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Full text of "Gesammelte Schriften"

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GESAMMELTE  SCHRIFTEN 


VON 


THEODOR  MOMMSEN 


SIEBENTER  BAND 


PHILOLOGISCHE    SCHRIFTEN 


BERLIN 
WEIDMANNSCHE  BUCHHANDLUNG 

1909 


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PHILOLOGISCHE  SCHRIFTEN 


VON 


THEODOR  MOMMSEN 


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BERLIN 
WEIDMAKt^SCHE  BUCHHANDLUNG 

1909 


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Vorwort. 


Trincipi  philologonim'  begann  das  von  F.  Bücheier  vorgeschlagene 
Telegramm,  das  die  zu  Köln  im  Jahre  1895  tagende  Philologen- 
versammlung Mommsen  unter  begeisterter  Acclamation  vieler  Hunderte 
sandte.  Die  Zahl  seiner  in  diesem  Bande  vereinigten  kleinen  philologi- 
schen Schriften  ist  so  groß,  daß  noch  während  des  Drucks  die  Teilung 
des  Bandes  in  zwei  Halbbände  in  Erwägung  gezogen  wurde ;  doch  ist 
es  aus  äußeren  Grründen  bei  dem  einen  Bande  geblieben.  Einige 
Schwierigkeiten  bereitete  nur  die  Absonderung  des  Philologischen 
vom  Historischen;  Mommsens  eigne  Angaben,  die  er  O.  Hirschfeld 
darüber  gemacht  hatte,  waren,  wie  dieser  im  Vorwort  zu  den 
Juristischen  Schriften  I  und  zu  den  Historischen  Schriften  I  dargelegt 
hat,  nur  ganz  provisorischer  Natur,  sodaß  die  Entscheidung  darüber 
den  Dispositionen  Hirschfelds  vorbehalten  blieb.  Daß  diese  oft  mehr 
auf  Grund  äußerer  als  innerer  Argumente  erfolgen  mußte,  wird 
Jeder  begreifen,  der  die  unlösbare  Einheit  philologischer  und  ge- 
schichtlicher Arbeit  Mommsens  erwägt:  hat  doch  gerade  er.  auch  darin 
ein  großer  Lehrmeister,  die  Konstruktionen  von  Theoretikern,  die 
jetzt  diese  Einheit  sprengen  woUen,  durch  seine  Praxis  als  gegen- 
standslos erwiesen.  Immerhin  dürfte  imser  Prinzip  Billigung  finden, 
wonach  wir  außer  den  sprachlichen,  exegetischen  und  kritischen 
Arbeiten  auch  diejenigen,  deren  sachliche  Darlegungen  eng  an  den 
Text  eines  Schriftstellers  anschließen,  zu  den  philologischen  im 
weiteren  Sinne   des  Wortes  gerechnet  haben;   warum    Tacitus    von 


VI  Vorwort. 

seinem  Freunde  Plinius,  mit  dem  er  sogar  in  unserer  Überlieferung 
durch  Personalunion  vereinigt  war,  hier  getrennt  worden  ist,  hat 
Hirschfeld  im  Vorwort  zum  ersten  Bande  der  Hist.  Sehr.  S.  YI  an- 
gegeben. 

Die  87  in  diesem  Bande  vereinigten  Abhandlungen,  deren  Umfang 
alle  Stadien  von  einer  Miscelle  bis  zu  einem  libellus  durchläuft,  sind 
in  der  Weise  geordnet  worden ,  daß  auf  die  latina  die  graeca  und  auf 
diese  die  grammatica  folgen ;  zwei  Artikel  allgemeineren  Inhalts  bilden 
den  Schluß.  Innerhalb  jener  Abschnitte  ist  das  Prinzip  chronologi- 
scher Reihenfolge,  soweit  sie  sich  ohne  Pedanterie  erzielen  ließ, 
zugrunde  gelegt  worden.  Ein  paar  kleine  Irrtümer,  die  sich  nach 
Beendigung  des  Drucks  herausstellten,  sind  am  Schlüsse  des  Inhalts- 
verzeichnisses vermerkt  worden. 

Nach  Mommsens  eignem  Wunsche  sollte  'geradezu  Fehlerhaftes 
und  Beseitigtes'  nicht  wieder  abgedruckt  werden  (vgl.  Vorwort  zum 
ersten  Bande  der  Jur.  Sehr.  S.  VI).  Es  hat  sich  nur  verschwindend 
weniges  dieser  Art  finden  lassen.  Vom  Abdruck  ausgeschlossen 
worden  sind  auch  diejenigen  Aufsätze,  deren  Inhalt  Mommsen  bei 
anderen  Gelegenheiten,  fast  immer  in  verbesserter  und  erweiterter 
Form,  wiederholt  hat.  Dagegen  gelang  es,  unter  nr.  XLIV  und 
LVII  zwei  Inedita  zu  bringen.  Ebenfalls  entsprechend  Mommsens 
Wunsche  sind  die  philologischen  Schriften,  wie  die  übrigen,  in  der 
Weise  zum  Abdruck  gelangt,  daß  zu  ihrer  Ergänzung  oder  Korrektur 
außer  Mommsens  eignen  späteren  Behandlungen  desselben  Gegen- 
standes auch  die  anderweitige  moderne  Literatur  herangezogen  und 
in  [  ]  vermerkt  wurde.  Wenn  mir  dabei  manches  zweifellos  ent- 
gangen sein  wird,  so  bitte  ich  das  mit  der  Vielheit  der  Materien, 
deren  einige  meinem  Arbeitsgebiet  ferner  liegen,  zu  entschuldigen; 
an  einigen  ganz  wenigen  Stellen,  in  deren  Beurteilung  ich  mich 
kompetent  zu  fühlen  glaubte,  habe  ich  meine  eigne  Auffassung  an- 
zudeuten mir  erlaubt.  Offenkundige  Schreibfehler  oder  Versehen 
Mommsens  sind  stillschweigend  berichtigt  worden;  wo  aber  auch  nur 
ein  leiser  Zweifel  obwalten  konnte,  wurde  die  Korrektur  den  Worten 


Vorwort.  VII 

Mommsens  mit  einem  Fragezeichen  eingefügt.  Die  Schriftstellertexte 
sind,  wo  es  sich  nicht  um  bloß  gelegentliche  Zitate  handelt,  überall 
nach  den  neuesten  Ausgaben,  z.  T.  mit  Unterstützung  seitens  meines 
Neffen  cand.  phil.  Siegfried  Vogt  in  Marburg,  revidiert  worden. 

Bei  meiner  Arbeit  habe  ich  mich  des  sachkundigen  Rates  be- 
freundeter Kollegen  zu  erfreuen  gehabt,  derer  ich  an  mehreren 
Stellen  dieses  Bandes  dankbar  gedachte.  Nicht  unterlassen  aber 
darf  ich  es,  an  dieser  Stelle  namentlich  H.  Dessau  zu  danken,  der 
mich  mit  unermüdlicher  Opferbereitschaft  unterstützt  und  die  Be- 
arbeitung von  nr.  LXYIII  (Polemii  Silvii  laterculus)  ganz  übernommen 
hat,  wie  B.  Kubier  diejenige  von  nr.  XXXII  (Yolusii  Maeciani  distri- 
butio  partium).  Mir  selbst  hat  die  Arbeit,  deren  Übernahme  ich 
dem  Vertrauen  von  0.  Hirschfeld  und  U.  v.  Wilamowitz  danke, 
nicht  bloß  —  was  selbstverständlich  war  —  eine  bedeutende  Er- 
weiterung meines  Wissens,  sondern  auch  reichen  innem  Gewinn 
gebracht.  Denn  es  hat  wahrlich  etwas  Erhebendes  und  Ergreifendes 
zu  sehen,  wie  dieser  Große  überall  auch  die  Arbeit  der  Kleinen 
selbst  tat,  wie  er  das  eigne  Urteil  mit  unerbittlicher  Wahrheits- 
liebe den  Bedingungen  des  stofflich  Gegebenen  unterordnet  und 
die  Vermehrung  des  Tatsachenmaterials  höher  wertet  als  alle  Kom- 
binationen, die  sich  ihm  dank  seiner  den  Zeiten  und  Personen  kon- 
genialen Intuition  aufdrängten;  die  schönen  Worte,  die  er  1869  im 
Nachruf  auf  0.  Jahn  von  der  philologischen  Methode  schrieb  (Reden 
und  Aufsätze  S.  459),  hat  er  Zeit  seines  Lebens  in  die  Tat  umgesetzt. 
Die  jetzige  Generation  hat  das  Erscheinen  vieler  der  hier  vereinigten 
Aufsätze  und  den  Impuls,  den  sie  jedesmal  brachten,  in  starkem 
Mitfühlen  noch  an  sich  erlebt,  andere  besitzen  schon  für  sie  den 
Zauber  ehrwürdiger  Vergangenheit.  Daran  können  wir  die  Ehrfurcht 
ermessen,  mit  der  künftige  Geschlechter  diese  Monumente  betrachten 
werden,  vor  allem  die  jedesmalige  Jugend;  denn  gerade  ihr  war  er 
und  wird  er  fürderhin  ein  durch  sein  großes  Beispiel  wirkender 
strenger  aber  liebevoller  jiaidaycoyög  sein,  bloßer  Bewunderung  ab- 
hold, aber  jedem  ernsthaften  Mitarbeiter,  und  sei  es  im  Kleinsten, 


VI  11  Vorwort. 

ZU  Dank  und  Anerkennung  freudig  bereit,  Forscherarbeit  wird,  wenn 
sie  wahre  Werte  geschaffen  hat,  in  den  Strom  lebendigen  Wissens, 
der  durch  die  Jahrhunderte  rauscht,  aufgenommen  mit  der  Bestim- 
mung, in  ihm  zu  zerfließen;  aber  wenn  der  Forscher  zugleich 
ein  Gigant  des  Wollens  und  ein  Künstler  des  Gestaltens  war, 
so  bleibt  von  seinem  Werke  nicht  nur  das  sachliche  Ergebnis  als 
gestaltlose  Potenz,  sondern  der  Mensch  und  der  Schöpfer  wirken 
fort  in  ewig  junger  Energie. 

Berlin.  Eduard  Norden. 


Inhaltsverzeichnis. 


Seite 

I.    Zum  Prolog  der  Casina  (1856) 1 

IL    Über  eine  Leydener  Handschrift  von  Ciceros  Cato  maior  (1863)  .  6 

III.  De  Laelii  Ciceroniani  codice  Didotiano  narratio  Theodori  Momm- 

seni  (1863) 9 

IV.  Über  eine  Blätterversetzung  im  zweiten  Buch  der  Briefe  Ciceros 

ad  Quintum  fratrem  (1844) 13 

V.    Die  Florentiner  Handschrift  der  Briefe  des  Cicero  (1845)     ...  28 

VI.    Zu  Ciceros  Reden  (1883) 36 

VII.    Theod.  Mommsenii  Excursus  ad  Ciceronis  or.  pro  Fonteio  cap.  IX 

§  19  (1854) 37 

VIII.   Zu  Cicero  de  republ.  2,  10  (1860) 39 

IX.    Zu  Caesar  (1867) 42 

X.    Beiträge  zur  Kritik  des  Bellum  Gallicum  (1894) 44 

XI.    Zum  bellum  Hispaniense  (1893) 61 

XII.    Mamilius  Sura,  Aemilius  Sura,  L.  Manlius  (1861) 70 

XIII.  Zu  Sallustius  (1866) 77 

XIV.  Kritische  Miscellen  (1854) 88 

;XV.    T.  Livii  ab  Urbe  condita   lib.  III — VI  quae  supersunt  in  codice 

rescripto  Veronensi  (1869) 96 

XVI.    Analecta  Liviana  (1873) 149 

XVII.    Zu  Livius  (1868) 160 

XVIII.    Zu  Livius  (1866) 161 

XIX.    Anecdoton  Livianum  (1870) 163 

XX.    Theodori  Mommsenii  epistula  [de  Romanorum  prodigiis  ad  Ottonem 

Jahnium]  (1853) 168 

XXI.   Die  Litteraturbriefe  des  Horaz  (1880) 175 

XXII.    lullus  und  lulus  (1889) 187 

XXIII.  Der  Tribun  Tillius  (1898) 189 

XXIV.  Trimalchios  Heimath  und  Grabschrift  (1878) 191 

XXV.    M.  Valerius  Probus  de  notis  antiquis  (1853) 206 

XXVI.    Zu  den  notae  iuris  (1890) 214 

XXVII.    Anecdoton  Parisinum  (1845) 217 

XXVIII.    Plinius  und  Catullus  (1866) 219 

XXIX.   Vitorius  Marcellus  (1878) 221 

XXX.   Cornelius  Tacitus  und  Cluvius  Rufus  (1870) 224 


Inhaltsverzeichnis. 


XXXI. 

XXXII. 

XXXIII. 

XXXIV. 

XXXV. 

XXXVI. 

XXXVII. 

XXXVIII. 

XXXIX. 

XL. 

XLI. 

XLII. 

XLIII. 

XLIV. 

XLV. 

XLVI. 

XLVII. 

XLVIII. 

XLIX. 

L. 

LI. 

LH. 

LIII. 

LIV. 

LV. 

LVI. 

LVII. 

LVIII. 

LIX. 

LX. 

LXI. 

LXII-LXIII. 

LXIV. 

LXV. 

LXVI. 

LXVII. 

LXVIII. 

LXIX. 

LXX. 

LXXI. 

LXXII. 
LXXIII. 
LXXIV. 

LXXV. 

LXXVL 


Seite 

Das  Verhältniss  des  Tacitus  zu  den  Acten  des  Senats  (1904)  253 

Volusii  Maeciani  distributio  partium  (1853) 264 

Festi  codicis  quaternio  decimus  sextus  (1865)       269 

Zu  Festus  (1857) 280 

Zur  lateinischen  Stichometrie  (1885) 283 

Zu  den  Scriptores  hist.  Aug.  (1878) 298 

Die  Scriptores  historiae  Augustae  (1890) 302 

Über  den  kritischen  Apparat  zum  Ammianus  (1872)  ....  363 

Weiteres  über  den  Apparat  zum  Ammian  (1873) 375 

Über  die  Ammianhandschrift  des  Accursius  (1873)  .     *     *     '     .  384 

Zur  Kritik  Ammians  (1880) 389 

Zu  Ammian  (1882) 392 

Ammians  Geographica  (1881) 393 

Bemerkungen  zu  einzelnen  Stellen  Ammians  (Manuskript)  .     .  426 

Zu  Ammian  und  Ennodius  (1889) 430 

Eutropius  Breviarium  ab  urbe  condita  (1866) 432 

Zu  der  Origo  gentis  Romanae  (1877) 434 

Zu  Vegetius  (1866) 442 

Firmicus  Maternus  (1894) 446 

Ein  gromatisches  Fragment  in  einer  Mailänder  Handschrift  (1861)  451 
Über  den  codex  Arcerianus  der  Gromatici  und  eine  Handschrift 

des  Petrarca  (1852) 459 

Die  Interpolationen  des  gromatischen  Corpus  (1895)   ....  464 

Zu  Dictys  (1876) 483 

Carmen  codicis  Parisini  8084  (1870) 485 

Zur  lateinischen  Anthologie  (1854) 499 

Zu  den  Scholien  der  virgilischen  Georgica  (1861) 505 

Zeitalter  des  Scholiasten  Juvenals  (Manuskript) 509 

Aus   und  über  Leydener   und  Münchener  Handschriften  (1861)  512 

Lateinisches  Glossar  des  cod.  Vat.  2730  (1874) 515 

Über  eine  Stelle  des  Ennodius  (1872) 517 

Jamblichos  bei  Jordanes  (1883) 519 

Eugippiana  (1897,  1898) 521 

Über  den  Chronographen  vom  J.  354  (1850)     .......  536 

Die  armenischen  Handschriften  der  Chronik  des  Eusebius  (1895)  580 

Die  älteste  Handschrift  der  Chronik  des  Hieronymus  (1889)    .  597 

Über  die  Quellen  der  Chronik  des  Hieronymus  (1850)      .     .     .  606 

Polemii  Silvii  Laterculus  (1857) 633 

Die  Chronik  des  Cassiodorus  Senator  vom  J.  519  n.  Chr.  (1861)  668 
Schlussbericht  über  die  Herausgabe  der  Auetores  antiquissimi 

(1898) 691 

Die  Historia  Papirii  des  Henoch  von  Asculum  (1866) ....  695 

Zur  Kritik  der  Geographie  des  Ptolemaeos  (1880) 697 

Zosimus  (1903) 699 

Über  die  dem  Cassius  Dio  beigelegten  Theile  der  Planudischen 

und  der  Constantinischen  Excerpte  (1871) 700 

Bruchstücke   des  Johannes   von   Antiochia  und   des  Johannes 

Malalas  (1872) 710 

Lateinische  Malalasauszüge  (1895) 751 


Inhaltsverzeichnis.  XI 

Seite 

LXXVII.    Zur  byzantinischen  Chronographie  (Ifc^ö?) 753 

LXXVIII.    Die  Orthographie  der  sogenannten  Tabulae  honestae  missionis 

(1866) 755 

LXXIX.    Terruncias  (1887) 763 

LXXX.    Zahl-  und  Bruchzeichen  (1887) 765 

LXXXI.    Quingenta  milia  (1869) 788 

LXXXII.    Die  Wiedergabe  des  griechischen  ^  in  lateinischer  Schrift  (1878)  792 

LXXXIII.    Templa  domus  vici  insulae  plateae  angiportus  (1860)     .     .     .  804; 

LXXXIV.    Triquetrum  (1886) 806 

LXXXV.   fnxg6.-T/.Eov  (1884) 807 

LXXXVI.    Gutachten   über  das  Unternehmen  eines  lateinischen  Wörter- 
buchs (1891) 808 

LXXXYII.    Besprechung  von:  Martin  Hertz,   Karl  Lachmann.     Eine  Bio- 
graphie.    Berlin  1851  (1851) 814 

Sachliches  Register 817 

Register  der  behandelten  Stellen 823 


Berichtigungen. 


S.  392.  Die  hier  gegebene  Verbesserung  einer  AmmiansteUe  hat  Mommsen 
7  Jahre  später  —  s.  S.  430  —  wiederholt,  ohne  sich  zu  erinnern,  daß 
er  sie  bereits  veröffentlicht  hatte  (vgl.  S.  790*).  Sie  ist  nun  auch  hier 
versehentlich  zweimal  zum  Abdruck  gelangt. 

^i.  571  A.  2  hinzuzufügen:  [vgl.  über  den  obigen  Abschnitt  den  unten  nr.  LXXVII 
abgedruckten  Aufsatz  S.  753]. 

S.  699  Z.  4  V.  u.  lies:  Eustathius  statt:  Epiphanius. 


Zum  Prolog  der  Casina.*) 

Ueber  die  chronologischen  Daten  des  interessanten  Prologs  der  122 
Casina  ist  vielfach  verhandelt  worden,  zuletzt  und  am  sorgfältigsten 
von  Ritschi  (parerga  I,  S.  180),  der  denselben  etwa  um  595  geschrieben 
glaubt.  Dass  er  nicht  früher  geschrieben  sein  kann,  da  der  Verfasser 
darin  den  Tod  aller  namhaften  Dichter  des  römisch -griechischen 
Lustspiels  beklagt,  daran  wird  wohl  kein  Zweifel  sein;  ob  er  aber 
nicht  vielleicht  beträchtlich  später  fallen  kann,  dürfte  minder  fest- 
stehen. Ritschl  stützt  sich  vorzugsweise  darauf,  dass  die  älteren 
Zuschauer  das  Stück  schon  kannten  und  liebten:  'vos  probastis  qui 
estis  in  senioribus' ;  allein  das  Stück  ist  doch  gewiss  nicht  bloss  ein- 
mal gegeben  worden  und  es  steht  nichts  davon  da,  dass  die  älteren 
Zuschauer,  an  die  der  Prolog  hier  sich  wandte,  gerade  der  ersten  123 
Aufführung  beigewohnt  hätten.**)  Mehr  ins  Gewicht  dürfte  es  fallen, 
dass  später,  wo  von  den  Sklavenehen  die  Rede  ist,  der  Prolog  den 
Anstoss,  den  diese  seinen  römischen  Zuschauem  gaben,  beseitigt 
durch  die  Bemerkung  [V.  71  f.]: 

Ät  ego  aio  hoc  fieri  in  Graecia  et  Carthoffini 

Et  hie  in  nostra  terra  in  Apulia. 
Denn  konnte  dies  noch  gesagt  werden  nach  608,  wo  Karthago  zer- 
stört ward?  —  Ich  meine:  in  diesem  Zusammenhang  doch;  der 
Prolog  hatte  ja  ein  altes  lange  vor  Karthagos  Zerstörung  geschriebenes 
Lustspiel  zu  vertheidigen  und  konnte  sich  daher  sehr  wohl  auf  den 
Brauch  von  Karthago  bei-ufen  und   den  Zuschauem  die  Wette  an- 


*)  [Rhein.  Mus,  10,  1856,  S.  122—127.  Obwohl  das  chronologische  Resultat 
dieses  Aufsatzes  nicht  haltbar  ist,  wird  man  ihn  doch  schon  wegen  der  erst- 
maligen richtigen  Deutung  der  mimtni  novi  hier  gern  abgedruckt  finden.] 

**)  [S.  hiergegen  Ritschis  nachträgliche  Bemerkung  in  den  Opuscula  philol. 
II,  1868,  S.  659  f.] 

MOMIISEN,    SCHR.  Yll.  1 


2  Zum  Prolog  der  Casiua. 

bieten,  dass  jeder  'punische  Geschwome'  für  die  Gültigkeit  der 
Sklavenehen  sich  aussprechen  werde.  Liegt  hiernach  in  diesen 
beiden  Angaben  eine  bestimmte  Zeitgrenze  nicht,  so  scheinen  mir 
dagegen  zwei  andre  auf  eine  spätere  Epoche  zu  deuten.  Die  eine 
ist  freilich  nur  sehr  allgemeiner  Art;  ich  meine  die  Hindeutung  auf 
das  archäologische  Interesse,  das  bei  dem  zuhörenden  Publikum  in 
Litteratur  und  Kunst  vorausgesetzt  wird,  und  die  Zusammenstellung 
des  plautinischen  Lustspiels,  der  antiqua  {aliqua)  comoedia  [V.  13] 
mit  den  antiqua  opera  et  verha  [V.  7].  Das  sieht  schon  an  sich  viel 
mehr  nach  der  Zeit  des  Sulla  aus  als  nach  der  des  Mummius;  vor 
L.  Aelius  Stilo  wird  von  archäologischer  Sprachforschung  kaum  die 
Rede  gewesen  sein  und  das  Kennerinteresse  an  *^alten'  Kunstwerken 
geht  auch  in  Rom  nicht  weiter  zurück.  Yor  allem  aber  scheint  die 
Zusammenstellung  der  plautinischen  Komödien  mit  alten  Bildwerken 
wenig  zu  passen  für  die  ersten  Jahre  nach  dem  Tode  des  Dichters 
(f  570);  so  würde  man  heutzutage  eine  ähnliche  Befürwortung 
schwerlich  anwenden  für  ein  Stück  von  Immermann  oder  Grabbe, 
aber  wohl  für  eines  von  Lessing  oder  Iffland.  —  Wichtiger  aber  als 
diese  Erwägung,  die  ein  bestimmtes  Ergebniss  nicht  liefern  kann, 
ist  mir  die  Hindeutung  auf  die  zu  der  Zeit  des  Prologs  umlaufenden 
schlechten  Geldstücke  [V.  9  f.] :  *) 

—  nunc  novae  quae  prodeunt  comoediae 
Multo  sunt  nequim-es  quam  nummi  novi. 
Die  Untersuchung  ist  über  diese  Stelle  in  die  Irre  gegangen,  indem 
124  sie  anknüpfte  an  die  Einführung  des  semuncialen  anstatt  des  uncialen 
Fusses  im  römischen  Kupfergeld.  Das  ist  zwiefach  verfehlt,  denn 
einmal  war  diese  Maassregel  nichts  als  eine  Aenderung  des  Scheide- 
münzgehalts und  kann  den  Verkehr  so  wenig  gestört  haben,  als  er 
heute  gestört  werden  würde,  wenn  man  anfinge  die  preussische 
Kupfermünze  um  die  Hälfte  leichter  auszugeben;  zweitens  sind  die 
nummi  bekanntlich  eben  nicht  Kupfer-,  sondern  Silber-,  allenfalls 
auch  Goldstücke.  Zwingen  uns  also  Geschichte  wie  Grammatik  hier  zu 
denken  an  eine  Verschlechterung  des  Silbergeldes,  so  giebt  es  kaum 
eine  Zeit,  wo  diese  weniger  annehmbar  ist  als  die  vermuthete  Ab- 
fassungszeit des  Prologs.  Von  Plautus  Tode  an  bis  auf  den  Bundes- 
genossenkrieg sind  die   Staatsfinanzen  und  der  römische  Verkehr  in 

*)  [Vgl.  Geschichte  des  röm.  Münzwesens  S.  385 ff.,  wo  Mommsen  seine  im 
folgenden  vorgetragene  Ansicht  etwas  zurückhaltender  formuliert  hat.  Die 
Vermehrung  des  numismatischen  Materials  lehrte  übrigens ,  daß  gefütterte 
Münzen  schon  seit  600  (154  v.  Chr.)  häufig  sind;  vgl.  Bahrfeldt  in  der  Wiener 
numismat.  Zeitschr.  16,  1884,  S.  309— 366,  Graf  ebd.  35,  1903,  S.  66  —  74.] 


Zum  Prolog  der  Casina.  3 

einem  Zustand,  zu  dem  die  bezeichneten  Zeilen  gar  wenig  passen, 
während  dagegen  vom  Beginn  des  marsischen  Krieges  bis  auf  Sullas 
Dictatur  (663  —  672)  in  der  That  man  Grund  genug  hatte  auf  das 
'neue  Silbergeld"*  zu  schelten.  Zwar  eine  Münzverschlechterung  in 
unserm  Sinn,  eine  Reduction  des  Gewichts  oder  des  Feingehalts 
haben  die  Römer  in  der  ganzen  Zeit  der  Republik  nicht  vorgenommen; 
wohl  aber  gab  die  Regierung  in  Zeiten  der  Noth  kupferne  mit 
dünnen  Silberblättchen  plattirte  Denare  mit  den  wirklich  silbernen 
aus^,  so  z.  B.  im  zweiten  punischen  Krieg  (Zonar.  S  a.  E.)  und  M. 
Drusus  beantragte  in  seinem  Tribunat  663  die  merkwürdige  Maass- 
regel auf  je  sieben  silberne  einen  plattirten  Denar  zu  geben  —  ein 
Yorschlag,  den  man  heutzutage  etwa  so  formuliren  würde,  dass  der 
Staat  das  Recht  haben  solle  auf  je  sieben  Silberthaler,  die  aus  seinen 
Münzstätten  hervorgehen,  einen  Papierthaler  zu  emittiren.  Mag  dies 
Gesetz  einen  praktischen  Erfolg  gehabt  haben  oder  nicht,  so  steht 
soviel  fest,  dass  während  der  marianischen  Unruhen  eine  unerhörte 
Masse  von  solchen  schlechten  Denaren  in  Umlauf  war  und  das 
Publikum  sehr  darunter  Utt:  laddbatur,  sagt  Cicero  (de  off.  3,  20,  80), 
Ulis  temporihus  numtnus  sie  uf  nemo  posset  scire  quid  haheret.  Dass 
das  Probiren  der  Denare,  welches  diesem  Unwesen  eine  Grenze 
setzte,  auf  den  Prätor  M.  Marius  Gratidianus  (um  670)  zurückgeführt  125 
wird  oder  vielmehr  auf  einen  Beschluss  der  vereinigten  Prätoren 
und  Yolkstribunen,  und  dass  ihm  desshalb  von  sämmtlichen  Quartieren 
der  Hauptstadt  Statuen  errichtet  und  an  denselben  Dankopfer  dar- 
gebracht wurden,  ist  bekannt  (Cic.  de  off.  1.  c.  Plin.  33,  9,  132.  34, 
6,  27);  allein  die  Darstellung  des  Plinius  und  der  Neueren,  dass 
Gratidianus  die  Technik  des  Probirens  erfunden  habe,  lässt  sich 
weder  mit  seiner  amtlichen  Stellung  vereinigen,  noch  motivirt  sie 
eine  so  unerhörte  Dankbezeigung,  noch  ist  es  glaublich,  dass  die  so 
äusserst  einfache  Manipulation,  durch  einen  Einschnitt  in  das  Geld- 
stück die  Kupferanima  zu  ermitteln,  bis  auf  Gratidian  unentdeckt 
geblieben  sei.  Ich  zweifle  nicht,  dass  hier  eine  viel  wichtigere 
Maassregel  vorliegt.  Es  ist  für  die  Kaiserzeit  nachweislich  und  für 
die  republikanische  nicht  minder  gewiss,  dass  jene  plattirten  Denare 
gleich  den  ächten  genommen  WQi-den  mussten;  Gratidianus  wird  das 
Probiren  gestattet  und  vielleicht  em  öffenthches  Probirbureau  ein- 
gerichtet haben.  Diese  Maassregel  lief  also  im  Wesentlichen  hinaus  auf 
eine  Verrufung  des  Zeichengeldes;  ob  mit  oder  ohne  Wiedereinlösung, 

1)  Der  technische  Ausdruck  ist  aes  argento  miscere.  S.  meine  Abhandlung 
über  den  Verfall  des  röm.  Münzwesens  in  den  sächs.  Berichten  1851  S.  219. 
[Vgl.  Gesch.  d.  röm.  Müuzwesens  S.  385 flf.] 

1* 


4  Zum  Prolog  der  Casina. 

wird  zwar  nicht  gesägt,  aber  es  ist  wohl  kaum  zu  bezweifeln,  dass 
die  öffentliche  Kasse  angewiesen  ward  die  plattirten  Denare  durch 
ächte  zu  ersetzen,  da  sonst  das  Publikum  dem  Urheber  der  Maassregel 
vermuthlich  ganz  andre  Dinge  als  Weihrauch  verabreicht  haben  würde. 
Ist  dies  richtig,  so  wird  man  befugt  sein  die  Abfassungszeit  des 
Prologs  zwischen  660  und  670  anzusetzen.  Hierzu  passen  denn  auch 
vortrefflich  die  militärischen  Hindeutungen  der  traditionellen  Formel 
am  Schluss  [V.  87  f.]: 

—  bene  rem  gerite  et  vincite 
Virtute  vera,  quod  fecistis  antidhac 
indem  man  damals  die  Landung  der  asiatischen  Legionen  beständig 
erwartete   und  eifrig   sich  rüstete   sie   zu   empfangen;  ja   wer  Lust 
hat,  mag  selbst  bei  dem  Gleichniss  Z.  50: 

Sibi  nunc  uterque  contra  legiones  parant 
an    Sulla   und    Cinna   denken.      Ebenso  passen  sehr  wohl  die  An- 
spielungen auf  die  Schuldwirren  Z.  23  ^^^. : 

eicite  ex  animo  curam  atque  alienum  aes; 
126  Ne  quis  formidet  flagitatorem  suum! 

Ludi  sunt;  ludus  datus  est  argentariis. 

Tranquillum  est;  Alcedonia  sunt  circa  forum. 

Ratione  utuntur  ludis;  poscunt  neminem 

Secundum  ludos;  reddunt  autem  (ob  item?)  nemini*) 
wobei  damals  jeder  Hörer  denken  musste  an  die  gar  nicht  halcyoni- 
schen  Tage  des  Jahres  665,  als  auf  dem  Markt  der  Prätor  Asellio 
von  den  Gläubigern  erschlagen  ward,  weil  er  nicht  nach  ihrem  "Willen 
Recht  sprach  (App.  b.  c.  1,  54.  Liv.  ep.  74.  Val.  Max.  9,  7,  4).  — 
Natürlich  sollen  diese  Beziehungen  hier  nicht  als  weitere  Beweise 
geltend  gemacht  werden,  sondern  nur  als  Anspielungen,  die,  wenn 
der  Prolog  in  die  angenommene  Zeit  fällt,  jedem  unabweislich  sich 
aufdrängen  mussten.  In  demselben  Sinn  mag  es  noch  erlaubt  sein 
auf  zwei  Punkte  aufmerksam  zu  machen,  wo  durch  Datirung  des 
Prologs  Daten  für  andere  Thatsachen  genommen  werden.  Einmal 
gehört  hieher  der  merkwürdige  Beweis,  den  der  Prolog  giebt  für 
den  noch  in  der  sullanischen  Zeit  Apulien  beherrschenden  Hellenis- 
mus, wodurch  vervollständigt  wird,  was  ich  darüber  in  einem  andern 
Zusammenhang  ausgeführt  habe  (unterital.  Dial.  S.  89  fg.).  Aehn- 
liches  bezeugt  übrigens  auch  für  die  plautinische  Zeit  die  bekannte 
Stelle  im  miles  glor.  654  [648  L.],  deren  Pointe  der  ungeschlachte 
Hellenismus  Apuliens  ist: 

*)  [Vgl.  die  Interpunktion  dieser  Verse  in  Leos  Ausgabe.] 


Zum  Prolog  der  Casina.  5 

Post  Ephesi  sum  natus,  non  sum  in  Apulis,  non  Animul/ie*) 
wo  ein  deutscher  Komöde  etwa  gesagt  hätte: 

Denn  ein  Meissner,   kein  Lausitzer  bin  ich  und  aus  Zittau 

keineswegs. 
Zweitens  aber  und  vor  allem  würde  danach  anzunehmen  sein,  dass 
die  Stücke  der  alten  Palliata  des  sechsten  Jahrhunderts  bis  etwa 
620  —  630  sich  fortwährend  auf  der  Bühne  erhielten,  dann  vom 
Repertoir  verschwanden  und  nach  einer  Unterbrechung  von  etwa 
30—40  Jahren  wieder  hervorgesucht  wurden,  um  in  der  ciceronischen 
Zeit  zum  zweiten  Mal  die  Bühne  zu  beherrschen.  Wem  diese 
Untersuchungen  geläufiger  sind  als  mir,  möge  darüber  entscheiden; 
unwahrscheinlich  dünkt  mich  dieser  Entwicklungsgang  eben  nicht. 
Plautus  Komödien  waren  für  die  Menge  geschrieben  und  hielten  sich 
durch  deren  Beifall.  Die  Kennerkreise  wie  der  des  jungem  Scipio  127 
werden  sicherlich  sich  nicht  damit  begnügt  haben  eine  reinere,  kunst- 
gerechtere, sittlichere  Komödie  zu  schaffen  und  zu  proniren,**)  sondern 
auch  die  alte  mehr  volksmässige  Komödie  vom  Theater  zu  ver- 
drängen bemüht  gewesen  sein;  das  heisst  sie  weckten  nicht  bloss 
die  Muse  des  Terenz,  sondern  sie  verbannten  auch  die  des  Plautus. 
Das,  denke  ich,  hatte  Tacitus  im  Sinn,  als  er  die  Worte  schrieb 
(ann.  14,  21):  2^ossessa  Achaia  (608)  Asiaqiie  (624)  hidos  curathis 
editos;  mit  der  'verfeinerten  Bühne'  vertrug  freilich  die  halb  possen- 
hafte und  oft  ungezogene,  nicht  selten  pöbelhafte  plautinische  Komödie 
sich  nicht.  Als  dann  später  die  Zeit  der  römischen  Philologie  begann, 
die  Zeit  der  Stilo  und  Yarro,  schlug  das  Urtheil  natürlich  wieder 
um  und  die  antiqiii  lepores  traten  jetzt  bei  den  Kennern  in  ihre 
Rechte.  Es  ist  ein  Entwicklungsgang,  wie  er  in  England  und 
Deutschland  auch  vorgekommen  ist.  Zwischen  Shakespeare  und 
Plautus  in  ihrer  Stellung  zum  Volke  und  zum  Theater,  ebenso 
zwischen  S.  Johnson  und  Addison  einer-  und  Terenz  und  Lucilius 
andererseits  Hessen  artige  Parallelen  sich  ziehen  und  der  Gräcismus 
des  scipionischen  Kreises  erinnert  vielfach  an  die  französirenden 
Zirkel  Dalbergs  und  der  Herzogin  AmaUe.  Ueberall  aber  weckt 
dieses  fremdländische  und  charakterlose  Wesen  nach  kurzer  Frist 
wieder  eine  litterarische  Reaction,  die  die  alte  volksmässige  Litteratur 
wieder  zu  Ehren  bringt  und  sich  in  der  Production  an  sie  anlehnt. 

*)  [Vgl.  die  adn.  bei  Leo.] 
**)  [Ilaoa  Ttvi  xeiTui;  D.  Sanders,  Wörterb.  d.  deutsch.  Sprache  II,  1  belegt 
dies  (bei   Grimm  DW.  fehlende)  "Wort  im  Sinn  von  'ausposaunen'  aus   Immer- 
manns Münchhausen  (Werke  1835  fF„  III,  S.  198),  übrigens  einem  Lieblingsbuch 
Mommaens.] 


IL 

Über  eineLeydener  Handschrift  von  Ciceros  Cato  maior.*) 

l^>  Ich    theile    nachfolgend    eine    Anzahl  Lesungen  mit    aus  einer 

bisher  meines  Wissens  unbenutzten  Handschrift  von  Ciceros  Cato 
maior,  die,  wie  ich  glaube,  der  besten  unter  den  bisher  verglichenen, 
der  Pariser  6332  (F)  ebenbürtig  und  doch  von  ihr  wesentlich  ver- 
schieden ist.  Es  sind  zwölf  Pergamentblätter  in  Folio  aus  dem 
zehnten  Jahrhundert,  zu  Anfang  bezeichnet:  ex  libris  Petri  Danielis 
Aurelii  1560,  jetzt  dem  Miscellanband  der  Leydener  Bibliothek 
Yoss.  fol.  n.  12  als  Bl.  16  —  26  und  an  26  sich  anschliessend  Bl.  15 
einverleibt.  Die  ersten  19  Seiten,  vor  denen  nichts  zu  fehlen  scheint, 
enthalten  den  Cato  maior  vollständig,  die  letzten  5  den  Anfang  von 
Macrobius  Commentar  zum  somnium  Scipionis,  welcher  abbricht  mit 
arescentihus  laureis  1,  4,  2. 

Der  Text  des  Cato  ist  gewissermassen  ein  zwiefacher,  denn  die 
Handschrift  ist  sorgfältig  von  einer  wenig  jüngeren  Hand  durch- 
corrigirt,  ohne  dass  doch  dadurch,  von  wenigen  und  unwichtigen 
Stellen  abgesehen,  die  ursprüngliche  Schrift  unlesbar  geworden  wäre. 
Indess  diese  Lesungen  zweiter  Hand  haben  im  Ganzen  genommen 
keinen  selbstständigen  Werth;  denn  die  Handschrift,  der  sie  ent- 
nommen sind,  ist  noch  vorhanden:  es  ist  keine  andere  als  jene 
Pariser  6332,  die  dem  Alter  und  wohl  auch  der  Heimath  nach  mit  der 
Leydener  gleich  steht.  Aus  diesen  also  werden  wir  nichts  Neues  lernen 
mit  Ausnahme  etwa  des  jetzt  in  der  Pariser  Handschrift  fehlenden 
Schlusses  (§  78  fg.),  wofern,  worüber  ich  nicht  entscheiden  will,  unser 
Corrector  die  Pariser  Handschrift  vollständiger  gehabt  und  nicht 
hier  einen  andern  Text  benutzt  hat.  Der  eigentliche  Werth  der 
Handschrift  liegt  in  dem  Text  der  ersten  Hand;  dieser  ist  eine 
freilich  nicht  sehr  sorgfältig,   aber  unbefangen  gemachte  Abschrift 

*)  [Monatsberichte  der  Berliner  Akad.  1863  S.  10—21.  Die  Beschreibung 
dieser  Hs.,  die  seitdem  in  der  Kritik  dieser  Schrift  Ciceros  eine  wichtige  Stellung 
erhalten  hat,  ist  hier  wegen  des  sonst  nirgends  so  genau  zu  findenden  Details 
aufgenommen,  dagegen  die  aus  ihr  von  Mommsen  notierten  Lesarten  (sowie 
einige  weniger  wichtige  Bemerkungen  M.'s  dazu)  nicht  wieder  abgedruckt 
worden,  da  sie,  soweit  sie  von  Bedeutung  sind,  in  den  seitherigen  Ausgaben 
Platz  gefunden  haben.] 


über  eine  Leydener  Handschrift  von  Ciceros  Cato  maior.  7 

eines  verlorenen  Codex,  der,  wenn  er  noch  vorhanden  wäre,  ver- 
muthlich  unseren  ganzen  übrigen  Apparat  entbehrlich  machen  würde.  1 1 
Am  nächsten  verwandt  ist  der  Leydener  Text  erster  Hand  mit  dem 
der  genannten  Pariser  Handschrift;  an  zahlreichen  Stellen  haben 
diese  beiden  allein  die  echte  Uberliefemng  erhalten  gegenüber  allen 
übrigen,  die  man  insofern  als  interpolirte  Familie  zusammenfassen 
kann.  Aber  dennoch  sind  diese  beiden  Texte  unter  sich  wieder 
sehr  wesentlich  verschieden  und  zwar  in  der  Art,  dass  beide  wohl 
auf  ein  gemeinschaftHches  von  Verderbnissen ,  Interpolationen  imd 
besonders  von  Glossen  schon  nicht  ganz  freies  Original  zurückgehen, 
aber  beide  dies  selbstständig  wiedergeben  und  das  Richtige  bald 
dort,  bald  hier  bewahrt  ist.  Im  Ganzen  scheint  P  sorgfältiger  als 
L  geschrieben,  aber  häufiger  interpolirt  zu  sein.  In  der  Leydener 
Handschrift  begegnen  ausser  einer  sehr  (besonders  im  Wechsel  von 
€  und  i)  verwilderten  Orthographie  eine  Menge  kleiner  Fehler,  die 
grossentheils  herrühren  aus  der  Schwierigkeit  in  der  Vorlage  a  und 
u,  r  und  s  zu  unterscheiden  und  aus  der  Ungewandtheit  des  Schreibers 
in  der  Auflösung  der  in  der  classischen  Zeit  gangbaren  Abkürzungen: 
so  wird  der  Vorname  Publius  p.  sehr  häufig  wiedergegeben  durch 
pre,  so  ist  cos.  verdorben  in  quos,  e  sen(atu)  in  esse  u.  dgl.  m.  Auch 
kleinere  Auslassungen,  wie  sie  bei  mangelnder  Wortabtheilung  der 
Vorlage  so  leicht  entstehen,  finden  sich  in  ziemlicher  Anzahl.  Hie 
und  da  ist  auch  wohl  ein  Wort  eingeschoben,  so  p.  586,  23  (der 
Halmschen  Ausgabe)  ut  vor  multo,  592,  11  Ennü  vor  idem,  594,  24 
quidem  vor  tum,  596,  J5  aut  vor  audierim  u.  a.  m.;  aber  diese 
Interpolation  hält  sich  doch  in  weit  bescheideneren  Grenzen  als 
dies  in  P  der  Fall  ist,  wo  z.  B.  591,  1  aus  Naeuii  poetae  ludo  ge- 
macht ist  Saevü  posteriore  libro.  Die  Zahl  der  SteDen,  an  denen 
L  gegen  P  das  Richtige  bewahrt  hat,  ist  sehr  gross  und  nicht  ganz 
klein  diejenige,  an  denen  L  allein  unter  allen  Handschriften,  zum 
Theil  übereinstimmend  mit  den  Citaten  der  Grammatiker,  den  ur- 
sprünglichen Text  darbietet.  Auch  haben  schon  die  Philologen  des 
zehnten  Jahrhunderts  erkannt,  dass  die  beiden  Texte  L  und  P  von 
einander  unabhängig  sind  und  sich  gegenseitig  berichtigen:  denn 
nicht  bloss  ist,  wie  schon  gesagt  ward,  L  nach  P  durchcorrigirt, 
sondern  auch  umgekehrt  P  nach  L.  Die  Correcturen  und  Varianten 
der  zweiten  Hand  in  P  gehen  wenigstens  dem  grössten  Theil  nach 
bestimmt  zurück  auf  L:  so  stehen  zum  Beispiel  gleich  in  den  12 
Anfangsversen  des  Ennius  die  Lesungen  letiauero  und  et  quid  erit 
praemii,  die  in  P  am  Rande  stehen,  ebenso  in  L  und  die  erstere 
in  keiner  anderen  mir  bekannten  Handschrift. 


g  über  eine  Leydener  Handschrift  von  Ciceros  Cato  maior. 

Yon  dieser  kritischen  Operation,  welche  wir  in  den  Hand- 
schriften des  zehnten  Jahrhunderts  ausgeführt  finden,  ist  das  Ergebniss 
der  Text,  welchen  die  jüngeren  Handschriften  vom  eilften  Jahr- 
hundert an  aufzeigen,  Offenbar  sind  sie  alle  geflossen  aus  Hand- 
schriften ähnlicher  Art  wie  L  und  P,  in  denen  die  beiden  alten 
Familien  mit  einander  collationirt  waren.  Die  Erfurter  und  die 
Rheinauer  Handschrift  (ER)  schliessen  sich  enger  an  i,  die  drei 
Münchener  (BIS)  enger  an  P  an;  aber  es  sind  sämmtlich  conta- 
minirte  Texte,  die  nach  Gutdünken  und  oft  nicht  ohne  Verstand 
der  einen  oder  der  anderen  Lesung  folgen,  auch  nicht  selten  beide 
neben  einander  in  den  Text  setzen  oder  selbstständig  den  Text 
emendiren.  Unmittelbar  aus  L  und  P  stammen  sie  indess  nicht; 
namentlich  kann  die  Erfurter  Handschrift,  so  vielfach  sie  mit  der 
Leydener  stimmt,  doch  nicht  aus  dieser  abgeschrieben  sein,  sondern 
nur  aus  einer  von  demselben  Original  copirten  und  in  gleicher  Weise 
durchcorrigirten ,  hie  und  da  auch  besseren  Schwesterhandschrift. 
Ein  sicherer  Beweis  dafür  ist,  dass  599,  25  tarnen,  das  in  P  und  den 
davon  abhängigen  Handschriften  fehlt,  aber  als  bei  Nonius  stehend 
unzweifelhaft  echt  ist,  sich  in  Eli  findet,  während  in  Z^  die  Worte 
qui  in  prima  —  tarnen  etiam  ausgefallen  und  von  der  zweiten  Hand 
aus  P,  also  ohne  tarnen  ergänzt  sind.  Danach  möchte  auch  605,  26 
est  tarn,  das  ER  und  Nonius  haben,  während  P  und  L  etiam,  BIS 
beides  vereinigend  est  etiam  tarn  lesen,  nicht  Conjectur,  sondern  alte 
Überlieferung  sein.  Aber  Fälle  dieser  Art,  wo  die  ursprüngliche 
Lesung  in  L  und  P  nicht ,  sondern  nur  in  der  geringeren  Familie 
sich  vorfindet  und  doch  nicht  füglich  Conjectur  sein  kann,  sind  sehr 
selten  und  werden,  wo  nicht  Grammatikerzeugnisse  hinzutreten,  auch 
nicht  leicht  zur  Evidenz  gebracht  werden  können.  Im  Ganzen  werden 
in  Zukunft,  wenn  nicht  etwa  noch  bessere  Hülfsmittel  auftauchen 
sollten,  für  den  Text  des  Cato  lediglich  L^  und  P^  in  der  Art 
massgebend  sein,  dass  zwischen  ihnen  selbst  die  Wahl  frei  bleibt. 
Das  Hinzutreten  der  übrigen  geringeren  Handschriften  zu  der  einen 
oder  der  anderen  Lesung  verstärkt  deren  Autorität  nicht:  in  der 
13  Regel  sind  jene  selbst  getheilt  und  auch  wo  sie  es  nicht  sind,  stimmen 
sie  gar  nicht  selten,  wie  das  bei  contaminirten  Texten  begreiflich 
ist,  nicht  mit  der  richtigen,  sondern  nur  mit  der  leichteren  Lesung. 
So  hat  601,  2  acini  vinaceo  ausser  Nonius  nur  P,  L  und  alle  übrigen 
acino;  594,  28  parci  aetatis,  was  mit  dem  richtigen  ^;ar^i'  aetatis  des 
Nonius  zusammenfällt,  nur  L^,  P  und  alle  übrigen  die  interpolirte 
Lesung  parcitatis. 


III. 

De  Laelii  Ciceroniani  codice  Didotiano 
narratio  Theodor!  Mommseni.*) 

Firminus  Didot  Parisinus,    qui  cum  aliis  nominibus  egregie  de  594 
artibus   liberalibus    meruit    tum  parata    sibi  bibliotheca    non   minus 
splendida  quam   utili,   inter  alios   quos    inde  protulit   codicem  mihi 
exhibuit,  quem  ex  subnotatione  saec.  XY  scripta  ('iste  liber  est  ecdie 
Comtan')  apparuit  olim  fuisse  Constantiae  itaque  descendere  omnino 
ex    ditissimo   librorum  thesauro   Scotorum    ordinis   S.  Benedicti   qui 
Sangallense    et    Augiense    aliaque    per    Alamanniam    monasteria    a 
saeculo  inde  YII  fundavenint.    Codex  de  quo  agimus  membranaceus 
est    formae    quartanae ,    quaternionum    opinor    sex,    quorum    tarnen 
numerus  non  notatus  est  nisi  f.  29  in  extremo  quarto  (ml  =  q  =  ml), 
foliorum  vero  43;    scilicet  primi  quatemionis  primum  folium,    item 
extremi    folia   aliquot   perierunt,    praeterea    ex    quarto    quatemione 
desiderantur  folia  secundum   (inter  f.  24  et  25)   et  septimum   (inter 
f.  2S.   29).     Scriptus   est  liber   saeculo   decinio  vel   fortasse  exeimte 
nono.      Continentur   eo   f.   1 — 32  r.      Ciceronis   Laelius    inscriptione 
antiqua  nulla,  subscriptione  hac :  expUcit  liber  tiiUü  et  f.  32  v. — 43  r. 
'sententiae  Senece  phylosopM.    In  eadem  pagina  extrema  manu  eadem, 
sed  postea  ut  videtur  adiecta  leguntur  haec: 
'Incipiunt  versi 
O  mortalis  homo  mortis  reminiacere  casus 
Nil  pecude  distas  tantum  si  prospere  (sie)  captas'. 
Yersa  item  scripta  est  versibus  sententiisve ,  sed  ita  detrita  ut  nisi 
remedio    aliquo   adhibito    legi    nequeat.       Sententias    Senecae    quae 
dicuntur  descripsi;   dispositae   sunt  secundum    primas    litteras  et  re  595 
ipsa  bipertitae,  nam  prior  pars  ad  f.  3S  v. :  nondum  felix  es  si  nondum 
te  turha  deridet  (v.  531  Ribb.)  pertinet  ad  corpus  sententiarum  hodie 

*)  [Rhein.  Mus.  18,  1863,  S.  594  —  597.1 


10     De  Laelii  Ciceroniani  codice  Didotiaao  narratio  Theodor!  MommsenL 

notum  8ub  nomine  Syri,  posterior,  quae  incipit  sie:  Nam  etsi  nullos 
inimicos  tibi  faciat  iniuria,  muUos  tarnen  facit  invidia  constat  sententiis 
pedestri  oratione  conceptis  iisque  vulgaribus  et  magna  ex  parte 
argumenti  Christiani,  quibus  librarius  aliquis  corpus  illud  quod  im- 
perfectum  accepit  videtur  explevisse.  Sententias  illas  mea  causa 
examinavit  Hauptius  neque  quidquam  in  iis  contineri  docuit,  quod 
ad  corpus  quod  habemus  vel  augendum  vel  emendandum  magnopere 
pertineret;  itaque  missas  feci.*)  Contra  in  Laelio  libros  quos  prae- 
terea  accurate  novimus  vincit  opinor  omnes  Parisinus  cum  aetate 
(nam  inter  eos  quibus  usus  est  in  nova  editione  Halmius  unus  Gudi- 
anus  ad  saec.  X  ascendit)  tum  bonitate,  id  quod  vel  unus  locus  615,  4 
extra  dubium  ponit.  Nam  cum  ibi  sit  in  codicibus  D  E  G  sed  nee 
comparantur  cato  in  (catoni  D  E^,  in  codd.  BSV  sed  hi  quidem  nee 
catoni  comparantur,  veram  neque  interpolatam  lectionem  sed  hi  in 
pueris,  Cato  in  dudum  protulit  Carolus  Langius  ex  lacobi  Susii 
libro,  ad  quam  iam  lectio  libri  Parisini  sed  Jii  iniueris  cato  in  tam 
prope  acccdit,  ut  hunc  librum  aut  gemellum  esse  Susiani  necesse  sit 
aut  eum  ipsum.  Item  622,  18  quod  hodie  legitur  ex  coniectura 
Turnebi  vel  uxoriae  condicionis  id  ipsum  fere,  scilicet  vel  luxoriae, 
legitur  in  codice  hoc,  cum  in  reliquis  sit  vel  luxuriae.  Haud  scio 
an  etiam  comma  quod  est  627,  23  sperni  ...  24  novis  male  adiunctum 
praecedentibus  nee  fortasse  satis  aptum  delendum  sit,  cum  desit  in 
solo  libro  Parisino.  Idem  confirmant  reliquae  lectiones  pauca  quidem 
offerentes  aliunde  plane  ignota  et  nova,  sed  omnes  ita  comparatae, 
ut  Parisinum  librum  quamquam  non  exemptum  mendis  sibi  propriis, 
tamen  in  summa  re  reliquis  omnibus  praestare  appareat,  Proxime 
autem  ad  eum  accedunt  ex  Halmianis  Vindobonensis  3115  (B),  qui 
nonnunquam  vel  in  peculiaribus  erroribus  cum  Parisino  consentit,  et 
Erfurtensis  (E);  paulo  longius  absunt  reliqui  Gudianus  (G),  Bene- 
dictoburanus  (B)^  Salisburgensis  (S),  Vindobonensis  275  (V).  Propter 
596  hanc  libri  praestantiam,  cum  praesertim  extet  in  bibliotheca  privata, 
visum  est  hoc  loco  ad  editionem  Halmianam  a.  1862  edere  variam 
lectionem  omnem,  ut  excepi  ego,  confirmavit  quibusdam  locis  gener 
Didoti  vetus  mihi  familiaris  Noel  des  Vergers.  De  orthographicis 
autem  potiora  hie  summatim  adnotabo. 

Orthographia  libri  in  Universum  proba  est,  cuius  generis  scrip- 
turas  praeter  eas,  in  quibus  codex  cum  editione  consentit  (ut  sunt 
adulescens,  intellegere,  neglegere  aliaque  complura)  adnotabo  paucas. 
Vocabula  quae  semiplena  scribi  solent  vel  adeo  debent,  ut  prae- 
nomina,  cos.,  pr.  (637,  25),   tr.  pl,  rei  p.,  p.  R.,  plerumque  adsunt 

*)  [Auch  W.  Meyer  in  seiner  Ausgabe  der  sententiae  des  Syrus ,  Leipzig 
1880,  ignoriert  diese  Hs.] 


De  Laelii  Ciceroniani  codice  Didotiano  narratio  Theodori  Mommseni.      H 

compendiata.  Non  semper  sed  saepissime  reperitur  maxumus,  proxu- 
mus,  optumus,  amicissumi  (614,  25),  hibklo,  existuniare;  raro  i  simplex 
pro  duplici  (socis  616,  2;  riitili  639,  8^,  unde  etiam  in  vocativo  saepe 
pro  i  legitur  ii;  semel  Fili  (620,  8),  pro  Philo;  semper  henivolentia, 
valitudo,  repperire,  item  pernitiosus  (634,  1 7.  637,  33),  quod  notandum 
cum  c  ei  t  rarissime  permutentur  (adnotavi  tantum  divicias  618,  14; 
inicio  620,  20;  conditionis  622,  18).  In  assimilatione  admittenda 
vel  reicienda  über  non  sibi  constat,  ut  tamen  saepius  praetereatur ; 
adnotavi  inlustris,  inpendere,  inpröbus  (contra  implerisque  616,  12), 
cmüegium,  conlatus,  conrohoratus,  adpetere,  adgnoscere,  ecferre  (619,  27), 
exflorescere  (639,  2).  Ybi  fluctuat  usus  inter  c  et  qu,  plerumque  illud 
scribitur,  sed  loquutus  est  613,  32  corruptelaeque  vocabuli  cum  inter- 
dum  (615,  34.  617,  8.  619,  8)  indigitant  scripturam  archetypi  quum 
sive  qtiom.  In  vocabulis  syUabisve  extremis  permutantur  &  et  p 
(suptüius  614,  15;  reahse  623,  24;,  d  et  t  (ad  623,  4;  quod  619,  17. 
18.  19.  629,  17;  capiid^2ö,  13.  629,  10;  inquid  613,  16;  laut  618, 13). 
Inter  meros  soloecismos  longe  frequentissimum  est  ae  pro  e,  sie  in 
adverbiis  heafae,  benivolae,  eaquae,  maximde,  item  in  quaerella,  cae- 
perunt,  caeteri,  interpraetari,  laevitas,  paenuria,  praecari,  praetiosus, 
quaeant,  quaeri,  repraehendere ,  saeveritas,  adeoque  in  benivolaentia 
(619,  15)  et  in  consulaere  (626,  25);  simile  est  coeperit  (620,  11). 
Error  contrarius  e  pro  ae  ut  originis  recentioris  ita  in  hoc  codice 
longe  rarior  est  neque  adnotavi  commissum  nisi  sexies  cause,  humane,  597 
fhature,  vestre,  Grecia,  merere  (616,  22).  Praeterea  haec  adnotavi: 
hemiciclio,  archita  —  ßo  pro  Philo  (631,  12)  —  aceruius  (628,  10) 
—  contempnunt  (635,  9)  — hutilitas  (636,  1);  ospitis  (619,  27);  pyrro 
(621,  3)  —  magestas  (637, 17)  —  suppellex  (627,  27) ;  inbecüus  (619, 12), 
oportunus  (618,  32)  —  coniunta  616,  31)  —  diliciis  (627,  3)  —  poene 
pro  paene  (634,  5).  Haec  etsi  plena  esse  non  spondeo,  tamen  suffi- 
cient  ad  indolem  codicis  orthographicam  recte  repraesentandam. 
Denique  observandum  est  interlocutorum  nomina  ubi  adsunt  (nam 
desiderantur  614,  3.  23.  29.  617,  5.  10.  620,  6.  9.  10.  12.  622,  6)  in 
margine  scripta  esse,  primam  autem  paginam  (ad  p.  613,  8  utebare) 
situ  et  usu  ita  detritam  esse,  ut  aegre  legatur.  In  edenda  varia 
lectione  libri  Parisini  fP)  ubi  visum  est  notitiae  causa  aut  de  cete- 
rorum  librorum  omnium  (C)  aut  de  certorum  quorundam  lectione 
admonere,  signa  retinui  Hahniana ;  nota  o  distinguit  mendas  quasdam 
inutiles  libro  Parisino  proprias.*) 

*)  [Es  folgen  auf  S.  597—601  die  Lesarten  der  Hs.,  die  in  die  neueren  Aus- 
gaben aufgenommen  worden  sind,  hier  daher  nicht  abgedruckt  werden  bis  auf 
zwei,  zu  denen  Mommsen  ausfuhrlichere  Bemerkungen  gemacht  hat.] 


12     De  Laelii  Ciceroniani  codice  Didotiano  narratio  Theodor!  Mommseni. 

598  623,  1  [11,  36]  hecilUnum.    Cassii  cognomen  praeter  hunc  locum 

non  invenitur  nisi  apud  Dionysium  5,  49  [,  1]  ubi  quod  in  codd. 
proditum  est  OYCKEAINOC,  probabiliter  OYEKEAINOC  inter- 
pretabimur;  apud  Chronographum  a.  354,  apud  quem  est  VigelUnus 
sive  BigelUnus  et  in  fastis  Idatianis  Siculisque,  ubi  in  melioribus 
exemplis  est  Vitellinus,  in  deterioribus  quibusdam  Viscellinus  similesve 
corruptelae.  Vide  C.  I.  L.  I  p.  486.  488  ad  a.  252.  261.  266.  268. 
Quare  VisceUini  nomen  omnino  abiciendum  restituendumque  Vecellini. 
[Vgl.  Rom.  Forsch.  I  107,  82.  II  153,  2.] 

601  637,  21  [25,  96]  coaptatio  PC;   etiam  in  lege  lulia   municipali 

(C.  I.  L.  I  p.  121)  V.  86  est  coaptato  (cf.  v.  106  coptato).  Cum  o 
geminatam  antiqua  lingua  non  admitteret,  fortasse  pro  ea  substituerunt 
modo  0,  modo  oa,  ut  pro  uu  scribitur  modo  u,  modo  ou.*) 


*)  [Vgl.  coptamus  C.  I.  L.  I,  532,  coptaverunt  VIII,  68.] 


IV. 

üeber  eine  Blätterversetzung  im  zweiten  Buch  der 
Briefe  Ciceros  ad  Quintum  fratrem.*) 

Im  zweiten  Buche  der  Briefe  Cicero 's  an  seinen  Bruder  herrscht  593 
schon  seit  alten  Zeiten  die  grösste  Yerwiming,  welche  Jedem, 
welcher  Cicero's  Werke  für  antiquarische  oder  historische  Zwecke 
benutzen  will,  die  grössten  Schwierigkeiten  in  den  Weg  legt.  Die 
Frage  nach  der  Zeitfolge  ist  hierbei  eine  Vorfrage,  die  nicht  ab- 
gewiesen werden  kann,  und  wie  Drumann  im  Laufe  seiner  aus- 
gezeichneten Untersuchungen  vielfaltige  falsche  und  vage  Zeit- 
bestimmungen hat  berichtigen  müssen,  so  wird  es  Jedem  ergehen, 
der  sich  ernstlich  mit  diesen  ebenso  anziehenden  als  schwierigen 
Sammlungen  beschäftigt.  Für  die  Zeitfolge  ist  aber  die  Stellung 
der  Briefe  von  der  grössten  Bedeutung,  so  dass  wir,  auch  abgesehen 
von  dem  rein  philologischen  Interesse  der  Untersuchung,  keine  über- 
flüssige Arbeit  unternehmen  werden,  wenn  wir  die  ursprüngliche 
Reihenfolge  einiger  Episteln  in  dieser  Sammlung  nachweisen. 

Es  ist  anerkannt,  dass  die  beste  Hdschr.  der  Briefe  ad  Quintum 
fiatrem  der  codex  Mediceus  (plut.  XLIX  cod.  18)  ist.  Blicken  wir 
einmal  vorläufig  nur  auf  diesen  (die  Gründe,  warum  wir  von  den 
übrigen  noch   abstrahiren,   werden  sich   später  ergeben):   so  stösst 


*)  [Zeitschrift  für  die  Altertumswissenschaft,  hrg.  von  Bergk  und  Caesar 
2,  1844,  Nr.  75.  76  Sp.  593—605.  Die  notwendige  Korrektur  einer  Einzelheit 
hat  Mommsen  selbst  in  dem  ersten  Teile  der  folgenden  Abhandlung  vorgenommen; 
es  schien  aber  wünschenswert,  die  erste  und  zweite  Fassung  hintereinander 
abzudrucken,  da  es  nur  um  so  bewunderungswürdiger  ist,  wie  Mommsen  trotz  der 
falschen  Angaben  Orellis  das  Richtige  gleich  in  der  ersten  Abhandlung  erkannt 
h£.t.  Der  hier  geführte  Nachweis  ist,  wie  die  meisten  Einzelemendationen,  seit- 
dem Gemeingut  aller  Ausgaben  Ciceros  geworden;  wichtige  Nachträge  und 
B(!richtigungen  von  Einzelheiten  gab  W.  Stemkopf,  Untersuchungen  zu  den 
Biiefen  Ciceros  ad  Quintum  fratrem,  im  Hermes  39,  1904,  S.  383  ff.] 


14  Blätterversetzung  im  zweiten  Buch  der  Briefe  Ciceros  ad  Quintum  fratrem, 

man  gleich  im  ersten  Briefe  des  zweiten  Buches  an.  Wir  ersuchen 
die  Leser  hier  die  angefügte  Tafel  vor  sich  zu  nehmen;  wenn  sie 
die  dort  bezeichneten  fünf  Abschnitte  nach  der  in  der  zweiten 
Colonne  angegebenen  Ordnung  disponiren,  so  dass  also  z.  B.  die 
Worte;  aperte  pecunias  unmittelbar  auf  inteUegere.  Dixit  folgen,  so 
werden  sie  eine  genaue  Darstellung  der  Beschaffenheit  des  cod.  Med. 
in  den  ersten  neun  Briefen  dieses  Buches  vor  sich  haben,  wie  die- 
selbe von  Orelli  in  der  Gesammtausgabe  III,  1  p.  432.  438 — 440 
nach  del  Furia's  Collation  angegeben  ist.  Auf  den  ersten  Blick 
zeigt  es  sich  nun,  dass  die  Worte  aperte  pecunias  sq.  nicht  die 
Fortsetzung  der  vorigen  sind,  dass  vielmehr  diese  erst  mit  den  Worten 
Milo.  Coepit  demittere  fortgehen^.  Dadurch  wird  das  Stück  von 
aperte  pecunias  bis  superioris  ipsius  herausgelöst ;  wo  es  einzuschieben 
594  ist,  bleibt  nicht  lange  zweifelhaft,  indem  der  Cod.  bald  nachher  in 
den  Worten  creditores  vero  regis  copiis  sed  magna  eine  Lücke  an- 
deutet, in  welche  das  lose  Stück  aperte  pecunias  —  superiores  ipsius 
nach  beiden  Seiten  hin  vollkommen  hineinpasst;  so  dass  also  die 
richtige  Ordnung  ist  creditores  vero  regis  aperte  pecunias superio- 
res ipsius  copiis.  Sed  magna.  Wir  haben  hier  also  eine  offenbare 
Versetzung  zweier  Abschnitte  der  Handschrift: 

II.  Milo.  Coepit  —  Creditores  vero  regis 
I.  aperte  pecunias  —  superiores  ipsius, 
die  alsdann  wieder  in  richtiger  Ordnung  fortgeht.  Dies  ist  auch 
längst  bemerkt,  und  sei  es  nun  durch  Conjectur  sei  es  durch  Ver- 
gleichung  anderer  Handschriften  ^  die  richtige  Ordnung  in  die  Aus- 
gaben übergegangen.  Allein  auch  die  nun  folgenden  Briefe  sind  in 
der  Handschrift  keineswegs  richtig  geordnet.  In  dem  Briefe  PLA- 
CITYRUM.  TIBI,  wie  er  im  Med.  und  danach  bei  Orelli  a.  a.  O. 
S.  439  steht,  ist  im  Anfang  von  dem  Consul  Crassus  (55  a.  Chr.), 
dann  vom  Consul  Lentulus  (56  a.  Chr.)  die  Eede;  zwei  Briefe  aus 
demselben  zu  machen,  würde  wenig  helfen,  weil  der  jüngere  Brief 
doch  voranstehen  würde.  Ueberdies  fehlt  es  an  einem  geeigneten 
Anfangspunct.     Wie  andere  mit  diesem  natürlich  längst  bemerkten 

1)  Ich  lese  Milo  mit  dem  cod.,  da  die  Worte  sententias  se  rogaturum  negavit 

quid  senatus  sentiret,  se  inteUegere.    Bixit  Milo.    Coepit  dimittere  (sc.  Lupus), 

wenn  man  sie  nur  gehörig  interpungirt,  einen  guten  und  richtigen  Sinn  geben. 
Die  Conjectur  intellegere  dixit.  In  illo  coepit,  die  man  jetzt  im  Text  hat,  ist 
also  nicht  nöthig,  obwohl  sie  sehr  elegant  ist.  [Dies  ist  von  Stemkopf  a.  a.  0. 
S.  388fF.  berichtigt  worden.] 

2)  Der  cod.  Regius  hat  die  richtige  Ordnung,  während  der  cod.  Bessarionis 
sich,  wenn  Orelli  1.  c.  p.  434  genau  spricht,  dem  Med.  anschliesst. 


Blätterversetzung  im  zweiten  Buch  der  Briefe  Ciceros  ad  Quintum  fratrem.  1 5 

Fehler  verfahren  sind,  davon  nachher;  uns  fiel  es  auf,  dass  Niemand 
auf  die  Idee  gekommen  war,  ob  hier  nicht  eine  ähnliche  Blatt- 
versetzung zum  Grunde  liegen  sollte,  wie  sie  die  epp.  1 — 3  früher 
verunstaltete.  Dass  nämlich  die  in  diesen  eben  bemerkte  Verwirrung 
auf  einer  Blattversetzung  im  archetjpon  des  Mediceus  beruht,  folgt 
mit  Sicherheit  aus  der  gleichen  Länge  der  beiden  versetzten  Ab- 
schnitte; jeder  hält  etwa  56  Zeilen  in  der  Orellischen  Ausgabe. 
Nun  ist  es  doch  in  der  That  sehr  leicht  möglich,  dass  diese  Blatt- 
versetzung sich  nicht  auf  jene  Blätter  beschränkte,  sondern  auch 
andere  Blätter  der  fraglichen  Lage  des  Urcodex  betraf.  Möglichkeit 
ist  nicht  Gewissheit;  allein  die'  doppelte  Yer^s-irrung  ist  da,  die 
Ursache  der  einen  klar,  und  so  hat  es  wenigstens  einige  "Wahrschein- 
Uchkeit,  wenn  wir  auch  das  zweite  Yerfahren  aus  einer  theilweise 
schon  bekannten  Veranlassung  ableiten.  Zwar  mit  der  ganz  ein- 
fachen Annahme,  dass  zwei  Bogen  umgestellt  und  dadurch  die 
Ordnung  der  Blätter  1.  2.  3.  4  in  2.  1,  4.  3  umgewandelt  sei,  von 
denen  die  ersten  beiden  die  schon  bekannte,  die  letzten  die  von 
uns  nachzuweisende  Versetzung  enthielten  —  mit  dieser  Annahme,  595 
sage  ich,  reichen  wir  nicht  aus,*)  indem  zwischen  den  beiden  ver- 
wirrten Abschnitten  ein  richtig  geordneter  liegt,  der  sich  an  das 
Ende  des  ersten  superiores  ipsius  mit  den  Worten  copiis.  Sed  mag^ia 
e^'ident  anschliesst.  Allein  die  Annahme  ist  sehr  wohl  möglich» 
dass  der  innere  Theil  der  Lage  in  seiner  ursprünglichen  Ordnung 
bheb,  während  die  äusseren  Blätter  verlegt  wurden.  Ob  dieselbe 
Realität  habe,  ist  nun  zu  untersuchen  und  zunächst  zu  ermitteln,  wo 
die  Grenzpuncte  der  Versetzung  nach  inneren  Gründen  sein  können. 

Es  ist  schon  bemerkt,  dass  von  dem  Briefe  PLACITVRVM  ein 
Theil  dem  Jahr  56,  ein  anderer  dem  Jahr  55  angehört,  so  dass  der 
ältere,  der  vom  Jahr  56,  den  Schluss  macht.  Bis  zu  den  Worten 
ad  nostrum  lovem  revertamur  ist  nun  ebenso  offenbar  von  den  Er- 
eignissen des  J.  55  die  Rede,  als  das  folgende  von  'AfxcpiXacpiav  aiitem 
illam  bis  zum  Ende  dem  J.  56  angehört;  für  die  letzte  Behauptung 
mag  vorläufig  nur  der  gleich  zu  Anfang  erwähnte  Hausbau  Cicero's 
angeführt  werden,  der  bekanntlich  ins  J.  56  fällt  (Drumann  11,  332 
Anm.  75).  In  den  nach  dem  Cod.  Med.  nun  folgenden  Brief 
DEDERAM  sind  in  der  Gestalt,  wie  dieser  codex  ihn  darbietet, 
ebenfalls  Bestandtheile  der  J.  56    und  55  gemengt,  nur  dass  hier 

Ereignisse  des  J.  56  voranstehen.    Die  Verhandlungen  über  den 

*)  [Grade  diese  Annahme  stellte   sich    hinterher   als   die  richtige  heraus, 
S.29.] 


16  Blätterversetzung  im  zweiten  Buch  der  Briefe  Ciceros  ad  Quintum  fratrem. 

Getreidekauf  (Drumann  IV,  513)  und  den  ager  Campanus  (Drum.  II, 
322)  gehören  ins  J.  56,  während  das  SCtum  de  ambitu  vom  11.  Febr. 
(nicht  Mai:  Drumann  III,  279,  not.  39)  55  ist.  Zwar  hat  Tunstall 
(bei  Orelli  a.  a.  O.  S.  434)  dasselbe  in  56  gesetzt  und  darum  diesen 
letzten  Theil  des  Briefes  DEDERAM  mit  beispielloser  Willkür  in 
den  dritten  Brief  SCRIPSI.  AD.  TE  an  irgend  einer  beliebigen 
Stelle  eingerückt,  indem  ja  beide  Briefe  vom  Februar  sind  (!).  Allein 
der  Vorschlag,  dass  die  Prätoren  60  Tage  im  Privatstande  bleiben 
sollen,  zeigt,  dass  eine  sehr  bedeutende  Verspätung  der  Comitien 
stattgefunden  hatte,  was  nicht  im  Febr.  56,  wohl  aber  im  Febr.  55 
der  Fall  war^.  Auch  sind  die  hierbei  erwähnten  Consuln  offenbar 
nicht  die  optimatischen  des  J.  56,  sondern  in  Opposition  mit  dem 
Senat.  Genau  sind  freilich  in  diesem  Briefe  die  den  beiden  Jahren 
angehörenden  Ereignisse  nicht  zu  scheiden,  da  die  dazwischen  er- 
wähnte Ausstossung  des  Furius  Flaccus  aus  dem  capitolinischen 
Collegium  eben  so  wohl  dem  einen  als  dem  anderen  Jahre  angehören 
kann.  Allein  so  viel  ist  klar,  dass  hier  der  Schluss  eines  Briefes 
und  der  Anfang  eines  andern,  die  beide  dem  Jahre  56  angehören, 
zwischen  die  Briefe  des  Jahres  55  gekommen  sind;  es  löst  sich  auch 
hier  ein  Fragment  ab,  durch  dessen  Auswerfung  die  beiden  Theile 
59(5  des  Briefes  PLACITVRVM  an  einander  treten.  Zählen  wir  die 
Zeilen  'A/A,q)da(piav  —  iacentem,  so  finden  wir  mit  Einschluss  des 
Passus  über  Furius  etwas  über  54,  wodurch  einestheils  unsere  An- 
nahme vollkommen  bestätigt,  andemtheils  die  noch  nicht  bestimmte 
Ausstossung  des  Furius  dem  Jahr  56  zugewiesen  wird. 

Weiter  ist  nun  zu  untersuchen,  wo  das  abgelöste  Fragment 
'Aju(piXa<piav  —  iacentem  seine  ursprüngliche  Stelle  hatte.  In  irgend 
einer  Stelle  zwischen  den  Worten  copiis.  Sed  magna  —  und  ad 
nostrum  lovem  revertamur  im  Med.  müssen  sie  eingeschoben  werden. 
Dieser  Abschnitt,  wie  er  im  Med.  steht,  also  auf  unserer  Tafel  Bl. 
5.  6.  9.  10  enthält  c.  106  Zeilen,  also  ungefähr  das  Doppelte  der 
von  uns  als  Einheit  bei  dieser  Blattversetzung  bemerkten  Zeilenzahl. 
Dies  passt  sehr  gut  zu  der  früher  gemachten  Bemerkung,  dass  der 
Anfang  dieses  Passus  copiis.  Sed  magna  nicht  versetzt,  sondern  an 
seiner  ursprünglichen   Stelle  geblieben  ist.     Wir   gewinnen  nun   die 

1)  Drum.  1,37.  III,  277  fg.,  der  übrigens  das  fragliche  SCtum  de  ambitu 
nicht  richtig  aufgefasst  hat.  Der  Senat  beschloss  nicht,  dass  die  Prätoren  ihr 
Amt  gleich  nach  der  Wahl  antreten  sollten,  was  sie  ohnehin  thaten,  sondern 
er  unterliess  es,  das  Gegentheil  zu  beschliessen ;  der  eigentliche  Inhalt  des 
SCtum  war  eine  blosse  Phrase,  eine  Einschärfung  der  leges  de  ambitu,  die 
Niemand  zu  halten  gedachte. 


Blätterversetzung  im  zweiten  Buch  der  Briefe  Ciceros  ad  Quintom  frairem.  17 

Möglichkeit,  nach  diesem  unversetzten  Doppelblatt  —  bei  uns 
Bl.  5.  6  —  wie  bei  der  ersten  Versetzung  zwei  Doppelblätter  folgen 
zu  lassen,  wodurch  der  für  eine  Lage  erforderhche  Parallelismus 
vollkommen  hergestellt  wird.  Ich  sage  Doppelblatt,  weil  es  jetzt 
auch  klar  ist,  dass  die  Einheit  bei  der  Versetzung  nicht  ein  einzelnes 
sondern  ein  Doppelblatt  war.  Nimmt  man  ein  einzelnes  Blatt  an, 
-0  würde  das  Versetzungsschema: 

ursprüngliche  Ordnung:  Versetzung: 

3  3 

was  dasselbe  Resultat  giebt.  aber  darum  zu  verwerfen  ist,  weil  ein 
einzelnes  Blatt  in  der  Lage  keinen  Platz  finden  kann.  Bei  Doppel- 
blättem  ist  dagegen  das  Schema: 

urspr.  Ordnung:  Versetzung: 

3^8  1  ^  10 

wobei  Alles  in  Ordnung  ist.  Es  ist  auch  keine  unwahrscheinliche 
Annahme,  dass  in  den  altem  weitläufig  und  luxuriös  geschriebenen 
Codices  auf  vier  Seiten  nur  etwa  56  Orellische  Zeilen  gestanden 
hätten:  man  vergleiche  nur  z.  B.  den  rescriptus  der  Ciceronischen 
Republik.  —  Wir  haben  also  einen  quinio  vor  uns,  dessen  dritter 
und  vierter  Bogen  durch  irgend  einen  Zufall  vor  den  ersten  imd 
zweiten  geriethen,  wodurch  denn  natürlich  an  zwei  Stellen  Versetzungen 
itstanden,  während  das  mittlere  fünfte  Blatt  seine  Stelle  behielt. 

Es  bleibt  noch  übrig,  genau  die  Stelle  zu  ermitteln,  wo  das 
äe  Doppelblatt  'AucfiXatfiav  —  iacentem  einzuschalten  ist,  indem 
dem  Bisherigen  nur  noch  hervorgeht,  dass  dasselbe  etwa  in  der 
[itte  zwischen  copiis.  Sed  magna  und  lovem  revertamur  zu  stehen 
)mmt.  Zählen  wir  von  lovem  revertamur  56  Zeilen  zurück,  so 
^ommen  wir  auf  folgende  Stelle:  Dies   erant  duo,  qui  post  Latirms 

}entur  religiosi;  cetero  confectum  erat  Latiar  erat  exiturus  a.  d.  597 
Till.  Id.  Apr.  sponscdia  CrassijJedi  praehui,  die  augenscheinlich 
>rrupt  ist.  Mir  scheint  es  sicher,  dass  das  Wort  exiturus  nicht  zu 
jr  Stelle  vom  Latiar  gehört,  worauf  es  allgemein  bezogen  wird, 
mdem  zu  der  vom  Brautschmause,  wo  es  vortrefflich  passt.  Dadurch 
fird  es  leicht,  die  Stelle   zu  restituiren:  Ceterum  (cetero  für  cetera) 


1  8  Blätterversetzung  im  zweiten  Buch  der  Briefe  Ciceros  ad  Quintum  fratrem. 

cmfedum  Latiar  erat  Exitiirus  a.  d.  VIII  Id.  Apr.  sponsalia  Crassi- 
pedi  praebui.  Nachdem  hier  die  richtige  Lesart  und  Abtheilung 
hergestellt  ist,  können  wir  die  Einschaltung  vornehmen.  Yon  Exi- 
turus  a.  d.  VIII  Id.  hängt  alles  so  zusammen,  dass  dieselbe  hier 
nicht  stattfinden  darf;  namentlich  kann  die  Unpässlichkeit  des 
Quintus  fil.  nicht  von  dem  gleich  nachher  erwähnten  Besuche  getrennt 
werden,  wo  Cicero  denselben  völlig  wohl  findet.  Dagegen  hängt 
dieser  ganze  Bericht  mit  der  Erwähnung  des  latinischen  Festes  gar 
nicht  zusammen,  während  er  sich,  wenn  man  das  Fragment  "Afxcpdacp. 

iacent.  zwischen  Latiar  erat  und  exiturus  einschaltet,  vortrefflich 

an  den  Anfang  der  Epistel  DEDERAM  als  Fortsetzung  anfügt.  In 
diesem  will  nämlich  Cicero  die  Ereignisse  vom  5.  April  an  berichten 
und  beginnt  in  gewohnter  Weise  im  wahren  Zeitungsstyl  mit  denen 
des  5.  April  selbst;  worauf  sehr  passend  die  Erwähnung  des  Braut- 
mahls vom  6.  April  folgt.  —  Zwar  kommen  auf  diese  Weise  von 
den  106  Zeilen  dieses  Abschnittes  auf  Blatt  5.  6  copüs.  Sed  magna 
—  Latiar  erat  nur  etwa  50,  dagegen  auf  Bl.  9.  10  Exiturus  —  rever- 
tamur  die  gewöhnliche  Zahl  von  56;  allein  dass  eines  der  Doppel- 
blätter des  archetypon  einmal  etwas  weitläufiger  geschrieben  war, 
ist  weniger  zu  verwundern,  als  die  im  Ganzen  in  der  That  über- 
raschende Gleichmässigkeit  der  von  uns  nachgewiesenen  Abschnitte. 
Die  also  wiederhergestellte  ursprüngliche  Reihenfolge  der  Briefe 
zeigt  unsere  Tafel,  indem  sie  zugleich  die  Doppelblätter  des  arche- 
typon darstellt.  Es  ist  nur  noch  übrig,  diese  Folge  mit  den  andern 
Ausgaben  zu  vergleichen.  Um  indess  nicht  weitläufig  zu  werden, 
beschränken  wir  uns  auf  die  Orellische.  Zuvörderst  ist  es  ein  Vor- 
zug unserer  Umstellung,  dass  sie  die  handschriftlichen  Anfangspuncte 
der  Briefe  festhält,  und  dadurch  zugleich  es  vermeidet,  Cicero  nach 
Sardinien  hin  kleine  nichtssagende  Billete  schreiben  zu  lassen.  Die 
ersten  fünf  Briefe  dieses  Buchs  (nach  unserer  Zählung)  sind  detaillirte 
Briefe  über  die  häuslichen  und  öffentlichen  Angelegenheiten,  keine 
fliegenden  Blätter,  wie  Cicero  sie  mit  Atticus  von  seinen  Landhäusern 
aus  wechselt.  Die  kurzen  Episteln,  wie  Orelli  sie  hat,  wie  ep.  4.  5. 
7,  sind  offenbar  für  diesen  Stand  der  Dinge  nicht  passend,  und  zum 
Theil  augenscheinUch  fragmentarisch,  wie  die  siebente,  die  fast  nur 
das  Datum  hat.     Bei  uns  sind   die  sechs  Briefe  IV — IX  Orell.  in 

vier  zusammengezogen:    SESTIVS  NOSTER  —  DEDERAM 

OLITERAS  -  PLACITVRVM  TIBI,  wie  sie  auch  der  Mediceus 
hat.  —  Um  ferner  auch  durch  den  sachlichen  Zusammenhang  unsere 
Umstellung  zu  befestigen,  möge  es  uns  gestattet  werden,  die  Briefe 
in  dieser  Beziehung  kurz  durchzugehen. 


ßlättervei-setzung  im  zweiten  Buch  der  Briefe  Ciceros  ad  Quintum  fratrem.  1 9 

Ep.  IV.  SESTR'S  NOSTER  vom  März  56. 

Als  Tagesneuigkeit  ^\'ird  Sestius  Freisprechung  a.  d.  II  Id.  598 
Mart.  gemeldet,  welches  Datum  nicht  mit  Orelli  in  a.  d.  V.  Id.  Mart. 
zu  verändern,  sondern  eine  andere  Schreibart  für  prid.  Id.  ist,  also 
den  14.  März.*)  Dies  ist  das  einzige  bestimmte  Datum  dieses  Briefes: 
dass  er  an  dem  hiduum  posf  Lafinas  geschrieben  ist,  hilft  uns  nicht 
weiter,  da  diese  conceptivae  waren  (Varr.  1.  1.  VI.  25).  —  Von  Privat- 
angelegenheiten berichtet  Cicero  über  den  Unterricht  von  Quintus 
Sohn:  vom  Hausbau  beider  Brüder:  von  TuUias  bevorstehender 
Verlobung  (de  nostra  Tidlia  spero  cum  Crassipede  nos  confecisse);  über 
Cicero's  ökonomische  Verlegenheit  (äfxcpikacpiav  desidero,  vgl.  Schütz 
im  Ind.  Graeco-Lat.^,  wohl  mit  einem  Seitenblick  auf  die  Summen, 
die  Marcus  an  Quintus  schuldete  (ad  Att.  IV,  3  fin.).  —  Hieran 
schliessen  sich  die  öffentlichen  Angelegenheiten.  Der  treffliche 
Consul  Lentulus  Marcellinus  hindere  den  Volkstribun  C.  Cato  seine 
im  Anf.  Febr.  (ad  Qu.  fr.  H.  3,  §  4  ad  fam.  I,  4,  1.  nicht  im  Januar, 
wie  Drumann  V,  203  hat)  promulgirten  Gesetze  über  Milo  (unbe- 
kannten Inhalts)  und  über  den  Proconsul  von  Cilicien  Lentulus 
Spinther  (dass  das  Volk  diesem  das  Imperium  nehme,  damit  er 
nicht,  wie  Cicero  ihm  rieth  ad  fam.  I,  7,  4,  aus  eigener  Machtvoll- 
kommenheit den  Ptolemaeus  wieder  nach  Aegj-pten  führe,  vgl. 
Drum,  n,  541);  ferner  die  Caesarianer  ihre  „monstra"  (unbekannten 
Inhalts)  durchzubringen,  indem  er  alle  Comitialtage  durch  Erneueiamg 
des  Latinischen  Festes  und  andere  Mittel  eximire.  Von  den  im 
Jan.  d.  J.  so  eifrig  betriebenen  Bestrebungen  des  Tribuns  L.  Cani- 
nius.  die  Zurückführung  des  Ptolemaeus  dem  Pompejus  zu  übertragen, 
sei  es  jetzt  ganz  still  (Drum.  II,  539,  Anm.  12.  der  wohl  nicht  richtig 
annimmt,  dass  das  von  Caninius  projectirte  Gesetz  ad  fam.  I.  4,  1 
auch  durch  dieses  Verfahren  des  Marcellinus  verhindert  sei).  — 
Milo  habe  C.  Cato's  Bande  gekauft  und  der  Tribun  Racilius  sie 
öffentlich  als  solche  feilbieten  lassen  (Drum.  V,  204).  Der  Brief 
berichtet  weiter  über  Pompejus  verzweifelte  Stellung,  die  ihn  bald 
zwang,  sich  Cäsar  in  die  Arme  zu  werfen  (Drum.  IV,  514):  ferner 
über  Milo's  Anklage  des  Sex.  Caelius,  was  wohl  mit  Recht  in  Sex. 
Clodius  verbessert  ist  (Drum.  II,  386).**)  —  Die  Worte  Appius  a 
Caesare  nondtim  redierat  hat  man  missverstanden.  Gemeint  ist 
Appius  Claudius  cos.  54,  der  damals  als  Proprätor  in  Sardinien  stand 


I 


*)  [,M.   habet  notam,   quae    et  II  et   F  significare  potest"    Baiter;    vgl. 
Stemkopf  a.  a.  0.  S.  407,  der  sich,  wie  auch  Tyrrell-Purser  (The  eorrespondence 
"  Cicero  II*  1906  S.  48),  für  V  entscheidet.] 
**)  [Bestätigt  von  Sternkopf  a.  a.  0.  S.  413.] 

2* 


20  BlätterversetzuDg  im  zweiten  Buch  der  Briefe  Ciceros  ad  Quintum  fratrera. 

und  von  da  aus  in  Cäsars  berühmte  Winterquartiere  zu  Luca  ge- 
gangen war,  um  sich  das  Consulat  zu  verschaffen,  welches  er  auch 
für  54  erhielt.  (Drum.  II,  188.  111,264,  der  aber  diese  Reise  des 
Appius  zu  Cäsar  mit  einer  andern  als  Consul  für  54  zusammen- 
zuwerfen scheint).  Q.  Cicero  war  damals  als  Legat  des  Pompejus, 
dem  im  Sept.  57  die  Oberaufsicht  über  die  gesammte  Zufuhr  auf 
5  Jahre  übertragen  war  (Drum.  II,  307  fg.),  mit  Getreidekäufen  eben- 
falls in  Sardinien  beschäftigt  (pro  Scauro  2,  38);  ohne  Zweifel  sind 
also  Cicero's  Worte  nicht  berichtend,  sondern  eine  Frage  an  seinen 
Bruder:  Appius  a  Caesare  nondum  redierat? ,  da  ja  Appius  nach 
Sardinien,  nicht  nach  Rom  zurückkehren  musste.*)  —  Der  Brief 
schliesst  damit,  dass  man  von  Quintus  Getreidesendungen  erwarte, 
sobald  das  Meer  wieder  offen  sei. 
599  Ep.  V  DEDERAM.  AD.  TE.  vom  12.  April  56. 

Dederam  ad  te,  beginnt  Cicero,  litteras  antea,  quibus  erat  scrip- 
tum Tulliam  nostram  Crassipedi  prid.  Non.**)  Apr.  (4.  April)  esse 
desponsam  ceteraque  de  re  publica  privataque  perscripseram.  Postea 
sunt  haec  acta.  Nonis  April,  etc.  Der  Brief,  von  dem  Cicero  hier 
spricht,  scheint  uns  zu  fehlen,  wie  ja  auch  Cicero  nicht  alle  von 
Quintus  geschriebenen  Briefe  empfing  (ep.  8  Orell.),  da  die  förmliche 
Anzeige  von  Tullia's  Verlobung  nirgends  steht,  und  auch  wie  es 
scheint,  der  Bericht  in  ep.  4  nicht  viel  über  Mitte  März  hinausreicht. 
Mit  dem  5.  April  nimmt  Cicero  seine  Erzählung  wieder  auf  und 
meldet  zunächst  die  an  diesem  Tage  im  Senat  gepflogenen  Ver- 
handlungen über  die  Getreidekäufe  des  Pompejus  (Drum.  IV,  513) 
und  über  das  Julische  Ackergesetz  (Drum.  II,  322,  Anm.  10.  IV,  514); 
dann  die  Ausstossung  des  Furius  aus  dem  CoUegium  Capitolinum. 
Hieran  schliesst  sich  der  Bericht  über  die  Privatangelegenheiten:  den 
Brautschmaus,  den  Cicero  seinem  Schwiegersohn  am  6.  April  gegeben, 
als  er  im  Begriffe  war,  Rom  zu  verlassen;  dann  am  Tage  vor  seiner 
Abreise  Besuch  bei  seinem  Neffen,  Besichtigung  des  Baues,  zu  Tische 
bei  Crassipes,  seinem  Schwiegersohn,  nach  Tische  Besuch  bei 
Pompejus.  Cenatus  in  hortos  ad  Pompeium  lectica  latus  sunt.  Lucceium 
convenire  non  potueram,  quod  abfuerat.  Videre  autem  volebam,  quod 
eram  postridie  Roma  exiturus  et  quod  ille  in  Sardiniam  Her  habebat. 
Hominem  conveni  et  ab  eo  petivi,  ut  quam  primum  te  nobis  redderet. 
Statim,  dixit.  Erat  autem  iturus,  ut  aiebat,  a.  d.  III.  Id.  Apr.  ut 
aut  Labrone  aut  Pisis  conscenderet.    Tu  mi  f rater  simul  ut  ille  venerit, 

*)  [S.  jedoch  Sternkopf  a.  a.  0.  S.  411.] 
**)  [Non.  fehlt  in  der  Hs,,  ist  aber  richtig  ergänzt:  vgl.  Sternkopf  a.  a.  0. 
S.  412  m] 


Blätterversetzung  im  zweiten  Buch  der  Briefe  Ciceros  ad  Quintum  fratrem.  21 

prhnam  navigationem  —  dnmmodo  idonea  tenipestas  sit  —  ne  omiseris. 
Diese  Stelle  scheint  verdorben;  erst  wird  Lucceius  verfehlt,  dann 
heisst  es  ohne  alle  weitere  Bemerkung:  Hominem  conreni  —  und 
was  soll  überhaupt  dieser  Lucceius?  Vergleicht  man  nun  ad  fam. 
I,  9,  8  Mnrcellino  et  Fhüiiypo  coss.  Non.  Äjn:  mihi  est  senatus  assensus, 
ut  de  agro  Campano  freqiienti  senatu  Idib.  Martiis  referretur.  — 
§  9.  Hoc  SCto  in  meatn  sententiam  facto  Fompeitis  cum  mihi  nihil 
ostendisset  se  esse  off'enstim  (nämlich  bei  der  Zusammenkunft  am  Tage 
vor  Ciceros  Abreise)  in  Sardiniam  et  in  Africam  profectus  est  eoque 
itinere  Lttcam  ad  Caesarem  venit.  Yon  da  ging  Pompejus  nach 
Sardinien  ab.  wo  er  Quintus  traf,  der  bald  nachher  nach  Italien 
zurückkehrte  (Dnimann  III,  265.  IV.  515).  Hiernach  scheint  es  mir 
klar,  dass  die  Worte  videre  autem  voleham  sq.  auf  Pompejus  gehen, 
der  ja  im  Begriffe  stand  nach  Sardinien  zu  reisen  und  dort  seinen 
Legaten  abzulösen.  Keinen  konnte  Cicero  passender  bitten,  nt  fratrem 
sibi  reddei-et.  Allein  störend  bleibt  die  Erwähnung  des  Lucceius 
immer:  wie  wäre  es,  wenn  man  für  Lucceium  schriebe  Liu^  eum? 
Wie  vortrefflich  dies  passt,  mag  der  Leser  selbst  beurtheilen:  die 
paläographische  Leichtigkeit  ('/«fj/e^tm  aus  luceium)^  kann  nicht  grösser  600 
gedacht  werden.  —  Uebrigens  sind  die  Daten  im  Medic.  offenbar 
verschrieben.  Der  Tag.  an  dem  Cicero  alle  diese  Besuche  macht, 
imd  den  er  selbst  als  den  vor  seiner  Abreise  bezeichnet,  wird  in 
demselben  angegeben  a.  d.  III.  Id.  April*)  Damit  ist  es  in  Wider- 
spruch, dass  Pompejus  an  diesem  Tage  gesagt  haben  soll,  er  werde 
a.  d.  III.  Id.  Apr.  über  Pisa  oder  Livorno  nach  Sardinien  abreisen ; 
femer  dass  Cicero  schon  a.  d.  //.**)  Id.  Aptil.  ante  Jucem  einen 
Brief  in  itinere  dictirt,  wonach  er  doch  wenigstens  schon  den  andern 
Tag  unterwegs  gewesen  sein  muss.  Mit  Bestimmtheit  emendiren 
lässt  sich  hier  nicht ;  die  einfachste  Annahme  möchte  sein,  die  beiden 
letzten  Daten  stehen  zu  lassen  und  das  erete  in  a.  d.  VII.  Id.  April. 
(7.  April)  zu  ändern.  Es  ist  am  natürlichsten,  dass  Cicero  exiturtis 
6.  Apr.  die  Brautmahlzeit  giebt,  bei  der  Quintus  wegen  Unpässlich- 

1)  Lticeius  ist  richtiger  als  Lttcceius  und  findet  sich  in  den  alten  Ausgaben 
und  in  den  Handschriften.  z.B.  im  Reg.  B.  D.  der  epp.  ad  Att.  (Orelli  III.  2 
p.  XIIJ)  und  einem  kürzlich  von  mir  eingesehenen  Handschriftenfragment.  — 
Der  Name  ist  offenbar  das  Adjectiv  von  Lucius,  wie  Marcius  von  Marcus;  die 
adjectivischen  Endungen  auf  eins  sind  häu%.  [Vgl.  W.  Schulze.  Zur  Gesch.  lat. 
Eigennamen,  Berlin  1904,  S.  :359.  426.] 

*)  [M.  hat  im  Text  VI,  Obergeschrieben  III.  Die  schon  vor  Mommseu 
von  Wesenberg  vorgenommene  Änderung  dieser  Zahl  in  T'JJist  in  die  neueren  Aus- 
gaben übergegangen.    Die  Überlieferung  VI  verteidigt  Sternkopf  a.  a.  0.  S.  414  f.] 

**)  [Überliefert  ist  statt  II  vielmehr  y,  was  andere  in  V  oder  VI  ändern.] 


22  Blätterversetzung  im  zweiten  Buch  der  Briefe  Ciceros  ad  Quintum  fratrem. 

keit  fehlt,  dann  am  folgenden  Tage  7.  Apr.  sich  nach  dessen  Befinden 
erkundigt,  bei  seinem  Schwiegersohn  die  Gegenmahlzeit  einnimmt 
und  seine  Angelegenheiten  zur  Abreise  ordnet,  die  dann  am  8.  April 
stattfindet.  Damit  verträgt  es  sich,  dass  Pompejus  am  11.  Rom  zu 
verlassen  dachte,  und  das  Datum  des  Briefes  vom  12.  April,  obwohl 
ich  diesen  Zahlen  nicht  viel  vertrauen  möchte.  Soviel  ist  gewiss, 
dass  Cicero  etwa  einen  Monat  auf  dem  Lande  sich  aufhalten  und 
erst  prid.  non.  Mai,  (6.  Mai)  wieder  in  Rom  sein  wollte,  quoniam  in 
Non.  Maias  Miloni  dies  prodicta  est.  Die  letzten  Worte  hat 
Drumann  II,  326,  Anm.  34  missverstanden.  Prodita,  was  der  Med. 
hat,  ist  gar  Nichts,  offenbar  ist  mit  Orelli  und  A.  prodicta  zu 
schreiben.*)  Da  nun  aber  prodicere  technisch  nur  von  den  Volks- 
gerichten steht,  so  ist  es  nicht  zu  billigen,  wenn  Drumann  diesen 
Termin  auf  „einen  andern  Rechtshandel"  bezieht,  als  auf  den  von 
Clodius  am  2.  Febr.  56  gegen  Milo  eingeleiteten.  Dass  dieser  eine 
diei  dictio  ad  populum  war,  scheint  dem  trefflichen  Historiker  über- 
haupt entgangen  zu  sein,  obgleich  es  sowohl  aus  Cic.  pro  Sest.  44,  95. 
pro  Mil.  15,  40  und  dazu  schol.  Bob.  p.  288.  Ascon.  in  Mil.  14,  38  p.  49 
Or.  [43  K.- Seh.],  als  auch  aus  dem  Formellen  des  Verfahrens  deut- 
lich hervorgeht.  Dass  aber  zwei  verschiedene  Processe  gegen  Milo 
beim  Volke  in  dieser  Zeit  eingeleitet  seien,  wird  Drumann  selbst 
nicht  behaupten  wollen.  Der  weite  Zwischenraum  zwischen  der 
dritten  und  vierten  Verhandlung  (17.  Febr.  —  7.  Mai),  der  Drumann 
bedenklich  gewesen  zu  sein  scheint,  ist  aus  dem  Princip  der  quattuor 
accusationes  zu  erklären,  dessen  richtiges  Verhältniss  ich  an  einem 
andern  Orte  mittheilen  werde.**) 
601  Ep.  VI.  0.  LITTERAS  aus  der  Mitte  Mai  56. 

Ein  kurzes  Glückwünschungsschreiben  an  Quintus  nach  dessen 
Rückkehr  aus  Sardinien,  wahrscheinlich  von  Rom  aus  nach  dem 
Orte  hingeschrieben,  wo  der  Bruder  gelandet  war.  Uebrigens  hat 
Orelli  hier  eine  Interpolation  im  Texte,  der  im  Medic.  so  lautet: 
Mihi  cum  sua  sponte  iucundum  (Gabinio  supplicationem  esse  negatam) 
tum  iucundius  quod  me  absente  est  enim  elkxgivkg  iudicium  sine 
oppugnatione  sine  gratia  nostra  eram  ante  quod  Idibus  et  postridie 
fuerat  dictum  de  agro  Campano  actum  iri  non  est  actum***)  Dies 
ist  corrupt,  aber  sehr  leicht;   für   est  enim  ist  etenim  und  erat  für 

*)  [Die  Emendation  stammt  von  Victorius.J 

**)  [Vgl.  Neue  Jenaische  allg.  Literaturzeitung  (1844)  S.  251  und  Staats- 
recht 3,  S.  354  ff..  Strafrecht  S.  165.] 

***)  [Die  Hs.  hat  vielmehr  non  (dies  in  Rasur  von  anderer  Hand)  ut  est 
actum.    Vgl.  über  die  ganze  Stelle  Sternkopf  a.  a.  0.  S.  416  f.] 


1 


Blätterversetzung  im  zweiten  Buch  der  Briefe  Ciceros  ad  Quintum  fratrem.  23 

ram  zu  schreiben,  wo  denn  abzutheilen  ist:  quod  nie  dbsente.    Etenim 
—  erat.    Ante  quod  etc.  Orellis  Conjectur*)  Eram  Antü,  so  scharf- 
sinnig sie  ist,  ist  darum  zu  verwerfen,  weil  Cicero  als  Grund  seiner 
Abwesenheit  nicht  die  Unparteilichkeit,  sondern  nur  die  Bedenklich- 
keit des  Gerichts  hätte  nennen  können. 

Ep.  YII.  PLACITVRYM.  TIBI  vom  Februar  55. 
Zwischen  diesem  und  dem  voiigen  Briefe  liegt  fast  ein  Jahr, 
in  dem  die  Brüder,  wie  Cicero  es  früher  gehofft  hatte,  contuhernales 
waren.  lieber  die  Zeitbestimmung  und  Anordnung  dieses  Briefes  ist 
es  überflüssig  weiter  zu  sprechen,  da  theils  schon  oben  davon  die  Rede 
war,  theils  hier  und  in  dem  vorigen  Briefe  die  gewöhnliche  An- 
ordnung mit  der  unsrigen  übereinstimmt.  —  Soviel  dürfen  wir  be- 
haupten, dass  die  von  uns  angestellte  Uebersicht  des  Factischen, 
das  in  diesen  Briefen  enthalten  ist,  nirgends  das  geringste  Bedenken 
gegen  unsere  Anordnung  ergeben  und  in  ihrem  Totaleindruck  das 
auf  kritischem  Wege  gewonnene  Resultat  bestätigt  hat.  Es  bleibt 
ims  nur  noch  übrig,  die  gewöhnliche  Disposition  dieser  Briefe  mit 
der  unsrigen  zu  vergleichen. 

Im  Ganzen  muss  man  sagen,  dass  die  gemeine  Ordnung,  wie 
sie  sich  seit  Manutius  in  allen  Ausgaben  (mit  Ausnahme  der  Yicto- 
riana,  die  dem  Med.  genau  folgt)  im  Wesentlichen  gleichförmig 
findet,  auf  einer  tappenden  Verbesserung  der  offenbaren  Fehler 
beruht,  wie  dies  ja  auch  nicht  anders  sein  konnte,  wenn  man  zwar 
die  Existenz  der  Verwirrung,  aber  nicht  deren  Quelle  und  somit  die 
sichere  Abhülfe  einsah.  Dass  das  Fragment  äuq:da<piav  —  iacentem  602 
dem  J.  56  angehöre  und  den  Zusammenhang  zwischen  lovem  rever- 
tanmr  und  A.  d.  III.  Id.  Febr.  SCtum  factum  est  de  ambitu  unge- 
hörig unterbreche,  begriff  man;  man  rückte  diese  Stellen  zusammen; 
allein  wo  nun  hin  mit  dem  losen  Bruchstück?  Man  hatte  den 
Schluss  eines  Briefes,  den  Anfang  eines  andern  ;  den  letzten  Dederam 
—  iacentem  Hess  man  für  sich  stehen,  übrigens  aber  schob  man  ihn 
im  Ganzen  an  die  richtige  Stelle  ein.  Am  verlegensten  und  unglück- 
lichsten war  man  mit  dem  Abschnitt  äfjicfdacpiav  —  m'i  f rater,  vale; 
man  hängte  denselben  an  die  AVorte  m  omiseris  im  6.  Briefe  (nach 
Orelli's  Zählung),  wo  sie  den  im  Medic.  ganz  richtigen  Zusammen- 
hang unterbrechen  und  zwischen  Cicero's  Anstalten  zur  Reise  und 
den  Reiseplan  auf  die  verkehrteste  Weise  eingeschoben  sind.  Da- 
durch kam  es  denn,  dass  der  vierte  Brief  SESTIYS.  NOSTER. 
seines  Schlusses  entbehrte,  wofür  das  Wort  exiturus.  das  den  Anfang 

■*)  [Sie  findet  sich  schon  in  der  Ausgabe  des  Manutius.] 


24  Blätterversetzung  im  zweiten  Buch  der  Briefe  Ciceros  ad  Quintum  fratreni. 

des  6ten  Briefes  bei  Orelli  hätte  machen  sollen,  an  demselben 
hängen  blieb;  ein  Fehler,  dessen  Entdeckung  dadurch  erschwert 
ward,  dass  mittlerweile  zwischen  den  vierten  und  sechsten  Brief 
übrigens  richtig  der  fünfte  Orellische  eingeschoben  war.  Der  Brief 
DEDERAM  ward  gar  gänzlich  zerstückt  und  muss  aus  vier  Briefen 
Orelli's  zusammengesetzt  werden,  indem  der  Anfang  bis  iacenfem 
eine  eigene  Epistel  bildet  (ep.  5  Or.),  das  Wort  exiturus  beim  vierten 
Briefe  geblieben  war,  die  folgenden  Worte  a.  d.  VIII.  Id.  Apr. 
sponsalia  ohne  handschriftliche  Beglaubigung  und  ohne  Wahrschein- 
lichkeit zum  Anfang  eines  eigenen  Briefes,  des  sechsten,  gemacht 
waren  ^,  und  endlich  der  Schluss  des  Briefes  durch  ungehörige  Ein- 
schiebung  des  Fragments  a[xcpdaq)iav  —  mi  f rater  vale  von  dem 
Haupttheil  getrennt  und  wieder  zu  einem  eigenen  wunderlich  unbe- 
deutenden Briefe  constituirt  war.  Wenn  also  auch  hin  und  wieder 
Ansätze  zu  einer  richtigeren  Ordnung  sich  zeigen,  so  war  die  positive 
Verwirrung  doch  bisher  noch  gross  genug,  wenn  man  es  auch  für  nichts 
anschlagen  will,  dass  erst  jetzt  die  niedere  Kritik  die  höhere  recht- 
fertigt und  ergänzt,  und  an  die  Stelle  der  principlosen  Versetzung 
eine  sichere  kritische  Vermuthung  tritt. 

Bisher  ist  nur  von  der  Ordnung  der  Florentiner  Handschrift 
einer-  und  der  postmanutianischen  Ausgaben  andererseits  die  Rede 
603  gewesen.  Wir  müssen  jetzt  noch  einen  Blick  auf  die  kritischen 
Hülfsmittel  überhaupt  werfen.  Jener  Codex  ist  eine  von  Petrarca 
genommene  Abschrift*)  der  Briefe  Ciceio's  ad  Brutum,  ad  Quintum 
fratrem,  ad  Atticum  aus  einem  gemeinschaftlichen  längst  verlornen 
Original  (Orelli  in  opp.  Cic.  vol.  III  pars  2  p.  V— VII).  Dass  indess 
dieses  letztere  nicht  die  (xrundschrift  aller  vorhandenen  Handschriften 
dieser  Briefsammlungen  ist,  steht  fest,  indem  der  Mediceus  selbst 
mehrere  bedeutende  Lücken  hat,  welche  in  anderen  Handschr.  und 
Ausgaben  ergänzt  sind  (Orelli  a.  a.  0.  p.  XVI.  XVII).  Allein  so 
weit  meine  Bemerkungen  reichen,  erstrecken  sich  die  Lesarten  der 
Familia  Gallicana,  aus  der  diese  Verbesserungen  herzurühren  scheinen, 
nur  auf  die  Briefe   ad  Atticum.  nicht  auf  die   damit   verbundenen 


1)  Diesen  Fehler  hätte  naan  jeden  Falls  vermeiden  können,  wie  denn  auch 
Lambin  die  epp.  5.  (j  combinirt  hat.  Selbst  in  der  Aldina  1564,  die  Manut. 
folgt,  sind  sie  verbunden. 

*)  [Daß  der  Med.  49.  18  die  von  Petrarca  aus  der  verlorenen  Urhs.  ge- 
nommene Abschrift  sei,  hat  sich  inzwischen  als  irrtümlich  herausgestellt.  Da- 
gegen ist  das,  was  Mommsen  weiterhin  über  die  hs.  Grundlage  der  Briefe  ad 
Q.  ausführt,  bisher  nicht  widerlegt:  vgl.  die  Ausgabe  Pursers  (Cic.  epistulae 
vol.  III,  Oxford  1902,  praef.).] 


Blätterversetzung  im  zweiten  Buch  der  Briefe  Ciceros  ad  Quintum  fratrem.  25 

anderen  Briefsammlungen,  so  dass  also  namentlich  für  die  Briefe  an 
Quintus  nur  eine  Handschriftenfamilie,  die  italienische,  zu  existiren 
scheint  (vgl.  auch  Orelli  vol.  IIL  pai-s  l.  p.  375  von  den  Briefen  ad 
Qu.  Fr.:  Diversas  edd.  familias  nondum  investigavi:  nam  si  eos  cum 
Mediceo  compares,  magis  minusve  correctos  ab  Italis,  magis  minusve 
interpolatos  reperies  omnes  nunc  notos).  Für  die  Richtigkeit  dieser 
Annahme  ist  die  von  uns  nachgewiesene  Versetzung  entscheidend, 
sowie  umgekehrt  der  Xachweis,  dass  auch  bei  den  Briefen  ad  Qu. 
Fr.  eine  vom  Original  des  Medic.  unabhängige  FamiUe  existirte, 
unsere  Hjpothese  wankend  machen  würde.  Das  scheint  gewiss,  dass 
alle  übrigen  Hdschr.  und  die  Ausgaben  vor  Manutius  in  den  Briefen 
4 — 9  im  Wesentlichen  die  Ordnung  des  Mediceus  befolgen.  Zwar 
haben  wir  nur  die  Ascensiana  von  1511  fol.  und  eine  Aldina  von 
1513.  S.  einsehen  können:  allein  da  diese  sich  durchaus  dem  Med. 
conformiren  und  Orelli  wenigstens  (a.  a.  O.  p.  434)  angibt,  dass  in 
allen  Hdschr.  und  den  Ausgaben  vor  Manutius  seine  ep.  V  mit 
ep.  IX,  §  3  wie  im  Med.  verbunden  ist,  so  ist  mit  einer  an  Gewiss- 
heit grenzenden  AVahrscheinlichkeit  zu  behaupten,  dass  die  Ordnung 
des  Med.  die  bis  auf  Manutius  allgemeine  und  die  von  uns  nach- 
gewiesene in  keiner  Handschrift  enthalten  ist.  —  Eine  Abweichung 
findet  sich  in  dem  codex  Bessarionis  (übrigens  höchst  wahrscheinlich 
einer  blossen  Copie  des  Mediceus,  Orelli  HI,  2,  p.  9  in  fine)  nach 
Manutius  Angabe  (bei  Orelli  HI.  1  p.  434),  indem  hier  der  Passus 
dederam  —  iacentem  nach  den  Worten  superiores  ipsius  copnis  ein- 
gerückt war  und  damit  ein  eigener,  ausserdem  noch  den  Schluss 
des  dritten  Briefes  von  Sed  magna  manus  an  enthaltender,  Brief 
begann.  So  wenigstens  verstehe  ich  die  dunkeln  Worte.  Dass  diese 
Abweichung  nichts  ist  als  eine  schlechte  Emendation  des  im  Med. 
vorliegenden  Textes,  bedarf  keines  Beweises ,  obwohl  sie  wahr- 
scheinlich Manutius  zu  seiner  Umstellung  veranlasst  hat.  Sollten 
sich  auch  noch  in  andern  Handschr.  ähnliche  Umstellungen  finden, 
so  würden  diese  doch  nur  dann  von  Wichtigkeit  sein,  wenn  sie  sich 
nicht  mit  Leichtigkeit  aus  Yerbesserungsversuchen  des  im  Med.  vor- 
liegenden Textes  ableiten  Hessen.  So  findet  sich  die  erste  Versetzung 
in  epp.  1  — 3  schon  in  Hdschr.  berichtigt ;  allein  schon  Orelli  bemerkte, 
dass  diese  Verbesserung  nicht  nothwendig  aus  einer  dem  archetypon  604 
des  Med.  coordinirten  Hdschr.  zu  erklären  sei.  sondern  gar  wohl  a 
peracuto  aliquo  Italo  sec.  XV  herrühren  könne.  Dass  dieselben 
Gelehrten  auch  an  der  zweiten  Versetzung  Anstoss  nahmen,  und 
wenn  es  auch  ihnen  hier  nicht  gelang,  die  richtige  Ordnung  wieder 
herzustellen,   doch   derselben  sich  näherten,  ist  begreiflich.     So  sah 


•76  Blätterversetzung  im  zweiten  Buch  der  Briefe  Ciceros  ad  Quintum  fratrem. 

der  Schreiber  des  Cod.  Bessar.  ein,  dass  die  Verlobung  Tullia's  mit 
Crassipes  ins  Jahr  56  falle,  und  warf  darum  den  Passus  dederam  — 
iacmtem,  freilich  auf  eine  sehr  unglückliche  Weise,  unter  die  Briefe 
des  J.  50,  nach  den  Worten  ipsms  copiis;  wahrscheinlich  in  der 
Annahme,  dass  hier  ja  die  (damals  schon  berichtigte  —  denn  das 
Wort  copiis  steht  an  seinem  Orte  — )  erste  Versetzung  aufhöre  und 
dies  Fragment  noch  dazu  gehört  haben  möge.  —  Wir  müssen  also 
weiter  gehen  als  Orelli;  wir  müssen  die  richtige  Ordnung  einiger 
Handschriften  in  epp.  1-3  mit  Sicherheit  als  die  scharfsinnige  Con- 
jectur  eines  Gelehrten  des  15.  Jahrhunderts  bezeichnen,  indem  eine 
Handschrift  aus  einer  andern  Familie  auch  in  der  zweiten  mit  der 
ersten  zusammenhängenden  und  bisher  nicht  befriedigend  gehobenen 
Versetzung  die  ursprüngliche  Ordnung  geboten  haben  würde;  wir 
müssen  endlich  mit  Bestimmtheit  behaupten,  dass  unser  Text  der 
Briefe  ad  Qu.  Fr.  auf  einer  einzigen  verlornen  Hdschr.,  dem  arche- 
typon  des  cod.  Med.  beruht,  ebenso  wie  durch  Orelli's  vortreffliche 
Beweisführung  es  für  mich  wenigstens  zur  Evidenz  gebracht  ist,  dass 
das  archetypon  aller  unserer  Hdschr.  der  Briefe  ad  familiäres  der 
noch  vorhandene  Florentiner  Codex  plut.  XLIX  cod.  9  ist^.  Die 
weitere  Untersuchung,  ob  aus  dem  archetypon  des  Med.  plut.  eod. 
cod.  1 8  noch  andere  Abschriften  direct  geflossen  oder  ob  alle  übrigen 
Handschriften  Copien  der  angeblichen  petrarchischen  Abschrift  sind, 
ist  von  unserer  Entdeckung  unabhängig. 

1)  Orelli's  Gegner  in  Bezug  auf  die  Briefe  ad  famil.  [ —  daß  sie  im  Recht 
waren,  haben  neuere  Handschriftenfunde  gelehrt  — ]  könnten  sich  allenfalls  auf 
die  berühmte  Verheftung  im  letzten  Titel  des  Florentiner  Pandectenexemplars 
berufen ,  die  in  alle  andern  Handschr.  übergegangen  ist  und  erst  im  16.  Jahr- 
hundert von  Ant.  Augustinus  entdeckt  wurde;  während  doch  kürzlich  von 
Savigny  erwiesen  ist,  dass  die  Pandecten  keineswegs  auf  der  litera  Pisana  allein 
beruhen.  Allein  die  Verhältnisse  sind  nicht  gleich.  Einmal  konnte  auch  der, 
weicher  zwei  verschieden  geordnete  Exemplare  des  Titels  de  regulis  iuris  vor 
sich  hatte,  die  falsche  Ordnung  vorziehen,  da  nur  durch  genaue  Nachforschung 
die  ursprünglich  beabsichtigte  ermittelt  werden  konnte.  Für  die  Briefe  gilt 
dies  nicht.  Dann  ist  es  unbestreitbar,  dass  das  Mittelalter  andere  dem  Flor, 
coordinirte  Pandectenhandschriften  kannte,  dagegen  nur  eine  Handschrift  der 
Briefe  seit  Petrarca  erwähnt  wird,  ferner  sind  die  Ergänzungen  der  andern 
Hdschr.  in  Vergleich  mit  der  Flor,  unendlich  bedeutender  und  zahlreicher  als 
die  eine  von  Wunder  in  den  Briefen  angeführte.  Endlich  ist  es  mir  selbst 
nach  Savigny's  Darstellung  immer  höchst  wahrscheinlich  erschienen,  dass  die 
sog.  vulgata  auf  einer  vollständigen  Pandectenhandschr.  (der  Flor.)  und  einer 
am  Ende  defecten  beruht,  so  dass  für  das  sog.  digestum  novum,  in  das  die 
Verheftung  lUllt,  in  der  That  die  Flor,  das  einzige  archetypon  ist,  wie  ja  denn 
auch,  was  hier  fehlt,  erst  aus  den  Basiliken  von  Cujaz  ergänzt  ist.  Wir  kommen 
vielleicht  vor  dem  juristischen  Publicum  hierauf  zurück.  [Vgl.  die  Prolegomena 
zHr  großen  Ausgabe  der  Digesten,  S.  XII  ff.l 


Blätter  Versetzung  im  zweiten  Buch  der  Briefe  Ciceros  ad  Quintum  fratrem.  27 

Dieses  zweite  Resultat  unserer  Untersuchung,  das  die  ganze 
Textesconstitution  bedingt  und  leicht  das  wichtigere  von  beiden  sein 
möchte,  setzt  allerdings  noch  eine  genaue  Prüfung  der  varia  lectio  605 
voraus,  ehe  es  als  sicher  auzusehen  ist.  Wir  überlassen  diese,  wie 
billig,  unsern  philologischen  Grenznachbarn.  Das  erste  Bedürfniss 
möchte  eine  genauere  Yergleichung  des  Mediceus  selbst  sein,  dessen 
von  Orelli  mitgetheilte  Collation  keineswegs  ausreicht;  aber  auch 
die  Beschaffenheit  der  schlechtem  Handschriften  ist  besonders  im 
zweiten  Buche  genauer  zu  prüfen.*)  Möge  unsere  Bitte  namentlich 
an  den  sospitator  der  literae  Tullianae,  an  Orelli,  der  ja  schon  längst 
eine  neue  Ausgabe  der  ciceronischen  Briefe  vorbereitet,  nicht  ver- 
gebens ergehen,  diese  Untersuchung,  auf  welcher  die  Textescritik  einer 
für  uns  so  wichtigen  Quelle  beruht,  aufnehmen,  und  wenn  unsere 
Resultate  sich  bewähren,  weiter  und  zum  Abschluss  führen  zu  wollen. 


Folia  ar- 
chetypi. 

male 


recte 
dispo- 
sita. 


dispo- 
sita. 


AD  QVINTVM  FRATREM. 

L.  II. 

quid  senatus  seutiret,  se  intelJigere.     Dixit 

Milo.     Coepit  dimittere 

NON.  OCCVPATIONE» 

quid  cupiant,    omnes  videut.     Creditores  vero  regis 

apert«  pecunias  suppeditant  contra  Lentulum. 

SCRIPSI.  AD.  TE 

In  eo  multo  sumus  superiores  ipsius 

copiis.     Sed  magna  manus  ex  Piceno  et  Gallia. 

SESTIVS  NOSTER 

habentur   religiosi.     C'etenam  confectum  Latiar  erat 

'Afi<pi}M(piav  autem  illam,  quam  tu  soles  dicere. 

DEDERAM.  AD.  TE 

praesentem  ad  pedes  uniuscuiusque  iacentem      .     . 

Exiturus  a.  d.  VIII.  Id.  Apr.  sponsalia  Crassipedi  praebui. 

A.  d.  II.  Id.  Apr.  ante  lucem  hanc  epistolam      .     . 

O.  LITERA.S 

PLACITVRVM  TIBI 

Sin  minus,  ad  nostrum  lovem  revertamur       .     .     . 

A.  d.  III.   Id.  Febr.  SCtum  est  factum  de  ambitu. 


Series  epi- 
stolamm. 


nostra 
dispos. 


Orelli- 


1.  2.     3.  4 


ep.  1. 
contin. 
ep.  2. 


ep.  1. 
contin. 
ep.  2. 


1.  2. 


ep. 


ep. 


5.  6. 


5.  6. 


7.  8. 


9.  10. 


ep.  4. 


ep.  5. 


ep.  6. 
pars 
altera 
ep.  5. 


9.  10. 


7.  8. 


ep.  6. 

ep.  7. 


ep.  6. 
pai-s 
prior 
ep,  7, 
ep.  8. 
ep.  9. 


*)  [Die  letztere  Forderung  ist  noch  immer  nicht  vollkommen  erfüllt.] 

1)  Die  Lapidarschrift  bezeichnet  die  von  uns  angenommenen  Briefanfänge. 


V. 

Die  Florentiner  Handschrift  der  Briefe  des  Cicero.*) 

779  Sie  fragen  mich,  geehrter  Herr,  ob  ich  Ihnen  nicht  jetzt,  seit 
ich  die  berühmte  Florentiner  Handschrift  der  Briefe  ad  Quintum 
j&*atrem  und  ad  Atticum  selbst  gesehen  habe,  zu  meinem  Aufsatz 
über  eine  Blätterversetzung  im  zweiten  Buche  der  ersteren  Samm- 
lung (Jahrg.  n  N.  75  fg.)  einen  Nachtrag  mitzutheilen  habe.  Aller- 
dings bin  ich  im  Stande  die  damals  aufgestellte  Yermuthung  jetzt 
besser  zu  stützen  und  gerade  durch  eine  Thatsache,  die  mich  im 
ersten  Augenblick,  wo  ich  sie  wahrnahm,  befürchten  Hess,  ganz 
umsonst  gearbeitet  zu  haben.  Die  bei  Orelli  mitgetheilte  Collation, 
auf  die  ich  meine  Hypothese  gründete,  ist  nämlich  wie  in  vielen 
andern  Dingen,  so  auch  in  Betreff  der  Ordnung  der  Briefe  im  zweiten 
Buch  ganz  unzuverlässig.      Die  handschriftliche  Ueb erlief erung,  wie 

780  sie  nicht  bloss  der  Mediceus,  sondern  auch  alle  anderen  nicht  zurecht 
corrigirten  Handschriften  z.  B.  die  pariser  und  vaticanischen  haben, 
ist  constant  folgende: 

se  intelligere  dixit. 

omnes  vident.      Creditores  vero    regis^  aperte  pecunias  —    bis  In 

eo  midto  sumus  superiores  ipsius. 
Milo  coepit  dimittere  bis  familiäres  eins  quid  cupianf 
'Aju(pda(piav  autem  illam  quam  tu  soles  dicere  —  bis  praesentem  ad 

pedes  uniuscuiusque  iacentem 
copiis,    sed   magna    manus   ex  Jficeno   —    bis   Ceterum    confectum 

Latiar  o'at 
Exiturus  a.  d.  VIII.  Id.  Apr.  sponsalia  u.  s.  w. 


*)  [Zeitschrift  für  die  Alterturaswissenschaft  hrg.  von  Bergk  und  Caesar 
3,  1845,  Nr.  98.  99.  Sp.  779-787.  Der  erste  Teil  dieser  in  der  Form  eine.% 
,Keiseberichtes"  aus  Florenz  an  die  Redaktion  der  genannten  Zeitschrift  ge- 
sandten Abhandlung  ist  die  Fortsetzung  der  unter  der  vorigen  Nummer  zum 
Abdruck  gebrachten.] 

1)  Unwesentlich  war  der  Fehler,  dass  die  orellische  Collation  diese  fünf 
Worte  o.  V.  c.  v.  r.  nach  cupiant  stellte. 


Die  Florentiner  Handschrift  der  Briefe  des  Cicero.  29 

oder,  wenn  Sie  die  Tafel,  die  ich  meinem  früheren  Aufsatz  beigab, 
vergleichen:  es  folgen  in  den  Handschriften  die  Stücke,  wie  ich  sie 
in  der  ersten  Colurane  (folia  archetypi  recte  disposita)  numerirt 
habe,  also  aufeinander; 

3.     4 

l.     2 

7.     8 

5.     6 

9.  10 
So  kommen  wir  denn  freilich  bedeutend  leichter  zum  Ziele;  die 
künstliche  Annahme  von  einem  quinio.  dessen  dritter  und  vierter 
Bogen  vor  den  ersten  und  zweiten  gerathen  und  das  Mittelblatt  an 
seiner  Stelle  geblieben  —  eine  Annahme,  die  mir  selbst  bei  der 
evidenten  Richtigkeit  des  Resultats  viele  Bedenken  erregte,  können 
wir  jetzt  bei  Seite  werfen  und  die  einfachste  Versetzung  von  vier 
Blättern  (2.  1.  4.  3  statt  1.  2.  3.  4)  dafür  substituiren.  Von  dem 
Worte  Exiturus  an  ist  in  den  Handschriften  genau  die  Ordnung, 
wie  ich  sie  vorgeschlagen  habe  und  nur  in  den  Ausgaben  ist  durch 
eine  der  beliebten  kritischen  Halbheiten  das  Fragment  'Aju(fiXa(piav 
—  lacentem,  das  man  auswerfen  musste,  um  die  offenbar  zusammen- 
gehörenden Worte  superiores  ipsius  und  copiis  an  einander  zu  rücken, 
ungeschickt  hinter  reiertamur  eingeschaltet  worden,  wodurch  denn 
freilich  der  Kritik  die  Wiederauffindung  der  ursprünglichen  Ordnung 
in  diesem  Abschnitt  ungemein  erschwert  war.  Ich  darf  aber  hoffen, 
dass  nun,  wo  zu  dieser  inneren  Richtigkeit  der  früher  vorgeschlage- 
nen Disposition  eine  äussere  Autorität  hinzukommt,  dieselbe  als 
kritisch  gesichert  wird  gelten  können. 

Da  ich  Ihnen  einmal  über  diese  Blätterversetzung  in  den  Briefen 
schreibe,  so  benutze  ich  die  Gelegenheit  noch  eine  zweite  aufzu- 
decken, die  den  Schluss  des  vierten  Buches  der  Briefe  ad  Atüciim 
verunstaltet.*)  Die  handschriftliche  Ordnung,  die  bei  Orelli  p.  108 
in  der  zweiten  Columne  richtig  angegeben  ist,  hat  man  auch  an 
dieser  Stelle  in  den  Ausgaben  zerstört  und  ohne  etwas  Besseres  an 
<lie  Stelle  zu  setzen  sich  begnügt,  die  Stücke  noch  etwas  mehr  durch- 
einander zu  werfen.  Dass  der  Grund  der  Verwirrung  eine  Trans- 
])08ition  ist,  kann  dem  aufmerksamen  Leser  nicht  entgehen.  Im  781 
Anfange  des  sechzehnten  Briefes  sagt  Cicero,  dass  er  den  ihm  von 
M.  Paccius  übergebenen  Brief  beantworten  wolle.    Er  erwiedert  nun 

*)  [Die    folgende    Darlegung  ist  von  Sternkopf,    Hermes  40,  1905.  S.  1  ff. 
geprüft  und  in  ihren  sämtlichen  Hauptergebnissen  als  richtig  befanden  worden.] 


20  Die  Florentiner  Handschrift  der  Briefe  des  Cicero. 

auch  zuerst  in  Betreff  der  Bücher  über  den  Staat,  dann  über  Privat- 
angelegenheiten (bei  §  4  einen  neuen  Brief  anfangen  zu  lassen  ist 
nicht  nöthig),  auf  die  Anfrage  über  C.  Cato,  über  den  Prozess  des 
Drusus,  der  im  Juli  beginnen  sollte,  und  andre  politische  Neuigkeiten. 
Soweit  hängt  alles  wohl  zusammen.  Aber  nun  folgt  auf  einmal  ein 
Bericht  über  die  skandalöse  Coition  der  Candidaten  des  Consulats 
im  J.  700  und  Memmius  Denunciation  derselben,  der  das  Datum 
vom  ersten  October  hat  (§  7).  Dies  Fragment  muss  also  von  dem 
Anfang  abgelöst  werden.  —  Dagegen  gehören  die  Worte,  die  jetzt 
ep.  XVI  §  13  stehen  —  Paccianae  epistolae  respondi  —  augenschein- 
lich zusammen  mit  dem  Anfang  des  sechzehnten  Briefes,  eben  der 
Antwort  auf  die  epistola  Pacciana  und  danach  wird  auch,  was  jetzt 
XVn,  2  bis  zu  den  Worten  Catone  praesertim  ahsoluto  steht,  hierher 
zu  ziehen  sein,  denn  in  den  Handschriften  geht  dieser  Passus  un- 
mittelbar dem  Paccianae  epistolae  respondi  voraus  und  ist  nur  in 
den  Ausgaben  mit  grenzenloser  Willkür  davon  getrennt.  Soviel  ist 
also  klar,  dass  in  XVI,  §  1—12,  XVII,  §  3,  XVII,  §  1—2,  XVI, 
13  —  15,  XVIII  —  so  ist  die  handschriftliche  Folge  — ,  da  XVI,  5 
und  XVI,  13  zusammengehören,  XVI,  6  sq.  aber  später  gestanden 
haben  muss,  ein  Stück  eingeschoben  ist,  und  es  kommt  nur  darauf 
an  die  Ränder  zu  ermitteln.  In  XVI,  5.  6  ist  die  Fuge  offenbar  in 
der  corrupten  Phrase  enthalten: 

senatus  consultum  quod  hie  consules  de  provinciis  fecerUnt  QUICUN- 
QUE  POSTHAC  non  mihi  ut  quod  (ita  Med.)  iam  inteUegebamus 
(intellegebas  Med.  m.  \)  enuntiationem  illam  Memmii  valde  Caesari 
displicere  (Med.  despicerem) ; 

denn  während  der  Anfang  noch  zu  dem  politischen  Tagesbericht 
vom  Quintil  gehört,  ist  die  enuntiatio  Memmii  offenbar  schon  aus 
dem  Briefe  vom  Oktober.  Die  entsprechende  Fuge  muss  in  XVII, 
1 .  2  gesucht  werden  und  zwar  in  dem  Satze : 

Quin  tu  huc  advolas  et  (Med.  sed)  incisis  illius  nostrae  reipublicac 
germane  (ita  Med.)  putavi  de  nummis  ante  comitia  tributim  uno 
loco  divisis  palam  inde  ahsolutum  Gahinittm  detur  esse  valitunim. 
De  Messala  quod  quaeris  quid  scribam  nescio ;  nunquam  ego  vidi 
tarn  pares  candidatos. 

