosiano C 51 sup. saec. XII eandemque
comprehendi videri secundum ea quae leguntur in Archivio Pertzii vol. 7 p. 179
item codice adservato Engelbergi in Helvetia I */2. in Monacensi Sangallensi
Engelbergensi syllogae praescriptum esse sie: incipiunt ecdesiasticae regulae ex
sententiis sanctorum patrum defloratae, a legatis ipsius sedis apostolieae in Gallias
pro ecclesiasticarum dispositione causarum portatae. accuratius de ea adhuc sibi
non constare: plurima tarnen inesse ex commenticiis Isidorianis quae feruntur
desumpta itaque antiquioribus iuris canonici corporibus eam nequaquam ad-
numerari. — Qua epistula accepta Halmium meum precibus adii, ut Monacensem
librum mea causa inspiceret; quod cum fecisset, renuntiavit eum rautilum esse
in fine neque ea de quibus agitur eo contineri.
Anecdoton Livianum. 165
fuerit, alterius pater vel avus. Rutiliorum autem plebeiae gentis
liaec fortasse antiquissima memoria superest; nam reiecto corrupto
loco Livii 4. 47, [7] nullus eins nominis quod sciam nominatur ante
P. Rutilium tribunum plebis a, u. c. 585 (Liv. 43, 16, 3. 44, 16, S).
praenomen Marci ab ea genta septimo saeculo incipiente usurpatum
esse intellegitur ex Cicerone de orat. 1, 40, ISl, ubi commemoratur
P. Rutilius M. f. tr. pl. a. u. c. 61 S. neutrum hominem alibi apud
auctores qui supersunt nominari ex supra dictis intellegitur.
III. Matrimonia olim vetita fuisse inter eos. qui sexto propioreve
gradu cognatione iungerentur recte Klenzius^ eollegit cum ex Plu-
tarcho q. R. 6. ubi negat apud veteres Romanos licitum fuisse inter
cognatos matrimonium ita. ut id componat cum iure osculi, quod
pervenisse usque ad sobrinos (i^avey-'tovgj Polybius ait (6. 2, 6 Dind.),
tum ex argumento eo, quo L. Yitellius Claudii imperatoris amicus
apud Tacitum (ann. 12, 6) novum patrui cum fratris filia coniugium
defendit: et sohrinarum diu ignorata tempore addito percrehruisse. a
quo loco omnino alienum esse sobrini vocabuli usum vulgarem, quo
qui proprie consobrinus est ita significatur, et recte monuit Klenzius
et iam qui Klenzio non crediderunt, credent Livio. nam aperte eam
ipsam annalium narrationem, cuius ex Parisino libro aliquam summam
recuperavimus, respexit sive Tacitus sive Yitellius 2, cum ait sobri-
narum matrimonia olim vetita postea in usu esse coepisse. hoc
autem novi attulit summa Parisina intra sextum gradum nuptias
primum admissas esse lege lata inter a, 513 et 535, id est eodem
fere tempore, cui primum apud Romanos divortium plerique auctores
adscribunt. lege enim ad eam rem, maxime ea aetate, opus fuisse
et aliuude constat et colligitur ex ipsa Liviana narratione. nara novi
exempli matrimonium qui aegre ferebant, apparet incusasse propterea
non tam eum. qui primus intra septimum gradum cognatam duxisset, 375
quam ipsum senatum, quippe ex cuius auctoritate tum de omni re
ad populum plebemve ferri soleret.
Hoc superest quaerendum. quemnam abrogato sexto lex ea
gradum vetiti matrimonii finem fecerit, quem puto fuisse quartum.
nam Plutarchus 1. c. ait sero (oipe) admodum coniugia inter conso-
brinos admissa esse occasionemque addit iuris mutati; nimirum cum
a marito quodam paupere, qui consobrinam locupletem pro uxore
1) In ephemeride iuris Savigniana 6, 17 seq. 1<X).
2) Collatis iis quae Seneca lusit in a:ioxoi.oxvvT:<i}oei c. 8 satis constat talia
fere, qualia disserentem Tacitus inducit Yitellium vere a nuptiarum novi generis
patronis in senatu prolata esse.
Ißg Anecdoton Livianum.
duxisset, rem eius mulieris tamquam non factam uxoriam cognati
mulieris peterent, populum de ea re indignatum matrimonia inter
consobrinos rata esse iussisse. quae lex quamquam ignoratur quo
tempore lata sit ^, tarnen Plutarchi narratio satis ostendit aliquamdiu
liciti matrimonii fines constitisse in gradu quinto, scilicet ab initio
inde saeculi sexti usque ad latam legem eam quae quarto gradu
cognatorum matrimonia admisit. similiter Ulpianus^. antiquiora aut
ignorans aut praetermittens, liciti matrimonii finem ait fuisse olim
gradum quartum, donec imperante Claudio a. p. C. 49 aliquatenus
accederet tertius.
IV. In narratione supra proposita ofFensionem habet patricii
plebeiique commemoratio. causa offensionis non tarn ea est, quod
ea aetate controversiae inter patricios et plebeios sopitae fuerunt
privilegiis illorum sublatis; nam etiam post legem Hortensiam c. a.
u. c. 465 latam, quae iuris communicationem perfecit, altercationes
maxime ex privatis causis inter utrosque nasci potuisse nemo negabit
neque obliviscemur Sallustii gravis auctoris asseverantis ^ discordiariim
et certaminis ufrimque finem fuisse secundum hellum Punicum. sed
hoc quaerimus, cum propter controversiam hanc appareat non solum
376 homines, sed etiam ordines dissedisse (nam sane non sine causa
adicitur iuris mutati auctorem patricium fuisse, vetusti usus vindicem
plebeium, neque improbabile est ad hanc ipsam controversiam
respexisse Sallustium loco modo citato), hoc dico iure quaerimus,
qua ratione eius modi res ad ipsos ordines pertinuerit. lege enim
nuptiali cum cives quicumque essent tenerentur, quid ad rem sponsum
destitutum ex plebe fuisse, nuptiarum ereptorem patricium? num
aliter res processisset, si uterque patricius fuisset vel uterque ple-
beius? sane nuptiarum ordinatio legitima pars fuit iuris gentilicii
olim mere patricii et cum plebeiis ita communicati, ut proprie etiam
postea ad patricios pertinere videretur; quapropter eius iuris immu-
1) Lata sit necesse est tempore belli Punici secundi, si vere rettulit Livius
42, 34, [3] ad a. u. c. 583 de eiusmodi matrimonio eo tempore iam vetere. sed
exigua auctoritas est eiusmodi narrationum non rerum ordiue, sed in orationibus
obiter prolatarum videturque tam ipsius Livii silentium, cuius per hoc spatium
annales supersunt integri, quam Plutarchi temporis indicatio eo ducere, ut quarti
gradus adsumptio septimo saeculo potius quam sexto adscribatur.
2) 5, 6: intei' cognatos . . . ex transversa gradu olim quidem usque ad quartum
gradum matrimonia contrahi non poterant: nunc autem etiam ex tertio gradu licet
uxorem ducere. ex opposito intellegitur ante Claudium finem vetiti matrimonii
fuisse tertium gradum, quartum autem ab ülpiano non includi olim vetitis, sed
excludi ; quo posito convenit ei cum Plutarcho. cf. Zimmern Rechtsgesch. 1, 550.
8) bist. 1, 9 Dietsch. [1, 11 Maur.]
Anecdoton Livianum. 167
tatio a patricio homine ita profecta, ut plebeium gravaret, univeraam
plebem exacerbare debuit, crediderim tarnen aliud quiddam subesse
gravius et magis proprium, quod iam sive propter narrationis obscuri-
tatem sive propter iuris antiquissimi exilem notitiam non satis adse-
quamur.
y. Unum superest, de quo moneamus, dico seditionem populi
ea aetate, qua adhuc putavimus plebem in eiusmodi motibus a vi
abstinuisse neque ultra processisse, ubi ad extrema ventum esse
nderetur, quam ut secederet vel in sacnim montem vel in laniculum;
qui finis fuit ipsius seditionis Hortensianae a. 467. certo mirabuntur
renim Romananim gnari, ubi legent de fuga senatorum ex curia in
Capitolium propter seditionem populi propediem cum Hannibale
dimicaturi. sed ut mirandi causa iusta est, ita nulla est dubitandi.
XX.
Theodor! Mommsenii
epistula
[de Romanorum prodigiis ad Ottonem Jahnium].*)
XVIII Quod ea quae de Romanorum prodigiis notatu digna inuenerim
tecum communicari cupis, equidem libens tibi satisfaciam. quamquam
enim eis qui in hanc rem accuratius inquisiuerunt uix noui quicquam
a me prolatum iri putauerim, tamen ad has laceras magni Liuiani
operis reliquias recte aestimandas et in usum uertendas haud inepte
hie potissimum monebitur, ea prodigia, quae publice Romam nuntiari
et per sacerdotes Romanos expiari fas erat, in agro publico obseruata
fuisse neque uUam aliam ob causam publice procurata esse, nisi
quod rei publicae eins agri quem possidebat expiandi officium incum-
bebat, haud secus atque priuati portenti procurationem quiuis priuatus
in se suscipere debebat (Liu. v, 15, [6]). haec ita esse Liuii uerba
aperte demonstrant (xxxxiii, 1 3, [6]) duo non suscepta prodigia sunt,
alterum, quod in loco priuato factum esset — palmam enatam impluuio
suo T. Marcius Figulus nuntiabat — , alterum, quod in loco peregrino:
Fregellis in domo L. Atrei hasta . . . arsisse . . . dicehatur; cum
eodem tempore publica prodigia procurata esse narret, quid quod
Constantinus Imperator a. cccxxii hunc in modum rescripsit (cod.
Theod. XVI, 10, 1): si quid de palatio nostro aut ceteris operihus
XVIIII puhlicis degustatum fulgore esse constiterit ; retento more ueteris obser-
uantiae quid portendat ah haruspicibus requiratur. quo pertinet quod
Liuius (xxxxv, 16, [5]) cum ait Calatiae in publico agro M. Valerius
ciuis Romanus nuntiabat ex foco sanguinem . . . manasse, addit in
*) [In: T. Livi ab urbe coudita librorum CXLII periochae. lulii Obsequentis
ab anno urbis conditae DV prodigiorum liber. Recensuit et emendavit Otto
Jahn. Lipsiae 1853, S. XVIII — XXVI.]
De Romanorum prodigiis ad Ottonem Jahnium. 169
jjuhlico agro^ quia facile quis hoc in agro priuato accidisse suspicari
posset. unde apparet in corrupto Obsequentis loco p. 120, 14 in
Ornecosiasi scribendum, neque uero quod traditum est in agro Corteisi
ita emendandum esse, ut hominis priuati nomen reponatur. illud
uero uix opus est monere, quae modo obseruata sunt eis prodigiis
non adhibenda esse, quae ad mythica tempora pertinent; neque
quemquam fallet, miraeula quaedam, quae prodigiorum naturam
referre uidebantur, ab annalium scriptoribus narrata esse, quamquam
ea aut omnino aut certe publice non procurabantui-. quodsi Aetnae
incendium aut insula Lipara mota procurata esse inuenimus (p. 1 18, 6.
119,5. 121,10), ea re nihil aliud probatur nisi terrore commotos
Romanos fecisse, quod ut facerent iure non cogebantur. neque
uero si Obsequens de lacus Fucini (p. 118, 13) Padique (p. 124,5)
inundationibus, de Regii incendio (p. I 1 8. 22) et Cyrenis peste uastatis
(p. 121, 20) refert, inde colligere licet haec publica fuisse prodigia.
et mihi quidem ueri simile uidetur, Obsequentem simili atque Orosius
ratione cxcerpta sua eum in finem conposuisse, ut christianonim
temporum felicitatem ethnicorum inmanibus prodigiis inlustraret.
porro neque id mirura accidere potest praeter prodigia publica ab
annalium scriptoribus miraeula cuiuscumque generis relata esse, quae
hominum mentes in se conuertebant et fortasse per legatos Romam
nuntiabantur. ita inter ea quae Liuius xxnii, 10, [6 seq.] post
pugnam Cannensem narrat distinguere licet prodigia nuntiata et
uulgaria miraeula, quorum quod in Sicilia accidisse traditur, publice
certe expiandum non erat.
Quae si recte posita sunt, apparet ea quae de prodigiis
referuntur eam utilitatem habere, ut inde de agri publici finibus XX
coniecturam capere liceat. quamquam in tanta rerum minutanim,
quae in hac quaestione alicuius momenti esse possunt, atque ex-
ceptionum multitudine omnia ad liquidum perduci nequeunt, praesertim
cum plenam omnium prodigiorum notitiam conponere neque per
temporis angnstias possim nee. si possem, uellem. neque tamen
prorsus operam lusisse uidebor. si Liuio et Obsequente ducibus pro-
digia locorum ratione habita recensebo, qua in re dolendum est,
prodigia quantum scimus ante annum dv publice non fuisse litteris
ti-adita. hoc ex nostri libelli titulo siue subscriptione effici potest;
Obsequens enim nulla alia de causa ab hoc anno initium fecisse
patandus est. quam quod eo tempore pontificcs prodigiorum in annales
r«jferendorum initium fecisse apud Liuium relatum inuenit. priorum
temporum prodigia, quae cognita habere nostra uel maxime inter-
esset, casu potius quam publica cura atque fide tradita esse uiden-
j 7Q De Romanorum prodigiis ad Ottonem Jahnium.
tur.*) similiter in hello sociali narrando Liuius scriptoribus eis usus
esse uidetur, qui neglecta priscorum religione prodigia parum cura-
bant, id quod ex ratione, qua prodigia eius temporis tradita inueni-
mus, hodie quoque intellegi potest. quare ego intra bellum sociale
subsistendum mihi esse putaui.
I. Neapolis Nola Nuceria Constantia ciuitates aequis conditionibus,
ut satis constat, cum Romanis sociatae fuerunt et solae inter Italicas
in fide permanserunt ne Hannibalico quidem bello excepto. unde coUigi
potest hisce regionibus agrum publicum non fuisse: atque re uera
prodigia nulla inde nuntiantur; nam Nuceria (p. 125, 1) nihil inpedit
quominus Vmbricam aut Britticam esse putemus. Aenariae uero,
quam Romanorum fuisse scimus donec ab Augusto Neapolitanis con-
cederetur — qua de re in libro de dialectis Italiae p. 198 dixi —
prodigium factum narratur p. 129, 20.
II. Coloniarura Latinarum agrum pro peregrino habitum fuisse
Fregellarum exemplo confirmatum uidimus, sed cum Roma dedu-
XXI cerentur atque in agro publice conderentur, non multum ibi agri
publici remansisse, ueri simile est quamquam uel uiarum publicarum
causa aliquatenus seruari debuit. explicari iam potest, cur tam
pauca inde prodigia nuntiata sint, cum tamen maximi momenti
essent eorumque frequentissima mentio fieret. ex eis uiginti tres
— Signia Norba Circei Sora Interamna ad Lirim sita, Saticula
Pontiae Cosa Paestum Beneuentum Aesernia Copia Yalentia Brun-
disium Yenusia Luceria Pirmnm Cremona Placentia Aquileia Naruia
Sutricum Nepet — nusquam quod sciam in hac re commemorantur;
quarum uero mentio fit, hae sunt
Alba Liu. xxviii, 11,[3].
Ardea Liu. xxxii, 9, [2]. Obs. p. 120, 2.
Ariminum Liu. xxxiiii, 45, [7]. apud Obsequentem p. 125]
Ameriae scribendum uidetur.
Bononia Obs. p. 119, 7.
iur;
I
*) [Die Frage, wie es zu erklären sei, daß die Prodigien des Obsequens
mit dem J. 505/249 einsetzen, ist seitdem viel behandelt worden, teils in einem
der Mommsenschen Erklärung zustimmenden, teils in ablehnendem Sinne (so
besonders von 0. Seeck, Die Kalendertafel der Pontifices, Berlin 1885, S. 67f.);
die Literatur ist angegeben bei L. Wülker, Die geschichtliche Entwicklung des
Prodigienweaens bei den Römern. Studien zur Geschichte und Überlieferung
der Staatsprodigien Leipz. 1903, S. 58, 3. Mommsen selbst hat späterhin seine
Ansicht modifiziert: s. Rom. Gesch. I« S. 461: ,Die von Gemeindewegen gesühnten
Wunderzeichen scheint man erst seit der 2. Hälfte des fünften Jahrhunderts
d. St. regelmäßig in die Chronik eingetragen zu haben."]
De Romanoruni prodigiis ad Ottonem Jahnium. 171
Cales Liu. xxiiii, 10, [7].
Fregellae Liu. xxvi, 23, [5j. xxviii, 11, [3]. apud Liuium
XXXII, 29, [1] e Bambergensi Fregenae restitui debet;
Obsequentis locus p. 128, 19 huc non pertinet, quia de
prodigio anni dclx narrat, cum Fregellae a. dcxxviiii
captae sint.
Hadria Liu. xxxiiii, 45, [8]. de loco qui xxiiii, 10, [10] legitur
p. xviiii [169] dictum est. fortasse Hadria ad Padum
sita intellegenda est.
(Setia apud Liuium xxviiii, 14 e coniectura parum probabili
legitur.)
Spoletium Obs. p. 129, 22. de loco qui xxiiii, 10, [10] legitur
p. X villi [169] dixi; Obs. p. 133, 17 huc non pertinet,
quia de prodigio post bellum sociale nuntiato narrat.
Suessa Liu. xxxii, l, [10]; 9, [3].
III. Yt de innumeris prodigiis taceam, quae Romae et in urbis
uicinia e. g. Capenae (Liu. xxii, 1, [10]. xxvii, 4, [14]. xxxiii, 26, [8]), XXII
Gabiis (Liu. xxiiii, 10, [9]. xxxxi, 16, [6]. Obs. p. 115, 27), Yeiis
(Liu. XXVII, 37, [1]. xxxii, 9, [2]. xxxxi, 21, [12]. xxxxii, 2, [4]. Obs.
p. 115, 4. 121, 19) accidisse narrantur, colonias tantum ciuium Roma-
norum commemorabo, quarum prodigia tam frequentia referuntur
quam infrequentia coloniarura Latinarum. coloniae uero ciuium
Romanorum certae hisce temporibus solae maritimae haberi possunt,
quas a. dxxxxvii Liuius xxvii, 38 recenset.
Ostia Liu. xxvii, 11, [2]. 23, [3]. xxxii, 1, [10]. Obs. p. 120, 15.
Antium Liu. xxii, 1, [10]. xxviii, 11, [2]. xxx, 2, [9]. Obs.
p. 115. 26(?).
Tarracina Liu. xxiiii, 44, [8]. xxvii, 4, [13]. xxviii, 11, [2].
xxviiii, 14, [3]. xxxvi, 37, [3]. xxxx, 45, [3]. Obs. p. 115, 5;
25. 118, 12. 120, 17.
Minturnae Liu. xxvii, 37, [3]. xxxvi, 37, [3]. xxxxiii, 13, [3].
Obs. p. 120, 3.
Sinuessa Liu. xxiii, 31, [15]. xxvii, 11, [4] cf. 37, [5]. xxxi,
12, [7]. XXXII, 9, [3]. xxxxi, 21, [12].
Puteoli Liu. xxxvii, 3, [2]. xxxxi, 9, [5]. Obs. p. 119, 1.
Yolturnum Liu. xxxvi, 37, [3] cf. Obs. p. 132, 2.
Croton Obs. p. 122, 7.
Pisaurum Obs. p. 116, 3. 127, 14.
Saturnia Liu. xxxxii, 20, [5]. Obs. p. 122, 8 (?). 123, 2.
Grrauiscae Liu. xxxxr, 16, [6].
Luna Obs. p. 117, 25. 120, 1. 125, 3.
j72 De Romanorum prodigiis ad Ottonem Jahnium.
IUI. Ciuitatum, quas ante bellum sociale ciuitatem adeptas
esse aut certum aut ueri simillimum est, haud minus frequentia, ut
par est, prodigia referuntur harum
Tusculum Liu. xxvii, 4, [11]. xxxvii, 3, [3]. xxxxi, 16, [6].
Lanuuium Liu. xxi, 62, [4]. xxiii, 31, [15]. xxiiii, 10, [6].
xxviiii, 14, [3]. XXXI, 12, [6]. xxxii, 9, [2]. xxxv, 9, [3].
xxxx, 19, [2]. XXXXI, 21, [13]. xxxxii, 2, [4]. xxxxv, 16, [5],
Obs. p. 115, 13. 117, 13. 126, 20.
XXIII Lauinium Obs p. 118, 9.
Aricia Lia. xxii, 36, [7]. xxiiii, 44, [8]. xxx, 38, [9]. xxxv, 9 [3].
Obs. p. 117, 1. 125, 27.
Frusino Liu. xxvii, 37, [5]. xxx, 2, [12]; 38, [9]. xxxi, 12, [7].
xxxii, 29, [1]. Obs. p. 116, 8. 117, 12.
Priuernum Liu. xxvii, 11, [4]. xxxi, 12, [5]. xxxxii, 2, [4].
Obs. p. 115,29. 123, 1; 16.
Formiae Liu. xxxii, 1 , [10] ; 29, [2]. xxxv, 21, [4]. xxxx, 2, [4].
Obs. p. 115, 25.
Arpinum Liu. xxx, 2, [12].
Anagnia Liu. xxvi, 23, [5]. xxvii, 4, [12]. xxviiii, 14, [3].
xxx, 2, [11]. xxxxiii, 13, [3]. xxxxv, 16, [5]. Obs. p. 116, 7.
119,14. ,,
Sabini Liu. xxii, 36, [7]. xxiiii, 10, [9]. xxxi, 12, [6]. J
Reate Liu. xxv, 7, [8]. xxvi, 23, [5]. xxx, 2, [11]. xxxvii, 3, [3].
xxxx, 2, [4]; 45, [3]. xxxxiii, 13, [4]. Obs. p. 116, 9.
120, 13. 132, 19.
Nursia Liu. xxxvii, 3, [3]. Obs. p. 124, 6. 126, 21. 127, 16.
Eretum Liu. xxvi, 23, [5].
Amiternum Liu. xxi, 62, [5]. xxiiii, 44, [8]. xxxv, 21, [4].
xxxvi, 37, [3]. Obs. p. 117, 9; 19. 119, 12. 124, 11.
frequentissima quae hie accidisse referuntur prodigia
conieeturam per se satis probabilem confirmant, qua
Amiternum ante bellum sociale in ciuitatem receptum
esse putaut.
Trebula Mutuesca Obs. p. 124, 15; 23; 30.
Yenafrum Obs p. 128, 2.
Caere Liu. xxi, 62, [5]. xxii, 1, [10]. xxvii, 23, [3]. xxviii,
11, [3]. XXXXI, 21, [13]. Obs. p. 116,4. 117, 11; 20 (?).
127, 28.
Cumae Liu. xxv, 7, [8]. xxvii, 23, [2]. xxx, 38, [8]. xxxxiii,
13, [4]. Obs. p. 130, 1.
Suessula Liu. xxv, 7, [7].
De Romanorum prodigiis ad Ottonem Jahnium. 173
V. Ex eo tempore, quo Capua sui iuris erat, unum tantum XXIIII
prodigium a Liuio xxii, 1, [12] refertur, unde in tanta de antiquis
temporibus fontium penuria nihil effiei potest. ex quo a. dxxxxiiii
Campas ager publicus factus est, frequentia prodigia commemorari
oonsentaneum est.
ager Campas et Stellatinus Liu. xxvii, 11, [2]; 23, [2]; 37, [3].
XXX, 2, [lOJ. XXXII, 9, [2]. XXXV, 9, [4], xxxx, 45, [3].
xxxxF, 9, [5]; 13, [2J; 21. [13]. Obs. p. 115, 3; 23. 123, 6.
Atella Liu. xxvii, 37, [2]. Obs. p. 124, 14.
Calatia Liu. xxxxii, 20, [5]. xxxxv, 16, [5].
VI. Ciuitates Italiae, quae bello demum sociali Eomanam ciui-
tatem adeptae sunt, quibus eas addam de quanim condicione nihil
■constat, multum agri publici continebant, quamuis maximam partem
agro peregrino constarent. ita fit ut prodigia hie frequentiora quidem
quam eis locis. quos primo et secundo loco, rariora quam eis quos
deinceps enumeraui accidisse referantur.
Praeneste Liu. xxii, 1. [9] (xxiiii, 10, [10] cf. p. xviiii) Obs.
p. 115, 4. 118, 5; 11. 122,25. 128,25.
Tibur quod nusquam commemoratur casu factum esse nequit;
potius ciuibus Tiburtinis nihil agri ablatum esse uidetor.
Velitrae Liu. xxx, 38, [8]. xxxii, 1, [10]; 9, [3].
Ferentinum Obs. p. 120, 7, si modo Hernicoram oppidum
intellegendum est.
Yolsci Obs. p. 128, 8.
Casinum Liu. xxvii, 23, [2]. Obs. p. 115, 14.
Teanum Sidicinum Obs. p. 115. 15.
Satricum Liu. xxviii, 11, [2j.
Compsa Liu. xxiiii, 44 [8]. Obs. p. 116. 21.
Lucani Liu. xxxi, 12, [7]. Obs. p. 123, 16. 125, 3; 16.
128, 22.
Bruttii Liu. xxxii, 1, [U]. XXV
Regium Obs. p. 129, 21.
Apulia Liu. xxiiii, 10, [6]. Obs. p. 120, 16. 128, 25.
Arpi Liu. xxii, 1, [9]. Obs. p. 121, 20.
Marrucini Liu. xxiiii, 10, [10].
Vestini Obs. p. 128, 11. 129, 19.
Picenum Liu. xxi, 62, [6]. xxxiiii, 45, [7]. xxxv, 21, [3].
xxxviiii, 22, [3]. Obs. p. 125, 14. 126, 13.
J74 ^^ Romanorum prodigiis ad Ottonem Jahnium.
Auximum, ante coloniam deductam Liu. xxxxi, 21, [12].
xxxxii, 20, [6].
Asculum Liu. xxxii, 29, [2], si modo lectio certa est.
Vrbinum Obs. p. 128, 5.
Ymbria Liu. xxxviiii, 22, [5].
Nuceria Obs. p. 125, 1.
Ameria Obs. p. 125, 3.
Falerii Liu. xxii, 1, [11].
Fregenae Liu. xxxii, 29, [1].
Tarquinii Liu. xxvii, 4, [14]. Obs. p. 125, 17. 126, 11.
Faesulae Obs. p. 127, 24. 128, 14. 129,4.
Arretiura Liu. xxxii, 9, [3]. xxxv, 21, [3]. Obs. p. 127, 24.
128, 21. 129, 9; 18.
Perusia Obs. p. 124, 12.
Volaterrae Obs. p. 1 29, 8.
Volsinii Liu. xxvii, 23, [3]. Obs. p. 125, 14. 128, 8; 29.
His addo de quorum situ non constat
forum Esii Obs. p. 116, 5.
forum Subertanum Liu. xxvi, 23, [5j.
forum Yessanum Obs. p. 122, 10.
XXYI ^11- Extra Italiam commemorantur
ager Gallicus Liu. xxi, 62, [5]. xxxxii, 2, [5]. Obs. p. 122, 1:
123, 17. 125, 26.
Mantua Liu. xxiiii, 10, [7].
Syracusae Liu. xxxxi, 13, [2] cf. xxiiii, 10, [10].
Cephallenia Obs. p. 116, 1. 118, 5.
Dabam Turici ineunte lanuario a. mdggcliii.
XXI.
Die Litteraturbriefe des Horaz.*)
Die allgemeine Auffassung und die wesentlich davon abhängige 103
Zeitbestimmung der drei Briefe des Horaz. die in unseren Ausgaben
den Schluss und die Krone seiner Werke bilden, sind kürzlich von
Yahlen^ in ebenso anziehender wie erschöpfender Weise dargelegt
worden. Hier soll versucht werden vom geschichtlichen Standpunkt
aus jene feinen Untersuchungen aufzunehmen und hie und da zu
ergänzen. Es handelt sich um das volle und klare Yerständniss
des anmuthigsten und erfreulichsten Werkes der gesammten römi-
8(}hen Litteratur. und die Bewerber in diesem Wettkampf sind bis
jetzt sehr viel zahlreicher gewesen als die ertheilten Ki'änze. Der
I durchaus verschiedene Ausgangspunkt meiner Forschung von dem-
I jenigen Yahlens einerseits und andrerseits neben manchen Differenzen
i im Einzelnen die Uebereinstimmung meiner Ergebnisse mit den
seinigen in allen wesenthchen Punkten bestimmen mich dieselben
; hier vorzulegen.
Von den drei Litteraturbriefen , um die es sich hier handelt,
ist der erste an Augustus gerichtete nach Vahlen im Jahre 740
geschrieben. Xachdem der Dichter in dem 734 abgefassten und
, herausgegebenen Brief an Maecenas (ep. 1, 1) der lyrischen Poesie
feierlich Yalet gesagt hat, dann aber mit der Säcularode im J. 737
nnd weiter mit den auf den rätischen Krieg des J. 739 gedichteten
Siegesliedern und den andern jetzt im vierten Odenbuch zusammen-
■ gofassten Gedichten ihm selbst unerwartet in einen zweiten Lieder-
i friihling eingetreten ist. gedenkt er in in dieser Epistel an Augustus
; sowohl jener Absage an die Muse wie seiner Rückkehr in den ver-
I lassenen Zaubergarten und knüpft in zahlreichen Bezügen nicht
*) [Hermes 15, 1880, S. 103 — 115.]
1) Monatsberichte der Berliner Akademie 1878 S. 688 £
176 Die Litteraturbriefe des Horaz.
bloss in ausdrücklichster Weise an das Säcularge dicht an, dessen
Erfolg ihm, wie er selbst sagt, gewissermassen officiell die Stellung
104 des ersten lyrischen Dichters der Nation eintrug, sondern nimmt
auch die Motive und Wendungen der späteren Gedichte des vierten
Odenbuchs überall in einer Weise auf, dass die wesentliche Grleich-
zeitigkeit dieser Liedersammlung und unseres Briefes vollständig
evident ist. Die allgemeine Zeitbestimmung ist mit diesen durchaus
befriedigenden Ausführungen Vahlens gegeben; genau lässt sich
das Abfassungsjahr natürlich auf diesem Wege nicht ermitteln.
Einmal steht es keineswegs fest, bis wie lange die zweite lyrische
Periode des Dichters gedauert hat. Aber auch wenn keine der im
vierten Buch enthaltenen Oden jünger sein sollte als das J. 740^
1) Es ist ein Irr.thum Vahlens, wenn er aus meinen Worten C. I. L. vol. 1
p. 281 [1 ^ p. 186] : qriae (carm. 4, 8) scripsit poeta paulo ante quam diem obiret
(u. c. 746) aede nondum dedicata folgert, dass ich das Gedicht, um das es sich
handelt, in das Todesjahr des Dichters gesetzt habe. Der Marstempel auf dem
forum Augustum wurde im J. 752 dedicirt und wahrscheinlich damals auch die
Quadriga auf dem Dach desselben aufgestellt; aber der Bau zog sich sehr lange
hin und das Forum selbst wurde bereits vor der Dedication dem öflPentlichen
Gebrauch übergeben. Es können also auch Bildsäulen daselbst eine Weile vor
dem J. 752 gestanden haben; überall aber kommt wenig darauf an, wann die
einzelnen Statuen aufgestellt worden sind. Das von Augustus entworfene und
damals in der Ausführung begrifi'ene grossartige und in dieser Art vollständig
neue Project um den Marstempel eine Galerie von Feldherrnstatuen mit er-
klärenden Unterschriften zu errichten muss in der letzten Lebenszeit des Dichters
das hauptstädtische Publicum vielfältig beschäftigt haben; und wenn er nun
spricht von 'Marmorbildnissen mit Unterschriften, welche die lebendigen Gestalten
der Imperatoren vergegenwärtigen' (Lachmann kl. Sehr. 2, 99), so musste meines
Erachtens der zeitgenössische Leser dabei nothwendig an die Statuen und Elogien
denken, die auf dem forum Augustum aufgestellt waren oder werden sollten.
Ich kann es Jordan (in dieser Zeitschr. 14, 276) nicht einräumen, dass der Dichter
auch zu seinem Recht kommt, wenn man hiefiir die Triumphalfasten substituirt.
Diese Auffassung führt nun allerdings für die Zeitbestimmung des Gedichts in
die letzte Lebenszeit des Dichters. Aber sie gerade auf das Todesjahr des Horaz
zu beschränken, wäre sehr unverständig gewesen; und ich glaube nicht mich
eines solchen Fehlschlusses schuldig gemacht zu haben. Da der Bau sehr
langsam ging, ist er sicher schon im J. 740 im Gang gewesen — sechs Jahre
für den Bau eines grossen Tempels würde wohl auch den Römern, um von uns
nicht zu reden, kaum als Bauverschleppung erschienen sein. In demselben
Sinne ist es gemeint, wenn ich die tituli carm. 4, 14 auf die im J. 752 auf-
gestellte Quadriga bezogen habe. Vahlen hat ganz Recht den hier erwähnten
Senatsbeschluss in Betreff des rätisch -vindelicischen Krieges in das J. 739 oder
740 zu setzen ; aber das Jahr der Beschlussfassung und dasjenige der Aufstellung
des Beschlusses können, da der Beschluss sich auf ein im Bau begriffenes Ge-
bäude bezog, recht weit auseinander fallen. Es ist wohl möglich, ja wahr-
Die Litteraturbriefe des Horaz. 177
lind wenn weiter das Buch in der That in diesem Jahr publicirt 105
worden ist, würde darum Horaz sehr wohl bald nachher haben
schreiben können, dass er wieder eifrig dem Versemachen obliege;
die zweite Liedersammlung schliesst ja nicht etwa mit einem Ab-
schied an die Muse, und der kluge Poet konnte auch unmöglich
unmittelbar nach der Rückkehr zur Lyrik durch einen abermaligen
Valedictionsact den Spott des Publicums herausfordern. Mehr also
wird aus jener Darlegung nicht entnommen werden dürfen, als dass
dieser Brief in oder bald nach dem J. 740 abgefasst ist.
Dazu stimmt auch, wie Yahlen ebenfalls schon hervorgehoben
hat, die Verbindung, in welcher Sueton. die Beziehungen des Horaz
zu Augustus verzeichnend, diesen Brief aufführt, nach dem Carmen
saeculare und dem Gedicht auf den vindelicischen Sieg. Dagegen
kann ich mich nicht davon überzeugen , dass die sermones qiiidam^
deren Lesung den Augustus veranlasste den Dichter zu bitten ein
solches Gedicht (eins modi scriptimi) an ihn zu richten und worauf
dann dieser Brief die Antwort war, andere sind als die Episteln des
ersten Buches, dessen Veröffentlichung freilich schon einige Jahre früher
erfolgt war. Allem Anschein nach datiren die näheren Beziehungen
des Fürsten und des Dichters erst aus dessen letzten Lebensjahren,
zunächst vielleicht hervorgerufen durch den ehrenvollen Auftrag des
Carmen saeculare zu schreiben. Wenn auch Horaz dem Kaiser seine
Gedichte schon früher überschickte ^, so ist es dennoch ganz glaub- 106
scheinlich, dass die Inschrift, wie sie im J. 752 schliesslich redigirt ward, eine
Reihe verschiedener bei verschiedenen Anlässen über die Verzeichnung der von
Augustus erfochtenen Siege oder erlangten Ehren gefassten Senatsbeschlüsse zur
Grundlage gehabt hat. Selbst die Worte des ancyranischen Monuments dürften
dafür sprechen, dass im J. 752 nur der pater patriae hinzukam, .[Andere be-
ziehen die titiili auf das c. 747 vollendete tropaemn Augusti zu Torbia bei Nizza;
vgl, die Anm. Kiesslings.] Ich habe das Verhältniss immer dahin aufgefasst,
dass vielleicht Decennien hindurch über die auf dem Augustusforum aufzustellenden
Bildwerke und Inschriften Senatsbeschlüsse ergangen sind, und dass also von
dieser Seite her nichts im Wege steht die Aeusserungen in späteren Gedichten
di?s Horaz mit diesen Bauten zu verknüpfen. Den auf solche Stellen gebauten
Athetesen kann ich demnach in keiner Weise zustimmen,
1) ep. 1. 13. Gewiss mit Recht hat Lachmann (kl. Sehr. 2, 155) dies Gedicht
auf die Uebersendung der drei Bücher der Oden bezogen; sonst passen die
M'endungen (carmina ferre, Volumina, sarcina chartae, fasciculus librorum) nicht.
Auch dass der Bote des Dichters per clivos flumina lamas zum Kaiser geht, führt
nuch meiner Meinung eben auf das Jahr 730, in das die Publication dieser drei
Bächer aus anderen Gründen mit Recht gesetzt worden ist Denn Augustus
ktihrte in der ersten Hälfte dieses Jahres aus Spanien und Gallien nach Italien
zi^rück, wo er im Juni 730 verweilte (C, 1. L, VI 2014), und ging Ende 732 nach
MOSCMSEX, SCHB. VH. 12
jyg Die Litteraturbriefe des Horaz.
lieh, dass theils wegen mangelnder näherer Bekanntschaft, theils
wegen der Abwesenheit des Kaisers das Verhältniss erst nach dessen
Rückkehr aus Gallien sich in der "Weise gestaltet hat, dass die ver-
schobene oder auch wiederholte Lesung des ersten Buches der
Episteln jenes Schreiben hervorrufen konnte.*)
Suchen wir nun die historischen Beziehungen im Einzelnen auf,
so sind dieselben im Allgemeinen für nähere chronologische Be-
stimmung wenig zu brauchen.
Die Worte gleich im Anfang: cum . . . res Italas . . . moribus
ornes legibus emendes beziehen sich ohne Zweifel auf die dem
Augustus angetragene und der Form nach abgelehnte, thatsächlich
übernommene cura legum et niorum ^ ; aber es ist damit nichts
gewonnen, da diese Thätigkeit im J. 735 begann und dann durch
eine Reihe von Jahren sich hinzog.
Der Scherz des Dichters (Z. 1 1 2), dass er sein Versprechen auf
ewig die Muse zu meiden noch schlechter halte als die Parther ihre
Zusagen, ist von historischem Interesse; denn diese Zusagen können
nur bezogen werden auf die auch im ersten Buch der Episteln
107 erwähnte Unterwerfung des Phraates im J. 734. Es müssen also
nach diesem Yertrag abermalige Verwickelungen eingetreten sein;
Sicilien und von da nach dem Osten. Jene Worte nun zeigen einerseits, wie
Lachmann richtig bemerkt, dass der Bote den Landweg einschlug; andrerseits
aber konnte der Dichter nicht füglich seinen Boten über Berge und Ströme und
Sümpfe gehen heissen, wenn es sich um den Weg handelte von Rom nach dem
Albanum oder nach Baiae. Dagegen passt die Wendung so genau, wie horazische
Wendungen passen müssen, wenn der Bote, um zum Kaiser zu gelangen, die
Alpen zu passiren hatte; und dies führt eben auf die erste Hälfte des J. 730,
wo Augustus allem Anschein nach von Spanien durch Gallien nach Italien
zurückging. [Vgl. für die Überreichung i. J. 731 , als Augustus in Italien war,
A. Kiessling in den Philol. Untersuch. 2, 1881, S. 49.] — Die Aeusserung des
Augustus in einem Briefe an den Dichter (bei Sueton p. 47 Reiff.): pertulit ad
me {Di)onysius [Onysius die Hss.] libellum tuum, quem ego iit accusantetn quan-
tuluscumque est boni consulo ist natürlich nicht bestimmt zu beziehen ; auf unsere
Epistel passt sie nicht, da Augustus den Dank nicht mit Scherzen über die
Kürze des Gedichts und des Poeten eingeleitet haben würde. Uebrigens trifft
für das sinnlose accusantem ReifiFerscheids Vorschlag excusantem schwerlich das
Richtige: hrevitatem dürfte nicht fehlen und die Wendung, dass die Kürze wegen
der Entschuldigung derselben verziehen werden soll, ist weder geschickt noch
höflich. Vielleicht schrieb der Kaiser ut alios antea [für die Überlieferung
tritt ein v. Wilamowitz bei Kiessling, Ausgabe IIP, S. 167].
*) [Für die Beziehung der sermones quidam auf ep. II, 2 u. 3 vgl. Kiessling,
Untersuch, a. a, 0. S. 58.]
1) Vgl. mein Staatsrecht 2«, 686 A. 1. [= 2», 706 A. 1.]
Die Litteraturbriefe des Horaz. 179
und dazu passt recht gut, dass die parthischen Prinzen nicht gleich
damals, sondern wahrscheinlich erst etwa ein Decennium später als
Geisaeln an den römischen Hof gesandt worden sind. Denn dass
dies bloss geschehen ist, um das fortwährend gute Einvernehmen
der beiden Regierungen zu bethätigen, wird man doch auch dem
Augustus selber schwerlich glauben ^. Indess wenn diese Andeutung
des Dichters die Geschichte um eine nicht unwesentliche Thatsache
bereichert, so ist eben darum für die Epoche des Gedichts damit
nichts gewonnen; unsere üeb erlief erung meldet über das Verhalten
der Parther in diesen Jahren gar nichts.
Dagegen dürften in den Versen 15. 16:
praesenti tibi maturos largimur Iwnores
iurandasque tuum per numen ponimus aras.
zwei Andeutungen enthalten sein, die etwas weiter führen.
Vahlen ist der Meinung, dass Horaz den Brief an Augustus
ebenso gut nach Gallien wie nach Rom oder Baiae habe richten
können ; und gewiss würden gegen die erstere Alternative die Worte
im Eingang cum . . . res Italas armis tuteris nicht geltend gemacht
werden dürfen. Aber wohl spricht dagegen schon, dass der Dichter
des ahes iam nimium diu hier der Sehnsucht nach der Rückkehr
des Herrschers keinen Ausdruck giebt. Es erscheint fast unmöglich,
dass, wenn Horaz dies schrieb, als Augustus, der im Frühjahr oder
Sommer 738 nach Gallien ging, volle zwei Jahre und mehr von
Rom abwesend war. er in diesem ganz persönlich gehaltenen poetischen
Briefe mit keiner Silbe auf jenen Wunsch hingedeutet haben sollte.
— Aber noch mehr: in den Worten praesenti tibi wird die Heim-
kehr geradezu bezeichnet als erfolgt. Bekanntlich traf Augustus
aus Gallien am 4. Juli 741 in Rom wieder ein, wo ihn der Senat
mit der Gelobung des Altars der pax Augitsta und mit anderen
Ehrenbezeigungen empfing 2. Meiner Meinung nach kann der Histo-
riker den ersten jener beiden Verse nur also übersetzen: 'die vom
'Senat längst beschlossenen oder doch debattirten Ehrenbezeigungen
'wurden dem Augustus nach seiner Rückkehr am 4. Juni 741 zur 108
'Kenntniss gebracht". Dann aber ist der Brief nicht im J. 740,
sondern in der zweiten Hälfte des J. 741 geschrieben.*)
1) Mon. Ancyr. 6, 3 und was dazu von mir p. 31 [p. 141 *] zusammengestellt ist.
2) Von Spielen zur Feier der Rückkehr berichtet die Inschrift C. I. L. VI
a. 386, Den vom Senat beschlossenen Altar in der Curie und die jedem, der
den Rückkehrenden begrüssen werde, verheissene Amnestie lehnte Augustus ab
T)io 54, 25).
*) [Vgl. aber Kiessling a. a. 0. S. 59 Anm. 13.]
12*
jgQ Die Litteraturbriefe des Horaz.
Aber auch der zweite jener beiden Verse geht den Historiker
an. Wenn er die Interpreten fragt, welche Altäre gemeint sind,
so ist die Antwort nicht sehr präcis. Vahlen (S. 689) vermisst für
deren nähere Bestimmung überhaupt einen befriedigenden Anhalt,
Ribbeck ^, auf den er verweist, erinnert an die beiden bei Augustus
Rückkehr nach Rom ihm gewidmeten grossen Altäre auf dem Mars-
felde, den am 12. Oct. 735 gelobten der Fortuna redux und den
eben erwähnten der Fax Augusta vom 4. Juli 741; ferner an die
Verehrung des nurnen Augusü in Vereinigung mit den Laren der
Compita, die nach der Andeutung bei dem Dichter selbst^ schon
um das J. 740 aufgekommen sein müsse, aber erst im J. 747, also
nach des Dichters Tode officiell eingeführt worden sei. — Von
diesen beiden Erklärungen wird die erste abzuweisen sein, theils
weil jene beiden Gottheiten wohl auf Augustus Beziehung haben,
aber doch keineswegs an den bezeichneten Altären das numen
Augusti verehrt wurde, theils weil Fortuna und Fax zu dem römi-
schen Eide in keiner näheren Beziehung stehen ; denn dass bei ihnen
wie bei jeder anderen Gottheit geschworen werden konnte, reicht
für einen Dichter von der Froprietät, wie sie Horatius eigenster
Vorzug ist, nimmermehr aus. — Dagegen die Beziehung dieser Zeile
auf das numen oder, um aus der poetischen in die historische Rede
zu kommen, auf den genius Augusti ist unabweisbar, eben weil diese
Gottheit in der römischen Eidesformel eine hervorragende Rolle
spielt. Das Formular des öffentlichen Eides war bekanntlich in
republikanischer Zeit auf den lupiter optimus mnximus und die DU
Penates gestellt. Unter dem Frincipat jßnden wir zwischen diese
Gottheiten den Genius des regierenden Kaisers eingeschoben^, und
wenn auch die Formulirung des Eides im Frivatverkehr der Regel
nach von dem Belieben der Farteien abhing, so kann doch zum
Beispiel in die Formel des von den Beamten bei dem Amtsantritt
109 zu schwörenden Eides der genius Caesar is nur durch Gesetz oder Senats-
beschluss hineingesetzt worden sein. Diesen Beschluss wird Horaz
meinen ; wie es denn auch eine für einen Dichter seiner Art viel zu
geringe Annahme ist, dass er hier bloss spontane Loyalitätskund-
gebungen einzelner Personen und nicht eine in der That öffentliche
Ehrenbezeigung im Sinne gehabt hat. Wann und wie diese erfolgt
1) Horatius Episteln S. 89.
2) Carra, 4, 5, 34: et Laribus tuum miscet numen.
3) Staatsrecht 2*, 788. [2», 809.] Der divus lulius erscheint nie in dieser
Verbindung, wohl aber späterhin die consecrirten Kaiser.
Die Litteraturbriefe des Horaz. 181
ist. berichtet unsere Ueberlieferung nicht: für die Zeit und die"
Umstände des für die Entwickelung der Monarchie nicht unwesent-
lichen Wechsels der Eidesformel sind wir auch hier auf den Dichter
und neben ihm auf die Inschriften angewiesen.
Es hat an sich grosse Wahrscheinlichkeit, dass die Aufnahme
des genhis Caesarts in die öffentliche Eidesformel gleich bei der
Aufnahme dieser Gottheit in den öffentlichen Cult stattgefimden hat
und gewissermassen ein Theil dieser Reception gewesen ist. Diese
Aufnahme aber ist, wie dies schon Ribbeck bemerkt hat. erfolgt
bei der Umgestaltung des Compitaliencults, indem den beiden Lares
Augiisti in der Stadt Rom von Staats wegen der genius Augusti
beigesellt ward. Wenn Horaz hier in Beziehung auf den Eid nur
der Altäre des genius Augusti gedenkt, so erwähnt er in der schon
erwähnten ungeföhr gleichzeitigen Ode nur die Yerbindung desselben
mit dem Larencult; wir dürfen beides als gleichzeitige und zusammen-
gehörige Ehrenbeschlüsse betrachten. Was die Interpreten abgehalten
hat die Worte des Dichters auf diese Beschlüsse zu beziehen, die
Annahme, dass die Inschriften dafür auf das J. 747 führen, ist keines-
wegs richtig. Yielmehr hegt die Sache so, dass wir von einer
Anzahl dieser römischen Gassenkapellen das Einrichtungsjahr kennen
und dasselbe, soweit unser jetziges Material reicht, bei den einzelnen
Heiligthümern zwischen 742 und 747 schwankt^. Wenn das letzt-
genannte Jahi-, unter welchem Dio die mit diesen Einrichtungen
zusammenhängende Einsetzung der magistri vicorum aufführt, als
dasjenige festgehalten werden darf, in welchem diese Organisation
zum Abschluss kam, so geht doch schon die Ausführung in einzelnen
Fällen sicher bis in das J. 742 zurück, und die allgemeine Anordnung,
aus welcher die einzelnen Kapellen hervorgingen, kann füglich in
eines der nächstvorhergehenden Jahre gesetzt werden. In der That
nöthigt nicht unser Brief, aber die eben angeführte Ode dazu den
betreffenden Senatsbeschluss — denn ein solcher liegt sicher zu HO
Grunde — wenigstens vor die Rückkehr des Kaisers, vielleicht sogai'
Ende 739 oder Anfang 740 zu setzen-. Insofern würde sich diese
Auffassimg der Stelle auch mit Yahlens Datirung vertragen. Indess
gehört diese Anordnung ohne Zweifel zu den maturi honares, die
vielleicht lange vorher beschlossen, aber erat nach der Rückkehr
1) C. I. L. VI n. 454 mit der Anmerkung.
2) Diese Zeitbestimmung ergiebt sich, wenn, wie es seheint, die Wendung
cann. 4, 5, 11: cundantem spatio longius annuo die Dauer der Abwesenheit '
Augusts andeuten soll; bloss auf das Gleichniss bezogen, in das sie eingefügt
ist, erscheint sie ungeschickt und störend.
182 Diß Litteraturbriefe des Horaz.
des Kaisers und der Annahme zur Ausführung gelangt sind; und
ungern würde ich darauf verzichten bei dem ponimus aras eben an
jene Zeit zn denken, wo in der That in jeder Gasse der grossen
Stadt der Altar für den neu eingeführten genius Augusti gebaut
und die Priester dafür bestellt wurden.*) Auch aus diesem Grunde
also dürfte es sich empfehlen diesen Brief dem J. 741 zuzuweisen.
Den zweiten Brief des zweiten Buchs der Episteln an Julius
Florus setzt Vahlen zwischen 734 und 737, hauptsächlich dadurch
bestimmt, dass er später fallen muss als das erste in jenem Jahr
herausgegebene Buch der Episteln, aber früher als die Wieder-
aufnahme der lyrischen Dichtung, weil er in diesem Brief sich dieser
ganz ebenso gegenüberstellt wie in dem ersten Buch der Episteln,
besonders in dem ersten Brief an Maecenas. Allerdings hat Horaz
in oder bald nach dem J. 740 sich abermals von der lyrischen
Poesie abgewandt; aber dass er dies zum zweiten Mal so unverhohlen
eingestanden haben sollte, erscheint nicht allzu glaublich. — Dieser
Argumentation wird man sich anschliessen können, so weit das ein-
zige historische Moment, welches dieses Gedicht darbietet, dass zur
Zeit seiner Abfassung Tiberius sich nicht in Rom befand, damit in
Einklang zu bringen ist. Sehen wir zu, in wie weit dies der Fall ist.
Stipendia prima, sagt Sueton (c. 9) von Tiberius, expeditione
Cantahrica trihunus militum fecit. Dein . . . regnum Armeniae Tigrani
restituit, recepit et signa quae M. Crasso ademerant Parthi (734).
Post hoc Comatam Galliam anno fere rexit et barbarorum incursionihus
et principum discordia inquietam. Exin Raeticum Vindelicumque
bellum (739), inde Pannonicum (742 — 744), inde Germanicum (746.
747) gessit. Diese Aufzählung ist vollständig, so dass Tiberius, ab-
1 1 1 gesehen von diesen Expeditionen, in Italien verweilt und comites im
eigentlichen Sinne nicht gehabt hat ^. Nach Vahlens Meinung ist
Florus, als es geschrieben ward, in Begleitung des Tiberius in Gallien
gewesen, dessen Verwaltung durch Tiberius er, dem jüngeren Zumpt^
folgend, dem J. 736 zuweist, während sie gewöhnlich mit dem
*) [Über die maturi honores vgl. jedoch Kiessling a. a. ü., der im übrigen
den Ausführungen über Vers 16 zustimmt.]
1) Vgl. Hermes 4, 120 f. [In dem Aufsatz: Die comites Augusti der früheren
Kaiserzeit = Hist. Sehr. I S. 311 ff.] Bezeichnend ist es, dass Tiberius, als er
nach Rhodos gewissermassen ins Exil ging, keine comites mit sich führte (Dio
55, 9), obwohl er zu Anfang die tribunicische Gewalt inne hatte.
2) studia Rom. p. 103.
Die Litteraturbriefe Je.s Horaz. 1S3
rätischen Krieg verknüpft und in das J, 738 gesetzt wird. Zumpt
stützt sich theils darauf, dass die Dreitheilung der Gallia comata
vor 738 falle , theils dass für den annus unus Suetons im ' J. 738
die Zeit mangele. Beides ist leicht als falsch zu erweisen.
Die Theilung der Comata in die drei späteren Provinzen wird
allerdings auf Augustus zurückgeführt; aber das Jahr ist nicht über-
liefert ^. Dass Augustus diese wichtige Massregel nicht von Rom
aus verfügt hat, hat alle Wahrscheinlichkeit für sich; ob es geschehen
ist während seines Aufenthaltes in Gallien im J. 727 oder während
seines langen Yerweilens daselbst in den J. 73S — 741, würde dahin-
gestellt bleiben müssen, wenn nicht eben unsere Stelle für die letztere
Annahme entschiede. Dass Tiberius damals, bei Agrippas Lebzeiten,
eigenes proconsularisches Imperium gehabt und das Regiment von
Gallien in dieser Eigenschaft als Nachfolger Agrippas übernommen
haben soll, ist ebenso ohne Anhalt in der Ueberlieferung wie staats-
rechtlich und politisch unmöglich; es ist beinahe überflüssig daran
zu erinnern, dass er nach Augustus eigener Angabe ^ noch den pan-
nonischen Krieg als legatus seines Stiefvaters geführt, also sicher
auch Gallia comata lediglich als legatus verwaltet hat. Da nun nach
Sueton diese Yerwaltung nicht vor das J. 734 gesetzt werden kann,
so ist das von Caesar eroberte Gallien nicht bereits im J. 727
getheilt worden. Wohl aber ist es wahrscheinlich, dass dies in den
J. 738—741 geschah, und Tiberius mag leicht der letzte dieser hoch-
gestellten Statthalter gewesen sein.
Auch gegen den annus unus bei Sueton ist nichts zu erinnern. 112
Tiberius ging, nach Dios Zeugniss. im J. 738, obwohl Prätor, in
Begleitung des Kaisers nach Gallien, und es muss die Abreise früh
im Jahr erfolgt sein, da bei den sämmtlichen dem Prätor obliegenden
Leistungen sein Bruder für ihn einti-at^. Der Alpenkrieg währte
einen einzigen Sommer * und ging zu Ende durch den entscheidenden
1) Marquardt sagt freilich (Staatsverv. 1, 113 [= P, 2641) dass Dio sie in
(las J. 727 = 27 v. Chr. setze; aber Dio fügt ja 53, 12 ausdrücklich hinzu:
ravxa de ovtco xaTeXs^a, Sri vvv x^Q^? ixaarov fe^vogj f^yefiovevexai' i:iei x6 ye
iiQXO^tov xal Eni zioXv xal avvSvo xai ovvroia rä rör»/ äfia iJQxrro.
2) Monum. Ancyr. 5, 45 : per Ti. Neronem qui tum erat privignus et legatus
vteus. Vgl. Sueton Tib. 12.
3) Dio 54, 19 : TTjv dgyijv avzov :iäoav 6 Agovoog ix döy^tatog Sitjyayev. Die
Megalesia. die damals schon den Prätoren übertragen waren, fallen in den
April, die Apollinarspiele in den Juli; die Abreise des Tiberius muss wenigstens
^or die letzteren gesetzt werden.
4) Strabon 4, 6, 9 p. 206: degeia ^iiä.
]g4 Die Litteraturbriefe des Horaz.
Sieg vom 1. Aug. 739^. Genauer kann demnach nichts passen als
Suetons Angabe, dass Tiberius, bevor er zum Krieg gegen die
Raeter abging, 'etwa ein Jahr' die Verwaltung von Gallien geführt
habe.
Ist somit durchaus keine Ursache vorhanden von der gewöhn-
lichen Identification des von Dio berichteten Aufenthalts des Tiberius
in Gallien während seiner Prätur und der suetonischen Verwaltung
von Gallia comata abzugehen, so ist gegen die von Zumpt vor-
geschlagene und von Vahlen adoptirte Combination schliesslich
geltend zu machen, dass danach die suetonische Aufzählung der
Expeditionen des Tiberius unvollständig sein würde. Denn eine
Abwesenheit von Rom in öffentlichen Geschäften war doch die von
Dio berichtete Thätigkeit im J. 738 unzweifelhaft; fehlen kann sie
also nicht, und dass sie in dem erst etwa ein Jahr nach Tiberius
Abgang von Rom begonnenen Baeticum bellum mit enthalten sein
soll, ist keineswegs glaublich.
Das Ergebniss dieser Untersuchung für die Zeit des horazischen
Briefes ist also insofern ein negatives, als das J. 736, dem ihn
Vahlen zuweist, nicht das richtige sein kann, weil Tiberius damals
nicht von Italien abwesend war. Sind wir nun darum genöthigt ihn
entweder in die Zeit der gallisch-rätischen Amtführung des Tiberius
738/9 oder in die der pannonischen Legation 742/4 zu setzen? Jenes
ist kaum möglich. Man müsste dann das Carmen saeculare als ein
vereinzeltes Gelegenheitsgedicht fassen, welches auch ein poeta emeritus
liefern konnte, ohne sich des Rückfalls in die Lyrik schuldig zu
fühlen; aber bei der Art, wie Horaz selbst dies Gedicht und dessen
Erfolg betrachtet, erscheint eine solche Auffassung doch geradezu
113 als eine schlechte Ausrede. Eher lässt die zweite Annahme sich
vertreten. Der horazische Herbstfrühling hat nicht lange gedauert;
nachdem die Remontanten abgeblüht hatten, konnte der Dichter
wohl den Ton der Epistel an Maecenas zum zweiten Mal anschlagen
— mehrfache letzte Vorstellungen sind im Gebiet der Litteratur
nicht gerade unerhört. Aber es giebt eine viel einfachere Aushülfe,
bei welcher der von Vahlen mit gutem Grund betonte Gleichton
dieses Briefes und der Maecenas -Epistel besser zu seinem Recht
kommt. Das erste Buch der Episteln ist erwiesener Massen im
Herbst des J. 734, sicher vor dem 46. Geburtstag des Dichters, dem
8. Dec. 734 herausgegeben worden. Augustus kehrte aus dem Osten
nach Rom am 12, Oct. 735 zurück, und aller WahrscheinHchkeit
1) Horatius carm. 4, 14, 34.
Die Litteraturbriefe des Horaz. 185
nach mit ihm Tiberius^. Es liegt also zwischen dem Abschluss des
ersten Buches der Episteln und der Heimkehr des Tiberius ein
volles Jahr; und nichts hindert den zweiten Brief an den Florus
diesem Jahre zuzuweisen. Dies empfiehlt sich weiter dadurch, dass,
nach Ausweis des ersten Briefes an den Florus (ep. 1, 3), dieser
eben bei der asiatischen Expedition im Gefolge des Tiberius sich
befand und wir also nicht genöthigt sind anzunehmen, was freilich
an sich auch kein Bedenken haben würde, dass Florus den Tiberius
auf mehreren Expeditionen begleitet hat. Mit dieser Modification,
aber auch nur mit dieser, wird der Historiker dem Urtheil des
Litterarkritikers sich anschliessen können.*)
Soll ich noch über den dritten Brief dieser Reihe ein Wort
hinzusetzen, so kann es eigentlich nur der Ausdruck des Bedauerns
sein, dass, wenn sonst die Zeitfolge der horazischen Gedichte ziem-
lich sicher festgestellt werden kann, eben für die in so vieler Hinsicht
interessante Epistel an die Pisonen dies am wenigsten gelingt Man
wird Michaelis, der vor nicht langer Zeit diese Frage eingehend
und scharfsinnig erörtert hat 2, ohne weiteres einräumen müssen, dass
die Scholiastenidentification des Vaters der beiden Adressaten mit
dem bekannten Stadtprätor L. Piso (Consul 739) recht sehr anfechtbar
ist und dass in der That gewisse Momente in dem Briefe auf eine
frühere Zeit hinweisen. Ich möchte nicht alles unterschreiben, was [ 14
in dieser Hinsicht vorgebracht ist; aber dass Sp.^ Maecius Tarpa
und A. Cascellius beide als Lebende aufgeführt zu werden scheinen
und beide in den letzten Jahren des Horaz nicht füglich unter den
Lebenden gewesen sein können, ist unbestreitbar. Jenen Dramaturgen
finden wir bereits in Ciceros Zeit im J. 699 in einer angesehenen
Stellung*; es ist nicht unmöglich, aber gar nicht wahrscheinlich,
dass er ein halbes Jahrhundert später noch neue Stücke seiner
1) Dass Angustus am Tage nach seiner Rückkehr dem Tiberius die oma-
menta praetor ia verlieh (Dio 54, 10), legt die Gleichzeitigkeit ihrer Rückkehr
wenigstens sehr nahe.
*) [Kiessling, der a. a. 0. zustimmte, entschied sich in seiner Ausgabe
der Episteln* (1898) für das J. 736 unter der — nach dem Wortlaut bei Dio
54. 10 nicht sehr wahrscheinlichen — Voraussetzung, daß die Verleihung der
namenta praetoria an Tiberius während dessen Abwesenheit im Orient erfolgt sei.]
2) Comment. Mommsen. p. 420 f.
3) Nicht Publius. wie Jordan (Hermes 8. 90) will, getäuscht durch Orellis
riaische Angabe über die Lesung des Mediceus ; dieser hat Sp., nicht P.
4) Cicero ad fam. 7, 1, 1.
jgß Die Litteraturbriefe des Horaz.
Kritik unterzogen hat. Noch bedenklicher ist der zweite Fall.
A. Cascellius^ tritt auf als ein Gesinnungs- und Zeitgenosse Ciceros
und Catulls, der das odium Vafinianum thätig mit durchmacht ^ ;
bei dem Eintritt des Triumvirats bietet er demselben Trotz weil ihn
als kinderlosen Greis weder der Tod noch die Einziehung seines
Vermögens schrecken^. Wenn dieser Mann noch fast bis an Horatius
Tod gelebt hat, so muss er Methusalems Alter erreicht haben, und
befremdet es dann wieder, dass bei der häufigen Erwähnung des
Cascellius davon niemand spricht.*) Aber auf der anderen Seite ist
es noch viel zweifelloser, dass die kluge und feine Poetik unmöglich
zu den Jugendarbeiten des Horaz gestellt werden kann; wie dies
1 1 5 denn auch niemand versucht hat. Wenn man nun mit Michaelis
den Stadtpräfecten Piso aufgiebt und die Abfassung des Briefes kurz
vor das J. 735 setzt, oder, wie dies Vahlen freilich zweifelnd vor-
schlägt, um 736, so haben wir eine vierzigjährige Regisseurthätigkeit
statt einer fünfzigjährigen; Cascellius, der den sonstigen Angaben
nach um 712 ein Sechziger gewesen sein müsste, wird aus einem
Neunziger zu einem Achtziger umgewandelt. Damit ist nicht viel
gewonnen und überhaupt eine wirklich befriedigende Lösung dieses
Problems bis jetzt noch nicht gefunden.
1) Der praediator dieses Namens , Zeitgenosse des Q. Scaevola (f 672), den
Cicero pro Balbo 20, 45 (daraus Val. Max. 8, 12, 1) nennt , ist ohne Zweifel ein
anderer, wahrscheinlich sein Vater. Was wir bei Pomponius (Dig. 1, 2, 2, 45)
lesen: Aulus Cascellius Quintus Mucius Volusii auditor denique in illius ho'norem
testamento Publicum Mu^ium nepotem eins reliquit heredem, darf auf keinen Fall
in der Weise geändert werden, dass der Jurist Cascellius zum Schüler des
Scaevola gemacht wird, theils der Altersverhältnisse wegen, theils weil Plinius
h. n. 8, 40, 144, der gewiss mit Pomponius aus gleicher Tradition schöpft, als
Lehrer des Cascellius den Volcacius nennt. Wahrscheinlich ist die Stelle dem
Sinne nach so herzustellen, wie ich es in der Ausgabe vorgeschlagen habe: A.
Cascellius Q. Muci auditoris, Volcacii auditor, so dass vielmehr Volcacius des
Scaevola Schüler war. Die verzwickte Wortstellung freilich macht es .sehr
wahrscheinlich, dass die Stelle noch weiter verdorben, vielleicht ungeschickt
verkürzt ist. Die Verehrung des Cascellius für Scaevola erklärt sich, wenn
dieser zugleich der Freund seines Vaters und der Lehrer seines Lehrers war.
2) Macrobius sat. 2, 6, 1.
3) Valerius Maximus 6, 2, 12. Die Kinderlosigkeit, welche Pomponius
durch den Bericht über die Beerbung bestätigt, verschliesst den Ausweg zwei
Juristen des Namens anzunehmen.
*) [Vgl. Hermes 20, 1885, S. 282 in dem Aufsatz: Oropos und die römischen
Steuerpächter, der in Band II der Hist. Sehr, zum Abdruck gelangen wird.]
XXII.
Julius und lulus.*)
Eine im Frühling 1SS8 auf dem Esquilin gefimdene Inschrift, 155
herausgegeben von Gatti im Bullettino della commissione arch. com. di
Eoma 1S88 S. 228 [= C. I. L.^T:, 30794, Dessau 92], lautet folgender-
massen : Imp. Caes[ar\ divi f. August, pantif. niaximus, cos. XI. tribunicia
potest. XIIII, ex stipe, quam p>opulus Romanus ]c. lanuariis apsenfi ei
contulit, lullo Antonio Africano Fabio cos. Mercurio sacrum. Durch
diese ist es endgültig festgestellt, dass der Sohn des Triumvir. der
zwar nicht durch seine Thaten. aber durch seine Beziehungen zu der
schönen Julia und durch das Lied des Horaz im Gedächtniss der
Nachwelt geblieben ist, nicht Julius hiess, sondern Julius. Dass von
dieser Schreibung auch die Handschriften bei Horaz und anderswo
die Spuren bewahrt haben und dass eine zweite kürzlich wieder zum
Torschein gekommene Inschrift (C. I. L. VI, 12010), der Grabstein
des Freigelassenen M. Antonius luUi patris l. Rufio diese Namenform
weiter bestätigt, hat Hülsen (in der Berliner philolog. Wochenschrift
1888 S. 667) nachgewiesen. Es bleibt aber noch einiges nachzutragen.
Dass der Sohn des Triumvir dieses Cognomen oder vielmehr
Praenomen entweder bei seiner Geburt von der Grossmutter oder,
was vielleicht wahrscheinlicher ist, unter Ablegung eines älteren,
unter die Aechtung der Antonier fallenden Tomamens bei seiner
i Aufnahme in das kaiserliche Haus, auf jeden Fall aber mit ßück-
1 ficht auf den alten Stammnamen des julischen Hauses erhalten hat,
1 kann nicht in Zweifel gezogen werden. Wenn er sich also Julius
! schrieb, so kam diese Schreibung ebenfalls dem Stammvater der
Legende und den altpatricischen also zubenannten Juliem zu; und
damit stimmt die Ueberlieferung sowohl wie das Sprachgesetz. Die
i livianische Magistratstafel führt ziemlich überall, wo das Cognomen
I
*) [Hermes 24, 1889, S. 155 — 156.]
Igg lullus und lulus.
gesetzt ist (zu den J. 324. 330. 346. 349. 351. 353. 357), die dio-
dorische bei dem J. 281, die dionysische bei dem J. 272, die der
Paschalchronik und die verwandten bei den J. 265. 272. 324 auf die
richtige Schreibung; dieselbe findet sich für das Stammhaupt bei
Strabon 13, 1, 27 p. 595 und bei Pestus v. Süvi p. 340. Wenn also
in diesem Kreis die echte Form wohl durch vielfache hier nicht
weiter berücksichtigte Corruptelen verdunkelt, aber dennoch bewahrt
156 ist, so ist sie mit den Bildungsgesetzen der lateinischen Sprache
nicht minder im Einklang. Wir erhalten hier einen neuen Beleg
für das von Lachmann (zum Lucrez 1, 313) entwickelte Gesetz, dass,
wenn bei einem Stamm mit doppeltem l nach langem Vocal in der
Weiterbildung ein nicht dem Casussuffix angehöriges i eintritt, der
Doppelconsonant zum einfachen wird. Wie aus villa vilicus, aus
Messalla Messalina, aus mille milia^ so wird aus lullus in regulärer
Entwickelung lulius. lullus ist also zweisilbig, ebenso wie Julius
dreisilbig, und zweisilbig braucht es Horaz.
Yergihus ist es gewesen, der aus dem zweisilbigen lullus den
dreisilbigen lulus gemacht hat, augenscheinlich unter dem Einfluss
der griechischen Etymologie.*) Ihm gehört das a magno demissum
nomen I-ulo und seine Handschriften, so wie seine Ausleger und
die gesammte von ihm abhängige Litteratur kennen nur die Form
mit einfachem l. Merkwürdigerweise erstreckt sich dies auch auf
die capitolinischen Fasten (zu den J. 281. 303. 346. 349. 351. 353)
nebst den daraus geflossenen des Chronographen von 354; diese
stimmen mit dem Dichter überein, wenn nicht etwa auch sie unter
seinem Einfluss redigirt sind.
*) [Vgl. Bücheier, Rhein. Mus. U, 317.]
XXIII.
Der Tribun TiUius.*)
Horatius viel umstrittene Worte im Anfang der 6. Satire des 665
ersten Buches (Y. 24) über den latus clamis lassen sich wohl auf
einfachere Weise erklären, als dies von IS^ipperdey und Kiessling
geschehen ist. Der letztere nimmt an, dass der hier apostrophirte
Tillius der Caesarmörder L. Tillius Cimber sei,**) welcher in Folge
seiner Yerurtheilung den Platz im Senat verloren, dann aber restituirt 666
ihn wiedererhalten habe und nun Yolkstribun geworden sei. Quo
tibi, Tilli, sumere depositum clavum fieriqtie tribunot Wobei die
folgenden Worte betreffend den Riemenschuh und den breiten Streifen
zeigen, dass der clavtis der senatorische ist.
Zunächst kann der angeredete Tillius unmöglich der gleich-
namige Caesarmörder sein. Diesen ereilte so wie die Yerschworenen
alle das Yerhängniss bald. JS^ach Sueton^ ist von den nach dem
podischen Gesetz Yerurtheilten allein Cn. Domitius Ahenobarbus,
der Consul des Jahres 722, restituirt worden; von Cimber ist nach
d(3r Schlacht von Philippi nicht weiter die Rede^ und wenn ein
Mann, der bei der Mordthat so in den Yordergrund getreten war,
nachher begnadigt worden wäre, so würden wir dies wissen. Auch
biaucht der Dichter hier nothwendig einen Mann nicht vornehmer Art.
Was den lahis clamis anlangt, so ist nach augustischer Ordnung
nicht bloss der Senator ihn zu führen berechtigt, sondern weiter
*) [Hermes 23, 1898, S. 665— 667.]
**) [Das ist ein Versehen Mommsens: Kiessling denkt an den Bruder des
Ct.esarmörders. R. Heinze hat in der 3. Aufl. der Satiren (1906) die Fassung
Kiesslings verdeutlicht und dessen Irrtum über die Tracht der Volkstribunen
auf Grund der von Mommsen im folgenden gemachten Anmerkung beseitigt, im
übrigen aber an der von Nipperdey gegebenen Deutung auf einen Volkstribun
festgehalten.]
1) Sueton Nero 3 vgl. Caes. 89.
2) Drumann 3, 699.
190 Der Tribun Tillius.
ebenfalls der Sohn des Senators und überhaupt wer, auch ohne
durch Geburt dazu berufen zu sein, die Aemterlaufbahn einschlug.
Auf dieses vor der actischen Schlacht geschriebene Gedicht dürfen
allerdings die augustischen Festsetzungen nicht bezogen werden;
aber es steht der Annahme nichts im Wege, dass namentlich der
letztere Gebrauch auch republikanisch ist.
Bei Horaz scheint der depositus clavus die Knabentracht zu sein.
Allerdings kann ich den Beweis nicht führen, dass der praetextafus
wie den Purpursaum an der Toga, so auch die Purpurstreifen an
der Tunica führte ; aber wenn, wie wahrscheinlich, der clavus selbst,
der Busenstreif allgemein getragen wurde ^ und bei der Tracht
hauptsächlich die Farbe in Betracht kam, so werden diejenigen
Knaben, die den rothen Saum an der Toga trugen, auch die Streifen
roth geführt haben; und wäre dies selbst nicht der Fall, so hat der
Dichter bei dem clavus offenbar die Magistratur und deren Purpur
im Sinn und es ist nicht unzulässig den Purpur des Knaben und den
des auf Avancement dienenden jungen Mannes in der Weise zu-
sammenzustellen, dass auf das Abzeichen des letzteren der Accent
gelegt wird.
667 Der trihunus ist alsdann nicht der Yolkstribun ^ , sondern der
trihunus müitum laticlavius oder, wie er auch heisst, der trihunus
honores petiturus^. Dass Tillius als Sohn eines Senators dies Ab-
zeichen trug, ist desswegen nicht wahrscheinlich, weil für einen
solchen die Aemterlaufbahn damals die Regel war und der Dichter
einen Mann braucht, den nichts nöthigt aus dem Privatstand heraus-
zutreten. Er hatte also einen Jüngling im Sinn von dem Schlage
seines späteren poetischen Collegen Ovidius, welcher auch, ohne
senatorischer Herkunft zu sein, mit der Ablegung der Prätexta den
latus clavus anlegte * und es dann, statt zum Kriegstribun , zu dem
gleichwerthigen Yigintivirat brachte, alsdann aber zum schmalen j
Clavus zurückkehrte und zu den Musen. I
1) Marquardt Privatalterth. S. 545 fg.
2) Ein Irrthum übrigens ist es, dass dieser den latus clavus nicht habe
führen dürfen; die magistratische Prätexta kommt ihm nicht zu (Staatsrecht
1,418), aber seit er Senator ist, führt er die senatorischen Abzeichen.
3) Plinius ep. 6, 31, 4 : vsaviaxog . . xexdiagxv^^ ^^ ßovXsiag ilmda bei
Dio 67, 11, während derselbe Mann bei Sueton Dom. 10 trihunus laticlavius
heisst. Weitere Belege St. R. 1, 545 A. 1 ; 3, 466 A. 1.
4) Trist. 4, 10, 28 fg.: sumpta inHiique toga est induiturque umeris cum laf<>
Purpura clavo. Vgl. St. R. 3, 469 A. 4, S. 470 A. 3.
XXIV.
Trimalchios Heimath und Grabschrift.*)
Die Frage, welcher Zeit die an Originalität wie an Meister- 106
haftigkeit unter den Erzeugnissen der römischen Literatur in erster
Keihe stehende Erzählung der Abenteuer des Encolpius und seines
Genossen angehört, darf als erledigt angesehen werden^. Ebenso
wenig bezweifelt wohl jemand noch die Identität ihres Yerfassers
*) [Hermes 13, 1878, S. 106 — 121. Das Resultat des ersten Teils dieser
Abhandlung — Camae Schauplatz des Romans — hat Mommsen im C. I. L. X,
1883, S. 351 kurz wiederholt. Gegen Cumae zu Gunsten von Puteoli s. E. Klebs,
Philo!. Suppl.6, 1891 — 93, S. 668 ff. und danach L. Friedländer in seiner Aus-
gabe Petrons (2. Aufl. Leipz. 1906) S. 8 f., der aber übersah, daß Bücheier, Rhein.
Mus. 57, 1902. S. 327 das einzige, scheinbar gegen Cumae sprechende Argument
widerlegt hat.]
1) Dass die vielbesprochene Inschrift Orell. 1175 [= C. I. L. VI, 14672,
Dessau 8156] darum, weil sie drei sehr gemeine Cognomina mit den Satiren des
Petronius gemein hat, keineswegs auf diese Personen selbst bezogen werden darf,
hat zuletzt Bücheier in der Vorrede zu der grösseren Ausgabe mit berechtigtem
Nachdruck hervorgehoben. Aber die Inschrift selbst hat wohl Niebuhr richtiger
in das dritte Jahrhundert gesetzt als Bücheier in die Zeit der julischen Dynastie.
Die Sprachfehler geben freilich keinen sicheren Beweis; aber Gräberbussen, wie
He hier vorkommen, haben sich bisher in keiner Inschrift vor der Zeit des Pius
Ijefanden (Staatsrecht 2 -, 67 [2 ', 70]) und die M. Äntonii erinnern an die Epoche
Gordians.
2) Nach Plinius h. n. 37, 2, 20 und Tacitus ann, 16, 18 hat Petronius das
Consülat bekleidet; aber die bisher bekannten Denkmäler gestatten nicht das
Jahr zu fixiren. Die Tessera C. I. L. I n. 766 mit dem Datum n. Sep. M. Asin
C. Pet. COS. hat Borghesi (^opp. 3, 343) dem J. 25 n. Chr. zugewiesen : davon aus-
gehend, dass der erstere dieser Consuln der Ordinarius des Jahres M. Asinius
Agrippa und dieser das ganze Jahr im Amt geblieben sei, identificirt er den
zweiten mit dem C. Petronius Umbrinus der römischen Inschrift C. I. L. VI, 1266
ond giebt ihm zum Vater den C. Petronius, Präfecten von Aegypten unter
i.ngustus (C. I. Gr. 111 p. 310) und zum Adoptivsohn den C. Petronius Pontius
192 Trirualchios Heimath und Grabschrift.
107 während andrerseits der thörichte Einfall allseitig aufgegeben ist,
diesen losen und lustigen Roman mit dem bitter ernsten Sünden-
register zu identificiren, welches sein Verfasser vor seinem Ende als
Antwort auf das Todesurtheil dem alten Genossen seiner Lüste zu-
stellen Hess. Nicht dasselbe aber gilt von der Frage nach der
Oertlichkeit, in der die Erzählung spielt, oder wenigstens derjenige
Abschnitt derselben, der in den auf uns gekommenen Trümmern
allein noch in glänzender Frische vorliegt, die Aufnahme des
Encolpius und seiner Gesellen bei dem reichen Kleinstädter Trimalchio
und ihre Erlebnisse in dessen Hause.
Im Allgemeinen sieht man wohl, dass der Verfasser mit Vor-
liebe seine Darstellung in die Gegenden verlegt, wo auf ursprünglich
griechischer Cultur späterhin die italische sich angesiedelt hatte —
so nach Massalia; so nach Kroton; so vor allem in das Gebiet der
campanischen Griechen. Auch ist es sehr begreiflich, dass ein
Dichter wie dieser, der wie kaum ein anderer die italische Indivi-
dualität zum vollen Ausdruck gebracht hat und vielleicht allein unter
allen römischen unabhängig von griechischen Mustern seinen eigenen
genialen Weg gegangen ist, einestheils sich wohl hütete den festen
Boden der eigenen Nationalität aufzugeben und seine Scene in das
eigentlich hellenische Gebiet zu verlegen, andrerseits aber auch bei
der Schilderung seiner Heimath und seiner Zeit die Einwirkungen
Nigrinus (gewöhnlich blos L. Pontius Nigrinus genannt) Consul 37 n. Chr. , als
dessen Tochter die Pontia gilt P. Petroni filia, quem Nero convictum [quam N.
convictam die Hdschr.] in crimine coniurationis damnavit, wie das Scholion zu
Juvenal 6, 638 berichtet. Dies ganze Gebäude ist sehr unsicher und schon die
Basis, dass jener M. Asinius unter den Ordinarien zu suchen sei, durchaus
problematisch. Es kann sein, dass die Tessera vielmehr unserm Petronius gehört
und wir den CoUegen nicht kennen. Darin hat Borghesi a. a. 0. S. 361 ohne
Zweifel Recht, dass unser Petronius nicht vor Neros Zeit das Consulat bekleidet
haben kann und mit keinem der Petronier der älteren Fasten identificirt werden
darf. Dass die genannten Persönlichkeiten der tiberischen Zeit seine Vorfahren
sind, ist wahrscheinlich , da als sein Vorname von Bücheier mit guten Gründen
Gaius festgestellt ist. Die Bezeichnung Arbiter, welche in den Handschriften
der Satiren als Cognomen auftritt, wird wohl als ein von dem 'arbiter elegantiarum*
entnommener Ehrenbeiname zu fassen sein, ähnlich wie in älterer Zeit Annalis
und in der tiberischen Civica (Borghesi bei Nipperdey zu Tacitus ann. 3, 21);
sie scheint das alte Cognomen der Familie verdrängt zu haben. Dass Tacitus
ihn mit dem Vornamen bezeichnet, kann sich eben daraus erklären, dass sein
ererbtes Cognomen ausser Gebrauch gekommen war und Tacitus das dafür ein-
getretene nicht von vorn herein setzen wollte, sondern vorzog es später in der
Schilderung durch den arbiter elegantiarum anzudeuten. [Arbiter als Cognomen:
C. I. L. X, 5490, vgl. Collignon, l^tude sur Petrone (Paris 1892) S. 338.]
Trimalchios Heimath und Grabschrift. 193
des griechischen Wesens nicht entbehren mochte. Die Bildung wie
die Yerbildung derjenigen Epoche, welche in den Ruinen von
Pompeii auch uns noch vor Augen steht, ist so durchaus und so
wesentlich von hellenischen Elementen durchdrungen, dass der Sitten-
maler und Satiriker die latinische Landstadt, wie sie in der Togata 108
der späteren Republik zum Ausdruck gekommen war und wie sie
auch damals sicher noch an einzelnen Stellen fortbestand, nur etwa
noch als komisches Gegenstück zu verwenden im Stande war. Dem
breiten Strome der Gegenwart, auf den ein Künstler dieser Art
angewiesen war. lagen solche Inseln fern. Nirgends aber gelangte
diese Culturphase zu so vollkommenem Ausdruck wie in den Städten
hellenischer Gründung im Occident, welche ihrem Ursprung nach
einen Stamm griechischen "Wesens bewahrend und durch ihre Um-
gebung zugleich nothwendig bis zu einem gewissen Grade latinisirt
die herrschende Doppelbildung gleichsam von Haus aus in sich
trugen. Das Griechisch dieser Occidentalen mag dem Athener als
provinziales Idiom erschienen sein; aber in einer Epoche, wo das
hellenische Wesen überwiegend auf der Diaspora ruhte, wird der
campanische Grieche hinter dem von Antiochien und Alexandrien
nicht zurückgestanden haben, und dem gebildeten Mann aus Patavium,
Lugudunum, Corduba. Karthago gegenüber blieb er doch immer der
geborene Grieche, dem die damahge Weltsprache zugleich Mutter-
sprache war. Die Bedeutung, welche in den Landschaften am
westlichen Mittelmeer namentHch Neapel und Massalia dieser ihrer
hellenischen Nationalität verdanken, wird vielleicht nicht allgemein
hinreichend gewürdigt. Wenigstens in Neapel ist die officielle
Sprache der städtischen Behörden nachweislich bis auf Domitian
und wahrscheinlich noch weit länger die griechische geblieben, und
die griechische Müsse, die griechischen Spiele, das gesammte künst-
lerische und gelehrte griechische Treiben haben aus dieser Stadt bis
auf den Zusammenbruch des italischen Wohlstandes und der itali-
schen Bildung eine hellenische Culturinsel in Italien gemacht, in
welcher das geistige Leben dieser Epoche vielleicht seinen vollsten
und besten Ausdruck gefunden hat.
Für die Einsicht in diese Yerhältnisse , durch welche die Com-
position der petronischen Satiren bedingt wird, genügt die unbe-
zweifelte und evidente Thatsache, dass Trimalchio in dem griechischen
Campanien zu Hause ist ; sie fordert nicht nothwendig die Entscheidung
dijr Frage, in welcher Gemeinde er den Sevirat erlangt hat. Indess
ist es immer von Interesse wo möglich auch diese festzustellen,
i zumal da in einem Werk, wie das unsrige ist, die volle Realität
J , MOMMSEN, SCHR. VII. 13
■1
194 Trimalchios Heimath und Grabschrift.
derjenigen Zustände angenommen werden darf und muss, welche
109 der Roman zu seiner Voraussetzung hat. Diese Stadt nun liegt am
Meer (c. 77. 81), nicht fern von Baiae (c. 53. 104) und von Capua
(c. 62), also ist sie auf jeden Fall am Golf von Neapel zu
suchend Hier gab es in der Kaiserzeit — denn Baiae und Bauli
haben nie Stadtrecht besessen — vier Stadtgemeinden: Neapolis,
Puteoli, Misenum, Cumae; es fragt sich, auf welche derselben die
bei Petronius vorkommenden Indicien passen. Es sind dies die
folgenden.
1. Die Stadt ist urhs Graeca c. 81. Dies passt weder auf
Misenum noch auf PuteoU. — Misenum ist als Stadt sehr jung, ohne
Zweifel erwachsen aus der Lagerstadt, welche durch die von Augustus
hier eingerichtete Flottenstation ins Leben gerufen ward, nach meiner
Vermuthung mit Stadtrecht von Claudius ausgestattet, da wir sie
der claudischen Tribus zugeschrieben finden. — Von Puteoli hat
Bücheier p. Villi bereits mit vollem Recht bemerkt: Graeca urhs
mirum est si Puteolana civitas vocatur tarn diu a Bomanis colonis
liabitata neque graecae magis quam variarum naüonum commerciis et
frequentia insignis. Das griechische Dikaearchia, an dessen Stelle
bald nach dem hannibalischen Krieg die römische Colonie trat, kann
unmöglich eine Stadtgemeinde gewesen sein, da es weder Münzen
noch sonstige Denkmäler hinterlassen hat, es auch gar nicht in der
römischen Politik jener Zeit lag eine der campanischen Griechen-
städte geradezu zu vernichten. Dagegen war nach allem, was wir
über Puteoli durch Schriftsteller und Inschriften erfahren, diese
Stadt der Sitz des römischen Handelsverkehrs in Campanien, ge-
wissermassen der zweite Hafen Roms, wie denn Ostia und Puteoli
die beiden einzigen einer städtischen Tribus zugeschriebenen Stadt-
gemeinden sind, und stand sie insofern in scharfem Gegensatz zu
den griechischen Stadtgemeinden, zwischen denen und gegen welche
sie gegründet worden ist. — Wohl aber passt die Bezeichnung so-
wohl auf Neapel, welches bei Tacitus (ann. 15, 33) ebenso genannt
wird, wie auf das alte Kyme. Nur wird gegen das erstere wiederum
geltend gemacht werden dürfen, dass, wenn Petronius eine so intensiv
griechische Stadt hätte schildern wollen, wie zu seiner Zeit Neapel
war, er wohl andere Farben gewählt haben würde; denn in der
That schildert er doch eine Ortschaft, die, wenn auch griechischen
HO Ursprungs, doch zur Zeit lateinisch redete und lateinisch geordnet
1) Auch die crypta c. 16 ist wohl die cutnanische ; von der neapolitanischen
spricht das Fragment 16 Buch.
Trimalcfaios Heimath und Grabschritt. 195
war: me denn der öffentliche Ausrufer bei ihm sich der lateinischen
Sprache bedient (c. 97).
2. Die Stadt war nach mehrfacher Angabe des SchriftsteUers
(c. 44. 57. 76) römische Colonie. — Dies schliesst zunächst Neapel
aus; denn obwohl es eine Inschrift frühestens des 3. Jahrhunderts
giebt, welche wahrscheinlich dieser Stadt angehört und sie als colonia
bezeichnet^, so kann sie das Colonierecht unmöglich schon vor der
neronischen Epoche erworben haben. Ihre Beamten nennen sich,
wo sie nicht mit dem griechischen Namen auftreten, Quattuorvim^,
wie dies in den Municipien herkömmlich ist, und es ist überhaupt
unmöglich die auf Beibehaltung der griechischen Geschäftssprache
und einigermassen auch der griechischen Amtstitel und sonstiger
älterer Einrichtungen beruhende Stadtverfassung von Neapel mit der
( olonialordnimg der früheren Kaiserzeit zu vereinbaren, wogegen die
Annahme kein Bedenken hat, dass in der Zeit des Verfalls Neapel,
ähnlich wie Mailand (vgl. C. L L. Y p. 654), unter Beibehaltung
seiner sonstigen Einrichtungen zur Titularcolonie gemacht worden ist.
— Die drei übrigen Städte sind allerdings sämmtlich Colonien ge-
wesen; doch passen die Angaben Petrons über seine Colonie. genauer
erwogen, weder auf Misenum noch auf Puteoli, sondern nur auf
Cumae. — Dass Misenum Colonie war, lehren die Inschriften (I. R.
X. 2575. 2576 [C. I. L. X, 367S. 3674 = Dessau 56S9. 6335]); aber es
ist schon bemerkt worden, dass es wahrscheinlich erst durch Claudius
Stadtrecht erhielt, während die Colonie des Peti-onius offenbar älter
ist. üeberhaupt aber ist es überflüssig bei Misenum zu verweilen,
da die Graeca iirbs allein dasselbe genügend ausschliesst. — Es
bleiben Puteoli, wohin, wie schon gesagt ward, bereits im Laufe
des 6. Jahrhunderts der Stadt eine Bürgercolonie geführt worden ist,
imd Cumae. über dessen Colonisirung wir nichts weiter wissen als
was sich schliessen lässt aus der auf zwei Steinen (I. R. N. 2568.
2569 [C. I. L. X, 3703. 4 = Dessau 6338. 5054]) vorkommenden
und mit höchster "Wahrscheinlichkeit auf diesen Ort zu beziehenden
Bezeichnung cfolonia) Kulia). Indess ist schon durch diese die
Zeit der Deduction einigermassen fixirt: sie wird entweder von den
Triumvim herrühren oder von Augustus in der Zeit vor An-
nahme dieses Titels, da nach der gewöhnlichen und wahrscheinlich
zutreffenden Annahme seitdem in den derartigen Benennungen an 1 1 1
die Stelle des julischen Beinamens der augustische getreten ist.
Demnach ist diese Colonie wahrscheinlich zwischen 711 und 727
1) I. R. X. 2455. [C. I. L. X, 1492.] 2) C. I. Gr. 5796. [I. 6. XTV, 745.
13*
IQQ Trimalchios Heimath und Grabschrift.
d. St. gegründet worden. — Prüfen wir nun die Aeusserungen des
Petronius über seine Colonie, so will für Puteoli schon das gar
nicht passen, dass, wie es c. 44 heisst, Jiaec colonia retroversus crescit
tanquam coda vituli. Petronius ist ein viel zu feiner Satiriker, als
dass er Dinge hinstellen sollte, die den Thatsachen ins Gesicht
schlagen; das Klein delos Italiens aber blühte und verblühte mit dem
grossen Luxus der römischen Welt und muss unter der ersten
Dynastie seine goldene Epoche gehabt haben. Dagegen gehört
Cumae augenscheinlich zu den zahlreichen todtgeborenen italischen
Militärcolonien ; die sparsamen und mehr und mehr versiegenden
Steinschriften bestätigen auf das schlagendste, was der Satiriker
sagt, dass es hier rückwärts vorwärts ging. — Das Gleiche gilt von
den dem Hermeros, einem Mitfreigelassenen des Trimalchio, in den
Mund gelegten Worten c. 57 : puer capillafus in hanc coloniam veni:
adhuc hasilica non erat facta. Wie diese beiden Sätze zusammen-
gereiht sind, scheint darin die Coloniequalität der Stadt mit der
Anlage der Basilica in einen ursächlichen Zusammenhang gebracht
zu werden. Es ist selbstverständlich und lässt sich zum Beispiel bei
der sullanischen Colonie Pompeii im Einzelnen nachweisen, dass die
Gründung einer Colonie auch in schon früher städtisch geordneten
Ortschaften umfassende Anlagen öffentlicher Gebäude im Gefolg zu
haben pflegte. Auch hier scheint Petronius sagen zu wollen, dass die
Colonie noch im Werden war, als der Sprechende dort anlangte, die
dadurch veranlassten Bauten damals noch nicht alle standen. Damit
war für die zeitgenössischen Leser, die wohl den Zeitpunkt der Grün-
dung der Colonie kannten, aber unmöglich den des Baues der Basilica
kennen konnten, die für das richtige Yerständniss der Stelle noth-
wendige ungefähre Datirung in genügender Weise gegeben. Alles dies
nun passt auf Puteoli durchaus nicht, aber vortrefflich auf Cumae, mag
nun, wie Bücheier (p. YII) meint, der Roman in den letzten Jahren
des Tiberius (f 790, 37 n. Chr.) spielen, oder, wie es mir wahrschein-
licher ist, vielmehr unter Augustus. Denn der Monat Augustus heisst
noch Sextilis (c. 53), welcher Namenwechsel im J. 746 stattfand, und
wenn das 'gesegnete Mahlzeit' in die Formel gefasst wird (c. 60):
Äugusfo patri patriae feliciter, so kann nicht wohl Tiberius gemeint
112 sein, der diesen Beinamen beharrlich verschmäht hat. Augustus
dagegen hat ihn im J. 752 officiell angenommen, und dass er schon
vorher allgemein gebräuchlich war, ist durch Schriftsteller^ wie
durch Inschriften 2 bezeugt. Diese Zeugnisse dürften mehr beweisen
1) Dio 55, 10. 2) C. I. L. I p. 386 [= P p. 309]. 11 n. 2107.
Trimalchios Heimath und Grabschrift. 197
als, worauf Bücheier seine Meinung stützt, die Anekdote von dem
Yerfertiger des unzerbrechlichen Glasgefösses und seiner Bestrafung
durch 'Caesar", während sonst ^ dieselbe auf Tiberius I^amen erzählt
wird: denn, selbst die historische Richtigkeit des wenig plausiblen
Geschichtchens zugegeben, konnte der Dichter sehr wohl chrono-
logisch in freierer Weise mit ihm schalten. Dabei kommen denn
auch das Falernum Opimianum annorum centtim (c. 34), was wörtlich
verstanden auf das J. 733 führt, so wie die Hinweisung auf die
kürzlich überstandene lange Kriegsnoth (c. 116) besser zu ihrem
Rechte. — Ob man bei dem Sänger Apelles (c. 64) an den unter
Gaius gefeierten Tragöden des Namens imd bei dem Sänger Mene-
krates (c. 73) an den Kitharöden aus Xeros Zeit denken will und
also der Verfasser mit Anachronismen aus der Rolle gefallen ist
oder ob hier vielmehr die bei den Schauspielemamen so weit ver-
breitete künstliche Homonymie obwaltet ist nicht mit Sicherheit zu
entscheiden. Bücheier folgt der ersteren Meinung; doch dürfte viel-
leicht die zweite den Yorzug verdienen.*)
3. L. Friedländer (in dem Königsberger Lectionskatalog 1860.1)
hat die Erwähnung der vigiles c. 78 damit in Zusammenhang ge-
bracht, dass Claudius in Ostia und in Puteoli eine Cohorte gegen
die Feuersbrünste stationirte ^. Aber abgesehen davon, dass unser
Roman die Zustände einer früheren Zeit zu schildern scheint und
dass die Einrichtung des Claudius aus anderen Gründen nur ephemere
Dauer gehabt haben kann, so hat Bücheier p. TIHI richtig darauf
hingewiesen, dass in dem Roman nur vigiles überhaupt gemeint sind,
keineswegs aber diejenigen militärisch organisirten vigiles. welche
Augustus in Rom einrichtete und die offenbar auch Sueton im Sinn
hat. Löschmannschaften, ähnlich wie sie Rom in republikanischer
Zeit gehabt hat, mag es vielfach in den Municipien gegeben haben,
wenn wir sie auch nur für Lugudunum ^ und für Nemausus * nach- 1 1 3
zuweisen im Stande sind. — Wenn also dieser Grund keineswegs
für Puteoli entscheidet, so macht mit gutem Recht Bücheier a. a. O.
gegen Puteoli geltend, quod in crebris sermonilms, quibus cotnmoda
et incommoda coloniae vitaqtie vtdgi inter cenantes versantur, paene
1) Bei Plinius h. n. 36, 26, 195 und Dio 57, 21.
*) [Gegen die Ansetzung unter Augu.stus: Klebs a.a.O. S. 665flF. Fried-
länder» S. lOf.]
2) Sueton Claud. 25.
3) praefectus vigütwi: Boissieu p. 4. [C. I. L. XIII, 1745; vgl. aber Hirschfeld,
Wiener Sitzungsber. 107, 1884, S. 250.]
4) praefectus viffilum et armarum: Orelli 2157. 2542. 3435 [s. jetzt C. I. L. XII
p. 382. 935].
J9g Trimalchios Heimath und Grabschrift.
nulla fit mercaturae ac rerum nauticarum mentio, quarum affltientia
Puteolanum emporium celebrabatur.
4. Es bleiben die Magistraturen und sonstigen öffentlichen
Stellungen. Das Auftreten der seviri Augustales oder seviri schlecht-
hin (c. 30. 57. 65. 71) hilft nicht weiter, da diese überall begegnen.
Was die Aedilen anlangt, die c. 44. 53 genannt werden, so gilt davon
dasselbe; indess würde man doch, wenn die neapolitanischen gemeint
wären, vielmehr die griechische Benennung erwarten (I. R. K 2451
[C. I. L. X, 1490]: äyogavo/u'^oag), wenn auch diese Beamten, wie schon
bemerkt ward, wahrscheinlich eine doppelte Titulatur geführt haben
und sich ebenfalls lateinisch aediles oder vielmehr IUI viri aedüicia
pofestate nennen durften, — Aber ganz entscheidend erscheint mir
die Stelle c. 65: tricUnü valvas lictor percussit .... ego maiestate
convictus praeiorem putdbam venisse, wo dann der vermeintliche
Prätor sich als der College des Trimalchio Habinnas entpuppt,
welcher als Sevir ebenfalls berechtigt ist Lictoren zu führen ^ Wenn
Bücheier (p. VIII) hiezu bemerkt: praetor minus accurate summus
magistratus appellatur, so mag er wohl theils an die bekannte
Stelle des Horaz gedacht haben 2; Fundos Aufidio Lusco praetor e
lihenter linquimus, theils an die formianische Inschrift 3, welche den
Wahlprogrammschreiber ersucht das Grabmal nicht zu entstellen:
sie tua praetores saepe manus referat; denn Fundi und Formiae
stehen nicht unter Prätoren. Aber beide Städte gehören zu den
wenigen, bei denen die höchste Magistratur durch drei Aedilen ge-
bildet ward; und diese technische Bezeichnung konnten die Poeten
nicht brauchen, weil sie ohne einen beschwerlichen Commentar die
Stellung nicht als obermagistratische markirt haben würde. Wenn
sie also aus diesem Grunde, Horaz ferner vielleicht auch um den
114 aufgeblasenen kleinen Zaunkönig damit zu zeichnen, die vornehmste
für den municipalen Magistrat überhaupt mögliche*, hier aber un-
eigentliche Bezeichnung gewählt haben, so kann das doch nicht
füglich auf Petronius übertragen werden, der keinen Grund hatte
ein anderes Wort zu setzen als das eigentliche und zutreffende.
Vielmehr wird aus der Stelle geschlossen werden dürfen, dass die
fragliche Gemeinde von Prätoren verwaltet ward. Nun aber stand
Neapel unter Demarchen oder Quattuorvirn, Puteoli unter Duovim;
1) Vgl. C. I. L. V p. 1198.
2) sat. 1, 5, 34. 3) I. R. N. 4135. [C. I. L. X, 6193 = C. L. E. 1466 Bücheier.]
4) Vgl. Cicero de 1. agr. 2, 34, 92: L. Considio et Sex. Saltio, quemadmodum
ipsi loqtiebantur , praetorüms, ut inteüegatis quantam locus ipse äff erat superbiam.
Trimalchios Heimath und Grabschrift. 199
dass dagegen die Magistrate von Cumae den in dieser Gegend sonst
nicht begegnenden Prätortitel führten, lehrt die Inschrift I. R. K 2558
[C. I. L. X, 3698 = Dessau 4 1 75] (vgl. 2459 [C. I. L. X, 3685 = Dessau
4040]). Danach scheint die Localisirung des petronischen Romans in
Cumae, der griechischen Stadt, der römischen Colonie mit Prätoren
an der Spitze wohl gesichert.
Indess ist noch einigen Zweifeln zu begegnen. Bücheier, der
wohl sah, dass die gemeinte Oertlichkeit in keinem Fall Puteoli
sein kann und dass gegen Neapel ebenfalls ernstliche Bedenken
bestehen, hat auch an Cumae gedacht; aber, sagt er (p. YIH)
Cumas illam cohniam non fuisse, ch qim convivae confabiäantiir,
prohatur eo, quod Cumis se suis oculis SibyUam tndisse (c. 48) quasi
rem raritate notabihm Trimalchio pronuntiat*) Dabei ist aber wohl
nicht bedacht, dass eben Trimalchio spricht; für ihn passt oftmals
das Unpassende, und so auch, dass er als ein merkwürdiges Erlebniss
dasjenige vorträgt, was um die Ecke gehend jeder sehen musste.
Es wirkt nur um so komischer, wenn er in Cumae selbst berichtet,
wie er die cumanische Sibylle in einer Bouteille habe sitzen sehen
und mit den Bengeln auf der Strasse Unterhaltung führen hören.
— Es Hesse sich noch ein ähnlicher Einwand daraus hernehmen,
dass Trimalchios Fattore die Verlesung des Hausjournals also beginnt
(c. 53): VII h. Sex. in praedio Cumano quod est Trimalchionis nati
sunt piieri XXX, puellae XL und so weiter. Nicht mit Recht fasst
Bücheier diese Stelle so, dass Trimalchio sein Grundstück in
hoffärtiger Weise a Jonginquo oppido, non a propinquo voluit denotare,
uf scilicet fmes illius patere usque nd Cumas crederentur. Denn diese
Benennungen werden den Grundstücken ja nicht willkürlich von ihren
Eigenthümern beigelegt, sondern sind abhängig von dem Territorium, 115
sei es der Stadtgemeinde, sei es eines Pagus derselben (wie Baianum,
Baidanum, Arcamim), in welchem das beti-effende Grundstück be-
legen ist. Aber eben darum würde man an dieser Benennung,
angewandt auf das Grundstück eines cumanischen Stadtbürgers, mit
gutem Grund Anstoss nehmen, wenn nicht wieder hier der trimal-
chionische Geist sich in seiner Eigenart oflFenbarte. Die fragliche
Bezeicbnungsweise der Grundstücke kommt ausschliesslich bei der
Nobilität vor, zu deren vornehmer Lebensführung es gehörte nicht
blos irgendwo ansässig zu sein, sondern wenigstens ein Luxusgrund-
stück in der Umgegend Roms, ein anderes Luxusgrundstück für die
Badesaison, endlich in der Heimathgemeinde die jyraedia patria zu
*) [S. jetzt Bücheier a. a. 0. (oben S. 191 *), wonach es Mommsens unwahr-
scheinlicher Deutunof dieser Stelle nicht bedarf.]
200 Trimalchios Heimath und Grabschrift.
besitzen und welche demgemäss ihre Landgüter nach den verschie-
denen Territorien benannten. Wenn dagegen der einfache Stadtbürger
von Cumae, der ausser seinen dortigen Besitzungen allenfalls noch
in einer Nachbargemeinde ein Stück Land an sich gebracht hatte,
von seinem praednim Cumanum und seinen horti Pompeiani spricht,
so ist dies eben so richtig wie lächerlich und also des Petronius
würdig. In ähnlichem Kreise bewegt sich die scherzhafte Schilde-
rung, die Trimalchio anderswo ^ von seinen Besitzungen giebt.
Spielt also der Roman in Cumae, so schilderte Petronius, was
er täglich sah; denn eben dort hatte er vermuthlich seine Yilla, auf
der er auch starb 2.
Es wird gestattet sein hieran einige Bemerkungen über die
Grabschrift anzuschliessen, die Trimalchio sich selber gesetzt wissen
will (c. 71).*) Eine Erörterung der dazu gehörenden Bildwerke,
wie sie Jahn zu geben verstanden haben würde, gäbe einen so aus-
führlichen wie belehrenden Commentar; so unmittelbar ist hier alles
aus dem Leben gegriffen und so reichlich sind uns hier die Originale
erhalten, die der Satiriker copirte und persifflirte. Man vergleiche
zum Beispiel das pompeianische Denkmal des Augustalen L, Munatius
Faustus I. K 2346 [C. L L. X, 1030 = Dessau 6373], wo man das in
den Plafen einsegelnde Schiff abgebildet findet, und das des Brixianers
116 M. Valerius Anteros Asiaticus C. I. L. V 4482, das den vom Tribunal
herab Geld ausspendenden Sevir darstellt, der auch von sich sagen
konnte: scis enim quod eptilum dedi hinos denarios: faciatur si tibi
videtur, et tridinia facias, et totum pojndum suaviter sihi facientem
[c. 71, 10]. Anderes freilich wird man nicht finden; wie denn das
Jiorohgium, wenn es auch bei der inneren Einrichtung eines Gesammt-
grabes Verwendung finden kann (Orelli 4517 [C. L L. VI, 10237 =:
Dessau 7870]), zu einem Einzelgrab nicht passt und vielmehr der
schola eigen ist. Es gehört das zu dem Humor dieser Grabstätte
mit dem weinenden Genius und der gebrochenen Urne, dass sie dem
Anordner unter den Händen zum Lustplatz wird, auf welchem das
Publicum treibt, was ihm Spass macht oder was es nicht lassen kann.
1) c. 48 vgl. c. 77.
2) Denu so scheint am natürlichsten gefasst zu werden, was Tacitus 16, 19
von ihm berichtet: forte Ulis diebus Campaniam petiverat Caesar et Cumas usqtie
progressus Petronius illic attinehatur.
*) [Die folgenden Bemerkungen sind von Friedländer a. a. 0. S. 341 ff. mit
großenteils wörtlicher Anführung verwertet und durch einige bestätigende Zu-
sätze erweitert worden.]
Trinialchios Heimath und Grabschrift. 201
Aber das ist Sache der Archäologen; ich beschränke mich auf die
eigentliche Inschrift. Da ist zunächst die bekannte Formel hoc monu-
mentum heredem non sequatur, wofür eigentlich sequettir oder allenfalls
sequitur erfordert wird * ; aber so genau nimmt es Trimalchio mit der
technischen Formel nicht. Natürlich versteht er sie noch viel weniger ;
er sieht darin nicht die Anordnung, dass die Grabstätte mit Aus-
schluss der der Familie nicht angehörigen Erben der Descendenz
verbleiben soll, sondern offenbar die Vorschrift, dass das Grab den
Besitzer nicht wechseln soll, was ja auch ganz richtig ist, aber doch
nicht gerade ante omnia eingeschärft zu werden braucht. Dann
folgt die eigentliche Grabschrift:
( • POMPEIVS • TRIMALCHIO • MAECENATIANVS
HIC • REQVIESCIT
HVICSEVIRATVS- ABSENTI- DECRETYS -EST
CVM • POSSET • IN • OMNIBVS • DECVRIIS • ROMAE • ESSE • TAMEN • NOLVIT
PIVS • FORTIS • FIDELIS
EX • PARVO • CREVIT -SESTERTIUM-RELIQVIT [CCCl
NEC • VMQVAM • PHILOSOPHUM • AVDIVIT
VALE ET • TV
Zuerst der Name klingt an auf die Nomenclatur der vornehmen
Welt und schliesst doch den Beweis der Libertinität so sicher in
sich wie das vorsichtig weggelassene Gaii lihertus ihn nur immer
geben würde. Mehrfache Cognomina sind bekanntlich das rechte
Kriterium der Nobilität; insbesondere das zweite auf -anus endi-
gende Adoptivcognomen ist schon in republikanischer Zeit in den 117
Fällen aufgekommen, wo Personen vornehmer Geburt auch nach
dem formalen Geschlechtswechsel ein Kennzeichen ihrer angeborenen
Nobilität fortzuführen wünschten. Bei Freigelassenen dagegen ist
zwar die Führung des Cognomen unerlässlich und ohne Zweifel
gesetzliche Vorschrift, da ein Freigelassener ohne Cognomen fast
unerhört ist, während Freigeborene namentlich aus dem Ritterstande
noch in der früheren Kaiserzeit nicht selten ohne Cognomen auf-
treten. Aber der Freigelassene ist nicht blos in der Auswahl des
Cognomen, sei es nun durch Gesetz oder durch Sitte, an bestimmte
Können gebunden 2, sondern vor allem auf die Führung eines ein-
1) Voll ausgeschrieben sequetur z. B. Wilmanns 279 [C. I. L. X, 6060] (vgl.
C. I. L. V p. 1202); seqititur Wilmanns 287 [C. I. L. VI, 10235 = Dessau 8364]. 293
[CLL. XIV, 166j. Die erste Formel ist die eigentlich correcte.
2) Gewöhnlich sieht man die Beinamen griechischen oder doch unrömischen
U-spmngs als den Freigelassenen besonders eigen an, und dies trifft auch in
202 Trimalchios Heimath und Grabschrift.
zigen Cognomen beschränkt, worin füglich eine Fortwirkung der
ebenfalls cognominalen und einnamigen Sclavenbenennung gefunden
werden kann. Hievon giebt es indess sowohl für die Sclaven wie
für die Freigelassenen eine allgemeine Ausnahme: in dem kaiser-
lichen Hause so wie in denjenigen grossen Familien, die unter der
ersten Dynastie gewissermassen als Pairs des Kaiserhauses galten,
war die Zahl der Sclaven so ungeheuer, dass zur Verminderung der
Homonymie, namentlich bei Erbfällen, die Sitte bestanden haben muss
den neu hinzutretenden Sclaven ein von ihrem früheren Herrn entlehntes
auf anus auslautendes zweites Cognomen zu geben. So nannte sich
ein von Yedius Pollio dem Augustus vermachter Sclave nach der
Freilassung C. Julius divi Aug. l. Niceros Vedianus^ ein Anderer,
den König Amyntas von Galatien der Livia hinterlassen haben muss,
M. Livius Aug(ustae) l. Anteros Amyntianus, eine wahrscheinlich von
, der Marcella an Valerius Messalla gekommene Sclavin Valeria Nama
Messallae l. Marcelliana ^. Dem entspricht genau unser C. Pompeius
118 Trimalchio Maecenatiamis. — In den Namen selbst wird man be-
stimmte Beziehungen nicht suchen dürfen; die vornehmen dem
julischen Hause verschwägerten Pompeier führen den Vornamen
Gaius nicht 2 und das Greschlecht des Maecenas ist kein senatorisches.
Es scheint auch nicht Petronius Weise gewesen zu sein bestimmte
Persönlichkeiten in dieser Weise zu maskiren oder gar seiner Satire
eine direct politische Richtung zu geben. Aber den snob hat er für
ein römisches Ohr mit dieser Doppelnamigkeit unvergleichlich
charakterisirt; wie es denn auch wohl kein Zufall ist, dass zwei
derjenigen Persönlichkeiten , die durch ihre Grabschriften sich als
nächste Geistesverwandten des Trimalchio charakterisiren, ebenfalls
mit Doppelnamen versehen sind — ich meine den schon erwähnten
Rom und den sonstigen von griechischer Cultur durchdrungenen Gegenden zu,
namentlich in den Küstenorten, wie in Pola und Salonae. Aber in Oberitalieu,
wo die Kunde des Griechischen ohne Zweifel nicht allgemein war, sind diese
Cognomina relativ selten und treten vielmehr diejenigen lateinischen ein, die
nicht in der Geltung der cognomina equestria standen. Eine specielle Unter-
suchung dieser localen Verschiedenheiten, die allerdings durch die zahlreichen
Ausnahmen sehr erschwert wird, würde von wesentlichem Nutzen sein.
1) Es ist dies schon früher in dieser Zeitschrift 2, 158 ausgeführt worden,
wo die Belege gegeben sind. [In dem Aufsatz: Grabschrift aus Rom, der im j
II. Band der Epigraph. Sehr, zum Abdruck gelangen wird.] j
2) Der Consul 49 n. Chr. C. Pompeius Longinus (denn so , nicht Aulus
scheint er geheissen zu haben; s. Nipperdey zu Tacitus ann. 12, 5) gehört i
schwerlich zu dem Geschlecht des Magnus.
Trimalchios Heimath und Grabschrift. 203
Brixianer Anteros Asiaticus und den noch zu nennenden Asisinaten
Eros Merula.
Hie requiescit ist, wie alle Formeln, die ein Pathos in sich
tragen, plebejisch und also in guter Zeit nicht unerhört ^, aber ebenso
selten wie in christlicher gemein. Es gehört zur uma fracta und
zum pner plorans.
Huic seviratus dbsenti clecreUis est. "Was absens consul factus
est bedeutet, weiss jeder-, und Analogien dazu aus dem municipalen
Kreis fehlen ebenfalls nicht; so finden wir auf einer Inschrift aus
der Zeit des Tiberius (I. R. N. 4337 [C. I. L. X, 5394]) : ei honorem
IUI vir(atus) detii[krunf Veronenses ratione habita] absentis eius extra
ordinem]. Xur steht es mit dem Sevirat insofern etwas anders als
mit dem Consulat und dem Quattuorvirat, als derselbe bekanntlich
der Regel nach von dem Municipalsenat vergeben wird^ den Frei-
gelassenen aber, aus denen in dieser Gegend Italiens die Sevim 119
ausschliesslich genommen werden, die Curie ein für allemal ver-
schlossen ist. Also sind freilich Marius zum Consul und Trimalchio
zum Sevir beide abwechselnd gemacht worden; aber in dem Wie
und Warum bestand doch ein gewisser Unterschied, und dies ist der
Humor davon.
Ctim posset in omnibus decuriis Romae esse, tarnen tioluif. Der
angesehene Municipale muss irgend eine Stellung auch in Rom ein-
nehmen, der Regel nach das Ritterpferd besitzen und den Ge-
schwomendecurien angehören — ich führe unter unzähligen Belegen
nur die spanische Inschrift (Henzen 6467 = C. I. L. II, 4223) an
eines adlectus in quinqtie decurias hgitume Bomue iudicantium. So
weit hätte es nun Trimalchio allerdings nicht wohl bringen können,
auch wenn er gewollt hätte; aber es gab doch Decurien auch in
Rem, für die er wohl sich qualificirte. Aus den Freigelassenen
\) hie requiescent auf einer gallischen Inschrift vielleicht republikanischer
Zeit C. IL. 1, 1489 vgl. das. 1064 und die Zusammenstellung von Wilmanns
p. t«l und von mir C. I. L. vol. V p. 1214; ferner Orelli 651. [C. I. L. VI, 8943
= Dessau 1830.]
2) Staatsrecht 1-, 485 [1», 507].
3) Der einfache Beisatz decurionum decreto erscheint bei dem sevir oder
ideni AugustaUs eben darum nicht, weil dies die reguläre Form ist; dagegen
ifincet sich häufig ffratis factus decurionum decreto, und es versteht sich, dass
nur die Behörde, die das Ernennungsrecht hatte, die dafür zu entrichtende
[Gegenleistung erlassen konnte. Locale Abweichungen kommen vor; so scheint
|in Mailand der Sevirat auf andre Weise erworben, die Augustalität aber von
Ideni Ordo verliehen zu sein (C. I. L. vol. V p. 1198). Indess an der Regel be-
steht kein Zweifel.
204
Trimalchios Heimath und Grabschrift.
vornehmlich, sagt Tacitus ann. 1 3, 27 werden die decuriae genommen
ministeria magisfratibus et sacerdotibus; und zahlreiche Inschriften
bestätigen es, dass die Apparitoren der Beamten wie der Priester
eben dieser Klasse vorzugsweise angehörten, dass es ganz gewöhnlich
war eine Anzahl Stellungen dieser Art zu cumuliren und dass man
in diese Posten sich einkaufte^. Yon diesen römischen Decurien
sagt also Trimalchio, der wohlhabende Mann, ganz mit Recht, dass
er in alle hätte gelangen können, wenn er Lust dazu gehabt hätte.
Freilich hätte er dann wohl seinen Wohnsitz in Rom nehmen
müssen; denn die Inschriften dieser Apparitoren sind ganz über-
wiegend stadtrömisch und bestätigen, was an sich schon wahrscheinlich
ist, dass der Inhaber eines solchen Postens, wenn auch kaum Amts-
geschäfte, doch ein Amtsdomicil in Rom hatte. Darum eben lässt
der Dichter seinen Helden nicht zu dem Besitz solcher Stellungen
gelangen, sondern nur ihn erklären, dass es allein von ihm abgehangen
haben würde eine amtliche Stellung zu bekleiden und in die öffent-
lichen Decurien in der Hauptstadt zu gelangen. Ob dabei an die der
Geschworenen des Reichs oder an die der Ausrufer und der Gerichts-
diener zu denken sei, überliess er, wie billig, dem denkenden Leser.
120 Pius fortis fidelis. Der richtige grosse Herr in der kleinen
Stadt muss nicht blos Ritter und Geschworener, sondern auch wo
möglich Herr Obrist sein; wie denn die tribuni müituni und die
praefecti fabrum der Municipalinschriffcen in dieser Hinsicht allen
billigen Anforderungen entsprechen. Solche Realitäten der Hoffart
waren unserem Mann, dem der Prätor von Kyme schon ein grosser
Herr war, nicht vom Schicksal beschieden; aber das konnte ihm
doch niemand wehren, dass er sich die Eigenschaften beilegte, die
unter dem Principat als der Inbegriff der soldatischen Ehre galten,
die Loyalität, die Tapferkeit und die Treue. Sie spiegeln sich in
den Ehrenbeinamen der Legionen, von denen schon Claudius zwei
piae ßdeles, Traian eine dritte fortis zubenannte.
Ex parvo crevit, oder, wie es Petronius anderswo ausdrückt, rfe
nihilo crevit (c. 38), ab asse crevit (c. 43) wird wohl zusammengestellt
werden dürfen mit der Grabschrift C. I. L. Y, 7647: Q. Minucius
Faber ab asse quesitum VI vir Äug(ustalis) recuie et memoriae diu-
turnae; vgl. das. n. 6623: ab ase posit.
Sestertium reliquit trecenties. Bekannt ist die Parallele aus
Horaz ^, wo ein Yalerius seinen Erben auflegt summam pafrimoni
1) Die weitere Ausführung im Staatsrecht I =^ S. 318 f. [I » S. 332 f.] giebt i
die Belege. j
2) sat. 2, 3, 87. j
Trimalchios Heimath und Grabschrift. 205
htsciilpere saxo. Wir haben aber auch eine Inschrift, in welcher
dies in der That geschehen ist; es ist die eines asisinatischen Arztes,
der natürlich auch Sevir war ^ : P. Decimius F. l. Eros Mernla medicus
clinmis chirurgus ocidarius, VI vir. Hie pro lihertate dedit HS (L
milia); lue pro sevirntu in rem pfuhlicam) dedit HS (II milia); hie
in statuas ponendas in aedem Herculis dedit HS (XXX milia) ; hie
in vias sternendcLS in puhlieum dedit HS (XXXVII milia). Hie
pridie quam m&rtuus est reliquit patrimoni HS (milia quingenta
viginti)^. Trimalchio hatte es weiter gebracht; er hinterliess die
rande Summe von 30 Millionen Sesterzen.
Nee umqiiam philosophum audivit mag wohl freier Scherz sein;
wenigstens wüsste ich nicht, dass unter den zahlreichen Inschriften,
deren Urheber alle Ursache hatte dies für sich geltend zu machen,
rieh einer dessen ausdücklich berühmt hätte.
Vale: et tu kehrt wörtlich wieder zum Beispiel auf den Inschriften
C. I. L. V, 4887. 7838.
Der Verfasser dieses Kunstwerkes scheint selber ein Stück auf 121
da.sselbe gehalten zu haben: inscriptio quoque, sagt sein Mann, vide
diligenter si haec satis idonea tibi videtur. Es ist versucht worden,
dieser Aufforderung zu entsprechen; wir wollen hoffen, dass die
Leser Trimalchios Frage bejahen werden.
1 ) Orelli 2983 [C. I. L. XI, 5400 =- Dessau 7812].
2) Die Summe HS oo D iilii nlii ist wohl so zu erklären, dass die ersten
beiden Zeichen nicht als Ziffern gelten, sondern die Worte milia quingenta
= 500,000 vertreten, daran aber in Ziffern geschrieben iilii iiIii sich anschliesst.
XXV.
M. Valerius Probus de notis antiquis.*)
öl Unsre technische und fachwissenschaftliche Ueberlieferung aus
dem Alterthum bietet in allen ihren Zweigen, in der Jurisprudenz
wie in der Gromatik, in Grammatik und Eloquenz, in Kriegs- und
Messkunst, ja in der Geo- und Chorographie die eigenthümliche
Erscheinung dar, dass an einen in der klassischen Zeit des römischen
Alterthums in Compendien und praktischen Hülfsbüchern fixierten
Kern sich eine zwar geist- und kraftlose, aber doch bis zu einem
gewissen Grade betriebsame Schriftstellerei anschliesst, die vornäm-
lich in den Klosterschulen des fränkischen Reiches ihren Sitz gehabt
hat und in und über die karolingische Zeit sich fortspinnt. Be-
greiflicher Weise waren die gewöhnlichen Hülfsbücher dieser Zeit
die barbarisierten Umgestaltungen der ursprünglichen Handbücher;
je vollständiger es dem Mönch gelungen war, die Präcision des
Inhalts, die Geschlossenheit der Form, den Geist der Wissenschaft
aus dem Lehrbuch zu verbannen, desto sicherer war seine Arbeit
des Beifalls und der Yerbreitung. Dennoch begegnen uns zwischen
diesem Wust in stets vereinzelt stehenden Handschriften hie und da
technische Arbeiten der besten Kaiserzeit, die in den Libereien des
Mittelalters gestanden haben mögen wie in denen unsrer Advocaten
hie und da Accursius und Baldus. So sind, durchgängig in einzelnen
*) [Berichte über die Verhandlungen der Sachs. Gesellsch. d. Wiss., phil-
hist. Kl. 5, Leipzig 1853, S. 91 — 134. Der größte Teil dieser Abhandlung,
nämlich die recensio der Handschriften und die Edition der Schrift selbst, ist
durch Mommsens kritische Ausgabe in den Grammatici latini ex rec. H. Keilii,
vol. IV, Leipz. 1864, S. 265 — 352 erledigt worden und wird daher hier nicht
wiederholt. (Vgl. von neueren Ausgaben noch: Huschke, Jurisprud. Anteiust.,
6. Aufl. von Seckel- Kubier I (Leipzig 1908) S, 82 ff.) Die einleitenden Worte
jedoch sowie die in der zweiten Ausgabe fehlenden exegetischen Bemerkungen
mußten hier ihren Platz finden.]
M. Valerius Probus de notis antiquis. 207
Exemplaren, der Festus und Charisius, der ächte theodosianische
Codex und der Ulpian erhalten; so steht unter dem Wust mittel-
alterlicher Metrologien ganz vereinzelt der Maecian, und ebenso ver- 02
einzelt ist unter den mehr zahlreichen als werthvollen Verzeichnissen
der sogenannten notae ein kleiner Aufsatz erhalten, der sprachlich
und sachlich mit Maecian und Ulpian mindestens auf gleicher Linie
steht und dem die nachfolgende Untersuchung seinen gebührenden
Platz wieder zu verschaffen bestimmt ist. In unsern Ausgaben ist
das Yerhältniss der verschiedenen Notensammlungen verdunkelt,
indem der aus der besten römischen Zeit herrührende Aufsatz mit
andern Arbeiten des früheren Mittelalters durch einander geworfen
ist; ich hoffe Juristen wie Philologen einen Dienst zu leisten, wenn
€3 mir gelingt, durch Zurückgehen auf die Handschriften die antike
Schrift von dem barbarischen Wust, unter dem sie verschüttet ist,
abzusondern und eine wenn nicht ganz befriedigende, doch erträg-
hche diplomatische Grundlage für jene zu gewinnen. Seit längerer
Zeit bemüht, das hiefür erforderliche Material zu erlangen, glaube
ich jetzt, nachdem ich mich und meine Freunde mit Untersuchung
der Handschriften, die hiefür etwas zu versprechen schienen, vielfach
geplagt habe, im Stande zu sein, einen nicht interpoherten Text
vorzulegen und die Entstehung der italienischen Interpolation auf-
zudecken. Dass noch reicheres Material und bessere Quellen in den
Bibhotheken sich verbergen, ist sehr wahrscheinlich; allein die
Wiederentdeckung verschollener Handschriften ist zumal bei einer
Schi-ift von wenigen Seiten zu sehr Sache des Zufalls, als dass ich
den Tadel der Voreiligkeit befürchten dürfte, wenn ich der völlig
verwilderten und bodenlosen Vulgata zunächst einen leidlichen Text
substituire, den durch einen besseren zu verdrängen dem glücklicheren
oder emsigeren Forscher anheimgestellt sein möge.*)
Ueber die Schrift selbst füge ich noch Einiges hinzu.**) Dass 128
di^ Ueberschrift , wie ich sie gegeben habe, handschriftlich wohl
beglaubigt und der Name des Probus keineswegs Erfindung der
italienischen Gelehrten ist, leidet keinen Zweifel. Allerdings passt
*) [Dieser Aufgabe hat sich dann Mommsen selbst unterzogen. — Die nun
auf S. 93— 127 folgende recensio und editio sind hier nicht wiederholt worden.]
**) [Die von Mommsen hier angefügte Anmerkung gegen Osann, der auf
Grind des unzuverlässigen Vulgattexts verfehlte Kombinationen angestellt hatte,
ist hier fortgelassen worden.]
208 M- Valerius Probus de notis antiquis.
der Titel*) nicht, selbst wenn man, wie man jedenfalls muss, die
Worte antiquis opuscidum als mittelalterlichen Zusatz streicht. Es
geht aus der Vorrede mit Bestimmtheit hervor, dass die Abkürzungen,
die der Verfasser aufzählt, gar keine notae im eigentlichen und
technischen Sinn sind, sondern vom Verfasser durchgängig litterae
singulares oder auch mit dem generellen Ausdruck notationes genannt
werden. Der gute Sprachgebrauch nennt nur die Zeichen, wo es
nicht deutlich ist singulae litterae qtiid signißcent, also die kritischen
129 Zeichen der römischen Grammatiker und die Zeichen der Steno-
graphen, notae; der Verfasser unsrer Schrift belehrt uns ausdrücklich,
dass man sich der litterae singulares die er aufzählt lange bediente,
ehe die eigentlichen notae, die Stenographie erfunden wurde, was
nach allen Nachrichten in die Zeit von Cicero und Augustus fällt
(Bernhardy röm, Litt.-Gesch. S. 66).**) Allein andrerseits liegt uns,
wie der Eingang zeigt, hier bloss ein einzelner Abschnitt einer
grammatischen Anweisung vor, mag diese nun ein allgemeines Hülfs-
buch oder eine Theorie der sämmtlichen Abkürzungen, also der
notae und der litterae singulares, gewesen sein. Nimmt man das
Letztere an, so kann man sich als Haupttitel des ganzen Werkes
die Ueberschrift M. Valerii Prohi de notis gefallen lassen; denn das»
im weiteren Sinn und bei den Späteren regelmässig notae auch die
litterae singulares mit einschliesst , soll nicht bestritten werden. —
Was den Verfasser anlangt, so scheint mir das Zeugniss der Hand-
schrift Glauben zu verdienen und nichts dagegen, wohl aber manches
dafür zu sprechen, dass von dem bekannten Grammatiker M. Valerius
Probus von Beryt, der unter Nero blühte und wahrscheinlich noch
unter Domitian gelebt hat (O. Jahn zum Pers. p. CXXXVH), unser
Tractat herrührt. Die Sprache dünkt mir einer Fachschrift des
ersten Jahrhunderts vollkommen würdig; ich will in dieser Hinsicht
nur aufmerksam machen auf die feine Distinction § 2 a. E. zwischen
j)otestates und magistratus, ganz wie Cicero de leg. 3, 3, 9 imperia
und potestates unterscheidet, und darauf, dass der Verfasser noch
von edicta perpetua spricht, nach dem guten alten vollkommen
richtigen Sprachgebrauch (s. Zimmern R. G. I, S. 119 A. 10), wie
ihn auch Asconius in Com. p. 58, 16 [p. 52, 6 K.-Sch.] hat, wo die
*) [In der von Mommsen in der ersten Ausgabe zugrunde gelegten Hs.
des Celtes lautet er: de notis antiquis opusculum; in den besseren, für die zweite
Ausgabe benutzten Hss.: (de) iuris notarum (Über) o. ä. Mommsen setzt diesen
Titel in Klammem so: Valerii Probi [de iuris notarum].]
**) [Vgl. M. Schanz, Gesch. d. röm. Lit. 1^, München 1898, S. 355f. und
die dort angeführte Literatur.]
M. Valerius Probus de notis antiquis. 209
Neueren sogar ändern wollten; während der Sprachgebrauch schon
der sogenannten klassischen Juristen nur den Singular kennt.*)
Sachlich findet sich nirgends eine Hindeutung auf spätere Zustände;
die jüngsten bestimmt chronologisch zu fixierenden Abkürzungen
sind lex lulia (von Augustus) de adidteriis cohercendis § 3, 1 1 [10]**)
und CL = Claudius § 2, 9 [S], das einzige abgekürzte Nomen, das
der Verfasser aufzählt; es kann diese Abkürzung als notatio publica
nicht vor die Zeiten der claudischen Kaiser gesetzt werden, und
wenn auf ein Argument aus dem Stillschweigen viel zu geben wäre,
könnte man aus dem Fehlen des IL • sogar den Schluss ziehen,
dass unsre Schrift vor Vespasian geschrieben ist. Mehr Gewicht
lege ich auf die Erwähnung von Noten, die schon in der späteren
Kaiserzeit wenig Anwendung mehr finden konnten; wohin manches 130
sich rechnen lässt, z. B, die Notationen der Curiennamen, aber vor
allen Dingen die ausführlich mitgetheilten Noten der Legisactionen,
nach deren Beseitigung durch die julischen Gesetze die darauf be-
züglichen Notationen sehr bald zur Antiquität geworden sein müssen;
und unsre Schrift sieht doch weit mehr nach einem praktischen
Hülfsbuch aus als nach einer archäologischen Abhandlung. Ferner
wissen wir aus Suetons Biographie (de ill. gramm. c. 24) einmal,
dass Probus sich von den grammatischen Studien allerdings haupt-
sächlich mit Textrevisionen abgab (multa exemplaria contracta emen-
dare ac disiinguere et adnotare curavit, soli liuic nee tdli praeterea
grammatices parti deditusj, dass er aber doch auch einige kurze
Abhandlungen über Kleinigkeiten (pauca et exigua de quibusdam
minutis quaest'mnculis) publicirte, zum Beispiel einen commentarius
sntis curiose [actus de occulta litterarum sigtiificatione episttdarum
Caesaris scriptarum (Gell. 1 7, 9 vgl. Suet. Caes. 56). Wer haupt-
hlich bemüht war correcte Texte herzustellen, dem konnte es
iiicht fern liegen eine kurze Belehrung über die zulässigen litterae
singulares und ihre Bedeutung aufzusetzen so wie die Bedeutung
der dem Leser nicht minder wichtigen conventioneilen kritischen
Zeichen theoretisch zu erläutern; Probus verliess hiebei sein eigent-
liches philologisches Gebiet nicht, und zugleich konnte eine solche
Schrift von Sueton recht wohl unter den exigui libri de minutis
*) [Vgl. F. Puchta, Instit. I, 10. Aufl. bes. von F. Krüger, Leipzig 1893,
.•^. 196. M.Wlassak, Edikt und Klageform, Leipzig 1888, S. 16 f. P. Krüger, Quellen,
Leipzig 1888, S. 37. Th. Kipp, Quellen, 2. Aufl. Leipzig 1903, S. 46.]
**) [Die eingeklammerten Zahlen beziehen sich auf die etwas abweichende
Numerierung der 2. Ausgabe.]
MOMMSEN, SCHR. VII. 14
210 ^- Valerius Probus de notis antiquis.
quaestiuncidis mit verstanden werden. Es scheint demnach sich
alles zu vereinigen um dem Zeugniss unsrer Handschriften den
Glauben nicht zu versagen und es festzuhalten, dass der römische
Immanuel Bekker sich trotz seiner Schweigsamkeit doch dazu ver-
standen hat eine theoretische Belehrung über die Noten im weiteren
Sinn, namentlich die kritischen Zeichen und die litterae singulares
aufzusetzen, wovon uns der zweite Abschnitt vorliegt. Wer da will,
kann das kürzlich entdeckte Pariser Fragment (Zeitschr. für Alter-
thumswiss. 1845 S. 81 [Sueton fr. 108 Reiff J) als beruhend auf einem
andern Abschnitt dieser Schrift betrachten, obwohl darüber kein Zweifel
sein kann, dass dasselbe wie es vorliegt nicht von Probus herrührt.
Die Anlage des uns erhaltenen Abschnitts ist sehr einfach. Er
unterscheidet zunächst die publicae notationes und die privntae, die
arbiträren und individuellen Abkürzungen, welche 'letztere natürlich
weder gelehrt werden können noch gelernt zu werden brauchen.
131 Jeder Epigraphiker weiss, was für Abkürzungen hier gemeint sind;
wie oft auf Privatinschriften Eigennamen oder Phrasen mit den
Initialen bezeichnet sind, wie oft Formeln vorkommen, die nur durch
den Ort wo sie sich ursprünglich fanden und auch dann nur für
Eingeweihte verständlich waren. Diese willkürlichen Abkürzungen,
die uns nur auf Inschriften begegnen, kamen natürlich in den
Privatscripturen noch unendlich häufiger und viel arbiträrer vor,
und diese wird Probus hier zunächst beseitigen wollen. Einzelne
für den Grammatiker wichtigere Kategorien der notationes privatae,
so die in Cäsars Correspondenz vorkommende Chifferschrift hat er
in besondern Abhandlungen esoterischer I^atur erläutert; in unsrer
durchaus exoterischen Schrift war dafür kein Platz. — Die allgemein
gültigen Abkürzungen theilt Probus dann wieder in vier Kategorien
ein, die wenn ich nicht irre sowohl in der Vorrede als in dem Auf-
satz selbst vorkommen und die richtig aufzufassen von einiger
Bedeutung ist. Ich setze sie zunächst her mit den eigenen Worten
des Verfassers:
Vorrede Text
in praenominibus in monumentis publicis*) et hi-
sforiarum libris sacrisque publi-
cis (§ 2 [1 a. E.])
in legibus publicis in iure civili de legibus et plebi |
scitis (§ 3)
*) [In der ed. 2 plurimis nach der besseren Überlieferung.]
M. Valerins Probus de notis antiquis. 211
Yorrede Text
in 2)ontifictini mouumentis in legis actionibus (§ 4)
in iuris civilis libris in edicfis perpetuis (§5)
Zunächst ist daran zu erinnern, dass Probus, der für «das Studium»
schrieb, unzweifelhaft nicht an Inschriftenleser gedacht hat, sondern
an diejenigen, die mit der römischen Litteratur sich bekannt machen
wollten. Sonach war es für ihn natürlich die Abkürzungen in zwei
Klassen zu theilen, von denen die erste die der amtlichen und
historischen Schriften begriff, die zweite die juristischen. Die übrige
Litteratur nämlich enthielt sich theils wohl gänzlich des Gebrauchs
der Noten — so werden die Abschreiber bei poetischen Schriften
und Reden wohl nie haben notiren dürfen und ebenso vermuthlich
bei dem grössten Theil der technischen Werke — theils fand wie
bei der Gromatik die Notation nur eine immer sehr beschränkte
und wohl auch erst nach Probus Zeit zu einiger Bedeutung für die
Litteratur gelangte Anwendung. Dabei muss freilich zugegeben
werden, dass die in den amtlichen und historischen Schriften reci- 132
pierten Abkürzungen zum Theil einen generelleren Charakter trugen,
namentlich die Yornamen, die Tribus, auch die Amtsbezeichnungen,
überhaupt alles was mit den Eigennamen zusammenhing, und dass
diese von jedem Abschreiber gesetzt wurden, wo ein Name in pro-
saischer Rede vorkam: und hieraus erklärt es sich wohl, warum
Probus in der Yorrede die Notation der Pränomina im Allgemeinen
verheisst. in dem Aufsatz selbst an der entsprechenden Stelle die
speciell in amtlichen und historischen Schriften übliche Notation
theils der Pränomina, theils andrer Dinge ausführt — eine aus der
Natur der Sache hervorgegangene und also sich rechtfertigende
Incongruenz. Was nun speciell die erste Klasse anlangt, so wird
man bei den monumenta publica an die commentarii constilares, die
tabulae censoriae^ die commentarii quaestoris zu denken haben, mit
denen die Philologen der ersten Kaiserzeit sich viel beschäftigten
(Yarro YI, 86 — 95), ebenso bei den libri sacri publici (denn so ist
zu verbinden) an die commentarii sacrorum und die lihri augurales;
zwischen beiden stehen sehr natürlich die Annalen, die ja in Form
und Inhalt aus der vom Oberpriester officiell angefertigten Chronik
des römischen Staats abgeleitet sind. Diesem Material entspricht
vollkommen das Yerzeichniss der Gegenstände, welche ihre eigenen
Abkürzungen haben; wenn Probus einen Theil der Noten hersetzt,
einen andern nur erwähnt, so ist der Grund davon vermuthlich der,
dass zu seiner Zeit das gewöhnlich lesende Publicum, für das er
14*
212 ^- Valerius Probus de notis antiquis.
schrieb, die censorischen Schriften und die Auguralbücher so wenig
las wie heute die Polyptychen und die Diplomatare, und dass Probus
desshalb nur verzeichnete, was etwa in einer Handschrift des Livius
wie er sie las an Abkürzungen vorkommen konnte und im Uebrigen
sich mit einer Andeutung begnügte. — Die zweite Klasse befasst
die in den Rechtsbüchern gebräuchlichen litterae singulares, welche
Abkürzungsweise bekanntermassen in der Jurisprudenz die aus-
gedehnteste und am feinsten angelegte wie am schärfsten fixierte
Anwendung erfahren hat, recht als sollte sich hier wieder zeigen,
wie die Jurisprudenz allen übrigen römischen Fachwissenschaften an
Nationalität und Intensität überlegen war. In dieser zweiten Klasse
unterscheidet Probus wieder drei Kategorien, die Notationen in den
Volksschlüssen, in den Legisactionen und in den Edicten oder in
133 der juristischen Litteratur. Es kann auf den ersten Blick sonderbar
scheinen, dass die Worte «in iuris civilis Uhris» und «in edictis
perpetuis» als gleichgeltend betrachtet werden. Allein schon bei
dem zweiten wird wenigstens jeder Jurist sofort sich erinnern, dass
die Siglen, die in der juristischen Litteratur Anwendung' fanden und
die wir in unserm Gaius wohl nicht viel anders finden als sie Probu»
bei Labeo und Sabinus lesen mochte, wesentlich in den Formeln
ihren Sitz haben und diese Formeln wieder wesentlich aus dem
Edict herstammen; während dagegen es nicht nachweisbar und nicht
glaublich ist, dass die Siglen, die den Volksschlüssen und den Legis-
actionen eigen waren, jemals Eingang gefunden haben in die juristische
Litteratur, ausser wo sie geradezu ein Gesetz oder eine der alten
Spruchhandlungen referirte. Mit dem Edict ist die Litteratur über-
haupt in der Rechtskunde aufgeblüht und gezeitigt worden; wie denn,
das Album und die Schriften in der That nur verschiedene Pro-
ductionen desselben Geistes und derselben Männer sind. Die ganze
Weisheit der römischen Rechtsetzung bestand ja darin, dass man
den Juristen gestattete selbst die Gesetze zu machen und zu ändern.
— EndUch wird es den Rechtsgelehrten wohl interessant, aber nicht
eben überraschend erscheinen, dass die pontißcum monumenta und
die legis acüones hier als synonym erscheinen.*) Wer weiss es nicht,
was Pomponius erzählt, dass die ältesten mündlichen Verhandlungen i,
*) [S. dagegen E. P. Huschke, Jurisprud. Anteiust. *, Lipsiae 1886, S. 130 n. 1.
0. Kariowa, Rom. Rechtsgesch. I, Leipzig 1885, S. 758. Ebensowenig ist die
Gleichung der iuris civilis lürri mit den edicta perpetua haltbar.]
1) Denn das heisst lege agere ; nicht nach einem Gesetz verhandeln, sondern
mit einem bestimmten Spruch Klage erheben. [Diese Ansicht hat Mommsen auch
in den beiden ersten Auflagen der Römischen Geschichte (I S. 104 der ersten,
M. Valerius Probus de notis antiqois. 213
durch die Art und Zweck des Prozesses geregelt ward, Sache der
Pontifices waren (1. 2 § 6 D. de o. i. 1,2)? wer weiss es nicht, dass
das älteste römische auf die eine oder die andere "Weise aus dem
Schoss des Collegiums der Pontifices, den penetralia pontificum
(Liv. 9, 46) hervorgegangene Rechtsbuch, das ius Flavianum, und
diesem entsprechend das dritte Buch des itis Aelianum ein liher qui
actiones continet (a. a. O. § 7) gewesen ist? Ganz ausdrücklich sagt
es Cicero, dass die Legisactionen aus den Büchern der Pontifices
herrühren. Es sei, so lesen wir bei ihm (de orat. 1, 43, 193), aus
den juristischen Quellen für den Archäologen ebenso viel zu lernen
wie für den Staatsmann und Philosophen: phirima est, bemerkt er
in Beziehung auf den Alterthumsforscher , et in omni iure civili et
in pontificum libris et in XII tabulis antiquitatis effigies, qttod et
verhorum prisca vetustas cognoscitnr et actionum genera quaedam 134
maiorum consuetudinem vitamque declarant. Den Schluss, den einer
unsrer vorzüglichsten Juristen (Leist Gesch. der röm. Kechtssyst.
S. 15) aus diesen Worten zog, «dass die eigentliche Entstehungs-
quelle der legis actiones die Pontifices gewesen seien», dürfen wir
mit noch grösserer Bestimmtheit auf Probus Worte basieren und
werden nicht irren, wenn wir in jenen pontificum monumenta, aus
denen Probus die Legisactionen entnahm, eine der revidierten Aus-
gaben des priesterlichen Klagspiegels erkennen, wie sie, so lange
diese Prozessform noch praktisch war. von Zeit zu Zeit erschienen
sein werden, die aber im Wesentlichen ohne Zweifel zurückgingen
auf die von Cn. Flavius veranstaltete Sammlung. Ohne sehr zu
übertreiben können wir behaupten, dass wir in diesen I^^oten Aus-
züge aus dem ius Flavianum vor uns haben und lange vor uns
gehabt haben ohne es zu wissen.*)
S. 140 der zweiten Aufl.) vertreten, sie aber später stillschweigend feilen gelassen
(S. 150 der 3. Aufl.). Vgl. E. I. Bekker, Zeitschr. f. ßechtsgesch. Y, 1866, S. 343. 344.]
*) [P. F. Girard , Un document sur l'edit anterieur a Julien (Sonderabdruck
aus der Festschrift für E. I. Bekker, Weimar 1907) weist nach, daß Probus in
den zum Edikt gehörigen Noten (Kap. 5) einen Ediktskommentar, wahrscheinlich
den des Sex. Pedius benutzt hat und in der Anordnung der Noten dem Edikte
folgt. Es ergibt sich daraus, daß uns von diesem Abschnitt nur der Anfang
(bis zum Titel XII nach der Lenelschen Anordnung) erhalten ist. Durch Girards
Untersuchung wird ferner die bereits von Wlassak (Edikt und Klageform 1882)
ausgesprochene Vermutung bestätigt, daß die Klageformeln ursprünglich, d. h. vor
der Julianischen Redaktion, im Anhang des Edikts standen.]
XXVI.
Zu den notae iuris.*)
153 unter den im vierten Band von Keils grammatici Latini von
mir zusammengestellten Verzeichnissen der römischen Abkürzungen
befindet sich unter n. III (notae ex cod. reginae p. 282 — 284j eines,
das sich nur im Auszug, einem Exemplar von n. VI in der Hand-
schrift Vatic. reg. 1128 eingeordnet, vorgefunden hatte. Jetzt ist
in einer der neuerdings für die K. Bibliothek etworbenen Phillipps-
schen Handschriften dieses Verzeichniss selbständig und bis zum
Buchstaben F, in dem der Text abbricht, vollständig zum Vorschein
gekommen. Die Handschrift (n. 496 im Verzeichniss der Claro-
montard, n. 571 in dem der Meermanniani, n. 1741 Phillipps) ist kurz
beschrieben bei Maassen (Quellen des kanonischen Rechts 1,443);
sie gehört vi^ohl dem 10. Jahrhundert an und enthält die hadrianische
Kanonensammlung mit einigen Vorsatzstücken, zu denen diese notae
gehören. Ihnen vorauf geht f. 22 — 25 (früher 38 — 41) unter der
Ueberschrift incip notas iuris das von mir unter n. VI herausgegebene
Verzeichniss, dasselbe, mit dem in der erwähnten vaticanischen
Handschrift das unsrige verschmolzen ist; bei den wenigen meistens
mit Magno (M bei mir) stimmenden Abweichungen von dem ge-
druckten Text zu verweilen ist nicht erforderlich. Unser Verzeichniss
steht f. 25' ohne Ueberschrift, blos mit vorgesetztem Alphabet; da
die Handschrift selbst hier vollständig ist, geht der Defect zurück
auf die Vorlage des Schreibers, Die von mir beigesetzten Ver-
weisungen beziehen sich auf die in dem bisher bekannten Auszug
enthaltenen notae: wie man sieht, kehren in den fünf vollständig
erhaltenen Buchstaben mit Ausnahme zweier des Buchstabens E
E 2 EG egerunt
E 3 E d edictum
alle dieser Sammlung von mir zugeschriebenen wieder. Auch das
154 früher von mir über dieselbe gefällte Urtheil wird durch den ver-
*) [Hermes 25, 1890, S. 153-155.]
Zu den notae iuris.
215
voUständigten Text bestätigt. Es findet sich allerdiogs eine auf
christlichen Ursprung hindeutende Stelle (exemplum psahnorum)^
und andere zeigen verfehlte Erklärungsversuche derjenigen Ab-
kürzungen, welche am Ausgang der antiken Epoche den Halb-
gelehrten zu schaffen machten — dahin gehört d(omus) ni(örfui)
neben der richtigen Erklärung und die dem Solidus entnommenen
con(mitia) ob(ridiaca); aber die meisten Abkürzungen führen in den-
jenigen Leserkreis, dem der Gaius und der theodosische Codex in
ihrer ursprünglichen Gestalt vorgelegen haben.
A 1
A 2
A .3
E 1
AVG
Augustus
BF-
beneficium
AV
augusto
BF jT
bona fidei contractum
AA
Augusti
BM.
bone memoriae
AA
Augustalis
B.
Balbius
AVR
Aurelius
BP.
bona possessio
AG
agit
ADP
Ä(3 •
adoptiuo
actio
CS
c-
CSA
Caesar
ACjN
AM
actionem
amicus
cum
Caesar Augustus
AMN
AMN
A •
amicus noster
amantissimus
aut
CN
C 1 COMI •
•C-
comis
comite
Cornelius
AT
ATR
autem
auctoritas
J.T.
contra
contractum
AONM
AP
APP
ACC
ADI
actionem mandat
apud
apellat
accepta
adiutor
r
C 2 CONS
CTR
CA
con
controuersia
consöles
ceterum
causa
ADP
ADt
• adiutor prouintiae
ad locum
CM
cTi
causa mortis
cuius
ADP
ad finem
CRC
cuius rei causa
ADQS
• ad questorem
CRP
cuius rei causa pro-
mittis
B
bonus
CS
consiliarius
BB
bonorum
CONB-
conmitia obridiaca
BP
bona paterna
BF
bona fide
D-
dedicauit
BF-
bonum factum
DD-
dedicauerunt
BFT.
bona fortuna
Dm
dolum malum
155
216
Zu deu notae iuris.
D • M • diis manibus sacrum
D • M • domus mortui
• D • D • deinde
©e dexerunt
^ dixit
©0 donatio
DT • dotem
D • P • detem (sie) petit
D Q • S • die quo supra
DT • dumtaxat
D • diuus
D C • diuus Caesar
D • C • A- diuus caesar aug
DB • debotus
DY • deuotus
D • P) douota (sie) persona
•ö • damnat
DL de loco
D 5 D • C • T decretum
ö©0 dotis dictio
DP defunctus
DIG • dignus
D 6 DIGM dignus memoriae
DQR de qua re
DYL ■ dulcissimus
D 7 DIL • dilectissimus
DPO depositio
DIL • dilectissimus
D 1 DNA • domina
D 2 DM • domino
D 3 DN • domno
D 4 D • L • doleo
DSD- dum
D 9 ö dam
D 10 DD PP diui fratres
D 11 DPO dare facere oportet
D 12 DSCA- diuerse scole auctores
D 13 D • M • diuus marcus
D 14 D • M • dolo malo
D 15 DQ • denique
D 16 D • P • dimidiam partem
D 17 DM • decemanus maximus
ET etiam
ETNC etiamnunc
E 1 E) eius
E) • eius
E 4 EC et cetera
E 5 ER et reliqua
E 6 EXP exemplum
E 7 EXP -EP- exemplum eplae
E 8 EX PSL exemplum psalmo-
rum
E 9 EX • CO excepto
E 10 EDE eiusdem
E 11 EN enim
E 12 EXMAS exaestimas
F
filius
PA
familia
PPM-
filius familias
FP.
fratres
FP KK-
fratres carissimi
FI
femina
FFI
fratres filius
Fo
forte
FR.
foram
FR-
forum
XXVII.
Anecdoton Parisinum.*)
Sie erinnern sich vielleicht, dass Quicherat den Codex**) in 791, 81
802 oder 813 setzte, weil in der Handschrift ein Jahresverzeichniss
von 779 — 835 vorkommt, zugleich aber ein Kalender — ohne Zweifel
-des Jahres, in dem die Handschrift geschrieben ist — worin Ostern
VI K. apr. fallt und dieses Datum des Ostertages in dem angegebe-
nen Jahresverzeichnisse nur auf die drei angeführten Jahre passt. 82
Er ist indess der alten Schrift wegen geneigt sich für 791 zu ent-
scheiden. Ich bin im Stande diese geschickte Combination durch
ein positives Zeugniss zu ergänzen : mitten in der Handschrift nämlich
fol. 40 findet sich folgende Subscription : Servil grammatici scripsit
do propitius papuhis constlheyderkJii indic II mensis fehruarii XXV
dies sattirni Jiora III dei. — Das zweite Jahr der indictio trifft in
dem angegebenen Jahresverzeichniss die Jahre 780, 795, 809, 824;
dass das Jahr 780 gemeint ist, ergiebt sich aus folgenden Argumenten.
Es war natürlich, wenn man im J. 780 schrieb, das Jahresverzeich-
niss mit indict. I. 779 anzufangen und die folgenden Jahre im Yoraus
beizufügen. Als dies paschalis wird nun zwar in dem Jahresverzeich-
niss VII K. apr. angegeben; allein dass dies nur verschrieben ist
für VI K. apr., folgt daraus, dass der damit correspondirende Tag,
wo incipit quadragesima , beim J. 780 ist id. febr., gerade wie bei
den J. 791, 802, 813, wo Ostern VI K. apr. fällt. — Folglich haben
wir eine Handschrift vom J. 780 vor uns, wozu die sehr alte fast
gar nicht getrennte Schrift vortrefflich stimmt.***)
*) [Zeitschrift für die Altertumswiss. 3. 1845, Sp. 81—88. Die Edition des
ihm von Mommsen mitgeteilten Anekdoton übernahm Th. Bergk, der Heraus-
geber der genannten Zeitschrift. Die oben abgedruckten Worte, mit denen
Mommsen die Zusendung begleitet hatte , datiert aus Paris den 2. Nov. 1844,
nahm Bergk nach einigen einleitenden Bemerkungen in seine Abhandlung auf]
**) [Cod. Parisinus bibl. reg. 7530.]
***) [Es folgen Bemerkungen Mommsens zu dem Carmen de figuris, das L.
Quicherat aus dieser Hs. nicht mit der erschöpfenden , deutschen Grenauigkeit",
218 Anecdoton Parisinum.
84 Sie wissen, dass in demselben Codex incipit Thuesta Varii
(fol. 28); die kurze Notiz, die unter diesem prächtigen Titel steht,
hat Quicherat mitgetheilt, doch mögen die wenigen Worte hier
wiederstehen :
Lucius Varius cognomento Rufus thyesten tragoed . . . magna cura
ahsoluto post actiacam vidoriam aug . . . ^ ludis eins in scaena
edidit, pro qua fdbula sestertium deciens accepit.
85 Darauf — sagt Quicherat — folgt ein Kapitel aus Isidors origines
über die alten Noten: allein das ist irrig. Das fragliche Kapitel
(I, 20) steht allerdings später fol. 154. 155 ebenfalls als ein eigener
Traktat, aber dies hier ist nicht die isidorische Abhandlung, sondern
deren Original, und wird, wenn ich nicht sehr irre, unter den Notizen
über die alten lateinischen Grammatiker eine bedeutende Stelle
einnehmen. Wir haben hier die wahren Noten des Probus, ganz
verschieden von denen, die unter seinem Namen bekannt sind; Sie,
thun hier einen Blick in seine grammatische Werkstatt, der unserm
Jahn bei seinen trefflichen Untersuchungen über den Yormann der
römischen Grammatiker leider gefehlt hat. Ich bemerke nur, dass
von der 21sten Note (äloyog) in der Aufzählung das Zeichen, in
der Erklärung dieselbe ganz ausgefallen ist. Eine Kopie des isido-
rischen Kapitels, wie es in unserm Mspt. steht; wird Ihnen vielleicht
hie und da von Nutzen sein; Sie sehen, dass ich die Ordnung darin
aufgelöst habe, damit sie der der notae Prohianae correspondirt.*)
wie Mommsen es hier nennt, herausgegeben hatte (bibl. de l'ecole des chartes
1, 51 ff.). Da das Gedicht seitdem oft behandelt worden ist und die Mommsen-
schen Bemerkungen daher keine selbständige Bedeutung mehr haben, so sind
sie hier übergangen worden.]
1) Eine späte Hand hat die erloschenen Buchstaben ergänzt augusto;
ohne Zweifel stand ursprünglich augusti.
*•) [Von einem Neudruck des nun auf Sp. 85 — 88 folgenden Textes ist ab-
gesehen worden; vgl. Suetonii rel. ed. Reifferscheid, Leipz. 1860, fr. 108 S. 137 ff.]
XXVIII.
Pünius und Catullus.*)
Plinius leitet bekanntlich das seiner Naturgeschichte vorgesetzte 128
Zueignungsschreiben an Titus Vespasianus mit einem catullischen
Citat ein: namque tu solehas putare esse aliquid meas ntigas, uf
ohicere nioliar Catullum conterraneum meum iUe enim, ut scis,
permutatis priorihus Saetabis duriusculum se feeif. Dass dies so,
wie es jetzt bei Sillig und von Jan gedruckt steht, sinnlos ist, wird
keiner längeren Auseinandersetzung bedürfen; dass insbesondere die
Saetaba, die aus CatuUs zwölftem Gedicht genommen seien, desshalb
priora heissen. ne cum simili furto carmine XXV exagitato confun-
daniur, ist eine jener Interpretationen, an denen die gesunde Ver-
nunft durchaus unbetheiligt ist. Es ist aber nicht nöthig dabei zu
verweilen; denn gerade die anstössigsten Worte in jener Lesung
sind nicht handschriftliche Ueberlieferimg. Diese ist vielmehr im
Wesentlichen correct und es handelt sich nur darum, sie wieder in
ihr Recht einzusetzen. Alle in Betracht kommenden Handschriften
nehmlich haben statt ohicere moliar vielmehr ohicere molliam^ Barbarus,
Rlienanus, Dalechamp sei es nach ihren Handschriften, sei es nach
ehier nahe liegenden kaum als Conjectur zu bezeichnenden Aenderung
ob'ter emolliam; Saetabis aber ist ein verkehrter Einfall Alciats für
das handschriftlich allein beglaubigte sylluhis. Demnach ist zu
sclireiben :
Lihros rMturalis historiae .... licentiore epistula narrare consiitui
tibi, iucundissime imperator: sit enim liaec tui praefatio verissinia,
dum maximi consenescit in patre.
namque tu solehas
nugas esse aliquid meas putare
ut ohiter etnolliam Catullum conterraneum meum (adgnoscis et hoc
castrense vocabulum): iUe enim, ut scis, permutatis prioribtis syl-
lahis duriusculum se fecit quam volehat existimari a Veraniolis
suis et Fabullis.
*) [Hermes 1, 1866, S. 128-129.]
220 Plinius und CatuUus.
129 Catullus schrieb bekanntlich meäs esse aliquid putare nugas, indem
er in der Basis seiner Hendekasy Ilaben unbedenklich den lambus
wie den Trochäus zuliess. Daran aber nahmen die Späteren An-
stoss; in Domitians Zeit scheint es festgestanden zu haben, dass der
Hendekasyllabus mit einer Doppellänge beginnen müsse (L. Müller
de re metr. p. 162 [p. 179 ^J). So erklärt es sich leicht, warum
Plinius sich beiläufig bemüssigt fand jenem 'harten' Yers seines
Landsmannes durch Versetzung der ersten Silben eine Verbesserung
angedeihen zu lassen; die Herstellung der von ihm beabsichtigten
Wortfolge, die in den Handschriften schwankt, verdanke ich Haupt.
— Wenn endlich der jüngere Plinius von einem seiner Freunde
schreibt (ep. 1, 16, 5): facit versus, quales Catullus aut Calvus: quanfum
Ulis leporis dulcedinis amaritudinis amoris! inserif sane, sed data
opera, molUhus levibusque duriusculos quosdam: et hoc quasi Catullus
aut Calvus, so hat bereits L. Müller (a. a. 0.) mit Recht hervor-
gehoben, dass mit den nach dem Vorgang Catulls absichtlich ein-
gemischten 'harten' Versen vermuthlich zunächst solche mit einem
Trochäus oder lambus beginnenden Hendekasyllaben geraeint sind.
Wir sehen nun, dass dem Neffen, als er jene Worte schrieb, eben
jene Ramlerische Leistung seines Oheims in dem wohlbekannten
Dedicationsschreiben im Sinne gelegen hat.
XXIX.
Vitorius Marcellus.*)
Derjenige Mann, dem Statins das vierte Buch seiner Silven zu- 428^
geschrieben und an den er das vierte Gedicht dieses Buchs gerichtet
hat, heisst in der Dedication Marcellus; die Ueberschrift des Ge-
dichtes lautet epistula ad Victorium Marceüum und Z. 85 wünscht
der Dichter, dass dessen Heimath von dem Unheil verschont bleiben
möge, welches der Yesuv über Campanien gebracht hat: procul ista
tuo sint fata Teate (so nach Lucian Müllers Vorschlag;**) überhefert
ist tiios in fata teate) nee Marrucinos agat haec insania montes.
Quintilianus ferner hat seine Einleitung in die Redekunst einem
Freunde gewidmet, der an vier verschiedenen Stellen (1 pr. 6; 4 pr.
1; 6 pr. l; 12, 11, 31) als M. (oder Marce) Vitori angeredet wird,
ohne dass unsere Handschriften bemerkenswerthe Abweichungen
darbieten; denn dass die geringeren meistens, einmal (6 pr. 1) auch
der alte Ambrosianus, uictori haben, kommt nicht in Betracht.
Aber das erste Wort ist auf jeden Fall in Marcelle zu ändern, wie
dies l pr. 6 schon jüngere Handschriften gethan haben, da der
"Verfasser in dem kurzen vorgesetzten Briefe seine Schrift bezeichnet
als die Bücher, quos ad Marcellum meutn scripseram ; denn die
Annahme, dass der Mann sowohl Marcus wie Marcellus geheissen
und Quintilian an jenen Stellen nur den Vor- imd den Geschlechts-
namen gesetzt habe, ist für diese Zeit, in der schon das Cognomen
in Gebrauch durchaus vorwiegt, nicht zulässig. Die immer ver-
muthete Identität dieser Persönlichkeit mit dem Freunde des Statins
darf jetzt als gesichert gelten, nachdem der Name des Sohnes Geta
*) [Hermes 13, 1878, S. 428 — 430. Vgl. Statu silvarum libri, erkl. von
Fl. Vollmer, Leipz. 1898, S. 461. Prosopograph. imp. Rom. HI S. 455 n, 519.]
**) [pr. i. Uio sint fata schon die ed. Parmensis vom J. 1473; Tmti Imhof
(1859) mid Vollmer.]
222 Vitorius Marcellus.
aus den Handschriften theils bei Quintilian (1 pr. 6: erudiendo Getae
fuo), theils bei Statins (parvoque exempla parabis magna Getae) her-
gestellt ist, während früher dort naio, hier geres für Getae gelesen
wurde und man überdies der irrigen Meinung war, dass der von
429 Statins in demselben Gedicht erwähnte Gallus nicht ein Freund,
sondern der Sohn des Marcellus sei. Letzterer hatte also vermuth-
lich eine Dame aus dem Hause der Hosidii Getae geheirathet, was
auch insofern wohl passt, als diese aus der benachbarten Frentaner-
stadt Histonium stammten.
Es treten jetzt hinzu die neu gefundenen Arvalacten der Jahre
118 — 120, in welchen des Arvalen C. Vitorius Hosidius Geta vielfach
Erwähnung geschieht [C. I. L. VI, 2078—81]. Offenbar ist dies eben
derselbe, dessen als Knaben Quintilian und Statins gedenken; die
Yermuthung, dass die Mutter aus dem Hause der Hosidii war, er-
hält hiedurch ihre Bestätigung und der Vatername seine schliess-
liche Feststellung. Dass der Name Victorius Marcellus für die
bessere römische Zeit schlechthin unmöglich ist, wird zugeben,
wer mit dem römischen Namenwesen einigermassen bekannt ist^.
Vitorius Marcellus^ worauf schon die Handschriften des Quintilian
führen, giebt keinen Anstoss 2. Dass derselbe nicht aus senatorischem
Geschlecht war, sondern sein Vater, der iam nunc helliger avus des
Geta, wie ihn Statins nennt, dem Ritterstand angehörte, ist wahr-
scheinlich.*) Marcellus war, als Statins schrieb, nach Verwaltung der
1) Victorius kommt als Geschlechtsname nur in der Epoche vor, wo man
besonders in den Provinzen diese aus den Cognomina entwickelte; Victorius
Victorianus in dem Augsburger Stein C. I. L, III 5833 ist analog den lustii
lustini, Marcellinii Marcelli, Severii Severiani, die auf den Inschriften des Rhein-
und des Donaugebiets so häufig sind und die offenbar daher rühren, dass die
mit dem römischen Bürgerrecht beschenkten Peregrinen das nun erforderliche
Gentilicium aus dem bisher geführten Cognomen gestalteten. [,Über diese Art
der Gentilicienbildung hat Mommsen auch sonst gehandelt, besonders in seinen
Bemerkungen zu der Inschrift von Worms C. I. L. XIII, 6244, Korrespondenzblatt
der Westd. Zeitschr. f. Gesch. u. Kunst 1892 S. 81 (= Epigraph. Sehr. 11)"
DESSAU.] Als Cognomen erscheint Victoi-ius nur in der noch beträchtlich späteren
Zeit, in welcher die signa auf ins sich bildeten; es steht als solches mit
Eugenius, Ablabiiis, Innocentius, Bonifatius 11. s. w. sprachlich auf gleicher Linie.
2) Der Geschlechtsname Vitorius, wohl verwandt mit vitulari ([zu] C. I. L.
I n. 58 [der 1. Aufl.]), ist nicht eben häufig, aber wohl beglaubigt (C. I. L.
vol. I n. 1160 und besonders vol. V p. 1133 so wie I. R. N. p. 441 [C. I. L. IX
p. 730, X p. 1061]; auch C. I. L. vol. II n. 3658; vol. III n. 2429. 5059).
*) [Der helliger — nicht iam nunc b. — avus des Geta war nicht der Vater
des Marcellus, sondern Getas mütterlicher Großvater, wohl Hosidius Geta, Konsul
unter Claudius ; s. Prosopogr. imp. Rom. a. a. 0. ; Postgate, Classical Review 1906
S. 306. DESSAU.]
Vitorius Marcellus. 223
Prätur mit der Aufsicht über die latinische Strasse betraut worden^
und sah der Verleihung eines Legionscommandos entgegen. Dass
er aber nicht als Knabe den latus clavus getragen hatte, wie jetzt
sein Sohn ihn trug, ist besonders desshalb wahrscheinlich, weil der
Dichter in der Anrede an diesen Sohn neben der väterlichen Tüchtig-
keit die edle Geburt der Mutter hervorhebt (stemmate materno felix, 430
virtute paferna). Die Hosidii gehörten allerdings seit längerer Zeit
der Curie an.
Hervorzuheben bleibt noch, dass, wie aus dem Arvalenindex
Henzens hervorgeht, Nohl das Sachverhältniss richtig erkannt und
den Ajvalen mit dem Geta der Schriftsteller identificirt hat. Da
aber in den neueren Handbüchern und Ausgaben der unmögliche
Yictorius Marcellus noch fortwährend umgeht, so schien es ange-
messen ihn ausdrücklich auszuweisen 2.
1) Z. 59: tuos alio subtexit (der Kaiser) munei-e fasces et spatia obJiquae
mandat renovare Latinae.
2) Nachdem diese Miscelle gesetzt war, kam mir, zufällig verspätet, Nohls
■weitere Ausführung (in dieser Zeitschrift XII S. 517) zu Gesicht. Sie würde dem
Zweck genügen; da indess meine Darlegung einige Momente enthält, die Nohl
nicht hervorgehoben hat, mag auch diese ihren Platz behalten.
XXX.
Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus.*)
295 Mancherlei Ursachen treffen zusammen, um ein Urtheil über
die historische Kunst des Tacitus und den historischen Werth seines
Geschichtswerkes zu erschweren; eine der wesentlichsten aber ist
die, dass wir weniger als bei den meisten bedeutenden Geschicht-
schreibern im Stande sind über sein Yerhältniss zu den von ihm
benutzten Quellen zu urtheilen. Kein Scharfsinn könnte in der
Beurtheilnng des Livius das ersetzen, was die Vergleichung seines
Werkes mit einer ihrer hauptsächlichsten Quellenschriften, der grossen-
theils noch vorhandenen pragmatischen Geschichte des Polybios, uns
lehrt; und für Tacitus scheint man einig darüber zu sein, dass es
einen ähnlichen sicheren Anhalt nicht giebt. Dies ist indess doch
nur mit einer wesentlichen Einschränkung wahr; ich meine, dass
die Yergleichung der beiden ersten Bücher der Historien mit den
plutarchischen Biographien des Galba und des Otho einen gewissen
Ersatz dafür bietet, dass uns von den Quellenschriften des Tacitus
selber keine einzige vorliegt, und dass die zwischen beiden Werken
bestehenden Beziehungen, obwohl natürlich nicht übersehen^, doch
keineswegs in ihrem vollen Umfang gewürdigt worden sind.
*) [Hermes 4, 1870, S. 295— 325. Das Problem ist auf Grund dieser Ab-
handlung seitdem oft behandelt worden, vgl. die Literaturnachweise von Groag,
Cluvius Rufus in der Realenzyklopädie IV Sp. 121 ff'. Wenngleich die Quellen-
frage noch immer nicht einwandfrei gelöst ist, insbesouders gegen Cluvius
Rufus als Quelle des Tacitus vielfach Bedenken erhoben worden sind, so behält
Mommsens Abhandlung allein schon durch die erstmalige vollständige Vorlegung
und Analyse des Materials ihren bleibenden Wert.]
1) So hat H. Peter (die Quellen Plutarchs S. 28 fg.) das Verhältniss zwischen
Plutarch und Tacitus im Allgemeinen richtig aufgefasst; und sicherlich hat
überhaupt jeder aufmerksame und verständige Leser beider Schriften im Ganzen
die gleiche Beobachtung gemacht. Aber den Umfang des Problems finde ich
nirgend vollständig erkannt; und eben an dem Umfang hängt seine ganze
Bedeutung für die Litterar- wie die politische Geschichte.
Cornelius Tacitus und Cluvius Rnfiis. 225
Es wird zunächst nothwendig sein die Entstehungszeit der beiden
Schriften festzustellen; was, so weit es für diesen Zweck erforderlich
ist, mit wenigen Worten geschehen kann. Yon Plutarchos wissen wir, 296
dass er im J. 66 als Jüngling seinen Studien in Griechenland oblag ^
und Vorgänge aus I^eros Zeit als eigene Erlebnisse bezeichnet 2;
dass er unter Yespasian (f 79 Juni 23) nach Rom kam und 'den
alten Mann', wie er ihn nennt, dort sah'; femer, dass er den Aus-
bruch des Yesuv (79 Aug. 24)*, den Aufstand des L. Antonius
Saturninus (88) ^, die Hinrichtung des Philosophen L. Junius Rusticus
(93) ^ den Tod Domitians (96 Sept. 18)' und das Ueberwintern eines
Kaisers im Lager an der Donau, wahrscheinlich das Traians im
J. 98 9^ erlebte, während bestimmte Beziehungen auf Ereignisse
späterer Zeit in den umfänglichen, aber freilich auf die Verhältnisse
der Gegenwart wenig Rücksicht nehmenden Schriften gänzlich zu
fehlen scheinen. Die Angabe, dass die Einnahme Athens durch
Sulla 'vor beinahe 200 Jahren' stattgefunden habe', zeigt nur, dass
diese Biographie nicht gar lange vor dem J. 114 abgefasst ist, wo
dieser Termin ablief^''. — Hienach wird Plutarchs Geburt um das 297
1) de EI apud Delphos c. 1 fin. Er und sein Bruder heissen zu dieser
Zeit vEoi: das. c. 17. [Vgl. zum Folgenden: Prosopogr. imp. Rom. III S. 55ff.]
2) vita Antonii c. 87; Flaminini c. 12. Daraus Photios cod. 245 p. 1212 R.
3) de soll. anim. c. 19. Auf denselben Aufenthalt in Italien mag sich be-
ziehen, dass Plutarch unter Rusticus Leitung in Rom declamirte (de curios. 15)
und dass er das Schlachtfeld von Betriacum und Othos Grabmal in Brixillum
besuchte (Plutarch Oth. 14. 18) in Gemeinschaft mit einem Waffengeföhrten
Othos, dem Consular Mestrius Florus, der auch sonst von ihm genannt wird
(sympos. quaest. 7, 4. 8, 10) und am Hofe Vespasians verkehrte (Sueton Vesp. 22).
4) de Pyth. orac. c. 9. 5) vita Pauli 25. 6) de curios. 15.
7) Deutlich als verstorben wird Domitian vorausgesetzt vita Num. 19 und
vita Popl. 15, ebenso de curios. 15, Erot. 25 und wohl auch q. R. 50: sqj ^n&v
htEXQExpev . , AofUTiavog.
8) de primo frigido c. 12: wg Ioxoqovoi ol vvv /iisrä rov Kaiaagog ijil lov
'Lngov diaysifidaavTEg. Dies kann allenfalls auf Domitian gehen, der auch im
"VS'inter aus der Donaugegend zurückkam (Martial 8 z. A.) ; aber eigentlich über-
wintert hat dort doch zuerst Traian und zwar zuerst im Winter 98 9 (in dieser
Zeitschr. 3, 117 [Eist. Sehr. 1, 449]). — Die Widmung der apophihegmata regum
et imp. an Traian kommt nicht in Betracht, da es sehr zweifelhaft ist, ob dieses
Schriftchen von Plutarch herrührt; und dasselbe gilt in noch höherem Grade
vcn der sogenannten institutio Traiani, die bei Johann von Salisbury unter
Plutarchs Namen läuft. Doch beweist wenigstens jene angebliche Widmung,
dass man Plutarchs Schriftstell erei unter Traian zu setzen pflegte, was auch
Suidas (e:tl twv Tgacavov . . yoovwv xai exi TiQÖodsv) thut.
9) vita Sullae c. 21.
10) Die Widmimg einer Reihe seiner Schriften an Q. Sossius Senecio Consul I
im J. 99, II im J. 107 führt eben auch nicht viel weiter, zumal wir von diesem
MOMMSEN, SCHR. VII. 15
226 Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus.
J. 46—48 gesetzt werden müssen, seine schriftstellerische Thätigkeit
aber unter Domitian, Nerva und Traian. Dafür, dass insbesondere
die Kaiserbiographien unter Domitian geschrieben sind, lässt sich
geltend machen, dass sie, sofern dem sogenannten Verzeichniss des
Lamprias ^ zu trauen ist, mit Yitellius schlössen; die Ausschliessung
der flavischen Dynastie ist begreiflich, wenn der Verfasser unter
Domitian schrieb, wogegen, wenn er nach dessen Tode geschrieben
hätte, er keine Ursache hatte anders zu verfahren als Suetonius
unter Hadrian. Indess weder ist die Autorität hinreichend sicher
noch der Schluss, und es wird hierauf nicht viel zu geben sein.
Besondere chronologische Anhaltspuncte bieten diese Biographien
nicht ^; sie machen aber, verglichen mit den Biographien der Feld-
herren der Republik, den Eindruck eines Antangerwerkes. Eine
'pragmatische Geschichte' will der Verfasser nicht geben, sondern
die Geschichte der einzelnen Kaiser ^; aber Biographien sind es doch
kaum. Bei Galba ist die Vorgeschichte äusserst dürftig, bei Otho:
fehlt sie ganz oder steht vielmehr im Leben Galbas an der Stelle,
die ihr in den Annalen zukam und die sie auch bei Tacitus ein-
nimmt, bei dem ersten Auftreten Othos; zwischen beiden Biographien
298 ist kaum ein Abschnitt wahrzunehmen*; es begegnen Rückweisungeo
Mann wenig wissen. Wahrscheinlich gelangte er zum zweiten Consulat in sehr
vorgerücktem Alter, so dass diese Widmungen besser für die Zeit Domitians
oder die ersten Jahre Traians passen als für eine spätere Zeit. [Vgl. Prosopogr.
imp. Rom. III S. 255.] — Dass Plutarch Ant. 34 den parthischen Triumph Traians
nicht kennt, kommt noch weniger in Betracht ; denn dieser ward erst nach dem
Tode Traians gefeiert. — Endlich mag noch erwähnt werden, dass Eusebius
(nach dem armenischen und dem lateinischen Text) die Blüthe des Plutarch
unter dem 3. Jahre Hadrians verzeichnet.
1) Dieser (bei A. Schäfer comm. de libro vitarum X oratorum S. 9) giebt
unter N. 26. 27. 29 — 33: Avyovarov ßiog — TißsQiog — KkavSiog — NsQcovof
ßiog — räiog KaXaaQ — FdXßag xal "O&cov — BirsXXiog ; dazwischen steht als.
n. 28 Sxrimoiv 'A(pQixav6g. Die Vergleichung der von C. Wachsmuth in Neapel
wieder aufgefundenen Handschrift (Philologus 19, 577) giebt hiefür keine Ab-
weichungen.
2) Was von Verginius Rufus gesagt wird, insbesondere im Leben des Galba
c. 10, wo der Schluss ganz so klingt, wie wenn von einem hochbejahrten Lebenden
gesprochen werde, macht es allerdings wahrscheinlich, dass Plutarch vor dem
J. 97 schrieb, in dem bekanntlich Verginius starb.
3) Galb. 2: xa fisv ovv xaß'' exaara röiv ysvofisvoov djtayyskkeiv axQißwg zfjg
nQayfi,axixfjg iaroQiag sariv, oaa de ä^ia Xöyov roTg r<öv KaioÜQWv egyoig xal nä^sai
avfutEsxrcoxev, ov8s Ifiol nQoarjxei naQs^ßeiv.
4) Dabei ist freilich zu berücksichtigen, dass der Katalog des Lamprias
die beiden Biographien unter einer Nummer zusammenfasst.
Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus. 227
ganz wie in gewöhnlichen Annalen^; die nicht ganz gering anzu-
schlagende Kunst der Isolirung und Abrundung. auf der die Wirkung
der Biographien der Hauptsammlung wesentlich beruht, wird hier
wohl erstrebt, aber doch keineswegs erreicht.*) Dagegen sind als
Quellenschriften diese Kaiserbiographien brauchbarer als die andern
plutarchischen : sie enthalten mehr Thatsachen als diese, weniger
Raisonnement und historisch - litterarisches Flitterwerk und binden
sich strenger an die Zeitfolge. Aus diesen Gründen möchte ich die
Schrift eher für eine der früheren Arbeiten des gewandten Schrift-
stellers halten als für eine aus der Zeit seiner Reife.
Dass Tacitus mit der Herausgabe seiner Historien wenige Jahre
nach dem Regierungsantritt Traians begonnen hat, ist ausser Zweifel.
Ich habe anderswo dafür das J. 105 festzustellen versucht 2; für die vor-
liegende Untersuchung genügt jene allgemeine anerkannte Festsetzung.
Den Zeitverhältnissen nach also sind die beiden in Frage stehen-
den Schriften entweder gleichzeitig herausgegeben oder wahrschein-
licher die Plutarchs etwas früher als die des Tacitus. Danach ist
es bedenklich bei Plutarch Benutzung des Tacitus anzunehmen,
während die umgekehrte Annahme sich aus nahe liegenden Gründen
als von Haus aus unzulässig darstellt. Beide Schriften erscheinen
einander gegenüber vielmehr als selbstständig. — Was also aus
äussern Gründen sich ergiebt, bestätigt ihre innere Beschaffenheit in
allen Stücken. Wo sich Uebereinstimmung bei ihnen findet, die
auf Ableitung aus derselben Quelle beruht, da hat nicht ein Schrift-
steller aus dem andern geschöpft, sondern beide mittel- oder un-
mittelbar aus demselben verlorenen Werke.
Eine derartige Uebereinstimmung ist allerdings vorhanden und
zwar ist sie eine auffallend enge, zu deren vollständiger Darlegung
es eigentlich eines gegenüberstellenden Abdruckes der beiden Massen
bedürfen würde. Die folgende Erörterung verfolgt, indem sie den
Beweis für diese Uebereinstimmung liefert und dieselbe im einzelnen
näher bestimmt, zugleich den Zweck mit Hülfe der plutarchischen
Biographien die Manipulation darzulegen, welche Tacitus mit der 299
gemeinschaftlichen Quellenschrift vorgenommen hat.
1) Galb. 2: oja:teo etotjrac.
*) [Vgl. F.Leo, Die griech.-röm. Biographie, Leipz. 1901, S. 156 f.]
2) In dieser Zeitschrift 3, 107. [ffist. Sehr. 1, 440 f.] Bemerkenswerth ist
die rücksichtsvolle Weise, mit der Marius Celsus und Vestricius Spurinna in
den Historien behandelt werden; sie sieht ganz so aus, als werde von noch
Lebenden gesprochen. In der That bekleidete Celsus das Consulat zum zweiten
Mal im J. 105 und auch Spurinna lebte wenigstens noch im J. 101. [Vgl. Proso-
pogr. imp. Rom, III S. 409.]
15*
228 Cornelius Tacifcus und Cluvius Rufus.
Zunächst ist zu beachten, dass Plutarch mit dem Regierungs-
antritt Galbas im Sommer 68 anhebt, Tacitus, dem die Annalen-
litteratur beherrschenden Gesetz folgend, nicht zum Vortheil seines
Werkes, mit dem 1. Jan. 69, fünfzehn Tage vor dem Tode Galbas.
Die kurze Uebersicht über den Stand der Dinge in Rom und den
Provinzen (c. 4 — 11) bietet für den nicht wohl gewählten Ausgangs-
punct keinen befriedigenden Ersatz. Den bei Tacitus fehlenden
Theil der Herrschaft Galbas schildern die ersten 18 Kapitel
Plutarchs. Ein durchgängiges Entsprechen kann also hier nicht
stattfinden, wohl aber begegnen zahlreiche Stellen, theils und be-
sonders in jener Einleitung, theils da, wo Tacitus später sich ver-
anlasst sieht zurückzugreifen, die denselben auch hier abhängig
zeigen von der bei Plutarch vollständiger erhaltenen Quelle. So
wird c. 5 kurz zusammengefasst die durch Ueberlistung den Prä-
torianern entrissene Erklärung gegen Nero (P. 2); das unter Galbas
Namen ihnen verheissene Geschenk (P. 2) und dessen Ausbleiben
(P. 18); der Yersuch des praef. praet. Nymphidius sich selbst zum
Kaiser ausrufen zu lassen (P. 14); die gereizte Stimmung gegen den
neuen Kaiser wegen seines Geizes und seines Alters, wozu die
positiven Ausführungen in der Biographie (P. 11. 13 a. E.) sich finden.
Ebenso wird im folgenden Kapitel berichtet der ausschliessliche
Einfluss des Yinius und des Laco (P. 13); die Hinrichtung des
Cingonius Varro und des Petronius Turpilianus (P. 15), wo nicht
bloss alles Factische stimmt, sondern auch die Motivirung des Tadels;
das Niedermachen der Flottensoldaten bei dem Einzug des neuen
Kaisers in die Hauptstadt (P. 15). — Hiermit bricht die Parallele
ab: die Aufzählung der in der Hauptstadt befindlichen Truppen fehlt
bei Plutarch; die Katastrophe des Macer in Africa und die des
Capito in Untergermanien werden von ihm nur beiläufig erwähnt
(P. 15), wie denn alle Vorgänge in den Provinzen, soweit sie nicht
unmittelbar den Thronwechsel herbeiführen, von ihm planmässig
beseitigt sind. Auch die nun bei Tacitus folgende Uebersicht über
die Lage der sämmtlichen Provinzen zu Anfang des J. 69 ist bei
Plutarch, abgesehen von einer kurzen, aber mit Tacitus wörtlich
stimmenden Bemerkung über die den Galliern ertheilten Privilegien
300 (c. 18 vgl. c. 22), auf die beiden Germanien beschränkt, von wo die
Katastrophe ausging; hier stimmt Plutarch genau mit Tacitus^ und
obwohl im Ganzen kürzer, hat er die Anekdote c. 18 a. E. allein.
1) G. 19 z. A. ist statt des sinnlosen vno TiysXXivco zu schreiben vno BitsUü,
es sind die Legionen von üntergermanien gemeint.
Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus. 229
Anderes aus diesem Abschnitt tritt späterhin vereinzelt bei
Tacitus auf, wo er rückgreifend neu auftretende Personen einführt:
so die Notiz über den Freigelassenen Icelus, quem anulis donatum
equestri nomine Marciamim vocitabant, während Plutarch c. 7 die
Schenkung fast mit denselben Worten nebst ihrer Veranlassung in
der Folge der Ereignisse berichtet; so die von T. Yinius unter Gaius
und Claudius begangenen Schandthaten, die fast wörtlich gleich-
lautend Plutarch c. 12 bei der Einführung desselben, Tacitus l, 48
bei seinem Tode berichten '"; so die Errettung des Tigellinus durch
Yinius, die Plutarch an ihrer Stelle (17) erzählt, Tacitus 1, 72 bei 301
dem Tode des Tigellinus erwähnt 2. Auch in der Kede Othos 1, 37
werden verschiedene Ereignisse aus dieser Epoche berührt, ohne
berichtet zu werden; man sieht, dass Tacitus sein Buch als eine
Fortsetzung bis zum J. 6S reichender Annalen schrieb und die voll-
ständige Bekanntschaft mit solchen bei seinen Lesern voraussetzte.
1) Die Verwandtschaft beider Stellen ist so eng, dass sie hier Platz zu
finden verdienen:
Plutarch: Tacitus:
'Ell . . wv reo; xal aroaTsvojuevog vjio prima müüia infamis: legatum Caivisium
KaÄßialcp Zaßt'yo) xrjv ^ocorrjv oroaxeiav Sdbinum habuerat.
axö'/.aozov ovoav zrjv yvvaixa xov riyefiövog cuius iixor mala cupidine visendi situm
castroriim
jiaosiotjyaye vvxkoq sig ro azQaTÖ.-iedov per noctem militari habitu ingressa,
iv eadrjzi azQazicozixi}
cum tiffüias et, cetera müiiiae munia
eadem lascivia temptasset,
xal düfpdeiQEv h zoTg aoieioig, ä jzQiyxi- in ipsis principiis stiiprum ausa est:
.-ita xaj.ovoi 'Pcofidioi. criminis huius rcus T. Vinius arguebatur.
'E:ii zovzo) ök Fäiog Kaiaag idrjosv avzöv " igitur iussti C. Caesaris oneratus catenis
ixeivov öe cbiodavörzog evzvyja XQriod- mox mutatione temporum dimisstts
^svog ojieXv^.
cursii hatiorum inoffenso legioni post
praeturam praepositus probatiisque
Asuivmv de jiaga KXav6icp Kaiaagi Jioz^- serrili deinceps probro respersus est tam-
Qiov dgyvQovy vtfeiÄezo ■ quam scyphum aureum in convivio Claudi
furatiis
jtv&ofievog 8e 6 Katoag zfj vozEQaiq ndkiv et Claudius postera die sdi omnium
avzov im öslivov exödeasv, eXdövzi 8e Vinio fictilibtis ministrari iussU.
exiXevosv ixeivco . . . xeodfiea nävza . .
Ttaoazt'&evai zovg v:ir)Qszag.
2) Auch bei Mittheilung der Gerüchte über Nymphidius Herkunft, die
Tacitus in den Annalen (15, 72), 'quia nunc primum öblatus est\ vorbringt, liegt
der im Galba c. 9 mitgetheilte Bericht zu Grunde.
230 Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus.
Yollständiger noch wird die TJebereinstimmung von da an, wo
auch Tacitus zu erzählen anhebt. Die Berichte der Procuratoren
über die Stimmung der germanischen Truppen, wie Plutarch angiebt,
oder, wie Tacitus bestimmter sagt, des Procurators von Belgica über
die der Truppen von Obergermanien, bestimmen Galba zu dem
Entschluss einen Nachfolger zu adoptiren. Die Candidaten der
Adoption Otho und Piso und die dadurch in der Umgebung
Galbas veranlassten Spaltungen werden völlig übereinstimmend ge-
schildert und bei dieser Gelegenheit auch, wie gesagt, das frühere
Leben Othos erzählt, sehr ausführlich bei dem Biographen, kürzer
und mit Beseitigung der drastischen, aber nicht allzu ehrbaren
Anekdoten bei dem Historiker, von dem indess beinahe Satz für
Satz in der vollständigeren Erzählung des Griechen wiederkehrt^.
Yon nun an laufen beide Erzählungen längere Zeit hindurch voll-
302 ständig parallel; so werden berichtet Pisos feste und doch dankbare
Haltung 2; der Gang ins Lager zur Vollziehung des Adoptionsacts
(P. 23— T. 17); die bösen Zeichen unterwegs (P. 23 — T. 18); die
Stimmung der Soldaten, als das erwartete Geschenk ausbleibt (das.) ;
1) Ich setze auch diese Stelleu her, in der Folge wie sie bei Tacitus
stehen; die plutarchische weicht ab.
Plutarch: Tacitus:
Mdgxog "Oß^cov .... TQvqfffj xal <pdr]do- Otho pueritiam incuriose, adulescentiam
viaig svdvg ix jiaiScov iv oXiyoig 'Pco/naicov petulanter egerat
disqjd'aQiJt.evog.
q>iXo) 8e reo "O^oivi xal av/j-ßicorrj diä gratus Neroni aetnulatione luxus
rrjv dacoTiav sxQfjxo. Es folgt ein Bei-
spiel der aemulatio luxus.
(Ilojijiaiag) iJQu fj-sv 6 Nsqcov .... IVt eoque Poppaeam pi'incipale scortum ut
d' al8ov(A,svog trjv savzov yvvaixa . . . apud con^cium libidinum deposuerat,
{xpfjxs zov "O&cova u. s. w. donec Octaviam uxorem amoUretur.
Wird des breiteren mit allem Detail mox suspectum in eadem Poppaea
berichtet.
i^ejiefx(pd7} Ävaixavcöv OTQaxrjyög in provinciam Lusitaniam specie lega-
tionis seposuit.
xal Ttagsaxsv iavrov ovx äxagir . . . Otho comiter administrata provincia
roTg vjirjxöoig.
TCQüixog avxog TiQoosxwQrjas xcöv ■^ye/^övmv. primus in partes transgressus
Stdovg nsiQav ovdevog rjxtov iSöxsi jigay- nec donec bellum fuit segnis et inter
fidxcov s/j,jieiQog elvai. praesentes splendidissimus.
2) Tacitus : Pisonem ferunt . . . nulluni turbati aut exultantis animi motum
prodidisse. sertno erga patrem imperatwemque reverens, de se moderatus: nihil
in vultu habituque mutatum. Plutarch: xov 8s Usiacovog oi jiagövxsg e^avfiaaav
rji xs (poivfj xsxfiaiQÖiAevoi xal xqj nQoaänqi x6 xt]kixavTr]v jKctßtJ' dvsxjiX.i^xxcog , ov
(irjv dvaia&rJTWg dexd/^svov.
Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus.
231
die des Publicums wegen der Rückforderung der neronischen "Ver-
gabungen i; die verzweifelte Lage Othos und das Drängen seiner
Getreuen, insbesondere des Wahrsagers Ptolemaeos, von dem die-
selbe Anekdote bei beiden erzählt wird (P. 23 — T. 22); die Ein-
wirkung der alten Beziehungen zwischen dem Genossen Neros und
dessen Gardeoffizieren (P. 24 und 20 a. E.— T. 23. 24); die An-
zettelung der Verschwörung, wobei die Namen und die Stellung der
gemeinen Soldaten und der Freigelassenen übereinstimmen (P. 24
— T. 25); der Ausbruch selbst, von dem ganz dasselbe gilt 2; die
Versuche des Piso, des Marius Celsus die Soldaten vom Abfall zu-
rückzuhalten (P. 25 — T. 31); Galbas Schwanken, ob er persönlich
ihnen entgegentreten solle oder nicht (P. 26 — T. 32. 33) 3; das falsche 303
Gerücht von Othos Ermordung (P. 26 — T. 34. 35): Galbas letzter
1) Plutarch giebt dies nicht wie Tacitus (20) in der Reihe, sondern bei
der Schilderung der Habsucht Galbas (c. 16).
2) Ich setze unter vielen ähnlichen noch diese Stellen her:
Plutarch:
IIqo dsxaoxToy xaJ.avdö}v ^eßgovaaicov
. . . eco^sv evdvg 6 /^isv FäXßag edvev iv
IJa/.axicp löyv qjikcov Jiagöyrcov,
6 ÖS ^virjg '0/.ißQixtog ä/xa r^ laßsTv
sig zag yetgag rov ieqsi'ov rä a.i/.dy/va
.... e(fr] otjf^isTa fie^/dj.t]g Taoayrjg y.al
fxsrä döXov xivdvvm' ex xEtfaXrjg snixei-
(levov rät avToxodrogi
naofjv (Otho) ojiiadsv zov FdXßa xai
jiQoosTys ToTg Xsyo/iievoig
TiaoaoTdg 'Ovonaozog djisX^deoog fjxeiv
eq^i] xai neoi^evEiv oTxoi zovg doyizixzovag.
■^v de oifißokov xatgov, agog oy edet
dsiavzrjaai rov "Odorva roTg oroazicozaig.
ehcüv ovv, ozi .-zaX.aidv icovTjf.ievog oixiav
ßovXezai xd v:to:iza SsT^ai zoTg 7zu>).r}zaig ,
Tacitus:
X VIII Kai. Februarias sacrificanti pro
aede ApoUinis (auf dem Palatin)
hartispex Utnbricius tristia exta et in-
stantes insidias ae domesticum hostetn
praedicit
andiente Othone, nam proximus astiterat
nee tmilto post libertus Onomastus min-
tiat expectari eum ab architecto et re-
demptoribus,
quae significatio coeuntium iam müitum
et paratae conmrationis convenerat.
OtJu) causam digres»iis requirentibus cum
emi sibi praedia vetustate suspecta eoque
prius exploranda finxisset,
innixus liberto per Tiberianam domum
in Velabrum, inde ad miliarium auretim
perffit.
djzfjXds xai did tijg Tißeoiov xaXov^evrjg
oixlag xazaßdg ißddi^ev eig dyogdv, ov
XQvaovg Eiazrjxsc xi'cov, eig ov ai zezfit]-
fih'ai zTJg 'IzaXiug odol näoai zsXsvTcöaiv.
ivzav^a zovg nQcözovg ixöeSa/ÄSVovg avzov
xai noocEutovrag airoxodzagd (paai fti]
TiXtiovg zQicöv xai sTxooi ysvia&ai.
3) Bei Plutarch ist 26 z. A. statt KiXaov xai Adxcovog nach Tacitus 2,
zu lesen IxiXov xai Adxcovog.
ibi tres et viginti speculatores consaJutätum
imperatorem . . , rapiunt.
232 Cornelius Tacitus und Cluvius ßufus.
Ausgang und sein Tod (P. 26. 27 — T. 39 [—41]), wobei drei Namen,
die das unsichere Gerede als seine Mörder bezeichnete, bei beiden
gleich stehen, während einen vierten nur Plutarch nennt; die Er-
mordung des Vinius (P. 27 — T. 42), des Piso (P. 27 — T. 43. 44),
sodann die Anerkennung Othos durch den Senat, die Bestrafung
oder Begnadigung der letzten Anhänger Galbas (P. 27 — T. 45) und
die Bestattung der Leichen (P. 28 — T. 47. 49).
Hier schliesst Plutarch seine Lebensbeschreibung Galbas. Die
Ernennung des Flavius Sabinus zum Stadtpräfecten erzählt Tacitus
hier c. 46, Plutarch fast wörtlich gleichlautend im Otho c. 5. Die
Forderungen der siegreichen Prätorianerschaaren, deren Spitze
namentlich gegen die eigenen Führer gerichtet ist, hat Plutarch
nicht aufgenommen. Ebenso wenig stimmen die Charakteristiken
Galbas, mit denen beide Schriftsteller abschliessen, enger überein
als die Sache es nothwendig mit sich bringt.
Nachdem die hauptstädtische Katastrophe erzählt ist, wendet
sich Tacitus zu den Vorgängen am Rhein, wo bekanntlich ungefähr
gleichzeitig mit Otho in Rom, Vitellius in Köln zum Kaiser ausgerufen
wurde, und schildert dessen Erhebung so wie den Marsch seinei
Truppen nach Italien 1, 51 — 70. Yon dieser Erzählung liegen bei
Plutarch nur geringe Reste im 22. Kapitel des Galba vor, die bei
304 Tacitus in besserem Zusammenhang und in grösserer Yollständigkeit
sich wiederfinden: die Erbitterung der Gallier gegen Galba (T. 51);
die Eidverweigerung der obergermanischen Legionen am 1. Jan.
(T. 55); die Stimmung der Truppen zu Gunsten des Yitellius, die
bei Plutarch klarer hervortritt als bei Tacitus; die Benachrichtigung'
des Vitellius von dem Geschehenen (T. 56) und dessen Ausrufung
bei dem untergermanischen Heer (T. 57); Vitellius Annahme nicht
des Caesartitels, sondern der Benennung Germanicus (T. 62). Alles
Uebrige was Tacitus hier berichtet, fehlt bei Plutarch; es hat bei
ihm ohne Zweifel in der verlorenen Biographie des Vitellius seinen
Platz gefunden.
Wo die Darstellung des Tacitus übergeht zu den Kriegsvor-
bereitungen Othos (c. 71 fg.), hebt die zweite plutarchische Biographie
an und findet sich auch die durchgängige Uebereinstimmung wieder
ein. Es werden gleichmässig berichtet die Begnadigung des Celsus
(P. 1 — T. 71); die Hinrichtung des Tigellinus (P. 2 - T. 72); die
Correspondenz der beiden Rivalen wegen des Abdankens (P. 4 — T.
74); die dem Otho günstigen Erklärungen der Provinzen (P. 4 — T.
76); die Consul- und Priesterernennungen (P. 1 — T. 77); die Quasi-
Restitution des Andenkens des Nero (P. 3 — T. 78); die Berufung
Cornelius Tacitus und Cluvius Rafas. 233
der 17. Cohorte von Ostia und der dadurch veranlasste Auflauf
(P. 3 — T. SO— 85); die Prodigien vor dem Abmarsch (P. 4— T. 86);
die Bezeichnung der Feldherren und des Gefolges des Kaisers (P. 5
— T. 87); die Confinirung des Dolabella (P. 5 — T. 88); die Rückgabe
der noch nicht eingezogenen Yermögenstheile an die zurückgekehrten
Verbannten (P, l — T. 90). Den Abzug Othos von Rom, mit dem
Tacitus das erste Buch schliesst, giebt Plutarch nicht ausdrücklich
an; die beiden Sätze des Tacitus 1, 87 (vgl. 2, 23): copiis Stietoniits
Faulimis, Jlarius Celsus, Annius Gallus rectores destinati und 2, 11 :
his copiis rector additiis Annius Gallus cum Vestricio Spurinna . . .
praemissus sind bei ihm (c. 5) vereinigt: oxQajrjyovg xcbv dvvdfiecov
iiijisju^'e Mdgiöv re KeXoov xai Zovrjjcöviov JJavklvov, en xe rdXÄov
xal ^^TiovQivav, oder, wenn sie, was möghch ist, ursprünglich zu-
sammengehörten, bei Tacitus auseinandergerissen.
Sodann fehlt bei Plutarch alles, was Tacitus in den ersten
17 Kapiteln des 2. Buches erzählt: die Vorgänge bei den Heeren
in Judaea imd Syrien; das Auftreten eines falschen Xero auf den
Kykladen ; die ersten kriegerischen Vorgänge bei der Flotte und den
Heeren in Oberitalien.
Die Erzählung des Entscheidungskampfes läuft dagegen bei 305
beiden Schriftstellern wieder in der Hauptsache gleich. Die Unbot-
mässigkeit der übrigens tapferen Soldaten Othos in Placentia, die
ihren Führer zum Schlagen zwingt, macht den Ausgangspunkt (P. 5.
6— T. 2, 18. 19. 21. 22); es stimmen genau überein die Schilderung
des Caecina (P. 6 — T. 3, 20 vgl. 1, 53); Caecinas Marsch nach Cremona
und ihm entgegen der des Gallus (P. 7 — T. 2, 22) ; das Gefecht am
Kastorentempel bei Cremona (P. 7 — T. 24 — 26^; sodann — die Vor-
gänge bei dem Corps des A^alens (T. 27—30) lässt Plutarch weg —
der Kriegsrath in Betriacum (P. 8 — T. 32. 33); Othos Rückkehr
dorthin (P. 10 — T. 33); der Versuch der Vitellianer den Uebergang
über den Po zu erzwingen [F. 10 — T. 34. 35. 36); die aufgeworfene
1) Die Schlachtbeschreibung stimmt zum Theil wörtlich:
Tov &£ Kext'va y.oxioavTog sig /.data xoioia (Caecina) ferocissimos auxiliarium itn-
xal vÄcoSr] ^loXXovg onUtag, minentibus iHoe hicis occuUos eomponü.
LxjieTg ök .-roof |c/.aoa< xe/.Evaarcog, equites procedere longius iussi
xar avvdxpoioiv ol aoUfiioi, xaxä fitxgov et irritato proelio sponte refugi festina-
dvaxmoEiv xai dvaqpevyBtv, tionem sequentium elicere,
ä^^oig dv vndyovxeg ovrcog ifißd^icooiv donec insidiae coorerentur.
ai'Toi'? eig rijv evidoav,
eiriyyedav avxöiioXoi reo KiXaco. xai ovzog proditum id Othonianis diicibus, et curam
HSV mntvoiv dyadoig dvxt^eläoag u. s. w. peditum Paulinus, equitum Geisus sump-
sere.
234 Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus.
Frage, ob nicht die Soldaten unter sich Frieden machen sollten (P. 9
— T. 37. 38); die Ordnung des Commandos nach Othos Entfernung (P. 7
— T. 39); die Vorbereitungen zur Schlacht (P. 1 1 - T. 39. 40); der
Angriff der Othonianer (P. 11. 12 — T. 41); das falsche Gerücht von
dem Uebertritt der Soldaten des Vitellius (P. 12 — T. 42); die
Schilderung des Gefechts zwischen den Veteranen der Rapax und
den Tironen der Adiutrix, welche bis ins Einzelne zusammentrifft,
und der Kampf der Bataver und der Gladiatoren (P. 12 — T. 43);
die Flucht und das Verhalten der einzelnen Generale Othos (P. 13
— T. 44); Othos schnell gefasster Entschluss zu sterben trotz der
Bitte seiner Umgebung den Kampf fortzusetzen (P. 15 — T. 46. 47);
dessen Fürsorge für seine Begleiter und Getreuen (P. 16 — T. 48. 49);
sein Tod und seine Bestattung (P. 16 — T. 49); der Rückblick auf
sein Leben und seinen Charakter (P. 18 — T. 50); endlich die Unter-
werfung der bei ihm verbliebenen Truppen (P. 18 — T. 51).
"Wer diesem kurzen Ueberblick der beiden Darstellungen gefolgt
306 ist, und weit mehr noch wer sie neben einander vergleichend selber
durchläuft, wird sich davon überzeugen, dass beide nicht bloss aus
der gleichen für uns verlorenen Quelle geschöpft haben, sondern
dass diese sowohl für Plutarch wie für Tacitus die Haupt-, ja in
gewissem Sinn wahrscheinlich für beide die einzige Qrelle gewesen
ist. So unmöglich es sein würde die eine Darstellung aus der
anderen abzuleiten, so leicht und natürlich fügen sich beide in ein-
ander; ohne alle Schwierigkeit würde man beide in einander schieben
und zu einer einheitlichen alles Factische bei beiden Autoren un-
verändert festhaltenden Darstellung zusammenfassen können. —
Widersprüche begegnen so gut wie gar nicht. Dass der von der
kaiserlichen Tafel entwandte Becher bei Tacitus und Sueton ^ ein
goldener, bei Plutarch ein silberner ist (S. 229 A. 1); dass der tapfere
Centurio, der sich den Mördern des Piso entgegenwarf, bei Plutarch -
aus Versehen auf Galba übertragen wird; dass in dem Gefecht der
Gladiatoren und der Bataver Plutarch die Rollen der Angreifer und
der Angegriffenen verwechselt^, sind noch die wesentlichsten, so
1) Claud. 32.
2) G. 26 , womit Dio 64, 6 übereinstimmt oder vielmehr Xiphilinos ; denn
nach Vergleichung des anderen dionischen Auszugs bei Zonaras erscheint dies
wie ein Zusatz des Epitomators. Das Richtige giebt Tacitus 1, 43 und bestätigt
Sueton Galb. 20.
3) Die 2000 Gladiatoren standen am rechten Ufer des Po unweit Cremona,
um die Vitelliauer abzuhalten über den Fluss zu gehen (Tacitus 2, 23. 34 — 36.
72 [?]). Um in die auf dem linken Ufer bei Betriacum gelieferte Schlacht einzu-
Cornelius Tacitus und Cluvius Bufus. 235
dass beide Schriftsteller nicht ohne Sorgfalt verfahren sind und
namentlich Plutarchs sonst nicht mit Unrecht getadelte Nachlässig-
keit^ hier in der That sich in massigen Grenzen hält. Diese Ueber-
einstimmung ist um so auffallender, als die Erzählung bei beiden so 307
ins Einzelne geht, wie es sonst in der alten Geschichte äusserst
selten vorkommt, und eine Menge Gerüchte, Anekdoten, militärischen
und politischen Details aufnimmt, worin selbstständige Berichte, wie
vortrefflich sie auch sein mochten, niemals in diesem Umfang hätten
übereinstimmen können. Natürlich bleibt vieles übrig, das nur bei
Plutarch, und noch mehr, das nur bei Tacitus sich findet und für
das kein äusserer Beweis vorliegt, dass auch dies aus der gemein-
schaftlichen Quelle geflossen ist; aber bei genauer Prüfung stellen
auch hier meistentheils indirecte Beweise dieses Ursprungs sich
heraus und sind diese in der oben gegebenen Uebersicht grossentheils
schon angedeutet worden. Beide Bearbeiter verfolgen einen ver-
schiedenen Zweck. Plutarch beseitigt alles, was nicht mit den
Kaisern Galba und Otho in unmittelbarem Zusammenhang steht,
wie den Sarmatenkrieg (Tacitus 1, 79) und die zunächst Yitellius
und Yespasian betrefiFenden Vorgänge: Tacitus das persönliche Detail,
insbesondere da, wo es ihm der AYürde der Geschichte Eintrag zu
thun schien. Beide aber verfahren dabei in der Weise, dass ge-
wöhnlich die Ansätze stehen geblieben sind, an die das bei dem
correlaten Gewährsmann Aufbehaltene sich anschliesst. Gewiss wird
niemand den Beweis antreten wollen, dass die beiden Geschicht-
schreiber, und namentlich Tacitus, für diesen Zeitabschnitt keine
andere Quelle benutzt haben als die ihnen gemeinschaftliche: wie
greifen, versuchten sie über den Fluss zu gehen, wurden aber bei der Landung
von Yitellius batavisehen Cohorten mit schwerem Verlust abgewiesen, worauf
diese von der Flussseite her die Hauptarmee Othos in die Flanke fassten (2, 43).
I"ies ist bei Tacitus richtig, aber nicht anschaulich dargestellt; falsch berichtet
Plutarch (c. 12), Alfenus Yarus habe die Bataver gegen Othos Gladiatoren
geführt, aber nur wenige von ihnen hätten Stand gehalten, die meisten seien
zum Fluss geflohen und hier von feindlichen Cohorten zusammen gehauen worden.
1) An einer Stelle scheint Plutarch den lateinischen Ausdruck missverstanden
ZI haben. Es habe gewittert, sagt er, als Galba über die Adoption des Piso
ZI den Soldaten theüs sprach, theils vorlas: ao^afievov ra ftev leyetv ev tö>
owaxo:ze8(p, la 8s drayivcöaxsiv (G. 23). Dass bei einem solchen Act die Verlesung
euer Urkunde stattgefunden habe, stimmt gar nicht zu dem, was wir sonst von
den Foi-men der Adoption wissen , und noch weniger zu dem correspondirenden
Bericht bei Tacitus (1, 18): apud frequentetn militum contionem imperatoria
brevitate adoptari a se Pisonem more diri Angusti et ejcemplo militari, quo ttr
t.rwn Jegeret, pronuntiat. Sollte nicht dies legere und pronuntiare zu dem
ä -ayivmaxEiv und Isysiv verführt haben?
236 Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus.
Tacitus im dritten Buche der Historien Plinius und Messalla anführt,
wie er für die Darstellung des Todes des Plinius sich an dessen
Neffen wendet, so mögen auch schon diese ersten Bücher Einlagen
anderswoher in sich schliessen. Aber die Masse dessen, was sicher
oder höchst wahrscheinlich aus der Hauptquelle entlehnt ist, lässt
doch für Benutzung anderweitiger Quellen nur einen beschränkten
Raum. Was Plutarch anlangt, so darf man wohl, abgesehen von
dem, was er über die Schlacht von Betriacum*) und das Grabmal
des Otho nach Mittheilung von Augenzeugen oder eigener Anschauung
erzählt (O. 14. 18), alles Uebrige als Auszug aus jener verlorenen
Quellenschrift ansprechen. Aber auch was Tacitus anlangt, führt
308 nirgends eine sichere Spur darauf, dass er neben seiner Hauptquelle
noch eine andere stetig und gleichmässig benutzt, dass er mehrere
Berichte über dasselbe Ereigniss mit einander verglichen und aus
dieser Vergleichung den seinigen gestaltet habe. Die einzige Stelle,
die auf den ersten Blick davon den Anschein hat, die Erzählung,
dass 'nach einigen Gewährsmännern^' die Soldaten vor dem Kampf
sich hätten vertragen wollen, aber dies keineswegs glaublich sei,
beweist vielmehr für das Gegentheil, wenn man die plutarchische
Fassung derselben Erzählung mit der des Tacitus vergleicht.
Während ein Theil der Soldaten von Kampflust entbrannt gewesen
sei, erzählt Plutarch, hätten andere sich dahin vernehmen lassen,
dass die Truppen auf beiden Seiten mehr Ursache hätten sich zu
vertragen als sich zu schlagen. Es sei auch ganz glaublich, dass
die verständigsten unter den Soldaten solche Reden geführt hätten;
denn es sei allzu arg, dass sie das, was um Sullas und Marius und
dann um Caesars und Pompeius willen erduldet worden, nun um
solcher Gesellen willen wie Otho und Vitellins abermals erleiden
sollten. Also unter den 'einigen Gewährsmännern' des Tacitus ver-
birgt sich eben der eine, dem er überhaupt folgt; und was auf den
ersten Blick als abweichende Darstellung erscheint, bezeichnet er
selbst in der That klar genug bloss als abweichende Meinung.
'Ich räume gern ein', sagt er, 'dass einige so im Stillen gedacht
haben mögen; aber im eigentlichen Bürgerkrieg giebt es keinen
anderen Frieden als nach der Entscheidung der Waffen' und er
*) [Vgl. Histor. Schriften 1 S, 354 ff.]
1) 2,37. 38: invenio apud quosdam auctores. Dies darf nicht, wie Peter
a. a. 0. S. 38 will, zusammengestellt werden mit Plutarchs (0. 9) higcov 8e ^v
äxoveiv. Plutarch spricht von der verschiedenen Stimmung der othonischen
Truppen, nicht von abweichenden Berichten.
Cornelias Tacitus und Cluvius Rufus. 237
entwickelt dies, indem er dieselben Beispiele, Marius und Sulla,
Pompeius und Caesar beibehält. Nirgends tritt die allgemeine
Abhängigkeit des Schriftstellers von seiner Quelle schlagender hervor
als hier, wo er sich von ihr entfernt.
Kaum wird es nöthig sein auszusprechen, dass die merkwürdige
Epoche, welche Tacitus und Plutarch gleichmässig schildern, bei
dem Römer in einem nicht bloss reicheren und lebensvolleren, sondern
auch in einem treueren Bilde erscheint als bei dem Griechen; wobei
übrigens nicht vergessen werden darf, dass dieser ausdrücklich erklärt
keine 'pragmatische Geschichte' schreiben zu wollen. Ohne Ausnahme
aber sind die Yorzüge nicht auf Tacitus Seite. Abgesehen davon,
dass Plutarch nicht wenige für uns brauchbare imd interessante
Thatsachen allein bewahrt hat, lässt sich auch an verschiedenen
Stellen nachweisen, dass die Darstellung des Tacitus entweder flüchtig .309
oder gefärbt ist. Sie sind nicht zahlreich und keine derselben von
wesentlich gravirender Art; aber dennoch verdienen sie Beachtung.
Die durch das Austreten des Flusses veranlasste Ueberschwem-
mung hat nach Tacitus auch Theurung im Gefolge: fames in vulgns
inopia quaestus et penuria alimentorum (l, 86). Man sieht nicht
recht ein, inwiefern die Wassersnoth besonders die letztere herbei-
geführt hat. Das fehlende Moment findet sich bei Plutarch (O. 4) :
das Wasser erreichte diesmal die Stadtgegend, wo die Läden und
Magazine der Bäcker sich befanden, und verdarb die Vorräthe.
Der Versuch der Yitellianer den Uebergang über den Po da,
wo Othos Gladiatoren den Strom bewachten, zu erzwingen wird
gleichmässig von Plutarch 0. 10 und Tacitus 2, 34 erzählt; aber bei
diesem ist die Erzählung unvollständig. Zunächst werfen die
TitelUaner eine Schiffbrücke in den Strom hinein und errichten auf
dem äussersten Schiff einen Thurm ; diesem gegenüber die Gladiatoren
einen auf dem Ufer. Hier bricht Tacitus ab; Plutarch fährt fort,
dass die Geschosse der Othonianer nichts gefruchtet hätten; sie
hätten aber darauf durch Brander die Schiffbrücke angezündet und
di<3 Gegner mit Verlust und Schimpf zm-ückgetrieben. Offenbar ist
dies bei Tacitus weggelassen, und steht somit, wohl durch seine,
nicht durch der Abschreiber Schuld, der Bericht von dem Anfang
dieses Gefechts bei ihm in der Luft. Dass dann die Vitellianer sich
einer Insel im Strom bemächtigen und die Gladiatoren von dort
zumckschlagen, erzählen beide übereinstimmend.
Bei der Rückforderung der neronischen Vergabungen an
Sciauspieler und Sänger übergeht Tacitus (1, 20) den wesentlichen
Umstand, den Plutarch (G. 16) und bestimmter noch Sueton (G. 15)
238 Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus.
ausdrücken, dass im Unvermögensfall der Beschenkten die späteren
gutgläubigen Besitzer zur Kückgabe angehalten wurden. Wären bloss
jene betroffen worden, so konnte die Massregel den öffentlichen
Credit nicht erschüttern und das Publicum nicht in Furcht setzen,
wie Tacitus dies schildert Die Farben des letzteren sind lebhaft
genug, aber die Zeichnung fehlerhaft.
Belehrend ist die Yergleichung der beiden Berichte über den
Yorfall mit den Classiariern. Bei Plutarch (G. 15) setzen sich die-
selben nicht eigentlich zur Wehre [vTieorr] ovdelg exeivcov), aber dass
einige die Schwerter ziehen, veranlasst Galba den Angriff zu befehlen;
310 bei Tacitus (1, 6) sind sie wehrlos (inermes). Plutarch spricht von
Vielem Mord und zahlreichen Leichen'; bei Tacitus (a. a. O. vgl. 37)
sind viele Tausende (trucidatis tot müibus) gefallen — von einer
Truppe, die höchstens 6000 Mann zählte und die keineswegs auf-
gerieben ward ^.
Als der Po erreicht war, bleibt nach Plutarch Otho am rechten
Ufer in Brixillum zurück und sendet nur seine Feldherren über den
Fluss (c. 5). Seine Truppen sammeln sich in der Gegend von
Cremona (c. 7) und hier, in Betriacum zwischen Cremona und Yerona,
wird Kriegsrath gehalten, dem auch der Kaiser beiwohnt (c. 8), um
dann von da, von einer starken Bedeckung begleitet, nach Brixillum
zurückzukehren (c. 10). Bei Tacitus wird in dem Kriegsrath selbst
beschlossen, dass der Kaiser sich nach Brixillum begeben solle (2, 33),
was denn auch geschieht (2, 33. 39); nach ihm muss der Leser
glauben, wenn er es auch nicht gerade gesagt bekommt, dass Otho
bis dahin bei dem Heer sich befunden hat. Jene Erzählung ist
offenbar genauer und stimmt auch zu Sueton (0. 9: nee ulli pugnae
affuit suhstititque Brixüli); aber bei der taciteischen fällt Othos
Abwesenheit mehr ins Gewicht und wird der Ausgang besser vorbereitet:
is primus dies Othonianas partes adflixit , namque et cum ipso . . .
valida manus discessit et remanentium fractus animus. Dieselben
Nachtheile hatte seine Abwesenheit auch früher schon gehabt: aber
dass er bei der Entscheidungsschlacht fehlte, macht mehr Eindruck,
wenn dasselbe nicht schon von den vorbereitenden Gefechten gesagt
war, und darum bringt Tacitus seine Abwesenheit erst hier ins Spiel.
Der Bericht über die Vorgänge bei dem Heere des Otho nach
der Schlacht ist bei Tacitus (44. 45) unklar und eigentlich falsch.
Annius Gallus, der wegen eines Sturzes vom Pferde in Betriacum
1) Sachgemässer als beide berichtet Sueton G. 12: non modo immisso equite
disiecü, sed decimavit etiam. Dio dagegen giebt gar (64, 3) die Zahl der Gefallenen
auf 7000 an und lässt dann noch den Eest decimirt werden.
Cornelius Tacitus und Cluvius Rufhs. 239
zurückgeblieben war, beruhigt die dorthin geflüchteten Soldaten in
einer Ansprache, worin die Frage, ob der Kampf fortzusetzen sei
oder nicht, noch als eine offene erscheint. Die Muthlosigkeit der
übrigen Soldaten wird angedeutet, die Kampfbegierde der Prätorianer
ausführlich geschildert und motivirt; es könne noch alles gut werden.
Am folgenden Tage ist der Muth der Besiegten noch mehr gesunken;
sie senden an die Sieger eine Deputation; beide Parteien bejammern
den Bürgerkrieg und wenden sich dazu ihre Todten zu bestatten,
ihre Yerwundeten zu pflegen. Darauf folgt die Katastrophe Othos. 311
— Plutarch dagegen berichtet (c. 13), dass in Betriacum die Offiziere
der geschlagenen Armee unter Vorsitz von Marius Celsus einen
Kriegsrath gehalten hätten; dass Celsus erklärt habe, die Entscheidung
sei gefallen und man dürfe nicht, wie einst Cato und Metellus Scipio,
das Blutvergiessen nutzlos verlängern; dass die übrigen Offiziere und
Othos eigener Bruder, der Höchstcommandirende Titianus beigestimmt
hätten; dass darauf Celsus und Gallus persönlich und unter Lebens-
gefahr mit Caecina den Unterwerfungsvertrag verhandelt und ab-
geschlossen hätten; dass ein Versuch des Titianus und einiger
muthiger Soldaten den Vertrag im letzten Augenblick rückgängig
zu machen rasch wieder aufgegeben und Caecina in Betiiacum
eingelassen sei. Es ist einleuchtend, dass diese Erklärung der
sämmtlichen Generale Othos die Sache entschied. Die verlorene
Schlacht konnte wieder eingebracht werden; aber wenn bei den
bisher ziemlich sich die "Wage haltenden Kräften die Hauptarmee
Othos mit dem gesammten Offiziercorps zum Feinde übertrat, so
war auch mit Hülfe der Donautruppen und der in Betriacum zurück-
gebliebenen Bedeckungsmannschaft Othos wohl noch, wie dies weiter-
hin auch Plutarch angiebt, ein Hinausziehen des Kampfes möglich,
aber nicht mehr eine günstige Entscheidung. Dieser Schritt seiner
Offiziere liess in der That dem geschlagenen Kaiser keine andere Wahl
als zwischen dem Tod durch eigene und durch Henkershand ; worauf
auch Celsus in seinem Votum deutlich genug hinwies. Wenn Tacitus
die Farben so vertheilt, dass die Möglichkeit den Kampf fortzusetzen
und der Wunsch eines Theils der Truppen dies zu thun in helles
Licht, dagegen die Abneigung der grossen Mehrzahl derselben zurück-
tritt^ und wenn er die alles entscheidende Erklärung der sämmt-
1) Am bestimmtesten 2, 48: non . . tdtima desperatione, sed poscente proeUum
txercitu remisisse rei publicae novissimum casum. Aber das 'Heer' hatte seinen
Fiieden gemacht und die den Kaiser zum Schlagen drängten, waren die Soldaten
der Stabswache.
240 Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus.
liehen Offiziere und des eigenen Bruders des Kaisers verschweigt,
so geschieht dies offenbar, um nicht die Offiziere, sondern den Kaiser
selbst es aussprechen zu lassen, dass der rechte Mann, im Bürgerkrieg
besiegt, das Unvermeidliche annehme und nicht verschleppe^, um
312 Otho, der freilich in das nothwendige Ende rasch und unverzagt sich
ergab, als freiwillig gestorben hinzustellen, um also die Katastrophe
mit tragischem Pathos und mit dem Reiz des psychologischen Con-
trastes ausstatten zu können 2. Dies hat er erreicht; und wenn es
sich um ein Trauerspiel handelte, würde man den Dichter bewundern,
der seinen Helden also zu adeln und zu heben verstanden hat, ohne
eigentlich an der Ueberlieferung zu rücken, bloss durch die Kunst
der Colorirung und Gruppirung der Thatsachen. Indess was für
den Dichter ein Lob sein würde, kann ein Tadel des Geschicht-
schreibers sein.
Aber auch auf die Fassung und Wendung seiner Darstellung
hat die von Tacitus hauptsächlich benutzte Quellenschrift mehr ein-
gewirkt, als man es bei einem Schriftsteller dieser Art hätte voraus-
setzen können. Ich lasse eine Anzahl von Stellen folgen, in denen
dies deutlich hervortritt.
Plutarch: Tacitus:
G. 18: q)covr]v •^yejuovi fieydXcp h. l, b vox pro re publica honesta,
TtQEJtovoav etnoiv eico'&evai xara- ipsi anceps, legi a se militem,
Aeyeiv orgariwrag, ovx äyogä^eiv. non emi.
G. 15: edo^e jur] vofxijucog, et xal h. 1, 6 inauditi atque indefensi
dixaicog . . . ävrjQrjxSvat tiqo tamquam innocentes perierant.
XQioecog ävdqag ovx äoi^juovg
.... TovQTiiXidvov .... Xoyov
fieraXaßeTv ovdev sxcoXvev.
1) Tacitus 2, 47: ne plus quam semel certemtis, penes me exemplum erit. Bei
Plutarch sagt dies Celsus von Otho: f^T]8s "O&oivog , slksg ävrjQ ayadog iauv,
E'&sXrjoovtog ext jisiQäad'ai, rfjg xv^rig.
2) Dabei soll keineswegs geleugnet werden, dass eine ähnliche Tendenz
auch schon in seiner Quelle sich fand; wie denn diese Steigerung der That
Othos von einer gezwungen freiwilligen zu einer wahrhaft freien schon vor
Tacitus bei Martial erscheint und auch die suetonische, ja selbst die plutarchische
Darstellung davon die Spuren zeigen. Dem rhetorischen "Wesen dieser Zeit lag
nicht an der einfachen Ermittelung des psychologischen Herganges, sondern an
dem Contrast; und in diesem Sinne sind alle Auffassungen der Katastrophe
Othos in ein schiefes Licht gebracht und darauf zugestellt einen sehr gemeinen
Act der Desperation zu einer ungemein historischen Action zu steigern. Aber
wenn Tacitus auch die Färbung vorfand, so wird der Vorwurf stehen bleiben,
<Jass er dieser zu Liebe die Zeichnung nicht positiv, aber durch Weglassen
wesentlicher Züge entstellt hat.
Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus.
241
G. 15: vjieart] d' ovdelg exeivcov
.... Ol' yorjorbv ovde aXoiov
noiovvreg xw rdkßq rbv oioivöv
eioiovTi öiä . . . vexgcov tooovtcov
eig Ttjv TiöXiv . . . Tiäoi q)Qiy.wdr]g
y.al (foßsoög iyevero.
G. 18: röv ^kdxxov vno ovvxovov
.Toddygag ädvvarov ovra rcb
ocojuan xai Tioay/LidTcov ä^ieigov
iv ovöevi koyo) to nagd:iav
enoiovvxo.
G. 25: ov xazd zi]v tov acöjuarog
jLiaÄaxiav xai dTjXvrrjra rf] y^i'xf}
öiaxedgvfXfiEvog.
G. 25: &g (paoi, jui] ovveidcog,
IxjiXayelg de tco dTrgooöoxrjxq)
xai q)oßi]^£ig.
G. 26: xov (fogeiov xaddn^sg h
xkvöoivi öevgo xdxei diaq:ego-
jiiivov.
G. 22: TO /j.£xa ^Xdxxov axgdxevjua
Tovg xakovg exeivovg xai drjfio-
xgaxixovg eig ovyxkrjxov ögxovg
dcpevxEg oj/xooav OvixeXXico.
0.1: xov de KeXoov . . . (frjoavxog
al'xb xov xgoTiov öiÖovat x6
y.Xrjjua nioxiv iyxexXija'&ai
, äg, 6x1 FdXßq ßeßaiov eavxöv
rrageo/ev, o5 ;ifapfv ovdefuav
(j'xfEÜev.
0. 2: 6/uov de 'Pa>/naiovg :xdvxag
oi'dev evcpgavev ovxa>g .... cbg
xd ::zegl TiyeXXlvov.
0.4: dvxeygaxpe de xdxelvog avxcö
y.axeigojvevouevog fiov/J] Tigänov
ix de xovxov diege&iCofxevoi noXXd
ßXdo(fi]ua xai doeXyr] ^XevdCov-
xeg dXXrjXoig eygacpov ov ipevdcög
uh, ävoijxwg de xai ysXoioigu. s.w.
MOMMSES. SCHB. VII.
h. 1. 6 trucidatis tot milihus iner-
mium militum infaustus omine
atque ipsis etiam qui occiderant 313
fonnidolosus.
h. l , 9 Hordeonium Flaccum . . .
senecta ac debil itate pedum in-
validum, sine constantia, sine
auctoritate.
1, 22: twn erat Othonis moUis et
corpori similis animus.
Ij 28: magnitudine subiti sceleris
an corrupta latitis castra et, si
contra tenderet, exitium metuens.
1 , 40 : agebatur httc iUuc Galba
vario turbae fluctuantis impulsu.
1,57: superior exercittis, speciosis
senatus populique Romani no-
minibus relictis, . . . ViteUio
accessit.
1,71: Celsus c&nstanter servatae
ergo GaWam fidei crimen con-
fesstts exemplum idtro imputavit.
1, 72, nachdem die Begnadigung
des Celsus erzählt ist: par inde
exultatio disparibus catisis con-
secuta impetrato TigeUini exüio.
1, 74: paria Vitellius ostentabat,
prima moüius stidta tUrimque
et indecora simulafione, mox
quasi rixantes stupra et flagitia 314
in vicem obiectavere, neuter falso.
16
242
Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus.
0. 3 : (poßovjuevog . .vTieQTCÖv dvÖQCov
avTÖg fjv (poßsQog exeivoig.
O. 3: ÖQ^og ano rfjg xUvrjg ttoXM
jiagrjyoQi^oag xal detj'&elg xal
fxfjdk daxQvcov q:>siod/usvog juo/.ig
änensfxxpev amovg.
0. 5 : xaraXeyoiv de tmv ev reXei
ovvExdi^jUOvg ha^ev ev xovxoig
xal Äevxiov tov OvizelXiov ädeX-
q)6v ovre Tigoo'&elg ovdev ovre
dq)eX(bv rjg ely^e rijurjg.
O. 6: exXsvaCov Tovg"0-&covog . . .
Gxrjvixovg xal nvQQiiiordg xal
IIv&iCDv xal 'OXvjumcov ^ecoQOvg,
7toXe/uot> de xal orgaielag anei-
Qovg . . . änoxaXovvreg. Ungefähr
dasselbe schon c. 5: ovroi de
juaXaxol fxev fjoav vtio o/oXfjg
xal öiairrjg änoXefiov, nXeloxov
Xq6vov ev &edTQoig xal navr\yv-
QEOi Tial Ttagd axrjvrjv ßeßim-
xoreg.
0. 7: e'jiejuyjev ovv Tuiavbv enl
rd orgarev/xaTa röv ddeXq)öv xal
UgoxXov röv enagy^ov dg elyßv
egyo) xrjv Jtdoi^v dgxrjv, ngoo-
X^f^o. de tjv 6 Tixiavög. ol de
. jxegl TOV KeXoov xal UavXlvov
äXXujg e(peiXxovTo ovjußovXcov
övojua xal cpiXcov, i^ovolav xal
dvvajuiv ev roig ngdyfxaoi jurjde-
juiav e'xovxeg.
315 0. 17: xal (piXo(pgovovjuevog dte-
vefxe xdjv ygrjjLidxüyv xcb fiev
TtXeov, reo de eXaxxov, ovy coojxeg
dXXoxgicov dcpeid&v, dXXd x6 xax
d^iav xal xb juexgiov ejiijuekcög
(pvXdxxcov.
O. 16: /xrjxe ejxiXa'&eod-ai navxdnaoc
ixrjxe äyav fÄvrj^oveveiv , oxi
Kaioaga d-ecov eoyeg.
1, 81 : cum timeret Otho, timebatur.
1, 82: toro insistens precibus et
lacrimis aegre cohibuit.
1,88: muUos e magistratihus, mag-
nam consularium partem Otho ...
comitum specie secum expedire
iubet, in quis et L. VitelUum,
eodem quo ceteros cultu nee ut
imperaforis fratrem nee ut Jiostts.
2, 21 ut segnem et desidem et
Circo ac tJieafris corruptum mi-
litem . . . increpdbant.
2, 39 honos imperii penes Titi-
anum fratrem, vis ac potestas
penes Proculum praefectum :
Celsus et Paulinus, cum pru-
dentia eorum nemo uteretur,
inani nomine ducum alienae
culpae praetendehantur.
2, 48 pecunias distribuit parce nee
ut periturus.
2, 48 neu patruum sibi Othonem
fuisse aut oblivisceretur umquam
aut nimium meminisset.
Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus. 243
Dem Eindruck dieser Stellen gegenüber wird zunächst gestattet
sein an die früher dargelegten Beweismomente dafür zu erinnern,
dass Plutarch unmöglich aus Tacitus abgeschrieben haben kann.*)
Kicht bloss schrieb er unzweifelhaft früher, als die Annalen, wahr-
scheinlich auch früher, als die Historien des Tacitus herausgegeben
wurden, sondern er bringt auch eine Menge von Thatsachen, die bei
Tacitus nicht zu finden und doch mit der dem Plutarch und dem
Tacitus gemeinschaftlichen Erzählung so eng verwachsen sind, dass
jedem, der in solchen Untersuchungen Takt und Uebung hat, der
Oedanke an eine Einlegung derselben aus einer zweiten Quelle von
vom herein als unzulässig erscheinen muss. Vielmehr wird nichts
übrig bleiben als alle diese Analogien darauf zurückzuführen, dass
der Grieche wie der Römer von derselben Hauptquelle abhängig sind.
Wenn aber die griechische Copie so viele und so auffallende
Uebereinstimmungen mit der lateinischen Bearbeitung zeigt, so darf
wohl angenommen werden, dass das Yerhältniss sich noch ganz
anders stellen würde, wenn statt jener uns das lateinische Original
vorläge. Berühmt gewordene Wendungen, wie das cum timeret,
timebatur — cpoßovfxevog yv (poßeQog, wie flagitia invicem öbiectavere
neuter falso — TcoXXä aoeXyfj äXXtjXoK; e-ygacpov ov ipevöcog, stellen
sich hienach geradezu heraus als wörtliche Entlehnungen. Damit
soll keineswegs behauptet werden, dass die Historien nicht den
eigenthümlichen Stempel ihres Verfassers tragen. Auch abgesehen
von den Reden, die ohne Zweifel sein volles Eigenthum sind und
mit denen auch die plutarchische Erzählung sich nirgends enger
berührt ^, finden sich gerade in diesen ersten Büchern in besonderer
Zahl die ihm eigenen schlagenden Pointen, liegt des Schreibers
schwermüthige und hoffnungslose Weltanschauung, seine herbe Kritik
nicht einzelner, sondern der sämmtlichen auf der Weltbühne in 316
Hauptrollen auftretenden Personen darin in ihrer ganzen Strenge
vor; und kein Verständiger wird glauben, dass das omnia servüiter
pi'o dMninationc, das corrtq^tncs quam in privata domo, das novissimum
mahrum fuit laetitia und die unzähligen ähnlichen von Manier nicht
freizusprechenden, aber wirksamen und oft von tiefem politischen
Blick zeugenden Wendungen nichts sind als geborgte Phrasen. Aber
*) [Die verkehrte Ansicht , daß Plutarch von Tacitus abhängig sei , ist
zuletzt von E. Wölfflin, Sitzungsber. d. bayr. Akad. 1901, S. 3ff. vertreten
worden.]
1) Die letzte Ansprache Othos lautet bei Plutarch (15) und Tacitus (2, 47)
völlig verschieden.
16*
244 Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus.
ebenso ist es ausser Zweifel, dass Tacitus Eigenthümlichkeit nur
der vollendetste Ausdruck der in der höchsten römischen Gesellschaft
des ersten Jahrhunderts herrschenden Stimmung ist; man kann dies
an Petronius und dem jüngeren Seneca wie an den beiden Plinius
verfolgen, so gänzlich verschieden sie auch selbst von Tacitus sind.
Es ist von vorn herein gewiss, dass das Geschichtswerk, von dem
Tacitus hier abhängt, ebenfalls auf antithetischer Reflexion ruhte,
nach glänzender und wirkungsvoller Darstellung rang, so dass Tacitus
die Farben, die er brauchte, zum guten Theil schon auf der fremden
Palette fand, wahrscheinhch bei weitem schimmernder und kunst-
voller, als sie aus Plutarchs gemüthlicher oder auch gemüthloser,
wenigstens allem Mitempfinden fernstehender Schreiberei hindurch-
scheinen. Dass Tacitus bestrebt war sie zu steigern, zeigt sich, ab-
gesehen von dem früher insbesondere über seine Behandlung der
Katastrophe Othos Bemerkten, auch darin, dass er an einzelnen
Stellen damit verunglückt ist. Wenn zum Beispiel Plutarch (18)
von Otho sagt, er habe ebenso viele und ebenso nachdrückliche
Lobredner wie Tadler gefunden, denn nicht besser als Nero habe
er gelebt, aber besser als dieser sei er gestorben, und Tacitus (2, 50)
dies also wendet: duohus facinorihus, altero flagitiosissimo , altero
egregio tantundem apud posteros meruit honae famae quantum malae,
so hat diese letztere Fassung zwar mehr Pointe als die erstere, aber
in der That ist sie falsch; denn durch keine einzelne Unthat, der
man die Grossthat seines Todes entgegensetzen könnte, ist Othos
Leben, das ganz gemeine eines leeren und wüsten Hofadlichen, im
Besonderen bezeichnet.
Also zeigt sich in den beiden ersten Büchern der Historien des
Tacitus keineswegs polybianische Quellenforschung, sondern engstes
Anschliessen an einen allerdings unzweifelhaft vorzüglichen Gewährs-
mann. Wir finden ihn von diesem abhängig, wie Livius von Polybios,
nicht bloss im Thatsächlichen, sondern auch in Farbe und Form bis
in die einzelne Wendung hinein; er ist weniger Forscher als Dar-
317 steller, und auch als Darsteller darf man vermuthen, dass er die
Darstellung, die er vorfand, mehr gesteigert und gereinigt, als
wesentlich umgestaltet hat. Man wolle daraus nur nicht zu viel
folgern und namentlich nicht meinen diese Beobachtung ohne weiteres
auf den gesammten Tacitus übertragen zu dürfen. Nicht bloss sind
die Historien zwar keine Jugend-, aber doch die erste geschichtliche
Arbeit des bedeutenden Mannes, sondern, was noch weit mehr ins
Gewicht fällt, dieselben sind von ihrem Verfasser in der Hauptsache
angelegt als Zeitgeschichte, wie dies vermuthlich schon der Titel
Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus. 245
ausdrückt^ und er selber auf das Bestimmteste ausspricht, sowohl
in der allgemeinen Ankündigung seines Planes in der Yorrede des
Agricola^ wie in der Vorrede der Historien selbst, wo es betont
wird, dass der Terfasser seine Laufbahn unter der Regierung
"Vespasians begonnen habe, mit dem die Erzählung anhebt. Aber
da Tacitus keineswegs Memoiren schreiben will, sondern Geschichte.
80 wählt er den Ausgangspunct, wie billig, nicht da, wo zufällig
seine eigene Erinnerung begann, sondern bei dem nächstliegenden
grösseren Abschnitt, dem Anfang des Jahres, in welchem nach dem
Sturz der julischen Dynastie Yespasian den Thron bestiegt. Somit
fand er sich für die ersten Abschnitte seiner Erzählung allein auf
die schriftliche Ueberlieferung angewiesen. Der Zufall hat es gefügt,
dass uns von dem Theil der taciteischen Geschichte , wo er wenig-
stens die Stimmung und die Färbung aus eigener Erinnerung nahm,
gar nichts erhalten ist: und insofern wird unser Urtheil über seine 318
Leistungen immer ein sehr hypothetisches bleiben. Nur derjenige
Theil der Historien, der dem Verfasser schwerlich die Hauptsache
war, ist auf uns gekommen; dies wird in Anschlag zu bringen sein,
sowohl wenn wir hier einen pathetischeren Ton angeschlagen finden
üh wir ihn bei der Darstellung der Geschicke vergangener Geschlechter
gewohnt sind, wie auch wenn die Quellenforschung sich darauf
reduciren sollte, dass Tacitus das beste Memoirenwerk über diese
Epoche historisch stilisirt hat.
1} Gellius 5, 18.
2) c. 3 : noji . . pigebit . . . memai-iam prioris servitutis ac testhnonium praesett-
Uum bonorum composuisse, das heisst die Zeit Domitians und die Nervas und
Traians. Hier ist also an Yespasian und Titus noch gar nicht gedacht.
3) Weiter wirkte hierbei bestimmend ein das Schema der Annalen (S. 299
[228]); denn dies sind, wie Nipperdey Einl. S. XI fS. 14 der 8. Aufl.] richtig bemerkt,
sowohl die Historien wie die Bücher ab ex<:essu divi Augiisti. Ob ausserdem
nooh Tacitus die Anlehnung an ein bestimmtes Geschichtswerk oder vielmehr
an eine Reihe sich fortsetzender im Sinne hat bei den ersten Worten seines
Buches: initium mihi operis Ser. Galba II T. Vinius cos. erunt; nam post conditam
uruem octingentos et riginti prioris aevi annos (das ist nach capitolinischer Aera
bis 68 n. Chr. einschliesslich) midti andores rettidemnt pari eloquentia ac libertate.
mrss dahingestellt bleiben. Unwahrscheinlich ist es nicht; denn dass er damals
den Plan zu seinen Annalen noch nicht gefasst hatte, ist klar, und dass seine
Historien geradezu als Fortsetzung auftreten, ist oben S. 801 [229] bemerkt worden.
Ine ess möchte es schwer sein ein passendes mit dem Ende des J. 68 schliessendes
Geschichtswerk zu bezeichnen [einen vergeblichen Versuch machte 0. Seeck, Rhein.
Mts. 56, 1901, S. 227 ff., vgl. dagegen F. Rühl ebd. S. 516 u. a.] ; und möglich ist
es, dass Tacitus nicht zunächst ein einzelnes Werk, sondern die annalistische
Litteratur überhaupt im Sinne gehabt hat.
246 Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus.
Die Untersuchung ist geführt worden ohne Rücksicht auf die
Frage, welchem Werke Plutarch und Tacitus hier gefolgt sein mögen.
Sie ist in der That unabhängig davon, wie diese Frage beantwortet
wird; ja sie würde nichts wesentliches verlieren, wenn diese Frage
überall nicht beantwortet werden kann; wie denn überhaupt bei den
jetzt beliebten Quellenuntersuchungen viel zu viel auf die Namen
und viel zu wenig auf die Sachen Rücksicht genommen wird. Indess
ist in diesem Fall die Antwort nicht eben schwer zu finden und auch
längst gefunden; der gemeinsame Gewährsmann ist Cluvius Rufus,
und überflüssig wird es nicht sein das gefundene Ergebniss mit dem,
was von Cluvius bekannt ist, in Verbindung setzen.
Ich fasse zusammen, was wir von diesem wissen.*) Cluvius
Rufus - - der Yorname ist unbekannt ^ — war Consul in Gemein-
schaft mit P. Clodius ^, wir wissen nicht in welchem Jahr, aber sicher
vor dem J. 41 (A. 3); wonach seine Geburt nicht später als etwa
6 n. Chr. gesetzt werden kann. Er wird genannt unter den Senatoren,
die im J. 41 bei der Ermordung des Caligula im Theater zugegen
waren ^, und als Begleiter Neros auf seinem Schauspielerzug durch
Griechenland im J. 67, wo er dem kaiserlichen Tragöden als Herold
319 diente*. Als der Statthalter der Hispania Tarraconensis Galba im
Sommer 68 zum Kaiser ausgerufen ward, ernannte er den Rufus
zu seinem Nachfolger auf jenem Posten^. Nach Galbas Tode schien
Rufus anfangs geneigt für Otho Partei zu nehmen oder wenigstens
zu temporisiren ^, schlug sich aber dann zu der Fahne des Vitel-
*) [Ys^' zum Folgenden : Prosop. itnp, Rom. I S. 426.]
1) Borghesi opp. 2, 74. 5, 321 nennt ihn nach dem Vorgange älterer Ge-
lehrten Marcus, ich weiss nicht weshalb. Er mag ein Sohn des — wie es
scheint für das Jahr 721 zum Consul designirten — C. Cluvius sein, von dem
ich anderswo gehandelt habe (zwei Sepulcral reden aus der Zeit Augusts und
Hadrians in den Abh. der Berliner Akademie 1863 S. 466 [= Jurist. Sehr. I S. 407]).
Ein Nachkomme von ihm, eher ein Tochterenkel als ein Sohn, ist der Consul des
J. 80 C. Marius Marcellus Octavius Publius Cluvius Rufus (Henzen 5428 [— C. I. L.
III p. 854]).
2) Pompeianische Inschrift Orelli 1168 = I. N. 2224 [C. I. L. X, 826 = Dessau
6383] : . . . . uvio P. Clodio cos. [Diese Inschrift hat nichts mit Cluvius Rufus zu
tun, es ist in ihr [D]uvio zu ergänzen: vgl. Mommsen, Hermes 12, 1877, S. 128
= Jur. Sehr. III S. 261.]
3) Josephus ant. 19, 1, 13, [91]. Cluvius heisst hier Consular und erscheint j
als Begünstiger der That, wo nicht als Mitverschworener. j
4) Sueton Ner. 21 und vielleicht daraus Dio 63, 14. Beide nennen ihn j
Cluvius Rufus und Consular. 5) Tacitus bist. 1, 8.
6) Tacitus h. 2, 65. Ein kaiserlicher Freigelassener denuncirte ihn später
dem Vitellius, tamquam audito Vitellii et Othonis j»-incipatu propriam ipse poten- >
tiam et possessionem Hispaniarum tetnptasset eoque diplomatihus nulluni principem
Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus. 247
lius^ und schützte für ihn Spanien gegen die in Africa mächtigen
Othonianer 2. Als Vitellius nach dem Siege seiner Truppen sich nach
Italien begab, fand unterwegs unweit Lyon sich Cluvius bei ihm
ein, um sich zu rechtfertigen; der Kaiser Hess ihm auch dem Namen
nach die Provinz, aber veranlasste ihn doch nicht dorthin zurück,
sondern mit ihm nach Rom zu gehen 3. Dort erlebte er die Kata-
strophe des Yitellius und nahm damals lebhaften Antheil an den
politischen Vorgängen: bei dem geheimen Vertrag zwischen Vitellius
und dem Bruder Vespasians waren nur er und Silius Italiens zugegen *.
Von seinen weiteren Schicksalen erfahren wir nichts; er muss aber
damals schon bejahrt gewesen sein und hat Vespasian schwerlich
überlebt^. — Seine Schriften werden von den Grammatikern nirgends
berücksichtigt^ und directe Fragmente derselben sind daher nicht vor-
handen; dagegen wird er als Gewährsmann angeführt für die Entstehung 320
des Namens histrio, den er auf die Pest vom J. 390 d. St. zurück-
führte, bei Plutarch " ; für die neronische Zeit bei Tacitus zweimal*;
für die Vorgänge des J. 69 wieder bei Plutarch (S. 323 A. 3 [250 A. 4])
und bei dem jüngeren Plinius^, wonach Cluvius den Verginius
Rufus ersuchte seine Darstellung derselben nicht übel zu nehmen.
praescripsisset , et interpretabatur quaedam ex orationibtis eius contumdiosa in
Yiteüium et pro se ipso poptilaria.
1) Tacitus bist. 1, 76: idem (dass die Truppen dem Otho Treue geschworen)
ex Hispania adlatum laudatusque per edictum Cluvius Rufus: sed statim cognitum
est conversam ad YitdUum Eispaniam. Von Depeschen Othos an Cluvius Rufus
in Spanien spricht Plutarch Oth. 3 (S. 323 A. 3 [250 A. 4]).
2) Tacitus bist. 2, 58. 59. 3) Tacitus h. 2, 65. 4) Tacitus h. 3, 65.
5) Bei Nipperdey Einl. S. XXIII [S. 27 der 8. Aufl.] und in vielen anderen
Büchern steht zu lesen, dass Cluvius im Jahre 70 n.Chr. starb; Tacitus "aber
bist. 4, 39, aus dem dies genommen sein soll, sagt nur, dass Spanien damals
durch den Abgang des Cluvius Rufus ohne Statthalter war (discessu Chivii Muß
vacua). Vielmehr ist es nicht zu bezweifeln, dass er einen Theil, wenn nicht
sein ganzes Geschichtswerk erst nach Vitellius Tode geschrieben hat, also
gewiss beträchtlich später als 70 gestorben ist; und die S. 321 A. 2 [249 A. 1]
angeführte Stelle des Tacitus kann dafür wohl als unmittelbarer Beweis in
Anspruch genommen werden.
6) Quintilianus , der ihn hat kennen müssen, nennt ihn nicht unter den
römischen Historikern. Er mag mit an ihn gedacht haben bei den Schluss-
worten (10, 1, 104): sunt et alii scriptores boni, sed nos genera degustamus, non
bibliothecas excutimus.
7) Quaest. Rom. 107. Dies ist insofern von Interesse, als die antiquarischen
Rückblicke, die in Tacitus Geschichtswerk eingelegt sind, sich danach wahr-
scheinlich ähnlich bei Cluvius fanden, also Tacitus auch dafür das Muster, zum
Theil vielleicht selbst den Stoff bei Cluvius fand. [Vgl. über diese Exkurse bei
Tacitus: F. Leo, Nachr. d. Gott. Ges. d. Wiss. 1896 S. 191 ff.]