Denn  die  Freisprechung  des  Gabinius  fällt  bedeutend  später  als  der 
Bericht  über  die  Consularcandidaten,  der  noch  vor  der  ärgerlichen 
Coition  derselben  geschrieben  ist  und  vortrefflich  in  den  Bericht  von 
Quintil  passt.     Demnach  füge  ich  folgendermassen  zusammen: 


Die  Florentiner  Handschrift  der  Briefe  des  Cicero.  31 

Senahis  cmisiiUum  quod  Jiic  consules  de  provinciis  fecerimt:  QÜI- 
CUNQUE  POSTHAC  non  mihi  vi\detur  esse  valiturum. 
Sie  sehen,  wie  gut  dies  passt;  die  kleine  Aendening  von  ut  in 
vi  hat  besonders  im  Mediceus  nicht  das  geringste  Bedenken.    Damit 
ist  der  erste  Brief  OCCUPATIONUM.  MEARUM  ^N-ieder  hergestellt: 
er  wird  aus  folgenden  Stücken  zusammenzusetzen  sein:  7S2 

Orelli. 

XVI,  1 — 5  Occupationwn  mearum  —  wow  mihi  vi 

XVII,  1  fin. — 2  detur  esse  valiturum  —  Catone  praesertim  ahsohtto 
XVI,  13 -fin.  Paccianae  epistolae  —  de  Eutychide  quid  egeris. 

Wer  sie  in  diesem  Zusammenhange  liest,  wird  nirgends  Anstoss 
nehmen;  für  das  Zusammengehören  der  Fragmente  ist  auch  noch 
die  doppelte  Erwähnung  von  C.  Cato's  Freisprechung  geltend  zu 
machen,  XVI.  5.  XVII,  2;  umgekehrt  ist  zu  beachten,  dass  in  diesem 
Briefe  Drusus  und  Scaurus  Anklage  (XVI,  5.  XVIl,  2),  in  einem 
anderen  ihre  Freisprechung  erwähnt  wird. 

Gehen  wir  weiter  in  unserer  Untersuchung,  die  freilich  einige 
Geduld  erfordert,  nicht  so  sehr  wegen  ihrer  inneren  Schwierigkeit, 
als  weil  der  heillose  Zustand  der  Ausgaben  den  Ueberblick  der 
handschriftlichen  Grundlage  unmöglich  macht,  so  finden  wir  in  den 
Manuscripten  nach  dem  Schluss  des  Briefes  vom  Juli  —  de  Eutychide 
quid  egeris  den  mit  den  Worten  PVTO.  TE.  EXISTDIARE  be- 
ginnenden (XVm  Orell.).  Dieser  Brief  hebt  an.  wie  natürlich,  mit 
der  Neuigkeit  von  der  infamen  Coition  der  Candidaten  mit  den 
Consuln  und  Memmius  Anzeige  davon;  bald  aber  stösst  man  auch 
hier  an: 

Memmius   dirempta  coitione  invito    Calvitio  plane  refrixerat  et    eo 

magis  nunc  cociace  dictaturam  fruere  ^  iustitio  et  omnium  rerum 

licentia.  Perspice  aequitatem  animi  mei  u.  s.  w. 
Denn  wenn  man  auch  den  schroffen  Uebergang  von  dem  Bericht 
über  die  Coition  zu  dem  über  Ciceros  Ergebung  in  das  Schicksal 
und  sein  gutes  Verhältniss  zu  Caesar  sich  gefallen  lassen  und  ihn 
roit  der  Corruptel  entschuldigen  will,  so  ist  doch  entscheidend,  dass 
aus  dem  Schluss  der  ep.  18  der  Brief  offenbar  geschrieben  ist,  als 
Cicero  Atticus  Landung  erfahren  und  ihn  in  wenigen  Tagen  zu  sehen 
erwartete;  das  passt  eben  so  schlecht  zu  dem  Anfang  von  ep.  18 
('A)ca  et  itinera  tua  nihil  habere  certi  videoj  als  vortreffUch  zu  ep.  17: 
0  expectatas  mihi  tiias  litter as!  o  gratum  adventum!  Kommt  nun 
hinzu,    dass  wir   in   XVI,  6   den    Schluss  eines  Berichtes  über  die 

1)  tum  steht  nicht  im  Med. 


32 


Die  Florentiner  Handschrift  der  Briefe  des  Cicero. 


Coition  lesen  und  dass  diesem  in  XVIII,  2.  3  eben  der  Schluss 
fehlt,  —  die  Angabe  über  die  Processe  nämlich,  die  durchaus  nicht 
wegbleiben  kann,  —  so  ist  wohl  unzweifelhaft,  dass  hier  wieder  eine 
Fuge  entdeckt  ist  und  wir  nur  die  Stücke  zusammenzusetzen  haben. 
Wir  fanden  oben  bei  Ablösung  des  ersten  Fragments,  dass  für  das 
zweite  nachblieb: 

....  quod  iam  intellegebamus  enuntiaiionem  illam  Memmii  Caesari 
valde  dispUcere 
und  sehr  natürlich  schliesst  sich  dies  an  die  obenstehenden  Worte  an  : 

Memmius  dirempta  coitione  invito   Calvino  plane  refrixerat  et  eo 
783  magis  nunc  hoc  iacet  quod  iam  intellegebamus  enuntiationem  illam 

Memmii  Caesari  valde  dispUcere. 
Ob  in  dem  verdorbenen  cociace  gerade  hoc  iacet  steckt,  will  ich 
freilich  nicht  versichern ,  obgleich  die  Aenderung  leicht  ist,  denn 
das  c  ist  wie  unzähligemal  im  Med.  nur  falsche  Gemination  und  wull 
man  einen  handschriftlichen  Beleg  für  das  ^,  so  kann  man  daran 
erinnern,  dass  vor  dem  quod  die  Handschrift  ut  hat  und  das  letzte 
t  davon  ebenso  gut  das  uns  fehlende  als  aus  dem  i  von  vi  entstanden 
sein  kann.  Doch  est  modus  in  rebus!*)  —  So  viel  scheint  mir 
gewiss,  dass  die  Fortsetzung  des  Briefes  PÜTO.  TE  in  XYI,  6  sq. 
zu  suchen  ist,  wo  auch  bis  zum  Schluss  des  §  6  wohl  Corruptelen, 
aber  keine  Lücken  sich  finden ;  im  Gegentheil  bezieht  sich  Alles  auf 
die  eine  grosse  Tagesneuigkeit,  den  Ambitus  der  Consularcandidaten 
und  die  daraus  resultirenden  Processe.  Der  zweite  Brief  PVTO. 
TE  besteht  demnach  aus  folgenden  zwei  Stücken: 
Orelli. 

XVIII,   1  —  3  in.    Puto  te  existimare  —  et  eo  magis  nunc  hoc  iacet 

XVI,  6 — 8.  quod  iam  intelligehamus  —  nihil  reperio. 
Geschrieben  ist  er  30.  Sept.  1.  Oct.,  was  sehr  wohl  dazu  passt,  dass 
Cicero  im  Anfang  sich  über  sein  langes  Stillschweigen  entschuldigt 
und  der  vorige  Brief  vom  Juli  war.  Von  dem  nun  folgenden  dritten 
Briefe  fehlt  uns  der  Anfang,**)  wie  vielleicht  von  dem  vorigen  der 
Schluss.  Für  uns  beginnt  er  XVI,  2:  Ntmc  ut  opinionem  haheas 
verum  ferendum  est.  Dass  dies  nicht  bloss  Corruptel  ist,  —  Lambin 
hat,  aber  schwerlich  aus  dem  Turnesianus:  Nunc  de  Gäbinio  habe 
absoluto.     Verum  ferendum  est  —   geht  schon  daraus   hervor,  dass 

*)  [Vgl.  über  die  Korruptel  und  Momnisens  Besserungsversuch  Purser,  The 
correspondence  of  Cicero  IP,  1906,  S.  179.  Abweichend  Stemkopf  a.  a.  0. 
S.  30  f.  40.] 

**)  [Anders  hierüber  Sternkopf  S.  34  ff.] 


Die  Florentiner  Handschrift  der  Briefe  des  Cicero.  33 

auch  bei  dieser  Lesart  der  Anfang  noch  gar  nicht  befriedigt;  eine 
80  wichtige  Neuigkeit,  die  Atticus  noch  unbekannt  sein  musste,  konnte 
80  nicht  eingeführt  werden,  und  wo  will  man  hin  mit  dem  ille  inquies 
vi  ferebat?  Die  Hauptsache  aber  ist,  dass  in  diesem  Briefe  es 
heisst  (§  11):  Candidati  consulares  onmes  rei  ambittis,  wogegen  in  dem 
Briefe  PVTO.  TE  am  Schluss  gesagt  ist:  Tres  candidati  fare  rei 
putabanhir ;  ein  anderer  Brief  liegt  also  jedenfalls  vor  und  wahr- 
scheinlich mit  einem  Defect  im  Anfang,  etwa  vor  ferendum  est,  so 
dass  nunc  —  rerum  ....  noch  zu  dem  Briefe  PVTO.  TE  gehören 
würde.  Uebrigens  ist  dieser  Brief  nur  in  den  Ausgaben,  nicht  in 
den  Handschriften  zerrissen;  es  gehören  dazu 
Orelli 

XVI,  9 —  12 ferendum  est  —  in  Ciliciam  cogitat. 

XVII,  3  Ah  Quinto  fratre  —  Epheso  a.  d.    V.  Id.  Sext.  datas. 
Geschrieben    ist    er   Ende   Okt.  oder  Anfang   Nov.;   Cicero  schreibt 
darin,  dass  Pomptinus  a.  d.  IV.  Non.  Nov.  triumphiren  wolle  und  er 
die  letzten  Briefe  aus  Britannien  a.  d.  IX.  Kai.  Nov.  empfangen  habe. 

Der  letzte  Brief  endlich,  mit  dem  das  Buch  schliesst  und  schliessen 
muss,  ist  das  kurze  Schreiben  0  EXSPECTATAS  ep.  XVH,  womit 
Cicero  dem  Atticus  zu  seiner  Landung  in  Italien  Glück  wünscht  und  784 
ihm  einige  eilige  Nachrichten  zum  Vorschmack  ihrer  Gespräche  mit- 
theilt.  Wie  gedankenlos  es  ist  in  demselben  Brief  zusammenzustellen: 
0  exspectatas    mihi  tuas  litteras !  o   gratum    adventum !  und :  dbs '  te 
proximas  litteras  hahebam  Epheso  a.  d.  V.  Id.  Sext.  datas,  hätte  man 
längst  sehen  sollen.     Es  gehören  dazu: 
Orelli 
XVII,  1.       0    exspectatas   mihi   tuas   litteras   —    inde    absolutum 

Gabinium. 
XVni,  3.     dictattiram  fruere  iustitio  —  cum  tuis  maneas. 
Die  Fugen ,   die   hier  zusammenschliessen ,  sind  schon  früher  nach- 
gewiesen; die  Verbindung  ergiebt: 

Quin  tu  huc  advolas  et  inmsis  illius  nostrae  rei  publicae  germane 

putavi  de  nummis  ante  comitia  tributim   uno   loco  divisis  palani 

inde   absohitum   Gabinium  dictaturam  fruere   iustitio  et  omnium 

rerum  licentia. 

Die  erste  Corruptel  weiss  ich  nicht  zu  lösen;  für  fruere  möchte 
ich  fervere  vorschlagen,  dictaturam  fervere  iustitio  et  o.  r.  licentia 
passt  recht  gut.*)  Uebrigens  passt  es  sehr  wohl,  dass  hier  noch 
auf  die  letzten  politischen  Skandalgeschichten  kurz  hingedeutet  wird: 

*)  [invisis  illius  nostrae  rei  publicae  gennanae  {imaginem:  add.  Wesenberg). 
i'Cft  vide  nummis  .  .  .  palam;  vide  a.  Gabinium  (Manutius).] 

HOMMSEN,   SCHR.  VII.  3 


34 


Die  Florentiner  Handschrift  der  Briefe  des  Cicero. 


785 


Scaunis  Zahlungen  (XVI,  7),  Gabinius  Freisprechung  (XVI,  9), 
Pompe  jus  Dictatur  (XVI,  11);  der  kurze  Brief  schliesst  wohl  zusammen 
und  das  Buch  vortrefflich  ab. 

Ihrer  leichteren  Uebersicht  wegen  gebe  ich  auch  hier  eine  Tafel 
über  die  handschriftliche  und  ursprüngliche  Anordnung: 


il 

S 

s 

1 

2 

AD   ATTICÜM 

L.  IV. 

fecerunt    quicunque    posthac     non 
mihi  vi- 

Series 

ex  nostra 
dispositione 

epistolarum 

ex  Orelliana 

detur  esse  valiturum 

ep.  16 
contin. 

fep.l7pars(§lfin.2) 
\ep.l6    »    (§  13fin.) 

1 

2 

PUTO.  TE.  EXISTIMARE      .     . 
plane  refrixerat  et  eo  magis  nunc 
hoc  iacet 

ep.  17 

» 

ep.  18  pars  (§  1-3) 

quod  iam  intelligebamus 

» 

ep.  16  pars  (§6— 8)     i 

2 

1 

NVNC.  VT.  OPINIONEM  .     .     . 

ep.  18 

fep.16    »    (§9-12) 
lep.l7    »    (§3) 

0.  EXSPECTATAS.  MIHI .     .     . 

ep.  19 

ep.l7    »    (§1) 

uno  loco  divisis  palam,  inde  abso- 
lutum  Gabinium 

dictaturam  fervere  iustitio  et  omnium 

rerum. 

Sie  sehen,  die  Umsetzung  ist  sehr  einfach :  das  eine  Stück  von 
detur  esse  bis  hoc  iacet  ist  von  seinem  Platze  abgekommen  und  ver- 
setzt, was  man  auch  ohne  Zweifel  längst  bemerkt  hätte,  wenn  nicht 
die  rein  willkürliche  Durcheinanderwürfelung  der  Stücke  in  den 
Ausgaben  im  Wege  gewesen  wäre.  Bemerkens werth  ist,  dass  das 
erste  dieser  Stücke  detur  esse  —  hoc  iacet  etwa  60,  das  zweite  quod 
iam  —  Gabinium  etwa  90  orellische  Zeilen  hat;  es  hat  also  Schwierig- 
keit bloss  eine  Umstellung  zweier  Blätter  anzunehmen.*)  Es  kann 
dies  indess  unsre  Annahme,  wenn  sie  sonst  begründet  ist,  nicht 
erschüttern,  da  der  Urcodex  an  dieser  Stelle,^  wie  auch  die 
zahlreichen  und  schweren  Verderbnisse  zeigen,  sehr  beschädigt 
und  wie  wir  oben  vermutheten,  vielleicht  an  einer  Stelle  lückenhaft 
war.  Aus  diesem  Grunde  wird  es  auch  gerathen  sein  über  die  un- 
zähligen Möglichkeiten,  wie  diese  Versetzung  entstehen  konnte,  nicht 
weiter  Worte  zu  verlieren;  obwohl  es  interessant  wäre  zu  wissen,  ob 

*)  [Dies  ist  durch  die  scharfsinnige  Kombination  Sternkopfs  a.  a.  0.  S.  3  ff. 
erledigt.] 


Die  Florentiner  Handschrift  der  Briefe  des  Cicero.  35 

der  Urcodex  der  Briefe  ad  Atticum  dieselbe  Zeilenzahl  auf  einem 
Blatte  hatte,  wie  der  der  Briefe  ad  Quintum  fratrem,  oder  wie  es 
eher  scheint  eine  verschiedene.  Für  die  Geschichte  der  Kritik  könnte 
diese  Notiz  brauchbar  sein. 

Sie  sehen  wohl  schon  aus  dem  oben  Gesagten,  dass  die  medi- 
ceischen  Handschriften  der  Briefe  noch  nicht  ausgenutzt  sind;  ich  7S6 
erfahre  es  täglich,  dass  noch  manche  gute  Lesart  sich  daraus  ge- 
winnen lässt.  So  begreife  ich  z.  B.  nicht,  warum  Orelli  ad  YI,  1, 
17,  wo  von  zwei  Statuen,  der  einen  ad  Opis  per  te  posita,  der  andern 
ad  IloXvdevxovg,  hercide!  die  Rede  ist,  nicht  die  handschriftlichen 
Lesarten  aufgenommen  hat:  cdt  Opis  parte  posita  und  ad  Uo/.vyJJovg 
(cod.  nOJ^YKEAOYC)  Hercuhm  —  statt  des  unmöglichen  per  te 
und  des  inepten  hercule!  Die  letzte  Lesart  wenigstens  hat  del  Furia 
nicht  übersehen  und  vielleicht  giebt  sie  den  Archäologen  ein  neues 
Kunstwerk.  Doch  davon  vielleicht  ein  andermal;*)  für  diesmal  will 
ich  Ihnen  noch  über  die  berühmte  SteDe  Cic.  de  rep.  H,  22  [§  39], 
die  ich  im  Tatican  eingesehen  habe.  Einiges  mittheilen,  da  vermuth- 
lich  noch  mancher  Philolog  mit  dieser  Sphinx  sich  zu  schaffen  machen 
wird.  Ist  soviel  darüber  exegesirt  vmd  conjicirt,  so  können  Sie  auch 
immer  die  paar  Notizen  über  die  Beschaffenheit  der  Handschrift 
drucken  lassen,  die  wenigstens  zeigen,  wie  Mai  verfahren  ist.**) 

Aber  leben  Sie  wohl;   ich  schliesse  meinen  Brief,    ehe  er  ganz  737 
zum  Korrespondenzartikel  wird.    Das  indess  darf  wohl  auch  noch  in 
einer  philologischen  Zeitschrift  stehen,  dass  seit  kurzem  die  Laurentiana 
gleich  der  Marciana  sechs  Stunden  täglich  geöffnet  ist  und  die  edle 
Liberalität  der  toskanischen  Regierung  sich  auch  hierauf  erstreckt  hat. 

*)  [Mommsen  selbst  ist  m.  W.  nicht  darauf  zurückgekommen;  wohl  aber 
hat  Th.  Bergk,  der  Adressat  dieses  Briefes,  die  neue  Erkenntnis  sofort  verwertet 
in  einer  Abhandlung,  die  er  in  seiner  Zeitschrift  dem  Briefe  Mommsens  auf  dem 
Fuße  folgen  ließ :  'Über  den  Hercules  des  Poljcles'  S.  787  ff.  Vgl.  auch  Brunn, 
Gesch.  d.  gr.  Künstler  2.  Aufl.,  Stuttg.  1889.  Bd.  1,  S.  378.] 

**)  [Die  kurze  Mitteilung  Mommsens  über  diese  Stelle  Ciceros  ist  hier  fort- 
gelassen, da  er  selbst  im  Staatsrecht  wiederholt  darauf  zurückgekommen  ist. 
besonders  3,  274,  4.  Übrigens  haben  die  Worte,  mit  denen  er  diese  Mit- 
teilung schließt:  „Von  Schreibfehlern  würde  eine  neue  CoUation  des  Codex 
gewiss  noch  eine  bedeutende  Nachlese  liefern''  nicht  die  Beachtung  gefunden, 
die  sie  verdienen:  nach  der  von  Halm  benutzten  Kollation  du  Rieus  (1860)  hat 
sich  kein  Kundiger  mehr  mit  dem  Palimpsest  beschäftigt.  —  Es  folgen  dann 
Bemerkungen  über  eine  Inschrift  von  Cora  und  über  die  vom  Sarkophag  des 
Scipio  Barbatus.  Sie  werden  in  der  epigraphischen  Abteilung  der  Gesammelten 
Schriften  zum  Abdruck  gelangen.  —  Hier  folgen  im  Text  daher  nur  noch  die- 
jenigen "Worte,  mit  denen  Mommsen  seinen  Brief  schließt.] 

3* 


VI. 

Zu  Ciceros  Reden.*) 

160  Unter  den  epigraphischen  Collectaneen  des  Mariangelus  Accur- 

sius  (cod.  Ambros.  0  125  sup.;  in  Abschrift  0  248  sup.)  befindet 
sich  eine  Lage  (jetzt  f.  180—183),  welche  einige  in  der  Juntina  1521 
fehlende  Stellen  der  ciceronischen  Reden  in  Vatinium  und  pro  Flacco 
enthält.  Es  sind  dieselben,  welche  gedruckt  zuerst  in  der  Ausgabe 
des  Andr.  Cratander  (Basel  1528)  erschienen,  und  zwar 

in  Yatin.  8,  24  cum  filio  principe  iuventutis 

14,  34  Q.  (so)  Memii puUicis  tdbulis  —  15,  35  legationis 
mentio  facta  (so)  est 

pro  Flacco  31,  75  primum  ut  in  oppidum  —  33,  83  esse  cetera. 
Die  Ergänzungen  zu  der  ersten  Rede  haben  sich  seitdem  in  allen 
massgebenden  Handschriften  derselben  gefunden  und  verdienen  keine 
weitere  Aufmerksamkeit ;  dagegen  steht  das  hier  ergänzte  Stück  der 
Rede  pro  Flacco  in  unseren  Ausgaben  lediglich  auf  der  Cratandrina, 
und  zwar  ist  in  dieser  angemerkt,  dass  Konrad  Peutinger  dasselbe 
von  Hieronymus  Rorarius  Foroiuliensis  aus  einem  seitdem  ver- 
schollenen Manuscript  erhalten  hat.  Da  Accursius  in  den  Jahren 
1522.  1525.  1530  in  Deutschland  war  und  wenigstens  in  dem  letzten 
Jahre  auch  in  Augsburg,  so  ist  es  mehr  als  wahrscheinlich,  dass  er 
diese  Mittheilungen  eben  von  Peutinger  erhalten  hat  und  für  unsern 
Text  daraus  kein  wesentlicher  Nutzen  erwächst :  doch  können  wenig- 
stens für  die  Beschaffenheit  der  von  Rorarius  eingesehenen  Hand- 
schrift diese  Auszüge  vielleicht  in  Betracht  kommen. 

*)  [Hei-mes  18,  1883,  S.  160.] 


VII. 

Theod.  Mommsenii 
Excursus  ad  Ciceronis  or.  pro  Fonteio  cap.  IX  §  19.*) 

Agitur  hoc  loco  de  portorio  ab  iis  solvendo  qui  ex  Italia  in  477 
Galliam  vinum  navibus  portarent;  nam  praeter  Massiliense  Italico 
vino  maxime  usos  esse  Gallos  doeet  Posidonius  apud  Athen.  lY 
p.  151  E  innnitque  Cicero  hie  cum  ait  nostros  fructus.  Naves  igitur 
intelleguntur  quae  appellebant  Narbone,  qui  ea  aetate  unicus  Roma- 
norura  portus  maritimus  fuit  in  Gallia  transalpina;  neque  tarnen 
Narbone  neque  in  agro  Narbonensi  portorium  exactum  est,  ne  coloni 
Ifarbonenses  cives  Romani  eo  gravarentur,  sed  ad  vias  quae  a  Xar- 
bone  ad  provinciam  Romanam  et  ad  populos  ea  aetate  adhuc  liberos 
ferebant.  Primaria  statio  collocata  est  Tolosae,  quo  a  Narbone  inter 
montes  Pyrenaeos  et  Gebennicos  natura  ipsa  viam  patefecit  quodque 
oppidum  in  provincia  Narbonensi  primum  inter  provinciaUum  ci^'itates 
locum  tum  obtinuisse  nemo  dubitat.  A  Tolosa  cum  proxime  abesset 
qui  eo  tempore  fuit  terminus  pro^dneiae  Romanae  et  viae  inde  exirent 
et  in  Hispaniam  et  in  Aquitaniam  et  Burdigalam  et  ad  Cadurcos, 
nullo  alio  loco  commode  institui  potuit  statio  quo  vini  ad  hostem 
portandi  portorium  solveretur  nisi  Tolosae:  quare  ubi  codex  habet 
vellenfelosi  vel  veUentelesi  in  archetypo  fuisse  videtur  veUent  tolose. 
Qui  de  Elusa  cogitaverunt,  quae  est  in  media  Aquitania,  iis  antea 
docendum  fuit  quomodo  statio  portorii  y\m  ad  peregrinos  vehendi 
in  ipso  hostico  solo  collocari  potuerit.  Neque  de  Elusione.  qui  ^'icus 
est  inter  Tolosam  et  Xarbonem,  recte  cogitatur;  qui  enim  scire 
potuerunt  eo   loco   stationarii  vinum  utrum  ferretur  ad  provinciales 

*)  [In:  Ciceronis  opera  ex  recensione  Orellii,  ed.  altera.  Vol.  II  Pars  I. 
Turici  1854,  Seite  477 — 478.  Die  Stelle  Ciceros  lautet  bei  Orelli  so:  Cognoscite 
nunc  de  crimine  rinario,  quod  ilU  inridiosissimum  et  maxinmm  esse  rohierunt. 
Crimen  a  Maetorio,  iudices,  ita  constitutum  est:  31.  Fonteio  non  in  Gallia  primum 
enisse  in  mentem,  ut  jx>rtorium  vini  institueret,  sed,  in  Italia  iam  hac  proposita 
ratione,  Eoma  p}-ofectum.  Itaque  Titurium  Tolosae  qnaternos  denarios  in  singiilas 
vini  amphoras  pjortorii  nomine  exegisse,  Segoduni  Porcium  et  Munium  ternos, 
Volcalone  Seriaeum  binos  et  rictoriatum,  atque  in  his  locis  Segoduni  et  Volcalone 
ah  iis  poiiorium  esse  exactum,  si  qui  Eburomago,  qui  vicus  inter  Tolosam  et  Nar- 
bonem  est,  dererterentur  neque  Tolosam  ire  vellent:  Tolosae  Oduluscantum  sertos 
denarios  ob  iis,  qui  ad  hostem  portarent.  exegisse.] 


3g  Excursus  ad  Ciceronis  or.  pro  Fonteio  cap.  IX  §  19. 

an  ad  peregrinos?  Neque  tarnen  sufficiebat  Tolosana  statio,  cum 
via  Tolosa  Narbonem  diverticulum  haberet  ad  vicum  aliquem  Cobia- 
machum,  quo  qui  diverteret,  non  Tolosam  perveniret  sed  Secrodunum 
et  Vulchalonem.  Sic  omnino  tria  haec  nomina  in  codice  scripta 
sunt ;  quod  enim  priore  loco  croduni  legitur,  factum  est  quod  primam 
syllabam  absorbuit  praecedens  exegisse.  Neque  opus  est  docere 
quantopere  sententiam  perverterit  Wesenbergius  (Observv.  in  or.  p. 
Sestio  p.  26)  scribens  Cohiamachum  pro  Cohiamacho;  sane  non  diverte- 
bant  Cobiamachum,   sed  Cobiamacho   Secrodunum  et  Vulchalonem. 

—  Tres  hi  loci  ubi  fuerint,  quaeritur.  Cobiamachum  Walckenaer 
(geogr.  anc.  des  Gaules  I.  194)  putat  esse  vicum  qui  hodie  dicitur 
Cambiac  «au  midi  de  Caraman  et  d'Auriac  et  dans  la  direction  de 
Toulouse  a  Narbonne » ;  quod  non  probo,  neque  enim  nominis  simili- 
tudine  haec  quaestio  diiudicanda  est  neque  viam  Tolosa  Narbonem, 
in  qua  ipsa  Cobiamachus  fuerit  necesse  est,  Cambiaci  transisse  credo. 
Omnino  diiudicabunt  hanc  quaestionem  qui  in  viae  huius  diverticula 
aliquando  accuratius  inquirent,  quam  adhuc  factum  esse  videtur.*) 
Quod  si  mihi  huiusmodi  rerum  notitia  plane  destituto  coniecturam 
proponere  licet,  pro  Cobiamacho  vel  potius  Cobiamago  restituerim 
aut  Sostomagum  (si  quidem  emendate  sie  scribitur  in  itin.  Hierosol. 
p.  551,  quod  unum  huius  vici  memoriam  servavit)  aut  Hebromagum 
sive  Eburomagum,  qui  vici  eunti  Narbone  Tolosam  hie  lapide  LXII, 

478  ille  lapide  LXXII  occurrunt.  Inde  non  incommode  divertitur  Sego- 
dunum  Rutenorum,  quod  hodie  est  Rodez;  sie  enim  scribendum 
videtur  pro  Secroduno.  Quod  oppidum  solet  quidem  hodie  Rutenis 
provincialibus  abiudicari,  sed  fit  hoc  ex  coniectura  d'Anvillii  (notice 
de  la  Gaule  p.  562)  parum  certa,  neque  quidquam  obstare  videtur 
ne  eo  extendatur  provincia  Narbonensis.  Vulchalo  vel  potius  Yolcalo 
forma  nominis  plane  Gallica  ubi  fuerit,  non  constat,  nisi  quod  in 
agro  Volcarum  sive  Tectoragum  sive  Arecomicorum  fuisse  non  facile 
quis  negabit;  quo  optime  pervenire  potuit  qui  Ebromago  diverterat. 

—  Ad  lectionem  quod  attinet,  praeter  ea,  quae  supra  notavi,  delevi 
victoriatos  m  post  terms,  ne  nimis  inaequalia  vectigalia  efficiantur. 
Deinde  pro  bims  et  victoriatos  m  (quo  loco  qui  deleverunt  et,  non 
cogitaverunt  male  dici  pro  denario  binos  victoriatos)  scripsi  binos  et 
Victor iatuni.  Oduluscanti  nomen  num  corruptum  sit  et,  si  est,  quo- 
modo  emendandum,  in  medio  relinquendum  est;  Gallica  nomina  in 
atus  desinentia  non  rara  sunt,  ut  Adnamatus,  Gutruatus.  Exegisse 
pro  exegissent  eraendavit  Pantagathus. 

*)  [Es  ist  m.  W.  bis  jetzt  nicht  geschehen.] 


VIII. 

Zu  Cicero  de  republ.  2,  10.*) 

Cicero  führt  in  seiner  Schrift  vom  Staate  (2,  10)  den  Satz  durch,  165 
dass  die  Vergötterung  des  Romulus  bereits  in  die  rein  geschichtliche 
Zeit  falle  und  desshalb  diesem  Bericht  ein  anderes  Gewicht  zukomme 
als  den  gleichartigen  Erzählungen  der  Griechen  aus  ihrer  Mythenzeit. 
Er  belegt  dies  durch  Anführungen  aus  der  damals  gangbaren  griechi- 
schen Chronographie  (Graecorum  annalesj:  Roms  Erbauung  werde 
in  das  zweite  Jahr  der  siebenten  Olympiade  gesetzt,  wo  Griechen- 
land schon  voll  von  Dichtern  und  Musikern  war;  falle  doch  Lykurgos 
108  Jahre  vor  die  erste  Olympiade,  Homer  mindestens  30  Jahre  vor 
Lykurgos,  also  Romulus  viele  Jahre  nach  Homer.  Hier  bricht  der  166 
Text  ab ;  nach  einer  Lücke  von  etwa  230  Buchstaben  folgt  der 
Schluss  derselben  Argumentation  in  dem  folgenden  defecten  Satz: 

US  ne MS  id  di  .  .  .  .  nt  quidam  .  x  filia  quo  ....  iUe 

mor ödem no  na moni ympia   .  . 

xta  .  .   quin  ....  esima  ....  cilius  .  .  t .  .   legi  pos m 

im 

de  Bo  .  .  U   iam  mortdlitate  creditum  ,  cum   iam  inveterata  vita 

homimcm  ac  tractata  esset  et  cognita. 
In  einem  von  3Iai  zu  dieser  Stelle  mitgetheilten  Briefe  Niebuhrs 
wird  der  letzte  Theil  unzweifelhaft  richtig  so  ergänzt:  iiatus  Simo- 
nides  Olympiade  sexta  et  quinquagesima,  quo  facilius  intellegi  possit 
tum  de  Romuli  immortalitate  creditum  u.  s.  w.  Denn  Simonides 
Geburt  fällt  der  Ueberlieferung  gemäss  auf  die  56.  Olympiade  und 
man  kann  auch  nur  beistimmen,  wenn  Xiebuhr  hinzufügt:  illud  mihi 
extra  controversiam  esse  videtur  Ciceronem  in  hac  lacuna  enumeravisse 
poetas  Graecos  qui  sub  Romanis  regibus  floruerunt  atque  ita  desivisse 
in  Simonide  sene,  qui  cum  reges  urbe  pellerentur  quadragenario  maior 
•irat.  —  Nominatum  fuisse    ante   alios   Archilochum    propterea   mihi 

*)  [Rhein.  Mus.  15,  1860,  S.  165  - 167.] 


40  Zu  Cicero  de  republ.  2,  10. 

persuadeo  quod  in  Tusc.  1,  1  sub  Romulo  floruisse  dicitur ,  tum 

vero  Alcaeum,  Stesichorum  etc.  Ohne  Zweifel  wollte  Cicero  durch 
Aufzählung  verschiedener  Dichtergenerationen  von  Homer  bis  auf 
den  verhältnissmässig  schon  modernen  Simonides  deutlich  machen, 
wie  Romulus  Zeitalter  der  mythischen  Dichtung  fern  und  inmitten 
der  historischen  Epoche  stehe.  Aber  wenn  Niebuhr  die  vorher- 
gehenden Worte  ergänzt:  eodem  nomine  alius  nepos  eins  ut  dixerimt 
quidam  ex  ßlia,  quoniam  ille  mortuus  eodem  est  anno,  so  kann  man 
ihm  hierin  nicht  beipflichten.  Er  stützt  sich  darauf,  dass  der  selten 
genannte  jüngere  Simonides  von  Keos  bei  Suidas  ein  Enkel  des 
bekannten  Dichters  heisst;  allein  weder  ist  die  Erwähnung  eines 
80  obscuren  Individuums  in  Ciceros  Weise  noch  wird  durch 
dieselbe  sein  Zweck  irgend  gefördert  noch  wird  es  deutlich, 
worauf  sich  die  Worte  quoniam  ille  mortuus  eodem  est  anno  nach 
dieser  Ergänzung  beziehen.  —  Weit  näher  liegt  es  hier  die 
Angabe  zu  erkennen,  dass  das  Jahr  oder  vielmehr  die  Olympiade 
der  Geburt  des  Simonides  zugleich   die    des  Todes   des  Stesichoros 

ist,   und  also    zu   ergänzen: *)       Stesichorus   nepos   eins 

ut  dixerunt  quidam  ex  filia.  Quo  vero  ille  mortuus,  eodem  est 
anno  natus  Simonides  Olympiade  sexta  et  quinquagesima.  Schwierig- 
keit macht  hier  nur  die  Bezeichnung  des  Stesichoros  als  des 
Tochtersohns  eines  Individuums,  dessen  Name  in  der  Lücke  unter- 
gegangen ist;  denn  eine  hiezu  genau  passende  Notiz  ist  anderweit 
nicht  erhalten.  Man  erwartet  einen  Dichter  oder  doch  sonst  einen 
167  sehr  berühmten  Mann,  geeignet  neben  Homer,  Lykurg,  Stesichoros 
und  Simonides  genannt  zu  werden;  und  ein  solcher,  wie  er  geeig- 
neter nicht  gedacht  werden  kann,  wird  allerdings  dem  Stesichoros 
zwar  nicht  als  Grossvater,  aber  als  Yater  beigelegt:  Hesiodos,  den 
ebenfalls  mit  Homer,  Stesichoros  und  Simonides  derselbe  Cicero 
anderswo  (Cat.  mai.  7,  23)  zusammen  nennt.  Des  Hesiodos  und  der 
Klymene  Sohn  heisst  Stesichoros  bei  Philochoros  (Proclus  zu  Hesiod 
opp.  272),  bei  Aristoteles  oder  wer  sonst  hier  von  Tzetzes  excerpirt 
ist  (fr,  115  Müller)  und  bei  Suidas  (unter  ^ryoixogog).  Man  sieht, 
welche  angesehene  Namen  an  diesen  Bericht  sich  knüpfen  und  auch 
die  innere  Wahrhaftigkeit  mangelt  ihm  nicht,  wofern  er  richtig 
gefasst  wird  (Welcker,  kl.  Sehr.  1,  151).  Aber  ein  sachverständiger 
griechischer   Chronograph  hat  ihn   in    dieser   Form  unmöglich   sich 

*)  [Vgl.  zum  Folgenden  E.  Rohde,  Rh.  Mus.  36,  1881,  S.  567,  der  Mommsens 
Ergänzungen  annimmt,  aber  neque  enim  vor  Stesichorus  und  enim  statt  rero: 
ergänzt.] 


Zu  Cicero  de  republ.  2,  10.  4 1 

aneignen  können,  da  Stesichoros  Geburt  nach  constanter  Annahme 
Ol.  37  =  V.  Chr.  632,  Hesiodos  aber  selbst  von  denen,  die  ihn  am 
jüngsten  machen,  noch  30  Jahre  vor  die  erste  Olympiade  =  v.  Chr. 
806  gesetzt  wird  —  denn  dass  Tzetzes,  von  dem  jene  verwirrte 
Angabe  herrührt,  den  Herodot  auf  die  elfte  Olympiade  =  v.  Chr.  736 
bringt,  ist  ohne  Zweifel  nm-  Folge  jener  Verwirrung^  und  reicht 
doch  auch  noch  nicht  aus.  Es  ist  daher  nicht  unwahrscheinlich,  dass 
der  Chronograph,  den  Cicero  benutzt  hat  —  vermuthlich  Apollo- 
dor*)  —  die  Ueberlieferung,  dass  Stesichoros  ein  Sohn  des  Hesiodos 
gewesen,  mit  der  Milderung  aufnahm,  dass  er  aus  dem  Sohn  einen 
Enkel  machte  und  auch  dann  noch,  da  das  Intervall  immer  noch  zu 
gross  blieb,  ihn  mit  qiiidam  dicunt  einführte;  Cicero  aber  nahm 
diese  Nebenbemerkung  bereitwillig  auf,  weil  sie  das  ungefähre 
Altersverhältniss  des  Hesiodos  und  Stesichoros  seinen  Lesern  ver- 
sinnlichte.  Demnach  wird  Cicero  den  Faden,  den  er  mit  dem  Be- 
weise, wie  viel  früher  Homer  gelebt  habe  als  Romulus,  angesponnen 
hatte,  etwa  folgendermassen  weiter  geführt  haben: 

[Eesiodum  deinde,  quamquam  multis  saeeuUs  posf  Homerum  fuit^, 
tarnen  ei  ipsum  constat  vixisse  ante  JRonitdmn^.  Non  multos  annos 
post  conditam  urhem  natus  est  Stesichor]us,  ne[pos  hui]us  ut 
di[xeru]nt  quidam  [e]x  filia.  Quo  [vero]  ille  mor[ttms,  e]odem  [est 
an]no  na[tus  Si]mom[des  ol]ympia[de  se]xta  [et]  qum[quag]esima: 
[ut  fa\cilius  [in\t[eV^€gi  pos[sit  tu]m  de  Ro[mu]li  immortalitate 
creditum,  cum  iam  inveterata  vita  Jioniinnm  ac  tractata  esset 
et  cognita. 


1)  Yrgl.  Clinton  fasti  Hell.  1,  361. 

*)  [Vgl.  F.  Jacoby,  Apollodors  Chronik,  Berlin  1902,  S.  196  f.] 

2)  Homerus   multis   ut   mihi  lidetur  ante  (Hesiodum)  saecitlis  fuit.     Cicero 
Cat.  mai.  15.  54. 

3)  Bomerus  fuit  et  Hesiodus  ante  Romam  conditam.    Cicero  Tusc.  1,1,3. 


IX. 

Zu  Caesar.*) 

145  Nachdem  Caesar  im  Januar  706  mit  einem  Tlieile  seines  Heeres 

von  Brundisium  nach  Illyricum  übergegangen  war,  wurden  von  dem 
Führer  der  feindlichen  Flotte  M.  Bibulus  von  Kerkyra  aus  Anstalten 
getroffen,  um  die  Nachsendung  der  übrigen  Truppen  zu  verhindern, 
und  namentlich  die  ganze  Küste  besetzt,  wie  Caesar  (b.  c.  3,  8  [,  4]) 
angiebt:  a  Salonis  ad  Oricum  portus  stationes  Utoraque  omnia  longe 
lateque  classihus  occupavit.  So  lesen  die  meisten  Herausgeber,  ohne 
dass  Rechenschaft  darüber  gegeben  wird,  warum  Bibulus  nur  diesen 
Theil  der  Küste  besetzen  lässt  und  die  ganze  lange  Küste  von 
Salonae  nordwärts  vernachlässigt.  Aber  die  gangbare  Lesung  beruht 
nur  auf  Textverderbung;  die  Handschriften  haben  vielmehr  a  Sasonis 
ad  Corici  portum  stationes  Utoraque  omnia  .  .  .  occupavit  und  dies  ist 
wesentUch  richtig.  Saso  ist  die  kleine  Insel  Saseno,  die  vor  den 
Häfen  von  Oricum  und  Apollonia  liegt;  sie  wird  bei  den  Alten 
ziemlich  häufig  genannt  (Scylax  26;  Polybios  5,  HO  [,  2];  Strabon 
6,  3,  5  p.  281;  Silius  7,  480;  Plinius  3,  26,  152;  Ptolemaeos  3,  13,  47 
[3,  12,  44  (Müller)];  Itin.  Ant.  p.  489.  520;  geogr.  Rav.  5,  24  p.  408,  19, 
wo  sie  Sarona  heisst)  und  war  bekannt  als  Piratenstation  (Plinius 
a.  a.  0.);  es  ist  die  erste  wichtige  Position  an  der  Küste  nördlich 
von  Corfu.  Corici  oder  vielmehr  Curici  portus  trifft  auf  die  heutige 
Insel  Veglia  (slavisch  Kerka),  die  nördlichste  unter  denen  der  dalma- 
tinischen Küste.  Diese  heisst  Curictae  (so  auf  einer  kürzlich  daselbst 
gefundenen  Inschrift  (C.  I.  L.  III,  3126)  und  bei  Plinius  3,  21,  139), 
Curictice  (Strabo  2,  5,  20  [p.  123],  7,  5,  5  [p.  315]),  Curicta  (Ptole- 
maeos 2,  16,  13  [2,  16,  8];  curica  die  Peut.  Tafel);  die  letzte  Form 
brauchte  wahrscheinlich  auch  Caesar  3,  10  [,  5]  wo  die  handschriftlich 
überlieferte  Lesung  ad   corcijram   auf  die   (nach  meinem  Vorschlag 

*)  [Hermes  2,  1867,  S.  145—146.] 


Zu  Caesar. 


43 


on  Kraner  aufgenommene)  Verbesserung  ad  Curidam  führt.*) 
lie  Stadt  auf  der  Insel  aber  nennt  Ptolemaeos,  der  einzige,  der 
irer  besonders  gedenkt,  Kovqixov,  eben  wie  Caesar  an  unserer  Stelle ; 
enn  diese  ist  hier  gemeint.  Wenn  also  Bibulus  von  Kerkyra  aus 
ie  Besetzung  der  Küste  von  dem  Hafen  von  Saseno  bis  zu  dem 
on  Veglia  anordnete,  so  heisst  das  einfach,  dass  er  die  ganze  Küste 
on  Corfu  nordwärts  besetzen  Hess,  wie  es  die  Sache  fordert;  von 
er  Küste  südlich  von  Corfu  ist  nicht  die  Rede,  theils  weil  diese  146 
bnehin  von  der  Flotte  der  Pompeianer  occupirt  war,  theils  weil  bei 
aesars  Stellung  die  Verstärkungen  nicht  nach  dem  eigentlichen 
riechenland.  sondern  nach  Illyrien  dirigirt  werden  mussten. 


*)  [Sie  ist  auch  in  die  neueren  Ausgaben  aufgenommen  worden.    Vgl.  auch 
atsch  bei  Pauly-Wissowa,  R.-E.  IV  Sp.  18:34  f.] 


198 


X. 

Beiträge  zur  Kritik  des  Bellum  Gallicum.*) 

Die  hier  mitgeteilten,  die  Textkritik  von  Cäsars  gallischen 
Commentarien  betreffenden  Yorschläge  sind  hervorgerufen  worden 
durch  die  nicht  abschliessende,  aber  in  dem  Keiz  ihrer  Knappheit 
vielleicht  um  so  mehr  anregende  Ausgabe  Heinrich  Meusels.**)  Indem 
dieselbe  einerseits  lehrt,  wie  unvollständig  und  vielfach  fehlerhaft  der 
bisher  gedruckt  vorliegende  Apparat  war  und  demselben  Einfachheit 
und  Sicherheit  giebt,  zeigt  sie  andererseits  mit  einer  freilich  uner- 
freulichen Deutlichkeit,  wie  schwer  das  schöne  und  wichtige  Ge- 
schichtswerk bereits  in  derjenigen  Handschrift  entstellt  war,  auf  die 
alle  erhaltenen  zurückgehen,  und  in  welchem  Umfang  dasselbe  durch 
eine  vor,  und  vielleicht  lange  vor  dem  fünften  Jahrhundert  einge- 
tretene Diaskeuase,  namentlich  durch  Interpolationen  beschädigt 
worden  ist.  Der  gute  Glaube,  in  dem  ich  wenigstens  mich  bisher 
befunden  habe,  dass  die  gallischen  Commentarien  uns  recht  leidlich 
überliefert  seien,  ist  der  Überzeugung  gewichen,  dass  diese  freilich 
in  besserer  als  die  des  Bürgerkriegs,  aber  dennoch  in  einer  Gestalt 
uns  vorliegen,  welche  zwar  weniger  crasse  Fehler  aufweist  als  die 
Bücher  des  Livius  und  des  Tacitus,  aber  um  so  mehr  durch  will- 
kürliche Correctur  gelitten  hat. 

Dass  die  beiden  Familien,  deren  Scheidung  noch  in  die  Römer- 
zeit zurückgeht  —  Orosius  benutzte  eine  der  geringeren  Klasse  sich 
nähernde  Handschrift  — ,  neben  einander  gebraucht  werden  müssen, 
steht  seit  langem  fest;  die  schärfere  Gegenüberstellung  derselben 
und  die  Beseitigung  der  wertlosen  Specialfehler  ist  das  Hauptverdienst 
der  neuen  Recension.  Es  hätte  wohl  darin  insofern  noch  weiter 
gegangen  werden  können,   als  da,  wo    ein  Teil  der  Handschriften 

*)  [Zeitschrift  für  das  Gymnasialwesen  48.  Jg.,   1894;   Jahresberichte  u 
philologischen  Vereins  zu  Berlin  20.  Jg.  S.  198  —  218.] 

**)  [C.  lulii  Caesaris  belli  Gallici  libriVII  A.  Hirtii  liber  VIII,  Berol.  1894. 


Beiträge  zur  Kritik  des  Bellum  Gallicum.  45 

t'istor  Klasse  mit  der  zweiten  oder  ein  Teil  der  Handschriften  zweiter 
Klasse  mit  der  ersten  geht,  damit  in  der  Regel  (denn  Dittographien 
des  Originals  und  Zufälligkeiten  sind  natürlich  auch  im  Spiel)  über 
die  Lesung  der  Urhandschrift  ebenso  entschieden  ist  wie  wo  beide  199 
Familien  mit  einander  übereinstimmen.  —  Was  die  Schätzung  der 
beiden  Familien  anlangt,  so  kann  über  den  Vorrang  der  Klasse  a 
ebensowenig  gestritten  werden  wie  über  den  secundären  Wert  der 
Klasse  ß;  wenngleich  Xipperdey  dieser  letzteren  wohl  zu  enge 
Grenzen  gezogen  hat,  so  scheint  Mensel  dieselben  eher  zu  weit  zu 
greifen.  So  weit  ich  urteilen  kann,  ist  die  Klasse  a  von  selbständiger 
Interpolation  frei;  die  sehr  seltenen  Stellen,  wo  ß  gegenüber  a  die 
nicht  interpolierte  Fassung  bewahrt  zu  haben  scheint  (7,  77,  10; 
8,  16.  2;  vielleicht  auch  7,  77,  13),  gehen  vielleicht  auf  Dittographien 
des  Originals  zurück  und  dürfte  der  Schreiber  des  princeps  von  a 
wohl  öfter  geirrt,  aber  nicht  corrigiert  haben.  Das  Umgekehrte  gilt 
sicher  von  dem  Schreiber  des  prmceps  der  zweiten  Klasse ;  dreiste  und 
unwissende  Textänderungen,  wie  z.  B.  1,  47,  4  die  Herauscorrigierung 
von  Ariovists  Kenntnis  der  gallischen  Sprache  und  4,  10,  3  die  Um- 
wandelung  der  dem  Schreiber  unbekannten  Xantuaten  nach  Auswahl 
entweder  in  Nemeter  oder  in  ^iTamneter,  begegnen  hier  in  grosser 
Menge.  Bei  dieser  Sachlage  wird  es  wohl  zulässig  sein,  da,  wo  die 
Lesung  von  a  sich  ß  gegenüber  auf  Wortausfall  oder  auf  Wort- 
umstellung oder  sonst  auf  einfachen  Schreibfehler  zurückführen  lässt, 
der  letzteren  zu  folgen;  wo  dagegen,  wie  das  sehr  häufig  der  Fall 
ist,  die  Verschiedenheit  der  beiden  Texte  eine  Diaskeuase  voraus- 
setzt, dürfte  der  zweiten  Familie  vielleicht  nicht  dasjenige  Vertrauen 
zu  schenken  sein,  welches  der  neueste  Herausgeber,  obwohl  er  ihre 
secundäre  Stellung  anerkennt,  ihr  thatsächlich  einräumt.*)  Mehrere 
dei-  folgenden  Bemerkungen  geben  dazu  die  Belege. 

1,  3,  2  constituerunt  ea  quae  ad  proficiscendum  pertimrent  comparare 

cum  proximis  ciintatihus  pacem   et  amicitiam  confirmare.  in 

rfhim  annum  profectionem  lege  conßnnant.  ad  eas  res  conficiendas 
'"jetorix  deligitw:  is  sibi  legaüonem  ad  civitates  suscepit.  Der 
lach  confirmare  überlieferte  Satz  ad  eas  res  conficiendas  hiennium 
■ühi  satis  esse  duxerunt,  der  neben  dem  gleichartig  anfangenden 
nicht  bestehen  kann,  ist  sachlich  entbehrlich  (ein  ähnlicher  müssiger 
Zusatz  ist  1 ,  26,  5  triduum  m&rafi  nach  die  quarto\  dagegen  nicht 
entbehrlich   der  folgende  gleichartig  anfangende,  da,  wenn  dieser 

*)  [Vgl.  R.  Schneider  in  derselben  Zeitschr.  49.  Jg.,  1895;  Jahresber.  21.  Jg. 
8. 116  ff.] 


46  Beiträge  zur  Kritik  des  Bellum  Gallicum. 

gestrichen  wird,  Orgetorix  deligitur  in  der  Luft  steht,  weshalb 
diese  Streichung  weiter  zur  Einsetzung  von  dux  genötigt  hat. 
Auch  gewinnt  die  Verbindung,  wenn  dem  Orgetorix  nicht  die 
noch  in  der  Ferne  stehende  Heerführung,  sondern  die  Leitung  der 
Vorbereitungen  übertragen  und  die  Beschickung  der  Nachbarn 
enger  mit  dem  betreffenden  Beschluss  verknüpft  wird.  Endlich 
kann  sihi  dann  in  dem  Sinne  gefasst  werden,  dass  von  den  ihm 
übertragenen  Geschäften  Orgetorix  die  übrigen  anordnet,  die 
Unterhandlungen  mit  den  Nachbarstaaten  aber  selbst  übernimmt. 

2<>0  1,  6,  1.  Das  Her  per  Sequanos  angustum  et  difficile,  durch  welches 
die  Helvetier  nach  Gallien  gelangen  konnten  und  nach  Verlegung 
des  Marsches  durch  das  römische  Gebiet  in  der  That  gelangt  sind, 
ist  die  über  den  Jura  durch  Yverdun  und  Pontarlier  nach  Besangon 
führende  Strasse.  Auf  diese  passt  die  Angabe  inter  montem  luram 
et  flumen  Rhodanum  in  keiner  Weise;  diese  Worte  sind  ebenso 
sicher  Glosse  wie  1,  33,  4  die  verwandte  Angabe  cum  Sequanos  a 
provincia  nostra  Rhodanus  divideret. 

1,  8,  4  vielleicht  ratibusque  complurihus  (actis  {alii),  aliis  vadis  Rho- 
dani.  Indes  bemerkt  mir  Meusel,  dass  diese  Stellung  des  alii 
sonst  bei  Cäsar  sich  nicht  findet. 

1,  10,  4  ihi  Ceutrones  et  Grai  Oceli  et  Caturiges  locis  superioribus 
occupatis  ifinere  exercitum  prohibere  conantur.  Das  überlieferte 
graiocaeli  (so  a,  gaioceli  ß)  ist,  da  eine  Völkerschaft  dieses  Namens 
sonst  nirgends  genannt  wird,  so  wie  geschehen  aufzulösen.  Die 
Graier  als  Bewohner  der  graischen  Alpen  nennt  Plinius  h.  n. 
3,  20,  134:  credunt  .  .  .  eiusdem  (Herculis)  exercitus  et  Graios 
fuisse  Graiarum  Älpium  incolas.  Ocelum,  auch  sonst  öfter  genannt, 
wird  gleich  darauf  als  citerioris  provinciae  extremum  bezeichnet, 
wo  der  Gegensatz  zu  den  Vocontii  uUerioris  provinciae  die  Zu- 
setzung  der  genaueren  Ortsbezeichnung  fordert.  Erst  durch  diese 
Wortteilung  wird  die  Sache  klar.  Die  Ceutronen  (vgl.  Hirschfeld, 
C.  I.  L.  Xn  p.  16 ;  die  alte  Missform  Centrones  sollte  billig  der 
Vergessenheit  verfallen)  haben  ihren  Mittelpunkt  in  Axima  (Aisme), 
dem  Hauptort  der  späteren  Provinz  der  graischen  Alpen,  und  in 
eben  dieser  müssen  auch  die  Graier  gesessen  haben.  Ocelum  liegt 
nicht  in  diesem  Gebiet,  sondern  etwas  südlich  davon;  die  Bewohner 
der  graischen  Alpen  überschritten  also  ihre  Grenzen,  um  Cäsars 
Marsch  zu  hindern.  Derselbe  ging  dagegen  durch  das  Gebiet  der 
Caturigen  (Hauptstadt  Briangon);  diese  brauchten  sich  also  zu  dem 
gleichen  Zweck  nur  längs  der  Strasse  aufzustellen. 


Beiträge  zur  Kritik  des  Bellum  Gallicum.  47 

1 .  1 3,  6  se  ita  a  patnhus  maioribtisque  suis  didicisse,  ut  magis  virtute 
quam  [dolo  contenderent  autj  insidiis  nitei'entur. 

1.  14,  4  quodqiie  tarn  diu  se  impune  [iniurias]  ttdisse  admirarenfur. 
Die  Änderung  intidisse  empfiehlt  sich  nicht:  denn  nirgends  ist  in 
der  Rede  der  Helvetier  die  Rede  von  dauernder  Schädigung  der 
Römer  durch  sie,  wohl  aber  ist  darin  angedeutet,  dass  die  Römer 
sich  lange  Zeit  des  Angriffs  auf  sie  enthalten  hätten. 

1,  17.  2  hos  .  .  .  multitudinem  deterrere,  ne  frumentum  conferant; 
[quodj  praestare  [deheant],  si  u.  s,  w. ;  quod  debeant  ist  offenbar 
Interpolation  zu  jrraestare  und  nicht  zu  versetzen,  sondern  zu 
streichen.  Ebenso  wird  nachher  debeant  gewiss  mit  Recht  von 
Dähne  gestrichen. 

1,  17,  6  quod  necessaria,  re  coactus,  Caesari  enuntiaHt  ist  schon  von  201 
anderen  vorgeschlagen    statt    des   überlieferten   necessariam   rem; 
zu  verstehen  dürfte  sein,  dass  er,  durch  die  Sachlage  gezwungen, 
das  Erforderliche  eröffnet. 

1,  18,  10  in  quaerendo  ist  müssig,  da  dies  von  der  ganzen  Erörterung 
gilt;  inquirendo  (Conjectur  eines  Teils  der  Handschriften  zweiter 
Klasse)  ist  angemessen,  indem  es  hervorhebt,  dass  diese  den 
Dumnorix  belastenden  Angaben  von  seinen  Landsleuten  erst  auf 
besonderes  Befragen  gemacht  werden. 

1,  19,4  in  concilio  Gallorum  scheint  mir  unbedenklich;  es  war  an- 
gezeigt hervorzuheben,  dass  nicht  Römer,  sondern  Landsleute  den 
Dumnorix  also  bezichtigt  hatten.  In  diesem  Zusammenhang  kami 
die  Versammlung  der  vornehmen  Haeduer  (c.  16,  5j  auch  concilium 
Gallarum  genannt  werden. 

1.  25,  7  Romani  [conversa]  signa  Inpertito  intidenmt.  Bei  den  ersten 
beiden  Treffen  tritt  Frontwechsel  nicht  ein. 

l.  33.  2  et  sectmdum  ea  midtae  res  eum  Jioitcdjantur  ist  schwerlich 
richtig;  vielleicht  secum  dum  ea  {reputat),  obwohl  dum  besser  vor 
reputat  stände. 

j .  36,  1  idem  populum  Romanum  ist  wohl  richtig  und  tenere  hinzu- 
zudenken oder  ein  "Wort  ausgefallen. 

1,40,10  cum  aiit  de  officio  Imperatoris  d^sperare  viderentur  auf 
praescribere  auderent.  Die  Familie  a  hat  desperare  aui  praescribere 
ciderentur.  die  Familie  ß  desperare  auf  praescribere  auderent;  hier 

1^  dürfte  jede  einen  Teil  des  Richtigen  bewahrt  und  in  X  gestanden 
b  viderentur 


48  Beiträge  zur  Kritik  des  Bellum  Gallicum. 

1,  47,  2  pridie  eins  diei,  am  gestrigen  Tag,  weiss  ich  mit  dem  hiduo 
2)0st  c.  41,  1  nicht  in  Einklang  zu  bringen.  Corruptelen  scheinen 
nicht  vorzuhegen,  eher  Ungenauigkeit  der  Relation. 

1,  47,  3.  Wenn  ex  suis  gestrichen  wird,  fehlt  der  Anschluss  an  das 
Vorhergehende  wie  an  das  Folgende;  nicht  einen  Boten  verlangt 
Ariovist,  sondern  als  Boten  einen  Offizier,  und  einen  Boten  schickt 
Cäsar,  aber  keinen  Offizier.  Dass  ex  suis  nicht  allgemein  zu 
fassen,  sondern  ex  suis  legatis  zu  verstehen  ist,  was  sonst  Anstoss 
geben  könnte,  wird  hier  durch  den  Zusammenhang  gedeckt. 

1,  51,  2.  Die  richtige  Schreibung  Marcomani  steht  fest  durch  das 
inschrifthche  Zeugnis  Augustus  mon.  Anc.  Lat.  6,  3  =  Graec.  17,  4, 
sowie  durch  die  Quantität  (Statins  silv.  3,  3,  170:  quae  modo  Mar- 
comanos  post  horrida  hello).  Auch  Marcommani  ist  inschriftlich 
belegt  (C.  I.  L.  YIII,  619  =  11780)  und  findet  sich  ferner  bei 
Strabon  7,  1,3  p.  290.  Dass  in  unseren  Handschriften,  namentlich 
202  den  lateinischen,  die  Form  Marcomanni  vorwiegt,  kommt  dagegen 
nicht  in  Betracht;  Cäsar  kann  so  nicht  geschrieben  haben. 

1,  54,  1,  Die  Änderung  von  uhi  in  Ubii  empfiehlt  sich  nicht;  eher 
dürfte  nach  1,  37,  3  an  die  linksrheinischen  Treverer  zu  denken  sein 
als  an  jene  damals  rechtsrheinische  Yölkerschaft.  Die  Kunde  über 
diesen  Vorgang  auf  dem  rechten  Rheinufer  ist  Cäsar  wohl  nur 
unsicher  zugekommen  und  die  allgemeine  Ausdrucksweise  dadurch 
bedingt. 

2,  3,  4  Germani  qui  eis  Bhenum  incolant  ist  sachgemäss ;  die  Fassung 
der  geringeren  Familie  qui  ripas  Bheni  incolunf  hat  offenbar  die 
späteren  Verhältnisse  zur  Voraussetzung,  während  sie  auf  die  hier 
gemeinten  Germanen  (2,  4)  nicht  passt.  Übrigens  zeigt  arhitrari 
2,  4  a.  E.,  dass  diese  Germanen  an  dem  eoncilium  der  Beiger 
nicht  teilgenommen  haben. 

2,  4,  5  totiusque  belli  imperium  sibi  postulare  ist  insofern  auffallend, 
als  später  nirgends  darauf  Bezug  genommen  wird,  und  mit  dem, 
was  dann  über  Galbas  Stellung  folgt,  nicht  wohl  zu  vereinbaren, 
also  vielleicht  Emblem. 

2,  11,4  hi  novissimos  adorti  et  multa  milia  passuum  prosecuti  magnam 
nmlütudinem  eorum  fugientium  conciderunt  und  nachher  ita  sind 
wohl  zu  streichen.  Es  ist  reine  Wiederholung  und  fugientium 
geradezu  falsch. 

2,  17,4  inflcxis  crebrisque,  was  in  a  fehlt,  ist  Interpolation  für  das 
in  ß  fehlende  richtige  enatis.  Die  jungen  Bäume  werden  gekappt 
und  dadurch  der  Astwuchs  auf  die  Seite  gezogen;  jener  Zusatz 
verdunkelt. 


Beiträge  zur  Kritik  des  Bellum  Gallicum.  49 

2,  20,  1  ist  wohl  der  ganze  Satz  vexilliim  .  .  .  tuha  dandum  Emblem. 
Das  vexiUum  proponere  kann  nicht  füglich  unter  den  Obliegen- 
heiten des  Feldherrn  bei  Abwehr  des  Überfalles  aufgeführt  werden. 

2,  22,  1  deiedusque  collis  scheint  Glosse.  Was  der  Hügel  soll  neben 
loci  natura  sehe  ich  nicht  ein  und  noch  weniger,  was  man  sich 
bei  deiecUis  zu  denken  hat. 

cum  divisis  legionibtis  dliae  alia  in  parte  hostibtis  resisterent. 
Die  Änderung  des  überlieferten  diversis  legionibtis  in  diversae 
legiones  hat  keine  AYahrscheinlichkeit.  Angemessen  wird  erst  die 
Trennung  der  verschiedenen  Tmppenkörper  und  dann  deren  Einzel- 
kampf bezeichnet. 

2,  25,  1  ab  novissimis  desertos  gehört  wohl  zusammen  und  ist  Emblem ; 
ah  novissimis  ist  aus  dem  Folgenden  genommen. 

2,  29,  5  j^ost  eorum  abitum,  nicht  obitum.  Die  Bedrängung  wird 
nicht  bedingt  durch  die  späteren  Schicksale  der  Kimbern  und 
Teutonen,  sondern  durch  deren  Abzug.  Auch  ist  obitus  für  diese 
Katastrophe  nicht  passend. 

3,  4,  3  diutumitate  pugnae  hostes  defessi  {si)  proelio  excedebant.  203 
3,  6,  4    frumenti   [commeatusque]  inopia.      Die    Glosse   verrät    sich 

durch  das  in  der  zweiten  Familie  fehlende  qtie. 

3,  8,  1  in  magno  impetu  maris  litore  (statt  atque)  aperto. 

3,  9,  3  legatos,  quod  nomen  ad  omnes  nationes  sanctum  inviolatumque 
semper  fuisset,  retentos  ab  se  et  in  vincula  coniectos  ist  ein  müssiger 
und  trivialer  Satz,  wahrscheinlich  Zusatz. 

3,  9.  7  aliam  esse  navigationem  in  concluso  mari  atque  in  oceano  ist 
wohl  die  ursprüngliche  Fassung;  ein  Teil  der  Handschriften  erster 
Klasse  setzt  vor  oceano  ein  vasiissimo,  andere  vastissimo  atque 
apertissimo;  die  Handschriften  zweiter  Klasse  haben  zum  Teil 
vastissimo  vor  mari,  sämtlich  apertissimo  vor  oceano.  "Wahrschein- 
lich standen  die  Prädikate  vastissimo  imd  apertissimo  in  X  als 
Glosseme. 

3.  11,  2  Germanos,  qui  auxilio  a  Belgis  (ab  belgis  a,  a  gaUis  ß)  arcessiti 
dicebantur  kann,  da  augenblickhch  Gallien  im  wesentlichen  befriedet 
ist,  nur  zurückweisen  auf  die  niedergeschlagene  Erhebung  der 
Beiger,  und  es  ist  darum  kein  Grund  vorhanden,  von  der  präciseren 
Lesung  der  besseren  Familie  abzuweichen.  Allerdings  sind  diese 
rechtsrheinischen  Germanen,  deren  Eintreten  in  den  Kampf  be- 
fürchtet wird,  verschieden  von  den  2,  3,  4  als  daran  beteiligt 
genannten  linksrheinischen;  aber  es  ist  nichts  im  Wege,  vielmehr 
an  sich  wahrscheinlich,  dass  die  Beiger  versucht  haben,  auch 
jene  in  den  Kampf  zu  ziehen.    Die  Beiger  sind  wohl  im  vorjährigen 

MOMMSEN,   SCHR.  VII.  4 


50  Beiträge  zur  Kritik  des  Bellum  Gallicum. 

Feldzug  niedergeworfen ;  aber  dass  Cäsar  dem  Frieden  nicht  traut, 
ergiebt  die  Stelle  selbst.  Wahrscheinlich  hat  er  eine  neue  Schild- 
erhebung  derselben  mit  germanischem  Zuzug  besorgt. 

3,  13,  7  cum  se  saevire  ventus  coepisset  vento  dedissent  hat  a,  cum  se 
vento  dedissent  ß;  m  X  stand  wohl: 

se       uento    dedissent 
cum  saeuire  uentus  coepisset 
und  ist  die  Glosse  in  a  in  den  Text  eingedrungen,  in  ß  an  dessen 
Stelle  getreten. 

3,  17,  2  ex  quibus  exercitum  [magnasque  copias]  coegerat. 

3,  17,  4.  Die  Einschaltung  des  et  beschädigt  den  Sinn.  Das  aus 
verkommenen  Bauern  hervorgegangene  Raubgesindel  kann  nicht 
als  dritte  Kategorie  zu  perditi  homines  latronesque  gestellt  werden, 
sondern  entwickelt  deren  Wesen  genauer. 

3,  20,  >2  Tolosa  (oder  Tolosae)  et  Narbone  der  Handschriften  a  ist 
zweifellos  die  echte  Lesung;  die  der  zweiten  Familie  Tolosa  Car- 
casone  et  Narbone  ist  als  Interpolation  gezeichnet  durch  die 
fehlende  Copula.  Auch  sachlich  passt  die  unbedeutende  Ortschaft 
Carcaso  übel  zu  den  beiden  Hauptstädten  der  Provinz. 

204  3,  26,  2  eductis  iis  cohortibus  scheint  mir  tadellos  für  das  Heranführen 
der  Infanteriereserve  durch  Reiteroffiziere.  Gegen  die  Änderung 
devectis  ist  sprachlich  einzuwenden,  dass  durch  die  Stelle  1 ,  43 
[,  2]  legionem  quam  equis  devexerat  (oder  vexerat)  das  einfache 
devehere  im  Sinne  von  beritten  machen  keineswegs  erwiesen  wird; 
sachlich,  dass  nach  der  Beschaffenheit  der  römischen  Truppen 
eine  solche  Operation  in  dem  gegebenen  Zusammenhang  schlechter- 
dings undenkbar  ist. 

4,  8,  2  neque  aequum,  esse  statt  des  überlieferten  verum,. 

4,  10,  1  Vacalus  in  Oceanum  influit  neque  longius  ab  Oceano  m.  p. 
LXXX  insulam  efficit  Batavorum,  wo  dann  zu  in  Oceanum  influit 
als  Correctur  beigesetzt  ist  in  Bhenum  influit.  Überliefert  ist 
Vacalus  insulamque  efficit  Batavorum  in  Oceanum  influit  neque 
longius  ab  Oceano  m.  p.  LXXX  in  Bhenum  influit. 

4,  2] ,  ^  perspectis  [regionibus]  omnibus.  Die  bessere  Klasse  hat 
regionibus  omnibus,  die  geringere  regionibus;  auch  hier  hat  X  die 

regionibus 
Dittographie  omnibus   gehabt  und  ist  die   Glosse  regionibus   (was 
sachlich  nicht  wohl  für  diese  kurze  Erkundung  passt)  in  der  ersten 
Familie  neben  die  richtige  Lesung,  in  der  zweiten  an  deren  Stelle 
getreten. 


Beiträge  zur  Kritik  des  Bellum  Gallicum.  51 

4,  23,  2  a  quibus  kann  nur  auf  die  Reiter  bezogen  werden,  ist  aber 
dann  falsch,  denn  die  folgende  Erzählung  zeigt,  dass  j)rwme  w«ves 
die  der  Hauptflotte  sind,  und  dass  die  Reiter  nicht  paulo  tardüis, 
sondern  gar  nicht  eintreffen.  Wird  a  quibus  gestrichen,  so  ist  der 
Bericht  tadellos:  die  Einschiffung  vollzog  sich  nicht  so  rasch,  wie 
es  hätte  geschehen  sollen,  und  so  gelangte  nur  der  Feldherr  selbst 
mit  wenigen  Schiffen  um  die  vierte  Tagstunde  an  die  Küste. 
Das  unpersönliche  cum  paulo  tardius  esset  administratum  legte  die 
Interpolation  nahe.  Die  Yermuthung  von  Th.  Bergk,  dass  nach 
administratum  etwas  fehlt,  etwa  aestu  naves  in  continentem  reiectae 
sunt,  kann  ich  nicht  teilen;  die  Fahrt  der  Reiter  wird  c.  28 
berichtet,  und  es  wäre  ungeschickt  gewesen,  den  ersten  Abschnitt 
derselben  hier  zu  anticipieren. 

4,  23,  3  montibus  afigusti(i)s  ist  auch  wohl  Dittographie  und  angustis 
nicht  zu  ändern,  sondern  zu  tilgen. 

4.  23,  5  monuitque,  tU  rei  militaris  ratio,  maxime  ut  marititnae  res 
postulahant  (statt  postularent) ,  tä,  cum  (statt  quam)  celerem  .  .  . 
motum  haherent,  ad  mttum  .  .  .  omnes  res  ah  iis  administrarentur. 

4,  25,  3  aeque  (atque  a,  at  ß)  nostris  militihus  cunctantibus.  Trotz 
des  Zuriickweichens  der  Feinde  zögern  die  Soldaten. 

4,  25,  6.  In  dem  überlieferten  ex  proximis  primis  navibus  wird  das  205 
dritte  Wort  nicht  zu  streichen,  sondern  mit  Madvig  in  primi  zu 
ändern  sein,  da  die  Parallele  des  aquilifer  auch  für  die  übrigen 
Schiffe  Vormänner  fordert,  auch  suis  omnibus  consecutis  darauf 
hinweist.  Die  Stellung  freilich  ist  auffallend  imd  vielleicht  navibus 
zu  tilgen. 

4,  29,  2  sind  die  Worte  longas  und  onerarias  wohl  zu  streichen; 
dagegen  compleverat  nicht  mit  dem  complebat  der  schlechten 
Familie  zu  vertauschen.  Gefordert  wird  der  Gegensatz  der  auf 
den  Strand  gezogenen  Schiffe,  welche  die  Flut  mit  Wasser  gefüllt 
hatte,  und  der  vor  Anker  liegenden,  die  der  Gewalt  der  Wellen 
unterlagen;  warum  nur  die  Kriegsschiffe  und  diese  alle  auf  den 
Strand  gezogen  sind,  ist  nicht  einzusehen. 

4,  33,  1  cum  se  insinuaverunt  kann  wegen  primo  nicht  fehlen;  aber 
inter  equitum  turmas  ist  wohl  falsch  und  gemeint  inter  ardines. 

5,  3,  5  et  familiaritate  Cingetorigis  adducti  wird  mit  a  beizubehalten 
sein;  auctoritate,  was  die  andere  Klasse  bietet,  liegt  so  nahe, 
dass  es  schon  dadurch  verdächtig  wird  und  ist  eigentlich  nichts- 
sagend, während  sachgemäss  die  näheren  Freunde  des  Cingetorix 

I      hier  genannt  werden. 

!  4* 


52  Beiträge  zur  Kritik  des  Bellum  Gallicum. 

5,  4,  4   [id  factum]  graviter  tulU  Indutiomarus  suam  gratiam   inter 
suos  niinui.     Die    letzteren  Worte    mit  dem  scharfen   Gegensatz 
sehen  nicht  nach  Interpolation  aus. 
5,  5,  2.     Da  die  Legionen,    welche   die    Schiffe  herstellen,  alle  in 
Belgis  wintern  (4,  38,  4),  so  kann  man  nicht  wohl  die  Yenelli  hier 
einsetzen.     Das  Marnegebiet  dagegen  passt,  und  es  ist  überhaupt 
schwer  zu  glauben,   dass  die  selten  genannten  Melder  hier  inter- 
poliert sein  sollen. 
5,  12,  4  aut  aliis  ferreis  muss  in  X  gestanden  haben,  da  a  und  ein 
Teil  von  ß  hierin  stimmen;   taleis   in   den  übrigen  Handschriften 
zweiter  Klasse  ist  wohl  aus  7,  73  [,  9]  entlehnte  Conjectur.    Danach 
dürfte  mit  F.  Keller  talis  zu  schreiben  sein. 
5,  13,  6.     Ich  glaube  nicht  an  das  eingesetzte  alter.     Von  den  drei 
Ecken  nennt  Cäsar  zwei  bei  dem  ersten  Abschnitt,  die  dritte  bei 
dem   dritten.      Das  kann    man  tadeln;    aber    die  Einsetzung    des 
alter  macht   das  Fehlen  der  Ecken  im  zweiten  Absatz   erst  recht 
störend. 
5,  15,  4  novo  genere  pugnae  perterritis  nostris  ist  wohl  Glosse;   vgl. 

4,34,1. 
5,  24,  3.    46,  1.  6,  6,  l,  das  heisst  an   sämtlichen   Stellen,  wo  Cäsar 
M.  Crassus   den  Sohn  einführt,  wird    er    als  Quästor  bezeichnet: 
5,  24,  3  tres  (legiones)    in  Bellovacis  collocavit:    Ms  M.  Crassum 
quaestorem  (quintwn  a,   fehlt  ß)  et  L.  Munatium  Plancum  et  C. 
Trehonium  legatos  praefecit.  —  46,  1    nuntium  in    Bellovacos   ad 
206      M.  Crassum  qu/iestorem  (fehlt  ß)  mittit  ....  alterum  ad  C.  Fdbium, 
legatum  mittit.    —   6,  6,  t  partitis  copiis  cum   G.  Fdbio   legato  et 
M.  Crasso  quaestore. 
Diese    Stellen  beziehen    sich    alle  auf  den  Winter   des  Jahres 
700/1  und  lassen  sich  damit  vereinigen,  dass  Crassus  am  5.  December 
700  die  Quästur   antrat.     Cäsar  kehrte  im  September  700  aus  Bri- 
tannien zurück  und  die  Legionen  werden  schon  vor  dem  December 
in   die  Winterquartiere    eingerückt    sein.      Wenn    demnach  Crassus 
auch   erst  in    diesen   sein  Amt  antrat,   so   konnte   ihm  dennoch  von 
vornherein  dieser  Titel  gegeben  werden,  und  erscheint  es  mir  nicht 
gerechtfertigt,    die  drei  offenbar  correlaten   Stellen  verschieden   zu 
behandeln.     Wenn  man  sich  erinnert,  welches   enge  Verhältnis  den 
Quästor  mit  dem  Statthalter  verband  und  in  welchem  Ansehen  das 
Haus  der  Licinii  Crassi  stand,  so  wird  man  diesen  Hinweis  eben  bei 
den  ersten  Erwähnungen  ungern  vermissen.  —  Fraglicher  ist  es,  ob 
in  der  Zusammenfassung  5,  25,  5  ah  omnihus  legatis  quaestorihusque, 
quibus  legiones  tradiderat  die  Überlieferung  gehalten  werden  kann. 


fl 


Beiträge  zur  Kritik  des  Bellum  Gallicum.  53 

Dass  Cäsar  als  Statthalter  zweier  Provinzen  auch  zwei  Quästoren 
gehabt  hat,  ist  mehr  als  wahrscheinlich ;  der  statthalterliche  Stab  ist 
für  ihn  in  anderer  Hinsicht  erweitert,  also  sicher  hierin  nicht  ge- 
schmälert worden,  und  von  Pompejus,  dem  Statthalter  beider  Spanien, 
giebt  es  Münzen  sowohl  mit  Varro  pro  q.  wie  mit  Cn.  Piso  pro  q. 
Auch  kann  unmöglich  angenommen  werden,  dass  er,  der  die  Legionen 
ohne  weiteres  bald  in  der  einen,  bald  in  der  anderen  Provinz  ver- 
wendete, nicht  auch  beiden  Quästoren  neben  einander  ein  aktives 
Kommando  gewähren  konnte.  Aber  ein  Fehler  steckt  auf  jeden 
Fall  in  der  Überlieferung.  Hat  sich  unter  den  Legionskommandanten 
nur  ein  Quästor  befunden,  so  muss  man  entweder  quaest&ribusque 
ändern  in  quaestm-eque,  was  sprachlich  bedenklich  ist  (vgl.  zu  6,  12,  6), 
oder  mit  Mensel  leqatis  quaestoribusque  streichen,  wozu  man  sich 
auch  nicht  gern  entschliesst,  eben  wegen  des  befremdenden  Plurals. 
Aber  wenn  man  diese  Worte  festhält,  muss  die  voraufgehende  Auf- 
zählung der  Legionskommandanten  (5,  24)  nicht  bloss  einen  Quästor 
nennen,  sondern  zwei,  also  bei  einem  Namen  der  Titel  q.  ausgefallen 
sein.  Li  der  That  heisst  es  kurz  nachher  (5,  53,  6):  ah  L.  Roscio 
qtuiestore  (so  a,  legato  ß),  quem  legiani  XIII  praefecerai;  der  Amtstitel 
ist  hier  freilich,  vermutlich  weil  man  an  dem  zweiten  Quästor  Anstoss 
nahm,  in  der  geringeren  KJasse  korrigiert  imd  in  unseren  Ausgaben 
gestrichen,  aber  zweifellos  in  a  richtig  überliefert  und  vielmehr  q. 
hier  vor  quartam  ausgefallen.  L.  Roscius  Fabatus  ist  auch  sonst 
bekannt:  er  ist  wahrscheinlich  der  Münzmeister  der  mit  diesem 
Kamen  bezeichneten  Denare  (mein  röm.  Münzwesen  S.  644),  nach 
unserer  Stelle  Quästor  (Proquästor)  im  J.  700  oder  701 ,  im  J.  705 
Prätor  (Cäsar  BC.  1,  3.  S.  10;  Cicero,  ad  Att.  8,  12,  2;  Dio  41,  5), 
in  welcher  Eigenschaft  er  das  auf  der  atestinischen  Bronze  erwähnte  207 
Gesetz  einbrachte  (Bruns  fontes^  S.  103)  und  fiel  bei  Mutina  711 
(Cicero  ad  fam.  10,  33,  4).  Dass  das  Litervall  zwischen  Quästur  und 
Prätur  danach  sich  nur  auf  vier  bis  fünf  Jahre  stellt,  berechtigt 
nicht,  die  Identität  der  Person  zu  bezweifeln.  Die  AlterssteUung  der 
Quästur  ist  durchaus  nicht  sicher  (Staatsrecht  I^  570),  und  wenn 
bei  Männern  wie  Cicero  und  Cato,  die  in  frühen  Jahren  dieses  Amt 
erlangten,  das  Intervall  zwischen  diesem  und  der  Prätur  sich  be- 
deutend länger  stellt,  so  folgt  daraus  nichts  für  diejenigen,  bei  denen 
kein  Grund  ist,  den  gleichen  vorzeitigen  Antritt  vorauszusetzen. 
Übrigens  wird  gleich  bemerkt  werden,  dass  Roscius  recht  wohl 
mehrere  Jahre  früher  die  Quästur  bekleidet  haben  und  da,  wo 
Cäsar  ihn  errwähnt,  Proquästor  gewesen  sein  kann.  —  Unter  allen 
Umständen  wird  daran  festzuhalten  sein,  namentlich  mit  Rücksicht 


54  Beiträge  zur  Kritik  des  Bellum  Gallicum, 

auf  Cäsars  Worte   1,  52:   Caesar  singuUs  legionihus   singulos  legatos 
et  quaestorem  praefecit,  4,  13,  4:    consiUo   cum    legatis   et   quaestore 
communicato  und  4,  22,  3:  quaestori  legatis  praefectisque  distrihuit, 
dass  Cäsar  die   beiden  staatsrechtlich  durchaus  verschiedenen  Titu- 
laturen streng  auseinander  hält  und  nirgends  den  Quästor  als  Legaten 
behandelt    oder  unter    den  Legaten  mit  begreift,  —  Eine    andere 
Frage  ist  es,    ob,  wo  der  Quästor  genannt  wird,  damit  notwendig 
der  Magistrat  des  Amtsjahres  gemeint  ist  oder  diese  Bezeichnung 
auch  von  dem  nach  Ablauf   desselben    die  Funktion    fortführenden 
Proquästor  verstanden  werden  kann.    Letzteres  hat  die  Wahrschein- 
lichkeit für  sich.      Für  Hirtius   steht    dieser  Gebrauch    fest   (8,  50) 
und  bei  Cicero   (ad  Att.  7,  8,  5)   heisst   Antonius  noch  im  Dec.  7( 
Cäsars  Quästor.     Es  können  also  Crassus  und  Fabatus   die  Quästur 
auch  schon  vorher  verwaltet  haben. 
5,  31,  5  omnia  excogitantur,  quare  nee  sine  periculo  eatur  (maneatur 
Hss.^  et  languore  militum  et  vigiliis  periculum  attgeatur.     Dieser' 
bittere  Tadel  kann  nicht  wohl  interpoliert  sein,  schon  weil  dann 
die  Verbindung  fehlt  zwischen  dem  unliebsamen  Preisgeben    des 
Gepäcks  und  der  Gefährdung  des  Marsches  durch  dessen  Mitnahme. 
„Es  geschieht  alles,  um  den  Abmarsch  so  gefährlich  wie  möglich, 
zu  machen   und  die  Soldaten  vor   demselben  zu   ermüden".     Das 
von  Hartz  vorgeschlagene  mane  eatur  empfiehlt  sich  insofern  nicht, 
als  der  Aufbruch  in  der  Morgenfrühe  die  Gefährdung  nicht  steigert. 
5,  35,  2  Interim  eam  [partem]  nudari  necesse  erat  et  ab  latere  aperto 
tela  recipi;  Subjekt  ist   die  ausfallende  Cohorte   und  partem  wohl 
Glosse.    Gemeint  ist  nicht,  dass  dieselbe  den  Platz,  wo  sie  stand, 
entblösst,  so&dern  dass  sie  selbst  die  Flankendeckung  verliert. 

5,  43,  6  paulum  quidem  intermissa  flamma  et   ist  wohl  zu  streiche 
Es  ist  abenteuerlich,   dass  der  Brand   im  Lager   die    feindlichen 
Türme  abwehrt,   also  wo   dieser  Brand  eine   Lücke   lässt,    diese 

208      angreifen;  und  anders  lassen  sich  die  Worte  nicht  verstehen. 

6,  3,  4  ut  omnia  postponere  videretur  {rebellibus  subigendis).  Eine 
solche  Wendung  scheint  zu  fehlen. 

6,  10,  2  adductos  wohl  zu  streichen. 

6,  1 0,  5  Cheruscos  ab  Suebis  Suebosque  ab  Cheruscis  [iniuriis  incursi- 
onibusquej  prohibere. 

6,  12,  6  gratia  [dignitateque]  amplificata.  Wenn  die  Sequaner  sich 
auch  gleicher  Gunst  erfreuen  wie  die  Haeduer,  so  können  sie 
nicht  füglich,  nachdem  sie  den  Principat  verloren  haben,  im  An- 
sehen ihnen  gleichgestellt  werden.     „Auch  sprachlich",  bemerkt 


Beiträge  zur  Kritik  des  Bellum  Grallicum.  55 

Meusel,  „ist  dignitateqtie  bei  Cäsar  sehr  bedenklich;  bei  guten 
Schriftstellern  wird  que  nicht  an  ein  mit  kurzem  e  endigendes 
Wort  angehängt''. 

6,  12,  8  ita  [et]  novam  et  repente  collectatn  auctoritatem  tenehant. 

6,  13,  2  sese  in  servittUem  dicant  nobilihus  {nobilibusque)  in  hos  eadem 
omnia  sunt  iura  quae  dominis  in  servos.  Der  Gegensatz  der 
geringeren  Freien  paene  servi  und  der  wirklichen  Unfreien  tritt  also 
deutlicher  heiTor,  als  wenn  quihus  nach  nobilihus  eingesetzt  wird. 

6,  17,  3  quae  superaverint  scheint  Glosse,  angelehnt  an  quMe  hello 
ceperint. 

6,  22,  2  gentibus  cognationibusque  hominum  quicumque  (quicum  a, 
quique  ß)  iina  coierunf.  Damit  wird  näher  festgestellt,  welche 
Gemeinschaften  bei  der  Ackerteilung  Landlose  empfangen;  es 
sind  Sippen,  aber  diesen  selbst  bleibt  es  überlassen,  festzustellen, 
wen  sie  als  zugehörig  betrachten. 

6,  22,  3  ne  latos  fines  parare  sttideant  potentiares  (j)ot€ntiores)que 
humiliores  possessi&nibus  expellant. 

6,  24,  4  quod  in  eadem  [inopiaj  egestate  patientia  {anti)qua  Gennani 
permanent.  Unmöglich  können  egestas  und  patientia  coordiniert 
werden. 

6,  32,  2  ad  se  ut  deducerentur  statt  reducerentur. 

6,  43,  1  profectus  {equites)  magno  coacto  numero  ....  dimittit. 

7,  11,4  qui  (Carnutes)  .  .  .  adlato  nimtio  de  oppugnatione  Vellaunoduni 
.  .  .  .  jiraesidium  Cenabi  [tuend i  causa]  quod  eo  mitterent  comparabant. 
Die  Mannschaft  wird  in  Cenabum  gesammelt,  nicht  um  dies, 
sondern  um  Vellaunodunum  zu  verteidigen. 

7,  14,  5  a  JBoia  quoqiie  versus  gehört  zusammen  und  wird  ganz  zu 
streichen  sein. 

7.  15,  2   hoc  ideni  fit  in  reliquis  civitatibus  ist  Zusatz.      Es  handelt 
sich   nur  um  Yerwüstung   hoc  spatio,   quo  pabtdandi  causa   adire 
posse  videantur  (Bomanij  und  es  ist  abenteuerlich,  dies  gleichzeitig  209 
auf  ganz  Gallien  zu  erstrecken.    Auch  was  folgt  in  omnibus  partibus 
incendia  conspiciuntur  führt  nur  auf  das  Gebiet  der  Biturigen. 

7.  21,  3  quod  penes  eos,  si  id  oppidum  retinuissent,  siimmam  nictoriae 
constare  inteUegebant  scheint  mir  richtig  zu  sein,  Dass  die  Biturigen 
durch  eigene  Kraft  die  Römer  abwehren,  wünschen  die  übrigen 
Yölkerschaften  nicht,  weil  sie  ihnen  diesen  Kriegserfolg  beneiden. 

7.  27,  1  refectisque  (statt  derectisque)  operibus. 

7.  27,  2  legionibusque  extra  vifieas  in  occidto  expeditis.,  wie  a  liest, 
scheint  richtig   und  die  Lesung  von  ß  intra  statt  extra  eine   der 


I 


5ß  Beiträge  zur  Kritik  des  Bellum  Gallicum. 

dieser  Familie  eigenen  gewaltsamen  Interpolationen.  Die  Belagerten 
erwarten  den  Angriff  aus  den  vineae;  statt  dessen  wird  er  ge- 
richtet auf  den  ganzen  Mauerring,  ex  omnihus  partibus ,  und 
mussten  also  die  Legionen  um  die  Mauer  herum  ausserhalb  der 
vineae  aufgestellt  werden. 
7,  38,  9  qui  eins  praesidii  fiducia  una  ierant  (statt  erant). 
7,  42,  5  iter  ad  legionem  facientem  ist  besser  als  legiones,  da  der 
Offizier  zu  einer  bestimmten  Legion  gehört;  suam  scheint  ent- 
behrlich, da  kein  Grund  ist  die  Zugehörigkeit  besonders  zu  betonen. 
7,  45,  5.  Die  Änderung  unam  in  decimam  ist  meines  Erachtens 
sinnstörend.  Die  zehnte  Legion  ist  bei  dem  Corps,  das  nachher 
angreift;  die  hier  gemeinte  wird  bei  dem  Scheinangriff  auf  der 
anderen  Seite  verwendet,  wie  dies  die  Worte  augetur  Gallis 
suspicio  zeigen.  Auch  eodem  iugo  ist  richtig  und  silvis  occtiltat 
so  zu  verstehen,  dass  die  verdeckte  Aufstellung  den  Feind  über 
die  Stärke  der  Truppe  täuschen  und  ihn  bestimmen  soll,  sie  für 
das  Hauptheer  zu  halten.  Die  weitere  Ausführung  würde  hier  zu 
weitläufig  werden. 
7,  58,  2.  c.  58,  6.  c.  60,  1.  c.  61,  5.  Meines  Erachtens  kann  weder 
bestritten  werden,  dass  an  diesen  vier  Stellen  dieselbe  Ortschaft 
gemeint,  noch  dass  diese  Ortschaft  das  heutige  Melun  ist;  der 
Name  aber  ist  in  seltsamer  Weise  entstellt: 

meclodone  (dritte  Stelle)  oder  metclodone  (zweite  Stelle)  ablativisch 

ein  Teil  der  Handschriften  erster  Klasse  (B  M), 
mellodunum  oder  ablativisch  melloduno  ein  Teil  der  Handschriften 
erster  Klasse  (A  Q)   an  der  ersten  und  der  zweiten  Stelle. 
melledunum  die  übrigen  Handschriften   erster  (B  M S)  und  ein 

Teil  derjenigen  zweiter  Klasse  (h  l)  an  der  ersten  Stelle, 
metlosedum  ein   Teil  der   Handschriften  erster  Klasse   (BMS) 
an  der  vierten  Stelle, 
210  mctiosedum  die  übrigen   Handschriften   erster  Klasse   (A  Q)  an 

der  vierten    Stelle    und    sämtliche    Handschriften    zweiter 
Klasse   an  allen  vier  Stellen  mit  Ausnahme  von  hl  an  der 
ersten. 
Andererweitig  heisst  der  Ort: 

Mecledo  im  Itin.  Ant.  p.  383  (mededo  die  beste  Handschrift,  die 

übrigen  meclet-,  metlet-,  medet-)^  was  Ablativ  von  Mecledum 

sein  muss,  nicht  Nominativ,  da  sonst  das  Wort  nach  Analogie 

von  Narhone,  Tarracone  flectiert  sein  würde. 

Meteglo  die  Peut.  Tafel,  verdorben  aus  Megleto. 


Beiträge  zur  Kritik  des  Bellum  Gallicum.  57 

Mecledonense  castrum,  Megledotiensis  pagus  hat  Gregor  von 
Tours  hist.  Franc.  6,  31  (ohne  wesentliche  Variante).  32  (die 
besten  Handschriften  ebenso,  andere  megled-,  methed-). 

Mecledone  episcopiis,  Mecledonensis  episcopus  die  fränkische 
Urkunde  vom  J.  538  bei  Ruinart  zum  Gregor  p.  1328. 

Die  jetzt  gangbare  Meinung,  dass  der  Ort  einen  Doppelnamen 
geführt  hat,  wird  aufgegeben  werden  müssen ;  überall  liegt  in  ver- 
schiedenen  Abwandelungen    oder    Yerschreibungen    dasselbe    "Wort 

vor.      Die   Formen    der    Cäsarhandschriften    meclo-,    mello-,    metlo-, 

t 
metclo-  (wohl  aus  meclo-  entstanden) ,  niefio-  entsprechen  dem  ander- 
weitig beglaubigten  mecle-;  es  wird  also  meclo-  festzuhalten  und  das 
kurze  o  in  e  übergegangen  sein.  Hinsichtlich  der  Endung  führen 
die  nachcäsarischen  Angaben  auf  MecUdum  oder  Meclediinum;  doch 
möchte  die  letztere  als  aus  gallischer  Quelle  stammend  mehr  für 
sich  haben.  Auch  die  cäsarischen  weisen  teils  auf  Meclodo,  teils 
dMi  Meclodununi ;  Metlosedum  hat  wohl  daneben  in  X  als  Dittographie 
gestanden  und  ist  daraus  in  einzelne  Handschriften  der  ersten  und 
in  die  meisten  der  zweiten  Klasse  übergegangen.  Vermutlich  hat 
Cäsar  selbst  Meclodunum  geschrieben. 
7,  64,  1  ipse  imperat  reliquis  cimtatihus  ohsides,  decimum  (statt  denique) 

ei  rei  constituit  diem. 
7,  70,  3  hostes  in  fugam  coniecti  se  ipsi  multitudine  impediunt  atque 
migusüorihus  portis   relictis  coacervati:    tum   Germani  u.  s.  w.    ist 
mit  a  zu  schreiben.    Der  Rückzug  wird  behindert  teils  durch  die 
grosse   Zähl   der  Feinde,    teils   dadurch,    dass    sie    an  den    allzu 
schmalen  in  der  maceria  gelassenen  Durchlässen   sich  zusammen- 
drängen. 
7.  72,  2  in  nostros  opere  distentos  statt  operi  desti^mtos. 
7.  73,  1  erat    eodem    tempore    et   materiari   et   frumentari    et    tantas 
.    munitiones  fieri   necesse  [deminutis   nostris    copiis  quae    longius  a 
castris  progrediebantiir] .     Die  "Worte  deminutis  nostris  copiis  quae  211 
l.  a.  c.  progrediehantur  sind  nicht  bloss  überflüssig,  sondern  auch 
incorrect. 
7,  73,  2  perpetuae  fossae  (quinque)  quinos  pedes  aUae.    Die  Zahl  der 
Gräben  muss  schon  hier  angegeben  werden;   sie  ergiebt  sich  aus 
den  quini  ordines. 
7.  74,  1   tit  ne  magna  quidem  multitudine,  si  ita  accidat  [eius  discessu] 
{ut)   munitionum  pmesidia    circumfundantur    (hdschr.  munitiomim 
praesidia   circumfundi  possent  aut),  cum  periculo  ex  castris  egredi 
cogatur,  dierum  XXX  pabtdum  frumentumque  habere  omnes  con- 


5^  Beiträge  zur  Kritik  des  Bellum  Gallicum. 

vectum  iuhet.  Dies  ungefähr  wird  gefordert;  sichere  Herstellung 
des  Textes  ist  damit  freilich  nicht  erreicht. 

7,  75,  2  Amhivaretis  (amhluaretis  X)  ist  wohl  in  Ämbarris  zu  ändern : 
unmöglich  kann  jene  neben  den  Menapiern  wohnhafte  kleine 
Völkerschaft  in  der  Chentel  der  Haeduer  gestanden  haben,  und 
das  Fehlen  der  Ambarri  in  dieser  Verbindung  befremdet.  Dies 
ist  nicht  Schreibfehler,  sondern  Interpolation;  der  Diaskeuast,  von 
dem  X  herrührt,  vermisste  die  kurz  nachher  (7,  90  [,  6])  in 
dem  Verzeichnis  der  Winterquartiere  genannten  Ambivareti.  Die 
an  sich  nicht  wahrscheinliche  Annahme,  dass  es  zwei  Völkerschaften 
dieses  Namens  gegeben  hat,  wird  dadurch  ausgeschlossen,  dass 
alsdann  Cäsar  die  südliche  hier,  die  nördliche  gleich  darauf  ohne 
unterscheidenden  Beisatz  genannt  haben  würde. 

7,  75,  3  Esuviis  et  Äulercis  Ehurovicihus  terna  dürfte  zu  schreiben 
sein  statt  Lexoviis  et  Äulercis  JEburonibus  terna  der  Familie  a, 
woraus  die  Lesung  ß  Lexoviis  Ehuronihus  durch  offenbare  Inter- 
polation gemacht  ist.  Die  Verbesserung  des  schon  in  der  Urhand- 
schrift  fehlerhaften  Ehuronihus  in  Ehurovicihus  ist  längst  gefunden 
und  evident.  Die  Streichung  der  Lexovii  empfiehlt  sich  nicht, 
zumal  da  dann  terna  in  tria  verwandelt  werden  muss;  aber  der 
Name  ist  vielleicht  verdorben.  Denn  die  Lexovii  erwartet  man 
zunächst  unter  den  aremoricanischen  Gauen,  und  nicht  ohne  Wahr- 
scheinlichkeit hat  bei  diesen  Nipperdey  diesen  Namen  statt  der 
hier  unzulässigen  Lemovices  eingesetzt;  Ehurovices,  was  Kubier 
dafür  setzen  will,  ist  unmöglich,  da  in  einer  Liste,  welche  die 
Aulerci  Brannovices  und  die  Aulerci  Cenomani  aufführt,  die  Aulerci 
Ehurovices  nicht  bloss  mit  dem  letzteren  Namen  figurieren  können. 
Man  muss  entweder  Lexoviis  hier  stehen  lassen  und  unten  die 
Lemovices  streichen  oder  für  diese  mit  Nipperdey  die  Lexovii  ein- 
setzen und  an  der  ersten  Stelle  für  Lexoviis  schreiben  Esuviis, 
deren  Fehlen  in  dem  Verzeichnis  befremdet  und  die  gut  zu 
den  benachbarten  Aulerci  Ehurovices  passen. 

7,  75,  4.  Die  aremoricanischen  Amhiharii  sind  sicher  identisch  mit 
den  3,  9  [,  9]  in  ähnlicher  Verbindung  genannten  Amhiliati,  wie 
212  sie  in  der  besseren  Familie  heissen,  während  die  geringere  dafür 
Amhiani  setzt,  Orosius  Amhivariti,  beides  offenbar  durch  Inter- 
polation. Welche  der  beiden  Formen  Amhiliati  und  Amhiharii 
die  richtige  ist,  lässt  sich  nicht  entscheiden. 

7,  77,  13  cuizis  rei iudicarem  fehlt  in  der  geringeren  Klasse 

vielleicht  mit  Recht;  es  sieht  ganz  aus  wie  ein  altes  rhetorisches 
Emblem    und    unterbricht    die    Verknüpfung    des  voraufgehenden 


Beiträge  zur  Kritik  des  Bellum  Gallicum.  59 

und   des  nachfolgenden  Satzes.     Der  letztere  indes  nam  quid  iUi 
simile  hello  fuit  ist  schwerlich  gesund;   vielleicht  ist  zu  schreiben: 
rMtn  quid  iUis  (maiorihus)  simile  fuit? 
7,  79,  3  concurruni  hi  (statt  his)  auxilüs  visis. 

7,  84,  3  quod  suam  in  aliena  vident  virtute  sahäem  constare.  Für 
suam  haben  die  Handschriften  suum  periculum,  für  virtute  salutem 
liest  a  salute,  ß  virtute. 

8  praef.  2  commentarios  rerum  gestarum  ....  contexui  novissimoque 
imperfecto  (statt  novissimumque  imperfectuni)  .  .  confeci,  so  dass 
commentarios  wie  mit  contexui,  so  auch  mit  confeci  verbunden 
wird.  Hirtius  kann  nicht  sagen,  dass  er  den  letzten  unvollständigen 
commentarius  geschrieben,  wohl  aber,  dass  er  die  von  Cäsar  ge- 
schriebenen teils  in  Zusammenhang  gebracht,  teils  fortgeführt 
habe. 

8,  4,  1  centurionibus  II  (statt  tot)  milia  nummum  praedae  nomine 
cmidonatae  (statt  condonata)  pollicettir.  Dass  II  ebenso  durch  bina 
wie  durch  diio  aufgelöst  werden  kann,  weiss  jeder  Epigraphiker. 
Die  den  Soldaten  gespendete  Beute  wird  zu  Gelde  angeschlagen 
und  abgelöst,  so  dass  sie  dann  selber  für  Rechnung  des  Aerars 
verkauft  werden  kann. 

S,  5,  2  in  tecta  partim  Gallorum,  partim  [quaej  conlectis  celeriter 
stramentis  tentoriorum  integendorum  gratia  [erant  inaedificata] 
milifes  compegit.  Die  Soldaten  werden  unter  Dach  gebracht  teils 
in  den  stehen  gebliebenen  gallischen  Behausungen,  teils  durch 
Anlage  von  strohgedeckten  Zelten. 

8.  5,  4  dispersi  wohl  zu  tilgen. 

^.  12,  2  eodemque  equites  postero  die  mittunt,  qui  [primumj  elicerent 
nostros,  insidiae  deinde  circumventos  adgrederentur.  Nicht  insidiae, 
das  unentbehrlich  ist,  sondern  primum  ist  zu  streichen. 

8,  13,  2.  Nach  der  früher  für  diese  deutschen  Fusssoldaten  ange- 
gebenen und  hier  wiederholten  Bemerkung,  dass  sie  eqiiitibus 
interpositi  fechten,  befremdet  es,  sie  hier  als  selbständige  Infanterie- 
truppe verwendet  zu  sehen,  und  ich  habe  an  der  Richtigkeit  des 
Textes  gezweifelt;  aber  in  ähnlicher  Weise  treten  die  auxilia  levis 
armaturae  8,  17  f.  und  die  Germani  pedites  8,  36  auf. 

8,  14,  4  atque  [id]  iugum.  213 

S.  16,  1  turmas  mittit  scheint  mir  sicher  Interpolation  der  schlechteren 
Klasse;  aber  auch  in  eodem  loco  fehlte  besser. 

^.  35,  4  cum  cohortibus  admotis  (statt  armatis)  ex  proximis  casteUis. 
36,  4  ad  {ea)  Germanos  equitesque  .  .  .  advolasse. 


K 


gQ  Beiträge  zur  Kritik  des  Bellum  Gallicum. 

8, 46,  4  ////  legiones  in  Belgio  conlocavit  cum  M.  Antonio  et  C. 
Trebonio  et  P.  Vatinio  et  Q.  Tullio  legatis  kann  nicht  richtig  sein. 
M.  Antonius  bewarb  sich  im  Winter  701/2  während  der  milonischen 
Händel  um  die  Quästur  (Cicero  Phil.  2,  20),  oflPenbar  um  eine  der 
Stellen,  für  welche  verfassungsmässig  im  Sommer  702  die  Wahlen 
stattzufinden  hatten  und  deren  Zeit  vom  5.  December  702  zum 
4.  December  703  lief.  Mit  Recht  wird  er  also  am  Ausgang  der 
Campagne  702  als  legatus  bezeichnet  (7,81  [,  6]),  dagegen  in  dem 
Bericht  über  den  Feldzug  703  durchaus  als  quaestor  (8,  2.  24.  38). 
Da  die  oben  angeführte  Stelle  von  den  Winterquartieren  703/4 
handelt,  also  die  zweite  Hälfte  derselben  nicht  mehr  in  das  Amts- 
jahr des  Antonius  fiel,  so  könnte  man  meinen,  dass  er  darum  hier 
wieder  legatus  heisst;  indes  ist  schon  vorher  bemerkt  worden, 
dass  für  den  sein  Amt  über  die  Amtszeit  hinaus  verwaltenden 
Quästor  diese  Bezeichnung  schwerlich  zulässig  ist  ^,  sondern  er  Pro- 
quästor  oder  auch  Quästor  zu  tituliren  war.  Aber  auch  in  anderer 
Beziehung  ist  die  Stelle  mehr  als  bedenklich.  Die  bessere  Familie 
liest  et  P.  Vatinio  legato  oder  legatis,  die  geringere  et  P.  Vatinio 
et  Tullio  legato;  die  oben  gegebene  Lesung  ist  nichts  als  verkehrte 
Conjectur.  Denn  der  Bruder  Ciceros  kann  hier  nicht  genannt 
sein;  er  ging  im  Juli  703  mit  diesem  nach  Kilikien  (Drumann 
6,  737)  und  kann  also  in  den  gallischen  Winterquartieren  703/4  kein 
Kommando  geführt  haben.  Also  ist  sein  Name  hier  eine  der  in 
der  geringeren  Familie  so  zahlreichen  Schlimmbesserungen;  den  aus- 
gefallenen vierten,  den  die  Zahl  der  Legionen  fordert,  können  wir 
nicht  erraten,  den  Zusatz  legato  (denn  dass  X  dies  hatte,  zeigt 
die  Übereinstimmung  eines  Teils  von  a  mit  ß  und  die  grössere 
Schwere  der  Corruptel)  ebensowenig  mit  Sicherheit  emendieren. 

8,  48,  3  ne  sua  vulnera  fide  (perfidia  oder  per  ßdem  die  Hand- 
schriften) interposita  paterentur  impunita.  conversoque  equo  se 
{seorsus)  a  ceteris  incautius  permittit  in  praefectum. 

8,  48,  7  quod  fubi  malum]  dux  equi  velocitate  evitavit. 


1)  Ein  legatus  pro  quaestwe  kommt  freilich  vor  (Staatsrecht  P,  687),  aber 
es  dürfte  diese  Bezeichnung  nur  da  zutreffen,  wo  die  Proquästur  aus  freiem 
Mandat  des  Statthalters  hervorgeht,  nicht  wo  sie  auf  der  Continuierung  des 
militärischen  Amtes  beruht. 


XL 
Zum  bellum  Hispaniense.*) 

Bei  den  folgenden  überwiegend  kritischen  Bemerkungen  habe  607 
ich  sowohl  eine  von  Herrn  Dr.  Graeven  für  mich  angefertigte 
CoUation  der  Florentiner  Handschrift  (A)  Ashbumham  33  saec.  XXI 
benutzt,  wie  auch  die  mir  von  Herrn  Mensel  gefälligst  mitgetheilte 
Revision  der  wichtigsten  von  den  bisherigen  Herausgebern  benutzten 
Handschriften  T  (Paris  5764  saec.  XII),  Y  (Wien  95  saec.  XH),  U 
(Yatican  3324  saec.  XII).  Mit  Hülfe  dieser  sich  gegenseitig  theils 
stützenden,  theils  berichtigenden  Texte  ^  lässt  sich  die  allen  zu  Grande 
liegende  Lrhandschrift  mit  genügender  Sicherheit  restituiren;  die 
Abweichungen  der  uns  vorliegenden  von  dieser  sind  in  den  folgenden 
Erörterungen  nur  da  angeführt,  wo  sie  mehr  sind  oder  sein  können 
als  Fehler  des  einzelnen  Schreibers,  was  nicht  häufig  der  Fall  ist. 
Die  gemeinsame  Grundlage  aber  war  bereits  so  heillos  zerrüttet, 
dass  in  zahlreichen  Fällen  auf  eine  auch  nur  den  Historiker  be- 
friedigende Herstellung  des  ursprünglichen  Textes  verzichtet  werden 
muss.  Für  die  Prüfung  und  Sichtung  meiner  Yorschläge  bin  ich 
meinem  Freunde  Yahlen  mehrfach  Dank  schuldig  geworden. 

c.  1,  4.  de  Cn.  Pompeio  darf  nicht  gestrichen  werden.  Dass 
Gnaeus  die  Caesarianer  zur  Verantwortung  zieht,  versteht  sich  von 
selbst;  aber   er  vergreift  sich  auch  an   den  Führern  seiner  eigenen 

*)  [Hermes  28  (1893)  S.  607—614,  =  Zur  Geschichte  der  caesarischen  Zeit  III. 
Die  beiden  ersten  Teile  sind  in  den  Historischen  Schriften  I  S.  169 — 179  zum 
iVbdruck  gebracht.  —  Für  die  folgenden  kritischen  Bemerkungen  zum  bellum 
Hispaniense  ist  die  in  der  Behandlung  dieser  Stellen  mehrfach  abweichende 
Ausgabe  von  Köhler  (Leipz.  1897)  zu  vergleichen,  zu  der  Mommsen  zahlreiche 
linendationsvorschläge  beigesteuert  hat.] 

1)  Von  einer  fünften  unvollständigen  Handschrift  Laurent.  68,  8  saec.  XI 
lat  H.  Rostagno  kürzlich  (studi  italieni  di  filologia  classica  2, 135)  die  Varianten 
veröffentlicht;  dieselbe  geht  mit  ü  und  ist  werthlos. 


02  Zum  bellum  Hispaniense. 

Partei,  wenn  ihr  Reichthum  ihn  reizte;  und  offenbar  stand  die  ört- 
liche Aristokratie  der  wohlhabenden  Provinz  auf  seiner  Seite. 

c.  1,  4.  ita  paucis  (so  AT,  j>aas  UV)  commoda  ohtenta:  eo  maiores 
augehantur  copiae.  Für  ohtenta  eo  haben  die  Handschriften  hoste 
hortafo.  Die  incorrecte  Gemination  der  Vermehrung  wird  diesem 
Schriftsteller  zu  belassen  sein. 

c.  2,  1.  legatique  Cordubenses  qui  a  Cn.  Pompeio  discessissent. 
Es  sind  die  aus  Corduba  vertriebenen  Caesarianer  gemeint;  gefordert 
wird  Cordubensium  oder  Cordubenses  eorum  qui  a  Pompeio  disces- 
sissent. 

c.  2,  1.    Die  mit  Recht  von  Nipperdey  angenommene  Lücke  muss 

dem  Sinne  nach  etwa  in  folgender  Weise  ausgefüllt  werden:  simulque 

608  quod  tdbellariis,  qui  a  Cn.  Pompeio  dispositi  omnihus  locis  essent,  qui 

certiorem  Cn.   Pompeium  de   Caesaris  adventu  facerent,  [ipse  suum 

eius  adventus  metum  significassetj . 

c.  3,  5.  litusque  (so  A,  quem  TUV)  vis  tempestatis  ita  ohscurabat. 
Dies  scheint  eine  der  wenigen  Stellen  zu  sein,  in  denen  A  allein 
(mit  den  interpolirten,  die  aus  litus  gemacht  haben  aditus)  die  alte 
Corruptel  bewahrt  hat.  Was  in  derselben  steckt,  wage  ich  nicht 
zu  entscheiden;  man  erwartet  etwa  visumque  cuiusque  vis  tempe- 
statis adeo  ohscurabat,  ut  vix  proximum  agnoscere  posset.  Dass  der 
einzelne  Soldat  gemeint  ist,  zeigt  proximus. 

c.  4,  2  wird  falsch  interpungirt:  qui  simul  in  conspectum  oppidi 
se  dederunt  (so  U  wohl  aus  Conjectur,  sederunt  ATV),  cum  equis 
recipiuntur,  hoc  (das  Aufsitzen  der  Infanteristen)  a  Cordubensibus 
nequaquam  poterat  animadverti. 

c.  5.  Die  Erzählung  kann  nur  so  verstanden  werden,  dass 
Caesar,  am  linken  Ufer  des  Baetis  anrückend,  durch  Steinschüttungen 
eine  Brücke  herstellt  und  der  am  rechten  Ufer  gelegenen  Stadt 
Corduba  gegenüber  sein  Lager  schlägt:  ponte  facto  copias  ad  castra 
tripertito  traduxit:  tendebat  (so  Kraner,  tenebat  die  Hdschr.)  ad- 
versus  oppidum:  e  regione  ponit  trahes,  ut  supra  scripsimus;  der 
Stadt  gegenüber  legt  er  die  Brückenbalken,  ut  supra  scripsimus 
weist  zurück  auf  ponte  facto.  Bipartito  huc  (hoc  TU)  cum  Pompeius 
cum  suis  copiis  venisset,  ex  adverso  pari  ratione  castra  ponit.  Das 
Wort  bipartito  braucht  nicht  zu  dem  vorigen  Satz  gezogen  und  auch 
nicht  emendirt  zu  werden.  Dann  wird  um  die  Brücke  gestritten 
und  beide  Theile  suchen  von  ihren  Lagern,  von  den  verschiedenen 
Ufern  aus,  befestigte  Linien  zu  derselben  zu  führen,  um  sich  deren 
Besitz  zu  sichern. 


Zum  bellum  Hispaniense.  63 

c.  5,  7.  6,  1.  Caesar  sucht  das  feindliche  Heer  zur  Schlacht  zu 
zwingen,  die  Pompeius  verweigert:  diebus  compluribus  cupiehat 
Caesar,  si  qua  condicione  posset,  adversarios  in  aequum  locum  de- 
ducere  et  primo  quoque  tempore  de  hello  decernere,  cum  id  (die 
Hdsehr.  id  cum)  animadverteret  adversarios  minime  velle.  quos  quoniam 
ah  Ulia  (a  uia  die  Hdschr.y  retraxerat,  ut  (tit  fehlt  in  A,  wenn 
die  Collation  richtig  ist^  in  aequum  deduceret,  copiis  flumine  traductis 
noctu  iuhet  ignes  fieri  magnos.  Dies  ist  wohl  richtig :  nachdem  Caesar 
seinen  ersten  Zweck,  den  Entsatz  von  Ulia  erreicht  hat.  überschreitet 
er  den  Fluss  unter  Abbrennung  seines  Lagers  am  rechten  Ufer,  um 
sich  gegen  die  Städte  der  Pompeianer  am  linken  zu  wenden.  Weiter 
muss  es  wohl  heissen:  contra  (ita  die  Hdsehr.^  firmissimum  eiu3  609 
praesidium  Ateguam  proficiscitur.  Diö  folgenden  lückenhaften  imd 
verdorbenen  Worte  können  dem  Sinne  nach  etwa  so  gelautet  haben: 
id  cum  Pompeius  ex  perfugis  rescisset,  qua  die  facultatem  [nactus  est, 
relinquens  montes]  et  angustias  carra  complura  multosque  (multos  1) 
lanistas  (lanystas  A,  lanistos  T)  retraxit  (retaxit  Tj  et  ad  Corduham 
se  recepit.  Der  Marsch  nach  Corduba  steht  dem  Pompeius  offen. 
Dass  er  bisher  auf  unwegsamem  Terrain  stand,  fordert  das  Bestreben 
Caesars  ihn  in  aequum  locum  zu  bringen.  Die  lanistae,  wenn  sie 
richtig  sind,  rücken  dem  Gegner  vor,  dass  sein  Heer  zum  grössten 
Theil  aus  Sclaven  bestand  (34,  2.  4,  vgl.  7,  5). 

c.  6,  3.  Cui  de  Pompeio  cum  nuntius  esset  oMatus  eo  die  pro- 
ficisci,  cuius  in  adventum  praesidii  causa  Caesar  complura  casteUa 
occupasset  ....  hie  ...  incidit.  So  zum  Theil  nach  einem  Vorschlag 
Yahlens.  Ueberliefert  ist  proficiscitur  cuius,  was  nicht  richtig  sein 
kann,  denn  nicht  Caesar  marschirt.  sondern  Pompeius.  Auch  zeigt 
die  weitere  Erzählung,  dass  die  Pompeianer  an  diesem  Tage  schon 
unterwegs  sind. 

c.  6,  3.  in  stationes  in  excuhitu  sieht  nach  Glossem  aus;  in 
stationes  wohl  zu  streichen. 

c.  7,  3.  haec  loca  sunt  montuosa  et  natura  impedita  ad  rem 
militarem,  quae  planitie  dividmüur,  Salso  flumitie,  proxime  tarnen 
Ateguam  ut  flumen  sit.  Circiter  passuum  (passus  die  Hdsehr.^  II 
milia  e  regione  oppidi  in  montihus  castra  hahtiit  posita  Pampeius. 
Für  impedita  haben  die  Handschriften  edita:  dass  ein  Berg  ,von 
I^atur'  hoch  ist.  kann  selbst  diesem  Schriftsteller  nicht  zugetraut 
werden  und  ebenso  wenig,  dass  ein  hoher  Berg  besonders  zum 
Schlagen  sich  eignet.  Die  Parallelstelle  8,  1,  welche  Yahlen  dagegen 
geltend  macht :  loca  sunt  edita  et  ad  castrorum  munitiones  non  parum 
iihnea  dürfte   doch  mit  dem  wunderlichen  Ausdruck  editus  ad  rem 


g4  Zum  bellum  Hispaniense. 

militarem  kaum  zusammenzustellen  sein;  eher  könnte  danach  edita 
in  idonea  geändert  werden,  da  impeditus  und  idoneus  je  nach  dem 
verschiedenen  Standpunkt  des  Angriffs  und  der  Yertheidigung  auf 
dasselbe  hinauskommen  und  der  Schreiber  bei  seiner  infantia  sich 
stetig  selber  wiederholt.  Für  e  regione  ist  überliefert  ex  ea  regione, 
wo  is  keine  Beziehung  hat  und  ferner  die  2  Milien  wohl  passen  für 
die  Entfernung  des  pompeianischen  Lagers  von  der  Stadt,  während 
für  die  Entfernung  der  Stadt  von  dem  flunien  proximum  bei  diesen 
engen  Yerhältnissen  2000  Schritt  viel  zu  viel  sind. 
610  c.  7,  4.      Ueber   die    Bedeutung    der    legio  vernacula  vgl.   diese 

Zeitschr.  XIX  1 3.*)  Aber  mit  Unrecht  habe  ich  dort  mit  dieser 
Stelle  die  zwei  varronischen  Legionen  b.  c.  2,  18  in  Verbindung 
gebracht:  diese  sind  vielmehr  aus  den  römischen  Bürgern  ausgehoben, 
während  die  legio  vernacula  eine  aus  geborenen  Nichtbürgern  ge- 
bildete Legion  bezeichnet.  Im  bell.  Alex.  53  fg.  tritt  nur  eine  legio 
vernacida  auf,  und  ebenso  bei  unserem  Verfasser  weiterhin  10,  3. 
12,  1.  20,2.  4.  5;  man  könnte  die  Lesung  beanstanden  und  hier 
vorschlagen  duae  fuerunt  vernacula  et  II  quae  a  Trehonio  trans- 
fugerant,  um  dieser  Schwierigkeit  zu  entgehen.  Die  legio  secunda 
Pompeiana  13,  3  und  bell.  Alex.  a.  a.  0. 

c.  7,  4.  una  facta  ex  coloniis  quae  (colonis  qui  A)  fuerunt  in 
his  regionibils.  Colonie  im  Rechtssinne  kann  in  Baetica  zu  dieser 
Zeit  höchstens  Corduba  gewesen  sein;  ohne  Zweifel  ist  das  Wort 
hier  im  factischen  gebraucht  von  Ortschaften  wie  Italica  und  Gades 
mit  starker  römischer  Bevölkerung,  wenn  auch  ohne  römisches 
Stadtrecht.  Dasselbe  wird  auch  anzunehmen  sein  hinsichtlich  der 
so  oft  bei  Cicero  und  bei  den  Historikern  erwähnten  Colonien  der 
von  Antonius  und  Caesar  unter  die  Waffen  gerufenen  caesarischen 
Veteranen;  Capua  und  die  sonstigen  wenigen  eigentlichen  Colonien 
Caesars  sind  darunter  wohl  hauptsächlich,  aber  schwerlich  aus- 
schliesslich verstanden  (vgl.  C.  I.  L.  X  p.  369).  Das  Perfect  fuerunt 
ist  auffallend,  erklärt  sich  aber  auch  am  erträglichsten  in  der  Weise, 
dass  dem  Schriftsteller  dabei  der  factische  Bestand  der  römischen 
Bewohnerschaft  im  Sinn  gelegen  hat,  da  dieser  ja  dem  Wechsel 
unterworfen  war. 

c.  8,  3.  omnia  loca,  quae  sunt  ab  oppidis  remota,  turribus  ei 
munitionibus  retinentur,  sicut  in  Africa:  rudere,  non  tegulis  teguntur. 
So   muss  wohl    die  Interpunction   geändert   werden;    der   Verfasser 

*)  [In  der  Abhandlung :  „Die  occidentalischeu  und  die  orientalischen 
Legionen".  Sie  wird  in  Band  VI  der  Ges.  Schriften  (=  Band  III  der  Eist.  Sehr.) 
erscheinen.] 


Zum  bellum  Hispaniense.  65 

scheint  sagen  zu  wollen,  dass  die  Sitte  die  einzeln  liegenden  Land- 
häuser burgartig  zu  befestigen  Spanien  und  Africa  gemeinsam  ist, 
aber  die  Deckung  dort  aus  Ziegeln,  hier  aus  Steinschutt  hergestellt 
wird. 

c.  10,  2.  Der  Abmarsch  des  Pompeius  nach  Corduba,  der  hier 
berichtet  wird,  findet  nicht  statt,  wie  die  weitere  Erzählung  zeigt; 
er  scheint  bloss  das  Lager  gewechselt  und  der  Schreiber  unseres 
Journals  sich  über  den  Charakter  der  Bewegung  getäuscht  zu  haben. 
Es  ist  dies  bezeichnend  für  die  successive  Aufzeichnung  des  Be- 
richtes. 

c.  11,  2.  sie  ut  omnigenus  (omne  genas  quihus  Hdschr.y  ignis 
per  iactus  solitus  est  tnüti.  Yahlen  bemerkt  dazu,  dass  omne  genus 
stehen  bleiben  könne,  wenn  man  es  in  gleichem  Sinne  erkläre. 

c.  12,  2.     et  Trebonio  transfugae  erant  statt  transftigerant.  611 

c.  12,  6.  hi  (l  die  Hdschr.^  cum  eruptionem  facere  coepissent, 
tarnen  virtute  militwn  tiosfrorum  qui  etsi  inferiore  loco  premehantur 
tarnen  ist  reine  Wiederholung  und  vielleicht  zu  streichen.  Ygl. 
16,  4.     [„l  significare  videtur  vel  aut  aliter"  Kühler.] 

c.  13,  3.  se  scutum  esse  posituros  statt  positurum;  ein  einzelner 
Soldat  genügt  hier  nicht. 

c.  13,  6.    permagna  pars  hominum  statt  fere  magna. 
c.  14,  1.     eins  praeter iti  temporis  (tem  A^  ist  wohl  Rest  einer 
Bemerkung  über  die  Fortsetzung  der  13,  1   erwähnten  Schanzarbeit, 
etwa  opus  continuans  praeteriti  temporis  Pompeius  trans  flumen  (vom 
Standpunkt  des  Pompeius  aus)  castellwn  constituit. 
c.  14,  2.     nostrorum  equitum  ist  zu  tilgen. 

c.  14,  4.  qui  cum  aliquo  loco  a  nostris  recepti  essent,  ut  conr- 
suessent,  eximia  (statt  ex  simili)  virtute,  clamore  facto  aversati  sunt 
proelium  facere.  Der  Conjunctiv  consuessent  ist  incorrect,  aber  ebenso 
setzt  unser  Autor  fuisset  11,2  (wo  fuit  A),  fuissent  22,  2.  3.  6. 

c.  15,  1.  dimisso  equo  darf  nicht  gestrichen  werden,  da  die 
folgende  Erzählung  sich  um  abgesessene  Reiter  dreht;  bei  id  quod 
'11.  hoc  accidit  proelio  ist  gemeint:  ut  par  haheretur,  nicht  das  Gegen- 
:heil. 

c.  15,  6.  Die  Iwspites  sind  die  in  Ategua  lebenden  Römer. 
Eben  diese  senden  dann  Botschaft  an  Caesar. 

c.  16,  4.  Dies  ist  unverständlich,  die  Rückbeziehimg  auf  einen 
vorher  nicht  genannten  cunicidus  wahrscheinlich  vom  Erzähler  ver- 
schuldet; der  seltsame  Bericht,  dass  der  Mörder  selbst  von  der 
li'ortführung  der  Schlächterei  abmahnt,  mag  auf  Schreibfehler  beruhen. 
•Vielleicht  ist  unum  zu  schreiben  statt  lunium. 

MOMMSEN,    SCHR.  YII.  5 


ßg  Zum  bellum  Hispaniense. 

c.  18,  1.  Die  zerrüttete  Erzählung  lief  wohl  darauf  hinaus,  dass 
einer  der  Abgesandten  der  römischen  Einwohnerschaft  Miene  machte 
dem  mitgesandten  Lusitaner  nicht  in  die  Stadt  zu  folgen,  darauf 
dieser  Gewalt  brauchte  und  nun  zwei  der  römischen  Gesandten  sich 
zu  Caesar  flüchteten.  Correctur  ist  nicht  möglich;  gestanden  kann 
etwa  haben:  remissis  legatis  cum  ad  portam  venissent  Tiberius  et  (et 
fehlt,  in  V  hinter  tib.  leerer  Raum  von  5  Buchst.)  Tullius  et  cum 
introeuntem  Catonem  hie  (intro  euntem  c.  antonius  Hdschr.^  insecutus 
non  esset,  revertit  ad  portam  u.  s.  w.  Für  die  Machtstellung  der 
römischen  Einwohnerschaften  in  den  spanischen  Städten  ist  diese 
Erzählung  (neben  19,  5)  bezeichnend. 
612  c.  18,  4.  5.     servus  ....  in  Pompei  castra  discessit  et  indicium 

glande  scriptum  misit,  per  quod  certior  fieret  Caesar,  quae  in  oppido 
ad  defendendum  compararentur.  ita  lifteris  acceptis  cum  in  oppidum 
revertissent  (so  A,  -tisset  TVü),  mittere  glandem  inscriptam  solehant 
ist  sicher  verdorben;  der  Sclave  dessen  Hinrichtung  20,  3  berichtet 
wird,  kann  nicht  das  zu  misit  gehörige  Subject  sein.  Es  ist  entweder 
missum  oder  Aehnliches  für  misit  zu  schreiben,  oder  es  fehlt  etwas. 
Am  Schluss  fehlt  nach  solehant  das,  was  auf  diese  Mittheilungen 
geschah,  und  zwar,  da  Utteris  acceptis  dies  fordert,  im  caesarischen 
Lager. 

c.  22,  7.  eumque  (eum  qui  k)  non  amplius  a(sses)  VII  accipere 
—  so  wird  wohl  XVII  (sedecim  \])  aufzulösen  sein.  Dies  ist,  auf  den 
As  von  ^/i6  Denar  berechnet,  ein  Jahressold  von  160  Denaren,  was 
zu  passen  scheint.     Marquardt  Handb.  2,  95. 

c.  25,  2.  Wohl  so  zu  interpungiren :  simulque  vociferantibus 
legionariis  cum  locum  efflagitarent  ut  consueti  insequi  (existimare 
posses  paratissimos  esse  ad  dimicandum),  nostri  .  .  hene  longe  sunt 
egressi.  Die  Handschrift  A  hat  hier  mit  den  interpolirten  ex  consue- 
tudine  insequenti  für  ut  consueti  insequi;  nachher  posse  speratissimos 
TÜV,  posses  paratissimos  (wenn  die  CoUation  nicht  trügt)  A. 

c.  25,  6.      ita  avidi  cupidique  suarum  quisque  partium  virorum, 
fautorumque  voluntatis  (Hdschr.  voluntas)  habebatur  scheint  erträglich ; 
ex  vor  partium  fehlt  in  A  wie  in  T. 

c.  26,  1.  milia  XIII  und  milia  XII  (die  Hdschr.  haben  statt 
XII  alle  0-C  Gl)  sind  wohl  x  III  und  x  II  =  denarium  tria  und  duo 
milia.  Das  Denarzeichen  ist  an  der  zweiten  Stelle  nicht  zu  ver- 
kennen und  milia  oder  mii  Schreiberauflösung  des  Querstrichs. 

c.  26,  6.  profectu  (Hdschr.  profecto)  nostro  commeatu  privati 
necessario  ad  dimicandum  descendent  (descendunt  AV).     Noster  com- 


Zum  bellum  Hispaniense.  67 

meatus  kann  nicht  wohl  bezeichnen,  was  es  nach  dem  Zusammenhang 
bezeichnen  müsste,  die  von  den  caesarischen  Belageningstruppen 
aus  dem  Gebiet  der  pompeianisch  gesinnten  Städte  bis  dahin  be- 
zogene Verpflegung;  profectus  im  Sinne  von  profectio,  Abmarsch 
passt  zu  27,  3, 

c.  27,  3.  Pompeius  castra  movit  et  contra  Hispalim  (spcdim  ATU, 
sparim  \)  in  oliveto  constituH.  Sevilla  liegt  von  ücubi  mindestens 
fünf  Tagemärsche  westlich,  während  das  gleich  nachher  erwähnte 
Ventipo,  dessen  Lage  feststeht,  von  Ucubi  nur  etwa  zwei  Tage- 
märsche entfernt  ist.  Entweder  ist  der  Stadtname  verdorben  oder 
die  Präposition;  in  der  Richtung  auf  Sevilla  kann  Pompeius  aller-  613 
dings  abmarschirt  sein,  aber  nicht  Hispalis  gegenüber  Lager  ge- 
schlagen haben.  Der  folgende  Bericht  zeigt,  obwohl  übel  redigirt, 
dass  Pompeius,  als  er  ,contra  Hispalim'  Stellung  nahm,  noch  in 
nächster  Jfähe  von  Ucubi  stand,  dieses  mit  der  Nachhut  besetzt 
hielt  und  diese  anwies  die  Stadt  einzuäschern  und  ihm  dann  in  die 
castra  maiora  zu  folgen.  Auch  die  Stadt,  die,  weil  sie  ihm  ihre 
Thore  geschlossen  hat ,  niedergebrannt  wird ,  kann  nur  (vgl.  20,  1 ) 
Ucubi  sein;  es  ist  Caesar,  nicht  Pompeius,  der  vom  Flusse  Salsus 
aus  (23,  1)  Pompeius  nachfolgend,  nach  Ventipo,  zwei  Tagemärsche 
südlich  vom  Salsus,  und  von  da  nach  Carruca  rückt.  Wenn  fort- 
gefahren wird:  hinc  itinere  facto  in  campum  Mundensem  (so  A, 
undensem  TüV)  cum  esset  ventum,  castra  contra  Fompeium  constituit, 
so  scheint  mit  der  jetzt  über  die  Lage  dieser  verschollenen  Stadt 
herrschenden  Meinung  weder  dieser  Bericht  in  Einklang  gebracht 
werden  zu  können  noch  die  über  die  Lage  Mimdas  anderweitig 
vorliegenden  Zeugnisse.  Wenn  Strabon  (3,  2,  2)  sagt:  eit  öe  ev  alg 
oi  IIojujiTjiov  Tialdeg  y.arejiokEft^&rjoav,  Movvda  xai  'Aieyova  xal  Ovqocov 
xal  Tovxxig  xai  OvXia  xai  ÄTyova  (?) '  aTiaoai  d'  avrai  Koqdvßrjg  ovx 
abiay&ev '  XQonov  de  riva  /xrjrgoTioXig  xaTeorr]  rov  tojiov  xovrov  [Movvda] ' 
dii'/ei  de  Kagrrjiag  [f]  Movvda]  oradiovg  yiXiovg  xai  xerQOxoaiovg, 
30  darf  der  evidente  Fehler  der  Ueberlieferung  nicht  in  den  Zahlen 
gesucht  werden,  sondern  es  ist  durch  Literpolation  auf  Munda  über- 
tragen, was  von  Corduba  gesagt  war,  dass  es  als  Hauptstadt  von 
Baetica  gilt  (vgl.  bei  unserm  Autor  3,  t :  Cordubam  tenebat,  quod  eius 
provinciae  caput  esse  existimahatur)  und  1400  Stadien  =175  Milien 
von  Carteia  entfernt  ist  (vgl.  denselben  32,  6:  Carteiam  contendit, 
quod  oppidum  ahest  a  Corduba  milia  passuum  CLXX).  Dagegen  ist 
die  bei  den  zugleich  genannten  uns  sonst  bekannten  Städten  zu- 
treffende Angabe,  dass  sie  um  Corduba  liegen,  für  Munda  ebenso 
unanfechtbar  wie  unvereinbar  mit  der  Ansetzung  des  Ortes  bei  den 


ßg  Zum  bellum  Hispaniense. 