8) Zum J. 55 ann. 13, 20 und zum J. 59 ann. 14, 2. 9) ep. 9, 19, 5.
248 Cornelius Tacitus und Cluvius ßufus.
Das erste Citat geht ohne Zweifel auf eine beiläufige Erwähnung
jener alten Anekdote zurück und beweist nichts für den Umfang
des Werkes selbst. Dass er Caligulas Tod erzählt hat, ist nach der
Weise, wie Josephus eine an sich unbedeutende den Cluvius be-
treffende Anekdote in die Erzählung desselben einflicht, kaum zu
bezweifeln; dass er Neros Regiment und auch die Vorgänge nach
dessen Tode ausführlich geschildert hat, steht fest; die Vermuthung
Nipperdeys, dass seine Erzählung mit dem Tode des Yitellius schloss,
ist in hohem Grade wahrscheinlich. Wann er zu schreiben angefangen
hat, ist natürlich nicht auszumachen; die Herausgabe des Werkes,
das auch in seinen früheren Abschnitten wohl kaum unter Nero
hätte publicirt werden dürfen, muss unter Vespasians Regierung
erfolgt sein. Auch sein ohne Frage lateinisch geschriebenes ^ Werk
trug wie das des Tacitus den Titel historiae^; es war ja auch wie
dieses, und sicher noch in weit höherem Masse als dieses, Darstellung
der gleichzeitigen und insbesondere der selbst erlebten Ereignisse,
Wie Tacitus war er kein Kriegsmann , aber ein Sachwalter ^ und
geschätzt wegen seines Rednertalents sowohl wie wegen seines
Reichthums und seines Einflusses. Wie Tacitus wandte er in seinen
späteren Jahren sich dazu die Zeitgeschichte oder auch seine
321 Memoiren zu schreiben. In der That mag kaum ein anderer dazu
in gleichem Masse berufen gewesen sein. So weit es in dem ver-
ruchten Hof leben jener Epoche anging, hielt er sich frei von den
schlimmsten Befleckungen, namentlich von dem Delatorenhandwerk *,
so dass seine Yergangenheit ihm nicht die Feder fesselte; dagegen
war seine Haltung und sein Gewissen gefügig genug, um ihn am
Hof des Caligula wie an dem des Nero eine Rolle — nöthigenfalls
auch die eines Theatergehülfen — spielen, ihn sodann Vertrauens-
mann des Galba wie des Vitellius werden und ungefährdet bis auf
Vespasian gelangen zu lassen. Wenn ein solcher Mann erzählen
durfte und erzählen wollte, so konnte es ihm an Stoff nicht gebrechen;
und das wunderbar lebendige Bild von den Zeiten des Caligula,
1) Dafür spricht ausser der allgenaeinen Sitte dieser Epoche insbesondere
das Missverständniss Plutarchs (S. 306 A. 4 [235 A. 1]) und die wörtliche Ueber-
einstimmung bei Sueton und Tacitus (S. 323 A. 1 [250 A. 2]), welche auf eine
gemeinschaftliche lateinische Quelle schliessen lässt.
2) Bei Plinius ep. 9, 19, 5 sagt Cluvius: si quid in historiis meis legis.
3) Tacitus bist. 1, 8: vir facundus et pacis artibus, beUis inexperhis. 4,43:
eloquentia clarus.
4) Helvidius führt dem Eprius Marcellus das Beispiel des Cluvius Rufus
vor, qui perinde dives et eloquentia clarus nulli umquam sub Nerone periculum
facessisset. Tacitus h. 4, 43.
Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus. 249
Claudius und Nero, das, wenn auch verstümmelt und beschädigt,
doch einigermassen sich erhalten hat, verdanken wir vermuthlich in
der Hauptsache ihm.
Eines besonderen Beweises dafür, dass dasjenige Werk, welches
sowohl Plutarch wie Tacitus hier zum fast ausschliesslichen Führer
gedient hat, eben diese Historien des Cluvius sind, bedarf es nach
dem Gesagten kaum. Der einzige Gewährsmann, der in diesen
Erzählungen mit Namen angeführt wird, ist eben Cluvius Rufus bei
Plutarch; und für Tacitus, der in diesem Abschnitt überhaupt keinen
Gewährsmann nennt ^, steht wenigstens fest, dass er Clu^-ius Werk
gekannt und anderweitig benutzt hat. Alle Nachrichten darin, die
sich auf Cluvius eigene Erlebnisse beziehen, tragen in so bestimmter
Weise den Stempel des Persönlichen, dass sie als ebenso viele
Ursprungszeugnisse gelten dürfen. Die 'mündlichen Mittheilungen' des
Secretärs des Kaisers Otho Secundus, auf die sich Plutarch beruft und
die auch bei Tacitus und Sueton dem Inhalt nach wiederkehren 2. passen
ebenfalls für Cluvius Rufus : denn jener ist wahrscheinlich der aus
den Institutionen Quintilians und dem Dialog des Tacitus wohl- 322
bekannte Julius Secundus •^, der als jüngerer Zeit- und als Fachgenosse
dem Cluvius nicht fremd gewesen sein kann. Ueberhaupt, dass
Cluvius Werk zu den Quellenschriften des Plutarch wie des Tacitus,
auch für dessen Historien, gehört hat, ist längst ausgemacht und
zum Beispiel von Nipperdey und H. Peter richtig dargelegt: in
welchem Umfang aber dies der Fall gewesen ist. dies aus einander
zu setzen ist oben versucht worden.
Noch bleibt eine Frage übrig, die hier weder erledigt noch
ganz übergangen werden kann : ich meine die Benutzung der Historien
des Cluvius bei anderen Schriftstellern ausser Tacitus und Plutarch.
Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass von den Berichten, die
wir über die Epoche von Caligula bis auf Yespasians Thronbesteigung
besitzen, ein weit beträchtlicherer Theil auf Cluvius zurückgeht als
1) In dem Bericht über den Abfall der namhaftesten Officiere des Vitellius
sagt Tacitus (h. 2, 102): scriptores lemporum, qui potiente rerttm Flavia domo
vonumenta composuerttnt , ciiram pacis et amorem rei publicae, corniptas in adn-
k'iionem eausas, iradidere. Dies geht ohne Zweifel zunächst auf Cluvius und
"«äre auch sicherlich längst auf ihn bezogen worden, wenn die wunderliche
lebersetzung von discessiis {S. 319 A. 7 [247 A. 4]) nicht irre gemacht hätte.
2) Plutarch Oth. 9; vgl. Tacitus 2, 33 und Sueton Oth. 9.
3) Diese Yermuthnng Hirscbfelds (bei Friedländer, Sittengesch. 1, 170 der
3. Aufl. [183 der 6.]) scheint mir sehr ansprechend; dass von Yitellius hervor-
gehoben wird, er habe dergleichen eigentlich für Freigelassene bestimmte
Posten an römische Ritter übertragen '.Tacitus bist. 1, 58) , schliesst nicht aus,
diiss Otho gleichzeitig ebenso verfuhr.
250 Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus.
man gewöhnlich annimmt. Dass Josephus für seine 93 n. Chr. ab-
geschlossene Archäologie und ebenso für den jüdischen Krieg,
insoweit er dabei römische Annalen gebrauchte, sich an Cluvius
gehalten hat, ist wahrscheinlich schon wegen der Erwähnung des-
selben, die er, wie bemerkt, in die Erzählung von Caligulas Tode
einlegt. Auch Dio, dessen Schilderung von den Vorgängen der
J. 69 und 70 mancherlei Eigenthümliches enthält, mag, sei es
unmittelbar, sei es durch ein verlorenes Mittelglied, mehreres aus
Cluvius aufbehalten haben, das sonst nirgends sich findet i. Indess-
wenn das zwischen Cluvius einer- und Josephus, Dio und anderen
geringeren Gewährsmännern andrerseits obwaltende Verhältniss für
die Beziehungen zwischen Cluvius und Tacitus von keiner unmittel-
baren Wichtigkeit ist und deshalb hier davon abgesehen werden
kann, so gilt nicht das Gleiche von Cluvius Verhältniss zu Tacitus
323 jüngerem Zeitgenossen Suetonius, dem Biographen der ersten zwölf
Kaiser. Es ist in hohem Grade auffallend, dass, während Suetonius
mit Tacitus Annalen sich nicht enger berührt, als es die sachliche
Uebereinstimmung mit sich bringt, von seinen auf die Staatsumwälzung
der J. 68 und 69 bezüglichen Notizen eine beträchtliche Anzahl oft
wörtlich mit Tacitus Historien übereinstimmt^. Man hat daraus
geschlossen, dass Suetonius diese vor sich gehabt hat, die Annalen
aber nicht ^; und mit der Publicationszeit der Werke Hesse sich
diese Annahme allenfalls vereinigen. Aber dagegen spricht, dass in
dem gleichen Abschnitt Sueton auch an mehreren Stellen in auf-
fallender Weise sich mit den bei Tacitus nicht zu findenden Berichten
Plutarchs berührt, am auffallendsten bei derjenigen Notiz, für die
Plutarch den Cluvius ausdrücklich als Gewährsmann anführt und
die nicht bei Tacitus, aber ganz ähnlich, nur ohne Nennung des
Cluvius, bei Sueton wiederkehrt*. Danach hat vermuthlich H.
1) Es verdient Beachtung, dass die Zahl der bei der Einnahme Roms durch
die Flavianer Umgekommenen bei Josephus bell. lud. 4, 11, 4 und Dio 65, 19, 3,
und nur bei diesen, auf 50000 angesetzt wird. Diese Schätzungszahl muss
natürlich auf eine und dieselbe Quelle zurückgehen ; denn dass Dio hier aus
Josephus schöpft, ist unglaublich. Hängt aber Josephus dabei von Cluvius ab,
so wird dies auch für Dio wahrscheinlich; womit natürlich weder gesagt ist,
dass er diesen selbst benutzt hat, noch die Benutzung zum Beispiel Suetons
durch Dio verneint wird.
2) Sie sind zusammengestellt von H. Lehmann Claudius S. 40 fg. [Vgl.
Beckurts, Zur Quellenkritik des Tacitus, Sueton und Cassius Dio : Das Vierkaiser-
jahr, Jena 1880.] 3) Lehmann a. a. 0. S. 47 fg.
4) Plutarch üth. 3: zoT? öe nokXotg x^Q'^^^f^^^^*? ovx icpevye . . h roTg ^sargoK
Nsgmv JiQOoayoQevEO&ai' xai rivcov elxovag Nsgcovog eig tovfKpavsg Jigo^efievmv ovx
Cornelius Tacitus uud Cluvius Rufus. 251
Peter ^ das Richtige gesehen, wenn er annimmt, dass Sueton aus
eben derselben Quelle schöpft wie Tacitus und Plutarch. In der
That schliesst Sueton bald an Plutarch, bald an Tacitus in der
Passung sich so eng an -, dass nur die Ableitung aller drei Berichte
aus einer gemeinschaftlichen Quelle den Sachverhalt genügend erklärt.
Auch wäre es doch unglaublich, wenn Sueton für das Leben des
Galba, von dem Tacitus eigentlich nur den Tod berichtet, sich an 324
ix(ö/.vas. JfD.ovßiog de 'Povcpog eig 'Ißrjoiav (frjoi xofua&ijvai SuiXcöfiaxa, otg ixjiefijiovai
Tov; yoaufiaTr/cfÖQOVS, ro xov Neocovog &ex6v ovofta noooyeyoa[ifiivov ij^ovra xöj tov
'Odoivog. Sueton Oth. 7 : ab infima plebe appeUatiis Nero nullum indicium recttsantis
dedit: immo, iii quidam tradiderunt, etiam diplomatibus primisque epistulis tniis ad
quosdam provinciarnm praesides Xeronis cognotnen adiecit. certe et imagines
statuasque eins reponi passus est. Aehnlich sagen Plutarch G. 19 und Sueton
G. 17, dass Galba den Piso adoptirt habe wg fit] [mövov 8iä ro ytjgag, «U/ä xai xijv
a:iai8iav y.axa(foovovut\-og — despectui esse non tarn senectam suam, quam orbitatem
ratus; Tacitus 1, 12 sagt nur allgemein, dass Galba schon längst entschlossen
gewesen sei zu adoptiren. Man vergleiche noch die Erzählung von den Flotten-
soldaten (Plut. G. 15 — Suet, G. 12); von dem Flötenspieler Canus (Plut. G. 16
— Suet. G. 12); von dem Edict den Tigellinus betreffend (Plut. G. 17 — Sueton
G. 15). 1) a. a. 0. S. 28 fg.
2) Besonders belehrend ist die Vergleichung der drei Stellen Plutarch
G. 19, Sueton Oth. 3 und Tacitus 1, 13, betreffend Othos Antheil an der Heirath
des Nero und der Poppaea. Die beiden ersten Berichte stimmen beinahe
wörtlich :
Plutarch: Sueton:
i/.&ovoT}g 8e .lao avxöv atg yafiexijg ovx Poppaeam nuptiarum specie recepit
ijyöjia fiexE^^cor, oJ./' tjaya/./.s fisxadiSovs. nee comtpisse contentus adeo düexit,
ut ne rivalem quidem Neronem aeqtto
tulerit animo.
Dann wird erzählt, wie Xero einmal Othos Haus verschlossen gefunden und auf
der Strasse stehend vergeblich um Einlass gebeten und gedroht habe. Nur ist
der Ausschliessende bei Sueton Otho , bei Plutarch Poppaea ; worin übrigens
nicht gerade (mit Peter S. 89) ein Versehen Plutarchs angenommen werden
muss — die ursprüngliche Erzählung lief vermuthlich so, dass Poppaea und
Otho dabei im Einverständniss handelten. Tacitus beseitigt dies widerwärtige
Detail und sagt nur kurz : Poppaeam Subinam principale scortum ut apud couscium
Ubidinuin deposuerat. Aber diese Wendung ist gewiss genommen aus der bei
Sueton aufbehaltenen: miscentem frusira niinas et preces ac depositum reposcentem;
imd ebenso sind die folgenden Worte Suetons: sepositus est per catisam legationis
in Lusitaniam und die des Tacitus: suspectum in eadein Poppaea in provinciam
Lusitaniam specie legationis seposuit offenbar aus derselben Quelle geflossen.
Sueton hat manche eigenthümliche Züge, zum Beispiel die darauf umlaufenden
Spottverse, die sonst nirgends stehen, und schöpft sicher nicht aus Tacitus.
Tacitus könnte an sich wohl diese Erzählung aus Sueton genommen haben;
aber die Priorität seiner Arbeit steht fest. Sonach bleibt nichts als die Annahme
einer gemeinschaftlichen Quelle.
252 Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus.
diesen gehalten hätte und nicht an dessen Quelle. — Ist dies richtig,
so ergiebt sich daraus für Tacitus schriftstellerische Entwickelung
eine wichtige Wahrnehmung. Dass Sueton den Cluvius nicht bloss
für das Vierkaiserjahr benutzt haben wird, versteht sich von selbst;
er wird für Caligula, Claudius und Nero ebenfalls aus diesem reichen
Born von Scandal und Anekdoten umfassend, wenn auch nicht aus-
schliesslich ^ geschöpft haben. Wenn nun aber Sueton mit den
Historien des Tacitus sich eng berührt, nicht aber mit den Annalen,
so wird, wie jenes die Abhängigkeit des Tacitus von der gemein-
schaftlichen Quelle, so dies dessen relative Selbständigkeit darthun.
Hat .Tacitus im Anfang der Historien wesentlich den Cluvius wieder-
gegeben, so darf man hienach vermuthen, dass er denselben in den
Annalen zwar natürlich auch stark benutzt hat, wie er ihn ja mehr-
fach darin anführt, aber doch selbstständig erzählt; das heisst, er hat
in seinem späteren Geschichtswerk sich von der Unfreiheit des
früheren losgemacht.
1) In welchem Umfang Sueton von Cluvius abhängt, wird sich für die
letzten Kaiser der ersten Dynastie überhaupt nicht nachweisen lassen, da wir
hier keine ausgeführteren und als sicher cluvianisch anzusprechenden Berichte
besitzen. Nur etwa Josephus könnte hierbei in Betracht kommen; und aller-
dings stimmt dessen Erzählung von Caligulas Ende mit Sueton in der Weise
überein, dass beide aus derselben Quelle geflossen scheinen.
Dagegen die Biographien des Galba, Otho, Vitellius, sowie die Vor-
geschichte der Flavier (das weitere kann natürlich nicht aus Cluvius ge-
nommen sein) kommen allerdings mit den cluvianischen Berichten bei Plutarch
und Tacitus so eng überein, dass auch für Sueton Cluvius nicht bloss als Quelle,
sondern als Hauptquelle angenommen werden muss. Doppelrelationen begegnen
bei ihm wohl hier und da (z. B. Oth. 6: alii febrem simulasse tradunt ; Galb. 20);
aber diese können ja auch schon bei Cluvius gestanden haben. Auch Wider-
sprüche gegen die cluvianische Erzählung finden sich, aber sie sind wenig
zahlreich und manches, was man als Widerspruch bezeichnet hat, ist es keines-
wegs. So besteht in der That keine Differenz in Betreff' der Anekdote über Neros
Besuch bei Poppaea (S. 323 A. 5 [251 A. 2]); und ebenso irrt H. Peter (S. 38), wenn
er in der von Plutarch (Galb. 3) behaupteten Verwandtschaft Galbas mit der
Livia einen Widerspruch findet mit Suetons Worten (G. 2): nullo gradu contingens
Caesarum domum — Affinität ist nicht Cognation. Die wirklich vorhandenen
Widersprüche sind meistens der Art, dass sie durch Gedächtnissfehler erklärt
werden können, zum Beispiel wenn der Chaldäer, den Plutarch (G. 23) und
Tacitus (1, 22) Ptolemaeos nennen , bei Sueton (0. 4. 6) Seleukos heisst. Auf-
fallender ist die Differenz über den durch den Waffen transport veranlassten
Soldatenaufstand , wobei Plutarch (Oth. 3) und Tacitus (1, 80), unter sich über-
einstimmend, sich von Suetons (0. 8) Erzählung wesentlich entfernen. Aber der
ganze Vorgang ist höchst räthselhaft; und ich wage nicht zu behaupten, dass
die uns vorliegenden Versionen mit Nothwendigkeit auf zwei verschiedene
Urberichte führen.
XXXI.
Das Verhältiiiss des Tacitus zu den Acten des Senats.*)
Die Fixirung der Thatsachen, welche das einzelne Gemeinwesen 1146
betreffen und bewegen, das heisst die Geschichtschreibung knüpft
da, wo das Gemeinwesen durch eine ständige Körperschaft repräsentirt
wird, mit einer gewissen Xothwendigkeit an die Aufzeichnungen der
Beschlüsse und Verhandlungen derselben an. Wie jeder englische
Historiker seiner Erzähluug Jahr für Jahr den betreffenden Jahrgang
der Parlamentsbeschlüsse zu Grunde legt, so ist auch im Alterthum
nicht die griechische, aber wohl die römische Geschichtschreibung
aus den Senatsprotokollen erwachsen. Es ist dies den Kennern des
Livius und Tacitus bekannt; aber wenn damit auch keinem etwas
Xeues gesagt wird, so hat man sich die Ausdehnung, in welcher die
Annalistik sowohl der republikanischen wie noch mehr der Kaiserzeit
von den Senatsprotokollen abhängt und beherrscht wird, schwerlich
*) [Nach Mommsens Tode von Hirschfeld in den Sitzungsberichten der Berl.
Akad. 1904 S. 1146-1155 veröffentlicht mit folgenden Begleitworten: ,Momnisen
las am 24. Juli 1884 in der Sitzung der philosophisch -historischen Classe über
das obige Thema, vgl. Sitzungsber. 1884 S. 853. Das Manuscript dieser offenbar
damals bereits niedergeschriebenen, aber nicht veröffentlichten Untersuchung hat
sich nebst zahlreichen unverarbeiteten Notizenzetteln mit Auszögen aus den
ersten drei Büchern der Annalen des Tacitus in seinem Nachlass vorgefunden.
Mommsen hatte, wie ich aus mündlicher Mittheilung weiss, die feste Absicht,
diese Untersuchung weiterzuführen; an der Ausfuhrung ist er durch den Tod
verhindert worden. Die Schlussbemerkungen sind offenbar nur vorläufige, zu
späterer Ergänzung bestimmt« Hinweise. Einige fehlende Citate habe ich aus-
gefüllt; die Citate aus Mommsens Staatsrecht waren der zweiten Auflage ent-
nommen ; ich habe die Seitenzahlen der 1887 erschienenen dritten in eckigen
Klammem hinzugefügt. Über die Protokollierung der Senatsverhandlungen hat
Mommsen später eingehend im Staatsrecht III, 2 (erschienen 1888) S. 1015 ff.
gehandelt." Vgl. A. Stein, Die Protokolle des römischen Senats u. ihre Bedeutung
als Geschichtsquelle für Tacitus, S.-A. aus dem 43. Jahresber. der ersten deutschen
Staatsrealschule in Prag, Prag 1904.]
254 ^^^ Verhältniss des Tacitus zu den Acten des Senats.
in genügendem Umfang zum Bewusstsein gebracht. Es soll hier
versucht werden, an dem Schriftsteller, welcher für uns die Geschicht-
147 Schreibung hauptsächlich repräsentirt , an Tacitus, dies Verfahren
anschaulich zu machen.
JS^ach altem Herkommen, welches nachweislich schon in der
Zeit der Zerstörung Korinths und Karthagos bestand und vermuthlich
weit älter ist, gehört es zu den Amtsgeschäften insbesondere der
städtischen Quästoren, die Senatsbeschlüsse, die seit alter Zeit nieder-
geschrieben zu werden pflegten, nicht bloss aufzubewahren^, sondern
auch Jahr für Jahr in Buchform zusammenzufassen 2. Dass die
officiellen Aufzeichnungen späterhin auf die gestellten Anträge er-
streckt wurden, ist ebenfalls bezeugt^; nicht minder, dass die Dank-
reden, welche die Consuln bei Übernahme des Amtes an den Kaiser
zu richten pflegten, denselben einverleibt wurden*. Dagegen sind
die eigentlichen Debatten wohl nie zu regelmässiger Aufzeichnung
gelangte Die schriftlich von dem Kaiser an den Senat gerichteten
1) Staatsrecht 2^ 480. 532 [= 2', 489 fg. 546].
2) Cicero ad Att. 13, 33, 3: ... reperiet ex eo libro, in quo sunt senatus
consulta Cn. Cornelio L. [Mummiö] cos. (J. 608). Josephus ant. 14, 10, 10:
Aöyfia ovynXritov ex xov ra/iisiov dvtiysyQafiiusvoy ix x<öv dsktcov rcäv drjfiooicov rcöv
rafiisvrixcöv Koivtco 'PovrMq> . . . KoQvrjXia» xafiiaig xaxa Jiöhv MXxco ÖEVtsQq xal
ex rcöv jiQcoTcov jtQwri], Vgl. den Senatsbeschluss betreffend Aphrodisias Lebas-
Waddington n. 1627.
3) Dies zeigt am bestimmtesten der Senatsbeschluss vom Jahre 138 (C.VIII,
270 [= 11451]) descriptum et reeognitum ex libro sententiarum in senatu dic[ta]rum
K[ani, vgl. Bormann Oesterr. Jahreshefte 3 S. 13] luni Nigri C. Pomponi (hmerini
co(n)s(ulum), wo wohl nur der Kürze halber nach dictarum vreggelassen ist: et
consultorum a senatu facto^-um. Vgl. Eph. epigr. 2 p. 282.
4) Fronto ad M. Caesarem 2, 1 p. 26 Naber: hunc (den Pius) . . ita laudo,
ut laudatio mea non in actis senatus abstrusa lateat. Bekanntlich wurden die
Acta des Senats dem Kaiser vorgelegt, und es war dies wohl die übliche Form,
die Dankreden zu seiner Kenntniss zu bringen.
5) Die prozessualische Verhandlung, über die Plinius ep. 7, 33 berichtet,
und in der eine von ihm als einem der dabei plaidirenden Advocaten gefallene
Äusserung sogleich notirt wird (qiiae vox et statim exeepta et postea tnulto sermone
celebrata est), wird zwar nicht vor dem Senat geführt, sondern gehört in ein
nach, erfolgter Verurtheilung durch den Senat (senatus cognitione finita) vor den
Consuln stattfindendes iudicium secutorium (vgl. St. R. 2, 114 Anm. 9 [= 23, 122
Anm, 4]); sie kam als sensationell in das öffentliche Journal (cum sit in adis
publicis), und wer sich die Äusserung des Plinius notirte, that dies wohl zum
Zweck dieser Publication. — Auch das bekannte, dem theodosischen Codex vor-
gesetzte Protokoll über die im Jahre 438 wegen dessen Einführung abgehaltene
Senatsverhandlung ist nicht eigentlich eine Aufzeichnung der gehaltenen Reden
(vgl. zu Anfang: proceres amplissimusque o)-do senatus dum convenissent habuissent-
Das Verhältniss des Tacitus zu den Acten des Senats. 255
Mittheilungen, die sogenannten orationes, sind ohne Zweifel diesen
Protokollen einverleibt worden und wahrscheinlich auch alle Schreiben,
die an den Senat, oder vielmehr nach römischer Sitte an die zum
Vorsitz im Senat berechtigten Beamten und den Senat, gerichtet
oder in gleicher Weise von diesen Beamten und dem Senat erlassen^, 1148
oder welche dem Senat auf kaiserlichen Befehl oder sonst in officieller
"Weise mitgetheilt wurden. Diese Aufzeichnungen, die, insofern sie
über die Verzeichnung der Beschlüsse hinausgriffen, auch als acta
scnatus oder commentarii senatus bezeichnet werden^, wurden im
Allgemeinen nicht veröffentlicht, wenngleich der Senat nicht selten
beschloss einzelne derselben durch das Reichsblatt, die acta urbis^
dem Publicum zur Kenntniss zu bringen'; aber es wurden nicht
qtie inter se aliquamdiu tractcUum), sondern enthält nur die Anträge der Beamten,
Acclamationen (vgl. S. 1148 A. 3 [unten A. 3]) und die Abstimmungen.
1) Man wird wohl nicht irren, wenn man sich das römische Protokollbuch
vorstellt nach dem Muster des caeritischen, wovon uns ein amtlich am 13. Juni 114
genonunener und beglaubigter Auszug erhalten ist (Orell. 3787 [= C. I. L. XI,
3614, Dessau 5918^]). Zunächst wird der Titel des Buches referirt; er giebt zuerst
das Datum (13. April 113), ohne Zweifel denjenigen Tag. an welchem der Band an-
gefangen wurde ; es folgt die Angabe der damals versitzenden beiden Beamten der
Stadt im Ablativ und der eigentliche Buchtitel: commentarium cottidianum municipi
Ckieritum. Das erste Protokoll wird eingeleitet mit inde (d. h. vom Titelblatt
an) pagina XXVII Jcapite VI, worauf ein Beschluss der Decurionen folgt (ohne
Datum, wohl weil dieses zu Anfang der Sitzung stand und somit beim Ab-
schreiben wegblieb). Es folgt inde pagina altera capite primo das in der er-
wähnten Senatssitzung vom Rath beschlossene Schreiben an den Curator der
Stadt, ausgefertigt von magistratns et deeuriones am 13. August. Weiter inde
pagina VIII kapite primo die Antwort des Curators an dieselben vom 12. Sep-
tember.
2) Der Annahme Hübners (de senatus populique Romanis actis p. 5. 12), dass
diese beiden Ausdrücke Verschiedenes bezeichnen, kann ich nicht beistimmen,
überhaupt nicht einräumen, dass es mehr als eine Kategorie derartiger Auf-
zeichnungen gegeben hat. Wenn Cicero von dem Bande spricht, der die Senats-
beschlüsse des Jahres 608 enthält, dagegen Caesar die acta senattts publiciren
Hess, Augustus aber dies untersagte (Sueton Caes. 20. Aug. 36), überhaupt in der
Kaiserzeit nur die acta senatus oder die commentarii senatus (Tacitus 15, 74) oder
der liber sententiarum in senatu dictarum (oben S. 1147 Anm. 3 [254 A. 3]) erwähnt
werden, so weist dies wohl darauf hin, dass diese Aufzeichnungen sich anfangs
auf die Beschlösse beschränkten und nachher sich erweiterten; aber auf zweierlei
officielle Aufzeichnungen senatorischer Actenstücke führt keine Spur.
3) Aus Plinius paneg. 75 erhellt, dass der Senat die Veröffentlichung (in
acta publica mittere) der an ihn gerichteten kaiserlichen Botschaften (orationes)
zu beschliessen pflegte (Beispiele Plinius ep. 5, 13, 8; vita Alex. 6), unter Traian
aber ausnahmsweise auch die Acclamationen zu veröflfentlichen beschloss, mit
welchen die einzelnen Senatoren den Vortrag des Kaisers über die vorzunehmen-
256 Das Verhältniss des Tacitus zu den Acten des Senats.
bloss jedem Betheiligten die erforderlichen beglaubigten Abschriften
gewährt^, sondern die Einsicht der Protokolle selbst stand wahr-
scheinlich, wo nicht etwa besondere Restrictionen getroffen waren,
wenigstens jedem Senatsmitglied von Rechtswegen frei oder war
doch ohne Schwierigkeit zu erwirken 2.
Dass diese Aufzeichnungen für den Greschichtschreiber ein un-
schätzbares Fundament darboten, leuchtet ein; was den römischen
Senat und das kaiserliche Haus in Freude oder Leid bewegte, ging
regelmässig in der einen oder der anderen Weise durch den Reichs-
senat. Andrerseits liegt es ebenso auf der Hand, wie wenig diese
Aufzeichnungen allein für die umfassende und pragmatische Dar-
stellung der geschichtlichen Yorgänge genügten. Dennoch haben
sie im Wesentlichen ausgereicht; und wenn wir Späteren uns der
Thatsache gegenüber finden, dass die Geschichtschreibung der Kaiser-
zeit ohne Ausnahme flach und äusserlich ist und das innere Leben,
wie es zum Beispiel in dem appianischen Auszug aus Pollio's
Geschichte der Bürgerkriege pulsirt, in den folgenden drei Jahr-
hunderten auch nicht einen einzigen Abschnitt beseelt, so ist der
letzte Grund davon ohne Zweifel darin zu finden, dass die Geschicht-
schreiber dieser Epoche im Grossen und Ganzen genommen sich be-
gnügt haben, den dürren Abriss der Yerhandlungen des Reichssenats
zu redigiren und zu staffiren. Es entspricht den geistigen Zuständen
dieser hochgebildeten, aber matten und freier individueller Entwicke-
lung schlechthin ungünstigen Epoche, dass die Schriftsteller insgemein
sich diesem Herkommen fügten.
1149 Dies äussert sich zunächst in dem Festhalten der annalistischen
Form. Der Über annalis ist allerdings nicht aus dem Jahrbuch der
Senatsbeschlüsse erwachsen, wohl aber durch dessen Einfluss für;
alle eingehenderen Geschichtsdarstellungen die ausschliesslich gültige
Form geblieben. Dass man deren Unzulänglichkeit fühlte, zeigt di(
in Tacitus' Kriegsdarstellungen nicht selten begegnende Zusammen-
den Wahlen begleiteten oder erwiderten. Dies scheint dann stehend gewordei
zu sein, wie ausser den Kaiserbiographien namentlich das Senatsprotdikoll von
Jahre 438 (S. 1147 Anm. 5 [254 A. 5]) zeigt. Vielleicht darf man auch diese all
Abstimmung der Einzelnen in adulatorischer Form betrachten; beachtenswerth ist^
dass nicht selten auch praktische Vorschläge in dieser Weise gemacht wurden
(zum Beispiel in jenem Protokoll : Codices conscripti ad provincias dirigantur).
1) Das zeigt namentlich das S. 1147 Anm. 3 [254 A. 3] angeführte Actenstück,
2) Dass die acta senatus in den öffentlichen Bibliotheken Roms sich be
fanden, kann aus der vita Probi c. 2 nicht gefolgert werden und ist nicht wahr
scheinlich.
Das Verhältniss des Tacitus zu den Acten des Senats. 257
fassung mehrerer Campagnen zu einer fortlaufenden Erzählung, und
zeigt noch deutlicher die seit dem Anfang des 2. Jahrhunderts um
sich greifende Umwandelung der Geschichtserzählung in Lebens-
beschreibungen der Regenten, welcher wir namentlich die chrono-
logische Verwirrung der Kaisergeschichte von Traian abwärts ver-
danken.
Es äussert sich dies aber auch in dem Kreise, welcher mit
dieser Schriftstellerei sich beschäftigt. Tacitus spricht einmal^ von
den »Historikern und Senatoren der Epoche«, als ob nur der die
Geschichte der Zeit schreiben könne, der auch im Reichsrath sitze;
in der That gilt dies wohl von allen Annalisten der Kaiserzeit, und
es hat seinen guten Grund. Mcht als ob die Benutzung der Senats-
acten einem Mchtsenator immöglich gewesen wäre; aber allerdings
konnte nur, wer an den Sitzungen theilgenommen hatte, dieses Werk
einigermaassen mit Fleisch und Blut ausstatten und berichten, nicht 1150
bloss was der Senat beschloss, sondern auch was die Gemüther der
Senatoren dabei erregte. Zeitgenossen und Reichsrathsmitglieder
sind es gewesen, welche an der Hand der ReichsrathsprotokoUe die
Geschichte der Kaiserzeit zuerst schriftstellerisch fixirt haben. —
Wenn ich demnach die geschichtlichen Schriften des Tacitus bezeichne
als geflossen aus den Senatsacten, so ist dies nicht in dem Sinne
gemeint, als ob für die davon uns erhaltenen Theile er dieselben
unmittelbar zu Grunde gelegt habe. Für die in den verlorenen
Büchern der Historien enthaltene Geschichte des flavischen Hauses,
unter dessen erstem Regenten Tacitus in den Senat eintrat, wird
dies wenigstens grossentheils der Fall gewesen sein, aber für die
Epoche der juHsch-claudischen Dynastie hat er die Senatsprotokolle
wenn überhaupt, gewiss nur beiläufig eingesehen 2.
1) Ann. 2, 88: reperio apud scriptores senatoresqu^ eorundem temporum. Die
Viirsuche an der Lesung zu rütteln, sind jetzt wohl allgemein als verfehlt
anerkannt.
2) Die Notiz am Schluss des 15. Buches, die einzige, in welcher Tacitus
sich geradezu auf die Senatsprotokolle beruft: reperio in commentariis seiiatus
Ctrialem Animim consnhtn desiffnatum pro sententia dixisse scheint allerdings
daraus direct genommen, sieht aber auch aus wie eine nachgetragene Notiz.
Elenso kann man auffassen, wenn Tacitus 6, 7 der Aufführung einiger unter-
geordneter Criminalprozesse vor dem Senat, welche unzweifelhaft aus dessen
Acten stammt, die Bemerkung beifügt, dass die meisten Historiker einen grossen
ij Tleil dieser Prozesse unterdrückt hätten (neque mm ignartis a plerisque scrip-
ij toribus omissa multorum pericula et poenas, dum eopia fatiscunt) und er vieles
1 1 80118t nicht Berichtete beibringe (tiobis pleraque digna cognitu obvenere quamquam
h ab cdiis incelebrata), womit er wohl nur sagen will, dass die ohne Zweifel damals
II
MOmiSEB, SCHR. VII.
17
258 D3,s Verhältniss des Tacitus zu den Acten des Senats.
Vor allen Dingen aber wird sowohl die Reihenfolge der er-
zählten Ereignisse wie deren Auswahl durch die Beschaffenheit der
Hauptquelle bedingt, beides sehr zum Schaden der historischen
Oekonomie und der innerlichen Vollständigkeit der Erzählung.
In wie weit die Reihenfolge der Erzählung der Chronologie
nicht der Vorgänge selbst, sondern der durch sie veranlassten Senats-
verhandlungen sich anschliesst, wird durch die am Schluss auf-
gestellten Tabellen*) besser als durch weitläuftige Darlegung vor
Augen geführt, während andrerseits die nothwendige Beschränkung
dieses Satzes durch Zusammenfassung des Gleichartigen sich daraus
ebenfalls ergiebt. Nur beispielsweise soll hier die Folge in den
Berichten für das Jahr 22 im 3. Buch der Annalen und für das
Jahr 70 in dem 4. der Historien erörtert werden. In jenem werden
berichtet die bei Eintritt der neuen Aedilen, also zu Anfang des
Jahres, getroffenen Maassregeln gegen den Luxus (c. 52 — 55); der
1151 Antrag auf Ertheilung der tribunicischen Gewalt an Drusus (c. 56. 57),
welcher, da dieser sie im Juni antrat, wohl einige Monate früher
gestellt ward; die Verhandlung über die Besetzung der senatorischen
Consularprovinzen und die daran sich knüpfende Controverse über
die Qualification des flamen Dialis (c. 58. 59), welche, da der Amts-
wechsel am 1. Juli eintrat, auch im Frühjahr erfolgt sein wird; die
Verhandlung über das Asylrecht einer Anzahl Tempel in den
senatorischen Provinzen (c. 60 — 63); die Supplicationen für die Ge-
nesung der Kaiserin -Mutter, nicht lange nach der am 23. April
erfolgten Dedication der Statue des Augustus (c. 64) ; die Senats-
prozesse des C. Silanus (c, 65 — 69) und des Caesius Cordus (c. 70),
dessen Anklagung im Vorjahr c. 38 erzählt ist; die durch die Dedi-
cation an die unfindbare Fortuna equestris hervorgerufene Debatte
(c. 71), anknüpfend an die früher erwähnte Erkrankung der Li via;
die Entscheidung in der c. 59 dargelegten Controverse über die
Qualification des flamen Dialis (c. 71); die Verhandlungen über die
Wiederherstellung der aemilischen Basilica und des pompeischen
Theaters (c. 72); die Ertheilung der Triumphalornamente an den
Statthalter von Africa Junius Blaesus und bei dieser Gelegenheit
über den Kries: mit Tacfarinas, ohne Zweifel am Jahresschluss nach
zahlreicli vorhandenen Darstellungen der Kaisergeschichte der Mehrzahl nach
sich kürzer fassten als Tacitus, der allerdings nach gewisser Seite hin, nament-
lich in Betreff der politischen Prozesse, offenbar nach sachlicher Vollständigkeit
gestrebt hat.
*) [Diese in Aussicht genommenen Tabellen hat Mommsen offenbar nicht
ausgeführt. Anmerkung Hirschfelds.]
Das Verhältniss des Tacitus zu den Acten des Senate. 259
dem Ende des Feldzugs und dem Eingang des Rapports (c. 72 — 74);
endlich die Todesfälle des Jahres (c. 75. 76). Mit Ausnahme dieses
letzten Berichts ist nicht bloss keine einzige unter all diesen That-
sachen, welche nicht erweislich im Senat verhandelt worden wäre
und von diesem Gesichtspunkt aus zur Darstellung kommt, sondern
die Folge ist auch deutlich die chronologische der Senatsbeschlüsse,
80 dass, wo Anklage und Prozess in zwei Jahrgänge fallen, auch
hier darüber an zwei Stellen gehandelt wird, ja sogar von einer
staatsrechtlichen Controverse zuerst das Aufwerfen, dann die Ent-
scheidung berichtet, endlich die Kriegserzählung nicht nach der Zeit
der Action, sondern nach der des Rapports eingestellt wird. Aller-
dings ist dies Jahr durch keine hervorragenden Ereignisse bezeichnet,
und wo dies der Fall ist, erscheint das Material mehr verarbeitet;
dennoch ist dieser annalis ein schlagendes Beispiel, wüe roh imd
servil die römischen Annalenschreiber den Stoff wiedergeben und
wie sehr sie unter dem Einfluss des senatorischen Protokollbuchs
stehen. — Der sehr ausführliche Bericht über die Vorgänge des
Jahres 70 setzt ein mit einer den Senatsverhandlungen entnommenen
kurzen Notiz über das Ausbleiben der Kornzufuhr aus Africa und
den befürchteten Abfall des Statthalters Piso (4, 38). Dann aber
folgt ein sehr ausführlicher Bericht über die erste Senatssitzung
dieses Jahres am 1 . Januar und die zahlreichen darin verhandelten
Gegenstände (c. 39 — 43), wobei der Prozess gegen Geier Fortsetzung
des vorjährigen Berichts (4, 10) ist; und unmittelbar daran schliesst 1152
sich ein gleichartiger über die nächstfolgende Sitzung (proximo
senatu: c. 44 — 47^. Die folgende Erzählung geht andere Wege: die
Bewegung in Africa und Piso's Katastrophe (c. 4S — 50); die Anord-
nungen Yespasians in Alexandrien, darunter die betreffend den Neubau
des capitolinischen Tempels, woran die Feier der Grundsteinlegung
sich (21. Juni) anschliesst (c. 51 — 53); die Kriegsereignisse am Rhein
(c. 54 — 79) ; Mucians letzte Yornahmen in Rom vor seinem Abgang
nach Gallien (c. 80) und weitere Yespasians in Alexandrien (c. 81 —
84); endlich Mucians und Domitians Auftreten in Gallien (c. 85. 86)
sind nicht den Senatsacten entnommen und ebenso wenig was von
der Fortsetzung des Jahresberichts im 5. Buch sich erhalten hat,
die Einleitung der Belagerung von Jerusalem durch Titus (c. 1 — 13)
und die Fortsetzung des Berichts über den Krieg am Rhein (c. 14 fg.).
In diesem Jahresbericht also zeigt sich wohl auch die Benutzung
der Senatsacten und auch die gleichartige Abhängigkeit von der
Reihenfolge der Yorlage, aber daneben werden die grossen geschicht-
hchen Ereignisse nach anderweitigem Material erzählt.
17*
260 Das Verhältniss des Tacitus zu den Acten des Senats.
Wie die Folge, so ist auch die Auswahl der berichteten That-
sachen wesentlich bedingt durch den Einfluss der Senatsacten. Es
wird angemessen sein dies für einige der wichtigeren Kategorien im
Einzelnen auszuführen.
Es gab zwei höchste Gerichtsstellen in Rom mit gleicher Com-
petenz: das Senatsgericht und das Gericht des Princeps.*) Die
Beamten- und die politischen Prozesse konnten vor beide gebracht
werden; regelmässig wurden die wegen der Verwaltung der sena-
torischen Provinzen erhobenen Klagen an den Senat gebracht,
dagegen die Verwalter der kaiserlichen Provinzen und durchaus die
Offiziere und die Finanz- und Hausbeamten bei dem Kaiser zur
Rechenschaft gezogen. Ein lebendiges Bild von diesem Verfahren
giebt die Schilderung des jüngeren Plinius^ von seiner Betheiligung
an einer Anzahl von Prozessen, welche Traian während einer Villeg-
giatur bei Centumcellae erledigte. Wenn auch eingeräumt werden
muss, dass die Prozesse gegen Senatoren der Mehrzahl nach vor
den Senat gekommen sind, so ist dennoch die Thätigkeit des kaiser-
lichen Criminalgerichts im Guten wie im Schlimmen eine intensive
gewesen und kann in ihrer allgemeinen Bedeutung dem concurrirenden
Gericht des Senats nicht viel nachgestanden haben 2. Nun aber sind
1153 in den Annalen des Tacitus, während Criminalprozesse vor dem
Senat viele Blätter derselben füllen, Prozesse vor dem Kaiser kaum
zu finden. Das Verfahren gegen Valerius Asiaticus und die Poppaea
Sabina im Jahre 47 (13, 1 — 4) ist insofern keine Ausnahme, alsi
dasselbe schliesslich vor dem Senat zu Ende geführt ward; und
ebenso wenig kann das Strafgericht über L. Piso und seine Genossea
im Jahre 65 als Ausnahme betrachtet werden, da Nero nach dessen!
Beendigung eine Botschaft an den Senat richtete und dieser die
Prozessacten beilegte ^. In einigen anderen Prozessen ist es zweifel-
haft, vor welchem Gerichte sie verhandelt worden sind*. Abei
*) [Vgl. darüber Mommsen: Römisches Strafrecht S. 251 ff. Anm. Hirschfelds.
1) Ep. 6, 31. Vgl. Staatsrecht 2^, 921 [= 2^ 960].
2) Wenn von Vespasian gefordert wird, ut commentariorum prineipaliun
potestatetn senatui faceret, per quos nosceret, quem quisque accusandum poposeissa
(Tacitus hist. 4, 40), so kann dabei nur an das Kaisergericht gedacht sein; denr
die Postulation im Senatsgericht erfolgte bei den Consuln.
3) Tacitus 15, 73 : Nero vocato senatu oratione inter patres liabita edictun
apud populum et eollata in libros indicia confessionesque damnatorutn admnxit.
4) Dass P. Celer wegen Erpressungen in Asien vor dem Kaiser angeklagt
wurde, ist sowohl nach der Ausdrucksweise des Tacitus 13, 33 wahrscheinlich
als wegen seiner Procuratorenstellung (13, 1); sicher ist es nicht.
Das Verhältniss des Tacitus zu den Acten des Senats. 261
auch wenn einige wirkliche Ausnahmen vorkommen sollten, ist die
Thatsache kaum weniger schlagend.
Dasselbe gilt von der Verwaltung der Provinzen, Yerwaltungs-
angelegenheiten, die die kaiserHchen Provinzen betreffen, werden so
gut wie gar nicht erwähnt^, trotz der eminenten Wichtigkeit dieser
Districte. Dagegen sind dergleichen aus den senatorischen Provinzen,
z. B. über die Qualification zum Proconsulat (3, 58. 71), über das
Asylrecht (3, 60. 4, 14), über die Aushebung (14, 18. 16, 13) ver-
hältnissmässig häufig erwähnt.
Die Kriegsberichte der römischen Annalen sind in der früheren
Zeit regelmässig den Berichten entnommen, welche die Feldherren
dem Senat einsandten, und theilweise gilt dies auch für die Annalen
der Kaiserzeit, nur dass in dieser die Berichte an den obersten
Kriegsherrn gehen und von ihm nach Befinden dem Senat vorgelegt
werden. So ist z. B. schon hervorgehoben worden, dass die Schilde-
iTing des Krieges in Africa im Jahre 22 augenscheinlich den wegen
der dem Feldherrn zu ertheilenden Belohnungen dem Senat mit-
getheilten Berichten des Statthalters entlehnt ist. Auch der Bericht
über die thrakische Expedition des Poppaeus Sabinus geht aus von
der Ertheilung der Triumphalinsignien an denselben im Jahre 26
(4, 46). Wie weit dies reicht, ist schwer zu sagen; z. B. was über
den armenischen Krieg unter Nero berichtet wird, rührt wahrschein-
lich her aus den Rapporten des Corbulo und insofern aus den Senats-
acten^. Aber auch da, wo dies im Allgemeinen nicht angenommen 1154
werden kann und eigentliche Kriegserzählungen die Grundlage
unserer Berichte sind — wir kommen darauf zurück — , erscheinen diese
mehrfach als Einlagen in die den Senatsacten folgende Darstellung.
So gehören die aus den Senatsacten stammenden Angaben (1, 55),
mit denen der Jahresbericht anhebt: Bruso Caesare C. Norhano con-
stdibus decernittir Germanico triumphus manente hello und 1 , 72 :
decreta eo anno triumphalia insignia A. Caecinae, L. Apronio, C. Silio
oh res cum Germanico gesias ohne Zweifel zusammen; gleich darauf
1) Als Ausnahme kann nur etwa der Kanalbau in Germanien (13, 53)
angefahrt werden.
2) Corbulo wird mehrfach von dem älteren Plinius (auch im Antoren-
verzeichniss für Buch 5 und 6) und ebenso von Tacitus (ann. 15, 16) als Ge-
währsmann für historische und geographische Thatsachen aus dem armenischen
Feldzug angeführt; es müssen sich auch Karten der neu aufgeschlossenen
Gegenden dabei befunden haben (Plinius h. n. 6, 23. 40). Dass dies nicht Memoiren
waren, sondern die in Buchform zusammen gefassten Berichte, ist wahrscheinlich
wegen der sitiis depidi et inde (aus Armenien) tnissi (Plinius a. a. 0.).
262 Das Verhältniss des Tacitus zu den Acten des Senats.
kommen der am 1. Januar zu leistende Eid und die den neu an-
tretenden Beamten zu ertheilenden Instructionen zur Sprache. Dies
ist also der Anfang des chronologisch geordneten Auszugs der
Senatsacten dieses Jahres, und die Ehrenbeschlüsse für Germanicus
und seine Offiziere sind gleich in der ersten Sitzung des Jahres
gefasst worden. Motivirt wurden sie also durch den Feldzug des
Jahres 14, und für Germanicus sagt dies Tacitus auch geradezu. Dann
aber ist der zwischen jenen beiden Notizen c. 55 — 71 stehende Be-
richt über den germanischen Feldzug des Jahres 15 eine Einlage,
und zwar eine an sehr ungeschickter Stelle eingefügte. Danach
dürfte auch da, wo die Darstellung der einzelnen Expeditionen aus-
läuft in den darüber dem Senat erstatteten Bericht und die von
diesem darauf gefassten Beschlüsse, wie unter dem Jahre 14 die
des Drusus nach Pannonien (I, 52) und die über die Einnahme von
Artaxata durch Corbulo im Jahre 58 (13, 41), die Stellung des
Militärberichts durch die der entsprechenden Senatsbeschlüsse be-
dingt sein.
Soweit eine Untersuchung dieser Art überhaupt abgeschlossen
werden kann, ist für den Abschluss erforderlich, dass neben dem,
was sicher oder wahrscheinlich aus den Senatsacten herrührt, auch
das bezeichnet werde, was aus anderen Quellen herrührt öder her-
zurühren scheint. Zunächst mögen hier einige Einzelheiten auf-
geführt werden.
Die berühmte Notiz am Schluss des 2. Buches und des Jahres 19
über das Anerbieten des Chattenfürsten, den Arminius zu vergiften
und über die späteren Schicksale und das Ende des deutschen
Helden beruft sich zwar auf ein im Senat verlesenes Schreiben jenes
Fürsten, kann aber unmöglich aus den Senatsprotokollen geschöpft
sein, nicht bloss weil sie am Schluss des Buches und der Zeit nach
am falschen Platz steht — denn wenigstens der Tod des Arminius
1155 fällt nach der Erzählung selbst in das Jahr 21 — und offenbar nach-
getragen ist, sondern vor allem, weil die eigenthümliche Berufung
auf die scriptores senaforesque eorum temporum bei einem in den
Senatsacten verzeichneten Actenstücke keinen Sinn haben würde.
Man wird nicht fehlgehen, wenn man die Erzählung dahin ergänzt,
dass beschlossen ward, jenen mehr als bedenklichen Brief von den
Senatsacten fern zu halten und ein damals im Senat Anwesender den
Vorgang späterhin aus der Erinnerung nachtrug. Dies wenigstens
wird Tacitus in seiner Quelle gefunden haben. Die Thatsache selbst
Das Verhältniss des Tacitus zu den Acten des Senats. 263
gewinnt dadurch an Glaubwürdigkeit nicht; indess nöthigt anderer-
seits nichts, darin eine Fälschung zu erkennen.
Dass Tacitus. dem angesehenen Sachwalter und dem Yerfasser
der vortrefflichen Abhandlung über den Verfall der römischen Be-
redsamkeit, die rhetorische Litteratur der Epoche geläufig war,
versteht sich, und es zeigeft sich davon die Spuren. Die Aussage
des P. Egnatius Celer in dem Prozess des Barea Soranus ann. 16,32
rührt gewiss her aus der Anklagerede des C. Musonius Ruftis (h. 4, 10.
40). Dass die Rede des Vitellius gegen Cn. Piso publicirt ward,
ist bezeugt (Plinius h. n. 11, 37, 187); mit Rücksicht darauf lobt
Tacitus (ann. 3. 13) des Yitellius Redekunst, und sicher rührt daher
ein grosser Theil der detaillirten Schilderung von Pisos Auftreten
vor und nach dem Tode des Germanicus.
Den Bericht über eine ohne Zeugen zwischen Tiberius und der
älteren Agrippina vorgefallene Unterredung entnahm Tacitus (ann.
4, 53) den Memoiren, welche deren gleichnamige Tochter über ihre
und der Ihrigen Geschicke aufzeichnete; in den Annalen fand sich,
wie Tacitus hinzufügt, davon nichts, vielleicht weil sie erst spät zur
Veröffentlichung gelangten. Aus derselben Quelle mag noch manche
andere ergreifende Schilderung der Annalen herrühren.
Als eine gleich den Senatsacten allgemeine, allerdings diesen
weit nachstehende Quelle ist das Reichsjoumal, die acta diurna zu
betrachten; wir entnehmen aus dem jüngeren Plinius, dass es die
Aufgabe des Geschichtschreibers war dies für seine DarsteUtmg
durchzugehen und auszuziehen, und in der That hat Tacitus oder
sein Gewährsmann sie einmal (3, 3) für eine Begräbnissfeier einge-
sehen. Man wird aber unbedenklich auf diese Quelle die Verzeich-
nisse der in jedem Jahr vorgekommenen Todesfölle namhafter
Personen zurückführen dürfen, mit denen Tacitus den Jahresbericht
zu schliessen pflegt.
XXXII.
Volusii Maeciani distributio partium.*)
281 L. Volusius Maecianus ^ scheint von niedriger Herkunft gewesen
zu sein und keineswegs mit dem bekannten im ersten Jahrhundert
der Kaiserzeit blühenden Geschlecht derYolusii Saturnini '^ zusammen-
zuhängen. Nach allem Anschein gelangte er zu Ansehen und Einfluss
durch seine juristische Thätigkeit, welche unter Antoninus Pius
(138 — 161) fällt. Sein Hauptwerk, Quaestionum de fidei commissis
*) [Abhandl. der K. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften , Band 3,
1853, S. 279—295. Die Ausgabe des Schriftchens selbst ist hier nicht wiederholt
worden, da es inzwischen öfters (zuletzt in lurisprud. Anteiustiniana ed. Huschke,
6. Aufl. von Seckel u. Kubier, 1908, S. 407 ff.) gedruckt wurde. Aber die ein-
leitenden Bemerkungen über die Person des Verfassers durften nicht übergangen
werden.]
1) Den Vornamen hat die Vita Marci c. 3 und eine Inschrift (S. 268 A. 1);
Volusius Maeciauus heisst er z. B. in den Inscriptionen unsrer Schrift und der
Schrift Exylege Rhodia (1. 9 D. de lege Rhodia 14, 2) und in dem ihn erwähnen-
den Rescript von Marc Aurel und L. Veras (1.17 pr. D. de iure patr. 37, 14);
gewöhnlich wird er bloss Maecianus genannt [S. jetzt Prosopogr. imp. Rom. III
p. 481 n. 657].
2) Vgl. über diese Marini Arv. p. 122. 292, Borghesis oss. numism. VI, 6
und desselben Aufsatz im Giorn. Are. XLIX (1831) p. 280—301 [Borghesi oeuvres
I p. 311—315, III p. 313—332], wozu die Inschriften des 1826 entdeckten Colum-
bariums der Volusier in der Vigna Ammendola (am zugänglichsten in Cardinalis
diplomi [CLL. VI p. 1013 n. 7281 ff.]) manchen Nachtrag liefern. Nach den
Consuln dieses Namens Lucius u. c. 742, Lucius n. Chr. 3, Quintus n. Chr. 56,
Quintus n. Chr. 92 ist wenig mehr von ihnen die Rede; doch kommt noch unter
Commodus ein Volusius Saturnin us (Marini Arv. tav. XXXV) vor [das Stück ist
älter; s. Henzen act. Arv. p. CLVI]. Die zahlreichen Inschriften dieser reichen
Familie zeigen nirgends Verwandtschaft derselben mit Maecii oder Maeciani
[S. jetzt Prosopogr. imp. Rom. III p. 482 sq. n. 659-665].'
Volusii Maeciani distributio partium. 265
libri XVI ^^ ward unter dessen Regierung publiciert^; weshalb es
auch schon in einer wahrscheinlich unter M. Aurel und L. Yerus
geschriebenen Schrift des Scaevola citiert wird^ und schon eben
diese Kaiser in einem Rescript den «alten und wohlerworbenen
litterarischen Ruf» des Maecianus erwähnen*. Dazu stimmt denn 282
auch, dass er sich in seinen Schriften vorzugsweise an Julian an-
schliesst 5, der unter Hadrian blühte und sein Leben unter Pius oder
vielleicht noch später beschloss^; dass er diesen mehrmals, ebenso
den Yindius Yerus und den Kaiser Pius selbst als persönlich ihm
bekannte und befreundete Männer bezeichnet''; dass er mit den
beiden genannten und andern Juristen in Pius Consilium Sitz hatte ^
und dass er zimi Lehrer der Jurisprudenz für den Caesar M. Aurelius
(geboren 121, adoptiert und zum Caesar ernannt 139) ausersehen
ward^, wonach angenommen werden muss, dass er schon im Anfang
der Regierung des Pius sich einen Namen gemacht hatte. Wir haben
noch einen, wie es scheint zwischen 143 und 146 geschriebenen,
Brief Marc Aureis an Fronto, worin er sein eihges Schreiben ent-
1) So citirt die Schrift Ulpian 1. 72 D. de usufr. 7, 1; gewöhnlich wird sie
als fideicommissoritm libri, einmal (1. 86 pr. D. de adqu. her. 29, 2) auch als
quaestiones angeführt.
2) «Antoninus Ätiffiistus Pius noster», heisst es darin (1. 42 de fideic. IIb. 40, 5);
divus Pius nur in Citaten aus zweiter Hand (1. 86 pr. D. de adqu. her. 29, 2. L 11
§ 1 D. de leg. III 32).
3) 1. 20 D. ad 1. Falc. 35, 2. [Die Quaestiones des Cervidius Scaevola sind
fi^hestens unter der Samtregierung des M. Aurelius und Commodus abgefaßt
(vgl. Lenel, Palingenes. II S. 271, 1); Krüger, Gesch. d. Quellen u. Literatur d.
Rom. Rechts S. 197 setzt sie sogar erst unter Commodus.]
4) 1. 17 pr. D. de iure patr. 37, 14 : Volusitis Maecianus amicus noster iuris
civilis praeter veterem et bene fundatam peritiam anxie diligens.
5) 1. 86 de cond. et dem. 85, 1. 1. 30 § 7. 1. 32 § 2 ad 1. Falc. 35, 2. 1. 1 § 8.
1. 16 § 3. 1. 67 (65) § 1 ad SC. Trebell. 36, 1. 1. 17 pr. de iure patr. 37, 14. Wun-
derlich de L. Volusio Maeciano (Hamb. 1749. 4.) p. 10.
6) Zimmern Rechtsgesch. I, 336. [S. Mommsen Salvius Julianus, Jurist
Schriften II S. 6.]
7) noster heisst ihm Julian 1. 86 de cond. et dem. 35, 1. 1. 30 § 7 ad 1. Falc.
35, 2. 1. 67 (65) § 1 ad SC. Treb. 36, 1 ; Vindius 1. 32 § 4 ad I. Falc. 35, 2: der
Kaiser Pius 1. 42 de fideic. lib. 40, 5.
8) Vita Pii c. 12. Dass er in die Vita Alex. Sev. c. 68 irrthümlich gekommen
ist, ist ausgemacht.
9) Sluduit et iuri audiens L. Volusium Maeciantim , sagt der Biograph des
Kaisers c. 3, wo Casaubonus zu vergleichen ist über die Rechtskunde, die Marcus
sich erwarb. Auch der Kaiser gedenkt in seiner Selbstbiographie I, 8 unter
seinen Lehrern des Maecianus, wie dort längst für Marcianus mit Recht her-
gestellt ist.
266 Volusü Maeciaui distributio partium.
schuldigt: »quia Maecianus urgehat»^. Dass er nach der Thron-
besteigung seines Schülers in dessen Rath verblieb und in einem
Rescript von M. Aurel und L. Yerus (161 — 169) mit grossem Lob
erwähnt und als «Freund» der Kaiser bezeichnet wird 2, ist bei der
bekannten Pietät Marc Aureis gegen seine Lehrer begreiflich. lieber
283 sein Ende liegt ein Bericht vor, der nicht wenige Schwierigkeiten
gemacht hat und den ich hersetze in der doppelten Recension, die
wir davon haben:
vita Avidii Cassii c. 7: vita M. Aurelü c. 25:
Imperatorio nomine cum proces- Maecianum etiam filium Cassii,
sissef (Cassius), eum qui sibi apta- ciii Alexandria erat commissa, ex-
verat ornamenta regia statim prae- ercitus occidit; nam et praefectum
fectum praetorio fecit, qui et ipse praeforio sibi fecerat, qui et ipse
occisus est Antonino invito ab ex- occisus est.
ercitu; qui et Maecianum, cui erat
commissa Alexandria quique con-
senserat spe participatus Cassio,
invito atque ignorante Antonino
interemit.
War der Maecianus, von dem hier die Rede ist, wirklich der Sohn
des Prätendenten Avidius Cassius, was vielfach als richtig ange-
nommen worden ist^, so kann des Namens wie des Alters wegen
der Maecianus, der beim Aufstand des Cassius 175 umkam, nicht
unser Volusius Maecianus sein. Allein es ist einleuchtend, dass in
dem ersten Bericht Maecianus keineswegs als Sohn des Cassius
geschildert wird, von dem man doch unmöglich sagen könnte, dass
er in Hoffnung auf einen Antheil am Siege sich mit dem Cassius
vereinigte; vielmehr scheint das Wort filiiim in der zweiten Bio-
graphie Excerptoren- oder Abschreiberfehler, wofür fautorem oder
ein ähnliches Wort zu substituieren ist. Ist dies richtig, so steht
1) Fronto ad M. Caes. 4, 2. Die Briefe scheinen einigermassen nach der
Zeit geordnet zu sein; das zweite Buch (s. besonders 11, 1) ist 143, der letzte
Brief des vierten Buchs 146 geschrieben. [S. jetzt Mommsens Abhandlung „Die
Chronologie der Briefe Frontos", Hermes 8, 1874 S. 198 ff. = Hist. Schriften I
S. 469 ff.]
2) 1. 17 pr. de iure patr. 37, 14. Die Kaiser sagen hier, dass sie eine Rechts-
controverse früher im Sinne des Proculus entschieden hätten und dass denn auch
Maecianus später mit Rücksicht auf dies Rescript in demselben Sinn respondiert
habe; allein bei nochmaliger Erwägung im Staatsrath hätten Maecian selbst
und andre Juristen sich denn doch für eine Modification im Sinne Julians ent-
schieden.
3) S. Franz im C. I. G. III p. 313.
Volosii Maeciani distributio partium. 267
nichts im Wege, die stets von den besten Rechtsgelehrten ^ vertheidigte
Meinung festzuhalten, dass hier Volusius Maecianus gemeint ist; die
grosse Seltenheit des Namens Maecianus und das vollkommene
Zutreffen aller Momente sprechen entschieden für diese Annahme.
— Das Amt, welches Maecian in Aegypten bekleidete, hat man
bald für die Präfectur von Aegypten erklärt, bald für den Juridicat
von Alexandria ; möglich sind beide Annahmen um so mehr, als auf
die Genauigkeit des Ausdrucks bei dem Biographen nicht viel Yerlass
ist, doch ist dies letztere den Worten weit angemessener und dies
Amt wohl geeignet für einen damals schon bejahrten und berühmten
Juristen.*) Auf jeden Fall aber erhellt hieraus, dass Maecianus nicht
in den Senat eingetreten, sondern als römischer Ritter gestorben ist;
dass er aber in dieser Carriere es so weit brachte wie es möglich 284
war, denn der Juridicat gehörte gleich der Präfectur zu den höchsten
dem Ritter zugänglichen Würden 2. Auch die Erweiterung der
Competenz des Juridicus unter Marc AureP könnte aus Rücksicht
für den Lehrer erfolgt sein, so wie die Abfassung der Schrift «Ex
lege Wiodia» in griechischer Sprache, so viel ich weiss das älteste
griechisch geschriebene Werk eines römischen Juristen, in Inhalt und
Form ungemein passend erscheint für den römischen Chef des Ge-
richtswesens der ersten gi-iechischen Handelsstadt. — Endlich findet
sich auch ein inschriftliches Zeugniss dafür, dass Maecian nur ein
römischer Ritter, aber in seinem Stande sehr angesehen war; es ist
dies das Yerzeichniss der Kahnführer (lenunctdarii tahtüarii auxiliarii)
von Osria aus dem J. 152, in dem L. Volusius Maecianus in der
zweiten Abtheilung der Patrone, das heisst unter den nicht sena-
1) Ritter praef. C. Theod. vol. V. Böckiog praef. zum Maecian.
*) [Es steht jetzt durch Papyrus Genev. (ed. Nicole) n. 35, womit Papyrus
Oxyrhynch. n. 653 (III p. 289 ed. Greufell-Hunt) und Pap. Berol. (Aeg. Urk. BerL
Mus. II) n. 613 zu vergleichen sind , fest , dass ein L. Volusius Maecianus , ver-
muthlich unser Jurist, Praefect von Aegypten war, aber schon im J. 161; der
im J. 175 umgekommene Maecianus hat mit ihm wohl nichts zu thun gehabt-l
2) Man vergleiche die Carriere des L. Baebius luncinus (Grut. 373, 4 [C. I. L.
X, 6976 = Dessau 1434]), in aufsteigender Reihe: praef. fabr., praef. coh. IUI
Raetorum, trih. milit. leg. XXII Deiotarianae , praef. alae Ästyrum, praef. vehi-
culonim, iuridicus Aegypti; und die des Sex. Cornelius Dexter (Joum. des sav.
1837 p.658; Clarac musee pl. 74 [C. I. L. VIII, 8934 = Dessau 1400]), in ab-
steigender: proc(urator) Äsiae, iuridicus Alexandreae, proc. Neaspoleos et mausolei,
praef. classis Syr(iacae), praef. alae I Aug. gem. colonorum, trih. leg. VIII Aug.,
praef. coh. V. Raetorum, praef. fabrum III.
3) luridico qui Alexandriae agit datio tutaris constüttHone divi Marc* concessa
est (1. 2 D. de off. iurid. 1, 20\
2€8 Volusii Maeciani distributio j)artiuin,
285 torischen Patronen der Körperschaft an der Spitze steht ^. — Dass
Maecianus, als die Soldaten der Begnadigung, die er von einem
Kaiser wie Marc Aurel wohl erlangt haben würde,*) vorgreifend ihn
niedermachten, ein bejahrter Mann gewesen sein muss, geht daraus
hervor, dass er schon um 146 Prinzenlehrer, ums Jahr 152 Patron
der Körperschaft von Ostia gewesen ist, also im J. 175 mindestens
ein Sechziger gewesen sein wird.**)
1) Wir besitzen vier Verzeichnisse der Mitglieder dieser Körperschaft, welche
übrigens zu verschiedenen Zwecken bestimmt gewesen zu sein scheinen und
wenigstens nicht alle vollständige Verzeichnisse sein sollen; doch ist es belehrend,
sie mit einander zu vergleichen: 1) vom J. 140 (Grut. 126. 127 [C. I. L.XIV, 246]);
2) vom J. 140 oder eher 145 (Reines. 10, 2 = Mur. 543, 4, jetzt im Museum Ves-
covali in Rom [C. I. L. XIV, 247]); 3) vom J. 152 (Grut. 1077. Guasco II p. 185.
Orell. 4054 [C. I. L. XIV, 250 = Dessau 6174]); 4) vom .1. 192 (Rein. 10, 1 =
Gud. 206 [C. I. L. XIV, 251 = Dessau 6175]). Im dritten lesen wir unter der
Ueberschrift patroni vier Namen, alsdann nach einem Zwischenraum ohne neue
Ueberschrift fünf andre, wovon der erste L. Volusius Maecianus (den Irrthum
Marcianus berichtigten Marini Arv. p. 258 n. 828 und Guasco a. a. 0. nach dem
Original) ist; darauf folgt als neue Ueberschrift quinq. perp. und ein Name,
alsdann quinq. und wieder ein Name, dann die plebs. Ein wahrscheinlich späterer
q. q. ist am Rande nachgetragen. Danach scheint die Ueberschrift patroni über-
haupt auf die ersten zehn Namen bezogen werden zu müssen, wo dann die
beiden Gruppen zu vergleichen sind mit den beiden Klassen der Patrone im
vierten Katalog patr. senat. und (patr.) equit. Rom. Hieraus erhellt also, dass
Maecian bloss Ritter war. — Uebrigens hat schon Marini a. a. 0. diese Inschrift
auf den Juristen bezogen. — Wenn die völlig bodenlose Vermuthung, welche
unsern Volusius zum Referenten des volusianischen Senatusconsults macht, noch
einer Widerlegung bedarf, so ist diese damit gegeben, dass der Jurist, wie gezeigt,
nie in den Senat eingetreten ist.
*) [S. die Anm. * zu S. 267.]
**) [Es folgt die recensio der Hss. und die Ausgabe selbst.]
XXXIII.
Festi codicis quaternioneiu decimum sextum
denuo edidit
Th. Mommsen.
(Commentatio lecta in academicorum conventu d. 9. lun. 1864.)*)
Sex. Pompeii Festi de verborum significatione libri XX integri 57
extiterunt non solum saeculo post Christum nono, quo Paulus, sive
diaconus is fuit sive alius quispiam,**) eorum epitomen a se con-
fectam dedicavit Carolo regi, sed etiam saeculo undecimo, quo
scriptum esse codicem, cuius pars hodie adservatur Neapoli in
bibliotheca publica numero ibi signata IV. A. 3, Henricus Keilius
testis est (mus. Rhen. nov. 6, 619). Nee post magnum illud nau-
fragium, quod absumpsit litteras Latinas una cum re publica Romana
longe plerasque, reliquiae earum maius damnum passi sunt quam
quod Festi operis naufragio ipsi superstitis tres fere partes paene in
ipso portu interierunt; nam vel portio ea quam inde habemus et
permulta ex recondita antiquitate sola nobis servavit et Augustae
aetatis antiquitatum Romanarum doctrinam unice hodie repraesentat,
ut facile inde aestimes, quantam utilitatem integer liber studiis nostris
allaturus fuisset. lam nihil relictum est nisi ut inde servata anxia
diligentia colligamus. Quod cum facile perficiatur ibi ubi codex ille
*) [Philologische u. historische Abhandlungen der Kgl. Akad, d. Wiss. zu
Berlin. Aus d. Jahre 1864. Berlin 1865, S. 57—86. Die Ausgabe selbst ist hier
nicht wiederholt worden, da zu erwarten ist, daß der Ertrag in einer zu er-
hoffenden Neuausgabe des Festus verwertet werden wird. Dagegen mußten die
in solcher Genauigkeit sonst nirgends zu findenden Prolegomena über die hand-
schriftliche Grundlage dieser Blätter sowie einzelne Anmerkungen zu Glossen
des Festus abgedruckt werden.]
**) [Den Zweifel an der Identität des Festusepitomators mit dem Geschichts-
schreiber der Langobarden hat nach dem Vorgang von Waitz in der Ausgabe
der Script, rer. Langob. 1878 S. 19 f. Mommsen selbst später gehoben : vgl.
N. Arch. d. Ges. f. alt. d. Gesch. 5, 1879, S. 55.]
270 Festi codicis quatemio decimus sextus.
undecimi saeculi adhuc extat, cum praesertim eos qui apographa
saeculo XV confecerunt neque in marginibus ambustis quaternionum
hodie superstitum neque in locis evanidis plus vidisse appareat quam
hodie ibi cernitur, diffieilis res est et periculi plena in codicis eius
parte ea, quae periit post litteras renatas. Scilicet infelix fatum,
quocum Festi liber luctatus est, ne tum quidem ab eo exagitando
destitit, cum reliquias codicis illius c. a. 1480 Manilius Rhallus ex
lllyrico detulit Romam. Nam codex integer numerarat quaterniones
sedecim, ex quibus ante id tempus perierant septem primi integri,
reliqui novem et folia quaedam perdiderant et ambusto margine
singulorum foliorum paginas alteras fere totas; ex novem autem illis,
quot attulit Rhallus, iam rursus desiderantur tres, octavus decimus
58 decimus sextus, in quibus recognoscendis hodie pendemus ex apo-
graphis factis saeculo XY exeunte. Quae exempla sane nee plena,
utpote destituta fere paginis ambustis, nee satis exacta, sed tarnen
diligenti examine omnino digna, cum tam praeclari operis non mini-
mam portionem sola servent, cum viderem iacere immerito neglecta
et in hac Festi parte vires doctos hodie fere acquiescere in exemplo
edito Ursiniano, in bibliothecarum thesauris si quid forte fortuna in
manus mihi venit ad Festi illos quaterniones deperditos pertinens,
adnotare non neglexi. Iam harum adnotationum specimen publice
proponere visum est, quod alios excitaret vel diligentiores vel for-
tunatiores quam sum ego ad eiusmodi Codices investigandos. Nam
libri de quibus hie agitur cum sint recentissimi omnes nee per se
conspicui et splendidi, plus iusto contemnuntur et facile latent;
sperandumque est eiusdem generis plures et fortasse meliores adhuc
superesse quam quos mihi adhuc contigit ut reperirem. Dabo autem
hoc loco primum elenchum eorum quos novi librorum scriptorum
editorumque, qui ad Festum non epitomatum recensendum aliquam
utilitatem habeant; deinde quaternionis decimi sexti reliquias pro-
ponam ad ea subsidia castigatas, nam in eo quaternione cum aliquid
profecisse mihi videar, ea quae hoc tempore collecta habeo ad quater-
niones octavum decimumque, perpauca tantum vere utilia suppedita-
runt^. Cuius diversitatis causam et originem propediem aperiam.
Manilium Rhallum, de quo et ipso parum constat^, Festi librum
ex lllyrico a. 1485 vel paullo ante attulisse Romam ad Pomponium
1) Notabile est in codice B ante Fectuscum Palati p. 213 Muell. legi: SEX.
POMPEI FESTI LIBER XIII. Hoc igitur loco coepit 1. XV (non XIV), quod
accedit ad similes inseriptiones collectas apud Muellerum p. XXXI.
2) Aliquam de eo notitiam suppeditat Lil. Greg. Gyraldus in dialogo I de
poetis suorum temporum (opp. ed. Lugd. 1696 p. 530). Graecis parentibus in
Festi codicis quaternio decimus sextus. 271
Laetum principem eius saeculi eruditorum urbanonim constat ex
testimoniis Politiaai Piique relatis apud Muellerum p. 11^ Allatum
eum esse sine compage quatemionibusque resolutis efficitur cum ex
testimonio Politiani narrantis se hunc librum habuisse a Manilio
praeter aliquot pagellas a Pomponio Laeto etiamtum retentas et ab
hoc sibi exhibitas, tum ex ipsorum exemplorum quae extant con- 59
dicione: nam cum horum pars omnes illos undecim quatemiones
sistat aequabiliter descriptos, infra demonstrabitur librarium eum, a
quo venit exemplar codicis Yaticani 2731 similiumque, archetypi non
habuisse nisi quatemiones extremos, Politianum autem, qui descripsit
et ipse, caruisse quaternionibus octavo nono decimo, contra habuisse
utrumque quaternionem postremum hodie una cum octavo decimoque
deperditum.*) Quo posito refellitur coniectura quoque quam de
archetypi fatis Ursinus protulit adhuc vulgo admissa. Ursinus scilicet
Festi quatemiones tres hodie deperditos edidit sub titulo schedarum
quae Festi fragmento detractae apud Pomponium Laetum extitissent,
aperte Politiani illam narrationem secutus ita, ut codicis Politiani
aetate bipertiti partem Manilianam putaret esse sua aetate ut etiam
nostra superstitem. partem Pomponianam interim periisse. At con-
iectura e huic per se probabili obstat exemplum illud Politiani ipsius,
unde hunc apparet excussisse quaternionem XYI hodie deperditum,
non vidisse quaternionem IX adhuc extantem; ut nullo modo iam
defendi possit schedas a Laeto retentas et Politiano monstratas esse
quatemiones VIII. X. XVI actum que sit de appellatione quae iam
invaluit 'schedarum apud Laetum*. Immo quaternio XYI cum non
eodera tempore videatur interiisse quo interierunt octavus decimusque,
non mimm est quaternionem hunc utpote a pluribus doctioribusque
viris descriptum proponi posse aliquanto emendatiorem quam duos
modo dictos. Exempla autem receosebo primum integra, deinde
semiplena,
L Liber Yaticanus 1549 (nobis E) chart. saec. XY, quem in
parte archetypi deperdita et praeterea in quaternione IX contuli ipse
a. 1846. In fine legitur epigramma 'ad lectorem':
Italia natus est et a Leone X episcopatu Cretae omatus fiiitque socius academiae
Pontanianae. Velim qui in Italia morantur morabunturve de eo homine certiora
aliquando doceant. [Vgl. C. Sathas, NsoEU.rjrixij ^doloyia, Athen 1867, S. 77.
Sein Name war Manilios Rhalles Eabakes.]
1) Pium Festi libro usum esse Mediolani, quod scribit Muellerus, ipse Pius
minime dielt nee probabile est.
*) [Ygl. jedoch de Nolhac a. a. 0. (unten S. 277*) S. 147.]
272 Festi codicis quaternio decimus sextus.
Haec quicunque leges fragmenta novissima Festi,
concidet in lachrimas lectio cuncta pias:
quod iam Romano defluxerit orbita giro
et magna careat parte Latinus ager.
absumpsit Chartas nimium cariosa vetustas:
si qua igitur menda est, codicis esse patet.
Leidensem librum (Voss, Lat. Oct. 9), quem cum ante aliquot annos
inspexissem Leidae (v. mus. Rhen. nov. 16, 137), iam Berolinum ad
me misit solita liberalitate optimus Pluygers, descriptum iudico ex
Yaticano hoc; nisi quod quae Leidensi corrector intulit mox osten-
60 demus aliunde petita esse. — Hoc exemplum qui confecit, oraisit
paginarum ambustarum glossas omnes paucissimis exceptis, etiam in
paginis integris hie illic locos evanidos praeteriit, hiatum tarnen
plerumque indicans nota deficü vel frag. Glossas de suo addidit
fere nullas nee repertas transposuit. Textus autem non solum vitiis
scatet, sed etiam interpolationibus, maxime ubi glossae aut initio aut
fine incidunt in pagellas ambustas. Paulum in his librarius passim
adhibuit, sed non ea constantia, qua qui editionem principem curavit.
IL Editio princeps (nobis E), quae prodiit Mediolani a. 1510*)
(v. praefatio repetita apud Muellerum p. XXXY), facta ad exemplar
lo, Bapt. Pii ^, sed eo absente typis excusa. Ipse Pius in annotationi-
bus posterioribus c. 16 conqueritur avocatum se Mediolano Bononiam
opus susceptum Festi emendandi perficere non potuisse: 'multa nos
ad illustrandum Jmnc scriptorem contulimus, cum Mediolani doceremus.
His quae nobis venerunt ex codice pervetusto et oh hoc fidelissimo, qui
ex Illijrico Pomponio Laeto fuerat oblatus, plura additurus eram, ni
me JBononiam patriam meam princeps Johannes Bentivolius praeter
spem redire coegisset, dum opus hoc esset sub incude'. In editione
hac conflatae sunt Pauli epitome Festique integri reliquiae, in quibus-
dam litteris etiam traditus glossarum ordo temere mutatus, denique
pagellae imperfectae plerumque praetermissae. Sed ipsa archetypi
verba maiore in Universum fide repraesentavit Pius quam qui exaravit
codicem i?, ut deperdito vel latente eins apographo hac editione non
sine fructu utamur.
*) [Vielmehr 1500, vgl. R. Reitzenstein, Verrian. Forschungen, Breslau 1887,
S. 98.]
1) Editor Conagus quidam (v. Mueller p. XXXV), qui absentis Pii vices
fecit, ad manus habuit praeter exemplum Pii alterum quoque, sed inde nihil
sumpsisse se ipse testatur praeter glossam trnimviri (partem scilicet glossae
Saticula p. 340 MuelL, quod non vidisse Muellerum 1. c. n. 3 miror) et emen-
dationes quasdam in gl. satis et topper.
Festi codicis quatemio decimus sextus. 273
in. Fulvius ürsinus in editione a. 1581 (nobis ü) in hac
Festi parte secutus est, ut ait in praefatione, 'doctissimi viri ciiiro-
graphum',*) quod pariter ac Pii hodie aut periit aut latet. Aliis
exemplis id non modo emendatius, sed etiam auctius fuisse addit
Ursinus recte omnino; ita glossa p. 205, 17: pretet tremonti praetemurd
pe abest tarn ab R quam ab E neque adhuc inventa est nisi apud
solum Ursinum ; id ipsum etiam lectiones passim confirmant. DifficUe
tarnen est et anceps de Ursini libro iudicium, cum praesertim quo-
modo is liber exhibuerit partem Festi hodie superstitem ignoremus.
In summa re licet Ursini editio singulis testibus reliquis superior
esse soleat, tamen horum consensum equidem pluris fecerim quam 61
singulare Ursini testimonium, estque omnino cavendum, ne huic
exemplo utut omnium quae habemus optimo nimium tribuamus.
Nam non solum quaedam in eo desiderantur vere Festi in aliis
exemplis servata, sed adest etiam interpolatio petita ex Paulo vel
potius ex editionibus Festi anterioribus. lUud et notum est (v. Mueller
p. Vll) et satis illusti-abitur glossis quaternionis XYI infra editi; huius
interpolationis proponam exemplum satis memorabile glossam muni-
ceps p. 142. Ea sie legitur in R: Municeps (est add. EUy, ut ait
Aelitis Gallus, qui in municipio liber natus est; item qui ex alio
gener e haminum muntts functvts est; item qui in municipio ex (a E^
Servitute se liberavit a municipe. Ät Ser. filius (sie ER, seruilitts ü)
aiehaf initio fuisse, qui ea condicione cives (ro. ins. EU^ fuisseni, ut
sempei' rem publicam separatim a populo Romano haberent (hdbebant
R; uidelicet inserit Ej, Cumanos Aceiranos Atellanos qui aeque FRAG.
Haec Paulus loco alieno p. 131 sie reddidit: municeps qui in muni-
cipio liber natus est; item qui ex alio genere hominum munus functus
est; item qui in municipio a Servitute se liberavit a municipe. Item
municipes erant, qui ex aliis civitatibus Romam venissent, quibus non
licebat magistratum capere, sed tantum muneris partem, ut fuenint
Cumani Acerrani Atellani, qui et cives Momani erant et in legione
merebant, sed dignitates non capiehayü. Ubi media petita videntur
esse ex altera glossa Festi municipium. cuius compendium legitur
apud Muellerum p. 127. At quocunque modo de origine Pauli-
norum statuemus, hoc certum est Pium Festi Paulique locos ita con-
flasse ut post Festi verba municeps . . . .a municipe reciperet Paulina
item municipes .... muneris partem, his subiceret Festi ad Ser. filius
aeque adiuncta ex Paulo clausula cives Romani .... capie-
lant; id quod fecit ex instituto suo, ut aliis locis permultis similiter
*) [Vgl. M. Voigt, Rh. Mus. 31, 1876. S. 149 ff.]
MOMMSEN, SCHB. VII. 18
274 Festi codicis quatemio decimus sextus.
miscuit Festina et Paulina. At Ursinus dum simpliciter retinet
editionum anteriorum lectionem, hoc loco eum chirographum illud
expressisse quis credet? confirmantque alii loci non pauci Ursinum
non ubivis accurate reddidisse lectionem scriptam, sed passim eam
emendasse tacite ad editiones anteriores Pii et Aldi et Augustini.
IV. Liber Yaticanus n. 2731 (nobis S) foll. 63 non numera-
torum chart. saec. XV. Contulit mea causa Kekule. Transpositos
habet duos locos q. XIII p. 17 — 25 (a p. 281« 3 repotia ad p. 289&
62 1 non utiqae ed. Muellerianae) interpositis inter q. XII, 29 (gl. quot
servi p. 261) et 31 (gl. ruhidus p. 262); item q. XV p. 16— 25 (a
p. 340 & 33 serilla ad p. 3516 4 patriae sitae pulsi) interpositis
q. XIV, 1 p. 297 inter gl. stipem et sobrinus. Deficiunt hodie in
principio voluminis q.VIII et maior pars q. IX (nam incipit p. Mla
30 qui ferro) deestque item quaternio X totius ita, ut librarius prin-
cipium undecimi extremo nono continuarit; integer autem liber quid
continuerit, non liquet nee tuto statuemus quaternionem decimum ab
initio inde afuisse, nam qui hunc librum scripsit cum alia quoque
transposuerit, etiam decimum quaternionem in principio deperdito
potest collocavisse loco non suo. — Cum hoc libro proxime coniunctae
sunt emendationes et additiones libro Leidensi supra memorato postea
illatae (nobis F), quamquam desumptae sunt non ex ipso Vaticano,
sed ex libro simili et subinde pleniore^: nam non solum perveniunt
ad partem eam quoque quae in Vaticano desideratur, sed etiam in
parte, quam habet Vaticanus, corrector Leidensis quaedam adnotat
. in Vaticano non reperta: ita indicatio infra relata post gl. tigülum
sororium deesse Chartas sex magnas adhuc reperta est in solo libro
Leidensi. Extitit itaque olim exemplum Festi quaterniones quotquot
supersunt complexum, unde pendent tam liber Vaticanus (S) quam
libri Leidensis emendationes (Y). At huiusce ipsius exempli origo
et condicio sane obscurae sunt et dubitationi obnoxiae, quae ut ali-
quatenus illustrentur, subicere placuit variam lectionem trium librorum
R S Y ad litterae T partem adhuc superstitem p. 351. 352. 355. 356
Muell.
JEx p. 351 & BS nihil afferunt, Y f. 71 haec: Talassionem in nuptiis Varro ait
Signum lanificii. ralaQov. id est quassillum at historia-
rum scriptor ait Talassium militarem virum rapta virgine unicae pudi-
citiae .... quod ei id cognomen (coniugium marg.) fuerit felix, item
ominis gratia nunc redintegrari. deest, item f. 71' haec: Tarentum in
1) Cum glossam perpetrat p. 217 a 29 a scriba primario Leidensis male
habitam secundus librarius ita emendet, ut praescribat: 'in antiquo est', suspicere
hunc vidisse ipsum archetypum; at secus esse constat ex iis quae mox dicentur.
Festi codicis quatemio decimus sextus.
275
campo Martio locus dicendum fuisse quod te secolaris
ditis patris appellatur ab equis quadriga utilitas aequiperet. —
Tauri ludi instituti dis inferis et fiunt intra muros quos Varro ait
vocari Grece de pestilentia.
Ex p. 352 a S nihil affert, B haec, qiiae emendavit T: Tuditantes tnndentes,
hoc est negocium agentes significare ait Cincius. unde Ennius libro
11": nee (hec T) inter se totum tuditantes et Lucretias item li" II":
nee tuditantia rem cessant (extrinsecus ullam add. T). Tudites malleos
appellant antiqui a tundendo (. . . . us alii cruribus tudites add. Y).
inde Atteius Capito existimat M. Tuditano cognomen inditum,
quod Caput malleoli simile habuerit.
p, 352 a 33 tuUos ali (alii) dixerunt RS* p. 355 a
ali riuos om. R, suppl. Y
p. 352 h 1 uehementis proiectione S
3 tulii] tulli S Y, tullus R
4 afflantes R
5 temere] ac mature YS
8 uolcani] uolcani topper Y S
eodem] eodem carmine neui S
9 humanus Y S
mare saeuum] mares eum YS
uiret] uires RS*
10 confringent] Y S, confrin-
gere R
12 sese] esse -B
studeat] Y S, audeat R
15. 16 te eicit] te eiecit RS*
17 in enni] et enni S
22 aedis] aedem R
23 duona] dona R
24 inserinuntur] sie ttel inserui-
untur S Y, inseruntur R
27. 28 ut est apud Pacuvium]
pacuuius .S*
Antiopa] arthiopa R
uapore] uaporet R
30 imbribus] YS, ignibus R
1 torridum] torridum et S 63
4 oportet om. S
nee sem.] ne sem. S
5 ennio arrio annio] enio ario
anio R, enio ario anio
eimio arrio annio YS
6 adictam (»ic. cod.)] S,
dictam R
7 terinam S
8 titientium ramnum S
10 in singulis ex eo R
11 torro] torreo S
15 turannos] turrenos R S*
16 lidorum duce R
17 et. pr. crud. B
turannos YS
18 tyria] tria S
22 serriium .S^
maria tria S
torintas S
24 toruus] torinis S
26 confidentia S
27 nunc] nos R
29 flaminicarum] flaminice S,
haminice ü*
31 crinibus] comibus R g^
33 inter ali et fig. lacu/na R
p. 355 &i 1. 2 fictores argeos et tutullatos uideo R; fictores et tutulatos uideo S Y
2 — 4 Tueor defendo et tuor. sed iam promiscue utimur tuor et intuor
pro uideo et contuor S, om. R
4 — 6 Tuguria a tecto appellantnr et sunt fomo sordida RS*
11—16 Tuscum vicum aiunt dictum (d. a. S) a Tuscis loco üs (bis S)
dato sub Celio a fratribus Cele et Vibenno qui ad Tarquinium
venerunt RS*
1) Ex paginis duabus mancis p. 355 b. 356 a quae hie praetereuntur,
otiittunt RS.
18*
276 Festi codicis quaternio decimus sextus.
p. 355&18 — 22 Toxicum dicitur cerva. eo solent quidam perungere sagittas.
Caelius in Gamo (bamo B) ut hominem toxico transegerit.
Affranius uxorium istud toxicum BS*
22—34 Tuscos quidam dictos aiunt a Tusco Herculis filio. ali quod
unici studii sint sacrificandi ex Greco velut &vaxco d^vco ab eadem
causa sacrificiorum facilem habeat id est dvoxoXov. Tumulus
Gallus Elius sie definit: tumulus est superne editus secundum
mare fluctibusue uatus unde et quae sequuntur apud
Muellerum (nisi quod pro tumultuarii est tumultuosij usque ad
quia is omatur umquam ab Italicis et Gallicis. deest. S, om. B
p. 356 o 23 sq. Templa antiqua tesca esse ait cuero aspera difficilia aditu.
Ennius: ardua aspera saxa tuos. Tonsillam esse ait Verrius
palum dolatum et cuspide preferratum ue existimat dictam cum
figi in litore re . . . . causa. Pacuvius in Medio: accesseram et
tonsillam pagi laeto in litore S, om. B
34 Tonsam Ennius signifi häbent B S
p. 356 h 2 poste] post B S* p. 356 b 20 ius sit] uis sit Y
4 reserunt JB 21 fit] sit S
5 nasota alius] naso talius S 22 autem] aut B
13 caede] cederet B 23 alterum] alterum in S
15 tonsiles S 27 claudantur S
17 ser. tullium] seruium tullum 28 quicquam S
S, tullum B 29 tagam] tagat -S*
20 quoad] quod ad B
Haec qui examinarit duo intelleget diversa, ne dicam contraria: R et
SY pendere quidera ex eodem archetypi codicis exemplo passim
interpolato (nam consensus e. c. in glossis tuguria, Tuscum vicuni,
Toxicum explicari aliter non potest), sed eosdem libros ita comparatos
65 esse, ut sese invicem emendent paucisque tantum locis (iis scilicet
quos asterisco designavimus) contra archetypum in falsa lectione
consentiant, praeterea vero ut ÄFnon pauca suppleant ab jR omissa.
Quarum positionum cum neutra negari possit, aut descendant necesse
est tarn R quam archetypus librorum SY ex codicis primarii exemplo
deperdito utroque illorum emendatiore et pleniore, aut, quod magis
crediderim, vir doctus is a quo proficiscitur recensio codicum SY,
nactus et exemplum antiquius libri nostri R simile et ipsum arche-
typum codicem talem fere, qualem habuit Politianus, illud ad hunc
emendavit et auxit ita, ut locos a primo descriptore iam satis recensitos
et expletos raro attingeret. Hoc ut magis statuam, movet me variae
lectionis in q. YIII et X condicio a reliqua diversa: nam emendator
Leidensis quamquam illos quoque non minore diligentia quam reliquos
castigavit, tamen perpauca in bis invenit corrigenda et supplenda,
quae alicuius sint momenti, integras autem glossas in R codice
Festi codicis quaternio decimns sextas. 277
praeteritas non adiecit nisi inde a principio litterae <S^, ut in qua-
ternionibus YIII et X videatur usus esse apographi ex quo venit It
exemplo paullo meliore, in quatemionibus autem extremis, maxime
in XYI ipso archetypo. Illud verum esse interim mihi credi volo;
in q. XYI quomodo differant R et SY, infra propositum est.
Y. Angelum Politianum ipsum archetypum codicem vidisse
et descripsisse supra diximus. Ab eo sumptum exemplum postea ad
Yictorium pervenit. qui id casu invenit in tabema quadam libraria
sibique emit; hodieque Monachi inter libros Yictorianos (Y. B. 86)
extat non ipsum quidem Politiani exemplum, sed quae inde enotavit
Yictorius ad marginem Festi ab Aldo excusi n. 1513. Librum hunc
(nobis P) a Muellero iam commemoratum (v. praef. p. III) roganti
mihi misit solita comitate vetus et verus amicus Carolus Halmius.
Quae emendationes incipiunt p. 217 ed. MueU. inde ab ipso q. XI
principio (prima earum est p. 217a 1 audent pro atideat Aldinae)
perveniuntque ad finem q. XYI. Sunt autem optimae vereque Poli-
tiano dignae, quamquam et Yictorius queritur Politianum scripsisse
litteris minutis et per notas magis quam more solito, ut quibusdam
locis Yictorium magis quam Politianum errasse non immerito conieias,
et ipse Yictorius calamo usus est non satis bene temperato, denique 66
quod magis dolendum est, aperte Yictorius potiora tantum enotavit,
ut ex silentio eius de eo quod legit Politianus nuUo modo coniectura
capi debeat.*)
Hi sunt libri scripti et editi, qui ad Festi partem hodie deper-
ditam emendandam aliquam utihtatem videntur habere. Editiones
autem Aldi Manutii (Yenetiis 1513) et Antonii Augustini (Yenetiis
1559) adhibui quidem et hanc interdum citavi nota usus A, sed in
ipsa recensione utraque abstinendum esse duxi nee laudo consilium
MueUeri, qui editione principe neglecta praeter Ursinianam consuluit
solam Augustinianam vel, ut eam appeUare solet, vulgatam. Xam
scriptis quidem libris tam Aldus quam Augustinus usi sunt, sed
Augustinus codice AchUlis Maffei, qui Festum Paulumque exhiberet
in unum corpus conflatos, ductus omnino ex libro R nostri simili et
iure sperneudus. De Aldi libro aceuratius non constat, sed nequa-
1) Gerte in libro Leidensi emendator glossas iategras addere coepit demum
inde a p. 290 Muell. primaque earum est haec: S nhiio signifkat in carinine
augurdli sotianti Nee aliter puto esse in libro Yat. 2731.
*) [Die Originalhandschrift des Politianus ist inzwischen von P. de Nolhac
in einem aus der Bibliothek des Fulvius Ursinus stammenden cod. Vaticanus
gefunden worden: vgl. Nolhacs Mitteilung in der Revue de phil. 10, 1886,
S. 145 ff.]
278 Festi codicis quaternio decimus sextus.
quam insignem eum fuisse ipsa editio comprobat praeterea more
sueto sescentis locis non ex libro scripto, sed ex coniectura temere
aut correcta aut corrupta. Unum adnotabo glossas duas has (p, 372
Muell.):
Vehere portare vel trahere.
Veredis (scr. veredos^ antiqui dixerunt, quod veherent rhedas, id est ducerent.
in nuUo ex libris meis repertas primum legi in Aldina a. 1513 et
quidem sub finem litterae Y»insertas inter glossas vernisera et veruta,
quae sunt extremae duae editionis Pii in parte eins Paulina. Earum
alteram monuit me Hauptius totidem verbis redire apud Isidorum
12, 1, 55, apud quem 20, 14, 13 inter alia legitur etiam: vehere, id
est exportare: Festi neutram esse patet.*)
85 Festus p. 78 Momms. [p. 371 Müll.]: vectigal aes appellatur
quod ob tributum et Stipendium et aes equestre et hordiarium populo
debetur.
[Dazu Anmerkung Mommsens p. 85:] Ita locus iam sanatus est ope
librorum ipsorum (v. Mueller p. 413), nee temptanda sunt verba ob tributum,
pro quibus praeter tributum proposuit Huschkius. Scilicet tributum cum
ita imponatur civibus, ut postea iisdem ex aerario reddatur, recte omnino
dici potest vectigalia ideo solvi, ut populus tributum iis qui tribuerunt
rependat. [Vgl. Staatsrecht 3 S. 228, 4. 256, 4.]
Festus p. 78 Momms. [p. 371 Müll.]: viae sunt et publicae et
privatae: pupUcae per quas ire omnibus licet, privatae quibus nemini
et hae VIII pedes in latitudine iure et lege puplicae quantum ratio
utilitatis permittit. lex**) iubet XVI XVque pedes esse vias ut qui
vias muniunt onisandi lapidas***) qua volet iumento a^ito.
[Dazu Anmerkung Mommsens p. 85 f.:] Quae hoc loco referuntur de
viis, ea nunc intellegimus desumpta esse ex XII tabulis, id quod confirmant
loci Gai (Dig. 8, 3, 8): 'Viae latitudo ex lege duodecim tabularum in
porrectum octo pedes habet, in anfractum, id est ubi flexum est, sedecim'
et Varronis (de 1. Lat. 7, 15) : 'anfractum est flexum .... ab eo leges iubent
in directo pedum VIII esse, in anfracto XVI, id est in flexu'. Festi autem
verba quamquam et caecis lacunis obscurata et interpolatione conta-
minata tamen ad sententiam certe sie fere restituenda erunt: Viae sunt
et publicae, per [quas ire ager]e omnibus licet, et privatae, quibus neminem
*) [Es folgen auf S. 66—84 die Ausgabe, dann auf S. 85—86 Bemerkungen
zu einzelnen Glossen des Festus. Von diesen Bemerkungen sind einige im oben
folgenden Text wieder abgedruckt worden.]
**) [Leg. XII tab., VII 7 Schoell.]
***) [So der cod. Vatic. 2731 und der Leideusis, omsamdi lapidas Politianus,
dionisam lapides Ursinus.]
Festi codicis quatemio decimus sextus. 279
uti [tos est] praeter quorum sunt, et ita privatae VIII pedes in latitudine
[Jmbent] iure et lege, piiblicae, qiiantum ratio utilitatis permittit. [praeterea]
lex iubet XVI [in anfracto fle]xuqi4,e pedes [latus] esse vias, tit [adiciat:]
vias munitinto. ni sam delapidas[sint], qua völet iumento agito. Publicas
vias tantae latitudinis esse, quantam ratio utilitatis pennittat, illustrabunt
ea, quae ex libris coloniarum in gromaticorum volumine II p. 161 de 86
viarum militarium latitudine composui. In extrema parte ipsa illa verba
legis latere, quorum argumentum Cicero (pro Caec. 19, 54) reddit bis
verbis: 'si via sit immunita, (lex) iubet qua velit agere iumentum' iam
Huschkius yidit (v. apud Muellerum p. 414) nee tarnen verba üla recu-
peravit: equidem quae posui, ea certe et ad vestigia traditae leetionis
proxime accedunt et sententiam habent rectam et simplicem. Sam voca
bulum pro eo quod est eam cum vel apud Ennium reperiatur , non ab-
horrebit a legibus XII tabularum : *) delapidandi vero vel sola depalandi
analogia satis tuebitur.
Festus p. 80 Momms. [p. 372 Müll.]: vecors est turbati ac mali
cordis. Pacuvius in Iliona : '^paelici superstitiosae cum vecordi coniiige\
et Novius in Herctde coactore: ' Tristimoniam ex animo deturhat et
vecordianC.
[Dazu Anmerkung Mommsens p. 86:] Spero fore ut lectoris non ingrati
accidant versus hi duo elegantissimi adhuc misere corrupti**) (Ribbeck
Pacuv. 216; Novius 102. 103 [40 ^ p. 315 der 3. Aufl.]), iam vero pristino
nitori restituti, item nova fabula et sane beUa HercuUs lucrorum ita po-
tentis, ut ipse auctionem faciat et bonis divenditis summas redigat.
*) [Vgl. F. Skutsch in: Hoa; (Festschr. f. A. Fick, Göttingen 1903) S. 144 f.]
**) [Müller hatte die Worte so herausgegeben: vecors est turhati et maii
cordis. Pacuvius in Iliona: 'Qiii veloci f siiperstitione cum vecordi conitu/e'. et
Novius in ... . '^coactus tristimoniam ex animo deturbat et vecordiam.]
XXXIV.
Zu Festus.*)
467 Bei Festus 8. 363 Müller findet sich folgender Artikel:
Teretinatihus (qui) a flumine Terede dicti existimantur et
sylldba eins tertia mutata et pro (Terede Teram scribi de-
Derselbe stand auf einem der jetzt verlorenen Quaternionen unserer
Festushandschrift und zwar wahrscheinlich auf der zweiten zur Hälfte
468 weggebrannten Spalte, so dass der vorliegende Text, und namentlich
die bei Ursinus fehlenden nur in den Yulgathandschriften sich finden-
den oben eingeklammerten Worte dem dringendsten Verdacht der
Interpolation unterliegen. Paulus hat den Artikel übergangen. —
Daran kann nun wohl kein Zweifel sein, dass das Lemma dieses
Artikels Teretina trihus war. Die sonstige handschriftliche Ueber-
lieferung stimmt freilich, so viel mir bekannt, in der Schreibung
Terentina überein (Liv. 10, 9; ep. 10 ; Cicero ad fam. 8, 8, 6; Josephus
ant. 14, 10, 10. 13. 19), allein sie kann hier nicht entscheiden und
muss zurückstehen gegen die freilich meinesWissens bis jetzt einzige**)
Inschrift C. I. G. 2637 [vgl. Prosopogr. imp. Eom. III S. 468], in der
der Name, und zwar zweimal, voll ausgeschrieben vorkommt und inj
der er THPHTINÄ lautet. Dass man nicht etwa beide Formen wie
vicensimus und vicesimus, semenstre und semestre als alte Doppel-j
Schreibung neben einander gelten lassen kann , ist bekannt ; es gil^
dies nur von dem vor s eintretenden n. Dass der Artikel hier un(
nicht mit dem über die tromentinische Tribus S. 367 zusammstehl
*) [Rhein. Mus. 12, 1857, S. 467-69 mit Nachtrag ebd. S. 633—34. Vgl
Staatsrecht III S. 172, 7. Mommsens Ausführungen sind bestätigt worden voB
Ritschi, op. IV S. 760 und Kubitschek, De Romanarum tribuum origine ac pr
pagatione, Wien 1882, S. 21.]
**) [Doch s. den Nachtrag unten S. 282 und Kubitschek a. a. 0. S. 49.]
Zu Festus. 281
erklärt sich, wenn man die sämmtlichen Tribusartikel betrachtet —
sie finden sich durchgängig in dem alphabetisch geordneten Theü
der Glossen (Clustumhia p. 55; Lemonia p. 115; Maecia p. 136;
Oufentina p. 194; Quirina p. 254; R&milia p. 271^ und so sind auch
die Teretina und Tromentina gestellt, wogegen die zahlreichen unter
P (Pupinia, Pomptina, Poblilia p. 233j und S (Stellatina, Sabatina,
Scaptia p. 343^ fallenden Tribus zusammen geblieben sind, — Was
nun die Ableitung dieses Namens anlangt, so ist an die Terentier
überhaupt nicht zu denken, da die vier ältesten (Palatina, Suhnrana,
Esqiiilina und Pollina) und die fünfzehn jüngsten Tribus (Clustumina,
Stellatina, Trometitina, Sabatina, Ärniensis, Pomptina, Poblilia, Maecia^
Scaptia, Oiifentina, Falerina, Aniensis, Teretina, Velina, Quirina). wie
es für eine solche rein äusserliche Departementstheilung sich schickt,
vorwiegend nach Flüssen und Seen, daneben nach Ortschaften be-
nannt worden sind. In unserm Falle empfiehlt sich die Ableitung
von einem Flussnamen um so mehr, als die teretinische zugleich
mit dem Aniodistrict (Aniensis) im J. 455 eingerichtet worden ist.
Aber welcher Fluss ist der Teredes? Unzweifelhaft kein andrer als 469
der heutige Sacro, der bei Palestrina entspringend, zwischen den
Gebieten der Yolsker und Herniker hindurch in südlicher Richtung
zum Liris fliesst und mit diesem sich unweit Fregellä und Fabrateria
vereinigt. Strabon, der meines Wissens einzig^ unter den alten
Schriftstellern diesen Fluss erwähnt, nennt ihn (5, 3, 9 p. 237 Casaub.)
TQYJQog. Ob danach hier Tgiidog oder bei Festus für Terede gelesen
werden muss Terero^ muss dahin gestellt bleiben; die Ausstossung
des kurzen Vocals der Anfangssilbe vor dem gleichen aber langen
Yocal der zweiten ist in der Ordnung 2. Diese Annahme stimmt
völlig zu der Geschichte der Zeit. Es war die Zeit wo nach dem
Ende des grossen samnitischen Krieges (450) Rom sich bleibend in
Mittelitalien festsetzte, die Hermiker (448), Aequer (452), Umbrer
(455) definitiv unterwarf, Sora, Alba, Carsioli, Namia gründete (R.
G. I 348 [I^ 376]). In diesen fernen Gebieten darf man natürhch die
ursprüngUchen Bezirke des Anio und Trerus nicht suchen, da diese
1) Cluver S. 1038. [Vgl. H. Nissen, Ital. Landesktmde I S. 330 11 S. 647.]
Nach Forbiger alte Geogr. 3, 509 kommt er auch auf der peutingerschen Tafel
verschrieben als Birius vor. Xämlich sie giebt zwichen Anagni und Rom einen
Scheideweg — ad hiriiim . das ist ad bivium — an!
2) Vergleichbar ist der alte Name des heutigen Trivento, das bei den
Schriftstellern (Plin. h. n. 3, 12, 107; liber colon. p. 238) Tereventum, auf den
Inschriften (C. I. N. p. 463 [s. jetzt C. I. L. IX p. 241]) bald Tereventum, bald
Terventum heisst.
282 Zu Festus.
nicht nach Bürger-, sondern nach latinischem Recht constituirt wurden ;
aber es passt vortrefflich dazu, dass in dem äquischen und herni-
kischen Gebiet am unteren Anio und am oberen Trerus gleichzeitig
zwei neue Bürgerbezirke eingerichtet wurden. Bei Festus also mag
etwa gestanden haben:
Teretina tribus a flumine Terede dicta existimatur et sylldba
eins tertia mutata T pro D littera posita.
633 unter*) den ersten Steinen, die mir auf meiner Reise diesmal
zu Gesicht gekommen sind, war der folgende jetzt in der Kirche zu
Petronell eingemauerte aus den Ruinen des alten Laurentum : **)
634 L • CORNELIVS
L • F • FIRMVS
TERETINA • AREL
ATE . MIL • LEG • XV
APOL • AN • XXX
STIP . X . H . S . E
C • VIBIVS . C . F ■ MIL
- LEG • XV • APOL
VB • H • P viro bono heres posuit
Auch hier also ist der Name der Tribus Teretina geschrieben; wie
auch Marsilius (Danub. II tab, 34, 3) und von Sacken (Sitzungsberichte
der Wiener Akad. Bd. 9 S. 736) lasen; nur Muratori 808, 5, der den
Stein aus Marsilius nahm, hat durch eine der ihm geläufigen kleinen
Interpolationen daraus TERENTINA gemacht.
*) [Hier beginnt der Nachtrag.]
'*) [Die Inschrift steht jetzt im C. I. L. III, 4464.]
XXXV.
Zur lateinischen StichometriJ*)
^
Der liber generationis, griechisch verfasst vom Bischof Hippolytos 142
von Portus im letzten Jahre des Kaisers Sevenis Alexander, uns
vollständig nur in einer lateinischen Bearbeitung erhalten, muss wie
eine der elendesten Schriften der sinkenden Civilisation, so auch eine
der im Occident meist gelesenen gewesen sein. Er ist theils selb-
ständig in Handschriften (namentlich der Bibliothek Phillipps in
Cheltenham n. 1S95 saec. IX) auf uns gekommen, theils findet er
sich aufgenommen oder stark benutzt in den historischen Compi-
lationen, die jetzt unter den Xamen des Chronographen von 354,
des Barharus Scaligeri und des fränkischen Fredegar umlaufen^.
Es ist ein chronographisches Compendium geringfügigster Qualität,
hauptsächlich ausgezogen aus der Bibel, von Interesse fast nur durch
die auf Grundlage der Genesis aufgebaute VölkertafeP. Von dieser
*) [Hermes 21, 1885, S. 142 — 156. Über das Verzeichnis der Cyprian-
schriften ist seit Mommsens Abhandlung außerordentlich viel geschrieben und
sehr vieles gefordert worden. Die Literatur darüber hier anzufahren erschien
zwecklos; diese Abhandlung, die die Entdeckung gebracht hat und dadurch
grundlegend -wurde, mußte genau so bleiben, wie Mommsen sie ausgehen ließ.
Die Nachträge beschränken sich daher auf die wenigen nebensächlichen Fragen,
zu denen ilommsen selbst späterhin Stellung genommen hat.]
1) Neuerdings haben darüber gehandelt B. Krusch in Wattenbachs Neuem
Archiv 7 (1882), 456 f. und, ohne diese Arbeit zu kennen, H. Geizer Africanus 2
(1885) S. 2. [Mommsen selbst hat dies Compendium ediert und behandelt in den
C hronica minora I, 1892, S. 78 ff.]
2) Diese Völkertafel ist durch Hippolytos in Umlauf gekommen; aber
i'.üllenhoff ('Weltkarte des Augustus S. 37) hat mit grosser Wahrscheinlichkeit,
vermuthet, dass er sie dem wenig älteren Julius Africanus entlehnt hat, von
djm er in der Chronik überhaupt abhängt (Geizer a. a. 0.). Bearbeitet ist sie
ttit umsichtiger Berücksichtigung der verschiedenen griechischen und lateinischen
Texte von Müllenhoff a. a. 0. S. 39 f. [Über Müllenhoffs und Geizers Forschungen
zu Julius Africanus und Hippolytos, insbesonders über das Abhängigkeitsverhält-
284 2"^ lateinischen Stichometrie.
Schrift befindet sich in der Phillippschen Bibliothek ausser der eben
erwähnten noch eine zweite ebenfalls der selbständigen Ueberlieferung
angehörige Handschrift aus dem zehnten Jahrhundert (n. 12266
p. 66 f.), die meines Wissens noch nicht benutzt ist. An sich ist sie
von geringem Werth; sie zeigt dieselben Lücken, wie die Hand-
143 Schrift n. 1895 sie hat und die Yorlage des sogenannten Fredegar
sie hatte ^, und ist, im Ganzen wenigstens, der älteren n. 1895 nach-
zusetzen, obwohl sie auf ein recht altes im J. 359 geschriebenes
Exemplar zurückgeht. Denn wenn hinter dem Yerzeichniss der
jüdischen Könige und vor den nomina prophefarum die folgende,
dieser Recension eigenthümliche Bemerkung sich findet:
ab imperio G. lulii Cesar qui ah urbe condita initia eins per
consules inveniuntur ann sunt DCCV in ****bium et typasium
frs ann sunt CCCGVI si quidem ab urbe condita usque ad hos
consules eubi et typasi anni sunt ****. CoUiguntur u. s. w. bis
CXLVIII
usque eodem anno numero III BCC****
so ist dies offenbar eine in dem Jahre 359, das allerdings das Jahr
ist nach Roms Erbauung 705 + 406 = 1111 und dessen Consuln
Eusebius und Hypatius in der That Brüder waren 2, zu dem hippo-
lytischen Werk zugefügte Schreibernotiz, welche dann in unsere
Handschrift sich fortgepflanzt hat. Danach sind wir berechtigt die
Aufnahme eines anderen wichtigeren Stückes, das diese Handschrift
vor den übrigen voraus hat, auf dieselbe Epoche zurückzuführen.
Die Inhaltsangabe, mit der die Schrift beginnt, entspricht im
Ganzen in unserer Handschrift derjenigen der älteren n. 1895, nur
dass die unsrige beträchtlich verkürzt ist. Den Schluss setze ich her,
wie er in beiden vorliegt.
nis des Hippolytos von Africanus urteilte Mommseu später wesentlich anders:
s. Chronica a.a.O. S. 86f.] Aus dem Fredegar -Codex (Paris. Lat. 10910) hat
Riese diesen Theil des Über generationis am Schluss seiner geographi Latini
minores abgedruckt und dadurch auch Philologen im engeren Sinne zugänglicl
gemacht.
1) Die Lücke in dem gallisch-germanischen Abschnitt, welche der griechisch!
Text (Müllenhoff a. a. 0.) nicht hat, wohl aber der selbständige lateinische
wie der Fredegar, ist wahrscheinlich durch den lateinischen Uebersetzer ver
schuldet. Der Scaligersche Barbaras, aus dem Riese a. a. 0. c. 32. 33 und Kruscl
a. a. 0. S. 465 sie ausgefüllt haben, ist bekanntlich Uebersetzung einer griecbi'J
sehen Compilation und also von deren Urheber Hippolyt nicht in der üeber-jj
Setzung, sondern im Original benutzt worden.
2) Ammian 18, 1, 1. 21, 6, 4. 29, 2, 9.
Zur lateinischen Stichometrie.
285
cod. 12266:
nomina patriarcharum.
prophetarum.
sacerdotum ex luda.
mulierum prcyphetissarum.
regum Macedonum iuxta Alexan-
drum,
reges Saniartae.
reges Persarum a Cyro rege.
impe\ra\torum Romanorum ab
Augusto et quis quot annis
imperavit. ^
lürri qui sunt veteri testamenti
canonici cum indictdis ver-
cod. 1895:
reges Persarum a Cyro et quis
qtiot annis regnavif.
reges Macedonum ah Alexandra et
quis quot annis regnavit.
imperatores Romanorum ab Au-
gusto et quis quot annis impe-
ravit.
tempora olympiadum ab Ipito us-
que in praesentem Oli/mpiadem.
nomina patriarcharum a genera-
tione.
nomina prophetarum.
mulieres prophetissae.
nomina regum Hebreorum et re-
gum qui in Samaria regnave-
runt supra X tribus et quis
quot annis regnavit.
nomina sacerdotum.
nomina episcoporum^ Romae et
quis quot annis praefuit.
Während im Uebrigen die Yerschiedenheit, abgesehen von den Aus-
lassungen, wesentlich auf Umstellung hinausläuft, wobei übrigens die
jüngere Handschrift zum Theil wohl treuer als die ältere die ursprüng-
liche Folge bewahrt hat, fehlt in der älteren Inhaltsangabe der letzte
Abschnitt der späteren, und entsprechend fehlt dem älteren Text das
fragliche Yerzeichniss selbst, während die jüngere Handschrift den
liher generationis p. & l f. abschliesst mit einem Yerzeichniss der bib-
lischen Schriften, das die libri canonici nicht blos des alten, sondern
auch des neuen Testaments ^ und überdies noch die Schriften Cyprians
cum indiculis versuum verzeichnet. Dieses Yerzeichniss lasse ich hier
folgen ^.*)
1) So die Handschrift, wie Labbe richtig las, nicht emperatontm, wie Krusch
(a. a. 0. S. 468) nach Vogel angiebt.
2) Dass die Inhaltsangabe nur das alte Testament nennt, welches voran-
steht, zeigt, dass der Anfertiger derselben nicht der Redacteur war ; sonst hätte
er den vollen Inhalt gegeben, nicht mechanisch die erste Zeile wiederholt.
3) Der Sohn des jetzigen Besitzers der Phillippsschen Bibliothek Herr
Fitzroy Fenwick hat auf meine Bitte die im letzten Augenblick und eiliger als
biUig von mir genommene Abschrift mit der Handschrift verglichen.
*) [In einem Nachtrag: „Zur lateinischen Stichometrie" im Hermes 25, 1890,
S. 636 — 638 machte Mommsen die Abweichungen einer Handschrift aus S. Gallen
144
286 Zur lateinischen Stichometrie.
Incipit indiculum veteri (so) [veferis G] iestamenti qui sunt libri can-
nonici sie
Genesis ver n [versus IIIDCC G]
Exodus ver n [ver III G]
145 Numeri ver n [ver III G]
Leviticum ver n [Leviticus ver IICCC GJ
Deuteronomium ver n [ver HD CG G]
Ihü Nave ver n [Hiesu Nave ver QCDCCL G""
ludicum ver n [ver (XiDCCL G]
fiunt libri VII iJe? n [Fi fehlt in G] XVIIIC
Rut ver CGI'' [GCL G]
Regnorum Über I ver IIGGG
Regnorum liber II ver IIGG
Regnorum liber III [Ilß] vir HD [IlBL G]
Regnorum liber IUI ver IIGGL
ßunt versus VIIIID^ [VlTlB G]
Paralipomen [paralipomenon G] Hb. I IIXL [uer IIXL G]
Hb. II ^r Tic
Machabeorum lib. I ver IIGGG
üb. II ^ (X>DGGG
lob ^^DGGG [(X)BGC G]
Tobias verDCGGG [VIID G]
Bester [verVIIDGC fügt G zu]
ludit ver CCG
Psalmi David [Davitici G] CLI^ ver V
Salomonis uer VD [VID GJ
profetas [prophetae G] maiores ver X VI[X V] CGGLXX * numero IUI
*saias [Esaias G] uer IIIDLXXX
leremias [Hieremias G] uer IIIIGGGGL
Daniel [Danihel G] ver Q/oGGGL
(n. 133 p. 488—492, vgl. die Beschreibung dieser Hs. in den Chron. min. I S.
von dem englischen Exemplar bekannt. Er urteilt a. a. 0. über das Verhältnis
der beiden Exemplare zu einander so: „Dieses, aus dem neunten Jahrhundert,
ist älter als das englische, aber nicht dessen Vorlage gewesen und nicht durch-
gängig besser." Es erschien zweckmässig, die von Mommsen mitgeteilten Vari-
anten der S. Gallen Hs. (G) den Lesarten der englischen Hs. gleich in Klammern
beizufügen.]
1) Wohl CCL. [So G.]
2) Die Summirung ergiebt nur 9250.
8) Vielmehr CL.
4) Die vier Theilposten geben nur 1B180.
Zur lateinischen Stichometrie. 287
EzecMel ^ lUBCCC [lIlCCCXL G]
profetas [prophete G] XII IIIDCCC
erunt omnes ver n LXVIIIID^ [die Zahl fehlt in G]
Sed ut in apocalypsis (so) [apocalipsi G] lohannis dictum est: ''vidi
XXIIII seniores ynittentes Coronas suas ante thronum'^, maiores 146
nostri probanf Jios libros esse canoniöos et hoc [hos G] dixisse seniores.
Item indiculum novi testamenti.
euangelia IUI Matheum [Mattheum G] vr IIDCC
Marcus [Marcum G] ver (X)DCC 1 [in umgekehrter
lohannem vr QcDCCC J Reihenfolge G]
Zwm [Lucas G] v? lÜCCC
filmt omnes versus X^
eplae Pauli n XIII (so) [XZ/JJG; „die Zeüenzahl fehlt auch hier«]
actus [actuum G] aplorum ver IIIDC
apocalipsis ver [ver fehlt G] (JoDCCC
eplae lohannis III ur CCCCL [CCCL G]
una sola* [una sola fehlt G]
eplae Petri II ver CCC
una sola*" [una sola fehlt G]
Quoniam indiculum versuum in urhe Roma non ad liquidum^ sed
et [et fehlt G] alibi avariciae causa non habent integrum, per sin-
1) Die Summirung ergiebt, wenn für Ruth 250 und für Könige und die
grossen Propheten die Sammtzahlen in Ansatz gebracht werden, 70560, nach
den Theilansätzen für die beiden letzteren, welche zuverlässiger sind, 67120,
wozu die för Esther fehlende Zahl hinzutritt.
2) Äpokal. 4, 10 (Hieron.) : procidebant viginti qiMttiuyr seniores ante sedentem
in throno .... et mittebant Coronas suas ante thronum. Hieronymus praef. in
libros Samuelis et Malachim vol. 9 p. 457 Vall. (auf welche Stelle Hr. Dillmann
mich hingewiesen hat) : fiunt . . veteris legis libri viginti dito, id est Mosi guinque,
jarophetarum octo, hagiographoriim novem: qiiamquam nonmiUi Ruth et Cinoth (die
Klageb'eder des Jeremias) . . . in suo putent numero supputandos, ac per hoc esse
priscae legis libros viginti quattuor, quos sub numero viginti quattuor seniorum apo-
lUiJypsis lohannis inducit adorantes agnum et Coronas suas prostratis vultibtis
afferentes. Das Yerzeichniss nimmt übrigens auf die 22 oder 24 kanonischen
Bücher keine Rücksicht und enthält auch solche, die nicht im Kanon standen,
<üe Makkabäerbücher, Tobias, Judith.
3) Die Theüzahlen geben 10600.
4) Vgl. S. 148 A. 2 [S. 289 A. 2].
5) Handschrift aliqui dum {dkqwdum G],
288 2"^ lateinischen Stichometrie.
gulos libros [Ubros fehlt Q] computatis syllahis posui ^ numero XVI
versum Virgilianum omnihus lihris numerum^ adscribsi^.
147 Indiculum Cecili [cac U G] Cipriani.
1.* ad Donatum CCCCX
2. ad virgines D
3. de lapsis BCCCCLXXX [BCCCLXXX G]
4. de opere et elemosyna DCLXX [aelimosine DCCLXX G]
5. ad Demetrianum DXXXV
6. de aeclesiae unitate DCCL [DCC G]
7. de zelo et liuore CCCCXX
8. de mortalitate DL
9. de patientia DCCCLX [B G]
10. ad Fortunatum DCCXL [DCCCLX G]
XL
11. de domini oratione (so) [DCC G]
12. ad Quirinum libri III: I^ DL.
II DCCCL [DCCCCL G]
III DCCLXX
13. ad Äntonianum [Äntonium G] DCL
14. de calice dominico CCCCL
15. de laude martyrii [martirum Gj DCCCXXX
16. «^ confessores martyrum [ad confessione martirum G] CXL
17. Moysi [monsi GJ e^ Maxirno LXX
18. at? eosdem alia CXX
19. öJe precando deum CXC
20. «(/ clerum [clero G] il/IZ
21. Aurelio lectori pro ordinato CXL [Aurilio lectore pre ordi-
natio CXI G]
22. Celerino C
23. «^ lobianum [labaianura G] Di
24. a^ Quintum ü
25. J(^e p^ ZIIZ w . XXX [ad Efesius (geändert von 1 . Hand .
in efphesius) XIII XXX G]
1) Nach posui ein Buchstabe radirt.
2) num die Handschrift.
3) Die verwirrten Worte weiss ich nicht mit Sicherheit herzustellen ; viel-
leicht sind posui und num auszuwerfen und ist zu schreiben : computatis syllahis
numero XVI versum Vergilianum omnihus lihris adscrihsi. [In G lautet die Stelle:
posui numero versus Virgilianum; das Weitere fehlt.]
4) Die Zählung ist von mir zugesetzt.
5) L die Handschrift. [IUI statt III: I G.]
Zur lateinischen Stichometrie. 289
26. Ade^n. CXX [ad Efhesius CXX G]
27. sententiae episcoporum DXX
28. ad Pompeium CCXC
29. ad Stephanum C
30. ad Fidum [fidem G] CVI
31. ad Ma^num CCLXXXIIII [ad Magnium CLXXXIIU G]
32. ad Martialem [de Martiale G] CCCL
33. Lud ad Eucratium [Egracium G] XL
34. Felici et ceteris XX
35. de Numidia [Numedia G] conf. XXX 148
36. ad Florentium CCVII [CCVIII G]
37. ad prest LXXII [LXXQ]
38. ad eosdem et diac XXV [die XXX Gll r i. x_ • m
39. ad clerum urt LXX ] [-«^^g^*^*?- - ^1
40. Bomani resc (so) CCXV [Roman res (so) CCCXV G]
41. adversus lud CCXC
42-50. a(? Cornelium [Comüimn G] FJ/// [FilZ G] (XiCVIII
51. v?Va Cypriani DC
fiunf omnes versus [versi G] n XVIIID^
Es ist nicht meine Absicht diese Aufzeichnimg, die mir zufallig
in die Hand gekommen ist, so nach allen Seiten hin zu erläutern
Y-ie sie es wohl erfordert; diejenigen Gelehrten, die sich mit dem
Kanon der biblischen Bücher ^ und mit der Kritik Cyprians so wie
mit der Stichometrie überhaupt abgeben, werden nicht verfehlen,
1) Die Theilposten ergeben 15446 Zeilen; eine Zahl (n. 11) fehlt.
2) Herr Theodor Zahn in Erlangen bemerkt in dieser Hinsicht brieflich:
'I'a das Verzeichniss nur 13 paulinisehe Briefe zählt, den Hebräerbrief also da-
'von ausschliesst, denselben auch nicht anhangsweise aufführt, so muss dasselbe,
'v enn es africanischen Ursprungs ist, älter sein als die Synoden von Hippo (393)
'uad von Karthago (397). Denn damals wurde beschlossen: Pauli apostoli epistolae
Hredecim, eiiisdem ad Hebraeos una, wobei der Uebergang aus dem alten abend-
*lfc.ndi scheu Kanon zu dem aus dem Orient importirten jüngeren in der Unter-
'lassung der Addition noch deutlich zu sehen ist.' — In den Worten una sola
vor und hinter epistiilae Petri II erkennt Zahn den nachdrücklichen Protest eines
Mannes, welcher nach altem africanischen Herkommen nur einen einzigen Brief des
Petrus, den ad Ponticos, anerkannt haben wollte. [In dem Nachtrag bemerkt
Mommsen über die Hs. G: ,««a sola fehlt an beiden Stellen, also sicher Randnote*.]
— .Interessant', bemerkt er schliesslich, 'ist auch die Ordnung der Bücher, ganz
'abweichend von dem Verzeichniss im Claromontanus. Die Reihe actus, apocaiypsis,
'epistulae lohannis scheint Andeutungen bei Tertullian zu bestätigen'.
MOMMSEN, SCHR. VII. 19
290 2ur lateinischen Stichometrie.
sich mit den Verzeichnissen eingehender zu beschäftigen. Nur eine
vorläufige Erörterung mag die Veröffentlichung derselben begleiten.
Dass die Notiz aufgesetzt worden ist, um, so weit sie reicht,
den Käufern der betreffenden Schriften deren Umfang zur Kunde zu
bringen und dadurch sie vor Uebertheuerung durch die Buchhändler
in Rom zu schützen, welche die den Preis bedingende Zeilenzahl^
L49 eben desswegen wegzulassen pflegten, sagt sie uns selbst. Sie ist
also ausserhalb Roms aufgesetzt, wahrscheinlich in Africa, einmal
weil bekanntlich die älteste christliche Litteratur, soweit sie lateinisch,
daselbst ihren Hauptsitz hat, zweitens weil neben der Bibel hier die
Schriften des Bischofs von Karthago verzeichnet werden. Dass der
africanische Schreiber über die Manipulation der römischen Buch-
händler sich beschwert, wird wohl daraus sich erklären, dass die
fabrikmässige Herstellung der Abschriften ihren Hauptsitz in Rom
hatte und, nach unserer Weise zu reden, die Sortimentsbuchhändler
in Karthago ihre Exemplare von Rom bezogen. Es war eben noch
wie in den Tagen des Horaz, wo die römischen Verleger ihre Laden-
hüter, die in der Hauptstadt den Motten verfielen, nach Ilerda und
Utica schickten 2. Der versus Vergüianus von 16 Silben als Einheit
der lateinischen Zeilenzählung wäre, wenn die Notiz vor Ch. Grauxs
und Diels ^ Untersuchungen sich gefunden hätte , eine philologische
Novität gewesen; jetzt bestätigt er im Wesentlichen nur, was die
Forschung der letzten Jahre ohne solche Hülfe ermittelt hat. Ins-
besondere hat Diels gezeigt, dass Galen seinen orixog zu 16 Silben
zählte. Da die galenische Zählung sich nur auf den homerischen
OTtxog und die griechische Silbe beziehen lässt, so stellt das Zeugnis
für den versus Vergüianus von ebensoviel Silben die für beide Sprachen
gleichmässige Durchschnittsrechnung fest, woran es auch nichts ändern
würde, wenn sich herausstellen sollte, dass die Verschiedenheit in der
Verwendung der Daktylen und der Spondeen und die lateinische
Elision eine gewisse Differenz in der Silbenzahl des Hexameters für
die beiden Sprachen bedingt. Bei buchhändlerischen Durchschnitts-
zahlen, vergleichbar der Gewohnheit unserer Drucker den Raum
nach dem n zu berechnen, konnten kleinere Differenzen füglich ausser
Betracht bleiben, und wurde, was in Griechenland aufgekommen war,
1) Birt das antike Buchwesen S. 206,
2) Ep. 1, 20, 11: contrectatus tibi manibus sordescere vulgi coeperis, aut tineas
pasces taciturnus inertes, aut fugies Utieam aut vinctus mitteris Berdam. Birt
a. a. 0. S. 362.
3) In dieser Zeitschrift XVII 377 f., wo die früheren Schriften ange-
fühi't sind.
Zur lateinischen Stichometrie, 291
von den Römern wohl auch dann übernommen, wenn es nicht völlig
passte. Einer meiner Freunde hat sich übrigens der Mühe unterzogen
aus dem ehdirenden Yergilius und dem die Elision vermeidenden
Calpurnius einige Abschnitte auf die Silben durchzuzählen; ich lege
das Ergebniss vor, um die Yergleichung des normalen und des wirk-
lichen Yerhältnisses anschaulich zu machen.
51
Äm.TL l-lOl
Aen. X 807—908 Caljn
irnius 2, 1
(ohne 94):
(ohne 876);
(ohne 30):
Silben.
19 1 (v. 31)
—
V
18 1 (v. 64)
3 (v. 866. 883. 904)
—
rt
17 5
12
3
n
16 25
24
16
D
15 51
39
22
r)
14 15
20
7
n
13 2 (v. 78. S
100
7) 2 (v. 809. 906)
100
2
50
Durchschnitt: 15.23
15.33
15.22
Thatsächlich also kommen auf den lateinischen Hexameter im Durch-
schnitt nicht 16, sondern nur wenig über 15 Silben.
Die stichometrischen Angaben über die lateinische Bibel zu
erörtern beabsichtige ich nicht; es giebt manche ähnliche^, und die
Abweichungen dieses Yerzeichnisses von den schon bekannten werden
schwerlich von Belang sein. AYohl aber ist es von Wichtigkeit, dass
die immer noch vorwaltende Auffassung der derartigen die Bibel
betreffenden Angaben als überwiegend kolometi-ischer Art jetzt nicht
länger wird festgehalten werden können. AYie immer über die bei
den poetischen Büchern des alten Testaments schon von Origenes
1) Die (bei Birt mangelnde) Zeilenzählung der Bücher des alten und des
neuen Testaments, wie sie die Mauriner (in dem Yallarsischen Hieronymus vol. 9
p. LXXXIII f. , zweite Columne) nach den exemplaria vetiistissima der hierony-
mischen Uebersetzung zusammenstellen, stimmt mit imserem Verzeichniss so
genau, dass letzteres vielleicht für jene Zählung zu Grunde gelegt worden ist.
Beispielsweise werden dort für die vier grossen Propheten angesetzt: Jesaias
3580 — Jeremias 4450 — Daniel 1850 — Ezechiel 3340, für die zwölf kleinen
3800, wogegen freilich anderswo stärkere Abweichungen auftreten. Die Zahlen
dagegen des Verzeichnisses des Claromontanus (ebendaselbst in der ersten Columne
und in Tischendorfs Ausgabe dieser Handschrift der paulinischen Briefe p. 468.
469), welche die Mauriner auf einen vorhieronymischen Text beziehen, bieten
auch Berührungspunkte (so ist die Zahl 5000 für die Psalmen allen Listen
gemein), scheinen indess zum weitaus grössten Theil auf einer vermuthlich nach
demselben Princip angestellten, aber verschiedenen Zählung zu beruhen.
19*
292 Zur lateinisclien Stichometrie.
eingeführte und dann besonders durch Euthalius um 450 weiter ent-
151 wickelte kolometrische Schreibung der biblischen Schriften geurtheilt
werden mag, die Zeilensummirung ist in den Bibelhandschriften der
Regel nach offenbar ebenso, wie in der gesammten übrigen Litteratur,
auf die Raumzeile zu beziehen ^.
"Wichtiger sind auf jeden Fall die entsprechenden Angaben über
Cyprian. Wir haben hier allem Anschein nach ein Verzeichniss seiner
Werke, wie sie etwa ein Jahrhundert nach seinem Tode dem Schreiber
unserer Notiz vorlagen, und für die Feststellung der Titel und der
Reihenfolge, ja selbst in Betreff der Echtheit giebt dasselbe manchen
Anhalt. So werden die Titel ad virgines (statt de hahitu virginum)
und de patientia (mit den Handschriften statt de bono patientiae)
durch dasselbe beglaubigt. Die Schrift ad Antonianum (ep. 55
Hartel) wird auch wohl besser mit dem Verzeichniss in die Reihe
der Tractate gestellt als zu den Episteln; auch die Abhandlung de
calice dominico unseres Verzeichnisses ist sicher die ep. 63 unserer
Ausgaben. Wenn den drei Büchern ad Quirinum hier 550 — 850 —
770 Zeilen gegeben werden, während sie jetzt in der Hartelschen
Ausgabe 525 — 886 — 1876 Zeilen füllen, so lag unserem Gewährs-
mann das letzte Buch in kürzerer Form vor als unsere Ausgaben es
aufzeigen; es werden in demselben nicht blos die Abschnitte, die
allein die Würzburger Handschrift hat, p. 134, 15—138, 21. 161, 8—
162, 26 gefehlt haben, sondern noch viele andere dieser 'Zeugnisse'
dürften von späterer Hand zugesetzt sein. Auf jedes Fehlen in dem
Verzeichniss wird man nicht gerade eine Athetese bauen dürfen; die
Schrift quod idola dii non sint, der einzige unter den sicher echten
grösseren Tractaten, der hier vermisst wird, ist wohl nur ausgefallen.
Aber dass von den jetzt für unecht gehaltenen Schriften allein die
Abhandlungen de laude martyrn und adversus ludaeos aufgeführt
werden, ist einerseits eine Bestätigung der Unechtheit der übrigen,
152 andererseits ein nicht unwichtiges Zeugniss wenigstens für das Alter
jener beiden Schriften, von denen übrigens auch Hartel die erstere
1) Dass auch Kolenzählung vorgekommen ist, soll damit keineswegs ge-
leugnet werden. Uebrigens wird bei abermaliger Untersuchung dieser Frage
die Terminologie noch besonders ins Auge zu fassen sein. Zrixog ist die Zeile
schlechthin und wie oft es auch für die Raumzeile gebraucht wird, so bezeichnet
es unleugbar anderswo die Sinnzeile, wie denn die poetischen Bücher des A. T.
in der Recensiou des Origines in diesem Sinne ßißXoi anxrjoai oder oTixi]S6v
yEy()afifisvai heissen. Dies ist auch insofern ganz in der Ordnung, als die Sinn-
zeile ursprünglich ja nicht minder Raumzeile war. Wie man beide termino-
logisch difFerenzirt hat, steht dahin; nahe liegt es hieher zu ziehen, dass in den
Zeilenzahlangaben einzelner Bibelhandschriften ozixoi und QTJfiava sich neben-
einander finden (Ritschi opusc. 1, 88).
Znr lateinischen Stichometrie.
293
als Cyprian gleichzeitig anerkennt. Die Biographie findet sich nicht
blos vor, sondern kann auch nach der Zeilenzahl nicht kürzer ge-
wesen sein als unsere Ausgaben sie geben.
Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Briefe, bei denen
freilich die Identification nicht immer leicht ist und zum Theil wohl
unsicher bleiben wird. Sie sind hier nicht, wie in unseren auch den
besten Handschriften der Fall ist, mit den Abhandlungen durcheinander
geworfen, sondern bilden eine besondere Sammlung von 33 Nummern,
welcher von fremdartigen Stücken nur zwei, die sententiae episcoporum
und die Schrift adversus ludaeos eingefügt sind und in der eine
gewisse Ordnung herrscht; wenigstens stehen die neun Briefe an den
römischen Bischof Cornelius und überhaupt die an denselben Adres-
saten gerichteten zusammen. Die Reihenfolge verdient um so mehr
Beachtung, als sie sich nahe berührt mit der ältesten der jetzt vor-
handenen Handschriften, der Lorscher, jetzt Vindobmietisis 962 saec.
IX, welche der folgenden Zusammenstellung zu Grunde gelegt ist.
Lorscher Handschrift^:
ad Quirinum (Hb. III)
de sacramento dominici ccUicis
(ep. 63;
ad confessm-es (ep. 6^
ad Antonianum (ep. bo)
ad martyras et confessores (ep. Xd)
Mosi et Malimo (ep. 28^
quibus supra (ep. ZI)
ad clerum de deprecando deo (ep. 1 \)
ad clerum etphhem de Aurelio con-
fessore lectore ordinato (ep. 38)
scheint hier zu fehlen
ad clerum etplebem de Celerino con-
fessore lectore ordinato (ep. 39^
ad Comelium de confessione eius
(ep. 60;
ad martyras et confessores in me-
tallis constitutos (ep. 16)
ad luvaianum de hereticis bapti-
zandis epistulas numero tres
(ep 13)
ad Quintum (ep. 1\)
Verzeichniss vom J. 359:
imter den Abhandlungen
unter den Abh?iildlungen
unter den Abhandlungen
ad confessores martyrum (16)
Moysi et Maximo (17)
ad eosdem alia (18)
de precando deum (19)
ad cleriim (20)
Aurelio lectori pro ordinato (21)
Celerino (22)
unter ad Comelium Villi (42— 50)
ad lobianum (23)
ad Quintum (24)
1) Haxtel praef. p. XXX.
geben.
Die Adressen sind nach dem Lorscher Text ge-
294
Zur lateinischen Stichometrie.
ohne Ueberschrift ; Unterschrift
ad lubaianum de haereticis ha-
ptimndis epistula n. III (ep. 10)
sententiae episcoporum (Hb. XIIIIj
ad Pompeium contra epistulam
Stephani (ep. 14)
scheint hier zu fehlen
ad Magnum de Novatiano (ep. 69j
de Martiale et Basilide (ep. %1)
ad Fidum (ep. 64^
ad Eucratium (ep. 2)
ad Ilogatianum (ep. 13j
de laude martyrii (lib. spur. III)
ad plebem de quinque presbyteris
(ep. 43;
ad Epictetum et plebem Ässurita-
norum (ep. 65)
ad Cornelium (ep. 52)
ad clerum et plebem (ep. ])
ad Fortunatum et ceteros (ep. 56^
ad Bogatianum (ep. 3)
ad Cornelium (ep. 41)
secunda (ep. 4b)
ad Cornelium III (ep. 48^
ad Cornelium IUI (ep. 44^
ad Lucium (ep. 61)
ad Maximum et Nicostratum (ep.
46;
ad Cornelium de lapsis (ep. bl)
ad Cornelium de quinque presby-
teris (ep. 59)
quod idola dii non sint (lib. II)
ad Florentium (ep. 66)
[54 de Numidico confessore presbytero
ordinato (ep. 40)
ad Pomponium (ep. 4)
ad Stephanum (ep. 12)
ad Cornelium de confessoribus (ep.
5i;
ad Maximum presbyterum (ep. M)
ad presbyferos et diaconos (ep. 32)
sententiae episcoporum (27)
ad Pompeium (28)
ad Stephanum (29)
ad Magnum (31)
ad Martialem (32)
ad Fidum (30)
Lud ad Eucratium. (33)
unter den Abhandlungen
unter ad Cornelium Villi (42 — 50)
unter ad Cornelium Villi (42 — 50)
unter ad Cornelium Villi {42 — 50)
ad Florentium (36)
de Numidia conf. (35)
unter ad Cornelium (42 — 50)
ad eosdem et diaconos (38)
Zur lateinischen Stichometrie. 295
ad Romanos (ep. 20^
ad presbyteros et diaconos (ep. V2)
Cypriano papae lyreshijteri et dia-
coni R&mae consistentes (ep. 30^
ad clerum urbis (39)
ad presbyteros (37)
Romani resc. (40)
Also lassen sich von den 33 Briefen, die das Yerzeichniss auf-
führt^, etwa 28 in der Lorscher Sammlung mit Sicherheit oder mit
Wahrscheinlichkeit wiedererkennen und stehen daselbst in einer
vielfach der unsrigen sich nähernden Reihenfolge. Die fünf übrigen
des Yerzeichnisses n. 21. 25. 26. 29. 34 dürften sich nicht unter den i
zahlreichen ausserdem in der Lorscher Handschrift aufgeführten ver-
bergen, sondern verloren sein. Die beiden Briefe n. 21.29 scheinen,
nach den Adressen zu schhessen, mit den in dem Yerzeichniss vorauf-
gehenden 20 (= 38 Hartel) und 28 (= 74 Hartel) in sachlichem
Zusammenhang gestanden zu haben und gehören in diesem Falle
sicher zu den verlorenen. Auch für die kurzen Schreiben an den
Presbyter Adam und Genossen (n. 25. 26) ^ und an Felix und Ge-
nossen (n. 34) wüsste ich unter den erhaltenen Briefen keine zu
bezeichnen , die den durch das Yerzeichniss gegebenen Bedingungen
entsprechen. Auf den Kreis der Lorscher Briefsammlung wird die
Untersuchung wohl auf alle Fälle beschränkt werden müssen, da, so
viel ich sehe, von den in dieser fehlenden Schreiben unsere Notiz
nicht ein einziges aufführt. Möge der verdiente Wiener Herausgeber
des Cyprian, dem es vor jedem Anderen gebührt über diese Fragen
sich zu äussern, uns seine Auffassung des Yerzeichnisses baldigst zur
Kunde bringen.*)
Zur Erleichterung des Xachrechnens setze ich das Cheltenhamer 155
Yerzeichniss noch einmal her mit Angabe der Zeilenzahl der corre-
spondirenden Abschnitte nach Harteis Ausgabe. Wenn die Zahlen
bei den Briefen im Ganzen zu niedrig erscheinen, so kommt das
wohl auf Rechnung der ziemlich viel Raum in Anspruch nehmenden
Inscriptionen.
1) Dabei sind die neun CF7J7J besserte Fenwick, ich las VUI) Briefe an
den Bischof Cornelius eingerechnet. Unsere Ausgaben enthalten nur acht (44.
io. 47. 48. 51. 52. 59. 60 Hartel), ausserdem zwei oder drei (49. 50; ep. spur. 2)
des Cornelius an Cyprian.
2) Gemeint ist n. 25 wohl Adae et presbyteris XIII nnmero; in n. 26 mag
vor n die Zahl der Coadressaten ausgefallen sein.
*) [Das ist nicht geschehen.]
296
Znr lateiniscilen Stichometrie.
156
Zeilenzahl
Zeilenzahl
der
dei
Cheltenhamer
Hartelschen
Handschrift.
Ausgabe.
1.
410
lih. \
• 319
2.
500
Hb. 4
472
3.
980
m. 6
703
4.
670
m. 11
579
5.
535
lih. 10
525
6.
750
m. 5
601
7.
420
Hb. 13
347
8.
550
Üb. 8
457
9.
860
m. 12
499
10.
740
Hb. 9
795
11.
—
Hb. 7
719
12.
I 550
Hb. 3
525
II 850
886
III 770
1876
13.
650
ep. 55
560
14.
450
ep. 63
375
15.
830
Üb. sp. 3
526
16.
140
ep. 10
118
17.
70
ep. 28
53
18.
120
ep. 37
86
19.
190
ep. 11
159
20.
54
ep. 38
44
21.
140
—
—
22.
100
ep. 39
92
23.
550
ep. 73
470
24.
100
ep. 71
83
25.
30
—
—
26.
120
—
—
27.
520
lih. 14 :
543
28.
290
ep. 74
250
29.
100
—
—
30.
106
ep. 64 :
97
31.
284
ep. 69 .
388
32.
350
ep. 67 :
212
33.
40
ep. 2 :
35
34.
20
— .
—
35.
30
ep. 40 :
25
Zur lateinischen Stichometrie.
29-
42
Zeüenzahl
Zeilenzahl
der
der
Cheltenhamer
Hartelschen
Handschrift.
Ausgabe.
36. 207
ep. 66
194
37. 72
ep. 12
46
38. 25
ep. 32
20
39. 70
ey. 20
59
40. 215
ep. 30
182
41. 290
lih. sp. 9
241
50. 1108
ep. 44. 45. 47. 4
51. 600
vita :
483
991
XXXVI.
Zu den Scriptores bist. Aug.*)
298 Das merkwürdige Florilegium, das vor einigen Jahren aus der
Handschrift von Cues bekannt geworden ist^, enthält unter anderen
auch Auszüge aus den Scriptores historiae Augustae (bei Klein S. 95 f.),
auf welche zurückzukommen mich eine zufällige "Wahrnehmung ver-
anlasst, die für die Handschriftengeschichte ein gewisses Interesse
hat. Haupt (Hermes 1, 45 = opusc. 3, 339) und Dümmler (in
Wattenbachs neuem Archiv 3, 189) haben in der Schrift des Sedulius
de rectorihus christianis (Mai spicil. Rom. t. YHI) drei den scriptores
historiae Augustae entlehnte Stellen nachgewiesen.
c. 6 p. 19: unde illa Antonini imperatoris praecipua semper in
consiliis fuit sententia: ^aequius est ut ego tot et tälium ami-
corum consilium sequar, quam ut tot et tales amici nieam unius
voluntatem sequantur\ Aus vita Marci 22.
c. 14 p. 43: qui ab uno vinci non potest, interdum a multis vincitur.
elepJias grandis est et occiditur, leo fortis est [et occiditur], tigris
fortis est et occiditur. Aus vita Maximinorum 9.
c. 7 p. 22: quaeritur, quae causa etiam ex honis malos ijrincipes
faciat. (ad quod dicendum) : iam primum regalis licentia, deinde
rerum copia (cum ipsa ahundantia rerum causa malorum fiat),
amici praeterea improM, satellites detestandi, eunuchi avarissimi,
aulici vel stulti vel detestäbiles, (per quos omnes etiam in illo
dominatore, qtd videhatur honus esse, nascitur ohlivio manda-
torum dei: postremo), quod negari non potest, rerum puhlicarum
*) [Hermes 13, 1878, S. 298 — 301. Mommsens Ausführungen sind von
H. Dessau, Hermes 29, 1894, S. 414f. bestätigt und in Einzelheiten erweitert
worden.]
1) Ueber eine Handschrift des Nicolaus von Cues von Joseph Klein.
Berlin 1866.
Zu den Scriptores bist. Aug. 299
ignorantia. hinc colligimt se quatUior vel quinque atque unum
consilium ad decipiendum imperatarem (seu regem) capiunf. 299
- dicunt quid prohandtmi sit. Imperator qui domi claustis est
Vera non novit: cogitur hoc tantum \scire\ quod iUi loquuntur.
facit iudices quos fieri non oportet, amovet a re publica qtios
debeat optitiere. unde etiam venditur bonus et cautiis et optimus
imperator. Aus vita Aureliani 43; Sedulius eigene Zusätze
sind in ( ) eingeschlossen.
Es kann nicht Zufall sein, dass diese alle in den Cusaner
Excerpten wiederkehren; und noch weniger, dass in der letzten
Stelle bei Sedulius genau die von der üeberliefening wesentlich sich
entfernende Fassung vorliegt, die der Epitomator der Stelle gegeben
hat. Damit ist erwiesen, dass wenigstens das Florilegium aus den
Scr. hist. Ättg., wahrscheinlich aber die ganze in dem Cusaner Codex
uns erhaltene Excerpten Sammlung vor der Mitte des 9. Jahrhunderts
abgefasst ist, in welcher Zeit der Irländer Sedulius an der Lütticher
Schule als Lehrer und Schriftsteller wirkte. Die Cusaner Handschrift
ist aus dem 12. Jahrhundert, bezeichnet sich aber selbst als Abschrift
eines älteren defecten Manuscripts.
\Venn also die Cusaner Excerpte aus Handschriften von solchem
Alter hen-ühren, so werden ihre Lesungen von Wichtigkeit, nicht
gerade an sich, aber wohl als Pfadweiser für die richtige Schätzung
unserer Ueberlieferung. Insonderheit die Auszüge aus den Kaiser-
biographien hätten wohl eine etwas sorgfältigere Behandlung verdient,
als ihnen von ihrem Herausgeber zu Theil geworden ist. Trotz ihres
bescheidenen Umfanges kann, bei der geringen Zahl der über das
fünfzehnte Jahrhundert hinausgehenden Handschriften der Kaiser-
biographien und bei dem fast gänzlichen Mangel von Allegaten
derselben aus dem Mittelalter, die Frage keine müssige heissen, von
welcher Beschaffenheit diejenige gewesen sein mag, die einst in
derselben Bibliothek gestanden hat mit dem vortrefflichen Codex
der Ciceronischen Reden, der die Fonteiana und die Pisoniana damals
noch vollständig enthielt, und aus der schon spätestens im 9. Jahr-
himdert Auszüge gemacht worden sind.
Es sind die Cusaner Excerpte nicht geflossen aus den schon
früher bekannten palatinischen (Jordan in der Yorrede*) S. TUf.),
sondern aus dem vollständigen Werk. Zwar ist der Umfang der
letzteren nicht genau bekannt;**) doch zeigen schon die von Jordan
*) [Zu seiner und Eyssenhardts Ausgabe der script. hist. Aug., Berlin 1864.]
**) [Sie sind in ihrem ganzen Umfang von Peter in seiner Ausgabe Leipz.
1834, benutzt worden; s. dort praef. S. XVI f. und Dessau a. a. 0. S. 414 f.]
300 2u den Scriptores bist. Aug.
p. VIII zur Probe mitgetheilten Auszüge aus dem Hadrian, dass die
300 Cusaner Excerpte drei Sätze — S. 17, 8 [19, 17 Peter] frigora . . .
texerit; S. 18, 17 [21, 3 P.] in honorem . . . iussit; S. 25, 6 [28, 21]
item . . . esse — enthalten, die in den palatinischen fehlten.
Die Handschrift, der sie entstammen, hatte dieselbe Unordnung
in der Folge der Biographien und dieselbe Blätterversetzung wie
diejenige, aus der der B(ambergensis) und der P(alatinus) und die
den palatinischen Excerpten zu Grunde Hegende abgeleitet sind.
Auch hier folgte Avidius Cassius erst nach Commodus, Diadumenus
auf Elagabalus (denn aus jenem p. 189, 17 ist das von Klein, wie
manche andere leicht zu findende, nicht nachgewiesene Sätzchen ^
nie speciosissimus omnium tamquam sydereus et caelestis emicuit gratia
venustate). Die Umsetzung im Alexander Severus und den folgenden
Biographien zeigt sich deutlich in der folgenden Zusammenstellung:
Ordnung unserer
Hand-
im Cusanus erhaltene
Schriften:
Stellen:
I p. 248, 25
I p. 243, 22
I p. 258, 20 — II p
.4,9
I p. 263, 3
I p. 248, 26 — 258,
20
*I p. 250, 24 danda sunt beneficia
I p. 258, 12
II p. 14, 1 - p. 57,
13
*II 18,15 Idborem in victoria nemo
sentit (geht auf die Erzählung
von dem Läufer)
*II 20, 18 omnis hipocrita
*II 44, 3 miser est imperator
II p. 4, 9 — 14, l
*II 4, 10 miro cum gaudio
II 7, 12
II 12, 20
II 12, 27
II p. 57, 13 f.
II 64, 18
Die Ueberschrift ex vita Caesarum stimmt mit derjenigen der
palatinischen Excerpte ^ex libro Spartiani de vita Caesarum excerptum\
während die für uns massgebenden Handschriften (BP) betitelt sind:
vitae diversorum principum et tyrannorum a divo Hadriano usque ad
Numerianum diversis conpositi (so), die Handschrift B daneben den
301 zweiten Titel trägt: excerpta Spartiani de principibus. Da die beiden
Auszugmacher übereinstimmen und von einander, wie wir sahen,
1) Ich habe diese mit einem Stern bezeichnet.
Zu den Scriptores bist. Aug. 301
unabhängig sind, so möchte die üeberschrift vüae Caesarum Anspruch
darauf haben die ursprüngliche zu sein.
Die abweichenden Lesungen sind fast durchaus gleichgültige
Schreibfehler und kleine Aenderungen und Interpolationen, wie sie
bei derartigen Excerpten selbstverständlich sind. Auszuheben möchten
etwa folgende sein.
Hadr. 15, 12 (Peter) p, 15, 9 (Jordan): cum uerhum eins quondam
ab Hadriano reprehensiim esset — Die Handschrift quoddam
eins mit der princeps richtig.
Hadr. 17, 9 p. 17, 9 tegeret die Handschrift mit P^, texeret BP^.
Wohl Besserung des Auszugmachers.
Comm. 19, 8 p. 101, 12 0 nos felices te viro imperante — die Hand-
schrift sie te vero statt te viro.
Avid. Cass. 13, 5 p. 85, 16 zwischen mncis inimicos und Jiostis exu-
peras setzt der Cus. ein exemplo clementiae ttiae, was die Rede
aber verdirbt.
Pescenn. 6, 5 p. 142, 11 vocis catiarae — vocis raiicae, sed canorae-
die Handschrift, gewiss durch Interpolation.
Alex. 7, 1 p. 223, 7 suscipias P mit Cus., accipias B.
Alex. 10, 6 p. 225, 16 si tierecundicte] dii immortales fattearU uere-
cundiae Cus.
Alex. 18, 2 p. 230, 17 steht das verdorbene dicit (statt edici) wie
in P^B so auch im Cus.
Alex. 57, 5 p. 258, 12 salva Borna, salva res publica, quia salvus
est Alexander — so Cus. ; in unsern Handschriften fehlt salva
res publica.
Taler. 5(1), 6 p. 69, 21 steht im Cus. zwischen inimieiis tyrannorum
und hostis criminum noch in consiliis vehemens.
XXXVII.
Die Scriptores historiae Augustae.*)
228 Wenn ich es unternehme unmittelbar nach dem Erscheinen der
vortrefflichen Arbeit Dessaus über Zeit und Persönlichkeit der scrip-
tores historiae Augustae ^ denselben Gegenstand abermals zu behandeln,
so geschieht dies viel mehr, um deren Ergebnisse zu stützen als um
sie zu bestreiten, supplendi gratia magis quam corrigendi. Das haupt-
sächliche derselben, dass in diesen Biographien sowohl den Schrift-
stellern der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts entnommene
Abschnitte begegnen wie auch Beziehungen auf die Verhältnisse
dieser Epoche, hat mich vollkommen überzeugt und giebt meines
Erachtens das lange gesuchte Wort dieses litterarischen Räthsels
oder, genauer gefasst, eines dieser Worte; denn das Räthsel ist
einfacher Lösung nicht fähig. Aber es giebt wie ein Finderglück,
so auch ein Finderunglück und meistens gehen beide zusammen;
regelmässig pflegt wem dergleichen gelingt, die bisher geltende
Ansicht allzu gründlich zu verwerfen und, wenn theilweise in das
Schwarze, in anderer Hinsicht über das Ziel hinauszuschiessen. Dies
scheint mir auch hier eingetreten. Die Sammlung ist nicht, wie
*) [Hermes 25, 1890, S. 228—292. Die umfangreiche Literatur, die seitdem
über dies Problem erschienen ist, braucht hier um so weniger angeführt zu
werden, als sie in den letzten Behandlungen durch F. Leo, Die griech.-röm.
Biographie, Leipz. 1901 , S. 301 ff. sowie bei M. Schanz, Gesch. d. röm. Lit. IV 1,
München 1904 , S. 55 verzeichnet worden ist (vgl. noch Otto Th. Schulz , Das
Kaiserhaus der Antonine u. s. w., Leipz. 1907). Übereinstimmung in der Lösung
des Problems ist noch nicht erreicht worden, es sei aber bemerkt, daß vieles zu
Gunsten der hier von Mommsen bekämpften Ansicht zu sprechen scheint; für
die prinzipielle Controverse wird man nicht ohne Nutzen Moramsens eigne
Auffassung von der Zusammensetzung des gromatischen Corpus (unten Nr. LH)
vergleichen. Doch sollen im Folgenden die abweichenden Meinungen nur insoweit
angeführt werden, als sie einzelne tatsächliche Versehen Mommsens berichtigen.]
1) In dieser Zeitschrift 24, 337 f.
Die Scriptores historiae Augnstae. 303
Dessau meint, eine Arbeit aus theodosischer Zeit, welche fölschlich
in der diocletianisch-constantinischen geschrieben sein will, sondern
sie ist im Wesentlichen in der letzteren Epoche entstanden und nur
unter der folgenden Dynastie mit einigen relativ nicht bedeutenden
Einlagen versehen und hie imd da überarbeitet worden.
Es sollen zunächst diejenigen Momente hervorgehoben werden,
welche es meines Erachtens verbieten die Abfassung dieser Bio-
graphien, im Grossen und Ganzen genommen, in die theodosische
Zeit hinabzurücken.
Dass eine unter der valentinianisch-theodosischen Dynastie
redigirte Sammlung der Kaiserbiographien mit Carus abgeschlossen 229
haben soll, ist an sich schon befremdend, da Arbeiten dieser Art
ihrem Wesen nach die Fortführung bis auf oder bis nahe an die
Gegenwart fordern, und der Einschnitt, den die diocletianische Um-
gestaltung des römischen Staatswesens allerdings gemacht hat, für
diese Biographen unmöglich geltend gemacht werden kann. Aber
geradezu unbegreiflich, ja widersinnig erscheint es, dass ein solcher
Redacteur die Maske der diocletianisch-constantinischen Epoche vor-
genommen haben soll und nicht blos damit jeder Hinweisung auf
seine Zeit aus dem Wege gegangen ist, sondern auch eine damals
erloschene Dynastie in seltsamer Uneigennützigkeit gefeiert hat. Die
Fälschungen, von denen diese Biographien wimmeln, sind durchgängig
Lückenbüsser; man begreift es, dass, wer erzählen soll und nichts zu
erzählen weiss, ins Lügen geräth. Aber die Biographie des Claudius
mit ihren überschwänglichen Lobreden auf einen ephemeren und
längst verstorbenen Herrscher, mit der unverfrorenen Erklärung, dass
dies des Constantius wegen geschehe, mit ihrer feierUchen Hinweisung
auf die Unvergänglichkeit der flavischen Dynastie trägt unverkennbar
den Stempel des — natürlich gleich allen seinen Collegen durch die
reine Wahrheitsliebe zu solcher Verherrlichung gedrängten — Offi-
ciosus; und die Hypothese, dass hier in mühsamer Fälscherconsequenz
der Preis einer zur Zeit der Abfassung ausgestorbenen Dynastie
verkündet werde, wird einfach widerlegt für jeden Unbefangenen
durch das cui hono, das bei litterarischen Producten dieser Art nicht
trügen kann. Sie ist gerade so wahrscheinlich wie es die Terherr-
lichung der Neapolitaner Bourbonen durch einen italienischen Loyalen
sein würde.
Aber auch eine Reihe anderer Erwägungen sprechen gegen die
Entstehung dieser Sammlung in so später Zeit, wie Dessau dies
annimmt. Man darf bei den folgenden Instanzen nicht vergessen,
dass diese Biographien eine der elendesten Sudeleien sind, die wir
304 I^ie Scriptores historiae Augustae,
aus dem Alterthum haben, und dass ihren Verfassern alles eher
zugetraut werden darf als Geschick und Consequenz im Verbergen
des seltsamen von Dessau ihnen untergelegten Planes.
In religiöser Beziehung gedenkt der älteste unter Diocletian
abgefasste Theil der Sammlung lediglich des severischen Verbots des
230 Uebertritts zum Juden- wie zum Christenthum ^ und spricht Pollio,
der in den letzten Jahren Diocletians schrieb, von diesem überhaupt
nicht 2, Von den Schriftstellern der constantinischen Epoche behandelt
der ältere das Christenthum wie das Judenthum geringschätzig als
insbesondere in Aegypten endemische Uebel^, der jüngere, obwohl
auch ein guter Heide, mit Respect und bereits mit Apprehension*.
Alle diese Momente stimmen eben in ihrer Nuancirung vollständig
überein mit den Verhältnissen der diocletianisch-constantinischen Zeit;
kein Sachkundiger wird bestreiten, dass sie für die tbeodosische nicht
passen.
Die administrativen Ordnungen, welche aus diesen Biographien
sich ergeben, würden, wenn diese gewissenhaft und sachkundig
gearbeitet wären, lediglich auf die geschilderte Zeit sich beziehen
und also auf die Zeit der Abfassung einen Schluss nicht gestatten.
Aber namentlich die zahlreich eingelegten gefälschten Urkunden
stehen vielfältig mit den Verhältnissen der Epoche, auf die sie sich
beziehen, im Widerspruch, und es liegt in der Sache, dass, wenn
auch manche freie Erfindung dabei mit untergelaufen ist, deren
Urheber überwiegend sich anlehnen an die ihnen selber bekannten
und geläufigen Ordnungen und also die Abfassungszeit daraus mit
erschlossen werden kann. Die auf diesem schlüpfrigen Gebiet sich
ergebenden Beobachtungen sind wichtig für die richtige Behandlung
der schwierigen Quelle; was ich hier vorlege, macht nicht den
Anspruch, den Gegenstand zu erschöpfen.
Die geographischen Bezeichnungen entsprechen im Allgemeinen
den lateinischen der vordiocletianischen Epoche ; aber es finden sich
1) Secer. 17, 1.
2) Beiläufig erwähnt Pollio Claud. 2, 4 den Moses.
3) Aurelian 20,5 tadelt den Senat, dass es bei ihm zuginge, quasi in
Christianorum ecdesia, non in templo deorum omnium tractaretis. In der bekannten
Diatribe gegen Aegypten Saturnin. 7—8 spielen die Juden, Samariter und Christen
eine Hauptrolle. Die heidnischen Götter heissen Aur. 24, 3. 26, 5 vere dei (an
beiden Stellen in virdei verdorben).
4) Bezeichnend ist besonders die Abmahnung der Haruspices von der durch
Alexander beabsichtigten Aufnahme des Christus unter die Tempelgötter: omnes
Christianos futuros, si id fecissent, et templa reliqua deserenda (Alex. 43, 1). Vgl.
ferner Elag. 3, 5; Alex. 22, 4. 29, 2. 45, 7. 49, 6. 51, 7.
Die Scriptores historiae Augustae. 305
einzelne Spuren der mit der diocletianischen Reiehsordnung neu
eintretenden Xoraenclatur. Dahin gehört das häufige Auftreten der
von Diocletian herrührenden Diöceseneintheilung und insbesondere
die damit aufgekommene Verwendung von Oriens für Syrien und die 231
Xebenländer bei Pollio ^ wie beiVopiscus-; ferner von den diocletia-
nischen Benennungen der Provinzen die der thrakischen Diöcese
Haemimontus, Rhodope, Europa und Scythien bei denselben Autoren'.
Ob die Vervrendung von Libya für die Küste zwischen Aegypten und
Tripolis* hieher gezogen werden darf, ist zweifelhaft, da diese an
ältere Verhältnisse anknüpfende Bezeichnung von Diocletian wohl
mehr aufgenommen als neu gesetzt ist. Die engen Grenzen, in
welchen anachronistische Districtsnamen auftreten, entsprechen der-
jenigen Abfassungszeit, welche diese Schriften sich beilegen. Die
Erwähnung der Provinz Tripolis findet sich in einer aus Eutrop
eingelegten Stelle ^ und die merkwürdig genaue Eintheilung Italiens
nach seinen Diöcesen und Provinzen bei Pollio ^ sieht ebenfalls nach
Einlage aus. Aber die Schreiber dieser Biographien wissen nichts
1) Valer. 3, 2 neben Italia, GalUa, Hispania, Äfrica, Illyricum, Pontiis —
GaU. 2, 5 neben Asia und Illyricum — Trig. tyr. 12, 12 neben Illyricum und
Thraciae — 29, 1 neben partes Gallicanae, Africa, Illyricum, Tliraciae, Pontus.
r>ie3 alles geht zurück auf die Diöcesen.
2) Aurel. 13, 1: praeses Orientis. Ueber den Umes Oiientalis vgl. S. 238 A. 7
[ol2 A. 1].
3) Claud. 11, 3: cum se Haemimontum multitudo barbararum gentium . .
contulisset. Aurel. 17, 2: Gothi . . Haemimontum Europamque vexant. Auch
' 'rel. 30, 4. 31, 1. 32, 1. 2 und Prob. 13, 4 kann Europa nur in dem späteren
nie gefasst werden, wenn gleich die Bezeichnung hier etwas weiter aus-
lehnt wird. Aurel. 31, 3: e Bhodopa revetiit. Aurel. 13, 1: Scytliici limitis dux.
4) Serer. 8, 7: ad Africam . . . legiones viisit, ne per Libyam atque Aegyptum
!ier Africam occuparet; ähnlich Pescenn. 5, 5 und Prob. 9, 1. Auch Hadr. 5, 2
- wohl mit Recht lAhya hergestellt und Kyrene gemeint.
5) Sever. 18, 3.
6) Trig. tyr. 24. 5: (Tetrieum) correctorem totius Italiae fecit, id est Campaniae
mni Lucaniae Brittiorum Ajndiae Calabriae Etruriae atquf Umbriae Piceni et
ii.miniae omnisque annonariae regionis. Die annonaria regio (seltsam miss-
istanden von Marquardt Staatsverw. l, 230 A.5) ist der Bezirk des Vicarius
■11 Italien, der seit Diocletian der Staatskasse steuerpflichtig war; die dem
urius in urbe Borna unterstellten Provinzen, deren Abgaben der Stadt Rom
^.u Gute kamen, sind genau die hier neben der annonaria regio aufgezählten,
wobei Flaminia uud Picenum noch ungetheilt unter den urbicariae regiones er-
scheinen, während nach dem J. 365 der nördliche Theil davon zu dem Vicariat
7011 Italien geschlagen ward (röm. Feldmesser 2, 210 f.). Es kann also diese
'Stelle so, wie sie steht, von Pollio geschrieben sein, aber da sie als Erklänmg
.ftritt, ebenso gut dem Diaskeuasten gehören.
MOMMSEN, SCHB. VU. 20
306 Die Scriptores historiae Augustae.
232 von Constantinopel; sie kennen allein und nennen häufig Byzanz,
civitas clara navalihus hellis, clanstrum Ponticum^.
Yon grösserer Wichtigkeit sowohl überhaupt wie auch in Be-
ziehung auf die chronologische Frage sind die Civil- und Militär-
ämter.
Yon den comites^ deren Einrichtung in die spätere Zeit Con-
stantins fällt ^ und die seitdem auf Schritt und Tritt begegnen, findet
in unseren Biographien sich keine Spur^. Niedrig stehende Schrift-
steller der theodosischen Zeit würden dies schwerlich fertig gebracht
haben.
Unter den Civilämtern kann die mehrfach vorkommende Be-
zeichnung des procurator als rationalis^ nicht beanstandet werden,
da sie bereits dem dritten Jahrhundert, wenn gleich nicht als titulare
angehört ^. Aber sicher ist anachronistisch der corrector Lucaniae
Tetricus des Yopiscus,*) da erwiesenermassen Italien bis mindestens
zum J. 290, vielleicht bis 300, unter einem einzigen Corrector
gestanden hat und Pollio, im Widerspruch mit Yopiscus, eben dieses
Amt dem Tetricus beilegt. Da indess derselbe Fehler bei Yictor und
Eutrop sich vorfindet, so kann diese Ansetzung daraus von dem
Diaskeuasten in den Text des Yopiscus hineincorrigirt sein^. —
Andere in den Biographien und vorzugsweise in den gefälschten
Urkunden erwähnte Beamte, der mehrmals begegnende Civil- und
233 Militärverwalter von ganz Gallien ' oder gar von Gallien und Illyricum **,
1) Gall. 6, 8. 9, wo weiter die Verödung der Stadt geschildert wird.
2) Meinorie delV Instituto 2, 302 f.
3) Der comitatus prindpis der älteren Zeit wird erwähnt Fnis 7, 11 und
Verus 7, 6-8.
4) Alexander 45, 6: procuratores id est rationales. Aehnlich wird in deni
von Herodian abhängigen Stellen Maximin. 14, 1 ; Gwd. 7, 2 das grieehische|
sjiETQÖjiEve mit fisci procuraü»' wiedergegeben , dann aber weiterhin dafür ratiO'
tmlis gesetzt.
5) Hirschfeld Verwaltungsgesch. 1, 37 [2. Aufl. 35 f.].
*) [Aurel 39, 1.]
6) Dies ist weiter erörtert eph. epigr. 1, 140 (danach Marquardt Staats*
Verwaltung 1, 230).
7) Am bestimmtesten bezeichnet Pollio den Postumus als Transrhenar
limitis dux et Galliae p)-aeses (trig. tyr. 3, 9, Brief Valeriansj; gleichartig ist|
offenbar Tetricus iure pi-aesidali omnes Gallias regens (das. 24, 4 vgl. 1) , aucli
wohl Ragonius Celsus Gallias regens (Nig. 3, 9 , Brief des Severus^, wogegea|
unter den von Balbinus verwalteten Provinzen (Max. et Balh. 7, 2) Galliae, wohlf
nur mit incorrecter Verkürzung aufgeführt wjerden.
8) Trig. tyr. 18,5, Schreiben Valerians Ragonio Claro praefecto Illyric
et GaUiarum.
Die Scriptores historiae Augustae. 307
der praeses Orieiifis^, der praefecius annonae Orientis^^ der proatrafor
aerarii maioris^ sind ohne Zweifel ebenfalls fictiv, lassen sich aber
nicht oder doch nicht mit Sicherheit als anachronistische Ueber-
tragungen bezeichnen. Nur negativ kommt in Betracht, dass nirgends
eine sichere Hindeutung sich findet auf die constantinische Prätorianer-
präfectur. das heisst auf deren Umwandlung in ein reines Civilamt
und auf die von dem Oberregiment unabhängige Theilung des Reiches
unter die mehreren Präfecten.
Belehrender ist die Behandlung der Offiziere, wie die Kaiser-
biographien sie aufweisen.
Die Bezeichnung legattis kommt nach der diocletianisch-constan-
tinischen Ordnung titular allein den den Proconsuln beigegebenen zu,
und für diese wird sie auch in diesen Biographien mehrfach verwendet*.
Als Titel des Provinzialstatthalters findet sich Jegatus in correcter
Verwendung nur in den älteren Biographien und auch hier nicht
häufig '". in den späteren mehrfach als missbrauchte Reminiscenz ^.
1) Aurel. 13, 1 , Protokoll über eine Art Staatsrathsitzung unter Valerian.
Der darin genannte consul Ordinarius Memmius Fuscus wird für den Tuscus des
J. 258 gehalten, ist aber ebenso verdächtig wie das ganze Actenstück.
2) In demselben Protokoll.
3) J>iadum. 4, 1 ; vgl. über die möglichen Auffassmigen dieser Worte Eürsch-
feld Untersuch. 1, 193 [2. Aufl. 307 A. 3]. Zu vergleichen ist das repostorium
sandius, in dem Hadrians Daktyliothek aufbewahrt ward (Marc. 17, 4,). — Der
CJaud. 15, 4 in einem Schreiben Valerians genannte curator Illyrici metlarins
oder nach meiner Vermuthung metdüarius kann der im 4. Jahrhundert als
comes metallorum per lUyricutn (C. Th. 10, 19, 3; Not. dign. Or. 13, 11^ auftretende
Beamte sein; es ist nicht erweislich, aber möglich, dass derselbe vordiocletianisch
i?t und früher jenen Titel geführt hat.
4) Sever. 2, 5. 6; Gord. 7, 2. 18, 6; JVoft. 13, 1 wird den Senatoren gestattet,
uf . . proconstiles crearent, legatos [üs ex] consulibus darent, fast gleichlautend mit
Gord. 7, 2.
5) Hadr. 3, 9: legatus postea pradorius in Pannoniam inferiorem missus.
Ser«r. 3, 8: Liigdunetisem provineiam legatus accepit. Gewöhnlich wird dafür die
allgemeine Bezeichnung praeses oder auch redor oder dergl. gesetzt.
6) Im Nachtrag zu den trig. tyr. 33, 1 heisst Censorinus in einer Gruppe
von Unglaublichkeiten: legattts praetorius secundo, quarto aedilicius, tertio quae-
itorius; ohne Zweifel liegt hier die eben angeführte Stelle aus dem Leben
Hadrians zu Grunde, wobei aber übersehen ward, dass diese legati nur entweder
consulares oder praetorii sind und es legati aedilicii und quaestorii nicht geben
kann, weil diese niederen Klassen zur Statthalterschaft nicht qualificirt sind.
Yermuthlich dachte der Schreiber an die senatorischen Gesandtschaften, da er
'ortföhrt: extra ordinem q>'oque legatiotie Persica functtis, etiam Sarmatica, wonach
»r also jene Gesandten sich als ordentKche (I) vorgestellt zu haben scheint. —
rschieden, unter sich aber verwandt sind die Stellen Nig. 6, 10: fuit . . . miles
20*
308 Die Scriptores historiae Augustae.
Der Legionscommandant heisst nirgends legatiis'^^ sondern es wird
diese Stellung in den besseren Biographien regelmässig umschrieben ^,
während, wie weiterhin gezeigt w^erden soll, bei den schlechteren
tribunus dafür eintritt.
Praefectus findet sich als Titel und zwar correct für eine der
von jeher unter Rittercommando stehenden Legionen 3; ohne Zweifel
hängt dies damit zusammen, dass dieser Titel für den Legionsführer
noch unter Diocletian in Gebrauch war*. In Beziehung aufAlenund
Cohorten wird der Titel nirgends gesetzt; er ist hier, wie gleich zu zeigen
sein wird, nach der späteren Redeweise verdrängt durch trihunus.
Die mehreren fribuni^, welche nach älterer Weise die Legion
commandiren, werden ausdrücklich nur einmal erwähnt^; regelmässig,
235 jedoch nicht in dem ältesten Abschnitt, ist der Tribun der Einzelführer
der Gesammtlegion ''. Die factische Beseitigung der Gesammtlegion
optimus, trihunus singularis, clux praecipuus, legatus severissimus, consul insignis;
Alex. 52, 4 : iussit ut ante tribnnmn quattum' milites ambularent, ante ducem sex,
ante legatum decem; Heliog. 6, 2: müitaribus . . . praeposituris et tribunatibtis et
legationibus et dticatibus venditis und das. 11, 1: fecit Ubertos praesides legatos . . .
duces; Maximin. 15, 6 als Adresse eines falschen Senatsschreibens: proconsidibus,
p^'aesidibus, legatis, ducibus, 'tribiinis, magistratibus ac singulis civitatibus et muni-
cipiis et oppidis et vicis et castellis. Dass hier die ältere Terminologie und die
spätere in einander gewirrt sind, erhellt schon daraus, dass der legattis darin
bald unter, bald über dem dux rangirt.
1) Die Pert. 9, 6 neben den vacationes genannten legationes militares sind
wahrscheinlich Verschickungen, nicht Commandos. Daselbst 1, 6: a pi-aeside
Syriae . . . pedibus ... ad legationem suam iter facere coactus est ist wohl legionem
zu schreiben.
2) Hadr. 3, 6 : eum primae legioni Minerviae praeposuit ; Pert. 2, 6 : pi'uet<yrium
eum fecit et primae legioni regendae imposuit; Sever. 3, 6: legioni IUI Scyiliicae
p)raepositus ; lul. 1, 6: legioni praefuit in Germania . . . primigeniae; Älbin. 6, 2:
egit et legionem quartanorum et primanorum. Offenbar wird die Bezeichnung
legatus legionis als abgekommen vermieden.
3) Carac. 6, 7 : praefectus legionis II Parthicae. Vgl. Domaszewski Wiener
Stud. 9 (1887) S. 297; Hirschfeld Berliner Sitzungsber. 1889 S. 434.
4) Er findet sich noch in einer Verordnung vom J. 290. In dieser Zeitschrift
24, 212 f. 270. [In dem Aufsatz: ,Das röm. Militärwesen seit Diocletian" =
Eist. Sehr. Bd. III.]
5) Militaris trihmiis Max. et Balb. 5, 7; tribunus militum nirgends, ent-
sprechend dem späteren Gebrauch. — lieber die vicarii der Tribunen, die trig.
tyr. 10, 4; Aurel. 7, 5. 10, 2 vorkommen, vgl. d. Ztschr. 24, 270 A. 5 [vgl. oben A. 4].
6) Alex. 54, 7: tribunos eins (legionis exauxioratae) capitali affecit supplicio.
Entsprechend rechnet der Verfasser dieser Biographie 50, 5 die Legion zu
5000 Mann. Ebenso ist natürlich zu fassen Hadr. 2, 2 : tribunus II adiutricis
legionis creatus. Unbestimmt Alex. 50, 2.
7) 3Iaximin. 5, 5; Claud. 14, 2; Aurel. 1,1, in welchen Stellen offenbar es
sich um das Commando der ganzen Legion handelt. Unbestimmt Prob. 4, 7. 12,
I>ie Scriptores bistoriae Augustae. 309
und ihres Sammtcommandos und das Eintreten der von einem ein-
zelnen Tribun geführten Theil- oder Neulegion ist ein Werk Dio-
cletians '; und es passt gut zu den überlieferten Datirungen, dass der
älteste Abschnitt die letztere nicht kennt, dagegen in den späteren,
namentlich in den gefölschten Urkunden sie häufig auftritt. —
Ausserdem aber begegnet der tnhunus nicht blos als Führer der
Prätorianer- 2 und der städtischen Cohorte', sondern als der Führer
eines jeden mimerns*. auch der Reitertruppe ^; wobei diese erscheinen
als den Legionstribunen nachstehend ^, auch zuweilen den nicht titular
bezeichneten Legionsführem als trihimi entgegengesetzt werden".
Dem entsprechend bezeichnet tribtmtis ganz gewöhnlich den Offizier
überhaupt^ im Gegensatz einerseits zu dem Centurio und dem 236
Gemeinen ^, andererseits zu dem Feldherrn, dem (lux ^"; der tribunns
rückt auf zum chix^^ und unterscheidet sich von ihm durch die
geringere Zahl der Ordonnanzen ^^ und die geringeren Emolumente^^.
1) Diese Zeitschr. 24, 216 f. 270 [vgl. o. S. 308 A. 4].
2) Pias 12, 6; 3Iarc. 7, 3; Pert. 5, 7; lul 2, 4; Ser. 23, 1; Eeliog. 14, 8. Aus-
drücklich als Tribane der Prätorianer werden sie freilich nirgend bezeichnet.
3) Get.6,4.
4) Claud. 13, 3: tribunus Assyriorum; Prob. 4, 1: iribunatum in eum (Pröbum)
contuli datis sex cdhortihus Saracenis, creditis etiam auxiliaribus Gallis cum ..
Persarum manu.
5) Äibin. 6, 2: egit tribtmus equites Balmatas. Auch der Iribunus Vocontionim
trig. tyr. 3, 11 wird auf die gleichnamige cda (ej)h. epigr. 5 p. 170; zu beziehen sein.
6) Von dem A. 6 [4] bezeichneten Tribun mehrerer Gehörten heisst es
Prcif. 4, 7: hospitia . . . eidem ut tribunis legionum praeberi iubebis.
7) Prob. 12, 6: adidescens tribimatus, non lange post adulescentiam regendas
Ugiones accepit. Auch Albin. 6, 2 heisst es nach den A. 7 [5] angeführten Worten
weiter: egit et legionem quaiianonim et primanorum.
8) Endr. 10, 3 — 7; ATbin. 5, 4; Maciin. 12, 7; Maximin. 3, 1. 5, 1. 6, 6. 7, 4
(tribunis barbaris); 3fa.r. et Balb. 5, 7; trig. tyr. 12, 10. 18, 11 (tribtmus stipator,
wenn die Lesung richtig; vgl. Alex. 15,5); 29,2 (ex tribunis); Aur.6,2; Prob.
B, 5. 4, 3. 5, 1. 6, 2 Schreiben tribunis exercituum lUyricianorum.
9) Cass. 4, 6; Nig. 3, 7—11; Carac. 11, 3: Alex. 15, 5. 23, 1. 50, 2; Maximin.
3, 6; Prob. 3. 2: cum ordines honestissime duxisset, tribunatum adeptus; 10, 4.
10) Tribuni und djices zusammengestellt: Ser. 9, 8; Xig.B, 12; Alex.b2,B;
; Gord. 28,4; Valer.6,1; ^»«r. 10, 2: habitit multos ducatus, plurimos tribunattis,
vicarias ducum et tribunorum diversis temporibits p}-ope quadraginta. — Dttces,
tribuni, milites: Maximin. 15,4; tribuni, duces, milites: Alex. 55, 2: Maximin. 7, 1;
femer Aur. 17, 2 ; ttio magisterio milites uti rolo, tuo ductu tribunos. Dazu die
S. 233 A. 7 [307 A. 6] angeführten Stellen.
11) Xig. 4, 4: ei tribuuatus dtios dedi, ducatum mox dabo, ubi per senectidem
Aelius Corduenus rem p. recusavetit ; Maxiviin. 6, 4.
12) Alex. 52, 4 (S. 233 A. 7 [307 A. 6]).
13) Claud. 14, 15 : haec . . . idcirco specialiter non quasi tribuno, sed quasi duci
detuli, gtäa vir talis est, ut ei plura etiam deferenda sint.
310 Die Scriptores historiae Augustae.
— Dieser erweiterte Gebrauch des Wortes, welcher wesentlich die
gesammte nachdiocletianische Litteratur beherrscht^, beruht theils
auf dem Bedürfniss für die Abtheilungsführer eine zusammenfassende
Benennung zu gewinnen, theils auf nachlässiger Handhabung der
technischen Offizierstitel; eine genauere Zeitbestimmung scheint ihm
nicht entnommen werden zu können und es lassen sich auch in den
verschiedenen Massen darin keine bestimmten Unterschiede wahr-
nehmen, wenn gleich allerdings, je schlechter die Biographen werden,
desto mehr der uneigentliche Gebrauch des Titels um sich greift.
Die nicht häufig vorkommende Bezeichnung praepositus^ unter-
scheidet sich nicht wesentUch von dem tribunus in dessen weiterer
Anwendung.
Yon den beiden durch die diocletianisch-constantinischen Ord-
nungen neu geschaffenen militärischen Titulaturen magister militum
und dux kennen unsere Schriftsteller die erstere nicht und verwenden
237 überhaupt den Magisternamen nie für Offiziere^. Wo die historische
Fiction so umfassend gewaltet hat wie hier, wird man dies nicht
daraus zu erklären haben, dass es zur Zeit der erzählten Begeben-
heiten also benannte Offiziere nicht gab, sondern es waren die erst
von Constantin eingesetzten magistri militum den Schreibern unserer
Biographien nicht bekannt oder doch wenigstens nicht geläufig.
Anders verhält es sich mit dem dux. Diese Bezeichnung des
Feldherrn kommt in der besseren Zeit dem obersten Befehlsführer
ohne Rücksicht auf dessen Rangstellung zu und hat also keinen
titularen Werth ; auch in unseren Biographien, selbst in den spätesten
und schlechtesten, wird häufig noch dux also gebraucht*. Aber
1) So braucht z. B. Victor Caes. 39 ebenso duces und tribuni. Vgl. diese
Zeitschr. 24, 270 [vgl. o. S. 308 A. 4].
2) Neben dem Tribunat Heliog.G,2, allein Alex.B6,S. 46,4; Gord.24:,3.
Vgl. diese Zeitschr. 24, 270 [s. die vorhergehende Anm.].
3) Die Wendungen bei Vopiscus Aur. 11, 2: in tua erit potestate militiae
magisterium; 17,2: tuo magisterio milites uti volo, tuo ductu tribunos; 18, 1: equües
. . . omnes . . . Aurelianus guhernavit, cum offensam magistri e<yrum incurrissent.
Prob. 11, 7 in den Acclamationen für den neuen Kaiser: magister militiae felix
imperes zeigen wohl, dass der Ausdruck auch militärisch bezogen werden konnte,
aber führen nirgends auf die amtliche Competenz, wie sie später bestanden hat.
4) Dux der commandirende Kaiser Gallien. 1, 4; tr. tyr. 30, 11. Allgemein
vom Commando Pert. 5, 7: Signum dedit . . . 'müitemus' . . . quod quidem etiam
ante in omnilnis ducatibus dederat; Nig. 1, 5: oi'dines diu duxit muUisque ducatibus
pervenit, ut exercitus Syriacos iussu Commodi regeret. Auch im Alexander 58, 4:
sola, quae de Jwstibus capta sunt, limitaneis ducibus et militibus donavit können
nur die Commandanten der einzelnen Grenzcastelle gemeint sein, nicht die duces
limitum im diocletianischen Sinn, au die solche Schenkungen nie haben gelangen
Die Scriptores historiae Augustae. 311
daneben findet sieh kaum in denen der ersten Gruppe ^ wohl aber in
den drei jüngeren dtix als die dem tribunus correlate höhere Staffel des
Militäramts ^ ; dem dux kommt höhere Besoldung zu als dem Tribun 238
(S. 236 A. 5 [309 A. 13]) ein stcärkeres Gefolge (S. 236 A. 4 [ebd. A. 12])
und eine besondere Uniform ^. Das Commando des dux wird, wo eine
Determinirung beigefügt ist, nie auf eine Militärabtheilung bezogen,
wie dasjenige des tribtimis, sondern immer auf einen District. und
zwar häufig auf einen Grenzdistrict. Am meisten hervor tritt der-
jenige von Illyricum, zu welchem auch Thrakien noch gerechnet
wird*; es werden aber auch dttces genannt für die zu Illyricum
gehörigen Districte Dalmatien^ und den limes Scythicus^. Ausserdem
begegnen derartige Commandanten fürKaetien", für die Rhein-* und
können. Sonst in diesem Sinn ilfaarfwjm. 29, 2; Gord.W.l: Gallien. 2, Q. A, 2;
tr. tyr. 12, 1: Maerianus primus dueum; Aur. 44. 2 und sonst. Der griechische
xaxa xi]v 'Pcöfirjv twv oroaTo.iedoiv hoosotok (Herodian 7, 6, 4), d. h. der praefectus
praetorio, ist dem Uebersetzer (Maximin. 14, 4j dux militum praetorian<yrum, der
oxQaxriyixo^; z6 d^iojua Muixtpa; xa/.ovuEV(K (Herodian 7. 11, 3), das heisst ein
praetorius, demselben verkehrter Weise Maecena ex ducihus (Gord. 22, 8^, wobei
allerdings die nach diocletianischer Ordnung titulare V^erwendung des dux den
Uebersetzungsfehler befördert haben mag.
1) Nur Ser. 9, 8; Nig. 3, 12 stehen duces und tribuni so zusammen wie
später oft; es wird die erste dieser Stellen den in die erste Gruppe später ein-
gefugten Interpolationen zuzuzählen sein, während der Niger vielmehr ganz zu
der zweiten gehört.
2) Die Belege sind meistens schon angeführt S. 236 Ä. 2 [309 A. 10].
Ausserdem Gord. 'SO, l. 3 im Gegensatz zu milites; tr. tyr. 10, lö. 13,3; TaCit.
6, 6: faciat eos consules duces iiidices. Vgl. Heliog. 11, 1 (S. 233 A. 7 [307 A. 6]).
Dass bei Postumus (S. 238 A. 0 [unten A. 8]) die Combination beider Gewalten
angedeutet wird, bestätigt, dass unsere Schreiber den dux lediglich und richtig
als Offizier betrachten.
3) Aur. 13, 3: tunicae russeae ducales.
4) Der dux Illyridani limitis et Thracici wird in dem angeblich valerianischen
Protokoll Aurel. 13, 1 aufgeführt. Claudius als dux totius Illyrici unter Valerian
luibet in potestatem TJiracios, Moesos, Dahnatas, Pannonios, Dacos exercitus (Claud.
15, 2j. Dem Aureliau unterstellt Kaiser Claudius omnes exereittis Thracicos. omnes
lllyricianos totumque limitem (Anrel. 17, d). In gleicher Stellung scheinen auch
gedacht Ingenuus (tr. tyr. 9, 1 : Fannonias tunc regebat, a Moesiacis legionibus
Imperator est dictus ceteris Pannoniarum vokntHms), Regillianus (tr. tyr. 10, J:
in Illyrico ducatum gerens, 10, 9: Illyrici dux), lunius Brocchus (Claud. 8, 3: ad
lunium Brocchum scripsit Illyricum tuentem).
5) Gallien. 14, 4. 9.
6) In dem valerianischen Protokoll (Aurel. 13, i; neben dem dux von
Illyricum.
7) Dux Raetici limitis in demselben Protokoll und bei Vopiscus Bonos. 14, 2.
8) Postumus Transi-henani limitis dux et Galliae praeses in einem angeblichen
Schreiben Valerians (tr. tyr. 3, 9^.
312 Die Scriptores historiae Augustae.
die Euphratgrenze^, für Armenien 2, Aegypten', Africa*. Als ausser-
ordentliche Commandos lassen diese Stellungen principiell mit den
vordiocletianischen Ordnungen sich vereinigen und auch die Bezeich-
nung eines solchen Auftragnehmers als dux lässt sich rechtfertigen.
Aber unzweifelhaft haben die Verfasser der Biographien diese Com-
mandos vielmehr als ordentliche gefasst; die häufige IN^ennung des
Times in der Titulatur, entsprechend der von Diocletian seinen Militär-
239 commandanten beigelegten, und überhaupt der enge Anschluss an
die ordentlichen Ducate der diocletianischen Zeit lassen darüber
keinen Zweifel. Sie finden sich so gut wie ausschliesslich in den
jüngsten wie den verfälschtesten Abschnitten unserer Sammlung und
sind wenigstens zum grössten Theil zweifellos freie Erfindung. Ins-
besondere das vor allem als ständige Institution auftretende thrakisch-
illyrische Ducat, welches mindestens sechs diocletianische Commandos
umfassen würde ■*, ist gerade für diese Epoche eine Unmöglichkeit.
Auch die Commandos der Binnenprovinzen Dalmatien und Thrakien
sind unvereinbar sowohl mit der vordiocletianischen wie mit der dio-
cletianischen Commandotheilung und haben als ordentliche Aemter
niemals bestanden. Die diocletianische Reichsordnung hat für alle
diese .Aufstellungen zum Anhalt gedient. Der Grundgedanke des
älteren Provinzialregiments, die Vereinigung der obersten Civil- und
der obersten Militärgewalt in derselben Hand, ist allem Anschein
nach bis zum Ausgang des dritten Jahrhunderts principiell in Kraft
geblieben; nach der Verdrängung der Senatoren aus den Statthalter-
schaften wird wohl der legatus Numidiae vir clarissimus zum praeses
Numidiae vir perfectissimus , aber auch der j^^f^ßses ist, so viel wir
sehen, in den mit Truppen belegten Provinzen ordentlicher Weise
noch der Träger des Commandos. Freilich ist in dieser verwirrten
Zeit das Militärcommando wahrscheinlich häufiger in ausserordent-
240 lieber Weise geführt worden als in ordentlicher*' und dergleichen
1) Dux limitis Orientalis ia dem valerianisclien Protokoll (Aurel. 13, 1);
ein anderer Saturnin. 7, 2; dem Probus decretirt Tacitus den diicatus totins
Orientis (Pivh. 7, 4). 2) Biadum. 8, 4.
3) tr. tyr. 22, 3. Vgl. Victor Cnes. 20, 9 : (Pescennius) Aegyptum dux obfinens.
4) tr. tyr. 29, 1; Firm. 3, 1.
5) Pannonia I und Noricum; Pannonia 11; Valeria; Moesia 1; Dacia;
Moesia IL Dazu kommen noch Skythien und Thrakien.
6) Wenn die Inschrift von Virunum (C. I. L. III 4855) eines Primipilaren,
der als dux leg. III Italicae und als dux et praepositus leg. III Augustae ver-
wendet wurde, in diese Epoche gehört, wie es wahrscheinlich ist, so hat dieser
allerdings in Noricum und später in Raetien die Truppen commandirt und viel-
leicht eher neben als unter dem gleichzeitigen praeses gestanden. Aber das
Die Scriptores historiae Augustae. 313
Commissionen mögen wohl von den Biographen mit den späteren
diocletianischen Ducaten confundirt worden sein. Die generelle
Beschränkung des praeses auf das Civilregiment und die Einrichtung
der ständigen Ducate ist sicher erst das Werk Diocletians^. Auch
die nicht officielle, aber übliche Bezeichnung des Civilstatthalters als
des iudex ^ welche dem älteren Sprachgebrauch fremd und ohne
Zweifel eben durch diese Trennung hervorgerufen ist, begegnet
ebenfalls in den späteren dieser Biographien 2. Um das J. 290, als
die erste Hälfte dieser Biographien redigirt ward, war die Trennung
der Civil- und der Militärverwaltung noch neu und kam dem Bericht-
erstatter nicht in die Feder: gegen das Ende des zwanzigjährigen
diocletianischen Regiments und unter seinem Nachfolger hatte sie
sich so festgesetzt, dass namentlich in den Fictionen nicht gerade
für die einzelnen Militärbezirke^, aber doch im Grossen und Ganzen
diese Theilung den Variationen der Ueberlieferung zu Grunde gelegt
ward.
Die Benennungen der Truppenkörper, so weit sie erweislich
oder wahrscheinlich fictiv sind, schliessen im Allgemeinen sich den
vordiocletianischen an^; den diocletianischen Stempel trägt nur die
legio VII GaUicana'. Die späterhin so geläufige Unterscheidung
hinzugefügte praepositus erweist diese Stellung als irreguläre. Sicher historische
Commandos aus dieser Zeit sind zum Beispiel das, welches nach der Inschrift
von Grenoble (C. I. L. XII 2228) unter Claudius der praefectus vigilum r. p. der
Stadt Rom über rexillationes atqite erpiites itemque praepositi et ducenarü protec-
tores, das heisst über die gegen die gallischen Sonderkaiser aufgebotenen Truppen
in der Narbonensis führte ; ferner das des pi-aefecttis classis jn-aetoriae Misenatium
V. p. duct(or) per Africam Kumidiam Mauretaniamqiie (Eph. epiffi: V n. 301^.
Beide Inschriften zeigen in charakteristischer Weise, dass das effective Commando
in dieser Epoche auch auf die pi-orinciae inermes erstreckt werden musste und
die alten Militärsprengel nicht innegehalten werden konnten.
1) In dieser Zeitschrift 24, 266 [vgl. o. S. 308 A. 4].
2) Alex. 15, 1. 17, 1. 42, 4; Vcd. 6, 6. 7 (hier neben trilnmi und duces); Claud.
2, 6; Aui'el. 43, 4; Tac. 6, 6 (faciat eos coiisules duces iudices); Prob. 13, 1 (wo die
inagni iudices, von denen an den Senat appellirt wird, wenigstens einen Theil
der Provinzialstatthalter in sich begreifen), c. 20, 6. In den älteren Abschnitten
werden wohl die italischen inridici als iudices bezeichnet (Hadr. 22, 13j. aber in
der späteren weiteren Bedeutung wird, wenn ich nichts übersehen habe, das
Wort dort nicht gefunden.
3) Doch ist der dux limitis Scythici wohl geradezu daher entlehnt.
4) So die legio III felix (Aur.W.A; Prob. 5, ß) und die legio V Martia
(Claud. 14, 2), in angeblichen Schreiben Valerians. Gleichartig ist der tribunus
Assyriorum in dem Stammbaum des Constantius (Claud. 13, 3j.
5) Atirel. 7, 1. Für die cohortes duae alares (Albin. 10, 6) und die gemischten
Corps, wie das aus 6 Cohorten der Saracenen nebst einer Anzahl Gallier und
314 Die Scriptores historiae Augustae.
241 zweier gleichnamiger Truppenkörper durch den Beisatz von seniores
und iuniores begegnet nirgends. — Die Bezeichnung der Grenz-
truppen als limitanei findet sich mehrfach^, einmal auch Erwähnung
der riparienses^, beides nur in den späteren Biographien und ohne
Zweifel in Rückwirkung der von Diocletian geschaffenen nicht an
die Grenzen gebannten Reichstruppen; aber die wahrscheinhch erst
durch Constantin aufgekommene Bezeichnung der letzteren als comi-
tatenses wird auch in diesen nicht gefunden. — Die wahrscheinlich
unter Philippus und Decius eingerichteten protectores divini laieris
werden proleptisch in den Biographien Caracallas und Maximins
erwähnt^, und zwar an der zweiten Stelle in Folge incorrecter
Uebersetzung der griechischen doovcpÖQoi. Dagegen die erst unter
Constantius auftretenden domestici erscheinen in der Stellung der
Gardisten nirgends*.
Die Eintheilung des Kaisergesindes nach den verschiedenen
Geschäftszweigen (officia) ist so alt wie das Gesinde selbst, und die
bureaukratische Ordnung, welche jeder einzelnen Kategorie einen
Vormann (princeps, magister) setzt, geht ebenfalls in frühe Zeit
zurück. Aber die Zusammenfassung der gesammten Hausdiener-
schaft unter einem Vorsteher von Offiziersrang ist nachweisbar erst
seit dem Jahre 320 und wahrscheinlich nicht sehr viel älter (A. 4).
Wenn unsere Biographien nun mehrfach die älteren principes oder
Perser gebildete unter einem Tribun (S. 235 A. 6 [309 A. 4]) und das von 1000 nostri,
300 Armeniern und 100 Sarmaten in dem falschen Marcusbrief (Niger 4, 2j fehlt
uns jede Controle. — Die in den falschen Urkunden bei Vopiscus auftretenden
deutschen Namen (Aurel. 11,4: Hariomundus Haldagates Hildomundus Carioviscus.
Bonos. 15, 7 : Hunila) mögen wohl auch anknüpfen an die wesentlich auf das
Heranziehen des deutschen Elements begründete Umgestaltung des Heerwesens
in der diocletianisch - constantiuischen Epoche, führen aber nicht gerade auf
constantinische Zeit.
1) Pescenn. 7, 7; Alex. 58, 4; Prob. 14, 7; vgl. in dieser Zeitschrift 24, 199 A. 1
[s. 0. S. 308 A. 4].
2) Aurd. 38, 4 in einem Kaiserbrief; vgl. in dieser Zeitschr. 24, 198 A. 4 [ebd.].
3) Carac. 5, 8. 7, 1 ; Maximin. 14, 4. Weiter ist dies ausgeführt ephem.
ejyigr. 5, 126.
4) Allerdings gelangt Diocletian nach Car. 13, 1 zur Herrschaft domesticos
Urne regens und schwerlich ist dies aus Victor Caes. 39 [, 1] eingesetzt, sondern
gehört wohl der beiden gemeinschaftlichen Quelle. Aber es ist keineswegs
sicher, was unter dieser Bezeichnung zu verstehen ist (vgl. EpJi. epigr. 5, 181);
wahrscheinlich sind die domestici hier nicht in dem späteren Sinn als Truppe
gefasst, sondern die Hausleute gemeint, und ist Diocletians amtliche Stellung
nicht mit dem comes domesticorum der späteren Zeit zusammenzustellen, sondern
mit dem seit dem J. 320 begegnenden tribunus (später comes) et magister officiorum
(vgl. in dieser Zeitschr. 24, 224 A. 5 [s. o. S. 308 A. 4]).
Die Scriptores historiae Augastae. 315
magistri nennen^, aber der magister ofßciorwn wenigstens unter diesem
Namen nirgends darin auftritt, so stellt bei der Masse der darin 242
enthaltenen Anachronismen sich auch dies zu den Beweisen dafür,
dass diese Biographien in der That in derjenigen Epoche entstanden
sind, welcher sie angehören wollen. — Auch die castrenses erscheinen
hier nur in der älteren militärischen Beschränkung, keineswegs all-
gemein für das Hofgesinde-.
Bei den häufigen Erwähnungen von Geldsummen und Münzen
ist vor allem bemerkenswerth. dass das so oft genannte Goldstück
immer aureus heisst und die Benennung solidus nur an einer einzigen
Stelle, imd hier in einer Verbindung auftritt, wo auch nach dem
älteren Sprachgebrauch von dem Ganzstück gesprochen werden
durfte-^. Dieser Wechsel in der Benennung des Goldstücks ist
höchst wahrscheinlich unter Constantin eingetreten zugleich mit der
Einführung des Goldstücks von ^/72 Pfund, und zwar ist seitdem die
Benennung solidus wie die officielle so auch die gebräuchliche*.
Wären diese Biographien unter Theodosius geschrieben, so würde
es geradezu unbegreiflich sein, dass die damals allein geläufige
Benennung der Grossmünze sich nirgends eingestellt hat. — Die
foUes aeris^ welche einmal in einem unter Constantin geschi-iebenen
1) Magistri aut principes: Alex. 82, 1 — principes: Marcus 8, 10; Hdiog.
10, 2 — magistri: Niger 12, 7; Heliog. 20, 2; Gallien. 17, 8. Weiter ist dies aus-
geführt im Neuen Archiv für deutsche Geschichtskunde 14, 466. [In dem Aufsatz:
.Ostgothische Studien" = Bist. Sehr. Bd. III.]
2) Im Gegensatz gegen Hirschfelds Ausführung (Verwaltungsgesch, S. 197 f.
[2. Aufl. S. 313 f.] und bei Friedländer Sittengesch. 1«, 194) muss ich daran fest-
halten, dass für das Hof lager in gewöhnlicher Rede (für die Juvenal 4, 134 nicht
heweisend ist) die Bezeichnung castra erst aufgekommen ist, nachdem Diocletian
thatsächlich die Residenz aufgegeben und dem sacrum Palatium die castra sub-
stituirt hat. Alex. 4:1,3 wird sicher mit Recht et vor onifies castretises ministri
ergänzt und ist die speciell für die Militärstellung des Kaisers thätige Bedienung
gemeint, ebenso wie in sämmtlichen Inschriften des zur ratio castrensis gehörigen
Personals. Selbstverständlich fungirt der Kaiser als oberster Feldherr auch
wenn er in Rom verweilt und gehört die militärische Apparition insofern auch
zur Palastdienerschaft. — Hadr. 13, 7 : deinde a Cappadocibits seri-itia castris pro-
futura suscepit kann unmöglich darauf gehen, dass er dort tüchtige Sänftenträger
kaufte, sondern bezieht sich auf Rekrutirung, vielleicht zunächst für die grossen-
theils mit Freigelassenen bemannte Flotte.
3) Alex. 39, 8. 10 im Gegensatz zum iriens; ähnlich spricht schon Appuleius
von solidus aureus. Vgl. R. M.-W. S. 782.
4) Wir finden sie zuerst in einer Verordnung von 317 (C. Th. 9, 22, 1^ und
seitdem ständig. Wie das diocletianische Goldstück von V«o Pfd. genannt ward,
wissen wir nicht (vgl. in dieser Zeitschr. 25, 25 A. 5). [In dem Aufsatz: „Das
liocletianische Edict über die Waarenpreise" = Jurist. Sehr. Bd. II S. 331 A. 3.]
316 Die Scriptores historiae Augustae.
Abschnitt begegnen 1, sind anderweitig vor diesem nicht nachweisbar,
können aber füglich schon vorher in Gebrauch gewesen sein. —
243 Wenn endlich in derselben Biographie zu centum sesfertki erklärend
hinzugesetzt wird: hoc est argenü lihrae iriginta, so passt diese
Gleichung weder auf die frühere Epoche noch auf die constantinische
Ordnung, dagegen genau auf die Zeit Diocletians, welcher das zum
Silber etwa wie 14 : 1 sich verhaltende Goldpfund auf 50000 Denare
werthete ^.
Die hier zusammengestellten Beobachtungen, denen ohne Zweifel
noch manche analoge angereiht werden können, lassen meines Er-
achtens darüber keinen Zweifel, dass diese Biographiensammlung
wohl in theodosischer Zeit einzelne Einschiebungen und Interpola-
tionen erfahren haben kann, aber doch im Wesentlichen derjenigen
Epoche angehört, welcher sie sich selber zuschreibt. Es soll weiter
versucht werden die Sammlung in ihre Bestandtheile zu zerlegen,
wobei allerdings von vorn herein eingeräumt werden muss, dass diese
Scheidung durch Nachträge und Ueberarbeitung vielfach verdunkelt
worden ist.
Schon der Ueberlieferung zufolge zerfallen die Kaiserbiographien
in drei scharf von einander geschiedene Massen: die erste von ehi-
undz wanzig Nummern, welche vier verschiedene Yerfasser namhaft
macht, reicht bis auf Gordian III., zerfällt aber wieder, wie weiterhin
gezeigt werden soll, in eine mit Macrinus schliessende und eine die
Biographien von Caracalla bis auf die Gordiani umfassende Hälfte.
Die zweite zu Anfang verstümmelte Masse von den Phihppi bis auf
Claudius gehört dem Trebellius Pollio, die dritte von Aurelian bis
auf Carus dem Flavius Vopiscus.
In der ersteh Gruppe sind den Subscriptionen zu Folge ab-
gefasst von Aelius Spartianus Hadrian, (Aelius), Julian, Severus,
(Niger), Caracalla, (Geta); von Julius Capitolinus Pius, Marcus, Verus,
Pertinax, (Albinus), Macrinus, die Maximini, die Gordiani, Maximus
Balbinus; von Aelius Lampridius Commodus, (Diadumenus), Elaga-
balus, Alexander; von Yulcacius Gallicanus v. c. (Avidius Cassius).
Diese Ueberlieferung schliesst allerdings mehrere Reihen zusammen,
1) HeKog. 22, 3. Vgl. R. M. -W. S. 805.
2) Heliog. 24, 3 : in dieser Zeitschr. 25, 27 [s. o. S. 315, 4 = Jur. Sehr. II S. 332],
Hirschfeld vermuthet (Wiener Studien Bd. 6 [1884] S, 124), dass die in der
Biographie des Severus 6, 4 erwähnten septingeni (denn so ist allerdings ohne
Frage für das unmögliche sepUiagen- zu schreiben) viceni aurei aus 12 Pfunden
Gold nach diocletianischem Münzfuss umgerechnet seien.
Die Scriptores historiae Augustae. 317
werden müssen, wie zum Beispiel Elagabalus und Alexander so wie
die Maximini, die Gordiani und Maximus Balbinus; dennoch ist 244
sie aufs ärgste zerrüttet, und zwar theils durch Interpolation und
Diaskeuase, theils wahrscheinlich auch durch einfache Abschreiber-
verwirrung. Wenn, wie dies weiterhin wahrscheinlich gemacht werden
wird, die oben in Klammern gesetzten Biographien durch nachträgliche
Fälschung in diese Reihe gelangt sind, so hat der Fälscher, um dies
zu verdecken, seine Autorbenennungen meistentheils den von ihm
vorgefundenen Biographien entnommen und haben bei den secundären
die Yerfassemamen überall keine Autorität. Aber auch wenn man
diese ausscheidet, bleibt die Verwirrung unvermindert. Es ist eine
baare Unmöglichkeit, dass auch der letzte Ueberarbeiter unserer
Sammlung ihr diejenige Autorvertheilung beigelegt hat, welche uns
vorliegt; wie denn schon die chronologisch übel gestörte Reilienfolge
der unserem Text zu Grunde liegenden Urhandschrift und ihre
Lückenhaftigkeit nebst der ständigen Verwendung der Formel eiusdem
in den Subscriptionen die Annahme hierin eingetretener Verwirrung
nahe legt. Nach den Texten der Biographien, die, wenn auch
vielfach verdorben, doch sicher bei weitem zuverlässiger überliefert
sind als die Subscriptionen, rühren die Biographien des Hadrian, des
Aelius und desVerus^ von demselben Verfasser her, ebenso die des
Severus, des Niger und des Albinus^; auch in der Biographie des
Marcus findet eine Verweisung auf die des Commodus sich vor^.
Wenn die Subscriptionen damit in Widerspruch treten, so kann dies
nur Schuld der Abschreiber sein; unmöglich können die Urheber,
Fälscher oder nicht, in dieser Weise sich selber widersprochen haben.
Biographische Compilationen dieses Schlages mögen immerhin un-
gefähr gleichzeitig von mehreren Schriftstellern unternommen worden
sein und ein späterer Diaskeuast aus mehreren Reihen eklektisch
unsere Sammlung zusammengestellt haben, wie denn der Verfasser
des Aelius die Biographien der sämmtlichen früheren Kaiser ge-
schrieben haben will*, derjenige des Elagabalus und des Alexander
wenigstens die Absicht ausspricht auch über die folgenden Regenten
bis auf Maxentius und Licinius einschliesslich berichten zu wollen ^
während unsere Reihe mit Carus abschliesst. Aber selbst unter den 245
weitgehendsten Voraussetzungen dieser Art lassen die überlieferten
1) Aelius 1, 1. 2, 9. 3, 1 (vgl. Hadr. 23, 14). 5, 5 (vgl. Hadr. 21, 4).
2) Pescenn. 9, 3; Albimis 1, 4 (vgl. Pescenn. 8, 1). 12, 14.
3) Marc. 19, 5; Comm. 11, 12. 4) Ael. 1, 1.
5) Heliog. 35; Alex. 64, 1.
318 Die Scriptores historiae Augustae.
Namen mit den sonstigen Daten sich nimmermehr in Einklang bringen.
Auch anderweitig findet sich für diese vier Namen nur wenig Anhalt.
Da der Name des Gallicanus nirgends erscheint als vor der einen
gefälschten Biographie, so hat er nicht grössere Autorität als die in
den Adressen der falschen Kaiserbriefe genannten Personen; dass
der Yerfertiger der gefälschten Biographien zur Abwechselung für
eine derselben einen neuen Autor erfand, liegt ganz in dem ihm
geläufigen Verfahren. Von den drei Verfassern, welchen die nicht
erst später zugesetzten Biographien der ersten Abtheilung beigelegt
werden, lulius Capitolinus, Aelius Lampridius und Aelius Spartianus
nennen andere Schriftsteller überhaupt keinen, Vopiscus, der Verfasser
der dritten Abtheilung, der im J. 305 oder 306 schrieb, unter seinen
Vorgängern den Capitolinus und den Lampridius^. Für die Unter-
scheidung dieser drei Schriftsteller sucht man einen Anhalt in der
gleich zu erwähnenden etwas festeren Scheidung der 13iographien in
eine dem Diocletian und in eine dem Constantin gewidmete Gruppe ;
aber man sucht ihn vergeblich: die Autornamen in beiden Reihen
gehen wild durch einander. Wenn man statt dessen, gestützt auf
jene Angabe des Vopiscus, die diocletianische Reihe dem Capitolinus
und dem Lampridius, die constantinische dem Spartianus zusprechen
möchte, so verstösst dies ebenfalls überall gegen die überlieferten
Subscriptionen. Es muss unumwunden eingeräumt werden, dass die
Zurechtstellung der Autornamen sowohl in der diocletianischen wie
in der constantinischen Reihe sich in befriedigender "Weise nicht
bewirken lässt und dass man wohl berechtigt ist Dessaus verwegene
Hypothese abzuweisen, wonach unter allen diesen Namen ein und
derselbe Schriftsteller der theodosischen Zeit sich verbergen soll, und
vielmehr die Pluralität der Verfasser so wie von den vier Namen
drei aufrecht zu halten sein werden, dass aber die Verknüpfung der
einzelnen Biographien mit den einzelnen Namen theils sicher irrig,
theils wenigstens ungenügend beglaubigt ist.
Etwas weiter führen die im Text dieser Biographien enthaltenen
und somit ohnehin schon zuverlässigeren Dedicationen. "Während die
beiden folgenden Gruppen Privaten dedicirt sind, sind sämmtliche
246 einundzwanzig Biographien der ersten Abtheilung den regierenden
Kaisern zugeschrieben, und zwar theils dem Diocletian, theils dem
Constantin. Die Anrede an Diocletian tritt auf in der ersten Hälfte,
bis auf Macrinus^, die an Constantin in der zweiten von Elagabalua
1) Prohis 2, 7. Hier die an sich nicht verdächtigen Namen wegen der
zerrütteten Subscriptionen zu streichen kann ich nicht richtig finden.
2) Aelius — Marcus — Veras — Cassius — Severus — Niger — Macrinusj
Die Scriptores historiae Augustae. 319
an^. und wir werden danach eine diocletianische und eine constan-
tinische Reihe unterscheiden dürfen 2, von denen wahrscheinlich jede
von anderen Verfassern herrührt, wenn gleich wir, wie gesagt, die
Namen nicht zu bestimmen vermögen. Allerdings machen Instanz
gegen diese Scheidung die beiden dem Constantin zugeschriebenen
Biographien des Albinus und des Geta; aber jene steht insofern mit
sich selbst im Widerspruch, als der Biograph des Albinus auch die
dem Diocletian gewidmeten Biographien des Severus und des Niger
geschrieben haben will, und beide gehören zu den nachgefalschten
Stücken. Es wird also mit derjenigen Wahrscheinlichkeit, welche
auf diesem Gebiete überhaupt erreichbar ist. eine diocletianische und
eine constantinische Biographienreihe unterschieden werden dürfen.
Innerhalb der sechzehn Biographien der diocletianischen Reihe
stellt sich ein scharfer Unterschied heraus zwischen den neun der
anerkannten Kaiserreihe (Hadrian, Pius, Marcus, Commodus, Per-
tinax, Julianus, Severus. Caracalla, Macrinus) und den sieben der
Mitherrscher (Verus, Geta), der Caesaren (Aelius, Diadumenus) und
der Usurpatoren (Cassius, Niger, Clodius). Jene sind echte allerdings
vielfach zerrüttete Geschichtsquellen: die der zweiten Reihe enthalten
wenig oder gar kein eigenes wirklich geschichtliches Material und
sind wesentlich entweder aus jenen der ersten zusammengestoppelt
oder gefälscht. Die Beschaffenheit dieses Stoppeins erscheint es
noth wendig durch einige Belege zu erläutern.
vita Marci: vita Cassii:
25, 5 in conscios defedionis ve- 8, 7 ipse autem Änfonimis a
iuit senatum graviter vindicare.
25, 6 sinud petit, ne qui Senator
iempore principatus sui occideretur
senatu petit, ne graviter in con-
scios defedionis animadverteret
60 ipso tempore, quo rogavit, ne
quis Senator temporihus suis capi-
tali supplicio afficerdur,
quod Uli maximum amorem con- 247
ciliavit.
25, 7 eos etiam qui deportati 8, 8 denique paucissimis cen-
fiierant revocari iussit, cum pau- turionibus ]ninitis deportatos re-
cissimi cenfuriones capite essent vocari iussit.
puniti.
25, S ignovit et civitatihus qtiae 9, 1 Antiochenes quoque Avidio
Cassio consenserant : ignovit et \ Cassio consenserant : sed et his et
1) Elagabalus — Alexander — Maximiui — Gordiani.
2) Anreden fehlen bei Hadrian, Pius, Commodus, Pertinax, lulianus, Cara-
rallus, Diadumenus, Maximus Balbinus.
320
Die Scriptores historiae Augustae.
AntiocJiensibus, qui multa in Mar-
cum pro Cassio dixerant (vgl.
Carac. 1, 7).
25, 9 quihus et spectacida et
conventus puhlicos tulerat et om-
nium contionum genus, contra quos
edictum gravissimum misit.
25, 10 seditiosos autem eos et
oratio Marci indicat indita Mario
Maximo, qwi ille usus est apud
amicos.
26, 12 filii autem CassH et
amplius media parte accepenmt
paterni patrimonii
et auro atque argento adiuti, mu-
lieres autem etiam ornamentis,
ita ut Älexandria fdia Cassii et
Druncianus gener liberam vagandi
potestatem haberent
commendati amitae marito.
aliis civitatibus , quae illum iuve-
rant, ignovif,
cum primo Antiochensibus graviter
iratus esset hisque spectacida sus-
tidisset et multa alia civitatis
ornamenta, quae postea reddidit.
6, 6 amatus est ab . , Antio-
chensibus, qui etiam imperio eins
consenserunt , ut docet Marius
Maximus in vita divi Marci.
9, 2 füios Avidii Cassii Anto-
ninus Marcus parte media pjatri-
monii donavit,
ita ut fdias eins auro argento et
gemmis cohonestaret
9, 3 nam et Älexandriae filiae
Cassii et genero Drunciano liberam
evagandiubi vellent p>otestatem dedit
vixeruntque non quasi tyranni
pignora, sed quasi senatorii ordinis
in summa securitate, cum Ulis
etiam in Ute obici fortunam pro-
priae vetuisset domus, damnatis
aliquibus iniuriarum, qui in eos
petidantes fuissent,
quos quidem amitae sitae marito
commendavit
24g Vita Severi:
6, 10 Heraclitum ad obtinendas
Britannias, Plautianum ad occu-
pandos Nigri liberos misit.
8, 6 Ad Orientis statum con-
firmandum profectus est, nihil
adhuc de Nigro palam dicens.
[ Vita Nigri:
j 5, 2 Severus Heraclitum ad obti-
I nendam Bithyniam misit, Fulvium
I autem ad occiipandos adidtos Nigri
\ filios.
I 5, 3 nee tarnen in senatu quic-
I quam de Nigro Severus dixit, cum
iam audisset de eins imperio, ipse
autem proficiscerefur ad compo-
1 nendum Orientis statum nutantem.
Die Scriptores historiae Augustae.
321
S, 1 nd Africam tarnen legiones
misit, ne per Lihjam atque Äegijp-
tum Niger Africam occuparet ac j
populum Romanum iienuria rei
frumentariae perurgueret.
8, 12 miserat sane legionem,
quae Graeciam Thraciamque prae-
ciperet, ne eas Pescennius occu-
paret, sed iam Byzantium Niger
tenebat.
8, 13 PerintJmm etiam Niger
volens occupare plurimos de exer-
citu interfecit. atqtie ideo hostis
cum Aemiliano est appeUatus
8, 14 cumque Severum ad parti-
cipatum vocaret, contemptiis est
8, 16 Aemilianus deliinc victiis
in Uelles2)07ito a Severi ducibus
Cijzicum primum confiigit atque
inde in aliam civitatem, in qua
eorum iussu occisus est.
8, 15 promisit sane Nigro tutum
exilium, si vellet, Aemiliano autem
mm ignovit
9, 1 dein conflixit cum Nigro
eumque apud Cyzicum interemit
caputque eius pilo circumtidit
10, 1 piostea (nach Albinus Ab-
fall) . occisi sunt (filii Nigri) cum
matre
MOMMSEN, SGHR. Vn.
5, 4. 5 sane illiul fecit profi-
ciscens, ut legiones ad Africam
mitteret, ne eam Pescennius occu-
paret et fame populum B. per-
urgueret. videhatur autem id
facere posse p>er Lihyam Aegyp-
tumque vicinas Africae, difftcili
licet itinere ac navigntione.
5, 6 et Pescennius quidem ve-
niente ad Orientem Severo Grae-
ciam Thracias Macedoniam
interfectis multis inlustribus viris
tenebat
5, 7 « quo causa eorum quos
occiderat cum Aemiliano hostis est
appellatus.
ad participatum imperii Severum
vocans,
dein a ducibus Severi per Aemi-
lianum pugnans victus est
5, 8 et cum iUi tutum exilium 249
ptromitteret, si ab armis recederet,
persistens iterum jmgnavit et victus
est atque apud Cyzicum circa pa-
ludem (eingelegt wegen des Ora-
kels 9, 6) fiigiens sauciatus et sie
ad Severum adductus et statim
mortuus.
6. 1 Huius Caput circunüatum
pilo Romam missum,
6, 1. 2 ßii occisi, necata uxor,
Patrimonium j)ublicatum, familia
amnis extincta. sed haec omnia
postquam de Albini rebeUione co-
gnitum est facta sunt,
21
322 Die Scriptores historiae Augnstae.
9, 2 filios Nigri . . . in exilium
cum matre misit.
nam prius et filios Nigri et ma-
trem in exilium miserat
In welchem Grade die Vorlage bei der Wiedergabe verstümmelt
und verdorben ist, ergiebt die Zusammenstellung mit -so schlagender
Deutlichkeit, dass ich dabei nicht verweile. Abgesehen von den in
dieser Weise aus den neun primären Biographien entlehnten Materi-
alien sind die sieben secundären wesentlich und im umfassendsten
Massstab gefälscht. Es wimmelt hier alles von Anekdoten, Orakeln,
Vergil- und anderen Versen, insbesondere von litterarischem Plunder;
das Ideal des Niger ist Marcius Coriolanus, Severus heisst der punische
Sulla, Albinus der zweite Catilina; Aelius hat Ovids amores jede
Nacht unter dem Kopfkissen und Hadrian betrauert ihn mit einem
Citat aus der Aeneis. Sicher hängt es damit auch zusammen, dass,
während in jener Masse nur Diocletian angeredet wird, von den
secundären Biographien zwar vier (Aelius, Verus, Cassius, Niger)
demselben Kaiser, zwei andere dagegen (Albinus, Geta) dem Con-
stantin zugeschrieben sind; dem Verfertiger dieser Machwerke lag
vermuthlich ausser der diocletianischen auch die constantinische
Reihe der Kaiserbiographien vor und er knüpfte unbesehens bald
an diese, bald an jene an, ebenso wie er den Verfassern derselben
seine Machwerke in die Schuhe schob.
Allerdings bedarf dieser Gegensatz nach beiden Seiten hin
250 der Einschränkung: weder sind die secundären Biographien des
selbständigen Inhalts völlig baar, noch sind die primären von den
Fälschungen gänzlich verschont geblieben. Abgesehen von kleineren
Berichtigungen und Zusätzen, die das secundäre Exemplar ergiebt^,
finden sich besonders im Verus 2, aber auch im Albinus^ und im
Geta einzelne anderweitig bestätigte Angaben, wie denn bei einer
1) Die oben abgedruckten secundären Berichte sind frei von der Nennung
Britanniens statt Bitbyniens Sev.^, 10 (die nicht Schreib-, sondern Redactions-
fehler ist, da Britannien wohl, aber nicht Bithynien im Plural gebraucht wird)
und nennen den Fulvius Plautianus, von dem die ältere Biographie nur das Cog-
nomen giebt, mit dem Geschlechtsnamen. Jene Vertauschung wird dem Dias-
keuasten zur Last fallen und ebenso die Einnamigkeit des Plautianus.
2) Zum Beispiel die Notiz über die Anfänge des parthischen Krieges Yen:
6, 9: interfecto legato, caesis legionihus, Syris defectionem cogitantibus, deren
historische Richtigkeit feststeht, ist nicht aus der des Marcus genommen.
3) Historisch ist zum Beispiel sein Commando in Britannien (Victor), seine
Betheiligung bei der Katastrophe des Pertinax (Victor, Eutrop), der gescheiterte
Versuch des Severus ihn umzubringen (Herodian), die Entscheidungsschlacht
bei Lugdunum.
Die Scriptores historiae Augustae. 323
solchen Zufügimg der Herrscher zweiter Ordnung es nahe lag aus
den vorliegenden Biographien der älteren Redaction einzelnes nicht
blos in die secundären Biographien hinüber zu nehmen, sondern
auch dort zu streichen. Yon den zutreffenden Verweisungen auf den
uns erhaltenen Herodian, die im Albinus imd im Diadumenus sich
finden, wird weiterhin noch die Rede sein. Im Ganzen aber sind
diese besseren Nachrichten hier äusserst sparsam, ja im Aelius, Cassius.
Pescennius fehlen sie anscheinend vollständig und bleibt, wenn man
die in den besseren Biographien wiederkehrenden Daten abzieht,
nichts übrig, als was entweder sicher gefälscht oder doch der Fälschung
in hohem Grade verdächtig ist. Die oben gegebenen Zusammen-
stellungen geben auch dafür bezeichnende Belege. Die Zusätze sind
entweder selbstverständlich, wie dass Marcus Milde ihn beliebt gemacht
hat und dass Nigers am Commando betheiligte Söhne erwachsen
gewesen sind, oder es sind ausspinnende Anekdoten, wie dass Severus
die Advokaten, welche den Kindern des Niger ihren Vater vorrückten,
als Injurianten bestraft habe. — Andererseits kommt die Hand, die
diese Sünden verübt hat, auch in den primären Biographien zum
Vorschein. Wenn der Mangel an Materialien für die secundären
Biographien, der darin oft und weitläufig beklagt wird, sicher die
hauptsächliche Veranlassung zu den Fälschungen gegeben hat, und 251
bei den meisten Kaiserbiographien mit dieser Ursache auch die Folge
wenigstens im Ganzen wegfällt, so ist doch eine derselben, und zwar
die letzte, die des Macrinus, neben echten Materialien zum grossen
Theil aus gleichartigen Erfindungen zusammengesetzt. Dass eben
diese davon betroffen worden ist, hängt damit zusammen, dass uns
diese Biographien nicht selbständig überliefert sind, sondern eingefügt
in ein Sammelwerk; es lag in der Sache, zumal da in das Leben
des Macrinus die Vorgeschichte des Elagabalus aufgenommen ist, dass
diese Biographie einen hybriden Charakter erhielt, auch abgesehen
davon, dass allem Anschein nach dem Fälscher im Lauf der Arbeit
Lust und Muth gewachsen ist.
In diesen Zusammenhang gehören die berüchtigten falschen
Urkunden. Sie treten in den sechzehn Biographien der diocletiani-
schen Reihe sehr ungleichmässig auf. L'nter den primären begegnen
sie einzig in der des Macrinus^, dessen Schreiben an den Senat
1) Diese ist überhaupt so beschaffen, dass man zweifeln kann, ob sie nicht
vielmehr aus dieser Reihe auszuscheiden und mit der maximinisch-gordianischen
Gruppe zusammenzustellen ist; auch die Benutzung der Griechen hat sie mit
dieser gemein. Die Widmung an Diocletian indess steht entgegen; und viel
kommt überhaupt nicht darauf an.
•21*
324 Die Scriptores historiae Augustae.
zweifellos dazu gehört; wogegen das Protokoll über die Senatssitzung
nach Commodus Tode am Schluss der Biographie desselben vielmehr
den Stempel der Echtheit trägt. Unter den secundären sind die
beiden frühesten, Verus und Aelius, davon frei, ebenso Geta; massen-
haft erscheinen sie in Avidius, Niger, Albinus, Diadumenus. Wer es
über sich gewinnt, diese Producte im Zusammenhang zu lesen, wird
nicht blos keinen Augenblick an der Fälschung zweifeln, sondern
auch sich davon überzeugen, dass dieselben alle von der gleichen
Hand sind und dass diese Hand verschieden ist von derjenigen,
welche die Hauptreihe dieser Biographien verfasst hat.
Wenn also, was in den sieben secundären Biographien sich
findet, so weit es selbständig ist, nicht viel mehr ist als freie
Erfindung eines späten Litteraten, so ist das für die geschichtliche
Forschung von nicht geringer Bedeutung. Die Chronologie des
cassischen Aufstandes, das Gesammtbild des severischen Dreikaiser-
kriegs, wie sie jetzt gelten, beruhen in erster Reihe auf diesen
Schriftstücken und wir werden in diesem Abschnitt alle umzulernen
252 haben, falls dieselben, wie ich meine, nicht etwa eine getrübte
Quelle sind, sondern eine Kloake. Aber nur eingehende prag-
matische Behandlung kann diese wichtigen Fragen erledigen und sie
sollen in diesem Zusammenhang nicht erörtert werden.
Dass die ursprüngliche Abfassung der neun primären Biographien
— von der Entstehungszeit der später hinzugefügten wird später die
Rede sein — unter Diocletian fällt, ist schon hervorgehoben worden.
Unter den Anreden an ihn ist allein bemerkenswerth die Ausführung
des Satzes, dass es den Besten und Edelsten nicht beschieden zu
sein pflegt ihrer würdige Söhne zu hinterlassen und es also solchen
zu wünschen sei ohne leibliche männliche Nachkommenschaft aus
dem Leben zu scheiden^; die Beziehung liegt so nahe, dass diese
Auseinandersetzung allein genügt, um die Abfassung dieser Biographien
in der bezeichneten Epoche gegen jede Anfechtung zu schützen 2. —
Dass Maximians nirgends gedacht wird, obwohl die Biographien in
Rom geschrieben sind, ist ein merkwürdiger, aber in keiner Weise
befremdender Beleg für die Stellung des Hercules neben dem Jupiter;
man kann damit zusammenstellen, dass die neuen Thermen der Haupt-
stadt nach Diocletian benannt worden sind und die stadtrömischen
1) Semr. 20.
2) Die mehr zutreffende als höfliche Nutzanwendung auf Maximian und
Maxentius ist bei der Inferiorität dieses Scribenten wohl nicht zwischen den
Zeilen zu lesen ; bei einem besseren würde man nicht zweifeln, dass er den dem
Diocletian ertheilten Kranz durch Stacheln gegen den CoUegen pointirt hat.
Die Scriptores historiae Augnstae. 325
Ziegel dieser Epoche wohl eine officina lovia, aber keine nach
Maximian benannte aufzeigen. — Yon den Caesaren ist nur einmal
und in einer Weise die Rede, dass sie nur als Erben, nicht als
Theilhaber an der Herrschergewalt erscheinen^; wenn danach diese
Biographien nicht vor 293 geschrieben sein können, so sind sie auch
wohl wenig später und vor der Zeit abgefasst, wo die beiden Caesaren
anfingen ebenso viel und mehr zu gelten als die Kaiser.
In der Reihenfolge der Abfassung schliesst an die diocletianische
Gruppe der Kaiserbiographien sich die dem Trebellius Polho gehörende 253
von Philippus bis Claudius an. Hier ist die Autoi"schaft gesichert-:
der Biograph des Aurelian, des Fortsetzers dieser Reihe, bezeugt sie ^
und die Subscriptionen stimmen damit überein*. Er selbst sagt uns,
dass er die Reihe weiter zu führen beabsichtigte^, sein Fortsetzer
aber, dass dies nicht geschehen sei^. Nach eben demselben waren
PoUios Bücher vor dem März des Jahres 304 publicirt'; aus ihm
selber erfahren wir, dass er unter der Herrschaft Diocletians und
Maximians geschrieben hat. Unter den Machthabem hebt er den
Caesar Constantius so auffallend hervor, dass dies auf die der Ab-
dankung der älteren Regenten (1. Mai 305) nächstvorhergehenden
Jahre hinführt, wo das Ansehen der Augusti vor dem aufgehenden
Stern der Caesaren verblasste*. Eben darauf weist die Erwähnung
1) Ael.2,2: nostris tempc/ribus a vestra dementia Maximianus atqne Con-
stantius Caesares dicti sunt quasi quidam princijnim filii virtute designaii Augustae
tnaiestatis heredes. Die incorrecte Nennung des Constantius an zweiter Stelle
sowohl hier wie Car. 18, 3 ist wohl lediglich Versehen; ebenso steht Prob. 1, 5
Maximianus vor Diocletian. [Der Verfasser wählte diese Reihenfolge der rhyth-
mischen Klausel zuliebe. Dadurch erledigt sich der von Seeck, Jahrb. f. Phil.
141, 1880, S. 618, hiergegen erhobene Einwand.]
2) Wen der Verfasser anredet (Val.l. 8,5: vobis; Clatid.S, 1: tu), wissen
wir nicht, da der Anfang fehlt.
3) Ätirelian. 2, 1 : seiino nobis de Trebdlio Poilione, qui a dtiobtis Philijijns
usqtie ad divum Claudium et eins fratrem QttintiUum imperatores tarn claros quam
ohsatros memoriae prodidit. Vgl. Firm. 1, 3.
4) Die Subscription der vita Clandii lautet: expJicit Treuelli PoUionis dia4S
Claudius und danach bestimmt sich das eiusdem in den Inscriptionen eben dieser
vita so wie der unmittelbar vorhergehenden bis zu der des Valerian, deren Anfang
nebst den vorhergehenden Biographien uns fehlt. Die Inscription dieser rita
Vcderiani: incipit eiusdetn Valeriani duo legt allerdings, nach der jetzigen
Beschaffenheit der Handschrift, diese Reihe dem Capitolinus bei.
5) Trig. tyr. 31, 8. 6) Aurelian. 1, 4. 7) Darüber weiterhin.
8) Pollio spricht trig. tyr. 31, 8 von den Tyrannen, qui inter Tacitum et
Diocletianum ftiei-unt; sonst nennt er ihn einzeln nicht und ebensowenig Maximian,
spricht dagegen Claud. 10, 7 seine guten Wünsche für den Caesar Constantius
aus salris Diocletiano et Maximiano Augustis et eius fratre Galerie und nennt
326 I^ie Scriptores historiae Augustae.
der im J. 305 oder 306 dedicirten Diocletiansthermen ^. Wenn die
vermuthlich fictive Anknüpfung des Stammbaums dieses Caesar an
254 den Kaiser Claudius II. uns anderweitig zuerst in Documenten aus
dem J. 310 oder 311 begegnet, so passt es dazu vortrefflich, dass
Pollios Biographie des Claudius recht eigentlich zu diesem Zwecke
geschrieben ist^; es ist möglich, dass die Fiction eben von unserem
Autor herrührt, nicht unwahrscheinlich, dass sie dazu beigetragen hat
diese Sammlung in Geltung zu bringen und sehr unverdienter Weise
der Nachwelt zu erhalten. Wenn der Occident den Caesar Constan-
tius auf den Schild hob, ohne um den Kaisersohn Maxentius sich zu
kümmern^, so ist dabei nicht zu übersehen, dass der letztere allem
Anschein nach als Bastard galt*; aber auch wenn derselbe ein ebenso
jenen Gall. 1, 1. 14, 3, so wie in der ganz zu seinen Ehren geschriebenen vita
Claudii 1, 1. 3, 1. 9, 9. 13, 2.
1) Trig. tyr. 21, 7: in his loeis fmrunt, in quibus thermae Dioeletianae sunt
exaedificatae tarn aeterni nominis quam sacrati. Wenn Dessau in der Dedications-
iuschrift C. VI 1130 statt des von mir vorgeschlagenen [absen]s einsetzt [reversu]s, so
ist übersehen, dass dann für das folgende sub p)-aesentia mai[estatis] der Gegensatz
fehlt, [reversus oder rediens ist jetzt gesichert durch ein Fragment eines andern
Exemplars der Dedikationsinschrift , s. Dessau inscr. sei. 646; C. I. L. VI p. 3079
n. 31242.] Dass die Thermen nach dem Rücktritt der senioi-es Awjusti 1. Mai
305 und vor Constantius Tode 25. Juli 306 dedicirt worden sind, habe ich seiner
Zeit erwiesen. [In den 'Topographischen Analakten', Arch. Zeit. 1846 S. 228 ff.
= Hist. Sehr. Bd. II S. 57 ff.] Also war der ungeheure Bau zu der Zeit, in der Pollio
schrieb, im wesentlichen vollendet, und dazu stimmt seine Aeusserung auf das Beste.
2) Ich kann hiefür lediglich auf Dessaus Ausführungen verweisen , die an
sich zutreffen, aber keineswegs beweisen, was sie beweisen sollen, dass dieser
Stammbaum erst im J. 310 oder 311 und nicht schon einige Jahre früher auf-
gestellt worden ist. Dass Constantius aus Rücksicht auf seine Mitregenten
unterlassen haben soll sich vor seiner Erhebung zum Augustus dieser Herkunft zu
berühmen, ist nicht mehr als eine Vermuthung und bei der den Caesaren in den
letzten Jahren zukommenden Stellung eine recht unwahrscheinliche. Ebenso wenig
lässt es sich begründen, dass die Verknüpfung des constantinischen Hauses mit dem
des Claudius erst nach der Katastrophe des alten Maximianus (f 310) aufgebracht
worden ist, mit welcher sie in gar keinem ursächlichen Zusammenhang steht.
3) Claud. 10, [7]: quae idcirco posui, ut sit omnibus darum Constantium
divini generis virum sandissimum Caesarem et Augustae ipsius familiae esse et
Atigustos multos de se daturum. Nichts nöthigt zu der Annahme, dass der
Diaskeuast auf diese Fassung eingewirkt hat im Angedenken an die constan-
tinische Dynastie ; Constantius hatte vier Söhne und es war nur natürlich, dass
seine Getreuen in diesen die künftigen Herrscher sahen.
4) Dass Maxentius nach der Katastrophe mehrfach unecht gescholten wird
(paneg. 9 [8], 4; sog. Victor epiY. 40 [13]; anon. Vales.l2), würde nicht hoch an-
zuschlagen sein, wenn nicht der Umstand, dass seine Inschriften ihn als vir
clarissimus und seinen Sohn als clarissimus puer, seine Gattin dagegen, die
Kaisertochter Valeria Maximilla als nöbilissima femina bezeichnen (C. I. L. XIV
Die Scriptores historiae Augustae. 327
echter Kaisersohn gewesen sein sollte wie Constantius ein wenig be-
glaubigter Kaiserenkel, entspricht seine Zurückstellung den politischen
Verhältnissen, wie sie eben lagen. Die Nachfolge war fest regulirt,
Constantius der anerkannte Mitregent und Kronprinz, Maxentius von
jedem Antheil an der Herrschaft wie von jeder Aussicht auf die
Kaiserwürde ausgeschlossen; Constantius nach allen Zeugnissen ein
tüchtiger Feldherr und ein bedeutendes Yerwaltungstalent, im Voll-
besitz des Ansehens und der Liebe der Unterthanen, Maxentius 255
allem Anschein nach eine Nullität, völhg geeignet, die Keihe der von
der alten Prätorianergarde gekrönten Kaiserpuppen zu beschliessen ^.
Das Adoptionssystem, nicht die Legitimität der Geburt beherrschte
das römische Staatswesen; es wäre mehr als sonderbar, wenn in den
letzten Jahren Diocletians die Loyalen des Occidents sich um Maxentius
bekümmert hätten. Also schreibt Pollio völlig in dem Sinn, welchen
man berechtigt ist für diese Zeit zu erwarten-.
Pollio scheint der erste gewesen zu sein, welcher neben den
landläufigen lateinischen Quellen für diese Epoche die griechische
Litteratur herangezogen hat; allem Anscheine nach hat ihm von den
historisch richtigen Angaben, die er beibringt, den besten Theil
der von ihm dreimal angeführte Dexippus geliefert^. Darum
heissen ihm auch die Gothen gewöhnlich Skythen*, die GaUier
2825. 2826), die Annahme bestätigte, dass an seiner Gebui-t ein Makel haftete,
er vielleicht vor der Ehe der Aeltern geboren war. Die von Borghesi (opp.
3, 151^ aufgestellte Vemiuthung, dass er durch den Rücktritt seines Vaters die
Qualification als Kaisersohn eingebüsst habe, hat keine Wahrscheinlichkeit.
1) Die Zeugnisse bei Schiller Gesch. der röm. Kaiserzeit 2, 169 A. 1. 2.
S. 175 A. 5.
2) Wenn gegen Pollios Betrachtung, dass der Gotheusieg des Claudius
seinem Enkel das Reich gesichert habe (Claud. 9, 9: ut iam tunc Constantio
Caesar i nepoti futuro videretur Clattdiiis securam parare rem piiblicam), Dessau
S. 342 einwendet, der Schreiber dieser Zeilen habe nicht gewusst, dass Con-
stantius zeitlebens (auch als Augustus?) nur einen kleinen Theil des Reiches
zu verwalten gehabt habe, und zwar den, für welchen der Gothensieg des
Claudius am wenigsten in Betracht gekommen sei, so vergisst er, dass Con-
stantius der erklärte Nachfolger in der Herrschaft des Westens war und dass
Illyricum allem Anschein nach damals ganz zum Westreich gehört hat. [Gegen
letztere Ansicht s. Dessau, Hermes 27, 1892, S. 564, 1.]
3) Die annalistische Erzählungsform mit vorgesetzten Consnlaten, wie sie
im Gallienus öfter, auch trig. iyr. 9, 1 und Claud. 11, 3 erscheint, geht sicher
auf Dexippus zurück (vgl. S. 261 A. 3 [333 A. 3]).
4) Gull. 4, 7. 6, 2 (hier mit der wohl von dem Diaskeuasten herrührenden
befremdenden Erklärung Scythae, Jioc est pars Gothorum). 6, 5. 7, 3. 11, 1. 12, 6.
13.6. 9. 10; Claud. G, 2 (Scytharum diversi populi, Peuci Grutungi Austrogothi
Tervingi Visi Gipedes). 9, 4 (wechselnd mit Gothi). 12, 1.
328 Die Scriptores historiae Augustae.
Kelten^, die Numider Mauren 2, die Donau Hister^, Africa Libya*. Zu-
256 gleich aber führt er den Reigen der Fälscher. Wenn sein Fortsetzer
Vopiscus ihn damit entschuldigt, dass alle Historiker einigermasson
lögen, so wird man das Zugeständniss dankbar acceptiren, aber doch
hinzusetzen müssen, dass, selbst wenn man dies Privilegium anerkennt,
dieser Historiker davon einen übertriebenen Gebrauch macht. Wer
die diplomatische Correspondenz Sapors mit allerlei Kleinfürsten des
Orients und die für die Vorgeschichte der Kaiser nirgends mangelnden
Originalzeugnisse und Bestallungen gelesen hat, non quaeret quem
appellet ineptum; dazu giebt er seine Actenstücke nicht blos, wie er
sie in authenticis vorfand^, sondern versichert auch, dass er vom
Kabinetssecretär concipirte verschmähe und nur vom Kaiser selbst
dictirte beibringe^ und pocht dabei auf die fides historica, die ihm
allein am Herzen liege, nicht die Schönrednerei''. Für unseren
Zweck ist es nicht erforderlich, darüber weiter Worte zu verlieren;
res iudicata est.
An die Biographien Pollios schliessen als Fortsetzung sich an
die der Kaiser Aurelianus, Tacitus, Probus und Carus nebst den
Notizen über die gleichzeitig auftretenden Usurpatoren. Die hier
chronologisch richtig geordnete Ueberlieferung legt diese Arbeiten
dem Syrakusaner Flavius Yopiscus bei, und wenn dieser sonst nicht
genannt wird, so liegt doch kein Grund vor diese Angabe zu bean-
standen; auch führt die Einleitung zu der ersten dieser Biographien
dieselben als eigene die des PoUio fortsetzende Reihe in angemessener
und der Arbeit selbst gut entsprechender Weise ein ^. Gleich seinem
Vorgänger Pollio macht auch er in Urkunden; sein Aurelian zum
Beispiel enthält in den 50 kurzen Capiteln deren ganze zwanzig.
1) Gall.l, 1: cum multis auxiliis ... Celticis atque Francicis; Claud. 6,2
(wo Müllenhoff die Lesung mit Unrecht beanstandet hat). 9, 6.
2) Capellianus, bekanntlich Statthalter von Numidien und von Herodian
7, 9, 1 richtig bezeichnet mit den Worten t)yeTro dk MavQovoicov tmv vjzo 'Pcofiaioig,
JNofidScov 8e xa?.ovfisvü)v, heisst Maximw. 19, 1 und Gord. 15, 1 Mauros regens.
Wenn er an der zweiten Stelle als veteranus bezeichnet wird, so denkt der
Schreiber verkehrter Weise au den praeses Mauretaniae vir perfectissimus , der
allerdings aus den Primipilaren genommen zu werden pflegte; Herodian sagt
richtig TCüv dnö ovyxkrjxm).
3) Gull. 13, 6. 4) Gall 5, 4 ; irig. tyr. 29, 1 : dux limitis Libyci.
5) trig. tyr. 10, 9. 6) Claud. 7, 2. 7) trig. tyr. 11, 6 vgl. 33, 8.
8) Fortgeführt wird dies im Eingang des Probus 1, 5 : non patiar ego ille,
a quo dudum solus Aurelianus est expetitus, cuius (vielmehr eins) ritam quantum
potui persecutus Tacito Florianoque iam conscriptis non me ad Pröbi facta con-
scendere, si vitu suppetit omnes ad Maximianum Diocletianumqne dicturm.
Die Scriptores historiae Augustae. 329
und sie sind denen seines Yorgängers vollständig gleichartig. Gleich
diesem berühmt auch er sich des Studiums lateinischer wie griechi-
scher Quellenschriften^ und nennt deren eine relativ beträchtliche
Anzahl; leider sind sie sämmtlich anderweitig unbekannt, Kallikrates 257
aus Tyros sowohl wie Valerians Kammerdiener Acholius und der
Xikomachos, der den syrisch geschriebenen Brief der Zenobia ins
Griechische übersetzt hat. Es ist befremdend, wenn auch diejenigen
Forscher, die über die Beschaffenheit dieser Sammlung sich nicht
täuschen, diesen Schriftstellemamen Vertrauen schenken und darauf
hin dieser geistesarmen Zeit eine historische Productivität zuschreiben,
die auch in der untergeordnetsten Gestalt sehr wenig für sie passt.
Man sollte vielmehr an die Autorenreihen in der origo gentis Ttomanae
und den Fulgentius sich erinnern und auch hier nicht vergessen, dass
Vopiscus in der Einleitung sich den Freibrief geben lässt es mit der
Wahrheit nicht genauer zu nehmen als seine Vorgänger: habebis
mendaciorum comites. Indess hier beschäftigt uns nicht die Ab-
grenzung seiner Fälschungen, sondern die Zeit der Abfassung seiner
Schriften; und diese lässt sich genau und sicher bestimmen. Er
giebt als Einleitung ein Gespräch, das er allem Anscheine nach am
25. März 304 ^ während einer Festfeier mit dem Stadtpräfecten Junius
Tiberianus in dessen Kutsche geführt hat, wobei die Absicht des
1) In den Ortsbezeichnungen führt bei ihm nichts auf Benutzung griechischer
Quellen ; die ferae Lihycae (Aureh 33, A) und die Uopardi Libyci (Prob. 19, IJ
erklären sich genügend aus der lateinischen Dichtersprache. Während bei
PoUio die griechischen Quellen durchgängig als die glaubwürdigeren behandelt
^verden, heisst es hier Prob. 3. 3: qtwd quia per unum tantum Graecorum relatum
tst, nos in medio relinquemus.
2) Die oft verhandelte Controverse über die Datirung dieses Gesprächs
geht darauf zurück, dass der Stadtpräfect lunius Tiberianus in dem zuverlässigen
Verzeichniss derselben bei dem Chronographen von 354 zweimal vorkommt,
zuerst als fungirend 291 XII k. Mali. — 292 III non. Aug., dann als fungirend
€03 prid. idus Sept. — 304 j^id. non. lan., und dass das Gespräch an den Hilaria
geführt wird. Die erstere Jahreszahl kann deshalb nicht gemeint sein, weil
<3ie Biographien des Pollio, über die die beiden Freunde sich unterhalten, erst,
wie wir sahen, um 303 publicirt sind. Die Hilaria erscheinen zweimal im Fest-
kalender, als Fest der Göttermutter unter dem 25. März, als Isisfest unter dem
3. Nov.; jener Festtag wird häufig, dieser selten erwähnt. Entweder also ist
hier das weniger bekannte Hilarienfest des Herbstes gemeint oder es ist bei
dem Chronographen für prid. non. lan. zu schreiben prid. 'non. lun. Wofür
immer man sich entscheiden will, jeder dieser Wege ist gangbarer, als den
urkundlich beglaubigten lunius Tiberianus mit allem, was daran hängt, als eine
Fictiou der theodosischen Epoche zu betrachten. [Dessau a. a. 0. (o. S. 327, 2)
S 567, 1 bemerkt, daß er nur das Gespräch, das Vopiscus mit dem Stadt-
präfecten gehabt haben will, als Fietion betrachte.]
330 Die Scriptores historiae Augustae.
Provinzialen, sich ein Ansehen zu geben, ebenso deutlich hervortriti
wie die Befähigung des Litteraten eine derartige untergeordnet«
Aufgabe in angemessener Form zu behandeln, während er in dei
historischen Darstellung sich ebenso ungeschickt und impotent erweis
258 wie alle seine in der Sammlung vereinigten Collegen. Den Stempe
der Gleichzeitigkeit trägt diese Einleitung so entschieden an der Stirn
dass es sich nicht verlohnt darüber Worte zu verlieren. Weiterhir
wird Diocletians und seiner Collegen mehrfach gedacht^, an ver-
schiedenen Stellen so, dass sie noch am Regiment zu sein scheinen ^
während an anderen Dio'cletian und Maximian deutlich erscheinei
als zurückgetreten^ und Constantius als der regierende Kaiser*
1) Erwähnung der Diocletiansthernien und ihrer Bibliothek: Prob. 2, 1
Ferner Aurel. 29,3: iy)'Oxime Diocletianus. 42, 3: ab Augusto in Diocletianun
Maximianumque p-incipes quae series purpuratomm sit, index publicus tenet
44, 2. 8; P)-ob. 22, B; Car. 20, 2.
2) Carin. 9, 3 wird der Persersieg des Galerius bezeichnet als gewonnei
per sacratissimum Caesarem Maximianum. Das. 17, 6: Constantium , qui postei
Caesar est facttis. In dem Schlusswort Car. 18 werden die vier Regenten in de:
Weise aufgeführt, dass Galerius wegen der persischen, Constantius wegen dei
gallischen Erfolge gefeiert wird, kein Wort aber auf den Rücktritt hindeutet
Auch dass der Schreiber sowohl hier wie Bonos. 15, 10: supersunt mihi Carus
Carinus et Numerianus, nam Diocletianus et qui sequuntur stilo maiore dicencl
sunt, passt am besten für eine unter ihrem Regiment geschriebene Arbeit, wi(
denn auch die Worte qui sequuntur füglich auf die Folge nicht in der Regierung
sondern in der biographischen Reihe bezogen werden können. Es scheinen dies(
Stellen vor dem Rücktritt geschrieben und unverändert geblieben zu sein, ob
wohl die Herausgabe erst kurz nach demselben erfolgte.
3) Aurel. 43, 2: ego a patre meo audivi Diodetianum piincipem iam privatun
dixisse nihil esse difficilius quam hene imperare. Das. 44, 2 wird Maximianus ge
tadelt. Ich kann nicht einsehen, warum jene Worte nicht im J. 306 als(
geschrieben werden konnten; übrigens ist der Text ja überarbeitet und kam
auch hier modificirt worden sein.
4) Aurel. 44, 5: et est quidem iam Constantius imperator . . . cuius puti
posteros ad eam gloriam . . pervenire. Rühl (Rhein. Mus. 43, 697 f.) versucht dies(
Stelle zu beseitigen als wörtliche Anführung aus der Schrift eines Dritten
indess da die vorhergehenden Angaben mit dicebat und dixit eingeführt werden
so ist selbst bei einem Schriftsteller dieser Art ein solcher Uebergang in directes
Citat nach meiner Meinung undenkbar. Wer und wie citirt wird, ist aus den
vielleicht mehr durch die Diaskeuasten als durch die Abschreiber zerrütteter
Text nicht sicher zu entnehmen. Es werden zwei Aeusserungen Diocletians
über Aurelian berichtet, die erstere mit den Worten: Verconnius Herennianm
praefectus praetorii Diocletiani teste Asclepiodoto saepe dicebat Diodetianum fre
quenter dixisse, die zweite also eingeleitet: compertum [a\ Diodetiano (vgl. Car
14, 1 : avus ineus mihi rettulit ab ipso Diodetiano compertum) Asdepiodotus Celsini
eonsiliario suo dixisse perhibetur. Letzteres kann nur heissen, dass Asdepiodotus
dieselbe von Diocletian erfuhr und sie dem Celsinus mittheilte; die ersterf
Die Scriptores historiae Augnstae. 331
ausdrücklich werden die vier Regenten der diocletianischen Epoche 259
bezeichnet als lebend ^ Demnach hat Topiscus geschrieben nach
CoDstantius Antritt der Kaiserwürde ( l. Mai 305) und vor dessen Tod
(24. Juli 306). Dazu stimmt es, dass er die Dynastie des Constantius
als die Trägerin des Regiments betrachtet, da die Spannung zwischen
diesem und Galerius dessen Ignorirung genügend erklärt, und dass
er den Bürgerkrieg herannahen sieht-, welchen das zwischen den
beiden obersten Machthabern bestehende Zerwürfniss erwarten lies»
und der bald genug zum Ausbruch kam; auch stehen dieser Zeit-
bestimmung anderweitige ernstliche Bedenken nicht entgegen^.
dürfte danach auch auf das Zeugniss desselben Asclepiodotus hin (vielleicht
stand in der Urschrift etwa teste adlato Asckpiodoto praefecto praetorii Diodetiani)
von Herennianus weiter erzählt worden sein. Diese Ketten von Gewährsmännern
würden höchst befremdlich sein, wenn sie von zuverlässiger Hand kämen; aber
diese Angaben sind gleichwerthig den Urkunden des Vopiscus und für gemischte
mündliche Tradition recht wohl geeignet.
1) Vopiscus Car. 18 erklärt die vier Kaiser von seiner Darstellung aus-
zuschliesseu, maxime cum vel vivorum principum vUa non sine reprdiensione dicatur,
mag man nun übersetzen: 'da zumal auch bei lebenden Herrschern es ohne
Tadel nicht abgehen kann' oder auch: 'da man bei lebenden Herrschern dem
Austoss nicht entgeht". Ich sehe keinen Grund, vivorum für verdorben zu halten.
2) Prob. 23, 5: eant nunc qui cid civilia beüa milites parent, in germatwrum
necem arment dexteras frcdrum, hortentur in patrum vulnera liberos.
3) Die von Rühl a. a. 0. für eine spätere Abfassungszeit, etwa 322/8 geltend
gemachten Gründe sind nicht durchschlagend. Wie daraus, dass Aurelian seiner
Tochter und seiner Gattin jährlich eine bestimmte Summe zum Satumalienfest
scienkte (Aurel.hQ,2; vgl. Marquardt Handb. 6, 587;, gefolgert werden kann,
dass jene bei des Vaters Tode noch unverheirathet war, sehe ich nicht ein;
sear wohl kann ein Enkel des im J. 275 einundsechzigj ährig umgekommenen
Kiisers im J. 305 oder 306 im reifen Mannesalter gestanden haben (Aur. 42, 2,
wci eiiis wohl auf den Kaiser geht, nicht auf dessen Tochterj. Es kann aber
anch, was Hirschfeld annimmt, die Notiz über Aurelians Nachkommenschaft
vo-i dem letzten Diaskeuasten in die Sammlung eingelegt sein. Wenn Vopiscus
den Diocletian und den Constantius zu den Offizieren rechnet, die aus Probus
Sclmle hervorgegangen und quos patres nostri miraii sunt, so passt dies dazu,
dass jener um 305 schrieb. Probus ward um 232 geboren, Diocletian um 245,
Coastantius, Vater des um 273 geborenen Constantin, nicht viel später ; Vopiscus
Vater konnte also füglich Altersgenosse der beiden Kaiser gewesen sein und
unter dieser Generation von Offizieren jene beiden als die hervorragendsten
gegrölten haben. Vopiscus Grossvater hat wohl Beziehungen zu Diocletian
gehabt, aber nichts st^ht der Annahme im Wege, dass er um eine Generation
ält«!r war als der Kaiser. Dass die Schrift, weil in der Vorrede der Verfasser
sich der Beziehungen zu dem Stadtpräfecten berühmt, ihm nun auch hätte ge-
widmet werden müssen, wenn er die Publica tion erlebt hätte, und dass, da sein
Totl nicht erwähnt wird, er 'ziemlich lange vorher' mit Tode abgegangen ist,
kann unmöglich ernstlich als Beweis geltend gemacht werden. Was endlich
332 Die Scriptores historiae Augustae.
260 Die Reihe endlich von Elagabalus bis auf Gordian III. ein-
schliesslich gehört in die spätere Zeit des ersten Constantin. Dio-
detian und Maximian^ sowie Constantius I.^ werden erwähnt als
verstorben, Maxentius und Licinius (f 324) als überwunden'; Con-
stantin, der in der Anrede stets allein genannt wird, heisst ständig
maximus^ oder venerahilis^. Alle Indicien treffen zu auf dessen
letztes Decennium. Vermuthlich sind diese Biographien alle von
einer Hand; die Subscriptionen, wonach dem Lampridius Elagabalus
und Alexander, die anderen Biographien dem Capitolinus beigelegt
werden, lassen sich weder mit denen der vorhergehenden Sammlung
261 noch mit der aus Vopiscus sich ergebenden Zeitbestimmung dieser
Schriftsteller in Einklang bringen und sind wahrscheinlich aus der-
selben zerrüttenden Interpolation hervorgegangen, welche die nach-
gefälschten Biographien des ersten Abschnittes älteren Schriftstellern
aufgeheftet hat. Für zwei dieser Biographien liegt das Quellenmaterial,
aus dem sie hervorgegangen sind, auch uns noch in ziemhcher Yoll-
ständigkeit vor; es sind dies diejenigen des Maximinus und der beiden
Kaiser Maximus und Balbinus. Die lateinische Quelle, die dem
die Frage anlangt, ob es für Vopiscus sich schickte Privatgespräche zwischen
Diocletian und seinem Vater bei deren Lebzeiten zu publiciren, so wird man
wohlthun, an diese Machwerke wie lür die Wahrhaftigkeit so auch für die
Schickliehkeit ungefähr den Massstab anzulegen, welchen unsere untergeordnete
Tagespresse uns an die Hand giebt. Gegenüber den positiven Anhaltspunkten,
welche das Gespräch mit Tiberianus und die Erwähnung des regierenden Kaisers
darbieten, fallen dergleichen Betrachtungen nicht ins Gewicht.
1) Elagah. 35, 4 in der Anrede an Constantin: Ms iungendi sunt Diocldianus.
aurei parens saeeiiN et Maximianus ut viilgo dicüur ferrei ceteriqiie ad pietatem
tuam.
2) Elagub. 2, 4.
3) Gord.S4:, 5; Elagah. Sb: te . . . prosequentur , quibus id felieior natura
detulerit. his addendi sunt Licinius atque Maxentius, quarum omnium ius in
dieionem tuam venit, sed ita, ut nihil de eorum rirtute derogettir: non enim ego
id faciam, qiiod plerique scriptores solent, ut de his detraham qui vidi sunt. Es
ist mir nicht verständlich, warum Dessau (S. 338) hieran Anstoss genommen
hatte. Allgemeines Renommiren mit Unparteilichkeit ist den Servilen aller
Zeiten eigen und zu allen Zeiten ungefährlich gewesen; hätte derselbe Scribent
seine Absicht das Leben des Maxentius zu schreiben ausgeführt, so würde er
sich wohl gehütet haben diese virtus zu specialisiren. Meines Erachtens tragen
diese Redensarten vielmehr den Stempel der Gleichzeitigkeit.
4) Albin. 4, 2; Alex. 65, 1; Maximin. 1, 1; Goi-d. 34,6. Maximus heissi
Constantin noch nicht im J. 316 (später zugefügt in der Inschrift des Jahres 314
C. L L. VIII 10064; fehlt in denen vom J. 315 C. I. L. VIII 8476. 8477 [Dessai!
inscr. sei. 695]), aber vor dem J. 319 (Eckhel 8, 75 ; C. I. L. VIII 8412 [Dessau 696]);
5) Elagab. 34, 1. 35, 5; Gord. 1, 1.
Die Scriptores historiae Augustae. 333
Verfasser zu Gebote stand, ist dieselbe, aus der Victor und Eutrop
schöpfen, und hat schwerlich viel mehr enthalten, als diese ihr
entnommen haben; auf sie führt mit Sicherheit nichts als die eine
Stelle Maxim in. 8, 1: Maociminus primum e corpore militari et nondum
Senator sine decreto senatus Augustus ab exercitu appellatus est ^. Von
den beiden griechischen wird Dexippus, angeführt in der ersten 32, 3.
33, 3. in der zweiten c. 16, nur nachträglich berücksichtigt, wogegen
Herodian , angeführt in der ersten in der Ei-zählung selbst 13,4, in
der zweiten 15, 3 ausdrücklich als Hauptquelle bezeichnet, augen-
scheinlich dem Verfasser das Material wesentlich geliefert hat^. Für
die Biographie der drei Gordiane ist er auch benutzt, aber, da er
mit der Erhebung Gordians III, zum Augustus schliesst, überwiegend
Dexippus zu Grunde gelegt*. Die Stellung dieser Berichte zu dem- 262
1) Fast gleichlautend bei Eutrop 9, 1, ähnlich Victor Caes. 25. Diese Stelle
mit Dessau den nachträglichen Einlagen aus Eutrop zuzuzählen ist kein Grund
vorhanden; sie kann in der Erzählung nicht entbehrt werden. Dazu kommt
die Ausführung 33, 3 über den Namen des Kaisers Maximus.
2) Alle übrigen Citate sind ebenso wenig beglaubigt wie die nicht jenen
Quellen entnommenen thatsächlichen Berichte. Dass der zu Anfeng der drei
connexen Biographien neben Dexippus genannte Arrianus, insbesondere nach
Vergleichung der gleichartigen und sicher von derselben Hand herrührenden
Stelle trig. tyr. 32, 1, nichts ist als eine Corruptel vou Herodianus, ist längst
bemerkt worden. — Von den Corduscitaten wird noch unten die Rede sein. —
Vulcacius Terentianus, der die Geschichte seiner Zeit geschrieben (Gord. 21, 5),
desgleichen Curius Fortunatianus (Max. et Halb. 4, 5^, Aelius Sabinus (Maximin.
32. 1) und Tatius Cyrillus, der griechisch geschriebene Biographien dieser
Kj.iser nach Aufforderung Constantins ins Lateinische übersetzt haben soll
(^laximin. 1, 2), werden jeder nur einmal und sonst nirgends genannt; ihre
Existenz selbst ist mehr als fraglich. Auch der Lollius Urbicus (Diadum. 9, 2>
imd der Valerius Marcellinus (Max. et Balb. 4, b) stehen auf der gleichen
.Autorität.
3) Aus Herodian ist die Erzählung der Katastrophe des Vitalianus c. 10
geiommen; aber der Bericht auch über die beiden ersten Gordiane gehört in
dei- Hauptsache nicht ihm, sondern dem Dexippus. Dexippus kennt die Zwanzig-
männer (Maximin. 32, 3^ und diese figuriren in der Biographie der Gordiane
(10, 1. 2. 22, 1; vgl. 14,4); Herodian dagegen behandelt, ohne Frage incorrect,
den Maximus und den Balbinus einfach als Kaisercollegen, und dieser Auffassung
fol^^en die Biographien des Maximinus sowohl wie des Maximus und Balbinos,
nur dass in dieser 12, 4, in einem augeblichen Gitat aus Cordus, dieselben auf-
tre-en umgewandelt in zwanzig senatorische Gesandt« — ohne Zweifel ein
Veisuch des Biographen, beide Traditionen zu verkoppeln. — Ebenso definirt
He:'odian nirgends die Stellung Gordians des Sohnes zu seinem Vater während
des Proconsulats desselben; die zweifellos richtige Bezeichnung des Sohnes als
Le^-aten consularischen Ranges des Vaters kann den lateinischen Quellen nicht
entlehnt sein, da diese ihm eine ganz andere und verkehrte Stellung anweisen;
334 Die Scriptores historiae Augustae.
jenigen Herodians, bekannt und anerkannt wie sie ist, rauss dennoch
hier dargelegt werden an einem längeren Abschnitt der Biographie
Maximins c. 9, 6 — c. 13, 4, dem bei Herodian der Anfang des siebenten
Buches entspricht, weil nur dadurch über die Beschaffenheit der nicht
herodianischen Zusätze eine genügende Anschauung gewonnen werden
kann und diese Einsicht für die der gesammten, von verschiedenen
Händen geschriebenen, aber innerlich connexen Sammlung unent-
behrlich ist. Die geringen Umstellungen, die der Bearbeiter sich
gestattet hat, sind nicht besonders hervorgehoben, seine Zusätze mit
stehender Schrift gedruckt.
Nobüem circa se neminem passus est,
juovog eivai ßovkojuevog iv reo OTgaro) xal juijdev avxco
nagelvai ix ovvsidijoecog evyevovg xgeitrova ....
prorsus ut Spartaci aut Athenionis exemplo imperabat.
praeterea omnes Alexandri ministros variis modis interemit:
xrjv re &eQaneiav näoav ?; ovveyEyovei reo 'Ah^dvögo) . . .
rijg ßaoilelov avXrjg äjiejiejuxpe , rovg de TiXeiorovg avrebv
xal äjzexrsivev.
^63 f dispositionibus eins invidit et dum suspectus habet amicos
{ ac ministros eius crudelior factus est.
[ emßovXäg vjionrevow ....
Cum esset ita moratus ut ferarum more viveret,
tristior et immanior factus est (actione Magni cuiusdam
consularis viri contra se parata,
eri de xal /xäXXov avrbv eg ehju6r7]ra xal rrjv TtQog änavrag
ÖQyijv nQovxaXeoaro ovjueojuooia rig . . . Mdyvog rig övojua
fjv reöv . . . vjiarevxöreov
sie wird ausdrücklich auf Dexippus zurückgeführt (Gord. 9, 6) und erscheint
mehrfach in der Biographie der Gordiane (7, 2. 8, 3. 9, 6. 15, 2. 18, 6) und nur in
dieser. Dass die annalistische Erzählungsform mit vorgesetzten Consulnamen,
wie sie unter diesen Biographien allein die Gordians III aufweist, ebenfalls aut
Dexippus zurückweist, ist schon bemerkt worden (S. 255 A. 3 [327 A. 3]). —
Griechische Ethnika erscheinen Maximin. 14, 1 procurator in Libya (übersetzt
aus Herodian) — Gord. 3, 6 ferae lÄhycae (wohl Einwirkung der römischen Dichter-
sprache) — 31, 1 Argunt Scytharum rex (wohl nach Dexippus) — Max. et Bali.
16, 3 Scythicum bellum (aus Dexippus).
Die Scriptores historiae Augustae. 335
!qui ctim mtiltis militibus et centurionibus ad eum con-
fodiendum consümm inierat.
TiokXwv re exaTOVTa.Qyoiv ov/uTiveovrcov ....
ieum in se imperiiim transferre cuperet.
dießÄ.rj&i] . . . argaTKorag Tivdg Tiei^eiv ig avxov ri]v dgyrjv
juerdyeiv.
et gemis factionis fuit tale:
fi de ovoxevi] rocavn] rig ekeyero eaeo'&ai.
(cum ponte iuncto in Gemmnos transire Maximinus vellet
ri]v yecfvoav C^v^ag (6 Ma^ifuvog) e/j^eXXev im reofiavobg
diaßrjoea&ai.
placuerat, ut contrarii cum eo transirent^,
pons postea solveretur, iUe in barbarico circumventiis occi-
deretur,
6 de JMdyvog iXeyero oxQaxioixcbv .... xovg xtjv q)oovodv
xijg yeq)VQag . . . nentoxev/Lievovg dvaTieioai uexd x6 diaßfjvai
xöv Ma^ifxivov Xvoavxag xi]v yeqwgav Jigoöovvai xoXg
ßagßdooig.
imperium Magnus arriperet.
nam omnia hella coeperat agere et quidem fortissime, statim
ut facius est imperator,
dpa ydo xm xr]v doyJ]v jiagaXaßeiv ev&ecog 7ioXsfitxä>v sgycov
rjgiaxo
{peritus ritpote rei militaris, 264
öid .... epTieiQiav 7ioXe/uxr]v
ivolens existimationem de se habitam teuere
dox&v eTiiXeXeyßai egyoig xi]v öoiav xal x}]v xcöv oxgcoxicoxdtv
vTiöXrjifiv emaxovxo
et ante omties Alexandri gloriam quem ipse occiderat
vincere ^.
x/]v xe A?.eidvdgov . . . öeiXiav iXeyyeiv ejisigäxo eixoxcog
y.axeyvooopevrjv.
1) Dies ist widersinnig ; die Brücke wird abgebrochen, um den Kaiser den
Germanen in die Hände zu liefern.
2) Dies ist geändert, weil der Biograph dem Alexander günstiger gesinnt
ist als Herodian, dem er 13, 4 odium Al&candri vorwirft.
336
Die Scriptores historiae Angustae.
265
iquare Imperator etiam in exercitio quotidie milites detinebat
äoHCÖv re ovv xal yvjuvdCcov rovg orgaridnag ov diehiJcev
ieratque in armis ipse magnus,
avTÖg re ev onloig öjv
fexercitui et corpore multa semper osfendens.
xal tÖv otgarov Tzagog/ucbv (vgl. 6, 8, 2 : roTg k'gyoig jidvxcov
jiQorjyovjuevog).
Iet ista)n quidem factionem Maximinus ipse finxisse perJiihetur,
Y] juev rfjg eTiißovkrjg (prjfxr] . . . eire dkr]'&rjg vndg^aoa eire
vjiö Tov Ma^ijuivov ovoHevaa§Eioa.
ut materiam crudelitatis augeret
denique sine iudicio sine accusatione sine delatore sine
defensore omnes interemit omnium bona sustulit
fxfjxe yäg xgioewg rivi /neradovg [xrjTe änoXoyiag jidvrag . . .
e(pövevoev
et plus quattuor milibus hominum occisis se satiare non potuit
Fnit etiam sub eodem [actio desciscentihus sagittariis Ordroenis
ah eodem oh amorem Älexandri et desiderium^ quem a
Maximino apud eos occisum esse constabat, nee aliud
persuaderi potuerat.
eyevETO de rig xal 'OogorjVMv xo^orcbv dnooxaoig , oi ndvn
dXyovvxeg im rfj 'Aks^dvdgov xeXevxfj
denique etiam ipsi Titum unum ex suis sihi ducem atque
imperatorem fecerunt, quem Maximinus privatum iam
dimiserat: quem quidem et purpura circumdederunt, regic
apparatu ornarunt et quasi sui milites obsaepserunt et
invitum quidem.
negixvxovxeg xcbv dno imaxdag xal (p'ikoiv "Aksidvögov xivi
(KovagxTvog de rjv övopa, ov Ma^ifxTvog EXJiljuxpag fjv toS
oxgaxov) .... oxgaxrjyöv eavröjv xaxeoxrjoav nogcpvga xt,
xal Jivgl Txgojiopjievovxi . . . exooprjoav em xe xrjv dgxv^
Yiyov ovxi ßovlofxevov.
Sed hie dormiens dornt suae ah uno ex amicis suis inter'
fectus est, qui sibi doluit illum esse praepositum, Macedonio
nomine,
Exeivog juev ovv ev xfj oxrjvfj xa^evdcov . . . vvxxcog . . . dvrjged^
vjio xov . . . doxovvxog cpilov . . . Maxeöayv fjv övopa avxtö
Die Scriptores historiae Augustae. 337
qui eum Maximino prodidit quique Caput eitis ad imperatorem
detulit.
olöfievög re fieyäXa j^a^tteo^at zw Ma^t/aivco rijv xecpaXriv
OTIOTS/XCOV EXOfllOeV.
Sed Maximinus primo ei gratias egit, postea tarnen ut
proditorem odio habuit et occidit.
b de . . exeivov . . . äjiexreivev (bg . . . ämotov . . . yevojuevov
Tiegl Tov (fikov.
His rebus in dies immanior fiebat ferarum more, quae vul-
neratae magis exulcerantur.
Post liaec transiit in Germaniam cum omni exercitu et
Mauris et Osdroenis et Parthis et omnibus quos secum
Alexander ducehat ad bellum
IldvTa TOV oxQazbv ävaXaßwv xai ötaßdg äcpößwg Tr]v yecpvQav
eiyezo t^? Jioög reo/navovg judyijg . . . eioijyaye MavoovoUov
re äxovTioTcöv ägi^ixbr TzdjujiXeiorov xal to^otcöv 'Ooqotjvcöv
.... xal et Tiveg IIaQ-&vaioiv .... 'Pco/naioig eöovXevov'
xd de Tikri'dri xavra xov oxgaxov xal TiQÖxeoov vn ^Ake^dvbqov
rji&QOlGXO.
et oh hoc maxime orientalia secum trahehat auxüia, quod ntdli 266
maffis contra Germanos quam expediti sagittarii valent.
fidkioxa de oi dxovxioxal xal ol xo^oxai jigog xdg PeQfidvwv
^dyag enarjöeioi. öoxovoiv.
Imirandum autem apparatum belli Alexander habuit, cui
Maximimis vvulta dicitur addidisse.
rjv^Yjxo de vtio xov Ma^ifxivov
Ingressus igitur Germaniam Transrlietianam per triginta vel
quadraginta milia barbarici soll vicos {inceiuiit), greges
abegit, praedas sustulit, barbarorum plurimos interemit,
militem divitem reduxit, cepit innumeros.
revofievog d' ev xfj Jiokefuq Maiijuivog 7iok}.T}v yrjv ijifjk'&ev
. . . idijov xe ovv Ttäoav xrjv ywgav . . . xdg xe xcofxag
i/uiijiQag diaQjidCeiv ididov xä> oxgaxcö.
et nisi Germani a campis (germani amnes die Hdschr.^ ad
paludes et Silvas confugissenf,
01 de reguavol djio fxev xiov nedkov . . . dvexeya>Qi]xeoav, ev
de xaXg v/.aig exovnxovxo Jiegi xe xd ekt] diexoißov.
omnem Germaniam in Romanam dieionem redegisset.
MOMSJSEN, SCHR. VII.
22
338
Die Scriptores liistoriae Augustae.
26'
(ipse praeterea manu sua multa faciebat,
avxog 6 ßaodevg Trjg judyr]g 7]Q^ev.
cum etiam paludem ingressus circumventus esset a Germanis,
nisi eum sui equo inhaerentem liberassent.
6 Ma^iuXvog ä/ua rcp mnü) ejußaXcbv ig x6 eXog xakoi vjisq
yaorega rov mjiov ßgE^ojasrov
habuit enim hoc barbaricae temeritatis, ut putaret impera-
torein manu etiam sua semper (pugnare) debere.
denique quasi navale quoddam proelium in palude fecit
xriv re Xijuvr]v . . . 7i£Co/j.axovvn orgarcö vavjuaxiag öyjiv
TiaQaox^Tv.
plurimosque illic interemit
rovg äv^eoTMiag icpövevoe ßagßaQovg.
Victa igitur Germania litter as Romam ad senatum et poptäum
misit se dictante conscriptas,
xamr]v xi]v judxrjv xal xrjv ägioxeiav avxov ov juovov did
ygaju/bidxoiv xfj xs ovyxXrjxco xal xcb d^juM IdrjXwoEv
quarum sententia haec fuit (folgt der Brief und Urtheil
des Aelius Cordus und des Schreibers über denselben).
lussit 2y>'(ieterea tabulas pingi ita, ut erat bellum ipsum
gestum, et ante curiam proponi, ut facta eius xnctura
aXXd xal ygaqjfjvai xeXevoag /aeyioxaig elxooiv äve^rjxs Jigö
xov ßovXevxrjgiov, ha jui) juövov dxoveiv, dXXd xal ßXeneiv
h'ycooi 'PcojuaToi.
quas quidem tabulas post mortem eius senatus et deponi
iussit et exuri
xrjv d' elxova voxegov xad^elXsv f] ovyxXijrog.
Fuerunt et alia sub eo bella plurima (ac) proelia, ex quibus
semper primus victor revertit
yeyovaoi dk xal exegai ovjußoXat, iv alg cbg avxovgyog xe xal
avxoyeig xfjg judyrjg dgioxevmv xe navxayov ejcr]veixo
(et cum ingentibus spoliis et captivis.
noXXovg de yELgo)od{xevog avrcüv aiyjuaXwxovg xal Xsiav
djieXdoag
Extat oratio eiusdem (folgen deren Anfangsworte).
Die Scriptores historiae Augustae.
339
IPacata Germania Sirmium venu,
Xeijuwvog ijdr] xaxaXafißdvovxog ijiavfjX^ev eg üaiovag ev re
2!iojuicp diargißcov
(Sarmatis inferre heUum parans
rd jioog ttjv eioodov ig xo eag JiaQeoxevdCero.
j atque animo concipiens usque ad Oceanum septentrioncäes
partes in Eomanam dicionem redigere, quod fecisset, si
j vixisset, ut Herodianus dicit Graecus scriptor, qui ei
quantum videmus ob odium Älexandri plurimum favit.
fjneiXei ydo, xal jioiijaeiv ejiieXXev, exxoxpeiv xe xal vjioncd^eiv
xd fieygig ojxeavov FeQixav&v edvrj ßdoßaoa.
Diese Bearbeitung besteht, wie man sieht, abgesehen von der 268
Verkürzung und der mehrfach begegnenden Entstellung der Vorlage
wesentlich in einer rhetorischen AmpÜfication von oft unerträgUcher
Albernheit, wobei auch die an zwei Stellen eingelegten Urkunden
lediglich die Vorlage mit gesteigerter Emphase wiederholen, und
wobei mehrfach die Determinirung der unbestimmten Angabe ge-
radezu in Fälschung übergeht: so werden aus der jioXXr} yi] 30 bis
40 Milien, aus den sämmtlichen hingerichteten Verschworenen 4000.
Wenn dies am grünen Holz, einem wohl zusammenhängenden Bericht
über den Thronwechsel und Maximins Kriegführung geschieht, so ist
die Vorgeschichte desselben und die sogenannte Biographie seines
Sohnes in noch ganz anderem Masse aus Interpolation hervorgegangen.
Jene beruht wohl auch auf Herodian:
6, 8, 1 : i]v de xig iv xat oxoaxqj Ma^ifuvog
övojjia, x6 juev yevog xcbv evöoxdxco Ogqxcov
xal fxi^oßaQßdQCOv , dno xivog xcof-i-qg, (bg
eXeyexo
nooreoov juh ev Tiaidl sioifxaivcov
ev dxjufj de xijg fiXixiag yevojuevog öid
fxeye'&og xal ioyhv ocojuaxog ig xovg bi:ievovxag
oxoaxio'ixag xaxaxayeig.
1, 5: hie de vico Ilirei-
ciae vicino harbaris, bar-
baro etiani patre et matre
genitus
2^1: et in prima quidein
pueritia fuit pastor
2, 2: prima stipendia
eqiiestria huic ftiere: erat
enim magnitudine corporis
conspicuus, virtiUe intei'
omnes milites clarus.
Aber was in der Biographie daran anknüpft, der gothische Vater und
die alanische Mutter, das vor Severus aufgeführte Turnier, Maximins
22*
340 ^^ß Scriptores historiae Augustae.
loyales Verhalten gegen das severische Haus und so weiter, hat sicher
keinen grösseren Anspruch auf Glaubwürdigkeit als die Zahl der
4000 Verschworenen. Noch zweifelloser gilt dies von der Novelle
über den wunderschönen Sohn, von dem ein Kind zu bekommen
Damenschwärmerei ist, den der Kaiser zum Collegen ernennt, um
mit einem so reizenden Herrscher den Unterthanen eine Freude zu
machen, dessen Schönheit die Römer noch bewundern, als man den
Kopf an der Stange getragen bringt. Meines Erachtens ist mit der
oben bezeichneten Ausnahme der gesammte Inhalt dieser Biographie
entweder herodianisch oder apokryph.
Die hier dargelegte Benutzung der griechischen Quellen giebt
269 sich als Correctiv ^, und dazu ist sie berechtigt. Die Kaisergeschichte,
wie sie in lateinischer Fassung in dieser Zeit vorlag, hat offenbar
von den drei Gordianen, deren zwei allerdings Rom als Kaiser nicht
gesehen hatte, den zweiten ausgelassen und den dritten in einen
praefedus praetorio des ersten umgewandelt; es ist ein merkwürdiger
Beleg für den herabgekommenen Culturzustand Italiens in dieser
Epoche, dass der dritte Gordian erst in constantinischer Zeit mit
Hülfe der griechischen Berichte wieder entdeckt ward^ und trotz
dieser Entdeckung die ältere fehlerhafte Version sich noch bei Victor
und Eutrop und selbst bei Späteren behauptet^. Auch mit der
Hypothese, dass der Maximus der griechischen und der Pupienus der
römischen Quelle vermuthlich derselbe Mann sei, hat der Verfasser
es getroffen, so seltsam es ist, dass man bei solchen Fragen damals
zur historischen Conjecturalkritik griff*. Es ist eine Ironie, aber
1) Beispielsweise Diadum. 2, 5: Herodianus Graecus scriptor haec praeteriens ;
Alex. 57, 3: Herodianus auetor est contra miiUorutn opinionem. Durchgängig giebt
dieser Schriftsteller den Griechen den Vorzug.
2) Vornehmlich Gord. 2, 1: Gordiani non, ut quidam imperiti scriptores
loquuntur , duo sed tres fuerunt, idqiie docente Arriano (vielmehr Hei'odiano)
scriptoi'e Graecae historiae, docente itetn Dexippo Graeco auctore potuerunt addis-
cere, qui etiamsi hreviter, ad fideni tarnen omnia persecuti sunt. Dass unter den
hier und anderswo gegen die Griechen zurückgesetzten Latini scriptores Victor
und Eutrop gemeint sind, wie Dessau S. 372 annimmt, geht schon darum nicht
an, weil auch nach Dessaus Ansicht der Biograph sich giebt als schreibend
in constantinischer Zeit und dann doch unmöglich auf jene Späteren sich be-
ziehen konnte. Auch ist notorisch dieser Fehler nicht bei jenen erst entstanden,
sondern aus der älteren Quellenschrift übernommen.
3) Zonaras 12, 17 folgt der lateinischen Fassung, bringt aber als Variante
den Tod der beiden Gordiane in Africa bei. Die unter Theodosius geschriebene
sogenannte Epitome Victors aber führt drei Gordiane auf.
4) Diese Vermuthung wird an einer Reihe von Stelleu mit einer ebenso
unerträglichen wie charakteristischen Weitläufigkeit und Selbstgefälligkeit
entwickelt.
Die Scriptores historiae Augustae. 341
nicht minder eine Thatsache, dass diese schlechten Machwerke eine
wissenschaftliche Leistung der constantinischen Zeit sind und theils
durch Hinzuziehung besserer Quellen, theils durch Conjectur einige
Erfolge aufzuweisen haben.
Die beiden vorhergehenden Biographien des Elagabalus und des
Alexander tragen zwar einen wesentlich verschiedenen Charakter,
insofern sie augenscheinlich hauptsächlich aus lateinischen Quellen 270
geflossen sind, und zwar die erstere sicher aus Marius Maximus, die
zweite, wenn dieser wirklich mit Elagabalus geschlossen hat, aus
einer gleichartigen Fortsetzung. Aber als secundäre Quelle begegnen
auch hier dieselben Griechen: im Elagabalus (35, 1) werden sie im
Allgemeinen neben den Lateinern angeführt und im Alexander sowohl
Herodian (52, 2. 57, 3) wie Dexippus (49, 3).
Da die vitae diversorum jyrinciinim et tyrannornm a divo Hadrinno
usque ad Kumerianum a diversis compositae zwar als ein Sammel-,
aber doch auch als Gesammtwerk auftreten, also ein Sammtredacteur
dafür gefordert wird, so liegt es am nächsten diesen in dem Urheber
des jüngsten Abschnittes zu suchen und diesem zuzuschreiben, was
in den übrigen sich als nachgetragen herausstellt. Das wird auch
durch verschiedene Judicien bestätigt.
Die der ersten Gruppe eingelegten secundären Biographien
können füglich von dem Redacteur der vierten Gruppe herrührend
Wenn er die Reihen des Pollio und des Yopiscus mit denen der
ersten Gruppe verknüpfte, so musste das Fehlen der Usurpatoren
sich ihm aufdrängen und legte eine derartige Ergänzung nahe-.
Dass die Biographien des Albinus und des Geta, obwohl sie in der
diocletianischen Reihe stehen, dennoch dem Constantin dedicirt sind,
spricht entschieden zu Gunsten dieser Vermuthung, und nicht minder
spricht dafür, dass die drei oder vier Verfassemamen in der ersten
Reihe und diejenigen dieses jüngsten Abschnittes dieselben sind; wie
diese wunderliche Erscheinung immer sich erklären mag, sie knüpft
diese beiden Massen gegenüber den von Pollio und von Yopiscus
1) Dass die Alex. 35, 1 dem Niger beigelegte Aeusserung in dessen Bio-
graphie 11, 5 wiederkehrt, ist freilich ebenso unbeweisend wie umgekehrt die
gänzlich abweichende Behandlung Diadumenians in dessen Biographie und in
der des Elagabalus (8).
2) Man beachte die glückliche Auffindung der Schrift des Äemilius Parthe-
nianus, qiii adfedatores tyrannidis iam inde a veteribus historiae tradidit, durch
den Biographen des Cassius 5, 1 und die Klage desjenigen Nigers über die Be-
schaffenheit der Quellenschriften für die 'Tyrannen (1, 1).
342 Die Scriptores historiae Augustae.
herrührenden enger zusammen. Nicht minder spricht für dieselbe,
dass die beiden griechischen Historiker, welche der constantinische
Redacteur in so ausgiebiger Weise compilirt hat, in den besseren
271 Biographien der ersten Gruppe nicht benutzt sind, wohl aber für den
Albinus^, den Macrinus^ und den Diadumenianus ^ Sehr bemerkens-
werth sind auch die Verweisungen auf den angeblichen Cordus, welcher
zweimal (Alb. 5, 10. Maximin. 12, 1) Aelius, neunmal (Macrin. 1, 3.
Maximin. 27, 7. Gordian. 5, 6. 12, 1. 14, 7. 17, 3. 21, 3. 4. 22, 2. Max.
et Balh. 4, 2. h) Junius genannt wird: diese erscheinen massenhaft in
den drei maximinisch - gordianischen Biographien, daneben aber nur
in der des Albinus und der hybriden des Macrinus, und überwiegend
für die imperatores obscuriores, mit denen er sich besonders beschäftigt
haben soll (Macrin.i, 3^, so gut wie ausschliesslich bei den mythistoriae
(Macrin. 1, 5j, den frivola (Albin. 5, 10), den fabellae (Maximin. 31, 4^,
den ridicula et stulta (Gord. 21,3^, wie der Biograph selbst sie nennt,
die das private Verhalten der Kaiser schildern. Alle Angaben, bei
denen Cordus genannt wird, sind höchst verdächtig, zum Theil sicher
gefälscht, wie denn insbesondere verschiedene gefälschte Urkunden
bezeichnet werden als ihm entnommen (Albin. 7, 2, Maximin. 12, 7.
Gord. 5, 6. 12, 1. 14, 7). Dass dieser Cordus sonst nirgends genannt
wird, kann gegen die Zuverlässigkeit dieser Citate allerdings nicht
geltend gemacht werden ; aber noch weniger wird sie dadurch gestützt,
dass der Verfasser der Biographien , trotzdem er dem Cordus lange
Abschnitte entnimmt, ihn zugleich mit äusserster Geringschätzung
behandelt und sich ihm gegenüber überall auf das hohe Pferd des
moralischen Historikers setzt: ea debent in historia poni ab historio-
graphis, quae aut fugienda sunt aut sequenda (Gord. 21, 4). Mehr
als blos verdächtig ist es, dass im Leben des Maximinus (12, 7) die
anekdotische Amplification der herodianischen Erzählung ausdrücklich
272 auf Cordus zurückgeführt wird. Hätte der Schreiber neben dem
1) 1, 2. 12, 14 Herodian.
2) Genannt werden die Griechen in dieser Biographie nicht; aber der
ganze Abschnitt 8, 3 — 10, 4 ist Auszug aus Herodian 4 fin. 5 in. Beispiels-
weise ist die Notiz über die Maesa 9, 4: post mortem Antonini Bassiani ex aulica
domo fuerat expulsa per superbiam, cui qiiidem omnia concessit Macrinus quae
diu illa collegerat deutlich üebersetzung [53, 2] : zi]v de Matoav zavTtjv 6 MaxgTvog
fierä T^v . . 'AvTCOvivov . . dvaigsaiv ngoasra^ev ig rijv nargida ijiave?.&ovaav iv roig
oixsloig xaraßiwvai , oiävra e'xovaav rä iavzrjg ' nXsiatoov 8e fjv ;f ß>/|tarwv avcmXswg
ate fiaxQ^ XQÖvcp ßaadix^ i^ovaiq ivTe^QafiinEvr]. Die Schlussbemerkung über die
Caesarstellung des Sohnes kehrt genau ebenso wieder im Diadumenian 2, 4 und
hier als aus Herodian entnommene Variante.
3) 2, 5 Herodian.
Die Scriptores historiae Augustae. 343
Griechen eine selbständige Anekdotenbiographie benutzt, so könnte
sie unmöglich so eng an jenen sich anlehnen; hier sind nicht zwei
Quellen contaminirt, sondern es sind bei der üebersetzung des
Herodian Fälschungen eingelegt worden, welche die zugehörigen
Citate noth wendig einschliessen. Der Biograph hat für die anek-
dotischen Erfindungen, die er nicht unterdrücken konnte und deren
er doch mit gutem Grund sich selber schämte, in diesem Pseudo-
Cordus sich zugleich einen Gewährsmann und einen Prügelknaben
■geschaffen.*)
Auch in die von Pollio herrührende Biographienreihe hat der
Verfasser dieser jüngsten Abtheilung eingegriffen. Den Biographien
der sogenannten dreissig Tyrannen ist ein durch den Tadel, den die
Aufnahme zweier Frauen, der Zenobia und der Victoria, bei dem
Publicum fand, veranlasster Nachti-ag angehängt, worin der Verfasser
zwar in seiner Weise die Aufnahme der angefochtenen Biographien
rechtfertigt und sie denn auch stehen lässt, aber doch davon Veran-
lassung nimmt zwei nicht unter jenen Dreissig aufgeführte Männer,
den Titus und den Censorinus anzuhängen, zugleich bemerkend, dass
er auch in dem Körper des Werkes dem Tyrannen Valens einen
älteren gleichnamigen Usurpator (c. 20) zugesetzt habe. Diese alberne
Procedur, deren Verkehrtheit noch dadurch gesteigert wird, dass der
ältere Valens und der Titus zu den Usurpatoren der gallienischen
Zeit gar nicht gehören, tritt auf als Selbstcorrectur; aber wie bei
den Zusätzen zu der ersten Gruppe scheint auch bei der von Pollio
herrührenden der Sammtredacteur unter den Xamen der ihm vor-
liegenden Biographen zu arbeiten. Wenn nicht zwischen Pollio und
dem Schilderer der maximinisch - gordianischen Zeit ein Verhältniss
bestanden hat wie zwischen den associirten Lustspielschreibem
unserer Tage, so ist der Urheber dieses !Xachtrages kein anderer
als dieser Schriftsteller selbst. Denn nicht blos wird in diesem
Nachtrag auf Dexippus und Herodian ganz in der gleichen Weise
hingewiesen wie in den Biographien Maximins und der Gordiane,
sondern jener sowohl im Maximin wie in diesem Nachtrag, und in
diesem mit ausdrücklicher Beziehung auf Herodian, unter dem Namen
Titus auftretende Usurpator heisst bei Herodian Quartinus, welche
Verlesung und Verstümmelung doch nur einmal begangen sein kann.
— Wenn ferner in diesem Nachtrag (33, 6) der gentes Flaviae
gedacht wird, so ist es zwar nicht schlechthin unmöglich, dass die
*) [S. dagegen KKlebs, Rheio. Mus. 47, 1892, S. 21, 3 und H.Peter, Die
Script, bist. Aug., Leipz. 1892, S. 237.]
344 Die Scriptoies historiae Augustae.
273 Uebereignung des Grabmals des vespasianischen Hauses an das
zweite flavische Kaisergeschlecht ^ bereits in den letzten Jahren
Diocletians stattgefunden hat; aber bei weitem besser passt diese
Angabe auf die spätere Zeit des ersten Constantin. Allerdings wird
dann auch die zweite Erwähnung dieses Grabmals im Leben des
Claudius nicht von Pollio, sondern von dem jüngeren Biographen
herrühren und eine Einlage sein ähnlich wie die Biographie des
älteren Valens, zu welcher letzteren der Urheber des Nachtrags sich
ausdrücklich bekennt. — Endlich die im Leben des GalUenus^ be-
gegnende sehr auffallende Bemerkung, dass es in Byzanz gar keine
alten Adelsfamilien gebe, scheint allerdings, nach Dessaus feiner
Bemerkung, hervorgegangen aus der Eifersucht eines Bürgers der
alten Reichshauptstadt auf die nova Borna und kann, wenn dies
zutrifft, nicht unter Diocletian geschrieben sein; dagegen passt sie
vortrefflich auf das letzte Decennium der cor
die Nebenbuhlerin am Bosporus erbaut ward.
In dieser Weise scheint unter Diocletian und Constantin I. die
uns vorliegende Sammlung der Kaiserbiographien von Hadrian bis
auf Carus successiv entstanden und um das J, 330, wesentlich in
der Form in welcher sie uns vorliegt, zum Abschluss gekommen zu
sein. Aber Dessau hat erwiesen, dass dies nur mit Einschränkungen
gilt und die Sammlung noch später weiterer Manipulation unterlegen
hat. Es finden theils sich Abschnitte darin, welche nachconstantini-
schen Schriftstellern entlehnt sind, theils sachliche Hindeutungen auf
Personen und Verhältnisse der valentinianisch-theodosischen Zeit.
Die weit gehende Uebereinstimraung der Capitel 16 und 17 des
Marcus mit dem entsprechenden Abschnitte des bald nach 364 ge-
schriebenen Breviarium des Eutropius und der Capitel 17. 18. 19
des Severus mit der Lebensbeschreibung desselben Kaisers in den
im J. 360 abgeschlossenen Kaiserbiographien des Aurelius Victor hat
seit langem die Forscher zu dem Dilemma geführt, dass entweder
beide Autoren aus derselben Quelle geschöpft haben müssen oder
der eine aus dem anderen. Dass aber die erstere Hypothese mit
274 der Freiheit, mit welcher Eutrop und mehr noch Victor ihre Quellen
behandeln, schlechthin unvereinbar ist und die zweite unter Aner-
1) Trig. tyr.Zd,6; Claud. S, 6. Vgl. meine Ausführung im N.Archiv für
deutsche Geschichtskunde 14, 536 [s. o. S. 315, 1].
2) 6, 9.
Die Scriptores historiae Augustae. 345
kennung der Priorität Eutrops und Victors bei genauerer Yergleichung
sich in sich selbst als allein zulässig erweist, hat Dessau in ab-
schliessender Weise entwickelt.*) Die diesen grösseren Entlehnungen
sich anschliessenden gleichartigen kleineren sind wenig zahlreich und
wenig bedeutend.
Unter den sachlichen Zusätzen aus späterer Zeit steht in erster
Reihe das merkwürdige Probusorakel. Posten Probi, heisst es am
Schluss der Biographie dieses Kaisers^ .... Roma (urbe) fugenmt
et in Italia circa Veronam ac Benacwn et Lariiim atque in his
regionibiis larem locaverunt. sane quocl praeterire [non potui, cum
imago Probi in Veronensi sita fuhnine icta esset, ita ut eius praetexta
colores mutaret, hariispices responderunt Jmius familiae posteros tantae
in senatu clarifudinis fore, ut omnes summis honoribus fungerentur:
sed adhuc neminem vidimus: posteri auiem aeternitatem videntur
habere {fi)on{or)um. Es kann dies, wie Dessau schlagend erwiesen
hat, sich nur beziehen auf das gleichnamige Haus des 4. Jahrhunderts,
welches wir zurückverfolgen können auf den Consul des J. 322
Petronius Probianus- und dem dann in den folgenden Generationen
entsprossen sind Petronius Probinus, Consul 341; sodann Sex. Petro-
nius Probus, Consul 371, derselbe, von dem kürzlich bei Gelegenheit
der Hieronymuschronik in dieser Zeitschrift gehandelt ward^ der
nächst dem Kaiser mächtigste und der reichste Mann seiner Zeit;
endlich die Brüder Olybrius und Probinus, beide Consuln im J. 395.
Dass diese Petronier. vermuthlich zu Unrecht, ihren Stammbaum an
den Kaiser M. Aurelius Probus anknüpften, bestätigt die Hinweisung
des Biographen auf Verona, nachweislich die Heimath der Probi
des 4. Jahrhunderts. Der Schreiber dieses raticinium post evetitttm
braucht, wie auch Dessau bemerkt, nicht gerade das Consulat der
letztgenannten Brüder im Auge gehabt zu haben; man kann sogar
einräumen, zumal da in der dürftigen Ueberlieferung der constantini-
schen Epoche alle Xachrichten über die Consuln von 322 und 341 275
fehlen, dass unter Constantius H. oder Julianus so hat geschrieben
werden können; unter Constantin I. aber würde dies in der That
*) [Gegen die direkte Abhängigkeit der vita von Eutropius s. Leo a. a. 0.
S. 290, 1 und die dort angeführte Literatur.]
1) Prob. 24. Ueberliefert ist romanam refugenint und am Schluss non
modum; was ich für beides gesetzt habe, ist unsicher. Hirschfeld schlägt vor
Romanum larem fugernnt und fasst modtnn als Grenze.
2) Dass der Consul Probus des J. 310 dessen Vater ist , wie Seeck (zum
Symmachus p. XCIV) annimmt, ist mindestens ungewiss; die Nichterwähnung
desselben in der Inschrift von Verona C. V 3844 [= Dessau 1266] spricht dagegen.
3) 24, 399 f. [Vgl. unten nr. LXVL]
346 Die Scriptores historiae Augustae.
ein vaticinium ante eventum gewesen sein. Auch verräth der Schreiber
selber deutlich genug, dass er die nachconstantinische Epoche im
Sinn hat; die Bemerkung, dass die Erfüllung dieser Weissagung
noch ausstehe und bis jetzt (adhuc) keiner der bezeichneten Nach-
kommen zu der verheissenen ausserordentlichen Ehre gelangt sei,
führt mit Nothwendigkeit darauf, dass, wer dieses schrieb, sich dessen
bewusst war einen frühestens der Mitte des 4. Jahrhunderts ange-
hörenden Vorgang in eine aus dem Anfang desselben datirenden
Schrift einzuschwärzen , was denn freilich den Werth des Orakels
beträchtlich erhöhte.
Wahrscheinlich hat sich diese Manipulation nicht auf den eben
ausgeführten Fall beschränkt^. Dass der im Leben des Severus^
unter sehr verdächtigen Angaben genannte Clodius Celsinus dem
Stadtpräfecten des Jahres 351 , der in einer nicht minder unglaub-
würdigen Notiz im Leben Aurehans ^ vorkommende Faltonius Probus
dem Stadtpräfecten des Jahres 391 gleichnamig sind, würde an sich
nicht hindern diese Angaben einem Schriftsteller der constantinischen
Zeit beizulegen; die genannten Männer können füglich von gleich-
namigen uns unbekannt gebliebenen vornehmen Vorfahren abstammen.
Aber der Stadtpräfect des J. 351 war der Gemahl einer Proba, diese
eine Angehörige des eben erwähnten Hauses, vielleicht die Schwester
des Consuls Probinus 341*, der Stadtpräfect des J. 391 wahrschein-
lich der Sohn des Celsinus und der Proba; es ist danach kaum
abzuweisen, dass die Beziehungen des Diaskeuasten zu diesem
mächtigen Geschlecht auch hier eingewirkt haben. Hinzugefügt werden
276 kann noch der Probus, den Kaiser Severus zum reichen Mann und zu
seinem Tochtersohn und zum Consul gemacht haben soll und der
dann die Stadtpräfectur ausschlug als eines kaiserlichen Schwieger-
sohns nicht würdig; wenigstens weiss von diesem sonst niemand als
diese Biographiensammlung ^. — Andere von Dessau hervorgehobene
1) Der Consul Furius Placidus, von dessen kürzlich (proxime) gegebenen
prächtigen Spielen Vopiscus Aur. 15, 4 spricht , kann nicht wohl der consul
Ordinarius des J. 343 M. Marcius Memmius Furius Baburius Caecilianus Placidus
sein (C. I. L. X 1700 [= Dessau 1231]), da die Behandlung des Probusorakels
zeigt, dass der Diaskeuast der Schrift den Charakter als diocletianisch-con-
stantinischer zu wahren bemüht war und eine derartige oflt'en liegende Inter-
polation sich damit nicht vertragen würde. Es wird also ein älterer gleichnamiger
suffectus gemeint sein (vgl. Henzen 5699 [= C. 1. L. XI 5740. Dessau 8133]).
2) 11, 3. 3) 40, 4.
4) Sie ist die Verfasserin eines verlorenen Preisgedichts auf Constantins
Sieg über Maxen tius und eines noch vorhandenen vergilischen Cento.
5) Sever. 8. Ich verdanke diese Hinweisung Hirschfeld. Desselben Kaisers
zugleich erwähnter zweiter Schwiegersohn Aetius ist nicht minder unbekannt,
Die Scriptores historiae Augustae. 347
Coincidentien sind von geringerer Beweiskraft. Die Gleichnamigkeit
des im Leben des Niger ^ genannten Ragonius Celsus mit einem um
das J. 338 fungirenden praefecttis amionae kann zufällig sein. Noch
weniger wird darauf Gewicht gelegt werden können, dass ausser
dem im Leben des Maximinus ^ genannten Toxotius dieser Name
nur bei dem Gemahl und dem Sohn der dem Hieronymus befreun-
deten, im J. 404 verstorbenen Paula begegnet, zumal da die sig^m,
zn welchen diese Benennung gehört, in der früheren Zeit keineswegs
in dem Umfang die legitime Benennung überwogen haben, wie dies
nachher der Fall ist. Sicher hat die Erzählung von Maximinu»
Herkunft von einem gothischen Vater und einer alanischen Mutter
keine Beziehung zu dem Uebertritt der Barbaren vom linken Ufer
der Donau auf das römische Gebiet unter Valens und Theodosius;
[lie Alanen werden wohl unter den Völkern des linken Ufers genannt,
die damals den Römern zu schaffen machten, aber nicht unter denen,
die zu dieser Zeit oder überhaupt jemals in Thrakien ansässig
wurden, und, was die Hauptsache ist, die Erzählung selbst spricht
>ar nicht von einem Zusammenwohnen der Gothen und Alanen in
Ihrakien, sondern von einem gothischen Mann und einer alanischen
Frau, die in einem vicus TJireiciae mcinus harbaris sich zusammen-
fanden und aus deren Ehe dieser Thraker entspross, welcher dann
in seinem Heiraathdorf sich ankauft und mit den Gothen imd den
Alanen, die des Handels wegen an den Grenzstrom kamen, freund-
jchaftlich verkehrt. Dies passt völKg zu den Wohnsitzen, welche
beide Völkerschaften zu Anfang des 4. Jahrhunderts wahrscheinlich
eingenommen haben. Indess es kommt wenig darauf an, ob der
Diaskeuast der theodosischen Epoche etwas mehr oder eti^as weniger in 277
jeine Vorlage hineingetragen hat; das Vorkommen derartiger Fäl-
schungen ist meines Erachtens von Dessau ebenso sicher erwiesen
^ie die Entlehnung einzelner Abschnitte aus nachconstantinischen
Schriftstellern.
Nicht genügend erwogen aber ist der Zusammenhang, in dem
lie sicher nachconstantinischen Abschnitte in den Biographien auf-
Teten. Dieselben charakterisiren sich auch äusserlich auf das Be-
itimmteste als Einlagen. Hinsichtlich der Beziehimg dieser Bio-
graphien zu Victor und Eutrop ist es völlig ausgemacht, dass die
md es ist wenigstens befremdend, dass der Name sonst in den vornehmen
Preisen nicht vorkommt vor Severus Aetius Proconsul von Aehaia in den
^ 396 401 (Athen. Mittheil. 6, 312) und im J. 419 Stadtpräfect von Constantinopel
C. Th. 14, 6, b) und dem bekannten Feldherrn Valentinians III (f 454).
1) 3, 9. 2) 27, 6.
348 I^iß Scriptores historiae Augustae.
zahlreichen Uebereinstimmungen in richtigen wie in fehlerhafter
Angaben zwischen Victor und Eutrop einer- und den Biographier
andererseits grösstentheils auf die Benutzung einer gemeinschaftlicher
verlorenen lateinisch geschriebenen Quelle zurückgehen. Aus jener
Schriften selbst ist dagegen wenig mehr in die Biographien über-
gegangen als die beiden früher bezeichneten Abschnitte, von welcher
die Aufnahme des von Victor herrührenden den Severus betreffender
offenbar dadurch veranlasst worden ist, dass dieser seinen Landsmanr
mit einer Vorliebe schildert wie keinen anderen Herrscher; für di(
Entlehnung des Marcus aus Eutrop mögen die eingehenden Angaber
über die Palastauction bestimmend gewesen sein. Beide Abschnitte
sind längst anerkannt als eingelegte Doubletten, denen ein ander
gefasster Bericht über dieselben Vorgänge vorausgeht.*) Unter der
Stellen, welche sachlich auf spätere Zeit hinführen, ist bei dei
wichtigsten von allen, der Weissagung über Probus Nachkommen
die Einlage, wie Hirschfeld mir bemerkt, gleichfalls handgreiflich
an die Klage um den Tod des Kaisers 23, 5 schliessen die Worte
24, 4 senatus mortem Prohi gravissime accepit, aeque populus unmittel
bar an und die Verbindung wird übel unterbrochen durch das da
zwischen stehende Orakel über seine Nachkommen. Wenn als(
einerseits die Sammlung sich herausgestellt hat als geschrieben ir
der diocletianisch-constantinischen Zeit, andererseits die eben be
zeichneten Stellen wenigstens ein halbes Jahrhundert jünger sind
so vereinigen sich beide Beobachtungen darin, dass die letzterer
auch an sich selbst als Einlagen erscheinen und durch deren Aus
Scheidung der Zusammenhang nicht blos nicht gestört, sondern ge
bessert wird.
In wie weit der zweite Diaskeuast sachlich und sprachlich di(
Vorlage umgestaltet hat, lässt sich nur annähernd bestimmen. Zu der
278 Einlagen aus Victor und Eutrop, wo wir ihn zu controliren ver-
mögen, hat er einzelne sachliche Zusätze gemacht, von denen einei
aus den Kaiserbiographien selbst herzurühren scheint^, die anderer
geringfügig und untergeordneter Art sind 2, Wenn, wie dies Dessai
ausführt, bei jedem Kaiser angemerkt wird, ob er keinen Wein odei
*) [Daß es sich nicht um eingelegte Doubletten handelt, erweist E. Klebs
Rhein. Mus. 45 , 1890, S. 439 f. unter Zustimmung von F.Leo, Die griech.-röm
Biographie, Leipz. 1901, S. 288 Anm.]
1) Die Notiz über Severus Oelspeuclen 18, 3 rührt wohl her aus Alex. 22,2
2) Dies gilt von der Notiz über Hadriaus Daktyliothek Marc. 37,4, di(
sonst nicht vorkommt, und über die Annahme des Titels Britanniens dural
Severus Sev. 18, 2.
Die Scriptores historiae Augustae. 349
den Wein mit \\'asser oder zu viel trank und wenn die griechischen
Sprüche durchgängig in lateinischer Uebersetzung vorgetragen werden ^,
50 mag dies und ähnliches erst bei der zweiten Diaskeuase einge-
treten sein. Wenn von den fünf völlig gleichartigen Doppelcitaten
:les Herodian und des Dexippus Maximin. 33, 3. Gord. 2, 1. 3Iax.
it Balh. 1,2. 16, 6. Trig. tyr, 32, l der Name Herodians nur an den
beiden letzten Stellen richtig steht, an den drei übrigen unter sich
konnexen dagegen in Arrianus entstellt ist. so kann diesen drei-
fachen Irrthum nicht wohl begangen haben wer den Herodian selbst
Denutzt hat, wie dies von dem ersten Diaskeuasten vorher nach-
gewiesen ward; allem Anschein nach hat der zweite Diaskeuast,
ndem er die mit einem Schreibfehler ihm überlieferte Notiz an
irei verschiedenen Stellen eintrug, den Fehler vervielfältigt, also
luch hier Zusätze gemacht. Keineswegs aber darf die Ueber-
irbeitung, welche oben dem constantinischen Kedacteur beigelegt
vurde, auf den letzten Diaskeuasten übertragen werden; wie denn
luch die Correctur der lateinischen Yulgaterzählung durch die reinere
p-iechische Ueberlieferung nicht wohl in so späte Zeit hinabgerückt
Verden kann. Dem letzten Diaskeuasten dürften ausser Yictor und
Eutrop schwerlich sachliche Quellen von Belang zu Gebote gestanden
laben. Auch die Interpolationen können, von dem Probusorakel
md analogen Adulationen abgesehen, unmöglich erst durch ihn
lineingekommen sein ; eben die inhaltlosen und gefälschten Abschnitte
ragen am deuthchsten den Stempel einer früheren Epoche.
In der Fassung finden sich in den aus Victor und Eutrop
5t3nommenen Abschnitten neben den selbstverständlich nicht fehlenden
Verkürzungen und Entstellungen ^ auch mehr oder minder berechtigte 279
1) Nur im Alexander wird 52, 2 ein Wort Herodians griechisch cittrt und
.8, 5 ein griechischer Vers in beiden Sprachen gegeben.
2) Victor: Adiabene quoqiie, ni tei'rarum macies despectaretur , in tribtttarios
o>icessisset. Der Biograph : Adiahenos in tributarios coegit. Unter den von Marcus
'erkauften Gegenständen nennt Eutrop tasa aurea, poctila crystallina et murrina
ind ähnlich der Biograph in der aus der Quelle Eutrops geflossenen Erzählung
'l,d pocula et vasa aurea, dagegen in der aus Eutrop entlehnten 17,4 aurea
)07ida et crystallina et murrina, vasa etiam regia incorrect; denn angemessen
vird das Goldgeschirr zusammengefasst neben den Bechern von Krystall und
Jlas, wogegen kein Grund ist im Goldgeräth die Becher besonders auszuzeichnen
ini die rasa regia keinen Gegensatz zu den Bechern machen. Offenbar verband
le:: Schreiber bei Eutrop aurea mit pocida statt mit vasa. Der alberne Zusatz
Mirc. 18, 1: cum . . . ab aiiis modo frater modo pater modo filius nt cuiusque aetas
inebat et dicerettir et amaretur stammt aus Julian 4, 1 : unumquemque, ut erat
\etix8, vel patrem vel filium vel fratretn adfatus.
350 ^^® Scriptores historiae Augustae.
Correcturen ^. Den Wortlaut hat er im Allgemeinen beibehalten
aber doch nicht selten variirt: für indicere provincialihus aut senatu
aliquid wird gesetzt in animum inducere, ut extra ordinem provin
cialihus aliquid imperaret; centum simul leones wird erweitert ii
centum leones una missione simul exhihere et sagittis interficere; zi
den tribuni, centuriones ac cohorfes der Quelle werden die ducei
hinzugefügt. Von den zahllosen Wiederholungen in den uns vor-
liegenden Texten, von den Störungen der richtigen Ordnung, vor
den überall im Einzelnen hervortretenden Absurditäten der Fassung
280 von der aller Emendation^ spottenden Behandlung der Sprache
insbesondere der Tempora und der Partikeln hat der letzte Diaskeuasi
sicher einen Theil verschuldet. Dass auffällige Phrasen wie das n
litteras mittere in allen Abschnitten wiederkehren^, mag wohl seir
1) Victor, der den Rivalen des Severus Didius an Salvius lulianus nenni
(so beide Handschriften), sagt von Severus: SaMi nomen atque eins Scripte
factave aboleri ivbet, quod unum effici nequivit. Er identificirte also den Kaisei
Didius Julianus mit dem Juristen Salvius Julianus und bemerkte dann, das;
trotz der von Severus verfügten Rescission der acta seines Rivalen das julianischt
Edict in Kraft geblieben sei. Wenn der Biograph, der dem Kaiser Julianui
•den richtigen Namen giebt und ihn zu einem Urenkel des Juristen macht, jen«
Angabe also wiedergiebt ([Sev.] 17, 5): Salvii luliani decreta iussit aboleri, quoä
non obtinuit, so hat er den groben Fehler zwar nicht beseitigt — denn sicherlicl:
hat Severus nie daran gedacht die Rescission der acta des Kaisers auf das
Edict des gleichnamigen Rechtsgelehrteu zu erstrecken — , aber doch bis zi
einem gewissen Grade berichtigt. Nicht mit Recht nennt Dessau S. 364 dies
eine Verdrehung der Vorlage. [Vgl. gegen Dessau auch Leo a. a. 0. S. 287 Anm.
Eine andere Correctur findet sich Marc. 17, 4: nach Eutrop. 8, 13 (ebenso Victoi
■epit. 16) giebt der Kaiser in Auction uxoriam ac suam sericam et auream vestem
nach dem Biographen vestem uxoriam sericam et auratam, vermuthlich weil ei
an der seidenen Garderobe des Philosophen anstiess. Ein drittes Beispiel giebt
Severus Annahme des Beinamens Pertinax. Es sei dies, meint Victor, geschehen
wegen seiner acerbitas, obwohl viele es auf die moruvi parsimonia bezögen, was
■der Biograph umkehrt: non tarn ex sua voluntate (vielleicht hier die Willens-
festigkeit oder auch verdorben) quam ex morum parsimonia.
2) Es wird wahrscheinlich in unseren Ausgaben nicht selten den Abschreibern
zur Last gelegt, was der Schriftsteller, insbesondere der letzte Diaskeuast ver-
schuldet. Der Accusativ bei Ortsnamen, die Behandlung der Landschaftsnameu
nach Analogie der städtischen, auch wohl manche constructionslose Sätze fallen
vermuthlich diesem zur Last.
8) Indess ist auch in dieser Beziehung das Vertrauen auf die in den Sub-
«criptionen überlieferten Namen der Untersuchung nachtheilig gewesen. In
litteras mittere, sagt Dessau, kommt sechsmal bei Pollio, viermal bei Vopiscus,
fünfmal bei Lampridius, je einmal bei Spartian, Vulcacius und Capitolinus vor.
Aber die Kaiserbiographien des ältesten Abschnitts haben den Ausdruck nicht,
sondern nur die secundären des Avidius (Vulcacius) und des Niger (Spartian; in
Die Scriptorea historiae Augustae. 351
"NVerk sein. Doch hat er schwerlich mit dem Hauptwerk so frei
geschaltet wie mit den von ihm gemachten Einlagen; eine eigent-
liche Umschreibung wird durch das früher nachgewiesene Festhalten
des technischen Sprachgebrauchs der diocletianisch-constantinischen
Epoche ausgeschlossen.
Indess die Gleichförmigkeit der ganzen Sammlung ist ohne
Zweifel durch die zwiefache Ueberarbeitung wohl gesteigert, aber
nicht erst in sie hineingetragen worden und insbesondere die hier
waltende Fälschung, wie gleichartig immer sie auftritt, gewiss nicht
das Werk einer Hand. Wenn neben Abschnitten, die in der knappen
Aneinanderreihung mannichfaltiger , auf gleichzeitigen Berichten be-
ruhender Thatsachen dem suetonischen Muster sich anreihen, überall,
wo der Stoff versagt, die Lücken durch mehr oder minder freie
Erfindung gefüllt werden, so beruht dies darauf, dass diese Bio-
graphien ungefähr zu gleicher Zeit und am gleichen Ort entstanden
sind und dass in dem sinkenden kaiserlichen Rom die Geschichts-
ialschung ebenso epidemisch grassirte wie in dem sinkenden repu-
blikanischen. Alexander Polyhistor, Talerius Antias, Licinius Macer sind
ebenso gleichartig und ebenso verschieden wie Trebellius Pollio und
Flavius Yopiscus; die Auferstehung der libri lintei^ ist die rechte 2Sl
Signatur dieser Erscheinung. Die Myth-Historie, wie sie selber sich
nennt und deren Programm die Vorrede zum Aurelian in wünschens-
werther Klarheit entwickelt , ist eine litterarische Gattung wie der
Itäuberroman, imd wo dergleichen Missformen auftreten, fehlt es nie
an Adepten, von denen einer den anderen fortsetzt und überbietet-.
Möchten diese Erörterungen dazu beitragen, uns endlich eine
für den Historiker brauchbare Ausgabe der Kaiserbiographien zu
verschaffen. Wie sie jetzt vorliegen, ist man bei dem Gebrauch
des ebenso gefährlichen wie unentbehrlichen Buches in stetiger
Verlegenheit und Unsicherheit. Ich meine damit nicht die kritische
Grundlage, welche im wesentlichen feststeht, wenn gleich auch in
•dieser Hinsicht der Apparat noch zu wünschen übrig lässt; wir
brauchen einen Commentar, welcher für jede einzelne Notiz die in
Ulros mittere das. 9, 1). Ebenso findet sich rei ptiblieae necessarius in dem ältesten
Abschnitt nicht, sondern nur in den Biographien des Avidius und des Niger so
"Wie in den nachseverischen. Auch die Verwendung von iudex für den Provinzial-
Tcrsteher begegnet nur in den jüngeren Abschnitten (S. 240 A. 2 [S. 313 A. 2]).
1) Atirel 1, 7. 10.
2) Dies gilt auch im Einzelnen. Nachdem Pollio den Senat auf gut
ciceronisch im Castortempel zusammentreten lässt (Valer. 5, 4), beraumt der
Biograph Maximins (16, 1) dort ebenfalls eine Senatssitzung an.
352 Die Scriptores historiae Augustae.
der Sammlung selbst so wie ausserhalb derselben auftretenden
Parallelstellen vor die Augen führt oder auch deren Mangel constatirt,
und wir brauchen ein wenigstens die sachlich wichtigen Ausdrücke
vollständig zusammenfassendes und chronologisch controlirendes Wort-
verzeichniss.*) Erst wenn beides vorliegt, wird es für den Historiker
einigermassen möglich sein die einzelnen Angaben in richtiger Weise
entweder zu verwerthen oder abzuweisen.
Zur handschriftlichen Ueberlieferung.**)
Die beiden Handschriften der Kaiserbiographien, die der ehe-
maligen Heidelberger Bibliothek (Vatic. Fol. 899^ = P und die der
Bamberger (Elil 19^ = 5, von denen jene in das 10. Jahrhundert i,
diese in das 9. gesetzt wird, gelten bekanntlich als Abschriften des-
selben Originals und insofern als gleicher Autorität. Mir hat indess
die Prüfung ihrer Lesungen hieran Zweifel hervorgerufen. Dass
beide auf das engste verwandt sind, ist ebenso evident wie dass an
nicht wenigen Stellen die angeblich jüngere die richtige Lesung
allein bewahrt hat. Es genügt in dieser Hinsicht auf die durch P
282 ausgefüllten Lücken der Handschrift B zu verweisen, welche Peter
praef. p. X zusammengestellt hat. Dagegen habe ich vergeblich
nach sicheren Belegen gesucht für nicht conjecturale Verbesserung
des Textes von P durch B und wie schon vor Jahren ein Anonymus
(vgl. Peter jarae/*. p. YHI) von den Varianten der letzteren Hand-
schrift den Eindruck gewonnen, dass sie aus der ersteren abge-
schrieben ist. Erschwert wird die Untersuchung über das zwischen
beiden Handschriften bestehende Verhältniss durch die in beiden
sich vorfindenden zahlreichen Correcturen verschiedener Hände.
Die durch Jordan und Peter vorgenommenen Vergleichungen der
Heidelberger lassen bei aller darauf verwandten Sorgfalt dennoch,
wie es kaum anders sein kann, manchem Zweifel Raum hinsichtlich
der Frage, welche in P vorgenommenen Aenderungen von dem
ersten Schreiber oder einem gleichzeitigen Corrector herrühren und
also in eine früh genommene Abschrift übergegangen sein könnten.
Ich bat daher unsere römischen Freunde probeweise einen Abschnitt
*) [Dieser Forderung wird jetzt entsprochen durch C. Lessing, Script,
hist. Aug. lexicon, Leipz. 1901 ff. Eine Ausgabe in Mommseus Sinn ist von Dessau
zu erwarten.]
**) [Vgl. zum Folgenden Dessau, Hermes 29, 1894, S. 393 ff., der Mommsens
Nachweis bestätigt.]
1) Meine sachkundigen Freunde erachten die Handschrift nicht jünger als
das 10. Jahrhundert. [Rühl bei Peter, Berl. phil. Wochenschr. 1897 Sp. 814
setzt sie ins 9/10. Jh., die Bamberger ins 11.]
Die Scriptores historiae Augustae. 353
der Heidelberger Handschrift in der Weise für mich vergleichen zu
wollen, dass die Abweichungen der Bamberger dabei berücksichtigt
werden möchten, imd diese von Hrn. Dr. Bethe für die vita Alexandri
1 — 27 (p. 247 — 267, 10 Peter) in gewissenhaftester Weise vorge-
nommene Revision lege ich hier znr Prüfung vor. Wo nichts be-
merkt ist, hat dieselbe Peters Angaben lediglich bestätigt. Bei
Aenderungen erster Hand bezeichne ich die erste Schreibung P*,
die zweite P*, bei Aenderungen zweiter oder dritter Hand die
Lesungen durch P^P^P^, wo die bessernde Hand nicht bestimmbar
ist, durch P*"*. Wo eine derartige Variante allein angegeben wird,
stimmt die correlate Lesung mit Peters Text. Die Lesungen der
Bamberger Handschrift sind der Peterschen Ausgabe entnommen,
diejenigen, welche aus Peters Stillschweigen sich ergeben, bezeichnet
als (B).
247, 1 Die Anmerkung Jtec istoria — imliget ist von anderer und
älterer Hand als die Beischrift ad constanfinum aug.
14 exponam (nicht et pmiam) P
248, 3 clodium albmum] P*, clodiimi nigrutn albinum P« B'^,
clodium nigrum et albinum B^
7 ciuilia] P'' B, ciuia P«, ciuilua P^ (?)
8 parricidialiter] (B), parricidaliter P
16 su/fragante] P^, suffragente P^B
Caesaris] a (nicht et) caesaris P"
17 suffragante] P^, sujfragente P^ B, fragente P"
23 diceret] P (nicht dicereref), daret B 283
24 cui] P (nicht cum) B
26 tam] in tarn (?) P«
quam] qam P«
249, 9 quas in scmo^m] P*'", qua setiatu PB
24 conuiuia] P*^, cenuiuie P^ cenuiui B
25 uocatos] B, uocatus (so) P
s
250, 10 praenestinae (so mit kleiner Rasur nach dem zweiten e
und beide s von erster Hand) P
18 nmmmeae PB
251,23 infamis mico] P^"*, inf'amis iunto P^B^, infamis iuncto B^
25 contamitmtor] B^, conframinator PS contaminaiur P
252, 17 per te] P" B, parte P«
omnia ant.] (B), omne ant. P
253, l me] P"", mi B^ P^
6 diceret] diceraet P<^, dicerat P^B
MOMMSEN, SCHR. VH. 23
354 Diß Scriptores historiae Augustae.
2i luxurie] luxuri*e P^, hixuriae B, luxuria P^'"
254, 8 haec] (B), hac P
15 patres] P^"\ patris P^ B
255, 9 me] P'B, fehlt P«
11 tale] P'"\ talis P^B
29 öbtinuit P
256, 17 ouum] P^, ohiuni P^B
purpurei coloris] P^^', ^)?^r^;Mrei/(?)o(?)cö/ores P^, purpmree
colores B
18 palumhinuni] P^, palumuinum P^ B
19 oUulit P
1hl ^ 10 parere] parere * * P
22 filosopia P^, filosofia P', filosophia B
25 equidem] quideni et (nicht ex) P^ B, equidem P*""' (e^ viel-
leicht schon von P* getilgt^
26 ordbunt] P'' B, orabant P"
30 debellare] P^, deuellare P^B
258, 10 re p.] P^", rei p. B, re*p. P^
14 suum] suum * * P
17 wre mrawc^o] (^P^, mrerando (so) P
259,2 %is PiP
4 ac saj)^ewi{i6t«s] P^ accipientihiis P^B
284 7 «Ve^wr wohl schon P^, nur nachgezogen von P*^'
14 ac hellorum in P so geschrieben, dass c& leicht für dh
genommen werden kann, ad hellorum B
16 quid] P2, quin P^ B
23 addit septiminus B, addit * * ptiminus P^, wo die beiden
Buchstaben vor p nicht deutlich zu erkennen sind, doch
war der erste schwerlich s, addit * ** timinus P*
25 furtorum] P^"' (vielleicht Aenderung erster Hand), fertorum
Pi (oder P«) B
11 choleram] P*'", cholera P''B, colera P"
261,7 qui] P'\ fehlt P^ B
16 f. ist in P, dessen Pergament hier einen zusammengenähten
Riss zeigt, also geschrieben:
trem locum ee. moderationis
tante fuit^'^'~-~^^^^^ZZy<'t nemo umquam ab eius
latere summoueretur ut omnib. se hlandum adfdbilemq.
Daher in B tante fuit zwischen eius und latere.
17 adfabilemque P^ affdbilemque P"^, ad fauHlemque B
iS praeberet] P^, pr(a) ebnere P^ B
Die Scriptores historiae Augustae. 355
20 consent iehant P^ B, consentiehat P""
27 mammea PB
maier . . . caftdi ergänzt von P*, also gleich vom ersten
Schreiber und mit derselben Dinte
262, 6 perraras] erraras P^ B, raras P«'"
7 etquae P* (nicht P^) B, afquae P"
1 0 pecunias] P* B, pecunia P"
22 stipendia] P"", spipendia B, s*ipendia P^
25 proiiendis B P
j)elegebat B P^; das über das erste e gesetzte Zeichen ~
stammt wahrscheinlich von P^
263, 9 coniferre P, coniferre B
18 patipei-andos] P'> B, paupauperandos P"
22 sed iussit] se itissit P* B, fehlt P«
264, 15 fumtis Pi (nicht P^) B, ftimos P^ (nicht Pi)
\9 p^-aesidiales] P^ (B), praesidales P«"*; welche Hand das i
getilgt hat, ist nicht zu entscheiden.
24 imferi'i PB
266, 1 electros] P* B, electos P«
7 feneraren\tur P, feneraren (ohne tur) B
267, 4 qui P (nicht quis) B 285
S(?rM?] P^, serM7s P^P
Schon diese Probe stellt das Sachverhältniss fest: nicht blos
erklären sich kleine Lesefehler 259, 14. 266, 7 in P durch Besonder-
heiten von P, sondern die Wortversetzung in B 261, 16 geht augen-
scheinlich zurück auf die durch den Riss des Pergaments bedingte
Auseinanderschreibung der Stelle in P.
Alles Weitere stimmt dazu vollständig. Die Uebereinstimmung
der beiden Handschriften reicht noch beträchtlich weiter, als die
Ausgabe sie zeigt: an nicht wenigen Stellen, wo sie nach dieser
differiren (248, 24. 254, 15. 255, 11. 258, 10. 259, 2. 261, 18. 262,22.
25. 264, 24. 267, 4), steht oder stand früher in beiden dasselbe.
Wo B von P abweicht, ist durchgängig jene Lesung fehlerhaft;
so 247, 9 (zweimal). 12. 248, 2. 250, 10. 16. 252, 4 (wo die excerpta
Cusana mit P gehen). 23. 253, 15. 254, 6. 256, 11. 14. 257, 29.
260. 10. 13. 261. 26. 262, 4. 264, 13. 265, 7. 266, 17. 21, wobei die
zahlreichen Stellen, an denen der Schreiber der Bamberger Hand-
schrift durch Correctur die Lesung von P hergestellt hat, nicht mit
berücksichtigt sind. In den wenigen Stellen, wo umgekehrt B das
Richtige oder doch Bessere gegen P giebt oder zu geben scheint:
23*
356 I^iß Scriptores historiae Augustae.
249, 25 uocatos B, iiocattis B P
250, 5 decureum P, decorum B"^, decoreum B^
251, 25 contaminator B^, contraminafor B^, contaminatur P
252, 17 in te oninia, per te omnia (B), in te omnia, per te omne P
28 antoninus B, antoninus antoninus P
254, 8 haec (B), liac P
258, 17 iureiurando (B), iurerando P
22 mimquam BP'' oder P^, numquam numquam P"^ oderP^;
welche Hand das Wort gestrichen hat, ist nicht zu
erkennen
ist die Abweichung so beschaffen, dass sie füglich dem Abschreiber
beigelegt werden kann.
Der Schreiber von B hat, wie dies nicht anders sein konnte,
durchgängig den von erster Hand emendirten Text (P'') wieder-
gegeben; wenn er an einer Stelle (248, 3) mit P'^ gegen P* stimmt,
so hat er die Besserung übersehen. Dagegen haben die in P von
286 späterer Hand vorgenommenen Aenderungen, auch die von P^ her-
rührenden (259, 4. 261, 18), dem Schreiber von B noch nicht vor-
gelegen.
Diese "Wahrnehmung bestimmte mich Hrn. Dr. Bethe weiter
zu ersuchen um Nachprüfung derjenigen Stellen, welche in Peters
Vorrede p. VHI zum Beweise dafür angeführt werden, dass in
zweifellos richtigen Ergänzungen P^ und B zusammenstimmen. Die
mir darauf erth eilte Antwort hebt die letzten Zweifel: in allen diesen
Stellen ist die Petersche Collation ungenau und rührt die in B über-
gegangene Besserung von P* her:
H 159, 3 gratias P'B, fehlt P«
160, 4 que P" B, fehlt P«
163, 31 etiam P* B, fehlt P«
168, 10 enim P'> B, fehlt P«
173, 22 scaenicorum ludorum P'' B, fehlt P''
176, 26 que P'> B, fehlt P«
182, 11 aliis P'> B, fehlt P«
187, 28 primae s. u. r. i. creahir P* P, fehlt P«
194, 19 gessit . . . magnum P* P, fehlt P""
195, 4 senatu P'' B, senat P"
'Es gehört', bemerkt mein Correspondent, 'grosse Yoreingenom-
'menheit dazu, um die ganz evidenten Unterschiede der ersten Hand
'und der als P^ und P^ bezeichneten zu verkennen; die beiden
'letzteren, welche übrigens wohl nicht allein in der Handschrift
'späterhin herumcorrigirt haben, sind bei weitem schwieriger zu
Die Scriptores historiae Augustae. 357
'unterscheiden, da deren Dinten ähnlich sind. Diese späteren
'Schreiber brauchen grünliche Dinte, der erste eine meist tiefschwarz-
'braune, welche aber öfter in einzelnen Buchstaben hellbraun erscheint,
'was denn auch in den Correcturen, z. B. 159, 3 in gratias, der
'Fall ist. Die IST, 2S nachgetragenen Worte sind mit gelber, meist
'blasser Dinte geschrieben; aber in dem Zeichen im Text, das auf
'diese Worte verweist, b ist die senkrechte Hasta schwarzbraun wie
'der Text, das Häkchen dagegen ebenfalls von blasser gelber Farbe,
'welche auch in einzelnen Buchstaben des Textes hier auftritt.
'Die ganze Farbenscala der Dinte vom blassen Hellgelb durch alle
'Schattirimgen hindurch zum tiefen Schwarzbraun zeigt f. 32' der
'Handschrift. Unter den Buchstabenformen ist das r charakteristisch;
'die erste Hand schreibt V, die zweite V.
Ebenso wenig hat die Nachprüfung des defecten Anfangs der
Biographie des Gallienus die Behauptung Peters praef. p. X bestätigt. 287
dass dem Schreiber von J5 hier ein von P verschiedenes Original
vorgelegen habe: vielmehr stimmen oder stimmten beide Hand-
schriften hier bis auf den Buchstaben überein, aber allerdings ist
die ursprüngliche Lesung in P zum Theil beseitigt worden, während
sie in 3 ungeändert vorliegt.
II 79, 7 mu * P^, geändert mit Radirung des letzten Buchstabens
von P^ (Hand des XVXYI. Jahrh.) in murrmiräbant,
mus B
8 amnium und quod fehlen wie in B so auch in P^, zu-
gesetzt von derselben späten Hand P^
9 romuni persida B und so scheint auch zuerst in P
gestanden zu haben: man erkennt * oma % * i persida;
daraus ist zuerst mit Benutzung des vor persida
stehenden i und unter Radirung der übrigen Buch-
staben gemacht worden: in persida; diese Correctur
könnte der Dinte nach vom ersten Schreiber her-
rühren. Die Hand des XY/XYI. Jahrh. hat dann
vor in zugesetzt romanus^ wobei zwischen dem vor-
hergehenden iniperatar und in noch eine Lücke von
neim Buchstaben bleibt. Ungenau also giebt Peter
als Lesung von P an : romanus (sp. 9 litt, vac.) pei'sida.
Z\vischen ptersida und vor omnium hat P von erster
Hand nicht völlig leeren Raum gelassen, wie Peter
angiebt, sondern es stand zwischen zwei leeren
Räumen noch ein wegradirtes Wort; der spätere
Corrector hat den ersten leeren Raum mit serviliter
358 Die Seriptores historiae Augustae.
gefüllt, für das wegradirte Wort teneretur gesetzt,
den zweiten leeren Raum frei gelassen. Vermuthlich
stand also auch hier, was JB an dieser Stelle hat:
sertenetur.
Wenn also auch hier B den Charakter der Abschrift von P
nirgends verleugnet, so ergiebt sich weiter, dass die Abschrift in der
Kritik ihren Platz insofern behaupten wird, als sie da, wo die erste
Hand von P durch spätere Correctur unkenntlich geworden ist, für
diese eintritt, und als sie uns eine Controle giebt für die Scheidung
der von dem ersten Schreiber vorgenommenen Aenderungen und den
von späterer Hand herrührenden. Diese Scheidung ist für die Kritik
288 massgebend. Jene oben als P* bezeichneten Besserungen tragen den
Stempel der Zuverlässigkeit und gehen sicher durchgängig auf die
Vorlage der Heidelberger Handschrift zurück; dagegen werden
diejenigen Lesungen, welche nach der Anfertigung der Bamberger
Abschrift in den Heidelberger Codex eingetragen sind, nicht an-
gesehen werden dürfen als handschriftlich beglaubigt. Unmöglich
ist es ja nicht, dass ein späterer Corrector derselben eine originale
Handschrift eingesehen hat; aber schon die geringe Zahl derartiger
Berichtigungen erweckt gegen diese Annahme gegründeten Zweifel.
Yon den drei derartigen Lesungen, welche Peter praef. p. VH n. 1
als Besserungen bezeichnet, gehen die beiden Pert. 7, 6 und Nig. 2, 6
nicht über das Gebiet der Conjectur hinaus. Das kann man allerdings
nicht sagen von den Worten I p. 187 Carac. 8, 3: eumque (Papinian)
cum Severo professum suh Scaevola et Severo in advocatione fisci
successisse, welche, wie mir geschrieben wird, von einer Hand etwa
des 13. Jahrhunderts mit grünlicher blasser Dinte am unteren Rande
nachgetragen sind. Sachlich erwecken sie kein Bedenken und figuriren
auch in allen bisherigen Biographien Papinians^; sprachlich aber
unterbrechen sie, wie Peter richtig bemerkt, evident den Zusammen-
hang und auch bei der Umstellung, die Peter vorschlägt, ist dies
nicht weniger der Fall. Dass sie grammatisch der Satzverbindung
sich einfügen, macht die Interpolation erst recht evident.
Zu wünschen bleibt es, dass die kritische Grundlage der Kaiser-
biographien hienach umgestaltet, das heisst gereinigt und vereinfacht
werde. Ohne Zusammenhalten der beiden Handschriften wird dies
freilich kaum in genügender Weise geschehen können; findet sich
aber dafür der geeignete Arbeiter, so wird die liberale Verwaltung
1) In dieser Hinsicht habe ich die Stelle erörtert in der Zeitschrift der
Savignystiftung für Kechtsgeschichte, rom. Abth. 11, 30 [Jurist. Sehr. II S. 64].
Die Sciiptores historiae Augustae. 359
der Bamberger Bibliothek hoffentlich die Hand bieten, um dies möglich
zu machen.*)
Zur Textkritik.
Hadr. 2, 7 iiec tarnen et per paedagogos piterorum, quos Traiarms
impens'ms diligebat, alio favente, defuit. Für et ist e«, für
alio überliefert Gallo. Er versagte, wenn durch diese pasda-
gogi nicht der Kaiser, sondern ein anderer ihn begehrte,
diesem sich gleichfalls nicht.
Hadr. 3, 8 Suhurano bis et Serviano iterum coiiss. statt sub Surano. 289
Gemeint ist der Consul des J. 104, übrigens hier alles zer-
rüttet.
Hadr. 4, 5 eosdem saepe linxisse statt sepelisse.
Hadr. 16, 7 iit semper Jcal. lan. scripserit statt sero.
Hadr. 17, 4 fercula de aliis mensis etiam ultimis sibi iussit adponi
statt quibusque adponit.
Hadr. 18, 2 vilis materiae causa statt ullis.
Hadr. 23, 8 tunc livore Servianum . . . mori coegit statt libere.
Ael. 4, 5 quod si non rede constellatio eins coUeda est, substituetur
quem credimus esse vidurum. Ein derartiges Wort ist aus-
gefallen.
Fkis 10, 5 cuius avaritiam etiam mercedis notavit statt mercedibus.
Marc. 4, 9 amavit pugilatuum luctamina et cursus et aucupatus
statt pugilatiim.
Marc. 8, 10 Verum Marcus Capuam usque prosecutus amicis comi-
tantibus assectatu ornamt additis officiorum omnium priti-
cipibtis statt a senatu.
Marc. 26, 3 in omnibiis studiis, templis, oecis statt ocis. Die Aen-
derung stadiis ist wohl nicht erforderhch; Studium wird
ähnlich gebraucht in den bekannten Beneventaner CoUegien-
inschriften [ocis für oecis bei Peter ist nur Druckfehler].
Cass. 3, 7 nee ille abnuit Hirschfeld statt timuit.
Comm. 5, 11 nee irrumantium in se iuvenum carebat infamia statt
irruentium.
Comm. 10, 3 si quis ante se mori velle praedixisset , hunc invitum
jjraecipitari iubebat statt sane.
Comm. 11, 2 duos gibbos retortos in lance argentea convivis sinapi
2)erfusos exhibuit Hirschfeld statt sibi.
*) [Das ist geschehen: die beiden Handschriften sind von H.Dessau in Rom
verglichen worden, wodurch die Mommsenschen Aufstellungen durchweg bestätigt
worden sind : s. o. S. 352* **.]
360 I^iö Scriptores historiae Augustae.
Comm, 11, 3 quem saltare nudum ante concuhinas suas iussit qua-
tientem cymhala deformato vultu he der a leguminum coctorum
statt genera. Hedera würde hier der Epheukranz und der
Epheukranz gekochten Gemüses als Oxymoron zu fassen sein;
man könnte auch auf Corona rathen.
Pert. 11, 3 et tunc quidem omnes milites in castris qui manebant cum
ad dbsequium principis convenissent statt in castris manebant
qui cum castris ad dbsequium.
lul. 3, 7 creditum fuerat emendationem femporum Commodi Pertinacis
auctoritate iri parat um statt reparandum.
290 lul. 3, 10 ob tantas necessitates sollicitus statt de.
lul. 5, 3 ad senatum venit impetravitque ut Jiostis Severus renuntia-
retur statt imperavitque.
Sever. 1 ist wohl zu schreiben cui civitas Lepti magna, pater Geta
.... patrui Aper et Severus; in den Handschriften fehlt
magna nach Lepti und steht magnaper statt aper. Patrui
magni, wie jetzt geschrieben wird, ist nicht möglich, da der
avus paternus nachfolgt.
Sev. 22, 3 (Victoriola) quae ipsius nomine adscripto orbem tenebat
statt adscriptum.
Sev. 24, 2 cum statim illic, ubi vita functus est, esset incensus statt
septimus.
Nig. 3, 12 idque adsciscas de Nigro tnilitem timere non passe statt
sed scias idque.
Macr. 3, 1 Caelestis apud Carthaginem, quae de re publica laeta
solet et Vera canere statt de repleta solet uera.
Macr. 4, 7 imperatorem suum interemit obtenta factione statt tanta;
vgl. 6, 4 vindicandam factionem; Biad. 1, 1 factione Macri-
niana.
Heliog. 14, 7 misit praefectos (oder de praefectis) alium ad com-
pescendos milites in castra, alium vero ad cos placandos, qui
iam in liortos venissent statt praefectis alio . . alio.
Heliog. 15, 7 omniaque per praetorem urbanum facta sunt, quasi
consules illic non essent. Die richtige Ueberlieferung pr ist
falsch durch praefectum aufgelöst worden.
Alex. 68, 1 Aeliu^ Gordianus Gordiani imperatoris parens vir insignis
statt ipsa res uiri.
Gord. 22, 8 sind die Worte a Gallicano ex consulibus et Maecena ex
ducibus Uebersetzung der herodianischen 7, 11, 3: ävrjQ anb
vnareiag . . . FaXlixavog övo/xa . . . xal eregog oxQaxrjyixoq rb
ä^ioDjua Maixtjvag xaXovfievog. Man darf also nicht Maecenate
Die Scriptores historiae Augustae. 361
ändern, sondern dies ist Uebersetzerfehler wie anderes mehr
an dieser Stelle.
Goi'd. 26, 5 illic frequentibus jvoeliis pugnavit et vicit et Sapore
Persarum rege summoto et x^ost Artaxia duce statt aesapore
p. r. s. e. p. artaxansen. Der zweite Name ist unsicher, aber
wohl der eines Mannes, nicht einer Stadt.
Gwd. 27, 10 in der Inschrift für Timesitheus: parenti pn-incipum,
p(opuli) R(omani) et totius orhis statt parenti principum 291
praetototius urbis. Die Titulatur praefecto jyraetorü kann
nicht zwischengeschoben werden zwischen Prädicate wie
parenti principum und tutori rei p.
3Iax. et Balb. 5, 11 quare nolenti senatus ei ... . imperium tarnen
detulit statt veluti. Hirschfeld vermuthet volenter.
Gall. 9, 4 conviviisque et epulis dies plures, alios dies voluptatibus
publicis deputabat — statt epidis depulsis alios.
Gall. 16, 4 corrigias gemmeas adnexuit, cum campagos reticiüos
appellaret statt caligias.
Tng. tyr. 30, 21 ipsa Latini sermonis non usque quaque ignara, sed
ut loqueretur pudore cohibita statt gnara.
Aurel. 1, 9 steckt der Name des Adressaten wohl in der Corruptel
ptarrumipiane praeceptis., welche hervorgegangen sein kann
aus parui, mi ülpiane(?), praeceptis. Vgl. 43, 1 und Carus
21, 2 mi amice. Dem Celsinus ist der Probus (1, 3) zu-
geschrieben, dem Bassus der Firmus (2, 1); hier wird ein
dritter Name gestanden haben.
Aiirel. 4, 2 matrem . '. Callicrates . . sacerdotem templi Solis sui in
vico eo, in quo liabitabant pare^ites, fuisse dicit statt qui.
Aurel. 7, 5 de praeda hostis, non de Ubcrimis provincialium abundent
statt habeant.
Aurel. 7, 8 alter alteri quasi liomo, quasi servus obseqtiatur statt
quasi innemo; homo drückt denselben Begriff mit minderer
Schärfe aus und wird also durch servus gesteigert. Hirsch-
feld schlägt vor quasi domino servus obseqtuzttir.
Aurel. 19, 5 audivimus litteras, quibtis rogavit ope dei ut vir fortissi-
mus adiuvetur statt opem. Indem Aurelian die Befragung
des Sibyllenorakels begehrt, bittet er nicht um den Beistand
des Gottes, damit er Unterstützung erhalte, sondern um
Unterstützung seiner Tapferkeit durch göttlichen Beistand.
Aurel. 22, 1 fransactis quae ad saeptionis afque urbis stafum et
civilia pertinebant statt saeptiones. Yielleicht ist auch für
atque zu schreiben sacrae.
362 Die Scriptores historiae Augustae.
Tac. 10, 3 librum per annos singulos decies scrihi puhlicUus a prae-
fectis archiis iussit et in hpUiothecis ponl äta,tt euicosarchis.
Wenn man sich fragt, welcher Kategorie von Beamten ein
292 Auftrag dieser Art hat ertheilt werden können, so liegen am
nächsten die Vorsteher der tabularia in den italischen Muni-
cipien.
Tac. \\^ 4: fdbricarum peritissimus fuit, mavmorum cupidus, nitoris
cenatorii, venationum studiosus statt senatorii.
Tac. 15, 2 qui Taprobanis praesidem imponat, qui ad Monam insulam
proconsulem mittat statt romanam.
Saturn. 7, 4 mathematici, haruspices, medici omnes ludaei Christiani
Samarifae statt nam eis christiani samaritae. Der Verfasser
wiederholt dies nach seiner Gewohnheit in dem folgenden
Briefe : nemo illic arcMsynagogus ludaeorum, nemo Samarites,
nemo Christianorum presbyter non mathematictis, non haruspex,
non aliptes.
Carus 20, 4 et concessit aviae pallio aurato atque purpureo pro
syrmate tragoedus ut uteretur., wo für concessit überliefert ist
rectesi und ut fehlt.
XXXVIII.
über den kritischen Apparat zum Ammianiis.*)
Bei der ausserordentlichen Schwierigkeit, welche das grosse 231
Geschichtswerk des Ammianus sowohl in sprachlicher wie in sach-
licher Beziehung hat wird, wo nicht der Philologe, doch wenigstens
der Historiker schon demjenigen dankbar sein, der auf eigene dieses
Xamens werthe Editorenthätigkeit verzichtend das kritische Material
vollständig und übersichtlich darlegt. Wie weit die vor kurzem von
W. Eyssenhardt besorgte Ausgabe in dieser Hinsicht hinter den be-
rechtigten Anforderungen zurückbleibt, soll hier in kurzem dargelegt
werden, in der Hoffnung, dass diese Hinweisung zur Ausfüllung des
Fehlenden anregt.
Bekanntlich kommen für Ammian zwei Handschriften in Betracht,
die noch^ vorhandene ehemals Fuldaer, jetzt vaticanische ?f. 1S73 des
neimten Jahrhunderts und die jetzt verlorene Hersfelder, die nicht
Jünger gewesen sein wird. lieber das Verhältniss beider zu einander
ist wohl kaum zu einem abschliessenden Urtheil zu gelangen. Fest
^teht nur, dass die Hersfelder nicht Abschrift der Fuldaer gewesen
^ein kann, da jene bekanntlich die in dieser fehlenden längeren
griechischen Stellen gehabt hat und auch sonst mehrfach besser
*) [Hermes 6, 1872, S. 231 — 242. Dieser und die folgenden kritischen
Aufsätze zu Ammian behalten ihre volle Bedeutung auch nach der Entdeckung
der Marburger Fragmente der Hersfelder Handschrift und den neueren For-
schungen, unter denen diejenige L. Traubes in den ilelanges Boissier, Paris 1903,
H. 443 flf. hervorragt. Diese Aufsätze Mommsens , deren Ergebnisse in der von
Clark vorbereiteten Ausgabe Verwertung finden werden, sind daher hier unver-
Icürzt zum Abdruck gebracht, von der neueren Literatur aber nur die wichtigsten
ügebnisse angefahrt worden.]
1) Mit Ausnahme eines Blattes, das die Worte 31, 8, 5 p. 507, 1 Eyss. pau-
Ictiim — 31, 10, 18 p. 512, 8 est quo enthielt und aus den jüngeren Abschriften
und der Ausgabe des Accursius zu ergänzen ist.
364 Über den kritisclien Apparat zum Ammianus.
gewesen sein muss als diese. So dürfte die Yersetzung, wodurch in
der Fuldaer Handschrift der Abschnitt p. 442, 2 Eyss.*) tem (nicht
tani^ wie Eyssenhardt druckt) octavianum — p. 453, 12 inter intrejn
232 zwischen die Worte accidebat und quorum p. 430, 3 gerathen ist, der
Hersfelder fremd gewesen sein^; und auch die p. 373, 4 in der
Fuldaer Hdschr. (ohne Bezeichnung einer Lücke) fehlenden "Worte
et ambitioso . . . quem hat Gelenius gewiss nicht ersonnen. Es kann
sogar sein, dass die Fuldaer eine alte Abschrift der Hersfelder
gewesen ist;**) denn dass zu Gelenius Zeit jene mit den Worten decus
implebat p. 485, 19 Eyss. (nicht, wie Eyssenhardt in der Vorrede
p. Vin sagt, ad fineni lihri tricesimi) abbrach, schliesst natürlich
nicht aus, dass sie im 9. Jahrhundert am Schluss vollständig gewesen
sein kann; und so weit ich sehe, liegt auch sonst nirgends ein ent-
scheidender Beweis dafür vor, dass der Yaticanische Codex nicht
Abschrift jenes verlorenen ist 2. Eyssenhardt folgt der entgegen-
gesetzten Annahme, dass die Fuldaer und die Hersfelder Handschrift
aus demselben Original geflossen sind, ohne Beweise dafür bei-
zubringen. Von wesentlicher Bedeutung für die Kritik ist diese
Differenz bei unserer unvollkommenen Kunde von der Hersfelder
Handschrift allerdings nicht.
Von der Fuldaer Handschrift liegt jetzt in der Eyssenhardtschen
Ausgabe eine Collation vor, für die wir dem Herausgeber dankbar
sein müssen, da bis jetzt eine solche gefehlt hat. In wie weit sie
erschöpfend ist, werden andere prüfen;***) einzelne Versehen kommen
vor, wie z. B. die Angabe
*) [Von einer Transkription der Seitenzahlen der Eyssenhardtschen Aus-
gabe in diejenigen der Gardthausenschen ist mit Rücksicht auf die in Vorbereitung
befindliche neue Ausgabe von Clark abgesehen worden.]
1) Bei Gelenius erscheint von dieser Versetzung keine Spur und nach der
verstümmelten Beschaffenheit der Ränder ist Valesius Annahme, dass Gelenius
sie durch Combination beseitigt habe, wenig wahrscheinlich. Dass die lücken-
hafte Stelle p. 442, 1 ... 3 Epiroten . . . permisso von Gelenius weggelassen ist,
entspricht seinem sonstigen Verfahren und beweist eher gegen als für die
Existenz der Versetzung in der Hersfelder Handschrift.
**) [Sie sind vielmehr Abschriften eines gemeinsamen Originals: s. Traube ;
a. a. 0. S. 444.]
2) Auch Haupt sagt im Berliner ind. leet. vom Sommer 1868 p. 6 [opi
2, 375], nachdem er die thörichte Meinung, dass die Fuldaer Handschrift da
Original der Hersfelder gewesen sei, abgewiesen hat: minus fotiasse fallereti
qui Fuldensetn lihum ex Hersfeldensi descriptum esse existimaret : qiiamquam
hoc quidem certo argumento demonstrari poterit.
***) [Über die schweren Irrtümer der Kollation vgl. Gardthausen in de
praef. zu seiner Ausgabe (1874) S. XXIIL]
über den kritischen Apparat zum Ammianus. 365
p. 270, 14 ligneae] lineam V
17 sagittam maligne (ohne Yariante)
nach der von Hrn. Hübner angestellten Vergleichung dahin zu be-
lichtigen sind, dass vielmehr Z. 14 ligneae auch im Vaticanus steht,
dagegen Z. 17 die Handschrift hat sagittam lineam, woraus die
Herausgeber längst das richtige sagittam ligneam hergestellt haben.
Das seltsame maligne bei Eyssenhardt wird wohl Druckfehler sein.
— Dagegen wird die begründete Hoffnung, dass die neue Ausgabe
uns über den Hersfelder Codex so weit belehre, als dies jetzt über- 233
haupt möglich ist, nicht erfüllt.
Zunächst wäre der Herausgeber verpflichtet gewesen sich um
die jüngeren dem 15. Jahrhimdert angehörigen Handschriften des
Ammian in so weit zu bekümmern, als erforderlich war um fest-
zustellen, dass sie aus der Fuldischen geflossen sind; wozu die Mittel
keineswegs fehlen. Abgesehen von anderem sind die Worte 22, 10, 3
p. 24S, 1 — 3 ut fidenter . . . frenarent monstrabat von Gelenius ein-
gesetzt, offenbar, wie dies auch Eyssenhardt anerkennt, aus der
Hersfelder Handschrift, während sie im Fuldaer Codex so wie in '
allen vorgelenischen Ausgaben fehlen. Wenn dies hinreichend dar-
thut, dass diese letzteren auf Handschriften beruhen, die aus der
Fuldaer geflossen sind, so war weiter zu constatiren, dass auch in
den Jüngern Handschriften wenigstens diese Worte durchgängig
vermisst werden, und die freilich wenig berechtigte Hoffnung ab-
zuschneiden, dass eine derselben uns Abschrift oder Yarianten der
Hersfelder aufbehalten haben könnte.
In der That indess wird wohl alles, was wir über den Hersfelder
Codex je erfahren werden, sich auf dasjenige beschränken, was Sieg-
mund Gelenius daraus in seine Ausgabe des Ammian (enthalten in
dem Corpus der lateinischen Historiker JBasileae in officiiia Froheniana,
1533) aufgenommen hat; und dies ist grossentheils ununterscheidbar
von seinen auf die Lesung des Hersfelder Codex gestützten Besse-
rungsvorschlägen. Um so mehr aber leuchtet es ein, dass jeder
Apparat zum Ammian, der auf Yollständigkeit Anspruch macht, die
Lesungen des Gelenius sämmtlich und in der Weise darzulegen hat,
dass der Leser, so weit möglich, in den Stand gesetzt wird ihre
Quelle zu erkennen. Dies ist in der neuen Ausgabe nicht geschehen,
weder für die Bücher 27 — 30, die Gelenius lediglich aus dem Hers-
felder Codex zum Abdruck gebracht hat, noch für die Bücher 14 — 26,
in denen er den Text der älteren Ausgaben nach demselben durch-
corrigirt hat. Ich gebe zunächst die bei Eyssenhardt fehlenden
Varianten des Gelenius für die drei ersten Capitel des 27. Buches.
366
Über den kritischen Apparat zum Ammianns.
234
Vaticanus:
Geleniui
369, 24 pertulerunt
pertulerant
370, 10 hosthim
fehlt
13 peroffessum
per 08 fixuni
15 sonu
sono
16 confusus
confixus
20 sed eins
Jiuius modi
371, 8 instante
fehlt
22 e^ s?«e^a
insueta
splendentium
fehlt
24 extimum
extremiim
validus
ualidius
32 ea; a??!«
sex altera
i??e
fehlt
372, 4 se^ constrictos
Stratos
8 ascarüs
hastarns
ad dir. tent. miseraf
miserat ad dir. tent.
19 cwm
quoniam
25 escenso
ascenso
32 /afetfWi
falso
373, 8 infixerat
finxerat
12 Äomo
fehlt
27 we uitiorum
ni seruitiorum
374, 3 <?mersa
diuersas
5 danina defl. crebra
defl. crebra damna
7. 15 uiuentius
uincentms
11 ursinus
tirsiciniis
13 conflictabant conflictabantur ^
15 coactus ui magna vi magna coactus |
An diesen, wie man sieht, zahlreichen Stellen ist die gelenische|
Lesung von Eyssenhardt schlechthin unterdrückt worden. Wo er sie
mittheilt, geschieht dies zum Theil mit ausdrücklicher Erwähnung
des Gelenius, häufiger aber in der Weise, dass die gelenische
Lesung im Text steht und in den Noten nicht, als die abweichende
des Vaticanus, zum Beispiel in dem oben angeführten Abschnitt an
4en folgenden Stellen:
Yaticanus: Gelenius:
p. 369, 27 claudles glaciales
p. 370, 19 magnum magna
p. 371, b x^errupta perrwpit
über den kritischen Apparat zum Ammianus. 367
p. 372, 30 provinciae in provindam
p. 374, 27 reuersas re tiera si
Nur darf man nicht etwa meinen, dass hier consequent verfahren
sei und überall, wo ohne Angabe eines anderen Gewährsmannes ein- 235
fach die Lesung des Yaticanus angeführt wird, die Lesung des Textes
die des Gelenius sei; wie zum Beispiel die folgenden Stellen zeigen:
Yatic. und Gelenius: Eyssenhardt:
p. 372, 29 officmtn Orfitwn
p. 432, 26 artum sartum
p. 449, 24 hellen beUenen
Man wird also einräumen müssen, dass es völlig unmöglich ist
sich über die Lesungen des Gelenius aus der Eyssenhardtschen
Ausgabe zu unterrichten und dass selbst der notorisch aus der
Hersfelder Handschrift geflossene gelenische Abdruck der Bücher
27 — 30 hier behandelt ist. als käme er allein wegen der Yerbesse-
iirngsvorschläge des Herausgebers in Betracht. Ohne Zweifel ist
die grosse Mehrzahl der oben mitgetheilten von Eyssenhardt weg-
gelassenen gelenischen Lesungen theils auf Versehen, theils auf
Besserungsversuche des Herausgebers zurückzuführen; aber darüber
darf doch nicht vergessen werden, dass die Hersfelder Handschrift
entschieden die bessere, vielleicht die Mutter der Fuldaer war und
dass jede dieser Lesungen in ihr gestanden haben kann. Wer einen
kritischen Apparat herstellen will, hat zwar selbst zu urtheilen, aber
auch und vor allem die Acten vorzulegen, damit jeder Leser eben-
falls urtheilen könne. .
Minder einfach liegt das Verhältniss für die ersten dreizehn
Bücher. Gelenius hat hier nach dem Hersfelder Codex eine ältere
Ausgabe durchcorrigirt; es kann also über sein Verfahren nur dann
geurtheilt und was er in seiner Handschrift gefunden haben mag,
niu" dann ermittelt werden, wenn man weiss, was ihm im Druck
V3rlag. Selbstständigen Werth haben die vorgelenischen Ausgaben
des Ammian nicht; ein gewissenhafter Herausgeber aber wird sich
die massige Mühe nicht ersparen dürfen die EntvNickelung des Textes
bis auf Gelenius in allen Einzelheiten sich deutlich zu machen, wenn
es auch wohl kaum nothwendig ist diesen ganzen "Wust in den ge-
deckten Apparat aufzunehmen. Diese Entwickelung ist einfach
folgende. — Gedruckt sind die Bücher 14 — 26 des Ammianus
erst in Rom (R) 1474^ nach einer Abschrift des Fuldaer
1) per diffnissimos Impressores Georgium Saehsd de BeüAenhal et Barthölo-
'um Golsch de Hohenhart dericos. Diese Ausgabe so wie die Bologneser von
ZI
368 Über den kritischen Apparat zum Ammianus.
236 Codex ^ ; der Text ist von Abschreibern und Setzern arg zugerichtet,
aber nicht mehr interpolirt, als dies sich bei jeder solchen Recension
von selber versteht. Auf dieser ruht die von dem Bologneser (B)
Petrus Castellus im J. 1517 in Bologna publicirte Recension 2, die nicht
mit Unrecht auf dem Titelblatt selbst sich ankündigt als opus inßnitis
errorum monstris enixissimo labore vindicatum und zugleich bereichert
mit vielen Dingen, quae hacfenus desiderabantur; nur dass diese Ver-
besserungen und Zusätze nichts sind als eine auf keine Handschrift^
gestützte über die Massen willkürliche Zurechtstellung des in der
Ausgabe von 1474 vorliegenden Textes*. Ein Nachdruck dieser
Bologneser Ausgabe ist der 'ex recognitione Bes. JErasmi Roterodami'
bezeichnete, dem bei Froben in Basel 1518 erschienenen Corpus der
römischen Historiker einverleibte Abdruck des Ammian (E); und
diesen letzteren legte Gelenius seiner Ausgabe vom J. 1533 (G) zu
Grunde ^, wie denn diese überhaupt nichts ist als eine neue Auflage
jenes Frobenschen Corpus der römischen Historiker. Ich gebe hier
zwei längere Proben, welche jedem Einsichtigen das Verfahren des
Gelenius zur Genüge klar machen werden.
p. 63, 17 fatarum] BE&, factorum VR 23 multis] VG, muUisque RBE
18 fastorum] "VG, factorum RBE factis] fractis R
19 augustö] angusto R p. 64, 2 nobilüms] VR, mobilibus BEG
genuino] VG, gemino RBE cunis] VBEG, cuius R
20 somniabat] G, somnahat V, 4 pi-udentia] prudentiam R
sonabat RBE 5 antoninus] VG, antonius RBE
21 st adfuisset] "VG, se adfuisse 7 suos] V, fehlt RBEG
R, se affuit BE 8 quoniam] quom R
•flatti] VG, facul R, face BE 12 hac] V^ BEG, hoc Y\ hee R
237 secundo] VRG, secunda BE 15 martium G, artium VRBE
1517 liegen mir vor durch die nie ermüdende Gefälligkeit der Direction der
Göttinger Universitätsbibliothek.
1) Besorgt ist die Ausgabe von A(ngelus) Sabinus, demselben, der die den
ovidischen Heroiden angehängten Briefe verfasst hat. Die Handschrift, aus der
diese Ausgabe geflossen ist, scheint Vatic. Reg. 1994, da diese mit 1. XXVI
schliesst und die von Hübner genommenen Proben mit den der Ausgabe von
1474 eigenthünilichen Fehlern stimmen.
2) impressit Hieronymus de Benedictis Bononiensis.
3) Der codex PhiUppi Beroaldi non malae frugis und der codex caeteris fidelior
Pii Botioniensis pi-aeceptoris nostri, die Castellus in der Vorrede anführt, sind
ohne Zweifel nichts als die Handexemplare dieser Bologneser Gelehrten.
4) Haec editio omnium fere errorum, qui in Marcellini libris oceurrwnt, semi-
narium diei potest, sagt Henr. Valesius (p. LXXX "Wagner) mit Recht; wie er
denn überhaupt die älteren Ausgaben durchaus richtig beurtheilt.
5) In den seltenen Fällen, wo E von B abweicht, folgt Gelenius jenem,
z. B. p. 265, 17.
über den kritischen Apparat des Ammianus.
369
16 satiguinem] VG, sanffuinum
RBE
17 mamts] inanibiis VRBEG
catenis] VR, catetim BEG
adilixit] V, affixit RBEG
21 torpeyxte] G, torrente VRBE
22 concursatione] BEG, cwicits-
safione VR
25 2J*a] G, gjwe VRBE
proximi] VRG, proximam BE
26 omni&iw] BEG, oronihus VR
28 cons«7iis] VG, con.?j7ü' RBE
29 fors] VG, /bros R, /'oro BE
80 tidum] BEG, ^ota VR
31 aliis] G, j)aZits V, pahis R,
paludem BE
arfeor] VR, arborosam BEG
32 ^e»- sedelaucum et cor am] per
sedelaiico et cora V, j)er sedes p
leucoriim G, delauc. et cora
R, de Zoc« rt corbitis BE
p. 65, 2 gwja fene&ris] G, jui antemu-
mibris V, ^t arrfe in umbris
RBE
3 auan7tartum] atixilianim R
5 nÜebattir] V, nifcfeawtwr ....
R , «jfefcafMT cunctis uiribtis
BEG
jnfer?i««ia<] V, interiieniet R,
jn^erueHiref BEG
cat}iaj)hractariis] VRBE, ca-
tapfiractis G
7 percurso] EG, percusso VR,
pe)-cuso B
aMfos^ifZornm] G, auto . . . sm-
dorum V, auro sudorum R,
ac? anta sMCCorw/n BE
8 <r«casmos] VG, tricasmos R,
tricastinos BE
11 /'aei7t] /"flCiZe B
j>ro<e?-ens] VG, preteriens RBE
13 2t<j«] gwi BE
iialebat] ualebant BE
^yraepeditus] VRG , perpeditus
B, praepeditos E
14 j)erpe*ts«s] prepessus R
15 !<enj7] V, uenerit R, uewera«
BEG
16 fnc«sas] VR, ^ricosf«/« BE,
MOMMSEN, SCHR. Vn.
iricassas G
tnspercrfws] VG, tnsperatos R,
insperatum BE
20 uehentem ] VG, uehentetn
R, uesunti BE
21 SMom] BEG, tuam VR
24 oZamaHna;»] aletnannam G,
aiamanniam V, afoinianjam R,
o/einamam B, aZeman/itam E
25 tSttc] t«Md R
27 mjnefea«] V, exdpiebat RBEG
28 discttrso] discursos BE
30 auxiZm] G und Rand von E,
auxilio VRBE
deinde] inde Rand von E
32 quod] G, fehlt VRBE
33 brotomagum] BEG, brotomago
VR
1 to6cr»»as] tarbdlos BE
saZtsonem] G, salisone V, saJiso
an€ R, sebusianos et BE
/leindas] nemetes BE
2 carum] eorttm V RBEG
3 refiis] VR, retibus BEG
5 manus] G, fehlt VRBE
6 acj'e] asiae R
7 «r^eren<Mr] BEG, surgeretUur
VR
coptis] capitis B
aiits] aiios R
8 /eruore] V, fauore R, /'«rore
BEG
residui] VBEG, se »i dw R
10 Tuiec] VR, Aac BEG
12 qiios] quod R
nee castellum] VG, fehlt RBE
14 rigomaguni] VR, rigodcium
BE, rigodidum G
17 firmaret reip.] firmare reip.
V, rejp. firmare R, rejp. ^r- 238
wäre« BEG
19 j>rtMU<iis] primitus R
20 mMH<?anüu;»] mufidanfium R
22 milites qui] G, mulieres qui
V, mulieres qxie RBE
24 iwowirfere*] preuideret VRBEG
27 con^<?e>i<€s] BEG, confidenter
VR
28 ei] et VRBE, fehlt G
24
370
Über den kritischen Apparat des Ammiaaus.
prodentibus] G, et prodemon-
tibus V, et quod de montibus
R, et quod de multis BE
nee] G, iie VR, ire BE
30 cum autem . . . .] VR, fehlt
BEG
31 intuta] BEG, intota VR
32 die] VRBE, dm G
p. 67, 2 praesentis] BBEG, praesenteY
4 civitatis obsidium] G, ciritati
subsidium VRBE
at] et VRBEG
5 adsignandutn] VRG, signan-
dum BE
suppetias] RBEG, suppetia V
6 magister equitum] G, equitum
VR, quietem BE
12 uastitatae] VRBE, uastatae G
congrud] BEG, eongruas VR
13 qtwque diligentia curatö] G,
quoque diligenti ac curato V
(so), diligenti quoque accurato
RBE
14 laetiore spe] G, laetiwes per
VRBE
^wosi^crorMm] prosperum BE
ad] VG, fehlt RBE
15 cowswpebaf] consurgebant BE
239
p. 265,
6 M*] BEG, fehlt VR
negotioi'um] V, fehlt RBEG
7 a^eZ>a«iwr] VR, agehantur per
provincias BEG
iam] VG, fehlt RBE
consul VRBE, consule G
collegium] V, collegio RBEG
12 flagranti] VG, flagrantis RBE
13 diligentiam] VRBE, diligen-
tiae G
dmidews] diffidens VRBEG
15 hierosolyma] V, -maw RBEG
16 obsidente] VRG, obsistente BE
posteaque] VG, posi itaque RBE
17 ca?pM^nafM}w] EG, oppiignatum
VRB
22 adswZitbws] BEG, adsuinptibus
VR
23 inaccessum hoc que] G, inex-
cessum hoc quo VRBE
24 inceptum] G, incertum VRBE
p. 266, 1 legatos ad se] G, legatis adiem
V, %a^i sardinie R, legatos
sardiniae BE
aeterno] VRG, oena BE
cZare] RBEG, dare V
4 2^'>'OConsulem] VG, p}-aeconsulem
BE proconsulum R
uicariam] G, uicari V, uicario
RBE
5 aradium] VR, arabicum BE,
arabium G
7 ordinatis VG, ordinatius BE,
ordinatus R
8 profluvio ... 9 comrte fehlt
RBE, comife fehlt G
9 extincto eumque] G, extinctum
quae V
11 j^raecesseraf] VG, processerat
RBE
12 eo] VRBE, fehlt G
13 sacerdotum consortio quidam
e VRBEG
14 concidit] BEG, concedit VR
15 memorabant] remorabant R
16 sallustio set] VG, salustius et
RBE
18 monstrabant VRBEG
gwofl! acciderat VRBEG
22 jserwadere] VG, preu^lere RBE
24 externis] VG, externi BE,
externus R
25 remittente] V, renitente RBEG
26 jwons VRBEG
28 eo] V, Äoc RBEG
limitibus] VG, militibus RBE
30 aegentium V, egentium R, e^
gentium BE, gentium G
p. 267, 1 /b?-en] VR, /■o?*c»-e BEG
4 tendere] tenderet VRBEG
5 primam] VRG, properandi BE
9 transmissoque] G transmissaquc
VRBE
12 gMendctj?«] VG, gite»? RBE
synacoe] si/nce R
16 promiscua itum] G, promis-
quantum V, p'onus quantum
RBE
über deu kritischen Apparat des Ammianus.
371
exoptans] G, exortans Y, ex-
hartam RE, exhorans B
17 ut deinde] \G, inde RBE
ird\ iram R
21 reuersimm] VRBG. rmer-
sum E
23 sui] YRBE, sibi G
haud] mit R
contiffit] contingit R
25 mhiirbana,] VR, suburbano
BEG
26 »«ajös] VRBE, martias G
27 hierapolim] VRG. hieropolim
BE
CMm] VRG, fehlt BE
30 feffulananque] VG, tegularum
RBE
31 ?a»j] V, jam RBEG
32 iM-ae«ma] VBEG, peiuersa R
eura^jMs] VR, accttrathts BEG
33 occieparet] VBEG, oceuparat R
p. 268, 1 eux>hrate\ G, eiifraten V, ««-
/j-afem R, eiiphratem BE
rt(? 6f<f«a.s] VRG, acbatanas BE
2 osrfroenfle] osdrocene BE
3 calonnm] G, colonum Vß, co-
lonoritm BE
SHsdpiendum] sttspiciendnm R
4 co»Js?iefe] VRG, consueta BE
9 anfjg^tuw] VBEG, antiquum
cum V*R
U Ztwiae] VG, 7««« RBE
riftt] «Ytt VRBEG
15 /ert] VRG, /-e^-i«»- BE
19 praesagiebat] BEG, i>i-a€sa-
^«&a^ VR
20 sec»^?/n(/H] BEG, seeutum V.
secunim R
23 /jac] Äcrcc V, /joc compertuvi
est R, fehlt BEG
pa7a/äu] VG, fehlt RBE
24 «eto-«fl] aewa BE
ni] ne VRBEG
28 disp<menti]disponendiYRBEG
»proci<rsatorum] G, perparo-
ciirsatorwn VR, propero cur-
satonim BE
tum] VG, CMjw RBE
31 cogitmierat] G, cot/jY« e7-«f V,
cognita erat RBE
p. 269, 1 ex duce] VRG, rfwce BE
2 uigilanter] iiigilianter BE
smtaiun] VG, serwan RBE
3 didicerat] VG, rfta-eraf BEG
4 posset] V, posst« RBEG
regft sociarentur] GV-, r^t-
so€tarentttrY\ regis optarentt4r
R, rc/7i optarentur BE
5 moxoenam] VRG, misenam BE
cAtZjocoOTo] VRG, chaJonitide
BE
6 mediae] inedie R
7 a^enfi] G, o^e«/e YRBE
concurrerent] concurrent V, 240
conctirret RBE, accurrerent G
10 re «"darja] rö/i t<ana YRBE,
rc&w« i<a?iis G
13 torminis] BEG, fonwnt VR
14 lapiUisque VG, /oiw/Z/s RBE
osfento] BEG, ext^nto VR
15 exclamauit] esclamauü VR,
clamauit BEG
fcai«/Zon«] VRBG, babylonia E
procidisse] G, praecidisse Y,
prendisse RBE
16 o»jen] VG, omnes RBE
17 /josfjas] VG, Äosfianj RBE
18 funäitur] VRG. g«t diffundittir
BE
in] V*BEG, fehlt V^R
19 curatis et guiete] cur misit
quiete VR, accurate refectis
BEG
ca/ZiOTJCum] caZ/intsu»j VRBEG
20 e#] V, fehlt RBEG
opimitate] RBEG, opiimitate
V\ oporttmitate V*
21 anf« fehlt VRBEG
22 pmnpae] pampe R
23 almonis] BEG, salmonis V,
salomonis R
afe/«i] VBEG, aZ>so??ti R
soUemnitate] V*BEG, soUicUate
V>R
28 saracc«artt»n] saracinanm V,
sarracenortim RBEG
^ewjfe««] VG, fehlt RBE
29 nixi] VG, «I« R, misi B,
24*
372
Über den kritischen Apparat des Ammianus.
missi E
oblata ex auro] V, öblato auro
R, oblata auri BEG
30 fuHa] VG, futura RBE
31 odloquittM-] VRG, adloqui BE
p. 270, 1 classis\ V^BEG, classi V^R
constantiano] VBEG, con-
stiano R
3 artabat] VBEG, artabant R
4 eonteoäae] G, contectae VRBE
Zu schreiben ist also confectae.
6 230«M V^BEG, jpoies V^R
7 admoneor] BEG, admoneo VR
241 8 circumscripte] VR, circum-
scripta BEG
10 axicwZos] exiculos R
dwos] V^BEG, dwo V^R
11 waioris] VBEG, maiores R
12 pars] V, ars RBEG
extentius] VR, extensius BEG
13 multiplici chorda] G, »HMZft-
jjZicJs /jorc?a V^ multiplicis
chorda V*, multiplices corda R,
multipUce corda BE
14 dwae] dftto R
%neae] VRBEG (lineam Ejss.)
16 iewiowts] G, temones VKBE
cat«tHime] cauanine R
17 lineam VRBE, ligneam G
(maligne Ejss.)
22 ZetoZe BEG, Z[eto]Ze V, Za*afe R
agnoscat] VG, agnoscit RBE
24 tZicei] BEG, Zicaei VR
28 <^issi7iai] G, dissiiiant VRBE
29 resimw] testimn R
31 wwct] Htict R
p. 271, 1 2iendet] G, penden« VRBE
stuppea] BEG, struppea V,
strupea R
/erre« /ttwda] /errea /errea V*
/"wZ/HewiMm] VR, fulcimentum
BEG
3 cespiies] cospites V^
4 latericios] lateriotios R
5 inuenerit] VG, intertienerit R
BE
SM&^cr] G, SMjier VRBE
6 a(Z RBEG, a«e V^. awfe V«
9 paene supinum] paene surinum
VR, ^Jaewe undnum BE, 2)e«€S
uncinum G
11 /br^i] sorii V^
perculsum] perclusum V*, ^Jß^-
clausum VRBE, percussum G
uolucri] uolucris BE
12 moUitudine] mollitudinem R
incurrerit] inconcurrerit V
13 conlisurum] BEG, consorum
V^ conlisorum V*R
ftr eo gwod] VR, ^worf ex eo G,
ea; eo ^gwod fehltj BE
14 torquetur] contorquetur E
awiewi zweimal Eyss, (Druck-
fehler)
quoniam] VG, cum RBE
acttZc?t»i] eculeum R
17 pOSi] i30S V
calcitrando] RBEG, cal[cita]n-
do V
Hienach scheiden sich die gelenischen Lesungen innerhalb der
ersten dreizehn Bücher in Kategorien durchaus verschiedenen Werthes.
"Wo Gelenius die Lesungen der ihm vorliegenden Ausgabe beibehält,
wie z. B. p. 265, 7 den Zusatz per provincias, p. 269, 19 den Vorschlag
accurate refecfis, oder auch mit unwesentlicher Aenderung, wie z. B.
p. 66, 14 Bigodulum statt des Bigodolum der älteren Drucke, kann
aus seinem Text auf die Hersfelder Handschrift nicht geschlossen
werden und ist die fragliche Lesung unzweifelhaft Conjectur. Wenn
Eyssenhardt solche Lesungen stillschweigend in den Text setzt, ohne
in den Anmerkungen etwas anderes beizubringen als die abweichende
Lesung des Vaticanus, wie z. B. p. 265, 22 adsuUibus statt adsmnpü-
über den kritischen Apparat des Ammianas. '373
6m5, oder wenn er gar dergleichen in den Anmerkungen ausdrücklich
auf Gelenius zurückführt, wie p. 265, 6 das eingesetzte«^, p. 265, 17
eocptignatum statt oppugnahim^ so führt er den Leser geradezu irre
und ist seiner eigenen Worte in der Yorrede uneingedenk, dass
Gelenius Autorität sehr hoch zu stellen sei, quia persaepe, quae
primo aspectu cmiiectura orta videntur, Hersfeldensis libri memoriam
repraesentare jwsstint; denn diese Lesungen können dies eben nicht
und in der That schweigt hier Gelenius, während Erasmus oder
Castellus reden. — Umgekehrt ist es ausser Zweifel, dass solche
Lesungen, die Gelenius von seiner Vorlage abweichend in den Text
genommen hat und die mit dem Yaticanus stimmen, wie z. B.
p. 265, 7 das eingesetzte iam, p. 265, 16 die Aenderung von posf
itaque in posteaqiie, dem Hersfelder Codex entnommen sind; und ein
gewissenhafter Herausgeber wird wenigstens die wichtigeren Fälle
der Art anzuzeigen sich verpflichtet fühlen. Es bleiben endlich die
zahlreichen Stellen, an welchen Gelenius sich sowohl von seiner
Yorlage entfernt wie vom Yaticanus; wie zum Beispiel p. 265, 7
consule, 13 diligentiae^ 23 inaccessum Jiocque allein bei Gelenius sich
finden, während die demselben vorliegende Ausgabe hier mit dem 242
Yaticanus übereinstimmt. Diese Lesungen können sowohl aus der
Hersfelder Handschrift entnommen wie durch Conjectur gefunden
sein. Natürlich ist das letztere bei weitem der häufigere Fall und
wird man nicht oft es zur Evidenz bringen können, dass Gelenius,
was er also drucken liess, auch wirklich gelesen hat. Aber es giebt
doch Fälle der Art, wie zum Beispiel die schon erwähnte Ausfüllung
der Lücke p. 248, 1 — 3; und die Sache liegt mm einmal so, dass
der hauptsächliche Nutzen, den die gelenische Ausgabe uns gewährt,
in dieser wenn gleich bedenkhchen dritten Kategorie enthalten ist
und dieselbe im Apparat vollständig aufgeführt imd deutlich gekenn-
zeichnet werden muss. Die Hoffnung mag wohl eitel sein,*) dass
in unserer rasch lebenden und noch rascher arbeitenden Zeit sich
ein Philologe finden werde , welcher Yalesius Arbeit aufnimmt und
sich in einen Schriftsteller vertieft, wie Ammian ist, obwohl derselbe
darauf ein besseres Anrecht hat als viele mehr gepriesene und
gelesene. Aber was man jetzt eine kritische Ausgabe nennt, wird
auch wohl für Ammian gehofft werden dürfen; und was von einer
solchen zu fordern sei, hat vor einigen Jahren Haupt in präciser
Weise definirt, Totum illiid^ sagt er in dem angeführten Proömium
p. 6 [opusc. 2, 374 f.], praeparandae emendationis negotium qtwd receti-
*) [^gl- jedoch die Anfangsworte des folgenden Aufsatzes.!
374 Über den kritischen Apparat des Ammianus.
sionem dicimus in Ammiani opere continetur diligenü Vaficani libri
et exemplaris Geleniani, quod ex Hersfeldensi libro sumptum est, com-
paratione . . . illa . . comparatio tantum dbest, ut certam antiquae
scripturae formam praebeat, ut plurimis inpedita sit maximisque duhi-
tationibus. alia enim^ quae codex Fuldensis auf non habet aut habet
peius scripta, Gelenium plane non potest dubitari sumpsisse ex Hers-
feldensi codice, alia ajjertum est eum ßnxisse coniecturis usum partim
egregiis (ut erat homo praeclari ingenii), jjartim falsis; denique haud
raro in Castelli commentis adquievit, ita fit ut multa Geleniana incerta
sint neque fere tutum ab omni parte sit quicquam praeter Fuldensis
libri litteras. Die hier geforderte Arbeit ist, was den Gelenius
betrifft, immer noch zu leisten. Wir vermissen immer noch einen
Apparat des Ammian, in dem die Lesungen der gelenischen Ausgabe
theils vollständig angeführt werden, theils bei jeder einzelnen kenntlich
gemacht wird, ob sie auf Sabinus, Castellus oder Erasraus zurückgeht
oder von diesen sich entfernt und aus der überhaupt erkannt werden
kann, was Gelenius, sei es nun aus seiner Handschrift oder aus Yer-
muthung, an dem ihm vorliegenden Texte geändert hat.
XXXIX.
Weiteres über den Apparat zum Ammian.*)
Rascher, als ich es hoffen durfte, ist der in diesen Blättern 91
(6, 233 [oben S. 365]) ausgesprochene Wunsch in Erfüllung gegangen,
dass auch die jüngeren Handschriften des Ammian einer gewissen-
haften Prüfung unterzogen und deren Verhältniss zu den massgeben-
den, der fuldischen und der hersfelder festgestellt werden möchte.
Gardthausen, der seit längerer Zeit mit Vorstudien für eine Ausgabe
des Ammian beschäftigt ist, hat kürzlich in Fleckeisens Jahrbüchern
1S71 S. 829 ff. eine dankenswerthe Uebersicht über die geringeren
Handschriften gegeben und ist zu dem Ergebniss gekommen, dass
zwar die vollständigen sämmtlich aus der fuldischen abgeschrieben
sind, also nur etwa für das eine jetzt in dieser fehlende Blatt
in Betracht kommen, dagegen diejenigen Handschriften, die nur
B. 14 — 26 umfassen, auf eine zwar der vaticanischen nächst ver-
wandte, aber doch von dieser unabhängige Handschrift zurückgehen.
Jeden, der den Text dieser unvollständigen Recension einiger-
massen kennt — und im Wesentlichen ist er ja in den älteren
Ausgaben bis hinab auf die frobenisch-erasmische von 1518 allen
zugänglich — wird dies Ergebniss befremden. Diese Recension
entfernt sich zwar an unzähligen Stellen mehr oder weniger von
dem Text der fuldischen Handschrift, durchaus aber in der Weise,
dass alle Fehler der letzteren bleiben und die Abweichimgen lediglich
weitere Yerderbungen oder, im besten Fall, leicht durch Conjectur
au findende Textherstellungen sind. Mir war nicht eine einzige
Stelle vorgekommen , die Veranlassung gäbe auf eine selbstständige 92
handschriftliche Quelle zu schliessen; und ebenso haben Valesius
und meines Wissens alle Kenner des Ammianus ohne Ausnahme
geurtheilt. Diese Differenz der früheren Wahrnehmungen von den
*) [Hermes 7, 1873, S. 91—101. Einige zweifelhafte .\ngaben sind durch
<^larks briefliche Mitteilungen kontroliert worden.]
376 Weiteres über den Apparat zum Ammian.
Aufstellungen Gardthausens hat mich veranlasst die Grundlage der
letzteren nachzuprüfen. Ich bin dabei zu dem Ergebniss gekommen,
dass Gardthausen geirrt hat, und auch die Handschriften dieser un-
vollständigen Recension, wie die der vollständigen jüngeren, lediglich
aus der fuldischen geflossen sind. Vielleicht kann, indem ich in aller
Kürze hier meine Bedenken ausspreche, dies dazu führen, dass, wenn
sie begründet befunden werden, dem Pubhcum, das sich jetzt mit
einem durchaus unvollständigen Apparat zum Ammian begnügen
muss, der umgekehrte Uebelstand eines übervollständigen mit den
Schreibfehlern von schlechten Abschriften noch erhaltener Originale
belasteten Apparats bei der neuen höchst wünschenswerthen Recen-
sion erspart bleibt.
Die unvollständige Recension kennen wir aus drei nach Gardt-
hausens Annahmen von einander unabhängigen Quellen: der Hand-
schrift des Archivs von St. Peter aus dem 14. Jahrhundert (P), der
Handschrift der Yaticana Reginae n. 1994 (R) aus dem 15. und der
ältesten von Angelus Sabinus in Rom 1474 besorgten Ausgabe; denn
dass die des Castellus von 1517 nur auf der letzteren fusst, giebt
Gardthausen zu. Dagegen bestreitet er die von mir S. 235 A. 2
[o. S. 368 A. 1] aufgestellte Yermuthung, dass für die Ausgabe des
Sabinus die Handschrift Reg. 1994 als Vorlage gedient hat.*) Dass die
Handschrift des Sabinus mit R allerdings nahe verwandt, aber nicht
identisch gewesen sei, ergebe sich nicht nur aus der Verschiedenheit
der Lesarten, sondern hauptsächlich aus einer grossen Lücke. In
der Ausgabe des Sabinus fehlen die Worte est enini occasio (26, 7, 10)
bis Helenox>olini venu (26, 8, 1), natürlich durch Ausfall eines Blattes.
Dieser Abschnitt ist aber in PR vorhanden, auch fallen diese Worte
nicht mit Anfang und Ende von Blättern einer oder der anderen
Handschrift zusammen; demnach 'kann wohl kein Zweifel sein, dass
'die Ausgabe des Sabinus einen dritten Codex der unvollständigen
'Familie repräsentirt'. — Vielmehr beweist dies nur. dass Sabinus
nicht jene Handschrift selbst in die Druckerei geschickt hat; von
einer sei es zum Behuf des Abdrucks, sei es sonst genommenen
Abschrift konnte sehr wohl ein Blatt also verloren gehen, und da
93 sonst die Lücken und Fehler von R in der Ausgabe durchgängig
wiederkehren, hat diese Annahme immer noch einen hohen Gradj
von Wahrscheinlichkeit ^ — In gleicher Weise dürfte R nichts seil
*) [In seiner Ausgabe (1874) praef. S. XVIIII hat Gardthausen seinen Wider
Spruch zurückgezogen. Auch den codex Petrinus gibt er nach einer briefliche^
Mitteilung bei Schanz, Gesch. d. röm. Lit. IV 1 (1904) S. 98 jetzt preis.]
1) Wenn dagegen -wirklich, wie es nach Gardthausens Angabe S. 834 übe
complectm- p. 339, 12 (Eyss.) und delatas p. 339, 31 der Fall zu sein scheint
Weiteres über den Apparat zum Ammian. 377
als eine Abschrift von P; wenigstens nach allen von Gardthausen
beigebrachten Proben scheint R, ausser in der Hinzufügung neuer
Lesefehler und Auslassungen, P gegenüber nichts Selbstständiges
darzubieten. — Soll also diese unvollständige Familie überhaupt
Berücksichtigung finden, so wäre mindestens zu erwägen, ob nicht
die Ausgabe des Sabinus, als aus R, und R, als aus P geflossen,
neben dieser letzten unzweifelhaft ältesten und besten Handschrift
dieser Familie in Wegfall kommen müssten. Uebrigens kommt
darauf wenig an; nicht so sehr um den kritischen Werth der ein-
zelnen Exemplare dieser Familie handelt es sich als um den der
Familie selbst.
Aeusserlichkeiten können diese kritische Frage nicht entscheiden.
Dass der Petrinus aus dem 14. Jahrhundert ist, die vollständigen
Handschriften des Ammian alle erst aus dem 15., schliesst selbst-
verständlich nicht aus, dass jener so gut wie diese aus einer und
derselben Yorlage unmittelbar oder mittelbar geflossen sind. Gardt-
hausens Behauptung (S. 830), dass die bisherige Annahme 'unhaltbar
geworden sei, seit sich ein italienischer Codex gefunden hat, der in
das 14. Jahrhundert hinaufreicht, also in eine Zeit, wo der Vaticanus
noch in der KlosterbibHothek von Fulda vergraben und vergessen
war", zeugt nicht von richtiger Kenntniss des litterarischen Verkehrs
im Mittelalter. Dass Abschrift (oder Abschrift einer Abschrift) der
fuldischen Handschrift zwischen dem zehnten und vierzehnten Jahr-
hundert über die Alpen gekommen sein kann, wird von vornherein
zugegeben werden müssen, und das 'Vergrabensein' in einer Kloster-
bibliothek darf doch auch nicht allzu buchstäblich verstanden werden.
Erwiesen ist durch jenen Fund eines in Italien im 14. Jahrhundert
geschriebenen Ammian eben nur, dass der Ammian schon vor Poggio
in Italien nicht völlig unbekannt war. Von dem Puteanus der dritten 94
livianischen Dekade können wir Abschriften vom 11. bis zum 15. Jahr-
hundert nachweisen, die unter sich Familien bilden, aber, so weit das
Original erhalten ist, alle kritisch gleich werthlos sind; und ähnliche
Fälle begegnen überall. — Dass der Petrinus mit dem 26. Buch
Sibinus zuweilen in Fehlem mit P gegen R stimmt, so kann er allerdings
letztere Handschrift nicht gebraucht haben. Aber wenigstens in die erste An-
gabe scheint sich ein Druckfehler eingeschlichen zu haben, da nach Eyssenhardt
T nicht compJentur hat, sondern complectur. [,V hat wirklich conpledur; delatas
ist richtig. P hat complectur und delatas. Die Lesarten von P haben aber keine
Bedeutung, da die Hs. nur eine entfernte Abschrift von T ist. Die Ausgabe
dt's Sabinus ist, wie auch ich glaube, von R oder einer Kopie von R abgednickt
worden." Clark.]
378 Weiteres über den Apparat zum Ammian.
schliesst, beweist natürlich auch nicht, dass die Vorlage (oder die
Vorlage der Vorlage) nicht darüber hinausgegangen ist. Wie Vat.
1874, obwohl unzweifelhaft Abschrift des Fuldensis, doch im 25. Buch
abbricht, so können nicht minder unzählige Zufälligkeiten bewirkt
haben, dass aus einer Handschrift der letzten 18 Bücher Ammians
eine andere floss, der die letzten fünf Bücher fehlten. — Wenn in
P eine Anzahl Lücken sich finden, die 51 — 63 Buchstaben betragen,
(Gardthausen S. 835), und wenn daraus in der That mit Recht
geschlossen wird, dass die Vorlage von P und der unvollständigen
Klasse überhaupt in Zeilen von dieser Länge geschrieben war, so
schli'esst diese Annahme keineswegs aus, dass diese Vorlage eine
Abschrift des fuldischen Codex gewesen ist; für unseren Zweck ist
es also nicht nöthig den weitgreifenden und zum Theil bedenklichen
Combinationen Gardthausens über die Zeilenlängen der Vorlagen
unserer Handschriften im Einzelnen nachzugehen. Jeder unbefangene
und mit solchen Fragen vertraute Kritiker wird urtheilen, dass der
Herleitung der unvollständigen Familie aus der fuldischen Handschrift
äussere Gründe zwingender Art nicht entgegenstehen und dass alles
ankommt auf das Verhältniss der Lesungen zu einander. Ist die
unvollständige Familie in nichts selbstständig als in Fehlern und
Lücken und geht sie überall, wo die beiden Haupthandschriften, die
von Hersfeld und Fulda, sich gegenüberstehen, mit der letzteren, so
ist sie, ebenso wie die vollständigen Vulgathandschriften, nur in
früherer Zeit und in anderer Weise, aus der fuldischen geflossen und
also kritisch werthlos. Die Beweisführung Gardthausens hat die
inneren Argumente, die doch allein entscheiden können, bis jetzt
durchaus in die zweite Reihe gestellt. Eine abermalige Discussion
derselben, bevor die Ausgabe selbst begonnen wird, scheint mir
wünschenswerth, und um diese herbeizuführen, lege ich hier meine
Zweifel dar.
Es liegt auf der Hand und wird auch von Gardthausen selbst
mehrfach unumwunden anerkannt, dass die Vorlage der italienischen
unvollständigen Handschriften, die Familie P mit dem Vaticanus
nächst verwandt ist. Beide brechen in der griechischen Obelisken-
95 inschrift mit denselben Buchstaben NONCO ab (S. 836); überhaupt
theilt P mit V 'zahlreiche' — ich möchte dafür setzen sämmtliche
— Lücken und nicht minder zwei von Gardthausen S. 837 näher
bezeichnete Wiederholungen derselben Worte an falscher Stelle.
Wenn es unnütz ist, bei dieser unbestrittenen Thatsache nächster
Anverwandtschaft von V und P länger zu verweilen, so fragt man
um so mehr nach den Gründen, die für die Selbstständigkeit der
Weiteres über den Apparat zum Ammian. 379
letzteren Familie geltend gemacht werden. Wird diese mit Recht
angenommen, so hat Gardthausen allerdings guten Grund die durch-
gängige Uebereinstimmung im Falschen dieser Klasse mit dem
Fuldensis als eine wunderbare Erscheinung zu bezeichnen (S. S37);
ist die Vorlage derselben aus dem Fuldensis abgeschrieben, so erklärt
sich dies Wunder auf sehr natürliche Weise,
•Natürlich genügt es nicht", sagt Gardthausen S. 833 sehr richtig,
'um die Selbstständigkeit der italienischen unvollständigen Klasse zu
beweisen, sich auf einige verschiedene Namensformen zu berufen',
deren er dann eine Anzahl anführt. Ich verweile dabei nicht, da
Gardthausen selbst darauf keinen Werth legt; sonst wäre es ein
Leichtes zu zeigen, dass die Abweichung der Familie P von R in
sämmtlichen angeführten Fällen zweifellose und nahe liegende Yer-
derbniss der entweder richtigen oder doch der richtigen sich mehr
nähernden Lesung des Fuldensis ist. Gardthausen fährt dann fort:
'ich greife daher ein beliebiges Stück (25, 8, 15 — 9 fin.) heraus, um
die Lesarten der vollständigeren mit der unvollständigeren Klasse zu
vergleichen', und schliesst, nachdem diese Lesungen aufgeführt sind,
'dass daraus hervorgehe, dass die Ueberliefeining der unvollständigen
Klasse schlechter sei, als die des Vaticanus'. Aber darum handelt
es sich gar nicht: nicht dass die Lesungen dieser Klasse schlechter
sind als die von Y, sollte bewiesen werden — sie galten ja längst
nicht bloss als schlechter, sondern als absolut schlecht — , sondern
dass sie selbstständig seien; und davon zeigt die von Gardthausen
beigebrachte Probe vielmehr das gerade Gegentheil. Sämmtliche
hier von P und Consorten beigebrachten Abweichungen sind die
gemeinen Schreibfehler oder Schreiberinterpolationen, von denen die
geringen Handschriften des 14. und 15. Jahrhunderts wimmeln: so
p. 338, 12 inumhatque V (statt invitahatqtie), munibatque P, niunie-
hatque R Sab.; p. 339, 14 contempna (statt contempta) reliqua V, con-
dempnare liquet P, contemnari liquet R und so weiter. Nicht eine 96
ehizige Stelle findet sich, wo man auch nur einen Augenblick sich
fragen könnte, ob die Lesung von P nicht den Vorzug vor der von
V verdiene; es ist alles ganz und völlig werthlos, eben wie ich diese
Recension sonst überall schlechthin werthlos gefunden habe, wo ich
in dem Abdruck des Sabinus sie prüfte. Ich habe nur Stücke ver-
glichen und diese mögen täuschen; aber der Beweis, dass selbst-
ständige ächte Ueberlieferung in dieser Familie bewahrt ist, bleibt
nooh zu führen. Noch ist nicht eine Stelle nachgewiesen worden,
dei* die Ueberlieferung dieser Handschriftenklasse ii-gend aufhilft;
er^t wenn dies in überzeugender Weise geschehen sein wird, erscheint
380 Weiteres über den Apparat zum Amniian.
es gerechtfertigt mit den zahllosen Varianten derselben den kritischen
Apparat zu behaften.
"Wenn um das Verhältniss von P zu Y festzustellen es in erster
Reihe darauf ankommt, die jener Familie eigenen Lesungen nach
ihrem inneren Werth zu würdigen, so bleibt daneben noch ein anderer
Weg den kritischen Werth derselben zu ermessen. Notorisch stehen
sich bei dem Ammian die beiden Haupthandschriften, die Fuldaer
und die von Gelenius benutzte Hersfelder so gegenüber, dass die
letztere häufig allein das Richtige bewahrt hat. Wenn der Klasse
P neben V überhaupt ein selbstständiger Werth zukommt, so muss
sich dieser nothwendig darin zeigen, dass, wo V in fehlerhafter
Weise von G abweicht, P wenigstens zuweilen gegen Y mit G stimmt.
— Allerdings ist dieser Weg der Yergleichung meistentheils versperrt;
denn in den letzten 5 Büchern, die aus dem Hersfelder Codex ab-
gedruckt vorliegen, fehlt P, in den ersten 13 aber, die Gelenius nach
einer aus P geflossenen Ausgabe gedruckt und aus dem Hersfelder
Codex nur durchcorrigirt hat, kann die mit P stimmende Lesung des
Gelenius aus jener Ausgabe herrühren und bleibt es also ungewiss,
wo und wie P mit der Hersfelder Handschrift gegen Y gestimmt
haben mag. Somit sind wir hier beschränkt auf jene schon oben
(S. 376) erwähnte Stelle im 26. Buch, welche in P sich findet, aber
in der dem Gelenius vorliegenden Ausgabe fehlte und von diesem
aus dem Hersfelder Codex eingesetzt worden ist. Hier allein können
wir YP, wenn nicht mit der Hersfelder Handschrift, doch mit dem
von Gelenius danach hergestellten Druck vergleichen; und es ist
dankenswerth , dass Gardthausen S. 838 den Apparat zu diesem
Abschnitt vollständig mittheilt ^. Aber die Annahme, dass der
Familie P ein selbstständiger Werth zukomme, wird durch diese
Mittheilung nicht unterstützt. Der gelenische Text giebt in diesem
kurzen Abschnitt, wie wir später noch sehen werden, gegenüber dem
fuldischen eine Lückenausfüllung und gegen dreissig Textbesserungen,
von denen wenigstens einige nicht füglich als Conjecturalemendationen
des Herausgebers betrachtet werden können. Halten wir damit die
unvollständige Familie zusammen, so findet sich nicht bloss keine
Stelle, wo YG gegenüber die Lesung derselben irgend in Betracht
käme, sondern es geht dieselbe, und insbesondere ihr ältester und
bester Repräsentant P, durchgängig auch im Fehlerhaften mit T
gegen G. Nur die Besserungen p. 359, 9 efftgiatos GP gegen eff)-
1) Wir lassen denselben zur Vergleichung unten folgen. [Anmerkung der
Redaktion des Hermes. — Dieser auf S. 100 f. des Hermesbandes mitgeteilte
Apparat ist hier nicht wieder abgedruckt worden.]
Weiteres über den Apparat des Ammiau, 3S1
ciatos V — p. 359, 2S desertorumque GPR gegen desertorum V —
p. 360, 1 congregarat GPR gegen congregerat V sind G mit P ge-
meinsam; wozu man vielleicht noch zu stellen hat p. 359, 23 ni
V^GPR gegen re V\ falls in der That, wie Gardthausen (S. 833)
aufstellt, die dritte Hand in V aus der unvollständigen Familie
geschöpft hat. Ein paar andere kleine Besserungen: p. 359, 10
aliaque GP gegen adiaqiie VP — p. 359, 12 poeyiarum GR gegen
poenar VP — p. 360, 16 molliil V^GR gegen moUiciti V^P — treten
in dem jüngeren Codex E, hinzu. Aber wenn man dies alles zu-
sammenfasst, wird man darin nichts erkennen können als naheliegende,
zum Theil fast unvermeidliche Besserungen, wie sie von jedem Ab-
schreiber eines also verwahrlosten Textes vorgenommen werden
mussten. Die Annahme also, dass die Yorlage von PR eine andere
gewesen sei als V oder eine Abschrift von V, erscheint auch mit
diesem Thatbestand als unvereinbar.
Was weiter das Yerhältniss der hersfelder und der fuldaer
Handschriften zu einander betrifft, so können nur entweder beide
aus einem gemeinschaftUchen Original herrühren oder die noch vor-
handene Fuldaer aus der verlorenen Hersfelder abgeschrieben sein.
Die erstere Ansicht, die hergebrachte und auch von Eyssenhardt
festgehaltene wird von Gardthausen ebenfalls gebilHgt; aber nach
Idem von diesem selbst zuerst zusammengestellten Beweismaterial
idüifte die zweite schon früher von Haupt und mir vermuthungsweise
auegesprochene Annahme entschieden den Vorzug verdienen. Yon
Igrcsser Bedeutung für die Handhabung der Kritik ist die Differenz
inicht; denn auch wer der letzteren Ansicht folgt, kann nicht in 98
Abi-ede stellen, dass die verlorene Hersfelder Handschrift weit
zuverlässiger vertreten wird durch die Fuldische Abschrift als durch
den gelenischen Abdruck, also jene immer die wesentliche Grundlage
;ler Kritik bleiben wird. Doch mag es nicht überflüssig sein, den
Staad dieser Controverse nach dem jetzt vorliegenden Material
ibermals zu erwägen.
Die Behauptung, dass die fuldaer Handschrift nicht aus der
lersfelder abgeleitet sei, stützt Gardthausen theils auf die von ihm
). 838 mitgetheilten Lesungen zu 26, 7, 10 — 8, 1 (vgl. unten), theils
uf einige Stellen, wo die vaticanische Handschrift mehr biete, als
xelmius in der seinigen gefunden habe. Für die erstere Behauptimg
enaisse ich den Beweis. Die Durchsicht der a. a. O. mitgetheilten
'^aranten ergiebt nämlich, dass an einer einzigen Stelle Y gegenüber
r dies Richtige bietet — es ist dies 359, 5 quaedam Y, quodam G,
382 Weiteres über den Apparat des Ammian.
WO Gelenius, nach seiner Interpunction zu schliessen, durch Miss-
verständniss des Textes zu einer falschen Conjectur geführt worden
zu sein scheint. An einer anderen — es ist dies 359, 6 vel occidi
Ucentia V, veloci licentia G — liegt eine deutliche Falschbesserung
des Gelenius vor. An einer dritten — 359, 5 praeire V, praecedere Gt
— sind beide Lesungen gleich gut. An allen anderen Stellen da-
gegen — es sind dies, von ganz geringfügigen Varianten abgesehen,
^egen dreissig — giebt G gegen Y das Richtige. Freilich sind die
meisten dieser Berichtigungen von der Art, dass sie auch durch nahe
liegende Vermuthung gefunden werden konnten und also nicht mit
Sicherheit auf die hersfelder Handschrift sich zurückführen lassen;
aber eine Reihe derselben — so 359, 4 congruum quod G, congru-
amque V — 359, 1 1 militum redor extinxit G, mil regio rex ünxit V
— 360, 1 fere sex G, ureui V — 360, 11 labefadans cuncta G,
aliefadas cimdas V — 360, 22 rumitalca G, rumit V — sind so
schlagend und den Spuren der in Y getrübten Ueberlieferung so eng
angeschmiegt, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit als Lesungen
der Hersfelder Handschrift betrachtet werden dürfen; und von der
Ausfüllung der (in Y nicht angezeigten) Lücke 360, 1 1 ut rapiat . . .
avitae wird dies noch weniger bestritten werden können. Mit ab-
soluter Gewissheit bewiesen wird hierdurch freilich nicht, dass die
hersfelder Handschrift die Mutter der fuldischen ist, und schwerlich
wird sich bei der jetzigen Sachlage ein solcher Beweis überhaupt
^9 führen lassen; aber wohl bestätigt es sich abermals, dass die hers-
felder sehr viel besser war als die fuldische, und gewiss können
diese Lesungen weit eher geltend gemacht werden zu Gunsten der
' Annahme, dass Y aus der Yorlage des Gelenius abgeleitet ist, als,
wie Gardthausen dies thut, zu deren Widerlegung.
Dasselbe gilt von den angeblichen Lücken der hersfelder Hand-
schrift, welche durch die fuldische ihre Ausfüllung finden. Dass
wenigstens an neun Stellen die gelenische Ausgabe Lücken des
Yaticanus ausfüllt, giebt Gardthausen zu; aber die beiden Stellen,
die er für den umgekehrten Fall anführt, 29,6,11 und 30,8,5 sind
nicht beweisend. Es ist nicht genau, dass an der zweiten die Worte
qui hella diutiirna per se superavii et gravia solus in V stehen, in G
aber fehlen. Yielmehr steht in Y: non ideo contemptus ius hella
diuturna parum superavit . . et gra .... Ius ad resistendum aptiis*)
und indem Gelenius schrieb non ideo contemptus ut ad resistendum
aptus, hat er offenbar, seiner Gewohnheit gemäss, das unheilbar
*) [,V hat vielmehr optus"" Clark,]
Weiteres über den Apparat des Ammian. 3S3
Yerdorbene in der Weise beseitigt, dass was übrig blieb sich ver-
stehen lässt. Aehnlich verhält es sieh auch mit der ersten dieser
beiden Stellen. Was Gardthausen angiebt: ^retersit obriitas rndeoihis
fossas morumque maximam V, fehlt G', ist ebensowenig genau richtig.
In Y steht recrisit ohrutas rtiäerihus fossas morumque maximam partem
pacis diuturnitate contemptam et suhversas und daraus hat Gelenius
gemacht arces ob pacis diuturnitatem contemptas et suhversas, was
eben auch ein — freilich sehr verfehlter — Verbesserungsversuch
ist. Um so weniger kann darauf irgend Gewicht gelegt werden,
dass die an beiden Stellen in unsern Texten stehenden höchst un-
zuverlässigen Worte ungefähr gleich viel Buchstaben zählen. Alles,
was bisher über die Vorlage des Fuldensis ermittelt worden ist. kann
meines Erachtens gerade ebenso gut auf die hersfelder Handschrift
selbst wie auf eine dritte bezogen werden.
Ich bin weit davon entfernt die Frage damit für erledigt erklären
zu wollen; dazu würde es einer vollständigen Vergleichung der gele-
nischen und der fuldischen Lesungen bedürfen, welche anzustellen
ich nicht in der Lage bin. Wohl aber möchte ich dem künftigen
Herausgeber bemerklich machen, dass die bis jetzt von ihm vor-
gebrachten Argumente die Unabhängigkeit der fuldaer Handschrift
von der hersfelder keineswegs beweisen und dass, bevor auf diese
Annahme die neue Recension aufgebaut wird, es noch einer weiteren 100
und nicht bloss auf die Aeusserlichkeiten eingehenden Untersuchung
der Frage bedarf.
Schliesslich mag noch erwähnt werden, dass das angebliche
Ammianbruchstück aus dem 9. Jahrhundert,* das der französische
Catalog der Bibliothek von St. Omer aufführt und dessen auch
Gardthausen gedenkt, nach der mir auch sonst von competenter
Seite bestätigten Angabe Bethmanns in Pertzs Archiv (8, 80) nichts
ist als die constantinopolitanische Chronik des Marcellinus.
XL.
Über die Ammianhandschrift des AccursiuS.*)
Je weniger es bestritten werden kann, dass die in der vor-
stehenden Mittheilung des Herrn Gardthausen**) ans Licht gezogene
Thatsache für die Ammiankritik von Wichtigkeit ist, desto eher
wird es gestattet sein einige Bemerkungen daran zu knüpfen, die
für die Beurtheilung des Gefundenen und damit für die Weiterführung
der Arbeit von Belang zu sein scheinen. Ein fertiges Werk zu
kritisiren ist in der Regel ein undankbares Geschäft; von dieser
Aeusserung über ein noch nicht fertiges hoffe ich, dass sie, in dem-
selben Sinne aufgenommen wie vorgebracht, dazu beitragen wird
einem der grössten und ohne Zweifel dem von der Kritik am meisten
misshandelten Historiker des römischen Alterthums zu einer seiner
würdigen Bearbeitung zu verhelfen.
Die bisherige Annahme, dass die beiden ungefähr gleichzeitigen
Herausgeber des Ammian, Gelenius und Accursius, von einander
unabhängig arbeitend, jener die Hersfelder, dieser die Fuldaer Hand-
schrift des Ammian ihrem Abdruck zu Grunde gelegt haben, ist der
Darlegung Gardthausens gegenüber nicht mehr aufrecht zu halten;
man würde sich dem Augenschein verschliessen , wenn man nicht
einräumte, dass schon das zufällige Uebereinstimmen beider, wie es
Yalesius für 28, 1,4 voraussetzt, Bedenken zu erregen geeignet war,
aber die jetzt nachgewiesenen zahlreichen Fälle, in denen Gelenius
und Accursius, von dem Fuldaer Codex abweichend, unter sich über-
einstimmen, unmöglich auf zufälliges Zusammentreffen zurückgeführt
werden können.
Man wird ferner Gardthausen einräumen müssen, dass die von
ihm aufgestellte Erklärung die nächstliegende und äusserlich die
*) [Hermes? (1873) S. 171-175.]
**) [Die Ammianhandschrift des Accursius, Hermes a. a. 0. S. 168—170.
über die Ammianliandschriffc des Accursius. 385
wahrscheinlichste ist. Direct ist es nicht bezeugt, dass Accursius
die Fuldische Handschrift benutzt hat; bei der ungemeinen Genauig-
keit der Abschreiber des zehnten Jahrhunderts kann er allerdings
auch eine jetzt verlorene Zwillingshand schrift der Fuldischen vor
sich gehabt haben ^ und können also die Fälle, wo er und Gelenius
gegen die Fuldische stimmen, auf die üebereinstimmung seiner und
der gelenischen Handschrift zurückgehen.
Aber wenn diese Annahme das Richtige trifft, so ist auch
Gardthausens Folgerung unabweislich , dass, wo die relativ
selbständige Hersfelder und die supponirte Zwillingshandschrift der
Fuldaer gegen diese übereinstimmen, die Lesung der Fuldaer von
der gemeinschaftlichen Grundlage sich weiter entfernen muss als
die gelenisch- accursische und die letztere allein für die Kritik in
Betracht kommt. Wenn die gelenisch- accursischen Lesungen diesem
Erforderniss nicht genügen, so ist Gardthausens Yermuthung trotz
ihrer äusserlichen Wahrscheinlichkeit nichts desto weniger unhaltbar.
— Auch hier also handelt es sich darum, nicht bloss die Lesungen
neben einander zu stellen, sondern sie zu erwägen. Da meine
Absicht wiederum nur ist eine Frage aufzuwerfen, nicht sie zu be-
antworten, so beschränke ich diese Erwägung auf die von Gardt-
hausen vorher angeführten Beispiele; was übrigens auch schon da-
durch geboten sein würde, dass bei der Mangelhaftigkeit der Eyssen- 173
hardtschen Collation des Yaticanus die üebereinstimmung von GA
1) Haupt macht mich darauf aufmerksam, dass Valentin Rose in dem
2. Bande der anecdota Graeca et Graeco-Latina (1870) S. 164 eine weitere auf
die Ammianhandschrift der Ladenburger Bibliothek des Bischofs von Worms
Joh. Dalberg (f 1503) bezügliche Notiz beigebracht hat. Sebastian Münster in
der lateinischen Bearbeitung seiner Kosmographie (zuerst Basel 1550) S. 619
sagt vom Kloster Lorsch: 'Non est locus in Germania, tibi vetustior quam in hoc
monasterio bibliotheca fuerit. Vidi ihi exemplar unum quod manu Virgilii scriptum
atulus praemoyiebat. Inventus est ibi quoqtie uUimus liber Ammiani MarceUini,
grut et iam publicatus est, scrijattts maiusculis tantum Jitteris Johannes Dai-
hurffius episcapus Wormacensis vir doctissimtis transtulit inde ad hiNiothecam
Ladenhurgensem meliores quosque Codices'. Wie fabelhaft auch dieser Bericht des
wenig zuverlässigen Gewährsmanns lautet, so verdient er dennoch deshalb Be-
achtung, weil durch Reuchlins Zeugniss feststeht, dass die Dalbergsche Biblio-
thek einen Ammian enthielt. Die alten Kataloge der Lorscher Bibliothek aus
dem zehnten Jahrhundert (A. Wilmanns rhein. Mus. 23, 385 fg. [vgl. 6. Becker,
Catalogi bibliothecarum antiqui, Bonn 1885, S. 82ff.]) fuhren allerdings keine
Ammianhandschrift auf; und andererseits ist es gewiss genug, dass in der
Pfälzer Bibliothek, in welche die Ladenburger übergegangen ist, sich weder
jetzt ein Ammian vorfindet noch zu Gruters Zeit vorfand.
MOMMSEN, SCHR. VU. 25
386 Über die Ammianhandschrift des Accursius.
gegen V aus dem zur Zeit gedruckt vorliegenden Apparat sich nicht-
erschöpfend feststellen lässt.
Es classificiren sich die von Gardthausen mitgetheilten Stellen,
wo GrA gegen Y steht, folgendermassen :
1) gegen V giebt GA das Kichtige oder wenigstens dem Sinne
Angemessenere:
Y
GA
27, 1, 4 per offessum
per OS fixum
2, 6 sueta*)
insueta
3, 4 infixerat
finxerat
5, 9 iurandi
iuris iurandi
7, 4 dilatum
dilatum aliquamdiu
10, 14 ruinaruni
turmarum
28, 1, 4 linae
Nileum''*)
Y
GA
2) Y und GA sind geich möglich :
27, 4, 8 accipimus
accepimus
4, 9 timehantur
memorantur
5, 2 ducens
pendens
6, 16 auctoritaüs
maiestatis
9, 9 praeclari
clari
12, ^ ad Valentem
a Valente
28, 1, 6 dodrinarum
disciplinarum
1, 9 ob
propter
Dazu kommen ferner die Wortumstellungen, wohin zwölf der an-
geführten Fälle gehören. Bemerkenswerth ist indess bei diesen,
dass,^wo der einfachen Wortfolge die mehr versetzte gegenübersteht,
jene in GA, diese in Y auftritt; so 27, 3, 10: pauperum damna
deflentium crebra Y, pauperum deflentium crebra damna GA — 27, 12,
5: uxorem cum filio tuebatur Ärsacis Y, uxorem cum filio Arsacis
tuebatur GA.
3) gegenüber der richtigen Lesung von Y geben GA die falsche :
Y GA
27, 5, 4 we igitur ne
6, 15 licuisset licuisset et
8, 10 multos alios multos
*) [V hat et sueta.]
**) [Clark: Nikum EG, Nehum A.]
über die Ammianhandschrift des Accursius. 387
4) gegenüber der richtigen oder doch der richtigen sich nähernden 174
Lesung von V giebt GA eine Interpolation:
Y statt GA
27. 2, 1 sedehis setius huiusmodi
3, 8 vitiorum vicinorum servifiorum
4, 1 1 cum adorissima cum durissima cum audacissima
5, 9 equestrem equestrem militiam eqiiestretn militiam
curabant et agerent^
pedestrem
6, 10 animo animo laeto
10, 6 terente tepente recente
10, 11 ohlita ohlica = obliqua dbrupta
28, 1, 4 fehlt Müetum reUgaitts est
Nach diesem Thatbestand, der in allem Wesentlichen feststeht,
wenn auch über die Classificirung einer oder der anderen unter-
geordneten Lesung gestritten werden kann, gehört dieser Fall zu den
nicht seltenen, wo das zunächst Wahrscheinliche doch nicht das
Wahre ist; denn die äussere Probabilität gilt nichts vor der inneren
Evidenz. Die zuletzt aufgeführten verfehlten Conjecturen und Inter-
polationen, acht an der Zahl, als solche nachzuweisen wird nicht
nöthig sein; sie werden keinen Anwalt finden und tragen jede für sich
und um so mehr in ihrer Gesammtheit an ihrer Stirn den Stempel
von Falschbesserungen nicht der Abschreiber des zehnten Jahr-
hunderts, sondern der Philologen des sechzehnten. Eben dahin führen
diejenigen Stellen, wo bei GA ein unzweifelhaft echtes Textwort
ausgefallen oder durch falsche Gemination ein et eingeschoben oder
die verzwicktere, dass heisst die echt ammianische Wortstellung in
die gewöhnliche umgesetzt ist. Dergleichen konnte den ersten Her-
ausgebern des Ammian leicht begegnen, während es mit der Gardt-
hausenschen Hypothese überall unvereinbar ist, dass Y gegen GA
das Richtige bewahrt hat. Selbst aus den den Sinn unbeschädigt
lassenden Wortversetzungen und Wortvertauschungen in GA geht
dasselbe hervor; dergleichen Abweichungen vom Original sind bei
den mechanisch copirenden Schreibern des zehnten und elften Jahr- 175
hunderts selten und eng begrenzt, aber den Gelehrten des fünfzehnten
und sechzehnten bei ihrem freien und nicht selten willkürlichen Zu-
1) In dieser Lesung ist nicht bloss der Conjtmctiv und das militiam agere
anstössig (pedestrem müüiam curare steht 18, 5, b), sondern vor allem, dass Victor
und Arinthaeus beide zu magistri equitum gemacht werden, während kurz vorher
ausdrücklich jener als mag. eq., dieser als )nag. ped. bezeichnet ist.
25*
388 Über die Ammianhandschriffc des Accursius.
rechtrücken der Ueberlieferung sieht es gleich ein längeres Komma,
wie 27, 11, 2, ohne wesentliche Beschädigung umzustellen oder ducens
und pendens, auctoritas und maiestas, doctrina und disciplina für ein-
ander zu setzen. Hieran wird auch dadurch nichts geändert, dass
in einzelnen Fällen die Ausgaben GA gegen die Handschrift V das
Richtige geben. Unter den bisher hervorgehobenen Fällen dieser
Art ist keiner, der nicht allenfalls auf Conjectur zurückgeführt
werden könnte; aber wenn auch einzelne derselben — und von
Lesungen wie 27, 1,4 per os fixum und 27, 10, 14 turmarum möchte
dies in der That gelten — auf bessere handschriftliche Ueberliefe-
rung zurückweisen sollten, so würde dies doch das Gesammtergebniss
nicht ändern.
Wenn nehmlich der von Gardthausen aufgestellte Erklärungs-
versuch der von ihm zwischen Gelenius und Accursius beobachteten
Uebereinstimmung sich als unhaltbar gezeigt hat, so bleibt, da an
ein Spiel des Zufalls nicht gedacht werden kann, nur noch eine
mögliche Erklärung: es müssen zwischen beiden Herausgebern irgend
welche Beziehungen der Art bestanden haben, dass der Text des
einen von dem des andern wenigstens theilweise abhängt. Auf welche
Schwierigkeiten diese Hypothese trifft, weiss ich wohl; aber un-
möglich erscheint es nicht, dass beispielsweise neben der Fuldischen
Handschrift eine unfertige gelenische Abschrift des Hersfelder Codex
in Accursius Hände gekommen ist und in Folge dessen einige der
vorzüglichen Lesungen der letzteren Handschrift und nicht wenige
der gelenischen Yerderbnisse auch bei Accursius auftreten. Alles
hängt hier davon ab, in welchem Umfang die von Gardthausen be-
obachtete Uebereinstimmung beider Ausgaben statthat, insbesondere
ob sie sich auf den ganzen Ammian, so weit beide Ausgaben ihn
enthalten, oder nur auf einen Teil desselben erstreckt. Es muss
demjenigen, dem das Verdienst der "Wahrnehmung zukommt, über-
lassen bleiben sich weiter das grössere einer wissenschaftlich be-
friedigenden Lösung des Problems zu erwerben.*)
*) [Gardthausen hat in seiner Ausgabe praef. S. XXI f. auf Grund der
obigen Darlegungen Mommsens, deren Richtigkeit er anerkennt, eine Lösung
versucht, die er selbst nicht als endgiltig betrachtet.]
XLI.
Zur Kritik Ammians.*)
Auch nachdem die Auffindung der Ueberreste des Hersfelder 244
Ammian und Nissens^ Auseinandersetzung über dessen Stellung zu
den übrigen Handschriften und den Ausgaben die hinsichtlich des
kritischen Fundaments bestehenden Fragen erledigt hat, wird es
immer noch erwünscht sein für Dissens Urtheil (p. 29) über die
grösseren Zusätze des Gelenius: si unus vel plures versus in Vaticano
praetermissi a Gelenio additi sunt, codici dehentur, eine inschriftliche
Bestätigung zu erhalten.
Ammian 27, 3, 3 berichtet von der Verwaltung Roms durch
Symmachus, den Yater des Redners: quo instante urhs sacratissima
otio copiisque solifo ahundantius fruehatur [et amhitioso ponte extdtaf
atque firmissimo, quem] condidif ipse et magna civium laetitia dedicavit.
Sowohl die Erklärer Ammians z. d. St. wie die Topographen ^ haben
diesen Bericht auf den pcms Gratiani bezogen, den heutigen Ponte
S. Bartolomeo, der die Tiberinsel mit dem Janiculum verbindet.
Dass dieser, nach der noch erhaltenen und den Namen feststellenden
Inschrift, erst im J. 370^ vollendet worden ist, auch seinen Ifamen
nicht vor der Ernennung Gratians zum Augustus im J. 367 hat er- •
halten können, während Symmachus die Stadtpräfectur vom Früh-
jahr 364 bis spätestens Anfang 366 verwaltet hat*, brachte man in
*) [Hermes 15, 1880, S. 244-246. — S. Mommsen im C I. L. VI (4, 2) S. 3096.]
1) Ammiani Marcellini fragmenta Marbtirgensia. Berlin 1876.
2) U. A. Becker S. 699.
3) C. I. L. VI 1175, wo Z. 7 TRIB • POT • UI zu lesen ist [s. jetzt C. I. L.
VI, 31250]. Die Daten sind nicht congruent, lassen aber nur die Wahl zwischen
369 und 370 (vgl. Staatsrecht 2, 762).
4) Nach den Adressen der kaiserlichen Rescripte hat Symmachus das Amt
angetreten zwischen 8. und 22. Apr. 364. Die letzte an ihn erlassene Verordnung
:st vom 20. Dec. 365; nicht lange darauf muss er zurückgetreten sein. [Das
390 Zur Kritik Ammians,
Uebereinstimmung durch die Annahme, dass die Brücke erst nach
245 Symmachus Rücktritt benannt und eingeweiht worden sei. — Nun
ist aber vor kurzem in Rom unter Ponte San Sisto die folgende In-
schrift zum Vorschein gekommen^: imp. Caesari d(omino) n(ostro)
Fl(avio) Volenti max(imo) ]p(io) f(elici) vidori ac triumfafori seniper
Äug(usto) s(enatus) p(opulus) q(ne) R(omanus) ob providentiam, quae
Uli semper cum inclyto fratre communis est, instituti ex utüitate urbis
aeternae Valentiniani pontis atq(ue) perfecti: dedicandi operis Jionore
delato iudicio princip(um) maximor(um) L. Äur(eUo) Avianio Sym~
macho v(iro) c(larissimo) ex praefectis urbi. Ohne Zweifel entsprach
diesem Stein ein zweiter zu Ehren Yalentiniäns, des Herrschers im
"Westen und desjenigen, von dem die Brücke den Namen trägt. Ge-
setzt sind die Inschriften entweder im J. 366 oder in der ersten
Hälfte des J. 367, nach Symmachus Rücktritt von der Präfectur
und vor Gratians Ausrufung zum Augustus im Sommer des J. 367.
Ammians Worte erhalten nun zum ersten Mal ihr volles Licht: Sym-
machus hat den Bau während seiner Amtführung wenigstens zum
grössten Teil ausgeführt und bald nach seinem Rücktritt ihn in be-
sonderem Auftrag des Kaisers eingeweiht. Die Echtheit der oben
in Klammern eingeschlossenen nur durch Gelenius aufbehaltenen
Worte Ammians wird durch diese inschriftliche Bestätigung über
jeden Zweifel erhoben.
Auch für die so verwickelte Geschichte der römischen Brücken
ist hiedurch ein neues und wichtiges Datum gewonnen. Dass Ponte
Sisto in alter Zeit pons Aurelius geheissen hat, ist bisher ziemlich
allgemein angenommen worden und kann ja auch mit der neu ge-
fundenen Inschrift bestehen, wenn man die Anlage als blossen Um-
bau einer älteren Brücke betrachtet; doch sind die Argumente für
246 die recipirte Identification nicht zwingend 2. Einen pons Valentiniani
älteste an ihn gerichtete kaiserl. Reskript ist nach Seeck Symm. p. XLII 91 das
vom 24. Mai 364 datierte Cod. Theod. VIII 5, 19 + XV 1, 11.]
1) Fiorelli notizie degli scavi 1878 p. 344; Lanciani bull, archeologico
comunale 1878 p. 245. [C. I. L. VI, 31402. Dessaiu inöcr. sei. 769.]
2) Wenn, wie es den Anschein hat, das mittelalterliche Verzeichniss der
römischen Brücken sie der Hauptsache nach in ihrer Folge von Ponte Molle
flussabwärts aufführt, so muss der pons Antonini den Ponte Sisto bezeichnen,
der alsdann in diesem Verzeichniss noch einmal am Schluss als pons Valentiniani
aufgeführt wäre, möglicher Weise auf Grund. unserer zur Zeit der Anfertigung
jenes Verzeichnisses vielleicht noch am ursprünglichen Platz sichtbaren Inschrift.
Dass der pons felicis Gratiani auf Grund der noch vorhandenen Inschrift in dies
Verzeichniss eingetragen worden ist, ist sehr wahrscheinlich. Aber mag mit
der Bezeichnung pons Antonini auch von dem Urheber dieser Beschreibung
Zur Kritik Ämmians. 391
erwähnen die antiken Quellen nicht, wohl aber das Yerzeiehniss der
Stadtbrücken, welches die mittelalterliche grapkia urbis und die
mirahilia geben ^. Becker ^ und Preller ^ haben diese Bezeichnung
für den späteren Namen desselben Ponte Sisto erklärt, während
Jordan* darin die Brücke am Aventin sieht; und die erstere An-
nahme hat, obwohl sie auf ein ganz nichtiges Ai'gument gestützt ist^,
dennoch zufällig das Richtige getroffen. Wichtiger aber als diese
Einzelheiten ist die Feststellung der überraschenden Thatsache, dass
in der Hauptstadt des AYestens zwischen 366 und 380 gewiss zwei,
wahrscheinlich drei® grosse Brücken erbaut worden sind; es ist das
ein Zug aus dem Regiment Yalentinians I, der den grossartigen
Uferbefestigungen und der Reform des verfallenen Municipalwesens
sich angemessen an die Seite stellt. — Indess die weiteren topo-
graphischen Consequenzen aus der neuen Entdeckung zu ziehen wird
Jordan nicht unterlassen*): mir kam es nur darauf an den Zusammen-
hang derselben mit der Kritik Ammians darzulegen.
Ponte Sisto gemeint sein, so folgt daraus noch keineswegs, dass dieser Name
antik ist und noch weniger, dass er dem pons AureUus der älteren Liste
entspricht.
1) Alle Nachweisungen findet man bei Jordan Topogr. 1, 192. Pons Vcden-
tiniani heisst er in der (fraphia, Pons Valentinianus in den Mirabilien; die
Analogie des inschriftlich festgestellten pons Gratiani spricht für die erstere
Form.
2) Topographie S. 701. 3) Regionen S. 245.
4) Topographie 2, 196.
5) Die noch vorhandene Inschrift C. I. L. VI 1176, auf die sich Becker beruft,
befindet sich keineswegs an Pont« S. Sisto, sondern an Ponte S. Bartolomeo.
6) Wenn Symmachus der Sohn als Stadtpräfect (rel. 25. 26; ep. 5, 76; Tgl.
laud. Grat. 8), also in den J. 384 — 386 die Ahnahme des pons nocus und die
daran sich knüpfende Rechnungslegung erörtert, so wird auch dies jetzt auf
den pons Gratiani bezogen. Allerdings sind diese Verhandlungen bereits unter
Symmachus beiden Amtsvorgängem geführt worden; aber die Wendung rel. 26:
(operis) stabilitatem, sictiti assa-tum est, hietJis tertia non resdvit führt doch darauf,
dass der fragliche Bau erst um 380 oder noch später beendigt worden ist, was
für die Brücke, die Gratians_ Namen trägtj wenig passt. Vielleicht ist hier
vielmehr der pons Theodosii gemeint, wofern derselbe von dem 379 zur Regierung
gelangenden ersten Theodosius seinen Namen trägt.
*) [Er hat sie m. W. nicht gezogen.]
XLU.
Zu Ammian.*)
165 In der Schilderung des herabgekommenen Rom, welche Ammian
seinem 14. Buch eingereiht hat, ist c. 6, 20 überliefert: et licet quo-
cumque oculos flexeris feminas adfatim multas spectare cirratas, quibus
si nupsissent per aetatem ter iam nixius poterat suppetere liherorum,
ad usque taedium pavimenta tergentes iactari volvetur cyris (volucriter
gyris Gronov^, dum exprimunt innuniera simulacra quae finxere fabulae
theatrdles. Die alten Herausgeber besserten nixus, Valesius nidtis
unter Tilgung von ter; dass die letztere Vermuthung keine äussere
Wahrscheinlichkeit hat, ist ebenso einleuchtend wie Valesius Einwand
gegen die erstere: ridiculum est Romae fuisse virgines grandes ad
tria milia, quae si nupsissent per aetatem iam trinos liheros singulae
domi habere potuissent. An das ius trium liberorum erinnerte Gronov,
hielt aber an der Lesung nixus fest. Es muss heissen: quibus, si
nupsissent, per aetatem ter iam nixis ius poterat suppetere liberorum.
*) [Hermes 17, 1882, S. 165.]
XLm.
Ammians Geographica.*)
Wenn der geschichtliche Theil der auf uns gekommenen Bücher 602
Ammians wenigstens insofern mit denen des Thukydides zusammen-
gestellt werden darf, als Benutzung wenn nicht geschriebener Quellen,
80 doch eigentlicher Litteratur bei beiden ausgeschlossen ist, so
bieten dagegen die, mit der Absicht das encyclopädische Wissen der
Gebildeten der theodosischen Zeit darzustellen, von Ammian ein-
gelegten Excurse für eine solche Untersuchung hinreichenden Anhalt.
Insonderheit gilt dies von den geographischen Erörterungen, mit
welchen Ammian, vielleicht nach dem Muster Sallusts, seine geschicht-
lichen Darstellungen einzuleiten pflegt. Zwar liegt auch ihnen zum
Theil die eigene Anschauung des im Osten und Westen des römischen
Reichs vielgereisten Verfassers zu Grunde ; aber das Meiste ist doch
aus Büchern entnommen. Mit Recht hat daher der neueste Heraus-
geber Gardthausen diesen Abschnitten eine eigene Untersuchung^
gewidmet; sie ist mit Sorgfalt gemacht und für die Kritik des
Schriftstellers wie für die sachlichen Fragen nicht ohne Nutzen
gewesen, aber keineswegs abschliessender Art ; ich hoffe nichts Ueber-
flüssiges zu thun, wenn ich die Frage noch einmal aufnehme, welches
die hier benutzten Bücher gewesen sind.
Allerdings kann das Ergebniss auf keinen Fall mehr in Anspruch
nehmen als annähernde Sicherheit. Ammian ist keiner von jenen
Schriftstellern, die lange Strecken hindurch ein einziges Buch com-
piliren; er hat viel gesehen wie gelesen und diese visa vel lecta
(22, 8, 1) mannichfach gemischt und in einander geschoben. Mit der
603
*) [Hermes 16, 1881, S. 602—636.1
1) V. Gardthaiisen die geographischen Quellen Ammians (1873) im 6. Sup-
plementband der Fleckeisenschen Jahrbücher S. 509—556.
2) 15, d,2: et diligentia Graeciis et litigua.
394 Ammians Geographica.
sprach er sicherlich aus, was er auch für sich im Gegensatz gegen
seine römischen Zeitgenossen beanspruchte und in gewissem Sinne
wohl beanspruchen durfte. Weiter als zur individuellen Bestimmung
seiner wichtigeren Hilfsbücher wird nicht zu kommen sein; und gar
manche Nachricht Ammians lässt sich auf kein einzelnes derselben
mit Sicherheit zurückführen.
Eigenthümlich erschwerend greift in die sachliche Quellen-
untersuchung Ammians sprachliche Phrasenstoppelung ein. Die dar-
über namentlich von M. Hertz geführten oder angeregten dankens-
werthen Untersuchungen haben im Einzelnen nachgewiesen, in
welchem Umfang dieser Schriftsteller seine Wendungen den klassi-
schen Prosaikern, unter andern dem Cicero^, Sallust^, Livius'',
Tacitus* entnommen hat. Diese stilistischen Yorarbeiten haben mit
der Zusammenstellung des Materials ah sich nichts gemein; die Worte
und Phrasen werden ohne Rücksicht auf ihre ursprüngliche sachliche
Beziehung verwendet °. Aber gelegentlich sind natürlich die Lese-
früchte doch auch sachlich genutzt worden. Wenn in der Schilderung
Galliens bei der beiläufigen Erwähnung der Saguntiner 15, 10, 10
diese memorabües aerumnis ac fide heissen, so ist dies blos eine dem
Sallust (fr. bist. 2, 21 Dietsch [H 64 Maur.J) Saguntini fide atque aerum-
nis incluü abgeborgte Wendung. Aber auch die Worte, mit denen
die Beschreibung Galliens 15, 12, 5 abgeschlossen wird: omnes Gallias,
{ut) Sallustio docetur auctore, posf decennalis belli mutuas clades sub-
{egit Caesar) societatique nostrae foederihus iunxit aeternis^ hat
604 Ammian sicher selbst dem Sallust [I 11 M.] entnommen. Man wird
darum diesen noch nicht gerade unter diejenigen Schriftsteller ein-
zureihen haben, die Ammian für seine geographischen Darstellungen
1) Hugo Michael de Ammiani Marcellini süicliis Ciceronianis. Breslau 1874.
2) Hertz de Ammiani Marcellini studiis Salliistianis. Breslau 1874.
3) Michael a. a. 0. S. 4.
4) Wölfflin und Gerber Philol. 29 (1870) S. 558.
5) So wird 31, 2, 11 für die Schilderung der Hunnen gebraucht, was Livius
29, 3, 13 von den Africanern sagt. Aehnliches begegnet oft.
6) Dies Supplement der älteren Herausgeber wird sich dem, was Ammian
schrieb , mehr nähern als was Gardthausen vorschlägt und in etwas geänderter
Fassung auch Hertz (stud. Sali. p. 7) billigt, clades Sul{picio Marcello cos. Caesar)
soeietati nostrae. Es ist philologisch unstatthaft die an sich nicht anstössige
Copula zu tilgen; ferner ist es gegen Ammians Gewohnheit Thatsachen dieser
Art mit einer bestimmten Jahrangabe zu versehen ; endlich wird ihm damit ohne
Noth ein historischer Fehler aufgebürdet. Sallust sagt ganz richtig, dass im
J. 703 res Bomana plurimum imperio valuit; aber keineswegs fallen in dies Jahr
die ünterwerfuugsverträge der gallischen Völkerschaften.
Ämmians Geographica. 395
sachlich zu Grunde legte; aber YÖllig trennen lässt sich die sach-
liche Benutzung von der stilistischen nicht, und dem eigentlichen
Quellenmaterial Ammians tritt durch Einlagen dieser Art ein schwer
zu berechnendes Element hinzu ^.
Den schematischen Charakter der chorographischen Abschnitte
Ammians hat Gardthausen richtig erkannt. Die Diöcesen des römi-
schen Reiches Aegypten (22, 15. 16), Oriens (14, 8), Thrakien
(27,4, 1 — 14) und die beiden gallischen (15,9 — 12) werden in der
"Weise abgehandelt, dass die Beschaffenheit der Landschaft, Gebirge,
Flüsse, Fruchtbarkeit, dann die Yerwaltungsbezirke nach älterer und
besonders nach diocletianischer Ordnung, die namhaften Städte nebst
ihren Memorabilien, endlich der Eintritt einer jeden in das römische
Reich dargelegt werden. In den verlorenen Büchern waren die
— darum bei der Diöcese Oriens fehlende — Provinz Mesopotamien
(14. 7, 21) und die Diöcese Britannien (27, S, 4) geschildert, ohne
Zweifel in ähnlicher Weise. ^N'ach derselben Schablone, so weit dies
möglich ist, wird auch das persische Reich oder, genauer gesprochen,
der nicht römische Osten dargestellt (23, 6), einigermafsen auch
Skythien (31,2,12 — 20). Ungleichartig ist nur die Schilderung der
Küste des thrakischen und des schwarzen Meeres (22, 8) 2; indess
ergänzt sie jene Auseinandersetzungen, insofern sie theils die pon-
tische Diöcese, theils Sarmatien umfasst. Das vollständige "Werk
Ammians mag wohl, abgesehen von Italien, das in der Geschichte
des römischen Reichs nicht in der Form der Einlage vorgeführt
werden durfte, nach der Absicht des nicht mit grosser Kunst, aber
mit grosser Ueberlegung arbeitenden Verfassers eine vollständige
Beschreibung der damaligen Oekumene enthalten haben; die noch
fehlenden fünf Diöcesen (Spanien, die beiden illyrischen, Asia und 605
Africa), so wie das freie Africa und das freie Germanien werden
auch an geeigneter Stelle ihre Erörterungen gefunden haben. Für
jene Absicht des Verfassers spricht namentlich die Aufnahme auch
der ferneren asiatischen Gebiete, wie Skythiens, des serischen Landes
1) Dass die sonstigen sachlichen Beziehungen zwischen Sallnst und Ammian
im Ganzen wahrscheinlich indirecte sind, hat Gardthausen S. 549 f. richtig
erkannt. Auch die Notiz 22, 8, 46 über den geringen Salzgehalt des "Wassers
im schwarzen Meer, die Hertz stud. Sali. p. 8 auf Sallust zorückföhrt, wird
bei dessen Ausschreibem nicht gefehlt haben.
2) Die Beschreibung der Stadt Amida (18, 9) lässt wohl analoge Gesichts-
punkte erkennen, aber gehört nicht hierher; noch weniger die Schilderungen
der Saracenen (14, 4, 1 — 7) und die mit der Darstellung Skythiens verbundene
der Hunnen (81, 2, 1—11) und der Alanen (31, 2, 21—25).
396 Ammians Geographica.
und der beiden Sarmatien des Ptolemaeos, die für die historische
Orientirung in keiner Weise in Betracht kamen.
Gardthausen geht von der Annahme aus, dass dem Ammian
eine nach jenen Gesichtspunkten gearbeitete Erdbeschreibung vor-
gelegen und er diese ins Kurze gezogen und überarbeitet habe. Ich
meine im Gegenteil, dass Ammian selbst jenes Schema für seine
geographischen Abschnitte aufgestellt und aus mehreren nach ver-
schiedenen Kichtungen hin chorographisch angelegten Hülfsbüchern
dieselben zusammengestellt hat. Dass diese Gesichtspunkte seine
eigenen sind, tritt schon darin hervor, dass jener Gliederung für das
römische Reich diejenige Diöceseneintheilung zu Grunde liegt, welche
zu Ammians Zeit bestand, neben die dann der persische Staat und
die sonstigen nicht römischen Gebiete sich stellen.
1. Rufius Festus.
Am bestimmtesten lässt sich der Quellennachweis führen für
die geschichtlichen Nachrichten über den Eintritt der einzelnen
Landschaften in das römische Reich: dieselben sind grösstentheils
dem Breviarium des Rufius ^ Festus entlehnt. Diese von einem lite-
rarisch wie politisch angesehenen Mann^ etwa zwanzig Jahre, bevor
606 Ammian selber schrieb, verfasste und dem Kaiser Valens gewidmete
kleine Schrift hat Ammian unmöglich unbekannt bleiben können;
und in ihrer ersten Hälfte ^ giebt sie eben das, was Ammian brauchte,
1) Dass er so hiess, nicht Rufas, lehrt die athenische Inschrift C I. Gr. 372
= C. I. A. III 635. Die römische (C. I. L. VI 537 [Dessau inscr. sei. 2944]) E.
Festus und die Subscription des Breviars Euß Festi sind hienach aufzulösen.
Wenn in der alten Wiener Handschrift die Dedication überschrieben ist pio
perpetuo domino Valentiniano imp. et semper Äugtisto Eufus Festus v. c. , so
dürfte dieselbe in der andern Familie wohl mit Recht fehlen und Schreiber-
zusatz sein, da sie nicht bloss Valentinian statt Valens nennt, sondern auch
den Namen des Verfassers nach falscher Auflösung giebt.
2) Vir clarissimus nennt er sich selbst und ist ohne Zweifel identisch mit
dem gleichnamigen Proconsul von Achaia und Africa (im J. 366), dem Verfasser
des Weihgedichts an die Nortia C. I. L. VI 537 [C. L. E. II 1530 Bücheler]. Der
Uebersetzer des Aratus Rufius Festus Avienus ist vielleicht derselbe, wahrschein-
licher sein Vater (vgl. meine Anmerkung a. a. 0.). Ammian kann ihn sehr wohl
persönlich gekannt haben. [Die Identification ist strittig: vgl. u.a. H.Peter,
Die geschichtl. Lit. über d. röm. Kaiserzeit II, 1897, S. 133, 2.]
3) Der zweite mit dem ersten nur lose zusammenhängende Theil (c. 15—30)
zählt die orientalischen Expeditionen der Römer in chronologischer Folge auf,
mit Rücksicht auf den damals bevorstehenden persischen Krieg. Dass Ammian
diese zweite Hälfte nicht benutzt hat, durfte Gardthausen nicht unter den
Gründen gegen die Benutzung der ersten aufführen.
Ammians Geographica. 397
einen kurzen Abriss der Geschichte des römischen Reiches, geordnet
nach der Erweiterung desselben durch das successive Zutreten der
Provinzen. An diesen schliesst sich Ammian in den historischen
Notizen über Kilikien und Isaurien (14, 8, 4), Syrien und Palaestina
(14, 8, 10. 12), Kypros (14, 8. 15), Aegypten nebst Kyrene (22, 16, 24)
und Thrakien (27,4,4.10 — 12)^ nicht blos sachlich, sondern auch
wörtlich auf das engste an, so dass man schon in dieser Hinsicht
nicht geneigt sein wird die Uebereinstimmung mit Gardthausen auf
ein Ausschreiben derselben Quelle zurückzuführen^. Die ganz gering-
fügigen Zusätze, die bei Ammian begegnen, sind entweder nach-
weislich anderswoher entnommen, wie die Angabe, dass der Hebros
durch das Land der Odrysen fliesse, eine der bei Ammian so häufigen
Selbstwiederholungen aus 18, 6, 5 ist, und der Name des letzten
Königs von Kypros wahrscheinlich aus Valerius Maximus (9, 4 ext. 1) 607
hinzugesetzt ist, oder sie sind blos ausschmückender Art. Dahin
gehört, was er mehr hat in der Stelle 27, 4, 4:
Festus 9:
in Thraciae regionibus etiam Scor-
disci liahUarunt ....
multa de saevitia praedictorum
fdbidosa memorantur
Ammian:
partem (Thraciarum) hdbitavere
Scordisci longe nunc ah iis-
detn promnciis disparati^
saevi quondam et truces, ut anti-
quitas docet
1) Die Notiz über Curio 29, 5, 22 bezieht Gardthausen nicht mit Recht auf
Rufius ; es handelt sieh hier um die Lagerzucht und der Vorgang ist wahrschein-
lich mit dem von Frontin strat. 4, 1, 43 berichteten connex, obwohl nicht identisch.
Uns ist er anderweit nicht überliefert; Ammian mochte ihn aus Sallusts Historien
kennen.
2) Beispielsweise führe ich die Stelle über Kypros an:
Festus:
eam (Cyprum) rex foederatus regebat,
sed tanta fuit penuria aerarii Romani. . .
ut . . Cyprus confiseari iiiberetur
Ammian :
Ptolemaeo rege foederato nobis et socio
ob aerarii nostri angnstias
iusso sine lüla culpa proscribi
quo accepto rex Cxjprius nuntio venemim ; ideoque hausto veneno voluniaria morte
siimpsit. \ deleto
j et tribtitaria facta est
Cato Cyprias opes Eomam navibus ad- j et veliit hostiles eius exticiae dassi im-
vexit. positae in urhem advectae sunt per
I Catonem.
Jede Redewendung bei Ammian lässt sich in der Weise auf Festus zurück-
rahren, dass überall bei dem Ausschreiber das Bestreben hervortritt zu steigern
und zu coloriren.
3) Dies geht auf die Versetzung der Skordisker nach Unterpannonien
(C. L L. III p. 415) und beruht zunächst ohne Zweifel auf Ptolemaeos 2, 15, 2.
398 Ammiaus Geographica.
quod hostiis captivorum diis suis
aliquando litaverint
quod humanuni sanguinem in ossi-
hus capitum x^otare sinf soliti
saepe per eos Ronianus est caesus
exerdtus.
Jiostiis captivorum Bellonae li-
tantes et Marti
humanumque sanguinem in ossibus
capitum cavis bibentes avidius
quorum asperitate post multiplices
aerumnas saepe res Bomana
vexata postremo omnem amisit
exercitum cum rectore.
Bei einem Schriftsteller, welcher unbedenklich einen in der Schilde-
rung der Massageten gefundenen Charakterzug auf die Parther ^
und den Speer des Fetialen auf einen germanischen König ^ über-
trägt, muss auch die Verwandlung der dii in Bellona et Mars ebenso
sicher als blosse Ausführung gelten wie die 'hohlen' Schädel und
das 'gierige' Trinken; und dass der Zusatz cum rectore nicht etwa
der gemeinschaftlichen Quelle entlehnt, sondern freie Erfindung ist,
geht daraus mit Sicherheit hervor, dass Rufius, wie die Vergleichung
der analogen Berichte zeigt, hier an die Niederlage des C. Cato
Consul 640 denkt, bei welcher aber der Feldherr keineswegs um-
kam^. Ganz entscheidend ist die Wiederholung eines von Rufius
608 Festus begangenen argen Fehlers bei seinem jüngeren Zeitgenossen.
Bekanntlich wird die Erwerbung von Kyrene in den römischen
Annalen in zwei verschiedene Epochen gesetzt, in das Jahr 658, in
welchem der letzte König Ptolemaeos Apion starb, und in das
J. 679, in welchem die Römer das Land besetzten*. Das Neben-
einanderstehen der beiden an sich gleichmässig richtigen Angaben
hat auch sonst Irrungen herbeigeführt^, aber die verkehrte Aus-
1) Was Strabon 11, 8, 6 von den Massageten berichtet über die Missachtung
derer, die nicht im Kampfe fallen, erzählt Ammian zweimal, einmal 31,2,22
von den 'veteres Massagetae' den Alanen, aber ebenso und mit denselben Worten
23, 6, 44 von den Parthern.
2) 19, 2, 6. Mit Recht weist Hertz im Hermes 8, 278 mit Nachdruck auf
dieses schlagende Beispiel hin und fügt andere ähnliche hinzu.
3) Drumann 5, 152.
4) Marquardt Staatsverwaltung 1^, 458, wo das wichtige Sallustfragment
2, 39 Dietsch [II 43 M.] fehlt.
5) So steht bei Hieronymus J. 1922 Abr. nach dem sicilischen Krieg 653
die Notiz: Ptolemaeus rex Cyrenae moriens Romanos testamento reliquit heredes,
unter dem J. 1954 zwischen den Ereignissen von 690/1 die andere: Libya per
testamentum Apionis regis Romanis relicta. Die erstere Nachricht muss wohl
eusebisch sein, obwohl sie weder im armenischen Text noch bei Synkellos
erscheint; auf keinen Fall hat Hieronymus sie aus Rufius entnommen, auch
wenn er diesen benutzt haben sollte, da er sie correct datirt. [Vgl. Über die
<iuellen der Chronik des Hieronymus S. 687 = u. nr. LXVIL] Die zweite Angabe
Ammians Geographica. 399
gleichung durch Scheidung der Landschaften Libyen und Kvrene
und der Könige Ptolemaeos und Apion findet sich ausschliesslich
bei Rufius und bei Ammian:
Rufius 13:
Cyrenas cum ceteris civiiatibus
Libyae Pentapolis Ptolemaei
antiguioris liberalitate stisce-
jyimus.
Libyam supremo Apionis regis
arbitrio sumus adsecuti.
Ammian 22, 16, 24:
Aridioretn Libyam supremo Apio-
nos regis consecidi sumus arbitrio.
Cyrenas cum residuis dvitatibus
Libyae PentapoUos Ptolemaei
liberalitate suscepimus.
wobei offenbar mitgewirkt hat, dass damals die alte Cyrenaica in
die beiden Provinzen Libya x>e}itapolis (oder superior) mit der Haupt-
stadt Kyrene und Libya sicca (oder inferior) zerfiel. "Wahrscheinlich
hat schon Rufius bei seiner Libya an die letztere gedacht, was dann
Ammian ausdrücklich ausspricht. Diese gleichmässige Falschbesserung
einer unverstandenen Ueberlieferung führt mit zwingender Noth- 609
wendigkeit zu der Annahme, dass der spätere Schriftsteller sie von
dem früheren übernommen hat.
Wenn hiernach die Benutzung von Rufius Breviar für die auf
die Erwerbung der einzelnen Reichstheile bezüglichen Kachrichten
durch Ammian ausser Zweifel ist, so ist Gardthausens Annahme
einer bei diesem zu Grunde liegenden systematischen Erdbeschreibung
wenigstens nach dieser Seite hin widerlegt. Höher aber werden
wir es anzuschlagen haben, dass wir an diesen nicht umfänglichen,
aber lehrreichen Stücken ersehen können, wie weit Ammian einer-
seits in treuem und selbst wörtHchem Anschluss an seine Quellen,
andrerseits im Uebertreiben und Ausmalen gegangen ist.
IJebrigens hat Ammian für die historischen Notizen, die er in
seine chorographischen Darlegungen verwebte, neben Rufius auch
andere Quellen benutzt. Wir sahen schon, dass er für das durch
ist sicher ein aus Eutrop 6, 11 entlehnter Zusatz, woher auch die unrichtige
Einstellung sich erklärt. Dass Hieronymus selbst beide Notizen in seiner Vor-
stellung vereinigt und ähnlich wie Rufius geirrt hat, ist möglich. Aber da
Eutropius, den er doch ausschreibt, diese Auffassung ausschliesst: Libya . . Ro-
mano imperio per testamentum Apionis gui rex dus ftierat accessit, in qua indwtae
urbes erant Berenice Ptolemais Oyrene, so ist es wahrscheinlicher, dass er die
zweite Notiz hinschrieb, ohne dabei der ersteren sich zu erinnern, und also
nicht so sehr selber irrte als seine Leser zum Irren verleitete. Auf jeden Fall
ist dieser Vorgang unabhängig von dem bei Rufius und Ammian vorliegenden
Versehen. [Vgl. A. Schöne, Die Weltchronik des Eusebius, Berl. 1900, S. 223, 1.]
400 Ammians Geographica.
Caesar eroberte Gallien (15, 12, 6) einer beiläufigen Aeusserung des
Sallustius den Vorzug gab, obwohl er das Erforderliche auch bei
Rufius c. 6 hätte finden können. Was er in derselben Verbindung
über die narbonensische Provinz berichtet (15, 12, 5), steht bei Rufius
nicht und in ähnlicher Form überhaupt bei keinem der uns erhaltenen
Autoren mit Ausnahme der Periochen des Livius ^, deren Benutzung
durch Ammian damit freilich nicht erwiesen, aber an sich glaublich
genug ist. Die kurze Meldung über die Eroberung Arabiens durch
Traian (14, 8, 13) geht ohne Frage auf Ammians eigene Darstellung
in den verlorenen Büchern zurück.
610 2. Das Verzeichniss der Reichsprovinzen und
Reichs gemeinden.
Es ist evident, und auch von Gardthausen nicht verkannt 2, dass
für die administrative Reichseintheilung seiner Zeit Ammian eine
Liste benutzt hat, welche die Diöcesen, in jeder Diöcese die Pro-
vinzen, in jeder Provinz die Städte verzeichnet, so wie sie uns für
Gallien in der wahrscheinlich Ammian ungefähr gleichzeitigen Notitia
GaUiarum, für das Ostreich der justinianischen Zeit in Hierokles
ovvexörjfiog erhalten sind. Eine das Ost- und Westreich in gleicher
Ausführlichkeit umfassende Liste, wie sie Ammian vorgelegen haben
muss, besitzen wir nicht, sondern nur die Verzeichnisse der Diöcesen
und Provinzen mit Weglassung der Stadtnamen in der Veroneser
Liste und in derjenigen des Polemius Silvius. — Dass die Land-
schafts- und Städtenamen in den ammianischen Beschreibungen von
Ammian :
regiones . . . primo temptatae per Ful-
vium
deinde proeliis parms quassatae per
Sextium
ad ultimum per Fabium, Maximum
domitae.
1) Man vergleiche:
Livius 60:
M. Fulmus Flaccus primus Transalpinos
Ligures domuit hello.
Livius 61 :
C. Sextius proeos. victa Salluviorum gente
u. s. w.
Q. Fabius Maximus cos. . . . aäversus
Alloh'ogas . . . felieiter pugnavit ....
Alldbroges in deditionem recepti
Die Schlussworte cui negotii plenus effectus asperiore Ällobrogum gente devicta hoc
indidit cognomentum können mit Benutzung von Valerius Maximus 6, 9, 4 ge-
schrieben sein.
2) Freilich drückt er sich darüber in schwankender "Weise aus: theils soll
die angebliche schematisirte Geographie nach diesen Provinzen geordnet gewesen
sein (S. 515), theils ist von einem Provinzialverzeichniss, das auch die Metropolen
oder noch andere Stadtnamen enthielt, noch als von einer besonderen Quelle die
Rede (S. 524).
Ammians Geographica. 401
Aegypten (22, 16, 1—6), Oriens (14,8), Thrakien (27, 4, 12. 13) und
der beiden gallischen bei Ammian genau geschiedenen Diöcesen
(15,11,7 — 15) aus dieser Quelle geflossen sind, lässt namentlich bei
den beiden letztern Abschnitten sich auf das Bestimmteste zeigen.
Diese Verzeichnisse, wahrscheinlich sämratlich officiellen Ursprungs,
sind rein nomenclatorisch, so dass bei den Ortschaften nur die
Metropolenstellung und etwa noch die übrigen Rechtsverschieden-
heiten ^ Berücksichtigung finden; Ursprungsnachrichten, historische
Bemerkungen, Memorabilien sind in ihnen schlechthin ausgeschlossen.
Da Ammian durchaus bestrebt ist diese in seine Darstellung zu ver-
flechten, so ist es ein deutlicher Beweis der Abstammung der galli-
schen wie der thrakischen Städtelisten aus dem Provinzialkatalog,
dass solche Zusätze hier entweder fehlen oder ihre Entlehnung
anderswoher nachweislich ist. Bei Gallien finden sich, wenn man 611
von Redensarten wie ampla et copiosa, inter alia emhiens und dgl.
absieht, derartige Bemerkungen nur bei Trier: domicilium principum
darum und bei Argentoratum : harharicis cladibus nota, beides
Reminiscenzen an anderswo in Ammians Werk ausführlich geschil-
derte Vorgänge ; dann bei Aventicum die Hinweisung auf den ehe-
maligen Glanz, den aedificia semiruta nunc quoque manstrant, also
kein lectum, sondern ein visum ; endlich bei Massilia die Bemerkung,
dass auf dessen societas et vires in discriminihus arduis Rom sich
verschiedene Male gestützt habe, was auch aussieht wie eine ver-
einzelte Lesefrucht. — Vielleicht noch auffallender ist das Sach-
verhältnis bei Thrakien. Hier werden zwar bei Philippopolis und
Hadrianopolis die alten Namen Eumolpias und Uscudama angeführt^
und bei Aenos sogar die mit dieser Stadt verknüpfte Aeneasfabel.
Aber die beiden ersten Notizen stammen offenbar aus Rufius, den
Ammian auch in dem vorhergehenden Abschnitt ausschreibt, und
die dritte ist eine Wiederholung aus der Beschreibung des schwarzen
Meeres (22, S, 3). Also lag Ammian eine notitia Thraciarum vor,
wie wir sie für Gallien haben, welche nur die nackten Namen ent-
hielt, und ist er bestrebt gewesen, diese aus seinem sonstigen Notizen-
vorrath dem historischen Kothurn anzupassen. — Bei den Diöcesen
1) Die Notitia Gaüiarum unterscheidet von den dvitates die castra, ver-
muthlich ummauerte Ortschaften, denen das Stadtrecht fehlte. So werden neben
der civitas Helvetiorum Aventicum die castra Vindonissa und Eburodunum auf-
geführt, beide nachweislich der helvetischen civitas angehörige nicht selbständige
Flecken.
2) Der Doppelname Heraclea Perinthua ist zu allen Zeiten in Gebrauch
gewesen, kehrt übrigens auch wieder 22, 2, 3. c. 8, 5.
MOMMSEN, SCHR. VII. 26
402 Ammians Geographica.
Aegypten und Oriens tritt die Reichsliste nicht so deutlich hervor
und erscheinen die Memorabilien in grösserer Zahl. Aber die Grund-
lage, besonders die Yertheilung der einzelnen Städte unter die Pro-
vinzen, wird bei der zweiten doch wohl auf dieselbe Quelle zurück-
gehen. Auf Aegypten kommen wir weiterhin zurück.
Was Ammian diesen Verzeichnissen entlehnt hat, hält die sach-
liche Prüfung im Allgemeinen recht gut aus. Dass die kurz bevor
er schrieb neu eingerichteten gallischen Provinzen Lugdunensis III
und Senonia fehlen, führt darauf, dass er eine etwas ältere Liste
612 benutzte^, ist also kein von ihm begangenes Versehen. Dass er die
Doppelprovinzen Äquitania I. II und Narbonensis I. II nur einmal
aufführt, mag mit der für die südgallische von jeher aus sieben Pro-
vinzen bestehende Diöcese gangbaren Benennung der quinque pro-
vinciae zusammenhängen: auch fehlt die Narbonensis II nicht ganz,
so wenig wie die Alpes maritimae'^. lieber andere Abweichungen
seiner Ansetzungen von den sonst überlieferten lässt sich streiten;
einen eigentlichen Fehler hat er nur begangen in Beziehung auf
Aventicum, das er nicht der sequanischen Provinz, sonden den poe-
ninischen Alpen zutheilt. Wenn man sich erinnert, dass er über die
Ruinen dieser Stadt aus eigener Anschauung berichtet, so möchte
man hier einen Nachtrag des Verfassers erkennen, wobei er die
Liste nicht zu Rathe zog und daher die an der Grenze der sequa-
nischen Provinz gegen die poeninische liegende Stadt irrig dieser
zuschrieb.
3. Ptolemaeos.
Die Dienste, welche das Verzeichniss der Reichsgemeinden für
das römische Gebiet leistete, gewährte jenseits desselben die Geo-
graphie des Ptolemaeos. An der einzigen Stelle, wo Ammian diese
anführt (22, 8, 10), steht das nicht in ihr, was er angiebt; aber in
welchem Umfang er von Ptolemaeos Geographie da abhängt, wo er
sie nicht nennt, haben schon Accursius und Valesius erkannt, und es
liegt dies in der That besonders in der Schilderung des persischen
1) Dafür spricht ferner, dass er Ikonion, die Hauptstadt der einige Zeit
vor 373 von Pisidien abgetrennten Provinz Lykaonien, noch als Pisidiae oppidum
(14, 2, 1) bezeichnet. Dergleichen kleine Incongruenzen berechtigen nicht zu der
Annahme, dass Ammian das Provinzialverzeichniss nicht selbst, sondern durch
einen Vermittler benutzt hat, welcher in diesem Fall nur wenige Decennien vor
ihm geschrieben haben könnte.
2) In dem nicht recht angegliederten Schlusssatz: Ms prope Salluvii sunt
et Nicaea et AntipoUs insulaeque Stoechades stecken sowohl die Aliies maritimae
(Nicaea), wie die Narbonensis II (Antipolis).
Ammians Geographica. 403
Staates auf der flachen Hand. Die Kritik des Ptolemaeos kann aus
diesen Auszügen einiges gewinnen^; umgekehrt haben für diejenige
Ammians sowohl die früheren Herausgeber wie auch Gardthausen
den Ptolemaeos in berechtigter "Weise herangezogen, der letztere
aber wie bei Festus darin geirrt, dass er die unmittelbare Benutzimg
der Geographie durch Ammian aus schlechthin nichtigen Gründen 613
bestreitet 2. Es tritt die Abhängigkeit Ammians von seiner Quelle
nicht blos in dem Namengerippe hervor, sondern auch in zahlreichen
anderen Beziehungen, deren Darlegimg für die Compositionsweise
Ammians und die Beurtheilung seiner Autorität von Wichtigkeit ist
und daher hier nicht fehlen darf. Es wird angemessen sein zunächst
einige Proben ^ zu geben, sowohl aus Ptolemaeos Schilderung des
europäischen und des asiatischen Sarmatien (3, 5. 5, 8), die Ammian
bei der Beschreibung der Landschaften am schwarzen Meer (22, 8)
neben einer anderen später zu erörternden Quelle benutzt, wie aus
dem sechsten Buch, das in seinem ganzen Umfang die Grundlage
der ammianischen Darstellung des Perserreichs (23, 6) bildet, obwohl
es über die Grenzen des persischen Reiches weit hinausgreift.
1) Es giebt Stellen, wo Ammian ziemlich allein mit dem Vat. 191 das
Richtige bewahrt hat, so 23, 6, 26 et Arsiana aus Ptol. 6, 3, 5 = 8, 21, 6 Tag-
ciäva, was fast in allen übrigen Handschriften des Ptolemaeos in TaQEiäva oder
Tagiäva verderbt ist. Ebenso giebt 23, 6, 42 die Schreibung Fara eine gewisse
Bestätigung für die Lesung des Vat. Zcoqpd& gegenüber der der anderen Hand-
schriften Zcoq:da. Ich verdanke diese Mittheilung wiederum der zuvorkommen-
den Gefälligkeit des Hm. K. Müller.
2) Coniectanea Amm. p. 34; geogr. Quellen S. 524. Wenn es richtig wäre,
dass die ammianischen Ptolemaeos - Excerpte der schlechteren Handschriften-
famüie folgten, so würde dies nur noch auffallender werden dadurch, dass sie
von einem älteren Autor herrühren, als Ammian selbst ist. Aber es verhält sich
gerade umgekehrt; dass Ammian nusquam fere cum codicibus conspirat optimis
BE Pal I (Wilberg) , sed plencmque cum M(irandtda) cdiisqtie notae inferioris,
stellt sich zu den Beweisen dafür, dass der Codex des Mirandula, welcher der
lateinischen Uebersetzung zu Grunde liegt, besser ist als die sonst von Wilberg
benutzten. Wenn Gardthausen dann weiter sagt: mvMo maioris momenti haec
Ammianea Persiae descriptio esset, si non auctor Ammiani Latinus, sed Ammiamis
ipse Ptölemaei geographia usus esset, so verstehe ich weder wie unterschieden
werden kann noch was es für die Kidtik austragen soll, ob die Umschrift aus
dem Griechischen ins Lateinische, die hier stattgefunden hat und von der in
Lesefehlern und sonst die Spuren zahlreich genug sind, von Ammian oder von
einem Andern vollzogen worden ist. Missverständnisse des Textes, die auf Un-
kunde des Griechischen zurückgehen und die Ammian daher nicht beigemessen
werden könnten, finden sich nirgends; diejenigen Entstellungen der ptole-
mäischen Namen, wie sie bei Ammian auftreten, konnten genau ebenso gut
einem Griechen begegnen wie einem Römer.
3) Es sind dabei alle conjecturalen Terbesserungen bei Seite gelassen worden.
26*
404
Ammians Geographica.
Ptolemaeos:
5, 8, l fj . . . HaQfxatia negiogi-
Cetai . . . . Tft) Taväidi norajuco
c. 2 Magovßlov nox. exß.
'Pojußirov fJLEydXov nox. exß.
614 Oeocpaviov nox. exß.
Ammian :
22, 8, 29 ultra Tanain panduntur
in latitudinem Sauromatae
per quos amnes
Maraccus
ei Bomhifis
et Theofanes
fluunt perpetui
et Totordanes (sehr, et Oardanes)
licet alia quoque distans immanibus
intervallis Sauromatarum prae-
tenditur naiio litori iuncta, quod
Coracen suscipiens fluvium in
aequor eiectat extremum.
22, 8, 38 {uU Riphaei deficiunt mon-
tes, Jiabitant Arimphaei"^), . . .
quos amnes Chronius et Visula
praeterflunt
iuxtaque Massagetae^ Halani et
Sargetae, aliique plures öbscuri,
quorum nee vocahula nohis sunt
nofa nee mores
39 interiectu deinde non mediocri
Carcinites panditur sinus eius-
demque nominis fluvius
et religiosus per eas Terras Triviae
lucus
23, 6, 25 perfluunt . . . easdem terras
potiores ante alios amnes M qtios
praediximus et Marses et Flumen
regium et JEupJirates cunctis ex-
cellens ....
OvaQÖdvov ^ nox. exß.
C. 3 änö de /u.eorj/u.ßQiag xco xe
evxevß'ev juegei xov Ev^eivov
JJovxov juexQi Kogaxog noxa-
fiov
3, 5, 1 fJLSxä xäg xov OvioxovXa
noxajuov exßokäg . . . Xqovov
nox. exß.
3, 5, 10 (vgl. 19) fxexa^v de x&v
'AXavvcov xal xcöv 'Ajua^oßicov
. . . 2aQya.xioi
3, 5, 2 nQog xcb KaQxivixt]
x6Xnq>
Kagxtvhov nox. exß. . .
äXoog 'Exdxi^g.
5, 20, 2 diüQQeovoi de xrjv xdÖQav
ö xe Baoikeiog noxa/xbg xal
6 . . . . xaXovfxevog Maagod-
Qrjg^, dg xco juev EtxpQdxr]
ovfxßdXXei.
1) So die Handschriften alle.
2) Dies stammt aus der Solinusquelle (Sol. p. 101, 4 [p. 89, 21 «]). Insofern
Ptolemäus 3, 5, 5. 101 die rhipaeischen Berge im europäischen Sannatien verzeichnet,
knüpft er an diese Berge — verkehrt genug — die beiden Flüsse an, mit denen
Ptolemaeos die Beschreibung Sarmatiens beginnt.
3) Diese identificirt Ammian mit den 'Jfia^oßtoi.
4) So weit stimmen die Handschriften überein. Bald nachher haben die
meisten r«^ 8e öiä BaßvXcovias og xaXsTxai MaagadQTjg 6 BaciXsiog norafio; avvdnxmv,
andere mit der lat. Uebersetzung bloss toi;t<j> 8h ovvdnxei 6 BaoiXsiog Tioza/nög.
Ammians Geographica.
405
6, 3 2!ovoiavijg 'dsoig
6, 3, 4 7i6?.eig de eiolv ev ifj
2!ovaiavfj
"Agaxxa
6, 3, 5 Zovoa
Tagoidva (vgl. S. 612 A. 2
[403 A. 1])
6, 3, 1 fieXQ'^ "^^ £''s töv
üeQoixov y.ohiov exßoXwv
Tov 'Ogodrcdog Jioxa/xov
6, 3, 2 Xäga^ üaoivov
Mcooaiov tzot. exß.
6, 16, 1 fj 2li]oix7] Tteoiooi^erai
OTid /bikv dvoecog rf] exxbg
'Ifxdov ÖQOvg Zxvdiq ....
ÖLTtb de ägxTCOv äyvcboro) yf]
Tiagd TOV avrbv did Qov-
Xrjg TiaQaXXriXov , öjuoicog
de xal djiö ävaroXcbv
äyvcooTO) yfi ....
ajiö de fieorjfxßQiag reo re
XoiTicö juegei rfjg exxbg
Payyov 'Ivöixfjg
6, 16, 2 bor] . . .
rd re xaXovfxeva "Awißa . . .
1) Für vosae ist wohl ignotae
lose nivosae.
26 His tractibus Stisiani iunguntur,
apud quos non muliu sunt op-
pida,
23, 6, 26 inter alia tarnen eminet 615
Stisa saepe domicilium regum
et Arsiana
et Sele
et Araclia: cetera brevia sunt et
obscura.
Fluvii vero mtdti per haec loca
discurrunt, quibtis praestant
loroafes
et Harax
et Meseus
per harenosas augustias, qiiae a
rubra prohibent Caspium mare,
aequoream imdtitudinem inun-
danfes
23, 6, 64 Ultra haec utriusque Scy-
thiae loca contra orientaletn
plagam in orbis sjjecietn consertae
celsorum aggerum summitates
ambiunt Seras ....
ab occidentali latere Scythis ad-
nexos
a septentrione et onentali vosae ^
solitudini cohaerentes
qua meridiem spectant ad usque
Indiam porrectas et Gangen.
Appellantur autem idetn mmües
Anniva
herzustellen, nicht das jetzt gangbare sinn-
4<^ Ammians Geographica.
et Nazavicium^
616 xal x(bv AvCaxicov x6 äva-
TOXIXÖV jUEQOg ....
xal rd xaXovjueva 'AojuiQaia
ÖQrj
xal Tcbv 'Hjucodcöv . . . x6
ävaxohxöv juegog . . .
xal xb xaXovfXEVov 'Oxxoqo-
xoQQag
et Äsmira
et Emodon
et Opurocarra
Diese Zusammenstellung, mit der manches weitere Blatt gefüllt
werden könnte, zeigt genau dasselbe Verfahren, wie wir es bei dem
Provinzialverzeichniss fanden, nur, wie sich dies bei der Entlegenheit
und Unbekanntschaft der Gegenden von selbst versteht, noch be-
trächtlich zum Schlimmeren gesteigert. Die Ortsnamen werden dem
Handbuch in der Weise entlehnt, dass in der Auswahl der angeblich
bedeutendsten theils der reine Zufall waltet, theils nahe liegende
Suppositionen , wie denn zum Beispiel die Alexandrien des Ostens
fast alle von Ammian aufgenommen worden sind, theils gewisse
Andeutungen, die Ammian bei Ptolemaeos fand oder zu finden
meinte: so werden bei Medien diejenigen Städte bevorzugt, die im
achten Buch des Ptolemaeos wiederkehren 2, aus der ungeheuren
Masse der 'Städte' im glücklichen Arabien diejenigen ausgesucht,
denen jUfjxQÖJioXig oder auch blos jtöhg beigefügt ist 3, so auch
anderswo die von Ptolemaeos als Metropolen*, als /ueydXa s^vrj^
bezeichneten Ortschaften und Völker ausgewählt. Neben der Namen-
liste werden für die Darstellung auch die ptolemäischen Grenz-
bezeichnungen in sehr freier Gestaltung benutzt, wie dies namentlich
617 der mit Rücksicht darauf ausgewählte Abschnitt über Skythien dar-
thut ®, auch wo es angeht aus den Namen Memorabilien heraus- oder
1) 'Verwechselung von ß und x' bemerkt mir K. Müller.
2) Amm. 23, 6, 39 vgl. mit Ptol. 6, 2. 8, 21, 8 — 11.
3) Amm. 23, 6, 47 vgl. mit Ptol. 6, 7.
4) Ptol. 6, 8, 13 : KäQfiava firjxQÖTioXig = Amm. 23, 6, 49 : Carmana omnium
mater. Ptol. 6, 9, 7: 'Ygxavia fi^rgonoXig = Amm. 23, 6, 52: Ms nobiliorem Hyr-
eanam. Ptol. 6, 12, 6: Agsipa /nrjTQÖnoks = Amm. 23, 6, 59: Areta ipsa metro-
polis. Vgl. Ptol. 6, 11, 9: BdxzQa ßaaiXeiov = Amm. 23, 6, 58: Bactra ipsa, unde
regnum.
5) Ptol. 6, 11, 6: Toxagoi fisya e&vos = Amm. 23, 6, 57: quas (gentes) exu-
peran[t To]c7iari. Ptol. 6, 14, 10: 'la^dgrai fisya e^og = Amm. 23, 6, 62: laxartae.
Ptol. 6, 16, 5: 'loarjböveg nsya edvog == Amm. 23, 6, 66: Essedones omnium splmdi-
dissimi.
6) Ebenso Ptol. 6, 16, 5: dvazcohxcözeQot tcov 'Jvvißcov .... 'Paßdvvai = Amm.
23, 6, 66 : incolunt . . . Ännibi . . . exortum vero solis suspiciunt Babannae.
Ammians Gec^raphica.
407
in sie hineingedeutet^; die meisten derartigen Bemerkungen sind
allerdings anderswoher entnommen. Einlagen eigentlich geographi-
scher Art finden sich in der Beschreibung Persiens zwar auch, so
aus Homer 2 und Herodot^, aber nur vereinzelt*.
\Yenn diese gesammte Manipulation als eine leichtfertige und
wenig gewissenhafte Quellenbehandlung bezeichnet werden muss, so
verdient es noch härteren Tadel, dass und wie Ammian diese Be-
nutzung des Ptolemaeos wenigstens auf eine der Provinzen seiner
Zeit, auf Libya sicca ausgedehnt hat.
Ptolemaeos:
4, 4, 3 IJevTanöXeoog
Beoevixi] rj y.al 'EoTiegideg
'Agoivöt] f] aal Tev/eiga
IlroXejuaig
Adgvig
4, 4, 7 Kvoijvi]
Xaigexka
NedTioXiq
4, 5, 3 vouov Aißvrjg Tiagdkiog
Ammian 22, 16, 4. 5:
in Pentapoli Lihija Cyrene est posita
et Ptoleynais
et Arsinoe eademgue Teuchira
et Darnis
et Berenice quas Hesperidas appeUant
in sicciore vero Lihya
Paraetonion
et Chaerecla
et Neapolis
üagaiToviov inter municipia pauca et hrevia.
Da die Ortschaften des Reiches bei Ptolemaeos nach dem älteren, 618
bei Ammian nach dem diocletianischen Provinzialschema aufgeführt
werden, so fügten jene Namen diesen Kategorien sich nicht; und
1) Ptol. 6, 13, 1 : Siä roi' ogovg o xaXsTrai 'Aaxardyxa? fi^ZQ' ^^ xarä ro
'I/zaov ooog oourjxrjQiov tÜ)v ei; ttjv ZrjQav ifiaogeroftevcov = Amm. 23, 6, 60: cui
Ascanimia mons imminet . . . praeter . . radices .... iter lonffissimum patet merea-
toribus pervium ad Seras subinde commeantibus. Ptol. 6, 7, 46: 'Ogyara (Grad-
bestimmung) Zsoasitadog (Gradbestimmong) = Amm. 23, 6, 47: insignior tarnen
aliis Turgana est, in qua Serapidis maxiimim esse dicitur templum.
2) Amm. 23, 6, 53. 62: Abier und Galaktophagen. Allerdings kann dieser
Zusatz ebenso wie der folgende herodotische auch mittelbar an Ammian gelangt
sein (S. 6-27 A. 2 [416 A. 3]).
3) Die Flüsse Choaspes und Gyndes Amm. 23, 6, 40 nennt Ptolemaeos nicht,
wohl aber Herodot 1, 188 f., und den letzteren ausser Herodot nur Ammian.
4) Einige andere ammianische Namen, die wir bei Ptolemaeos nicht nach-
weisen können, wie 23, 6, 39 Zombis und Patigran, c. 43 Choatres (vgl. Ptol. 6,
.J, 1), c. 49 Sagareus sind sicher entweder durch Ammian selbst oder durch: seine
oder des Ptolemaeos Abschreiber entstellt oder verdunkelt.
408 Ammians Geographica.
das Ergebniss ist denn auch, dass zwei sonst unbekannte, aber sicher
unmittelbar bei Kyrene gelegene Ortschaften des Ptolemaeos von
Ammian verwendet werden, um die libysche Wüste zu bevölkern.
Dass das Yerzeichniss der Reichsgemeinden hier mit Stadtnamen karg
war, ist begreiflicher als dass ein Historiker dieses Ranges es nicht
verschmäht hat den Defect in ebenso verkehrter wie unwürdiger
Weise zu verdecken.
An Ptolemaeos knüpfen auch wohl die verwirrten Nachrichten
an, die Ammian über die vordiocletianische Reichseintheilung für
Gallien (15, 11, 6) und Aegypten (22, 16, 1) beibringt. Dort spricht
er von vier Provinzen, nach ihm Narbonensis nebst Lugdunensis,
Aquitanien, Obergermanien, Untergermanien nebst Belgica, während
er entweder mit Ptolemaeos Narbonensis, Lugdunensis, Aquitanien,
Belgica nebst den beiden Germanien als die vier gallischen Provinzen
aufführen oder, die vierte für drei zählend, sechs gallische Provinzen
verzeichnen musste. Bei Aegypten spricht er gar von drei alten
Provinzen Aegypten, Thebais und Libya, wobei wahrscheinlich die
bei Ptolemaeos verzeichneten drei Epistrategien (Delta, Heptanomis,
Thebais) ihm im Sinne liegen ; in der That bildete die spätere Diöcese
Aegypten nach der alten Ordnung die beiden Provinzen Aegypten
und Kyrene.
4. Timagenes und die Beschreibung des schwarzen
Meeres.
Haben wir uns bisher mit denjenigen Quellen Ammians be-
schäftigt, die in gleicher oder doch nicht wesentlich veränderter
Gestalt auch uns noch vorliegen, so treten wir jetzt in die Unter-
suchung über die uns verlorenen Schriften ein, aus denen er geschöpft
hat — nicht ohne Bedenken, nachdem sich dort nur zu deutlich
gezeigt hat, wie weit Ammian im Mengen wie im Erweitern geht.
Indess einen Gewährsmann nennt uns wenigstens Ammian selbst, und
619 offenbar mit dem Gefühl besonderer Befriedigung wegen des exquisit
gelehrten Citats; in der That ist diese Anführung nebst derjenigen
des Hermapion wohl die einzige directe eines nicht zu den damaligen
Schulschriften zählenden Werkes, welche bei Ammian sich findet.
Timagenes aus Alexandreia in Aegypten kam im J. 699 d. St.,
ohne Zweifel schon erwachsen, als Kriegsgefangener nach Rom ^ und
ist daselbst bejahrt ^ unter Augustus, wahrscheinlich zehn bis zwanzig
1) Suidas u. d. W. Müller fr. hist. Gr. 3 p. 317.
2) Seneca de ira 3, 23, 5: in contubernio Pollionis Äsinii consenuit.
Ämmians Geographica. 409
Jahre vor dem Beginn unserer Zeitrechnung^ gestorben. Er muss
sich in Rom, theils durch seine scharfe Zunge, theils durch seine
litterarischen Leistungen, eine sehr angesehene Stellung geschaffen
haben, welche auch durch den Bruch mit dem Kaiser nicht erschüttert
ward; selbst ein Mann wie Quintilian bezeichnet ihn, allerdings mehr
dem Streben als dem Gelingen nach, als den Wiedererwecker der
griechischen Historiographie 2. Geschrieben hat er ein historisches
"Werk unter dem Titel der Bücher 'der Könige', dessen erstes die
Könige der Fabelzeit verzeichnete^; dass die sonstigen Anführungen
aus diesem Schriftsteller, in denen der Diadochenkönige von Aegypten
und Syrien und der Könige der Juden Erwähnung geschieht, dem-
selben Werk entlehnt sind, ist wahrscheinUch, und da die darin
erwähnten Vorgänge bis in die ciceronische Zeit hinabreichen, so ist
es wohl möglich, dass die — nach dem Bruche mit dem Kaiser von
dem Verfasser vernichtete — Geschichte Augusts den Abschluss des-
selben bilden sollte. Es ist eine keineswegs sichere, aber ansprechende
Vermuthung Gutscbmids ,*J dass dieses "Werk bald nachher von Pom-
peius Trogus lateinisch bearbeitet worden und insofern auch uns
noch im Auszug geblieben ist. Femer gab es wahrscheinlich von 620
ihm einen Tieotji/.ovg Tidorjg '&a).door]g in fünf Büchern*. Er muss
1) Nach der Art, -wie Horaz in der kurz vor 733 geschriebenen Epistel 1, 19
von ihm spricht, war er damals vermuthlich nicht mehr am Leben oder hatte
wenigstens das Leben hinter sich. Eben dahin führt, dass Livius in dem wohl
Tor 734 herausgegebenen neunten Buch c. 18, .6 bei dem levissimiis ex Graecis
allem Anschein nach das Geschichtswerk des Timagenes im Sinne hat.
2) Inst. 10, 1, 75: longo post intervdllo temporis naitis (vorher ist Kleitarchos
genannt, der Zeitgenosse Alexanders des Grossen) Timagenes vel Iwc est ipso pro-
habilis, qttod intermissam historias scinbendi indtistriam nova laude reparai-it.
3) Stephanus Byz. u. d. W. Müvai, oi rroÖTeoov Z6i.vi.ioi, ok Ti^ayevrjg rtgärat
ßaadicov. Aus ihm wird geschöpft sein, was Stephanos weiter von dem König
Solymos anführt.
*) [Vor dem Erscheinen der vorliegenden Abhandlung Mommsens hatte
Gutschmid diese Hypothese noch ohne nähere Begründung aufgestellt in der
Recension der Gardthausen'schen Schrift, an die Mommsen hier anknüpft (Lit.
Centralbl. 1873, 738 = Kl. Schriften hrsg. von Rühl Y 368 vgl. 352).]
4) Der erste Artikel des Suidas, welcher der Schx-ift des Berytiers Hermippos
aus hadrianischer Zeit .7£pt tw»- öianoetf'dvTwv h Tiaiötia. dov/.coy entlehnt zu sein
scheint (Wilamowitz) , giebt eine ziemlich eingehende Biographie, bezeichnet
aber die Schriften nicht genauer (lyoarf's no/lä). Die zweite Notiz: Tt^iayevtj^
iorooixog :i£oi:n}.ovv ndorjg &a/.daar]g iv ßiß/.toig £ auf dieselbe Persönlichkeit zu
beziehen ist dadurch angezeigt, dass kein anderer namhafter Historiker dieses
Namens begegnet. Müller vermuthet (fr. bist. 3 p. 317), dass diese Schrift
identisch sei mit der in den Apolloniusscholien unter dem Namen TtudyrjTo;
öfter angeführten einer weit älteren Zeit angehörenden .-rfot kiiievoyv (die Frag-
4 1 0 Ammians Geographica.
sonst noch manches geschrieben haben, das wir nicht mehr im Stande
sind zu fixiren.
Aus Timagenes entlehnte Ammian, was er über die Ursprungs-
geschichte der Gallier mittheilt 15, 9, 2 — 3 und c. 10, 9^; und es
passt der Inhalt zu dieser Herleitung vollkommen: nicht bloss ist
die griechische Abstammung dieser Berichte evident, sondern sie
stimmen auf das Genaueste zu dem, was die ungefähr gleichzeitigen
Schriftsteller Dionysios von Halikarnassos ^ und Strabon^ über die-
selben Dinge berichten. Freilich wird man daraus nicht folgern
621 dürfen, dass diese hier eben aus ihm geschöpft haben. Timagenes,
der nach Ammian ex muUijylicibus l'ibris sein Werk zusammenstellte,
hat für die gallischen Dinge ohne Zweifel den Poseidonios heran-
gezogen und namentlich den Bericht über die Barden, Vaten und
Druiden, in dem er mit Strabon übereinstimmt, sicher diesem Ge-
währsmann entnommen*, dem wir ja überhaupt ungefähr verdanken,
was wir von älteren gallischen Zuständen wissen. Strabon konnte
denselben also von Timagenes entlehnen, den er für Gallien aller-
dings neben dem Poseidonios einmal anführt^; aber es ist viel wahr-
mente das. 4 p. 519). Aber die Bezeichnung ioxoQixog zeigt wenigstens, dass der
Verfasser dieser Notiz in der That an den Timagenes der augustischen Zeit
gedacht hat; und ich sehe keinen genügenden Grund eine über Suidas hinaus
reichende Verwechselung hier zu statuiren.
1) c. 10, 9 fehlt bei Müller und wird von Gardthausen S. 555 auf Sallust
bezogen, ist aber augenscheinlich ein weiteres Stück (nt relatum est) des tima-
genischen Excerpts.
2) Die Erzählung Ammians 15, 9, 6 von dem thebanischen Hercules, der
nach der Ueberwindung der bösen Herrscher Spaniens und Galliens cum gene-
rosis fetninis die zwei Söhne erzeugt habe, welche beiden Ländern den Namen
gegeben haben, kehrt wieder bei Dionysios 14,1 Kiessling [IV 248, 9 Jacoby],
wonach Herakles mit der Asterope, der Tochter der Atlantis, die Söhne Iberos
und Keltos, die ersten Könige Spaniens und Galliens erzeugt.
3) Die merkwürdige Uebereinstimmung des Berichts über die gallischen
Barden, Vaten und Druiden bei Strabon 4, 4, 4 p. 197 und Ammian 15, 9, 8 ist
oft hervorgehoben, auch schon von Zeuss gr. Celt. p. 46* darauf hingewiesen
worden, dass Ammians evhagis gewiss nichts ist als verlesen aus dem griechischen
OYATIC. — Uebrigens wird hienach nicht abzuweisen sein, dass der römische
vates seinem Ursprung nach nicht minder gallisch ist als der haruspex etruskisch,
wenngleich schon Ennius ihn mit dem Faunus zusammen nennt und Varro für
ihn nach einer lateinischen Etymologie suchte.
4) Dass Poseidonios von den Barden erzählte , lehrt das Fragment 23 (vgl.
25) bei Müller = Athenaeos VI p. 246 c.
5) 4, 1, 13 p. 188. Was er ihm entnimmt, ist Stadtklatsch und er fährt fort:
ni&avcoTSQog d' iazlv 6 JIooeiScoviov köyo?.
Ammians Geographica. 411
scheinlicher, dass er denselben vielmehr der eigentlichen Quelle, das
heisst dem Poseidonios entnommen hat.
Die Frage, ob bei Ammian weitere Auszüge aus dieser relativ
werthvollen Quelle enthalten sind, lässt sich für den Abschnitt über
die Chorographie Galliens mit Bestimmtheit verneinen^. Dagegen
ist Bergers 2 Vermuthung sehr wahrscheinlich, dass die sicher einer
griechischen Quelle entstammende, der Darstellung Galliens kurz
voraufgehende Schilderung des Bodensees ebenfalls auf Timagenes
zurückgeht^.
Welche Schrift des Timagenes dem Ammian vorgelegen hat, ist
nur insoweit zu entscheiden, dass die lediglich in mythologisch-
geographischen Nachrichten bestehenden Auszüge auf das Geschichts-
werk nicht passen*. Für den Periplus gilt dies nicht in gleicher
^V^eise; vielmehr verdient Erwägung, dass die einzige Stadt, die die 622
ammianischen Timagenes- Excerpte nennen, Massalia ist, der einzige
darin vorkommende Alpenpass der über die Seealpen. Letzteres ist
besonders bemerkenswerth, weil Ammian die Alpenpässe überhaupt
schildern will und neben der dem Timagenes entnommenen Dar-
stellung des Seealpenübergangs den cottischen Pass nach eigener
1) Wir sind hier in der Lage die Quellen fast durchgängig mit Sicherheit
nachweisen zu können. Cap. 9 u. 10, 8. 9 kommen von Timagenes; c. 10, 1 — 7,
c. 11, 16 — 18 (Schilderung der Rhone) und c. 12 aus eigener Anschauung; 10, 10.
11 aus Livius; 12. 1 — 5 aus Caesars Commentarien; 12, 6—15 aus der ßeichsliste
der Gemeinden; 12, 5 vielleicht aus der livianischen Epitome; 12, 6 aus Sallustius.
2) Eratosthenes S. 363.
3) 15, 4, 2 — 6. Für ihn passen die Stadien so wie die Vergleichung der
Nilkatarakten und der Arethusaquelle. "Wie Gardthausen S.545 diese Beschreibung
des Oberrheins, die beste aus dem Alterthum, die wir haben, im Ernst hat auf
Eratosthenes zurückführen können, der 'das Keltenland gar nicht kannte' (Strabon
2, 1, 41 p. 93), verstehe ich nicht. Am letzten Ende stammt sie sicher von
Poseidonios. [Vgl. E. Fisch, De Argonautarum reditu, Göttingen 1896, S. 51.]
4) Dass Strabon dieses benutzt hat, nicht bloss in seinem verlorenen Ge-
schichtswerk, sondern auch in der erhaltenen Geographie, führt Gutschmid
(Litterar. Centralblatt 1873 S. 788 [= Kl. Sehr. V S. 368]) mit Recht gegen Gardt-
hausen aus — dass Strabon das Werk 'in seiner Geographie benutzt', was Gardt-
hausen geltend macht, beweist natürlich gar nichts. Aber die Nachricht über die
to-osanische Beute vS- 621 A. 2 [410 A. 5]) kann unmöglich in einem Periplus ge-
sta-nden haben. Auch die Fabelerzählung von dem indischen Kupferregen (15, 1, 57
p. 711) lässt sich nicht mit Sicherheit dem Geschichtswerk absprechen; der Zug
Al'jxanders bot dafür eine geeignete Anknüpfung. Aber für Ammian folgt daraus
nichts; denn dass Strabon und Ammian dieselbe Schrift des Timagenes benutzten,
wi'5 dies Gardthausen und Gutschmid annehmen, beruht auf der Zurückführung
des strabonischen Berichts über die keltische Religion auf Timagenes, deren
ünwahrscheinlichkeit oben dargethan ist.
412 Ammians Geographica.
Anschauung^, den poeninischen nach Livius beschreibt 2; es scheint
also ziemlich sicher, dass Timagenes die anderen Alpenpässe nicht
beschrieben hat. Bedenken erregt freilich die Schilderung des Boden-
sees, womit noch zusammengestellt werden kann, dass Plinius^ die
Längenausdehnung der Alpen aus Timagenes anführt. Unmöglich
ist es allerdings nicht, dass ein Periplus bei der Rheinmündung und
der Seealpe diese Notizen beibrachte. Aber andrerseits ist nicht in
Abrede zu stellen, dass das Hervortreten des Timagenes vorzugsweise
bei Nachrichten, welche sich auf Gallien beziehen, die Annahme einer
Gallien behandelnden Specialschrift empfiehlt*. Eine bestimmte Ent-
scheidung ist nicht zu gewinnen.
Es liegen aber bei Ammian noch anderweitige geographische
Excerpte aus einer griechischen Quelle vor. Ich habe früher (S. 604
[395]) hervorgehoben, dass die Schilderung der Küsten des thrakischen
und des schwarzen Meeres (22, 8) den sonstigen geographischen
623 Erörterungen Ammians ungleichartig ist. Allerdings ist sie nicht
einheitlicher Art^. Der zweite Abschnitt, der die Nord- und West-
küste des schwarzen Meeres vom Phasis bis zur thrakischen Ost-
küste umfasst (24—48), enthält nicht wenige ptolemaeische Excerpte,
die zum Theil schon früher erörtert sind^; andere Nachrichten des-
1) 15, 10, 1-7. Vgl. C. I. L. V p. 811.