Haras  de  Monda  unweit  Ronda,  das  ausserhalb  des  Flussgebiets  des 
Baetis  liegt  und  durch  ansehnliche  Gebirge  von  demselben  getrennt 
ist.  Aehnliche  und  noch  grössere  Schwierigkeiten  macht  die  Angabe 
des  Plinius  (h.  n.  3,  1,  12):  huius  (Astigitani)  conventus  sunt  reliquae 

coloniae  immunes  Tucci  .  .  .  Iptuci  .  .  .  Ucuhi TJrso  .  .  .,  inter 

quae  fuit  Munda  cum  Pompeio  filw  rapta.  Einmal  kann  der  Bezirk 
614  von  Ecija  sich  unmöglich  südwärts  bis  Ronda  erstreckt  haben; 
zweitens  können  die  Worte  des  Plinius  nichts  anderes  heissen,  als 
dass  Munda  zwischen  Ucubi  und  Urso  lag,  also  etwa  am  mittleren 
Lauf  des  Singilis  (Jenil),  was  in  jeder  Hinsicht,  auch  zu  der  Er- 
zählung in  unserer  Schrift  vortrefflich  passt,  wogegen,  wenn  man 
Munda  nach  Ronda  setzt,  der  Marsch  von  Ventipo  im  Gebiet  des 
Jenil  in  das  des  Guadalete  geradezu  abenteuerlich  herauskommt. 
Endlich  die  weitere  Meldung  (c.  4t,  5),  dass,  da  es  für  die  Belagerung 
von  Urso  an  Holz  fehlte,  dies  von  der  den  Tag  zuvor  genommenen 
Stadt  Munda  herbeigebracht  ward,  fordert  dieselbe  Oertlichkeit. 
Die  Localforschung  geht  davon  aus,  dass  von  den  zwei  in  der  Neuzeit 
Monda  genannten  Ortschaften,  der  einen  unweit  der  Küste  westlich 
von  Carteia  und  derjenigen  bei  Ronda,  die  erstere  sicher  nicht 
zutrifft,  und  darin  kann  ihr  nur  beigetreten  werden,  nicht  aber  in 
dem  Köhlerglauben,  dass  damit  die  zweite  nicht  minder  unmögliche 
Annahme  möglich  werde.  Die  Stadt,  zerstört  nach  der  Schlacht,  ist 
verschollen,  aber  sicher  im  Singilisgebiet  zu  suchen. 

c.  28.  29.  Es  ist  vermuthUch  die  Schuld  des  subalternen  Be- 
richterstatters, dass  Pompeius  Anerbieten  zu  schlagen  bald  als 
Maske  hingestellt  wird,  bald  als  ernstlich  gemeint,  so  dass  die 
Gegner  und  Caesar  selbst  die  Entscheidungsschlacht  erwarten. 
Wahrscheinlich  durfte  und  wollte  Pompeius  nicht  schlagen,  wurde 
aber  durch  seine  Erklärungen  an  die  Provinzialen  dazu  gedrängt 
wenigstens  sich  zum  Kampf  aufzustellen  und  Caesar  zwang  ihn  dann 
Ernst  zu  machen. 

c.  29,  6.  qui  tamen  a  munitione  oppidi  longius  non  audehant 
procedere:  immo  se  ibi  (in  quo  sihi  Hdschr.^  prope  mumm  adver- 
sariis  constituebant. 

c.  32,  1.  praeterea  pars  evasit  (hoc  habuit  Hdschr.^  eoc  fuga 
Jiac,  qui  oppidum  Mundam  sibi  (mundamis  ibi  AT)  constituissent 
praesidium. 

c.  33,  3.  tofius  seditionis  caput:  das  sinnlose  vor  caput 
eingesetzte  familiae  et  libertinorum  ist  aus  dem  folgenden  anti- 
cipirt. 


Znni  bellam  Hispaniense.  69 

c.  34,  2.  qui  in  Caesaris  adventum  cives  caedere  coeperurü. 
So  etwas  muss  für  descendere  gestanden  haben.*)  Nachher  ist  wohl 
repugnaretur  turres  zu  schreiben  statt  repugnarentur  res. 

c.  35,  2.  clam  quendam  Phihnem  gehört  zum  Vorigen;  das 
von  Nipperdey  angenommene  Anakoluth  scheint  mir  unstatthaft. 

c.  38,  3.  ita  leciica  a  turre  cum  (a  turrem  quem  ATU,  ad  turrem 
quam  Y)  esset  dblatus,  in  ea  ferebatur  Lusitanis  (lusitanus  Hdschr.^ 
more  militari. 


*)  [Später  hat  Mommsen  in  Küblers  Ausgabe  excedere  vermutet.] 


XII. 
Mamilius  Sura,  Aemilius  Sura,  L.  Manlius.*) 

282  Die  über  die  oben  genannten  in  den  Namen  ähnlichen  Schrift- 

steller überlieferten  Notizen  gehörig  zu  sondern  ist  der  Zweck  der 
nachfolgenden  Zeilen,  welche  zum  Theil  die  in  dem  belehrenden 
Werke  Reifferscheids  über  Sueton  p.  XVI  sq.  enthaltene  Ausführung 
veranlasst  hat. 

1)  Mamilius  Sura  wird  in  den  Quellenverzeichnissen  der 
Bücher  8.  10.  11.  17.  18.  19  der  Naturgeschichte  des  Plinius  auf- 
geführt, mit  Namen  angeführt  aber  nur  an  einer  einzigen  Stelle  18, 
16,  143,  wo  er  mit  Cato  und  Yarro  zugleich  wegen  einer  seitdem 
abgekommenen  Futtersorte  (ocinum)  genannt  und  deren  Bestand- 
theile  und  Behandlung  aus  ihm  mitgetheilt  werden.  Schon  hieraus 
geht  hervor,  dass  er  einer  der  zahlreichen  älteren  römischen  Acker- 
schriftsteller gewesen  sein  muss ;  und  dies  bestätigt  sich  vollkommen 
dadurch,  dass  für  die  Bücher,  bei  denen  Plinius  ihn  gebraucht  hat, 
entweder  nur  oder  doch  vorzugsweise  mit  Geoponiker  benutzt  worden 
sind.  An  allen  angeführten  Stellen  heisst  er  Mamilius  Sura  oder 
Sura  Mamilius^  nur  im  Verzeichniss  zum  11.  Buch  bloss  Mamilius 
(was  Sillig  willkürlich  in  Manilius  geändert  hat);  doch  macht  die 
Zusammenstellung  mit  den  übrigen  dem  Plinius  geläufigen  Acker- 
schriftstellern wie  auch  die  mit  dem  auch  sonst  mit  ihm  zusammen 
stehenden  Nigidius  es  unzweifelhaft,  dass  er  hier  gemeint  ist.  Ander- 
weitig kommt  er  nicht  vor  und  scheint  auch,  da  er  meistentheils 
ganz  oder  fast  zuletzt  steht,  nach  Brunns  (de  indic.  Plin.  p.  16)  wahr- 
scheinlicher Vermuthung  von  Plinius  selbst  erst  nachträglich  benutzt 
worden  zu  sein.  —  Mit  dem  Redner  Manlius  Sura,  den  Quintilian 
inst.  6,3,54.  11,3,126  als  Zeitgenossen  des  Domitius  Afer  (f  59 
n.  Chr.)  erwähnt,  jenen  Landwirth  zu  identificiren  berechtigt  gar  nichts. 

*)  [Rhein.  Mus.  16,  1861,  S.  282-287.] 


Mamilius  Sura,  Aemilius  Sura,  L.  Manlius.  71 

2)  Aemilius  Sura.  Eine  alte  gelehrte  Glosse,  die  in  den 
Text  des  Velleius  1,  6  gerathen  ist,  lehrt  uns  einen  anderen  Sura 
kennen.  Sie  lautet:  Aemilius  Sura  de  annis  popidi  Ramani.  Assyrii 
principes  omnium  gentium  rerum  potiti  sunt,  deinde  Medi,  postea 
Persae,  deitide  Ilacedones;  exinde  duobus  regibus  Philippo  et  Antiocho,  283 
qui  a  Macedonibus  oriundi  erant,  hattd  multo  post  Carthaginem 
subactam  dsvictis.  summa  imperii  ad  populum  Bomanum  pervenit. 
Inter  Jioc  tempus  et  initium  regis  Nini  Assyriorum ,  qui  princeps 
rerum  potitus  (sehr,  potitust),  intersunt  anni  MDCCCCXCV.  Man 
hat  bisher  und  gewiss  mit  Recht  inter  hoc  tempus  auf  die  Besiegung 
des  Antiochos  bei  Magnesia  564  d.  St,  bezogen;  Reifferscheids 
Annahme,  dass  inter  hoc  teynpus  'die  gegenwärtige  Zeit'  bezeichnen 
solle,  ist  sprachUch  wie  sachlich  gleich  bedenklich  und  wird  schwer- 
lich jemand  die  daraus  gezogenen  Folgerungen  billigen,  wonach 
der  Yerfasser  dieser  Glosse,  nach  Anführung  einer  Stelle  des 
Sura  über  die  Weltmonarchien,  das  Jahr,  in  dem  er  schrieb,  als 
das  1995ste  nach  Ninus  bezeichnet  und  demnach  im  J.  85  n.  Chr. 
diese  ^otiz  geschrieben  haben  soll.  Vielmehr  ist  hier  einfach  eine 
Parallelstelle  zum  Yelleius  hinzugefügt  worden,  eine  Aufzählung  der 
vier  der  römischen  voraufgehenden  Weltmonarchien  imd  die  Be- 
rechnung ihrer  Gesammtdauer  auf  1995  Jahre,  welche  wahrscheinlich, 
wie  schon  Clinton  (fasti  HeU.  I  p.  264)  sah,  sich  an  Ktesias  anlehnt 
und  etwa  folgendermassen  ansetzte: 

AssjTische         Monarchie  1306  Jahre  ^ 

Mediscbe 

Persische 

Makedonische 

1993  Jahre. 
Bei  der  Unsicherheit  der  handschriftlichen  Ueberlieferung  und  den 
unendlichen  Schwankungen  dieser  grösstentheils  fictiven  Zahlen  wird 
diese  Aufstellung  genügen,  um  ungefähr  den  Weg  zu  zeigen,  auf 
dem  Sura  zu  seiner  Zahl  kommen  konnte  und  damit  die  nächst- 
liegende Interpretation  der  fraglichen  Worte  zu  schützen.    Vermuth- 


317 

r 

227 

n 

143 

r) 

1)  Clinton  fasti  Hell.  I,  263. 

2)  Clinton  a.  a.  0.  I,  261.  Da  die  erste  Hälfte  der  medischen  Eönigsliste 
in  die  assyrische  Periode  fällt,  durfte  dieselbe  eigentlich  nicht  mitgerechnet 
werden;  aber  es  lag  nahe,  die  Gesammtzahl  der  Jahre  der  verschiedenen 
Monarchien  einfach  zu  addiren. 

o)  Auch  hier  ist  wie  oft  von  den  alten  Glironologen  vom  ersten  Jahre  des 
Kyros  Ol.  55,  2,  nicht  von  der  Eroberung  Babylons  an  gerechnet. 


72  Mamilius  Sura,  Aemilius  Sura,  L.  Manlius. 

lieh  folgte  bei  Sura  eine  Berechnung  der  fünften  noch  dauernden  Welt- 
monarchie und  sind  dies  die  anni  populi  Romani,  die  der  Schreiber 
der  Glosse  im  Sinn  hatte.  Berechnungen  ähnlicher  Art  sind  von 
den  älteren  Theologen,  z.  B.  Sulpicius  Severus  und  Augustinus, 
öfters  angestellt  worden,  und  man  begreift,  wesshalb  eine  solche 
Parallelstelle  einem  Späteren  bemerkenswerth  erschien.*)  —  Reiffer- 
scheids  Vorschlag  endlich  den  Namen  Aemilius  Sura  in  Mamilius 
Sura  zu  ändern  und  den  Urheber  unserer  Stelle  mit  dem  von  Plinius 
284  benutzten  Schriftsteller  dieses  Namens  zu  identificiren ,  kann  ich  in 
keiner  Weise  beipflichten.  Das  Buch,  dem  jene  Stelle  entnommen 
ist,  kann  keine  landwirthschaftliche  Fachschrift  gewesen  sein,  sondern 
war  vermuthlich  ein  kurzer  etwa  dem  velleianischen  ähnlicher  Abriss 
der  Weltgeschichte.  Dass  es  weiter  nicht  erwähnt  wird,  giebt  keine 
Veranlassung  seine  Existenz  zu  bezweifeln  —  würden  wir  doch  auch 
vom  Velleius  selber  kaum  den  Namen  wissen,  wenn  sich  nicht  zu- 
fällig eine  Handschrift  seiner  Geschichte  erhalten  hätte.  Der 
Beiname  Sura  aber  ist  gemein  und  begegnet  in  den  verschiedensten 
Geschlechtern. 

3)  L.  Manlius.  Auf  diesen  Schriftsteller,  den  ältesten  und  bei 
weitem  merkwürdigsten  der  hier  besprochenen,  beziehen  sich,  wenn 
ich  nicht  irre,  die  folgenden  Stellen,  die  vor  Augen  zu  haben  nützlich 
sein  wird. 

Dionysios  ant.  I,  19  (aus  ihm  Steph.  Byz.  u.  d.  W.  'AßoQiylveg) 
erzählt  von  dem  Kriege  zwischen  den  Pelasgern  und  Aboriginern 
und  wie  jene,  als  sie  die  schwimmende  Insel  am  heiligen  See  bei 
Cutilia  erblickt,  gemeint,  dass  das  ihnen  verheissene  Zeichen  sich 
erfülle :  6  yaQ  ev  Acodcovrj  yevojuevog  amoig  ■x^QYjOfibg,  ov  (prjoi  Aevxiog 
Mdfxiog  (so  die  Handschriften)  ävrjQ  ovh  äorj/uog  avxbg  ideiv  im  tivog 
T(bv  ev  TM  re/LievEi  rov  Aiog  xei/nevcov  tqitioÖcov  yQajujuaoiv  aQy^aioig 
lyxexaQayixEvov,  (hol  eixe' 

oxeixeie  juaiojuevoi  ^ixeIwv  üaxoQviov  alav 
fjd'  AßoQiyivecov  KorvXrjv,  ov  väoog  oxeiraf 
olg  ävajuix'&evreg  dexdzrjv  exJie/uyjatE  0oißcp 
xal  xscpaXäg  Kgovidtj  xal  reo  Tiargi  Tiejunere  cp&xa. 
Ohne   Zweifel    schöpfte    Dionysios    dies    alles    aus  Varro,   aus   dem 
Macrobius   (sat.  1,  7,  27)  und  Lactantius  (inst.  1,  21)  das  Orakel  an- 

*)  [In  seiner  Ausgabe  des  Solinus,  2.  Aufl.,  Berlin  1895,  S.  XCII  schreibt 
Mommsen  die  Interpolation  vermutungsweise  einem  Schottenmönche  zu.  Die 
obige  Berechnung  ist  bestätigt  worden  von  C.  Trieber,  Die  Idee  der  vier  Welt- 
reiche, Hermes  27,  1892,  S.  337  t.  und  E.  Schwartz,  Die  Königslisten  des  Erato- 
sthenes  und  Kastor,  Göttingen  1894,  S.  56,  1.] 


Mamilius  Sura,  Aemilius  Sara,  L.  Manlius.  73 

führen.  —  Der  Schluss  des  Orakelspruehs  deutet  hin  auf  die  Ent- 
stehung zweier  römischer  alterthümlicher  Gebräuche,  wie  Macrobius 
a.  a.  O.  dies  weiter  ausführt;  die  Hinabwerfung  binsengeflochtener 
Puppen  von  der  Brücke  und  die  Sendung  von  Kerzen  an  den  Satur- 
nalien —  beides  wird  von  dem  Orakelmann  dargestellt  als  eine  von 
Herakles  aufgebrachte  menschlichere  Interpretation  der  beiden 
doppelsinnigen  Orakelworte  y.e(paXäg  und  (pwxa.  Danach  ist  nicht 
zu  bezweifeln,  dass  der  in  der  fragmentirten  Glosse  des  Festus 
sexagenarios  de  ponte  (p,  334  Müll.)  als  Gewährsmann  angeführte 
Mani ....  eben  der  L.  Mamius  des  Dionysios  ist,  da  zumal  der 
ganze  Bericht  genau  übereinstimmt ;  und  sicher  entnahm  auch  Festus 
diese  Anführung  des  Manilius  aus  einer  varronischen  Stelle.  "Wenn 
es  endlich  bei  Macrobius  sat.  1,  10,  4  heisst:  Sed  MaUius  ait  eos  qui 
se,  ut  supra,  (c.  7,  27)  diximus,  Saturni  nomine  et  religione  defende- 
rant,  per  triduum  festos  instituisse  dies  et  Saturnedia  vocavisse;  unde 
et  Augustiis  huius  itiqiiit  rei  opinionem  secutus  in  legibus  iudiciariis 
triduo  servari  ferias  iussit  (vgl  §  23),  so  muss  es  dahingestellt  285 
bleiben,  ob  hier  ein  nachaugusteischer  sonst  ganz  unbekannter 
Mallius  gemeint  oder,  sei  es  durch  die  Abschreiber,  sei  es  durch 
Macrobius  selbst,  hier  etwas  verwirrt  ist  —  wenn  das  inquit  fehlte, 
würde  Niemand  zweifeln,  dass  hier  abermals  der  varronische 
Manilius  begegnet. 

Varro  de  1.  lat.  5,  32 :  Europa  ah  Europa  Agenoris,  quam  ex 
Phoenice  Manlius  scribit  taurum  exportasse,  quorum  egregiam  imaginem 
ex  aere  Fythagoras  Tarenti  {fecit). 

Derselbe  7,  16  nach  Lachmanns  Herstellung,  die  mir  Haupt  mit- 
getheilt   hat:    Titanis    Trivia    Diana    est,    ab    eo   dicta    Trivia 

Titanis  dicta,  quod  eam  genuit,  ut  in  Plocio,  Lato.     Ea,  ut 

scribit  Manilius,  est 

Coeo  creata  Titano. 
id  idem  scribit: 

Latona  parit  casta  amplexu 
lovr  Deliadas  geminos  ^  ^  — 
iil  est  ApoUinem  et  Bianam'^. 

1)  Ueberliefert  ist:   gemiit  ut  ni  plant;   lato  ea est  coecreata 

eusta   complexn    iovis  delia   dös  geminos dianam  dii   quod  tüanis  deliade. 

Was  auf  Dianam  folgt,  hat  Lachmann  als  Randglosse  —  Diana  Titanis  Deliadae 
—  getilgt.  —  Ribbeck  trag.  Enn.  376  und  ihm  folgend  Vahlen  (Enn.  tra^.  424) 
haben  das  zweite  Fragment  des  Manlius  fälschlich  dem  kurz  vorher  genannten 
Eimius  zugetheilt.  [Sie  haben  das  in  den  neuen  Auflagen  geändert.  Die  anderen 
Vorsuche,  die  korrupte  Überlieferung  zu  verbessern,  verzeichnet  A.  Spengel  in 
se.ner  Ausgabe  der  varronischen  Schrift,  BerHn  1885.] 


74  Mamilius  Sura,  Aemilius  Sura,  L.  Manlius. 

Derselbe  7,  28:  Cascum  vetus  esse  signißcat  Ennius —  eo  magis 
Manilius  quod  ait: 

Cascum  duxisse  cascam  non  mirahile  est, 
Quoniam  cariosas^  conficiebat  nuptias. 

Amobius  3,  38  (vgl.  39):  Novensües  —  deos  —  credit  —  deos 
novem  Manilius,  quibus  solis  lupiter  potestatem  iaciendi  sui  permiserit 
fulminis.  Eben  daselbst  werden  über  denselben  Gegenstand  die 
Meinungen  angeführt  von  Piso,  Granius,  Aelius,  Yarro,  Cornificius, 
Cincius,  lauter  Schriftstellern  der  republikanischen  oder  der  augustei- 
schen Zeit;  wahrscheinlich  rührt  der  ganze  Bericht  aus  Cincius  her, 
der  wieder  die  Collectaneen  des  Yarro  benutzt  haben  wird,  —  Zu 
dem  von  Fulgentius  (S.  560  [114,  20  Helm])  erfundenen  Titel  Mani- 
lius Crestus  de  deorum  hymnis  mag  dieser  arnobische  Manilius  den 
Anstoss  gegeben  haben. 

Plinius  im  Autorenverzeichniss  des  10.  Buchs:  Manilio  (so  die 
guten  Handschriften);  ferner  10,  2,  4  vom  Phönix:  Primus  atque  dili- 
gentissime  togatorum  de  eo  prodidit  Mamilius  (so  die  Handschriften 
hier)*)  Senator  ille  maxumis  nobilis  doctrinis  doctore  nullo:  neminem 
286  extitisse  qui  viderit  vescentem,  sacrum  in  Ärabia  soli  esse,  vivere  annis 
JDXL,  senescentem  casia  turisque  sur cutis  construere  nidum,  replere 
odoribus  et  superemori;  ex  ossibus  deinde  et  medidlis  eiu^  nasci  primo 
ceu  vermiculum,  inde  fieri  pullum  principioque  iusta  funer a  priori 
reddere  et  totum  deferre  nidum  prope  Panchaiam  in  Solis  urbem  et 
in  ara  ibi  deponere.  Cum  Jiuius  alitis  vita  magni  conversionem  anni 
fieri  prodit  idem  Mamilius  (so  die  Handschriften)**)  iterumque  signi- 
ficationes  tempestatum  et  siderum  easdem  reverti,  hoc  autem  circa 
meridiem  incipere,  quo  die  signum  arietis  sol  intraverit,  et  fuisse  eius 
conversionis  annum  prodente  se  P.  Licinio  Cn.  Cornelio  cos.  [657 
d,  St.]  ducentesimum  quintum  decumum  '^. 


1)  Auch  diese  sichere  Verbesserung  rührt  von  Lachmann  her.  Ueberliefert 
ist  carioras;  Scaliger  vermuthete  Caron  eas. 

*)  [Maniillius  nach  Detlefsen.] 
**)  [Einige  Hss.  nach  Detlefsen  hier  Manilius.] 

2)  Lepsius  (Chronol.  der  Aegypter  1,  170  fg.)  will  in  dieser  Stelle  statt  DXL 
und  CCXXV  schreiben  MC  DL  XI  und  MCCXV,  wodurch  er  auf  das  in  der 
ägyptischen  Chronologie  auch  sonst  wichtige  J.  1322  v.  Chr.  als  Anfangsjahr 
der  zu  Manilius  Zeit  laufenden  Phönixperiode  kommt.  Indess  ist  es  mehr  als 
bedenklich  beide  in  allen  besseren  Handschriften  ohne  Abweichung  überlieferten 
Zahlen,  von  denen  die  erstere  auch  noch  durch  Solinus  33,  12  beglaubigt  wird, 
zu  ändern;  und  wenn  die  Phönixperiode  anderweitig  gewöhnlich  auf  500,  zu- 
weilen auf  1461  Jahre  gesetzt  wird,  so  ist  man  doch  schwerlich  berechtigt  bei 


Mamilius  Sura,  Aemilius  Sura,  L.  Manlius.  75 

Dass  der  von  Plinius  hier  ausgezogene  *)  Manilius  oder  Mamilius 
mit  dem  anderweitig  von  ihm  benutzten  Mamilius  Sura  zusammen- 
falle, ist  nach  Jans  Vorgang  —  welcher  sogar  Sura  statt  Senator 
schreiben  wollte  —  von  Reifferscheid  a.  a.  O.  angenommen  worden, 
aber  nichts  desto  weniger  erweislich  falsch.  Denn  Plinius  nennt  für 
das  zehnte  Buch  unter  den  lateinischen  Quellen  an  erster  Stelle  den 
Manilius.  an  letzter  den  Mamilius  Sura;  und  nach  dem  jetzt  fest- 
gestellten gerade  in  diesem  Buch  besonders  deutlich  hervortretenden 
Yerhältniss  der  pUnianischen  Citate  zu  dem  Quellenverzeichniss  (vgl. 
Brunn  a.  a.  0.  S.  17)  kann  der  gleich  zu  Anfang  des  Buches  ange- 
führte Mamilius  kein  anderer  sein  als  der  an  der  Spitze  des  Quellen- 
verzeichnisses stehende  Manilius,  also  gewiss  nicht  Mamihus  Sura. 
Der  ganz  unbedachte  Vorschlag  Silligs  z.  d.  St.  in  diesem  Manilius, 
der  657  schrieb,  den  bekannten  Juristen  Manius  Manilius  Consul  605 
zu  erkennen,  verdient  kaum  der  Erwähnung.  —  "Vergleichen  wir 
vielmehr  die  oben  zusammengestellten  Angaben  von  Varro  und 
Plinius,  so  scheinen  sie  sämmtlich  auf  denselben  Mann  zurückgeführt 
werden  zu  müssen.  Wenn  man  nach  dem  allgemein  angenommenen 
Vorschlag  Niebuhrs  (R.  Gr.  1,  13)  das  bei  Dionysios  überheferte 
MAMIOZ  in  MAAAIOZ  ändert,  so  lassen  sich  die  sämmtlichen 
überlieferten  Namensformen  mit  Leichtigkeit  auf  den  Namen  L. 
Manlius  zurückführen;  ein  Cognomen  scheint  derselbe  nicht  geführt 
zu  haben.  Auch  der  Zeit  nach  stimmen  die  verschiedenen  Angaben 
wohl  überein:  für  den  Schriftsteller,  den  schon  Varro  vielfach  be-  287 
nutzt  hat,  passt  sehr  gut,  was  von  dem  plinischen  Manilius  berichtet 
wird,  dass  er  in  seinem  Fache  zuerst  Bahn  gebrochen  (maxumis 
nohilis  doctrinis  doctore  nidlo)  und  im  J.  657  geschrieben  habe. 
Endlich  kehrt  der  äv^Q  ovx  aarjfiog  des  Dionysios  wieder  in  dem 
phnischen  Senator.  Möglicher  Weise  ist  sogar  der  L.  Manlius,  den 
wir  aus  den  Münzen  Sullas  als  dessen  Proquästor  um  670  und  ander- 
weitig (Oros.  5,  23;  Liv.  90;  Cäsar  b.  c.  3,  20;  Plutarch  Sert.  12)  als 
Statthalter  des  narbonensischen  Galliens  um  677  kennen  lernen  (vgl. 
mein  röm.  Münzwesen  S.  595)  kein  anderer  als  eben  dieser  schrift- 
«tellernde  Senator.  Vor  allen  Dingen  aber  spricht  der  Inhalt  der 
oben  zusammengestellten  Nachrichten  sehr  entschieden  für  ihre  Zu- 
sammengehörigkeit.    Wem   es  beschieden   war    das   Pelasgerorakel 

einem  solchen  Gegenstand  und  in  einem  leichtfertigen  Wunderbuch,  wie  das 
tianlische  gewesen  sein  muss,  die  von  den  gangbaren  abweichenden  Fabelzahlen 
zu  emendiren. 

*)  [D.  h.  indirekt  benutzte,  vgl.  Münzer,  Beitr.  zur  Quellenkritik  der  Natur- 
gesch.  d.  Plinius,  Berlin  1897,  S.  163.1 


76  Mamilius  Sura,  Aemilius  Sura,  L.  Manlius. 

über  die  schwimmende  Insel  im  Sabinerland  von  einem  der  dodo- 
näischen  Dreifüsse  abzuschreiben,  der  war  sicher  auch  zur  Sache 
legitimirt  hinsichtlich  der  schwimmenden  Delos  und  der  Fahrten  der 
Leto  so  wie  derjenigen  der  Tochter  des  Agenor  Europe  und  der  rechte 
Prophet  für  das  grosse  Wunder  vom  Phönix  und  der  Sonnenstadt 
im  Lande  Panchaia.  In  welcher  Form  der  vornehme  Verfasser  all 
diese  wunderhaften  Dinge  seinen  Landsleuten  vorgelegt  haben  mag, 
wage  ich  nicht  zu  bestimmen;  ausser  jenem  griechischen  Epigramm 
kamen  lateinische  iambische  und  lyrische  Verse  in  dem  Buche  des 
Manlius  vor,  während  anderes  daraus  Angeführte  füglicher,  obwohl 
keineswegs  mit  zwingender  Nothwendigkeit  in  prosaischer  Form 
gedacht  wird.  Unter  dem  Einfluss  des  Euhemeros,  den  ja  bereits 
Ennius  bearbeitet  hatte,  ist  das  Reise-  und  "Wunderbuch  des  L. 
Manlius  wohl  auf  jeden  Fall  entstanden.  Immer  aber  bleibt  es  eine 
litterargeschichtlich  merkwürdige  Thatsache,  dass  ein  vornehmer 
Römer  der  sullanischen  Zeit  aus  dem  Abhub  griechischer  Fabulistik 
für  seine  Landsleute  lateinische  Mirabilien  zurecht  gemacht  hat  und 
mag  derselbe  als  Urvater  des  italischen  Pelasgerthums  den  betreffenden 
Gläubigen  hiemit  bestens  empfohlen  sein. 

Noch  füge  ich  hinzu,  dass  Gellius  3,  3,  ohne  Zweifel  nach  Varro, 
mit  fünf  anderen  Gelehrten  des  siebenten  Jahrhunderts  auch  einen 
Manilius  als  Verfasser  eines  Verzeichnisses  der  echten  plautinischen 
Komödien  aufführt.  Er  ist  mit  Wahrscheinlichkeit  von  Ritschi 
(parerga  I,  242)  mit  dem  von  Plinius  angeführten  Senator  identificirt 
worden.*) 

*)  [Die  Identität  bezweifelt  M.  Schanz,  Gesch.  d.  röm.  Literatur  I  \  München 
1898,  S.  403, 1.] 


XIII. 

Zu  Sallustius.*) 

In  Sallusts  Darstellung   des  jugurthinischen  Krieges   findet  sich  427 
eine    chronologische    und   staatsrechtliche  Schwierigkeit,    die   bisher 
unbeachtet  geblieben  zu  sein  scheint. 

Der  Gang  der  Ereignisse  ist  nach  der  wohl  zusammenhängenden 
und  sorgföltigen  Erzählung  folgender.  Nach  Beendigung  des  thaten- 
losen  Sommerfeldzugs  644  begab  sich  der  commandirende  Feldherr, 
der  Consul  Sp.  Postumius  Albinus  nach  Rom  zui'ück,  um  rechtzeitig 
dort  die  Comitien  abzuhalten  (c.  36,  1.  4).  Allein  der  Versuch 
zweier  Yolkstribune  sich  das  Amt  wieder  auf  das  folgende  Jahr  zu 
verschaffen,  verzögerte  die  sämmtlichen  Wahlen  dieses  Jahres.  Yer- 
muthlich  werden  die  Tribüne  gegen  die  Zulassung  jener  beiden  zur 
Tribunenwahl  für  645  Einspruch  gethan  haben  (resistentibus  coUegis 
c.  37,  2j  —  dass  verfassungsmässig  einer  solchen  "Wiederwahl  bei  den 
Tribunen,  die  nicht  magistratus  populi  Rotnani  waren,  nichts  im 
AVege  stand,  ist  sowohl  aus  andern  Gründen  wie  auch  durch  diese 
Angabe  selbst  ausser  Zweifel  —  und  haben  sodann  die  zurück- 
gewiesenen Tribüne  ihrerseits  die  sämmtlichen  Comitien  des  Jahres 
verhindert,  bis  ihnen  ihr  Wille  gethan  sein  würde.  Denn  im  Uebrigen 
wurden  zwar  sowohl  die  Magistrate  der  Gemeinde  wie  die  der  Plebs 
in  der  Rangfolge  gewählt,  also  die  Aedilen  der  Plebs  erst  nach  deren 
Tribunen,  die  Prätoren  erst  nach  den  Consuln,  die  curulischen  Aedilen 
erst  nach  den  Prätoren;  aber  die  Wahlen  der  patricischen  und  der 
plebejischen  Magistrate  sind  in  keiner  Weise  connex  und  durch  die 
Terhinderung  der  einen  Gattung  wird  die  andere  an  sich  nicht 
berührt  ^  —  Durch  diese  Zwischenfälle  muss  die  Wahl  der  Consuln 
fuj  645  sich  bis  in  dieses  Jahr  selbst  hingezogen  haben;  denn  die 
Erzählung  giebt  an,   dass  dem  Nachfolger    des  Albinus    durch    die 

*)  [Hermes  1  (1866)  S.  427—437.] 

1)  Es  zeigt  dies  namentlich  der  Brief  des  Caelius  ad  fam.  8.  4. 


7g  Zu  Sallustius. 

Verzögerung  der  Comitien  die  für  die  Operationen  im  Felde  gegebene 
Frist  verkürzt  worden  sei  (c.  44,  3:  aestivorum  tempus  comitiorum 
428  mora  imminuerat),  was  nur  dann  einen  Sinn  hat,  wenn  die  Comitien 
erst  nach  dem  letzten  December  644  stattfanden.  Dasselbe  ergiebt 
sich  aus  dem  weiteren  Verlauf  der  Erzählung.  Der  stellvertretende 
Oberfeldherr  in  Africa,  des  Consuls  644  Bruder  A.  Albinus,  in 
Kenntniss  gesetzt  davon,  dass  bei  der  Verschleppung  der  Comitien 
das  Eintreffen  des  neuen  Oberfeldherrn  so  bald  noch  nicht  zu  er- 
warten sei,  beginnt  im  Januar  (c.  37,  3:  mense  lanuariö)  645  einen 
Feldzug  gegen  lugurtha,  der  in  raschem  Verlauf  zu  einer  Niederlage 
der  Römer  und  zu  einem  schimpflichen  Frieden  führt.  Dieser 
Friedensvertrag  wird  vom  Senat  cassirt.  Darauf  begiebt  sich  Sp. 
Albinus,  nachdem  er  noch  in  Italien  zur  Verstärkung  der  africanischen 
Armee  Truppen  ausgeschrieben  hat,  zum  Heer  nach  Africa  (c.  39), 
wo  er  während  eines  Theils  des  Sommers  das  Commando  führt 
(c.  44,  4:  quantum  temporis  aestivorum  in  imperio  fuit)^  freilich  ohne 
das  Gebiet  des  Feindes  zu  betreten,  geschweige  denn  zum  Schlagen 
zu  kommen.  Dass  die  Vertheilung  der  Provinzen  unter  die  endlich 
gewählten  Consuln  für  645  später  fällt  als  die  Niederlage  und  der 
Friedensschluss  des  Aulus,  wird  ausdrücklich  gesagt  (c.  43,  1);  allem 
Anschein  nach  machte  erst  die  africanische  Calamität  jenem  Wahl- 
gezänk in  der  Art  ein  Ende,  als  der  eine  Theil  der  Tribüne  nach- 
gab und  die  Comitien  also  zu  Ende  geführt  werden  konnten. 
Metellus  kann  demnach,  zumal  da  er  nach  seinem  Amtsantritt  noch 
Truppen  in  Italien  aushob  (c.  43,  3.  4),  erst  spät  im  Sommer  645 
nach  Africa  gelangt  sein;  und  da  er  hier  zunächst  das  Heer  reor- 
ganisirte  und  es  eine  Zeit  lang  in  der  Provinz  Africa  Uebungs- 
märsche  machen  Hess,  so  ist  es  ganz  begreiflich,  dass  er  überhaupt 
in  diesem  Jahr  nicht  zum  Schlagen  kam,  sondern  seine  Kriegführung 
erst  646  begann.  Denn,  wie  ich  dies  anderswo  (E,.  0.  2,  149  der 
4.  Ausg.  [146''])  gezeigt  habe,  die  Kriegsereignisse,  die  Sallust  c.  46 — 73 
erzählt,  von  dem  ersten  Ueberschreiten  der  feindhchen  Grenze 
(c.  46,  5:  infesto  exercitu  in  Numidiam  procedif)  bis  zu  den  Winter- 
quartieren in  der  Provinz  (c.  61,  2:  exercitum  in  provinciam,  qua  — 
nicht  quae  —  proxuma  est  Numidiae,  hiemandi  gratia  coUocat)  und 
zu  dem  in  die  Zeit  dieser  Winterquartiere  fallenden  Zug  gegen  die 
Stadt  Vaga  (c.  68,  2)  gehören  einem  einzigen  Feldzug  an,  der  nach 
dem  Verhältniss,  in  dem  er  zu  Marius  Consulwahl  steht,  nothwendig 
in  das  Jahr  646  gesetzt  werden  muss.  Von  dieser  Seite  her  ist  also 
alles  in  vollkommener  Ordnung  und  der  sachliche  und  chronologische 
Zusammenhang  der  Ereignisse  evident. 


Zu  Sallustius.  79 

Aber  zwei  Stellen  in  der  Erzählung  Sallusts  fügen  dieser  Dar- 
stellung sich  nicht  gehörig  ein.  Einmal  wenn  es  nach  der  Erzählung  429 
ier  Niederlage  des  Aulus  und  des  Friedensschlusses  heisst  (c.  39,  2): 
?6  ea  cotisul  Albinus  ....  senatum  de  foedere  constdebat,  et  tarnen 
Interim  exercitui  supjüementum  scribere,  ab  socüs  et  nomine  Latino 
auxilia  accersere,  denique  omnibus  modis  festinare.  Senattis  .  .  . 
üecernit  suo  atque  popidi  iniussu  nidlum  potuisse  foedus  fieri.  Consul 
impeditus  a  tribunis  plebis  ne  quas  paraverat  copias  secum  partaret, 
pancis  diebus  in  Äfricam  j^roficiscitur  —  so  ist  aus  dem  Gesagten 
klar,  dass  diese  Dinge  Monate  nach  dem  letzten  December  644 
vorfielen,  mit  dem  Albinus  aufgehört  hatte  Consul  zu  sein.  Der 
Anstand,  dass  der  gewesene  Consul  noch  mit  diesem  Namen  genannt 
wird,  ist  von  keiner  besonderen  Bedeutung;  diese  Nachlässigkeit  im 
Ausdruck  begegnet  bekanntlich  nicht  selten  und  kehrt  zum  Beispiel 
gleich  c.  47,  4  für  Metellus  wieder.  Aber  dass  Sallustius  in  der  That 
sich  den  Albinus  hier  als  noch  fungirenden  Consul  gedacht  hat, 
zeigen  die  Worte  senatum  consuluit,  die  in  ihrer  technischen  Eigen- 
thümlichkeit  nicht  dem  Proconsul,  sondern  nur  dem  den  Torsitz  im 
Senat  führenden  Consul  zukommen.  Allerdings  heisst  es  ähnlich  bei 
Livius  (44.  13,  [7])  in  der  Erzählung  der  Vorbereitungen  zu  dem 
Kriege  gegen  Perseus:  designatos  (consuJes  et  praetares)  extemplo 
placuit  sortiri  provincias,  ut,  cum  utri  Macedonia  constdi  cuique  prae- 
tori  classis  evenisset  sciretur,  ii  iam  inde  cogitarent  pararentgue  quae 
bello  usui  forent  senatumque  consulerent,  si  qua  de  re  consulto  opus 
esset.*)  Indess  diese  Stelle  so  wenig  wie  die  des  Sallust  können 
den  Satz  umstossen,  dass  weder  die  designirten  noch  die  gewesenen, 
sondern  nur  die  fungirenden  beikommenden  Beamten  befugt  sind 
den  Senat  zu  befragen;  und  wo  hiervon  abgewichen  wird,  wird  man 
nicht  umhin  können,  den  Schriftsteller  irriger  Yorstellungen  oder 
wenigstens  falscher  Redewendungen  zu  zeihen.  —  Den  sachlichen 
Zusammenhang  wird  man  sich  wohl  so  zu  denken  haben.  Sp.  Albinus 
verliess  die  Provinz  offenbar  in  der  Absicht  bis  zum  Jahresschluss 
in  Rom  zu  bleiben  und  somit  alsdann  das  Imperium  abzugeben. 
Ah  aber  die  "Wahl  seines  Nachfolgers  sich  hinzögerte,  fing  er  an  sich 
Rechnung  zu  machen  auf  ein  zweites  Feldhermjahr  in  Africa  imd 
verhess,  um  sich  dieses  nicht  zu  verschlagen,  noch  vor  dem  letzten 
December  644  Rom,  um  bei  Ablauf  seines  Amtsjahrs  ausserhalb  des 
Pomerium  zu  sein  und  also  sein  Imperium  zu  behalten.  Damit 
hängt  sicher  zusammen,  dass  der  Bruder  des  Consuls,  jedenfalls  auf 

*)  [^gl-  Staatsr.  1'  S.  591,  7,  wo  einige  weitere  Belege  hinzugefügt  worden 
sinci.] 


kl 


gQ  Zu  Sallustius. 

dessen  Geheiss,  den  africanischen  Feldzug  trotz  der  rauhen  Jahres- 
zeit bereits  im  Januar  645  wieder  eröffnete.'  Als  nun  nach  der 
430  Katastrophe  in  Africa  der  Senat  zusammentrat,  berufen  sei  es  von 
den  Yolkstribunen,  wenn  es  deren  damals  gab,  sei  es  von  dem  Inter- 
rex,  konnte  Albinus,  seit  dem  1.  Jan.  645  Proconsul,  an  dieser 
Sitzung  allerdings  theilnehmen,  wie  in  einer  ähnlichen  Stellung 
Pompeius,  wenn  der  Senat  im  Tempel  des  Apollo  oder  sonst  vor  den 
Thoren  zusammentrat;  und  wir  haben  keinen  Grund  zu  bezweifeln,  dass 
er  dies  gethan  und  also  factisch  den  Senat  abgehalten  hat.  Gerecht- 
fertigt ist  damit  die  Darstellung,  wie  Sallust  sie  giebt,  zwar  in  keiner 
Weise;  aber  er  hat  hier  doch  mehr  in  der  Form  als  in  der  Sache  gefehlt. 
Wenn  hier  ein  zwar  nicht  geringes,  aber  doch  nicht  unbegreif- 
liches Versehen  des  Schriftstellers  vorliegt,  so  lässt  sich  von  der 
zweiten  anstössigen  Stelle  kaum  auch  nur  dies  behaupten.  Es  ist 
dies  die  Angabe  c.  43,  1 :  post  Äuli  foedus  exercittisque  nostri  foedam 
f'ugam  Metellus  et  Silanus  consules  designati  provincias  inter  se  XMrti- 
verant.  Jener  Friedensschluss  fällt  in  den  Januar  oder  Februar 
645,  die  Wahl  der  Consuln  frühestens  in  den  Februar  dieses  ihres 
Amtsjahres,  wahrscheinlich  noch  später;  wie  können  sie  demnach 
designati  genannt  werden?  Denn  dass,  wenn  die  Wahl  der  Consuln 
erst  nach  dem  festgesetzten  Antrittstag  erfolgt,  sie  gar  nicht  erst 
designati  werden,  sondern  ex  templo  antreten,  ist  selbstverständlich 
und  notorisch.  Auch  sonst  macht  diese  Angabe  Schwiergkeit:  denn 
der  Regel  nach  theilen  die  Consuln  sich  in  ihre  Competenzen  erst 
nach  dem  Amtsantritt  und  wenngleich  aus  älterer  Zeit  einige  Fälle 
vorkommen,  wo  sie  aus  besonderen  Gründen  bereits  früher  dazu 
schreiten  (Liv.  27,  36.  44,  17.  Becker  2,  2,  120),  so  ist  es  doch  sehr 
zweifelhaft,  ob  im  siebenten  Jahrhundert,  nachdem  das  sempronische 
Gesetz  die  Theilung  der  consularischen  Competenzen  ein  für  allemal 
geordnet  hatte,  dies  noch  statthaft  war.  Indess  es  bedarf  dieses 
Nebengrundes  nicht;  das  zuerst  angeführte  Moment  ist  entscheidend, 
und  will  man  nicht  annehmen,  dass  der  zwar  nicht  sehr  gründliche, 
aber  gewandte  und  sachkundige  Schriftsteller  sich  in  unbegreifHcher 
Weise  hier  verwirrt  hat,  so  bleibt  nur  die  Annahme  übrig,  dass  der 
überlieferte  Text  verdorben  ist.  Nach  meiner  Ansicht  ist  statt 
consules  designati  zu  schreiben  consules  de  senatus  sententia,  welche 
letztere  Formel  wenigstens  in  Gesetzurkunden  und  auf  Münzen  be- 
kanntlich  abgekürzt  wird  DE  •  S  •  S^  und  ohne  Zweifel,  eben  wie 

1)  Vgl.  wegen  der  Inschriften  C.  I.  L.  I  p.  612,  wegen  der  Münzen  mein 
röm.  Münzwesen  S.  378.  453.  Bekanntlich  hat  die  Eingangsforrael  der  kx  Antonia 
de  Ttrmensibus,  wonach  die  Tribunen  DESS  das  Gesetz  rogiren,  lange  Zeit  die 


Zu  Sallustius.  Sl 

das  verwandte  s.  c,  eine  der  wenigen  allgemein  gültigen  Abkürzungen  431 
gewesen  ist,  die  in  der  klassischen  Zeit  auch  in  historischen  Schriften 
zugelassen  wurden.  Diese  Abkürzung  aber  konnte  von  einem  minder 
kundigen  Schreiber,  zumal  wenn  sie,  wie  hier,  hinter  COSS.  stand, 
irrthümlich  durch  designati  aufgelöst  werden.  Damit  ist  nicht  bloss 
jener  arge  Uebelstand  beseitigt,  sondern  auch  erklärt,  was  ein 
Pragmatiker  wie  Sallust  nicht  unterlassen  konnte  zu  erklären,  auf 
welchem  Wege  bei  der  Theilung  der  Competenzen  Africa  an  Meteilus 
kam:  es  war  der  Wunsch  des  Senats,  dem  der  College  sich 
fügte.  —  In  der  neuesten  Ausgabe  des  Sallustius  von  H.  Jordan, 
die  für  diesen  so  viel  behandelten  Schriftsteller  anstatt  der  früheren 
eben  so  weitschichtigen  wie  unzuverlässigen  Apparate  zuerst  eine 
knappe  und  feste  Textgrundlage  geschaffen  hat,  ist  dieser  dem 
Herausgeber  von  mir  mitgetheilte  Vorschlag  bereits  berücksichtigt 
worden.*) 

Mit  diesem  Anstoss,  den  Sallusts  Darstellung  des  jugurthinischen 
Krieges  dem  aufmerksamen  Leser  hervorruft,  wird  es  nicht  unpassend 
sein  einen  anderen  in  der  Schilderung  der  catilinarischenYerschwörung 
begegnenden  und  nur  zu  wohl  bekannten  zusammenzustellen.**) 

Die  Frage,  an  welchem  Tage  die  erste  catilinarische  Rede  ge- 
halten sei,  ist  oft,  zuletzt  von  Madvig  (opusc.  1,  194),  Drumann 
(5,  456)  und  Halm  in  der  Einleitung  zu  seiner  kleineren  Ausgabe 
der  Catilinarien  §  17  behandelt  worden,  ohne  dass  ein  befriedigendes 
Ergebniss  erreicht  worden  wäre.  Denn  Drumanns  Interpretationen 
der  einzelnen  Stellen  sind  keineswegs  genau,  und  Madvigs  Resultat, 
dass  die  erste   catilinarische  Rede    in   der  Nacht  vom    7.    auf   den 

Missdeutung  erfahren,  als  sei  dasselbe  von  designirten  Volkstribunen  eingebracht 
worden.  Uebrigens  findet  sich  sehr  häufig  de  senatus  sententia  und  ex  senatus 
considto,  selten  ex  senatits  sententia  (Cic.  ad  fam.  12,  4,  1) ,  vielleicht  niemals  de 
ienatus  consulto.  Auch  sind  die  beiden  Formeln  im  Werth  nicht  völlig  identisch ; 
sententia  ist  das  Gutachten,  constdtum  der  Beschluss  und  dem  entspricht  der 
Gebrauch  der  Präpositionen.  Man  kann  vergleichen,  dass  lateinisch  nur  de  con- 
süii  sententia  gesagt  wird,  nie  ex  consilii  consulto,  da  das  consiliiim  bekanntlich 
nurberäth,  der  Berathene  aber  nicht  rechtlich  verpflichtet  ist  dem  Gutachten 
zu  folgen. 

*)  [Vgl.  Staatsr.  a.  a.  0.,  wo  die  Möglichkeit  eines  Versehens  des  Sallust 
cffen  gelassen  wird.  Daraufhin  hat  Jordan  in  der  3.  Ausg.  die  Änderung 
Mommsens  aus  dem  Text  entfernt,  aber  mit  Unrecht.] 

**)  [Vgl.  zum  Folgenden  (gegen  Mommsen):  C.  John,  Die  Entstehungs- 
geschichte der  catilinarischen  Verschwörung,  in:  Jahrb.  f.  cl.  Phil.  Suppl.  8, 
1875/76,  S.  778  f.  und:  Der  Tag  der  ersten  Rede  Ciceros  gegen  Catüina,  Philol. 
46,  1888,  S.  650  ff.] 

MOMMSEN,    SCHK.  \n.  fi 


g2  Zu  Sallustius. 

8.  Nov.  gehalten  und  also  gleichsam  zweien  Tagen  zuzuschreiben  sei, 
ist  ebenso  ein  Nothbehelf  wie  Halms  Annahme,  dass  Cicero  bei 
Niederschreibung  der  Reden  sich  um  einen  Tag  versehen  haben 
müsse.  Indess  scheint  es  nicht  unmöglich,  wenn  man  bloss  die 
Ciceronischen  Stellen  ins  Auge  fasst,  zu  einem  befriedigenden  Ergeb- 
niss  zu  gelangen.  Es  wird  nothwendig  sein,  so  bekannt  dieselben 
auch  sind,  sie  hier  zusammenzustellen. 

432  1.  Cicero  pro  Sulla  18,52  schildert  die  von  ihm  abgehaltenen  Con- 
sularcomitien  und  fährt  dann  fort:  (C.  Cornelius)  inter  falcarios 
ad  M.  Laecam  nocie  ea  quae  consecuta  est  posterum  diem  nonarum 
Novembrium  me  consule  Catilinae  denuntiatione  convenit.  Quae 
nox  omnium  temporum  coniurationis  acerrima  fuit  atque  acerhis- 
sima.  Tum  Catilinae  dies  exeundi,  tum  ceteris  manendi  condicio, 
tum  discriptio  totam  per  urbem  caedis  atque  incendiorum  constitufa 
est;  tum  .  .  .  .  (C.  Cornelius)  illam  sibi  officiosam  provinciam  depo- 
poscit,  ut  cum  prima  luce  consulem  salutatum  veniret,  .  .  .  .  me  in 
meo  lectulo  trucidaret. 

2.  Cicero  in  Cat.  1,  1,  1  ....  quid  proxima,  quid  superiore  nocte 
egeris,  ubi  fueris,  quos  convocaveris ,  quid  consili  ceperis,  quem 
nostrum  ignorare  arbitraris?  ....  4,  8:  recognosce  .  .  .  mecum 
noctem  illam  superiorem  ....  dico  te  priore  nocte  venisse  inter 
falcarios  ...  in  M.  Laecae  domum  ....  9  .  .  .  Fuisti  .  .  .  apud 
Laecam  illa  nocte,  Catilina,  distribuisti  partes  Italiae,  statuisti  quo 
qu£mque  proficisci  placeret,  delegisti  quos  Bomae  relinqueres,  quos 
tecum  educeres,  discripsisti  urbis  partes  ad  incendia,  confirmasti  te 
ipsum  iam  esse  exiturum,  dixisti  paulum  tibi  esse  etiamnunc  morae, 
quod  ego  viverem.  Reperti  sunt  duo  equites  Romani,  qui  .  .  .  sese 
illa  ipsa  nocte  paullo  ante  lucem  me  in  meo  lectulo  interfecturos 
pollicerentur.  Haec  ego  omnia  vixdum  etiam  coetu  vestro  dimisso 
comperi,  domum  meam  maioribus  praesidiis  munivi  atque  firmavi, 
exclusi  eos,  quos  tu  ad  me  salutatum  mane  miseras,  cum  Uli  ipsi 
venissent  quos  ego  iam  multis  ac  summis  viris  ad  me  id  temporis 
esse  venturos  pra^dixeram. 

3.  Cic.  in  Cat.  2,  6,  13:  quaesivi  a  Catilina,  in  nocturno  conventu 
apud  Laecam  fuisset  necne.  .  .  .  patefeci  cetera,  quid  ea  nocte 
egisset,  quid  in  proximam  constituisset ,  quem  ad  modum  esset  ei 
ratio  totius  belli  discripta,  edocui. 


Zu  Sallustius.  S3 

Die  einzige  unter  diesen  Angaben,  die  eine  positive  Zeitangabe 
enthält,  ist  in  ihrer  Fassung  nicht  ganz  klar  und  die  Bezeichnung 
i%ox  quae  coiisecuta  est  posierum  diem  nonarum  Novembriwn  ver- 
schiedener Deutung  fähig.  Drumann,  Madvig,  Halm  nehmen  nach 
dem  Vorgang  von  Ferratius  den  posterus  dies  nonarum  Novembrium 
als  gleichbedeutend  mit  postridie  nonas,  d.  h.  den  6.  und  setzen 
demnach  die  Zusammenkunft  bei  Laeca  übereinstimmend  in  die 
Nacht  vom  6.  auf  den  7.  Xov.  Beispiele  indess  für  diese  B-edeweise 
sind  nicht  beigebracht  worden  mit  Ausnahme  der  Stelle  des  Tacitus 
bist.  1,  26,  die  in  den  Ausgaben  lautet  postero  iduiim  die;  aber  da  433 
nach  dem  Zusammenhang  hier  die  Iden  ohne  Hinzufügung  des 
Monats  immöglich  gestanden  haben  können  imd  auch  in  der  Hand- 
schrift nicht  die  steht,  sondern  dierum,  ist  die  Stelle  als  verdorben 
für  den  Sprachgebrauch  auf  keinen  Fall  beweisend^.  Andrerseits 
ist  nicht  nachgewiesen  worden,  dass  da,  wo  es  nicht  zunächst  darauf 
ankommt  den  Tag  als  postriduanus  zu  bezeichnen,  in  gew(Anlicher 
Datirung  der  Sprachgebrauch  postridie  nonas  Nov.  statt  a.  d.  VIII  id. 
Nov.  zu  sagen  gestattet.  Dagegen  lassen  Ciceros  Worte  sich  unge- 
zwungen dahin  verstehen,  dass  posterus  gar  zur  Datinmg  nicht  gehört, 
sondern  den  Tag  als  den  auf  die  eben  vorher  erzählten  Consular- 
comitien  folgenden  bezeichnet,  die  Datirung  also  nur  in  den  Worten 
nonarum  Novembrium  angegeben  ist,  gleich  als  wenn  Cicero  ge- 
schrieben hätte  posterum  diem,  qui  dies  fuit  nonarum  Novembrium. 
Danach  wären  die  Wahlen  auf  den  4.  Nov.  gefallen,  welcher  Tag 
auch  dem  Kalender  zufolge  comitial  ist,  und  hätten  sieh  die  Yer- 
schworenen  in  der  Nacht  vom  .5.  auf  den  6.  im  Hause  des  Laeca 
versammelt.  Es  war  natürlich  und  angemessen  in  der  Erzählung 
den  zeitlichen  und  sachlichen  Zusammenhang  zwischen  dem  Ausfall 
der  Wahlen  und  dem  Ausbruch  der  Yerschwörung  dadurch  hervor- 
zuheben, dass  die  Yerschwörungsnacht  als  die  zweitfolgende  nach 
dem  Tag  der  Comitien  bezeichnet  ward.  —  Dass  die  Nacht,  in  der 
die  Verschwomen  bei  Laeca  sich  versammelten,  die  zweitletzte  vor 
dem  Tage  war,  an  dem  Cicero  im  Senat  die  erste  Rede  gegen 
Catilina  hielt  und  dass  sie  in  dieser  Rede  als  die  nox  superior  oder 
prior  vor  der  unmittelbar  dem  Tage  der  Rede  vorhergehenden,  der 
nox  proxima  unterschieden  wird,  steht  ebenso  fest  wie  dass  der 
Mordversuch  auf  den  Consul  an  demselben  Morgen  stattfand,  an  dem 

1)  Man  hat  auch  vorgeschlagen  lamiariarum  oder  Decembriutn  statt  dierum 
zu  schreiben.  Vielleicht  ist  postero  iduitm  dierum  nicht«  als  falsche  Auflösung 
von  postridie  und  der  Tag  gemeint  nach  demjenigen,  an  dem  der  Abfall  der 
germanischen  Legionen  in  der  Hauptstadt  bekajint  ward. 

6* 


g4  Zu  Sallustius. 

er  wenige  Stunden  später  seine  Rede  hielt.  Hesterno  die,  heisst  es 
in  der  zweiten  catilinarischen  Rede  6,  12,  cum  domi  meae  paene 
interfedus  essem,  senatum  in  aedem  lovis  Statoris  vocavi,  rem  omnem 
ad  patres  conscriptos  detuli  —  dass  es  unmöglich  ist  hesterno  die  von 
dem  Vordersatz  zu  trennen  und  bloss  mit  senatum  vocavi  zu  verbinden, 
haben  Madvig  und  Halm  mit  vollem  Recht  bemerkt.  Danach  ordnen 
sich  die  Ereignisse  also  in  folgender  Weise : 

434       prid.  non.  Nov.  (Nov.  4)  Consularcomitien 
non.  Nov.  (     „     5) 

Versammlung  bei  Laeca  (nox  superior) 

VIII  id.  Nov.  (     „     6) 

Mordversuch  auf  Cicero  (nox  proxima) 

VII    „        «      (     »     7)  erste  catilinarische  Rede 
VI   „        „      (     „     8)  zweite  „  „ 

Unter  diesen  Voraussetzungen,  und  ich  meine  unter  diesen  allein, 
lässt  sich  auch  die  Angabe  des  Asconius  (in  Pison.  p.  6  [p.  5  K.-Sch.]) 
befriedigend  erklären,  dass  von  dem  Senatsbeschluss,  der  die  Consuln 
mit  dictatorischer  Gewalt  bekleidete,  bis  zu  dem  Tage  der  ersten 
catilinarischen  Rede  nicht,  wie  Cicero  (in  Cat.  1,  2,  4)  ungenau 
angebe,  zwanzig,  sondern  achtzehn  Tage  verflossen  seien,  wobei  sowohl 
nach  der  allgemeinen  Sitte  als  nach  dem  Zusammenhang  Anfangs- 
und Endtag  mitgezählt  sein  müssen.  Denn  jener  Beschluss  ist  vom 
21.  Oct.  (Cic.  pro  Mur.  25,  51;  in  Cat.  l,  3,  7)  und  von  da  bis  zum 
7,  Nov.  sind  achtzehn  Tage.  Dass  aber  hier,  wenn  irgendwo,  Asconius 
genau  gerechnet  hat,  kann  keinem  Zweifel  unterliegen. 

Untergeordnete  Bedenken  können  in  diesem  so  schwierigen 
Dilemma  nicht  entscheiden.  Man  wird  es  auffallend  finden,  dass  die 
Schilderhebung  des  Manlius  bereits  am  neunten  Tage  vor  den  Wahlen, 
am  27.  Oct.  stattgefunden  hat.  Aber  dass  Manlius  die  Nachricht  von 
dem  Ausfall  der  Wahlen  nicht  abwartete,  um  loszuschlagen,  wird 
allgemein  zugegeben;  was  kommt  alsdann  darauf  an,  ob  er  neun 
Tage  oder  einen  Tag  vor  den  Wahlen  losschlug?  Andrerseits  lag  es 
im  Interesse  der  Optimaten,  von  denen  die  Festsetzung  des  Wahl- 
tages abhing,  die  Comitien  hinzuzögern,  bis  die  revolutionäre  Partei 
zu  offener  Gewalt  geschritten  war,  und  dadurch  entweder  Catilina 
zum  Rücktritt  von  der  Candidatur  zu  zwingen  oder  mindestens  ihm 
die  Stimmen  der  Schwankenden  zu  entfremden.  Auch  stellt  Cicero 
nirgends  den  offenen  Aufstand  des  Manlius  als  eine  Folge  der 
Niederlage  seiner  Partei  in  der  Wahlschlacht  dar.  —  Ein  ernst- 
licherer Einwurf  kann  daraus  hergenommen  werden,  dass  die  Corai- 


Zu  Sallustius.  S5 

tien  auf  den  28.  Oct,  angesetzt  gewesen  zu  sein  scheinen.  Freilich 
erfahren  wir  mit  Bestimmtheit  nur,  dass  dieselben  am  21.  Oct.  hatten 
stattfinden  sollen,  aber  am  Tage  vorher  durch  Senatsbeschluss  ver- 
tagt wurden  (Cic.  in  Cat.  l,  3,  7  und  pro  Mur.  25,  51).  Indess  wenn 
nach  Ciceros  Angabe  in  der  ersten  catilinarischen  Rede  Catilina  den 
28.  für  die  Ausführung  seines  Mordplanes  bestimmt  hatte,  imd  an 
diesem  Tage  eine  Anzahl  der  angesehensten  Senatoren  sich  von  435 
Rom  entfernten,  Cicero  aber,  der  zurückblieb,  den  Mordplan  ver- 
eitelte, so  wird,  namentlich  nach  Yergleichung  der  correlaten  Berichte 
in  den  Reden  für  Murena  und  für  Sulla,  nicht  wohl  geleugnet  werden 
können,  dass  der  Mordplan  des  28.  Oct.  mit  den  Consularcomitien 
in  Zusammenhang  gestanden  hat.  Jedoch  folgt  daraus  noch  nicht 
mit  Nothwendigkeit.  wie  auch  schon  von  Andern  (Halm  a.  a.  O. 
A.  49)  mit  Recht  hervorgehoben  worden  ist,  dass  der  Vorgang  am 
28.  Oct.  und  der  an  den  Consularcomitien  zusammengefallen  sind: 
was  Cicero  in  der  ersten  catilinarischen  Rede  von  seinen  Gegen- 
anstalten am  28.  Oct.  berichtet,  ist  anders  gehalten  als  wo  er  über 
sein  berühmtes  Auftreten  im  Panzerhemd  handelt.  Man  wird  an- 
nehmen dürfen,  dass  die  Comitien  auf  den  28.  Oct.  verschoben 
waren,  Cicero  aber  zunächst  sich  wieder  durch  eine  Vertagung  half 
und  sie  daher  erst  am  4.  Nov.  stattfanden.  Um  dies  ziemlich 
schwächliche  Verfahren  zu  bemänteln  ist,  wie  es  scheint,  in  den 
Darstellungen  die  Vertagung  umgangen. 

Aber,  wird  man  sagen,  alle  diese  Erwägungen  scheitern  an  der 
bestimmt  bezeugten  Thatsache,  dass  der  Mordversuch  auf  Cicero 
unmittelbar  auf  die  nächtliche  Zusammenkunft  der  Verschworenen 
bei  Laeca  gefolgt  ist,  ja  die  beiden  Mörder  aus  dieser  selbst  weg- 
gegangen sind  um  die  That  auszuführen,  während  nach  der  obigen 
Aufstellung  zwischen  beiden  Ereignissen  vierundzwanzig  Stunden 
hegen.  —  Gewiss  legen  Ciceros  Worte  diese  Auffassung  nahe ;  allein 
sie  sagen  doch,  streng  genommen,  nur,  dass  die  beiden  Mörder  sich 
in  der  Zusammenkunft  nicht  bloss  zu  der  Blutthat,  sondern  auch  zu 
deren  sofortiger  Vollziehung  bereit  erklärten.  Wie  wenn  Catilina 
darauf  erwiedert  hätte,  dass  er  das  Anerbieten  annehme,  aber  dass 
es  für  diesen  Tag  zu  spät  sei  und  auf  den  nächsten  Tag  verschoben 
werden  müsse?  Verschiedene  Umstände  scheinen  diese  Annahme  zu 
unterstützen.  In  den  beiden  ersten  catilinarischen  Reden  wird  mit 
Nachdruck  von  den  Vorgängen  an  zwei  verschiedenen  Nächten 
gesprochen,  während,  wenn  der  Mordversuch  auf  Cicero  sich  unmit- 
telbar an  die  Conferenz  bei  Laeca  anschloss,  es  völlig  dunkel  bleibt, 
warum  Cicero  nicht  bloss  die  vorletzte  Nacht  erwähnt.    In  der  zuletzt 


gß  Zu  Sallustius. 

abgedruckten  Stelle  wird  sogar  deutlich  gesagt,  dass  in  der  ersten 
Nacht  der  Plan  entworfen,  die  zweite  zu  dessen  Ausführung  bestimmt 
gewesen  sei.  Was  kann  die  'für  die  nächste  Nacht  festgesetzte 
Unthaf  anders  gewesen  sein  als  die  Ermordung  Ciceros?  Denn  alle 
die  andern  Vornahmen,  die  in  der  Conferenz  bei  Laeca  beschlossen 
wurden,  die  Anzündung  der  Stadt  und  so  weiter  sollten  augenschein- 
436  lieh  erst  nach  Catilinas  Abreise  stattfinden,  der  unbequeme  Consul 
aber  vorher  beseitigt  sein  (paulum  tibi  esse  etiamnunc  morae,  quod 
ego  viverem).  Ferner  begreift  man  schwer,  wenn  der  Mordversuch 
unmittelbar  auf  die  Zusammenkunft  folgte,  wie  Cicero  in  der  Lage 
sein  konnte  den  spät  in  der  Nacht  gefassten,  am  frühen  Morgen  ins 
Werk  gesetzten  Plan  vorher  vielen  angesehenen  Männern  mitzutheilen. 
Man  kann  zwar  sagen,  dass  bereits  die  ersten  Morgenbesucher  sich 
bei  dem  Consul  eingefunden  hatten,  als  die  Mörder  erschienen,  und 
Cicero  diesen  deren  Erscheinen  vorhersagte;  aber  dagegen  spricht, 
dass  die  Mörder  auf  jeden  Fall  die  früheste  Morgenzeit  wählen 
mussten,  so  lange  das  Empfangzimmer  noch  leer  war.  Weit  ein- 
facher gestaltet  sich  alles,  wenn  die  nächtliche  Berathung  bei  Laeca 
sich  so  lange  hinzog,  dass  Yargunteius  und  Cornelius  ihren  Plan  um 
vierundzwanzig  Stunden  verschieben  mussten;  es  ist  sehr  möglich, 
dass  nur  dieser  Aufschub  Cicero  gerettet  hat.  Dass  er  diese  Zwischen- 
zeit nach  Möglichkeit  in  den  Schatten  stellt  und  für  den  Zuhörer 
verschwinden  lässt,  ist  ganz  in  seiner  Weise.  In  stiller  Allmacht  und 
Allwissenheit  gleich  der  waltenden  Vorsehung  machte  der  grosse 
Consul  die  Pläne  der  "Verschworenen  augenblicklich  zu  Schanden; 
es  schadete  dem  drastischen  Effect,  sowohl  wenn  man  die  Quelle 
erfuhr,  aus  welcher  diese  Vorsehung  sich  informirte,  als  wenn  die 
Zeitfrist  bekannt  ward,  die  derselben  zur  Abwendung  des  Schlages 
verstattet  war. 

Wenden  wir  uns  nun  von  Cicero  zu  Sallustius,  so  erzählt  dieser 
(c.  27),  wesentlich  wie  Cicero  selbst,  die  Conferenz  bei  Laeca,  Cati- 
linas Erklärung,  dass  er  zum  Heer  abgehen  werde,  so  wie  Cicero 
gefallen  sei;  das  Erbieten  des  Vargunteius  und  Cornelius  diesen  sofort 
aus  dem  Wege  zu  räumen:  constituere  ea  nocfe paulo post  cum  armatis 
hominibus  sicuti  salutatum  introire  ad  Ciceronem  ac  de  improviso  domi 
suae  imparatum  conf ödere.  Curius  .  .  .  propere  per  Fulviam  Ciceroni 
doluni  qui  parabatur  enuntiat.  Ita  Uli  ianua  prohibiti  tantum  facinus 
frustra  susceperant  Niemand  wird  bezweifeln,  dass  Sallustius  die 
Zusammenkunft  bei  Laeca  und  den  Mordversuch  als  unmittelbar  auf 
einander  folgend  betrachtet;  aber  wir  sind  gewiss  befugt  anzunehmen, 
dass  er  unter  dem  Einfluss  der  catilinarischen  Reden  schrieb  und  diese 


Zu  Sallustius.  87 

genauer  studirt  hatte  als  die  Acten  des  Senats :  das  Missverstandniss 
des  Zusammenhangs,  das  Cicero  seinen  Hörern  nahe  legt,  hat  sich 
hier  vollzogen.  Natürlich  ist  bei  ihm  auch  sonst  der  Zusammenhang 
der  Dinge  gänzlich  verschoben:  er  (und  ähnlich  nach  ihm  Die  37, 
30.  31)  erzählt  erst  (26)  den  Ausfall  der  Comitien  (4.  Nov.);  dann 
(27,  1.  2)  die  Entsendung  des  Manlius;  hierauf  (27,  3—28,  3)  die 
Zusammenkunft  bei  Laeca  und  den  Mordversuch  gegen  Cicero  437 
(6.  7.  Nov.);  danach  (28,  4)  das  Losschlagen  des  Manhus  in  Etrurien 
(27.  Oct.)  und  endlich  (29,  1.  2)  die  Ausstattung  der  Consuln  mit 
dictatorischer  Gewalt  (21.  Oct.),  während  in  Wahrheit  die  Ereignisse 
in  einer  ganz  anderen,  zum  Theil  gerade  in  der  umgekehrten  Folge 
eingetreten  sind.  Die  von  Linker  vorgeschlagene  Transposition, 
wonach  der  Abschnitt  27,  3 — 28,  3  vor  die  Erzählung  von  Ciceros 
Auftreten  im  Senat  am  7.  Nov.  gerückt  wird,  wird  kein  besonnener 
Philologe  billigen,  da  sie  weder  zerrissene  Satzglieder  vereinigt  noch 
auch  nur  ohne  Aenderungen  an  dem  überlieferten  übrigens  ganz 
unanfechtbaren  Text  durchgeführt  werden  kann;  aber  auch  sachlich 
beseitigt  sie  nur  einen  Anstoss  unter  vielen.  Vielmehr  wird  man 
sich  dabei  zu  beruhigen  haben,  dass  Sallustius  ohne  genaue  Prüfung 
und  nach  ziemlich  obei-flächlicher  Lesung  insbesondere  der  ciceroni- 
schen  Reden  seine  Darstellung  niederschrieb,  sichtlich  bemüht  die 
Dinge  in  einen  pragmatischen  Zusammenhang  zu  bringen,  aber  ziem- 
lich gleichgültig  dagegen,  ob  dieser  Zusammenhang  der  wirkliche 
war  oder  nicht. 


XIV. 
Kritische  Miscellen.*) 

153  Sallust  fr.  bist.  1,  27  Kritz  [I  34  Maur.]  lautet  bei  Donatus:  inde 

ortus  sermo,  percontantihus  utrinque:  satin'  salve?  quam  grati  ducihus 
suis?  quantis  familiaribus  copiis  agerenturi  Die  letzten  Worte  sind 
verdorben;  denn  dass  copiae  familiäres  die  Zufuhr  bedeute,  wie  Kritz 
meint,  wird  kaum  Jemand  billigen.  Es  stand  wohl:  quantis  mili- 
aribus  copiae  agerenturi  wie  stark  die  Tagemärsche?  Aehnlieh  steht 
in  den  Feldmessern  244,  1 0  Lachm.  familiaris  XII  für  miliario  XII. 

Sallust  bist.  fr.  1,  46  Kritz  [I  63  Maur.]  wird  angeführt  theils 
bei  Nonius  p.  264  Merc. :  quin  lenones  et  vinarii  laniique  quorum 
praeterea  vulgus  in  dies  usum  habet  pretio  compositi;  theils  bei 
Charisius  p.  58  Putsch,  42  Lind.  [G.  L.  K.  l,  p.  75  f.]:  quin  vinarii 
{laniique).  Es  wird  wohl  zu  lesen  sein:  quin  lenones  et  vinarii  laniique 
iiqtie  quorum  praeterea  vulgus  in  dies  usum  habere  solet  pretio  com- 
positi. .Gemeint  sind  die  Inhaber  von  Bordellen,  Schenkwirthschaften 
und  Kneipen;  der  lanius  ist,  denke  ich,  nicht  wie  Kritz  meint  der 
Fleischverkäufer,  sondern  der  Inhaber  der  popina,  wo  Fleischspeisen 
bereitet  und  servirt  werden. 

Sallust  fr.  bist.  4,  19  Kritz  [IV  69,  2  Maur.]  heisst  es  in  dem 
Briefe  des  Königs  Mithradates  an  den  König  Arsakes:  Tibi  si  per- 
petua  pace  frui  licet,  nisi  hostes  opportuni  et  scelestissumi,  egregia 
fama,  si  Romanos  oppresseris,  futura  est,  neque  petere  audeam  socie- 
tatem  et  frustra  mala  mea  cum  bonis  tuis  misceri  sperem.  So  haben 
die  Handschriften;  wenn  Kritz  die  Lesung  der  alten  Ausgaben  Tibi 
perpetua  pace  frui  liceret  wieder  hergestellt  hat,  'quod  haud  dubie  (?) 
ex  codicibus  fluxit",  so  kann  ich  in  dieser  Lesung  nur  eine  alle 
Satzgliederung   zerstörende    und  schlechthin   verwerfliche   Conjectur 


*)  [Berichte  über  die  Verhandlungen  der  Sachs.  Gesellsch.  d.  Wiss.,  phil.- 
hist. -Klasse.  6,  Leipzig  1854,  S.  153—160.] 


Kritische  Miscellen.  89 

erkennen.  Es  ist  vielmehr  zu  schreiben  mit  Aenderung  eines  einzigen 
Buchstabens:  Tibi  si  perpetua  pace  frui  licet,  nisi  hostes  oppm-tuni 
et  scelestissumi;  egregia  famu,  si  Roma  nos  oppresserit,  futura  est: 
neque  petere  audeam  societatem  et  frustra  nmla  mea  cum  honis  tuis 
misceri  sperem.  Vor  egregia  fama  ist  in  Gedanken  si  zu  wiederholen. 
Liv.  22,  49  [15  f.]  heisst  es  von  der  cannensischen  Schlacht: 
Quadraginta  quinque  milia  quingenti  pedites,  duo  milia  septingenti 
equites  —  —  caesi  dicuntur;  in  Ms  ambo  considum  quaestores  L.  154 
Atüius  et  L.  Fiirius  Bihaculus;  et  viginti  untis  de  tribunis  militum, 
consulares  quidam  praetariique  et  aedilicii  (inter  eos  Cn.  Servüium 
Geminum  et  M.  Minucium  numerant,  qui  magister  equitum  priore 
anno,  aliquot  annis  ante  constd  fuerai);  octoginta  praeterea  aut 
senatores  aut  qui  eos  magistratus  gessissent,  unde  in  senatum  legi 
deberent,  cum  sua  voluntate  milites  in  legionihus  fa^ti  essent.  —  Es 
ist  nicht  überflüssig  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  der  Annalist 
hier  auszeichnet  unter  den  Gefallenen  1)  die  höheren  Staats- 
beamten, die  Quästoren;  2)  die  Legionscommandanten,  unter  denen 
diejenigen,  welche  curulische  Aemter  bekleidet  hatten,  noch  besonders 
ausgezeichnet  werden;  3)  die  freiwilligen  Soldaten  senatorischen 
Ranges.  Daran,  dass  selbst  Consulare  als  Kriegstribunen  wieder 
eintraten,  wird  Niemand  sich  stossen,  s.  Düker  zu  Livius  36,  17; 
ebenso  wenig  daran,  dass  Cn.  Geminus,  obwohl  er  in  der  Schlacht 
das  Centrum  commandirte,  doch  nur  Kriegstribun  und  nicht  Legat 
genannt  wird.  Legatus*)  ist  überhaupt  ursprünglich  gar  kein  be- 
stimmter in  die  militärische  Aemterstaffel  eingereihter  Offiziergrad, 
sondern  bezeichnet  den  mit  einem  stellvertretenden  Separatcommando 
vom  Obergeneral  betrauten  Offizier  —  nach  dem  bezeichnenden 
Ausdruck  des  Plebiscits  de  Thermensibus  [C.  L  L.  I^  p.  114  n.  204j 
3.  44.  52  [II  1.6.  14]  legatus  pro  magistratu  — ;  wesshalb  z.  B.  Cato 
in  seinem  makedonischen  Feldzug  563  unter  Glabrio  mit  gleichem 
Recht  bald  Legatus,  bald  Kriegstribun  genannt  wird  —  jenes,  weil 
er  das  auf  den  Kallidromos  detachirte  Corps  commandirte,  dieses 
nach  seinem  Offiziersrang.  —  Diese  Auseinandersetzung  ist  veranlasst 
durch  ein  aus  falscher  Interpunction  hervorgegangenes  Missverständ- 
niss  dieser  Stelle  in  dem  sonst  so  schätzbaren  Buche  Hofmanns  (der 
römische  Senat  S.  49);  der  Verfasser  meint,  dass  constdares  praetorii 
aedilicii  sämmtliche  gewesene  Consuln,  Prätoren,  Aedilen  und  nicht 
bloss  diejenigen  darimter,  die  eben  Kriegstribunen  waren,  bezeichnen, 
imd  bezieht  demnach  die  "Worte  qui  eos  magistratus  gessissent,  unde 

*)  [Vgl.  Staatsrecht  1,  229  f.] 


90  Kritische  Miscellen. 

in  senatum  legi  deberent  auf  diejenigen,  die  nicht  curulische  Aemter 
bekleidet  hatten.  Auf  diese  Stelle  wenigstens  lässt  sich  diese  Be- 
hauptung nicht  begründen,  ich  halte  sie  aber  überhaupt  für  falsch.*) 
Bis  auf  Sulla  scheint  nur  die  Verwaltung  eines  jener  drei  curulischen 
Aemter  ihren  Inhabern  theils  sofort  die  factische  Theilnahme  an 
den  Senatssitzungen,  theils  das  gesetzliche  Anrecht  auf  Einzeichnung 
155  in  den  Senat  gegeben  zu  haben;  so  dass  der  Censor  vermuthlich, 
wenn  er  sie  wegliess,  dieselben  Formen  beobachten  musste  wie  bei 
der  Streichung  eines  wirklichen  Senators.  Einen  deutlichen  Finger- 
zeig, dass  noch  672,  unmittelbar  vor  Sulla's  Reconstituirung  der 
Republik,  diese  Verhältnisse  bestanden,  giebt  der  livianische  Bericht 
(bei  Eutrop.  5,  9.  Oros.  5,  22),  dass  der  Bundesgenossen-  und  der 
Bürgerkrieg  weggerafft  habe  consulares  XXIV,  praeforios  VII, 
aedilicios  LX,  senatores  fere  CG  —  eben  wie  Livius  die  qui  eos 
magistratus  gessissenf  unde  in  senatum  legi  deberent  zusammen- 
stellt mit  den  senatores.  Dass  daneben  factisch  auch  die  niederen 
Beamten  eine  Expectanz  hatten  bei  der  nächsten  Censur  in  den 
Senat  zu  kommen,  ist  begreiflich,  auch  durch  Val.  Max.  2,  2,  1  und 
sonst  bezeugt;  wesshalb  denn  die  Präterition  natürhch  auch  für  sie 
eine  Makel  war. 

Bei  Servius  [Dan.]  zur  Aeneis  1,  421  heisst  es:  Älii  magalia 
casas  Poenorum  pastorales  dicunt.  De  his  Sallustius  »quae  mapalia 
sunt  circumiecfa  civitafi  suburbana  aedificia  magalia.«  Et  alibi**) 
Cassius  Hemina  docet  ita  »Sinuegsae*  magalia  addenda  murumque 
circum  ea.«  Die  gemeinte  Stelle  des  Sallust  ist  ohne  Zweifel,  wie 
auch  Kritz  (in  der  Vorrede  zu  Sallusts  Historien  S.  XXXIX)  bemerkt, 
lug.  18:  aedificia  Numidarum  agrestium  quae  mapalia  Uli  vocant; 
was  also  bei  Servius  folgt,  sind  seine  Worte,  nicht  die  des  Sallust, 
und  es  ist  etwa  zu  schreiben:  De  his  Sallustius.  Magalia  sunt 
circumiecta  civitati  suburbana  aedificia;  Cassius  Hemina  docet  ita 
»Sinuessae  magalia  addenda  murumque  circum  ea.«  Die  Besserung 
von  Sinuegsae  ist  längst  gemacht;  magalia  et  alibi  scheint  eine  in 
den  Text  gerathene  Randglosse;  ob  etwas  Gesundes  und  was  in  dem 
verdorbenen  quae  nach  Sallustius  steckt,  weiss  ich  nicht.  In  den 
Worten  des  Hemina  [fr.  38  Peter]  erkennt  man  sofort  ein  Bruchstück 
aus  dem  Verzeichniss  censorischer  Verdingungen,  um  so  bestimmter 
als   die  Herstellung  der  öffentlichen  Bauten   in   den  Bürgercolonien 

*)  [Vgl.   z^m   Folgenden   Staatsrecht   3,  860  f. ,  wo  auch  die  Liviusstelle 
erwähnt  ist.] 

**)  [alii  CS  alibi  C\] 


Kritische  Miscellen.  91 

den  römischen  Censoren  oblag  und  Sinuessa  Bürgercolonie  war.  Nun 
aber  lesen  wir  bei  Livius  41,  27  [Hf-],  dass  der  Censor  des  J.  580 
Q.  Flaccus  unter  anderm  verdang:  Pisauri  viam  silice  sternendam  et 
Sinuessam  a  ga  .  .  aviariae  in  his  et  clo  .  .  um  circumducend  .  .  et 
forum  2)0)iicibus  tabemisque  claudendum  et  lanos  tres  faciendos;  es 
ist  wohl   nicht   zu  bezweifeln,    dass  zu   schreiben   ist   et  Sinuessa[e] 

maga[lia   addendu] aviariae    in  his  et  clo[acas  faciendos  et 

mur]um  circtimdticend[um  .  .  .  Was  sich  verbirgt  in  dem  .  .  .  aviariae, 
weiss  ich  nicht;  vermuthlich  irgend  etwas  in  oder  auf  den  Magalien  156 
Befindliches,   vielleicht  et  caularia  in  his,  Yorrichtungen  um  Schafe 
in  den  Hürden  (magaliaj  unterzubringen. 

Velleius  2,  27  heisst  es  von  der  Schlacht,  die  Sulla  den  Sam- 
idten  am  collinischen  Thor  lieferte,  sie  habe  stattgefunden  abhinc 
annos  XI  Tcal.  Novemhribus.  Man  begnügt  sich  gewöhnlich  hier  XI 
in  CXI  oder  besser  mit  Kritz  in  CIX  zu  ändern,  wonach  als  Tag 
der  Schlacht  der  erste  IS^ovember  angenommen  wird.  Allein  dabei 
ist  übersehen,  dass  die  nach  Yelleius  a.  a.  O.  (vgl.  Pseudo-Ascon. 
p.  143  Orell.)  zum  Andenken  dieses  Sieges  von  Sulla  gestifteten 
Spiele  der  Yictoria  nach  den  Kalendern  vom  27.  bis  zum  31.  Oct. 
gefeiert  wurden,  der  Schlachttag  also  entweder  der  erste  oder  der 
letzte  dieser  Tage  gewesen  sein  muss.  Es  dürfte  danach  eine  Lücke 
anzunehmen  und  überdies  XI  in  VI  zu  ändern  sein,  so  dass  Yelleius 
geschrieben:  abhinc  annos  CIX  ante  diem  VI  kal.  Nov. 

Yelleius  2,  29  in  der  Charakterschilderung  des  Pompeius:  poten- 
tiae  qnae  honoris  causa  ad  eum  deferretur,  non  vi  cd)  eo  occuparetur, 
cupidissimus.     Die  Ueberlieferung  giebt  dafür  non  vi  ab  eo. 

Plinius  h.  n.  2,  104,  235  heisst  es  bei  SiUig:  In  urbe  Commagenes 
Samosata  stagnum  est  emittens  limum  (maltham  vocant)  flagrantem. 
Cum  quid  attigit  solidi,  adhaeret;  praeterea  tactu  exsequitur  ftigientis. 
Sic  defendere  muros  oppugnante  Lucuüo  (vgl.  Dio  36,  3  a.  Bekk.  75, 
1 1)  [Boiss.  1  p.  259,  9  f.].  Dies  giebt  keinen  Sinn.  Da  aber  die  beste 
Handschrift  (A)  statt  ta^tu  exsequitur  hat  tactu  et  sequi,  so  wird  zu 
schreiben  sein :  flagrantem  cum  quid  attigit  solidi;  adhaeret  praeterea 
tactu  et  sequitur  fugientes.  Der  zähe  Schlamm  klebt,  wenn  man  ihn 
anrührt,  und  wird  von  dem  Zurückweichenden  nachgezogen. 

Florus  2,  9  (3,  21)  [p.  89,  21  Jahn]  ist  überliefert:  Scipione  Nor- 
lanoque  considibus  tertius  ille  turbo  civilis  insaniae  tote  furore  detonuit; 
quippe  cum  hinc  octo  legiones,  inde  quingentae  cohortes  starent  in  armis, 
iide  ab  Asia  cum  Victore  exercitu  Sulla  properaret.  Die  Herausgeber 
streichen  das  erste  inde:  mit  Unrecht,  denn  weder  sind  acht  Legionen 
gleich  fünfhundert  Cohorten,  noch  lässt  es  sich  rechtfertigen,  dass  die 


92 


Kritische  Miscellen. 


Heeresstärke  theils  in  Legionen,  theils  in  Gehörten  angegeben  wird. 
Vielmehr  sind  die  acht  Legionen  die  sullanischen ,  sei  es  nun,  dass 
Florus  dachte  an  die  fünf  Legionen,  die  Sulla  nach  Asien  und  wieder 
157  zurück  führte  (App.  Mithr.  30.  b.  c.  I,  79;  vgl.  Vell.  2,  24)  und  die 
zwei  des  Fimbria  (App.  Mithr.  51.  64)  und  ungenau  acht  statt  sieben 
setzte,  oder  dass  er  —  verkehrt,  wie  er  pflegt  —  jene  fünf  Legionen 
mit  den  dreien  zusammenzählte,  die  Cn.  Pompeius  für  Sulla  warb 
(Drumann  IV,  327).  Die  500  Cohorten  des  cinnanischen  Heeres 
sind  sicher  rund  gesetzt  statt  der  450,  die  Sulla's  eigener  Bericht 
nannte  (Plutarch  Sulla  27;  woher  auch  Velleius  2,  24  'mehr  als 
200  000  Mann'  genommen  sind  —  450  X  500  =  225  000).  —  Wenn 
also  die  Ueberlieferung  bis  zu  den  Worten  in  armis  tadellos  ist,  so 
bleibt  es  freilich  zweifelhaft,  wie  weiter  zu  helfen  sei.  Vielleicht  ist 
nach  in  armis  ein  Satz  ausgefallen,  der  sich  auf  Cinna's  versuchte 
Expedition  nach  der  illyrischen  Küste  bezog:  hinc  naves  iani  con- 
scenderent  ad  Achaiam  occupandam  milites  Cinnani. 

Aus  der  Rede,  die  der  Consul  C.  Fannius  gegen  C.  Gracchus 
Vorschlag  den  Latinern  das  Bürgerrecht  zu  ertheilen  im  J.  632  hielt, 
hat  Victor  p.  224  Or.  [p.  402  Halm]  die  Worte  aufbewahrt:  Si  Latinis 
civitatem  dederitis,  credo  existimatis  vos  ita  ut  nunc  constitisse  in 
contione  hdbituros  locum  auf  ludis  et  festis  diebus  interfuturos.  Für 
das  verdorbene  constitisse  schlug  Orelli  constitutum  est,  Spengel  con- 
suestis,  Dübner  constituitis  oder  constituistis  vor;  das  Richtige  ist 
constitistis*)  »Ihr  meint  also  auch  dann  so  wie  ihr  jetzt  vor  mir 
steht  in  der  Versammlung  Platz  finden  zu  können?« 

Bei  Charisius  p.  74  Lind.  [G.  L.  K.  I  138]  heisst  es:    NohiUore. 

comparativa  Plinius  e  putat  dblativo  finiri tarnen  ait  per  i 

locutos  guippe  fastos  omnes  et  libros  a  Fulvio  NohiUori  scripta  rettu- 
lisse;  wofür  zu  schreiben  sein  wird:  .  .  ,  tarnen  ait  per  i  locatos  ah 
ipso  fastos  et  omnes  lihros  a  Fulvio  NohiUori  scriptos  etulisse.  In  der 
Lücke,  wo  der  Name  des  Coelius  jetzt  mit  Recht  beseitigt  ist,  ergänzt 
Hertz  de  L.  Cinciis  p.  101  den  des  Gracchanus;  es  scheint  aber  nicht 
der  eines  Historikers,  sondern  der  eines  Grammatikers  ausgefallen, 
Locatos  für  locutos  ist  alte  Verbesserung  der  ersten  Ausgabe,  wenn 
nicht  Lesung  der  Handschrift,**)  in  der  a  und  u  schwer  zu  unterscheiden 
sind;  gemeint  sind  die  Fasten,  »quos  in  aede  Rerculis  Musarum 
posuit  Fulvius  Nohilior«  (Macrob.  sat.  1,  12),  aber  der  Grammatiker 
durfte  nicht  verschweigen,  dass  dieselben  von  Nobilior  herrührten  so 

*)  [cotistitisse  ist  richtig :  Modusangleichung,  wie  oben  S.  65  Zeile  28  f.] 
**)  [Nach  Keil  hat  sie  locutos.] 


Kritische  Miscellen.  93 

gut  wie  die  Bücher,  und  darum  scheint  die  Umänderung  von  quippe 
in  ah  ipso  nothwendig.     Die  Aenderung  von  scripta  rettulisse  statt 
des  gewöhnlichen  scriptos  rettulisse  in  sa'iptos  etidisse  empfiehlt  sich  158 
sachlich  wie  paläographisch.*) 

Bei  Festus  p.  326  lesen  wir  folgende  Trümmer,  denen  im  Aus- 
zug nichts  entspricht: 

lutationes  vo 
unc  ludi  scenicos 
s  primum  fecisse  C. 
liutn  M.  Popilium  M. 
ediles  memoriae 
historici  solehant 
in  orchestra  dum 
hulae  conponeren 
scaetiis 

Ursinus  und  Müller  zogen  den  Anfang  zu  dem  voraufgehenden 
Artikel.  Jener  liest:  [Salutari]s  poria  ap[peUata  est]  .  .  .  [vel  ita  ob 
sa]lutation€s.  Vo[cantur  Megalensia  qui  n\unc  ludi;  dieser:  [vel  ita 
ob  sa]lutation€s  vo[catur.  Thymelici  qui  ti]unc  ludi.  Beides  kann 
nicht  richtig  sein,  da  die  Reihenfolge  der  Artikel  hier  ein  mit  SAL 
anfangendes  Lemma  fordert.  Es  ist  eine  Ausrede,  wenn  Müller 
meint,  diesen  Artikel  als  einen  bloss  zur  Erklärung  des  folgenden 
Salva  res  est  vorausgesandten  betrachten  zu  können;  das  ist  gegen 
Festus  "Weise  und  in  der  That  bedarf  der  folgende  Artikel  keines- 
wegs einer  solchen  Vorrede.  Mir  scheint  es  nicht  zweifelhaft,  dass 
das  Lemma  war  salfationes  —  woraus  durch  ein  leichtes  Yerderbniss 
sahdationes  ward  —  uud  dass  Festus  von  irgend  einer  Art  Bühnen- 
spiele spricht,  die  ehemals  »Tänze«  genannt  worden  seien.  Welche 
Alt  er  meint,  ist  durch  die  schwer  heilbare  Corruptel  der  zweiten 
Zeile  unsicher  geworden.  Möglichkeiten  bieten  sich  bei  dem  engen 
Zusammenhang  beider  Künste  mancher  Art;  das  römische  Bühnen- 
stiick  entwickelte  sich  bekanntUch  aus  dem  Tanz  —  noch  der  jüngere 
Scipio  (bei  Macrob.  sat.  2,  10)  nennt  die  Tanzschule  abwechselnd 
ludus  saltatorius  und  ludu^  histrionum  —  und  man  könnte  vielleicht 
eben  an  die  älteste  Phase  der  römischen  Bühne  hier  denken.  Aber 
wahrscheinlicher  dünkt  es  mich  in  den  »Tänzen«  die  späteren  Mimen 


*)  [finiri;  (antiquos)  tarnen  ait  per  i  locutos,  quippe  fastos  omnes  et  Kbros  'a 
Fttlvio  Xohiliori'  scriptum  rettulisse  Keil;  vgl.  J.  "W.  Beck,  Plinii  liber  dub.  serm. 
fra:?m.,  Leipz.  1894,  S.  14.] 


94  Kritiscbe  Miscellen. 

zu  erkennen,  die  bekanntlich  recht  eigentlich  auf  dem  Tanz  beruhten. 
Danach  möchte  ich  folgende  Ergänzung  versuchen,  ohne  sie  freilich 
als  sicher  bezeichnen  zu  wollen: 

Sa]ltationes  vo 
cabantur  qui  n]unc  ludl  oHrjvixcög 
159  dicuntur  mimi,  quo]s  primum  fecisse  C. 

fi]lium  M.  Popilium  M. 

filium  plehis  a\ediles  memoriae 
prodiderunt]  historici.     Solebant 
enim  saliare]  in  orchestra,  dum 
quae  opus  erant  fa]bulae  conponeren- 
tur,  cum  gestihus  oh]scaenis. 

Die  Angabe  am  Schluss  kehrt  wieder  bei  Diomedes  3  p.  487.  Putsch 
[G.  L.  K.  1,  p.  490]  in  einer  Stelle,  die  nach  O.  Jahns  Beobachtung  als 
aus  Sueton  [p.  14 f.  Reiff,]  geflossen  gelten  kann:  (planipedem  actores) 
olim  non  in  suggestu  scaenae,  sed  in  piano  orchestrae  positis  instru- 
mentis  mimicis  actitabant.  —  Der  Aedil  M.  Popilius  dürfte  derselbe 
sein,  den  Plinius  7,  48,  158  nennt:  (Galeria  Copiola  emboliaria)  annum 
VIII  agens  producta  fuerat  tirocinio  a  M.  Pompilio  aedile  plebis 
C.  Mario  Cn.  Carbone  consulibus.  Wenn  dies  richtig  ist,*)  so  ist  hier- 
mit ermittelt,  dass  im  Jahre  672  zuerst  der  Mimus  in  Rom  öffentlich 
aufgeführt  worden  ist;  dass  der  Mimus  um  diese  Zeit  in  Aufnahme 
kam  und  dass  er  anfänglich  vorwiegend  Nachspiel  war,  ist  bekannt. 
Plutarch  Sulla  36  wird  unter  Sulla's  Genossen  aus  dessen  letzter 
Zeit  auch  Zwqi^  ö  aQ^tfujuag  genannt.  Sollte  dies  nicht  derselbe 
Schauspieler  sein,  von  dem  sich  zwei  Hermen  in  Pompeii  gefunden 
haben  (inscr.  Neap.  2209.  Orell.  2644  [C.  I.  L.  X,  814J)  mit  der  Auf- 
schrift: C.  Norbani  Soricis  secundarum  mag.  pagi  Aug.  felicis  subur- 
bani  ex  d.  d.  loc.  d.,  welche  ich  so  verstehen  möchte:  C.  Norbani 
Soricis,  secundarum,  (hnaginem)  magistri  pagi  Augusti  felicis  subur- 
bani  (posuerunt),  ex  decreto  decurionum  loco  dato.  Dass  der  actor 
secundarum  partium  und  der  archimimus  nicht  identisch  sind,  versteht 
sich;  aber  auch  ohne  einen  Irrthum  Plutarchs  anzunehmen,  lässt  sich 
recht  wohl  denken,  dass  Sorex  in  den  Komödien  die  zweiten  Rollen, 
in  den  eben  um  diese  Zeit  aufkommenden  Mimen  die  Hauptrollen 
spielte ;  wenn  nicht  etwa  der  Titel  archimimus  vielmehr  den  Director 

*)  [Nach  Deftlesen  hat  nur  der  cod.  R  Pompilio,  die  übrigen  Pomponio. 
Auch  abgesehen  davon  wäre  die  Identifizierung  des  Popilius  mit  Pompilius 
unbegründet.] 


Kritische  Miscellen.  95 

der  Truppe  bezeichnet.  Sulla  verlebte  die  letzten  Jahre  auf  seinem 
Landgut  bei  Cumae;  Sorex  wird  also  auch  in  Campanien  gelebt 
haben  und  es  ist  begreiflich,  dass  noch  in  der  augusteischen  Zeit  die 
Pompeianer  seiner  sich  erinnerten.  Yomame  und  Name  lassen  ver- 
muthen,  dass  der  Schauspieler  dem  Gesinde  des  Hauses  angehörte, 
aus  dem  der  Consul  C.  Xorbanus  671  entsprang.*) 

*)  [Es  folgt  als  letzte  Miszelle  die  Behandlung  eines  Luciliusfragments 
(621  Marx).  Dieser  Deutungsversuch  ist  unhaltbar  und  daher  hier  nicht  wieder- 
holt worden.] 


XV. 

T.  Livii  ab  ürbe  condita 

Hb.  III -VI 

quae  supersunt  in  codice  rescripto  Yeronensi 

descripsit  et  edidit 

Th.  Mommsen.*) 

153  Codex,  ad  quem  Liviana  ea  quae  praecedunt  expressa  sunt,  est 

codicis     ^ibiiothecae  capitularis  Yeronensis^  signatus  hodie   n.  40  (antea  38) 

Veronensis  ^  "         .  „ 

descriptio.  mombranaceus  formae  quaternanae,  posteriore  scnptura,  quae  retert 
saeculum  IX,  proponens  S.  Gregorii  papae  moralium  in  lob  libros 
XXVIII  — XXXY^  priore  autem  haec: 

fol.  1—204  non  rescr. 
/205  Vergilius 
^206 
207—9  non  rescr. 


^210 

non 

rescr. 

//m. 

Vergilius 

/A212 

- 

[m 

~ 

\V\215 

- 

\X2i6 

- 

^217 

non 

rescr. 

*)  [Philologische  und  historische  Abhandlungen  der  Berliner  Akademie  aus 
dem  Jahre  1868,  Berlin  1869,  S.  31—215.  Die  Seiten  33—152,  die  den  Text  des 
Veronensis  reproduzieren  mitsamt  den  Varianten  der  anderen  Hss.,  sind  hier 
nicht  wieder  zum  Abdruck  gebracht  worden,  da  die  neueren  Liviusausgaben, 
was  den  Text  des  Veronensis  betrifft,  auf  der  Mommsenschen  Kollation  beruhen. 
Dagegen  erschien  es  wünschenswert,  die  folgende  Beschreibung  dieses  Codex 
und  der  Besonderheiten  seines  Textes  als  vorbildliches  Muster  paläographischer 
Akribie  unverkürzt  aufzunehmen.] 

1)  Olim  Bobiensem  videri  fuisse  ait  Henr.  Keil  in  praefatione  ad  scholia 
Vergiliana  p«  XI;  ego  non  perspicio,  cur  Veronenses  libri  vetusti  repetantur 
ex  bibliotheca  potissimum  Bobiensi.  [Keils  Behauptung  ist  ohne  Angabe  eines 
Grundes  wiederholt  von  E.  Lommatzsch  in  seiner  Ausgabe  der  appendix  Serviana 
rec.  H.  Hagen  (Leipz.  1902)  S.  IX.] 

2)  Cf.  Reifferscheid  bibl.  patrum  Lat.  I  (in  academiae  Vindobonensis  actorum 
minorum  volumine  XLIX)  p.  59  seq. 


T.  Livii  ab  ürbe  condita  Hb.  III— VI. 


97 


'218  non  rescr. 
J19  Vergilius 

.220 
//221 
U222 

\223 

-224 

-225  non  rescr. 


226  non  rescr. 
27  Yergilius 
228 


[eest 

232  non  rescr. 


233  non  rescr. 

234  Yergilius 
235 

236 
237 
238 
239 
240 
241 
242  non  rescr. 


154 


243  Vergilius 

244 

245 


MOMMSEN,  SCHR.  VII. 


98 


T.  Livii  ab  Urbe  condita  lib.  III— VI. 


155 


259  Vergilius 

60 


267  Livius  huius  ed.  p.  117.  118*) 


-  P- 

-  P- 

-  P- 

-  P- 

-  P- 

-  P- 

-  P- 


103.  104. 
5.  6. 
54.  53. 
48.  47. 
3.  4. 
105.  106. 
111.  112. 


275  Livius  huius  ed.  p.  15.  16. 


p.  35.  36. 

p.  18.  17. 

p.  39.  40. 

p.  37.  38. 

p.  24.  23. 

p.  41.  42. 

p.  9.  10. 


283  Livius  huius  ed. 


290 


291  Livius  huius  ed. 

292  -  -  - 
_      ^     _ 


81.  82. 
57.  58. 
91.  92. 
30.  29. 
32.  31. 
89.  90. 
63.  64. 
83.  84. 

95.  96. 
45.  46. 
59.  60. 
19.  20. 
21.  22. 
61.  62. 
55.  56. 
97.  98. 


*)  pOie  Seitenzahlen  hier  und  im  folgenden  auf  Bücher  und  Kapitel  unserer 
Ausgaben  umzuschreiben,  erschien  untunlich ;  nur  an  einzelnen,  genauer  behandel- 
ten Stellen  ist  es  zur  Erleichterung  der  Identifikation  geschehen.] 


T.  Livii  ab  Urbe  condita  lib.  III— VI. 


99 


299  Livius  huius  ed. 
300 


I 


85.  86. 
107.  108. 
75.  76. 
73.  74. 
71.  72. 
69.  70. 
101.  102. 
79.  80. 


/307 

Livius  huius 

ed.  p.  87.  88. 

X/308 

- 

- 

-    p.  2.  1. 

/  A309 

- 

- 

-    p.  28.  27. 

(    /  F^ 

- 

- 

-    p.  113.  114. 

l  l  V'^^ 

- 

- 

-    p.  115.  116. 

\\  \312 

- 

- 

-     p.  26.  25. 

\^813 

- 

- 

-     p.  8.  7. 

^314 

- 

- 

-    p.   78.  77. 

^Blb  Christiani  hominis  tractatus  argumenti  philosophici. 

^-316  Livius  huius  ed.  p.  109.  HO. 
^317         -  -  -    p.  44.  43. 

,318  tractatus  philosophicus. 
^319 

^320  Livius  huius  ed.  p.  84.  38. 
^321        -  -         -    p.  119.  120. 

322  tractatus  philosophicus. 


323  tractatus  philosophicus. 

324  Livius  huius  ed.  p.  49.  50. 

325  non  rescr. 

(non.  num.)  Livius  huius  ed.  p.  68.  67. 
[326—329  non  extant  praeteritis  numeris  his  in  foliis  signandis]. 

330  Euclides  Latine  factus. 

331  -  -  - 

332  Livius  huius  ed.  p.  66.  65, 

333  -  -  -    p.  51.  52. 

334  tractatus  philosophicus. 


335  tractatus  philosophicus. 

336  Euclides  Latine  factus. 

337  Livius  huius  ed.  p.  12.  11. 

338  Euclides  Latine  factus. 

339  Livius  huius  ed.  p.  94.  93. 

340  -  -  -    p.  100.  99. 

341  Euclides  Latine  factus. 

342  Livius  huius  ed.  p.  14.  13. 

343  Euclides  Latine  factus. 

344  tractatus  philosophicus. 


156 


100 


T.  Livii  ab  Urbe  condita  lib.  III  —VI, 


Folia  igitur  quae  quidem  antiquiorem  scripturam  habeant  extant 
CXXV  connumerata  lacinia  quae  superest  post  fol.  325,  quorum 
foliorum  Livianis  reliquiis  occupantur  numero  sexaginta,  Yergilianis 
unum  et  quinquaginta ,  octo  philosophico,  sex  mathematico  tractatu. 
stndiain  gx  his  Vcrgiliana  tractarunt  carmina  Ribbeckius,  sed  ut  rem  non 
p^SIr  absolverit  et  a  venenomm  usu  prohibitus  et  temporis  praeterea 
angustiis  impeditus  ^,  scholia  Angelus  Malus  (1818),  Henricus  Keilius 
(1848),  Arnoldus  Hermannus^;  Euclidea  a  se  descripta  Gulielmus 
Studemund  mox  public!  iuris  faciet;*)  philosophus  adhuc  iacet  non 
exscriptus.**)  Liviana  autem  primus  examinavit  Blumius  indicemque 
foliorum  dedit  diligenter  factum  in  museo  Rhenano  vol.  2  a.  1828 
p.  336  seq.  (cf.  itineris  Italici  t.  1,  263.  4,  189)  una  cum  specimine 
variae  lectionis  pertinente  maxime  ad  huius  ed.  p.  19.  Post  eum 
Detl.  Detlefsenus  codice  denuo  examinato  in  Philologi  vol.  XIV 
a.  1859  paginas  duas  (huius  ed.  p.  2.  7)  diligenter  descriptas  pro- 
posuit  exemplo  lithographico.  Denique  A.  G.  Zumpt  quattuordecim 
codicis  paginis  descriptis  in  commentatione  'de  Livianorum  librorum 
inscriptione  et  codice  antiquissimo  Veronensi'  (Berolini  1859.  4)  duas 
earum  edidit  (huius  ed.  p.  9.  16),  reliquarum  variae  lectionis  specimina 
dedit,  denique  exemplaris  sui  apographum  Veronae  reliquit  optimo 
consilio,  ut  qui  deinceps  codicem  retractarent  illo  adiuvarentur. 
Ceterum  tam  Blumio  quam  Detlefseno  et  arte  impar  et  diligentia 
multis  locis  erravit,  quos  errores  cum  plerumque  tacite  emendarim, 
hie  praemonendum  est  Zumptianas  lectiones  a  meis  diversas  omnes 
reiectas  esse  examine  Institute  in  re  praesenti, 
157  Hunc   igitur   laborem    per   plus  quinquaginta  annos,    postquam 

codicem  repperit  Maius,  vixdum  incohatum  tandem  ego  suscepi  et 
absolvi  mensibus  Aprili  Maio  lunio  a.  1867  Yeronae.  Sed  ratio  habenda 
erat  et  temporis,  quod  mihi  aliis  quoque  eodem  tempore  studiis 
intento  ad  Livium  superesse  viderem,  et  commodi,  quod  in  crisin 
Livii  redundaret  ex  hoc  libro  plene  excusso,  non  spernendo  sane, 
sed  Plauti  Ambrosiano  et  Verrinarum  Vaticano  fide  praestantiaque 


1)  Cf.  eius  prolegomena  Vergiliana  p.  227. 

2)  Cf.  Buecheler  in  mus.  Rhen.  novo  19,  639.  Recognitio  tota  propediem 
ut  edatur  optamus.  [Sie  liegt  jetzt  vor  in  der  Appendix  Serviana  von  H.  Hagen, 
Leipz.  1902.] 

*)  [Das  ist  nicht  geschehen.    Diese  Euclidea  sind  noch  unpubliziert:  vgl. 
J.  Heiberg,  Euclidis  opera  V  (Leipz.  1888)  prolegg.  p.  XCIX.] 

**)  [Das  gilt  noch  für  jetzt.  Auch  habe  ich  nichts  Näheres  über  ihn  in 
Erfahrung  bringen  können.] 


T.  Livii  ab  ürbe  condita  lib.  III— VI.  101 

minime  pari.  Itaque  non  hoc  egi,  ut  imaginem  codicis  talem 
repraesentarem,  qualem  vel  typis  exhiberi  posse  aliquando  demon- 
strabit  exemplar  Plautini  libri  Studemundianum,  sed  satis  habui  quae 
elementa  ita  oculis  deprehendissem ,  ut  de  iis  mihi  satis  constaret, 
ea  in  schedas  referre  et  publice  proponere  secundum  paginas  versus- 
que  codicis  interpositis.  ubi  is  hiabat,  supplementis ;  nam  haec  si 
omisissem,  usui  multo  minus  habile  exemplum  futurum  fuisset  nee 
propter  eas  molestias  melius  certiusve.  Accurate  et  plene  num 
repraesentata  sint  quae  supersunt  in  codice,  iudicabunt  qui  postea 
cum  recognoscent;  ego  feci  quod  potui,  non  usu  eiusmodi  lectioni 
adsuefactus,  sed  adiutus  libera  usurpatione  venenorum  chymicorum 
concessa  nobis  a  praestantissimo  bibliothecae  eins  bibliothecario  et 
in  hac  academia  coUega  Carole  Giuliario,  qui  item  permisit,  ut  folia 
examinarentur  compagibus  solutis,  id  quod  in  plicaturis  magnopere 
profuit;  adiutus  item  ab  optimo  amico  et  per  illos  menses  suavissimo 
contubernali  Gulielmo  Studemundo,  qui  cum  simul  Yeronae  degere- 
mus  Livium  ego  pertractans,  ille  Gaium,  laboris  socius  mihi  factus 
saepenumero  ope  et  consilio  me  sustinuit,  ut  est  huiusmodi  scrutatio- 
num  hodie  facile  omnium  peritissimus.  Hoc  non  licuit,  quod  vellem 
licuisset,  ut  codicem  descriptum  iterum  recognoscerem  totum  ductus- 
que  evanidos  et  magna  ex  parte  oblitteratos  tempore  interposito 
denuo  examinarem.  Nee  tamen  propterea  exemplum  diutius  premere 
volui,  quod  tamdiu  litteris  debetur;  satius  enim  visum  est  incurrere 
aliquando  descriptorem  in  reprehensiones  quasdam  quam  gravissüni 
auctoris  vetustissimum  librum  diutius  latere.  Ceterum  adhibui  in 
codice  recognoscendo  editionem  unicam  quam  habemus  tali  apparatu, 
qualem  hodie  requirimus,  aliquatenus  certe  instructam  et,  ut  omnium 
quae  extant  sine  dubio  longo  deterrimam,  ita  a  codicum  lectione 
rarissime  recedentem  et  propter  id  ipsum  si  alii  nulli,  certe  huius- 
modi negotio  maxime  aptam  Alschefskianam.  Item  ubicumque  vel 
lectionis  diversitas  vel  etiam  cum  recepta  consensus  scrupulum  in  re  158 
praesenti  iniecisset,  vocabulum  'sie'  adscripsi,  ita  testatus  codicem 
de  ea  ipsa  re  data  opera  examinatum  vere  id  habere  quod  ex  eo 
edidi.  Praeterea  adnotatione  adiecta  quantum  in  me  fuit  curavi,  ut 
simul  idoneum  apparatum  criticum  editio  haec  repraesentaret,  quatenus 
pervenit,  eumque  ita  adornatum,  ut  qui  ea  utatur  et  facile  et  certo 
lectionis  traditae  discrepantiam  percipiat.  In  quo  apparatu  conficiendo 
cum  subsidia  Alschefskiana  non  sufficere  viderem  (caremus  enim 
adhuc  neseio  quomodo  in  ipso  Livio  et  omnium  maxime  in  decade 
prima  pleno  et  absolute  critico  instrumento),  ut  ea  non  exigua  accessione 
locupletarentur,  factum  est  partim  Rudolfi  Schoellii  mei  sollertia,  qui 


^02  T.  Livii  ab  Urbe  condita  lib.  III— VI, 

Florentiae  degens  mea  causa  Mediceum  denuo  excussit,  partim 
Pluygersii  Leydensis  liberalitate ,  quae  eo  gratior  accidit,  quod  iam 
est  consueta.  Quod  autem  in  varia  lectione  ea,  quae  bonis  libris 
tradita  est,  referenda  me  continui  abstinuique  ab  omni  non  dico 
emendationis  faciendae  periculo,  sed  ab  ipsa  emendationum  factarum 
commemoratione ,  id  in  eiusmodi  exemplo  necessario  fieri  debuit; 
neque  enim  Livium  recognovi,  sed  Codices  eius  antiquissimos 
repraesentavi  nee  utile  est  miscere  diversa  et  sua  natura  seiuncta. 
Uvü  codex  Quo  tempore  Livii   codex    de   quo    agimus    scriptus    sit,    certo 

^'*° *®'^°'® determinari  non   potest,   nisi   quod   vocabula   quae   sunt   consul  et 

scnptus.  r  1  1  x 

consules  sie  notata  cons  •  et  gonss  •  ostendunt  antiquarium  qui  librum 
scripsit  non  vixisse  ante  Diocletianum  ^.  Quod  si  hoc  sumere  licet 
scripsisse  eum  antequam  fieret  recensio  Nicomachiana ,  propterea 
quod  ipse  sequitur  recensionem  diversam,  adiudicandus  est  saeculo 
quarto;  eam  tamen  ratiocinationem  et  per  se  incertam  esse  video  et 
satis  constare  Cassiodorium  saeculo  sexto  ineunte  usum  esse  codice 
Liviano  recensionis  non  Nicomachianae  2.  Ea  autem  quae  in  codice 
observatur  scribendi  proprietas  ab  illo  tempore  nequaquam  abhorret; 
nam  cum  labentis  litteraturae  permulta  indicia  habeat,  a  barbarismis 
veris  eam  plane  immunem  esse  infra  videbimus  et  omnino  ita  com- 
159  paratam,  ut  tam  in  veris  quam  in  falsis  optime  conveniat  saeculo 
quarto.  Litterae  quoque  pulcherrimae  sunt,  quarum  si  fieri  poterit 
etiam  ectypum  aliquando  parabo ;  premere  autem  editionem,  donec 
fieret,  nolui  nee  puto  multum  inde  profectum  iri.  Nam  quam  incerta 
opinatio  hodie  dominetur  in  huius  generis  libris  ex  litterarum  nescio 
quibus  differentiis  aestimandis,  pudet  commemorare. 
Quater-  Liviana  folia  sexaginta  ea,  de  quibus  agimus,  pertinuerunt  olim 

mones  foUa  ^^  quatcmiones  quindecim,  quorum  cum  numeri  in  extremis  quater- 
codicis.   nionibus    adnotati    supersint    quattuor    XII.    XXII.    XXX.    XXXII, 
etiam  reliquos  facile  ad  suos  numeros  Blumius  revocavit  sie: 

[q.  XV]  fol.  2  fol.  5 

_  o  _  ft 

-  6  q.  XVII  fol.  1 

-  7  -     3 
[q.  XVI]   fol.  3  -     6 

-     4  -     8 

1)  Cf.  Rossi  inscr.  ehr.  I  p.  XXIII :  'Diocietiana  aetate  littera  s  post  k 
gemiuari  coepit  ac  deinde  soUemne  semper  fuit  nota  cons  •  unum ,  conss  •  duos 
consules  indicare,  quamquam  hanc  regulam  artificum  imperitia  saepe  neglexit.' 
Ante  Diocletianum  consules  notantur  tribus  fere  litteris  cos  • ,  raro  nee  nisi  tertio 
saeculo  quattuor  cons  • 

2)  Vide  quae  infra  observabuntur  ad  Liv.  III,  65  [nicht  abgedruckt,  s.  u.  S.  138*]. 


T.  Livii  ab  Urbe  condita  lib.  III— VI.  103 

[q.  XVin]  fol.  4  [q.  XXVn]  foL  2 

-  5  -     3 
[q.  XTK]  fol.  2  -     4 

-  7  -     5 
[q.  XX]  fol.  2  -     6 

-  3  -     7 

-  4  [q.  XXTX]  fol.  3 

-  5  -     6 

-  6  q.  XXX  fol.  1 

-  7  -     2 
q.  XXII  fol.  1  -     7 

-  3  -     8 

-  4  [q.  XXXI]  fol.  2 

-  5  -     3 

-  6  -     6 

-  8  -     7 
[q.  XXIII]  fol.  3  q.  XXXII  foL  1 

-  4  -     3 

-  5  -     4 

-  6  -     5 
[q.  XXIY]  fol.  4  -     6 

-  5  -     8 
[q.  XXVI]  fol.  3 

-  4 

-  5 


lara  cum  folia  CXLIII,  quae  in  codice  olim  fuerunt  a  primo  ad 
postremum  eonim  foliorum  quae  supersunt,  respondeant  paginis 
editionis  Hertzianae  c.  CLXXYII,  folia  quae  ante  primum  superstes  160 
perierunt  CXLH  pro  portione  respondent  Hertzianis  paginis  c.  CXXIX, 
ut  codicem  incepisse  appareat  ab  ipso  exordio  annalium  Livianonim. 
Quousque  pervenerit,  ignoratur  neque  quicquam  cogit,  ut  eum  ad 
denariam  annalium  Livianorum  divisionem  perscriptum  fuisse  statua- 
mus:  quod  si  pervenit  ad  finem  decadis  primae,  constitit  quater- 
nionibus  c.  LIV,  foliis  c.  CCCCXXXIt.  —  Subscriptio  servata  est 
p.  112  quinti  libri  coniuncta,  ut  fieri  solet,  cum  inscriptione  sequentis. 
—  Singulis  paginis  inscriptum  est  versis  nomen  auctoris,  rectis  libri 
numerus  ad  hoc  exemplum  titi  •  liüi||lib  •  iiii^,  prout  in  palimpsesto 
Yaticano  libro  legitur  titi  •  liuiIlib  •  xci  similiterque  etiam  in  reliquis 
libris  Livianis  paris  vel  supparis  aetatis.  —  Chartas  dimensus  Det- 
lefsenus  adnotavit  altas  esse  hodie  centim.  27^2,  latas  hodie  esse  cen- 

1)  In  ipso  libri  numero  erravit  librarius  p.  83  (ubi  errorem  postea  correxit). 
87.  109.  Ceteram  ad  hasce  inscriptiones  non  satis  attendi  nee  dubito  multo 
plures  earum  superesse  in  codice  quam  adnotavi. 


104  T.  Livii  ab  Urbe  condita  lib.  III— VI. 

tim.  21,  fuisse  aliquando  centim.  25,  eius  mensurae  scripturam  occupare 
in  altitudinem  centim.  26,  in  latitudinem  centim.  8  -{-  8  (singulae  enim 
chartae  binas  paginas  comprehendunt)  marginibus  et  supra  et  infra 
et  utrimque  et  inter  binas  paginas  late  patentibus.  Paginae  singulae 
versuum  sunt  tricenorum  breviusculorum ,  cum  habere  non  soleant 
nisi  litteras  a  senis  denis  ad  vicenas;  ut  appareat  librarium  librum 
parare  voluisse  non  perito  solum,  sed  cuivis  homini  lectu  commodum. 
Inveniuntur  tamen  non  raro  versus  qui  numerum  illum  excedunt 
cum  propter  marginis  aequalitatem  non  anxie  observatam  tum  prop- 
terea  quod  extremae  litterae  modo  contignantur  modo  imminuuntur; 
quas  contignationes  in  editione  expressimus,  minutarum  autem  litterarum 
rationem  non  habuimus.  —  Praeterea  in  duabus  certe  paginis  34 
et  64  cemuntur  vel  extremi  versus  litteris  coartatis  scripti  excurrentes- 
que  vel  adeo  versus  quidam  supra  tricenarium  numerurii  in  ima 
margine  additi,  ut  appareat  librario  certum  terminum  propositum 
fuisse,  quo  si  casu  aliquo  non  pervenisset,  extra  ordinem  quae 
deerant  adiceret.  Quocum  componendum  est,  quod  inter  p.  14.  15, 
quamquam  eae  se  exceperunt  codice  etiam  tarn  integro,  tamen 
excidit  tantum,  quantum  unam  huiusce  codicis  paginam  aequat. 
Quibus  perpensis  crediderim  librum  ita  ex  archetypo  expressum  esse 
161  vel  potius  exprimi  debuisse,  ut  pagina  paginae,  fortasse  etiam  versus 
versui  responderet^;  quod  si  probari  potest  in  usu  fuisse,  neque  eius 
usus  ratio  latet  (nam  errores,  maxime  omissiones  ita  et  evitabantur 
optime  et  non  evitati  facile  deprehendebantur;  deinde  ita  facta 
exempla  plura  in  scholis  auditionibusque  commode  simul  adhibebantur) 
et  quae  adhuc  in  obscuro  posita  est  stichometria  quo  pertinuerit 
iam  intellegetur.  Quam  ob  rem  qui  in  talia  inquirunt,  diligenter 
velim  attendant,  si  qua  forte  similia  alicubi  lateant.  Certe  quod 
Livii  Über  alter  rescriptus,  nempe  Vaticanus,  totidem  in  pagella 
versus  totidemque  fere  in  versu  litteras  habere  invenitur^,  quot  in- 
venimus  in  Veronensi,  aliquatenus  quod  posuimus  commendat^.  — 
Ceterum  folia  Liviana  cum  ad  Gregoriana  perscribenda  aptarentur, 
margines  desectae  sunt,  quas  late  patere  voluerat  scriptor  Livianorum 


1)  Versus  80,  27  cur  dimidia  parte  vacuus  remanserit,  non  perspicio. 

2)  Vide  p.  89.  90  editionis  Niebuhrianae  (Rom.  1820). 

3)  Vindobonensis  decadis  quintae  codex  habet  in  pagina  versus  undetricen 
in  versu  litteras  circiter  vicenas  quinas  nee  in  binas  paginas  ibi  charta  divisa 
est;  divisa  est  in  Puteauo  decadis  tertiae,  ut  pagina  habeat  versus  vicenos  senos, 
litteras  a  senis  denis  ad  vicenas  (cf.  Silvestrii  palaeogr.  vol.  2  tab.  88  et  Aischefski 
vol.  3  p.  IX).  Mihi  uterque  liber  recentior  creditur  Veronensi  etiam  propter 
orthographiam. 


J 


T.  Livii  ab  Urbe  condita  lib.  III— VI.  105 

qua  desectione  cum  in  inferiore  margine  litterarum  nihil,  in  superiore 
autem  tantummodo  paginarum  inscriptiones  quaedam  perierint,  paginae 
exteriores  complures  mutilatae  sunt.  Quae  damna  cum  ipsa  editio 
proponat,  licet  propter  supplementa  adiecta  typorumque  rationem 
aequabilitate  hiatuum  aliquantum  imminuta  ^,  hoc  loco  non  opus  est 
enumerare. 

Notae  in  Yeronensi  libro  usurpantur  eae,  quibus  locus  esse  Notae. 
potest  vel  etiam  debet  in  annalibus  similibusque  libris  exarandis, 
ut  de  his  pauca  tantum  observanda  sint.  Praenomina  quamquam  162 
plerumque  notantur,  ut  fieri  oportet  ubi  nomen  proxime  sequitur, 
tamen  non  raro  inveniuntur  perscripta,  e.  c.  14,  i.  19,  40.  30, 3«.  49,  46. 
55,  11,  56,  20.  61,  41.  64,  19.  74,  n.  114,  5&.  Gaii  cum  plerumque  recte 
notetur  per  litteram  c  •,  g  •  quoque  reperitur  29,  12.  94,  4.  35,  37. 
Praeterea  adnotabo  p(atres)  c(onscripti)  13,  37.  91,  56 ;  I(uppiter) 
efptimus)  m(aximus)  32,  32;  imp(erator)  passim,  item  imp(erium) 
53, 10;  p(opuUj  61,  20  comitante  nulla  alia  Httera  singulari.  De  notis 
cons.  =  consul,  conss.  =  consules  supra  p.  158  [102]  dictum  est;  quae 
quamquam  passim  permutantur  (cf.  3,  35.  13,  le.  14,  17  cet.),  tamen 
regula  apparet.  Errorem  inde  ortum  habemus  22,  42  consclib  •  tan- 
TissiMO  factum  ex  coxstaxtissimo.  Ex  notis  non  cum  rei  publicae 
ordinatione  coniunctis,  sed  grammaticis  mere  nullae  reperiuntur  nisi 
Q  .  =  que  et  B  •  =  btis,  quarum  utraque  etiam  in  mediis  vocabulis 
toleratur  (q  •  rextes  6,  7  =  querentes;  seq-JJtis  65,  30  =  sequentis; 
RELixQ  •  RE  110,  8  =  relinquere;  amb  •  tum  89,  52  =  amhustum).  Ad 
has  prope  accedit  n  vel  m  littera  tractu  super  proximam  proximasve 
collocato  significata  ibi,  ubi  in  versu  aut  ultima  aut  paenultima  est; 
nam  in  medio  versu  eiusmodi  compendium  non  admittitur  nisi  ubi 
continua  scriptura  interrumpitur  perforata  membrana,  ut  accidit  90, 35. 
Similiter  litterarum  contignationes  non  reperiuntur  nisi  in  fine  versi- 
culorum,  sed  ut  contignentur  etiam  tertia  secundaque  a  fine  (33,  60. 

1)  In  supplementis  recipiendis  cum  id  maxime  egerim,  ut  reliquorum 
librorum  lectionem  repraesentarem,  non  raro  evenit,  ut  receptae  litterae  earum, 
(luae  perierunt,  numerum  aut  non  expleant  aut  superent,  discrepantia  orta  ex 
mtionibus  diversis;  nam  modo  subest  compendium  aliquod  a  librario  admissum, 
modo  error  ipsius,  modo  archetypi  nescio  quae  diversitas.  Videant  igitur  viri 
«locti  de  singulis  quid  statuendum  sit;  hoc  moneo  supplementa  a  me  admissa 
in  marginibus  desectis  non  exacta  esse  ad  numerum  litterarum  singulis  locis 
deficientium,  quem  tamen  facile  colliges  ex  totius  paginae  propter  similem 
truncationem  in  ea  re  aequabilitate.  Aliud  est  in  iis  quae  supplevi  ibi,  ubi 
Membrana  cum  supersit,  legi  non  potest;  haec  enim  ad  numerum  exegi  vel, 
tibi  sie  exigere  non  potui,  de  ea  re  monui ;  quamquam  fateor  aecuratius  attendi 
' '^biiisse  ad  hiatuum  ambitum,  quam  a  me  factum  est. 


106  T.  Livii  ab  Urbe  condita  lib.  III — VI. 

35,  44.   45,  9  al.),  raro  quarta  tertiaque  (47,  12),  scilicet  ubi  eae  quae 
sequuntur   contignationem   non    patiuntur.      In  medio  versu   contig- 
nationem  semel  tantum  (25,  4)  observavi. 
Capita  et  Eminent  elementa  cuiusvis  paginae  prima,  ut  mos  est  in  huiusce 

interstitia.  ^ß^a^^g  codicibus;*)  in  hoc  autem  quod  interdum  eminent  primi 
paginae  versiculi  et  prima  littera  et  postrema  (ita  p.  16.  56.  108. 
115),  id  alibi  vidisse  me  non  memini.  —  Interpunctio  post  notam 
(etiam  post  numeros,  ut  3,  21.  113,  59)  sollemnis  est  et  ubi  deficit, 
aetate  oblitterata  magis  quam  a  librario  omissa;  ubi  comma  finit, 
eam  non  observavi  nisi  in  ipso  libri  fine  (p.  111,  ss)  et  praeterea 
uno  loco  3,  15  (cf.  47,  9).  —  Contra  et  principia  orationum  et  in 
Universum  commata  insigniora  destinguuntur  modo  capite  facto  (7, 22. 

11,   60.     22,    27.     32,  2V.  43.     45,    48.     63,  42.     77,  55.     91,    56.      104,    3.     107,   42), 

quod  certe  locis  tribus  (32, 43.  63, 42.  77,  55)  incipit  a  littera  eminente, 
modo   spatio   in  medio   versu  vacuo    relicto  (3,26.  5,54.  13,36.  16,4. 
17,  39.    22,  52.    35,  12.    47,  9.    49,  1.    50,  29.    53,  45.    59,  25.    67,  2.   93,  51. 
94,  29.  101,  37.  105,  52). 
163  Correctorem  über  nactus  non  est;  nam  quae  subinde  apparent 

^^^"^®^^"  .^  litterae  expunctae  inductaeve  (2,  2.  6,  22.  9,  n.  is.  34,  52.  36, 48.  55,  si. 

libro  obviae.55.  60,  15,  64,  59.  66,  33.  55.  91,  6.  92,  7.  43.  96,  29.  31.  97,  56.  98,  16)  vel 
etiam  mutatae  (11,  42.  20,  35.  54,  16.  48.  61,  15.  69,  56.  83  inscr.  89,  w. 
92,34.  104,44.  105,55.  107,57)  additaeve  (16,54.  76,  15.  108,  so),  eae 
iure  tribuentur  ei  ipsi  qui  codicem  exaravit.  Quaedam  autem  vel 
in  bis  mutata  deprehenduntur  in  peius,  ut  54,  16.  55,  55.  61,  15.  96, 28. 
107,  57. 
schoiia  Scholia  in  codice  reperiuntur  perpauca,  nempe  praeter  oblitteratum 

Latinaetp  4^1  Latina  duo  iuxta  verba  adscripta  p.  61  Lucius  JPmari[us\ 
(littera  u  scripta  super  c  quo  pertineat  ignoro)  et  p.  107  [ord\tio 
Camüli  dictatoris  ad  p.  B. ,  Graeca  item  duo  posita  in  margine  in- 
feriore p.  61:  ort  xax  exivo  xegov  rov  Xoi/xov  iv  rfj  Pcofxrj  ....  nqbg 
E^decooiv  rfjg  yevajuevfjg  vooov  reo  "AnoXXoivi  vaöv  eyigai  rjv^avro, 
quae  respondent  verbis  textus  4,  25,  3:  pestilentia  eo  anno  .  .  .  aedis 

Apollinis  pro  valetudine  populi  vota  est,   et  p.  88 aarevörrcDv 

e^'&Q oig  oTQatsvjuaoiv  xivovoiv  .  .  .  ol  'Poj/uaioi  noXirevodfievoi 

.  ...  ig   Tolg   noXefjLoig  rov   ÖLxra.ro[Qa\  .  .  .  v   JigoxigiCovrai ,    quae   de 
dictatore  adnotatio  hominis   non  admodum  docti  non  coniuncta  est 

*)  In  den  'Addeuda'  ist  von  M.  folgende  Bemerkung  Studemunds  notiert: 
'In  codice  Veronensi  Gaii  in  cuiusvis  paginae  versu  priino  praeter  primam 
eminere  solent  litterae  modo  una  modo  duae  vel  tres  ad  arbitrium  librarii 
delectae.'] 