2) 15, 10, 10. 11. Dies führt Gardthausen S. 553 f. mit Recht gegen Wölfflin
aus. Jede einzelne positive Angabe kehrt bei Livius wieder; wie arg Ammian
seine Quelle zerrüttet, lehrt freilich auch diese Stelle in nur zu schlagender
Weise. j
3) n. h. 3, 19, 132. I
4) Dies ist Wilamowitzs Ansicht; die Nichterwähnung der übrigen Alpen-'
passe würde dann darauf zurückzuführen sein, dass diese der griechischen
Legende fem lagen. [Vgl. H. Wilkens, Quaest. de Strabonis aliorumque rerum
Gallicarum auctorum fontibus, Marburg 1886, S. 29 ff.]. Strabons Nachricht von
dem tolosanischen Schatz wird nicht hierher zu ziehen sein, weil dieser den
Timagenes auch für nichtgallische Dinge mehrfach anführt.
5) Von eigenen Wahrnehmungen des Schriftstellers, auf die das visa vel
lecta des Eingangs führt, finde ich hier keine Spur.
6) Die erste ziemlich sickere Spur ist die Nennung der Achaeer und Cer-
ceten c. 25, schwerlich zu trennen von Ptolemaeos 3, 9, 25: tuagä t6v IJovrov
'Ayaiol xal KsQxhai, womit auch die bei Ptolemaeos vorhergehenden, bei Ammian
folgenden Bosporaner und der Fluss Ra (Ptol. 5, 8, 6 und sonst) zusammengehören
werden. Der bei Ammian folgende Abschnitt 29 ist oben S. 613 [404] ab-
gedruckt und sicher ptolemaeisch. Ebenso sind in c. 33 die Arinchi et Sinchi
et Napaei ohne Zweifel die 'AQiyyoi (so mehrere Handschriften, ähnlich auch
Mirandula ; Aq^ikoi der Vat.) Ziyyol (2ivxoi der Vat. , Zivyoi oder Ziyyol die
übrigen^ Kavatprjvoi (so der Vat., die übrigen Kovaiprjvoi) des Ptolemaeos 5, 9, 18.
Man sieht, dass Ammian bis hieher Ptolemaeos asiatisches Sarmatien benutzt
Ammians Geographica. 413
selben berühren sich so eng mit dem solinischen Memorabilienbuch,
dass über deren Herkunft insoweit kein Zweifel bleiben kann^.
Anders verhält es sieh mit dem ersten Abschnitt, der Beschreibung
der europäischen Küste vom Athos bis Byzanz und der asiatischen
von Alexandria Troas bis zum Phasis (2 — 24), woran einige wenige
gleichartige Stücke aus dem zweiten Theil sich anschliessend.
Augenscheinlich liegt hier, und zwar in dem ersten Abschnitt aus-
schliesslich, eine griechisch geschriebene Küstenbeschreibung zu
Grunde, deren Verfasser die mythologische, historische und litterar- 624
historische Ueberlieferung in weitem Umfang geläufig war. Die zahl-
reichen Entstellungen kommen ohne Zweifel auf Rechnung Ammians ^.
Mit Recht sagt Valesius einmal, dass hier Apollonios Rhodios über-
setzt oder vielmehr in die Form eines Periplus umgesetzt zu sein
scheine*; die Argonautensage spielt an der pontischen Küste überall
hat. Weiterhin entnimmt er dem dritten Buch die Angaben über den taurischen
Chersonesos (6) und über das europäische Sarmatien (5). Die Städtenamen c. 36
Eupatoria, Dandake, Theodosia sind wohl geflossen aus Ptolemaeos 3, 6, 2;
ptolemaeische Entlehnungen in c. 38. 39 sind S. 614 [404] aufgeführt; c. 40
sind die Städtenamen Borysthenes und Cephalonesus , so wie die Alexander-
und Augustusaltäre aus Ptolemaeos 3, 5, 8. 26. 28 genommen. Auch in den
folgenden Abschnitten mag noch so manches Einzelne der Art enthalten sein,
ist aber nicht mehr sicher zu scheiden.
1) Dahin gehört die Notiz über Dioskurias und die Heniocher c. 24, wo
Ammian selbst in der verdorbenen Xamensform mit Solinus übereinstimmt; die
Erwähnung der ilelanchlaenen, Gelonen und Agathyrser c. 31 zusammengehalten
n:it der weiteren Ausführung 31,2,13 — 15; die schon S. 614 A. 2 [404 A. 2]
erwähnten Arimphaeer c. 38 ; die Angaben über die Donau, das Wasser und die
Fische des schwarzen Meeres c. 44—47 (Tgl. S. 632 [420]).
2) Dahin gehört wenigstens die auserlesene Notiz c. 34 über die Artemis
Orsiloche, die in unserer Litteratur nur bei Antoninus Liberalis c. 27 wiederkehrt;
vielleicht auch die Inseln Phanagoria und Hermonassa c. 30 und anderes, was
auf das griechische Wesen engeren Bezug hat.
3) Namentlich in dem Umsetzen der Orte, auch wo geographisch geordnete
Verzeichnisse vorliegen , leistet Ammian das Unglaubliche. Auf die Folge der
Localnamen hat Gardthausen S. 538 mehr Gewicht gelegt als er durfte. Eigent-
liche Zusätze hat Ammian nicht gemacht; denn ConstanthiopoUs vetus Byzantium
c. 8 zählt nicht, und ob die Provinz Rhodope auf die Fassung c. 4 eingewirkt
hat, ist fraglich.
4) Die merkwürdigste Analogie ist 22, 8, 20: attoUitur Carambis placide cottis
co'itra septentrionem Heiken surgens, von Valesius verglichen mit Apollonios
2,360:
eari Ss tis äxQrj 'EXixfjs xaTEvavxiov agxzov
jrdvzodev rjUßaxo^- xal ftiv xakiovai KÖQajxßiv,
WC in der That entweder Ammian oder schon sein Gewährsmann aus der 'Bärin
Helike' des Dichters einen poetisch wie prosaisch unmöglichen 'Heüke Norden'
414 Ammians Geographica.
die erste Rolle, obwohl auch gelehrte Notizen anderer Art in
Fülle vorhanden sind. Citirt werden Hekataeos und Eratosthenes,
und zwar wenigstens letzterer richtig^; gerechnet wird nach Stadien,
und die mitgetheilten Angaben stimmen ziemlich mit den erato-
625 sthenischen überein 2. Daneben erscheint Rücksichtnahme auf römische
Verhältnisse, wie die Aeneassage^ und die römische Provinzial-
eintheilung nicht der ammianischen, sondern der früheren Zeit*.
Wenn Timagenes einen neQiTiXovg ndorjg 'd^aXdoorjg geschrieben und
Ammian diesem die Gallien betreffenden Timagenes - Auszüge ent-
nommen hat, so wird man nicht anstehen dieselbe Quelle auch hier
zu erkennen 5, Man kann dafür weiter geltend machen, dass die
einzige gewissermassen historische Stelle sich nahe berührt mit Justin:
Justin 2, 4, 2:
(Scythae) in Cappadociae ora iuxta
amnem Tliermodonta consede-
runt suhiectosque Themiscyrios
campos occupavere.
ihi per multos annos spoliare fini-
timos adsueti
Ammian 22, 8, 17. 18:
Thermodon Ms est proximus ....
Themiscyraeos interlahens lucos,
ad quos Amazonas quondam
migrare necessitas suhegerat talis.
attritis damnorum adsiduidate fini-
timis
gemacht hat. Wie war es hieuach möglich septentrionem bei Ammian zu
athetiren !
1) 22, 8, 10. Gardthausen führt S. 541 aus, dass die Vergleichung der West-
küste des schwarzen Meeres mit einem Skythenbogen , um die es sich hier
handelt, bei Eratosthenes stand und wahrscheinlich von ihm herrührt, Hekataeos
also hier ebenso zu Unrecht citirt wird wie Ptolemaeos. Die Hereinziehung
des letzteren hat Ammian verschuldet; ob auch die des ersteren oder dieser
Fehler älter ist, lässt sich nicht entscheiden. Berger (Eratosth. S. 333) ist
geneigt jene Vergleichung auch dem Eratosthenes abzusprechen; aber sie tritt
so früh und so häufig auf, dass ich Gardthausen beistimmen möchte.
2) Die Entfernung der Vorgebirge Criumetopon und Carambis beträgt
2500 Stadien nach Ammian 22, 8, 20 wie nach Strabon 2, 5, 22 p. 125 , ohne
Zweifel nach Eratosthenes, da späterhin niedrigere Zifi"ern erscheinen. Als
Umfangsmass des schwarzen Meeres giebt Ammian 22, 8, 10 nach Eratosthenes
23000 Stadien an, und diese Ziffer wird als die richtige eratosthenische durch
zahlreiche andere Angaben geschützt (Müller zu Agathemeros 3, 11; Berger
Eratosth. S. 330); die Zahl 25000 bei Strabon a. a. 0, ist von ihm oder den Ab-
schreibern verdorben. 3) 22, 8, 3.
4) Bomanae provinciae: 22,8,11. Bithynia: c. 14. Post Bithyniae partem
provindae Pontus et Paphlagonia protenduntur : c. 16, welche der Schreiber zu-
sammenfasst, also die Doppelprovinz Pontus und Bithynien im Sinne hat.
5) Daraus, dass c. 18 bei der lo-Fabel hinzugesetzt ist: ut poetae loquuntur,
und c. 15 der Argonautengedichte als priscorutn carmimim cantm gedacht wird,
kann unmöglich mit Gardthausen S. 539 auf einen metrischen Periplus ge-
schlossen werden.
Ammians Geographica. 415
Die weitere Erzählung geht allerdings verschiedene Wege. — Aber
die hier auf jeden Fall zu Grunde liegende der Argonautensage
sich anschliessende Küstenbeschreibung ^ kann allerdings auch durch
eine andere Zwischenquelle oder selbst unmittelbar von Ammian
benutzt worden sein.
Auch in die Beschreibung des Orients scheinen einige gleich- 625
artige Notizen eingelegt. Gardthausen hat aufmerksam gemacht auf
die hier hin und wieder auftretenden eratosthenischen Nachrichten.
"Was Strabon über das persische Meer aus Eratosthenes anführt,
stimmt genau mit dem Anfang der Beschreibung der Diöcese Oriens^.
Drei offenbar zusammengehörende Angaben Ammians 23, 6, 43. 69.
70 sind dem berühmten eratosthenischen Kontier über die Strasse
von den kaspischen Pforten zum Indus entnommen, erscheinen aber
hier nicht bloss arg zerrüttet, sondern sonderbarer "Weise als Masse
irgend welcher Küstenfahrt ^. Weiter begegnet als Abschluss der
Beschreibung des persischen Staates ein Bericht über die Ausdehnung
1) Welcher Beschaffenheit dieselbe gewesen ist, liegt, ausserhalb des Kreises
meiner Forschung. Wilamowitz schreibt mir darüber: ^.Evident ist, dass der
Periplus an Apollonios auschliesst, um so auffallender, dass er mit den erhaltenen
Schollen, welche doch schon Valerius Flaccus benutzt hat, keine BerOhnrng
zeigt. Ausserdem aber erkennt man, dass attische Tradition irgendwie einge-
wirkt hat: denn die singulare Notiz, welche Byzantion von Athen gegründet
werden lässt (vgl. Kydathen S. 17), die Bemerkung über die ionische Wanderung
und die attische, allerdings populärste, Amazonensage schliessen sich zusammen.
Ebenso geht die Gründung von Ainos durch Aineias, von Parion durch Paris
lasions Sohn auf gute sehr alte epichorische Ueberlieferung zurück. Dagegen
versagt das Historische fast völlig ; vs-o doch Lysimacheia Apameia Nikomedeia
Erklärung forderten."
2) Strabon 16, 3, 2 p. 765 = Ammian 23, 6, 10. Hier stimmt sogar das
Mass; Gardthausen hat übersehen, dass die 10000 Stadien bei Strabon nur die
eine Hälfte des Ringmasses sind. Vgl. Plinius 6, 24, 108. Agathemeros 3, 12.
Berger Eratosthenes S. 274.
3) Ammian 23, 6, 43: a ciiius (Heeatonyayli) finibus per Caspia litora ad
tisque portarum angustias stadia XL numerantur et M. Dieselbe Distanz be-
rechnet Plinius 6, 15. 44 auf 133 Milien = 1064 Stadien, Eratosthenes bei Strabon
11,8,9 auf 1960 Stadien. C. 69: unde (von Alexandria Ariana) naviganü ad
Caspmm mare D stadia numerantur et M. Gemeint ist wohl die bei den ge-
nannten Autoren (Plinius 6, 17, 61, Strabon a. a. 0.) nächstfolgende Distanz von
Hekatompylos nach Alexandria Ariana von 575 Milien = 4600 Stadien nach
Plinius, 4530 Stadien nach Strabon. C. 70: Ortospana, unde litorea naiigatio ad
usque Mediae fines portis proximos Caspiis stadiorum »unt duo milia et CC. Ter-
muthlich ist dies die Strecke von der Stadt der Arachoten bis Ortospana,
175 Milien = 1400 Stadien nach Plinius, 2000 Stadien nach Strabon. Das
Schwanken der Zahlen darf nicht iiren ; schon Plinius merkt an : in quihusdam
•ixemplarihus diversi ntomri reperiuntur.
416 Ammians Geographica.
der nördlichen und der südlichen Küsten desselben ebenfalls in
627 Stadien ^. Diese Art der Entstellung wird etwas weniger unbegreif-
lich, wenn Ammian hier einem Periplus folgte^ und die Angaben,
die er bei diesem fand, unverständiger Weise sämmtlich als Küsten-
masse auffasste. Ob dies eben derselbe Periplus ist, der für das
schwarze Meer die Nachrichten lieferte, steht dahin. Auf alle Fälle
schien es angemessen, unter diesem Abschnitt die eigentlich grie-
chischen Quellen, die nach Stadien messen und eratosthenische An-
setzungen wiedergeben 3, zusammenzufassen. Sind die ammianischen
Angaben wie gleichartig, so auch der gleichen Schrift entnommen,
so kann dies nur eine des Timagenes sein; denn diesen allein nennt
Ammian in dieser Verbindung und zwar in einer "Weise, dass hier
an indirecte Benutzung nicht gedacht werden kann.
5. Solinus und die Memorabilien.
Die enge Verwandtschaft zwischen Solinus collectanea verum
memordbilium und Ammian ist notorisch. Wenn jene Schrift im
Grossen und Ganzen als ein geographisch geordneter und vielfach
1) 23, 6, 74: ne igitur orae maritimae spatia adluentia Persidis extremitcUes
per minutias demonstrantes a proposito longius aberremus, id sufficiet dici, quod
mare praetentum a Caspiis montibus per horium latus ad usque memoratas
angustias novem milium stadiorum, austräte vero ab ostiis Nili fluvii ad usque
principia Carmanorum XIV milium stadiorum numero definüur. Die Rückbeziehung
auf die eben erörterten Ansetzungen ist deutlich, denn die memoratae angxistiae
können nur die c. 40. 70 genannten kaspischen sein. Im Uebrigen ist schwer
zu sagen, was hier gemeint ist. Als persische Nordküste kann, zumal da die
Skythen c. 61 ausdrücklich intra Persicos fines gesetzt werden, wohl nur die süd-
liche und östliche Küste des kaspischen Meeres gedacht sein, indess ist weder mit
Caspius mons etwas anzufangen (Berger S. 328), noch können als andere Grenze
die kaspischen Pässe auftreten, noch lassen aus den überlieferten eratosthenischen
Zahlen (Berger S. 328 f.^ die 9000 Stadien ohne arge Willkür sich herausrechnen.
Noch seltsamer ist die zweite Angabe. Bergers Vermuthung (S. 251), dass für
den Nil der Indus zu setzen und die Südküste der zweiten eratosthenischen
atpQayig gemeint sei, die Strabon 15, 2, 8 p. 724 auf 14000 Stadien angiebt, mag
das Richtige treffen; aber unerklärt bleibt, warum hier der persische Meerbusen
fehlt und nicht von der Mündung des Indus bis zu der des Euphrat gemessen ist.
2) Bergers Vermuthung (Eratosth. S. 239), dass die im Alterthum weit
verbreitete Annahme einer Verbindung des kaspischen Meeres mit dem Ocean
und der Möglichkeit einer Fahrt vom indischen ins kaspische Meer hier zu
Grunde liege, scheint mir verfehlt ; alle greifbaren Elemente bei Ammian führen
auf die Landstrasse von den kaspischen Thoren an den Indus.
3) Auch die Behandlung der beiden früh in die geographische Discussion
hineingezogenen Homerstellen bei Ammian in der Beschreibung des Perserreichs
23, 6, 53. 62 und in der von Thrakien 27, 4, 3 führt Gardthausen S. 543. 546 auf
die eratosthenische Quelle zurück, vielleicht mit Recht (vgl. Berger Eratosth.
Amniians Geographica.
417
erweiterter Auszug der in Plinius Naturgeschichte erwähnten Merk-
würdigkeiten sich charakterisiren lässt, so schliesst Ammian auch
da, wo Solinus von seiner Quelle abweicht, sich im Ganzen an ihn
an^ und giebt selbst solche solinische Angaben wieder, welche bei
Plinius fehlen^. Nichts desto weniger reicht man nicht aus mit der 628
einfachen Annahme, dass Ammian den Plinius nur mittelst des So-
linus benutzt hat; es finden sich verschiedene Stellen, wo er sich
enger an Plinius anschliesst als an Solinus'. Hätte Ammian beide
S. 350 nnd oben S. 617 A. 3 [407 A. 2]). Es mag auch sonst noch manches
vereinzelte Excerpt aus gleicher Quelle bei Ammian vorkommen.
1) Zu den zahlreichen Beweisen, die die Zusammenstellungen und die
Anmerkungen in meiner Ausgabe des Solinus dafür geben, füge ich einen dort
fehlenden, der besonders schlagend ist. Die Wagenlenker der Dioskuren, von
denen die Stadt am Phasis erbaut sein soll, heissen bei Plinius 6, 5, 16 Amphitus
und Telchius und diese Formen Te/.yig y.al "Aucfnog bestätigt Charax (schol.
Dionys. perieg. 687), während alle sonstigen Quellen (Strabon 11,2,12 p, 496
und aus ihm Enstathios zum Dionys. 680; Justinus 42, 3, 3) in den Namen
variiren. Bei Solinus 15, 17 heissen sie Amphitus et Cercius (Var. tercius, circius)
und die letztere ohne Zweifel bloss auf Verderbniss des plinianischen Telchius
beruhende Form wiederholt sich bei Ammian 22, 8, 24 ebenso wie bei Isidor.
2) So die Notiz über die Danae Amm. 14, 8. 3 = Solin. 88, 3; die Erwähnung
der hundert Priester bei der Apisweihe Amm. 22, 14, 8 = Solin. 32, 18; die der
punischen Bücher Amm. 22, 15, 8 = Solin. 32, 2. Aus dem, was Plinius vom
Krokodil sagt 8. 25. 89: armatus est contra omnes ictas cute invicta ist dann geworden
bei Solinus 32, 24:
circumdatur maxima cutis firmitate in
tantum, ut icttis quovis tormento adactos
tergo repercutiat.
bei Ammianus 22, 1-5, 16:
diebus hutni versatur confidentia cutis,
quam ita validam gerit, ut eius terga cata-
phracta vix tormentorum ictibus per-
forejitur.
3) So haben vom Nil den Gegensatz ruere — fluere Plinius 5, 9, 54 und Ammian
22, 15, 9 (ebenso vom Rhein 15, 4, 2), während Solinus 32, 7 dafür fhiere — manare
setzt. So geben Plinius 8, 25, 89 und Ammianus 22, 15, 16 dem Krokodil achtzehn
Ellen Länge (denn in edbeciem kann nur octodecim stecken), Solinus 32, 22 abge-
rundet 20. Auch was Ammian 22, 8, 47 über die Fische des Pontus sagt, steht wohl
ähnlich bei Solinus 12, 13, aber schliesst sich weit enger an Plinius 9, 15,49. 50 an:
Plinius: i Ammian: |
zumthynnishaec (amia) \ constat ah ultimis )wstri fini-
'? pelamydes in Fontiwi ■■ btts maris agminatim ad hunc
ad didciora päbula in- [ secessum pariendi gratia petere
tränt gregatim pisces, ut aquariim suavitate
in Pontum nuUa intrat \ saluhrius fetus educant in re-
ceptaadis cavis, quae sunt ihi
densissima, securi voracitim
heluarum; nihil enim in Ponto
huiusmodi aliquando est visum
praeter innoanos delphinas et
phocas (Hdsch. et pauos)
Itstia piscibus malefica
jraeter ritulos et parvos
('elphinos.
Solinus:
(in Ponto) praeter pho-
cas rara hdua est: plu-
rimus thynnus in Ponto,
nee aJibi paene fetificant:
nusquam enim citius
adulescunt, scilicet ob
aquas dulciores.
MOMHSEN, SCHR. VII.
27
418 Ammians Geographica.
620 neben einander gebraucht^ und im Anschluss an Plinius die Worte
des Solinus geändert, so würden wir erwarten dürfen wenigstens in
den geographischen Abschnitten irgend einem von den Memorabilien
unabhängigen plinianischen Excerpt zu begegnen. Dies aber ist
schlechterdings nicht der Fall. Es bleibt also wohl nichts übrig als
die von mir schon früher*) aufgestellte Annahme, dass das uns vor-
liegende Memorabilienbuch verkürzt ist und dem Ammian reiner
und reicher vorgelegen hat als wir dasselbe besitzen.
Wenn, was hienach nicht abgewiesen werden kann, im Ammian
noch andere Auszüge aus dem Memorabilienbuch stecken als sie in
unserem SoHnus sich finden, so muss die Untersuchung, welche
Nachrichten Ammian dem Memorabilienbuch entlehnt hat, auf eine
vollständige Lösung verzichten. Denn bei dem desultorischen Cha-
rakter dieser Notizen, die aus unzähligen und sehr verschiedenartigen
Quellen herrühren können, sind Schlüsse aus Analogie hier vor allem
bedenklich. Wir werden uns begnügen müssen in allgemeinen Um-
rissen darzulegen, wie Ammian diese Quelle genutzt hat.
Dass im Laufe der Erzählung gelegentlich Notizen aus dem
Memorabilienbuch verwendet werden, so über die Träume 15, 3, 6;
über den Biber 17, 5, 7 = Solinus 13, 2; über das Schaltsystem
26, 1, 12. 13; über die Waffenthaten des Dentatus und des Catilina
25, 3, 13. 27, 10, 16, versteht sich bei Ammians schriftstellerischer
Weise von selbst. In ähnlicher Weise, aber häufiger, hat er des
Yalerius Maximus Anekdotensammlung geplündert.
Anders verhält es sich in den geographischen Abschnitten, Hier
ist die Benutzung gewissermassen eine systematische, nachweisbar
für die Diöcesen Aegyptus (22, 14 — 16) und Oriens (14, 8), für
Persien (23, 6), für die pontischen Districte (22, 8) und für die
Schilderung der Hunnen und Alanen (31, 2), also für alle, mit Aus-
nahmen des gallischen und des thrakischen. Es ist dies auch natür-
630 lieh; denn da die Memorabilien chorographisch geordnet waren, so
bildeten sie das natürliche Complement der Stadtverzeichnisse der
Fariendi gratia stammt aus den fetificant des Solinus, ebenso die beluae statt
der bestiae und die phocm (denn so ist offenbar zu schreiben) statt der vituli,
aber die innoxii delphini kommen aus Plinius.
1) Diese Vermuthung hat Hertz ausgesprochen (Hermes 8, 266), indem er
auf die aus dem Widmungsschreiben des Solinus entlehnte Phrase 26, 1, 1 referre
a notioribus pedem hinweist. Aber dies entscheidet insofern nicht, als der
Redacteur des uns vorliegenden Memorabilienbuchs füglich auch diese Vorrede
ganz oder theilweise von seinem Vorgänger übernommen haben kann.
*) [In der ersten Ausgabe des Solinus (1864) S. XXIf.; später (1895) in der
zweiten S. XVII f.]
Aramians Geographica. 419
Eeichsliste und des Ptoleraaeos. In welcher "Weise im Einzelnen
die Benutzung stattgefunden hat, ist im Wesentlichen aus dem Index
meiner Solinusausgabe ^ zu entnehmen; wo Solinus uns im Stich
lässt, vermögen wir nur selten eine Nachricht mit einiger Sicherheit
auf diese Quelle zurückzuführen. Ich beschränke mich daher auf
wenige Bemerkungen.
Die Benutzung ist natürlich sehr ungleich. Am ausgedehntesten
hat sie stattgefunden bei dem Wunderlande Aegypten. Manches
erzählt Ammian hier nach eigener Anschauung ^ oder wenigstens
ohne Zuziehung schriftlicher Vorlagen, besonders in der Schilderung
Alexandreias und seiner namhaftesten Gebäude namentlich des
Heptastadiums ^ und des Serapeums*, ferner des nahen Kanopos
(22, 16, 7—14), sowie der Aegyptier überhaupt (22, 16, 23) 5; die
Betrachtung über die Stellimg der Alexandriner in der Wissenschaft
und der Religion (22, 16, 16 — 22) ist ebenfalls ohne Benutzung
schriftlicher Torlagen verfasst. Dass der kurze Abschnitt 22, 16, 1 — 6
(vgl. c. 15, 1. 2) von einigen Einlagen abgesehen aus der Reichsliste
und Ptolemaeos, die historische Schlussbemerkung 22, 16, 24 aus 631
Rufius entnommen ist. wurde schon gesagt; die Jfachricht über
Alexandreias Schicksale unter Aurelian 22, 16, 15 ist ohne Zweifel
1) Hinzuzufügen ist Ammian 17, 5, 7 hocque bestias — impavidae = Solinus
p. 91, 11. 12 [81, 9. 10*]: 22, 8, 47 = Solinus p. 90, 3—7 [80,6-8*] (s. S. 628
[417]; nachgewiesen von Gardthausen S. 551); 22, 15, 12. IS cum atüem . . . nuUas
inspirat = Solinus p. 157, 18 — 158, 12 [141, 10—142, 1»]; 23, 6, 50 tibi etiam
tigridum . . . plures = Solinus p. 101, 17 [90, 9*] ; 23, 6, 56 cameli = Solinus p. 200, 18
[181,8*]; 31,2,23 sed gladhis — colunt = Solinus p. 92,10 [82,9*] (nachgew.
von Gardthausen S. 553).
2) Nach seiner eigenen Angabe 22, 15, 1 hatte er bei einer früheren Ge-
legenheit von Aegypten visa pleraqiie erzählt.
3) Die sicher fabelhafte, aber merkwürdige Erzählung über die Erbauung
des Heptastadium durch die Königin Kleopatra zur Beseitigung des rhodischen
Hafenzolls sieht ganz aus wie eine an Ort und Stelle dem Fremden erzählte
Legende.
4) Mit Unrecht also verwirft Gardthausen, was man bisher aus dieser
Stelle gefolgert hat, dass das 22. Buch publicirt ist vor der Zerstörung des
Serapeums im J. 391. Aus andern Gründen hat hiegegen schon Gutschmid in
der angeführten Recension [Kl. Sehr. V 366 f.] Einspruch erhoben. — Daraus,
dass das 26. Buch c. 5, 14 den Neoterius als postea consul bezeichnet, also nach
391 geschrieben ist, hat Gart (quaestiones Ammianae p. 48) mit Recht auf
successive Publication der Bücher geschlossen. — Die Fixirung des 21. Buches in
oder nach 389 wegen der Präfectur des Victor (c. 10, 6) ist unsicher; das Jahr
derselben ist nicht fixirt.
5) Dahin gehört auch die Bemerkung über das Schwinden der Elephanten
:i2, 15, 24, wahrscheinlich auch die über die Syringen 22, 15, 30.
27*
420 Ammians Geographica.
eine Recapitulation aus der eigenen Erzählung des Historikers.
Anderswo begegnen vereinzelte Lesefrüchte ^ Dagegen scheint der
Abschnitt 22, 14, 7 — 15, 32 wesentlich dem Memorabilienbuch ent-
lehnt, aus dem auch noch weiterhin einige mehr oder minder sichere
Spuren sich finden 2. Für einen sehr grossen Theil setzt die Ueber-
einstimmung mit Solinus die Herkunft ausser Zweifel; von dem, was
dieser nicht hat, kehrt einiges bei Plinius wieder, und zwar in so
enger Anlehnung an die solinischen Excerpte, dass es mit grosser
\Yahrscheinlichkeit auf die diesen zu Grunde liegende Chorographie
zurückgeführt werden kann^. Was weder bei Plinius noch bei
Solinus steht, ist den solinischen Einlagen in dem Pliniusauszuge
632 durchaus gleichartig*; auf die vollständigere Chorographie lässt sich
davon mit ziemlicher Sicherheit die folgende Angabe zurückführen.
Plinius 5, 9, 54: 1 Solinus 32, 7:
(Niliis) vectus ... ad\ (Nilus) cum primum oc-
loeum Aethiopum qui Cata- I cursantibus scopiüis aspe-
dupi vocunttir , novissimo j ratur, tantis agtninibus ex-
catarracte inter occursantes
scopulos non fluere immenso
fragore creditur, sed ruere.
tollitur inter obiecta rupium,
ut ruere potius quam manare
credatur, demumque a ca-
tarracte ultimo tutus est.
Ammianus 22, 15, 9:
(Nilus) ad catarractas id
est pmeruptos scopulos venit,
e quibus xjraecipitans ruit
potius quam flult: unde
Atos olim acrotas usu au-
rium fragore adsiduo demi-
nuto necessitasvertere solum
ad quietiora coegit.
1) So ist Gellius 7, 17, 3 sachlich die Quelle von 22, 16, 13, welcher selben
Stelle anderswo Ammian die Phrase opera consulta entlehnt hat (Hertz im
Hermes 8, 279. 285). Der ganze Schlangenknäuel 22, 15, 27 ist aus Lucan 9, 700 f.
entlehnt, nur dass der Grieche den iacuU Z. 720 die acontiae substituirt hat,
und nach Valesius feiner Bemerkung die Notiz über die Aspis ein Missverständ-
niss ist von Z. 704.
2) Der Anfang der Beschreibung von Alexandreia ist sicher daraus ge-
nommen, da er vielfach wörtlich mit Solinus 82,41. 43 stimmt. Die Anekdote
über Dinokrates lehnt so eng sich an, dass sie auch wohl ein von Solinus weg-
gelassener Zusatz der plinianischen Chorographie ist; allerdings konnte Ammian
sie auch aus Valerius Maximus 1, 4 ext. 1 entnehmen. Minder sicher ist die
gleiche Herkunft der Ursprungsgeschichte von Kyrene 22, 16, 4, Pelusion 22, 16, 3,
Kanopos 22, 16, 14. Die Notiz über den kasischen Berg 22, 16, 8 stimmt mit
Solinus 34, 1.
3) Dahin gehören die Aufzählung der Nilmündungeu 22, 15, 10 = Plinius
5, 9, 64, während Solinus 32, 8 nur allgemein der sieben Arme gedenkt ; die
Erwähnung der 100 Tage der Nilschwelle 22, 15, 12 = Plinius 5, 9, 57, die bei
Solinus in der sonst genau entsprechenden Schilderung fehlt. Der bei Solinus
fehlende Bericht über das Schatten werfen in Aegypten 22, 15, 31 = Plinius
2, 73, 183 ist um so sicherer aus Plinius geflossen, als der Auszugmacher ofi'enbar
die Worte XC dies . ... in Meroe unrichtig mit einander verband.
4) Dies sind die Erwähnung des Sonnenstiers Mneuis 22, 14, 7 (vgl. Plinius
36, 8, 65); die Angabe über die Dauer der Etesien und ihre prodromi 22, 15, 7
Ammians Geographica. 421
Die Taubheit der Anwohner der Katarrakten erwähnen Cicero
somn. Scip. 5. 2 und Plinius h. n. 6, 29, ISl, die Auswanderung fast
mit denselben Worten wie Ammian Seneca nat. quaest. 4, 2. 5 (vgl.
epist. 56. 3): (strepiUim) j)erferye geiis ibi a Pcrsis collocata non potuit
obttisis adsiduo fragore aurihus et oh hoc sedibus ad quietiora trans-
latis; aber den Xamen des Volkes ^ nennt ausser Ammian niemand.
Diese ofiFenbar gleich den solinischen Additamenten auf recht alte
Quellen zurückgehende Nachricht kann Ammian weder aus Solinus
noch aus Plinius genommen haben; imd doch lehnt sie sich, eben
wie die solinischen Zusätze, auf das engste an Plinius an. Hier
scheint keine andere Herleitung statthaft als die aus einer über
Solinus hinausreichenden vollständigeren plinianischen Chorographie.
In der Beschreibung der Diöcese Oriens kann nur eine Angabe,
die bei Solinus wiederkehrende Gründung von Tarsos durch die
Danae (14, S, 3), mit Sicherheit auf das Memorabilienbuch zurück-
geführt werden. Was sich sonst, abgesehen von einigen auch ohne
litterarisches Material herstellbaren Angaben, noch findet, die zweite
Gründungssage von Tarsos durch Sandan (14, S, 3), die sonst nirgends
erscheint, diejenigen von Anazarbos und Mopsuestia (a. a. O.). endlich
die Meldung über den Zeus- und den Aphroditecult auf Kypros^,
kann ebendaher rühren, aber mindestens mit gleichem Recht für
den Periplus in Anspruch genommen werden. Woher die Angabe
kommt, dass Kypros aus eigenen Ei-zeugnissen ein Seeschiff aus- 633
rüsten könne, weiss ich nicht ^. Dass die Beschreibung des Perser-
reichs oder vielmehr des nicht römischen Ostens im Wesentlichen
ein Auszug aus dem sechsten Buch des Ptolemaeos ist mit Ein-
setzung einiger der griechischen Quelle entnommenen Nachrichten,
ist früher ausgeführt worden; es ist dies wohl der geringhaltigste
(verwandt mit Plinius 2, 47, 123. 124, aber nicht darauf zurückzuführen, wie ich
in der Einleitung zum Solinus p, XXVII [auch ed. 2 p. XXII] aus Versehen
gethan habe); die über Aegyptens siebzigfältige Frucht 22, 15, 13 (vgl. Plinius
18, 10, 95); die Nennung der ävTiaxioi 22, 15, 31, die Plinius nicht hat.
1) Wesselings Vermuthung, dass Aetos zu lesen sei, weil der Nil asrög
genannt werde, ist nicht plausibel. Eher könnte man an aoto$ denken.
2) 14, 8, 14. Am nächsten verwandt ist Tacitus ann. 3, 62; der salaminische
Zeus kommt nicht häufig vor.
3) Ihre von Valesius nachgewiesene Wiederkehr bei dem gothofredischen
Anonymus (c. 63 p. 527 Müller) legt, in Verbindung mit einigen anderen in der
Beschreibung von Trier und Alexandria hervortretenden Uebereinstimmungen
(nachgewiesen von Gardtbausen S. 537), die Frage nahe, ob deren Verfasser den
Ammian gekannt hat. Das Werk Ammians, von Cassiodor ausgeschrieben und
als Stilmuster nachgeahmt, von Priscian citirt, muss grossen Erfolg gehabt haben.
422 Ammians Geographica.
Abschnitt der ganzen Schrift. Aus eigener Kunde ist neben manchen
Einzelheiten ^ die Schilderung der Perser am Schluss (23, 6, 75 — 84),
so wie die der Magier (32 — 36) wenigstens grossentheils genommen,
obwohl darin auch litterarische Reminiscenzen eine bedeutende Rolle
spielen. Anderes (c. 24) ist Reminiscenz aus früheren Büchern.
Aber auch die Memorabilien haben ihren Theil geliefert: was
Ammian sagt über das medische Oel'^, über die hyrkanischen Tiger ^
und die baktrischen Kamele*, über die serische Seide (c. 67. 68),
über die Perlen (c. 85—88), ist daraus genommen. Uebrig bleibt
eine Ausführung unbestimmter Herkunft über hitumen und naphta
und über Bodendämpfe ^.
634 Endlich sind in die Schilderung der Hunnen und Alanen, welche
der Schriftsteller, so weit er dies überhaupt vermag, nach eigener
Anschauung giebt, aus einer auch anderweitig (22, 8, 31) von ihm
benutzten Stelle der Chorographie einige Nachrichten über die sagen-
haften skythischen Yölker (31,2, 14. 15) eingefiochten worden. Dass
diese etwas vollständiger darin standen als wir sie jetzt bei Solinus
lesen, ist anderswo ausgeführt worden^.
1) So die vitaxae 23, 6, 14; die Flüsse ia Adiabene quos ipsi transmmus
c. 21; die nesäischen Rosse c. 30; vielleicht auch die Mittheilungea über die
Entstehung von Ktesiphon c. 23.
2) 23, 6, 37. 38 = Solinus 21, 4. Aus Versehen führt Gardthausen (eoni.
p. 36, geogr. Quellen S. 552) diese Stelle auf Sallust bist. 4, 54 Dietsch [IV 61 M.]
zurück.
8) c. 50, weitläuftige Umschreibung der Worte Solins 17, 4: Hyrcani . . .
gens silvis aspera, copiosa inmanibus feris, feta tigribus.
4) Ammians (23, 6, 56) cameli a Mithridate exlnde (von den Baktriern) per-
ducti et primitus in obsidione Cyzicena visa Romanis gehen zurück auf Solins
Worte 49, 9: Bactri camelos fortissimos habent. Dass die Eömer die Kamele
zuerst bei der Belagerung von Kyzikos gesehen haben, rührt von Sallust her
(bist. fr. 3, 29 Dietsch [III 42 M.]), wie Gardthausen S. 550 nachweist; warum es
nicht von Ammian aus eigener Leetüre der Historien beigesetzt sein kann
(ders. a. a. 0.), sehe ich nicht ein.
5) 23, 6, 15-18. Gardthausen coni. p. 36 denkt hier c. 15. 16 an Sallustius,
der allerdings darüber gehandelt hat (bist. 4, 54 [IV 61 M.]), für c. 17—19 an
einen Paradoxographen (geogr. Quelle S. 520). C. 19 stammt augenscheinlich
aus Philostratos vita Apoll. 1, 4; aber dass Ammian selbst es diesem entlehnt
hat, ist desswegen nicht recht wahrscheinlich, weil der ganze Abschnitt auf
einen Gewährsmann zurückzugehen scheint. Gehört diesem auch die Anführung
aus dem Philostratos, so lebte er nicht vor dem dritten Jahrhundert-
6) praef. ad Solinum p. XXIV [= ed. 2 p. XXI , unverändert]. Ich würde
freilich jetzt, nachdem ich Ammians redactionelles Verfahren genauer untersucht
habe, kein Gewicht mehr darauf legen, dass er von den Neuren 31, 2, 14 wesent-
Animians Geographica. 423
Ich fasse das Ergebniss dieser Untersuchungen zusammen. Es
ist richtig, was Gardthausen sagt, dass Ammians geographische Ab-
schnitte schematisch gearbeitet sind ; ja man wird hinzusetzen dürfen,
dass es wahrscheinlich die Absicht des Historikers war eine nach
diesem Schema gearbeitete Beschreibung der gesammten bewohnten
Erde, an die passenden Orte vertheilt. seinem Geschichtswerk ein-
zufügen. Aber die schematische Geographie, die nach Gardthausens
Hypothese Ammian hiebei zu Gmnde gelegt haben soll, hat nie
existirt^. Tielmehr hat Ammian zur Grundlage seiner Arbeit für
das römische Reich dessen officielle Districts- und StadtHste, für
das Ausland die analogen ptolemaeischen Listen genommen und
aus dem chorographisch geordneten Geschichtswerk des Rufius
Festus die historischen Xotizen, aus den ebenfalls chorographisch
geordneten plinisch-solinischen Memorabilien die Merkwürdigkeiten
hinzugefügt. Ausserdem hat er eine oder mehrere griechische Orts-
beschreibungen in einzelnen Abschnitten hinzugezogen benutzt [so!]; es
ist hauptsächlich der Einwirkung der letztgenannten Quelle zuzu-
schreiben, dass der Yerfasser sein Schema theilweise selber bei
Seite gesetzt hat. Endlich begegnen zahlreiche sachliche Ent- 635
lehnungen mehr vereinzelter Art, nachweisHch aus Caesar, Sallustius,
Livius. Wenn dieser Arbeitsplan von Ueberlegung und Belesenheit
zeugt, so tritt in der Ausführung nicht bloss eine arge Fahrlässigkeit
zu Tage, sondern auch das Bemühen durch leere Worte die mangelnde
Kunde zu verdecken und ein scheinhaftes Bescheidwissen an allen
Orten und von allen Dingen dem Leser vorzuführen, welches bei
ernstlicher Prüfung vielmehr sich darstellt als eine ebenso unzu-
längliche wie dreiste Uebertünchung der eigenen Unkenntniss. Das
eitle Bemühen um Allwissenheit, wie es der Fluch aller encyclopädischen
Bildung ist und vor allem der Fluch jener unseligen, auch auf dem
geistigen Gebiet in der Trümmerwelt einer grössern Vergangenheit
kümmerlich hausenden Generationen war, zeigt sich bei Ammian
nicht bloss auf diesem Gebiet; seine übrigen Excurse über die
Orakel und allerlei andere religiöse Begriffe, über Regenbogen,
lieh anders berichtet als Solinus. Aber mehr Gewicht hat die Erwähnung der
Budiner (denn nur diese können in den Vidini stecken) und der Melanchlaenen,
die bei Solinus fehlen, nicht aber in den verwandten Stellen des Mela (1, 116.
2, 14) und des Plinius) 4, 12, 88. 6, 5, 15).
1) Kein geographisches Buch aus dem Alterthum entspricht dem ammia-
nischen Schema. Die unter dem Namen des lunior laufende Provinzial-
beschreibung sieht von der Historie gänzlich ab, berücksichtigt dagegen den
Standpunkt des Kaufmanns.
424 Ammians Geographica.
Kometen, Finsternisse, Jahrschaltung, Erdbeben, Palmenzucht, Hiero-
glyphen und so weiter steigern noch jeder in seiner eigenen Unzu-
länglichkeit die schon so dunklen Schatten; und zu dem allen
kommt die Hoffart des Griechen statt seiner eigenen vielmehr die
vornehme Sprache des Hofes und des Reiches zu reden, die der
Schriftsteller trotz eifrigster phraseologischer Beflissenheit dennoch
zu handhaben nie vermocht hat^. Mchts desto weniger bleibt uns
Ammianus auf seinem eigentlichen Gebiet was er uns war, ein
ehrenhafter frei und hoch denkender Mann und ein scharfer und
dennoch liebevoller Kündiger des menschlichen Herzens, besser
geeignet höfische Nichtswürdigkeit zu durchschauen als in die In-
dividualität andersartiger Völker sich hineinzudenken, aber mit allen
636 seinen nicht geringen Unzulänglichkeiten und Fehlern dennoch weit-
aus der beste Geschichtschreiber einer ebenso tief versunkenen wie
höchst bedeutsamen Epoche der Weltgeschichte.
Ich möchte noch einen Rathschlag hinzufügen in Betreff dieser
Stücke des ammianischen Werkes. Die Untersuchung, die ich hier
angestellt habe, hat mir in erschreckender Weise den Missbrauch
gezeigt, der mit ammianischen Nachrichten in den geographischen
Handbüchern getrieben wird; hunderte von Namen, die Ammian
aus Ptolemaeos abgeschrieben hat, laufen in ihnen um und gehören
einfach vor die Thüre. Freilich zeigte sie mir nicht minder die
Entschuldbarkeit dieses Missbrauchs. Wer jemals geographische
Nachrichten zusammengestellt hat, weiss aus Erfahrung, wie unmög-
lich es ist in jedem einzelnen Falle dem einzelnen Zeugniss die-
jenige Stelle zuzuweisen, die ihm in der That zukommt. Wir
brauchen eine Bearbeitung dieser Abschnitte, welche, so weit dies
möglich ist — und in weitem Umfang ist es möglich — einer jeden
Angabe das Ursprungszeugniss beisetzt. Innerhalb einer Ausgabe
1) Bei aller Dankbarkeit für den Einblick in die stilistische Eigenart
Ammians, den Hertzs gelehrte und lehrreiche Untersuchungen mir eröffnet haben,
möchte ich doch ihm auf dem Wege nicht folgen, dass in diesen Reminiscenzen
System und Tendenz steckt. Mir scheint seine Sprache die eines Fremden, der
das Lateinische vielleicht spät erlernend mit fertig empfangenen und angelernten,
oft auch missbrauchten Phrasen operirt; wobei es sich von selbst ergiebt, dass er
diese meistens für ganz andere Zwecke verwendet als wofür sie ursprünglich
dienten. Das Register seiner gellianischen Phrasen, wie es Hertz, gewiss im
wesentlichen richtig, geliefert hat, würde ohne Zweifel nicht bloss seine da-
maligen Leser, sondern ihn selbst in hohem Grade überrascht haben; ebenso
wie wir, wenn wir unser sogenanntes Latein schreiben, gar nicht wünschen
können unsern Stil in einem ähnlichen Präparat in seiner ünfreiwilligkeit zu
begreifen.
Ammians Geographica. 425
des Geschichtswerks ist das nicht füglich auszuführen; aber in den
Sammlungen der kleinen lateinischen Geographen würde ein Abdruck
dieser Abschnitte mit Hinzufügung der erforderlichen leicht in Xoten-
form zu bringenden Xachweisungen mehr Nutzen stiften als die
Wiederholung längst bekannter einzeln überlieferter Stücke. Mit
diesem Apparat in der Hand würde es bei jeder geographischen
Untersuchung leicht sein die werthlose Spreu zu entfernen und würden
andrerseits die brauchbaren Xachrichten, an denen es auch nicht
fehlt, in ihrem ATerth besser zur Geltung kommen.
XLIV.
Bemerkungen zu einzelnen Stellen Ammians.*)
16,11,4. Die Laeti erscheinen nur an dieser Stelle als auf
dem rechten Rheinufer wohnende Germanen, nicht, wie sonst, auch
bei Ammian selbst bald nachher, als in Gallien angesiedelte und
zum Theil daselbst geborene germanische Mannschaften,**) Die
Yermuthung liegt nahe, zumal bei der abenteuerlichen Beschaffenheit
dieses gegen die Hauptstadt Galliens gewagten Handstreichs, dass
auch diese Laeten germanische Zwangscolonisten sind, die sich gegen
die Römer auflehnen und mit den Waffen die Rückkehr in die
Heimath erzwingen.
22, 12, 8 docerentur deumque (fehlt cod. F) adfatus circumhumata
Corpora statuit exinde transferre. Dies geht auf die von Sozomenus
5, 19 berichtete Ansprache Julians an die bei Daphne verehrte
Gottheit, wo diese ihm auf seine Fragen zur Antwort gibt, dass die
Gräber sie am Orakelspenden hinderten, so dass adfatus sicher richtig
*) [Ungedruckt; der Titel vom Herausgeber hinzugefügt. In Mommsens
Nachlaß fanden sich, außer einer angefangenen Untersuchung über Ammians
Chronologie, über die Seeck Hermes XLI 1906 S. 481 berichtet hat, zahlreiche
Bemerkungen zürn Text desselben Schriftstellers, die, soweit sie sich auf Ver-
besserungsvorschläge beschränken, in der in Vorbereitung befindlichen neuen
Ausgabe des Ammianus von Clark Verwendung finden werden. Von den übrigen
wird hier nur eine Auswahl gegeben, da einige durch Seecks angeführten Aufsatz,
mehrere durch Mommsens eigene Auseinandersetzungen über das „römische Heer-
meisteramt" (Hermes XXXVI 1901 S. 531 ff. = Ges. Sehr. 4, 5545 fi".) und „Sallustius-
Salutius" (Hermes XXXVII 1902 S. 443 ff; wird in den epigraphischen Schriften
zum Abdruck gelangen) erledigt waren und es bei anderen zweifelhaft schien,
ob Mommsen sie ohne wesentliche Veränderung veröffentlicht haben würde.
Kleine stilistische Härten würde er auch in den oben abgedruckten Bemerkungen
vermutlich beseitigt haben. — In Mommsens Nachlaß fand sich außerdem ein
alphabetisch geordnetes Notizbuch mit vielen noch unverarbeiteten sprachlichen
und sachlichen Bemerkungen zu Ammianus, ein weiterer Beweis für das be-
sonders lebhafte Interesse, das er vor allem in seinen letzten Jahren an diesem
Schriftsteller nahm.]
**) [S. Mommsen Hermes 24, 1889, S. 252; A. Müller Philol. 64, 1905, S. 583.]
Bemerkungen zu einzelnen Stellen Ammians. 427
ist. Ob bloss deiimque fehlt oder, wie wahrscheinlich, noch weiteres,
ist nicht zu entscheiden, üebrigens ist die Erzählung bei Sozomenus
verchristlicht ; während nach der älteren (auch bei Sozomenus noch
durchscheinenden Erzählung) der Gott nur die Entfernung der
Gräber verlangt und der Kaiser dem entsprechend den Ort reinigt,
bezieht nach dem christlichen Historiker der Kaiser den Befehl des
Orakels auf die Beseitigung des Grabes des christlichen Märtyrers
Babylas.
23, 5, 15 fracto (praetor cod. V) igitur, ut ante diximus, ponte
cumtisqiie (man erwartet cunctis) transgressis. Gemeint sein kann
nur die nach 23, 5, 4. 5 bei Circesium über den Aboras geschlagene
und dann auf den Befehl des Kaisers aufgelöste Schiffbrücke. Die
Erzählung ist aber insofern verwirrt (wie dies nach Andern Sudhaus*)
p. 19 fg. richtig hervorgehoben hat, mit Unrecht aber den Text
verdächrigend), als c. 5. 15 — 25 sich an c. 5, 5 anschliesst und stehen
sollte vor c. 5. 6 — 14, dem Aufbruch von Circesium nach Zaitha
sowie dem Abmarsch nebst den dazu gehörigen Anekdoten und
Wundergeschichten. Dadurch ist die Ansprache Julians, die auch
bei Zosimus 3, 13, 3 erwähnt wird, also schon in der gemeinschaft-
lichen Quelle stand, und die nothwendig bei dem Eintritt in das
Feindesland (24, 1, 1) gehalten sein muss, verschoben, während sie
sich an den Uebergang über den Aboras anschliessen imd dann
der Bericht 23, 5, S mit 24, 1, 5 zusammenschliessen sollte. Dies
ist kein Versehen Ammians, sondern rhetorische Mache, veranlasst
durch seine Liebhaberei für Anbringung historischer Rerainiscenzen.
Das Grab des Kaisers Gordian, das in der julianischen Allocution
erscheint (23, 5, 17), befand sich jenseits von Circesium unweit Dura
(Zosimus 3, 14, 2) und um dies in der Rede anzubringen, musste
der Standort verschoben werden.
24, 2, 6. Lucillianus, welcher hier zuletzt und ebenso bei
Zosimus zuletzt 3, 12, 2 als einer der Führer in dem persischen
Feldzug erscheint, erscheint einige Monate später 25, S, 9 als ver-
abschiedet und in seiner Heimath Sirmium verweilend. Die Richtig-
keit beider Angaben vorausgesetzt, an der zu zweifeln kein besonderer
Grund vorliegt, hat Ammian die wahrscheinlich in Ungnade erfolgte
Entlassung dieses hohen Offiziers zu berichten vergessen. Zosimus
(3, 35, 1) lässt den Lucillianus erst nach JuUans Tode nach dem
Westen abgehen; doch scheint der detaillirtere Bericht Ammians
*) [Zosimi et Ammiani de hello a luliano cum Persis gesto reiationes. Diss.
Bonn. 1870.]
428 Bemerkungen zu einzelnen Stelleu Ammians.
correcter. — Dass die Kriegführung Julians in ihrem letzten Abschnitt,
insbesondere der Flussübergang, bei den Offizieren des Kaisers
lebhaften Widerspruch fand, berichten die Geschichtsschreiber (Zos.
3, 25, 1 , abgeschwächt Amm. 24, 6, 4) ; Libanius in der Grabrede
(p. 606 [18, 250 vol. II p. 345 Foerster]) berichtet, dass, als der
Kaiser im Kriegsrath seinen Plan den Tigris zu überschreiten ent-
wickelte, die Uebrigen schwiegen, ein Mann aber, vcp cd . . f]v r^g
dvvdjuecog rö jiXeov, entschieden widersprach, der Kaiser aber bei
seiner Meinung blieb und einen andern Mann (einsetzte; der Text
ist hier lückenhaft).*) Dies kann recht wohl Lucillianus gewesen
sein.**)
24, 2, 7. Der entsprechende Bericht bei Zosimus 3, 16, 1 zeigt,
dass Ammianus diesem Euphratkanal mit Unrecht die Benennung
Naarmalcha beilegt, die vielmehr dem später 24, 6, 1 an der richtigen
Stelle unter gleichem Namen von ihm erwähnten zukommt. Die
geographische Notiz 23, 6, 25 hat er zweimal und zuerst an der
falschen Stelle wiederholt.***)
24 , 6 , 3 in agro consedimus opulento. In dieser Weise , als
habe er selbst den Feldzug mitgemacht, erzählt Ammian durchaus,
nirgends aber deutet er auch nur an, in welcher Stellung er sich
befunden und was ihn persönlich betroffen hat. Yergleicht man
damit seine Erzählung der Belagerung von Amida, bei welcher er
wirklich im Sattel gesessen hat, so erscheint seine eigene Betheiligung
in hohem Grade zweifelhaft. Dass ihm überall ein geschriebener
Bericht vorgelegen hat, ist evident,
24, 6, 5. Bewusste Entstellung der ihm vorliegenden Ueber-
lieferung zur Yerherrlichung seines Helden Julians liegt vor bei
dem Uebergang der Flotte über den Kanal. Bei Zosimus (3, 25, 2),
der dieselbe Quelle ungetrübt wiedergibt, sendet der Kaiser zur
Recognoscirung zwei (bei Ammian fünf) Schiffe vorauf, welche sofort
von den Persern in Brand geschossen werden. Der Kaiser gibt
seinen Truppen an, es sei dies das als Zeichen des gelungenen
Uebergangs verabredete Feuerzeichen und sendet die ganze Flotte
nach, die in der That das andre Ufer gewinnt und auch jener
beiden *halb verbrannten" Fahrzeuge sich wieder bemächtigt und
einen Theil der Mannschaften rettet. Ammian berichtet dieselbe
Kriegslist, bei ihm aber wird der Brand der recognoscirenden
*) [Die Lücke wird von Reiske und Foerster an einer etwas späteren
Stelle angenommen.]
**) [Eine andre Vermuthung bei Sudhaus S. 78].
***) [Vgl. Sudhaus a. a. 0. p. 38.]
Bemerkungen zu einzelnen Stellen Ammians. 429
Fahrzeuge verschwiegen : 'sie wären verloren, wenn die Flotte nicht
Hülfe gebracht hätte'. Die Entstellung ist eine leichte, aber doch
eine Entstellung.
24, 7. Ammians Bericht über das Verbrennen der Schiflfe wider-
spricht sich, insofern die zwölf übrig bleibenden zunächst bezeichnet
werden als von dem Verbrennen ausgenommen, dann als aus dem
Brande gerettet; die Schlusswendung, quae ut possint custodiri
servatae sunt zeigt nur die Verlegenheit des Schreibers. Was er
über die infausti ductores [24, 7, 3] und die perfugae [5] sagt, ist
aus sich selbst nicht verständlich; anderweitig aber wird vielfach
der Schiffsbrand auf eine vielfach variirende persische Kriegslist
zurückgeführt (Sievers Studien S. 256 aus Zonaras 13, 13). Zosimus
3, 26, 3 berichtet die Verbrennung der Schiffe mit abweichenden
Zahlen; von den falschen Ueberläufern spricht er nicht. Ammian
scheint hier verschiedene Berichte combinirt zu haben.
26. 4, 6. 27, 12, l. Ammian hat hier vergessen, dass seinem
eigenen Bericht zufolge (25, 7, 12) Tortianus im Friedensvertrag
Armenien den Persern preisgegeben hatte, während hier das Ver-
hältniss so gefasst wird, dass der von Tortianus den Armeniern aus-
gewirkte Schutzvertrag durch den Tod des Kaisers hinfällig geworden
sei. Dass über dessen Inhalt, da er nicht schriftlich geschlossen
war, Zweifel entstanden, deutet Ammian 30, 2, 3 an.
26, 7, 14. Frocopius Calchedone eijressus (procopkis aniicea
regresstis V). Procopius ITebergang nach Asien kann nicht wohl
anderswohin gegangen sein als nach Kalchedon. das sogleich (26, 8, 2)
genannt wird als in der Gewalt des Procopius. Die gewöhnliche
Lesung a Nicaea regressus ist sinnlos : Nicaea wird erst später 28, 8, 1
besetzt und zwar vom anderen Ufer aus.
XLV.
Zu Ammian und Ennodius.*)
153 In der Schilderung der Stadt Rom spricht Ammian 14, 6, 20
von den 3000 Tänzerinnen daselbst, quibus, si nupsissent, per aetatem
ter iam nixus poterat suppetere liberorum. Für die Möglichkeit drei
Kinder zu haben die Möglichkeit zu setzen dreimal die Geburt von
Kindern leisten zu können, ist auch bei diesem Schriftsteller uner-
träglich und Yalesius Vorschlag, nidtis zu setzen, ist keine Ver-
besserung. Die Handschrift hat nixius; Ammian schrieb: quibus,
si nupsissent, per aetatem ter iam nixis itis poterat suppetere liberorum.
Theodosius, der Vater des späteren Kaisers, ward nach dem-
•selben 28, 3, 9 in Gallien im J. 369 an des Jovinus Stelle zum
magister equitum ernannt: in locum Valentis lovhii successit, qui
equorum cojnas tuebattir. Valens Jovinus ist ein seltsamer Name
und Jovinus, sehr oft vorher erwähnt, heisst sonst nirgends so. Die
Handschrift hat utlentis; Ammian schrieb: in locum ut Jenti lov'mi
successit.
Valentinian," lesen wir bei Ammian in der zusammenfassenden
Schilderung 30, 7, 5, impteritare exorsus arces prope flumina sitas et
urbes et Gallias petit Alemannicis patentes excursibus reviviscentibus
crectius cognito principis luliani interitu. Die Schuld dieser stam-
melnden Rede trägt nicht der Schriftsteller; die seltsame Marsch-
zieldreiheit der Flusscastelle, der Städte und Galliens haben erst die
Herausgeber entwickelt aus der corrupten Ueberlieferung exorsus
ut arces p. fl. s. et turbines et Gallias. Vermuthlich ist die Stelle
lückenhaft und dem Sinne nach zu schreiben: ut arces prope flumina
154 sitas et turbines (barbarorum frenantes def ender) et, Gallias petit. Ein
Wort wie turbines darf bei diesem Schriftsteller nicht herauscorrigirt
werden.
") [Hermes 24, 1889, S. 153-154.]
Zu Ammian und Ennodius. 431
Epijihanüis, sagt Ennodius in dessen Lebensbeschreibung (c. 7
Togel), oriundo Ticmensis oppidi indigetm fuit, patre Mauro generattis
et matre Focaria editiis. Dies sollen die ^N'amen der Eltern sein;
aber der weibliche ist als Eigenname mir nicht vorgekommen und
auch Maunis als solcher keineswegs geläufig. Es soll wohl gesagt
sein, dass er ein Soldatenkind war. Focaria bezeichnet in den
Rechtsbüchern (cod. lust. 5, 16, 2 vom J. 213; 6, 46, 3 vom J. 215)
bekanntlich die Frau, mit welcher der vom Heirathen ausgeschlossene
Soldat zusammenlebt, ohne dass mit dem Wort ein schimpflicher
Nebenbegriff sich verknüpft. Abtheilungen der Mauri führt zum
Beispiel die Notitia eine ganze Reihe auf.
Ebendaselbst c. 79 heisst es: defuncto Urne Bicema'e vel Anthemio
successit Olyhrius. Ricimer war nicht Kaiser, sondern nur Kaiser-
macher; er substituirte dem Anthemius den Olybrius. Die Erzählung
ist schlicht und rührt von einem Zeitgenossen her; es ist unglaublich,
dass dieser den Ricimer als Kaiser bezeichnet und noch mehr, dass
er als dessen Nachfolger den Olybrius hingestellt haben soll. Ricemere
(vel) ist wohl eine in den Text gerathene Glosse. Ebenso wird bald
nachher c. 93: mediatias insidas Cycladas Lerum ipsamque ....
Lerinum adiit das widersinnige Cycladas nicht in Stoechadas zu
«orrigiren sein, sondern zu streichen.
Derselbe op. 458 (ep. 9, 30) feiert die Beseitigung des Schisma
zwischen Symmachus und Laurentius im Auftrag, wie man meint,
des Rhodanius; filius vester dmnnus Rodanitis exegit a me in usum
stili praesetitis erumpere. Als Eigenname ist auch diese Bezeichnung
seltsam; ohne Zweifel heisst es 'der Rhonesieger'. Theoderich selbst
ist gemeint, auf dessen Heersendung nach Gallien im J. 508 gleich
nachher angespielt wird: didicistis eins evenfus prosperos, quem videtis
secutam dum mandat hella victoriam. Also wird dieser Brief wenigstens
ein Jahr später geschrieben sein als er bisher angesetzt ward (Vogel
praef. p. XYI).
XLVI.
Eutropius Breviarium ab urbe condita.*)
468 In der schönen Gothaer Handschrift (n. 101) des neunten Jahr-
hunderts, welche ausser dem Rufius Festus und einem Theil der
Strategeme Frontins den echten Eutropius enthält und welche, wie
die Yergleichung unzweifelhaft herausgestellt hat, identisch ist mit
der von F. Sylburg verglichenen Handschrift von Fulda,**) ist zwar
dem Werke selbst wie in andern Handschriften vorgesetzt: incipit
hreviarius Eutropi und steht auch am Schluss nur: Eutropi Über X
explicit. Aber vollständiger wird der Titel am Schluss des ersten
Buches also angegeben: hreviarium ab urbe condita Hb x>rimus explicit,
incipit secundus und ebenso am Schluss des neunten: Eutropi bre-
viarium (zuerst stand breviarum) ab urbe condita liber Villi explicit
incipit X. Es wird wohl keines besonderen Nachweises dafür be-
dürfen, dass der — meines Wissens bisher für diese Schrift noch
nicht bekannte — Titel breviarium ab urbe condita der von dem
Urheber desselben gewählte ist. Eine Bestätigung gewährt dafür
noch Suidas, indem er unter den Schriften des Lydiers Capito er-
wähnt juerd(pQaoiv xf}g ejiirojufjg EvxQomov 'Pco/naioxl imis/növrog Äißiov
röv 'PcüjuaTov. Denn auch hienach muss Eutropius seine Arbeit nicht
als Auszug schlechtweg bezeichnet haben, sondern als Auszug aus
Livius, sei es nun, dass er dies indirect that, indem er sein Werk
, Auszug aus den Büchern ab urbe condita^ betitelte, oder dass der
volle Titel seines Abrisses gelautet hat breviarium T. Livii ab urbe
condita. — Also auch von Eutropius gilt, was ich in meiner Aus-
gabe der Chronik Cassiodors S. 551***) für die gesammte Behandlung
der Geschichte der Republik in der Kaiserzeit nachgewiesen habe,
*) [Hermes 1, 1866, S. 468,]
**) [Vgl. über die beiden Handschriften jetzt H. Droysen in seiner Ausgabe
des Eutropius (1879) S. II fF. und Mommsens Bemerkung daselbst S.XIV.]
***) [S. unten nr. LXIX.]
Eutropius Breviarium ab urbe condita. 433
dass all diese späteren Abrisse Auszüge aus Livius entweder waren
oder doch dafür galten. Dabei mag noch erwähnt werden, da es
vielfach übersehen worden ist, dass schon Malalas (1. 8 p. 211 Bonn.)
die Schrift des Florus als Auszug aus Livius anführt: y.a^cog 6
oocpdizoTog 0Äcooog vrce/uv7]judnoev ix rcbv Äißiov ovyyga/xfj.a.T(ov, also
deren Bezeichnung als epitoma de T.Livio, wenn nicht ursprünglich,
doch mindestens sehr alt ist.
MO>tMSE>-, SCHB. VII.
28
XLVII.
Zu der Origo gentis Romanae.*)
401 Die Zusätze, mit denen Paulus Diaconus am Ende des achten
Jahrhunderts das Breviarium des Eutropius ausgestattet hat, lassen
sich, so weit das letztere reicht, im Allgemeinen mit Leichtigkeit
und Sicherheit auf uns erhaltene Quellen, insbesondere die Chronik
des Hieronymus, die Geschichtsbücher des Orosius und Jordanis,
die sogenannte Epitome des Victor zurückführen^ und sind insofern
für uns ohne selbständigen Werth. Aber eine Ausnahme macht
in der Einleitung, auf die Paulus selbst in dem Brief an die
Adelperga hinweist als auf sein Werk (jmuIo superius ab einsdem
— des Eutrop — textu historiae narraüonem capiens), was dort über
die Ursprungsgeschichte Roms gesagt und nicht aus Hieronymus
abgeschrieben ist. Es scheint angemessen zunächst die wenigen
Notizen, um die es sich hier handelt, zusammenzustellen, da sie auch
für die Philologen von einigem Werthe sind und von denen, die sie
angehen, nicht beachtet worden zu sein scheinen. — Ich füge diesen
(unter lY Anm. YII. XI) die gleichartigen bei Paulus fehlenden, aber
bei Landolfus Sagax in der sogenannten Mstoria miscella erscheinen-
den Nachrichten hinzu. Derselbe hat bekanntlich um das J. 1000
den Paulus erweitert und zwar regelmässig in der Weise, dass er
die von Paulus dem Eutrop eingefügten Zusätze aus den ursprüng-
lichen Quellen weiter vermehrt. Es wird sich zeigen, dass auch er
*) [Hei-mes 12, 1877, S. 401— 408. Über das hier besprochene Verhältnis
der Origo zu Paulus hat Mommsen ausführlicher gehandelt in dem Aufsatz:
Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus, im Neuen Archiv
f. ältere deutsche Geschichtsforsch. V, 1880, S. 59 ff. Dieser Aufsatz wird im
3. Bande der Hist. Sehr, zum Abdruck kommen.]
1) Im Einzelnen ist dies kürzlich von H. Droysen geschehen in seiner Dar-
legung 'die Zusammensetzung der Historia Bomana des Paulus Diaconus' For-
schungen 15, 167 f.
Zu der Origo gentis Romanae. 435
Doch jenes Geschichtsbuch gekannt und Auszüge aus demselben dem
Paulus einverleibt hat.
I. Primus in Italia^ ut quibusdam placet, regnavit lanus. deinde
Saiumus, lovem filmm e Graecia fugiens, in civitate quae ex
eins nomine Saturnia dicta est, cuius ruinae hactenus cemuntur
in finibtis Tusciae liaud procul ab urbe. hie Satumus quia
in Italia luiuit, ab eins hfebra Latium appellata est. ipse 402
enim adhtic rüdes poptdos domos aedificare, terras incolere,
plantare vineas docuit atque humanis moribus vivere, cum
antea semiferi glanditim tantummodo aUm£ntis vitam susten-
tarent et aut in speluncis aut frondibus virgultisque cantextis
casulis habitarent. ipse etiam eis nummos aereos primus
instituit, pro quibus meritis ab indocili et rustica mtdtitudine
deus aj)pellatus est. Post hunc Picus eitis ßitcs, de quo fahu-
lose dicitur, quod a qtuxdam famosissima maga Circe 7iomine
ob contemptum eins amorem in avem sui nominis sit mutatus.
post hunc eius filius Fatinus, qui fuit pater Latini, cuius
mater Camientis Nicostrata creditur Latinas litteras reperisse.
n. (Latinus) Latinam linguam correxit et Latinos de suo nomine
appellavit.
m. Capta Troia Aeneas Veneris et Änchisae filius ad Ita-
liam venit cum Turno Bauni Tuscorum regis ßio
dimicans cum interemit eiusque sponsam Laviniam Latini regis
filiam in coniugium accepit, de cuius etiam notnitie Lavinium
oppidum, quod construxerat, appellavit.
lY. (Regnum suscepit Äscanius) qui et lulus, dusdem Aeneae ßius,
quem apud Troiam ex Creusa coniuge^ genuerat et secum in
Italiam veniens adduxerat.
V. (Capys Silvius) Capuam in Campania condidit.
YI. (Tiberinus Carpetiti ßius . .: ab huius nomine Tiberinus fluvius
dictus est) eo quod in eum decidens extinctus sit.
Yn. Zusatz von Landolfus: Dum Procas obisset, testamentum suum
duobus filiis suis Amulio et Numitori reliquit, ut unus pecu-
niam protinus, alter regnum susciperet. Amulius vero fratri
suo Numitori electionem dedit, quid desideraret, acciperet.
Numitor vero pecuniam tidit, Amulius autein regnum optinuit
et dum regnum optineret, consuluit deos responsum-
que est ei, quia ab stitpe fratris sui occideretur et regnum
perderet, statimque eum de regno expulit erant autem
1) Zusatz von Landolfus: filia JPriami regis.
28*
436 Zu der Origo gentis Romanae.
ei (Numitori) duo filii Sergestus et Rhea quae et llia dicta est.
metuens ergo Ämulius rex responsum, Sergestum ad venationem
secum duxit et cum in silva occidit^.
403 VIII. (Romulus condita civitate, quam a nomine suo Romam vocavit)
a qua et Bomanis nomen inditum est (Jiaec fere egit). condito
templo, quod asylum appellavit, pollicitus est cunctis ad eum
confugientihus inptmitatem; quam oh causam (uiuUitudinem
finitimorum) qui aliquam apud suos cives offensam contraxe-
rant, ad se confugientem (in civitatem recepit).
IX. (Romulus) mille etiam pugnatores delegit, quos a numero milites
appellavit.
X. Pepigere tarnen Romani^ cum Sahinis, quorum filias rapuerant,
amicitias adeo, ut Sahinorum rex Tatius pariter regnaret cum
Romulo Sahinique et Romani unus populus efßcerentur. quo
tempore Romani ad confirmandam coniunctionem nomina illo-
rum^ praeponebant nominibus et invicem Sahinis Romanorum;
et ex illo consuetudo tenuii, ut nemo Romanus sit dbsque jjrae-
nomine. propter hanc etiam societatem, cum Sahinorum more
Romulus hastam^ ferret, quae eorum lingua cyris appelldbatur,
Quirinus est dictus^.
XI. Den Tod des Romulus berichtet Paulus nach Eutrop und
Hieronymus; Landolf setzt hinzu, er sei gestorben VII hol.
Augusti und fulmine ictus.
Weiterhin begegnen analoge Zusätze nicht mehr. Dass den
oben mitgetheilten eine der uns erhaltenen origo gentis Romanae
verwandte ebenfalls auf Vergil oder vielmehr auf vergilianische
Schollen zurückgehende Schrift über die Anfänge Roms zu Grunde
liegt, hat G-. Bauch (über die hist. Romana des Paulus Diaconus.
Göttingen 1873. S. 14) beiläufig bemerkt, ohne auf den Gegenstand
weiter einzugehen. In der That aber ist das Yerhältniss dieser
Notizen zu der erhaltenen origo ein eigenartiges, das zu entwickeln
1) Paulus hat an dieser Stelle die aus Hieronymus geschöpften Worte:
Isti quoque Amulius suecedens eins (Procae) iunior filius regnavit annos XLIII:
Numitor Procae rq/is maior filius a fratre Amulio regno pulsus in agro mo vixit,
welche bei Landolf an die beiden mit Puncten bezeichneten Stellen vertheilt sind.
2) romanis die besten Hdschr. des Paulus.
3) suis schalten die geringeren Hdschr. des Paulus ein.
4) longam setzt Landolf hinzu.
5) Hieraus rührt wohl weiter her, dass die Worte des Hieronymus (Abr.
1274) : JRomani a Cwibus Quirites appellantur bei Paulus so wiedergegeben
werden: Romani vero sive a cyribus, id est hastis (longis setzt Landolf hinzuj sive
a Quirino Quirites nominari coeperunt.
Zu der Origo gentis Romanae. 437
der Mühe lohnt. Ich schicke vorauf, dass Paulus seine Quellen 404
regelmässig wörtlich wiedergiebt und wir auch hier dasselbe Yer-
hältniss werden voraussetzen dürfen.
I. Der Anfang stimmt fast -wörtlich mit der origo:
er. c. 1, 1: Primus in Italiam creditur venisse Sattirmis, ut etiam
Moronis (Aen. 8, 319) 3Iusa testatur his verhis
primus ab aetherio venit Saturmis OJympo
arma lovis fugiens
or. c. 1,3: Certum tarnen est priorem lanum in Italiam devenisse.
Ton der Gründung Saturnias spricht die Origo 3, 1 und 4, 5.
aber wenigstens an der ersten Stelle ist die Fabelstadt auf dem
capitolinischen Berge gemeint (Schwegler 1, 213). Als Gründer der
noch heute unter gleichem Namen bestehenden Stadt Etruriens wird
Saturnus in unseren Quellen so ausdrücklich wie hier nirgends be-
zeichnet, obwohl wahrscheinlich TertulHan (apolog. 10: civitas quam
depalaverat Saturnia usque nunc est) und wohl auch Solinus 2, 4
[S. 32, 2 ed. 2] die Tuskerstadt im Sinne haben und überhaupt es
nicht bezweifelt werden kann, dass in der voll ausgeführten Saturnus-
legende auch sie ihren Platz gefunden hat.
Die Herleitung des Namens Latium von Saturnus Yersteck und
die Sittenbildung der eichelnessenden Barbaren stammt wieder aus
der oben angeführten Stelle des Yergilius und den Scholien dazu,
die die Origo c. 3 ähnlich wiedergiebt. Auffallend aber sind die
Angaben über die Einführung des Geldes. Diese führt die Legende
einstimmig auf Janus zurück, und sie konnte nicht anders erzählen,
da ja der As den Januskopf trägt. Dem Saturnus wird daran nur
insofern ein Antheil beigelegt, als nach der gangbaren Erzählung
Janus das Schiff auf die Münze gesetzt haben soll in Erinnerung an
den über das Meer nach Italien gelangten Saturnus (Plutarch q, R. 41:
d)g Ol TioXXoi Xsyovoiv; Ovidius fast. 1, 233; Macrobius sat, 1, 7, 22),
während eine andere Yersion (Plutarch a. a. O,; Athenäos 15, 46
p, 692) den Saturnus ganz beseitigt und den Janus zum Erfinder
des Schiffes macht oder auch ihn wegen seiner eigenen Einwande-
rung nach Italien das Schiff auf seine Münze setzen lässt (Plutarch
a. a. 0.; Scholien zur Aen. 8, 357). "Wenn es nun in unserer Origo 3, 4
heisst: is tum etiam usum signandi aeris ac mmietae in formam
incutiendae oste^idisse traditur, in quam ab una parte caput eiiis
imprimerettir, altera navis, qua vectus illo erat, so stellt sich diese
Erzählung offenbar zu der letzten Yersion. die ja auch die ihrer 405
Quelle, der Yergilcommentare ist; und es kann der erste Concipient
438 Zu der Origo gentis Romanae.
dieser Worte bei dem iste nur an den Janus gedacht haben, dessen
Kopf die Münze trug. Aber in dem Zusammenhang, in dem diese
Stelle in der Origo auftritt, muss iste vielmehr auf Saturnus bezogen
werden, sei es nun, dass der Schreiber seine Vorlage missverstanden,
sei es, dass er selber die Angabe richtig bezogen und sich nur, wie
oftmals, im Ausdruck verwirrt hat. Wenn nun Paulus geradezu von
Saturnus sagt: ipse etiam eis nummos aereos primus insfituit, so ist
es evident, dass dies der Origo eigenthümliche Yersehen in seinen
Bericht übergegangen ist, das heisst, dass er keine andere Quelle
als eben die Origo benutzt hat.
Die Erzählung vom Picus und dessen Verwandlung in einen
Vogel durch die Zauberin Circo, deren Liebe er verschmäht hatte,
stammt aus den Schollen zur Aeneis 7, 190 (vgl. Schwegler 1, 214);
in der Origo wird Picus nur kurz genannt (4, 3) und dies nicht berichtet.
Pannus ist der Vater des Latinus nach der gemeinen auch bei
Vergilius 7, 47 auftretenden Erzählung. Als Mutter des Latinus
dagegen erscheint bei diesem die Nymphe Marica (vgl. Schwegler
1, 215); die Carmentis gilt bekanntlich vielmehr als Mutter des
Euander (Schwegler 1, 358) und sie ist dies auch in der Origo
5, 1, so dass hier Paulus Confusion gemacht zu haben scheint. Die
Angabe, dass die Carmentis Nicostrata das lateinische Alphabet er-
funden habe, kehrt so nirgends wieder, schliesst sich aber am
engsten an die Origo 5, 2 an, wo die erst Carmenta, dann Nicostrata
genannte Mutter des Euander (die Namen haben auch Plutarch
q. R. 56 und Rom. 21 ; Strabo 5, 3, 3 p. 230; Schollen zur Aen. 8, 51.
130. 336) als litterarum peritissima bezeichnet wird. Die gewöhn-
liche Erzählung legt bekanntlich dem Euander die Erfindung des
Alphabetes bei.
II. Dass die Latiner ihren Namen vom König Latinus führen,
sagt ausser vielen Anderen (Schwegler 1, 197) der Hauptgewährs-
mann unserer Schrift, der Scholiast zur Aeneis 8, 322. Als Sprach-
verbesserer wird meines Wissens König Latinus sonst nicht prädicirt;
wenn man nicht hierher ziehen will, was Jupiter bei Vergil 12, 834
sagt: sermonem Ausonii patrium moresque tenebunt.
m. IV. Die Angaben über Aeneas und Ascanius enthalten
nichts von Belang. Der Vater des Turnus Daunus stammt aus der
406 Aeneis 10, 616; die Origo nennt ihn nicht. Dass Turnus Etrusker
ist, ist wohl Verwirrung, obwohl die bei Schwegler 1, 331 zusammen-
gestellten Notizen dafür Anknüpfungen bieten.
V. Die Erbauung Capuas durch den Silvier Capys berichten die
Vergilschohen 10, 145 und Sueton Caes. 8 1. In der Origo fehlt die Notiz.
Zu der Origo gentis Romanae. 439
VI. Dass der Tiberfluss seinen Namen davon führe, weil der
Silvier Tiberinus in ihm ertrunken sei, kehrt dagegen wieder in
der Origo 18, 1 und findet sich auch sonst mehrfach (Liv. 1, 3;
Scholien zur Aen. 8, 330).
YII. Das Verhältniss der beiden Söhne des Procas Numitor
und Amulius wird regelmässig einfach dahin angegeben, dass der
jüngere den älteren vom Thron verdrängt habe; abweichend lässt
Strabon (5, 3, 2 p. 229) sie zunächst gemeinschaftlich regieren und
die Schrift de viris ill. ( 1 ) die Herrschaft von Jahr zu Jahr zwischen
ihnen wechseln. Die Erzählung, dass der eine die Herrschaft, der
andere den Schatz habe erben und der ältere wählen sollen, haben
nur Plutarch (Rom. 3; aus ihm Zonaras 7. t) und die Schrift de
origine gentis Born. 19. jedoch in verschiedener Wendung: bei Plutarch
wählt Xumitor die Herrschaft und wird dann von seinem Bruder
mittelst seiner Schätze vom Thron verdrängt, während der Verfasser
der Origo den Xumitor den Schatz wählen lässt. Der letzteren
Version, die gewiss eine sehr späte ist, da sie die Usurpation des
Amulius aufhebt, folgt Landolfus; und es kann schon hienach keine
Frage sein, dass er die Origo gentis Romanae ebenso wie Paulus be-
nutzt hat. — Dasselbe bestätigt die weitere Erzählung. Den Sohn
des Xumitor, den sein Oheim auf der Jagd umbringen lässt, nennen
von den uns gebliebenen Autoren nur Ovid (fast. 4,55), bei dem er
Lausus heisst, imd die Griechen Dionys. l, 76 (Atyeorog), Appian
(reg. l "EyeoTog), Dio. fr. 4, 11 [vol. I p. 6 Boiss.] (Atyeairjg) und Plutarch
(parall. 36: AXvnog), bei welchen er Aegestus genannt wird. Den
Griechen schliesst Landolfus mit seinem Sergestus sich an, folgt also
hier einer für uns verlorenen lateinischen Quelle.
Vni. IX. Die Angaben über Romulus Asyl sind so allgemeiner Art,
dass sie sogar als eine Amplification des Paulus gefasst werden können.
— Die Zurückführung von miles auf mille hat schon Varro de 1. L. 5, 89.
X. Die Angabe, dass die Doppelnamigkeit der Römer auf die
Coalition der Gemeinden des Romulus und des Tatius zurückgehe, 407
findet meines Wissens sich nur hier; denn die bekannte Zurück-
führung der Benennung der Curien auf die geraubten sabinischen
Jungfrauen (Schwegler 1, 464) ist davon wesenthch verschieden,
und auch was die Schrift de praen. 2 über das Verhältniss der
römischen Xamen zu den sabinischen bemerkt, gehört schwerlich
hierher. Wie unhaltbar die Aufstellung auch ist, so ist sie immer
ein Zug mehr für jenes Bild der Fusionirung zweier stammfremden
Gemeinden, welches die römischen Archäologen nicht müde geworden
sind in allen Einzelheiten auszvmialen.
440 2u der Origo gentis Romanae.
Die Yersion der bekannten Yerknüpfung der sabinischen curis
mit den Quiriten und dem Quirinus (Schwegler 1, 495), dass Romulus
nach der römisch -sabinischen Conföderation die sabinische Lanze
angenommen habe und davon Quirinus benannt worden sei, gehört
in denselben Zusammenhang: auch sie soll das Zusammenfliessen der
beiden Nationalitäten veranschaulichen.
XL Als Todestag des Romulus bezeichnet die Legende
(Schwegler 1, 519) bekanntlich entweder die Poplifugien (III non.
lul. = 5. Juli^ oder die nonae Cajyrotinae (non. lul. ^= 7. Juli^.
Für den von Landolfus bezeichneten Tag des 26. Juli (VII hol. Aug.)
weiss ich keine Anknüpfung und muss er wohl auf einem Versehen
beruhen.
Aus dieser Uebersicht ergiebt sich einerseits, dass Paulus und
sein Fortsetzer die origo gentis Romanae., welche uns in dem Corpus
des sogenannten Victor vorliegt, ebenfalls vor Augen gehabt haben,
andrerseits, dass die von ihnen benutzte Fassung eine weit voll-
ständigere gewesen ist. Sie muss sogar etwas weiter hinab geführt
gewesen sein als die uns vorliegende. Bekanntlich ist diese Origo
dem Gesammt werke, das sie uns erhalten hat, in der Weise ein-
gefügt worden, dass das erste Capitel der viri illustres., das die
Gründung Roms behandelt, dafür weggestrichen ist; das zweite
aber, das mit Romulus Regiment, der Gründung des Asyls und
den weiteren Einrichtungen sich beschäftigt, ist stehen geblieben,
während die Paulus vorliegende Schrift bis zum Tode des Romulus
reichte. Es hat also der Zusammensteller jenes Corpus wie das
erste Capitel der viri illustres., so den Schluss der Origo ge-
strichen. Dass er auch sonst noch vieles weggelassen hat, zeigt
die oben gegebene Uebersicht; indess ist nichts darunter, was
nicht der Origo sich durchaus passend einfügte und nicht ebenso,
408 wie diese selbst, in der Hauptsache auf die Commentare zur Aeneis
zurückging.
Insofern gewinnen wir hier theils eine entscheidende Bestätigung
der jetzt wohl allgemein recipirten Annahme, dass die Origo, obwohl
uns nur in einer einzigen jungen Handschrift überliefert, doch keines-
wegs als moderne Fälschung angesehen werden darf, theils einen
EinbHck in die Beschaffenheit der Ueberlieferung, insofern sie sich
als ein Auszug herausstellt.
Da unsere Schrift nach der einzigen auf uns gekommenen
Handschrift wahrscheinlich den Titel origo gentis Romanae geführt
hat, so kann es sein, dass der Verfasser der ältesten Langobarden-
chronik (mon. Germ. LL. IV, 641) ebenso wie Paulus dieselbe gekannt
Zu der Origo gentis Romanae.
441
und desshalb seinem Werke den Titel gegeben hat origo gentis
Langohardoriim. Weiter als auf den Titel erstreckt sich freilich die
Analogie der beiden Schriften nicht.
Yielleicht darf man aber nach einer anderen Seite noch einen
Schritt weiter gehen.*) Zu den Quellenschriften, aus denen Hiero-
nymus die eusebianische Chronik mit Zusätzen versah, gehört be-
kanntlich eine Latina historia^ wie er sie nennt, die von Janus
bis auf Romulus Tod gereicht hat: ich habe die Auszüge im 1 . Bd.
der Abhandlungen der sächs. Ges. S. 6S9f.**) zusammengestellt.
Die kurzen Angaben gestatten meistens keine genaue Yergleichung;
die Vorgeschichte zum Beispiel fasst Hieronymus zusammen in den
Worten: ante Aeneam lanus Saturnus Picus Faunus Latinus
regnaverunt annis circiter CL. Dennoch ergeben sich auch hier
entschieden Beziehungen theils zu der vergilischen Litteratur (wie
zum Beispiel die Erwähnung des Melampus, des Täters des Larinus
Silvius, bei Yergil Aen. 10, 320), theils unmittelbar zu der Origo.
wie dies in den Anmerkungen von mir nachgewiesen ist. Anfang
und Ende endlich stimmen genau zu der Origo des Paulus. Danach
drängt die Termuthung sich auf, ob nicht die Schrift, welche
Hieronymus benutzt hat, eben diejenige war, die dem Ordner des
victorianischen Corpus und sodann dem Paulus vorgelegen hat.
Dass die falschen Autoritäten, an denen die Schrift so reich ist,
ebenso gut in der Epoche vor Hieronymus erfunden sein können
wie in derjenigen des Fulgentius, unterliegt keinem begründeten
Zweifel.
*) [Vgl. zum Folgenden A. Enmann im Philol. Suppl. IV (1884) S. 490.]
*) [S. unten nr. LXVII.]
XLVIII.
Zu Vegetius.*)
130 In dem uralten Palimpsest der Verrinen Vat. Reg. 2077, dessen
zweite Schrift in das siebente Jahrhundert gehört (vgl. Rossi inscr.
Christ. I p. LYIII sq.),**) findet sich von dieser nach Hieronyraus
und Gennadius de viris ill. (f. 1 — 78 r) ein Stück de duohus testihus.
Incipit de Enoc et Hella (f. 78 r. v.); die von Rossi a. a. 0. erörterte
ratio Paschae [Chron. min. I, 1892, S. 739 ff.]; der verkürzte Prosper
mit seinen Anhängen wie sie bei Roncalli p. 705 — 734 aus dieser
Handschrift abgedruckt sind [Chron. min. a. a. O. S. 385 ff.]; f. 99
eine Welt- und Windtafel; f. 99 v — lOOv Auszüge aus Yegetius;
f. 101 r nomina heresum. Die bisher meines Wissens unberücksichtigt
gebliebenen Auszüge aus Vegetius sind ohne Zweifel das älteste
Stück handschriftlicher Überlieferung, das wir von diesem Schrift-
steller besitzen, und insofern beachtenswerth. Die Überschrift lautet:
Ux lihro quarto Publi fegati (so) Benati de re militari in titulo
XXXVIIII posf praecepta helli naualis, quae incipiunt a titulo supra
scripti libri XXXI, inter cetera et ad locum. Es folgt nun wort-
131 getreu aus Buch 5 Kap. 8—11 nach unserer Zählung (= IV 38 — 40
Lang ed. 2) die Stelle igitur uentorum (p. 138, 1 der Zweibrücker
Ausgabe [p. 154, 16 L.]) bis usus intellegit (p. 141, 2 [159, 15]). Dann
weiter: item ex su^jeriorihus libris eiusdem operis inter cetera et ad
locum zunächst apud Romanos in legione erant — ' equites DCCXXX,
ein freier Auszug aus 2, 6, und ohne Absatz der Anfang von 2, 2:
legiones ergo proprie Romanorum sunt, Macedones vero Greci Bardani
— sena millia armatorum. — Der Text dieser Auszüge (E), so kurz
sie sind, erweist die Handschrift, aus der sie genommen wurden,
*) [Hermes 1, 1866, S. 130 — 133.]
**) [Über diese Hs. bat Mommen selbst genaue Angaben gemacht in den
Chron. min. I, 1892, S. 871 f.]
Zu Vegetius, 443
wenn nicht als die Quelle der sämmtlichen auf uns gekommenen
Vegetiushandschriften, doch mindestens als die interpolationsfreie
Grundlage derjenigen zwar interpolirten , aber sehr alten Recension,
die am besten der von Dr. Zangemeister in Rom aufgefundene und
verglichene Codex Yat. Pal. 909 (P) aus dem zehnten Jahrh. vertritt.
Mit diesem stimmen die Excerpte zunächst in Buchtheilung und
Capitelzählung; denn 1. 4. c. 21 der Handschrift P entspricht dem
Anfang des 5. Buchs in der Yulgatausgabe und ist in P überschrieben
praecepta helli navalis. Es ist nur ein Schreibfehler der Excerpte,
dass sie B. 5 K. 8 bezeichnet als 4, 39 und nicht, wie in P, als
4, 38; denn B. 5, 9 ist in E wie in P bezeichnet mit XXXYILH.
Auch die Schreibimg uegati statt tiegeti wiederholt sich in einer der
Subscriptionen des Palatinus. Mit diesem stimmen die Excerpte
femer in eigenthümlichen Fehlern, von denen, wie es scheint, die
übrigen Handschriften frei sind:
p. 139, 22 [157, 10] taurus a verdorben in tmirura P, taurora E
140, 2 [158, 10] ist das richtige tempiantur in P in tempes-
tantur, in den Excerpten in testantur verdorben.
Beide Texte stimmen aber ebenso im unzweifelhaft ganz oder nahezu
Richtigen; so
139, 10 [157, 2] ist zu lesen Pachone decurso; pachnifae decurso
E, pagnite decurso P, phaenitae decursu die Yulg.
140, 2 [158, 8] urbium EP statt des sinnlosen gentium
140, 23 [159, 8] aut inephim uidetur (uideatur) aut hngum EP,
longum est die Vulgata und so ja wohl auch die übrigen
Handschriften. [Im Wesentlichen so auch Lang.]
Der Unterschied von E vmd P zeigt sich zunächst darin, dass
von den massenhaften und zahllosen Interpolationen, die P überall
entstellen, in E keine Spur erscheint: ich erwähne nur
138, 16 [155, 10] notv^] auster quod latini euroaustrum uocant P
corus] austroafricus P
18 [155, 11] subuesp.] id est cortis*) setzt P hinzu
20 [156, 1] sive fauonius] id est corus P
139, 11 [157, 3] iuniaruni\ maiarum P 132
30 [158, 6] natalem uero] octaiio igitur kalendas ianuarias
P. d. h. der Schreiber dachte an den natalis Christi,
wo Yegetius vom natalis navigationis spricht!
140, 8 [158, 12] priuatarum mercium] prius commercium.
*) [Nach Längs Apparat sind die von P hinzugesetzten Worte vielmehr
sict faboniits.]
444
Zu Vegetius.
"Wo, abgesehen von diesen Interpolationen, E und P abweichen
steht in der Regel der erstere Text dem Original näher.
138, 5 [154, 19] ist zu lesen: experimentum posterioris aetafii
duodecim comprehendit mit E, nur dass hier potiorii
steht; non solum {stsitt experimentum) posterioris aetatii
(XII fehlt) comprehendit P, experimento x^osterior aefai
XII comprehendit die Vulgata.
6 [155, 1] Quorum uocahula ad summouendam duhitationen
E und so, mir hortim, die Yulg.; uocdbula ad dduendan
uero dub. P
13 [155, 7] caecias siue eurohorus E; celcias siue rohorut
quod latini uolturnum dicunt P; xaixiag die Vulg.
139, 21 [157, 10] ist aeduU (statt haedi) und V id. easdem stat
des unlateinischen eiusdem in E richtig überliefert.
Der umgekehrte Fall tritt ein
139, 28 [158, 4] wo zu lesen ist mit P und Stewechius: uentorun\
imhri uel niuibus geminata saeuitia; imhrium niihibus E
Aufmerksamkeit verdient bei dem hohen Alter der vaticanischer
Excerpten noch eine eigenthümliche Reihe von Fehlern in denselben
falsche Lesung in E
138, 4 [154, 18] quartos
5 [155, 1] pofioris
8 [155, 2]. 24 [156,5] et
[155, 3] perttdimus
13. 16. 19 [155, 7. 9. 12] iungit
30 [156, 9] inierdo (ido)
139, 8 [157, 1] sed (s'J
17 [157, 7] peraptior
26 [158, 3] plixa
29 [158, 5] pelagorum
140, 5 [158, 10] industriarum
10 [158, 13] quomodo (qni)
22 [159, 7] nuncupatur (-f)
141, 2 [159, 15] ratiorum
133 Es kann niemand entgehen, dass diese zum Theil sehr seltsamen
und den Sinn gänzlich aufhebenden und dennoch gleichförmigen
Schreibfehler sich, zumal in einer Handschrift des siebenten Jahr-
hunderts, lediglich durch die Voraussetzung erklären, dass die dem
Schreiber voi'liegende Handschrift des Yegetius mit denjenigen Ab-
kürzungen geschrieben war, die uns aus dem Gaius und den vati-
canischen Fragmenten geläufig sind ; hier ist allerdings nichts leichtei
richtige Losung
IUI
quattuor
postioris
posterioris
ei
etiam
ptulimus
protulimus
iungif
iungitur
-tdo
secundo
s
sunt
propior
plixa
prolixa
' pelagos''
pelago sed
industrias'
industria sed
qäm
quemadmodum
nuncupaf
nuncuparunt
ratios'
ratio sed
Zu der Origo gentis Romanae. 445
ils die in der zweiten Columne stehenden Zeichen mit denjenigen
EU verwechseln, die nach diesem Abkürzungssystem den im Codex
befindlichen Lesungen entsprechen würden und die, wo es nöthig
schien, in Klammem beigefügt sind. Indess ist mir kein zweites
Beispiel dafür bekannt, dass die ^notae iuris ausserhalb ihres eigent-
ichen Kreises und für andere, wenn gleich ebenfalls fachwissen-
schaftliche Schriften verwendet worden sind. Als eine weitere
Analogie zwischen diesen Auszügen und der juristischen Litteratur
kann übrigens noch die Formel intcr cetera et ad locum angeführt
fverden; dieselbe findet sich sehr häufig in der Consultatio veteris
Iuris consulti da, wo nicht das ganze Gesetz, sondern nur die unter
ien übrigen zur Sache gehörigen Worte desselben angeführt werden,
während ich mich nicht erinnere ihr anderswo begegnet zu sein.
XLIX.
Firmicus Maternus.*)
468 Dass die Mathesis des Senators Julius Firmicus Matemus zwischen
den Jahren 334 und 337 geschrieben wurde, ist ausser Zweifel.
Der Verfasser erwähnt einerseits (1 , 2 der Baseler Ausgabe von
1551 = 1, 5, 10 der neuen Ausgabe von Sittl [= vol. I p. 13, 18 ff.
ed. Kroll-Skutsch]) die Sonnenfinsterniss des 17. Juli 334 mit Angabe
der Consuln, und nennt an zwei anderen Stellen (1, 1 = 1, 1, 7 [I
p. 3, 18] und 1, 4 = 1, 10, 15 fg. [I p. 37, 25]) als damals regierende
Herrscher Constantin I. und die Caesaren, schrieb also vor dem
Tode des erstgenannten 22. Mai 337. Allerdings scheint dieser
Datirung zu widerstreiten, was aus derselben Schrift über den
Empfänger der Dedication zu entnehmen ist. Es ist dies bekannt-
lich eine auch sonst nicht unbekannte Person, Q. Flavius Maesius
(oder Messius) Egnatius Lollianus mit dem Beinamen Mavortius,
Präfect der Stadt Rom nach dem officiellen Verzeichniss (chron.
min. 1 p. 68) vom 1. April bis 6. Juli 342, ordentlicher Consul des
J. 355 und im Jahre darauf praefectus praetorio von Italien (Ammian
16, 8, 5). Seinen vollen Namen und seine frühere Amtslaufbahn
ersehen wir aus vier Inschriften (Suessa C. I. L. X, 4752; Puteoli
C. I. L. X, 1695. 1696; Rom C. I. L. YI, 1723).**) Yon diesen sind
die drei ersten vor der Stadtpräfectur gesetzt und auch die vierte
*) [Hermes 29, 1894, S. 468— 472. In demselben Bande S. 618 — 619 hat
Mommsen auf Grund einer Neukollation eines Abschnitts der Münchener Hs.
des Firmicus die Unbrauchbarkeit der Sittl'schen Ausgabe (Pars I 1894) erwiesen.
Da sein Wünscht, daß diese Ausgabe bald durch eine bessere ersetzt werden
möge, inzwischen seiner Erfüllung entgegengeführt worden ist (Firmicus ed.
Kroll-Skutsch. I 1897), konnte von einem Wiederabdruck der zweiten Miszelle
abgesehen werden.]
**) [Hinzugekommen ist eine Inschrift vom Forum Romanum Notizie
<Jegli scavi 1901 p. 129; auch bei Hülsen Klio II 1902 S. 244 n. 29.]
Finnicus Matemus. 447
unvollständige nennt nur die früheren Aemter;*) diese Aemterreihe
stellt sich danach folgendermassen :
qttaestor kandidatus
praetor urbanus
augur (fehlt auf dem römischen Stein)
comes doniinorum nostrortim Ätig(usti) et Caesarum (nur auf
dem sicher unter Constantin gesetzten Stein von Suessa).
curator (oder considaris) alvei Tiberis et cloacarum
curator (oder considaris) operwn publicorum
consularis aquarum et Minuciae
considaris Campaniae (hiermit endet die Reihe auf dem
Stein von Suessa).
comes Flavialis (so die puteolaner Steine; der römische ist
von hier an in der Lesung wie in der Erklärung unsicher,
vgl. meine Erörterung memoria dell' Instituto II 304).**)
comes Orientis
comes primi ordinis
proconsid provinciae Africae.
Nach der Dedication hat Firmicus dem Lollianus oder Mavortius 469
(er wechselt mit dem JS^amen und dem Signum) die Abfassung dieser
Schrift zugesagt, als derselbe Statthalter von Campanien war (cum
esses in Campaniae provinciae fascibus constitutus), aber mit der
Ausführung gezögert; LoUianus habe als comes Orientis Aegypti
et Mesopiotamiae — so lautet der volle Titel — (cum tibi totius
Orientis gttbernacula domini atque imperatoris nostri Constantini
Augusti . . . iudicia tradidissent) ihn vergeblich gemahnt; erst jetzt
erfülle er seine Zusage: proconsuli itaque tibi et ordinario consuli
designato jiromissa reddimus. Der Proconsulat ist der auch auf den
Steinen genannte von Africa, und diesen kann Lollianus füglich von
Constantin I. erhalten haben. Die Nichterwähnung der im J. 342
bekleideten Stadtpräfectur stimmt zu der angegebenen Abfassungszeit.
Aber befremdend ist in diesem Zusammenhang die Designation zum
ordentlichen Consul, welche wiederkehrt S, 15 p. 221: talis nostris
temporibus Lollianus, qui severiiatis merifo etiam ordinarii cotistdatus
insignia consecutus esf^, da Lollianus, wie gesagt, erst achtzehn
*) [Wie 0. Seeck, Mitt. d. archäol. Instit. Rom 1905 S. 283 ff. bemerkt
hat, ist auch die zweite Hälfte dieser Inschrift erhalten, C. I. L. VI, 1757 =
Dessau 1232.]
**) [In der Abhandlung de C. CaeUi Satumini titnlo, die im 1. oder 2. Bde.
der epigraph. Schriften zum Abdruck gelangen wird.]
1) Das Fehlen dieser Worte in einer der späten Handschriften, welche die
448 Firmicus Maternus.
Jahre nach Constantins Tode das Consulat bekleidet hat, auch nicht
wohl anders als im Vorjahr dazu hat designirt werden können;
wenigstens führt keine Spur auf dergleichen Anticipation. Desshalb
ist die Abfassung der Schrift selbst in das Jahr 354 gesetzt worden,
was der neueste Herausgeber Sittl (Archiv für lat. Lexikographie
IV 610) mit Recht verwirft. Aber was er als ,sehr einfache Lösung
des Räthsels' bezeichnet, dass Firmicus die Schrift nicht in den
Buchhandel gegeben habe, oder, wie er in seiner Ausgabe (vgl. die
Anm. zu 2, 27, 15) diese Vermuthung modificirt hat, dass die Worte
et ordinario consuli designato Zusatz des Verfassers bei einer zweiten
Publication seien, hebt die Schwierigkeit nicht; es hätten dann doch
in dieser die auf Constantin bezüglichen Stellen abgeändert werden
müssen. Eine Nöthigung zur Annahme eines so groben Schrift-
stellerversehens liegt nicht vor ; es genügt die Annahme, dass Kaiser
Constantin dem Lollianus, als er ihn zum Proconsul von Africa er-
nannte, zugleich das ordentliche Consulat in Aussicht stellte. Eine
förmliche Designation war dies nicht, da die gleichzeitigen Inschriften
von einer solchen schweigen, aber adulatorisch konnte dies wohl so
470 heissen. Dies mag auch mit den ,Insignien' des ordentlichen Consulats
gemeint sein; einen festen Begriff vermag ich mit dieser Bezeichnung
nicht zu verbinden, da die Insignien vielmehr negativ das Fehlen
des betreffenden Amtes ausdrücken und mit dem ordentlichen
Consulat in correkter Rede nicht verbunden werden können. Auf
keinen Fall kann die gesicherte Datirung der vielfach merkwürdigen
Schrift durch diese Stelle erschüttert werden.
Wichtiger ist eine andere auf die Verhältnisse der Gegenwart
bezügliche Stelle 2, 32 = 2, 27, 15 fg. Sittl. [I p. 81, 9 ff.]. Firmicus
giebt hier das detaillirte Horoskop einer bestimmten Person, die er
nicht nennt, weil LolHanus weiss, wer gemeint ist (cuius Jiaec
genitura sit, LoUiane . . . optime nosti): eins geniturae pater post
geminum ordinarium consulatum in exilium datus est, sed et ipse oh
adulterii crimen in exilium datus et de exilio raptus in administratio-
nem Campaniae primum destinatus est, deinde {ad) Achaiae pro-
consulatum, post vero ad Asiae proconsulatum et praefecturani urhi
Romae. Der Vater, geringer Herkunft (paternum genus ignohile), sei
heatus felix potens gewesen, obwohl nach dem zweiten Consulat
heimgesucht durch ein vom Senat über ihn verhängtes famosum
exilium-, der Vater wie der Sohn hätten viel von Feindschaften zu
letzten Bücher allein bewahrt haben (Sittl. a. a. 0. S. 610 A.), dürfte deren
Tilgung nicht rechtfertigen.
Firmicus Matemus. 449
leiden gehabt. Der Sohn wird endlich bezeichnet als ein hervor-
ragender Forscher, ein Kenner der absconsae Utterae, der eine solche
doctrina et litterarimi scientia besitze, ut oratio eius ac stilus veterihus
aiictoribus conferatur. — Es fragt sich, ob die hier genannten
Personen sich finden lassen. Nach Borghesis (opp. IV 521 ff.) Ver-
muthung ist der Sohn der Lollianus praef. urhi 254, nach seiner
Meinung der Grossvater des Mavortius; den Tater zu finden hat er
aufgegeben, da er -wohl sah, dass bei jener Annahme die beiden
ordinarii consnlatus unmöglich wurden. Entschuldigt wird die
unglückliche Hypothese dadurch, dass eine an dieser Stelle eingelegte
Zeichnung die L'eberschrift trägt Lolliani genitura und Borghesi
darum in diesen Kreis glaubte gewiesen zu sein. Die neue Ausgabe
hat von diesem wie von zahlreichen anderen Emblemen der Italiener
des 15. Jahrh. uns befreit; man wird umgekehrt sagen müssen, dass
der Ehebrecher am wenigsten in dem Hause des Mannes gesucht
werden darf, dem das ^Verk zugeschrieben ist. Sittl hat durch ein
mir unbegreifliches Missverständniss den nicht genanntea Sohn für
den Lollianus selbst gehalten, dem das Buch gewidmet ist und dann
den Schluss Ächaiae . . . Bomae als Zusatz zweiter Ausgabe be-
ti-achtet, ohne durch den Widerspruch der Inschriften des Lollianus
mit der hier aufgeführten Aemterreihe sich irre machen zu lassen. 471
In der That ist die Lösung leicht und sicher, wenn man ausgeht
von dem sichersten Anhaltspunkt, dem ordentlichen Consulat. Mehr-
malige Bekleidung desselben gehört vom Ende des 3. Jahrh. an zu
den ATorrechten des Kaisers und des Kaiserhauses^: die einzige
Ausnahme macht C. Ceionius Rufius Yolusianus^, -der unter ganz
besonderen Verhältnissen zuerst unter Maxentius die Stadtpräfectur
vom 2S. Oct. 310 bis zum 27. Oct. 311, sowie das ordentliche Consulat
im Sept. 311 übernahm, dann nach Maxentius Katastrophe unter
Constantin sowohl abermals die Stadtpräfectur vom 8. Dec. 313 bis
zum 19. Aug. 315 wie auch für 314 abermals das ordentliche Consulat
erhielt'; er heisst auf der Inschrift seines Sohnes (C. I. L. \1, 1708
1) Staatsrecht 2\ 93.
2) Wahrscheinlich derselbe ist Rufius Volusianus Corrector von Campanien
unter Carinus 282 3 (C. I. L. X, 1655).
3) Ueber ihn und seine Nachkommenschaft handelt Seeck zum Symmachus
p. CLXXIY, aber nicht ohne Versehen. Die dem Constantin von Volusianus
gesetzte Inschrift C. I. L. VI, 1140 [Dessau 692], auf der er sich consul ordhiarius,
praef. tirhi vice sacra iudicans nennt, kann natürlich nicht, wie Seeck meint,
während seiner ersten Präfectur unter Maxentius gesetzt sein; vielmehr fehlt
sowohl hier wie in einer dritten Inschrift C. I. L. VI, 1707 [Dessau 1213] bei
MOMMSEX, SCHB. VH. 29
450 Fimiicus Maternus.
[Dessau 1222]) Rufius Volusianus bis consul Ordinarius. Dieser sein
Sohn (C. I. L. a. a. 0.) ist Ceionius Rufius Albinus, ordentlicher
Consul des Jahres 335 (Eossi inscr. ehr. 1 p. 40), Stadtpräfect vom
30. Dec. bis 10. März 337 (chron. min. 1 p. 68). Als Gelehrten —
phüosophus — bezeichnet ihn auch die Inschrift; die von Boethius
und Cassiodor erwähnten Schriften eines Albinus über Dialektik,
Geometrie und Musik (Teuffei Litt.-Gesch. § 407, 5) sind längst mit
Wahrscheinlichkeit ihm beigelegt worden und passen auch wie zu
dem philosophus so zu den ahsconsae litterae. Wenn endlich Servius
seine Schrift de centum metris einem jungen Albinus widmet, dessen
Yater und Grossvater sich um die Litteratur verdient gemacht hätten
472 (Teuffei a. a. O. § 431, 4), so wird der letztere wohl auch derselbe
sein.*) — Diesen Albinus also hat Firmicus zunächst im Sinne, den
zu der Zeit, wo er schrieb, fungirenden Stadtpräfecten. Die Ab-
fassungszeit des Werkes bestimmt sich darnach enger auf die Epoche
vom 30. Dec. 335 bis zum 22. Mai 337.
beiden Aemtern die Iteration desswegen, weil sie von einem , Tyrannen' verliehen
waren. Sie sind erst späterhin wieder als gültig betrachtet worden. Insofern
ist auch das Consulat des Volusianus von 314 nach der Absicht des verleihenden
Kaisers keineswegs ein iterirtes gewesen, sondern vielmehr eine Art Rehabili-
tation und ist die Regel, dass Privaten das ordentliche Consulat nicht mehr
als einmal gegeben wird, ausnahmefrei. Dass Constantin den Volusianus also
rehabilitirte , hängt wahrscheinlich mit den Verhältnissen der Provinz Africa
zusammen, wohin Volusianus als praefectus praetorio von Maxentius geschickt
worden war (Zosimus 2, 14; Victor Caes. 40, 18).
*) [^gl- zu der letzteren Identifikation Graf in der Realenzykl. I Sp. 1315.]
L.
Ein gromatisches Fragment in einer Mailänder
Handschrift.*)
In der reichen Bibliothek des Ritters Carlo Morbio in Mailand 1014
fand Hr. Jaffe bei seinem letzten Aufenthalt daselbst einen Band in
Grossfolio von 242 Pergamentblättem, von welchen f. 17 r. bis 239 r.,
von derselben Hand des zehnten Jahrhunderts geschrieben, die
EtjTnologien Isidors (f. 17r. — 192v.), die ars Donati grammafici
(f. 192v. — 21 Ir.) und verschiedene Glossare enthalten. Am Schluss
sind von anderen Händen des zehnten Jahrhunderts noch die Distichen
Catos (f. 239 v.— 240 v.), ein Brief des Hieronymus an Paulus (f. 240 v
— 241 r.), ein Yerzeichniss juristischer Noten (f. 241 r. — 242 r.) und
einige Excerpte aus den Biographien der Päpste (f. 242 v.) hinzugefügt.
Yorgeheftet sind dem Codex 16 ursprünglich demselben nicht an-
gehörige Blätter etwas kleineren Formats, von denen die ersten 13
ein gromatisches, die letzten 3 ein grammatisches Fragment ent-
halten; am Anfang imd am Ende so wie zwischen beiden Stücken
ist eine Seite leer gelassen. Das grammatische Bruchstück, be-
ginnend f. 14 V. mit den Worten: littera est pars minima uocis arti-
cidatae. Primtim nohis quer&ndum est, schliessend f. 16 r. mit den
Worten : longa syU duo temjn' habet ut unns hreuis umim ut amor,
ist nicht näher imtersucht worden. Das gromatische Fragment
dagegen hat Hr. Jaffe abgeschrieben und mir mit zuvorkommender
Freundlichkeit zur Yerfügung gestellt.
Dies gromatische Bruchstück ist ganz in eckigen langgezogenen
und ungefälligen Majuskeln geschrieben, ausser wo Bl. 13 die kreis-
förmige Richtung der Schrift einen veränderten mehr gerundeten
Schriftcharakter bedingte. Auf die voll beschriebene und nicht theU-
*) [Monatsber. der Berl. Akad. der Wiss. 1861, II S. 1014—1021. Die Über-
schrift ist von mir zugesetzt worden.]
452 Ein gromatisches Fragment in einer Mailänder Handschrift.
weise von Bildern eingenommene Seite gehen 16 Zeilen. Abgesehen
von den festen Siglen, wie p, für passus, finden raumsparende
Schreiberabkürzungen sieh nicht, mit der einzigen Ausnahme, dass
am Ende der Zeilen m zuweilen durch einen Querstrich vertreten
wird; überdies werden hie und da, gewöhnlich am Zeilenschluss
Buchstaben zusammengezogen, so ^, \^ — was alles sämmtlichen
Majuskelhandschriften gemeinsame Eigenthümlichkeiten sind. Roth
geschrieben sind in dem ersten Abschnitt die Einzelbuchstaben und
die Ziffern oder was der Schreiber für Ziffern ansah, in dem zweiten
1015 überdies die Anfänge der einzelnen Paragraphen. Die diesem letzteren
beigegebenen rohen Zeichnungen sind sämmtlich in Farben ausgeführt.
Der Text umfasst diejenigen zwei Recensionen der casae litierarum,
welche Lachmann p. 327 — 333 und p. 325—327, jene aus dem
Arcerianus, diese aus der jüngeren Wolfenbüttler und der ehemals
Heidelberger, jetzt römischen Handschrift des gromatischen Corpus
herausgegeben hat. Indess sind beide Stücke nicht vollständig, sondern
es mangelt dem ersten der Anfang (A — E), dem zweiten der Schluss
(Y^ü); die Handschrift aber ist nicht defect, da sie mit einem
leeren Blatt beginnt und schliesst. Vermuthlich ist dieselbe die
Copie eines von dem Schreiber vorgefundenen Fragments, dessen
Schriftcharakter er beibehalten und woran er ein zweites übrigens
in keiner Weise damit zusammengehöriges Bruchstück grammatischen
Inhalts angehängt hat; es möchte darum auch nicht so sehr unserer
Handschrift als vielmehr ihrem unmittelbaren Original ein besonders
hohes Alter beizulegen sein. — Über die casae litterarum selbst,
die Rudorff mit Recht 'das sonderbarste Stück der ganzen Feld-
messersammlung genannt hat, ist hier zu sprechen nicht der Ort;
es muss in einem andern Zusammenhang untersucht werden, ob diese
Stücke wirklich aus der noch lebendigen gromatischen Technik hervor-
gegangen und nur verdorben sind oder ob sie nicht vielmehr der
Periode vollständiger innerer Auflösung der Gromatik bei einem
scheinhaften äusserlichen Fortleben derselben und Forthanthieren
mit den Büchern und Bildwerken der alten Messkundigen angehören.
Auf jeden Fall sind die Stücke wie sie liegen ihrer ganzen praktischen
Beziehung nach noch viel mehr als in ihren Einzelheiten unver-
ständlich; wie denn auch Lachmann sich begnügt hat sie einfach
abdrucken zu lassen, ohne eine Besserung auch nur zu versuchen.
Dasselbe geschieht hier mit den in der neu gefundenen Handschrift
enthaltenen Recensionen, da sie auf jeden Fall Documente sind aus
einem der dunkelsten Gebiete der Geschichte, der Tradition antiker
Technik während des frühesten Mittelalters, und was von dieser sich
Ein gromatisches Fragment in einer Mailänder Handschrift. 453
erhalten hat, für künftige Prüfung aufbewahrt zu werden verdient.
Es soll nur hinzugefügt werden, dass die erste Buchstabenerkläning
unserer Handschrift der in der arcerianischen enthaltenen eng ver-
wandt, aber doch vielfach von ihr verschieden ist. ohne dass sich
für jetzt bestimmen Hesse, welcher von beiden Texten den Vorzug
verdiente; die zweite dagegen ziemlich wörtlich mit der von Lach- 10I6
mann herausgegebenen, besonders nach der Fassung des Wolfen-
büttler Codex, übereinstimmt, aber in sofern schlechter ist als diese,
als von den dieser Buchstabenerklärung in der Lachmannschen
Recension fehlenden Buchstaben ZHSZOYXW in der jetzt bekannt
gewordenen drei ZIO durch ungeschickt aus der ersten Recension
herübergenommene, vielleicht erst dem letzten Abschreiber beizu-
messende Plagiate ergänzt worden sind.
Die mir mitgetheilte Abschrift ist Zeile auf Zeile gemacht und
giebt auch die Bilder annähernd wieder. Ein einfacher Abdruck
und kurze Beschreibung der Bilder schien zu genügen ; wem daran
liegen sollte jene Abschrift selber einzusehen, dem diene zur Nach-
richt, dass dieselbe an die hiesige Königl. Bibliothek abgegeben
worden ist.
Bl.lR.
* _ ' * ' , ' , ' \ ' ' -, , " , Lachm. S. 32"
I casa quae per i ^ nomen habet fines grandes habet et casa ipsa in
montem posita est fluuium ti*ansit limitem sextaneum proximum
habentem.
casa quae per G nomen habet tortas fines habet in monte posita est
tres riuos ei significat in trifinium uineam positam habet,
casa quae per H nomen habet multas fines habet in monte posita
est super se albarium et fontem super se montem habentem
significat limitem sextaneum proximum habentem.
casa quae per I nomen habet fines ei in longum significat si in i^chm. s. 32!
sextaneo passus XXX quod computum colligosun orientatem
pedes mille ducentos ICC
casa quae per K nomen habet fines ei ante se subiacent super se
montem habentem de latus uallem habentem in uallem duasßi. av.
aquas uiuas habentem et haec casa in latere montis posita est
super se fines proximas habentem super se riuum et cauam
terminum iuxta sub ipso fluuium currit proximum se pentagonum
habentem uineam in sinistris pratum sub se habentem et hoc
ca per quae per K nomen habet tales fines habet.
1) Alles mit Versalien Gedruckte ist in der Handschrift roth geschrieben.
454 Ei° gromatisches Fragment in einer Mailänder Handschrift.
1017 casa quae per L nomen habet finis sub se proximum habet pro-
ximum se aquam uiuam significat limitem sextaneum habentem
passu3 CCL de latus orientalis significat riuum qui albeum facit
hoc legitur casa quae per L nomen habet quam plurimum tales
fines habet
casa quae per M nomen habet de dextram et sinistram partem aquam
uiuam significat et fines grandes habet et casa in medio fine
BL 2E. posita fines quadratos |j habentem limitem maritimum et Galicum
intercedentem et haec casa in curtem aquam uiuam habet et
flumen inferiua
casa quae per N nomen habet in sinistram partem fines nihil habet
et haec casa est in campo posita super se limitem proximum
habet et ante se fluuium aquae qui albeum currit limitem eins
passos in longum IICCC et haec in alio casulem inpinget partet
miliarium in sinistram quidem partem dimitto casulibus
casa ^ [quae per 0 nomen habet in montem posita est quae per
campos (ita est quae per campos ztveimdl) fines rutundos (rotundos)
habet et culta. per medium finem aquam uiuam significat et
sub se iuncinam et exforam quam uergens habet arcam (exforam
aquam uergens harcam) in monticellum constitutam ubi casa per
Bi. 3 V. eum mittet casaliculos dimisimus || ideoque haec arca trifinium faciet]
Lachm.s. 329 casa quac per P nomen habet fines ante se habet de latus limitem
orientalem qui proximum casa finit multos casules alius fundus
continet limites eius post casam orientalem qui finit proximum
se aquam habet super aquam arcam super arcam memoriam de
intus sextaneam partem aliam fontanam sub se habentem super
se montem et de latus montem in triuio tribotines in sinistram
partem arcam constitutam in trifinium positam inter 0 et P
multa casulia et subtus se riuum currit
casa que per Q nomen habet in piano posita est fines habet multas
1018 transit riuum de sinistram partem in aliam finem montem super
se habentem subtus flumen transit subtus flaminia^ posita et
Bi. 3R. circa uinea riuus currit et intra uinea ^ j| memoriae sunt
super se loca macra habentem et subtus se campum extensum
habentem limitem eius in longum p CCL,
casa quae per R nomen. habet, fines super se habet grandes campum
sub se habentem et per medium campum flaminiam currentem
1) [ ] wiederholt BI. 12 V. der Handschrift. Die abweichenden Lesungen
dieses zweiten Textes sind in ( ) in den Abdruck eingerückt.
2) 'Das erste a nicht deutlich'. Jaffe.
3) 'Etwa fünf Buchstaben abgerieben'. Jaffe.
Ein gromatisches Fragment in einer Mailänder Handschrift. 455
miliarium transit pratum super flaminiam habentem de latus
flaminia nuces super se montem habentem et de monte exsurget
riuum qui descendit fsoj proximum casa et de riuum petent
aquam et de sub riuo alium latum riuum limitem transit qui
uenet super sextaneum
casa quae per S nomen habet super se aquam uiuam signifacat
(so) de orientalibus partibus riuum significat super riuum cur-
rentem 1 transet super se montem habente et casa ipsa umorosum Bi.iV.
locura fines habentem in septentrionem proximum finit et super
se fines grandes habentem et subtus se alius casules intra limitem
habentem et super se montem et subtus se montem et in montem
albarium ^ habentem EY retro hoc nomina et signa in casa finis^-achm. s.330
limitibus suis est adsignata
casa quae per T nomen habet super se finem nihil habet sub se
mittet riuum qui currit subtus transet limitem eins et trans flumen
aquam uiuam habet usque in aliam aquam uiuam mitet limitem
eius ipsa aqua uiua trifinium facit super se limitem orientalem
proximum habentem hoc legitur
casa quae per Y nomen habet fines grandes habet \\ super se montem bi.4K.
habet et casa in piano posita est sub ipsa riuum descendit de
sinistram partem riuum altenim tria riuora ei descendent a
sinistram partem lapis grandis qui in albario est duas seras ab
eo et caba de ab unam partem sacra pannarium appellatur
casa quae per X nomen habet ^ [fines in longum habet et casa ipsa
in campo posisita (posita) est non per omnes fines eius seminatur 1019
sed per campum super se montem significat de latus albarium
currentem (curentem) sub se alium albarium pentagonum pro-
ximum scriptum de latus (latum) alium riuum quattur (soj riuora
habentem in finibus suis et in hoc finem albatum inpinget (inpiget)
super albarium alium riuum curret quod in albarium coniungitur bi. sv.
gurgalis super ipsum albarium constituta id est super se montem
(raon) habentem et transis montem alius casulis inpinget] de
I^K duodecimam partis limitem proximum constat basis in sinistris
^P partibus riuum significat hoc legitur
casa quae per Y nomen habet fines grandes habet super se albentem
et super se planum habentem de latus in sinistra fontem de ap
partem sinistram mutabilis locus et casa in suis subiacet ceteria
proximum uenit casa super casa duo riuora ei current hoc legitur
1) 'Oder albareum'. Jaffe.
2) [ ] wiederholt Bl. 11 R. der Handschrift.
456 Ein gromatisches Fragment in einer Mailänder Handschrift.
casa quae per Z nomen habet ^ [fines nihil habet proximum si orien-
talis concidat de sinistram partem fontanam proximam habentem
simi (si) limitem proximum casulis inpinget horocitide (orocitide)
^^•5R- diuidi mille uenit computationis liraites || qui usque (asque) finibus]
AC litteris DE EA YSquae finibus partibus partire cui TV
litteris quia de litteris conputare casa quae Z nomen habet
DVIVGVM PYTARE finis conputum hoc est nominis destinata
per conputum designata conputa P CCC et CCCL hoc est in
litteris conputum colligitur^ de omnibus finibus quales fines sint
iiitellegis hoc A uenit ^
Lachm. s. 325 SCARifus expositio litterarura finalium.
Bi. 6V. II MONticellum habet, post montem non transet ad collem stricta est
habet ad pedem aquas uiuas duas et subtus se fluuium aquae uiuae
Lachmann Fig. 254. Berg unten violett, oben matt roth,
alpha
A
(im Buchstaben). J\. der Rand hlatc. Qtiellen und Fluss gelb.
1020 SYPER se montem habet et ad pectus strita est alia casa eadem
ibidem mordet post se riuum habet et trans et contra non longe a
R. riuo II fines ei iacent
BF. 255, doch fehlt der ziveite Berg. Berg braunroth mit
grünem Hand, Quelle und Fluss schmutzig blau.
YSQYE ad collem exit non grandes fine habet in gama iacet post
V. se ad pedem aquam uiuam habet et flumen inferius ||
r-^ F. 256, über dem Buchstaben noch Berg ziegelroth mit
gamma grünem Band. Quelle und Fluss schmutzig blau.
R II AD Montem se colliget inferius maiores fines habet et ad pedem
aquam uiuam habit et flumen inferius
AF. 257. Berg unten dunkelblau, oben röthlich. Band grün.
Quelle und Fluss schmutzig blau.
V. II SICCA casa est aquam minus habet per collem iacet longe a se
fluuium habet
^ Berg (nur ei'ngipflig) braun mit blauem Band. Tief unter
^ dem Buchstaben Fluss schmutzig hellgelb.
B. II *fines nihil habet — quiasque finibus
; 1) [ ] wiederholt Bl. 8 R. der Handschrift.
• 2) 'Nach CO leerer Raum für zwei Buchstaben'. JafFe.
3) Eine Zeile leer.
4) Der Buchstabe Z fehlt in den Lachmannschen Handschriften; was in
der Morbios steht, ist von Bl. 5 V. derselben herübergenommeu. Die Buchstaben
H & fehlen sowohl in den Lachmannschen Handschriften wie in der Morbios.
Ein gromatisches Fragment in einer Mailänder Handschrift. 457
^ Quelle sclimutzig hellgelb.
11 IN" SCAmnum iacet per iugum in lanciolam habet a pedem aquaniBi.gv.
uiuam et flumen inferius Laehm. s.
IF. 259. Berg ohne Farbe, Quelle und Flttss schtmttziq
''"" heUgelb.
II SVPER se nihil habet quia usque ad coUem exit et ad pectusBi.gR.
steriles terras habet et confragosas et sub se meliores et latiores ad
sinistram partem aquam uiuat fso) habet et flumen inferius.
KF. 260. Berg ohne Farbe, Quelle nnä Fltiss schmutzig
heUgelb.
In TRIgono iacet ad pectus striata est et inferius latior est habet g/^^j^^
ad pedem aquas uiuas duas et flumem (so) inferius
XF. 261, aber zicei Quellen. Dieses und alle folgenden Bilder
schmtttzig hellgelb.
11 QYADRA possessio est super se colliget aquam et habet uelutßi.ioK.
herbam germanam ad dextram et sinistram aquas uiuas habet flumen
inferius
]yj F. 262.
AD COLLEM exit et usque ad flumen aqua a coUe redit a sinistram bi. u v.
partem ad pedem aquam uiuam habet et flumen inferius
NF. 263; über dem Buchstaben noch grosser ziceigipfliger Berg.
Zicei Quellen.
I ^FI^ES in longum habet — alius casulis inpinget blur.
^^ Übe>- dem Buchstaben ein grosser Berg; an jeder der vier
C~^ Ecken des Buchstabens Quelle.
^QVAE per O nomen habet — trifinium faciet
OÜber dem Buchstaben Berg mit ztcei Quellen ; neben dem bl 12 v.
Btichstaben Quelle.
, PER COLLES in quadru iacet per colliculos descendentibus dextraßiiaK.
leleuaque aquas uiuas habet et flumen inferius
T 1 FlusSj darüber zicei Quellen.
' Circat montem et sub se redit ^ ßi.i3V.
"\ta6e^r^ P ^Me7/e, darunter Fluss.
1) Die Buchstaben 3 0 fehlen in dem Lachmannschen Text; was hier in
tler Morbioschen Handschrift steht, ist aus Bl. 4 R, 5 Y. und 2 R. 3 V. derselben
■^nederholt.
2) Circat — redit und ab aqua — cadet mit abweichender mehr gerundeter
Ilncialschrift im Kreise um den Kopf des P und um C geschrieben.
458 Ein gromatisches Fragment in einer Mailänder Handschrift.
Uallem tenet ab aqua exit per colles in aqua cadet^
f^ Quelle, darunter Fluss.
B1.13R. II PER iugum currit ei limes ante se habet casulem post se ad pedem
habet aquam uauam (so) et flumen inferius
TF. 267 ; ausserdem über dem Buchstaben grosser zweigipfliger
Berg.
1) Circat — redit und ab aqua — cadet mit abweichender mehr gerundeter
Unicialschrift im Kreise um den Kopf des P und um C geschrieben.
LI.
Über den codex Arcerianiis der Gromatici und eine
Handschrift des Petrarca.*)
Die von mir S. 151 [= Hist. Sehr. H S. 150 f.] aufgestellte Be- 215
hauptung, dass der Arcerianus schon um 1509 von Rom weggekommen
sei, steht im Widerspruch mit Blumes Ausführung, welcher zwar die
nahe liegende Combination, dass Erasmus während seines Aufenthalts
in Italien (1506 — 1509) von dem ihm befreundeten Wiederauffinder
der Handschrift Phädrus dieselbe erworben habe, selbst andeutet
(S. 16), sie aber dennoch verwirft, weil Angelus Colotius in den
ersten Decennien des sechszehnten Jahrhunderts die Handschrift
besessen habe. Es wird gestattet sein die Gründe anzugeben,
wesshalb wenn ich nicht irre Colotius aus der Reihe der Besitzer
des Areerianus ganz zu streichen ist,
Blume hat den Colotius aus zwei Gründen in diese Reihe auf-
genommen: einmal weil Volaterranus Auszüge aus einer Agrimensoren-
handschrift des Colotius beibringt, welche Blume für den Arcerianus
erklärt; zweitens weil die Abschrift des Zanchi, welche nach Blume's
Ansicht aus dem Arcerianus geflossen ist, nach dem Zeugniss des
Metellus ex codice Colotiano copirt ist.
Was indess die Auszüge des YolateiTanus anlangt, so sind nicht
bloss, wie Blume selbst bemerkt, einige darin enthaltene Notizen
aus einer Handschrift dritter Klasse entlehnt, sondern sie sind von
A.nfang bis zu Ende aus einer der erfurter durchaus analogen Hand-
schrift genommen. Man vergleiche nur die S. 12A. 15 abgedruckten
*) [Die Schriften der römischen Feldmesser, herausg. und erläutert von
F. Blume, K. Lachmann und A. Rudorff II, Berlin 1852, S. 215-220. Diese von
Ilfoinmsen als , Zusatz über den Arcerianus" und „Notiz über eine Handschrift
des Petrarca" bezeichneten Darlegungen bilden den Schluß seiner Abhandlung
über „Die libri coloniarum", a. a. 0. S. 143 — 214 = Hist. Sehr. 2 S. 146 fif.]
460 Über den codex Arceriauus der Gromatici etc.
Auszüge des Yolaterranus mit E. 16 — 18 (Ausg. Frontin 27, 13 fg.
Nipsus 290, 17fg.); E. 3. 4. (Ausg. lib. col. 246 — 249); 1. 2 (Ausg.
Balb. 94, 13. 19). Die Identität geht bis in die kleinlichsten Schreib-
216 fehler, wie z. B. 29, 2, wo Frontin sagt: qui qua longior erat, fecerunt
decumanum, der Erf. quia für qui qua liest und Volaterranus desshalb
schreibt : decumanum vocavenmt quod is longior sit. Ebenso ist sexta
sii)e dutrans statt sextans sive dodrans 94, 19, nigrius oder ingrms
statt iugarius 247, 1 7 im Erf. ebenso wie bei Yolaterranus zu finden.
Dagegen findet sich auch nicht ein "Wort, das auf eine Quelle anderer
Art deutete und schon die Bezeichnung der Handschrift bei Vola-
terranus als Iidius Frontinus et M. lunius Nypsus führt auf eine
Handschrift der dritten Klasse, welche Recension nach Lachraanns
sehr wahrscheinlicher Vermuthung (S. 1 1 3) das gromatische Material
in zwei Bücher zusammenfasst und das erste derselben dem Julius
Frontinus, das zweite dem M. Junius Nipsus beilegt. Zum TJeberfluss
hat Blume selber erwiesen, dass lange nachdem der Arcerianus von
Rom weggeführt war, Colotius sich im Besitz einer Gromatiker-
handschrift befand, welche Metellus, der sie sah, als Frontinus und
^Nypsus bezeichnet und mit der florentiner, einer Schwesterhandschrift
der erfurtischen vergleicht. Also die Handschrift, die Yolaterranus
bei Colotius sah, war keineswegs der Arcerianus ^, sondern die auch
von Metellus dort gesehene der dritten Klasse.
Was die Abschrift des Basihus Zanchi betrifft, so sind wir
darüber immer noch ungenügend unterrichtet. Ich kann es nicht
billigen, dass Blume zwei Abschriften desselben aus zwei ver-
217 schiedenen alten gromatischen Handschriften unterscheidet, von denen
die eine — ich sehe schlechterdings nicht wesshalb — zu dem ganz
verschiedenen Erfurter und den diesen analogen Manuscripten gestellt
ist. Mir scheint es vielmehr einleuchtend, dass sowohl der Vitruvius,
Rufus, Simplicius u. s. f. (S. 14) als der Hyginus de castrametatione,
die libri col. u. a. m. (S. 52) von Metellus aus demselben zanchischen
Exemplar copirt wurden. Das einzige Bedenken hiegegen, dass
Metellus als das Original der zanchischen Copie einmal eine Hand-
schrift des Colotius bezeichnet, ein anderes Mal eine des Gallesius
1) Hiemit fällt auch das Zeugniss weg für die Identität der in Bobbio 1493
gefundenen und der arcerianischen Handschrift, auf welches Blume S. 11 Gewicht
legt. Zum Glück bedai-f es dessen aber nicht; denn es kann unmöglich Zufall
sein, dass das von Volaterranus mitgetli eilte Inhalts verzeichniss der Handschriften
von Bobbio die gromatischen Schriften genau in der Ordnung des Arcerianus
aufzählt, nur dass B vor A steht. Die beiden Handschriften waren bei der
Auffindung also noch nicht in einen Band vereinigt.
über den codex Arcerianns der Gromatici etc. 461
Massa, hat kein Gewicht, da einerseits Metellus flüchtiger und sich
selbst widersprechender Bericht in keiner Weise vollständig aufrecht
gehalten werden kann, andererseits er in keinem Punkte leichter
irren konnte als in der Bezeichnung des ihm ohne Zweifel nur vom
Hörensagen bekannten Originals der ihm zu Gesicht gekommenen
Copie. Wie nahe lag es ihm. als er zwanzig Jahre später in Köln
seine Notizen machte, den von ihm selbst gesehenen vermuthlich
alten Codex des Colotius dritter Classe mit dem nicht gesehenen
Original der jungen zanchischen Abschrift zu verwechseln! Wäre
es also auch völlig ausgemacht, dass das Exemplar des Zanchi
unmittelbar aus dem Arcerianus abgeschrieben ist, so würde doch
auf jene Aeusserung des Metellus codex Basilii Zatichi swnptus ex
Colotiano noch keineswegs Colotius als Besitzer des Arcerianus an-
gesehen werden dürfen.
Wie steht es denn aber mit dem Original des zanchischen
Manuscripts? von dem übrigens, beiläufig gesagt, nirgends gesagt
wird, dass es von Zanchis Hand geschrieben und nicht bloss in
seinem Besitz gewesen sei, so dass man aus Zanchis Geburtsjahr
1501) keinen Schluss machen kann auf das Alter der Handschrift. —
AVir würden die Frage, ob die zanchische Abschrift aus dem Ar-
cerianus, und wenn dies, ob sie direct aus dem Arcerianus geflossen 2 IS
sei, bestimmt und mit Leichtigkeit entscheiden können, wenn Metellus
Abschrift der zanchischen Copie (cod. Barb. 1546, Blume S. 53;
vielleicht auch cod. Eeg. 7229, Blume S. 31) genauer bekannt wäre;
indess nur für den einzigen Hygin de castrametatiane ist Zanchis
Text zugänglich geworden. Der neueste Herausgeber dieser Schrift
meint nun S. 30 seiner Prolegomenen, dass zwar die Blattversetzungen,
Verstümmelungen und eine Menge auffallender Fehler dem Arcerianus
mit dem Codex Zanchi gemeinschaftlich seien, dennoch aber dieser
von jenem in zu vielen und auffallenden Dingen abweiche um aus
dem Arcerianus geflossen zu sein. Ist dies richtig, und Blume
wenigstens giebt es zu. so wird auch in den übrigen Stücken der
gromatischen Sammlung den zanchischen Abschriften eine ähnliche
Geltimg angewiesen werden müssen. Die genaue Beweisführung
wird bei Lange leider vermisst und es ist weder meines Amtes noch
dieses Ortes diese L'ntersuchung hier nachzubringen; wohl aber darf
man zu einer nochmahgen ernstlicheren Prüfung auffordern. Es ist
ungemein auffallend, dass von einer Anzahl Schriften, die sonst
schlechterdings nur aus dem Arcerianus bekannt sind, hier auf einmal
iine Handschrift erscheint, die in Lücken und Versetzungen und
Zufälligkeiten aller Art, vor allem aber in dem Inhalt wie in der
462 Über den codex Arcerianus der Gromatici etc.
Ordnung^ mit dem Arcerianus offenbar übereinstimmte, deren kriti-
scher Ertrag trotz des äusserst corrupten Zustandes dieser Schriften
mindestens sehr unbedeutend ist^ und die dennoch auf einer vom
Arcerianus verschiedenen Grundlage beruhen soll. Ja wenn es wahr
219 ist, dass Metellus den berufenen „Simplicius" im Codex Zanchi fand
(S. 14), 80 muss derselbe schlechterdings eine Abschrift des Arcerianus
gewesen sein, in dem bekanntlich dieser Name durch ein absurdes
Quiproquo entstanden ist. Man möchte demnach fragen, ob sich
nicht Lange doch geirrt hat und ob das Original der zanchischen
Copie nicht eine etwa im zwölften Jahrhundert gefertigte und durch
mehrfache Mittelglieder von der Urhandschrift getrennte Tochter-
handschrift des uralten Arcerianus war.
Diesen Bemerkungen über den Arcerianus mag sich noch folgende
Notiz über eine Handschrift des Petrarca anschliessen.
In einem wohl ungedruckten*) im cod. Riccard. n. 898 p. 109
von mir gefundenen Briefe des florentiner Staatsschreibers Colucius
Salutatus, welchen dieser VIII hol. Oct. um das J. 1390**) an den
Kanzler des comes Virtutum (d. h. des Herzogs von Mailand Gian
Galeazzo Yisconti) Pasquino de Capellis schrieb, finden sich folgende
Worte : Ex ore FranciscuoU generi quondam celebris memorie Fetrarce
nostri (Francesco da Brossano, Petrarca's Schwiegersohn und Uni-
versalerbe, s. Tiraboschi Bd.V. S. 90) certissimum haheo ex hibliotheca
dicti Fetrarce in manihus communis domini illustrissimi principis domini
comitis Virtutum esse librum M. Varronis de mensuris orhis terrae,
lihrum quidem magnum in antiquissima littera, in quo sunt quaedam
geometricae figurae. Quanvis Antonius Luscus noster michi scripserit,
quod putet esse Varronem de lingua Latina^. Quidquid Varronis
1) Ich erinnere z. B. au die mathematischen Fragmente, die im Arcer. wie
im Codex Zanchi der Schrift de castranietatione vorangehen.
2) Ich wenigstens habe keine Stelle gefunden, wo die Abweichungen der
zanchischen Copien vom Arcer. bestimmt auf eine andere Quelle führten.
*) [Jetzt gedruckt in: Fonti per la storia d'Italia XVI, Roma 1893 =
Epistolario di Coluccio Salutati a cura di Francesco Novati II S. 392 f. Nach
dieser Ausgabe ist im Folgenden der von Mommsen auf Gruud der alten vom
J. 1741 gegebene Text geändert worden.]
**) [Nach Novati a. a. 0. S. 381, 1 am 24.-30. Sept. 1392.]
3) Der Brief des Colucius, auf den Luscus ihm dies zurückschrieb, an
Antonius Luscus von Vicenza, datirt Florentiae XII kal. Sextilis, steht im cod.
Medic. Gadd. pl. XC sup. cod. 41, 8 ep. 60 [Fonti etc. a. a. 0. S. 358] : Miroret non
modicum , quod de Varrone nichil exploratum habeas nichilque rescripseris. Bogavi
super hoc, videns te negligen tiorein, Boggerium Canem, non quod hanc pfoairationem
über den codex Arcerianus der Gromatici etc. 463
fuerit, cupio plurimum etim habere, et ob id etiam nomine nieo, si tibi 220
videtur, illum a domino po!<tules ut habe^-e valeam in exemplar, michique
quantocius fieri potest et hanc sitim extinguere. — Dass Luscus falsch
rieth, leidet keinen Zweifel; eine gromatische Handschrift ist höchst
wahrscheinlich gemeint. Unter den bekannten finden sich varronische
Titel in zweien : liber Marci Barronis de geometria ad Rufum SiJbium
im Arcerianus (243, 17 A) und M. Varro de arithmetica in dem ver-
schollenen und mit Sicherheit nicht einmal zu classificirenden Codex
des Alciat (Blume S. 55; vgl. Ritschi im rhein. Mus. N". F. YI, 505
[opusc. in S. 443]). An jenen kann man nicht wohl denken, da die
Nachricht, dass er erst 1493 aus Bobbio nach Rom kam, voll-
kommen beglaubigt ist; die alciatische Handschrift könnte dagegen
recht wohl die des Petrarca sein, zumal da diese ja in Alciats
Heimath, nach Mailand gekommen sein soll. Die Abweichung in
dem Titel ist zwar befremdend, aber dennoch um so weniger ent-
scheidend, als Alciatus sämmtliche Ueberschriften sehr frei angegeben
zu haben scheint.*)
Ueber die von Gian Galeazzo gestiftete Bibliothek vergleiche
Tiraboschi Bd. Y. S. S6. 87, woraus hervorgeht, dass auch eine andere
Handschrift des Petrarca in dieselbe gekommen ist, die jetzt in der
Ambrosiana sich befindet.
« te transferam et Uli maioi'ibus occupato confidam, sed qtioniam facilitts poteris
forte per ipsum quam per te vel Pasquinum meum quod expedit impetrare.
*) [Zu diesen von ihm citierten Worten Mommsens bemerkt Xovati a. a. 0.
S. 392,2; ,Come VHoHis ha giä dichiarato (M. T. Cicer. nelle op. del Petr. p. 71)
i\ell' inventario della libreria pavese compilato del 1426, questo codice non si cüa,
sebben dei lihri Rerum Rusticarum di Varrone siani-i menzionate due copie. Lo
Siesso silenzio noto neW inventario del 1459; cf. Giom. stör. d. letter. ital. I 43."]
LH.
Die Interpolationen des gromatischen Corpus.*)
272 Yon den in unserem gromatischen Corpus vereinigten Schrift-
stücken gehören die grösseren, meistentheils mit gesicherten Autor-
namen versehenen, überwiegend der besseren Litteraturperiode an
und können mit den überall massgebenden Einschränkungen für die
sachliche Untersuchung als zuverlässige Quellen betrachtet werden.
Aber eine allerdings nicht sehr umfängliche Reihe anderer, theils
benannter, theils anonymer Schriftstücke sind diesen ungefähr mit
demselben Recht beigesellt, wie das Buch Esther dem Pentateuch.
Die ziemlich unterschiedslose Benutzung der gesammten uns unter
denselben Buchdeckeln vorliegenden Masse, wie sie zum Beispiel in
den sonst so trefflichen gromatischen Institutionen Rudorffs durch-
gängig stattfindet, gereicht der Forschung zum Schaden, und es ist
der Zweck dieser Blätter, davor zu warnen. Den Philologen, die
sich eingehend mit den Gromatikern beschäftigt haben, werden sie
wenig Neues bringen, aber als zusammenfassende Uebersicht doch
vielleicht nicht ganz unnütz sein.
Es ist dabei auszugehen von dem Gegensatz der beiden gro-
matischen Corpora, auf welchen unsere Ueberlieferung beruht: das
bessere ist überliefert durch die erste Klasse Lachmann -Blumes,
das heisst die Handschriften A B nebst den aus diesen vor dem
späteren Blattverlust geflossenen Abschriften J V, sowie durch die
dritte Klasse (E), da diese von der ersten sich wesentlich nur durch
die veränderte Ordnung unterscheidet; das geringere durch die zweite
Klasse der Ausgabe (PG, welche letztere Handschrift aus der
ersteren jetzt defecten, damals noch vollständigen abgeschrieben zu
sein scheint^. Um das Gesammtergebniss vorweg zu nehmen: das
*) [Jahrbücher des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande Heft XCVI.
XCVII (1895) S. 272 — 292.]
Die Interpolationen des gromatischen Corpus. 465
erste Corpus ist eine gromatisehe Compilation aus der zweiten 273
Hälfte des fünften Jahrhunderts und im Grossen und Ganzen nicht
interpolirt; das zweite ist aus dem ersteren geflossen, aber in der
"Weise vermehrt, dass, was dieses allein bietet, überwiegend als
Fälschung frühestens der zweiten Hälfte des sechsten Jahrhunderts
sich darstellt.
Die gromatisehe Sammlung, wie sie den Handschriften ABE
zu Grunde liegt, enthält oder enthielt die Schriften des Frontin, des
Agennius, des Baibus, des Siculus Flaccus, die beiden dem Hygin
beigelegten, die Schrift über die Lagerschlagimg, die unter den
Namen des Epaphroditus und des Yitruvius gehenden geometri-
schen Aufgaben, die Schrift des M. Jimius Nipsus, das mamilische
Gesetz, endlich ausser einigen kleineren Pseudonymen oder anonymen
Tractaten (de sepulchris p. 271. 272; Uebersicht über die termini
p. 242, 7 — 243, 17; agrorum quae sit inspectio p. 281 — 2S4^ das
italische Städteverzeichniss wesentlich in der Gestalt, wie es in der
Ausgabe als Über coJonianim priar vorliegt. Der Titel finium re-
gundorum des 43S publicirten theodosischen Codex fehlt in A JB,
findet sich aber schon in E. Da alle auf uns gekommenen Hand-
schriften zerrüttet und verstümmelt sind, sind mehrere dieser Stücke
defect und können kleinere Bestandtheile der Sammlung uns mög-
licher Weise ganz fehlen. Ueberwiegend gehören die in dieser
Sammlung vereinigten Stücke der Fachlitteratur der guten Kaiserzeit
an. Indess ist dieselbe von Interpolationen nicht frei geblieben.
Abgesehen von dem kleinen Tractat de sepulchris, welcher durch
unvernünftige Zusätze am Anfang und am Schluss in eine an die
Triumvirn Octavian, Antonius und Lepidus adressirte Verordnung
des Kaisers Tiberius umgewandelt ist, hat am meisten das Städte-
verzeichniss gelitten. Die Grundlage dieser Listen ist gut und alt;
aber fast bei jeder Ortschaft zeigen sie die Spuren davon, dass sie
um 450 n. Chr. aus dem Bureau der stadtrömischen Feldmesser
überarbeitet hervorgegangen sind, wofür ich auf meine Darlegungen
Feldm. 2, 176 fg. [= Hist. Sehr. Bd. 2, S. 169 f.] und Hermes 18, 173 fg.
[a. a. 0. S. 167 f.] verweise. Es gibt uns dies zugleich einen Anhalt
für die Epoche der Redaction der ganzen Sammlung. Für die
weitere Entwickelung kommt in Betracht, dass in den wenigen
Abschnitten des Städteverzeichnisses, welche der Text E vor dem
Text A voraus hat (p. 239, 20 — 240, 15), sich deutliche Spuren ge-
steigerter Interpolation zeigen; es scheint jener einer etwas späteren
Textgestaltung anzugehören. Im Ganzen aber hält die Textfölschung 274
sich in der Recension AB E \n bescheidenen Grenzen.
MOMMSEIf, SCHB. VII. 30
466 Die Interpolationen des gromatischen Corpus.
Ein einziges diesem Corpus einverleibtes Schriftstück scheidet
durch die barbarische Sprache wie durch die Nichtigkeit seines
Inhalts aus dieser Reihe werthvoller Reste aus: dies sind die casae
litterarum (p. 327, 4 — 331, 7). So weit es nicht, sicher durch die
Schuld mehr des Concipienten als des Abschreibers, geradezu un-
verständlich ist, stellt es sich dar als entnommen einer Art von
Situationsplan, darstellend 25 mit den Buchstaben des Alphabets
bezeichnete Häuser, dazwischen Wasserläufe, Berge und Wege. Bei
jedem Hause werden zunächst die fines angegeben, das heisst die
dazu gehörige Bodenfläche:
P finis ante se habenfem
D. Q finis pos se habentes oder pos se finem habet
R finis super se habentem
C.T finis super se non habentes oder super se finem nihil
habentem
r^J^'" X finis in longo habentem
""°^B.Y finis grandis habentes
M. S.|V finis egrcgios habentes
G tortas fines habentis
N sinistram partem finis nihil habet
Z finis nihil habentes
Aus den Angaben über die Berge und die Wasserläufe setze
ich einige leidlich verständliche her:
V super se montem et casa in piano loco posita
N casa in campo piosita
F (vgl. G. H. 0) casa in monte posita
A super se montem habente
D super se mittit usque in balle montem de latus habentem
K super se montem habentem de latus ballern habentem
A sinistra partem aquam vivam significat
K et in vallem duas aquas vivas habentis
M dextra levaque aquam vivam significat
Q multas aquas vivas transeunt de sinistram partem in alias
fines
S super se aquam vibam significat, de orientalibus partibus
rivum significat
275 V sub se rivum discindit et de leva parte rivus alter
Y habentem de latus in sinistris fontem super casa
duo rivora current
Z de sinistris partihus proximum fontanam habentem
M hoc casa (occasu?) aquam in curtem habentem.
Die Interpolationen des gromatiachen Corpus. 467
Diese wirren Ansetzungen steigern sich in das Maasslose hin-
sichtlich der Angaben über "SVege und sonstige von Menschenhand
herrührende Dinge: wir kommen auf die Einzelheiten, arca, hotmi-
tinus, lavacncm, memoria, trifinium, limes sextaneus, weiterhin zurück.
Das Ganze macht den Eindruck eines Schulexercitiums zu dem Zweck,
den Schüler die auf dem Situationsplan gegebenen Darstellungen in
Wortbeschreibungen umsetzen zu lassen, was an sich wohl für den
gromatischen Unterricht passt, hier aber in einer theoretisch wie
praktisch gleich unbrauchbaren und völlig barbarischen Exemplification
auftritt. Das Merkwürdigste an dem ganzen Stück ist, dass es, nach
Zeit und Ort hinreichend bestimmt, uns einen Maassstab gibt für den
Tiefstand der höheren Bildung in der Stadt Rom nach Alarich und
vor Theoderich.
Auch die jüngere Sammlung ist nach Ort und Zeit ungefähr
bestimmbar. Sie ist so. wie sie vorliegt, im Laufe des 6. oder des
7. Jahrhunderts gestaltet worden. Unter den hinzugekommenen
Stücken sind für die Zeitbestimmung wichtig ein Abschnitt der im
J. 533 publicirten justinianischen Digesten und Auszüge aus den
Origines Isidors (f 636). Da der Pandektentext die vollen Inscrip-
tionen und die griechischen Stellen im Original und unverdorben hat
und die Digesten nicht lange nach Justinian in Italien ausser Gebrauch
kamen, kann dessen Aufnahme in die Sammlung nicht wohl später
als in die Mitte des 6. Jahrhunderts gesetzt werden; wenn die
isidorischen Excerpte nicht bloss durch spätere Schreiberwillkür mit
der Sammlung vereinigt worden sind, was möglich ist, wenn auch
nach ihrer Stellung in derselben nicht gerade wahrscheinlich, so ist
die Sammlung in ihrer gegenwärtigen Gestalt mindestens ein Jahr-
hundert jünger. Eine letzte Grenze gibt das Alter der im 10. Jahr-
hundert geschriebenen palatinischen Handschrift. — Oertlich kann
auch diese Sammlung nicht ausserhalb Italiens entstanden sein, da
das ihr eigenthümliche Städteverzeichniss ausschhesslich italienisch
ist. Bestätigend tritt hinzu, dass in den casae litterarum dieser
Recension keine andere geographisch bestimmte Localität gefunden 276
wird, als die sehr oft genannte Flaminia und dass für FäUe extra
Italiam Ausnahmebestimmungen getroffen werden (p. 335, 7. 337, 25).
Es kann dagegen nicht geltend gemacht werden, dass in den hinzu-
gekommenen Stücken von Messungen in Constantinopel (p. 351, 15.
angeblich vom Kaiser Arcadius) und Africa (p. 307, 24. 344, 4.
353,2.20) gehandelt wird, da das Rom des siebenten Jahrhunderts
dem byzantinischen Machtbereich angehört. Wahrscheinlich ist, wie
ich schon früher vermuthet habe (Feldmesser 2, 166), die jüngere
30*
468 Die Interpolationen des gromatischen Corpus.
Recension in Dalmatien entstanden. Diese Landschaft, unter Theo-
derich ein Theil seines Herrschaftsgebiets ^, ist auch unter dem
byzantinischen Regiment bei Italien geblieben 2; und es ist schwerlich
zufällig, dass in dieser zweiten Redaction dem besseren Über coloniarum
die Provinz Dalmatien zugefügt worden ist^.
Diese jüngere Sammlung ruht, wie gesagt, auf der älteren;
wenn manche der in dieser enthaltenen Stücke in der jüngeren
Recension verstümmelt sind, insbesondere Frontinus und Nipsus,
so sind dies Schäden der Abschrift und hat der Redactor allem
Anschein nach von den wesentlichen Bestandtheilen der älteren
Sammlung keinen geradezu weggelassen mit Ausnahme der Schrift
über die Lagerbeschreibung, die ihm ohne Zweifel für seine prakti-
schen Zwecke entbehrlich erschien. Für den Text ist sie selbständig
und sehr häufig werden Lücken der älteren Sammlung (zum Beispiel
die grossen im Siculus Flaccus p. 142, 1—145, 2. 148, 19—165, 24)
und Corruptelen derselben durch die jüngere authentisch ergänzt
oder gebessert. Auch von allgemeiner Interpolation der Texte hält
sich die Sammlung frei. Aber einzelne Abschnitte sind in der
jüngeren Redaction in eine andere Form gebracht oder hinzugefügt
worden; von diesen soll jetzt gehandelt werden.
1. Vor allem charakteristisch für die jüngere Recension ist der
nur in ihr auftretende Commentar zu den beiden Tractaten des
Frontinus de agrorum qualitate und de confroversüs, welcher, in der
277 handschriftlichen Ueberlieferung dem echten Frontinus voraufgehend
und in derselben zu Unrecht dem Agennius Urbicus beigelegt, als
Untersatz zu jenen Tractaten bei Lachmann p. 1 — 26 abgedruckt ist.
Die Beschaffenheit dieser Schrift, obwohl von Lachmann wohl er-
kannt, ist meines Wissens weder von ihm noch von Späteren aus-
einander gesetzt worden. Nach der Vorrede ist das Werk ein
Schulbuch, bestimmt die jungen Leute, die nach Erledigung des
niederen Unterrichtes dem höheren (litteris secundis ac Uheralibtis)
sich zuwenden, in diesen Theil desselben einzuführen. Wir erfahren
daraus, was meines Wissens sonst nicht bezeugt ist, dass in der
Jugendbildung dieser Epoche, wie wir sie im Allgemeinen aus
Augustinus, Macrobius, Boethius kennen, das höhere Studium auch
1) Neues Archiv für deutsche Geschichte 14, 503 [„Ostgothische Studien'
die im Bd. 3 der Hist. Sehr, zum Abdruck gelangen werden]; meine Cassiodor
Ausgabe im Index p. 503 [Chron. minora vol. II 1894].
2) Constantin Porpb. de them. 2 p. 57 Bonn: t] 8e Aa^./nazia rfjg 'haUag earl
XcÖQu. Joh. Lydus (dem ich a. a. 0. Unrecht gethan habe) de mens. 4, 60,
3) Auch die arcae und arcellae passen dazu (vgl. unten S. 290 [480]).
I
Die Interpolationen des gromatischen Corpus. 469
die Feldmesskunst bis zu einem gewissen Grade einschloss. Zu den
eigentlichen vier oberen artes liberales: Geometrie, Arithmetik, Musik,
Astronomie, gehört allerdings die Groraatik nicht, aber scharf war
dieser Kreis schwerlieh abgegrenzt und sie konnte leicht an die
Geometrie angeschlossen werden. — Der Commentar, der uns hier
vorliegt, besteht im Wesentlichen darin, dass in die frontinische
Schrift zwei andere ebenfalls in der älteren Recension enthaltene
gromatische Schriften oder Schrifttheile hineingearbeitet sind, welche
letztere desshalb aus der jüngeren Sammlung beseitigt wurden: es sind
dies die Schrift des Agennius Urbicus über die agrarischen Contro-
versen und der gleichartige Abschnitt des (sogenannten älteren) Hyginus.
a. Yon der Schrift über die agrarischen Controversen (p. 59 — 90
der Ausgabe), welche die ältere Sammlung in der Subscription dem
Agennius Urbicus beilegt, ist in die zweite Sammlung in der ursprüng-
lichen Form nur ein einzelnes Blatt p. 73, 2S— 74, 10 = 42, 21— 43,13 ^
gelangt, das ohne Zweifel in dem ihrem Redactor vorliegenden
Exemplar der älteren Sammlung von seinem Platze verschlagen
worden war und darum nicht, wie das übrige Werk, in der jüngeren
wegblieb. Dagegen hat der Verfasser des Commentars zum Frontin
in denselben eine Reihe von Auszügen aus dem Agennius aufge- 27S
nommen; die erste derartige Stelle ist p. 79, 13 e^ sunt plerumque'^)
— 17 ita esse = 15, 10 — 19 und es folgen weitere genau in der
Folge bei Agennius bis zu der letzten p. 89, 25 satis ut puto genera
confroversiarum exposui — 90, 21 artifices coguntur = 25, 4 — 26, 25,
in welchen Epilog ausserdem einige bei Agennius in der Einleitung
stehende Brocken p. 6S, 16. 69, 3. 20, 70, 1 eingelegt sind. Mit
Rücksicht darauf, dass der Epilog des nur die Controversen behan-
delnden Agennius von dem Commentator für sein in der ersten Hälfte
de agrorwn qualitate handelndes Werk verwendet wird, setzt er nach
controversiarum hinzu vel primum agri qualitatem. Was schon hier-
nach evident ist, dass nicht Agennius aus dem Commentator, sondern
der Commentator aus Agennius geschöpft hat^, bestätigt die Ver-
1) Das Anhängsel 74, 11 vam et — 14 ostendunt = 43, 14—17 ist nicht zum
Agennius zu ziehen schon der Zeichnungen wegen (auch Fig. 34 gehört offenbar
zu 74, 11, nicht zu 74, 10), die im Agennius nicht vorkommen, kann aber auch
nach dem Inhalt (trxfinium!) zu diesem nicht gehören. In den Handschriften
P G, welche dieses Stück aufbewahrt haben, steht es zwischen den Elxcerpten
ans Faustus und Valerius p. 307. 308 und denen aus Latinus p. 809, und hierher
gehören offenbar auch jene vier Zeilen.
*) [Gemeint ist wohl vielmehr: p. 79, 7 nam ubi mons ftiit.]
2) Dass Lachmann 2, 110 dies unentschieden lässt, ist nichts als ein üeber-
s(;hen der nicht von ihm abgeschlossenen Untersuchung. Danach kann es auch
470 Die Interpolationen des gromatischen Corpus.
gleichung überall. Dass derjenige Theil des agennischen Werkes,
welcher in unseren Exemplaren der älteren Redaction unter dem
unzweifelhaft echten Namen des Agennius Urbicus mit In- und
Subscription vorliegt (p. 77, 20—90, 21), auch von dem Redactor der
zweiten Sammlung unter demselben Namen gelesen ward, wird
dadurch ausser Zweifel gesetzt, dass er mit dem Epilog zugleich
diesen Namen übernommen und ihn als Inscription p. 1, 5 seinem
ganzen Commentar vorgesetzt hat. Der vorhergehende Abschnitt aber
(p. 59 — 77, 18), der in unseren Handschriften der ersten Recension
lückenhaft und verwirrt und ohne Yerfassernamen überliefert ist,
war wohl schon zerrüttet, als die zweite Recension entstand, und
ging unter dem Namen des Frontinus, da der Verfasser des Frontin-
commentars p. 10, 19 eine Stelle daraus p. 68, 6 als Worte des
Frontinus anführt und die zweite Recension ihrem vorher erwähnten
einzelnen Agennius - Blatt die vermuthlich dem laufenden Blatttitel
entnommene Ueberschrift gegeben hat ex lihro Frontini secimdo^.
279 Aus inneren Gründen aber kann dieser Abschnitt unmöglich frontinisch
sein; sicher richtig hat Lachmann darin die erste Hälfte der Contro-
versen des Agennius erkannt. — Das Verhältniss der Controversen-
schrift des Agennius zu derjenigen Frontins über denselben Gegen-
stand kann hier unberührt bleiben; Lachmanns Ansicht, dass Frontinus
diesen Gegenstand zweimal bearbeitet und Agennius dessen zweite
ausführlichere Bearbeitung überarbeitet hat, scheint mir wenig wahr-
scheinlich. Auf alle Fälle ist es rathsam, den überlieferten Text des
Agennius p. 59 — 90 anstatt des von Lachmann daraus hergestellten
nach ihm frontinischen p. 34, 15 — 58, 22 zu benutzen.
b. Weiter hat der Commentator den letzten Abschnitt des hygini-
schen Lehrbuchs von p. 123, 17 nunc de generibus controversiarum
perscribam bis zum Schluss p. 134 aus seinen Digesten entfernt und
dagegen sehr umfängliche Auszüge daraus seinem Frontincommentar
einverleibt.
nicht zweifelhaft sein, dass der Name des Agennius Urbicus vor der Controversen-
schrift zu Recht und vor dem Frontincommentar zu Unrecht steht.
1) Diese Ueberschrift ex lihro Frontini seeundo ist von Lachmann ohne zu^
reichenden Grund 26, 3 eingesetzt worden ; hier ist überhaupt kein Abschnitt,
da 25, 1 und 26, 5 deutlich zusammengehören. Meines Erachtens kann als fron-
tinisch nur p. 1 — 34, 13 der Ausgabe betrachtet werden, welche auch die In-
und die Subscription der besseren Recension dem Frontin beilegen. Die Ordnung
war wohl dieselbe wie bei Hygin: de limitibiis (p. 27, 13—34, 13) — de agrorum
qualitate (p. 1 — 8) — de controversiis (p. 9 — 26, 2). Der Abschnitt über solidum
und cultellatum p. 26, 6— 27, 12 scheint nicht am richtigen Platz zu stehen.
Die Interpolationen des groma tischen Corpus. 471
Wenn zu diesen Excerpten noch eine einzelne Stelle aus Baibus
p. 4, 33 — 5, 12 = 104, 3 — 7 gefügt wird, so ist damit erschöpft,
was der Verfasser des Frontincommentars aus noch vorhandenen
Bestandtheilen des älteren Corpus entlehnt hat^ Aber er hat auch
Stücke gehabt, die uns fehlen, nicht eigentlich andere Quellen'^, aber
wahrscheinlich die beiden oben angeführten jetzt stark verstümmelten
vollständiger als wir sie besitzen^. Zweimal p. 3, 23. 28 führt^er 280
1) Die Stelle p. 11, 24 kehrt zwar wieder im Städteverzeichniss p. 220, 15,
aber Lachmanu 2, 141 hat sehr schön gezeigt, dass der Commentator sie nicht
diesem entnommen hat. sondern dem Hyginus.
2) Lachmanns Vermuthung 2, 108, dass der Verfasser des Frontincommentars
einen älteren gleichartigen benutzt hat, kann ich nicht theilen. Was in den
Stellen steht, auf die sich Lachmann beruft, dass die richterliche Entscheidung
nicht den Mensoren zukommt, sondern dem Statthalter (16, 20), und dass diese
nur die Grenzen zu weisen haben , aber Land zu adsigniren allein der Kaiser
befugt ist (8,26), dürfte, auch abgesehen davon, dass dergleichen bei Hyginus
oder Agennius gestanden haben kann, der Verfasser des Commentars wohl aus
eigenen Mitteln haben beschaffen können.
3) Lachmann (2, 129) nimmt an. dass der Commentator nicht bloss für uns
verlorene Blätter des Agennius benutzt, sondern auch in dem anscheinend
äusserlich vollständigen Theil einen volleren, in unseren Handschriften durch
Schreiberwillkür gekürzten Text gehabt hat. Aber die fraglichen Stellen scheinen
mir nicht dem Agennius zu gehören. Es handelt sich um die folgenden:
15, 10 nam ubi mons — 16 stringebantur (^ergänzt im Agennius 79, 7 — 13, ^im
Frontin 48, 9—16). Es ist dies lediglich Amplification der im Commentar
vorhergehenden "Worte Frontins und kann füglich dem Commentator ge-
hören.
16, 16 sxint et aliae proprietates , quae muMicy^us a principibus sunt concessae (da-
nach im Agennius 80, 9. 10, im Frontin 49, 12. 13). Dies ist Umschreibung
des Commentators für den Satz des Agennius: aliaheneficia etiam quaedam
mtmici'pia acceperunt.
21, 11 sunt silvae .... 14 peregrinis (danach im Agennius 86, 4—7, im Frontinus
55, 4—7). Da von der Holzlieferung in balnea eben vorher die Rede gewesen
ist, so hat Agennius schwerlich die Lieferung in lavacra publica folgen
lassen. Die Freigebung der pa^ua quibuscumqiie in urbetw venientibtis
peregrinis ist seltsam und schwerlich dem Agennius beizulegen.
21, 18 sunt autem loca publica coloniarum .... 28 casalia non täuntur (danach
bei Agennius 86, 16 — 25, bei Frontinus 55, 16—22). Was hier über die
praefecturae gesagt wird, hat der Commentator offenbar aus 16. 10 wieder-
holt. Warum die Bemerkung über die Tiberinsel aus .Agennius genommen
sein soll, ist nicht ersichtlich.
22, 25 si enim loca Sacra ... 23, 28 perspicimus (danach bei Agennius 88, 4—17,
bei Frontinus p. 57, 5—20) ist sicher in dieser Gestalt nicht von Agennius;
die Worte des Commentators in Itaiia multi crescenie rdigione sacratissima
Christiana lucos profanos sive templorum loca occupaterunt et strunt sind
vielmehr Umschreibung derjenigen des Agennius: in Italia densitas pos-
sessorum mullum improbe facit et lucos sacros occupat, ebenso wie bei den
472 Die Interpolationen des gromatischen Corpus.
den Hyginus an, wo unser Hygintext anscheinend versagt^; eine
281 Reihe anderer Stellen aus dem Commentar hat Lachmann (2, 129 f.
139 f.) vermuthungsweise theils dem Agennius p, 67, 12. 70, 11. 71, 11.
72,24. 73,5, theils dem (älteren) Hyginus p. 108—111. 113—115
zugewiesen. Dabei bleibt selbstverständlich das Einzelne zweifelhaft;
indess wird man im "Wesentlichen dem grossen Sprachmeister wenig-
stens hinsichtlich des Agennius beipflichten können. Ob der Commen-
tator den sogenannten älteren Hygin wirklich vollständiger gehabt
hat, ist minder sicher; was Lachmann auf diesen zurückgeführt hat,
kann entweder auf freie Benutzung uns erhaltener Stellen zurück-
gehen (so auf 133, 9 die schon durch die Beziehung auf den augusti-
schen Reichscensus bedenkliche Stelle 8, 18—22 = 111, 3—7) oder
auf die vielleicht von Lachmann etwas unterschätzte eigene Kunde
des Verfassers.
2. Das Städteverzeichniss findet sich in der jüngeren Recension
in doppelter Gestalt, von denen die eine (in G fehlende) im Ganzen
dem Über coloniarum I der Ausgabe entspricht, diejenige dagegen,
welche Lachmann p. 252 — 262 als Über coloniarum II herausgegeben
hat, der jüngeren Recension ausschliesslich eigen ist. Was in dem Über
coloniarum I die jüngere Recension allein hat, ist durchaus minder-
werthig. Unzweifelhaft gilt dies, wie ich schon früher (Feldm. 2, 1 57. 165
[Hist. Sehr. 2 S. 155. 162]) hervorgehoben habe, von einigen bei Picenum
gemachten kleineren Zusätzen und von der neu hinzutretenden 2)rovincia
Dalmatia; aber auch den Abschnitt über die überhaupt bedenkliche
provincia Valeria p. 228, 3 — 229, 5 hätte ich strenger, als a. a. O.
folgenden: lucos frequenter in trifinia et quadrifinia invenimus, sieut in
siiburbanis . . . perspicimus die Stelle des Agennius benutzt ist : haec maxime
aut in loco urbis aut in suburbanis locis privatis detinentur.
23, 31 si aqua ... 24, 18 perita finiendum (danach bei Agennius 89, 8—9, bei
Frontinus 58, 4— 10) passt in den Agennius nicht gut.
Wenn man erwägt, dass wir die handschriftlichen Quellen des Commentators
keineswegs vollständig besitzen und noch weniger zu ermessen im Stande sind,
was er aus seinem eigenen Vermögen hat hinzuthun können, so empfiehlt es
sich gewiss nicht, einen in der bezeichneten Weise vermehrten Agennius - Text
zu schaffen. Die Lachmannsche Ausgabe fordert sehr vorsichtigen Gebrauch.
In einem neuen Abdrucke wäre es dringend zu wünschen in dem Text des
Commentars die sicheren und die nur conjecturalen Entlehnungen durch ver-
schiedene Schrift kenntlich zu machen und auf die sämmtlichen Reconcinnationeu
zu verzichten. [Eine neue Ausgabe der Gromatiker verspricht Carl Thulin, dem
Ad. Schulten sein Material zur Verfügung gestellt hat.]
1) Der sogenannte jüngere Hygin hat entsprechende Stelleu, aber sie stimmen
im Wortlaut nicht und Benutzung dieser Schrift durch den Commentator lässt
sich nicht erweisen.
Die Interpolationen des gromatischen Corpus. 473
S. 167 geschehen ist, behandeln und mit den übrigen Stücken der
zweiten Recension auf eine Linie stellen sollen. Bei einem neuen
Abdruck der gromatischen Digesten Tnrd es nothwendig sein im liber
ccloniarum I die in AB erhaltenen relativ reinen Bestandtheile von
den aus EP hinzutretenden sorgfältig zu scheiden. Der gesammte
liher coloniarum II aber charakterisirt sich deutlich als verschlech-
ternde Ueberarbeitung des liber coloniarum I, wie dies bereits früher
(a. a. O. S. 167 f. [Hist. Sehr. 2 S. 162 f.]) von mir entwickelt worden ist.
3. Ueberarbeitet in den jüngeren Digesten ist auch der kleine
Abschnitt p. 242, 7 — 243, 17. eine Uebersicht der verschiedenen Grenz-
steinformen von Gracchus bis auf Traian, welche in den älteren
gromatischen Digesten unter den kleinen Schlussstücken steht, wäh-
rend sie in den jüngeren unter Verkürzung und Verderbung des 2S2
Anfangs an die Erwähnung der termini Augiistei p. 22S, 1 ange-
schlossen ist: In der Ausgabe steht sie nicht zweckmässig am
Schluss des liber coloniarum I. "Weiter erscheint die jüngere inter-
polatorisch verkürzte Form im wesentlichen identisch in einem der
jüngeren Recension eigenthümlichen Abschnitt (p. 347. 348) unter der
L'eberschrift Latinus et Mysrontius togati Augustorum auctores. Es
mögen hier die drei Texte stehen, um die interpolatorische Hand-
habung der zweiten Recension zu verdeutlichen,
A p. 242, 7 P p. 227, 16. 242, 11 PG^ p. 34S, l
ratio militiae (vielleicht
Umitum) adsignationis
prima (primae?) trium-
inralis lapidesGraccani
rotundi columniaci, in
capite diatnetrum ped. I
et ped. IS, altus ped. et variis locis tenni- Nam in locis montanis
IUI et Ulis. nos Augusteos ^, per terminos posuimus ro-
Item divi luli idem quorum cursus in Pi- tundos, quos Augusteos
sunt. ceno fities terminantur. vocamus, pro hac ra-
Item Augustei idem Item divi luli Augu- tione quod Augustus
sunt hac ratione quod stei pro hac ratione eos recensivit et ubi
Augustus eorum men- sunt, quod Augustus fuerunt lapides alios
suras recensiit et tibi eos recensivit et ubi constituit cet.
fuerunt lapides alios fuerunt lapides alios
cynstituit cet. constituit cet.
1) Vgl. P bei Dalmatien p. 240, 20 : summa montium, terminos Ättgusteos,
tf' est rotundos in effigiem columnae.
474 Die Interpolationen des groniatischen Corpus.
So geht es weiter mit Auslassungen, aber in wesentlicher Identität
des jüngeren Textes mit dem älteren.
4. Analog behandelt werden die casae litterarum. Das in der
älteren Recension vorliegende Alphabet wiederholt in dieser bar-^
barischen Gestalt in der jüngeren sich nicht; aber vier durchaus
analoge, zwei lateinische und zwei griechische, das zweite doppelt
283 (p. 310—325. 331. — 338) treten dafür ein, das erste unter der Ueber-
schrift ex libro XII Innocentius v. p. auctor de litteris notis iuris
exponendis, das zweite ohne Ueberschrift, das dritte in dem einen
Text ebenfalls ohne Ueberschrift, in dem andern überschrieben ex-
positio litterarum finalium, das vierte betitelt de casis litterarum
montimn in ped. V fac. pede uno. Die Sprache ist minder roh als
in dem der älteren Sammlung einverleibten Exemplar, die Darlegung
aber künstlicher und oft unglaublich verzwickt, so dass die bei jenem
mögliche Annahme einer entsprechenden einfachen Zeichnung sich
hier nicht mehr durchführen lässt. Im Wesentlichen gilt sonst von
diesen Yerzeichnissen das von dem ältesten Gesagte. Augenschein-
lich haben wir gleichartige Schulexercitien vor uns, herrührend von
einem grammatisch etwas weiter gediehenen, aber sonst dem älteren
gleichwerthigen Ludimagister, dem die Feder und der Griffel offenbar
geläufiger waren als die Messstange.
5. Während in der älteren Sammlung der theodosische Codex
erst in der Recension E vertreten ist und die posttheodosischen
Novellen ganz fehlen, haben von diesen drei in die jüngere
p. 273 — 275 Aufnahme gefunden, aber in einer selbst in diesem
Kreise unerhört interpolirten Gestalt. Zwei derselben tit. 24 vom
J. 443 und tit. 4 vom J. 438, die von den milites limitanei handeln,
sind hier dahin umgestaltet, dass den Mensoren die erste grössere
Emolumente, die zweite eine höhere Rangstufe beilegt; die dritte
tit. 20 vom J. 440 ist nicht ganz so arg misshandelt, aber zwei rohe
Einlagen zeugen auch hier von der Absicht den Mensoren gegen die
bestehende Ordnung die rechtliche Entscheidung in Alluvionsstreitig-
keiten beizulegen.
6. Dazu tritt endlich eine der älteren Recension gänzlich un-
bekannte Masse von angeblichen Excerpten aus einer Menge von
Schriftstellern, auctores, wie sie hier heissen. Es sind dies die
etruskische Wahrsagerin Begoe (p. 348, 17. 350, 17), deren Brief an
den Aruns Yelthymnus allerlei religiöse Merkwürdigkeiten enthält;
Mago (p. 348, 16), doch wohl der alte karthagische Ackergelehrte;
der Kaiser Arcadius (p. 343, 20. 351,12); Theodosius (p. 345, 22),
auch wohl der Kaiser Theodosius II; dann die meistens als viri per-
Die Interpolationen des gromatischen Corpus. 475
fedissimi, zum Theil auch als togati (Advocaten) titulirten Auetoren
Dolabellä (p. 302); Faustus (p. 307,21. 353,1); Gaius (p. 307,1.
345, 23): Innocentius (p. 310, 2); Latinus (p. 305, 1. 309, 1. 347, 1);
Mysrontius (p. 347, t); Yalerius (p. 307, 22. 353, l); Vitalis (p. 307, 14. 284
343, 20. 352,7), denen dann noch eine Reihe kleiner, ohne Xamen
der Verfasser auftretender Abschnitte beigefügt sind. Die Gesammt-
masse macht den Eindruck von Excerpten aus einem nach Art der
justinianischen Digesten geordneten, vielleicht bloss gromatischen,
vielleicht umfassenderen Sammelwerk, dessen zwölftes Buch zweimal
angeführt wird, einmal p. 310, 1 vor dem Auszug aus Innocentius
und allgemein von dem Kaiser Arcadius p. 351, 20; sicut in libro XII
aiictores constituermit. Dass das, was uns vorliegt, in der That
Excerpte sind, findet eine Bestätigung darin, dass die zwei Stellen
aus Gaius und die drei aus Yitalis in verschiedener YoUständigkeit
auf eine gemeinschaftliche Quelle zurückgehen. Aber damit wird
die nicht abzuweisende Frage nach der Echtheit dieser CollectaneeQ
nur etwa um eine Stufe zurückgeschoben. Anderweitige Anlehnung
finden diese Citate nirgends ausser in einem anderen der Zusatz-
stücke der zweiten Redaction, indem der liber coloniarum II p. 253, 24
mit den signa quae in lihris auctorum leguntur (vgl. 255, 16) auf
Dolabellä p. 303, 4 verweist, und allenfalls in den casae Utterarum,
welche mehrfach (p. 313, 12. 316, 24. 317, 14. 322, 25) auf die auctores
verweisen. Kann einer Compilation des 6. Jahrhunderts n. Chr.,
deren Redactor die Ueberschrift Balbi ad Celsum umgewandelt hat
in lulius Frmitinus Celso'^ und dessen Interpolationen der theodosi-
schen Xovellen an Unverschämtheit ihres gleichen suchen, diese
Schaar sonst unbekannter Gromatiker in gutem Glauben entnommen
werden? Dass eines dieser Excerpte in der älteren Sammlung
anonym vorkommt, während es die jüngere Recension in inter-
polirter Form dem Latinus beilegt 2, und dass eine Yariation der in
der älteren Sammlung ebenfalls anonym auftretenden Hausalphabete
hier dem Innocentius und dem zwölften Buch der Sammlung zuge-
schrieben wird, muss den Yerdacht wesentlich steigern.
Dieser durch die äusserlichen Momente erweckte Yerdacht gegen
die der jüngeren Sammlung eigenthümhchen Abschnitte wird zur
1) Allerdings leitete ihn dabei die Subscription der älteren Sammlung
p. 108, 8: expUcit liber Frontonis.
2) S. 282 [473]. Auch das dem Mago beigelegte Stück knüpft p. 348, 19 in
bedenklicher Weise an den interpolirten Abschnitt der älteren Sammlung de
sepiila-is p. 271, 11 an, sowie p. 349, 10 an die Interpolation der theodosischen
Verordnung.
476 Diß Interpolationen des gromatischen Corpus.
Gewissheit, wenn dieselben auf ihren Inhalt geprüft und die darin
auftretenden Ungehörigkeiten erwogen werden. Zwar in dem Frontin-
285 commentar begegnen uns dieselben nicht, sei es, dass dieser in noch
umfassenderem Grade, als jetzt angenommen wird, einen blossen
Cento aus älteren Schriften darstellt, sei es, was mehr Wahrschein-
lichkeit hat, dass er von anderer Hand herrührt als die übrigen der
jüngeren Redaction eigenthümlichen Stücke, die Umarbeitung des Über
coloniarum, die Zusätze zu den theodosischen Verordnungen, die casae
litterarum, die Auszüge aus den gromatischen Digesten. Durch alle diese
geht, wie ich schon vor vielen Jahren in den Feldmessern (2, 163. 164
[Hist. Sehr. 2 S. 159 f.]) erinnert habe, die Tendenz die Grenzmarken,
sowohl die natürlichen wie die von Menschenhand gesetzten Merk-
zeichen zu specialisiren, und an dieses Bestreben knüpfen sich eine
Anzahl gleichartiger Verkehrtheiten. Schon in der älteren Recension,
sowohl in ihrem Städteverzeichniss wie vor allen Dingen in dem ihr
einverleibten schlechten Schulexercitium, den casae litterarum, zeigen
sich davon die Anfänge, so dass wir den Ursprung dieser Schwinde-
leien in der Tradition des gromatischen Schulunterrichts zu suchen
haben werden; die jüngere wird ganz von ihnen beherrscht. Es
erscheint erforderlich, von diesen verwirrten Ansetzungen die wichtig-
sten hervorzuheben. Dass auch sprachlich diese Stücke gleichartig
sind, zum Beispiel in dem Gebrauch von latitia für latitudo und in
der incorrecten Verwendung der Präposition de, will ich nur andeuten.
Das Limitationssystem der Römer kennt die Zählung der Mr-
dines und decimani, gibt aber der sechsten Stelle keine besondere
Bedeutung. Dagegen spielt der linies sextaneus'^, welcher in der
älteren Sammlung nur in den casae und in dem Verzeichniss der
nomina limitum p. 248, 15 auftritt, in der jüngeren eine hervor-
ragende Rolle: er erscheint massenhaft in den casae, aber auch bei
Mago 350, 14: Hmes sextaneus transit per limitem possessionis und
bei Vitalis 345, 18 = 352, 11 vgl. 342, 25.
286 ^on dem llmes Galliens weiss die gute Litteratur ebenfalls nichts;
in der älteren Sammlung begegnet er nur an einer zweifellos inter-
1) Rudorff 2, 344 versteht darunter den Tiardo maximus, weil dieser in horavi
sextam trifft (p. 170, 8). Aber es kann auch der Schreiber daran gedacht haben,
dass der limes quintarius, insofern die Hauptlinie mitgezählt wird, auch als
sechster gezählt werden kann (p. 112, 9 fg. 174,17: hunc volunt esse quintum,
qui est sextus). Die unlateinische Endung auf -eus ist auch charakteristisch für
diese halb byzantinischen Schriftstücke, die ebenso stets von dem limes oder
terminus Augusteus sprechen, niemals lateinisch von Augustus oder Augustanus
(einmal Augustianus p. 237, 2).
Die Interpolationen des gromatischen Corpus. 477
polirten Stelle des Städteverzeichnisses p. 227, 11: ager Falerionensis
limitibus maritimis et GaUicis, quos dicimus decimanos et Jcardines;
ferner wie der sextmieus in den casae p. 328, 20: finis quadratos
hahentes limites maritimense GaUicu intercidunt und in dem Xamen-
verzeichniss 24S, 10: limites GaUici hinter den limites maritimi. In
den jüngeren Stücken findet er sich, abgesehen von der Wieder-
holung der Xotiz über den ager Falerionensis p. 256, 6, an folgenden
Stellen:
lih. col. II p. 252, 2: Ädrianus ager limitibus tnaritimis et GaUicis,
quos nos d. et k. appellamus.
lib. col. II p. 256, 16: Kam^rinus .... ager eins limitibus mariiimis
et GaUicis corUinetur.
casae p. 314. 30: fines in quadro habens: limes maritimus Gaüicum
intercidet — offenbar Rectifieation der aus der älteren Samm-
lung angeführten Stelle.
casae p. 334, 12: per GaUicum limitem IcUitia ped. oc L.
Faustus und Yalerius p. 308,18: circa urbem Babylonis Bomae
maritimtim fiet et GaUicum.
expositio limitum p. 359, 15 fg.: omiies limites maritimi aut GaUici
una factura current, quoniam sanctior est, id est iustior videtur
mariiimiis limes frequentius solei recte studiri .... est GaUicus
in sua constiettidine .... contra urbis Babylonis Borna maritimi
limites fient et GaUicus inpinget.
Handgreiflich ist hier aus den beiden Stellen der älteren Sammlung,
die allem Anschein nach selbst nichts taugen, dieser Doppelgänger
des limes maritimus in eine Reihe von Angaben der zweiten Recen-
sion hineingetragen worden.
Ein Hauptkriterium der späten Pseudogromarik ist, wie gesagt,
die Specialisinmg der arcifinischen Grenzlinien durch zufällige die
Grenzsteine oder Grenzpfähle ergänzende Grenzmerkmale. Was der
Art bei den älteren Schriftstellern sich findet, ist ebenso sparsam
vie sachgemäss: genannt werden in dieser Beziehung der Fluss, der
Graben, die Strasse, der Höhenzug (summa montium iuga oder ähn-
lichy und die Wasserscheide (divergia aquarum), die Tieflinie der
Bodensenkung (supercilium : p. 128, 15. 143, 3^, die Hecke, der Stein-
haufen (congeries lapidum, scorpio, attina), der freistehende oder
gezeichnete Baum. In der späteren Schriftmasse dagegen ver-
schwinden die guten alten technischen Ausdrücke, wie supercilium 287
und divergium aquarum, ganz oder fast ganz und treten in der neuen
Terminologie Wortgruppen auf folgender Art:
478 ^^^ Interpolationen des gromatischen Corpus.
p. 227, 14 arcae, ripae, canahula, noverca . . . muri, maceriae,
scorofiones, congeriae, carbunculi, fast ebenso 211,10. 228,5.
252, 3. 256, 8.
p. 259, 25 arcae, ripae, sepuUurae, congeriae, carbunculi, rivi,
supercilia et limites decumani et hardincs.
Dies ist nichts als ein wüstes Conglomerat halb oder nicht verstandener
zum guten Theil synonymer oder gar in diese Yerbindung nicht
gehöriger Ausdrücke; die den Grenzsteinen etwa unterlegten Kohlen
passen zu den sichtbaren Grenzmarken übel und gar die decumani
xm'di Icardines haben mit der arcifinischen Termination nichts zu thun.
Es soll dies weiter an einzelnen Beispielen dargelegt werden.
Als arcifinische Grenzmale begegnen in der guten gromatischen
Litteratur Berge und Hügel nicht ^, sondern nur der Höhenzug, die
summa montium iuga; wo von montes in allgemeinen Angaben die
Bede ist (p. 5, 8. 41, 10), ist dieselbe Hochlinie gemeint. In der
That eignet die Anhöhe ohne nähere Determination sich für eine
solche Verwendung nicht, weil sie weder als Punkt noch als Linie
hinreichend bestimmt ist. Zu den Kriterien der schlechten Masse ■
.gehört dagegen der monticellus; er begegnet häufig in den Auszügen
aus den gromatischen Digesten (p. 305 — 367) und in keineswegs
vertrauenerweckender Weise. Die mit gelehrtem Herabsehen auf
■die Ignoranten (qui nesciunt quid est in lectionihus) vorgetragene
Auseinandersetzung (p. 306, 9), dass in Kriegszeiten (in tempore
quando müites occidebantur in hello puhlico) die Gefallenen regel-
mässig an den Trifinien und Quadrifinien^ beigesetzt worden seien
und zwar ein jeder unter besonderem Hügel, ist hinreichende Warnung.
Wenn nach einer mehrfach wiederholten Notiz (307, 17. 345, 15.
352, 8) der mitten auf der Grenze (limes) stehende Grenzstein (ter-
288 minus), falls er nach einer Seite hin ausgehöhlt ist, auf drei Hügel
hinweist (so scheint tres monticellos transit gemeint zu sein) und auf
dem dritten Hügel am Bad eine das Quadrifinium bezeichnende
Steinkiste (arca) sich findet, so wird es nicht gelingen diesen und
ähnlichen Angaben eine bestimmte Vorstellung abzugewinnen. Ver-
ständlich ist es, dass nach einer anderen Notiz (p. 308, 1) bei der
africanischen Termination, um Grenzsteine zu sparen, dafür Erdhügel
1) In dem Schema 19, 21 = 114, 16 lieisst es zwar: ex colle (Hdschr. coUegio)
qui appellatur ille ad flumen illud, aber es gehört dies zu den nur im Froutin
commentar enthaltenen vermuthungsweise von Lachmann dem Hygin zug
wiesenen Stücken, bei welchen die Wortfassung keineswegs zuverlässig ist
2) Was die centuriae hier bedeuten, weiss ich nicht; vielleicht sind die
afrikanischen Steuerhufen (Marquardt Staatsverw. 2, 230) gemeint.
I
Die Interpolationen des gromatischen Corpus.* • 479
aufgeschüttet werden, sogenannte botonfini. Es ist nichts im "Wege
darin eine africanische Localgewohnheit und Bezeichnung zu erkennen,
da alle die hotontini behandelnden Stellen füglich von africanischen
Mensoren herrühren können; für die allgemeine Gromatik ist eine
derartige, nur durch die Umgebung, in der sie auftritt, verdächtige
Angabe auch dann nicht verwendbar, wenn man sie gelten lässt.
Dass die Gräbmäler bei der arcifinischen Termination gelegentlich
erwähnt (19, 28 = 114, 23. 19, 30 = 115, 1. 347, 5. 348, 14) und
namentlich in den casae litterarum unter dem späten Namen memoria
häufig genannt werden, hat keine weitere Bedeutung; eine gewisse
Beachtung aber verdient die sepultura finalis (250, 22. 341 , 17.
361, 12. 405, 19; vergl. 243, 14. 271. 272), insofern die römische
Sitte die Gräber längs der öffentlichen Wege, eventuell an der
Grenze des Privatackers die Frage nahe legt, ob sie nicht bei
Grenzstreitigkeiten unter Umständen Berücksichtigung gefunden haben.
In der That sieht ein dem Dolabella beigelegtes Fragment^ dies
vor: um zu finden, nach welcher Seite hin das Grab an die Grenz-
linie stösst, soll fünf Fuss von demselben der Boden ausgehoben
oder aufgepflügt werden und ist die Grenze an derjenigen Seite, an
welcher Topfscherben oder ganze Töpfe zum Vorschein kommen.
Irgend welche monumentale Bestätigung dieser Angabe ist mir nicht
bekannt und bis eine solche sich finden sollte, verbietet die Unzu-
verlässigkeit des Gewährsmannes ihr Glauben zu schenken.
Am auffallendsten unter den Grenzmalen ist die arca oder
arcella. Die bessere gromatische Litteratur kennt die arca nicht;
selbst in dem Colonieverzeichniss findet sie sich in der besten Hand-
schrift (Ä) nur an einer einzigen zweifellos in später Zeit eingescho-
benen Stelle^ und ebenso wenig erscheint das Wort in dieser Ver-
wendung ausserhalb des gromatischen Corpus. Dagegen begegnet es 2S9
überall in den nur in den geringeren Handschriften (PG) bewahrten
Abschnitten des Colonialverzeichnisses; ferner sehr häufig in den
Auszügen aus Latinus und den gleichartigen Autoren; die arca darf
als das rechte Kennzeichen der Zugehörigkeit zu dieser verdächtigen
Masse angesehen werden. Auf die Frage, was sie sei, fehlt die
Antwort nicht; sie ist von Marmor (p. 334, 25: arca constiiuta mar-
morea. 363, 2S) und hohl (p. 308, 25: terminns in modum arcellae
covatus Claudianus dicitur; ähnlich p. 227, 5). Die Maasse giebt
1) 303, 12 fg. Zu lesen ist wohl ixixta sepulturam sive bitsttnn (huxus die
Hclschr.^ sive etiam eitleres (cineates die Hdschr./
2) 227, 14 vgl. 2, 163. Die Worte p. 227, 5 gut in modum arceUae facti sunt
fei Jen im Arcerianus und sind Zusatz der jüngeren Recension.
480 Die Interpolationen des gromatischen Corpus.
beispielsweise das Excerpt aus Faustus und Yalerius p. 353, 6 =
356, 21 : 30 Fuss lang, 15 Fuss breit, 7 Fuss hoch, also 3150 Fuss im.
Kubikinhalt, womit die Zeichnung (Fig. 288) übereinstimmt. Aber
die Zweckbestimmung bleibt fraglich. Da die arca sehr häufig in
Verbindung auftritt mit der aqua (z. B. 305, 8: ipsa aqua viva in
arca trifinii est; ähnlich 314, 17. 320, 2) oder mit dem alveus (312, 17:
ipsa arca alveum signißcat; 317, 33: arca super ripa alvei constituta
est; 319, 10: sub alveo arca constituta est pl[us'\ m[inus'\ ped. C de
ripa alvei), auch mit dem /«mcr^m (307, 1 9. 311,27. 319,20. 352,9),
könnte an einen Wasserbehälter gedacht werden; aber diese Yer-
bindung ist keineswegs durchgehend und auch die quadratische
Form, welche zum Wesen der arca gehört, kann unmöglich als
normale der Cisterne hingestellt werden. Am nächsten liegt es
immer bei der viereckigen hohlen Steinkiste an den Sarkophag zu
denken, der ja häufig arca heisst; insbesondere wenn man sich an
die Sitte der Spätzeit erinnert, die Todten beizusetzen in mächtigen
unter freiem Himmel stehenden Steinsärgen, wie Cassiodor (var. 3, 19)
die für die cadavera in supernis humata in Ravenna angefertigten
arcae beschreibt und wie sie uns der Soldatenfriedhof in Concordia
und ähnliche dalmatinische Sarkophagfelder ^ vor Augen führen.
Dass der Grabstein, in diesem Spätlatein memoria, zuweilen mit der
arca in Yerbindung gebracht wird (besonders 364, 28: quia arcas —
d. i. arcae — aliquotiens circa sepulchrum sine dubio ponuntur et
super ipsam arcam memoriae constitutae . . . . ut in ipsa memoria
consecraretur arca finalis, vgl. 315, 27. 324, 2. 329, 7), lässt sich mit
der Auffassung der arca als Sarkophag wohl vereinigen. Hirschfeld
290 erinnert daran, dass die Bezeichnung arcella ausser bei unseren
Autoren allein auf einer dalmatinischen Inschrift (C. I. L. HI. 5
n. 9546) sich gefunden hat und dass die dalmatinischen Christen-
gräber nicht selten in eine sonst nicht vorkommende Yerbindung
mit der piscina gebracht werden; da die Compilation in Dalmatien
gemacht zu sein scheint (S. 276 [467 f.]), so bieten sich hier allerdings
nach mehreren Seiten Anknüpfungspunkte. Aber andrerseits passen
zu der Auffassung der arca als Sarkophag die oben angegebenen
Maasse keineswegs, und vor allem bleibt es unerklärt, inwiefern die
arca als Sarkophag zugleich Grenzbezeichnung sein kann; daran aber
ist doch kein Zweifel.*) Sie heisst arca finalis (241, 2. 363, 23. 364, 32)
1) Ich sah ein solches bei Spalato auf der Strasse nach Trau (C. I. L. III
p. 305).
*) [Im Thes. 1. 1. s. v. arca (vol. II p. 433, 68) wird noch citiert: Lex Vis.
Reco. 10, 3, 3 quotienscumqm de terminis fuerit mia contentio, signa quae antiquitus
Die Interpolationen des gromatischen Corpus. 481
und es wird die arca in quadrißnio unter den termhii aufgeführt
(341,16), auch sonst das quadrißnium (310,15. 311,27. 312,8. 16.
352, 10) wie das trißnkim (325, 9: arca in monticeUo posita, cui
[d. h. in quo] casales [= Dörfer] conveniunt; ideo arca trißnium signi-
ficat et territoria dividet; 313,8. 315,18. 352,13. 360,22) durch die
arca bezeichnete Richtig kann dies nicht sein; gegenüber dem
Schweigen der älteren und zuverlässigen Zeugen und gegenüber
dem Fehlen aller monumentalen Belege ^ erscheint die Bezeichnung
der Trifinien und Quadrifinien durch Sarkophage ebenso widersinnig
wie das Schreiben des Kaisers Tiberius an Octavian und dessen
Collegen im Triumvirat. Mir gilt die arca ßnalis, wie die verrückte
Schematisirung der Ebenen und der Gebirge nach dem lateinischen
und dem griechischen Alphabet, als dreiste Erfindung nicht eines
Feldmessers, sondern eines Schulmeisters, welchem die Sarkophage
der Gräberfelder im Sinne lagen und dem es beliebte in die Plan-
skizzen für seine Schulübungen dergleichen Kasten einzuzeichnen,
unmöglich in der realen Feldmesserei, aber wohl geeignet in dem
verfallenden Unterricht dieser traurigen Jahrhunderte mitzuwirken
bei der Yerdummung der Jugend. Da die zufälligen Grenzmarken
dem ager arcißnins eigen sind und die späteren Schulmeister die
arca sprachlich mit diesem verknüpfen (367, 4 : arcam ab arcendo
vocatam, fines enim agri custodit eosque adire prohihet: trißnium 291
dictum eo quod trium possessionum fines attinget, hinc et qtiadrifinium,
quod quattuor), so mag die Lucubration des Stubengelehrten darauf
verfallen sein die Knickpunkte der arcifinischen Termination häufig
durch eine arca zu illustriren. Die viereckige Form passte zu dem
quadrißnium; bei der arca am trißnium mag man sich vorgestellt
haben entweder, dass die eine Seite unbenutzt blieb oder dass die
arca selbst hier dreieckig geformt war (vgl. 306, 16).
Das trißnium und das quadrißnium kennt die gute gromatische
Litteratur natürlich sowohl in Beziehung auf die nachbarlichen Sacra*
constituta sunt, obportet inqttiri, id est aggeres terre sive arcas, quas propter fines
fundorum antiquittis apparuerit fuisse coniectas adque ccmstructas.]
1) Dies hat Rudorflf 2, 264 richtig erkannt, aber irrig die arca auf das
(ntadrifinium, die arcella auf das irifinitim bezogen.
2) Den quadratischen Kern, der sich kürzlich in den sogenannten Begleit-
hägeln am obergermanischen Limes herausgestellt hat, könnte man mit einigem
guten Willen wohl arca nennen; aber an ihn kann schon darum nicht gedacht
■<?erden, weil er zugeschüttet ward und die Anlage dem Auge sich als Rund-
hügel darstellt.
3) Siculus p. 141, 18. Agennius p. 88, 14. Vgl. 3, 4 = 110, 11.
MOMMSES, SCHR. VII. 31
482 Die Interpolationen des gromatischen Corpus.
wie auch bei Grenzstreitigkeiten i; aber sie werden nur beiläufig
erwähnt, da die Limitationsordnung gar nichts mit ihnen zu schaffen
hat und auch die Termination, so viel wir wissen, keine besonderen
Zeichen und Regeln für die Fälle aufstellt, wo der Markstein mehr
als zwei Besitzungen scheidet. In der jüngeren Sammlung hat sich
nicht der Begriff verschoben 2, aber wohl die Handhabung. Die
erste der Theodosius II. untergeschobenen Constitutionen spricht dem
Mensor, si fundo^ cui finem restituens in trifinii rationem institerit
et convenientiam trium ccnturiarum ibidem esse signaverif, ein Honorar
von drei Goldstücken zu, und dem entsprechend finden sich die
trifinia und quadrifinia, welche in der älteren Recension, abgesehen
von den casae (327, 25. 328, 31. 329, 10. 330, 7), gar keine Rolle
spielen, in der jüngeren vielfach und zwar in dem Über coloniarum II
einmal p. 252, 16 = 308, 26, in den casae an unzähligen Stellen
und nicht minder häufig in allen Excerpten aus den angeblichen
gromatischen Digesten*. Die Yorstellung dabei ist überwiegend
wohl die eines auf drei, resp. vier Seiten markirten Grenzsteines:
Latinus p. 306, 16: terminus si in tres acies constitutus fuerit, tres
lineas auctoris ostendit; si in quattuor acies, quadrifinium facit.
292 Gaius p. 307, 7: terminus si una(m) acie(m) reproba(m) habuerit,
hoc est non aequalem aciem, . . . ponitur aliquando in trifmium,
in quadrifinium autem ... non ponitur nisi solidus lapis. Ygl.
344, 13.
Aber es kommt auch Bezeichnung durch drei, resp. vier Steine vor:
Faustus und Yalerius 308, 25 (ähnlich 227,5): terminus in modum
arcellae cavatus Claudianus dicitur . . . et si tres fuerint, tri-
finium faciunt.
Gaius a. a. O.: et quattuor lapides in quadrifinium constituimus.
Bei mancherlei recht wunderlichen Einzelheiten, zum Beispiel der
festen Normirung der Intervalle theils zwischen Trifinien, theils
zwischen Quadrifinien p. 343, 23. 345, 24, verweile ich um so weniger,
als diesen Ansetzungen wohl grösstentheils gar keine greifbaren Vor-
stellungen zu Grunde liegen und sie vielfach den Eindruck sinnlosen
Wortgeklingels machen.
1) Frontinus p. 10, 3 mit dem Commentar p. 10, 9 = 39, 18 = 70, 18.
2) Pseudo-Theodosius p. 273, 4. Dolabella p. 302, 20. Anonymus p. 367, 5.
3) So, nicht fundi der Palatinus.
4) Die Stellen hier und weiterhin sind im Index der Ausgabe verzeichnet.
LIII.
Zu Dictys.*)
Bekanntlich wird darüber gestritten, ob die der Vorrede zufolge 3S3
von einem gewissen L. Septimius aus dem griechischen Original des
Dictys von Kreta übei-setzte sogenannte Geschichte des trojanischen
Krieges nicht vielmehr ursprünglich lateinisch abgefasst sei. Es liegt
mir fern, diese Controverse zu erörtern: ich möchte nur auf ein
Moment aufmerksam machen, das dafür in Betracht kommen dürfte,
vielleicht aber bisher noch nicht in Betracht gezogen worden ist.
unter den von Jordanis oder vielmehr von seiner Vorlage, von
Cassiodorius, für die Getica benutzten Quellen befindet sich auch die
Schrift des Dictys, dem augenscheinlich die Geschichte des 'Kaisers
von Moesien* Telephus im neunten Capitel entlehnt ist.**) Dabei
begegnen aber zwei Abweichungen in der abgeleiteten Darstellung
von der des Originals, die Fehler des letzteren berichtigen oder
Lücken ergänzen. Telephos Gemahlin Astyoche heisst bei Dictys 2, 5
des Priamos Tochter, dagegen bei Jordanis des Priamos Schwester;
die letztere Angabe kehrt wieder bei Quintus von Smyrna 6, 135,
Servius zu Vergils ecl. 6, 72 und sonst; und nur so konnte die Fabel
erzählen, da sie ja den Sohn des Telephos und der Ast\oche Eury-
pylos zum Bräutigam der Tochter des Priamos Kassandra macht.
Wenn dann weiter der Kampf des Telephos gegen die griechischen
Helden Aias und Odysseus berichtet wird, so lässt Jordanis jenen
im Rebengelände mit dem Pferd stürzen und also von Achilles am
Schenkel die Wunde empfangen: dum Aiacem infestus invadit Ulixem-
que persequitur, vitibus equo cadente ipse corruit Achillisque iactdo
*) [Hermes 10. 1876, S. 383 — 384; Mommsens Annahme eines griechischen
Originals ist jetzt durch einen Papjmisfand bestätigt worden: The Tebtnnis
Papyri, II, London 1907 S. 9 flf.]
**) [Vgl. Mommsens Anmerkungen in seiner Ausgabe des Jordanis (1882)
S. 70 f.]
31*
484 Zu Dictys.
femur sauciafus diu mederi nequivit, genau wie Eustathios das
Märchen erzählt: (zur II. 1, 59): 6 di] TrjkEcpog . . . nsnov&E juev igav/ua
öeivöv vnb 'ÄyiXXewg äjUTteXov eXixi ovjujiodiod'evrog avxcb rov i'jijiov.
384 Dictys 2, 3 stimmt fast wörtlich: Telephus . . . infestus aciem invadii
atque . . . cum obstinate Ulixem inter vineas quae ei loco adiundae
erant insequerefur, praepedifus trunco vitis mit. id uhi Achilles procul
animadvertit, telum iaculatus femur sinistrum regi transfigit; aber von
dem Stürzen des Rosses weiss er nichts, und es scheint dieser Zug
der älteren Erzählung fremd zu sein. Von Cassiodorius erfunden
aber ist er nicht, da er in griechischen Fassungen wiederkehrt.
Sollte es hiedurch, besonders durch die erste Stelle, nicht wahr-
scheinlich werden, dass Cassiodor eine reinere Quelle benutzt hat
als die uns vorliegende Schrift, das heisst deren griechisches Original?
Die Uebereinstimmung im Wortlaut ist zwar ziemlich eng (z. B.
Dictys 2, 4 : Hercule genitus procerus corpore ac pollens viribus divinis
patriis virtutibus proprium gloriam aequiparaverat; Jordanis: Telephus
Herculis fdius procerus quidem corpore, sed plus vigore terri-
bilis, qui paternam fortitiidinem propriis virtutibus aequans), aber
doch nicht von der Art, dass die Aehnlichkeit nicht auch durch die
Gleichheit des griechischen Originals sich erklären Hesse. — Dass
Cassiodorius, wie den Dio und den Dexippos, so auch den griechi-
schen Dictys benutzt haben kann, wird keinen Widerspruch finden.*)
*) [Zustimmend E. Rohde, Rhein. Mus. 38, 1883, S. 303 = kl. Sehr. 1 S. 349
A. 2; mit Unrecht ablehnend H. Haupt, Philol. 43, 1884, S. 546.]
LIV.
Carmen codicis Parisini 8084.*)
Carminis quod legitur in codice Parisino Lat. S0S4 postquam 350
versus quosdam protulerunt a. 1620 Salmasius^ et a. 1757 Tassin et
Toustain Maurini'^, totum nuper edidit primus Leopoldus Delisle^,
denuo recognovit ad ipsum codicem Carolus Morel*, repetivit inde
Alexander Riese in anthologia Latina^ egeruntque de eo praeter
Morelium, qui diligentissimo et utilissimo commentario editionem
omavit, Italus Johannes Baptista Rossius® et Anglus R. Ellis'. quo
carmine non minus pio et Christiano quam inepto et barbaro cum
nihilominus rerum Romanarum aetatis labentis neque vulgarium nee
minimarum notitiam contineri intellexissem, leetionem autem a duobus
viris supra laudatis diligenter quidem exeeptam esse, sed tamen non
ita satisfacere, ut detritarum et multis locis perforatarum membra-
narum iterata inspectio supervacanea fore videretur, familiari meo
*) [Hermes 4, 1870, S. 350 — 364. Das Gedicht ist, seitdem Mommsen die
Aufmerksamkeit darauf gelenkt hatte, oft besprochen worden. Die Literatur
hat M. Schanz, Gesch. d. röm. Lit. IV 1, 1904, S. 200 f. zusammengestellt.]
1) Scilicet in adnotatione ad vitam Caracallae c. 9 et ad Elagabali c. 7
edidit v. 57—62 (inde Burmann anth. 1, 57; Meyer anth. n. 605) et v. 106—109
(inde Burmann 1, 58; Meyer n. 606). [Die von Salmasius genommene Abschrift
fend Baehrens in dem cod. Paris. 17904 wieder: vgl. Rhein. Mus. 32, 1877, S. 212.]
2) Nouveau traue de diplomatique vol. III p. 156 tab. 43 n. 1. ibi leguntur
aere expressi v. 1 — 4.
3) Bibliotheqiie de Veeöle des diartes. Serie 6. Tom. 3 (1867) p. 297 seq.
principium idem edidit in actis menstruis academiae Berolinensis a. 1867 p. 526.
4) Bevne arcMologique 1868 m. lun. et lul. = recherches sur un poeme
latin du IV^ siede. Parisiis 1868. 8. pp. 23. adde eiusdem observationes Sevue
aitique d'histoire et de litterature a. 1869 p. 300 seq.
5) Fase. 1 p. 13 seq. [20 seq. ed. 2] cf. praef. p. XI.
6) BtiUettino di archeologia cristiana 1868 p. 49—58. 61 — 75. Rossias
codicem quoque inspexit et quaedam inde emendavit.
7) Journal of philology vol. 2 p. 66—80.
486 Carmen codicis Parisini 8084.
Paulo Kruegero, nuper antequam Parisios proficisceretur officiose
adeunti me quaerentique , si quid vellem ibi mihi curari, respondi
gratam rem eum mihi facturum esse, si breve Carmen denuo recog-
nosceret. quod ille cum suscepisset, paullo post praestitit quaeque
accepta recognitione eius dubia mihi subnata essent, codice resumpto
orania solvit. hac autem recognitione quid effectum sit, quot locis
351 errores emendati sint et hiatus expleti, intellegent qui hanc carminis
recensionem cum antea editis component. nos satis habuimus veram
et plenam lectionem repraesentasse suppressis mendis, quarum com-
memoratio non solum utilitatem nullam habitura fuisset, postquam
quae posuerunt priores omnia in re praesenti examine instituto aut
comprobata sunt aut reiecta, sed etiam nisi re certe specie in exagi-
tationem abiisset optimorum peritissimorumque virorum, qui si qua
erraverunt, indignabuntur fortasse imperiti et tirones, at facile excu-
sabunt, qui quam arduum sit in tali re non errare longo usu didi-
cerunt.
Nactus itaque plenam et certam codicis notitiam Carmen vel sie
difficillimum (nam et multis locis librarius peccavit et poeta ipse
sensus imperfecte et implicate expressit saepissimeque ad res alludit
quotidianis suae aetatis sermonibus magis quam rerum notitia cele-
bratas hodieque plane obscuratas) cum intellegerem a me satis per-
poliri et emendari non posse, Kruegeri schedas tradidi Mauricio
Hauptio, qui cum eiusdem generis multa insperato sanaverit, insana-
bilibus quoque, ut fieri solet, et paene desperatis opem ferro posse
creditur, is Carmen ita ut infra scriptum est constituit. deprecatur
tamen, ne putetur aut opinionibus suis probabilitatem attribuere
eandem omnibus aut tutam existimare emendationem carminis non
librariorum tantum, sed ipsius etiam auctoris culpa obscuri quodque
poetam referat ineptum sententiis, sermone rüdem, versuum facien-
dorum syllabarumque metiendarum imperitum. sed ut dubia rema-
neant non pauca et, ut fit, ea praesertim, quae propter rerum notitiam
maxime volles elucidata, tamen etiam hoc nomine aliquantura pro-
fectum esse hac quam edimus recensione intellegent eruditi. qui ut
libenter legent carmen nisi bonum, certe memorabile et quod nunc
demum ita prodeat, ut non continuo offendas, ita fortasse quaerent,
qui fiat, ut a me potissimum id accipiant, cuius nullum in ea re
meritum est nisi fortasse suasoris. nam rerum explicationem in
summa re praecepit Morelius auxitque Rossius, qui quae posuerunt,
paucis exceptis mihi quoque probantur; minora autem persequi sin-
gillatim nee placet nee mei officii est, qui ab Isiacis similibusque
tarn abhorream quam liceat epigraphicae rei studioso, habebunt
Carmen codicis Parisini 8084. 487
igitur qui haec percurrent lectionem Kruegeri, recognitionem Hauptii,
interpretationem Morelii, quarum omnium mihi non restat nisi prae-
conium. sed quoniam amici ita voluerunt, raalui morem iis gerere
et officio isto minirae splendido fungi, quam bona litterarum sub-
sidia aut perire sinere aut certe latere.
Sequitur codicis descriptio Pauli Kruegeri. 352
„Conrinet codex olim Puteanus, nunc Parisiensis Lat. S084 car-
mina Aurelii Prudentii Clementis scripta litteris quadratis simillimis
eis, quibus Plautus Ambrosianus et Vergilius Laurentianus exarati
sunt, initio carminum in margine metrum adnotatur litteris semi-
uncialibus inclinatis ita nitidis. ut hominis non cuiusvis, sed eins qui
scribendi arti se dederit esse videantur. eadem ut videtur manus
in fine Cathemerinon folio 45 recto, quod scriptura paene vacat, in
media pagina haec scripsit edita primum a Maurinis^:
t UETTIUS AGORIÜS BASILIUS
Tres primae litterae quamquam incertae sunt, tamen satis intelle-
gitur et probe intellexit Delislius nominari hie Mavortium consulem
a. p. Chr. 527 notum cum aliunde tum ex subscriptione librorum
Horatianorum 2 :
UETTIUS AGORIUS BASILIUS MAUORTIUS U. C. ET IXL. EX COM. DOM.
EX COXS. ORD. LEGI ET UT POTÜl EMENDAUI COXFEREXTE MIHI
MAGISTRO FELICE ORATORE URBIS ROMAE
utrum autem Mavortius ipse ita simpliciter nomen suum ac ne id
quidem integrum carminibus Prudentianis subscripserit, quod visum
est Delislio, an librarius subscriptionem imperfecte repetiverit^, certo
diiudicari non potest. codicem autem saeculo sexto recentiorem
1) L. c. tab. 46 n. 2 cf. p. 208.
2) Cf. Jahn in actis soc. Saxonicae 1851 , 363 et Rossi inscr. ehr. I p. 460.
[Lommatzsch, Z. f. vergl. Litt. -Gesch. 15, S. 177.]
3) Mihi opinio haec sola probatur. nam in ipso libro Parisino nullo tem-
pore subscriptio ea de qua agitur plenior fuit quam adhuc cemitur, nee potuit
Mavortius ita libro subscribere, ut nomina secundaria poneret primario omisso.
quare qui autographum eins ibi agnoscunt, iis eo coulugiendum est, ut Mavor-
tius inter scribendum interpellatus nomen non perscripserit ; quae defensio quam
sit infirma, apparet. immo librarius aliquis nactus exemplum Prudentii a Mavor-
tio recognitum cum ipsius subscriptione vetustate maiore ex parte abolita quod
inde dispicere posset in librum hodie Parisinum rettulit. unde hunc intellegimus
recognitum esse post annum p. Chr. 527. quod autem posuit Delislius probavit-
que Rossius codicem Parisinum scriptum esse auctore vivo, id est saeculo quarto,
non perspicio quomodo inde eflfecerint sit sane saeculi quarti, quoniam in hac
parte palaeographiae probationibus deficientibus quisquis pro lubitu asseveratione
uti solet; sed quid ad eam rem, quod adnotatus est aut saeculo lustiniano aut
post id saeculum? TH. M,
488 Carmen codicis Parisini 8084.
esse veri simile non est: mirorque praeter Nicolaum Heinsium nemi-
nem editorum hunc librum omnium Prudentianorum qui supersunt
veterrimum atque Optimum excussisse ^.
354 „Constat ex viginti compagibus, quae quamquam numerantur
tripertito, ut f. 1 — 44 quaternionibus comprehendantur T — VI, f. 45 —
123 quaternionibus I — X, f. 124 — 155 quaternionibus I — IUI, tamen
cum carmina tam a f. 44' ad f. 45 quam a f. 123' ad f. 124 continuen-
tur, non tres sunt Codices in idem volumen compacti, sed placuit
librario quaterniones non continuo ordine numerare.
„Continet codex hymnos cathemerinon, apotheosin, hamartigeniam,
psychomachiam , hymnos quinque peristephanon deficitque in v. 142
hymni quinti.
„Sequuntur tria folia eiusdem membranae eiusdemque formae,
scripturae tamen prorsus diversae, quae utrum ab initio an postea
Prudentio adiecta sint dici nequit. Carmen quod sine ulla inscriptione
in iis exstat, scriptum est litteris semiuncialibus elegantissimis, quae
non multum differunt ab iis quas videmus in fragmento Veronensi
de iure fisci et Neapolitaiio digestorum ^. paginae quinque primae
vicenos singulos versus habent"*, sexta cum non tota scripta sit,
tantummodo septendecim. compendia scripturae non occurrunt nisi
duo: u. 71 BACGHiQ- et v. 78 xpigolas. in fine versuum bis ligaturis
usus est librarius (v. 106 m ae, v. 118 in us); ubi necesse fuit litteris
minutis versum explevit.
„Primum folium integrum, secundi recta, tertii versa pagina
facillime leguntur: in secundi autem versa et tertii recta (f. 157'*.
158*) litterae partim exesae partim evanidae eo difficilius distin-
guuntur, quod alterius paginae scriptura perlucet. quam difficultatem
ita evitavi, ut inclinato ad oculos libro non tam atramenti reliquias
investigarem quam sequerer ductus litterarum, qui etiam ubi atra-
mentum decidit, coloris diversitate membrana ibi ofFuscata a reliqua
superficie distinguuntur. ita factum est, ut exceptis paucis litteris quae
membrana perforata perierunt, iam nuUa supersit, de qua non constet".
Hactenus Kruegerus. ipsum Carmen Hauptius sie constituit, ut
quid in codice dispici possit accurate ubique aut in ipsis versibus
scriptum aut infra adnotatum sit.*)
1) Quod V. d. Dressel (praef. p. XXIV) monet omnes quos viderit Codices
Vetüstos et variis lectionibus et glossis instructos esse, in Puteanum non quadrat.
Cf. eundem p. XXXVIII.
2) Specimen scripturae dederunt Maurini (v. p. 350 not. 2 [485, 2]).
3) Prudentii über in singulis paginis habet versus vicenos.
*) [Beiträge zur Kritik seit der vorliegenden Ausgabe verzeichnet Schanz
Carmen codicis Parisini 8084. 489
Dicite qui Colitis lucos antnimque Sibyllae 156* 354
Idaeumque nemus, Capitolia celsa Tonantis,
Palladium Priamique Lares Yestaeque sacellum
incestosque deos, nuptam cum fratre sororem.
inmitem puerum. Yeneris monumenta nefandae,
purpurea quos sola facit praetexta sacratos,
quis numquam uerum Phoebi cortina locuta est,
Etruscus ludit semper quos uanus aruspex,
luppiter hie uester, Ledae superatus amore,
fingeret ut cycnum uoluit canescere pluma?
perditus ad Danaen flueret subito aureus imber?
per freta Parthenopes taurus mugiret adulter?
haec sie monstra placent nulla sacrata pudica?
pellitur arma louis fugiens regnator Olympi.
et quisquam supplex ueneratur templa tyranni,
cum patrem uideat nato cogente fugatum?
postremum, regitur fato si luppiter ipse,
quid prodest miseris perituras fundere uoces?
plangitur in templis iuuenis formonsus Adonis,
nuda Venus deflet, gaudet Mauortius heros,
luppiter in medium nescit finire querellas
iurgantesque deos stimulat Bellona flagello. 156'^
conuenit bis ducibus proceres sperare salutem
sacratis? uestras liceat conponere lites?
dicite, praefectus uester quid profuit urbi,
quem louis ad solium raptum tractatus abisset,
a. a. 0. (Dazu kommen noch üseners Bemerkungen im Anecdotön Holderi, Bonn
1877, S. 36.) 8ie sind hier nur berücksichtigt worden, insoweit sie thatsächliche
Versehen berichtigt haben. Die Nachweise von Imitationen älterer Dichter
sind sehr vervollständigt worden u. a. von M. Ihm, Rhein. Mus. 52, 1897, S. 209f.
Eünen ausführlichen Kommentar gibt Seefelder im Programm des Realgymn. in
Gmünd 1901.]
C codex Parisimcs 8084. qiiae nullo auctore menwrato coirecta sunt debentur
'flleraque Delislio. | 1. sybillae C. \ 2. ideumque C. Aen. III 112 Idaeumque nemos. |
f>. nefandae Haupt: nefanda C. Aen. VI 26 Veneris monumenta nefandae. ]
" nimm C. | curtina C. Aen. VI 347 Phoebi cortina. ] 10. cycynum C. | 11. danain
O. 1 12. parthenopis C. \ mugire* C. \ 13. sie Haupt: si C. | nullo sacrata pudere
■Riese. I 16. sogente C. | 19. Bue. X 18 formosus — Adonis. | 22. Aen. VIII 703
Bellona flagello. | 24. Buc. III 108 conponere lites. [Das 2'« Fragezeichen hinzu-
(,efügt von J. MaeMy, Z. f. d. ösfr. Gymn. 18T1 S. 585.] \ 25, urbii C. | 26. quom
l3uis ad solium raptum trabeatus adisset Haupt, et trabeatus tarn Morel, quom
Ijuis ad solium raptim tractatus abisset EUis. qui louis ad solium raptus trac-
titua abisset de Rossi. Aen. XII 849 louis ad solium.
490 Carmen codicis Parisini 8084.
cum poenas scelerum tracta uix morte rependat?
mensibus iste tribus totum qui concitus orbem
355 lustrauit metas tandem peruenit ad aeui.
30 quae fuit haec rabies animi, quae insania mentis?
sed louis uestram posset turbare quietem.
quis tibi iustitium incussit, pulcerrima Roma,
ad saga confugerent, populus quae non habet olim?
sed fuit in terris nullus sacratior illo,
35 quem Numa Pompilius, e multis primus aruspex,
edocuit uano ritu pecudumque cruore
polluit (insanum) bustis putentibus aras.
non ipse est uinum patriae qui prodidit olim
antiquasque domus, turres ac teeta priorum
40 subuei'tens, urbi uellet cum inferre ruinam,
ornaret lauro postes, conuiuia daret,
pollutos panes, infectos ture uaporö
poneret, in risum quaerens quos dederet morti, 157^
collaribus subito membra circumdare suetus,
45 fraude noua semper miseros profanare paratus?
sacratus uester urbi quid praestitit? oro.
qui hierium docuit sub terra quaerere solem;
cum sibi forte pirum fossor de rure dolasset,
diceret esse deum comitem Bacchique magistrum;
50 Sarapidis cultor, Etruscis semper amicus,
fundere qui incautis studuit concepta uenena,
mille nocendi uias, totidem conquireret artes,
perdere quos uoluit percussit luridus anguis,
contra deum uerum frustra bellare paratus,
55 qui tacitus semper bigeret tempora pacis,
27. poena C. \ 28. totum certo C. \ orbem Mommsen: urbem C. \ 29. lustrauis
aetas C. Aen. X 472 metasque dati peruenit ad aeui. | 30. qua insania G. |
31. ioui C: nominatiuum requiri uidit Morel. | 36. paecudumque C. \ 37.
polluere Morel. \ busti C. \ 38. uenum patriam Haupt: tradita uenum castra
Lucanus IV 206. | 39. antiquaque C. \ turres a tecta C. | 41. adiret Ellis. sed
dedisse conuiuia ille multo hie rectius dieitur quam adiisse, neque mutanda sunt
in hoc carmine quae nulla alia re quam nunworum uitio displicent. \ 42. infectous
C. I 43 quos Haupt, dederet Belisle: quodedere C. \ 44. collaribus Haupt: galla-
ribus C. I suetus Haupt: subitus C. | 47. quid G. [ | hibernum Usener; s. u.
S. 494*)] ] 48. pyrum C. | 49. diceret Ellis : diceretque C. \ bhaccique deleto h
post b C. I ministrum Haupt, Priapum intellegens. \ 51. concerta G, contrita
Haupt, ut trita uenena saepius dicuntur. [concepta erweist Him a. a. 0. 211 als
richtige Eniendation von Delisle] \ 52. conquereret C. \ 53. percuss'' C.
CÄrmen codicis Parisiui 8084. 491
nee proprium interius posset uulgare dolorem?
quis tibi taurobolus uestem mutare suasit, 35g
inflatus diues subito mendicus ut esses.
obsitus et pannis, modiea stipe factus epaeta,
sub terram missus, pollutus sanguine tauri,
sordidus, infectus, uestes seniare cruentas,
uiuere cum speras uiginti mundus in annis?
abieras, censor meliorum eaedere uitam,
hinc tua confisus possent quod facta latere, 157^
cum canibus Megales semper circumdatus esses,
quem lasciua cohors (monstrum) comitaret ouantem.
sexaginta senex annis durauit efebus,
Saturni cultor, Bellonae seraper amicus,
qui cunctis Faunosque deos persuaserat esse
Egeriae nymphae comites Satyrosque Panasque,
nympharum Bacchique comes Triuiaeque sacerdos;
quem lustrare choros ac molles sumere thyrsos,
cymbala, quae inbuerat quatere Berecyntia mater,
quis Galatea potens iussit loue prosata summo,
iudicio Paridis pulcrum sortita decorem?
sacrato liceat nulli seruare pudorem,
frangere cum uocem soleant Megalensibus actis.
christicolas multos uoluit sie perdere demens,
qui uellent sine lege mori, donaret honores
oblitosque sui caperet quos daemonis arte,
muneribus cupiens quorundam frangere mentes
aut alios facere parua mercede profanes
56. nee de Eossi: ne C. | 57—62 protiilit Salmasius in Ijampridii Hdiog.
'' V. I 59. modicastepefactusepeta C: correxit Morel. | 60. terra C. | 62. annis,
1011 annos, C, i fere certo, s non plane perspicuo. j 63. [ambieras Usener} \ eaedere
Eüis: cedere C. \ 64. facta certo C. | 65. Megales semper Morel: magalis semper
0. I 66. lasciua cohors Haupt: laciua (u incerto) eorum C. [S. Ihm a. a, O.] ]
:oniitarecouantem C: correxit Morel. \ 67. efoebus C. \ 68. saturni, solo s non plane
oenpicuo, C. \ bellonae certo C. \ 69. quictis faunosique certo C. | 70. egaeriae
lynipae C. \ saturosque poeuasque C. \ 71. bacehiq. comae triuaeque C. Petro-
1««.', quem Morel indicauit, c. 133 nympharum Bacchique comes. Aen. VI 35
Iriiiiaeque sacerdos. \ 72. quem, non cum, C, quantum dispicitur. \ lustrare thorus
10 moles sumere thyercos C: correxit Riese. Aen. VII 390 molles tibi sumere
thyrsos, Te lastrare choro. | 73. cymbala non prorsus certis m et h C. \ quae
Baupt: quem C. [,nothicendig 'cymbala quem inbuerat' etc." C/sener] | berec'ntia
^. Aen.Yl 784 Berecyntia mater. | 75. paridis non prorsus certo p C. \ 78. xpicolas
- I 30. oblitusque sui C. oblitosque dei Riese \ demonis C. \ 82. aut non prorsus
\erto t C.
492 Carmen codicis Parisini 8084.
357 mittereque inferias miseros sub Tartara secum:
; soluere qui uoluit pia foedera leges,
85 Leucadium fecit fundos curaret Afrorum,
perdere Marcianum, sibi proconsul ut esset,
quid tibi diua Paphi custos, quid pronuba luno
Saturnusque senex potuit praestare sacrato?
quid tibi Neptuni promisit fuscina, demens?
90 reddere quas potuit sortes Tritonia uirgo?
die mihi, Sarapidis templum cur nocte petebas?
quid tibi Mercurius fallax promisit eunti?
quid prodest coluisse Lares lanumque bifrontem?
quid tibi Terra parens, mater formonsa deorum,
95 quid tibi sacrato placuit latrator Anubis,
quid miseranda Ceres, subter Proserpina mater,
quid tibi Vulcanus claudus, pede debilis uno?
quis te plangentem non risit, caluus ad aras
sistriferam Phariam supplex cum forte rogares
100 cumque Osirim miserum lugens latrator Anubis
quaereret inuentum rursum quem perdere posset,
post lacrimas ramum fractum portaret oliuae?
uidimus argento facto iuga ferre leones,
lignea cum traherent iuncti stridentia plaustra,
105 dextra laeuaque istum argentea frena tenere,
egregios proceres currum seruare Cybebae, 15S''
quem traheret conducta manus Megalensibus actis,
358 arboris excisae truncum portare per urbem,
Attin castratum subito praedicere Solem.
83. niTTeRGü* Ire RIAS C, neque littera qicae ante f non satis dispid
potuit N fuisse uidehatur Kruegero. tarnen puto scriptum fuisse fOlTTeRGQ.
INFGRIAS. I 84. qui Haupt: quis, minus perspicuis qui litteris, C. \ uersus refid
potest conplemento eiusmodi, sanctas, pia foedera, leges. | 86. macianum C. | ut
esse, tribus postremis litteris non satis perspicuis, perforata post ultimum memhrana.
C. I 87. diua Paphi Haupt: uaphafus C. [Paphu Baehrens] \ luno Biese: foramim
ahsumptum in C. \ 91. pebas C. \ 95. Aen. VIII 698 latrator Anubis. | 96. niise-
rande caeris subtes C. [miserande (so mit G Usener), Ceres mater, Proserpiun
subter Maehly a. a. 0. S. 589.] | 97. Aen. V 271 debilis uno. Minucius Felix, qiwn
Ellis indicauit, c. 22 5 Vulcanus, claudus deus et debilis. | 99. fariam G. \ 100. cumq
o.ssyrim C. \ lugens Mommsen: lugis G. \ 101. perdere posset (posset minoribm
litteris) G. | Minucius Felix, quem de Bossi et Ellis indicarunt, c. 22 1 mox inuentc
paruulo gaudet Isis, exultant sacerdotes, cynocephalus inuentor gloriatur, ne(
desinunt annis Omnibus vel perdere quod inueniunt vel inuenire quod perdunt. j
105. leuaque situm G. \ 106—109. i)rotulit Salmasius. \ 106. aegregios G. \ cirilla'j
C. Cybellae Salmasius. | 107. quem incerto e C. \ trahere G. | 108. arboribus C.
Carmen codicis Parisini 8084. 493
11(1 artibus heu magicis procerum dum quaeris honores,
sie, miserande, iaces paruo donatus sepulcro.
sola tarnen gaudet meretrix te consule Flora,
ludorum turpis genetrix Yenerisque magistra,
conposuit templum nuper cui Symmachus heres.
115 omnia quae in templis positus tot monstra colebas
ipsa mola manibus eoniunx altaria supplex
dum cumulat donis uotaque in limine templi
soluere dis deabusque parat superisque minatur
carminibus magicis cupiens Acheronta mouere,
ijo praecipitem inferias miserum sub Tartara misit.
desine post hydropem talem deflere maritum,
de loue qui Latio uoluit sperare salutem.
Invehitur poeta in sacratos ^ vires id est proceres antiquae reli-
gionis adversus Christianam sectam Ultimos vindices quales fuerunt
Vettius Agorius Praetextatus (f cos. des. a. 385) et Aurelius Sym-
machus (cos. a. 391) et Yirius Nicomachus Flavianus (cos. a. 394)
principes suae aetatis senatus Romani et tarn in litteris quam in re
publica clari. nam haec ipsa tempora, quibus ita luctabantur vetus-
tarum caerimoniarum cultores cum ritu extemo, ut iam desperarent,
cum Universum Carmen clare indicat tum inde confirmatur diserte,
quod V. 114 Symmachus heres aedem Florae dicitur restituisse. in-
tellegitur enim omnino aut is, quem modo nominavimus, Q. Aurelius
Avianius Symmachus orator consul a. 391 aut fihus eius Q. Fabius
Memmius Symmachus praef. urbi a. 419. utrum eorum poeta respiciat,
ex ipso carmine non elucet;*) nee de aedis Florae, eius opinor
quae fuit in circo 2, restitutione facta aetate labente quicquam prae-
terea traditur. — Ut ex Symmachi nomine de aetate carminis certa
110. heu Biese: seu C. \ quaeres C. | 111. iacis C. \ 114. symmacus C. \
116. molat C. Vergilius, quem EUis indicauü, Aen. IV 517 ipsa mola manibusque
piis altaria iuxta. | eoniunx C. \ 117. comulat C. | limina C. | 118. düs C. | minatus,
coAiunctis us litteris, C. | 119. aceronta C. Aen. VII 312 flectere si nequeo superos,
Acheronta, mouebo. i 121. ydropem C.
1) Eodem vocabulo notabile est tam Praetextatum quam coniugem eius
insigniri in titulo Donat. 72, 2 [C. I. L. VI, 1779 = Dessau 1259], ubi ille dicitur
sacratus Libero et Eleusinüs, haec sacrata Cereri et Eleusinüs, sacrata apud
Eginam Eecatae.
*) [Nach Seeck, Symmachus praef. p. CXIX war es der Vater.]
2) Becker top. I, 472. neque enim hac excepta certa memoria ullius ad nos
peivenit aedis ei numini in urbe dedicatae. [Vgl. Wissowa, Relig. u. Kultus
d. Rom. S. 164.1
494 Carmen codicis Parisini 8084.
359 coniectura capi non potest, ita multo minus certi quicquam coUigitur
ex eo, quod item norainantur ibi v. 85 Leucadius et v. 86 Marcianus,
quorum hie videtur proconsul fuisse Africae, ille primum rationalis
in Africa ^, deinde in supra dictl proconsulis locum substitutus. Leu-
cadius, praeses nescio cuius provinciae dioecesis ut videtur Galliarum,
quod a partibus Gratiani (f 383) stetisset, eo interfecto apud Maxi-
mum (383 — 388) accusatus^ potest idem esse, cum praesertim voca-
bulum infrequens sit. Mareiani cum plures nominentur, invenitur
eadem aetate eius nominis vicarius (Italiae fortasse) a. 384 ^, is ipse
fortasse, ad quem epistulas complures Symmachus dedit* quemque
amico commendat ^ utpote Optimum virum, sed invidia tyrannici
temporis involutum, scilicet aut sub Maximo aut sub Eugenio. —
Denique v. 47 coniecit Rossius induci Hierium aliquem sub terra
Solem quaerentem, id est Mithrae sacrificantem. quae coniectura
de loco interpretationis paene desperatae si proba est nee praefe-
renda, quam equidem praeferendam esse iudico, Hauptii interpretatio
in hierium latere leQsa, illius nominis viri praesto sunt orator urbis
Romae saec. lY exeunte, cui Augustinus adulescens libros quosdam
inscripsit ^, item vicarius Africae a. 395 '^ et fortasse ab eo non
diversus consul Ordinarius a 427.*) hi sunt qui in carmine nomi-
nantur nominarive videntur.
Sed ut ex disquisitione hac de nominatis a poeta personis non
auferas nisi opinationem ambiguam et parum firmam, ita alia profe-
runtur de adversariorum principe quodam, qui cum non nominetur,
quae de eo enuntiantur vel certe videntur enuntiari (nam multa
ambigua sunt nee plane certum est eundem ubivis significari), haec
sunt :
1) Verbis Leticadium fecit fundos curaret Afrorum innuitur sine dubio
rationalis rei privatae fundorum domus divinae per Africam (Not. dign. occ.
p. 53 [p. 155 Seeck]). ceterum quae de utroque magistratu significare voluit
poeta, propter infantiam eius parum assequimur. Rossius comma ita cum praece-
dentibus conectit ut Flavianus arguatur asseclarum apostasiam remunerasse
magistratibus in eos collatis; quod si verum est, in Leucadium tantum convenit,
non item in Marcianum.
2) Sulpicius Severus dial. 2 (3), 11, 8 Halm. Monuit de eo Morel.
3) C. Tb. 9, 38, 7.
4) 1. 8 ep. 9. 23. 53 [54]. 58. 73. [Vgl. Seeck p. CXCIL]
5) 1. 3 ep. 33.
6) Augustinus conf. 4, 14. Cf. Suidas s. v. Ua/ujigEJitog.
7) C. Tb. 16, 2, 29.
*) [üseners Emendation hibernum ist von Cumont, Textes et nionuments
... de Mitbra II, 1896, S. 52 als ricbtig anerkannt worden.]
Carmen codicis Parisini 8084. 495
1. Praefectus dicitur v. 25 fuenmtque sub eo tarn Roma quam 360
Africa (v. 85. 86), cuius adeo proconsulem rautandum curavit. Fuit
igitur praefectus praetorio Italiae Illyrici Africae.
2. Consul dicitur v. 112, quo item pertinet traheati epithetum
V. 26 a Morelio felici coniectura recuperatum.
3. Motus eo tempore fuit in Italia tam gravis, ut tumultu
Romae indicto plebs urbana ad arma vocaretur^,
4. Cum per tres menses is de quo agitur in itinere bellove
fuisset, periit morte violenta ( v. 26 seq.) habuitque parvum sepulcnim
(V. 111).
5. Heres quod dicitur Symmachus v. 114 quamquam potest ad
aliam quamlibet hereditatem referri, tarnen probabilius est heredem
eum dici ipsius illius viri, in quem toto carmine invehitur poeta, ut
cum bonis etiam impii cultus hereditatem crevisse insimuletur 2.
Haec omnia conveniunt in Flavianum eum, quem supra nomi-
navimus.*) Primum quae ex caede Yalentiniani II (j 1 5. Mai. 392)
originem cepit seditio Eugeniana adversus Theodosium ita gentilium
motus fuit adversus sectam Christianam, ut paganorum dux et prin-
ceps esset non Eugenius imperator, ipse Christianae fidei addictus,
sed Flavianus^. Quo tetenderint qui turbas eas concitarant. inter
1) Tumultus indicendi vetusta consuetudo accurate enuntiatur v. 32. 33:
qiiis tibi iustitium incussit, pulcerrima Roma, ad saga confugerent, poptdus quae
non habet ölim? Cf. Cicero Philipp. 5, 12, 32: rem . . . confestim gerendam censeo:
tumultum deeerni, iustitium edici, saga sumi dico oportere. item adhibe quae
Victor Caes. 40, 25 de Constantino Magno scribit: praetoriae legiones ac subsidia
factionibits aptiora quam urbi Romae sublata penütis, simul arma aique usus
indumenti militaris.
2) Conferendus titulus est nuper Romae repertus, quem qui edidit Henzenus
(Bullett. 1868 p. 90 [C. I. L. VI, 754 = Dessau 4269 = C. L. E. 265 Bücheier]),
demonstravit scriptum esse inter a. fere 382 et 391, ubi Tamesius Augentius
Olympius avi exemplum secutus sumptibns suis antrum Mithrae restituisse se
praedieat sie finiens: damna piis mdiora hicro: quis ditior illo est, qui cum caeJi-
colis parcus bona dividit heres?
*) [Vgl. über ihn Seeck, Symmachus, praef. S. CXII ff.]
3) Rufinus Aquileiensis hist. eccl. 2, 33: pagani .... innovare sacrificia et
JRomatn funestis victimis cntentare, inspicere exta peciidum et ex fibrarum prae-
scientia securam Eiigenio victoriam nuntiare, superstitiosius haec agente et cum omni
animositate Flaviano tuiic praefecto, cuius adsertionibus (magna enim erat eius in
sapientia praerogativa) Eugenium victorem fore pro certo praesumpserant. Sozo-
menus hist. eccl. 7, 22 : weto dk (Eugenius) tov eniyeiQrmaTog u.a<paX<ög xQarijaeiv,
vnayöfisvog Xöyotg ävdoco.-icov sidsvat ro fisJU.ov vmoyvovi.isvcov a<fayioig rtai xai
^naTooHo:iiaig xal xaiaß.fjifei äaxiocov eo:TOv8a^ov öe .Tfßt zavza äXXoi ze Tiokkoi xätv
'hf TsXet 'Peof.iaicov xal 0/.aßiav6g 6 tote vnaQxog, avtjo ilXöyifiog xai tteqI xa jioXixixä
v:xeq>Q(ov Eivai doxä>v, :ioooexi de xal xä iA.i).i.ovxa dxQißovv loyiCöfievog kriaxijfit}
496 Gannen codicis Parisini 8084.
alia declarant lovis simulacra a Theodosii adversariis nescio quibus
ritibus consecrata et in Älpibus constituta, quorum post victoriam
361 fulmina aurea cursoribus, et se ab eis fulminari velle dicentibus,
Theodosius hilariter benigneque donavit^; item quod Yictoriae ara
in curia restituta est reditusque templorum caerimoniis redditi inter-
cedentibus apud Eugenium Arbogaste et Flaviano^. — Romae
appropinquante Theodosio secundum antiquam consuetudinem tumultum
edictum esse etsi nemo praeterea memoriae tradidit, tarnen recte
convenit huic extremae vetustarum caerimoniarum adversus novicias
pugnae. — Flavianum denique constat cum ex auctoribus tum ex
titulis sub Eugenio et praefecturam praetorii Italiae sustinuisse ^ et
a. 394 consulatum ordinarium suseepisse, deinde vere eiusdem anni
profectum adversus Theodosium ad Italiam tendentem in bello eo
periisse*. De genere temporeque mortis quamquam parum accu-
362 rate auctores rettulerunt, tamen quae accepimus cum carmine facile
Jiavxo8ouifjg fiavzeiag. tavz]] yag indXiara tov Evyeviov sneioe sig jzökefior naga-
oxEvdaao&ai, /noigidiov elvai avxcö xrjv ßaoiXeiav la^vgi^öfisvog xal vixrjv im rfj fidxf}
ovfißi^OEa&ai xal ixstaßokrjv rrj? ÄgiOTiavcüv §Qrjaxeiag.
1) Augustinus de civ. dei 5, 26, 1.
2) Paulinus in vita S. Ambrosii c. 26 (opp. Ambrosii app. p. VII ed. Maur.):
Eugenius .... petentibus Flaviano tune pi-aefecto et Arbogaste comite aram Victo-
riae et sumptus caerimoniarum, quod Valentinianus .... petentibus denegaverat,
oblitus fidei sxme concessit. Ambrosius in epistula ad Eugenium (n. 57 opp. 2
p. 1012 ed. Maur.): donata illa praecellentibus in re publica, sed gentilis observantiae
viris: et fortasse dicatur, imperator Auguste, quia ipse non templis reddideris, sed
bene meritis de te donaveris. et post alia: petierunt legati ut templis redderes:
non fecisti. iterum alteri postulaverunt : renisus es. et postea ipsis, qui petiere,
donandum putasti.
3) Orelli 1188. 5593 [C. I. L. VI, 1782. 1783 = Dessau 2947. 2948]; in hac
diserte dicitur praef. praet. Ital. Illyr. et Afric. iterum. Africa quamquam eo
tempore sub Gildone fuit, qui totum se Eugenio non commisit, tamen nihil
obstat, quominus Flavianus quaedam ibi egerit. verba sibi proconsul ut esset
possunt ferri, quamquam proconsul Africae proprie non fuit sub praefecto prae-
torio; nee necessarium est scribere ibi.
4) Paulinus 1. c. c. 31 : pi-omiserant Arbogastes tunc comes et Flavianus prae-
fectus Mediolano egredientes, cum victores reversi fuissent, stabulum se esse facturus
in basilica ecclesiae Mediolanensis atque clericos sub armis probaturos. Rufinus
bist. eccl. 2, 83 : uin . . . Theodosius Alpium fauces coepit urgere, primi Uli .... dae-
mones in fugam versi, post etiam magistri (immo ministri) horum et doctores errorum:
praecipue Flavianus plus pudoris quam sceleris reus cum potuisset evadere, eruditua
admodum vir mereri se mortem pro errore iustius quam pro crimine iudicavit.
Theodosii imperatoris nepotes in epistula ad senatum Romanum (Orell. 5593
[CLL. VI, 1783 = Dessau 2948]) sie scribunt de avi sui frustrata dementia:
eum (Flavianum) vivere nobis servarique vobis, quae verba eins aput vos fuisse
pleriq. meministis, optavit.
Carmen codicis Parisini 8084. 497
conciliantur et eius ope explentur. Flavianus cum secimdum ßu-
finum Alpibus luliis videatur praesedisse ibique primus ex ducibus
Eugenii Theodosio occurrisse, eo rettulit Rossius^ quod legitur v. 26
praefectum abiisse ad 'lovis solium', nempe ad simulacra illa lovis
in summa Alpe lulia adversus Theodosium constituta. nam ibi
aedem lovis fuisse veri non absimile est, maxime ubi compararis
aedes lovis Poenini et lovis Apennini^ similiter in summo monte
QoUocatas. ita sine nimia exaggeratione Flavianus dici potest totum
orbem lustrasse, scilicet dum Alpium itinera communit ibique hosti-
bus se obicit; tertio autem post bellum coeptum mense eum oecu-
buisse eum ex carmine intellegatur, auetores non adversantur, eum
praesertim secundum Rufinum^ mortem oppetivisse videatur, ante-
quam Alpes superaret Theodosius et apud fluvium Frigidum (394
Sept. 6) cum Eugenio debellaret*. — Tracta mors, scilicet ea quae
secuta est post longos cruciatus, quo referatur, ignotum est, cum de
genere mortis hoc imum constet voluntariam eam quodam modo
fuisse. — Denique inter heredes Flaviani esse potuit Symmachus
oratoris filius utpote maritus neptis Flaviani, cui etiam post mortem
domi statuam posnit. nam quamquam Flaviano heres ab intestato
ne uxor quidem Symmachi fuit patre suo etiamtum vivo, tarnen
Flavianus potest progenerum testamento honorasse, ut fortasse eum
Florae aedem reficere iuberet, Theodosius autem hereditatem propter
crimen maiestatis commissam nihilominus testamento scriptis here- 363
dibus reddidisse.
Ad haec qui addet ea aetate, quam carmen indicat, satis in
Universum nobis nota nee motum alium nee hominem ullum reperiri,
de quibus cogitari liceat, id quod diligenter persecutus est Morelius,
1) Lectionis constitntio tarnen felicios quam Rossio cesait Morelio. - nam
sölium rapttim omnino recte hie rettulit ad lovis adversus patrem Satumiun
rebellionem iam antea v. 14 ei exprobratam, et quod summum est, non potest
V. 26 significari victi Flaviani ad victorem adductio, cum hie indicetur scelus,
propter quod punitur, poena enuntietur versu sequente. irabeatus denique optime
dicitur dux idem consul.
2) cf. C. I. L. I [ed. 1] p. 267.
3) Nam post ea quae supra p. 361 n. 4 [p. 496 n. 4] rettulimus sie pergit :
ctteri vero instruunt aciem et coUocatis in superiore iugo insidiis ipsi pitgnam in
descensu montis exspedant et quae sequuntur. proelium hoc, quo debellatum est,
factum est ad flumen Frigidum, hodie Wippach, XXX VI lapide ab Aquüeia in
latere ad Italiam vergente Alpium luliarum.
4) Quod si Hauptius recte ex abisset fecit adisset, verba intellegenda sunt
de noto consulis processu die initi magistratus ad aedem lovis optimi maximi
(Liv. 21, 63, 8; cf. Becker in encliir. 2, 2, 124 [Staatsrecht P S. 616]). [Vgl. C.
SchenkL Wiener Stud. 1, 1879, S. 73, der für Haupts Deutung eintritt.]
MOMMSES, SCHB. TU. 32
498 Carmen codicis Parisini 8084.
non dubitabit Carmen referre ad Flavianum partis gentilium ante-
signanum, idque scriptum iudicare aut eo ipso anno 394 aut certe
proximo. nam vivida rerum memoria in summa carminis exilitate
et languore etiam magis elucet.
Hoc posito quae ex solo hoc carmine innotuerunt, ad eundem
Flavianum referre licebit. ita obiisse eum natum annos sexaginta
coUigitur ex v. 67; hydropicum eum fuisse vel certe ab inimicis
eiusmodi corporis habitum ei exprobratum esse ex v. 121. quae de
uxoris eins pro eo invocationibus magicis traduntur v, 115 seq. osten-
dunt mulierem, de qua nihil praeterea comperimus, marito super-
fuisse. paullo maioris momenti est quod v. 38 Flavianus obiurgatur
propterea, quod olim, id est ante Eugeniana tempora, vinum patriae
prodiderit; quod si recte traditum accepimus, trahendum erit ad
canonem vinarium ex Italia urbi Romae subministratum ^ a Flaviano,
fortasse cum primum praefectus esset praetorio in Italia a. 383,
aliqua ratione imminutum^. sed fortasse magis se commendabit
legentibus Hauptiana emendatio, qua admissa Flavianus non vinum
patriae prodidit, sed venum patriam, id est subvertit eam et pessum
dedit malis artibus. quae sequuntur, innuunt demolitiones nescio
quas quove tempore factas plebi invisas. — Reliqua, quae ad res
sacras magis spectant quam ad publicas, aut explicuerunt alii aut
explicabunt, maxime insignes locos de feriis ea aetate in urbe Roma
celeberrimis, ut de taurobolio v. 57 — 62, de Isiis (Oct. 28 — Nov. 1)
v. 99—102, de dendrophoriis (Mart. 22 — 27) v. 103—109; de quibus
quaedam in carmine leguntur alibi nusquam reperienda. nam ego
mihi certe, puto etiam aliis nimium iam videor immoratus esse diris
hisce infantiae piae.
1) Gothofredus ad C. Th. 14, 6, 3, cf. quae adnotavi ad edictum Diocletianijj
de pret. rer. p. 76 [Edictum Diocletiani ... ed. Mommsen-Blumner, Berl. 1893, S. 76].J
2) Querelae Sjmmachi (ep. 7, 96), quod Longinianus Flavianum iuniorei
propter vinarii tituli debita multarit, ad rem de qua agitur non pertinent.
LV.
Zur lateinischen x\nthologie.*)
Die bekannte Einsiedler-Handschrift,**) aus der Mabillon (anal. 296
1723 p. 359 sq.) und Hänel (Jahns Jahrb. für Phil, fünfter Suppl-
Band S. 115) die älteste auf uns gekommene Inschriftensammlung
und die zu dieser gehörige Stadtbeschreibung von Rom heraus-
gegeben haben, ist zwar zunächst dem Epigraphiker von "Wichtigkeit;
doch findet sich auch einiges darin, das für die lateinische Anthologie
brauchbar scheint und worüber ich hier für die, die es angeht,
Bericht erstatten will. — Von den fünf Schriftstücken, die der
Buchbinder in diesem Band vereinigt hat, ergeben die ersten drei
(ein Siglenverzeichniss ; das lateinische evangelium Nicodemi; ein
Pönitentialbuch) für diesen Zweck nichts. In dem fünften, das von
einer Hand wohl des zehnten, spätestens des elften Jahrhunderts
die nicht zu Ende geschriebene Legende von der Auffindung des
Kreuzes enthält, ist auf der letzten Seite in wunderlicher, die In-
schriftenbuchstaben nachahmender halber Majuskelschrift mit grossen-
theils dreieckigen Worttrennungspuncten und Horizontalstrichen über
den meisten Wörtern die Grabschrift verzeichnet, die man bei Gruter
€60, 1 und in Bumianns Anthologie IT, 323 findet. Ich gebe den
Text, wie er mir vorliegt.***)
d. m. xanthippes a sive a
laleae a . cassius . lucilianus . alumnae a
dulcissimae . seu . mortis . a . miseret . a
seu . A te A vitae a perlege nomen a 297
*) [Rhein. Mus. N. F. 9, 1854, S. 296 — 301, mit Nachtrag S. 480.]
**) [Über sie hat sich Mommsen späterhin noch geäußert iu den Gramm.
lat. ed. H. Keil IV, S. 315. Vgl. Henzen im C. I. L. VI p. IX.]
***) [Der Text ist hier wegen der von Mommsen daran geknüpften Be-
merkung unverändert wiedergegeben worden; über das Original der Inschrift
auf Stein s. die folg. Anm.]
2*
500 ^^'* lateinischen Anthologie.
xantippe . a . lalalea (so) . eadem . a ludic
ro quod a exspimens (so) a dolorem fu
git A anima . corpore . hie a conqui
eseit . A cunis a . terrae . molibus (so) quam a
trino A annorum a filo a proterren
tia . novem . a post a . menses . a fata a
conficiunt a malo lues a . ignita . a
torret a ultra a . quot a dies venus
ta A amoena a intellegens a et garru
la . qua si qua a pietas a insistat a caelesti
bus A //// viventi a ingenio a soll a
et A luci A reddite altoris a memo
rem a quem a parentes a dixerant cum
primum . a natus est lucilianum cassi
um. A
Es scheint dies in der That eine altrömische Grabschrift zu sein,
welche irgend ein Mönch im Mittelalter vom Stein copirt hat;*) er
hat sogar die Puncto getreulich nachgeahmt,**) die ganz römisch
am Ende jeder Zeile (mit wenigen Ausnahmen) fehlen. Sonach
giebt sie ein kleines Seitenstück zu der Inschriftensaipmlung aus
Rom und Pavia, die in demselben Bande mit ihr vereinigt ist, und
zeigt immer mehr, welcher Sinn sich im neunten und zehnten Jahr-
hundert in der Sanct Galler Schule regte. — Das vierte Stück
unsers Miscellanbandes , das wohl eher im zehnten als im neunten
Jahrhundert geschrieben ist, enthält nach der Inschriftensammlung,
der dazu gehörigen Beschreibung von Rom und einer offenbar gleich-
falls von demselben Urheber stammenden Beschreibung des der-
zeitigen Ceremoniells der kirchlichen Feierlichkeiten in Rom^, das
*) [Hierzu Mommsens Nachtrag a. a. 0.: „Die a. a. 0. abgedruckte und
besprochene Inschrift der Xanthippe sive Lalea [laia der Stein] existirt, wie ich
zu spät gesehen, noch in Parma und ist von Affo mem. de' scritt. di Parma I
p. IV und de Lama iscr. ant. ne' muri della scala Farn. p. 119 (daraus Jahn spec.
epigr. p. 106) nach dem Original herausgegeben. Es war also richtig, was dar-
über gemuthmasst ward, dass sie ganz wie die Inschriften der grossem Sammlung
von irgend einem reisenden St. Galler oder Reichenauer Mönch aus Italien heii
gebracht ward". — Nach dem Original ist die Inschrift inzwischen heraus-^
gegeben worden im C. I. L. XI, 1118 und von Bücheier C. L. E. nr. 98.]
**) [Das hat de Rossis Kollation des Einsidlensis bestätigt, vgl. Bormär
zum C. I. L. a. a. 0. Sogar die apices sind von dem Kopisten wiedergegebei
worden.]
1) Dies ist das Stück, welches Hänel, S. 116, ich weiss nicht warum, al
die Anbetung des Kreuzes durch die Apostel bezeichnet.
Zur latemischen Anthologie. 501
heisst nach den Reisenotizen , die irgend ein alemannischer Mönch
von seiner Römerfahrt heimgebracht hatte, eine Anzahl lateinischer
Gedichte, die ich hier verzeichne. 1. f. 88 v. ohne Ueberschrift
folgendes Räthselgedicht, das bei Burmann 5, 121 corrupt und
defect steht [vgl. Anth. lat. 727 Riese^]:
Quadam nocte niger dux nomine, candidus alter 298
Forte subintrarunt unica tecta simul.
Candidus exhibuit secum ter quinque nitentes
Totque niger nigros more colore pares.
5 Candide. de nostris primus quis, dixerat alter,
Providet excubias? nam tua dicta sequar,
Haec placido contra respondit candidus ore:
ludicio quemquam nolo gravare meo,
Ife nova lis socios per me conspiret in arma;
10 Sed tibi consilium non removebo meum.
Ordine disponam socios discumbere cunctos,
Quos sors nona legat noctis in excubias.
Candida sed sedeat nigris commixta catervis,"
Ut me volle viros fallere nemo putet.
15 Quattuor eximii candori.s. quinque nigelli,
CandiduH bini, unicus atque niger, _ , ., . , -.
Splendentes trini, fuscato pelle nigellus, . _,-
Candidus hinc unus carboneique duo,
Fulgentes bini, fuscato tegmine trini,
20 Candidus hinc unus carboneique duo.
Candiduli bini splendentes pelle decora,
Quos sequitur cunctos unicus atque niger.
Hoc super ingenio cunctos sors nona nigellos
Sic cecidit; turba Candida sorte caret.
25 Dux niger excubias solus cum milite fusco
Pervigiringratus duxit adusque diem.
Ast placidum tota carpebat nocte soporem
Candidus ingenio praeditus atque sxii.
2. f. S9 r. Monastica de erumnis XII Herculis.
Gedruckt bei Burmann anth. I, 43. [641 Riese 2 J
3. f. 89v. Conflictus versis (so) et hiemis. 0 :/..A ei;
Gedruckt bei Burmann anth. V, 70. [Poet. lat. aevi Carol. t ^70] " '
4. f. 90r. ohne Ueberschrift [485^ Riese2] -
Klustius invidia nihil est quae protinus ipsum
Corrodit auctorem excruciatque animam.
502 Zur lateinischen Anthologie.
299 5. f. 90r. mit dem vorigen verbunden [720'' Riese^].
Titire tu fido recubans sub tegmine Christi
Divinos apices sacro modularis in ore;
Falsas non fabulas studio meditaris inani.
Ulis nam capitur felicis gloria vitae,
Istis succedent poene sine fine perennes.
Unde cave, frater, vanis te subdere curis,
Inferni rapiant miserum ne tartara tetri;
Quin potius sacras animo spirare memento
Scripturas, dapibus faciant quae pectora castis.
Te domini salvum conservet gratia semper.
6. f. 90 r.
Anima pro diversis actibus diversa nomina sortitur. Dum ergo
vivificat corpus, anima est; dum vult, aniraus est; dum seit, mens
est; dum recolit, memoria est; dum rectum iudicat, ratio est; dum
spirat, Spiritus est; dum aliquid sentit, sensus est.
7. f. 90v. Ad Septitianum.
Decipies alios verbis vultuque benigne;
Nam mihi iam notus dissimulator eris.
Der Schluss des Epigramms von Martial 5, 89.
8. f. 90 V. ohne Ueberschrift folgt das Dittochäum von Prudentius
p. 665 sq. Arev. [S. 470 Drossel] Die 24 Vierzeilen des alten
Testaments sind mit römischen, die 24 des neuen Testaments mit
arabischen Ziffern numerirt.
9. f. 97 V. Epitaphium Geroldi.
Mole sub hac magni servantur membra Geroldi,
Huius vita (schreibe iura)*) loci cunctis qui viribus auxit.
Pannoniis vera ecclesiae pro pace peremptus
Oppetiit sevo Septembribus ense kalendis,
Sideribusque animam dedit; artus Saxo fidelis
Abstulit, huc retulit dignoque hie clausit honore
Die hiesigen Forscher, die ich desswegen zu Rathe zog, er-
300 kannten in diesem Gerold den Schwager Karls des Grossen, Bruder
der Kaiserin Hildegard, der am 1 . Sept. 799 in einem Treffen gegen
die Avaren fiel und in. der Abtei Reichenau bestattet wurde, die er
reichlich beschenkt hatte (Stalin würt. Gesch. I, 246). Im Reichenauer
*) [Diese Konjektur fand Mommsen nachträglich in der gleich erwähnten
Hs. von St. Gallen bestätigt, s, u. S. 504 ]
Zur lateinischen Anthologie. 503
Nekrolog (Mitth. der ant. Ges. in Zürich Bd. YI) steht er unterm
I.Sept. verzeichnet: 'Geroldus comes caritatem constiiuif. Abgedruckt
ist diese Grabschrift aus einer Handschrift von St. Gallen bei Canisius
lect. ant. 11, 2 p, 73 ed. Basnage und danach bei Bouquet rec. 5, 400.*)
10. f. 97v. Epitaphium Bernaldi.**)
Qüaravis magna piis meritorum praemia restent,
Parva tarnen functis sunt loca corporibus.
Mole sub hac terrae Bernaldi praesulis almi
Membris (sehr. Membra) iacent tumulis insinuata suis.
Saxo quidem genere et gremio nutritus in Auuae
Aulica mutato gesta labore adiit.
Hinc honor exhibitus; hinc digna potentia crevit,
Nobileque ornavit vita modesta genus
Plena viro fuerat germine (wohl geminae) prudentia partis
IIK: (Die folgenden Blätter weggeschnitten.)
Dieselben Freunde haben auch diesen frommen Herrn mir nach-
gewiesen. Es ist die Grabschrift des Bischofs Bernald, der seine
Bildung in Reichenau empfing, Ende 821 oder Anfang 822 Bischof
in Strassburg wurde und in dem Kampfe zwischen Kaiser Ludwig
dem Frommen und dessen Söhnen treu zu dem Yater hielt, dessen
Missus in Rätien er 825 war und für den er 832 als Gesandter nach
Rom ging. Er starb am 17. April 840; der Reichenauer Nekrolog
verzeichnet ihn unter diesem Jahrestag als ^PernnoUus episcopus' ***)
Ermoldus Nigellus (um 826) schildert ausführlich seine geistliche
"Wirksamkeit unter dem rohen Yolke des Elsass, welches
nescit amare deum,
Barbara lingua sibi, scripturae nescia sacrae,
Ni foret antestis ingeniosus ei
und rühmt die Bildung, die er in den Carolingischen Schulen em- 301
pfangen :
Quem Carolus sapiens quondam regnator in orbe
Doctrinae studiis imbuit atque fide.
*) [Neuerdings in den Poetae lat. aevi Carolin! rec. E. Dümmler I 1,'Berl.
1880, S. 144 nr. X, vgl. die Vorbemerkung Dümmlers a. a. 0. S. 101.]
**) [Gedruckt auch in der in der vorigen Anm. genannten Sammlung
Dämmlers, Bd. II, Berlin 1884, S. 420 nr. LXXXVIL]
***) [V'gl- Dümmler a. a. O. Anm. 6.]
504 Zur lateinischen Anthologie.
; - Saxona (sehr. Saxonum)*) hie equidem veniens de gente
sagaci
Sensu atque ingenio nunc bene doctus homo^.
Sollte diese Grabschrift noch nicht bekannt sein,**) so werden
unsere germanistischen Collegen sie nicht ungern kennen lernen.
Dass sie hier mitgetheilt und die des Gerold wiederholt worden ist,
mag darin seine Entschuldigung finden, dass es für uns in mancher
Hinsicht interessant wäre zu erfahren, aus welchem Kloster die
Einsiedler Inschriftensammlung hervorgegangen ist. Die Handschrift
hat früher dem Kloster Pfäffers gehört, allein sie ist sicher nur eine
Abschrift; diese beiden Epitaphien deuten vielmehr nach Reichenau.
Yielleicht gelingt es noch in der Geschichte dieser in der Carolingi-
schen Zeit so blühenden Benediktinerabtei für die Entstehung unserer
im ganzen Mittelalter einzig dastehenden litterarischen Römerweise
eine Anknüpfung zu ermitteln.
Nachschrift, Nachdem diese Notiz zum Druck abgesandt war,
hatte ich Gelegenheit die St. Galler Handschrift — jetzt 899, sonst
S. 259 — , aus der Canisius die Grabschrift des Grafen Gerold ans
Licht gezogen hat, einzusehen; hier steht richtig iura loci. Sie ist
ein Miscellanband wie die Einsiedler, geschrieben wohl im neunten
Jahrhundert.***) Da sich auch sonst noch ein paar kleine Stücke in
beiden Handschriften gleichmässig finden, ist es nicht unwahrscheinr
lieh, dass dies das Original ist, aus dem der Einsiedler Codex zum
Theil abgeschrieben ist oder auch ganz; denn die St. Galler Hand-
schrift ist nur der Ueberrest eines ehemals sehr starken Bandes.
Der Quaternio eines Inschriftencodex, den Poggio in St. Gallen sah
und abschrieb,!) könnte recht wohl zu diesem Bande gehört haben.
*) [Saxona unverändert Dümmler a. a. 0. (s. die hier folgende Anm. 1),]
1) Ermoldi Nigelli eleg. I mon. Germ. bist. 11, p. 518. Nougart episc. Con-
stant. I, 110. 160. Grandidier hist. de Strassbourg I. 123—150. [Ermoldi Nigelli
carmina ed. Dümmler a. a. 0. (503**) S. 84, Vers 154-156. 147-150.]
**) [Sie war es, als Mommsen sie publizierte, in der Tat nicht.]
***) [Dümmler, der diese Hs. genau beschrieben hat in den Mitt. der Züricher
antiquar. Gesellsch. XII p. V — s. seine Bemerkungen a. a. 0. (503*) S. 31 f.
— setzt die Handschrift ins zehnte Jahrhundert.]
t) [Vgl- über diese Abschrift Poggios Mommsen in den Sitzungsber. d. sächs.
Ges. d.w. 1850 S. 288 f. Seine dort aufgestellte Vermutung, dass Poggio die
handschriftl. Sammlung der Inschriften kannte, wurde dann durch de Rossis
Auffindung der Sylloge des Poggio bestätigt.]
LYl.
Zu den Schollen der A-irglllschen Georgica.*)
Es wird, wenn ich nicht irre, manchem erwünscht sein hier 449
wenn nicht alle, doch die wichtigsten neuen Fragmente, die in den
Bemer Schollen zu Tage gekommen sind, zu finden. Sie fehlen in
den gangbaren Sammlungen, selbst in den nach Yeröffentlichung der
Schollen erschienenen, z. B. in Yahlens Ennius, in Ribbecks comici
Latini, in Dietschs Sallust; nur die suetonischen sind von Reiffer-
Bcheid Suetoni rel. S. 242. 257. 350 gebührend berücksichtigt worden.
Ennius. Schol. G. 1, 512. carceribus] ianuis. Ennius [484 f.
Yahlen^] ait:
cum a carcere fusi
Currus cum sonitu magno permittere certant.
Schol. G. 2, 43. non mihi si linguae centum sint oraqüe öentum] 450
Homer ictis sensiis; sie [waw] et Ennius: [561 f.]
ora decem.*'^)
Schol. G. 4, 72 Ennius in VIII [299] ait:
tibia musarum pangit melos.
*) [Rhein. Mus. N. F. 16, 1861, S. 442 — 453 mit Xachtrag ebd. 17, 1862,
S. 143 — 144. In dem ersten Teile dieses Aufsatzes macht Mommsen Mitteilungen
aus mehreren Hss. mit Schollen zu Vergils Georgica darunter den Bemer
Scholien, und behandelt die Verwandtschaft dieser Scholienconglomerate zu
einander. Da seiner Forderung, diese Fragen genauer zu untersuchen, inzwischen
von verschiedenen Seiten nachgekommen ist, so erschien es unnötig, diesen Teil
seines Aufsatzes hier wieder zum Abdruck zu bringen. Dagegen durfte der
zweite Teil über die Autoren, die in den (inzwischen von H. Hagen in den
Jahrb. f. Philol. Suppl. IV 1867 zum ersten Mal kritisch edierten) Bemer
Scholien zitiert sind, schon wegen der zu einzelnen dieser Autoren gemachten
Bemerkungen nicht übergangen werden.]
**) [Dieses Scholion hat Mommsen in dem Nachtrag vervollständigt aus
einem Kommentar der Georgica in der (jetzt auch von Hagen in der appendix
Serviana p. 284 benutzten) Pariser Hs. 7960. Danach ist das erweiterte Ennius-
fragment von Vahlen a. a. 0. behandelt worden.]
506 Zu den Scholien der virgilischen Georgica.
Afranius. G. 2, 98: Vinum masculino genere dicit Tmolius^
nee immerito, quoniam et apud Äfranium (Hdschr. franium) in,
satyria invenitur. Lustspiele des Titels Satura werden angeführt
von Atta und von Pomponius.*)
Calvus. G. 1, 125 Ante lovem et reliqua] Bicunt lovem commu-
tasse omnia, cum bonus a malo non discerneretur , terra omnia
liherius ferente, quod Calvus [20 Baehrens] canit. luniUus dicit,
G. 2, 94: Temptatura et reliqua] Hos versus a Calvo [21] poeta
transtulit; ait enim ille;
lingua vino temptantur et pedes.
Kleitarchos, Aurimantus (?).
G. 2, 124: Arhores procerrimae gignuntur, quarum cacumina
sagittae non pertingunt, sicque Clitarchus**) scripsit.
G. 2, 137 : Pactolum esse auriferum Aurimantus*"^*) qui Alexandra
Macedonis res gestas scripsit, testis est.
Asellio. G. 3, 474 Norica] Norica castella dixit ah urhe Noreia
(aborea norea) quae est in Gallia, ut Asellio [fr. 9 Peter] historia-
rum non ignarus (vielleicht historiarum nono) docet. Dies kann
sich wohl nur beziehen auf die Besiegung des Consuls Carbo
bei Noreia im J. 641 ; dazu, dass dies bei Asellio im neunten
Buche stand, passt auch recht gut, dass Asellio im fünften Buch
451 den Tod des Ti. Gracchus erzähltet Dass Noreia, die Stadt
*) [Eis ist vielmehr zu lesen : apud Petronium (nämlich c. 41, 12) in satira:
s. Büchelers Ausgabe 1862 praef. p. III.]
**) [sicque eclitarchus B sique eelitartus C; sicut et Clitarchus Hagen.]
***) [Amyntianus Schneidewin, Philol. 7, 1852, S. 739 nach Photios bibl.
cod. 131 p. 97 BR.]
1) Dazu passt auch das von Roth (fragm. hist. p. 326 fr. 10) [fr. 11 Peter]
vielleicht mit Recht auf die Ermordung des Drusus 663 bezogene Fragment des
14. Buches. Ein anderes aus dem 13. bei Gellius 4, 9 [, 12 = fr. 10] : facta sua
spectare oportere, non dicta, si minus facundiosa essent könnte wohl auf desselben
Drusus Auftreten sich beziehen, den Cicero (Brut. 62, 222) nennt gravem oratorem
ita dumtaxat, cum de re publica diceret. Endlich bei dem Citat des Charisius
p. 195 Keil: Asellio [fr. 13] verum Eomanarum quadragesimo: tarn pulchrum opus
tamque artificiose factum passus est dirui möchte ich denken an die Zerstörung
des Peiraieus durch Sulla 668; s. Florus 1, 39 Jahn: subrutus Piraei portus sex
aut amplius mu/ris dnctus. Appian Mithr. 41 : 6 8s UvXXäs tdv ÜEigaiä xazemfiJtQtj,
(psibofXEVog ovrs ztjs onXodrjxrjg ovzs twv vecoootHcov ovzs rcvog aXXov xcöv doidcficov.
Vgl. Plutarch Süll. 14 und Strabon 9, 1, 15 S. 396 Gas. Die BuchzifFer 40 ist
vielleicht verschrieben, braucht es aber nicht nothwendig zu sein, da der Bundes-
genossenkrieg und die sonstigen Vorgänge der ereignissreichen Jahre 663 — 668
füglich eine grosse Zahl von Büchern gefüllt haben können. [Die Zahl ist sicher
falsch: s. Peter, Hist. Rom. reliquiae, Leipz. 1870, S. CCL.]
Zu den Schollen der virgilischen Georgica. 50T
der Taurisker im heutigen Steiermark, hier nach Gallien gesetzt
wird, ist vielleicht kein Fehler; wir können denjenigen Sprach-
gebrauch, wonach Gallien östlich vom Rhein begrenzt wird,
nicht über Cäsar zurück verfolgen und es ist gar nicht unwahr-
scheinlich, dass man in früherer Zeit auch das von Kelten be-
wohnte Land zwischen den Alpen und der Donau 'Keltenland'
genannt hat. Ygl. Polyb. 2, 22.
Ungenannter Annalist.*) G. 4, 108 vellere signa] mos etiim
fuerat hellantium ut (ut fehlt^ signa figerent eaque moverent
(Hdschr. ea quae moverint) profeduri. Si facüe vellentium (Hdschr.
veUenentium) manus sequerentur (Hdschr. sequeretur)^ prospera
pugna ostendebatur, si cum conatu (Hdschr. conaturis), tum exitium
signifieahant , ut in historia: Sertorius effodit signa, pugnamf et
victus est, vix ipse ut evaderet, Rhodanum transnatavit. Dies
gehört in den Kimbernkrieg des Jahres 648 (Plutarch Sertor. 3),
ist aber sonst mit diesem Detail nicht bekannt. Sertorius muss
danach die erwähnte Niederlage als Befehlshaber erlitten haben,
da auf sein Geheiss die widerstrebenden Feldzeichen aus dem
Boden gerissen wurden.
Sallustius. G. d,\3: Salustius: [ine. 21 Maurenbr.] hene posita
urhs, id est hene constituta.
G. 4, 104: Salustius: [IV 35] frigida nocte, id est pro tempore.
Varro. G. 1, 448. Varro: haruni pampinorum. Ygl. Servius
zu Buc. 7, 58.
G. 2, 97: Amimos Felasgos fuisse Varro aif; hinc ah agro 452
Ämineo hatte vitem translatam dicutit; womit zu verbinden Phi-
largyrius zu dieser Stelle: Amineos Aristoteles in politicis hoc
scribit Thessalios fuisse, qui suae regionis vites in Italiam trans-
■ tulerint atque Ulis inde nomen impositum.
G. 2, 325 Caeli uxorem, Terram dici testis est Varro. Vgl. de
ling. Lat. 5, 57 sq.
G. 4, 168. Varro ait: pecus a pascendo veteres omne atiimal
dixerunt.
Noch verdienen Beachtung die Anführungen von Accius G. 1, 502
(von Ribbeck trag. p. 1 88 nach Suringar gegeben [ed. 3 p. 255 ver-
bessert]), Aemilius Macer G. 2, 160 (für eine geographische Angabe);
Alkman G. 3, 89; Cicero G. 1, 4. 2, 28. 157; Cominianus (Charisius)
E. 3, 21. G. 1, 215. 3, 311 ; Eusebius (?) [Aeschijlus Hagen a. a. O.
S. 711] G. 1,482; Flavianus B. 6, 62 (vgl. Reifferscheid in diesem
*) [Nach Wölfflin, Philol. 17, 1861, S. 541 aus SaUosts Historien Buch L]
508 Zu den Schollen der virgilischen Georgica.
Museum 16, 23);*) Fronto poeta G. 4, 283; Hesiodus gynecon G-.
4, 361;**) Nigidius G. 1, 174. 428. 498. 2, 168. 3, 147; Philorus (?)
[Phüochorus Hagen a. a. 0. S. 720] G. 1, 19; ferner die der älteren
Commentatoren des Virgil Asper zu G. 4, 238 und Probus zu G.
4, 134 (vgl. das schon bekannte Scholion zu G. 1,403 und dasjenige
zu B. 3, 105) und gewisser glosomata zu G. 1, 399. 4, 151. 232, die
ganz aussehen wie Bruchstücke eines Commentars zum Aratus [vgl,
Hagen S. 727].***)
*) [Gemeint ist vielmehr Flavius Charisius : vgl. H, Keil, Hermes 1, 1866,
S. 334.]
**) [Vgl. M. Haupt, opusc. 8 S. 861.]
***) [Es folgen zwei Stellen aus einer von Mommsen verglichenen Leydener
Scholienhandschrift in korrekterer Fassung als sie Burmann gegeben hatte. — In
dem Nachtrag hat er das Verwandtschaftsverhältnis der Leydener und einer
Pariser Handschrift auf Grund einer für ihn angefertigten Kollation der letzteren
J>räzisiert.]
LVII.
Zeitalter des Scholiasten Juvenals.*)
Dass die Scholien nicht vor dem vierten Jahrhundert geschrieben
sind, ist aus zahbeichen Angaben deutlich. Nur beispielsweise er-
innere ich an die Erwähnung der Diocletiansthermen (321, 3. 338, 4);
des constantinischen magister militum (320, 24) oder magister peditum
et equitum (377, 5); der circetises quos praetores edunf (345, 18),
nämhch in Folge einer Yorschrift Constantins (C. Th. YI, 4 u. das.
Goth.); an die constante Bezeichnung des Goldstückes durch den
constantinischen soZjV?ws, wodurch sogar aureus erklärt wird (247,11.
2S4, 11. 289, 25. 375, 24); an die Bezeichnung der bekanntlich durch
Constantin geschleiften castra praetoria als nicht mehr vorhanden
(384, 18, vgl. 321, 2). Andererseits können die Scholien nicht wohl
*) [Ungedruckt. Das (ziemlich vergilbte) Manuskript fand sich in O. Jahns
I'apieren nnd wnrde von Ad. Michaelis zur Verfügung gestellt. Offenbar war
der Aufsatz dazu bestimmt, dem zweiten Bande von Jahns Juvenalausgabe bei-
gegeben zu werden (vgl. die epistula Mommseus über Obsequens aus dem J. 1853,
oben S. 168 ff.); da aber dieser zweite Band nicht erschien, unterblieb auch die
Veröffentlichung des vorliegenden Aufsatzes. Hieraus läßt sich auch auf die
Zeit seiner Abfassung schließen: bald nach 1851, dem Erscheinungsjahre der
Jahnschen Ausgabe (D. lunii luvenalis saturarum libriV. Ex recensione et cmn
commentariis Ottonis lahnii. Vol. I. Berolini a. 1851), nach deren Seitenzahlen
Mommsen zitiert. (Der Hinweis auf den Kalender von 449, unten S. 510, läßt
v.jrmuten, daß er eben damals mit der Arbeit an Polemius Silvius beschäftigt
•war; diese Abhandlung, von der der Kalender selbst freilich ausgeschlossen
wurde, erschien 1853, s. u. nr. LXVIII.) Als dann Jahn i. J. 1868 den Text und
die Scholien Juvenals abermals edierte (A. Persü Flacci, D. lunü luvenalis,
Sidpiciae saturae, recognovit Otto Jahn. Berolini a. 1868), faßt« er das Resultat
des Mommsenschen Aufsatzes, ohne ihn zu nennen (wozu bei der Kürze der
praefatio keine Veranlassung vorlag), in die Worte zusammen (praef p. 7):
'originem eorum (näml. der alten Scholien) satis certis argumentis ad saecuH quarti
fit'em referre licet.' Es wird den Lesern, obwohl diese Ansicht von dem Zeitalter
der Mehrzahl der alten Scholien längst rezipiert worden ist, erwünscht sein,
nun zum ersten Male die Argumente zu erfahren, auf die sie sich stützt.l
510 Zeitalter des Scholiasten Juvenals.
lange nach dem Anfang des 5. Jh. geschrieben sein. Die Bezeich-
nung Germani sive Franci 228, l passt am besten auf die Zeit, wo
die Franken noch diesseit des Rheines sassen, also auf die Epoche
vor 430 (Zeuss die Deutschen S. 342). Noch bestimmter führt die
Angabe, dass der Rhein zwischen den GalHern und Alamanniern
iliesse (299, 4), auf das 4. Jahrh. ; denn seit dem Anfang des 5. Jh.
«assen die Alamannen auf dem linken Rheinufer im heutigen Elsass
(Zeuss S. 317). — Dazu kommen andere Spuren. Das gewöhnliche
Silberstück heisst seit dem fünften Jahrh. regelmässig als Aequivalent
eines Goldkarats siliqua (Verfall des röm. Münzw. S. 270); der
Scholiast aber giebt ihm den älteren und eigentlichen Namen
argenteolus oder nummus (das. S. 272). — Der christliche (vgl.
iaptware 367, 26) und jüdische Cult ist dem Scholiasten wenig
bekannt — wegen des letztern citirt er Tacitus — und nirgends
Tieigt sich Bekanntschaft mit den Dingen, die zu der Zeit, wo das
Ohristenthum Staatsreligion war, auch dem renitenten Altgläubigen
geläufig sein mussten. Vielmehr spricht der Schreiber von der
Yerehrung der Götter in der gegenwärtigen Zeit (319, 20. 321, 24),
«benso von der Sühnung der Blitze durch die Pontifices (271, 5),
wogegen die Anspielen schon verschwunden sind (333, 21. 341, 9).
Dies passt nicht mehr auf das fünfte Jh., wo dergleichen 'Aber-
glauben' wohl noch geübt, aber nicht darüber in den Schulen docirt
ward, wohl aber auf das vierte, in dem man das heidnische Wesen
wohl controlirte und gelegentlich verfolgte, aber nicht eigentlich
unterdrückte (vgl. z. B. Goth. zu C. Th. XVI, 10, 7). Ebenso ist
309, 20, wo die Rede ist von den Matronalia, quae sunt k. Apr.,
quibiis est natalis Veneris, offenbar eine Angabe des derzeitigen
officiellen Kalenders referirt, welche sich dann auch in dem der
Chronographie von 354 einverleibten wiederfindet; wogegen in dem
von 449 (acta sanct. lun. VII p. 176 sq.) keine derartige Notiz mehr
erscheint.
Die Schollen sind also im Laufe des 4. Jh. entstanden; wahr-
scheinlich gegen das Ende desselben, wie schon Gothofred zu C. Th.
XrV, 17, 2 sie mit Recht für 'wenig jünger als Prudentius" erklärt
hat. Sie gegen das Ende hinabzurücken bestimmt mich weniger
die Erwähnung des panis gradilis 286, 4, welcher Ausdruck aller- \
dings erst seit 364 nachzuweisen ist (Goth. a. a. O.) als die Erklärung
von tutor principis durch patricius (320, 25). Es ist nicht glaublich,
dass der Scholiast hiebei an das constantinische Rangprädicat allein,
gedacht haben sollte (vgl. Goth. zu C. Th. VI, 6); vielmehr müssen
ihm Patricius wie Stilicho, Rufinus Eutropius im Sinn gelegen haben.
Zeitalter des Scholiasten Juvenals.
511
die allerdings recht eigentlich die Kaiser bevormundeten. Man kann
sich kaum der Vermuthung wehren, dass der Scholiast, indem er
den magister tnüihim und den pafricius so nahe zusammenrückte,
eben an Stilicho gedacht hat, der beides war.
Es wird hiedurch auch ziemlich sicher gemacht, dass der prae-
fectus Cerealis (316, 58 vgl. 374, 6) der Stadtpräfect dieses Namens
352 3 sein soll; obwohl die Möglichkeit, dass ein älterer Präfect
dieses Namens gemeint sein kann, in einer so verwirrten und so
offenbar einem Missverständniss der Worte Juvenals accommodirten
Notiz keineswegs geleugnet werden kann.
Die Schollen sind also wahrscheinlich um 400 in Rom (dies
zeigen die Stellen 207, 17. 208, 20. 244, 22. 289, 13. 293, 8. 338, 3)
niedergeschrieben und später wohl verkürzt und verdorben, aber
nicht eigentlich verfälscht.
LVIII.
' Aus lind über Leydener und Münchener
Handschriften.*)
[45 Unter den lateinischen Glossarien, woran die Leydener Biblio-
thek bekanntlich so reich ist wie kaum eine zweite, ist mir besonders
einer verständigen Untersuchung werth erschienen die früher Krohnische
Handschrift XYIII, 67. D (n. 498 des Geelschen Supplements) aus
dem zehnten Jahrhundert. Ich gebe, was ich mir daraus angemerkt
habe.
*) [Rhein. Mus. N. F. 16, 1861, S. 135—147. Da die von Mommsen in diesem
Aufsatz gegebenen Nachweise seitdem von den Herausgebern der Texte ver-
wertet worden sind, werden sie hier nicht wieder zum Abdruck gebracht.
Seine Exzerpte betreffen : 1) 'Florus'. Die Mommsensche Neukollation des Brüsseler
Kodex, der das Fragment überliefert hat, ist von C. Wachsmuth in einem Nach-
trag zur Ausgabe in Ritschis op. 3 S. 742 benutzt worden. 2) 'Paulus Auszug des
Festus'. Die von Mommsen namhaft gemachten Handschriften hat daraufhin E.
Thewrewk de Ponor in der Ungarischen Revue 1884 genauer beschrieben.
Am Schluß dieses Teiles seines Aufsatzes spricht Mommsen von der Notwendig-
keit, die Überlieferungsgeschichte der im Farnesinus nicht mehr vorhandenen
Quaternionen des Festustextes zu klären; die Lösung dieser Aufgabe hat er dann
später selbst in Angriff genommen: s. o. S. 272. 3) 'Virgilische Scholien'. Die
Münchener Handschrift ist für den Text des Probus von Thilo -Hagen benutzt
worden (Servius 111,2, Leipz. 1902, praef. p. Vlllf.); die von Mommsen daraus
notierten Bemerkungen des Petrus Crinitus über den Kommentar des Ti. Donatus
hat H. Georgii, soweit sie von Bedeutung sind, in der Ausgabe dieses Kommen-
tars Bd. 1 Leipz. 1905 praef. p. Vlll A. 1 und XIX wiederholt. 4) 'Der Grono-
vische Scholiast zu Ciceros Reden'. Die von Mommsen aus der Blätterfolge der
Leydener Handschrift gezogenen Schlüsse auf die 'Sammlung ciceronischer Reden,
welche dem Scholiasten vorlag', lassen sich nach den neueren Forschungen über
dieses Scholienkonglomerat nicht mehr aufrechterhalten. 5) 'Glossarien'. Was
Mommsen aus dem minderwertigen, von ihm eingesehenen Glossar der Leydener
Bibliothek (vom Corpus gloss, ausgeschlossen) notierte, ist oben abgedruckt
worden wegen der von ihm daran geknüpften Bemerkungen.]
Aus und über Leydener und Münchener Handschriften. 513
Anfang: Ab ahatissimis a deformissimis et ab infirmissimis. Ab
abiectissimis ab tenuissimis , ab öbscurissimis, ab angusiissimis
sive a paucissimis et liumilibus.
Atnpilestiis quorum (1. Ampiles Tuscorum) liiigua Malus ynensis
dicitur.
ActoUera urbe ArgiripJia. hanc enim JDiomedis Etolus post
excidium alii (1. Ilii) in Aj)ulia condidit.
Ceraunium nota est quae in libris apponitur quotiens muMi
versum (1. versus) inprobantur nee per singidos obolantur.
ceraunium enim fulmen dicitur. Aus Isidor etym. I, 21, 21.
Ciathum cum h scribi oportet. Ciati decem dragmis appenditur,
qui etiam quibusdam Cassatus nominatur.
Ereo Octimber mensis dicitur in lingua Bizantinorum.
Lemnias genus tnonstri in Libia credunt esse truncos sine capite,
OS et ocidos habere in pectore.
Linne saga quadra et mollia sunt, de quibus Plaut us: Unna
cooperata est testrio Gallia.
Sensa dici Donatus grammaticus ait Epicureus ostendit omnia 146
conpraehendi posse sensa corporis.
Septem arces Septem montes intra Homam, id est Tarpeius Aven-
tinus Viminalis Quirinalis Celius Escilitius et Palatinus.
Soene castrum in ßnibus Ethiopiae habetur; ibi est turris Magdal
et Romanae ditioni std)iacet. Ibi sunt irdicata rede {\..NiU
catarractae), usque aque locum denso (1. ad quem locum
deusque) mari ipse Nihilus navigabilis est.
Traneus Iiüius mensis dicitur in lingua Tuscorum.
Velcitanus Tuscorum lingua Martins mensis dicitur.
Xoffer Octimber mensis dicitur in lingua Tuscorum.
Schliesst: Zoxia signa est. Folgen Thierstimmen u. dgl. m.
Dass von den etniskischen Monatnamen, die kürzlich aus dem Papias
ans Licht gezogen -svorden sind, in diesem älteren Glossar wenigstens
vier erscheinen (nach Aclus und Celius habe ich vergeblich gesucht),
i^t beachtenswerth. Erwägung verdient auch, dass hier die uns
geläufigen sieben Hügel Roms aufgeführt werden, während die noch
dem Alterthum angehörigen Verzeichnisse andere jS^amen nennen^.
1) Das älteste ist das der Stadtbeschreibung S. 26. 27 PreUer: Cadius
Aventinus Tarpeius Palatinus Esquilinus Vaticanus et lanienlensis; warmn
Quirinal und Viminal hier fehlen, habe ich in der dritten Ausgabe meiner
R. G. I, 109 gezeigt. Servius (zur Aeneis 6, 784) nennt statt des tarpeischen
mid des vaticanischen Hügels, Quirinal und Viminal; die zwei von Johannes
MOMMSEN, SCHB. VII. 33
514 Aus und über Leydener und Müuchener Handschriften.
Dagegen kehren die sieben Hügel unseres Glossars in dem Über
Guidonis (f. 9 der Handschrift) wieder; und die gemeinschaftliche
Quelle des Glossenschreibers wie des Geographen scheint die kurze
Notiz de montibus und de aquarum ductibus zu sein, die Preller in
der Ausgabe der Regionen S. 37 aus cod. Laur, pl. 89, 67 saec. X
herausgegeben hat und die Bock (lettres ä M. Bethmann p. 1 7) in
der Pariser Handschrift 4806 ebenfalls fand.
Dagegen möchte dasjenige Lexikon derselben Bibliothek (Bibl.
147 publ. n. 56) aus dem Bake in seiner Ausgabe der Schrift Ciceros
von den Gesetzen S. 285 ein Fragment Macers mitgetheilt hat, nach
Angabe des gedruckten Katalogs eine Papierhandschrift, Auszüge
aus Nonius und ähnlichen Büchern enthaltend, den davon gehegten
Erwartungen nicht entsprechen. Die mitgetheilten Worte: Acca.
Mater Msforiarum IP sind unzweifelhalt so zu ändern : Acca. Macer
historiarum l. P und geflossen aus Macrobius Sat. I, 10, 17: Macer
hisforiarum libro primo Faustuli coniugem Accam Larentiam JRomuU
et Remi nutricem fuisse confirmat. Hiernach wird man auch von
den abweichenden Lesungen, mit denen die Stelle Varros de 1. Lat.
VI. S. 265 [§ 88] in derselben Handschrift wiedergegeben ist (Bake
a. a. O. S. 658), für unseren Text sich keine Hülfe versprechen dürfen.
Lydus S. 118 Bekker [de mens. ed. Wünsch p. 173] mitgetheilten Listen sind
lückenhaft und verwirrt (vgl. Becker Topogr. S. 123), aber weder die ältere
noch die jüngere lässt sich füglich auf die uns geläufigen sieben Namen zu-
rückführen.
LIX.
Lateinisches Glossar des cod. Vat. 2730.*)
Ob für die Kritik des einen oder des anderen dieser Schrift- 73
steller [der in den von Mommsen gegebenen Proben zitierten] die
Anführungen in dem Glossar brauchbar sind, lasse ich dahingestellt;
viel wird damit nicht anzufangen sein. Aber wenigstens in einer
Hinsicht ist die Auffindung dieser Handschrift doch von einigem
Nutzen. Caspar Barth hat in den Adversarien 37, 5 aus einer
Handschrift des Yirgil den Anfang eines Glossars herausgegeben^,
der dann in Lions Ausgabe der Yirgilscholien 2, 373 — 374 wieder-
holt und in den Fragmentensammlungen von Ribbeck, Peter und
Anderen benutzt ist. Wer diesen Abdruck mit den oben gegebenen
Proben zusammenhält, wird sich leicht überzeugen, dass Barth eben
unser Glossar vor Augen gehabt hat, und dass sein Text noch viel -^
zerrütteter war als der uns vorliegende, dagegen durch alle Buch-
staben des Alphabets reichte, während unsere Handschrift im M
abbricht. Ich gebe zur Vergleichung den Buchstaben B nach Barth :
hachar herba quae fascinum peUit. Virg.: 'hachare frontem
cingite ne ptiero noceant mala signa futuro.' Neratitts in
Ydro dixit: 'bachareis frondihus puerum amictum\
Bldbios est Mantiiae conditor: dictus est autem quasi animo
et corpore fortissimus.
*) [Hermes 8, 1874, S. 67—74. Das Glossar, von dem Mommsen Proben gab,
ist nicht wieder abgedruckt worden, da es, wie mir G. Goetz brieflich mitteilt,
von Guarino herrührt: vgl. Sabaddini, La scuola e gli studi di Guarino, Catania
1896, S. 54 und in der Riv, di filol. 31 S. 470 f. Von den an die Veröffentlichung
angeschlossenen Bemerkungen Mommsens schienen die oben stehenden den
Abdruck zu verdienen.]
1) Barth sagt von dieser Handschrift: Est aptid nos priscus Moronis codex,
cui subiectmn visitur glossariolum, in quo isla offendo ex antiqtiis explanatoribtis
excerpta .... Glossae . . . toittm (üfdbetwm percurrunt, rariores tarnen in postremis
praecipue litteris.
33*
516 Lateinisches Glosar des cod. Vat. 2730.
Uaterare inepta vociferare. Appuleiiis in antalogio: quae et
si possent ab iis velint hlaterata esse hlaterata ob mercedem.
blatea lamina ex metallo. Virg.: crepitabant blatea vento.
bruina hiems dicta. finitur bruina VIII kl. lan.
Dies stimmt, wie man sieht, im Ganzen wörtlich und selbst in
argen Corruptelen mit dem vaticanischen Glossar überein, und das
Gleiche wird bestätigt finden, wer weiter die aus dem Buchstaben
A mitgetheilten Auszüge mit dem Barthschen Text zusammenhält.
Nur eine Anführung ist davon auszunehmen: das angebliche Citat
aus Neratius in Ydro, wovon unser Text so wenig etwas weiss wie
die sonstige antike Ueberlieferung, und das jetzt unzweifelhaft als
eine Barthsche Interpolation sich herausstellt. Dergleichen begegnet
auch sonst noch; wie denn die beiden unter admitto von Barth
beigebrachten Citate aus Plautus und luvenal in der vaticanischen
Handschrift sich nicht finden und ebensowenig unter apparere Servius
angeführt wird. Man wird das Barthsche Glossar als einen schlechten
und interpohrten Auszug des vaticanischen in Zukunft bei Seite legen
dürfen und manche auf dessen Corruptelen aufgebaute Combination
(wie z. B. die in Orellis onomast. Cic. unter Anser vorgebrachte) ist
hiedurch erledigt.
LX.
Ueber eine Stelle des Ennodius.*)
Ennodius preist in seiner Lobrede den König Theodorich (p. 315 47
der Simaond. Ausg. von 1611 [p. 284 Hartel]), dass er die Jugend
durch Scheinkämpfe zu dem ernsthaften Waffendienst vorbilde, und fügt
hinzu, dass er damit die alten Römer übertreffe. Butilium, fährt
er dies belegend fort, et Manlium comperimus glaäiatorium conflictum
magistrante poinilis Providentia contulisse, ut inter theatrdles caveas
plebs diuturna pace possessa, quid in acie gereretur, agnosceret. Sed
tiinc feriatis manihus frustra sociae mortes ingerehantur adspectui.
In diesen Worten hat kürzlich Huschke (in dieser Zeitschrift IX, 330)
ein Zeugniss dafür gefunden, dass die Gladiatorenspiele im J. 649
der Stadt bei den Römern unter die amtlichen und regelmässig
wiederkehrenden aufgenommen seien — was allerdings wichtig genug
sein würde, um diese Worte, wie Huschke dies thut, einer „neu
entdeckten Quelle" gleichzuachten. Freilich erheben sich für jeden,
der die in Rede stehenden Dinge kennt, sogleich sehr ernstliche
Schwierigkeiten, Wir wissen nichts von festen Spielen, die aus-
zurichten den Consuln obgelegen hätte. Ebensowenig weiss die
Ueberlieferung der republikanischen Zeit etwas von stehenden
Gladiatorenspielen; was Huschke für die Regelmässigkeit derselben
geltend macht, dass Dio 47, 40 die Aufführung von Gladiatoren-
anstatt Bühnenspielen bei den Cerealien im J. 712 unter den Pro-
digien verzeichnet beweist augenscheinlich das Gegentheil. Sogar
dass die Einführung der festen Gladiatorenspiele in das J. 47 n. Chr.
fällt, berichtet Tacitus (annal. 11, 22) und ist auch sonst wohl be-
glaubigt; sie fielen in den December und wurden von den Quästoren
gegeben (C. I. L. I. p. 407). Somit ist guter Grund vorhanden, nicht
eher aus der „neu entdeckten Quelle" zu schöpfen, bevor wir wissen,
♦) [Zeitschrift für Bechtsgeschichte 10, 1872, S. 47—48.]
518 - Ueber eine StelUe des Ennodius,
48 ob die Wasser nicht trübe sind; und sie sind es in der That. Was
Valerius Maximus 2, 3, 3 von dem Consul des J. 649 P. Kutilius
Rufus, dem Collegen des Cn. Mallius erzählt, dass er die Gladiatoren
aus der Fechtschule des C. Aurelius Scaurus als Instructoren für
seine Soldaten verwendet habe, liegt zwar weit genug ab von dem
Bericht des Ennodius; aber wenn lanuarius Nepotianus in seinem
Auszug des Valerius (10, 22) diese Erzählung folgendermassen wieder-
giebt: Fisi virtute Romani sine artißcio dimicahant. itaque P. Rutüio
et Cn. Mallio cos. e ludo gladiatorio doctores accersiti sunt, ut inferre
ictus et declinare monstrarent, adiutaque est artificio fortitudo, so ist
es dennoch evident, dass Ennodius Meldung nichts ist als ein Miss-
verständniss der Erzählung des Yalerius. Denn Nepotians Worte
können allerdings so verstanden werden als handle es sich nicht um
ein Vornehmen des Rutilius, der mit Mallius Consul war, sondern
um ein Vornehmen der Consuln Rutilius und Mallius; ferner als
habe die Instruction darin bestanden, nicht dass man den Rekruten
Fechtmeister aus den Gladiatorenschulen gab, sondern dass vor der
Bürgerschaft Kunstfechten von Gladiatoren aufgeführt wurde. Also
ist aus den Worten des Ennodius über die Munera nichts zu lernen,
und überhaupt nichts weiter als etwa, dass Nepotianus Auszug vor
dem Anfang des sechsten Jahrhunderts verfertigt worden ist ; ausser-
dem allenfalls noch, was Auszugmacher und Auszugbenutzer zu leisten
im Stande sind. Cave!
LXI.
Jamblichos bei Jordanes.*)
Jordanes beginnt seinen Abriss der römischen Geschichte mit 352
den Worten: Eomani , ut ait lamhlicus, arniis et legibus exercentes
orhem terrae suum fecerunt: armis, si quidem constrztxerunt , legibus
autem conservaverunt, qiiod et ego, sequens eruditissimum virum, dum
aliqua de cursu temporum scribere delibero, necessaritim duoci opusculo
meo velut insigne quoddam ornamentum praeponere. Dass dieser
Satz bei dem berühmten Philosophen Jamblichos von Chalkis sich
nicht findet und auch nicht füglich von ihm geschrieben sein kann,
habe ich in der Vorrede meiner Ausgabe hervorgehoben und, da
nach der Art, wie Jordanes den Mann erwähnt, doch kaum an
einen anderen als jenen vielfach gefeierten Schriftsteller gedacht
werden kann, das Citat überhaupt als mindestens bedenklich be-
zeichnet. Ich werde nun aber aufmerksam gemacht auf eine Stelle
des bekannten Juristen der justinianischen Zeit Stephanos aus den
Basilikenscholien zu 23, 1, 9, 9 p. 601 Heimbach: xalcbg ovv xal
äojuoöicog äv Tig tov f]QO)og 'AfxßXixov (sehr. "lafxßXiy^ov) xe/Qrjfiivog
orffiaoiv amoi ' w Tiooa dvvarai xoyv ovvaXXay fxdroiv ff cpvoig. cb Jiöoa
dt evog iJ,eiaox^]fJ-o.rioTai grjfjiaxog' aTiavia yaQ reo 'y^orjoai fxeta-
ßeßXr]vxai grj/uari, deoTioreia, vojui], ovvd/.Xayp,a, xivdvvog, äycoyij.
Weiter wird dieser Jamblichos nicht genannt; die Bezeichnung
•JQcog wird öfter von Stephanos angesehenen Vorgängern bei-
gelegt; nach der Meinung Zachariäs von Lingenthal ist es der Titel
der berytischen Rechtslehrer. Ich lege diese mir zugekommene
Nachweisung hier zur weiteren Prüfung vor. Dass die an beiden
Stellen angeführten Worte den gleichen declamatorischen Charakter
tragen und füglich in derselben Schrift vorkommen konnten, leuchtet
*) [Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschieh tskunde 8,
1883, S. 852.]
520 Jamblichos bei Jordanes.
ein. Andererseits erhebt sich freilich ein doppeltes Bedenken.
Einmal muss, wie ich bereits in der Ausgabe hervorgehoben habe,
wenn Jordanes das sequi nicht völlig gedankenlos gesetzt hat, die
fragliche Schrift einen der des Jordanes einigermassen analogen
Inhalt gehabt haben. Zweitens stimmt zu dem, was wir über Jor-
danes litterarische Hülfsmittel seinen Schriften entnehmen, die An-
führung einer doch ohne Zweifel in griechischer Sprache nicht lange
vor Justinian, vielleicht in Berytos abgefassten juristischen Schrift
nicht besonders gut. Indess beachtenswert ist die Zusammenstellung
auf jeden Fall und trifft vielleicht das Richtige.
LXII— LXIII.
E u g i p p i a 11 a.*)
Sauppe contra Knöll.
Die Biographie des Severinus, welcher als Abt von Faviana 454
(unweit Ips) im Jahre 482 starb und dessen Körper, bei dem Ab-
zug der Römer aus Noricum im Jahre 488 mitgeführt, seine zweite
Ruhestätte bei Xeapel im casti-um LucuUanum fand, verfasst im
Jahre 511 von seinem jüngeren Zeitgenossen Eugippius, damals Abt
des bei jener Ruhestätte gegründeten Klosters, zum Theil aus eigener
Anschauung, überwiegend aber nach den Erzählungen älterer Männer^,
ist ein so einzigartiges und so werthvolles Document für den Unter-
gang der römischen Civilisation in den Landschaften nordwärts der
Alpen, dass es gestattet sein wird auf dessen Ueberlieferung noch
einmal die Aufmerksamkeit zu richten.
Handschriften aus älterer Zeit besitzen wir nicht, wohl aber
Auszüge aus der Biographie in der italischen Chronik 2, deren Auf-
zeichnung wohl noch dem sechsten Jahrhundert angehört, weitere
bei Paulus Diaconus aus dem Ende des achten^ und in den wenig
*) [Hermes 32, 1897, S. 454—468. In einer zweiten Abhandlung 'Eugippiana II'
im Hermes 33, 1898, S. 160—167 hat Mommsen die deutschen Hss. des Eugippius,
deren Prüfung er unten S. 523 als wünschenswert bezeichnet, in ihrem Verhältnis
'.;u einander und zu den italienischen untersucht. Diese zweite Abhandlung hier
5;um Abdruck zu bringen erübrigt sich durch die unmittelbar darauf erschienene
Ausgabe des Eugippius, 1898, S. XVIIl ff., während die vorliegende Abhandlung
rieben der kurzen Zusammenfassung ihrer Resultate a. a. 0. S. XXVI ff. ihren
selbständigen Wert behält. Die Abweichungen der in vorliegender Abhandlung
Elitgeteilten Lesarten von denjenigen der Ausgabe sind hier im Text in Klammem
angegeben worden.]
1) Brief an Paschasius 2 : ex notissima nobis et cottidiana maiorum relatione.
Mit Namen nennt er solche Gewährsmänner 27, 19. 35, 1.
2) In meinen Chroniken 1 p. 314. 315.
3) bist. Lang. 1, 19; bist. Rom. 15, 8.
522 Eugippiana.
jüngeren Gesten der Bischöfe von Neapel ^ Von den uns erhaltenen
Handschriften gehören die ältesten — die von Sauppe und Knöll dem
neunten Jahrhundert zugeschriebene Münchener 1044 ist vielmehr
aus dem elften — dem zehnten Jahrhundert an, die des Lateran
(L) und wohl auch die Turiner (T); die grosse Masse dem elften
Jahrhundert und der Folgezeit. Die Feststellung des kritischen
Fundaments verdanken wir Sauppe. In seiner Ausgabe (1877) warf
er die Masse der deutschen bei Seite als in verschiedener Weise, aber
gleichmässig arg interpolirt, und schied die brauchbaren in zwei
455 Classen, eine bessere, vertreten durch jene des Lateran, und eine
geringere, von der er zwei Exemplare, das vaticanische 5772 aus
Bobbio (V) und das Mailänder J 61 inf. (M) heranzog.
Pius Knöll schloss in seiner Ausgabe (1886)^ diesen Feststellungen
sich vollständig an, aber zog in zweckmässiger Weise noch andere
Handschriften der italischen Classen hinzu, für die erste theils die
beste der zahlreichen Handschriften von Monte Cassino 145 (C),
theils eine zweite vaticanische 1197 (G), für die zweite theils die
ehemals bobiensische Handschrift, jetzt in Turin lY. F. 25 (T),
welche er als das Original der vaticanischen 5772 (V) nachwies,
theils die römische der Vallicellianischen Bibliothek XII (N). Damit
wurde insbesondere für die erste Classe ein wichtiger Fortschritt
gemacht. Die Handschrift des Lateran erwies sich den Zwillings-
handschriften CG wohl als eng verwandt, aber in der Weise, dass
an zahlreichen Stellen L gegen CG, an zahlreichen anderen CG
gegen L im Rechte waren, und fortan also für Sauppes L vielmehr
CGL einzutreten hat. Dies ist insofern von wesentlichem Gewinn,
als die Lateranhandschrift zwar von sachlichen Interpolationen frei,
der Text aber durch leichtfertige Behandlung der Ueberlieferung
und durch eine grosse Zahl kleiner Verderbnisse entstellt ist, welche
Sauppe, dem die Controle fehlte, nur zum Theil mit Hilfe der
andern Classe hat beseitigen können. Von minderer Wichtigkeit,
obwohl ebenfalls nützlich, ist die Verstärkung des Fundaments der
zweiten Classe; T ist allerdings wohl die Vorlage von Sauppes V
— beide sind bobiensisch — und dafür einzusetzen, aber die Abschrift
ist sorgfältig und viel wird durch diesen Wechsel nicht gewonnen.
Nützlicher hat sich in manchen Einzelfragen die Hinzuziehung des
dritten weder von T (V) noch von M abhängigen Exemplars N bc-
1) Gesta ep. Neap. in den scr. rer. Lang. p. 468.
2) Dazu gehört die Abhandlung ,Das Handschriftenverhältniss der Vita
S. Severini des Eugippius' in den Sitzungsberichten der phil.-hist. Classe der
Wiener Akademie 95, 1880, S. 445 — 498.
Eugippiana. 523
wiesen. — Darin, dass weder LCG noch TNM entbehrlich sind,
vielmehr bald die eine Classe, bald die andere den echten Text
bewahrt hat, stimmt Knöll mit Sauppe überein. Aber in der
Schätzung der beiden Classen stehen sich die beiden Herausgeber
schroff gegenüber: wie Sauppe der ersten, so giebt Knöll der zweiten
den Yorzug.
Bei dem fundamentalen Ergebniss, dass die deutschen Hand-
schriften, die allerdings noch genauerer Prüfung bedürfen, kritisch
zurückstehen, die italienischen aber in zwei Classen zerfallen und 456
zwischen den Classenlesungen die Wahl offen steht, wird es bleiben;
Sauppes Ansetzungen sind von Knöll bestätigt worden und haben
sich auch mir als völHg gesichert erwiesen. Der Classengegensatz
ist ein merkwürdig scharfer und Contamination scheint bei dieser
Schrift überhaupt nicht vorgekommen zu sein, worauf wir weiterhin
zurückkommen werden. Nichts desto weniger ist der zwischen
Sauppe und Knöll bestehende Gegensatz für die Handhabung der
Kritik von wesentlichem Belang; obwohl keine der beiden Classen
entbehrlich ist, stehen sie im Werthe nicht gleich und Knölls Aus-
gabe ist, wie in der Verstärkung des Apparates ein wesentlicher
Fortschritt, so ein arger Rückschritt in dessen Schätzung und Be-
handlung. Es wird angezeigt sein zunächst diejenigen Stellen folgen
zu lassen, bei welchen eine Entscheidung zwischen den verschiedenen
Lesungen möglich ist und dadurch das Urtheil über die Beschaffen-
heit der beiden Classen- Archetypen zu fundiren. Einzelne für das
Classenverhältniss nicht in Betracht kommende Stellen sind hinzu-
gefügt, wo sie anderweitig zu Bemerkungen Anlass geben. Da die
Knöllsche Ausgabe allein den Apparat vollständig bietet, so citire
ich hauptsächlich nach deren Seiten und Zeilen.*)
1, 9 ep. Eug. 1 Titcis] I, titis IL Dass jene Form die richtige
ist. hat Knöll im Index erwiesen.
2, 20 ep. Eug. 3 und sonst. Die ältere Schreibung spirital-
iat in der zweiten Classe bewahrt, nur dass M an zwei Stellen 36, 14.-
42. 8 abweicht; in der ersten Classe hat sie L 2, 20. 31, 8. 36, 14
i(hier geändert in spiritual-) , dagegen spiritual- 4,8. 42,8. 45, 11.
j55, 24, während CG keine andere kennen als diese.
I 3, 24 ep. Eug. 6 sperantes nos haiuli nomen etiam de tui operis
^perfecüone esse dictiiros. Die Aenderung Sauppes, die Knöll gebilligt
ihat, ducttoos, beruht auf Missverständniss; der Bote heisst Deogratias,
*) [Von der Umschreibung dieser in die Seiten und Zeilen von Mouunsens
(Vu8 »abe konnte abgesehen werden, da die Zahlen der Kapitel und Paragraphen
k beiden Ausgaben gleich sind.]
524 Eugippiana.
und der Schreiber hofft dies ,Gott sei Dank' auch nach Abschluss
der von Paschasius erwarteten Arbeit sagen zu können.
4, 7 ep. Eug. 7 weichen die beiden Familien also ab:
I. de qua (patria Severini) me II. de qua licet me fatear
fatem' nullum evidens habere do- (fateor M) nulluni evidens habere
cumentum. nam cum multi sacer- documentum , tarnen quid hinc ab
dotes cet. meunte aetate cognoverim non
tacebo. cum multi igitur sacer-
dotes cet.
457 Dies ist nicht Schreibfehler, sondern verschiedene Fassung. Die
erstere ist, wie Sauppe gezeigt und Knöll (S. 488) nicht widerlegt
hat, die allein dem Zusammenhang angemessene; denn die folgende
Erzählung giebt über die Heimath des Severinus keine Auskunft,
wie die zweite Fassung dies andeutet, sondern belegt nur, dass
Eugippius darüber nichts in Erfahrung gebracht hat. Auch ist hinc
ab meunte aetate damit unvereinbar, dass Eugippius den Severinus
erst am Schluss seines Lebens kennen lernte und darum (S. 455 A. 1
[S. 522 A. 2]) seinen Bericht bezeichnet als herrührend ex notissima
nobis et cottidiana maiorum relatione. An dem von Eugippius hier
zunächst berichteten Gespräch hat allem Anscheine nach dieser selbst
nicht theilgenommen. Die verkehrte Interpolation ist handgreiflich,
übrigens in M nicht völlig durchgeführt,
4, 22 ep. Eug. 9 serio I (CG-, seuerinus L) wird auch von Knöll
als richtig anerkannt gegenüber dem unmöglichen, aber eher inter-
polirten als verschriebenen senior der zweiten.
7, 19 cap. 8 und sonst heisst der König der Ruger in I durch-
gängig (mit Ausnahme einer Stelle 40, 2) Feva, in II durchgängig
Feba. Jene Form kehrt wieder in der italischen Chronik (I p. 312.
313 meiner Ausgabe) und bei Paulus hist. Lang. 1, 19; analog ist
der Name des Westgothenkönigs Livva. Die Chronik Cassiodors
zum Jahre 487 (chron. 2 p. 159) hat Foeba.
12, 8. 12. 58, 21. 59, 5. 14. 62, 14. 63, 1. 5. Durchgängig heissti
der Bruder des Königs Feletheus in der ersten Classe (ebenso in'
dem Auszug der gesta ep. JSeap.) Ferderuchus, in der zweiten Frede-\
ricus, welchen letzteren Namen in beiden und auch anderswo dei;
Sohn des Feletheus führt. ,
13, 3 c. 1, 1 ist der in II nach rebus turbabantur ambiguis einj
geschobene Satz: ac primum inter filios eius (des Attila) de opti
nendo regno magna sunt exorta certamina, qui morbo dominationi
inflati materiam sui sceleris aestimarunt patris interitum deutlic
Eugippiana. 525
entlehnt aus der Chronik Prospers c. 1370: Attila insedibus suismortuo
magna xirimum inter filios ipshis (eius v. 1.^ certamina de optinendo
regno exorta sunt. Was jener A-bschreiber hinzusetzt, ist nicht bloss
inhaltlos, sondern albern; bei Erbsehaftsstreitigkeiten kann der Tod
des Erblassers nicht angemessen die , Quelle des Frevels' genannt
werden.
23, 8 c. S, 1 rehaptizare quosdam est conata catholkos I, ohne
Zweifel richtig; qiiondam II ist unerträglich.
27, 7 c. 10, 2 scrt/waras] jS^, se amaras TM, scamerasl. Jene 458
Form scheint die ältere zu sein.
27, 24 c. 11, 2 manu unusquisque] II, manus quisqtieh, manuCGt.
29, 12 c. 12, 3 omnis aetas et sextts quae etiam voce non po-
terat I, wo quae nicht grammatisch, aber dem Gedanken nach zutrifft;
qui II ist Correctur.
29, 17 c. 1 2, 4 ad agrum propriae segetis invisendi causa I mit M,
hwisendae TN, auch wohl in Folge grammatischer Correctur. Jene
Ausdrucksweise ist der Sprache nicht fremd; vgl. z. B. Cicero acad.
pr. 2, 41, 128: omniiim rerum una est definiiio comprehendendi.
30, 1 c. 12, 4 ea twcte I, ex nocte II sinnlos; ex ea nocte Hartel.
Yielmehr sind hier X und A verwechselt.
30, 3 c. 12, 5 atque eontemptor I, fehlt II; dass die Worte durch
das Capitelverzeichniss gestützt werden, bemerkt Knöll richtig.
31, 4 c. 13, 1 cancussis ex more lapidihusl; excussis, was II für
concussis hat, ist sinnwidrig und wird von Knöll (in der Vorrede
p. X) unrichtig vertheidigt durch die Stelle des Ovidius met. 8, 339:
eacussis elisi mibibus ignes. Der Funke fährt aus dem Kiesel nicht
wie der Blitz aus der Wolke, sondeni durch Zusammenschlagen mit
einem anderen Stein.
31, 5 c. 13, 1 alterutra ferri ac petrae conlisione I tadellos; feiri
fehlt 11; wenn Knöll schreibt alterutra hac xietrae conlisione, so fragt
man billig, wo dabei alteruter bleibt. Bei dem Feuerzünden sprechen
die Alten meist von Stein und Stein, aber Stein und Eisen kommt
auch vor. Lucretius 6, 160: ceu lapid^m si percutiat lapis atä ferrum.
314. Lactantius de ira dei 10, 18. 19.
I 32,2 c. 14,2 quid inquit I; inquit fehlt 11, auch nach Knöll
I durch Versehen.
j 34, 8 c. 16, 3 credideris I ist bedenklich, credideras H wohl vor-
Izuziehen. [credideris in der Ausgabe.]
» 35. 1 c. 16, 6 suhdiaconi I, diaconi II; zweifellos ist jenes richtig.
35. 1 c. 16, 6 materni I, niartini II; zweifellos ist jenes richtig.
526 Eugippiana.
36, 1 c. 17, 4 Tiburnia heisst hier und ebenso 36, 4 p. 39, 10
der Ort I, Tigurnia II. Die correcte Benennung Teurnia (C. I. L. III
p. 593) konnte füglich in Tiuurnia, Tiburnia übergehen; die andere
Bildung ist sprachlich unmöglich.
37, 5 c. 19, 1 h(a)enum II, r(h)enum I: an den beiden anderen
Stellen, wo der Inn genannt ist (16, 11. 39, 14), findet sich dieselbe
Corruptel in CGr, aber nicht in L.
459 38, 14 c. 20, 1 per id temporis II, per ideni tempus I; per id
tempus scheint nothwendig. [idem in der Ausgabe.]
38, 16 c. 20, 1 ist zu schreiben: qua consuetudine desinente simul
militares turmae sunt deletae cum limite, Batavino utcumque numero
perdurante; durch richtige Interpunction wird die Stelle klar, delatae
(V*M), was Hartel vorzieht, wird ausgeschlossen durch den zu per-
durante geforderten Gegensatz.
39, 1 1 c. 21, 2 coegerunt I, elegerunt II: jenes ist vorzuziehen,
da es die Worte populorum desideriis aufnimmt.
39, 14 c. 22, 1. 53, 12 c. 36, 1 Boiotro I und an der ersten
Stelle N; baiothro M an der ersten Stelle, boit(h)ro an der ersten
Stelle T, an der zweiten alle Hss. der zweiten Classe. Jene Forin
steht der correcten Boiodurum näher.
39, 17 c, 22, 1 x>'^'oferebat WY gegen praeferebat I und N; jenes
ist nothwendig, aber bei den regelmässig abgekürzten Präpositionen
pro und prae hat der Zufall leichtes Spiel.
40, 2 c. 22, 2 Die Accusativform Febanem (MT) ist von Feha
correct gebildet, wie Attilanem und Aehnliches häufig sich findet,
wogegen febanum (I und N) nicht gebilligt werden kann. Auch die
italische Chronik (I p. 312. 313) hat beide Formen und es ist dies
kaum mehr als orthographische Variante.
40, 5 c. 22, 2 destituto II, destituta I unrichtig, [destitutum in
der Ausgabe nach Mommsens Konjektur.]
42, 5 c, 24, 2 praesagio I, nuntio II: praesagium kehrt wieder |
51, 14. 63,2, nuntius ist wahrscheinlich Interpolation. |
42, 13 c. 24, 3 sed presbytero, was I und N nicht haben, kann |
fehlen , da reliquis in dem folgenden p)i^ßsbytero retinenti einen ge- I
nügenden Gegensatz hat; auch sprachlich ist die unmittelbare
Wiederholung von presbytero nicht gerade empfehlend.
43, 17 c. 24, 3 vastantes I ist sicher dem vexantes der zweiten
Classe vorzuziehen, das hier viel zu schwach ist.
44, 1 3 c. 27, 2 spe I, fehlt II fehlerhaft.
45, 10 c. 28, 1 praestruebat] II, perstruebat I; ebenso 48, 8 prae-
struxit II, perstruxit I; umgekehrt 43, h praestructus J, perstructus U.
Eagippiaoa. 527
Es ist wohl überall praestriiere zu schreiben in der Bedeutung von 460
monere, certiorem f'acere.
47,19 c. 29, 3 ducatus 11 mit dem Capitelverzeichniss 10, 14,
ductus I irrig.
51, 9 c. 31, 6 Vn romani (romam h) soU provinciam (-da CG) I,
in romanis ad suas provincias TN, romanos ad suus provincias M.
Es ist schwer zu begreifen, dass Knöll, anstatt der befriedigenden
Lesung der guten Classe (vgl. 57, 14: emigrantes ad Romanam pro-
vinciam) zu folgen, aus der sinnlosen der zweiten die Schlimmbesserung
herausgearbeitet hat inde Romanos ad suas provincias.
51, 13 c. 32, 1 ^" qua I, quae II; jenes wird durch den Anon.
Yales. bestätigt, hat aber dennoch bei Knöll der interpolirten Lesung
weichen müssen.
51,21 c. 32, 2 integer inter tredecim et quattttordecim: so I und
ebenso der Anon. Yales., nur dieser mit Weglassung von integer, das
nicht fehlen kann wegen der folgenden Worte: annos videlicet integri
eins regni significans. Dagegen fehlt in II das durch I und Yales.
gesicherte inter und ist danach auch bei Knöll weggelassen ; da die
dadurch entstehende Fassung integer tredecim et quatttwrdecim annos
widersinnig ist, weil der Prophet das Ende im vierzehnten Regierungs-
jahr anzeigen wiU, so wird weiter et geändert in vel, auch damit
aber das Nothwendige nicht erreicht; denn .zwischen dreizehn und
vierzehn' ist präcis, , dreizehn oder vierzehn' unklar.
52, 1 c. 32, 2 integri eius regni] U (integrum eins regnum M^
mit dem Yales., infegritatem eius regni I fehlerhaft.
52, 22 c. 35, 1 oculorum imhecilUtate plurimum praegravaius
medelam . . . poscehat I, ocidorum imbecillitatetn plurimam jyatiehatur
medelatnque . . . poscehat II. Die erstere Fassung ist correcter und
gewählter.
53, 7 c. 35, 2 dedit opeiam corde magis uidere quam corpore 1;
didendi 11 (fehlt N) für videre sieht nach grammatischer Correctur aus.
54, 10 c. 36, 3 diaholo NT, diaboli MI; jenes haben die besseren,
dieses die schlechteren Handschriften des Sulpicius und vielleicht
hat auch Eugippius die letztere Lesung befolgt, da er gleich darauf
tentus mit denselben Handschriften liest gegen retentus der besseren.
54, 12 c. 36, 3 iUa II mit allen Handschriften des Sulpicius;
fehlt in I, ohne Zweifel durch Yersehen.
56, IS und 23 c. 40, 1. 2 giso I, wie 23, 6 alle Handschriften
haben, gisa hier II, weil der Frauenname auf o Anstoss gab. Auch
Paulus bist. Lang. 1, 19, der hier den Eugippius ausschreibt, hat
Giso geschrieben, obwohl diese richtige Form sich bei ihm nur in
528 Eugippiana.
einer einzigen Handschrift und in dem sehr alten Excerpt der gesta
ep. Neap. erhalten hat.
461 60, 5 c. 43, 2 singulos I richtig, singulorum IL
60, 6 c. 43, 2 infimi ac tepidi I, inßrmi ac t. II; vgl. 57, 16:
indignus et infimus.
62, 8 c. 43, 9 nobis vix respondenfibus I, nostris v. r. II. Diese
Variante ist insofern sachlich von Belang, als nach der ersten Lesung
Eugippius bei dem Tode des Severinus anwesend war, nach der
zweiten dies nicht gesagt oder vielmehr ausgeschlossen ist. Nun
war Eugippius nicht bloss sechs Jahre später bei der Oeffnung des
Grabes anwesend (c. 44, 6), sondern hat auch den Severinus persön-
lich gekannt (epist. ad Pasch. 1 0 ; Paschasii ep. 3) ; also ist die erste
Lesung die angemessene. Wenn er bei der Berufung an das Sterbe-
lager und bei dem Abschiedskuss sich nicht mit nennt, so ist daraus
nur zu schliessen, dass er damals noch nicht zu den fratres gehörte,
sondern in einer untergeordneten Stellung sich befand.
62, 11c. 43, 9 praeterire] I und N, praeteriri TM. Das Wort
im Sinne von evanescere, perire findet sich ebenso 39, 18. 58, 17.
68, 15 in beiden Classen und gehört zu den zahlreichen Besonder-
heiten der eugippischen Schreibweise.
64, 10 c. 44, 7 idem iter I, eundem iter II: solche Schnitzer
macht Eugippius nicht.
64, 1 3 c. 44, 7 sancti itaque corpusculum ad casteUum nomine Mon-
teni Feletem (felentem G) multis emensis regionihus apportatum est.
So haben die guten Handschriften OLG in Uebereinstimmung mit
dem Auszug in den Gesten der Bischöfe von Neapel und nach L
Sauppe; Knöll streicht mit der geringeren Classe monteni und setzt
für multis emensis regionibus mit derselben Mulsemensis regionis mit
der Bemerkung, dass in mzdse mensis der Name einer italischen
Region zu stecken scheine — welche das sein kann, sagt er nicht,
obwohl wir die italischen doch kennen. Gemeint ist, wie längst
feststeht, der mons Feleter, die heutige Stadt S. Leo bei S. Marino.
Erwähnt wird der Ort zuerst bei Prokop b. Goth. 1 , 11: eori de xa\
älla (pQovQia ovo Kaiorjvd (xaioiva die interpolirte Classe, xaoiva
die bessere^ re xal Movxeq)EQerQa (so Comparettis V und alle besseren
Handschriften, juovifjg (peQavrrjg die interpolirten), für welche letztere
Form Comparetti MovrecpsQEjQov in den Text gesetzt hat. Weiter
wird der Ort genannt bei dem Ravennaten p. 273: Monte Feletre
(mons felleris Guido^ und in der Biographie Papst Stephans IL :
3Ionte Feretri oder Felitis (1 p. 454 Duch.). Die Gleichung des
462 Namens mit dem heutigen S. Leo beruht auf Liutprand (bist. Otton.
Eagippiana. 529
c. 6) und ist auch dadurch gesichert, dass das Gebiet Monte Feltre
heisst, Noch heute giebt es in S. Leo eine Kirche des heiligen
Severinus und wird jährlich sein Gedächtniss daselbst gefeiert ^. Bei
Eugippius wird FeUtrem herzustellen sein. Die Weglassung von
mofitem ist ebenso sicher ein Fehler der geringeren Classe wie die
Substituirung des ungeheuerlichen mulsemensis regio anstatt des
klaren und guten Texts der besseren Handschriften 2.
65, 2 c. 45, 2 reversus ad hospitium . . . interrogantis fuisset ex
more nutu signoqtie ptdsatus, wie beide Classen haben, ist richtig
und interrogantis mit nutu sigyioque zu verbinden; interrogatus (M),
was Sauppe und Knöll aufgenommen haben, ist Interpolation.
65, 3 c. 45, 2 orasse et I richtig, orasset 11.
66, 6 c. 46, 4. 5. 6 tunc ... 23 rettidisse miraculu I; in der
zweiten Classe fehlen diese zwei "Wundergeschichten und diese Ab-
weichung ist auch in das Capitelverzeichniss übergegangen. KnöUs
Argumente für die Unechtheit der in n fehlenden Stücke (S. 4S6)
sind zwar weitläufig, aber unschlüssig. Wenn Eugippius den Bericht
über die Wunder abschliesst mit den Worten multis plura scietitihts,
so folgt daraus , offenbar' nicht, dass er selbst keine anderen kennt
als die angeführten; der Gedanke ist vielmehr, dass er noch andere
berichten und auch belegen könnte. Die Aeusserung verträgt sich
auch vollkommen mit der in dem Brief an Paschasius enthaltenen,
dass der Ueberbringer diesem noch eine Reihe anderer Fälle werde
berichten können. Wenn an anderen ähnlichen Stellen der Biographie 463
der Autor nur ein einziges Beispiel wunderbarer Thaten des frommen
Mannes anführt, so kann ihm darum doch nicht verboten werden
bei der vorzugsweise wichtigen fortwirkenden Wunderthätigkeit des
Todten drei Fälle zu erwählen. Ebenso wenig folgt daraus, dass
1) G. B. Marini saggio di ragioni deUa cittä di S. Leo (Pesaro 1758) p. 322:
II comune di S. Leo fa ogni anno un' oblazione per un uffizio di messa alla chiesa
di S. Severino posta presso la cittä.
2) Knöll (S. 495) fordert zu castellum den Zusatz der Region : ,Eagippia8
konnte doch nicht voraussehen, dass der Leser oder auch nur Paschasius dieses
fast nie erwähnte Castell kenne' — als ob das Publicum des Eugippius nicht
•Ortschaften genug gekannt hätte, die Knöll nicht finden kann. .Rathlos stehen
■«Tir vor dem Wort mulsemensis. Was verbirgt sich dahinter? Hier verlassen
ims die Mittel der Nachforschung. 80 viel scheint aus dem Zusammenhang
hervorzugehen, dass der Ort nicht weit von Neapel gelegen haben kann und
dass daher an Monte Feltre in Umbrien nicht zu denken ist'. Warum der von
der Donau nach Neapel gebrachte Sarg nicht eine Zeit lang in S. Leo gestanden
liaben kann, ist ,aus dem Zusammenhang' nicht zu entnehmen; und darüber, ob
auch femer an Monte Feltre gedacht werden kann, steht die Entscheidong in
btzter Instanz nicht bei Pius Knöll.
MOJtMSEN, SCHR. VII. 34
530 Eugippiana.
er erklärt sich kurz fassen zu wollen, dass er nur eine Heilung
berichten darf. Dass die Wendungen sich wiederholen, liegt in der
Sache; warum es , läppisch und ungeschickt' sein soll, dass der
Blinde, als der Leichenzug vorbeikommt, die Umstehenden fragt,
was der Lärm bedeute, habe ich mich vergebens bemüht zu be-
greifen. Nach meiner Ansicht giebt weder was der Abt des neapoli-
tanischen Klosters von ^dem blinden Laudicius berichtet noch die
. Erzählung von dem Kopfschmerz des Marinus primicerius cantorum
sanctae ecclesiae Neapolitanae irgend begründeten Anstoss.
67, 1 c. 46, 6 scheinen die in I mangelnden Worte sunt curati
et diversis ohstricti langorihus, namentlich nach Vergleichung der
analogen 64, 15 nicht wohl fehlen zu können.*)
69, 19 ep. Pasch. 5 sertis decorati perennihus I passt vortrefflich
zu der civica Corona, wogegen gestis II für sertis ungeschickt aus
69, 5 entnommen ist.
Von der Beurtheilung dieser Einzelfälle hängt das Gesammt-
resultat ab.
1. Die Fehler der ersten Classe sind nicht bloss minder zahl-
reich als die der zweiten, sondern fast durchgängig einfache Yer-
schreibungen. Die sichersten und bedeutendsten sind 52, l integritatem
für integri gegen den Text der Chronik und 54, 12 das fehlende
illa gegen den Text des Sulpicius, weiter die übrigens in der
Classe nicht durchgeführte Verwandlung des Aenus in den Rhenus
(zu 37, 5). Die sonst vorher aufgeführten — 27, 24. 34, 8. 38, 14.
39, 17. 40, 2. 5. 45, 10. 47, 19. 48, 8 (zu 45, 10). 67, l — sind zum
Theil unsicher und sämmtlich einfache Schreibversehen; von ab-
sichtlicher Entstellung der Ueberlieferung ist diese Classe frei.
2, Wo bei Eigennamen Classenunterschiede hervortreten, hat
durchaus die erste Classe die reine oder die reinere Form, die
zweite die corrupte: so Titas — Titis 1, 9; Ferderuchus — Frede-
ricus 12, 2; Materni — Martini 35, 1; Tiburnia — Tigurnia 36, 1;
Boiofro — Boitro 39, 14; Giso — Gisa 5Q, 18. Dabei ist vor allem
464 bemerk enswerth, dass in drei von den sechs Fällen nicht einfache
Schreibversehen vorliegen, sondern Interpolationen, da die Namen
mehrfach mit derselben Differenzirung wiederkehren, Ferderuchus
zum Beispiel und Fredericus ebenso im Capitelverzeichniss sich
gegenüberstehen wie im Text. Also muss der Archetypus der einen
*) [In der Ausgabe setzte Mommsen die Worte nicht in den Text, weil er
inzwischen festgestellt hatte, daß sie auch in den deutschen Hss. fehlen.]
Eugippiana. 531
Classe interpolirt worden sein; und allem Anschein nach ist dies
der der zweiten gewesen.
3. Auch an anderen Stellen hat sicher Interpolation stattge-
fiinden; so 4, 7 bei den allein in der zweiten Classe erscheinenden
"Worten tarnen quid . . . tacebo; 13, 3 bei der Notiz über die Söhne
Attilas; 66, 6 bei der in das Capitelverzeichniss übergegangenen
Differenz der drei und der einen Wundergeschichte. Gleichartige,
aber geringere Interpolationen begegnen oft, so 42, 5. 51, 9. 52, 22.
69, 19. Nicht um Schreiberversehen handelt es sich hier, sondern
entweder der eine Text oder der andere ist absichtlich verändert
worden. Meines Erachtens ist dies der der zweiten Classe; denn
den Zusatz 4, 7 macht der Zusammenhang unmöglich und denjenigen
13, 3 die Yerwandtschaft mit Prosper mehr als verdächtig. Sauppe,
der etwas von Kritik verstand, ist offenbar hauptsächlich durch diese
Stellen zu seinem ürtheil über das Handschriftenverhältniss geführt
worden; und wer nach diesem Urtheil jene Interpolationen wieder
aufnimmt, weist sich damit ausreichend seinen Standpunkt an. Ueber
den dritten Fall lässt sich aus inneren Gründen nicht entscheiden;
aber die Yergleichung der beiden anderen spricht auch hier für die
Ursprünglichkeit des Textes der ersten Classe.
4. Der erste Text ist bis in das achte Jahrhundert hinein be-
glaubigt, während von den Besonderheiten des zweiten dies nicht
erwiesen werden kann. Die in die italische Chronik aufgenommenen
Stellen entscheiden insofern nicht rein, als dieser Text über unsere
beiden Classen hinausreicht; 51, 13 si qua 1 (gegen quae U) und
51,21 inter I (fehlt 11) stimmt die Chronik mit I, dagegen 52, 1
integri II (gegen integritatem I) mit 11. Aber die Eigennamen
Ferderuchus und Giso so wie den mmis Feleter geben die gesta episc.
Neap. in den Formen der ersten Classe.
Es liegen uns also wohl zwei von einander unabhängige Texte
vor, aber nicht zwei gleichwerthige, sondern ein reiner hier und da
durch kleine Schreibfehler entstellter und ein mehrfach schwer inter-
polirter. Jenem ist Sauppe gefolgt, obwohl er ihn nur unvollkommen
kannte; diesem folgt Knöll, obwohl er beide kennt, ja den ersten 465
uns zuerst in besserer Gestalt kennen gelehrt hat. Er folgt ihm so
blind, dass er auch da an der zweiten schUmmbessert (51, 9), oder
verzweifelt (64, 13), wo der bessere Text das einfach Richtige bietet.
An dieser Auffassung wird auch die Untersuchung der deutschen
Handschriften nichts "Wesentliches ändern, die allerdings, wie schon
bemerkt ward, noch aussteht.*) Sauppe hat von einer derselben
*) [Die zweite Abhandlung (s. o. S. 521*) hat dies Urteil bestätigt.]
34*
532 Eugippiana.
eine umfassende Probe gegeben und danach alle als werthlos be-
zeichnet, KnöU sie in Folge dessen vollständig ignorirt. Damit sind
sie nicht erledigt. So weit ich Handschriften dieser Kategorie unter-
sucht habe, sind sie nicht contaminirt, sondern in sehr verschieden-
artiger und arger Interpolation aus einem und demselben Archetypus
abgeleitet, welcher selbst zwar auch übel interpolirt ist, aber weder
auf die eine noch auf die andere Classe der italienischen Hand-
schriften zurückgeführt werden kann, sondern eine selbstständige
Stellung einnimmt und, wenn er auch kaum wesentliche eigene Text-
verbesserungen giebt, doch vielleicht in manchen Fällen, wo die
beiden italienischen Classen sich gegenüberstehen, die Entscheidung
geben wird. Indess wird diese noch nicht abgeschlossene Unter-
suchung das Gesammtergebniss nicht verschieben.
Ist die Sachlage in der bisherigen Darlegung richtig entwickelt,
so ergeben sich daraus für die Kritik der Biographie zwei weitere
Gesetze oder vielmehr dasselbe Gesetz in zwiefacher Anwendung,
einmal dass jede Lesung einer Einzelhandschrift, wenn die anderen
derselben Classe mit der anderen Classe übereinstimmen, Schreib-
fehler oder Interpolation ist, zweitens, dass die Lesung, in welcher
die eine Classe mit einer Einzelhandschrift der anderen übereinstimmt,
die des unseren beiden Recensionen zu Grunde liegenden Archetypus
ist. Natürlich ist dabei abzusehen von geringfügigen und nicht noth-
wendig auf Gleichheit der Vorlage zurückgehenden üebereinstim-
mungen. Bei der Durchsicht des Knöllschen Apparates, welcher
durch die gedankenlose Aufnahme auch der gleichgültigsten ortho-
graphischen Differenzen übel verdunkelt wird, übrigens aber durch-
aus gewissenhaft und zuverlässig erscheint, habe ich beide Conse-
quenzen der vorher entwickelten Auffassung bewährt gefunden.
Die Werthlosigkeit aller Yarianten nicht der Classe, sondern
des einzelnen Exemplars, hat der Sache nach im Wesentlichen auch
KnöU anerkannt, indem er diesen zwar in seinem Apparat den
466 breitesten Raum gewährt, im Text aber davon nur in einem Fall
Gebrauch gemacht hat, und hier mit Unrecht, c. 9 p. 25 fragt der
auf Anordnung des Severinus gelöste Gefangene dessen Abgesandten,
ob er ihn nicht zu diesem Gottesmann führen könne, dem er an-
gewiesen sei Märtyrerreliquien zu übergeben. Tunc, heisst es weiter,
nuntius hominis dei eins se aspeciihus praesentavit, qui debito sancto-
rum Gervasii et Profasii martyruni reliquias honore suscipiens in
hasilica . . . collocavit. Dies ist entweder schlecht erzählt oder lücken-
haft; der Abgesandte muss nicht sich, sondern den Bringer der
Keliquien dem Severinus vorstellen oder auch von dem Träger die
Engippiana. 533
Reliquien in Empfang nehmen und dann sich mit diesen zum Seve-
rinus begeben. Aber -wenn die schlechteste der zugezogenen Hand-
schriften, die Mailänder, nach praesentavit einsetzt: reliquiasque
sanctorum ah eo suscipiens viro dei detidit, so ist damit die Confusion
nur gesteigert, da ab eo auf den Bringer bezogen werden muss,
vorher aber nur Severinus imd dessen Bote genannt werden; allem
Anschein nach ist hier die Correctur eines Abschreibers mit der
überlieferten Lesung übel cumulirt und soll es etwa heissen: tunc
nuntius hominis dei reliquias sanctorum ab eo stisceptas viro dei
detidit unter Streichung der folgenden Worte. Dass Sauppe und
nach ihm Knöll jenen schlechten Flick haben stehen lassen, kann
nicht gebilligt werden; ob eine Lücke anzunehmen ist, steht dahin.
[Ygl. die Ausgabe S. 21, 10 mit der krit. Anm.]
Wichtiger ist die zweite Regel , dass bei Differenzen zwischen
CG und L die zweite Classe, bei Differenzen zwischen T xmd N und
M die erste entscheidet. Dass dies nicht auf jede kleine Variante
erstreckt werden darf, ist schon gesagt worden. 16, 3 steht male
partis CG, male paratis in L und der zweiten Classe; dies Zusammen-
treffen kann zufällig und jene Lesung die echte sein. 25, 4 ist
studiosms wahrscheinlich mit CL zu schreiben, obwohl G mit der
weitezn Classe studiosus hat: denn dieser Gebrauch des Comparativs^
gehört zu den Besonderheiten der nicht selten eigenartigen eugippi-
schen Schreibweise^. Die Formen mensuum 44, 2 und ossuum 21, 11 467
hat Knöll mit Recht nach II in den Text genommen, obwohl mit
I M dafür die gewöhnlichen setzt. Aber von solchen Minutien ab-
gesehen, ist die gegenseitige Correctur von CG und L durch die
zweite Classe evident und nützt diese Classe überhaupt der Kritik
mehr dadurch als durch die ihr eigenen Lesungen. Eher könnte
bestritten werden, dass der Zutritt einer Einzelhandschrift der zweiten
Classe zu der ersten für diese entscheidet; aber bei keiner der drei
zugezogenen begegnen Spuren von Dittographie oder Contamination
und da sie von einander unabhängig sind, so können die Lesungen
des Originals in jeder selbstständig bewahrt sein. Einige Beispiele
mögen dies erläutern.
1) animo promptiore mandavit 2, 1 (in II herauscorrigirt) — citius 14, 4. 52, 2
— evidentius 16, 15 — vehementius 20, 5 — maturiiis 25, 12 — soUicitius 26, 9 —
religiosius 29, 2 — attentius 31, 7 — vdocius 42, 5 — instantius 42, 9. 43, 4 —
inixius 58, 15. 23 — celebrius 69, 14.
2) Eine der merkwürdigsten Eigenthümlichkeiten ist, wie Sauppe nach-
j-ewiesen hat, in den Ortsnamen der constante Gebrauch des indeclinabel be-
landelten Ablativs, Batavis fär Batav-, Boiotro für Boiodur- u, s. w. Die einzige
i.Qsnahme macht Lauriacum, welches daher in regelmässiger Weise flectirt wird.
534 Eugippiana.
I mit T gegen NM:
5, 2 iadantiam] iactandam NM
33, 6 alluuione] illuuione NM
39, 11 sacerdotii] sacerdotis NM
45, 9 hortatibus] hortafionibus N, oracionibus M
I mit N gegen TM:
13, 13 quadam die] quodam die TM
14, 18 quidam] quidem TM
42, 13 sed x>resbyter6\ TM, während N mit I die Worte
wegläset
44, 1 3 omnes] I N, fehlt TM
50, 1 ex quibus unum erat favianis] I N, fehlt TM
56, 18. 23 giso] I N, gisa TM
65, 17 lucullano] I N, luca(l)lano TM
I mit M gegen TN;
16, 4 diu denegata] CG, diu negata LM, dure negata TN
29, 17 inuisendi] inuisendae TN
44, 20 induiiis] indiciis TN
64, 10 idem] eiundem TN
Die Verderbnisse des Archetypus der zweiten Classe gegenüber
der ersten sind wahrscheinlich zum Theil im Wege der Aenderung
entstanden und in diesem Fall in verschiedenem Umfang in die
Abschriften übertragen worden. Es ist danach auch die Heranziehung
des Vallicellianus durch Knöll wohl gerechtfertigt.
Derjenige Text der Biographie, den wir mit unseren Hülfs-
468 mittein herzustellen vermögen, erscheint auffallend rein. Sicher
verdorbene Stellen, die durch die handschriftlichen Lesungen nicht
zu bessern sind und als Fehler des Archetypus angesehen werden
müssen, begegnen in verschwindend geringer Zahl^.
6, 2 et] ut
11, 11 ajfectum] effectum (vgl. 53, 9)
28, 10 satis factionibus] satis actionibus (so ist wohl zu
schreiben)
33, 15 eher fluvius zu tilgen als inferius zu ändern [In der
Ausgabe S. 27, 4 fluvius .... erat inferius im Text]
37, 22 pro re qua] re pro qua
1) Unnöthige oder irrige Aenderungen sind nach meiner Ansicht vor-
geschlagen für dicturos 3, 24 (oben S. 456 [523 f.]) — ducenta 47, 12, was wohl
sachlich Anstoss giebt, aber darum aus der Wiedergabe einer mündlich um-
laufenden Wunderanekdote nicht herauscorrigirt werden darf — simplicibus 61, 3
— interrogantis 65, 2 (vgl. S. 462 [529]) — priorum 68, 14.
Eugippiana. 535
38, 7 regis] regi
46, 1 2 stiUa] situla (?)
64, 13 fehtem] feletrem (oben S. 461 [528]).
Auch die Orthographie des Urexemplars, so weit sich diese
aus der Ueberlieferung erkennen lässt — die üblichen Schnitzer der
Schreiber des zehnten und elften Jahrhunderts kommen natürlich
nicht in Betracht — ist derart, wie sie dem Zeitgenossen Cassiodors
und einem gebildeten Geistlichen wohl beigemessen werden kann:
ohoedire, spiritalis, internicio, Danuvius ^ hat das Urexemplar correet
geboten imd mit Ausnahme von locusta statt lucusta wüsste ich
keine Fehlschreibung unserer Handschriften zu bezeichnen, die sich
mit Wahrscheinlichkeit auf den Archetypus unserer beiden Recensionen
zurückführen Hesse. Bei dieser Schrift des sechsten Jahrhunderts
haben zwischen dem Original und unseren Abschriften vermuthlich
nm* wenige Zwischenglieder gelegen.
1) Daniibius ist fast constant in CG, umgekehrt Danuvius sowohl in L
wie in der zweiten Classe, die überhaupt in der Orthographie dem Original
wohl näher steht als die sonst bessere.
LXIV.
Über den Chronographen vom J. 354.*)
549 Unter den auf uns gekommenen Ueberlieferungen aus dem
römischen Alterthum nimmt nicht die letzte Stelle ein Sammelwerk
aus der Mitte des vierten Jahrhunderts ein, welches ohne allen An-
spruch auf litterarisches Verdienst nur zum unmittelbar praktischen
Gebrauch compiliert worden ist, aber manche wichtige historische
Daten uns erhalten hat. Es finden sich darin Verzeichnisse der
römischen Consuln, Stadtpräfecten und Bischöfe, eine Ostertafel, eine
kurze Weltchronik, eine nach den Königen und Kaisern geordnete
Stadtchronik von Rom, eine Beschreibung der Stadt, ein wenn nicht
heidnischer, so doch wenigstens nicht christlicher Kalender, ein Ver-
zeichniss der Gedächtnisstage der römischen Bischöfe und Märtyrer,
das in gewissem Sinne die Grundlage des spätem christlichen
Kalenders geworden ist ; so dass die ganze Sammlung als ein Noth-
und Hülfsbüchlein für den Gebrauch der Stadt Rom erscheint. Wenn
nun gleich seit drei Jahrhunderten diese Sammlung vielfältig benutzt,
die einzelnen Stücke zum Theil, wie z. B. das Consulnverzeichniss
und der Papstkatalog, sehr ausführlich bearbeitet worden sind, so
hat doch noch Niemand es der Mühe werth gefunden die ganze
Sammlung einer kritischen Untersuchung zu unterwerfen und die
Ueberlieferung, die Redaction und die Quellen derselben im Zu-
sammenhang zu prüfen; ja man hat nicht einmal alle Stücke der
Sammlung publiciert. Desshalb schien es zweckmässig hier, mit
*) [Abhandl. der Sachs. Ges. d. Wissensch. Bd. 2, 1850, S. 547— 693. Von
dieser Abhandlung sind hier nur diejenigen Abschnitte abgedruckt worden, die
nicht von Mommsen selbst in seine Ausgabe (Chronica minora I Berl. 1892) auf-
genommen worden sind und daher ihren selbständigen Wert behalten haben.
Der 'Anhang' Über die Quellen der Chronik des Hieronymus folgt gesondert als
Nr. LXVII.]
über den Chronographen vom J. 354. 537
Ausnahme allein des Kalenders, der in der Sammlung der römischen
Kalender seinen Platz finden wird,*) und der Stadtbesehreibung,
welche nicht in diesem Sammelwerk allein erhalten und kürzlich
erschöpfend bearbeitet worden ist,**) die sämmtlichen gedruckten
und ungedruckten Stücke der Sammlung nach den Handschriften
vollständig mitzutheilen. Die Einleitung wird über die Handschriften
und Ausgaben das Nöthige zusammenstellen und hieran die Unter-
suchung über Zweck und Material der Redaction anschliessen ; in
dieser Beziehung werden auch der Kalender und das Regionen-
verzeichniss Berücksichtigung finden,***)
m. 564
Die Bestandtheile der Sammlung, f)
Wir wenden ims zu den Bestandtheilen der Sammlung unseres
Chronographen, die wir zunächst einzeln betrachten wollen in der
Ordnung der Wiener Handschrift als der vollständigsten von allen,
jedoch mit Beseitigung der offenbaren Yersetzungen.
L Der Kalender. ff) 565
Der Kalender unserer Handschrift befasst nicht bloss die ge-
wöhnlichen zwölf Monatstafeln, sondern folgende Stücke:
1) ein mit Zeichnungen fff) verziertes Titel- und ein ähnliches
Schlussblatt, wovon das letztere allein in Peiresc's Kopie erhalten
iät, das erstere auch in der Wiener und Brüsseler Abschrift sich
findet (s, die Beschreibung oben S, 554. *t) 555). Das Titelblatt nennt
den dem das Buch gewidmet war: VALENTINE LEGE FELICITER,
VALENTINE FLOREAS IN DEO (dies auch im Monogramm),
*) [C. I. L. I S. 334ff. u. I* S. 256 ff.]
**) [L. Preller, Die Regionen der Stadt Rom, Jena 1846. Neuere Bearbeitung
TDn Jordan. Topographie der Stadt Rom 11 Berlin 1871 und Forma urbis Romae
regionum XIV, Berlin 1874.]
***) Es folgt auf S. 550 — 561: ,1. Die Handschriften': vgl, Chron. a. a. 0.
S. 17—34, sowie auf S. 561—564: „11. Die Ausgaben": vgl. ebd. S. 34—36.]
t) [Vgl. 0. Seeck in Pauly-Wissowas Realenzykl. III, 1899, Sp. 2477 ff.]
tt) [Nach dieser Überschrift und den folgenden (II — XI) machte Mommsen
jedesmal Angaben über das Vorkommen der betr. Abschnitte in den Hand-
schriften und älteren Ausgaben. Diese Bemerkungen sind nicht wieder ab-
gedruckt worden.]
ttt) [Die hier und im Folgenden erwähnten Zeichnungen sind reproduziert
vcn J. Strzygowski, Die Calenderbilder des Chronogr, vom J. 354, Jahrb. d.
areh. Inst., I. Ergänzungsheft, Berl. 1888.]
*t) [Die Beschreibung steht in dem hier weggelassenen Abschnitt L]
538 Über den Chronographen vom J. 354.
VALENTINE VIVAS FLOREAS, VALENTINE VIVAS GAVDEAS
— und den Verfertiger des Titelblatts so wie der übrigen Zeich-
nungen, die das Buch illustrieren: FVRIVS DIONYSIVS FILOCALVS
TITVLAVIT. — Das Schlussblatt stellt zwei Kaiser dar, den einen
sitzend mit dem Diadem und dem Nimbus, den andern stehend ohne
Diadem mit dem Nimbus allein.*)
2) Die natales Caesarum. d. h. derjenigen Kaiser, die consecriert
waren und deren Geburtstage gefeiert wurden, gleichfalls auf einem
mit Zeichnungen verzierten Blatte, das Peiresc allein uns erhalten
hat ^ Man sieht darauf das Brustbild des Kaisers mit dem Phönix auf
der Weltkugel, einen Typus, der zuerst auf den Münzen der jüngeren
Söhne Constantins des Grossen vorkommt (Eckhel VIII p. 111. 504
[Cohen, med. imp.^ VII p. 406]); ferner die Bilder der vier Haupt-
städte des römischen Reiches, wobei merkwürdiger Weise neben
Rom Constantinopel und Alexandria nicht Antiochia, sondern an
dessen Stelle Trier erscheint.**) Eine Beischrift lautet: SALVIS
AVGVSTIS FELIX VALENTINVS.
3) Der Kalender selbst besteht aus zwei Abtheilungen: einem
astronomisch - astrologischen und einem bürgerHchen Kalender. Ich
lasse hier den noch ungedruckten Text des astronomischen Kalenders
566 nach der Brüsseler Handschrift folgen; die dazu gehörigen Flaneten-
bilder***) finden sich unter Aleanders Nachlass in der Barberina.
Jupiter und Venus fehlen. Die Wiener Handschrift hat diesen ganzen
Abschnitt ausgelassen, f)
*) [Gemeint sind der Augustus Constantius und der Caesar Gallus, vgl.
Chron. S. 37.J
1) Den Text der natales hat auch die Brüsseler Abschrift. Der Wiener
Abschreiber Hess die Tafel wohl weg, weil die natales Caesarum im Kalender
selbst sämmtlich wiederkehren , nur dass L. Verus und Trajan zufällig aus-
gelassen sind. — Die Tage des Regierungsantritts (d. h. der Erhebung zur
Caesarwürde) finden sich erst seit Constantin dem Grossen in den Fasten und
Kalendern gleichfalls als natales verzeichnet; die Fasten des Idatius und unser
Kalender zeigen durch ihre Uebereinstimmung, dass dies eine neue im vierten
Jahrhundert aufgekommene Form officieller Komplimente war. Auf diese natales
bezieht unser Verzeichniss sich nicht.
**) [Hierfür gibt Mommsen a. a. 0. S. 40 einen Erklärungsversuch.]
***) [S. 0. S. 537ttt-]
t) [Dieses Stück hat Mommsen in den Chronica zwar wiederholt, es mußte
hier aber wieder abgedruckt werden zum Verständnis der folgenden, in den
Chron. nicht wiederholten Erläuterungen, auf die Mommsen selbst a. a. 0. S. 46
mit folg. Worten verweist: '(?e Iwrum laterculorum usu quae dixi in editione.
Chronographi p. 567 seq., nee repetere huius loci est neque auger e; unum adäe
über den Chronographen vom J. 354.
539
Noct.
Diur.
Noct.
Diur.
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Saturni dies k.
Sb<urm dies horaque eins cum erit
nocturna site ditima, omnia obscura
Idboriosaqiie fiunt: gut nascentur peri-
ctilosi erunt; qui recesserit non invenie-
tiir; qui decubuerit periclitabitur ; furtum
factum non invenietur.
Martis dies h.
Martis dies horaque eius cum erit noc-
turna sive diuma, nomen militiae dare,
arma militaria comparare utile est. qui
nascentur periculosi erunt; qui recesse-
rit non invenietur; qui decubuerit peri-
clitabitur ;* furtum factum non invenietur.
Koct.
Diur.
I Sat.
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vin Lun.
villi Sat.
X lou.
XI Mar.
xn Sol.
Mercuri dies c.
Mercuri dies horaque eius cum erit
n-Ktuma sive diuma, t-üicum actorem
institorem in negotio ponere utile est.
qti nascentur vitales erunt; qui reces-
serit invenietur; qui decubuerit cito con-
valescet; furtum fact%im invenietur.
Lunae dies c.
Lunae dies horaque eius cum erit
nocturna sive diurna, stercus in agro
mitter e, putea cisternas fabricare utile
est. qui nascentur vitales erunt; qui
recesserit invenietur; qui decubuerit con-
t; furtum factum invenietur.
sifälis laier culi frustulum repertum esse lapidi incisum Poientiae in Piceno
C. I. L. vol. IX n. 5808.* Der oben abgedruckte Text ist der aus einer inzwischen
gefundenen Hs. von St Gallen korrigiert« und ergänzte der Chronica S. 42 ff.]
540 Über den Chronographen vom J, 354.
567
Noct.
Diur.
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XI lou.
B
XI
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XII il/ar.
N
xn
Sat. N
(SoZis dies c.
Solis dies horaque eius cum erit nocturna sive diurna,
viam navigium ingredi, navem in aquam deducere utile est.
Qui nascentur vitales erunt, qui recesserit invenietur , qui
decvbuerit convalescet, furtum factum invenietur.
laterculus deficit
lovis dies b.
lovis dies horaque eius cum erit nocturna sive diurna, ■
beneficium petere, cum potente colloqui, rationem reddere i,
utile est. qui nascentur vitales erunt; qui recesserit cito |
invenietur; qui decubuerit convalescet; furtum factum in- >)
venietur. |
laterculus deficit |
Veneris dies b. ,^
Veneris dies horaque eius cum erit nocturna sive diu/rna, |
sponsalia facere, pueros puellas in disciplina mitter e utile ^:
est. qui nascentur vitales erunt; qui recesserit invenietur; '
qui decubuerit convalescet; furtum factum invenietu/r. J
Jedem Tag und wieder jeder Stunde ist beigefügt, welcher der
sieben Planeten regiere und welchen Einfluss er übe; dabei sind
Saturn und Mars mit N, Sol, Luna, Mercur mit C, Venus, Jupiter
mit B bezeichnete Dies erklären Servius (in Yirg. Georg. I, 335): j
de planetis quinque duos esse noxios Martern et Saturnum, duos bonos >
lovem et Venerem, Mercurius vero talis est qualis üle cui iungitur; und ;
Plutarch de Iside c. 48: XaXdaToi de tcöv nXavrjx&v rovg d'eovg ysvEO^ai \
ovg xakovoi ovo juev äyad^ovQyovg , ovo de xaxonoiovg, /ueoovg '
de Tovg rgeig anocpaivovGi xal xoivovg. N ist also noxius, B bonus, •
1) Lersch's Aufsätze über den planetarischeu Götter kreis (Jahrb. des Vereins
von Alterthumsfr. im Rheinland IV, S. 147 — 176. V. VI, S. 298—314. VIII,
S. 145— 152) sind mir bei dieser Auseinandersetzung sehr nützlich gewesen.
über den Chronographen vom J. 354. 541
C communis. Hiernach sind sie auch geordnet, so dass die noxii
Saturn und Mars beginnen, die communes folgen, Mercur, Luna, Sol;
die honi, Yenus und Jupiter fehlen in der Lücke*) — ähnlich wie
auf der alexandrinischen Münze des Antoninus Pius (Barthelemy
Acad. des inscr. et b. 1. XLI p. 502 pl. I n. 11. Eckhel D. K lY
p. 70): Saturn, Mars — Sol, Luna, Mercur — Yenus, Jupiter.
— In welcher Art der Planet seinen Einfluss geltend mache, wird
bei jedem Tage am Schluss kurz angegeben. — Die Yertheilung
der Stunden imd Tage der planetarischen Woche unter die sieben
Planeten ist nach dem von Dio Cassius 38, 19 und Paulus
Alexandrinus {ajioxeXeafiatixri Yiteb. 15S8 fol. 31, angeführt von Ideler
Chronol. I, 179, vgl. II, 177) dargestellten ursprünglich ägyptischen 568
und von dort aus in Rom eingebürgerten System gemacht. Die
Stunden des Tages und der J^acht werden vertheüt unter die sieben
Planeten in der Reihenfolge ihrer Umlaufszeit, so dass Saturn, der '
die längste Bahn hat, die erste, Jupiter, Mars, Sol, Yenus, Mercur
die folgenden, endlich Luna, deren Bahn die küi-zeste ist, die siebente
Stunde beherrscht; worauf dann derselbe Reihenlauf bei Saturn
wieder beginnt. Der Planet, welchem die erste liora diurna jedes
Tages zufällt, beherrscht den ganzen planetarischen Tag, d. h. nicht
die folgenden 24 Stunden, wie Ideler T, 181 und Lorsch a.a.O. lY
S. 154 annehmen, sondern die zwölf vorhergehenden Nacht- und die
zwölf folgenden Tagesstunden, wie ein Blick auf unsre Tafel lehrt,
die den Tag beginnt von der ersten Nacht- und benennt von der
ersten Tagstunde. Der planetarische und astrologische Tag begann
also nicht wie der bürgerliche der Römer und Aegypter um Mitter-
nacht (Ideler I S. 100), sondern mit Sonnenuntergang, und zwar ohne
Zweifel mit dem wirklichen, nicht einem mittleren, so dass die liorae
diurnae und nocturnae der Astrologen je nach der Jahreszeit von
verschiedener Dauer waren (vgl. Ideler I S. 87). Dadurch recht-
fertigt sich die Angabe, in der Serv. ad Aen. Y, 738, Lydus de
mens. p. 13 Schow [II 2 p. 19 Wünsch] und Isidor etym. Y, 30 über-
einstimmen, dass der ägyptische Tag mit Sonnenuntergang beginne.
Ideler I S. 100 verwirft diese Notiz, da sie auf den bürgerlichen
Tag der Aegypter nicht passt; allein dies secundum Äegyptios kann
in dieser Zeit sehr wohl den Tag nach astrologischer Rechnung
bezeichnen, und ist insofern ganz richtig. — Aus dieser Yertheilung
der Stunden und der daraus hervorgehenden der Tage unter die
*) [Die Lücke ist in den Chronica S. 45, wenigstens für die Subskriptionen,
aus der St. Galler Hs. ergänzt worden.]
542 Über den Chronographen vom J. 854.
Planeten nach der Reihenfolge der Umlaufszeit entwickelt sich die
Reihenfolge der Wochentage, wie wir sie im Wesentlichen noch
jetzt befolgen *) Wenn die erste Tagesstunde des ersten Tages nebst
den 11 folgenden dem Saturn gehört, so fällt von den folgenden
24 Stunden die 13. oder die erste hora diurna auf den Sol, und so
fort auf Luna, Mars, Mercur, Jupiter, Yenus, bis mit dem Ende
der zwölften hora diurna des siebenten Tages die erste Woche ab-
gelaufen ist.
Zu dem astronomischen Kalender gehören ohne Zweifel noch
die Bilder des Thierkreises, welche ohne weiteren Text wie es
scheint sich in der Handschrift gefunden haben und durch Peiresc
aufbewahrt worden sind. Neben diesem astronomisch -astrologischen
Kalender, der die Monde nach dem Zodiacus, vor allem aber die
569 Tag und Stunde regierenden sieben Planeten verzeichnet, steht der
bürgerliche Kalender, der die einzelnen Tage der zwölf Monate mit
ihren Festen aufführt und in den Bildern der Monate die Beschäf-
tigungen jeder Jahreszeit in Haus und Feld symbolisch darstellt;
ganz wie der Kalender, der im Triclinium des Trimalchio auf den
beiden Thürpfosten auf zwei Tafeln gemalt war (Petron. c. 30). Die
eine enthielt einen bürgerlichen Kalender, wie die parodierende
Inschrift: HI. ET. PR. K. lAN. C. NOSTER. FORAS. CENAT
beweist; die zweite einen astronomischen: altera (inscriptum hdbebat)
lunae cursum (die zwölf Zeichen des. Thierkreises) stellarumque Septem
imagines pictas (die Planeten), et qui dies honi quique incommodi
essent distinguente hulla notahantur — die dies honi und noicii waren
durch Nägel oder Buckeln ausgezeichnet. — Noch anschauhcher
stellt sich uns dieser astronomisch -bürgerliche Kalender auf einer
Zeichnung dar, die in den römischen Titus[vielmehr: Trajan]thermen
auf der Wand eingeritzt gefunden worden ist ^. In einem viereckigen
Rahmen erscheinen hier in oberster Reihe die sieben Planeten neben
*) [Mommsen ist in der Röni. Chronologie«, Berl. 1859, S. 313 f. kurz hierauf
zurückgekommen. Vgl. jetzt auch A. Bouche-Leclercq, L'astrologie grecque»
Paris 1899, S. 476 ff.]
1) Guattani mem. enciclopediehe suUe ant. e belle arti di Borna, vol. 6 (1816) i
Roma 1817. p. 160 f. Le antiche camere Esquüine dette comunemente delle terme j
di Tito dis. ed ill. da Ant. de Romanis Roma 1822 fol. p. 12. 21. 59. Die Wand |
zeigte unter verschiedenen Kritzeleien, wie ACHILLIS VIVAS u. dgl. (Guattani j
p. 163), diesen Kalender, welcher, als auf derselben Wand christliche Fresken j
die h. Felicitas mit ihren Kindern darstellend gemalt wurden, absichtlich nicht |
übermalt ward, offenbar weil er auch für den kirchlichen Gebrauch diente
(Guattani p. 161). [Vgl. Jordan -Hülsen, Topographie d. Stadt Rom 13, Berl.
1907, S. 311 Anm. 68.]
über den Chronographen vom J. 354. 543
einander; Saturn (zerstört) Sol Luna Mars Mercur Jupiter (zerstört)
Venus; darunter die zwölf Zeichen des Zodiacus im Kreise, bezeichnet
mit den Anfangsbuchstaben Xries Taurus Gemini Kancer Leo Birgo
hibripens Scorplus Sagittarius Kaper Aquarhis Fisces; neben diesem
rechts die Tage I— XY, links XYI— XXX. J^eben jedem Wochen-
tag, Monatsstembild und Monatstag ist ein Loch, in deren einem
sich ein beinerner Knopf fand; durch das Umstecken dieser Knöpfe
gab man Monat, Wochentag und Monatstag an — für den 31. Tag
findet sich zwar keine Nummer, aber ein überzähliges Loch zwischen
XXYTTTT und XXX. Noch in diesem compendiösesten aller Kalender
finden sich wesentlich dieselben Bestandtheile wie in dem ausführ-
lichen Kalender unserer Handschrift.
4) Der bürgerliche Kalender in zwölf Monatstafeln, ohne Zweifel
der officielle Kalender, wie er im römischen Reiche galt, nachdem
das Heidenthum durch Constantin den Grossen aufgehört hatte Staats- 570
religion zu sein und ehe das Christenthum Staatsreligion geworden
war; die eigentlichen Opfer und heidnischen Ceremonien sind aus
demselben gestrichen und die ursprünglich dem Cultus der Götter
bestimmten Tage nur als dies feriati ohne religiöse Bedeutung bei-
behalten, namentlich aber die Spiele unverändert geblieben. Neben
der achttägigen römischen Woche ist die siebentägige planetarische
in den Kalender aufgenommen; die Bezeichnung der Tage als fasti
nefasti u. s. f. ist verschwunden, wofür die Tage des senatus legitirmis
angemerkt sind. Auch das Eintreten der Sonne in die Zeichen des
Thierkreises und in die Solstitialpuncte und die unheilbringenden
Tage (dies Aegyptiaci) sind verzeichnet; andre Notizen, wie canna
intrat, arhor intrat sind aus dem cal. rusticum entlehnt. Ton christ-
lichen Gebräuchen ist nirgends eine Spur. Es ist indess hier nicht
der Ort auf diese wichtige Urkunde einzugehen, die in der von mir
beabsichtigten Sammlung der römischen Kalender ihre geeignete
Stelle finden wird;*) vergl. vorläufig die Berichte der sächs. Ges.
der Wiss. phil. bist. Gl. 1S50 S. 63flF.**) Hier sei nur erwähnt, dass
die Berner Handschrift am Schluss des December die Worte hat:
QYAE SIS QYAM YIS ANNYM CLAYDERE POSSIS, wovon viel-
leicht die erste Hälfte mit dem gegenüberstehenden das Bild des
December darstellenden Blatte verloren gegangen ist. — Beigegeben
sind dem Kalender die Bilder der zwölf Monate mit erklärenden
*) [S. 0. S. 537*.]
**) [Epigraph. Analekten 8 ; wird in den Epigraph. Sehr. Bd. I abgedruckt
werden.]
544 Über den Chronographen vom J. 354.
Tetrastichen; letztere indess finden sich nur*) in der Brüsseler
Handschrift und zwar auch hier nur für Febr. Sept. Nov. Dec. Yoll-
ständig sind sie in verschiedenen Catalectenhandschriften erhalten^,
woraus schon Pithöus sie entlehnt hat; den vollständigsten Apparat
giebt Burmann in der Anthologie II p. 360 sq. [Baehrens, Poet. lat.
min. I p. 206 sq.]**)
572 n. Annalen von Cäsar bis 539 n. Chr., die Consulate mit einigen
historischen Notizen enthaltend.
Ein kürzeres und geringeres Exemplar derselben Annalen, welche
unter VIII wieder vorkommen; s. daselbst.
III. Consularfasten vom Beginne des Consulats bis 354
n. Chr. (der sog. anonymus Norisianus).
Dies Consularverzeichniss***) ist das vollständigste und zuver-
lässigste aller handschriftlich erhaltenen. Zu verbinden damit sind
die Consularkataloge , die bei der Ostertafel (IV) und dem Ver-
zeichniss der Stadtprafecten (V) vorkommen, so wie die zerstreuten
Angaben von Consulaten im Papstverzeichniss (VII) und sonst, indem
alle diese auf ein und dasselbe Exemplar der Fasten zurückgehen
und den unter III gegebenen Text hie und da berichtigen und ver-
vollständigen. — Beigefügt ist die Angabe der Schaltjahre nach dem
84 jährigen Cyclus, ferner der Wochentage, auf die der erste Januar
fällt und des Mondalters am 1. Januar, wonach man die Ostern jedes
Jahres berechnen kann. Vgl. über diese astronomischen Daten Ideler
Chronol. II, 238 f.; bemerkenswerth ist, dass die Mondalter nur für
den letzten Cyclus 298 n. Chr. f. einigermassen mit den mittleren
Bewegungen des Mondes übereinstimmen, während sie in den früheren
Cyclen stark und je weiter man zurückgeht immer stärker diffe-
rieren — zum deutlichen Beweis, dass sie nur für den letzten Cyclus
auf unmittelbarer Beobachtung, für die früheren dagegen nur auf
unvollkommener Zurückrechnung beruhen. — Dass diese Fasten im
J. 354 geschrieben sind, lehrt der Augenschein.
*) \yg^- jedoch Chronic, a. a. 0. S. 48.]
1) Mit der Ueberschrift tetrasticum autenticum de singulis mensibm z. B. in
einer Handschrift von Avranches saec. XII (Ravaisson rapport sur les bibl. des
dep. p. 124). [Vgl. Chronic, a. a. 0. S. 33.]
**) [Hier folgt — auf S. 570—71 — eine Bemerkung über die Entstehungs-
zeit des Kalenders. Da Mommsen seine damalige Ansicht in den Chronica S. 37
korrigiert hat, ist diese Bemerkung hier weggelassen.]
***) [Vgl. C. I. L. I» S. 483 f. P S. 81 f.]
über den Chronographen vom J. 354. 545
lY. Yerzeichniss der Ostertage vom J. 3 1 2 auf 100 Jahre
berechnet; Anhang zu n. III.
Die ursprünglich beabsichtigte Ordnung dieses durch Abschreiber
und Ergänzer sehr verunstalteten wichtigen Aktenstücks ist von
Bucherius p. 255 — 266 sehr gut wiederhergestellt worden. Die Reihe 573
der Consuln ist richtig von 312 — 358; worauf, da die Consulate
359—367 fehlen, sofort die von 368—410 folgen! Das Jahr 378 ist
unter den gleichgeltenden Bezeichnungen post consulatum Gratiani
et Merobaudis und Valente VI et Valentiniano iun. zweimal gezählt.
Die drei letzten Consulate 408, 409. 410 finden sich in der Wiener
Handschrift nicht, die mit 407 schliesst; die Brüsseler hört mitten
im J. 410 mit den Worten Varrane et auf. Es scheint die gemein-
schaftliche Urhandschrift des Brüsseler und Wiener Manuscripts hier
beschädigt gewesen zu sein, so dass in den verloschenen Zügen der
eine Abschreiber noch einige Zeüen mehr las als der andere.
Unabhängig von der ersten Columne ist die zweite die Daten der
Ostertage enthaltende fortgeführt; es versteht sich also, dass nach
dem J. 358 die Ostertage und die Consuln nicht mehr auf dasselbe
Jahr treffen. Aber auch hiervon abgesehen ist die Ostertafel selbst
durch den Abschreiber verunstaltet, indem nach dem Ostertag des
J. 361 erst dieser noch einmal, dann die Ostertage 355 — 361 aber-
mals, und alsdann erst der Ostertag des J. 362 folgt. Wirft man
diese acht Tage, die neben den Consuln 371 — 378 a stehen, heraus,
so bleiben die ächten 100 Ostertage von 312 — 411, die der Chrono-
graph zu geben beabsichtigte, wie die Unterschrift amio centesimo
ergiebt. Die Consuln hat er selbst offenbar so weit nicht hinab-
geführt, sondern wie gewöhnlich in Kalendern die für die Zukunft
feststehenden chronologischen Angaben auf eine Reihe von Jahren
im Voraus eingetragen und für die Is'achtragung der wandelbaren
Zeitbestimmungen leeren Raum gelassen. Die ursprüngliche Auf-
zeichnung nebst der unmittelbaren Fortführung reicht nur bis 358 ;
hiemach scheint die Urhandschrift eine Zeit lang vernachlässigt zu
sein und der Fortsetzer, der sie alsdann wieder aufnahm, Hess neun
Jahre aus und zählte ein andres doppelt, so dass er um acht Jahre
zu kurz kam^. Uebrigens scheint er die Absicht gehabt zu haben
die Consuln bis zum Schluss der 100jährigen Tafeln, also bis 411
fortzuführen und es dürften der zweite Consul von 410 und die beiden
1) Die Haudschrift hat also acht Consulate zu wenig und acht Ostertage
zu viel. Vielleicht wurde der erste Fehler bemerkt und, indem man ihn an der
unrichtigen Stelle verbessern wollte, der Irrthum verdoppelt.
MOMMSEX, SCHR. VII. 35
546 Über den Chronographen vom J. 354.
von 411 wohl nur in Folge der oben erwähnten zufälhgen Beschä-
574 digung des dem Brüsseler und Wiener Codex zu Grunde liegenden
Manuscripts fehlen.
Die also wiederhergestellte Paschaltafel schliesst sich nun in
ihren ächten Theilen durchaus den voraufgehenden Fasten an. Die
Consuln von 312 — 354 entsprechen denselben durchaus; die Oster-
tage sind berechnet nach demselben 84jährigen Kanon, welcher dem
den Fasten beigefügten Yerzeichniss der Epakten jedes Jahres zu
Grunde liegt. Im Ganzen stimmen nun auch die Ostertage unsrer
Tafel überein mit den nach diesem Kanon sich ergebenden, welche
bei Ideler II, S. 249 — 251 verzeichnet sind; allein es finden sich
nicht wenige Verschiedenheiten, von denen manche zwar blosse
Schreibfehler, andere aber offenbar absichtliche und sehr merk-
würdige Abweichungen von dem 84jährigen Kanon sind. Dass bei
den meisten an Schreibfehler nicht zu denken ist, ergiebt sich aus
der Wiederkehr derselben Abweichungen bei denselben Jahren ver-
schiedener Cyclen und besonders daraus, dass die von unsrer Hand-
schrift dargebotenen Tage auch Sonntage sind, was nicht zufällig
sein kann. Ideler's Machtspruch, dass unsre Paschaltafel ein späteres
Machwerk sei (II, S. 275), verdient in der That keine ernsthafte
Widerlegung; Niemand, der die Ueberlieferung derselben und die
Umgebung in der sie erscheint einigermassen kennt, wird einer
solchen Behauptung beistimmen, die bei Ideler zu finden in der That
gerechtes Befremden ejregt. Vielmehr hat van der Hagen p. 355 f.
(s. Ideler a. a. O. und oben S. 563*)) mit weit grösserem Rechte in
unsrer Tafel ein aus den päpstlichen Archiven gezogenes Verzeichniss
der zu Rom wirklich gefeierten Osterfeste erkannt; was allerdings
auf die Ostertage 312 — 354 oder vielmehr —358 zu beschränken
ist, da die folgenden 359 — 411 wie oben gezeigt nur durch Berech-
nung gewonnen sind. Auch die Principien der Aenderungen und
Abweichungen von dem 84jährigen Kanon sind von ihm nicht durch-
aus richtig festgestellt worden; sie beruhen ohne Zweifel auf Ver-
fügungen der römischen Bischöfe, bei denen zwar ein Princip zu
erkennen ist, aber die strenge Durchführung desselben vermisst wird.
Es ist ja auch bekannt genug, dass häufig Zweifel über das Datum
des Festes entstanden und diese dann durch bischöfliche Rund-
schreiben erledigt wurden (vergl. z. B. Ideler II, 245. 256 u. s. w.).
Die Differenzen zerfallen in folgende zwei Kategorien:
*) [Die dort zitierte Schrift des Joh. van der Hagen hat den Titel: Obser-
vationes in Prosperi Aquitaui chronicon, Amstelod. 1733.]
über den Chronographen vom J. 354. 547
1) Abänderungen des Kanon selbst, veranlasst durch allza fi^es 575
oder allzu spätes Einfallen des Osterfestes.
a. Verschiebung der zu frühen Paschaltage. — Es muss mit der
Reception des 84 jährigen Kanon selbst zugleich nicht bloss in
Alexandrien, wie Ideler meint, (H, 192. 275), sondern (wie immer
die von Ideler S. 247 angeführte Stelle des Victorius zu erklären
sein möge) auch in Italien (s. den anon. de computo Ideler S. 245.
248) der Satz angenommen sein, dass das Osterfest nie vor noch
an dem Tag der Frühlingsnachtgleiche (21. März) gefeiert werden
dürfe. — Deshalb (s. van der Hagen p. 101 f.) wird in dem Jahre
des Cyclus 63 (n. Chr. 360) statt des 19. März der 16. April, in
dem Jahre des Cyclus 6 (387) statt des 21. März der 18. April
angesetzt, d. h. das Osterfest um einen Mondmonat von 28 Tagen
verschoben. So zeigt es unsere Tafel und ebenso der anon. de
computo (Ideler a. a. O. S. 252. 253), nur dass dieser im 6. Jahre
beide Tage nennt, 21. März und 18. April, mit einer merkwürdigen
Bemerkung (van der Hagen p. 252): man solle sich an das einmal
vorkommende Datum des 21. März nicht stossen; denn darin liege
nur eine levis reprehensio, wenn man aber den 28. März ansetze,
wo die Iwia XXIII statthabe, verfalle man in eine criminis nota,
cum lege sit cautum, ne modum lunae statutum ("cod. statum) ali-
quis excedat. Er schliesst mit der Bemerkung, zuweilen könne
Ostern auf zwei Tage gesetzt werden, et quia una observanda est,
erit in arbitrio summi sacerdotis conferre cum preshyteris qui dies
eligi debeat (S. 245). — Aber auch wenn Ostern auf den 22. und
23. März fiel, fand eine Translation statt: so wenn Ostern nach dem
Kanon am 22. März zu feiern war, in den Jahren 33 (330) imd 44
(341) des Kanon, substituierte man den eine luna späteren 19. April^;
wenn Ostern auf den 23. März fiel, in dem Jahre 60 (357) den
nächsten Sonntag, 30. März, im Jahre 71 (368) den vierten Sonntag,
20. April. — Auf den 24. März fällt Ostern nur einmal nach diesem
Kanon, im J. 3 (384), wo keine Verlegung bemerkt ist; auch der
25. März 2 ist gebUeben in den J. 14 (395) und 25 (322. 406); ja
1) Xlll Kai. Mai., wie auch 330 zu schreiben ist statt III Kai. Mai.,
i7as kein Sonntag ist. [In der Brüsseler Hs. ist III in XIII korrigiert: s.
(niron. S. 62.]
2) Im Jahre 6 (373) ist VIII Kai. Apr. angegeben, wofür man Villi Kai.,
den 25. März substituiren möchte. Allein der Kanon fordert vielmehr pr. Kai.
.^.pr., was mit van der Hagen p. 304. 317 zu schreiben sein wird, da durchaus
kein Grund der Aenderung abzusehen ist, namentlich bei einem bloss berechneten
Osterfest.
35*
548 Über den Chronographen vom J. 354.
im J. 316 ward sogar (s. S. 680*)) Ostern irregulärer Weise vom
1. April auf den 25. März verlegt. — Dass alle die Aenderungen,
welche die Ostern des 19., 21., 22., 23. März betreffen, nicht bloss
für die einzelnen Jahre verfügte, sondern auf die Dauer und ohne
Zweifel gleich bei Aufnahme des Kanon in Rom festgestellte
ßectificationen desselben für den praktischen Gebrauch sind, zeigt
theils ihr innerer Zusammenhang, theils der Umstand, dass sie
grossentheils bei Osterfesten vorkommen, die für den ursprüng-
lichen Verfertiger des Kalenders zukünftige waren. Das einfache
Resultat ist also, dass die Ostergrenze der lateinischen Kirche im
vierten Jahrhundert der 23. März ist, so dass Ostern frühestens
auf den 24. März fallen kann.
b. Beschleunigung der zu späten Paschaltage. — Der Kanon von
84 Jahren führt im J. 36 (333) auf den 22. April ^, wofür unsre
Tafel den vorhergehenden Sonntag, 15. April, an die Stelle setzt.
Als das 36. Jahr des Kanon wieder eintrat, im J. 417, wurde durch
Verordnung des Papstes Leo statt des 22. April der 25. März
substituiert (Ideler II S. 247); entweder also war die Verordnung,
die für das J. 333 erging, keine kanonische, oder Leo fand für
gut sie wieder zu ändern. Auf den 21. April fällt Ostern in den
Jahren des Kanon 9 (390) 20 (317. 401) ^ und 82 (379). Die
Jahre 9 und 82, welche für unsern Schreiber in der Zukunft lagen,
zeigen auch wirklich dies Datum; dagegen scheint im J. 317 Ostern
um eine Woche früher, auf den 1 4. April, angesetzt zu sein, welche
Bestimmung eine bleibende gewesen sein muss, da unser Schreiber
sie auch auf das J. 401"anwendet. Ebenso muss für das Jahr des
Kanon 23 (320. 404), dessen Ostern auf den 17. April fällt, in dem
Jahre 320 eine ähnliche Abänderung stattgefunden haben, indem
Ostern damals um eine Woche verfrüht und auf den 10. April
angesetzt ward, was der Schreiber auch auf das Jahr 404 an-
577 wandte^. Im Allgemeinen aber fand man kein Bedenken darin
*) [Diese Zahl sowohl hier wie in Anm. 1. Gemeint ist wohl vielmehr
S. 578 = 550 dieses Abdrucks.]
1) Auch als luna XIV war dieser Tag anstössig ; doch entstand dies Be-
denken erst in späterer Zeit. S. 680.
2) Bei 317 hat Brux. richtig XVIII, Vind. XIIII; 401 haben beide XVII.
was in XVIII zu ändern ist.
3) Hierdurch erledigt sich das Bedenken, welches van der Hagen p. 299
gegen die Ansetzung des Pascha 401 und 404 erhebt — dass deren Ostertage
auf luna XV und XIV fallen, während man doch um 400 schon die luna XVI
verlangte. Das ist richtig; allein die exceptionellen Bestimmungen für die
Jahre 317 und 320 wirkten hier nach und veranlassten Ausnahmen. Im J. 488
über den Chronographen vom J. 354. 549
Ostern auf die dem 21. April kurz vorhergehenden Tage anzusetzen;
auf den 20, fällt das Fest im J. 66 (363) und durch Yorrückung
im J. 71 (36S), auf den 19. im J. 55 (352) und durch Yorrückung
in den J. 33 (330) und 44 (341), auf den 18. in den J. 17 (314.
398), 28 (325. 409), 39 (336) und durch Yorrückung im J. 6 (387),
auf den 17. in den J. 1 (382), 12 (393) und 74 (371). Das Resultat
ist, dass man Ostern gesetzlich nicht später als den 21. April an-
setzte, also wenn sie auf den 22. hätten fallen müssen, dieselben
eine "Woche früher eintreten Hess, dass man aber in dem ersten
Decennium der mit 312 beginnenden Periode auch an einem an
oder kurz vor dem 21. April fallenden Ostertag Anstoss nahm und
desshalb in den J. 317 und 320 das Osterfest vom 21. und 17. April
auf den 14. und 10. verlegte^, wogegen man im J. 314 sich den
1 8. April als Datum des Osterfestes gefallen Hess. Seit dem J. 320
zeigt sich von diesen Schwankungen keine Spur mehr, ausgenom-
men dass die in den Jahren 317 und 320 getroffenen Bestimmungen
für die Jahre 20 und 23 anderer Cyclen massgebend blieben; viel-
mehr trägt man von da ab kein Bedenken das Osterfest vor und
an dem 21. April eintreten zu lassen. Nur in einem Falle, wo im
60. Jahre des Kanon im J. 357 Ostern eigentlich auf den 23. März
fiel, aber, da dieser Termin zu früh war, um einen Mondmonat
von 4 Wochen hätte vorgerückt, also auf den 20. April hätte an-
gesetzt werden sollen, wählte man ausnahmsweise statt dessen den
30. März, offenbar weil man das so sehr späte Eintreten der Ostern
zwar sich gefallen Hess, wenn der Kanon es mit sich brachte, aber
nicht in denselben hineintragen wollte. Es scheint diese Angabe
wie alle vor dem J. 358 verzeichneten nicht auf Rechnimg, sondern
auf unmittelbarer Bestimmung des römischen Bischofs zu beioihen; 578
im J. 71 (368), wo derselbe Fall eintrat, berechnet der Schreiber
Ostern dagegen allerdings auf den 20. ApriP.
übrigens, wo das 23. Jahr des Cyclus wiederkehrte, war man zur ursprünglichen
Regel zurückgekehrt und feierte Ostern den 17. April (XV Kai. Mai.), wie der
Annalist von Ravenna (unten n. VIII) zu diesem Jahre beweist. [Chron. min. I
S. 312 'his cons. (Dinamio et Sifidio) arsit pontus (scr. pons^ Apollinaris noctu
in pascha XV Kald. Maias.]
1) Ein anderer Grund als die Nähe dieser Tage an der Paschalgrenze dürfte
schwerlich für die Verlegung ausfindig gemacht werden; denn an der luna XXII
oder XX7, auf welche die kanonischen Ostern des J. 317 und 320 gefallen sein
"Würden, scheint man keinen Anstoss genommen zu haben (van der Hagen p. 311.
315) und die Neumonde, die auf den 20. und 17. März fallen, können noch
weniger zu einer Aenderung veranlasst haben.
2) Die Ostergrenzen, welche hiernach im 4. Jahrhundert bei dem 84 jährigen
550 ^ber den Chronographen vom J, 354.
2) Zufällige Verlegungen des Osterfestes. — Ich finde deren drei,
und zwar jedesmal Verfrühungen der Ostern um eine Woche: im
J. 316 Verlegung vom 1. April auf den 25. März; im J. 323 vom
14. April auf den 7. April; im J. 340 vom 6. April auf den 30. März.
Es ist möglich, dass auch hierbei noch astronomische Gründe mit-
wirken; doch glaube ich es nicht, einmal weil in dem auf Rechnung
beruhenden Theil der Ostertafel 359 — 411 von diesen Anomalieen
auch nicht eine vorkommt, zweitens weil in den Jahren 400 und 407,
die ebenso wie 316 und 323 19te und 26 te Jahre des Cyclus sind
und von einer bleibenden Bestimmung in Betreff der letztgenannten
Jahre mit wären getroffen worden, die gewöhnlichen Ostertage des
Kanon erscheinen.
Die vielfachen und nicht uninteressanten Belehrungen, die aus
unsrer Tafel sich für die Berechnungsweise des lateinischen Oster-
festes im 4. Jahrhundert ergeben, kann man bei dem trefflichen
van der Hagen nachsehen; so über die Grenze der Neumonde, nach
denen das Osterfest angesetzt wird, vom 5. März bis 2. April, aus-
nahmsweise auch am 3., 4., 5. April (p. 305 — 311), und über die
Tage des Mondmonats, wo man vor dem nicänischen Concil die
luna XIV zuliess, später die luna XF, endlich die luna XVI forderte
(p. 320 f.). Hier genügt die Nachweisung, dass unsre Tafel bis zum
J. 358 nicht bloss auf Rechnung, sondern auf unmittelbarer Auf-
zeichnung beruht. Wir besitzen in unserer Paschaltafel ein Ver-
zeichniss der in der Diöcese des römischen Bischofs von den J. 312 —
358 wirklich gefeierten Ostertage so wie eine Vorausberechnung der-
selben nach dem damals gültigen Kanon für die Jahre 359 — 411;
eine Vorausberechnung, von der indess unter Umständen abgewichen
sein mag, wie z. B. das Pascha des J. 417 nicht, wie man nach
unsrer Tafel vermuthen sollte, auf den 15. April, sondern durch
specielle Abkündigung des Papstes auf den 25. März angesetzt ward.
Es bleibt nur eine Frage noch übrig : warum beginnt unsre Paschal-
tafel mit dem J. 312, d. h. mit dem 15. Jahr des 84jährigen Cyclus? —
579 Die Frage fällt zusammen mit einer anderen auch noch nicht genügend
beantworteten; es ist nämlich dies Jahr der Ausgangspunkt der In-
dictionenrechnung, indem die erste indictio des ersten Quindecennium
Cyclus festgestellt waren, finden sich fast ebenso wieder bei den alten Britten
[und Iren], die diesen Kanon am längsten in Gebrauch behielten (van der Hagen
p. 336f). [Krusch, Studien zur christl.-mittelalterl. Chronologie, der 84jährige
Ostercyklus u. seine Quellen, Leipz. 1880. Derselbe: Die Einführung des griech.
Paschalritus im Abendland, im Neuen Archiv der Ges. f. ältere deutsche Ge-
schichtskunde IV S. 99 ff.]
über den Chronographen vom J. 354. 551
beginnt mit dem 1. Sept. 312 1. Dass unser Schreiber mit dem J. 312
begonnen habe, weil mit diesem die Indictionen begannen, ist mög-
lich, allein nicht eben wahrscheinlich, denn nirgends ist sonst bei
ihm eine Spur von der Rechnung nach Indictionen und 15jährigen
Cyclen; auch scheint im J. 354 die Rechnung nach Indictionen erst
im Aufkommen gewesen zu sein (Tillemont h. des emp. IV, 144.
Ideler IT. 352).*) — Yielmehr hängt der Anfangspunkt, den der
Chronist gewählt hat, wahrscheinlich eng mit der Osterfeier in Rom
zusammen. Es ist bekannt, dass Constantin nach seinem Siege über
Maxentius am 28. Oct. 312 (Tillemont lY, 135) den christlichen Cultus
in Rom freigab; es versteht sich von selbst, dass es von da an dem
christlichen Bischof freigestanden und dieser nicht unterlassen haben
wird die Ostern jedes Jahres öffentlich und feierlich zu verkündigen,
und dahin zu wirken, dass in seiner Diöcese alle Christen an diesem
Tage Ostern feierten. Dann musste aber auch von diesem Tage an
eine römische Ostertafel entstehen, welche die für jedes Jahr vom
Bischof festgesetzten Tage des Ostersonntags aufführte-.**)
V. Yerzeichniss der Stadtpräfecten von 254 — 354 mit der 580
Ueberschrift: ex temporibus GdUieni quis quantum temporis prae-
fecturam TJrbis adtninistraverii.
Die Wichtigkeit dieses vortrefflichen vom J. 2S8 und besonders
von 302 an bis auf die Tage genauen Aktenstücks ist jedem Ge-
schichtsforscher hinreichend bekannt. Es enthält zugleich Consular-
fasten für die Jahre 254—354, die wie schon bemerkt aus demselben
officiellen Register wie die imter III aufgeführten Fasten entlehnt
sind; sogar offenbare Fehler wie Gallicano für Gallieno 261. 264
1) Allerdings findet sich auch ein anderer Anfangspunkt, der erste Sept.
des J. 49 V. Chr. (Ideler II, 350); allein es ist evident, dass dieser Indictionen-
kreis, der 24 Quindecennien umfasst (1. Sept. 49 n. Chr. — 31. Aug. 811 v. Chr.),
nach Einführung der Indictionenrechnung nachträglich erfunden ist, um auch
die Zeitangaben vor 312 in der damals üblichen Weise ausdrücken zu können.
[Etwas anders hierüber F. Rühl, Die constantinischen Indictionen in den Jahrb.
f. class. Philol. 1888, S. 789 S.]
*) [Genaueres hierüber jetzt bei V. Gardthausen, Griech. Palaeogr. Leipz.
1879, S. 391 f.]
2) Allerdings müsste diese Tafel eigentlich mit dem J. 313 beginnen , da
doch frühestens fiir die Ostern d. J. Constantins Edict wirksam sein konnte.
Allein abgesehen davon, dass man das Jahr, wo das ersehnte Edict erschien,
und dessen noch unter dem Druck gefeierte Ostern könnt« an die Spitze stellen
wollen, ist es gar nicht unmöglich, dass schon Maxentius den christlichen Cult
freigegeben. Tillemont IV, 120.
**) [Die weiterhin aufgestellte Hypothese über den Grund der Benennung in-
dictio ist hier nicht abgedruckt worden, da Mommsen selbst sie hat fallen lassen.]
552 Über den Chronographen vom J. 354.
kehren in beiden wieder. Bei einigen Jahren (307. 308. 311. 312.
317) sind die Consuln in diesem Yerzeichniss vollständiger angegeben
als in den Fasten. In den Jahren 308—311 findet sich Maxentius,
in den J. 351. 352 Magnentius und Decentius unter den Consuln des
Präfectenverzeichnisses , während sie in den Fasten getilgt sind; da
diese Empörer in ßom zur Herrschaft gelangten, sind sie natürlich
auch in die römischen Fasten eingetragen worden, und während man
sie in dem officiellen Consulverzeichniss später auslöschte, scheinen
sie in dem gleichfalls officiellen Stadtpräfectenverzeichniss vergessen
worden zu sein.
VI. Depositio episcoporum. Item depositio martyrum.
581 Dies Yerzeichniss der Gedächtnisstage der römischen Bischöfe
und Märtyrer*) ist offenbar für die römischen Christen bestimmt, da
mit Ausnahme dreier afrikanischer Märtyrer (Perpetua und Felicitas
Xini K. lun., Cyprian XYIII K. Oct.) nur römische Gedächtniss-
stätten in demselben vorkommen. Ein ähnliches Yerzeichniss der
Kirche von Karthago hat Mabillon (anall. ed. 1723 p. 163^ aus einer
Handschrift des YII. Jahrhunderts bekannt gemacht, mit der üeber-
schrift '^Hic continentur dies nataliciorum martyrum et depositiones
episcoporum, quos ecclesia Carthagenis anniversaria celeirat". Es ist
dasselbe ein Yorläufer des christlichen Kalenders, der aus solchen
Yerzeichnissen sich gestaltet hat. — Das Martyrologium ist das älteste
aller bekannten; vergleicht man es mit dem martyr. Hieronymi, das
die Grundlage der übrigen bildet, so zeigt sich, dass der Redacteur
des letzteren unser Yerzeichniss vor sich hatte, es (zum Theil mit
Missverständniss) benutzte und die in diesem vorkommenden Daten
unter den einzelnen Tagen an die Spitze seines Yerzeichnisses stellte.
Es scheint also der sog. Hieronymus unser Martyrologium bei seiner
Arbeit zu Grunde gelegt zu haben. — Das Yerzeichniss der Be-
gräbnisstage der römischen Bischöfe begreift von Lucius (f 255)
sämmtliche Bischöfe, nur dass Marcellus vom Abschreiber ausgelassen
ist und Sixtus unter den Märtyrern steht; letzteres beweist das Zu-
sammengehören der beiden Yerzeichnisse. Geordnet ist dasselbe
ähnlich wie das Martyrologium nach der Folge der Gedächtnisstage
im Laufe des Jahres;**) doch reicht die so geordnete Reihe nur bis
*) [„i] veramente il feriale della chiesa romana, cioe la tabella delle feste
solenni non mobili" G. B. deRossi, La Roma sotterranea I, Rom 1864, S. 116,
vgl. II, 1867, S. IV f. dem Mommsen selbst Chron. min. I S. 71 zustimmte.]
**) [Und zwar des mit dem 25. Dez. beginnenden kirchlichen Jahres : s. Usener,
Rhein. Mus. 60, 1905, S.489f.]
V über den Chronographen vom J. 354. 553
auf Silvester (f 335 Dec. 3t), die beiden letzten Päpste Marcus
(t 336 Oct. 7)^ und Julius (f 352) sind später nachgetragen. Das
Verzeichniss muss demnach ursprünglich zwischen dem 1 . Jan. und
7. Oct. 336 entworfen und alsdann bis nach 352 fortgeführt sein. —
Dass diese beiden Verzeichnisse ebenso wie die Ostertafel als offi-
cielle Documente der römischen Kirche des lY. Jahrhunderts an-
zusehen sind, bedarf wohl keines Beweises; man sieht, dass deren
Archiv damals bis in die Mitte des dritten Jahrhunderts hinauf-
reichte, oder vielmehr bis gegen den Anfang, denn wenn man das
Martyrologium hinzunimmt, fehlt von Pontianus an (231 — 235) die
depositio nur eines römischen Bischofs, des Anteros, der nicht mehr
als 41 Tage im Amte war 2.
YII. Yerzeichniss der römischen Bischöfe, von Christi Tode 582
bis auf Liberius (352 — 369), dessen Amtsantritt bezeichnet,
sein Todesjahr aber so wie die Dauer seines Amtes in blanco
geblieben ist. Nach einer kurzen Einleitung lautet die Ueber-
schrift: qiiis episcopus quot annis prefuit vel quo imperante.
Dies Yerzeichniss ist sehr merkwürdig und oft besprochen als
die älteste uns bekannte Grundlage des Über pontificalis^. Dass
eben unser bis auf Liberius Regierungsantritt fortgeführtes Yer-
zeichniss den spätem Bearbeitern vorlag, geht mit Evidenz hervor
aus dem Aufhören der Consulate in allen späteren Recensionen des
liber pantificalis mit Liberius. Am nächsten der Zeit nach steht die
mit Papst Felix (f 530) unter Justinian schliessende (abgedruckt am
besten bei Schelestrate antiqu. eccl. T. I p. 401 f., vgl. p. 354 f.*)),
welche bei den beiden letzten Päpsten, wo der Schreiber als Zeit-
genosse die Consulate kannte, diese beifügte, um sich ihrem Muster
möglichst eng anzuschliessen; aus dieser jüngeren Recension haben
wir die zahlreichen Auslassungen und sonstigen Copistenfehler in
imsrer Handschrift der älteren berichtigt. Doch findet sich auch in
1) wenigstens nach der Wiener Handschrift ; in der Brüsseler [und der von
Amiens] ist er einrangiert.
2) Cornelius scheint durch Versehen des Schreibers zu fehlen, s. zu XVIII K.Oct.
3) Genau genommen entstand dieser aus der Vereinigung zweier verschieden-
artiger Kataloge: des unsrigen, der die Consuln nennt, und des bei Schelestrate I,
p. 611 abgedruckten, der die Heimath und die Ordinationen lieferte. [Vgl.
Wommsens Prolegomena zu seiner Ausgabe des liber pontificalis in den Mon.
Germ. bist., gest. pontif. Rom vol. I, Berl. 1898; über das vorliegende Verzeichnis
handelt er dort kurz auf S. VIII.]
*) [Vgl. Duchesne, Liber pontificalis I, Paris 1886, S. XLIX S. und Mommsen
selbst a.a.O. (Anm. 3) S. LXIX f. und 229 f.]
554- tJher den Chronographen vom J. 354.
den späteren Recensionen , dem sog. Anastasius, manches unserm
Katalog Entlehnte, was in der jüngeren Recension fehlt; so dass
diese entweder verkürzt sein oder Anastasius beide Recensionen vor
sich gehabt haben muss. — Dass unser Katalog unter Liberias
redigiert ward, ist evident; allein der Redacteur schöpfte nicht aus
gleichartigen Quellen, wie dies auch schon Henschen (Acta Sand,
l. c. [Apr. 7. I Antverp. 1675]^ u. A. bemerkt haben;*) bis auf Urbanus
(f 230) giebt er nur die Namen der Bischöfe, die Dauer des Amtes
nach Jahren, Monaten und Tagen, die gleichzeitigen Kaiser und die
Consuln des ersten und letzten Jahres eines jeden Bischofs. Diese
werden so berechnet, dass jeder Bischof eine Anzahl voller Jahre
zugetheilt erhält, so dass die Consuln, unter denen sein Nachfolger
beginnt, unmittelbar voraufgehen. Dagegen wird von Pontianus an
seit 231 die Behandlung eine andre: einzelne historische Notizen
583 werden eingestreut und die Tage des Amtsantrittes und des Todes
häufig bemerkt, womit es zusammenhängt, dass der Tod des einen
und der Antritt des andern Papstes von nun an regelmässig nicht
mehr in zwei verschiedene, sondern meistens in dasselbe Consulat
gesetzt werden. Folglich stand für den zweiten Theil des Ver-
zeichnisses von Pontianus an bis auf Liberius dem Schreiber eine
bessere Quelle zu Gebot, womit es 'in offenbarem Zusammenhange
steht, dass in n. VI die Gedächtnisstage sämmtlicher Bischöfe von
Pontianus an (mit Ausnahme von Anteros und vielleicht Cornelius)
verzeichnet sind, während von den früheren ausser Petrus und Calixtus
(f 222) nicht ein einziger genannt wird. Also kirchliche Aufzeich-
nungen, die um 231 begannen, sind die Quelle des zweiten Theils
dieses Verzeichnisses, dessen Glaubwürdigkeit durchaus keinem Zweifel
unterliegt, ja das wahrscheinlich einen officiellen Charakter trägt.
Anders steht es um den ersten, der wenigstens einen unzweifel-
haften faktischen Irrthum enthält: er stellt nämlich Anicetus vor
Pius, während es durch gleichzeitige Zeugnisse vollkommen feststeht,
dass Anicetus auf Pius folgte. Aber noch ärger sind die Fehler in
der Angabe der gleichzeitigen Kaiser von Sixtus bis Eleutherius und
ein offenbarer Rechnungsfehler liegt vor in der Angabe, dass Papst
Anicetus 153 n. Chr. gestorben, sein Nachfolger Pius im J. 146 ein-
gesetzt sei. Sagen wir es gleich, wie es sich mit diesem Katalog
verhält: dem Redacteur lag für die Epoche bis 230 nichts vor als
ein Verzeichniss der römischen Bischöfe von Petrus an mit Angabe
ihrer Amtsdauer, ähnlich wie es Irenäus, Hegesippus, Eusebius uns
*) [^gl- jetzt auch Duchesne a. a. 0. S. IX.
über den Chronographen vom J. 354. 555
auch aufbehalten haben, um dies dem zweiten Theil des Ver-
zeichnisses, wofür er in der That Consulatsangaben vorfand, einiger-
massen zu accommodieren, berechnete er nach den ihm vorliegenden
Consularfasten und Kaiserverzeichnissen die auf jeden Bischof tref-
fenden Consulate und Kaiser, jene nach den Fasten unsrer Hand-
schrift n. m, diese nach der Kaiserchronik n. X. Hieraus erklärt
es sich vollständig, wesshalb die Consuln unsres Kaiserkatalogs in
dem ersten Theil durchaus, selbst bei den Jahren wo die Bezeich-
nungen ungemein variieren z. B. 161, die unsrer Fasten sind — es
konnte nicht anders sein, da unser Redacteur sie aus diesen ab-
geschrieben hat^ Hieraus erklärt es sich femer, warum jeder 584
Bischof mit dem Jahre anfangt, welches auf das letzte seines Vor-
gängers folgt — es heisst das nur, dass der Redacteur in den Fasten
bloss die vollen Jahre zählte und auf Monate und Tage keine Rück-
sicht nahm. So begreift man endhch die Entstehung der oben
gerügten Fehler. Die Rechnung, welche von den beiden End-
puncten — Christi Tod 29 und Pontianus Antritt 231 — ausgehend
in diesen Zwischenraum die überlieferten Zahlen einzuordnen ver-
suchte, kam nämlich nicht aus; es fanden sich, indem man theils
von 231 zurück, theils von 29 vorwärts rechnete, da wo beide Rech-
nungen sich begegneten, unter Pins Episcopat acht Jahre zu \ael2,
was der Schreiber vielleicht auch bemerkt und den Fehler absichtlich
auf dies längere Pontificat gelenkt hat, um ihn einigermassen zu
verstecken. — Eine noch grössere Confusion herrscht in den Angaben
der gleichzeitigen Kaiser von Telesphorus bis auf Anicius:
Sixtus 117—126 Hadrianus 118—138.
„, , ,„_ ,.„ f Antoninus (Pius) 139— 161.
Telesphorus 12 (—137 . . < ,, , ^-.
^ \ Marcus (Aurel.) 162—180.
TT • 1QQ 1.0 i Veras 162—169.
Hyginus 138—149
Marcus 162—180.
1) Auch in dem zweiten Theil ist die Übereinstimmung fast durchgängig
'Vgl. z. B. die Jahre 308. 309) ; doch findet sich eine vollständigere Angabe bei
dem J. 311: Maximiniano VIII solo, quod fuit mense Sep. (Eusebio) et Rufino
(Vgl. das Präfectenverzeichnis z. d. J.). [Über letztere Angabe urteilte Mommsen
«päter anders: s. Chronica S. 76,4.]
2) Da in den älteren Verzeichnissen entweder nur Cletus oder nur Anacletus
vorkommt, so scheint einer dieser Päpste zu streichen. Tilgt man den Cletus
tmn. VI, so kommt die Rechnung ziemlich aus; ganz genau kann sie ohnehin
rieht sein, da sie nur nach vollen Jahren rechnet, auch die Vacanzen nicht
beachtet sind. Wahrscheinlich aber hat der erste Verfertiger des Verzeichnisses
es den Cousulaten von Christi Tod bis auf seine Zeit aecommodiert, wenn er
gleich die Consulate nicht beischrieb.
556 Über den Chronograplien vom J. 354.
... ,.n .f,o f Verus 162—169.
Amcetus 150—153 ....-!„ ^ ^
\ Marcus 162—180
Pius 146—161 Antoninus Pius 139—161.
Soter 162 — 170 Verus 162—169.
Eleutherius 171-185 . . p'^toninus (d.i. M. Aurel.) 162-180.
\ Commodus 181—192.
Man sieht, dass bis auf Pius richtig zurück, bis auf Sixtus richtig-
vorwärts gerechnet ward, dass aber bei Hadrian ein Versehen vor-
kam, indem der Rechner zu früh mit dessen Regierung fertig zu
sein glaubte; was dann in Verbindung mit dem Fehler in der Be-
rechnung der Consuln dahin führte, dass Antonius Pius und die Divi
fratres zweimal im Katalog vorkommen. Unser Resultat ist dem-
nach, das uns hier vorliegt:
585 t . Ein älteres Verzeichniss quis episcopus quot annis praefuit bis
zu Urbanus Tode (230), welches durch blosse Rechnung vermehrt
ward mit der Angabe der Kaiser (daher auch in der Ueberschrift
der Zusatz vel quo imperante) und der Consuln des ersten und letzten
Jahres. Diese sind brauchbar als Correctiv der hie und da corrupten
Jahrzahlen, aber als synchronistische Angaben ohne allen Werth.
2. Ein Verzeichniss von 231 — 352, das aus derselben Quelle
stammt mit den deposifiones n. VI und auf synchronistisch zuver-
lässigen, vermuthlich aus einem römischen Kirchenarchiv entlehnten
Nachrichten beruht. So weit wir hier nachrechnen können, sind
diese Angaben vollkommen richtig; so namentlich in der Angabe
des Todestages Sixtus 11. (6. Aug. 258), und selbst scheinbare Ver-
wirrungen, wie bei Lucius und Stephanus, erklären sich bei genauerer
Untersuchung.
VIII. Annalen von Cäsar (nach vorausgeschicktem Verzeichniss der
Könige) bis 403 und wieder von 455 — 496.
Diese namentlich für die spätere Zeit nicht unwichtigen Annalen,
von denen unter n. II. ein geringeres Exemplar vorkommt, erweisen
sich durch die Epoche, wo sie entstanden sind, und durch die be-
deutenden Abweichungen der Fasten von der bei unserem Chrono-
graphen durchgängig zu Grunde liegenden Recension als ein mit den
anderen Stücken unsrer Sammlung nicht zusammenhängender zufällig
von dem Schreiber irgend einer Handschrift damit verbundener Be-
standtheil. Was darüber ferner zu bemerken ist, wird unten in der
Einleitung zu dem Abdruck gesagt werden.*)
*) [Diese Einleitung — auf S. 656 f. — ist nicht wieder abgedruckt worden:
s. Chronica S. 263 f.]
über den Chronogfraphen vom J. 354. 557
IX. Eine Weltchronik, die sich selbst als chrotiica Horosii be-
zeichnet.*)
X. Stadtchronik von Rom.
Diese Schrift, die wie eben gezeigt, der Absicht des Redacteurs
zufolge einen Abschnitt der Weltchronik bildet, aber in der Aus-
führung selbstständig erscheint und aus ganz anderen Quellen ent-
lehnt ist, trägt die Ueberschrift : Item origo gentis Romanorum ex
quo primum in Italia regnare coeperuni. Sie nennt die Könige von
Laurentum, Alba ^ und Rom ; die nomina dictatorum, d. i. eine Anzahl
berühmter J^^amen aus der republicanischen Epoche in grösster Con-
fusion und ohne historische J^otizen; endlich die Kaiser von Cäsar
bis auf Licinius. Gewissermassen umfasst sie also die ganze römische
Geschichte. Die Xotizen, die sie mittheilt, betreffen aber nicht Er-
eignisse von allgemein geschichtlicher Bedeutung, sondern durch-
gängig städtische Merkwürdigkeiten: Pesten, Feuersbrünste, Einsturz
von Gebäuden, Bauten, namentlich der für die römische Plebs so
wichtigen öffentlichen Bäder, die der Plebs zu Theil gewordenen
Congiarien, die Ankunft grosser Schiffe, monströse Erscheinungen,
ja sogar das Auftreten von Fresskünstlern machen den hauptsäch-
lichen Inhalt aus, geschichtliche Ereignisse werden fast nur erwähnt,
wenn sie die Hauptstadt direkt berühren, wie z. B. die Kämpfe der
Soldaten und der Bürger unter Maximin imd Maxentius. Auch das
Königsverzeichniss ist von gleichartigem Charakter; es weist den
Ursprung derjenigen Institutionen nach, die für die tenuiores von
besonderer Bedeutung waren, des Hausgeräthes , der Strafen, der
Congiarien, Frumentationen und circensischen Spiele. Das Büchlein
ist also keineswegs ein gewöhnliches Königs- und Kaiserverzeichniss,
sondern eine planmässig angelegte und von Romulus bis auf Licinius 599
im gleichen Sinne und zu demselben Zweck durchgeführte Stadt-
chronik. Dazu passt auch gar wohl die grosse Fülle und Präcision
*) [Der Nachweis — S. 585 — 598 — , dass diese Chronik sowie das oben
unter VII behandelte Verzeichnis der röm. Bischöfe in seinem ersten Teile auf
flippolytos von Portos zurückgehen, ist hier nicht wieder abgedruckt worden,
ia Mommsen ihn in den Chronica S. 84 ff. mit z. T. neuem Material wiederholt
iat; vgl. dazu auch die gegen die Zweifel von C. Frick, Chron. minora, Leipz.
1892, praef. gerichteten Bemerkungen von A. Hamack , Die Chronol. der altchr.
Lit. bis Euseb., II, Leipz. 1904, S. 236 ff.]
1) Ich bemerke bei dieser Gelegenheit, dass der Auszug aus der römischen
"■Vorgeschichte, den die Berliner Handschr. saecVIU. Santen. n. 66 enthält und
clessen Pertz im Archiv VIII, S. 854 gedenkt, entlehnt ist aus Augustin de
<ivitate dei XVIII c. 15. 16. 19. 21.
558 tJhev den Chronographen vom J. 354.
der Notizen über die Topographie der Stadt Rom, welche diesen
sog. catalogus imperatorum Vindohonensis zu einer der wichtigsten
Quellen dafür machen. — Merkwürdig ist der trockene Euhemeris-
mus in der Darstellung der ältesten Sagen, der geflissentlich allen
Schimmer des Göttlichen abstreift: acht Könige treten auf statt der
heiligen sieben, denn Titus Tatius muss ja mitgezählt werden;
Romulus ertrinkt beim Baden, Ancus Marcius wird zu einem Marciu&
Philippus, Numa ist Erfinder der Betten, Tische, Stühle und Leuchter,
Tarquin der jüngere der Foltern, Bergwerkssklaverei, Ketten und
Stockprügel! Dass der Schreiber ein Christ war, ist nicht zu be-
zweifeln, da die Stadtchronik ja ein Theil der christlichen Welt-
chronik ist^; es ist charakteristisch, in welcher entwürdigenden Weise
die römischen Christen des vierten Jahrhunderts die den Vorfahren
heiUge Sagengeschichte auffassten. Die gewaltigen geistigen und
sittlichen Strömungen, welche durch die Geschichte gehen, ohne auf
ein Land und ein Volk sich zu beschränken, wirken immer zerstörend
auf den nationalen Kern; wie segensreich und nothwendig das
Christenthum auch sonst gewesen ist, der römische Sinn und der
römische Staat ist in seiner Eigenthümlichkeit durch dasselbe zu
Grunde gegangen.
Da die Stadtchronik nach der Intention unseres Chronographen
einen Theil der mit dem J. 334 schliessenden Weltchronik bildet,
so muss sie in demselben Jahre geschrieben sein. Hiezu passt es,
dass sie mit dem letzten der vor 334 gestorbenen Kaiser, Licinius,
abschliesst, und dass sie unter Domitian die hasilica Constantiniana
als ein neues Gebäude erwähnt. — Die Quellen, aus denen der
Chronograph diesen Abschnitt zusammentrug, sind kaum zu er-
mitteln. Kaiserkataloge gab es zu seiner Zeit genug, ja sogar einen
officiellen Index (Vopisc. Aur. 42.) ; es sind deren theils mit Angabe
600 der Regierungsdauer 2, theils mit Hinzufügung der Todesarten und
Todesorte noch mehrere uns erhalten; eine Vereinigung von zwei
derartigen Verzeichnissen scheint die Grundlage des Buches geliefert
zu haben. Den Katalog der zweiten Art, den unser Chronograph
benutzte, finden wir in der series regum des armenischen Eusebius
1) Auch heisst es unter Diocletian: circum templa domini posuei-unt — wo
aber domini vielleicht Emblem ist. [Chron. S. 148,27: „domini magis videtur a
librario additum esse, quamquam potest accipi pro nominativo pluralis".]
2) Der alexandrinische Anon. Scalig. p. 65. 66 [Chronic, min. I S. 279 ff.]
fügt noch die Zahl der vom Kaiser bekleideten Consulate hinzu. Das Verzeichnis»
bei Schelestrate antiqu. eccl. I p. 597, das Roncalli mit unserm Kaiserverzeichnisa
zusammenstellt, ist eine werthlose Compilation aus Hieronymus und Eutrop.
über den Chronographen vom J. 354. 559
(T. n p. 35. 36 Aucher [I Append. I A p. 17. IS Schöne]) wieder;
dagegen ist das von ihm eopierte höchst genaue Kaiserverzeichniss
mit Angabe der Regierungszeit sonst nirgends erhalten, und nament-
lich ist der von Hippolyt aufgenommene Katalog sicher ein anderer,
da dieser mit August, der unsrige mit Cäsar beginnt und die Zahlen
sehr wesentlich abweichen. — Die historischen Xotizen, die die
Königszeit betreffen, dürften aus Suetons drei Büchern de regibus
entlehnt sein, da die ^N^otiz, welche unser Chronograph über Numa's
Congiarien vmd Lederasse giebt, bei Suidas unter Suetons Xamen
citiert wird; auch passt die geistlose Behandlung des Sagenstoffs
unter allen römischen Schriftstellern am besten für Sueton, den Mann
der Antichambre und der Anekdoten.*) — Für die republicanische
Epoche fehlte es dem Redacteur offenbar an geeigneten Quellen
oder an der Fähigkeit sie zu bearbeiten; er mag seine nomina dicta-
toriim aus dem Index irgend einer Schrift de viris illustribus com-
piliert haben. Eine ähnliche Xomenclatur findet sich bei Hieronymus
p. 66 Rone.**) zwischen den Königen und den Kaisern; im armeni-
schen Eusebius fehlt sie an der entsprechenden Stelle, könnte aber
am Schluss des ersten Theils gestanden haben. — Die Quellen, aus
denen der Chronograph für die Kaiserzeit schöpfte, liegen uns nicht
mehr vor; vermuthlich eine der zahlreichen Sammlungen von Bio-
graphien der Kaiser ^. Für die spätere Zeit mag der Schreiber auch
aus eigener Kunde geschöpft haben, zumal da die Notizen gegen
das Ende an Fülle zunehmen 2.***)
*) [Seine Ansicht über den suetonischen Ursprung dieses Abschnitts hat
Jloromsen in den Chronic. S. 141 f. etwas modifiziert. Vgl. auch H. Geizer, Sex.
lal. Africanus I, Leipz. 1880, S. 228.]
**) [S. jedoch über dieses Vei-zeichnis unten S. 570, 3.]
1) Ein durch das mon. Ancyr. widerlegter Irrthum Suetons über die Con-
giarien Augusts kehrt bei unserm Chronographen wieder; doch wissen wir nicht,
ob dieser Irrthum dem Sueton eigenthümlich war. [Vgl. Res gestae divi Augusti*
S 60.] Dass unser Chronograph die Kotizen über die zwölf ersten Kaiser sonst
n:cht aus Sueton entlehnte, steht fest.
2) Gradezu unmöglich wäre es nicht, dass das am Ende des 1. Buches von
Eisebius gegebene verlorene Kaiserverzeichniss die Quelle nnsres Chronographen
g(!wesen, denn Eusebius schliesst 326. Allein das erhaltene Königsverzeichniss
p. 359 f Aucher [I 289 f Schöne] stimmt durchaus nicht mit dem unsres Chrono-
graphen; und wie hätte Eusebius dazu kommen sollen eine Stadtchronik von
ß')m in seine Chronik einzurücken?
***) [Es folgen zunächst auf S. 600 f. kurze Bemerkungen über die Autoren,
di} ihrerseits die Stadtchronik benutzt haben: s. Chronic. S. 142. — Dann auf
S. 601— 605 der Abschnitt: „XI. Die Regionen der Stadt Rom'. Er ist hier
560 Über den Chronographen vom J. 354.
606 IV.
Die Sammlung als Ganzes.
Ueberblicken wir noch einmal den gesammten Inhalt der ver-
schiedenen auf uns gekommenen Handschriften, der uns bisher
beschäftigt hat, so sondern sich für uns drei grössere Massen.
Ä. Die erste Abtheilung, welche die ganze Brüsseler Hand-
schrift und die erste Hälfte der Wiener einnimmt, begreift folgende
sechs Abschnitte:
I. den Kalender, geschrieben zuerst 340 — 350, überarbeitet
zwischen 350 und 361.
III. die Consularf asten aus dem J. 354.
IV. die Ostertafel, regelmässig fortgeführt bis 358, mit späteren
schlechten Ergänzungen bis 410 oder 411.
V. das Präfectenverzeichniss aus dem J. 354.
VI. Gedächtnisstage der Bischöfe, abgefasst 336, ergänzt zwischen
352 und 369.
Gedächtnisstage der Märtyrer, gleichzeitig.
VII. Yerzeichniss der römischen Bischöfe, seiner Anlage nach um
230 entstanden, vollendet zwischen 352 und 369.
Dies ist die handschriftliche Ordnung des Berner Fragments,
des Wiener und auch des peiresc'schen und Brüsseler Manuscripts,
nur dass im Wiener die viel jüngeren Annalen zwischen I und III
gerathen sind, und dass der Jean Sibilla, welcher Peiresc's Hand-
schrift ergänzte und vermuthlich neu binden Hess, die n. III zu An-
fang defect und die Reste von n. I in losen Blättern vorfand, wo er
dann seine Handschrift für zu Anfang defect hielt und die losen
Blätter an's Ende stellte. Der Kalender, der ein gemaltes Titelblatt
hat, auf dem sich der Schreiber nennt, wird wohl jedesfalls an der
Spitze des Bandes gestanden haben. — Von diesen sechs Abschnitten
sind zwei (III. V.) bestimmt im Jahre 354 abgefasst, drei (I. VI. VII.)
um dies Jahr, und wenn der letzte (IV) bis 358 fortgeführt ist, so
rührt dies, wie schon bemerkt, davon her, dass hier ursprünglich
für die Namen der Consuln bis 411 Raum gelassen war und diese
die ersten vier Jahre nach Vollendung der Arbeit in dem Exemplare,
fortgelassen worden, da alle daran sich knüpfenden chronologischen und hand-
schriftlichen Fragen inzwischen von H. Jordan, Topographie d. Stadt Rom i.
Alterthum II, Berlin 1871, zum Teil in genauem Anschluß an Mommsen erörtert
worden sind. Das Resultat hat Mommsen selbst in den Chronic. S. 77 zusammen-
über den Chronographen vom J. 354. 561
woraus unsre Abschriften geflossen sind, regelmässig nachgetragen 607
waren. Demnach sind diese sechs Abschnitte im J. 354 ^ abgefasst
und als chronologisches Hülfsbüchlein in diesem Jahr veröffentlicht
worden, in dem man ausser dem Haupterfordemiss , dem Kalender,
noch die Verzeichnisse der wichtigsten Beamten der Stadt Rom und
die für die christliche Feier erforderlichen Tafeln fand.
Dies Büchlein trägt an der Spitze zwei Namen, über die noch
einiges zu bemerken ist. Dediciert ist es einem gewissen Yalentinus,
einem Christen, wie aus der Formel Valentim floreas in deo erhellt.
Lambek (in der Einleitung zum Kalender) denkt an den Valentinus
bei Amm. Marc. XYIII, 3, 5, der primicerius protectorum, trihunus
und nach einer im J. 359 grundlos gegen ihn erhobenen Anklage
auf Hochverrath dux lllyrici war; dieser kann allerdings gemeint
sein, obwohl die Identität nicht bewiesen ist. Wenn dagegen bei
der hasilica in via Flaminia mill. II. quae appellatur Valentini, die
unser Papstverzeichniss unter den Bauten des Papstes Julius (337 —
352) nennt, Bucher p. 273 bemerkt: an forte est Valentinus, cui
hüendarium inscrihitur?, so ist dagegen einzuwenden, dass diese
Basilica, die unweit Ponte molle lag, dem unter Claudius hinge-
richteten heiligen Yalentinus geweiht war (Acta Sanct. Febr. t. IE
p. 752). — Ferner heisst es auf dem Titelblatt: Furitis Dionysius
Filocalus tiiulavit. Damit ist zu vergleichen eine aus drei Fragmenten
bestehende christliche Inschrift, die aus der römischen Basilica
S. Martini in montibus in das vaticanische Museum gekommen ist;
die Schrift ist vortrefflich ^ :
1) Ein blosser Zufall ist es, dass mit demselben Jahre auch die ältere
Becension des Chronicoti Pasdiale schliesst (Ducange II p. 16 Bonn.). [Die Un-
richtigkeit der Holstenschen Hypothese, daß die ältere Rezension der Paschal-
chronik 354 schließe, hat H. Geizer, S. lul. African. I, Leipzig 1880, S. 139 ff. er-
"viesen.] Die römische Sammlung, die uns hier vorliegt, und jene alexandrinisch-
constantinopolitanische Chronik sind durch Sprache, Entstehungsart, Zweck und
(Charakter völlig von einander geschieden.
2) Gedruckt ist sie bei Mai Script. Yatic. vol. V p. 58; ich gebe sie nach
der genaueren Abschrift, die mein Freund Henzen in Rom mir zugesandt hat.
[Sie ist hier wiederholt nach de Rossi, Roma sotterranea I S. 120, vgl. Chron.
min. I S. 16.]
MOMMSEN, SCHR. VII. 36
562
Über den Chronographen vom J. 354.
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608 SCRIBSIT FVRIYS DION heisst es hier; es ist wohl
mehr als wahrscheinlich, dass derselbe Filocalus, der unseren Kalender
titulierte, die vorstehende Inschrift geschrieben, d. h. die von dem
Steinmetz einzugrabenden Züge vorgezeichnet hat. Derselbe scheint
also ein berühmter Kalligraph des vierten Jahrhunderts gewesen zu
sein, der seinen Handschriften wie den nach seiner Yorzeichnung ver-
fertigten Inschriften seinen Namen beizusetzen nicht versäumte.*)
Auf Inschriften sind dergleichen Angaben äusserst selten; mir ist nur
ein ähnliches Beispiel bekannt, eine christliche Inschrift aus dem
coemeterium Maximi, die Bianchini zum Anastasius III p. 88 im Stich
*) [Vgl- Chron. min. a.a.O. S. 15 ff,, wo Mommsen über Filocalus, dessen
kalligraphische Thätigkeit durch neues Material inzwischen bekannter geworden
war, genauer gehandelt hat.]
über den Chronographen vom J. 354. -563
mitgetheilt hat.*) Die oberste Zeile ist der Rest einer Grab-
schrift .... TIAJsAE EIYS; darunter sind gezeichnet die Figuren
zweier in dieser Grabstätte beigesetzten Märtyrer, beide sitzend,
mit beigeschriebenen Xamen MAXIM VS und SECYNDES^VS; neben
diesen steht dem Beschauer links:
s^IPTVM EST
T
per ruf?^}S.
und darunter
tabulX PICTA EST
per
Auch an dieser Inschrift wird die eJegans charaderum forma
hervorgehoben, wie an der des Furius Dionysius; was sehr gut
zu der Annahme passt, dass sie von Kalligraphen vorgeschrieben
wurden. — Ob derselbe Kalligraph, der unsre Handschrift illustrierte,
sie auch geschrieben, ob er ferner den Inhalt derselben selber zu-
sammengestellt hat oder ein Andrer dies that, sind ziemlich müssige
Fragen.**) Von einem Verfasser kann eigentlich gar nicht die Rede
sein bei einem Werke dieser Art, das nichts ist als eine Zusammen- .
Stellung von Urkunden, die vielleicht alle als officielle Documente
von den römischen bürgerlichen und geistlichen Behörden bekannt
gemacht worden sind. Dass das \Yerk nicht, wie Peiresc vermuthete,
in der Gegend von Trier, sondern in der Stadt Rom enstanden ist,
ist evident nicht bloss durch den ausschliesslich auf Rom berechneten
Inhalt, sondern jetzt auch durch das Yorkommen des Kalligraphen,
<ler in demselben erscheint, auf einer römischen Inschrift.
B. Während Peirescs und die Brüsseler Handschrift uns die
Sammlung des Chronographen von 354 in ihrem ursprünglichen
umfang aufbewahrt haben, erscheint dieselbe in dem Wiener Manu- 609
Script vermehrt mit theils gleichartigen, theils ungleichartigen Zu-
isätzen. Als gleichartige Ergänzung können wir betrachten die
-N^ummem
IX. Weltchronik |
X Stadtchronik | geschrieben im J. 334.
XI. Regionenverzeichniss j
*) [Die Inschrift haben weder Dessau noch ich identifizieren können. Das
coemeterium Maximi ist unter diesem Namen in der neueren einschlägigen Literatur
unbekannt, es heißt coem. Felicitatis; vgl. de Rossi, Bull, di archeol. crist. 1863
f. 41 ff., 1884 5 S. 149 ff.]
**) [In den Chron. min. a. a. 0. S. 17 wird es als wahrscheinlich bezeichnet,
•diß die Thätigkeit des Kalligraphen sich auf den Titel beschränkt habe.]
36*
'564 tJher den Chronographen vom J. 354.
Diese drei Abschnitte bilden ein kleines Werk für sich, von dem
CS nur zweifelhaft erscheint, ob dasselbe rein äusserlich mit der
Sammlung von 354 verbunden ist oder doch auch ein innerer Zu-
sammenhang stattfindet. Auf den ersten Blick möchte man sich für
die erste Annahme entscheiden ; allein die zweite scheint dennoch
mehr für sich zu haben. Dafür spricht zunächst die Gleichartigkeit
beider Sammlungen, von denen jede offenbar für die Stadt Rom
berechnet war, und die sich einander nicht ohne Absicht ergänzen.
Wer die Consuln, die Präfecten und die Bischöfe Roms verzeichnete,^
hätte doch, sollte man denken, auch ein Kaiserverzeichniss geben
müssen; dennoch fehlt es in der Sammlung von 354, aber es findet
sich in der von 334. Was aber besonders die Zusammengehörigkeit
beider Sammlungen beweist, ist die oben S. 597*) nachgewiesene
Thatsache, dass das Verzeichniss der römischen Bischöfe in der
Sammlung von 334 desshalb fehlt, weil es in die von 354 auf-
genommen ist. Verbinden wir hiemit die mannigfachen Spuren einer
um zehn bis zwanzig Jahre älteren Redaction, die die letztere Samm-
lung im Kalender, in den Depositionen, ja auch im Papstverzeichniss,.
. wo die Notizen über Papst Julius 337 — 352 unverkennbar ein späterer
Nachtrag sind, noch an sich trägt (S. 606 [560]), so dürfte es wahr-
scheinlich werden, dass beide Sammlungen ursprünglich verbunden
waren. Zu Grunde liegt vermuthlich die Weltchronik des Hippolyt,
die ein unbekannter Römer im J. 334 fortsetzte bis auf seine Zeit
und zugleich mehrere Abschnitte besonders und sorgfältiger ausführte.
Ob derselbe schon den Kalender, die Fasten, die Ostertafel, das
Stadtpräfectenverzeichniss hinzufügte oder nicht, lässt sich nicht aus-
machen. Zwanzig Jahre später wurden diejenigen Abschnitte dieser
Sammlung, die am unmittelbarsten ein praktisches Interesse hatten,
ergänzt und die zuletzt genannten Stücke, wenn sie in der Sammlung
von 334 fehlten, hinzugefügt; während die Chroniken und das
Regionenverzeichniss, auf die es im täglichen Gebrauch weniger
ankam, unverändert blieben. Die Handschrift von Peiresc enthielt
610 nur diejenigen Stücke, welche im J. 354 durchgesehen oder zugefügt
waren, während die Wiener die Bestandtheile der ersten und der
zweiten Ausgabe mit einander vereinigt
C. Zusätze späterer Abfassung.
II. Annalen bis 539.
VIIL Annalen bis 496 (Schluss fehlt).
Die Weltchronik des Hippolyt, die überhaupt in Italien und
Frankreich bis in sehr späte Zeiten hinab gebraucht und ausge-
*) [Vgl. die Anm. * oben S. 557.]
über den Chronographen vom J. 354. 565
schrieben wurde — nur der IS^ame des Yerfassers scheint früh in
Vergessenheit gerathen — , wird in der zweckmässigen Gestalt, welche
der A.nnalist von 334 ihr gegeben und sein Nachfolger vom J. 354
bis auf seine Zeit fortgeführt hatte, im Abendlande vielfach benutzt
worden sein. Dafür bürgt der ungeschickte Versuch einer Fortfüh-
rung der Ostertafel bis 410. welche allem Anschein nach nicht 410,
sondern später stattgefunden hat; denn der Schreiber wollte offenbar
nur die 100 Jahre, für die Platz gelassen war, nachführen, nicht
aber bis auf seine Zeit die Arbeit fortsetzen. Dafür bürgen ferner
jene beiden Handschriften aus dem VIII. oder IX. Jahrhundert, wo-
von so weit wir sehen die eine aus Belgien, die andre aus der
Schweiz stammt: deren gemeinschaftliches Original nicht älter ge-
wesen sein kann als 410, da die Supplemente zur Ostertafel in beiden
gemeinschaftlich sich finden, wahrscheinlich aber noch jünger gewesen
ist. — Es kann nicht befremden, wenn zu einem solchen Werke
später andre chronistische Werke hinzugeschrieben wurden, die durch
nichts andres mit demselben in Verbindung stehen als durch die
ungefähre Aehnlichkeit des Inhalts und die Laune des Schreibers.
Von dieser Art sind die Annalen, welche wenigstens in ihrem späteren
Theil in Ravenna entstanden sind; «s sind diejenigen libri chronico-
rum, aus denen der Anonymus Vaksii schöpft. Die Wiener Hand-
schrift enthält davon zwei Exemplare, ein ausführlicheres und ein
verkürztes, die leider beide unvollständig sind. Diese Chroniken
stehen mit dem Werke des Hippolvt nur in einem ganz äusserlichen
Zusammenhang; da dem Schreiber von n. H die Weltchronik vorlag
und er daraus einen Zusatz aufnahm, wird vermuthKch der Urheber
von jenen sie ursprünglich einer Abschrift des hippolytischen Werkes
hinzugeschrieben haben.*)
*) [Die nuu folgende Ausgabe des Chronographen (S. 611 — 668) ist durch
diejenige in den Chron. min. I überholt worden ; doch gab Mommsen dem Text
<ler Origo in der ersten Ausgabe Anmerkungen bei, die er in der zweiten, deren
verändertem Charakter entsprechend, teils ausließ teils verkürzte. Es schien
daher wünschenswert, diesen Abschnitt der Chronik, den siebenten, mit den
Anmerkungen, soweit diese sich nicht auf bloße Zitate aus topographischen
Handbüchern beschränken oder durch neuere Untersuchungen überflüssig ge-
worden sind, hier wieder zum Abdruck zu bringen. Der Text ist derjenige der
zweiten Ausgabe; die Anmerkungen, die in der ersten Ausgabe hinter dem Text
stehen, sind gemäß der später von Mommsen befolgten Praxis unter diese ge-
setzt worden.]
566 Über den Chronographen vom J. 354.
644 VII.*)
Item origo gentis Romanorum, ex quo primum in Italia
regnarc coeperunt.
Picus Saturni filius^ regnavit agro Laurentino usque ad eum locum
ubi nunc Roma est, ann. xxxviii^. Eo tempore ibi nee oppida nee
vici erant, sed passim habitaverunt^.
Faunus Pici filius eisdem locis regnavit annis xliiii*. Eo tempore
Hercules cum ab Hispania reverteretur, aram quae est ßomae ad
forum boarium posuit et dedicavit eo quod Cacum filium Vulcani
ibi in spelunca sua occiderat.
Latinus isdem locis regnavit .... Hie ex suo nomine cives suos
Latinos appellavit. Hoc regnante Troia capta est, unde Aenea»
Veneris et Anchisae filius venit et se cum Latino iunxit unaque
bellum gesserunt adversus Rutulos. Eo proelio Latinus occisus est
et regnum eius penes Aeneam remansit.
Aenea s oppidum condidit Lavinium ibique regnavit annis tribus.
Ascanius Aeneae filius regnavit annis xxxvi. Albam longam con-
didit.
•*) [Vgl- die Anmerkung auf der vorhergehenden Seite.]
1) Dass Janus und Saturuus fehlen, ist charakteristisch; der Verfasser hat
jedes Wunder und so auch die Götterkönige beseitigt. Aehnlich Augustin
CD. 18,15: primus (rex) Laurentum Picus, und Syncellua p. 322 Bonn., der
überhaupt hier aus einer Quelle mit dem Verfasser der Stadtchronik schöpfte
oder aus der Stadtchronik selbst: Africanus kann hieför seine Quelle nicht ge-
wesen sein; Snavla weist auf einen lateinischen Autor. Mit Syncellus ist hier der
Anonymus Scaligers p. 53 (hinter dem Eusebius) verwandt. [Das Abhängigkeits-
verhältnis wird etwas anders beurteilt in den Chron. S. 142; vgl. auch H. Geizer,
Sex. lul. Africanus I, Leipz. 1880, S. 243.]
2) TiQo Alvsiov a <paoi IIeTxov vlov Kqovov ßaoiXevoai x^Q*^^ Aavgevrov l^ .
Eivat ÖS rrjv xwgav k'cog rfjg vvvl 'Pcöfirji; jzöXsws. Syncell. 1. c. — Die Zahlen der
ersten beiden Regierungen scheinen nacherfunden denen der römischen Könige:
Picus 37 (Sync.) oder 38 (St. Chr.) = Romulus 37 oder 38.
Faunus 44 = Numa 43.
3) erant omnes partes illas sine urhes et sine regem, secundum quod nairat
historia. Anon. Seal. p. 53.
4) fxed'' ov ^avvov rov vlov avrov IIeUov rov xai Aiog ht] fid' — — y.a^' ov
'HgaxXfj? ano Sjiaviag enavsX&Oiv ev (pögu) reo X.syofievfp ßaagico ßcojuov rjyeiQE , Stötc
äveUs Kdxov tov 'Hcpaiatov viöv. Syncell. p. 323. Tunc Eraclius ah Spanorum
partibus rediens arma sua ['scr. aram suam': Zusatz in den Chron. min.] posuit
in Roma in boarium forum in templo clausit. Anon. Seal. p. 53. — Dass die Er-
richtung der ara moxima auf dem Forum Boarium (Becker Topogr. S. 469 A. 974
[O.Richter, Topogr.* S. 187]) unter Faunus gesetzt wird, rührt wohl daher, dass
die Sage den Faunus und den Euander zu Zeitgenossen macht (Dionys. I, 31).
über den Chronographen vom J. 354. 567
Reges Albani^.
Posturaus Silvius Aeneae nepos regnavit aiin. xxxvii. Ab hoc
prognati postea Albae regnaverunt ac Silvi sunt cognominati,
Aeneas Silvius regnavit annos xxxi.
Latinus li.
Alba XXVIII.
Appius^ xLi.
Capys XXVIII.
Campeius' xxi.
Titus* viii.
Agrippa Li.
Aventinus xxxviii.
Procas viii.
Amulius LI.
Remus Silvius regnavit xvii. Eum Romulus interfecit.
Reges Rotnanortim mimer o viii^ 645
Romulus Martis et Iliae filius regnavit annos xxxviii. Urbem Romam
condidit xi kal. Mai., qui dies appellatur Parilia. Hie x menses
in annum constituit a Martio in Decembrem. Mille iuvenes de
plebe Romana legit, quos railites appellavit^, et centum senio-
res, quos senatores dixit"^. Congiarium dedit congium vini inter
1) Dies Register der Könige stimmt im Ganzen mit Livius und Eusebios,
bis auf eine oflFenbar absichtliche Aenderung: der 12. Silvier Remulus ist weg-
gestrichen und unmittelbar vor Romulus gesetzt, wo er durch die Aenderung
des Namens in Remus und den Beisatz: Eum Romulus interfecit mit dessen
Bruder identificirt wird. So willkürlich ist hier die Sage historisirt worden.
[Vgl. Geizer a. a. 0. S. 239.]
[2) 'debuit esse Epitus" (Zusatz a. a. 0.).]
[3) debuit esse Calpetus (a. a. 0.).]
[4) 'secundum antiquiorem laterculi formam Tiberinus: sed Titum item habet
licet loco non suo Barbarus' (a. a. 0.).]
5) Es wird nämlich T. Tatius mitgezählt von dem Verfasser, den die heilige
Siebenzahl wenig kümmert. Die Regierungsjahre stimmen nicht mit den ge-
wöhnlichen Angaben überein, doch kann dies auf Schreibfehlem beruhen. Ich
h;ibe vermittelst einiger Aenderungen die Gesammtzahl 245 hergestellt.
6) Tgl. Isidor. orig. IX, 3[, 31] : miles dictus quia milJe erant ante in numero
uno vd quia unus est ex mille dedus. Romulus autem primus ex populo
milites sumpsit et appellavit. Die gespen-ten Worte sind aus Hier. [z. J. Abr.
1289]: Romulus primus milites sumit ex populo, die andern vielleicht aus der
Stadtchronik.
7) Isidor. orig. IX, 4[, 8]: senatui nomen adas dedit, quod seniores essent;
was hieraus genommen sein kann, aber ähnlich bei vielen vorkommt.
568 Über den Chronographen vom J. 354.
homines xii^. Hie cum natat ad paludem caprae^, subito nusquam
comparuit. In numerum deorum relatus deus Quirinus appellatus est.
Titus Tatius dux Sabinorum una cum Romulo regnavit annos quin-
que. Hie Tarpeiam, virginem Vestalem, vivam armis defodit eo
quod secreta Romuli ei propalare noluisset^.
Numa Pompilius regnavit ann. xli. Pontifices, virgines Vestales
instituit. Hie duos menses ad x menses Romuli instituit, lanuarium
diis superis, Februarium diis inferis. Hie prior hominibus adinvenit
grabata mensas sellas candelabra*. Congiarium dedit scortinos?
asses et militibus donativum aere ineisum dipondium semis.
1) Also jedem Mann eine Hemina. Diese imaginäre Geschichte des Ursprungs
und der Entwicklung der Congiarien findet sich vollständig nur hier: Romulus
gab jedem Mann eine Hemina Wein, also je zwölfen einen Congius ; Numa jedem
Plebejer einen (oder 1 ^2) ledernen As, den Soldaten aber 2V2 erzene Asse; Ancus
endlich gab dem Plebejer IV«, dem Soldaten 2^2 Asse. Ein Fragment daraus
scheint die von Suidas v. daadgia aus Sueton angeführte Stelle : Novfiä? 6 Tigcbrog
ßaacXsvg fietä 'PwfMvXov 'Poj/naicov ysyovcD? djio oiÖtjqov xai xa^xov jtejtoirjfisva ngöürog
ixaQiaaro 'Pcofiatot? , rcöv jiqo avrov siävxcov öid oxvtivwv xal oaxQaxivoiv rijv XQ^^a^
nXrjQovvTWV ojisq wvöjxaoEv ix rov Idiov ovofxarog vovfxfiia. Ebenso ohne Nennung
des Sueton Cedren. I. p. 260 Bonn.: xai doaoQia 8e dno doijfiov (sehr. oiSrjQov) fcai
XaXxov 7isjioir]/j,Eva TiQwxog 'Pcofiaioig syaQiaaxo, tiqiv diä axvxivcov xal ^vXlvcov xal
650 oaxgaxivcov xtjv ;|fß«tav nXrjQovvxcov • ojisq ix xov Idiov oro/iiarog vovfxia ixdXsaev (dass
Sueton hier die Quelle des Cedrenus ist, wird auch dadurch bestätigt, dass die
unmittelbar vorhergehende Notiz über die Entlehnung der Toga von den Isauriern
in dem Chr. Pasch, p. 217 ausführlicher berichtet wird xa§cog 6 oocpüxaxog
ZovEXcoviog TgdyxvkXog 'Pco/naicov laxogioygdcpog avveyQdtpaxo [vgl. Reifferscheid,
Suet. rel. S. 321]); und kürzer Africanus (daraus Syncell. p. 398 Bonn, und Euseb.,
aus diesem wieder Chr. Pasch, p. 218 Bonn, und der Anonymus Scaligers p. 54
[p. 242 Frick, Chron. min. IJ) yoyyiaQtov edojxev daoaQia ^vXiva xal oxvxiva xal
oaxgdxiva (nach dem Text des Syncellus). [Vgl. Geizer a.a.O. S. 230. 234 fi".]
Hieraus ergiebt sich, dass die Geschichte von der Entstehung der Congiarien
aus Sueton, wahrscheinlich aus dessen Büchern de regibus, herrührt, aus denen
sowohl der Verfasser der Stadtchronik als Africanus schöpften [doch s. 0. S. 559*].
2) Der Verfasser insinuirt, dass Romulus wohl beim Baden ertrunken
sein möge.
3) Die Sage von der Tarpeja erscheint hier in andrer, jedoch nicht ganz
klarer Gestaltj Ursache des Todes ist die Treue gegen Romulus, vielleicht die
Weigerung die Burg zu öffnen. Tarpeja wird auch sonst zur Vestalin gemacht
(Varr. V, 41. Propert. IV, 4, 18), obwohl übrigens nach dem Verfasser erst Numa
die Vestalinnen einsetzt; bemerkenswerth ist der mythische Zusammenhang,
welcher zwischen dem Tod der lebendig unter den Schilden begrabenen Tarpeja
und der bekannten Strafe der vestalischen Jungfrauen offenbar hier angedeutet
wird. Dies scheint eine gute Sagentradition.
4) Dass Numa Betten, Tische, Stühle und Leuchter erfunden habe, steht
sonst wohl nirgends; es ist das Gegenstück zu der Erfindung der Strafen durch
Tarquinius Superbus.
über den Chronographen vom J. 354, 569
Tullius Hostilius regnavit annos xxxii. Hie prior censum egit
edictoque suo cavit ut quicunque temporibus ipsius falsum fecisset,
daret pro capite suo dimidium verbecem^
Marcius Philippus^ regna^•it ann. xxxvi. Cong. dedit assem semis
et militibus donativum dipondium semis. Ostiam coloniam condidit.
L. Tarquinius Priscus regnavit annos xxviii. Hie eum fundamenta
Capitolii eavaret, invenit eaput bumanum litteris Tuscis scriptum
CAPVT. OLIS. REGIS3, unde hodieque Capitolium appellatur.
Hie prior Romanis duo paria gladiatorum edidit, quae comparavit
per annos xxvii*.
Servius Tullius serva natus regnavit ann. xlv. Hie votum fecit
ut quotquot annos regnasset, tot ostia ad frumentum publicum
constitueret^.
1) Diese Bemerkung über den Census, die wohl eigentlich bei Numa stehen
sollte [vgl. Geizer a. a. 0. S. 237], ist sonst nirgends zu finden; wie der incensus
in die Fremde als Knecht verkauft ward (Walter R. G. §. 164) [vgl. Strafrecht
S. 44], so hatte der, welcher beim Censiren falsche Angaben machte, sein Haupt
mit einem halben (?) Hammel zu lösen. Ob er aus Irrthum oder aus Betrug
gefehlt, war wohl gleichgültig; vorzugsweise mag an jenen gedacht sein, da
der zufällige Todtschlag ähnlich gesühnt wird durch Entrichtung eines Widders
(aries stibiectus) an die Agnaten.
2) Dass die Marcii Philippi ihr Geschlecht auf den vierten König zurück-
führten, wussten wir (Ovid. fast. VI, 803. Eckhel D. N. V p. 248 [Rom. Mflnzw.
S. 547. 641]); nicht aber, dass sie auch ihr Cognomen ihm geradezu beilegten.
Auch das gehört zu den vielen Zügen, durch welche unser Redacteur bemüht
gewesen ist. die römische Sage zu historisiren und zu trivialisiren.
3) Hieraus schöpft Isidor XV, 2 [31]: loco fundamenti caput hominis litteris
Tuscis notatum invenit et proinde Capitolium appeUavit. Die etmskische Inschrift
ist ein ächter Zug der Sage, da das gefundene Haupt das des Königs Olus von
Volci war (Amob. VI, 7) und etmskische Zeichendeuter die Inschrift auslegen
(Liv. I, [38, 7]. 55 [5]. Serv. ad Aen. VIII, 345).
4) Wie die Spenden sollten auch die circensischen Spiele auf einen König
zurückgeführt werden, wobei mau denn natürlich den Erbauer des Circus und
den Gründer der ludi Eomani wählte.
5) Dass jede Getreidemarke auf ein besonderes Ostium lautete, wissen wir
aus Inschriften: C. Vibius Celer — frum. ac. d. VII ostio XV (Fabrett. 234, 617,
jetzt im Mus. Borbon. [C. I. L. VI 10225]); C. Sergius C. f. Aldmus — fruvientum
itccepit die X ostio XXXIX (Fabrett. 235, 618 [C. I. L. VI 10224]). Vgl. Henzen
tab. alim. p. 23. Unzweifelhaft sind die Arkaden der Porticus Minucia frumen-
taria (Becker Topogr. S. 621. Preller Regionen S. 168 [Jordan I 3 S. 546]) ge-
rieint, welche ebenso mit Nummern bezeichnet gewesen sein müssen, wie noch
jjtzt die Arkaden des Coliseo. — Dass deren 45 waren und dass der Sage nach
Itervius so viele Getreidebureaus errichtete, als er Jahre regierte, war uns bisher
rieht bekannt; nur wussten wir aus Aur. Vict. de viris ill. c. 7, dass die Frumen-
titionen von Servius zuerst eingerichtet wurden.
570 Über den Chronographen vom J. 354.
Tarquinius Superbus regnavit ann. xxv. Hie prior hominibus
invenit lautuinias tormenta fustes metalla flagella carceres exilia.
Ipse prior exilium meruit^ Inter duos pontes a populo Romano
fuste mactatus (est) et positus in eireo maximo^ sub delfinos.
Item nomina dictatorum^.
P. Cornelius Seipio Africanus. Fabius Maximus. Apulius Claudius.
Popilius Lenas. Yalerius Publicola. Pompeius Maximus. Enea»
Julius. Sulla Felix, Barbatus. Seipio Nasica. Aemilius Paulus.
Fabius, Cincinnatus. Decimus. Titus Marius, Plutatius Catus.
Marius Rutulus. Yalerius Corvinius. Cornelius Seipio, P. Decius.
Q. Fabius. Metellus Pius, Marius. Licinius Salinator. Curiu»
Dentatus. lulius Brutus.
Item imperia Caesarum.
C. lulius Caesar imperavit annos in menses vii dies vi*. Con-
giarium dedit X C. Occisus curia Pompeia.
1) Dies hat Isidor V, 27 [23] wörtlich ausgeschrieben : (Tarquinius Superbus}
pnai' latomias tormenta fustes metalla atqu£ exilia adinvenit et ipse piior ex regibus
exilium mefi-uit. — Aus derselben Quelle, der die Stadtchronik dies entnahm,
vermuthlich aus Sueton entlehnte es Eusebius beim J. 1470 : T. S. invenit vincula
verbera cippos carceres custoäias ligamina collaria catenas exilia damnationes ad
metalla (so der armenische Text); oder, wie Hieronymus übersetzt ['adhibito
fortasse in fustibus et lautumiis Chronographo': Zusatz in den Chron. min. S. 145J:
651 T. S. excoyitavit vincla taureas fustes lautumias carceres compedes catenas exilia
metalla; oder wie Cedren. I. p. 262 wohl aus Eusebius hat: e^evqs Seafia judoTiya^
^vXa siQxräg (pvXaxäg xloiov? Tiedag ulvoeig s^ogiag ^wcraAAa. Vgl. S. 568, 4.
2) Diese rohe Ciceronensage kommt hier allein vor: der (aus der Verban-
nung zurückgekehrte) letzte König sei auf der Tiberinsel (deren Entstehung mit
der Vertreibung der Tarquinier in Verbindung gebracht wird, Becker S. 651
[Liv, II 5J) zu Tode geprügelt und im Circus bestattet worden,
3) Dieser Lückenbüsser soll die Zeit der Republik vertreten; es sind Namen
berühmter Kömer ohne alle Rücksicht auf die Zeitfolge hier zusammengehäuft,
deren Berichtigung unnütz ist. Vgl. den ähnlichen Abschnitt iu der series regwn
bei Hieronymus p. 66 Rone. [I app. p. 3ö Schöne], der bei Euseb. fehlt und viel-
leicht aus einem besseren Exemplar unsrer Stadtchronik herrührt. Er beginnt:
Jlomae post exactos reges consules guotannis bini creati, et in maxima urbis cala-
mitate quandoque etiam creabatur dictatoi': daher die nomina dictaUn'um. [In den
Chron, min. S. 141, 1 wird bemerkt, daß diese Stelle des Hieronymus keine hand-
schriftliche Beglaubigung habe.] — Die Consularfasten, die beim J. 705 bemerken:
hoc usque dictatores fuerunt, deuten damit offenbar auf diesen Abschnitt; was
deswegen bemerkeuswerth ist, weil hier wieder eine Wechselbeziehung der
zweiten Abtheilung vom J. 334 und der ersten von 354 hervortritt (vgl. S. 609 [564]).
4) Von Cäsars Tode 15, März 44 drei Jahre sieben Monate sechs Tage zurück-
gerechnet führt auf das Datum der Schlacht bei Pharsalus (9. Aug. 48), von wo
über den ChroiK^raphen vom J. 354. 571
Divus Octavianus Augustus imp. ann. lvi. m. im d. unum. Gong. 646
ded. ter X CCCLXIIS K Hoc imp. navis Alexandrina primum in
portu Romano introivit nomine Acatus, qui attulit frumenti modios
CCCC, vectores MCC, piper, linteamen, carta, vitria et opoliscum
cum sua sibi base, qui est in circo maximo, altum pedes LXXXVJLIS^.
Excessit Xola.
Tiber iu8 Caesar imp. ann. xxii m. vii d. xxviii. Cong. dedit
X LXXIIS. Hoc imp. in civitate Fidenis populo spectante amphi-
theater mit et oppressit homines iiliccv'. Excessit Miseno.
C. Gallicula imp. ann. iii. m. viii. d. xii. Cong. dedit X LXXIIS
et de basilica lulia sparsit aureos et argenteos, in qua rapina
perierunt homines xxxii (mulieres) [cgxlvii et spado*. Occisus
Palatio.
Tiberius Claudius imp. ann. xiii m. viii d. xxvii, Cong. dedit
X LXXY^. Hoc imp. primum venenarii et malefici comprehensi
auch die aera Caesariana beginnt. (Eckhel D. N. 4, 400). Die genauen Angaben
aber die Regierungsdauer in unserer Stadt chronik sind wohl zu beachten; eine
jede derselben zu prüfen ist hier nicht möglich.
1) August gab (uach dem mou. Ancyr. tab. III [p. 60 ed. 2]) drei Congiarien
von je 400 Sesterzen und 60 Denare sportulae bei der dediictio in forum des
L. Cäsar ; dass die St. Chr. letzteres Geschenk nicht als congiarium mitzählt,
entspricht dem mon. Ancyr. Die Gesammtsumme ist nach dem mon. Ancyr.
360 Denare; wenn unsre Chronik .362'« rechnet, so kommt dies daher, weil sie
mit Sueton Aug. 41 die sportulae nicht zu 60 Denaren, sondern zu 250 Sesterzen
ansetzt. [Vgl. Chron. min. S. 145.]
2) Interessant ist die Notiz über das gewaltige ägyptische Lastschiff Acatus
(axaro? I, welches den Obelisk des Circus (jetzt auf Piazza del popolo) mit seiner
Base, 1200 Passagiere, 400000 Scheffel Weizen und andere ägyptische Waaren:
Pfeffer (Plin. H. N. 6, 23 [105] i, Byssus, Papyrus, Nitrum (Plin. 31, 10 [106 ff'.];
nitria, nicht vitria hat die Hdscbr. [nach den Chron. min. S. 145, 17 vielmehr
doch vitria]) nach Rom brachte. — Dies ist dasselbe Schiff, welches Claudius
nachher da, wo er den Leuchtthurm anlegen wollte, ins Meer versenkte. Saet-
Claud. 20. Preller a. a. 0. S. 13.
3) Tacit. Ann. IV, 62. 63. Suet. Tiber. 40. Gros. VII, 4. Cluver. Ital. ant.
p. 656. Tacitus spricht von mehr als 50000 Verwundeten und Todten, Sueton
von 20000 Todten; die Zahl von 4205 Getödteten, wie unsre Chronik sie giebt,
hat ein weit glaubwürdigeres Ansehen als diese beiden Angaben.
4) Ueber diese Siiendungen vom Dach der Basilica lulia (über welches die
vcm Capitol nach dem Palatin geschlagene Brücke geführt sein wird, Becker
Top. S. 393. S. 4;31. A. 879.) vgl. Suet. Calig. 37. Die Zahl der Getödteten ist
vermuthlich corrupt; vielleicht stand homines XXXII, mulieres CCXLVII
et »pado.
5) Dies bestätigt Dio 60, 25.
572 Über den Chronographen vom J. 354.
sunt; homines XLV, mulieres lxxxv ad supplicium ductisunt^. Hie
metas in circo maximo deauravit^. Excessit Palatio.
Nero imp. ann. xiiii menses v dies xxviii. Cong. dedit X C.^ Hoc
imp, fuit polyfagus natione Alexandrinus nomine Arpocras, qui
manducavit pauca: aprum coctum, gallinam vivam cum suas sibi
pinnas, ova c, pineas c, clavos galligares, vitrea fracta, thallos de
scopa palmea, raappas im, porcellum lactantem, manipulum feni,
et adhuc esurlens esse videbatur*. Nero occisus via Patinaria ^
Galba imp. m. viii d, xii. Cong. promisit sed non dedit. Hie domum
suam deposuit et horrea Galbae instituit^. Deeolatus foro i^o-
mano iaeuit.
Otho imp. dies xc. Ipse se Brixellis interfeeit.
Vitellius imp. m. viii. d. xi. Occisus Palatio.
Divus Yespasianus imp. ann. xii. m. viii. d. xxviii. Congiarium dedit
X LXXV. Hie prior tribus gradibus amphitheatrum dedicavit".
Excessit Curibus Sabinis.
Divus Titus imp. annos . , Hie
amphitheatrum a tribus gradibus patris sui duos adiecit. Excessit
Curibus Sabinis cubieulo patris.
Domitianus imp. ann. xvii. m. v. d. v. Congiarium dedit ter X LXXV*.
Hoc imp. multae operae publicae fabricatae sunt^: atria vii, horrea
1) Tacit. Ann. XII, 52: de viathematicis Italia pellendis factum actum atrox
652 et irritum. Dasselbe wurde unter Tiberius beschlossen, wobei ebenfalls Hin-
richtungen stattfanden. Tac. Ann. II, 32.
2) Suet. Claud. 21. Becker Top. S. 666.
3) Suet. Ner. 10: divisis populo viritim CCCC nummis. Tac. Ann. 13,21.
4) Dieser Harpokras muss derselbe ägyptische polyphagus sein, dem Nero
lebendige Menschen zum Frass vorzuwerfen den Gedanken gehabt haben soll
(Suet. Nero 37). Vgl. unter Sev. Alexander den Bericht über einen ähnlichen
Vielfrass, der nach den Speisen auch die Behälter und die Tischtücher so wie
die Palmenwedel, womit man den Tisch abfegte, verschlang; ferner Vopisc.
Aurel. 50. über einen solchen Fresser aus der Zeit Aurelians.
5) Die via Patinaria kommt nur hier und im Summarium des Reg. Verz.
vor; sie muss zwischen der Salaria und Nomentana gesucht werden (Suet.
Nero 48). S. Preller Reg. S. 228.
6) Wegen der horrea Galbiana s. Preller S. 102. [Jordan ISS. 175 f.]
7) Zu denen Titus nachher noch zwei fügte, s. daselbst. Vgl. besonders
die Arvaltafel XXIII, wo den Arvalbrüdem und ihrer Dienerschaft Plätze in drei
Gradus angewiesen werden: im maenianum primum — im maenianum summwn
secundum — im maenianum summum in ligneis.
8) Suet. Domit. 4 : Congiarium populo n. CCC ter dedit.
9) Das nun folgende Verzeichniss ist ausgeschrieben theüs von Eutrop 7, 23,
der nur das Capitol, das forum transitoiitim und das Stadium bei Sueton. Dom. 5
fand', die divorum porticus und das Iseiim und Sei'apeum aus unserm Kataloj:
über den Chronographen vom J. 354. 573
piperataria ubi modo est basilica Constantiniana et horrea Vespasiani^,
templum Castorum et Minervae^. portam Capenam, gentem Flaviam,
Divorum^, Iseum et Serapeum, Minervam Chalcidicam, Odium*,
Minuciam, veterem Stadium, et thermas Titianas et Traianas^,
zugesetzt haben wird, theils von Hieronymus (p. 443 Rone. [z. J. Abr. 2105], s.
den Anhang [Chron. min. I S. 417]) und dieser wieder copirt von Prosper p. 570
Rone, und Casaiodor p. 198 Rone. [Chron. min. II 140]. Die Ordnung der Gebäude
in der St. Chr. ist keine streng locale, doeh sind gewisse locale Gruppen er-
kennbar. So liegen die Gebäude von Divorum particus bis zum Stadium alle in
der neunten, die Thermen des Titus und das Amphitheater in der dritten, die
drei folgenden Gebäude in der achten Region.
1) hwr hat die Handschrift, nicht forum, wie Roncalli hat. Ein forum
Vespasiani kennt man auch sonst nicht, so dass Becker S. 441 A. 912 sieh ge-
nöthigt sah, hier das templum Pacis zu verstehen, das aber keineswegs Domitian
erbaut hat. üebrigens kommen auch die Jiorrea Vespasiani nur hier vor. Hier,
hat durch Miss verstand niss Vespasiani templum aus den horrea Vespasiani, templum
Castorum gemacht.
2) Da die Stadtchronik ebenso wie das Curiosum von einem templum Casto-
rum et Minervae spricht und die Notitia dafür blos das templum Castorum nennt,
ist es wahrscheinlich, dass Domitian nicht neben dem alten Castortempel einen
Tempel der Minerva erbaute, sondern bei der Wiederherstellung von jenem
denselben den Castoren und der Minerva dedicirte. Hiedurch entgeht man der
grossen Schwierigkeit zwischen dem Vestaheiligthum und der Basilica lulia, da
wo noch jetzt die drei Säulen stehen, für zwei Tempel Platz zu gewinnen.
[Vgl. Jordan 1 2 S. 373, 81.]
3) Die Divorum porticus, welche auch Eutrop 7, 23 (und aus ihm Hieronymus)
anter Domitians Bauten nennt, und die ebenfalls blos als Divorum im Regionen-
verzeichniss in der neunten Region vorkommt, in der Gegend von S. Maria sopra
Minerva. Preller S. 178 will zwar im Regionenverzeichniss nicht die porticus
Divorum Domitians, sondern ein von Tacitus erbautes templum Divorum ver-
stehen, allein bei dem engen Zusammenhang und der Gleichheit des Sprach-
gebrauchs der Stadtchronik und des Regionenverzeichnisses (hier z. B. hat jene:
Divorum, Iseum et Serapeum, Minervam CJialcidicam, dieses: Is. et Serap. 31. Ch. D.)
iät unzweifelhaft an beiden Stellen dasselbe Gebäude zu verstehen und zwar
der von Domitian errichtete Säulengang, in dem die Statuen der consecrirten
Kaiser aufgestellt waren. [Vgl. jetzt Hülsen bei Jordan 13 S. 564fF.]
4) In der neunten Region, Preller S. 169 [Jordan I 3 S. 594f.]. Das hand-
schriftliche synodum ist sinnlos; wollte man an das forum transitorium denken,
so würde dieser halb in reg. IV, halb in reg. VIII belegene Platz (s, meine Äbh.
*• comitio Romano § XVIII [Hist. Sehr. II S. 29flf.]) hier unpassend zwischen
If ,uter Localitäten der neunten Region stehen. Das richtige odium giebt Hiero-
nymus, der hier die Stadtchronik ausgezogen hat.
b) In der dritten Region beim Amphitheater, wo Titus sie celeriter anlegte
(Suet. Tit. 7), Domitian sie ausbaute und Traian das (gewiss auch schon von
D imitiau begonnene) Frauenbad hinzufügte (S. 574, 5) : Becker S. 686 fg., der aber
nicht an eine Anlage von Trajan als Consul hätte denken sollen. [Vgl. jetzt
H ilsen a. a. O. S. 307 ff.]
574 Über den Chronographen vom J. 354.
amphitheatrum usque ad clypea^, templum Vespasiani et Titi,
Capitolium, senatum, ludos iiii^, Palatium, (micam auream)' metam
sudantem et Panteum. Occisus Palatio.
Nerva imp. ann. v. m. im d. unura. Gong. de. X LXXV et funera-
ticium plebi urbanae instituit X LXIIS*. Excessit hortis Salustianis.
Traianus imp. ann. xix. m. im. d. xxvii. Cong. dedit X DCL. Hoc
imper. mulieres in thermis Traianis laverunt^. vii. idus lulias
excessit Selinunti^.
647 Adrianus imp. ann. xx. m. x. d. xiiii. Cong. dedit X QC . Hoc imper.
templum Romae et Veneris fabricatum esf. Excessit Bais veteribus**,
Antoninus Pius imp. ann. xxii. m. viii. dies xxvm. Cong. dedit
X DGGc. Hoc imper. Circensibus Apollinaribus partectorum columna
ruit et oppressit homines qc cxii^. Excessit Lorio^".
1) In der dritten Region. Ueber die clipei s. Becker S. 682. A. 1495. Auf
den Münzen, welche das Amphitheater darstellen (s. die Abbildungen zusammen
bei Maffei Verona ill. V tav. 1. [vgl. Hülsen a.a.O. S. 283,3]), ist der oberste
Ring mit einem Kranze von Kugel eben geschmückt, welche eben diese clipei
sein werden; warum sie auf der Münze von Titus fehlen, erklärt unser Katalog.
2) Nämlich matutinus magnus Dacicus Gallicus, die die Regionarier in
reg. II. III. nennen. Da Hieronymus den ludus matutinus nennt, dürfte er in
seinem Text der St. Chr. die vier Namen gefunden haben, die jetzt fehlen.
3) Ich habe dies aus Hier, ergänzt; in unsrer Stadtchr. scheint mica vor
meta ausgefallen.
4) In dieser Stelle habe ich früher zu finden geglaubt, dass Nerva über
die Todtengilden der plebs urbana eine Bestimmung getroffen habe. Indess ist
bei dem funeraticium instituit vielmehr zu verstehen, dass Nerva im Testamente
einem jeden römischen Bürger, der seiner Beerdigung beiwohnte. Sportein von
^50 Sesterzen zu geben vorschrieb. S. meine Schrift de sodalic. et colleg. [Berl.
1843] p. 103.
5) S. S. 573, 5.
6) Trajans Todestag ist sehr bestritten (Tillemont note 28 über Trajan);
VII idus lul. = 9 Juli kann nicht richtig sein, da Hadrian in Antiochia den Tod
Trajans am 11. Aug. erfuhr. Vielleicht ist vii idus Aug. = 7. Aug. der wahre Tag.
7) Hieraus Hieronymus [z. J. Abr. 2147]: Templum Eomae et Veneris sub
Hadriatio in urbe factum.
8) Baiae veteres so wie die dadurch vorausgesetzten Baiae novae kommen
sonst nirgends vor.
9) Die drei ruina erwähnt auch Capitolin Ant. Pius c. 9. Das in. den
Wörterbüchern fehlende Wort partectum findet sich nur in unsrer Chronik, die
hier den Einsturz der partectorum columna, unter Diocletian den des partectoi'um
podius beide Male im Circus erwähnt. Es scheinen die Gerüste zu verstehen,
welche im Circus die hinteren Sitzreihen bildeten ^partectum fortasse fonuatum
est a JiaQaxexraivoi : conferri potest nagaaräg, naoräg (Vitruv. VI 10, 1)': Zusatz
iu den Chron. min. S. 146].
10) Zwölf Miglien von Rom an der aurelischen Strasse. Cluver. p. 521.
[Nissen, Ital. Landesk. II 1 S. 351.]
über den Chronographen vom J. 354. 575
Divus Verus imp. ann. vii. m. viii dies xii. Congiar. ded. 3t (xcc.
Hoc imper. scrofa porcellum peperit in effigiem elefanti. Excessit
Altino.
Marcus Antoninus imp. ann. xviii. m. xi. dies xiiii. Cong. ded.
X DcccL. Hoc imper. instrumenta debitorum fisci in foro Romano
arserunt per dies xxx^. Excessit Pannonia superiore.
Commodus imper. ann. xvi. m. viii. d. xir. Cong. dedit X dcccl^.
Hoc imp. thermae Commodianae dedicatae sunt^. Excessit domo
Yictiliana.
Pertinax imper. d. lxxv. Congiarium dedit X gl*. Excessit Palatio.
lulianus imp. dies lxv. Occisus Palatio.
Divus Severus imp. an. xvii. m. xi. dies xxviii. Cong. ded. X QO c.
Hoc imper. Septizonium et thermae Severianae dedicatae sunt^
Excessit Britaniae.
Oeta imp. menses x dies xii. Occisus Palatio.
Antoninus Magnus imp. ann. vi. m. 11. dies xv. Cong. dedit X cccc.
Hoc imp. ianuae circi ampliatae sunt et thermae Antoninianae
dedicatae sunt^. Hie suam matrem habuit'. Excessit interEdessam
et Carras.
Macrinus imp. anno uno menses im d. 11. Cong. dedit X cl*. Hoc
imp. amphitheater arsif. Occisus Arcelaida^".
1) Africanus: rd xe Srjfiöoia reh] avrjy.av xai xovg rä>v xosäv xagrag i:ii z^^
'Fcofianoias dyoocig xaretpXs^av (s. Syncell. p. 667; ebendaher Eusebius Hieronymus
Cassiodor). Dio LXXI, 32. Spanhem. de usu et praest. II. p. 552. Tillemont If.
p. 390. — Wörtlich aus unsrer Stadtchronik schöpften die sog. fasti Hydatiani,
die aber das Factum irrig beim J. 218 unter Caracalla eintrugen [Chron. min.
I 226]: Eis conss. instrumenta dehitwum fisco in foro Bomano arserunt per
dies XXX.
2) Lamprid. Comm. 16. hat eine etwas niedrigere Summe, 725 Denare.
3) Hieraus Hieronymus [z. J. Abr. 2199] : Thermae Commodianae Bomae factae.
Tgl. Chr. Pasch, p. 492 : Oiouai Kofifiodiaval ev 'Ptöfuj dq^ieQwdrjaar. Lamprid.
Comm. c. 17. Becker S. 689.' Preller S. 114. [Jordan I 3 S. 217 f.]
4) Sein Congiarium von 100 Denaren erwähnen Dio 73, 5. Capit. Pert. 15. 654
5) Hieraus Hieronymus [z. J. Abr. 2216] : Severo imperanie thermae Severianae —
Bomae factae et Septizonium exstructum. Vgl. über jene Becker S. 690. Preller
?. 114[. Jordan ISS. 217], über dieses Becker S.434. [Hülsen bei Jordan a. a. 0.
S. lOOfiF.]
6) Hieraus vielleicht Hieronymus [z. J. Abr. 2231]: Antoninus Bomae thermas
sd nominis aedificavit (vgl. Eutrop. 8, 20).
7) Spartian. Carac. 10.
8) Ebenso berichtet Dio 78, 34 über diese Spende.
9) Dio 78, 25. Becker S. 682.
10) Archelais in Cappadocien.
576 Über den Chronographen vom J. 354.
Antoninus Eliogaballus imper. annos vi. m. viii. dies xviii. Cong.
ded. X CCL. Eliogaballium dedicatum est^. Occisus Romae.
Alexander imper. ann. xiii. m. viii. d. ix. Cong. dedit X dc. Hoc
imp. fuit polyfagus natione Italus qui manducavit pauca: cistam,
lactucas, vascellum sardinarium , sardas x, melopepones lxx, tallos
de scopa palmea, mappas im, panes castrenses im, cistam, cardos
cum suas sibi spinas, et ebibit vini grecanicum'^ plenum et venit ad
templum lasurae ^ et ebibit labrum plenum et adhuc esuriens esse
videbatur. Et thermae Alexandrinae dedicatae sunt*. Alexander
occisus Mogontiaco.
Maximinus imp. ann. iii. m. im. d. duos. Cong. ded. X gl. Hoc
imp. magna pugna fuit cum Romanis et praetorianis 5. Occisus
Aquileia.
Duo Gordiani imper. diesxx^. Excesserunt Africae.
Pupenius et Balbinus imper. dies xcix. Cong. dederunt X cci.
Occisi Romae.
Gordianus imper. ann. v. m. v. d. v. Cong. ded. X gcgl. Hoc imp.
mula hominem comedit. Agonem Minervae instituif. Excessit
finibus Partiae.
Duo Philippi imper. ann. v. m. v. dies xxix. Cong. ded. X ggcl.
Hi seculares veros in circo maximo ediderunt^. Occisus senior
Verona, iunior Romae in castris praetoriis.
1) Hieraus Hieron. [z. J. Abr. 2236]: Heliogahalum templum Botnae aedificatum.
Vgl. Becker S. 435.
2) graecanici eadum?
3) ['id est deae Syriae (Jordan in Hermae vol. 6 p. 314)': Zusatz in den
Chron. min. S. 147.]
4) Hieraus Hier. [z. J. Abr. 2243]: Thermae Alexandrinae Eomae aedificatae.
Vgl. Becker S. 685. [Jordan I 3 S. 591.] Eutrop. 7, 15: Aedificavit (Nero) Romae
thermas, quae ante Neronianae dictae nunc Alexandrianae appellantur (daraus
Cassiodor) schöpfte diesen Zusatz zu Sueton, den er sonst hier ausschreibt, ent-
weder aus der Stadtchronik, oder aus der vita Alexandn (vgl. Lamprid. Alex. 25).
[Die zweite Möglichkeit ist in den Chron. min. 147 nicht erwähnt.]
5) Besser Eomanis cum praetoi'ianis. Tillemont III. p. 236 (art. 9).
6) Dies scheint die richtige Angabe, nicht m. VI, wie (nach der richtigeren
Lesart) bei Capitol. Gord. c. 16 steht. S. Tillemont note 4 sur l'empereur
Maximin.
7) Aurel. Vict. Caes. 27 : lustri certamine, quodN ero Bonuim invexerat, aucto
firmatoque. Ueber diese Neronia vgl. Tac. Ann. XIV, 20. dial. de orat. 11. Suet.
Nero 12.
8) Hier scheint ausgefallen, was Hier, [z, J. Abr. 2263] aufbewahrt hat:
Agon mille annoi'um actus.
über den Chronographen vom J. 354. 577
Decius imper. annum unum m. xi d. xviii. Cong. ded. X gcl. Hoc
imp. therraae Commodianae ^ dedicatae sunt. Occisus praetorio
Abrypto ^.
Gallus et Yolusianus imper. ann. ii m. im d. ix. Cong. dedenint 648
5 GCL. His imp. magna mortalitas fuit^. Occisi in foro Flamini.
Aemilianus imper. dies lxxxviii. Occisus ponte Sanguinario*.
Gallienus cum Yaleriano imper. ann. xnii. m. im dies xxviii. Yale-
rianus occisus in Syria. Gallienus cong. dedit 5 oc ccl et binionem
aureum^. Occisus Mediolano.
Claudius imper. ann. unum m. im d. xiiii. Cong. dedit X gcl. Ex-
cessit Sirmi.
Quintillus imp. dies lxxvii. Cong. promisit sed non dedit. Occisus
Aquileia.
Aurelianus imp. ann. v. m. im. d. xx. Congiarium dedit X d. Hie
muro urbem cinxit, templum Solis et castra in campo Agrippae
dedicavit, genium populi Romani aureum in rostra posuit. Porticus
termarum Antoniniarum arserunt et fabricatum est, Panem oleum
et sal populo iussit dari gratuite ®. Agonem Solis instituit'. Occisus
Caenophrurio ^.
Tacitus imper. m. viii. dies xii. Occisus Ponto.
Florianus imper. d. lxxxviii. Occisus Tharso.
Probus imper, ann. vi. m. ii. d. xii. Hoc imp. senatores agitaverunt
in Circo maximo missos xiiii^. Occisus Sirmi.
1) Sehr, ['exspectamus' Chron. S. 147] Decianae. Becker S. 691. Preller
S. 201. [Jordan I 3 S. 163.]
2) In Mösien. S. Tillemont III. p. 285.
3) lieber diese Pest s. Tillemont III. p. 288.
4) Vielleicht bei Spoleto. Cluver p. 631. Tillemont III. p. 292.
5) Vermutblich sind die grossen Goldmünzen mit VIRTVS. GALLIENI.
AVGVSTI. gemeint, die zum Theil mit COS. II bezeichnet sind, also ins Jahr 255
gehören. Eckhel VII, 390. 415. [Cohen, med. imp.^ V p. 457. 461.] Die Münzen
Eckhel VII, 406 [Cohen a. a. 0. 364] sind nach Typus und Aufschrift (DONA.
AVG.) zur Erinnerung an dies Donativ geschlagen. Jene Goldstücke sind
Doppelaurei von 50 Denaren, die ungemein selten geschlagen wurden und bei
den Schriftstellern sonst nirgends vorkommen (vgl. Letronne consid. p. 69).
6) Aurelian gründete die bleibenden und sogar vererblichen tesserae frumen-
iariae. Vopisc. Aurelian. 35. 47., wo auch der Oelvertheilung gedacht wird.
[Vgl. 0. Hirschfeld, Philol. 29 (1870) S. 20 f.]
7) Hieraus Hier. [z. J. Abr. 2291]: Primus agon Solis ab Aurdmno instituUts.
8) Kaivov (pQoi'Qiov zwischen Byzanz und Heraklea. Tillemont III. p. 404.
9) Das Zeichen zum Rennen mit der Mappa zu geben war ein Vorrecht
der Magistrate (Suet. Nero c. 22), welches also zu denen mit gehörte, die Probus
dem Senat einräumte (Vopisc. Prob. 13. Tillemont IIL p. 424).
MOMMSEN, SCHK. VlI. 37
578 Über den Chronographen vom J. 354.
Carus imp. m. X. d. v. Excessit Seleucia Babyloniae.
Carinus et Numerianus imper. ann. ii menses xi. d. ii. Cong.
ded. 5 D. His imper. fames magna fuit^ et operae publicae arse-
runt senatum, forum Caesaris^, basilicam luliam, et Graecostadium.
Occisus campo Margense^.
Diocletianus et Maximianus imper. ann. xxi. m. xi. dies xii. Cong.
dederunt S QC dl. His imper. multae operae publicae fabricatae
sunt: senatum, forum Caesaris, basilica lulia, scaena Pompei,
porticos II, nymfea iii, templa ii Iseum et Serapeum, arcum novum,
thermas Diocletianas. Sparserunt in circo aureos et argenteos.
Partectorum podius ruit et oppressit homines xITi; et mulier nomine
Irene peperit pueros tres et puellam. Regem Persarum cum
Omnibus gentibus et tunicas eorum ex margaritis numero xxxii
circa templa domini posuerunt*. Elephantes xiii, agitatores vi,
equos CGL in urbem adduxerunt -'. Excessit Diocletianus Salonas,
Maximianus in Gallia.
Constantius et Maximianus** imp. ann. xvi m. viii. d. xii. Cong.
dedit bis X qo d. Constantius excessit in Gallia "', Maximianus in
Dardania.
Severus imp. ann. in. m. im. d. xv. Ipse se interfecit via Latina
miliario iii^.
Maxentius imper. ann. vi. Hoc imp. templum Romae arsit et fabri-
catum est. Thermas in palatio fecit et circum in catecumbas.
1) Fasti Hydat. ad a. 284 [Chron. min. 1229] Caro II et Numeriano: his
conss. magna fames fuit.
2) Patrimonium ist Glossem eines Abschreibers [überliefert ist: forum Caesaris
Patrimonium], der das forum desshalb Caesaris genannt glaubte, weil es dem
Kaiser gehöre. Dass Preller S. 143 daraus atrium Minervae macht, ist nicht zu
billigen, um so weniger, als unter Diocletian, wo dieselben Gebäude als wieder-
hergestellt vorkommen, Patrimonium oder etwas ähnliches nicht wieder erscheint.
3) Bei Viminacium in Mösien. Tillemont t. IV p. 6.
655 ^) Vermuthlich zur Erinnerung an den triumphirenden Einzug Diocletians
und Maximins in Rom, worin die Bilder der besiegten Völker, namentlich der
Perser, und die Gattinnen, Schwestern und Kinder des Narses aufgeführt wurden,
Eutrop. VIII, 27. Tillemont IV p. 48. Diese perlengeschmückten fercula wird
man später in den Tempeln aufgestellt haben, wahrscheinlich in den capito-
linischen, wohin der Festzug ging. Domini ist Zusatz eines christlichen Copisten.
5) Muss sich auf denselben Triumph beziehen.
6) Nämlich Galerius Maximianus.
7) Abweichend von der gewöhnlichen Erzählung, wonach er zu York in
England stirbt. Tillemont IV p. 91.
8) Severus Tod wird sonst anders berichtet. Tillemont IV, 99 und note 10
sur Constantin.
über deu Chronographen vom J. 354. 579
Farnes magna fuit^. Romani traxerunt militem Moesiacum et
occisi sunt Romani a militibus homines vi 2. Romanis omnibus
aurum indixit et dedenmt^. Fossatum apeniit, sed non perfecit*.
Occisus ad pontem Mulvium in Tiberim.
Maximianus imper. ann. ix. m. viii. d. vi. Occisus Tarso.
Licinius imp. ann. xv. m. im. d. xvi. Occisus Thessalonica.
1) Tülemont IV p. 121.
2) Ein Soldat, der die Göttin Fortuna gehöhnt hatte, wurde von der
römischen Plebs erschlagen, worauf die Soldaten unter den Plebejern ein Blutbad
anrichteten. Tülemont t. IV p. 121. Dass der Soldat ein Mösier war und durch
die Strassen geschleift ward und dass 6000 Bürger dabei umkamen, lernen wir
aus nnsrer Chronik.
3) Aur. Vi ct. 40, 24: uti — pritnus instüttto pessinw munerutn specie patres
aratoresque (also alle Römer, wie unsre Chronik sagt) pectmiam conferre sibi
rogaret. Tülemont 1. c.
4) Dass Maxentius sich auf eine Belagerung vorbereitet und die Stadt ver-
proviantirte, ist sonst bekannt (Tülemont IV p. 123. 124); hier erfahren wir,
dass er auch Gräben zu ziehen begann, um die Stadt in Vertheidigungsstand
zu setzen.
Ö7«
LXV.
Die armenischen Handschriften der Chronik
des Ensebius.*)
321 Für den armenischen Text der Eusebischen Chronik kommen
drei Handschriften in Betracht:
G bei Petermann, die um 1 790 im Auftrage der Venezianer Mechi-
taristen angefertigte Abschrift einer damals, angeblich aus Jeru-
salem, in die Bibliothek des armenischen Seminars in Con-
stantinopel überbrachten Handschrift. Die Abschrift befindet
sich in Venedig im Mechitaristenkloster und ist dort von Peter-
mann sorgfältig verglichen worden. Eine zweite in gleicher
Weise entstandene Abschrift umfasst nur die ersten Blätter
(Petermann bei Schöne 1 p. 59 A. 6). Gefertigt sind die Ab-
schriften, nach Petermanns, wie es scheint aus den Acten der
Mechitaristen herrührenden Angaben, von dem Lector Georg
Johannesean in den Jahren 1790 — 1793; auf Grund dieser Ab-
schriften hat Avger (oder nach der jetzigen Aussprache Avker,
italianisirt Aucher) nach seiner eigenen Angabe, schon 1795 die
lateinische Uebersetzung fertig gestellt — er bringt die vom
6. Mai 1795 datirte Druckerlaubnis bei. Nachher während seines
siebenjährigen Aufenthaltes in Constantinopel 1802—1809 hat]
Avger die Handschrift selbst in Händen gehabt; dass er die]
Abschrift mit dem Original collationirt hat, sagt er nicht undj
ist auch nicht wahrscheinlich, da weder die Handschrift G nochl
die darauf gebaute Ausgabe Spuren einer Nachvergleichungj
zeigen. Der von Avger gedruckte armenische Text (E Peter-
mann), sowie Avgers lateinische Uebersetzung (Ä Pet.) und nichtl
minder die aus denselben MateriaHen geflossene Uebersetzungj
Zohrabs (Z Pet.) kommen neben G für die Kritik so gut wie}
*) [Hermes 30, 1895, S. 321—338.]
Die armenischen Handschriften der Chronik des Eusebius. 5Sl
gar nicht in Betracht, nur dass, da Petermann die Lesungen
der Handschrift G blos für den lateinischen Apparat veröffent-
licht hat, der Text E, dessen Mangelhaftigkeit eben diese
Collation erwiesen hat, zur Zeit nicht entbehrt werden kann.
^ bei Petermann, geschrieben in Tokat im Jahre 1696, um 1854 322
daselbst für dieselben Yenezianer Mechitaristen erworben und
von Petermann ebenso wie G für den lateinischen Apparat ver-
glichen.
E Handschrift des Klosters Ejmiatsin n. 1 724 ^, von der Petermann
(vol. 1 p. XI, vol. 2 p. LH) eine kleine Probe gegeben hat;
Abschrift der ersten 14 Seiten der Handschrift sowie Tergleichung
einer grösseren Anzahl ausgewählter Stellen und der Jahres-
zahlen der Chronik, ferner photographische Facsimiles hat der
Pater jenes Klosters, Galust Ter Mkrtcean auf Verwendung der
Herren Belck und Lehmann mir zur Verfügung gestellt. Herr
F. Justi in Marburg hat sodann sich der Mühe unterzogen diese
armenische Probecollation zu übersetzen und die Lesungen in
dem Sinn zu ordnen, dass das Verhältniss der drei Handschriften
danach bestimmt werden kann. Diese Gruppen sollen hier mit-
getheilt werden, bevor das Ergebniss dargelegt wird. Die Citate
der Schöne -Petermannschen Ausgabe sind vorangestellt, wobei
der erste Band und die series regiim (Schöne app. I des ersten
Bandes) nach Seite und Zeile, der zweite nach Jahren Abrahams
angeführt wird: daneben ist in runde Klammern der armenische
Text nach der von Galust benutzten Folio- und der von Justi ge-
brauchten Quart -Ausgabe nach Seite und Zeile citirt.*) Hinsicht-
lich der Transcription bemerkt Justi: ,Das armenische Alphabet
besteht aus den Buchstaben a b"g d e z e e t' z i P/ ts k h dz 1 c m
y n § 0 c p j r s w t r ts v p' k' ö f. Für u und ü wird nach dem
Vorbild des Griechischen ov geschrieben, iv für in, heute ü
gesprochen, z. B. in der Endung ovt'ivn (ut'iun, ut'ün), daher iv
auch für griechisch v. Für langes o steht theils ö. theils ow.'
Zunächst verzeichnen wir eine Reihe von allen drei Handschriften
gemeinschaftlichen Fehlern.
1) In dem von Karenian im Jahre 1863 publicirten, von Fehlem wimmelnden
Katalog der Handschriften von Ejmiatsin ist die unsrige, wie Petermann (H p. LHI)
richtig sah, als n. 1684 aufgeführt; aber die Angabe des Katalogs, dass dieselbe
im Jahre 1144 Arm. = 1695 n. Chr. geschrieben sei, bezieht sich auf n. 1683,
jetzt 1725, ein Exemplar von Eusebius Kirchengeschichte, und ist durch Con-
fusion auf die folgende Nummer übertragen worden.
*) [Für den Abdruck sind nur die Schöneschen Zahlen revidiert worden.]
582 Die armenischen Handschriften der Chronik des Eusebius.
32:5 p. 9, 3 (= 7, 12 =: 12, 7) 'i Parmibihlon EGN, aber in E durch
übergeschriebenes vt in 'i Pavtibiblon corrigirt, wie weiterhin immer
geschrieben ist.
p. 69,1 (=49,2 V. u. = 103,6) Meles] übergeschrieben in G,
Seles ENG (Text).
p. 103, 10 (= 78, 18 = 161 , 14) Äbdon ann. XXX ENG: ann. VIII
Avger nach dem Griech.
p. 103, 12 (= 78, 20 = 161, 16) ann. XX] ann. XL ENG.
p. 135, 36 (= 98, 22 = 201, 31) merots = nosfra] ENG.
p. 139, 16 (= 100, 3 V. u. = 207, 10) Sosorthus] ENG.
p. 163, 22 (= 115, 1 V. u. = 242, 4) XVJ ENG.
p. 178, 2 (= 124, 5 = 261, 2) K'arimedos] ENG.
p. 179,29 (= 126, 7 = 265, 15) Kovmemes (gesprochen Kume-
nies)] ENG.
p. 181, 5 (= 126, 23 = 266, 13) "i Timmin = in Timaeo ENG.
p. 183,23 (= 128, 12 = 270,4) Kravnavos EG, mit geänderter
Orthographie Krönavos N.
p. 183,26 (128, 16 = 270, 8) Nanaatsvots = Nanaidum ENG
statt Danaidum.
p. 185, 8 (= 128, 16 V. u. = 271, 5) Partiatsvots ENG statt
Spartanis.
p. 185, 14 (= 128, 9 V. u. = 271, 12) Timows E und wesentlich
gleich Tinows NG statt Minos.
p. 191, 15 (= 132, 1 = 278, 14) Engimioni ENG statt Endymion.
p. 193, 24 (= 133, 20 = 282,4) CCCCXIX ENG statt des rich-
tigen CCCCLIX.
p. 195, 6 (= 134, 2 = 283, 11) Antikle E{NG).
p. 197, 30 (= 136, 1 = 287, 14) Speron ENG.
p. 201, 13 (= 137, 20 = 290, 22) noijn = idem G am Rande,
Yoyn = lonius ENG.
p. 201,26 (137,9 V. u. = 291,15) Kamarinetsi G am Rande,
Katarinetsi ENG.
p. 205, 13 (= 139,5 V. u. = 296, 1) Petostramos ENG.
p. 207, 4 (= 140, 5 V. u. = 298, 6) Imandreatsi = Imandrius ENG.
p. 207, 11 (= 141, 6 = 298, 16) Lagas ENG statt Ladas: d und
g ähnlich.
p. 210, 1 (= 141, 4 V. u. = 300, 9) Kapos ENG statt Kapros.
324 p. 211,7 (= 143, 15 = 303, 7) in secundo ENG, von Avger
getilgt.
p. 213, 19 (= 144, 16. 15 v. u. = 306,7) Pasems ENG i
Pammenes.
Die armenischen Handschriften der Chronik des Eusebius. 583
p. 213, 19 (= 144, 16. 15 v. u. = 306, 7) Seandreay = in Seandria
ENG statt in Meandria.
p. 238, 9 (= 157, 24 v. u. = 332, 18) XLIII] ENG.
p. 239, 8 (= 158, 18 v. u. = 335, 3. 4) CLIX] ENG.
p. 295, 32 (= 189, 1 1 v. u. = 397, 10) et Marctmi et in Piso-
nem ENG.
A. 475 Musictis Euctei et Niphae filius] Nipa ENG (Peter-
mann n S. LIY Z. 10). ,Auch syrisch Nlpa neben Nimpä; vgl.
griechisch Nvcpecav ieoov der alten Inschrift von Siphnos CIG 2423 c
(Kirchhoff Studien zur Gesch. des griech. Alphabets S. 67)' Justi.
Synkellos und Hieronymus haben Nympha.
A. 481 fdio Deucalionis et Preal(k')] so ENG; Avger verbessert
Pmreay = Pyrrhae.
A. 538 Ämantes] ENG für Amyntas.
A. 710 Paleatos] ENG für Palaephatus.
A. 760 Diposeay] ENG statt Oedipi; ,die armenische Casusendung
hängt an der griechischen Nominativform OidL-io(v)g^ Justi.
A. S03 Amentes] ENG statt des (in armen. Schrift ähnlichen)
richtigen Amenemes.
A. 814 Tikenits (gen. j[>?.)] ENG statt Mycenis (Petermann 11,
LI, 23): m und t ähnlich.
A. 847 Palepos] ENG statt Palaephatus (Petermann U, LI, 23).
A. 864 Agenoraysn] ENG (womit im Widerspruch Avger in den
Errata Aden- als Lesung seiner Handschrift angiebt) statt Antenoris:
d und g ähnlich.
A. 882 Thometes a.] EG statt «. VIII.
A. 888 Aridemos] ENG statt Charidemus.
A. 952 Ik'sbion] ENG statt Ixion.
A. 1023 Mersipos] ENG statt Thersippus: m und t ähnlich.
A. 1227 TelPstos] ENG statt Telestas.
A. 1228 P'satmos] ENG statt Psammos: m und t ähnlich.
A. 1239 Actos] EGN statt Automenes.
A. 1258 Krine] EGN statt Cyrena.
A. 1278 Midam] EGN statt Midas: m und s ähnlich.
A. 1282 ams XIX] EG (wohl auch N) statt ann. LI; die Zijffern 325
sind unähnlich.
A. 1284 Lidikos] ENG statt Clidicus.
A. 1303 em assaria] ENG statt et (= dedit, Aorist von tat)
assaria.
A. 1326 Aseres] ENG statt AmPres (Petermann IL LI, 24): m
und s ähnlich.
584 Die armenischen Handschriften der Chronik des Eusebius.
A. 1333 y-evripatideantsn\ ENG statt ex eupatridis.
A. 1338 Stepinafri] ENG statt Stephinatis.
A. 1363 PWavontes] ENG statt Phraortes.
A. 1409 Ayerpos] ENG statt Aeropus.
A. 1 427 tragos travn] EG, tragos trönn N (av und ö nur ortho-
graphisch verschieden): Avger verbessert im Druck tragos tavav z=
Mrcus dabatur.
A. 1466 Koyisay] ENG statt Croesi.
A. 1470 Sijwrhos] ENG statt Superbus.
A. 1476 ivardapet i-fagavorats] =. paedagogus a regibus statt war-
dapet Pitagoray = mag ister Pythagorac.
A. 1484 Pandohostos] EGN statt Pantagnostus : ,in der neueren
Aussprache ist t zu d, g z\i k geworden' Justi.
A. 1532 Porpiliakos] ENG statt Pompilia Icoys (= virgo).
A. 1546 Süniakos] ENG statt Sünia koys {= virgo).
A. 1550 Bakfajides] ENG statt BakJcalides = Bacchylides.
A. 1573 Protvbagras] ENG {ow = o) statt Protagoras.
A. 1580 Karpanatsvots] ENG statt Campanorum.
A. 1597 ivistht {= calamitates)] EN, wistn {= calamitas) mit
untergeschriebenem Pluralzeichen G.
A. 1678 Armes] ENG statt Arses; m und s ähnlich.
A. 1687 z-Sonatsis und am Rande z-Savinatsis ENG.
A. 1688 Attalus in Asiam fugit cum Paulo {cum Polo N) et
Taxide] ENG mit falscher Stellung der Schlussworte.
A. 1695 leandros] ENG statt Menandros.
A. 1818 Skopanay E, Skoiionay G(N): ,nicht wesentlich ver-
schieden' Justi.
A. 2052 Mameay] ENG statt Memmii.
A. 2084 Steay] ENG statt Cestii.
A. 2097 Domitianus inJcn (== ipse) Sehaste appellatus est] ENG
statt Domitiani kinn (= uxor) Sehaste appellata est: eine in E bei-
gefügte Erklärung in = inJcnin ist undeutlich. m
326 A. 2123 Pilinios] ENG statt Plinius. -B
A. 2237 ar Yovlios arl'ay Aprikanosi (= ad lulium regem Afri-
cani) ENG statt ar arJi-ny Yovliosi Aprikanosi = ad regem, lulii
Africani.
ser. reg. p. 8 Aeg. dyn. XVI (= 13,36 = 24,21) Sehaijatsilc]
ENG statt Thehaidarum.
p. 9 Aeg. dyn. XXI, 3 (14, 11 = 25, 18) NelcrJ^ercs] ENG statt
NepJiercheres.
p. 12 Lac. 9 (= 17, 14 = 30, 9) Alkem^inos] ENG statt Alkamenes.
Die armenischen Handschriften der Chronik des Easebius. 5g5
p. 17 (== 21, 16 = 36, 15): Gaius Caesar interfedus est Nolae,
Augustus mortuus est in Palatio ENG; durch übergesetzte Zahl-
zeichen ist in EG in palatio zum ersten, Nolae zum zweiten Glied
gezogen.
p. 18 Kodomos\ ENG statt Commodus.