1)  Non  numero  lusus  manus  posterioris,  ut  p.  51. 


T.  Livii  ab  Urbe  condita  lib.  III— VI.  107 

cum  Livianis  in  pagina  illa  perscriptis.  Haec  scholia  licet  videantur 
cum  ipso  libro  magis  exarata  esse  quam  postea  adiecta,  tarnen  quod 
propterea  Blumius  iudicavit  librum  in  Graecia  scriptum  \'ideri  inde- 
que  allatum  esse  Yeronam,  mihi  non  probatur;  nam  saeculi  quarti 
grammatici  quicumque  erant,  etiam  in  Italia  degentes  utramque 
linguam  callere  solebant  neque  mirum  est  ab  eiusmodi  homine  quae- 
dam  Graece  ad  Li\dum  adnotari.*) 

Videamus  de  scribendi  ratione.  —  Syllabarum  divisionem  Latinam,  syUabarnm 
id  est  eam,   quae  nititur  in  consonantibus  geminatis  distrahendis  in    '^*^*^*»- 
scribendo  sie,    ut  in  voce   formanda   distrahi  debent^,  perpetuo  ob- 
servavit    librarius,    ut   vix    bis    terve    eam    neglegeret^.      Exempla  164 
apponam    non    omnia,    sed    quae    sufficiant    et    peculiaria    quaedam 
illustrent,  maxime  veriloquii  in  talibus  nullam  omnino  rationem  haben: 

c\t:  duc\tu  106,  1/2;  introduc\ti  91,  53/4;  noc\tis  102,  53/4;  noc\- 
turnae  106,  eo;  spec\taculum  9t,  31/2. 

n\s:  tran\sisse  96,  2/3. 

p\t:  (yp\timus  106,  51/2;  prop\ter  95,  27/8. 

s\c:  des\cendisset  104,  19/20;  proficis\centis  101,  12/3. 

s\p:  res\ponso  7,  19/20;  res\ponsum  75,  u's,  20/1.  86,  is/e. 

s\f:  cas\tella  81,31/2;  Pos\tumius  61,41/2;  praes\tifuta  118,25/6; 
2)ra€s\fitufum  14,  51/2;  praes\to  18,  le/r.  102,  54/5;  tris\tissimi 
107, 44/5;  tms\tatio  82,  33/4. 

*)  [Studemund  a.  a.  0.  'Etiam  in  Frontonis  libro  Mediolanensi  quae  repe- 
riuntur  Graece  adscripta,  constat  proficisci  ab  antiquario  Latino'.] 

1)  Legem  eam  in  libris  qui  quidem  auctoritatem  habent  peraeque  obtinere 
Lachmannus  monuit  in  praefatione  ad  novum  test.  vol.  I  p.  XXVII;  eundem 
usum  etiam  in  aere  et  marmore  scribentes  secutos  esse  ego  observavi  in  addendis 
ad  legum  Salpensanae  Malacitanaeque  editionem  p.  505  [=  Jurist.  Schrift.  1 
S.  381].  Exceptionem  quidem  facit  monumentum  Ancyranum  (v.  ed.  meae  p.  145 
[190*]);  eins  tamen  in  ea  quaestione  non  talis  auetoritas  est  qualis  in  reliquis, 
cum  Graecus  quadratarius  facillime  in  ea  ipsa  re  ad  patrium  usum  declinare 
potuerit.  [Vgl.  ferner  Mommsen  in  seiner  Ausgabe  der  Digesta  I  (1870)  praef. 
p.  XXV  über  den  Codex  Florentinus,  sowie  inschriftliche  Beispiele  bei  E.  Hübner, 
E:iempla  script.  epigr.  lat.  (1885)  S.  LXXVIII  f.] 

2)  Ita  8,23/4  totuadibtcs,  56,  5/6  an'ienem,  73,  22l%  proxim'a;  contra  19,  41/2 
cuius  ita  explicari  potest,  ut  pro  trisyllabo  vocabulum  aecipiamus  (cf.  cumi 
91,56  pro  cui),  quamquam  qii  od  similiaque  ab  hoc  quidem  libro  aliena  sunt 
(nam  qu\orum  104,  31/2  incertum).  Non  numero  syllabas  male  divisas  propterea 
quod  librarius  verba  non  recte  diremit,  ut  32,  22/3  suamet;  39,  58/9  rogaret  t»; 
5£,  56/7  dictator  iam;  82,57/8  ^it  aestate;  94,  23/4  creati  sex;  111,42/3  omisso  s\uij 
nee  magis  quod  scribitur  27,  is/s  abesset  et  79,  13/4  postea,  nam  haec  vocabula 
pro  binis  habere  potuit,  quamquam  alibi  talia  coniunxit,  ut  36,  52/3.  82,  59/60 
le'itur  si.ctit. 


108 


T.  Livii  ab  Urbe  condita  Hb.  III— VI, 


g\n:  adsig\natus  118,  is/e;  benig\nitatem  86,  31/2;  ig\nomini-  34,4o/i. 

88,  53/4;  ig\nota  2, 47/8;  indig\num  52,  3/4;  insig\nefn  114, 6/7; 

mag\na  104,  ss/a;  mag\nos  93, 30/1;  i?M^|wa  similiaque  6, 31/2. 

42/3.   9,  1/2.    19,  22/3.   56,  57/8.  96,  35/6;  reg\num  52,  2/3.  77,  7/8; 

sig\nificare    86,  22/3.      Diversam    divisionem    non    inveni; 

inveni  divisum  ne\glegens  104,  39/40,   cum  divisio  nec\legens 

87,  u/2  videatur  coniuncta  cum  scripturae  diversitate. 
Tres    consonantes    ubi    concurrunt,    syllabam    novam    orditur    fere 
maxime  pinguis,  praecipue  mutae  cpt: 

bs\c:  abs\cedimus  80,  20/1;  abs\cedunt  102,21/2. 

ls\c:   Vols\c-  16,14/5.  47,5/6.   63,7/8.  70,3/4.  75,29/30.  90,12/3;  al. 

ns\c:  trans\cendere  96,  29/30. 

ns\p:  cons\pexisset  99,21/2;  cons\piratwnem  38,5/6. 

hs\t:  abs\territi  100,23/9;  ohs\tare  5,35/6;  öbs\tinato  99,43/4. 
165  mp\t:  temp\tationem  24,  36/7. 

.nc\t:  Qmnc\tius  48, 40/1;  cunc\ta  76,  51/2. 
ns\f:  ins\tare  81,  52/3. 

ns\tr:  ins\tructo  120,4/5;  ins\tructum  6,47/3;  mens\truo  51,  18/9. 

s\tr:  cas\tris  15,37/3.  64,53/4.  88,3/9.  106,4/5;  magis\trat-  9,34/5. 

39,40/1.   72,  40/1;  wosj^r-  42,25/6.    80,57/3.   92,4/5;  pos\tremo 

51, 2/3.  88,  33/4;  plaus\trum  99,  35/6;  ves\tr-  43,  3/9;  92,  3/4  al. 

Littera  sua  natura   gemina    x   ad    secundam    syllabam    trahi 

solet:  di\xit  56,  23/4;  du\xit  101,  17/3;  eni\xae  64,  30/1;  e\xudetur  81,51/2; 

ma\xim-    8,52/3.   63,1/2.  93,7/3;  pro\xum-  59,33/9.  87,36/7;  ve\xationes 

49,  56;   u\xorem   99,  33/4.      Semel   tantum    repperi    contrarium    ex\uti 

.         42,  46/7. 

Denique  notabilis  est  divisio  co\epta  111,  27/3  et  denuo  ibidem 
31/2,  item  coe\ptum  47,  13/9,  qua  confirmantur,  quae  ad  Lucretii  versum 
4,  619  siquis  forte  manu  premere  ac  siccare  coepit  docte  et  caute,  ut 
solebat,  adnotavit  Lachmannus.  Ceterum  secunda  divisio  nihilo 
minus  legem  infringit,  etsi  trisyllabum  statuas  co\ep\tum. 

Unum  addam  extra  ordinem.  Cum  ad  manum  esset  pandectarum 
Florentinorum  quinque  paginarum  adumbratio  photographica,  eius 
codicis  in  syllabis  dirimendis  observantiam  intellexi  ab  ea,  de  qua 
supra  exposuimus,  in  plerisque  recedere.  Nam  deprehendi  ibi  quidem 
dis\cedere,  item  contes\tata,  dis\tulerit,  praes\titerit ;  at  refragantur  alia, 
ut  quae\stio,  re\stüm,  item  edi\cto  et  da\mnum  et  nu\ptiarum,  et 
prone\ptis  quinquies  similiter  sie  diremptum;  denique  ne  de  librarii 
incuria  cogites,   corrector   vocabulum   ipse   (ed.  meae  vol.  2  p.  360 


T.  Livii  ab  Urbe  condita  lib.  III— VI.  109 

V.  5)  a  primo  librario  sie  divisum  ip\se  ita  emendavit,  ut  ^;  litteram 
ad  secundam  syllabam  revocaret  faceretque  i\pse.  Quam  differentiam 
dubium  non  est  inde  explicandum  esse,  quod  digestonim  codex 
Florentinus  Veronensi  annalium  Livianonim  aliquantum  inferior  est 
aetate.  Nam  contraria  sibi  sunt  in  hac  quidem  re  aetatis  bonae 
quae  quidem  auctoritatem  habeant  monumenta  omnia  conspirantia 
in  divisione  ea  de  qua  dixi,  et  Prisciani  reliquorumque  grammaticorum 
praecepta,  quae  qui  sequuntur  hodie,  in  sexti  saeculi  doctrina  innixi 
Latinam  eonsuetudinem  iam  fere  sustulerunt,  peccantes  scilicet  in 
partem  doctiorem.  Similiter  in  novo  testamento  Fuldensi,  quem 
librum  Victor  Capuanus  emendavit  a.  546  imperante  lustiniano, 
Lachmannus^  observavit  librarium  vocabula  in  versuum  confiniis  ad  166 
morem  antiquum  divisisse,  emendatorem  autem  grammaticorum  scitis 
fraudem  fieri  non  ferentem  talia  pleraque  omnia  sua  manu  reforma- 
visse.  Idem  igitur  factum  est  in  libro  digestonim  exarato  aut  eodem 
saeculo  aut  sequente.  At  in  Veronensi  non  Prisciani  praecepta,  sed 
antiqua  consuetudo  viget,  quam  quamquam  tarde  exolevisse  is  ipse 
de  quo  dixi  Fuldensis  liber  significat,  tamen  si  quis  aliquando  in 
codicum  huius  generis  discrimina  aetatesque  data  opera  inquiret,  ei 
Byllabarum  divisio  non  erit  neglegenda. 

Orthographica  quae  observavi  hoc  loco  composui,  quamquam Otüm^^pm» 
taedet  quaestiones  huius  generis  mole  sua  iam  laborantes  a  me  quo-  '^^^'^ 
que  augeri.  Sed  pertinet  ad  codicis  quem  expressi  proprietatem 
dignoscendam.  ut  etiam  de  talibus  constet  et  fines  aliquatenus  regantur 
inter  mera  calami  menda  et  leges  sive  certe  usum  scribendi.  Quorum 
finium  hodie  quidam  obliti  sordes  sordibus  dum  cumulant.  dis- 
quisitionem  sua  natura  exilem  et  ingratam  etiam  ineptam  et  fasti- 
diendam  reddiderunt.  Ad  id  quod  mihi  proposui  sufficient  quae 
iam  proferentur;  nee  tamen  spondeo  exemplorum  ordines  plenos  pro- 
poni  nee  deerunt  opinor,  qui  quae  desiderantur  cupide  expleturi  sint 

Aceusativus  pluralis  numeri  in  is  eonstanter  fere  reperitur  in 
participiis  similibusque ,  ut  sunt  dbrmentis  119,  3;  agentis  103,  33; 
castigantis  71,  48;  conferentis  120,  50;  confluentis  56,  47;  fatenfis  47,  so; 
hahentis  105,  30:  ingentis  71,  le;  palantis  70,  3g;  parentis  77,  32; 
potentis  117,  e;  proficiscentis  101,  12;  recipientis  16,  1;  recurrentis 
70,35;  repetentis  80,56:  sequentis  65,  30;  spectantis  81,38;  toUentis 
3t,  60;  trahentis  120,  52;  vergentis  96,  52.  Formati  in  es  quattuor 
tantum  exempla  adnotavi  fideiites  35,  46;  ftigientes  116,  1;  sedentes 
100, 41 ;  vagantes  103,  31.     E  contrario  in  nominativo  qui  respondet 

1)  In  praefatione  ad  novum  test.  vol.  I  p.  XXYII. 


IIQ  T.  Livii  ab  Urbe  condita  Hb.  III— VI, 

dominatur  es,  ut  3,  i.  41,57.  66,29.  91,  30.  99,8.  100,  13;  nee  nisi 
semel  repperi  formatum  in  is,  nempe  hellantis  11,3$  indubio  errore, 
ut  erratum  est  item  in  senioris  nominativo  pluralis  40,  48.  Similes 
sunt  accusativi  consularis  13,  le;  militaris  106,  u.  109,  54  (at  militares 
30,  1);  popularis  38,  52;  inmortaUs  60,  10.  106,  34  (at  annales  66,  19); 
talis  120,  45;  civilis  40,  21  (sed  QuinctUes  114,  11;  Sextiles  3,  21.  113,59; 
inexpugnahiles  84,  13;  omnes  16,3);  tris  69,45  (accusativus  tres  est 
45,  1.  55,  2.  69,  s;  nominativus  tres  29,  n.  76,  le;  i(m  71, 24);  pluris 
55,  2  (at  complures  45,  51).  Item  accusativi  Antiatis  71,  46;  Veientis 
167  109,  38;  ^ewa^is  44,42.  110,49;  contra  eodem  casu  legimus  Antiates 
16,17.  119,48;  Ardeates  101,  31;  Fidenates  80,47;  optimates  21,54. 
47,  1;  simultates  44,  22,  ut  mittam  nominativos  similes  45,  31.  99, 2. 
101,  37.  60.  120,  58.  Accusativi  sunt  etiam  niontis  3,  44.  83,  6  (at  mmites 
65,  10);  turris  81, 40;  civis  17,  27.  104,  11  (at  eodem  casu  dves  33, 29); 
Alpis  96,  15  (at  eodem  casu  Alpes  96,  33,  ut  colles  2,  15.  3, 40;  ignes 
85,  28;  nives  83,  5;  secures  31,  »4;  viVes  4,  35.  35,  52).  Denique  variatur 
hoc  casu  inter  finis  3,27.  71,58.  81, 21  et  fines  70,5.  76,22.  118,53 
et  inter  hosfis  3,  29,  25,  38.  36, 30.  49,  12.  84,  30.  114,  47  et  hostes  2, 28. 
3,40.  33,30.  58,40.  65,1.  104,  11.  115,43,  cum  hostis  nominativo 
plurali  106,  38  originem  traxerit  ex  corruptela,  quam  Codices  secundi 
ordinis  evitaverunt.  —  Haec  igitur  recte  conveniunt  legibus  sermonis 
aetate  Augusta  obtinentibus,  de  quibus  nuper  exposuit  Corssenus 
Aussprache  des  Latein,  ed.  2  vol.  1  p.  744,  nimirura  in  vocabulis 
tortiae  declinationis  genetivo  pluralis  retinentibus  vocalem  i  accusa- 
tivum  eiusdem  numeri  formari  solere  in  is,  sed  ut  es,  quae  forma 
postea  sola  obtinet,  vel  ea  aetate  non  improbaretur. 

Ablativus  singularis  tertiae  sequi tur  fere  accusativum  pluralis,  ut 
ubi  hie  retineat  is,  in  illo  esse  soleat  vel  certe  esse  possit  i.  Ad-  i 
notavi  ex  eo  genere  adiectivae  formae  insequenti  58,  56.  75,  8.  97, 25.  \ 
103,58  (insequente  50,  4,  ut  sequente  20,53  et  persequente  107, 4oj; 
ingenti  26,33.  35,37.  37,24.  60,28.  62,  50.  64,33.  76,43.  93,49.  102,  eo;  i 
atroci  7,19;  ancipiti  100,4;  Fidenati  87,  4o;  Veienti  93,33.  103,  is  ! 
(sed  Veiente  82,  36.  115,7).  Item  formae  substantivae  civi  95,  so;  I 
classi  66,  le ;  sorti  38,  28.  89,  58,  ut  mittam  sifi  84,  14 ;  at  semper  parte  | 
legitur  et  hoste.  Comparativorum  ablativum  e  requirere  et  notum  j 
est  et  confirmat  hie  quoque  über  86,  57.  88,  e.  105,  53.  114,  5  al.;  nam  j 
altiori  76,  4i  mendosum  est.  | 

Nominativum  singularem  tertiae    notabo    unum    aedis    61,  is  et  j 
aedes  93,  34.  j 

Mensum  genetivus  est  16, 52;  praeterea  ex  eo  genere  non  repperi  \ 
notabiliora.  ' 


T.  Livii  ab  Urbe  condita  lib.  111— VI.  Ul 

In  declinandis  vocabulis  i  geminata  secundum  recentiorum 
consuetudinem  praevalet,  quamquam  vetustior  orthographia  per  unum 
i  quibusdam  locis  remansit.  Ita  reperiuntur  genetivi  singularis  eiceidi 
59,  21;  offici  11,  51;  suffragi  69,  e;  nominativi  pluralis  all  39,  13;  Fäbi 
114,  2;  ßi  17,  27;  patrici  61,  39;  plebei  62,  15;  ablativi  pluralis  alis 
107,  9;  dis  100,  48.  119,  11;  is  21,  46.  41,  26.  46,  u.  48,  &).  59,  23;  isdem 
32,39.  43,47.  60,22;  iurgis  30,42;  nimis  93,5?;  pleheis  71,36.  74,6.  168 
77,44;  qimestons  69,  u  servatum  ideo,  quod  librarius  pro  genetivo 
habuit  (cf.  69,  48);  Veis  80,  22.  104,  4i.  118,  is,  item  79,  10.  109,  e,  ubi 
a  Beis  librario  visum  est  significare  ab  eis.  Eiusdem  generis  sunt 
perfecta  perit  11,  20;  petit  76,  23,  item  dbissent  30,  54,  adissent  116,24, 
desisse  71,  eo,  exisse  70,  5  et  exisse^it  3,  13.  Diversum  est,  quod  in 
genetivo  singularis  nominum  propriorum  constanter  remansit  forma 
contracta,  nempe  in  Anti  14,  32;  Äppi  27,  47;  Servili  57,  2;  Tolumni 
55,  23;  Valeri  9,  20;  Vergini  28,  22;  Volsci  19,  10;  Volusci  16,  u.  Ipsum 
Livium  exempiaque  eins  vetustiora  multo  saepius  retinuisse  i  simplicem 
neque  uno  loco  geminationem  intulisse  librarium  cum  ex  supra 
allatis  exemplis  quaestoris,  ah  eis,  nimis  colligitur,  quae  intacta  re- 
mansenint  propterea  quod  non  intellegerentur,  tum  ex  solutionibus 
eius  generis  perperam  factis,  quo  pertinent  vocativi  Cornelii  120,  22  et 
Valerii  119,59,  genetivus  puhlicii  120,24,  ablativus  Hemiciis  64,29, 
denique  Falatii  104, 49  pro  participio  quod  est  palati  et  hiis  49, 37 
pro  is.  Nihilominus  cum  satis  constet  aetate  Augusta  in  bis  vocalem 
plerumque  duplicatam  esse,  sed  ut  exciperentur  nomina  propria  (id 
quod  nuper  docui  in  Hermae  vol.  1  p.  461  [s.  u.  bei  Nr.  LXXTX]) 
nee  credendum  sit  exceptionem  hanc  mature  oblitteratam ,  quippe 
quam  constet  et  in  titulis  plebeium  sermonem  referentibus  saepissime 
neglegi  et  ignorari  a  grammatistis  Latinis  iis  quos  habemus  omnibus, 
codicis  huius  librarium  ex  sua  ipsius  doctrina  tarn  diligenter  observasse, 
hoc  documentum  est  codicis  Yeronensis  orthographiam  in  Universum 
accurate  referre  pristinam  Livianam. 

ei  antiquum  plane  abest  a  Yeronensi  libro.  I^eque  enim  ad 
eam  orthographiam  pertinet  dativus  singularis  plebei.^  quae  forma  cum 
etiam  ex  aliis  libris  Livio  vindicata  sit  (v.  Schneider  gramm.  Lat. 
2,  359) ,  iam  in  Yeronensi  quoque  legitur  39, 40.  86,  33  ut  eodem 
casu  plebe  22,  1,  cum  plehi  occurrat  69,  50.  70,  12.  93,  15.  Genetivi 
simihs  nullum  exemplum  repperi  (cf.  tamen  infra  ad  Y,  24,  8),  cum 
plebis  passim  l^atur.  Plane  similiter  Ancyrana  inscriptio  genetivum 
format  in  plebis.,  dativum  in  plebei  (v.  ed.  meae  p.  147  [194  ^J)  nee 
j  dubium  est  ita  loqui  usitavisse  saeculi  Augusti  homines.  Non  magis 
ad   vetustam    diphthongum    pertinet  dativus   ablativusve    eis  78,  44. 


j  ^  2  T.  Livü  ab  Urbe  condita  lib.  III  —VI. 

79,  34.  91,  28.  106,  57.  111,  10  non  rarus,  licet  frequentius  scribatur  iis 
vel  is. 

Geminata  u  constanter  reperitur  secundum  usum  ab  Augusto 
inde  receptum  nullaque  vestigia  deprehendi  neque  antiquae  loquelae 
169  ab  eiusmodi  geminatione  abhorrentis  (nam  novom  109,  17  mendum 
est)  neque  barbarismonim  talium,  quäle  est  volgo  in  digestis  Floren- 
tinis  obvium  (cf.  vulgus  113,  si  al.).  Nam  Volscus  quod  constanter 
fere  scribitur,  item  Volsiniensis  93,  53.  s«.  94,  37.  58.  eo  et  VoUumna 
59,  28.  61,  50,  non  adversatur,  cum  et  nomina  propria  ab  orthographiae 
lege  communi  quodammodo  exempta  esse  soleant  et  ne  hoc  quidem 
certum  sit  secundam  litteram  in  bis  vocalis  u  sonum  habuisse. 
Quamquam  quod  reperitur  Vulscum  32, 4o.  43,  4o,  Vultumna  114,33, 
ostendit  librarium  etiam  in  talibus  aliquatenus  deflexisse  ab  antiqua 
scriptura,  ut  similiter  118,45  pro  Corvus  male  dedit  Curvus,  88,4 
monimentis  pro  munimenüs  (cf.  115,  29).  —  In  genetivis  pluralis 
quartae  et  contracto  secundae  pro  uu  non  raro  scribitur  u  simplex, 
ut  magistratum  42,  57.  72,  40.  43  (at  magistratuum  46,  20.  94, 28);  passum 
12, 45  (at  passuum  47,  13);  dumviri  61,  20  (at  duumviros  106, 42).  Idem 
cum  passim  redeat  alibi  et  inter  alia  in  optimae  aetatis  carminibus 
(v.  Schneider  gramm.  Lat.  2,  334)  et  in  ipso  monumento  Ancyrano  (v.  ed. 
meae  p.  146  [193  ^J),  utramque  formam  statuendum  erit  simul  obtinuisse. 

Litterae  u  in  superlativis  alibique  ibi  positae,  ubi  postea  obtinuit 
«,  vestigia  repperi  non  multa,  sed  tamen  aliqua,  sunt  autem  haec: 
decumam  89,  12;  proxumo  59,39;  finitumus  50,27.  51,7.  55,  51  (quo 
loco  ante  u  litteram  deleta  est  ^).  83, 49,  cum  finitimus  sit  46,  «a. 
66,  51.  75,  37.  79,  6.  98,  55.  101,  6.  119,  55.  Item  lubet  84,  ss,  quamquam 
libef  similiave  leguntur  30,  11.  45.  73,  12.  79,  le;  recuperare  105,2«. 
108,  19.  114,  52,  cum  reciperatum  habeamus  9,  7.  10,  17.  26.  108,  11. 
Etiam  lacrimae  est  86, 34. 

De  consonantibus  geminandis  vel  non  geminandis  missis  vulga- 
ribus  et  hodie  satis  notis,  ut  luppiter  11,8.  33,  42.  106,  51;  mercennario 
80,  10;  Äppenninus  96,  33.  57  similibusque ,  haec  tantum  adnotabo: 
occassionem  63,  48  (at  occasio  74,  42);  post  tridie  114,  10.  le.  19  ter  repe- 
titum  ortum  fortasse  ex  etymologia  perversa;  operiri  82,  59  non 
tegendi  sensu,  sed  expectandi ;  cotidie  30,  4i  (at  cottidie  6,  57) ;  abscisa 
47, 60;  comisantium  19,  3;  denique  Aliam  fluvium  scribi  97,  10.  27. 
105,56.  110,45,  quamquam  Älliensis  est  114,5,  quae  vera  scriptura 
est  (cf.  C.  I.  L.  I  p.  397)  illis  locis  obscurata  opinor  eo  quod  inscitus 
librarius  male  ibi  cogitavit  de  adiectivo.  Betulere  26,  26.  66,  19  item 
erratum  est;  certe  rettuUt  est  33,  7.  44,  19.  56,9.  106,36.  Causa. 
paulo  semper  habent  consonantem  non  geminatam. 


T.  Livü  ab  Urbe  condita  lib.  III— VI.  113 

cu  pro  quu  non  ramm  est.  Exempla  adnotavi  haec:  aecum  170 
28,4.  72,56.  80,4  (aequum  est  80,  is>;  inicum  28,8;  relicum  13,« 
(at  reliquum  84,  59,  ut  longinquum  82, 44);  relincunt  36,  51;  securUur 
19, 39.  Simile  est  cottidie  6,  57  et  cotidie  30,  4i  (at  quotannis  11,  4«). 
Quod  aliquoties  invenitur  nee  quicquam  51,  9.  10.  61,  eo  pro  neqtiiquam 
videtur  pendere  ex  vocabulorum  confusione  potius  quam  ex  ortho- 
graphiae  diversitate :  vera  scriptura  obvia  est,  ut  59,  55.  61,  54.  70,39. 
71,  10.  72,  24  cet. 

Adsimilatio  litterarum  in  praepositionibus,  quae  coaluerunt  cum 
yerbis,  quatenus  perveniat,  breviter  indicabo.  Äd  adsimilatum  repperi 
ante  c  fere  constanter  (decedere;  accendere;  accidere;  accipere;  accire 
38,46.  88,41.  95,31;  at  adcommodare  12,27^;  ante  l  (cdlati  25,  so); 
ante  p  saepe  (ajjparare  passim,  semel  atparatum  66,  50;  apparere 
passim,  semel  adparebat  6,  u;  appeUare  semper;  at  adpetere  66,31. 
102,25;  adprobare  19,6.  53,23.  111,24;  adpropinqttare  21,  w.  97,  1»^; 
ante  r  (arripi  7, 49^;  ante  s  raro  (aspicere  68, 40;  aspirare  67,  13;  at 
passim  adsciscere;  adsentiri;  adserere;  adservare;  adsiduus  61, 1.  70, 19. 
107.  34.  113,  15;  adsignare;  adsolere;  adstitisse;  adsuefcicere ;  adsurgere); 
numquam  ante  f  (adfectus;  adfeire;  adfirniare;  adfuturus)  g  (adgredi) 
t  (adtinere  35,  20.  119,48;  adtonitus  104,36^.  —  Con  assimilatum 
repperi  ante  l  semel  (collatum  1 07,  n,  cum  conlatus  sit  58,  13.  97,  s». 
107,  22,  conlaudatus  39,  5.  119, 27^;  ante  m  omnibus  locis  (commercium; 
committere;  communis  et  communicare;  communire)  exceptis  duobus 
(conmittere  54,  56;  corimuni  102,  8j;  ante  r  (corrumpere  85,  3.  96,  8^; 
com  factum  ex  con  ante  p  bis  (composito  37,7;  compressi  103,45^, 
cimi  obvia  sint  conpertus,  conplexus,  conpositus,  conprimere,  conptdsus. 
—  In  mutatum  in  im  vel  il  in  Universum  ramm  est  (inheUis;  inbutus; 
inlatus;  inlibatus:  irüicere;  inligatus;  inmensus;  inmeritus  53,  7.  77,  u; 
irtminere;  inminuere;  inmiscere;  inmissus;  inmitis;  inmortalis  53,37; 
inpedire  19,  12.  22,35.  69, 60.  70,42;  inpendere  et  inpensa;  inpertiri; 
inpetrare;  89,  40;  inpehis  84,  5.  103,  44;  inpiger;  inplere  37,  47.  43, 46. 
84, 29;  inplicitus;  inplorare;  inponere;  inpressio;  inprobare;  inprovidus; 
wprovisus:  inpugnare  21, 4i;  inpune;  inritare;  inritus)  nee  repperi 
im  nisi  paucis  locis  ante  m  (immeritus  53,  34;  imnwrtalis  106,  v>.  49^, 
paullo  pluribus  ante  p  (impedimentum  51,44;  impetratus  74,37;  im- 
petus  36,32.  97,7.  115,52.  116,12;  implere  2,59;  importunus  77,  a; 
imptignare  78,  33;  impulisse  71,  42^,  sed  ut  imperium  cum  derivatis 
ita  praevaleat,  ut  inperium  non  legatur  nisi  tribus  locis  17,  36.  60, 15.  171 
92,  25.  —  Ob  mutatur  tantummodo  ubi  sequuntur  c  (occipere  70,  10. 
94,  31;  occupare;  occun-ere)  f  (off ender e)  p  (opperiri;  opponere;  opportu- 
nes; opprimere;   oppugnare),   in  bis   autem   constanter.  —  Pei'  cum 

MOMMSEN,    SCHR.  VII.  8 


114  T.  Livii  ab  Urbe  condita  lib.  III— VI. 

(  non  facile  mutetur,  iamevi  pellatis  est  30,  57;  sed  perlatus  11,  20.  21, 5; 
perlicere  27,  e.  —  Suh  item  in  sua  forma  manet  (submUtere;  sub- 
movere;  subpositus  21,  55).  —  Ceterum  in  minutiis  his  nee  nusquam 
me  in  describendo  excerpendove  peccasse  spondeo  et  patet  librarium 
suo  sive  arbitrio  sive  licentiae  aliquid  dedisse,  cum  etiam  talia  repe- 
riantur  qualia  sunt  im  plebem  78,  u;  Conlina  porta  57,  42  (cf.  30,  27. 
58,  2);  in  Ädventino  109,  e;  de  immovisse  pro  dei  movisse  111,  1. 
Nihilo  minus  haud  scio  an  quae  satis  certo  deprehenduntur  scribendi 
leges  aut  ipsius  Livii  fuerint  aut  certe  aetatis  Livianae. 

In  eompositis  cum  praepositione  ex,  cum  simplex  incipiat  ab  s 
littera,  ea  plerumque  absorbetur  scribiturque  excendere  107, 40;  exequi 
7,  41.  59,  50.  98,  60 ;  exul  et  exilium  passim;  expectare  passim;  extitisse 
6,  28.  7,  27;  exudare  52,  e;  exultare  41,  43;  exutus  25,  13.  Inveniuntur 
tarnen  exsolvere  12,  15.  53,  is.  89,  26  et  exsurgere  118,  30,  ut  alibi 
51,  33  pro  ex  equestri  male  scriptum  est  ex  sequestri. 

Litteras  dt  ei  b  p  \n  vocabulis  extremis  sie  fere  repperi  in 
codice  adhibitas.  At  et  atque  particulae  utuntur  fere  littera  rf,  illa 
33,37.  43,56.  44,27,  haec  7,  10.  11,10.29.  14,  30,  17,28.  19,56.  24,  1. 
33,  2.  45,  21.  46,  57.  56, 37.  57, 41.  62,  53.  66,  20.  67,  24.  75,  49.  76,  55. 
98,  28.  119,  47.  1 20,  10.  48 ;  at  non  repperi  nisi   84,  29 ,  atque  non  nisi 

79,  1.  7.  88,  37.  96,  50.  98,  13.  101,  30.  Item  in  eompositis  at  non  ob- 
servavi  nisi  semel  in  atparatum  66,  50.  Similiter  qtwd  et  aliquod 
etiam  iis  locis,  ubi  ad  numerum  pertinent,  sie  scribuntur,  illud  8, 21. 

80,  32.  33.  96,  58,  hoc  3,  12.  7, 26.  26,  1;  quot  per  se  semel  tantum 
enotavi  108, 44  (cf.  quotannis  77, 46).  Semper  in  codice  est  alind, 
plerumque  illtid  et  id,  quamquam  legi  illut  63,  30.  78,  39,  it  20,  w.' 
Perpetuum  item  est  sed,  nisi  quod  set  est  95,  23  et  fortasee  59,  m, 
et  haud,  quod  repperi  vicies,  haut  non  nisi  ter  7,  46.  46, 39.  51,  4,  ut 
mittam  corruptum  in  auf  48, 40.  50,  64.  103,  34.  Contra  librarius 
constare  fere  sibi  videtur  in  aput  16,  17.  22.  46,  8.  63,  2.  79,  17.  84,  S4. 
41.  91,  42.  102,  4.  114, 47,  cum  apud  sit  84,  30.  85, 2.  i7,  item  in  aut  et 
met  enclitico   (32,  22/3.  42,  4i)  et  velut  100,  48.     Haec  pleraque  sunt 

172  ex  mediis,  ut  neutram  scripturam  plane  reicias;  barbarismum,  quo  d 
infertur  in  tertiam  singularis  verbi,  non  deprehendi  nisi  in  inquid 
11,28.  13,36.  35,13.  54,39,  cum  recte  scribatur  inquit  54,4.  60,  so», 
119,  59.  Quae  forma  sola  corruptelam  passa  est  inter  tot  similes*. 
sine  dubio  propter  confusionem  tov  e(pr]  cum  eo  quod  est  in  quid. 
—  Quod  attinet  ad  &  et  p  elementa,  invenimus  scribti  3,  32;  saib- 
tores  16, 28;  conscribtum  115,  4;  item  dilabsi  98,  54.  100,  20  (at  dilapsis 
70, 30);  Hern  pieps  45,  54.  st.  69,  44,  cum  plebs  obvium  sit;  item  optinere 
50,  18.    74,  13.    77,  22   et  opstitisse   2,  21,   cum  praeterea  in  eompositis 


T.  Livii  ab  Urbe  condita  lib.  III— VI.  115 

sit  ob',    nam  opprimere  similiaque   diversa   sunt,  nempe   mutata  ob 
adsimilationem. 

Quae  subieci  per  saturam  collegi  nullo  ordine: 

maiius  66,  28,  nisi  hoc  mendum  est. 

ab  codex  Veronensis  passim  Livio  reddit,  ubi  ex  reliquis  libris 
editur  a:  ita  46,  32.  47,  24.  53,  32.  57,  4.  48,  59,  lo.  71,  28. 
115,21.   119,34.     Contrarium  est  55,52. 

dilectus  semper  est  in  codice  neque  umquam  aliter  scripserant 
antiqui,  scilicet  non  ignorantes,  quod  hodie  multi  ignorant, 
in  dilectu  non  tarn  agi  de  seligendis  fortissimis  quibusque 
ex  populo  universo  quam  de  distribuendis  civibus  idoneis 
in  legiones  quateraas  vel  binas.  E  contrario  dirigere  quod 
hodie  obtinet  obtinuitque  iam  labentis  rei  publicae  Romanae 
temporibus,  et  veriloquium  barbarismi  convincit  et  tituli, 
qui  quidem  bonae  aetatis  sint,  consentientes  in  forma  quae 
est  derigere. 

Exquiliae  quod  legitur  43,  37.  so,  sine  dubio  grammaticus  in 
Livium  intulit  propter  veriloquium  sive  verum  sive  falsum, 
certe  receptum;  nam  inscriptiones  cum  in  ipsa  tribus  nota 
s  solum  admittant,  de  vera  scriptura  dubitare  non  sinunt, 
quam  his  quoque  locis  libri  Nicomachiani  servarunt  tertio- 
que  41,  52  ipse  Yeronensis. 

nec^da  similiaque  ea  divisione  quam  indicavi  non  minus 
saepe  repperi  50,  52.  87,  11.  102,  58.  107,  3  quam  ne\glegens 
104,  40.  similiaque  58,  30.  108,  32.  59.  109,  49. 

tranant  65,  27  et  travolat  36,  27;  at  traiisferre,  translattis, 
transmigrare,  transvectus,  transverstis. 

terros  20,  3  (terror  est  62,  eo^  videndum  num  aliis  exemplis 
confirmetur. 

augeres  12,  32  (at  augures  2,  45.  45,  u).  Cf.  Priscianus  1,  35  173 
p.  27  Hertz :  'antiqui  auger  et  augeratus  pro  attgtir  et  augu- 
ratus  dicebant."  Ceterum  vide  ne  casui  illud  tribuendum 
sit  vel  etiam  grammaticus  Livium  se  ipso  vetustiorem  red- 
diderit,  ut  nunc  facere  solent  nostrates ;  tituli  certe  augerem 
ignorant. 

rediebant  100,  32  cum  retineant  libri  omnes,  examine  dignum 
est,  num  forte  alibi  quoque  reperiatur  (cf.  exiebat  Henzen 
inscr.  6644  [C.  I.  L.  X,  6977  =  Dessau  1558]). 

duoviris  57,  17;  at  diiumviros  106,  42,  dumviri  61,  20. 

promiscue  similiaque  61, 26.  69,  le.  54.  72, 37. 111, 26,  non  prOmisce^ 
quam  formam  boni  testes  vereor  ne  reiciant  omnes. 


116 


T.  Livii  ab  Urbe  condita  Hb.  III— VI. 


urguerunt  est  65,  s,  urgemus  80,  la. 

vincla  legitur  31,  4.  32,  is.  64,  lo,  vincula  8,  s.  63,  57. 

Quinctius  nomen  recte  scribitur  plerisque  locis,  non  ita  multis 

Quintius  6,  19.  17,  2.  24.  42,  11.  46,  10.  56,  28,  semel  Quincius 

12,  n.      Cum    ilh)    licebit   componere    autior   pro   audior 

44,  18    et  14,  8  «M^  mm  pro  aucfam.     Quinfus  similiaque  c 

illud  non  admittunt. 

sescentis  36,  4,    quod   unice  verum  est   et  est  etiam  in  monu- 

mento  Ancyrano.      Ceterum  s  pro  x  codex   non  admittit; 

nam  ausere  8,  54  solitarium  est. 

pernici(a)e  61 ,  27,    quam   solam  scripturam  idonei  testes  te- 

stantur. 

Soioecismi  Ex  soloecismis   qui    in    hoc  codice   deprehenduntur  nullus  tarn 

codicis.   ia,te  patet  quam  e  vocalis  et  ae  diphthongi  permutatio  ita  comparata, 

ut  quam  vis  e  pro  ae  passim  reperiatur,   tamen  in  contrarium  etiam 

frequentius    peccetur.      In    extremo    vocabulo    ae    reperitur    in   que 

passim  \    item    in    adverbiis  duhiae   16,  42.  59,  12.    106,  19;   aegregiae 

19, 21.  26, 8.   63,  41;  enixae  64,  31;  ferae  1,  30;  inpigrae   18,  15;   longae 

17,  50;  maturae  35, 25;  piae  32,  37;  promiscuae  61,  26;  publicae  17,  24. 

55,48.    111,28.32;    utrimquae  63,4.    64,  eo;    in   ablativis    aciae   44,32. 

100,  4;  pacae  3,  5.  106,  18;  perniciae  61,  27;  posttridiae  114,  10;  rahiae 

41,  41 ;  in  imperativis  sto^^*ä!e  111,  17;  exspectatae  6,  2;  in  tertia  pluralis 

174  perfecti  semel  fuerae  56,  53;  in  infinitivo  item  semel  dicerae  84, 4o. 

Nee  sae  pro  se  repperi  nisi  in  corrupto  saepe  ne  52,  47  effecto  ex  se 

paene.     Inverso    errore    reperiuntur    que    25,  i7.    35,  55.    53,  2.    57,  7. 

62,47.  67,15.  97,26.   103,7.    105,  4i.    107,  1.    119,44;  item   acte  9,12; 

aliaene   22,  eo;   College   119,  le;   date  95,  e;   Fidene   55,  14.   61,  57;  he 

107, 43;  Monete  46,  30;  periculose  33,  36 ;  praede  65,  49;  publice  70,  44; 

Bomane  17,  50;   sue  36,  31;   VoUumne  61,  so.     In  primis  vocabulorum 

syllabis  similiter  erratum   est  priore  erroris  genere   in  bis:   aehumis 

99,54;  aedita  113,  so;    aegregius  cum   derivatis   6,43.47.    19,  21.  26,8. 

63,  41;  aegerunt  16,  48;  aegressus  102,  55.  111, 22;  aelati  34,  is;  aeques, 

aequus  cum  der.  33,  59.  36,  le.  26.  46,  so.  53, 44.  57,  ss.  64,  36.  65,  12.  i4. 

85,  52.  86,  12.  48.  50.  51.  92,  31;  Aetruria  59,  30.  61,  31.  80,  53.  82,  e.  25. 35. 

84,36.    114,29.   115,7.12.    120,7;    aevertere   110,54;    laevandae   45,34; 

praeces  cum  der.  7,  16.  48,  6.  53,  se.  57,  39.  62,  27.  74,  48.  93,  4.  s.  95, 4i; 

praemebat   7,22;  praetium  27,  e.   89,  29.    117,59;    quaeri    7,  19.  30,55. 

1)  2,  6.  16.  18.  50.  3,  57.  6,  49.  7,  18.  11,  18.  14,  14.  17,  9.  19,  46.  26,  55.  57.  27,  58. 
28,  42.  29,  45.  32,  3.  37.  54.  33,  4.  36,  41.  38,  38.  57.  39,  1.  45,  33.  38.  46,  48.  47,  15.  19. 
48,  55,  50,  1.  23.  51,  20.  53,  48.  54,  6.  18.  61,  23.  63,  23.  64,  3.  72,  45.  77,  36.  85,  29.  51. 
98,  28.    102,  .■>9.    111,  30.    116,  46.    118,  14.    120,  54. 


T.  Livii  ab  Urbe  condita  üb.  III— VI.  117 

45,  19,  61,  56.  62, 6;  Baegillum  114,  4o;  saecum  16,  ss;  spraetos  62,  7, 
quibus  adde  cUiaenus  22,  so.  81,  i«.  In  contrarium  peccatum  est  in 
bis:  Ehutius  49,5.  47.  57,  59,  Equi  66,  41.  71,  15;  cedere  48,  5.  111,  29; 
herere  44, 45.  77,  23;  Melius  51,  32;  Nevius  66,  js;  pene  48,  5«.  52,  47. 
91, 40;  penitere  42,  42.  75,  35.  92,  19;  predam  41,  se;  prestitutum  14, 51; 
sepire  81,6.  115,28;  tedium  74,8.  84,82.  Singularia  sunt  sociaetas 
91,  6  et  venissaet  6,  53. 

Oe  diphthongus  ubivis  recte  ponitur  (dboedire  quoque  legitur 
64, 31.  78,  53;  uno  loco  excepto  praelii  33,  26,  cum  idem  vocabulum 
recte  scriptum  passim  inveniatur. 

In  aspiratione  ponenda  omittendave  perpaucae  mendae  depre- 
henduntur,  ut  äbita  20,24  (cf.  abieri  =  haben  44,  59);  proibitus 
104,  33;  Tyrrenum  96,  so;  Oratio  32,  44;  his  20,  8  et  hiis  72,  33  pro 
//5,  item  49,37  pro  is;  cohorta  lectionis  dubiae  60,59;  denique  aut 
pro  haud  48, 40.  50,  54.  103, 34  (cf.  audiuie  =  haud  dubie  70,  52),  liaud 
pro  aut  78,  19.  Apparet  librarium  qui  haec  scripsit  regulas  de  littera 
ea  perdidicisse  et  magis  erravisse  vocabulis  similibus  male  permu- 
tatis  quam  in  ipsa  orthographia. 

In  litteris  affinibus  &  et  v  simile  quid  observamus.  Meri  errores 
in  ponendis  iis  rari  sunt,  ut  h  pro  v  reperitur  in  fäborem  74,  24; 
interbentum  55,  32;  Lanubio  64,  52;  nobos  38,  is;  item  constanter  fere 
in  Bibtdanus  14,  w;  22,  55.  49,  2.  56,  30.  74,  19  (Vibulantis  est  61,  u); 
similiter  v  pro  b  in  acerua  51,  24;  adprouantibus  53,  2s;  Volas  116,  9;  175 
Gavina  1 ,  23 ;  iuvendi  89,  19.  Contra  non  ita  raro  sie  erratur  in  verbis 
ambiguis,  ut  in  nobis  31,  25.  41,  19.  110,  53;  vidtio  37,  8;  bis  71,  43;  ab 
eis  (=  a  Yeiis)  78,  10.  109,  e;  denique  corruptelae  quaedam  inde 
explicantur,  ut  uerior  90,  27  pro  tiberior,  audivie  70,  52  pro  haud 
dubie.  Omnino  codex,  a  quo  pendebat  librarius,  eins  generis  errores 
longo  plures  habuit  et  emendationem  grammatici  talem,  qualem  prae 
se  ferunt  digesta  Florentina,  etiam  Liviani  libri  subierunt. 

Littera  m  quamquam  non  permutatur  cum  n  (nam  triunphus 
37, 28.  38,  cum  passim  legatur  tritimpJius,  et  tanquam  54,  58  solitaria 
sunt;  cf.  69,  se,  ubi  ex  tanidem  factum  tandeni),  tarnen  saepe  male 
omittitur,  saepius  etiam  male  additur,  ut  antequam  hie  liber  scribere- 
tur  obmutuisse  fere  eam  appareat  librariumque  in  ea  ponenda 
grammaticonim  leges  magis  secutum  esse  quam  aurium  iudicium. 
Exempla  litterae  eins  male  additae  haec  sunto:  haudquamquam 
'.  32;  supersederim  114,  17  pro  supersederi;  cumi  91,56  pro  cui;  cum 
'US  6,  36  pro  cuius;  Herctdems  80,  24  pro  Hercules;  tesseramrum 
•>5, 25  pro  tesserarum;  postumlant  28,  10  pro  postulant;  sumperbia  6,1 
pro  superbia. 


11g  T.  Livii  ab  Urbe  condita  lib.  III— VI. 

Littera  n  similiter  modo  demitur  modo  additur  propter  Vitium 
pronuntiandi.  Ea  labes  maxime  grassata  est  in  coniugationis  formis, 
ut  creasset  et  creassent,  malet  et  mallent  et  eius  generis  alia  passim 
permutentur;  sed  alibi  quoque  similia  reperiuntur,  ut  fungitis  pro 
fugitis  44, 49;  interando  pro  iterando  7,  7;  non  uere  pro  nouere  42,4». 
In  numeralibus  solita  est  inconstantia:  miliens  80,  46,  cum  in  corrup- 
tela  107,  50  lateat  milies;  vicensimus  80,  34,  at  tricesimo  20,  24,  qua- 
dringentesimum  102,  is.     Semenstris  legitur  80,  5. 

Denique  monendum  est,  ut  appareant  in  libro  Yeronensi  labentis 
sermonis  neque  incerta  nee  pauca  vestigia,  ita  plane  abesse  ab  eo 
barbarismos  meros.  Nullo  loco  vel  fere  nullo  reperies  litteras  x  et 
s,  diphthongos  oe  et  ae  inter  se  permutari,  nusquam  vocalem  additam 
ante  sp  et  similia,  nusquam  pro  Graeco  ph  substitutum  Latinum  /", 
nusquam  p  neque  male  neglectam  inter  ms  et  mt  litteras  (ut  in 
contempsi  sumpsü,  emptus  temptare)  neque  male  intrusam  inter  litteras 
mn  (ut  in  damnare,  confemnere),  ne  dicam  nusquam  commutatas 
litteras  c  et  (,  quod  qui  ante  septimum  saeculum  obtinuisse  sibi 
persuadent,  ne  ii  vehementer  errant.  Neque  puto  uUum  .librum 
176  Livianum  superesse  hoc  nomine  Yeronensi  parem  praeter  paucas 
pagellas  ex  libro  XCI  superstites  et  in  aliis  omnibus  et  in  ortho- 
graphia  vel  pares  Yeronensi  vel  superiores ;  nam  tam  in  Yindo- 
bonensi  quam  in  Puteano  talia,  qualia  sunt  milex,  suplicatio,  suple- 
mentum,  sumsit,  adhorti,  Änfhiocus,  Epydicus^  sescentis  locis  offendes^. 
Quapropter  haud  scio  an  qui  Livium  deinceps  recognoscent,  si  qui 
erunt,  qui  neque  eiusmodi  minutias  süperbe  contemnant  neque  ortho- 
graphia  saeculi  undecimi  Livium  adornare  cupiant,  in  talibus  Yero- 
nensis  libri  auctoritatem  vel  maxime  secuturi  sint.  Sed  de  bis  videant 
quorum  interest;  nobis  codicis  sufficiet  scribendi  proprietates  ex- 
posuisse.  Quas  qui  expenderit,  non  negabit  opinor  Livii  Yeronensem 
librum  in  eiusmodi  quaestionibus  aliquid  momenti  habere,  quippe 
qui,  cum  propter  supra  p.  158  [102]  observata  ante  quartum  saeculum 
scriptus  esse  nequeat,  propter  orthographiam  plane  Latinam  et  in 
multis  priscae  consuetudinis  vestigia  retinentem  vix  recte  infra  id 
ipsum  detrudetur. 

Sed  ne  videamur  in  Livii  annalibus  elementa  tantum  captare, 
iam  pergendum  est  ad  codicis  in  emendandis  iis  utilitatem  enarrandam 
et  vitiis  item  declaratis  determinandam. 

1)  In  verbis  dirimendis  Vindobonensis  communem  legem  sequi  videtur, 
quamquam  edita  scripturae  specimina  non  satis  certa  argumenta  subministrant. 
Eandem  legem  obtiuere  in  Puteano  ex  Silvestriano  specimine  (v.  p.  161  n.  3 
[104,  3])  coUigitur,  ut  ne  in  hac  quidem  re  non  errarit  Älschefskius  contendens 
eum  divisionem  sequi  non  syllabariam,  sed  arbitrariam. 


T.  Livii  ab  Urbe  condita  lib.  III  —VI. 


119 


Decadis  primae  Livii  quicunque  innotuerant  libri  ante  repertum    Codices 
Veronensem.   eos   originem  ducere  constat   ex  recognitione   a  Nico-     ^"i«>- 
machis  duobus  Flaviano  (cos.  a.  p.  Chr.  394,  f  eodem  anno)  et  Dextro  ^^  *^ 
et  a  nescio   quo  Victoriano   instituta   exeiinte  saeculo  quarto,  ipsos 
autem  in  duo  quodammodo  genera  discedere,  melius  alterum  reprae- 
sentatum    codice   Yormatiensi    iam    deperdito    et   extantibus    hodie 
Mediceo  Parisinoque,    alterum  in  Universum    fidei  minoris,    sed    ut 
quibusdam    locis    illos  vincat,    repraesentatum    Leidens!    primo    et 
Harleiano  et  Florentino  S,  Marci  aliisque.     Sed  Veronensem  librum     c^^x 
iam    Zumptius    recte    iudicavit    non    pendere    ex    Nicomachianorum  ^eronensis 
archetypo,  cum  et  subscriptionem  eorum  neque  habeat  neque  habuerit 
umquam  et  in  lectionibus  tam  veris  quam  falsis  ab  illis  longe  recedat, 
maxime  nullum  vestigium  habeat  dittographiarum  earum.  quae  propriae 
simt  Nicomachianorum  librorum  et  cum  proficisci  videantur  a  gram- 
matico  aetatis  Romanae,  iure  revocantui*  ad  ipsam  illam  recognitlonem 
aaeculi  quarti  ^.    Commodum  autem  visum  est  ad  auctoritatem  libro- 
jum  plenius  et  certius   definiendam   hoc  loco  componere,  quae  eius  codicibns 
generis  lectiones  Xicomachianae  incidunt  in  folia  Yeronensia  compa-  ,„^^1^^ 
rationemque  recipiunt.  iitem  dirimit 


genens 
diveisi. 


177 

Dissen- 
tientibns 
inter  se 


Veronensis. 


scriptura  primitiva:     scripttira  emendata: 


16,  34  L.  Lucretius  V 

17,  u  satin  salve  TP'' 


P.  Lucretius  PL 
[satisne  salva  essent 
omnial 


scripturae  primitiva  et 

emendata  coniunctae: 

P.  L.  Lucretius  M 

sat   iam  satisne  salua 

essent  omnia  in  sa- 

luem  AI,  satine  salua 

essent  omnia  P*i 


1)  Madvigium  (emend.  Liv.  p.  5)  non  ignoro  duplices  scripturae  hasrepetere 
non  ab  ipso  archetypo  codice  Nicomachorum,  sed  ab  exemplari  aliquo  inde 
descripto  nostrorum  archetypo  comrauni,  estque  sane  quaestio  haec  ex  earum 
umnero,  quas  difficulter  decidas,  cum  praesertim  satis  constet  interpolationem 
in  hac  decade  non  solum  late  grassatam  esse,  sed  etiam  crevisse  per  gradus. 
Sed  in  contrarium  me  ducit  maxime,  quod  inter  duplices  lectiones  quaedam 
inveniuntur  enatae  ex  fastorum  laterculo  cum  annalibus  Livianis  collato;  talis 
<uiim  emendatio  magis  apta  videtur  saeculi  quarti  grammatico  quam  aetatis 
posterioris.  Utut  est.  non  inutile  erit  quod  supra  institui  duplicium  lectionum 
Nicomachianorum  librorum  ad  Veronensem  examen.  —  Ceterum  in  Veronensi 
libro  geminatae  lectiones  et  rarissime  reperiuntur  et  si  quae  sunt,  eae  diversae 
fomt  a  Nicomachianis.  Itä  p.  62,  is  in  his  est  Cm.  lulitts  Mento,  in  Veronensi 
■jvutem  genuciits  cn.  inUm ,  quod  vix  admittit  aliam  explicationem.  Similiter 
«ocplicari  poterunt  tui  et  tum  17,  i9,  cum  requiratur  tum;  deretinenda  10,  n,  vt\fi 
videtur  scribendum  retmenda. 


120 


T.  Livii  ab  ürbe  condita  Hb.  III -VI. 


scriptura  primitiva: 
22, 20  obsecundando  VL 

27,  5  amore  amens  VP 
35,  17  consilio  VF' 

52,  17  Agrippa  Mallius  V 

57,  59  Postumium    Aebu- 

tium  Helvium  VPL 

178  60,31  mihi  diuturna   non 

placere  imperia  V 

66,  59  ad    quam    publice 
consensu   venerant 
VPL 
78,  11  aliquando     fuerunt 

VPL 
80,  84  nos  intra  V 
87, 6  L.  Verginium  V 
93.  94  Sappinates  VML 


100 


,  15    arcemque    solam 
VL 


102,  2  pro  tantis  VP 


scriptura  emendata: 
[obsequendo] 


amore  ardens  L 
consulto  L 

Agrippa  Menenius 

PL 
[Postumium    Aebu- 

tium  HelvamJ 
quam  mihi  diuturna 

non  placeant  im- 
peria PL 
[ad  quam  consense- 

rant  consilio   pu- 

blico?] 
[aliquando     incide- 

runt] 
nobis  intra  ML 
P.  Verginium  P 
Salpinates  PML 


[arcemque  totam] 
[pro  Latinis] 


scripturae  primitiva  et 
emendata  coniunctae: 

obsequendo  secum  dan- 
do  M,  obsecundo  ob- 
secundando P 

amore  ardens  mens  M 

consilio  consulto  M, 
consul  consilto  P« 

agrippa  mia  manilius 
enenius  M 

postumium  aebutium 
helvam  heluium  M 

quam  mihi  diuturna 
non  placeant  re  im- 
peria M 

ad  quam  consenserant 
consilio  publice  con- 
sensu venerant  M 

aliquando  inciderunt 
fuerunt  M 

nos  bis  intra  P 

P.  L.  Verginium  ML 

sal  sappinates  M, 
salppinates  P«.     Cf. 
infra  ad  h.  l. 

arcemque  totam  solam 
M,  arcem  totamque 
solam  P 

pro  tantis  pro  Latinis 
ML 


Quod  si  recte  Veronensem  diximus  a  Nicomachianis  origine 
diversum  esse,  ubi  hi  aut  contaminatarum  lectionum  duarum  vestigia 
prae  se  ferunt  aut  eorum  familiae  inter  se  dissentiunt,  eam  lectionem 
aut  veram  esse  oportet  aut  a  vera  proxime  seiunctam,  cui  calculum 
adiciat  Veronensis;  eamque  ratiocinationem  confirmant  supra  relati 
loci  ita  fere  comparati,  ut  binarum  lectionum  Nicomachianarum  ea 
vera  esse  inveniatur,  quam  retinet  Veronensis.  Quod  si  duobus  certe 
locis  52,  17.  57,  59  contrarium  accidit,  ii  ad  fastos  pertinent  potuerunt- 
que  a  grammatico  saeculi  quarti  etiam  contia  exemplum  emendari 
sive  facili  coniectura  sive,  quod  magis  crediderim,  adhibito  fastorum 


T.  Livii  ab  Urbe  condita  lib.  III— VI.  12t 

aliquo  laterculo  incorrupto.  Similiter  ubi  dissentiunt  inter  se  libri 
pleni,  Veronensis  stare  solet  cum  genere  meliore,  maxime  cum 
Mediceo  Yormatiensique  ^,  quorum  librorum  lectiones  quasdam  singu- 
lares  et  adhuc  prae  ceteronim  consensu  spretas  iam  docet  aut  veras  179 
esse  (vide  infra  ad  III,  44,  e)  aut  veris  proximas  (vide  infra  ad  lY, 
23,3.  V,  41,3).  Sed  idem  aliis  locis  confirmat  lectionem  librorum 
deteriorum,  Leidensis  dico  similiumque,  quo  pertinent  et  loci  infra 
enarrati  quidam,  ut  Y,  52,  is  et  VI,  1,8,  et  minoris  momenti  alii,  ut 
44.  3  in  quo  statu  VL,  quo  statu  MF;  45,  u  ah  Ärdea  VL,  ah  ardeat 
F,  ah  ardeatihus  31;  50,  lo  nequiquam  VL,  nequaqtiam  MF;  88,  so 
Ul  Octoh.  VL,  a  hol.  Odoh.  MF;  94,  4  C.  Mius  VL,  iulius  3IF. 
His  quos  diximus  locis  cum  in  dissensu  Nicomachianorum  Veronensis 
teneat  lectionem  per  se  probabilem,  sunt  quidam,  sed  numero  pauci 
nee  magni  momenti,  in  quibus  cum  item  dissentiant  Nicomachiani, 
Veronensis  facit  cum  lectione  corrupta: 

lectio  Vera:  lectio  corrupta: 

20,  57  celebrant  MF  celebrabant  VL 

24,  16  addit  3IF  addidit  VL 

107,5  iussumque  templum  3fP  iussumque  et  templum  FL 

12,9  habituros  edicimus  M'' FL         habituros  sedicimus  Füf" 
19, 20  ad  Eretum  FL  ad  fretum  VM  Cf.  24,  3 

70,  *i  tum  FL  cum  VM 

32, 42  apparare  MF^L  apparere  VF" 

In  quibus  id  ipsum  evenisse  potest  quod  supra  statuimus  de  locis 
52,  17  et  57,  £.9,  scilicet  corruptam  lectionem  in  his  primitivam  esse 
ex  archetypo  communi  in  utriusque  generis  libros  translatam,  emen- 
dationem  autem  coniectura  inventam  esse  sive  ab  ipso  Nicomacho 
ita,  ut  altera  quoque  scriptura  in  eins  exemplari  remaneret,  sive  a 
librario  aetatis  posterioris.  Sed  etiam  casui  aliquid  dandum  est  in 
talibus  neque  quae  vera  esse  in  Universum  apparet,  tam  anxie  perse- 
quenda,  quasi  omnia  tam  parva  quam  magna  lex  et  ratio  peraeque 
regerent. 

At  sicut  certum  est  Veronensem  libnim  non  proficisci  ex  Nico- veronensis 
machorum,  ita  non  minus  constat  tam  hunc  quam  illum  pendeVe  ab^^*^"™^*^  *" 

'  ^  i^  noromque 


commones. 


archetypo  communi  eoque  a  primitivo  Livii  exemplari  longe  remoto    errores 
inquinatoque  iam  multis  mendis  tam  ex  incuriositate  enatis  quam  ex 

1)  9,  18  pace  parta  Veronensis  et  Vormatiensis  adstipulante  codice  S.  Marci, 
pate  pace  P,  parta  pace  ML. 


122 


T.  Livii  ab  Urbe  condita  lib.  III— VI. 


mala  sedulitate  antiquariorum  emendatorumque.  Quod  cum  quivis 
non  hebe»  ipse  intellegat,  confirmabo  paucis  exemplis  allatis  cör- 
ruptelarum  indubitatarum ,  in  quibus  consentiant  libri  Veronensis  et 
Nicomachiani. 


180  Vera  lectio: 

2,  46  T.  Verginius  Rutilus 
11,48  actionem  tam  gravis  rei 

16,  44  dixerat 

17,  37  virum  ipso  imperio  vehe- 
mentiorem 

1 9, 24  Fabius 

21,  1  ad  rumores  hominum  de 
unoquoque  legum  capite  editos 
satis  correctae  viderentur 

21,  27  appellationi 

21,  42  cum  qua  contenderant 

22,  38  per  coitionem 
24,  3  ad  Eretum 

30,  9  quam  quem 

3 1 ,  13  at  se  provocare 
43,  37  Esquilias  vidimus 
50,  5  C.  Furio  Pacilo 
55,  53  nefanda 

58,  12  Nomento 

66,55  Sp.Nautius  Rutilus 

79,  37  nee  opera 

80,  40  quicquam 
82,  5  num 

93,  7  legem  una  plures  tribus 


corrupta  lectio  reperta  in  VC: 
T.  Verginius  Rutilius 
rei  om. 
dixerant 
virum   in  ipso  imperio  vehemen- 

tiorem 
Fabius  Quinctius 

edito  ^wo  editos 

appellatione 

cum  qua  contenderent 

per  contionem 

ad  fretum.     Cf.  19,  20 

quamque 

ait  se  provocare 

Esquilias  quidem 

C.  Furio  Pacilio 

nefandis  F,     nefandas    M",    ne- 

fandum  L 
momento 

Sp.  Naevius  Rutilius 
nee  operam 
quisquam 
nunc 
legem  unam  plures  tribus 


Accedunt  exempla,  de  quibus  infra  dicetur,  ubi  Yeronensis  servavit 
corruptelarum  archetypi  in  Mcomachianis  male  emendatarum  formam 
primitivam.  Quamquam  igitur  lectionis  iam  praeter  Nicomachianoa 
a  Veronensi  quoque  testatae  auctoritas  non  exiguo  momento  crevit 
nee  facile  recedemus  a  testium  antiquissimorum  consensu,  tamen  auc- 
toritas illa  nequaquam  ea  est,  quae  probabilem  ratiocinationem  aut 
excludat  aut  vincat.  Sunt  sane  quaedam,  ubi  propter  Yeronensem 
librum  ab  iudicio  etiam  optimorum  criticorum  appellandum  esse 
crediderim;  ita  fortasse  ferendum  erit  quod  legitur  3,  29, 7  =  p.  19,  is 


T.  Livü  ab  Urbe  coudita  lib.  III— VI.  123 

Lanuvium  exilium  abiit  omissa  praepositione ;  nee  magistrum  equitum  181 
L.  Tarquinium  3,  27,  i  =  p.  17,  45  commutarim  in  L.  Tarquitittni 
propter  fastos  Capitolinos,  quibus  in  Universum  a  Sigonio  inde  nimium 
tiibui  existimo  in  crisi  Liviana.  At  pleraque,  quae  sani  iudicii 
grammatici  in  Livianis  corrupta  iudicaverunt,  non  propterea  vindicata 
enint.  quod  totidem  litteris  perscripta  leguntur  in  Yeronensi. 

Propria  quae  habet  Yeronensis.    alia  bona  sunt,   alia  mala  nee  corrupteiae 
negari  poterit  in  plerisque  vincere  haec  Nieomachianuraque  codicem,  ®*  *°*®''- 

,.  .  .  1  1      .^  .  n  1  Ti-  •      polationes 

licet  non  ipso  utimur,  sed  exemplanbus  eius,  et  nde  et  diligentia  ubri 
aliquantum  praestare  Yeronensi.*)  Qui  quem  scripsit  pulehre  magis  ^'®'<'°®'^'^- 
quam  bene  quoties  peccarit  ignavia  inscitiave,  non  opus  est  multis 
exagitare,  cum  ipsae  huiusce  editionis  margines  infelicem  hominem 
eatis  castigarint  et  qui  volet  errorum  copias  inde  petere  possit  et  si 
qui  erunt  mendorum  venatores,  etiam  iustos  ordines  eomm  sibi  con- 
texere.  Missos  igitur  faeimus  tales  errores,  quales  sunt  2,  43  circa 
pro  clari;  14,8  aut  iam  pro  auctam;  IQ,  ts  aegerunt  quam  pro  aeger 
w)iquam;  32,  32  ab  ea  pro  ah  eam;  5S,  45  ad  vmeas  pro  ad  vanas: 
97, 58  qtwd  iniquiore  pro  quo  id  aequiore;  100,  1  a  continuatione  pro 
a  conieniione:  101,  le  uhi  CamiUus  exuhdahat  pro  exulabat;  107,  4< 
quo  ad  Ardeam  vixi  pro  qnoad  Ärdeae  vixi.  Sed  quod  vel  in  his 
8pparet  Studium  corrupta  vel  non  intelleeta  ita  formandi,  ut  verba 
certe  efficiantur  Latina,  ut  ipsum  interpolationi  proximum  est,  ita 
aliis  locis  et  plurimis  quidem  ad  veram  interpolationem  degeneravit. 
Rariora  et  exquisitiora,  quae  librarius  non  assequeretur,  audacius  nescias 
an  inepäus  immutavit,  ut  4,  43  heUi  vires  substituit  pro  helli  res;  7S.  24 
viderentur  pro  renfur;  99,  51  censas  pro  tensas;  99,  15  ubi  de  Spitrio 
religio  est  pro  tibi  d^spui  religio  est,  maxime  exosus  propria  et 
sollemnia,  ut  35,  32  ex  agiteduni  feeit  agite;  27,  16  pro  postulantibus 
vindicias  cedere  maluit  petentibiis  vindicias  edere:  28,  31  lege  agere 
\  ccrrupit  in  lege  adsignare.  Tribus  locis  inflati  vocabulum  in  Livium 
1  intulit  bis  pro  elato  51,  so.  94,  1,  tertium  pro  irritato  69,  42,  ut  alibi 
1  62,  4&  iratus  maluit  quam  irritattcs  ^.  Alibi  conditas  religiones  dedit 
i  pro  positis  108,  26,    contemnere  pro  aspernando  118,  23,  reportare  pro 

*)  [Die  nun    folgenden  Untersuchungen  über  das  Verhältnis  von  F  zu  der 

anderen    Klasse    sind  in   Anlehnung    an    Mommsen    fortgesetzt    worden  von  A. 

1  Wodrig,  Analeeta  Liviana   de  codicis  Veronensis   auctoritate,   Greifewald    1873 

I  nnd  W.  Jung,  De  fide  codicis  Teronensis  cum  xecensioue  Victoriana  comparati, 

'  Hannover  1881.1 

I  .... 

I  1)  Studiis  quod  ibidem  est  pro  animis,  non  tarn   consilio  videtur  orationi 

I  iUatum  quam  adsumptum  ex  versu  sequente,  ut  similiter  35,  49  victofiae  scriptum 

i  est  pro  gloriae  ideo  quod  illud  mox  redit. 


124  T.  Livii  ab  Urbe  condita  lib.  III— VI. 

182  referendo  1,  e,*)  infestum  pro  infenso  47,  55,  remitiere  pro  relinquendo 
106, 30,  oppressum  pro  ohsesso  U,  5,  excursationem  pro  excursione 
24,  20,  exilire  ex  equo  pro  desiliendo  36,  4,  g-MCxi  Caesonis  sodalicium 
fuit  pro  g-MOf?  Caesonis  sodalium  fuit  8,  53,  praefectus  erat  urbis  pro 
praeeraf  urhi  is  3,  55  (cf.  Liv.  3,  9,  6).  Quae  qui  examinabit,  plera- 
que  inveniet  ita  comparata,  ut  ne  tolerabilia  quidem  sint;  ita  51,  50 
efferri  supra  modum  et  94,  1  efjferri  superhia  tarn  apte  dicitur  quam 
inepte  inflari  supra  modum  et  superhia  inflari,  nee  tertio  loco  69, 42 
inflati  utriusque  partisanimi  pro  «VW^ai^is  patronum  facile  invenient; 
reliqua  autem  si  qua  erunt  per  se  non  improbanda,  eiusmodi  socie- 
tatis  labe  trahuntur.  Omnium  maxime  inscita  haec  temeritas  grassata 
est  in  nomina  propria,  pro  quibus  librarius  saepe  subdidit  vocabula 
communia,  ut  27,  u  virginis  dedit,  ubi  est  Vergini;  76,  24  alteras  et^ 
ubi  Ecetras;  107,  e  aut  alio  loco,  ubi  Äio  Locutio;  69,  54  Uli,  ubi 
Icilii;  76, 32  anxis,  ubi  Anxur.  Item  lulios  lulos  cum  ferri  non 
posse  sibi  persuasisset,  cognomen  constanter  suppressit  66,  56.  71,  25. 
118, 45  in  libris  Nicomachianis  ita  servatum,  ut  abierit  fere  in  Tullu^ 
vel  Tullius.  Denique  ne  numerem  Servilios  Sulpicios  2,  46.  1 1 8, 47, 
quod  genus  est  erroris  diversum,  Icilios  non  semper  (30,  12?  69,  6. 
70,  53.  71,  29),  plerisque  tarnen  locis  (21,  eo.  26,  hi.  27, 35.  28,  50.  57  cf. 
37,  26)  in  Sicilios  transformavit.  Praeterea  non  paucis  locis  suo  arbitrio 
particulam  quandam  vel  aliud  quoddam  vocabulum  inseruit,  ut  2, 40 
quamquam  coniunctum  id  cum  corruptela  quae  praecedit  quamquam 
tarn  pro  quxim  quanta;  50,  33  tibi  natum  fortasse  ex  vocabulo  quod 
praecedit  consulibus;  76,  36  hac  propter  id  quod  praecedit  ah  ea  parte; 
85,  45  nee  propterea  quod  idem  praecedit  v.  4i  eique  quod  respondet 
alterum  wec  v.  42  corruptela  oblitteratum  est;  78,38  sive  illud  pro 
plebe  [est]  sive  [illud]  contra  plebem  est  sit  auxit  ut  indicavi.  Simi- 
liter,  licet  de  origine  minus  ibi  constet  et  ex  parte  non  interpolationes 
hae,  sed  errores  esse  videantur,  insertum  reperies  56,  51  in;  62,  se, 
item  64,  44  est;  66,  46  neque;  70,  12  enim;  11,  26  nisi;  89,  se  dum; 
94,  83  iterum;  108,  10  eam.  —  His  in  Universum  observatis  aliquot 
locos  subieci  item  interpolatos,  sed  propter  certas  causas  non  indignos, 
quos  brevi  enarratione  persequamur. 

p.  2,  so  [III  7,  7]:  senatus  .  .  .  ad  deos  populum  ac  vota  vertit: 
iussi  .  .  .  supplicatum  ire  .  .  .  ad  id  quod  sua  quemque  mala  cogehant 
auctoritate  publica  evocati  omnia  delubra  implent.    Sic  haec  recte  scripta 

183  sunt  in  libris  vulgaribus,  nisi  quod  antiquissimo  errore  cum  Veronensi 
quoque  communicato  pro  publicaevocati  legitur  publicevocati.    At  idem 

*)  [III  6,  6;  reportare  ist  richtig,  vgl.  Wodrig  S.  4  f.] 


T.  Livii  ab  Urbe  condita  lib.  III— VI.  125 

Veronensis  mira  interpolatione  enuntiatum  ita  defonnavit:  itissos  .  .  . 
supplicatum  ire  auctoritate  publice  vocat:  omnia  deluhra  impleant: 
quamquam  etiam  magis  mirum  est  inventum  esse  qui  hoc  defenderet, 
quasi  LIatIus  tarn  inani  repetitione  uti  potuerit,  ut  cives  tarn  iuberentur 
supplicare  quam  auctoritate  publica  ad  id  evocarentur. 

p.  30,  30  [III  51,  lo]  ubi  legitur:  urhem  intravere  suh  signis  media- 
que  tirhe  agmine  in  Aventinuni  2)et'gttnt,  Veronensis  post  agmine  inserit 
ingenti.  Scilicet  grammaticus  non  intellexit  vim  orationis  non  in 
numero  plebeiorum  niti,  sed  in  ordinatione  militari.*) 

37,  2  [ni  63,  b]  populus  iniussu  et  altero  die  frequens  iit  suppli- 
catumque  est  reliqui  libri,  populi  iussu  et  altero  die  supplicatumque 
est  Veronensis.  Extrema  que  est  male  intrusa  esse  dudum  per- 
spexerunt  viri  docti  neque  defendi  potenmt,  quamquam  iam  intelle- 
gimus  adiecta  haec  esse  antiquissimo  tempore;  prior  autem  interpolatio 
propria  est  Veronensi. 

48,  19  [IV  10,  e]  Rcmanus  Ärdeae  turbatas  seditione  res  .  .  . 
cmnposuit.  Sic  recte  iam  libri  deteriores;  at  optimi  quique  ex 
Nicomachianis  pro  turbatas  habent  turbata  idque  ipsum  est  etiam 
in  Veronensi  omittente  praeterea  res  et  pro  Ardeae  dante  Ardea, 
illud  casu  opinor,  hoc  ex  interpolatione  accommodata  ad  mendam 
primitivam  videlicet  antiquissimam. 

49,1  [IV  11,  i]  Consules  creant  M.  Fdbium  Vibulanum  Postu- 
mum  Aebutium  Cornicinem.  Ita  Nicomachiani ;  at  Veronensis:  con- 
stdes  creantur  M.  Fahius  Bibulanus  Postumius  M.  Aehutius  Cornicen 
evidentissima  interpolatione,  nam  Marci  praenomen  altero  loco  originem 
duxit  ex  littera  exti-ema  accusativi  Postiimum  male  ad  nominativum 
redacti.  Causa  interpolandi  videtur  fuisse  Postumi  praenominis 
ignorantia.**) 

51.  4.'  [IV  13,  2]  ad  levandam  publica  cura  annonam.  Nico- 
machiani libri  cum  habeant  fere  publica  curam  annona,  Veronensis 
gliscente  interpolatione  sie  dat:  publicam  curam  ännona.  Quamquam 
in  minoribus  hisce  et  a  pronuntiandi  vitiis  pendentibus  erroribus 
difficillime  fines  reguntur  inter  consensum  eum,  quem  casus  fecit,  et 
ex  archetypo  propagatum. 

52,  19  [IV  13,  7]  L.  Minucius  praefectus  annonae  seu  refecttis 
seu  .  .  .  in  incerfum  creatus.    Sic  recte  reliqui  libri ;  Veronensis  cum 

*)  [ingenti  ist  nicht  sicher,  da  bloß  .  .  .  enti  zu  lesen  ist;  silenti  Wodrig 
a.  a.  0.  S.  13.] 

**)  [Die  passive  Konstruktion  ist  die  bei  Livius  übliche,  vgl.  Wodrig 
a.  a.  0.  S.  19.] 


126  T.  Livii  ab  Urbe  condita  Hb.  III— VI. 

pro   refedus  dedisset  praefectus,  praefectus  aunonae    qui    praecedit 
ibidem  factus  est  praetor. 
184  62,  M  [IV  26,  i]  tumultus  causa  fuit  Veronensis  interpolator  ita 

immutavit  ut  fieret  tumultus  causae  fuerunt. 

p.  62,  .^8  [IV  26,  2]  Cn.  lulius  Mento  consul  Veronensi  dicitur 
Genucius  Cn.  lulius  omisso  cognomine,  quod  etiam  Cassiodoriana 
excerpta  Livio  adserunt,  adsuto  autem  primo  nomine,  quod  originem 
traxisse  videtur  ex  praenomine  male  repetito  (cf.  p.  177  not.  [119,  1]), 

p.  92,  H  [V  28,  4]  qui  legatorum  nomen  donumque  et  deum  cui 
mitteretur  et  doni  causam  veritus  ita  pessumdedit  interpolator,  ut 
post  causam  intruderet  cognovit. 

p.  99,  4  [V  40,  7]  quae  sacrorum  secum  ferenda,  quae,  quia  vires 
ad  omnia  ferenda  deerant,  relinquenda  essent  consultantes  simili  inter- 
polatione  ita  corrupta  sunt  in  Veronensi,  ut  et  quae  insereretur  ante 
relinquenda. 

p.  102,  34  [V  44,  7]  nee  pati  haec  omnia  Galliam  fieri  cum  librario 
nimium  videret,  pro  Galliam  inepte  substituit  a  Gallis. 

p.  104, 41  [V  46,  4]  non  animi  tantum  in  dies,  sed  [numerus]  etiam 
vires[que]  crescehant.  Intra  parentheses  conclusa  solus  habet  Veronensis. 

p.  108,  8  sq.  [V  51,3]  quid  enim  repetiimus,  quid  ohsessam  ex 
hostium  manihus  eripuimus,  si  reciperatam  ipsi  deserimusl  Veronensis 
interpolator  post  manihus  inserit  eam,  deinde  pro  ipsi  vocabulo  sub- 
stituit ohsidione,  illius  vim  non  satis  assecutus. 

p.  110,  3  [V  52,  17]  postquam  Camillus  orationis  primam  partem 
absolvit  oppidi  translationem  uetari  religione,  secundum  librum 
Veronensem  ad  secundum  locum  de  necessitate  migrandi  ita  transitum 

facit :   at   enim  apparet  quidem nia   nee  ullis   piaculis  expiari 

posse.  Quae  videntur  adiecta  esse  a  rhetore  quodam,  ut  partes 
orationis  facilius  distinguerentur :  nihil  enim  hoc  quidem  loco  desi- 
deratur  nee  causa  apparet,  propter  quam  librarius  haec  omittere 
potuerit.*) 

p.  115,  4h  [VI  2,  11]  post  Valium  quod  est  in  uno  Veronensi  [a] 
militibiis  munitum,  manifeste  glossa  est. 

Haec  similiaque  qui  considerarit  in  Veronensi  inventa,  cum 
Nicomachiani  omnes  quamquam  quinque  minimum  saeculis  post  eum 
»cripti  a  tali  labe  immunes  sint,  ne  ille  recensione  Nicomacbiana 
aliquantum  profectum  esse  intelleget  (quamquam  Nicomachus  fortasse 
non  tam  sua  emendatione  Livio  profuit  quam  selecto  exemplari  aliquo 
antiquo   et  prae  eins  aetatis  vulgaribus  emendato),  nee  negabit  in 

*)  [Für  die  Echtheit  tritt  ein  Wodrig  a.  a.  0.  S.  37  ff.] 


servant. 


T.  Livii  ab  Urbe  coudita  lib.  III— VI.  127 

summa   re,   ubi   ratiocinatio  deficiat,    illos    sequi   tntius   esse    quam  185 
librum  nuper  nobis  restitutum  non  tantum  propter  ftmdamenti  aequa- 
bilitatem,  sed  etiam  propter  ingeneratam  illorum  praestantiam. 

Nihilominus    ut   probi  iudices    ubi    fieri  potest  duobus  testibus  veronensis 

,       .  •        •         •     /!  1    •      •.  •  Über  quibus 

rem  agere  malunt  quam  uno  nee  eum.  qui  mmons  fidei  sit,  propterea  j^^.^  Xemm 
de  foro  pellunt.  ita  Veronensis  quoque  liber  non  paucis  locis  solus  soius 
verum  servavit  et  ut  plurimis  locis  erroris  et  interpolationis  con- 
vincitur  a  Nicomachianis.  aliis  nirsus  similiter  bos  coarguit  et  eius 
quidem  interpolationis,  quae  cum  longe  distet  ab  ineptis  Veronensis 
librarii  commentis,  eo  facilius  fallat  et  magis  noceat  (v.  ad  III  65). 
Haec  deinceps  enarravimus.  scilicet  missis  iis,  quae  tota  pendent  ex 
auctoritate  librorum  K  missis  item  minoribus  non  ita  paucis  2,  maxime, 
ubi  lectio  per  se  certa  et  dudum  restituta  iam  emergit  ex  Veronensi; 
neque  omnino  hoc  egimus,  ut  compleeteremur  quidquid  ex  fönte  iam 
patefacto  in  crisin  Livianam  redundaturum  sit,  nee  potuissemus,  etsi 
maxime  voluissemus.  ^N^eque  enim  Livium  edo  neque  editurus  sum, 
quippe  cui  satis  sit  aliquatenus  didicisse  eo  uti.  At  hoc  a  meo 
incepto  non  abhorret  componere  meliora  et  graviora,  quae  quidem 
intellegam  a  codice  Veronensi  suppeditari.  Pertractare  autem  eius- 
modi  quaestionem  et  quantum  nostrae  aetati  datum  est  absolvere 
eum  unus  homo  possit  ex  iis  qui  ho  die  sunt  Madvigius,  hoc  optamus, 
ut  telam  a  nobis  incohatam  et  retexat,  ubi  opus  est,  et  detexat, 

ni  8,  7  p.  3,  5u  urbi  quoque  Romae  ingens  praebitus  terror  magis 
re  Silbita  quam  quod  ....  partim   virium   esset.     Sic  Zumptius  1.  c. 


1)  Quo  pertinet  ordo  verborum  non  raro  in  Veronensi  diversus  a  reliquis, 
ut  5,  46.  7,  41.  9,  18.  11,  12.  16. 49.  25,  is.  26,  28.  29,  47.  33, 58.  42,  26.  51.  43,  55.  52,  9. 
5c-,  24.  56,  42.  58,  59.  60,  28.  61.  58.  62,  37.  70,  i7.  80,  14.  86,  39.  93,  29.  94,  45.  97,  29. 
101,45.  115,  i.  117,  35.  118,  39.  119,41;  nam  argumentis  raro  talia  diiudicabis,  ut 
8C>,  14  aperte  peccat  Veronensis,  contra  9,  18  ideo  sequendus  erit,  quod  Vormatiensis 
et  quodammodo  etiam  Parisinus  cum  eo  stant.  [In  den  oben,  S.  123,  genannten 
Abhandlungen  ist  die  Richtigkeit  der  Wortstellung  im  Veronensis  an  vielen 
Stellen  aus  dem  Sprachgebrauch  des  Livius  erwiesen  worden.]  Idem  cadit  in 
similia,  ut  in  permutationem  particularum  et,  ac,  que  e.  c.  41,  24.  44,  su;  formas 
tei-tiae  pluralis  perfecti  -re  et  -runt,  ut  32,  46.  45,  se;  faciendum  et  facitmdum 
110,  27;  rursiis  et  rursum  81,  so;  uti  et  tU  119,  40,  alia  non  pauca,  etiam  gravioris 
momenti,  ut  16,4  ancipites  haeremus,  utrum  legamus  cum  Nicomachianis  ad 
Cclumen  an  cum  Veronensi  ad  Colume. 

2)  Ut  hospitum  pro  Jtostium  51,  40;  a  ceteris  pro  ctteris  37,  56;  et  söllemnibus 
ioiis  pro  ex  soUemnibiis  locis  19,  2 ;  seqtieretur  pro  sequerentur  27,  4s;  rei  pro  rei 
1».  29,  44;  inuJta  pro  inmta  29,52;  praerogaHvam  pro  praerogativa  30,  16;  ni  pro 
ne  32,  14;  Äulus  Postumitts  Tubertus  pro  Aurelius  Postumitis  Tuberos  vel  Tuber 
59  35. 


i[28  T.  Livü  ab  Urbe  condita  lib.  III— VI. 

186  p.  22  et  Madvigius  (ed.  vol.  II  p.  IV)  secundum  Yeronensem,  in  quo 
est  res  subita-,  reliqui  in  re  subita. 

III  12,  4  p.  6,  19  T.  Quinctius  CapitoUnus  .  .  .  ad  firmabat  .... 
Sp.  Furius  missum  ab  Quinctio  Capitolino  sibi  eum  venisse  subsidio. 
Sic,  nempe  Furius  missum,  Veronensis,  ut  restituerunt  iam  editores 
antiqui;  Furtum  ipsum  missum  libri  reliqui. 

in  12,  r.  p.  6,  38  L.  Lucreiius  Veronensis  recte ,  male  reliqui 
(solo  Florentino  S.  Marci  excepto,  nisi  de  hoc  quoque  errat  Hertzius, 
sicut  de  Leidensi  primo  non  recte  rettulit  Drakenborchius)  P.  Lu- 
cretius*) 

in  12,  7  p.  6,  hb  quod  offendat  in  eo  fervorem  et  audaciam  aetatem 
cottidie  magis  auferre.  Vocabulum  magis,  quod  habet  solus  Vero- 
nensis, tarn  apte  sententiam  explet,  ut  quamquam  eins  additamenta 
pleraque  falsa  esse  constat,  hoc  retinendum  esse  mihi  quidem  per- 
suasum  sit. 

III  1 3,  6  p.  8,  10  pecuniamque,  ni  sistatur,  populo  promitti  Vero- 
nensis, cum  nisi  sistatur  in  reliquis  sit  contra  usum  in  his  formulis 
sollemnem. 

III  1 3,  8  p.  8,  19  unum  vadem  tria  milia  aeris  obligaverunt  Vero- 
nensis, cum  reliqui  libri  meliores  notas  habeant.  lUud  videant 
grammatici  num  ferri  possit,  cum  summa  vadimonii  non,  ut  summa 
credita,  causam  obligationis  in  se  contineat  itaque  fortasse  defendi 
possit  obligari  nos  assibus  centum  creditis,  sed  ex  vadimonii  causa 
obiigari  centum  asses.**) 

III  13,  10  p.  8,  40  devio  quodam  tugurio  sie  ut  restituerunt  Cam- 
panus et  Rhenanus  etiam  Veronensis,  cum  deuo  sit  in  Vormatiensi 
et  Mediceo,  de  uUo  in  reliquis.***) 

III  19,  3  p.  9,  39  tribus  liberis,  quorum  nemo  Caesoni  cedebaf 
magnitudine  animi,  consilium  adhibendo  ubi  res  posceret  priores  erant. 
Verba  et  modum,  quae  in  reliquis  libris  leguntur  post  consilium, 
a  Veronensi  autem  afuisse  iam  Zumptius  sensit,  delenda  esse 
apparet.f) 

III  19,  12  p.  11,  32  nescio  quo  fato  magis  bellantes  quMm  pacati 
propitios  habemus  deos.  Fato  repertum  adhuc  tantummodo  in  libris 
deterioris  notae  iam  confirmat  Veronensis;  optimi  secundi  generis 
fa^to,  Madvigius  pacto. 

*)  [Zingerle  ed.  a.  1888  L  im  Text  ohne  Variante.] 

**)  [W.  Heraeus,  Quaest.  crit.  Liv.,  Beriin  1885,  S.  50  hält  die  Konstruktion 
der  Worte  in  V.  für  unmöglich.] 

***)  [Zingerle  devio  ohne  Variante.] 
t)  [Die  Worte  standen  vielleicht  auch  in  V,] 


T.  Livü  ab  Urbe  condita  lib.  III— VI.  •  129 

TTT  21,  2  p.  13,  18  senatus  constdta  ftunt,  ut  neque  tribuni  legetH 
eo  anno  ferrent  neque  consides  ah  urbe  exercitum  educerent;  in  reli- 
quum  nuigistratus  contimcari  et  eosdem  tribunos  refici  senatum  iudicare 
contra  rem  p.  esse.  Sic  Yeronensis.  Ex  reliquis  libris  excidit  ut^ 
quapropter  Madvigius  (emend.  p.  72)  proposuit  senatus  constdtum  187 
ß,  ut.  Pluralis  autem  recte  se  habet,  nam  secundum  consuetudinem 
Romanam  talia  comprehendi  solebant  non  uno  eodemque  consulto 
argumenti  miscellanei ,  sed  pluribus  simul  factis.  Deinde  eosdem 
irihunos  Yeronensis,  sicut  edidit  Frobenius,  eos  tribunos  reliqui,  imde 
fecerunt  consides  tribunos  Heerwagenus,  cmisuUs  tribunosve  Mad- 
vigius. Yidemur  autem  adquiescere  posse  in  lectione  Yeronensis 
ita.  ut  decretum  de  magistratibus  continuandis  accipiamus  de  patriciis, 
quibus  solis  satis  constat  vere  eonvenire  nomen  magistratus  ^ ;  simi- 
literque  loeutus  est  Livius  mox  c.  64,  i :  ut  iidetn  tribuni  reficerentur 
et  .  .  .  consulibus  quoque  continuarent  magistratum.  Yerum  est  mox 
Livium  de  continuandis  magistratibus  ita  dicere,  ut  aperte  compre- 
hendantur  plebeii  (§  4 :  quia  plehs  senatus  cousuUum  in  continuandis 
magistratibus  solvit) ;  at  cum  minus  proprie  etiam  tribunis  magistratus 
tribuatur,  potuit  Livius  in  senatus  consulto  referendo  legitimum  usum 
sequi,  in  oratione  consulis  cottidianum. 

in  23,  6  p.  16,  4  Victor  ad  Columen  (Colume  Yeron.^  exerdtu 
reducto  castra  locat.  Hoc  quod  dudum  Sabellicus  Livio  restituit 
illumque  secuti  Madvigius  et  Weissenbornius,  nunc  prodit  ex  ipso 
libro  Yeronensi  (nam  errat  de  eo  Zumptius);  relicio  pro  reducto  libri 
reliqui. 

in  24,  5  p.  16,  56  adfirmantibus  qui  una  meruerant  secutn  eum 
tum  frequentem  ad  signa  sine  idlo  commeatu  fuisse.  Frequentemque 
libri  vulgares,  frequente  Yeronensis;  unde  frequentem,  quod  olim 
Sigonius  sub  auctoritate  ut  solet  ementita  reposuit,  verum  esse 
agnovit  Madvigius  in  ed.  vol.  II  p.  lY.*) 

III  26.  9  p.  17,  3  fossam  fodiens  palae  innixus  Sabellicus  itemque 
teste  Zumptio  p.  35  is  qui  scripsit  librum  Yaticanum  n.  3329  pro- 
posuerunt,  cum  pah  sit  in  libris  idoneae  auctoritatis  omnibus;  iam 
quod  est  in  Yeronensi  paleae  (non  pelele,  quod  legere  sibi  visus  est 
Zumptius)    etsi    non  verum,  tamen   aliquanto  propius  a  vero  abest. 


1)  Scilicet  magistratiua  plebis  sive  phbeii  tribuni  aedüesque  plebis  recte 
i  dijuntur  et  proprie,  non  recte  moffistratus  populi  Romani  nee  magis  recte 
I  muffistratus  simpliciter,  certe  in  actis  publicis,  ubi  quidquid  eins  generis  nude 
1  enuntiatur,  ipsa  re  refertur  ad  populum.    [Vgl.  Staatsrecht  1*  S.  16  ff.] 

*)  [frequentem  in  einem  von  Zingerle  benutzten  cod.  C  saec.  XIII.] 

MOMMSEN,    SCHR.  VII.  9 


130  T.  Livii  ab  Urbe  condita  lib.  III— VI. 

PauUo  post  V.  10  idem  liber  recte  habet  quod  hene  verferet,  ubi  in 
reliquis  est  verteraf.*) 

III  29,  6  p.  1 9,  5   eo  die  L.  Mamilio   Tusculano  .  .  .  civitas  data 

Veronensis,  data  est  reliqui.      Similiter  III   31,  i  p.  20,  48  annona 

198  propter  aquarum  intemperiem  laboratum  ille,  lahoratum  est  hi.     Item 

III  65,  4  p.  40,  2  unde  Aspero  etiani  inditum  cognomen  ille,  inditum 

est  hi. 

III  34,  6  p.  21,  5  leges  perlatae  sunt,  qui  nunc  qtioque  ....  fons 
omnis  publici  privatique  est  iuris.  Ita,  nempe  qui  .  .  .  fons  Vero- 
nensis,**) quae  ....  frons  libri  vulgares;  posterior  mendae  pars  dudum 
sublata  est,  prior  adhuc  remansit. 

III  38, 5  p.  24,  22 :  Aequi  .  .  .  depopulantur  .  .  .  Tusculanum 
a^rum;  legati  ea  ah  Tusculo  praesidium  orantes  nuntiant.  Ua,  quod 
est  in  uno  Veronensi,  magis  crediderim  ab  Nicomachianis  male 
omissum  quam  in  illo  adiectum. 

III  38, 9  p.  24,  56  solitum  quicquam  liherae  civitati  Veronensis; 
quod  exhibent  reliqui  civitatis  emendarunt  iam  Drakenborchius 
Madvigiusque. 

III  42,  4  p.  25,  4  numquam  se  aequo  certamini  committentes. 
Certamini  Veronensis,  reliqui  certamine;  illud  dubitans  licet  pro- 
posuerat  olim  Gronovius.  Ceterum  numquam  Veronensis  et  Leidensis, 
nusquam  Parisinus  et  Mediceus.***) 

III  42,  7  p.  25, 29  arma  Tu^culum  ac  supplementum  decernerentj 
quod  proposuit  Gronovius  probante  Madvigio  pro  lectione  tradita 
ad  supplementum,  visus  sum  mihi  legisse  in  Veronensi. 

III  43, 6  p.  26, 16  postquam  nullum  spoliatum  ibi  corpus  Sicciumque 
in  m^dio  iacentem  armatum  omnibus  in  cum  versis  corporibus  videre 
Veronensis  recte  deleta  particula  que,  quae  in  reliquis  adhaesit  ad 
armatum.  Nam  una  cogitatio  est,  quae  enuntiatur,  nee  incidendo 
distrahenda. 

III  44,  4  p.  27,  7  postquam,  omnia  pudore  saepta  animadvertit 
Veronensis,  non  animadverteraf,  ut  vulgati.  Offendit  fortasse,  cum 
sie  pergatur  ad  crudelem  superbamque  vim  animum  convertit,  duorum 
enuntiatorum  similis  exitus. 

III  44, 5  p.  27,  12  M.  Claudio  clienti  negotium  dedit,  ut  virginem 
in  servitutem  adsereret  .  .  .  . ;  quod  pater  puellae  abesset,  locum  iniuriae 

*)  [verteret  auch  in  einigen  mittelalt.  Hss.] 
**)  [fons  auch  in  einigen  ma.  Hss.] 

***)  [certamine  ist  richtig,  vgl.  die  Erklärer,  ebenso  nusquam  das  noch  eine 
dritte  Hs.  hat.] 


T.  Livii  ab  Urbe  condita  lib.  III— VI.  131 

esse.     Quod   in  fine   addunt  reliqui    libri  rattis  a  Veronensi    abest, 
recte  puto. 

in  44,  6  p.  27,  L'o  virgini  venienti  in  foro  —  ibi  namque  in 
tabernaculis  ludi  litterarum  erant  —  minister  decemviri  libidinis  cet. 
Sic  Veronensis  cum  Yormatiensi  et  Mediceo,  cum  in  iabernis  sit  in 
Nicomachianis  reliquis.  Hoc  qui  nuper  Livium  recognorunt  omnes 
admisisse  praeter  unum  Alschefskium ,  qui  mallem  nulkis  esset, 
ipsumque  Madvigium  (emend.  p.  27)  inter  menda  duobus  illis  codi-  189 
cibus  propria  hoc  quoque  numeravisse  miror;  neque  enim  dubium 
videtur  tabernaculum  in  foro  ad  tempus  positum  ludo  multo  magis 
aptum  esse  quam  tabemam  angustam  et  forum  versus  patentem. 
Denique  interpolatio  facile  desumi  potuit  ex  iis  quae  sequuntur 
c.  48,  5. 

m  44,  6  p.  27, 20  virgini  ....  niamtm  inicit  serva  stia  natam 
servamque  appellans:  sequi  itibebat  cunctantemque  vi  dbstracturam 
Veronensis;  manum  iniecit  servam  stiam  natam  servaniqiie  appellans 
esse  sequique  se  ivibebat,  cunctantem  vi  abstracturam  reliqui,  ubi  setDa 
Sita  restituerunt  et  esse  induxerimt  editores.  Omnino  illa  lectio 
praestat,  nisi  quod  que  post  cuticfantem  non  probarim.  In  eo  quod 
sequitur:  Vergini  patris  sponsique  Icili  populäre  nomen  celebratur, 
haec  Leidensis  libri  alionimque  lectio  confirmatur  eo  quod  in  Yero- 
nensi  est  celebratum;  nam  reliqui  celebrabatur. 

m  50,  14  p.  29,  9  quippe  ab  ipsis  datum  loctim  seditioni  esse. 
Reliqui  seditionis,  quod  recte  emendarunt  Glareanus  Dukerus  Mad- 
rigius. 

rH,  50,  16  p.  29,  22  non  defuit  quod  responderetur  Veronensis  id- 
que  pro  tradita  lectione  quid  vel  qui  dudum  revocarunt  Reizius 
Hertzius  Madvigius,  Similiter  eadem  pagina  v.  44.  52  et  sequens  v.  le 
emendationes  quasdam  etiam  per  se  certas  confirmant. 

in  56,  12  p.  31,  7  quod  si  tribuni  eodem  foedere  obligatos  se  fate- 
antur  toUendae  appellationis ,  in  quam  conspirasse  Xviros  criminati 
sint,  ait  se  provocare  ad  populum.  Sic  haec  scripta  sunt  in  Veronensi 
eiecta  voce  cau^a.  quam  reliqui  libri  admittunt  post  appellationis 
aperta  interpolatione.  Praeterea  quae  temptaverunt  viri  docti  in 
quod  pro  in  quam  Madvigius,*)  at  pro  ait  Gronovius  probabiliter, 
iis  Veronensis  liber  non  suffragatur. 

in  61,  12  p.  34,  35  lam  Horatius  eos  (miütes)  excursionibus  proe- 
Irisque  levibus  experiundo  adsuefecerat  sibi  .  .  .  fidere  Veronensis 
omisso  vocabulo  sufficiendo  post  excursionibus  obvio  in  reliquis  libris, 

*)  [Vgl.  ed.  II  S.  101  f.] 

9* 


L. 


1^32  T.  Livii  ab  Urbe  condita  lib.  III — VI. 

quod  intellegi  posse  recte  negavit  Madvigius,  minus  feliciter  substituit 
suhigendo.*)  Etiam  levibus  iam  codice  confirmatur;  nam  lenibus 
Nicomachiani. 

III  62,  3  p.  35,  20  quod  ad  me  adtinet,  id  consilii  animigue  habi- 
turus  sum,  quod  vos  mihi  feceritis,  milites.  Sic  partim  lectum  est, 
partim  ad  spatia  suppletum  in  Veronensi  confirmante  in  Universum 
restitutionem  huius  loci  Madvigianam  (emend,  p.  84);  mihi  tegerifis 
Leidensis,  mihi  effeceritis  Paris.,  milites  geritis  Med.,  quorum  trium 
librorum  archetypum  hoc  quidem  loco  accurate  videtur  repraesentare 
190  Leidensis,  ex  cuius  lectione  duae  aliae  videntur  effectae  coniectura 
plus  minusve  felici.  Extremum  [milite\s  incertum  est,  cum  in  Vero- 
nensi non  apparuerit  nisi  post  spatium  sufficiens  littera  s. 

III  62,  8  p.  36.  4  equites  .  .  .  sescenti  fere  Veronensis  (nisi  quod 
sescentis  librarius  dedit)  ut  dudum  emendarunt  editores;  ac  pro  de 
libri  reliqui. 

III  63,  5  p.  36,  59  senatus  unum  diem  suppUcationis  consulum 
nomine  decrevit  liber  Yeronensis ;  in  unum  diem  suppUcationis  ( —  nis 
P")  reliqui. 

III  63,  7  p.  37,  21  iam  tum  ApolUnare  appelläbant  Veronensis, 
ut  olim  restitutum  est;  libri  reliqui  apollinarem  uel  apoUinarum. 

III  63, 9  p.  37,  35  in  trihunum  Veronensis  deteriorum  coniecturae 
calculum  adiciens,  in  tributum  Nicomachiani  qui  fidem  habent. 

III  64,  2  p.  38,  15  iura  tribunorum  plebis  Veronensis,  iura  plebis 
reliqui. 

III  64,  3  p.  38,  20  per  factionis  suMe  consules.  Lectio  haec  a 
Madvigio  substituta  pro  tralaticia  factionis  (s.  factiones)  suas  commen- 
datur  Veronensi,  quae  videtur  esse  factionis  sua. 

III  64, 6  p.  38,  52  auctores  populäres  sententiae  haud  populari 
Veronensis  optime;  libri  reliqui  pro  populari  habent  populäres^ 
editiones  popularis. 

III  64,  7  p.  38,  60  memor  libertatis  per  illos  receptae  domi,  memor 
militiae  rerum  gestarum.  Sic  scribi  iussit  I.  Fr.  Gronovius,  cum  in 
libris  repperisset  rerumque;  iam  quod  quae  rerum  proponit  Vero- 
nensis, ex  interpolatione  quarto  saeculo  antiquiore,  sed  eo  tempore 
sedis  adhuc  incertae  particulam  que  originem  traxisse  declarat  neque 
aliud  patitur  oppositorum  ratio. 

III  64,  9  p.  39,  20  tribuni  modo  ut  relinquerentur.  Dukeri  haec 
emendatio  pro  eo  quod  traditur  tribunis  confirmatur  Veronensi  etsi 
hoc  versu  obscurato. 


<')  [a.  a.  0.  102. 


T.  Livii  ab  ürbe  condita  lib.  III— VI.  133 

III  64,  10  p.  39,  26  recitabatque  rogationis  Carmen,  in  quo:  si  trüntr 
nos  plehis  X  rogabo.  si  qui  vos  minus  Jiodie  X  tribunos  plebis  fecerifis, 
tum  uti  quos  hi  sibi  coUegas  cooptassint,  legitimi  eadem  lege  tribuni 
plebis  sint,  ut  Uli  quos  hodie  tribunos  plebis  feceritis.  Sic  fere  haec 
videtur  constituenda  esse.  Post  in  quo  inseniit  Madvigius  esset  idque 
verum  est  aegre  desiderari;  at  coniunctionem  si  quae  sequitur  sustulit 
non  recte.  cum  nuda  positio  'tribunos  .  .  rogabo'  a  sermone  legitime 
abhorreat,  duplex  autem  eiusmodi  condicio  plane  ei  conveniat.  In  191 
mentem  venit  si  inquit  pro  in  quo  si.  Deinde  verba  »i  qui  vos 
minus  hodie  X  tribunos  fecerint  iis  (sie  P,  fecerint  ii  ML),  in  Vero- 
nensi  recte  legi  non  potuerunt,  quamquam  feritis,  quod  unum  verum 
est,  reapse  in  eo  videtur  perscriptum  fuisse.  Sequentia  autem  duobus 
locis  ope  eins  libri  emendantur,  primum  inserto  vocabulo  hi,  deinde 
sublatis  vocabulis  ut  Uli  in  vulgatis  libris  male  repetitis  ante  legitimi; 
nam  afuisse  ea  a  Veronensi  spatii  rationes  demonstrant.*) 

m  65,  4  p,  39,  57  ut  qui  plebem  R.  tribunos  pl.  rogaret,  is  adeo  192 
rogaret,  dum  X  tribtmos  pl.  faceret.  In  libris  praeter  Yeronensem 
quod  legitur  usque  eo**)  pro  adeo,  fortasse  interpolatum  est,  cum 
adeo  hac  significatione  praeterea  non  inveniatur  nisi  in  antiqua 
locutione  'adeo  rem  rediisse',***)  videatur  autem  hisce  verbis  utpote 
desumptis  ex  antiquissima  lege  obsoletae  significationis  vocabulum 
recte  convenire. 

III  65,  5  p.  40,  6  contentiones  Veronensis  cum  edd.,  contiones 
ceteri. 

in  65,  6  p.  40,  18  urbano  quoque  otio  foris  omnia  tranquilla  esse. 
Sic  Codices  vulgares.  Contra  Madvigius  emend.  p.  85:  'debebat  dici 
urbano  otio  foris  quoque  nee  ulla  est  mutati  ordinis  excusatio\ 
Similiter,  nempe  urbano  otio  foris,  liber  Veronensis  habet,  nisi  quod 
particulam  non  transponi  iubet,  sed  deleri.f) 

in  66,  2  p.  41,  12  sed  imminebat  utrumque  iam,  nee  ultra  discordia 
invium  reprimi  poterat  Yeronensis ;  rion  pro  nee  Nicomachiani ;  utrum 
verum  sit,  videndum.fl) 


*)  [Es  folgt  die  ausführliche  Behandlung  der  Stelle  III  65  novi  tribuni  — 
cooptavere.    Da  Mommsen  seine  Interpretation  selbst  widerrufen  hat  (^Staatsrecht 
2'  S.  277,  1),  so  ist  dieser  Abschnitt  hier  weggelassen  worden.] 
**)  [Einige  Hss.  bloß  usque,  andere  uso  eo.] 
***)  [Vgl.  Thes.  1.  1.  I  Sp.  605,  60  f.] 

t)  [Der  V.  hat  in   der  Tat:   urban(o  otio  fojcis  quoque  om(nia  tra)nquiUa 
tise:  so  Ms,  Apographon.] 

tt)  [utrunique.     iam  non  uUra  die  neueren  Ausgaben.] 


b 


I 


134 


T.  Livii  ab  Urbe  condita  Hb.  III  —VI. 


in  67,  1  p.  42,  5  cum  piidore  summo  in  conspectum  vestrum  Pro- 
cessi Veronensis ;  in  contionem  vesfrani  recentiores.    Illud  praetulerim. 

TU  67,  5  p.  42,  37  si  in  vohis  Yeronensis  cum  edd.,  sin  vdbis 
ceteri. 

in  67,  6  p.  42,  50    discordia    ordinum   et   venenum   huius   urUs 

patrum  ac  plebis  certamina  Yeronensis  proponit  ut  coniecit  Madvigius 

em.  p.  86;  nam  est  pro  et  Nicomachiani.     At  in  iis  quae  sequuntur, 

5    :    nisi  erravi    ego,  Yeronensis    quoque    habet   ut  reliqui  sustulere  Uli 

aninios,  non  Ulis. 
193  III  67,  6  p.  42,  56  nos  pleheiorum  Yeronensis  cum  codd.  deteriori- 

bus,  hos  pleheiorum  Nicomachiani  incorrupti. 

in  67,  10  p.  43,  27  ecquando  unam  urhem  habere,  ecquando  com- 
munem  hanc  esse  patriam  licebitt  Sic  Nicomachiani;  at  prius  colon 
ecquando  unam  urhem  höhere  abest  a  Yeronensi  fortasse  recte. 

III  68,  7  p.  44,  47  sequetur  vos  necessitas  militandi  quam  fugitis 
Yeronensis  cum  edd.,  sequifur  Nicomachiani. 

lY  7,  3  p.  45,  14  C.  Curtius  cum  requiratur,  c.  curiatius  habent 
reliqui  libri,  c.  curatius  Yeronensis.  Haec  sine  dubio  antiqua  cor- 
ruptela  est,  illa  emendatio  grammatici  imperiti. 

lY  7,  11.  12  p.  46,  21  credo  quod  trihuni  militum  initio  anni  fuerimt, 
eo,  perinde  ac  totum  annum  in  imperio  fuerint,  suffectorum  iis  con- 
sidum  praetermissa  nomina.  Licinius  Macer  auctor  est  etiam  in 
foedere  Ardeatino  et  in  linteis  lihris  ad  Monetae  ea  inventa.  Sic 
fere  crediderim  constituendum  locum  graviter  corruptum;  Yeronensis 
quomodo  differat  ab  alterius  familiae  libris,  supra  proposuimus.*) 
Perinde  ac  magis  Livianum  esse  videtur  quam  perinde  ac  si  (cf. 
Hand.  Tursell.  4,  460);  illud  Yeronensis  hoc  loco  habet,  hoc  libri 
Vulgares. 

lY  8,  2  p.  46,  54  quae  (censura)  deinde  tanto  incremento  aucta 
est,  ut  morum  disciplinaeque  Bomanae  penes  eam  regimen,  senatum 
equitumque  centuriis  decoris  dedecorisque  discrimen  suh  dicione  eins 
Magistratur,  eins  puhlicorum   ius  privatorumque   locorum,    vectigalia 


*)  [Nämlich  der  cod.  V.  so  (die  |  bezeichnen  die  Zeilenschlüsse):  fuerint 
8u(f)\  fectijs  iis  conss.  praeter\missa  nomina  consulv  |  horum  Licinius  Macer  \  u.  s.  w., 
dann  ad  Monetea\  inventa;  die  übrigen  codd.:  fuerint,  snffectis  iis  consulihus 
praetermissa  nomina  consulum  hoi'um.  Licinius  Macem-  u.  s.  w.,  dann  ad  Monetae 
ea  inventa.  Die  Vermutung  Ms.  hat  Zingerle  in  den  Text  aufgenommen ;  Madvig, 
em.  Liv.*  S.  112  schlug  vor:  fuerint,  suffectos  iis  consules  praetennissos.  nomina 
consulum  horum  Licinius  Macer  auctor  est  ....  ad  Monetae  inventa.  Die  Über- 
lieferung bietet  eine  zwar  ungefüge,  darum  aber  nicht  unlivianische  Periodi- 
sierung.] 


T.  Livü  ab  Ürbe  condita  lib.  III— VI.  135 

2}optdi  Romani  stib  ntäu  atque  arhifrio  essent.  Tribus  bis  commatis 
apte  comprehenduntur  tres  partes  officii  censorii,  civium  recensus, 
senatus  equitumque  Romanonim  ordinatio,  vectigalium  locatio.  Recte 
igitur  ut  solet  Madvigius  emend.  p.  92  defendit  codicum  scripturam 
iam  Veronensi  quoque  libro  confinnatam  centuriis  pro  eo  quod  sub- 
«tituimt  pleriqne  recentiores  centuriae;  in  eo  opinor  erravit  quod 
pro  senatus  proposuit  in  senatuj^)  Kam  senatus  decoris  dedecorisque 
discrimen  cum  genetivo  duplici  per  se  offensionem  nullam  habet; 
deinde  vero  quod  auctor  a  genetivo.  nempe  priore,  ad  ablativum 
deflexit,  fecit  ratione;  nam  equites  simplieiter  nominare  non  potuit, 
cum  censoria  constitutio  non  ad  eos  in  Universum  pertineat,  sed  ad 
solos  centuriatos,  equitum  centuriarum  decoris  dedecorisque  discrimen 
dicere  noluit,  ne  triplicis  genetivi  cumulatione  oratio  obscuraretur. 
In  principio  tertii  commatis  addidi  eins  in  Yeronensi  libri  corruptum 
in  ?i<s,  in  reliquis  omissum  nee  tarnen  omittendum;  nam  ut  supra  194 
dixit  penes  eam  regimen,  sub  didone  eius  magistratus,  ita  hie  quo- 
que eius  .  .  .  sub  nutti  atque  €urhitrio  requiritur  nee  recte  procedunt 
extrema  nude  posita.  Accedit  quod  tertium  comma,  ne  qui  legit 
offendat,  ita  constituendum  erat,  ut  agi  hie  de  uno  tantum  negotio 
hcet  bifariam  expresso  statim  intellegeretur.  Nam  sua  vi  ac  potes- 
tate  ins  publicorum  privatorumque  locorum  censori  non  recte  tribuitur, 
sed  ita  ei  in  hos  ius  est,  ut  non  potest  non  esse  magistratui  vecti- 
galia  locorum  publicorum  ordinanti  et  propterea  fines  quoque  regenti 
quodammodo  inter  publicum  privatumque. 

IV  9,  12  p.  47,  6  duce  Aequo  Cluilio  editiones  recte ;  ciuilio  Vero- 
nensis,**)  ciuili  libri  vulgares.  Hie  quoque  apparet  in  illo  proponi 
antiquam  corruptelam,  in  his  grammatici  cuiusdam  infelicem  emen- 
dationem.  E  contrario  IT  10,  7  pro  Cluilio  duce  in  libris  vulgaribus 
est  ciuilio  duce,  in  Yeronensi  visimi  est  esse  ciuili  duce. 

rV  11,  7  p.  49,  58  qui  .  .  .  vexationes  .  .  .  remanendo  in  coloniä 
.  .  .  vitavermif.  Sic  Veronensis  omissis  verbis,  quae  ante  rematiendo 
inserunt  libri  vulgares,  coloni  adscripti;  quae  etsi  adhuc  in  suspicionem 
non  venerunt,  iam  admoniti  ab  antiquissimo  libro  omnino  eiciemus.***) 

IV  12,  9  p.  51,  12  qui  cum  .  .  .  nulluni  momentum  annonae  fecisset. 
Sic  editiones  accedente  iam  Veronensi  libro;  ut  ante  mdlum  addunt 
libri  vulgares.f)  .  ...iJi^     ridu 


I 


*)  [Madvig  emend.  ed.  2  S.  113  hält  daran  fest.] 
**)  [Sowie  der  cod.  C] 
***)  [Die  neueren  Herausgeber  belassen  sie  im  Text.] 
t)  [Zingerle  nunum  ohne  Variante.] 


136  T.  Livii  ab  Urbe  condita  Hb.  III — VI. 

IV  12,  10  p.  51,  16  quod  nunc  legitur  profiteri  cogendo  frumentum 
et  vendere,  quod  usui  menstruo  superesset  etsi  offensionem  nullam 
habet,  tarnen  quod  est  in  Veronensi  ut  venderet  erunt  fortasse  qui 
ita  tueantur,  ut  primitiva  lectio  fuerit  ut  venderent,  corrupta  in 
Veronensi  libro,  coniectura  emendata  in  Nicomachianis.  Kam  quam- 
quam  homines  publice  cogendi  erant  non  tantum  ad  professionem, 
sed  multo  magis  ad  venditionem ,  causativam  particulam  recte  ita 
accipiemus,  ut  sub  hoc  modo  professiones  fieri  iuberentur. 

IV  13,  4  p.  51,  52  Jiatid  dvhium  consulatum  plebe  ei  favore  ac  spe 
(sipe  Veron.^  despondente  ipse  .  .  .  ad  altiora  et  non  concessa  tendere 
et,  quoniam  consulatus  quoque  eripiendus  invitis  patrihus  esset,  de  regno 
agitare.  Sic  fortasse  verba  haec  scribenda  sunt  ita  tradita,  ut  pro 
plebe  ei  Veronensis  det  pleheio,  Leidensis  ei,  omittant  ea  Mediceus 
Parisinusque ,  deinde  despondente  sit  in  Veronensi,  despondentem  in 
195  reliquis.  Nam  hoc  qui  retinent  videant  ne  ipse  quod  sequitur  non 
habeat  cui  satis  respondeat,  cum  lectione  ad  Veronensem  forraata 
recte  opponantur  consulatus  et  regnum.  Ceterum  qui  hoc  probabit, 
hunc  locum  addat  necesse  est  iis,  ubi  deterius  in  Universum  Nico- 
machianorum  librorum  genus  meliori  praestat. 

IV  13,  4  p.  52,  3  id  unum  dignum  tanto  apparatu  consiliorum  et 
certamine  quod  ingens  exsndandum  esset  praemium  fore.  Sic  Vero- 
nensis stabiliens  coniecturam  a  philologis  bominibus,  qui  quidem  sani 
iudicii  essent,  dudum  receptam,  nam  libri  vulgares  scribunt  certoy 
minum. 

IV  13,  8  p.  52,  34  rem  conpertam  ad  senatum  defert  Veronensis 
optime,  cum  Nicomachiani  legant  refert.  Illam  lectionem  postquam 
idoneum  auctorem  nacta  est  non  erit  opinor  quin  probet.  Praeivit 
Madvigius  apud  Ussingium  p.  XXII:  'probabiliter  editio  Curionis 
deferf. 

IV  13,  12  p.  53,  21  se  dictatorem  L.  Quinctium  dicturum:  animum 
parem  tantae  potestati  esse.  Ante  animum  quod  inserunt  libri  reliqui 
ihi  abest  a  Veronensi,  recte  fortasse.*) 

IV  1 4,  6  p.  54, 27  haec  eum  vociferantem  adsecutus  Ähala  Servilius 
öbtruncat  respersusque  cruore  .  .  .  dictatori  renuntiat.  Quod  addunt 
libri  Nicomachiani  ohtruncati  post  cruore,  eleganter  Veronensis 
omittit.**) 


*)  [Im  Apographum  bezeichnet  Mommsen  die  beiden  letzten  Buchstaben 
von  dicturum  als  unsicher.] 

**)  [Die  Herausgeber  behalten  es  bei.] 


T.  Livii  ab  Urbe  condita  Hb.  III— VI.  137 

IV  17,1  p.  55,  u  Fidenae  .  .  .  ad  Lartem  Tolumnium  Veieniium 
regetn  defecere.  Quod  post  regem  addunt  Nicomachiani  ac  Veientes, 
eo  libenter  carebimus.*; 

lY  17,  2  p.  55,  20  Inter  legatos  a  Fidenatibus  interfectos  qui 
nominatur  Spuritis  Nautius  Plinio  h.  n.  34,  6,  23,  apud  Ciceronem 
(Philipp.  9,  2,  5)  dicitur  Sp.  Antitis  (et  spuraniio  Vat.y  itemque  apud 
Livium  hoc  loco  testibus  Nicomachianis.  At  quod  in  Veronensi  legitur 
Spuantium  .  .  .  inter fecerunt ,  cum  eiusmodi  codicis  librarium  vix 
credibile  sit  Spurii  praenomen  tribus  primis  litteris  expressisse  per- 
verse, haud  scio  an  ducat  ad  ipsam  nominis  fonnam  Plinianam,  ut 
metathesi  elementonim  Laniitis  evaserit  qui  esse  debebat  yautius. 
Gerte  veram  esse  iliam  constat  non  tarn  quod  Xautionim  gens  clarior 
longe  et  vetustior  est  Antia,  quam  quod  Spurii  praenomen  proprium 
est  Nautiorum.  Qui  autem  factum  sit,  ut  similis  corruptela  insederit 
tam  in  Livii  recensione  Mcomachiana  quam  in  Ciceronianis  libris 
quos  habemus,  num  liceat  cogitare  de  interpolatione  scholastica  in 
utrumque  scriptorem  pariter  grassata,  definient  qui  aliquando  data 
opera  de  ea  re  quaerent. 

IT  17,  3  p.  55,  24  levant  regis  facinus.     Recte    opinor    omittit  196 
Yeronensis  quod  ante  regis  collocant  reliqui  Codices  quidam;  neque 
enim    diversas    relationes    hie    referre    videtur    Livius,    sed    causam 
facinoris  ab  auctore  relatam  reicere  aliam  ex  coniectura  substituens 
probabiliorem.**) 

lY  21,6  p.  57,26  ut  non  modo  praedandi  catisa  quisqttam  ex 
agro  Romano  exiret.  Negationem  ante  exiret  repetitam  in  libris 
vulgaribus  omittit  Yeronensis  probantibus  Madvigio  et  Ussingio  (cf. 
ed.  eorum  vol.  I  p.  XXII  vol.  11  p.  lY). 

lY  21,  7  p.  57,  30  qtii  se  primo  aut  morUihus  atU  muris  tenuerarU. 
Quod  post  primo  plus  habent  libri  praeter  Yeronensem  omnes  aut 
oppido,  id  delendum  esse  iam  fere  consentiunt  viri  docti,  postquam 
abesse  a  Yeronensi  Zumptius  indicavit ;  antea  ex  coniectura  sustulerat 
Madvigius. 

lY  23,  3  p.  59,  11  Licinio  libros  .  .  .  sequi  linteos  placuit:  Tubero 
iiicertus  veri  est.  Sic  Yeronensis;  placet  et  tubero  libri  Mcomachiani; 
placet  Tubero  hodie  legitur  ex  emendatione  MuretL  In  iis  quae 
Bcquimtur:  sed  inter  cetera  vettistate  conperfa  hoc  quoque  in  incerto 
Position  cum  iam  Yeronensis  cum  Mediceo  consensus  patefecerit  ab 

*)  [ad  Lartem  Tolumnium  ac  Veientes  H.  J.  MüUer.] 

**)  [Die  Herausgeber  belassen  quidam  im  Text;  in  V.  schließt  mit  levant 
di.i  Zeile.] 


138  T.  Livii  ab  Urbe  condita  lib.  III— VI. 

hac  lectione  proficiscendum  esse,  incomperta  autem,  quod  habent 
Nicomachiani  reliqui,  venire  ab  emendatore,  haud  scio  an  scribendum 
sit  emendatione  et  faciliore  et  ni  fallor  elegantiore  vetustate 
cooperta.*) 

IV  24,  7  p.  60,  34  deposito  suo  magistratu,  inposito  fine  alteri  cum 
gratulatione  ac  favore  ingenti  populi  domum  est  reductus.  Sic  optime 
Veronensis  eiectis  verbis,  quae  post  magistratu  reliquis  libris  inhae- 
serunt  modo  aliorum  magistratui,  confirmans  emendationem  Mad- 
vigianam,  nisi  quod  iam  intellegitur  non  posterius,  ut  voluit  Mad- 
vigius,  comma  delendum  esse,  sed  prius. 

IV  25,  1  p.  61,  3  trihuni  plebi  adsiduis  contentionibus  prohibendo 
consularia  comitia,  cum  res  prope  ad  interregnum  perducta  esset,  evicere. 
Ubi  contentionibus  in  Veronensi,**)  contionibus  legitur  in  reliquis; 
illud  praetulerim,  cum  tribuni  plebis  ubi  praeterea  comitia  impediunt, 
non  soleant  id  facere  per  circuitum  contione  advocata,  sed  directo 
per  intercessionem. 

IV    25,4  p.  61,  28    famem    quoque    ex   pestilentia,    morbo 
inplicitis  cultoribus  agrorum,  timentes  in  Etruriam  ....  frumenti 
causa  misere.     Quae  diductis   litteris  expressimus  omissa   in  reliquis 
libris  nunc  demum  supplentur  ex  Veronensi. 
197  IV  26,  2  p.  62,  56  Poenos  dictos  fuisse  Quinctios  Cincinnatos,  non 

Pennos  iam  efficitur  ex  codice  Veronensi,***)  in  quo  talia  permutari 
non  solent.  Confirmant  idem  plerisque  locis  reliqui  libri  Liviani  in 
geuere  secundo  optimi,  item  laterculi  fastorum  locis  longo  plerisque 
(cf.  C.  I.  L.  I  p.  496  [1102]  ad  a.  323;  p.  498.  499  [HO.  HP]  ad 
a.  326;  p.  510.  511  [126.  127^]  ad  a.  403),  cum  in  Capitolinis  fastis 
cognomen  integrum  nusquam  supersit.  Neque  impediunt  lunii  Penni 
quamquam  per  se  satis  certi,  quominus  fuerint  Quinctii  Poeni. 

IV  26,  5  p.  63,  14  senatui  dictatorem  dici  placuit,  quia  etsi  saepe 
victi  populi  maiore  tarnen  conatu  quam  alias  umquam  rebellarant. 
Hoc  quod  proposuit  Sigonius  pro  tradita  lectione  rebellarent  confirmat 
liber  palimpsestus. 

IV  26,  12  p.  64,  20  dilectus  simul  edicitur  et  iusiitium  neque  aliud 
tota  urbe  agi  quam  bellum  apparari,  cognitio  vaeantium  militiae 
munere  post  bellum  differri.  Sic  Veronensis,  addens  dilectus  vocabulum, 
quod  ex  reliquis  excidit  propter  id  quod  praecedit  dictus,  et  differri 
Bubstituens  pro  eo  quod  ibi  est  differtur. 


*)  [Von  den  Herausgebern  aufgenommen.] 
**)  [Sowie  im  cod.  C] 
***)  [Poeno  auch  in  cod.  C] 


T.  Livii  ab  Urbe  condita  lib.  III— VI.  139 

IV  33, 10  p.  65,  14  et  equitem  passim  .  .  .  distulissent  equi.  Coniec- 
turam  Gronovii  (nam  libri  vulgares  dispulissent)  confinnat  Yeronensis. 

IV  34,  4  p.  66,  2  singuUs  captivis  ah  equite  ac  centurione  sorte 
dttctis.  Sic  scribi  iussit  Madvigius  pro  eo  quod  traditum  est  in 
libris  Nicomachianis  ab  equite  ad  centurionem.  Veronensis  paulo 
propius  abest  a  vera  lectione  legens  ah  equi[te  ad]  centurionis; 
neque  enim  dubium  est  ab  s  vocabuli  proxime  sequentis  male 
geminato  errorem  orsum  deinde  eo  crevisse,  quod  eraendator  pluralem 
centuriones  ad  praecedentem  singularem  reformarit. 

IV  34,  5  p.  66,  12  ipse  deinde  abdicavit  Veronensis,  abdicat  reliqui; 
illud  commendat  quod  praecedit  exerdtum  Rotnam  reduxit. 

IV  54,  3  p.  69,  1  C.  Appius  quaestor  plebeius  tertio  loco  creatus 
dicitur  in  Veronensi,  P.  Pipius  in  Mcomachianis  libris,  unde  P. 
Pupitis  legitur  vulgo.  In  re  ineerta  illa  lectio  retinenda  erit,  cum 
Appiam  gentem  nisi  aetate  liberae  rei  publicae,  certe  saeculo  p.  Chr. 
primo  constet  fuisse  inter  senatorias. 

IV  54,  4  p.  69,  9  hi  male  intrusum  post  creatos,  deletum  autem 
in  editione  Frobeniana  recte  omittit  Veronensis. 

IV  54,  5  p.  69,  14   si  ne  in  quaestoriis  quidem  comitiis  .  .  .  satis 
animi  populo  esset  ad  id  quod  tarn  diu  veUet.     Sic  Veronensis;  in  198 
«mittunt  scribuntque  vellent  reliqui. 

IV  55,  3  p.  70,  21  tini  contionihus  data  nunc  retinenda,  nunc  con- 
cienda  plehs.  In  vulgaribus  est  detinendn,  in  Veronensi  deretinendn; 
yidetur  antiqua  dittographia  a  diasceuasta  non  recte  emendata. 

IV  56,  5  p.  71,  46  eorum  legatos  utriusque  gentis  populos  circuisse 
castiganfes  ignaviam.  Sic  Veronensis  cum  editione  Frobeniana 
expulsa  particula  que^  quae  post  castigantes  reliquis  libris  insidet. 

IV  56,  6  p.  71,  58  nee  ipsos  modo  Romanos  sua  divisui  höhere, 
sed  Ferentimwi  etiam  de  se  captum  Hernicis  donasse.  Quod  commen- 
davit  exemplis  allatis  lo.  Fr.  Gronovius  divisui^  ei  ita  patrocinatur 
über  antiquissimus,  ut  eins  loco  proponat  diuis,  unde  divisa,  quod 
tenent  reliqui,  effectum  videri  potest  emendatione. 

r\^  56,  12  p.  72, 36  si  quando  promiscui  honores  communicata  re 
publica  essent  videtur  scribendum  esse,  cum  rep.  esset  sit  in  Veronensi 
Leidensique,  resp.  esset  in  Florentino  Parisinoque. 

rV  56,  13  p.  72,  42  interim  patricii  soluti  legum  magistratuumque 
vi  atque  verecundia  per  se  potestatemque  tribuniciam  agerent.  Sic  iam 
haec  leguntur  legebanturve  in  Veronensi,  ex  quo  accedimt  nunc 
demum  verba  vi  a[fqtie]  apte,  cum  vis  propria  sit  legum,  verecundia 
niagistratuum.    Deinde  quod  in  eo  legitur  potestatetn  quae  tribuniciam^ 


140  T.  Livü  ab  Urbe  condita  Hb.  III— VI. 

cum  in  reliquis  libris  sit  quoque  trihuniciam  potestatem,  praeclaram 
huius  loci  interpretationem  Madvigianam  confirmat. 

IV  58,  4  p.  74, 60  quia  summa  vi  restari  nuntiäbatur  scripserim,*) 
cum  in  Veronensi  sit  restari  nuntiahantur ,  in  reliquis  libris  restare 
nuntiabantur. 

IV  58,  13  p.  76,  1  quid  super  sanguinis,  quod  dari  pro  re  publica 
posset.  In  Veronensi  libro  quod  est  quod  vulgatae  lectioni  qui  videtur 
praestare. 

V  3, 2  p.  77,  55  si  umquam  dubitatum  est,  Quirites.  Sic  editores 
dudum  restituerunt,  cum  libri  pro  eo  quod  est  Quirites  alii  quis  aut 
quin  proponant,  alii  id  omittant.  In  Veronensi  quod  est  qui  non 
verum  est,   sed  antiqua  corruptela,  unde  errores  illi  manarunt. 

V  3,  7  p.  78 ,  34  Veronensis  non  habet  quod  reperitur  in  Mco- 
machianis  comma  nisi  forte  hoc  dicitis,  quod  apte  omitti  pauci  opinor 
negabunt.**) 

199  V  4,  1  p.  79, 9  hoc  consilium  collegarum  meorum,  quod  abducere 

infecta  re  a  Veis  exercitum  noluerunt.     Ubi  Veronensis  quod,  reliqui 
habent  quo. 

V  4,  2  p.  79,  22  si  mihi  ipsi  nihil  quod  dicerem  in  mentem  venire 
posset  Veronensis,  confirmans  iudicium  grammaticorum  eorum,  quorum 
in  crisi  huius  auctoris  ratio  haberi  debet,  librorum  alterius  ordinis 
ipse  pro  ipsi  nullo  modo  posse  defendi.***) 

V  4,  5  p.  79,  45  mdleste  antea  ferebat  miles  ....  gaudebat  inde 
....  gaudet  nunc  .  .  .  aequo  igitur  animo  patiatur  .  .  .  Ubi  inde  est 
in  Veronensi, f)  idem  proponunt  reliqui  libri;  sed  et  argutius  illud 
est,  cum  hoc  ipsum  demonstratum  eat  orator  molestiam  illam  causam 
esse  gaudii  illius  ut  gaudium  hoc  molestiae  huius,  et  melius  sie  sibi 
respondent  quae  opponuntur.  Ibidem  quod  sequitur  ab  domo  ac  re 
familiari  .  . .  abesse  puto  item  praeferendum  lectioni  reliquorum 
librorum  ab  re  familiari,  nam  anastrophe  hoc  quidem  loco  rationem 
non  habet.  Denique  paulo  post  cum  legitur :  si  ad  calculos  etiam 
res  publica  vocet,  ubi  pro  etiam  in  ceteris  codicibus  eum  est,  oratio 
gravier  redditur  concinniorque. 

V  4,  8  p.  80,  9  sie  .  .  .  agere  debent,  qui  mercennario  milite 
utuntur:  nos  tamqtmm  cum  patria  agi  nobiscum  aequum  censemus. 
Sic  Veronensis,  cum  reliqui  libri  secundum  enuntiatum  ita  amplificent: 

*)  [Von  derl  Herausgebern  aufgenommen.] 
**)  [Das  voraufgehende  comma  schließt  mit  agitis.] 
***)  \vpsi  auch  cod.  U  saec.  X/XI.] 

t)  [Das  e  -wird  im  Apographon  als  unsicher  bezeichnet.] 


T.  Livii  ab  Urbe  condita  lib.  III— VI.  141 

fios  tatnquam  cum  civibus  agere  volumus  agique  tamquam  cum  patria 
nobiscum  aequum  censemtis.  Cum  propter  infinitivum  agi  diverso  loco 
positum  non  possit  cogitari  de  mera  omissione  librarii  incuria  com- 
missa,  magnopere  vereor,  ne  haec  lectio  interpolata  sit.  Nam  com- 
mendatur  Veronensis  eo,  quod  ne  in  opposito  quidem  enuntiato 
partitio  ulla  est;  denique  gravitas  orationis  non  augetur  repeätione 
si  quid  video  inani. 

V  5,  4  p.  81,  24  ülud  quod  j)roprie  ad  milites  pertinet,  quibus 
bani  tribuni  plebis  Stipendium  extorquere  voluerunt,  nunc  consuUum 
repente  volunt,  quäle  estt  Sic  optime  Yeronensis  deleta  particula 
cum*)  inserta  in  secundi  ordinis  libri  ante  Stipendium^  a  Madvigio 
post  alios  mutata  in  tum.'^*)  Paulo  post  v.  29  in  Veronensi  est  Valium 
fossamque,  ingenfis  utramque  ran  ojjeris.  ubi  utnmique  rem  libri 
reliqui,  utrumque  deleto  substantivo  Madvigius  dubitans. 

V  5,  7  p.  81,  44  cum  tantum  laboris  exhaustum  sit  et  ad  finem 
iam  operis   tandem  perventum,    relinquendane   haec    censetis,    ut   ad 
aestatem  rursum  novus  de  integro  his  instituendis  exsudetur  labor,  an 
instare  ac  perseverare  defungique  cura  brevi?     Brevis  enim  et  quae  200 
sequuntur.     Sic  haec  videntur  esse  ordinanda  secundum  Yeronensem, 

in  quo  quam  quam  non  omnia  legi  potuerunt,  tamen  satis  constat 
nuniquam  fuisse  enuntiatum  quanto  est  minus  opera  tueri  facta,  quod 
in  reliquis  libris  post  labor  vocabulum  ita  inseritur,  ut  pro  an  detur 
et.  Deinde  brevi  ante  brevis  quod  proposuerunt  viri  docti  omissum 
in  ceteris  libris  non  adest  quidem  in  Yeronensi,  sed  videtur  requiri 
spatiis  V.  54,  Mox  quod  dudum  revocaverunt  viri  docti  uno  tenore 
pro  tradita  lectione  uno  tempore,  ei  calculum  iam  adicit  Veronensis. 
Contra  quod  sequitm*:  curne  ipsi  ....  lentiorem  spem  nostram  facimus'i 
admodum  dubium  est,  cum  non  soleant  particulae  istae  copulari, 
ut  tutius  subsistere  videamur  in  lectione  familiae  alterius  nee  ipsi. 

Y  6,  2  p.  82, 60  sicut  aestivas  aves  statim  autumno  tecia  ac  re- 
cessus  circumspicere  Yeronensis ;  reliqui  habent  recessum  minus  proprie, 
cum  recessus  ipsae  sint  latebrae. 

Y  6,  15  p.  84,  51  adeo  quidquid  tr.  pl.  loquitur  etsi  prodendae 
patriae  .  ...  est  adsuestis  audire  videtur  fuisse  in  Yeronensi  omisso 
qui  quod  inserunt  reliqui  libri  post  adsuestis,  mutatum  ab  aliis  in 
acqui,  ab  aliis  in  quieti;  sed  audire  nude  positum  sufficit.  Fieri  potest 
ut  qui  corruptum  sit  ex  Quirites  ut  supra  p.  77,  55  [Y  3,  2]. 

*)  [Nach  Zingerle  so  nur  eine  Hs.,  die  übrigen  eum.] 
**)  [Madvig,  em.  Liv.  *  S.  134,  1  'potest  abesse'.] 


142  T.  Livii  ab  Urbe  condita  Hb.  III— VI. 

V  7,  8  p.  86,  9  tum  vero  superfundenti  se  laetitiae  vix  temperatum 
est  Veronensis  omissa  post  uero  particula  iam. 

V  7,  n  p.  86,  32  certatim  patrihus  pleheique  manare  gaudio  lacri- 
mae.  Deinde  revocatis  in  curiam  patribus  senatus  consultum  factum 
est.  Sic  Veronensis,  cum  in  reliquis  pro  deinde  sit  donec;  at  lacrimas 
manasse,  donec  senatus  consultum  fieret,  indignum  est  scriptore  gravi 
neque  inepto. 

V  7,  13  p.  86,  50  tum  primum  equis  suis  merere  equites  coeperunt. 
Yera  haec  scriptura  in  reliquis  libris  obscurata,  dudum  vero  ex 
epitome  recuperata  in  Yeronensi  mansit  intacta. 

V  8,  3  p.  87,  19  minus  militum  periit,  quia  praeter  aegros  lixarum 
in  modum  omnes  negotidbantur.  Quae  verba  inserunt  post  omnes 
iibri  vulgares  per  agros  vicinasque  urhes,  ea  ab  Livio  aliena  esse 
iutellegitur  ex  Veronensi.*) 

V  8,  11  p.  88,  28  ne  opem  ab  inimico  videretur  petisse  Veronensis 
omisso  ante  opem  vocabulo  quam. 

V  24,  8  p.  90,  40  ceterum  partem  plebis,  partem  senatus  habitando 
201  destinabant  Veios  duasque  urbes  communi  re  publica  incoli  a  populo 

Romano  posse.  Sic  haec  constituenda  existimo,  cum  in  Veronensi 
repertum  sit  partim  plebs,  partim  senatus,  in  reliquis  libris  partem 
plebi,  partem  senatus;  quod  ipsum  posset  defendi,  si  liceret  plebi 
habere  pro  genetivo  (v.  supra  p.  168  [111]).  Deinde  habitando  destina- 
bant Veios  Veronensis,  destinabant  habitandos  Veios  ceteri.  Mox 
communi  re  Veronensis,  communes  rei  p.  reliqui.**) 

V  27,  u  p.  91,  44  fides  Romana,  iustitia  imperatoris  in  foro,  in 
curia  celebrantur.  Veronensis  in  curia  celebratur,  reliqui  et  curia 
celebrantur. 

V  28,  1  p.  92,  4  taciti  eius  verecundiam  non  fulit  senatus  Vero- 
nensis Gronovii  coniecturam  confirmans  Madvigio  probatam;  nam 
Iibri  reliqui  facite. 

V  31, 5  p.  93,  54  propter  famem  pestilentiamque  in  agro  Romano 
ex  siccitate  caloribus  nimiis  ortam.  Recte  opinor  pro  caloribusque 
vocabulo  Simplex  caloribus  substituit  Veronensis.***) 


*)  [Die   neueren   Herausgeber   halten    die  Worte   für   echt;    ebenso   im 
Folgenden  quam.] 

**)  [partim  plebi  partim  senatui  destinabant  habitandos  Veios  Rhenanus, 
partem  plebis  partem  senatus  destinabant  (ad)  habitandos  Veios  Weissenbom- 
Luterbacher.  —  communis  reipublicae  mit  einer  Hs.  saec.  XII  die  neueren 
Herausgeber.] 

***)  [In  V.  ist  CALOBIB  ■  geschrieben.] 


T.  Livii  ab  Urbe  condita  Hb.  III— VI.  143 

Y  31.  32  p.  93,  60.  94,  39.  04.  57  Salpitiates  qui  dici  solent  in 
editionibus,  in  Yeronensi  appellantur  p.  93,  eo  Sapienates^  p.  94,  s? 
Sa»pinates;  reliqvii   libri  habeant  sappinates,  scdpinates,  sdLppinates, 

$ai 

sal  sapphiates,  ut  appareat  in  archetypo  eonim  foisse  sappinates 
(cf.  p.  17S  [120]).  Itaque  restituenda  est  antiqua  forma  Sappinates^ 
quam  Nicomachiani  expulenint.  Tribus  tamen  Sappinia  Umbriae  (LIt. 
31.  2,  6,  33,  37,  1)  cum  Sappinatibus  bis  non  recte  componetur;  illam 
enim  satis  constat  fuisse  ad  fluvium  Sapini  prope  Sassinam  Gallis 
Boiis  conterminam,  cum  Sappinates  hi  quaerendi  sint  prope  Yolsi- 
nienses,  quibuscum  iunguntur. 

Y  31,  5  p,  94,  2  agros  incursavere  Yeronensis,  a^ros  Bomanos 
reliqui.*) 

Y  32,  2  p.  94,  87  Vohinienses  provincia  evenit  Yeronensis  (nisi 
quod  Volsienses  ibi  videtur  fuisse),  ut  restituit  Madvigius;  Vulsiniensis 
reliqui  libri.**) 

Y  32,  3  p.  94,  45  fusa  primo  concursu  acies:  in  fugam  versa  milia 

octo  armatorum in  deditionem  venerunt.    Yeronensis  in  fugam 

versa,  reliqui  in  fiigam^  unde  in  fuga  fecit  Madvigius^. 

Y  33,  3  p.  96,  8  ira  corruptae  uxoris  ab  Lucumone,   cui  tutor  202 
ipse  fuerat  Yeronensis  simplicius  quam  quod  est  in  reliquis  cui  tutor 

ts  fuerat  ipse. 

Y  39,  7  p.  97,  12  deinde  sub  occasum  solis,  quia  liaud  muHum 
diei  supererat,  ante  noctem  rati  invasuros  Yeronensis  expulso  ante 
invasuros  vocabulo  se,  quo  sententia  obscuratur. 

Y  39,  11  p.  97,  41  sacerdotesque  et  Vestales  sacra  publica  .... 
auferre  nee  ante  deseri  cuUum  dearum,  quam  non  superessent  qui 
colerent.  Cum  in  libris  vulgaribus  legatur  flaminem  sacerdotesque 
Vestales,  iure  Madvigius  monuit  pro  flaminem  expectari  flamines. 
lam  cum  sit  in  Yeronensi  flaminem  sacerdotesque  et  Vestales,  pate- 
factum  est  illud  vocabulum  eiciendum  esse  huic  loco  illatum  ex 
sequentibus.***)  Deinde  quod  est  in  Yeronensi  deortim,  non  eorum, 
gravitatem  orationis  adauget. 

*)  [Gegen  V.  die  neueren  Herausgeber.] 
**)  [Volscinienses  cod.  C] 

1)  Quamquam  ad  Veronensem  id  non  pertinet,  tamen  licebit  monere 
c.  33,  s  male  neglegi  traditam  lectionem  accitis  domiim  tribulibm  clientibtis,  quae 
migna  pars  plebis  erat  inserta  post  tribtiUlnis  copula.  jSam  clientium,  nempe 
liljertinomm  et  inde  oriundorum,  hac  quidem  aetate  tribus  ea  ipsa  fuerit 
ntcesse  est,  in  qua  censeretur  patronus,  et  ut  Ap.  Claudium  narrant  cum 
clientibus  considentem  in  agro  Romano  Claudiam  tribum  constituisse,  ita  hie 
quoque  clientes  Furiae  domus  iidem  sunt  tribules  nee  recte  bis  opponuntur. 
***)  [Von  Madvig  a.  a.  0.  S.  147  gebilligt.] 


j^44  T.  Livii  ab  Urbe  coudita  Hb,  III— VI. 

Y  39,  12  p.  97,  53  si  arx  ....  super fuisset,  facilem  iacturam  esse 
seniorum  .  .  .  turhae.  Quod  num  praeferendum  sit  vulgatae  lectioni 
superfuerit,  videant  grammatici.*) 

Y  40,  8  p.  99,  16  cetera  inter  eos  onere  partito  feruntur  via  quae 
cet.  Sic  libri,  nisi  quod  quod  pro  eos  Yeronensis  es,  reliqui  se; 
editiones  hoc  retinentes  feruntur  mutarunt  in  ferunt.  Patet  hoc 
loco  vetustam  corruptelam  servatam  esse  in  Yeronensi  imperfecte 
emendatam  in  diasceuasi  Nicomachiana.  Item  paulo  post  [§  9]  recte 
opinor  de  plehe  homo  legitur  in  Veronensi  omisso  quod  addunt  alii 
Bomana. 

Y  40,  10  p.  99,  29  religiosum  rafus,  quod  restituit  Yaassenus  pro- 
bavitque  Weissenbomius ,  iam  tuetur  Yeronensis  liber,  nam  reliqui 
inreligiosum  Christiane  magis  quam  Latine. 

Y  4],  1  p.  99,  41  turba  seniorum  domos  regressi  adventum  hostium 
....  expectabat  Yeronensis,  regressa  ....  expectahat  reliqui,  quod 
facile  oriri  potuit  ex  emendatione. 

Y  41,  3  p.  99,  55  M.  Folio  pontifice  maximo  Yeronensis  adstipulante 
quadamtenus  Mediceo  libro,  in  quo  est  m.  fiUo;  contra  M.  Fäbio 
reliqui  omnes  adstipulante  Plutarcho  Camill.  21  e^r}yov fxevov  0aßiov 
Tov  oLQxieQeo)?.  Nullus  dubito,  quin  hoc  quoque  loco  gentis  patriciae, 
sed  parum  notae  Fosliae  sive  Foliae  nomen  male  abierit  in  vulgatum 
et  in  narratione  maxime  Gallicae  obsidionis  celebratum  Fabiorum, 
neque  ex  consensu  deteriorum  librorum  Livii  et  compilatoris  Graeci 

203  quicquam  efficitur  praeter  erroris  proclivitatem.     Intellegitur  opinor 
M.  Folius  tr.  mil.  a.  321.     Cf.  quae  dixi  röm.  Forsch.  1,  114. 

Y  43,  4  p.  101,  3  per  eos  ipsos  dies  Yeronensis,  quod  praeceperat 
Gronovius;  a  libris  reliquis  ab  est  eos. 

Y  44,  1  p.  101,  3  Ardeates  .  .  veter  es  amici,  novi  etiam  cives  mei, 
guando  et  vestrum  heneficium  ita  tulit  et  fortuna  hoc  egit  mea.  Id 
quod  est  hoc  egit  ferri  non  posse  intellexit  Madvigius,  commendans 
pro  80  coegit:  in  Yeronensi  tamen  nee  hoc  fuit  neque  illud,  sed 
verbum  aliquod,  cuius  ultima  syllaba  plena  esset  it,  puto  voluit.**) 

Y  44,  7  p.  102,  36  prima  vigilia  capite  arma  frequentesque  me 
sequimini  Yeronensis  probantibus  Zumptio  p.  29  et  Madvigio  in  ed. 
vol.  II  p.  lY;  que  abest  a  reliquis  non  recte,  nam  frequentia  aptius 
ad  sequendum  refertur  quam  ad  armandum. 

Y  45,  3  p.  103,  12  excursione  ab  oppidanis  facta  Yeronensis,  in- 
cursione  ab  oppidanis  in  palatos  facta  Mcomachiani ;  utrum  praeferas, 

*)  [super fuerit  die  neueren  Herausgeber.] 
**)  [eguit  Walker.] 


T.  Livii  ab  Urbe  condita  lib.  III— VI.  145 

ambigi  potest,   quamquam  illud  malim,  cum  incursionis  vocabulum 
mox  redeat  apud  Livium. 

Y  45, 4  p.  1 03,  45  plenique  praedae  Veios  etam  frraesidiumque, 
spem  idtimam  Romani  nominis,  in  animo  hdbuerint  opptignare.  Yero- 
nensis  et  cum  omittit  ante  spem,  verum  videtur  servasse;  nam  clarius 
ita  separantur  urbs  militesque  qui  oppugnarentur  ab  iis  quae  addit 
auctor  ad  eius  oppugnationis  momentum  declarandum. 

Y  46,  2  p.  104,  17  Gahino  cinctu  sacra  manibiis  gerens  Yeronensis 
ut  debuit  esse  ediditque  Madvigius;  cinctus  reliqui. 

Y  50,  2  p.  106,  36  senatiis  considtum  facii,  fana  omnia,  quoad  ea 
hosiis  possedisset,  resütuerentur  expiarenturque.  Sic  haec  videntur 
constituenda.  Nam  quod  quamquam  habent  libri  omnes,  tamen  rei 
contrarium  est;  Capitolina  enim  fana  Galli  non  invaserunt.  Deinde 
terminarentur  quod  inserunt  secundi  ordinis  libri  post  restituerenfur, 
crediderim  referendum  inter  interpolationes  Nicomachianas;  nam 
proprie  terminatio  pertinet  ad  fani  institutionem  potius  quam  ad 
restitutionem.  et  ut  admittas  terminare  etiam  eum  qui  terminos 
oblitteratos  incendio  vel  vetustate  restituit,  tamen  einsmodi  terminos 
yix  crediderim  intra  pomerium  stetisse. 

Y  50,  5  p.  107,  5  in  nova  via  Aio  Locutio  legendum  esse  dudum 
iiitellectum  est,  cum  in  libris  ex  secundo  genere  optimis  uia  aio 
abierit  in  ia  uel  tin;  diversa  corruptela  Yeronensis  in  noua  uia  aut  204 
alio  loco.  Similiter  c.  52,  ii  pro  Aio  Locutio  libri  vulgares  legunt 
aUocutio  (Leid.)  vel  locutio  (Med.  Par.),  Yeronensis  autem  apatu- 
locutio. 

Y  50,  6  p.  107,  u  cum  quo  referri  oporteret  confusa  memoria 
esset  Yeronensis;  in  qtiae  (templa)  quod  habent  reliqui  pro  quo^ 
videtur  ortum  ex  interpretatione. 

Y  51,  3  p.  108,  12  cum  victorious  GaUis  ....  Capitolium  tamen 
atque  arcetn  diique  et  homines  Romani  tenuerini  et  Jiabif averint,  vie- 
tcribus  Romanis  .  .  .  arx  quoque  et  Capitolium  deseretur  et  plus 
vastitatis  huic  urhi  secunda  nostra  fortuna  faciet  et  quae  sequuntur. 
Supplet  Yeronensis  quam  recte  desideraverunt  viri  docti  et  copulam 
ante  habitaverint,  quod  vocabulum  qui  delent,  \'ideant  ne  aceurate 
opposita  sibi  pessumdent,  nempe  tenendi  deserendique  vocabula  et 
hubitandi  vastitatisque  faciendae. 

Y  52,  12  p.  109,  23  si  una  cum  GaUis  urbem  Romanam  relicturi 
fvimus,  si  non  voluntate  mansimus  in  Capitolio  .  .  .  sed  ab  hostihus 
mettc  retenti  sumus.  Quae  Yeronensis  libri  scriptura  magis  placet 
quam  quod  pro  sed  est  in  reliquis  s?,  nam  duo  enuntiata  extrema 
particulatim  sibi  respondent. 

KOIOCSEK,  SCHB.  TII.  10 


1 


146  T.  Livii  ab  ürbe  condita  Hb.  III— VI. 

V  52,  13  p.  109, 33  una  illa  sedes  est,  ex  qua  eas  nihil  umquam 
praetcrquam  urhs  capta  movit.  Lectioni  huic  deteriorum  librorum 
nunc  suffragatur  antiquissimus  omnium :  pro  eos  Leidensis  similesque 
habent  fas^  omittunt  id  Mediceus  et  Parisinus. 

V  53,  3  p.  110,  31  etiamsi  tum  migrandum  fuisset  incolumi  urhe, 
nunc  has  ruinas  relinquendas  non  censerem.  Libri  praeter  Veronensem 
incolumi  tota  urhe:  at  in  eiusmodi  admonitione  excipere  arcem  urbis 
non  exustam  interpolatoris  magis  est  quam  Livii. 

V  55,  1  p.  111,  1  movisse  Camillus  .  .  .  oratione  .  .  .  dicitur 
Veronensis  omisso  vocabulo  eos,  quod  inventum  in  libris  aliis  post 
movisse  non  habere,  quo  recte  referatur,  dudum  Madvigius  monuerat. 
Delevit  Weissenbornius  ex  auctoritate  libri  Yeronensis  eodemque 
iam  inclinat  Madvigius  (cf.  ed.  vol.  II  p.  lY  [,  em.  Liv.  ^  S.  153]). 

VI  1,8  p.  113,  32  is  tribunos  militum  proconsulari  potestate  creat 
cum  et  in  Veronensi  sit  et  in  Leidensi,  ab  auctoritate  magis  defenditur 
quam  quod  est  in  Mediceo  Parisinoque  consulari potestate  emendationem 
referens.  Proprio  magis  consularem  potestatem  tribunis  tribui  quam 
205  proconsularem  etsi  nemo  ignorat,  tarnen  hoc  nee  re  falsum  est  neque 
alienum  ab  sermone  Liviano  (cf.  V,  2,  9,  item  lY,  7,  7  41, 10). 

VI  1,  10  p.  113,  44  foedera  ac  leges  ....  conquiri  quae  non  com- 
parerent  iusserunt.  Sic  Veronensis  simplicius  certe  quam  quod  pro- 
ponunt  editiones  quae  comparerent  factum  ex  lectione  librorum 
Nicomachianorum  quae  compararent. 

VI  2, 6.  7  p.  114,  58  iustitio  indicto  dilectum  iuniorum  habuit,  ita 

ut  senior  es  quoque centuriaret,    et  exercitum   ....    trifariam 

divisit.     Copulam  supplevit  Veronensis. 

VI  2,  14  p.  116,  7  Victor  ex  Volscis  in  Aequos  transiit.  Quod 
addunt  libri  praeter  Veronensem  et  ipsos  bellum  molientes  haud  scio 
an  adiecerit  corrector,  offensus  eo  quod  antea  Livius  locutus  est  de 
motu  solorum  Volscorum.*) 

VI  3,  8  p.  117,  29  ni  praecones  .  .  .  parci  inermibus  iussissent  nee 
praeter  armatos  quemquam  violari.  Inermibus  Veronensis,  inermi 
reliqui. 

VI  6,  7  p.  119,  20  sibi  destinatum  id  animo  esse,  quod  videtur 
esse  in  Veronensi,  Liviano  sermoni  convenit  (cf.  IX,  16,  19.  XXVIII 
24,  3);  destinatum  in  animo  esse,  quod  habent  reliqui,  num  ferri 
possit  dubito.**) 


*)  [Die  neueren  Herausgeber  belassen  die  Worte  im  Text.] 
**)  [Vgl.  E.  Wölfflin  im  krit.  Anh.  zu  XXI  44,  9  seiner  erklärenden  Aus- 
gabe, 4.  Aufl.,  Leipz.  1891.] 


T.  Livii  ab  Urbe  condita  lib.  III— VI.  147 

YI  6,  8  p.  119,  37  tarn  honoratorum  coUegarum  ohsequio.  Lectio 
haec  hodie  recepta  vera  videtur,  cum  in  Veronensi  sit  honorato,  in 
reliquis  bonis  libris  hon&rafum*) 

VI  6,  13  p.  120,  3  te,  Q.  Sermli,  altero  exercitu  .  ...  ad  urbem 
castra  habere.  Ubi  ad  urbem  Yeronensis,  in  urbe  scribunt  reliqui, 
quod  quam  sit  molestum  vel  potius  ineptum,  per  se  quins  intellegit 
Sed  eiusmodi  mendum  quis  tollere  ausus  esset  sine  exemplo? 

YI  6,  u  p,  120,  20  quaeque  alia  belli  tempora  poscent  Yeronensis, 
sicut  scribi  iusserunt  Reizius  et  Madvigius;  beUi  alia  [atia  ML] 
reliqui  Codices.**) 


T.  Livii  ab  Urbe  condita  lib.  XCI 
quae  supersunt  in  codice   Vaticano   Palatino. 

Livianorum  annalium  libri  XCI  reliquias  servatas  in  codice  207 
Yaticano  Palatino  n.  24,  editas  autem  post  Paulum  lacobum  Bnms 
(fragmentum  ex  lib.  XCI  historianim  T.  Livi.  Hamburgi  1773.  fol.) 
et  Yitum  Mariam  Giovenazzium  (Romae  1 773.  rep.  cm*ante  Emestio 
eodem  anno  Lipsiae  8.)  codice  recognito  a  Niebuhrio  (M.  Tullii 
Ciceronis  orationum  pro  Fonteio  et  Rabirio  fragmenta  cet.  Romae 
IS20  p.  85 — 97)  cum  propter  summam  utriusque  libri  similitudinem 
huius  Yeronensiura  schedarum  exempli  non  inutilem  accessionem 
fore  intellexissem ,  petii  ab  amico  Romae  forte  degente  Paulo 
Kniegero  iure  consulto,  quem  eiusmodi  negotio  perficiendo  et  parem 
esse  noram  et  paratum,  ut  libnim  excuteret  tertium  exemplumque 
pararet  huiuscemodi  editioni  aptum.  Quod  ille  libenter  receptum 
impigre  perfecit,  non  medicamentorum  usu  adiutus,  a  quo  nescio 
quam  ob  causam  intercluduntur  plane  qui  Yaticanam  bibliothecam 
explorant,  sed  oculorum  acie  intenta  meisque  de  singulis  locis  quae- 
stionibus  et  temptamentis,  ut  solet  in  eiusmodi  negotio  divinatio 
lectionem  non  tam  subsequi  quam  praevertere.  Ita  quae  eruimus, 
hi-3  proponuntur  adiecta  lectione  priorum  ^  eatenus,  quatenus  utilitatem 

*)  \hoiwraio   entspricht    dem  Uvianischen  Sprachgebrauch,   vgl.   Madvig, 
a.  J.  0.  S.  155.] 

**)  [Es  folgen  auf  S.  206  'Emendanda  et  Addenda',  die,  soweit  sie  die  oben 
ab;»edruckten  Teile  betreffen,  dort  verwertet  sind,  dann  auf  S.  207  —  215  eine 
Ausgabe  des  großen  Fragments  des  91.  Buches ;  hiervon  sind  im  folgenden  nur 
die  Prolegomena  aufgenommen  worden,  die  Ausgabe  selbst  ist  von  Weissenbom 
und  H.  J.  Müller  (T.  Livii  libri,  XI*,  Berlin  1880,  S.  162 ff.)  verwertet  worden.] 

l)  H  est  editio  Hamburgensis,  B  Romana  Giovenazzii,  ^  Niebuhriana, 
K  coUatio  Kruegeriana. 

10* 


I 


J48  T.  Livii  ab  Urbe  condita  lib.  XCI. 

habere  visa  est,  scilicet  ut  quid  praestiterimus  hac  iterata  recognitione, 
facilius  et  certius  deprehendatur. 

Codicum  Palatini  et  Veronensis  summa  similitudo  cum  appareat, 
tarnen  non  ea  est,  ut  cogitare  possis  de  reliquiis  utrisque  ad  idem 
integri  corporis  Liviani  exemplum  revocandis.  Nam  differunt  inter 
alia  litterae  in  principio  eminentes  eo,  quod  in  Veronensi  singularum 
208  paginarum  prima  quaeque  littera  eminet,  in  Palatino  in  tribus  chartis 
ex  quattuor  tantummodo  prioris  paginae  littera  prima.  Deinde  in 
vocabulis  dirimendis  cum  in  Veronensi  deprehenderimus  ins\pexisse, 
ins\truxisse  (v.  p.  164  [108]),  in  Palatino  est  1,  55/6  ins\pectis,  2,  4/5 
in\struxit.  Orthographia  cum  in  Palatino  in  Universum  aut  eadem  sit 
aut  pauUo  emendatior,  tamen  semper  ibi  scribitur  Ponpeius  2,  56.  5». 
3,  17.  44.  Denique  etiam  formae  litterarum  differunt,  quae  in  Palatino 
quadrata  est  etiam  in  litteris  D  et  E  ^ ;  item  lineolae  quae  vices 
facit  litterae  M  vel  N  punctum  suppositum  etsi  non  expressimus  nisi 
ubi  vel  hodie  certo  apparet,  tamen  olim  ubivis  (excepto  uno  loco  2,  13) 
fuisse  videri  Kruegerus  adnotavit.  Simile  punctum  cernitur  etiam  in 
Gaio  Yeronensi  et  in  digestis  Florentinis. 

1)  Specimina  quae  dicuntur  scripturae  Livianae  adiecta  in  editionibus 
Romana  a.  1773  et  inde  repetita  Lipsiensi  cum  a  Livianis  intellexissem  aliena 
esse,  interrogatus  de  ea  re  Kruegerus  rescripsit  pertinere  ad  scripturam  posteriorem 
codicis  ita,  ut  ordo  is  qui  incipit  cumas  legatur  f.  78',  alter  incipiens  addec 
f.  75'.  Haec  igitur  addent  qui  volent  collectaneis  de  incredibilibus  philologorum. 
—  Contra  Niebuhrianum  scriptm-ae  speeimen  in  Universum  probum  est  et  fidum. 


XVI. 

Analecta  Liviana 

Ediderunt 

^,  Th.  Mommsen  et  G.  Studemund.*) 

I.    Codicum   Livii    quattuor  antiquissimorum 
exemplaria  photolithographica. 

I.  Quattuor  abhinc  annis  cum  in  actis  maioribus  Academiae  l 
Berolinensis  (a.  1668  p.  29— 216)  [s.  oben  S.  96  ff.]  annalium  Livia- 
norum  libri  III — YI  quae  in  codice  rescripto  Veronensi  supersunt 
fragmenta  a  me  descripta  ederem,  scripturae  specimen  nullum  addidi: 
illo  enim  tempore  eo  carebam  neque  donec  pararetur  librum  retinere 
volui.  lam  vero  postquam  optimi  viri  mihique  amicissimi  Caroli 
Giuliani  ecclesiae  cathedralis  A^eronensis  canonici  et  bibliothecarii 
saepe  ante  a  me  laudata  liberalitas  et  munificentia  intercedente 
Studemundio  hoc  quoque  mihi  concessit,  ut  exemplum  photographicmn 
paginae  codicis  eins  fieret,  id  supplementi  loco  cum  iis  communicare 
placuit,  quorum  haec  intersunt,  quam  quam  ductus  in  ipso  codice 
admodum  evanidi  in  hoc  exemplo  parum  apparent  Selegi  quae 
leguntur  in  codicis  folio  ut  nunc  numerantur  278  recto,  cui  adhaeret 
pars  folii  279  versi:  quae  folia  respondent  Livianis  in  eo  codice 
superstitibus  38.  39,  editionis  meae  p.  70.  71  continentque  quae  in 
editionibus  nostris  leguntur  1.  3  c.  64,  5  ad  c.  65,  4.  Tabulam  (I) 
inspicienti  ut  item  apographum  praesto  esset,  subiecimus  tres  ad 
quas  pervenit  scripturae  ordines;  medii  tarnen  latentis  sub  recenti 
scriptura  in  tabula  vestigia  nulla  fere  comparent  et  reliqua  quoque 
aegre  admodum  in  ea  leguntur.**) 

*)  [Lipsiae.   Apud  S.  Hirzel  1873.    Die  von  Stndemxmd  verfaßten  Abschnitte 
werden  hier  nicht  wiederholt.] 

**)  [Die  Facsimiles  dieser  und  der  bei  IL  111.  IV  genannten  Bss.  sowie 
das  im  Text  erwähnte  apographum  sind  hier  nicht  wieder  abgedruckt  worden, 
ebensowenig   die  bei  II  genannten  Subscriptionen.] 


150  Analecta  Liviana. 

3  Hac  occasione  oblata  visum  est  etiam  reliquorum  triiim  librorum 
Livianomm  qui  hodie  extant  litteris  quadratis  exarati  scripturam 
repraesentare,  scilicet  tertiae  decadis  libri  Parisini  5730  olim  Puteani, 
quintae  decadis  libri  Vindobonensis,  denique  libri  XCVII  palimpsesti 
Vaticani;  nam  palirapsestus  Taurinensis,  de  quo  in  hisce  Analectis 
exposuit  Studemundius ,  tarn  male  habitus  est,  ut  de  eiusmodi  imi- 
tatione  desperandum  sit.     De  singulis  tabulis  pauca  addam. 

11.  Puteani  libri  dedimus  locum  ex  libro  XXI  c.  21,  6 — 13. 
Addo  quae  Paulus  Kmeger,  quo  curam  agente  photographia  sumpta 
est,  simul  de  eius  libri  scripturae  proprietate  a  me  rogatus  adnotavit 
neque  m  et  n  litteras  lineola  repraesentari  neque  litteras  contignari 
nisi  in  versu  extreme,  item  in  syllabis  dividendis  scriptorem  eandem 
in  summa  re  legem  secutum  esse  de  qua  exposui  Veronensem 
enarrans:  exempli  causa  verba  sie  diremit:  fac\ta^  pac\tis^  profec\tus 
—  ag\mine  —  mag\no  —  cap\ta  —  his\paniam  —  ip\se,  sump\sit  — 
ades\tis^  Jios\ti,  ves\tra.  Idem  Kruegerus  observavit  singulis  libris 
emendatorem  subscripsisse  aut  recognohi  Ahellini  (1.  21.  24.  25)  aut 
recognohi  uhis  (1.  23)  aut  recognohi  uos  (1.  22)  aut  recognohi  (1.  26—30), 
quarum  subscriptionum  hie  subiecimus  quinque  priores  [....] 

Libri  XXIII  subscriptio  diversam  manum  prodit,  reliquae  ab  eadem 
sunt,  quae  item  passim  in  ipso  libro  cernitur.  Legit  illam  Hauptius 
sie:  recognohi  uhi  s(upra),  simile  quiddam  item  latere  opinatus  in 
subscriptione  libri  XXII. 

III.  Vindobonensis  libri  repraesentaviraus  et  eam  paginam, 
quae  complectitur  principium  1.  XLY,  et  voluminis  extremam.  Hanc 
cum  conferrem  cum  editionibus,  aliquot  eleraenta  in  ea  apparuerunt 
in  editionibus  aut  praetermissa  aut  non  recte  relata.  Sic  enim  ad 
ectypum  legi: 

4  ciRCÄURBen  .  xxxAUTAnpUusbiesi^ 
ReGNunesTPROFecTUSACTunquei^ 
äsiäB  e  llun////feR////////7///NeTG  AÜos 

IHblllllll 

TTfl  llül 

AtuRBeCONblTA 
iste  codex  est  theutberti  epi  de  dorostat. 

ITb  xTu  exp 

INC     liB  /////FellCITeR 


Analecta  Liviana.  151 

Plerique  qui  librum  contulenmt  cum  finiant  in  vocabulo  actum- 
qtie,  verba  in  Asia  bellum  agnovit  Kopitarius,  confirmantque  ea  et 
ectypum  et  amici  Conzius  et  Hartelius,  qui  mea  causa  codicem 
identidem  inspexerunt.  Post  hiatuni  tredecim  fere  litterarum ,  in 
quo  literarum  T  6  R  vestigia  quaedam  parum  certa  Conzius  agnovit, 

de  iis  quae  sequuntur  NeTGÄlloS  |  INÖ  mihi  ectypo  inspecto 
dubitatio     nulla    remansit,     amici     in    ipso    codice    legerunt    alter 

nONeTGAlloS  I  IN,  alter  URei  (vel  T)  //  loS  |  INÖ///. 
In  fine  quot  litterae  desint,  non  apparet,  sed  versus  qui  incipit  I N  b 
videtur  fuisse  huius  libri  extremus  cuiusque  pars  posterior  scripta 
non  esset.  Hartelio  tarnen  paenultimus  magis  fuisse  videtui*,  ut  qui 
sequebatur  totus  evanuerit.  —  Yidetur  igitur  Livius  librum  finivisse 
verbis  bis  fere :  acfumque  in  Asia  bellum  [in\ter  [Eumene]n  et  Gallos 
■'md[e  coepit].  Locutionis  bellum  agere  exempla  composuit  Nipperdeius 
spicil.  crit.  in  Nepotem  p.  69.  Ad  rem  quod  attinet,  de  origine 
belli  inter  Eumenen  regem  et  Galatas  gesti  Polybius  exposuit  ad 
Ol.  153,  1  =  a.  u.  c.  5S7,  quo  pertinent  ex  reliquiis  eius  1.  30,  l  —  3, 
ex  Livianis  45,  20,  1.  Idem  anno  sequente  Ol.  153,  2  =  a.  u.  c.  5SS 
postquam  de  regis  Prusiae  in  urbem  adventu  ea  rettulit,  quae 
respondent  Livianis  1.  45  extremi,  quamquam  hie  eum  adventum 
ad  annum  587  enarrat,  mox  (30,  20  [17],  12)  mentionem  i^ACit  [xeydXov 
V71Ö  rcbv  rakaxcöv  emxQsjuafievov  xivdvvov  t/;  ßaodeiq.  Bellum  autem 
illud  Eumenes  non  cum  Gallis  solis  gessit,  sed  quodammodo  etiam 
cum  rege  Prusia;  certe  a.  590  legati  Prusiae  regis  questi  sunt  de 
Eumene,  quod  fines  suos  popularetur  neque  Gallos  lacessere  desineret 
(Liv.  ep.  46;  Polyb.  31,  6),  itemque  a.  591  Gallos  adversus  Eumenen 
concitasse  dicitur  (Polyb.  31,  9).  simiUterque  a.  594  Prusiae  regis 
legati  cum  Gallis  Romam  veniunt  ad  accusandum  Eumenen  (Polyb.  5 
32,  3,  1.  c.  5,  5).  Anno  denique  603  Attalus  rex  Eumenis  successor 
palam  bellum  gerit  cum  rege  Prusia  (Polyb.  3,  5,  2).  Prusias  igitur, 
etsi  postea  demum  ipse  contra  Pergamenos  arma  movit,  Galatarum 
causam  ab  ipsa  inde  eorum  defectione  ita  amplexus  esfc,  ut  reditus 
eius  in  regnum  inter  proximas  causas  belli  Galatici  recte  omnino 
referatur  nee  sine  idonea  ratione  utrumque  Livius  coniunxerit. 

Praeterea  subscriptio  postea  adiecta  a  hbri  domino  adhuc  nee 
pleno  lecta  est  nee  recte.  Yahlenus  enim  inde  non  agnovit  nisi 
tixtrema  de  dorestaf.,  Endlicherus  (catal.  codd.  phil.  Lat.  bibl.  Pal. 
Yind.  p.  49  seq.)  quique  Madvigii  causa  librum  recognovit  sutberti 
(pi  de  dorostat;  unde  Endlicherus  collegit  scripsisse  haec  sanctum 
Buithbertum  monachonim  Scotorum  unum  ex  Hibernia  in  Germaniam 


^52  Analecta  Liviana. 

saeculo  YII  translatorum  christianaeque  fidei  apud  Frisios  primum 
apostolum,  quem  Dorostadii  per  biennium  praedicasse  vita  eius 
tradit.  At  eam  vitam  commenticiam  esse  constat  et  alia  quoque 
opponi  possent,  si  operae  pretium  esset  in  coniecturis  morari, 
quarum  fundamentum  nullum  est.  In  photographia  enim,  in  qua 
litterae  aetate  obscuratae  clarius  fortasse  quam  in  ipso  codice  cer- 
nuntur,  et  ego  vidi  videruntque  Jaffeus  et  Hauptius  scripta  esse 
litteris  saeculi  circiter  octavi  haec:  iste  codex  est  Theutherti  epi  de 
Dorostat.  De  ea  subscriptione  Jaffeus  mens  paucis  diebus  antequam 
litteris  amicisque  eriperetur  in  epistula,  quae  omnium  ab  eo  ad  me 
datarum  postrema  fuit,  monuit  Dorostati,  id  est  Wyk  hy  Duurstede 
ad  fluvium  Leck,  episcopum  nullo  tempore  sedem  habuisse  videri, 
at  Ultraiectum  in  diplomate  Caroli  magni  a.  777*)  appellari  'Traiectum 
vetus  subtus  Dorestado'  itaque  Theutbertum  illum  probabiliter  quae- 
rendum  esse  in  laterculo  episcoporum  Ultraiectinorum.  Reperiri 
autem  ibi  sub  finem  saeculi  YIII,  ab  a.  fere  785  ad  791,  episcopum 
dictum  Theodardum,  pro  quo  nomine  sibi  videri  restituendum  esse 
ex  codicis  subscriptione  Theutbertum.  Muellenhoffius  praeterea  ad- 
monuit  me  presbyteri  cuiusdam  scholae  Ultraiectinae  nomine  Thiatbrat 
saeculi  octavi  commemorati  apud  Altfridum  in  vita  S.  Liudgeri  c.  15 
(mon.  Germ.  2,  409).  Promiserat  Jaffeus  in  Analectis  bis,  quae  eo 
tempore  parabam,  de  universa  quaestione,  quam  subscriptio  codicis 
suscitat,  se  diligenter  disputaturum ;  sed  promissis  quominus  staret, 
infelix  fatum  prohibuit,  estoque  hoc  quoque  desiderium  inter  tot 
alia,  quae  carum  caput  illud  amicis  reliquit.**) 

IV.  Libri  denique  palimpsesti  Vaticani  Palatini  n.  24,  qui  annalis 
Liviani  XCI  partem  servavit  post  alios  a  me  editam  ad  calcem 
codicis  Veronensis  p.  207  seq.  [s.  o.  S.  147**],  adieci  exemplum 
photolithographicum  paginae  ex  quattuor  quae  supersunt  tertiae 
superioris  (p.  211  ed.  meae)  factum  ad  photographicum ,  quod  ut 
mea  causa  fieret,  eius  bibliothecae  praefecti  benigne  permiserunt.***) 

*)  [Mon.  Germ.,  Dipl.  Carol.  1,  164, 12.] 

**)  [Die  Subscription  ist  seitdem  genau  behandelt  worden  von  M.  Gitlbauer, 
De  codice  Liviano  vetustissimo  Vindobonensi,  Vindob.  1876,  S.  2—21,  und  von 
W.  van  Hooff  in  den  Analecta  Bollandiana  VI ,  Paris-Brüssel  1887,  S.  73— 76. 
Vgl.  auch  L.  Traube,  Paläograph.  Forsch.  IV,  München  1904,  S.  17.  Das  Problem 
ist  noch  nicht  endgültig  gelöst.] 

***)  [Es  folgt  S.  6-31:  II. 

De  Livii  palimpsesto  Taurinensi 
von  Studemund.] 


Analecta  Liviana.  153 

ni.    Codicum   octoginta  duorum  Livianorum 
decadis  tertiae  specimen. 

Postquam  Heerwagenus  edita  'commentatione  critica  de  T.  Livii  32 

26,  41,  IS — 44,  r  (Norimbergae  1S69.  4)  demonstravit  tertiae  decadis 
crisin  pendere  a  duobus  libris  auctoritatis  aut  paris  aut  supparis 
Puteano  et  Spirensi  confirmaruntque  eam  demonstrationem  et  Carolus 
Halmius  folio  uno  libri  deperditi  Spirensis  felici  casu  recuperato 
(v.  acta  minora  academiae  Monacensis  a.  1869  p.  580  —  5S4)  et 
GuÜelmus  Studemund  reliquiis  librorum  XXYII  et  XXIX  in  lucem 
prolatis  (supra  p.  6 — 31)  ex  codice  palimpsesto  Taurinensi  quibusdam 
locis  cum  Spirensi  contra  Puteanum  consentiente ,  operae  pretium 
Visum  est  reliquorum  eius  decadis  codicum  examine  instituto  peri- 
culum  facere,  quatenus  eorum  ope  libri  Spirensis  iactura  resarciri 
possit.  Xeque  enim  Spirensis  libri  notitia  tota  comprehenditur  folio 
illo  uno  hodie  adservato  in  bibliotheca  Monacensi,  quod  pervenit 
a  28,  39,  16  ita  videtur  ad  28,  41,  12  quid  perictdi,  iisque  quae  ex 
eo  enotavit  qui  post  renatas  litteras  unus  eum  adhibuit  Beatus 
Rhenanus  a  fine  libri  XXYI  ad  principium  1.  XXX  (plura  enim 
Rhenanus  certe  in  eo  non  repperit).  Immo  etiam  vulgati  libri 
quidam  ea  ipsa  additamenta  easque  ipsas  lectiones  exhibent,  quae 
Spirensi  propria  sunt,  restatque  indagandimi,  quinam  ii  libri  sint  et 
quaenam  eorum  cum  Spirensi  coniimctio,  a  qua  indagatione  nemo 
est  quin  videat  crisin  decadis  tertiae  iam  vel  maxime  pendere. 
Selegi  igitur  locos  duos  maiores,  27,  33,  5  P.  Sulpicius  —  c.  34,  14 
taliaque  argiienteni  et  28,  39,  16 — c.  41,  12  eum,  quem  ex  Spirensi  33 
modo  dixi  superesse,  item  minores  aliquot  26,  41,  18  —  26,  48,  7  — 

27.  20.  9  —  28.  13,  10  —  29,  6,  5  —  29,  28,  8  peculiaribus  Spirensis 
lectionibus  insignes,  eosque  ad  eos  Codices,  quorum  mihi  copia 
fieret,  recognovi.  Contuli  ipse  Berolinensem  n.  8  et  Lugdunensem 
n.  12;  contulerunt  mea  causa  Parisinos  (P  et  n.  1  —  7)  Carolus  Morel, 
Monacenses  (S  et  n.  9.  10)  et  Bambergensem  (n.  9)  Carolus  Halm, 
Xorimbergensem  (n.  11)  Henr.  Gul.  Heerwagen.  Guelferbytanos 
(n.  13.  14)  Otto  ab  Heinemann  bibliothecarius,  Dresdensem  (n.  15) 
Schnorr  a  Carolsfeld  item  bibliothecarius,  Yindobonenses  (n.  16 — 21) 
Gulielmus  Hartel,  Oxonienses  (n.  22  —  25)  Maximilianus  Mueller, 
Cantabrigiensem  (n.  26)  Henricus  Bradshaw,  Londinienses  (n.  27 — 33) 
Gulielmus  Wright.  Yenetos  (n.  34.  35)  Edmundus  Hedicke,  Floren- 
tiaos  (n,  36 — 51)  et  Senensem  (n.  52)  Aeneas  Piccolomini,  Neapoli- 
tanos    (n.  53.  54)    Gulielmus    Corssen,    Romanos    (n.  55 — 73)    alios 


154  Analecta  Liviana. 

Rud.  Scholl,  alios  lustus  Jeep,  Lipsiensem  (n.  74)  Rudolfus  Hirzel, 
Augustanum  (n.  75)  Fr.  Mezger,  Matritenses  (n.  76  —  81)  Aurelianus 
Ferdinandus  Guerra,  Sangaliensem  (n.  82)  Henricus  Reimer.  In 
bibliothecis  Taurinensi  Ambrosiana  Angelicana  aliisque  pluribus 
amici  de  ea  re  interrogati  huius  generis  Codices  extare  negaverunt. 
Ulis  viris  optimis  eruditisque,  qui  mea  causa  libros  inspexerunt,  et 
ego  ex  intimo  corde  gratias  ago  et  agent  opinor  quicumque  bis 
utentur;  nam  ut  hasce  copias  non  mihi  paravi,  sed  Liviani  operis 
recognitoribus  futuris,  ita  et  ipsae  non  tarn  meae  sunt  quam  ami- 
corum,  neque  aliam  praedicationem  eo  nomine  appeto  nisi  fortasse 
felicitatis,  quod  amici  mihi  sunt  tam  in  patria  quam  apud  exteros 
plurimi  et  praestantissimi. 

Yaria  lectio  haec  ad  orthographica  non  respicit  exceptis  duobus 
libris  primariis  Puteano  et  Spirensi.*) 


69  Haec    trado    iis,    qui    Livium    aliquando    ita    recognoscent,    ut 

recognoscatur  oportet  auctor  historiae  Romanae  inter  Latinos  longe 
Primarius,  sed  nihilominus  ut  ingenio  cum  aliorum  tum  Madvigii 
praeclare  expurgatus,  ita  in  decade  certe  tertia  adhuc  iusto  apparatu 
destitutus.  Erit  spero  inter  gnavos  adulescentes ,  qui  saepe  hodie 
quid  agant  pro  bono  communi  circumspiciunt  et  a  magistris  ex- 
quirunt,  qui  hoc  specimine  incitatus  ad  ipsum  negotium  sese  ac- 
cingat.**)  Equidem  opitulari  volui  crisi  Livianae,  non  in  ea  facienda, 
quae  meae  vires  sunt,  ipse  operam  collocare.  Nihilominus  pauca 
adiciam,  quo  quid  his  copiis  profectum  esse  videatur  aliquatenus 
certe  appareat. 

Medio  aevo  qui  Livii  decadem  tertiam  descripserunt,  pependerunt 
omnes  a  codicibus  duobus,  Puteano  et  Spirensi  ^,  quorum  ille  dudum 

*)  [Der  nun  folgende  'conspectus  librorum'  und  deren  varia  lectio  (S.  34 — 68) 
sind  hier  nicht  wieder  abgedruckt  worden.] 

**)  [Die  Aufgabe  löste,  Mommsens  hier  gegebenen  Anregungen  folgend, 
A.  Luchs,  Livi  libri  XXVI— XXX,  Berol.  1879.  Infolge  genauerer  Collation  der 
Hss.,  als  sie  Mommsen  zu  Gebote  stand,  sind  dort  zwei  Einzelheiten  corrigiert 
worden;  da  aber  nach  Luchs'  eignem  Zeugnis  p.  IUI  Mommsens  Scharfblick 
den  richtigen  Weg  gewiesen  hat,  so  schien  es  wünschenswert,  auch  die  folgende 
Darlegung  zum  Abdruck  zu  bringen.] 

1)  Sane  fieri  potest,  ut  quae  iam  indicabuntur  cum  Spirensi  conspirantia 
non  ex  ipso  venerint  omnia,  sed  ex  libro  aut  archetypo  eins  aut  gemello.  Sed 
pro  ea  quae  adhuc  est  librorum  Livianorum  notitia  hodie  otiosum  est  talibus 
immorari. 


Analecta  Liviana.  155 

ante  quam  hie  innotuit.  Discedunt  igitur  libri  reliqui  in  summa  re 
in  duo  genera,  descriptorum  ex  solo  Puteano  eiusve  exeraplaribus 
et  eorum.  qui  plus  minus  traxenmt  ex  Spirensi.  Illud  autem  genus 
ipsum  bipertitum  est  exemplarium  sincerorum  et  interpolatorum. 
Ad  illud  pertinent  libri  antiquissimi  quique,  imprimis  n.  66  Yati- 
canus  Reginae  n.  762  saec.  IX;  n.  9  =  Bambergensis  et  n.  36  Lau- 
rentianus  uterque  saec.  XI;  n.  1  =  Parisinus  saec.  Xu,  omnino 
quotquot  superant  saeculum  XIII.  Huius  tamquam  mala  nota  est 
insignis  interpolatio  loci  in  Puteano  hiantis  26,  41,  18,  quae  vocabulum 
arniaverat  expulit  et  futili  additamento  hiatum  celavit.  Haec  omnia 
missa  facimus:  neque  enim  utilitatem  uUam  habent  praeterquam 
quod  apographa  illa  antiquissima  eam  partem  Puteani  explent,  quae 
antiquis  descriptoribus  praesto  erat,  hodie  vero  desideratur.  Xobis 
videndum  est  de  Spirensi  et  hoc  aliquatenus  certe  demonstrandum, 
quibus  modis  ex  codicibus  deterioribus  Spirensis  lectio,  ubi  neque 
ipse  superest  neque  Rhenani  de  eo  testimonium  suppetit,  einii  possit. 
Qua  de  re  haec  potissimum  tenenda  sunt. 

1.  XuUus  liber  extat  aut  certe  inter  adhuc  examinatos  nullus 
repertus  est,  qui  Spirensem  librum  accurate  et  plene  reddat.  Exempli 
causa  26,  48,  7  lectio  Spirensis  libri  que  tectus  classis  corrupta  ea, 
sed  ut  a  vero  praefectus  classis  propius  absit  quam  Puteani  lectio 
que  classis,  in  nostrorum  librorum  nuUo  comparuit.  Itaque  quos 
mox  videbimus  Spirensem  librum  aut  contulisse  aut  descripsisse, 
conferentes  non  adnotavei-unt  quae  inutilia  sibi  viderentur,  describentes  70 
autem  cum  alterum  exemplum  vulgare  item  praesto  haberent,  in 
locis  vitiatis  passim  hoc  praetulerunt. 

2.  In  margine  codicis  Laurentiani  LXYIII,  21  saec.  XTTT,  nobis 
n.  37  quae  leguntur,  profecta  sunt  ex  codice  Spirensi.  Exempli 
causa  28,  41,  8  cum  pro  vero  accingeris  Puteani  in  Spirensi  sit  haec 
ingeris^  id  ipsum  adscriptum  est  ad  cod.  37,  neque  eins  lectionis 
vestigia  praeterea  reperiuntur  in  nostris  nisi  in  tribus  libris  55  sive 
Yaticano  1S47  saec.  XIII,  48  sive  Laurentiano  LXXXIX  inf.  3^ 
saec.  XY,  63  sive  Palatino  876  saec.  XY.*)  Ex  hisce  Yaticanus 
cum  a  prima  manu  habeat  hec  ingeris  accingeris,  aperte  fluxit  ex 
libro  Laurentiani  simillimo,  cuius  et  primariam  et  secundariam 
lectionem  Yaticani  scriptor  coniunxerit:  id  quod  alibi  quoque  in  eo 
codice  factum  est,  ut  in  loco  de  quo  statim  dicemus  28,  40,  9. 
Solam  Spirensem,    licet  corruptam  habent  duo  libri  reliqui  48  (hoc 

*)  [Über  die  letztere  Hs.  handelt ,  an  Mommsen  anknüpfend ,  H.  Nohl  im 
Hermes  3,  187-5,  S.  243  ff.] 


J56  Analecta  Liviana. 

ingeris)  et  63  (ingeris).  Similiter  in  loco  28,  13,  10  ipsam  corruptelam 
praelio  quod,  quam  ex  Spirensi  enotavit  Rhenanus,  ex  nostris  tres 
tantum  libri  proponiint,  nempe  iidem  duo  48  et  63  et  praeterea 
n.  65  sive  Urbinas  424  a  manu  prima,  PauUo  mutata,  nempe  prelio 
quo,  legitur  in  libris  duobus  supra  dictis  n.  37  in  margine  et  n.  55, 
interpolata  in  prelio  equo  in  aliis  novem  (5.  13.  17,  20,  24.  41.  57. 
68.  78),  Quae  cum  ita  sint,  ante  omnia  necessaria  erit  secundariarum 
codicis  Laurentiani  lectionum  plena  et  accurata  enotatio;  praeterea 
autem  Yaticano  quoque  libro  collato  opus  erit,  Nam  non  ex  ipso 
Laurentiano  eum  descriptum  esse  inde  colligitur ,  quod  non  raro 
Spirensia  habet  in  ea  margine  aut  non  reperta  aut  aliter  tradita. 
Ita  28,  41,  1  cognoscere,  quod  errore  legitur  in  Spirensi  pro  ignoscere, 
adest  in  Yaticano  a  manu  prima,  cum  non  sit  in  margine  Laurentiani; 
item  paullo  post  verba  in  Spirensi  solo  servata  bono  publico  praeponam 
recte  habet  Vaticanus,  perponam  errore  scribit  Laurentianus.  Etiam 
libri  duo  48  et  63  quamquam  pro  Spirensi  lectione  passim  Puteanam 
habent  vel  ex  Puteana  immutatam,  hie  etiam  inter  hunc  et  sequentem 
ordinem  nescio  quomodo  medius  stat,  fortasse  cum  aliquo  fructu 
excutientur.  Contra  novem  illi  libri,  quos  vidimus  consentire  in 
lectione  interpolata  prelio  equo,  cum  longius  absint  a  communi  origine, 
tuto  praetermitti  poterunt,  cum  praesertim  etiam  aliis  locis  iidem 
fere  libri  consentiant  in  lectione  ex  Puteana  et  Spirensi  contaminata. 
Sic  28,  40,  2  aliter  id  fieri  P,  id  aliter  finiri  S,  aliter  id  finiri  et  48. 
55  et  5.  17.  20.  41.  57,  65,  68,  78,  Item  28,  40,  9  et  mea  ratio 
P.  37*,  aemulatio  S.  37'',  uel  emulacio  et  mea  ratio  55",  uel  emulatio 
5,  13,  17,  20.  41,  55^  57,  68.  Tam  hos  autem  quam  praedictos 
(37^,  48.  55,  63)  inter  eos,  quibus  omnino  affinitas  est  cum  Spirensi, 
propriam  familiam  efficere  cum  alia  argumenta  sunt  tum  maxime 
quod  excepto  uno  libro  infimae  aetatis  41  additamento  insigni,  quod 
ad  26,  41,  18  suppeditat  liber  Spirensis,  hi  omnes  destituuntur  eoque 
tamquam  vinculo  arte  inter  se  copulantur,  Descendunt  opinor  haec 
antiquae  scripturae  testimonia  ex  Spirensis  libri  relectione  instituta 
non  ante  saeculum  XIII  ita,  ut  magnum  illud  additamentum  cum 
margo  non  reciperet,  aut  omitteretur  aut  seorsum  perscriptum  postea 
periret,  Laurentiano  adscripta  varia  lectio  num  universa  Spirensi 
accepto  ferenda  sit,  ab  ulteriore  examine  pendebit;  in  specimine 
quod  mihi  praesto  est  diversae  originis  indicia  non  repperi, 

3,  Quod  si  reliquos  libros  examinamus  cum  Spirensi  aliqua 
ratione  coniunctos,  qui  sunt  fere  magnum  illud  additamentum  habentes 
numero  quinque  et  viginti,  sed  ut  ad  sex  eorum  id  manus  secunda 
demum    adiecerit,    statim    intellegitur ,    id    quod    consentaneum   est. 


Analecta  Liviana. 


157 


utriusque  familiae  lectionum  contaminationem  per  gradus  crevisse 
et  cum  nullus  über  extet  a  leetionibus  Puteani  immunis,  alios  per- 
pauca  ex  Spirensi  traxisse,  alios  plura,  alios  denique  ita  comparatos 
esse,  ut  multo  saepius  cum  Spirensi  quam  cum  Puteano  faciant  et 
quidquid  ad  illius  notitiam  ex  hoc  quidem  librorum  genere  colligi 
possit,  exemplaribus  non  ita  multis  contineatur,  quibus  determinatis 
reliqua  recte  omittentur.  lam  ut  intellegatur  hi  libri  quinam  sint, 
selectis  leetionibus  quibusdam  libri  Spirensis  minus  vulgaribus  Codices 
adscripsi,  in  quibus  praeterea  invenirentur.  Adscripsi  item  potiorum 
ordinis  prioris  librorum  (scilicet  37''.  48.  55.  63)  numeros,  ut  utraque 
familia  quatenus  Spirensis  proprietatem  repraesentet  ex  hoc  indice 
quatenus  pervenit  uno  obtutu  comprehendatur.  Asteriscum  ubi  adieci, 
codex  is  de  quo  agitur  lectionem  Spirensem  habet  paullum  immu- 
tatam. 


9    r 

nagis    P,     astu         19 
magis  S 

*25 

27b  28 

32  34 

*43 

*47 

50 

5    l 

).  P,  procos.  S 

27b 

32  34 

43 

47 

50 

4    c 

•areret  P,  caruerit  S 

28 

32 

43 

47 

50 

18   B 

ilia  eis  P,  alii  aliis  S 

25 

28 

*32  34 

43 

47 

*50 

19, 

Draeberi    P,    prae- 
bere  S 

28 

34 

43 

50  57 

»  c 

ena    P,    dece    S, 
decem: 

28 

34 

43 

47 

50 

i^    ' 

;sse  P,  om.  S 

28 

32  34 

43 

47 

50 

12    . 

iliter  id  fieri  P,  id 
aliter  finiri  S 

28 

32  34 

43 

47 

50 

tnsportaret    P, 

25 

28  29b      34 

43 

47 

50 

transportassetetS 

4 

jerta   iam    P,    iam 
certa  S 

28 

32  34 

43 

47 

io\ 

ipud    populum    P, 
ad  populum  S 

32  34 

43 

47 

50 

13 

am  uiuendo  non  P, 
uidendo  iam  non  S 

34 

58 

W 

Darta  P,  parata  S 

28*29»       34 

43 

47 

50 

1 

gnoscere    P,    cog- 
noscere  S 

43 

47 

53 

i      y, 

-em  publicam  P,  re 

25 

28  29b32  34 

43 

47 

50 

imperatorum      S, 

rem  imperatorum : 

>,3 

D.  P,  om.  S 

28 

32  34 

43 

47 

50 

a2 

nifficiamuspraeben- 
dis  P,   prebendis 
sufficiamus  S 

28 

32  34 

43 

47 

50 

64      69  73 


64 


73 


73 


»65 


65      73 


74 


74 


73 


accedunt  ex 
ordine  prior  e: 
37«>  63 

63 
63 


*48*5d    63 


63 


37b  48  55 


37»>  48   55b 
48   55»  63 

48         »63 


I 


j^58  Analecta  Liviana. 

Codices  igitur,  qui  in  cognatione  cum  deperdito  Spirensi  prae  reliquis 
eminent,  sex  numero  sunt  hi:  28  =  Londiniensis  Burn.  198;  32  = 
Londiniensis  Harleianus  2781;  34  =  Marcianus  364;  43  =  Lauren- 
tianus  LXIII,  17;  47  Laurentianus  XIX  sin.  8;  50  =  abbatiae 
Florentinae,  praecedenti  simillimus.  Descendere  autem  videntur  ab 
exemplari  descripto  ex  ipso  Spirensi;*)  aliter  enim  vix  explicari 
poterit,  qui  factum  sit,  ut  hunc  potissimum  sequantur  non  solum 
ubi  errat,  sed  etiam  in  vocabulorum  omissione  et  verborum  collo- 
catione  similibusque  aliis,  quae  descriptorem,  non  recognitorem 
arguunt.  Denique  duplicium  lectionum  vix  ulla  vestigia  in  bis  repperi. 
Sed  ut  qui  primarium  huius  familiae  librum  exaravit  ipsum  Spiren- 
sem  descripserit,  idem  item  adhibuerit  necesse  est  exemplum  alterum 
familiae  diversae.  Nam  ut  mittam  quibusdam  locis  Spirensem 
lectionem  in  nullo  huius  ordinis  libro  comparere  (ut  in  loco  supra 
p.  70  [155]  tractato  28,  41,  8  haec  ingeris  nuUus  eorum  habet,  sed  omnes 
cum  Puteano  accingeris),  ipsum  illud  additamentum  ficticium  ad 
73  26,  41,  18,  quo  interpolata  Puteani  exempla  tamquam  mala  nota 
distingui  diximus,  etiam  in  his  libris  omnibus  ita  adest,  ut  verum 
additamentum  ex  Spirensi  desumptum  ficticio  illi  medium  inseratur. 
Quam  ob  rem  huius  familiae  ipsum  archetypum  exemplar  contami- 
natum  fuit  ex  Puteanae  recensionis  interpolatae  aliquo  et  ex  Spirensi, 
sed  ut  Spirense  describeretur,  alterum  hie  illic  inspiceretur.  Exem- 
plaria  deinde  ex  hoc  archetypo  propagata  passim  immutata  sunt 
ita,  ut  alterius  ordinis  lectio  Spirensi  substitueretur ;  multis  enim 
locis,  ut  supra  vidimus,  in  aliis  huius  ordinis  libris  Puteana  lectio 
reperitur,  in  aliis  remansit  Spirensis.  Primarius  autem  inter  huius 
familiae  libros  est  opinor  is  qui  et  temporis  ordine  primus  est 
scriptus  a.  1389  n.  34  Marcianus  omnium  rarissime  a  Spirensi  re- 
cedens;  ita  28,  40,  13  genuinam  Spirensis  lectionem  uidendo  iam 
non  solus  fere  exhibet,  cuius  loco  reliqui  huius  familiae  28.  32.  43. 
47.  50  substituerunt  lectionem  uiuendo  iam  non  Spirensi  ad  Puteanam 
(iam  uiuendo  non)  emendata.  Quamquam  Marcianus  quoque  28,  4 1 ,  1 
verum  ignoscere  Puteani  recepit,  non  errorem  Spirensis  cognoscere 
servatum  in  libris  duobus  Laurentianis  scriptis  a.  1421  et  1455. 
Praeterea  is  a  quo  hi  libri  originem  ducunt  verba  non  raro  sua 
coniectura  emendavit  vel  interpolavit.  Ita  28,  13,  10  cum  in  Spirensi 
repperisset  numqnam  praelio  quod  insequenfis^  in  exemplaribus  ex 
Puteano  derivatis  aliquotiens  sequentes  (om.  numquam),  coniectura 
non  infelici  reposuit  numquam  aliquot;  sie  enim  libri  28.  32.  34.  43. 


*)  [Dies  ist  von  Luchs  S.  XV  ff.  widerlegt  worden.] 


Analecta  Liviana.  <  159 

47.  50  praeter  alios  non  paucos  ex  contaminatis.  Item  28,  40,  l 
pro  P.  Scipioni  in  quattuor  eonim  2S.  32.  34.  43  est  P.  Cornelio 
Scipioni  et  paulo  post  pro  finiendum  in  omnibus  2S.  32.  34.  43. 
47.  50,  item  in  46  dif finiendum  ^  a  qnibus  interpolationibus  et  PS 
immmies  simt  et  reliqui  libri  omnes.  Quam  ob  rem  etiam  optimi 
quique  huius  stirpis  libri  vel  adeo  omnes  consentientes  caute  ad- 
hibendi  sunt,  cum  lectio  huic  familiae  propria  tam  ex  interpolatione 
profecta  esse  possit  quam  ex  codice  Spirensi.  Ceterum  longe  plenius 
haec  familia  quam  quae  praecedit  Spii-ensis  deperditi  proprietatem 
repraesentet  necesse  est,  si  quidem  non  a  recognitione  eius  pendet, 
sed  ab  exemplari  saeculo  opinor  XTV"  exeunte  inde  sumpto. 

4.  Denique  dicendum  est  de  ratione  quae  intercedit  inter  ordines 
duos  quos  posui  priorem  ortum  ex  recognitione  Spirensis  codicis 
repraesentatum  libris  nostris  37  **.  48.  55.  63  et  posteriorem  pendentem 
ex  codicis  Spirensis  apographo  passim  interpolato  repraesentatum 
libris  nostris  28.  32.  34.  43.  47.  50.  Ante  omnia  ne  quis  statuat 
priorem  ordinem  non  pendere  ex  ipso  Spirensi,  sed  ex  exemplari 
aliquo  ordinis  posterioris,  examinatis  singulis  reperiet  prioris  ordinis 
testimonia  et  differre  magnopere  ab  altero  et  fere  bis  praestare. 
Ita  supra  iam  monuimus  28,  41,  8  lectionem  Spirensis  liaec  ingeris  74 
a  priore  ordine  satis  accurate  servatam  in  posteriore  nusquam  reperiri; 
item  28,  13,  10  optima  quaeque  prioris  ordinis  exempla  corruptelam 
Spirensis  accurate  repraesentare,  posterioris  ordinis  libros  lectionem 
substituisse  ex  duplici  tradita  ingeniöse  effectam.  Similiter  27,  34, 1  [?] 
yerba  a  solo  Spirensi  servata  plena  leguntur  in  ordinis  prioris  libris 
quibusdam,  in  posterioris  omnibus  dimidiata.  Unus  autem  über 
singulari  casu  utrumque  genus  in  se  recepit,  scilicet  63  =  Palatinus 
S76.  Prioris  hunc  ordinis  esse  dubitari  non  potest,  cum  propter 
lectiones  tum  quod  additamento  primario  (26,  41,  18)  caret:  sed 
tam  multa  recepit  ex  ordine  posteriore  priori  praeterea  plane  ignota, 
nt  qui  archet^'pum  eius  exaravit  duo  exemplaria  ha.buisse  videatur, 
alterum  prioris,  alterum  posterioris  ordinis  et  cum  illud  descripsisset, 
ex  hoc  quaedam  adnotasse.  Sane  vel  propter  hanc  peculiarem 
libri  condicionem  optandum  est,  ut  qui  haec  studia  in  se  suscipiat 
eum  quoque  licet  fortasse  memorabilem  magis  quam  vere  utilem 
diligenter  inspiciat.  Liviani  annales  quid  profecturi  sint  ex  eiusmodi 
labore  certe  ingenti,  hodie  divinari  non  potest;  Spirensis  tamen  libri 
l'3ctio  multis  locis  sperandum  est  fore  ut  certa  ratione  recuperetur, 
modo  recte  posuerimus  praeter  Rhenanum  duobus  testibus  nos  de 
€0  uti  recognitore  et  descriptore.  Nam  cum  ipsi  testes  nequaquam 
exceptione  maiores  sint,  consensus  eorum  aliquantum  ponderis  habebit. 


XVII. 

Zu  Livius.*) 

304  In  einer  Kölner  Handschrift  (W  der  Krügerschen  Ausgabe^  der 

Institutiones  Justinians  aus  dem  12.  Jahrhundert  findet  sieh  zu  2,  1,  34 
folgende  Glosse: 

Protagenes  Ätheniensis  fuit,  Livius  (so)  ab  urhe  condita  tesfante, 
qui  pernimium  diligehat  Apellem  (iusta  Athenas  stans  am  Rande 
von  erster  (?)  Hand).  Apellis  enim  solus  Alexandri  faciebat 
picturam. 

Die  Notiz  beruht  auf  Plinius  h.  n.  35,  10,  81.  85,  und  die  Verwechse- 
lung seines  Namens  mit  dem  des  Livius  ist  nicht  ungewöhnlich; 
auffallend  aber  die  Bezeichnung  der  Annalen  desselben  mit  dem 
richtigen  Titel. 


*)  [Hermes  3,  1868,  S.  304.] 


XVIII. 
Zu  Livius.*) 

Livius  giebt  im  Allgemeinen  bei  den  Schätzungen,   die   er  be-  129 
richtet,  die  Ziffer  des  Lustrum  nicht  an;  eine  Ausnahme  machen,  so 
weit  die   uns  erhaltenen  Bücher   reichen,    nur  die   folgenden   zwei 
Stellen: 

3,  24  bei  dem  J.  295:  census  .  .  .  perßcitur  idque  Ittstrum  ab 
origine  tirhis  dechnum  conditum  ferunt. 

10,  47  bei  dem  J.  461 :  lustrum  conditum  eo  anno  est  a  P.  Cor- 
nelio  Arvina  C.  Marcio  Rutilo  censor^ms  .  .  .  censores  vicesimi 
sexti  a  primis  censoribus,  lustrum  undevicesimum  fuit. 

Die  bereits  in  einer  Anzahl  jüngerer  Handschriften  begegnende  und 
in  neuerer  Zeit  von  Huschke  (Serv.  Tüll.  S.  520)  wieder  in  Schutz 
genommene  Yerbesserung  lustrum  inde  mcesimtim  fuit  ist  zweifellos 
richtig,  wenn  gleich  sie  weder  von  Hertz  noch  von  Madvig  auf- 
genommen worden  ist.  Zunächst  ist  das  Lustrum  des  Jahres  461 
den  Fasten  zufolge  nicht  das  einundzwanzigste,  sondern  das  dreissigste, 
wenn  von  Anfang  an,  und  das  zwanzigste,  wenn  von  der  Einsetzimg 
der  Censur  311  gezählt  wird;  denn  das  Lustrum  von  311  folgt  un- 
mittelbar auf  das  des  J.  295  und  ist  das  elfte.  Livius  kann  aber 
auch  weder  den  Ausgangspunkt  der  Zählung  unbezeichnet  lassen,  130 
da  er  ihn  sowohl  in  der  Parallelstelle  3,  24  wie  in  der  Stelle  selbst 
für  die  Censoreri  ausdrücklich  angiebt,  noch  ist  es  wahrscheinlich, 
dass  er  rein  willkürlich  hier  die  Lustrenziffer  beigefügt  hat,  während 
er  sie  sonst  regelmässig  weglässt.  Vielmehr  wird  man  annehmen 
müssen ,  dass  er.  vermutlich  nach  dem  Vorgang  älterer  Annalisten, 
clie  Lustrenziffern  von  zehn  zu  zehn  angemerkt  hat,  ähnlich  wie  in 
c  en  capitolinischen  Fasten  die  Jahreszahl  ab  urbe  condita  bei  jedem 


*)  [Hermes  1,  1866,  S.  129  —  130.] 

MOMMSEN,    SCHR.  VII.  H 


ik 


Jß2  ^"  Livius. 

zehnten  Jahre  angemerkt  wird.  Dieser  Annahme  steht  wenigstens 
nichts  im  Wege.  Denn  das  Fehlen  des  zwanzigsten  Lustrums,  das 
die  capitolinischen  Fasten  bei  dem  J.  391  verzeichnen,  erklärt  sich 
daraus,  dass  Livius  diese  Censoren  überhaupt  aufzuführen  vergessen 
hat.  Das  vierzigste  Lustrum,  das  des  J.  520,  fällt  in  das  verlorene 
zwanzigste  Buch  der  livianischen  Annalen.  Über  den  Census  des 
fünfzigsten  Lustrums  berichtet  Livius  zwar  im  vierzigsten  Buch  aus- 
führlich, das  Lustrum  desselben  aber,  das  in  der  capitolinischen 
Tafel  unter  575  verzeichnet  steht,  muss  er  seiner  Weise  gemäss 
(C.  I.  L.  I  p.  566  [=  I  1 2  p.  33])  unter  dem  J.  576  gemeldet  haben, 
in  dem  es  stattfand;  und  diese  Notiz  ist  mit  dem  Anfang  des  ein- 
undvierzigsten Buches  untergegangen.  Endlich  über  das  sechzigste 
Lustrum  des  J.  629,  das  letzte  decennale,  das  in  den  Bereich  der 
livianischen  Annalen  fällt,  handelte  Livius  in  dem  sechzigsten  Buch, 
das  ebenfalls  verloren  ist. 


XIX. 

Anecdoton  Livianum.*) 

[Liuius  lihro  uicesimo.  P.  Celius  patricius  primus  372 
aduersus  ueterem  morem  intra  septimum  cognationis  gra- 
duni  dtixit  uxorem.  oh  hoc  M.  Mutilius  pleheius  sponsam 
sihi  praeripi  nouo  exemplo  nuptiarum  dicens  sedicionem 
populi  concitatiit  adeo  ut  patres  territi  in  Capitolium  per- 
fug er  ent.] 

Ex  periochis  Livianis  quas  habemus  cum  constet  comprehensas 
fuisse  T.  Livii  annali  XX  res  gestas  ab  anno  urbis  conditae  DXIII 
ad  annnum  DXXXV,  qui  proxime  praecessit  eum  quo  coepit  bellum 
Hannibalicum ,  ad  id  tempus  referre  licebit  rixam  eam,  de  qua  373 
agitur,  de  puellae  cuiusdam  sponsalibus  inter  patrieium  hominem 
plebeiumque  natam  indeque  ortam  civium  dissensionem  senatusque 
in  Capitolium  fugam.  aliunde  eins  rei  notitia  nulla  ad  nos  pervenit, 
neque  facile  id  quod  iani  didicimus  recte  percipi  et  plene  intellegi,  quas 


*)  [Hermes  4,  1870,  S.  372— 376.  Diesem  Aufsatz  unmittelbar  vorausgeht 
eine  Mitteilung  von  Paul  Krüger,  aus  der  das  zum  Verständnis  des  Mommsen- 
8'jhen  Aufsatzes  Notwendige  hier  abgedruckt  ist:  „Cum  in  codice  Parisiensi 
Latino  3858  C  (saec.  XII  exeuntis)  quaererem  quasdam  constitutiones  codicis 
lastiniani,  quas  ibi  legi  Biener  (Beiträge  zur  Revision  des  Justin.  Codex  p.  230) 
docuit,  praeter  expectationem  incidi  in  fragmentum  quoddam  Livianum.  in 
coUectionis  enim  canonum  secundum  rerum  ordinem  eompositae,  quae  folia  1  —  55 
ojcupat  duabusque  partibus  eonstat  parte  priore  capitum  CCCCLXXXII,  quae 
titulo  caret  (.altera  autem  inscripta  de  ordine  accusacionum  XCVIII  habet  capita), 
qaattuor  occurrunt  capita  generis  diversi  ab  reliquis,  quae  sunt  excerpta  ex 
decretis  conciliorum  et  Romanorum  pontificum  epistulis.  quorum  quattuor 
capitum  tria  (CCCCXVIII  — CCCCXX)  exscripta  sunt  ex  codice  lustiniano  cum 
praescriptione  hac  'ex  quinto  libro  regum';  quartum  caput,  quod  in  codice  habet 
nimerum  CCCCXVII,  infra  posui."  Es  folgt  dann  das  von  mir  zur  Bequemlichkeit 
dtar  Leser  oben  in  den  Text  gesetzte  Anecdoton,  an  das  sich,  nach  wenigen 
Bemerkungen  Krügers,  der  oben  abgedruckte  Mommsensche  Aufsatz  anschließt.] 

11* 


164 


Anecdoton  Livianum. 


subieci  observationes  demonstrabunt.  nani  quae  insperato  emersit 
narrationis  plenae  et  iustae  summa  et  obscura  et  exilis  cum  quae- 
stionem  unam  solvat,  plures  movet. 

I.  Ad  originem  huiusce  äjioojiaafxariov  definiendam  non  habeo 
quod  afferam,  nisi  quod  in  memoriam  revocavit  perioehae,  quae  inter 
nostras  prima  est,  condicionem  singularem,  nempe  ita  comparatae, 
ut  libri  primi  brevem  summam  sequatur  altera  aliquanto  magis  pro- 
lixa.  videntur  igitur  Livianorum  annalium  duae  certe  summae  ex- 
titisse,  quas  contaminare  coepit  librarius  is  a  quo  proficiscitur  peri- 
ocharum  recensio  hodie  superstes.  fieri  igitur  potuit,  ut  ecclesiastici 
corporis  cuiusdam  conditor  in  summam  Livii  uberiorem  incideret  et 
inde  excerperet  quod  a  monacho  non  alienum  esse  putaret.  cete- 
rum  iuris  canonici  periti  ut  in  corporis,  quo  Liviana  haec  continentur, 
originem  diligenter  inquirant,  nomine  philologorum  publice  ab  iis 
petimus  ^. 

II.  Qui  nominantur  duo  homines  P.  Celius  patricms  et  M.  Rtdi- 
Ims  pleheius,  eorum  primum  vere  dici  P.  Cloelium  paene  certum  est. 
gentes  enim  patricias,  quae  quidem  ad  sextum  usque  saeculum 
duraverint,  omnes  nobis  innotuisse  credibile  est  neque  ulla  est  inter 
eas  praeter  Cloeliam,  quae  ad  traditam  lectionem  prope  accedat; 
Cloelius  autem  vocabulum  librariis  minus  notum  alibi  quoque,  ut 
apud  Livium  40,  42,  [1]  et  Valerium  Maximum  1,  1,  4  et  Diodorum 

374  15,  57,  [1]  aut  in  omnibus  aut  in  deterioribus  libris  invenitur  similiter 
corruptum.  denique  Publii  praenomen  Cloeliis  recte  convenit;  nam 
nominantur  P.  Cloelius  Siculus  tribunus  militum  cos.  pot.  a.  u.  c.  376 
(Liv.  6,  31,  [1];  Diodor.  15,  57,  [1])  et  eiusdem  nominis  vir  flamen 
Dialis  creatus  a.  u.  c.  574  (Liv.  40,  42,  [11];  Val.  Max.  1.  c);  quorum 
nihil   obstat   quominus  is   de   quo   agitur   alterius   nepos  proneposve 

1)  Litteraturae  iuris  canonici  peritissimus  Maassenus  antecessor  Gratzensis 
per  litteras  a  me  interrogatus ,  quid  de  hac  sylloge  comperisset,  rescripsit  eam 
se  repperisse  praeter  Parisinum  in  tribus  codicibus  bis:  Monacensi  22289  saec. 
XII;  Sangallensi  676  saec.  XII;  Ambrosiano  C  51  sup.  saec.  XII  eandemque 
comprehendi  videri  secundum  ea  quae  leguntur  in  Archivio  Pertzii  vol.  7  p.  179 
item  codice  adservato  Engelbergi  in  Helvetia  I  */2.  in  Monacensi  Sangallensi 
Engelbergensi  syllogae  praescriptum  esse  sie:  incipiunt  ecdesiasticae  regulae  ex 
sententiis  sanctorum  patrum  defloratae,  a  legatis  ipsius  sedis  apostolieae  in  Gallias 
pro  ecclesiasticarum  dispositione  causarum  portatae.  accuratius  de  ea  adhuc  sibi 
non  constare:  plurima  tarnen  inesse  ex  commenticiis  Isidorianis  quae  feruntur 
desumpta  itaque  antiquioribus  iuris  canonici  corporibus  eam  nequaquam  ad- 
numerari.  —  Qua  epistula  accepta  Halmium  meum  precibus  adii,  ut  Monacensem 
librum  mea  causa  inspiceret;  quod  cum  fecisset,  renuntiavit  eum  rautilum  esse 
in  fine  neque  ea  de  quibus  agitur  eo  contineri. 


Anecdoton  Livianum.  165 

fuerit,  alterius  pater  vel  avus.  Rutiliorum  autem  plebeiae  gentis 
liaec  fortasse  antiquissima  memoria  superest;  nam  reiecto  corrupto 
loco  Livii  4.  47,  [7]  nullus  eins  nominis  quod  sciam  nominatur  ante 
P.  Rutilium  tribunum  plebis  a,  u.  c.  585  (Liv.  43,  16,  3.  44,  16,  S). 
praenomen  Marci  ab  ea  genta  septimo  saeculo  incipiente  usurpatum 
esse  intellegitur  ex  Cicerone  de  orat.  1,  40,  ISl,  ubi  commemoratur 
P.  Rutilius  M.  f.  tr.  pl.  a.  u.  c.  61 S.  neutrum  hominem  alibi  apud 
auctores  qui  supersunt  nominari  ex  supra  dictis  intellegitur. 

III.  Matrimonia  olim  vetita  fuisse  inter  eos.  qui  sexto  propioreve 
gradu  cognatione  iungerentur  recte  Klenzius^  eollegit  cum  ex  Plu- 
tarcho  q.  R.  6.  ubi  negat  apud  veteres  Romanos  licitum  fuisse  inter 
cognatos  matrimonium  ita.  ut  id  componat  cum  iure  osculi,  quod 
pervenisse  usque  ad  sobrinos  (i^avey-'tovgj  Polybius  ait  (6.  2,  6  Dind.), 
tum  ex  argumento  eo,  quo  L.  Yitellius  Claudii  imperatoris  amicus 
apud  Tacitum  (ann.  12,  6)  novum  patrui  cum  fratris  filia  coniugium 
defendit:  et  sohrinarum  diu  ignorata  tempore  addito  percrehruisse.  a 
quo  loco  omnino  alienum  esse  sobrini  vocabuli  usum  vulgarem,  quo 
qui  proprie  consobrinus  est  ita  significatur,  et  recte  monuit  Klenzius 
et  iam  qui  Klenzio  non  crediderunt,  credent  Livio.  nam  aperte  eam 
ipsam  annalium  narrationem,  cuius  ex  Parisino  libro  aliquam  summam 
recuperavimus,  respexit  sive  Tacitus  sive  Yitellius  2,  cum  ait  sobri- 
narum  matrimonia  olim  vetita  postea  in  usu  esse  coepisse.  hoc 
autem  novi  attulit  summa  Parisina  intra  sextum  gradum  nuptias 
primum  admissas  esse  lege  lata  inter  a,  513  et  535,  id  est  eodem 
fere  tempore,  cui  primum  apud  Romanos  divortium  plerique  auctores 
adscribunt.  lege  enim  ad  eam  rem,  maxime  ea  aetate,  opus  fuisse 
et  aliuude  constat  et  colligitur  ex  ipsa  Liviana  narratione.  nara  novi 
exempli  matrimonium  qui  aegre  ferebant,  apparet  incusasse  propterea 
non  tam  eum.  qui  primus  intra  septimum  gradum  cognatam  duxisset,  375 
quam  ipsum  senatum,  quippe  ex  cuius  auctoritate  tum  de  omni  re 
ad  populum  plebemve  ferri  soleret. 

Hoc  superest  quaerendum.  quemnam  abrogato  sexto  lex  ea 
gradum  vetiti  matrimonii  finem  fecerit,  quem  puto  fuisse  quartum. 
nam  Plutarchus  1.  c.  ait  sero  (oipe)  admodum  coniugia  inter  conso- 
brinos  admissa  esse  occasionemque  addit  iuris  mutati;  nimirum  cum 
a  marito   quodam  paupere,   qui  consobrinam  locupletem   pro    uxore 


1)  In  ephemeride  iuris  Savigniana  6,  17  seq.  1<X). 

2)  Collatis  iis  quae  Seneca  lusit  in  a:ioxoi.oxvvT:<i}oei  c.  8  satis  constat  talia 
fere,  qualia  disserentem  Tacitus  inducit  Yitellium  vere  a  nuptiarum  novi  generis 
patronis  in  senatu  prolata  esse. 


Ißg  Anecdoton  Livianum. 

duxisset,  rem  eius  mulieris  tamquam  non  factam  uxoriam  cognati 
mulieris  peterent,  populum  de  ea  re  indignatum  matrimonia  inter 
consobrinos  rata  esse  iussisse.  quae  lex  quamquam  ignoratur  quo 
tempore  lata  sit  ^,  tarnen  Plutarchi  narratio  satis  ostendit  aliquamdiu 
liciti  matrimonii  fines  constitisse  in  gradu  quinto,  scilicet  ab  initio 
inde  saeculi  sexti  usque  ad  latam  legem  eam  quae  quarto  gradu 
cognatorum  matrimonia  admisit.  similiter  Ulpianus^.  antiquiora  aut 
ignorans  aut  praetermittens,  liciti  matrimonii  finem  ait  fuisse  olim 
gradum  quartum,  donec  imperante  Claudio  a.  p.  C.  49  aliquatenus 
accederet  tertius. 

IV.  In  narratione  supra  proposita  ofFensionem  habet  patricii 
plebeiique  commemoratio.  causa  offensionis  non  tarn  ea  est,  quod 
ea  aetate  controversiae  inter  patricios  et  plebeios  sopitae  fuerunt 
privilegiis  illorum  sublatis;  nam  etiam  post  legem  Hortensiam  c.  a. 
u.  c.  465  latam,  quae  iuris  communicationem  perfecit,  altercationes 
maxime  ex  privatis  causis  inter  utrosque  nasci  potuisse  nemo  negabit 
neque  obliviscemur  Sallustii  gravis  auctoris  asseverantis  ^  discordiariim 
et  certaminis  ufrimque  finem  fuisse  secundum  hellum  Punicum.  sed 
hoc  quaerimus,  cum  propter  controversiam  hanc  appareat  non  solum 
376  homines,  sed  etiam  ordines  dissedisse  (nam  sane  non  sine  causa 
adicitur  iuris  mutati  auctorem  patricium  fuisse,  vetusti  usus  vindicem 
plebeium,  neque  improbabile  est  ad  hanc  ipsam  controversiam 
respexisse  Sallustium  loco  modo  citato),  hoc  dico  iure  quaerimus, 
qua  ratione  eius  modi  res  ad  ipsos  ordines  pertinuerit.  lege  enim 
nuptiali  cum  cives  quicumque  essent  tenerentur,  quid  ad  rem  sponsum 
destitutum  ex  plebe  fuisse,  nuptiarum  ereptorem  patricium?  num 
aliter  res  processisset,  si  uterque  patricius  fuisset  vel  uterque  ple- 
beius?  sane  nuptiarum  ordinatio  legitima  pars  fuit  iuris  gentilicii 
olim  mere  patricii  et  cum  plebeiis  ita  communicati,  ut  proprie  etiam 
postea  ad  patricios  pertinere  videretur;  quapropter  eius  iuris  immu- 

1)  Lata  sit  necesse  est  tempore  belli  Punici  secundi,  si  vere  rettulit  Livius 
42,  34,  [3]  ad  a.  u.  c.  583  de  eiusmodi  matrimonio  eo  tempore  iam  vetere.  sed 
exigua  auctoritas  est  eiusmodi  narrationum  non  rerum  ordiue,  sed  in  orationibus 
obiter  prolatarum  videturque  tam  ipsius  Livii  silentium,  cuius  per  hoc  spatium 
annales  supersunt  integri,  quam  Plutarchi  temporis  indicatio  eo  ducere,  ut  quarti 
gradus  adsumptio  septimo  saeculo  potius  quam  sexto  adscribatur. 

2)  5,  6:  intei'  cognatos  .  .  .  ex  transversa  gradu  olim  quidem  usque  ad  quartum 
gradum  matrimonia  contrahi  non  poterant:  nunc  autem  etiam  ex  tertio  gradu  licet 
uxorem  ducere.  ex  opposito  intellegitur  ante  Claudium  finem  vetiti  matrimonii 
fuisse  tertium  gradum,  quartum  autem  ab  ülpiano  non  includi  olim  vetitis,  sed 
excludi ;  quo  posito  convenit  ei  cum  Plutarcho.    cf.  Zimmern  Rechtsgesch.  1,  550. 

8)  bist.  1,  9  Dietsch.    [1,  11  Maur.] 


Anecdoton  Livianum.  167 

tatio  a  patricio  homine  ita  profecta,  ut  plebeium  gravaret,  univeraam 
plebem  exacerbare  debuit,  crediderim  tarnen  aliud  quiddam  subesse 
gravius  et  magis  proprium,  quod  iam  sive  propter  narrationis  obscuri- 
tatem  sive  propter  iuris  antiquissimi  exilem  notitiam  non  satis  adse- 
quamur. 

y.  Unum  superest,  de  quo  moneamus,  dico  seditionem  populi 
ea  aetate,  qua  adhuc  putavimus  plebem  in  eiusmodi  motibus  a  vi 
abstinuisse  neque  ultra  processisse,  ubi  ad  extrema  ventum  esse 
nderetur,  quam  ut  secederet  vel  in  sacnim  montem  vel  in  laniculum; 
qui  finis  fuit  ipsius  seditionis  Hortensianae  a.  467.  certo  mirabuntur 
renim  Romananim  gnari,  ubi  legent  de  fuga  senatorum  ex  curia  in 
Capitolium  propter  seditionem  populi  propediem  cum  Hannibale 
dimicaturi.     sed  ut  mirandi  causa   iusta  est,  ita  nulla  est  dubitandi. 


XX. 

Theodor!  Mommsenii 

epistula 

[de  Romanorum  prodigiis  ad  Ottonem  Jahnium].*) 

XVIII  Quod  ea  quae  de  Romanorum  prodigiis  notatu  digna  inuenerim 

tecum  communicari  cupis,  equidem  libens  tibi  satisfaciam.  quamquam 
enim  eis  qui  in  hanc  rem  accuratius  inquisiuerunt  uix  noui  quicquam 
a  me  prolatum  iri  putauerim,  tamen  ad  has  laceras  magni  Liuiani 
operis  reliquias  recte  aestimandas  et  in  usum  uertendas  haud  inepte 
hie  potissimum  monebitur,  ea  prodigia,  quae  publice  Romam  nuntiari 
et  per  sacerdotes  Romanos  expiari  fas  erat,  in  agro  publico  obseruata 
fuisse  neque  uUam  aliam  ob  causam  publice  procurata  esse,  nisi 
quod  rei  publicae  eins  agri  quem  possidebat  expiandi  officium  incum- 
bebat,  haud  secus  atque  priuati  portenti  procurationem  quiuis  priuatus 
in  se  suscipere  debebat  (Liu.  v,  15,  [6]).  haec  ita  esse  Liuii  uerba 
aperte  demonstrant  (xxxxiii,  1 3,  [6])  duo  non  suscepta  prodigia  sunt, 
alterum,  quod  in  loco  priuato  factum  esset  —  palmam  enatam  impluuio 
suo  T.  Marcius  Figulus  nuntiabat  — ,  alterum,  quod  in  loco  peregrino: 
Fregellis  in  domo  L.  Atrei  hasta  .  .  .  arsisse  .  .  .  dicehatur;  cum 
eodem  tempore  publica  prodigia  procurata  esse  narret,  quid  quod 
Constantinus  Imperator  a.  cccxxii  hunc  in  modum  rescripsit  (cod. 
Theod.  XVI,  10,  1):  si  quid  de  palatio  nostro  aut  ceteris  operihus 
XVIIII  puhlicis  degustatum  fulgore  esse  constiterit ;  retento  more  ueteris  obser- 
uantiae  quid  portendat  ah  haruspicibus  requiratur.  quo  pertinet  quod 
Liuius  (xxxxv,  16,  [5])  cum  ait  Calatiae  in  publico  agro  M.  Valerius 
ciuis  Romanus  nuntiabat  ex  foco  sanguinem  .  .  .  manasse,  addit  in 


*)  [In:  T.  Livi  ab  urbe  coudita  librorum  CXLII  periochae.  lulii  Obsequentis 
ab  anno  urbis  conditae  DV  prodigiorum  liber.  Recensuit  et  emendavit  Otto 
Jahn.    Lipsiae  1853,  S.  XVIII  — XXVI.] 


De  Romanorum  prodigiis  ad  Ottonem  Jahnium.  169 

jjuhlico  agro^  quia  facile  quis  hoc  in  agro  priuato  accidisse  suspicari 
posset.  unde  apparet  in  corrupto  Obsequentis  loco  p.  120,  14  in 
Ornecosiasi  scribendum,  neque  uero  quod  traditum  est  in  agro  Corteisi 
ita  emendandum  esse,  ut  hominis  priuati  nomen  reponatur.  illud 
uero  uix  opus  est  monere,  quae  modo  obseruata  sunt  eis  prodigiis 
non  adhibenda  esse,  quae  ad  mythica  tempora  pertinent;  neque 
quemquam  fallet,  miraeula  quaedam,  quae  prodigiorum  naturam 
referre  uidebantur,  ab  annalium  scriptoribus  narrata  esse,  quamquam 
ea  aut  omnino  aut  certe  publice  non  procurabantui-.  quodsi  Aetnae 
incendium  aut  insula  Lipara  mota  procurata  esse  inuenimus  (p.  1 18,  6. 
119,5.  121,10),  ea  re  nihil  aliud  probatur  nisi  terrore  commotos 
Romanos  fecisse,  quod  ut  facerent  iure  non  cogebantur.  neque 
uero  si  Obsequens  de  lacus  Fucini  (p.  118,  13)  Padique  (p.  124,5) 
inundationibus,  de  Regii  incendio  (p.  I  1 8.  22)  et  Cyrenis  peste  uastatis 
(p.  121,  20)  refert,  inde  colligere  licet  haec  publica  fuisse  prodigia. 
et  mihi  quidem  ueri  simile  uidetur,  Obsequentem  simili  atque  Orosius 
ratione  cxcerpta  sua  eum  in  finem  conposuisse,  ut  christianonim 
temporum  felicitatem  ethnicorum  inmanibus  prodigiis  inlustraret. 
porro  neque  id  mirura  accidere  potest  praeter  prodigia  publica  ab 
annalium  scriptoribus  miraeula  cuiuscumque  generis  relata  esse,  quae 
hominum  mentes  in  se  conuertebant  et  fortasse  per  legatos  Romam 
nuntiabantur.  ita  inter  ea  quae  Liuius  xxnii,  10,  [6  seq.]  post 
pugnam  Cannensem  narrat  distinguere  licet  prodigia  nuntiata  et 
uulgaria  miraeula,  quorum  quod  in  Sicilia  accidisse  traditur,  publice 
certe  expiandum  non  erat. 

Quae  si  recte  posita  sunt,  apparet  ea  quae  de  prodigiis 
referuntur  eam  utilitatem  habere,  ut  inde  de  agri  publici  finibus  XX 
coniecturam  capere  liceat.  quamquam  in  tanta  rerum  minutanim, 
quae  in  hac  quaestione  alicuius  momenti  esse  possunt,  atque  ex- 
ceptionum  multitudine  omnia  ad  liquidum  perduci  nequeunt,  praesertim 
cum  plenam  omnium  prodigiorum  notitiam  conponere  neque  per 
temporis  angnstias  possim  nee.  si  possem,  uellem.  neque  tamen 
prorsus  operam  lusisse  uidebor.  si  Liuio  et  Obsequente  ducibus  pro- 
digia locorum  ratione  habita  recensebo,  qua  in  re  dolendum  est, 
prodigia  quantum  scimus  ante  annum  dv  publice  non  fuisse  litteris 
ti-adita.  hoc  ex  nostri  libelli  titulo  siue  subscriptione  effici  potest; 
Obsequens  enim  nulla  alia  de  causa  ab  hoc  anno  initium  fecisse 
patandus  est.  quam  quod  eo  tempore  pontificcs  prodigiorum  in  annales 
r«jferendorum  initium  fecisse  apud  Liuium  relatum  inuenit.  priorum 
temporum  prodigia,  quae  cognita  habere  nostra  uel  maxime  inter- 
esset,  casu  potius  quam  publica  cura  atque  fide  tradita  esse  uiden- 


j  7Q  De  Romanorum  prodigiis  ad  Ottonem  Jahnium. 

tur.*)  similiter  in  hello  sociali  narrando  Liuius  scriptoribus  eis  usus 
esse  uidetur,  qui  neglecta  priscorum  religione  prodigia  parum  cura- 
bant,  id  quod  ex  ratione,  qua  prodigia  eius  temporis  tradita  inueni- 
mus,  hodie  quoque  intellegi  potest.  quare  ego  intra  bellum  sociale 
subsistendum  mihi  esse  putaui. 

I.  Neapolis  Nola  Nuceria  Constantia  ciuitates  aequis  conditionibus, 
ut  satis  constat,  cum  Romanis  sociatae  fuerunt  et  solae  inter  Italicas 
in  fide  permanserunt  ne  Hannibalico  quidem  bello  excepto.  unde  coUigi 
potest  hisce  regionibus  agrum  publicum  non  fuisse:  atque  re  uera 
prodigia  nulla  inde  nuntiantur;  nam  Nuceria  (p.  125,  1)  nihil  inpedit 
quominus  Vmbricam  aut  Britticam  esse  putemus.  Aenariae  uero, 
quam  Romanorum  fuisse  scimus  donec  ab  Augusto  Neapolitanis  con- 
cederetur  —  qua  de  re  in  libro  de  dialectis  Italiae  p.  198  dixi  — 
prodigium  factum  narratur  p.  129,  20. 

II.  Coloniarura  Latinarum  agrum  pro  peregrino  habitum  fuisse 
Fregellarum   exemplo  confirmatum  uidimus,     sed  cum  Roma  dedu- 

XXI  cerentur  atque  in  agro  publice  conderentur,  non  multum  ibi  agri 
publici  remansisse,  ueri  simile  est  quamquam  uel  uiarum  publicarum 
causa  aliquatenus  seruari  debuit.  explicari  iam  potest,  cur  tam 
pauca  inde  prodigia  nuntiata  sint,  cum  tamen  maximi  momenti 
essent  eorumque  frequentissima  mentio  fieret.  ex  eis  uiginti  tres 
—  Signia  Norba  Circei  Sora  Interamna  ad  Lirim  sita,  Saticula 
Pontiae  Cosa  Paestum  Beneuentum  Aesernia  Copia  Yalentia  Brun- 
disium  Yenusia  Luceria  Pirmnm  Cremona  Placentia  Aquileia  Naruia 
Sutricum  Nepet  —  nusquam  quod  sciam  in  hac  re  commemorantur; 
quarum  uero  mentio  fit,  hae  sunt 

Alba  Liu.  xxviii,  11,[3]. 

Ardea  Liu.  xxxii,  9,  [2].     Obs.  p.  120,  2. 

Ariminum  Liu.  xxxiiii,  45,  [7].      apud  Obsequentem  p.  125] 
Ameriae  scribendum  uidetur. 

Bononia  Obs.  p.  119,  7. 


iur; 

I 


*)  [Die  Frage,  wie  es  zu  erklären  sei,  daß  die  Prodigien  des  Obsequens 
mit  dem  J.  505/249  einsetzen,  ist  seitdem  viel  behandelt  worden,  teils  in  einem 
der  Mommsenschen  Erklärung  zustimmenden,  teils  in  ablehnendem  Sinne  (so 
besonders  von  0.  Seeck,  Die  Kalendertafel  der  Pontifices,  Berlin  1885,  S.  67f.); 
die  Literatur  ist  angegeben  bei  L.  Wülker,  Die  geschichtliche  Entwicklung  des 
Prodigienweaens  bei  den  Römern.  Studien  zur  Geschichte  und  Überlieferung 
der  Staatsprodigien  Leipz.  1903,  S.  58,  3.  Mommsen  selbst  hat  späterhin  seine 
Ansicht  modifiziert:  s.  Rom.  Gesch.  I«  S.  461:  ,Die  von  Gemeindewegen  gesühnten 
Wunderzeichen  scheint  man  erst  seit  der  2.  Hälfte  des  fünften  Jahrhunderts 
d.  St.  regelmäßig  in  die  Chronik  eingetragen  zu  haben."] 


De  Romanoruni  prodigiis  ad  Ottonem  Jahnium.  171 

Cales  Liu.  xxiiii,  10,  [7]. 

Fregellae  Liu.  xxvi,  23,  [5j.  xxviii,  11,  [3].  apud  Liuium 
XXXII,  29,  [1]  e  Bambergensi  Fregenae  restitui  debet; 
Obsequentis  locus  p.  128,  19  huc  non  pertinet,  quia  de 
prodigio  anni  dclx  narrat,  cum  Fregellae  a.  dcxxviiii 
captae  sint. 
Hadria  Liu.  xxxiiii,  45,  [8].  de  loco  qui  xxiiii,  10,  [10]  legitur 
p.  xviiii  [169]  dictum  est.  fortasse  Hadria  ad  Padum 
sita  intellegenda  est. 
(Setia  apud  Liuium  xxviiii,  14  e  coniectura  parum  probabili 

legitur.) 
Spoletium  Obs.  p.  129,  22.    de  loco  qui  xxiiii,  10,  [10]  legitur 
p.  X villi   [169]   dixi;    Obs.  p.  133,  17    huc   non    pertinet, 
quia  de  prodigio  post  bellum  sociale  nuntiato  narrat. 
Suessa  Liu.  xxxii,  l,  [10];  9,  [3]. 
III.    Yt  de  innumeris  prodigiis  taceam,  quae  Romae  et  in  urbis 
uicinia  e.  g.  Capenae  (Liu.  xxii,  1,  [10].    xxvii,  4,  [14].    xxxiii,  26,  [8]),  XXII 
Gabiis  (Liu.  xxiiii,  10,  [9].    xxxxi,  16,  [6].      Obs.  p.  115,  27),  Yeiis 
(Liu.  XXVII,  37,  [1].    xxxii,  9,  [2].    xxxxi,  21,  [12].    xxxxii,  2,  [4].     Obs. 
p.  115,  4.  121,  19)  accidisse  narrantur,  colonias  tantum  ciuium  Roma- 
norum  commemorabo,    quarum  prodigia    tam  frequentia    referuntur 
quam    infrequentia    coloniarura    Latinarum.      coloniae     uero    ciuium 
Romanorum  certae  hisce  temporibus  solae  maritimae  haberi  possunt, 
quas  a.  dxxxxvii  Liuius  xxvii,  38  recenset. 

Ostia  Liu.  xxvii,  11,  [2].  23,  [3].    xxxii,  1,  [10].    Obs.  p.  120,  15. 
Antium  Liu.  xxii,  1,  [10].    xxviii,  11,  [2].     xxx,  2,  [9].      Obs. 

p.  115.  26(?). 
Tarracina  Liu.  xxiiii,  44,  [8].    xxvii,  4,  [13].    xxviii,  11,  [2]. 
xxviiii,  14,  [3].    xxxvi,  37,  [3].    xxxx,  45,  [3].    Obs.  p.  115,  5; 
25.    118,  12.    120,  17. 
Minturnae  Liu.  xxvii,  37,  [3].    xxxvi,  37,  [3].    xxxxiii,  13,  [3]. 

Obs.  p.  120,  3. 
Sinuessa   Liu.   xxiii,  31,  [15].    xxvii,  11,  [4]   cf.  37,  [5].    xxxi, 

12,  [7].    XXXII,  9,  [3].    xxxxi,  21,  [12]. 
Puteoli  Liu.  xxxvii,  3,  [2].    xxxxi,  9,  [5].     Obs.  p.  119,  1. 
Yolturnum  Liu.  xxxvi,  37,  [3]  cf.  Obs.  p.  132,  2. 
Croton  Obs.  p.  122,  7. 
Pisaurum  Obs.  p.  116,  3.    127,  14. 

Saturnia  Liu.  xxxxii,  20,  [5].     Obs.  p.  122,  8  (?).    123,  2. 
Grrauiscae  Liu.  xxxxr,  16,  [6]. 
Luna  Obs.  p.  117,  25.    120,  1.    125,  3. 


j72  De  Romanorum  prodigiis  ad  Ottonem  Jahnium. 

IUI.  Ciuitatum,  quas  ante  bellum  sociale  ciuitatem  adeptas 
esse  aut  certum  aut  ueri  simillimum  est,  haud  minus  frequentia,  ut 
par  est,  prodigia  referuntur  harum 

Tusculum  Liu.  xxvii,  4,  [11].    xxxvii,  3,  [3].    xxxxi,  16,  [6]. 
Lanuuium   Liu.   xxi,  62,  [4].    xxiii,  31,  [15].    xxiiii,  10,  [6]. 

xxviiii,  14,  [3].   XXXI,   12,  [6].    xxxii,  9,  [2].    xxxv,  9,  [3]. 

xxxx,  19,  [2].    XXXXI,  21,  [13].   xxxxii,  2,  [4].   xxxxv,  16,  [5], 

Obs.  p.  115,  13.    117,  13.    126,  20. 
XXIII  Lauinium  Obs    p.  118,  9. 

Aricia  Lia.  xxii,  36,  [7].  xxiiii,  44,  [8].  xxx,  38,  [9].  xxxv,  9  [3]. 

Obs.  p.  117,  1.    125,  27. 
Frusino  Liu.  xxvii,  37,  [5].  xxx,  2,  [12];  38,  [9].   xxxi,  12,  [7]. 

xxxii,  29,  [1].     Obs.  p.  116,  8.    117,  12. 
Priuernum  Liu.  xxvii,  11,  [4].    xxxi,  12,  [5].    xxxxii,  2,  [4]. 

Obs.  p.  115,29.    123,  1;  16. 
Formiae  Liu.  xxxii,  1 ,  [10] ;  29,  [2].   xxxv,  21,  [4].  xxxx,  2,  [4]. 

Obs.  p.  115,  25. 
Arpinum  Liu.  xxx,  2,  [12]. 
Anagnia  Liu.   xxvi,  23,  [5].     xxvii,  4,  [12].    xxviiii,  14,  [3]. 

xxx,  2,  [11].    xxxxiii,  13,  [3].   xxxxv,  16,  [5].    Obs.  p.  116,  7. 

119,14.  ,, 

Sabini  Liu.  xxii,  36,  [7].    xxiiii,  10,  [9].    xxxi,  12,  [6].  J 

Reate  Liu.  xxv,  7,  [8].  xxvi,  23,  [5].  xxx,  2,  [11].  xxxvii,  3,  [3]. 

xxxx,  2,  [4];  45,  [3].     xxxxiii,    13,  [4].     Obs.  p.  116,  9. 

120,  13.  132,  19. 
Nursia  Liu.  xxxvii,  3,  [3].     Obs.  p.  124,  6.    126,  21.    127,  16. 
Eretum  Liu.  xxvi,  23,  [5]. 
Amiternum  Liu.   xxi,  62,  [5].     xxiiii,  44,  [8].    xxxv,  21,  [4]. 

xxxvi,  37,  [3].       Obs.    p.   117,  9;    19.     119,  12.    124,  11. 

frequentissima    quae    hie     accidisse     referuntur    prodigia 

conieeturam    per    se    satis    probabilem    confirmant,    qua 

Amiternum    ante    bellum    sociale    in    ciuitatem    receptum 

esse  putaut. 
Trebula  Mutuesca  Obs.  p.  124,  15;  23;  30. 
Yenafrum  Obs    p.  128,  2. 
Caere   Liu.  xxi,  62,  [5].    xxii,  1,  [10].    xxvii,  23,  [3].    xxviii, 

11,  [3].    XXXXI,  21,  [13].      Obs.  p.  116,4.    117,  11;   20  (?). 

127,  28. 
Cumae  Liu.   xxv,  7,  [8].    xxvii,  23,  [2].    xxx,  38,  [8].  xxxxiii, 

13,  [4].     Obs.  p.  130,  1. 
Suessula  Liu.  xxv,  7,  [7]. 


De  Romanorum  prodigiis  ad  Ottonem  Jahnium.  173 

V.  Ex  eo    tempore,    quo   Capua  sui  iuris   erat,   unum   tantum  XXIIII 
prodigium  a  Liuio  xxii,  1,  [12]    refertur,  unde  in  tanta  de   antiquis 
temporibus  fontium  penuria  nihil  effiei  potest.     ex   quo  a.  dxxxxiiii 
Campas  ager  publicus  factus  est,  frequentia  prodigia  commemorari 
oonsentaneum  est. 

ager  Campas  et  Stellatinus  Liu.  xxvii,  11,  [2];  23,  [2];  37,  [3]. 

XXX,  2,  [lOJ.    XXXII,  9,  [2].    XXXV,  9,  [4],    xxxx,  45,  [3]. 

xxxxF,  9,  [5];  13,  [2J;  21.  [13].    Obs.  p.  115,  3;  23.  123,  6. 
Atella  Liu.  xxvii,  37,  [2].     Obs.  p.  124,  14. 
Calatia  Liu.  xxxxii,  20,  [5].    xxxxv,  16,  [5]. 

VI.  Ciuitates  Italiae,  quae  bello  demum  sociali  Eomanam  ciui- 
tatem  adeptae  sunt,  quibus  eas  addam  de  quanim  condicione  nihil 
■constat,  multum  agri  publici  continebant,  quamuis  maximam  partem 
agro  peregrino  constarent.  ita  fit  ut  prodigia  hie  frequentiora  quidem 
quam  eis  locis.  quos  primo  et  secundo  loco,  rariora  quam  eis  quos 
deinceps  enumeraui  accidisse  referantur. 

Praeneste    Liu.  xxii,  1.  [9]   (xxiiii,  10,  [10]   cf.   p.  xviiii)  Obs. 

p.  115,  4.    118,  5;  11.    122,25.    128,25. 
Tibur  quod  nusquam  commemoratur  casu  factum  esse  nequit; 

potius  ciuibus  Tiburtinis  nihil  agri  ablatum   esse  uidetor. 
Velitrae  Liu.  xxx,  38,  [8].    xxxii,  1,  [10];  9,  [3]. 
Ferentinum   Obs.  p.  120,  7,    si   modo  Hernicoram  oppidum 

intellegendum  est. 

Yolsci  Obs.  p.  128,  8. 

Casinum  Liu.  xxvii,  23,  [2].     Obs.  p.  115,  14. 
Teanum  Sidicinum  Obs.  p.  115.  15. 
Satricum  Liu.  xxviii,  11,  [2j. 

Compsa  Liu.  xxiiii,  44  [8].     Obs.  p.  116.  21. 

Lucani    Liu.    xxxi,   12,  [7].       Obs.   p.  123,  16.    125,  3;    16. 

128,  22. 
Bruttii  Liu.  xxxii,  1,  [U].  XXV 

Regium  Obs.  p.  129,  21. 

Apulia  Liu.  xxiiii,  10,  [6].     Obs.  p.  120,  16.    128,  25. 
Arpi  Liu.  xxii,  1,  [9].     Obs.  p.  121,  20. 
Marrucini  Liu.  xxiiii,  10,  [10]. 
Vestini  Obs.  p.  128,  11.    129,  19. 

Picenum    Liu.   xxi,  62,  [6].     xxxiiii,  45,  [7].    xxxv,  21,  [3]. 
xxxviiii,  22,  [3].     Obs.  p.  125,  14.    126,  13. 


J74  ^^  Romanorum  prodigiis  ad  Ottonem  Jahnium. 

Auximum,    ante    coloniam   deductam    Liu.    xxxxi,  21,  [12]. 

xxxxii,  20,  [6]. 
Asculum  Liu.  xxxii,  29,  [2],  si  modo  lectio  certa  est. 
Vrbinum  Obs.  p.  128,  5. 

Ymbria  Liu.  xxxviiii,  22,  [5]. 
Nuceria  Obs.  p.  125,  1. 
Ameria  Obs.  p.  125,  3. 


Falerii  Liu.  xxii,  1,  [11]. 

Fregenae  Liu.  xxxii,  29,  [1]. 

Tarquinii  Liu.  xxvii,  4,  [14].     Obs.  p.  125,  17.    126,  11. 

Faesulae  Obs.  p.  127,  24.    128,  14.    129,4. 

Arretiura  Liu.   xxxii,  9,  [3].    xxxv,  21,  [3].     Obs.  p.  127,  24. 

128,  21.    129,  9;   18. 
Perusia  Obs.  p.  124,  12. 
Volaterrae  Obs.  p.  1 29,  8. 

Volsinii  Liu.  xxvii,  23,  [3].     Obs.  p.  125,  14.    128,  8;  29. 
His  addo  de  quorum  situ  non  constat 
forum  Esii  Obs.  p.  116,  5. 
forum  Subertanum  Liu.  xxvi,  23,  [5j. 
forum  Yessanum  Obs.  p.  122,  10. 
XXYI  ^11-    Extra  Italiam  commemorantur 

ager  Gallicus  Liu.  xxi,  62,  [5].    xxxxii,  2,  [5].    Obs.  p.  122,  1: 

123,  17.    125,  26. 
Mantua  Liu.  xxiiii,  10,  [7]. 
Syracusae  Liu.  xxxxi,  13,  [2]  cf.  xxiiii,  10,  [10]. 
Cephallenia  Obs.  p.  116,  1.    118,  5. 

Dabam  Turici  ineunte  lanuario  a.  mdggcliii. 


XXI. 
Die  Litteraturbriefe  des  Horaz.*) 

Die  allgemeine  Auffassung  und  die  wesentlich  davon  abhängige   103 

Zeitbestimmung  der  drei  Briefe  des  Horaz.  die  in  unseren  Ausgaben 

den  Schluss  und  die  Krone  seiner  Werke  bilden,  sind  kürzlich  von 

Yahlen^  in   ebenso  anziehender  wie   erschöpfender  Weise    dargelegt 

worden.    Hier  soll  versucht  werden  vom  geschichtlichen  Standpunkt 

aus  jene  feinen   Untersuchungen  aufzunehmen  und    hie   und    da   zu 

ergänzen.      Es  handelt  sich    um    das   volle  und  klare   Yerständniss 

des  anmuthigsten  und  erfreulichsten  Werkes   der  gesammten   römi- 

8(}hen  Litteratur.  und  die  Bewerber  in  diesem  Wettkampf  sind  bis 

jetzt  sehr  viel  zahlreicher  gewesen  als   die  ertheilten  Ki'änze.     Der 

I  durchaus  verschiedene  Ausgangspunkt  meiner  Forschung  von   dem- 

I  jenigen  Yahlens  einerseits  und  andrerseits  neben  manchen  Differenzen 

i  im   Einzelnen    die    Uebereinstimmung    meiner  Ergebnisse    mit    den 

seinigen   in   allen  wesenthchen   Punkten  bestimmen  mich   dieselben 

;  hier  vorzulegen. 

Von  den  drei  Litteraturbriefen ,  um    die   es  sich  hier  handelt, 

ist  der    erste    an   Augustus   gerichtete    nach  Vahlen    im  Jahre   740 

geschrieben.      Xachdem   der   Dichter  in  dem   734   abgefassten    und 

,  herausgegebenen  Brief  an  Maecenas  (ep.  1,  1)  der  lyrischen  Poesie 

feierlich  Yalet  gesagt  hat,  dann  aber  mit  der  Säcularode  im  J.  737 

nnd  weiter  mit  den  auf  den  rätischen  Krieg  des  J.  739  gedichteten 

Siegesliedern  und  den  andern  jetzt  im  vierten  Odenbuch  zusammen- 

■  gofassten  Gedichten  ihm  selbst  unerwartet  in  einen  zweiten  Lieder- 

i  friihling  eingetreten  ist.  gedenkt  er  in  in  dieser  Epistel  an  Augustus 

;  sowohl  jener  Absage  an  die  Muse  wie  seiner  Rückkehr  in  den  ver- 

I  lassenen    Zaubergarten    und    knüpft    in    zahlreichen    Bezügen    nicht 

*)  [Hermes  15,  1880,  S.  103  —  115.] 

1)  Monatsberichte  der  Berliner  Akademie  1878  S.  688  £ 


176  Die  Litteraturbriefe  des  Horaz. 

bloss  in  ausdrücklichster  Weise  an  das  Säcularge dicht  an,  dessen 
Erfolg  ihm,  wie  er  selbst  sagt,  gewissermassen  officiell  die  Stellung 
104  des  ersten  lyrischen  Dichters  der  Nation  eintrug,  sondern  nimmt 
auch  die  Motive  und  Wendungen  der  späteren  Gedichte  des  vierten 
Odenbuchs  überall  in  einer  Weise  auf,  dass  die  wesentliche  Grleich- 
zeitigkeit  dieser  Liedersammlung  und  unseres  Briefes  vollständig 
evident  ist.  Die  allgemeine  Zeitbestimmung  ist  mit  diesen  durchaus 
befriedigenden  Ausführungen  Vahlens  gegeben;  genau  lässt  sich 
das  Abfassungsjahr  natürlich  auf  diesem  Wege  nicht  ermitteln. 
Einmal  steht  es  keineswegs  fest,  bis  wie  lange  die  zweite  lyrische 
Periode  des  Dichters  gedauert  hat.  Aber  auch  wenn  keine  der  im 
vierten  Buch  enthaltenen   Oden  jünger    sein  sollte    als  das  J.  740^ 


1)  Es  ist  ein  Irr.thum  Vahlens,  wenn  er  aus  meinen  Worten  C.  I.  L.  vol.  1 
p.  281  [1  ^  p.  186] :  qriae  (carm.  4,  8)  scripsit  poeta  paulo  ante  quam  diem  obiret 
(u.  c.  746)  aede  nondum  dedicata  folgert,  dass  ich  das  Gedicht,  um  das  es  sich 
handelt,  in  das  Todesjahr  des  Dichters  gesetzt  habe.  Der  Marstempel  auf  dem 
forum  Augustum  wurde  im  J.  752  dedicirt  und  wahrscheinlich  damals  auch  die 
Quadriga  auf  dem  Dach  desselben  aufgestellt;  aber  der  Bau  zog  sich  sehr  lange 
hin  und  das  Forum  selbst  wurde  bereits  vor  der  Dedication  dem  öflPentlichen 
Gebrauch  übergeben.  Es  können  also  auch  Bildsäulen  daselbst  eine  Weile  vor 
dem  J.  752  gestanden  haben;  überall  aber  kommt  wenig  darauf  an,  wann  die 
einzelnen  Statuen  aufgestellt  worden  sind.  Das  von  Augustus  entworfene  und 
damals  in  der  Ausführung  begrifi'ene  grossartige  und  in  dieser  Art  vollständig 
neue  Project  um  den  Marstempel  eine  Galerie  von  Feldherrnstatuen  mit  er- 
klärenden Unterschriften  zu  errichten  muss  in  der  letzten  Lebenszeit  des  Dichters 
das  hauptstädtische  Publicum  vielfältig  beschäftigt  haben;  und  wenn  er  nun 
spricht  von  'Marmorbildnissen  mit  Unterschriften,  welche  die  lebendigen  Gestalten 
der  Imperatoren  vergegenwärtigen'  (Lachmann  kl.  Sehr.  2,  99),  so  musste  meines 
Erachtens  der  zeitgenössische  Leser  dabei  nothwendig  an  die  Statuen  und  Elogien 
denken,  die  auf  dem  forum  Augustum  aufgestellt  waren  oder  werden  sollten. 
Ich  kann  es  Jordan  (in  dieser  Zeitschr.  14,  276)  nicht  einräumen,  dass  der  Dichter 
auch  zu  seinem  Recht  kommt,  wenn  man  hiefiir  die  Triumphalfasten  substituirt. 
Diese  Auffassung  führt  nun  allerdings  für  die  Zeitbestimmung  des  Gedichts  in 
die  letzte  Lebenszeit  des  Dichters.  Aber  sie  gerade  auf  das  Todesjahr  des  Horaz 
zu  beschränken,  wäre  sehr  unverständig  gewesen;  und  ich  glaube  nicht  mich 
eines  solchen  Fehlschlusses  schuldig  gemacht  zu  haben.  Da  der  Bau  sehr 
langsam  ging,  ist  er  sicher  schon  im  J.  740  im  Gang  gewesen  —  sechs  Jahre 
für  den  Bau  eines  grossen  Tempels  würde  wohl  auch  den  Römern,  um  von  uns 
nicht  zu  reden,  kaum  als  Bauverschleppung  erschienen  sein.  In  demselben 
Sinne  ist  es  gemeint,  wenn  ich  die  tituli  carm.  4,  14  auf  die  im  J.  752  auf- 
gestellte Quadriga  bezogen  habe.  Vahlen  hat  ganz  Recht  den  hier  erwähnten 
Senatsbeschluss  in  Betreff  des  rätisch -vindelicischen  Krieges  in  das  J.  739  oder 
740  zu  setzen ;  aber  das  Jahr  der  Beschlussfassung  und  dasjenige  der  Aufstellung 
des  Beschlusses  können,  da  der  Beschluss  sich  auf  ein  im  Bau  begriffenes  Ge- 
bäude bezog,   recht  weit  auseinander  fallen.     Es   ist  wohl  möglich,  ja  wahr- 


Die  Litteraturbriefe  des  Horaz.  177 

lind  wenn  weiter  das  Buch  in  der  That  in  diesem  Jahr  publicirt  105 
worden  ist,  würde  darum  Horaz  sehr  wohl  bald  nachher  haben 
schreiben  können,  dass  er  wieder  eifrig  dem  Versemachen  obliege; 
die  zweite  Liedersammlung  schliesst  ja  nicht  etwa  mit  einem  Ab- 
schied an  die  Muse,  und  der  kluge  Poet  konnte  auch  unmöglich 
unmittelbar  nach  der  Rückkehr  zur  Lyrik  durch  einen  abermaligen 
Valedictionsact  den  Spott  des  Publicums  herausfordern.  Mehr  also 
wird  aus  jener  Darlegung  nicht  entnommen  werden  dürfen,  als  dass 
dieser  Brief  in  oder  bald  nach  dem  J.  740  abgefasst  ist. 

Dazu  stimmt  auch,  wie  Yahlen  ebenfalls  schon  hervorgehoben 
hat,  die  Verbindung,  in  welcher  Sueton.  die  Beziehungen  des  Horaz 
zu  Augustus  verzeichnend,  diesen  Brief  aufführt,  nach  dem  Carmen 
saeculare  und  dem  Gedicht  auf  den  vindelicischen  Sieg.  Dagegen 
kann  ich  mich  nicht  davon  überzeugen ,  dass  die  sermones  qiiidam^ 
deren  Lesung  den  Augustus  veranlasste  den  Dichter  zu  bitten  ein 
solches  Gedicht  (eins  modi  scriptimi)  an  ihn  zu  richten  und  worauf 
dann  dieser  Brief  die  Antwort  war,  andere  sind  als  die  Episteln  des 
ersten  Buches,  dessen  Veröffentlichung  freilich  schon  einige  Jahre  früher 
erfolgt  war.  Allem  Anschein  nach  datiren  die  näheren  Beziehungen 
des  Fürsten  und  des  Dichters  erst  aus  dessen  letzten  Lebensjahren, 
zunächst  vielleicht  hervorgerufen  durch  den  ehrenvollen  Auftrag  des 
Carmen  saeculare  zu  schreiben.  Wenn  auch  Horaz  dem  Kaiser  seine 
Gedichte  schon  früher  überschickte  ^,  so  ist  es  dennoch  ganz  glaub-   106 

scheinlich,  dass  die  Inschrift,  wie  sie  im  J.  752  schliesslich  redigirt  ward,  eine 
Reihe  verschiedener  bei  verschiedenen  Anlässen  über  die  Verzeichnung  der  von 
Augustus  erfochtenen  Siege  oder  erlangten  Ehren  gefassten  Senatsbeschlüsse  zur 
Grundlage  gehabt  hat.  Selbst  die  Worte  des  ancyranischen  Monuments  dürften 
dafür  sprechen,  dass  im  J.  752  nur  der  pater  patriae  hinzukam,  .[Andere  be- 
ziehen die  titiili  auf  das  c.  747  vollendete  tropaemn  Augusti  zu  Torbia  bei  Nizza; 
vgl,  die  Anm.  Kiesslings.]  Ich  habe  das  Verhältniss  immer  dahin  aufgefasst, 
dass  vielleicht  Decennien  hindurch  über  die  auf  dem  Augustusforum  aufzustellenden 
Bildwerke  und  Inschriften  Senatsbeschlüsse  ergangen  sind,  und  dass  also  von 
dieser  Seite  her  nichts  im  Wege  steht  die  Aeusserungen  in  späteren  Gedichten 
di?s  Horaz  mit  diesen  Bauten  zu  verknüpfen.  Den  auf  solche  Stellen  gebauten 
Athetesen  kann  ich  demnach  in  keiner  Weise  zustimmen, 

1)  ep.  1.  13.  Gewiss  mit  Recht  hat  Lachmann  (kl.  Sehr.  2,  155)  dies  Gedicht 
auf  die  Uebersendung  der  drei  Bücher  der  Oden  bezogen;  sonst  passen  die 
M'endungen  (carmina  ferre,  Volumina,  sarcina  chartae,  fasciculus  librorum)  nicht. 
Auch  dass  der  Bote  des  Dichters  per  clivos  flumina  lamas  zum  Kaiser  geht,  führt 
nuch  meiner  Meinung  eben  auf  das  Jahr  730,  in  das  die  Publication  dieser  drei 
Bächer  aus  anderen  Gründen  mit  Recht  gesetzt  worden  ist  Denn  Augustus 
ktihrte  in  der  ersten  Hälfte  dieses  Jahres  aus  Spanien  und  Gallien  nach  Italien 
zi^rück,  wo  er  im  Juni  730  verweilte  (C,  1.  L,  VI  2014),  und  ging  Ende  732  nach 

MOSCMSEX,    SCHB.  VH.  12 


jyg  Die  Litteraturbriefe  des  Horaz. 

lieh,  dass  theils  wegen  mangelnder  näherer  Bekanntschaft,  theils 
wegen  der  Abwesenheit  des  Kaisers  das  Verhältniss  erst  nach  dessen 
Rückkehr  aus  Gallien  sich  in  der  "Weise  gestaltet  hat,  dass  die  ver- 
schobene oder  auch  wiederholte  Lesung  des  ersten  Buches  der 
Episteln  jenes  Schreiben  hervorrufen  konnte.*) 

Suchen  wir  nun  die  historischen  Beziehungen  im  Einzelnen  auf, 
so  sind  dieselben  im  Allgemeinen  für  nähere  chronologische  Be- 
stimmung wenig  zu  brauchen. 

Die  Worte  gleich  im  Anfang:  cum  .  .  .  res  Italas  .  .  .  moribus 
ornes  legibus  emendes  beziehen  sich  ohne  Zweifel  auf  die  dem 
Augustus  angetragene  und  der  Form  nach  abgelehnte,  thatsächlich 
übernommene  cura  legum  et  niorum  ^ ;  aber  es  ist  damit  nichts 
gewonnen,  da  diese  Thätigkeit  im  J.  735  begann  und  dann  durch 
eine  Reihe  von  Jahren  sich  hinzog. 

Der  Scherz  des  Dichters  (Z.  1 1 2),  dass  er  sein  Versprechen  auf 
ewig  die  Muse  zu  meiden  noch  schlechter  halte  als  die  Parther  ihre 
Zusagen,  ist  von  historischem  Interesse;  denn  diese  Zusagen  können 
nur  bezogen  werden  auf  die  auch  im  ersten  Buch  der  Episteln 
107  erwähnte  Unterwerfung  des  Phraates  im  J.  734.  Es  müssen  also 
nach  diesem  Yertrag  abermalige  Verwickelungen   eingetreten  sein; 


Sicilien  und  von  da  nach  dem  Osten.  Jene  Worte  nun  zeigen  einerseits,  wie 
Lachmann  richtig  bemerkt,  dass  der  Bote  den  Landweg  einschlug;  andrerseits 
aber  konnte  der  Dichter  nicht  füglich  seinen  Boten  über  Berge  und  Ströme  und 
Sümpfe  gehen  heissen,  wenn  es  sich  um  den  Weg  handelte  von  Rom  nach  dem 
Albanum  oder  nach  Baiae.  Dagegen  passt  die  Wendung  so  genau,  wie  horazische 
Wendungen  passen  müssen,  wenn  der  Bote,  um  zum  Kaiser  zu  gelangen,  die 
Alpen  zu  passiren  hatte;  und  dies  führt  eben  auf  die  erste  Hälfte  des  J.  730, 
wo  Augustus  allem  Anschein  nach  von  Spanien  durch  Gallien  nach  Italien 
zurückging.  [Vgl.  für  die  Überreichung  i.  J.  731 ,  als  Augustus  in  Italien  war, 
A.  Kiessling  in  den  Philol.  Untersuch.  2,  1881,  S.  49.]  —  Die  Aeusserung  des 
Augustus  in  einem  Briefe  an  den  Dichter  (bei  Sueton  p.  47  Reiff.):  pertulit  ad 
me  {Di)onysius  [Onysius  die  Hss.]  libellum  tuum,  quem  ego  iit  accusantetn  quan- 
tuluscumque  est  boni  consulo  ist  natürlich  nicht  bestimmt  zu  beziehen ;  auf  unsere 
Epistel  passt  sie  nicht,  da  Augustus  den  Dank  nicht  mit  Scherzen  über  die 
Kürze  des  Gedichts  und  des  Poeten  eingeleitet  haben  würde.  Uebrigens  trifft 
für  das  sinnlose  accusantem  ReifiFerscheids  Vorschlag  excusantem  schwerlich  das 
Richtige:  hrevitatem  dürfte  nicht  fehlen  und  die  Wendung,  dass  die  Kürze  wegen 
der  Entschuldigung  derselben  verziehen  werden  soll,  ist  weder  geschickt  noch 
höflich.  Vielleicht  schrieb  der  Kaiser  ut  alios  antea  [für  die  Überlieferung 
tritt  ein  v.  Wilamowitz  bei  Kiessling,  Ausgabe  IIP,  S.  167]. 

*)  [Für  die  Beziehung  der  sermones  quidam  auf  ep.  II,  2  u.  3  vgl.  Kiessling, 
Untersuch,  a.  a,  0.  S.  58.] 