Hieran schliessen sich weiter diejenigen Stellen, in denen EN
besser oder vollständiger sind als G.
p. 55, 1 3 (= 40, 20 = 82, 27) die Worte z-or kargeats = quos
redegit stehen nach ^i kanonsn = in canonibus in EN und der un-
vollständigen Abschrift Avgers, fehlen in der vollständigen G, offenbar
nur aus Versehen.
p. 65, 30 (= 48, 17 = 99, 22) Davith EN, fehlt G.
p. 115, 2 (= 85, 17 = 174, 9) hramayer = iussit EN, fehlt G.
p. 125, 25 (= 90, 20 = 190, 3) t^tie .... Olimpiadis EN (Peter-
mann A. 1), fehlt G.
p. 137, 28 (= 110,4 = 205, 6) Wibenüs EN, Wihetis G: Obßiev&ig
Syncellus.
p. 181,8 (= 126, 26 = 267, 2) shishn arnel = initium fecisse
EN, nach Piatons emyeiQsTv^ skizbn ar = initium fecit G.
p. 183, 2 (= 127, 18 V. u. = 268,22) sub finetn . . . mortem (Peter-
mann A. 1) EN, fehlt G.
p. 189, 31 (== 131, 18 = 277, 7) fori ind = videtur mihi E, wie
Avger dazu vermuthet; tovi im = videtur aliquid G [N unbekannt).
p. 191, 16 (= 132, 2 = 278, 15) AMsinosi EN, Aleksiosi G:
AXe^vov Eusebius.
p. 215, 3 (=: 145, 5 V. u. = 308, 16) ev "i bowandaks = et inper-
fecto EN, fehlt in G: xal (t6) rekeiov Eusebius.
p. 223, 28 (= 151, 13 = 320,4) geben dem Egestrates 35 Jahre 327
EN, was mit der Summe stimmt, 37 G: 5 und 7 sind in armenischer,
namentlich cursiver Schrift leicht zu verwechseln.
p. 231, 37 ff. (= 155, 9 V. u. = 328, 18) wird von Galust nach EN
richtig also ergänzt: et filiorum Cassandri computantur anni imperii
a quarto anno centesimae et vigesimae olympiadis usque ad centesimae
vigesimae (primae eiusdem {tertium annum). Demetrium regnantem
annos VI inde a centesimae vigesimae primae olympiadis qtuirto anno
usque ad centesimae vigesimae) et tertiae olympiadis primum annum
Fyrrhus u.s.w., wo was in ( ) steht, in G fehlt, die beiden in ( ) ein-
gijschlossenen Worte in EGN fehlen und dem griechischen Text ent-
nommen sind. Darnach kommen auf die Jahre Kassanders Ol. 1 20. 4 —
586 I^iö armenischen Handschriften der Chronik des Eusebius.
Ol. 121,3, auf Demetrius 121,4—123,1. Eiusdem würde olyminadis
vertreten.
p. 239, 13 (=158,11 v.u. = 335,11) Levkios et AUlios JEN,
Leucippus et Acilius G: Aevxiog Aljuikiog der griechische Text. Die
Yerderbniss des ersten in EN richtig überlieferten Namens bei Avger
sieht nicht nach Schreibfehler eines alten armenischen Copisten aus,
sondern ist meines Erachtens einer der Beweise dafür, dass der
Avgersche Text (so wie der davon abhängige Zohrabs) von nicht
angezeigten conjecturalen Besserungen keineswegs frei ist.
p. 245, 29 (= 162, 16 = 342, 8) mensibusV EN, mensihusVII G.
p. 247, 12 sextum annum EN, annum fehlt G,
A. 508 OQ Ismayelatsvoyn = non Ismaelitae (gen. sing.) EN, or
"i Semeleay = qui ex Semele G: ov^l rov ex I^ejuekrjg Syncellus und
ebenso Hieronymus (vgl. auch zu Abr. 520). Ohne Frage ist die
Lesung von EN die echte des Uebersetzers, der freihch den Text
albern missverstand, die Avgersche Lesung, die die echte Negation
beseitigt und die Mutter des Dionysos Semele herstellt, eine Inter-
polation, deren sich ein alter armenischer Abschreiber nicht schuldig
gemacht haben kann, die aber recht wohl für Avger oder einen
seiner Gehülfen passt.
A. 525 i Dedos = quod in Dcdo EN, i Bel'pos = quod in Delphis G.
Dass hier vom delischen, nicht vom delphischen Apollo die Rede
ist, bezeugen Syncellus und Hieronymus ; der armenische Uebersetzer
hat allem Anschein nach in seinem Originale AHaDI statt AHAQl
gelesen. Hier aber haben wir es wiederum zweifellos mit einer
Literpolation der armenischen Gelehrten unseres Jahrhunderts zu
328 thun; diese konnten wohl aus dem ,dedischen' Apollo einen del-
phischen machen, nimmermehr aber kann eine solche Schlimm-
besserung einem alten armenischen Abschreiber zugetraut werden.
A. 670 KeJcores ann. XL EN, Kekropes ann. XLIV G.
A. 743 CCXL EN mit Hieronymus, CCXLI G.
A. 981 Samos condita est EN, fehlt G.
A. 1260 in Sicilia Silinus et Gängle conditae sunt EN, fehlt ('.
A. 1283 Messene a Lacedaemoniis capta est EN, fehlt G,
A. 1345 Libyeos ann. XCVI EN, ann. XCVI fehlt G.
A. 1358 DesJces] E, Deßes G (N nicht angegeben), verlesen
aus Aeoxrjg.
A. 1360 Jstoros EN, Istros G.
A. 1599 Alkibades EN, Alkibatcs G.
A. 1746 Epicurus dedessit EN, fehlt G.
A. 1969 liomanorum monarcha regnavit ann. IV mens. IV EN;
Die armenischen Handschriften der Chronik des Eusebius. 587
)ei Avger fehlen die Worte monarcha regnavit und für aim. IV
nens. IV steht wenigstens im armenischen Druck wie in der Ueber-
etzung ann. V, ob auch in der Handschrift G, ist zweifelhaft. Auch
lier ist die Editoreninterpolation zweifellos, da die Tafel dem Caesar
ünf Jahre giebt.
A. 20S0 2-Hoktabia EN, z-HoTcahia G.
A. 2123 itidem et Ignat'ms Antiochensiutn episcopus EN, et Ign.
ehlt G.
A. 2135 Achianus . . . . multis EN, fehlt G.
A. 2140 Armonikos EN, ar Armoikos G: ursprünglich wohl ar
Monikos = ad Mimicium.
A. 2181 Pisis . . . iecit EN, fehlt G.
A. 2317 hinter telis = locorum hat E isk (diese beiden Buch-
staben undeutlich) artatseloyn = iitique (?) superhientis und ebenso N,
edoch mit Weglassung der beiden undeutlichen Buchstaben, wodurch
V als Abschrift von E bestätigt wird.
Weit geringer ist die Zahl der Stellen, in denen EG besser
»der vollständiger sind als N.
p. 223, 10 f= 1 50, 1 2 V. u. = 317, 19) Agisilavos EG, Agislavos N.
A. 1100 nach dem ausgefallenen Blatt prophetabant Elia et
^lisaeus G, von N wohl absichtlich weggelassen als zum Fehlenden
;ehörig.
A. 1358 et Almaeon cognoscehatur EG, fehlt N (Pet. II, LII, 6). 329
A. 1376 gavazans = scepira EG, gazans = bestias N.
A. 2082 i-Sifia = in Isthmiis] EG, i-sidia N.
A. 2160 Mesodemes E, mesdemes (wesentlich dasselbe) G, fehlte.
Auch die Zahl der Stellen, in welchen E richtiger oder voll-
täüdiger ist als GN, erscheint gering und ist wohl noch bedeutend
;eringer als sie hier erscheint, da in den meisten derselben es an
.usdrücklichem Zeugniss über N fehlt und das Schweigen Peter-
nanns, zumal bei einem nur der Uebersetzung angepassten Apparat,
liclit allzu beweiskräftig ist.
p. 107, 7 (= 80, 10 v. u. = 165, 26) datavoratsn = iudicum E,
agavoratsn = regum G{N).
p. 111,21 (= 83,8 = 171, 10) arkanel = suffocaret E, wie Avger
ennuthet hatte; ankanel = caderet NG.
p. 245,25 (= 161,20 = 340,25) anisxanovfivn er = anarchia
rat E, -fean er = anarchiae (Genetiv) G(N).
588 1^16 armenischen Handschi-iften der Chronik des Eusebius.
p. 291, 10 (= 186, 6 = 392, 9) TovUos OstiUos E, Tovlvos or
Stillos == Tullus qui Stilius und am Rande Otilios G; jene Lesung
scheint auch \^ zu haben. An einer zweiten Stelle ser. reg. p. 12
(= 16, 9 V. u. ^= 29, 24) haben alle drei Handschriften TovUos or
Stilios (auch E nach Galust, nicht, wie Petermann angiebt, Stilos).
ser. reg. p. 10,2 (= 14,8 v. u. = 26,21) Nephirites mens. IV
E, mens. III G(N).
ser. reg. p. 15 Med. 6 (= p. 19, 18 = 33, 14) Artavan mens. VII
E, ann. VII (GN).
A. 1684 0-Aornm E, z-Omin NG.
A. 2312 nach Alexandria nequivit resisfere Bomanorum exercitui
setzt E hinzu: coactique sunt ad fradendos seditionis atictores, was
bei Avger und Petermann sich nicht findet; Hieronymus, im Uebrigen
hier von Eutropius abhängig, giebt diese Worte wieder: interfectis
his qui auctores perduellionis extiterant.
Stellen, in denen N alleinstehend den Text von EG besserte
oder ergänzte, sind uns nicht begegnet. Dagegen giebt es eine
Anzahl solcher, in denen G das Richtige hat gegen EN:
p. 179,24 (=126, 1 = 265,9) Atrevs G, Artevs EN.
330 p. 181, 36 (= 127, 20 v. u. = 268,20) Andropompeay G, Andor-
pompeay EN.
p. 195, 19 (= 134, 16 = 284, 8) \ Epidaivratsi G, Epigaw-
p. 199,23 (= 136, 13 v. u. = 289, 8) ) ratsi EN.
p. 211, 32 1= 144, 5 = 304, 18) Tavromenatsl G, Tavram- EN.
p. 265, 19 (= 171, 1 V. u. = 360, 15) Anßiseay = Anchisae G,
Anißseay EN.
ser. reg. p. 1 1 Ath. 1 (= 16, 2 = 28, 12) Mcdon G, Makedon EN.
ser. reg. p. 1 1 Ath. 3 (= 1 6, 4 = 28, 14) Arßippos G, Ärßiapos EN.
A. 532 Pslesgatsis {= Pelasgos)] Asl- E, Oel- N (Petermann
p. LH 16): a und r ähnlich.
A. 562 F'inißs = Phoenix G, Ginih EN: g und /> ähnlich.
A. 600 Zefos] G, Getos EN: g und z ähnlich.
A. 618 ajme (sinnlos) EN, patme = narrat G (Petermann H, j
LH 11).
A. 704 "i Mikeans (statt -nas) G, "i Sikeans EN: s und m ähnlich, j
A. 1260 Treapesos G, Treapegos EN: z und g ähnlich.
A. 1354 Ardes G, Argeos EN: d und g ähnlich.
A. 1387 y- Ehrayetsis G, y- Erayetsis EN: ,die echt armeniscln
Form für Hehraeos ist Hreays'- Justi.
Die armenischen Haudschriften der Chronik des Eusebius. 589
A. 1771 Evergetes G, Ergetes EN.
A. 1772 sarsetsan = concussae sunt G und übergeschrieben in
E, sinetsan = conditae sunt E (im Text) N.
A. 2051 Trdelianos = Tertullianus G, Trgelianos EN: d und g
ihnlich.
A. 2123 Eron G, Ereon EN.
A. 2131 srhel {purgaret) Jianel (eiciendö) "i nahangen (= e pro-
incia G): in N fehlt hanel in freigelassenem Raum, ebenso in E,
vie es scheint ohne Andeutung der Lücke. Der Schreiber von N
vie Avger haben diese Lücke bemerkt, letzterer sie ausgefüllt,
»der gegen E allein, wo die Lesung von N nicht bekannt ist:
p. 187, 20 (= 130, 1 =271, 16. 18) ar oroiv = suh quo G, orow
ehlt E.
p. 190, 14 (= 130, 5 V. u. ^ 276, 5) ev or ine = et quaecumque]
V oc im = et non aliquid E.
p. 198, 13 (= 135, 16 = 286, 10) i/errord = tertio] yerhrord =
vcundo E.
p. 271, 31 (= 176. 19 = 370, 2) i Lavinion] i Lavinios E: s und 331
i ähnlich.
p. 273, 8 {= 177, 4 = 371, 18) Silovios] Sihvisos E.
ser. reg. p. 1 1 Ath. 17 (= 15, 1 v. u. = 28, 10) Kodros] Kogros E.
ser. reg. p. 11 Ath. arch. 4 (= 16,5 = 28, 15) Tersippos] T'reippos
E nach Galust, T'rmeippos nach Petermann.
ser. reg. p. 1 1 Lat. in. (= 16, 30 v. u. = 29, 3) Dimopneay G,
W.omfnneay E.
ser. reg. p. 15 (= 21, 10 = 33,28) annos CCXXXV] CC fehlt E.
A. 401 XXXI] XXX E.
A. 1351 manhtvoy {== puerorum)] maktvoy E unrichtig.
A. 1410 Afenatsvoy (= Atheniensis)] Afenatsvots (= Athenien-
ivm unrichtig) E.
A. 1 443 edav agon {= actus est agon)] ed agon (= egit agonem) E.
A. 1493 Angeos] Angeas E.
A. 1497 ayrs (= hie vir)] so G am Rande, hie G im Text, t7i>
Wger in der Uebersetzung, aysr unrichtig E.
A. 1498 Aristogiton] -diton E (g und d ähnlich).
A. 1619 Grilay (= Grylli)] Drilay E {g und d ähnlich).
V. 1697 l^eoprastos] Teoprados E.
\. 1799 XLII] XLVIII E.
A. 1802 Eratostenes] Eastofenes E.
A. 1993 Lolios] ZoUos E: l und z ähnlich.
A. 2085 a. IX m. XI d. XXII] a. X E: hier muss Avger, wie
590 I^iö armenischen Handschriften der Chronik des Eusebius.
bei Caesar (S. 328), die Ziffern nach Hieronymus geändert und Peter-
mann die Abweichung in N übersehen haben.
A. 2139 '^ Yadrianosi, y in neuerer Aussprache auch A] "i Tsadria-
■nosi E, y und ts ähnlich,
A. 2200 DovliJcianos] LovUfcianos E: d und l ähnlich.
A. 2272 PHaminay = Flaminii] P'^alminay E.
An einigen anderen Stellen bedarf der Text noch weiterer
Verification :
p. 193, 19 (= 133, 14 = 281, 18) für dexargsig ÖXvjumddag hat
E die Zahl LIII, N XIII, G LIII und am Rande XIII. Das
Zeichen L ist dem für X sehr ähnlich; die Besserung in beiden Ab-
schriften (6r hat sie im Text nur halb vollzogen) lag nahe, da die
14. Olympiade sogleich folgt.
332 ser. reg. p. 17 (= 18, 21 = 36 a. E.) Bemetianos EG, Bome-
tianos N: wenn kein Irrthum unterläuft, hat N hier gebessert, was
möglich ist, da der Name mehrfach vorkommt.
A. 618 Äntipiojn = Ätthidos E und ebenso, aber wie es scheint,
mit übergeschriebenem n, NG (Petermann 2, LI, 26) mit Yerwechselung
der ähnlichen Buchstaben p und t. Das n ist falsch und man sollte
erwarten, dass es auch in E über der Zeile steht; doch wird dies
nicht angegeben.
A. 1423 Epesinedes E und so haben wohl auch G (da Zohrab
Epesinedes giebt) und N (worüber nichts gesagt wird) statt Epimenides.
A. 1729 Lysimachus a. V hat Hieronymus; Livsimalcos ann. V ev
mniss (= L. ann. V et menses) E, L. ann. V et menses V N; G wie
Hieronymus. Sowohl N wie G scheinen corrigirt zu sein.
Schliesslich sollen hier noch eine Anzahl geringfügiger, meistens
blos orthographischer Differenzen aufgeführt werden, die wenigstens
beitragen werden die Beschaffenheit der Texte zu charakterisiren.
Allgemein ist hervorzuheben, dass die Handschrift E gegenüber der
Ausgabe die ältere Orthographie zeigt, namentlich für au der Hand-
schrift sehr häufig ö gedruckt ist. Ebenso ist nicht selten, um eine
Consonantenhäufung zu mildern, ein der Handschrift fehlendes e ein-
geschoben, z. B. für csdiv = cum cura gedruckt cesdiv.
p. 1,25 (= 2, 23 = 3, 1 1 . 12) ameneJcin = omnium] amenelcean E.
p. 5, 30 (= 5, 14 = 8, 17) amenesin =. onines] amenesean E.
p. 15, 6 (= 11, 13 V. u. = 22, 14) arnis = mascuUnas] arnatsis J
richtiger.
Die armenischen Handschriften der Chronik des Eusebius. 591
p. 31,3 (= 23, 8 = 45, 35) eöfanasn cttneay = LXX annorum]
evfan- E und so überhaupt bei dem Zahlwort 7 mit der altern Form.
p. 73, 41 (= 53, 7 V. u. = 110. 24) ayseafi = eiusmodi] ays
doppelt E.
p. 89, 7 (=68, 13 = 140, 2)1 .. , j, • . rn
p. 89, 35 (= 69, 1 3 = 142, 7) / ''"^''" *' = ''^^ ^ ""'"^"^ ^ ^'
p. 89, 38 (= 69, 15 = 142, 9) ams = annos fehlt E.
p. 93, 45 (:= 72,8 v. u. ^ 149, 14) prius quam ante XXX. annum]
Jean = quam fehlt E.
p. 107,2 (= 80, 17 V. u. = 165, 19) miangamayn] miatigamayn
(= simul) isJc (ipsos) E.
p. 121, 40 (= 90, 9 = 185, 6) arajnordi] arajnerordi E = in 333
{anno) primo: beides üblich.
p. 139, 24 (=111,9 = 207, 21) | piramidti] piratidn E: m und
p. 139, 40 (= 1 1 1, 6 V. u. = 209, 3) J t verwechselt.
p. 159, 13 (= 112, 12 = 234, 20) möti '/ M am = annos prope M]
-möt für möti E.
p. 163, 19 (= 115,4 V. u. = 241. 242) 'i tagavorovfivn] -tivnn E
mit Zusetzung des zweiten n, einer Art von Artikel.
p. 163, 30 (= 116, 15 = 243, 13) govmareal (Particip des Aorists
= gesammelt habend)] govmarel (Infinitiv statt des Finalzeitworts) E.
p. 169, 7 (= 118, 1 V. u. = 249, 11) Antonios] Antonia E =
{Marcus) Antonius.
p. 169,32 (= 119,7 V.u. = 250,12) AMsandriatj] z- AI. E mit
Torgesetztem Accusativzeichen.
p. 199, 31 (= 136, 1 V. u. = 290, 2) brnamaiikn = pugilatu]
hrnamartkin E unrichtig.
p. 201, 33 (= 138, 2 = 292, 4) osox = adversarium] ovsox E
unrichtig.
p. 205, 28 (= 140, 16 = 297, 2) 2- ivr = suam] s- am- = dieni
E unrichtig.
p. 211, 17 (= 143, 31 = 303, 20) '« Hrom = Romam] H fehlt E.
p. 2 1 9, 26 (= 1 48, 9 V. u. = 3 1 5, 3) matneal = tradentes] matnal E.
p. 223, 11 (= 150, 2 V. u. = 319, 29) Jean z L = (un)dequinqua-
ginta] z fehlt E.
p. 225, 7 (= 151,23 = 320, 14) tane — familia] tanen E mit
iZU-^esetztem Artikel.
p. 225, 36 (= 152, 1 0 = 321, 24) AMsandrosi = Alexandri] AleJc-
sandri E mit anderer Form des Genetivs.
p. 239, 18 (= 158, 5 v. u. = 335, 17) > Albe = Albam] 'y Alben
E mit Zufügung des Artikels.
592 I>ie armenischen Handschriften der Chronik des Eusebius.
p. 243, 10 (= 160, 4 V. u. = 340, 2) ordvoy = filii] ordvots =
fdiorum E unrichtig: y und ts oft verwechselt.
p. 283, 13 (= 183, 5 = 385, 14) Bovtovlatsis — liutulos] Bovtov-
latsits = Rutulis E.
p. 291, 17 (= 186, 12 V. u. == 392, 3) ts- Bomilos = usque ad
Romulum] '^ Bomilos E unrichtig.
334 p. 291 , 20 (= 187, 8 = 392, 22) fagavorafs = regum] z- ^agavorats
= reges (Accus.) E.
p. 291, 26 (187, 17 — 393, 5) Bomilay = Bomuli] Bomilos E mit
nicht flectirter griechischer Nominativform.
p. 293, 12 (188, 9 = 394, 18) Atenatsvoy = Ätheniensis] Ate-
natsvots = Atheniensium E.
ser. reg. p. 8 Sic. 18 (= 13, 18 = 24, 3) Lavomedoiv] Lama-
medow E.
ser. reg. p. 8 Aeg. dyn. 18, 11 (= 13, 10 v. u. = 24, 36) K'en-
Tceres^ K'enkeres E.
A. 545 fargmanovfeann = versionis] -tivn = versionem E.
A. 847 "i frier navavn = trieri navi] H fehlt E.
A. 889 tön = soUemnitas] tavnes E (av ■= ö und zugesetzter
Artikel).
A. 1 303 0- gongiarion = congiarium] -rionn E mit Artikel.
A. 1406 Arion] Ariown E.
A. 1427 2- tragowdeans = tragoedos] z- tragowdsean E.
A. 1471 Teognes] reognis E.
A. 1484 Samay] Sama E.
A. 1496 hnakelotsn = habitantium (Particip)] hnaJccatsn E (das-
selbe, Adjectiv).
A. 1537 T^ermovpivlis] GN, Termovpavlis E.
A. 1541 EsBlos] EsJcilos E.
A. 1563 Piaton] Platn E.
A. 1572 y- Afrikanoy] -nay E mit anderer Declination.
A. 1738 Gonatas] Gonatos E.
A. 1825 Termovpivlisn] -pavlisn E.
A. 1856 ß- Omapölis] z- Omopavlis E {ö = av).
A. 1928 i- pausten = ex fuga] i- pavsten E unrichtig.
A. 1928 z- soyn = eum] z- sayn E (dasselbe).
A. 1 962 paylatahmamb = fidmine] -momhlc E mit anderer Decli-
nation und Plural.
A. 2049 or i Urüits = quod ab Hehraeis] i fehlt E.
A. 2062 bivrovts = decem milium] bovrovts E ungenau.
A. 2079 sarzmambJc = terrae motibus] -mamb = terrae motu E.
Die armenischen Handschriften der Chronik des Eusebius. 593
A. 2081 yoicanakakans = puUinos] yotcanakans E fehlerhaft.
A. 2093 hanel = educerent] Jianeal E (dieselben Formen wie die
zu 163, 30 angeführten).
A. 2109 z- püisopay = philosophos] z- püisopays E richtig.
A. 2110 Dometianosiv] Demet- E. 335
A. 2121 Kitos = Quietus] V Kitos = a Quieto E.
A. 2292 merovm ocoys (Dativ) =: adversum nostram religionem]
meroy ocoys (Genetiv) E.
l^ach diesen ausgiebigen Proben scheint es mir festzustehen,
dass uns die Chronik durch die Handschrift E überliefert ist und
sowohl N wie G aus dieser abgeschrieben sind. Es werden die
folgenden Sätze sich aufstellen lassen:
N hat gegenüber E nichts Eigenes von TVerth. Ganz richtig hat
Petermann bemerkt, dass iV näher mit E stimmt als G und auch
Galust hat dies betont; aber es zeugt dies eben nur für die
grössere Genauigkeit der älteren Abschrift. Nicht mit Recht
hat Petermann die Lesungen und die Zusätze von N grossen-
theils aus dem Text entfernt; die Handschrift ist von Inter-
polationen frei und von den bis jetzt genügend bekannten
die beste.
G das heisst Avger oder vielmehr der Lector Georg (S. 321 [580])
hat allerdings an einer Reihe von Stellen allein das Richtige; aber
bei genauer Prüfung erweisen sich diese Besserungen als con-
jecturale. Wie frei Avger den Text behandelt hat, zeigt schon
das Yerhältniss seines Druckes zu seiner Abschrift; aber auch
in der letzteren ist sicher nicht selten stillschweigend gebessert,
wie dies für die Stellen p. 239, 13, A. 508. 525 oben S. 327 [586]
nachgewiesen ist. Mir ist nicht eine einzige Stelle begegnet, wo
die an sich bessere Lesung von G nicht mit Wahrscheinlichkeit
als Conjectur aufgefasst werden könnte.
JSG sind unter sich nicht enger verwandt; wo dies der Fall zu sein
scheint, z. B. bei der Weglassung der Schlussworte A. 2312,
muss entweder ein Collationsversehen vorliegen oder der Zufall
sein Spiel getrieben haben.
Für die Geschichte der Handschriften ergiebt sich hieraus, dass der
jetzt in Ejraiatsin aufbewahrte Codex im Jahre 1696 in Tokat sich
befunden hat, und dass er eben derjenige ist, welcher um 1790 (an-
geblich aus Jerusalem gesandt) sich in Constantinopel befand und
MOMMSEN, SCHR. VII. 38
594 Die armenisclien Handschriften der Chronik des Eusebius.
daselbst im Jahre 1864 von Petermann vergeblich gesucht worden
336 ist. Das Wandern der Handschrift durch diese verschiedenen Stellen
kann bei dem engen Zusammenhang des armenischen Klerus nicht
befremden. Dazu stimmt das völlige Zusammentreffen der Beschrei-
bung, die Avger von dem Original seines G und Galust von der
Handschrift E giebt. Beide sind in Bolorgir oder Minuskelschrift
geschrieben. Beide werden von den genannten armenischen Gelehrten
in das 12. Jahrhundert gesetzt. In beiden findet sich der (wahr-
scheinlich erst später aufgedrückte) Stempel des Katholikos Gregor
(abgebildet bei Avger 2 p. 134 = 238, vgl. 191 = 347), in dem Avger
den Grigor Pahlavuni, Katholikos seit 1113, erkennt, der aber nach
Justi eher Grigor Tlay, Katholikos 1173—1190 sein dürfte, welcher
eine Elegie auf die Einnahme Jerusalems durch Saladin verfertigt
hat (K. P. Patkanean, Bibliograph. Abriss der armen, geschichtlichen
Litteratur, Petersburg 1880 S. 40. 41). Schon nach diesen Be-
schreibungen, insbesondere nach dem gleichartigen Stempel ist es
nicht wahrscheinhch, dass wir es hier mit verschiedenen Hand-
schriften zu thun haben, vielmehr die Identität derselben alle Pro-
babilität für sich hat.
Es kommt dazu schliesslich die Beschaffenheit der grösseren
Lücken. Sie sind allen Handschriften gemein und wenigstens die
beiden der Chronik nach A. 1030 und am Schluss beruhen nach
Avgers Angabe auf Blätterausfall der Constantinopolitaner Hand-
schrift. Ueber die der Handschrift von Ejmiatsin hat mir Galust auf
meine Anfrage Aufschluss gegeben. Dieselbe zählt jetzt 181 Seiten,
welche durchlaufend arabisch numerirt sind. Aber daneben findet
sich eine ältere Lagenzählung in armenischer Schrift, welche vor
dem Blätterausfall, ohne Zweifel von dem ursprünglichen Schreiber
gemacht ist, in der Weise, dass auf die unteren Ränder des ersten
und des letzten Blattes einer jeden Lage ^ der betreffende Buchstabe
des armenischen Alphabets gesetzt ist. Das Vorsetzblatt ist dabei
nicht mitgezählt. Danach hat die Handschrift aus zehn (oder mehr)
Lagen von je 12 Blättern bestanden und ist der gegenwärtige
Bestand der folgende.
Lage 1 (S. 2—25) vollständig.
Lage 2 (S. 26—49) vollständig.
Lage 3 (S. 50—73) vollständig.
Lage 4 (S. 74—97) vollständig.
1) Von der siebenten Lage fehlt das Schlussblatt, auf dem Schlussblatt
der neunten die Zahl.
Die armenischen Handschriften der Chronik des Eusebius. 595
Lage 5 Bl. 1. 2 (S. 98 — 101) schliessen wo unsere Ausgaben des 337
ersten Theiles abbrechen (l p. 295 Schöne).
Bl. 3 — 10 verloren; es fehlt der Schluss der Chronik
und der Anfang des series regum.
Bl. 11. 12 (S. 102—105) beginnt ser. reg. (app. 1 p. 5
Schöne) sub quo llium, wo auch nach Avgers
Zeugniss die Handschrift von Constantinopel be-
gann.
Lage 6 Bl. 1.2 (S. 106 — 109) schliessen wo unsere Ausgaben
der ser. reg. abbrechen (app. 1 p. 18 Schöne)
Pupinius et Balhinus occi . . .
Bl. 3 — 10 verloren; es fehlt der Schluss der series regum
und der Anfang der Chronik.
Bl. 11. 12 (S. HO — 113) beginnen mit unseren Ausgaben
Abr. 344.
Lage 7 Bl. 1 — 9 (S. 114 -131) schliessen Abr. 1030.
Bl. 10 verloren; umfasste die Jahre Abr. 1031—1099.
Bl. 11 (S. 132. 133) Abr. 1100 — 1166.
Bl. 12 verloren; umfasste die Jahre Abr. 1167 — 1220.
Lage S (S. 134—157) vollständig.
Lage 9 (S. 158—181) vollständig, reicht bis Abr. 2319.
Lage 10 (und vielleicht noch weitere) verloren.
Damit ist die Frage endgültig entschieden. Wo äusserlich voll-
ständige Handschriften mit äusserlich unvollständigen im Umfang
übereinstimmen, ist der Beweis für ihr Yerhältniss als Copien und
Originale geführt. IsG, welche die gleichen Lücken ohne ßlatt-
ausfall aufweisen, sind aus E nach dessen Yerstümmelung abge-
schrieben. Dass in der Richterliste der Schreiber von N die vor
Esebon fehlenden Namen zugesetzt hat, kommt um so weniger in
Betracht, als diese mit denselben "Worten in der Chronik p. HO
Schöne sich findet und darnach von dem Schreiber ergänzt werden
konnten.
Für die Textkritik der eusebischen Chronik ergiebt sich daraus,
dass der ganze Apparat — NGEAZ bei Petermann — wird entbehrt
werden können, wenn die Mutterhandschrift, unsere E^ vollständig
und genügend verglichen sein wird. Bedeutende Ergebnisse können,
da unser Text auf zwei von einander unabhängigen Abschriften
derselben beruht, allerdings nicht erwartet werden. Aber wenn man
erwägt einerseits, dass der armenische Text uns zur Zeit nur vor-
hegt in dem recht unzuverlässigen Avgerschen Druck, andererseits, 33g
dass die Bücher des Eusebius zu den wichtigsten Denkmälern der
596 1^16 armenischen Handschriften der Chronik des Eusebius.
späteren klassischen Litteratur gehören und namentlich die authen-
tische Feststellung der armenischen Jahreszahlen, in welchen die
Handschrift an zahlreichen Stellen von der Ausgabe abweicht, von
Werth ist, so erscheint der Wunsch gerechtfertigt, dass eine neue
Ausgabe des armenischen Textes mit entsprechender Uebersetzung
in Angriff genommen werden möge. Die Handschrift ist so schön
und deutlich geschrieben, dass die Arbeit verhältnissmässig leicht
ist. Diesen Wunsch zu begründen war der Zweck dieser Zeilen.*)
*) [Vgl. E. Schwartz, Eusebios in Pauly-Wissowas RE. Bd. VI Sp. 1376:
,üer dort (näml. in obiger Abhandlung) ausgesprochene Wunsch, den Text nach
dieser Hs. neu herauszugeben, ist bis jetzt nicht erfüllt."]
LXVI.
Die älteste Handschrift der Chronik des Hieronymus.*)
Die älteste aller auf uns gekommenen Handschriften der Chronik 393
des Hieronymus befindet sich in Oxford in der Bodleiana unter den
lateinischen Handschriften aud. T II 6.**) Sie gehört zu den Claro-
montani und ist in dem Pariser Katalog derselben vom J. 1764 unter
Nr. 638 verzeichnet als codex memhr. in quarto foll. 196 saec. VIII
exaratus praeter quaterniones tres priores saec. XVI descriptos, non
compactus et mutilus; ungefähr mit denselben Worten in dem Meer-
mannschen Katalog als Nr. 771 . An der Identität kann um so weniger
gezweifelt werden, als die im Katalog angegebene Blätterzahl ^ wie
überhaupt in den Claromontani so auch in diesem auf dem Vorsatz-
blatt gleichfalls verzeichnet ist. Wie manche anderen Stücke dieser
unschätzbaren Sammlung ist sie nicht an Sir Thomas Philipps gelangt,
sondern im Jahr 1824 aus der Meermannschen Bibliothek um den
(vorn in der Handschrift angemerkten) Preis von 131 Gulden in die
Oxforder übergegangen. Da ein genügender Katalog dieser Ab-
theilung noch nicht vorhanden ist,***) ist sie bis jetzt unbeachtet ge-
*) [Hermes 24, 1889, S. 393 — 401. Die Handschrift wird in der neuen, von
R. Helm vorbereiteten Ausgabe der Chronik verwertet werden. Von Helm
stammen die in den folgenden Anmerkungen mit H. signierten Angaben; auch
einige Druckfehler sind nach seinen Mitteilungen stillschweigend verbessert
worden.]
**) fCod. Oxon. Bodleian. Auct. T. 2.26. Vgl. Madan, A summary cata-
logue of Western Manuscripts in the Bodleian library at Oxford vol. IV, Oxf.
1897, S. 441 nr. 20632. Die Hs. ist im Facsimile herausgegeben: The Bodleian
Manuscript of Jeromes Version of the Chronicle of Eusebius reproduced . . . . by
J. Knight Fotheringham, Oxf. 1905; vgl. E. Schwartz, Berl. phil. Wochenschr.
XXVI 1906 Sp. 744 ff.' H. Die im Text angegebene Signatur beruht nach freund-
licher Mitteilung von K Jacobs auf einem alten Druckfehler oder einem Ver-
sehen Mommsens.]
1) In Folge der Herausnahme einiger früher angebundener Papierblätter
zählt die Handschrift jetzt deren nur 178.
***) [Die Lücke ist jetzt durch den in Anm. ** genannten Katalog ausgefüllt
worden.]
598 Die älteste Handschrift der Chronik des Hieronymus.
blieben; ich verdanke die Kunde derselben dem jetzigen Vorsteher
der Sammlung Hrn. Nicholson.
Die Handschrift enthält die Chroniken des Eusebius-Hieronymus
und des Marcellinus. Aber sie ist nicht vollständig. Die ersten
Lagen sind verloren und der Hieronymus-Text beginnt jetzt p. 33 Seh.
mit dem als 555 Abr. gezählten Jahr:
Ärgivorum Ätheniensium
XIII XXVI
XIIII XXVII in Creta regnavit Lappis.
Ferner fehlt von dieser Chronik das letzte Blatt; sie schliesst kurz
vor dem Ende p. 198 Seh. mit j?er auaritiam Maximi. — Die Chronik
394 des Marcellinus ist selber zu Anfang wie am Schluss vollständig.
Die mit dem J. 535 beginnende nur aus dieser Handschrift bekannte
und aus ihr von Sirmond herausgegebene Portsetzung, welche wohl
gleichartig ist, aber meines Erachtens dem Marcellinus mit Unrecht
beigelegt wird, reicht in der Handschrift bis zum J. 548 und ist am
Schluss defect; der letzte auf die in den Ausgaben schliessenden
Worte: qui postea patitur noefurnum Totilae superventum Bulgarum
suorum proditione folgende unvollständige von Sirmond weggelassene
Satz lautet:
Verus quoque magisfer militum et ipse in parte alia Calabriae
infestum sustinuit Totilan et Valerianus ab imperatore in
eorum solacia.
Ich verweile hiebei nicht, da ich bei der Herausgabe der Chronik
Marcellins auf diesen Theil der Handschrift zurückzukommen haben
werde.*)
Die Schrift in beiden Chroniken ist uncial; nach dem Urtheil
des bewährten Kenners E. Maunde Thompson in London ist der
Hieronymus spätestens im 6. Jahrhundert, der Marcellinus etwas
später, aber auch gegen das Ende des 6. Jahrhunderts geschrieben.
Die hie und da auf dem Rande des Hieronymus sich findende Schrift
so wie die gleichartige eines zwischen den beiden Chroniken stehenden
Blattes, welches aus der Chronik des Hieronymus ausgezogene Com-
putationen und eine Zusammenstellung der Christenverfolgungen ent-
hält, nähert sich der Cursive, ist aber sicher nicht jünger als die
Hauptschrift und rührt vielleicht von demselben Schreiber her. —
Die Berichtigungen, welche die Handschrift zeigt, gehören meistens
dem ersten Schreiber an und scheinen für den Text von keiner
*) [S. Chronica minora II, 1894, S. 48 ff.]
Die älteste Handschrift der Chronik des Hieronymus. 599
grossen Bedeutung zu sein ^ ; die den Rand bedeckenden zahlreichen
Glossen aus später Zeit haben nach der Angabe des Hrn. Xettleship
zum Theil ältere verdrängt. — Die Orthographie der Handschrift*)
bestätigt durchaus das Urteil des englischen Paläographen und be- 395
weist wiederum, dass den Autoren auch der letzten Römerzeit die
incorrecten Schreibungen der späteren Epoche nicht aufgedrängt
werden dürfen. In dem genau von mir verglichenen Schluss (von
Julian an) habe ich keine anderen orthographischen Irrthümer ge-
funden als b für v {iobianus constant) — einmal Fehler im h {eustatii,
dagegen richtig gegen den Schöneschen Text schola und darostori) —
einige Male e für ae {terre inott4S^ — sepe, aber dies berichtigt) oder
ae für e [dogmutae) — i für ae {niciam; dagegen elementum, nicht
elimentum und superiore, nicht superiori) — falsche Gemination
(atrabattas) ; also nur diejenigen Fehler, welche die gleichzeitigen
Steinschriften auch aufzeigen und welche Hieronymus allenfalls selbst
gemacht haben kann, und auch diese nur in geringer Zahl. Ver-
wechselung von c und t dagegen und was dessen weiter ist begegnet
hier so wenig wie in den Florentiner Pandekten, denen diese Hand-
schrift in jeder Hinsicht an die Seite gestellt werden darf. In ortho-
graphischer Hinsicht wird für die Chronik des Hieronymus diese
Handschrift, wie die älteste, so auch die massgebende sein.
Für den Text des Hieronymus gilt nahezu das Gleiche wie für
die Orthographie ; man kann die übrigen Handschriften nicht schlecht-
hin bei Seite lassen, wo diese (0) vorliegt, aber den erhaltenen und
bei Schöne verglichenen gegenüber
A Yalenciennes 7. Jahrh.
B Bern 7. Jahrh.
F Leiden Seal. 14 9. Jahrh., Abschrift einer von einem gewissen
Bonifatius um 500 geschriebenen Handschrift.
M Middlehill, jetzt Berlin 8. Jahrh.
P Leiden Voss. Q. 110 9/10. Jahrh.
R Rom reg. 560 13. Jahrh.
1) p. 131, wo die Begiei-ungsjahre Hyrkanos II. auf XXVI angesetzt werden,
ist über diese Zahl von zweiter Hand gesetzt Vo XXXI. Diese Zahl stammt
aus Josephus, welcher (nach Nieses freundlichen Mittheilungen) sie in den
antiq. sowohl 13, 10, 7 wie auch 20, 10, 3 im griechischen wie im lateinischen
Text ohne wesentliche Abweichungen giebt; im bell. lud. 1, 2, 8 hat zwar die
zuverlässige Ueberlieferung in beiden Sprachen die Zahl 33, doch giebt der
sogenannte Hegesipp auch hier jene. Was V« bezeichnet, weiss ich nicht.
*) [Vgl. A. Schöne, Die Weltchronik des Eusebius, Berlin 1900, S. 138 ff.]
2) Die Handschrift schreibt den Genitiv der ersten Declination meistens
richtig, aber in dem zusammengesetzten Wort terremotus setzt sie in der Regel
einfaches e.
600 Die älteste Handschrift der Chronik des Hieronymus.
gebührt ihr die erste Stelle. Ich habe selbst, wie gesagt, den
Schluss verglichen und über den Abschnitt p. 131 — 139 Seh. aus-
führliche Mittheilungen von Hrn. Nettleships freundlicher Hand er-
halten; was mir vorliegt reicht aus, um der Handschrift ihre Stelle
anzuweisen und verdient vorläufige Bekanntmachung.
Die chronologischen Ansetzungen sind hier, wie in allen anderen
396 Handschriften, nach den Jahren Abrahams, den Regierungsjahren
und den Olympiaden gemacht. In den beiden letzteren Angaben
weichen die mir vorliegenden Proben vom Druck nicht ab. Die
Jahre Abrahams, welche hier wie in den Handschriften überhaupt
nur von Decennium zu Decennium angegeben werden, stimmen bis
zum J. 2320, dem 19. Diocletians mit der Ausgabe; aber Abr. 2330
steht in der Handschrift nicht neben dem 8., sondern neben dem
7. Jahre Constantins und von da sind diese Jahre sämmtlich um
eine Stelle vorgerückt, also das Jahr 2379 Seh., das zweite Julians,
n CCCLXXX, das Jahr 2389, das neunte des Valens, H CCCXC.
Die Handschrift M stimmt nach ihrer ursprünglichen Lesung hierin
wesentlich mit 0 überein. — In der Yertheilung der historischen
Notizen unter die einzelnen Jahre weicht die Handschrift nach den
vorliegenden Notizen von der Ausgabe nur an einer Stelle ab: die
Bemerkung über die Hinrichtung des Theodosius p, 198w ist nicht
zum elften, sondern zum zwölften Jahr des Yalens gestellt.*)
Am nächsten kommt unserer Handschrift unter den oben auf-
geführten, wie schon die Jahreszählung ergiebt, die Handschrift M;
an einer Reihe von Stellen haben diese beiden allein oder fast allein
die ursprüngliche Lesung bewahrt.
p. 131/" vallo circumdans OM, circumdans ABFPR **)
p. 133 6 gaUis lucilius OM, gaius lucius APFR, c. lucius B
ß uuUacilius OM, uulcacilius APR, uttacilius F, uuUacius B***)
p. 197 v prohus praefectus illyrici OM, illyrici (ülirici P, yllirici F)
equitius comes ABPF, prohus praefectus illyrici equitius
comes R
Auch in Fehlern stimmen beide Handschriften überein:
p. 135e ad miliarium II ABFPR, ad miliarium 0, fehlt M
wobei sich die Oxforder als die bessere zeigt; denn der Ausfall der
Zahl in 0 hat offenbar die Streichung von ad miliarium in M herbei-
geführt. In gleicher Weise hat die Oxforder Handschrift p. 137 a;
*) [Vgl. Schöne a. a. 0. S. 144, 1.]
**) [vallo steht auch in AP c. N' H.]
***) {uultadlius steht in F ganz deutlich' H.]
Die älteste Handschrift der Chronik des Hieronymns. 601
lecticis mit APFR gegen electis M, woraus in B das interpolirte
electris geworden zu sein scheint.
An anderen Stellen zeigt sich eine bemerkenswerte Ueberein-
stimmung mit dem Bonifatiustext F, theils in völliger oder an-
nähernder üebereinstimmung mit M:
p. 133 Syriae et Asiae regnuyyi defecit ABPB, fehlt in MOF
p. 137 (Caesar) mens. VII OF, mens. VIII M, mens. VI ABPB
p. 198/) qui (Basilius) miäta continentiae et ingenii bona uno supei- 397
biae mdlo perdidit nur vorhanden im Text von OMF
und am Rande von P
theils im Gegensatz auch zu diesem:
p. 137/) ab hoc loco Antiocheni sua tempora computant ABPRM,
fehlt in OF. Entsprechend fehlen in beiden Hand-
schriften die Worte p. 159 secundiim Antiochenos anni
CCCLI
p. 139/* Cicero tit qtiibusdam placet interficittir in Caietis ABPBM,
fehlt in OF*)
Selbst in kleinen Schreibfehlern stimmen theils die drei Hand-
schriften überein:
p. 139e popili BP, pupili A, pompilii B, popidi OMF
theils die Oxforder und die des Bonifatius:
p. 131a: iannaeus BM, ianneus AP, annaeus OB, anneiis F
wobei allerdings der Zufall mitgespielt haben kann. Dagegen geht
den Fehlem in F gegenüber regelmässig 0 mit den übrigen:
p. 133^ aetatis suae OAPBM, aetatis FB
p. 135 dionysus OAPB, dionisus M, dyonisius F, dionysiiis B
p. 137 0 apud romanos OAPMR, romnnos F, romamis B
Es zeigt sich hiernach 0 einerseits mit M frei von den in der Gruppe
ABPFR eingetretenen Corruptelen und Interpolationen, andererseits
mit F frei von denen, die in ABPRM vorliegen, also durchgängig
jeder einzelnen der übrigen sechs Handschriften überlegen und wird
demnach als die dem ursprünglichen Text nächststehende Ueber-
iieferung zu gelten haben.
Allerdings weist auch diese Handschrift schon eine Interpolation
auf. Wo Hieronymus unter dem ersten Jahre JuUans (p. 196^^) über
die Einsetzung des katholischen Bischofs von Antiochia Paulinus
berichtet, die der aus Sardinien verbannte Bischof Lucifer durch-
setzte adscitis dnobus aliis confessoribus , stehen die Worte: Gorgo-
fiium dicit de Germanicia et Cymatium de Gabala, welche die Hand-
schriften AB am Rande haben, bei 0 im Text mit den Schreibfehlern
*) \^Oi<xro — Caietis steht in AMP am Rande' H.]
ß()2 Die älteste Handschrift der Chronik des Hieronyraus.
gorgonium und gahata.*) Dass diese Erläuterung nicht von Hierony-
mus herrührt, ist ebenso evident wie dass sie herrührt von einem
über diese Vorgänge wohl unterrichteten Zeitgenossen ^ Aber die
398 Aufnahme in den Text ist incorrect und stellt sich zu den Fehlern^
welche gegenüber den sechs übrigen die Oxforder Handschrift auf-
weist, zum Beispiel
p. 133 (Philippus) a. II fehlt 0.**)
p. 135^ cahyle A. cdbile PFR, gabyle B, ahyle M, cyhele 0
r praebiiere] praehere 0
p. 137 a capto] captum 0
Wo an sich zulässige, aber einzela stehende Lesungen in 0 begegnen,
was übrigens, so weit die mir vorliegenden Notizen reichen, nicht
häufig und nicht in wichtigen Stellen der Fall ist:
p. 131 Ä expulsus aegypto] ex aegypto pulsus 0
2) appellari] appellare 0
X fiUus] fehlt 0
p. 133 m; LXII 0, LXIII ABRFM, LXIIII P
p. \31 ß iulius] fehlt 0
wird hienach auch wohl eher ein singulare» Versehen dieses
Schreibers anzunehmen sein als die ausschliessliche Bewahrung der
richtigen Lesung durch denselben.
Aber ausser den bisher erwähnten Handschriften der Hieronymus-
Chronik giebt es noch eine weitere, welche freilich an Alter und
Genauigkeit hinter den besten der oben genannten weit zurück, aber
doch selbständig neben ihnen steht und für die Kritik ebenfalls in
Betracht kommt. Es ist dies die Handschrift des Brittischen Museums
16974 aus dem 10. Jahrhundert^, die einzige, welche das dem Prosper
beigelegte sog. chronicon imperiale und die Chronik des Marius von
Aventicum uns bewahrt hat;***) denn die zahlreichen mit dem Sige-
*) [Diese Angabe hat Mommsen im gleichen Bande des Hermes S. 649
folgendermaßen korrigiert:
„Die Bemerkung Gorgonium — Gabala rührt zwar von dem Schreiber der
Handschrift her, steht aber in der von diesem für die Randnoten angewandten
Schrift, am Rande in der Weise, dass der Schreiber beabsichtigt zu haben
scheint sie hinter corruei'unt (p. 196 e) einzuschalten."]
1) Die beiden Männer werden sonst nicht erwähnt; im Allgemeinen be-
richtet den Vorgang Theodoretus bist. eccl. 3, 5. Vgl. Tillemont mem. ecel.
7, 520. [Vgl. Schöne a. a. 0. S. 177 f ]
*♦) ['Philippus fehlt auch in 0' H.]
2) Schöne erwähnt sie in der Vorrede II p. XIV [sowie a. a. 0. S. 30 f.]-
***) [Genaueres über diese Hs. machte Mommsen bekannt in den Chron.
min. I, 1892, S 620. Ihren Wert für die Kritik des Hieronymus beurteilt von
Mommsen abweichend Schöne a. a. O, S. 144 f.]
Die älteste Handschrift der Chronik des Hieronymus. 603
bert verknüpften Handschriften der ersteren Chronik sind allem An-
schein nach aus diesem Codex geflossen. Der Hieronymustext dieser
Handschrift oder vielmehr der von ihr abhängigen Sigebert-Hand-
schriften ist derjenige, welchen Scaliger {animadv. p. 4 f. imd bei
Schöne praef. H p. XXX) als prioris exempli Codices (PB) bezeichnet;
die in Schönes Ausgabe nicht wiederholten, aber bei Scaliger ab-
gedruckten Notizen über den Petrus Caesaraugustae orator unter
Constantius H. und über den Theodultis preshyter unter Valentinian
gehören dieser Recension an. Die Handschrift ist voll von Fehlem
und wird für die Fundirung des Textes kaum selbständige Beiträge 399
liefern; aber die Plünderung Illyricums legt sie, wie IfO, dem
Probus bei und Scaliger hat auch nicht unterlassen in den Anmer-
kungen p. 253 zu dem Equitius zu bemerken: ita editioties et POST.
( d. h. die Handschriften BPF u. s. w.), sed PR Probus, was allerdings
unbeachtet geblieben ist. Für die Verzweigung der Handschriften
ist noch von Wichtigkeit, dass die eben erwähnte Notiz über Theo-
dulus, welche dieser Familie eigen ist und auch von Scaliger (p. 259)
bezeichnet wird als nur in den PR vorhanden, sich auch, aber ver-
stümmelt, in der Handschrift 31 gefunden hat. Also ist diese aus
einer der Londoner gleichartigen interpolirt worden und es stellt
sich das Fehlen dieser den hierony mischen gleich werthigen, aber
dem Hieronymus selbst fremden Notiz zu den Vorzügen, welche 0
gegenüber 31 aufweist.
Wie hienach sich herausstellt, hat die Chronik des Hieronymus
flüher und stärker, als wir es bisher wussten, der Interpolation
unterlegen; und diese Zusätze und Aenderungen haben theilweise
ein über die Textkritik hinausreichendes Interesse. Da die Notiz
über das Anfangsjahr der antiochenischen Aera weder in dem
griechisch-armenischen Text des Eusebius sich vorfindet*) noch aus
der hier von Hieronymus zugezogenen lateinischen Quelle entnommen
sein kann, so liegt es auch von dieser Seite her nahe sie als eine
sachlich zutreffende spätere Interpolation aufzufassen; sie kann von
derselben Hand herrühren, die die Notiz über die Wahl des Bischofs
Paulinus von Antiochia erläutert. — Die Verbindung Caietas mit dem
Ende Ciceros mag darauf zurückgehen, dass er nach Senecas
(suasor. 5, 17) aus Livius entnommener Erzählung bei Caieta sich
einschiffen wollte. — Merkwürdiger ist die Tilgung des von Hiero-
*) [Dies korrigierte Mommsen a. a. 0. so:]
„Die Angabe über den Anfang der antiochenischen Aera fehlt im griechisch-
irmeniscKen Text nicht, sondern steht bei dem Armenier nur an etwas anderer
Stelle (p. 138 a)."
ßQ4 Die älteste Handschrift der Chronik des Hieronymuy.
nymus über den Bischof von Caesarea Basilius ausgesprochenen
Tadels; denn unstreitig ist das scharfe Wort über die Hoffart seines
gefeierten Zeitgenossen nicht Schreiberzusatz, sondern es hat die
fromme Schönfärberei das unbefangene Urtheil des Presbyters
getilgt. — Aber vor allem verdient die Aufmerksamkeit auch des
Historikers, dass die von Hieronymus unter dem achten Jahre von
Valentinian und Valens, also zum J. 371 berichtete Misswirthschaft
des Statthalters von Illyricum — iniquissimis tributorum exactionihus
ante provincias, quas fegehat, quam a harbaris vastarenücr, erasit in
den drei Handschriften OML*) dem Probus praefectus Illyrici, da-
gegen in AB PF diQm Illyrici Equitius comes zur Last gelegt wird,
400 während die Handschrift R beide Lesungen contaminirt aufweist^.
Beide Persönlichkeiten sind wohl bekannt und Titel und Zeit treffen
für beide gleichmässig zu. Sex. Petronius Probus ^ ist der Consul
des J. 371, praefectus praetorio von Illyricum, Italien und Africa in
den J. 368 — 375; Equitius^, der Consul des J. 374, hat in den
J. 365— 373 das Commando der illyrischen Truppen, zuerst als
blosser comes, dann als magister equitum peditumque geführt. Also
wird das Missregiment in den Donauprovinzen, das heisst in der
Heimath des Hieronymus, nach der einen Version dem Civil-, nach
der anderen dem Militärvorsteher derselben zur Last gelegt. Eine
dieser beiden Lesungen ist ebenso sicher interpolirt, wie es evident
ist, dass diese Interpolation von einem Zeitgenossen herrührt und
der Publication der Chronik selbst der Zeit nach sehr nahe steht.
Keinen Augenblick kann es zweifelhaft sein, dass Hieronymus den
Probus genannt hat und die Anklage durch den Interpolator von
diesem auf den Equitius abgewälzt worden ist. Denn die ein-
gehende und allem Anschein nach unparteiische Schilderung, welche
Ammian von der Verwaltung namentlich der illyrischen Provinzen
durch den in Sirmium residirenden Präfecten Probus macht, ent-
spricht völlig der kurzen Verurtheilung desselben durch Hieronymus,
während gegen Equitius, den Ammian ebenfalls häufig erwähnt,
nirgends eine ähnliche Beschuldigung erhoben wird und derselbe
*) [Schöne a. a. 0. S. 96 bemerkt, daß die Überlieferung in L so laute : . . . .
exactionibiis pi-ovincias quas regebat, tamquani a harbaris vastarentur, evasit.]
1) Die zweite früher Philippsische, jetzt Berliner Handschrift der Chronik
aus dem 8. Jahrhundert n. 1872 hat die gewöhnliche Lesung , aber am Rand
probus praefectus.
2) Die Nachrichten über ihn sind zusammengestellt bei Seeck in der Vor-
rede zum Symmachus p. XCIX f. [Vgl. oben S. 345.]
3) Ammian nennt ihn häufig; auch die Inschriften C. I. L. III, 3653. Eph.
epigr. II n. 718.
Die älteste Handschrift der Chronik des Hieronymus, 605
durchaus als ein strenger, aber tüchtiger Beamter erscheint.*) Femer
erklärt sich die Interpolation zu Gunsten des Probus durch die
beispiellose Machtstellung, die derselbe einnahm und bis an sein
Ende behauptete — potuit quoad vixit ingentki, sagt Ammian (27,
11,2) und Ausonius {ep. 16,2; ähnlich Mosell. 4ü7f.) nennt ihn den
ersten Mann nach den drei Herrschern. Hieronymus, der im Ost-
reich schrieb, scheute sich nicht in der wahrscheinlich bei Probus
Lebzeiten veröffentlichten Chronik den mächtigen Mann mit Namen-
nennung scharf zu tadeln. Dass die occidentalischen Abschreiber
und Buchhändler eine Censur vornahmen, ist begreiflich; dass sie 401
zu diesem Zweck nach dem Muster des Prügelknaben einen un-
schuldigen Beamten dem schuldigen substituirten , allerdings wenig
erbaulich.**)
Schliesslich mag noch darauf hingewiesen werden, dass die Ver-
zweigung der Hieronymus -Handschriften mit den ihr angehängten
Fortsetzungen in deutlichem Zusammenhang steht. Die Oxforder
Handschrift ist die einzige, welche die dem Marcellinus angehängte
Fortsetzung bewahrt hat; die Berliner die einzige, welche den voll-
ständigen Idacius enthält; die Londoner die einzige füi- die deni
Prosper beigelegte Kaiserchronik und den Marius; die grosse Masse
der übrigen Handschriften, insbesondere der Scaligeranus, verknüpfen
die Chronik des Hieronymus mit dem Schluss der Consularchronik
Prospers. Obwohl Contaminirung dieser Recensionen sich früh ein-
gestellt hat, sind wir dennoch bei dieser Schrift mehr, als dies sonst
durchgängig der Fall ist, in der Lage unseren Text auf verschiedene
der Zeit der Abfassung nahe stehende Exemplare zurückführen zu
können; und es ist nur zu bedauern, dass in Schönes Ausgabe allein
die letzte Kategorie vorliegt, von den drei übrigen die zweite nur
im Nachtrag, die beiden anderen überall nicht vertreten sind.***)
*) [Vgl. über ihn O. Seeck bei Pauly-Wissowa VI Sp. 321f.]
**) [Eine etwas andere Lösung der Frage versucht Schöne a. a. 0. S. 98 £F.
Gegen Schöne E. Schwartz a. a. 0.]
***) [Hierzu äußert sich Schöne a. a. 0. S. 142 ffi]
LXVII.
lieber die Quellen der Chronik des Hieronymus.*) ^
669r^ Hieronymus selbst giebt in der Yorrede zu seiner Uebersetzung
des zweiten Buches der Chronik des Eusebius ausführliche Rechen-
schaft von seinem Verfahren. Er sei, sagt er [p. 3 Schöne], theils
treuer Uebersetzer, theils Verfasser: nonnuUa quae mihi omissa
videbantur adieci, in Romana maxime hisforia — und weiterhin:
A Nino et Abraham usque ad Troiae captivitatem pura Graeca
translatio est. A Troia autem usque ad XX. Constantini annum
nunc addita nunc mixta sunt plurima, quae de Tranquillo et ceteris
ülustrihus in historicis curiosissime excerpsi. A Constantini autem
supra dicto anno usque ad consulatuni Augg. Valentis VI et Valen-
tiniani II totum meum est. Jetzt, wo uns in der armenischen Ueber-
setzung ein von allen Interpolationen freier Text des ächten Eusebius
vorliegt, können wir die Prüfung dieser Angabe des Uebersetzers
und die Scheidung der Materialien unternehmen, in der Hoffnung,
die unkritische Compilation hiedurch für die jetzige Forschung
brauchbarer zu machen 2.
*) [Abhaudl. der Sachs. Ges. d. Wiss. Bd. 2, 1850, S. 669 — 693 als 'Anhang
zur Abhandlung 'Über den Chronographen vom J. 354.' Vgl. oben S. 536.]
1) Ich erlaube mir diese zunächst um das Verhältniss der Stadtchronik zu
Hieronymus [s. 0. S. 558 f.] festzustellen geführte Untersuchung hier gleich bei-
zufügen; es kam darauf an, nicht eben in den Hauptsachen neue Resultate zu
gewinnen — das Verhältniss des Hier, zu Sueton und Eutrop ist ja bekannt
genug, — sondern die Bestandtheile der Compilation zum praktischen Gebrauch
übersichtlich darzulegen.
2) Ich folge im Allgemeinen der neuesten Ausg. von Mai Script, vet. nova
coUectio T. VIII. Romae 1833. 4., jedoch mit steter Zuziehung der älteren,
namentlich der Roncallischen Ausgabe. Mai hat den Hieronymus nicht selten
aus dem armenischen Eusebius corrigiert und manche schon von Scaliger be-
seitigte spätere Zusätze wieder in den Text hineingetragen. [Die Zitate sind
in diesem Abdruck nach der Ausgabe von A. Schöne, Berl. 1866, revidiert
worden.]
üeber die Quellen der Chronik des Hieronymus. 607
Es ist durchaus kein Grund vorhanden, die eigenen Angaben
des Hieron^Tnus in Zweifel zu ziehen. Wenn er auch in dem nicht-
römischen Theil Zusätze von Bedeutung gemacht hätte, warum hätte
er es verschweigen sollen? — Nun aber finden sich in der That
dennoch eine ganze Reihe nichtrömischer Notizen bei Hieronymus,
die bei dem Armenier fehlen; es fragt sich, ob diese dem ächten
Eusebius gehören und von dem Armenier weggelassen oder eigne 670
Arbeit des Hieronymus sind. Einen Theil derselben erkennt man
leicht als dessen Werk; es sind kurze und werthlose Zusätze, wie
sie jeder mit der heidnischen und christlichen Ueberlieferung einiger-
massen Yertraute mit Leichtigkeit machen konnte. Die wichtigeren
darunter, die selbstständig Facta berichten, stammen dagegen wohl
ohne Zweifel aus Eusebius her. Denn einmal finden sich diese auch
schon in grosser Anzahl in den vorti-ojanischen Zeiten, wo doch
Hieronymus eine pura translatio zu geben versichert: andemtheils
kehren die meisten derselben wieder in den o7iooddi]v überschriebenen
fast ganz mit Eusebius Kanon übereinstimmenden Kapiteln des Syn-
cellus^. Ueberdies sind sie den eusebischen Notizen ganz gleichartig
und deuten jedesfalls auf griechischen Ursprung; römische Notizen
sind nur sparsam darunter, ähnlich wie bei Eusebius selbst. Es ist
also anzunehmen, dass der armenische Uebersetzer in den Zeiten
vor Christi Geburt sein Original stark, aber planlos verkürzt hat;*)
in den Zeiten nach Christus hat er wenig oder nichts weggelassen,
indem alles, was Hieronymus hier vor dem annenischen Text voraus
hat, nachweislich von ihm selber zugesetzt ist. Wir geben in Beil. A.
ein Verzeichniss der in dem armenischen Eusebius fehlenden und
sonst auf keine bestimmte Quelle zurückzuführenden Noten des
Hieronymus mit Verweisung auf Syncellus.
Gehen wir über zu dem eigentlichen Gegenstand unsrer Unter-
suchung, der Ermittelung der römischen Quellen, welche Hieronymus
in den vollständigen Eusebius einrückte. Zunächst finden wir in
<ler Regum series et qtianto qnisqtie tempore regnaverit vor dem
1) Syncellus scheint indess nicht den Eusebius, sondern vielmehr dessen
<!uelle , den Africanus ausgeschrieben zu haben , den er auch p. 283 und 489
Itonc. dafür citirt. Von da an, yfo dieser aufhört (mit Heliogaballus), hört auch
die Aehnlichkeit auf zwischen Eusebius und Syncellus. Indess ist dies im
Besultat für uns gleichgültig; denn dass Hieronymus neben dem Easebios den
Africanus benutzt, ist durchaus unwahrscheinlich.
*) [Das Verhältnis der armenischen Übersetzung und derjenigen des Hiero-
n;mius zu Eusebius wird jetzt anders beurteilt von A. Schöne, Die Weltchronik
dos Eusebius, Berlin 1900, S. 256 ff.; vgl, auch E. Schwartz in Pauly-Wissowas
ß E. VI (1907) Sp. 1380f.]
608 Ueber die Quellen der Chronik des Hierouymus.
Kanon,*) die überhaupt bedeutenfl von der eusebischen abweicht,
in den römischen Abschnitten manche Zusätze zum Eusebius, deren
Quellen bei diesen nackten Namenreihen weder leicht zu ermitteln
noch von grosser Bedeutung sind. Hieronymus nennt
1. die Könige von Aeneas, mit Angabe ihrer Regierungszeit
671 im Ganzen, die bei Eusebius fehlen. Dieses Register kehrt im
Kanon genau ebenso wieder, und werden wir dort über dessen Her-
kunft sprechen.
2. Die Könige von Aeneas bis Tarquinius Superbus, aus Eusebius.
Die Summe: hi regnaverunt simul CCXL, welche dieser nicht hat,
beruht auf Addirung der einzelnen Angaben.
3. Romae post exactos reges consules hini creati et in maxima
urbis calamitate quandoque etiam creabantur didatores; worauf ein
Verzeichniss einzelner bekannterer Consuln und Dictatoren folgt.
Genau ist nicht zu ersehen, woraus dies Register entnommen ist;
Scaligers Meinung (im Comm. p. 9. 10), dass dies ein Rest der von
Eusebius und Hieronymus ursprünglich beigesetzten Consularfasten
sei, ist von Yallars im Comm. p. 34. 79 mit Recht verworfen worden;
auf Eutrop passen nicht alle Namen. Yielleicht war der Abschnitt
nomina diciatorum, den wir in der Stadtchronik finden, die Quelle
oder wenigstens die Veranlassung dieses Artikels; wir werden unten
sehen, dass dieselbe zu Hieronymus Quellen gehörte und ihm wohl
in etwas besserer Gestalt vorlag, als wir sie kennen.
4. Imperatores Romanorum, ein Verzeichniss der Kaiser mit
Angabe der Regierungsdauer, dem Hieronymus im Kanon selber aufs
Genaueste folgt und an fünf Orten von den Angaben "des Eusebius
im Kanon abweicht, um sich diesem Verzeichniss anzuschliessen :
Arm. Euseb. Hieron. im Kanon und im Verz.
Caesar a. v. a. iv m. vii.
Nero a. xin m. vn. a. xni m. vn d. xxvin.
Domitian a. xvi. a. xv m. v.
M. Aurel. u. L. Verus a. xix. a. xix m. i. **)
Pertinax a. i. m. vi.
Hieronymus muss also noch ein andres Kaiserverzeichniss vor
sich gehabt haben als das im Kanon enthaltene. Dass er aber auch
dies Verzeichniss bei Eusebius fand, bezeugt Syncellus p. 669 Bonn.,
*) [Nacb Schöne , Weltchronik S. 259, 1 ist die vor dem Kanon stehende
lateinische series regum nur ein Auszug aus der Hieronymus -Chronik.]
**) [Nach dem Druck dieser lateinischen series regum bei Schöne, Eusebi
chronicorum liber prior, Berl. 1876, appendix I B, S. 36, im Verzeichnis 19 Jahre,
ohne Monatsangabe.]
Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus. 609
von Pertinax: ßaodevoag xatd jusv Evoißiov fifjvag e^. — Hiezu
kommt eine andre ähnliche Erscheinung. Yon Claudius sagt Hier.:
moritur in Palafio , von Trajan : in Selenunti perit, von Caracalla :
interficitur inter JEdessam et Carras, von Claudius: Sirmii moritur,
von Quintillus: Aquileiae occiditur — lauter Angaben, die er weder
bei Eusebius im Kanon, noch bei Eutrop fand. Dass seine Quelle
wiederum Eusebius war, sagt uns abermals Syncellus, der p. 657
von Trajan sagt, dass er xar Evoeßiov iv ZeXivovvri starb. Dies
erklärt sich dadurch, dass Hieronymus in einem andern Theile des
eusebischen "Werkes einen Kaiserkatalog fand, der die Regierungs- 672
jähre, und einen zweiten, der die Todesorte und Todesarten ver-
zeichnete. Letzterer findet sich noch im armenischen Text vor dem
Kanon p. 36 Aucher [app. I A, S. 17 f. Schöne], und so weit er geht
(die Handschrift bricht ab mit Pupienus und Balbinus) enthält er
alle Angaben des Hieronymus wörtlich. Der erste Katalog, der die
Regierungsjahre verzeichnete, wird am Schluss des ersten Theils
von Eusebius verheissen; die Lücke der Handschrift hat ihn uns
entzogen. Sonach ist unter den Quellen des Hieronymus dieses
doppelte bei Eusebius, aber ausser dem Kanon stehende Kaiser-
verzeichniss mit aufzuführen.*)
Wir kommen zu der Chronik selbst Schon Scaliger und viele
Andere haben, noch ehe der armenische Eusebius bekannt war, es
bemerkt, dass das Breviarium des Eutropius von Gründung der
Stadt bis zu Diocletians Tod, von wo er dasselbe weniger stark
benutzt hat, die vorzüglichste historische Quelle des Hieronymus ist,
aus der er den Eusebius ergänzt. Jetzt wo wir den echten Eusebius
besitzen, kann man namentlich für die Kaiserzeit, wo die Einfügung
der historischen Notizen in das chronologische Gebäude leichter
war, die Chronik des Hieronymus als eine Yerschmelzung des Eusebius
und Eutrop bezeichnen. Es muss einer künftigen kritischen Aus-
gabe des Hieronymus überlassen bleiben, an jeder Stelle die Ent-
lehnung aus Eutrop hervorzuheben;**) hier genügen wenige Beispiele,
um zu zeigen, wie Hieronymus das Breviar selbst mit theilweisen
Missverständnissen ausgeschrieben hat. So heisst es in der Chronik
beim J. 43 vom Kaiser Claudius : Iste - est Claudius patruus Drusi,
qui apud Mogmitiacum monumentum habet ; was sinnlos abgeschrieben
i^t aus Eutrop. YH, 13: Post hunc Claudius fuit, patruus Caligulae,
*) [Eine abweichende Auffassung von der armenischen series regum sacht
Schöne, Weltchronik S. 259 ff. zu begründen.]
**) [Dies ist in der Schöneschen Ausgabe geschehen. — Die Benutzung
Eutrops durch Hieronjrmus leugnet F. Rühl, Litt. Centralbl. 1892 Sp. 5.]
MOMMSES, SCHK. VII. 39
QIQ Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus.
Drusi qui apud Maguntiacum monumentum habet filius, indem
Hieronymus verband patruus Caligulae Drusi. — Ebenso sinnlos ist
in der Note beim J. 67 des Hier.: duae tantum provinciae sub Nerone
factae Pontus cet. das tantum; es rührt her aus Eutrop. VH, 14:
duae tarnen pr. sub eo f. sunt Pontus cet., mit Verwechselung von
tarnen und tantum. — Bei Eutrop. YH, 15: a senatu hostis iudicatus
cum quaereretur ad poenam hat Hieronymus a senatu falsch bezogen
und geschrieben: cum a senatu quaereretur ad poenam. — Eutrop.
YII, 19: Achaiam Lyciam Rhodum Bymntium Samum, quae liberae
ante hoc tempus ftierant, item Thraciam CiUciam Commagenen, quae
sub regibus amieis egerant, in provinciarum formam redegit — hat
Hieronymus so zusammengezogen: A. L. Rh. B. S. Thr. C. Com-
673 magene, quae liberae antea et (!) sub regibus amicis erant, in provincias
redactae. — Eutrop. YHI, 17: Victus est a Severo apud Mulvium
pontem, interfectus in Palatio; Hier.: quem postea Severus apud
Mulvium pmitem interfecit. — Die Stelle über die späteren Schick-
sale des Tetricus und der Zenobia Eutrop. X, 13 scheint Hieronymus
gleichfalls missverstanden zu haben, indem er diutissime vixit Zenobia
verband. Selbst dass Hieronymus mit dem Regierungsantritt der
Kaiser schliesst, unter denen er schrieb, und die Wendung praef.
p. 7 [3 Seh.]: reliquum temporis Gratiani et Theodosii latioris historiae
stilo reservavi, ist offenbar dem Eutrop entlehnt, der also schliesst:
reliqua stilo maiore dicenda sunt, quae nunc non tarn praetermittimus,
quam ad maiorem scribendi . diligentiam reservamus. — An diesen
Beispielen wird es genügen; sie zeigen zugleich, mit welcher wört-
lichen Treue Hieronymus seiner Quelle folgte. Es ergiebt sich
hieraus, dass für uns, die wir den Eutrop noch besitzen, alle diese
Auszüge und namentlich auch die chronologischen Epochen, unter
welche Hieronymus sie eingestellt hat, ohne historischen Werth sind
und Hieronymus hier eigentlich gar nicht angeführt werden darf. —
An einigen wenigen Stellen scheint Hieronymus neben dem Eutrop
das fast gleichzeitige grösstentheils aus Eutrop entlehnte Breviarium
Sex. Ruß gebraucht zu haben, s. zu den J. 250. 267. 275.*)
Ein wichtiger Theil der Zusätze des Hieronymus betrifft die
römische Litterargeschichte. .Dieselben sind kürzlich von Karl Fried-
rich Hermann (de scriptoribus illustribus quorum tempora Hieronymus
ad Eusebii chronica annotavit, Göttinger Programm 1 848) übersicht-
lich zusammengestellt ; ich werde die Nummern dieser Excerpte den
Olympiadenjahren beifügen. — Die Hauptquelle des Hieronymus ist
bekanntlich Sueton, den er in der Yorrede allein unter seinen Quellen
*) [S. jedoch unten die Beilage A zu den Jahren 250. 267.]
üeber die Quellen der Chronik des Hieronymus. 61t
mit Namen nemit, und zwar dessen Schrift de viris ülustribus (vgl.
besonders Ritschi parerga Plaut. I. p. 609 ff.) ; so sehr ist dies seine
Hauptquelle, dass seine Notizen da aufhören, wo Sueton schliesst,
mit Quintilian und dem älteren PUnius'^. Von dieser Schrift ist ein
Abschnitt {de iüustribus grammaticis) vollständig, von einem zweiten
{de iUustribus rhetoribus) wenigstens das Inhaltsverzeichniss und der 674
Anfang auf uns gekommen; zwei andre Abschnitte de oratoribus
und de poetis werden von Pontanus in einer Notiz über den durch
Sicco Polentone angeblich vernichteten Codex (Ritschi a. a. O. S. 612)*)
genannt und verschiedene vitae sind daraus einzeln auf uns gekommen.
Die Yergleichung des Erhaltenen mit Hieronymus Angaben zeigt
mit Evidenz, dass die letzteren Excerpte, wenn gleich noch so
kümmerliche, aus Sueton sind, und dass Hieronymus nichts Wesent-
liches zugesetzt 2, aber freihch sehr vieles weggelassen hat, z. B.
alle Grammatiker vor Yerrius Flaccus, alle Redner vor Cicero, alle
Historiker vor Sallust.**) Man sieht, dass man in Hieronymus Zeit
von den Schriftstellern der republicanischen Zeit höchstens noch die
Poeten las, aber nicht mehr die Prosaisten. Die Yergleichung der
erhaltenen Abschnitte mit Hieronymus Auszügen beweist, dass
Hieronymus bei jedem Namen die Kategorie, imter die Sueton ihn
eingetragen, zu wiederholen pflegte: aus den stehenden Epitheten
des Hieronymus können wir also zurückschliessen auf die Abschnitte
und Eintheilung der suetonischen Schrift. Es schien zweckmässig
von den uns bei Hieronymus erhaltenen suetonischen Notizen nach
diesen Kategorien eine Uebersicht zu geben, bis einmal ein künftiger
Herausgeber des Sueton diesen Fragmenten den gebührenden Platz
einräumt.***) Die vier Abschnitte der grammatid rhetores oratores
historici stehen imzweifelhaft fest; von den Dichtem ist es zweifel-
haft, ob sie in einer Abtheilung zusammenstanden oder ob, wie ich
eher glaube, die poetae, d. h. die Epiker, Satiriker und Lyriker von
1) Die drei letzten Paragraphen bei Hermann verdienen ihren Platz nicht;
sie gehören zu den Auszügen aus Eutrop. Vgl. Salvius lulianus (§. 98, Ol. 227J)
rdt Eutrop.YIII, 17; Fronto (§. 99, Ol. 235,|) mit Eutrop. Vm, 12; ülpianus
(§. 100, Ol. 251,i) mit Eutrop. Till, 23.
*) [Die Angabe des Pontanus ist erfunden: s. A. ReifFierscheid, Snetoni reli-
quiae, Leipz. 1860, S. 363 f.]
2) Eine triviale synonymische Bemerkung ist bei dem Grammatiker Palaemon
zugefügt; auch bei Plinius finden sich irrige Zusätze.
**) [Mit Reifierscheid S. 406 wird jetzt angenommen, daß Sueton die ält«ren
Redner und Historiker nicht genauer behandelt habe; doch ist diese Annahme
Dllbeweisbar.]
***) [Das ist inzwischen von A. Reifierscheid geschehen.]
ßj2 Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus.
den Dramatikern, den comoediarum tragoediarum mimorum scriptores,
getrennt waren ^.*) In Ermangelung einer passenderen Rubrik ward
Varro unter den Dichtern als philosophus et poeta mit aufgeführt.
675 I. de illustrihus grammaticis.
C. lulius Hyginus grammaticus (§. 63, Ol. 192,4 oder 193, 1) = Suet. c. 20.
Melissus grammaticus (§. 66, Ol. 194, ^) = Suet. c. 21.
Verrius Flaccus grammaticus (§.69,01.196,4) = Suet. c. 17.
Palaemon grammaticus (§.85,01.206,4) = Suet. c. 23.
Die differentia zwischen stilla und gutta ist Zusatz des Hier.; sie
findet sich ebenso, doch ohne den Namen des Palaemon bei [Ps.-I
Frmto de diff. p. 1332, 50 [GL VII 527]. Isidor orig. XIII, 20. In
den differentiae sermonum, die unter Palaemons Namen noch vor-
handen sind, wird zwischen gutta und stilla anders distinguiert
(ßitschl 1. c. p. 626. Hermann §. 85 not. [Reifferscheid S. 292]).
Probus grammaticus (§.86,01.208,4) = Suet. c. 24.
II. de claris rhetorihus.
Plotius Gallus primus Romae Lat. (§. 18, Ol. 173, i) = Suet. c. 2.
rhetor. docuit
Vultacilius Plotus Latinus rhetor. (§.20,01.174,4) = Suet. c. 3.
Hieronymus hat den Namen verdorben**) {L. Otacilius Pilutus heisst
er bei Sueton) und ihn fälschlich zum Freigelassenen des grossen
Pompejus gemacht (manumissus — Cn. Pompeium magnum docuit
Suet.).
Cestius Latinus rhetor. (§.60,01.191,4) =Suet.ind.6.
Albucius Silo rhetor. (§. 64, Ol. 193,|) = Suet. c. 6.
[vielmehr: Silus]
M. Porcius Latro Latinus declaraator (§. 67, Ol. 194,^) = Suet.ind.7.
Claudius Quirinalis rhetor. (§. 82, Ol. 205,4 oder 206, 1) = Suet.ind.l2.
M.Antonius Liberalis Latinus rhetor. (§. 84, Ol. 206,4 oder 207, 1) = Suet. ind. 13.
Statius Ursulus rhetor. (§. 87, OL 209, i) = Suet.ind. 11.
Gabinianus rhetor. (§.95,01.213,4) = Suet. ind. 14.
Quintilianus (§. 96, Ol. 216,4 oder 217, 1) == Suet. ind. 15.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Sueton diesem Yerzeichniss
der öffentlichen Lehrer der lateinischen Rhetorik in Rom anhangs-
weise eine Notiz über die römischen Professoren der griechischen
Rhetorik beigegeben hat. Daraus scheint entlehnt [S. 80 Reiff.]:
1) Vgl. auch Hieronymus ep. CXII p. 738 Vallars.: legisti mim et Graecos
et Latinos, qui vitas virorum illustrium descripserunt, quod nunquam epitaphium
titulum indiderint, sed de illustrihus viris, verhi gratia ducihits philosophis oratoribus
historicis poetis epicis tragids eomicis. Gewiss dachte er bei den letzten Titeln
an seinen Sueton. Diese Theilung der poetischen Werke geht auf die alexandri-
nischen Bibliothekare zurück. Tzetzes im rhein. Mus. N. F. VI S. 117.
*) [S. dagegen Reifferscheid S. 380.]
**) [Vgl. M. Hertz im Rhein. Mus. 43, 1888, S. 312.1
Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus.
613
Nicetas et Hybreas et Theodorus et Plutio nobilissimi artis rhetoricae
Graeci praeceptores habentur (§. 48, Ol. 187, |)
und eine andere Spur davon, auf die O. Jahn mich aufmerksam
macht, und die um so wichtiger ist, als sie den Sueton namentlich
citirt, findet sich Schol. luv. 3, 74 (aus dem Probus des Yalla):
Isaeus rhetor fnit Atheniensis illius temporis: cuius et Tranquillus
meminit [S. 80 Reiff.]. — Die summarische Weise, in der vier der
bedeutendsten griechischen Rhetoren in einen Satz zusammengedrängt
werden, scheint dafür zu sprechen, dass Sueton diese Nachrichten
nur anhangsweise*) mitgetheilt hat. — Die Angabe über Apollo-
dorus von Pergamus könnte man auch hieher ziehen; doch scheint 676
sie eher aus dem Leben des Redners M. CaHdius entnommen (s. das.).
ni. de oratorihus.
Cicero (§. 12, Ol. 168,3; §. 23, Ol. 174,4 od. 175,1;
§. 24, Ol. 175, 1 ; §. 30, Ol. 180, 1 ; §. 41, Ol.
184,4 od. 185,1. Hiezu füge ich noch die
bei Hieronyraus nach § 12 folgenden
Worte : Cn. Pompeitis Magnus oriUir, deren
Quelle sonst nicht nachweisbar ist; wahr-
scheinlich bemerkte Sueton, dass Cicero
in demselben Jahre mit Pompejus geboren
sei. — Femer §.65, Ol. 193,4: M. Tuüius
Tiro Ciceronis libertus qui primus notas
commentus est, in Puteolano praedio usqiie
ad C annum consenescit; was unter keine
der fünf Rubriken passt, aber sehr wohl
am Schluss der vita Oieeronis gestanden
haben kann.)
(§. 32, 0. 180,1; §. 52, Ol. 188,1; §. 71^ Ol.
197,f-).
(§.34, Ol. 180,4.) Aus dessen vita wohl
auch §. 29 (Ol. 179,2.): ÄpoUodorus Perga-
menus (rraectis orator praeceptor Calidii
et Äugusti clarus habetur.
(§.36, 01.181,4 oder 182,1.)
(§.45, 01.186,1.)
(§.53, Ol. 188,4 oder 189,1.)
(§. 56, Ol. 189,4 oder 190,1.)
(§. 62, Ol. 192,1.)
(§.68. Ol. 195,4 oder 196,1.)
(§. 73, Ol. 198,2.)
(§.77, 01.200,4 oder 201,1.)
(§.78, Ol. 201, |.)
(§.79, 01.202,4 oder 203,2.)
(§.81,01.204,2.) Ein Auszug der sue-
") [Vielmehr wohl in der Einleitung: s. Reifferscheid S. 405.]
Messalla Corvinus
orator
M. Calidius
orator
Ciuio
orator
Furnii
oratores
Munatius Plancus
orator
Atratinus
orator
Passienus pater
declamator
Asinius Pollio
orator
C. Asinius Gallus
orator
Q. Haterius
orator
Votienus Montanus
orator
Cas.sius Severus
orator
Passienus filius
614
Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus.
Domitius Afer
orator
tonischen Biographie ist erhalten [Schol.
luv. 4, 81 (s. daselbst 0. Jahn) , in dem
sich die Angabe des Hieronymus wieder-
findet.
(§.83, 01.205,4 oder 206,1.)
Die unmittelbar auf das Excerpt über Q. Haterius folgende Angabe:
Saevius Plautus corrupti filii reus semet in iudicio interficit (01.200,4.)
scheint in der Biographie irgend eines Redners bei Sueton gelegent-
lich vorgekommen zu sein.*)
677 IV. de poetis.
(§. 1, Ol. 134,4 oder 135,2; §. 6, Ol. 153,;i.)
(§.2, Ol. 144, f.)
(§.3, Ol. 145, f)
(§. 4, Ol. 148, i)
(§. 5, Ol. 150,2.)
(§. 7, Ol. 155, |.). Stimmt mit der suetoni-
schen vita Terentii.
(§. 8, Ol. 156, |.)
(§. 9, Ol. 158,i; §. 14, Ol. 169, |.)
(§. 10, Ol. 160, |.)
(§. 11, Ol. 166,1; §.50, 01.188,1 oderjl89,l.)
(§. 13, Ol. 169,2.)
(§.15, 01.169,3 oder 170,2.)
(§. 16, Ol. 171,2.)
(§.17, 01.172,1.)
(§. 19, Ol. 173,1; §. 33, Ol. 180,4 od. 181,1.)
(§.21, 01.174,3.)
(§.26, 01.177,3; §. 31, Ol. 180, |; §. 35,
Ol. 181,4 oder 182,1; §. 57, Ol. 190 1; §. 58,
Ol. 190,4: Varius et Tucea u. s. w., was
auch aus dem Leben des Virgil herrührt.
Auch §.54, Ol. 189, -|: Quintilius Cremo-
nensis Vergilt et Horati famüiaris moritur
ist sicher Fragment der vüa Virgüii.)
satiricus et ly- (§. 28, Ol. 178,4 oder 179,2; §. 61, Ol. 192, 3.).
ricus poeta Stimmt mit der suetonischen vita Horatii.
mimographus (§.39, 01.184,2.)
mimorum scriptor (§. 40, Ol. 184, |.)
poeta (§. 42, Ol. 184, |; §. 75, Ol. 199,i)
P°^*^l (§.43, Ol. 184,4 oder 185,1.)
poeta (§.47, Ol. 186, |.)
poeta (§.51, 01.188,3.)
poeta (§.59, Ol. 191, i.)
Q. Ennius
poeta
Naevius
comicus
Plautus
T. Livius
trag. scr.
Statius Caecilius
com. scr.
P. Terentius
com. scr.
Pacuvius
trag. scr.
C. Lucilius
satir. scr.
L. Accius
trag. scr.
M.TerentiusVarro
philosophus et
poeta
Turpilius
comicus
M.Furius Bibaculus poeta
T. Lucretius
poeta
L. Pomponius
Atell. scr.
C.ValeriusCatullus scriptor lyricus
P. Terentius Varro
Vergilius Maro
Horatius Flaccus
Publius
Laberius
Ovidius Naso
Comificius
Comificia
M. Bavius
Cornelius Gallus
Aemilius Macer
*) INach Reifferscheid S. 85 f. eben in der vita des Haterius.]
lieber die Quellen der Chronik des Hieronymus.
615
Phüistio
mimographus
Persius Flaccus satiricus poeta
M, Ann. Lucanus poeta
(§. 70, Ol. 196, -J.) (schrieb lateinisch,*) wie
es scheint, s. Hermann a. a. 0., vgl. 0. Jahn
z. Persius praef. p. XC).
(§.80, 01.203,1; §.88, 01.210,2.) Stimmt
mit der i-ita, die von dem älteren Gramma-
tiker Val. Probus herrührt, aber auch für
Sueton Quelle war.
(§. 90, Ol. 211,1.). Stimmt mit der mta.
V. de historicis. 678
Sallustius Crispus scriptor historicus (§.20, Ol. 173, |; §.46. Ol. 186,2.)
T. Livius scriptor historicus (§. 32, Ol. 180, J; §. 74, Ol. 199,1.)
Cornelius Nepos scriptor historicus (§.44, Ol. 185, i.)
Fenestella historiarum scriptor (§. 76, Ol. 199,3.)
et carminum
Q.AsconiusPedianus scriptor historicus (§ 94. Ol. 213, |.)
Plinius Secundus (orator et) historicus (§.97, 01.221,3 oder 222,1. Da, wie
Hermann gezeigt hat, Hier, die sue-
tonische Biographie des älteren Plinius
irrthümlich auf den jungem bezog, so
möchte auch das orator et auf seine
Rechnung kommen.)**) Stimmt mit der
Biographie, welche um so sicherer dem
suetonischen Werke de viris iUustribus
entlehnt ist, als Vincentius Bello vacensis
im spec. histor. L. XI. c. 67 sie anfahrt
aus TranquiUus in cathalogo virorum
ittustrium.
Wir schliessen hieran verschiedene andere mehr oder weniger
die Litterärgeschichte berührende Angaben, deren Quelle nicht mit
Sicherheit ausgemittelt werden kann.
1. Eine Anzahl Ts'otizen beziehen sich auf Seneca:
lunius Gallio frater Senecae egregius declamator propria se manu interficit
(§.89, 01.210,4 oder 211,1.)
L. Annaeus Seneca Cordubensis praeceptor Neronis et patruus Lucani poetae
incisione venarum et veneni haustu perit (§.91, 01.211,1.). Damit zu
verbinden: (Sotio philosophus Alexandrinus ) praeceptor Senecae (clarus
habetur) (§. 72, Ol. 197,4 oder 198,1.). Das Eingeklammerte ist aus
Eusebius.
L. Axmaeus Melas, Senecae frater et GaUionis, bona Lucani poetae filii sni
a Nerone promeretur (§. 92, Ol. 211,4 oder 212,1.). Aus der suetonischen
vita Lucani ist dies nicht entlehnt.
*) [S. dagegen H. Reich, Der Mimus I 2, Berl. 1903, S. 423 ff.]
**) [Vgl. Schöne, Weltchronik S. 153, 2 u. 170 ff.]
616 Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus.
Diese Notizen über den Jüngern Seneca und seine Brüder einer
suetonischen vita desselben beizulegen verbietet einmal die notorische
Verwechslung des Jüngern Gallio mit seinem Adoptivvater, dem
Declamator, die man Sueton nicht zuschreiben kann; zweitens der
Umstand, dass in den bekannten Abschnitten der suetonischen Schrift
für den Philosophen Seneca nirgends Platz ist.*) — Sollten diese
Notizen nicht vielmehr in einem gewissen Bezug auf die Controversen
des älteren Seneca stehen? Diese sind den drei Brüdern Novatus
(wahrscheinlich dem später lunius Gallio umgenannten) Seneca Mela
679 gewidmet — in derselben Ordnung wie Hieronymus sie aufführt — ;
der Rhetor Junius Gallio der Vater, den Hieronymus mit dem
Adoptivsohn verwechselte, kommt sehr oft darin vor. Alles was wir
hier lesen, könnte sehr passend in einer Vorrede oder Einleitung
zu Excerpten aus Senecas controversiae gestanden haben, wo Rechen-
schaft gegeben ward über die Schicksale derer, denen das Buch
dediciert war.
2. Aus einer gemeinschaftlichen Quelle dürften folgende Notizen
stammen :
Nigidius Figulus pythagoricus et magus in exilio moritur (§.37, Ol. 183,4).
Anaxilaus Larissaeus pythagoricus et magus ab Augusto urbe Italiaque pellitur
(nicht bei Hermann, Ol. 188,1).
Titus Musonium Rufum philosophum de exilio revocat (nicht bei Hermann,
Ol. 214,4).
Aus Sueton rühren diese Angaben gewiss nicht her;**) er würde
weder Nigidius und Anaxilaus zu magis gemacht, noch überhaupt
den letzteren so wie den Musonius Rufus — beides griechische
Schriftsteller — aufgenommen haben. Wenn aber die Notiz über
den Anaxilaus nicht von Sueton ist, ist es auch nicht die über den
Nigidius, wie denn auch die suetonischen Kategorien hier fehlen.
Vielmehr scheint Hieronymus irgendwo eine Angabe über die Aus-
treibungen der Philosophen aus Italien gefunden und daraus diese
drei Noten entlehnt zu haben.
3. Die Bemerkung über den jüngeren M. Porcius Cato stoicus
philosophus (§. 27, Ol. 177,4), der in die römische Litteraturgeschichte
nicht gehört, da er nichts geschrieben, gehört dem Eusebius (s. u. S. 687
[Beil. A z. J. 1948]). Die über den Juristen Ser. Sulpicius und den P. Ser-
vilius Isauricus, von denen letzterer nicht Schriftsteller war, ersterer
*) [Nach Reifferscheid S. 95 f. handelte Sueton über Seneca und dessen
Familie in einem Abschnitt de philosophis.]
**) [Reifferscheid S. 408 sucht sie, freilich in Einzelheiten irrend, als Frag-
mente eines Abschnitts de philosophis zu erweisen.]
Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus. 617
wenigstens nicht in das suetonische Werk passt, welches offenbar
die Juristen nicht mit umfasste; die über Augusts Arzt M. Artorius
(§.49, 01.187,4 oder 188,1); die über den Pantomimen Pylades
(§. 55, Ol. 189|) sind ungewisseren Ursprungs, aber schwerlich dem
Sueton entnommen.*) Wir haben die letzteren in die Beilage C.
aufgenommen, da sie vielleicht mit den dort aufgeführten Noten
zusammengehören. — Dass die Noten über Julian, Fronto und Ulpian
aus Eutrop entlehnt sind, wurde schon S. 673 [610] bemerkt.
Prüfen wir nun die Bemerkungen, welche nach Abzug des Euse-
bius, Eutrop und Sueton dem Hieronymus übrig bleiben, so wird
man darunter zunächst wie natürlich eine Reihe christlicher, besonders
literarischer Notizen finden, wofür bei einem kundigen Philologen,
wie Eüeronymus war, eine besondere Quellennachweisung kaum sich
geben lassen wird. Uns interessieren dieselben hier nicht. — Be- 681
merkenswerth sind einige Notizen, welche aus der Localtradition
von Antiochia herrühren (Abr. 1949; n.Chr. 101. 110. 201. 271. 275,
wo er eines Vorfahren seines Freundes Euagrius gedenkt, 281. 283.
306), eine andre aus der Localtradition von Jerusalem (Aelia Capi-
tolina) beim J. 138 n. Chr.; diese entnahm Hieronymus aus eigener
Kunde, da er an beiden Orten lange lebtet Von manchen Angaben
geringerer Bedeutung wird es stets unausgemacht bleiben, woher
sie rühren; hervorzuheben sind hier indess noch drei Quellenschriften,
von denen zwei uns verloren, die dritte noch vorhanden ist. — Die
erste ist eine Schrift de origine gentis Romanae von Janus bis auf den
Tod des Romulus (Beil. B.), welche Hieronymus selbst fr. 1 0, wo er
ad verhum daraus etwas anführt, im Gegensatz zu seinem griechischen
Original als Latina historia bezeichnet {alia historia fr. 5). Von
wem diese Schrift herrühre, lässt sich nicht ermitteln. Ihr Verfasser
benutzte Sallusts Catilina (fr. 21) und citiert für das Alter des Homer
den Apollodor und Euphorbus (wohl Corruption eher des Verfassers
als des Abschreibers für Ephorus, s. Seal. z. d. St.) und den Cornelius
*) [Die Bemerkung über Pylades nach ReiflFerscheid S. 372 vielleicht aus
der Einleitung zu de poetis.]
1) Hieronymus schrieb bei Lebzeiten von Gratian (f 383) und Theodosius
{.irraef. p. 9 Rone. [3 Seh.] und in der Chronik 363 [S. 195 w Seh.]), noch ehe
Theodosius die Gothen aus dem Reiche vertrieb im J. 380 (praef. 1. c. verglichen
mit Tillemout V. p. 206) ; wie Vallars in der vita S. Hier. (opp. XI. p. 66) gut
g(!zeigt hat. Damals hatte er schon längere Zeit in Antiochia bei Euagrius
gelebt (373 fg.) , dessen er auch im Chronicon gedenkt (Yallars 1. c. p. 36) und
WUT auch wohl in Jerusalem gewesen (ib. p. 34). [Vgl. über die Datierung der
Cluronik: Schöne, Weltchronik S. 249 ff.]
618 Ueber die Quelleu der Chronik des Hieronymus.
Nepos. Er berichtet manches ihm Eigenthümliche , so dass Lavinia
ausser dem Silvias Postumus, den sie vom Aeneas hatte, noch mit
Melampus den Latinus Silvius gezeugt habe, der nach seinen beiden
Brüdern Ascanius und Silvius zur Herrschaft gekommen sei; dass
Romulus Feldherr Fabius den Remus erschlagen, dass der Raub der
Sabinerinnen im dritten Jahre nach Erbauung Roms stattgefunden.
"Vergleicht man unsre Fragmente mit Livius, so wird man in den
Facten und oft in den Worten einen engen Anschluss bemerken,
jedoch so, dass in der Regel unsre Schrift, selbst in ihrer fragmen-
tarischen Gestalt, noch ausführlicher ist als Livius und das erklärt,
was dieser andeutet; ob uns hier Fragmente der Schrift vorliegen,
welche Livius in diesen ersten Kapiteln hauptsächlich vor Augen
hatte, oder, was glaublicher ist, Fragmente einer den livianischen
Bericht zu Grunde legenden und weiter ausführenden Bearbeitung,
681 ist nicht mit Bestimmtheit zu entscheiden. Jedesfalls zeigt die Ver-
wirrung in den Zeitangaben fr. 10, dass schon die Quelle des
Hieronymus eine sehr trübe war.
Von der zweiten Quellenschrift haben wir die Auszüge de&
Hieronymus in Beilage C. gesammelt. Es sind historische Notizen
aus der Zeit von Pompejus Tod bis auf die Schlacht von Actium,
von bester Art und sehr detailliert. Die Quelle, aus der Hieronymus
hier schöpft, scheint auch Quelle des Dio in den Büchern 43 — 48
gewesen zu sein, und zwar sind die einzelnen Facta in der Regel
bei Hieronymus genauer und detaillierter angegeben als bei Dio, so
dass man nicht etwa meinen kann, Hieronymus habe aus Dio ab-
geschrieben. Für die Verwandtschaft der Angaben bei Dio und bei
Hieronymus spricht nicht bloss die zum Theil wörtliche Ueberein-
stimmung, sondern auch die Gemeinsamkeit des Fehlers, dass Kleo-
patra mit Cäsar in Rom statt in Alexandrien ihren Einzug gehalten
[s. u. Beil. C zu 46 v. Chr.]. Diese Notizen sind daher ein werthvoller
Rest; nur darf man auf die Jahreszahlen, denen Hieronymus die
Facta beigeschrieben hat, nicht zu viel Gewicht legen. Welchem
Schriftsteller Hieronymus diese auch durch Proprietät, Genauigkeit
und Eleganz des Ausdrucks bei ihm sich auszeichnenden Fragmente
entlehnt hat, weiss ich nicht; sicher aber einem römischen Autor
guter Zeit. An Livius zu denken liegt nahe; indess dagegen spricht,
dass die epii. CXI den Tod des Coelius und des Milo, CXII den des
Pompejus erwähnt, während bei Hier, die Ordnung umgekehrt ist;
auch stimmen die Prodigien nicht mit Obsequens zusammen.*)
*) [Eine Liviusepitome sucht als Quelle zu erweisen H. Haupt, Philologus 44,
1885, S. 291 ff.]
Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus. 619
Die dritte Quelle, welche Hieronymus benutzt hat, ist die noch
vorhandene Stadtchronik, wie die in Beilage D. zusammengestellten
Auszüge beweisen. Es sind deren zwar nur wenige, wie die Natur
der Sache es mit sich bringt ; allein es ist darum nicht minder be-
weisend, dass die wenigen Angaben des Hieronymus über römische
Bauten, welche bei Eusebius und Eutrop nicht vorkommen, sämmtlich
in der Stadtchronik verzeichnet sind. Am schlagendsten ist die Ent-
lehnung bei dem Verzeichniss der Bauten Domitians. Die ersten
Worte ynulta opera — Stadium sind wörtlich und mit beibehaltener
Reihenfolge aus Eutrop abgeschrieben. Die folgenden Worte sind
ebenfalls wörtlich und mit beibehaltener Reihenfolge, jedoch mit
Auslassung der schon bei Eutrop genannten und einiger weniger
wichtigen, aus der Stadtchronik entlehnt; wobei es dem Compilator
begegnet ist aus horrea Vespasiani, templum Castorum herauszulesen
Vespasiani templum. Weil er femer unter Domitian tliermas Titianas 682
et Traianas fand (was ganz richtig ist, da dies zwei zusammengehörige
Bäder sind, von denen das letztere, das Frauenbad, wohl auch unter
Domitian gebaut, aber erst unter Trajan dediciert ward), meinte er
auch das forum Traiani hier anbringen zu dürfen, das unter Domitian
ganz verkehrt steht, und stellte desshalb um: tJiermae Traianae et
Titianae, nicht richtig, denn das Titusbad war das hauptsächliche.
Die unkundige Compilation aus Eutrop und der Stadtchronik ist hier
handgreiflich; Hieronymus hat hier für uns nur den Werth, dass er
das auch bei Paeanius und in den besten Handschriften fehlende
Glossem odium im Eutrop beseitigt und in der Stadtchronik das
sinnlose synodum verbessert in odium, so wie die in der Stadtchronik
vor der meta su^mis ausgefallene mica aiirea und den Namen des
einen ludus ergänzt, welche wahrscheinlich alle vier in den bessern
Texten der Stadtchronik genannt waren. Ueberhanpt scheint er ein
besseres und vollständigeres Exemplar derselben als das unsrige ist
vor sich gehabt zu haben. — Dass er vielleicht aus derselben Chronik
das Verzeichniss einiger Consuln und Dictatoren, welches in der
series regum zwischen den Königen und den Kaisern steht, entlehnt
hat, ist schon S. 671 [609] bemerkt worden. Die Namen stimmen
zwar nicht, allein sie schwanken in den Hdschr. des Hieronymus
(s. Vallars p. 81) selbst gar sehr; auch mag er die Nomenclatur der
Stadtchronik bloss als Ausgangspunkt benutzt, die Namen aber aus
Eutrop und Victor zugesetzt haben. — Was übrigens von den Jahren
za halten ist, denen Hier, die der Stadtchronik entnommenen Notizen
beigeschrieben hat, sieht ein Jeder; an einer Stelle ist sogar noch
das Severo imperante der Stadtchronik stehen geblieben.
620 Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus.
Endlich ist hier noch einer Stelle besonders zu gedenken, beim
J. 212 n. Chr.: Äntoninus Caracalla cognominatus propter genus vestis
quod Bomae erogaveraf, et e contrario caracallae ex eins nomine
Antonianae (so alle Hdschr.) dictae. Eutrop und Eusebius wissen
hiervon nichts; auch in der Stadtchronik findet sich diese Notiz
nicht. Dagegen haben wir darüber zwei divergierende Berichte : den
einen, wonach der Kaiser die Plebs zwang, seine celtischen caracallae
ihm abzukaufen und in den Audienzen damit bekleidet vor ihm zu
erscheinen, in der epitome Aur. Vict. c. 21., worauf auch Dio 78, 3
hinführt; den zweiten (übrigens mit jenem nicht unvereinbaren),
wonach er die caracallae an die Plebs verschenkte und diese nach
ihm Antoni{ni)anae genannt wurden. Diesem folgt Spartian. Car. 9
683 (vergl. Diadum. 2): Caracalli nomen accepit a vestimento quod populo
dederat demisso usque ad talos, quod ante non fuerat; unde hodieque
Antoninianae dicuntur caracallae huiusmodi in usu maxinio Romanae
plehis frequentatae; und daraus Yict. de Caes. 21 : Äntoninus incognita
munerum specie urbem Romanam adficiens, quod indumenta in talos
demissa largiretur Caracalla dictus, cum pari modo vesti Antonianae
nomen e suo daret. Aus einem dieser beiden Autoren, wahrscheinlich
aus Yictor (mit dem er in der Form Caracalla und Antonianae
übereinstimmt) scheint Hieronymus geschöpft zu haben; was aller-
dings auffallend ist, da sich sonst nichts aus Yictor bei ihm findet,
aber einigermassen dadurch unterstützt wird, dass Hieronymus im
J. 374 (wo er im Begriff war seine Chronik zu schreiben) von einem
lombardischen Freunde sich propter notitiam persecutormn Aurelii
Victoris historiam erbat (ep. X p. 24 Yallars). Diese Spur einer
Benutzung des Yictor verdient Aufmerksamkeit, da die schwierige
Frage über die Echtheit und die Yerfasser der verschiedenen jetzt
unter Yictors Namen bekannten Schriften hier vielleicht einigen
Anhalt findet.*)
Wir schliessen hiemit unsre Untersuchung. Die Epoche von
Constantins Regierungsantritt bis auf Yalens Tod (310—381) ist von
Hieronymus, wie er auch in der Yorrede sagt, selbständig bearbeitet
worden und es kann hier, abgesehen von der Scheidung dessen, was
dem Eutrop gehört, von einer Ermittelung seiner Quellen in der
Art wie sie bisher versucht ward, nicht mehr die Rede sein. —
Das Resultat ist, dass Hieronymus sein Chronicon zusammengesetzt
hat, aus folgenden Quellen:
Noch ganz oder theilweise vorhanden sind:
1. Kanon und series regum des Eusebius; wovon er jenen in
*) [Vgl. Schöne, Weltchronik S. 209 ff]
üeber die Qnellen der Chronik des Hieronymus. 621
einem vollständigeren Exemplar benutzt als das armenische
ist [s. jedoch oben S. 609]. Aus dem ersten Theil des
Eusebius scheint er die Zahlen der Könige von Mycenae
entlehnt zu haben (S. 685 [Beil. A z. J. 705]), wenn nicht diese
auch in der series regiini standen. Ygl. auch oben S. 672 [609].
2. Eutrops Breviar.
3. Das hreviarium Sex. Rufi, wenig gebraucht.
4. Die Stadtchronik, in einem besseren Exemplar von Hierony-
mus gebraucht.
5. Suetons Schrift de viris in litteris iUtisfribtts, die Hieronymus
vollständig hatte.
Verloren sind: 684
6. eine Latina historia de origine gentis Romanae.
7. ein Werk über die Zeit von Pompejus Tod bis zur Schlacht
bei Actium, das auch Quelle des Dio war.
Hiezu kamen verschiedene einzelne Notizen: vielleicht eine Ein-
leitung zu den Excerpten der Controversen des älteren Seneca —
eine Angabe über die Austreibungen der Philosophen aus Rom —
Localtradition von Antiochia und Jerusalem — mancherlei Kunde
über christliche Dinge, namentlich über christliche Literatur und
sonst mancher kleinere, nicht gerade einem bestimmten Buche ent-
lehnte Zusatz. — AVie Hieronymus seine Quellen behandelt hat, ist
aus der Vergleichung seiner Excerpte mit den noch vorhandenen
Originalen zu ersehen: er hat ziemlich planlos ausgewählt, die Texte
stark verkürzt, aber wo möglich die eigenen Worte beibehalten, oft
freilich auch missverstanden. Am wenigsten Werth haben gerade
die wichtigsten Angaben, die der Jahreszahlen; wo er sie nicht
ausdrücklich in den Quellen fand, hat er die Anmerkungen beliebig
unter gewisse Jahre untergebracht, wie dies Ritschi {parerg. I. p. 623 fiF.)
mit strengem, aber richtigem UrtheU gezeigt hat und wie die Yer-
»leichung seiner Auszüge mit Eutrop und der Stadtchronik augen-
scheinlich darlegt. Als Zeittafel taugt er wenig, als Excerpierender
hat er den Werth seiner Quelle, so dass man ihn nicht brauchen
sollte, ohne in jedem Falle sich erst über diese zu vergewissem.
Dass er späterhin selbst wieder Quelle geworden ist imd Prosper
lind Cassiodor fast nichts gethan haben als den Hieronymus aus-
schreiben, ist so bekannt, dass es Verwunderung erregt bei gründ-
Lchen Forschern jene neben diesem als eigene Gewährsmänner
erwähnt zu finden.
622
lieber die Quellen der Chronik des Hieronymus.
685 A.
Anmerkungen des Hieronymus, die im armenischen Text fehlen und
entweder aus Eusebius entlehnt sind oder sich nicht auf eine
bestimmte Quelle zurückführen lassen^.
Abr. 1 — 344 fehlen im armenischen Teoct.
(349. Pharaones ex Maneth. fehlt in aUen
guten Handschr. Vgl. zum J. 1144.)
351. principium xlvii lub. (fehlt hei Mai.)
[und Schöne].
365. ccxc annus reprom. (fehlt hei Mai.)
375. ccc annus reprom. (fehlt hei Mai.)
376. Callithyia sac. Arg. Syncellus p. 283
Bonn, init der Ueberschrift 'Aq^Qi-
xavov.
385. cccx ann. repr.
400. quippe cuius statua Zus. des Hier,
[fehlt hei Schöne].
402. princ. XLvni lub. (fehlt hei Mai.)
[u. Seh.].
405. cccxxx ann. repr.
415. cccxL ann. repr.
443. Hercules Antaeum. Vergl. unter 820.
Wohl aus Euseb. Fehlt hei Syn-
cellus, der hier einen Abschnitt über-
sehlagen zu haben scheint.
445. cccLXX ann. repr., xx ann. Moysis.
449. Primus quadr. Trochilus. Wahr-
scheinlich aus Eusebius.
451. Xanthus Triopa Lesb. cond. Wahr-
scheinlich aus Eusebius.
452. princ. xiix lub. (fehlt hei Mai.)
[u. Seh.].
453. In Greta regn. Cydon. Wohl aus
Eusebius.
455. XXX ann. Moysi (fehlt hei Mai.)
460. XXXV Moysi anno Cecrops. Zus.
des Hier.
464, XL ann. Moys.
485. ccccx a. r. et lx a. M. (fehlt bei Mai.)
486. iudicium Neptuni et Minervae.
S. p. 290.
489. Iste est Pharao Chencheres, Schevnt
Zus. des Hier, [fehlt hei Seh.].
490. quam urbem Euboici. S. p. 290.
495. Lxx ann. Moys.
505. quae nupta postea Telegono. S.
p. 288.
510. In Aegypto regn. Telegonus.
518. qui et urbem condidit. S. p. 296.
520. Deucalionis filius Dionysius. S.
p. 297.
530. Cath fil. Trismegisti. Wohl Zus. des
Hier, [fehlt bei Seh.].
530. Lacedaemon cond. S. p. 298.
533. Remesses. cui datum est regn.
eiecto Danao. S. p. 293. [fehlt bei
Seh.].
541 . post Sthenelum Argisregn. Gelanor.
S. p. 288.
543. Argos sibi Danaus vind. S. p. 288.
1) Unter dieser Ueberschrift ist zusammengestellt, was Hieronymus mehr
bat als der armenische Text des Eusebius, so weit es nicht aus Eutrop entlehnt
oder in die Beilagen B. C. D. aufgenommen ist. So weit möglich ist bei jeder
einzelnen Bemerkung die Quelle angegeben, der Hieronymus sie entnahm,
namentlich ist Syncellus sorgfältiger verglichen als Mai es gethan; was Hier,
nicht gerade einem bestimmten Buch entlehnt, sondern aus eigener Kunde zu-
gesetzt hat, bezeichne ich als Zusatz des Hieronymus. Was in ( ) eingeschlossen
ist, halte ich für Interpolationen im Text des Hieronymus, der in dieser Be-
ziehung noch einer durchgreifenden Kritik bedarf. [Die Interpolationen sind
in der Schöneschen Ausgabe ausgeschieden worden. — In der Tabelle sind für die
Bequemlichkeit des Benutzers die Jahre Abrahams nach der Schöneschen Ausgabe
geändert, dagegen die p. Chr. so belassen worden, wie sie Mommsen nach Mai gab.]
Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus.
623
546. Erichthonius pr. quadr. S. p. 297.
546. Eleazar. S. p. 284.
555. lesus succ. Moysi.
567. templ. Delph. ine. S. p. 288.
570. in Greta regn. Asterius. S. p. 289.
590. Melus et Paphus et Thasus et
Callista cond. S. p. 299.
593. Bithynia cond. S. p. 299.
599. qui ferr. reper. S. p. 299.
608. Ephyra cond. S. p. 299.
611. Harmonia rapta. S. p. 299.
613. Cadmea et Side cond. S. p. 300.
619. a quo Peloponnesus. S. p. 303.
643. Thebis expulso Cadmo Amph. et
Zethus. Wiederholung aus 602?
645. Progne et Philomela. S. p. 304.
654. apud Pythium Phemonoe. S.
p. 304.
683. gesta Persei. (fehU hei Mai.)
705. Ben Katalog der Könige von
Mycenae, den der arm. Euseh. am
Schluss der argivischen ohne die
Jahreszahlen giebt, hat Hieronymus
mit den Jahreszahlen eingerückt,
wohl aus dem ersten TheU des
Eusebiusp. 133 Mai. [p. 179 f. Seh.].
708. Midas. S. p. 306.
709. Ilium cond. S. p. 305.
713. Laius S. p. 306.
715. templ. Eleus. S, p. 306.
801. Minos leges ac iura const. S.
p. 308.
303. Philistus scr. Carth. S. p. 324.
.S06. Hercules agon. Olymp. S. p. 324.
812. Apri Calyd. S. p. 324.
823. lephte in libro. Zus. des Hier.
8.35. a quo Mopsicrenae. WoM 2his. des
Hier.
835. Menestheus moritur. S. p. 325.
841. Aegistbus. S. p. 322.
H7. Sirenas quoque. Zus. des Hier.
857. Zeuxipp. baln. Byz. Vgl. 1550.
860. Tisamenus. Vgl. zu 705.
(661. Hebraei hunc trad. (fehlt bei Rone.
[u. Seh.])).
862. Hectoris filii. S. p. 322.
-875. agon Lycior. S. p. 334.
9)1. Saul. S. p. 332.
(910. Samuel (fehlt bei Rom.)).
916.
921.
927.
(944.
968.
970.
972.
985.
1003.
1009.
1031-
1113.
1116.
1134.
1152.
1155.
(1158.
1167-
1233.
1248.
1249.
1251.
1260.
1261.
1283.
Heracl. in Pel. S. p. 334.
Eurysth. et Procl. S. p. 336.
lones. S. p. 335.
Pelop. rursus (fehlt bei Rone.)).
Cumae cond. S. p. 340.
Myrena cond. S. p. 340.
Ephesus cond. S. p. 340.
Samos cond. (feMt bei Rone. [u.
Seh.])).
a diluvio usque ad Zusatz des
H.; vgl. S. p.U2.
quod Virgilius. Zusatz des H.
[fehlt bei Seh.].
tertio Thraces mare obt. S.
p. 340; vgl. unier 1055.
-1099 fehä im armenischen Teoct.
Hie Zacharias. Zusatz des H.
{Interpol.].
qui dedit mand. Zusatz des H.
[fehlt bei Seh.].
Lycurgus.
Cypri mare obt.
Elisaeus. S. p. 353.
alter Sesonchoris, Serapis, mit
einem Zitat auf die membranae
aegyptiacae Ptolemaei , quae
dicitur sacra scriptura. Fehlt
bei Seal. [u. Seh.] und scheint [ist
siehei-] Emblem. Vgl. zum J. 349
und Sync. p. 170.).
-1220 fehlt im armenischen Text.
Aeg. mare obt.
triremis Ath. S. p. 400.
Osee loel Isaias Oded. S. p. 375.
Hesiodus.
fuit autem sub regibus. Zusatz
des H.
(Cyzicus condita fügt Rone. [u.
Seh.] hinzu, fehÜ bei Mai.).
mare obt. Milesii. Naucratis.
Messena capitur. WoM atis Euse-
bius, wie die folgenden Notizen.
S. p. 404 mit Zusatz
des Hier. [fehU bei Seh.].
Taracus Sebic.
Ecbatana cond. S. p. 372.
Tarentum Corcyra cond.
Hipponax.
Chalcedon cond.
1305. Manasses.
1305.
1309.
1312.
1329.
1332.
686
624
Ueber die Quellen der Chrouik des Hieronymus.
1344. Nechepsus.
(1557.
1352. Aristoxenus. S. p. 401.
1370. Selinus cond. S. p. 402.
1566.
1372. Borysthenes cond. (fehlt hei Rom.)
S. p. 402.
1566.
1376. Terpander. S. p. 402.
1387. Sinope = Sidon im arm. Text.
1406. Alcman. S. p. 403.
1568.
1415. Perinthus cond.
1573.
1441. Hoc tempore Über. Zus. von Hier.
1580.
{fehlt hei Seh].
1583.
(1442. Alyattes et Astyages (fehlt hei
1588.
Rone. [u. Seh.]) vgl. unter 1435.).
1591.
(1450. Amosis iste (fehU hei Rone. [u.
1617.
Seh.])).
1623.
1460. Anaximenes. S. p. 454.
1625.
1467. Apollinisresponso. Zus. von Hier.
1648.
1471. Cyrus S. c. S. p. 451.
(1652.
1472. Harpagus. S. p. 451.
1653.
687 1482. Ibycus.
1666.
1489. Dicaearchia cond.
1670.
(1497. a Davide (fehlt hä Rone. \u.
1672.
Seh.])).
1672.
(1497. Olympias (fehlt bei Rone.)).
1676.
1505. rege.s — imperunt annis ccxl (ist
1678.
die Totalsumme der 7 regua, s.
1681.
series reg. p. 66 Rone, ohen
1684.
S. 671) sive ut quibusdam placet
coxiiii (aus Eutrop. 1, 8.j.
1694.
1505. Naxii mare obt. (fehlt bei Rom.
1695.
[u. Seh.]) S. p. 469.
1696.
1513. Censu agitato Romae inventa
1697.
sunt hominum cxx milia. S.
1706.
p. 452.
1713.
1525. bellum Marath. Miltiades Ari-
1716.
stides. S. p. 468.
1733.
1529. Gelo. S. p. 469.
1745.
1533. Aristides. S. p. 470, vgl 472.
1747.
1(1533. Xerxes pontem (fehlt in vielen
Hdsehr.) [fehlt bei Seh.]).
1774.
1538. Ath. Piraeum. S. p. 470, 5.
(1540. Hieron Syrac. regnat (fehlt hei
Mai.)).
1550. Zeuxis lavacr. Byz. Vgl. unter 8bl.
1801.
(1551. Themistocles. Rone. [u. Seh.] hat
1813.
diesen AH. so Jcurz toie Euseb.,
Mai hat ihn erweitert.).
1816.
(1551. lub. Lxxi (fehlt in vielen Hdsehr.
[u. bei Seh.])).
1828.
Reges gent. div. mare obt. (fehlt
hei Rone. [u. Seh.])).
Bacchylides Praxilla Cleobulina,
S. p. 470.
Romani per legatos ab Athenien-
sibus iura petierunt, ex quibus
xn tabulae conscribtae. S. p. 484.
Abaris. S. p. 471.
Melissus. S. p. 471.
Aristofanes. S. p. 482.
Socrates. S. p. 482; vgl. 489.
Pericles.
ex Aetna. S. p. 489.
Ctesias. S. p. 490.
Dionysius. S. p. 491.
Eudoxus. S. p. 491 cf. 489.
Teos rex.
laddus (fehlt hei Rone. [u. Seh.])).
Alexander Pheraeus.
hucusque Manethos. S. p. 486.
Ochus Sidonem. S. p. 486.
Dionysius Corinthum.
Plato. S. p. 494.
Dionys. Corinthum; vgl. S. p. 494.
laddus. S. p. 484.
Manasses. S. p. 484.
ist der Name des Consuls Maelius
Torquatus Zus. des Hier.
Agathocles. S. p. 522.
Lamiacum bellum. S. p. 522.
qui divinitate. Zus. von Hier.
Demetrius Phalereus. S. p. 521.
Edesseni. S. p. 520.
Theodorus. S. p. 522.
Seleucus Babyl. S. p. 520.
Demetrius. Vgl. S. p. 519.
Aratus. S. p. 523.
Argenteus nummus primum in
urbe figuratus. S. p. 523.
Romae templum Vestae incen-
sum. S. p. 524. (Der Zusatz
MaVs correptis — abripuit fehlt
bei Ronealli, Synceüus [u. Seh.]).
victi ludaei.
Scipio Hiberiae multas urbes
recipit. S. p. 524.
Carthago in ditionem Rom. redi-
gitur [fehlt bei Seh.].
Eumenes.
Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus.
625
1860. ludas occ. S. p. 535.
1911. lonathas. S. p. 544.
1922. Ptolomaeus Cyren- rex. Von Hie-
ronymus rührt dies sicher nicht her,
da er dasselbe Factum zum J. 1951
aus Eutrop. 6, 11 nachtrug. Viel-
mehr hat hier im armenischen
Text der Schreiber durch mehrere
Jahre die Notizen weggelassen;
und auch Syncellus lässt uns hier
im Stich, da er die Epoche van
der Zerstörung Karthag&s bis auf
Sulla überschlägt, so dass Hiero-
nymus hier allein den E^isehius
uns betcahrt hat*)
1929. Alexander matrem saam occ.
1931. Sylla Ath. vastat.
1932. Descriptione Romae facta inventa
sunt hominum ccccLXin müia.
1933. templum tertio apud Delfos — in-
censum et Romae Capitolium.
1934. lannaeus plurimas civ. cepit.
1937. Sylla Romam obtinuit et post
biennium moritur.
1944. Bellum gladiatorium in Campa-
nia; eher aus Euseb. als aus
Eutr. 6, 7.
1945. Pompeius universam Hiberiam
subiugavit; nicht aus Eutrop. 6, 1,
da der Ausdruck Hiberia die grie-
chische Quelle anzeigt.
1947. Crassus triumphat.
1948. M. Porcius Cato stoicus philo-
sophus agnoscitur. Diese Angabe
gehört waJirscheinlich dem Eusebius,
nicht dem Sueton; Hermann hätte
sie rmter die Zus. des Hier, nicht
aufnehmen sollen. Vgl. S. 679.
1949. Die Notiz über den lucus Daph-
nesium ist aus Eutrop. 6, 14 (vgl.
Brev. Eufi c. 16; jedoch mit Zus.
von Hier, aus Localtradition voti
Antiochia.
1954. Pompeius captis Hierosolymis
tributarios ludaeos facit. S. p. 566.
1955. Ea quae de Catilina cet. S. p. 566.
Die Erwähnung des Sallust ist von
Hieronymus zugefügt.
1971.
1976.
1985.
1988.
1956. Pompeius Imperator appellatus.
S. p. 566.
1968. Diodorus Siculus graecae scriptor
historiae clarus habetur. Woher
diese Notiz, ist schwer zu sagen.
Decretumsenatus et Atheniensium
ad ludaeos mittitur qui per lega-
tionem amicitiam postularunt.
S. p. 577.
Antonium superat Aug. S. p. 578.
1983. Lunae secundum Romanos cursns
inventus est. Der Ausdruck sec.
Rom. deutet auf ein griech. Ori-
ginal. Vgl. S. p. 577.
de quo VLrg. scr. Zus. des Hier.
Aegypti regn. destr. Zus. des Hier.
[fehlt bei Seh.].
1997. Cantabri res novas mol. oppr.
S. p. 593.
2014. TertuUianus in eo libro. Zus. des
Hier.
p. Chr. 31. principium lxxxi lubilaei
(fehlt bei Mai.)
p. Chr. 38. Die Angabe über Pilatus von
Hier, ericeitert, tcofür er sich auf
TertuHian in apolog. beruft, den
auch Eusebius aber kürzer anführt.
p. Chr. 62. Terrae motus Romae et solis
defectio. S. p. 636.
p. Chr. 70. Vitellius octavo cet; viel-
leicht ausgefallen im armen. Euseb.,
kann aber auch aus Eutrop. 7, 18
zusammengestellt sein [fehlt bei Sdi.].
hat Hier. Notizen über den
Ignatius von Antioehia zu-
gesetzt.
p. Chr. 120. Hadrianus (eruditissimus
in utraque lingua) sed in puero-
rum amore parum continens fuit.
Die erste Hälfte aus Eutrop. 8, 7,
die zweite Zus. des Hier.
p. Chr. 120. Hadrianus reliqua tributo- 688
rum. S. p. 659.
p. Chr. 131. (Antinous puer egregius)
eximiae pulchritudinis (in Aegyp-
to moritur, quem Hadrianus vehe-
menter deperiens, nam in deliciis
habuerat, in deos refert); ex eins
Chr. 101
Chr. 110
*) [Vgl. Hermes 16, 1881, S.
MOMMSEN, SCHB. Vn.
?, 2 = 0. S. 398, 5.]
40
Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus.
nomine etiam urbs appellata est.
Zus. des Hier.
p. Chr. 135. Basilides mit Zm. des Hier.
p. Chr. 138. Aelia ab Aelio Hadriano
condita, et in fronte eins portae,
qua Bethleem egredimur, sus
sculptus in marmore, significans
Romanae potestati subiacere lu-
daeos. Nonnulli a Tito Aelio
filio Vespasiani extructam arbi-
trantur. Zus. des Hier, aus eigener
Kunde.
p.JChr. 144. Marcus episc. Alex. Vgl.
Sync. p. 661.
p. Chr. 147. Taurus Berytius. S. p. 662.
p. Chr. 166. Apud Pisas peregrinus phi-
losophus. S. p. 664.
p, Chr. 169. Der Märtyrer Pionius von
Hier, zugefügt.
p. Chr. 172. Melito Asianus. S. p. 665.
p. Chr. 173. Dionysius, S. p. 665.
p.JChr. 173. Pinytus. Zus. des Hier.
p.'^Chr. 173. Pseudoprophetia mit Zus.
von Hier.
p. Chr. 174. Tatianus, Bardesanes. Zus.
des Hier.
p. Chr. 182. Comm. de Germ, triumph.
S. p. 667.
p. Chr. 184. Irenaeus. S. p. 668.
p. Chr. 194. (Victor) cuius mediocria
extant de religione volumina.
{Zus. des Hier.)
p. Chr. 198. Anführung der Schriften
über die Oster zeit; Zus. des Hier.
p. Chr. 199. Judaicum et Samariticum
bellum vel ortum vel resumptum.
p. Chr. 201. Severo imperante thermae
Severianae apud Antiochiam et
Romaefaetae. Tlieils aus der Stadt-
chronik, theils aus Localtradition
von Antiochia.
p. Chr. (209. Tertullianus. Zus. des Hier.)
p. Chr. 211. Antoninus Caracalla cogno-
minatus propter genus vestis,
quod Romae erogaverat, et e
contrario caracallae ex eins no-
mine Antonianae dictas. Aus
Aur. Vict. de Caes. 21, wie es
scheint; vgl. oben S. 682.
p. Chr. 230. Geminus , Hippolytus , Be-
ryllus, clari scriptores. Zus. des
Hier.
p. Chr. 246. hat Hier, zu Eutrop. 9, 2
hinzugefügt, dass Philippus praef.
praet. war. Denselben 2ksatz hat
das brev. Rufi c. 22.
p. Chr. 247. (Philippus Philippum filium
suum consortem regni facit) pri-
musque omnium ex Romanis
imperatoribus Christianus fuit.
Der Anfang wohl aus Eutrop. 9, 3.
p. Chr. 250. Philippus urbem nominis
sui in Thracia construit. Woher
dies ist, ist schwer zu sagen —
jedesfalls ist es eine Verwechselung
des thracischen von dem Vater
Alexanders gegründeten Philippo-
polis und einer von dem Kaiser
in Arabien gegründeten Stadt dieses
Namens. Also wohl ein Zusatz
aus Hier, eigener Kunde oder eher
Missverständniss des brev. Rufi
c. 9.*)
p. Chr. 254. diaconus Laurentius mart.
[fehlt bei Seh.].
p. Chr. 254. Antonius monachus.
p. Chr. 254. Alexander et Babylas interf.
Vgl. S. p. 683.
p. Chr. 255. Fabiani, Comelii mors. Vgl.
S. p. 683. Cypriani epist.
p. Chr. 255. Citat von Cyprian de mor-
talitate.
p. Chr. 255. Novatus, abweichend von
Eus.
p. Chr. 256. Citat von Cyprians epistolae.
p. Chr. 259. Cyprianus mart. Vgl. S.
p. 683.
p. Chr. 261. Sapor rex Persarum Syriam
Ciliciam et Cappadociam depo-
pulatur. Aus Eusebius'i
p. Chr. 267. Odenatus decurio Palmyre-
nus collecta agrestium manu ita
*) [Nach Schöne a. a. 0. S. 219 ff. stammt diese Notiz, wie die übrigen über
Kaiser Philippus, aus Eusebios, den Hieronymus mißverstand.]
Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymas.
62:
Persas cecidit, ut ad Ctesiphontem
castra poneret. Eutrop. 9, 10,
ergänzt aus dem brav. Rufi c. 23.*)
p. Chr. 271. Timaeus episc. Antioch.
p. Chr. 275. Die Stdle über Zenobia ist
aus Eutrop. 9, 13, aber die Worte
apud Immas sind hinzugefüfft aus
brav. Rufi c. 24. Der ScMuss: in
qua pugna — descendit ist, tcie
Hier, selbst sagt, Familientradition
seines Freundes Euagrius in An-
tiochia.
p. Chr. 278. Die Nachricht über den Tod
des Äurdian ist aus Euseb. und
Eutrop. 9, 15 zusammengesetzt; das
Wunderzeichen des Blitzes ist Zus.
des Hier.
p. Chr. 280. Anatolius Laodic. episc.
p, Chr. 281. Secundo anno Probi iuxta
Antiochenos. cet. LocaUradition
von Antiochia.
p. Chr. 283. Cyrillus episc. Antioch.
p. Chr. 283. (Saturninus) magister exer-
citus novam civitatem Antiochiae
orsus condere, (qui postea im-
perium molitus invadere) Apa-
miae (occiditur). 2him Theil aus
Eutrop. 9, 17, zum Theü aus
Tradition von Antiochia.
p. Chr. 299. Marcellinus Rom. episc
p.Chr. 303— 329. fehlt der armenische
Text, und da auch Syncellus fehlt,
hört die Contrdle auf; die armeni-
schen Excerpte sind dürftig.
p. Chr. 306. terrae motu horribiÜ.
p. Chr. 306. decimo nono anno eccl.
subversae.
p. Chr. 306. pers. Christiana secundum
Antiochenos an. cccu. Hier, fügt
überall die Rechnung nach den 689j
Jahren der Verfolgung hinzu.
p. Chr. 307. Galeriussolus [fehUbeiSch.].
p. Chr. 309. Für das obscurius matri-
monium Eutrop. 10, 2 nennt Hier,
die coneubina Helena.
Mit Diodetians Tode, loo Hier, selbst-
ständig icird, obwohl er den Eusdnus,
so weit er reicht, und den Eutrop auch
noch benutzt hat, schliessen wir diese
Ud)erskht.
B.
Auszüge des Hieronymus aus einer ^Latina historia' de origine
gentis RomanaeK
1. [Abr. 839] Ante Aeneam lanus Saturaus Picus Paunns Latinus
m Italia regnaverunt annis circiter gl 2.
2. [Abr. 851] (11. Ascanius Aeneae filius) derelicto novercae suae
regno Lavinii ^ (Albam Longam condidit) et Silvium Postumum fratrem
3uum Aeneae ex Lavinia filium summa pietate educavit.
3. [Abr. 875] Ascanius lulium filium proereavit, a quo famUia
luliorum orta. Et propter aetatem parvuli, quia necdum regendis
*) [Nach Schöne a. a. O. S. 221 f. aus der von Rufius und Hieronymus be-
rutzten Historia des Aurelius Victor, auf die er auch die folg. Notiz z. J. 275
zurückführen möchte.]
1) Das in ( ) Eingeschlossene ist von Hieronymus aus Eusebius fibersetzt.
2) Auch in Hier, series regum p. 65 Rone. [s. 0. S. 608] ; Eusebius hat dies
•weder hier noch dort. — Die Zahl 150 weiss ich sonst nicht nachzuweisen.
3) Vgl. Liv. 1, 3. '
40*
628 Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus.
civibus idoneus erat, Silvium Postummn fratrem suum regni reliquit
heredem.
4. [Abr. 877] iii. Silvius Postumiis, quia post mortem patris
editus ruri fuerat educatus, et Silvii et Postumi nomen accepit; a
quo omnes Albanorum reges Silvi vocati sunt.
5. [Abr. 909] (iv. Aeneas Silvius annis xxxi). In alia historia
repperimus quarto Latinum Silvium regnasse Laviniae et Melampodis ^
filium, uterinum fratrem Postumi; et quinto, (qui nunc hie quartus
ponitur), Silvium Aeneam Postumi filium.
6. [Abr. 1029] vii. Aegyptus^ Silvius a. xxiiii^. Silvius (Atys sive)
Aegyptus Albae superioris regis filius fuit.
690 7. VIII*. [Abr. 1053] (Capys) Atyis superioris regis filius (annis
XXVIIl).
8. [Abr. 1081] ix. (Carpentus Silvius) superioris regis Capyis
filius (annis xiii).
9. X. [Abr. 1094] (Tiberinus Silvius) Carpenti filius (anni8;viii).
10. XI. [Abr. 1102. 1104] (Agrippa Silvius) Tiberini filius (annis xl).
In Latina historia haec ad verbum scripta repperimus: Agrippa apud
Latinos regnante Homerus poeta in Graecia claruit, ut testantur
Apollodorus grammaticus et Euphorbus^ historicus, ante urbem Ro-
mam conditam annis cxxiiii, et, ut ait Cornelius Nepos, ante olym-
piadem primam ann. c^.
11. [Abr. 1142] XII. (Silvius Aremulus sive Remulus) Agrippae
superioris regis filius praesidium Albanorum inter montes ubi nunc
Roma est posuit; qui ob impietatem postea fulminatus interiit. Huius
filius fuit lulius proavus lulii Proculi, qui cum Romulo Romam
commigrans fundavit gentem luliam.
12. XIII. [Abr. 1161] Aventinus Remuli superioris regis maior filius
in eo monte qui nunc pars urbis est mortuus ac sepultus aeternum
loco vocabulum dedit.
1) Der mit Hercules nach Italien kam (Virg. Aen. 10, 320^. Dass er mit
der Lavinia sich vermählt, berichtet sonst Niemand.
2) [So Schöne nach den Hss.]; Epistus S. Eus. Arm. Epitus S. die hist.
laisc. ; Atyvjitiog üdovibg Syncell.
3) XXVI Eus. Arm.
4) Die Könige 8. 9. 10 fehlen in der armenischen Handschrift; mit Zu-
ziehung des Syncellus ist indess leicht zu bestimmen, was hier dem Eusebius
gehört.
5) Scaliger glaubt, dass Ephorus gemeint sei.
6) Dieser Bericht igt ganz confus ; Nepos in primo Chronicorum setzte mit
Apollodor den Homer 160 J. vor Roms Erbauung. Gell, xvn, 21. [Vgl. jedoch
F. Jacoby, Apollodors Chronik, Berlin 1902, S. 105 f.] *
Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus. 629
13. [Abr. 119S] xiv^. (Procas SiMus an. xxni). ÄTentini superioris
filins.
14. [Abr. 1221] xv. Numitor Procae superioris regis maior filhis
a fratre Amulio regno pulsus in agro suo vixit. Filia eins adhnendi
parhis gratia virgo Yestalis lecta ; quae cum septimo patrni anno "^
geminos edidisset infantes, inxta legem in terra viva defossa est.
Yenim parvulos prope ripam Tiberis expositos Faustulus regü pastor
armenti ad Accam Laurentiam uxorem suam detulit. quae propter
pulchritudinem et rapacitatem corporis quaestuosi lupa a vicinis
appellabatur. Unde ad nostram usque memoriam meretricum cellulae
lupanaria dicuntur^. Pueri cum adolevissent, collecta pastorum et
latronum manu interfecto apud Albam Amulio avum Numitorem in
regnum restituunt.
15. [Abr. 1264] Roma Parilibus, qui nunc dies festus est, condita.
16. [Abr. 1265] Ob asyli impunitatem magna Romulo multitudo
coniungitur.
17. [Abr. 1266] Remus rutro* pastorali a Fabio Romuli duce 691
occisus.
18. Consualibus ludis Sabinae raptae anno ab u. c. tertio*; et
una virginum pulchenima cunctorum* acclamatione rapientium Talasso
duci Romuli decemitur. Unde in nuptiarum solemnitatibus Talasso
vulgo clamitant; quod scilicet talis nupta sit. quae Talassum habere
mereatur.
19. [Abr. 1274] Tarpeia clipeis Sabinorum obnita, unde mons
Tarpeius in quo nunc Capitolium.
20. [ibid.] Romani Tatio Sabinorum rege regnante cum Romulo,
a Curibus Quirites appellati.
1) Fehlt in der armenischen Handschrift.
2) Da Procas 23 Jahre regierte, war also Romulus bei Roms Gründung
18 Jahre alt, nach der allgemeinen Annahme Dionys. 2, 56.
3) Vict. origo gentis Born. 21: (Accam LaretUiam) eo quod preHo corpus esset
Ktügare solita Lncpam dictam. Notum quippe ita appeUari mulieres quaestrtwi cor-
pore facientes; unde et eiusmodi loci in quibus hae consistant lupanaria dicta.
Dieselbe Erklärung auch Liv. 1, 4 u. a.
4) rastro Eonc. Vgl. Vict vir. Hl.l: a Celere ceniuri&ne rutro fertur oceisus
[Keil (S. Aur. Victor de viris ill. herausgeg. v. Keil Breslau 1872) liest auf Gnmd
der Überl. rastro.]
5) Diese Zeitbestimmung findet sich sonst nirgends. Gewöhnlieh wird dw
I^nb der Sabinerinnen in den vierten Monat, von Cn. Gellius ins 4. Jahr d. St.
j,'e8etzt (IHon. 2, 31), und so muss auch Hieronymus geschrieben haben, da die
list. misc. 1, 4, die ihn ausschreibt, hier hat anno ab u. e. quarto.
6) besser cunctarum.
630 Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus.
21. [Abr. 1289] (Romulus primus milites sumpsit ex populo et
nobilissimos c senes) ob aetatem senatores, ob similitudinem curae
patres appellavit^.
22. Secundum quosdam Romulus descripsit in x menses annum
(prius sine aliqua supputatione confusum)^,
23. [Abr. 1300] Romulus apud paludem Caprae nusquam com-
paruit, et suadente Lucio Proculo Quirini nomine consecratus est.
Hieronymus Auszüge aus einer röm. Geschichte der Periode von
Cäsar und August.
Pompeius proelio victus et fugiens a spadonibus Alexandrini
regis occiditur. (28. Sept. 48 v. Chr., unter Ol. 183, 1.)
M. Caelius praetor et T. Annius Milo exul oppressi, res novas
in Thyriano Bruttioque agro simul molientes^. (48 v. Chr., unter
Ol. 183, 1.)
Romae basilica lulia dedicata*. (46 v. Chr., unter Ol. 183, 3.)
692 Cleopatra regio comitatu urbem ingressa^. (46 v. Chr., unter
Ol. 183, 3.)
Prohibitae lecticis margaritisque uti quae nee vires nee liberos
haberent et minores essent annis xliv^. (46 v. Chr., unter Ol. 183, 3.)
Idibus Martiis C. lulius Caesar in curia occiditur, et fasces statim
suscipit P. Dolabella''. C. Caesaris corpus in rostris ob honorem con-
crematum. (15. März 44 v. Chr., unter Ol. 184, 1.)
Ser. Sulpicius iuris consultus et P. Servilius Isauricus^ publico
funere elati. (Sulp. 43, Servil. 44 v. Chr., unter Ol. 184, 1.)
1) aus Sali. Catil. 6: ei vel aetate vel curae simüüudine patres appellabantur.
2) die Schlussworte von Hieronymus zugesetzt aus Eutrop 1, 3 von Numa:
annum descripsit in x menses prius sine aliqua supputatione (so ist zu lesen)
confusum.
3) vgl. Dio 42,25; doch ist die Ortsangabe bei Hier, genauer. Drumann
1, 51 [\\ 36].
4) Dio 43, 22 nennt das forum luiium.
5) Dio 43, 27 ^Xd'sv i? tö aaxv. Das Factum ist falsch und beruht wohl auf
Verwechselung von Rom und Alexandria, s. Seal. z. d. St. [doch vgl. Cic. ad Att.
14, 8. 20. 15, 15] — Dieselben Worte finden sich auch bei Eutrop. 6, 22 in einigen
Hdschr., aber da weder Paeanius noch die besseren Handschriften sie haben,
sind sie als aus Hier, interpoliert anzusehen.
6) Gehört zu den Luxusgesetzen und den noXvnaibiag ä&Xa, die Dio 43, 25
im Allgemeinen erwähnt. Sonst kommt dies Gesetz nicht vor. [Die Hss.
schwanken zwischen ledicis (APF) und electris (B).]
7) Dio 44, 22. 8) Dio 45, 16.
üeber die Quellen der Chronik des Hieronjrmus. 631
Romae tres simul exorti soles paallatim in eundem orbem coie-
nrnti. (44 v. Chr., unter Ol. 184, 1.)
Inter cetera portenta quae toto orbe facta sunt bos in suburbano
Romae ad arantem locutus est frustra se urgeri; non enim frumenta
sed homines brevi defuturos^. (44 v. Chr., unter Ol. 184, 1.)
Antonius adversus Caesarem Augustum bellum movet. (44 v. Chr.,
unter Ol. 1S4. 2.)
C. Falcidius tr. pl. legem tulit, ne quis plus testamento legaret,
quam ut quarta pars heredibus superesset ^. (40 v. Chr., unter Ol.
184, 4.)
Curtius Salassus in insula Arado cum iv cohortibus vivus com-
bustus est, quod tributa gravius exigeret. (40 v. Chr., unter Ol.
184, 4*.)
Yibium Maximum designatum quaestorem agnovit dominus suus
et abduxit^. (39 v. Chr.,. unter Ol. 184, 4.)
E tabema meritoria trans Tiberim oleum terra erupit fluxitque
tota die sine intermissione ^ (38 v. Chr., unter Ol. 184, 4.)
Templa Rhodiorum depopulatus est Cassius '^. (42 v. Chr., unter
Ol. 184,4.)
Secunda secessio Augusä et Antonii. (41 v. Chr., unter Ol. 184, 4.)
Augusti et Antonii tertiae dissensionis exordium (quod repudiata
sorore Caesaris Cleopatram duxisset uxorem) ^. (33 v. Chr. , unter
Ol. 186, 4.)
Artorius medicus Augusti post Actiacam victoriam naufragio 593
perit. (31 v. Chr., unter Ol. 187, 2.)
Agon Aerius constitutus ^. (30 v. Chr., unter Ol. 1 87, 4.)
Pylades Cilix pantomimus. cum veteres ipsi canerent atque
saltarent, primus Romae chorum et fistulam sibi praecinere iussit
(unter Ol. 189, 3).*)
1) Dio 45, 17. Vgl. Obseqn. c. 130.
2) Kommt sonst nirgends vor.
3) In ähnlicher Weise Dio 48, 33.
4) Weniger genau und ohne den Namen Dio 48, 24.
5) Dio 48, 34 Md^ifMv yovv rivä jafuevaetv ftdXioyta eyrrngtae re 6 deasionj^
xcd cbiijyayev.
6) Wozn Hier, noch fugt: significans Christi graiiam ex gentibus. Kürzer
erwähnt dasselbe Zeichen Dio 48, 43.
T:) Dio 47, 33. 8) Aus Eutrop. 7, 6.
9) Dio 51, 1. Könnte auch aus der Stadtchronik sein, die mehrere Agonen
Dinnt.
*) [Nach Reifferscheid a. a. 0. 8. 372 stammt diese Notiz aus d« Einleitung
»i de poetis.]
632 Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus.
D.
Hieronymus Auszüge aus der Stadtchronik.
(Multa opera Romae facta, in quis Capitolium, forum transi-
torium, Divorum porticus, Isium ac Serapium, Stadium ^) horrea pipe-
rataria, Vespasiani templum, Minerva Chalcidica, odium, forum
Traiani, thermae Traianae et Titianae, senatus, ludus matutinus,
mica aurea, meta Sudans et pantheum (p. Chr. 92) [Ol. 217, 1].
Templum Romae et Yeneris ab Hadriano Romae factum (p.
Chr. 132) [Ol. 227, 3].
Thermae Commodianae Romae factae (p. Chr. 185) [01.240,3].
Severo imperante thermae Severianae (apud Antiochiam et) ^
Romae factae et Septizonium extructum (p. Chr. 201 [Ol. 244, 4].
Antoninus Romae thermas sui nominis aedificat^ (p. Chr. 216)
[Ol. 248, 3].
Eliogabalum templum Romae aedificatum (p. Chr. 223) [01.249,4].
Thermae Alexandrinae Romae aedificatae (p. Chr. 229) [Ol. 251, 3].
Atlas mons natali Romanae urbis cucurrit et agon mille annorum
actus (p. Chr. 250)* [Ol. 256, 3].
Primus agon Solls ab Aureliano institutus (p. Chr. 277) [Ol. 263,3].
Thermae Romae Diocletianae factae et Maximianae Karthagine ^
(p. Chr. 302) [Ol. 270, 2].
1) So weit aus Eutrop. 7, 23.
2) Zus. des Hier., s. S. 688 [o. S. 626.]
3) Entweder aus Eutrop. 8, 20 oder aus der Stadtchronik.
4) Der arm. Eus. hat nur: stadia pro dedicatione urbis currebant [genauer
die von Petermann revidierte Auchersche Übersetzung : stadia in encaeniis Romae
incedebant: Schöne S. 180 bei d], so dass der Schlusssatz wahrscheinlich von
Hieronymus hinzugefügt ist, vielleicht aus der Stadtchronik, die sonst die Agonen
aufführt. Ob auch im ersten Satze etwas von Hier, zugesetzt ist, ist um so
schwieriger zu bestimmen, als die Lesart schwankt. Wir folgen der scaligerschen,
welche sich auf den Bongarsianus und die Hdschr. der ersten Familie stützt;
in andern (s. Pontac. p. 644) steht xl missus bald für, bald vor Atlas mons (oder
Aihalasmos). Auch findet sich cucurrerunt statt cucurrit. [Vgl. die Angaben
bei Schöne S. 181 bei h sowie desselben genaue Behandlung der ganzen Stelle
in der Weltchronik S. 89ff., wo auch der Nachweis geführt worden ist, daß
Hier, den griech. Text des Eusebius umschrieb.]
5) Es ist zweifelhaft, ob dies aus der Stadtchronik ist; wenigstens die
thermae Max. fand Hier, dort nicht.
Lxvni.
Polemii Silvii Laterculus.*)
Die im Katalog der königlichen Bibliothek in Brüssel als 233
n. 10615 — 10729 bezeichnete Pergamenthandschrift von 231 oder
nach einer andern Angabe 244 Blättern aus dem Anfang des zwölften
Jahrhunderts^, welche früher den Jesuiten in Antwerpen, in noch
älterer Zeit dem Hospital des heiligen Nicolaus, vermuthlich irgend
einer niederrheinischen oder mitteldeutschen Stadt gehört hat 2, enthält
unter vielen anderen Collectaneen ^ auf S.94 fg. n. 10691 — 10695 einen
*) [Abhandlungen der K. sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften Bd. HI
(= Abb. der phil.-hist. Kl. H), 1857, S. 231—277; gedruckt 1853 und als Sonder-
abdnick in diesem Jahre erschienen ; mit Nachträgen Abh. VIII (phil.-hist. Kl. III),
1861, S. 694 — 696. — Neununddreißig Jahre später hat Mommsen den Later-
culus zum zweitenmal herausgegeben, in den Chronica minora (Monum. Germ.
hist., Äuct. Antiquiss. t. IX) I (fasc. 2) 511 flF.; doch schien es richtig, die Ein-
leitung zu der ersten Ausgabe und die Bemerkungen zu den ersten Abschnitten
des Stücks in ihrer ursprünglichen Fassung, und damit auch diese ersten Ab-
schnitte selbst wieder abzudrucken.]
1) Vgl. überhaupt das gedruckte Inventar der Brüsseler Handschriften
S. 213, wo die Beschreibung indess mehr ausführlich als genau ist; ferner die
von Hänel (Richters Jahrb. 1837 S, 760 fg.) und Hertz (in Lachmanns Feldm.
2, 47) gegebenen Mittheilungen über dieselbe. Der Katalog setzt die Handschrift
ins erste Drittel des zwölften, Herr Gachet sie ins zwölfte, Hertz theils ins elfte,
theils ins zwölfte Jahrhundert.
2) «Le codex faisait partie autrefois des mss. du Museum des Jesuites ä
Anvers; il y etait cote ainsi: + ms. — 120 — a. Anterieurement ü arait appartenu
ä un hopital dont le nom est au premier feuillet, mais qu'une tache d'encre
empeche de lire : Iste est liber hospitalis Sancti Nicolai » (Mittheilung
des Herrn Gachet). Nach Hänel a. a. 0. wäre die Handschrift aus der Abtei
Tongerloo nach Brüssel gekommen. [Der Codex gehörte dem Nicolaus Cusanus,
3. Chronica min. I p. 517.]
3) Z. B. Stücke von Aratus, Sidonius Apollinaris, Paulinus Nolanus, Salvian,
Notker, Aldhelmus u. a. m. ; das interessanteste Stück ist ohne Zweifel das
kürzlich daraus (n. 10677) bekannt gewordene Fragment der Declamation des
P. Annius Florus (in 0. Jahns Florus praef. p. XLI), dessen schon im J. 1643
BoUandus in seiner Vorrede gedacht hat. Die agrimensorischen Stücke sind
nach Blume (Feldm. 2, 47) abgeschrieben aus einer jetzt in Rom befindlichen,
^wahrscheinlich aus Fulda stammenden Handschrift ; was für die Herkunft unsers
tchriftchens nicht ohne Bedeutung ist.
634 Polemii Silvii Laterculus.
kleinen Aufsatz, der sich selbst als eine von einem gewissen Polemius
Silvius im J. 448 unsrer Zeitrechnung abgefasste und dem Bischof
Eucherius gewidmete Kalendertafel (laterculus) mit einer Anzahl
Beigaben zu derselben ankündigt. Die BoUandisten sind es, die
diese Handschrift, und damit wie es scheint das einzige auf uns
gekommene Exemplar dieses Laterculus wie das einzige Exemplar
234 des merkwürdigen Florusfragments, erwarben und die Aufmerksam-
keit auf sie lenkten; sie gaben im J. 1643 die Vorrede und einige
Proben^, im J. 1717 den Kalender selbst heraus nebst den Schluss-
worten des Kaiserverzeichnisses und der Chronik^, und hatten, wie
eine Randnote in der Handschrift zeigt, die Absicht, die ganze
Schrift mit Commentar zu publicieren. Daraus ist nichts geworden
und auch sonst hat sich meines Wissens Niemand dieser Arbeit
unterzogen, so dass ein nicht unwesentlicher Theil der Handschrift
immer noch ungedruckt ist. Durch freundliche Vermittelung mehrerer
Gelehrten gelang es mir, eine von dem Chef des paläographischen
Bureaus in Brüssel, Herrn Emil Gachet, sorgfältig revidierte Abschrift
zu erhalten,*) wonach hier die bisher nicht oder nicht vollständig
aus der Handschrift bekannt gemachten Stücke mitgetheilt werden
sollen. Den Kalender, der gedruckt ist und zweckmässig mit den
gleichartigen Documenten, namentlich dem lambecianischen verbunden
wird,**) lasse ich zurück, ebenso wie es mit diesem bei der Heraus-
gabe der im J. 354 veranstalteten chronographischen Sammlung ge-
schehen ist, wovon der lambecianische Kalender bekannthch einen
Theil bildet.
Der Yerfasser Polemius Silvius ^ oder schlechtweg Silvius ist
nach Tillemonts* wahrscheinlicher Vermuthung derselbe Silvius, der
1) Acta Sanct. Jan. I praef. gen. p. XLIV,
2) Acta Sanct. Jun. VII p. 176—184 [der ersten Ausgabe; .Tun. VI p. 833—842
des Pariser Abdrucks].
*) [Die Abschrift hatte zahlreiche Fehler, die Mommsen aus der Handschrift
selbst in den Nachträgen Abh. III S. 694 verbessert hat.]
**) [S. jetzt C. I. L. 1 ed. 2 p. 254 ff.]
8) Die Conjectur Bollands P. Annaeus Silvius, die aus jenem P. Annius
oder Annaeus Florus geflossen ist, ist nicht glücklich; ein solcher Name würde
für das fünfte Jahrhundert so wenig passen wie Polemius Silvius der damaligen
Nomenclatur durchaus angemessen ist. Polemii finden sich in dieser Zeit öfter,
z. B. heisst so einer der Consuln des J. 338. Uebrigens soll nach Holland praef.
gen. p. XLIII zuerst Patmei, dann an einer andern Stelle Polemei in der Hand-
schrift stehen; Herrn Gachets Angabe darüber verstehe ich nicht recht; es
scheint einmal Poltmei, einmal Polemei zu stehen. [Irrtum, anscheinend dadurch
hervorgerufen, daß der Inhalt von f. 93 von jüngerer Hand auf f. 94 wiederholt ist.
Die Handschrift hat Poltmei.] 4) M6m. pour servir ä l'hist. eccl. XV, 134.
Polemii Silvii Laterculus. 635
in der Biographie des Bischofs Hilarius von Arelate (403 — 449) unter
den namhaften Theologen des fünften Jahrhunderts aufgeführt wird^
und, nach einer Chronik dieser Zeit, nach vollendeter Beamten-
carriere verschiedene theologische Irrlehren bekannt machte 2; wie
denn auch die Dedication seines Laterculus zeigt, dass er schon 235
vorher mancherlei geschrieben hatte. Der Bischof Eucherius, dem
der Laterculus gewidmet ist, ist unzweifelhaft der bekannte Bischof
dieses Namens von Lyon, der wenigstens schon im J. 441 dieses
Amt bekleidete und wahrscheinlich am 16. Nov. 450, also bald nach
Abfassung unsrer Schrift, starb ^. Man hat vermuthet, dass der
Verfasser unsers Laterculus derjenige Bischof, wie man annimmt
von Agaunum, jetzt Martinach im Wallis, sei, dem Eucherius das
Leben des heiligen Mauritius gewidmet hat; allein dieser scheint
Salvius, nicht Silvius geheissen zu haben* und auch sonst findet
diese Vermuthung nirgends einen Anhalt. Nach der Art, wie der
Chronist sich ausdrückt, sollte man auch annehmen, dass unser Silvius
wenn gleich vielleicht Geistlicher, doch schwerhch Bischof war. —
Genauer zu bestimmen wo die Schrift entstanden ist, vermag ich
nicht; aber nach Gallien führen alle Spuren: die Datierung nach
dem occidentalischen Consul*; die Yerzeichnung des Geburts- und
Krönungstages (nataUs genuinus und natalis purpurae) des occidentali-
schen Kaisers Valentinian III. im Kalender, während von seinem
Collegen nicht die Rede ist; endlich die Erwähnung Galliens in
allen Verzeichnissen der Districte unmittelbar nach Italien und die
zuweilen hervortretende Berücksichtigung gallischer Verhältnisse,
z. B. die Notiz, dass die Prätendenten Magnentius und Decentius
1) Acta Sanct. Mai. II p. 29: übi instructos supervenisse vidisset sermoni
se ipse celsior apparebat, ut eiusdem praeclari auctores temporis, qui suis scriptis
nuriti summi daruere, Silvius Eitsebius Domnolus admiratione siKxensi in haec
veiba proruperitU , noti doclrinam, tum eloquent iam, sed nescio quid super homines
cotisecutum.
2) Tironis ehr. beim J. 438 p. 754 Rone, [chron. min. I p. 660]: Silvius
turbatae admodum mentis post müitiae in pcUaMo eoMcta munera aUqua de reUgione
coiiscribit.
3) TiUemont a. a. 0. XV, 120 fg. 848 fg. Haller Bibl. der Schweizergesch.
; in. 511 fg.
i 4) Die Adresse lautet bei ßuinart Acta mart. p. 274: domino beatissimo in
i Christo Salvio episeopo Eucherius. Auch Tillemont a. a. 0. unterscheidet beide.
j[S. jetzt Krusch mon. Germ., Script, rer. Meroving. III p. 20. 39.]
I 5) Asterio consule am Schluss der Chronik; der Schreiber wusste wohl den
lNa:iien des Consuls Asterius, der am 1. Jan. d. J. die Fasces in Arles genommen
hatte, aber noch nicht den Namen des constantinopolitanischen Consuls Proto-
genes. S. Reland zum J. 449. TUIemont Eist, VI, 237. [Chron. minor. lU p. 532.]
636 Polemii Silvii Laterculus.
Franken waren, während von italischen und speciell römischen Dingen
der Verfasser nichts weiss, und z. B. das forum pacis und das forum
Yespasiani, welche beiden Namen im fünften Jahrh. der Friedens-
tempel in Eom führte, als zwei verschiedene Plätze aufführt, Nach
Gallien, speciell nach Fulda (S. 622 A. 3) führt endlich die Handschrift.
— Als das Jahr der Abfassung giebt uns der Verfasser selbst an
zwei Stellen das der Consuln Zeno und Postumianus, 448 n. Chr.,
an ; offenbar ein wenn gleich nur um wenige Monate späterer Nach-
trag ist die Notiz am Schluss der Chronik, dass mit dem J. 448
das Jahr 1200 der Stadt abgelaufen sei und Asterio consule eine
236 neue Aera beginne. Es passt dazu, dass alle in diesem Laterculus
als lebend erwähnten geschichtlichen Personen, Theodosius IL, Valen-
tinian IIL, Placidia, Eudoxia, Eucherius, damals in der That noch
lebten. Dass dagegen von den eingerückten Beilagen eine bestimmt
fünfzig bis sechzig Jahre früher redigiert worden ist, begreift bei
einer solchen Compilation sich ohne Mühe.
Der Zweck der Arbeit liegt klar vor, Silvius wollte eine simpli-
ficierte Kalendertafel liefern mit Weglassung theils alles Schwierigen,
theils alles Gottlosen und Heidnischen; wobei ihm offenbar ein älterer
dem lambecianischen nahe verwandter Laterculus vorlag. Schwer
machte er sich die Sache nicht; die Buchstaben der acht- und der
siebentägigen Woche, die Epakten und alles was wie Chiffer aussah,
liess er einfach weg und setzte bloss den Monatstag. Die Siglen in
den Randbemerkungen, so weit sie beibehalten wurden, löste er auf;
man findet nicht mehr N, sondern natalis. Die Tag- und Nachtlängen,
die z, B. im Kai. rusticum stehen, blieben weg, «da es doch nicht
möglich sei sie genau zu geben». Die Zeichen des Thierkreises
schickten sich gleichfalls nicht mehr für den christlichen Mann; «wer
sah je am Sternengewölbe irdische Individuen», Steinböcke oder
Fische ? Noch weniger Gnade fanden natürlich die Bilder der sieben
tagbeherrschenden Planeten; «wozu die Tage abmalen oder benennen,
da sie doch alle gleich sind»? So blieben also einestheils die Bilder
der Planeten und die Zeichen der Ekliptik weg, die noch den Kalender
der Chronographie von 354 schmückten^, anderntheils wurden im
Text die irreführenden Bezeichnungen wie sol piscibus, sol tauro^
sorgfältig vermieden und die Namen der Tage, wo der Schreiber
sie für das erkannte was sie waren, wie lunonalia, Hilaria, Requetio,
1) Abb. der säcbs. Ges. 11, S. 566. 568 [o. S. 538. 541].
2) In dem gedruckten Text steht allerdings beim 15. December Aqtmrms;
aber die Handschrift hat XV X qttaHus XIII, d. h. XV, XIIll, XIIL [C. I. L. I
ed. 2 p. 279.]
Polemü Silvii Laterculus. 637
Lavatio in der Mehrzahl beseitigte Auch die schlimmen Tage sind
nicht bezeichnet, «da Gott ja alles wohl geschaffen hat»; deshalb
fehlt der Abschnitt über die horae bonae, noxiae, commmies^ und
die Verzeichnung der dies Aegyptiaci. Endlich liess der Verfasser
auch die Monatsbilder weg, die in der Chronographie von 354 auf
der Nebenseite einer jeden Monatstafel in stattlicher Grösse ge- 237
zeichnet waren; doch gedenkt er dieser in der Vorrede nicht. So
blieb denn freilich im Kalender nicht viel nach als die Angaben
einiger christlichen Festtage, der regelmässigen Senatssitzungen und
der Tage der Aratsantretung bei wechselnden Aemtern, der Geburts-
tage der Kaiser und Märtja-er, der Spiele und einige dürftige histo-
rische Nachrichten; während auf der Rückseite und am oberen und
unteren Rande der Kalendertafel der dm-ch die Bilder eingenommene
Raum frei ward. Unser Reformator hatte vollkommen Platz nicht
bloss im Kalender selbst vollständige Wetterprophezeiungen anzubringen,
sondern noch daneben seinen Lesern und Käufern das Nützliche und
Nöthige von Geschichte und Geographie in einer Nuss darzubieten.
Dass es nicht viel ist, wird man begreifen; nicht minder aber, dass
der fromme Verfertiger dieses zeitgemässen verbesserten Kalenders
durch ein ausführliches Verzeichniss des reichen Inhalts dem Leser
sich sofort empfiehlt. Es ist dies für uns insofern wichtig, als wir
in unserm Exemplar zwar den Kalender ganz, aber manche der
Zugaben auf den Zwischenblättern nicht mehr finden. Ich gebe im
Folgenden die übersichtliche Vergleiehung der in der Vorrede an-
gezeigten und der in der Handschrift enthaltenen Stücke.
I enumeratio principum cum tyran- Nomina omnium principum Romanorum
nis. (zwischen Jan. und Febr.).
II enumeratio provinciarum Roma- Nomina provinciarum (zwischen Febr.
norum. und März).
III enumeratio spirantium: quadrupe- Nomina cunctorum spirantium: quad-
dum, volatilium, natantium. rupedum, volucrum, eorum quae non
moventur, colubrarum (zwischen März
und April», insectorum sive reptantium,
natantium (zwischen April und Mai).
IV ratio quaerendae lunae festivique Fehlt zwischen Mai und Juni.
pasehalis.
V enarratio fabricarum urbis Rom.ae. Quae sint Romae (zwischen Juni und
Juli).
1) Einige sind übersehen oder missdeutet worden und so stehen geblieben;
so 11. Jan. Carmentalia, 13. Febr. parentatio tumulorum, 15. Febr. Lupercalia,
17. Febr. Quirinalia, 23. Febr. Tenninalia, 27. März «Lavationem veteres nomina-
bmt.»
2) Abh. a. a. 0. S. 566 [o. S. 538].
638
Polemii Silvii Laterculus.
VI poeticae fabulae. Fehlen zwischen Juli und August.
VII series Romanae historiae breviter Breviarium temporum (zwischen Aug.
conclusa. und Sept.).
VIII Stridores animantium. Voces variae animantium (zwischen
Nov. und Dec).
IX pondera sive mensurae. Nomina ponderum vel mensurarum
(nach Dec).
X pedes metrorum omnium. Fehlen.
XI sectae philosophicae. Fehlen.
238 Da der lange dritte Abschnitt offenbar auf zwei Blätter vertheilt
war, haben wir hier die in alternis foliis versprochenen zwölf Stücke
vollständig aufgezählt. Da die Handschrift mit Explicit schliesst,
auch von den Monaten keiner fehlt, scheinen die vier fehlenden
Stücke vom Abschreiber weggelassen zu sein, während er die beiden
letzten versetzte und überhaupt die alte Kalenderform aufgebend
den ganzen Text, selbst den Kalender, fortlaufend schrieb. Es wäre
übrigens noch zu untersuchen, ob sie sich nicht an einem andern
Ort in derselben Handschrift sollten wiederfinden lassen. — Ich gebe
im Folgenden unter den Nummern I — IX die Vorrede, die Einleitung
und die sieben erhaltenen Beilagen.*) Zwei derselben, die nomina
spirantium (V) und die voces animantium (VIII) liegen meinem
Kreise so fern, dass ich mich begnügt habe den Text mit allen
Fehlem abdrucken zu lassen, da es doch möglich ist, dass ein Lexi-
kograph oder ein Herausgeber des Plinius daraus hie und da einigen
Nutzen ziehen kann. Die übrigen Stücke sind kritisch und, so weit
es der Mühe werth schien, historisch bearbeitet worden. Der Text
ist nicht interpoliert, aber sehr corrupt, so dass an manchen Stellen
die Lesung zweifelhaft bleibte Dass der Stil nicht gut sein kann,
versteht sich; Ansätze zur Eleganz, die hie und da sich finden, wie
necessum. est, ad celsiorem tramitem surgens und dgl., machen das
Stammeln des Schreibers nur noch fühlbarer. Immer aber finden
sich in dem Wust platter und gewöhnlicher Notizen mancherlei in
verschiedener Beziehung nicht unbrauchbare Angaben und Excerpte.
Von dem Libellus provinciarum erhalten wir hier einen zweiten von
dem Speierer Codex nicht abhängigen Text, der das keineswegs
*) [Von den Beilagen sind hier nur die beiden ersten wiederholt, s. S. 633 A. *.]
1) Die Bollandisten sagen, der Codex sei geschrieben charactere minuto sed
staute, scriptus ab eadem manu a capite ad calcem, non sine mendis. «Die
Schrift», sagt Hänel, «ist klein, gedrängt, mit vielen Abkürzungen, aber im
Ganzen deutlich und ziemlich correct; die griechischen Stelleu für die damalige
Zeit genau wiedergegeben.» Dies ist zunächst von den gromatischen Abschnitten
gesagt; für den unsrigen bedürfte es einer starken Beschränkung.
Polemii Silvii Laterculus. 639
unwichtige Aktenstück wesentlich berichtigt. Von der Beschreibung
Roms giebt uns Polemius Auszüge, die aus einem weit reineren Text
entlehnt sind als ihn alle unsre Handschriften, selbst die der Chrono-
graphie von 354 einverleibte, darbieten und mehrere bisher unlösbare
Monstra erfreulich aufklären. Auch in den Gewicht- und Mass-
bestimmungen finden sich ein paar beachtenswerthe Notizen und das
Register der Thiere stützt sich wenigstens auf schätzbare Quellen.
Endlich ist in den beiden historischen Abschnitten der Anfang der
Chronik zwar aus Hieronymus ausgeschrieben, einiges Andere viel- 239
leicht aus Eutrop^, dagegen bei weitem das Meiste aus guten für
uns verlorenen Quellen geschöpft und zum Beispiel das Verzeichniss
der römischen Regenten und Tyrannen so vollständig gegeben, dass
manche IS^amen darin zum erstenmal erscheinen — für die Geschichte
freilich ein geringer Gewinn, da es ihr an Bettelkönigen nicht
mangelt. Immer noch ist der Laterculus ein Ueberrest aus den
letzten römischen Zeiten, wo ein kleines Geschlecht im Plunder
früherer Grösse unterging; geschrieben während Aetius die römische
Herrschaft in Gallien aufrecht erhielt, wenige Jahre vor der grossen
Schlacht auf den catalaunischen Feldern (453). Die armselige Dürftig-
keit der Kenntnisse wie der Ideen dieser Epoche, ihre platte Oppo-
sition gegen die Reminiscenzen des Heidenthums liegen in dieser
Encyclopädie in einem Spiegel vor, der nicht schmeichelhaft, aber
belehrend ist. Der Leser, wenn diese Blätter einen finden, darf sich
allerdings weder \ie\ Freude noch viel Aufklärung versprechen; doch
glaube ich nicht zu fehlen, wenn ich hier eine Ausnahme mache
von dem nicht oft ungestraft verletzten Erfahrungssatz, dass die
Inedita aus der Zeit des Verfalls ihre Bestimmung erfüllen, wenn
sie Inedita bleiben.
1) S. zum Kaiserverzeichniss (III) S. 642 A. 3 und S. 643 A. 1 ; zur Chronik A. 1.
[S. 275 der 1. Ausg. ; chron. min. I p. 547.]
640
Polemii Silvii Laterculus.
240 POLEMII SILVII LATERCVLVS.
I.
DOMINO BEATISSIMO EVCHERIO EPISCOPO 8ILVIVS.
Laterculum quem priores fecerunt cum difficilibus supputatoribus
indiciis notatum legissem, ne minus doctis esset obscurior absolutione,
positarum in eo rerum significationem mutavi et apud te potissimum,
a quo mea omnia pro eo qui inter nos est amoris studio compro-
bantur, digestum direxi. Laetificabor iudicio tuo, si eum tibi pla-
cuisse cognovero.
II.
Quae in eo sunt.
Menses singuli cum vocabulis suis, quibus apud diversas gentes ]
dicuntur, et in alternis inter eos foliis enumeratio principum cum
tyrannis; provinciarum etiam Romanorum; spirantiumque , quadrupe-
dum volatilium natantium ; ratio quaerendae lunae festivique paschalis ;
nee non urbis Romae fabricarum enarratio ; poeticae fabulae ; Romanae
historiae breviter conclusa series; cum stridoribus animantium, pon- j
deribus sive mensuris, vel metrorum omnium pedibus, ac sectis filo-
soficis continentur.
De diebus.
Dierum necessum non fuit formas depingi, quia sibi omnes quali-
tate consimiles sunt, neque ut stulti gentiles locuntur nomina desig- :
24 1 nari, quoniam nullius rei nisi septenarii propter revolubiles ebdomadas
numeri, sicut scriptura caelestis edocuit, appellatione censentur. In
quibus non ita modus certus horarum est, ut valeat a quocumque
monstrari; quia quod nequit dividi, non possumus computare. Quarum,
etiamsi oculis subiacerent, nulla mala erat aestimanda, quoniam Dens ;
universa bona constituit. Quod qui esse credit aliter, in eo a quo
cuncta sunt non credit.
Bei der Angabe der Varianten ist die in der Hdsehr. fast eonstante Schreibung
e anstatt der Diphthongen ae und oe übergangen [hier die Varianten nach Chronic,
minor.]. Die Handschrift 1 Poltmei [nach Äbh. d. sächs. Ges. 3 S. 695 Poltmii]
latercolus 3 prioris difficelibus suppucatioribus : einfacher wäre suppu-
tatori 5 besser ad te 6 eo]tius 11 folis 13 natuncium {am
nanancium) pascalis 15 triumphatoribus statt stridoribus 16 ac]ae
17 contenentur 19 furmas 21 revolubelis 22 cinsentur 24 nequid
26 esse non credit
Folemii Silvii Latercnlas. 041
De signis.
De signis nihil est quod dicatur, quia non sunt, etiamsi dicantur.
Quis enim facies terrestrium singulonim aliquando inter astra con-
spexit? Quorum, quoniam longe post mundi ortum vana vetenim
5 profanorum arte conficta sunt, mentio relinquenda est.
De anno.
Annus primum decem mensum fuit, qui trecentos et quattuor
dies habebat; licet, ut auctores plurimi prodiderunt, apud Aegyptios
quattuor, apud Arcades tribus, apud Acamanes YI mensibus eompu-
0 tatus fuisse referatur ^. Post a Numa rege Komanorum secundo
inter Decembrem et Martium lanuarius et Februarius fertur adieetus,
ut trecentis quinquaginta quattuor diebus atque duodecies luna reno-
vata, quae vicenis novenis et semis vicibus cursum suum efficit, in-
pleretur. Postremo additi'sunt decem dies, atque ob quadrantem,
5 quod per quadriennium dies unus iunctus crescit, quarto anno, quem
bisextum vocamus, inseritur. Cuius initium cum Aegyptiis qui nonas
idusque non norunt mense Septembri, cum Graecis Novembri 2, Martio
cum ludaeis^ habetur. Nos calendarum rationem secuti a lanuario,
cuius ante dies octo et sol ad celsiorem tramitem surgens recurrit,
» et quod est amplius Dominus et Deus noster Dei filius lesus Christus
corporaliter natus est, ordiemur.
3 terrestraum 5 confecta sunt nachgetragen 8 prodederunt
9 Archades Carnanes 10 post annum a rege Romanorum secundnm
11 iauinarius 12 quinquaginta et quatuor atque] quos 12/13 renovat
atque vicinis novenis et simis 13 effecit et inpleritur 14 diebus atque
quadrantem (ob fehlt) 15 quadriennum 17 et cum Grecis 18 calendorum
19 recnrret 20 ihesus
1) Plut. Numa 18. Censorin. c. 19. Macrob. Sat. I, 12. Solin. c. 1 p. 3 242
Salm. [1, 34 p. 9 Momms. ed. II.] Ideler Chronologie I, 62. 94.
2) Ich weiss nicht recht, was hiemit zu machen. Die Graeci sind gewiss
wie im Kalender die syrischen Griechen (Ideler I, 431), deren Jahr aber mit dem
ersten Hyperberetäus oder October anfing. Vielleicht fand eine Verwechselung
statt, indem das makedonisch-kleinasiatische Jahr beginnt mit dem ersten Dius,
welcher nicht in dem kleinasiatischen, aber im syrischen Jahr dem 8. Nov.
entspricht.
3) Ideler Chronol. I, 559 vgl. 491. Der mosaische Nisan ist gemeint
MOMMSEN, SCHR. VlI. 41
ß42 Polemii Silvii Laterculus.
m.
NOMINA OMNIVM PRINCIPVM ROMANORYM.*)
1 Anno septingentesimo et decimo ab urbe condita primus Gaius
lulius Caesar socer Pompei ex dictatore imperatorem ipse
se fecit^
2 Quo occiso in curia post quadriennium , Lepidus, Antonius
et Octavianus, sororis supradicti Caesaris de filia nepos,
triumviri constituti sunt. De quibus Lepido mortuo, cum
Antonium Cleopatrae reginae maritum navali proelio devicisset,
Octavianus praedictus primum dictus Augustus quinquaginta et
VI annis imperium solus obtinuit.
3 Sub quo Gaius et Lucius Caesar es varia mortis sorte
perierunt.
4 Huic successit Tiberius eius privignus ex Livia, quam praeg-
nantem superstite viro eius Domitio idem Augustus coniugio suo
suo iunxerat.
5 Graius Caligula Germanici filius occisus a Chaerea.
6 Claudius Gai patruus paterque Britannici.
7 Sub quo Camillus tyrannus primum factus in Syria^ est.
8 Nero Aenobarbi et Agrippinae filius, qui quintodecimo anno
ipse se ferro, cum ob scelera sua et dedecora, quibus genus
humanum omne superavit, a Romano populo ad poenam quae-
ritur^, occidit.
9 Sub quo Yindex et Clodius tyranni fuerunt.
10 Galba cum Pisone occisus.
*) [Text nach Chron. min. I p. 520—523.] Die Handschrift 1, i orbej
2 imperatore 2, i in curia am Bande ergänzt 2, i octouianus sororej
nepus 5 octouianus quinginta 4, i theberius quam prignante super-
stetit 5 gaius gaicoli caligola occisus caereia 6 paterquem 7 siria
8, 1 aenobardi agripine 3 huminum omnes 10 bisone
1) Den Titel imperator in dem späteren Sinn nahm Caesar im J. 709 der St
(nach varronischer Zählung) an. Die vierjährige Regierung Caesars beruht auf
einer Abrundung der 3 Jahr 7 M. 6 Tage, die die Stadtchronik [chronic, minor,
p. 145] und Clem. Alexandr. ström. I [21, 144] p. 146 von der pharsalischen Schlacl
bis auf Caesars Tod zählen, während die zweite Berechnung bei Hieronymus'
von 4 Jahr 7 M. oder rund 5 Jahren von der ersten Dictatur an zählt.
245 2) Vielmehr in Dalmatien. Suet. Claud. 13. Dio 60, 15. Vict. epit. 4.
Vielleicht «in Illyrico» [oder in Istria, nach v. Gutschmid Rh. Mus. 17, 1862,
S. 826 (Kl. Sehr. 5, 278)].
3) Eutrop 7, 15: Nero cum quaereretur ad poenam.
Polemii Silvii Laterculus. ß43
11 Vespasianus.
12 Titus filius ludaeae gentis subactor.
13 Domitianus frater eius, qui primus Flavius nominatus dominum
se dici iussit^, occisus a Stephano.
14 Sub quo tyrannus Antonius fiiit.
15 Nerva ex praefecto^.
16 Traianus Ulpius.
17 Hadrianus Aelius.
18 Antoninus Pius.
19 Sub quo 3 in Oriente tyrannus Cassius fuit.
20 Yerus.
21 Marcus Aurelius.
22 Com modus filius occisus.
23 Pertinax occisus.
24 Julian US occisus.
25 Severus Afer.
26 Sub quo Pescennius et Albinus ex Caesare tyranni fuenint. 243
27 Geta filius Severi occisus a fratre.
28 Antoninus Caracalla frater praedicti,
29 Macrinus cum Diadumeno filio occisi.
30 Antoninus Heliogabalus occisus.
31 Sub quo Marcellus Caesar* et Sallustius, Uranius, Seleucua
atque Taurinus^ tyranni fuenint.
12 iude 13, i dominus 17 helius 18 antonius 19 casius 21 auri-
lius 22 filius occisos 26 poscennius 27 zeta 28 antonius 29 dia-
domino 30 antonius 31 macellus salustius
1) Eutrop 7, 23: dominum se et deum primtis appellariiussit; ähnlich Victor
epit. 11, beide aus Sueton. Domit. 13. — Die Erwähnung der Flavier ist ein
Zusatz des Polemius, veranlasst dadurch, dass zu seiner Zeit sowohl dominus
noster als Flavius stehende Prädicate der Kaiser waren.
2) Ich weiss nichts zu machen mit dieser Angabe; vielleicht hat eine
Verwechselung stattgefunden des Kaisers mit dem praef. praet. Petronius Secundus,
der ihm zur Regierung verhalf.
3) Vielmehr unter Marcus Aurelius.
4) Vict. epit. 23 : hie MarceUum, qui post Alexander est dictus consobrinum
suum Caesarem fecit. Dies ist ausser dem des Polemius das einzige Zeugniss,
das dem Kaiser Severus Alexander vor seiner Adoption den Namen Marcellus
giebt; Dio 78, 30 nennt ihn Bassianus, Herodian 5, 7 Alexianus. [S. Prosopogr.
imp. Rom. I p. 215. 216.]
5) Von diesen vier Prätendenten sind nur zwei sonst bekannt, L. lulius
Aurelius Sulpicius Uranius Antoninus, von dem es Münzen giebt (Eckhel 7, 288.
Lenormant Rev. de num. 1843, p. 255 fg.) und der auch als Uranius bei SynceUus
41*
644 Polemii Silvii Laterculus.
32 Alexander,
33 Maximinus cum filio occisi.
34 Sub quo duo Gordiani in Africa tyranni fuerunt.
35 Balbinus, Pupienus occisi.
36 Gordianus occisus.
37 Philippus cum Philippe qui primus factus est Christianus.
38 Sub quo lotabianus tyrannus in Cappadocia fuit^.
39 Decius cum Herennio filio occisus in pugna Gothorum.
40 Sub quo Prise us in Macedonia et Valens Romae tyranni
fuerunt.
41 Hostilianus cum Yolusiano Caesare.
42 Aemilianus.
43 Valerianus captus a Persis aput eosdera defecit.
44 Gallienus praedicti filius cum Salonino et Licinio filiis*
occisi.
34 gorgianus 35 babienus popienus 36 gorgianus 88 iotabian
39 herinnoo (?) pugnatorum (/%r pugna gothorum) 41 uolustiano 42 emilia-
nus cum 44 galliaenus praedicasti filius salonio
I, p. 675 Bonn. , als Uranius und Antoninus (woraus irrthümlicli zwei Personen
gemacht werden) bei Zosimus I, 12 vorkommt; ferner Taurinus, dessen Victor
epit. 24 gedenkt. Lenormants Vermuthung a. a. 0. p. 259, dass Taurinus Schreib-
fehler für Uranius sei, wird durch Polemius Zeugniss widerlegt. — Sallustius
wird zwar nirgends unter diesem Namen genannt; allein es scheint nicht zu
bezweifeln, dass er der Schwiegervater des Kaisers Macrinus oder Macrianus ist,
den Alexander zum Caesar erhob (vita Alex. 49), der Vater seiner aus Münzen
und Inschriften bekannten Gemahlin Sallustia Barbia Orbiana. Vielleicht ist
der affinis Alexanders Varius (Barbius?) Macrianus (vita Alex. 58) ein Sohn
dieses Caesar. — Von Seleucus finde ich nirgends eine Spur. — Dass übrigens
diese vier Tyrannen unter Alexander, nicht unter Elagabalus zu setzen sind,
bedarf wohl keines weiteren Beweises. [Über Sallustius s. Prosopogr. imp.
Rom. II p. 314, 22. III p. 158, 58, über Uranius Prosopogr. II p. 170, 123.]
1) Zosim. I, 20. 21. Vict. Caes. 29. Seine Erhebung fällt unter Philipp, sein
Tod unter Decius. Zosimus setzt ihn in den Orient, Victor nach Syrien ; Polemius
Angabe ist genauer. [S. Prosopogr. 11 p. 43, 1.]
2) Vict. epit. 33: Gallienus in locum üorndii filii sui Salonianum cUterum
filium subrogavit. Diese Angabe, die bei ihrer Flüchtigkeit grosse, durch die
gefälschte Inschrift eines Sohnes des Gallien Namens Q. lulius (Eckhel 7, 345.
I. N, 647* [C. I. L. X, 565*]) noch vermehrte Schwierigkeiten gemacht hat, wird
jetzt bestätigt und ergänzt durch die Inschrift von Sitifis (Letronne Journ. des
sav. 1847 p. 730; Abb. der Bair. Akad. V, II, 230 [C. I. L. VIII, 8473 = Dessau 557]):
Divo Caesari P. Cornelio Licinio Valeriano, nepoti imp. Caes. P. Licini Valeriani
Aug., fUio imp. Caes. P. lAcinii Gallieni Aug., frcUri P. Corneli Licini Salonini
noUlissimi Caes. Aug. u. s. w. Also der ältere Sohn, den Postumus tödten liess,
hiess P. Cornelius Licinius Valerianus — er ist der Cornelius Victors, der Licinius
Poletnii Silvii Laterculus. 545
45 Sub quo Ingenuus Sirmii et Regalianus ibidem; Viennae
Postumus, Laelianus et Marius ex fabro; Macrinus*)
quoque, Quietus et Odaenathus in Oriente, vel Aureolus in
Italia tyranni fuerunt *.
46 Claudius in bello Gothico occisus.
47 Quintillus occisus.
48 Aurelianus occisus.
45, 1 ingenuos 2 laebanus marius et fabro 3 odinatus aorealus
47 quintillus 48 aurilianus
iinsrer Chronik — ; der jüngere P. Cornelius Licinius Saloninus, bei den beiden
Chronisten Saloninus. Hiemach wird es auch wohl gelingen, die Münzen wenig-
stens zum Theil zu scheiden, was Eckhel 7, 421 nicht durchfuhren konnte; ich
denke in folgender Art:
Der ältere Sohn: Der jüngere: 246
P. C. L. Valerianus nob. Caes. (Eckhel B). P. Cor. Sal. Yalerianus Caes. (Eckhel A).
P. Lic. Cor. Yalerianus Caes. (Eckhel D). Salon. Valerianus Caes. (Eckhel C).
Valerianus Caes. oder nobil. Caes. Lic. Cor. Sal. Valerianus n. Caes.
(Eckhel G). (Eckhel E).
P. Lic. Valerianus Caes. (Eckhel H). Salon. Valerianus nob. Caes. (Eckhel F).
divo Caes. Valeriano (Eckhel p. 422). imp. Salon. Valerianus Aug. (Eckhel
p. 422).
divo Valeriano Caes. (Eckhel p. 422). divo Com. Sal. Valeriano (Eckhel p. 422).
divo Valeriano (Eckhel p. 422).
Dass der ältere Sohn nur den Caesarentitel erhielt, ist hiernach gewiss ; auf
zwei in Wien von mir abgeschriebenen Meilensteinen (Ameth n. 20. 21 ungenau
[C. I. L. III, 4646. 4652]) setzt er aber den Imperatorentitel voran: imp. P. Licinius
Cornelius Valerianus nobilissimics Caesar princeps iuventutis. Der jüngere bekam
einen höheren Rang, jedoch welchen, schwankten schon die Alten: qiiem multi
Augustum, mtiUi Caesar em, multi neuirum fuisse dicunt (vita GaUieni c. 14).
Daher heisst er denn auch auf der afrikanischen Inschrift nobilissimus Caesar
Augustus, was sonst vielleicht ohne Beispiel [doch s. Staatsrecht II* S. 1164
A. 5, 2], aber eben darum wohl das streng Richtige ist : einzelne lateinische und
die meisten griechischen Münzen nennen ihn geradezu imp. — Caes. Aug., worin
wohl einige Steigerung liegen mag. [S. jetzt über die beiden Söhne des GalUenus:
Prosopogr. imp. Rom. II p. 272. 273 n. 123. 124; Regling Wochenschr. f. klass.
Philologie 1904 n. 22 (S. 610£F.); Kubitschek numismat. Zeitschr., Wien 1908,
S. 102 ff., Regling daselbst S. 115 ff.]
*) [Vielmehr Macrianus, wie Mommsen in der 1. Ausgabe auch in den Text
aufgenommen hatte.]
1) Polemius folgt wie Eutrop, Victor und die Epitome dem Bericht, dass
in Gallien nach Postumus Tode Laelianus und Marius und erst nach dessen
kurzer Regierang Victorinus, und zwar dieser unter Aurelian zur Regierung
gelangten; wähi-end die Biographie den Victoi-inus zum Mitregenten des Postumus
macht. Da ein Tyrann Fabius sich nicht findet, habe ich es gewagt nach
trig. tyr. 8. Vict. Caes. 33, 9 aus d Fabio herzustellen fai>er [so die 1. Ausg. ;
ex fabro von Gutschmid nach Trig. tyr. 8 eingesetzt].
§46 Polemii Silva Laterculus,
49 Sub quo Victorinus, Vabalathus et mater eius Zenobia,
vel Antiochus ^, Romae Felicissimus,*) duo Tetrici pater et
filius, qui se eidem dederunt et post purpuram iudices provin-
ciarum facti sunt, sive Faustinus Treveris^ tyranni fuerunt.
50 Tacitus.
51 Florianus frater eius occisus.
52 Probus, qui Gallis vineas habere permisit.
53 Sub quo Saturninus, Proculus et Bonosus tyranni fuerunt.
54 Carus in Perside fulminatus.
55 Carinus filius occisus.
56 Numerianus frater praedicti.
57 Sub quo Julian us tyrannus fuit.
58 Diocletianus et Maximianus, sub quibus primum Romanum
imperium divisum est; hi primi sponte regnum deposuerunt.
59 Sub quibus Achi Ileus in Aegypto, Carausius et Allectus
in Britannia tyranni fuerunt,
60 Constantius et Galerius.
61 Sub quibus Maxirainus et Severus Caesares fuerunt.
62 Constantinus Constantii filius, a quo Crispus Caesar ex eo
244 natus occisus est, et Maxentius uxoris suae frater, sub quo
Alexander fuit tyrannus, socerque ipsius Maximianus cum
imperium resumpsisset, et Licinius sororis suae maritus, qui
Martinianum et Yalentem Caesares sibi fecit, cum Licinio
filio Thessalonicae pariter extincti sunt. Ab hoc imperatores
Christiani esse coeperunt.
63 Vel Calocaerus Cypro tyrannus fuit, sive Dalmatius, frater
illius de matre alia, de quo nati sunt Gallus et lulianus qui
49,1 bala (für vabalathus) 2 antiochoro(a?)me/ili/issimus 3 iudicis
4 fau*tinus 52 que haberi 53 bonosus {aus bonosius) 58, i dioclisianus
(aus dioclisidnus) primum nachgetragen 2 hü exponte 59, i achileus
2 britannia aus britania 60 constantinus et gallerius 61 sub fehlt 62, i con-
stantini, verändert in constancii 3 cui (für cum) 4 ea {für et) 5 mari-
tinianum cesares fuerurit sibi fecerunt licino 6 tessalonice 63, i calocelus
sipro
1) In Palmyra nach Zenobias Besiegung: Zosim. I, 60. 61 [auch C. I. L.
III, 6727]. Im Leben des Aurelian c. 31 heisst er Achilleus,
*) [Romae Felicissimus in der 2. Aufl. nach den Spuren der Handschrift
hergestellt.]
2) Tetricus cum Faustini praesidis dolo corruptis militibus plerumque peteretur,
Aureliani praesidium imploraverat (Vict. Caes. 35, 4). Nach dieser Angabe ver-
glichen mit der des Polemius scheint der Präses von Uutergermanien Faustinus
gegen Tetricus rebelliert und selbst den Purpur genommen zu haben; was dann
die Katastrophe der gallischen Separatregierung herbeiführte.
Polemii Silva Laterculas. 547
imperavit^, factus est Caesar, Uannihalianus frater praedicti
factus est rex regum gentium Ponticanim^..
64 Constantinus filius Constantii occisus.
65 Constans frater praedicti vitae infamissimae oqcisus.
66 Constantius frater praedictorura.
67 Sub quo Magnentius et Decentius ex natione Francorum^,
Nepotianus etiam Romae, sive Silvanus in Gallia tyranni
fuerunt, et Gallus consobrinus suus Caesar, quem ipse iussit occidi.
68 lulianus.
69 lovianus.
70 Yalentinianus.
71 Talen s frater eins incensus a Gothis.
72 Sub quo Procopius Antiochiae tyrannus fuit.
73 Gratianus Yalentiniani filius. Sub quo Maximus et Victor
eius t}ranni filius tjranni fuerunt. Lugduni occisus est.
74 Yalentinianus praedicti frater Yiennae laqueo vitam finivit.
75 Tbeodosius a Gratiano factus Augustus.
76 Sub quo tyrannus Eugenius fuit.
77 Arcadius filius Theodosii.
78 Honorius frater praedicti.
79 Sub quo Gratianus et Constantinus, bisque Attalus,
Constans, Maximus atque Servatus, Marcus, Magnus et
Maximus, lovinus, Sebastinus ac Yictor tyranni fuerunt*.
63, 3. 4 Caesar — factus est felM 64 filius constantini filius, rerändert in
filius constancii 67, i decensius 2 pro me {für romae) 3 suos 69 ieuianus,
verchidert in iouinianus 72 pro cobius anthiocie 73, i ualentinianius 2 ty-
ranni filii lucduni 75 theodocius 76 fuit mtchgetragen 77 archadius
79, 1 athalus 3 sebassianus
1) Dalmatius der Caesar war nicht der Bruder Constantins, sondern der
Sohn seines Halbbruders Dalmatius Censor; Gallus und Julianus waren nicht
die Söhne dieses, sondern eines andern Halbbruders desselben, des Julius Con-
stantius. Ich habe indess nicht geändert, da es nicht wahrscheinlich ist, dass
die beiden Brüder Constantins in der Reihe der regierenden Fürsten mit auf-
geführt wurden ; Polemius scheint selbst diese Verwirrung verschuldet zu haben.
2) Exe. de Const. § 35 [chron. min. I p. 11] : Calocaeriim qiiendam — oppressit.
Dalmatium filiiim fratris sui DalmcUü Eius fratrem Annibalianum —
regem regum et Ponticarum gentium constituit, wo vor et vielleicht Cappadocicarum
ausgefallen ist. Aus oreticarum [so die Mommsen Obersandte Abschrift] weiss
ich nichts besseres zu machen als Ponticarum [durch die Handschrift bestätigt].
3) Dass die beiden Brüder hier geradezu Franken genannt werden, ist
beachtenswerth. Tillemont IV, 354.
4) Ich finde von diesen Tyrannen nur Gratianus (Tillemont V, 551), Constan-
tinus (ib.), Attalus, der zweimal den Purpur nahm (Till. V, 579. 619), Constans
648 Polemii Silvii Laterculus.
80 Constantius.
81 d, n. Theodosius praesens Augustus.
82 d, n. Placidus Valentinianus.
83 Sub^ quibus lohannes tyrannus extinctus est et a quibus cum
d. d. matre Placidia, uxore Eudoxia Augustis nunc imperiura
possidetur.
84 Quod Postumiano et Zenone viris clarissimis consulibus adnotavi.
IV.
Das Yerzeichniss der Provinzen des römischen Reiches, das
gewöhnlich unter dem Namen libellus provinciarum Schonhovianus
angeführt wird, ist aus dreifacher Quelle uns überliefert, nämlich
einmal in dem Kalender, den Silvius 449 zusammenstellte; zweitens
in derjenigen Sammlung von Stücken des späten Alterthums (z. B.
dem Staatskalender des östlichen und westlichen Reiches, dem
Stationenbuch, den Beschreibungen von Rom und Konstantinopel
u. a. m.) und des frühen Mittelalters (namentlich dem Dicuil), welche
unter dem Namen des Speierischen Codex der Notitia dignitatum
bekannt und durch eine Anzahl aus demselben im fünfzehnten Jahr-
hundert geflossener Abschriften uns erhalten ist^; drittens ver-
schmolzen mit dem bekannten Yerzeichniss der gallischen Provinzen
und Civitates, das übrigens auch in der Handschrift von Speier
voranging. Für die zweite Klasse habe ich die beiden Münchener
Abschriften Mon. Lat. 10291 (früher cod. Palat. cum pict. 41 a, bei
Böcking Ä, bei Pinder U) *) und die weniger sorgfältig geschriebene
Mon. Lat. 794 (früher cod. Vict. 99, bei Böcking C, bei Pinder 7)**),
81 dni n 82 dn. n. 83 iohannis {vorher anscheinend et getilgt)
Constantins Sohn (Till. V, 554), Maximas die Creatur des Gerontius (Tillemont
V, 584), Marcus (Tillemont V, 551), einen zweiten Maximus (Tillemont V, 605.
247 643), lovinus (Tillemont V, 607) und Sebastianus (Tillemont V, 609). Von Ser-
vatus, Magnus, Victor ist mir sonst keine Erwähnung vorgekommen; bei dem
damaligen Zustand von Gallien, Britannien und Spanien kommt auf ein paar
Tyrannen mehr oder weniger in der That auch nicht viel an. [In den Chron.
min. I p. 523 vermutet Mommsen , daß mit Magnus und Victor der von Theo-
dosius besiegte Magnus Maximus — der übrigens bei den Schriftstellern sonst
nur Maximus heißt — und sein Sohn Flavius Victor gemeint seien,]
1) Böcking über die not. dign. S. 4 fg. Parthey und Pinder itin. Antonini
p. XXV seq. p. XXXIII. [Seeck praefatio zu seiner Ausgabe der Notitia digni-
tatum p. X ; Mommsen chron. min. I p. 527.]
*) [Chron. min. I p. 531.]
**) [A. a. 0. p. 530.]
Polemii Silvii Latercalus. 549
für die dritte die Handschrift des achten Jahrhunderts Mon. Lat. 6243
(früher Frisingensis 43)*) und die römische Ausgabe in De Roma
prisca et nova varii auctores (Romae ex aed. Mazochii 1523. 4 foL 87 v.)
benutzt, welche aus einer Handschrift dieser Klasse geflossen ist.
Meinem Freunde Halm verdanke ich nicht bloss die Abschriften der
drei Münchener Texte, sondern auch die erste Kunde der wichtigen
Freisinger Handschrift. Der mir vorliegende Apparat reicht hin,
um einen wohlbeglaubigten Text zu constituieren. Dass er noch
sehr vermehrt werden kann und namentlich die dritte ßecension in
einer grossen Anzahl alter Handschriften uns überliefert ist, ist wahr-
scheinlich; vermuthlich wird ein beträchtlicher Teil der für die not.
prov. Gall. benutzten Handschriften auch unser Verzeichniss enthalten
in ähnlicher Weise wie der cod. Yat. 1338 saec. XI,**) aus dem 248
Schelestrate (antiq. eccl. II, 643 fg.) einen in allen wesentlichen Stücken
dem der Freisinger Handschrift entsprechenden, aber geringeren Text
hat abdrucken lassen. Allein wo drei in so alter Zeit von einander
sich scheidende Recensionen vorliegen, wie dies hier der Fall ist,
kann von der Vermehrung des Apparats kaum ein wesentlicher
Aufschluss erwartet werden. — "Was die Ausgaben anlangt, so habe
ich die vermuthlich älteste Romae loann. de Besicken 1505***),
worin dem Yibius Sequester eine Schrift «de regionibus cum pro-
vinciis suis», vermuthlich unser Katalog, angehängt ist, nicht gesehen,
sondern nur den eben angeführten Wiederabdruck derselben von
1523 benutzen können. Aus dieser und nicht aus einer Handschrift
wird Schonhovens Ausgabe (mit dem Eutrop Basil. 1552) geflossen
sein, nur dass der Text willkürlich corrigiert und der Abschnitt über
Gallien aus der not. prov. Galliae interpoliert ist. Dieser inter-
polierte Text ist es, der allen späteren Abdrücken, die mir zu Gesicht
gekommen sind, zu Grunde liegt, ohne dass Handschriften oder auch
nur die älteren Ausgaben zugezogen worden wären. Es wird daher
nicht überflüssig sein, einen besser beglaubigten Text vorzulegen;
jedoch müssen über das Yerhältniss der verschiedenen Handschriften
noch einige Bemerkungen voraufgeschickt werden.
Der Text des Polemius ist wesentlich derselbe, welchen die
Handschriften dritter Klasse darbieten, während die Recension des
Speierischen Codex als interpolierte erscheint. Der wichtigste Unter-
schied der beiden ersten Klassen und zugleich der wichtigste Vorzug
*) [A. a. 0. p. 524. 564.]
*•) [Über diese Handschrift, n. 85 in der Reihe der von Mommsen für die
Notitia Gralliarum benatzten, s. Chron. min. I p. 562. 572.]
***) [S. jetzt chron. min. I p. 545. 568.]
650 Polemii Silvii Laterculus.
des von Polemius copierten Textes besteht darin, dass die ersten
sechzehn der gallischen Provinzen in den Handschriften der zweiten
Klasse theils ungeschickt weggelassen, theils ungeschickt ergänzt sind.
Wo sie fehlen, ist dies nicht eigentlich eine Lücke, sondern da die
Notiz über Gallien und das Reichs -Yerzeichniss zu einem Ganzen
verbunden wurden, Hess man absichtlich in dem letztern Galhen aus.
Allein man versah sich dabei und vergass die letzte Provinz zu
streichen; wovon die Folge war, dass die Alpes Graiae als die letzte
Provinz von Italien auftraten und dieses 17 statt 16 Provinzen erhielt.
So erscheint das Verhältniss in der Freisinger Handschrift. In der
römischen Ausgabe ist Gallien wieder eingerückt, und zwar nicht
aus einer interpolierten Handschrift und noch weniger aus der not.
prov. Galliae, sondern aus einem dem des Silvius völlig gleichartigen
249 Texte, den ich indess handschriftlich nachzuweisen nicht vermag.*)
Der Fehler ist aber dennoch stehen geblieben, und daher kommt
es, was den Topographen viele grundlose Mühe gemacht hat, dass
die grajischen Alpen in allen Ausgaben unsres Katalogs sowohl als
italische wie als gallische Provinz aufgezählt werden. Uebrigens ist
das Verhältniss des Freisinger und des Römischen Textes auch sonst
ähnlich. Zwischen beiden besteht zwar die engste Verwandtschaft,
wie ausser der Ueber- und Unterschrift die Fehler Favia 57, Afla-
conia 98 zeigen;**) allein keineswegs ist doch der letztere aus dem
ersteren geradezu abgeleitet, sondern die zahlreichen Lücken und
argen Verderbnisse des Freisinger Codex sind aus besseren hand-
schriftlichen Quellen in der römischen Ausgabe grossentheils beseitigt.
Dass die dritte Klasse von Handschriften einen mehrfach inter-
polierten Text giebt, ist evident ; ich hebe nur hervor, dass in Gallien,
weil die Narbonensis secunda ausgefallen war, aus der Maxima
Sequanorum zwei Provinzen, Maxima und Sequanorum, ebenso aus
der Tingitana trans fretum eine Provinz Tingitana und eine trans
fretum gemacht werden, und dass bei Britannien die römische
Provinz (!) Orcades zugefügt wird. Dennoch ist diese Recension
nicht bloss für die Textesconstituierung von Wichtigkeit — wie denn
zum Beispiel gleich in Hinsicht der Alpes Graiae nur in den inter-
polierten Texten und bei Silvius das Richtige steht — sondern sie
giebt auch sonst einen lange vergebens gesuchten Aufschluss, Be-
kanntlich hat Paulus Diaconus in seine Geschichte der Longobarden
*) [Eine ganze Reihe von Handschriften dieser Art führt Mommsen chron.
min. I p. 566 ff. unter den Ueberschriften ,recte ordinati cum duplicatione Alpium
Graiarum" und ,similes adiuncti Vibio Sequestri" auf.]
**) [S. chron. min. I p. 539. 541.]
Pol^Qui Silvii Laterculas. 65 t
2, 14—23 ein Yerzeichniss der Provinzen Italiens in römischer Zeit
eingerückt, welches er citiert als catalogus provinciamm : « Marsonim
regionem ideo intra Yaleriam provinciam aestimo computari, quia
in catalogo provinciarum minime ab antiquis descripta est». Es zeigt
sich jetzt, dass dieser verloren gegebene Katalog kein andrer ist
als der der Speierer Handschrift, den Paulus allerdings mit mancherlei
anderen, besonders etymologischen Notizen und aus seiner eigenen
topographischen Kunde bereichert hat, jedoch in einer Weise, dass
die Grundlage überall hervortritt, in der Angabe der Provinzen selbst
wie in den Nebenbemerkungen — z. B. in der Hervorhebung des
tyrrhenischen Meers bei den drei Inseln, am deutlichsten eben in
den Abweichungen, wo sich zugleich mit Sicherheit ergiebt, dass
nicht unser Katalog aus Paulus, sondern Paulus Katalog aus dem
unsrigen geflossen ist.*) So hat der letztere als neunte Provinz
Alpes Cotticae et Appenninae, während Paulus jene zur fünften, diese
zur neunten macht, allein mit der Bemerkung: «sunt qui Alpes 250
Cottias et Appenninas unam dicant esse provinciam; sed hos Victorini
revincit historia, qui Alpes Cottias per se provinciam appellat».
So gewiss mit dem letztem Citat gemeint ist Yict. epit. 5 : « Pontum
in ius provinciae redegit itemque Cottias Alpes» — denn es ist bekannt,
dass der Schriftsteller bald Victor, bald Victorinus genannt wird imd
dass ein aus der Epitome von Paulus verfertigter Auszug noch jetzt
in Bamberg vorhanden ist — , ebenso gewiss geht das erste Citat
auf unsern Katalog. — Wenn es femer weiter bei Paulus heisst:
«extiterant quoque, qui Aemiliam et Valeriam Nursiamque unam
provinciam dicerent; sed horum sententia stare non potest, quia inter
Aemiliam et Valeriam Nursiamque Tuscia et Umbria sunt consti-
tutae» — so scheint hiermit gleichfalls unser Katalog gemeint zu
sein, der die Valeria Nursiaque durch Interpolation nach der Aemilia
eingeschoben hat. Nimmt man an, was glaublich ist, dass das Paulus
vorliegende Exemplar die Ordinalzahlen nicht beigefügt hatte und
dass darin die Gesammtzahl der italischen Provinzeii nicht interpoliert
war, so lag es nahe Aemilia Nursia Valeria als eine Provinz zu
betrachten. Es ergiebt sich hieraus das negative, aber darum nicht
anwichtige Resultat, dass für die Kenntniss römischer Verhältnisse
das Verzeichniss bei Paulus nicht femer gebraucht werden darf,
während dagegen das offenbar in Italien interpolierte Provinzen-
*) [Über das von Paulus benutzte Provinzverzeicliniß hat Mommsen dann
lusfohrlich gehandelt im Neuen Archiv f. ältere deutsche Geschichtskunde
'), 1880, S. 84flF. (,Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus*;
s. jetzt Ges. Schriften VI).]
652
Polemü Silvii Laterculus.
verzeichniss der Speierer Handschrift für das frühe Mittelalter und
selbst die späteste römische Zeit einige Autorität in Anspruch nehmen
kann.
Um den Ueberblick zu erleichtem, schien es zweckmässig, den
interpolierten Text in Cursivschrift dem reinen zur Seite zu stellen,
welchem letzteren der nothwendige kritische Apparat beigefügt ist.
Zu Grunde liegt die von Polemius aufbehaltene Recension, die bei
weitem die beste ist.*)
251 NOMINA PROVINCIARUM.t)
I in Italia sedecim.
1. Campania, in qua est Capua.
2. Tuscia cum Umbria.
8. Aemilia,
DE PROVINCIIS**)
Provintiae (Provincie) Italiae
sunt XVII.
Prima Campania, in qua est
Capua.
Secwnda Tuscia cum Umbria,
in qua est Borna.
Quarta
Nursia Valeria, in
qua est Beate.
4. Flaminia, in qua est Ravenna,.
Quinta
Flammina (-nea), in
qua est Bavenna.
5. Picinum.
Sexta
Picinum (Picenum),
in qua est Asculis.
6. Liguria, in qua est Mediolanus.
Septima
Liguria, in qua est
Mediolanum.
7. Venetia cum Histris, in qua est Aquileia
. Octava
Venetia cum Histria,
in quibus (qua est)
Aquileia (-legia).
8. Alpes Cottiae.
Nona
Alpes Cotticae(-ce) et
Appenn, in quibus
(quibus est) Genua.
9. Samnium.
Decima
Samnium (Samnum),
in qua est Bene-
3 emilia
ventu (-tum).
t) Die Handschrift hat: 1 capud
4 flamminia 6 leguriam
est fehlt 9 samium
*) [Mit üben-eichem kritischen Material hat Mommsen die Liste in ihren
verschiedenen Variationen bearbeitet Chron. min. I p. 535—542. Hier ist für
den , reinen" Text nur Polemius Silvius mit den Lesimgen der Brüsseler Hand-
schrift gegeben; für den interpolierten Text, s. die folgende Anmerkung.]
**) Nach Cod. Mon. lat. 10291 (früher cod. Palat. cum pict. 41 a) [vergl.
Chron. min. I p. 531] f. 63 sq.; die Abweichungen vom cod. Mon. lat. 794 (früher
Cod. Vict. 99) [nach Chron. min. I p. 530 einer Abschrift eines Oxoniensis , von
dem er nur in orthographischen Kleinigkeiten abweicht] sind in ( ) eingefügt
[weitere Varianten zu geben schien nicht nötig].
Polemii Sütü Laterculas.
653
10. Apulia cum Calabria, in qua est Ta-
rentum.
11. Brutia cum Lucania.
12. Haetia prima.
13. Raetia secunda.
14. SiciHa.
15. Sardinia.
16. Cursica.
II item Galliarum XVn.
17. Yiennensis
18. Narbonensi3 prima.
19. Narbonensis secunda.
20. Aquitanica prima.
21. Aquitanica secunda.
22. Novempopulana.
23. Alpes maritimae.
24. Belgica prima, in qua est Trevems.
25. Belgica secunda, de qua transitur ad
Britta nniam.
26. Germania prima, super Rhenum.
27. Germania secunda, ut supra.
28. Lugdunensis prima.
29. Lugdunensis secunda, super oceanum.
30. Lugdunensis tertia, ut supia.
31. Senonia.
32. Maxima Sequanorum.
t53. Alpes Graiae.
Undecima
Duodecima
Tertia decima
Quarta decima
QtUnta decima
Sexta decima
Septima decima
Äpulia cum Calab-
ria, in quibus (qua
est)Tarantum(Ta-
rentum).
Britia (Bricia) cum
Lucania, in quibus
(qua est) Begium,
Betia prima.
Betia secunda.
Siciliae (-ia) insuHa
in mari Tyrrheno.
Sardinia in mari
Tyrrheno.
Corsica in mari
Tyrrheno.
252
Provinciae Galliarum sunt XVII.
Prima Viennensis.
Secunda Narbonensis.
Tertia
Äquitania prima.
Quarta
Aquitania secunda.
Quinta
Notempolana.
Sexta
Alpes tnaritimarum.
Septima
Belgica prima, in qua
estTreveris(inq.e.
T. fehlt;.
Odava
Belgica secunda de
qua iransitus Bri-
tannorum.
Nana
Germania prima,
super Benum.
Dedma
Germania secunda.
versus Britanii
(-tannß-).
ündeäma
Lugdunensis prima.
Duodecima
Lugdunen supra
oceanum.
Tertia decima
Lugdunensisut supra
versus Britah
(•tann).
Quarta decima
Senonia.
Quinta decima
Maxima.
Sexta decima
Sequanorum. 253
Septima decima
Alpes Graiae.
10 tarentum fehlt 11 brittannia 12 raetia fehlt 14 cicilia 17 vien-
iienses 18 narbonenses 20 aquitania 24 treferus 26 germanica rennm
19 ocianum 33 graciae
654
Polemii Silvii Laterculus.
III item in AfricaVI.
Provi/nciae Africae sunt VI.
34. proconsularis, in qua est Carthago.
Prima
consularis (proconsu-
laris), in qua est
Kartago.
35. Numidia.
Secunda
Numidia.
36. Byzacium.
Tertia
Bizantium.
37. Tripolis.
Quarta
Tripolis.
38. Mauretania Sitifensis.
Quinta
Mauritania Caesa-
riensis (Ces-).
39. Mauretania Caesariensis.
Sexta
Mauritania Siti-
fensis.
IV in Hispania VII.
Provinciae Ei
Ispaniae sunt VIII.
40. Tarraconensis.
Prima
Terraconensis.
41. Carthaginensis.
Secunda
Carthaginensis.
42. Baetica.
Tertia
Betica.
43. Lusitania, in qua est Emerita.
Quarta
Lusitania, in qua est
Emerita.
44. Gallaecia.
Quinta
Galada (-atia).
45, insulae Baleares.
Sexta
insulae (-le) Baleares.
46. Tingitana, trans fretum quod
ab oce-
Septima
Tingitana.
ano infusnm terras intrat inter
Octava
trans fretum quod
Calpem vel Abinnam.
ab oeeano infusum
transmittitur inter
Calpem et Avienam
(Amenam).
V in Illyrico XVIIII.
Provinciae lllyricae sunt XVIII.
47, Dalmatia, super mare.
Prima
Dalmatia.
48. Pannonia prima, in qua est Sirmium.
Secunda
Pannonia prima.
254 49. Pannonia secunda.
Tertia
Pannonia secunda.
50. Valeria.
Quarta
Viridia.
51. Praevalis.
Quinta
Siribalis.
52. Mysia superior.
Sexta
Misia inferior.
53. Epirus vetus.
SeptiwM
Epirus vetus.
54. Epirus nova.
Octava
Epirus nova.
55. Noricus ripensis, super Danuvium.
Nona
Noricus (-cum).
56. Noricus mediterranea.
Dedma
Mediterranea.
67. Suavia.
Undecima
Suavia.
58. Dardania.
Duodeäma
Dardania.
59, Haemimontus.
Tertia dedma
Emantus.
60. Dada.
Quarta dedma
Datia.
61. Scythia.
Quinta dedma
36 bizaci ut supra 37
Scotta (Scorta).
34 proconsulares cartago
tripoles 38 mauri-
tania 39 mauritania cesarienses
41 ca
irthaginenses 42 betica 43 teme-
rita 44 gallicia 45 insole
46 ocianum calpe
abinam V illirico
48 sermium 52 misia 53 eph:
irus uentus 55 supra danubium 59 hemy-
Polemii Silvii Laterculus.
655
62. Greta insula.
Sexta decma Orda insuia.
63. Achaia.
SepUma decima Achnia,
64. Macedonia.
Octava decima Macedonia.
65. Thessalia.
Nona decima Thessaionicensis.
VI in Thraciis VI.
Pr<mnciae Thraciae sunt VL
66. Thracia prima.
Prima Thratia.
67. Thracia secunda.
Secunda item Thratia.
68. Mysia inferior.
Tertia Europa, in qua est
Constantinopölis
prius dicta lAcus
sive Byzantium
(Biz-).
69. Scythia inferior.
Quarta Bodopa.
70. Europa, in qua
est
ConstantinopoHs
Quinta Misia superior.
prius Lycos dicta !
äive Byzantium.
71. Rhodopa.
Sexta Scythia (ScUhia)
superior.
Vnin A
sia
xn.
Provinciae Asiae sunt XII.
72. Asia ipsa, in qua
est Biam.
Prima Asia, in qua Hium.
73. Lycia.
Secunda Lycia (Licia).
74. Galatia.
TerHa Galatia.
75. Lydia.
Quarta Lyca (Lica).
76. Caria.
Quinta Caria.
77. Hellespontus.
Sexta HeUespontus.
78. Pamphylia.
Septima Pamphüia.
79. Pisidia.
Octava Pisidia.
80. Phrygia prima.
Nona Phrygia (Phrigia).
81. Phrygia salutaris.
Decima Salutaris.
82. Lycaonia,
ündedma Lycaonia (Lic-).
83. Cyclades.
Duodecima Cyclades (Eldades).
255
87.
VIII in Oriente X.
Syria Coele, in qua est Antiochia.
Syria Palaestina.
Syria Phoenice.
Isauria.
Promdae (so) Orient: sunt X
(Cr. s. X erloschen^.
Prima
Secunda
Tertia
Quarta
Stria cade (cole), in
qua est Antiochia.
Palaestina (Pale-
stina).
Siria Pfiaenicis
(Phenicis).
Isauria.
VI trachiis 66 tracia 67 tracha 68 misia 69 scithia 70 in
qua am Bande nachgetragen licos bizancium 71 rodoui 73 licium
75 lidia 78 pamphüia 80 frigia 81 frigia secunda 82 licaonia
83 clades 84 siria eile 85 siria palestina 86 siria finice 87 ysauria
656
Polemii Silvii Laterculus.
88, Cilicia, iuxta montem Taurum.
Quinta
Cilicia iuxta montem
Taurum (T. et
Euphraten).
89. Cyprus.
Sexta (fehlt)
Cyprus (fehlt).
90. Mesopota.Tnia, inter
Tigrem vel Eu-
Septima
Mesopotamia inter
fraten.
Tygrem et Euphra-
ten (et E. fehlt
hier;.
91. Eufratesia.
Octava
Hosdroene (-drone).
92. Hosdroene.
Nona
Supannenae.
93. Sophanene.
Becima
Eufragia.
IX in Ponto
VIII.
Provineiae Ponti sunt VIII.
94. Pontus Polemiacus.
Prima
Pontus Pole-
moniacus.
95. Pontus Amasia.
Secunda
Pontus Ämassia.
96. Honoriada.
Tertia
Honoriada.
97. Bithynia.
Quarta
Bythinia (Bith-).
256 98. Paflagonia.
Quinta
Paflagonia.
99. Armenia minor.
Sexta
Armenia maior.
100. Armenia maior.
Septima
Armenia minor.
101. Cappadocia.
Octava
Cappadotia (-oda).
X in Aegyp
toVI.
Provineiae A
egipti (Aegypti) suntVI.
102. Aegyptus ipsa, in qua est Alexandria.
Prima
Aegyptus (Eg-), in
qua est Alexandria.
103. Augustamnis.
Secu/nda
Augustalis.
104. Thebaida.
Tertia
Thebaida.
105. Libya sicca.
Quarta
LyUa sicca.
106. Libya pentapolis.
Quinta
ijylia pentapolis.
107. Arcadia.
Sexta
Archadia.
XI in BrittanniaV.
108. Brittania prima.
109. Brittania secunda.
110. Flavia.
111. Maxima.
112. Valentiniana.
Summa CXII.
Provineiae Occiden: (oecidentales)
sunt VI.
Prima
Secunda
Tertia
Quarta
Quinta
89 cipros 90 mesopomitamia tigremi eufrate
96 bithelia 98 pamflagonia X egipto 102 egiptus
105 libea 106 libea 107 archaida
Brittannia
(Britannia).
item Britannia.
Phlagia (Flagia).
Maxima.
Valentiniana.
Oreades (Orchades).
95 pontus samaria
102 augustamnes
Polemii Silvii Laterculus. ' 557
Da das vorliegende Aktenstück far die Kenntniss der damaligen 257
Zeitverhältnisse nicht ohne Wichtigkeit ist und zum richtigen Ge-
brauch desselben es vor allem darauf ankommt, dessen Abfassung
so scharf wie möglich festzustellen, sollen hier die Zeitgrenzen so
weit thunHch ermittelt werden. Es würde dies eine ziemlich ver-
gebliche Mühe sein, wenn Tillemont darin Recht hätte, dass dies
Yerzeichniss von einem unkundigen oder nur halbkundigen Ver-
fasser herrührt^: allein ich zweifle nicht und es zweifelt wohl jetzt
Memand, dass unser Katalog nicht minder eine officielle Arbeit ist
wie die Notitia dignitatum, vermuthlich eben ein Auszug aus einer
älteren Notitia dignitatum, und ohne in Abrede zu stellen, dass auch
ein officieller Arbeiter sich versehen kann, werden doch solche Yer-
sehen, wie Tillemont sie annahm, unmöglich supponiert werden dürfen.*)
Das Provinzenverzeichniss muss abgefasst sein auf alle Fälle
zwischen 385 und 399, wahrscheinlich zwischen 393 und 399, nach
folgenden Merkmalen.
1. Es kommt darin vor die im J. 369 eingerichtete britannische
Provinz Yalentia^.
2. Es kommen darin vor die drei jüngsten gallischen Provinzen
Narbonensis II, Lugdunensis III, Senonia, die Rufus**) Festus (ums
J. 369) noch nicht kennt 3, während die Narbonensis II schon 381
erwähnt wird*.
3. Es kommt darin vor die Satrapie Sophanene, die zu den von
Jovian an die Perser überlassenen transtigritanischen Districten gehört
und vermuthlich im Frieden mit Sapor 384 wiedergewonnen ward 5.
1) V, 699 der Origiaalausgabe : L'anteur de la Notice vivoit en Occident,
et ne savoit pas trop l'etat oü estoit TOrient.
*) [Später hat Mommsen Tillemont Recht gegeben, s. Chronic, min. I p. 533,
und sich zu der Ansicht bekannt, daß die Liste für den Westen den Zuständen
zur Zeit des Polemius Silvius selbst entspreche, für den Osten aber eine ältere
Vorlage ungenügend korrigiert wiedergebe. Direkt als unbrauchbar hat Mommsen
die Liste im J. 1901 bezeichnet, s. Ges. Schriften IV S. 559 A. 1.]
2) Amm. 28, 3, 7. Böcking zur not. dign. p. 500*.
**) [Über die Schreibung des Namens s. Ges. Sehr. V S. 569 A. * und oben
S. 396, 1].
3) Rufi brev. 6. Dass auch Ammian , der doch sicher noch zwischen 383
und 390 an seinem Werke arbeitete, noch Gallien nach der älteren Eintheilung
darstellt (15,11), kann bei einem so voluminösen und wahrscheinlich langsam
gearbeiteten Werk nicht entscheiden. [Anders erklärt 0. S. 402.]
4) Acten des Concils von Aquileia 381 (Mansi III, 615): episcopis provinciae
Vünnensium (sehr, -sis) et Narbonensium primae et secundae. — Warum Walckenaer
(g^ogr. des Gaules II, 370) die Theilung in das Jahr 379 setzt, sehe ich nicht ein.
5) Tülemont V, 238.
MOMMSEX. SCHR. VU. 42
658 Polemii Silvii Laterculus.
4. Die Aemilia und Liguria, die im J. 385 noch unter einem
Statthalter standen i, erscheinen schon getrennt.
258 5. Es kommen die beiden von Theodosius I Söhnen benannten
Provinzen Arcadia und Honorias darin vor, von denen die letztere
auf jeden Fall jünger ist als Honorius Geburt 384, wahrscheinlich
auch jünger als seine Erhebung zum Augustus 393.
6. Andrerseits fehlt die italische Valeria, die schon im J. 399
vorkommt 2 und vom Interpolator auch in unserm Yerzeichniss hin-
zugefügt ward.
7. Es fehlen darin die Provinzen Macedonia salutaris, Galatia
salutaris, Cappadocia secunda, Syria salutaris, Palaestina secunda,
1) C. Th. II, 4, 4.
2) Vgl. meine Ausführung in den röm. Feldmessern II, 210 [Ges. Sehr. V 195].
die hiedurch näher bestimmt wird : bis wenigstens 365 gab es nur einen District
Flaminia et Picenum unter einem Consularis ; zwischen 365 und dem Entstehungs-
jahr des Lib. prov. 393/399 wurden zwei Districte gemacht : Flaminia et Picenum
annonarium und Picenum suburbicarium , beide unter einem Consular; vor 399
ward der letztere wieder getheilt in Valeria und Picenum suburbicarium. —
Ich habe dabei eine Inschrift übersehen, die wichtig ist, aber grosse und ich
fürchte unlösbare Schwierigkeit macht: die dem Ceionius Contucius Gregarius
von den Foronovanern gesetzte Base (Gud. 120, 1 besser als Fabrett. 101, 229),
euius ope, wie es darin heisst, auctam instauratamq. tota se Piceni et Flaminiae
promncia gratulatur. Auf der Seite steht das Jahr dedic. e. XIII Tel. Die. Fl.
Stüichone v. c. cos, d. h. 400 n. Chr. Nimmt man nicht an, was allerdings nicht
unmöglich ist, dass die Dedication nicht zu dieser Inschrift gehört, sondern zu
einer andern auf der Gegenseite, so ist der Stein in entschiedenem Widerspruch
mit allen sonstigen Zeugnissen. Nicht bloss weil die Valeria, in der Forum
novum gelegen ist und die doch schon 399 bestand, nicht vorkommt — man
könnte allenfalls sagen, dass die Dedication ein oder zwei Jahre nach der Amts-
führung stattgefunden hätte; sondern weil, ehe die Valeria eingerichtet ward,
Forum novum schlechterdings nur zum Picenum (suburb.), nicht zur Flaminia
gehören konnte, wie ein Blick auf die Karte zeigt. Sonach bleibt wohl nichts
übrig als die Annahme, dass Gregarius ausserordentlicher Weise mehrere Pro-
vinzen verwaltete, worauf auch die zweimalige Hervorhebung der tota provincia
und die sonst wohl nirgends vorkommende Stellung Picenum et Flaminia (statt
Flaminia et Picenum) hindeuten. Ohne Beispiel sind dergleichen Aemter-
cumulierungen nicht; ich erinnere nur an eine vor kurzem in Rom gefundene
Inschrift [C. I. L. VI, 1736 = Dessau 1256] des Julius Festus Hymetius, Proconsul
von Africa vor 368 (Amm. 28, 1. 17), wo er heisst consularis Campaniae cum
Samnio. — Meine Bemühungen, zu ermitteln wohin der Stein gekommen ist,
sind fruchtlos geblieben; die Aechtheit ist ausser Zweifel. [Die Inschrift, im
Palazzo Barberini, aber ohne die anscheinend verlorene Seiteninschrift mit dem
Datum, nach Bormanns Abschrift C. I. L. VI, 1706. Über die Schwierigkeit, die
sie bietet, s. jetzt Mommsen chron. min. I p. 532 not. 4.]
I
Polemii Silvii Laterculus. 659
Phoenice Libani, Cilicia secunda, welche sicher im J. 381 noch nicht
bestanden \ wahrscheinlich auch noch nicht im J, 386 2, während 259
wenigstens eine derselben 409 vorkommt^; wahrscheinlich sind die-
selben sämmtlich von Eutropius, also zwischen 395 und 399 errichtet
worden*.
1) Den entscheidenden Beweis geben die Akten des zweiten Constantino-
politanischen Concils von 381 (Mansi III, 568), auf dem sämmtliche Provinzen
der Diöcese Oriens und der grössere Theil der Provinzen von Pontus und Asia
vertreten waren; es ergiebt sich daraus mit vollkommener Gewissheit, dass
damals wenigstens die letztgenannten fünf Provinzen noch nicht existierten.
Hiermit stimmt auch überein, dass Ammian von all diesen Provinzen nichts
weiss (Tillemont V, 100) und dass Damascus, später der Sitz des praeses Phoenices
Libani, im J. 380 noch dem Consularis des (ungetheilten) Phoenice gehorchte
<C. Th. VII, 22, 9), überhaupt aber, dass keine Urkvmde aus dem vierten Jahrh.
dieser Provinzen Erwähnung thut. Die Theilung Cappadocieus , gegen die
Basilius [ep. 74] im J. 371 protestierte (Tillemont mem. de l'hist. eccl. IX, 174),
kann daher, wie Norisius (epochae Syromaced. p. 302 ed. Florent. 1691) mit
Recht ausführt, damals noch nicht zur Ausfuhrung gekommen sein.
2) Wir finden bis 386 einen Proconsul von Palaestina (Tillemont V, 699
[Prolegom. zum Theodosianus p. CXCIV]), während die not. dign. auch in der
vornehmsten der drei Palaestinae, Palaestina prima oder Palaestina schechtweg,
nur einen Consular nennt. Die Rangverminderung dieses Beamten und seine
Unterordnung unter den Comes des Oriens (denn die Consulare gehorchten diesem,
nicht aber unbedingt die Proconsuln, s. Böcking zur not. dign. or. p. 167) fiel
wahrscheinlich mit der Theilung der Provinz in Palaestina und Palaestina
secunda zusammen, welche man nicht verwechseln darf mit der älteren Theilung
Arabiens in Arabia und Palaestina salutaris, wie Böcking zur not. dign. or.
p. 512 gethan hat. Palaestina salutaris bestand schon 381 (s. u.); aber daraus
folgt nicht, dass es damals drei Palaestina gab.
3) C. Th. VII, 4, 30 per primavi, secuttdam ac tertiam PaJaestitiam.
4) Claud. in Eutrop. 2, 585 von Eutropius: Ne quid tarnen orbe reciso tetu
ditor amittat, provinda quaeque superstes dividitur, geminumque duplex passura
tnhimdl cogitur alterius pretium sarcire peremptae, womit zu vergleichen das etwa
um 408 abgefasste Schreiben des Papstes Innocenz 1 an den Bischof von Antiochia
(Mansi coli. 3, 1055) : Quod seiscitaris utrum divisis imperiali iudicio provinciis ut
duae metropoles fiant, sie duo tnetropolitani episcopi debeant nominari, tum vere
(sehr, e re) visum est ad mobilitatem necessitatum mundanarum dei ecdesiam com^
mutari honoresque aut divisianes perpeti, quas pro suis causis faciendas duxerit
imperator. Vgl. Tillemont V, 450. — Dass ich wie vor mir Böcking auf Malalas
confuse Angaben keine Rücksicht genommen habe, bedarf keiner Entschuldigung.
Man findet dieselben übrigens auch bei einem andern Byzantiner (Mai spiciL
Rom. II in f. p. 20), der für die Quelle des Malalas gilt. [Vielmehr Malalas selbst;
s. E. Patzig, Unerkannt und unbekannt gebliebene Malalas -Fragmente, Jahres-
bericht der Thomasschule in Leipzig 1891. — Mommsen war also die versteckte
Mai'sche Publikation nicht unbekannt geblieben, wenn er sie auch in seiner
späteren Arbeit über Malalas (Hermes 6, 1872 = unten nr. LXXV) nicht er-
wähnt hat.]
4ß»
660 Polemii Silvii Laterculus.
8. Es erscheint Tuscien noch ungetheilt, das vermuthlich schon
418, sicher 458 getheilt war^.
Nachdem so die Entstehungszeit festgestellt ist, sollen noch die
wesentlichen Differenzen, die zwischen unserem Provinzenverzeichniss
und demjenigen, das sich aus der Notitia dignitatum entnehmen lässt,
hier zusammengestellt und beleuchtet werden. Dass die letztere
jünger ist als unser Register und nicht vor Gildos Tod 398 geschrieben
sein kann ist bekannt; die Annahme Böckings, dass sie zwischen
260 400 und 405 abgefasst sein müsse,*) bedarf noch einer weiteren Recht-
fertigung, die der vortreffhche Herausgeber in seiner Einleitung sicher
nicht schuldig bleiben wird, wenn er nicht — quod absit — uns die
Einleitung selbst schuldig bleibt.**) — Was die sonderbare Reihenfolge
anlangt, in der die Diöcesen und Provinzen in unserem Register
erscheinen, so kann ich darin nur eine theils an die Rangordnung,
theils an die Namensgleichheit und Lage sich anlehnende, theils
wohl rein zufällige Aufzählung erkennen. So steht Campanien in
Italien voran als vornehmste Magistratur 2; aber dass der Consular
von Sicilien erst an der vierzehnten Stelle steht, rührt her von der
Zusammenstellung der Inseln. Ebenso steht in Gallien die Viennen-
sis voran als die im Rang erste Provinz, aber der Consular von
Lugdunensis I ist verbunden mit den Praesides der Lugdunenses II. III.
1. Die Diöcesen unsres Katalogs, die in Polemius Breviar***) mit
Weglassung von Aegypten wiederholt sind, sind dieselben, die auch
in der not. dign. vorkommen, mit der einen Ausnahme, dass Illyricum
hier als eine einzige Diöcese erscheint, während die not. dign. theils
im Occident eine Diöcese Illyricum unter dem praef. praet. Italiae,
theils im Orient unter dem praef. praet. per Illyricum die zwei
Diöcesen Macedonia und Dacia verzeichnet. Diese Abweichung ver-
dient Aufmerksamkeit bei der eigenthümlichen und noch immer
nicht ganz aufgehellten Stellung von Illyricum im vierten Jahr-
hundert, f) Regelmässig bestanden nach der constantinischen Ver-
1) Rom. Feldmesser II, 208 [Ges. Sehr. V 193].
*) [Mommsen hat zuletzt, in dem Aufsatz über Aetius (Ges. Sehr. IV
S. 558), die AbfassuDgszeit der Notitia dignitatum auf etwa 425 bestimmt.]
**) [S. Seeck, quaestiones de Notit. dign. (1872) p. 5, Hermes 9, 1875, S. 218.]
2) Rom. Feldmesser II, 205 [Ges. Sehr. V 192].
***) [S. 275 in Mommsens erster Ausgabe = chron. min. I p. 347.]
t) [Über die Entstehung der Praefectura praetorii von Illyricum hat
Mommsen in dem Aufsatz über ,Die diocletianische Reichspraefectur", Hermes 36,
1901, S. 201 ff. (Ges. Sehr. VI S. 284 ff.), eingehend gehandelt.]
Polemii Silva Laterculus. QQ\
fassung drei Instanzen: die der Provinzialstatthalter, die der Vicare
und die der Praefecti praetorio; in lUyricum jedoch hatte nur die
Diöcese Macedonien einen Vicar, während es in den übrigen Pro-
vinzen nur zwei Instanzen gab, indem über den Provinzialstatthaltem
unmittelbar in dem kleineren westlichen Theil der praef. praet.
Italiae, in dem grösseren östlichen der praef. praet. per lUyricum
stand. So hatte Constantin selbst, wie es scheint, die Verhältnisse
geordnet 1 und so bestanden sie bis zum Tode des Constantius (361)2, 261
Juhan combinierte die beiden Präfecturen von Italien (nebst Africa)
und Illyricum unter einem praefectus praetorio Italiae, lUyrici et
Africae, den wir von 362 bis zum Jahre 393 nachweisen können
und der unzweifelhaft bis zum Tode Theodosius des Ersten 395
bestand^. Bei der Theilung des Reiches erhielt Arcadius die beiden
1) Anderer Meinuug sind die sorgfältigsten Forscher, so Tillemont IV, 284.
V, 716; Böcking zur not. dign. occ. p. 141, nach deren Annahme das westliche
Illyricum (d. h. beide Noricum, beide Pannonien, Taleria, Savia, Dalmatien) bis
zur Abtretung des östlichen an die Constantinopolitanische Regierung mit diesem
vereinigt war. Es muss indess jeder einräumen, dass man gute Gründe haben
konnte die Immediatprovinzen unter die beiden nächsten Präfecten zu vertheilen.
Was den Titel des italischen Präfectfu anlangt, so steht der Annahme nichts
im Wege, dass er sich auch jetzt wie später (S. 651 A. 1) praef. praet. Italiae.
lUyrici et Africae nannte. Endlich schliesst gerade die Hauptstelle des Zosimus
2, 3.3, die den Sprengel des praef. praet. per Illyricum, wie Constantin ihn fest-
gesetzt hatte, augiebt, das occidentalische Illyricum ausdrücklich aus. Er gab
ihm, heisst es, 'IÄ?.voiovg xai Aäxag xai ToißakÄov; xai tovg ä/oi t/;» BaXeoiag
Ilaiova; xai sm xovroig ttjv avoi Mvaiav. Die «lllyrier, Päoner. Triballer» sind im
Stil dieser Zeit die Districte Epirus nova, Macedonia II, Dardania; von den
Districten des westlichen Illyricum wird nicht bloss keiner genannt, sondern die
Valeria sogar ausdrücklich ausgeschlossen [?]. — Zosimus könnte allerdings geirrt
und die Verhältnisse seiner Zeit auf die constantinische übertragen haben ; allein
warum er geirrt haben muss, sehe ich nicht ein. [Später, in der Abhandlung
über „die diocletianische Reichspraefectur", Hermes 36, 1901, S. 207 A. 3 (s. Ges.
Sehr. VI S. 289 A. 6), hat Mommsen selbst die Angabe des Zosimus verworfen.]
2) Amm. 21, 6, 5. Böcking zur not. dign. occ. p. 141.
3) Der erste Beamte, der beide Sprengel zugleich verwaltete, war Mamer-
tinus, den wir 361 als praef. praet. per Illyricum (.\mm. 21, 12,25), 362 schon
in Italien thätig finden (C. Th. VIII, 5, 12 vgl. VIII, 1, 8). In den nächsten
dreissig Jahren finden sich zahlreiche Beweise dieser Combinierung, die Gotho-
fred zu C. Th. I, 1, 2 und X, 19, 7 gesammelt hat; wenn neben dem vollständigen
Titel, der Italien, Illyricum und Africa neben einander auffuhrt, häufig abge-
kürzte Bezeichnungen vorkommen und namentlich Africa oft nicht mit genannt
wird, so sind darin unzweifelhaft nur Abkürzungen des Sprachgebrauchs oder
der .Abschreiber zu erkennen. So heisst Nicomachns Flavianus, Präfect zum
zweiten Mal 390 bis 392, in einer Inschrift praef praet. Ital. Illyr. et Äfric.
(Ann. deir Inst. 21, 285 [C. I. L. VI, 1783 = Dessau 2948]), in den Adressen der
Verordnungen C. Th. I, 1, 2. III, 1, 6 praef. praet. lUyrici et Italiae. Der letzte
6g2 Polemii Silvii Laterculus.
Östlichen, Honorius die beiden westlichen Präfecturbezirke , wovon
die nothwendige Folge war, dass die Combinierung der italischen
262 und der illyrischen Präfectur aufhörte und wir von dieser Zeit an
im Wöstreich einen praef. praet. per Italias oder im officiellen Stil
praef. praet. Italiae lUyrici et Africae^, im Ostreich einen praef.
praet. per Illyricum ganz wie unter Constantin und dessen Söhnen
wiederum finden 2. — Unser Verzeichniss fällt eben in die Ueber-
gangszeit. Ist es nach 395 abgefasst, so sehe ich keine Möglichkeit
es zu rechtfertigen, dass ganz Illyricum als Ein Yerwaltungsbezirk
aufgeführt ward. Entstand es vor 395, während das östliche und
westliche Illyrien unmittelbar unter dem italischen Präfecten, Mace-
donien unter dem von diesem abhängigen Vicar standen, so bleibt
es noch immer sehr sonderbar, dass nicht wenigstens Macedonien
und Illyricum getrennt sind, wie doch in den Verordnungen dieser
Zeit geschieht^; allein es lässt sich doch die Sache eher be-
Präfect, der nachweislich beide combinierte Aemter verwaltete, ist Apodemius
392—393, der praef. praet. Illyrici et Africae (392 C. Th. XIII, 5, 21), per Illyricum
(393 C. Th. XII, 12, 12), Illyrici et Italiae II (393 C. Th. XI, 30, 51) heisst. Gewiss
sind diese drei Formeln nichts als verschiedene Abkürzungen der vollständigen
Illyrici Italiae et Africae; Hänels Vorschlag zu C. Th. XIII, 5, 21 et Africae zu
streichen und anzunehmen, dass Apodemius erst Präfect des östlichen Illyricum,
dann von Italien und dem westlichen Illyricum war, ist im höchsten Grade
gewaltsam und unbefriedigend. Allerdings macht es grosse Schwierigkeit, dass
dies in Constantinopel , also von Theodosius an den Präfecten von Italien,
Illyricum und Africa erlassene Rescript das Datum XV kal. Mart. des J. 392
trägt, während der occidentalische Kaiser Valentinian II. erst den 15. Mai d. J,
starb; allein das Datum ist unzweifelhaft falsch, da theils das vorhergehende
Rescript prid. id. Apr. datiert ist, theils VI id. Apr. dieses J. der Vorgänger des
Apodemius, Flavianus noch im Amte war (C. Th. X, 10, 20). [In seiner Ausgabe
des Theodosianus ist Mommsen auf Hänels Vorschlag zurückgekommen und hat
Xni 5, 21 den Zusatz et Africae, außerdem aber auch XI 30, 51 et Italiae II
für unecht erklärt und Prolegom. p. CLXXIX Apodemius unter die Praefecti
praetorio Illyrici des Ostreichs aufgenommen. Über die andern in dieser An-
merkung genannten Praefecti praetorio s. Prolegomena z. Theodosianus p. CLXVIIif.]
1) Die alte Titulatur blieb, wie die Inschrift des Jüngern Flavianus praef.
praet. von Italien 431 beweist (Ann. 21, p. 285 [C. I. L. VI, 1783 Z. 6]).
2) Zosim. 4, 59. Der erste Präfect von Illyricum, den wir in Verordnungen
der constantinopolitanischen Kaiser finden, ist Anatolius 397 fg. (C. Th. XVI, 8, 12
u. a. m.); er ist wohl zu unterscheiden von dem praef. praet. Illyrici Italiae
Africae, der abgekürzt auch wohl bloss praef. praet. per Illyricum genannt wird.
3) So nennen die occidentalischen Verordnungen Illyricum et dioecesin
Macedonicam (370 C. Th. X, 19, 7), Macedoniam et Illyrici tractum (376 C. Th.
X, 19, 8). Ebenso unterscheidet Festus c. 8 Illyricum und die dioecesis Mace-
doniae. In der Verordnung von 383 C. Th. XI, 13, 1 wird freilich nur omne
Illyricum genannt, allein Macedonien scheint damals unter Theodosius gestanden
Polemii Silvii Laterculus. 663
greifen,*) wenn man annimmt, dass der Schreiber den Staatskalender
des ungetheilten Reiches in der Art epitomierte, dass er soviel Abschnitte
machte als er Vicarii fand und die keinem Vicarius untergebenen
Provinzen, wie die illyrischen, die direct unter dem praef. praet.
standen, die Proconsulate, die nicht von den Vicarien, sondern ent-
weder von dem praef praet. (so in Achaia). oder direct vom Kaiser
(so in Asia und Africa) ressortierten, die gleichfalls nicht unter dem
Präfecten stehenden Sprengel der orientalischen Correctoren ^. endlich
die Provinzen Hellespontus und Cyclades, deren Vorsteher statt
unter dem Yicar unter dem Proconsul von Asia standen, der Diöcese
des nächsten Vicars beifügte. Ist dies richtig, so ist das Provinzen-
verzeichniss älter als 395: ich habe es indess nicht gewagt, darauf
oben bestimmt zu fussen, weil es zwar schwierig, aber nicht ganz 263
unmöglich ist, beim Excerpieren einer Not. dign. des getheilten Reiches
zu ähnlichen Resultaten zu gelangen.
2. In der Yertheilung der Provinzen unter die Diöcesen findet
sich ausser der eben berührten bloss formellen Differenz, wonach
auch die ausserhalb der Diöcesen stehenden Provinzen in dieselben
eingeschaltet sind, nur eine einzige Abweichung zwischen dem Pro-
vinzenverzeichniss und der Not. dign. : Galatia steht nach jenem unter
dem Vicar von Asia, nach dieser unter dem Vicarius des Pontus.
Bei einer an der Grenze beider Diöcesen gelegenen Provinz ist ein
solcher Wechsel begreiflich; weitere Belege dafür habe ich nicht
gefunden 2.
3. Dass die Provinzen Valeria in Italien, Macedonia salutaris
in lllyricum. Galatia salutaris in Asia. Cappadocia secunda in Pontus,
Syria salutaris, Palaestina secunda, Phoenice Libani, Cilicia secunda
im Oriens in unsrem Verzeichniss fehlen, in der Not. dign. aber
vorkommen, also in der Zeit zwischen der Abfassung beider Schrift-
stücke errichtet sind, ward schon erwähnt.
4. "Wenn umgekehrt die Provinzen Sophanene im Oriens und
Valeria in lllyricum in unserm Provinzenverzeichniss vorkommen,
dagegen in der Not. dign. fehlen, so sollte man danach annehmen,
dass sie in der Zwischenzeit eingegangen sind. Indess was die
zu haben (Tillemont V, 716), so dass diese Verordnung in der That nur die
Immediatprovinzen betroffen hätte.
*) [Vergl. Ges. Sehr. V S. 569.]
1) Ich glaube nicht richtig hat auch Böcking noch diese beiden Correctoren
im c. 2 der not. or. eingeschaltet; wenigstens sehe ich nicht, was der im Text
angegebenen Auffassung entgegenstände.
2) Im Gegentheil steht in dem Schreiben der Synode von Philippopolis 341
(Mansi III, 126) Galatia unter den pontischen Provinzen.
664 Polemii Silvii Laterculus.
erstere anlangt, so kann diese «Satrapie», die erst von Justinian als
Provinz organisiert ward, recht wohl in dem jüngeren Katalog nur
aus diesem Grunde weggelassen sein ^. Auch von der Valeria nimmt
Böcking an, dass sie noch zur Zeit der Not. dign, bestand und ich
glaube mit Recht; auch hier scheint der Unterschied zwischen den
beiden Verzeichnissen mehr formell als reell zu sein 2.
264 5. Blosse Namensverschiedenheiten ohne weitere Bedeutung
sind es, dass der District Helenopontus der not. dign. in dem Pro-
vinzenverzeichniss als Pontus Amasia, die beiden Phrygien der not.
dign. Pacatiana und salutaris in diesem als Phrygia prima und secunda
(nach einigen Handschriften) vorkommen. Nicht anders urtheile ich
von den bemerkenswertheren Abweichungen in Thracien und Illyricum :
lib.prov. Thracia not. dign.
Thracia secunda Haemimontus
Scythia inferior Scythia
Illyricum
Scythia Dacia mediterranea
Dacia Dacia ripensis
Haemimontus Macedonia
Macedonia Macedoniae salutaris pars
in dioecesi Daciae
Macedoniae salutaris pars
in dioecesi Macedoniae.
Evident ist es zunächst, dass die Thracia secunda, die ich sonst
nirgends finde, mit der Provinz an der Südseite des Haemus, die
1) C. Th. XII, 13, 6 vom J. 387: Gaddanae Satrapae Sofanenae und Justinian
nov. 31 c. 1 § 3: ovveotrjodfis^a ds xal XEx6.Qxr}r 'Agfisviav f] jIQÖxeqov ovx sig
sjiaQxia? ovvexeixo axfjf^a, dAAct xcöv xs idrcüv ^v xal ix diaqpögcov ovvsiXexxo ßagßa-
Qixcöv ovo/iidxcov, TCoq)avr}vrj xs xal 'AvCfjxrjvrj , 7] Tl^ocprjvi] xal 'Ao^iavrjvrj , tj xal
Bakaßixrjvrj xalovfisvr] xal vtio aaxQOjiatg ovoa. ' Weitere Nachweisungen giebt
Gothofred zu dem a. 0.
2) Böcking zur Not. dign. occ. p. 144. 691. Wenn geändert werden soll,
muss nicht bloss in c. 2 Valeria ergänzt und septem statt sex gesetzt werden,
sondern ebenso in dem Verzeichniss der Praesides c. 1 triginta duo statt XXXI,
quinque statt quattuor gesetzt und Valeria hinzugefügt werden, was unmöglich
angeht. Entscheidende Beweise für die Existenz dieser Valeria nach dem vierten
Jahrh. sind mir nicht bekannt; denn das Zeugniss des Jordanis de regn. succ.
p. 233 Mur. [p. 27. 28 Momms.], der den Festus ausschreibt, macht nicht vollen
Beweis und noch weniger, dass der dux Valeriae ripensis in der not. dign. vor-
kommt. Ich glaube indess ebenfalls, dass zur Zeit der Not. dign. es noch eben
wie im vierten Jahrhundert einen District Valeria in Pannonien gab. Die
einfachste Annahme scheint mir zu sein, darin einen Militärbezirk zu erkennen,
in dem der dux ausnahmsweise auch die Civilverwaltung besorgte; wesshalb dieser
District sowohl in dem Katalog der Provinzialstatthalter als in dem der vom
Polemii Silvii Latercnlas. 6ß5
bei Ammian^ und in der Notitia unter dem Namen Haemiraontus
auftritt, identisch ist, also der Haemimontus des Provinzenverzeich-
nisses von dem Haemimontus der Notitia verschieden ist, wie denn
auch der letztere District nie zu Illyricum gehört haben kann.
Ebenso kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die zwei Scythien
und das eine Dacien des Provinzenverzeichnisses zusammenfallen mit
den zwei Dacien und dem einen Scythien der Notitia; ohne Zweifel
ist die nördlichere der beiden Dacien, Dacia ripensis dort unter dem
Namen Scythia (superior), dagegen Dacia mediterranea als Dacia .
schlechtweg aufgeführt. Schwieriger ist es, über die macedonischen
Districte ins Klare zu kommen. Die Xotitia kennt einen Consularis 265
von Macedonia, dessen Sprengel unter dem Yicarius von Macedonien
steht, femer einen Präses von Macedonia salutaris, dessen Sprengel
halb in die Diöcese Macedonien fallt, halb in die Diöcese von Dacien.
Yor der Einrichtung von Macedonia salutaris. also zur Zeit der Ab-
fassung des Provinzenverzeichnisses, wird ganz Macedonien unter
einem Consular gestanden haben, von dessen Sprengel die grössere
südliche Hälfte zur Diöcese Macedonien gehörte, die kleinere nörd-
liche zur Diöcese Dacien. Ich zweifle nicht, dass unser rein topo-
graphisches Yerzeichniss beide gesondert aufführt als Macedonia und
Haemimontus, so dass der letztere District (wohl zu unterscheiden
von dem Haemimontus der Notitia) das Hochland des skomischen
Gebirges bezeichnet 2.
6. Endlich fehlen in unsrem Register zwei Provinzen Arabia
und Palaestina salutaris, welche sowohl in der Zeit vor als in der
Zeit nach Abfassung desselben nachzuweisen sind imd deshalb nur
durch ein Yersehen des Epitomators ausgefallen sein können. Die
beiden Provinzen machen das alte Arabia aus, das vor und wahr-
scheinlich kurz vor 381 in die zwei ProArinzen Arabia mit der Haupt-
stadt Petra und Bostra oder Palaestina salutaris (später auch Palae-
praef. praet. abhängigen Districte fehlt, während unser rein topographisches
Verzeichniss ihn aufnimmt. Aehnlieh stand es wahrscheinlich mit Arabia, s. u.
1) 27, 4, 12.