1)  Vgl.  mein  Staatsrecht  2«,  686  A.  1.     [=  2»,  706  A.  1.] 


Die  Litteraturbriefe  des  Horaz.  179 

und  dazu  passt  recht  gut,  dass  die  parthischen  Prinzen  nicht  gleich 
damals,  sondern  wahrscheinlich  erst  etwa  ein  Decennium  später  als 
Geisaeln  an  den  römischen  Hof  gesandt  worden  sind.  Denn  dass 
dies  bloss  geschehen  ist,  um  das  fortwährend  gute  Einvernehmen 
der  beiden  Regierungen  zu  bethätigen,  wird  man  doch  auch  dem 
Augustus  selber  schwerlich  glauben  ^.  Indess  wenn  diese  Andeutung 
des  Dichters  die  Geschichte  um  eine  nicht  unwesentliche  Thatsache 
bereichert,  so  ist  eben  darum  für  die  Epoche  des  Gedichts  damit 
nichts  gewonnen;  unsere  üeb erlief erung  meldet  über  das  Verhalten 
der  Parther  in  diesen  Jahren  gar  nichts. 
Dagegen  dürften  in  den  Versen  15.  16: 

praesenti  tibi  maturos  largimur  Iwnores 
iurandasque  tuum  per  numen  ponimus  aras. 
zwei  Andeutungen  enthalten  sein,  die  etwas  weiter  führen. 

Vahlen  ist  der  Meinung,  dass  Horaz  den  Brief  an  Augustus 
ebenso  gut  nach  Gallien  wie  nach  Rom  oder  Baiae  habe  richten 
können ;  und  gewiss  würden  gegen  die  erstere  Alternative  die  Worte 
im  Eingang  cum  .  .  .  res  Italas  armis  tuteris  nicht  geltend  gemacht 
werden  dürfen.  Aber  wohl  spricht  dagegen  schon,  dass  der  Dichter 
des  ahes  iam  nimium  diu  hier  der  Sehnsucht  nach  der  Rückkehr 
des  Herrschers  keinen  Ausdruck  giebt.  Es  erscheint  fast  unmöglich, 
dass,  wenn  Horaz  dies  schrieb,  als  Augustus,  der  im  Frühjahr  oder 
Sommer  738  nach  Gallien  ging,  volle  zwei  Jahre  und  mehr  von 
Rom  abwesend  war.  er  in  diesem  ganz  persönlich  gehaltenen  poetischen 
Briefe  mit  keiner  Silbe  auf  jenen  Wunsch  hingedeutet  haben  sollte. 
—  Aber  noch  mehr:  in  den  Worten  praesenti  tibi  wird  die  Heim- 
kehr geradezu  bezeichnet  als  erfolgt.  Bekanntlich  traf  Augustus 
aus  Gallien  am  4.  Juli  741  in  Rom  wieder  ein,  wo  ihn  der  Senat 
mit  der  Gelobung  des  Altars  der  pax  Augitsta  und  mit  anderen 
Ehrenbezeigungen  empfing  2.  Meiner  Meinung  nach  kann  der  Histo- 
riker den  ersten  jener  beiden  Verse  nur  also  übersetzen:  'die  vom 
'Senat  längst  beschlossenen  oder  doch  debattirten  Ehrenbezeigungen 
'wurden  dem  Augustus  nach  seiner  Rückkehr  am  4.  Juni  741  zur  108 
'Kenntniss  gebracht".  Dann  aber  ist  der  Brief  nicht  im  J.  740, 
sondern  in  der  zweiten  Hälfte  des  J.  741  geschrieben.*) 


1)  Mon.  Ancyr.  6,  3  und  was  dazu  von  mir  p.  31  [p.  141  *]  zusammengestellt  ist. 

2)  Von  Spielen  zur  Feier  der  Rückkehr  berichtet  die  Inschrift  C.  I.  L.  VI 
a.  386,  Den  vom  Senat  beschlossenen  Altar  in  der  Curie  und  die  jedem,  der 
den  Rückkehrenden  begrüssen  werde,  verheissene  Amnestie  lehnte  Augustus  ab 
T)io  54,  25). 

*)  [Vgl.  aber  Kiessling  a.  a.  0.  S.  59  Anm.  13.] 

12* 


jgQ  Die  Litteraturbriefe  des  Horaz. 

Aber  auch  der  zweite  jener  beiden  Verse  geht  den  Historiker 
an.  Wenn  er  die  Interpreten  fragt,  welche  Altäre  gemeint  sind, 
so  ist  die  Antwort  nicht  sehr  präcis.  Vahlen  (S.  689)  vermisst  für 
deren  nähere  Bestimmung  überhaupt  einen  befriedigenden  Anhalt, 
Ribbeck  ^,  auf  den  er  verweist,  erinnert  an  die  beiden  bei  Augustus 
Rückkehr  nach  Rom  ihm  gewidmeten  grossen  Altäre  auf  dem  Mars- 
felde, den  am  12.  Oct.  735  gelobten  der  Fortuna  redux  und  den 
eben  erwähnten  der  Fax  Augusta  vom  4.  Juli  741;  ferner  an  die 
Verehrung  des  nurnen  Augusü  in  Vereinigung  mit  den  Laren  der 
Compita,  die  nach  der  Andeutung  bei  dem  Dichter  selbst^  schon 
um  das  J.  740  aufgekommen  sein  müsse,  aber  erst  im  J.  747,  also 
nach  des  Dichters  Tode  officiell  eingeführt  worden  sei.  —  Von 
diesen  beiden  Erklärungen  wird  die  erste  abzuweisen  sein,  theils 
weil  jene  beiden  Gottheiten  wohl  auf  Augustus  Beziehung  haben, 
aber  doch  keineswegs  an  den  bezeichneten  Altären  das  numen 
Augusti  verehrt  wurde,  theils  weil  Fortuna  und  Fax  zu  dem  römi- 
schen Eide  in  keiner  näheren  Beziehung  stehen ;  denn  dass  bei  ihnen 
wie  bei  jeder  anderen  Gottheit  geschworen  werden  konnte,  reicht 
für  einen  Dichter  von  der  Froprietät,  wie  sie  Horatius  eigenster 
Vorzug  ist,  nimmermehr  aus.  —  Dagegen  die  Beziehung  dieser  Zeile 
auf  das  numen  oder,  um  aus  der  poetischen  in  die  historische  Rede 
zu  kommen,  auf  den  genius  Augusti  ist  unabweisbar,  eben  weil  diese 
Gottheit  in  der  römischen  Eidesformel  eine  hervorragende  Rolle 
spielt.  Das  Formular  des  öffentlichen  Eides  war  bekanntlich  in 
republikanischer  Zeit  auf  den  lupiter  optimus  mnximus  und  die  DU 
Penates  gestellt.  Unter  dem  Frincipat  jßnden  wir  zwischen  diese 
Gottheiten  den  Genius  des  regierenden  Kaisers  eingeschoben^,  und 
wenn  auch  die  Formulirung  des  Eides  im  Frivatverkehr  der  Regel 
nach  von  dem  Belieben  der  Farteien  abhing,  so  kann  doch  zum 
Beispiel  in  die  Formel  des  von  den  Beamten  bei  dem  Amtsantritt 
109  zu  schwörenden  Eides  der  genius  Caesar is  nur  durch  Gesetz  oder  Senats- 
beschluss  hineingesetzt  worden  sein.  Diesen  Beschluss  wird  Horaz 
meinen ;  wie  es  denn  auch  eine  für  einen  Dichter  seiner  Art  viel  zu 
geringe  Annahme  ist,  dass  er  hier  bloss  spontane  Loyalitätskund- 
gebungen einzelner  Personen  und  nicht  eine  in  der  That  öffentliche 
Ehrenbezeigung  im  Sinne  gehabt  hat.     Wann  und  wie  diese  erfolgt 

1)  Horatius  Episteln  S.  89. 

2)  Carra,  4,  5,  34:  et  Laribus  tuum  miscet  numen. 

3)  Staatsrecht  2*,  788.     [2»,  809.]     Der  divus  lulius  erscheint  nie  in  dieser 
Verbindung,  wohl  aber  späterhin  die  consecrirten  Kaiser. 


Die  Litteraturbriefe  des  Horaz.  181 

ist.  berichtet  unsere  Ueberlieferung  nicht:  für  die  Zeit  und  die" 
Umstände  des  für  die  Entwickelung  der  Monarchie  nicht  unwesent- 
lichen Wechsels  der  Eidesformel  sind  wir  auch  hier  auf  den  Dichter 
und  neben  ihm  auf  die  Inschriften  angewiesen. 

Es  hat  an  sich  grosse  Wahrscheinlichkeit,  dass  die  Aufnahme 
des  genhis  Caesarts  in  die  öffentliche  Eidesformel  gleich  bei  der 
Aufnahme  dieser  Gottheit  in  den  öffentlichen  Cult  stattgefimden  hat 
und  gewissermassen  ein  Theil  dieser  Reception  gewesen  ist.  Diese 
Aufnahme  aber  ist,  wie  dies  schon  Ribbeck  bemerkt  hat.  erfolgt 
bei  der  Umgestaltung  des  Compitaliencults,  indem  den  beiden  Lares 
Augiisti  in  der  Stadt  Rom  von  Staats  wegen  der  genius  Augusti 
beigesellt  ward.  Wenn  Horaz  hier  in  Beziehung  auf  den  Eid  nur 
der  Altäre  des  genius  Augusti  gedenkt,  so  erwähnt  er  in  der  schon 
erwähnten  ungeföhr  gleichzeitigen  Ode  nur  die  Yerbindung  desselben 
mit  dem  Larencult;  wir  dürfen  beides  als  gleichzeitige  und  zusammen- 
gehörige Ehrenbeschlüsse  betrachten.  Was  die  Interpreten  abgehalten 
hat  die  Worte  des  Dichters  auf  diese  Beschlüsse  zu  beziehen,  die 
Annahme,  dass  die  Inschriften  dafür  auf  das  J.  747  führen,  ist  keines- 
wegs richtig.  Yielmehr  hegt  die  Sache  so,  dass  wir  von  einer 
Anzahl  dieser  römischen  Gassenkapellen  das  Einrichtungsjahr  kennen 
und  dasselbe,  soweit  unser  jetziges  Material  reicht,  bei  den  einzelnen 
Heiligthümern  zwischen  742  und  747  schwankt^.  Wenn  das  letzt- 
genannte Jahi-,  unter  welchem  Dio  die  mit  diesen  Einrichtungen 
zusammenhängende  Einsetzung  der  magistri  vicorum  aufführt,  als 
dasjenige  festgehalten  werden  darf,  in  welchem  diese  Organisation 
zum  Abschluss  kam,  so  geht  doch  schon  die  Ausführung  in  einzelnen 
Fällen  sicher  bis  in  das  J.  742  zurück,  und  die  allgemeine  Anordnung, 
aus  welcher  die  einzelnen  Kapellen  hervorgingen,  kann  füglich  in 
eines  der  nächstvorhergehenden  Jahre  gesetzt  werden.  In  der  That 
nöthigt  nicht  unser  Brief,  aber  die  eben  angeführte  Ode  dazu  den 
betreffenden  Senatsbeschluss  —  denn  ein  solcher  liegt  sicher  zu  HO 
Grunde  —  wenigstens  vor  die  Rückkehr  des  Kaisers,  vielleicht  sogai' 
Ende  739  oder  Anfang  740  zu  setzen-.  Insofern  würde  sich  diese 
Auffassimg  der  Stelle  auch  mit  Yahlens  Datirung  vertragen.  Indess 
gehört  diese  Anordnung  ohne  Zweifel  zu  den  maturi  honares,  die 
vielleicht  lange  vorher  beschlossen,    aber  erat  nach  der  Rückkehr 

1)  C.  I.  L.  VI  n.  454  mit  der  Anmerkung. 

2)  Diese  Zeitbestimmung  ergiebt  sich,  wenn,  wie  es  seheint,  die  Wendung 
cann.  4,  5,  11:    cundantem  spatio   longius   annuo    die   Dauer   der   Abwesenheit    ' 
Augusts  andeuten  soll;  bloss   auf  das  Gleichniss  bezogen,   in  das  sie  eingefügt 
ist,  erscheint  sie  ungeschickt  und  störend. 


182  Diß  Litteraturbriefe  des  Horaz. 

des  Kaisers  und  der  Annahme  zur  Ausführung  gelangt  sind;  und 
ungern  würde  ich  darauf  verzichten  bei  dem  ponimus  aras  eben  an 
jene  Zeit  zn  denken,  wo  in  der  That  in  jeder  Gasse  der  grossen 
Stadt  der  Altar  für  den  neu  eingeführten  genius  Augusti  gebaut 
und  die  Priester  dafür  bestellt  wurden.*)  Auch  aus  diesem  Grunde 
also  dürfte   es  sich  empfehlen   diesen  Brief  dem  J.  741  zuzuweisen. 


Den  zweiten  Brief  des  zweiten  Buchs  der  Episteln  an  Julius 
Florus  setzt  Vahlen  zwischen  734  und  737,  hauptsächlich  dadurch 
bestimmt,  dass  er  später  fallen  muss  als  das  erste  in  jenem  Jahr 
herausgegebene  Buch  der  Episteln,  aber  früher  als  die  Wieder- 
aufnahme der  lyrischen  Dichtung,  weil  er  in  diesem  Brief  sich  dieser 
ganz  ebenso  gegenüberstellt  wie  in  dem  ersten  Buch  der  Episteln, 
besonders  in  dem  ersten  Brief  an  Maecenas.  Allerdings  hat  Horaz 
in  oder  bald  nach  dem  J.  740  sich  abermals  von  der  lyrischen 
Poesie  abgewandt;  aber  dass  er  dies  zum  zweiten  Mal  so  unverhohlen 
eingestanden  haben  sollte,  erscheint  nicht  allzu  glaublich.  —  Dieser 
Argumentation  wird  man  sich  anschliessen  können,  so  weit  das  ein- 
zige historische  Moment,  welches  dieses  Gedicht  darbietet,  dass  zur 
Zeit  seiner  Abfassung  Tiberius  sich  nicht  in  Rom  befand,  damit  in 
Einklang  zu  bringen  ist.    Sehen  wir  zu,  in  wie  weit  dies  der  Fall  ist. 

Stipendia  prima,  sagt  Sueton  (c.  9)  von  Tiberius,  expeditione 
Cantahrica  trihunus  militum  fecit.  Dein  .  .  .  regnum  Armeniae  Tigrani 
restituit,  recepit  et  signa  quae  M.  Crasso  ademerant  Parthi  (734). 
Post  hoc  Comatam  Galliam  anno  fere  rexit  et  barbarorum  incursionihus 
et  principum  discordia  inquietam.  Exin  Raeticum  Vindelicumque 
bellum  (739),  inde  Pannonicum  (742 — 744),  inde  Germanicum  (746. 
747)  gessit.  Diese  Aufzählung  ist  vollständig,  so  dass  Tiberius,  ab- 
1 1 1  gesehen  von  diesen  Expeditionen,  in  Italien  verweilt  und  comites  im 
eigentlichen  Sinne  nicht  gehabt  hat  ^.  Nach  Vahlens  Meinung  ist 
Florus,  als  es  geschrieben  ward,  in  Begleitung  des  Tiberius  in  Gallien 
gewesen,  dessen  Verwaltung  durch  Tiberius  er,  dem  jüngeren  Zumpt^ 
folgend,    dem   J.  736    zuweist,    während    sie   gewöhnlich    mit    dem 

*)  [Über  die  maturi  honores  vgl.  jedoch  Kiessling  a.  a.  ü.,  der  im  übrigen 
den  Ausführungen  über  Vers  16  zustimmt.] 

1)  Vgl.  Hermes  4,  120  f.  [In  dem  Aufsatz:  Die  comites  Augusti  der  früheren 
Kaiserzeit  =  Hist.  Sehr.  I  S.  311  ff.]  Bezeichnend  ist  es,  dass  Tiberius,  als  er 
nach  Rhodos  gewissermassen  ins  Exil  ging,  keine  comites  mit  sich  führte  (Dio 
55,  9),  obwohl  er  zu  Anfang  die  tribunicische  Gewalt  inne  hatte. 

2)  studia  Rom.  p.  103. 


Die  Litteraturbriefe  Je.s  Horaz.  1S3 

rätischen  Krieg  verknüpft  und  in  das  J,  738  gesetzt  wird.  Zumpt 
stützt  sich  theils  darauf,  dass  die  Dreitheilung  der  Gallia  comata 
vor  738  falle ,  theils  dass  für  den  annus  unus  Suetons  im '  J.  738 
die  Zeit  mangele.     Beides  ist  leicht  als  falsch  zu  erweisen. 

Die  Theilung  der  Comata  in  die  drei  späteren  Provinzen  wird 
allerdings  auf  Augustus  zurückgeführt;  aber  das  Jahr  ist  nicht  über- 
liefert ^.  Dass  Augustus  diese  wichtige  Massregel  nicht  von  Rom 
aus  verfügt  hat,  hat  alle  Wahrscheinlichkeit  für  sich;  ob  es  geschehen 
ist  während  seines  Aufenthaltes  in  Gallien  im  J.  727  oder  während 
seines  langen  Yerweilens  daselbst  in  den  J.  73S — 741,  würde  dahin- 
gestellt bleiben  müssen,  wenn  nicht  eben  unsere  Stelle  für  die  letztere 
Annahme  entschiede.  Dass  Tiberius  damals,  bei  Agrippas  Lebzeiten, 
eigenes  proconsularisches  Imperium  gehabt  und  das  Regiment  von 
Gallien  in  dieser  Eigenschaft  als  Nachfolger  Agrippas  übernommen 
haben  soll,  ist  ebenso  ohne  Anhalt  in  der  Ueberlieferung  wie  staats- 
rechtlich und  politisch  unmöglich;  es  ist  beinahe  überflüssig  daran 
zu  erinnern,  dass  er  nach  Augustus  eigener  Angabe  ^  noch  den  pan- 
nonischen  Krieg  als  legatus  seines  Stiefvaters  geführt,  also  sicher 
auch  Gallia  comata  lediglich  als  legatus  verwaltet  hat.  Da  nun  nach 
Sueton  diese  Yerwaltung  nicht  vor  das  J.  734  gesetzt  werden  kann, 
so  ist  das  von  Caesar  eroberte  Gallien  nicht  bereits  im  J.  727 
getheilt  worden.  Wohl  aber  ist  es  wahrscheinlich,  dass  dies  in  den 
J.  738—741  geschah,  und  Tiberius  mag  leicht  der  letzte  dieser  hoch- 
gestellten Statthalter  gewesen  sein. 

Auch  gegen  den  annus  unus  bei  Sueton  ist  nichts  zu  erinnern.  112 
Tiberius  ging,  nach  Dios  Zeugniss.  im  J.  738,  obwohl  Prätor,  in 
Begleitung  des  Kaisers  nach  Gallien,  und  es  muss  die  Abreise  früh 
im  Jahr  erfolgt  sein,  da  bei  den  sämmtlichen  dem  Prätor  obliegenden 
Leistungen  sein  Bruder  für  ihn  einti-at^.  Der  Alpenkrieg  währte 
einen  einzigen  Sommer  *  und  ging  zu  Ende  durch  den  entscheidenden 


1)  Marquardt  sagt  freilich  (Staatsverv.  1,  113  [=  P,  2641)  dass  Dio  sie  in 
(las  J.  727  =  27  v.  Chr.  setze;  aber  Dio  fügt  ja  53,  12  ausdrücklich  hinzu: 
ravxa  de  ovtco  xaTeXs^a,  Sri  vvv  x^Q^?  ixaarov  fe^vogj  f^yefiovevexai'  i:iei  x6  ye 
iiQXO^tov  xal  Eni  zioXv  xal  avvSvo  xai  ovvroia  rä  rör»/  äfia  iJQxrro. 

2)  Monum.  Ancyr.  5,  45 :  per  Ti.  Neronem  qui  tum  erat  privignus  et  legatus 
vteus.    Vgl.  Sueton  Tib.  12. 

3)  Dio  54,  19 :  TTjv  dgyijv  avzov  :iäoav  6  Agovoog  ix  döy^tatog  Sitjyayev.  Die 
Megalesia.  die  damals  schon  den  Prätoren  übertragen  waren,  fallen  in  den 
April,  die  Apollinarspiele  in  den  Juli;  die  Abreise  des  Tiberius  muss  wenigstens 
^or  die  letzteren  gesetzt  werden. 

4)  Strabon  4,  6,  9  p.  206:  degeia  ^iiä. 


]g4  Die  Litteraturbriefe  des  Horaz. 

Sieg  vom  1.  Aug.  739^.  Genauer  kann  demnach  nichts  passen  als 
Suetons  Angabe,  dass  Tiberius,  bevor  er  zum  Krieg  gegen  die 
Raeter  abging,  'etwa  ein  Jahr'  die  Verwaltung  von  Gallien  geführt 
habe. 

Ist  somit  durchaus  keine  Ursache  vorhanden  von  der  gewöhn- 
lichen Identification  des  von  Dio  berichteten  Aufenthalts  des  Tiberius 
in  Gallien  während  seiner  Prätur  und  der  suetonischen  Verwaltung 
von  Gallia  comata  abzugehen,  so  ist  gegen  die  von  Zumpt  vor- 
geschlagene und  von  Vahlen  adoptirte  Combination  schliesslich 
geltend  zu  machen,  dass  danach  die  suetonische  Aufzählung  der 
Expeditionen  des  Tiberius  unvollständig  sein  würde.  Denn  eine 
Abwesenheit  von  Rom  in  öffentlichen  Geschäften  war  doch  die  von 
Dio  berichtete  Thätigkeit  im  J.  738  unzweifelhaft;  fehlen  kann  sie 
also  nicht,  und  dass  sie  in  dem  erst  etwa  ein  Jahr  nach  Tiberius 
Abgang  von  Rom  begonnenen  Baeticum  bellum  mit  enthalten  sein 
soll,  ist  keineswegs  glaublich. 

Das  Ergebniss  dieser  Untersuchung  für  die  Zeit  des  horazischen 
Briefes  ist  also  insofern  ein  negatives,  als  das  J.  736,  dem  ihn 
Vahlen  zuweist,  nicht  das  richtige  sein  kann,  weil  Tiberius  damals 
nicht  von  Italien  abwesend  war.  Sind  wir  nun  darum  genöthigt  ihn 
entweder  in  die  Zeit  der  gallisch-rätischen  Amtführung  des  Tiberius 
738/9  oder  in  die  der  pannonischen  Legation  742/4  zu  setzen?  Jenes 
ist  kaum  möglich.  Man  müsste  dann  das  Carmen  saeculare  als  ein 
vereinzeltes  Gelegenheitsgedicht  fassen,  welches  auch  ein  poeta  emeritus 
liefern  konnte,  ohne  sich  des  Rückfalls  in  die  Lyrik  schuldig  zu 
fühlen;  aber  bei  der  Art,  wie  Horaz  selbst  dies  Gedicht  und  dessen 
Erfolg  betrachtet,  erscheint  eine  solche  Auffassung  doch  geradezu 
113  als  eine  schlechte  Ausrede.  Eher  lässt  die  zweite  Annahme  sich 
vertreten.  Der  horazische  Herbstfrühling  hat  nicht  lange  gedauert; 
nachdem  die  Remontanten  abgeblüht  hatten,  konnte  der  Dichter 
wohl  den  Ton  der  Epistel  an  Maecenas  zum  zweiten  Mal  anschlagen 
—  mehrfache  letzte  Vorstellungen  sind  im  Gebiet  der  Litteratur 
nicht  gerade  unerhört.  Aber  es  giebt  eine  viel  einfachere  Aushülfe, 
bei  welcher  der  von  Vahlen  mit  gutem  Grund  betonte  Gleichton 
dieses  Briefes  und  der  Maecenas -Epistel  besser  zu  seinem  Recht 
kommt.  Das  erste  Buch  der  Episteln  ist  erwiesener  Massen  im 
Herbst  des  J.  734,  sicher  vor  dem  46.  Geburtstag  des  Dichters,  dem 
8.  Dec.  734  herausgegeben  worden.  Augustus  kehrte  aus  dem  Osten 
nach  Rom  am    12,  Oct.  735   zurück,    und  aller   WahrscheinHchkeit 


1)  Horatius  carm.  4,  14,  34. 


Die  Litteraturbriefe  des  Horaz.  185 

nach  mit  ihm  Tiberius^.  Es  liegt  also  zwischen  dem  Abschluss  des 
ersten  Buches  der  Episteln  und  der  Heimkehr  des  Tiberius  ein 
volles  Jahr;  und  nichts  hindert  den  zweiten  Brief  an  den  Florus 
diesem  Jahre  zuzuweisen.  Dies  empfiehlt  sich  weiter  dadurch,  dass, 
nach  Ausweis  des  ersten  Briefes  an  den  Florus  (ep.  1,  3),  dieser 
eben  bei  der  asiatischen  Expedition  im  Gefolge  des  Tiberius  sich 
befand  und  wir  also  nicht  genöthigt  sind  anzunehmen,  was  freilich 
an  sich  auch  kein  Bedenken  haben  würde,  dass  Florus  den  Tiberius 
auf  mehreren  Expeditionen  begleitet  hat.  Mit  dieser  Modification, 
aber  auch  nur  mit  dieser,  wird  der  Historiker  dem  Urtheil  des 
Litterarkritikers  sich  anschliessen  können.*) 


Soll  ich  noch  über  den  dritten  Brief  dieser  Reihe  ein  Wort 
hinzusetzen,  so  kann  es  eigentlich  nur  der  Ausdruck  des  Bedauerns 
sein,  dass,  wenn  sonst  die  Zeitfolge  der  horazischen  Gedichte  ziem- 
lich sicher  festgestellt  werden  kann,  eben  für  die  in  so  vieler  Hinsicht 
interessante  Epistel  an  die  Pisonen  dies  am  wenigsten  gelingt  Man 
wird  Michaelis,  der  vor  nicht  langer  Zeit  diese  Frage  eingehend 
und  scharfsinnig  erörtert  hat 2,  ohne  weiteres  einräumen  müssen,  dass 
die  Scholiastenidentification  des  Vaters  der  beiden  Adressaten  mit 
dem  bekannten  Stadtprätor  L.  Piso  (Consul  739)  recht  sehr  anfechtbar 
ist  und  dass  in  der  That  gewisse  Momente  in  dem  Briefe  auf  eine 
frühere  Zeit  hinweisen.  Ich  möchte  nicht  alles  unterschreiben,  was  [  14 
in  dieser  Hinsicht  vorgebracht  ist;  aber  dass  Sp.^  Maecius  Tarpa 
und  A.  Cascellius  beide  als  Lebende  aufgeführt  zu  werden  scheinen 
und  beide  in  den  letzten  Jahren  des  Horaz  nicht  füglich  unter  den 
Lebenden  gewesen  sein  können,  ist  unbestreitbar.  Jenen  Dramaturgen 
finden  wir  bereits  in  Ciceros  Zeit  im  J.  699  in  einer  angesehenen 
Stellung*;  es  ist  nicht  unmöglich,  aber  gar  nicht  wahrscheinlich, 
dass    er    ein    halbes    Jahrhundert    später    noch    neue   Stücke   seiner 


1)  Dass  Angustus  am  Tage  nach  seiner  Rückkehr  dem  Tiberius  die  oma- 
menta  praetor ia  verlieh  (Dio  54,  10),  legt  die  Gleichzeitigkeit  ihrer  Rückkehr 
wenigstens  sehr  nahe. 

*)  [Kiessling,  der    a.  a.  0.    zustimmte,    entschied  sich  in  seiner  Ausgabe 

der  Episteln*  (1898)   für   das  J.  736   unter  der  —  nach   dem  Wortlaut  bei  Dio 

54.  10   nicht  sehr  wahrscheinlichen   —  Voraussetzung,   daß  die  Verleihung   der 

namenta  praetoria  an  Tiberius  während  dessen  Abwesenheit  im  Orient  erfolgt  sei.] 

2)  Comment.  Mommsen.  p.  420  f. 

3)  Nicht  Publius.  wie  Jordan  (Hermes  8.  90)  will,  getäuscht  durch  Orellis 
riaische  Angabe  über  die  Lesung  des  Mediceus  ;  dieser  hat  Sp.,  nicht  P. 

4)  Cicero  ad  fam.  7,  1,  1. 


jgß  Die  Litteraturbriefe  des  Horaz. 

Kritik  unterzogen  hat.  Noch  bedenklicher  ist  der  zweite  Fall. 
A.  Cascellius^  tritt  auf  als  ein  Gesinnungs-  und  Zeitgenosse  Ciceros 
und  Catulls,  der  das  odium  Vafinianum  thätig  mit  durchmacht  ^ ; 
bei  dem  Eintritt  des  Triumvirats  bietet  er  demselben  Trotz  weil  ihn 
als  kinderlosen  Greis  weder  der  Tod  noch  die  Einziehung  seines 
Vermögens  schrecken^.  Wenn  dieser  Mann  noch  fast  bis  an  Horatius 
Tod  gelebt  hat,  so  muss  er  Methusalems  Alter  erreicht  haben,  und 
befremdet  es  dann  wieder,  dass  bei  der  häufigen  Erwähnung  des 
Cascellius  davon  niemand  spricht.*)  Aber  auf  der  anderen  Seite  ist 
es  noch  viel  zweifelloser,  dass  die  kluge  und  feine  Poetik  unmöglich 
zu  den  Jugendarbeiten  des  Horaz  gestellt  werden  kann;  wie  dies 
1 1 5  denn  auch  niemand  versucht  hat.  Wenn  man  nun  mit  Michaelis 
den  Stadtpräfecten  Piso  aufgiebt  und  die  Abfassung  des  Briefes  kurz 
vor  das  J.  735  setzt,  oder,  wie  dies  Vahlen  freilich  zweifelnd  vor- 
schlägt, um  736,  so  haben  wir  eine  vierzigjährige  Regisseurthätigkeit 
statt  einer  fünfzigjährigen;  Cascellius,  der  den  sonstigen  Angaben 
nach  um  712  ein  Sechziger  gewesen  sein  müsste,  wird  aus  einem 
Neunziger  zu  einem  Achtziger  umgewandelt.  Damit  ist  nicht  viel 
gewonnen  und  überhaupt  eine  wirklich  befriedigende  Lösung  dieses 
Problems  bis  jetzt  noch  nicht  gefunden. 

1)  Der  praediator  dieses  Namens ,  Zeitgenosse  des  Q.  Scaevola  (f  672),  den 
Cicero  pro  Balbo  20,  45  (daraus  Val.  Max.  8,  12,  1)  nennt ,  ist  ohne  Zweifel  ein 
anderer,  wahrscheinlich  sein  Vater.  Was  wir  bei  Pomponius  (Dig.  1,  2,  2,  45) 
lesen:  Aulus  Cascellius  Quintus  Mucius  Volusii  auditor  denique  in  illius  ho'norem 
testamento  Publicum  Mu^ium  nepotem  eins  reliquit  heredem,  darf  auf  keinen  Fall 
in  der  Weise  geändert  werden,  dass  der  Jurist  Cascellius  zum  Schüler  des 
Scaevola  gemacht  wird,  theils  der  Altersverhältnisse  wegen,  theils  weil  Plinius 
h.  n.  8,  40,  144,  der  gewiss  mit  Pomponius  aus  gleicher  Tradition  schöpft,  als 
Lehrer  des  Cascellius  den  Volcacius  nennt.  Wahrscheinlich  ist  die  Stelle  dem 
Sinne  nach  so  herzustellen,  wie  ich  es  in  der  Ausgabe  vorgeschlagen  habe:  A. 
Cascellius  Q.  Muci  auditoris,  Volcacii  auditor,  so  dass  vielmehr  Volcacius  des 
Scaevola  Schüler  war.  Die  verzwickte  Wortstellung  freilich  macht  es  .sehr 
wahrscheinlich,  dass  die  Stelle  noch  weiter  verdorben,  vielleicht  ungeschickt 
verkürzt  ist.  Die  Verehrung  des  Cascellius  für  Scaevola  erklärt  sich,  wenn 
dieser  zugleich  der  Freund  seines  Vaters   und   der  Lehrer  seines  Lehrers  war. 

2)  Macrobius  sat.  2,  6,  1. 

3)  Valerius  Maximus  6,  2,  12.  Die  Kinderlosigkeit,  welche  Pomponius 
durch  den  Bericht  über  die  Beerbung  bestätigt,  verschliesst  den  Ausweg  zwei 
Juristen  des  Namens  anzunehmen. 

*)  [Vgl.  Hermes  20,  1885,  S.  282  in  dem  Aufsatz:  Oropos  und  die  römischen 
Steuerpächter,  der  in  Band  II  der  Hist.  Sehr,  zum  Abdruck  gelangen  wird.] 


XXII. 
Julius  und  lulus.*) 

Eine   im  Frühling  1SS8  auf  dem  Esquilin  gefimdene  Inschrift,  155 

herausgegeben  von  Gatti  im  Bullettino  della  commissione  arch.  com.  di 

Eoma  1S88  S.  228  [=  C.  I.  L.^T:,  30794,  Dessau  92],  lautet  folgender- 

massen :  Imp.  Caes[ar\  divi  f.  August,  pantif.  niaximus,  cos.  XI.  tribunicia 

potest.  XIIII,  ex  stipe,  quam  p>opulus  Romanus  ]c.  lanuariis  apsenfi  ei 

contulit,  lullo  Antonio  Africano  Fabio  cos.  Mercurio  sacrum.    Durch 

diese  ist  es  endgültig  festgestellt,  dass  der  Sohn  des  Triumvir.  der 

zwar  nicht  durch  seine  Thaten.  aber  durch  seine  Beziehungen  zu  der 

schönen  Julia   und   durch   das  Lied  des   Horaz   im  Gedächtniss   der 

Nachwelt  geblieben  ist,  nicht  Julius  hiess,  sondern  Julius.    Dass  von 

dieser  Schreibung  auch   die  Handschriften  bei  Horaz  und  anderswo 

die  Spuren  bewahrt  haben  und  dass  eine  zweite  kürzlich  wieder  zum 

Torschein   gekommene  Inschrift  (C.  I.  L.  VI,  12010),   der  Grabstein 

des  Freigelassenen  M.  Antonius  luUi  patris  l.  Rufio  diese  Namenform 

weiter  bestätigt,  hat  Hülsen  (in  der  Berliner  philolog.  Wochenschrift 

1888  S.  667)  nachgewiesen.    Es  bleibt  aber  noch  einiges  nachzutragen. 

Dass   der  Sohn   des  Triumvir   dieses   Cognomen  oder  vielmehr 

Praenomen  entweder  bei  seiner   Geburt  von  der  Grossmutter  oder, 

was  vielleicht  wahrscheinlicher  ist,    unter  Ablegung    eines    älteren, 

unter    die   Aechtung    der  Antonier   fallenden  Tomamens  bei  seiner 

i   Aufnahme   in   das  kaiserliche  Haus,   auf  jeden  Fall  aber  mit  ßück- 

1   ficht  auf  den  alten  Stammnamen  des  julischen  Hauses  erhalten  hat, 

1   kann  nicht  in  Zweifel  gezogen  werden.     Wenn   er  sich  also  Julius 

!   schrieb,    so    kam  diese   Schreibung  ebenfalls  dem  Stammvater  der 

Legende  und  den  altpatricischen  also  zubenannten  Juliem  zu;  und 

damit  stimmt  die  Ueberlieferung  sowohl  wie  das  Sprachgesetz.    Die 

i  livianische  Magistratstafel  führt  ziemlich  überall,  wo  das  Cognomen 

I 

*)  [Hermes  24,  1889,  S.  155  —  156.] 


Igg  lullus  und  lulus. 

gesetzt  ist  (zu  den  J.  324.  330.  346.  349.  351.  353.  357),  die  dio- 
dorische  bei  dem  J.  281,  die  dionysische  bei  dem  J.  272,  die  der 
Paschalchronik  und  die  verwandten  bei  den  J.  265.  272.  324  auf  die 
richtige  Schreibung;  dieselbe  findet  sich  für  das  Stammhaupt  bei 
Strabon  13,  1,  27  p.  595  und  bei  Pestus  v.  Süvi  p.  340.  Wenn  also 
in  diesem  Kreis  die  echte  Form  wohl  durch  vielfache  hier  nicht 
weiter  berücksichtigte  Corruptelen  verdunkelt,  aber  dennoch  bewahrt 
156  ist,  so  ist  sie  mit  den  Bildungsgesetzen  der  lateinischen  Sprache 
nicht  minder  im  Einklang.  Wir  erhalten  hier  einen  neuen  Beleg 
für  das  von  Lachmann  (zum  Lucrez  1,  313)  entwickelte  Gesetz,  dass, 
wenn  bei  einem  Stamm  mit  doppeltem  l  nach  langem  Vocal  in  der 
Weiterbildung  ein  nicht  dem  Casussuffix  angehöriges  i  eintritt,  der 
Doppelconsonant  zum  einfachen  wird.  Wie  aus  villa  vilicus,  aus 
Messalla  Messalina,  aus  mille  milia^  so  wird  aus  lullus  in  regulärer 
Entwickelung  lulius.  lullus  ist  also  zweisilbig,  ebenso  wie  Julius 
dreisilbig,  und  zweisilbig  braucht  es  Horaz. 

Yergihus  ist  es  gewesen,  der  aus  dem  zweisilbigen  lullus  den 
dreisilbigen  lulus  gemacht  hat,  augenscheinlich  unter  dem  Einfluss 
der  griechischen  Etymologie.*)  Ihm  gehört  das  a  magno  demissum 
nomen  I-ulo  und  seine  Handschriften,  so  wie  seine  Ausleger  und 
die  gesammte  von  ihm  abhängige  Litteratur  kennen  nur  die  Form 
mit  einfachem  l.  Merkwürdigerweise  erstreckt  sich  dies  auch  auf 
die  capitolinischen  Fasten  (zu  den  J.  281.  303.  346.  349.  351.  353) 
nebst  den  daraus  geflossenen  des  Chronographen  von  354;  diese 
stimmen  mit  dem  Dichter  überein,  wenn  nicht  etwa  auch  sie  unter 
seinem  Einfluss  redigirt  sind. 

*)  [Vgl.  Bücheier,  Rhein.  Mus.  U,  317.] 


XXIII. 

Der  Tribun  TiUius.*) 

Horatius  viel  umstrittene  Worte  im  Anfang  der  6.  Satire  des  665 
ersten  Buches  (Y.  24)  über  den  latus  clamis  lassen  sich  wohl  auf 
einfachere  Weise  erklären,  als  dies  von  IS^ipperdey  und  Kiessling 
geschehen  ist.  Der  letztere  nimmt  an,  dass  der  hier  apostrophirte 
Tillius  der  Caesarmörder  L.  Tillius  Cimber  sei,**)  welcher  in  Folge 
seiner  Yerurtheilung  den  Platz  im  Senat  verloren,  dann  aber  restituirt  666 
ihn  wiedererhalten  habe  und  nun  Yolkstribun  geworden  sei.  Quo 
tibi,  Tilli,  sumere  depositum  clavum  fieriqtie  tribunot  Wobei  die 
folgenden  Worte  betreffend  den  Riemenschuh  und  den  breiten  Streifen 
zeigen,  dass  der  clavtis  der  senatorische  ist. 

Zunächst  kann  der  angeredete  Tillius  unmöglich  der  gleich- 
namige Caesarmörder  sein.  Diesen  ereilte  so  wie  die  Yerschworenen 
alle  das  Yerhängniss  bald.  JS^ach  Sueton^  ist  von  den  nach  dem 
podischen  Gesetz  Yerurtheilten  allein  Cn.  Domitius  Ahenobarbus, 
der  Consul  des  Jahres  722,  restituirt  worden;  von  Cimber  ist  nach 
d(3r  Schlacht  von  Philippi  nicht  weiter  die  Rede^  und  wenn  ein 
Mann,  der  bei  der  Mordthat  so  in  den  Yordergrund  getreten  war, 
nachher  begnadigt  worden  wäre,  so  würden  wir  dies  wissen.  Auch 
biaucht  der  Dichter  hier  nothwendig  einen  Mann  nicht  vornehmer  Art. 

Was  den  lahis  clamis  anlangt,  so  ist  nach  augustischer  Ordnung 
nicht   bloss  der  Senator    ihn    zu  führen    berechtigt,    sondern  weiter 

*)  [Hermes  23,  1898,  S.  665— 667.] 

**)  [Das  ist  ein  Versehen  Mommsens:  Kiessling  denkt  an  den  Bruder  des 
Ct.esarmörders.  R.  Heinze  hat  in  der  3.  Aufl.  der  Satiren  (1906)  die  Fassung 
Kiesslings  verdeutlicht  und  dessen  Irrtum  über  die  Tracht  der  Volkstribunen 
auf  Grund  der  von  Mommsen  im  folgenden  gemachten  Anmerkung  beseitigt,  im 
übrigen  aber  an  der  von  Nipperdey  gegebenen  Deutung  auf  einen  Volkstribun 
festgehalten.] 

1)  Sueton  Nero  3  vgl.  Caes.  89. 

2)  Drumann  3,  699. 


190  Der  Tribun  Tillius. 

ebenfalls  der  Sohn  des  Senators  und  überhaupt  wer,  auch  ohne 
durch  Geburt  dazu  berufen  zu  sein,  die  Aemterlaufbahn  einschlug. 
Auf  dieses  vor  der  actischen  Schlacht  geschriebene  Gedicht  dürfen 
allerdings  die  augustischen  Festsetzungen  nicht  bezogen  werden; 
aber  es  steht  der  Annahme  nichts  im  Wege,  dass  namentlich  der 
letztere  Gebrauch  auch  republikanisch  ist. 

Bei  Horaz  scheint  der  depositus  clavus  die  Knabentracht  zu  sein. 
Allerdings  kann  ich  den  Beweis  nicht  führen,  dass  der  praetextafus 
wie  den  Purpursaum  an  der  Toga,  so  auch  die  Purpurstreifen  an 
der  Tunica  führte ;  aber  wenn,  wie  wahrscheinlich,  der  clavus  selbst, 
der  Busenstreif  allgemein  getragen  wurde  ^  und  bei  der  Tracht 
hauptsächlich  die  Farbe  in  Betracht  kam,  so  werden  diejenigen 
Knaben,  die  den  rothen  Saum  an  der  Toga  trugen,  auch  die  Streifen 
roth  geführt  haben;  und  wäre  dies  selbst  nicht  der  Fall,  so  hat  der 
Dichter  bei  dem  clavus  offenbar  die  Magistratur  und  deren  Purpur 
im  Sinn  und  es  ist  nicht  unzulässig  den  Purpur  des  Knaben  und  den 
des  auf  Avancement  dienenden  jungen  Mannes  in  der  Weise  zu- 
sammenzustellen, dass  auf  das  Abzeichen  des  letzteren  der  Accent 
gelegt  wird. 
667  Der  trihunus  ist   alsdann  nicht   der  Yolkstribun  ^ ,   sondern  der 

trihunus  müitum  laticlavius  oder,  wie  er  auch  heisst,  der  trihunus 
honores  petiturus^.  Dass  Tillius  als  Sohn  eines  Senators  dies  Ab- 
zeichen trug,  ist  desswegen  nicht  wahrscheinlich,  weil  für  einen 
solchen  die  Aemterlaufbahn  damals  die  Regel  war  und  der  Dichter 
einen  Mann  braucht,  den  nichts  nöthigt  aus  dem  Privatstand  heraus- 
zutreten. Er  hatte  also  einen  Jüngling  im  Sinn  von  dem  Schlage 
seines  späteren  poetischen  Collegen  Ovidius,  welcher  auch,  ohne 
senatorischer  Herkunft  zu  sein,  mit  der  Ablegung  der  Prätexta  den 
latus  clavus  anlegte  *  und  es  dann,  statt  zum  Kriegstribun ,  zu  dem 
gleichwerthigen  Yigintivirat  brachte,  alsdann  aber  zum  schmalen  j 
Clavus  zurückkehrte  und  zu  den  Musen.  I 


1)  Marquardt  Privatalterth.  S.  545  fg. 

2)  Ein  Irrthum  übrigens  ist  es,  dass  dieser  den  latus  clavus  nicht  habe 
führen  dürfen;  die  magistratische  Prätexta  kommt  ihm  nicht  zu  (Staatsrecht 
1,418),  aber  seit  er  Senator  ist,  führt  er  die  senatorischen  Abzeichen. 

3)  Plinius  ep.  6,  31,  4 :  vsaviaxog  .  .  xexdiagxv^^  ^^  ßovXsiag  ilmda  bei 
Dio  67,  11,  während  derselbe  Mann  bei  Sueton  Dom.  10  trihunus  laticlavius 
heisst.     Weitere  Belege  St.  R.  1,  545  A.  1 ;  3,  466  A.  1. 

4)  Trist.  4,  10,  28 fg.:  sumpta  inHiique  toga  est  induiturque  umeris  cum  laf<> 
Purpura  clavo.    Vgl.  St.  R.  3,  469  A.  4,  S.  470  A.  3. 


XXIV. 

Trimalchios  Heimath  und  Grabschrift.*) 

Die   Frage,  welcher  Zeit    die    an  Originalität  wie   an   Meister-   106 
haftigkeit  unter   den  Erzeugnissen  der  römischen  Literatur  in  erster 
Keihe  stehende  Erzählung  der  Abenteuer  des  Encolpius   und  seines 
Genossen   angehört,    darf  als   erledigt  angesehen  werden^.     Ebenso 
wenig  bezweifelt  wohl  jemand  noch  die   Identität  ihres  Yerfassers 


*)  [Hermes  13,  1878,  S.  106  — 121.  Das  Resultat  des  ersten  Teils  dieser 
Abhandlung  —  Camae  Schauplatz  des  Romans  —  hat  Mommsen  im  C.  I.  L.  X, 
1883,  S.  351  kurz  wiederholt.  Gegen  Cumae  zu  Gunsten  von  Puteoli  s.  E.  Klebs, 
Philo!.  Suppl.6,  1891  —  93,  S.  668  ff.  und  danach  L.  Friedländer  in  seiner  Aus- 
gabe Petrons  (2.  Aufl.  Leipz.  1906)  S.  8  f.,  der  aber  übersah,  daß  Bücheier,  Rhein. 
Mus.  57,  1902.  S.  327  das  einzige,  scheinbar  gegen  Cumae  sprechende  Argument 
widerlegt  hat.] 

1)  Dass  die  vielbesprochene  Inschrift  Orell.  1175  [=  C.  I.  L.  VI,  14672, 
Dessau  8156]  darum,  weil  sie  drei  sehr  gemeine  Cognomina  mit  den  Satiren  des 
Petronius  gemein  hat,  keineswegs  auf  diese  Personen  selbst  bezogen  werden  darf, 
hat  zuletzt  Bücheier  in  der  Vorrede  zu  der  grösseren  Ausgabe  mit  berechtigtem 
Nachdruck  hervorgehoben.  Aber  die  Inschrift  selbst  hat  wohl  Niebuhr  richtiger 
in  das  dritte  Jahrhundert  gesetzt  als  Bücheier  in  die  Zeit  der  julischen  Dynastie. 
Die  Sprachfehler  geben  freilich  keinen  sicheren  Beweis;  aber  Gräberbussen,  wie 
He  hier  vorkommen,  haben  sich  bisher  in  keiner  Inschrift  vor  der  Zeit  des  Pius 
Ijefanden  (Staatsrecht  2  -,  67  [2 ',  70])  und  die  M.  Äntonii  erinnern  an  die  Epoche 
Gordians. 

2)  Nach  Plinius  h.  n.  37,  2,  20  und  Tacitus  ann,  16,  18  hat  Petronius  das 
Consülat  bekleidet;  aber  die  bisher  bekannten  Denkmäler  gestatten  nicht  das 
Jahr  zu  fixiren.  Die  Tessera  C.  I.  L.  I  n.  766  mit  dem  Datum  n.  Sep.  M.  Asin 
C.  Pet.  COS.  hat  Borghesi  (^opp.  3,  343)  dem  J.  25  n.  Chr.  zugewiesen :  davon  aus- 
gehend, dass  der  erstere  dieser  Consuln  der  Ordinarius  des  Jahres  M.  Asinius 
Agrippa  und  dieser  das  ganze  Jahr  im  Amt  geblieben  sei,  identificirt  er  den 
zweiten  mit  dem  C.  Petronius  Umbrinus  der  römischen  Inschrift  C.  I.  L.  VI,  1266 
ond  giebt  ihm  zum  Vater  den  C.  Petronius,  Präfecten  von  Aegypten  unter 
i.ngustus  (C.  I.  Gr.  111  p.  310)   und   zum  Adoptivsohn   den  C.  Petronius  Pontius 


192  Trirualchios  Heimath  und  Grabschrift. 

107  während  andrerseits  der  thörichte  Einfall  allseitig  aufgegeben  ist, 
diesen  losen  und  lustigen  Roman  mit  dem  bitter  ernsten  Sünden- 
register zu  identificiren,  welches  sein  Verfasser  vor  seinem  Ende  als 
Antwort  auf  das  Todesurtheil  dem  alten  Genossen  seiner  Lüste  zu- 
stellen Hess.  Nicht  dasselbe  aber  gilt  von  der  Frage  nach  der 
Oertlichkeit,  in  der  die  Erzählung  spielt,  oder  wenigstens  derjenige 
Abschnitt  derselben,  der  in  den  auf  uns  gekommenen  Trümmern 
allein  noch  in  glänzender  Frische  vorliegt,  die  Aufnahme  des 
Encolpius  und  seiner  Gesellen  bei  dem  reichen  Kleinstädter  Trimalchio 
und  ihre  Erlebnisse  in  dessen  Hause. 

Im  Allgemeinen  sieht  man  wohl,  dass  der  Verfasser  mit  Vor- 
liebe seine  Darstellung  in  die  Gegenden  verlegt,  wo  auf  ursprünglich 
griechischer  Cultur  späterhin  die  italische  sich  angesiedelt  hatte  — 
so  nach  Massalia;  so  nach  Kroton;  so  vor  allem  in  das  Gebiet  der 
campanischen  Griechen.  Auch  ist  es  sehr  begreiflich,  dass  ein 
Dichter  wie  dieser,  der  wie  kaum  ein  anderer  die  italische  Indivi- 
dualität zum  vollen  Ausdruck  gebracht  hat  und  vielleicht  allein  unter 
allen  römischen  unabhängig  von  griechischen  Mustern  seinen  eigenen 
genialen  Weg  gegangen  ist,  einestheils  sich  wohl  hütete  den  festen 
Boden  der  eigenen  Nationalität  aufzugeben  und  seine  Scene  in  das 
eigentlich  hellenische  Gebiet  zu  verlegen,  andrerseits  aber  auch  bei 
der  Schilderung    seiner  Heimath   und   seiner  Zeit  die   Einwirkungen 


Nigrinus  (gewöhnlich  blos  L.  Pontius  Nigrinus  genannt)  Consul  37  n.  Chr. ,  als 
dessen  Tochter  die  Pontia  gilt  P.  Petroni  filia,  quem  Nero  convictum  [quam  N. 
convictam  die  Hdschr.]  in  crimine  coniurationis  damnavit,  wie  das  Scholion  zu 
Juvenal  6,  638  berichtet.  Dies  ganze  Gebäude  ist  sehr  unsicher  und  schon  die 
Basis,  dass  jener  M.  Asinius  unter  den  Ordinarien  zu  suchen  sei,  durchaus 
problematisch.  Es  kann  sein,  dass  die  Tessera  vielmehr  unserm  Petronius  gehört 
und  wir  den  CoUegen  nicht  kennen.  Darin  hat  Borghesi  a.  a.  0.  S.  361  ohne 
Zweifel  Recht,  dass  unser  Petronius  nicht  vor  Neros  Zeit  das  Consulat  bekleidet 
haben  kann  und  mit  keinem  der  Petronier  der  älteren  Fasten  identificirt  werden 
darf.  Dass  die  genannten  Persönlichkeiten  der  tiberischen  Zeit  seine  Vorfahren 
sind,  ist  wahrscheinlich ,  da  als  sein  Vorname  von  Bücheier  mit  guten  Gründen 
Gaius  festgestellt  ist.  Die  Bezeichnung  Arbiter,  welche  in  den  Handschriften 
der  Satiren  als  Cognomen  auftritt,  wird  wohl  als  ein  von  dem  'arbiter  elegantiarum* 
entnommener  Ehrenbeiname  zu  fassen  sein,  ähnlich  wie  in  älterer  Zeit  Annalis 
und  in  der  tiberischen  Civica  (Borghesi  bei  Nipperdey  zu  Tacitus  ann.  3,  21); 
sie  scheint  das  alte  Cognomen  der  Familie  verdrängt  zu  haben.  Dass  Tacitus 
ihn  mit  dem  Vornamen  bezeichnet,  kann  sich  eben  daraus  erklären,  dass  sein 
ererbtes  Cognomen  ausser  Gebrauch  gekommen  war  und  Tacitus  das  dafür  ein- 
getretene nicht  von  vorn  herein  setzen  wollte,  sondern  vorzog  es  später  in  der 
Schilderung  durch  den  arbiter  elegantiarum  anzudeuten.  [Arbiter  als  Cognomen: 
C.  I.  L.  X,  5490,  vgl.  Collignon,  l^tude  sur  Petrone  (Paris  1892)  S.  338.] 


Trimalchios  Heimath  und  Grabschrift.  193 

des  griechischen  Wesens  nicht  entbehren  mochte.  Die  Bildung  wie 
die  Yerbildung  derjenigen  Epoche,  welche  in  den  Ruinen  von 
Pompeii  auch  uns  noch  vor  Augen  steht,  ist  so  durchaus  und  so 
wesentlich  von  hellenischen  Elementen  durchdrungen,  dass  der  Sitten- 
maler und  Satiriker  die  latinische  Landstadt,  wie  sie  in  der  Togata  108 
der  späteren  Republik  zum  Ausdruck  gekommen  war  und  wie  sie 
auch  damals  sicher  noch  an  einzelnen  Stellen  fortbestand,  nur  etwa 
noch  als  komisches  Gegenstück  zu  verwenden  im  Stande  war.  Dem 
breiten  Strome  der  Gegenwart,  auf  den  ein  Künstler  dieser  Art 
angewiesen  war.  lagen  solche  Inseln  fern.  Nirgends  aber  gelangte 
diese  Culturphase  zu  so  vollkommenem  Ausdruck  wie  in  den  Städten 
hellenischer  Gründung  im  Occident,  welche  ihrem  Ursprung  nach 
einen  Stamm  griechischen  "Wesens  bewahrend  und  durch  ihre  Um- 
gebung zugleich  nothwendig  bis  zu  einem  gewissen  Grade  latinisirt 
die  herrschende  Doppelbildung  gleichsam  von  Haus  aus  in  sich 
trugen.  Das  Griechisch  dieser  Occidentalen  mag  dem  Athener  als 
provinziales  Idiom  erschienen  sein;  aber  in  einer  Epoche,  wo  das 
hellenische  Wesen  überwiegend  auf  der  Diaspora  ruhte,  wird  der 
campanische  Grieche  hinter  dem  von  Antiochien  und  Alexandrien 
nicht  zurückgestanden  haben,  und  dem  gebildeten  Mann  aus  Patavium, 
Lugudunum,  Corduba.  Karthago  gegenüber  blieb  er  doch  immer  der 
geborene  Grieche,  dem  die  damahge  Weltsprache  zugleich  Mutter- 
sprache war.  Die  Bedeutung,  welche  in  den  Landschaften  am 
westlichen  Mittelmeer  namentHch  Neapel  und  Massalia  dieser  ihrer 
hellenischen  Nationalität  verdanken,  wird  vielleicht  nicht  allgemein 
hinreichend  gewürdigt.  Wenigstens  in  Neapel  ist  die  officielle 
Sprache  der  städtischen  Behörden  nachweislich  bis  auf  Domitian 
und  wahrscheinlich  noch  weit  länger  die  griechische  geblieben,  und 
die  griechische  Müsse,  die  griechischen  Spiele,  das  gesammte  künst- 
lerische und  gelehrte  griechische  Treiben  haben  aus  dieser  Stadt  bis 
auf  den  Zusammenbruch  des  italischen  Wohlstandes  und  der  itali- 
schen Bildung  eine  hellenische  Culturinsel  in  Italien  gemacht,  in 
welcher  das  geistige  Leben  dieser  Epoche  vielleicht  seinen  vollsten 
und  besten  Ausdruck  gefunden  hat. 

Für  die  Einsicht  in  diese  Yerhältnisse ,  durch  welche  die  Com- 
position  der  petronischen  Satiren  bedingt  wird,  genügt  die  unbe- 
zweifelte  und  evidente  Thatsache,  dass  Trimalchio  in  dem  griechischen 
Campanien  zu  Hause  ist ;  sie  fordert  nicht  nothwendig  die  Entscheidung 
dijr  Frage,  in  welcher  Gemeinde  er  den  Sevirat  erlangt  hat.  Indess 
ist  es  immer  von  Interesse  wo  möglich  auch  diese  festzustellen, 
i  zumal   da   in  einem  Werk,   wie   das  unsrige  ist,   die  volle  Realität 

J     ,  MOMMSEN,    SCHR.  VII.  13 

■1 


194  Trimalchios  Heimath  und  Grabschrift. 

derjenigen  Zustände  angenommen  werden  darf  und  muss,  welche 
109  der  Roman  zu  seiner  Voraussetzung  hat.  Diese  Stadt  nun  liegt  am 
Meer  (c.  77.  81),  nicht  fern  von  Baiae  (c.  53.  104)  und  von  Capua 
(c.  62),  also  ist  sie  auf  jeden  Fall  am  Golf  von  Neapel  zu 
suchend  Hier  gab  es  in  der  Kaiserzeit  —  denn  Baiae  und  Bauli 
haben  nie  Stadtrecht  besessen  —  vier  Stadtgemeinden:  Neapolis, 
Puteoli,  Misenum,  Cumae;  es  fragt  sich,  auf  welche  derselben  die 
bei  Petronius  vorkommenden  Indicien  passen.  Es  sind  dies  die 
folgenden. 

1.  Die  Stadt  ist  urhs  Graeca  c.  81.  Dies  passt  weder  auf 
Misenum  noch  auf  PuteoU.  —  Misenum  ist  als  Stadt  sehr  jung,  ohne 
Zweifel  erwachsen  aus  der  Lagerstadt,  welche  durch  die  von  Augustus 
hier  eingerichtete  Flottenstation  ins  Leben  gerufen  ward,  nach  meiner 
Vermuthung  mit  Stadtrecht  von  Claudius  ausgestattet,  da  wir  sie 
der  claudischen  Tribus  zugeschrieben  finden.  —  Von  Puteoli  hat 
Bücheier  p.  Villi  bereits  mit  vollem  Recht  bemerkt:  Graeca  urhs 
mirum  est  si  Puteolana  civitas  vocatur  tarn  diu  a  Bomanis  colonis 
liabitata  neque  graecae  magis  quam  variarum  naüonum  commerciis  et 
frequentia  insignis.  Das  griechische  Dikaearchia,  an  dessen  Stelle 
bald  nach  dem  hannibalischen  Krieg  die  römische  Colonie  trat,  kann 
unmöglich  eine  Stadtgemeinde  gewesen  sein,  da  es  weder  Münzen 
noch  sonstige  Denkmäler  hinterlassen  hat,  es  auch  gar  nicht  in  der 
römischen  Politik  jener  Zeit  lag  eine  der  campanischen  Griechen- 
städte geradezu  zu  vernichten.  Dagegen  war  nach  allem,  was  wir 
über  Puteoli  durch  Schriftsteller  und  Inschriften  erfahren,  diese 
Stadt  der  Sitz  des  römischen  Handelsverkehrs  in  Campanien,  ge- 
wissermassen  der  zweite  Hafen  Roms,  wie  denn  Ostia  und  Puteoli 
die  beiden  einzigen  einer  städtischen  Tribus  zugeschriebenen  Stadt- 
gemeinden sind,  und  stand  sie  insofern  in  scharfem  Gegensatz  zu 
den  griechischen  Stadtgemeinden,  zwischen  denen  und  gegen  welche 
sie  gegründet  worden  ist.  —  Wohl  aber  passt  die  Bezeichnung  so- 
wohl auf  Neapel,  welches  bei  Tacitus  (ann.  15,  33)  ebenso  genannt 
wird,  wie  auf  das  alte  Kyme.  Nur  wird  gegen  das  erstere  wiederum 
geltend  gemacht  werden  dürfen,  dass,  wenn  Petronius  eine  so  intensiv 
griechische  Stadt  hätte  schildern  wollen,  wie  zu  seiner  Zeit  Neapel 
war,  er  wohl  andere  Farben  gewählt  haben  würde;  denn  in  der 
That  schildert  er  doch  eine  Ortschaft,  die,  wenn  auch  griechischen 
HO  Ursprungs,  doch  zur  Zeit  lateinisch  redete   und  lateinisch  geordnet 

1)  Auch  die  crypta  c.  16  ist  wohl  die  cutnanische ;  von  der  neapolitanischen 
spricht  das  Fragment  16  Buch. 


Trimalcfaios  Heimath  und  Grabschritt.  195 

war:  me  denn  der  öffentliche  Ausrufer  bei  ihm  sich  der  lateinischen 
Sprache  bedient  (c.  97). 

2.  Die  Stadt  war  nach  mehrfacher  Angabe  des  SchriftsteUers 
(c.  44.  57.  76)  römische  Colonie.  —  Dies  schliesst  zunächst  Neapel 
aus;  denn  obwohl  es  eine  Inschrift  frühestens  des  3.  Jahrhunderts 
giebt,  welche  wahrscheinlich  dieser  Stadt  angehört  und  sie  als  colonia 
bezeichnet^,  so  kann  sie  das  Colonierecht  unmöglich  schon  vor  der 
neronischen  Epoche  erworben  haben.  Ihre  Beamten  nennen  sich, 
wo  sie  nicht  mit  dem  griechischen  Namen  auftreten,  Quattuorvim^, 
wie  dies  in  den  Municipien  herkömmlich  ist,  und  es  ist  überhaupt 
unmöglich  die  auf  Beibehaltung  der  griechischen  Geschäftssprache 
und  einigermassen  auch  der  griechischen  Amtstitel  und  sonstiger 
älterer  Einrichtungen  beruhende  Stadtverfassung  von  Neapel  mit  der 
(  olonialordnimg  der  früheren  Kaiserzeit  zu  vereinbaren,  wogegen  die 
Annahme  kein  Bedenken  hat,  dass  in  der  Zeit  des  Verfalls  Neapel, 
ähnlich  wie  Mailand  (vgl.  C.  L  L.  Y  p.  654),  unter  Beibehaltung 
seiner  sonstigen  Einrichtungen  zur  Titularcolonie  gemacht  worden  ist. 
—  Die  drei  übrigen  Städte  sind  allerdings  sämmtlich  Colonien  ge- 
wesen; doch  passen  die  Angaben  Petrons  über  seine  Colonie.  genauer 
erwogen,  weder  auf  Misenum  noch  auf  Puteoli,  sondern  nur  auf 
Cumae.  —  Dass  Misenum  Colonie  war,  lehren  die  Inschriften  (I.  R. 
X.  2575.  2576  [C.  I.  L.  X,  367S.  3674  =  Dessau  56S9.  6335]);  aber  es 
ist  schon  bemerkt  worden,  dass  es  wahrscheinlich  erst  durch  Claudius 
Stadtrecht  erhielt,  während  die  Colonie  des  Peti-onius  offenbar  älter 
ist.  üeberhaupt  aber  ist  es  überflüssig  bei  Misenum  zu  verweilen, 
da  die  Graeca  iirbs  allein  dasselbe  genügend  ausschliesst.  —  Es 
bleiben  Puteoli,  wohin,  wie  schon  gesagt  ward,  bereits  im  Laufe 
des  6.  Jahrhunderts  der  Stadt  eine  Bürgercolonie  geführt  worden  ist, 
imd  Cumae.  über  dessen  Colonisirung  wir  nichts  weiter  wissen  als 
was  sich  schliessen  lässt  aus  der  auf  zwei  Steinen  (I.  R.  N.  2568. 
2569  [C.  I.  L.  X,  3703.  4  =  Dessau  6338.  5054])  vorkommenden 
und  mit  höchster  "Wahrscheinlichkeit  auf  diesen  Ort  zu  beziehenden 
Bezeichnung  cfolonia)  Kulia).  Indess  ist  schon  durch  diese  die 
Zeit  der  Deduction  einigermassen  fixirt:  sie  wird  entweder  von  den 
Triumvim  herrühren  oder  von  Augustus  in  der  Zeit  vor  An- 
nahme dieses  Titels,  da  nach  der  gewöhnlichen  und  wahrscheinlich 
zutreffenden  Annahme  seitdem  in  den  derartigen  Benennungen  an  1 1 1 
die  Stelle  des  julischen  Beinamens  der  augustische  getreten  ist. 
Demnach    ist    diese   Colonie  wahrscheinlich  zwischen   711    und    727 


1)  I.  R.  X.  2455.    [C.  I.  L.  X,  1492.]  2)  C.  I.  Gr.  5796.    [I.  6.  XTV,  745. 

13* 


IQQ  Trimalchios  Heimath  und  Grabschrift. 

d.  St.  gegründet  worden.  —  Prüfen  wir  nun  die  Aeusserungen  des 
Petronius  über  seine  Colonie,  so  will  für  Puteoli  schon  das  gar 
nicht  passen,  dass,  wie  es  c.  44  heisst,  Jiaec  colonia  retroversus  crescit 
tanquam  coda  vituli.  Petronius  ist  ein  viel  zu  feiner  Satiriker,  als 
dass  er  Dinge  hinstellen  sollte,  die  den  Thatsachen  ins  Gesicht 
schlagen;  das  Klein delos  Italiens  aber  blühte  und  verblühte  mit  dem 
grossen  Luxus  der  römischen  Welt  und  muss  unter  der  ersten 
Dynastie  seine  goldene  Epoche  gehabt  haben.  Dagegen  gehört 
Cumae  augenscheinlich  zu  den  zahlreichen  todtgeborenen  italischen 
Militärcolonien ;  die  sparsamen  und  mehr  und  mehr  versiegenden 
Steinschriften  bestätigen  auf  das  schlagendste,  was  der  Satiriker 
sagt,  dass  es  hier  rückwärts  vorwärts  ging.  —  Das  Gleiche  gilt  von 
den  dem  Hermeros,  einem  Mitfreigelassenen  des  Trimalchio,  in  den 
Mund  gelegten  Worten  c.  57 :  puer  capillafus  in  hanc  coloniam  veni: 
adhuc  hasilica  non  erat  facta.  Wie  diese  beiden  Sätze  zusammen- 
gereiht sind,  scheint  darin  die  Coloniequalität  der  Stadt  mit  der 
Anlage  der  Basilica  in  einen  ursächlichen  Zusammenhang  gebracht 
zu  werden.  Es  ist  selbstverständlich  und  lässt  sich  zum  Beispiel  bei 
der  sullanischen  Colonie  Pompeii  im  Einzelnen  nachweisen,  dass  die 
Gründung  einer  Colonie  auch  in  schon  früher  städtisch  geordneten 
Ortschaften  umfassende  Anlagen  öffentlicher  Gebäude  im  Gefolg  zu 
haben  pflegte.  Auch  hier  scheint  Petronius  sagen  zu  wollen,  dass  die 
Colonie  noch  im  Werden  war,  als  der  Sprechende  dort  anlangte,  die 
dadurch  veranlassten  Bauten  damals  noch  nicht  alle  standen.  Damit 
war  für  die  zeitgenössischen  Leser,  die  wohl  den  Zeitpunkt  der  Grün- 
dung der  Colonie  kannten,  aber  unmöglich  den  des  Baues  der  Basilica 
kennen  konnten,  die  für  das  richtige  Yerständniss  der  Stelle  noth- 
wendige  ungefähre  Datirung  in  genügender  Weise  gegeben.  Alles  dies 
nun  passt  auf  Puteoli  durchaus  nicht,  aber  vortrefflich  auf  Cumae,  mag 
nun,  wie  Bücheier  (p.  YII)  meint,  der  Roman  in  den  letzten  Jahren 
des  Tiberius  (f  790,  37  n.  Chr.)  spielen,  oder,  wie  es  mir  wahrschein- 
licher ist,  vielmehr  unter  Augustus.  Denn  der  Monat  Augustus  heisst 
noch  Sextilis  (c.  53),  welcher  Namenwechsel  im  J.  746  stattfand,  und 
wenn  das  'gesegnete  Mahlzeit'  in  die  Formel  gefasst  wird  (c.  60): 
Äugusfo  patri  patriae  feliciter,  so  kann  nicht  wohl  Tiberius  gemeint 
112  sein,  der  diesen  Beinamen  beharrlich  verschmäht  hat.  Augustus 
dagegen  hat  ihn  im  J.  752  officiell  angenommen,  und  dass  er  schon 
vorher  allgemein  gebräuchlich  war,  ist  durch  Schriftsteller^  wie 
durch  Inschriften  2  bezeugt.    Diese  Zeugnisse  dürften  mehr  beweisen 


1)  Dio  55,  10.  2)  C.  I.  L.  I  p.  386  [=  P  p.  309].    11  n.  2107. 


Trimalchios  Heimath  und  Grabschrift.  197 

als,  worauf  Bücheier  seine  Meinung  stützt,  die  Anekdote  von  dem 
Yerfertiger  des  unzerbrechlichen  Glasgefösses  und  seiner  Bestrafung 
durch  'Caesar",  während  sonst  ^  dieselbe  auf  Tiberius  I^amen  erzählt 
wird:  denn,  selbst  die  historische  Richtigkeit  des  wenig  plausiblen 
Geschichtchens  zugegeben,  konnte  der  Dichter  sehr  wohl  chrono- 
logisch in  freierer  Weise  mit  ihm  schalten.  Dabei  kommen  denn 
auch  das  Falernum  Opimianum  annorum  centtim  (c.  34),  was  wörtlich 
verstanden  auf  das  J.  733  führt,  so  wie  die  Hinweisung  auf  die 
kürzlich  überstandene  lange  Kriegsnoth  (c.  116)  besser  zu  ihrem 
Rechte.  —  Ob  man  bei  dem  Sänger  Apelles  (c.  64)  an  den  unter 
Gaius  gefeierten  Tragöden  des  Namens  imd  bei  dem  Sänger  Mene- 
krates  (c.  73)  an  den  Kitharöden  aus  Xeros  Zeit  denken  will  und 
also  der  Verfasser  mit  Anachronismen  aus  der  Rolle  gefallen  ist 
oder  ob  hier  vielmehr  die  bei  den  Schauspielemamen  so  weit  ver- 
breitete künstliche  Homonymie  obwaltet  ist  nicht  mit  Sicherheit  zu 
entscheiden.  Bücheier  folgt  der  ersteren  Meinung;  doch  dürfte  viel- 
leicht die  zweite  den  Yorzug  verdienen.*) 

3.  L.  Friedländer  (in  dem  Königsberger  Lectionskatalog  1860.1) 
hat  die  Erwähnung  der  vigiles  c.  78  damit  in  Zusammenhang  ge- 
bracht, dass  Claudius  in  Ostia  und  in  Puteoli  eine  Cohorte  gegen 
die  Feuersbrünste  stationirte ^.  Aber  abgesehen  davon,  dass  unser 
Roman  die  Zustände  einer  früheren  Zeit  zu  schildern  scheint  und 
dass  die  Einrichtung  des  Claudius  aus  anderen  Gründen  nur  ephemere 
Dauer  gehabt  haben  kann,  so  hat  Bücheier  p.  TIHI  richtig  darauf 
hingewiesen,  dass  in  dem  Roman  nur  vigiles  überhaupt  gemeint  sind, 
keineswegs  aber  diejenigen  militärisch  organisirten  vigiles.  welche 
Augustus  in  Rom  einrichtete  und  die  offenbar  auch  Sueton  im  Sinn 
hat.  Löschmannschaften,  ähnlich  wie  sie  Rom  in  republikanischer 
Zeit  gehabt  hat,  mag  es  vielfach  in  den  Municipien  gegeben  haben, 
wenn  wir  sie  auch  nur  für  Lugudunum  ^  und  für  Nemausus  *  nach-  1 1 3 
zuweisen  im  Stande  sind.  —  Wenn  also  dieser  Grund  keineswegs 
für  Puteoli  entscheidet,  so  macht  mit  gutem  Recht  Bücheier  a.  a.  O. 
gegen  Puteoli  geltend,  quod  in  crebris  sermonilms,  quibus  cotnmoda 
et  incommoda  coloniae  vitaqtie  vtdgi  inter  cenantes  versantur,  paene 

1)  Bei  Plinius  h.  n.  36,  26,  195  und  Dio  57,  21. 

*)  [Gegen  die   Ansetzung  unter  Augu.stus:   Klebs  a.a.O.  S.  665flF.     Fried- 
länder» S.  lOf.] 

2)  Sueton  Claud.  25. 

3)  praefectus  vigütwi:  Boissieu  p.  4.    [C.  I.  L.  XIII,  1745;  vgl.  aber  Hirschfeld, 
Wiener  Sitzungsber.  107,  1884,  S.  250.] 

4)  praefectus  viffilum  et  armarum:  Orelli  2157.  2542.  3435  [s.  jetzt  C.  I.  L.  XII 
p.  382.  935]. 


J9g  Trimalchios  Heimath  und  Grabschrift. 

nulla  fit  mercaturae  ac  rerum  nauticarum  mentio,  quarum  affltientia 
Puteolanum  emporium  celebrabatur. 

4.  Es  bleiben  die  Magistraturen  und  sonstigen  öffentlichen 
Stellungen.  Das  Auftreten  der  seviri  Augustales  oder  seviri  schlecht- 
hin (c.  30.  57.  65.  71)  hilft  nicht  weiter,  da  diese  überall  begegnen. 
Was  die  Aedilen  anlangt,  die  c.  44.  53  genannt  werden,  so  gilt  davon 
dasselbe;  indess  würde  man  doch,  wenn  die  neapolitanischen  gemeint 
wären,  vielmehr  die  griechische  Benennung  erwarten  (I.  R.  K  2451 
[C.  I.  L.  X,  1490]:  äyogavo/u'^oag),  wenn  auch  diese  Beamten,  wie  schon 
bemerkt  ward,  wahrscheinlich  eine  doppelte  Titulatur  geführt  haben 
und  sich  ebenfalls  lateinisch  aediles  oder  vielmehr  IUI  viri  aedüicia 
pofestate  nennen  durften,  —  Aber  ganz  entscheidend  erscheint  mir 
die  Stelle  c.  65:  tricUnü  valvas  lictor  percussit  ....  ego  maiestate 
convictus  praeiorem  putdbam  venisse,  wo  dann  der  vermeintliche 
Prätor  sich  als  der  College  des  Trimalchio  Habinnas  entpuppt, 
welcher  als  Sevir  ebenfalls  berechtigt  ist  Lictoren  zu  führen  ^  Wenn 
Bücheier  (p.  VIII)  hiezu  bemerkt:  praetor  minus  accurate  summus 
magistratus  appellatur,  so  mag  er  wohl  theils  an  die  bekannte 
Stelle  des  Horaz  gedacht  haben  2;  Fundos  Aufidio  Lusco  praetor e 
lihenter  linquimus,  theils  an  die  formianische  Inschrift  3,  welche  den 
Wahlprogrammschreiber  ersucht  das  Grabmal  nicht  zu  entstellen: 
sie  tua  praetores  saepe  manus  referat;  denn  Fundi  und  Formiae 
stehen  nicht  unter  Prätoren.  Aber  beide  Städte  gehören  zu  den 
wenigen,  bei  denen  die  höchste  Magistratur  durch  drei  Aedilen  ge- 
bildet ward;  und  diese  technische  Bezeichnung  konnten  die  Poeten 
nicht  brauchen,  weil  sie  ohne  einen  beschwerlichen  Commentar  die 
Stellung  nicht  als  obermagistratische  markirt  haben  würde.  Wenn 
sie  also  aus  diesem  Grunde,  Horaz  ferner  vielleicht  auch  um  den 
114  aufgeblasenen  kleinen  Zaunkönig  damit  zu  zeichnen,  die  vornehmste 
für  den  municipalen  Magistrat  überhaupt  mögliche*,  hier  aber  un- 
eigentliche Bezeichnung  gewählt  haben,  so  kann  das  doch  nicht 
füglich  auf  Petronius  übertragen  werden,  der  keinen  Grund  hatte 
ein  anderes  Wort  zu  setzen  als  das  eigentliche  und  zutreffende. 
Vielmehr  wird  aus  der  Stelle  geschlossen  werden  dürfen,  dass  die 
fragliche  Gemeinde  von  Prätoren  verwaltet  ward.  Nun  aber  stand 
Neapel  unter  Demarchen  oder  Quattuorvirn,  Puteoli  unter  Duovim; 


1)  Vgl.  C.  I.  L.  V  p.  1198. 

2)  sat.  1, 5,  34.         3)  I.  R.  N.  4135.  [C.  I.  L.  X,  6193  =  C.  L.  E.  1466  Bücheier.] 
4)  Vgl.  Cicero  de  1.  agr.  2,  34,  92:   L.  Considio  et  Sex.  Saltio,  quemadmodum 

ipsi  loqtiebantur ,  praetorüms,  ut  inteüegatis  quantam  locus  ipse  äff  erat  superbiam. 


Trimalchios  Heimath  und  Grabschrift.  199 

dass  dagegen  die  Magistrate  von  Cumae  den  in  dieser  Gegend  sonst 
nicht  begegnenden  Prätortitel  führten,  lehrt  die  Inschrift  I.  R.  K  2558 
[C.  I.  L.  X,  3698  =  Dessau  4  1 75]  (vgl.  2459  [C.  I.  L.  X,  3685  =  Dessau 
4040]).  Danach  scheint  die  Localisirung  des  petronischen  Romans  in 
Cumae,  der  griechischen  Stadt,  der  römischen  Colonie  mit  Prätoren 
an  der  Spitze  wohl  gesichert. 

Indess  ist  noch  einigen  Zweifeln  zu  begegnen.  Bücheier,  der 
wohl  sah,  dass  die  gemeinte  Oertlichkeit  in  keinem  Fall  Puteoli 
sein  kann  und  dass  gegen  Neapel  ebenfalls  ernstliche  Bedenken 
bestehen,  hat  auch  an  Cumae  gedacht;  aber,  sagt  er  (p.  YIH) 
Cumas  illam  cohniam  non  fuisse,  ch  qim  convivae  confabiäantiir, 
prohatur  eo,  quod  Cumis  se  suis  oculis  SibyUam  tndisse  (c.  48)  quasi 
rem  raritate  notabihm  Trimalchio  pronuntiat*)  Dabei  ist  aber  wohl 
nicht  bedacht,  dass  eben  Trimalchio  spricht;  für  ihn  passt  oftmals 
das  Unpassende,  und  so  auch,  dass  er  als  ein  merkwürdiges  Erlebniss 
dasjenige  vorträgt,  was  um  die  Ecke  gehend  jeder  sehen  musste. 
Es  wirkt  nur  um  so  komischer,  wenn  er  in  Cumae  selbst  berichtet, 
wie  er  die  cumanische  Sibylle  in  einer  Bouteille  habe  sitzen  sehen 
und  mit  den  Bengeln  auf  der  Strasse  Unterhaltung  führen  hören. 
—  Es  Hesse  sich  noch  ein  ähnlicher  Einwand  daraus  hernehmen, 
dass  Trimalchios  Fattore  die  Verlesung  des  Hausjournals  also  beginnt 
(c.  53):  VII  h.  Sex.  in  praedio  Cumano  quod  est  Trimalchionis  nati 
sunt  piieri  XXX,  puellae  XL  und  so  weiter.  Nicht  mit  Recht  fasst 
Bücheier  diese  Stelle  so,  dass  Trimalchio  sein  Grundstück  in 
hoffärtiger  Weise  a  Jonginquo  oppido,  non  a  propinquo  voluit  denotare, 
uf  scilicet  fmes  illius  patere  usque  nd  Cumas  crederentur.  Denn  diese 
Benennungen  werden  den  Grundstücken  ja  nicht  willkürlich  von  ihren 
Eigenthümern  beigelegt,  sondern  sind  abhängig  von  dem  Territorium,  115 
sei  es  der  Stadtgemeinde,  sei  es  eines  Pagus  derselben  (wie  Baianum, 
Baidanum,  Arcamim),  in  welchem  das  beti-effende  Grundstück  be- 
legen ist.  Aber  eben  darum  würde  man  an  dieser  Benennung, 
angewandt  auf  das  Grundstück  eines  cumanischen  Stadtbürgers,  mit 
gutem  Grund  Anstoss  nehmen,  wenn  nicht  wieder  hier  der  trimal- 
chionische  Geist  sich  in  seiner  Eigenart  oflFenbarte.  Die  fragliche 
Bezeicbnungsweise  der  Grundstücke  kommt  ausschliesslich  bei  der 
Nobilität  vor,  zu  deren  vornehmer  Lebensführung  es  gehörte  nicht 
blos  irgendwo  ansässig  zu  sein,  sondern  wenigstens  ein  Luxusgrund- 
stück in  der  Umgegend  Roms,  ein  anderes  Luxusgrundstück  für  die 
Badesaison,   endlich  in  der  Heimathgemeinde  die  jyraedia  patria  zu 

*)  [S.  jetzt  Bücheier  a.  a.  0.  (oben  S.  191  *),  wonach  es  Mommsens  unwahr- 
scheinlicher Deutunof  dieser  Stelle  nicht  bedarf.] 


200  Trimalchios  Heimath  und  Grabschrift. 

besitzen  und  welche  demgemäss  ihre  Landgüter  nach  den  verschie- 
denen Territorien  benannten.  Wenn  dagegen  der  einfache  Stadtbürger 
von  Cumae,  der  ausser  seinen  dortigen  Besitzungen  allenfalls  noch 
in  einer  Nachbargemeinde  ein  Stück  Land  an  sich  gebracht  hatte, 
von  seinem  praednim  Cumanum  und  seinen  horti  Pompeiani  spricht, 
so  ist  dies  eben  so  richtig  wie  lächerlich  und  also  des  Petronius 
würdig.  In  ähnlichem  Kreise  bewegt  sich  die  scherzhafte  Schilde- 
rung, die  Trimalchio  anderswo  ^  von  seinen  Besitzungen  giebt. 

Spielt  also  der  Roman  in  Cumae,  so  schilderte  Petronius,  was 
er  täglich  sah;  denn  eben  dort  hatte  er  vermuthlich  seine  Yilla,  auf 
der  er  auch  starb  2. 

Es  wird  gestattet  sein  hieran  einige  Bemerkungen  über  die 
Grabschrift  anzuschliessen,  die  Trimalchio  sich  selber  gesetzt  wissen 
will  (c.  71).*)  Eine  Erörterung  der  dazu  gehörenden  Bildwerke, 
wie  sie  Jahn  zu  geben  verstanden  haben  würde,  gäbe  einen  so  aus- 
führlichen wie  belehrenden  Commentar;  so  unmittelbar  ist  hier  alles 
aus  dem  Leben  gegriffen  und  so  reichlich  sind  uns  hier  die  Originale 
erhalten,  die  der  Satiriker  copirte  und  persifflirte.  Man  vergleiche 
zum  Beispiel  das  pompeianische  Denkmal  des  Augustalen  L,  Munatius 
Faustus  I.  K  2346  [C.  L  L.  X,  1030  =  Dessau  6373],  wo  man  das  in 
den  Plafen  einsegelnde  Schiff  abgebildet  findet,  und  das  des  Brixianers 
116  M.  Valerius  Anteros  Asiaticus  C.  I.  L.  V  4482,  das  den  vom  Tribunal 
herab  Geld  ausspendenden  Sevir  darstellt,  der  auch  von  sich  sagen 
konnte:  scis  enim  quod  eptilum  dedi  hinos  denarios:  faciatur  si  tibi 
videtur,  et  tridinia  facias,  et  totum  pojndum  suaviter  sihi  facientem 
[c.  71,  10].  Anderes  freilich  wird  man  nicht  finden;  wie  denn  das 
Jiorohgium,  wenn  es  auch  bei  der  inneren  Einrichtung  eines  Gesammt- 
grabes  Verwendung  finden  kann  (Orelli  4517  [C.  L  L.  VI,  10237  =: 
Dessau  7870]),  zu  einem  Einzelgrab  nicht  passt  und  vielmehr  der 
schola  eigen  ist.  Es  gehört  das  zu  dem  Humor  dieser  Grabstätte 
mit  dem  weinenden  Genius  und  der  gebrochenen  Urne,  dass  sie  dem 
Anordner  unter  den  Händen  zum  Lustplatz  wird,  auf  welchem  das 
Publicum  treibt,  was  ihm  Spass  macht  oder  was  es  nicht  lassen  kann. 


1)  c.  48  vgl.  c.  77. 

2)  Denu  so  scheint  am  natürlichsten  gefasst  zu  werden,  was  Tacitus  16,  19 
von  ihm  berichtet:  forte  Ulis  diebus  Campaniam  petiverat  Caesar  et  Cumas  usqtie 
progressus  Petronius  illic  attinehatur. 

*)  [Die  folgenden  Bemerkungen  sind  von  Friedländer  a.  a.  0.  S.  341  ff.  mit 
großenteils  wörtlicher  Anführung  verwertet  und  durch  einige  bestätigende  Zu- 
sätze erweitert  worden.] 


Trinialchios  Heimath  und  Grabschrift.  201 

Aber  das  ist  Sache  der  Archäologen;  ich  beschränke  mich  auf  die 
eigentliche  Inschrift.  Da  ist  zunächst  die  bekannte  Formel  hoc  monu- 
mentum  heredem  non  sequatur,  wofür  eigentlich  sequettir  oder  allenfalls 
sequitur  erfordert  wird  * ;  aber  so  genau  nimmt  es  Trimalchio  mit  der 
technischen  Formel  nicht.  Natürlich  versteht  er  sie  noch  viel  weniger ; 
er  sieht  darin  nicht  die  Anordnung,  dass  die  Grabstätte  mit  Aus- 
schluss der  der  Familie  nicht  angehörigen  Erben  der  Descendenz 
verbleiben  soll,  sondern  offenbar  die  Vorschrift,  dass  das  Grab  den 
Besitzer  nicht  wechseln  soll,  was  ja  auch  ganz  richtig  ist,  aber  doch 
nicht  gerade  ante  omnia  eingeschärft  zu  werden  braucht.  Dann 
folgt  die  eigentliche  Grabschrift: 

(     •    POMPEIVS    •  TRIMALCHIO    •    MAECENATIANVS 

HIC  •        REQVIESCIT 
HVICSEVIRATVS-      ABSENTI-        DECRETYS         -EST 
CVM  •  POSSET  •  IN  •  OMNIBVS  •  DECVRIIS  •  ROMAE  •  ESSE  •  TAMEN  •  NOLVIT 

PIVS  •  FORTIS  •  FIDELIS  

EX  •  PARVO  •  CREVIT  -SESTERTIUM-RELIQVIT   [CCCl 
NEC  •  VMQVAM  •   PHILOSOPHUM  •  AVDIVIT 
VALE  ET • TV 

Zuerst  der  Name  klingt  an  auf  die  Nomenclatur  der  vornehmen 
Welt  und  schliesst  doch  den  Beweis  der  Libertinität  so  sicher  in 
sich  wie  das  vorsichtig  weggelassene  Gaii  lihertus  ihn  nur  immer 
geben  würde.  Mehrfache  Cognomina  sind  bekanntlich  das  rechte 
Kriterium  der  Nobilität;  insbesondere  das  zweite  auf  -anus  endi- 
gende Adoptivcognomen  ist  schon  in  republikanischer  Zeit  in  den  117 
Fällen  aufgekommen,  wo  Personen  vornehmer  Geburt  auch  nach 
dem  formalen  Geschlechtswechsel  ein  Kennzeichen  ihrer  angeborenen 
Nobilität  fortzuführen  wünschten.  Bei  Freigelassenen  dagegen  ist 
zwar  die  Führung  des  Cognomen  unerlässlich  und  ohne  Zweifel 
gesetzliche  Vorschrift,  da  ein  Freigelassener  ohne  Cognomen  fast 
unerhört  ist,  während  Freigeborene  namentlich  aus  dem  Ritterstande 
noch  in  der  früheren  Kaiserzeit  nicht  selten  ohne  Cognomen  auf- 
treten. Aber  der  Freigelassene  ist  nicht  blos  in  der  Auswahl  des 
Cognomen,  sei  es  nun  durch  Gesetz  oder  durch  Sitte,  an  bestimmte 
Können  gebunden  2,  sondern  vor  allem  auf  die  Führung   eines  ein- 


1)  Voll  ausgeschrieben  sequetur  z.  B.  Wilmanns  279  [C.  I.  L.  X,  6060]  (vgl. 
C.  I.  L.  V  p.  1202);  seqititur  Wilmanns  287  [C.  I.  L.  VI,  10235  =  Dessau  8364].  293 
[CLL.  XIV,  166j.     Die  erste  Formel  ist  die  eigentlich  correcte. 

2)  Gewöhnlich  sieht  man  die  Beinamen  griechischen  oder  doch  unrömischen 
U-spmngs   als   den  Freigelassenen  besonders  eigen  an,   und  dies  trifft  auch   in 


202  Trimalchios  Heimath  und  Grabschrift. 

zigen  Cognomen  beschränkt,  worin  füglich  eine  Fortwirkung  der 
ebenfalls  cognominalen  und  einnamigen  Sclavenbenennung  gefunden 
werden  kann.  Hievon  giebt  es  indess  sowohl  für  die  Sclaven  wie 
für  die  Freigelassenen  eine  allgemeine  Ausnahme:  in  dem  kaiser- 
lichen Hause  so  wie  in  denjenigen  grossen  Familien,  die  unter  der 
ersten  Dynastie  gewissermassen  als  Pairs  des  Kaiserhauses  galten, 
war  die  Zahl  der  Sclaven  so  ungeheuer,  dass  zur  Verminderung  der 
Homonymie,  namentlich  bei  Erbfällen,  die  Sitte  bestanden  haben  muss 
den  neu  hinzutretenden  Sclaven  ein  von  ihrem  früheren  Herrn  entlehntes 
auf  anus  auslautendes  zweites  Cognomen  zu  geben.  So  nannte  sich 
ein  von  Yedius  Pollio  dem  Augustus  vermachter  Sclave  nach  der 
Freilassung  C.  Julius  divi  Aug.  l.  Niceros  Vedianus^  ein  Anderer, 
den  König  Amyntas  von  Galatien  der  Livia  hinterlassen  haben  muss, 
M.  Livius  Aug(ustae)  l.  Anteros  Amyntianus,  eine  wahrscheinlich  von 
,  der  Marcella  an  Valerius  Messalla  gekommene  Sclavin  Valeria  Nama 
Messallae  l.  Marcelliana  ^.  Dem  entspricht  genau  unser  C.  Pompeius 
118  Trimalchio  Maecenatiamis.  —  In  den  Namen  selbst  wird  man  be- 
stimmte Beziehungen  nicht  suchen  dürfen;  die  vornehmen  dem 
julischen  Hause  verschwägerten  Pompeier  führen  den  Vornamen 
Gaius  nicht  2  und  das  Greschlecht  des  Maecenas  ist  kein  senatorisches. 
Es  scheint  auch  nicht  Petronius  Weise  gewesen  zu  sein  bestimmte 
Persönlichkeiten  in  dieser  Weise  zu  maskiren  oder  gar  seiner  Satire 
eine  direct  politische  Richtung  zu  geben.  Aber  den  snob  hat  er  für 
ein  römisches  Ohr  mit  dieser  Doppelnamigkeit  unvergleichlich 
charakterisirt;  wie  es  denn  auch  wohl  kein  Zufall  ist,  dass  zwei 
derjenigen  Persönlichkeiten ,  die  durch  ihre  Grabschriften  sich  als 
nächste  Geistesverwandten  des  Trimalchio  charakterisiren,  ebenfalls 
mit  Doppelnamen  versehen  sind  —  ich  meine  den  schon  erwähnten 


Rom  und  den  sonstigen  von  griechischer  Cultur  durchdrungenen  Gegenden  zu, 
namentlich  in  den  Küstenorten,  wie  in  Pola  und  Salonae.  Aber  in  Oberitalieu, 
wo  die  Kunde  des  Griechischen  ohne  Zweifel  nicht  allgemein  war,  sind  diese 
Cognomina  relativ  selten  und  treten  vielmehr  diejenigen  lateinischen  ein,  die 
nicht  in  der  Geltung  der  cognomina  equestria  standen.  Eine  specielle  Unter- 
suchung dieser  localen  Verschiedenheiten,  die  allerdings  durch  die  zahlreichen 
Ausnahmen  sehr  erschwert  wird,  würde  von  wesentlichem  Nutzen  sein. 

1)  Es  ist  dies  schon  früher  in  dieser  Zeitschrift  2,  158  ausgeführt  worden, 
wo   die  Belege  gegeben  sind.     [In  dem  Aufsatz:  Grabschrift   aus  Rom,   der  im    j 
II.  Band  der  Epigraph.  Sehr,  zum  Abdruck  gelangen  wird.]  j 

2)  Der  Consul    49  n.  Chr.   C.  Pompeius   Longinus    (denn   so ,    nicht   Aulus 
scheint  er   geheissen   zu  haben;    s.    Nipperdey   zu    Tacitus    ann.  12,  5)   gehört    i 
schwerlich  zu  dem  Geschlecht  des  Magnus. 


Trimalchios  Heimath  und  Grabschrift.  203 

Brixianer  Anteros  Asiaticus  und  den  noch  zu  nennenden  Asisinaten 
Eros  Merula. 

Hie  requiescit  ist,  wie  alle  Formeln,  die  ein  Pathos  in  sich 
tragen,  plebejisch  und  also  in  guter  Zeit  nicht  unerhört  ^,  aber  ebenso 
selten  wie  in  christlicher  gemein.  Es  gehört  zur  uma  fracta  und 
zum  pner  plorans. 

Huic  seviratus  dbsenti  clecreUis  est.  "Was  absens  consul  factus 
est  bedeutet,  weiss  jeder-,  und  Analogien  dazu  aus  dem  municipalen 
Kreis  fehlen  ebenfalls  nicht;  so  finden  wir  auf  einer  Inschrift  aus 
der  Zeit  des  Tiberius  (I.  R.  N.  4337  [C.  I.  L.  X,  5394]) :  ei  honorem 
IUI  vir(atus)  detii[krunf  Veronenses  ratione  habita]  absentis  eius  extra 
ordinem].  Xur  steht  es  mit  dem  Sevirat  insofern  etwas  anders  als 
mit  dem  Consulat  und  dem  Quattuorvirat,  als  derselbe  bekanntlich 
der  Regel  nach  von  dem  Municipalsenat  vergeben  wird^  den  Frei- 
gelassenen aber,  aus  denen  in  dieser  Gegend  Italiens  die  Sevim  119 
ausschliesslich  genommen  werden,  die  Curie  ein  für  allemal  ver- 
schlossen ist.  Also  sind  freilich  Marius  zum  Consul  und  Trimalchio 
zum  Sevir  beide  abwechselnd  gemacht  worden;  aber  in  dem  Wie 
und  Warum  bestand  doch  ein  gewisser  Unterschied,  und  dies  ist  der 
Humor  davon. 

Ctim  posset  in  omnibus  decuriis  Romae  esse,  tarnen  tioluif.  Der 
angesehene  Municipale  muss  irgend  eine  Stellung  auch  in  Rom  ein- 
nehmen, der  Regel  nach  das  Ritterpferd  besitzen  und  den  Ge- 
schwomendecurien  angehören  —  ich  führe  unter  unzähligen  Belegen 
nur  die  spanische  Inschrift  (Henzen  6467  =  C.  I.  L.  II,  4223)  an 
eines  adlectus  in  quinqtie  decurias  hgitume  Bomue  iudicantium.  So 
weit  hätte  es  nun  Trimalchio  allerdings  nicht  wohl  bringen  können, 
auch  wenn  er  gewollt  hätte;  aber  es  gab  doch  Decurien  auch  in 
Rem,    für   die   er  wohl    sich    qualificirte.      Aus    den  Freigelassenen 

\)  hie  requiescent  auf  einer  gallischen  Inschrift  vielleicht  republikanischer 
Zeit  C.  IL.  1,  1489  vgl.  das.  1064  und  die  Zusammenstellung  von  Wilmanns 
p.  t«l  und  von  mir  C.  I.  L.  vol.  V  p.  1214;  ferner  Orelli  651.  [C.  I.  L.  VI,  8943 
=  Dessau  1830.] 

2)  Staatsrecht  1-,  485  [1»,  507]. 

3)  Der  einfache  Beisatz  decurionum  decreto  erscheint  bei  dem  sevir  oder 
ideni  AugustaUs  eben  darum  nicht,  weil  dies  die  reguläre  Form  ist;  dagegen 
ifincet  sich  häufig  ffratis  factus  decurionum  decreto,  und  es  versteht  sich,  dass 
nur  die  Behörde,  die  das  Ernennungsrecht  hatte,  die  dafür  zu  entrichtende 
[Gegenleistung  erlassen  konnte.  Locale  Abweichungen  kommen  vor;  so  scheint 
|in  Mailand  der  Sevirat  auf  andre  Weise  erworben,  die  Augustalität  aber  von 
Ideni  Ordo  verliehen  zu  sein  (C.  I.  L.  vol.  V  p.  1198).  Indess  an  der  Regel  be- 
steht kein  Zweifel. 


204 


Trimalchios  Heimath  und  Grabschrift. 


vornehmlich,  sagt  Tacitus  ann.  1 3,  27  werden  die  decuriae  genommen 
ministeria  magisfratibus  et  sacerdotibus;  und  zahlreiche  Inschriften 
bestätigen  es,  dass  die  Apparitoren  der  Beamten  wie  der  Priester 
eben  dieser  Klasse  vorzugsweise  angehörten,  dass  es  ganz  gewöhnlich 
war  eine  Anzahl  Stellungen  dieser  Art  zu  cumuliren  und  dass  man 
in  diese  Posten  sich  einkaufte^.  Yon  diesen  römischen  Decurien 
sagt  also  Trimalchio,  der  wohlhabende  Mann,  ganz  mit  Recht,  dass 
er  in  alle  hätte  gelangen  können,  wenn  er  Lust  dazu  gehabt  hätte. 
Freilich  hätte  er  dann  wohl  seinen  Wohnsitz  in  Rom  nehmen 
müssen;  denn  die  Inschriften  dieser  Apparitoren  sind  ganz  über- 
wiegend stadtrömisch  und  bestätigen,  was  an  sich  schon  wahrscheinlich 
ist,  dass  der  Inhaber  eines  solchen  Postens,  wenn  auch  kaum  Amts- 
geschäfte, doch  ein  Amtsdomicil  in  Rom  hatte.  Darum  eben  lässt 
der  Dichter  seinen  Helden  nicht  zu  dem  Besitz  solcher  Stellungen 
gelangen,  sondern  nur  ihn  erklären,  dass  es  allein  von  ihm  abgehangen 
haben  würde  eine  amtliche  Stellung  zu  bekleiden  und  in  die  öffent- 
lichen Decurien  in  der  Hauptstadt  zu  gelangen.  Ob  dabei  an  die  der 
Geschworenen  des  Reichs  oder  an  die  der  Ausrufer  und  der  Gerichts- 
diener zu  denken  sei,  überliess  er,  wie  billig,  dem  denkenden  Leser. 
120  Pius  fortis  fidelis.      Der   richtige   grosse    Herr    in   der   kleinen 

Stadt  muss  nicht  blos  Ritter  und  Geschworener,  sondern  auch  wo 
möglich  Herr  Obrist  sein;  wie  denn  die  tribuni  müituni  und  die 
praefecti  fabrum  der  Municipalinschriffcen  in  dieser  Hinsicht  allen 
billigen  Anforderungen  entsprechen.  Solche  Realitäten  der  Hoffart 
waren  unserem  Mann,  dem  der  Prätor  von  Kyme  schon  ein  grosser 
Herr  war,  nicht  vom  Schicksal  beschieden;  aber  das  konnte  ihm 
doch  niemand  wehren,  dass  er  sich  die  Eigenschaften  beilegte,  die 
unter  dem  Principat  als  der  Inbegriff  der  soldatischen  Ehre  galten, 
die  Loyalität,  die  Tapferkeit  und  die  Treue.  Sie  spiegeln  sich  in 
den  Ehrenbeinamen  der  Legionen,  von  denen  schon  Claudius  zwei 
piae  ßdeles,  Traian  eine  dritte  fortis  zubenannte. 

Ex  parvo  crevit,  oder,  wie  es  Petronius  anderswo  ausdrückt,  rfe 
nihilo  crevit  (c.  38),  ab  asse  crevit  (c.  43)  wird  wohl  zusammengestellt 
werden  dürfen  mit  der  Grabschrift  C.  I.  L.  Y,  7647:  Q.  Minucius 
Faber  ab  asse  quesitum  VI  vir  Äug(ustalis)  recuie  et  memoriae  diu- 
turnae;  vgl.  das.  n.  6623:  ab  ase  posit. 

Sestertium  reliquit  trecenties.  Bekannt  ist  die  Parallele  aus 
Horaz  ^,   wo    ein  Yalerius   seinen   Erben  auflegt  summam  pafrimoni 

1)  Die  weitere  Ausführung  im  Staatsrecht  I  =^  S.  318  f.    [I »  S.  332  f.]  giebt  i 
die  Belege.  j 

2)  sat.  2,  3,  87.  j 


Trimalchios  Heimath  und  Grabschrift.  205 

htsciilpere  saxo.  Wir  haben  aber  auch  eine  Inschrift,  in  welcher 
dies  in  der  That  geschehen  ist;  es  ist  die  eines  asisinatischen  Arztes, 
der  natürlich  auch  Sevir  war  ^ :  P.  Decimius  F.  l.  Eros  Mernla  medicus 
clinmis  chirurgus  ocidarius,  VI  vir.  Hie  pro  lihertate  dedit  HS  (L 
milia);  lue  pro  sevirntu  in  rem  pfuhlicam)  dedit  HS  (II  milia);  hie 
in  statuas  ponendas  in  aedem  Herculis  dedit  HS  (XXX  milia) ;  hie 
in  vias  sternendcLS  in  puhlieum  dedit  HS  (XXXVII  milia).  Hie 
pridie  quam  m&rtuus  est  reliquit  patrimoni  HS  (milia  quingenta 
viginti)^.  Trimalchio  hatte  es  weiter  gebracht;  er  hinterliess  die 
rande  Summe  von  30  Millionen  Sesterzen. 

Nee  umqiiam  philosophum  audivit  mag  wohl  freier  Scherz  sein; 
wenigstens  wüsste  ich  nicht,  dass  unter  den  zahlreichen  Inschriften, 
deren  Urheber  alle  Ursache  hatte  dies  für  sich  geltend  zu  machen, 
rieh  einer  dessen  ausdücklich  berühmt  hätte. 

Vale:  et  tu  kehrt  wörtlich  wieder  zum  Beispiel  auf  den  Inschriften 
C.  I.  L.  V,  4887.  7838. 

Der  Verfasser  dieses  Kunstwerkes  scheint  selber  ein  Stück  auf  121 
da.sselbe  gehalten  zu  haben:  inscriptio  quoque,   sagt  sein  Mann,  vide 
diligenter  si  haec  satis  idonea  tibi  videtur.     Es  ist  versucht  worden, 
dieser  Aufforderung   zu   entsprechen;    wir    wollen   hoffen,    dass    die 
Leser  Trimalchios  Frage  bejahen  werden. 


1 )  Orelli  2983  [C.  I.  L.  XI,  5400  =-  Dessau  7812]. 

2)  Die  Summe  HS  oo  D  iilii  nlii  ist  wohl  so  zu  erklären,  dass  die  ersten 
beiden  Zeichen  nicht  als  Ziffern  gelten,  sondern  die  Worte  milia  quingenta 
=  500,000  vertreten,  daran  aber  in  Ziffern  geschrieben  iilii  iiIii  sich  anschliesst. 


XXV. 

M.  Valerius  Probus  de  notis  antiquis.*) 

öl  Unsre  technische  und   fachwissenschaftliche  Ueberlieferung   aus 

dem  Alterthum  bietet  in  allen  ihren  Zweigen,  in  der  Jurisprudenz 
wie  in  der  Gromatik,  in  Grammatik  und  Eloquenz,  in  Kriegs-  und 
Messkunst,  ja  in  der  Geo-  und  Chorographie  die  eigenthümliche 
Erscheinung  dar,  dass  an  einen  in  der  klassischen  Zeit  des  römischen 
Alterthums  in  Compendien  und  praktischen  Hülfsbüchern  fixierten 
Kern  sich  eine  zwar  geist-  und  kraftlose,  aber  doch  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  betriebsame  Schriftstellerei  anschliesst,  die  vornäm- 
lich in  den  Klosterschulen  des  fränkischen  Reiches  ihren  Sitz  gehabt 
hat  und  in  und  über  die  karolingische  Zeit  sich  fortspinnt.  Be- 
greiflicher Weise  waren  die  gewöhnlichen  Hülfsbücher  dieser  Zeit 
die  barbarisierten  Umgestaltungen  der  ursprünglichen  Handbücher; 
je  vollständiger  es  dem  Mönch  gelungen  war,  die  Präcision  des 
Inhalts,  die  Geschlossenheit  der  Form,  den  Geist  der  Wissenschaft 
aus  dem  Lehrbuch  zu  verbannen,  desto  sicherer  war  seine  Arbeit 
des  Beifalls  und  der  Yerbreitung.  Dennoch  begegnen  uns  zwischen 
diesem  Wust  in  stets  vereinzelt  stehenden  Handschriften  hie  und  da 
technische  Arbeiten  der  besten  Kaiserzeit,  die  in  den  Libereien  des 
Mittelalters  gestanden  haben  mögen  wie  in  denen  unsrer  Advocaten 
hie  und  da  Accursius  und  Baldus.    So  sind,  durchgängig  in  einzelnen 


*)  [Berichte  über  die  Verhandlungen  der  Sachs.  Gesellsch.  d.  Wiss.,  phil- 
hist.  Kl.  5,  Leipzig  1853,  S.  91  — 134.  Der  größte  Teil  dieser  Abhandlung, 
nämlich  die  recensio  der  Handschriften  und  die  Edition  der  Schrift  selbst,  ist 
durch  Mommsens  kritische  Ausgabe  in  den  Grammatici  latini  ex  rec.  H.  Keilii, 
vol.  IV,  Leipz.  1864,  S.  265  — 352  erledigt  worden  und  wird  daher  hier  nicht 
wiederholt.  (Vgl.  von  neueren  Ausgaben  noch:  Huschke,  Jurisprud.  Anteiust., 
6.  Aufl.  von  Seckel- Kubier  I  (Leipzig  1908)  S,  82  ff.)  Die  einleitenden  Worte 
jedoch  sowie  die  in  der  zweiten  Ausgabe  fehlenden  exegetischen  Bemerkungen 
mußten  hier  ihren  Platz  finden.] 


M.  Valerius  Probus  de  notis  antiquis.  207 

Exemplaren,  der  Festus  und  Charisius,  der  ächte  theodosianische 
Codex  und  der  Ulpian  erhalten;  so  steht  unter  dem  Wust  mittel- 
alterlicher Metrologien  ganz  vereinzelt  der  Maecian,  und  ebenso  ver-  02 
einzelt  ist  unter  den  mehr  zahlreichen  als  werthvollen  Verzeichnissen 
der  sogenannten  notae  ein  kleiner  Aufsatz  erhalten,  der  sprachlich 
und  sachlich  mit  Maecian  und  Ulpian  mindestens  auf  gleicher  Linie 
steht  und  dem  die  nachfolgende  Untersuchung  seinen  gebührenden 
Platz  wieder  zu  verschaffen  bestimmt  ist.  In  unsern  Ausgaben  ist 
das  Yerhältniss  der  verschiedenen  Notensammlungen  verdunkelt, 
indem  der  aus  der  besten  römischen  Zeit  herrührende  Aufsatz  mit 
andern  Arbeiten  des  früheren  Mittelalters  durch  einander  geworfen 
ist;  ich  hoffe  Juristen  wie  Philologen  einen  Dienst  zu  leisten,  wenn 
€3  mir  gelingt,  durch  Zurückgehen  auf  die  Handschriften  die  antike 
Schrift  von  dem  barbarischen  Wust,  unter  dem  sie  verschüttet  ist, 
abzusondern  und  eine  wenn  nicht  ganz  befriedigende,  doch  erträg- 
hche  diplomatische  Grundlage  für  jene  zu  gewinnen.  Seit  längerer 
Zeit  bemüht,  das  hiefür  erforderliche  Material  zu  erlangen,  glaube 
ich  jetzt,  nachdem  ich  mich  und  meine  Freunde  mit  Untersuchung 
der  Handschriften,  die  hiefür  etwas  zu  versprechen  schienen,  vielfach 
geplagt  habe,  im  Stande  zu  sein,  einen  nicht  interpoherten  Text 
vorzulegen  und  die  Entstehung  der  italienischen  Interpolation  auf- 
zudecken. Dass  noch  reicheres  Material  und  bessere  Quellen  in  den 
Bibhotheken  sich  verbergen,  ist  sehr  wahrscheinlich;  allein  die 
Wiederentdeckung  verschollener  Handschriften  ist  zumal  bei  einer 
Schi-ift  von  wenigen  Seiten  zu  sehr  Sache  des  Zufalls,  als  dass  ich 
den  Tadel  der  Voreiligkeit  befürchten  dürfte,  wenn  ich  der  völlig 
verwilderten  und  bodenlosen  Vulgata  zunächst  einen  leidlichen  Text 
substituire,  den  durch  einen  besseren  zu  verdrängen  dem  glücklicheren 
oder  emsigeren  Forscher  anheimgestellt  sein  möge.*) 


Ueber  die  Schrift  selbst  füge   ich  noch  Einiges  hinzu.**)     Dass   128 
di^  Ueberschrift ,    wie    ich   sie  gegeben  habe,    handschriftlich  wohl 
beglaubigt    und    der  Name    des   Probus   keineswegs   Erfindung    der 
italienischen  Gelehrten  ist,   leidet  keinen  Zweifel.     Allerdings  passt 

*)  [Dieser  Aufgabe  hat  sich  dann  Mommsen  selbst  unterzogen.  —  Die  nun 

auf  S.  93— 127  folgende  recensio  und  editio  sind  hier  nicht  wiederholt  worden.] 

**)  [Die  von  Mommsen  hier  angefügte  Anmerkung  gegen  Osann,    der  auf 

Grind  des  unzuverlässigen  Vulgattexts  verfehlte  Kombinationen  angestellt  hatte, 

ist  hier  fortgelassen  worden.] 


208  M-  Valerius  Probus  de  notis  antiquis. 

der  Titel*)  nicht,  selbst  wenn  man,  wie  man  jedenfalls  muss,  die 
Worte  antiquis  opuscidum  als  mittelalterlichen  Zusatz  streicht.  Es 
geht  aus  der  Vorrede  mit  Bestimmtheit  hervor,  dass  die  Abkürzungen, 
die  der  Verfasser  aufzählt,  gar  keine  notae  im  eigentlichen  und 
technischen  Sinn  sind,  sondern  vom  Verfasser  durchgängig  litterae 
singulares  oder  auch  mit  dem  generellen  Ausdruck  notationes  genannt 
werden.  Der  gute  Sprachgebrauch  nennt  nur  die  Zeichen,  wo  es 
nicht  deutlich  ist  singulae  litterae  qtiid  signißcent,  also  die  kritischen 
129  Zeichen  der  römischen  Grammatiker  und  die  Zeichen  der  Steno- 
graphen, notae;  der  Verfasser  unsrer  Schrift  belehrt  uns  ausdrücklich, 
dass  man  sich  der  litterae  singulares  die  er  aufzählt  lange  bediente, 
ehe  die  eigentlichen  notae,  die  Stenographie  erfunden  wurde,  was 
nach  allen  Nachrichten  in  die  Zeit  von  Cicero  und  Augustus  fällt 
(Bernhardy  röm,  Litt.-Gesch.  S.  66).**)  Allein  andrerseits  liegt  uns, 
wie  der  Eingang  zeigt,  hier  bloss  ein  einzelner  Abschnitt  einer 
grammatischen  Anweisung  vor,  mag  diese  nun  ein  allgemeines  Hülfs- 
buch  oder  eine  Theorie  der  sämmtlichen  Abkürzungen,  also  der 
notae  und  der  litterae  singulares,  gewesen  sein.  Nimmt  man  das 
Letztere  an,  so  kann  man  sich  als  Haupttitel  des  ganzen  Werkes 
die  Ueberschrift  M.  Valerii  Prohi  de  notis  gefallen  lassen;  denn  das» 
im  weiteren  Sinn  und  bei  den  Späteren  regelmässig  notae  auch  die 
litterae  singulares  mit  einschliesst ,  soll  nicht  bestritten  werden.  — 
Was  den  Verfasser  anlangt,  so  scheint  mir  das  Zeugniss  der  Hand- 
schrift Glauben  zu  verdienen  und  nichts  dagegen,  wohl  aber  manches 
dafür  zu  sprechen,  dass  von  dem  bekannten  Grammatiker  M.  Valerius 
Probus  von  Beryt,  der  unter  Nero  blühte  und  wahrscheinlich  noch 
unter  Domitian  gelebt  hat  (O.  Jahn  zum  Pers.  p.  CXXXVH),  unser 
Tractat  herrührt.  Die  Sprache  dünkt  mir  einer  Fachschrift  des 
ersten  Jahrhunderts  vollkommen  würdig;  ich  will  in  dieser  Hinsicht 
nur  aufmerksam  machen  auf  die  feine  Distinction  §  2  a.  E.  zwischen 
j)otestates  und  magistratus,  ganz  wie  Cicero  de  leg.  3,  3,  9  imperia 
und  potestates  unterscheidet,  und  darauf,  dass  der  Verfasser  noch 
von  edicta  perpetua  spricht,  nach  dem  guten  alten  vollkommen 
richtigen  Sprachgebrauch  (s.  Zimmern  R.  G.  I,  S.  119  A.  10),  wie 
ihn  auch  Asconius  in  Com.  p.  58,  16  [p.  52,  6  K.-Sch.]  hat,  wo  die 

*)  [In  der  von  Mommsen  in  der  ersten  Ausgabe  zugrunde  gelegten  Hs. 
des  Celtes  lautet  er:  de  notis  antiquis  opusculum;  in  den  besseren,  für  die  zweite 
Ausgabe  benutzten  Hss.:  (de)  iuris  notarum  (Über)  o.  ä.  Mommsen  setzt  diesen 
Titel  in  Klammem  so:  Valerii  Probi  [de  iuris  notarum].] 

**)  [Vgl.  M.  Schanz,   Gesch.   d.  röm.  Lit.  1^,  München  1898,  S.  355f.  und 
die  dort  angeführte  Literatur.] 


M.  Valerius  Probus  de  notis  antiquis.  209 

Neueren  sogar  ändern  wollten;  während  der  Sprachgebrauch  schon 
der  sogenannten  klassischen  Juristen  nur  den  Singular  kennt.*) 
Sachlich  findet  sich  nirgends  eine  Hindeutung  auf  spätere  Zustände; 
die  jüngsten  bestimmt  chronologisch  zu  fixierenden  Abkürzungen 
sind  lex  lulia  (von  Augustus)  de  adidteriis  cohercendis  §  3,  1 1  [10]**) 
und  CL  =  Claudius  §  2,  9  [S],  das  einzige  abgekürzte  Nomen,  das 
der  Verfasser  aufzählt;  es  kann  diese  Abkürzung  als  notatio  publica 
nicht  vor  die  Zeiten  der  claudischen  Kaiser  gesetzt  werden,  und 
wenn  auf  ein  Argument  aus  dem  Stillschweigen  viel  zu  geben  wäre, 
könnte  man  aus  dem  Fehlen  des  IL  •  sogar  den  Schluss  ziehen, 
dass  unsre  Schrift  vor  Vespasian  geschrieben  ist.  Mehr  Gewicht 
lege  ich  auf  die  Erwähnung  von  Noten,  die  schon  in  der  späteren 
Kaiserzeit  wenig  Anwendung  mehr  finden  konnten;  wohin  manches  130 
sich  rechnen  lässt,  z.  B,  die  Notationen  der  Curiennamen,  aber  vor 
allen  Dingen  die  ausführlich  mitgetheilten  Noten  der  Legisactionen, 
nach  deren  Beseitigung  durch  die  julischen  Gesetze  die  darauf  be- 
züglichen Notationen  sehr  bald  zur  Antiquität  geworden  sein  müssen; 
und  unsre  Schrift  sieht  doch  weit  mehr  nach  einem  praktischen 
Hülfsbuch  aus  als  nach  einer  archäologischen  Abhandlung.  Ferner 
wissen  wir  aus  Suetons  Biographie  (de  ill.  gramm.  c.  24)  einmal, 
dass  Probus  sich  von  den  grammatischen  Studien  allerdings  haupt- 
sächlich mit  Textrevisionen  abgab  (multa  exemplaria  contracta  emen- 
dare  ac  disiinguere  et  adnotare  curavit,  soli  liuic  nee  tdli  praeterea 
grammatices  parti  deditusj,  dass  er  aber  doch  auch  einige  kurze 
Abhandlungen  über  Kleinigkeiten  (pauca  et  exigua  de  quibusdam 
minutis  quaest'mnculis)  publicirte,  zum  Beispiel  einen  commentarius 
sntis  curiose  [actus  de  occulta  litterarum  sigtiificatione  episttdarum 
Caesaris  scriptarum  (Gell.  1 7,  9  vgl.  Suet.  Caes.  56).  Wer  haupt- 
hlich  bemüht  war  correcte  Texte  herzustellen,  dem  konnte  es 
iiicht  fern  liegen  eine  kurze  Belehrung  über  die  zulässigen  litterae 
singulares  und  ihre  Bedeutung  aufzusetzen  so  wie  die  Bedeutung 
der  dem  Leser  nicht  minder  wichtigen  conventioneilen  kritischen 
Zeichen  theoretisch  zu  erläutern;  Probus  verliess  hiebei  sein  eigent- 
liches philologisches  Gebiet  nicht,  und  zugleich  konnte  eine  solche 
Schrift  von   Sueton   recht  wohl  unter    den    exigui    libri    de    minutis 


*)  [Vgl.  F.  Puchta,  Instit.  I,  10.  Aufl.  bes.  von  F.  Krüger,  Leipzig  1893, 
.•^.  196.  M.Wlassak,  Edikt  und  Klageform,  Leipzig  1888,  S.  16 f.  P.  Krüger,  Quellen, 
Leipzig  1888,  S.  37.    Th.  Kipp,  Quellen,  2.  Aufl.  Leipzig  1903,  S.  46.] 

**)  [Die  eingeklammerten  Zahlen  beziehen  sich  auf  die  etwas  abweichende 
Numerierung  der  2.  Ausgabe.] 

MOMMSEN,    SCHR.  VII.  14 


210  ^-  Valerius  Probus  de  notis  antiquis. 

quaestiuncidis  mit  verstanden  werden.  Es  scheint  demnach  sich 
alles  zu  vereinigen  um  dem  Zeugniss  unsrer  Handschriften  den 
Glauben  nicht  zu  versagen  und  es  festzuhalten,  dass  der  römische 
Immanuel  Bekker  sich  trotz  seiner  Schweigsamkeit  doch  dazu  ver- 
standen hat  eine  theoretische  Belehrung  über  die  Noten  im  weiteren 
Sinn,  namentlich  die  kritischen  Zeichen  und  die  litterae  singulares 
aufzusetzen,  wovon  uns  der  zweite  Abschnitt  vorliegt.  Wer  da  will, 
kann  das  kürzlich  entdeckte  Pariser  Fragment  (Zeitschr.  für  Alter- 
thumswiss.  1845  S.  81  [Sueton  fr.  108  Reiff  J)  als  beruhend  auf  einem 
andern  Abschnitt  dieser  Schrift  betrachten,  obwohl  darüber  kein  Zweifel 
sein  kann,  dass  dasselbe  wie  es  vorliegt  nicht  von  Probus  herrührt. 
Die  Anlage  des  uns  erhaltenen  Abschnitts  ist  sehr  einfach.  Er 
unterscheidet  zunächst  die  publicae  notationes  und  die  privntae,  die 
arbiträren  und  individuellen  Abkürzungen,  welche 'letztere  natürlich 
weder  gelehrt  werden  können  noch  gelernt  zu  werden  brauchen. 
131  Jeder  Epigraphiker  weiss,  was  für  Abkürzungen  hier  gemeint  sind; 
wie  oft  auf  Privatinschriften  Eigennamen  oder  Phrasen  mit  den 
Initialen  bezeichnet  sind,  wie  oft  Formeln  vorkommen,  die  nur  durch 
den  Ort  wo  sie  sich  ursprünglich  fanden  und  auch  dann  nur  für 
Eingeweihte  verständlich  waren.  Diese  willkürlichen  Abkürzungen, 
die  uns  nur  auf  Inschriften  begegnen,  kamen  natürlich  in  den 
Privatscripturen  noch  unendlich  häufiger  und  viel  arbiträrer  vor, 
und  diese  wird  Probus  hier  zunächst  beseitigen  wollen.  Einzelne 
für  den  Grammatiker  wichtigere  Kategorien  der  notationes  privatae, 
so  die  in  Cäsars  Correspondenz  vorkommende  Chifferschrift  hat  er 
in  besondern  Abhandlungen  esoterischer  I^atur  erläutert;  in  unsrer 
durchaus  exoterischen  Schrift  war  dafür  kein  Platz.  —  Die  allgemein 
gültigen  Abkürzungen  theilt  Probus  dann  wieder  in  vier  Kategorien 
ein,  die  wenn  ich  nicht  irre  sowohl  in  der  Vorrede  als  in  dem  Auf- 
satz selbst  vorkommen  und  die  richtig  aufzufassen  von  einiger 
Bedeutung  ist.  Ich  setze  sie  zunächst  her  mit  den  eigenen  Worten 
des  Verfassers: 

Vorrede  Text 

in  praenominibus  in   monumentis  publicis*)    et  hi- 

sforiarum  libris  sacrisque  publi- 
cis (§  2  [1  a.  E.]) 

in  legibus  publicis  in  iure  civili  de  legibus  et   plebi    | 

scitis  (§  3) 


*)  [In  der  ed.  2  plurimis  nach  der  besseren  Überlieferung.] 


M.  Valerins  Probus  de  notis  antiquis.  211 

Yorrede  Text 

in  2)ontifictini  mouumentis  in  legis  actionibus  (§  4) 

in  iuris  civilis  libris  in  edicfis  perpetuis  (§5) 

Zunächst  ist  daran  zu  erinnern,  dass  Probus,  der  für  «das  Studium» 
schrieb,  unzweifelhaft  nicht  an  Inschriftenleser  gedacht  hat,  sondern 
an  diejenigen,  die  mit  der  römischen  Litteratur  sich  bekannt  machen 
wollten.  Sonach  war  es  für  ihn  natürlich  die  Abkürzungen  in  zwei 
Klassen  zu  theilen,  von  denen  die  erste  die  der  amtlichen  und 
historischen  Schriften  begriff,  die  zweite  die  juristischen.  Die  übrige 
Litteratur  nämlich  enthielt  sich  theils  wohl  gänzlich  des  Gebrauchs 
der  Noten  —  so  werden  die  Abschreiber  bei  poetischen  Schriften 
und  Reden  wohl  nie  haben  notiren  dürfen  und  ebenso  vermuthlich 
bei  dem  grössten  Theil  der  technischen  Werke  —  theils  fand  wie 
bei  der  Gromatik  die  Notation  nur  eine  immer  sehr  beschränkte 
und  wohl  auch  erst  nach  Probus  Zeit  zu  einiger  Bedeutung  für  die 
Litteratur  gelangte  Anwendung.  Dabei  muss  freilich  zugegeben 
werden,  dass  die  in  den  amtlichen  und  historischen  Schriften  reci-  132 
pierten  Abkürzungen  zum  Theil  einen  generelleren  Charakter  trugen, 
namentlich  die  Yornamen,  die  Tribus,  auch  die  Amtsbezeichnungen, 
überhaupt  alles  was  mit  den  Eigennamen  zusammenhing,  und  dass 
diese  von  jedem  Abschreiber  gesetzt  wurden,  wo  ein  Name  in  pro- 
saischer Rede  vorkam:  und  hieraus  erklärt  es  sich  wohl,  warum 
Probus  in  der  Yorrede  die  Notation  der  Pränomina  im  Allgemeinen 
verheisst.  in  dem  Aufsatz  selbst  an  der  entsprechenden  Stelle  die 
speciell  in  amtlichen  und  historischen  Schriften  übliche  Notation 
theils  der  Pränomina,  theils  andrer  Dinge  ausführt  —  eine  aus  der 
Natur  der  Sache  hervorgegangene  und  also  sich  rechtfertigende 
Incongruenz.  Was  nun  speciell  die  erste  Klasse  anlangt,  so  wird 
man  bei  den  monumenta  publica  an  die  commentarii  constilares,  die 
tabulae  censoriae^  die  commentarii  quaestoris  zu  denken  haben,  mit 
denen  die  Philologen  der  ersten  Kaiserzeit  sich  viel  beschäftigten 
(Yarro  YI,  86 — 95),  ebenso  bei  den  libri  sacri  publici  (denn  so  ist 
zu  verbinden)  an  die  commentarii  sacrorum  und  die  lihri  augurales; 
zwischen  beiden  stehen  sehr  natürlich  die  Annalen,  die  ja  in  Form 
und  Inhalt  aus  der  vom  Oberpriester  officiell  angefertigten  Chronik 
des  römischen  Staats  abgeleitet  sind.  Diesem  Material  entspricht 
vollkommen  das  Yerzeichniss  der  Gegenstände,  welche  ihre  eigenen 
Abkürzungen  haben;  wenn  Probus  einen  Theil  der  Noten  hersetzt, 
einen  andern  nur  erwähnt,  so  ist  der  Grund  davon  vermuthlich  der, 
dass  zu   seiner  Zeit   das   gewöhnlich  lesende  Publicum,  für   das   er 

14* 


212  ^-  Valerius  Probus  de  notis  antiquis. 

schrieb,  die  censorischen  Schriften  und  die  Auguralbücher  so  wenig 
las  wie  heute  die  Polyptychen  und  die  Diplomatare,  und  dass  Probus 
desshalb  nur  verzeichnete,  was  etwa  in  einer  Handschrift  des  Livius 
wie  er  sie  las  an  Abkürzungen  vorkommen  konnte  und  im  Uebrigen 
sich  mit  einer  Andeutung  begnügte.  —  Die  zweite  Klasse  befasst 
die  in  den  Rechtsbüchern  gebräuchlichen  litterae  singulares,  welche 
Abkürzungsweise  bekanntermassen  in  der  Jurisprudenz  die  aus- 
gedehnteste und  am  feinsten  angelegte  wie  am  schärfsten  fixierte 
Anwendung  erfahren  hat,  recht  als  sollte  sich  hier  wieder  zeigen, 
wie  die  Jurisprudenz  allen  übrigen  römischen  Fachwissenschaften  an 
Nationalität  und  Intensität  überlegen  war.  In  dieser  zweiten  Klasse 
unterscheidet  Probus  wieder  drei  Kategorien,  die  Notationen  in  den 
Volksschlüssen,  in  den  Legisactionen  und  in  den  Edicten  oder  in 
133  der  juristischen  Litteratur.  Es  kann  auf  den  ersten  Blick  sonderbar 
scheinen,  dass  die  Worte  «in  iuris  civilis  Uhris»  und  «in  edictis 
perpetuis»  als  gleichgeltend  betrachtet  werden.  Allein  schon  bei 
dem  zweiten  wird  wenigstens  jeder  Jurist  sofort  sich  erinnern,  dass 
die  Siglen,  die  in  der  juristischen  Litteratur  Anwendung'  fanden  und 
die  wir  in  unserm  Gaius  wohl  nicht  viel  anders  finden  als  sie  Probu» 
bei  Labeo  und  Sabinus  lesen  mochte,  wesentlich  in  den  Formeln 
ihren  Sitz  haben  und  diese  Formeln  wieder  wesentlich  aus  dem 
Edict  herstammen;  während  dagegen  es  nicht  nachweisbar  und  nicht 
glaublich  ist,  dass  die  Siglen,  die  den  Volksschlüssen  und  den  Legis- 
actionen eigen  waren,  jemals  Eingang  gefunden  haben  in  die  juristische 
Litteratur,  ausser  wo  sie  geradezu  ein  Gesetz  oder  eine  der  alten 
Spruchhandlungen  referirte.  Mit  dem  Edict  ist  die  Litteratur  über- 
haupt in  der  Rechtskunde  aufgeblüht  und  gezeitigt  worden;  wie  denn, 
das  Album  und  die  Schriften  in  der  That  nur  verschiedene  Pro- 
ductionen  desselben  Geistes  und  derselben  Männer  sind.  Die  ganze 
Weisheit  der  römischen  Rechtsetzung  bestand  ja  darin,  dass  man 
den  Juristen  gestattete  selbst  die  Gesetze  zu  machen  und  zu  ändern. 
—  EndUch  wird  es  den  Rechtsgelehrten  wohl  interessant,  aber  nicht 
eben  überraschend  erscheinen,  dass  die  pontißcum  monumenta  und 
die  legis  acüones  hier  als  synonym  erscheinen.*)  Wer  weiss  es  nicht, 
was  Pomponius  erzählt,  dass  die  ältesten  mündlichen  Verhandlungen  i, 

*)  [S.  dagegen  E.  P.  Huschke,  Jurisprud.  Anteiust.  *,  Lipsiae  1886,  S.  130  n.  1. 
0.  Kariowa,  Rom.  Rechtsgesch.  I,  Leipzig  1885,  S.  758.  Ebensowenig  ist  die 
Gleichung  der  iuris  civilis  lürri  mit  den  edicta  perpetua  haltbar.] 