2) Dass der Haemus nicht bloss der grosse Balkan ist, sondern schon die
Kette, die an dem rechten Ufer der Morawa hinauf von der Donau zum Balkan
läuft, diesen Namen führt, hat Mannert Geogr. VII, 5 gezeigt, besonders nach
Amm. 21, 10. 3. Sehr passend führt eben die Landschaft, die der Knotenpunkt
der Gebirgszüge und das Quellgebiet der grossen nach allen Richtungen von
da entsendeten Ströme ist, den Namen Haemimontus. Wer dies nicht annimmt,
dem wird kaum etwas anderes übrig bleiben, als mit Gothofred die Aufführung
von Haemimontus in Illyricum für einen groben Fehler des Redacteurs zu er-
klären.
(566 Polemii Silvii Laterculus.
stina tertia genannt) getheilt ward ^. In der Notitia dignitatum stehen
beide, doch ist es bemerkenswerth, dass von Arabia kein Präses
266 aufgezählt und bei der Aufzählung der dem Präfectus des Oriens
untergebenen Sprengel Arabia zwar vorkommt, aber mit einer Note,
die anzudeuten scheint, dass dieser District unter keiner Civil-, sondern
einer Militärjurisdiction steht 2. Yielleicht galt damals, als das Pro-
vinzenverzeichniss abgefasst ward, dasselbe von Palaestina salutaris;
in welchem Fall die Auslassung der beiden Districte begreiflich
würde. Wie dem auch sein möge, es scheint mir ebenso ausgemacht,
dass diese beiden Sprengel zur Zeit der Entstehung unseres Ver-
zeichnisses bestanden, als dass sie nicht absichtlich, sondern nur durch
Versehen von dem Exceptor ausgelassen worden sind.
7. Schliesslich soll noch daran erinnert werden, dass wir von
einer der unbequemsten Divergenzen zwischen dem Provinzenverzeich-
niss und der Notitia durch den bessern Text des Polemius befreit
worden sind: ich meine von den am Schluss Italiens hinzugefügten
Alpes Graiae, die, wie wir jetzt sehen, bloss zufällig von dem Ende
des zweiten an das Ende des ersten Abschnitts sich verirrt hatten,
ohne an der ersten Stelle darum zu fehlen; und da die Zahlen sowohl
in Italien als in der Summe hiernach geändert worden waren, war
es bedenklich zu ändern. Wir sind dadurch einer Schwierigkeit über-
1) Die älteste Spur der Theilung, die bisher übersehen zu sein scheint,
enthalten die Akten des constantinopolitanischen Concils von 381, wo zwischen
Cölesyrien und Osroene die provincia Arabia und provincia Bostron erscheinen
(Mansi III, 568). Damit stimmt überein Hieronymus in seinen nicht nach 392
(Hieron. v. ill. c. 135), vermuthlich 389 oder 390 (vita Hieron. von Vallars p. 108)
geschriebenen quaestiones in Genesim (opp. III p. 337 Vall.): in Geraris ubi et
ßersabae hodie oppidum est. Quae provincia ante non grande tempus ex dimsione
praesiduni Palaestinae (sehr. Palaestina) salutaris est dicta. Insofern würde also
die Aenderung des verdorbenen pi-aesidi Frygiae Palaestinae in einer Verordnung
von 396 (C. Th. XI, 23, 3) in Hygiae Palaestinae zulässig sein; doch scheint sie
mir in der Stellung wie in dem Gebrauch des griechischen Epithetons gegen
den Curialstil zu Verstössen, wesshalb vielmehr mit Wesseling Phrygiae Paca-
tianae zu schreiben ist. Die Palaestina secunda kam erst 399 hinzu (oben S. 659);
weshalb es auch ganz in der Ordnung ist, dass in der Notitia die Palaestina
salutaris oder tertia immer vor der zweiten steht.
2) «et dux et comes rei militaris», was sich, wie Böcking p. 165 zeigt,
auf den dux Arabiae und den comes rei militaris Isauriae bezieht. Verdorben
sind die Worte, aber gewiss kein Glossem, sondern stehen damit in Verbindung,
dass in dem Verzeichniss der Provinzialvorsteher c. I Arabia und Isauria fehlen.
Für jede andere der in c. II. III aufgezählten Provinzen konnte man den Vor-
steher in c. I finden, ausser für diese beiden; es war daher zweckmässig sie
beizusetzen. Vielleicht stand est dux, est comes.
Polemii Silvii Laterculus. 667
hoben, deren Lösung nicht gelingen konnte^, und können jetzt mit
Bestimmtheit behaupten, dass die grajischen und pöninischen Alpen,
d. h. Savoyen und das "Wallis, nie zu Italien, sondern zu allen Zeiten
zu Gallien gerechnet worden sind, wie die Alpenscheide es in der
That fordert.*)
1) S. darüber Böcking zur Not. dign. occ. p. 488, der ausser mit der falschen
handschriftlichen Lesart sich auch noch mit den Interpolationen hat plagen
müssen, die die Herausgeber aus der Not. prov. Gall. in unser Verzeichniss
hineingebracht haben. Dass auch Paulus Diaconus die Alpes Graiae et Poeninae
nicht zu Italien rechnet und seine Alpes Apenninae keineswegs Savoyen und
das Wallis bezeichnen, ist klar. [S. den oben S. 651* angeführten Aufsatz S. 86.]
*) [Die übrigen Abschnitte des Latercnlus s. Chron. min. I p. 543—551;
über das von Mommsen S. 273 aus einer Pariser Handschrift herausgegebene
,. topographische Bruchstück* (Riese geogr. min. p. 140) s. Chron. min. I p. 545.]
LXIX.
Die Chronik des Cassiodorus Senator
vom J. 519 n. Chr.*)
549 Abfassungszeit und Quellen der Chronik.
Die Chronik, mit der wir uns beschäftigen, ist 519 geschrieben,
das ist im zweiten Regierungsjahre des byzantinischen Kaisers
Justinus I., im siebenundzwanzigsten — nach der gewöhnlichen
Rechnung — des ostgothischen Königs Theoderich, unter dem Con-
sulat des Kaisers Justinus für den Osten, des Eutharichus Cillica für
den Occident. Nicht dem König Theoderich, wie die Ausgaben
fälschlich sagen, ist die Schrift gewidmet, sondern sie ist, wie der
Schluss zeigt, auf Begehren eben jenes Eutharich abgefasst und daher
ihm zugeeignet, Eutharich, aus dem königUchen Geschlecht der
Amaler, war seit seiner Vermählung mit Theoderichs Tochter
Amalasuinta (515) von diesem in Ermangelung eigener Söhne zu
seinem Nachfolger bestimmt, wesshalb Cassiodor ihm auch schon
geradezu den königlichen Titel {dominus noster) beilegt; er starb
indess noch vor Theoderich und es ging nach dessen Tode (526) der
Königstitel über auf dessen Enkel, den Sohn des Eutharich und der
Amalasuinta, Athalarich. — Als Verfasser der Chronik nennt sich
Magnus Aurelius Cassiodorus Senator, v{ir) c(larissimus) et inliustris),
*) [Abhandlungen der Sachs. Ges. der Wiss. Bd. 8, 1861 S. 547—696. Infolge
der Neubearbeitung in den Chronica minora vol. II, 1894, S. 109—161 lag keine
Veranlassung vor, die Darlegungen über die Handschriften und Ausgaben
(S. 571 — 588) sowie die Ausgabe der Chronik selbst (S. 589 ff.) hier zu wieder-
holen, obwohl in der Neubearbeitung Einzelnes gekürzt oder weggelassen worden
ist. Auch die 'Beilagen' (S. 660 ff.) sind durch die Neubearbeitung in den
Chronica erledigt. Die einleitenden Bemerkungen hingegen behalten ihren
selbständigen Wert, wie Mommsen selbst dadurch bestätigt, daß er sich in der
Neubearbeitung, in der ganze Stücke daraus fehlen, öfters auf sie bezieht.]
Die Chronik des Cassiodonis Senator vom J. 519 n. Chr. 669
ex quaestore sacri*) pdlatü, ex cons{iüe) ord{inano), ex mag{istro)
o/f{iciorurn) , piraefedus) p{raetori)o atque patricins — welches die-
selbe Titulatur ist, die — wenigstens in den Ausgaben^ — der
Verfasser der variae sich beilegt. Ueber Cassiodors Zeitverhältnisse
überhaupt fehlt es noch an einer genügenden Untersuchung, so viel
darüber auch geschrieben worden ist 2; da die Abfassungszeit der
Chronik, von einzelnen Lobreden etwa abgesehen des ältesten von
ihm bekannt gemachten Werkes, feststeht, so können für diesen 550
Zweck die übrigen Fragen auf sich beruhen bleiben und es mag
nur bemerkt werden, dass, wenn der Titel der Chronik genau gefasst
ist, Cassiodor nach der Quästur sacri palatii, dem Consulat (514)
imd dem magisterium officiorum im J. 519 praefectus praetorio ge-
wesen ist.**)
Cassiodor hat die Weltgeschichte in die folgenden sechs am
Schlüsse seiner Chronik zusammengefassten Abschnitte zerlegt:
1 . von Adam bis zur Sündfluth 2242 Jahre,
2. von der Sündfluth bis auf Ninus .... 899 »
3. von Ninus bis auf Latinus 852 »
4. von Latinus bis auf Romulu» 457 »
5. von Romulus bis auf die ersten Consuln . . 240 »
6. Consularjahre bis 5!9 n. Chr 1031 »
5721 Jahre.
Die ersten fünf Epochen sind wesentlich herübergenommen aus
Eusebius-Hieronymus, auf den sich auch Cassiodor in dem Schlusswort
ausdrücklich beruft: Prosper, den Cassiodor sonst auch gebraucht, hat
von diesen Angaben das Meiste nicht. Die zweite Hauptziffer beruht
auf einer Combination der beiden Ansetzungen des Hieronymus, dass
von der Sündfluth bis auf Abrahams Geburt 942 Jahre verflossen,
*) [Dies in der Titulatur der Variae fehlende Wort beruht auf Interpolation :
vgl. Mommsen a. a. 0. S. IX.]
1) In den Handschriften der variae, die mir vorgekommen sind, habe ich
diese Titulatur nirgends gefunden. [Sie findet sich auch dort: s. Mommsens
J'rooemium zu seiner Ausgabe (1894) S. IX-]
2) Vgl. Manso ostgoth. Reich S. 85fg.; Baudi di Vesme in den Schriften
der Turiner Akademie Ser. 2 Bd. 8 S. 172 u. A. m. [dazu jetzt H. üsener, Anecdoton
Holderi, Leipzig 1877 und vor allem Mommsen selbst a. a. 0. p. VfF.]
**) [Diesen Irrtum hat Mommsen a. a. 0. p. IX so korrigiert: 'subscriptio at
variis apta est editis ab auctore in praefectura, ita nequaquam convenit chronicis
f .bsolutis a. 519 aliquanto ante eam adeptam , neque dubium est in exemplari
Jjitiquissimo nostrorum omnium parente et varias et chronica simul complexo
eam ab illis ad haec perperam translatum esse'. Das Jahr der Praefectur ist
r33, das des mag. off. unbekannt: cf. p. XI.]
670 Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr.
Abraham aber im 43. Jahre des Ninus geboren sei, die folgenden
auf einfacher Addition der aus Hieronymus entnommenen Einzelsätze.
Bemerkenswerth ist die arge Nachlässigkeit im Uebergange von der
dritten Periode auf die vierte: während nach Hieronymus im 25. Jahre
des 26. assyrischen Königs Tautanes (reg. 32 Jahre) Troia einge-
nommen und das 28. Jahr desselben dem 1. des Aeneas geglichen
wird, bricht Cassiodor vielmehr die assyrische Königsliste mit dem
25. König ab, giebt dann die 32 Jahre des Tautanes vielmehr dem
König Latinus und setzt den Fall Troias in dessen 25. Jahr; wodurch
er auch in den Gesammtsummen 5 Jahre mehr erhält als nach
hieronymischer Rechnung sich ergeben würden.
Von Interesse ist allein der letzte Abschnitt, das längste aus
dem Alterthum überlieferte Consulnverzeichniss. Dasselbe zerfällt
in zwei ihrer Quelle wie ihrer Beschaffenheit nach völlig verschiedene
Theile. Die Consuln bis zu dem Jahre, in welches Cassiodor die
Kreuzigung Christi setzt (31 n. Chr.), einschliesslich sind sämmtlich
nach älterer Weise mit den Vornamen bezeichnet, die hier auch
durchaus abgekürzt geschrieben sind, während übrigens, wo ander-
551 weitig bei Cassiodor Vornamen vorkommen, sie in der Regel voll
ausgeschrieben werden; von da an dagegen mangeln die Vornamen
durchaus und sind die Consuln ohne Ausnahme (abgesehen von dem
aus L. Aelius hervorgegangenen Laelius 1 37 n. Chr.) nach späterer
Weise mit einem einzigen Namen benannt. Augenscheinlich hängt
dieser Unterschied zusammen mit der Angabe am Schluss, dass das
Consularverzeichniss ex Tito Livio et Aufidio Basso et Paschali virorum
clarorum auctoritafe firniato entlehnt sei: der ältere bessere Theil
stammt aus den Geschichtswerken des Livius und Bassus, der spätere
aus dem Paschale. Wir werden diese beiden Abschnitte demnach
jeden besonders zu prüfen haben.
Die Auszüge aus Livius.
Livius Annalen haben in der Epoche des Verfalls nicht als eine,
sondern als die Geschichte der römischen Republik gegolten. Schon
in der besseren Kaiserzeit ist er für Römer und Griechen die Haupt-
quelle; je mehr die Litteratur versiegt und je dürftiger die Quellen-
benutzung wird, desto ausschliesslicher werden für die vorkaiserliche
Periode Roms die livischen Annalen gebraucht. Es geht dies so weit,
dass selbst diejenigen älteren Abrisse der republikanischen Geschichte,
die keineswegs einfache Auszüge aus Livius waren, doch den Späteren
als solche galten. So heissen des Florus hellorum onmium annorum
septingentorum lihri II (denn also ungefähr lautete der echte Titel
Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr. 671
des Buches) in den Handschriften nebenbei und in den späteren
allein epitoma de Tito Livio;'^) so wird in dem Corpus der römischen
Geschichte, das unter dem Namen des Victor geht, der die republi-
kanische Geschichte in Biographien darstellende Abschnitt ebenfalls
dem Livius beigelegte Es kann demnach nicht überraschen, dass
auch Cassiodor für die republikanische Epoche sich an Livius ge-
halten hat; in der That ist nach der Yergleichung der erhaltenen
Theile des livischen Werkes mit der cassiodorischen Consularliste
nicht zu bezweifeln, dass dieselbe von Anfang an bis zum J. 745
d. St., mit welchem Livius seine Annalen geschlossen hat, mit Ein- 552
schluss der hier und da eingelegten kurzen geschichtlichen Notizen
lediglich aus Livius abgeschrieben ist. — Wohl aber kann die
Frage aufgeworfen werden, ob Cassiodor die weitschichtigen Annalen
zu diesem Zwecke unmittelbar ausgezogen hat oder vielmehr an eine
schon vorhandene Epitome sich gehalten, an welcher es gewiss nicht
gefehlt hat — es ist ganz im Geiste der Kaiserzeit, dass man das
weitläuftige und viel «Ueb erflüssiges» enthaltende Werk des Livius
früh in einen kurz das Thatsächliche Jahr für Jahr, unter Voran-
stellung der Consulnamen im Ablativ, zusammenfassenden Abriss
gebracht hat. Manche Spuren deuten darauf, dass sowohl Obsequens
wie Cassiodor aus einem solchen und zwar dem gleichen geschöpft
haben. Darauf, dass die Cassiodor vorliegende Liste die Consulnamen
ebenso im Ablativ aufführte, wie dies bei Obsequens geschieht,
führt das seltsame Labeon (571 d. St.)^ und die durchgängige Ver-
vs-andlung des Cognomens Paetus in Paeto. Dass bei Obsequens
nicht bloss die Prodigien verzeichnet sind, sondern öfters auch andere
historische Notizen gleichsam verloren sich vorfinden, legt die An-
nahme nahe, dass dieser Schreiber aus einer allgemein gefassten
Epitome des Livius die Prodigien zusammengestellt hat. Endlich
und besonders stimmen die Notizen bei Obsequens und Cassiodor
in der Auswahl und Fassung verhältnissmässig so oft zusammen
(vgl. besonders die J. 571. 64S. 657. 671), wie es bei zwei selbstständig
aus dem Hauptwerke geflossenen Auszügen kaum hätte der Fall
*) [Vgl. 0. S. 433.]
1) Der Titel dieses Abrisses der römischen Geschichte a lano et Scäwmo
conditoribus tisque ad consuJatwn decimum Constantii nennt, nachdem die falschen
Zeugen für den ersten Theil, die Urgeschichte, aufgezählt sind, als Gewährs-
männer für die spätere Zeit den Livius und den Victor Afer. Jenem wird also
die Schrift de viris illustribus zugeschrieben, diesem die Sammlung von Kaiser-
biographien.
2) Vgl. Voran 410. 456 n. Chr. [und anderes dieser Art Chron. p. 112.]
672 t)ie Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr.
sein können. Hieraus erklären sich wahrscheinlich noch manche
auffallende Uebereinstimmungen im Falschen bei den späteren von
Livius mehr oder minder abhängigen Berichterstattern, vor allen
Dingen die anderswo (Chronol. S. 204) erörterte Ansetzung der
magistratlosen Jahre auf vier bei Vopiscus, Eutropius, Sex. Rufus,
dem Pseudo-Idatius und Cassiodor, während Livius selbst so wie
der Chronograph von 354 und Lydus vielmehr fünf dergleichen
Jahre zählen. Cassiodor hat diese Angabe unzweifelhaft aus seiner
livianischen Quelle, da dieser der ganze Abschnitt entnommen ist
und Hieronymus der Anarchie überhaupt nicht gedenkt; aus einem
gleichartigen Gewährsmanne können auch die übrigen Angaben
füglich herrühren, selbst die des sogenannten Idatius, da dieser zwar
die Consularliste nicht aus Livius, sondern (mittelbar) aus den
553 capitolinischen Fasten*) geschöpft, aber für die eingelegten historischen
Notizen noch eine zweite Quelle benutzt hat. Wenn im dritten
Jahrhundert oder auch bereits früher ein Auszug aus Livius gemacht
und darin durch Versehen der Anarchie ein Jahr zu wenig gegeben
wurde, so ist es erklärlich, dass sämmtliche später schreibende
lateinische Chronisten diesen Fehler wiederholen und ausser dem
echten Liviustext und den Byzantinern nur die von den Annalisten
gänzlich unabhängige Zeittafel das Richtige bewahrt hat ^ Umgekehrt
erscheint von denjenigen Verderbnissen, die der im Anfange des
fünften Jahrhunderts veranstalteten nicomachischen Recension der
ersten Dekade des Livius anhaften, der dem Cassiodor zu Grunde
liegende livianische Text noch durchaus unberührt, wie er denn die
Namen der Consuln 248 noch unverdorben so wie die von 439 noch
nicht verloren gehabt hat; was allerdings nicht zu der Annahme
nöthigt, aber doch sehr gut sich damit verträgt, dass Cassiodor nicht
aus dem Liviustexte seiner Zeit, sondern aus einem spätestens im
dritten Jahrhundert entstandenen Auszuge geschöpft hat.**) — Wenn
*) [S. jedoch C. I. L. I ed. 2 p. 81.]
1) Vielleicht gehört auch das hierher, dass zwischen den Consulaten 362
und 388 Cassiodor 17 tribunicische, 4 magistratlose, 3 tribunicische, Idatius 18
(sehr. 17) tribunicische, 4 magistratlose und [3] tribunicische Jahre zählt, während
Livius selbst vielmehr 15 tribunicische, 5 magistratlose und 4 tribunicische Jahre
verzeichnet. Die Gesammtzahl ist dieselbe; in den Theilzahlen aber scheint der
Epitomator sich mehrfach versehen zu haben und diese Fehler gleichmässig auf
seine Ausschreiber übergegangen zu sein.
**) [Den obigen Nachweis der Existenz einer Livius-Epitome hat Mommsen
selbst auf S. 696 durch folgenden Zusatz erweitert: „Noch verdiente hier ein
anderer merkwürdiger Fall hervorgehoben zu werden, wo eine Anzahl von Schrift-
stellern, die von Livius abhängen, in einem Fehler übereinstimmen, von dem
Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr. 673
übrigens wie Cassiodor so auch Ausonius im J. 383 n. Chr. aus den
römischen Annalen, also für die ältere Zeit ohne Zweifel aus Livius
oder einer livianischen Epitome, eine Consularliste zusammengestellt
hat, wie er selber sagt (p. 91 Toll [carm. 22, 1 Schenk]]):
Digessi fastos et nomina perpetis aevi
Sparsa iacent Latiam si qua per historiam.
80 ist es nicht gerade unmöglich^, aber auch nicht besonders wahr-
scheinlich, dass Cassiodor diese Arbeit sich angeeignet und auf ihr
fortgebaut habe.
Um die Benutzung dieser Auszüge, auf denen der Werth der
cassiodorischen Chronik beinahe ausschliesslich beruht, dem Leser
zu erleichtem, sind die entsprechenden Angaben aus Livius und
Obsequens ihnen gegenübergestellt und zwar, da es hier zunächst 554
auf die Yergleichung der verschiedenen handschriftlichen Ueber-
liefemngen ankommt, unter Beseitigung sämmtlicher wenn auch noch
80 sicherer Verbesserungen und unter Beibringung der in Betracht
kommenden Varianten, in welcher letzteren Hinsicht ich mich der
Hülfe meines Freundes M. Hertz zu erfreuen gehabt habe. Es sind
demnach mitgetheilt:
1) Für Livius B. 1 — 10 die Varianten der Florentiner (M) und
Pariser (P) Handschrift nach Aischefskis für diesen Zweck von
Hertz noch einmal eingesehenen CoUationen, ferner die der
Livius eigener Text frei ist. Den Consul des ersten Jahres der Freiheit nennt
Livius 2, 2 P. Vaierius, unzweifelhaft richtig, wie schon die It«rationsangaben
beweisen, und ebenso heisst er bei Vaierius Maximus (4, 1, 1) und bei sämmt-
lichen von Livius unabhängigen Gewährsmännern. Aber derselbe Consul heisst
L. Valeritis in der Livianischen Epitome (2, wo erst Sigonius den Vornamen
geändert hat), in Cassiodors Chronik, bei Victor (viri ill. 15, sowohl nach der
vollständigen Brüsseler Handschrift wie in den besten Handschriften der anderen
am Schluss defecten Familie) und bei Eutrop 1, 9 (wenigstens in der grossen
Mehrzahl der Handschriften und in der griechischen Paraphrase). Auch hier
haben alle diese aus einem und demselben Auszug geschöpft, der jenen falschen
Vornamen enthielt. — Von gleicher Art ist es, dass der Consul A. Manlius 576
bei Livius den richtigen Vornamen geführt zu haben scheint, bei Cassiodor und
Obsequens aber falsch Chi. genannt wird." Die umfangreiche Literatur, in der
Mommsens Nachweis durch neue Argumente gestützt worden ist, braucht hier
nicht angeführt zu werden. Mommsen selbst, der in den Chronica min. voL II
p. 112 die Sache mit einigen Worten erwähnt, weist dort darauf hin, daß bereits
Martial epigr. 14, 190 eine solche Epitome kenne.]
1) Die Bedenken gegen die Möglichkeit dieser Annahme, die ich früher
hegte (Chronol. S. 130), haben sich bei näherer Erwägung gehoben. Cassiodor
konnte die Liste des Ausonius für die republikanische Zeit übernehmen und
dennoch, da er in der Zählung wesentlich an Hieronymus sich anschloss, zu
einer um 17 Jahre differirenden Stadtjahrzahl gelangen.
MOMMSEK, SCHR. VU. 43
674 Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr.
Wormser (Y), so weit sie bekannt sind. Die übrigen Hand-
schriften kommen für die Kritik nur ausnahmsweise in Betracht
und konnten hier übergangen werden,
2) Für B. 21 — 30 die Varianten des Puteanus (P), und wo dieser
fehlt, der Florentiner (M) und der Pariser (C) Handschrift
(Aischefski vol. 3, p. XXI; Hertz vol. 1, p. XXXYI).
3) Für B. 31—38 die Varianten der Bamberger Handschrift (B)
nach Kreyssig (Hertz a, a. 0.). Wo diese fehlt und wir auf
die aus der Mainzer Handschrift geflossenen Ausgaben ange-
wiesen sind, ist die diplomatische Grundlage bekanntlich sehr
unsicher.
4) Für B. 41 — 45 die Lesung der Wiener Handschrift nach ge-
fälliger Mittheilung des Hrn. Vahlen.
5) Für den Obsequens die Lesungen der ersten Ausgabe.
Cassiodors Excerpte aus Livius sind insofern rein, als in diesem
Abschnitte weder interpolirte Consulate vorkommen, noch anders-
woher entlehnte Notizen eingemischt sind — selbst den Hieronymus
muss Cassiodor in dem ganzen Abschnitte von Vertreibung der
Könige bis auf die Kreuzigung Christi, abgesehen von den gering-
fügigen Notizen über die Gründung der Monarchie bei dem J. 705
d. St., den Tod des Augustus bei dem J. 14 n. Chr., sowie über
Christi Geburt und Kreuzigung, ganz bei Seite gelegt oder höchstens
insoweit berücksichtigt haben, dass er einige von Hieronymus er-
wähnte Thatsachen (vgl. die Jahre 253. 300. 442. 571. 724) mit
Rücksicht darauf, aber aus seiner livianischen Quelle und in einer
zunächst von dieser abhängigen Fassung aufnahm. Willkürliche
Verkürzungen hat sich Cassiodor insofern gestattet, als er nicht
bloss die sämmtlichen Namen der Decemvirn und der Kriegstribunen
in derselben Weise weggelassen hat, wie dies auch die aus den
capitolinischen Tafeln geflossenen Listen des Idatius und der Paschal-
chronik thun und die von Sex. Rufus benutzte that (meine Chronol.
555 S. 113), sondern auch nur an zwei Stellen (303. 304 und 363—387)
diesen Ausfall angegeben hat; womit weiter zusammenhängt, dass
er zur Deckung der also entstandenen Lücken auf das Decemvirat
statt der 3 des Livius 40 Jahre rechnet. Dieser Lückenbüsser zeigt
nur zu klar, wie plump und gewissenlos der ostgothische Chronist
seine Aufgabe durchgeführt hat; doch haben wir diesem Umstand
es zu verdanken, dass im Uebrigen die livianische Consularliste von
Cassiodor weder interpolirt noch willkürlich verkürzt worden ist.
Wie die cassiodorische Liste jetzt vorliegt, zählt sie vom Anfang
des Consulats bis zum J. 705 d. St. einschliesslich 459 Jahre, nämlich
Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr. 675
395 Consulpaare, indem diejenigen der Jahre 247. 264. 265. 333.
485. 561. 6SS/9 sich nicht vorfinden; femer anstatt der zwei oder
drei Decemviraljahre (303. 304), der neunundvierzig der Kriegstribunen
(316. 321. 322. 32S — 330. 332. 334 — 340. 346-360. 363—378.
384—387) und der fünf magistratlosen (379—383) die nach 302 und
362 eingelegten 40 -f 24 Fülljahre, wogegen die vier Dictatorenjahre
(421. 430. 445. 453) selbstverständlich fehlen. Doch sind von jenen
sieben fehlenden Consulaten einige ohne Zweifel bloss durch Schuld
der Abschreiber aus dem cassiodorischen Texte ausgefallen; wie
viele dies gewesen sind, lässt sich einigermassen daraus bestimmen,
dass Cassiodor als Gesammtzahl der Consuljahre 1031 angiebt und,
wie wir später sehen werden, von 706 d. St. bis 519 n. Chr. 568,
569 oder 570, wahrscheinlich aber 569 Consuljahre in Eechnung
bringt. Demnach muss, falls er überhaupt richtig gezählt hat, die
republikanische Liste 461, 462 oder 463, wahrscheinlich aber
462 Jahre gezählt haben. Es sind mithin drei Jahre bei ihm aus-
gefallen ; und dies ist auch in anderer Hinsicht wahrscheinlich. Denn
die Verschmelzung der beiden Consulpaare von 688 und 689 zu
einem kann nicht wohl von dem Verfasser, sondern nur von den
Abschreibern verschuldet sein; und ebenso werden die Consuln von
485 und 561, von denen die letzteren sich in unserem Liviustexte
noch vorfinden, bei Cassiodor selbst schwerlich gefehlt haben. Da-
gegen die Consuln von 333 konnten sehr leicht übersehen werden
weil sie mitten unter Kriegstribunenjahren vorkommen; und die
Consuln 247. 264. 265 haben schon in der livianischen Quelle Cas-
siodors sich nicht vorgefunden. Von den letzten beiden Jahren ist
dies unbestritten; aber auch von 247 lässt es sich erweisen. Dio-
nysios, der hier unter den annalistischen Quellen allein das Richtige
bewahrt hat, giebt folgende Liste:
246 (5, 20; vgl. 12, 22) P. Valerius Poplicola IL 556
T. Lucretius.
247(5,21) P. Valerius Poplicola IIL
M. Horatius 11.
248 (5, 36) Sp. Larcius.
T. Hermenius.
und erzählt den Krieg mit Porsenna unter dem J. 247, die Rückgabe
des an Porsenna abgetretenen Gebiets imter dem J. 248, während
im J. 246 nichts Erwähnenswerthes vorkommt. Livius nennt (2, 8)
die Consuln des J. 246, erzählt dann ausführlich den Krieg mit
Porsenna (2, 9 — 14), hierauf, nachdem er den Amtsantritt anderer
43*
676 1*16 Chronik des Cassiodorus Senator vom J, 519 n. Chr.
Consuln berichtet hat, die Rückgabe des transtiberinischen Grebiets
(2, 15). Offenbar sind also die bei ihm fehlenden Consuln die des
J. 247, welche vor 2, 9 einzuschalten sind etwa in folgender Weise :
inde P. Valerius Herum, T. Lucretius, [mox P. Valerivs tertium, M.
Horatius iferum] consules facti; da unter jenem Jahre nichts zu
erzählen war und die Namen theilweise gleich lauteten, war ein
solcher Ausfall sehr leicht möglich. Die Consuln demnach, deren
Amtsantritt 2,15 berichtet wird, müssen die des J. 248 gewesen
sein; und dies bestätigt auf das Vollständigste Cassiodor, der nach
dem Consulat 246 die Namen der Consuln von 248 Spurius Largus
et Titus Herannius verzeichnet. Unsere Handschriften des Livius
lesen hier folgendermassen:
M: spurius publius lucretius inde et*)
V: purius publius lucretius inde et
P: p. lucretius inde et
Flor. """
S Marci pii^üus lucretius inde et
Leid. 1. purius lucretius inde et**)
31: p. valerius publicola.
P: p. valerius publicola.
Flor. S. titus ermenius p. valerius publicola.
Marci
Leid. 1. titus hermenius p. valerius publicola.
557 In dem von Nicomachus durchcorrigirten Exemplar war also die
Stelle vermuthlich folgendermassen geschrieben:
PVBLIVS P. VALEBIVS PVBLICOLA
PYRITS LVCRETIVS ET TITYS HERMENIYS
Yon den zwei Yerbesserungsvorschlägen des Nicomachus hat der
erste die alte Lesung nur in der Pariser Handschrift völlig verdrängt;
dagegen ist dem zweiten die echte Lesung durchaus gewichen mit
Ausnahme der im Ganzen geringeren Familie, welche hauptsächlich
Harlei. 1, Leid. 1 und Flor. S. Marci vertreten. Es stellt sich also
der Fall zu den von Madvig emend. Liv. p. 31 aufgeführten, wo
diese letzteren allein das Echte bewahren; an eine Interpolation ist
um so weniger zu denken, als der Name des T. Hermenius sonst
*) [Nach Riemann M^ purius publius, M' spurius publius.]
**) [inde et scheint in dieser Hs. vielmehr zu fehlen.]
***) [Die La. dieser Hs. scheint auch jetzt noch nicht bekannt zu sein.]
J
Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr. 677
nur bei Cassiodor und Dionysios genannt wird und nicht leicht eine
dieser Quellen einem Abschreiber des Mittelalters zu Gebote gestanden
haben kann. Die Yerderbniss von Larckis in Lticretius scheint zu-
fällig zu sein; die übergeschriebenen Lesungen aber sind handgreif-
liche nicomachische Interpolationen, von denen die erste sich leicht
erklärt, aber auch die zweite höchst gewaltsame nahe genug lag, da
Livius den P. Yalerius Publicola unter dem J, 246 als cos. II, unter
dem J. 250 als cos. lY aufführte und demnach dazwischen nothwendig
sein drittes Consulat ausgefallen sein musste. Nicomachus versah
sich nur darin, dass er, statt in 2, 9 das ausgefallene dritte Consulat
zu ergänzen, es 2, 15 durch verkehrte Aenderung hineintrug. Es
ist dieser Umstand auch für die Beurtheilung des Verhältnisses der
Handschriften der ersten Dekade zu einander und der Kritik des
Mcomachus selbst nicht ohne Wichtigkeit und schien desshalb eine
etwas ausführliche Erörterung zu verdienen.*) — Fassen wir zu-
sammen, was von der livischen Consulartafel theils in den erhaltenen
Büchern, theils durch Cassiodor überliefert ist, so ergiebt sich, dass
dieselbe, abgesehen davon, dass die vier Dictatorenjahre gemäss
des annalistischen Princips fehlen, von der jetzt gangbaren sich
nur unterscheidet durch das Fehlen der vier Eponymencollegien 247.
264. 265, 37S, die in einer jenseit unserer gesammten handschrift-
lichen üeberlieferung liegenden Zeit aus dem Texte der livischen
Annalen ausgefallen sind. Dass Livius einzelne derselben selber
vergessen hat, ist allerdings auch möglich, aber desshalb nicht wahr-
scheinlich, weil er in seiner Zählung der Stadtjahre diese vier
durchaus mit in Ansatz bringt (vgl. meine Chronol. S. 120 fg.).
Livius muss für die Consularzeit von 245 bis 705 d. St. 45S Jahre 553
gerechnet haben. Was Cassiodor zu seinen 64 Fülljahren und zu
der Gesammtjahrzahl 462 geführt hat, ist nicht klar. Yielleicht hat
er mit Hieronymus auf die Consularperiode 464 Jahre rechnen
wollen und um diese Ziffer zu erreichen seine chronologischen
Fictionen vorgenommen. Indess ergiebt seine Rechnung, wie gezeigt
isi:, von 245 bis 705 d. St. nicht mehr als 462 Jahre.
Die Auszüge aus Aufidius Bassus.
Das Wenige, was über Aufidius Bassus anderweit bekannt ist,
hat kürzlich W. Harless (de Fabiis et Aufidiis rerum Romanarum
acriptoribus. Bonn 1S53. S. 49 fg.) sorgfaltig zusammengestellt. Von
*) [Andere Behandlungen der Stelle verzeichnet z. B. H. J, Müller im Anhang
de: Weißenbornschen Ausgabe 12*, Berlin 1894, S. 166 f. und im Kommentar
zn c. 8, 9.1
678 I^ie Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr.
seinen Lebensumständen wissen wir nichts, als dass er nach Quin-
tilians (10, 1, 103) Zeugniss etwas älter war als der Historiker M.
Servilius Nonianus, der im J. 35 zum Consulat gelangte und im
J. 59 starb (Tac. ann. 14, 19) und dass, als der jüngere Seneca (f 65)
an Lucilius schrieb (ep. 4, 1 = 30), er noch in Rom lebte, aber seine
schwache Constitution bereits unter der Last der Jahre erlag. Sein
Geschichtswerk oder wenigstens ein Theil desselben war bereits
publicirt, als der ältere Seneca um 37 n. Chr. seine rhetorische
Blumenlese herausgab, in der einige Stellen aus jenem angeführt
werden (p. 34. 36 Bursian [suas. 6, 18 u. 23]). Er erzählte den Tod
Ciceros (Seneca d. Ä. a. a. O.) und die deutschen Kriege, denn die
mit besonderem Lob von Quintilian erwähnten lihri belli Germanici
wird man wohl, ähnlich wie des Livius Bücher belli civilis, als inte-
grirenden Theil seines Hauptwerkes betrachten dürfen.*) Ausserdem
wird noch eine Notiz über den Flächenraum Armeniens aus ihm
angeführt (Plin. h. n. 6, 9, 27). Der ältere Plinius (f 79) setzte in
seinen a fine Aufidii Bassi libri XXXI (h. n. praef. § 19; Plinius
d. J. ep. 3, 5) dies Werk bis auf seine Zeit fort; ob diese plinischen
Bücher erst mit dem Regierungsantritt Neros 54 n. Chr. anhoben,
wie Nipperdey (Einl. zum Tacitus S. XIX) meint, ist nicht aus-
gemacht.**) Das bedeutende Ansehen, dessen das "Werk des Bassus
genoss, geht ausser den freihch bedingten Lobsprüchen Quintilians
noch hervor aus der lobenden Erwähnung bei Tacitus (dial. 23) und
selbst aus der Aufführung der epitomae Aufidii unter den falschen
Zeugen in der Schrift de origine gentis Romanae (18, 13). Was
559 Gassiodor aus diesem Geschichtswerke entlehnt hat, ergiebt sich
leicht. Die livischen Annalen schlössen mit 745 d. St.; was vom
J. 32 n. Chr. an bei Gassiodor steht, rührt, wie wir sehen werden,
aus dem Paschal buche her; dagegen das Consularverzeichniss von
746 d. St. bis 31 n. Chr. nebst den dazu gehörigen Notizen kann
weder aus der einen noch aus der andern Quelle geflossen sein,
sondern nur aus dem von Gassiodor in seiner Quellenangabe zwischen
Livius und dem Paschalbuche genannten Aufidius Bassus. Auch ist
dies eben die Epoche, welche nach den sonst bekannten Nachrichten
von Bassus erzählt worden ist.***) Höchstens könnte in Frage kommen,
*) [Vgl- gegen diese, in den Chron. S. 112 wiederholte Auffassung u.a.
M. Schanz, Gesch. d. röm. Literatur II 2 (2. Aufl., 1901) S. 254. H. Peter, Histor.
Rom. reliquiae II (Leipz. 1906) S. CXXVI.]
**) [Auch nicht durch die neue Forschung, vgl. die folg. Anm.]
***) [Vgl. Chron. S. 112 'constat Bassum res gestas narrasse a morte Caeaaria
dictatoris ad mortem Seiani'. Daß er wirklich mit dem Tode des Seianu»
Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr. 679
ob Bassus, der wie sein Zeitgenosse Seneca der Ä. ab initio heUorum
civiliutn die Geschichte seines Landes geschrieben zu haben scheint
(vgl. Seneca d. J. Fragm. 15 Haase), nicht schon vor 746 d. St. von
Cassiodor zur Hand genommen worden ist; doch lässt es sich nicht
füglich bezweifeln, dass die von Cassiodor gebrauchten livianischen
Excerpte bis zum Schluss des ganzen "Werkes gereicht haben und
dass Cassiodor oder wer vor ihm diese Annalenwerke epitomirte,
das jüngere und minder bemhmte erst da zur Hand genommen
haben wird, wo das ältere abbrach.
Die Jahrtafel der Kaiserzeit.
Die cassiodorische Jahrtafel der Kaiserzeit beruht auf der
Combination einer Kaiserliste, die jedem Regenten unter mehr oder
minder genauer Angabe seiner wirklichen Regierungszeit zugleich
nach ägyptischem Muster eine bestimmte Zahl conventioneil fixirter
Regierungsjahre beilegt — wie es denn ausdrücklich bei Decius und
Gallus heisst, sie hätten 1 J. 3 M. und 2 J. 4M., aber quanfum ad
consules 1 und 2 J. regiert — und einem Consularverzeichniss. "Wie
dieser einfache Plan ausgeführt und die eponymen Consuln unter
die einzelnen Regenten vertheilt worden sind, legt übersichtlich die
folgende Tafel dar, die zugleich die beiden Quellen, aus denen
Cassiodor hier geschöpft hat, die Kaiserjahrtafel des Hieronymus
und die nach Kaisern abgetheilte Consulartafel des Prosper, zur
Yergleichung daneben stellt.
schloß, macht W. Pelka, Rhein. Mus. 61 (1906) S. 620 ff. auch durch andere Gründe
wahrscheinlich, während J. Münzer ebd. 62 (1907) S. 161 ff. die Grenze zwischen
Aufidius und Plinius weiter hinabrückt.]
680
Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr.
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Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr.
681
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6iS2 Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr.
Im Einzelnen ergiebt sich hieraus Folgendes:
1) Die Kaiserliste mit Angabe der wirklichen Regierungsdauer
ist bei Hieronymus, Prosper und Cassiodor im Wesentlichen, nament-
lich auch in der fehlerhaften Ausdehnung der Regierung des Philippus,
identisch, das heisst die beiden letzteren haben sie aus jenem, so
weit dieser reicht, und wo Hieronymus aufhört, Cassiodor sie aus
Prosper herübergenommen ^. Dass Cassiodor die frühere Liste nicht
aus Prosper, sondern unmittelbar aus Hieronymus entnahm, beweist
auch die Zählung der Regierungen, die bei Cassiodor mit Hieronymus
stimmt, während Prosper, da er Florianus und Galerius mitzählt,
zwei Nummern mehr hat. Einige untergeordnete Differenzen be-
sonders zwischen Hieronymus und Prosper mögen theils auf die
Ungleichheit der beiden Listen des Hieronymus — der in der Ein-
leitung und der im Kanon enthaltenen — , theils auf Schreibfehler
zurückgehen. Bemerkenswerther sind folgende Abweichungen
Cassiodors von seiner Vorlage:
Hieronymus. Cassiodor.
Otho 3 M 3 M. 5 T.
VitelHus 8 M 8 M. IT.
Trajanus . . 19 J. 6 M 19 J. 6 M. 15 T.
Hadrianus. . 21J 20J. lOM. 29T.
weil in diesen vier Fällen Cassiodor genauere und zwar unter allen
uns vorliegenden Quellen vollständig lediglich mit Eutropius stimmende
Zahlen giebt. Warum Cassiodor, der sonst nicht gerade es geliebt
zu haben scheint mehrere Quellen neben einander zu brauchen,
diesen anscheinend so gleichgültigen Tagzahlen zu Liebe eine Aus-
nahme gemacht hat, wird später sich zeigen. Wenn er dagegen
dem Pius statt 22 J. 3 M. nur 21 J., dem Julian statt 1 J. 8 M. nur
1 J, giebt und die 2 Jahre des Constantius und Galerius mit der
Bemerkung unterschlägt, dass Constantius tantum Äugusti dignitate
contentus cum esset otiosus, anni ipsius adscribuntur filio eius, so
563 hängen diese Umänderungen mit den Umgestaltungen zusammen,
die er in der Zählung der Regierungsjahre sich gestattete und von
denen sogleich die Rede sein wird. — Die drei letzten Regenten
1) Die Behauptung von Baudi di Vesme (mem, dell' Acc. di Torino ser. II
vol. 8 p. 181), dass ein kurzes — seltsamer Weise trotz der Versicherung, dass
dasselbe »qui vede per la prima volta la luce«, ungedruckt gebliebenes —
Kaiserverzeichniss hinter dem Codex Theodosianus eine der Quellen Cassiodors
gewesen, fällt in sich selber zusammen, da dieses Verzeichniss, nach den daraus
mitgetheilten Proben, nichts ist als ein Auszug aus Hieronymus. Vesme hat
nicht gesehen, das Cassiodor aus Hieronymus schöpft. [S. jetzt Chron. min. III p.4l3.]
Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr.
683
Leo, Zeno und Anastasius hat Cassiodor hinzugefügt, aber in einer
so Kederlichen Weise, dass er nicht einmal die Regentennummern
weiter fortgeführt hat, als er sie aus Prosper abschreiben konnte,
femer den Kaiser Justinus, der im J. 5 1 8 den Thron bestiegen, zwar
als Consul aber nicht als Kaiser verzeichnet.
2) Die Zählung der conventioneilen Regierungsjahre ist schon
bei Hieronymus, ja bei Eusebius selbst, abgesehen von einigen unter-
geordneten sich bald wieder ausgleichenden Fehlem, durch ein tiefer
greifendes Versehen entstellt, indem dem Phihppus ein Jahr zu viel
beigelegt wird, was denn zur Folge hat, dass das Jahr, mit dem
Hieronymus schliesst, 378 n. Chr. nach unserer Zählung, nach der
seinigen, wenn man das Jahr von Christi Geburt = 1 n, Chr. setzt,
379 n. Chr. werden würde, und, da er selber Christi Geburt um
zwei Jahre höher hinaufrückt, nach seiner eigenen Zählung 381 n. Chr.
ist. Unter Zugrandelegung dieser List^ hat sich Cassiodor die
folgenden Abweichungen gestattet:
Hieronymus. Cassiodor.
. . . . +
+ 2
— 2
Augustus 56 ... .
Tiberius 23 ... .
Galba, Otho, Vitellius ..—....
Nerva • 1 . • • .
Traianus 19 ... .
Pius 23 ... .
Pertinax — ....
Aurelianus 5 . . . .
t Galerius 2 — 2
Julianus 2 — 1
mittelst welcher Manipulationen er im Ganzen um 1 J. höher kommt
und von 706 d. St. bis 378 n. Chr. nicht ^vie Hieronymus 427, sondern
428 J. erhält ^ Hier hat ihn bei den Zuschlägen für Augustus, Galba,
1) Prosper hat in ähnlicher Weise an der Liste des Hieronymus folgende
Abänderungen vorgenommen:
Hieronymus. Prosper. Hieronymus. Prosper.
[0 . . . . — 1 Decius . . . 1 . . . . + 1
2 . . . . + 1 Tacitus ... 1 .... — 1
23 . , . . — 1 Julianus . . 2 . . . . + 1
7 . . . . -1
Indem er also vier Kaiserjahre weglässt und nur drei zuschlägt, kommt er im
Ganzen auf 1 Jahr weniger, d. h. er rechnet von da, wo bei ihm die Consulate
beginnen, dem 14. J. des Tiberius bis zum Schluss seiner Liste 429, also mit
Zusatz der Regierungen Cäsars, Augustus und des ersten Theües der Regierung
Yespasianus
Titus . .
Pius . . .
Caracalla .
6g4 Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr.
Otho, Vitellius, Traianus, Pertinax, Aurelianus die Erwägung geleitet,
564 dass in dieser Rechnung 6 Monate besser für ein Jahr zu rechnen
als wegzuwerfen seien; und eben damit muss es zusammenhängen,
dass er, wie bemerkt, mit einer ihm sonst nicht eigenen Genauigkeit
bei Otho, Yitellius und Traianus die Tage aus Eutrop nachgetragen
hat, um auf diese Weise die grössere Jahrhälfte zu erhalten. Selbst
bei Nerva, der freilich nur 1 J. 4 M. regierte, mag ihm das Weg-
werfen der Monate Scrupel gemacht haben, zumal da Hieronymus
unmittelbar vorher für Domitian bei einer Regierung von 15 J. 5 M.
doch 16 J. in Ansatz gebracht hatte. Natürlich kam er bei diesem
gedankenlosen Verfahren von der Wahrheit noch viel weiter ab als
sein Vorgänger; und wo er dann auf das Vorlaufen seiner Consulate
vor den Kaiserjahren aufmerksam ward, half er sich durch Inter-
polationen, die jener Fiction eines vierzigjährigen Decemvirats voll-
kommen ebenbürtig zur Seite stehen. Es war nichts dagegen zu
sagen, dass er, nachdem er das J. 14 dem Augustus gegeben, dem
Tiberius ein Jahr weniger zutheilte; aber Pius Regierung ist mit
sichtlicher Willkür verkürzt um das Consulat 161 {duo Äugusti), von
dem an Prospers Consularliste einigermassen in Ordnung kommt,
ebenfalls auf das erste Jahr von Marcus und Lucius zu bringen;
Galerius Consulate und das eine des Julian sind gestrichen, um das
Consulat 364 {lovianus et Varronianus) auf das Kaiserjahr des
Jovianus zu lenken. Hätte der Verfasser der Chronik diese seine
Zuschläge und Abminderungen gleichförmig vorgenommen, so würde
er wenigstens die Gesammtzahl des Hieronymus festzuhalten ver-
mocht haben; indess auch dies ist ihm nicht gelungen, sondern er
hat sich bei seinen Aenderungen um ein Jahr versehen. Dass die
ganze Procedur von der übelsten Art ist und den viel gefeierten
gothischen Historiker in jeder Weise compromittirt, bedarf keiner
Auseinandersetzung. — Für die spätere Zeit fällt der Unterschied
der wirklichen und der conventioneilen Regierungsdauer weg, indem
565 sowohl Prosper wie Cassiodor überhaupt nur die letztere namhaft
machen; für Leo und Anastasius hat der Letztere auch diese anzu-
des Tiberius (5 + 56 + 13 = 74) im Ganzen 503 Kaiserjahre, also nach Abzug
der nachhieronymischen 77 für die Zeit von 706 d. St. bis 378 n. Chr. 426 Jahre.
Hat er aber, was wahrscheinlich ist, das erste der zehn Consulate des Tiberius
mit dem 15. Jahre desselben geglichen, in das er die Kreuzigung setzt, also in
der That auf Tiberius nicht 23, sondern 24 Jahre gerechnet, so stimmt er im
Gesammtresultat mit Hieronymus überein. [Über die von Prosper an Hieronymus
vorgenommenen Änderungen hat Mommsen genauer in den Chron. min. I S. 351 f.'
gehandelt.] — Cassiodor hat diese Abweichungen Prospers unberücksichtigt
gelassen.
Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr. 685
geben vergessen. Ergänzt man, und zwar unter Anrechnung des
wohl nur von den Schreibern überschlagenen Consulats 503, diese
Ziffern so wie die des Justinus nach den Consulaten, so erhält man
für die Kaiserjahre als cassiodorische Gesammtzahl 569. Sollte das
Consulat 503 von Cassiodor selber ausgelassen sein,*) so würde die
Ziffer sich auf 56S stellen.
3) Die Consulartafel vom J. 32 n. Chr. an ist, wie schon oben
(S. 551 [670]) hervorgehoben wurde, unzweifelhaft aus einer anderen
und weit geringeren Quelle geflossen als die der früheren Epoche
imd zwar, nach des Verfassers eigener Angabe, ex Paschali clarorum
virarum auctoritate firnmto. Diese Tafel stimmt in zahllosen Verderb-
nissen, Auslassungen und Interpolationen mit derjenigen des Prosper,
der adnotatio consulum apassione d. n. lesu Christi cum historia (p. 559 fg.
Roncalli [Chron. min. I p. 410]) überein und geht ohne Zweifel auf
diese zurück. Da nun Cassiodor die dem J. 379 — 455**) beige-
schriebenen historischen Notizen der Chronik Prospers entlehnt hat,
auch in seiner Schrift über die Klosterbibliotheken (div. lect. c. 17)
die vollständige Chronik Prospers anführt — Sancttis qtwque Prosper
chronica ab Adam ad Genserici tempora et urhis depraedationem
tcsqtie perduxit — und zur Anschaffung empfiehlt, so könnte man
meinen, dass er auch die Consularliste unmittelbar aus dieser Chronik
genommen habe. Allein dies ist nicht der Fall: bereits Bucherius
(in Victorii canonem pasch, p. 227 fg.) und van der Hagen (obss. in
Prosp. Aquit. p. 145 fg.) haben gesehen, dass Cassiodor seine Consular-
tafel zimächst aus der im J. 457 geschriebenen Ostertafel des Victo-
rius Aquitanus abgeschrieben habe, welcher allerdings dieselbe
wieder, zufolge seiner eigenen Angabe in dem Prolog, aus der zwei
Jahre vorher bekannt gemachten Chronik des Prosper herüber-
genommen hat. Dafüi- zeugt die Uebereinstimmung der victorischen
und der cassiodorischen Liste gegenüber derjenigen des Prosper in
einer Anzahl von absichtlichen Veränderungen (vgl. z. B. J. 410. 414.
453, wo Prosper nur einen der eponymen Consuln namhaft macht,
Victorius dagegen und Cassiodor gleichmässig den zweiten beifügen)
und offenbaren Fehlem; wohin ich rechne vor allen Dingen das
Fehlen des Consulats 130 und die Umstellung der Consulate 96. 97.
sodann die constante Verderbniss des oft vorkommenden Namens
Glalrio, der bei Victorius wie bei Cassiodor stets Gabrio heisst, so
wie die ähnhchen Verwandlungen von Bagalaifus in Gadalaifus 566
I
*) [Hierfür entscheidet sich Mommsen in den Chron. S. 115. 116.]
**) [Wahrscheinlich nur bis 445 : s. Chron. S. 113.]
6g6 Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr.
(J. 366) *) und von Batianus in Titianus (J. 358). Alle diese Ent-
stellungen der von Prosper gegebenen Consulartafel scheinen von
Victorius begangen und mit dessen Liste von Cassiodor übernommen
zu sein. Die zu Cassiodors Zeit vermuthlich allgemein recipirte
Tafel des Yictorius also ist das Paschale darorum virorum auctoritate
firmatum, das Cassiodor neben Livius und Bassus für seine Arbeit
benutzt zu haben angiebt. Nur den Schluss von 458 an bis auf
seine Zeit hat Cassiodor selbstverständlich anderswoher entlehnt. —
Die Tafel des Prosper ist in der ersten Beilage abgedruckt und
auch die Abweichungen der victorischen Fasten von derselben sind
dort verzeichnet nach der einzigen mir von denselben vorgekommenen
Handschrift, der in den Beilagen genauer beschriebenen Leydener
Seal. 28.*) Cassiodor hat die Liste weder verbessert noch weiter
verdorben, sondern sie genau so wiedergegeben wie er sie bei
Yictorius fand; dagegen erscheint dieselbe bei ihm anders angeknüpft
als bei Prosper. Denn während Prosper das Jahr der Kreuzigung,
das erste seiner Liste und darin, der bekannten Ueberlieferung
gemäss, mit den Consulnamen des J. 29 bezeichnete, mit dem 14. des
Tiberius = 27 n. Chr. gleichsetzt, hat Cassiodor, gestützt auf die
Angabe des Hieronymus, dass Christus im 18. Jahre des Tiberius
hingerichtet sei, das Jahr nach der Kreuzigung, das erste bei ihm
aus dem Paschalbuch entlehnte und darin richtig mit den Namen
der Consuln des J. 30 bezeichnete, mit dem J. 32 n. Chr. geglichen;
so dass von der Kreuzigung an Prosper 10, Cassiodor nur 6 Con-
sulate auf Tiberius rechnet. Also ist bei Cassiodor die Liste von
Haus aus falsch gestellt, und theils dadurch, theils durch ihre zahl-
reichen und argen Fehler sind dann die unsinnigsten Ansetzungen
entstanden, ohne dass der Verfasser der Chronik sich dadurch irre
machen lässt; wie er denn zum Beispiel Nervas Tod in dem Jahr
vor dem sechsten Consulat Traians verzeichnet. Wo er ausnahms-
weise auf dergleichen Widersprüche zu achten für gut gefunden hat,
wie bei dem Consulat der beiden Kaiser 161 und nachher unter
lovianus, hat er desswegen an den Kaiserjahren gerückt (S. 564 [684]).
So ist es gekommen, dass, abgesehen von einer zufälligen — durch
das Fehlen der beiden Consulpaare von 31. 32 bei Prosper herbei-
geführten — Uebereinstimmung der cassiodorischen Liste mit der
richtigen in den Jahren 33 fg., in derselben die Consulate nur unter
*) [Doch vgl. die Ausgabe des Victorius in den Chron. min. I p. 714.]
**) [Diese Beilage ist, da sie durch die Edition des Prosper in den Chron.
min. I überflüssig geworden ist, nicht wieder abgedruckt worden.]
Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr. 6g7
M. Aurelius und Commodus und sodann von Constantin und besonders
von Julian an richtig gestellt sind.
Für die Feststellung des cassiodorischen Textes gewinnen wir 567
hieraus, dass die Dauer der Kaiserregierungen — indem 6 Monate
oder mehr immer für ein volles Jahr, weniger als 6 Monate in der
Regel nicht gerechnet werden — und die der Consulate, wie Cassio-
dor sie aufstellt, sich gegenseitig controliren und wir gewiss sein
können mindestens bis zum J. 491 , von wo an die Regierungsjahre
nicht mehr angegeben sind, die Consultafel so vollständig zu besitzen,
wie Cassiodor sie niedergeschrieben hat. Die einzige Differenz
zwischen den Regierungsjahren imd der Zahl der entsprechenden
Consulate besteht in dem Ueberschiessen eines Consulats unter
Diocletian, dem Cassiodor mit Hieronymus 20 Jahre beilegt und
unter dem er dennoch 21 Consulpaare verzeichnet. Wahrscheinhch
hat Cassiodor sich hier selber verzählt. Ob das J, 503 durch seine
oder der Abschreiber Schuld fehle, ist nicht bestimmt auszumachen;
doch ist, so nachlässig er sich auch im Allgemeinen erweist, schwer
zu glauben, dass er ein nur 16 Jahre vor das der Abfassimg fallendes
Consulat selber vergessen haben sollte. — Die Gesammtzahl der
Consulate der Kaiserzeit stellt sich demnach für Cassiodor in Folge
der Differenz unter Diocletian um ein Jahr höher als wir sie für
die Kaiserjahre fanden, nämlich von 706 d. St. bis 519 n. Chr. auf
570: doch wird er selbst wahrscheinlich die Kaiserjahre zusammen-
gezogen, nicht die Consulate gezählt und also als Gesammtsumme
569, nicht 570 Jahre gefunden haben. Sollte das Consulat von 503
von Cassiodor ausgelassen sein, so hat er, selbst wenn er nach
Consulaten zählte, als Gesammtzahl ebenfalls 569 erhalten.
Die der Jahrtafel der Kaiserzeit beigesetzten
historischen Notizen.
Die historischen i^otizen, die Cassiodor der Jahrtafel vom J. 31
an beigefügt hat. sind bis zum J. 373 aus Hieronymus und von 379
bis 455 aus der Fortsetzung des Prosper entlehnt,*) auch nicht nach
den Consulaten, sondern nach den von Hieronymus allein angesetzten
Kaiserjahren eingetragen. Die Entlehnung geschieht meist bis zur
Gedankenlosigkeit wörtHch: wie denn die Notiz über Jerusalem bei
dem J. 141 n. Chr. in einer Fassung gegeben ist, die wohl für den
in Jerusalem schreibenden Hieronymus, nicht aber für den in Rom
schreibenden Cassiodor sich schickt. An einigen wenigen Stellen — 568
*) [Genauer darüber Chronica vol. I p. 346. 374.]
688
Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr.
es sind ausser den oben angezeigten über die Regierungsdauer der
Kaiser Otho, Vitellius, Traian und Hadrian hauptsächlich die Angaben
über die neronisch- alexandrischen und die decischen Thermen
und über die Säule des Traianus — ist daneben Eutropius gebraucht.
Ausser dem Nutzen, den diese Auszüge für die Textconstituirung
der älteren Chroniken gewähren, sind sie vollkommen werthlos.
Von eigenen Aenderungen oder Zusätzen Cassiodors sind, ausser den
früher erörterten Abänderungen einzelner Kaiserjahrzahlen und den
beiläufigen Bemerkungen, dass der Romatempel jetzt templum urbis
(J. 135) und die von Decius erbauten Thermen nach ihrem Erbauer
genannt würden (J. 252) und dass Constantinopel früher Byzantium
geheissen habe (J. 332), nur die folgenden auf die Gothen oder doch
gothische Verhältnisse bezüglichen Umgestaltungen des ihm vor-
liegenden Textes zu erwähnen:
Hieronymus:
Decius cum filio suo in Abritte
occiditur. (Vgl. Eutrop. 9, 4:
ipse et filius — in barbarico
interfecti sunt).
Claudius Gothos Illyricum et Ma-
cedoniam vastantes superat.
Cassiodor:
Decius cum filio suo in Abritto
Thraciae loco a Gothis occiditur
(J. 252). (Ausführlich erzählt
dasselbe Jordanis c. 18.)
Claudius barbaros vastantes re-
pellit (J. 271).
Prosper:
Ambrosius episcopus pro catholica
fide multa sublimiter scribit.
Athanaricus rex Gothorum apud
Constantinopolim xv die quam
fuerat receptus occiditur.
PoUentiae adversus Gothos vehe-
menter utriusque partis clade
pugnatum est.
Roma a Gothis Alarico duce capta.
569 Placidiam Theodosii imp. filiam,
quam Romae Gothi ceperant,
quamque Athaulphus coniugem
habuerat, Wallia pacem Honorii
Ambrosius episcopus de Christiana
fide multa sublimiter scribit
(J. 380). (Geändert wegen des
Arianismus der Gothen.)
Athanaricus rex Gothorum Con-
stantinopolim venit ibique vitam
exegit (J. 382).
PoUentiae Stiliconem cum exercitu
Romano Gothi victum acie fuga-
verunt (J. 402).
Roma a Gothis Halarico duce
capta, ubi clementer usi victoria
sunt (J. 410).
Gothi placati Constantio Placidiam
reddiderunt, cuius nuptias pro-
meretur (J. 416).
Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr.
689
Prosper:
expetens reddit eiusque nuptias
Constantius promeretur.
Placidia Augusta a fratre Honorio
pulsa Orientem cum [Honorio
et Valentiniano] filiis proficiscitur.
Gens Yandalorum ab Hispaniis ad
Africam transit.
Attila — multa vicinarum sibi gen-
tium milia cogit in bellum, quod
Grothis tantiim se inferre tam-
quam custos Romanae amicitiae
denuntiabat. Sed cum transito
Rheno saevissimos eins impetiis
multae Gallicanae urbes ex-
perirentur', cito et nostris et
Gothis placuit, ut furori super-
borum hostium consociatis exer-
citibus repugnaretur; tantaque
Aetii Providentia fuit, ut —
adversae multitudini non inpar
occurreret. Chunos — eo
constat victos fuisse quod amissa
proeliandi fiducia qui super-
fuerant ad propria reverterunt.
Attila redintegratis viribus, quas
in Gallia amiserat, Italiam in-
gredi per Pannonias intendit,
nihil duce nostro Aetio secun-
dum prioris belli opera prospi-
ciente, ita ut ne clusuris quidem
Alpium quibus hostes prohiberi
poterant uteretur.
Cassiodor.
Placidia Augusta a fratre Honorio
ob suspicionem invitatorum hos-
tium cum Honorio et Valenti-
niano filiis ad Orientem mittitur
(J. 423).
Gens Yandalorum a Gothis exclusa
de Hispaniis ad Africam transit
(J. 427).
Romani Aetio duce Gothis auxilia-
ribus contra Attilam in campe
Catalaunico pugnaverunt, qui
virtute Gothorum superatus ab-
scessit (J. 451).
Attila redintegratis viribus Aqui-
leiam magna vi dimicans introivit
(J. 452).
Diese Stellen sind entweder im gothischen Interesse geändert 570
oder mit kurzen auf gothische Leser berechneten Zusätzen versehen ;
womit noch zu verbinden ist, dass an vielen Stellen (z. B. J. 333.
370. 378. 405. 425. 436. 438. 439. 453) Niederlagen der Gothen
MOSEMSEN', SCHK. VII.
44
ß90 ^^6 Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr.
oder was sonst ihnen nachtheilig erschien ausgemerzt worden sind.
Eigentliche Umänderung der überlieferten Thatsachen hat der Ver-
fasser sich zwar nicht zu Schulden kommen lassen — denn dass die
Treffen bei PoUentia und auf dem catalaunischen Felde ihm zu
Siegen der Gothen geworden sind, ist ziemlich unschuldig — , wohl
aber mahnt diese immer doch sehr freie und stark parteiische Zu-
rechtlegung der Ueberlieferung, wie sie hier nachweislich vorliegt,
zur Vorsicht bei dem Gebrauch der Auszüge aus seinem wichtigeren
und hauptsächlich aus uns nicht mehr zugänglichen Quellen geschöpften
Werke, der gothischen Geschichte.
Für die Jahre 455 — 519 kann Cassiodor für uns als eine selbst-
ständige Quelle betrachtet werden; jedoch hat er für die Jahre 455—
495 höchst wahrscheinlich geschöpft aus der mit der Chronographie
von 354, freilich in zerrütteter und verkürzter Gestalt, erhaltenen
Ravennatischen Chronik, die von der jüngeren Fortsetzung abgesehen
im J. 495 geschlossen ist. Ohne Zweifel hat dieselbe wie dem Ver-
fasser der Auszüge »ex libris chronicorum« hinter dem Ammian so
auch dem Cassiodor in ihrer ursprünglichen Vollständigkeit vorgelegen;
die Aufgabe aber aus diesen drei Quellen die ursprüngliche Fassung
wiederherzustellen kann nur unter sorgfältigem Eingehen auf die
Geschichte dieser merkwürdigen und schwierigen Epoche und daher
nicht an diesem Ort und in diesem Zusammenhang gelöst werden.*)
— Erst von 496 an scheint Cassiodor, abgesehen von dem Consuln-
verzeichniss, keine schriftlichen Quellen benutzt sondern aus eigener
Kunde, freilich in dürftigster Hofschreiberauswahl und Hofschreiber-
weise, die gleichzeitigen Ereignisse aufgezeichnet zu haben.
^) [Vgl. Chron. vol. I p. 252.]
LXX.
Schlussbericht
über die Herausgabe der Auetores antiquissimi.*)
Die im Jahre 1875 von mir übernommene Abtheilung Auetores 287
antiquissimi der Monumenta Germaniae historica ist mit dem jetzt
abgeschlossenen Arbeitsjahr zu Ende geführt worden. Sie umfasst
in 13 Quartbänden die folgenden Schriftwerke:
Alcimus Avitus (VI, 2)
Ausonius (V, 2)
Cassiodorus, Variae (XIT)
Chronica minora, vol. I. 11. m (IX. XI. XDI)
Claudianus (X)
Corippus (III, 2)
Ennodius (VII)
Eugippius, vita Severini (I, 2)
Eutropius und Paulus, bist. Romana (II)
lordanes (V, 1)
Salvianus (I, l)
Sidonius (VIII)
Symmachus (VI, 1)
Venantius Fortuna tus (IV)
Victor Vitensis (IH, 1).
Von diesen Bänden sind Cassiodor, Jordanes und die drei Bände
der Chroniken von mir, die übrigen von den Herren Birt, Droysen,
Halm, Krusch, Leo, Lütjohann, Partsch, Peiper, Sauppe, Schenkl,
Seeck, Vogel unter meiner Leitung bearbeitet worden.
Dass diese im Wesentlichen der römischen Geschichtsperiode
angehörige Abtheilung in die Monumenta Germaniae historica auf-
*) [Sitzungsberichte der Berliner Akademie. Jg. 1898 HalbbcL I S. 287— 290.]
44*
692 Schlussbericht über die Herausgabe der Auetores antiquissimi.
genommen worden ist, war von den Begründern dieser Sammlung
beschlossen worden, lange bevor nach Pertz' Tode mit dem Eintritt
des Directorats von Waitz der neue Arbeitsplan festgestellt wurde.
Der annus quingentesimus aus dem Yorblatt unserer sämmtlichen
Bände bezieht sich auf die beabsichtigte Ausgabe von Jordanes imd
Cassiodor. Ausgeführt war allerdings von den dafür bestimmten
Arbeiten noch keine, auch der Kreis derselben nicht endgültig fest-
gestellt; aber für einen Theil derselben waren umfassende Yorarbeiten
unternommen und die Abtheilung selbst öffentlich angekündigt worden,
so dass man damals übereinkam, auch hierin an dem ursprünglichen
Plan festzuhalten.
Für die Auswahl trage ich als Leiter dieser Abtheilung im
Wesentlichen die Yerantwortlichkeit. Mich hat dabei zunächst der
Gedanke geleitet, dass es überhaupt, insbesondere aber für eine
Uebergangsepoche, wie diejenige ist von dem Zusammenbruch des
288 römischen Westreichs bis zum Beginn der fränkischen Yormacht,
schlechterdings unmöglich ist, das für den Historiker erforderliche
Material in einer bestimmten Zahl von Bänden zusammen zu fassen,
und dass demnach diese Abtheilung nicht darauf angelegt werden
durfte, in dieser Hinsicht eine nothwendig scheinhafte Yollständigkeit
zu erzielen, sondern vielmehr bei jedem einzelnen Schriftwerke zu
erwägen war, einmal ob es für die historische Kunde dieser Epoche
von wesentlicher Bedeutung sei, und zweitens, ob eine kritische Be-
arbeitung desselben, namentlich die Herstellung der handschriftlichen
Grundlage Nutzen verspreche. Die höhere auf Sprach- und Sach-
kenntnis beruhende Kritik kann bei Collectivunternehmungen , wie
die unsrige ist, wohl als wünschenswerther Gewinn, aber nicht als
das regelmässige Ziel in das Auge gefasst und wie die geistige Arbeit
überhaupt wohl gefördert, aber niemals abgeschlossen werden. Die
diplomatische Kritik dagegen fordert, wo sie in weiterem Umfang
auftritt, Mittel, wie nur eine vom Staat getragene Institution sie zu
liefern vermag, und bei ihr ist andrerseits ein Abschluss erreichbar.
Darum sind Tacitus und Ammian ausgeschlossen worden; sie sind
ohne Zweifel für die deutsche Geschichte unendlich viel wichtiger
als sämmtliche in meine Abtheilung aufgenommene Autoren; aber
die diplomatische Kritik ist bei beiden einfach und im Wesentlichen
erledigt. Dagegen war für alle oben genannten Schriftwerke die
handschriftliche Grundlage der Feststellung bedürftig, und dass jedes
einzelne derselben für die Geschichtsforschung der bezeichneten
Epoche von wesentlichem Nutzen ist, wird nicht bestritten werden.
Die Grenzen einer derartigen Bearbeitung sind allerdings mit objectiver
Schlussbericht über die Herausgabe der Auetores antiquissimi. 693
Bestimmtheit nicht zu ziehen und bis zu einem gewissen Grade
abhängig theils von der Meinung des Leiters der Abtheilung, theik
von dem Belieben der Centraldirection selbst, die nicht alle Anträge
des Leiters genehmigt hat. Bei der Grenzenlosigkeit der Aufgabe
selbst hat in der praktischen Ausführung eine gewisse Willkür nicht
vermieden werden können. Indess hoffe ich, wenn auch im Einzelnen
manches hinweg- oder hinzugewünscht werden mag, doch im Ganzen
den richtigen Mittelweg zwischen dem zu Wenig und dem zu Yiel
gefunden zu haben. Insbesondere bei den in den drei Bänden der
Chroniken vereinigten Miscellaneen habe ich es lebhaft empfunden,
dass ohne die grossen Hülfsmittel, welche eine Institution wie die
unsrige gewährt, eine derartige für das einzelne Kleinstück schlechthin
unmögliche und doch in ihrer Gesammtheit imentbehrliche Sammlung
sich niemals würde haben durchführen lassen.
Die Rücksicht darauf, dass Ausgaben, wie die unsrigen sind,
vor allen Dingen den diplomatischen Apparat liefern sollen, hat mich
weiter dazu bestimmt, was vielleicht manchen Tadel gefunden hat,
wo es irgend anging, nicht einzelne Stücke, sondern die uns er- 2S9
haltenen Werke des betreffenden Schriftstellers vollständig zu geben.
Freilich bei Prosper, Eugippius, Cassiodor, Beda liess sich dies nicht
durchführen. Aber wenn auch von Ausonius oder Claudianus dem
Historiker nur wenige Abschnitte direct nützlich sind, so darf auch
über diese keiner mitsprechen, der nicht den Schriftsteller im Ganzen
kennt und beurtheilen kann. Die Excerptenpublication mag fiir die
Wissenschaftlichkeit zweiter Ordnung am Platz sein, für unsere
Arbeiten ist sie mir immer als ein dem nationalen Unternehmen
wenig anstehendes Armuthszeugnis erschienen.
Die mir übergebenen Yorarbeiten erwiesen sich mit geringen
Ausnahmen als unbrauchbar; die CoUationen — solche von Pertz
und Waitz fanden unter den für diese Arbeit mir übergebenen sich
nicht — gehörten überwiegend der Frühzeit der Gesellschaftsarbeit
an und waren ebenso unzulänglich wie leicht ersetzlich. Wir, meine
Mitarbeiter und ich, haben keine Mühe und keine Kosten gescheut,
um in dem bezeichneten Kreise die diplomatische Kritik abschliessend
zu erledigen.
Eine Schranke habe ich bei dieser Abtheilung oft ungern, aber
dennoch streng eingehalten; es ist dies der Ausschluss der byzanti-
nischen Geschichtswerke. Dass der Römerstaat namentlich der späteren
Kaiserzeit diese ebenso und vielleicht noch mehr fordert als die latei-
nischen Quellen, bedarf der Ausführung nicht; und wie sehr selbst
ein Schriftsteller wie Prokop des kritischen Apparates entbehrt, in
694 Schlussbericht über die Herausgabe der Auetores antiquissimi.
wie geringem Grade die sogenannte akademische Byzantinerausgabe
ihrem Namen Ehre macht, wie wir überall, wo de Boor nicht ge-
arbeitet hat, uns in kläglicher Unsicherheit befinden, das wissen die
Kundigen alle und fordert dringend Abhülfe. Aber diese kann nur
eine Sonderbearbeitung der byzantinischen Geschichtsquellen bringen,
die zu unseren Monumenten so nothwendig gehört wie einstmals das
Ostreich zum "Westreich gehört hat. Die grosse Gefahr, der unsere
Monumenta Germaniae in Folge der centralen Lage unseres Landes
ausgesetzt sind, die Uferlosigkeit unserer Sammlungen durch das Ueber-
greifen in die Geschichte der Nachbarstaaten, würde wesentlich ge-
steigert werden, wenn unsere Arbeiten auch auf das Gebiet des
Ostreichs und die griechischen Geschichtsquellen erstreckt würden.
Ich habe darum der namentlich bei der Bearbeitung der kleinen
Chroniken oft sehr lockenden "Versuchung, in diese Kreise ein-
zugreifen, nicht nachgegeben.
Ebenso wie ich bemüht gewesen bin, von den aufgenommenen
Schriftstellern die "Werke, so weit möglich, vollständig zu geben,
habe ich dieselben auch nach Möglichkeit in der Publication ge-
trennt. Ein Sammeluntemehmen, wie das unsrige ist, kann bei den
290 Schriftwerken die Trennung nach den Autoren nicht in dem Umfang
durchführen, wie dies in der Behandlung der griechischen und
römischen Schriftsteller geschieht; in viel weiterem Umfang ist es
hier erforderlich, kleinere Schriftwerke zusammenzufassen, secundäre
den primären anzuschliessen. So weit aber die Sonderung sich
durchführen lässt, erleichtert sie nicht bloss die Fertigstellung der
Publicationen, welche ohne weitgehende Arbeitstheilung nicht zum
Ziel gelangen können, und gewährt den Benutzern bei ihren sehr
verschiedenartigen Interessen die Möglichkeit, sich das, was ein jeder
braucht und nur dies zu beschaffen, sondern sie macht es auch mög-
lich, wo nöthig und so weit wie nöthig zu bessern und zu erneuern.
Bei weitschichtigen Unternehmungen dieser Art kann es nicht aus-
bleiben, dass eine einzelne Bearbeitung mit oder ohne Schuld der
Herausgeber sich als ungenügend erweist, der litterarische Apparat
einer Ergänzung oder einer Correctur bedarf. In meiner Abtheilung
ist dies bei der kleinen Schrift des Eugippius eingetreten. Ich habe
in Folge dessen eine neue Recension derselben hergestellt, welcher
bei dem geringen Umfang des "Werkes und bei der Brauchbarkeit
desselben auch für Unterrichtszwecke die Form der Octavausgabe
gegeben worden ist.*)
*) [Eugippii vita Severini denuo recognovit Th. Mommsen, Berl. 1898.]
LXXI.
Die Historia Papirii des Henoch von Asculum.*)
Auf der Yallicelliana in Rom findet sich eine Papierhandschrift 1 34
aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrh., bezeichnet G. 47. Der im
inneren Deckel verzeichneten Notiz zufolge {Jo. de Beate prothono-
tario et correciori apostolico, qui bibUothecam hanc et aureos xyro fdbrica
quingentos sacratissimo Fontis Palumbe loco legamt, fratres aeteme
memoriae causa posuere) stammt diese Handschrift aus Rieti; und ihr
ganzer Inhalt zeigt, dass sie eben daselbst entstanden und längere
Zeit hindurch verblieben ist. Diesen Inhalt vollständig zu verzeichnen
ist übrigens nicht erforderlich: es finden sich Gedichte neuerer Ita-
liener neben einigen virgilischen Katalekten, auch eine Cansmi de
M. F. F.; Auszüge aus Gellius und Livius, Miscellen von Guarinus,
Karolus Arretinus, Philelphus, Poggio, Laur. Valla; Auszüge aus den
älteren Inschriftensammlungen von Signorili, Poggio, Cyriacus von
Ancona, grösstentheils stadtrömische Steine enthaltend, aber auch
Inschriften aus Ariminum, dem Orient und Kleinasien, darunter ein-
zelne griechische; endlich eine wie es scheint originale Sammliing
der Inschriften von Rieti (von Muratori angeführt unter dem Kamen
der schedae Vallicelliaiiae), welche auch die von Papst Pius U (f 1464)
seinen Aeltern, Silvius und Victoria Piccolomini gesetzten Grab-
schriften enthält. Dazu kommen andere Notizen mannigfaltigster
Art, unter denen ich der Zeitbestimmimg wegen eine Bulle vom
J. 1476 (f. 6) erwähne. Um diese Zeit etwa muss die Handschrift 135
geschrieben sein; wenigstens deutet nichts auf eine spätere Ent-
stehungszeit hin. — Hier nun finden sich, unmittelbar hinter der
Reatiner Inschriftensammlung und gleich dieser im Text mit Kapi-
tälchen geschrieben, die folgenden Auszüge:
f. 39 r. Ex historia Papirii inventa ab Enoc in Datia de
situ Reatino.
Subacto agro Beaiino Romani Picenis bellum inttäerunt.
*) [Hermes 1, 1866, S. 134—136.]
696 Die Historia Papirii des Henoch von Asculum.
f. 39 V. Ex eadem hystoria Papirii.
Velinus fluvius Beatinum agrum secat, qui paludem in SuUuco
a JRomanis effectam ingreditur, dehinc Septem meatibus sulfureas
petit aquas.
(folgen Auszüge mit der Ueberschrift : Plinius naturalis hystoriae libro
secundo cap. de miraculis aquarum, d. i. Plin. 2, 103. 227. 226 sehr
zerrüttet),
f. 40 r. Ex eadem hystoria Papirii.
Hörnern rerum caput a puella ^ Graia istic combusta, cui nomen
erat Rhomi, dictam putant.
Hieran schliessen sich die falsche Inschrift divo lulio Caesari
urbis et orbis hero [C. I. L. VI 5, 23*], aus dieser Handschrift heraus-
gegeben von Mur. 221, 4, und weitere Auszüge aus Plinius naturalis
hystoriae 2, 103, 230 und 3, 12, 109. Dann folgt, ohne Ueberschrift,
der Anfang der bekannten Mummiusinschrift von Rieti [C. I. L. IX
4672 add. p. 684 Dessau 3410]:
sancte
de decuma victor tibei Lucius Munius (so) donum
was desshalb hervorzuheben ist, weil diese Inschrift hier mit am
frühesten auftritt: sie wurde von Pomponius Laetus copirt und ist
nur durch ihn erhalten, begegnet übrigens wohl zuerst vereinzelt in
dem Siliuscommentar des Petrus Marsus, des Schülers des Laetus
(zuerst gedruckt 1483), und dann bei Jucundus. — Was nun folgt,
hat auf Rieti keinen bestimmten Bezug weiter und gehört wohl nicht
zu der eben erörterten Sammlung.
Es ist auf den ersten Blick klar, dass dieser Papirius seinen
Platz finden muss nicht neben dem von Henoch von Asculum ent-
deckten Porphyrie und Apicius, sondern neben dem Fenestella und
Messalla Corvinus; so ist die palus in Subluco a Romanis effecta
offenbar gemacht nach der zuletzt angeführten Pliniusstelle , in der
136 unsere Handschrift statt qui nomen dedere Sublaqueo liest cui nomen
dedere Subluco und aus der auch die sulfureae aquae genommen sind.
Immer aber verdienen dergleichen Fälschungen des fünfzehnten Jahr-
hunderts, wenigstens wenn sie auf bestimmte Namen alter Schrift-
steller und sogar bekannter Handschriftensucher gestellt sind, eine
gewisse Beachtung, da für die litterarische Thätigkeit dieser Zeit
daraus sich Anknüpfungspunkte ergeben können.
1) puUa die Handschrift.
LXXII.
Zur Kritik der Geographie des Ptolemaeos.*)
Unter den 0 ertlichkeiten, welche Ptolemaeos 3. 3, 3 an der 297
Südküste Sardiniens aufführt, nennt er zwischen Sulci und Nora unter
anderen auch Bioia kijutjv, wie die Ausgaben und die für sie ver-
glichenen Handschriften, entsprechend auch die alte lateinische Ueber-
setzung {Bioea portus) schreiben. Nur Cluverius merkt in seiner
Sicilia et Sardinia antiquu (vom Jahre 1619!) p. 491 dazu an: in
Vaticano exemplari legitur Bi&ia :i6Xig, welche Lesung er übrigens
selbst, ebenso wie die gewöhnliche, für irrig hält. Die Herausgeber
des Ptolemaeos haben sich weder um diese Lesung noch viel weniger
um ihre Quelle bekümmert. Dagegen hat dieselbe eine überraschende
Bestätigung erhalten durch einen bei dem alten Xora (jetzt Pula)
gefundenen und zuerst im J. 1S31 herausgegebenen Meilenstein des
Kaisers Philippus (Orelli-Henzen 5195 [C. L L. X 7996 = Dessau
5870]), den ich selbst im Museum zu Cagliari gesehen habe. Er stand
an einer via, quae a Nora dticit Bitiae, und zeigt, da weder der
falsche Casus noch die mangelnde Aspiration bei einer Inschrift
dieser Epoche weiter in Betracht kommt, dass der Ort nicht Bioea
hiess, sondern, wie die vaticanische Handschrift ihn schreibt, Bithia.
Eine derartige Abweichung von der constanten Vulgata zu einer
zweifellos besseren und ebenso zweifellos nicht durch Conjectur ge-
fundenen Lesung musste jedem, den die Kritik des Ptolemaeos angeht,
wesentlich erscheinen, und die Ermittellung der Quelle schien ja
nicht schwer. Indess die sämmtlichen Ptolemaeoshandschriften der
Yaticana, welche Hr. Mau auf meine Bitte einsah, ergaben nichts
als die gewöhnliche Lesung; und zu demselben negativen Resultat
führte die Einsicht der sämmtlichen Handschriften der Pariser Bib-
liothek durch Hm. A. Schöne, so wie die Einzeluntersuchungen, 298
') [Hermes 15, 1880, S. 297 — 300.;
698 "^^^ Kritik der Geographie des Ptolemaeos.
welche ich hie und da zu veranlassen Gelegenheit hatte. Schliesslich
aber wies Herr Ch. Müller, an den ich mich wandte, mir im Vatican
die, wie es scheint, in den Katalogen nicht verzeichnete Handschrift
n. 191 etwa des 13. Jahrhunderts nach^ als die von Cluverius be-
nutzte. Nachdem ich durch diese liberale Mitteilung des verdienten
Gelehrten in den Stand gesetzt war die Untersuchung weiter zu
verfolgen, fand sich in dieser Handschrift an der angegebenen Stelle
eine Zeile mehr, als die Ausgaben haben, und die ganze Stelle in
folgender Fassung:
XeQoövvjoog Xa L' Xe L'<5'
Bid^ia Xifxrjv Xa yo Xe L'/
BiMa jioXig Xa gd' Xe L'y'
'HgaxXeovg Xijuijv Xß Xe L'/
Es wird also noch ein anderes Bedenken hiedurch gehoben.
Die römischen Strassen nennen als Endpunkte ohne Ausnahme Ort-
schaften. War Bithia blos Hafen, so konnte eine Strasse nicht füglich
dort endigen, wohl aber, wenn an diesem Hafen eine gleichnamige
Stadt lag, wie dies das vervollständigte Yerzeichniss des Ptolemaeos
ergiebt.
Ich habe seitdem Veranlassung gehabt einige grössere Abschnitte
aus jener Handschrift vergleichen zu lassen und daraus die Ueber-
zeugung gewonnen, dass sie mit der von Jacob Aessler bei der
Strassburger Ausgabe der lateinischen Uebersetzung von 1513 zu-
gezogenen damals von Picus de Mirandola besessenen zusammen-
gehört ^ und dass diese vaticanische Handschrift eine ähnliche Stellung
in der Kritik des Ptolemaeos einnimmt, wie die des Escurial in der-
jenigen des antoninischen Itinerars, das heisst, dass ihr Zeugnis»
allein wenigstens ebenso viel wiegt wie das aller übrigen Hand-
schriften zusammen.*)
1) Erst nachträglich fand ich, dass Nobbe in der litteratura geographiae
Ptolemaeae (1838) p. 3 und in der Vorrede seiner sogenannten Ausgabe eine in der
Leipziger Rathsbibliothek vorhandene Randcollation (p. 7 Graec. n. XIV, rep. T.
4. 67 des Naumannschen Katalogs) erwähnt, welche nach einer Mittheilung
Heyses den Vat. 191 in unvollständiger Weise wiedergeben soll.
2) Freilich kehrt nicht alles, was die vaticanische Handschrift richtig hat,
bei Aessler wieder, zum Beispiel heisst Bi&ta auch ihm Bioea.
*) [Es folgen einige Textproben aus B. 2 und 4 der Geographie sowie ein
Werturteil über den Vaticanus. Ein Abdruck ist unterblieben, da inzwischen
wenigstens der erste Teil der Müllerschen Ausgabe erschienen ist.]
Lxxm.
Z 0 s i m u s.*)
Dem der "Wissenschaft zu früh entrissenen Mendelssohn ist bei 533
seiner philologisch wie historisch trefflichen Ausgabe des Zosimus
ein Versehen begegnet, auf das, da es leicht Schaden stiften kann,
hier aufmerksam gemacht werden soll. Nach dem Vorgang von Jeep
setzt er in der Vorrede (p. VII) die Abfassung jenes Geschichts-
werkes vor das Jahr 502, weil Eustathius von Epiphania dasselbe in
seiner in diesem Jahre herausgegebenen Chronik (die Fragmente bei
Müller fr. bist. Graec. 4, 138 fg.) anführe. Aber Euagrius, durch den
so gut wie allein wir von dieser Arbeit des Eustathius Kunde haben,
sagt dies nicht, sondern 5, 37 (ähnlich, aber kürzer 5, 24) : og (Eusta-
thius) inexQi rfjs ygaiprjg ravrrjg (bis zu dem Krieg gegen den Perser-
könig Choades) lorogi^oag roig djuMovoi owagi^jueirai dcodexarov
ezog rfjg 'Ävaoraoiov y.axaXeXoiJicog ßaoiXeiag. Dies giebt Malalas
p. 399 richtig also wieder: Tiegl ov TioXefiov Evaxd'&iog .... ovvEyQo.-
yjaro' öorig xal ev^ecog ixeXevxrjos fxrjTe etg reketov zrjv ex^soiv avrov
ovvra^ag. Das Jahr 502 also ist das letzte von Eustathius behan-
delte, keineswegs aber dessen Todesjahr. — Andrerseits erwähnt
Zosimus 2, 38 zweifellos, und nicht als einen Vorgang aus nächster
Vergangenheit, die Aufhebung des Chrysargyrum durch Anastasius
im Jahre 501^; es ist unmöglich mit Mendelssohn seine Worte auf
die schon früher eingetretene Beseitigung des Follis der Senatoren
zu beschränken. Demnach besitzen wir für Zosimus' Lebensdauer
keinen sicheren Endtermin, werden ihn aber nicht im 5., sondern im
6. Jahrhundert zu suchen haben. Dasselbe gilt von Epiphanias,
dessen Tod natürlich später angesetzt werden muss. Endlich Euagrius
selbst scheint auch noch vor dem Jahre 601 gestorben zu sein; ein
positives Datum aber fehlt auch für ihn.
*) [Byzantinische Zeitschrift 12, 1903, S. 533.]
1) Die Jahrzahl beruht auf Theophanes (p. 14, 3 de ßoor), J. d W. 5993
= n. Chr. 500/1 , ist also keineswegs sicher. Die Erlasse Cod. Tust. XI, 1, 1. 2
haben das Datum verloren.
LXXIV.
lieber die dem Cassius Dio beigelegten Theile der
Planudischen und der Constantinischen Excerpte.*)
I.
Die planudischen Excerpte.**)
82 Yon dem Mönch Maximus Planudes, der im 14. Jahrhundert in
Constantinopel mancherlei Compilationen angefertigt hat, giebt es
bekanntlich auch eine solche historischen Inhalts, betitelt ovvaycoyi]
ovXXeyEioa äjib öiacpoQcov ßißUcov jcagd tov oocpcüxdTOv xal Xoyio)xdrov
xal rifiicoraTov iv fiova^oTg hvqiov Ma^ijuov rov Ilkavovdr} ndvv
dxpeXijuog. A. Mai fand diese Compilation in zwei vaticanischen
Handschriften, einer des 14. Jahrh. und einer jüngeren^; Kramer
(Strab. praef. p. XLV) in der Pariser n. 1409; auch die von Heidel-
berg nach Paris und Rom geführte, jetzt wieder in Heidelberg be-
findliche Handschrift Nr. 129 des Sylburgischen Verzeichnisses muss
wenigstens einen Theil derselben enthalten. Siebenkees und Kramer
haben diese CoUectaneen für den Strabo benutzt; Mai hat im 2. Band
seiner Scriptores (1827) p. 552 verzeichnet, was ihm daraus aus
Cassius Dio herzurühren schien und das Ungedruckte davon daselbst
p. 527 — 555 herausgegeben. Ausserdem finden sich darin nach den
Angaben von Siebenkees, Mai und Kramer Stücke aus Plato, Aristo-
teles, Pausanias, Dio Chrysostomus, Johannes Lydus, Basilius, Synesius
und vielleicht noch aus manchen Andern; eine erschöpfende Unter-
*) [Hermese, 1871, S. 82 — 91.]
**) [Die hier von Mommsen angeregte Frage ist seitdem öfters behandelt
worden, zuletzt von Boissevain in seiner Ausgabe des Cassius Dio Bd. I (Berlin
1895) praef. S. CXI ff., wo auch die weitere Literatur verzeichnet ist. Das Haupt-
resultat der Mommsenschen Darlegung hat sich dadurch als gesichert erwiesen.]
1) Nam tertii minor fruetus erat, fügt er in der Vorrede p. XXXV hinzu.
Die von Siebenkees angegebene Bibliotheknummer Pal. 105 ist nach Mai irrig,
was Kramer bestätigt; die richtige Nummer giebt Mai nicht an. [Genauere
Angaben über die Hss. der Exzerpte macht Boissevain a. a. 0. S. CXHI f.]
Ueber Planudische und Constantinische Excerpte. 701
suchung der ganzen Masse hat meines Wissens nicht stattgefunden. 83
— Die von Mai als dionisch herausgegebenen Bruchstücke sind seit-
dem in die Ausgaben des Dio von Bekker und Dindorf übergegangen,
wie es scheint, ohne dass die inuicta argumenta, auf Grund deren
Mai (p. 427 vgl. praef. p. XXY) dieselben dem Dio beigelegt hat,
ernstlich nachgeprüft worden wären. Dass dies nicht überflüssig
gewesen wäre, soll hier gezeigt werden.
Planudes hat ofl'enbar diese Excerpte entweder aus einem ein-
zigen im Allgemeinen chronologisch geordneten und von Romulus
bis auf Gratian reichenden "Werk genommen oder, wenn aus ver-
schiedenen Werken, selbst seine Auszüge in dieser Folge zusammen-
gestellt. Wir betrachten dieselben zunächst nach den vier Zeit-
abschnitten, in die sie sich zweckmässig zerlegen lassen: von Romulus
bis auf den viriathischen Krieg; die sullanische Zeit; von dem mithra-
datischen Krieg bis auf Elagabalus; von da an bis auf Gratian.
1. Die Fragmente, welche die Epoche von Romulus bis zum
viriathischen Krieg betreffen, verzeichne ich hier, wie sie nach Mai
in den planudischen Collectaneen auf einander folgen, da aus den
gangbaren Ausgaben darüber keine Uebersicht zu gewinnen ist.*)
Mai fr. 1 Dindorf fr. 5, 2.
2 „ „ 11,8.
T)
3
»
n
11,9.
n
4
»
n
13, 1 = E. 1, 9.
T)
5
»
7)
17, 13.
n
6
n
n
18,1.
1)
7
n
n
19,2.
•n
8
n
n
25,8.
n
10
n
rt
25,9.
n
11
n
r)
27.
r
12
n
r>
31, vollständiger bei Suidas u. d. W. Toqxov-
äro?; = E. 2, 5.
ff
14
„
f)
30, aber in anderer Form.
r
n
18
n
n
34, vollständiger bei Suidas u. d. W. KbXtoi;
= E. 2, 6.
n
p
20
«
V
35,6.
n
n
21
n
r>
35,-3.
rt
r)
22
»
n
36,9.
D
r>
26
r>
n
39, 2.
n
r
27
n
n
39, 2 am Ende.
*) [Vgl. jetzt Boissevain a. a. 0. S. CXIV ff.]
Mai fr.
33 ]
Dind
« n
34
n
» «
35
n
» n
37
n
» «
40
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» »
43
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« »
44
n
» «
54
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)7 »
55
n
702 lieber Planudische und Constantinische Excerpte.
Dindorf fr. 40, 17 = E. 2, 11.
84 „ „ 34 „ „ 40, 20 = E. 2, 11.
40, 41 = E. 2, 13.
40, 44, vollständiger bei Suidas u. d. W. 0a-
ßQixiog; = E. 2, 14.
43, 24.
71.
43, 28, vollständiger bei Suidas u. d. W.
PrjyovXog; = E. 2, 25.
44.
57, 27.
57, 37, ön IlrohjLiaiog Alyvnxov ßaodevg u. s. w.
56 du im IlToksjuaiov rov micpavovg 'Irjoovg 6 xov ^igax
'lovöacoig rrjv Tiavagsrov oo(piav sis'&ero.
57 Dindorf fr. 57, 41.
57, 44.
66, 5 = E. 4, 7.
66, 6 = E. 4, 8.
70, 1 = E. 3, 15.
80, genauer bei Suidas u. d. W. Bogiav^og;
= E. 4, 16.
„ „ 66 ön rö juerd rov tzqcütov xrjg 'Pco/urjg ovvoixiojuöv e^axooio-
ordv XQiaxooTOv nifxnxov exog enl xrjg exaxooxrjg e^axooxijg
xExoLQxrjg fjv dXvjuTiiddog.
Diese Stücke dem Dio beizulegen ist Mai hauptsächlich dadurch
veranlasst worden, dass nachher, wie wir sehen werden, dionische
Excerpte folgen. Aber einmal werden diese, wie sogleich gezeigt
werden soll, durch Auszüge aus dem Plutarch von der hier in Frage
stehenden Masse geschieden. Sodann aber lässt sich auf das Be-
stimmteste zeigen, dass unsere Bruchstücke, so wie sie liegen, einem
um Jahrhunderte jüngeren Autor entnommen sein müssen. Dafür
ist vor allem entscheidend, dass ein nicht geringer Theil derselben
einfach aus dem Eutrop übersetzt oder vielmehr einer griechischen
Metaphrase des Eutrop entlehnt ist; es sind dies die zwölf in dem
Yerzeichniss mit E. bezeichneten Stellen, von denen hier zwei zur
Probe stehen mögen.
85 fr. 40, 20 Eutrop. 2, 11
ön JJvQQog rovg xaxä rrjv judxfjv tietixco- Pyrrlius Romanos . . . occisos
xoxag 'Pcojualovg smixeXwg Maips' xal sepelivif. quos cum adverso
'&avjudCo)v xö cpoßsQÖv xov ei'dovg xcöv vulnere et truci vultu etiam
58
n
n
59
n
n
60
n
r
61
r
»
64
«
«
Ueber Planndische und Constantinische Eicerpte. 703
avdg&v eil diaaoil^ofjLeyov xal Sncog evav- mortuos iacere vidisset, ttdisse
jia jidvzsg £(peQov roavfiara, Xsyexai ad caelum mantis dicitur cum
dvarsivag eg ovgavöv rag ydgag roiomovg hoc voce se iotkcs orhis domi-
ev^ao^ai ol yeveodai avjufidyovg' gadicog num esse potuisse, si tales sihi
yoLQ av HQajrjOELE Ti]g oixovjuevijg. milites configissent.
fr. 66, 5 Eutrop. 4, 7
on IleQOEvg, voraxog ßaodevg Maxe- Ipse rex, cum desereretur ab
öovcag, y.arahjujiavo/uEvog ev reo .t^o? aniicis, venit in Pauli potesta-
'Pcojuaiovg no?Jjucp vnb xcbv otxeicov, tem. sed honorem ei Aeniilius
djioyvovg (pegüiv evEyeiQioev iavTov Atfii- Paulus consid non quasi victo
Ucp IIavX(p. 6 de neoeiv ßovXrj^evza hahuit, nam et volentem ad
TiQog ToTg yovaoiv aircov dvaaxijaag xai pedes sibi cadere non permisit
ejumoiv 'äv&QOiTK, xi fxov xa^igeig xb et iuxta se in sella coUocavit.
xaxoQ-^cofxa;' em xivog ßaoiXixov ^govov
ndgeögov avxco xaxeoxrjoaxo.
Diese beiden Stellen sind desshalb ausgewählt, weil wir von bei-
den Anekdoten auch die wirklich dionische Fassung besitzen 40, 19
und 66, 4 Dind., die von der eutropischen wesentlich abweicht: zum
Beispiel heisst es an der letzten Stelle : avxov eg xr]v 'A/MpuioXiv äyßevxa
6 IlavXog ovöev ovxe egyco ovxe Xöyq> deivöv eögaoev, äXXd xal ngo-
ciovxi ol vnavaoxdg xd xe dXXa ede^icooaxo xal öfxooixov ejTOiTJoaxo, ev
xe cpvXaxf] dÖeojuco xal ev '^egoTteia jioXXij fjye. Die eutropische Ueber-
setzung ist nicht die noch vorhandene des Paeanius, sondern eine
andere verlorene, vielleicht die des Capito aus Lykien, welche Suidas
(u. d. W.) erwähnt, — "Welche weiteren Quellen dem Verfasser vor-
gelegen haben mögen, ist nicht mit gleicher Bestimmtheit zu sagen.
Es ist der Annahme nichts im Wege, dass er den Dio neben dem
Eutrop gebraucht hat, aber zwingende Gründe für diese Annahme
finde ich wenigstens in den planudischen Excerpten nicht, und aus
den dionischen Fragmenten müssen nicht blos die eutropischen, son-
dern sämmtliche oben verzeichnete Excerpte entfernt werden. Sie 86
rühren von einem Schriftsteller her, der, da er eine Metaphrase des
Eutrop ausschreibt, nicht vor dem Ende des 4. Jahrhunderts sein
Werk verfasst hat; und es finden sich auch in der nicht beträcht-
hchen Masse genug der Dinge, die Dios unwürdig sind und die eher
an Malalas und Cedrenus erinnern — so die symbolische Deutung
der Ceremonien bei Roms Gründung fr. 5, 2; die alberne Erzählung
von dem Ankläger des Camillus Februarius, dem zur Schande der
Monat dieses Namens verstümmelt worden sei fr. 27 ; die Verstüm-
704 lieber Planudische und Constantinische Excerpte.
melung von Viriathus und Caepio in Borianthos und Scipio^ fr, 80;
die Verschiebung der aus dem dritten punischen Kriege bekannten
Belagerungsgeschichten in den ersten fr. 71; die Hereinziehung zweier
die Ptolemäer und den Jesus Sirach betreffenden Notizen 57, 37
Dind. und 56 Mai. "Wir stehen hier schon im reinen Byzantinismus,
in dessen Entstellung, AUegorisirung und Anekdotisirung des über-
lieferten Stoffes die immer schwankenden Grenzen zwischen Ge-
schichte und Roman vollständig verschwinden.
Es bleibt noch übrig den Namen des wahren Verfassers zu be-
zeichnen, dem diese Bruchstücke gehören: und er liegt nicht fern.
Schon Mai hat gesehen, dass das von Planudes ausgezogene Ge-
schichtswerk auch dem Suidas vorgelegen hat und dass eine relativ
beträchtliche Anzahl der von Planudes ausgezogenen Stellen bei
diesem, und zwar grossentheils vollständiger, wiederkehrt^. Zur Er-
mittelung des Verfassers hilft dies freilich nicht weiter; denn keinem
dieser Fragmente hat Suidas den Namen des Verfassers beigesetzt.
Aber eines derselben, das Planudes (fr. 80 bei Dindorf) und in mehr
authentischer Form Suidas aufbewahrt haben — es ist das schon
erwähnte von Borianthos, das ist von Viriathus handelnde — kehrt in
wörtlicher Uebereinstimmung mit Suidas wieder in den constantini-
schen Excerpten de consiliis, und zwar hier unter den Auszügen aus
dem Johannes von Antiochia (fr. 60 p. 559 Müll.). Auch hat man
längst bemerkt (Müller 4, 538), dass eine der Hauptquellen dieses
Schriftstellers eine griechische Bearbeitung des Eutrop ist; und zwar
eine von der noch vorhandenen verschiedene. Also nicht den Cassius
Dio hat Planudes hier excerpirt, sondern den Johannes; und alle
87 Merkmale, die gegen die Autorschaft Dios sprechen, passen umgekehrt
yollkommen auf diesen späten christlichen Scribenten.
2. Die bei Planudes aufbehaltenen Fragmente, welche von dem
mithradatischen Kriege Luculis bis auf Elagabalus reichen, sind un-
zweifelhaft dionisch; an drei Stellen werden die Auszüge eingeleitet
mit öu Aicov, welche Stellen in der That bei Dio 44, 2. 72, 23. 75, 4
erscheinen, und auch die grosse Masse der übrigen Auszüge findet
bei Dio, wie wir ihn besitzen, sich wieder. Die wenigen, bei denen
dies nicht der Fall ist, hat Dindorf in seiner Ausgabe Bd. 5 S. 234 —
236 zusammengestellt 3; es ist nicht zu bezweifeln, dass auch diese
1) SxrjjiLwv haben Planudes und Suidas; Dindorf hätte es nicht in Kamicov
ändern sollen.
2) Unter den Worten dfivoostv, cbioaTvyovvTSS , BoQiavd^og , Bqevvo? , KsXxoi,
PiqyovXog, ToQXoväto?, ^aßgixiog, ^eßgovagiog.
3) Es sind dabei die Stellen, die Mai als unedirt gegeben, aber Dindorf am
Rande bei Dio nachgewiesen hat, in Abzug zu bringen. Durch Versehen, wie
Ueber Planudische und Constantinische Excerpte. 705
dem Dio angehören. Aber daraus folgt noch nicht, dass Planudes
oder des Planudes Gewährsmann für diesen Abschnitt den vollstän-
digen Dio vor sich gehabt hat; ja es lässt sich das Gegentheil be-
stimmt erweisen, so weniges auch aus diesem Abschnitt gedruckt
vorliegt. Die vier ersten Excerpte dieser Masse hat Mai als fr. 74 — 77
abgedruckt; von diesen ist fr-, 76 zusammengestellt aus Dio 36, 30, 3
und 36, 37, 1, ganz ebenso wie diese beiden Stellen in Xiphüins
Auszug verschmolzen erscheinen, und ebenso wird, wer vergleicht,
sieh leicht überzeugen, dass fr. 77 identisch ist mit dem xiphilinischen
Auszug von Dio 36, 43. 44. Ebenso stimmt fr. 75 wörtlich mit der
xiphilinischen Fassung, die statt der verlorenen dionischen jetzt bei
diesem 36, 3 a eingerückt ist. Nun hat freilich der Yerfasser dieser
Compilation nicht den Xiphilinos benutzt, da er viele bei diesem
nicht vorkommende Stellen aus Dio beibringt; aber ein älterer
Auszug aus Dio muss die gemeinschaftliche Quelle der xiphilinischen
wie der planudischen Excerpte sein. Diesem ältesten Compilator
selber aber haben von Dios grossem Werke wohl die fi-üheren Bücher
nicht vorgelegen, da Xiphihnos wie Planudes ungefähr an derselben
Stelle mit dem J. d. St. 685, nicht bedeutend vor dem jetzigen An-
fangspunkt der dionischen üeberreste, anheben.
3. Dass für die suUanische Epoche von Planudes oder dem Ge-
währsmann desselben nicht Dio, sondern Plutarchs Sulla benutzt ist,
hat Dindorf (Yorrede zu Bd. 5 S. YII) richtig ausgeführt imd zu-
gleich nachgewiesen, dass bereits die Compilatoren des Porphyro-
gennetos das dionische Werk in ähnlicher Weise durch den Sulla 88
des Plutarch ergänzt vorgefunden und ausgezogen haben. Gewiss
hängt diese Ergänzung des dionischen Werkes durch die plutarchische
Biographie Sullas zusammen mit der oben ausgeführten Wahrnehmung,
dass für die zweite Hälfte desselben schon in ziemlich früher Zeit
das J. 678 d. St. der faktische Anfangspunkt geworden ist. Der
Abschnitt desselben, der von Sulla handelte, muss früh verloren ge-
gangen und so als Surrogat diese litterarische Combination eingetreten
sein. — Dem Plutarch gehören bei Planudes die Excerpte 67 — 72
nach Mais Zählung; ausser denen, die bereits Dindorf (Bd. I S. 143—146)
mit Recht aus der Reihe der dionischen Fragmente gestrichen hat,
ist noch ferner zu tilgen fr. 103, l = Plutarch Süll. 14. Wenn in
dem zweiten dieser plutarchischen Fragmente 68 Mai := p. 1 43 Din-
dorf als Gewährsmänner Xivius imd Diodoros' angeführt werden, so
es scheint, fehlt bei Dindorf das Excerpt p. 553 fr. 78 Mai, das zwischen 54, 21
und 23 gestanden haben soll, beginnend: ort KoQvr)liov zivog cuziav naoa xov
Kataaoo; u. s. w. ; es ist gewiss dionisch.
II
MOIIMSEX. SCHR. VU.
45
706 Ueber Planudische und Constantinische Excerpte.
kann die Nennung des ersteren darauf zurückgehen, dass Plutarch
im Sulla c. 5 sich auf ihn beruft; die Erwähnung Diodors in dieser
Verbindung ist wohl nichts als Confusion des späten Byzantiners,
aus dem Planudes hier schöpft, oder auch des Planudes selbst. —
Das planudische Fragment 73 Mai = 106, 2 Dindorf, den Untergang
der sibyllinischen Bücher bei dem Brande des Capitols im J. 671
betreffend, ist nicht aus Plutarch, und da es genau auf der Grenze
steht zwischen den plutarchischen und den dionischen Excerpten,
kann es der letzteren Masse beigezählt werden; aber da diese, wie
wir sahen, wahrscheinlich erst mit 685 anhob, so ist vermuthlich diese
Notiz aus irgend einer dritten Quelle hier eingelegt.
4. Die planudischen Excerpte reichen bis über die Zeit hinab,
wo Dio schliesst; die wenigen in diese Epoche fallenden Stücke, von
denen das jüngste den Kaiser Gratian betrifft, sind bei Dindorf 5, 233
abgedruckt.
Es hat also Planudes, wofern er selbst hier verschiedene Quellen-
werke nach einander in historischer Folge ausgezogen hat, zunächst
den Johannes Antiochenus benutzt, ferner von Sulla ab einen zu
Anfang aus dem Sulla Plutarchs vervollständigten Auszug aus Dio,
endlich eine mindestens bis auf Gratian hinabgeführte Fortsetzung
der dionischen Annalen. Aber es kann auch sein, dass er alle diese
Auszüge einem einzigen Geschichtswerk entlehnt hat, welches in die-
sem Fall kein anderes sein kann als das des Johannes Antiochenus.
Ohne eine eingehende Untersuchung über die Frage anstellen zu
wollen, ob auch die Auszüge aus Plutarchs Sulla und aus Dio wie
89 aus der Fortsetzung desselben dem Planudes durch Vermittelung des
Johannes zugekommen sind, bin ich doch geneigt dieselbe zu bejahen.
Dass Dies Name einigen Auszügen bei Planudes vorgesetzt ist, steht
nicht entgegen; wenn Johannes, wo er den Dio zur Hand nahm, ihn
als seinen Gewährsmann namhaft machte, so konnte dies den Planu-
des bestimmen seine Auszüge auf den Dio zurückzuführen. Johannes
hat für die Kaisergeschichte bis auf Marcus nach Ausweis seiner
zweifellosen Fragmente den Dio oder auch einen daraus geflossenen
Auszug fast ausschliesslich benutzt und es scheint nichts im Wege
zu stehen, die betreffenden planudischen Excerpte als durch Johannes
aus Dio übernommene zu betrachten. Yon Commodus an folgt aller-
dings Johannes in den gesicherten Ueberresten hauptsächlich dem
Herodian, während in den planudischen Excerpten auch hier Dio
vorwaltet; aber einzeln erscheinen in dem von Herodian erzählten
Zeitabschnitt doch auch in den andern Fragmenten des Johannes
dionische Auszüge (so fr. 134 Müll.) und man wird wegen dieser
Ueber Planudische imd Constantinische Excerpte. 707
allerdings befremdenden Discrepanz eine sonst fast unabweisliche
Combination nicht aufgeben dürfen. Bevor die planudischen Excerpte
vollständig durchgearbeitet sind, ist die Frage allerdings nicht end-
giltig zu entscheiden. Es ist der Zweck dieser Notiz einen unsrer
jüngeren Fachgenossen, der Zeit und Gelegenheit dazu hat, zu dieser
Arbeit zu veranlassen, die nicht überflüssig sein wird, sollte sie auch
mehr dazu führen schlechte Münze aus unserem Bestände zu ent-
fernen als diesen selbst zu mehren.
n.
Die Excerpte des constantinischen Titels de sententiis*)
Genau dasselbe Versehen, das hinsichtlich der planudischen Ex-
cerpte stattgefunden hat, Auszüge aus dem Johannes für solche aus
Dio auszugeben, hat Mai auch in dem Titel de sententiis der con-
stantinischen Sammlung sich zu Schulden kommen lassen. "Was er
davon dem Dio beilegt, zerfällt in zwei Massen. Die erste, von der
Vorrede bis auf die Schilderung der cannensischen Schlacht reichend,
ist unzweifelhaft aus dem vollständigen Dio geflossen. Die zweite
(p. 197 — 246 Mai, vollständig wieder abgedruckt in dem 5. Bande
der Ausgabe Dindorfs S. 181 — 232) reicht von Augustus bis Con-
stantin und kann also selbstverständlich wenigstens in der zweiten
Hälfte dem Dio nicht gehören. Aber dass auch derjenige TheU,
der dem Inhalt nach mit Dio zusammentrifft, wohl materiell aus dessen 90
Werk entlehnt, aber von den Compilatoren nicht aus Dio, sondern
aus einem seiner Ausschreiber entnommen ist, und zwar eben aus
dem Johannes, hat eigentlich schon K. Müller in den fragm. histor.
4, 191 nachgewiesen, obwohl er sein eigenes Resultat nicht gelten
lassen will. Schon Mai wies auf die enormes varietates lectionis hin,
die dieser Abschnitt verglichen mit Dio darbietet, weshalb er ihn
eben auch ganz hat abdrucken lassen; man braucht nur hineinzu-
sehen, um sich davon zu überzeugen, dass diese Abweichungen nicht
von den Eklogarien Constantins, sondern von einem älteren und freier
arbeitenden Epitomator herrühren. Müller wies weiter hin auf das
den Caligula betreffende Fragment p. 204 Mai, p. 186 Dind., das
wohl aus Dio 59, 22, 4 geflossen ist, aber in der Fassung keines-
II
*) [Auch den hier erbrachten Nachweis, daß die zweite Excerptenmasse
undionisch ist, hat die weitere Forschung bestätigt. Dagegen ist ihre Zuweisung
an Johannes Antiochenus widerlegt und für diesen vielmehr Petrus Patricius an
die Stelle gesetzt worden von Boissevain, De excerptis Pianudeis et Constanti-
nianis , Rotterdam 1884 und besonders de Boor , Byz. Zeitsc^. I (1892) S. 13 flF.]
45*
708 Ueber Planudische und Constantinische Excerpte.
wegs mit Dio, dagegen wörtlich mit einem sicheren Bruchstück des
Johannes (fr. 83 bei Müller) stimmt. Also wird was in dem Titel
jiegl yvcofx&v von römischer Kaisergeschichte sich vorfindet, aus dem
Johannes genommen sein. Für den nachdionischen Abschnitt sprach
schon Mai diese so nahe liegende Vermuthung aus; Müller verwarf
sie, weil Johannes Chronik von Adam bis zum Schluss des 6. Jahr-
hunderts n. Chr., hier aber die Erzählung nur von Augustus bis
Constantin reiche; weil sie hier ausführlicher sei als sonst bei Johan-
nes und weil Johannes in dem Abschnitt von Commodus bis Gordian
aus Herodian schöpfe, was hier nicht der Fall sei. Er hat es darum
vorgezogen diese Fragmente einem Anonymus qui Dionis historias
continuavit beizulegen (4, 191 — 199) und sie von denen des Johannes
getrennt. Aber das erste seiner Argumente ist nichtig, da die frag-
lichen Excerpte am Anfang wie am Schluss defect sind. Sehr wesent-
liche Verschiedenheit ferner in der Behandlung des Stoffs kann
ich zwischen den sicheren Fragmenten des Johannes und den hier
in Frage stehenden nicht finden. Das Gewicht des letzten von
Müller beigebrachten Arguments verkenne ich nicht; es ist auffallend,
dass die Spuren Herodians in diesen Bruchstücken sich nicht vor-
finden, wie dies auch in Betreff der gleichartigen planudischen Ex-
cerpte schon eingeräumt werden musste. Dass die die Kaiserge-
schichte betreffenden Excerpte des Titels de sententns aus derselben
Quelle geflossen sind wie die planudischen, ist evident; wie denn
auch Dindorf, ohne sonst den Sachverhalt zu erkennen, wenigstens
die drei nachdionischen den Maximianus, Constantin und Gratian be-
treffenden Bruchstücke bei Planudes richtig mit den entsprechenden
91 Fragmenten des constantinischen Titels combinirt hat. Aber auch
die Zurückführung beider Massen auf den Johannes von Antiochia
scheint mir kaum einem Zweifel zu unterliegen.
Ueberhaupt wäre dringend zu wünschen, dass einer unserer
jüngeren und weniger beschäftigten Genossen es sich angelegen sein
Hesse dem unbillig vernachlässigten Johannes die Wohlthat einer
gesonderten Sammlung und Bearbeitung zuzuwenden, wobei dann
auch sein Yerhältniss zum Xiphilinos und vor allem zum Zonaras,
der ihn entschieden gebraucht hat, ins Auge zu fassen wäre; ferner
seine Benutzung durch Suidas, unter dessen anonymen die römische
Geschichte betreffenden Citaten eine grosse Menge ans dem Johannes
sein muss.*) Dios Geschichtswerk nimmt in der späteren griechischen
*) [Hierzu schreibt mir de Boor: , Obwohl in der Zwischenzeit die Anti-
ochenus- Frage namentlich in den ersten Bänden der Byz. Zeitschr. sehr lebhaft
üeber Planudische und Constantinische Excerpte. 709
Litteratur einen ähnlichen Platz ein wie Livius in der lateinischen;
das Epitomiren des Werkes und wieder der Epitomen desselben
einer- und das Fortsetzen andrerseits ist die Geschichtschreibung
dieser Epoche: und eines der wichtigsten Glieder in dieser Kette
ist Johannes von Antiochia.
ventiliert worden ist, fehlt es zur Erfüllung von Monunsens Wünschen noch an
jedem Fundament."]
LXXV.
Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des
Johannes Malalas.*)
323 Nachdem ich vor einiger Zeit in diesen Blättern (oben S. 82 fg.
[700 f.]) gezeigt habe, dass verschiedene bisher für dionisch geltende
Excerptenmassen vielmehr dem Johannes von Antiochia gehören, bin
ich jetzt durch freundliche Mittheilung anderer Forscher in den Stand
gesetzt über diesen nicht unwichtigen Chronisten des 7. Jahrhunderts
einige aus Handschriften geschöpfte Nachträge vorzulegen, die den
auf diesem Gebiet thätigen Arbeitern willkommen sein werden,
I.
Den ^^ ersten dieser Nachträge verdanke ich Herrn Professor
Schäfer in Bonn und glaube ihn hier nicht unterdrücken zu dürfen,
obwohl er in der kürzlich in Bonn erschienenen Inauguraldissertation
des Herrn Dr. A. Köcher^ bereits Erwähnung gefunden hat. — Ale-
mannus theilte in seinem Commentar zu Prokops Anekdotis aus einer
vaticanischen Handschrift zwei Bruchstücke unter dem Namen des
Johannes von Antiochia mit, die in den sonst bekannten Fragmenten
desselben nicht wiederkehren und die, da sie Justinian betreffen, von
Müller vermuthungsweise dem damals unbekannten Schluss des con-
stantinischen Titeh TieQUmßovXöjv beigelegt und also als fr. 217. 218
seiner Sammlung der Fragmente des Johannes einverleibt wurden.
Indess von Verschwörungen handeln diese Bruchstücke nicht, und
in den inzwischen vollständig bekannt gewordenen wirklich von
Johannes herrührenden Excerpten dieses Titels haben sich die beiden
*) [Hermes 6, 1872, S. 323-383.]
1) De loannis Antioeheni aetate fontibus auctoritate Bonn 1871. Mir lagen
durch Herrn Schäfers Güte dieselben von Herrn Dr. Kruse in Rom herrührenden
Mittheilungen vor, aus denen Herr Köcher geschöpft hat.
Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 711
alemannischen nicht gefunden. Andererseits haben die auf Herrn
Schäfers Yeranlassung im Vatican angestellten Nachsuchungen die
von Alemannus benutzte Handschrift wieder ans Licht gezogen; es
ist cod. Vat. Graec. 96 saec. XIV oder auch der wahrscheinlich aus 324
dem eben genannten abgeschriebene cod. Vat. Palat. 93 ebenfalls
saec. XIV. Der erstere enthält nach den ßioi (pdoo6(pojv des Diogenes
Laertius und den ßioi ooqpiojcöv des Philostratus die ägyaioloyia
'Icodvvov 'AvTioyewg eyovoa xal diaod(pr}oiv rdtv fiv^evofxevoiv, welche
nach der salmasischen Abschrift cod. Paris. 1763 bei Gramer (anecd.
Paris. 2, 3S3 — 401) und nach ihm von Müller abgedruckt ist^ Diese
Auszüge füllen in der Handschrift 96, in welcher eine übrigens am
Rande bemerkte Blattversetzung stattgefunden hat, die Blätter 99 — 102.
106 — 111. 103; auf sie folgen andere aus dem Agathias, denen der
Name, wenn auch erst von zweiter Hand, vorgesetzt ist, auf den
Blättern 103' — 105. 112 — 114'; daran schliesst sich die noixiXr] imogia
Tiegl Ccocov idiojrjTog von Aelian. Die fraglichen beiden Fragmente^
bilden den Beschluss der Fragmente des Agathias, und werden
also zunächst bei diesem zu suchen sein. In der That ist das zuerst
stehende (fr. 218 bei Müller) zusammengesetzt aus den Angaben des
Agathias p. 301, 6. 303, 5. 305, 16, und auch das zweite nichts als
eine allerdings sehr willkürliche Redaction des von Agathias p. 332 fg.
mitgetheilten Schreibens Justinians an den Hunnenfürsten Sandilchos;
womit also diese Frage ihre Erledigung gefunden hat.
1) Dieselbe findet sich auch in dem Neapolitaner Codex 1. E. 22, wie nach
Bachmann Müller a. a. 0. p. 235 bemerkt hat. Wenn Köcher sagt: inedita res-
tant ea fragmenta (des Johannes), quae codicibus Neapolitano, Vaticano et Escuria-
lensi insunt, so ist dies — von den spanischen abgesehen — falsch; denn die
vaticanischen wie die neapolitanischen sind ja nichts als die wohlbekannten,
auch von Köcher eben vorher angeführten salmasischen. Von den Johannes-
fragmenten der vaticanischen Handschrift 96 hat Hr. Kruse eine Collation ge-
nommen : zur Probe gebe ich die Abweichungen des fr. 200 Müller. § 1 tw^ im-
diScoai] (bg i:Ti ri diScooi — t^ Avyovaxi] — tov vor Ma^iuov wie vor 'Aertov fehlt
— TOV ßaodeoig] tov ßaadsa (wie der Salm.) — § 2 ovTog] ovTCjg — Evdo^ia] i)
Evdo^ia — OTi nach (prjalv fehlt — Tr;v :töXiv] ttjv te nöltv — Ttjv ^vyaxioa] xa;
^'yaTsgag — ßaadscog] tov ßaodscog. Der Text wird hie und da in Kleinigkeiten
berichtigt, wie man sieht; wesentlich Neues giebt die Handschrift nicht. Die
neapolitanische ist auf den Johannes noch nicht untersucht; doch wird sicher
von ihr dasselbe gelten. [Über die Handschriften der sog. Exzerpta Salmasiana
und ihr Verhältnis zu einander s. jetzt C. de Boor, Zu Johannes Antiochenus
im Hermes 34, 1899, S. 298 ff. und 480. Derselbe teilt mir mit, daß er die voll-
ständigen Kollationen besitzt.]
2) Die Abweichungen der Handschrift von Müllers Text theilt Köcher p. 2
mit, ohne auf das Verhältniss der Stellen zu dem gedruckten Agathias weiter
sich einzulassen.
712 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.
325 n.*)
Von positivem Werthe sind dagegen die jetzt endlich vollständig
bekannt gewordenen Fragmente des constantinischen Titels Ttegl
emßovköjv. Von diesem scheinen nur zwei Handschriften sich er-
halten zu haben, die Pariser N. 1666 und die der Bibliothek des
Escurial I. ü. 11. Jene enthält nichts als die Auszüge aus dem
Johannes von Antiochia und auch von diesen fehlt der Schluss; ihr
Inhalt wurde zuerst durch J. A. Gramer (1839) ans Licht gezogen.
Die Inedita der Madrider Handschrift sind bekanntlich durch K.
Müller und A. Feder grösstentheils bekannt gemacht worden; durch
einen wunderlichen Zufall indess wurde von beiden der in der Pariser
Handschrift fehlende Schluss der Excerpte des Johannes übergangen,
nicht minder die Auszüge aus dem Johannes Malalas und dem Georgius
Hamartolus. In Folge dessen ersuchte ich Herrn Professor Geppert
bei der von ihm für andere litterarische Zwecke unternommenen
Reise nach Spanien auch diese seinen eigenen Studien fern liegende,
aber für den Historiker empfindliche Lücke auszufüllen; und kurze
Zeit darauf sandte mir derselbe die mit grosser Sorgfalt gemachte
Abschrift sowohl der Schlussstücke des Johannes ^ wie der gesammten
Auszüge aus Malalas. Die beste Anerkennung dieses mühevollen
und mit Aufopferung eigener Interessen von Herrn Geppert den
ferner stehenden Fachgenossen erwiesenen Dienstes schien die
schleunige Bekanntmachung alles dessen zu sein, was von diesen
Abschriften für den Druck geeignet ist^, indem auch ich nicht blos
*) [Die in diesem Abschnitt edierten und commentierten Exzerpte aus
Johannes von Antiochia sind inzwischen von de Boor (Excerpta historica iussu
Imp. Constantini Porphyrogeniti confecta, vol. III: Excerpta de insidiis, Berlin
1905) S. 138 S. auf Grund einer neuen Collation der Madrider Hs. herausgegeben
worden. Dennoch erschien es wünschenswert, diesen Abschnitt unverkürzt
wiederzugeben, da der historische Commentar, mit dem Mommsen die Exzerpte
ausstattete, unersetzt ist, aber ohne den Text der Exzerpte nicht voll verständlich
sein würde. Text und kritischer Apparat sind nach der genannten Ausgabe
revidiert, die Abweichungen von Mommsens Ausgabe aber nur in Ausnahmefällen
ausdrücklich bezeichnet worden.]
1) Nach Abschluss der Arbeit geht mir der fünfte Band von K. Müllers
fragmenta historicorum Graecorum zu, der die Fragmente des Johannes nach den
Abschriften des Herrn Bussemaker bringt. Ich habe die Mittheilung in diesen
Blättern dennoch nicht unterlassen, da jenes Werk wohl manchem, der sich für
diese Forschungen interessirt, nicht zukommen wird, auch die neuen Bruchstücke
des Malalas darin so gut wie ganz fehlen.
2) Herr Geppert verglich auch Müllers fr. 214 §1-6 [FHG IV S. 620f.]
mit dem gedruckten Text und bemerkt daraus folgende Variauten: § 1 xai
Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 713
andere dringende Arbeiten zurückstelle, sondern auch Bruchstücke
bekannt mache, die sachlich und spracbUch wohl einen geeigneteren
Herausgeber hätten finden können. Indess in letzterer Hinsicht
habe ich meinen Freund Hercher auch hier, wie so oft schon, um
seinen kundigen Beistand ansprechen können; die unten mitgetheilten 326
Yerbesserungsvorschläge gehören, so weit sie irgend von Belang
sind, ihm alle an. AVas aber die sachliche Erklärung anlangt, so
werden die von mir hinzugefügten historischen Erörterungen wenig-
stens insoweit genügen, als sie über das Yerhältniss der neuen
Berichte zu den früher bekannten orientiren; was weiter erforderlich
ist, wird schon von den Beikommenden gehörigen Orts nachgetragen
werden. Yielleicht darf ich diese daran erinnern, dass nicht freie
Wahl, sondern der Zufall und die in dem Zufall liegende Verpflich-
tung mich zur Herausgabe dieser Stücke berufen haben.
In Betreff der Beschreibung der Handschrift habe ich dem
sorgfiiltigen Bericht Feders (excerpta e Polybio u. s. w. Darmstadt
1848—1855) p. IV fg. nichts hinzuzusetzen. [Vgl. de Boor S. Xf.]
'Yjidjov de Tov Aoyyivov xaiu rov e^rjg änoöeöeiy fievov yQÖvov, f. 148
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5 oxsva^öfzevov. ka/ujigdv de dvadrjoa/nevcov vixrjv tcöv 71€qI tov
'Odoaxgov, JiQOohi de xal nEfJ,xpdvTCOv öcöga rcp Zt]V(ovi xwv Xaqw-
Qcov, OMongoonoirjodfievog ovvrjdero xöig ngax&sTocv. oi de xfj 'IXXov
xal Aeovxiov Jigooedgsvovxeg TioXiogxiq juexd xö emxvxeiv xov dvxt-
(pgovgiov TioXXdig jurjxav^fJ'aoiv eygwvxo. dvxixa&eCo/uevcov de xcöv
10 oxgaxevjudxcov xal ig Xoyovg cpiXiovg ovvfjX&ov "IXXovg xe xal 'loidwrjg
6 2!xv'&r]g, xal ygdf.i/uaxa Jigog xov Zi]vcova öiejiefj,if'axo vTio/uijuvt]-
oxcov avxöv xfjg ngoxegag evvoiag. (bg öe ovöev JiXeov edga, av&ig
ev xo7g ojiXoig iyevovxo. xco de e^i]g exet Seodwgiyog enaveXdoiv
ex Noßcbv eoxgaxoTiedevoev ev x0 XeyojLievw 'Prjyicp xal xaxaxgeyei
15 xd 7i).r}Giov. 6 de ye Zrjvoiv ßovXo/iievog avxöv vnoxXlvai, fjv elxev
11 [SisnsfiyjaTo (sc. 'IXäovs) de Boor, öiesrsftipavTo die beiden Hds.] \] 12 mit
ai'Tov bricht die Pariser Hds. ab. i| 14 xarargixei] xaTeg^erai Hds. [de Boor im
Text]
'I/./.OV statt xaxä tov 'IXXov (wie die Pariser Hdschr.) — § 2 o* 8e dij äilot statt
Ol 8k äD.oi — § 3 viä xov avxov ä^ioxTEivavrog statt oia xov avxov cutoxxtivavxa —
ßovotpavxiavaig statt ßovo(faxiavatg. — § 6 xao8ä).o}v statt xao8äu(ov. [Dies Stück
jetzt bei de Boor S. 136 f.]
714 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.
avrov ädelcptjv rfj ßaodidi ovvdiaircojusvrjv äjiSTiejUJiev en nolefxovvri
ä/xa noXXcö itkovicp, ojioxeqov MeXot didovg' ix rovde voeiv rjv cbg
q)do7ioiov/uevog eri. juetd de xrjv OeodcoQixov xfjg JioXiogxiag
djiaXlayrjv "Av&ovoa fi xov 'IXkov d'vya.xrjQ ev xcb cpQovqicp /xerrj}.-
20 Xa^EV, e^ ovTisQ judXiora 6 'IXXovg xaxooXiycoQsi x'^g cpvXaxrjg xcov
327 evöov. xai 6 xcov üegocüv ßaodevg UeQoCrjg T ßiovg xQOvovg juexd
xov Jtaxega 'lodiyegdrjv ßaodevoag heXevxrjoev ev xcb jiQÖg xovg
öjuoQOvvxag Ovvvovg noXe/uo). evög de diayevojuevov XQOvov Kaßd-
dr]g xrjg ßaodeiag xgaxeT, dXXd xai avxög £| emßovXiig x&v ev xeXei
25 xivcöv xfjg fjyeixoviag (hod'elg ev cpQovQiq) xad-eiQX'&i]- exei'&ev xe
f. 148' Xd'&Qa diaq)vydiv Jigög xovg || Kadiorjvovg Xeyo/uevovg Ovvvovg d(pixveT-
xai xai öl' avxcbv av'&ig xrjv ßaodeiav xxrjodjuevog xovg emßovXev-
oavxag dvedev. enQd'/pri de xai fj xov q)QOVQLOv Xegqig xaxdXrjxpig
XQOTicp xoiüide. 'Ivöaxbg 6 Koxxovvrjg ndXai xr]v uQoöooiav jueXexdJv,
30 äfia de xai xyjv cpvXaxrjv xov egvjuaxog emxexQajujuevog , jieid-et xov
'IXXovv e^co xov (pQOVQiov xovg djicp" avxov Jiagaoxevdoai , (bg dr}
x(bv evavxicjov did xrjg vvxxög emovxwv, avxov xe ä/xa Äeovxico ev
xcö ovvTJ'&ei xaxevvao'&fjvai xoixcbvi. o de vvxxög emXaßojuevrjg did
xov TjQefiovvxog juegovg xaXcodiov xa^elg xovg evavxiovg dvdyei. xai
35 TiQcbxa juev ol xcov jivXcöv (pvXaxeg dnoocpdxxovxai , eneixa ßorjg
dxovo'&eiorjg, (bg e'&og eoxl 'Pco/xaioig Xeyeiv, ' Zrjvojv Avyovoxe xov^
ßixag' JtaQaygrjjua juev 'Ivdaxög xai ol ovv avxco Ttgodövxeg dvai-
Qovvxai, 'IXXovg de xai Äeövxiog eig xö xejuevog xov judgxvgog K6va>-
vog xaxacpevyovoiv. xai xov Aeovxiov ßovXrj'&evxog dveXeiv eavxöv
40 eneoxev 'IXXovg' cbg de eig avxovg yjX'&ov ol evavxioi, Jigög ßiag
exßdXXovxai xai ^vXonedaig de'&evxeg vnb xcöv axQaxioixwv äyovxai. xai
6 [lev 'IXXovg noXXd xai elncov xai ödvgdjuevog fjxrjoe xovg negl
IlavXov xai 'IXXovv xovg dovXovg avxov yevojuevovg x6 juev xfjg
'&vyaxQÖg ocojua ev Tagoäf xaq)fj dovvai, xrjv de yajuexrjv dvv-
45 ßgioxov cpvXd^ai xai xov ovxoig evvovv yevojuevov Kövcova xov
dvdqa cpeidovg xv^eTv. ol de ojiovdaiwg xavxa ejiexeXeoav xai x6
juev oöjjua ovv xi] 'IXXov yajuexfj xai xfj naidl GexXt] eig xö evxxrJQiov
xcöv y naidoiv ev Tagoä) dneoatoav , avxovg de juixqÖv e'ia> xov
cpQOVQiov Xaßovxeg xai jioXXd jzgög xö d'eTov ovv ddxgvoiv djiemovTag
50 xai xdg x^^QO.? ^^g xöv ovqavöv dvaxeivavxag xcöv xecpaX&v dnexejuov.
doxQajial de xai ßqovxal ovv yaXd^tj xai dve/xco xaxd xwv nagovxcüv
fjvex'O'rjoav , xai 6 dveXwv avxovg e^eoxt] xai ävavdog ev Tagocö
17 i]v Müller, t} Hds.] H 20 xatcoliyögei Hds. || 21 [| vermutet Müller] || ßiovs
zu tilgen || 23 6[xoQoovvxag Hds. || 29 'Mavxbg Hds. || 32 avxög Hds. || 49 laßövxsg]
dyayovxeg ?
Brachstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 715
exofua^. Zijvcov de tag xecpaXäg tovtcov ds^d/aevog dvrixov rfjg
noXecog äveoxoXomosv xal Kovcova ^avfidaag ^eQa:ieiag d^iovodai 328
ö5 VTOOoeza^Ev. d/x' 6 jmv eqr^ xdv -^dvarov 'IX Xov te xal Aeovriov i.\A^
fxa'&eTv xal anaoa^ag iavxöv djießiov. 6 de ßaadevg öeivwg äjiaai
TÖig dXovoiv hceitjei rovg juev dvaigaw ;^vdi7v, xovg de jfov oi'oubv
äXkozQi&v. To de BijQivTjg oatjua ig rrjv Kcovoravxivov ßaaiXixcbg
exrjdevoe, xal Jigög xw xov dvdoog xaxa^e/uevog juvrjjuaxi Ävyovaxav
60 ovo/xd^eodai diexeXevoaio. nXelord xe xcbv ev 'laavoiq (pQovoiwv
xaxeXvoev, xal ol xfjg 'IXXov xexoivwvnxozeg Jioodooiag oixxiaxoig
dicoXovxo davdxoig, Koxxovvrjg xe o deiXaiog xal Kovoiv 6 dygecljxtjg
xal Äoyyivog 6 xov Aoyyivov naig xal 6 Tgoxovvdov vjiaojiioxijg
'ÄQxe/LudaiQog.
Das Bruchstück*) berichtet den Ausgang des einst so mächtigen
Isauriers Illus. Johannes erzählt in den schon bekannten Auszügen,
wie Illus mit dem Leontius, den er vergeblich versucht hatte an Zenos
SteDe auf den Kaiserthron zu setzen, mit der Schwiegermutter Zenos
und der erbittertsten Feindin desselben, der Yerina und seinen
sonstigen Getreuen in dem festen Schloss Cherris ^ von dem Feldherrn
Zenos Johannes dem Skythen belagprt wird, wie während der Belage-
nmg Zenos Schwiegermutter und ein anderer seiner Getreuesten
Namens Marsus^ rasch nach einander starben, Illus und Leontius,
den Muth verlierend, jener sich mit Bücherlesen beschäftigte, dieser 329
nichts that als klagen und jammern, während sie die Yertheidigung
dem Indakus Kottunes überliessen, der in früheren Jahren als Haupt-
mann einer Räuberschaar in dem isaurischen Bergschloss Papurion
57 aX<öaiv ens^Ui Hds. |j 60 :iK£iaxöv Hds.
*) [Zu dessen Anfang machte Mommsen in demselben Bande des Hermes
S. 496 folgende nachträgliche Bemerkung:]
Prof. Dümmler macht darauf aufmerksam, daß durch die Nachricht Z. 3,
Zeno habe die Rugier gegen Odovakar aufgehetzt, zuerst die Beweggründe für
dessen Zug gegen Fevva klar werden.
1) Es kommt dies nur hier vor und in den aus derselben Erzählung ge-
flossenen Bruchstücken bei Suidas unter 'Ivöanog und XeooeoH (poovoiov.
2) Den Marsus erwähnen Candidus (Müll. 4. 137). Theophanes zum J. 5972
[1128,9 de Boor], Euagrius 3,27 und Damascius bei Photius cod. 242 p. 352
Bekk., femer unter den Begleitern des Illus Malalas in einer in unserem verkürzten
Text fehlenden, aber in der Handschrift des Escurial erhaltenen und unten
[S. 371] abgedruckten Stelle [nicht wieder abgedruckt: s. u. S. 750*. Bei de Boor
a. a. 0. (o. S. 712*) auf S. 165]. Malalas nennt ihn tov aro i-.TaTwv Mdoaov. Da-
mascius schliesst die Aufzählung der Christenfeinde, die dafür das Verderben
traf, mit Marsus und Illus.
716 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.
sich durch die Tapferkeit seines Armes und vor allem die unerreichte
Greschwindigkeit seiner Füsse einen Ifamen gemacht hatte. Das
Aussenwerk war bereits gefallen und die von Illus an Zeno gesandte
flehentliche Bitte ihm in Erinnerung der alten Freundschaft Gnade
angedeihen zu lassen ohne Erfolg geblieben. Hiemit setzen die
neuen Bruchstücke ein, die, wie über den früheren Gang der Dinge
Johannes hauptsächlich Aufschluss gegeben hat, so auch den Ausgang
zuerst genau berichten^. Es starb während der Belagerung auch
Anthusa, die Tochter des Illus, und dieser Hess sich immer mehr
von der Muthlosigkeit übermannen. Das Ende aber kam nicht
durch Gewalt, sondern durch Yerrath^. Der factische Befehlshaber
der Feste Indakus^ veranlasste den Illus durch die Versicherung,
dass ein nächtlicher Angriff bevorstehe, die Besatzung vor der Festung
330 aufzustellen: und während der Nacht zog er dann an den von Truppen
entblössten Theilen der Mauer Soldaten des Johannes mit Stricken
herauf. Diese besetzten die Thore, machten die Wachen nieder,
und erst das Geschrei der Sieger Zeno Auguste tu vincas erweckte
den Illus und den Leontius, die wie gewöhnlich in ihren Betten
1) Die sonst hierüber vorliegenden Berichte sind die folgenden. Candidus
erzählte im 3. Buch von Leontius und Illus : knoXioQxrj'&rjaav xal aXövrsg djTEr/j.ij&r]oav
(Müller 4, 137). Auch Eustathius beschrieb (nach Euagrius 3, '27) ausführlich
das klägliche Ende des Illus (Müller 4, 140). Marcellinus zum J. 488 [chron.
min. II p. 93]: Leontius interrex et Illus tyrannus in Papyrio Isauriae castello
capti decollatique sunt: capita eorum Constantinopolim adlata praefixa hastilibus
tabuere. Daraus schöpft Jordanis (de regn. succ). Theophanes zum J. 5980
[I p. 132 de Boor]: rovtco xä> erei "IXXog xal Äeövriog ^exa noXXovg jioXsfiovg etil
TEaaaga hr) qjgovQovfxsvoi iv reo JJanvQiov xaarsXXJq) ixsiQW&tjaav Tigodooia xov
a8e}.(f>ov xfjg yafiexijg Tgoxovvöov öoXco ns/LKpd'svxog vno Ziqvojvog. xal djrex/nij&rjaav
xal al XECpaXai avxcov ejiEfj.cpßr)oav xcö Zrjvcovi xal Eiorjvsx&rjaav eig xovrovg iv xq>
Ijimxü) xdxsT§sv sjidyrjoav nsgav iv üvxatg Jigog ■&Qca/xßov. Damit stimmt wörtlich
Theodorus Lectör 2, 3 p. 571 Reading. Victor Tuununensis zum J. 488 [chron.
min. II p. 191]: Leontius tyrannus et Illus patricius proditione castelli capti morte
turpissima pereunt. Codinus de aedif. p, 84: (pvycov 6 'IXXog sig ri <p()ovQiov jiags-
86{}rj vno xwv olxeiwv avxov dovX.wv xal djiexfitj&tj xrjv xecpaXJp' nagä ^Icodvvov xov
Qr)§ivxog' GvX).aß6[xsvog 8e xovg äg^ovrag xal xtjv x£(paXrjv 'IXXov im Sogarog
fjveyxe Zi]vcovi. Zonar. 14, 2 p. 257 Dind. Malalas p. 389 der Bonner Ausgabe,
etwas ausführlicher in den Excerpten des Escurial (s. u. [Hermes S. 372 = de Boor
p.166]).
2) Dass Illus verrathen ward, sagen auch die übrigen Berichte; den Ver-
räther aber nennt keiner, nur Theophanes bezeichnet ihn als den Bruder der
Gemahlin des Trocundus, des Bruders des Illus. Dass dieser Schwager des
Trocundus eben Indakus war, ist kein Grund zu bezweifeln.
3) Vgl. über Indakus Johannes Antioch. fr. 206 und die dazu von Müller
angeführte Stelle aus dem Suidas.
Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 717
schliefen. So fiel das CasteU. Hlus und Leontius flüchteten sich in
die Kirche des Märtyrers Konon^; Leontius wollte sich das Leben
nehmen, aber Illus hielt ihn davon zurück, Wenn er es that, weil
er noch auf Gnade hoffte, so hatte er sich geirrt. Ohne Rücksicht auf
das Asylreeht der heiligen Stätte drangen die Soldaten in den
Tempel ein, schleppten die Gefangenen hinaus und legten sie in
Fesseln. Die Führer derselben waren zwei gewesene Sclaven des
Hlus, Paulus 2 und (wenn der Name richtig ist) ein anderer Illus;
sie hatten jetzt an ihrem ehemaligen Herrn das Todesurtheil zu voll-
strecken. Er bat sie die Leiche seiner während der Belagerung
gestorbenen Tochter Anthusa nach Tarsos zu bringen — er scheint
dort ein Familienbegräbniss gehabt zu haben ^ — und seiner Gattin
so wie seiner überlebenden Tochter Thekla und ihres Gatten Konon*
zu schonen. Sie vollzogen die Aufti-äge ihres jetzigen wie ihres
ehemaligen Gebieters. Der gewesene Kaiser Leontius und der
während Zenos bisherigen Regiments fast mit grösserer Macht als
der Kaiser selbst schaltende Illus wurden vor das Castell geführt
und erlitten unter Thränen ihr Geschick bejammernd den Tod durch
Henkershand. Die Leiche der Anthusa sandten die Diener des
Kaisers nach Tarsos zur Beisetzung in der Kirche der drei Knaben
und eben dahin des Hlus Gemahlin und Tochter. Die Häupter aber
der Hingerichteten wurden dem Kaiser geschickt und nach damaliger 331
Sitte auf Stangen öffentlich aufgestellt. Den Konon dachte der
Kaiser zu begnadigen; aber als er den Tod des Leontius und des
Illus erfuhr, nahm er sich das Leben. Die Leiche der Yerina, der
Gemahlin des Leo und Mutter der Kaiserin Ariadne , wurde auf
Befehl des Kaisers nach Constantinopel geführt imd hier ehrenvoll
1) Vergleiche über diesen selten erwähnten Heiligen von Ikonion Tülemont
mem. potir servir ä Phistoire eecl. 4, 355, auch Prokop de aedif. 5, 9.
2) Diesen nennt Johannes kurz vorher fr. 214 § 4 als einen der beiden gegen
Illus gesandten Flottenfuhrer und zugleich als Schatzmeister: Ilavlov rov ix
dov/.cov ysv6/.ievov avzov oay.EU.äoiov . Es ist gewiss nur Entstellung dieses Berichts,
wenn Codinus den Illus von seinen eigenen Sclaven nicht enthauptet, aber ver-
rathen werden lässt.
3) Tarsos ist in der späteren Zeit die Metropole der drei Provinzen Kilikien,
Isaurien und Lykaonien (Waddington zu Lebas inscr. 3, 1480). Illus war, wie
Zeno, aus Isaurien gebürtig. Natione Isatirus heisst er bei Marcellinas zum
J. 484 und bei Malalas p. 385 Bonn. Vgl. Johannes fr. 211, 2.
4') So scheint der wahrscheinlich verstümmelte Text aufgefasst werden zu
müssen. Warum dieser Konon von Johannes als ovzoj? evvov; yevönsvog bezeich-
net wird imd bei Zeno so besondere Gnade findet, erhellt nicht.
718 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.
neben ihrem Gatten beigesetzt i. Im Uebrigen erging über die an
dem Aufstande Betheiligten ein entsetzliches Strafgericht. Die Ge-
nossen des Illus, Artemidorus der Leibwächter des Trocundus, des
Bruders des Illus 2, ferner ein Sohn des Longinus ^ und andere mehr,
ja sogar Indakos selbst*, durch dessen Verrath das Castell den
Kaiserlichen überliefert worden war, wurden unter Martern hin-
gerichtet; wer nicht am Leben gestraft ward, verlor mindestens
sein Vermögen. Eine Anzahl Burgen in den isaurischen Bergen
wurden geschleift; aber die Annonae, welche Illus den Isaurern aus-
gesetzt hatte, im Gesammtbetrag von 1400 Pfund Gold, wurden
denselben auch von Zeno gelassen^, sei es, weil auch er sich als
Isaurer fühlte, sei es, was wahrscheinlicher ist, dass er diesen Schritt
zu thun nicht wagte.
In diese Erzählung von Illus Ende sind einige die Reihenfolge
der persischen Könige betreffende Notizen eingelegt. In dieser
Hinsicht begnüge ich mich darauf hinzuweisen, dass über Isdigerdes,
332 Perozes und Kabades ähnliche Angaben bei Agathias 4, 27. 28 zu
finden sind; vgl. auch Clinton fast. Rom. zum J. 482 und Bd. 2, 261.
Die Kadisener nennt Prokop de hello Pers. 1, 14.
1) Dies berichtet auch Theophanes zum J. 5975 [I 129,25]: ixsta xQÖvov
dvExo/iiiodrj elg to Bv^dvriov iuio 'jQeäövrjg. Der Befehl sie Augusta zu nennen
kann darauf bezogen werden, dass sie bei ihrer Verbannung vom Hofe diesen
Titel verloren hatte, jetzt aber dennoch als Augusta bestattet und nach dem
Tode geehrt ward.
2) Ihn nennt Johannes auch fr. 214, 4.
3) Welcher Longinus gemeint ist, ist nicht klar; wir kennen unter den
Anhängern des Illus keinen dieses Namens. Dass es der eigene Bruder des Zeno
sei, ist nicht glaublich. Ebenso unbekannt ist Kövcov 6 dyQscortjg oder vielmehr
dyQoicozrjg. An Konon den Bruder Zenos (Zonaras 14, 2 p. 255 Dind.; Suidas unter
Aöyyivog) ist wohl nicht zu denken.
4) KoTTovvrjg 6 deiXaiog scheint identisch mit dem Indakos, dessen Tod mit
dem der übrigen Verräther Johannes vorher schon berichtet hat. Johannes
selbst mag freilich beide für verschiedene Personen gehalten haben.
5) Dies zeigt Johannes später (S. 339 Z. 50 [S. 725]). Vgl. Jordanis de regn.
succ. [p. 46, 4 Momms.] : contra quem (Anastasium) , dum sibi quod Ulis tyi-annus
nie adieccrat donativum et Zenon reeonciliationis gratia invitus largierat ab isto
fraudantur. Euagrius bist. eccl. 3, 35: evxevd'Ev xal tu xaXovf^isva jtqcötjv 'laavgtxd
roTg ßaaiXixoTg iarjvex&f] &r]aavQoTg' fjv ök äga zovro yQvaiov ig sxaozov ezog ßagßd-
QOig x^QrjyovixEvov nevzaxiaxMo.? i'Xxov Urgag.
Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannns Malalas. 719
'Oxi Oeodcogr/og xal 'Odoaxoog ovv&^xag xal ^v/bißdaeig bioitj-
oavro TiQÖg dXÄij/.ovg äficpco fjydo^ai rfjg 'Pco/uaicov äQxrjg xal Xouidv
fjoav avroTg evrev^eig Jia^ äXXrjkovg (ponwai ovyvai ovnco de
fjvveio fj^eoa dexdrr] xal xov 'Ododxgov yevofxevov nagd rov 0eo-
5 dwQiyov noooeX^ovxeg rcov avrov ävögeg ovo rag rov 'Ododxgov,
äre ixhai yevö/Lievot, xareyovoi yelgag. /jie&' o rcov TigoXo/jo^evrojv
ev rolg nag' ixdrega olxioxoig ETieX^övrcov ä/ua roTg ^[(peotv, Ix de
rrjg -deag xaraTikayEvroiv xal ovx eTiiri&ejuevcov rä> 'Oöodxgm Qeo-
öcogiyog ngooögafidiv Jiaiei rä> ^i(pei avrov xard rrjv xXelöa, eisiövra
10 de 'nov 6 'deog;' ä/ueißerai 'rovro eariv o xal ov rovg ejuovg edga-
aag' rrjg de JiXrjy^g xaigiag xal fleugt rrjg oacpvog dtel&ovorjg ro
'Ododxgov ow/ua ebieiv tpaoiv 0eoda>giyov (bg 'rdya ovde oarovv
fjv rw xax(b rovrcp' xal rov juev nefxxpag e^io §djirei elg rag ovvo-
dovg rcöv 'Eßgaicov ev h&ivr} kdgvaxi, err] ßeßicoxora ^, dg^avra
15 de id' , rov de ddeXcpov rovrov ev rä> re/uevei qwyovra xarerö^evoe.
ovveyoiv de xal ri]v 'Ododxgov ya^ieri]v 2ovviyiXdav xal 'OxXdv
rov naida, ov 'Odoaxgog Kaioaga änedei^ev, rovrov fiev exTie/nJiei
elg Fakkiav, exel&ev de dnodgdvra xard rrjv 'IraXiav dia<p^eigei,
rrjv de vjio Xi/uov q^govgovjuevrjv c^rjyaye rov ßiov.
»
Ich fasse hier zusammen, was die Auszüge für Theodorich I^eues
bringen. Johannes Nachrichten über ihn, so weit sie bekannt waren,
reichten bis zum J. 4S6, in dem (wenn Johannes richtig datirt hat)
Theodorich, der damals in Novae in Niedermoesien residirte^, mit
Zeno brach und Thrakien verwüstete. Die jetzt zum Vorschein ge- 333
kommene Fortsetzung der Erzählung hebt damit an, dass dieser
Zug im folgenden Jahr (487) wiederholt wird: Theodorich bricht
von Novae auf und gelangt bis nach Rhegion, womit die Station
dieses Namens auf der Strasse von Serdica nach Constanänopel, nur
12 Milien von der Hauptstadt entfernt, gemeint ist 2. Zeno sendet
3 aXXriXoig Hds. H 5 x&v aurotJ] tcöv exeX&Bv'i fl dv(o Hds. H 16 viehnehr öi/ior.
18 diatf&EiQeTai Hds.
1) Anon. Vales. § 42 [chron. min. 1 314] : ad civitatem Novam. § 49: rf« civitaU
Nova [ib. 316]. Marcellinus zum J. 487 [chron. min. II p. 93]: ad Novensem Moesiae
civitatem. Eugippius vita S. Severini c. 44 [p. 52, 16 ed. Monunsen]: apud Nocas
civitatem provinciae Moesiae. Ohne Zweifel ist Novae in Niedermösien an der
Donau nicht weit von Rustschuk gemeint, wie auch Jordanis Goth. 18 bestätigt.
Vgl. Böcking zur not. dign. or. p. 467 : Zeuss S. 427.
2) Itin. Hierosol. p. 570. Marcellinus [S. 720 A. 1] nennt dafür Melentias,
auf derselben Strasse 18 Milien von der Hauptstadt.
720 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.
die Schwester Theodorichs, die am Hofe von Constantinopel bei der
Kaiserin Ariadne sich aufhielt, mit reichen Geschenken an den
Gothenkönig und es gelingt denselben zur Aufhebung der Belagerung
zu bestimmen ^. Jene Schwester kann keine andere sein als Amala-
freda, die spätere Gemahlin des Vandalenkönigs Thrasamund; von
ihrem Aufenthalt am Hofe von Byzanz, wo sie vermuthlich als
eine Art von Geissei für den gefährlichen Statthalter von Thrakien
verweilte, ist weiter nichts bekannt.
Belehrender ist das Bruchstück, das die Katastrophe des Odova-
kar berichtet. Wir besitzen über dieselbe bekanntlich zwei Ueber-
lieferungen, die gothische, welche ohne Zweifel auf eine und dieselbe
wahrscheinlich officielle Quelle zurückgeht, bei dem Anonymus des
Valesius, in der ravennatischen Chronik, in den Kopenhagener Sup-
plementen zum Prosper, bei Cassiodor, Marius von Avenches und in
334 den beiden Büchern des Jordanis, woran sich weiter die rhetorische
Darstellung in Ennodius Lobrede auf Theodorich anschliesst ; ferner die
dem Ostreich angehörige in Marcellins Chronik und vor allem bei Pro-
kop (bell. Goth. 1,1). Beide stimmen darin überein, dass, nachdem
Odovakar in Ravenna eingeschlossen war, ein gütliches durch den
Bischof Johannes vermitteltes Abkommen dem mehrjährigen Kampf
zwischen den beiden deutschen Fürsten ein Ende machte. lieber
die Bedingungen aber gehen sie aus einander, und zwar in der
"Weise, dass nach jenen Odovakar sich dem Theodorich unterwirft,
nach diesen beide beschliessen fortan gemeinschaftlich zu regieren.
Denn, wenn auch die ravennatische Chronik und bestimmter noch
1) Ueber diesen Zug berichten sonst Marcellinus zum J. 487 [a. a. 0.]:
Theodorieus rex Gothorum Zenonis Augusti nmnquam beneficiis satiatus cum magna
suorum manu usque ad regiam civitatem et Melentiadam oppidum infestus accessit
plurimaque loea igne cremata ad Novensem Moesiae civitatem, unde advenerat,
remeavit. Prokop b. Goth. 1, 1: rör&oi, o'i im QQÖxrjg dövrog ßaodecog xarcpxrjvzo,
OTila im 'Pcofj,aioig ©svSeQt'xov acpioiv riyovfMEvov ävrtjQav. Theophanes p. 203
[I 131,9]: i^eX'&cov {Osvösgixog) iv xfj &Qq>crj xai arQaro:^s8evoäfA.svog ijzegxsrai tm
BvCavricp xal fiovfj (psidoT xfj jzsqI trjv tiöXiv, äg qiaoi, xQaxrjd'Elg ijiavsQxexai etg zijv
©Qcpcrjv. Malalas p. 383 Bonn: xal fiX'&s {0sv8sQi/og) xaxä rov ßaadimg Zrjvmvog
ecog 2vH(bv Jiiqav xaxevavxi Koivoxavxivovjiolscog xöipag xal xov ayoiybv x^g nölstog
xal Jioirjoag ■^fisgag noXXag xal fir/ Svvrj^slg ßldipai xov ßaadsa dvsxcögrjaev. Die
gothischen Quellen verschweigen den Angriff auf Constantinopel; charakteristisch
ist die Recapitulation bei dem Anon. Vales. § 49 [chron. min. I 316]: Zeno itaque
recompensans beneficiis Theodericum, quem fecit patriciwn et consulem, donans ei
multum ec mittens cum in Italiam, wonach man nicht vermuthen würde, dass
dazwischen die Berennung Constantinopels durch den Gothenfürsten fällt. Ganz
ebenso ist die ausführliche Erzählung bei Jordanis (Goth. 57 [p. 132 f.] und de
regn. succ. [p. 45]) gehalten.
Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 721
die kopenhagener Annalen diesen Yertrag als einen Frieden be-
zeichnend so kann doch nur als Unterwerfung gefasst werden, dass
Odovakar seinen Sohn Thelane als Geissei stellt und ihm dagegen
das Leben zugesichert wird 2; und gi-adezu als Unterwerfung bezeichnen
den Act der Redner Ennodius ^ und der rhetorisirende Historiker
Jordanis*. Der Byzantiner dagegen hebt zunächst die für beide
streitende Theile aussichtlose militärische Lage hervor und lässt
dann den Yertrag dahin abschliessen, dass Theodorich und Odovakar
in Ravenna in gleicher Stellung residiren sollten (enl t/) Totj y.al 6/uoiq
diaiTf] e^ovot). was auch, wie er hinzufügt, einige Zeit geschehen sei.
Zu diesem letzteren Bericht stellt sich nun, wie zu erwarten war,
der des Johannes; er stimmt völlig mit Prokop, aber er lautet bei
weitem bestimmter: OeodwQiyog xai'Odöaxgog avv^xag xal ^v/nßd- 335
oeig £7ioi}]oavro Jigog dXXi^Xovg äjU(pco fjyeio&ai zfjg 'Ptofxaicov äoxrjg.
Hier ist also auf das Bestimmteste gesagt, dass beide gedachten
über die Römer des Westens gemeinschaftlich zu herrschen ^, wobei
vermuthlich hinzuzudenken ist, dass jeder über seine Germanen,
Odovakar über die Rügen und Skiren wie Theodorich über die
Gothen, die Sonderherrschaft behalten sollte^. — Auch von dem
weiteren Hergang der Dinge lagen uns die beiden verschiedenen
Versionen , die gothische wie die byzantinische in allgemeinen Um-
li Ravenn. Chronik p. 668 meiner Ausgabe: facta est pax inter dotninum
Theodorieum regem et Odoacrem. Ebenso Agnellus p. 279 Bacch. [chron. min.
I 321]: invitat (Johannes der Bischof) nonim regem de Oriente venietUem et
subiit JRavennam III non. Martias. Kopenhagener Annalen p. 31 Hille [chron.
min. I 321]: Odoachar pacem ab Theudm-ico postulans accepit, qua non diu potittis
est, dediique obsidem filiutn suum. Theudoricus cum pacem cum Odoachar fecissd,
ingressus est Ciassem IUI k. Mar. ac deinde ingressus est Ravennam.
2) Anon. Vales. §54 [chron. min. I 320]: accepta fide securum se esse de
sanguine.
3) Ennodius p. 305 Sinn. [209, 11 Vogel] : ecce iterum ad deditiottem sibi
cögnitam hostium leto dehita pars cucurrit, ei cum excessissent occumhentes nume-
rum, ad serritium tarnen armis instruda radiarüibus agmitia convenerunt. Die
Stelle wird gewöhnlich (Dahn Kön. der Germanen 2, 79; PaUmann Völker-
wanderung 2. 453) auf den Vertrag mit Tufa bezogen, aber sehr mit Unrecht,
wie wir noch weiter sehen werden.
4) In der sogenannten Schrifl de regnorum successione [p. 45, 13] : Theodo-
ricus Odoacntm Ravenna in dedüione suscepU. In den Goth. 57 [p. 134] heisst
es: Odoacer ... missa legatione veniam supplicabat: et« d primum concedens
Theodoricus.
5) Eine verwirrte Erinnerung hieran liegt vielleicht den S. 334 A. 1 [0. A. 1]
angefahrten Worten des Agnellus zu Grunde.
6) Pallmanns Combinationen (2, 468) haben also keineswegs das Rechte
getroffen.
MOMMSEX, ?CHR. VII.
722 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.
rissen vor. Sie stimmen darin überein, das einige Tage nach Ab-
schluss des Vertrages^ Theodorich mit eigener Hand in seinem
Palast in Laureto den Odovakar getödtet hat 2; aber während die
Gothen einstimmig den Odovakar bezichtigen dem Theodorich nach
dem Leben getrachtet zu haben und dieser also nur dem geplanten
Meuchelmord mit gleichen Waffen entgegentritt^, beschuldigen die
Byzantiner vielmehr den Theodorich des Verraths: er habe den
Odovakar zur Tafel geladen und ihn, als er dazu erschien, mit
336 tückischer Hinterlist umgebracht*. Schon an sich kann es keinen
Zweifel leiden, dass der letztere Bericht, dessen Urheber weder dem
Odovakar besondere Gunst noch dem Theodorich besondere Ungunst
zuzuwenden Veranlassung hatten, allein Anspruch hat auf Glaub-
würdigkeit gegenüber dem erstem, in welchem in der That der
Mörder die Geschichte des Ermordeten schreibt. Jetzt erhalten wir
zum ersten Mal von byzantinischer Seite eine ausgeführte und lebens-
volle Schilderung des folgenreichen Ereignisses. Die beiden Könige
verweilten gemeinschaftlich in Eavenna und häufig fanden Zusammen-
künfte unter ihnen statt. Als einmal — es waren noch nicht zehn
Tage nach dem Frieden vergangen — König Odovakar den König
Theodorich besuchte, kamen zwei Männer ihm entgegen ihn um
Gewährung eines Gesuchs anzusprechen und ergriffen als Bittende
seine beiden Hände. Dies war das verabredete Zeichen: aus den
1) Post aliquot dks sagt der Anou. Vales. § 55 [chron. I 320], post paucos
dies Agnellus p. 279 [chron. I 321].
2) Am genauesten erzählt der Anon. Vales. § 55 : in Palatio manu sua Theo-
dericus eum in Lauretum pervenientem gladio interemit. Im Wesentlichen stimmen
damit alle anderen Meldungen überein.
3) Am ehrlichsten sagen die Kopenhagener Annalen [chron. I 321] : pacis
specie Odoachrem interfecit. Die übrigen haben für den Mord kaum einen Tadel.
Anon. Vales. § 54 [chron. I 320]: dum ei Odoachar insidiaretur, detectus ante (die
Handschrift, von der ich die Collation besitze, cante [es ist der cod. Berolinensis,
aus dem in den chron. a. a. 0. aber conte notiert wird]) ab eo praeventus. Cassio-
dor ehr. zum J. 493 [chron. II 159]: molientem sihi insidias interemit. Jordanis de
regn. succ. [45, 14Momms.]: ac si suspectum iugulans. Ennodius paneg. p. 305
[209, 13 V.] geht gar so weit dem Theodorich sein allzugrosses Vertrauen auf
die Redlichkeit des gewesenen Feindes vorzuhalten: credidisti quod fidem ad-
su^escerent . . . Servamt te, regum praecipu£, quod abiecisti sacramenti confidentia
cautionem. Pependimiis anxii, ne mererentur quos de hostibus tuis receperas non
perire. Gratias tibi, mundi arhiter deus, qui conscientias ...ad ultores gladios
impulisti . . . Libuit eos rursus tendenti inei'mem dextram Odovacri (d. h. nach
erfolgter Dedition) regna poUiceri.
4) Prokop b. Goth. 1,1: OsvdsQixog 'Odöaxgov Xaßcbv w? qyaaiv sjiißovi.f] ig
avzov XQcönevov, XQonco te doksQc^ kg ß-oivijv xaUaag eursivs. Bist. misc. 16, 20: a
Theoderico in fidem susceptus ab eo trucidenter peremptus est. Marcellinus zum
J. 489 [chron. II 93]: ab ... Theodorico periuriis inlectu^ interfectusque est.
m
Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 723
Nebenzimmern zu beiden Seiten stürzten Bewaffnete hervor mit
gezogenen Schwertern den Wehrlosen niederzustechen. Aber als
sie ihm gegenüberstanden, wagte doch niemand die Hand zu dem
ersten Streich zu erheben. Da trat Theodorich selbst in das Gemach
und durchstiess den König mit dem Schwert, so dass es bei dem
Schlüsselbeine in den Leib und bis an die Hüften eindrangt. Dir
thue ich, rief er dabei, was du den Meinen gethan hast 2. Und als
er die furchtbare Wunde sah, die sich sofort als tödtlich erwies,
meinte er, dieses Scheusal habe wohl nicht einmal einen Knochen
im Leibe gehabt. So starb Odovakar, im sechzigsten Jahre seines
Alters, im vierzehnten seiner Regierung^ und wurde in einem steiner-
nen Sarg bei der Judensynagoge beigesetzt. Der Bruder — es wird
der auch sonst öfter erwähnte Onoulf sein — , der sich in eine Kirche
gerettet hatte, wurde dort mit Pfeilschüssen erlegt*. Die Gemahlin 337
des Odovakar Sunigilda, die sonst nicht genannt wird, wird einge-
sperrt, sein Sohn Thela^, den der Yater — wie wir hier zuerst
erfahren — zum Caesar ernannt hatte, nach Gallien verbannt; als
dann dieser den Bann bricht und sich in Italien zeigt, wird er hin-
gerichtet und die Mutter im Gefängniss durch Himger getödtet.
Von den Massregeln, die gegen die Mannschaften des Odovakar
ergriffen wurden, erfahren wir aus Johannes nichts, dessen Excerpt
hier abbricht; aber anderweitig steht fest, dass Theodorich den
Befehl hatte ausgehen lassen dieselben mit ihrer ganzen Nach-
[Ol
1) Dabei scheint vorausgesetzt, dass Odovakar den Todesstoss in kniender
llung von oben herab empfing.
2) Damit wird auf denselben Vorfall angespielt, den auch Ennodius p. 298
Sirm. [206, 17 V.] als die nächste Ursache des Krieges zwischen Theodorich und
Odovakar bezeichnet: natu est felicis inter vos causa discordiae, dum perdueUes
animos in propinqtiorum tuorum necem Romana prosperitas incitavit. Welche
propinqui Theodorichs diurch Odovakar den Tod gefunden haben, wissen wir nicht.
Dahn 2, 33.
8) Dem Odovakar legt die vita S. Severini in der Prophezeihung c. 32
42, 2 Momms.] inter tredecim et qnattttordecim annos bei, der Anon. Vales. § 45
chron. I 314] dreizehn Jahre, während er § 48 [315] die Stelle der vita Severini
ausschreibt, zehn Jahre Prokop b. G. 1,1, vierzehn Jahre die bist. misc. 16, 12.
Sein Tod erfolgte im Frühjahr 498; der Anfangspunkt für die vierzehnjährige
Regierung ist ohne Zweifel der Tod des Nepos, der in das Jahr 480 föllt. Vgl.
Dahn 2, 41. Sein Lebensalter wird sonst meines Wissens nirgends gemeldet.
4) Johannes fr. 209, 1 (vgl. Suidas u. d. W. 'Aoftdu(K). Eugippiua vita S.
Severini c. 44 [p. 52 M.]. Abweichend Isidor chron. Goth. 39 [chron. II 283]:
perempto Odoacar rege Ostrogothorum atque devicto fratre eius Onoulfo et trans
confinia Daniaii effugato. Vgl. Pallmann 2, 172.
5l Filium Thelanem nennt ihn der Anon. Vales. §54 [chron. I 320], 'Oxiay
Tov :iaida Johannes, welches letztere wohl aus Oi^Xav verschrieben ist.
46*
724 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.
kommenschaft an dem für den Tod des Königs bestimmten Tage
338 allerorts niederzumachen ^ und er sich also seiner Rivalen so gründ-
lich wie gewissenlos mit einem Schlag entledigt hat.
"Chi 'Avaordoiog ö ßaodsvg Xvel röv df]jUEVoscog cpoßov rolg
vnrjxooig, äjiayogsvEi de xdig ovxofpdvxaig ttjv äöemv xal xb xfjg
f. 149 xaXov fJLEvrjg drjXaxcoQiag nd&og xi/icoQEtxai || xal xovg ex xöjv Eiocpogcbv
öcpEiXErag eXev&eqoI xcöv e/jljiqoo^ev xqovojv. (hg de xaxd xdg '&Eag
5 axaxxovaiv 6 xfjg jiökECog Enag^og did jiQoyQdfXfxaxog rag svöov öia-
xQißdg antjyoQEVOEv , vjtovoia x6 Xoinov ixöovreg eavxovg ol roTg
jikrjjujuehjjuaoiv evexo/uevoi änavxa diExdgaxxov. xal dr} xov ßaodsojg
xfjv iTtJioÖQOjuiav '&Ea)juEvov noXvg evxev'&ev öcrjyEiQEXo d^OQvßog, (hg
xal avxov xov xrjg ßovXfjg rjyov/XEVOv xaxaßoäv. 'lovXiavög dh fjv
10 d "'AXE^avÖQEvg xcöv Ix naiÖEiag xal X6ya>v Eior]yr]X'^g. ev ogyfj
xoivvv xov ßaoiXECog JioirjoajUEvov xovg xd xoiavxa xoXjucovxag xal
1 zcöv drjfisvaeoiv cpößcov Hds. [zov x&v drjfisvaecov cpößov de Boor] || 2 zoi?
vnr/xooig] so die Hds. |1 3 Vgl. Suidas unter örjXdrcoQ: ozi 'Avaoxäaiog 6 ßaodsvg
'Pcofiaicov x6 xfjg drjXaxcoQiag jtdßog xificogecxai TiQog xoTg äXXoig sQyoig
1) Die ravennatische Chronik p. 668 und Agnellus p.279 [chron.1 321] lassen den
Odoaker umkommen cum commilitibus (Agnellus cum comitibus) suis. Bestimmter er-
zählt der beste unter den gothischen Gewährsmännern, der Anonymus des Valois
§ 56 [chron. I 320]: cuius (Odoacri) exercüus in eadem die iussu Theoderici omnes
interfecti sunt, quivis (Hdschr. quis) ubipotuit reperiri (Hdschr. [von 1. Hand] reperire)
cum omni stirpe sua. Auch nach den Kopenhagener Annalen [chron. I 321] vrird
Odovakar getödtet cum coHegas omnes, qui regni praesidium {praesidio die Hdschr.)
amministrabant. Dies bestätigt Ennodius paneg. p. 305 [209 V.]. Nachdem der
angeblich von Odovakar angezettelte Aufstand erzählt worden ist, werden die
von Theodorich dagegen getroffenen Abwehrmassregeln dargelegt, die durch alle
Districte ergehenden geheimen Befehle an die erprobten gothischen Genossen
(fecisti consilioi'um participem in secretis popuhim iam probatum . . . mandata est
per regiones disiunctissimas nex votiva), die trotz der Menge der Mitwissenden
dennoch den ausersehenen Opfern verborgen bleiben (neminem adversarium novisse
contigit, quod tecum pars mundi potioi- disponebat). So unterliegt denn Odovakar
und mit ihm an einem Tage alle die, die so lange Italien bedrückt hatten (. .
ut unius ietu temporis effunderetur Bomani nominis clades longa tempm-um im-
pi-oUtate collecta . . . eonsumpta res est prospero fatalique belle, succisa est Odovacris
praesumptio, postquam eum contigit de fallacia non iuvari). — Dass diese ganze
Stelle nicht auf Tufas, sondern auf Odovakars Katastrophe geht, wird jedem
Unbefangenen einleuchten. Nicht bloss wird dieser zweimal genannt und jener
nicht, sondern es ist auch unglaublich, dass ein Redner lange Jahre nach den
Vorgängen einen relativ unbedeutenden Incidenzfall des Zwistes so ausführlich
geschildert, dessen Katastrophe aber übergangen haben sollte, üeberdies passt
von dem Bericht des Redners Zug für Zug auf den geschichtlichen Hergang,
so weit Phrasen dieser Art überhaupt der Wirklichkeit entsprechen können.
I
Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 725
öid 7iX)]&ovg axQaxKOTixov äveigyeiv avxovg hii'/eiorioavKx; eixötcog,
eig asieyvcooixevTjv eiQOJi'qaav nqä^iv, jivq h'tevxeg tcö rag ■&vQag Ttjg
hijiodgouiag e/ovri rojico, e^ oimeg xal ai TigooTiaoay.eifievai oroai
IS diecp&EioovTO gadicog. exeWev re zag axrjXag rcöv ßaoikecov ex x^^~
xov Tiejtotij/Lisvag t&v idgv/udrcov dj&rjoavreg Jiäv eldog vßgecug eig
avtdg EJiereXovv, (bg xal avxovg exeivovg aixiCöjuevoi, xaixoi tioXX&v
fxev dvatgovjuevcov noXXwv de xal ^juidv^xcov yevo/nevajv. 6 ßaoi-
Xevg xoivvv ögcbv xr/v xaxd xöjv vjitjxocov avxov vixt]v ov :ige7iovoav
20 eJvai, djionavei fiev x^g dgyrjg xöv'Iovhavöv, vjiagyov de Jigoxeigi-
^exai ZexovvöXvov xov xfjg eavxov ddeX<pfjg Kaioagiag ävöga, xal
xovx(p Xrj^dorjg xfjg xcöv oxgaxicoxcov Avxxijg ov -/aXencög xal xd
TiETtovdoxa xcbv olxodoixr]fidxü)v dvexxijoaxo. xgivcov de eixoxoig ex
xfjg xcbv evdrifxovvxoiv 'loavgcov eTtißovXrjg öieoxevdo&ai xavxa djio-
25 yatgelv xovxovg xrjg ßaodiöog exeXevoev, ovö^ d^icojudxcov dtpaigov-
fievög xiva avxcöv ovöe ygr]/adxcov, xal xavxa ijörj dyyeX'&eiorjg xfjg
xaxd yoigav avxöiv djiooxdoewg. jueXXovxcov de xal ev öiaxgißfj
Tioiov/nevwv X7]v dvaycogijaiv ovveldev avxoTg dvdyxt]v ejw&eivai, e^ 339
ovTieg XafXTigoxegov djieösiy^oav övo/neveTg xco xgaxovvxi TioXixev-
30 fiaxi. evxev&ev Xouibv 6 xov Z^vwvog döeXcpbg Aoyylvog xaxd xr)v
Orjßaicov dcpogi^exai ywgav, xal avxov djieqyddgrj Xifxco juexd ygovovg
r] , ^ xe ovaa avxw yafiext] OvaXegia xovvofia ovv xfj\\7iaidl ^oy-f. 150
yivq, i] xal cbjuoXoyrjxo Zi^voivi xcb 'Ay&ejLilov xal 'Hgatöog vicö, xal
AaXlg fi Z}]vo)vog xal Aoyyivov /^^xrjg xb ev Bgoyßolg ovxco Tigoaa-
3ö yogevouevü) Tigoaaxe'up xrjg Bi^värv xaxeXaßov evxxrjgiov, ev cojieg
xal Zi]va)v ovy fjxioxa öie&egiCev, mißicooaaac de ygövov ov juexgiov
xal xd Jigbg xb Cfj^ £^ egdvov nogiCovoai äXXooe äXXr) /uex^XXa^e
xbv ßiov. Aoyylvog de 6 /xdyioxgog xal 'A^voöcogog, dvögelq xe
avyßiv xal nXovxw, avv exegoig ovyvoig ig xtjv 'Ioavga>v e^Tieaov
yjüigav. djiooxeg^ag de 6 ßaodevg eodna^ xd 'loavgwv xrjv xe xov
ßaoiXevoavxog Zrjvoivog negiovoiav ngoeygaxpev , &axe xal avxt) ye
Yj ßaoiXeiog eo&i]g ojviog ngovxeixo, xal xb ücmeigiov xaXovfuvov
(pgovgiov neuxpag xaxeoxgeipev. dvaigel de xal xdg dido/nevag avxölg
Tiagd xov Zi]vcovog oix^oeig, xeivovoag eig v xal ;ffA/as ygvoiov
45 XJxgag exrjoiag. dgxvoafievoiv de xd Tigbg dvxioxaoiv xal ijdr] xivrj-
^evxwv ex xfjg ocpexegag vTib fjyeixooi Aiyyivivr] xal 'A^vodmgcp,
ovvovxcov avxoTg xal Kovcovog 0ovoxiavov xov djib enioxöncov xal
Aoyyivov juayiaxgov xal 'A&i]vod(jOQOV xov exegov, JiXfjdog xe nayi-
fiwv dfi(pl xdg g yiXiddag mayojuevojv ex xe 'loavgcov xal 'PwfiaUov,
Tuw fuv exovoicog eXojuevcov xrjv ov/xfiayiav, xcöv de xal dvdyxfi
15 diEfpdeigavro Hds. H 16 ä&rjaavze? Hds. H 20 dva.-iav€i MüUer 1| 27 [xaxainjv)
Müller] II 36 emßiwaa; Hds.
726 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.
ijiojuevcüv xal diadga/növrcov rag Tzökeig xal yevofxhoov iv Koriaelco
reo äoxEi rfjg ^gvyiag, vjtrjvriaoev avxdig xal x6 tov ßaodecog
axQdxevfxa a.fji(pl rovg diox'ihovg. ijyovvro ds avxwv oxQaxrjyol ß' ,
'Icodvvrjg 6 Hxv'&rig xal 'Icodvvi^g o Kvgxog, xal avxög ex Zdvßgiag
55 ÖQjucojLisvog , VTiooxQaxrjyoi de 'lovoxlvog ex Bedegiavov (pQovgiov
TtkrjoidCovrog NaCoocö xfj 'IXIvqiÖl, xal 'ÄyjixdX ßdgßagog yevovg xoiv
xaXovfievmv Fox^ojv, eri xe Ziyii^av xal ZoXßwv, Ovvvcov äyovxeg
Tilrj'&og. ejieidi] de nXrjOiov äXXrjXcov f]X'&ov, ovggdiavxeg Tiegl öeiXrjv
ionegav noXXovg rcöv evavxiayv diecpd'eiQav ol 'PoifxaXoi, xal avxöv
60 äveXovxeg xov fjyefiova rcüv 'loavgcov Äiyyivcvfjv, (bg xovg jiegiXeKp-
340 '&hxag ÖQOfiatwg öiacpvyelv eg xd ocpexega. 6 de xov ßaoiXea>g
axQaxog ejiidicü^ag emg xal xrjg xov Tavgov vnegßoXrjg öiejueivev xijv
f. 150' II TOV xeifxmvog Sgav.
Dass Anastasius dem Delatorenunwesen ein Ende machte, be-
richtet Cedrenus^. Dass er die rückständigen Steuern erliess, finde
ich sonst nicht. Die Abschaffung der lustralis coJlatio oder des so-
genannten chrysargyrimi und die Verbrennung sämmtlicher darauf
bezüglicher Steuerpapiere ^ hat allerdings ohne Zweifel die Meder-
schlagung der Rückstände dieser Steuern eingeschlossen; aber dass
Johannes dies gemeint hat, ist nicht glaublich.
Weiterhin berichtet unser Fragment ausführlich über die Um-
triebe der durch den Vorgänger des Anastasius, den Isaurer Zeno
und dessen Landsmann Illus grossgezogenen isaurischen Partei und
die dadurch veranlassten Insurrectionen in der Hauptstadt wie in
Kleinasien. Ein strenges Edict des Stadtpräfecten lulianus gegen
die Unruhstifter bei den öffentlichen Spielen führte zu einem heftigen
Aufstande, bei dem die Hallen an den Thoren des Circus nieder-
gebrannt und die daselbst stehenden bronzenen Bildsäulen des Kaisers
und seiner Gemahlin von den Piedestalen herabgerissen und von der
Menge geschleift wurden, als wären es die Originale^. Anastasius
ersetzt den Julianus durch Secundinus, den Gemahl seiner Schwester
52 vjiavTiäoav Hds. || 58 riytXxo Hds. || 55 ßeSegiavoi; Hds.
1) p. 626 Bonn: ovrog tovg öijkdroQag ix rijg nökscog zsXsicog i^sxoyjsv. Es
kann sein, dass die nur im Auszug erhaltene griechische Verordnung Cod. lust.
10, 11,7 die hier in Rede stehende ist.
2) Cedrenus p. 627 Bonn ; Euagrius 3, 39.
3) Marcellinus erzählt den Brand des Circus unter 491 [chron, II 94] , das
Schleifen der Statuen unter 493 [ib.], beides ohne es ausdrücklich mit den
isaurischen Unruhen zu combiniren.
Bruchstücke des Johannes von Autiochia und des Johannes Malalas. 727
CaesariaS und es wird nun streng eingeschritten gegen die in der 341
Hauptstadt lebenden Isaurer, denen die Urheberschaft dieser Frevel
zur Last gelegt wird, zumal da auch ihre Landsleute daheim sich
zum Aufstand zusammenrotten. Jene werden, ohne jedoch an ihrer
Habe beschädigt zu werden, aus der Hauptstadt ausgewiesen 2, dar-
unter Longinus, der Magister officiorum, der wenige Jahre vorher
gegen Hlus befehligt hattet und Athenodorus*. Zugleich wird
Longinus, der Bruder des Zeno und dessen präsumtiver Nachfolger,
aus der Hauptstadt entfernt und nach der Thebais in die Verbannung
gesandt, wo er acht Jahre später den Hungertod stirbt '^. Die Frauen
aus dem Hause des Zeno, seine und des Longinus Mutter Lalis, die
Gattin des Longinus Yaleria, dessen dem Zeno, dem Sohn des
Anthemius und der Herais, verlobte Tochter Longina fanden ein
Asyl in Brochthoi, einer Vorstadt Constantinopels auf dem asiatischen
Ufer, wo sie von Almosen erhalten noch lange lebten ^ Denn das
ganze Vermögen des verstorbenen Kaisers und der Seinigen zog
1) Secundinus war Consul 511, wo ihn Johannes (unten S. 344 [730])
Schwager (ya,ußQ6g) des Kaisers nennt. Bei Theophanes p. 247 [I 160, 29] heisst
er yaußgog 'AvaoTaaiov m ddsJ.qpfj, und dem entsprechend des Secundinus Sohn
Hypatius bei Jordanis (de regn. succ. [p. 16, 19]) und bei Theophilus p. 245 NeflFe
(nepos, adslffidovs) des Anastasius, Anastasius bei Marcellinus zum J. 515 dessen
avunculus. Wenn er von Theophanes p. 242 [I 157, 18] genannt wird v»o?
i| dde/.q.fjg 'Avaaraai'ov xal Ssy.owöivov , so hat der Verfasser wohl geschrieben
oder hätte doch schreiben sollen vlög Zsxowöivov i| ddeXqp^^ 'Avaaraoiov. — Den
Namen der Gemahlin des Anastasius erfahren wir erst aus Johannes.
2) Theophanes J. 5985 [I 137, 28]: 'Avaardaio<; 6 ßaat/^v; tov; h Kcovarav-
xivovn6).£i. 'laavoovg 8iä jioXXäg diomag idiw^sv. Priscianus paneg. 51 fg. Zonar.
14, 3. Theodorus Lector 2, 9. Nach Euagrius 3, 29 werden die Isaurer auf ihre
Bitte in die Heimath entlassen.
3) Johannes r. 214, 6, wo er AoyyTvog ix KagSaficov (oder KaodäXatv, vgl.
S. 325 A. 2 [712 A. 2]) heisst. Euagrius 3, 29 und Codinus de aedif. p. 84 ver-
wechseln ihn mit Longinus dem Bruder Zenos, wie in Betreff der letzteren Stelle
Köcher (de Joh. Antiocheno p. 76) richtig bemerkt; unterschieden werden beide
ausser von Johannes auch von Theophanes und Zonaras 14, 3.
4) Ihn nennen ausser Johannes auch Theophanes und Theodorus Lector 2, 9.
Bei Euagrius 3, 35 heisst er OeoSotgog.
5) Theophanes zum J. 5984 [1137,2]: ioraaiaae xoj aviov 6 Aoyyiyoc 6
Ztjvojvoi; döeÄ(fCK, ov /etQOioduevog hi' 'Aiyv-irov sidfiaei i^ögiarov iv 'Ale^ovdoeiq. xal
ixeXevas xEioorovrj&rlvai ainov jtQeaßvTegov. hixaniav be Liißiov; iv 'AXs^avdQeia
irs/.evTr]asv. Zonaras 14, 3.
6) Alle diese Personen sind meines Wissens sonst nicht bekannt. Der Ort
iv Boöyßoig [die Hs. hat so wie oben im Text gedruckt ist; M. druckte: iv jq>
iv B.] ist wohl die Villa an dem asiatischen Ufer Constantinopel gegenüber,
welche nach Prokop de aedif. 1, 8 früher JIoöoz&oi hiess, späterhin Bgozoi
{Boöyßoi'i) genannt ward.
728 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.
Anastasius ein und Hess dessen Habe, sogar die Kleider öffentlich
342 versteigern; dasselbe geschah, nachdem der Aufstand förmlich aus-
gebrochen war, gegen sämmtliche Isaurer^. In Isaurien selbst befahl
er das papurische Castell, von dem in den isaurischen Wirren unter
Zeno so oft die Rede ist, zu schleifen und entzog den Isaurern die
ihnen von Illus überwiesenen und von Zeno belassenen jährlichen
Annonae im Gesammtbetrag von 1400 Pfund Gold (S. 331 A. 5
[718 A. 5]).
Nun wurde die Insurrection zum Kriege. Die Isaurer fühlten
sich stark genug in das Feld zu rücken und die förmliche Offensive
zu ergreifen; dass der Krieg überdies auch zur See geführt ward,
sehen wir aus anderen Quellen 2. An die Spitze des Heeres stellten
sich die schon genannten aus der Hauptstadt ausgewiesenen isauri-
schen Offiziere, Longinus der gewesene Magister und Athenodorus;
ferner Konon des Fuscianus Sohn, früher Bischof von Apamea in
Syrien, aber ein streitbarer Mann und schon von Zenon gegen Illus
aufgeboten^; ausserdem ein anderer Athenodorus und vor allem
Lilingis, ein unechter Bruder des Illus, der auch schon gegen diesen
gefochten hatte, in diesem Kriege aber den Oberbefehl über das
Rebellenheer führte *. Dieses Heer, dem sich theils freiwillig, theils
gezwungen zahlreiche 'Römer' anschlössen, zählte 100,000 Mann^
und drang vor bis nach Cotyaeum in Phrygien, das an einem Neben-
fluss des Sangarius liegend den Weg nach Bithynien öffnete; offen-
bar war das Ziel des Marsches die Hauptstadt und bereits die
grössere und schwierigere Hälfte desselben zurückgelegt. Dort endlich
trat ihnen eine Abtheilung kaiserlicher Truppen entgegen; es waren
nicht mehr als 2000 Mann, die Johannes der Skythe, der Ueberwinder
1) So mögen die Angaben des Johannes: ov8' d^KOfidrcov acpaiQovfiEvö? Tiva
avTcov ovös xQrjfxätwv und: h mta^ rä 'laavQcov jigoBygatpsv auszugleichen sein.
2) Priscian paneg. 107: quid tempestates memorabo fluctibus ortas atque hostis
Lyciae proiectas litore classes? Theophanes zum J. 5987 [I 139].
3) Als Führer gegen Illus nennt ihn Johannes fr. 214, 2, als Führer der
Aufständischen ausser dem Johannes in unsern Fragmenten Theophanes zum
J. 5985 [I 138, 4] und Euagrius 3, 35. Müller 4, 134 bezieht auf ihn auch das
4. Fragment des Capito.
4) Aiyytjv tov v6&ov avzov (des Illus) d8s?.(p6v nennt ihn Johannes fr. 214, 2,
Aiyyig Suidas u. d. W., beide als Führer gegen Illus. Den Feldherrn der Rebellen
nennen Aiyyivlvrjg Johannes in unsern Excerpten, Nivlhyyig Theophanes, Lilingis
Marcellinus und Jordanis. Bei Marcellinus zum J. 492 [chron. II 94] heisst er
segnis quidem pede, sed eques in hello acerritnus (daraus Jordanis), bei Theophanes
zum J. 5985 [I 138, 2] 6 tfjg 'loavgiag ^yefiwv etiI Zi^vcovog xaraardg, dvrjQ {^Qaovxazog.
5) Bei Theophanes a. a. 0. sind daraus 150 000 geworden. [Vgl. de Boor
zu I 137, 26.]
Bi-uchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 729
des Dlus, und Johannes der Buckliche von Selymbria heranführten i; 343
unter ihnen befehligten Justinus von Bederianum unweit Naissus in
Mösien. der spätere Kaiser 2, der' Gothe Apsical und die Hunnen-
führer Sigizan und Zolbo. Dennoch erfocht der kleine Haufe einen
vollständigen Sieg: Lilingis selbst fiel im Kampfe; die Isaurer eilten
in wilder Flucht zurück in ihre Heimath und nur die rauhe Jahres-
zeit bewog die Verfolger am Fuss der Tauruskette Halt zu machen
und hier den Eintritt der besseren Jahreszeit abzuwarten'.
"Cht eJil 'AvaoTaoiov 6 xrjv vtioq^ov ävvoiv rrjg TioXecog 'H/Jag f. 150'
rovvoua zrjv r<öv xaXovfxevcov ßgirctöv eoQirjv enixeXwv (hg ovtko
Tcoöxeoov yeyovev, vjio xivog ßaoxaviag aXxiog noUxöv iyevexo (povcov.
jcov yäo ä&ooio'&evxoav eg öeikijv xov di^juov ä/xa ^Upeai xax' clÄItj-
hov cooLuyy.oxoiv, noXvg fjv x&v dXkvfxevwv 6 xgojiog. öfioicog xal
wxdvTiog 6 ägyrcov xfjg nöXetog xrjv avxrjv emxeXeiv xwv ßgvxcöv
jyvQiv ßovXevodfxevog oXiyov dtcoieae xov obiavxa drjfiov, Tioiy.i-
ug diatpßagevxa xgojioig, mg xov ßaoiksa xov Xouiov yijgcöoai xrjg
y.a)Moxi]g ög/t]a€cog xäg TioXeig.
Leber diesen Vorgang berichten meines Wissens sonst nur noch
falalas in einer in den Ausgaben fehlenden unten S. 374*) mit-
getheilten Stelle und ein von Suidas unter dem Worte Maiovfiäg 344
erhaltenes Bruchstück: exeXovv öe fiexgig 'Avaoxaoiov ßaoiXeoyg oi ev
KcovoravxivovTioXei Tiavi^yvgiv xcbv ßgvxcöv, xal xavxrjv 'Avaaxdoiog
k'rtavoe. Auch das Fest selbst finde ich sonst nicht erwähnt. Die
Bedeutung: desselben ist dunkel.
t4 Tov brjuov zu tilgen
1) Beide nennt auch Theophanes zum J. 5985 [I 138, 7] und bezeichnet sie
\ TOV 6ony.o)ov orgarevuaKK fjyov^ievoi, was dazu stimmt, dass sie nach Johannes
n Selvinbria herankommen; den zweiten Prokop hist. arc. 6.
2) Dessen Heimath so wie seine Theilnahme au dieser Expedition berichtet
übereinstimmend Prokop hist. arc. 6. Von den anderen Führern wird sonst
meines Wissens keiner genannt; Theophanes fand sie wohl in seiner Quelle,
aber er fertigt sie ab mit eiegoi rivsg irraiveroi ävSoeg.
3i Aehnlich, aber minder genau Theophanes zum J. 5985 [I 138,11]: udxtjs
de .TfOf rö Korvdeiov yevofiivtjg Nivihyyig ftev 6 aiQanjyog äsiootfaTrerat. uty.gov 8k
t6 .-T/.£toTov 'loavgiy.bv cujoUv^urov fiohg inri rä a<peTsga Steacodi). xal ei tu) -Tfot
rä oy.v'/.a roTg 'Pcoitaioig yiyove oyoKt], re/Lsicog av sxgdxrjoav xov :to/Juov. äjj' extircov
iv Toizotg ä.-TOOtfa/.h-xon' (fgovotov Tirog i.ii r^g äxgag zov Tavgov xgaxt)aavxeg oi
"loavgoi xgixov Ixog tjgxeoav :io).euovvxEg.
~*^ [Nicht wieder abgedruckt: s. u. S. 750*. Die dort von Mommsen zitierte
Stelle des Malalas jetzt auch bei de Boor a. a. 0. (oben S. 712*) S. 168. Ebd.
führt Mommsen auch eine Vermutung Herchers über die Bedeutung von ßgvxa an.]
■
730 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.
"Chi xad^' ov xQovov 6 rov ßaodecog rov 'Avaojaoiov yajußQog
2exovvdTvog rrjv vnarov OLQyJjv naQeikrjrpei, exivr/^f] ra jisqI rijv
Uacpkayoviav.
Secundinus wird Consul 511; vgl. über ihn oben S. 340 A. 4
[727 A. 1]. Von den paphlagonischen Unruhen, die hier erwähnt
werden, finde ich sonst nichts.
"Chi ovvExvxa xard rov avrov ygövov rä xaxä xyjv Ogdxijv
BixaXiavog , äv^QComoxog ßga^vg xai xQavXog xrjv qycovijv xai xäg
äxgag xoiv ßXeqxxQOiv vjioxexav/xevog, viög öjv UaxQixiolov, naxgida
Eoxy}>ioxog Zdkdaßa, xrjg xdrco Mvoiag jiohojua ßgayv. ovxog
5 sjieidrj xd noXXd ovvdiaxgißcDv xoig Ovvvoig exoijuÖQQOTiog Jigbg
anovoiav fjYyeX'&r] xcö ßaciXel' dcpaigs'&elg ydg oirrjoecog drjjuoolag
xcöv xaXovjUEvcov (poidegaxixcov dvvcovcov eiorjysTxai xöig xd negi
Sxvd^iav xai Ogdxrjv nlrjgovoi xdyjuaxa, dvoy^egaivovoi juev xai i^
eavxcüv ecp oig enaoyov Jigog xov xijv oxgaxrjyiav syovxog 'Yjtaxiov,
10 xai drj nd'&ei gadicog xä) ngäyxog äg^ai xcöv Jiagavojutjjudxcov xai
ETiexeiva x6X/ur]g. xovg ydg xco oxgaxtjycp jiagsdgEvovxag Kcovoxav-
xXvov xiva EX Avdiag xai KEXsgTvov (povEvoag exi xai Ma^Evxiov xov
xov xaXovjuEVov Aovxog xrjv Mvgcüv EJiixExgajujUEvov ägyj]v dia-
(f&eigEi, xai xov reo oxgaxrjycp ovjujivovv xai sig änavxa xsyagio-
15 jUEVov Kagivov ovoyojv xrjg xov fir] dvEXElv ydgixog xojuiCExai dcögov
xö ovjungäiai oi ngbg xyjv xfjg 'Odvooov xai xfjg oxgaxtjyiag i^ov-
oiav, xaxafprjjuioavra (bg eYyj avrqj xd xfjg '^ys/ÄOviag EJiixExgajujUEva,
nagadovvai Öe xai onooov fjv nag avxcb ygvoiov. TiEioag ovv ix
xovxayv änavxag ßXsjiEiv Eig avxöv, ovva^goioag djuq)i xdg v yiXiddag
345 20 TtoXE/biixcöv XE xai dygoixcov ävdgcöv, xfj Koivoxavxivov ngoodysiv
f. 151 II rjyyEXxo' 6 Öe ßaoiXEvg xai e$ cbv Evayyog etzejiov&ei Jigög dsiXiav
xaxEVEy&slg xai xco nagado^co xü)v jisgioxdvxcov avxcb övoyEgaivcov,
TigooExi ÖE xai xcö axovEiv xovg ijiiövxag xrjv 6/uoiav xfjg i^grjoxEiag
ngoßdXXEO'&ai juEjuyjiv, oxavgovg juev ex yaXxov nayfjvai VTikg xdg
25 TivXag xcöv xEiycöv nagaxEXEVExai, ygdjujuaoi xi]v alxiav xov ovordvxog
ETI avxöv d^ogvßov jiagaxa§ioxcövxag , xfjg öe vTchg xcöv ^cocov eio-
cpogäg xyjv xExdgxt]v TtEgiEXdtv juoTgav xov Bid'vvcöv re xai 'Aoiavan'
Ed^vovg, xov xavxa drjXovvxa ydgxip iv xfj xaxd xf]v ngcoxEvovoav
5 sneiörj zu streichen 1| hoifiözQOJiog Hds. [vielmehr ETOi/.i6zsQog , wie mir
de Boor ausdrücklich bestätigt] || 7 dvcovcov Hds. || 8 rd/naia Hds. || 10 rö jiQwzog
Hds. II jcagavo/ndzcov Hds. [am Rand von zweiter Hand hinzugefügt oz, d. h. jzaoa-
voficozdzcov] II 12 xsleagTvov Hds. || 14 z6v fehlt |1 15 zfjg] zijv Hds. || 18 ojiöooaov Hds. jj
27 r^v fehlt — nEQul&ojv Hds. |1 28 ev fehlt
Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 731
exxhjaiav iega rgaTieCf] q^sgcov xaxe&rjxe, xal T»)g TioXecog (pQovQav
30 enoieXxo diä tcöv ev xoTg xeXeaiv. rjörj de xov BixaXiavov ngoaßa-
Xövxog xdig xrjg noXecog Tigoaoxeioig xal Tiegl avxä xd xeiyj} iXij-
Xaxoxog, oxeXXexai Jtgög avxöv Uargixiog 6 oxgaxrjyog, ä/xa fxkv <hg
ngoorjXovTog oi öiä xi]v ägyjjv xov xoiovde koyov , äua de xal <hg
yrjgq Tigovywv xal äiicooeoiv, xal avxcö Se xm BixaXiavco juegog
35 ov juixgöv xrjg evTigayiag yevöjuevog. og ejieidi] :iag avxöv ijX&e
xal xfi ex xrjg evegyeoiag nagg7]oiq xa'&^rm)axo, xä eixoxa fjxovev, eig
ola 710/JA Tigorjveyßr} ex xe xcöv xi]v ßaoiXeiav eoyrjxoxojv , xal vvv
^xeiv avxovg öeofxevovg eTiavog&ay^ijvat /uev xcbv dötxrjfxdxarv xov
XTJg Ogqx&v^ oxgaxrjyov , xvgcod^rjvai de xal xijv ög&cög eyovoav
40 xov 'deiov öö^av. xfj de voxegaiq xcbv ev ngdnoig nagd xov
ßaodea)g etoxkrjdevxoiv xal 7iagayevofxh>oiv BixaXiavov ywgig {xovxov
ydg ovde eiooj xi]g TiöXeojg yeveo&ai ejieioe) xd juev ijieyxaXeoag 6
ßaoiXevg xal (hg fxt]dev öXiycogrj^evxag dieXey^ag, xd de ix&ega^evaag
dcbgotg xe xal xfj xcbv öcpeiXojuevcov ejiayyeXiq, d^eiv xe VTiooyöjuevog
4- xoi'g x^g Tigeoßvxegag 'Pco/tirjg xd Tiegl xijg dö^tjg xcbv iegcbv xaxa-
oxrjoovxag d^ejiejuyjev, ogxovg vjieg xijg ig xö Xouiöv evvoiag avxcbv
OTiodeidjbievog. oi de xcb BixaXiavcb ovyyevojuevoi dvaXaßovxeg avxöv
xe xal xö TiXfj&og coyovxo. 6 de ßaoiXevg 'Avaoxdoiog xrjv xörv ev
Qgdxrj crcoXcov axgaxTjyiav KvgiXXco Tiagadidcooiv, ovx dovvexco ovde
.'0 TToXe/uixTJg e/njieigiag djua&ei' eX^d>v de 6 KvgiXXog xaxd Mvoiav
xal hiißovXevoai oTiovddCcov xcb BixaXiavcb avxög e7ießovXev&i]
■K Ij Ti^WTOs ev xoig oxgaxrjyixoig oixoig diacp&agelg ^icpei. 6 de ßaoi- tibi'
\^^'Xevg dxovoag xd ov/ußdvxa doyfiaxi xijg avyxXrjxov ßovXrjg xijg
'Pcojual'xijg TioXixeiag dU.6xgiov xöv BixaXiavöv tprjcpiCexai, xal crcgaxidv 346
55 fieyioxrjv dyeigag dfxcpl xdg n yiXiddag avxoxgdxogd xe xov TioXejuov
^^ßibiodei^ag 'Y^iaxiov xöv ddeXcpidovv xöv eavxov, "AXa&ag de yevog
^KtSxv&ixöv eTil xf] xov oxgaxTjyov xcbv Sgqxcbv agootjyogiq ejceo&ai
Ol Jigooxd^ag xal Oeödcogov xöv xcbv ßaoiXixcbv ^rjoavgcbv xa/iiav,
• Ol ovfi/xi^avxeg avxcb xal diacpögoig eXao&evxeg xvyaig xai Jioxe xai
rixTjv ägavxeg fiexgiav eyvcbgioav xcb ßaoiXevovxi, diene avxöv xal
ngoeXdeXv ev xoig iegoTg xojioig xal ^eag enixeXeoai drjßioxeXeig. ov
fiaxgdv de 'YTidxiog jidXiv enl xöv xvgawov ögjmjoag 'lovXiavöv
djießaXe <^o)ygi]devxa xöv ex xov Xoyov xcbv Xeyofxevcov juejuagiaXicov,
xoXixTjoavxa öXcog xal ^edoao&ai TiöXe/iov. xal o fiev ev xXcoßcb
65 ßX)]deig xal Tiegiay&elg d<pe&r] ygvoicp. dvaoxrjoag xoivvv 6'Y:;iaxiog
ex xcbvde xöv oxgaxov, ägxi xe xal Tijuo&eov xivög h xoig oojfiaxo-
(pvXa^iv xexay/uevov xov ßaaiXecog vjiö xcbv ßagßdgcov dvaigedevxog
34 yiga Hds. || 36 eig] (bg flds. H [49 ori?.(ov Hds., rekibt- de Boor] U 56 aJla&ao
Hds. 11 63 Tov] xä>v Hds. 11 [66 xivog xov Hds.]
732 Bruchstücke des Johanne? von Antiochia und des Johannes Malalas.
im rfjg ''AxQidog OTgarojisdevexai , to ex xcbv ä/ua^wv yaQaxcojua
TiQoßaXofievog. töte öe xcbv Ovvvcov ändvicov owad^goiodevrcov xal
70 elg äjua eqpoQjurjodvrcüv ijieoxe ju^ev rig elg ßga^vv iQovov ävxijiaXog
xo^eta ■ cbg de oi ßdgßaQoi xovg x&v äjua^cöv ßöag eßaXXov ovoxeva-
odevxag rjör] ngög juexdoxaoiv , öiaXvexai juev rj xov xagaxcojuaxog
ovvxa^ig, eti' avxovg de i'aoiv oi ßdgßagoi xovg 'Poijuaiovg , ovdk
dvxägai acpioi xdg ;f£t|Oa? xoXfi&vxag. vjio de juiäg xrjg jigög xb
75 dnodgävai onovöyjg JiieCojuevcDv Jigög dXXrjXwv xal vno xivog juayeiag
xcbv ßagßdgwv EJiiyEvoju£vt]g dyXvog ejiioxoxiodorjg avxoig xdg ötpecg,
ov TiQoiöovxeg ev olg xtjv (pvyrjv etioiovvxo xonoig ig xgrjjuvovg xal
(pdgayyag xaxa(peQ6juevoi öiecp^e'iQovxo. äjicoXovxo juev ovv xcööe
xcp xQOJicp JiXeiov fj ^ yjXidöeg xal xalg dxQU>Qeiaig x6 xrjg q^dgayyog
80 TZQOoiocod^f] ßd&og vjio xov jtXij&ovg xcbv ijujiEoovrcov dvögcöv xe xal
Ccoayv dX6ya>v' ?]Xa>oav dk xal ol xcöv Xoyaycbv xr}v xd^iv nXrjqovvxeg.
f. 152 avxög dk 'Yjidxiog j| ig xrjv ^dXaxxav xaxadvg xal ola xd TioXXd xcbv
EV xfj äXl xQE^ojUEVwv oQVEOiv ix ju6vr]g dveyovorjg xrjg xetpaXrjg
EJiiyvwo^Eig ovvEXrjcp'&ri. JiXrjQcbv öe BixaXiavog xoig Ovvvoig ov
85 vTiEo^exo 7coQio/u6v x(bv xQTjjLidxov, djioöidoo^ai avxoig xovg äXovxag
i(pfjxev xal xov xe "AXadag djieXvxgcboaxo xal 'Aoiyviov äXXovg xe
347 ovxvovg, xov de 'Yndxiov 6 BixaXiavog xojuiörjg fj^iov xrjg ÖEOvorjg,
(bg im (hvio) jXEydXco xov vjieq avxov xid^ijuEvog Xoyov. xal xb
Xoinbv ovvEOXoXaoxo juev änavxa xd iv üxvd^aig xal MvooTg (pQOvgid
$0 XE xal JioXeig, jidvxeg Se avxbv idedieoav xal ßaoiXea jigooEdoxcov.
6 Öe ßaoiXEvg JiQovoovjUEVog xov ovjußdvxog oxeXXei xivd Ovgdviov,
xrjv xov xaXovfXEVOv xayxeXXagiov xd^iv jiXrjQovvxa xcb xcbv öcpcpixicov
[xayioxQcp, dfxa UoXvyQovicp xe xal MagxvQicp xoTg xdg xcbv Ovvvcov
jigeoßeiag imxexgajujuevoig , ovv avxoig de xal dixa xQ^oiov XiXQcbv
95 Exaxovxddag. ovg drj xaxd xrjv ^cüI^otioXiv 6 xvgavvog Xoyioag avxrjv
XE xrjv nöXiv i^eiXe jurjxavijjuaxi doXico, xal xb yqvoiov dcpaigelxai
Jigbg ßiav. iv de xfj Kcovoxavxivov xaxd xrjv xrjg inmxrjg '&eav xov
drjfxov Jigbg oxdoiv diavaoxdvxog xrjv xe xrjg öeiXrjg navrjyvgiv 6
ßaoiXevg fjQviqoaxo xal cpovog ovx oXiyog eyeyövei, avxov je xov xrjg
100 TtöXECog vvxxEJidgyov xov xaXovjuivov Fexa dvaige&evxog xaxd rr]v
judyrjv. rjör] de juixQOv diadgajuövxog ygovov BixaXiavbg avd^ig dgag
vrjcbv cbg o cnoXov xal oxgaxbv ne^ixov xe xal iJimxbv noXvv Jiaqa-
noQevd^elg xbv Ev^eivov IIövxov, dd^gocog imcov axp&rj xfj Kcovoxav-
xivov. jUEXECOQOv ds xrjg JiöXECog ovorjg xal vnb xovg JioXEjuiovg
105 iXmCojUEvrjg yevEO'&ai, oxeXXexai nag avxbv 'Icodvvrjg, xrjv xcbv
86 Evalyviov Müller [dies ist nach de Boors Mitteilung vielmehr die La.
der Hs.] || 89 ovvsoxsvaoTo? [dsgl.] |1 98 ngöoraoiv diavaozävzeg Hds.
Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 733
oxQarrjXaxcbv xal vnaioiv d^icoaiv ex(ov, ex rov rijg jurjTOog etkovv/wv
BaXeoiavrjg yvcogiCo/xevog. xal 6 jukv vTiamjoag xdig TioXeuloig rov
ex xfjg Tiocorrjg jigooßoXrjg dirjycoviCero xivdvvov, em de tm Xeyofievco
Aaoo&evicp Ixezevev, atnög de hiavfiei doojudörjv ^aod rov 'Ava-
110 ordötov, dyyeXXcov xd vtio xov xvgdvvov ejii^rjjov fieva. (bg de 6
ßaoiXevg rf] xe xrjg noXiooxiag dvdyxrj xal xfj rov oroaxTjyov || xatf.152'
ovyyevovg ejioyj] ^dvxa jioieTv (bfxoXoyei, ecpegexo juhv ?; xov x&^o^
Tcoooxrjg, eig nevxaxioyiXiag xeivovoa kirgag, iölSoxo de xal xd t^s^
Ogqxiag dgyjjg ovjußoXa Tiagaygijiua, ögxoi xe negl (piXiag Txagec-
115 yovxo xal xö xijg i&grjoxeiag dveveovxo xrjgvyixa. (hg de ovde ovxcog
eX^elv Jigög xov ßaoiXea ngoedvfxeixo, djieycogei. 'Avdeuiov de X7]v
vjiaxov dgyi]v diade^a/uerov Bixahavog av&ig e^oyxovaevog deivcbg
xov 'Avaoxdoiov enie^ev xal oi xcbv Xeyo/nevwv Ovwayv 2!aß^g, ex
xfjg Tigoxegag Tiagoxgvv^evxeg Tieigag, nolAankaoioveg xcö TcXij&ec
120 xaig Txdoaig ayedbv eneyeßrjoav enagyiaig xrjg xaXov/nevrjg Tlovxixfjg, 348
dgdoavxeg de (povov fj.vgiov dyeXag aiyjuaXcüxcov asirjyayov. av&ig
xe xaxd rr/v Tiavtjyvgiv xrjg yaaxgfjg ovveßr} '&6gvßov vjio rov drjfxov
yeveo^ai. 6 de ßaodevg äxe ovx OJid yvcojurjg jieTigaycbg xdg jxgdg
xov xvgawov ovjußdoeig e/bitjyaväTO ei xi dvvrjßeii] dgäoai xax' exeivov
i2f, doXioig. 6 de nagaygfjfia xt]v xov ßaoiXewg Jivdofievog yv(6/nr]v
ai'&ig XYjv Tigoxegav /xeregyexai Tieigav xal ovv noXXw JiXij&ei dia-
7iegaio)ßelg xov Ev^eivov tiovxov eg xd Aaoo&eviov rjxev, Tigbg avxaig
de xaig xaX.ovjuevaig Zvxalg {jxolga de avxr] xfjg ::i6X.ecog eoydxif)
xcbv ßagßdgcov TigooeXaodvxoiv JieCojuayia xe ovvexgox/]d)] jxgbg xovg
130 ev exeiv7] cpvXdxxeiv ex xe 'loavgcüv xal xcov äXXcov X.ayövxag {ecbga
ydg eg xdg xcbv Tigodidovxoiv v:iooyeoeig 6 xvgavvog), xal vrjcbv
avrov xaxd xb /LLepaixaxov xfjg XgvoonoXecog yevofievcov vjiavxtjoaaa
vavg xayvdgoixog xov ßaoiXecog eqf ^g 'lovoxZvog fjv xcbv xaXov/nevatv
e^xovßixogoiv ägycov, ov/ujiXaxelg fuä xcbv vrjcbv xal C(oyg}]oag xavg
135 ev avxfj xovg äXXovg ig cpvyfjv exgetpev. d&goio&evxoiv de xcbv
Tie^cbv xaxd xov 'AvdjiXovv vvxxcog aio^ofxevog xfjg hi avxcb yevo-
fievTjg emßovXijg d:rcedga, 01 xe ovv avxcb ä<pavxoc änavxeg h dxagei
eyevovro yoovcp, xovg xgcoßevxag ex xcbv ßagßdgcov Tifj fxev fj^i-
'dvfjxag Tifj de xal vexgovg xaxaMxpavxeg. juexd de xiva yoovov 6
140 x&v BixaXiavw owagafievcov Ovwayv (bg öxi ^dXiaxa xgdxiatog, og
xal xov II KvgiXXov xov axgaxrjyov (povov avxoyeigia enga^e, Taggdx 153
xr]v Tigooriyogiav, TiegieXMvxog avxbv ojidxT] Tovgyovv Ovwov xai
avxov xal ygt]/Lidxa)v dnodoixevov xfjv xoiavxrjv Jigä^iv, ovvdedelg
115 TÖ] t6t£ Hds. II 118 £-Ta«r«' Hds. H 121 dysXa;] xai äyej.<x^ Hds. H 133 i^axov-
ßrjrÖQcov Hds. 0 140 d>g] og Hds.
734 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malales.
jiQÖg avTov xal xoTg rov ßaodecog Jiagado'&elg sg rrjv Kcovoravrivov
145 ^x^V- ^^^ ßaodvovg tzqoxeqov vjiooräg fiexä rovto ^cöv eri Jivgl
die(p'&dQr] xaTO. rov XaXxrjdövog sjiexeiva xorcov, ov Uarxeixiov
övojudCovoiv. juexä de xavxa 'PovcpXvog 6 oxQaxrjyög 'ÄvaoxaGiov
xe xal Ao/xvixov xovg xvgdvvov ocojuaxoq^vXaxag Coiygia Xaßwv
exnefiTiEi xa> ßaodei, xovg de naQayevofxevovg (bg nolXcbv '&avdxa>v
150 alxiovg 6 avxoxgdxcoQ diaq)'d-aQrjvai xQivag xöig xöjv vvxxöjv (pvXa^i
349 Tiagadidmoiv oi de xaxd xbv avxixgv xrjg Kcovoxavxivov nokecog
kocpov xdg xeq)aldg exxefxovxeg enl ^vXivcov ene&rjxav xiovojv.
Yitalianus Vater war, wie auch sonst angegeben wird, Patriciolus,
welcher im persischen Kriege des Anastasius 502 fg. ein höheres
Commando führte ^, seine Heimath Zaldaba in Medermösien^. Seine
Persönhchkeit schildern uns die neuen Fragmente nicht von der
vortheilhaften Seite; er sei von kurzer Statur und stammelnder
Stimme gewesen und entstellt durch die an den Rändern versengten
Augenlider. Verkehrt habe er vor allem mit den Hunnen, mit
welchem Namen Johannes, wie Prokop und Andre, die Bulgaren
bezeichnet ^. Den Anlass zu dem Aufstand, der von ihm den Namen
führt, gab ein Befehl des magister niilitum per Thracias Hypatius*,
350 eines Neffen des Kaisers Anastasius, welcher den in Skythien und
Thrakien stehenden Besatzungen die annonae foederaticae entzog.
Foederati heissen diejenigen Barbaren, die sich der römischen Herr-
schaft unterworfen haben ^ und in den Grenzprovinzen mihtärisch
148 CoyyQialaxcbv Hds.
1) Prokopius bell. Pers. 1,8. Die Identificirung dieses Patriciolus mit Patri-
cius, dem Sohne des Aspar (Tillemont 6, 414; Gibbon eh. 40) ist eine leere Ver-
muthung.
2) Der Ort kommt auch sonst vor, zum Beispiel bei Hierokles p. 637. Er
gehört nach der späteren Eintheilung zur Provinz Scythia, weshalb Vitalianus
bei Marcellinus zum J. 514 [chron. II 98] Scytha heisst. Unrichtig machen ihn
Malalas p. 402, 3 und Euagrius 8, 48 zu einem Thrakier.
3) Vgl. Zeuss S. 710 fg., der die Hunnen und Bulgaren, es scheint mit Recht,
identificirt. Zonaras 14, 3 nennt statt der Hunnen x6 x&v Bovkydgwv s&vog firjnoi
jiQiv yivfooxo/xevov. Hunnen und Bulgaren nennen Malalas und Theophanes.
4) Er war der Sohn des Secundinus, des Consuls 511 und der Caesaria, einer
Schwester des Kaisers (S. 340 A.4 [727 A. 1]). Hypatius der Consul 500, Führer
im persischen Kriege 503, muss von ihm verschieden gewesen sein, da sonst der
Sohn vor dem Vater zum Consulat gelangt wäre.
5) Olympiodorus fr. 7 Müll.: iv xal? i^/nsQuig 'Ovwgiov . . x6 (poidsgarcov
{ovofia) xaxa SiatpÖQOV aal ov/nfxtyovs ecpsgexo nXrj^ovg. Suidas u. d. W. : (poiSsgäxoi •
ovxoo xakovai 'Poofiaioi xovg vnoosiövdovg xcöv 2xv&cöv. Malchus fr. 11 Müll. : e^^i
Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 735
verwendet werden; und wie in dieser Zeit die nicht römische Miliz
überhaupt mehr gilt und besser gestellt ist als die eigene, so sind
auch in Betreff der militärischen Emolumente diese Grenztruppen
vor ihren Kameraden privilegirt ^. Es wurde dem Vitalianus, dem
Sohn eines der Führer dieser foechrati^, nicht schwer die also be-
schädigten und gekränkten Soldaten aufzuwiegeln; auch mögen gleich
jetzt eine Anzahl von Hunnen sich angeschlossen haben ^. Dass
Yitahanus mit seinen Leuten als Vorkämpfer der Orthodoxie gegen
den manichäischer Irrlehren angeschuldigten Kaiser aufgetreten ist,
wie die Spätem angeben*, sagt Johannes hier nicht; und wenn 351
gleich, wie spätere Aeusserungen auch bei ihm zeigen, allerdings
dergleichen religiöse Motive mit im Spiel gewesen sind, werden wir
immer aus ihm zu lernen haben, dass dieser Zug kein Kreuzzug
gewesen ist, sondern eine Schilderhebung unzufriedener Söldner.
Zunächst entledigte sich Vitalianus der dem Kaiser getreuen Officiere,
des Constantinus aus Lydien und des Oelerinus, der Beistände des
Hypatius, ferner des Statthalters von Moesien Maxentius, Sohnes des
Zijvan'og TTOsoßsig rj/.dov ex Ogqxfjg röjv v:ioa:iöv8<i}v fördcov, ovg di] xai «foiöeoarovs
Ol 'PcofiaTot y.aj.ovaiv. Sie werden mehrfach den milites entgegengesetzt, so in
der uov, Valent. III 9 vom J. 440: tarn müittim atqtie foederatorum Uiitionem, und
nov. Theod. II 24 § 3 vom J. 443: ab omni limitaneorum müitum ac foederatarum
gentium concussione. Vgl. Gothofred zum C. Th. 7, 13, 16.
1) Nov. Theod. II 24 § 2: de Saracenorum vero foederatorum aliarumgue
gentinm annonarüs alimentis nuUam penittts eos decerpendi aliquid . . . licentiam
habere concedimus , nachdem vorher verfugt worden ist, dass den duces und
anderen Offizieren ein Zwölftel der annonae des limitaneus niiles zu Gute kommen
soll, üeber die foederaticae annonae ist auch die unten S. 369 aus Malalas nach-
getragene Stelle zu vergleichen. [Diese unten nicht abgedruckte Stelle des
Malalas p. 371 Boim. lautet: sl/j yäg (^Janag) . . jiiij&oi röxdwv xai xöfitjxas
Jio/LÄ.oi'g xai äX/.ovg :TaTöag xai :iaQa[^iivovTac avxöig dr&gwsiovt;, ov; ixdXtae (poi&egd-
oup' MV xai ai (foiöegarixal äwtovai xazdyovrai.]
2) Johannes bezeichnet des Vitalianus Stellung nicht; aber Theophanes
Tum J. 6005 [I 157, 11] nennt ihn tov viov IlaxQixiöXov xöfttjzog <poi8eo6j(ov, Victor
Tunn. zum J. 510 [chron. II 194] Vitalianus comes (vielmehr comitis [diese Ver-
mutung ist a. a. 0. fallen gelassen worden]) PatricioU filius.
3) Johannes spricht von den Hunnen hier nicht, und es ist wahrscheinlich,
dass in diesem ersten Abschnitt die foederati im Wesentlichen allein standen,
besonders wenn man die Verhandlung der Offiziere mit Anastasius beachtet,
die dieser Bewegung ein Ende machte. Dass unter den foederati selbst und
im Gefolge des Vitalianus sich Hunnen befunden haben (vgl. Prokop bell. Goth.
1,27 p. 125, 21 Bonn), auch freiwillig deren jetzt sich anschlössen, soll damit
nicht geleugnet werden; aber das Herbeirufen der Fremden als solcher scheint
erst später stattgefunden zu haben.
4) Theophanes zum J. 6005 [1 157, 12] : oi h 2xv^tq xai Mvaiq xai iouiais
Ztögaig ogßödo^oc :iagexa/.ovv xtvrj&^at xaxd 'Jvaaxaoiov xov dvaaeßovs. Ebenso
Victor Tunn. zum J. 510 [chron a. a. 0.].
736 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.
sogenannten Dux, die alle niedergemacht wurden. Eines andern
Beamten, des Carinus, bemächtigte er sich und nöthigte ihn seinem
Vorgeben, dass ihm, dem Yitalianus, vom Kaiser die Befugnisse des
magister militum übertragen seien, Glauben zu verschaffen, wodurch
er sich in den Besitz der Stadt Odessos^ und des Schatzes setzt.
So marschirte er an der Spitze von 50,000 Mann auf ConstantinopeP.
Anastasius sucht zunächst sich von den an seiner Orthodoxie ge-
machten Ausstellungen zu reinigen: er lässt bronzene Kreuze mit
der Angabe des wahren Grundes des Aufstandes über den Thoren
der Hauptstadt aufstellen und bringt auf dem Altar der Hauptkirche
als Opfergabe den vierten Theil der Viehsteuer ^ der Diöcesen Asia
352 und Bithynia dar. Als dann Vitalianus vor den Thoren der Haupt-
stadt erschien, wurde ihm der mag. mil. Patricius* entgegengesendet,
ein bejahrter hochangesehener Mann, unter dem Vitalianus früher
den persischen Feldzug mitgemacht hatte ^. Vitalianus erklärte, dass
er in Erinnerung des Wohlwollens, das ihm die Regierung früher
bewiesen, gekommen sei um die Aufhebung der dem thrakischen
Heer von Hypatius zugefügten Unbill und die Festhaltung am ortho-
doxen Bekenntniss nachzusuchen ^ Am folgenden Tage wurde nicht
1) Dasselbe Factum ist wohl das von Marcellinus [chron. II98] nach der
ersten Rückkehr von Constantinopel berichtete: hinc Odyssum Moesiae civitatem
Vitalianus pernoctans astu ingressus est. Ebenso erzählen Theophanes und
Euagrius (S. 352 A. 5 [S. 737 A. 2]).
2) Marcellinus zum J. 514 [chron. a. a. 0.]: Vitalianus Scytha adsumpta
Bomanarum equitum peditumque plus quam LX milia armatorum in triduo eongre-
gatorum in locum qui Septimus dicitur advenit ibiqu£ castra metatus est, dispositis-
que a muri in mare suarum ordinibus ipse ad usque pai'tam quae aurea dicitur
sine ullius accessit dispendio. Die Späteren, wie Jordanis {Vitalianus cum LX
milibus armatwum tertio — vielleicht triduo [andere Vermutung in der Jordanis-
ausgabe der Monumenta S. 46, 17] — paene non rei publicae, sed regi infestus
accedens multa suburbana regiae urbis praedis spoliisque attrivit) und Theophanes
(zum J. 6005 [I 157, 13]: 6 Ss xivrjd'slg jioVmq /nvQidda? dvsT?.s orgarov tcöv vjisq
'Avaoraoiov /LcayofiEvcov yqvaöv ts slg göyag avrcöv jtsiLi7i6/j,svov nkeToxov xai onXa stg
avi^naxiav xal dojrdvag xai oaa akka iysiQovTo) machen schon aus diesem Zug einen
eigentlichen Feldzug, aber gegen ,i die besten Zeugen und offenbar verkehrt.
3) Dies ist die capitatio animalium, die neben der capitatio humana C. Th.
11, 20, 6, oder die publicae functiones animales, die neben den publicae functiones
terrenae Cod. lust. 11,48, 23, 2 auftreten, derjenige Theil der Grundsteuer, der
für das Vieh entrichtet wird. Vgl. Hermes 3,438 [in dem Aufsatz: 'Syrisches
Provinzialmaß und römischer Rechtskataster', der in den Epigraphischen Schriften
zum Abdruck gelangen wird].
4) Consul 500, Feldherr gegen die Perser 503 fg.
5) So wird wohl Johannes Andeutung zu fassen sein: avzc^ tcö Bizahavcö
fisQo; ov fiixQov zi]g svjigayiag yevö/HEvog.
6) Marcellinus nach den S. 351 A. 2 [oben A. 2] angeführten Worten: scilicet
Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 737
Vitalianus selbst — denn er zog es vor draussen zu bleiben
wohl aber seine Offi eiere zum Kaiser geführt, der ihnen theils den
Ungrund ihrer Beschwerden darthat; theils für die begründeten
Abhülfe versprach, wegen der Rehgionsstreitigkeit aber verhiess die
Bischöfe des ^\'estreichs als unparteiische Richter um ihren Schieds-
spruch anzui-ufen. In der That gelang es dem Kaiser die Gefahr
* zu beschwören. Die Offi eiere leisteten ihm aufs Neue den Eid der
Treue und bestimmten den Yitalianus sowohl wie die Massen dahin
woher sie gekommen, zurückzukehren 1.
Anastasius ernannte nun anstatt des Hypatius zum mag. mtl. för
Thrakien den Cyrillus, einen fähigen und erfahrenen Officier. Dieser
suchte mit List den Yitalianus aus dem Wege zu räumen; aber
seine Pläne wurden demselben kund und einer der treuesten und
angesehensten Genossen des Yitalianus, der Hunne Tarrach, erschlug
den Cyrillus mit eigener Hand 2. Als Anastasius diese xs'achricht
erhielt, Hess er nach altem Herkommen den Yitalianus durch den 353
Senat in die Acht erklären und sandte den Hypatius, dessen Mass-
regeln die Insurrection hervorgerufen hatten, als Höchstkommandiren-
den mit SO 000 Mann gegen die Insurgenten. Unter ihm standen
der Skythe Alathar, der als tnag. mil. von Thrakien dem Cyrillus
nachfolgte ^, und der kaiserliche Schatzmeister Theodorus. Yitahanus
pro orthodoxorum se fide proque Macedonio wrbis episcopo incasstim ab Anastagio
EHpe exulato Constantinopolim accessisse adserens.
1) Marcellinus a. a 0. : Anastasii simulationibus cUque periuriis per Theodo- '
intemuntium ilUctus atque iUusus octavo die, quam urbem aceesserat, remeavU.
2) ]\tarcellinus a.a.O.: CyriUum Unocinantem magis quam stremium müitiae
yrem inter duas paelices Vitaliamis repperit donnientem eumque abstractum
mox cuUro Getieo iugulavit hostemque se Anastasio Caesari paiam aperteque eaJti-
hiit. Malalas p. 402 sehr ausführlich. Theophanes zum J. 6006 [I 160, 13]:
rovrcp TW hei Bixakiavog jragcüaßoyv jiäaav zijr Oqoxtiv xcu . . . ix<ov fi£&' iavrov
:t/.fjdo; Ovwcov y.al BovXydgcov nagiXaßev rr]y 'Ayiiclov xcu rrff 'OdvooöJioXiv, xiäoas
y.al Kvoi/./.ov xov aroarTjXdTrjv OQÖxrjg, xal ^/i?e 7toai8sv(ov eoyg zov Bv^avziov. Aus
Theophanes schöpft Cedrenus, den ich desshalb nicht -weiter berücksichtige.
Euagrius 3, 43: KvqiXX<k zag ImaxQatevaEig syxeioi^exai xcu Jigtöia fiev rij; fidxtjs
u-'/co/^id/.ov yevofiEvrjg , sha xal noXXäg XQo:ias de^afievTjg ev xe xaig v:iay<aycüg xcu
Tov KvoiXkov x6 ziXiov iaxijxöxog kiiGXQoq;ä8rjv :icdivdico^ig yeyovev edti.oxaxT]odvio>y
Töiv GxoaxicoxöJv xal ovxu> xov KvQiÄlov EX xrjg 'Obvoaov ^aQsiXi]<fsv 6 Bixcdiavog.
Malalas, Theophanes und Euagrius setzen die Niederlage des Cyrillus nach der
des Hypatius, während Johannes die Folge umkehrt. Die übrigen Quellen, selbst
' Marcellinus, nennen nur die eine oder die andere. Vermuthlich ist Malalas der
IHfcheber dieser Umstellung und hängen Theophanes und Euagrius von ihm ab.
^^ 3) Ihn kennt auch Jordanis de regn. succ. [p. 46, 22]: item Bufinus Alathort-
que magister militum saepe supercdi. So hat die Heidelberger Handschrift, wofür
freilich in den Ausgaben steht: Herum suus gubemator magisterque rmlitum.
MOMMSEN, SCHR. VU. ^7
Ift
738 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.
stellte sich ihm mit den Seinigen entgegen und rief die befreundeten
Hunnen auf; gegen Zusicherung einer grossen Geldsumme sandten
diese ihm ansehnliche Haufen ^. Von den Kaiserlichen wurden einige
glückliche Gefechte geliefert und der Kaiser glaubte schon die In-
surrection unterdrückt, so dass er wieder in den Kirchen der Haupt-
stadt und bei den öffentlichen Spielen erschien. Aber es folgten
bald neue Unglücksfälle. Julianus, ein Beamter aus dem Scrinium
der Memoriales, der, ohne Officier zu sein, den Krieg als Zuschauer
hatte mitmachen wollen, wurde gefangen und in einem eisernen
Käficht mitgeführt 2, bis mit vielem Golde seine Freigebung erkauft
ward. Ein höherer Officier Timotheus, einer der Protektores des
Kaisers, fiel im Gefecht. Hypatius schlug sein Lager bei der Burg
Akris ^ am Ufer des Meeres und ordnete hier hinter der Geschütz-
reihe seine Truppen. Mit gesammter Hand griffen die Hunnen ihn
an. Eine Zeit lang stand das Schiessgefecht; aber als die Hunnen
ihre Pfeile auf die Ochsen richteten, mit denen die Geschütze be-
354 spannt waren, und diese niederschössen, ward die Geschützreihe
durchbrochen* und die Truppen selbst hielten den anstürmenden
Hunnen keinen Augenblick Stand. Es wird berichtet, dass deren
Zauberer gar noch Finsterniss machten und also die nicht von den
Streichen der Feinde fielen, auf der Flucht theils in die Bergschluchten,
theils in die See stürzten, zusammen über 60,000 Menschen umkamen.
Die Officiere wurden fast alle gefangen, Hypatius selbst lebend aus
1) Johannes erwähnt dies erst später; es passt das Herbeirufen des Landes-
feindes aber nur in diesen Zusammenhang.
2) Dasselbe berichtet Victor Tunnunensis von dem Patricius oder vielmehr
dem Hypatius (S. 354 A. 2 [S. 739 A. 1]).
3) Dass Akris Ortsname ist , zeigt Marcellinus zum J. 515 [chron. II 99] :
Hypatium . . captivum catenatumque apud Acres castellum tenebat; dass es am
Meere lag, die weitere Erzählung. Sonst ist der Ort unbekannt; er muss an
der thrakischen oder allenfalls an der skythischen Küste gelegen haben.
4) Die mit Ochsen bespannten Wagen der Römer, die während der drtijia-
Xog ro^eia in erster Linie stehen, können nur die onagri des Vegetius (2, 25;
vgl. Marquardt 3,2,471) sein: legio . .. instruitur iaculis, quae mdlae loricae,
nulla possunt scuta sufferre. nam per singulas centurias singiclas carroballistas
habere consuevit, quibus muli ad trahendum et singula eontubernia ad armandum
vel dirigendum, hoc est undecim homines deputantur . . . mm sölum autem castra
defendunt, verum etiam in campo post aciem gravis armaturae ponuntur . . . in
una autem legione LV carroballistae esse solent. item decem onagri, id est singuli
per singulas cohortes, in carpentis bubus portantur armati, ut si fo^ie hostes ad
oppugnandum (Hdschr. ad pugnandum) venerint Valium, sagittis et saxis possint
castra defendi. Die Bezeichnung carpentum deutet an, dass die Wagen bedeckt
waren. Uebrigens kenne ich keine zweite Schlachtbeschreibung, die die Verwen-
dung der Geschütze in dem Standgefecht dieser Zeit so anschaulich machte.
Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 739
dem Meere aufgefischt ^. Die ungeheure Beute setzte den Yitalianus
in den Stand den Hunnen die versprochene Summe zu zahlen. Die
übrigen gefangenen Officiere, Alathar, Asignius und andere wurden
gegen Lösegeld entlassen; aber den Prinzen des kaiserlichen Hauses,
den ihm das Kriegsglück in die Hände gespielt hatte, bewahrte
Vitalianus sorgfältig wie eine kostbare für hohen Preis anzubringende 355
Waare. Er hatte sich nicht geirrt. Der Kaiser sandte den Can-
cellarius des magister officiorum^ Uranius mit den beiden für den
Verkehr mit den hunnischen Gesandten bestimmten Beamten Poly-
chronius und Martyrius ^ imd mit zehn Hundertpfunden Goldes *, um
den Gefangenen von den Hunnen zu lösen. Aber bei Sozopolis,
dem alten Apollonia in Thrakien, fielen die Boten in einen Hinterhalt
und statt den Gefangenen zu befreien wurden sie selbst mit dem
Lösegeld und der Stadt Sozopolis eine Beute des Feindest
In den Statthalterschaften Moesien und Skythien waren die
Castelle und Städte sämmtlich in der Gewalt des Yitalianus und
allgemein erwartete man, dass derselbe sich zum Kaiser werde
1) Jordanis [p. 46, 19] : contra quem (Vitalianum) dum Hj/patius nepus Caeaaris
cum exercitu mimeroso prignaturus egreditur, ante ab Hunnis ar4xäiaribus capitur
et Vitaliano mula insidens turpiter venditur, anteguam aperto prodio parte adversa
sese inimieum ostenderet. Marcellinus übergeht die Gefangennahme des Hypatius,
obwohl er dessen Lösung erwähnt ; Theophanes und Euagrius erwähnen sie, aber,
wie schon bemerkt ward (S. 352 A. 5 a. E. [S. 737 A. 2]), wahrscheinlich nicht an
der richtigen Stelle. Jener erzählt unter dem J. 6005 [1 157, 16] : <paal 8s ozi ir
fiiä ovfißoXfj k^rjxovra :xhne ^Uiddag argarov ßaaüixov ixQtjfivioe ovv 'Y^ariq) aTQorrj-
yovvri avx&v, vlät 8e i^adskqpfjg 'Avaaraoiov xal 2sxow8ivov aargtxiov, ov xai niaaas
CöHra SV q?QovQä slxev. Dieser sagt 3, 43: ago? tcöv olxslcov ^Qo8odsi? 6 'YTcärio?
Qoiyoiag ?//£ö. Victor Tunnunensis zum J. 511 [chron. II 195] : Vitalianus comes
Patricium nepotem Anastasü principis magistrum Bomanae müitiae congressione
facta LXVviris ex militia Bomana peremptis rtntm capit et vinculis aereis vhictutn
in custodiam cavae (vielmehr caveae [so eine Hs.]) ferreae trudit et postea distrahU,
wo Patricius, Hypatius und lulianus verwechselt werden [statt Patricium haben
zwei Hss. Hypatium]. Keiner dieser Berichte ist correct; der wahre Zusammen-
hang der Dinge wird erst durch Johaimes klar.
2) Die Not. Dign. Occ. c. VIII verzeichnet unter den dem magister ofßeio-
■tm untergebenen Bureaus an letzter Stelle die cancdlarii,
3) Diese merkwürdigen rag xätv Ovwcov ngsaßsiag hiixsxQannevoi sind ver-
muthlich zu suchen unt^r den interpretes diversarum (oder omnium) gentium, die
die Notitia unter dem Bureaupersonal des magister officiorum aufführt Vgl.
dazu Böcking not. dign. occ. p. 322.
4) Vgl. Cod. lust. 12, 51, 12: exceptis auri centenariis.
5) Diese Sendung erwähnt auch Marcellinus beiläufig zum J. 515 [chron,
II 99]: iam miUe centiim auri libris cum TJranio captivo sibi a suis in Sozopoli
dblatis. Die 1100 Pfund scheinen aus Missverständniss der 8ixa yovalov iAXQtöv
sxajovrddeg entstanden.
47*
It
740 Bruchstücke des Johannes von Antiochja und des Johannes Malalas.
ausrufen lasspn. Auch in der Hauptstadt fanden Aufläufe statt, zu
dienen, wie gewö,hnlichj, die Circusspiele die Veranlassung gaben; da
der Kaiser sich weigerte das Rennen am Abend zu wiederholen,
erschlug der Pöbel den jjraefedus vigilum Geta und andere Personen ^.
Zum Kaiser nun zwar Hess Vitalianus sich nicht machen 2, wohl aber griff
er die Hauptstadt an, diesmal zu Lande und zu Wasser, indem er an
der thrakischen Küste hinab marschirend bis nach dem Hafen Sosthe-
nion, zehn Milien von Constantinopel, vordrang und dahin zugleich
seine Flotte von 200 Schiffen steuern liess^. Die Bewohner der
356 Hiauptstadt erwarteten ihn einrücken zu sehen; der Kaiser hatte in
der That nichts ihm entgegen zu stellen. Wie immer suchte er
sein Heil in der Diplomatie und sandte an ihn den Johannes, den
Sohn der Yaleriana, der Schwester des Vitalianus, der schon hohe
Aemter bekleidet hatte und späterhin in Justinians Gothenkrieg eine
hei-vorragende Rolle spielte *. Derselbe gelangte nicht ohne Lebens-
1) Von diesen Unruhen ist sonst nichts bekannt. Die von Theophanes
unter dem J. 6005 erzählte durch religiöse Motive veranlasste Bewegung, bei
welcher das Volk den Ruf erhoben haben soll, dass Vitalianus Kaiser werden
möge, scheint nicht hierher zu gehören, sondern aus dem hervorgegangen zu
sein, was Marcellinus unter dem J. 512 von Areobindus berichtet.
2) Johannes sagt das nicht, obwohl er ihn als xvqawog bezeichnet; und
dass es von Vitalianus keine Münzen giebt (Sabatier monnaies Byzantines 1, 156),
ist entscheidend.
3) Marcellinus 515: Vitalianus eiäem Anastasio imp. imnianior factus est
inimiciis : praemissis quippe suorum equitibus armatisque naviculis sinistro sibi litwe
deeurrentibus ipse peditum armis stipatus Systhenense praedium ingressus est totius-
que loci palatium habuit mansionem. Theophanes zum J. 6006 [I 160, 17], unrichtig
anknüpfend an die Gefangennahme des Cyrillus: (pEidöfisvo? ds x^s nöXacog h
Zoio&Evicp iorgatoMEÖsvaaro. Victor Tunn. zum J. 514 [chron. II 195]: Vitalianus
comes cum manu valida barbara)-um Constantinopolim veniens in Sosthene sedit.
Den Ort nennt auch Johannes Antiochenus fr. 15, 2 (und dessen dort von Müller
angeführte Ausschreiber) ; die Lage bestimmt Malalas p. 403, 8. 406, 21 und
besonders der Periplus des Euxinus § 90. Die Form Aaooßiviov findet sich ausser
unserer Stelle nur in den salmasianischen Excerpten des Johannes a. a. 0.,
Ascood^enov bei Stephanus (u. d. W. rvvaixöonoXig) , während der Pariser Codex
1680 der Excerpte und alle anderen Zeugen Scoad'eviov schreiben. Vgl. Man-
nert 7, 152.
4) Marcellinus zum J. 515: missi sunt ad Vitalianum a Caesare senatores,
qui pacis cum eo leges componerent. Theophanes zum J. 6006 [1 160, 18]: Ava-
0x6.0105 Sk ojioyvovg nsixnei xiväg xfjg ovyxXrjXov Jtagaxakcöv EiQrjvsvoai avxöv. Vgl.
Prokop bell. Goth. 2, 5: "loiävvrjg 6 Bixahavov xov iiQwrjv xexvQavv7]x6xog a8sX(pi8ovg,
und Malalas p. 404, 2: Imdvvtjv xöv BaleQiavijg, wonach der lückenhafte Text des
Johannes zu ergänzen ist. Wenn Johannes der Neffe des Vitalianus nach
Johannes von Antiochien schon mag. mil. und Consul gewesen war, so kann
letzteres nicht vom Ordinariat verstanden werden: denn die beiden aus dem
Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 741
gefahr durch die feindlichen Yorposten bis in das Hauptquartier des
Yitalianus in dem kaiserlichen Palast von Sosthenion. Man musste
wohl jede Bedingung annehmen, die Yitalianus zu stellen beliebte:
dass dieser sich enthielt die Absetzung des Kaisers zu fordern und
überhaupt Bedingungen stellte, war schon ein unerwartetes Glück.
Yitalianus wurde, wie er verlangte, zum magister militum per TJiracias
bestellt^, für die Lösung des Hypatius die ungeheure Summe von
5000 Pfund Goldes entrichtet 2, endlich durch ein kaiserliches Edict 357
den Beschwerden der Orthodoxen abgeholfen und der ganze Yertrag
durch feierliche Eide bekräftigt. Dass die Wiedereinsetzung der
abgesetzten Bischöfe und die Einberufung eines allgemeinen, auch
von den occidentalischen Bischöfen zu besuchenden Concils gefordert
ward und Yitalianus sich nicht mit dem oft gebrochenen kaiserlichen
Eidschwur begnügte, sondern auch die Principes der sämmtlichen
Scholae so wie der Senat und die Oberbeamten den Yertrag eidlich
bekräftigen mussten, sagt Johannes nicht, ist aber sonst glaubwürdig
überliefert^. Ohne den Kaiser haben sehen zu wollen ^ ging der
neue magister miliitim in seinen Sprengel zurück.
Aber Anastasius war nicht gewohnt sich an irgend etwas zu
binden, am wenigsten an ein gegebenes Wort; er rechnete den
Meineid für den Herrscher zu den Mitteln gerechter Notwehr*. Im
folgenden Jahre 5!5 — es ist dies leider die einzige in diesen Frag-
menten ausdrücklich angegebene Jahrzahl — brachen die Saber-
Hunnen von Armenien her in das römische Gebiet ein und plünder-
ten und mordeten entsetzlich in der ganzen pontischen Diöcese^
isaurischen Feldzuge bekannten Johannes, die 498 und 499 zum ordentlichen
Consulat gelangten, sind von diesem verschieden.
1) Das sagt auch Marcellinus [chron. II 99]: tnagistef tnilüttm VUahanus per
Thracias factus.
2) Marcellinus zum J. 515: nongenta pondo (oder pondera) auri exeeptis
regalibus mutieribiis pi'o pretio tunc accepit Bypatii . . . Hypatium, quem captivum
catenatumqtie apud Aa-es castellum tenebat, reversus siw remisit avunculo. Theo-
phanes zum J. 6006 [I 160, 28]: Hsxovvdlvog dk 6 jtazQixio;, yafißgog 'Avamaa/ov
i:i ä8£/.q:i~j, .tot^o 8k 'Ynaxiov etg rovc :j6Sag rov BiraJuavov :igoc:isaü}y :ioHoTi
däy.ovaiv 'Y:tdriov rov löiov viöv ex twv iv Mvaiq deoficöv C^vro d.-üj.aßsv. Kurz
erwähnt den Loskauf Euagrios 3, 43. — Dass Marcellinns nicht von 90 Pfiind
Gold gesprochen haben kann, ist aus dem Zusammenhang klar; vermuthlich
schrieb er oder hätte schreiben sollen L auri pondera, so dass pondus so viel
ist als centenarium.
k; 3) Theophanes zum J. 6006 [1 160, 21]. Victor Tunn. zum J. 514 [chron. U 195].
1, 4) Theophanes a. a. 0. [I 161, 10]: sleys rofior eivai xs'uvovxa ßaadia xar
avdyxTjv eTctoQxsTv xai xpevdeodai.
5) Marcellinus zum J. 515: ea tempesMe Hunni Armenia transmissa totam
Cappadociam devastantes usgue Lycaoniam perrexerunt. Victor Tunn. zu dems.
742 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.
.Nach Johannes Angabe ist dieser Angriff der Hunnen vom Kaukasus
durch die von den Hunnen an der Donau bei dem Aufstand des
Vitalianus erreichten Erfolge hervorgerufen worden, und unmöglich
ist es nicht, dass die in Europa zu Tage getretene Schwäche des
Römerstaates auf die asiatischen Völkerschaften bestimmend ein-
gewirkt hat. Anastasius suchte, vielleicht diesen Hunneneinfall zum
Vorwand nehmend, sich den mit Vitalianus geschlossenen Verträgen
zu entziehen ; anderweitig wird gemeldet, dass er die Abhaltung des
358 zugesicherten allgemeinen Concils zu hintertreiben wusste ^ und dass
er das dem Vitalianus gegebene Commando in Thrakien an seiner
Stelle dem Rufinus übertrugt. Da brach Vitalianus zum dritten
Male mit Heer und Flotte gegen die Hauptstadt auf und gelangte
wiederum ungehindert bis nach Sosthenion; ja er besetzte Sykae,
die Vorstadt Constantinopels auf der andern Seite des goldenen
Horns, das heutige Pera. Vitalianus hoffte, dass die Isaurer und
die sonst dort stehenden Besatzungstruppen zu ihm übergehen würden,
aber vergebens: sie leisteten tapferen Widerstand. Seine Schiffe
zeigten sich selbst an dem asiatischen Ufer Constantinopel gegenüber
bei Chrysopolis, dem heutigen Scutari. Andere Berichte sagen, dass
der kaiserliche Admiral Marinus der Syrer hier den Vitalianus zur
See besiegte und in Folge dessen dieser eiligst die Belagerung auf-
hob'; Johannes meldet davon nichts, als dass der Führer der kaiser-
J. [chron. II 195]. Theophanes zum J. 6008 [I 161, 28] : zoitca xw hei Ovvvoc ot
Xsyöfisvoc SaßrjQ TtsQaoavreg rag Kaaniag nvXag rtjv 'AQfxeviav s^sögafMOV, KannaSoxiav
T« xal FaXaziav xal Ilovtov Xrji!^6fi£voi dtg xal Evxdira (iixqov 8eTv jiaQaan^aaa&ai.
Euagr. 3, 43. Malalas p. 406, 10. Bei Theodorus Lector 2, 19 heissen sie, wohl
durch Schreibfehler, xatßavoc Andere Stellen über diese Sabern am Kaukasus
giebt Zeuss S. 711. 713, wo die hier angeführten fehlen.
1) Theophanes zum J. 6006 [1 160, 31] berichtet, dass der Papst Hormisdas
auf das Ansuchen des Anastasius das Concil von Heraklea in Thrakien zu be-
schicken bereits zwei Abgesandte ernannt gehabt habe, aber obwohl Vitalianus
und der mit Vitalianus einverstandene Theodorich auf deren Absendung gedrungen
hätten, sich doch durch vertrauliche Mittheilungen des Kaisers habe bestimmen
lassen sie zurückzuhalten.