1)  Denn  das  heisst  lege  agere ;  nicht  nach  einem  Gesetz  verhandeln,  sondern 
mit  einem  bestimmten  Spruch  Klage  erheben.  [Diese  Ansicht  hat  Mommsen  auch 
in  den  beiden   ersten  Auflagen  der  Römischen  Geschichte  (I  S.  104  der  ersten, 


M.  Valerius  Probus  de  notis  antiqois.  213 

durch  die  Art  und  Zweck  des  Prozesses  geregelt  ward,  Sache  der 
Pontifices  waren  (1.  2  §  6  D.  de  o.  i.  1,2)?  wer  weiss  es  nicht,  dass 
das  älteste  römische  auf  die  eine  oder  die  andere  "Weise  aus  dem 
Schoss  des  Collegiums  der  Pontifices,  den  penetralia  pontificum 
(Liv.  9,  46)  hervorgegangene  Rechtsbuch,  das  ius  Flavianum,  und 
diesem  entsprechend  das  dritte  Buch  des  itis  Aelianum  ein  liher  qui 
actiones  continet  (a.  a.  O.  §  7)  gewesen  ist?  Ganz  ausdrücklich  sagt 
es  Cicero,  dass  die  Legisactionen  aus  den  Büchern  der  Pontifices 
herrühren.  Es  sei,  so  lesen  wir  bei  ihm  (de  orat.  1,  43,  193),  aus 
den  juristischen  Quellen  für  den  Archäologen  ebenso  viel  zu  lernen 
wie  für  den  Staatsmann  und  Philosophen:  phirima  est,  bemerkt  er 
in  Beziehung  auf  den  Alterthumsforscher ,  et  in  omni  iure  civili  et 
in  pontificum  libris  et  in  XII  tabulis  antiquitatis  effigies,  qttod  et 
verhorum  prisca  vetustas  cognoscitnr  et  actionum  genera  quaedam  134 
maiorum  consuetudinem  vitamque  declarant.  Den  Schluss,  den  einer 
unsrer  vorzüglichsten  Juristen  (Leist  Gesch.  der  röm.  Kechtssyst. 
S.  15)  aus  diesen  Worten  zog,  «dass  die  eigentliche  Entstehungs- 
quelle der  legis  actiones  die  Pontifices  gewesen  seien»,  dürfen  wir 
mit  noch  grösserer  Bestimmtheit  auf  Probus  Worte  basieren  und 
werden  nicht  irren,  wenn  wir  in  jenen  pontificum  monumenta,  aus 
denen  Probus  die  Legisactionen  entnahm,  eine  der  revidierten  Aus- 
gaben des  priesterlichen  Klagspiegels  erkennen,  wie  sie,  so  lange 
diese  Prozessform  noch  praktisch  war.  von  Zeit  zu  Zeit  erschienen 
sein  werden,  die  aber  im  Wesentlichen  ohne  Zweifel  zurückgingen 
auf  die  von  Cn.  Flavius  veranstaltete  Sammlung.  Ohne  sehr  zu 
übertreiben  können  wir  behaupten,  dass  wir  in  diesen  I^^oten  Aus- 
züge aus  dem  ius  Flavianum  vor  uns  haben  und  lange  vor  uns 
gehabt  haben  ohne  es  zu  wissen.*) 


S.  140  der  zweiten  Aufl.)  vertreten,  sie  aber  später  stillschweigend  feilen  gelassen 
(S.  150  der  3.  Aufl.).   Vgl.  E.  I.  Bekker,  Zeitschr.  f.  ßechtsgesch.  Y,  1866,  S.  343. 344.] 

*)  [P.  F.  Girard ,  Un  document  sur  l'edit  anterieur  a  Julien  (Sonderabdruck 
aus  der  Festschrift  für  E.  I.  Bekker,  Weimar  1907)  weist  nach,  daß  Probus  in 
den  zum  Edikt  gehörigen  Noten  (Kap.  5)  einen  Ediktskommentar,  wahrscheinlich 
den  des  Sex.  Pedius  benutzt  hat  und  in  der  Anordnung  der  Noten  dem  Edikte 
folgt.  Es  ergibt  sich  daraus,  daß  uns  von  diesem  Abschnitt  nur  der  Anfang 
(bis  zum  Titel  XII  nach  der  Lenelschen  Anordnung)  erhalten  ist.  Durch  Girards 
Untersuchung  wird  ferner  die  bereits  von  Wlassak  (Edikt  und  Klageform  1882) 
ausgesprochene  Vermutung  bestätigt,  daß  die  Klageformeln  ursprünglich,  d.  h.  vor 
der  Julianischen  Redaktion,  im  Anhang  des  Edikts  standen.] 


XXVI. 

Zu  den  notae  iuris.*) 

153  unter  den  im  vierten  Band  von  Keils  grammatici  Latini  von 
mir  zusammengestellten  Verzeichnissen  der  römischen  Abkürzungen 
befindet  sich  unter  n.  III  (notae  ex  cod.  reginae  p.  282 — 284j  eines, 
das  sich  nur  im  Auszug,  einem  Exemplar  von  n.  VI  in  der  Hand- 
schrift Vatic.  reg.  1128  eingeordnet,  vorgefunden  hatte.  Jetzt  ist 
in  einer  der  neuerdings  für  die  K.  Bibliothek  etworbenen  Phillipps- 
schen  Handschriften  dieses  Verzeichniss  selbständig  und  bis  zum 
Buchstaben  F,  in  dem  der  Text  abbricht,  vollständig  zum  Vorschein 
gekommen.  Die  Handschrift  (n.  496  im  Verzeichniss  der  Claro- 
montard,  n.  571  in  dem  der  Meermanniani,  n.  1741  Phillipps)  ist  kurz 
beschrieben  bei  Maassen  (Quellen  des  kanonischen  Rechts  1,443); 
sie  gehört  vi^ohl  dem  10.  Jahrhundert  an  und  enthält  die  hadrianische 
Kanonensammlung  mit  einigen  Vorsatzstücken,  zu  denen  diese  notae 
gehören.  Ihnen  vorauf  geht  f.  22  —  25  (früher  38 — 41)  unter  der 
Ueberschrift  incip  notas  iuris  das  von  mir  unter  n.  VI  herausgegebene 
Verzeichniss,  dasselbe,  mit  dem  in  der  erwähnten  vaticanischen 
Handschrift  das  unsrige  verschmolzen  ist;  bei  den  wenigen  meistens 
mit  Magno  (M  bei  mir)  stimmenden  Abweichungen  von  dem  ge- 
druckten Text  zu  verweilen  ist  nicht  erforderlich.  Unser  Verzeichniss 
steht  f.  25'  ohne  Ueberschrift,  blos  mit  vorgesetztem  Alphabet;  da 
die  Handschrift  selbst  hier  vollständig  ist,  geht  der  Defect  zurück 
auf  die  Vorlage  des  Schreibers,  Die  von  mir  beigesetzten  Ver- 
weisungen beziehen  sich  auf  die  in  dem  bisher  bekannten  Auszug 
enthaltenen  notae:  wie  man  sieht,  kehren  in  den  fünf  vollständig 
erhaltenen  Buchstaben  mit  Ausnahme  zweier  des  Buchstabens  E 

E  2    EG     egerunt 

E  3    E  d     edictum 

alle   dieser  Sammlung  von  mir  zugeschriebenen  wieder.      Auch  das 

154  früher  von  mir  über  dieselbe   gefällte  Urtheil  wird   durch  den  ver- 

*)  [Hermes  25,  1890,  S.  153-155.] 


Zu  den  notae  iuris. 


215 


voUständigten  Text  bestätigt.  Es  findet  sich  allerdiogs  eine  auf 
christlichen  Ursprung  hindeutende  Stelle  (exemplum  psahnorum)^ 
und  andere  zeigen  verfehlte  Erklärungsversuche  derjenigen  Ab- 
kürzungen, welche  am  Ausgang  der  antiken  Epoche  den  Halb- 
gelehrten zu  schaffen  machten  —  dahin  gehört  d(omus)  ni(örfui) 
neben  der  richtigen  Erklärung  und  die  dem  Solidus  entnommenen 
con(mitia)  ob(ridiaca);  aber  die  meisten  Abkürzungen  führen  in  den- 
jenigen Leserkreis,  dem  der  Gaius  und  der  theodosische  Codex  in 
ihrer  ursprünglichen  Gestalt  vorgelegen  haben. 


A  1 


A  2 


A  .3 


E  1 


AVG 

Augustus 

BF- 

beneficium 

AV 

augusto 

BF  jT 

bona  fidei  contractum 

AA 

Augusti 

BM. 

bone  memoriae 

AA 

Augustalis 

B. 

Balbius 

AVR 

Aurelius 

BP. 

bona  possessio 

AG 

agit 

ADP 
Ä(3  • 

adoptiuo 
actio 

CS 

c- 

CSA 

Caesar 

ACjN 
AM 

actionem 
amicus 

cum 

Caesar  Augustus 

AMN 
AMN 
A  • 

amicus  noster 

amantissimus 

aut 

CN 

C  1   COMI  • 

•C- 

comis 

comite 

Cornelius 

AT 
ATR 

autem 
auctoritas 

J.T. 

contra 
contractum 

AONM 

AP 

APP 

ACC 

ADI 

actionem  mandat 

apud 

apellat 

accepta 

adiutor 

r 

C  2    CONS 
CTR 
CA 

con 

controuersia 

consöles 

ceterum 

causa 

ADP 
ADt 

•  adiutor  prouintiae 
ad  locum 

CM 

cTi 

causa  mortis 
cuius 

ADP 

ad  finem 

CRC 

cuius  rei  causa 

ADQS 

•  ad  questorem 

CRP 

cuius  rei  causa  pro- 
mittis 

B 

bonus 

CS 

consiliarius 

BB 

bonorum 

CONB- 

conmitia  obridiaca 

BP 

bona  paterna 

BF 

bona  fide 

D- 

dedicauit 

BF- 

bonum  factum 

DD- 

dedicauerunt 

BFT. 

bona  fortuna 

Dm 

dolum  malum 

155 


216 


Zu  deu  notae  iuris. 


D  •  M  •  diis  manibus  sacrum 

D  •  M  •  domus  mortui 

•  D  •  D  •  deinde 

©e  dexerunt 

^  dixit 

©0  donatio 

DT  •  dotem 

D  •  P  •  detem  (sie)  petit 

D  Q  •  S  •  die  quo  supra 

DT  •  dumtaxat 

D  •  diuus 

D  C  •  diuus  Caesar 

D  •  C  •  A-  diuus  caesar  aug 

DB  •  debotus 

DY  •  deuotus 

D  •  P)  douota  (sie)  persona 

•ö  •  damnat 

DL  de  loco 
D  5  D  •  C  •  T  decretum 

ö©0  dotis  dictio 

DP  defunctus 

DIG  •  dignus 

D  6  DIGM  dignus  memoriae 

DQR  de  qua  re 

DYL  ■  dulcissimus 

D  7   DIL  •  dilectissimus 

DPO  depositio 

DIL  •  dilectissimus 

D  1    DNA  •  domina 

D  2  DM  •  domino 

D  3   DN  •  domno 

D  4  D  •  L  •  doleo 

DSD-  dum 

D  9   ö  dam 


D  10  DD  PP  diui  fratres 
D  11  DPO      dare  facere  oportet 
D  12  DSCA-    diuerse  scole  auctores 
D  13  D  •  M  •    diuus  marcus 
D  14  D  •  M  •   dolo  malo 
D  15  DQ  •        denique 
D  16  D  •  P  •     dimidiam  partem 
D  17  DM  •        decemanus  maximus 
ET  etiam 

ETNC  etiamnunc 

E  1    E)  eius 

E)  •  eius 

E  4    EC  et  cetera 

E  5    ER  et  reliqua 

E  6    EXP  exemplum 

E  7    EXP -EP-    exemplum  eplae 
E  8    EX  PSL     exemplum  psalmo- 

rum 
E  9    EX  •  CO      excepto 
E  10  EDE  eiusdem 

E  11  EN  enim 

E  12  EXMAS      exaestimas 


F 

filius 

PA 

familia 

PPM- 

filius  familias 

FP. 

fratres 

FP  KK- 

fratres  carissimi 

FI 

femina 

FFI 

fratres  filius 

Fo 

forte 

FR. 

foram 

FR- 

forum 

XXVII. 

Anecdoton  Parisinum.*) 

Sie  erinnern  sich  vielleicht,  dass  Quicherat  den  Codex**)  in  791,  81 
802  oder  813  setzte,  weil  in  der  Handschrift  ein  Jahresverzeichniss 
von  779 — 835  vorkommt,  zugleich  aber  ein  Kalender  —  ohne  Zweifel 
-des  Jahres,  in  dem  die  Handschrift  geschrieben  ist  —  worin  Ostern 
VI  K.  apr.  fallt  und  dieses  Datum  des  Ostertages  in  dem  angegebe- 
nen Jahresverzeichnisse  nur  auf  die  drei  angeführten  Jahre  passt.  82 
Er  ist  indess  der  alten  Schrift  wegen  geneigt  sich  für  791  zu  ent- 
scheiden. Ich  bin  im  Stande  diese  geschickte  Combination  durch 
ein  positives  Zeugniss  zu  ergänzen :  mitten  in  der  Handschrift  nämlich 
fol.  40  findet  sich  folgende  Subscription :  Servil  grammatici  scripsit 
do  propitius  papuhis  constlheyderkJii  indic  II  mensis  fehruarii  XXV 
dies  sattirni  Jiora  III  dei.  —  Das  zweite  Jahr  der  indictio  trifft  in 
dem  angegebenen  Jahresverzeichniss  die  Jahre  780,  795,  809,  824; 
dass  das  Jahr  780  gemeint  ist,  ergiebt  sich  aus  folgenden  Argumenten. 
Es  war  natürlich,  wenn  man  im  J.  780  schrieb,  das  Jahresverzeich- 
niss mit  indict.  I.  779  anzufangen  und  die  folgenden  Jahre  im  Yoraus 
beizufügen.  Als  dies  paschalis  wird  nun  zwar  in  dem  Jahresverzeich- 
niss VII  K.  apr.  angegeben;  allein  dass  dies  nur  verschrieben  ist 
für  VI  K.  apr.,  folgt  daraus,  dass  der  damit  correspondirende  Tag, 
wo  incipit  quadragesima ,  beim  J.  780  ist  id.  febr.,  gerade  wie  bei 
den  J.  791,  802,  813,  wo  Ostern  VI  K.  apr.  fällt.  —  Folglich  haben 
wir  eine  Handschrift  vom  J.  780  vor  uns,  wozu  die  sehr  alte  fast 
gar  nicht  getrennte  Schrift  vortrefflich  stimmt.***) 

*)  [Zeitschrift  für  die  Altertumswiss.  3.  1845,  Sp.  81—88.  Die  Edition  des 
ihm  von  Mommsen  mitgeteilten  Anekdoton  übernahm  Th.  Bergk,  der  Heraus- 
geber der  genannten  Zeitschrift.  Die  oben  abgedruckten  Worte,  mit  denen 
Mommsen  die  Zusendung  begleitet  hatte ,  datiert  aus  Paris  den  2.  Nov.  1844, 
nahm  Bergk  nach  einigen  einleitenden  Bemerkungen  in  seine  Abhandlung  auf] 
**)  [Cod.  Parisinus  bibl.  reg.  7530.] 

***)  [Es  folgen  Bemerkungen  Mommsens   zu   dem  Carmen  de  figuris,   das  L. 
Quicherat  aus  dieser  Hs.  nicht  mit  der  erschöpfenden  ,  deutschen  Grenauigkeit", 


218  Anecdoton  Parisinum. 

84  Sie  wissen,  dass  in  demselben  Codex  incipit  Thuesta  Varii 
(fol.  28);  die  kurze  Notiz,  die  unter  diesem  prächtigen  Titel  steht, 
hat  Quicherat  mitgetheilt,  doch  mögen  die  wenigen  Worte  hier 
wiederstehen  : 

Lucius  Varius  cognomento  Rufus  thyesten  tragoed  .  .  .  magna  cura 
ahsoluto  post  actiacam  vidoriam  aug  .  .  .  ^  ludis  eins  in  scaena 
edidit,  pro  qua  fdbula  sestertium  deciens  accepit. 

85  Darauf  —  sagt  Quicherat  —  folgt  ein  Kapitel  aus  Isidors  origines 
über  die  alten  Noten:  allein  das  ist  irrig.  Das  fragliche  Kapitel 
(I,  20)  steht  allerdings  später  fol.  154.  155  ebenfalls  als  ein  eigener 
Traktat,  aber  dies  hier  ist  nicht  die  isidorische  Abhandlung,  sondern 
deren  Original,  und  wird,  wenn  ich  nicht  sehr  irre,  unter  den  Notizen 
über  die  alten  lateinischen  Grammatiker  eine  bedeutende  Stelle 
einnehmen.  Wir  haben  hier  die  wahren  Noten  des  Probus,  ganz 
verschieden  von  denen,  die  unter  seinem  Namen  bekannt  sind;  Sie, 
thun  hier  einen  Blick  in  seine  grammatische  Werkstatt,  der  unserm 
Jahn  bei  seinen  trefflichen  Untersuchungen  über  den  Yormann  der 
römischen  Grammatiker  leider  gefehlt  hat.  Ich  bemerke  nur,  dass 
von  der  21sten  Note  (äloyog)  in  der  Aufzählung  das  Zeichen,  in 
der  Erklärung  dieselbe  ganz  ausgefallen  ist.  Eine  Kopie  des  isido- 
rischen  Kapitels,  wie  es  in  unserm  Mspt.  steht;  wird  Ihnen  vielleicht 
hie  und  da  von  Nutzen  sein;  Sie  sehen,  dass  ich  die  Ordnung  darin 
aufgelöst  habe,  damit  sie  der  der  notae  Prohianae  correspondirt.*) 


wie  Mommsen  es  hier  nennt,  herausgegeben  hatte  (bibl.  de  l'ecole  des  chartes 
1,  51  ff.).  Da  das  Gedicht  seitdem  oft  behandelt  worden  ist  und  die  Mommsen- 
schen  Bemerkungen  daher  keine  selbständige  Bedeutung  mehr  haben,  so  sind 
sie  hier  übergangen  worden.] 

1)  Eine  späte  Hand  hat  die  erloschenen  Buchstaben  ergänzt  augusto; 
ohne  Zweifel  stand  ursprünglich  augusti. 

*•)  [Von  einem  Neudruck  des  nun  auf  Sp.  85  —  88  folgenden  Textes  ist  ab- 
gesehen worden;  vgl.  Suetonii  rel.  ed.  Reifferscheid,  Leipz.  1860,  fr.  108  S.  137  ff.] 


XXVIII. 
Pünius  und  Catullus.*) 

Plinius  leitet  bekanntlich  das  seiner  Naturgeschichte  vorgesetzte  128 
Zueignungsschreiben   an    Titus  Vespasianus    mit    einem   catullischen 
Citat   ein:    namque    tu  solehas  putare   esse   aliquid   meas   ntigas,    uf 

ohicere  nioliar  Catullum  conterraneum  meum iUe  enim,  ut  scis, 

permutatis  priorihus  Saetabis  duriusculum  se  feeif.  Dass  dies  so, 
wie  es  jetzt  bei  Sillig  und  von  Jan  gedruckt  steht,  sinnlos  ist,  wird 
keiner  längeren  Auseinandersetzung  bedürfen;  dass  insbesondere  die 
Saetaba,  die  aus  CatuUs  zwölftem  Gedicht  genommen  seien,  desshalb 
priora  heissen.  ne  cum  simili  furto  carmine  XXV  exagitato  confun- 
daniur,  ist  eine  jener  Interpretationen,  an  denen  die  gesunde  Ver- 
nunft durchaus  unbetheiligt  ist.  Es  ist  aber  nicht  nöthig  dabei  zu 
verweilen;  denn  gerade  die  anstössigsten  Worte  in  jener  Lesung 
sind  nicht  handschriftliche  Ueberlieferimg.  Diese  ist  vielmehr  im 
Wesentlichen  correct  und  es  handelt  sich  nur  darum,  sie  wieder  in 
ihr  Recht  einzusetzen.  Alle  in  Betracht  kommenden  Handschriften 
nehmlich  haben  statt  ohicere  moliar  vielmehr  ohicere  molliam^  Barbarus, 
Rlienanus,  Dalechamp  sei  es  nach  ihren  Handschriften,  sei  es  nach 
ehier  nahe  liegenden  kaum  als  Conjectur  zu  bezeichnenden  Aenderung 
ob'ter  emolliam;  Saetabis  aber  ist  ein  verkehrter  Einfall  Alciats  für 
das  handschriftlich  allein  beglaubigte  sylluhis.  Demnach  ist  zu 
sclireiben : 

Lihros  rMturalis  historiae  ....  licentiore  epistula  narrare  consiitui 
tibi,  iucundissime  imperator:  sit  enim  liaec  tui  praefatio  verissinia, 
dum  maximi  consenescit  in  patre. 

namque  tu  solehas 
nugas  esse  aliquid  meas  putare 
ut  ohiter  etnolliam  Catullum  conterraneum  meum  (adgnoscis  et  hoc 
castrense  vocabulum):  iUe  enim,  ut  scis,  permutatis  prioribtis  syl- 
lahis  duriusculum    se  fecit  quam  volehat  existimari   a   Veraniolis 
suis  et  Fabullis. 


*)  [Hermes  1,  1866,  S.  128-129.] 


220  Plinius  und  CatuUus. 

129  Catullus  schrieb  bekanntlich  meäs  esse  aliquid  putare  nugas,  indem 
er  in  der  Basis  seiner  Hendekasy Ilaben  unbedenklich  den  lambus 
wie  den  Trochäus  zuliess.  Daran  aber  nahmen  die  Späteren  An- 
stoss;  in  Domitians  Zeit  scheint  es  festgestanden  zu  haben,  dass  der 
Hendekasyllabus  mit  einer  Doppellänge  beginnen  müsse  (L.  Müller 
de  re  metr.  p.  162  [p.  179 ^J).  So  erklärt  es  sich  leicht,  warum 
Plinius  sich  beiläufig  bemüssigt  fand  jenem  'harten'  Yers  seines 
Landsmannes  durch  Versetzung  der  ersten  Silben  eine  Verbesserung 
angedeihen  zu  lassen;  die  Herstellung  der  von  ihm  beabsichtigten 
Wortfolge,  die  in  den  Handschriften  schwankt,  verdanke  ich  Haupt. 
—  Wenn  endlich  der  jüngere  Plinius  von  einem  seiner  Freunde 
schreibt  (ep.  1,  16,  5):  facit  versus,  quales  Catullus  aut  Calvus:  quanfum 
Ulis  leporis  dulcedinis  amaritudinis  amoris!  inserif  sane,  sed  data 
opera,  molUhus  levibusque  duriusculos  quosdam:  et  hoc  quasi  Catullus 
aut  Calvus,  so  hat  bereits  L.  Müller  (a.  a.  0.)  mit  Recht  hervor- 
gehoben, dass  mit  den  nach  dem  Vorgang  Catulls  absichtlich  ein- 
gemischten 'harten'  Versen  vermuthlich  zunächst  solche  mit  einem 
Trochäus  oder  lambus  beginnenden  Hendekasyllaben  geraeint  sind. 
Wir  sehen  nun,  dass  dem  Neffen,  als  er  jene  Worte  schrieb,  eben 
jene  Ramlerische  Leistung  seines  Oheims  in  dem  wohlbekannten 
Dedicationsschreiben  im  Sinne  gelegen  hat. 


XXIX. 

Vitorius  Marcellus.*) 

Derjenige  Mann,  dem  Statins  das  vierte  Buch  seiner  Silven  zu-  428^ 
geschrieben  und  an  den  er  das  vierte  Gedicht  dieses  Buchs  gerichtet 
hat,  heisst  in  der  Dedication  Marcellus;  die  Ueberschrift  des  Ge- 
dichtes lautet  epistula  ad  Victorium  Marceüum  und  Z.  85  wünscht 
der  Dichter,  dass  dessen  Heimath  von  dem  Unheil  verschont  bleiben 
möge,  welches  der  Yesuv  über  Campanien  gebracht  hat:  procul  ista 
tuo  sint  fata  Teate  (so  nach  Lucian  Müllers  Vorschlag;**)  überhefert 
ist  tiios  in  fata  teate)  nee  Marrucinos  agat  haec  insania  montes. 

Quintilianus  ferner  hat  seine  Einleitung  in  die  Redekunst  einem 
Freunde  gewidmet,  der  an  vier  verschiedenen  Stellen  (1  pr.  6;  4  pr. 
1;  6  pr.  l;  12,  11,  31)  als  M.  (oder  Marce)  Vitori  angeredet  wird, 
ohne  dass  unsere  Handschriften  bemerkenswerthe  Abweichungen 
darbieten;  denn  dass  die  geringeren  meistens,  einmal  (6  pr.  1)  auch 
der  alte  Ambrosianus,  uictori  haben,  kommt  nicht  in  Betracht. 
Aber  das  erste  Wort  ist  auf  jeden  Fall  in  Marcelle  zu  ändern,  wie 
dies  l  pr.  6  schon  jüngere  Handschriften  gethan  haben,  da  der 
"Verfasser  in  dem  kurzen  vorgesetzten  Briefe  seine  Schrift  bezeichnet 
als  die  Bücher,  quos  ad  Marcellum  meutn  scripseram ;  denn  die 
Annahme,  dass  der  Mann  sowohl  Marcus  wie  Marcellus  geheissen 
und  Quintilian  an  jenen  Stellen  nur  den  Vor-  imd  den  Geschlechts- 
namen  gesetzt  habe,  ist  für  diese  Zeit,  in  der  schon  das  Cognomen 
in  Gebrauch  durchaus  vorwiegt,  nicht  zulässig.  Die  immer  ver- 
muthete  Identität  dieser  Persönlichkeit  mit  dem  Freunde  des  Statins 
darf  jetzt  als  gesichert  gelten,  nachdem  der  Name  des  Sohnes  Geta 


*)  [Hermes  13,    1878,   S.  428  — 430.     Vgl.  Statu  silvarum  libri,   erkl.  von 
Fl.  Vollmer,  Leipz.  1898,  S.  461.    Prosopograph.  imp.  Rom.  HI  S.  455  n,  519.] 

**)  [pr.  i.  Uio  sint  fata  schon  die  ed.  Parmensis  vom  J.  1473;  Tmti  Imhof 
(1859)  mid  Vollmer.] 


222  Vitorius  Marcellus. 

aus  den  Handschriften  theils  bei  Quintilian  (1  pr.  6:  erudiendo  Getae 
fuo),  theils  bei  Statins  (parvoque  exempla  parabis  magna  Getae)  her- 
gestellt ist,  während  früher  dort  naio,  hier  geres  für  Getae  gelesen 
wurde  und  man  überdies  der  irrigen  Meinung  war,  dass  der  von 
429  Statins  in  demselben  Gedicht  erwähnte  Gallus  nicht  ein  Freund, 
sondern  der  Sohn  des  Marcellus  sei.  Letzterer  hatte  also  vermuth- 
lich  eine  Dame  aus  dem  Hause  der  Hosidii  Getae  geheirathet,  was 
auch  insofern  wohl  passt,  als  diese  aus  der  benachbarten  Frentaner- 
stadt  Histonium  stammten. 

Es  treten  jetzt  hinzu  die  neu  gefundenen  Arvalacten  der  Jahre 
118 — 120,  in  welchen  des  Arvalen  C.  Vitorius  Hosidius  Geta  vielfach 
Erwähnung  geschieht  [C.  I.  L.  VI,  2078—81].  Offenbar  ist  dies  eben 
derselbe,  dessen  als  Knaben  Quintilian  und  Statins  gedenken;  die 
Yermuthung,  dass  die  Mutter  aus  dem  Hause  der  Hosidii  war,  er- 
hält hiedurch  ihre  Bestätigung  und  der  Vatername  seine  schliess- 
liche  Feststellung.  Dass  der  Name  Victorius  Marcellus  für  die 
bessere  römische  Zeit  schlechthin  unmöglich  ist,  wird  zugeben, 
wer  mit  dem  römischen  Namenwesen  einigermassen  bekannt  ist^. 
Vitorius  Marcellus^  worauf  schon  die  Handschriften  des  Quintilian 
führen,  giebt  keinen  Anstoss  2.  Dass  derselbe  nicht  aus  senatorischem 
Geschlecht  war,  sondern  sein  Vater,  der  iam  nunc  helliger  avus  des 
Geta,  wie  ihn  Statins  nennt,  dem  Ritterstand  angehörte,  ist  wahr- 
scheinlich.*)   Marcellus  war,  als  Statins  schrieb,  nach  Verwaltung  der 

1)  Victorius  kommt  als  Geschlechtsname  nur  in  der  Epoche  vor,  wo  man 
besonders  in  den  Provinzen  diese  aus  den  Cognomina  entwickelte;  Victorius 
Victorianus  in  dem  Augsburger  Stein  C.  I.  L,  III  5833  ist  analog  den  lustii 
lustini,  Marcellinii  Marcelli,  Severii  Severiani,  die  auf  den  Inschriften  des  Rhein- 
und  des  Donaugebiets  so  häufig  sind  und  die  offenbar  daher  rühren,  dass  die 
mit  dem  römischen  Bürgerrecht  beschenkten  Peregrinen  das  nun  erforderliche 
Gentilicium  aus  dem  bisher  geführten  Cognomen  gestalteten.  [,Über  diese  Art 
der  Gentilicienbildung  hat  Mommsen  auch  sonst  gehandelt,  besonders  in  seinen 
Bemerkungen  zu  der  Inschrift  von  Worms  C.  I.  L.  XIII,  6244,  Korrespondenzblatt 
der  Westd.  Zeitschr.  f.  Gesch.  u.  Kunst  1892  S.  81  (=  Epigraph.  Sehr.  11)" 
DESSAU.]  Als  Cognomen  erscheint  Victoi-ius  nur  in  der  noch  beträchtlich  späteren 
Zeit,  in  welcher  die  signa  auf  ins  sich  bildeten;  es  steht  als  solches  mit 
Eugenius,  Ablabiiis,  Innocentius,  Bonifatius  11.  s.  w.  sprachlich  auf  gleicher  Linie. 

2)  Der  Geschlechtsname  Vitorius,  wohl  verwandt  mit  vitulari  ([zu]  C.  I.  L. 
I  n.  58  [der  1.  Aufl.]),  ist  nicht  eben  häufig,  aber  wohl  beglaubigt  (C.  I.  L. 
vol.  I  n.  1160  und  besonders  vol.  V  p.  1133  so  wie  I.  R.  N.  p.  441  [C.  I.  L.  IX 
p.  730,  X  p.  1061];  auch  C.  I.  L.  vol.  II  n.  3658;  vol.  III  n.  2429.  5059). 

*)  [Der  helliger  —  nicht  iam  nunc  b.  —  avus  des  Geta  war  nicht  der  Vater 
des  Marcellus,  sondern  Getas  mütterlicher  Großvater,  wohl  Hosidius  Geta,  Konsul 
unter  Claudius ;  s.  Prosopogr.  imp.  Rom.  a.  a.  0. ;  Postgate,  Classical  Review  1906 
S.  306.    DESSAU.] 


Vitorius  Marcellus.  223 

Prätur  mit  der  Aufsicht  über  die  latinische  Strasse  betraut  worden^ 
und  sah  der  Verleihung  eines  Legionscommandos  entgegen.  Dass 
er  aber  nicht  als  Knabe  den  latus  clavus  getragen  hatte,  wie  jetzt 
sein  Sohn  ihn  trug,  ist  besonders  desshalb  wahrscheinlich,  weil  der 
Dichter  in  der  Anrede  an  diesen  Sohn  neben  der  väterlichen  Tüchtig- 
keit die  edle  Geburt  der  Mutter  hervorhebt  (stemmate  materno  felix,  430 
virtute  paferna).  Die  Hosidii  gehörten  allerdings  seit  längerer  Zeit 
der  Curie  an. 

Hervorzuheben  bleibt  noch,  dass,  wie  aus  dem  Arvalenindex 
Henzens  hervorgeht,  Nohl  das  Sachverhältniss  richtig  erkannt  und 
den  Ajvalen  mit  dem  Geta  der  Schriftsteller  identificirt  hat.  Da 
aber  in  den  neueren  Handbüchern  und  Ausgaben  der  unmögliche 
Yictorius  Marcellus  noch  fortwährend  umgeht,  so  schien  es  ange- 
messen ihn  ausdrücklich  auszuweisen  2. 


1)  Z.  59:  tuos  alio  subtexit  (der  Kaiser)  munei-e  fasces  et  spatia  obJiquae 
mandat  renovare  Latinae. 

2)  Nachdem  diese  Miscelle  gesetzt  war,  kam  mir,  zufällig  verspätet,  Nohls 
■weitere  Ausführung  (in  dieser  Zeitschrift  XII  S.  517)  zu  Gesicht.  Sie  würde  dem 
Zweck  genügen;  da  indess  meine  Darlegung  einige  Momente  enthält,  die  Nohl 
nicht  hervorgehoben  hat,  mag  auch  diese  ihren  Platz  behalten. 


XXX. 

Cornelius  Tacitus  und  Cluvius  Rufus.*) 

295  Mancherlei  Ursachen   treffen  zusammen,   um    ein  Urtheil    über 

die  historische  Kunst  des  Tacitus  und  den  historischen  Werth  seines 
Geschichtswerkes  zu  erschweren;  eine  der  wesentlichsten  aber  ist 
die,  dass  wir  weniger  als  bei  den  meisten  bedeutenden  Geschicht- 
schreibern im  Stande  sind  über  sein  Yerhältniss  zu  den  von  ihm 
benutzten  Quellen  zu  urtheilen.  Kein  Scharfsinn  könnte  in  der 
Beurtheilnng  des  Livius  das  ersetzen,  was  die  Vergleichung  seines 
Werkes  mit  einer  ihrer  hauptsächlichsten  Quellenschriften,  der  grossen- 
theils  noch  vorhandenen  pragmatischen  Geschichte  des  Polybios,  uns 
lehrt;  und  für  Tacitus  scheint  man  einig  darüber  zu  sein,  dass  es 
einen  ähnlichen  sicheren  Anhalt  nicht  giebt.  Dies  ist  indess  doch 
nur  mit  einer  wesentlichen  Einschränkung  wahr;  ich  meine,  dass 
die  Yergleichung  der  beiden  ersten  Bücher  der  Historien  mit  den 
plutarchischen  Biographien  des  Galba  und  des  Otho  einen  gewissen 
Ersatz  dafür  bietet,  dass  uns  von  den  Quellenschriften  des  Tacitus 
selber  keine  einzige  vorliegt,  und  dass  die  zwischen  beiden  Werken 
bestehenden  Beziehungen,  obwohl  natürlich  nicht  übersehen^,  doch 
keineswegs  in  ihrem  vollen  Umfang  gewürdigt  worden  sind. 


*)  [Hermes  4,  1870,  S.  295— 325.  Das  Problem  ist  auf  Grund  dieser  Ab- 
handlung seitdem  oft  behandelt  worden,  vgl.  die  Literaturnachweise  von  Groag, 
Cluvius  Rufus  in  der  Realenzyklopädie  IV  Sp.  121  ff'.  Wenngleich  die  Quellen- 
frage noch  immer  nicht  einwandfrei  gelöst  ist,  insbesouders  gegen  Cluvius 
Rufus  als  Quelle  des  Tacitus  vielfach  Bedenken  erhoben  worden  sind,  so  behält 
Mommsens  Abhandlung  allein  schon  durch  die  erstmalige  vollständige  Vorlegung 
und  Analyse  des  Materials  ihren  bleibenden  Wert.] 

1)  So  hat  H.  Peter  (die  Quellen  Plutarchs  S.  28  fg.)  das  Verhältniss  zwischen 
Plutarch  und  Tacitus  im  Allgemeinen  richtig  aufgefasst;  und  sicherlich  hat 
überhaupt  jeder  aufmerksame  und  verständige  Leser  beider  Schriften  im  Ganzen 
die  gleiche  Beobachtung  gemacht.  Aber  den  Umfang  des  Problems  finde  ich 
nirgend  vollständig  erkannt;  und  eben  an  dem  Umfang  hängt  seine  ganze 
Bedeutung  für  die  Litterar-  wie  die  politische  Geschichte. 


Cornelius  Tacitus  und  Cluvius  Rnfiis.  225 

Es  wird  zunächst  nothwendig  sein  die  Entstehungszeit  der  beiden 
Schriften  festzustellen;  was,  so  weit  es  für  diesen  Zweck  erforderlich 
ist,  mit  wenigen  Worten  geschehen  kann.  Yon  Plutarchos  wissen  wir,  296 
dass  er  im  J.  66  als  Jüngling  seinen  Studien  in  Griechenland  oblag  ^ 
und  Vorgänge  aus  I^eros  Zeit  als  eigene  Erlebnisse  bezeichnet  2; 
dass  er  unter  Yespasian  (f  79  Juni  23)  nach  Rom  kam  und  'den 
alten  Mann',  wie  er  ihn  nennt,  dort  sah';  femer,  dass  er  den  Aus- 
bruch des  Yesuv  (79  Aug.  24)*,  den  Aufstand  des  L.  Antonius 
Saturninus  (88)  ^,  die  Hinrichtung  des  Philosophen  L.  Junius  Rusticus 
(93)  ^  den  Tod  Domitians  (96  Sept.  18)'  und  das  Ueberwintern  eines 
Kaisers  im  Lager  an  der  Donau,  wahrscheinlich  das  Traians  im 
J.  98  9^  erlebte,  während  bestimmte  Beziehungen  auf  Ereignisse 
späterer  Zeit  in  den  umfänglichen,  aber  freilich  auf  die  Verhältnisse 
der  Gegenwart  wenig  Rücksicht  nehmenden  Schriften  gänzlich  zu 
fehlen  scheinen.  Die  Angabe,  dass  die  Einnahme  Athens  durch 
Sulla  'vor  beinahe  200  Jahren'  stattgefunden  habe',  zeigt  nur,  dass 
diese  Biographie  nicht  gar  lange  vor  dem  J.  114  abgefasst  ist,  wo 
dieser  Termin  ablief^''.  —  Hienach  wird  Plutarchs  Geburt  um  das  297 

1)  de  EI  apud  Delphos  c.  1  fin.  Er  und  sein  Bruder  heissen  zu  dieser 
Zeit  vEoi:  das.  c.  17.    [Vgl.  zum  Folgenden:  Prosopogr.  imp.  Rom.  III  S.  55ff.] 

2)  vita  Antonii  c.  87;  Flaminini  c.  12.    Daraus  Photios  cod.  245  p.  1212  R. 

3)  de  soll.  anim.  c.  19.  Auf  denselben  Aufenthalt  in  Italien  mag  sich  be- 
ziehen, dass  Plutarch  unter  Rusticus  Leitung  in  Rom  declamirte  (de  curios.  15) 
und  dass  er  das  Schlachtfeld  von  Betriacum  und  Othos  Grabmal  in  Brixillum 
besuchte  (Plutarch  Oth.  14.  18)  in  Gemeinschaft  mit  einem  Waffengeföhrten 
Othos,  dem  Consular  Mestrius  Florus,  der  auch  sonst  von  ihm  genannt  wird 
(sympos.  quaest.  7,  4.  8,  10)  und  am  Hofe  Vespasians  verkehrte  (Sueton  Vesp.  22). 

4)  de  Pyth.  orac.  c.  9.  5)  vita  Pauli  25.  6)  de  curios.  15. 

7)  Deutlich  als  verstorben  wird  Domitian  vorausgesetzt  vita  Num.  19  und 
vita  Popl.  15,  ebenso  de  curios.  15,  Erot.  25  und  wohl  auch  q.  R.  50:  sqj  ^n&v 
htEXQExpev  .  ,  AofUTiavog. 

8)  de  primo  frigido  c.  12:  wg  Ioxoqovoi  ol  vvv  /iisrä  rov  Kaiaagog  ijil  lov 
'Lngov  diaysifidaavTEg.  Dies  kann  allenfalls  auf  Domitian  gehen,  der  auch  im 
"VS'inter  aus  der  Donaugegend  zurückkam  (Martial  8  z.  A.) ;  aber  eigentlich  über- 
wintert hat  dort  doch  zuerst  Traian  und  zwar  zuerst  im  Winter  98  9  (in  dieser 
Zeitschr.  3,  117  [Eist.  Sehr.  1,  449]).  —  Die  Widmung  der  apophihegmata  regum 
et  imp.  an  Traian  kommt  nicht  in  Betracht,  da  es  sehr  zweifelhaft  ist,  ob  dieses 
Schriftchen  von  Plutarch  herrührt;  und  dasselbe  gilt  in  noch  höherem  Grade 
vcn  der  sogenannten  institutio  Traiani,  die  bei  Johann  von  Salisbury  unter 
Plutarchs  Namen  läuft.  Doch  beweist  wenigstens  jene  angebliche  Widmung, 
dass  man  Plutarchs  Schriftstell erei  unter  Traian  zu  setzen  pflegte,  was  auch 
Suidas  (e:tl  twv    Tgacavov  .  .  yoovwv  xai  exi  TiQÖodsv)  thut. 

9)  vita  Sullae  c.  21. 

10)  Die  Widmimg  einer  Reihe  seiner  Schriften  an  Q.  Sossius  Senecio  Consul  I 
im  J.  99,  II  im  J.  107  führt  eben  auch  nicht  viel  weiter,  zumal  wir  von  diesem 

MOMMSEN,   SCHR.  VII.  15 


226  Cornelius  Tacitus  und  Cluvius  Rufus. 

J.  46—48  gesetzt  werden  müssen,  seine  schriftstellerische  Thätigkeit 
aber  unter  Domitian,  Nerva  und  Traian.  Dafür,  dass  insbesondere 
die  Kaiserbiographien  unter  Domitian  geschrieben  sind,  lässt  sich 
geltend  machen,  dass  sie,  sofern  dem  sogenannten  Verzeichniss  des 
Lamprias  ^  zu  trauen  ist,  mit  Yitellius  schlössen;  die  Ausschliessung 
der  flavischen  Dynastie  ist  begreiflich,  wenn  der  Verfasser  unter 
Domitian  schrieb,  wogegen,  wenn  er  nach  dessen  Tode  geschrieben 
hätte,  er  keine  Ursache  hatte  anders  zu  verfahren  als  Suetonius 
unter  Hadrian.  Indess  weder  ist  die  Autorität  hinreichend  sicher 
noch  der  Schluss,  und  es  wird  hierauf  nicht  viel  zu  geben  sein. 
Besondere  chronologische  Anhaltspuncte  bieten  diese  Biographien 
nicht ^;  sie  machen  aber,  verglichen  mit  den  Biographien  der  Feld- 
herren der  Republik,  den  Eindruck  eines  Antangerwerkes.  Eine 
'pragmatische  Geschichte'  will  der  Verfasser  nicht  geben,  sondern 
die  Geschichte  der  einzelnen  Kaiser  ^;  aber  Biographien  sind  es  doch 
kaum.  Bei  Galba  ist  die  Vorgeschichte  äusserst  dürftig,  bei  Otho: 
fehlt  sie  ganz  oder  steht  vielmehr  im  Leben  Galbas  an  der  Stelle, 
die  ihr  in  den  Annalen  zukam  und  die  sie  auch  bei  Tacitus  ein- 
nimmt, bei  dem  ersten  Auftreten  Othos;  zwischen  beiden  Biographien 
298  ist  kaum  ein  Abschnitt  wahrzunehmen*;  es  begegnen  Rückweisungeo 

Mann  wenig  wissen.  Wahrscheinlich  gelangte  er  zum  zweiten  Consulat  in  sehr 
vorgerücktem  Alter,  so  dass  diese  Widmungen  besser  für  die  Zeit  Domitians 
oder  die  ersten  Jahre  Traians  passen  als  für  eine  spätere  Zeit.  [Vgl.  Prosopogr. 
imp.  Rom.  III  S.  255.]  —  Dass  Plutarch  Ant.  34  den  parthischen  Triumph  Traians 
nicht  kennt,  kommt  noch  weniger  in  Betracht ;  denn  dieser  ward  erst  nach  dem 
Tode  Traians  gefeiert.  —  Endlich  mag  noch  erwähnt  werden,  dass  Eusebius 
(nach  dem  armenischen  und  dem  lateinischen  Text)  die  Blüthe  des  Plutarch 
unter  dem  3.  Jahre  Hadrians  verzeichnet. 

1)  Dieser  (bei  A.  Schäfer  comm.  de  libro  vitarum  X  oratorum  S.  9)  giebt 
unter  N.  26.  27.  29  —  33:  Avyovarov  ßiog  —  TißsQiog  —  KkavSiog  —  NsQcovof 
ßiog  —  räiog  KaXaaQ  —  FdXßag  xal  "O&cov  —  BirsXXiog ;  dazwischen  steht  als. 
n.  28  Sxrimoiv  'A(pQixav6g.  Die  Vergleichung  der  von  C.  Wachsmuth  in  Neapel 
wieder  aufgefundenen  Handschrift  (Philologus  19,  577)  giebt  hiefür  keine  Ab- 
weichungen. 

2)  Was  von  Verginius  Rufus  gesagt  wird,  insbesondere  im  Leben  des  Galba 
c.  10,  wo  der  Schluss  ganz  so  klingt,  wie  wenn  von  einem  hochbejahrten  Lebenden 
gesprochen  werde,  macht  es  allerdings  wahrscheinlich,  dass  Plutarch  vor  dem 
J.  97  schrieb,  in  dem  bekanntlich  Verginius  starb. 

3)  Galb.  2:  xa  fisv  ovv  xaß''  exaara  röiv  ysvofisvoov  djtayyskkeiv  axQißwg  zfjg 
nQayfi,axixfjg  iaroQiag  sariv,  oaa  de  ä^ia  Xöyov  roTg  r<öv  KaioÜQWv  egyoig  xal  nä^sai 
avfutEsxrcoxev,  ov8s  Ifiol  nQoarjxei  naQs^ßeiv. 

4)  Dabei  ist  freilich  zu  berücksichtigen,  dass  der  Katalog  des  Lamprias 
die  beiden  Biographien  unter  einer  Nummer  zusammenfasst. 


Cornelius  Tacitus  und  Cluvius  Rufus.  227 

ganz  wie  in  gewöhnlichen  Annalen^;  die  nicht  ganz  gering  anzu- 
schlagende Kunst  der  Isolirung  und  Abrundung.  auf  der  die  Wirkung 
der  Biographien  der  Hauptsammlung  wesentlich  beruht,  wird  hier 
wohl  erstrebt,  aber  doch  keineswegs  erreicht.*)  Dagegen  sind  als 
Quellenschriften  diese  Kaiserbiographien  brauchbarer  als  die  andern 
plutarchischen :  sie  enthalten  mehr  Thatsachen  als  diese,  weniger 
Raisonnement  und  historisch  -  litterarisches  Flitterwerk  und  binden 
sich  strenger  an  die  Zeitfolge.  Aus  diesen  Gründen  möchte  ich  die 
Schrift  eher  für  eine  der  früheren  Arbeiten  des  gewandten  Schrift- 
stellers halten  als  für  eine  aus  der  Zeit  seiner  Reife. 

Dass  Tacitus  mit  der  Herausgabe  seiner  Historien  wenige  Jahre 
nach  dem  Regierungsantritt  Traians  begonnen  hat,  ist  ausser  Zweifel. 
Ich  habe  anderswo  dafür  das  J.  105  festzustellen  versucht  2;  für  die  vor- 
liegende Untersuchung  genügt  jene  allgemeine  anerkannte  Festsetzung. 

Den  Zeitverhältnissen  nach  also  sind  die  beiden  in  Frage  stehen- 
den Schriften  entweder  gleichzeitig  herausgegeben  oder  wahrschein- 
licher die  Plutarchs  etwas  früher  als  die  des  Tacitus.  Danach  ist 
es  bedenklich  bei  Plutarch  Benutzung  des  Tacitus  anzunehmen, 
während  die  umgekehrte  Annahme  sich  aus  nahe  liegenden  Gründen 
als  von  Haus  aus  unzulässig  darstellt.  Beide  Schriften  erscheinen 
einander  gegenüber  vielmehr  als  selbstständig.  —  Was  also  aus 
äussern  Gründen  sich  ergiebt,  bestätigt  ihre  innere  Beschaffenheit  in 
allen  Stücken.  Wo  sich  Uebereinstimmung  bei  ihnen  findet,  die 
auf  Ableitung  aus  derselben  Quelle  beruht,  da  hat  nicht  ein  Schrift- 
steller aus  dem  andern  geschöpft,  sondern  beide  mittel-  oder  un- 
mittelbar aus  demselben  verlorenen  Werke. 

Eine  derartige  Uebereinstimmung  ist  allerdings  vorhanden  und 
zwar  ist  sie  eine  auffallend  enge,  zu  deren  vollständiger  Darlegung 
es  eigentlich  eines  gegenüberstellenden  Abdruckes  der  beiden  Massen 
bedürfen  würde.  Die  folgende  Erörterung  verfolgt,  indem  sie  den 
Beweis  für  diese  Uebereinstimmung  liefert  und  dieselbe  im  einzelnen 
näher  bestimmt,  zugleich  den  Zweck  mit  Hülfe  der  plutarchischen 
Biographien  die  Manipulation  darzulegen,  welche  Tacitus  mit  der  299 
gemeinschaftlichen  Quellenschrift  vorgenommen  hat. 

1)  Galb.  2:  oja:teo  etotjrac. 

*)  [Vgl.  F.Leo,  Die  griech.-röm.  Biographie,  Leipz.  1901,  S.  156 f.] 

2)  In  dieser  Zeitschrift  3,  107.  [ffist.  Sehr.  1,  440  f.]  Bemerkenswerth  ist 
die  rücksichtsvolle  Weise,  mit  der  Marius  Celsus  und  Vestricius  Spurinna  in 
den  Historien  behandelt  werden;  sie  sieht  ganz  so  aus,  als  werde  von  noch 
Lebenden  gesprochen.  In  der  That  bekleidete  Celsus  das  Consulat  zum  zweiten 
Mal  im  J.  105  und  auch  Spurinna  lebte  wenigstens  noch  im  J.  101.  [Vgl.  Proso- 
pogr.  imp.  Rom,  III  S.  409.] 

15* 


228  Cornelius  Tacifcus  und  Cluvius  Rufus. 

Zunächst  ist  zu  beachten,  dass  Plutarch  mit  dem  Regierungs- 
antritt Galbas  im  Sommer  68  anhebt,  Tacitus,  dem  die  Annalen- 
litteratur  beherrschenden  Gesetz  folgend,  nicht  zum  Vortheil  seines 
Werkes,  mit  dem  1.  Jan.  69,  fünfzehn  Tage  vor  dem  Tode  Galbas. 
Die  kurze  Uebersicht  über  den  Stand  der  Dinge  in  Rom  und  den 
Provinzen  (c.  4  —  11)  bietet  für  den  nicht  wohl  gewählten  Ausgangs- 
punct  keinen  befriedigenden  Ersatz.  Den  bei  Tacitus  fehlenden 
Theil  der  Herrschaft  Galbas  schildern  die  ersten  18  Kapitel 
Plutarchs.  Ein  durchgängiges  Entsprechen  kann  also  hier  nicht 
stattfinden,  wohl  aber  begegnen  zahlreiche  Stellen,  theils  und  be- 
sonders in  jener  Einleitung,  theils  da,  wo  Tacitus  später  sich  ver- 
anlasst sieht  zurückzugreifen,  die  denselben  auch  hier  abhängig 
zeigen  von  der  bei  Plutarch  vollständiger  erhaltenen  Quelle.  So 
wird  c.  5  kurz  zusammengefasst  die  durch  Ueberlistung  den  Prä- 
torianern  entrissene  Erklärung  gegen  Nero  (P.  2);  das  unter  Galbas 
Namen  ihnen  verheissene  Geschenk  (P.  2)  und  dessen  Ausbleiben 
(P.  18);  der  Yersuch  des  praef.  praet.  Nymphidius  sich  selbst  zum 
Kaiser  ausrufen  zu  lassen  (P.  14);  die  gereizte  Stimmung  gegen  den 
neuen  Kaiser  wegen  seines  Geizes  und  seines  Alters,  wozu  die 
positiven  Ausführungen  in  der  Biographie  (P.  11.  13  a.  E.)  sich  finden. 
Ebenso  wird  im  folgenden  Kapitel  berichtet  der  ausschliessliche 
Einfluss  des  Yinius  und  des  Laco  (P.  13);  die  Hinrichtung  des 
Cingonius  Varro  und  des  Petronius  Turpilianus  (P.  15),  wo  nicht 
bloss  alles  Factische  stimmt,  sondern  auch  die  Motivirung  des  Tadels; 
das  Niedermachen  der  Flottensoldaten  bei  dem  Einzug  des  neuen 
Kaisers  in  die  Hauptstadt  (P.  15).  —  Hiermit  bricht  die  Parallele 
ab:  die  Aufzählung  der  in  der  Hauptstadt  befindlichen  Truppen  fehlt 
bei  Plutarch;  die  Katastrophe  des  Macer  in  Africa  und  die  des 
Capito  in  Untergermanien  werden  von  ihm  nur  beiläufig  erwähnt 
(P.  15),  wie  denn  alle  Vorgänge  in  den  Provinzen,  soweit  sie  nicht 
unmittelbar  den  Thronwechsel  herbeiführen,  von  ihm  planmässig 
beseitigt  sind.  Auch  die  nun  bei  Tacitus  folgende  Uebersicht  über 
die  Lage  der  sämmtlichen  Provinzen  zu  Anfang  des  J.  69  ist  bei 
Plutarch,  abgesehen  von  einer  kurzen,  aber  mit  Tacitus  wörtlich 
stimmenden  Bemerkung  über  die  den  Galliern  ertheilten  Privilegien 
300  (c.  18  vgl.  c.  22),  auf  die  beiden  Germanien  beschränkt,  von  wo  die 
Katastrophe  ausging;  hier  stimmt  Plutarch  genau  mit  Tacitus^  und 
obwohl  im  Ganzen  kürzer,  hat  er  die  Anekdote  c.  18  a.  E.  allein. 


1)  G.  19  z.  A.  ist  statt  des  sinnlosen  vno  TiysXXivco  zu  schreiben  vno  BitsUü, 
es  sind  die  Legionen  von  üntergermanien  gemeint. 


Cornelius  Tacitus  und  Cluvius  Rufus.  229 

Anderes  aus  diesem  Abschnitt  tritt  späterhin  vereinzelt  bei 
Tacitus  auf,  wo  er  rückgreifend  neu  auftretende  Personen  einführt: 
so  die  Notiz  über  den  Freigelassenen  Icelus,  quem  anulis  donatum 
equestri  nomine  Marciamim  vocitabant,  während  Plutarch  c.  7  die 
Schenkung  fast  mit  denselben  Worten  nebst  ihrer  Veranlassung  in 
der  Folge  der  Ereignisse  berichtet;  so  die  von  T.  Yinius  unter  Gaius 
und  Claudius  begangenen  Schandthaten,  die  fast  wörtlich  gleich- 
lautend Plutarch  c.  12  bei  der  Einführung  desselben,  Tacitus  l,  48 
bei  seinem  Tode  berichten '";  so  die  Errettung  des  Tigellinus  durch 
Yinius,  die  Plutarch  an  ihrer  Stelle  (17)  erzählt,  Tacitus  1,  72  bei  301 
dem  Tode  des  Tigellinus  erwähnt  2.  Auch  in  der  Kede  Othos  1,  37 
werden  verschiedene  Ereignisse  aus  dieser  Epoche  berührt,  ohne 
berichtet  zu  werden;  man  sieht,  dass  Tacitus  sein  Buch  als  eine 
Fortsetzung  bis  zum  J.  6S  reichender  Annalen  schrieb  und  die  voll- 
ständige Bekanntschaft  mit   solchen  bei  seinen  Lesern  voraussetzte. 


1)  Die  Verwandtschaft  beider  Stellen  ist  so  eng,  dass  sie  hier  Platz  zu 
finden  verdienen: 

Plutarch:  Tacitus: 

'Ell   .  .    wv    reo;   xal  aroaTsvojuevog  vjio      prima  müüia  infamis:  legatum  Caivisium 

KaÄßialcp  Zaßt'yo)   xrjv   ^ocorrjv  oroaxeiav       Sdbinum  habuerat. 

axö'/.aozov  ovoav  zrjv  yvvaixa  xov  riyefiövog       cuius  iixor  mala  cupidine  visendi  situm 

castroriim 

jiaosiotjyaye  vvxkoq    sig    ro   azQaTÖ.-iedov      per  noctem  militari  habitu  ingressa, 

iv  eadrjzi  azQazicozixi} 

cum    tiffüias    et,   cetera   müiiiae  munia 
eadem  lascivia  temptasset, 

xal  düfpdeiQEv  h  zoTg  aoieioig,  ä  jzQiyxi-      in    ipsis   principiis    stiiprum   ausa    est: 

.-ita  xaj.ovoi  'Pcofidioi.  criminis  huius  rcus  T.  Vinius  arguebatur. 

'E:ii  zovzo)  ök  Fäiog  Kaiaag  idrjosv  avzöv "      igitur  iussti  C.  Caesaris  oneratus  catenis 

ixeivov    öe   cbiodavörzog  evzvyja    XQriod-      mox  mutatione  temporum  dimisstts 

^svog  ojieXv^. 

cursii   hatiorum    inoffenso    legioni   post 
praeturam  praepositus  probatiisque 

Asuivmv  de  jiaga  KXav6icp  Kaiaagi  Jioz^-      serrili  deinceps  probro  respersus  est  tam- 

Qiov  dgyvQovy  vtfeiÄezo  ■  quam  scyphum  aureum  in  convivio  Claudi 

furatiis 

jtv&ofievog  8e  6  Katoag  zfj  vozEQaiq  ndkiv      et   Claudius   postera   die   sdi    omnium 

avzov   im    öslivov  exödeasv,    eXdövzi    8e       Vinio  fictilibtis  ministrari  iussU. 

exiXevosv  ixeivco   .  .  .   xeodfiea   nävza   .  . 

Ttaoazt'&evai  zovg  v:ir)Qszag. 

2)  Auch  bei  Mittheilung  der  Gerüchte  über  Nymphidius  Herkunft,  die 
Tacitus  in  den  Annalen  (15,  72),  'quia  nunc  primum  öblatus  est\  vorbringt,  liegt 
der  im  Galba  c.  9  mitgetheilte  Bericht  zu  Grunde. 


230  Cornelius  Tacitus  und  Cluvius  Rufus. 

Yollständiger  noch  wird  die  TJebereinstimmung  von  da  an,  wo 
auch  Tacitus  zu  erzählen  anhebt.  Die  Berichte  der  Procuratoren 
über  die  Stimmung  der  germanischen  Truppen,  wie  Plutarch  angiebt, 
oder,  wie  Tacitus  bestimmter  sagt,  des  Procurators  von  Belgica  über 
die  der  Truppen  von  Obergermanien,  bestimmen  Galba  zu  dem 
Entschluss  einen  Nachfolger  zu  adoptiren.  Die  Candidaten  der 
Adoption  Otho  und  Piso  und  die  dadurch  in  der  Umgebung 
Galbas  veranlassten  Spaltungen  werden  völlig  übereinstimmend  ge- 
schildert und  bei  dieser  Gelegenheit  auch,  wie  gesagt,  das  frühere 
Leben  Othos  erzählt,  sehr  ausführlich  bei  dem  Biographen,  kürzer 
und  mit  Beseitigung  der  drastischen,  aber  nicht  allzu  ehrbaren 
Anekdoten  bei  dem  Historiker,  von  dem  indess  beinahe  Satz  für 
Satz  in  der  vollständigeren  Erzählung  des  Griechen  wiederkehrt^. 
Yon  nun  an  laufen  beide  Erzählungen  längere  Zeit  hindurch  voll- 
302  ständig  parallel;  so  werden  berichtet  Pisos  feste  und  doch  dankbare 
Haltung  2;  der  Gang  ins  Lager  zur  Vollziehung  des  Adoptionsacts 
(P.  23— T.  17);  die  bösen  Zeichen  unterwegs  (P.  23  — T.  18);  die 
Stimmung  der  Soldaten,  als  das  erwartete  Geschenk  ausbleibt  (das.) ; 

1)  Ich  setze  auch  diese  Stelleu  her,  in  der  Folge  wie  sie  bei  Tacitus 
stehen;  die  plutarchische  weicht  ab. 

Plutarch:  Tacitus: 

Mdgxog  "Oß^cov  ....  TQvqfffj  xal  <pdr]do-  Otho  pueritiam  incuriose,  adulescentiam 

viaig  svdvg  ix  jiaiScov  iv  oXiyoig  'Pco/naicov  petulanter  egerat 
disqjd'aQiJt.evog. 

q>iXo)    8e  reo  "O^oivi   xal   av/j-ßicorrj    diä  gratus  Neroni  aetnulatione  luxus 
rrjv  dacoTiav  sxQfjxo.      Es  folgt   ein  Bei- 
spiel der  aemulatio  luxus. 

(Ilojijiaiag)  iJQu   fj-sv   6  Nsqcov  ....  IVt  eoque  Poppaeam  pi'incipale   scortum   ut 

d'   al8ov(A,svog   trjv   savzov    yvvaixa   .  .  .  apud    con^cium     libidinum    deposuerat, 

{xpfjxs  zov  "O&cova  u.  s.  w.  donec  Octaviam  uxorem  amoUretur. 

Wird  des  breiteren   mit  allem  Detail  mox  suspectum  in  eadem  Poppaea 
berichtet. 

i^ejiefx(pd7}  Ävaixavcöv  OTQaxrjyög  in  provinciam  Lusitaniam   specie  lega- 

tionis  seposuit. 

xal    Ttagsaxsv    iavrov   ovx    äxagir  .  .  .  Otho  comiter  administrata  provincia 
roTg  vjirjxöoig. 

TCQüixog  avxog  TiQoosxwQrjas  xcöv  ■^ye/^övmv.  primus  in  partes  transgressus 

Stdovg  nsiQav  ovdevog  rjxtov  iSöxsi  jigay-  nec    donec    bellum   fuit    segnis    et    inter 

fidxcov  s/j,jieiQog  elvai.  praesentes  splendidissimus. 

2)  Tacitus :  Pisonem  ferunt  .  .  .  nulluni  turbati  aut  exultantis  animi  motum 
prodidisse.  sertno  erga  patrem  imperatwemque  reverens,  de  se  moderatus:  nihil 
in  vultu  habituque  mutatum.  Plutarch:  xov  8s  Usiacovog  oi  jiagövxsg  e^avfiaaav 
rji  xs  (poivfj  xsxfiaiQÖiAevoi  xal  xqj  nQoaänqi  x6  xt]kixavTr]v  jKctßtJ'  dvsxjiX.i^xxcog ,  ov 
(irjv  dvaia&rJTWg  dexd/^svov. 


Cornelius  Tacitus  und  Cluvius  Rufus. 


231 


die  des  Publicums  wegen  der  Rückforderung  der  neronischen  "Ver- 
gabungen i;  die  verzweifelte  Lage  Othos  und  das  Drängen  seiner 
Getreuen,  insbesondere  des  Wahrsagers  Ptolemaeos,  von  dem  die- 
selbe Anekdote  bei  beiden  erzählt  wird  (P.  23  —  T.  22);  die  Ein- 
wirkung der  alten  Beziehungen  zwischen  dem  Genossen  Neros  und 
dessen  Gardeoffizieren  (P.  24  und  20  a.  E.— T.  23.  24);  die  An- 
zettelung der  Verschwörung,  wobei  die  Namen  und  die  Stellung  der 
gemeinen  Soldaten  und  der  Freigelassenen  übereinstimmen  (P.  24 
—  T.  25);  der  Ausbruch  selbst,  von  dem  ganz  dasselbe  gilt 2;  die 
Versuche  des  Piso,  des  Marius  Celsus  die  Soldaten  vom  Abfall  zu- 
rückzuhalten (P.  25  —  T.  31);  Galbas  Schwanken,  ob  er  persönlich 
ihnen  entgegentreten  solle  oder  nicht  (P.  26  — T.  32.  33)  3;  das  falsche  303 
Gerücht  von  Othos  Ermordung  (P.  26  —  T.  34.  35):   Galbas  letzter 


1)  Plutarch   giebt  dies   nicht  wie   Tacitus  (20)  in  der  Reihe,  sondern  bei 
der  Schilderung  der  Habsucht  Galbas  (c.  16). 

2)  Ich  setze  unter  vielen  ähnlichen  noch  diese  Stellen  her: 


Plutarch: 
IIqo  dsxaoxToy  xaJ.avdö}v  ^eßgovaaicov 
.  .  .  eco^sv  evdvg  6  /^isv  FäXßag  edvev  iv 
IJa/.axicp  löyv  qjikcov  Jiagöyrcov, 
6  ÖS  ^virjg  '0/.ißQixtog  ä/xa  r^  laßsTv 
sig  zag  yetgag  rov  ieqsi'ov  rä  a.i/.dy/va 
....  e(fr]  otjf^isTa  fie^/dj.t]g  Taoayrjg  y.al 
fxsrä   döXov   xivdvvm'   ex  xEtfaXrjg  snixei- 

(levov  rät  avToxodrogi 

naofjv    (Otho)    ojiiadsv    zov    FdXßa    xai 

jiQoosTys  ToTg  Xsyo/iievoig 

TiaoaoTdg   'Ovonaozog    djisX^deoog    fjxeiv 
eq^i]  xai  neoi^evEiv  oTxoi  zovg  doyizixzovag. 

■^v    de    oifißokov    xatgov,    agog    oy    edet 
dsiavzrjaai  rov  "Odorva  roTg  oroazicozaig. 
ehcüv  ovv,   ozi  .-zaX.aidv  icovTjf.ievog  oixiav 
ßovXezai  xd  v:to:iza  SsT^ai  zoTg  7zu>).r}zaig , 


Tacitus: 
X  VIII  Kai.  Februarias  sacrificanti  pro 
aede  ApoUinis  (auf  dem  Palatin) 

hartispex  Utnbricius  tristia  exta  et  in- 
stantes insidias  ae  domesticum  hostetn 
praedicit 


andiente  Othone,  nam  proximus  astiterat 


nee  tmilto  post  libertus  Onomastus  min- 

tiat  expectari  eum  ab  architecto  et  re- 

demptoribus, 

quae  significatio  coeuntium  iam  müitum 

et  paratae  conmrationis  convenerat. 

OtJu)  causam  digres»iis  requirentibus  cum 

emi  sibi  praedia  vetustate  suspecta  eoque 

prius  exploranda  finxisset, 

innixus  liberto  per  Tiberianam  domum 

in  Velabrum,  inde  ad  miliarium  auretim 

perffit. 


djzfjXds  xai  did  tijg  Tißeoiov  xaXov^evrjg 
oixlag  xazaßdg  ißddi^ev  eig  dyogdv,  ov 
XQvaovg  Eiazrjxsc  xi'cov,  eig  ov  ai  zezfit]- 
fih'ai  zTJg  'IzaXiug  odol  näoai  zsXsvTcöaiv. 
ivzav^a  zovg  nQcözovg  ixöeSa/ÄSVovg  avzov 
xai  noocEutovrag  airoxodzagd  (paai  fti] 
TiXtiovg  zQicöv  xai  sTxooi  ysvia&ai. 

3)  Bei  Plutarch  ist   26  z.  A.  statt  KiXaov  xai  Adxcovog  nach  Tacitus  2, 
zu  lesen  IxiXov  xai  Adxcovog. 


ibi  tres  et  viginti  speculatores  consaJutätum 
imperatorem  .  .  ,  rapiunt. 


232  Cornelius  Tacitus  und  Cluvius  ßufus. 

Ausgang  und  sein  Tod  (P.  26.  27  — T.  39  [—41]),  wobei  drei  Namen, 
die  das  unsichere  Gerede  als  seine  Mörder  bezeichnete,  bei  beiden 
gleich  stehen,  während  einen  vierten  nur  Plutarch  nennt;  die  Er- 
mordung des  Vinius  (P.  27  — T.  42),  des  Piso  (P.  27  — T.  43.  44), 
sodann  die  Anerkennung  Othos  durch  den  Senat,  die  Bestrafung 
oder  Begnadigung  der  letzten  Anhänger  Galbas  (P.  27 — T.  45)  und 
die  Bestattung  der  Leichen  (P.  28  — T.  47.  49). 

Hier  schliesst  Plutarch  seine  Lebensbeschreibung  Galbas.  Die 
Ernennung  des  Flavius  Sabinus  zum  Stadtpräfecten  erzählt  Tacitus 
hier  c.  46,  Plutarch  fast  wörtlich  gleichlautend  im  Otho  c.  5.  Die 
Forderungen  der  siegreichen  Prätorianerschaaren,  deren  Spitze 
namentlich  gegen  die  eigenen  Führer  gerichtet  ist,  hat  Plutarch 
nicht  aufgenommen.  Ebenso  wenig  stimmen  die  Charakteristiken 
Galbas,  mit  denen  beide  Schriftsteller  abschliessen,  enger  überein 
als  die  Sache  es  nothwendig  mit  sich  bringt. 

Nachdem  die  hauptstädtische  Katastrophe  erzählt  ist,  wendet 
sich  Tacitus  zu  den  Vorgängen  am  Rhein,  wo  bekanntlich  ungefähr 
gleichzeitig  mit  Otho  in  Rom,  Vitellius  in  Köln  zum  Kaiser  ausgerufen 
wurde,  und  schildert  dessen  Erhebung  so  wie  den  Marsch  seinei 
Truppen  nach  Italien  1,  51  —  70.  Yon  dieser  Erzählung  liegen  bei 
Plutarch  nur  geringe  Reste  im  22.  Kapitel  des  Galba  vor,  die  bei 
304  Tacitus  in  besserem  Zusammenhang  und  in  grösserer  Yollständigkeit 
sich  wiederfinden:  die  Erbitterung  der  Gallier  gegen  Galba  (T.  51); 
die  Eidverweigerung  der  obergermanischen  Legionen  am  1.  Jan. 
(T.  55);  die  Stimmung  der  Truppen  zu  Gunsten  des  Yitellius,  die 
bei  Plutarch  klarer  hervortritt  als  bei  Tacitus;  die  Benachrichtigung' 
des  Vitellius  von  dem  Geschehenen  (T.  56)  und  dessen  Ausrufung 
bei  dem  untergermanischen  Heer  (T.  57);  Vitellius  Annahme  nicht 
des  Caesartitels,  sondern  der  Benennung  Germanicus  (T.  62).  Alles 
Uebrige  was  Tacitus  hier  berichtet,  fehlt  bei  Plutarch;  es  hat  bei 
ihm  ohne  Zweifel  in  der  verlorenen  Biographie  des  Vitellius  seinen 
Platz  gefunden. 

Wo  die  Darstellung  des  Tacitus  übergeht  zu  den  Kriegsvor- 
bereitungen Othos  (c.  71  fg.),  hebt  die  zweite  plutarchische  Biographie 
an  und  findet  sich  auch  die  durchgängige  Uebereinstimmung  wieder 
ein.  Es  werden  gleichmässig  berichtet  die  Begnadigung  des  Celsus 
(P.  1  — T.  71);  die  Hinrichtung  des  Tigellinus  (P.  2  -  T.  72);  die 
Correspondenz  der  beiden  Rivalen  wegen  des  Abdankens  (P.  4  —  T. 
74);  die  dem  Otho  günstigen  Erklärungen  der  Provinzen  (P.  4  —  T. 
76);  die  Consul-  und  Priesterernennungen  (P.  1 — T.  77);  die  Quasi- 
Restitution des  Andenkens  des  Nero  (P.  3  — T.  78);   die   Berufung 


Cornelius  Tacitus  und  Cluvius  Rafas.  233 

der  17.  Cohorte  von  Ostia  und  der  dadurch  veranlasste  Auflauf 
(P.  3  — T.  SO— 85);  die  Prodigien  vor  dem  Abmarsch  (P.  4— T.  86); 
die  Bezeichnung  der  Feldherren  und  des  Gefolges  des  Kaisers  (P.  5 
—  T.  87);  die  Confinirung  des  Dolabella  (P.  5 — T.  88);  die  Rückgabe 
der  noch  nicht  eingezogenen  Yermögenstheile  an  die  zurückgekehrten 
Verbannten  (P,  l  — T.  90).  Den  Abzug  Othos  von  Rom,  mit  dem 
Tacitus  das  erste  Buch  schliesst,  giebt  Plutarch  nicht  ausdrücklich 
an;  die  beiden  Sätze  des  Tacitus  1,  87  (vgl.  2,  23):  copiis  Stietoniits 
Faulimis,  Jlarius  Celsus,  Annius  Gallus  rectores  destinati  und  2,  11 : 
his  copiis  rector  additiis  Annius  Gallus  cum  Vestricio  Spurinna  .  .  . 
praemissus  sind  bei  ihm  (c.  5)  vereinigt:  oxQajrjyovg  xcbv  dvvdfiecov 
iiijisju^'e  Mdgiöv  re  KeXoov  xai  Zovrjjcöviov  JJavklvov,  en  xe  rdXÄov 
xal  ^^TiovQivav,  oder,  wenn  sie,  was  möghch  ist,  ursprünglich  zu- 
sammengehörten, bei  Tacitus  auseinandergerissen. 

Sodann  fehlt  bei  Plutarch  alles,  was  Tacitus  in  den  ersten 
17  Kapiteln  des  2.  Buches  erzählt:  die  Vorgänge  bei  den  Heeren 
in  Judaea  imd  Syrien;  das  Auftreten  eines  falschen  Xero  auf  den 
Kykladen ;  die  ersten  kriegerischen  Vorgänge  bei  der  Flotte  und  den 
Heeren  in  Oberitalien. 

Die  Erzählung  des  Entscheidungskampfes  läuft  dagegen  bei  305 
beiden  Schriftstellern  wieder  in  der  Hauptsache  gleich.  Die  Unbot- 
mässigkeit  der  übrigens  tapferen  Soldaten  Othos  in  Placentia,  die 
ihren  Führer  zum  Schlagen  zwingt,  macht  den  Ausgangspunkt  (P.  5. 
6— T.  2,  18.  19.  21.  22);  es  stimmen  genau  überein  die  Schilderung 
des  Caecina  (P.  6 — T.  3,  20  vgl.  1,  53);  Caecinas  Marsch  nach  Cremona 
und  ihm  entgegen  der  des  Gallus  (P.  7  —  T.  2,  22) ;  das  Gefecht  am 
Kastorentempel  bei  Cremona  (P.  7 — T.  24 — 26^;  sodann  —  die  Vor- 
gänge bei  dem  Corps  des  A^alens  (T.  27—30)  lässt  Plutarch  weg  — 
der  Kriegsrath  in  Betriacum  (P.  8  — T.  32.  33);  Othos  Rückkehr 
dorthin  (P.  10  —  T.  33);  der  Versuch  der  Vitellianer  den  Uebergang 
über  den  Po  zu  erzwingen  [F.  10  — T.  34.  35.  36);  die  aufgeworfene 

1)  Die  Schlachtbeschreibung  stimmt  zum  Theil  wörtlich: 
Tov  &£  Kext'va  y.oxioavTog  sig  /.data  xoioia      (Caecina)   ferocissimos   auxiliarium   itn- 
xal  vÄcoSr]  ^loXXovg  onUtag,  minentibus  iHoe  hicis  occuUos  eomponü. 

LxjieTg  ök  .-roof  |c/.aoa<  xe/.Evaarcog,  equites  procedere  longius  iussi 

xar  avvdxpoioiv  ol  aoUfiioi,  xaxä  fitxgov  et  irritato  proelio  sponte  refugi  festina- 
dvaxmoEiv  xai  dvaqpevyBtv,  tionem  sequentium  elicere, 

ä^^oig    dv    vndyovxeg     ovrcog    ifißd^icooiv       donec  insidiae  coorerentur. 
ai'Toi'?  eig  rijv  evidoav, 

eiriyyedav  avxöiioXoi  reo  KiXaco.  xai  ovzog  proditum  id  Othonianis  diicibus,  et  curam 
HSV  mntvoiv  dyadoig  dvxt^eläoag  u.  s.  w.      peditum  Paulinus,  equitum  Geisus  sump- 

sere. 


234  Cornelius  Tacitus  und  Cluvius  Rufus. 

Frage,  ob  nicht  die  Soldaten  unter  sich  Frieden  machen  sollten  (P.  9 

—  T.  37.  38);  die  Ordnung  des  Commandos  nach  Othos  Entfernung  (P.  7 

—  T.  39);  die  Vorbereitungen  zur  Schlacht  (P.  1 1  -  T.  39.  40);  der 
Angriff  der  Othonianer  (P.  11.  12  —  T.  41);  das  falsche  Gerücht  von 
dem  Uebertritt  der  Soldaten  des  Vitellius  (P.  12  — T.  42);  die 
Schilderung  des  Gefechts  zwischen  den  Veteranen  der  Rapax  und 
den  Tironen  der  Adiutrix,  welche  bis  ins  Einzelne  zusammentrifft, 
und  der  Kampf  der  Bataver  und  der  Gladiatoren  (P.  12  — T.  43); 
die  Flucht  und  das  Verhalten  der  einzelnen  Generale  Othos  (P.  13 

—  T.  44);  Othos  schnell  gefasster  Entschluss  zu  sterben  trotz  der 
Bitte  seiner  Umgebung  den  Kampf  fortzusetzen  (P.  15  — T.  46.  47); 
dessen  Fürsorge  für  seine  Begleiter  und  Getreuen  (P.  16  — T.  48.  49); 
sein  Tod  und  seine  Bestattung  (P.  16  — T.  49);  der  Rückblick  auf 
sein  Leben  und  seinen  Charakter  (P.  18 — T.  50);  endlich  die  Unter- 
werfung der  bei  ihm  verbliebenen  Truppen  (P.  18  —  T.  51). 

"Wer  diesem  kurzen  Ueberblick  der  beiden  Darstellungen  gefolgt 
306  ist,  und  weit  mehr  noch  wer  sie  neben  einander  vergleichend  selber 
durchläuft,  wird  sich  davon  überzeugen,  dass  beide  nicht  bloss  aus 
der  gleichen  für  uns  verlorenen  Quelle  geschöpft  haben,  sondern 
dass  diese  sowohl  für  Plutarch  wie  für  Tacitus  die  Haupt-,  ja  in 
gewissem  Sinn  wahrscheinlich  für  beide  die  einzige  Qrelle  gewesen 
ist.  So  unmöglich  es  sein  würde  die  eine  Darstellung  aus  der 
anderen  abzuleiten,  so  leicht  und  natürlich  fügen  sich  beide  in  ein- 
ander; ohne  alle  Schwierigkeit  würde  man  beide  in  einander  schieben 
und  zu  einer  einheitlichen  alles  Factische  bei  beiden  Autoren  un- 
verändert festhaltenden  Darstellung  zusammenfassen  können.  — 
Widersprüche  begegnen  so  gut  wie  gar  nicht.  Dass  der  von  der 
kaiserlichen  Tafel  entwandte  Becher  bei  Tacitus  und  Sueton  ^  ein 
goldener,  bei  Plutarch  ein  silberner  ist  (S.  229  A.  1);  dass  der  tapfere 
Centurio,  der  sich  den  Mördern  des  Piso  entgegenwarf,  bei  Plutarch  - 
aus  Versehen  auf  Galba  übertragen  wird;  dass  in  dem  Gefecht  der 
Gladiatoren  und  der  Bataver  Plutarch  die  Rollen  der  Angreifer  und 
der  Angegriffenen  verwechselt^,   sind  noch    die  wesentlichsten,    so 

1)  Claud.  32. 

2)  G.  26 ,  womit  Dio  64,  6  übereinstimmt  oder  vielmehr  Xiphilinos ;  denn 
nach  Vergleichung  des  anderen  dionischen  Auszugs  bei  Zonaras  erscheint  dies 
wie  ein  Zusatz  des  Epitomators.  Das  Richtige  giebt  Tacitus  1,  43  und  bestätigt 
Sueton  Galb.  20. 

3)  Die  2000  Gladiatoren  standen  am  rechten  Ufer  des  Po  unweit  Cremona, 
um  die  Vitelliauer  abzuhalten  über  den  Fluss  zu  gehen  (Tacitus  2,  23.  34  —  36. 
72  [?]).    Um  in  die  auf  dem  linken  Ufer  bei  Betriacum  gelieferte  Schlacht  einzu- 


Cornelius  Tacitus  und  Cluvius  Bufus.  235 

dass  beide  Schriftsteller  nicht  ohne  Sorgfalt  verfahren  sind  und 
namentlich  Plutarchs  sonst  nicht  mit  Unrecht  getadelte  Nachlässig- 
keit^ hier  in  der  That  sich  in  massigen  Grenzen  hält.  Diese  Ueber- 
einstimmung  ist  um  so  auffallender,  als  die  Erzählung  bei  beiden  so  307 
ins  Einzelne  geht,  wie  es  sonst  in  der  alten  Geschichte  äusserst 
selten  vorkommt,  und  eine  Menge  Gerüchte,  Anekdoten,  militärischen 
und  politischen  Details  aufnimmt,  worin  selbstständige  Berichte,  wie 
vortrefflich  sie  auch  sein  mochten,  niemals  in  diesem  Umfang  hätten 
übereinstimmen  können.  Natürlich  bleibt  vieles  übrig,  das  nur  bei 
Plutarch,  und  noch  mehr,  das  nur  bei  Tacitus  sich  findet  und  für 
das  kein  äusserer  Beweis  vorliegt,  dass  auch  dies  aus  der  gemein- 
schaftlichen Quelle  geflossen  ist;  aber  bei  genauer  Prüfung  stellen 
auch  hier  meistentheils  indirecte  Beweise  dieses  Ursprungs  sich 
heraus  und  sind  diese  in  der  oben  gegebenen  Uebersicht  grossentheils 
schon  angedeutet  worden.  Beide  Bearbeiter  verfolgen  einen  ver- 
schiedenen Zweck.  Plutarch  beseitigt  alles,  was  nicht  mit  den 
Kaisern  Galba  und  Otho  in  unmittelbarem  Zusammenhang  steht, 
wie  den  Sarmatenkrieg  (Tacitus  1,  79)  und  die  zunächst  Yitellius 
und  Yespasian  betrefiFenden  Vorgänge:  Tacitus  das  persönliche  Detail, 
insbesondere  da,  wo  es  ihm  der  AYürde  der  Geschichte  Eintrag  zu 
thun  schien.  Beide  aber  verfahren  dabei  in  der  Weise,  dass  ge- 
wöhnlich die  Ansätze  stehen  geblieben  sind,  an  die  das  bei  dem 
correlaten  Gewährsmann  Aufbehaltene  sich  anschliesst.  Gewiss  wird 
niemand  den  Beweis  antreten  wollen,  dass  die  beiden  Geschicht- 
schreiber, und  namentlich  Tacitus,  für  diesen  Zeitabschnitt  keine 
andere  Quelle  benutzt   haben  als   die  ihnen  gemeinschaftliche:  wie 

greifen,  versuchten  sie  über  den  Fluss  zu  gehen,  wurden  aber  bei  der  Landung 
von  Yitellius  batavisehen  Cohorten  mit  schwerem  Verlust  abgewiesen,  worauf 
diese  von  der  Flussseite  her  die  Hauptarmee  Othos  in  die  Flanke  fassten  (2,  43). 
I"ies  ist  bei  Tacitus  richtig,  aber  nicht  anschaulich  dargestellt;  falsch  berichtet 
Plutarch  (c.  12),  Alfenus  Yarus  habe  die  Bataver  gegen  Othos  Gladiatoren 
geführt,  aber  nur  wenige  von  ihnen  hätten  Stand  gehalten,  die  meisten  seien 
zum  Fluss  geflohen  und  hier  von  feindlichen  Cohorten  zusammen  gehauen  worden. 
1)  An  einer  Stelle  scheint  Plutarch  den  lateinischen  Ausdruck  missverstanden 
ZI  haben.  Es  habe  gewittert,  sagt  er,  als  Galba  über  die  Adoption  des  Piso 
ZI  den  Soldaten  theüs  sprach,  theils  vorlas:  ao^afievov  ra  ftev  leyetv  ev  tö> 
owaxo:ze8(p,  la  8s  drayivcöaxsiv  (G.  23).  Dass  bei  einem  solchen  Act  die  Verlesung 
euer  Urkunde  stattgefunden  habe,  stimmt  gar  nicht  zu  dem,  was  wir  sonst  von 
den  Foi-men  der  Adoption  wissen ,  und  noch  weniger  zu  dem  correspondirenden 
Bericht  bei  Tacitus  (1,  18):  apud  frequentetn  militum  contionem  imperatoria 
brevitate  adoptari  a  se  Pisonem  more  diri  Angusti  et  ejcemplo  militari,  quo  ttr 
t.rwn  Jegeret,  pronuntiat.  Sollte  nicht  dies  legere  und  pronuntiare  zu  dem 
ä -ayivmaxEiv  und  Isysiv  verführt  haben? 


236  Cornelius  Tacitus  und  Cluvius  Rufus. 

Tacitus  im  dritten  Buche  der  Historien  Plinius  und  Messalla  anführt, 
wie  er  für  die  Darstellung  des  Todes  des  Plinius  sich  an  dessen 
Neffen  wendet,  so  mögen  auch  schon  diese  ersten  Bücher  Einlagen 
anderswoher  in  sich  schliessen.  Aber  die  Masse  dessen,  was  sicher 
oder  höchst  wahrscheinlich  aus  der  Hauptquelle  entlehnt  ist,  lässt 
doch  für  Benutzung  anderweitiger  Quellen  nur  einen  beschränkten 
Raum.  Was  Plutarch  anlangt,  so  darf  man  wohl,  abgesehen  von 
dem,  was  er  über  die  Schlacht  von  Betriacum*)  und  das  Grabmal 
des  Otho  nach  Mittheilung  von  Augenzeugen  oder  eigener  Anschauung 
erzählt  (O.  14.  18),  alles  Uebrige  als  Auszug  aus  jener  verlorenen 
Quellenschrift  ansprechen.  Aber  auch  was  Tacitus  anlangt,  führt 
308  nirgends  eine  sichere  Spur  darauf,  dass  er  neben  seiner  Hauptquelle 
noch  eine  andere  stetig  und  gleichmässig  benutzt,  dass  er  mehrere 
Berichte  über  dasselbe  Ereigniss  mit  einander  verglichen  und  aus 
dieser  Vergleichung  den  seinigen  gestaltet  habe.  Die  einzige  Stelle, 
die  auf  den  ersten  Blick  davon  den  Anschein  hat,  die  Erzählung, 
dass  'nach  einigen  Gewährsmännern^'  die  Soldaten  vor  dem  Kampf 
sich  hätten  vertragen  wollen,  aber  dies  keineswegs  glaublich  sei, 
beweist  vielmehr  für  das  Gegentheil,  wenn  man  die  plutarchische 
Fassung  derselben  Erzählung  mit  der  des  Tacitus  vergleicht. 
Während  ein  Theil  der  Soldaten  von  Kampflust  entbrannt  gewesen 
sei,  erzählt  Plutarch,  hätten  andere  sich  dahin  vernehmen  lassen, 
dass  die  Truppen  auf  beiden  Seiten  mehr  Ursache  hätten  sich  zu 
vertragen  als  sich  zu  schlagen.  Es  sei  auch  ganz  glaublich,  dass 
die  verständigsten  unter  den  Soldaten  solche  Reden  geführt  hätten; 
denn  es  sei  allzu  arg,  dass  sie  das,  was  um  Sullas  und  Marius  und 
dann  um  Caesars  und  Pompeius  willen  erduldet  worden,  nun  um 
solcher  Gesellen  willen  wie  Otho  und  Vitellins  abermals  erleiden 
sollten.  Also  unter  den  'einigen  Gewährsmännern'  des  Tacitus  ver- 
birgt sich  eben  der  eine,  dem  er  überhaupt  folgt;  und  was  auf  den 
ersten  Blick  als  abweichende  Darstellung  erscheint,  bezeichnet  er 
selbst  in  der  That  klar  genug  bloss  als  abweichende  Meinung. 
'Ich  räume  gern  ein',  sagt  er,  'dass  einige  so  im  Stillen  gedacht 
haben  mögen;  aber  im  eigentlichen  Bürgerkrieg  giebt  es  keinen 
anderen  Frieden  als    nach    der    Entscheidung   der  Waffen'   und   er 


*)  [Vgl.  Histor.  Schriften  1  S,  354  ff.] 

1)  2,37.  38:  invenio  apud  quosdam  auctores.  Dies  darf  nicht,  wie  Peter 
a.  a.  0.  S.  38  will,  zusammengestellt  werden  mit  Plutarchs  (0.  9)  higcov  8e  ^v 
äxoveiv.  Plutarch  spricht  von  der  verschiedenen  Stimmung  der  othonischen 
Truppen,  nicht  von  abweichenden  Berichten. 


Cornelias  Tacitus  und  Cluvius  Rufus.  237 

entwickelt  dies,  indem  er  dieselben  Beispiele,  Marius  und  Sulla, 
Pompeius  und  Caesar  beibehält.  Nirgends  tritt  die  allgemeine 
Abhängigkeit  des  Schriftstellers  von  seiner  Quelle  schlagender  hervor 
als  hier,  wo  er  sich  von  ihr  entfernt. 

Kaum  wird  es  nöthig  sein  auszusprechen,  dass  die  merkwürdige 
Epoche,  welche  Tacitus  und  Plutarch  gleichmässig  schildern,  bei 
dem  Römer  in  einem  nicht  bloss  reicheren  und  lebensvolleren,  sondern 
auch  in  einem  treueren  Bilde  erscheint  als  bei  dem  Griechen;  wobei 
übrigens  nicht  vergessen  werden  darf,  dass  dieser  ausdrücklich  erklärt 
keine  'pragmatische  Geschichte'  schreiben  zu  wollen.  Ohne  Ausnahme 
aber  sind  die  Yorzüge  nicht  auf  Tacitus  Seite.  Abgesehen  davon, 
dass  Plutarch  nicht  wenige  für  uns  brauchbare  imd  interessante 
Thatsachen  allein  bewahrt  hat,  lässt  sich  auch  an  verschiedenen 
Stellen  nachweisen,  dass  die  Darstellung  des  Tacitus  entweder  flüchtig  .309 
oder  gefärbt  ist.  Sie  sind  nicht  zahlreich  und  keine  derselben  von 
wesentlich  gravirender  Art;   aber  dennoch  verdienen  sie  Beachtung. 

Die  durch  das  Austreten  des  Flusses  veranlasste  Ueberschwem- 
mung  hat  nach  Tacitus  auch  Theurung  im  Gefolge:  fames  in  vulgns 
inopia  quaestus  et  penuria  alimentorum  (l,  86).  Man  sieht  nicht 
recht  ein,  inwiefern  die  Wassersnoth  besonders  die  letztere  herbei- 
geführt hat.  Das  fehlende  Moment  findet  sich  bei  Plutarch  (O.  4)  : 
das  Wasser  erreichte  diesmal  die  Stadtgegend,  wo  die  Läden  und 
Magazine  der  Bäcker  sich  befanden,  und  verdarb  die  Vorräthe. 

Der  Versuch  der  Yitellianer  den  Uebergang  über  den  Po  da, 
wo  Othos  Gladiatoren  den  Strom  bewachten,  zu  erzwingen  wird 
gleichmässig  von  Plutarch  0.  10  und  Tacitus  2,  34  erzählt;  aber  bei 
diesem  ist  die  Erzählung  unvollständig.  Zunächst  werfen  die 
TitelUaner  eine  Schiffbrücke  in  den  Strom  hinein  und  errichten  auf 
dem  äussersten  Schiff  einen  Thurm ;  diesem  gegenüber  die  Gladiatoren 
einen  auf  dem  Ufer.  Hier  bricht  Tacitus  ab;  Plutarch  fährt  fort, 
dass  die  Geschosse  der  Othonianer  nichts  gefruchtet  hätten;  sie 
hätten  aber  darauf  durch  Brander  die  Schiffbrücke  angezündet  und 
di<3  Gegner  mit  Verlust  und  Schimpf  zm-ückgetrieben.  Offenbar  ist 
dies  bei  Tacitus  weggelassen,  und  steht  somit,  wohl  durch  seine, 
nicht  durch  der  Abschreiber  Schuld,  der  Bericht  von  dem  Anfang 
dieses  Gefechts  bei  ihm  in  der  Luft.  Dass  dann  die  Vitellianer  sich 
einer  Insel  im  Strom  bemächtigen  und  die  Gladiatoren  von  dort 
zumckschlagen,  erzählen  beide  übereinstimmend. 

Bei  der  Rückforderung  der  neronischen  Vergabungen  an 
Sciauspieler  und  Sänger  übergeht  Tacitus  (1,  20)  den  wesentlichen 
Umstand,  den  Plutarch  (G.  16)  und  bestimmter  noch  Sueton  (G.  15) 


238  Cornelius  Tacitus  und  Cluvius  Rufus. 

ausdrücken,  dass  im  Unvermögensfall  der  Beschenkten  die  späteren 
gutgläubigen  Besitzer  zur  Kückgabe  angehalten  wurden.  Wären  bloss 
jene  betroffen  worden,  so  konnte  die  Massregel  den  öffentlichen 
Credit  nicht  erschüttern  und  das  Publicum  nicht  in  Furcht  setzen, 
wie  Tacitus  dies  schildert  Die  Farben  des  letzteren  sind  lebhaft 
genug,  aber  die  Zeichnung  fehlerhaft. 

Belehrend  ist  die  Yergleichung  der  beiden  Berichte  über  den 
Yorfall  mit  den  Classiariern.  Bei  Plutarch  (G.  15)  setzen  sich  die- 
selben nicht  eigentlich  zur  Wehre  [vTieorr]  ovdelg  exeivcov),  aber  dass 
einige  die  Schwerter  ziehen,  veranlasst  Galba  den  Angriff  zu  befehlen; 
310  bei  Tacitus  (1,  6)  sind  sie  wehrlos  (inermes).  Plutarch  spricht  von 
Vielem  Mord  und  zahlreichen  Leichen';  bei  Tacitus  (a.  a.  O.  vgl.  37) 
sind  viele  Tausende  (trucidatis  tot  müibus)  gefallen  —  von  einer 
Truppe,  die  höchstens  6000  Mann  zählte  und  die  keineswegs  auf- 
gerieben ward  ^. 

Als  der  Po  erreicht  war,  bleibt  nach  Plutarch  Otho  am  rechten 
Ufer  in  Brixillum  zurück  und  sendet  nur  seine  Feldherren  über  den 
Fluss  (c.  5).  Seine  Truppen  sammeln  sich  in  der  Gegend  von 
Cremona  (c.  7)  und  hier,  in  Betriacum  zwischen  Cremona  und  Yerona, 
wird  Kriegsrath  gehalten,  dem  auch  der  Kaiser  beiwohnt  (c.  8),  um 
dann  von  da,  von  einer  starken  Bedeckung  begleitet,  nach  Brixillum 
zurückzukehren  (c.  10).  Bei  Tacitus  wird  in  dem  Kriegsrath  selbst 
beschlossen,  dass  der  Kaiser  sich  nach  Brixillum  begeben  solle  (2,  33), 
was  denn  auch  geschieht  (2,  33.  39);  nach  ihm  muss  der  Leser 
glauben,  wenn  er  es  auch  nicht  gerade  gesagt  bekommt,  dass  Otho 
bis  dahin  bei  dem  Heer  sich  befunden  hat.  Jene  Erzählung  ist 
offenbar  genauer  und  stimmt  auch  zu  Sueton  (0.  9:  nee  ulli  pugnae 
affuit  suhstititque  Brixüli);  aber  bei  der  taciteischen  fällt  Othos 
Abwesenheit  mehr  ins  Gewicht  und  wird  der  Ausgang  besser  vorbereitet: 
is  primus  dies  Othonianas  partes  adflixit ,  namque  et  cum  ipso  .  .  . 
valida  manus  discessit  et  remanentium  fractus  animus.  Dieselben 
Nachtheile  hatte  seine  Abwesenheit  auch  früher  schon  gehabt:  aber 
dass  er  bei  der  Entscheidungsschlacht  fehlte,  macht  mehr  Eindruck, 
wenn  dasselbe  nicht  schon  von  den  vorbereitenden  Gefechten  gesagt 
war,  und  darum  bringt  Tacitus  seine  Abwesenheit  erst  hier  ins  Spiel. 

Der  Bericht  über  die  Vorgänge  bei  dem  Heere  des  Otho  nach 
der  Schlacht  ist  bei  Tacitus  (44.  45)  unklar  und  eigentlich  falsch. 
Annius  Gallus,   der  wegen  eines  Sturzes  vom  Pferde   in  Betriacum 

1)  Sachgemässer  als  beide  berichtet  Sueton  G.  12:  non  modo  immisso  equite 
disiecü,  sed  decimavit  etiam.  Dio  dagegen  giebt  gar  (64,  3)  die  Zahl  der  Gefallenen 
auf  7000  an  und  lässt  dann  noch  den  Eest  decimirt  werden. 


Cornelius  Tacitus  und  Cluvius  Rufhs.  239 

zurückgeblieben  war,  beruhigt  die  dorthin  geflüchteten  Soldaten  in 
einer  Ansprache,  worin  die  Frage,  ob  der  Kampf  fortzusetzen  sei 
oder  nicht,  noch  als  eine  offene  erscheint.  Die  Muthlosigkeit  der 
übrigen  Soldaten  wird  angedeutet,  die  Kampfbegierde  der  Prätorianer 
ausführlich  geschildert  und  motivirt;  es  könne  noch  alles  gut  werden. 
Am  folgenden  Tage  ist  der  Muth  der  Besiegten  noch  mehr  gesunken; 
sie  senden  an  die  Sieger  eine  Deputation;  beide  Parteien  bejammern 
den  Bürgerkrieg  und  wenden  sich  dazu  ihre  Todten  zu  bestatten, 
ihre  Yerwundeten  zu  pflegen.  Darauf  folgt  die  Katastrophe  Othos.  311 
—  Plutarch  dagegen  berichtet  (c.  13),  dass  in  Betriacum  die  Offiziere 
der  geschlagenen  Armee  unter  Vorsitz  von  Marius  Celsus  einen 
Kriegsrath  gehalten  hätten;  dass  Celsus  erklärt  habe,  die  Entscheidung 
sei  gefallen  und  man  dürfe  nicht,  wie  einst  Cato  und  Metellus  Scipio, 
das  Blutvergiessen  nutzlos  verlängern;  dass  die  übrigen  Offiziere  und 
Othos  eigener  Bruder,  der  Höchstcommandirende  Titianus  beigestimmt 
hätten;  dass  darauf  Celsus  und  Gallus  persönlich  und  unter  Lebens- 
gefahr mit  Caecina  den  Unterwerfungsvertrag  verhandelt  und  ab- 
geschlossen hätten;  dass  ein  Versuch  des  Titianus  und  einiger 
muthiger  Soldaten  den  Vertrag  im  letzten  Augenblick  rückgängig 
zu  machen  rasch  wieder  aufgegeben  und  Caecina  in  Betiiacum 
eingelassen  sei.  Es  ist  einleuchtend,  dass  diese  Erklärung  der 
sämmtlichen  Generale  Othos  die  Sache  entschied.  Die  verlorene 
Schlacht  konnte  wieder  eingebracht  werden;  aber  wenn  bei  den 
bisher  ziemlich  sich  die  "Wage  haltenden  Kräften  die  Hauptarmee 
Othos  mit  dem  gesammten  Offiziercorps  zum  Feinde  übertrat,  so 
war  auch  mit  Hülfe  der  Donautruppen  und  der  in  Betriacum  zurück- 
gebliebenen Bedeckungsmannschaft  Othos  wohl  noch,  wie  dies  weiter- 
hin auch  Plutarch  angiebt,  ein  Hinausziehen  des  Kampfes  möglich, 
aber  nicht  mehr  eine  günstige  Entscheidung.  Dieser  Schritt  seiner 
Offiziere  liess  in  der  That  dem  geschlagenen  Kaiser  keine  andere  Wahl 
als  zwischen  dem  Tod  durch  eigene  und  durch  Henkershand ;  worauf 
auch  Celsus  in  seinem  Votum  deutlich  genug  hinwies.  Wenn  Tacitus 
die  Farben  so  vertheilt,  dass  die  Möglichkeit  den  Kampf  fortzusetzen 
und  der  Wunsch  eines  Theils  der  Truppen  dies  zu  thun  in  helles 
Licht,  dagegen  die  Abneigung  der  grossen  Mehrzahl  derselben  zurück- 
tritt^ und  wenn   er   die  alles   entscheidende  Erklärung   der   sämmt- 


1)  Am  bestimmtesten  2,  48:  non  . .  tdtima  desperatione,  sed  poscente  proeUum 
txercitu  remisisse  rei  publicae  novissimum  casum.  Aber  das  'Heer'  hatte  seinen 
Fiieden  gemacht  und  die  den  Kaiser  zum  Schlagen  drängten,  waren  die  Soldaten 
der  Stabswache. 


240  Cornelius  Tacitus  und  Cluvius  Rufus. 

liehen  Offiziere  und  des  eigenen  Bruders  des  Kaisers  verschweigt, 
so  geschieht  dies  offenbar,  um  nicht  die  Offiziere,  sondern  den  Kaiser 
selbst  es  aussprechen  zu  lassen,  dass  der  rechte  Mann,  im  Bürgerkrieg 
besiegt,  das  Unvermeidliche  annehme  und  nicht  verschleppe^,  um 
312  Otho,  der  freilich  in  das  nothwendige  Ende  rasch  und  unverzagt  sich 
ergab,  als  freiwillig  gestorben  hinzustellen,  um  also  die  Katastrophe 
mit  tragischem  Pathos  und  mit  dem  Reiz  des  psychologischen  Con- 
trastes  ausstatten  zu  können 2.  Dies  hat  er  erreicht;  und  wenn  es 
sich  um  ein  Trauerspiel  handelte,  würde  man  den  Dichter  bewundern, 
der  seinen  Helden  also  zu  adeln  und  zu  heben  verstanden  hat,  ohne 
eigentlich  an  der  Ueberlieferung  zu  rücken,  bloss  durch  die  Kunst 
der  Colorirung  und  Gruppirung  der  Thatsachen.  Indess  was  für 
den  Dichter  ein  Lob  sein  würde,  kann  ein  Tadel  des  Geschicht- 
schreibers sein. 

Aber  auch  auf  die  Fassung  und  Wendung  seiner  Darstellung 
hat  die  von  Tacitus  hauptsächlich  benutzte  Quellenschrift  mehr  ein- 
gewirkt, als  man  es  bei  einem  Schriftsteller  dieser  Art  hätte  voraus- 
setzen können.  Ich  lasse  eine  Anzahl  von  Stellen  folgen,  in  denen 
dies  deutlich  hervortritt. 

Plutarch:  Tacitus: 

G.  18:     q)covr]v    •^yejuovi    fieydXcp     h.  l,  b  vox  pro  re  publica  honesta, 

TtQEJtovoav  etnoiv  eico'&evai  xara-         ipsi  anceps,   legi  a   se  militem, 

Aeyeiv  orgariwrag,  ovx  äyogä^eiv.  non  emi. 

G.  15:   edo^e  jur]  vofxijucog,   et  xal     h.  1,  6    inauditi   atque   indefensi 

dixaicog    .  .  .    ävrjQrjxSvat    tiqo         tamquam  innocentes  perierant. 

XQioecog    ävdqag    ovx    äoi^juovg 

....    TovQTiiXidvov   ....   Xoyov 

fieraXaßeTv  ovdev  sxcoXvev. 


1)  Tacitus  2,  47:  ne  plus  quam  semel  certemtis,  penes  me  exemplum  erit.  Bei 
Plutarch  sagt  dies  Celsus  von  Otho:  f^T]8s  "O&oivog ,  slksg  ävrjQ  ayadog  iauv, 
E'&sXrjoovtog  ext  jisiQäad'ai,  rfjg  xv^rig. 

2)  Dabei  soll  keineswegs  geleugnet  werden,  dass  eine  ähnliche  Tendenz 
auch  schon  in  seiner  Quelle  sich  fand;  wie  denn  diese  Steigerung  der  That 
Othos  von  einer  gezwungen  freiwilligen  zu  einer  wahrhaft  freien  schon  vor 
Tacitus  bei  Martial  erscheint  und  auch  die  suetonische,  ja  selbst  die  plutarchische 
Darstellung  davon  die  Spuren  zeigen.  Dem  rhetorischen  "Wesen  dieser  Zeit  lag 
nicht  an  der  einfachen  Ermittelung  des  psychologischen  Herganges,  sondern  an 
dem  Contrast;  und  in  diesem  Sinne  sind  alle  Auffassungen  der  Katastrophe 
Othos  in  ein  schiefes  Licht  gebracht  und  darauf  zugestellt  einen  sehr  gemeinen 
Act  der  Desperation  zu  einer  ungemein  historischen  Action  zu  steigern.  Aber 
wenn  Tacitus  auch  die  Färbung  vorfand,  so  wird  der  Vorwurf  stehen  bleiben, 
<Jass  er  dieser  zu  Liebe  die  Zeichnung  nicht  positiv,  aber  durch  Weglassen 
wesentlicher  Züge  entstellt  hat. 


Cornelius  Tacitus  und  Cluvius  Rufus. 


241 


G.  15:  vjieart]  d'  ovdelg  exeivcov 
....  Ol'  yorjorbv  ovde  aXoiov 
noiovvreg  xw  rdkßq  rbv  oioivöv 
eioiovTi  öiä  .  .  .  vexgcov  tooovtcov 
eig  Ttjv  TiöXiv  .  .  .  Tiäoi  q)Qiy.wdr]g 
y.al  (foßsoög  iyevero. 

G.  18:  röv  ^kdxxov  vno  ovvxovov 
.Toddygag  ädvvarov  ovra  rcb 
ocojuan  xai  Tioay/LidTcov  ä^ieigov 
iv  ovöevi  koyo)  to  nagd:iav 
enoiovvxo. 

G.  25:  ov  xazd  zi]v  tov  acöjuarog 
jLiaÄaxiav  xai  dTjXvrrjra  rf]  y^i'xf} 
öiaxedgvfXfiEvog. 

G.  25:  &g  (paoi,  jui]  ovveidcog, 
IxjiXayelg  de  tco  dTrgooöoxrjxq) 
xai  q)oßi]^£ig. 

G.  26:  xov  (fogeiov  xaddn^sg  h 
xkvöoivi  öevgo  xdxei  diaq:ego- 
jiiivov. 

G.  22:  TO  /j.£xa  ^Xdxxov  axgdxevjua 
Tovg  xakovg  exeivovg  xai  drjfio- 
xgaxixovg  eig  ovyxkrjxov  ögxovg 
dcpevxEg  oj/xooav   OvixeXXico. 

0.1:  xov  de  KeXoov  .  .  .  (frjoavxog 
al'xb  xov  xgoTiov  öiÖovat  x6 
y.Xrjjua  nioxiv  iyxexXija'&ai 
,  äg,  6x1  FdXßq  ßeßaiov  eavxöv 
rrageo/ev,  o5  ;ifapfv  ovdefuav 
(j'xfEÜev. 

0.  2:  6/uov  de  'Pa>/naiovg  :xdvxag 
oi'dev  evcpgavev  ovxa>g  ....  cbg 
xd  ::zegl  TiyeXXlvov. 

0.4:  dvxeygaxpe  de  xdxelvog  avxcö 
y.axeigojvevouevog  fiov/J]  Tigänov 
ix  de  xovxov  diege&iCofxevoi  noXXd 
ßXdo(fi]ua  xai  doeXyr]  ^XevdCov- 
xeg  dXXrjXoig  eygacpov  ov  ipevdcög 
uh,  ävoijxwg  de  xai  ysXoioigu.  s.w. 

MOMMSES.    SCHB.  VII. 


h.  1.  6  trucidatis  tot  milihus  iner- 
mium  militum  infaustus  omine 
atque  ipsis  etiam  qui  occiderant  313 
fonnidolosus. 


h.  l ,  9  Hordeonium  Flaccum  .  .  . 
senecta  ac  debil  itate  pedum  in- 
validum,  sine  constantia,  sine 
auctoritate. 

1,  22:  twn  erat  Othonis  moUis  et 
corpori  similis  animus. 

Ij  28:  magnitudine  subiti  sceleris 
an  corrupta  latitis  castra  et,  si 
contra  tenderet,  exitium  metuens. 

1 ,  40 :  agebatur  httc  iUuc  Galba 
vario  turbae  fluctuantis  impulsu. 

1,57:  superior  exercittis,  speciosis 
senatus  populique  Romani  no- 
minibus  relictis,  .  .  .  ViteUio 
accessit. 

1,71:  Celsus  c&nstanter  servatae 
ergo  GaWam  fidei  crimen  con- 
fesstts  exemplum  idtro  imputavit. 


1,  72,  nachdem  die  Begnadigung 
des  Celsus  erzählt  ist:  par  inde 
exultatio  disparibus  catisis  con- 
secuta  impetrato  TigeUini  exüio. 

1,  74:  paria   Vitellius  ostentabat, 
prima   moüius   stidta   tUrimque 
et    indecora    simulafione,    mox 
quasi  rixantes  stupra  et  flagitia  314 
in  vicem  obiectavere,  neuter  falso. 


16 


242 


Cornelius  Tacitus  und  Cluvius  Rufus. 


0. 3 :  (poßovjuevog .  .vTieQTCÖv  dvÖQCov 
avTÖg  fjv  (poßsQog  exeivoig. 

O.  3:  ÖQ^og  ano  rfjg  xUvrjg  ttoXM 
jiagrjyoQi^oag  xal  detj'&elg  xal 
fxfjdk  daxQvcov  q:>siod/usvog  juo/.ig 
änensfxxpev  amovg. 

0.  5 :  xaraXeyoiv  de  tmv  ev  reXei 
ovvExdi^jUOvg  ha^ev  ev  xovxoig 
xal  Äevxiov  tov  OvizelXiov  ädeX- 
q)6v  ovre  Tigoo'&elg  ovdev  ovre 
dq)eX(bv  rjg  ely^e  rijurjg. 

O.  6:  exXsvaCov  Tovg"0-&covog  .  .  . 
Gxrjvixovg  xal  nvQQiiiordg  xal 
IIv&iCDv  xal  'OXvjumcov  ^ecoQOvg, 
7toXe/uot>  de  xal  orgaielag  anei- 
Qovg  . . .  änoxaXovvreg.  Ungefähr 
dasselbe  schon  c.  5:  ovroi  de 
juaXaxol  fxev  fjoav  vtio  o/oXfjg 
xal  öiairrjg  änoXefiov,  nXeloxov 
Xq6vov  ev  &edTQoig  xal  navr\yv- 
QEOi  Tial  Ttagd  axrjvrjv  ßeßim- 
xoreg. 

0.  7:  e'jiejuyjev  ovv  Tuiavbv  enl 
rd  orgarev/xaTa  röv  ddeXq)öv  xal 
UgoxXov  röv  enagy^ov  dg  elyßv 
egyo)  xrjv  Jtdoi^v  dgxrjv,  ngoo- 
X^f^o.   de  tjv  6  Tixiavög.      ol  de 

.  jxegl  TOV  KeXoov  xal  UavXlvov 
äXXujg  e(peiXxovTo  ovjußovXcov 
övojua  xal  cpiXcov,  i^ovolav  xal 
dvvajuiv  ev  roig  ngdyfxaoi  jurjde- 
juiav  e'xovxeg. 
315  0.  17:  xal  (piXo(pgovovjuevog  dte- 
vefxe  xdjv  ygrjjLidxüyv  xcb  fiev 
TtXeov,  reo  de  eXaxxov,  ovy  coojxeg 
dXXoxgicov  dcpeid&v,  dXXd  x6  xax 
d^iav  xal  xb  juexgiov  ejiijuekcög 
(pvXdxxcov. 

O.  16:  /xrjxe  ejxiXa'&eod-ai navxdnaoc 
ixrjxe  äyav  fÄvrj^oveveiv ,  oxi 
Kaioaga  d-ecov  eoyeg. 


1,  81 :  cum  timeret  Otho,  timebatur. 

1,  82:    toro  insistens  precibus   et 
lacrimis  aegre  cohibuit. 


1,88:  muUos  e  magistratihus,  mag- 
nam  consularium partem  Otho  ... 
comitum  specie  secum  expedire 
iubet,  in  quis  et  L.  VitelUum, 
eodem  quo  ceteros  cultu  nee  ut 
imperaforis  fratrem  nee  ut  Jiostts. 

2,  21  ut  segnem  et  desidem  et 
Circo  ac  tJieafris  corruptum  mi- 
litem  .  .  .  increpdbant. 


2,  39  honos  imperii  penes  Titi- 
anum  fratrem,  vis  ac  potestas 
penes  Proculum  praefectum  : 
Celsus  et  Paulinus,  cum  pru- 
dentia  eorum  nemo  uteretur, 
inani  nomine  ducum  alienae 
culpae  praetendehantur. 


2,  48  pecunias  distribuit  parce  nee 
ut  periturus. 


2,  48  neu  patruum  sibi  Othonem 
fuisse  aut  oblivisceretur  umquam 
aut  nimium  meminisset. 


Cornelius  Tacitus  und  Cluvius  Rufus.  243 

Dem  Eindruck  dieser  Stellen  gegenüber  wird  zunächst  gestattet 
sein  an  die  früher  dargelegten  Beweismomente  dafür  zu  erinnern, 
dass  Plutarch  unmöglich  aus  Tacitus  abgeschrieben  haben  kann.*) 
Kicht  bloss  schrieb  er  unzweifelhaft  früher,  als  die  Annalen,  wahr- 
scheinlich auch  früher,  als  die  Historien  des  Tacitus  herausgegeben 
wurden,  sondern  er  bringt  auch  eine  Menge  von  Thatsachen,  die  bei 
Tacitus  nicht  zu  finden  und  doch  mit  der  dem  Plutarch  und  dem 
Tacitus  gemeinschaftlichen  Erzählung  so  eng  verwachsen  sind,  dass 
jedem,  der  in  solchen  Untersuchungen  Takt  und  Uebung  hat,  der 
Oedanke  an  eine  Einlegung  derselben  aus  einer  zweiten  Quelle  von 
vom  herein  als  unzulässig  erscheinen  muss.  Vielmehr  wird  nichts 
übrig  bleiben  als  alle  diese  Analogien  darauf  zurückzuführen,  dass 
der  Grieche  wie  der  Römer  von  derselben  Hauptquelle  abhängig  sind. 

Wenn  aber  die  griechische  Copie  so  viele  und  so  auffallende 
Uebereinstimmungen  mit  der  lateinischen  Bearbeitung  zeigt,  so  darf 
wohl  angenommen  werden,  dass  das  Yerhältniss  sich  noch  ganz 
anders  stellen  würde,  wenn  statt  jener  uns  das  lateinische  Original 
vorläge.  Berühmt  gewordene  Wendungen,  wie  das  cum  timeret, 
timebatur  —  cpoßovfxevog  yv  (poßeQog,  wie  flagitia  invicem  öbiectavere 
neuter  falso  —  TcoXXä  aoeXyfj  äXXtjXoK;  e-ygacpov  ov  ipevöcog,  stellen 
sich  hienach  geradezu  heraus  als  wörtliche  Entlehnungen.  Damit 
soll  keineswegs  behauptet  werden,  dass  die  Historien  nicht  den 
eigenthümlichen  Stempel  ihres  Verfassers  tragen.  Auch  abgesehen 
von  den  Reden,  die  ohne  Zweifel  sein  volles  Eigenthum  sind  und 
mit  denen  auch  die  plutarchische  Erzählung  sich  nirgends  enger 
berührt  ^,  finden  sich  gerade  in  diesen  ersten  Büchern  in  besonderer 
Zahl  die  ihm  eigenen  schlagenden  Pointen,  liegt  des  Schreibers 
schwermüthige  und  hoffnungslose  Weltanschauung,  seine  herbe  Kritik 
nicht  einzelner,  sondern  der  sämmtlichen  auf  der  Weltbühne  in  316 
Hauptrollen  auftretenden  Personen  darin  in  ihrer  ganzen  Strenge 
vor;  und  kein  Verständiger  wird  glauben,  dass  das  omnia  servüiter 
pi'o  dMninationc,  das  corrtq^tncs  quam  in  privata  domo,  das  novissimum 
mahrum  fuit  laetitia  und  die  unzähligen  ähnlichen  von  Manier  nicht 
freizusprechenden,  aber  wirksamen  und  oft  von  tiefem  politischen 
Blick  zeugenden  Wendungen  nichts  sind  als  geborgte  Phrasen.    Aber 


*)  [Die  verkehrte  Ansicht ,  daß  Plutarch  von  Tacitus  abhängig  sei ,  ist 
zuletzt  von  E.  Wölfflin,  Sitzungsber.  d.  bayr.  Akad.  1901,  S.  3ff.  vertreten 
worden.] 

1)  Die  letzte  Ansprache  Othos  lautet  bei  Plutarch  (15)  und  Tacitus  (2,  47) 
völlig  verschieden. 

16* 


244  Cornelius  Tacitus  und  Cluvius  Rufus. 

ebenso  ist  es  ausser  Zweifel,  dass  Tacitus  Eigenthümlichkeit  nur 
der  vollendetste  Ausdruck  der  in  der  höchsten  römischen  Gesellschaft 
des  ersten  Jahrhunderts  herrschenden  Stimmung  ist;  man  kann  dies 
an  Petronius  und  dem  jüngeren  Seneca  wie  an  den  beiden  Plinius 
verfolgen,  so  gänzlich  verschieden  sie  auch  selbst  von  Tacitus  sind. 
Es  ist  von  vorn  herein  gewiss,  dass  das  Geschichtswerk,  von  dem 
Tacitus  hier  abhängt,  ebenfalls  auf  antithetischer  Reflexion  ruhte, 
nach  glänzender  und  wirkungsvoller  Darstellung  rang,  so  dass  Tacitus 
die  Farben,  die  er  brauchte,  zum  guten  Theil  schon  auf  der  fremden 
Palette  fand,  wahrscheinhch  bei  weitem  schimmernder  und  kunst- 
voller, als  sie  aus  Plutarchs  gemüthlicher  oder  auch  gemüthloser, 
wenigstens  allem  Mitempfinden  fernstehender  Schreiberei  hindurch- 
scheinen. Dass  Tacitus  bestrebt  war  sie  zu  steigern,  zeigt  sich,  ab- 
gesehen von  dem  früher  insbesondere  über  seine  Behandlung  der 
Katastrophe  Othos  Bemerkten,  auch  darin,  dass  er  an  einzelnen 
Stellen  damit  verunglückt  ist.  Wenn  zum  Beispiel  Plutarch  (18) 
von  Otho  sagt,  er  habe  ebenso  viele  und  ebenso  nachdrückliche 
Lobredner  wie  Tadler  gefunden,  denn  nicht  besser  als  Nero  habe 
er  gelebt,  aber  besser  als  dieser  sei  er  gestorben,  und  Tacitus  (2,  50) 
dies  also  wendet:  duohus  facinorihus,  altero  flagitiosissimo ,  altero 
egregio  tantundem  apud  posteros  meruit  honae  famae  quantum  malae, 
so  hat  diese  letztere  Fassung  zwar  mehr  Pointe  als  die  erstere,  aber 
in  der  That  ist  sie  falsch;  denn  durch  keine  einzelne  Unthat,  der 
man  die  Grossthat  seines  Todes  entgegensetzen  könnte,  ist  Othos 
Leben,  das  ganz  gemeine  eines  leeren  und  wüsten  Hofadlichen,  im 
Besonderen  bezeichnet. 

Also  zeigt  sich  in  den  beiden  ersten  Büchern  der  Historien  des 
Tacitus  keineswegs  polybianische  Quellenforschung,  sondern  engstes 
Anschliessen  an  einen  allerdings  unzweifelhaft  vorzüglichen  Gewährs- 
mann. Wir  finden  ihn  von  diesem  abhängig,  wie  Livius  von  Polybios, 
nicht  bloss  im  Thatsächlichen,  sondern  auch  in  Farbe  und  Form  bis 
in  die  einzelne  Wendung  hinein;  er  ist  weniger  Forscher  als  Dar- 
317  steller,  und  auch  als  Darsteller  darf  man  vermuthen,  dass  er  die 
Darstellung,  die  er  vorfand,  mehr  gesteigert  und  gereinigt,  als 
wesentlich  umgestaltet  hat.  Man  wolle  daraus  nur  nicht  zu  viel 
folgern  und  namentlich  nicht  meinen  diese  Beobachtung  ohne  weiteres 
auf  den  gesammten  Tacitus  übertragen  zu  dürfen.  Nicht  bloss  sind 
die  Historien  zwar  keine  Jugend-,  aber  doch  die  erste  geschichtliche 
Arbeit  des  bedeutenden  Mannes,  sondern,  was  noch  weit  mehr  ins 
Gewicht  fällt,  dieselben  sind  von  ihrem  Verfasser  in  der  Hauptsache 
angelegt  als  Zeitgeschichte,   wie   dies  vermuthlich  schon   der   Titel 


Cornelius  Tacitus  und  Cluvius  Rufus.  245 

ausdrückt^  und  er  selber  auf  das  Bestimmteste  ausspricht,  sowohl 
in  der  allgemeinen  Ankündigung  seines  Planes  in  der  Yorrede  des 
Agricola^  wie  in  der  Vorrede  der  Historien  selbst,  wo  es  betont 
wird,  dass  der  Terfasser  seine  Laufbahn  unter  der  Regierung 
"Vespasians  begonnen  habe,  mit  dem  die  Erzählung  anhebt.  Aber 
da  Tacitus  keineswegs  Memoiren  schreiben  will,  sondern  Geschichte. 
80  wählt  er  den  Ausgangspunct,  wie  billig,  nicht  da,  wo  zufällig 
seine  eigene  Erinnerung  begann,  sondern  bei  dem  nächstliegenden 
grösseren  Abschnitt,  dem  Anfang  des  Jahres,  in  welchem  nach  dem 
Sturz  der  julischen  Dynastie  Yespasian  den  Thron  bestiegt.  Somit 
fand  er  sich  für  die  ersten  Abschnitte  seiner  Erzählung  allein  auf 
die  schriftliche  Ueberlieferung  angewiesen.  Der  Zufall  hat  es  gefügt, 
dass  uns  von  dem  Theil  der  taciteischen  Geschichte ,  wo  er  wenig- 
stens die  Stimmung  und  die  Färbung  aus  eigener  Erinnerung  nahm, 
gar  nichts  erhalten  ist:  und  insofern  wird  unser  Urtheil  über  seine  318 
Leistungen  immer  ein  sehr  hypothetisches  bleiben.  Nur  derjenige 
Theil  der  Historien,  der  dem  Verfasser  schwerlich  die  Hauptsache 
war,  ist  auf  uns  gekommen;  dies  wird  in  Anschlag  zu  bringen  sein, 
sowohl  wenn  wir  hier  einen  pathetischeren  Ton  angeschlagen  finden 
üh  wir  ihn  bei  der  Darstellung  der  Geschicke  vergangener  Geschlechter 
gewohnt  sind,  wie  auch  wenn  die  Quellenforschung  sich  darauf 
reduciren  sollte,  dass  Tacitus  das  beste  Memoirenwerk  über  diese 
Epoche  historisch  stilisirt  hat. 


1}  Gellius  5,  18. 

2)  c.  3 :  noji  .  .  pigebit  .  . .  memai-iam  prioris  servitutis  ac  testhnonium  praesett- 
Uum  bonorum  composuisse,  das  heisst  die  Zeit  Domitians  und  die  Nervas  und 
Traians.     Hier  ist  also  an  Yespasian  und  Titus  noch  gar  nicht  gedacht. 

3)  Weiter  wirkte  hierbei  bestimmend  ein  das  Schema  der  Annalen  (S.  299 
[228]);  denn  dies  sind,  wie  Nipperdey  Einl.  S.  XI  fS.  14  der  8.  Aufl.]  richtig  bemerkt, 
sowohl  die  Historien  wie  die  Bücher  ab  ex<:essu  divi  Augiisti.  Ob  ausserdem 
nooh  Tacitus  die  Anlehnung  an  ein  bestimmtes  Geschichtswerk  oder  vielmehr 
an  eine  Reihe  sich  fortsetzender  im  Sinne  hat  bei  den  ersten  Worten  seines 
Buches:  initium  mihi  operis  Ser.  Galba  II  T.  Vinius  cos.  erunt;  nam  post  conditam 
uruem  octingentos  et  riginti  prioris  aevi  annos  (das  ist  nach  capitolinischer  Aera 
bis  68  n.  Chr.  einschliesslich)  midti  andores  rettidemnt  pari  eloquentia  ac  libertate. 
mrss  dahingestellt  bleiben.  Unwahrscheinlich  ist  es  nicht;  denn  dass  er  damals 
den  Plan  zu  seinen  Annalen  noch  nicht  gefasst  hatte,  ist  klar,  und  dass  seine 
Historien  geradezu  als  Fortsetzung  auftreten,  ist  oben  S.  801  [229]  bemerkt  worden. 
Ine  ess  möchte  es  schwer  sein  ein  passendes  mit  dem  Ende  des  J.  68  schliessendes 
Geschichtswerk  zu  bezeichnen  [einen  vergeblichen  Versuch  machte  0.  Seeck,  Rhein. 
Mts.  56,  1901,  S.  227  ff.,  vgl.  dagegen  F.  Rühl  ebd.  S.  516  u.  a.] ;  und  möglich  ist 
es,  dass  Tacitus  nicht  zunächst  ein  einzelnes  Werk,  sondern  die  annalistische 
Litteratur  überhaupt  im  Sinne  gehabt  hat. 


246  Cornelius  Tacitus  und  Cluvius  Rufus. 

Die  Untersuchung  ist  geführt  worden  ohne  Rücksicht  auf  die 
Frage,  welchem  Werke  Plutarch  und  Tacitus  hier  gefolgt  sein  mögen. 
Sie  ist  in  der  That  unabhängig  davon,  wie  diese  Frage  beantwortet 
wird;  ja  sie  würde  nichts  wesentliches  verlieren,  wenn  diese  Frage 
überall  nicht  beantwortet  werden  kann;  wie  denn  überhaupt  bei  den 
jetzt  beliebten  Quellenuntersuchungen  viel  zu  viel  auf  die  Namen 
und  viel  zu  wenig  auf  die  Sachen  Rücksicht  genommen  wird.  Indess 
ist  in  diesem  Fall  die  Antwort  nicht  eben  schwer  zu  finden  und  auch 
längst  gefunden;  der  gemeinsame  Gewährsmann  ist  Cluvius  Rufus, 
und  überflüssig  wird  es  nicht  sein  das  gefundene  Ergebniss  mit  dem, 
was  von  Cluvius  bekannt  ist,  in  Verbindung  setzen. 

Ich  fasse  zusammen,  was  wir  von  diesem  wissen.*)  Cluvius 
Rufus  -  -  der  Yorname  ist  unbekannt  ^  —  war  Consul  in  Gemein- 
schaft mit  P.  Clodius  ^,  wir  wissen  nicht  in  welchem  Jahr,  aber  sicher 
vor  dem  J.  41  (A.  3);  wonach  seine  Geburt  nicht  später  als  etwa 
6  n.  Chr.  gesetzt  werden  kann.  Er  wird  genannt  unter  den  Senatoren, 
die  im  J.  41  bei  der  Ermordung  des  Caligula  im  Theater  zugegen 
waren  ^,  und  als  Begleiter  Neros  auf  seinem  Schauspielerzug  durch 
Griechenland  im  J.  67,  wo  er  dem  kaiserlichen  Tragöden  als  Herold 
319  diente*.  Als  der  Statthalter  der  Hispania  Tarraconensis  Galba  im 
Sommer  68  zum  Kaiser  ausgerufen  ward,  ernannte  er  den  Rufus 
zu  seinem  Nachfolger  auf  jenem  Posten^.  Nach  Galbas  Tode  schien 
Rufus  anfangs  geneigt  für  Otho  Partei  zu  nehmen  oder  wenigstens 
zu  temporisiren  ^,    schlug    sich  aber   dann   zu   der  Fahne   des  Vitel- 

*)  [Ys^'  zum  Folgenden :  Prosop.  itnp,  Rom.  I  S.  426.] 

1)  Borghesi  opp.  2,  74.  5,  321  nennt  ihn  nach  dem  Vorgange  älterer  Ge- 
lehrten Marcus,  ich  weiss  nicht  weshalb.  Er  mag  ein  Sohn  des  —  wie  es 
scheint  für  das  Jahr  721  zum  Consul  designirten  —  C.  Cluvius  sein,  von  dem 
ich  anderswo  gehandelt  habe  (zwei  Sepulcral reden  aus  der  Zeit  Augusts  und 
Hadrians  in  den  Abh.  der  Berliner  Akademie  1863  S.  466  [=  Jurist.  Sehr.  I  S.  407]). 
Ein  Nachkomme  von  ihm,  eher  ein  Tochterenkel  als  ein  Sohn,  ist  der  Consul  des 
J.  80  C.  Marius  Marcellus  Octavius  Publius  Cluvius  Rufus  (Henzen  5428  [—  C.  I.  L. 
III  p.  854]). 

2)  Pompeianische  Inschrift  Orelli  1168  =  I.  N.  2224  [C.  I.  L.  X,  826  =  Dessau 
6383] :  .  .  .  .  uvio  P.  Clodio  cos.  [Diese  Inschrift  hat  nichts  mit  Cluvius  Rufus  zu 
tun,  es  ist  in  ihr  [D]uvio  zu  ergänzen:  vgl.  Mommsen,  Hermes  12,  1877,  S.  128 
=  Jur.  Sehr.  III  S.  261.] 

3)  Josephus  ant.  19,  1,  13,  [91].  Cluvius  heisst  hier  Consular  und  erscheint  j 
als  Begünstiger  der  That,  wo  nicht  als  Mitverschworener.  j 

4)  Sueton  Ner.  21  und  vielleicht  daraus  Dio  63,  14.  Beide  nennen  ihn  j 
Cluvius  Rufus  und  Consular.  5)  Tacitus  bist.  1,  8. 

6)  Tacitus  h.  2,  65.  Ein  kaiserlicher  Freigelassener  denuncirte  ihn  später 
dem  Vitellius,  tamquam  audito  Vitellii  et  Othonis  j»-incipatu  propriam  ipse  poten-  > 
tiam  et  possessionem  Hispaniarum  tetnptasset  eoque  diplomatihus  nulluni  principem 


Cornelius  Tacitus  und  Cluvius  Rufus.  247 

lius^  und  schützte  für  ihn  Spanien  gegen  die  in  Africa  mächtigen 
Othonianer  2.  Als  Vitellius  nach  dem  Siege  seiner  Truppen  sich  nach 
Italien  begab,  fand  unterwegs  unweit  Lyon  sich  Cluvius  bei  ihm 
ein,  um  sich  zu  rechtfertigen;  der  Kaiser  Hess  ihm  auch  dem  Namen 
nach  die  Provinz,  aber  veranlasste  ihn  doch  nicht  dorthin  zurück, 
sondern  mit  ihm  nach  Rom  zu  gehen  3.  Dort  erlebte  er  die  Kata- 
strophe des  Yitellius  und  nahm  damals  lebhaften  Antheil  an  den 
politischen  Vorgängen:  bei  dem  geheimen  Vertrag  zwischen  Vitellius 
und  dem  Bruder  Vespasians  waren  nur  er  und  Silius  Italiens  zugegen  *. 
Von  seinen  weiteren  Schicksalen  erfahren  wir  nichts;  er  muss  aber 
damals  schon  bejahrt  gewesen  sein  und  hat  Vespasian  schwerlich 
überlebt^.  —  Seine  Schriften  werden  von  den  Grammatikern  nirgends 
berücksichtigt^  und  directe  Fragmente  derselben  sind  daher  nicht  vor- 
handen; dagegen  wird  er  als  Gewährsmann  angeführt  für  die  Entstehung  320 
des  Namens  histrio,  den  er  auf  die  Pest  vom  J.  390  d.  St.  zurück- 
führte, bei  Plutarch " ;  für  die  neronische  Zeit  bei  Tacitus  zweimal*; 
für  die  Vorgänge  des  J.  69  wieder  bei  Plutarch  (S.  323  A.  3  [250  A.  4]) 
und  bei  dem  jüngeren  Plinius^,  wonach  Cluvius  den  Verginius 
Rufus  ersuchte   seine  Darstellung  derselben   nicht   übel  zu  nehmen. 

praescripsisset ,    et  interpretabatur  quaedam    ex  orationibtis   eius   contumdiosa   in 
Yiteüium  et  pro  se  ipso  poptilaria. 