2) Marcellinus zum J. 516 [chron. II 99]: mutata fide Anastasius imp. Vita-
liano siiccedit (= ruft ihn ab) eidemque Rufinum destinat suecessorem. Den Rufinus
nennt Jordanis (S. 353 A, 1 [S. 737 A. 3]) unter den von Vitalianus überwundenen
Feldherren.
3) Euagrius S. 43, anknüpfend an die Gefangennahme des Cyrillus: fiexec
rcov xaXovfieviov Hvxäv rrjv sXaoiv snoirjoaxo (Vitalianus) nävra Srjwv, nävxa tivqjio-
Xwv ov8h> STEQOV Toig qpavraoiaig sxcov rj xal xrjv nöXiv avxrjv i^sXsTv xal xfjg ßaai-
Xsiag XQaxfjoai. iv 2vxaTg de avxov axr]vcooa/x.ivov axeXXsxai JiQog rov ßaaiXimg
MagTvog 6 üvQog .... fiexä vtjixov otqüxov noXs/ntjocov x(p BixaXiavw. ovv^xrjv ovv
Bruchstücke des Johannes von Äntiochia und des Johannes Malalas. 743
liehen Palastwächter {excubitores) Justinus mit einem Schnellsegler 359
ein feindliches Schiff weggenommen habe, und den plötzlichen nächt-
lichen Abzug der Hunnen unter Zurücklassung selbst der Verwundeten.
Weiter erfahren wir aus Johannes ^, dass es den Kaiserlichen gelang
Zwietracht unter den Anhängern des Yitalianus anzustiften. Der
getreue Diener desselben, durch dessen Hand Cyrillus gefallen war,
der Hunne Tarrach, wurde durch seinen mit kaiserlichem Gold er-
kauften Landsmann Turgun den Kaiserlichen in die Hände geliefert
imd in Panteichion bei Kalchedon lebendig verbrannt. Rufinus bekam
die Leibwächter des Yitalianus, Anastasius und Domnicus in seine
Gewalt und auch diese wiu-den in Constantinopel hingerichtet. —
Hier bricht der Auszug ab. Ueber die Wendung, die der Tod des
alten Anastasius (9. Juli 5 IS) vmd der Regierungsantritt des ortho-
doxen Justinus diesen Dingen gab, über die hohe Stellung, die
Yitalianus unter diesem einnahm, über seine Erhebung zum mdgister
militiae in praesenti und zum ordentlichen Consul für 520 und seine
Ermordung auf kaiserlichen Befehl in eben diesem Jahre erfahren
wir aus den neuen Fragmenten nichts.
äfj.(f<o Ttü axQara), o ^ev i:ii :iQVfivav ras Zvxäs, o 8e rijr K(ovoxavTivov:ioXtv f/eov.
}<ai ngcörov ftev dvexcöxfvov , sha /lexa tovc exJiXovs xai xoi-g dxQoßoXtofioi-s firta^i'
roiv dvoTv aroaxo:ti8otv vavfiaxias xaQxegäg ovoxäarjg jxegi xä xaXnvutva Bv&ägia
(vgl. Malalas p. 405, 5) qjevyei fiiv nQoxQonddfjv :;igvfivav xoovadftsvos 6 BixaXtavog
xä :io/./.ä xtjg Svvdfteco? obxoßaXwv, <pevyovai 8e xai oi äfitp' avxöv ovxto xdxiaxa, <5ff
firjöeva .-rokiuiov dvä xrjv s^ij? .-xeqI xov 'Avcuniovv tj :t€Ql xijv jcöhv avxijv ei^Qe&rjrat,
Anaplus heisst eine Oertlichkeit vier Milien vor Constantinopel gegen Norden
(Marcellinus zum J. 481 ; Stephanus u. d. W. /i-vatxoo.-io/t^ und KcdXüxoXt^;
Skylax § 67 und sonst). — Der Bericht des Euagrius ist unter den über diese
Seegefechte erhaltenen der beste: noch geringer sind die bei Malala.s p. 403 und
bei Zonaras 14, 3, wobei die Wunderthaten des Proklos die Hauptrolle spielen;
obwohl in der märchenhaften Umgestaltung bei dem ersteren mancher der wahren
Ueberlieferung entnommene Zug enthalten sein mag. Die im Ganzen besseren
Darstellungen des Marcellmus und des Theophanes übergehen diese Seeschlacht
ganz.
1) Die übrigen Quellen schweigen Ober den weiteren Verlauf der Verwick-
lung; nur Euagrius sagt 3, 43: qraai S" oiV xov Bixadtayov iv 'Ayztdi.ip xtra ZQ^"^
diaxoiipai, xrjv rjovxiav äyovxa. Was Theophanes unter dem J. 6007 [I 161. 14ffi]
berichtet, dass Vitalianus, durch den Meineid des Anastasius erbittert, ihm viel
Böses zugefügt habe und ihm zum Hohn die einzelnen gefangenen Soldaten ftlr
einen Follis den Kopf verkauft habe, fugt sich in die sonst bekannten Nach-
richten nicht recht ein.
744 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.
"Ort enl Uovoxiviavov hvQdvvrjoav ol ZafxaQeXtai xal eorexpav
ßaodsa.
Gemeint ist der Aufstand der Bewohner von Samaria unter
Führung des Julianus gegen Kaiser Justinian im J. 529. Vgl. Clinton
fast. Rom. zu d. J.
"Chi 'lovorTvog rbv äveyjiöv avrov äjiExexpdXioev cog emßovXevod-
jusvov avrcp.
Der jüngere Justinus, Sohn des Germanus, des Bruders Justini-
ans, Consul 540, wurde auf Befehl Justins II im J. 566 hingerichtet ^.
3ßQ "Chi oxavdaXio^eig 6 Mavgixiog enl rcp juiorj'&fjvai diä ro jiqo-
dovvai Ti]v aixjualojoiav ygäcpEi ngog rbv oxQaxrjyov KojuevnoXov
xgv(pa jiQodovvai röv Xaov Tijg Ogaxrjg eig rovg ßagßdgovg. eyvoj
ovv 6 Xabg rbv doXov rbv ydg OTQaxr]ybv XQarijoavrsg , vjxedei^ev
5 avxoig xd yodjujuaxa. änb xoxe ovv ei^rjxovv (povevoai Mavgixiov.
yvovg de 6 Mavqixiog dieöe^axo KojuevxiöXov noirjoag 0iXi7i7iix6v.
ene^xpav ovv evxoXixaoiovg öid KojuevxiöXov f]v de sig e^ avxcov
0coHäg. 6 ovv 0(oxäg dvxixaxeoxr} xcö ßaoiXeT xal ndvxo)v e^eX-
d^övrojv elg xcöv jiaxQixicov eTiidga/ucbv xw 0ü)xa dneonaoe xcbv
10 yeveicov avxov. 6 de 0ojxäg eveßXeipev avxbv änoxQioiv /it] öovg
avxüj.
Dies Bruchstück gehört in den Avarenkrieg des J. 600. Nach-
dem der Chagan der Avaren den Kaiser Mauricius vergeblich auf-
gefordert die Gefangenen für einen niedrigen Preis auszulösen, lässt
er sie sämmtlich umbringen. Die Erbitterung der Soldaten gegen
den Kaiser, dem sie den Tod ihrer Kameraden zur Last legen,
bestimmt diesen dem Feldherrn Commentiolus den geheimen Befehl
zugehen zu lassen das Heer dem Feinde zu verrathen; die Soldaten
erhalten Kunde davon und senden Abgeordnete, darunter den Centu-
rionen Phokas, den spätem Kaiser, an Mauricius, um über Commen-
tiolus Beschwerde zu führen. Wie Phokas den Kaiser anredet, wird
er von einem der Senatoren gemisshandelt, der Kaiser aber ruft den
Commentiolus ab und ersetzt ihn durch den Philippicus. — So erzählt
2 ai/jiaXcooiav] alyjiaXcooiav xal Hds.
1) Johannes Biclariensis zum 2. Jahr Justins II [chron. II 211]: lustinus
filius Geitnani patricii consobrinus lustini impei-atoris factione Sophiae Augustae
in Alexandria occiditur.
Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 745
Johannes. Bei unseren anderen Gewährsmännern, insbesondere
Theophanes zum J. 6092 p. 432 [I 2S0 de Boor] und Theophylactus
Simocatta S, 1, legt das Heer nicht dem Kaiser, sondern dem Com-
mentiolus den beabsichtigten Terra th zur Last, was allerdings zu
der Beschwerdeführung beim Kaiser besser passt, und ^vird Com-
mentiolus für jetzt nicht abberufen, sondern im Oberbefehl bestätigt.
Doch ist der genau motivirte und detailUrte Bericht eines so ge-
wichtigen Zeugen, wie Johannes für diese Epoche ist, sehr beachtens-
werth. Theophanes Erzählung mag zur Yergleichung hier stehen:
iy. Tovrov tio'/.v fuoog ey.ivt]dr] xaxä Mavgtxiov tov ßaodecog xal
rjoiavTO Xoidogiaig tovtov ßdXXeiv öuoicog xal 6 ?M6g 6 ev r/) Soaxt]
:To6g Xoidooiav rov ßaouecog exivtj'&r]. 6 de orgarög evrohxaoiovg
a:T€7ieLiyje Tioög rov ßaot/Ja xarä KoixevnÖAov ojg Tiooöooiav ev reo
7io/J/ucp Jioii^oavrog, ev olg fjv xal 6 0a)xäg, oortg reo ßaodei dia- 361
?.ey6/nevog ßovegebg xovzep ävreXeyev ev reo oeXevriw, Sore rivd reöv
TiarQixieov rovrov juar^eöaai, xal rov 7ieoyo}va avrov riXai. 6 de ßaai-
Xevg ov xareöe^aro ttjv xarä Kofxevriokov eyxXr]aiv, aXkä rovrovg
OTiodxrovg OTieXvaev. öiä rovro xal }) eTiißov).)} tov ßaoiXeeog ägxrjy
i/.d/ußavev.
"Ort /uravevovrog rov ßaoiXeeog Mavoixiov eig ri]v v:ianavr}]v
yvjuivoTiodog Xi&oi xar avrov tie/uep&tjoav elg rd KaQTiiavov, xal
exddiodv riva epaXaxqbv elg ovov, ßaXovreg eig rijv xeepaXrjv avrew
oxoQoda jiQog jui/urjoiv Mavoixiov, Xeyovreg 'evgev rrjv ödfxaXiv
5 djiaXi]v xal rgvepegdv xal ebg ro xatvov dXexrögiv, ovreog avrijv
7ie7irjöi]xev.
Diesen Yorfall berichtet fast mit denselben Worten Theophanes
zum J. 6093 p. 437 [I 2S3, 12]: rov de ßaoiXeeog wxrl dvvjioörjrov
Xiravevovrog juerd Tidoijg rfjg TioXeeog, 7iagegx,o/Li£vov h röig Kagmavov,
oraoidCovotv ex rov JiX^dovg riveg xal Xidovg xard rov ßaaiXeeog
eßeülov, öjene fioXig rov ßaoiXea ohv Oeoöooiq) xeb vleb avrov öiaooi-
•dtivai xal ri]v evxT]v jiXtjgeöoai ev BXayegvaig. oi de dijfwt evgovreg
ävöga Tigooojuoiovvra Mavgixio) xal ßaXovreg avrq> oayiov ^lavgov xai
d:i6 oxögdatv jiXe^avreg eneepavoiv xal eig ovov rovrov xadioavrsg
die:naii^ov Xeyovreg 'eügrjxe ri]V dauaXiöa äjiaXrjv xal eog ro xatvov
dXexTogiv ravrt] TieTirjdrjxev und so weiter. Kürzer Theophylactus
S, 4. 5^. '
746 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.
f. 153' "Oll vtpcoQäro MavQixiog eig röv oxQaxbv 0QqxYjg xal eig xbv
yafxßgbv 0diJiJiix6v. xal eldev änoxdXvxpiv 6 Mavgixiog, öti i'oraro
iv zw 7iOQq)VQM juagjudQü) xrjg y^aXxfjg, xal eXsysv avjcö 'nov MXug
änodcüOü) ooi; code fj sv rä> fxeXXovxi;" o öe eJnev ^cbde' xal xöxe
5 STiexQerpev avxbv Ixdod^rjvai ^coxä oxQaxicoxr]- xal divnvio'&r].
EnoitjOEv ovv juerdvoiav xco ^iXinnixio 6 Mavqlxiog. enexEiQOvv
ovv oi oxgaxol &QqxY]g dvEQxead^ai Jigbg smßovXrjv MavQixiov.
sßovkEvoavxo ovv oi oxgaxol xiva noirjoovoi ßaoiXm. EJioirjoav
ovv 0a)xäv xal atpiEoav xöv xe 'AXe^avdgov xal AiXXiv , xal ^X'&av
10 EOig xov xajujiov eßdojuov. ixpcoQwvxo ovv oi xrjg jiöXECog diä
362 MavQixiov, xal ovdslg ixöXjua e$eX-&eTv Jigbg avxovg. etieovqexo ovv
Eig xal djifjEi Jigbg xbv axgaxov. fjßovXij^t] 6 Mavgixiog xfj vvxxl
(pvysiv Tigbg xbv äyiov Ävxovojuov, äXX' imaosv avxbv fj jioöaXyia.
jigooEggvTjoav ovv xal xd ß' jusgr], Ugdoivoi xal Bevexoi, xal Jidvxsg,
15 xal dvrjyayov xbv 0(oxäv Eig oxovxdgiv iv xco xgißovvaXico xov
xdjujtov xal dvrjyögEvoav avxbv ßaoiXm. 6 öe Mavgixiog dxovoag,
e^eX'&cov did xo^Xiov EÖoxEi juExd xov viov avxov cpEvyEiv Eig xbv
äyiov Avxovojuov xal Jigbg Xoagorjv ev ÜEgoiöi. fjv öe juex' avxov
xal 2xEcpavog, 6 ßaiovXog OeoÖooIov , 6 xxioag xd dgjuaxiov xal xb
20 odyjua. dvxavEjuiag yEvojUEvrjg i^rjX'&Ev Eig dtadgojuovg. 6 ds 0eo-
ööoiog fjdvvfid^ri öiacpvyElv xal ovÖElg öiEyvoi. o'i ök t'cpaoav öxi
<pEvya>v E^EßgaoE xal exeXevxyjoev. yj Öe yvvr} xov ßaoiXEOig Mavgi-
xiov xal xd xsxva dnfjXd'Ov ev XaXxrjdovi, 6 öe ^iXinjiixbg ixEigaxo
xYjv x6jui]v xXrjgixbg ev XgvooTtoXsi. iitjxrjOEv ovv 6 0coxdg xbv
25 Jiaxgixiov , xbv xgaxrjoavxa xbv ndöywva avxov, Xsyoiv '(pigEXE xbv
xaxd juov^ xal dnsxEtpdXioEv avxov. k'oxEyjEv ovv xbv 0coxäv Kvgia-
xbg 6 naxgidgxrjg Eig xbv äyiov ^Iwdvvrjv Eig xb C'. W ^^ ^f? ysvEi
0gq^ ExdJv ve', eI^e Öe yvvaixa ÄEOvxiav xal jurjxsga xal Svyaxsga
AvojXEvI^iavrjv xal sßaoiXEvoEv hrj rf. xal Exga^EV ö örjfiog ev xco
f. 154 30 II ijijiodgofiiq) 'Mavgixiog ovx dnE^avE, fidd^E xyjv dX-iq^Eiav. xal
exeXevoev dTiEVEyßrjvai Mavgixiov xal xd xsxva avxov Eig xbv jucöXov
xbv Evxgojiiov xal dnoxxavd^rjvai.
Die Katastrophe des Mauricius und die Thronbesteigung des
Phokas wird von Johannes im Ganzen so wie von Theophanes
p. 439 fg. [I 284 f.] berichtet. Die Besorgniss vor dem thrakischen
Heere und dem Philippicus; das Traumgesicht, in dem Mauricius
erklärt lieber in dieser als in jener Welt die verdiente Strafe er-
leiden zu wollen; die Aussöhnung mit Philippicus; die Revolution
1 dg zu tilgen || 2 d:!iöxafitpiv Hds. || 32 röv Evzq.] täv Evtq. Hds.
Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 747
bei dem thrakischen Heere und die Ernennung des Phokas stimmen
wesentlich überein. Nicht genannt werden bei Theophanes, wenig-
stens nicht in diesem Zusammenhange, Alexandros und Lillis; es
scheinen dies die Abgesandten des thrakischen Heeres zu sein, die
in der Hauptstadt gegen Mauricius auftreten, imd sie sind wohl
identisch mit den später unter den Yertretem der Sache des Phokas 363
von Theophanes genannten Alexandros und Lilius. Die Flucht des
Mauricius zur Kirche des H. Autonomus ^, der Plan sich zu Chosroes
zu begeben, die Ausrufung des Phokas in der Hauptstadt, die Hin-
richtung des Mauricius und fünf seiner Söhne erzählt Theophanes
ebenfalls ganz ähnlich. Die Nachrichten aber über das Schicksal
der sonstigen Glieder des kaiserlichen Hauses fehlen bei ihm und
sind zum Theil wohl neu, obwohl einiges daraus Zonaras 14, 14 bei-
bringt, ebenso die über die Hinrichtung des Patriciers, der den
Phokas, als er als Abgesandter des Heeres zum Kaiser Mauricius
kam, am Bart gerupft hatte. Es liegt nicht in meinem Kreise ge-
nauer hierauf einzugehen.
"On Tioiijaag rbv Ttargoetov JIoioxov 6 ^coxäg yafißgov htl t^-
yarQl y.al decogtjoag rd XavQara xov yafißgov avrov ^coxag xal
T^? &vyaTg6g eig ^rjXov eX^&cov e^rjxa^E xovg ygajujbucfxdg xal rovg
i^gcoxovg xibv juegcöv. 6 de yafxßgbg avxov ügioxog .... toore
5 äjiooxsUai 'HgdxXeiov xov viöv avxov xal Nixrjxav xov viov Fgrjyogd
xov vjiooxgaxijyov avxov, vjiiayvovfievog avxoig Jigodiöovai ^ojxäv
fjxovexo ydg oxi xaxaoxgarijyeT 0(oxä. oi de IJgdaivoi ev bino-
ögofiiq eXeyov ngog ^oixäv 'ndXiv eig xov xavxov enieg, TidXiv xov
vovv ojKühoag! xal jioXXovg e^ avxcbv djiexxeive. ^jnco^evxeg
10 oi ügdoivoi exavoav xb :igaixd>gtov.
"Oxi eTiißovXovg TioXXovg tüaoe ^<oxäg vjio xe xov tidgxov
avxov xal dXXmv. xal fjX^ev 'HgdxXeiog, örjXw^elg nagd xov üglaxov
Tiaxgixiov, eig "Aßvdov xal öe^dfievog xbv xo^tjxa "Aßvöov efxa&ev
jiag avxov xd xivov/aeva ev xf] noXei. biifKfSij de 6 ddeX(pbg
15 <^oixä 6 xovöoyjig eig xb Maxgbv xelyog, xal fiadibv eig "Aßvöov
elvat xbv 'HgdxXeiov, ecpvyev ev xfj JioXet. 6 'HgdxXeiog ovv eig
4 Keine Lücke in der Hds.; es fehlen, wie Theophanes zeigt, die Worte
eyoaxpev :TQ6g 'Hqox/leiov xov jtaxQixiov xai oxQaxriyov "AtpQiXfjg \\ 5 vucriaap Hds. I|
10 JiQaixÖQiov Hds. 11 14 i^dfiqpei Hds.
1) Vgl. über diesen selten genannten bithynischen Heiligen, von dem Gibbon
sagt, dass er nicht die Ehre habe ihn zu kennen, Tillemont mem. pour servir ä
Vhist. eccl. 5, 159.
748 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.
"Äßvdov ndvxag rovg e^oqigtovq eÖE^aro, ovg e^cogioe ^coxäg. yjX'&ev
O'öv 'HqdxXeiog elg 'Hgdxhiav xal rjv^axo eig xrjv äyiav PXvxEQiav
xal äjio ^dvßgiag EiarjX^E nkcb xal äjifjl^Ev sig xrjv vvjoov rrjv
364 20 xaXovfXEvrjv Kakcovvjuov. fxa&cov ovv SxEcpavog 6 KvCixrjvog, Xaßoiv
EX xfjg '&Eox6xov 'Agxdxrig oxEfXjxa dmfjyayEv avxö tw 'HqaxXEiq).
i^fjX^Ev ovv 0ojxäg iv BXayEQvaig' exeixo yaQ Ugioxog 6 ya/ußgög
avxov Etg rrjv dyiav ooqov, TXQOonoiovjUEvog aXyETv xovg nodag. 6
Bovvcooog ovv ovveßovXEVExo djioxxEivai xov yajußgov avxov. jua-
25 '&6vxEg ovv xivsg Ugdoivot oxi rjX^Ev 6 ßaoiXEvg sig xrjv vfjoov xrjv
7iQoonaQaxEiju£vr]v xfj tioXei, EJiijQav xrjv yvvaZxa xal xrjv jurjxsga
'HgaxXEiov 0aßiav xal anrjveyxav 'HgaxXEiq). l^fjXdsv öe 6 0(jDxäg
xal dnrjX^EV Etg Bvgidag xal e^ecüqei xrjv nagdxa^iv xcov nXoioiv
f. 154' x(bv eX^ovxcov fiExd 'HgaxXEiov änb l4.q)Qixrjg. rjoav Öe \\ xd 7i),oTa
30 Ewg xov ^. xal wg iß^Ecogsi oxi iyyiCovoi xfj tioXei, EviJiJiEvoag 6
0a)xäg EioijX'&EV iv xfj jiöXei xal sjiixQEnEi <pvXdxxEO&ai ex xöjv
Hgaoivciv xov XijUEva xov Kaioagiov xal xov 2ocpiag, xovg öe Beve-
xovg xd Eni 'Oqjuio^ov. 6 öe ITgioxog sdrjXwoE ovvax^ijvai xovg
E^oxovßixwQag Eig xd Bogatöog Eig xov ituiööqoiuov xov ol'xov avxov
35 äjua xoig oxgaxicoxaig ßovxsXXaQioig. eJ^e Se 'HgdxXEiog MavQixwv
jzXfj^og jioXv, xal eIotjX&ev Eig odvdaXov KaXXionäg 6 TgijuoXaijurjg
6 fjvioyog, (pogaJv äg/xa xal xaooida, xal i^EX'&div Eig xö äxgofioiXov
ETifjgE- xrjv xaooida, fjv l(p6gEi, xal yvcogio^svxog avxov sv^vg s'ßaXov
Ol JJgdoivot Eig td Kaioagiov nvg' 6 dk Ugioxog EVExpsv avxov
40 ngög xd E^oxovßixoga. xov Öe Bovvcooov djiEX'&övxog Eig xd Kaioa-
giov, ETifjXdov ovxcb Ol Ugdoivoi, xal (poßrj'&Elg E(pvyEV Eig juiav xojv
oxaXcöv Tial k'XaßE xovxagaiav exeZoe' ol öh ävd^goiJioi xov 0a>xä
dvExcbgrjoav. 6 ovv 0(bxiog 6 Jiagd 0coxä EJiißovXEv&Elg Eig xrjv
yvvaixa avxov, eioeX^ojv Eig xd naXdriov juExd oxgaxov, xgaxrjoag
45 ai)xbv dnb xov ndyycovog i^sßaXsv avxov xov naXaxiov. Exövoavxsg
ovv avxbv xrjv ßaoiXixrjv oxoXrjv xal ijußaXovxEg avxbv Eig dyxvgo-
judyov dnrjyayov Jigbg 'HgdxXEiov. idojv Öe avxbv 6 'HgdxXEiog
E^dyxayva ÖeÖejuevov XiyEi avxqj 'ovxojg idioixrjoag, äd'XiE, xrjv ßaoi-
Xsiav;' o ök eTtiev 'ov xdXXiov E^Eig dioixijoai! o ovv 'HgdxXEiog
50 xad^rjfJiEvog Eig xb osXXiv ÖEdmxEV avxö) Xaxxaiav. xal im xov tonov
djiEXEcpdXioav avxov, xöyjavxsg xbv (bjuov xbv ÖE^ibv xal xrjv /etioa
, xal xrjv cpvoiv, xal ßaXovxEg Eig xovxdgia Eovgav avxbv xal Aojuvix-
^ioXov xbv dÖEXcpbv avxov xal Bovvcooov xal Aeovxiov xbv oaxsXXd-r
365 giov avxov xal k'xavoav avxovg Eig xbv ßovv.
34 s^oxovßrjzoiQa? Hds. H 38 snrjQs] xal sjifjQE Hds. [| 40 s^oy.ovßrjxoQa Hds.
Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 749
Auch der Bericht über den Ausgang des Phokas (1610 Oct. 6)
stimmt in der Hauptsache mit dem besten oder vielmehr bisher
einzigen, dem des Theophanes, giebt aber einiges anders und manches
mehr. Die Yermählung seiner Tochter Domentia mit dem Patricier
Priscus, die Erbitterung des Kaisers, weil die Tribüne der Factionen
(rd fieorf) die Bilder der Neuvermählten mit dem Lorbeer bekränzen,
die Bestrafung dieser Tribüne wie der Maler {yga/u/nioxai) berichtet
Theophanes p. 454 [I 294] ausführlicher als Johannes oder wenigstens
unser Auszug. Weiter heisst es bei Theophanes p. 456 [295, 27j:
6 JJoioxog fj-i] U7io(f£ocov ooäv rovg xe ädiy.ovg (povovg xal rd y.axd
lä vTib 0(oxä yivojueva eyqayfe TiQog 'HgdxXeiov röv Tiargixiov xal
OToaxYiyov "AcpQixrlg, wäre djiooTei/.ai ^Hodxkeiov röv viov avrov xal
Nixrjxav xbv viov rgTjyooä xov Jiaxgixiov xal vTiooxQaxrjyov avxov,
öncog ekßojoi xaxd xov xvgdvvov ^ayxä. ijxove ydo /LieksTOJin€vt]v ev
xf] 'Acpoixf] xaxd ^orxd avxaqoiav, was fast wörtlich mit unserm Text
stimmt. Dasselbe gilt von dem Aufstand der Grünen, den Theophanes
p. 457 fg. [296 f.] ausführlicher erzählt, und der Ankunft des Heraklius
p. 460 [298, 26], wo es heisst: xaxakaßcov de 'HgdxXeiog xi]v "Aßvöov
Evoev OeoöcoQOV xov xöfirjxa xrjg '-ißvdov xal dvaxoivag ejuade Tiag
avxov xd xivovjUEva h Ka>voxavxivovJiökei. 6 de ^coxäg asiemede xbv
döeXcpbv avxov AojuevxCloXov xbv judyioxgov — bei Johannes heisst er
6 xovöo/eio, der Einarmige — cpvMxxeiv xd Maxod xeiyt]' fxa&ojv de
6 fxdyioxQog, öxi xaxüaßev 'HodxXeiog xfjv "Äßvöov, ecfvye xaxaXiJidiv
xd xeixt] xal eioT]X§ev eig KcovoxavxivovTioXiv. 6 de 'HgdxXetog ede^aro
ev 'Aßvdcp ndvxag, ovg e^cogiae 0o)xäg, xal dvfjX&e ovv avxolg eig
'Hgdxleiav. Yon der Ankunft in der Kirche der H. Glyceria, der
Fahrt von Herakleia (Permthos) nach Selymbria und von da nach
der Insel Kalonymos bei Constantinopel ^ steht bei Theophanes nichts,
wogegen das Folgende wieder fast wörtlich stimmt: Zxe(pavog de 6 366
r>)g Kv^ixov jLii]xgo7ioXixT]g Xaßcov oxejUfia ex xfjg ixx/.J]oiag xijg dyiag
deoxoxov Agxdxrjg djirjyayev avrb xw 'HgaxXeicp. Die bei Johannes
folgende Erzählung, die manches geschichtlich wie geographisch
unbekannte Detail enthält, ist bei Theophanes zusammengezogen in
die wenigen Worte: xaxaXaßmv de xrjv KcovoxavxivovnoXiv jigoawgiuoe
xcp Xi^evt xrjg Zocpiag xal noXefiov xgoxrj&evxog vixq xji x^Qixi xov
Xgioxov 0o}xäv xbv xvgawov. ol de dfjjuoi xovxov nagaXaßovxeg
dveTXov Tivgl xaxaxavoavieg h x& Bot Unter den sonstigen Quellen
berichtet Zonaras 14, 14 von der Gefangensetzung der Mutter und
1) Sie wird auch erwähnt bei Theophanes in der vüa p. XXV [II 19, 7]
und bei Leo Diaconus p. 147, 19.
750 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.
der Braut des Heraklius, deren Befreiung durch die Grünen nachher
Johannes meldet. Dass dieselben das Haus des Cäsarius anzünden
und Bonosus vor ihnen die Flucht ergreift, berichtet, aber in unklarer
und abweichender Fassung, die Paschalchronik p. 700. Die Gefangen-
nahme und Hinrichtung des Phokas wird von Zonaras 14, 14 und
Cedrenus p. 712, 20 so erzählt, dass offenbar der Bericht des Johannes,
wenn auch nicht unmittelbar, beiden zu Grunde liegt; ich setze die
erstere etwas bessere Fassung her: ^conog de rcöv e7ii<pava>v vjzaQxcov,
ov TTjv yvvaixa 6 rvQavvog ßia ijuoixsvoe, ovv 7ikrj§Ei oxQarKOTCov
xaraXaßoiv rä ßaoiXeia xazsoTiaoe rov '&q6vov tov zvQavvov (ot yoLQ
Tiegl avxbv dTzoyvövreg tcöv ßaodsicov v7tavex(OQt]oav) xal anoövaag
rtjv 7ioQ(pvQida cpaiäv eod^rlTa eveÖvoe xal deojuiov tw 'HgaxXeiq) nage-
OTYjOEV. ö Öe iödiv avxbv eqpr] 'ovxcog, ä'&he, ra xfjg noXecog öicoxrjoag
TiQayfxaxa-' xal 6 ^coxäg dnovoiq xdxoxog ojv äjiEXQtvaxo 'ov de xgeix-
xovcog juaXkov öioixrjoeig avxd;^ OQyiod^Elg de 6 'HgdxXeiog Xdi exEivqy
EVE'&OQE xal £XT/ut]'&i]vai TiQooha^ev. oT /liev ovv avxixa avxbv dvaiQE'&fjvai
loroQfjoav, oT Öe tiqoxeqov avxov xdg xeXgag xal xovg noöag Exxojtfjvai
(paoiv, eixa xal xä alödia . . . xal ovxcog avxov xrjv xe(paXf]v Exxonijvai,
xb Öe övoxfjvov acbfia xav&fjvai xaxd xbv Bovv. Ausserdem ist auch
hier die Paschalchronik p. 700 beachtenswerth. Das Einzelne dieser
Vorgänge zu verfolgen liegt meinen Untersuchungen fern.*)
*) [In einem III. Abschnitt (Hermes a. a. 0. S. 366 — 383) publizierte Mommsen
die Malalasexzerpte der Madrider Hs., so weit sie bisher ungedruckt waren, und
notierte, soweit sie im Malalastext des Bonner Corpus schon vorlagen, die Ab-
weichungen der Madrider Hs. von der Oxforder. Da er diese Exzerpte ohne
historischen Kommentar herausgab und die Ausgabe selbst durch diejenige von
de Boor (a. a. 0. S. 151 ff.) ersetzt wurde, da endlich sein am Schluß geäußerter
Wunsch, jüngere Gelehrte möchten sich des über Gebühr vernachlässigten, sach-
lich wie sprachlich interessanten Chronisten annehmen, eben durch die von ihm
hier gegebenen Anregungen in Erfüllung ging, so schien es nicht erforderlich,
diesen Abschnitt hier wieder zum Abdruck zu bringen.]
LXXVI.
Lateinische Malalasauszüge.*)
Angelo Mai hat im Spicilegium Romanum 9 p. 118 — 140 (danach 437
hei Migne vol. 94 p. 1162) aus dem im 8. Jahrhundert in Uncial-
schrift geschriebenen vatikanischen Codex Pal. 277 eine lateinische
Chronik — übrigens recht nachlässig und vielfach korrigierend —
herausgegeben, deren enge Verwandtschaft mit dem griechischen
Malalas ihm nicht entging, ohne indes in ihrem ganzen Umfang von
ihm erkannt zu -werden. Bei Nachvergleichung und Untersuchung
des Textes habe ich gefunden, dass alles darin enthaltene Historische
einfach aus dem Malalas übersetzt ist. Daraus ergiebt sich einiges
für das merkwürdige Buch des Antiocheners, worauf hier hingewiesen
werden soll.
Dass hier und da Schreibfehler berichtigt und kleine Lücken
ergänzt werden, zum Beispiel
p. 228 Bonn.: d>g dijXov elvai c. Z ut hoc quoqtte darius ap-
6x1 pareaf qui (so) sicuf sexta die
homo in paradyso plasmatus
ovrco xal ri] corruit in peccato, ita sexta
ey.Tt] fjixEoa rfjg yj^^oidog im rrjg die miliarii mundtis (so) in aetate
yrjg Efpdvt] 6 deonozrjg ^ficöv "Ljoovg Christus super terratn manifesfatus
6 XoioTog est
will nicht viel bedeuten. Bei anderen Stellen ist die nähere Unter-
suchung erforderlich, ob sie aus unserem griechischen Text aus-
gefallen oder von dem Bearbeiter eingelegt sind.
Die grosse Lücke des Oxforder Textes, in welcher die Kaiser-
geschichte von Gallus bis auf Aemilianus untergegangen ist, war in
der Vorlage des Bearbeiters ebensowenig vorhanden, wie in der-
jenigen der constantinischen Epitomatoren (Hermes 6, 368. 382 [s.
*) [Byzantinische Zeitschrift IV, 1895, S. 487— 488.]
752 Lateinische Malalasauszüge.
oben S. 750*]). Die Kaiserreihe ist hier Yollständig. Allerdings
befremdet es, dass Kaiser Yalerianus in derselben zweimal auftritt,
einmal am richtigen Platz nach Aemilianus, das andere Mal nach
Caracalla, also an eben derjenigen Stelle, welche er infolge des
Ausfalles im Oxforder Codex einnimmt. Indes kann dieses nur
Zufall sein; denn dass jene Kaiserreihe nicht anderswoher eingelegt,
488 sondern wie alles Übrige aus Malalas entlehnt ist, geht daraus hervor,
dass die fehlerhafte Umsetzung der Kaiser Decius und Gallus in
Gallus und Decius in unserer Liste ebenso sich vorfindet wie in den
constantinischen Exzerpten.
Der falsche Kaiser Marcus, den Zonaras und Cedrenus zwischen
Gordian und Philipp einschieben und der wahrscheinlich nichts ist
als ein Doppelgänger des M. lulius Philippus, ist auch hier vor-
handen; womit übrigens nicht behauptet werden soll, dass jene
späteren Chronisten von Malalas abhängen.
Endlich wird dadurch, dass das Kaiserverzeichnis schliesst mit
lustinus ann. Villi, authentisch bestätigt, was allerdings ohnehin
nicht zweifelhaft war, -dass Malalas unter Justin II geschrieben
hat, und neu gewonnen, dass er sein Werk im neunten Jahr des-
selben, also 573 n. Chr. (f 578 Sept. 26) abschlösse
Erwähnung verdient noch, dass der Lateiner in der Vorrede
auf das mulioloquium der Scottorum scolares (Hs scolaces) schilt und
weiterhin denselben Scotti vorwirft, dass sie sapientia(m) se existimant
habere et scientiam perdederunt. Dieser Gegensatz einer im Abend-
land von Byzanz abhängigen Schule zu derjenigen Columbans ist
merkwürdig, und darum möchte man wohl wissen, wo diese Chronik
latinisiert worden ist. Die theologischen Stücke, die sie enthält,
weisen durch das Zitat wenigstens des Ephrem wohl auch auf ein
griechisches Original; es kann sein, dass der lateinische Bearbeiter
nicht den Malalas selbst vor sich gehabt hat, sondern einen mit theo-
logischen Ausführungen verschmolzenen byzantinischen Auszug aus
demselben. Die Frage, wo der Übersetzer zu suchen ist, dem sicher
jene Ausfälle gegen die Schotten angehören, bleibt noch zu erledigen.*)
1) Wenn Bethmann (Archiv 12, 333) die Abfassung der Chronik gleich nach
628 setzt, so ist dies ein Versehen; er hat wohl sagen wollen, dass die Hand-
schrift, da sie verschiedene Isidoriana enthält, nicht älter sein kann.
*) [Eine Vermutung darüber in unmittelbarem Anschluß an obige Worte
äußert L. Traube, Byz. Zeitschr. a. a. 0. S. 489 ff.]
Lxxvn.
Zur byzantinischen Chronographie.*)
Yon der Stadtchronik, welche der von mir (Abhandlungen der 625
Sachs. Ges. Bd. II) herausgegebenen Chronographie von 354 ein-
verleibt ist, findet sich eine Stelle (p. 646 meiner Ausgabe [oben
S. 571]) ausgeschrieben von Cedrenus I p. 302 der Bonner Ausgabe,
wodurch der Text berichtigt und vervollständigt wird:
Hoc imp. navis Alexandrina pri- "Em dk Tfjg ßaotXeiag Avyovazov
mum in portu Romano introivit Kaioaoog elafjXde tiXoTov cbiö 'A-
nomine Acatus, qui attulit fru- le^avdgecag eig rrjv jvograv 'Pwßiijg,
menti modios CCCC, vectores e^iq}eoöfi.Evov oirov /uodicov xiXiddag
MCC, piper,linteamen, carta,nitria v, hiißdxagao, vavzaga, Jtejiegi,
et opeliscum cum sua sibi base, o^ovag, x^Q'^V'^' veha, xcu rov
qui est in circo maximo, altum /iiyav oßekioxov juerd rov ßaoiXicog 626
pedes LXXXYÜS. avröv re iaxdna ev töji /xeydXwi
»buiixcöi eyovra vrpog nodag n^
^fuovv.
Im griechischen Text hat schon Meursius eig töv jiootov herge-
stellt, womit freilich vielleicht nicht der Abschreiber, sondern der
Uebersetzer corrigiert wird. Auch das imsinnige furd tov ßaodimg
statt f.iEjd xfjg ßdoecog hat wohl dieser verschuldet, da, wenn maa
ändert, mit dem folgenden avröv re nichts Rechtes anzufangen ist —
Dagegen ist im lateinischen Text aus der Version herzustellen natäas
CC, was nach vectores MCC ausfiel, und es ist statt nitria herzu-
stellen vürea, wenn nicht dies schon in der Wiener Handschrift steht.**)
Uebrigens ist es für die Quellengeschichte nicht ohne Interesse
bei diesem späten Byzantiner eine Benutzung jener Schrift der con-
stantinischen Zeit zu finden, die nur mittelbar sein mag, wovon aber
*) [Rhein. Mus. 11, 1857, S. 625—26.]
**) [vüria (sie) hat die Hs. in der That: s. o. S. 571, 2.]
MOIMSEH, SCHB. Vn. *°
754 Zur byzantinischen Chronographie.
meines Wissens die Mittelglieder uns nicht mehr vorliegen. Weitere
Auszüge aus der Stadtchronik finde ich bei Cedrenus nicht. Möchte
doch endhch sich jemand dem undankbaren, aber notwendigen Ge-
schäft unterziehen das nachzuholen, was die Herausgeber der Byzan-
tiner mit wenigen Ausnahmen versäumt haben: die Angabe der
Quellen. Die ganze bändereiche Reihe ist doch lediglich für den
historischen Quellenforscher bestimmt; und dieser kann mit diesen
Chroniken ernstlich und im Zusammenhang nichts anfangen, bis sie
so bearbeitet vorliegen wie die verwandte occidentalische Litteratur
in den monumenta Germaniae. Möchte sich ein Philolog entschliessen,
wenigstens für die vorjustinianische Zeit den Cedrenus, den 'Malalas,
die alexandrinische Chronik und die übrigen einschlagenden Quellen
im Zusammenhang durchzuarbeiten, wie es Moerner mit dem Orosius
gethan hat. Er wird nicht viel, aber doch sicherlich einiges an
neuem Material wie an Textberichtigung gewinnen und die Grenzen
wie die Sicherheit der historischen Quellenforschung nicht unwesent-
lich erweitern und steigern.*)
*) [Dieser Wunsch Mommsens ist wenigstens in dem von ihm verlangten
Umfange m. W. bisher unerfüllt geblieben. Vgl. auch oben S. 708f.]
Lxxvm.
Die Orthographie der sogenannten Tabulae honestae
Missionis.*)
Die Bürgerrechts Verleihungen, officielle und beglaubigte Docu- 460
mente und sämmtlich in Rom selbst ausgefertigt wie copirt, mit
wenigen Ausnahmen entweder noch vorhanden oder doch vollkommen
sicher überliefert und zwar, wo die Tafeln vollständig sind, durchaus
in doppelten Exemplaren, sind schon an sich für römische Recht-
schreibung Documente vollkommener Autorität, einzig aber in ihrer
Art insofern, als sie uns aus einem Zeitraum von zweihundert und 461
fünfzig Jahren, von Claudius an bis auf Diocletian, wesentlich die-
selben Formeln in über fünfzig sicher datirten ^ Beispielen vorführen
und wir also hier wenigstens für einzelne Fälle und Wörter Be-
obachtungen anzustellen vermögen, die nicht auf der Individualität des
einzelnen Schreibers, sondern auf zahbeichen durch einen längeren
Zeitabschnitt sich vertheilenden Wahrnehmungen beruhen. Es wird
daher gerechtfertigt sein hier übersichtlich zusammenzustellen, was
diese Documente für die römische Orthographie ergeben und dabei
auch Geringfügiges nicht zu übergehen, insbesondere wo darin eine
*) [Hermes 1, 1866, S. 460 — 467. Die von Mommsen hier benutzten 'tabolae'
sind von ihm selbst ediert worden im 0. I. L. III 2, 1873, S. 843 ff. mit Nach-
trägen im Suppl. dieses Bandes, pars prior, 1902, S. 1955 ff. ; vgl. auch Ges. Sehr.
V S. 38 A. **. Diese Nachträge hier zur Ergänzung der Mommsenschen Aus-
führungen heranzuziehen, schien nicht angebracht; nur in einem Falle, wo
dadurch eine besondere Bemerkung ergäjizt werden konnte, ist davon eine Aus-
nahme gemacht worden (u. S. 761*).]
1) An sich hat Föringer (Münchener Gel. Anz. 1844, 293) allerdings Recht.
wenn er darauf hinweist, dass die Daten nur für die Privilegien selbst mass-
gebend sind, nicht für die Copien. Aber wie alle anderen Alterskennzeichen,
so insbesondere die Zeugennamen lehren, dass die Extracte durchgängig wenig
jünger sind als die Originale.
48*
756 I^ie Orthographie der sogenannten Tabulae honestae Missionis.
gewisse Stetigkeit sich zeigt. — Ich citire die Tafeln nach den
Jahren in denen sie erlassen sind.
1. Der Genetiv der 2. Decl. von Wörtern auf ius und ium.
Das ältere Latein, das überhaupt nicht zwei gleiche Buchstaben
neben einander duldet, kann desshalb von den Wörtern der zweiten
Declination auf ius und ium die Bildungen auf ü im Gen. Sing, und
Nom. PI. und auf iis im Dat. Abi. PI. nicht verwenden, sondern muss
dafür andere Formen an die Stelle setzen. Diese sind indess nicht
durchaus gleichartig. In republikanischer Zeit bildete man von filius
den Nominativ Plural fiU, filei oder filiei, den Dat. Abi. PI. ebenso
^_filis, ßeis oder ßieis, dagegen den Genitiv Singular nie anders als
fili oder filei, so dass die Unterdrückung des «-Lautes vor der
Casusendung im Plural facultativ ist, im Singular dagegen obligatorisch.
Dies lehren die Inschriften dieser Epoche ^ und damit stimmt die
grammatische Theorie, wie Lucilius sie vorträgt^; dass auch die
Dichter der republikanischen Zeit keinen andern Genitiv wenigstens
von Substantiven kennen ^ als auf einfaches i, ist von Bentley längst
462 erkannt und seitdem vielfach bestätigt worden. — Hieran änderte
zunächst nichts, dass man in der augustischen Zeit das Gesetz nicht
zwei gleiche Yocale neben einander zu schreiben aufgab; es hatte
dies nur zur Folge, dass man das bisher oft stellvertretend gebrauchte
ei durch langes i ersetzte und also im Nominativ Plural auf fili und
ßi%, im Dativ Abi. PI. auf ßis und filils, im Genitiv Singular da-
gegen auf fili kam. Aber gegen die letztere Schreibung traten die
theoretisirenden Grammatiker auf, zuerst, so viel wir wissen, Yarro *,
indem sie behaupteten, dass der Genitiv wohl mehr, aber nicht
weniger Silben haben dürfe als der Nominativ, wesshalb sie auch
für den Genitiv der Wörter auf ius die Schreibung ßii forderten —
ähnlich wie man für den Nominativ derselben, der in älterer Zeit
1) Vgl. die Zusammenstellung in Hübners Index zum C. I. L. I p. 605. 607.
Füiei z. B. ist immer Nora. PI., fili und filei entweder Nom. PI. oder Gen. Sing.
Lucilius [364 Marx] forderte weiter, dass im Genitiv Sing, immer i, im Nom.
PI. immer ei geschrieben werde; diese Differenzirung aber ist in der Praxi»
nicht durchgedrungen.
2) Charisius p. 78 Keil und dazu Lachmann zu Lucret. 5, 1006.
3) Von Adjectiven so wie von Lehnwörtern haben schon ältere Dichter den
Genitiv auf ii gebildet. Die Inschriften übrigens schreiben vicei Sulpicei (C. I. L.
I, 804 [VI 32452 = Dessau 6078]) und muniäpi Flavi (S. 463 [u. S. 758]) und
Hdi so gut wie luli (I. N. 6310, 116 [C. I. L. X 8059, 209]); wenn man nur auf sie
Rücksicht nähme, könnte man für die ältere Zeit den Genitiv auf i oder ei als
ausschliesslich geltend aufstellen.
4) Bei Charisius a. a. 0.
Die Orthographie der sogenannten Tabolae honestae Missionis. 757
sehr häufig in i(s) verkürzt ward, bereits viel früher die volle Form
allgemein zurückgeführt hatte. Es ist nicht meine Absicht nach
Bentley und Lachmann die weitläufige und schwierige Untersuchung
aufzunehmen, wie sich zu diesem Schulstreit die Schriftsteller der
Kaiserzeit, insbesondere die Dichter verhalten haben ; im Allgemeinen
steht fest, dass der Einfluss der varronischen Theorie zuerst bei
Propertius und Ovidius wahrgenommen wird und sie dann allmählich
zu allgemeiner Geltung gelangt.*) Hier soll nur constatirt werden,
dass in unseren Documenten, die durchgängig die Zeugennamen im
Genitiv zeigen und wo also die Beispiele für den Genitiv der zweiten
Declination nach Hunderten zählen, unter allen diesen Genitiven von
Eigennamen nicht ein einziger begegnet, der anders als auf einfaches
i auslautete — das einzig widersprechende Marii auf der Berliner
Tafel Yespasians vom J. 71 ist nichts als ein Lesefehler für Marci.
Andere solche Genitive als von Eigennamen sind freilich auf den
Tafeln überhaupt sparsam und nur aus späterer Zeit zu finden; contihi
steht auf den Tafeln des M. Aurelius und L.Yerus von Chieti, contibii
auf denen von Caracalla vom J. 216 und Gordian vom J. 243, femer
durchgängig pü (J. 208. 216. 230). Jene Thatsache aber föllt sicher-
lich schwer ins Gewicht, um so mehr wenn man damit andere Docu-
mente gleichen Ranges zusammenhält und sich dadurch überzeugt,
wie sparsam in den Urkunden des ersten Jahrhimderts der Genitiv
nach varronischer Theorie geschrieben wird. Das ancyranische
Monument kennt den Genitiv auf i, wie es scheint, ausschliesslich,
während im Plural einfaches i mit doppeltem wechselte Damit
stimmen die Pisaner Decrete zu Ehren der Söhne des Augustus 463
überein 2. Dass Yerrius Flaccus auch hierin Varros Yorschrift befolgt
hat, ist sehr wahrscheinlich; aber die pränestinischen Fasten geben
kein sicheres Beispiel eines solchen Genitivs', während sie übrigens
zeigen, dass Yerrius im Plural durchaus das doppelte i brauchte*.
Die ersten ganz sicheren Belege für diese Schreibung sind wohl
*) [Vgl. F. Neue, Formenl. d. lat. Spr. I», Leipz. 1902, S. 134 £F.]
1) Hier findet sich conffiari, coronari, Feretri, luli, Pompei, prodi; 8. meine
Ausgabe S. 145 [191*]. Ckrnlegii 4, 36/7 beruht auf nicht sicherer Ergänzung.
Die frühere Meinung, der noch Lachniann a. a. 0. folgt, dass das über die Linie
hinausgeführte i als Surrogat der Gemination anzusehen sei. bedarf jetzt keiner
Widerlegung mehr: unzweifelhaft bezeichnet dasselbe nichts als die Vocallänge.
2) Hier lesen wir fili, Gai, Lud, während die Nominative ti und oH, die
Dative Ablative üs und spoleis begegnen, genau wie im ancyranischen Monument.
3) TARVTILI (Dec. 23) ist wahrscheinlich aus TARVTII entstellt, aber
doch kein sicherer Beweis.
4) Wir finden hier aJii, Exqiiüüs, iis, ebenso abiit.
758 Die Orthographie der sogenannten Tabulae honestae Missionis.
imperii in der Lyoner Eede des Kaisers Claudius^ und municipii
auf der malacitanischen Bronzetafel Domitians, wo dies ungefähr
ebenso oft steht wie municipi, während die gleichzeitige Tafel von
Salpensa ausschliesslich die letztere Form kennt ^. Dies stimmt
vollkommen mit der Bemerkung des älteren Plinius im fünften
Buche der Schrift dubii sermonis, die Charisius (a. a. 0.) aufbewahrt
hat: esse quidem rationem per duo i scrihendi, sed multa iam consue-
tudine superari; zu seiner Zeit also hatte man wohl in der Theorie
sich für die Ansicht des Varro entschieden, aber im Gebrauch be-
hauptete sich noch sehr überwiegend die ältere Schreibung und es
waren vielleicht nur die orthographischen Revolutionäre, die den
Genitiv fdii bildeten, wie Kaiser Claudius der Buchstabenerfinder
und der Schreiber der malacitaner Tafel, der ebenfalls, einer andern
orthographischen Theorie zu Liebe, eines und cuiius schrieb. — Aber
um die seltsame Beständigkeit unserer Tafeln in dieser Schreibung
zu erklären, wird man wohl noch eines hinzusetzen müssen: dass
auch diejenigen Grammatiker, die der varronischen Lehre folgten,
sie doch auf Eigennamen nicht anwandten. Dies ist zwar von den
Grammatikern nicht überliefert, ja die von ihnen gewählten Beispiele
zeigen durchgängig, dass sie die Regel auch auf Eigennamen erstreckt
wissen wollten; aber die Documente scheinen es zu fordern. Die
Lyoner Tafel des Claudius schreibt zwar imperii [s. jedoch Anm. 1],
aber daneben Caeli und Tarquini; und noch auffallender ist es, dass die
Tafel von Malaca in der zehnmal wiederkehrenden Phrase municipii
464 Flavi Malacitani häufig municipii, aber nicht ein einziges Mal Flavii
schreibt. Dasselbe gilt von unseren Bronzen. Wäre die varronische
Schreibung auf , die Eigennamen erstreckt worden, so wäre es mehr
als seltsam, dass unter so vielen Concipienten vom ersten bis zum
dritten Jahrhundert auch nicht einer ihr darin gefolgt sein sollte;
und dieselben Tafeln aus der Zeit Severus und Caracallas, die pH
und conubii schreiben, kennen von Septimius nur den Genitiv Septimi.
Ferner erklärt es sich bei dieser Annahme, dass Varro, obwohl er
die Schreibung filii fordert, dennoch^ den Genitiv von Plautius für
identisch mit demjenigen von Flautus erklären konnte *. Wenn end-
1) I, 36. Doch fällt auch hier n in den Bruch und ist genaue Constatirung
der Lesung vorzubehalten. [Die Tafel hat nach Hirschfelds Lesung imperi:
C. L L. XIII nr. 1668, Zeile 36.]
2) Auf der letzteren erscheint überhaupt ü nicht; sie schreibt is, nuptis.
3) de l. l 8, 36.
4) Ebenso wird man aus der bei Gellius 13, 26 (25) aufbewahrten Aeusse
rung des Nigidius Figulus über die verschiedene Aussprache des Vocativs und
J
Die Orthographie der sogenannten Tabnlae honestae Missionis. 759
lieh Lachmann von Propertius sagt: disylldbo a recto trihrevi sdus
usus est cum dixit arma Mari et bene facta Mari, Tunc animi
vettere Beci, contudit arma Tati, item hasta Tati et ora Tati;
hoc enim nulltis ceterorum imitatus est nee facile adducor, ut credam
Ovidium semel Tati scripsisse in fastarum l, 260, so verdient es
gleichfalls Beachtung, dass die hier zusammengestellten Fälle sämmt-
lich Eigennamen angehören. Auch können wir andere Fälle nach-
weisen, wo sonst allgemein durchgeführte Gesetze der lateinischen
Orthographie auf Eigennamen nicht erstreckt worden sind — so
schrieben die Numonii Valae auch in späterer Zeit noch ihren Namen
mit doppeltem a^ und hat sich das ei in den Namen Veiditis"^ und
Teidius^ bis in Zeiten behauptet, wo es aus der gewöhnlichen
Schreibung lange verschwunden war, wie ja denn in allen Sprachen
ähnhche Anomalien zahlreich begegnen imd die theoretisirenden
Orthographiker doch vor den Stammbäumen und den Urkimden
einigen Respect zu empfinden pflegen. Ohne weiterer Untersuchung
vorzugreifen, wird als Ergebniss der epigraphischen Documente
-anzusehen sein, dass dieselben den Genitiv der zweiten Declination
auf ii zu keiner Zeit ausschhesslich und überhaupt nicht vor der
Mitte des ersten Jahrhunderts zulassen, in Eigennamen aber durch-
aus ausschliessen.
2. Dass im Dativ und Ablativ Plural der zweiten Declination
— für den Nominativ derselben bieten unsere Documente keine
Belege — die Schreibung mit doppeltem / weit älter und weit 465
berechtigter ist als in dem entsprechenden Genitiv, wurde schon
gesagt; denn auch in repubhkanischer Zeit wurde gewöhnlicher
".edißcieis geschrieben als aedificis oder aedificeis. Damit stimmen
auch unsere Tafeln überein, und zwar in der Art, dass für die
frühere Zeit, d. h. von Claudius bis Traianus, der Doppelvocal auf
das entschiedenste überwiegt, späterhin aber das Verhältniss sich
umkehrt. Die Tafeln des ersten Jahrhunderts zeigen stipendiis
achtmal (J. SO zweimal — 86 zweimal — 93 zweimal — 96 zweimal),
während stipendis nur ein einziges Mal auf der Tafel vom J. SO
begegnet; die Urkunde vom J. HO hat einmal stipendiis und einmal
stipendis; auf denen vom J. 113 abwärts begegnet nur die letztere
des Genitivs Valeri nicht mit Sicherheit schliesseu können, dass Nigidius ein
Gegner der varronischen Theorie gewesen ist.
1) Rom. Münzwesen S. 471.
2) Vgl. den Index zu den I. R. N. p. 440 unter Veidins.
3) Der Consul des J. 31 heisst Sex. Teidius Catullinm (Orell. 4033 = L R.
N. 1968 [C. I. L. X 1233 = Dessau 6124]). Vgl. C. I. L. I n. 1090 [VI 21363].
760 Die Orthographie der sogenannten Tabulae honestae Missionis.
Form (J. 113. 116. 129. 134. 145. 230. 247), und auf denselben
erscheinen die Formen praeforis (J. 161/9. 208. 216 zweimal. 243)
und filis (J. 230. 247. 249). Ungefähr dasselbe gilt von dem Dat.
Abi. PI. des Demonstrativpronomens. Unsere sämmtlichen Tafeln
bis zum J. 110 einschliesslich kennen nur die Form iis und zwar so,
dass sie auf jeder mit Ausnahme der gänzlich fragmentirten der
ersten einundzwanzig Tafeln und gewöhnlich mehr-, oft vier- bis
siebenmal, im Ganzen, wenn ich recht gezählt, siebenundsechzig mal
vorkommt, woneben sich zweimal eis findet (J. 71 und 80), is nur
ein einziges Mal auf dem Berliner Diplom vom J. 71. Dasselbe gilt
von den Documenten von Marcus Aurelius abwärts: vom J. 167 an
bis zum Ende des dritten Jahrhunderts finden wir ausschliesslich,
freilich in nur fünfzehn Fällen überhaupt, die Form iis und iisdem,
wozu sich die Form piis in den Urkunden von 208 (zweimal). 243.
248 stellt. Daneben erscheint ein einziges Mal (J. 247) isdem. Da-
gegen in der Zwischenzeit, d. h. in den letzten Jahren Traians und
unter den Regierungen von Hadrian und Antoninus Pius schwankt die
Orthographie des Wortes: iis findet sich achtzehn-, is zweiundzwanzig-
mal, oft beides auf denselben Tafeln neben einander. — Im Ganzen
ergiebt sich, dass die Römer bei der definitiven Fixirung der Ortho-
graphie unter Augustus und den julischen Kaisern im Dat. Abi. PI.
sich für die Schreibung iis entschieden und dass man im ersten Jahr-
hundert daran festhielt; dass aber dann gegen das Ende der Regie-
rung Traians und unter Hadrian, wahrscheinlich im Zusammenhang
mit den archaisirenden Tendenzen dieser Epoche, wie sie zum Bei-
spiel bei Fronte hervortreten, die — freilich nicht mit Recht — als
ursprünglicher erscheinende Schreibung auf is vorzuwalten anfing.
Diese hat dann zwar in den Wörtern, wo das i zum Stamm gehört,
wie in iis und piis, sich nur so lange behauptet, als diese litterarische
466 Richtung dominirte, das heisst etwa bis an den Anfang der Regierung
des Marcus; aber wo i blosser Bindevocal ist, hat sie auch späterhin
vorgeherrscht, wie sie denn auch in nnsern Handschriften überwiegend
häufig ist.
3. Unter den Casusendungen verdient endlich noch Beachtung
die des Abi. Sing, der dritten Declination, namentlich in den Ad-
jectivformen. Der constante Ablativ classe und die Bildung Ceriale
von dem Eigennamen Cerialis (Diplom vom J. 74) folgen nur an-
erkannten Regeln; ebenso ist es jetzt hinreichend bekannt, dass die
Comparativformen nur den Ablativ auf e gestatten, wie in unsern
Documenten dexteriore, posteriore, sinisteriore bestätigen. Aber
beachtenswerth ist, dass das sehr häufig im Ablativ vorkommende
K
Die Orthographie der sogenannten Tabulae honestae Missionis. "61
gregalis diesen stets (auf acht Urkunden) auf e bildet; ebenso, dass
unsere Tafeln, und zwar die der besten Zeit, die Ablative fidde
(J. 70), adiuirice dreimal (zwei des J. 68 und eine des J, 70), Baven-
nate (J. 71. 127. 249) aufweisen, wogegen Misenense sich zwar auch
findet (J. 247), aber auf den Tafeln der besseren Zeit (J. 129. 134.
145) doch nur Misenensi.
4. Ich füge noch einige Einzelheiten hinzu.
Die Schreibung praest statt praeest behauptet sich stetig durch
die beiden ersten Jahrhunderte; erst die Tafeln des Severus Alexander
vom J. 230 haben einmal praest (so getheilt) und einmal 2)raeest.
Die Gesammtzahl der Alen imd Gehörten, welche gleichzeitig
die Privilegien empfangen, wird auf denjenigen Diplomen, die sich
auf Auxiliartruppen beziehen, bis zum J. 116 einschliesslich (mit
Ausnahme allein des neronischen vom J. 60), und ebenso auf den
der städtischen Besatzung ertheilten, nicht mit Ziffern, sondern mit
Buchstaben angegeben, offenbar um dieselbe von der unmittelbar
darauf folgenden Ordnungszahl der ersten Ala oder Cohorte besser
abzusetzen. Dabei verdient Beachtung, dass die Ziffern über zehn
durchgängig mit Yoranstellung des grösseren Zahlwortes gebildet
werden: decem et una (zweimal J. 104 und J. 105) — decem et tribus
(J. SO) — decem et quinque (J. 85) — decem et Septem (J. 116),
während nur ein einziges Mal duodecim (J. 74) sich findet. Jenes
scheint also die solenne Bildung gewesen zu sein, wenn auch der
Sprachgebrauch undecim u. s. w. vorzog. Dagegen heisst es durch-
gängig quina {sena, octona) et vicena, quinque et viginti (Diplom des
Pius Cardinali XVIII; vgl. das hadrianische von 124), niemals viginti
quinque. Die Copula fehlt nur auf dem schlecht überlieferten Diplom
om J. 92.
Die Bezeichnungen des gemeinen Soldaten, die imsere Tafeln
iifzeigen, sind je nach den Truppenkörpern verschieden: in den
Cohorten heisst er stets pedes, woneben auch nicht selten Reiter der 467
Cohorten vorkommen; in den Alen und den Flotten dagegen nie
anders als gregalis.
Die Kupfertafel heisst auf unseren Urkunden bis zum J. 134
durchgängig tabida aenea (nie ahenea), vom J. 13S abwärts ebenso
durchgängig — nur mit Ausnahme des übrigens nicht ganz sicher
überlieferten Diploms von 247*) — tabtda aerea. Auch zeigen die
Bomitii ÄlienoharU und die Formel hoc aere aemaque libra sowohl
lt.
*) [Aber auch auf d^m Diplom vom J. 148: C. I. L. III suppl. pars prior
1985.1
762 I^ie Orthographie der sogenannten Tabulae honestae Missionis.
wie überhaupt der Sprachgebrauch der republikanischen Zeit, das»
aeneus die althergebrachte Bezeichnung dessen ist, was aus Kupfer
besteht; aereus findet sich nicht vor Virgil*) und in früherer Zeit
überwiegend in dem Sinn von aeratus, mit Kupfer bekleidet.
Die Copula zwischen den voll angegebenen Consulnamen fehlt
bis zum J. 167, erscheint dagegen vom J. 216 an durchgängig in den
Urkunden des dritten Jahrhunderts. Wo aber die Consuln ausnahms-
weise mit den blossen Cognomina bezeichnet sind, wie auf der Innen-
seite eines Diploms von Pius und desjenigen von 167, fehlt die Copula
niemals. Die Ursache liegt nahe. Die ältere Sprache lässt die Copula
zwischen nothwendig zusammengehörigen, insbesondere complemen-
tären und zusammen einen Gesammtbegriff bildenden Wörtern durch-
aus weg, da hier eben eine Einheit vorhanden, also nichts zu verbinden
ist. So sagt man usus fructus, emptio venditio, usus audoritas, lis
vindiciae u. dgl. m. und ebenso M. Tullio C. Antonio cos., da beide
Consuln nothwendig zusammengehören, ganz besonders, wo sie zur
Bezeichnung des Jahres stehen. Diese lebendige Auffassung aber
ging der Sprache später verloren und erhielt sich nur erstarrt in
einzelnen Formeln. Die Bezeichnung der Consuln mit Vor- und
Geschlechtsnamen aber ist bekanntlich . die alte und lange Zeit allein
gültige, die mittelst der Cognomina noch viel jünger als der Gebrauch
der Cognomina selbst; als diese aufkam, war jene alte asyndetische
Zusammenstellung bereits verschollen.
Die Abkürzung f. wird nur für filius verwendet, niemals für fdia.
Letzteres wird entweder voll ausgeschrieben — so auf den altern
Tafeln von den J. 64 und 93; oder in fU. abgekürzt — so auf den
Tafeln der J. 113. 129. 134 — wo fünfmal f. für fiUo, zweimal fil.
für filiae neben einander steht — 247 und in einem Münchener
Bruchstück aus hadrianischer Zeit. Uebrigens findet sich die Ab-
kürzung fd., besonders in den Tafeln des dritten Jahrhunderts, auch
wohl für filius (J. 129. 230. 247. 249).
*) [Vielmehr schon bei Varro sat. 169 : s. Thes. 1. 1., s. v.]
LXXIX.
T e r r u n c i u s.*)
In Bona, dem alten Hippo regius, ist vor kurzem die folgende 485
Inschrift zum "Vorschein gekommen, herausgegeben von Hrn. Papier
im Bulletin de VÄcademie d'Hijjpatie n. 21 p. 81, auch von Joh.
Schmidt besichtigt und abgeklatscht.**)
. . [Salviiis] L. f. Quir. Fiisc[^is praef.] fabr{um), aedü{is), Ilvir,
II mr quinqiuennalis) [st\atuam argenteam ex SS HCCCXXXV
tribus lihelijis), sing{ula), terr(uncio) et aeris qttad{rante) , cum rei
p{uhlicae) SS L prom{isisset) ; amplius ad SS X mi(lia) n{ummum)
legitima et SS VII m{ilia) n{ummum), quae in imagines argenteas
imp. Caes. Traiani Hadriani Aug(tisti) promisit, suo et C. Salvi
Hestituti fUi sui nomine posuit idemque. dedic{avit) cum corona
aurea.
Hier wird also die Schreibung terruncius inschriftlich festgestellt. 486
Sie ist aber gleichfalls die einzige handschriftlich beglaubigte. Cei
Plautus capt. All; Varro de l. Lat. ö, 174; Cicero de fin. 3, 14, 45
und ad fam. 2, 17,4; Plinius h. n. 33, 3, 45 ; Volusius Maecianus
(lisfr. jyart. 63 f. hat die jedesmal beste handschriftliche Ueberlieferung
dieselbe Schreibung, die allerdings von allen Herausgebern (auch
von mir) herauscorrigirt worden ist. In den übrigen mir für dieses
AVort bekannten Belegstellen (Cicero de fin. 4, 12, 29; ad Ätt. 6, 2, 4.
7, 2, 3 ; Appuleius apol. 76) ist die hergebrachte Schreibung über-
liefert oder wenigstens Abweichung der Handschriften von derselben
nicht angemerkt; indess ist keine darunter, bei der die handschrift-
liche Ueberlieferung in solchen Fragen Autorität macht. Allerdings
widerstreitet die Schreibung terruncius der zweifellosen, auch von
Varro und Plinius a. a. O. angegebenen Herleitung a tribus unciis;
■
*) [Hermes 22, 1887, S. 485— 486. — Vgl. Buecheler Rhein. Mus. 1891 S. 236.]
'*) [Jetzt C. I. L. VIII suppl. 17408; Dessau 5474.]
764 Terruncius.
aber dies stellt den Gebrauch nur um so deutlicher in das Licht.
Das Wort, obwohl sprachlich lateinisch, ist griechisch gedacht, der
xQLäg lateinisch quadrans, und wird darum barbarisirt nicht anders
als scaena und epistula.
Die Inschrift ist auch sonst von Interesse als das meines Wissens
einzige Zeugniss, in welchem die Rechnung nach Sesterzen in ihrem
incongruenten Verhältniss zu den effectiv vorhandenen Münzen uns
deutlich entgegentritt. Fuscus hat die Herstellung der im Werth
von 50000 Sesterzen versprochenen Bildsäule in der Weise geleistet,
dass ihm eine Rechnung präsentirt ward von 51335 Sesterzen 3 libeUae
(= 3^10 Sest.) 1 singula {= ^J2o Sest.) 1 terruncius (= V*o Sest.) und
1 Quadrans (= ^/le Sest.). Der Theilbetrag von zusammen ''/le Sesterz
setzt sich, in Münze ausgedrückt, zusammen aus l As (V* Sest.),
1 Semis (^/s Sest.) und 1 Quadrans (Vie Sest.). Die beiden ersten
Münzen Hessen sich ratione sestertiaria ausdrücken durch E ST, wie
dies hier mit Worten geschieht; aber für den Quadrans giebt diese
Bruchrechnung einen Ausdruck nicht und es musste derselbe also
als et aeris quadrans angehängt werden.
LXXX.
Zahl- und Bruchzeichen \
Den Ausgangspunkt aller Wortkürzung haben für Italien die 596
Zahlwörter gegeben. Sie können in der Prosa — für die Nieder-
schrift der Poesie existiren Abkürzungen überhaupt nicht — durch
die entsprechenden Zeichen vertreten werden, ohne dass der Unter-
schied der Kategorien der Zahlwörter 2, geschweige denn der des
Casus ^ dabei Ausdruck fände. Indess ist es nicht schlechthin gleich-
gültig, ob die Ziffer gesetzt oder dafür das entsprechende Zahlwort
geschrieben wird. Kleinere nicht zu einer Gruppe sich zusammen-
schliessende Zahlen werden in der guten Schrift vorzugsweise mit
Buchstaben ausgedrückt*. "Wo dagegen die Angabe mehr geschäft-
1) [Hermes 22, 1887 S. 596—614 mit Nachtrag ebd. 23, 1888, S. 152—156.] —
Diese kurze Uebersicht über das römische Zififemwesen soll nicht sowohl Neues
lehren als an einem Beispiel zeigen, dass die lateinische Grammatik, geschicht-
lich und systematisch behandelt, der Schrift, ich meine den Buchstabenformen,
den Ziffern, den Abkürzungen, der Interpunction, eingehendere Darlegung widmen
sollte. Hier ist der zweite dieser vier Abschnitte erörtert. Mit den Belegen
ist Mass gehalten; es kam mir weniger auf die Einzelheiten an als auf die
Darlegung des Systems in seinem Zusammenschluss.
2) Duo und secundus wenigstens sind von jeher gleichmässig abgekürzt
worden; hini und iterum oder bis ursprünglich schwerlich, späterhin ebenfalls.
3) Als das alte Grundgesetz der Abkürzungen, nur den oder die Anfangs-
buchstaben hinzusetzen, ins Schwanken kommt und schliesslich fällt, erstreckt
sich dies auch auf die Ziffern; XMVS = decimtis u. dgl. ist in christlichen
Inschriften spätester Zeit nicht selten.
4) Dafür sind vor allen Dingen, wie überhaupt ftr das Schriflsystem der
guten Kaiserzeit, die Veteranengesetze massgebend. Die Gesammtzahl der Alen
und der Cohorten. ebenso die Zahl der Dienstjahre, werden darin regelmässig mit
Buchstaben ausgedrückt ; für die ersteren erscheinen bis auf Hadrian Ziffern nur
vereinzelt (Nero D. 11; Traianus D. XIX), for die letzteren in besserer Zeit
nirgends (zuerst Pius D. XXXIX), Dagegen sind die Ziffern stehend in den
Kalenderdaten, den Namen der Cohorten und Alen, der Kaisertitulatur, den
Citaten.
766 Zahl- und Bruchzeichen.
liehen als historischen Charakter an sich trägt, Summen römischen
Geldes, Gewicht- und Massangaben, Jahr- und Tagesdaten, Citate
nach Büchern und Capiteln, Bestimmung der Lebensdauer, Zahlen
597 enthaltende Amtstitel auftreten, gehört die Anwendung der Ziffern
zur correcten Schreibung. In einzelnen Fällen lassen sich hier Zeit-
grenzen erkennen. Die Iterationszahl wird bei den Aemtern in
republikanischer Zeit immer mit Buchstaben geschrieben und es
beginnen die Ziffern dafür erst um die Zeit der actischen Schlacht
in Folge der bei der weitläuftigen Titulatur der damaligen Macht-
haber wünschenswerthen Verkürzung ^ Meistentheils ist natürlich
eine scharfe Abgrenzung nicht möglich, auch an Licenzen und fehler-
haften Ausnahmen begreiflicher Weise kein MangeP. In gewissen
Fällen ist, um der Fälschung vorzubeugen, die Schreibung mit Buch-
staben vorgeschrieben oder doch üblich gewesen 3.
1) Als Pompeius den Tempel der Victoria weihen wollte, war er zweifel-
haft, ob er sich consul tertio oder tertium nennen solle und schrieb auf Ciceros
Rath teH. (Gellius 10, 1, vgl. C. I. L. I 615. 616 [Dessau 877. 876]). Die Denkmäler
der Republik verwenden für die Iterationsadverbien die Ziffern nicht. Deutlich
lässt sich der Wechsel auf den Münzen verfolgen. Die des Dictator Caesar
kennen für die Iteration nur die Vollschreibung; dasselbe gilt für die Münzen
des Sex. Pompeius, für die Caesars des Sohnes vor der actischen Schlacht und
für die des Antonius bis zum J. 719 d. St. Die Ziffern stellen zuerst bei diesem
■sich ein auf seinen spätesten mit cos. des. III (720—722) oder cos. III (723) be-
zeichneten Münzen. Bei Caesar dem Sohn finden wir sie zuerst im J. 726 auf
den mit Caesar divi f. cos. VI Aegypto capta bezeichneten Denaren und von da
an constant. Auf den Inschriften heisst Augustus im J. 721 cos. desig. tert.,
Illvir r. p. c. iter. (Triest, C. V 525 [Dessau 77]) , im J. 725 cos. quinct., cos. desigii.
seoct., imp. sept. (Rom, C. VI 873 [Dessau 81]) , im J. 726 .... cos. sept., designat.
oetavom (Rimini, C. XI 365 [Dessau 84]); im J. 729 cos. nonum, designato decimum,
imp. oetavom (Nemausus, C. I. L. XII 8148. 3149 [Dessau 85]); ebenso Agrippa
auf der Inschrift des Pantheon vom J. 727 cos. tertium (C. VI 896 [Dessau 129]).
Dagegen Augustus im J. 723 imp. VI cos. III (Capua, C. X 3826 [Dessau 79]);
im J.J725 COS. Vimp. VI (Rufrae bei Teanum, C. X 4830 [Dessau 80]); im J. 744/5
imp. XII COS. XI trib. potest. XIV (Rom, C. VI 701. 702 [Dessau 91]), im J. 745
imp. XIII COS. XI trib. potest. XV (Rom, C. VI 457 [Dessau 93]), im J. 747/8 trib.
potest. XVII (Rom, C. VI 1236 [Dessau 5924]).
2) Wenn es in dem pompeianischen Elogium [Dessau 64] von Romulus
heisst: regnavit annos duodequadraginta , so ist die Vollschreibung dem histori-
schen Bericht angemessen; wenn aber Geldsummen ausgeschrieben werden oder
die Lebensjahre, so zeigt schon die Seltenheit solcher Fälle, dass dies Verstösse
später und meist provinzialer Schreiber sind.
3) In den pompeianischen Quittungen aus neronischer Zeit ist die gezahlte
Summe im Hauptexemplar in Ziffern, im Nebenexemplar regelmässig in Buch-
staben ausgedrückt (in dieser Zeitschrift [Hermes] 12, 103 [Ges. Sehr. 3, 236]).
In der veleiatischen Alimentartafel Traians ist die Hauptsumme des Capitals
sestertium deciens quadraginta quaituoi- milia mit Buchstaben angegeben, alle
Zahl- und Bruchzeichen. 757
1. Die Zahlbezeichnung. :)!(S
Die lateinischen Ziffern sind ihren Anfängen nach früher ent-
standen, als das Alphabet in Italien Aufnahme fand. Dass die
Bezeichnungen der kleinen Einheit durch den Punkt oder den
Horizontalstrich 1. der grossen durch den Perpendicularstrich, der
fünf durch Y. der zehn durch X, älter sind als die Einführung des
Alphabets, zeigt theils das verschiedene in ihnen obwaltende graphische
Princip, theils die Identität dieser Zeichen oder wenigstens der drei
letzten bei den Römern und den stammverwandten Nationen einer-
und den Etruskern andererseits, nur dass diese das Zeichen für fünf
umkehren. Ob diese Zeichen von den Italikern zu den Etruskern
gekommen sind oder umgekehrt, ist nicht zu entscheiden. Im späteren
Gebrauch sind sie insofern nicht homogen, als das Verhältniss der
grossen und der kleinen Einheit das duodecimale ist, während die
letzten beiden an die einfache und die doppelte Hand sich an-
schliessenden Zeichen mit dem Zählen nach den Fingern und insofern
dem Decimalsystem in Zusammenhang stehen. Aber nichts steht
der Annahme entgegen, dass da« Zeichen der kleinen Einheit bei
dem Uebergang vom decimalen zum duodecimalen System, welcher
nothwendig einmal stattgefunden haben muss, seine Form behalten
und seinen Werth gewechselt hat, die uncia in fernster Zeit ein
Zehntel war.
Mit oder nach Einführung des Alphabets sind zwei andere Zeichen
hinzugetreten für 50 und 1000 i (später iL ± l_) 0, ohne Zweifel
die beiden Buchstaben x ^ des Musteralphabets, denen sie in der
Gestalt genau entsprechen, für die lateinische Sprache unbrauchbar
und daher zur Ergänzung der Zifferreihe verwendet. Ein Zeichen
für 100 muss gleichzeitig eingeführt worden sein und das später
dafür gebrauchte trägt seinen relativ jungen Ursprung an der Stirn: Ö99
Theilzahlen mit Ziffern. Darauf, dass in den C. VIII p. 448 behandelten Inschriften
C. VI 1261 und XIV 3676, die das Wasserrecht der Privaten betreffen, alle Ziffern
vermieden sind, habe ich schon Zeitschr. für gesch. Rechtswiss. 15 8.310 [Ges.
Sehr. 8, 88] aufmerksam gemacht. Dasselbe gilt von der Inschrift von Viterbo
bei Lanciani aeque p. 378 [C. I. L. XI 3003 = Dessau 5771].
1) Diese Verschiedenheit ist ohne Zweifel nur graphisch; der Punkt ist.
wie die Münzen zeigen, die urspüngliche Form, die aber, da sie dem Wesen der
Quadratschrift wenig homogen ist, später zur Querlinie sich erweitert. Diese
Linie erscheint bald gerade, bald gerundet oder geschwungen (— ^ f»). Es ist
mindestens sehr irreführend, wenn Marquardt (Staats verw. 2,47 [2*49]) sagt,
dass die «ncja 'vier Bezeichnungen habe.'
768 Zahl- und Bruchzeichen.
aber in lateinischen Urkunden ist uns ein älteres Hundertzeichen
nicht erhaltend Indess dürften die etruskischen Zeichen für 50,
100, 10002
'^ (8) ^
diese Lücke ergänzen. Denn da die sicher festgestellten etruskischen
Ziffern für 1, 5, 10, 50 mit den lateinischen wesentlich überein-
stimmen, wird dies auch für die connexen mit Wahrscheinlichkeit
angenommen werden dürfen ; und hier sind die Etrusker, welche die
Aspiraten nicht wegwarfen, auf jeden Fall die entlehnenden gewesen.
Aus demselben Grunde haben sie die betreffenden Ziffern von denen
der Aspiraten differenzirt. Bei ^ ^ geschah das durch Stürzung,
bei (p 0 vielleicht durch Yereinfachung der Figur in 0 und Fort-
führung und Kreuzung der beiden oberen Linien. Das Zeichen für
100, genau dem ^ des Musteralphabets entsprechend, bedurfte der
Abänderung desshalb nicht, weil in der etruskischen Schrift früh,
und wahrscheinlich mit Rücksicht auf diese Ziffer, der Buchstabe ^
das Kreuz einbüsste und durch |~| oder Q bezeichnet ward. Sind
nun die etruskischen Zeichen für 500 und 1000 den Etruskern aus
Latium zugekommen, so wird auch das Zeichen für 100 ebendaher
stammen, und es dürfte also die ältere durch C verdrängte lateinische
Ziffer das Theta des Musteralphabets gewesen sein. In der That
lag dem Lateiner nichts näher als wie für 50 und 1000 9? x^ so für
100 die dritte Aspirata zu verwenden.
Die übrigen Ziffern sind auf römischem Boden entstanden theils
durch Halbirung des Tausendkreises, wonach die Kreishälfte den
Werth von 500 bekam, theils durch Multiplicirung desselben Tausend-
600 Zeichens, indem dem um den Tausendkreis gezogenen zweiten und
dritten Kreis der Werth der Yerzehnfachung beigelegt wurde. So
entstanden ® = 10000, (^ = 100000 und die drei Hälftenzeichen
1) [Vgl. Buecheler Rhein. Museum 1891 S. 239]. Die coranische Inschrift
(jetzt C. I. L. X 6514 [Dessau 3819]), in welcher 0. Müller (Etr. 2, 319 der 1. Ausg.)
und nach ihm ich (unterital. Dial. S. 33) das älteste Zeichen für 100 zu finden
meinten, enthielt nach den besten Abschriften nur das gewöhnliche Zeichen
® = 1000.
2) Dass 0. Müller die Zahlentafel der Pariser Gemme (A. Fabretti n. 2578 <er)
richtig gefasst hat, ist trotz Deeckes Widerspruch (2, 533 der 2. Ausg.) zweifel-
los; denn wenn hier auf die Zeichen 5 und 10 die beiden ® ^ folgen, so kann
unmöglich mit Deecke angenommen werden, dass die Tafel von 10 auf 1000
und 10000 springt. Hat OIC der etruskischen Kupfermünzen den Werth von 100
und bezeichnet nicht etwa, was auch möglich wäre, das Ganzstück, so hat das
Zeichen verschiedene Formen angenommen.
Zahl- und Bruchzeichen. 769
für 500, 5000, 50000. Ueber 100000 ist man in älterer Zeit nicht
hinausgegangen ^.
Es hat also eine Epoche gegeben, wo Buchstaben und Ziffern
geschieden waren, das heisst auf verschiedenem Princip beruhten;
denn freilich fallen graphisch die drei einfachsten und ältesten Ziffern
I Y X mit dreien des Buchstabenalphabets zusammen und ist in
ähnlicher Weise das auf Halbirung des Tausendzeichens beruhende
Zeichen für 500 graphisch identisch mit dem Buchstaben D. Diffe-
renzirung ist bei den ersten drei in Latium nicht versucht worden,
wogegen das letzte häufig quer durchstrichen gefunden und dadurch
von dem Buchstaben unterschieden wird. Die Etrusker haben,
wie schon bemerkt ward, der Unterscheidung wegen die Ziffer
y gestürzt.
Merkwürdiger Weise macht sich späterhin die Tendenz geltend
sämmtliche Ziffern den Buchstabenformen zu assimiliren, wahrschein-
lich weil die wenigen und einigermassen fremdartigen Zahlzeichen
bei der wenig beachteten, aber sehr beachtenswerthen künstlerischen
Handhabung des lateinischen Alphabets unbequem erschienen.
Darauf beruht die Verdrängung des Hundertzeichens und dessen
Ersetzung durch den Anfangsbuchstaben C. Sie muss verhältniss-
mässig spät stattgefunden haben, da C bekannthch noch in der
Epoche, in der die Abkürzungen der Yomamen sich fixirten und der
unsere ältesten lateinischen Schriftmale angehören 2, auch im Lateini- 601
sehen den ursprünglichen Werth des Gamma behauptete, in dem
Zahlzeichen dagegen bereits in seinem späteren Werth als Tenuis
auftritt.
1) Wenigstens stellte die duilische Säule [Dessau 65] das Zeichen für
100000 etwa dreissig Male hintereinander; wer sie coneipirte, wusste also, dass
die Schreibung XXX später aufgekommen sei.
2) Die neuesten Funde haben uns zurückgeführt in diejenige Epoche der
lateinischen Schrifl, in welcher G noch g war, K c. Denn wer auf die Fibula
von Praeneste (Mitth. des röm. Instituts 1887 S. 41 [C. I. L. XIV 4123 = Dessau
8561]) FHEFHAKED setzte, schrieb auch KENTVM. — Vielleicht gehört der-
selben Epoche auch an die bekannte Inschrift eines Geräths aus Thon vom
Esquilin: ECO • C • ANTONIOS (Dressel ann. deW Institttto 1880 S. 301 [C. I. L.
XV 6122 = I ed. 2 n. 462]). Aber die seitdem zum Vorschein gekommenen
lateinischen Inschriften mit EQOKANAIOS (Ardea; C. I. L. X 8336, 1 [= I ed. 2
n. 474]) und'EQOFVLFIOS (Latium; Notizie degli scavi 1887 p. 150 [CLL.
XV 6159 = I ed. 2 u. 479]), so wie die faliskischen mit eko lartoe und eko kaisidsio
(Mitth. des röm. Instituts 1887 S. 62) scheinen vielmehr dafür zu sprechen, dass
der zweite Buchstabe des ersten Worts als Tenuis genommen werden muss. Die
gangbare Identification desselben mit ego wird freUich nur derjenige leichten
Herzens statuiren, für den Etymologie und Grammatik Nebensache sind. [?1
MOMMSEX, SCHR. VII. ^
770 Zahl- und Bruchzeichen.
Das alte Zeichen v[» ist zunächst in ein gestürztes T umgewandelt,
späterhin geradezu dem L gleichgemacht worden.
Von dem Tausendzeichen und den daraus entwickelten fiel das
Hälftenzeichen, wie gesagt, ohnehin mit dem Buchstaben D zusammen;
aber auch bei ihm beseitigt die Ausgleichungstendenz allmählich die
früher beliebte Durchstreichung. Zur Vereinfachung der beschwer-
lichen Aneinanderreihung der Hunderttausendzeichen kam zunächst
für quingenta milia die Form Q_J5 auf^, eine Verknüpfung des
decimalen Multiplicativzeichens mit dem Anfangsbuchstaben. Auch
das Tausendzeichen selbst und seine Multipla wurden im Laufe der
Zeit nicht völlig ausser Gebrauch gesetzt, aber doch aus dem ge-
wöhnlichen verdrängt. Zwar durch den Anfangsbuchstaben von niille
ist dies nicht geschehen. M im Werthe von mille oder milia findet
sich als Wortabkürzung vom zweiten Jahrhundert ab nicht selten 2,
ziffermässig aber ist der Buchstabe von den Kömern niemals ver-
wendet worden^. Dagegen kam der Gebrauch auf das Tausend
und dessen Multipla mit den einfachen Zahlen zu schreiben und
diese durch übergesetzten Querstrich von den einfach geltenden zu
scheiden, ferner das Hunderttausend von der Million an, gemäss dem
Sprachgebrauch, welcher hier die Numeraladverbien mit Unterdrückung
des zugehörigen centena milia verwendet, ebenfalls mit den ein-
fachen, aber nach drei Seiten hin eingerahmten Ziffern zu bezeichnen,
also decies (centena milia) mit | X | und so weiter auszudrücken *.
602 Also schrieb man 5000 nicht mehr 100 =, sondern V, 500000 nicht
mehr cd, sondern D, die Million | X 1. Aber es ist dies System in-
sofern begrenzt, als die Combinirung des TJeberstrichs und der Ein-
rahmung nicht zulässig ist; um 100 Mill. und höhere Summen zu
1) In dieser Zeitschrift 3, 467. 10, 472 [unten S. 788. 790]. C. VI 3824 [add^
31603 = Dessau 5799].
2) XV • M • N Inschrift vom J. 133 (Henzen 6086 [Dessa^u 7212]); HS • L M
Inschrift vom J. 153 (Orelli 2417 [Dessau 7213]); X • M • N Inschrift vom J. 1(
(Orelli 1368 [Dessau 5449]). In der Verbindung M • P = milia passuum ist
Verwendung von M für milia viel älter.
3) In der Tafel der lex municipalis Caesars (Ritschi P. M. L. Tab. 33) 1
Z. 67 A stehen; aber Z. 68. 69 ist das nach späterer Art etwas verzogene
gesichert und offenbar ist auch das erste Zeichen ebenso zu fassen. Es wissei
■wohl nicht Viele, aber es ist vollkommen sicher, dass die Schreibung MM
2000 nichts ist als ein Schnitzer.
4) Inschriftliche Belege z. B. C. IX 6072. 6075 [Dessau 5875] und mehrfac
in der veleiatischen Alimentartafel. Die Multipla von 100000 unter der Millic
werden nicht durch Einrahmung, sondern durch üeberstrich bezeichnet,
die Schrift der Sprache folgt und 200000 lateinisch nicht bis heisst, sonde
ducenta milia.
Zahl- und Bruchzeichen. 771
bezeichnen, musste man auf die Bezeichnung des Tausend durch
Ueberstrich verzichten und auf das alte Q) zurückgreifen^. — Den
ältesten Beleg für dieses System — denn das ist es — giebt das
rubrische Gesetz aus Caesars Zeit 2; nach dem ausgedehnten Gebrauch,
der davon schon in der frühen Kaiserzeit gemacht wird, mag das
Aufkommen dieser Schreibung wenigstens in der Buchschrift noch
viel weiter zurückreichen. Auf den pompeianischen Quittungstafeln
aus neronischer Zeit herrscht die ältere Schreibung vor; doch findet
sich daneben auf einer Urkunde aus dem J. 56 die neuere*. In
den Handschriften des älteren Plinius, den Alimentarurkunden Traians
und überhaupt in der späteren Zeit herrscht die letztere aus-
schliesslich.
Die Differenzirung der Ziffern von den Buchstaben durch einen
über die Linie gezogenen Querstrich ist der guten republikanischen
Schrift fremd, auch in Widerspruch mit dem damals streng fest-
gehaltenen Schreibungsgesetz, dass die Schriftzeichen das Zeilen-
quadrat, den vorsus, nicht überschreiten dürfen. In der Monumental-
schrift beginnt er in augustischer Zeit*, vielleicht gleichzeitig mit
der Einführung der Zahlzeichen iiür Bezeichnung der Iteration in
der Titulatur. Von da an erscheint in dieser der Ueberstrich zum
Beispiel auf den Arvaltafeln und den Militärdiplomen wesentlich
constant, nicht minder bei den Nummern der Truppentheile und in
den Citaten. Merkwürdiger Weise dringt er in die Kalenderdatirung
erst spät ein^, vermuthlich weil deren Fixirung einer Zeit angehört, 603
welche den Ueberstrich noch nicht kannte. — Die Zweideutigkeit,
welche dadurch entstand, dass der Ueberstrich schon innerhalb der
Ziffern zui- Differenzirung der Tausende und der Einer in Gebrauch
war, scheint man hingenommen zu haben, ohne Abhülfe dagegen
zu versuchen. Wenn die Verwendung des Ueberstrichs zur Hervor-
i a,2
I Ne
I "'
11
1) 99 Mill., nongenties nonagies mit Ziffern geschrieben sind DCCCCLXXXX',
100 Mill., milies [ööi. Inschriftliche Belege für die letztere Schreibung kenne ich
nicht, aber sie erhellt aus den Spuren bei Plinius n. h. 33, 3, 56.
2) Diese Nachweisung (C. I. L. I n. 204 Col. 2 L 4. 19. 27: HS XV) giebt
Ritschi P. L. M. p. 114. Der Ueberstrich kehrt wieder auf dem Meüenstein des
Claudius C. IX 5959 = Benzen 5181 [Dessau 209].
3) De Petra Nr. 14 [C. I. L. IV suppl. p. 306 n. XXIV, vergl. Ges. Sehr.
3,265] HS Vi CCLII; Nr. 15 [C. I. L. IV p. 308 n. XXV] XI XXXIX auf dem
Neben-, ccloo oo XXXVIIII auf dem Hauptexemplar; Nr. 39 [CLL. IV p. 346
n.XLIX].
4) Er steht schon auf den S. 597 A. 1 [S. 766 A. 1] angeföhrten Inschriften
4es Augustus, den pisanischen Cenotaphien und sonst. Vgl. Ritschl a. a. 0.
5) In den Diplomen zuerst unter Traian (D. XXIII. XXVI).
49*
772 Zahl- und Bruchzeichen.
hebung der Ziffer schlechthin zunächst bei der Iteration der Aemter
in Gebrauch kam, wie es scheint, so war hier die Yerwechselung-
mit dem Tausendzeichen von selber ausgeschlossen; und auch sonst
wird die Zweideutigkeit in den meisten Verbindungen durch den
Zusammenhang thatsächlich aufgehoben. Doch fehlt es nicht an
Fällen, wo man sich fragt, ob III drei bezeichnet oder drei-
tausend.
Die neben einander stehenden Ziffern sind der Regel nach
additioneil aufzufassen, wobei, so weit höhere Ziffern verwendet
werden können, die niederen ausgeschlossen sind^, und stehen in
fester Folge, so dass die höhere voraufgeht. Nur in später Zeit
und in untergeordneten Kreisen wird dies Gesetz, am häufigsten in
Anlehnung an die Sprechweise bei den Kalenderdaten, verletzt und
für ante diem quintum decimum VX geschrieben. — Indess, wie in
der Sprache subtractive Bezeichnungen neben additionellen vorkommen
{duodeviginti , undeviginti und so weiter bis undecentum), so und in
noch bedeutend weiterem Umfang begegnet auch in der Ziffernsetzung
die Yoraufstellung der niederen Ziffer in subtractiver Bedeutung.
Es steht aber diese Schreibung unter folgenden Gesetzen:
1. Nicht blos eine Ziffer, sondern auch mehrere coordinirte
können subtractiv verwendet werden; IIX ist ebenso correct oder
ebenso incorrect wie IX.
2. Subtractiv werden regelmässig nur die Zeichen I X^ C '^
rendet,
V« L*) D.
1) Ausnahmen wie Hill; XXXXXXXX; LL; LXXXXX in africanischen
Inschriften (C. VIII p. 1108), sind Licenzen oder Fehler.
2) Zum Beispiel CCCX'L in der Betilienusinschrift von Alatri C. I 1166-
[Dessau 5348], CXvUVIIIS in der pränestinischen 11143 [Dessau 5916], CCXXCVI
in der Inschrift vom J. 567 C. I 536 [Dessau 5804], XXCIIII in der Strassen-
inschrift vom J. 622 C. I 551 [Dessau 23], CCCXXC C. I 1179 [= X 5680].
3) CD± im Repetundengesetz vom J. 631/2 (C. I. L. I 198) mehrfach und
constant; C oo I, C oo LX auf den augustischen Inschriften C. VI 1243 e, f. 1250 c
[suppl. S15b8gh. 31562 c]; . . CG oo XXI C. I 1257 [= X 290].
4) In der Inschrift der Trebonia Salvia Grut. 997, 15 [C. VI 27619] ist die
Lesung oo ly wohl beglaubigt, ebenso in der nolanischen C. X 1273 [Dessau 6344].
5) In der Inschrift Eph. IV p. 289 n. 833 = Grut. 897, 2 [C. VI 31619]
scheint gestanden zu haben ccciooo Q "^ = 400000; in der von Dessau ge-
sehenen praenestinischen C. XIV 3015 steht ccloo Iood = 40000.
6) VL der africanischen Inschrift VIII 3998 ist barbarisch.
*) [Doch s. Mommsen Hermes 23, 1888, S. 159 A. 1; C. I. L. IV suppl. p. 408.]
i
Zahl- und Bruchzeichen. 773
3. Das Zeichen I wird subtractiv der Regel nach nur verwendet
vor Y und X, nur ausnahmsweise vor L^ und den höheren Stellen 2.
4. Die subtractive Schreibung hat den Zweck der Raumersparung;
«ie ist also unzulässig, wo damit nicht Stellen gewonnen werdend
und tritt namentlich in besserer Zeit nur in zweiter Reihe auf, vor-
wiegend da, wo dadurch eine wesentliche Vereinfachung erreicht
wird, also insbesondere bei den Zahlen 80 und 90*, und mehr in
der vernachlässigten Privat- als in der eigentlichen Monumentalschrift ^
5. Der Stellung nach treten die subtractiv geltenden Ziffern in 615
die additionell geordnete Reihe vor die zu vermindernde Ziffer und,
wenn diese Ziffer darin mehrfach auftritt, vor die jedesmal letzte;
man schreibt also XIIX, nicht IIXX — CCCXXC, nicht XXCCCC
S. 603 A. 1 [S. 772 A. 1].
2. Die Bruchbezeichnung.*)
Die römische Briichbezeichnung ist insofern so alt wie die Be-
zeichnung des Ganzen, als das Zeichen für die kleine Einheit, der
1) IIL im Kepetundengesetz Z. 34. Auf den Münzen findet sich meines
Wissens nichts Aehnliehes.
2) Einen Beleg, der Autorität machte, finde ich für HC, IC und dgl.
nicht; IIIC der africanischen Inschriften VIII 1616. 5113 ist barbarisch.
3) Dadurch ist IIIX statt VII, XXXC statt LXX ausgeschlossen.
4) Deutlicher als aus den Inschriften geht der Verwendungskreis der sub-
tractiven Ziffern namentlich im letzten Jahrhundert der Republik aus den
Denaren hervor, deren Ziffern zum Beispiel in dem Fabrettischen Katalog der
Turiner Münzsammlung verzeichnet sind. Hier findet sich von dem Denar des
L. Piso Frugi auf elf Exemplaren IUI, auf einem IV (n. 1412a XCIV): VIII
und Villi ohne Ausnahme; ebenso XXXX; dagegen zwar gewöhnlich ±XXX,
er zweimal XXC; femer ^XXXX auf sieben, XC ebenfalls auf sieben Exem-
laren. Hier wurden allerdings fünf Zeichen durch zwei ers^etzt. Aus demselben
Grunde überwiegen auf den Legionsmünzen des Antonius IV und IX über IUI
und Villi, während IIX, wo nur eine Stelle erspart wird, nicht begegnet.
Diese Gruppen haben die Subtractivziffern noch am häufigsten; anderswo er-
scheinen sie vereinzelt und fehlen auf zahlreichen Sorten vollständig. Keine
einzige Münzgruppe zeigt dieselben in regelmässigem oder auch nur vorwiegen-
dem Gebrauch.
5) Belege C. I. L. III p. 1187; Hübner exetnpla p. LXX. Dafür ist weiter
bezeichnend, dass in den Inschriften republikanischer Zeit (nach dem Index von
C. I. L. I p. 613) die Zeichen IV, IIX, XIV sich so gut wie ausschliesslich auf
den Griffelinschriften der Aschentöpfe von Vigna S. Cesario gefunden haben:
nicht minder, dass die ausserhalb Italiens roh und schlecht geprägten Legions-
münzen des Antonius allein unter allen den subtractiven Ziffern IV und IX den
Vorrang geben (A. 4).
*) [Hierzu sind Mommsens Bemerkungen „über die römische Bruchbezeich-
nung" (zum Hildesheimer Silberfund) zu vergleichen: Hermes Bd. 3, S. 469— 475
(s. in den „Epigraphischen Schriften").]
774 Zahl- und Bruchzeichen.
Punkt oder der Horizontalstrich (S. 598 A. 1 [S.767 A. 1]), augenschein-
lich demjenigen der grossen Einheit, dem Perpendikularstrich correlat
und gleichzeitig entstanden ist. Alle übrigen Bruchziffern aber haben
die Schrift zu ihrer Voraussetzung, indem sie sämmtlich aus den
Anfangsbuchstaben der betreffenden Wörter entwickelt sind. Es ist
dies evident für semis S; semuncia und sembella H, später gewöhn-
lich S_; 3 sextula; T terruncius. Das Zeichen des sicilicus 0 und
das des scripulum B, die beide erst spät auftreten und von denen
das erstere schon durch die Benennung seinen Ursprung anzeigende
ursprünglich auf die von griechischem Einfluss beherrschte Silber-
rechnung beschränkt ist, sind wahrscheinlich nach dem gleichen
Princip aus dem griechischen Sigma in seiner jüngeren Form ent-
wickelt^.
Yon den Bruchzeichen kann nur ein einziges in ähnlicher Weise
wie die Ziffern allgemein verwendet werden : es ist dies S, welches,
wie das entsprechende meist indeclinable semis in der Sprache, so
in der Schrift jedem Ganzen angefügt werden kann. Hiervon ab-
gesehen werden die Bruchzeichen allgemein verwendet, wo der
Begriff des as und seiner zwölf Theile zur Geltung kommt, zum
Beiispiel bei der Theilung des Grabrechts nach Zwölfteln 2, bei der
606 als Zins zu zahlenden Capitalsquote^, bei der Erbschaft, dem Gesell-
schaftsvermögen, der Stundentheilung und überhaupt sonst in mancher-
lei Beziehungen; wo immer dies der Fall ist, können auch die Bruch-
ziffern gesetzt werden. Yor allem aber erscheinen sie bei dem Geld,
dem Gewicht, dem Längen- und dem Flächenmass, wobei im All-
gemeinen ebenfalls duodecimale, im Silbergeld aber auch decimale
Brüche zur Verwendung kommen.
Geld und Gewicht fallen bekanntlich ursprünglich zusammen.
Für beide sind bei der ältesten Bruchziffersetzung nach dem Duo-
decimalsystem aus den beiden einfachen Zeichen für ^2 S und '/12 —
1) Diese Erklärung erscheint mir jetzt probabler als die der Ableitung-
des sicilicus aus dem griechischen Hälftenzeichen (R. M.-W. S. 202). Das grie-
chische C im Werth von s erscheint schon auf den vor Pyrrhos geschlagenen
tarentinischen Münzen (R. M.-W. S. 137) und in Griechenland seit der Zeit
Alexanders (v. Wilamowitz homer. Untersuch. S. 307; Köhler zu C. I. A. II 1152).
2) In der Inschrift des T. Flavius Heuretus (C. VI 18100 [Dessau 8295])
werden drei Grabbesitzer aufgeführt , jeder mit dem Beisatz P • P • ^ ^ = pi'o
parte triente.
3) Alimentartafel von Veleia (Bruns fontes ed. 7 p. 347 [Dessau 6675]) z. A.:
quae fit usura ^ (^ ~ sortis supra scribtae, das heisst quincunx (vgl. usurae
quincunces Henzen 7172 [Dessau 6148]), das ist V12 vom Hundert für den Monat
oder 5 V. H. im Jahre.
Zahl- und Bruchzeichen. 775
die übrigeo, ähnlich wie die der Ganzen, combinirt worden, so dass
das letzte Zeichen bis zu fünf Malen wiederholt werden kann. Dazu
fügte man als drittes Zeichen das der Hälfte der kleinen Einheit,
der semuncia, welches, da es dem vierstrichigen s entlehnt ist, sehr
alt sein muss, und in der That schon auf der ältesten Prägung be-
gegnet. Hierin scheint die Bruchziffersetzung in ältester Zeit ihre
Grenze gefunden zu haben; wenigstens gehen die Münzzeichen nicht
weiter abwärts^. Indess muss namentlich bei der Behandlung der
Edelmetalle sich schon früh die Nothwendigkeit aufgedrängt haben
die Theilung weiter zu führen. Es ist dies in der Weise geschehen,
dass die Theilung der grossen Einheit in vierundzwanzig Theile bei
der kleinen Einheit, der uncia, wiederholt ward: so entstand das
scripidum, ^,24 der Unze, '/288 des As. Dieser Feststellung folgte
auch die Ziffersetzung wenigstens in so weit, dass für * 4, V«-< V»»»
S* der Unze oder ^/«g, ^/la, */***» ^Z*«» des Pfimdes eigene Namen
und Zeichen: 0 sicilieus — 8 sexttda — -g- dimidia sexttda — O
scripulum festgestellt wurden, von denen die beiden letzten aber erst
nach Yarros Zeit in Gebrauch gekommen zu sein scheinen 2. Durch
Combination dieser Zeichen konnte das Gewicht bis auf ^/»ss der
grossen Einheit hinab ausgedrückt werden, und zwar geschah dies
durch additionelle Zusammenreihung der verschiedenen Brüche bis
hinab zum Scrupel. Mehrfache Setzung desselben Zeichens war
hierbei nur einmal, bei der Bezeichnung von '/as durch Verdoppelimg
der sexttda {binae sexitdae) erforderlich. Indess die hierbei sich
herausstellenden Additionsreihen von V2, V12, V«*» ^^*^-) *i"*? Vi*«> V*««
des Pfundes waren nichts weniger als übersichtlich, und es sind
daher 1/48, V^a? V»** ausser Gebrauch gestellt^ und diese Brüche 607
vielmehr auf Scrupel reducirt worden, so dass die Bruchreihe von
der semuncia zum scripulum fortschreitet. Da es aber nicht wohl
anging das Scrupelzeichen bis zu elf Malen zu wiederholen, so wurde
dasselbe als Exponent verwendet und ihm die Zahl der Scrupel
nachgesetzt, als wären sie Ganze*. Es erleichterte dies das Ver-
1) R. M.-W. S. 189.
2) Varro de 1. L. 5, 171. R. M.-W. a. a. 0.
3) Ich kann keinen Beleg nachweisen, welcher die Reihe in der hier be-
zeichneten VoUständigkeit giebt; praktisch scheint die Scrnpelzählong allein
zu herrschen.
4) So drückt zum Beispiel Frontinus die Brüche aus. Dasselbe thon regel-
mässig die Inschriften, zum Beispiel C. X 8071, 7. 8. 15. 18. 19 und die von
Praeneste C. VI 194 = XIV 2861: ex argienti) p{ondo) XIS- -§_ >V = 11 P£
9 V, Unzen 5 Scrupel. Ein anderes Beispiel S. 612 A. 2 [S. 781 A. 1]. Es kommt anch
vor, dass statt des Scrupelzeichens das Wort gesetzt wird (so in der Inschrift von
■
776 Zahl- und Bruchzeichen.
ständniss. brach aber die alte Regel die Zahlzeichen lediglich für
die Ganzen zu verwenden und die Brüche durch ihnen eigenthüm-
liche Zeichen auszudrücken ^,
Im Gewicht hat sich dies System zu allen Zeiten ohne wesent-
liche Modification behauptet. Auch im Geldwesen werden, so weit
das Kupferpfund als aes grave auftrat, die Bruchziffern dafür in
Gebrauch geblieben sein. Auf den reducirten As ist das System
der Zwölftelung in gleicher Weise angewendet worden wie auf den
ursprünglichen pfundigen, und es konnten die Bruchziffern auch auf
diese Einheit bezogen werden; indess kam derselbe rechnungsmässig
hauptsächlich als Quotentheil des Silbercourants in Ansatz und insofern
nicht für sich zu eigenem Ausdruck 2.
Jede Silbereinheit konnte an sich als as gefasst und gezwölf-
telt werden. Bei dem Denar ist dies auch geschehen ^, und zwar
nachweislich im Anschluss an die spätere Prägung. Indem der
Denar als zwölftheiliger As gefasst ward, wurden seine silbernen
608 Theilstücke der Quinar zum Semis, der Sesterz zum Quadrans. Von
den beiden reducirten Assen von Vio und ^/le Denar ist, so viel wir
wissen, nur der letztere, der Münzas der späteren Prägung auf den
zwölftheiligen Denar bezogen worden. Er konnte ausgedrückt wer-
den durch die semuncia und den sicilicus, ^jn -f ^48 des Denars, und
dem entsprechend natürlich auch das Dupondium = ^js Denar durch
die uncia und die semuncia ^ji2 -f- ^ju, so wie jedes höhere Multi-
plum. Wir kennen diese Bruchziffern allein aus der Schrift des
Maecianus*, und zwar verzeichnet dieser sie in der Weise, dass er
diesen Bruchziffern wie den etwa damit verbundenen Ganzen als
Exponenten das Denarzeichen vorzusetzen vorschreibt und dass er
bei dem As aufhört. In der That liess sich auf diesem Wege zwar
Ostia C. I. L. XIV 3: arg. p. XV scrp.IX), oder dass das Scrupelzeichen fehlt
und die Zahl nur durch ihre Stellung am Schluss sich als die der Scrupel an-
zeigt (C. X 8071, 9. 12. 17; in dieser Ztschr. 3 S. 473 [s. S. 773 A. *]).
1) Die Stellung des Scrupelzeichens nach der Zahl nimmt Hübner eocempla
n. 445 = C. II 3386 mit Unrecht an; vielmehr ist zu lesen entweder, wie er
selbst früher las, OV, oder, falls das Schlusszeichen nicht blos verschnörkelt ist,
OVS. Aber es wäre dies das einzige Beispiel des halben Scrupels. Marquardt
Handb. 5, 50 fasst die beiden Zeichen als die des sicilicus und der sextula; aber
beide sind anders geformt.
2) Man kann natürlich mit dem As die Bruchzeichen ebenso verbinden,
wenn er Vio oder '/le wie wenn er V* des Denars ist; aber die Römer rechneten
praktisch in jenen Fällen nach Denaren oder Sesterzen, eben so wie wir nicht
voh 25 Groschen, sondern von 2Vj Mark reden.
3) R. M.-W. S. 199.
4) Distr. part. 4:8-63.
Zahl- und Bruchzeichen. 777
der Semis = 1/32 Denar durch den sicüicus und die sextula =
Vis + ^96 <^6s Denars wiedergeben; weiter hinab aber war nicht zu
gelangen, wenn nicht unter den Scrupel hinabgegangen werden sollte,
was in der gemeinen Rechnung nie geschehen ist, obwohl späterhin
die siliqua = ^\% des Scrupels vorkommt^. Diese Rechnung kann
nicht älter sein als die Einführung der Sechzehntheilung des Denars
neben der älteren Zehntheilung und ist vielleicht noch jünger. Eine
praktische Anwendung derselben hat sich bis jetzt nicht gefunden^.
Die ursprüngliche römische Silberrechnung geht andere Wege.
Bei der Einführung des griechischen Silberstücks, des nummtis in
Rom wurde dessen Theilung in zehn libellae zu 12 Unzen oder
4 Trienten im griechischen Sinn {xQiäg = 3 Unzen) mit dem nummtis
selbst übernommen , also für die neue Silberrechnung ein neues
Bruchziffersystem gebildet. Darin erhielten, abgesehen von dem
allgemein gültigen Hälftenzeichen, zwei der alten Bruchziffern ver-
änderten Werth; eine vierte wurde neu gebildet. Somit kamen
hier die Zeichen auf — libella = ^lo, H semheUa (singula) = ^j-io, 0 609
oder T sicüicus oder terruncius = ^jio^. Auch für die älteste der
Silberprägung gleichzeitige Kupferprägung, insofern dabei abgesehen
wird von dem Triens, dem Sextans und der Unze*, gestattete dieses
System einen entsprechenden und bequemen Ausdruck, sowohl wenn
der Sesterz von 2^2 Assen als Einheit gesetzt wird:
dupondius (*/5 Sesterz) S _-
OS (2/5 Sesterz) --
semis (Vs Sesterz) --
quadrans (\'io Sesterz)
wie auch wenn der Denar von 10 Assen zu Grunde gelegt wird:
Quinar (^2 Denar) S
Sesterz (V* Denar) ZZ
1) Die merkwürdige Inschrift eines goldenen Armbandes P (?) I -i- HI ?t
XXII SIL IUI 0 ö (?) II (in dieser Zeitschrift 4, 377 [s. in den Epigr. Schriften])
giebt das Gewicht an nach Pfunden, Unzen, Scrupeln, siliaqtuu und vielleicht
Obolen.
2) Bevor die Inschrift von Hippo zum Vorschein kam, meinte ich einen
solchen in der S. 610 A. 4 [S. 779 A. 2] angeführten Inschrift gefunden zu haben {Eph.
epigi: IV p. 333). Aber das zwischen die Denare und die Bruchziffem eingesetzte AER
wird bei Maecianus nicht erwähnt und ist mit seiner Darstellung unvereinbar.
Jetzt kann es nicht zweifelhaft sein, dass die römische Inschrift mit dem zwölf-
theiligen Denar nichts zu schaffen hat.
3) Es ist dies näher ausgeführt R. M.-W. S. 198 f., wo aber in der Tabelle
S. 200 A. 87 verschiedene Schreibfehler zu berichtigen sind.
4) R. M.-W. S. 418.
Sesterzrechnung:
Denarrechnung
as (Vi Sesterz) 12"
As (1/16 Denar)
semis (Vs Sesterz) - T
Semis (1/32 Denar)
quadrans (Vie Sesterz) nicht aus-
zudrücken
Quadrans {^jei Denar) J
778 Zahl- und Bruchzeichen.
Dupondius ('/s Denar) -
As (^/lo Denar) -
Semis (^/zo Denar) Z
Quadrans (^/4o Denar) T
Wahrscheinlich ist nach dem einen oder dem andern dieser Systeme
das Geldwesen der republikanischen Zeit im Wesentlichen geführt
worden, während andererseits das Zurücktreten der demselben in-
commensurablen Theilstücke, des Triens, des Quadrans [so! lies:
Sextans] und der Uncia wohl eben dadurch herbeigeführt ist.
Bei dem Sesterz von 4, dem Denar von 16 Assen stellt sich die
Rechnung für den ersteren weniger günstig, für den letzteren ganz
incongruent:
nicht aus-
zudrücken
woraus wohl geschlossen werden darf, dass nicht blos im Militär-
wesen, sondern überhaupt im Grossverkehr der Rechnungsas von
^/lo Denar auch dann sich behauptet hat, als er in der Münze durch
den von ^/le Denar verdrängt ward. — Man sollte erwarten, dass^
nachdem letzteres geschehen war und die Kleinmünze den Bruch-
ziffern des Silbers nicht mehr entsprach, wenigstens im gewöhnlichen
610 Leben die Gross- und die Kleinmünze selbständig neben einander
gestellt worden sind und man erst die Denare oder Sesterze, dann
die Asse gezählt hat wie wir heute Mark und Groschen. Aber es
scheint dies nicht geschehen zu sein^ In der jucundischen Tafel 119
wird die gleiche Summe ausgedrückt in Buchstaben mit sesteriios
. . . quinquaginta nummos nummi (so, oder numm. I *)) libellas quin-
que, in Ziffern mit HS . . . LIS; hier ist also der halbe Sesterz, in
Münze 2 Asse, nicht also bezeichnet, sondern als S oder quinque
lihellae'^. In einer kürzlich in Africa gefundenen bereits in dieser
1) Sind in der jucundischen Tafel 34 die Ziffern HS N . . . DLXII richtig
aufgelöst durch sester sexages dupundius, so ist allerdings dies widerlegt.
Aber es ist mir wahrscheinlicher, dass vielmehr sexaginta duo gemeint sind und
die Auflösung irrig ist (in dieser Ztschr. 12, 131 [Ges. Sehr. 3, 263 ; s. auch C. I. L.
IV suppl. p. 335 not. 11]). Die Griffelinschrift von Pompeii C. I. L. IV 2041:
X XIIII A /// V DIIBIIS X-XLVII XVI- ist ganz unsicherer Lösung, zumal
wenn man sich erinnert, dass der Denar 16 Asse hat.
*) [Die Tafel hat nummo; s. Ges. Sehr. 3, 263; C. I. L. IV suppl. p. 390
n. CXCLIIL]
2) In dieser Zeitschrift 12, 130 [Ges. Sehr. 3, 263].
Zahl- und Bruchzeichen. 779
Zeitschrift von mir behandelten Inschrift aus der Zeit Hadrians^ so
wie in einer zweiten stadtrömischen ^ wird die Sesterzrechnung mit
der Münze nur in so weit combinirt, dass blos was in Bruchtheilen
des Sesterz nicht auszudrücken war, mit dem Vormerk et aeris an-
geschlossen ward.
Wenn der Fuss, sei es als Längen- oder als Flächenmass, zwölf-
theilig auftritt, werden auf ihn die Bruchziffem in gleicher Weise
angewendet wie auf das Pfund 3. Wo die Sechzehntheilung mass-
gebend ist, wie bei dem Fuss im römischen Bauwesen und bei den
Hohlmassen, sind die Bruchzeichen, von dem der Hälfte abgesehen, 611
praktisch unverwendbar. Dasselbe gilt von den decimal gestalteten
Einheiten des Wegemasses, dem Schritt = 5 Fuss und der Meile
= 5000 Fuss. Da man, immer von der Hälfte abgesehen, hier
keine Bruchzeichen verwenden kann, legen die Römer bei Ent-
fernungsangaben durchgängig nicht die Meile zu Grunde, sondern
den Fuss, drücken also zum Beispiel fünf Viertel der römischen Meile
in Wort und Schrift aus mit passuum quinqtie milia ducenti quinqiia-
ginta = VCCL*.
1) S. 485 [s.^ben S. 763]. Es heisst in dieser Inschrift: [fecit 8t\atxtain
argenteam ex HS LICCCXXXV tribus libel(lis) sing{ula) terr{uncio) et aeris qua-
d{rante), cum rei p(uhlicae) HS L prom{isisset). Gezahlt sind 51335 Sest. 1 A»
1 Semis 1 Quadrans; As und Semis werden rafjone sesiertiaria ausgedrückt durch
'10 + V20 + *'4o und der nicht auszudrückende quadrans angehängt.
2) In einem grossen von J. Schmidt vortrefflich zusammengesetzten Prae-
torianerverzeichniss aus dem 3. Jahrhundert {Eph. ep. IV p. 329 [C. I. L. VI
suppl. 32536]) findet sich auf den Resten der Stirnseite (in vrelcher Verbindung,
ist nicht zu erkennen) die Zahlangabe X / // \ AER - T . aufzulösen durch
denarii X[X]X, aer{is) quadrans, falls das letzte Zeichen, wie wahrscheinlich,
ebenso wie in den Handschriften des Maecianus die Combiuation des Unzen-
zeichens mit dem Schlusspunkt darstellt. Vgl. S. 608 A. 3 [S. 777 A. 2].
3) Klassisch sind dafür die Arvaltafel vom J. 80 (C. VI ^059 [Dessau 5049]
V. 29-34), welche schliesst mit summa ped{um) CXXVIIII S _ _ - S. = 129"/,»
[über die Ziffern dieser Tafel s. jetzt Hülsen Bullett. della commissione archeoL
di Roma 1894 S. 314 ff.]; femer die Bauinschrift von Puteoli vom J. 649 (C. I
n. 577). Grabinschrift aus Ostia CLL. XIV 665: in agr. j>._XXVS Z - S_
= 2b-' js Fuss; aus Velitrae C. I. L. X 6596: in agr. p. XVIISE^ = 17»/. Fuss.
4) Bemerkenswerth sind Schreibungen wie millia passtts XV-B<!CL auf dem
hadrianischen Meilenstein C. I. L. IX 6075 [Dessau 5875]; ebenso müia pedum
00 00 ooLX auf dem Stein aus guter Zeit C. I. L. XIV 4012 [Dessau 5387] und
sogar millia pas»us 00 00 00 auf dem Stein C. I. L. XIV 2121 [Dessau 5683].
Wo milia voraufgeht, müssen die Einheiten folgen, nich^die Tausende; und
so schreibt man auch correct M-P-IH, nicht M • P • III und per passuum
XXXX VTiCLXXXII auf dem Meilenstein des Claudius C. IX 5959. Aber wenn
Zahlen unter dem Tausend sich anschliessen , ist die Coordinirung der zu miha
gehörigen und der einfachen Einheiten unbequem, und dadurch werden jene
Schreibungen wenigstens entschuldigt.
780 Zahl- und Bruchzeichen.
Auf das zwölftheilige Flächenmass des iugerum endlich werden
die Bruchbezeichnungen ^ und Bruchziffern '^ in regelmässiger Weise
bezogen. Aber auch hier werden, wie an die Pfunde von der
Semuncia abwärts die Scrupel, so an die lugera von der Semuncia
abwärts die Fusse angehängt^.
3. Die Exponenten.
Die Ganz- wie die Bruchzeichen fordern, da sie auf die ver-
schiedensten Gegenstände bezogen werden können, regelmässig die
Vorsetzung eines die Kategorie determinirenden Wortes, welches
hier als Exponent bezeichnet wird. Obwohl die Zahlwörter der
Notirung auch unterliegen können, wenn kein Exponent dabei steht
612 oder wenn derselbe voll ausgeschrieben wird, so erstreckt sich doch
in zahlreichen Fällen, und namentlich in denen, wo die Setzung der
Ziffern obligatorisch ist, die Abkürzung auch auf einen vorhergehen-
den Exponenten. Insbesondere gilt dies von denen, welche die
Münze, das Gewicht und das Längenmass determiniren. Es gehören
diese Zeichen nicht dem Ziffersystem an, sondern dem der Wort-
abkürzungen; doch treten sie so oft zusammen mit Ziffern auf, dass
es angemessen ist ihrer auch hier zu gedenken.
Der Exponent kann die Einheit nicht vertreten; ein Pfund ist
nicht P, sondern P I. — Der Exponent ist seinem Wesen nach ein-
fach, das heisst es werden die unter dem Ganzen stehenden Grössen,
mögen sie in Verbindung mit Ganzen oder allein auftreten, ursprüng-
lich nie anders als durch die Bruchziffern ausgedrückt. Im Laufe
der Zeit ändert sich dies Gesetz, indem neben Ganzeinheiten Bruch-
einheiten angesetzt werden; ein und ein Viertelpfund schreibt man
anfänglich P IZ- = IV* Pf-, später P • I - III = 1 Pf. 3 Unzen.
Den Gewichtangaben wird regelmässig das Wort p{ondo) vor-
gesetzt. Indess kann dieser Exponent vor den Pfundganzen fehlen*
1) Inschrift von Praeneste C. XIV 3340 [Dessau 8844]: mm agro iugeribus
duobus dextante semuncia; Columella de re rust. 5, 2, 2: decem milia pedum qua-
dratorum efficiunt iugeri trientem et sesetulam; Inschrift bei Marini Arv. p. 230
[C. I. L. VI 29961]: hie locus . . . plus minus quincumque iugeri; C. I 1430 [Dessau
8381]: loc. patet agrei sesconeiam quadratus.
2) Bruchziffern in Verbindung mit dem iugerum sind selten. Inschriften
von Praeneste (Anm. 3) und Ostia C. XIV 396 [Dessau 8346] iugera^H ZZ -;
in fronte p. CCLXXX; in agro pomprensa maceria colligit iugera II — .
3) Inschrift von Praeneste C. I. L. XIV 3343: IVG • V S — S (vielmehr 8.)
P -B- und meine Anmerkung dazu. Man schreibt also in Bruchziffern bis hinab
zur semuncia des Jugerum = 1200 QFuss und fügt den Rest in Füssen hinzu.
4) Zum Beispiel C. I. L. X 8071, 15.
Zahl- und Bruchzeichen. 7g j
und wo das Gewicht unter dem Pfund bleibt, fehlt er häufig ^ —
Dass das scriptdum, eigentlich die Ziffer für Vas«, schon früh zum
Exponenten geworden ist und, wie auf p{ondo), die gezählten Ein-
heiten darauf folgen, wurde schon bemerkt. In noch späterer Zeit
ist dasselbe mit dem Wort wie mit dem Zeichen der Unze geschehen;
auf den Exagien zum Beispiel ist — nicht mehr ein Zwölftel des
Pfundes, sondern der Nenner der folgenden Einheiten. So entwickelt
sich schliesslich die Gewichtangabe mit den mehrfachen Exponenten
der Pfunde, Unzen und Scrupel (S. 608 A. 2 [S. 777 A. 1]), wie
wir sie heute gewohnt sind.
Bei Geldangaben ist Kupfersummen oft kein Exponent vorgesetzt
worden 2; doch findet sich zuweilen der nicht notirte Vorsatz aeris 613
gravis^ oder aeris allein*, oder auch notirt a{sses)'. Die Silber-
rechnung bedient sich des Exponenten seit ältester Zeit und constant,
theils um den Gegensatz gegen das Kupfergeld zu bezeichnen, theils,
namentlich in späterer Zeit, weil die ratio sestertiaria und die
ratio denariaria lange neben einander in Ajiwendung gewesen sind.
Bei der ratio sestertiaria dient als Exponent entweder N • = nummi
1) Näher ist dies ausgeführt in diecer Zeitschrift 3, 472 [s. oben S. 773 A. *].
Er findet sich vor blossen Bruchziffem; zum Beispiel auf dem Stein von Ostia
C. I. L. XIV 21 (vgl. add. [Dessau 4373]) stehen neben einander drei Gewicht-
angaben: PIS = IV2 Pf., P-- 3 III = 3 Unzen 3 Scrupel, PZZ- D J, =
5 Unzen 8 Scrupel und auf einem von Reii (C. I. L. XII 354 [Dessau 3855])
Prr-L = 5V2 Unzen.
2) Darin drückt die Inschrift des Duilius (C. I 195) gewiss den alten Ge-
brauch richtig aus: [omne] captom aes, worauf die ZiflFem folgen.
3) R. M.-W. S. '292. Auch auf der Inschrift Eph. IV p. 289 n. 833 = Grat.
897, 2 [C. I. L. VI 31619]: [aeri]s gravis.
4) Abgesehen von den Stellen, wo aeris blos der kürzere Ausdrack ist für
aeris gravis, wird aeris auf den Münzas wohl nur bezogen, wenn keine Ganz-
zahlen folgen, zum Beispiel in der lex metatti Vipascensis (Brans fotUes'' p. 289
[Dessau 6891]) Z. 23: aeris semisses, aeris asses und in den S. 610 A. 3. 4 [S. 779
A. 1. 2] angeführten Beispielen, wo den Silbersummen die nicht darin auszu-
drückende Kleinmünze mit dem Vormerk (et) aeris angehängt ist. Von Münz-
IWB^ assen sagt man nicht aeris duo, sondern asses duo.
Hp 5) So sind die Multen sowohl auf dem uralten Stein von Spoleto (Brans
>^^ fotUes'' p. 283 [Dessau 4912]) auf 300 wie in dem Collegialgesetz C.VI 10298
[ßruns fmtes'' p. 394] auf 500, 100, 5 Asse gesetzt. In dem ersten sind ohne
Zweifel Pfundasse gemeint, und wahrscheinlich auch in dem zweiten, da der
reducirte As von »/lo, resp. Vi, Denar wohl schwerlich, wie schon gesagt ward,
selbständig als Rechnungseinheit zur Anwendung kommt. Sonst erscheint die
Note, wo sie den Münzas bezeichnet, wohl nur bei Zahlungen im Kleinverkehr,
so in der Wirthshausrechnung von Aeseraia C. IX 2689 [Dessau 7478] und in
den pompeianischen Griffel inschriften (C. IV 1751: st qui futuere toUt, Atticm
quaerat a. XVI; vgl. 1969. 2028. 2450).
782 Zahl- und Bruchzeichen.
allein, was die älteste Schreibung^ ist, oder vorgesetztes HS^ • N •
= sestertii nummi^, selten N • HS • = nummi sesterfii^ oder endlich,
was in späterer Zeit Regel ist, HS- • . . . N • , sestertii . . . nummi mit
zwischengesetzter Zahl. Bei der ratio denariaria wird als Exponent
des nummus denarius niemals das Substantiv, sondern lediglich ^,
denarii vor die Ziffern gesetzt. Gewöhnlich werden diese Exponenten
614 nur gesetzt, wenn Ganze folgen*; doch liegt für den zweiten ein
Beispiel vor, wo er der blossen Bruchziffer vorgeschrieben ist^. —
Da die hier als Wortabkürzungen für sestertius und denarius zur
Verwendung kommenden Zeichen IIS und X ihrem Ursprung nach
Ziffern waren und von den auf sie folgenden Ziffern nothwendig
streng geschieden werden mussten, so wurden sie zu diesem Behuf
quer geschnitten HS X- Diese Durchstreichung wird analogisch auch
für den vic{toriatus) angewendet^.
Bei den Massangaben ist der Vorsatz von p(edes) da geboten,
wo das Mass den Fuss übersteigt; vereinzelt steht dieser Exponent
gleichfalls vor der allein stehenden Bruchziffer '^.
1) So steht numei vorgesetzt auf der Tafel des Duilius vom Golde wie vom
Silber; ebenso auf der Inschrift vom J. 683 d. St. (C. VI 1299 [Dessau 5800])
opus constat w. j^^CD J.XXII. Gleichbedeutend ist argenti centum et quinqiia-
ginta milia bei Livius 40, 38, 6 (vgl. 45, 43, 5: centum viginti milia Illyrici argenti);
da streng genommen der Sesterz im Silber dasselbe war wie der As im Kupfer,
so genügte als Exponent bei Münzangaben das Metall.
2) So das Repetundengesetz vom J, 631/2 Z. 48 und die Inschrift der via
Salaria vom J. 639 [wohl aus späterer Zeit] Eph. II p. 199 [Dessau 5799]. Die-
selbe Formel zeigen alle Quittungen des lucundus aus neronischer Zeit.
8) Senatsbeschluss für Priene unbestimmter Zeit (C. I. Gr. 2905, 7 [Hiller
v. Gärtringen Inschr. v. Priene 40]): [v6]/xcov orjarsQti'cov sxaxöv el'xooi nsvrs.
4) Zum Beispiel in der africanischen lex portus C. VIII 4508.
5) In der Griffelinschrift von Pompeii 1232 add. steht folgender Ansatz
X s
X I
X I
X I
X I
X s
^ I
6) C. I. L. I 199 V. 25 = Ritschi P. L. M. Tab. 20. Auch bei duovir und
wo sonst die Zahlwörter in die Titulatur eintreten, kommt häufig Durchstreichung
vor (Beispiele bei Hübner exempla p. LXX). Im Ziffersystem erscheint sie nur
bei •©- = 500 und gehört vielmehr zum System der Wortabkürzungen (vgl. diese
Zeitschrift 4, 379 A. 1).
7) In dem Baucontract von Puteoli (C. I 577 [Dessau 5817]) 1, 14: latum
p.IS'.', altum p. S'.'. Dagegen 1,15: crassos S;., altosp.l und sonst überall
fehlt p. vor blossen Bruchziffern.
Zahl- und Bruchzeichen. 7g3
Bei dem iugerum ist der Exponent nothwendig und wird nicht
abgekürzt.
Die Exponenten bei der Zeitrechnung, wie a{nno) u(rbis) c{<m-
ditae), a{nno) p(ost) r(eges) e{xactos\ sowie die des Kalenders genügt
es hier kurz zu erwähnen.
Wer römische Starrheit und römische Folgerichtigkeit sich ver-
gegenwärtigen will, der findet sie in der Nuss im Schreibsystem,
und vor allem in den neben der Reihe der Buchstaben selbständig
stehenden und völlig originell auf italischem Boden gestalteten beiden
Reihen der Ziffern und der Bruchzeichen. Der Mathematiker mag
lächeln über den Bruchtheil eines Systems, für das es Theile ausser
dem Zwölftel und allenfalls dem Zehntel nicht giebt; vom geschicht-
lichen Standpunkt aus offenbart die Klarheit, die Einfachheit, die
Festigkeit des römischen Wesens sich auch in seinen Zahlen und
Brüchen.
Gleichzeitig*) mit meiner in das letzte Heft dieser Zeitschrift auf- • ^2
genommenen Erörterung über die römischen Zahl- und Bruchzeichen
hat mein Freund und Arbeitsgenosse Karl Zangemeister in dem
Sitzungsbericht der Berl. Akad. vom 1. Dec. 1SS7 (S. 1011 f.) die
'Entstehung der römischen Zahlzeichen' behandelt. Die Ergebnisse
beider Untersuchungen gehen weit auseinander. Da ich die Zange-
meistersche bei der meinigen nicht habe benutzen können und sie
mich in keinem Punkte überzeugt hat, will ich hier nachträglich
hinzufügen, warum sie mir verfehlt erscheint.
Is^ach Zangemeister sind die Ziffern bis 1000 gleichzeitig und
nach einem einheitlichen Bildungsprincip entstanden und zwar durch
'Decussation'. Aus I wurde durch Kreuzung X = 10, aus diesem
durch Halbirung V = 5. Aus dem Zehnzeichen gingen durch
'Decussarion" zwei Zeichen für 100 hervor, theils )K, theils g:. Das
Zeichen für 50 i ist entweder durch 'Decussation' aus dem Fünf-
zeichen oder durch Halbirung aus dem ersten Zeichen für 100 her-
I vorgegangen. Das zweite Zeichen für 100 ist durch Vereinfachung
nnter Mitwirkung der Initiale aus jgc zu C geworden. Aus dem-
selben Zeichen für 100 ging durch abermalige 'Decussation' die
äPorm CXO = 1000 hervor, aus dieser durch Halbirung D = 500.
Das Zeichen für 500 gab dann, wieder durch 'Decussation*, die für
5000 100 und 50000 1000, und diese durch Verdoppelung die
Zeichen für 10000 CCIOO und 100000 CCCIOOO.
Gegen diese Theorie sprechen die folgenden Bedenken. 153
■
*) [Hier beginnt der Nachtrag: s. o. S. 765, 1.]
784 Zahl- und Bruchzeichen.
1. Die Behauptung, dass die Italiker in der Epoche vor der
'gewiss spät erfolgten' Einführung des griechischen Alphabets mit
den Ziffern für 1, 5, 10 nicht hätten auskommen können, sondern
auch ein Zeichen für 100\ hätten haben müssen, ist nicht blos inso-
fern bedenklich, als jene Einführung gewiss früh erfolgt ist, wenn
überhaupt bei solchen Fragen von spät und früh geredet werden
darf. Es ist mehr als verwegen über das Stadium der Cultur, auf
welchem das hellenische Alphabet die Italiker vorfand, sich Muth-
massungen zu gestatten und die Frage aufzuwerfen, wie die noch
nicht schreibenden, aber der Ziffern sich bedienenden Italiker das
Hundert ausgedrückt haben mögen. So gut wie die Hunderttausende
in langen Reihen auf der duilischen Inschrift figuriren, so gut kann
in ältester Zeit die Zehn vielfach wiederholt worden sein. Man kann
damit vergleichen, dass das einzige vorgriechische Bruchzeichen des
römischen Systems das der kleinen Einheit (uncia) ist und das Hälften-
zeichen erst mit dem Alphabet eintritt, also in ältester Zeit die
kleine Einheit bis neunmal (oder gar wenn für diese Zeit ein Duo-
decimalsystem bestarjd, bis elfmal) hat neben einander gestellt werden
können.
2. Dass von den drei Aspiraten, die das griechische Alphabet
in der Folge ® 4) ^ darbot, das erste Zeichen für 100, das zweite
für 1000, das dritte für 50 verwendet worden ist, erklärt sich daraus,
dass die beiden ersten Zeichen für die Ergänzung des vorhandenen
Ziffernsystems wesentlich waren, das dritte entbehrlich und eigentlich
erst brauchbar wurde in Verbindung mit der Aufstellung des Zeichens
500 durch Halbirung der zweiten Aspirata. Mit Unrecht also fordert
Zangemeister die Verwendung der drei Zeichen in der durch den
Zahlenwerth gegebenen Folge.
3. Dass das jetzt im lateinischen für das Hundert dienende
Zeichen in dieser Form jung und ein älteres verschollen ist, ist evi-
dent und räumt auch Zangemeister ein. Jede methodische Unter-
suchung wird weiter anerkennen müssen, dass bei der wesentlichen
Analogie der lateinischen und der etruskischen Zahlzeichen in diese
Lücke das etruskische Zeichen (^ eintritt, dessen Form derselbe
Gelehrte bestätigt und dessen Deutung als Zeichen für 100 auch er
als wahrscheinlich anerkennt.
4. Dass die Etrusker, welche in ihrem Alphabet die Aspiraten
festhalten, sich derselben Zahlzeichen bedienen, indem sie dieselben
154 von den entsprechenden Buchstabenformen differenziren, kann den
Ursprung der lateinisch-etruskischen Ziffern aus den Aspiraten nicht
in Frage stellen, da es sehr wohl möglich, ja wahrscheinlich ist,
Zahl- und Bruchzeicben.
785
dass die Etrusker diese Ziffern entweder von ihren südlichen Nach-
barn übernommen oder doch im Wechselverkehr mit diesen fest-
gestellt haben.
5. Die Fehlerhaftigkeit und Willkürlichkeit der von Zange-
meister aufgestellten einheitlichen Reihe ist augenfällig. Die Ent-
wickelung der Zeichen für 5 und 10 aus der Einheitslinie, wie er
sie annimmt, führt nicht auf X und Y, sondern auf -f- und ±;
meine Erklärung, dass diese Figuren die Hand und die Doppelhand
andeutend wiedergeben, giebt den Schräglinien ihr unabweisbares
Recht.
6. Was Zangemeister decussare nennt und wie er dies decussare
verwendet, verstehe ich nicht. Decussis sind decem asses^, wie cen-
tussis hundert und qtiadrussis vier Asse; decussare heisst das Zehn-
zeichen setzen, also zwei Linien in das schräge Kreuz stellen. Nie-
mals heisst das Wort Verzehnfachen' und es hat überhaupt mit dem
Zahlensystem nichts zu schaffen. Die in der lateinischen Cursivschrift
häufige Form ^ u. s. w. für 20 und die analogen für 30 und 40 führen
in keiner Weise auf ein sonst unbekanntes Verzehnfachungszeichen,
sondern sind einfache Contignaticn mehrerer Zehnzeichen. Alle
Contignation beruht bekanntlich auf der Zusammenziehung mehrerer
Zeichen in eines mittelst der Doppelfunction einzelner Linien, mögen
diese nun unverändert bleiben, wie in V\\ und \Ä., oder denaturirt
werden, wie in "V^, wo der zweite Schrägstrich des V zugleich als
Perpendicularstrich des R functionirt. Bei dem Zeichen für XX wird
durch Veränderung der Stellung (Tieferstellung des zweiten X) und
Verbindung zweier der vier Querlinien ^ 2:u \^ und in analoger
Weise können drei und vier Zehnzeichen verbunden werden. Auf
welchem graphischen Wege aus X die Zeichen X oder ]^ im Werthe
von 100 hervorgehen können und wie dies Decussation genannt
werden kann, ist mir ein unlösbares Räthsel.
7. Der Werth des auf zwei etruskischen Denkmälern vorkommen- 155
den Zeichens ^ = 100 ist sehr problematisch,*) die Annahme eines
doppelten Zeichens tur 100 ein übler Nothbehelf.
1) Schon das analoge Wort centussis zeigt, dass nicht eine Manie gemeint
sein kann; auch hat in dem Knpfergeld das Zehnasstöck eine untergeordnete
Rolle gespielt und heisst das silberne Zehnasstück nicht decussis, sondern (num-
miis) denarius. Es ist also der Werth oder das Gewicht von zehn Assen darunter
verstanden.
*) [Trotz L. de Feis, Disaertaz. della pontif. accad. di archeologia ser. II
vol. 7, 1900, S. 14.]
MOMMSEN, SCHR. VII. - ^
7S6 Zahl- und Bruchzeichen.
8. Die 'Erschliessung' der nirgends überlieferten Form ]^ = 100
und deren Yereinfachung in C kritisiren sich selber ohne weiteren
Commentar.
9. Dass die Grundform des Tausendzeichens 0, nicht aber CXO
ist, zeigt zur Evidenz das Hälftenzeichen D, während dies aus der
von Zangemeister angenommenen Grundform sich nicht entwickeln
lässt. Uebrigens sind beide nur graphische Varietäten; die jüngere
i^t entstanden durch stärkere Angabe des oberen und unteren Ein-
schnittes der Hasta, wodurch die beiden Hälften Q D sich der Kreis-
form näherten, 0 in oo und CXO überging.
10. Die Annahme, dass die Zeichen für 5000 und 5000,0 die
primären und die für lOOOO und 1 00000 erst daraus abgeleitet sind,
ist aller Wahrscheinlichkeit zuwider. Zu welchen unhaltbaren Con-
sequenzen die durch nichts gestützte Behauptung, dass der einzelne
Seitenstrich oder seitlich gestellte Halbkreis verzehnfacht, nothwendig
hinführt, ist hier mit Händen zu greifen. Wäre sie richtig, so müsste
sie vor allem auch für die Zeichen 10000 und 100000 gelten, und
es kann dem nicht durch 'Verdoppelung' der Zeichen für die Hälften
ausgewichen werden. Ueberhaupt ist die Entwickelung der Zeichen
für 10000 und 100000 aus dem Zeichen für 1000 durch Umkreisung
und die der Zeichen für 500, 5000, 50000 aus den entsprechenden
Doppelten durch Halbirung so in sich selbst evident, dass an diesem
Bildungsprozess bisher noch niemand gezweifelt hat und auch in
Zukunft schwerlich ein Zweiter zweifeln wird.
11. Das Zeichen für quingenta milia ist aus der Initiale durch
eine kleine an das Hunderttausendzeichen anlehnende Differenzirung
hervorgegangen. Der neben dieser naheliegenden Auffassung von
Zangemeister zur Auswahl hingestellte Vorschlag, dasselbe auf ein
verzogenes cursives D zurückzuführen, verdient keine Billigung. Das
cursive D ist offenbar denaturirt aus dem der Lapidarschrift, indem
der Perpendicularstrich mit dem Halbkreis in einem Zug gebildet
und dadurch selber zum Halbkreis ward. Dergleichen denaturirte
Formen sind nicht zeugungsfähig; auch ist nicht D quingenta milia,
sondern D, und bei Zangemeisters Aufstellung fehlt dem Zeichen
jede Spur des unentbehrlichen Ueberstrichs, selbst wenn man so
156 nachsichtig sein will die Aehnlichkeit des Zahlzeichens selbst mit
dem Cursivbuchstaben anzuerkennen.
12. Nach Zangemeisters Ansetzungen sind die italischen Ziffern
von 1 bis 1000 in vorgriechischer Zeit auf einmal ins Leben getreten,
gleich wie Athene aus dem Haupte des Zeus, und es wird dies be-
zeichnet als ein in die Urzeit Italiens fallender Lichtstrahl. Die
Zahl- und Bruchzeichen.
r87
natürliche Geburtsform geht andere Wege und der Lichtstrahl scheint
mir ein Irrlicht. Es ist höchst unglaublich, dass irgend ein und nun
gar ein nicht schreibendes Volk das Problem der Ziffernerfindung
in dieser Yollkommenheit mit einem Schlage gelöst hat. Es ist noch
weniger glaublich, dass dieses selbe Yolk gleichzeitig nicht ein ein-
ziges Bruchzeichen erfunden haben soll, zwar 500 und 1000, aber
keine Hälfte schreiben konnte. Denn Zangemeister selbst, wie sehr
er auch die Ziffernbezeichnung durch die Initialen perhorrescirt und
selbst den Zeichen für centum und für quingenta milia ihren recht
evidenten Ursprung halbwegs bestreitet, wird nicht leugnen, dass die
Zeichen für semis und semuncia nichts anderes sein können als die
Initialen und dass also selbst das einfache Hälftenzeichen jünger ist
als die Bildung des lateinischen Alphabets.
Mit schlagender Deutlichkeit fiihrt das römische Ziffemsystem
uns die drei grossen Etappen der italischen Civilisationsanfange vor:
die Epoche vor der Kunde des griechischen Alphabets lediglich mit
den Ziffern für 1, 5 und 10 nebst dem Zeichen der uncia; die Ent-
nahme der Zeichen für 100, 1000 und 50 aus dem griechischen
Alphabet; endlich die auf italischem Boden hinzugetretene Ent-
wickelung weiterer Zeichen aus dem des Tausend. Auf keinem
anderen Gebiet begegnen dem vergleichbare Repräsentanten der
vorgriechischen Cultur, der einfachen Entlehnung griechischer Er-
findungen, der diesen Erfindungen sich anschliessenden und vielleicht
der Zeit nach mit ihrer Uebemahme zusammenfallenden Weiter-
gestaltung; da wir hier sie haben, werden wir sie auch zu behaupten
wissen.
50*
LXXXI.
Quingenta milia.*)
467 Zu den wohlbekannten römischen Zahlzeichen füge ich das in
der folgenden Inschrift an erster Stelle vorkommende hinzu, das in
Deutschland kaum und in Italien wenig gekannt sein dürfte:
GAVIA • (^ • F MAXIMA
IN • A^VAM • HS- Qj<ilk)
^eSi^AMENTO • DEDIT
Der Stein befindet sich in Yerona eingemauert in einem an der Ecke
des Corso vecchio und der Yia rosa belegenen Hause; gedruckt ist
er bei Persico descrizione di Verona 2 (1821) p. 328.**) Dasselbe
Zeichen wiederholt sich auf einem zweiten ungedruckten Veroneser
Fragment im Hause Balladoro am Corso:
c|vM • SOLJo
,;hs- Cum I
und auf einem dritten unweit Yerona in Colognola in der Yilla
Nichesola aufbewahrten und ebenfalls von Persico a. a. 0. publicirten:
ex ii\s • CL» • T • F ' I
Ausser auf diesen drei sämmtlich von mir gesehenen Steinen,
die alle aus guter Zeit sind, ist mir dieses Zeichen nie begegnet und
468 auch Borghesi, der so wie Labus von Persico über den Werth des-
selben befragt wurde, scheint es anderweitig nicht gekannt zu haben.
*) [Hermes 3, 1869, S. 467— 468 mit Nachträgen der gleichen Überschrift
in derselben Zeitschrift 7, 1873, S. 366; 10, 1876, S. 472; 20, 1885, S. 317.]
**) [C. I. L. V 3402; zweites Exemplar Notizie degli scavi 1893 p. 11.
Dessau 5757.]
Qaingenta milia. 7g9
Die von Labus und von Borghesi aufgestellten Erklärungsvorschläge
sind nicht glücklich: denn wenn jener das Zeichen im Werth von
5000 mit subtractiver Geltung nahm, so steht dem entgegen, dass
für diese Zahl die wohlbekannte Ziffer loa vorhanden, ferner die
substractive Anwendung der höheren Zahlzeichen überhaupt unzulässig
ist; und wenn Borghesi zwischen diesem Zeichen und der tironischen
Note für quater eine gewisse Aehnlichkeit fand und daher qttater
centies zu lesen vorschlug, so haben weder die tironischen Abkür-
zungen mit der gemeinen Schrift irgend etwas zu thun noch darf
eine willkürlich modificirte, um nicht zu SLgen incorrecte Ausdrucks-
weise wie quater centies statt quadringenties der Ziffernsetzung zu
Grunde gelegt werden, um davon abzusehen dass das zweite Zeichen
nicht centies heisst, sondern cenfum milia. Ohne Zweifel ist das
Zeichen vielmehr aufzulösen durch quingenta milia. Dafür spricht
einmal die Stellung, wonach dasselbe einen höhera Werth gehabt
haben muss als 100000; zweitens die Form, die augenscheinlich zur
Hälfte aus dem Buchstaben <^, zur Hälfte aus dem der Hundert-
tausendreihe zu Grunde liegenden Zeichen gebildet ist; drittens und
vor allem das Bedürfniss. Denn in demjenigen Ziffersystem, dem
das nebenstehende Hunderttausendzeichen angehört, ist dies das
höchste bisher bekannte einfache Zeichen, so dass, um eine halbe
Million zu schreiben, nichts übrig bleibt als diese an sich schon
schwerfällige Ziffer fünfmal zu wiederholen. Wie man aus gleichen
Gründen nach IHI mit V, nach XXXX mit L, nach CCCC mit D,
nach oo oo oo oo mit Iod fortfuhr, lag es auch nahe mit dem in Frage
stehenden Zeichen die Reihe der einfachen Hunderttausende auf
höchstens vier zu begrenzen. Da das Zeichen somit vollständig in
das allgemeine System sich einfügt, wird man dasselbe auch, wenn
es gleich zufällig bisher nur auf Steinen von Verona sich gefunden,
keineswegs als ein bloss local gültiges betrachten dürfen, wie denn
eigenthümliche Zeichen örtlichen Werths überhaupt der römischen
Schreibweise fremd sind und insbesondere in dem Pogebiet höchst
auffallend sein würden *)
Vor einiger Zeit habe ich in dieser Zeitschrift (3, 467) bemerkt, 366.
dass auf drei Inschriften von Verona das Zahlzeichen o. in der
Bedeutung von quingenta milia begegnet, und seitdem bei dem
Wiederabdruck dieser Inschriften im 5. Band des C. I. L. (n. 3402.-
*) [Das Zeichen hat sich später auch auf einer stadtrömischen Inschrift
aus republikanischer Zeit (C. I. L. VI 31603 = Dessau 5799) und im alten
Volskergebiet (C. I. L. X 5624) gefunden.]
3f^0 Quingenta milia.
3447. 3867) darauf hingewiesen, dass in den Briefen Oiceros an
Atticus 9, 9, 4: volui HS q: egi per praedem {predum die Handschrift)
dasselbe Zahlzeichen erscheint. Seitdem macht mich Studemund
darauf aufmerksam, dass auch Priscian in der Schrift de ßguris niime-
Korum, quos antiquissimi hdbent Codices (S. 407 Keil), dieses Zeichens
Qrwähnt und den von mir vermutheten Werth desselben bestätigt:
quingenta milia per q, quod est initium nominis, et apostrophon 'I'.
Offenbar ist ein Zeichen q' oder vielmehr in Quadratschrift Q' ge-
meint, welches eben das jener Inschriften ist.
472 Ich habe früher in dieser Zeitschrift (3, 467)*) auf ein Zahl-
zeichen aufmerksam gemacht, das mir auf drei Inschriften von Verona
in folgender Gestalt
vorgekommen war, und dessen "Werth als quingenta milia nachge-
wiesen. Uebersehen habe ich damals und auch bei der Herausgabe
jener Inschriften im fünften Bande des C. I. L. (n. 3402. 3447. 3867)
nur theilweise nachgeholt, dass dasselbe Zeichen auch in der Litteratur
begegnet, einmal bei Cicero ad Att. 9, 9, 4 : volui HS Q, wo offenbar
das Häkchen am Schluss abgefallen ist, vor allem aber bei Priscian
de fig. num, p. 407 Keil, wo aber die richtige Ueb erlief erung in die
Varianten verwiesen worden ist: quingenta milia per q" quod est
initium nominis et apostrophon. So haben die Handschriften P
(Paris 7530) und Y (Leid. Voss. 12), und eben diese Figur, ein in
einen Haken auslaufendes Q, zeigen die Steine. Dagegen ist die
theilweise von Keil in den Text genommene Lesung von RA (Paris
7496 und 7501) : quinquaginta milia per q quod est initium nominis
et apostrophon T eine Schlimmbesserung, die das Verständniss aufhebt.
317 Das erst durch die Inschriften rehabihtirte Zahlzeichen cl =
quingenta milia ist früher in dieser Zeitschrift (3, 467. 7, 366) nach-
gewiesen worden als auch handschriftlich überliefert bei Cicero
ad Ätt. 9,9,4 und bei Priscian de fig. wwm. p. 407 Keil. Dazu
kommt weiter eine gleichartige Stelle in Ciceros Rede für den,
Schauspieler Iloscius. Den "Werth des erschlagenen Sclaven bestimmt
derselbe c.glO, 28. 29 auf 150000 Sesterzen: ex qua parte erat Fannii,
*) [Bei Niederschrift dieser Miszelle erinnerte sich Mommsen offenbar nicht
mehr der drei Jahre vorher von ihm im Hermes ßd. 7 veröffentlichten.]
Quingenta milia. 791
non erat SS ho oo ^ ex qua parte erat JRoscü, amplius eiat BS
ccclooo looD^ und fügt dann hinzu, dass Roscius für seine Hälfte
einen reichlichen Ersatz bekommen habe, dessen Höhe sich übrigens
daraus erkläre, dass ihm aus dieser Veranlassung ein seitdem sehr
im Preise gestiegenes Grundstück abgetreten worden sei. Magno,
sagt der Gegner des Roscius, tu tuam dimidiam partem ahstulisti;
und Roscius erwiedert: magno et tu tuam partem decide. — HS Q«
ccclooo tu ahstulisti. — Sit hoc verum^: SS Cl ccclooo tu aufer.
Ueberliefert ist an erster Stelle i/S g: cccinr, an zweiter SS q:, wo
also vermuthlich ccciojo ausgefallen ist. Das Grundstück wurde
demnach zur Zeit des Processes auf 600000 Sesterzen geschätzt.
Auch der Sache nach leuchtet es ein, dass bei einem Sachwerth von
150000 Sesterzen, da eine weit über den "Werth hinaus gehende
und durch eine allgemeine Verschiebung des Bodenwerths erklärte
Entschädigung gefordert wird, die Summe von 600000 Sesterzen den
Verhältnissen angemessen ist. Für die Beurtheilung des Rechts-
handels selbst ist die Richtigstellung dieser Ziffern ebenfalls von
wesentlichem Nutzen.*)
1) Diese Zahlen wiederholen sieh dreimal. Ueberliefert ist an der zweiten
Stelle SS III oc, an der ersten und dritten Sß IUI oo, und dies letitere
haben unsere Ausgaben. Aber es ist sinnlos, da das Zahlzeichen für Tausend
niemals das Wort milia vertritt; 4000 kann nur ausgedrückt werden entweder
mit IUI milia oder mit IUI oder mit oo co oo ex. Ohne Zweifel ist loo oo
= 6000 herzustellen.
2) Die handschrifliche Ueberlieferung fthrt an beiden Stellen hierauf; die
Ziffer ccclooo der Ausgaben ist unvollständig.
3) So ungefähr ist zu sehreiben: si fit hoc vero ist Oberliefert.
*) [Vgl. auf Grund obiger Darlegung: H. Pflüger, Ciceros Rede pro Q. ßoscio
com. rechtlich beleuchtet, Leipz. 1904, S. 152 ff. mit der Rezension von B. Kühler,
Berl. phil. Wochenschr. 1905, Sp. 671.]
LXXXII.
Die Wiedergabe des griechischen * in lateinischer
Schrift.*)
65 Die Wiedergabe der griechischen Schriftzeichen durch das im
Allgemeinen dem griechischen nah verwandte, aber doch sehr eigen-
thümlich ausgearbeitete lateinische Alphabet und insbesondere die
des griechischen 99 durch die Zeichen ph, f, p hat die Philologen
so oft beschäftigt, dass es wohl befremden mag, wenn heute jemand
darüber besonders zu handeln unternimmt, insbesondere wenn es nicht
in der Absicht geschieht das grenzen- und meist nutzlose Detail der
Schreibfehlerverzeichnung vor dem Leser auszuschütten, sondern nur
die wesentHchen Abschnitte der Entwickelung der Orthographie in
diesem Punkte festzustellen. Ich meine dennoch neben manchen
längst jedem geläufigen Dingen, die des Zusammenhangs wegen hier
wieder zu erwähnen sind, für die Geschichte der lateinischen Gram-
matik sowohl wie für die Zeitbestimmung der uns erhaltenen Schrift-
denkmäler in dem folgenden einige neue Anhaltspunkte geben zu
können.
Bekanntlich Hessen die Lateiner in älterer Zeit den Lautgesetzen
ihres Idioms gemäss auch in den Wörtern, die sie einem fremden
entlehnten, in sämmtlichen aspirirten Consonanten die Aspiration
schwinden und drückten wie ^ q x durch f r c, so cp durch p aus.
Aus der Epoche bis auf den Anfang des 7. Jahrhunderts ist bisher
noch kein Beispiel der Consonantenaspirirung nachgewiesen worden
und noch in der ersten Hälfte des siebenten begegnet die Aspiration
66 in Lehnwörtern oder was dafür galt ^ nur vereinzelt. Das bis jetzt
*) [Hermes 14, 1878, S. 65 — 76. Das Material hat sich seither kaum wesent-
lich vermehrt.]
1) Dass triumphus, obwohl es eigentliches Lehnwort nicht ist und am
wenigsten das ph auf griechische Entlehnung zurückgeführt werden kann, den-
Die Wiedergabe des griechischen * in lateinischer Schrift. 793
bekannte älteste Beispiel ist triumphans in der Mummiusinschrift
C. I [ed. 1] 541 [= Dessau 20], die oder wenigstens deren Original
im J. 609 oder doch nicht lange nachher abgefasst ist^; und kaum
dürfte ausser diesem Wort und Corinthi&nim im Ackergesetz vom
J. 643 in einer sicher datirten Inschrift ein anderes Beispiel der
Aspiration aus der Zeit vor 650 vorhanden sein. Auf den Denaren
beginnt die Aspiration um 640 — 650 sich zu zeigen 2; auf den Sacral-
inschriften von Capua erscheint sie bis 656 nicht und zuerst im
J. 660 3. Man wird daher mit ziemlicher Sicherheit die Regel auf-
stellen dürfen, dass bis zur Mitte des siebenten Jahrhunderts die
Aspiration der Consonanten der römischen Rechtschreibung fremd
gewesen ist.
Die Einführung der Aspiration der Consonanten in Fremdwörtern
hat demnach um das Jahr 650 stattgefunden; und zwar in der "Weise,
dass, während die Griechen den aspirirten Laut durchaus durch
einen einfachen Buchstaben — ^ <P X — oder höchstens durch den
Hauchexponenten — o — ausdrückten, die Römer überall ihren
Aspirationsbuchstaben h hinter dem Consonanten einschalteten. Auf
die nahe liegende Frage, warum man 0uog nicht vielmehr durch
Filus wiedergab, eben vne die Griechen für Felix ^ijXt^ schrieben,
antworten unsere alten Gewährsmänner mit der Lautverschiedenheit
zwischen lateinischem f und griechischem q), die aber doch die
Griechen aller Zeiten nicht abgehalten hat, als verstände es sich
von selbst, lateinisch f durch ihr 9 wiederzugeben. Es mag an sich
richtig sein, dass das aspirirte 9? und das nicht aspirirte f lautlich
nicht völlig zusammenfallen: aber bei diesen Sprachmeisterbetrach-
noch den Römern als Lehnwort erschienen ist, lehren die Thatsachen und be-
stätigen die Grammatiker Cledonius (5 p. 61 Keil) und Pompeius (5 p. 239 Keil),
letzterer unter Anführung des triftigen Grundes, dass der Triumph eigentlich
nicht römisch, freilich auch nicht griechisch, sondern von dem indischen Vater
Bacchus und seinen Satyrn aufgebracht sei. [Vgl. Varro de 1. L. VI 68.] Umge-
kehrt scheint purpura niemals als Lehnwort betrachtet worden zu sein. Die
Begrenzung des Fremd wortbegriffs ist offenbar eine wesentlich conventioneile
und wenig rationelle gewesen. In wie fem bei dem Eintreten der Aspiration
in Wörtern wie Cethegus, Tlialna, Thoriiis — brachium, Gracchus, pulcher u. dgl.
m. griechische Etyma mitgespielt haben, ist hier nicht zu untersuchen.
1) Es ist dies nicht das einzige Moment, welches gegen die Gleichzeitigkeit
der Inschrift Bedenken erweckt. S. Ritschi titulus Mutnmianus p. IVf. [op. IV
S. 87 f.]; tria monumenta p. 27. [Op. IV S. 147 f. Vgl. Bächeier zu carm. epigr. I 3.]
2) Anncdi delT InstÜxdo 1863 p. 52. [Gemeint ist der Aufsatz Mommsens:
Sopra alcuni ripostigli di denari scoperti nella Spagna, der in Bd. IX der .Ges.
Sehr." zum Wiederabdruck gelangen wird.]
3) C. I. L. I 570. 571 [X 3789. 3772 = Dessau 3609. 6302].
794 Die Wiedergabe des griechischen 4> in lateinischer Schrift.
tungen über den rauhen lateinischen /-Laut, den kein Grieche zu
sprechen vermöge, und über den lieblichsten der griechischen Buch-
67 Stäben, dessen Aussprache dem römischem Munde versagt sei, wird
doch sehr wesentlich mitgewirkt haben, dass die griechische Sprache
den lateinischen Schulmeistern und ihren Schülern, eben wie vor
Zeiten die französische den deutschen, überhaupt feiner und gebildeter
klang als die Muttersprache und sie diesen ganz anderswo begründe-
ten Zauberreiz in den Klang des einzelnen Buchstabens hineinlegten.
Auf jeden Fall ist für 99 nicht /", sondern ph lediglich desshalb ge-r
schrieben worden, weil diese Veränderung der Orthographie sich
nicht auf den ^-Laut beschränkte, sondern die Aspiration der Con-
sonanten damals überhaupt aufgenommen ward , und da man für
^"^ § yi entsprechende Zeichen nicht besass, man es vorzog die allge-
meine Regel in Betreff des nachgesetzten h aufzustellen und diese
dann auch auf das j) zu erstrecken. — Wenn jede orthographische
Neuerung nothwendig zunächst Schwankungen herbeiführt und
kürzere oder längere Zeit die alte wie die neue Schreibung neben
einander auftreten, so gilt dies ganz besonders von dieser, wie es
ja denn auch sich eigentlich von selbst versteht, dass eine lediglich
die Fremdwörter betreffende orthographische Neuerung, abgesehen
von der principiellen Opposition, den weniger Gebildeten in der
Durchführung immer Schwierigkeit macht und häufig verletzt wird»
Es wird darum hier vor allem nothwendig den thatsächlich uns ent-
gegentretenden Schreibgebrauch und die normale Orthographie zu
scheiden. Bleiben wir bei der Ersetzung des p durch ph stehen,
mit der diese Untersuchung sich allein beschäftigt, so ist allem An-
schein nach, wenn man nur auf die Regel sieht, die Aspirirung sehr
früh durchgedrungen und der Zeitraum, in welchem die ältere
Schreibung mit der jüngeren stritt, ein verhältnissmässig kurzer
gewesen. Aus Inschriften oder gar aus Handschriften den Beweis
für oder gegen zu führen dürfte freilich nicht wohl möglich sein.
Die Inschriften aus der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts zeigen
ein solches Schwanken in dem Setzen oder Weglassen des Aspirations-
zeichens, dass von ihnen aus zu einer chronologischen Fixirung des
Aufkommens der Regel schwerlich 2u gelangen ist, obwohl allerdings
die nicht aspirirte Schreibung in stetigem Schwinden ist und die
Allgemeingültigkeit der Aspiration, wie wir sie in den massgebenden
Denkmälern der guten Kaiserzeit durchgeführt finden, sich schon in
republikanischer vorbereitet. Noch weniger aber dürfte es auch
nach unseren besten Handschriften sich entscheiden lassen, ob Cicero
68 Phüus oder Pilus geschrieben hat, da die ältere Schreibung als
Die Wiedergabe des griechischen 0 in lateinischer Schrift. 795
fehlerhafte Form nachweislich bis in das viette Jahrhundert hinein
vorgekommen ist K Aber was Inschriften imd Manuscripte nicht ge-
währen, lehren uns die Münzen; denn dass auf ihnen mit ver-
schwindenden Ausnahmen die correcte Orthographie der Epoche
herrscht, versteht sich in der That von selbst und bestätigt sich bei
jeder speciellen Prüfung. Auf den römischen Denaren aber erscheint
die Aspiration von da an, wo sie überhaupt beginnt, wesentlich als
allgemein herrschend: in derjenigen Epoche, die etwa den Jahren
640 — 650 beigelegt werden kann 2, findet sich einerseits Cilo (C. I
345), andrerseits Philippus (C. I 35S) und Philus (C. I 385) und
auf den später geschlagenen Münzen erscheint nirgends ein Fremd-
wort ohne seine Aspiration^. Wir haben daher Grund anzunehmen,
dass bereits in ciceronischer Zeit die lateinische Sprache die Aspira-
tion der Fremdwörter als Regel anerkannte. — In der Kaiserzeit
und zunächst im ersten Jahrhundert derselben zeigen die pompeia-
nischen Steininschriften ohne Ausnahme das ph da, wo es hingehört*,
während auf den Wandinschriften ^ und ebenso auf den Quittungs-
tafeln des Jucundus^, welche letztere wesentlich der neronischen 69
1) Auf dem Soldatenverzeichniss vom J. 205 (ungefähr) C. VI 1057 findet
sich für (f neben ph und f auch noch p: Philippus 7, 83; Sympor 1, 81; TeU-
spo(rus) 1, 125. Philosopus steht auf einer Inschrift (C. VI 2153) der constantini-
schen Epoche aus den vornehmen Kreisen der Hauptstadt. Die Form triumpator
erscheint sogar noch auf den Meilensteinen der Söhne Constantins (de Minicis
iscr. dt Fermo n. 644, von mir gesehen [C. IX 5942]; C. II 4742, wo die üeber-
lieferung ebenfalls auf diese Form führt). Jovians (C. V 8012) and von Valens
und Gratian (C. V 8008). Der späte Grammatiker, der unter dem Namen des
Probus geht (4 p. 199, 7 Keil), erinnert : strofa, non stropa.
2) Wegen der Zeitbestimmung vgl. Ann. deWinst. 1863 & 50f. [vergl. S. 793 A.2].
3) R. M. W. S. 471. Dass triumpus auf den Münzen der Papia aus der Zeit
Caesars und der Münzmeister etwa des J. 717 Ti. Sempronius Graccus hiegegen
nicht geltend gemacht wenden können, bedarf kaum der Erwähnung; diese
Schreibung rührt von Grammatikern her, welche für beide Wörter als nicht-
griechische die Aspirata nicht zuliessen.
4) Auch die sonstigen aspirii-ten Consonanten erscheinen mit einer einaigen
Ausnahme {scoia 1. X. 2227 = C. X 831) an richtiger Stelle. Die vor einigen
Jahren bei Scafati gefundenen fast barbarischen Grabsteine {Giunuik degh aeavi
di Pompei N. S. 3 p. 144) mit dem seltsamen, aber nicht seltenen Eucumene (C. X
1072; vgl. Hübner C. II 2259), das doch wohl auf Eizofürv zurückzufahren ist,
und dem fehlerhaften Thice (C. X 1070) gehören vielleicht der Zeit nach, aber
nicht nach dem Bildungskreis zu den Inschriften der Stadt PompeiL
5) Zusammengestellt von Zangemeister C. I. L. IV S. 256 [Mau ib. snppl.
S. 778.]
6) Hermes 12, 107 [in der Abb.: 'Die pompeianischen Quittungstafeln', jetzt
in den Ges. Sehr. III 221 ff., die hier angeführte Stelle S. 239 A. 1. Vgl. auch
796 I^iß Wiedergabe des griechischen 0 in lateinischer Schrift.
Zeit angehören, Schreibungen wie elepantus, Posporus, Pronimus un-
gemein häufig gefunden werden. Hier tritt es also deutlich hervor, dass
die um 650 eingeführte Orthographie im ersten Jahrhundert unserer
Zeitrechnung die allein anerkannte war, aber häufig Personen ge-
ringerer Bildung von derselben abwichen und in die ehemalige
aspirationslose Schreibung zurückfielen, während andrerseits nicht
selten selbst da, wo man es kaum erwarten sollte, in partem doc-
tiorem peccirt und griechisches ji durch lateinisches ph wiedergegeben
ward^ Damit stimmen auch die übrigen inschriftlichen Denkmäler
wesentlich überein, wenn man dabei, wie es freilich nur zu selten
geschieht, die Kategorien in genügender Weise scheidet und bei den
einzelnen Inschriften den voraussetzlichen Bildungsgrad der Schreiber
und die dabei obwaltende Controle nicht aus den Augen lässt. Aus
den öffentlichen stadtrömischen Inschriften der Kaiserzeit wird es
nicht leicht sein ein Beispiel von p für griechisches cp vorzubringen.
Bei den privaten erscheinen merkwürdige Gegensätze. Die Inschriften
aus dem Grabmal des Hausgesindes der Livia, jetzt zusammengestellt
im C. YI 3926—4326, zeigen wie überhaupt einen in dieser Gattung
von Denkmälern ungewöhnUchen Grad von Correctheit, so insonder-
heit p für ph nur dreimal, und zwar in der Weise, dass diese Aus-
nahmen die Regel bestätigen; die drei Inschriften rühren alle von
demselben Philadelpus Neronis Caesaris] her und sind alle unter
Tilgung älterer nachträglich geschrieben, haben also der von der
Verwaltung der Grabstätte ausgeübten Controle nicht unterlegen 2.
70 Aehnliche Grabstätten gleichfalls aus der Zeit der ersten Dynastie,
Zangemeister im Index der neuen Ausgabe der Quittungstafeln C. I. L. IV suppl.
S. 449].
1) Wenn wir auf den Inschriften der hauptstädtischen Plebejer Olymphus
(C. VI 3684) und Phylades (VI 766) lesen, so ist das ebenso in der Ordnung, wie
wenn unsere Journalisten der 'Sphynx' zum Opfer fallen oder unsere Klassiker
für Halbgebildete den oder die 'Amaranth' besingen. Aber Phisidae auf einem
römischen Plebiscit vom J. 684 d. St. (C. I [ed. 1] 204 [ed. 2 n. 589 = Dessau 38],
9, 32) und vor allem Apollo Phutius auf der delphischen Inschrift eines römischen
Senators der ciceronischen Zeit (Hermes 8,414; Eph. epigraph. IV p. 51 n. 107
[Dessau 4047]) zeigen, wie bedenklich es noch in der ciceronischen Zeit mit der
Durchbildung der höheren römischen Gesellschaft bestellt war. [Über die delphische
Inschrift, die nicht in die ciceronische Zeit, sondern ins J. 646 d. St. gehört, s.
jetzt Pomtow, Philol. 54, 1895, S. 226 und Herrn. 41, 1906, S. 368.]
2) C. VI 3971 = Gori 187, 190; C. VI 4012 = Gori 104, 44; C. VI 4179
= Mur. 1594, 3. Die letzte der drei Inschriften ist verloren und daher die
Rasur nicht äusserlich zu erweisen; aber das darin genannte Ehepaar ist evident
dasselbe wie in N. 8971.
Die Wiedergabe des griechischen * in lateinischer Schrift. 797
zum Beispiel die der Statuier, haben dagegen das p für ph häufig ^
und stehen orthographisch ungefähr auf einer Linie mit den oben
erwähnten Quittungen des pompeianischen Banquiers. Die weitere
Fortführung dieser Beobachtungen kann für die richtige Behandlung
der einzelnen Denkmälerkategorien und selbst für den Bildungsgrad
der einzelnen vornehmen Häuser von Wichtigkeit werden; für unsern
Zweck genügt es die Regel und die Abweichungen davon im All-
gemeinen bezeichnet zu haben.
Weiterhin stellt nun die Wiedergabe des griechischen 93 durch
lateinisch f sich ein. Aus republikanischer Zeit ist ein gesicherter
Beleg für das letztere überhaupt nicht vorhanden; in der nicht be-
sonders gut überlieferten Inschrift C. I. L. I n. 602 [= Y 4087] vom
J. 695 d. St. wird ORFEYS, das dort neben Aprodisitcs, Fhilogenes
u. dgl. m. auftritt, aus ORPEYS verlesen sein. Auch in der früheren
Kaiserzeit erscheint f für ph nur ganz vereinzelt; auf den pompeia-
nischen Steininschriften so wie auf den Quittungstafeln des Jucundus
begegnet es in griechischen Lehnwörtern nirgends und unter den
Pinsel- und Griffelinschriften hat Zangemeister (C. lY n. 258) das-
selbe nur viermal gefunden: n. 680 (ziemlich alt) Dafne; n. 2402
Fileto; n. 1265* Fyllis; n. 2039 Trofime. Dies sind meines Wissens
die ältesten datirten Belege, die wir für diese Schreibung besitzen;
überhaupt aber tritt dieselbe in der vorseverischen Zeit nur in äusserst
beschränktem Umfang und nur in gänzlich incorrect geschriebenen
Documenten auf. In keiner der Inschriften, welche der nach Hadrian
nicht mehr vorkommenden ornamenta ^riMW/)ÄaZ/a Erwähnung thim-,
ist das Wort mit f geschrieben, ebenso in keiner von denen, welche
die mit Severus abkommenden phcderae^ erwähnen. In den Arval-
acten, die doch sonst der Fehler genug enthalten und keineswegs
sorgfältig geschrieben sind, begegnet f in einem Fremdwort (scyfos)
zuerst unter dem J. 218 (Yl 2104 Z. 26). Unter den sämmtlichen
sicher vorseverischen sacralen und Kaiserinschriften, die im 6. Band
des C. I. L. zusammengestellt sind, ist keine, die f in einem Fremd-
wort zeigte, mit Ausnahme des Pontificalschreibens vom J. 155 (YI 71
1) Die Beispiele sind Apihonus 6256 [dies ist correct: vgl. W. Schulze,
Orthographica (Marburg 1894) S. XLIX] — Äprodisia 6440 — Dapnts 6431. 6528
— Eupemm 6438. 6439 - Nicepar 6318. 6354.
2) Staatsrecht P S. 450 [= S. 466, 3. Aufl.].
3) ijalarae C. I. L. V 7495 [= Dessau 2337]; palerae C. I. L. I [ed. 1] n. 624
[X 8886 = Dessau 2225]; phalarae Henzen 6749 [C. I. L. X 1202 = Dessau 2660];
sonst phalerae. Die schlecht überlieferten Inschriften III 1664. 2718 können
die Schreibung falerae nicht beglaubigen.
798 ^iö Wiedergabe des griechischen * in lateinischer Schrift.
2120 [Dessau 8380]), in welchem neben dem fehlerhaften Älphius^
umgekehrt sarcofagus auftritt 2; dasselbe ist aber überhaupt in solchem
Orade incorrect geschrieben, dass es nothM^endig unter anderen Be-
dingungen entstanden sein muss als sie bei der Technik der Stein-
schrift im Allgemeinen massgebend gewesen sind. Wir werden also
2war einräumen müssen, dass f und ph, da sie in der Aussprache
ohne Zweifel zusammenfielen, schon wenigstens seit der neronischen
Zeit bei Personen von niedrigem Bildungsstand mit einander ver-
tauscht worden sind; aber bis auf Severus hinab begegnet diese
Yerweehselung so selten, dass das f im Lehnwort, wenn die Inschrift
nicht allergeringster Qualität ist, als ein sicheres Indicium der nach-
severischen Zeit angesehen werden darf.
Dass mit Severus die Barbarismen, die vorher nur in einzelnen
Privatscripturen auftreten, auch in die öffentlichen Urkunden und in
-das Gebiet der eigentlichen Steintechnik eindringen, ist schon anders-
wo bemerkt worden (C. I. L. III p. 919). Aber kaum irgendwo
zeigt sich dies so scharf und umfassend wie in dem plötzlichen Ein-
treten des / statt ph auf den Inschriften dieser Epoche.
vom J. 197/8, Soldatenkatalog (VI 3884): Eumorfiis (3, 17) neben
Tryphon (5, 6).
vom J. 198, Yerzeichniss der paedagogi puerorum a capite Africae
(YI 1052): Tryferus, Eutyfron neben TropMmus.
vom J. 205, Soldatenverzeichniss (YI 1056); Afrodisi (3, 92), Calli-
morfe (3, 109), JEufron (3, 37), Füonice (3, 110), Ifianax
(3, 17), Menofante (2, 6), Philadelfie (4, 11) neben Ephoebe
(4, 17), FMippe (1, 37), Philomuse (3, 75).
vom J. 205 (?), Soldatenverzeichniss (YI 1057): Eufraf. (7, 85),
72 Euf rosin. (7, 45), Fileterus (7, 89), Filippus (7, 51), Filo-
calus (2, 2), Filofa (2, 140), Filume. (1, 155), Fotinus (5,
136), Nymfi(dius) (2, 81), Syntrof. (5, 113), Trofim. (5, 4,
auch wohl 7, 76), Tryfo (1, 142) oder Trifon (7, 76), Xc-
1) Gleichartig ist Orphitus in einer Inschrift des J. 142 (VI 644). [Der
Irrtum Mommsens betr. Alphius ist, worauf mich Dessau hinweist, im Thes. ling.
iat. I S. 1722 Z. 76 korrigiert worden: das griechische Libertinencognomen '^A9?£toä
hat mit dem römischen Gentilnamen Älfius nichts zu tun.]
2) In den Verzeichnissen der magistri fontis findet sich im J. 131 Filumenus
(VI 157), im J. 165 Fileros (VI 164); was an sich nicht eben befremden würde,
da dies geringe Leute, grossentheils Sclaven sind. Aber die üeberlieferung ist
80 schlecht, dass auf diese Angaben kein Verlass ist. Die traiauische Alimentar-
tafel ist in dem Gebrauch des ph fehlerfrei, was ich anführe, weil Schneider
Iat. Gramm. 1, 1 p. 202 img daraus Epafrodüus anführt; nicht minder das grosse
Verzeichniss der magistri vicorum aus dem J. 136 (C. VI 975).
Die Wiedergabe des griechischen ^ in lateinischer Schrift. 799
nofon (5, 103); daneben Äphian. (1, 154), Euphrates (4, 96),
Fhihn (2, 4), Phihimen. (3, 22); auch nach alter Schreibung
Püippus, Sympor, Telespofnis) S. 68 A. 1 [S. 795 A. 1]). Für
diesen Concipienten also war es Regel (p durch /"auszudrücken,
vom J. 210, Soldatenverzeichniss (YI 105S), dem vorigen ganz
gleichartig, aber von einem andern Concipienten: hier wird
mit nur zwei Ausnahmen (Fotinus 2, 127; Menofilus 5, 106)
in griechischen Wörtern durchaus ph geschrieben, dafür aber
findet sich auch Phidelis (3, 30).
Dazu stellen sich weiter die ziemlich zahlreichen misenatischen In-
schriften, auf denen das Amt des Schiffswächters durchgängig als
naofylax oder naufyJax vorkommt; sie sind nicht datirt, gehören
aber ohne Frage sämmtlich dem 3. Jahrhundert an.
Aber wenn auch hienach in den Steinschriften der hauptstädtischen
und der campanischen Plebs seit dem Anfang des severischen Re-
giments das griechische ph ganz gewöhnlich durch f wiedergegeben
wird, so ist diese Schreibung doch in der gleichen Epoche noch
keineswegs in die Kreise der besseren Gesellschaft eingedrungen:
"vielmehr hat die Orthographie der früheren Kaiserzeit hier sich nach-
weislich bis in die Mitte des 4. Jahrhunderts behauptet. Sämmtliche
Münzen der beiden Philippi (244 — 249 n. Chr.) so wie ihre sämmt-
lichen Diplome folgen derselben; und auch unter den Bildsäulen-
steinen ist mir nur ein einziger einer kleinen illyrischen Landstadt
bekannt, der von dieser sich entfernt ^. — Wir besitzen stadtrömische
Mithrasinschriften, die von Personen aus den höchsten Kreisen der
römischen Gesellschaft in den J. 313 ^ und 319^ dedicirt sind imd der
alten Orthographie folgen. Das Wort triumplius mit seinen Derivaten,
das auf den Münzen und den Ehreninschriften von Anfang des 4. Jahr-
hunderts an häufig begegnet*, erscheint in der alten Orthographie
sowohl auf dem in Rom Constantin dem Grossen gesetzten Bogen ^
1) Aus Albona in Histrien C. III 3049 [Dessau 512].
2) C. VI 507: hierophantes.
3) C. VI 508 [Dessau 4146] : Phryg. Daneben mochten andere Personen des
gleichen Kreises und der gleichen Epoche sich der vulgären Schreibung bedienen :
so wird die Inschrift VI 48 [Dessau 3375], in der Eufranor vorkommt, wahr-
scheinlich mit Recht dem Consul Gallus des J. 298 beigelegt.
4) Brauchbare Belege der Schreibung aus dem dritten finde ich nicht; die
Aufschrift triunfu Quad&r. auf einer Münze Numerians (Cohen n. 19 [ed. 2 n. 91])
ist auch sonst incorrect, triumfus Caesarum «uf einer Münze des Constans (Cohen
n. 156 [ed. 2 n. 116]) schlecht beglaubigt.
5) C. YI 1139.
800 I^iß Wiedergabe des griechischen ^ in lateinischer Schrift.
wie überhaupt auf seinen stadtrömischen Inschriften ^, ferner auf den
Goldstücken mit der Aufschrift ob victoriam triumphalem des Constans
(339—350)2 und Constantius II (337—361)3. Also bis um das J. 350
war die Vertretung des 99 durch f zwar sehr gewöhnlich, aber doch
nichts als ein häufiger Sprachfehler, der mit der Schreibung e für
ae und analogen Barbarismen auf einer Linie stand. Dieser ortho-
graphischen Yerwilderung gegenüber lehren die Grammatiker Caper*:
Graeca nomina, ut Phryne et phalanx et Phronimus, per p et h scri-
henda: Latina, ut f allere et facile, per f scribenda; Sacerdos^: harba-
rismus . . fit . . . per immutationem loquelarum, ac si Graecum nomen
Latine dicas vel Latinum, nomen Graece scribas vel dicas, ut puta si
'pMlosophum' per f scribas, cum per p et h scribere debeas, vel si 'felix'
scribas per p et h, cum f ratio exigat.
Aber um die Mitte des vierten Jahrhunderts ändert die Schrei-
bung sich plötzlich und vollständig. Auf den oben angeführten
Goldstücken von Constans ^ und Constantius II '^ ist die Schreibung
ob victoriam triumfalem etwas häufiger als die mit triumphalem; ihre
Emission muss eben in die Zeit des Wechsels fallen. Die unter den-
selben Kaisern beginnende, dann unter Magnentius, Yalentinian I und
Valens, Theodosius I und Honorius häufig gebrauchte Münzaufschrift
triumfator gentium barbararum tritt nie anders als in dieser Schrei-
bung auf. Dasselbe ergeben die Inschriften in Betreff dieser jetzt
74 fast zur ständigen Titulatur gewordenen Bezeichnung: triumfatores
heissen die Kaiser von Constantius II an^ auf den stadtrömischen
Inschriften wie auf denen der Provinzen^, und wenn daneben vereinzelt
die Form triumpator erscheint (S. 68 A. 1 [S. 795 A. 1]), so ist da-
1) triumphator: C. VI 1135. 1141. 1142. 1144. 1146. 1683. Auf den durch-
gängig schlecht überlieferten kleinasiatischen Inschriften desselben Kaisers
(CLL. III 209. 477. 6159. 6375) scheint die Schreibung mit f vorzuwiegen; es
ist begi^iflich, dass sie früher in der griechischen als in der lateinischen Reichs-
hälfte allgemein wird.
2) Cohen n. 43 [ed. 2 n. 90].
3) Cohen n. 92 [ed. 2 n. 148 vergl. n. 147]. Dazu kommt die unzuverlässige
Inschrift C. VI 1165 und eine spanische des Magnentius (350-353) C. II 4765.
4) p. 2240 Putsch, 7 p. 95 Keil.
5) 6 p. 451 Keil.
6) Cohen n. 41. 42 [ed. 2 n. 88. 89].
7) Cohen suppl. n. 9 [ed. 2 n. 146].
8) C. VI 1158. 1161. 1162. 1163, 4. 24. Es verdient hervorgehoben zu werden,
dass selbst in der Inschrift des Symmachus, auf die unten noch zurückzukommen
ist, die triumfatores principes begegnen.
9) Vgl. die Indices zu C. I. L. II p. 766. III p. 1120. V p. 1161.
Die Wiedergabe des griechischen $ in lateinischer Schrift. gOl
gegen triumphator vom J. 350 ab so gut wie verschollen^. — Von
dem Consul des J. 348 Philippus führt Rossi^ neben sechs Inschriften
mit Filippus zwei mit Philippus auf; von dem gleichnamigen Consul
des J. 408^ und von dem Consul 451 Adelphius* giebt es keinen
Stein, der den ]S'amen mit ph schriebe. Diese Christengrabschriften
machen allerdings keinen Beweis für die schulmässige Rechtschrei-
bung der Epoche, aber es bleibt doch bemerkenswerth, dass sowohl
das Uebergangsstadium von ph in f wie die spätere Alleinherrschaft
der letzteren Schreibung selbst in ihnen hervortritt. — Wenn also
in der zweiten Hälfte des vierten und im fünften Jahrhundert in den
officiellen Urkunden und in den aus den vornehmen Kreisen hervor-
gegangenen Denkmälern^ regelmässig ph durch f ersetzt wird, so
kann keinem der Verhältnisse Kundigen ein Zweifel darüber bleiben,
dass wir es hier mit etwas ganz anderem zu thun haben als mit dem
Umsichgreifen eines schon länger eingerissenen Barbarismus. Aller-
dings herrscht auf den öffentlichen Denkmälern dieser Epoche nicht
mehr die absolute Sprachrichtigkeit, wie dies unter dem früheren
Principat der Fall ist, aber sehr deutlich imterscheidet man auch 75
auf ihnen noch das orthographische Gesetz und den Verstoss dagegen.
Wer untersucht hat, in welchen äufserst beschränkten Grenzen die
zweiffellosen Sprachfehler, zum Beispiel die Vertauschung von h und
V, von e und ae auf den Münzen erscheinen, wird einräumen, dass
um das J. 350 das orthographische Gesetz selbst geändert und was
bis dahin Barbarismus war, die Vertretung des griechischen (p durch
f, vielmehr zur orthographischen Regel geworden ist. Auch war
diese Aenderung der bestehenden Orthographie, soweit überhaupt
1) Ich weiss augenblicklich keine anderen sicheren Belege dafür als die
Meilensteine 72 und 113 (beide wohl ungedruckt [C. I. L. IX 5956. 5952]) der
valerischen Strasse aus der Zeit von Valentinian, Valens und Gratian. Ohne
Zweifel giebt es noch mehrere [z. B. C. I. L. IX 5946. 5957] ; aber sie sind ausser-
ordentlich selten.
2) Rossi inscr. Chr. 1, 96—103.
3) Rossi a. a. 0. 584-589. C. V 6282. '
4) Rossi a. a. 0. 752. 753.
5) Hieher gehören namentlich die Inschriften des oppositionellen Heiden-
thums der vornehmen Welt in Rom; wir lesen darin cryfios (J. 358: VI 751
[Dessau 4267^]) oder chryfios (J. 362: C. VI 753 [Dessau 4267«]; hierofanta (J.376:
C. VI 504. 510 [Dessau 4153. 4152]; J. 377: C. VI 511; vgl. ierofanta C. VI 846
[Dessau 4413]. 1675, letztere geschrieben vor 333 [vielmehr vom Ende des
4. Jahrhunderts: s. C. VI 31902]); profeta (C. VI 846). Femer Passißus (J. 355:
C. VI 1656) — sifo (J. 362: C. VI 3744) — amfor- (J. 362 eher als 339: C. VI
1771, 14 vgl. 1784, 5) — Epifanius (J. 412: C. VI 1718) — fcUancarii (C. VI
1785, 4) — Nymfium (C. 1728) — Sfalangim (C. VI 1672).
MOMMSEN, SCHR. VII. 51
802 Diß Wiedergabe des griechisclien * in lateinischer Schrift.
dergleichen Neuerungen sich rechtfertigen lassen, wohl begründet
und zeitgemäss. Da in den Alphabeten der beiden Cultursprachen,
auf deren Gleichstellung die damalige Civilisation ruhte, das grie-
chische (p und das lateinische f lautlich zusammenfielen, so war es
allerdings sehr anfechtbar, dass f durch 99, aber cp nicht durch f,
sondern durch ph ausgedrückt ward. Mehr und mehr aber war man
in dem römischen Staat seit der Verlegung des Herrschersitzes von
Rom in den griechischen Osten auf die harmonische Doppelent-
wickelung der beiden Sprachen angewiesen, und es durfte wohl an-
gemessen erscheinen das völlige Gleichgewicht der Idiome auch in
der Orthographie nach Möglichkeit zum Ausdruck zu bringen.
Aber wir sind noch nicht am Ende. Es zeigen sich Spuren
einer Opposition gegen das neue System, die zwar sparsam, aber
durch die Namen, an die sie sich knüpfen, bedeutsam sind. Ab-
gesehen von einer Inschrift unbestimmter Zeit (C. YI 1728^ vgl.
1728''), der zufolge der Stadtpräfect Flavius PhiUppus ein nymfium
erbaut 1, lesen wir auf einer Inschrift des Symmachus, des Vaters
des Redners, vom J. 377 (VI 1698 [Dessau 1257]) Phosphorius neben
triumfatores und auf Inschriften (VI 1779. 1780 [Dessau 1259. 1260])
des Vettius Praetextatus (f 384) hierophanta und hierophantria neben
sofus. Auch hier wird, wie man sieht, die ältere Schreibung nur
theilweise festgehalten, wobei wohl irgend ein Versuch principieller
Scheidung zu Grunde liegen mag. Es scheint danach die neue
Schreibweise damals wohl officiell anerkannt gewesen, aber bei den
Vertretern des alten Classicismus, den Symmachi und den Praetex-
76 tati, auf Widerspruch gestossen zu sein; wie es ja denn auch be-
greiflich war, dass diese einem System nicht hold sein konnten, das
in folgerichtiger Entwickelung die Umschreibung der Bücher des
Cicero und des Livius in die moderne Orthographie herbeigeführt
haben würde. Diese Opposition, fortgepflanzt in den gelehrten Kreisen,
wird wohl dahin geführt haben, dass, als nach dem Untergang des
Westreichs das Lateinische in seiner schriftmässigen Gestalt haupt-
sächlich als Hof- und Gesetzsprache des Ostreichs fortlebte, die
constantinopolitanischen Grammatiker zu der älteren Theorie zurück-
gekehrt sind, oder, wie Priscian^ dies ausdrückt, nunc quoque in
1) [Ein drittes, neuerdings gefundenes Exemplar dieser Inschrift C. I. L.
VI 31912 = Dessau 5733 hat nymphium; so auch vielleicht C. I. L. VI 1728».]
Die Lesung phaleras in der Inschrift des Probus Consuls 371 C. VI 1756i> 8 [vergL
81922; Buecheler carm. epigr. 1347] ist nicht genügend beglaubigt; die angeb-
liche Inschrift des J. 391 mit M. Phihnius Phüomenus C. VI 736 ist falsch.
2) 1, 12 p. 11 vgl. 1, 24 p. 19 Hertz.
J
Die Wiedergabe des griechischen $ in lateinischer Schrift.
803
Graecis nominihus antiquam scripturam servamtts pro qjp eth ponerUes,
ut 'Orpheus' et 'Phaethon', nicht ohne guten Grund die antiqua scrip-
tura betonend. Unsere Philologen aber werden bei Feststellung der
in den Textreeensionen zu befolgenden Schreibung vielleicht gut thun
die verschiedenen Stadien, die diese orthographische Kleinigkeit
durchlaufen hat, nicht ganz unbeachtet zu lassen, und wenn es ihnen,
unbenommen bleibt sich in die individuelle Methode oder Unmethode
jedes alten Steiohauers und Abschreibers nach wie vor liebevoll zu
vertiefen, doch auch zu bedenken, dass es zwar sehr genau und
glücklicher Weise zugleich sehr bequem, aber weder sehr gelehrt
noch sehr gescheit ist Privatschnitzer zu generalisiren.
51*
Lxxxm.
Templa domus vici insulae plateae angiportus.*)
303 In der berühmten Pariser Handschrift (Lat. 7651 saec. VIII
[IX nach G.-G.]), die die lateinisch - griechischen unter dem Namen
des Philoxenus gehenden Glossen bewahrt hat, findet sich hinter
diesen von derselben Hand geschrieben f. 218. 219 eine nicht alpha-
betisch geordnete Glossenreihe seltener lateinischer "Wörter, vorzugs-
weise griechischer Lehnwörter, mit kurzen Erklärungen. Dass die
kleine Arbeit nicht aus spätrömischer Zeit ist, sondern fränkischen
Ursprungs, zeigt nicht bloss das mehr als bescheidene Mass von
Kunde des Griechischen, das der Verfasser entwickelt, sondern geradezu
Glossen wie Tragelafus bestia quem elcum vocamus und Sandix herha
apta tincturae, quam vulgus waranfia (vgl. Ducange unter waranchia,
franz. garance) vocant. Vollständigen Abdrucks dürfte das Stück
nicht werth sein, am wenigsten des Abdrucks an dieser Stelle; Auf-
merksamkeit aber verdient die folgende Notiz:
Urhs omnis dividitur in sex partes, id est templa domos vicos
insulas plateas et angiportus [-tas G.-G.]. Templa sunt loca
diis sacrata. Domus publica aedißcia, id est theatra amphi-
304 theatra drei balneae sive termae nimpheta (so) culinae pistrina
yppodromi et reliqua. Vici sunt publicae construcfiones man-
sionum. Insulae qui inter vicos sunt horfi. Plateae viae latae
a porta in portam. Angiportus (geändert in angiportas) viae
angustae inter minores vicos, quae exitum ad muros aut nullum
aut angustum habent.
wozu noch die folgende Glosse gestellt werden kann
*) [Hermes 3, 1860, S. 303-304. Das ganze Stück, aus dem Mommsen hier
einen Teil heraushob, ist dann im Corp. gloss. lat. II, Leipz. 1888, praef S. XI flf.
von Goetz- Gundermann veröffentlicht worden.]
Templa domus vici insulae plateae angiportus. 805
HEPTIZONION Septem zonae, dictum Latine septizonium,
domus caenacuhrum Septem.
Diese Angaben, deren Quelle ich nachzuweisen nicht im Stande
bin, verdienen Prüfung. Sie zeigen einestheils eine gewisse anschau-
liche Kunde und eigenthümliche Bezeichnung der beschriebenen Ge-
genstände, andererseits deutliche Beziehungen zu den Regionariem,
die in jeder Region die Zahl der vici, insulae, domus verzeichnen.
Es wäre möghch, dass irgend eine spät römische vielleicht an diese
sich anschliessende Notiz hier zu Grunde liegt, die ebenso gut in
einer solchen Arbeit sich erhalten haben kann wie manches Aehn-
liche in den gleichzeitigen Virgil- und Horazcommentaren.
LXXXIV.
Triquetrum.*)
283 Schon die Alten haben an dem seltsamen „Triquetrum" Anstoss
genommen; Quintilian inst. 1. 6. 30 berichtet, dass manche Triquetra
ansähen als verdorben aus triquadra (denn so ist dort zu lesen, nicht
triquedra). Ich kann nur dabei bleiben, dass es auf quadrus zurück-
geführt werden muss ; dass in diesem Wort d für t steht, ist bekannt
(quattuor, rstraQeg) und der Umlaut von a in e im Compositum re-
gulär, wie in perpetrare, von patrare, expertes von pars. Dass man
„dreiviertelig" statt „dreiseitig" setzt , (an der Bedeutung ist kein
Zweifel), ist allerdings ein seltsamer Sprung der Sprache, und eine
gute Analogie dafür weiss ich nicht; quadrare im Sinne von anpassen
hat wohl den Grundbegriff von „vier" aufgegeben, aber doch nicht
aus der Yierheit eine Dreiheit gemacht. Trihus, Drittel, nimmt sehr
früh den Begriff „Teil" an (distrihuere), aber nicht den des Viertels.
Aber die Etymologie scheint mir so durchsichtig, dass man sich doch
dabei wird beruhigen müssen. — Man hat im zweiten Worttheil auch
edga (Sitz, Sessel) gesucht; aber das ist sprachlich, wie logisch
verkehrt.**)
*) [Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie
und Urgeschichte Jg. 1886 S. (283). — In der Sitzung dieser Gesellsch. vom
10. April 1886 sprach Olshausen 'über Anwendung symbolischer Zeichen', darunter
I. Über das Triquetrum. Dort heißt es zum Schluß (S. 282): „Da ich über die
Etymologie desselben aus den mir zu Gebote stehenden Hülfsmitteln nichts sicheres
erfahren und also auch nicht feststellen konnte, ob es auf 3 Arme oder Schenkel
überhaupt anwendbar oder nicht vielmehr zu beziehen sei auf die Seiten oder, wie
trinacrium, auf die Ecken eines Dreiecks, so wandte ich mich an Hrn. Prof.
Theodor Mommsen, welcher die Güte hatte, mir darüber Folgendes zu schreiben."]
**) [Neuere Deutungsversuche verzeichnet A. Walde , Lat. etymol. Wörter-
buch, Heidelberg 1906, u. d. W. triquetrus.]
LXXXV.
JLIIXQOTI XtO V*)
In einer Inschrift von Comum vom J. 401 (C. I. L. Y p. 1060) 423
heisst es: C^oag jutxQOJiAovg eicov £^r,xovxa, in einer von Concordiae
vom J. 409/410 (das. n. 8731; vgl. S989): h&v fuxgojisog (sie) X; in
einer von Trier (C. I. Gr. 9892): Cv^ag [jui]xQ6jiXovg errj xß'. Alle
diese Inschriften gehören nachweislich Syrern, und es scheint, dass
diese wunderliche Formel dem örtlichen Sprachgebrauch dieser
Provinz angehört.
*) [Mitteilung Mommsens an U. Wilcken: Hermes 29, 1884, S. 42:3 A. 2.]
LXXXVI.
Gutachten über das Unternehmen eines lateinischen
Wörterbuchs.*)
685 Es wird kein Einsichtiger bestreiten, dass der "Wissenschaft, und
zwar keineswegs der Sprachforschung allein, kaum^ durch ein anderes
Einzelwerk mehr genützt werden könnte als durch die Herstellung
eines ihren Anforderungen genügenden lateinischen Wörterbuchs.
Dass die Sicherung und Herstellung der Schriftstellertexte, die Be-
obachtung der Stilunterschiede nach der Zeit wie nach der Art der
Schriftsteller, die chronologische Feststellung der uns gebliebenen
Litteraturtrümmer dadurch ein festes Fundament gewinnen würden;
dass was jetzt durch mühsame und endlose Einzelarbeit mehr erstrebt
als erreicht wird, dann zu grossartigem Allgemeingebrauch eröffnet
wäre; dass damit an die Stelle|einer in ihrer Zerstreutheit unüber-
sehbaren und durch ihre Massenhaftigkeit zum guten Theil sich selber
unmöglich machenden Litteralur mit einem Schlage ein grosses Ge-
sammtwerk träte, ist sicher nichts Geringes; in dieser Hinsicht würde
ein solches Werk den grossen Gesammtpublicationen über Inschriften
und Bildwerke mindestens gleichberechtigt sich an die Seite stellen.
Aber dies, so werthvoll es ist, wäre noch nicht die Hauptsache. Viel
wesentlicher noch würde der Einblick sein, den dasselbe gewähren
würde in die Geschichte der heutigen Cultursprachen, das heisst
in die Geschichte unserer Civilisation. Wie die Sprachen der älteren
Culturperiode geworden sind, können wir meistentheils nur durch
Rückschluss erkennen; für die gegenwärtige lässt sich das gleiche
Problem, der wunderbare aus den Trümmern der antiken Cultur neu
*) [Sitzungsberichte der Berliner Akademie 1891 Halbbd. II S. 685 — 689.
Es geht voran eine Denkschrift von M. Hertz über 'Bedeutung, Geschichte, Plan
und voraussichtliche Kosten eines lateinischen Wortschatzes'. Die hier ab-
gedruckten Bemerkungen, unterzeichnet von der Kgl. Akademie der Wissen-
schaften, stammen von Mommsen.]
Gutachten über das Unternehmen eines lateinischen Wörterbuchs. 809
erblühte Sprachenfrühling in grossem Umfang in historischen Docu-
menten verfolgen. Aber freilich muss man dazu sie sammeln und
ordnen. Die Schlüsse ins Allgemeine können erst gezogen werden,
wenn im Besonderen die Lebensgeschichte jedes einzelnen Worts, der
abgestorbenen nicht minder wie der lebendig gebliebenen und ihres
verjüngenden Nachwuchses, der Wandel der Formen wie der Ver-
wendungen zuverlässig und übersichtlich dargelegt ist. Insofern kommt
dem lateinischen Thesaurus eine allgemein geschichtliche Bedeutung
zu, wie sie einer gleichen Bearbeitung des griechischen oder eines
anderen Wortschatzes nicht zugesprochen werden kann. Es ist das
Vorrecht der grossen Ziele, dass sie ernste Männer zwingen zu streben
und zu hoffen, selbst wenn ein unmittelbarer Erfolg nicht abzusehen
ist. In diesem Sinne ist die Frage angeregt worden, wie dies Ziel
sich erreichen lässt, und in diesem Sinne wird sie auch hier auf-
genommen.
Darüber kann keine Frage sein, dass dieses Werk nur durch 686
staatlich organisirte Arbeit herbeigeführt werden kann. Es über-
steigt weitaus die Arbeitskraft auch des thatkräftigsten Individuums
imd darf nicht an die zufällige Lebensdauer einer einzelnen Per-
sönlichkeit geknüpft werden. Wie auf allen anderen Gebieten der
menschlichen Thätigkeit fordert auch die Wissenschaft die Organisa-
tion der Arbeit, und wir Deutsche dürfen uns rühmen hierin die
Spitze genommen zu haben und zu behaupten. Kann ein solcher
Wortschatz überhaupt geschaffen werden, so wird er in Deutschland
geschaffen, und dieses Yorrecht schliesst eine Pflicht ein.
Ueber die Modalitäten dieser Organisation schon jetzt zu rechten
scheint kaum der Sache förderlich zu sein. Die der Akademie vor-
gelegte Denkschrift ist als ein erster Entwurf nützlich und anregend ;
dass der Arbeitsplan erst festgestellt werden kann, wenn die Aus-
führung als möglich erkannt und im Allgemeinen beschlossen ist,
wird ihr Verfasser selbst am wenigsten bestreiten. Auch sind die
Grundlinien des Unternehmens, wie bei jedem grossen Bau, einfach
und zweifellos und ihre Nothwendigkeit einleuchtend. Die Leitung
kann nur einer dauernden Körperschaft, sei es einer Akademie oder
einer nach Analogie unserer wissenschaftlichen Centraldirectionen ge-
stalteten staatlichen Corporation übertragen werden. Die Theilung
der Arbeit ist, nicht bloss für das Sammeln, sondern auch für das
Verarbeiten der Materialien, unerlässliche Bedingung, und wird die
Leitung des Unternehmens hauptsächlich darin bestehen, die für
dieses wie für jenes geeigneten Kräfte zu finden und zu staatlicher
Genehmigung vorzuschlagen. Es wird von der Individualität der
glO Gutachten über das Unternehmen eines lateinischen Wörterbuchs.
also gerufenen Gelehrten abhängen, welchen grösseren oder geringeren
Einfluss auf die Gestaltung des Unternehmens der einzelne gewinnt;
formell kann ihre Stellung zu der leitenden Stelle nur als gleichartige
und zu einander nur als paritätische geordnet werden. Das Ziel der
Arbeit ist die Zusammenstellung der Acten über das Vorkommen
eines jeden lateinischen Wortes und die Darlegung der aus diesen
Acten sich ergebenden Resultate über das Wandeln seiner Formen
und seiner Verwendung. Die sprachevergleichende Untersuchung
über die in vorhistorische Zeit fallende Bildung des Wortes und
nicht minder die Untersuchung über dessen Umwandlung oder auch
dessen örtliches oder allgemeines Verschwinden in der nachlateinischen,
ungefähr mit dem Anfang des 7. Jahrhunderts anhebenden Epoche
werden von dem Wörterbuch selbst auszuschliessen sein; für diese
grossen Arbeiten soll dasselbe das Substrat bieten, aber sie keines-
wegs in sich aufnehmen. Daran wird nicht zweifeln, wer die deutsche
Wissenschaft kennt, dass es an den Arbeitern, den Gehülfen sowohl
687 wie den Meistern, nicht fehlen wird, wenn an einen solchen Bau die
Hand gelegt wird, und dass für die zahlreichen und schwierigen
Einzelfragen, welche in Betreff der Modalitäten schon jetzt sich jedem
aufdrängen und bei effectivem Angreifen in noch weit grösserer
Zahl hervortreten werden, die nach Umständen mögliche praktische
Lösung alsdann ebenfalls gefunden wird.
Aber wer einen Bau beginnen will, hat zunächst und vor allem
eine wenigsten ungefähre Einsicht darein sich zu verschaffen, welche
Mittel zu dessen Vollendung erfordert werden. Wenn der Verfasser
der vorstehenden Denkschrift in richtiger Erkenntniss der Sachlage
einen vorläufigen Kostenanschlag aufgestellt hat, so soll hier im An-
schluss daran auf einige Punkte hingewiesen werden, in welchen er
der Ergänzung bedürftig und die erforderliche Summe in Folge
dessen allzu niedrig angesetzt erscheint.
Wir sehen dabei ab von der Abschätzung des Umfanges der zu
bearbeitenden Schriften; die Masse des nicht in den Sammlungen von
Teubner und Migne enthaltenen Materials dürfte beträchtlich grösser
sein als dort angenommen ist. Aber da Gewissheit hier doch nicht
erreichbar ist, mag es bei der gegebenen Aufstellung bewenden.
Weit wichtiger ist die Frage, in welcher Weise die Materialien
gesammelt werden sollen. Bisher ist dafür durchgängig der Weg
eingehalten worden, und diesen hat auch der Verfasser der Denk-
schrift im Sinn, dass die Werke unter die Hülfsarbeiter vertheilt
werden und jedes einzelne von einem einzelnen zu diesem Zweck
ausgezogen wird. Wie unvollkommen diese Manipulation ist, hat
J
Gutachten über das Unteraehmen eines lateinischen Wörterbuchs. 811
niemand schwerer empfunden als der Meister der Lexikographie
Jakob Grimm, auch scharf genug es ausgesprochen; z. B. in seinen
Briefen an Hirzel, wo es unter anderem heisst: »Aller Anweisungen
»zum Trotz haben solche Schlingels von Mitarbeitern nur nach Wörtern
»gesucht, die in ihren Gedanken wichtig waren, die aber worauf es
»ankam unausgezogen gelassen« und später: »Die bedeutendsten
»Schweizer Schriftsteller sind nur ungenau und ohne Einsicht in die
>Zwecke des Wörterbuchs genutzt; es musste, so gut es ging, nach-
»geholfen werden<^, und so weiter. Dieselbe Erfahrung wird mit
Nothwendigkeit sich bei jedem Unternehmen wiederholen, das auf
vereinte Thätigkeit Vieler angewiesen ist; es ist von der Organisation
der Arbeit eben nicht zu trennen, dass unter den vielen Mitarbeitern
halbfähige gar nicht und unfähige schwer zu vermeiden sind. Indess
mag dies Yerfahren bei den gewöhnlichen, wesentlich auf eine leid-
liche Ueb ersieht des Sprachschatzes sich beschränkenden, Wörter-
büchern sich ertragen lassen; wenn aber ein solches den Anspruch
erhebt, die Geschichte des einzelnen Wortes zu liefern und wenn,
wie selbstverständlich, nicht bloss die Raritäten, sondern vor allen 688
Dingen die häufig gebrauchten und vielfach gewendeten Ausdrücke
darin zur Anschauung kommen sollen, so kann es nimmermehr auf
solche vom individuellen Belieben gewöhnlicher Gehülfen abhängige
Auslesungen gegründet werden. Unumgänglich bedarf es dafür einer
Verzettelung wenigstens der wichtigsten Schriftwerke, wie sie für
das von der Savigny-Stiftung vorbereitete Vocabularium juris bei den
klassischen Juristen durchgeführt worden ist; insbesondere lässt sich
das Fehlen eines Wortes in einem zeitlich oder örtlich oder personal
bestimmten Kreise, das oft wichtiger ist als das Vorkommen, in
weiterem Umfange nur auf diesem Wege ermitteln. Wenngleich
dies Verzettelungsverfahren den Vortheil gewährt, dass rein mecha-
nische, also billigere Arbeitshülfe dabei in weiter Ausdehnung zur
Anwendung kommen kann, so hat doch die Erfahrung gelehrt, dass
das Verzetteln und das Ordnen des in grösseren Werken enthaltenen
Wortschatzes bei weitem kostspieliger ist als das blosse Ausziehen.
Auch wird für das beabsichtigte Lexikon das letztere nothwendig
mit dem Verzetteln verbunden werden, werden die Zettel, bevor man
sie in die alphabetische Folge bringt, von wissenschaftlichen Männern
durchgegangen und wird bei den zur Aufnahme in das Lexikon ge-
eignet erscheinenden Stellen die zum Verständniss erforderliche
Verbindung hinzugefügt werden müssen. Wenn es bei den Digesten
durchführbar ist auf Grund jener mechanisch hergestellten und einer
solchen Durchsicht nicht unterworfenen Zettel auch häufig vor-
812 Gutachten über das Unternehmen eines lateinischen Wörterbuchs.
kommende Wörter bei der Redaction überall nachzuschlagen, so
würde keine Arbeitskraft bei einem allgemein angelegten Wörter-
buch für jedes einzelne Wort die sämmtlichen Citate zu verificiren
und daraus dessen Darstellung zu gestalten vermögen. Aus dem-
selben Grunde werden auch die — überhaupt nur in beschränktem
Umfang bereits vorliegenden — Indices verborum zu einzelnen Schrift-
stellern für eine derartige Arbeit grossentheils unbrauchbar sein. —
Gewiss soll nicht behauptet werden, dass das hier angedeutete Ver-
fahren für die gesammte einschlagende Litteratur zur Anwendung
zu kommen hat. Insbesondere die stereotype Inschriftenmasse, sowie
die gleichfalls in ihrem Wortgebrauch homogene patristische Litteratur
werden durch verständig angelegte und, wovon nicht abgesehen
werden darf, von den Leitern des Unternehmens revidirte Excerpte
genügend ausgenutzt werden können. Aber ohne Yerzettelung des
Wortschatzes der wichtigsten Profanschriftsteller, sowie der lateini-
schen Bibel in allen ihren Abwandlungen und einzelner Hauptwerke
der theologischen Litteratur wird ein lateinisches Lexikon nie das
geben, was mit vollem Rechte von dem Verfasser der Denkschrift
verlangt wird, die Geschichte des Einzelworts. Um wieviel bei dieser
689 Voraussetzung die Kosten des Sammeins der Materialien sich erhöhen
würden, lässt sich zifFermässig nicht fixiren; sicher würde der von
der Denkschrift dafür eingestellte Betrag von 140000 Mark sich
mindestens verdreifachen.
Nicht minder als die Sammelarbeit wird in der Denkschrift die
Redaction unterschätzt. Die Voraussetzung, dass ein derartiges Werk
mit zehn Bänden von je 1200 Seiten abgeschlossen werden kann, ist
völlig problematisch und selbstverständlich wird, wenn dasselbe um-
fänglicher ausfallen müsste, auch der Kostenbetrag verhältnissmässig
steigen. Aber selbst wenn man jene Voraussetzung vorläufig gelten
lässt, ist der Kostenansatz weitaus zu niedrig gegriffen. Jakob Grimm,
ein Meister auch im Fertigstellen, hat in zwölf Jahren in Gemein-
schaft mit dem Bruder fünf Buchstaben zum Druck gebracht; und
nicht im Nebenamt und mit unendlich viel knapperem Material,
dessen Mehrung wohl den Werth des Werkes, aber in gleichem
Maass auch die Schwierigkeit der Arbeit steigert. Man wird acht
bis zehn geeignete Gelehrte einen jeden zehn bis zwölf Jahre hin-
durch ausschliesslich für diese lexikalische Arbeit zu beschäftigen
haben, wenn dieselbe in absehbarer Zeit zum Abschluss gelangen
soll. Auch hier also wird die in der Denkschrift für die Kosten der
Redaction in Anschlag gebrachte Summe von 360000 Mark ohne
Frage nicht ausreichen.
Gutachten über das Untemelimen eines lateinischen Wörterbuchs. 813
Es können demnach die Gesammtkosten des Unteraehmens nicht
unter einer Million Mark präliminirt werden.
Eine derartige Forderung, von etwa 50000 Mark jährlich auf
einen Zeitraum von etwa 20 Jahren für ein fundamentales wissen-
schaftliches Unternehmen darf nicht erschrecken, ja nicht einmal be-
fremden. Wenn die Kosten, welche die preussische Regierung, bez.
das Reich durch viele Jahre hindurch für die griechische und latei-
nische Inschriftensammlung und für die Herausgabe der deutschen
Geschichtsquellen aufgewendet hat, zusammengerechnet werden, so
werden sie für jedes dieser Unternehmen einen gleichen Betrag theils
erreichen, theils sich ihm nähern. Bisher sind die also aufgewendeten
Gelder auch ausserhalb der Fachkreise weder als übel angewandt
noch als unbillige Belastung des Staatshaushalts bezeichnet worden.
Was in den Zeiten nationaler Erniedrigung und mühsamen Auf-
strebens möghch war, wird das vereinigte Deutschland auch zu leisten
und allenfalls zu übertreffen vermögen. Aber wenn man in schwierige
und weitaussehende Unternehmungen nicht mit sehenden Augen
hineingeht, so wird diese Blindheit denselben nicht zum Vortheil
ausschlagen. Der rechtzeitige Hinweis auf die Schwierigkeiten ist
der beste Weg um sie zu überwinden.
LXXXVII.
Besprechung von: Martin Hertz, Karl Lachmann.
Eine Biographie. BerKn 1851.*)
783 Es wird nicht viele Gelehrte geben, von denen, wenn das Grab
sieh über ihnen geschlossen hat, für weitere Kreise etwas Anderes
zurückbleibt, als höchstens ihre Schriften. Lachmann ist eine der
seltenen Ausnahmen: eine ächte und eigene Natur, deren scharf
markirte Specialität der reinen Menschlichkeit keinen Eintrag that,
und welche eben darum weit tiefer und allgemeiner vermisst wird,
als manche viel berühmtere Männer. Es ist dankenswerth, dass einer
seiner jüngsten Schüler es übernommen hat, den vielen, die Lach-
mann treu anhingen, eine Biographie des seltenen Mannes zu bieten.
Mit grosser Sorgfalt hat derselbe das Material zusammengestellt,
welches Lachmanns Schriften und die Unterstützung zahlreicher
Freunde ihm gewährten; auch über die göttinger Zeiten und die
kurze Campagne von 1815 hat es an Mittheilungen nicht gefehlt
und man wird in den Notizen über die äusseren Lebensumstände,
welche freilich nur die wenig bewegten eines deutschen Professors
waren, wenig Lücken wahrnehmen. Bei der Rechenschaft über Lach-
manns litterarische Thätigkeit hätte indess der Verfasser billig sich
kürzer fassen und nicht die Biographie in eine Bibliographie über-
gehen lassen sollen. Auch über das innere Leben und die charak-
teristischen Eigenthümlichkeiten Lachmanns hat sein Biograph eine
Menge einzelner Züge und Erzählungen gesammelt, in denen das in-
nerste Wesen des Mannes sich offenbart. Ein eigentlich biographisches
Talent besitzt Herr Hertz nicht, der auch Lachmann nicht nahe genug
gestanden zu haben scheint, um den ganzen Mann aus dem Ganzen
*) [Literarisches Centralblatt 1851 Sp. 783—784. Die Besprechung ist nicht
gezeichnet, stammt aber nach Mitteilung des jetzigen Herausgebers des Central-
blatts laut dessen handschriftlichen Eintrags von Mommsen.]
Besprechung von Martin Hertz, Karl Lachmann. 815
schildern zu können; die bedeutendsten Verhältnisse, wie z. B. zu
Schleiermacher, zu Meusebach, zu dem Buttmannschen Hause werden
kurzweg abgefertigt, und doch liegt bei jeder sittlichen Natur, die
nicht zum öffentlichen Wirken berufen ist, in diesen Verhältnissen
der Schwerpunkt des Lebens. Manche der eigensten Züge des
Lachmann'schen Wesens, z. B. sein Talent Verächtliches gründlich
zu verachten und die ihn genirende Impotenz und Insolenz mit ver-
zehrender Schärfe zu vernichten, sind hier so in den Hintergrund
geschoben und in einer durchaus nicht Lachmannischen apologetischen
Tendenz fast vertuscht, dass dadurch charakteristische Documente,
wie z. B. die Eingabe wegen der Anstellung Massmanns, in einem
sehr schiefen Licht erscheinen. Der panegyrische Ton in der Schil-
derung von Lachmanns Wesen verdeckt die Armuth der Anschauung
nicht ausreichend und stört recht sehr den einfachen Eindruck einer
rein angelegten und consequent entwickelten Natur; nicht als ob des
Lobes an sich zu viel gesagt wäre oder als ob wir die reine Pietät
des Verfassers irgend verkennten, aber wer ein Buch schreibt über
einen Mann, soll es nicht auf jeder Seite dem Leser bemerken, wie
gross der Mann war, und braucht es nicht, wenn er ihn zu schildern
versteht. — Unter den Beilagen sind einige ganz unschätzbare Lach-
mann'sche Reliquien, so die allerliebsten altdeutschen und griechischen 7S4
Spässe und die Selbstkritik seines Lessing, vielleicht das sprechendste
Document von Lachmanns Verhalten gegen litterarische Naseweisheit
und buchhändlerische Importunität. Recht im Sinne Lachmanns hat
der Verfasser gehandelt, indem er der Schrift ganz dieselbe Aus-
stattung sohder Eleganz gab, wie sie Lachmann für seinen Lukrez
gewählt und so oft gelobt hat.
Sachliches Register.*)
Acatus, aegyp tisch es Lastschiff 571, 2
acta diurna als Quelle der Historiker
263; a senatus s. Senat
Aemilius Sura, Historiker 71 f.
Agennius Urbicus, Gromatiker 469
Albinus, Schriftsteller saec. FV: s. Ce-
ionius
Alpes Graiae et Poeninae, provinzielle
Zugehörigkeit 650. 666 f.
Ammianus Marcellinus, Handschrift-
liches 363 ff. 374ff. 384ff.; Geographi-
sche Exkurse 393 ff.; Quellen 396 ff.
Entlehnungen aus Caesar, Sallust
u. Livius 394. 397, 1. 400, 1. 411, 1.
412. 422, 4, aus Lucan u. Gellius
420, 1 ; Publikationszeit einzelner
Bücher 419,4; Benutzung A.'s bei
Späteren 421,8; Allgemeine Wür-
digung 423 f.
Anastasios (I), Kaiser: aus d. Geschichte
seiner Zeit 724 ff.
Apollonios Rhod., benutzt in einem
Periplus des Pontos Euxeinos 413.
415, 1
Apulien, Hellenismus in sullanischer
Zeit 4 f.
Arabia, Teilung in zwei Provinzen
saec. IV: 665 f.
archimimus 94f.
artes liberales: s. Gromatik
Aufidius Bassus 677 f.
Augnstus, Feldhermstatuen auf dem
Marsfelde 176, 1 ; genius Augusti 180
Aurelius Victor 620. 671, 1 ; u. die scrip-
tores bist. Aug. 344 f. ,347 f. 349 f.
Avarenkrieg des J. 600: 744 f.
Basilica lulia 571, 4
Büdung, Tiefstand in Rom saec. V : 467
Bithia auf Sardinien 697 f
Bqoxoi (Bgö/doi) in Kleinasien 727, 6
Bruchbezeichnung 773 ff.
Brücken, römische 389 ff.
ßQvxä, unerklärter Name eines Festes
in CP 729 mit Anm.
Bulgaren u. Hunnen 734
Caesar, verschiedene Berechnungen
seiner Regierungszeit 642, 1 ; Hand-
schriftliches zum bell. Gall. 44 ff.
capitatio animalium, Grundsteuer 736, 3
casae litterarum in der Gromatik 452 ft".
466 f. 474
Cascellius 186
Cassiodor, Chronologie seiner Ämter
669; Chronik 668 ff.; Benutzung grie-
chischer Quellen 483 f.
Catilinarische Verschwörung 81 ff.
Cedrenus: s. Kedrenos
C. Ceionius Rufus Volusianus 449 f.;
dessen Sohn Ceionius Rufius Albinus,
Schriftsteller 450
*) Stiebworte mit Sammelbezeichnung: 'Chronograpbisches', 'Grammatisch-Sprach-
liches', 'Handschriftliches', 'Heerwesen', 'Münzwesen*, 'Namen'. 'Rom (Topographisches)'.
— Von Mommsen als noch unerledigt Bezeichnetes s. bei 'Geographica', 'Grammati-
sches Fragment', 'Johannes von Antiochia', 'Kedrenos'.
MOMMSEN, SCHR. VII. 52
811
Sachliches Register.
Census, legendarische Einsetzung 569, 1
centuriae in der Gromatik 478, 2
Christentum im Kampfe gegen den na-
tionalen Glauben 485 ff. 510. 802
Chronographisches: Cassiodor 668 if.;
Chronogr. vom J. 354: 536 ff. 753;
liber generationis 283 ff.; Polemius
Silvius 633 ff.; Prosper Aquitanus
683, 1. 686 ff. Vgl. Eusebius, Hiero-
nymus, Kedrenos, Malalas, Synkellos
Cicero, Zeit der 1. catilinarischen Rede
81 ff.; Hss. der Reden in Vatin. u.
pro Flacc. 36, der Verrinen 442, des
Cato maior 6 ff., des Laelius 9 ff., der
Briefe 28 ff
clientes : s. tribules
Cloelia gens 164f.
Cluvius Rufus 264 ff
colonia im weiteren Sinne 64; liber
coloniarum 472 f.
Compitalienkult seit Augustus 181
Congiarien , legendarischer Ursprung
568, 1; des Augustus 571, 1
Consulat, ausnahmsweise Iteration des
ordentlichen C.'s Anf. saec. IV; 4491;
Consulnamen der Jahre 246. 247.
248: 675 ff.; cons., conss. als Zeit-
indicium 102
Corbulos Berichte an den Senat 261, 2
Cumae als Schauplatz des petronischen
Romans 193 ff.
Curici portus, Curictae 42 f.
Cyprian, Schriftenverzeichnis mit
Stichometrie 286 ff.
üalmatien saec. VI: 467 f. 480
decuriae der Apparitoren 203 f.
Dexippos als Quelle der script. bist.
Aug. 327. 333
Dictys, griechisches Original 483 f.
Dio Cassius, Epitome (nicht Xiphilinos)
von Planudes benutzt 704ff.; com-
biniert mit Plutarchs Sulla 705; in
den constantinischen Excerpten 707 ;
Quelle von XLIII-XLVIII: 618, vgl.
680 f.
Diocletiansthermen, Zeit der Dedication
326,1
Ehen zwischen Verwandten 165 f.
Eid, öffentlicher, der Republik u. Kaiser-
zeit 180 f.
Ennodius benutzt den lanuarius Nepo-
tianus 51 7 f.
Equitius cos. 374: 604
Eratosthenes bei Ammianus Marc. 414,
1. 415
Etruskische Zahlzeichen 768, 2. 784 f.
Euagrius, Lebenszeit 699
Eugippius, Handschriftliches zur vita
Severini 521 ff.
Eumenes und Prusias 151
Eusebios, armenische Hss. der Chronik
580ff.; Verhältnis zu Hieronymus
606 ff.
Eustathios von Epiphania, Lebenszeit
699
Eutropius, Titel seiner Schrift 432 f. ;
E. und die script. bist Aug. 344f.
347 f. 349 f.; benutzt in Hieronym.
Chronik 609 f, von Polemius Silvius
639; griech. Paraphrase (nicht Pai-
anios) 702 f. 704
Fälschungen von Autorennamen 329.
351. 441. 474ff. 696
Fasti von Fulvius Nobilior aufgestellt
92 f.
Festus, Handschriften des Quaternio
XVI: 269ff., vgl. 512
Filocalus: s. Furius
Firmicus Maternus, Abfassungszeit der
mathesis 446
Flaminia, Picenum, Valeria: Districte
658,1
Flaviauus (Virius Nicomachus Flavia-
nus) 493 ff
Flavius, Q. Fl. Maesius Egnatius Lollia-
nus Mavortius: Ämterlaufbahn 446 ff.
Florus und Livius 433. 670 f.
foederati, Miliz der Grenzprovinzen
734f.
Folia s. Foslia gens 144
Franci: Germani sive Franci in den
luvenalscholien 510
funeraticium des Nerva 574, 4
Furius Dionysius Filocalus 561 ff.
Furius Placidus, cos. suff. 346, 1
Sachliches Register.
819
I
Gallien, Gebrauch des Namens in vor-
caesarischer Zeit 507; Einteilung in
Provinzen 183. 657; Topographisches
37 f. 46. 56 f.; 58; Schilderung des
Poseidonios, Timagenes, Ammianus
410 f.; Heimat des Polemius Silvius
(saec. V) 635 f.
Gallienus' Söhne 644, 2
Geographica des Ammianus Marc, Not-
wendigkeit einer Neubearbeitung
424 f.
Gerichte des Senats und des Princeps
2G0
Geschichtschreibung der Kaiserzeit,
allgemeine Charakteristik 256 f.
Geschütze in der späteren Kaiserzeit
738,4
Getreidemarken 569, 5. 577, 6
Glossar einer Leydener Hs. 51"2ff., einer
Pariser 804 f., einer vaticanischen
515f., des Caspar Barth 515f.
Grabmäler, Bildwerke auf ihnen 200
Grammatisches Fragm. in einer Mai-
länder Hs., noch nicht untersucht
451
Grammatisch-Sprachliches :
Vocalismus: ae und e vertauscht 116f.,
ae und oe 117; u für uii 112; uo,
uu 112; M und i in -iimus , lubet
u. dgl. 112; dilecttis, nicht ddeetus
115; derigere, nicht dirigere 115;
Dissimilation : coaptare = cooptare
12; Synkope von e {Tereventtim-
Terventum u. dgl.) 281 ; lulus, drei-
silbig bei Virgil 188
Consonantismus : b und p {scribtor,
optinere u. dgl.) 114f.; b und t? 117;
c ^ k, g 769, 2 ; -d und -t {adqtie,
haut u. dgl.) 114; ex- und exs- 114;
exquiliae 115; qim und eu {aecum,
relinaint u. dgl.) 118; tra- und trans-
(tranare. transfhre u. dgl.) ; Aspira-
tion: Wiedergabe des (p u. anderer
griech. Zeichen 792 ff., falsche Asp.
117; Gemination (Iwppj^ u. dgl.)
112; Vereinfachung [lulhis - luKits
u. dgl.) 188; Assimüation 113f.;
Consonantentrennung 107 ff. 148.
150
Flexion :
nomen: Gen. sing -ii oder -i 111.
756 ff., plur. -uum in mensunm,
ossuum bei Eugippius 533; Dat.
sing, plebei, plebe 111 ; .\bl. sing.
-i oder -e 110. 760f.; Acc. plur.
■is 110; Dat-Abl. plur. -eis oder
-its oder -ts Ulf. 759 f.; Abi., in-
declinabler von Ortsnamen bei
Eugippius 533, 2 ; sam = eam 279
Syntax :
Comparativ — Positiv bei Eugip-
pius 583
et zwischen Consulnamen 762
Zahlwörter {decem et quinque u. dgl.)
761
Wortgebrauch :
aeneus u. aereus 761 f.
arca 'Sarkophag' in der jüngeren
Gromatik 479 ff".
botontini in der afrikanischen Gro-
matik 479
casae litterarum in der Gromatik
452 ff. 466 f. 474
castra 'Hoflager' 315, 2
centuriae in der Gromatik 478, 2
delapidare 279
-eus unlateinisch in sextaneus u. dgl.
476, 1
gregalis 761
fiixg6::iXsov 807
partectum, Bedeutung zweifelhaft
574,9
prodicere, technisch 22
terruncius 763 f.
triquetrum 806
Zahl- und Bruchbezeichnung 767 ff'.
778 ff.
Orthographisches: varia lOf. 109 ff.
augur, auger 115
Encumene = Ev^onerTj 795, 4
neelegere, neglegere 115
praest = praeest 761
promiscue, nicht -ce 115
Quinctitis, Quintius 116
sescenti, nicht sexcenti 116
triump(h)ns, triumfm 792. 1. 795. 8.
799 ff., vgl. oben bei Consonantis-
mus: Aspiration
820
Sachliches Register.
Abkürzungen auf Inschriften 765, 3;
f. = filius, nicht ßia 762
Interpunktion im cod. Veronensis des
Livius 106, vgl. 148
Griechische Kultur in Campanien 192 ff. ;
Sprache in juristischer Literatur
267 ; Scholien im cod. Veronensis des
Livius 105 f.; Mißverständnis bei
Übersetzen ausdemLat.: s.Tlutarch'
Gromatik, Teil der artes liberales 468 f.;
codex Arcerianus 459 ff.; Zusammen-
setzung und Abfassungszeit des Er-
haltenen 464 ff. ; Fragment in einer
Mailänder Hs. 451 ff.
Grundstücke benannt nach Territorien
199 f.
Haemus, Ausdehnung des Namens
665,2
Handschriftliches : Mitteilungen aus
Hss. von Gotha 432, Einsiedeln 498,
St. Gallen 504, Leyden u. München
512 ff, Mailand 451, Rom 442. 695 f.
Verona 96 ff.; Cusaner Excerpte
298 ff. ; Altersbestimmung eines cod.
Parisinus 217. — Anderes s. unter
'Ammianus', 'Caesar', 'Cicero', 'Eu-
gippius', 'Eusebios', 'Festus', 'Glos-
sar', 'Gromatik', 'Hieronymus', 'Li-
vius', 'Ptolemaios', 'Vegetius'
Heerwesen: Benennung der Truppen-
körper seit Diocletian 313 f. ; Deutsche
im röm. Heere 313, 5; domestici 814;
dux in titularer Verwendung 310f.;
tribuni seit Diocletian 308 ff.
Herodianos als Quelle der script. bist.
Aug. 333 ff. 349
Hesiodos, Geburtsjahr 40 f.
Hieronymus, Chronik: Abfassungszeit
617,1, Quellen 606 ff., älteste Hs.
597 ff
Hippolytos, Bischof von Portus 283;
Weltchronik 564 f.
historiaAugU8ta:hand8chriftlicheÜber-
lieferung 352 ff ; Textkritisches 359 ff.
passim ; Dessausche Hypothese 302 ff.
Vgl. 'Aurelius Victor', 'Dexippos',
'Eutropius', 'Herodianos'
Hofgesinde 314 f.
Hügel Roms 513 f.
Hunnen 741 f.; s. auch 'Bulgaren*
lamblichos, Jurist aus Berytos 519 f.
lanuarius Nepotianus, Excerptor des
Valerius Max. vor Anf. saec. VI 518
Illos der Isaurier 715 ff.
Illyricum saec. IV 660f.
Interpunktion : s. 'Grammatisch-Sprach-
liches'
lohannes von Antiochia, Fragmente in
d. constantinischen Excerpten 712ff.;
Quelle für Planudes 704. 706 f.; Not-
wendigkeit einer Bearbeitung 708 f.
losephos u. Cluvius Rufus 250
Isaurische Insurrection unter Anasta-
sios I. 726 ff.
Italien, Einteilung nach Diöcesen und
Provinzen 305
iudex = Civilstatthalter 313. 350, 3
lugurthinischer Krieg i. J. 644/45: 77 ff.
lulians persischer Feldzug nach Am-
mianus Marc. 426 f.
lullus Antonius 187 f.
lunius Tiberianus , Stadtpräfekt 329, 2
lupiterterapel auf Berghöhen 497
Kaiser: Prätendenten unter Alexander
Severus 643,5; andere 'tyranni' 644 ff.
passim
Kedrenos: Quellenfrage ungelöst 753 f.
Kyrene, Erwerbung durch die Römer
398 f.
Lachmann 814 f.
Laeti , germanische Zwangscolonisten
426
latus clavus 189 f.
legatus, Bedeutung des Wortes 89;
nicht — quaestor oder proquaestor
53 f. 60; in der diocletianisch- con-
stantinischen Ordnung 307 f.
legio vernacula 64
limes in der Gromatik 476f.
Livius, codex Veronensis 96 ff. 149, codd.
Puteanus, Vaticanus, Vindobonensis
150ff.; Recensio der I. Decade 119 ff.
677, der III. Decade 153 ff.; Frag-
ment des 91. Buchs 147 f.; Auszüge
Sachliches Register.
821
432 f. 670ff.; periochae in verschie-
denen Fassungen 164
lustra bei Livius 161 f.
Maecius: Sp. Maecins Tarpa 185 f.
magalia 90 f.
Malalas 659, 3. 750*; lateinische Über-
setzung 750f.
Mamilius Sura. Ackerschriftsteller 70
Manilios Rhalles, Humanist saec. XV:
270, 1
Manlius, L., Mirabilienschriftsteller 72tf.
Marcii Philippi, legendarischer Stamm-
baum 569, 2
Maurikios, Kaiser 746 f.
Mavortius cos. 355: s. Tlavius'
Maxentius, Bastard ? 326, 4
Meclodunum = Melun 56f.
Mimen 93 f.
Misenum 194 IF.
mons Feleter (= S. Leo bei S. Marino)
528f.
Monumenta Germaniae auct. ant. 691 ff.
Munda in Spanien, Topographie 67 f,
Münzwesen: Bruchziffem 775 ff.; mit
den clipei des amphitheatr. Flav.
574, 1 ; decussis 785, 1 ; foUes aeris
316f.; gefütterte Münzen 3f; Gold-
münzen des Gallienus 577, 5; Gold-
pfund, Wert in diocletianischer Zeit
316; sicilicus 774; solidus 315; ter-
runcius 763 f.
Namen: Cognomina der Nobilität und
der Freigelassenen 201 f.; nomina
von Geschlechtem aus cognomina
entwickelt 222, 1
Neapel 194 ff".
Nerva, Testament 574, 4
notae des M. Valerius Probus 206 ff.
218; notae iuris 214, in Hss. nicht-
juristischen Inhalts 444 f.; im cod.
Veron. des Livius 105 f.
notitia dignitatum, Abfassungszeit 660;
n. Galliarum u. a. Provinzen 400ff.
Obsequens benutzt Liviusepitome 671
Odovakar 715*. 723, 3; vgl. 'Theode-
rich'
Origo gentis Romanae: Titel 440 f.: ver-
kürzt 440 f.; vollständigere Fassung
als Quelle des Hieronynius 441. 617.
627 ff., des Paulus Diaconus 484 ff.;
im Chronogr. vom J. 354: 566 ff.
Patrizier u. Plebejer, Streit noch inner-
halb der Jahre 513—535: 167
Paulus Diaconus und die origo gentis
Romanae 434 ff.
Periplus des Pontes, von Timagenes
413 f.; vgl. 'Apollonios Rhod.'
Petronius, Roman 191 ff.; P.s FamUie
191,2
Philostratos , vita ApoUonii von Am-
mianus Marc, benutzt? 422, 5
Phoenixperiode 74, 2
Phokas, Kaiser 747. 749 f.
Picenum, District : s. 'Flaminia'
Planeten in der Astrologie 539 ff.
Planudes, historische Excerpte 700 ff".
Plautus, Zeit des Prologs der Casina
Iff.
Plutarch, Leben 225 f.; CharakterLstik
des Galba u. Otho 226 f.; Mißver-
ständnis eines lat. Ausdrucks 235, 1 ;
248, 1 ; nicht abhängig von Tacitus
227. 243; Sulla combiniert mit Dio
Cass. 705 f.
Polemius Silvius 633 ff.
polyphagi 572, 4
Pompeius, Cn. in Spanien 67
Pompeius Trogus (lustinus) und Tima-
genes 409. 414
porticus Minucia frumentaria 569, 5;
Divorum 573, 3
Poseidonios (über Gallien), benutzt von
Timagenes 410 f.
praefectus 308; praefecti praetorio
Italiae, lllyrici et Africae 661 f.
praeses 312 f.
praetor im weiteren Sinne 198
Probi, Familie 345 f. 604 f.; vgl. Vale-
rius
Prodigien bei Livius -Obsequens 168 ff".
Provinzen, Einrichtung neuer saec. IV:
658 f.; Provinzialkataloge400f. 648 ff.
650 f.
Prusias und Eumenes 151
822
Sachliches Register.
Ptolemaios, Geogr. : Handschriftliches
697 f.; als Quelle Amraians 402 iF.
412,6
Puteoli 994 ff'.
Quaestur, Altersstellung 53; quaestor
für proquaestor 54
Rittercarriere 267, 2
Rom (Topographisches): s. 'basilica',
'Brücken', 'Hügel'. Torticus', 'temp-
lutn', 'therraae", 'via'
Roscius: L. Roscius Fabatus 53
Rufius Festus, Namensform 396, 1. 657**;
Persönlichkeit 396, 2; als Quelle des
Ammianus Marc. 396ff'. ; desHierouy-
mus 610
Rutilia gens 165
Sallusts Historien, Notiz daraus bei
Ammianus Marc? 897, 1
Saso, Topographie 42
Scholien zu luvenal, Zeit 509 if.; Berner
zu Virg. georg. 505 ff'.
Scotti, Polemik gegen ihre Gelehrsam-
keit 752
Scriptores hist. Aug. s. 'historia
Augusta'
Senat: acta senatus oder commentarii
s. aufgezeichnet 254 f.; als Quelle
für Historiker 256; senatuscons. de
ambitu vom 11. Febr. 55 v. Chr.: 16;
de oder ex senatus sententia oder
consulto 80, 1
Seneca d. ä. 616
Sertorius 507
Sevirat 203
Solinus, vollständigerer benutzt von
Ammianus Marc. 4160".
Sorex, archimimus 94 f.
Sosthenion, Hafen bei CP. 740
Spanien: s. 'Munda'
Spurius, Praenomen 137
Stesichoros, Geburtsjahr 40f.
Stichometrie 286 ff.
Subscriptionen in Liviushss. 1501f.; des
Mavortius 487
Sueton, nicht abhängig von Tacitus
sondern von Cluvius Rufas 250 ff.;
de regibus benutzt im Chronogr. vom
J. 854? 559. 56S, 1; de viris ill. als
Quelle des Hieronymus 610 ff'.
Syramachi 493
Synkellos, Quelle 607, 1
'Tabulae honestae missionis', Ortho-
graphisches 7550".
Tacitus und die acta senatus 253 ff". ;
undCluviusRufus '224ff'.; Darstellung
stellenweise flüchtig oder gefärbt
237 ff'.; Excurse 247, 7; Zeit der
Herausgabe der Historien 227
Tarpeiasage .068, 3
templum Castorum et Minervae, erbaut
von Domitian 573, 2
Teretina tribus 280flF.
Theoderich u. Odovakar 7 19 ff'.
thermae Titianae et Traianae 573, 5. 619
Tiberius, Expeditionen 182 ff'.
Tillius, L. Tillius Cimber 189
Timagenes, Leben u. Werke 408 ff'., be-
nutzt von Pompeius Trogus, Strabon
u. Ammianus Marc. 410 ff'.
Traian, Todestag 574, 6
Trerus, Fluß (= Sacro) 281 f.
tribules clientes 143, 1
triquetrum 806
Valentinianus 1., seine Bedeutung 391
Valentinus, Adressat des Clironogr. vom
J. 354: 561
Valeria, District: s. 'Flaminia'
Valerius, M. Valerius Probus de notis
antiquis 206 ff. 218
Varius, L. Varius Rufus, sein 'Thyestes'
218
Vecellinus, Cognomen 12
Vegetius de re militari, Überlieferung
442 ff.
via Patiuaria 572, 5; viae publicae 278 f.
Victorius, Namensform 222, 1
vigiles in den Municipien 197
Virgilcommentare als Quelle der origo
gentis Rom. 436 ff'.
Vitalianus, Aufstand unter Anastasios I.
734 «•.
Vitorius Marcellus und seine Familie
221 ff'.
■^olusius Maecianus 264 ff.
Register der behandelten Stellen.
Weinhandel von Italien nach Gallien
37 f.
Weltmonarchien 71 f.
823
Zahl- und Bruchzeichen anf Inschriften
und Münzen 765 ff.; quingenta miJia
788 ff.
Zosimos, Lebenszeit 699
II.
Register der behandelten Stellen.
Ammianas Marc.
14, 6, 20 - 392. 430
15, 9, 8 — 410, .3
15, 12, 5 - 394 f.
16, 11, 4 - 426
22,8, 17 f. — 414
22, 8, 20 - 413. 4
22, 8, 47 - 417, 3
22, 12, 8 - 426f.
22, 15, 9 - 420
22, 15, 16 — 417, 9
23, 5, 15 _ 427'
24, 2, 6 f. - 427 f.
24, 6, 3. 5 - 428
24, 7 - 429
26, 4, 6 - 429
26, 7, 14 - 429
27,3, 3 - 388f.
27, 12. 1 - 429
28, 3, 9 - 430
30, 7, 5 — 480
33, 6, 74 - 416, 1
Anthologia lat.
Edition einiger, z. T. mittelalterlicher
Gedichte 499 ff.
Asellio
fr. 9. 10. 11. !3 Feter _ 506
(aesar
bellum civile 3, 8, 4. 10, 5 — 42 f.
bellum Gallicum, passim — 44 ff.
bellum Hispanieuse, passim — 61 ff.
Tannen adversns paganos' — 485ff.
Cassins Heini na fr. 38 Peter — 90
Catnllu.s 1 _ 219f
(.'edrenus: s. 'Kedrenos'
Charisins
GLK I 138
Cicero
pro Fonteio 9, 19 —
pro Roscio com. 10, 28 f. —
ad Att. Buch 4, Blätter-
versetzung
ad Att. 4, 16 ff. _
6, 1, 17 _
9, 9, 4 _
ad Qaint. fr. Buch 2, Blätter-
versetzung
ad Quint. fr. 2, 4ff. —
de republ. 2, 10 _
2, 22, 39 —
Laelius 11,36 _
25, 96 _
Dionysios Hai.
ant. 1, 19 _
Ennodins
paneg. in Theodos. p. 209
Vog. _ 721, 3
vita Epiphanii c. 7. 79 —
ep. 9, 30 _
Engippias
vita Severini, passim
Easebios
Chronica, armenischer Text —
— 92
37 f.
790 f.
13 ff'.
30 ff.
35
790
13 ff.
20 ff
39 ff.
35
12
12
72 f.
724,1
431
431
521 ff-.
Fannins
Rede g. Gracchus
Festns
p. 326
p. 363 Teretina tribus
p. 371 vectigal
580ff.
607
— 92
93 f.
280 ff.
278
824
Register der behandelten Stellen.
— 278
- 279
p. 371 viae
p. 372 vecors
Firmicns Maternus
math. 2, 32 (I 81, 9ff. Kroll-
Skutsch) - ^8ff.
Florus
2, 9 (3, 21 = p. 89, 21 Jahn) - 91 f.
Hieronymus
Chronica, passim -622tf. b83tt.
quaest. in Genesim opp. HI
p. 337 Vall. - 666, 1
Horatius
carm. 4, 8 - 1^^'/
sat. 1, 6, 24 - 189f-
epist. 1, 13 - 17^' 1
2, 1-3 - nSff.
Innocenz I.
Schreiben an den Bischof
von Antiochia vom J.
ca. 408 (Mansi, coli. 3,
1055)
- 659, 4
Inscbriften
C. 1. L. 1 195 - 769, 1. 781, :
III 4464
III 4855
V 4087
VI 1706
VI 14672
VI 30794
VI 31402
VI suppl. 32536
VllI 8473
VIII suppl. 17408
X 7996
XI 1118
XI 3614
XI 5400
XII 2228
XIV 250
Ephemeris epigraphica V
n. 301
Christliche (Bianchini ad
Anastas. bibl. III p. 88)
hie requiescit
hoc monumentum heredera
non sequetur
782,1
282
312,6
797
658,1
191,1
. 187
• 390
• 779, 2
- 644,2
- 762
- 697
- 499 f.
- 255, 1
- 205
- 312,6
- 268, 1
- 312,6
- 562 f.
- 203
loliannes Aiitioch.
Exe. Const. IIl 138 ff. de
Boor
lordanis
bist. Rom., Anf. —
p. 46, 17 -
lastinns
2, 4, 2
Kedrenos
I p. 260 Bonn.
Llvins
2, 8-15
3—6 passim -
3,24
10, 47
20 fragm. ""
22, 49, 15 f.
41, 27, 11 f.
45 Schluß
91 fragm.
MUn/en
Eckhel 7, 421 f.
Novius
102 f. Ribb.
Obsequens
p. 120, 14 Jahn
Pacuvius
216 Ribb.
Petronius
30 (Kalender)
71 (Grabschrift des Trim.)
Plautus
Casina, prol.
Flinius
nat. bist, praef. Anf.
2, 104, 235
Plinius
epist. 1, 16, 5
Plutarchos
Sulla 36
quaest. Rom. 6
Polemins Silvius
Pomponins
201, 1 in Dig. 1, 2, 2, 45
712 ff.
519 f.
736,2
414
■ 568, 1
- 675 f.
- 124 ft'.
- 161
- 161
- 163 ff.
- 89
- 91
- 151
- 147 f.
- 644,2
- 279
- 169
- 279
- 542
_ 200 ff.
_ Ifi-.
- 219f.
- 91
— 94
- 165
- 640 ff.
— 186, l
Register der behandelten Stellen.
825
Priscianus
Snidas
de fig. num. p. 407 K.
- 790
V. TifiayivTjs
— 409, 4
Ptolemaios
Snetonins
Geogr. 3, 3, 3
— 697 f.
Tiberius 9
— 182f.
5, 9, 18
— 412, 6
6, 3, 5 = 8, 21, 6
- 403, 1
Tacitus
Qnintilianns
ann. 2. 88
- 262 f.
inst. 1, 6, 30
— 806
3, 13
— 263
Sallustins
4,53
- 263
Catü. 26fF.
bist. 1, 34 Maur.
1,63
- 86f.
- 88
- 88
6,7
14,21
15,74
16,32
- 257,2
— 5
- 257, 2
— 263
4, 69
lug. 39, 2
— 88f.
- 79 f.
bist. 4, 39
-
- 247, 5. 249, 1
43,1
— 80 f.
Tarro
46-73
— 78
de ling. Lat.
5,32
— 73
Scriptores liist. lug.
7,16
— 73
V. Marci 25
- 266
Vegetlns
V. Avidii Cassii 7
- 266
de re mil, 2,
25
- 738,4
V. Severi 17, 5
- 350,1
Yelleins
V. Maximini, passim
— 334 ff.
1,6
— 71
— 91
— 91
T. XXX tjrann. 33, 1
- 307,6
2, 27
V. Probi 24
-345
2,' 29
Senins
Serv. Dan. in Aen. 1, 421
— 90 f.
Zosimos
Solinns
2,33
— 660, 1
15, 17
- 417, 1
Zwölf Tafeln
Strabon
7, 7 Schöell
— 278 f.
3,2,2
- 67
M0M3ISEX, SCHR. Vn.
53
Weimar. — Hof - Buchdruckerei.
n
«wuir^Gc-^.. MAY 201970
DG
15
Bd.7
Mommsen, (Theodor
Gesammelte Schriften
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