1)  Tacitus  bist.  1,  76:  idem  (dass  die  Truppen  dem  Otho  Treue  geschworen) 
ex  Hispania  adlatum  laudatusque  per  edictum  Cluvius  Rufus:  sed  statim  cognitum 
est  conversam  ad  YitdUum  Eispaniam.  Von  Depeschen  Othos  an  Cluvius  Rufus 
in  Spanien  spricht  Plutarch  Oth.  3  (S.  323  A.  3  [250  A.  4]). 

2)  Tacitus  bist.  2,  58.  59.  3)  Tacitus  h.  2,  65.  4)  Tacitus  h.  3,  65. 

5)  Bei  Nipperdey  Einl.  S.  XXIII  [S.  27  der  8.  Aufl.]  und  in  vielen  anderen 
Büchern  steht  zu  lesen,  dass  Cluvius  im  Jahre  70  n.Chr.  starb;  Tacitus  "aber 
bist.  4,  39,  aus  dem  dies  genommen  sein  soll,  sagt  nur,  dass  Spanien  damals 
durch  den  Abgang  des  Cluvius  Rufus  ohne  Statthalter  war  (discessu  Chivii  Muß 
vacua).  Vielmehr  ist  es  nicht  zu  bezweifeln,  dass  er  einen  Theil,  wenn  nicht 
sein  ganzes  Geschichtswerk  erst  nach  Vitellius  Tode  geschrieben  hat,  also 
gewiss  beträchtlich  später  als  70  gestorben  ist;  und  die  S.  321  A.  2  [249  A.  1] 
angeführte  Stelle  des  Tacitus  kann  dafür  wohl  als  unmittelbarer  Beweis  in 
Anspruch  genommen  werden. 

6)  Quintilianus ,  der  ihn  hat  kennen  müssen,  nennt  ihn  nicht  unter  den 
römischen  Historikern.  Er  mag  mit  an  ihn  gedacht  haben  bei  den  Schluss- 
worten (10,  1,  104):  sunt  et  alii  scriptores  boni,  sed  nos  genera  degustamus,  non 
bibliothecas  excutimus. 

7)  Quaest.  Rom.  107.  Dies  ist  insofern  von  Interesse,  als  die  antiquarischen 
Rückblicke,  die  in  Tacitus  Geschichtswerk  eingelegt  sind,  sich  danach  wahr- 
scheinlich ähnlich  bei  Cluvius  fanden,  also  Tacitus  auch  dafür  das  Muster,  zum 
Theil  vielleicht  selbst  den  Stoff  bei  Cluvius  fand.  [Vgl.  über  diese  Exkurse  bei 
Tacitus:  F.  Leo,  Nachr.  d.  Gott.  Ges.  d.  Wiss.  1896  S.  191  ff.] 

8)  Zum  J.  55  ann.  13,  20  und  zum  J.  59  ann.  14,  2.  9)  ep.  9,  19,  5. 


248  Cornelius  Tacitus  und  Cluvius  ßufus. 

Das  erste  Citat  geht  ohne  Zweifel  auf  eine  beiläufige  Erwähnung 
jener  alten  Anekdote  zurück  und  beweist  nichts  für  den  Umfang 
des  Werkes  selbst.  Dass  er  Caligulas  Tod  erzählt  hat,  ist  nach  der 
Weise,  wie  Josephus  eine  an  sich  unbedeutende  den  Cluvius  be- 
treffende Anekdote  in  die  Erzählung  desselben  einflicht,  kaum  zu 
bezweifeln;  dass  er  Neros  Regiment  und  auch  die  Vorgänge  nach 
dessen  Tode  ausführlich  geschildert  hat,  steht  fest;  die  Vermuthung 
Nipperdeys,  dass  seine  Erzählung  mit  dem  Tode  des  Yitellius  schloss, 
ist  in  hohem  Grade  wahrscheinlich.  Wann  er  zu  schreiben  angefangen 
hat,  ist  natürlich  nicht  auszumachen;  die  Herausgabe  des  Werkes, 
das  auch  in  seinen  früheren  Abschnitten  wohl  kaum  unter  Nero 
hätte  publicirt  werden  dürfen,  muss  unter  Vespasians  Regierung 
erfolgt  sein.  Auch  sein  ohne  Frage  lateinisch  geschriebenes  ^  Werk 
trug  wie  das  des  Tacitus  den  Titel  historiae^;  es  war  ja  auch  wie 
dieses,  und  sicher  noch  in  weit  höherem  Masse  als  dieses,  Darstellung 
der  gleichzeitigen  und  insbesondere  der  selbst  erlebten  Ereignisse, 
Wie  Tacitus  war  er  kein  Kriegsmann ,  aber  ein  Sachwalter  ^  und 
geschätzt  wegen  seines  Rednertalents  sowohl  wie  wegen  seines 
Reichthums  und  seines  Einflusses.  Wie  Tacitus  wandte  er  in  seinen 
späteren  Jahren  sich  dazu  die  Zeitgeschichte  oder  auch  seine 
321  Memoiren  zu  schreiben.  In  der  That  mag  kaum  ein  anderer  dazu 
in  gleichem  Masse  berufen  gewesen  sein.  So  weit  es  in  dem  ver- 
ruchten Hof  leben  jener  Epoche  anging,  hielt  er  sich  frei  von  den 
schlimmsten  Befleckungen,  namentlich  von  dem  Delatorenhandwerk  *, 
so  dass  seine  Yergangenheit  ihm  nicht  die  Feder  fesselte;  dagegen 
war  seine  Haltung  und  sein  Gewissen  gefügig  genug,  um  ihn  am 
Hof  des  Caligula  wie  an  dem  des  Nero  eine  Rolle  —  nöthigenfalls 
auch  die  eines  Theatergehülfen  —  spielen,  ihn  sodann  Vertrauens- 
mann des  Galba  wie  des  Vitellius  werden  und  ungefährdet  bis  auf 
Vespasian  gelangen  zu  lassen.  Wenn  ein  solcher  Mann  erzählen 
durfte  und  erzählen  wollte,  so  konnte  es  ihm  an  Stoff  nicht  gebrechen; 
und    das   wunderbar   lebendige  Bild   von    den  Zeiten    des   Caligula, 

1)  Dafür  spricht  ausser  der  allgenaeinen  Sitte  dieser  Epoche  insbesondere 
das  Missverständniss  Plutarchs  (S.  306  A.  4  [235  A.  1])  und  die  wörtliche  Ueber- 
einstimmung  bei  Sueton  und  Tacitus  (S.  323  A.  1  [250  A.  2]),  welche  auf  eine 
gemeinschaftliche  lateinische  Quelle  schliessen  lässt. 

2)  Bei  Plinius  ep.  9,  19,  5  sagt  Cluvius:  si  quid  in  historiis  meis  legis. 

3)  Tacitus  bist.  1,  8:  vir  facundus  et  pacis  artibus,  beUis  inexperhis.  4,43: 
eloquentia  clarus. 

4)  Helvidius  führt  dem  Eprius  Marcellus  das  Beispiel  des  Cluvius  Rufus 
vor,  qui  perinde  dives  et  eloquentia  clarus  nulli  umquam  sub  Nerone  periculum 
facessisset.    Tacitus  h.  4,  43. 


Cornelius  Tacitus  und  Cluvius  Rufus.  249 

Claudius  und  Nero,  das,  wenn  auch  verstümmelt  und  beschädigt, 
doch  einigermassen  sich  erhalten  hat,  verdanken  wir  vermuthlich  in 
der  Hauptsache  ihm. 

Eines  besonderen  Beweises  dafür,  dass  dasjenige  Werk,  welches 
sowohl  Plutarch  wie  Tacitus  hier  zum  fast  ausschliesslichen  Führer 
gedient  hat,  eben  diese  Historien  des  Cluvius  sind,  bedarf  es  nach 
dem  Gesagten  kaum.  Der  einzige  Gewährsmann,  der  in  diesen 
Erzählungen  mit  Namen  angeführt  wird,  ist  eben  Cluvius  Rufus  bei 
Plutarch;  und  für  Tacitus,  der  in  diesem  Abschnitt  überhaupt  keinen 
Gewährsmann  nennt  ^,  steht  wenigstens  fest,  dass  er  Clu^-ius  Werk 
gekannt  und  anderweitig  benutzt  hat.  Alle  Nachrichten  darin,  die 
sich  auf  Cluvius  eigene  Erlebnisse  beziehen,  tragen  in  so  bestimmter 
Weise  den  Stempel  des  Persönlichen,  dass  sie  als  ebenso  viele 
Ursprungszeugnisse  gelten  dürfen.  Die  'mündlichen  Mittheilungen'  des 
Secretärs  des  Kaisers  Otho  Secundus,  auf  die  sich  Plutarch  beruft  und 
die  auch  bei  Tacitus  und  Sueton  dem  Inhalt  nach  wiederkehren  2.  passen 
ebenfalls  für  Cluvius  Rufus :  denn  jener  ist  wahrscheinlich  der  aus 
den  Institutionen  Quintilians  und  dem  Dialog  des  Tacitus  wohl-  322 
bekannte  Julius  Secundus  •^,  der  als  jüngerer  Zeit-  und  als  Fachgenosse 
dem  Cluvius  nicht  fremd  gewesen  sein  kann.  Ueberhaupt,  dass 
Cluvius  Werk  zu  den  Quellenschriften  des  Plutarch  wie  des  Tacitus, 
auch  für  dessen  Historien,  gehört  hat,  ist  längst  ausgemacht  und 
zum  Beispiel  von  Nipperdey  und  H.  Peter  richtig  dargelegt:  in 
welchem  Umfang  aber  dies  der  Fall  gewesen  ist.  dies  aus  einander 
zu  setzen  ist  oben  versucht  worden. 

Noch  bleibt  eine  Frage  übrig,  die  hier  weder  erledigt  noch 
ganz  übergangen  werden  kann :  ich  meine  die  Benutzung  der  Historien 
des  Cluvius  bei  anderen  Schriftstellern  ausser  Tacitus  und  Plutarch. 
Ich  halte  es  für  sehr  wahrscheinlich,  dass  von  den  Berichten,  die 
wir  über  die  Epoche  von  Caligula  bis  auf  Yespasians  Thronbesteigung 
besitzen,   ein  weit  beträchtlicherer  Theil  auf  Cluvius  zurückgeht  als 

1)  In  dem  Bericht  über  den  Abfall  der  namhaftesten  Officiere  des  Vitellius 
sagt  Tacitus  (h.  2,  102):  scriptores  lemporum,  qui  potiente  rerttm  Flavia  domo 
vonumenta  composuerttnt ,  ciiram  pacis  et  amorem  rei  publicae,  corniptas  in  adn- 
k'iionem  eausas,  iradidere.  Dies  geht  ohne  Zweifel  zunächst  auf  Cluvius  und 
"«äre  auch  sicherlich  längst  auf  ihn  bezogen  worden,  wenn  die  wunderliche 
lebersetzung  von  discessiis  {S.  319  A.  7  [247  A.  4])  nicht  irre  gemacht  hätte. 

2)  Plutarch  Oth.  9;  vgl.  Tacitus  2,  33  und  Sueton  Oth.  9. 

3)  Diese  Yermuthnng  Hirscbfelds  (bei  Friedländer,  Sittengesch.  1,  170  der 
3.  Aufl.  [183  der  6.])  scheint  mir  sehr  ansprechend;  dass  von  Yitellius  hervor- 
gehoben wird,  er  habe  dergleichen  eigentlich  für  Freigelassene  bestimmte 
Posten  an  römische  Ritter  übertragen  '.Tacitus  bist.  1,  58) ,  schliesst  nicht  aus, 
diiss  Otho  gleichzeitig  ebenso  verfuhr. 


250  Cornelius  Tacitus  und  Cluvius  Rufus. 

man  gewöhnlich  annimmt.  Dass  Josephus  für  seine  93  n.  Chr.  ab- 
geschlossene Archäologie  und  ebenso  für  den  jüdischen  Krieg, 
insoweit  er  dabei  römische  Annalen  gebrauchte,  sich  an  Cluvius 
gehalten  hat,  ist  wahrscheinlich  schon  wegen  der  Erwähnung  des- 
selben, die  er,  wie  bemerkt,  in  die  Erzählung  von  Caligulas  Tode 
einlegt.  Auch  Dio,  dessen  Schilderung  von  den  Vorgängen  der 
J.  69  und  70  mancherlei  Eigenthümliches  enthält,  mag,  sei  es 
unmittelbar,  sei  es  durch  ein  verlorenes  Mittelglied,  mehreres  aus 
Cluvius  aufbehalten  haben,  das  sonst  nirgends  sich  findet i.  Indess- 
wenn  das  zwischen  Cluvius  einer-  und  Josephus,  Dio  und  anderen 
geringeren  Gewährsmännern  andrerseits  obwaltende  Verhältniss  für 
die  Beziehungen  zwischen  Cluvius  und  Tacitus  von  keiner  unmittel- 
baren Wichtigkeit  ist  und  deshalb  hier  davon  abgesehen  werden 
kann,  so  gilt  nicht  das  Gleiche  von  Cluvius  Verhältniss  zu  Tacitus 
323  jüngerem  Zeitgenossen  Suetonius,  dem  Biographen  der  ersten  zwölf 
Kaiser.  Es  ist  in  hohem  Grade  auffallend,  dass,  während  Suetonius 
mit  Tacitus  Annalen  sich  nicht  enger  berührt,  als  es  die  sachliche 
Uebereinstimmung  mit  sich  bringt,  von  seinen  auf  die  Staatsumwälzung 
der  J.  68  und  69  bezüglichen  Notizen  eine  beträchtliche  Anzahl  oft 
wörtlich  mit  Tacitus  Historien  übereinstimmt^.  Man  hat  daraus 
geschlossen,  dass  Suetonius  diese  vor  sich  gehabt  hat,  die  Annalen 
aber  nicht  ^;  und  mit  der  Publicationszeit  der  Werke  Hesse  sich 
diese  Annahme  allenfalls  vereinigen.  Aber  dagegen  spricht,  dass  in 
dem  gleichen  Abschnitt  Sueton  auch  an  mehreren  Stellen  in  auf- 
fallender Weise  sich  mit  den  bei  Tacitus  nicht  zu  findenden  Berichten 
Plutarchs  berührt,  am  auffallendsten  bei  derjenigen  Notiz,  für  die 
Plutarch  den  Cluvius  ausdrücklich  als  Gewährsmann  anführt  und 
die  nicht  bei  Tacitus,  aber  ganz  ähnlich,  nur  ohne  Nennung  des 
Cluvius,    bei    Sueton    wiederkehrt*.      Danach    hat    vermuthlich    H. 


1)  Es  verdient  Beachtung,  dass  die  Zahl  der  bei  der  Einnahme  Roms  durch 
die  Flavianer  Umgekommenen  bei  Josephus  bell.  lud.  4,  11,  4  und  Dio  65,  19,  3, 
und  nur  bei  diesen,  auf  50000  angesetzt  wird.  Diese  Schätzungszahl  muss 
natürlich  auf  eine  und  dieselbe  Quelle  zurückgehen ;  denn  dass  Dio  hier  aus 
Josephus  schöpft,  ist  unglaublich.  Hängt  aber  Josephus  dabei  von  Cluvius  ab, 
so  wird  dies  auch  für  Dio  wahrscheinlich;  womit  natürlich  weder  gesagt  ist, 
dass  er  diesen  selbst  benutzt  hat,  noch  die  Benutzung  zum  Beispiel  Suetons 
durch  Dio  verneint  wird. 

2)  Sie  sind  zusammengestellt  von  H.  Lehmann  Claudius  S.  40  fg.  [Vgl. 
Beckurts,  Zur  Quellenkritik  des  Tacitus,  Sueton  und  Cassius  Dio :  Das  Vierkaiser- 
jahr, Jena  1880.]  3)  Lehmann  a.  a.  0.  S.  47  fg. 

4)  Plutarch  üth.  3:  zoT?  öe  nokXotg  x^Q'^^^f^^^^*?  ovx  icpevye  .  .  h  roTg  ^sargoK 
Nsgmv  JiQOoayoQevEO&ai'  xai   rivcov  elxovag  Nsgcovog   eig  tovfKpavsg  Jigo^efievmv  ovx 


Cornelius  Tacitus  uud  Cluvius  Rufus.  251 

Peter ^  das  Richtige  gesehen,  wenn  er  annimmt,  dass  Sueton  aus 
eben  derselben  Quelle  schöpft  wie  Tacitus  und  Plutarch.  In  der 
That  schliesst  Sueton  bald  an  Plutarch,  bald  an  Tacitus  in  der 
Passung  sich  so  eng  an  -,  dass  nur  die  Ableitung  aller  drei  Berichte 
aus  einer  gemeinschaftlichen  Quelle  den  Sachverhalt  genügend  erklärt. 
Auch  wäre  es  doch  unglaublich,  wenn  Sueton  für  das  Leben  des 
Galba,  von  dem  Tacitus  eigentlich   nur  den  Tod  berichtet,  sich  an  324 

ix(ö/.vas.  JfD.ovßiog  de  'Povcpog  eig  'Ißrjoiav  (frjoi  xofua&ijvai  SuiXcöfiaxa,  otg  ixjiefijiovai 
Tov;  yoaufiaTr/cfÖQOVS,  ro  xov  Neocovog  &ex6v  ovofta  noooyeyoa[ifiivov  ij^ovra  xöj  tov 
'Odoivog.  Sueton  Oth.  7 :  ab  infima  plebe  appeUatiis  Nero  nullum  indicium  recttsantis 
dedit:  immo,  iii  quidam  tradiderunt,  etiam  diplomatibus  primisque  epistulis  tniis  ad 
quosdam  provinciarnm  praesides  Xeronis  cognotnen  adiecit.  certe  et  imagines 
statuasque  eins  reponi  passus  est.  Aehnlich  sagen  Plutarch  G.  19  und  Sueton 
G.  17,  dass  Galba  den  Piso  adoptirt  habe  wg  fit]  [mövov  8iä  ro  ytjgag,  «U/ä  xai  xijv 
a:iai8iav  y.axa(foovovut\-og  —  despectui  esse  non  tarn  senectam  suam,  quam  orbitatem 
ratus;  Tacitus  1,  12  sagt  nur  allgemein,  dass  Galba  schon  längst  entschlossen 
gewesen  sei  zu  adoptiren.  Man  vergleiche  noch  die  Erzählung  von  den  Flotten- 
soldaten (Plut.  G.  15  —  Suet,  G.  12);  von  dem  Flötenspieler  Canus  (Plut.  G.  16 
—  Suet.  G.  12);  von  dem  Edict  den  Tigellinus  betreffend  (Plut.  G.  17  —  Sueton 
G.  15).  1)  a.  a.  0.  S.  28  fg. 

2)  Besonders  belehrend  ist  die  Vergleichung  der  drei  Stellen  Plutarch 
G.  19,  Sueton  Oth.  3  und  Tacitus  1,  13,  betreffend  Othos  Antheil  an  der  Heirath 
des  Nero  und  der  Poppaea.  Die  beiden  ersten  Berichte  stimmen  beinahe 
wörtlich : 

Plutarch:  Sueton: 

i/.&ovoT}g  8e  .lao    avxöv  atg  yafiexijg   ovx       Poppaeam  nuptiarum  specie  recepit 
ijyöjia  fiexE^^cor,  oJ./'  tjaya/./.s  fisxadiSovs.      nee   comtpisse   contentus    adeo   düexit, 

ut   ne   rivalem   quidem   Neronem   aeqtto 

tulerit  animo. 
Dann  wird  erzählt,  wie  Xero  einmal  Othos  Haus  verschlossen  gefunden  und  auf 
der  Strasse  stehend  vergeblich  um  Einlass  gebeten  und  gedroht  habe.  Nur  ist 
der  Ausschliessende  bei  Sueton  Otho ,  bei  Plutarch  Poppaea ;  worin  übrigens 
nicht  gerade  (mit  Peter  S.  89)  ein  Versehen  Plutarchs  angenommen  werden 
muss  —  die  ursprüngliche  Erzählung  lief  vermuthlich  so,  dass  Poppaea  und 
Otho  dabei  im  Einverständniss  handelten.  Tacitus  beseitigt  dies  widerwärtige 
Detail  und  sagt  nur  kurz :  Poppaeam  Subinam  principale  scortum  ut  apud  couscium 
Ubidinuin  deposuerat.  Aber  diese  Wendung  ist  gewiss  genommen  aus  der  bei 
Sueton  aufbehaltenen:  miscentem  frusira  niinas  et  preces  ac  depositum  reposcentem; 
imd  ebenso  sind  die  folgenden  Worte  Suetons:  sepositus  est  per  catisam  legationis 
in  Lusitaniam  und  die  des  Tacitus:  suspectum  in  eadein  Poppaea  in  provinciam 
Lusitaniam  specie  legationis  seposuit  offenbar  aus  derselben  Quelle  geflossen. 
Sueton  hat  manche  eigenthümliche  Züge,  zum  Beispiel  die  darauf  umlaufenden 
Spottverse,  die  sonst  nirgends  stehen,  und  schöpft  sicher  nicht  aus  Tacitus. 
Tacitus  könnte  an  sich  wohl  diese  Erzählung  aus  Sueton  genommen  haben; 
aber  die  Priorität  seiner  Arbeit  steht  fest.  Sonach  bleibt  nichts  als  die  Annahme 
einer  gemeinschaftlichen  Quelle. 


252  Cornelius  Tacitus  und  Cluvius  Rufus. 

diesen  gehalten  hätte  und  nicht  an  dessen  Quelle.  —  Ist  dies  richtig, 
so  ergiebt  sich  daraus  für  Tacitus  schriftstellerische  Entwickelung 
eine  wichtige  Wahrnehmung.  Dass  Sueton  den  Cluvius  nicht  bloss 
für  das  Vierkaiserjahr  benutzt  haben  wird,  versteht  sich  von  selbst; 
er  wird  für  Caligula,  Claudius  und  Nero  ebenfalls  aus  diesem  reichen 
Born  von  Scandal  und  Anekdoten  umfassend,  wenn  auch  nicht  aus- 
schliesslich ^  geschöpft  haben.  Wenn  nun  aber  Sueton  mit  den 
Historien  des  Tacitus  sich  eng  berührt,  nicht  aber  mit  den  Annalen, 
so  wird,  wie  jenes  die  Abhängigkeit  des  Tacitus  von  der  gemein- 
schaftlichen Quelle,  so  dies  dessen  relative  Selbständigkeit  darthun. 
Hat  .Tacitus  im  Anfang  der  Historien  wesentlich  den  Cluvius  wieder- 
gegeben, so  darf  man  hienach  vermuthen,  dass  er  denselben  in  den 
Annalen  zwar  natürlich  auch  stark  benutzt  hat,  wie  er  ihn  ja  mehr- 
fach darin  anführt,  aber  doch  selbstständig  erzählt;  das  heisst,  er  hat 
in  seinem  späteren  Geschichtswerk  sich  von  der  Unfreiheit  des 
früheren  losgemacht. 

1)  In  welchem  Umfang  Sueton  von  Cluvius  abhängt,  wird  sich  für  die 
letzten  Kaiser  der  ersten  Dynastie  überhaupt  nicht  nachweisen  lassen,  da  wir 
hier  keine  ausgeführteren  und  als  sicher  cluvianisch  anzusprechenden  Berichte 
besitzen.  Nur  etwa  Josephus  könnte  hierbei  in  Betracht  kommen;  und  aller- 
dings stimmt  dessen  Erzählung  von  Caligulas  Ende  mit  Sueton  in  der  Weise 
überein,  dass  beide  aus  derselben  Quelle  geflossen  scheinen. 

Dagegen  die  Biographien  des  Galba,  Otho,  Vitellius,  sowie  die  Vor- 
geschichte der  Flavier  (das  weitere  kann  natürlich  nicht  aus  Cluvius  ge- 
nommen sein)  kommen  allerdings  mit  den  cluvianischen  Berichten  bei  Plutarch 
und  Tacitus  so  eng  überein,  dass  auch  für  Sueton  Cluvius  nicht  bloss  als  Quelle, 
sondern  als  Hauptquelle  angenommen  werden  muss.  Doppelrelationen  begegnen 
bei  ihm  wohl  hier  und  da  (z.  B.  Oth.  6:  alii  febrem  simulasse  tradunt ;  Galb.  20); 
aber  diese  können  ja  auch  schon  bei  Cluvius  gestanden  haben.  Auch  Wider- 
sprüche gegen  die  cluvianische  Erzählung  finden  sich,  aber  sie  sind  wenig 
zahlreich  und  manches,  was  man  als  Widerspruch  bezeichnet  hat,  ist  es  keines- 
wegs. So  besteht  in  der  That  keine  Differenz  in  Betreff'  der  Anekdote  über  Neros 
Besuch  bei  Poppaea  (S.  323  A.  5  [251  A.  2]);  und  ebenso  irrt  H.  Peter  (S.  38),  wenn 
er  in  der  von  Plutarch  (Galb.  3)  behaupteten  Verwandtschaft  Galbas  mit  der 
Livia  einen  Widerspruch  findet  mit  Suetons  Worten  (G.  2):  nullo  gradu  contingens 
Caesarum  domum  —  Affinität  ist  nicht  Cognation.  Die  wirklich  vorhandenen 
Widersprüche  sind  meistens  der  Art,  dass  sie  durch  Gedächtnissfehler  erklärt 
werden  können,  zum  Beispiel  wenn  der  Chaldäer,  den  Plutarch  (G.  23)  und 
Tacitus  (1,  22)  Ptolemaeos  nennen ,  bei  Sueton  (0.  4.  6)  Seleukos  heisst.  Auf- 
fallender ist  die  Differenz  über  den  durch  den  Waffen transport  veranlassten 
Soldatenaufstand ,  wobei  Plutarch  (Oth.  3)  und  Tacitus  (1,  80),  unter  sich  über- 
einstimmend, sich  von  Suetons  (0.  8)  Erzählung  wesentlich  entfernen.  Aber  der 
ganze  Vorgang  ist  höchst  räthselhaft;  und  ich  wage  nicht  zu  behaupten,  dass 
die  uns  vorliegenden  Versionen  mit  Nothwendigkeit  auf  zwei  verschiedene 
Urberichte  führen. 


XXXI. 

Das  Verhältiiiss  des  Tacitus  zu  den  Acten  des  Senats.*) 

Die  Fixirung  der  Thatsachen,  welche  das  einzelne  Gemeinwesen  1146 
betreffen  und  bewegen,  das  heisst  die  Geschichtschreibung  knüpft 
da,  wo  das  Gemeinwesen  durch  eine  ständige  Körperschaft  repräsentirt 
wird,  mit  einer  gewissen  Xothwendigkeit  an  die  Aufzeichnungen  der 
Beschlüsse  und  Verhandlungen  derselben  an.  Wie  jeder  englische 
Historiker  seiner  Erzähluug  Jahr  für  Jahr  den  betreffenden  Jahrgang 
der  Parlamentsbeschlüsse  zu  Grunde  legt,  so  ist  auch  im  Alterthum 
nicht  die  griechische,  aber  wohl  die  römische  Geschichtschreibung 
aus  den  Senatsprotokollen  erwachsen.  Es  ist  dies  den  Kennern  des 
Livius  und  Tacitus  bekannt;  aber  wenn  damit  auch  keinem  etwas 
Xeues  gesagt  wird,  so  hat  man  sich  die  Ausdehnung,  in  welcher  die 
Annalistik  sowohl  der  republikanischen  wie  noch  mehr  der  Kaiserzeit 
von  den  Senatsprotokollen  abhängt  und  beherrscht  wird,  schwerlich 


*)  [Nach  Mommsens  Tode  von  Hirschfeld  in  den  Sitzungsberichten  der  Berl. 
Akad.  1904  S.  1146-1155  veröffentlicht  mit  folgenden  Begleitworten:  ,Momnisen 
las  am  24.  Juli  1884  in  der  Sitzung  der  philosophisch -historischen  Classe  über 
das  obige  Thema,  vgl.  Sitzungsber.  1884  S.  853.  Das  Manuscript  dieser  offenbar 
damals  bereits  niedergeschriebenen,  aber  nicht  veröffentlichten  Untersuchung  hat 
sich  nebst  zahlreichen  unverarbeiteten  Notizenzetteln  mit  Auszögen  aus  den 
ersten  drei  Büchern  der  Annalen  des  Tacitus  in  seinem  Nachlass  vorgefunden. 
Mommsen  hatte,  wie  ich  aus  mündlicher  Mittheilung  weiss,  die  feste  Absicht, 
diese  Untersuchung  weiterzuführen;  an  der  Ausfuhrung  ist  er  durch  den  Tod 
verhindert  worden.  Die  Schlussbemerkungen  sind  offenbar  nur  vorläufige,  zu 
späterer  Ergänzung  bestimmt«  Hinweise.  Einige  fehlende  Citate  habe  ich  aus- 
gefüllt; die  Citate  aus  Mommsens  Staatsrecht  waren  der  zweiten  Auflage  ent- 
nommen ;  ich  habe  die  Seitenzahlen  der  1887  erschienenen  dritten  in  eckigen 
Klammem  hinzugefügt.  Über  die  Protokollierung  der  Senatsverhandlungen  hat 
Mommsen  später  eingehend  im  Staatsrecht  III,  2  (erschienen  1888)  S.  1015  ff. 
gehandelt."  Vgl.  A.  Stein,  Die  Protokolle  des  römischen  Senats  u.  ihre  Bedeutung 
als  Geschichtsquelle  für  Tacitus,  S.-A.  aus  dem  43.  Jahresber.  der  ersten  deutschen 
Staatsrealschule  in  Prag,  Prag  1904.] 


254  ^^^  Verhältniss  des  Tacitus  zu  den  Acten  des  Senats. 

in  genügendem   Umfang  zum  Bewusstsein  gebracht.      Es    soll  hier 
versucht  werden,  an  dem  Schriftsteller,  welcher  für  uns  die  Geschicht- 
147  Schreibung    hauptsächlich   repräsentirt ,    an    Tacitus,   dies  Verfahren 
anschaulich  zu  machen. 

JS^ach  altem  Herkommen,  welches  nachweislich  schon  in  der 
Zeit  der  Zerstörung  Korinths  und  Karthagos  bestand  und  vermuthlich 
weit  älter  ist,  gehört  es  zu  den  Amtsgeschäften  insbesondere  der 
städtischen  Quästoren,  die  Senatsbeschlüsse,  die  seit  alter  Zeit  nieder- 
geschrieben zu  werden  pflegten,  nicht  bloss  aufzubewahren^,  sondern 
auch  Jahr  für  Jahr  in  Buchform  zusammenzufassen  2.  Dass  die 
officiellen  Aufzeichnungen  späterhin  auf  die  gestellten  Anträge  er- 
streckt wurden,  ist  ebenfalls  bezeugt^;  nicht  minder,  dass  die  Dank- 
reden, welche  die  Consuln  bei  Übernahme  des  Amtes  an  den  Kaiser 
zu  richten  pflegten,  denselben  einverleibt  wurden*.  Dagegen  sind 
die  eigentlichen  Debatten  wohl  nie  zu  regelmässiger  Aufzeichnung 
gelangte     Die  schriftlich  von  dem  Kaiser  an  den  Senat  gerichteten 


1)  Staatsrecht  2^  480.  532  [=  2',  489  fg.  546]. 

2)  Cicero  ad  Att.  13,  33,  3:  ...  reperiet  ex  eo  libro,  in  quo  sunt  senatus 
consulta  Cn.  Cornelio  L.  [Mummiö]  cos.  (J.  608).  Josephus  ant.  14,  10,  10: 
Aöyfia  ovynXritov  ex  xov  ra/iisiov  dvtiysyQafiiusvoy  ix  x<öv  dsktcov  rcäv  drjfiooicov  rcöv 
rafiisvrixcöv  Koivtco  'PovrMq>  .  .  .  KoQvrjXia»  xafiiaig  xaxa  Jiöhv  MXxco  ÖEVtsQq  xal 
ex  rcöv  jiQcoTcov  jtQwri],  Vgl.  den  Senatsbeschluss  betreffend  Aphrodisias  Lebas- 
Waddington  n.  1627. 

3)  Dies  zeigt  am  bestimmtesten  der  Senatsbeschluss  vom  Jahre  138  (C.VIII, 
270  [=  11451])  descriptum  et  reeognitum  ex  libro  sententiarum  in  senatu  dic[ta]rum 
K[ani,  vgl.  Bormann  Oesterr.  Jahreshefte  3  S.  13]  luni  Nigri  C.  Pomponi  (hmerini 
co(n)s(ulum),  wo  wohl  nur  der  Kürze  halber  nach  dictarum  vreggelassen  ist:  et 
consultorum  a  senatu  facto^-um.    Vgl.  Eph.  epigr.  2  p.  282. 

4)  Fronto  ad  M.  Caesarem  2,  1  p.  26  Naber:  hunc  (den  Pius)  .  .  ita  laudo, 
ut  laudatio  mea  non  in  actis  senatus  abstrusa  lateat.  Bekanntlich  wurden  die 
Acta  des  Senats  dem  Kaiser  vorgelegt,  und  es  war  dies  wohl  die  übliche  Form, 
die  Dankreden  zu  seiner  Kenntniss  zu  bringen. 

5)  Die  prozessualische  Verhandlung,  über  die  Plinius  ep.  7,  33  berichtet, 
und  in  der  eine  von  ihm  als  einem  der  dabei  plaidirenden  Advocaten  gefallene 
Äusserung  sogleich  notirt  wird  (qiiae  vox  et  statim  exeepta  et  postea  tnulto  sermone 
celebrata  est),  wird  zwar  nicht  vor  dem  Senat  geführt,  sondern  gehört  in  ein 
nach,  erfolgter  Verurtheilung  durch  den  Senat  (senatus  cognitione  finita)  vor  den 
Consuln  stattfindendes  iudicium  secutorium  (vgl.  St.  R.  2,  114  Anm.  9  [=  23,  122 
Anm,  4]);  sie  kam  als  sensationell  in  das  öffentliche  Journal  (cum  sit  in  adis 
publicis),  und  wer  sich  die  Äusserung  des  Plinius  notirte,  that  dies  wohl  zum 
Zweck  dieser  Publication.  —  Auch  das  bekannte,  dem  theodosischen  Codex  vor- 
gesetzte Protokoll  über  die  im  Jahre  438  wegen  dessen  Einführung  abgehaltene 
Senatsverhandlung  ist  nicht  eigentlich  eine  Aufzeichnung  der  gehaltenen  Reden 
(vgl.  zu  Anfang:  proceres  amplissimusque  o)-do  senatus  dum  convenissent  habuissent- 


Das  Verhältniss  des  Tacitus  zu  den  Acten  des  Senats.  255 

Mittheilungen,  die  sogenannten  orationes,  sind  ohne  Zweifel  diesen 
Protokollen  einverleibt  worden  und  wahrscheinlich  auch  alle  Schreiben, 
die  an  den  Senat,  oder  vielmehr  nach  römischer  Sitte  an  die  zum 
Vorsitz  im  Senat  berechtigten  Beamten  und  den  Senat,  gerichtet 
oder  in  gleicher  Weise  von  diesen  Beamten  und  dem  Senat  erlassen^,  1148 
oder  welche  dem  Senat  auf  kaiserlichen  Befehl  oder  sonst  in  officieller 
"Weise  mitgetheilt  wurden.  Diese  Aufzeichnungen,  die,  insofern  sie 
über  die  Verzeichnung  der  Beschlüsse  hinausgriffen,  auch  als  acta 
scnatus  oder  commentarii  senatus  bezeichnet  werden^,  wurden  im 
Allgemeinen  nicht  veröffentlicht,  wenngleich  der  Senat  nicht  selten 
beschloss  einzelne  derselben  durch  das  Reichsblatt,  die  acta  urbis^ 
dem  Publicum    zur  Kenntniss    zu   bringen';    aber    es  wurden   nicht 


qtie  inter  se  aliquamdiu  tractcUum),  sondern  enthält  nur  die  Anträge  der  Beamten, 
Acclamationen  (vgl.  S.  1148  A.  3  [unten  A.  3])  und  die  Abstimmungen. 

1)  Man  wird  wohl  nicht  irren,  wenn  man  sich  das  römische  Protokollbuch 
vorstellt  nach  dem  Muster  des  caeritischen,  wovon  uns  ein  amtlich  am  13.  Juni  114 
genonunener  und  beglaubigter  Auszug  erhalten  ist  (Orell.  3787  [=  C.  I.  L.  XI, 
3614,  Dessau  5918^]).  Zunächst  wird  der  Titel  des  Buches  referirt;  er  giebt  zuerst 
das  Datum  (13.  April  113),  ohne  Zweifel  denjenigen  Tag.  an  welchem  der  Band  an- 
gefangen wurde ;  es  folgt  die  Angabe  der  damals  versitzenden  beiden  Beamten  der 
Stadt  im  Ablativ  und  der  eigentliche  Buchtitel:  commentarium  cottidianum  municipi 
Ckieritum.  Das  erste  Protokoll  wird  eingeleitet  mit  inde  (d.  h.  vom  Titelblatt 
an)  pagina  XXVII  Jcapite  VI,  worauf  ein  Beschluss  der  Decurionen  folgt  (ohne 
Datum,  wohl  weil  dieses  zu  Anfang  der  Sitzung  stand  und  somit  beim  Ab- 
schreiben wegblieb).  Es  folgt  inde  pagina  altera  capite  primo  das  in  der  er- 
wähnten Senatssitzung  vom  Rath  beschlossene  Schreiben  an  den  Curator  der 
Stadt,  ausgefertigt  von  magistratns  et  deeuriones  am  13.  August.  Weiter  inde 
pagina  VIII  kapite  primo  die  Antwort  des  Curators  an  dieselben  vom  12.  Sep- 
tember. 

2)  Der  Annahme  Hübners  (de  senatus  populique  Romanis  actis  p.  5.  12),  dass 
diese  beiden  Ausdrücke  Verschiedenes  bezeichnen,  kann  ich  nicht  beistimmen, 
überhaupt  nicht  einräumen,  dass  es  mehr  als  eine  Kategorie  derartiger  Auf- 
zeichnungen gegeben  hat.  Wenn  Cicero  von  dem  Bande  spricht,  der  die  Senats- 
beschlüsse des  Jahres  608  enthält,  dagegen  Caesar  die  acta  senattts  publiciren 
Hess,  Augustus  aber  dies  untersagte  (Sueton  Caes.  20.  Aug.  36),  überhaupt  in  der 
Kaiserzeit  nur  die  acta  senatus  oder  die  commentarii  senatus  (Tacitus  15,  74)  oder 
der  liber  sententiarum  in  senatu  dictarum  (oben  S.  1147  Anm.  3  [254  A.  3])  erwähnt 
werden,  so  weist  dies  wohl  darauf  hin,  dass  diese  Aufzeichnungen  sich  anfangs 
auf  die  Beschlösse  beschränkten  und  nachher  sich  erweiterten;  aber  auf  zweierlei 
officielle  Aufzeichnungen  senatorischer  Actenstücke  führt  keine  Spur. 

3)  Aus  Plinius  paneg.  75  erhellt,  dass  der  Senat  die  Veröffentlichung  (in 
acta  publica  mittere)  der  an  ihn  gerichteten  kaiserlichen  Botschaften  (orationes) 
zu  beschliessen  pflegte  (Beispiele  Plinius  ep.  5,  13,  8;  vita  Alex.  6),  unter  Traian 
aber  ausnahmsweise  auch  die  Acclamationen  zu  veröflfentlichen  beschloss,  mit 
welchen  die  einzelnen  Senatoren  den  Vortrag  des  Kaisers  über  die  vorzunehmen- 


256  Das  Verhältniss  des  Tacitus  zu  den  Acten  des  Senats. 

bloss  jedem  Betheiligten  die  erforderlichen  beglaubigten  Abschriften 
gewährt^,  sondern  die  Einsicht  der  Protokolle  selbst  stand  wahr- 
scheinlich, wo  nicht  etwa  besondere  Restrictionen  getroffen  waren, 
wenigstens  jedem  Senatsmitglied  von  Rechtswegen  frei  oder  war 
doch  ohne  Schwierigkeit  zu  erwirken 2. 

Dass  diese  Aufzeichnungen  für  den  Greschichtschreiber  ein  un- 
schätzbares Fundament  darboten,  leuchtet  ein;  was  den  römischen 
Senat  und  das  kaiserliche  Haus  in  Freude  oder  Leid  bewegte,  ging 
regelmässig  in  der  einen  oder  der  anderen  Weise  durch  den  Reichs- 
senat. Andrerseits  liegt  es  ebenso  auf  der  Hand,  wie  wenig  diese 
Aufzeichnungen  allein  für  die  umfassende  und  pragmatische  Dar- 
stellung der  geschichtlichen  Yorgänge  genügten.  Dennoch  haben 
sie  im  Wesentlichen  ausgereicht;  und  wenn  wir  Späteren  uns  der 
Thatsache  gegenüber  finden,  dass  die  Geschichtschreibung  der  Kaiser- 
zeit ohne  Ausnahme  flach  und  äusserlich  ist  und  das  innere  Leben, 
wie  es  zum  Beispiel  in  dem  appianischen  Auszug  aus  Pollio's 
Geschichte  der  Bürgerkriege  pulsirt,  in  den  folgenden  drei  Jahr- 
hunderten auch  nicht  einen  einzigen  Abschnitt  beseelt,  so  ist  der 
letzte  Grund  davon  ohne  Zweifel  darin  zu  finden,  dass  die  Geschicht- 
schreiber dieser  Epoche  im  Grossen  und  Ganzen  genommen  sich  be- 
gnügt haben,  den  dürren  Abriss  der  Yerhandlungen  des  Reichssenats 
zu  redigiren  und  zu  staffiren.  Es  entspricht  den  geistigen  Zuständen 
dieser  hochgebildeten,  aber  matten  und  freier  individueller  Entwicke- 
lung  schlechthin  ungünstigen  Epoche,  dass  die  Schriftsteller  insgemein 
sich  diesem  Herkommen  fügten. 
1149  Dies  äussert  sich  zunächst  in  dem  Festhalten  der  annalistischen 

Form.     Der  Über  annalis  ist  allerdings  nicht  aus  dem  Jahrbuch  der 
Senatsbeschlüsse    erwachsen,   wohl    aber   durch    dessen  Einfluss    für; 
alle  eingehenderen  Geschichtsdarstellungen  die  ausschliesslich  gültige 
Form  geblieben.     Dass  man  deren  Unzulänglichkeit  fühlte,  zeigt  di( 
in  Tacitus'  Kriegsdarstellungen  nicht  selten   begegnende  Zusammen- 


den  Wahlen  begleiteten  oder  erwiderten.  Dies  scheint  dann  stehend  gewordei 
zu  sein,  wie  ausser  den  Kaiserbiographien  namentlich  das  Senatsprotdikoll  von 
Jahre  438  (S.  1147  Anm.  5  [254  A.  5])  zeigt.  Vielleicht  darf  man  auch  diese  all 
Abstimmung  der  Einzelnen  in  adulatorischer  Form  betrachten;  beachtenswerth  ist^ 
dass  nicht  selten  auch  praktische  Vorschläge  in  dieser  Weise  gemacht  wurden 
(zum  Beispiel  in  jenem  Protokoll :  Codices  conscripti  ad  provincias  dirigantur). 

1)  Das  zeigt  namentlich  das  S.  1147  Anm.  3  [254  A.  3]  angeführte  Actenstück, 

2)  Dass  die  acta  senatus  in  den  öffentlichen  Bibliotheken  Roms  sich  be 
fanden,  kann  aus  der  vita  Probi  c.  2  nicht  gefolgert  werden  und  ist  nicht  wahr 
scheinlich. 


Das  Verhältniss  des  Tacitus  zu  den  Acten  des  Senats.  257 

fassung  mehrerer  Campagnen  zu  einer  fortlaufenden  Erzählung,  und 
zeigt  noch  deutlicher  die  seit  dem  Anfang  des  2.  Jahrhunderts  um 
sich  greifende  Umwandelung  der  Geschichtserzählung  in  Lebens- 
beschreibungen der  Regenten,  welcher  wir  namentlich  die  chrono- 
logische Verwirrung  der  Kaisergeschichte  von  Traian  abwärts  ver- 
danken. 

Es  äussert  sich  dies  aber  auch  in  dem  Kreise,  welcher  mit 
dieser  Schriftstellerei  sich  beschäftigt.  Tacitus  spricht  einmal^  von 
den  »Historikern  und  Senatoren  der  Epoche«,  als  ob  nur  der  die 
Geschichte  der  Zeit  schreiben  könne,  der  auch  im  Reichsrath  sitze; 
in  der  That  gilt  dies  wohl  von  allen  Annalisten  der  Kaiserzeit,  und 
es  hat  seinen  guten  Grund.  Mcht  als  ob  die  Benutzung  der  Senats- 
acten  einem  Mchtsenator  immöglich  gewesen  wäre;  aber  allerdings 
konnte  nur,  wer  an  den  Sitzungen  theilgenommen  hatte,  dieses  Werk 
einigermaassen  mit  Fleisch  und  Blut  ausstatten  und  berichten,  nicht  1150 
bloss  was  der  Senat  beschloss,  sondern  auch  was  die  Gemüther  der 
Senatoren  dabei  erregte.  Zeitgenossen  und  Reichsrathsmitglieder 
sind  es  gewesen,  welche  an  der  Hand  der  ReichsrathsprotokoUe  die 
Geschichte  der  Kaiserzeit  zuerst  schriftstellerisch  fixirt  haben.  — 
Wenn  ich  demnach  die  geschichtlichen  Schriften  des  Tacitus  bezeichne 
als  geflossen  aus  den  Senatsacten,  so  ist  dies  nicht  in  dem  Sinne 
gemeint,  als  ob  für  die  davon  uns  erhaltenen  Theile  er  dieselben 
unmittelbar  zu  Grunde  gelegt  habe.  Für  die  in  den  verlorenen 
Büchern  der  Historien  enthaltene  Geschichte  des  flavischen  Hauses, 
unter  dessen  erstem  Regenten  Tacitus  in  den  Senat  eintrat,  wird 
dies  wenigstens  grossentheils  der  Fall  gewesen  sein,  aber  für  die 
Epoche  der  juHsch-claudischen  Dynastie  hat  er  die  Senatsprotokolle 
wenn  überhaupt,  gewiss  nur  beiläufig  eingesehen 2. 

1)  Ann.  2,  88:  reperio  apud  scriptores  senatoresqu^  eorundem  temporum.  Die 
Viirsuche  an  der  Lesung  zu  rütteln,  sind  jetzt  wohl  allgemein  als  verfehlt 
anerkannt. 

2)  Die  Notiz  am  Schluss  des  15.  Buches,  die  einzige,  in  welcher  Tacitus 
sich  geradezu  auf  die  Senatsprotokolle  beruft:  reperio  in  commentariis  seiiatus 
Ctrialem  Animim  consnhtn  desiffnatum  pro  sententia  dixisse  scheint  allerdings 
daraus  direct  genommen,  sieht  aber  auch  aus  wie  eine  nachgetragene  Notiz. 
Elenso  kann  man  auffassen,  wenn  Tacitus  6,  7  der  Aufführung  einiger  unter- 
geordneter Criminalprozesse  vor  dem  Senat,  welche  unzweifelhaft  aus  dessen 
Acten  stammt,  die  Bemerkung  beifügt,  dass  die  meisten  Historiker  einen  grossen 

ij  Tleil  dieser  Prozesse  unterdrückt  hätten  (neque  mm  ignartis  a  plerisque  scrip- 
ij  toribus  omissa  multorum  pericula  et  poenas,  dum  eopia  fatiscunt)  und  er  vieles 
1 1  80118t  nicht  Berichtete  beibringe  (tiobis  pleraque  digna  cognitu  obvenere  quamquam 
h  ab  cdiis  incelebrata),  womit  er  wohl  nur  sagen  will,  dass  die  ohne  Zweifel  damals 


II 


MOmiSEB,   SCHR.  VII. 


17 


258  D3,s  Verhältniss  des  Tacitus  zu  den  Acten  des  Senats. 

Vor  allen  Dingen  aber  wird  sowohl  die  Reihenfolge  der  er- 
zählten Ereignisse  wie  deren  Auswahl  durch  die  Beschaffenheit  der 
Hauptquelle  bedingt,  beides  sehr  zum  Schaden  der  historischen 
Oekonomie  und  der  innerlichen  Vollständigkeit  der  Erzählung. 

In  wie  weit  die  Reihenfolge  der  Erzählung  der  Chronologie 
nicht  der  Vorgänge  selbst,  sondern  der  durch  sie  veranlassten  Senats- 
verhandlungen sich  anschliesst,  wird  durch  die  am  Schluss  auf- 
gestellten Tabellen*)  besser  als  durch  weitläuftige  Darlegung  vor 
Augen  geführt,  während  andrerseits  die  nothwendige  Beschränkung 
dieses  Satzes  durch  Zusammenfassung  des  Gleichartigen  sich  daraus 
ebenfalls  ergiebt.  Nur  beispielsweise  soll  hier  die  Folge  in  den 
Berichten  für  das  Jahr  22  im  3.  Buch  der  Annalen  und  für  das 
Jahr  70  in  dem  4.  der  Historien  erörtert  werden.  In  jenem  werden 
berichtet  die  bei  Eintritt  der  neuen  Aedilen,  also  zu  Anfang  des 
Jahres,  getroffenen  Maassregeln  gegen  den  Luxus  (c.  52  —  55);  der 
1151  Antrag  auf  Ertheilung  der  tribunicischen  Gewalt  an  Drusus  (c.  56.  57), 
welcher,  da  dieser  sie  im  Juni  antrat,  wohl  einige  Monate  früher 
gestellt  ward;  die  Verhandlung  über  die  Besetzung  der  senatorischen 
Consularprovinzen  und  die  daran  sich  knüpfende  Controverse  über 
die  Qualification  des  flamen  Dialis  (c.  58.  59),  welche,  da  der  Amts- 
wechsel am  1.  Juli  eintrat,  auch  im  Frühjahr  erfolgt  sein  wird;  die 
Verhandlung  über  das  Asylrecht  einer  Anzahl  Tempel  in  den 
senatorischen  Provinzen  (c.  60  —  63);  die  Supplicationen  für  die  Ge- 
nesung der  Kaiserin -Mutter,  nicht  lange  nach  der  am  23.  April 
erfolgten  Dedication  der  Statue  des  Augustus  (c.  64) ;  die  Senats- 
prozesse des  C.  Silanus  (c,  65 — 69)  und  des  Caesius  Cordus  (c.  70), 
dessen  Anklagung  im  Vorjahr  c.  38  erzählt  ist;  die  durch  die  Dedi- 
cation an  die  unfindbare  Fortuna  equestris  hervorgerufene  Debatte 
(c.  71),  anknüpfend  an  die  früher  erwähnte  Erkrankung  der  Li  via; 
die  Entscheidung  in  der  c.  59  dargelegten  Controverse  über  die 
Qualification  des  flamen  Dialis  (c.  71);  die  Verhandlungen  über  die 
Wiederherstellung  der  aemilischen  Basilica  und  des  pompeischen 
Theaters  (c.  72);  die  Ertheilung  der  Triumphalornamente  an  den 
Statthalter  von  Africa  Junius  Blaesus  und  bei  dieser  Gelegenheit 
über  den  Kries:  mit  Tacfarinas,  ohne  Zweifel  am  Jahresschluss  nach 


zahlreicli  vorhandenen  Darstellungen  der  Kaisergeschichte  der  Mehrzahl  nach 
sich  kürzer  fassten  als  Tacitus,  der  allerdings  nach  gewisser  Seite  hin,  nament- 
lich in  Betreff  der  politischen  Prozesse,  offenbar  nach  sachlicher  Vollständigkeit 
gestrebt  hat. 

*)  [Diese   in  Aussicht  genommenen  Tabellen  hat  Mommsen  offenbar  nicht 
ausgeführt.     Anmerkung  Hirschfelds.] 


Das  Verhältniss  des  Tacitus  zu  den  Acten  des  Senate.  259 

dem  Ende  des  Feldzugs  und  dem  Eingang  des  Rapports  (c.  72 — 74); 
endlich  die  Todesfälle  des  Jahres  (c.  75.  76).  Mit  Ausnahme  dieses 
letzten  Berichts  ist  nicht  bloss  keine  einzige  unter  all  diesen  That- 
sachen,  welche  nicht  erweislich  im  Senat  verhandelt  worden  wäre 
und  von  diesem  Gesichtspunkt  aus  zur  Darstellung  kommt,  sondern 
die  Folge  ist  auch  deutlich  die  chronologische  der  Senatsbeschlüsse, 
80  dass,  wo  Anklage  und  Prozess  in  zwei  Jahrgänge  fallen,  auch 
hier  darüber  an  zwei  Stellen  gehandelt  wird,  ja  sogar  von  einer 
staatsrechtlichen  Controverse  zuerst  das  Aufwerfen,  dann  die  Ent- 
scheidung berichtet,  endlich  die  Kriegserzählung  nicht  nach  der  Zeit 
der  Action,  sondern  nach  der  des  Rapports  eingestellt  wird.  Aller- 
dings ist  dies  Jahr  durch  keine  hervorragenden  Ereignisse  bezeichnet, 
und  wo  dies  der  Fall  ist,  erscheint  das  Material  mehr  verarbeitet; 
dennoch  ist  dieser  annalis  ein  schlagendes  Beispiel,  wüe  roh  imd 
servil  die  römischen  Annalenschreiber  den  Stoff  wiedergeben  und 
wie  sehr  sie  unter  dem  Einfluss  des  senatorischen  Protokollbuchs 
stehen.  —  Der  sehr  ausführliche  Bericht  über  die  Vorgänge  des 
Jahres  70  setzt  ein  mit  einer  den  Senatsverhandlungen  entnommenen 
kurzen  Notiz  über  das  Ausbleiben  der  Kornzufuhr  aus  Africa  und 
den  befürchteten  Abfall  des  Statthalters  Piso  (4,  38).  Dann  aber 
folgt  ein  sehr  ausführlicher  Bericht  über  die  erste  Senatssitzung 
dieses  Jahres  am  1 .  Januar  und  die  zahlreichen  darin  verhandelten 
Gegenstände  (c.  39 — 43),  wobei  der  Prozess  gegen  Geier  Fortsetzung 
des  vorjährigen  Berichts  (4,  10)  ist;  und  unmittelbar  daran  schliesst  1152 
sich  ein  gleichartiger  über  die  nächstfolgende  Sitzung  (proximo 
senatu:  c.  44 — 47^.  Die  folgende  Erzählung  geht  andere  Wege:  die 
Bewegung  in  Africa  und  Piso's  Katastrophe  (c.  4S — 50);  die  Anord- 
nungen Yespasians  in  Alexandrien,  darunter  die  betreffend  den  Neubau 
des  capitolinischen  Tempels,  woran  die  Feier  der  Grundsteinlegung 
sich  (21.  Juni)  anschliesst  (c.  51 — 53);  die  Kriegsereignisse  am  Rhein 
(c.  54  —  79) ;  Mucians  letzte  Yornahmen  in  Rom  vor  seinem  Abgang 
nach  Gallien  (c.  80)  und  weitere  Yespasians  in  Alexandrien  (c.  81 — 
84);  endlich  Mucians  und  Domitians  Auftreten  in  Gallien  (c.  85.  86) 
sind  nicht  den  Senatsacten  entnommen  und  ebenso  wenig  was  von 
der  Fortsetzung  des  Jahresberichts  im  5.  Buch  sich  erhalten  hat, 
die  Einleitung  der  Belagerung  von  Jerusalem  durch  Titus  (c.  1 — 13) 
und  die  Fortsetzung  des  Berichts  über  den  Krieg  am  Rhein  (c.  14  fg.). 
In  diesem  Jahresbericht  also  zeigt  sich  wohl  auch  die  Benutzung 
der  Senatsacten  und  auch  die  gleichartige  Abhängigkeit  von  der 
Reihenfolge  der  Yorlage,  aber  daneben  werden  die  grossen  geschicht- 
hchen  Ereignisse  nach  anderweitigem  Material  erzählt. 

17* 


260  Das  Verhältniss  des  Tacitus  zu  den  Acten  des  Senats. 

Wie  die  Folge,  so  ist  auch  die  Auswahl  der  berichteten  That- 
sachen  wesentlich  bedingt  durch  den  Einfluss  der  Senatsacten.  Es 
wird  angemessen  sein  dies  für  einige  der  wichtigeren  Kategorien  im 
Einzelnen  auszuführen. 

Es  gab  zwei  höchste  Gerichtsstellen  in  Rom  mit  gleicher  Com- 
petenz:  das  Senatsgericht  und  das  Gericht  des  Princeps.*)  Die 
Beamten-  und  die  politischen  Prozesse  konnten  vor  beide  gebracht 
werden;  regelmässig  wurden  die  wegen  der  Verwaltung  der  sena- 
torischen Provinzen  erhobenen  Klagen  an  den  Senat  gebracht, 
dagegen  die  Verwalter  der  kaiserlichen  Provinzen  und  durchaus  die 
Offiziere  und  die  Finanz-  und  Hausbeamten  bei  dem  Kaiser  zur 
Rechenschaft  gezogen.  Ein  lebendiges  Bild  von  diesem  Verfahren 
giebt  die  Schilderung  des  jüngeren  Plinius^  von  seiner  Betheiligung 
an  einer  Anzahl  von  Prozessen,  welche  Traian  während  einer  Villeg- 
giatur  bei  Centumcellae  erledigte.  Wenn  auch  eingeräumt  werden 
muss,  dass  die  Prozesse  gegen  Senatoren  der  Mehrzahl  nach  vor 
den  Senat  gekommen  sind,  so  ist  dennoch  die  Thätigkeit  des  kaiser- 
lichen Criminalgerichts  im  Guten  wie  im  Schlimmen  eine  intensive 
gewesen  und  kann  in  ihrer  allgemeinen  Bedeutung  dem  concurrirenden 
Gericht  des  Senats  nicht  viel  nachgestanden  haben  2.  Nun  aber  sind 
1153  in  den  Annalen  des  Tacitus,  während  Criminalprozesse  vor  dem 
Senat  viele  Blätter  derselben  füllen,  Prozesse  vor  dem  Kaiser  kaum 
zu  finden.  Das  Verfahren  gegen  Valerius  Asiaticus  und  die  Poppaea 
Sabina  im  Jahre  47  (13,  1 — 4)  ist  insofern  keine  Ausnahme,  alsi 
dasselbe  schliesslich  vor  dem  Senat  zu  Ende  geführt  ward;  und 
ebenso  wenig  kann  das  Strafgericht  über  L.  Piso  und  seine  Genossea 
im  Jahre  65  als  Ausnahme  betrachtet  werden,  da  Nero  nach  dessen! 
Beendigung  eine  Botschaft  an  den  Senat  richtete  und  dieser  die 
Prozessacten  beilegte  ^.  In  einigen  anderen  Prozessen  ist  es  zweifel- 
haft,   vor    welchem    Gerichte    sie    verhandelt  worden   sind*.      Abei 


*)  [Vgl.  darüber  Mommsen:  Römisches  Strafrecht  S.  251  ff.  Anm.  Hirschfelds. 

1)  Ep.  6,  31.    Vgl.  Staatsrecht  2^,  921  [=  2^  960]. 

2)  Wenn  von  Vespasian  gefordert  wird,  ut  commentariorum  prineipaliun 
potestatetn  senatui  faceret,  per  quos  nosceret,  quem  quisque  accusandum  poposeissa 
(Tacitus  hist.  4,  40),  so  kann  dabei  nur  an  das  Kaisergericht  gedacht  sein;  denr 
die  Postulation  im  Senatsgericht  erfolgte  bei  den  Consuln. 

3)  Tacitus  15,  73 :  Nero  vocato  senatu  oratione  inter  patres  liabita  edictun 
apud  populum  et  eollata  in  libros  indicia  confessionesque  damnatorutn  admnxit. 

4)  Dass  P.  Celer  wegen  Erpressungen  in  Asien  vor  dem  Kaiser  angeklagt 
wurde,  ist  sowohl  nach  der  Ausdrucksweise  des  Tacitus  13,  33  wahrscheinlich 
als  wegen  seiner  Procuratorenstellung  (13,  1);   sicher  ist  es  nicht. 


Das  Verhältniss  des  Tacitus  zu  den  Acten  des  Senats.  261 

auch  wenn  einige  wirkliche  Ausnahmen  vorkommen  sollten,   ist   die 
Thatsache  kaum  weniger  schlagend. 

Dasselbe  gilt  von  der  Verwaltung  der  Provinzen,  Yerwaltungs- 
angelegenheiten,  die  die  kaiserHchen  Provinzen  betreffen,  werden  so 
gut  wie  gar  nicht  erwähnt^,  trotz  der  eminenten  Wichtigkeit  dieser 
Districte.  Dagegen  sind  dergleichen  aus  den  senatorischen  Provinzen, 
z.  B.  über  die  Qualification  zum  Proconsulat  (3,  58.  71),  über  das 
Asylrecht  (3,  60.  4,  14),  über  die  Aushebung  (14,  18.  16,  13)  ver- 
hältnissmässig  häufig  erwähnt. 

Die  Kriegsberichte  der  römischen  Annalen  sind  in  der  früheren 
Zeit  regelmässig  den  Berichten  entnommen,  welche  die  Feldherren 
dem  Senat  einsandten,  und  theilweise  gilt  dies  auch  für  die  Annalen 
der  Kaiserzeit,  nur  dass  in  dieser  die  Berichte  an  den  obersten 
Kriegsherrn  gehen  und  von  ihm  nach  Befinden  dem  Senat  vorgelegt 
werden.  So  ist  z.  B.  schon  hervorgehoben  worden,  dass  die  Schilde- 
iTing  des  Krieges  in  Africa  im  Jahre  22  augenscheinlich  den  wegen 
der  dem  Feldherrn  zu  ertheilenden  Belohnungen  dem  Senat  mit- 
getheilten  Berichten  des  Statthalters  entlehnt  ist.  Auch  der  Bericht 
über  die  thrakische  Expedition  des  Poppaeus  Sabinus  geht  aus  von 
der  Ertheilung  der  Triumphalinsignien  an  denselben  im  Jahre  26 
(4,  46).  Wie  weit  dies  reicht,  ist  schwer  zu  sagen;  z.  B.  was  über 
den  armenischen  Krieg  unter  Nero  berichtet  wird,  rührt  wahrschein- 
lich her  aus  den  Rapporten  des  Corbulo  und  insofern  aus  den  Senats- 
acten^.  Aber  auch  da,  wo  dies  im  Allgemeinen  nicht  angenommen  1154 
werden  kann  und  eigentliche  Kriegserzählungen  die  Grundlage 
unserer  Berichte  sind  —  wir  kommen  darauf  zurück  — ,  erscheinen  diese 
mehrfach  als  Einlagen  in  die  den  Senatsacten  folgende  Darstellung. 
So  gehören  die  aus  den  Senatsacten  stammenden  Angaben  (1,  55), 
mit  denen  der  Jahresbericht  anhebt:  Bruso  Caesare  C.  Norhano  con- 
stdibus  decernittir  Germanico  triumphus  manente  hello  und  1 ,  72  : 
decreta  eo  anno  triumphalia  insignia  A.  Caecinae,  L.  Apronio,  C.  Silio 
oh  res  cum  Germanico  gesias  ohne  Zweifel  zusammen;   gleich  darauf 


1)  Als  Ausnahme  kann  nur  etwa  der  Kanalbau  in  Germanien  (13,  53) 
angefahrt  werden. 

2)  Corbulo  wird  mehrfach  von  dem  älteren  Plinius  (auch  im  Antoren- 
verzeichniss  für  Buch  5  und  6)  und  ebenso  von  Tacitus  (ann.  15,  16)  als  Ge- 
währsmann für  historische  und  geographische  Thatsachen  aus  dem  armenischen 
Feldzug  angeführt;  es  müssen  sich  auch  Karten  der  neu  aufgeschlossenen 
Gegenden  dabei  befunden  haben  (Plinius  h.  n.  6,  23.  40).  Dass  dies  nicht  Memoiren 
waren,  sondern  die  in  Buchform  zusammen gefassten  Berichte,  ist  wahrscheinlich 
wegen  der  sitiis  depidi  et  inde  (aus  Armenien)  tnissi  (Plinius  a.  a.  0.). 


262  Das  Verhältniss  des  Tacitus  zu  den  Acten  des  Senats. 

kommen  der  am  1.  Januar  zu  leistende  Eid  und  die  den  neu  an- 
tretenden Beamten  zu  ertheilenden  Instructionen  zur  Sprache.  Dies 
ist  also  der  Anfang  des  chronologisch  geordneten  Auszugs  der 
Senatsacten  dieses  Jahres,  und  die  Ehrenbeschlüsse  für  Germanicus 
und  seine  Offiziere  sind  gleich  in  der  ersten  Sitzung  des  Jahres 
gefasst  worden.  Motivirt  wurden  sie  also  durch  den  Feldzug  des 
Jahres  14,  und  für  Germanicus  sagt  dies  Tacitus  auch  geradezu.  Dann 
aber  ist  der  zwischen  jenen  beiden  Notizen  c.  55 — 71  stehende  Be- 
richt über  den  germanischen  Feldzug  des  Jahres  15  eine  Einlage, 
und  zwar  eine  an  sehr  ungeschickter  Stelle  eingefügte.  Danach 
dürfte  auch  da,  wo  die  Darstellung  der  einzelnen  Expeditionen  aus- 
läuft in  den  darüber  dem  Senat  erstatteten  Bericht  und  die  von 
diesem  darauf  gefassten  Beschlüsse,  wie  unter  dem  Jahre  14  die 
des  Drusus  nach  Pannonien  (I,  52)  und  die  über  die  Einnahme  von 
Artaxata  durch  Corbulo  im  Jahre  58  (13,  41),  die  Stellung  des 
Militärberichts  durch  die  der  entsprechenden  Senatsbeschlüsse  be- 
dingt sein. 


Soweit  eine  Untersuchung  dieser  Art  überhaupt  abgeschlossen 
werden  kann,  ist  für  den  Abschluss  erforderlich,  dass  neben  dem, 
was  sicher  oder  wahrscheinlich  aus  den  Senatsacten  herrührt,  auch 
das  bezeichnet  werde,  was  aus  anderen  Quellen  herrührt  öder  her- 
zurühren scheint.  Zunächst  mögen  hier  einige  Einzelheiten  auf- 
geführt werden. 

Die  berühmte  Notiz  am  Schluss  des  2.  Buches  und  des  Jahres  19 
über  das  Anerbieten  des  Chattenfürsten,  den  Arminius  zu  vergiften 
und  über  die  späteren  Schicksale  und  das  Ende  des  deutschen 
Helden  beruft  sich  zwar  auf  ein  im  Senat  verlesenes  Schreiben  jenes 
Fürsten,  kann  aber  unmöglich  aus  den  Senatsprotokollen  geschöpft 
sein,  nicht  bloss  weil  sie  am  Schluss  des  Buches  und  der  Zeit  nach 
am  falschen  Platz  steht  —  denn  wenigstens  der  Tod  des  Arminius 
1155  fällt  nach  der  Erzählung  selbst  in  das  Jahr  21  —  und  offenbar  nach- 
getragen ist,  sondern  vor  allem,  weil  die  eigenthümliche  Berufung 
auf  die  scriptores  senaforesque  eorum  temporum  bei  einem  in  den 
Senatsacten  verzeichneten  Actenstücke  keinen  Sinn  haben  würde. 
Man  wird  nicht  fehlgehen,  wenn  man  die  Erzählung  dahin  ergänzt, 
dass  beschlossen  ward,  jenen  mehr  als  bedenklichen  Brief  von  den 
Senatsacten  fern  zu  halten  und  ein  damals  im  Senat  Anwesender  den 
Vorgang  späterhin  aus  der  Erinnerung  nachtrug.  Dies  wenigstens 
wird  Tacitus  in  seiner  Quelle  gefunden  haben.    Die  Thatsache  selbst 


Das  Verhältniss  des  Tacitus  zu  den  Acten  des  Senats.  263 

gewinnt  dadurch  an  Glaubwürdigkeit  nicht;  indess  nöthigt  anderer- 
seits nichts,  darin  eine  Fälschung  zu  erkennen. 

Dass  Tacitus.  dem  angesehenen  Sachwalter  und  dem  Yerfasser 
der  vortrefflichen  Abhandlung  über  den  Verfall  der  römischen  Be- 
redsamkeit, die  rhetorische  Litteratur  der  Epoche  geläufig  war, 
versteht  sich,  und  es  zeigeft  sich  davon  die  Spuren.  Die  Aussage 
des  P.  Egnatius  Celer  in  dem  Prozess  des  Barea  Soranus  ann.  16,32 
rührt  gewiss  her  aus  der  Anklagerede  des  C.  Musonius  Ruftis  (h.  4, 10. 
40).  Dass  die  Rede  des  Vitellius  gegen  Cn.  Piso  publicirt  ward, 
ist  bezeugt  (Plinius  h.  n.  11,  37,  187);  mit  Rücksicht  darauf  lobt 
Tacitus  (ann.  3.  13)  des  Yitellius  Redekunst,  und  sicher  rührt  daher 
ein  grosser  Theil  der  detaillirten  Schilderung  von  Pisos  Auftreten 
vor  und  nach  dem  Tode  des  Germanicus. 

Den  Bericht  über  eine  ohne  Zeugen  zwischen  Tiberius  und  der 
älteren  Agrippina  vorgefallene  Unterredung  entnahm  Tacitus  (ann. 
4,  53)  den  Memoiren,  welche  deren  gleichnamige  Tochter  über  ihre 
und  der  Ihrigen  Geschicke  aufzeichnete;  in  den  Annalen  fand  sich, 
wie  Tacitus  hinzufügt,  davon  nichts,  vielleicht  weil  sie  erst  spät  zur 
Veröffentlichung  gelangten.  Aus  derselben  Quelle  mag  noch  manche 
andere  ergreifende  Schilderung  der  Annalen  herrühren. 

Als  eine  gleich  den  Senatsacten  allgemeine,  allerdings  diesen 
weit  nachstehende  Quelle  ist  das  Reichsjoumal,  die  acta  diurna  zu 
betrachten;  wir  entnehmen  aus  dem  jüngeren  Plinius,  dass  es  die 
Aufgabe  des  Geschichtschreibers  war  dies  für  seine  DarsteUtmg 
durchzugehen  und  auszuziehen,  und  in  der  That  hat  Tacitus  oder 
sein  Gewährsmann  sie  einmal  (3,  3)  für  eine  Begräbnissfeier  einge- 
sehen. Man  wird  aber  unbedenklich  auf  diese  Quelle  die  Verzeich- 
nisse der  in  jedem  Jahr  vorgekommenen  Todesfölle  namhafter 
Personen  zurückführen  dürfen,  mit  denen  Tacitus  den  Jahresbericht 
zu  schliessen  pflegt. 


XXXII. 

Volusii  Maeciani  distributio  partium.*) 

281  L.  Volusius  Maecianus  ^  scheint  von  niedriger  Herkunft  gewesen 

zu  sein  und  keineswegs  mit  dem  bekannten  im  ersten  Jahrhundert 
der  Kaiserzeit  blühenden  Geschlecht  derYolusii  Saturnini '^  zusammen- 
zuhängen. Nach  allem  Anschein  gelangte  er  zu  Ansehen  und  Einfluss 
durch  seine  juristische  Thätigkeit,  welche  unter  Antoninus  Pius 
(138  — 161)  fällt.     Sein  Hauptwerk,    Quaestionum  de  fidei  commissis 


*)  [Abhandl.  der  K.  Sächsischen  Gesellschaft  der  Wissenschaften ,  Band  3, 
1853,  S.  279—295.  Die  Ausgabe  des  Schriftchens  selbst  ist  hier  nicht  wiederholt 
worden,  da  es  inzwischen  öfters  (zuletzt  in  lurisprud.  Anteiustiniana  ed.  Huschke, 
6.  Aufl.  von  Seckel  u.  Kubier,  1908,  S.  407  ff.)  gedruckt  wurde.  Aber  die  ein- 
leitenden Bemerkungen  über  die  Person  des  Verfassers  durften  nicht  übergangen 
werden.] 

1)  Den  Vornamen  hat  die  Vita  Marci  c.  3  und  eine  Inschrift  (S.  268  A.  1); 
Volusius  Maeciauus  heisst  er  z.  B.  in  den  Inscriptionen  unsrer  Schrift  und  der 
Schrift  Exylege  Rhodia  (1.  9  D.  de  lege  Rhodia  14,  2)  und  in  dem  ihn  erwähnen- 
den Rescript  von  Marc  Aurel  und  L.  Veras  (1.17  pr.  D.  de  iure  patr.  37,  14); 
gewöhnlich  wird  er  bloss  Maecianus  genannt  [S.  jetzt  Prosopogr.  imp.  Rom.  III 
p.  481  n.  657]. 

2)  Vgl.  über  diese  Marini  Arv.  p.  122.  292,  Borghesis  oss.  numism.  VI,  6 
und  desselben  Aufsatz  im  Giorn.  Are.  XLIX  (1831)  p.  280—301  [Borghesi  oeuvres 
I  p.  311—315,  III  p.  313—332],  wozu  die  Inschriften  des  1826  entdeckten  Colum- 
bariums  der  Volusier  in  der  Vigna  Ammendola  (am  zugänglichsten  in  Cardinalis 
diplomi  [CLL.  VI  p.  1013  n.  7281  ff.])  manchen  Nachtrag  liefern.  Nach  den 
Consuln  dieses  Namens  Lucius  u.  c.  742,  Lucius  n.  Chr.  3,  Quintus  n.  Chr.  56, 
Quintus  n.  Chr.  92  ist  wenig  mehr  von  ihnen  die  Rede;  doch  kommt  noch  unter 
Commodus  ein  Volusius  Saturnin us  (Marini  Arv.  tav.  XXXV)  vor  [das  Stück  ist 
älter;  s.  Henzen  act.  Arv.  p.  CLVI].  Die  zahlreichen  Inschriften  dieser  reichen 
Familie  zeigen  nirgends  Verwandtschaft  derselben  mit  Maecii  oder  Maeciani 
[S.  jetzt  Prosopogr.  imp.  Rom.  III  p.  482  sq.  n.  659-665].' 


Volusii  Maeciani  distributio  partium.  265 

libri  XVI ^^  ward  unter  dessen  Regierung  publiciert^;  weshalb  es 
auch  schon  in  einer  wahrscheinlich  unter  M.  Aurel  und  L.  Yerus 
geschriebenen  Schrift  des  Scaevola  citiert  wird^  und  schon  eben 
diese  Kaiser  in  einem  Rescript  den  «alten  und  wohlerworbenen 
litterarischen  Ruf»  des  Maecianus  erwähnen*.  Dazu  stimmt  denn  282 
auch,  dass  er  sich  in  seinen  Schriften  vorzugsweise  an  Julian  an- 
schliesst  5,  der  unter  Hadrian  blühte  und  sein  Leben  unter  Pius  oder 
vielleicht  noch  später  beschloss^;  dass  er  diesen  mehrmals,  ebenso 
den  Yindius  Yerus  und  den  Kaiser  Pius  selbst  als  persönlich  ihm 
bekannte  und  befreundete  Männer  bezeichnet'';  dass  er  mit  den 
beiden  genannten  und  andern  Juristen  in  Pius  Consilium  Sitz  hatte  ^ 
und  dass  er  zimi  Lehrer  der  Jurisprudenz  für  den  Caesar  M.  Aurelius 
(geboren  121,  adoptiert  und  zum  Caesar  ernannt  139)  ausersehen 
ward^,  wonach  angenommen  werden  muss,  dass  er  schon  im  Anfang 
der  Regierung  des  Pius  sich  einen  Namen  gemacht  hatte.  Wir  haben 
noch  einen,  wie  es  scheint  zwischen  143  und  146  geschriebenen, 
Brief  Marc  Aureis  an  Fronto,  worin  er  sein  eihges  Schreiben  ent- 


1)  So  citirt  die  Schrift  Ulpian  1.  72  D.  de  usufr.  7,  1;  gewöhnlich  wird  sie 
als  fideicommissoritm  libri,  einmal  (1.  86  pr.  D.  de  adqu.  her.  29,  2)  auch  als 
quaestiones  angeführt. 

2)  «Antoninus  Ätiffiistus  Pius  noster»,  heisst  es  darin  (1. 42  de  fideic.  IIb.  40, 5); 
divus  Pius  nur  in  Citaten  aus  zweiter  Hand  (1.  86  pr.  D.  de  adqu.  her.  29,  2.  L  11 
§  1  D.  de  leg.  III  32). 

3)  1.  20  D.  ad  1.  Falc.  35,  2.  [Die  Quaestiones  des  Cervidius  Scaevola  sind 
fi^hestens  unter  der  Samtregierung  des  M.  Aurelius  und  Commodus  abgefaßt 
(vgl.  Lenel,  Palingenes.  II  S.  271,  1);  Krüger,  Gesch.  d.  Quellen  u.  Literatur  d. 
Rom.  Rechts  S.  197  setzt  sie  sogar  erst  unter  Commodus.] 

4)  1.  17  pr.  D.  de  iure  patr.  37,  14 :  Volusitis  Maecianus  amicus  noster  iuris 
civilis  praeter  veterem  et  bene  fundatam  peritiam  anxie  diligens. 

5)  1.  86  de  cond.  et  dem.  85,  1.  1.  30  §  7.  1.  32  §  2  ad  1.  Falc.  35,  2.  1.  1  §  8. 
1.  16  §  3.  1.  67  (65)  §  1  ad  SC.  Trebell.  36,  1.  1.  17  pr.  de  iure  patr.  37,  14.  Wun- 
derlich de  L.  Volusio  Maeciano  (Hamb.  1749.  4.)  p.  10. 

6)  Zimmern  Rechtsgesch.  I,  336.  [S.  Mommsen  Salvius  Julianus,  Jurist 
Schriften  II  S.  6.] 

7)  noster  heisst  ihm  Julian  1.  86  de  cond.  et  dem.  35,  1.  1.  30  §  7  ad  1.  Falc. 
35,  2.  1.  67  (65)  §  1  ad  SC.  Treb.  36,  1 ;  Vindius  1.  32  §  4  ad  I.  Falc.  35,  2:  der 
Kaiser  Pius  1.  42  de  fideic.  lib.  40,  5. 

8)  Vita  Pii  c.  12.  Dass  er  in  die  Vita  Alex.  Sev.  c.  68  irrthümlich  gekommen 
ist,  ist  ausgemacht. 

9)  Sluduit  et  iuri  audiens  L.  Volusium  Maeciantim  ,  sagt  der  Biograph  des 
Kaisers  c.  3,  wo  Casaubonus  zu  vergleichen  ist  über  die  Rechtskunde,  die  Marcus 
sich  erwarb.  Auch  der  Kaiser  gedenkt  in  seiner  Selbstbiographie  I,  8  unter 
seinen  Lehrern  des  Maecianus,  wie  dort  längst  für  Marcianus  mit  Recht  her- 
gestellt ist. 


266  Volusü  Maeciaui  distributio  partium. 

schuldigt:  »quia  Maecianus  urgehat»^.  Dass  er  nach  der  Thron- 
besteigung seines  Schülers  in  dessen  Rath  verblieb  und  in  einem 
Rescript  von  M.  Aurel  und  L.  Yerus  (161 — 169)  mit  grossem  Lob 
erwähnt  und  als  «Freund»  der  Kaiser  bezeichnet  wird  2,  ist  bei  der 
bekannten  Pietät  Marc  Aureis  gegen  seine  Lehrer  begreiflich.  lieber 
283  sein  Ende  liegt  ein  Bericht  vor,  der  nicht  wenige  Schwierigkeiten 
gemacht  hat  und  den  ich  hersetze  in  der  doppelten  Recension,  die 
wir  davon  haben: 

vita  Avidii  Cassii  c.  7:  vita  M.  Aurelü  c.  25: 

Imperatorio  nomine  cum  proces-         Maecianum  etiam  filium  Cassii, 
sissef  (Cassius),  eum  qui  sibi  apta-     ciii  Alexandria  erat  commissa,  ex- 
verat  ornamenta  regia  statim  prae-     ercitus  occidit;  nam  et  praefectum 
fectum  praetorio  fecit,  qui  et  ipse     praeforio  sibi  fecerat,   qui  et  ipse 
occisus  est  Antonino  invito  ab  ex-     occisus  est. 
ercitu;  qui  et  Maecianum,  cui  erat 
commissa  Alexandria  quique  con- 
senserat   spe  participatus  Cassio, 
invito    atque   ignorante   Antonino 
interemit. 

War  der  Maecianus,  von  dem  hier  die  Rede  ist,  wirklich  der  Sohn 
des  Prätendenten  Avidius  Cassius,  was  vielfach  als  richtig  ange- 
nommen worden  ist^,  so  kann  des  Namens  wie  des  Alters  wegen 
der  Maecianus,  der  beim  Aufstand  des  Cassius  175  umkam,  nicht 
unser  Volusius  Maecianus  sein.  Allein  es  ist  einleuchtend,  dass  in 
dem  ersten  Bericht  Maecianus  keineswegs  als  Sohn  des  Cassius 
geschildert  wird,  von  dem  man  doch  unmöglich  sagen  könnte,  dass 
er  in  Hoffnung  auf  einen  Antheil  am  Siege  sich  mit  dem  Cassius 
vereinigte;  vielmehr  scheint  das  Wort  filiiim  in  der  zweiten  Bio- 
graphie Excerptoren-  oder  Abschreiberfehler,  wofür  fautorem  oder 
ein  ähnliches  Wort   zu   substituieren   ist.     Ist  dies   richtig,    so   steht 

1)  Fronto  ad  M.  Caes.  4,  2.  Die  Briefe  scheinen  einigermassen  nach  der 
Zeit  geordnet  zu  sein;  das  zweite  Buch  (s.  besonders  11,  1)  ist  143,  der  letzte 
Brief  des  vierten  Buchs  146  geschrieben.  [S.  jetzt  Mommsens  Abhandlung  „Die 
Chronologie  der  Briefe  Frontos",  Hermes  8,  1874  S.  198  ff.  =  Hist.  Schriften  I 
S.  469  ff.] 

2)  1. 17  pr.  de  iure  patr.  37,  14.  Die  Kaiser  sagen  hier,  dass  sie  eine  Rechts- 
controverse  früher  im  Sinne  des  Proculus  entschieden  hätten  und  dass  denn  auch 
Maecianus  später  mit  Rücksicht  auf  dies  Rescript  in  demselben  Sinn  respondiert 
habe;  allein  bei  nochmaliger  Erwägung  im  Staatsrath  hätten  Maecian  selbst 
und  andre  Juristen  sich  denn  doch  für  eine  Modification  im  Sinne  Julians  ent- 
schieden. 

3)  S.  Franz  im  C.  I.  G.  III  p.  313. 


Volosii  Maeciani  distributio  partium.  267 

nichts  im  Wege,  die  stets  von  den  besten  Rechtsgelehrten  ^  vertheidigte 
Meinung  festzuhalten,  dass  hier  Volusius  Maecianus  gemeint  ist;  die 
grosse  Seltenheit  des  Namens  Maecianus  und  das  vollkommene 
Zutreffen  aller  Momente  sprechen  entschieden  für  diese  Annahme. 
—  Das  Amt,  welches  Maecian  in  Aegypten  bekleidete,  hat  man 
bald  für  die  Präfectur  von  Aegypten  erklärt,  bald  für  den  Juridicat 
von  Alexandria ;  möglich  sind  beide  Annahmen  um  so  mehr,  als  auf 
die  Genauigkeit  des  Ausdrucks  bei  dem  Biographen  nicht  viel  Yerlass 
ist,  doch  ist  dies  letztere  den  Worten  weit  angemessener  und  dies 
Amt  wohl  geeignet  für  einen  damals  schon  bejahrten  und  berühmten 
Juristen.*)  Auf  jeden  Fall  aber  erhellt  hieraus,  dass  Maecianus  nicht 
in  den  Senat  eingetreten,  sondern  als  römischer  Ritter  gestorben  ist; 
dass  er  aber  in  dieser  Carriere  es  so  weit  brachte  wie  es  möglich  284 
war,  denn  der  Juridicat  gehörte  gleich  der  Präfectur  zu  den  höchsten 
dem  Ritter  zugänglichen  Würden  2.  Auch  die  Erweiterung  der 
Competenz  des  Juridicus  unter  Marc  AureP  könnte  aus  Rücksicht 
für  den  Lehrer  erfolgt  sein,  so  wie  die  Abfassung  der  Schrift  «Ex 
lege  Wiodia»  in  griechischer  Sprache,  so  viel  ich  weiss  das  älteste 
griechisch  geschriebene  Werk  eines  römischen  Juristen,  in  Inhalt  und 
Form  ungemein  passend  erscheint  für  den  römischen  Chef  des  Ge- 
richtswesens der  ersten  gi-iechischen  Handelsstadt.  —  Endlich  findet 
sich  auch  ein  inschriftliches  Zeugniss  dafür,  dass  Maecian  nur  ein 
römischer  Ritter,  aber  in  seinem  Stande  sehr  angesehen  war;  es  ist 
dies  das  Yerzeichniss  der  Kahnführer  (lenunctdarii  tahtüarii  auxiliarii) 
von  Osria  aus  dem  J.  152,  in  dem  L.  Volusius  Maecianus  in  der 
zweiten  Abtheilung  der  Patrone,   das  heisst   unter   den  nicht  sena- 

1)  Ritter  praef.  C.  Theod.  vol.  V.     Böckiog  praef.  zum  Maecian. 

*)  [Es  steht  jetzt  durch  Papyrus  Genev.  (ed.  Nicole)  n.  35,  womit  Papyrus 
Oxyrhynch.  n.  653  (III  p.  289  ed.  Greufell-Hunt)  und  Pap.  Berol.  (Aeg.  Urk.  BerL 
Mus.  II)  n.  613  zu  vergleichen  sind ,  fest ,  dass  ein  L.  Volusius  Maecianus ,  ver- 
muthlich  unser  Jurist,  Praefect  von  Aegypten  war,  aber  schon  im  J.  161;  der 
im  J.  175  umgekommene  Maecianus  hat  mit  ihm  wohl  nichts   zu  thun  gehabt-l 

2)  Man  vergleiche  die  Carriere  des  L.  Baebius  luncinus  (Grut.  373,  4  [C.  I.  L. 
X,  6976  =  Dessau  1434]),  in  aufsteigender  Reihe:  praef.  fabr.,  praef.  coh.  IUI 
Raetorum,  trih.  milit.  leg.  XXII  Deiotarianae ,  praef.  alae  Ästyrum,  praef.  vehi- 
culonim,  iuridicus  Aegypti;  und  die  des  Sex.  Cornelius  Dexter  (Joum.  des  sav. 
1837  p.658;  Clarac  musee  pl.  74  [C.  I.  L.  VIII,  8934  =  Dessau  1400]),  in  ab- 
steigender: proc(urator)  Äsiae,  iuridicus  Alexandreae,  proc.  Neaspoleos  et  mausolei, 
praef.  classis  Syr(iacae),  praef.  alae  I  Aug.  gem.  colonorum,  trih.  leg.  VIII  Aug., 
praef.  coh.  V.  Raetorum,   praef.  fabrum  III. 

3)  luridico  qui  Alexandriae  agit  datio  tutaris  constüttHone  divi  Marc*  concessa 
est  (1.  2  D.  de  off.  iurid.  1,  20\ 


2€8  Volusii  Maeciani  distributio  j)artiuin, 

285  torischen  Patronen  der  Körperschaft  an  der  Spitze  steht  ^.  —  Dass 
Maecianus,  als  die  Soldaten  der  Begnadigung,  die  er  von  einem 
Kaiser  wie  Marc  Aurel  wohl  erlangt  haben  würde,*)  vorgreifend  ihn 
niedermachten,  ein  bejahrter  Mann  gewesen  sein  muss,  geht  daraus 
hervor,  dass  er  schon  um  146  Prinzenlehrer,  ums  Jahr  152  Patron 
der  Körperschaft  von  Ostia  gewesen  ist,  also  im  J.  175  mindestens 
ein  Sechziger  gewesen  sein  wird.**) 

1)  Wir  besitzen  vier  Verzeichnisse  der  Mitglieder  dieser  Körperschaft,  welche 
übrigens  zu  verschiedenen  Zwecken  bestimmt  gewesen  zu  sein  scheinen  und 
wenigstens  nicht  alle  vollständige  Verzeichnisse  sein  sollen;  doch  ist  es  belehrend, 
sie  mit  einander  zu  vergleichen:  1)  vom  J.  140  (Grut.  126. 127  [C.  I.  L.XIV,  246]); 
2)  vom  J.  140  oder  eher  145  (Reines.  10,  2  =  Mur.  543,  4,  jetzt  im  Museum  Ves- 
covali  in  Rom  [C.  I.  L.  XIV,  247]);  3)  vom  J.  152  (Grut.  1077.  Guasco  II  p.  185. 
Orell.  4054  [C.  I.  L.  XIV,  250  =  Dessau  6174]);  4)  vom  .1.  192  (Rein.  10,  1  = 
Gud.  206  [C.  I.  L.  XIV,  251  =  Dessau  6175]).  Im  dritten  lesen  wir  unter  der 
Ueberschrift  patroni  vier  Namen,  alsdann  nach  einem  Zwischenraum  ohne  neue 
Ueberschrift  fünf  andre,  wovon  der  erste  L.  Volusius  Maecianus  (den  Irrthum 
Marcianus  berichtigten  Marini  Arv.  p.  258  n.  828  und  Guasco  a.  a.  0.  nach  dem 
Original)  ist;  darauf  folgt  als  neue  Ueberschrift  quinq.  perp.  und  ein  Name, 
alsdann  quinq.  und  wieder  ein  Name,  dann  die  plebs.  Ein  wahrscheinlich  späterer 
q.  q.  ist  am  Rande  nachgetragen.  Danach  scheint  die  Ueberschrift  patroni  über- 
haupt auf  die  ersten  zehn  Namen  bezogen  werden  zu  müssen,  wo  dann  die 
beiden  Gruppen  zu  vergleichen  sind  mit  den  beiden  Klassen  der  Patrone  im 
vierten  Katalog  patr.  senat.  und  (patr.)  equit.  Rom.  Hieraus  erhellt  also,  dass 
Maecian  bloss  Ritter  war.  —  Uebrigens  hat  schon  Marini  a.  a.  0.  diese  Inschrift 
auf  den  Juristen  bezogen.  —  Wenn  die  völlig  bodenlose  Vermuthung,  welche 
unsern  Volusius  zum  Referenten  des  volusianischen  Senatusconsults  macht,  noch 
einer  Widerlegung  bedarf,  so  ist  diese  damit  gegeben,  dass  der  Jurist,  wie  gezeigt, 
nie  in  den  Senat  eingetreten  ist. 

*)  [S.  die  Anm.  *  zu  S.  267.] 
**)  [Es  folgt  die  recensio  der  Hss.  und  die  Ausgabe  selbst.] 


XXXIII. 

Festi  codicis  quaternioneiu  decimum  sextum 

denuo  edidit 
Th.  Mommsen. 

(Commentatio   lecta    in    academicorum    conventu    d.    9.  lun.    1864.)*) 

Sex.  Pompeii  Festi  de  verborum  significatione  libri  XX  integri  57 
extiterunt  non  solum  saeculo  post  Christum  nono,  quo  Paulus,  sive 
diaconus  is  fuit  sive  alius  quispiam,**)  eorum  epitomen  a  se  con- 
fectam  dedicavit  Carolo  regi,  sed  etiam  saeculo  undecimo,  quo 
scriptum  esse  codicem,  cuius  pars  hodie  adservatur  Neapoli  in 
bibliotheca  publica  numero  ibi  signata  IV.  A.  3,  Henricus  Keilius 
testis  est  (mus.  Rhen.  nov.  6,  619).  Nee  post  magnum  illud  nau- 
fragium,  quod  absumpsit  litteras  Latinas  una  cum  re  publica  Romana 
longe  plerasque,  reliquiae  earum  maius  damnum  passi  sunt  quam 
quod  Festi  operis  naufragio  ipsi  superstitis  tres  fere  partes  paene  in 
ipso  portu  interierunt;  nam  vel  portio  ea  quam  inde  habemus  et 
permulta  ex  recondita  antiquitate  sola  nobis  servavit  et  Augustae 
aetatis  antiquitatum  Romanarum  doctrinam  unice  hodie  repraesentat, 
ut  facile  inde  aestimes,  quantam  utilitatem  integer  liber  studiis  nostris 
allaturus  fuisset.  lam  nihil  relictum  est  nisi  ut  inde  servata  anxia 
diligentia  colligamus.    Quod  cum  facile  perficiatur  ibi  ubi  codex  ille 

*)  [Philologische  u.  historische  Abhandlungen  der  Kgl.  Akad,  d.  Wiss.  zu 
Berlin.  Aus  d.  Jahre  1864.  Berlin  1865,  S.  57—86.  Die  Ausgabe  selbst  ist  hier 
nicht  wiederholt  worden,  da  zu  erwarten  ist,  daß  der  Ertrag  in  einer  zu  er- 
hoffenden Neuausgabe  des  Festus  verwertet  werden  wird.  Dagegen  mußten  die 
in  solcher  Genauigkeit  sonst  nirgends  zu  findenden  Prolegomena  über  die  hand- 
schriftliche Grundlage  dieser  Blätter  sowie  einzelne  Anmerkungen  zu  Glossen 
des  Festus  abgedruckt  werden.] 

**)  [Den  Zweifel  an  der  Identität  des  Festusepitomators  mit  dem  Geschichts- 
schreiber der  Langobarden  hat  nach  dem  Vorgang  von  Waitz  in  der  Ausgabe 
der  Script,  rer.  Langob.  1878  S.  19  f.  Mommsen  selbst  später  gehoben :  vgl. 
N.  Arch.  d.  Ges.  f.  alt.  d.  Gesch.  5,  1879,  S.  55.] 


270  Festi  codicis  quatemio  decimus  sextus. 

undecimi  saeculi  adhuc  extat,  cum  praesertim  eos  qui  apographa 
saeculo  XV  confecerunt  neque  in  marginibus  ambustis  quaternionum 
hodie  superstitum  neque  in  locis  evanidis  plus  vidisse  appareat  quam 
hodie  ibi  cernitur,  diffieilis  res  est  et  periculi  plena  in  codicis  eius 
parte  ea,  quae  periit  post  litteras  renatas.  Scilicet  infelix  fatum, 
quocum  Festi  liber  luctatus  est,  ne  tum  quidem  ab  eo  exagitando 
destitit,  cum  reliquias  codicis  illius  c.  a.  1480  Manilius  Rhallus  ex 
lllyrico  detulit  Romam.  Nam  codex  integer  numerarat  quaterniones 
sedecim,  ex  quibus  ante  id  tempus  perierant  septem  primi  integri, 
reliqui  novem  et  folia  quaedam  perdiderant  et  ambusto  margine 
singulorum  foliorum  paginas  alteras  fere  totas;  ex  novem  autem  illis, 
quot  attulit  Rhallus,  iam  rursus  desiderantur  tres,  octavus  decimus 
58  decimus  sextus,  in  quibus  recognoscendis  hodie  pendemus  ex  apo- 
graphis  factis  saeculo  XY  exeunte.  Quae  exempla  sane  nee  plena, 
utpote  destituta  fere  paginis  ambustis,  nee  satis  exacta,  sed  tarnen 
diligenti  examine  omnino  digna,  cum  tam  praeclari  operis  non  mini- 
mam  portionem  sola  servent,  cum  viderem  iacere  immerito  neglecta 
et  in  hac  Festi  parte  vires  doctos  hodie  fere  acquiescere  in  exemplo 
edito  Ursiniano,  in  bibliothecarum  thesauris  si  quid  forte  fortuna  in 
manus  mihi  venit  ad  Festi  illos  quaterniones  deperditos  pertinens, 
adnotare  non  neglexi.  Iam  harum  adnotationum  specimen  publice 
proponere  visum  est,  quod  alios  excitaret  vel  diligentiores  vel  for- 
tunatiores  quam  sum  ego  ad  eiusmodi  Codices  investigandos.  Nam 
libri  de  quibus  hie  agitur  cum  sint  recentissimi  omnes  nee  per  se 
conspicui  et  splendidi,  plus  iusto  contemnuntur  et  facile  latent; 
sperandumque  est  eiusdem  generis  plures  et  fortasse  meliores  adhuc 
superesse  quam  quos  mihi  adhuc  contigit  ut  reperirem.  Dabo  autem 
hoc  loco  primum  elenchum  eorum  quos  novi  librorum  scriptorum 
editorumque,  qui  ad  Festum  non  epitomatum  recensendum  aliquam 
utilitatem  habeant;  deinde  quaternionis  decimi  sexti  reliquias  pro- 
ponam  ad  ea  subsidia  castigatas,  nam  in  eo  quaternione  cum  aliquid 
profecisse  mihi  videar,  ea  quae  hoc  tempore  collecta  habeo  ad  quater- 
niones octavum  decimumque,  perpauca  tantum  vere  utilia  suppedita- 
runt^.  Cuius  diversitatis  causam  et  originem  propediem  aperiam. 
Manilium  Rhallum,  de  quo  et  ipso  parum  constat^,  Festi  librum 
ex  lllyrico  a.  1485  vel  paullo  ante  attulisse  Romam  ad  Pomponium 

1)  Notabile  est  in  codice  B  ante  Fectuscum  Palati  p.  213  Muell.  legi:  SEX. 
POMPEI  FESTI  LIBER  XIII.  Hoc  igitur  loco  coepit  1.  XV  (non  XIV),  quod 
accedit  ad  similes  inseriptiones  collectas  apud  Muellerum  p.  XXXI. 

2)  Aliquam  de  eo  notitiam  suppeditat  Lil.  Greg.  Gyraldus  in  dialogo  I  de 
poetis   suorum  temporum   (opp.  ed.  Lugd.  1696  p.  530).     Graecis  parentibus  in 


Festi  codicis  quaternio  decimus  sextus.  271 

Laetum  principem  eius  saeculi  eruditorum  urbanonim  constat  ex 
testimoniis  Politiaai  Piique  relatis  apud  Muellerum  p.  11^  Allatum 
eum  esse  sine  compage  quatemionibusque  resolutis  efficitur  cum  ex 
testimonio  Politiani  narrantis  se  hunc  librum  habuisse  a  Manilio 
praeter  aliquot  pagellas  a  Pomponio  Laeto  etiamtum  retentas  et  ab 
hoc  sibi  exhibitas,  tum  ex  ipsorum  exemplorum  quae  extant  con-  59 
dicione:  nam  cum  horum  pars  omnes  illos  undecim  quatemiones 
sistat  aequabiliter  descriptos,  infra  demonstrabitur  librarium  eum,  a 
quo  venit  exemplar  codicis  Yaticani  2731  similiumque,  archetypi  non 
habuisse  nisi  quatemiones  extremos,  Politianum  autem,  qui  descripsit 
et  ipse,  caruisse  quaternionibus  octavo  nono  decimo,  contra  habuisse 
utrumque  quaternionem  postremum  hodie  una  cum  octavo  decimoque 
deperditum.*)  Quo  posito  refellitur  coniectura  quoque  quam  de 
archetypi  fatis  Ursinus  protulit  adhuc  vulgo  admissa.  Ursinus  scilicet 
Festi  quatemiones  tres  hodie  deperditos  edidit  sub  titulo  schedarum 
quae  Festi  fragmento  detractae  apud  Pomponium  Laetum  extitissent, 
aperte  Politiani  illam  narrationem  secutus  ita,  ut  codicis  Politiani 
aetate  bipertiti  partem  Manilianam  putaret  esse  sua  aetate  ut  etiam 
nostra  superstitem.  partem  Pomponianam  interim  periisse.  At  con- 
iectura e  huic  per  se  probabili  obstat  exemplum  illud  Politiani  ipsius, 
unde  hunc  apparet  excussisse  quaternionem  XYI  hodie  deperditum, 
non  vidisse  quaternionem  IX  adhuc  extantem;  ut  nullo  modo  iam 
defendi  possit  schedas  a  Laeto  retentas  et  Politiano  monstratas  esse 
quatemiones  VIII.  X.  XVI  actum que  sit  de  appellatione  quae  iam 
invaluit  'schedarum  apud  Laetum*.  Immo  quaternio  XYI  cum  non 
eodera  tempore  videatur  interiisse  quo  interierunt  octavus  decimusque, 
non  mimm  est  quaternionem  hunc  utpote  a  pluribus  doctioribusque 
viris  descriptum  proponi  posse  aliquanto  emendatiorem  quam  duos 
modo  dictos.  Exempla  autem  receosebo  primum  integra,  deinde 
semiplena, 

L  Liber  Yaticanus  1549  (nobis  E)  chart.  saec.  XY,  quem  in 
parte  archetypi  deperdita  et  praeterea  in  quaternione  IX  contuli  ipse 
a.  1846.     In  fine  legitur  epigramma  'ad  lectorem': 


Italia  natus  est  et  a  Leone  X  episcopatu  Cretae  omatus  fiiitque  socius  academiae 
Pontanianae.  Velim  qui  in  Italia  morantur  morabunturve  de  eo  homine  certiora 
aliquando  doceant.  [Vgl.  C.  Sathas,  NsoEU.rjrixij  ^doloyia,  Athen  1867,  S.  77. 
Sein  Name  war  Manilios  Rhalles  Eabakes.] 

1)  Pium  Festi  libro  usum  esse  Mediolani,  quod  scribit  Muellerus,  ipse  Pius 
minime  dielt  nee  probabile  est. 

*)  [Ygl.  jedoch  de  Nolhac  a.  a.  0.  (unten  S.  277*)  S.  147.] 


272  Festi  codicis  quaternio  decimus  sextus. 

Haec  quicunque  leges  fragmenta  novissima  Festi, 
concidet  in  lachrimas  lectio  cuncta  pias: 

quod  iam  Romano  defluxerit  orbita  giro 
et  magna  careat  parte  Latinus  ager. 

absumpsit  Chartas  nimium  cariosa  vetustas: 

si  qua  igitur  menda  est,  codicis  esse  patet. 

Leidensem  librum  (Voss,  Lat.  Oct.  9),  quem  cum  ante  aliquot  annos 
inspexissem  Leidae  (v.  mus.  Rhen.  nov.  16,  137),  iam  Berolinum  ad 
me  misit  solita  liberalitate  optimus  Pluygers,  descriptum  iudico  ex 
Yaticano  hoc;  nisi  quod  quae  Leidensi  corrector  intulit  mox  osten- 
60  demus  aliunde  petita  esse.  —  Hoc  exemplum  qui  confecit,  oraisit 
paginarum  ambustarum  glossas  omnes  paucissimis  exceptis,  etiam  in 
paginis  integris  hie  illic  locos  evanidos  praeteriit,  hiatum  tarnen 
plerumque  indicans  nota  deficü  vel  frag.  Glossas  de  suo  addidit 
fere  nullas  nee  repertas  transposuit.  Textus  autem  non  solum  vitiis 
scatet,  sed  etiam  interpolationibus,  maxime  ubi  glossae  aut  initio  aut 
fine  incidunt  in  pagellas  ambustas.  Paulum  in  his  librarius  passim 
adhibuit,  sed  non  ea  constantia,  qua  qui  editionem  principem  curavit. 
IL  Editio  princeps  (nobis  E),  quae  prodiit  Mediolani  a.  1510*) 
(v.  praefatio  repetita  apud  Muellerum  p.  XXXY),  facta  ad  exemplar 
lo,  Bapt.  Pii  ^,  sed  eo  absente  typis  excusa.  Ipse  Pius  in  annotationi- 
bus  posterioribus  c.  16  conqueritur  avocatum  se  Mediolano  Bononiam 
opus  susceptum  Festi  emendandi  perficere  non  potuisse:  'multa  nos 
ad  illustrandum  Jmnc  scriptorem  contulimus,  cum  Mediolani  doceremus. 
His  quae  nobis  venerunt  ex  codice  pervetusto  et  oh  hoc  fidelissimo,  qui 
ex  Illijrico  Pomponio  Laeto  fuerat  oblatus,  plura  additurus  eram,  ni 
me  JBononiam  patriam  meam  princeps  Johannes  Bentivolius  praeter 
spem  redire  coegisset,  dum  opus  hoc  esset  sub  incude'.  In  editione 
hac  conflatae  sunt  Pauli  epitome  Festique  integri  reliquiae,  in  quibus- 
dam  litteris  etiam  traditus  glossarum  ordo  temere  mutatus,  denique 
pagellae  imperfectae  plerumque  praetermissae.  Sed  ipsa  archetypi 
verba  maiore  in  Universum  fide  repraesentavit  Pius  quam  qui  exaravit 
codicem  i?,  ut  deperdito  vel  latente  eins  apographo  hac  editione  non 
sine  fructu  utamur. 


*)  [Vielmehr  1500,  vgl.  R.  Reitzenstein,  Verrian.  Forschungen,  Breslau  1887, 
S.  98.] 

1)  Editor  Conagus  quidam  (v.  Mueller  p.  XXXV),  qui  absentis  Pii  vices 
fecit,  ad  manus  habuit  praeter  exemplum  Pii  alterum  quoque,  sed  inde  nihil 
sumpsisse  se  ipse  testatur  praeter  glossam  trnimviri  (partem  scilicet  glossae 
Saticula  p.  340  MuelL,  quod  non  vidisse  Muellerum  1.  c.  n.  3  miror)  et  emen- 
dationes  quasdam  in  gl.  satis  et  topper. 


Festi  codicis  quatemio  decimus  sextus.  273 

in.  Fulvius  ürsinus  in  editione  a.  1581  (nobis  ü)  in  hac 
Festi  parte  secutus  est,  ut  ait  in  praefatione,  'doctissimi  viri  ciiiro- 
graphum',*)  quod  pariter  ac  Pii  hodie  aut  periit  aut  latet.  Aliis 
exemplis  id  non  modo  emendatius,  sed  etiam  auctius  fuisse  addit 
Ursinus  recte  omnino;  ita  glossa  p.  205,  17:  pretet  tremonti praetemurd 
pe  abest  tarn  ab  R  quam  ab  E  neque  adhuc  inventa  est  nisi  apud 
solum  Ursinum ;  id  ipsum  etiam  lectiones  passim  confirmant.  DifficUe 
tarnen  est  et  anceps  de  Ursini  libro  iudicium,  cum  praesertim  quo- 
modo  is  liber  exhibuerit  partem  Festi  hodie  superstitem  ignoremus. 
In  summa  re  licet  Ursini  editio  singulis  testibus  reliquis  superior 
esse  soleat,  tamen  horum  consensum  equidem  pluris  fecerim  quam  61 
singulare  Ursini  testimonium,  estque  omnino  cavendum,  ne  huic 
exemplo  utut  omnium  quae  habemus  optimo  nimium  tribuamus. 
Nam  non  solum  quaedam  in  eo  desiderantur  vere  Festi  in  aliis 
exemplis  servata,  sed  adest  etiam  interpolatio  petita  ex  Paulo  vel 
potius  ex  editionibus  Festi  anterioribus.  lUud  et  notum  est  (v.  Mueller 
p.  Vll)  et  satis  illusti-abitur  glossis  quaternionis  XYI  infra  editi;  huius 
interpolationis  proponam  exemplum  satis  memorabile  glossam  muni- 
ceps  p.  142.  Ea  sie  legitur  in  R:  Municeps  (est  add.  EUy,  ut  ait 
Aelitis  Gallus,  qui  in  municipio  liber  natus  est;  item  qui  ex  alio 
gener e  haminum  muntts  functvts  est;  item  qui  in  municipio  ex  (a  E^ 
Servitute  se  liberavit  a  municipe.  Ät  Ser.  filius  (sie  ER,  seruilitts  ü) 
aiehaf  initio  fuisse,  qui  ea  condicione  cives  (ro.  ins.  EU^  fuisseni,  ut 
sempei'  rem  publicam  separatim  a  populo  Romano  haberent  (hdbebant 
R;  uidelicet  inserit  Ej,  Cumanos  Aceiranos  Atellanos  qui  aeque  FRAG. 
Haec  Paulus  loco  alieno  p.  131  sie  reddidit:  municeps  qui  in  muni- 
cipio liber  natus  est;  item  qui  ex  alio  genere  hominum  munus  functus 
est;  item  qui  in  municipio  a  Servitute  se  liberavit  a  municipe.  Item 
municipes  erant,  qui  ex  aliis  civitatibus  Romam  venissent,  quibus  non 
licebat  magistratum  capere,  sed  tantum  muneris  partem,  ut  fuenint 
Cumani  Acerrani  Atellani,  qui  et  cives  Momani  erant  et  in  legione 
merebant,  sed  dignitates  non  capiehayü.  Ubi  media  petita  videntur 
esse  ex  altera  glossa  Festi  municipium.  cuius  compendium  legitur 
apud  Muellerum  p.  127.  At  quocunque  modo  de  origine  Pauli- 
norum  statuemus,  hoc  certum  est  Pium  Festi  Paulique  locos  ita  con- 
flasse  ut  post  Festi  verba  municeps  . . .  .a  municipe  reciperet  Paulina 
item  municipes  ....  muneris  partem,  his  subiceret  Festi  ad  Ser.  filius 

aeque  adiuncta   ex  Paulo  clausula  cives  Romani  ....  capie- 

lant;  id  quod  fecit  ex  instituto  suo,  ut  aliis  locis  permultis  similiter 

*)  [Vgl.  M.  Voigt,  Rh.  Mus.  31,  1876.  S.  149  ff.] 

MOMMSEN,   SCHB.  VII.  18 


274  Festi  codicis  quatemio  decimus  sextus. 

miscuit  Festina  et  Paulina.  At  Ursinus  dum  simpliciter  retinet 
editionum  anteriorum  lectionem,  hoc  loco  eum  chirographum  illud 
expressisse  quis  credet?  confirmantque  alii  loci  non  pauci  Ursinum 
non  ubivis  accurate  reddidisse  lectionem  scriptam,  sed  passim  eam 
emendasse  tacite  ad  editiones  anteriores  Pii  et  Aldi  et  Augustini. 

IV.  Liber  Yaticanus  n.  2731  (nobis  S)  foll.  63  non  numera- 
torum  chart.  saec.  XV.  Contulit  mea  causa  Kekule.  Transpositos 
habet  duos  locos  q.  XIII  p.  17 — 25  (a  p.  281«  3  repotia  ad  p.  289& 

62  1  non  utiqae  ed.  Muellerianae)  interpositis  inter  q.  XII,  29  (gl.  quot 
servi  p.  261)  et  31  (gl.  ruhidus  p.  262);  item  q.  XV  p.  16— 25  (a 
p.  340  &  33  serilla  ad  p.  3516  4  patriae  sitae  pulsi)  interpositis 
q.  XIV,  1  p.  297  inter  gl.  stipem  et  sobrinus.  Deficiunt  hodie  in 
principio  voluminis  q.VIII  et  maior  pars  q.  IX  (nam  incipit  p.  Mla 
30  qui  ferro)  deestque  item  quaternio  X  totius  ita,  ut  librarius  prin- 
cipium  undecimi  extremo  nono  continuarit;  integer  autem  liber  quid 
continuerit,  non  liquet  nee  tuto  statuemus  quaternionem  decimum  ab 
initio  inde  afuisse,  nam  qui  hunc  librum  scripsit  cum  alia  quoque 
transposuerit,  etiam  decimum  quaternionem  in  principio  deperdito 
potest  collocavisse  loco  non  suo.  —  Cum  hoc  libro  proxime  coniunctae 
sunt  emendationes  et  additiones  libro  Leidensi  supra  memorato  postea 
illatae  (nobis  F),  quamquam  desumptae  sunt  non  ex  ipso  Vaticano, 
sed  ex  libro  simili  et  subinde  pleniore^:  nam  non  solum  perveniunt 
ad  partem  eam  quoque  quae  in  Vaticano  desideratur,  sed  etiam  in 
parte,   quam  habet  Vaticanus,    corrector  Leidensis  quaedam   adnotat 

.  in  Vaticano  non  reperta:  ita  indicatio  infra  relata  post  gl.  tigülum 
sororium  deesse  Chartas  sex  magnas  adhuc  reperta  est  in  solo  libro 
Leidensi.  Extitit  itaque  olim  exemplum  Festi  quaterniones  quotquot 
supersunt  complexum,  unde  pendent  tam  liber  Vaticanus  (S)  quam 
libri  Leidensis  emendationes  (Y).  At  huiusce  ipsius  exempli  origo 
et  condicio  sane  obscurae  sunt  et  dubitationi  obnoxiae,  quae  ut  ali- 
quatenus  illustrentur,  subicere  placuit  variam  lectionem  trium  librorum 
R  S  Y  ad  litterae  T  partem  adhuc  superstitem  p.  351.  352.  355.  356 
Muell. 

JEx  p.  351  &  BS  nihil  afferunt,  Y  f.  71  haec:  Talassionem  in  nuptiis  Varro  ait 

Signum  lanificii.    ralaQov.   id  est  quassillum at historia- 

rum  scriptor  ait  Talassium  militarem  virum  rapta  virgine  unicae  pudi- 
citiae  ....  quod  ei  id  cognomen  (coniugium  marg.)  fuerit  felix,  item 
ominis   gratia  nunc   redintegrari.     deest,  item  f.  71'  haec:  Tarentum  in 


1)  Cum  glossam  perpetrat  p.  217  a  29  a  scriba  primario  Leidensis  male 
habitam  secundus  librarius  ita  emendet,  ut  praescribat:  'in  antiquo  est',  suspicere 
hunc  vidisse  ipsum  archetypum;  at  secus  esse  constat  ex  iis  quae  mox  dicentur. 


Festi  codicis  quatemio  decimus  sextus. 


275 


campo  Martio  locus dicendum  fuisse  quod  te secolaris 

ditis  patris  appellatur  ab  equis  quadriga utilitas  aequiperet.  — 

Tauri  ludi  instituti  dis  inferis  et  fiunt  intra  muros  quos  Varro  ait 
vocari  Grece  de  pestilentia. 
Ex  p.  352  a  S  nihil  affert,  B  haec,  qiiae  emendavit  T:  Tuditantes  tnndentes, 
hoc  est  negocium  agentes  significare  ait  Cincius.  unde  Ennius  libro 
11":  nee  (hec  T)  inter  se  totum  tuditantes  et  Lucretias  item  li"  II": 
nee  tuditantia  rem  cessant  (extrinsecus  ullam  add.  T).  Tudites  malleos 
appellant  antiqui  a  tundendo   (.  .  .  .  us   alii    cruribus  tudites  add.  Y). 

inde  Atteius   Capito existimat  M.  Tuditano  cognomen  inditum, 

quod  Caput  malleoli  simile  habuerit. 
p,  352  a  33  tuUos  ali  (alii)  dixerunt  RS*      p.  355  a 
ali  riuos  om.  R,  suppl.  Y 


p.  352  h    1  uehementis  proiectione  S 

3  tulii]  tulli  S  Y,  tullus  R 

4  afflantes  R 

5  temere]  ac  mature  YS 

8  uolcani]  uolcani  topper  Y  S 
eodem]  eodem  carmine  neui  S 

9  humanus  Y S 

mare  saeuum]  mares  eum  YS 

uiret]  uires  RS* 
10  confringent]    Y  S,   confrin- 

gere  R 
12  sese]  esse  -B 

studeat]   Y  S,  audeat  R 
15.  16  te  eicit]  te  eiecit  RS* 
17  in  enni]  et  enni  S 

22  aedis]  aedem  R 

23  duona]  dona  R 

24  inserinuntur]  sie  ttel  inserui- 

untur  S  Y,  inseruntur  R 
27.  28  ut  est  apud  Pacuvium] 
pacuuius  .S* 
Antiopa]  arthiopa  R 
uapore]  uaporet  R 
30  imbribus]   YS,  ignibus  R 


1  torridum]  torridum  et  S       63 

4  oportet  om.  S 

nee  sem.]  ne  sem.  S 

5  ennio  arrio  annio]  enio  ario 

anio  R,  enio  ario  anio 
eimio  arrio  annio  YS 

6  adictam     (»ic.     cod.)]     S, 

dictam  R 

7  terinam  S 

8  titientium  ramnum  S 

10  in  singulis  ex  eo  R 

11  torro]  torreo  S 

15  turannos]  turrenos  R  S* 

16  lidorum  duce  R 

17  et.  pr.  crud.  B 
turannos  YS 

18  tyria]  tria  S 
22  serriium  .S^ 

maria  tria  S 
torintas  S 
24  toruus]  torinis  S 

26  confidentia  S 

27  nunc]  nos  R 

29  flaminicarum]   flaminice  S, 

haminice  ü* 
31  crinibus]  comibus  R  g^ 

33  inter  ali  et  fig.  lacu/na  R 


p.  355  &i  1.   2  fictores  argeos  et  tutullatos  uideo  R;  fictores  et  tutulatos  uideo  S  Y 
2 — 4  Tueor  defendo  et  tuor.  sed  iam  promiscue  utimur  tuor  et  intuor 

pro  uideo  et  contuor  S,  om.  R 
4 — 6  Tuguria  a  tecto  appellantnr  et  sunt  fomo  sordida  RS* 
11—16  Tuscum   vicum  aiunt   dictum  (d.  a.  S)  a   Tuscis  loco  üs  (bis  S) 
dato  sub  Celio  a  fratribus  Cele  et  Vibenno  qui  ad  Tarquinium 
venerunt  RS* 


1)  Ex   paginis  duabus   mancis  p.  355  b.  356  a  quae  hie  praetereuntur, 
otiittunt  RS. 

18* 


276  Festi  codicis  quaternio  decimus  sextus. 

p.  355&18 — 22  Toxicum  dicitur  cerva.      eo   solent   quidam  perungere  sagittas. 

Caelius    in   Gamo    (bamo   B)   ut   hominem    toxico   transegerit. 

Affranius  uxorium  istud  toxicum  BS* 

22—34  Tuscos   quidam  dictos  aiunt   a   Tusco  Herculis  filio.     ali    quod 

unici  studii  sint  sacrificandi  ex  Greco  velut  &vaxco  d^vco  ab  eadem 

causa  sacrificiorum facilem  habeat  id  est  dvoxoXov.   Tumulus 

Gallus  Elius  sie  definit:  tumulus  est  superne  editus  secundum 

mare    fluctibusue    uatus    unde     et    quae   sequuntur   apud 

Muellerum  (nisi  quod  pro  tumultuarii   est  tumultuosij  usque  ad 
quia  is  omatur  umquam  ab  Italicis  et  Gallicis.    deest.  S,  om.  B 

p.  356  o  23  sq.  Templa  antiqua  tesca  esse  ait  cuero  aspera  difficilia  aditu. 
Ennius:  ardua  aspera  saxa  tuos.  Tonsillam  esse  ait  Verrius 
palum  dolatum  et  cuspide  preferratum  ue  existimat  dictam  cum 
figi  in  litore  re  .  .  .  .  causa.  Pacuvius  in  Medio:  accesseram  et 
tonsillam  pagi  laeto  in  litore  S,  om.  B 
34  Tonsam  Ennius  signifi  häbent  B  S 

p.  356  h    2  poste]  post  B  S*  p.  356  b  20  ius  sit]  uis  sit  Y 

4  reserunt  JB  21  fit]  sit  S 

5  nasota  alius]   naso  talius  S  22  autem]  aut  B 

13  caede]  cederet  B  23  alterum]  alterum  in  S 

15  tonsiles  S  27  claudantur  S 

17  ser.  tullium]  seruium  tullum  28  quicquam  S 

S,  tullum  B  29  tagam]  tagat  -S* 
20  quoad]  quod  ad  B 

Haec  qui  examinarit  duo  intelleget  diversa,  ne  dicam  contraria:  R  et 
SY  pendere  quidera  ex  eodem  archetypi  codicis  exemplo  passim 
interpolato  (nam  consensus  e.  c.  in  glossis  tuguria,  Tuscum  vicuni, 
Toxicum  explicari  aliter  non  potest),  sed  eosdem  libros  ita  comparatos 
65  esse,  ut  sese  invicem  emendent  paucisque  tantum  locis  (iis  scilicet 
quos  asterisco  designavimus)  contra  archetypum  in  falsa  lectione 
consentiant,  praeterea  vero  ut  ÄFnon  pauca  suppleant  ab  jR  omissa. 
Quarum  positionum  cum  neutra  negari  possit,  aut  descendant  necesse 
est  tarn  R  quam  archetypus  librorum  SY  ex  codicis  primarii  exemplo 
deperdito  utroque  illorum  emendatiore  et  pleniore,  aut,  quod  magis 
crediderim,  vir  doctus  is  a  quo  proficiscitur  recensio  codicum  SY, 
nactus  et  exemplum  antiquius  libri  nostri  R  simile  et  ipsum  arche- 
typum codicem  talem  fere,  qualem  habuit  Politianus,  illud  ad  hunc 
emendavit  et  auxit  ita,  ut  locos  a  primo  descriptore  iam  satis  recensitos 
et  expletos  raro  attingeret.  Hoc  ut  magis  statuam,  movet  me  variae 
lectionis  in  q.  YIII  et  X  condicio  a  reliqua  diversa:  nam  emendator 
Leidensis  quamquam  illos  quoque  non  minore  diligentia  quam  reliquos 
castigavit,  tamen  perpauca  in  bis  invenit  corrigenda  et  supplenda, 
quae   alicuius    sint   momenti,    integras    autem  glossas    in  R    codice 


Festi  codicis  quaternio  decimns  sextas.  277 

praeteritas  non  adiecit  nisi  inde  a  principio  litterae  <S^,  ut  in  qua- 
ternionibus  YIII  et  X  videatur  usus  esse  apographi  ex  quo  venit  It 
exemplo  paullo  meliore,  in  quatemionibus  autem  extremis,  maxime 
in  XYI  ipso  archetypo.  Illud  verum  esse  interim  mihi  credi  volo; 
in  q.  XYI  quomodo  differant  R  et  SY,  infra  propositum  est. 

Y.  Angelum  Politianum  ipsum  archetypum  codicem  vidisse 
et  descripsisse  supra  diximus.  Ab  eo  sumptum  exemplum  postea  ad 
Yictorium  pervenit.  qui  id  casu  invenit  in  tabema  quadam  libraria 
sibique  emit;  hodieque  Monachi  inter  libros  Yictorianos  (Y.  B.  86) 
extat  non  ipsum  quidem  Politiani  exemplum,  sed  quae  inde  enotavit 
Yictorius  ad  marginem  Festi  ab  Aldo  excusi  n.  1513.  Librum  hunc 
(nobis  P)  a  Muellero  iam  commemoratum  (v.  praef.  p.  III)  roganti 
mihi  misit  solita  comitate  vetus  et  verus  amicus  Carolus  Halmius. 
Quae  emendationes  incipiunt  p.  217  ed.  MueU.  inde  ab  ipso  q.  XI 
principio  (prima  earum  est  p.  217a  1  audent  pro  atideat  Aldinae) 
perveniuntque  ad  finem  q.  XYI.  Sunt  autem  optimae  vereque  Poli- 
tiano  dignae,  quamquam  et  Yictorius  queritur  Politianum  scripsisse 
litteris  minutis  et  per  notas  magis  quam  more  solito,  ut  quibusdam 
locis  Yictorium  magis  quam  Politianum  errasse  non  immerito  conieias, 
et  ipse  Yictorius  calamo  usus  est  non  satis  bene  temperato,  denique  66 
quod  magis  dolendum  est,  aperte  Yictorius  potiora  tantum  enotavit, 
ut  ex  silentio  eius  de  eo  quod  legit  Politianus  nuUo  modo  coniectura 
capi  debeat.*) 

Hi  sunt  libri  scripti  et  editi,  qui  ad  Festi  partem  hodie  deper- 
ditam  emendandam  aliquam  utihtatem  videntur  habere.  Editiones 
autem  Aldi  Manutii  (Yenetiis  1513)  et  Antonii  Augustini  (Yenetiis 
1559)  adhibui  quidem  et  hanc  interdum  citavi  nota  usus  A,  sed  in 
ipsa  recensione  utraque  abstinendum  esse  duxi  nee  laudo  consilium 
MueUeri,  qui  editione  principe  neglecta  praeter  Ursinianam  consuluit 
solam  Augustinianam  vel,  ut  eam  appeUare  solet,  vulgatam.  Xam 
scriptis  quidem  libris  tam  Aldus  quam  Augustinus  usi  sunt,  sed 
Augustinus  codice  AchUlis  Maffei,  qui  Festum  Paulumque  exhiberet 
in  unum  corpus  conflatos,  ductus  omnino  ex  libro  R  nostri  simili  et 
iure  sperneudus.     De  Aldi  libro  aceuratius  non  constat,    sed  nequa- 

1)  Gerte  in  libro  Leidensi  emendator  glossas  iategras  addere  coepit  demum 
inde   a    p.  290  Muell.   primaque  earum  est   haec:   S  nhiio  signifkat  in  carinine 

augurdli  sotianti Nee  aliter  puto  esse  in  libro  Yat.  2731. 

*)  [Die  Originalhandschrift  des  Politianus  ist  inzwischen  von  P.  de  Nolhac 
in  einem  aus  der  Bibliothek  des  Fulvius  Ursinus  stammenden  cod.  Vaticanus 
gefunden  worden:  vgl.  Nolhacs  Mitteilung  in  der  Revue  de  phil.  10,  1886, 
S.  145  ff.] 


278  Festi  codicis  quaternio  decimus  sextus. 

quam  insignem  eum  fuisse  ipsa  editio  comprobat  praeterea  more 
sueto  sescentis  locis  non  ex  libro  scripto,  sed  ex  coniectura  temere 
aut  correcta  aut  corrupta.  Unum  adnotabo  glossas  duas  has  (p,  372 
Muell.): 

Vehere  portare  vel  trahere. 

Veredis  (scr.  veredos^  antiqui  dixerunt,  quod  veherent  rhedas,  id  est  ducerent. 

in  nuUo  ex  libris  meis  repertas  primum  legi  in  Aldina  a.  1513  et 
quidem  sub  finem  litterae  Y»insertas  inter  glossas  vernisera  et  veruta, 
quae  sunt  extremae  duae  editionis  Pii  in  parte  eins  Paulina.  Earum 
alteram  monuit  me  Hauptius  totidem  verbis  redire  apud  Isidorum 
12,  1,  55,  apud  quem  20,  14,  13  inter  alia  legitur  etiam:  vehere,  id 
est  exportare:  Festi  neutram  esse  patet.*) 


85  Festus   p.  78  Momms.  [p.  371   Müll.]:    vectigal  aes  appellatur 

quod  ob  tributum  et  Stipendium  et  aes  equestre   et  hordiarium  populo 
debetur. 

[Dazu  Anmerkung  Mommsens  p.  85:]  Ita  locus  iam  sanatus  est  ope 
librorum  ipsorum  (v.  Mueller  p.  413),  nee  temptanda  sunt  verba  ob  tributum, 
pro  quibus  praeter  tributum  proposuit  Huschkius.  Scilicet  tributum  cum 
ita  imponatur  civibus,  ut  postea  iisdem  ex  aerario  reddatur,  recte  omnino 
dici  potest  vectigalia  ideo  solvi,  ut  populus  tributum  iis  qui  tribuerunt 
rependat.     [Vgl.  Staatsrecht  3  S.  228,  4.  256,  4.] 

Festus  p.  78  Momms.  [p.  371  Müll.]:  viae  sunt  et  publicae  et 
privatae:  pupUcae  per  quas  ire  omnibus  licet,  privatae  quibus  nemini 
et  hae  VIII  pedes  in  latitudine  iure  et  lege  puplicae  quantum  ratio 
utilitatis  permittit.  lex**)  iubet  XVI  XVque  pedes  esse  vias  ut  qui 
vias  muniunt  onisandi  lapidas***)  qua  volet  iumento  a^ito. 

[Dazu  Anmerkung  Mommsens  p.  85  f.:]  Quae  hoc  loco  referuntur  de 
viis,  ea  nunc  intellegimus  desumpta  esse  ex  XII  tabulis,  id  quod  confirmant 
loci  Gai  (Dig.  8, 3,  8):  'Viae  latitudo  ex  lege  duodecim  tabularum  in 
porrectum  octo  pedes  habet,  in  anfractum,  id  est  ubi  flexum  est,  sedecim' 
et  Varronis  (de  1.  Lat.  7,  15) :  'anfractum  est  flexum  ....  ab  eo  leges  iubent 
in  directo  pedum  VIII  esse,  in  anfracto  XVI,  id  est  in  flexu'.  Festi  autem 
verba  quamquam  et  caecis  lacunis  obscurata  et  interpolatione  conta- 
minata  tamen  ad  sententiam  certe  sie  fere  restituenda  erunt:  Viae  sunt 
et  publicae,  per  [quas  ire  ager]e  omnibus  licet,   et  privatae,   quibus  neminem 

*)  [Es  folgen  auf  S.  66—84  die  Ausgabe,  dann  auf  S.  85—86  Bemerkungen 
zu  einzelnen  Glossen  des  Festus.    Von  diesen  Bemerkungen  sind  einige  im  oben 
folgenden  Text  wieder  abgedruckt  worden.] 
**)  [Leg.  XII  tab.,  VII  7  Schoell.] 
***)  [So  der  cod.  Vatic.  2731  und  der  Leideusis,  omsamdi  lapidas  Politianus, 
dionisam  lapides  Ursinus.] 


Festi  codicis  quatemio  decimus  sextus.  279 

uti  [tos  est]  praeter  quorum  sunt,  et  ita  privatae  VIII  pedes  in  latitudine 
[Jmbent]  iure  et  lege,  piiblicae,  qiiantum  ratio  utilitatis  permittit.  [praeterea] 
lex  iubet  XVI  [in  anfracto  fle]xuqi4,e  pedes  [latus]  esse  vias,  tit  [adiciat:] 
vias  munitinto.  ni  sam  delapidas[sint],  qua  völet  iumento  agito.  Publicas 
vias  tantae  latitudinis  esse,  quantam  ratio  utilitatis  pennittat,  illustrabunt 
ea,  quae  ex  libris  coloniarum  in  gromaticorum  volumine  II  p.  161  de  86 
viarum  militarium  latitudine  composui.  In  extrema  parte  ipsa  illa  verba 
legis  latere,  quorum  argumentum  Cicero  (pro  Caec.  19,  54)  reddit  bis 
verbis:  'si  via  sit  immunita,  (lex)  iubet  qua  velit  agere  iumentum'  iam 
Huschkius  yidit  (v.  apud  Muellerum  p.  414)  nee  tarnen  verba  üla  recu- 
peravit:  equidem  quae  posui,  ea  certe  et  ad  vestigia  traditae  leetionis 
proxime  accedunt  et  sententiam  habent  rectam  et  simplicem.  Sam  voca 
bulum  pro  eo  quod  est  eam  cum  vel  apud  Ennium  reperiatur ,  non  ab- 
horrebit  a  legibus  XII  tabularum :  *)  delapidandi  vero  vel  sola  depalandi 
analogia  satis  tuebitur. 

Festus  p.  80  Momms.  [p.  372  Müll.]:  vecors  est  turbati  ac  mali 
cordis.  Pacuvius  in  Iliona :  '^paelici  superstitiosae  cum  vecordi  coniiige\ 
et  Novius  in  Herctde  coactore:  '  Tristimoniam  ex  animo  deturhat  et 
vecordianC. 

[Dazu  Anmerkung  Mommsens  p.  86:]  Spero  fore  ut  lectoris  non  ingrati 
accidant  versus  hi  duo  elegantissimi  adhuc  misere  corrupti**)  (Ribbeck 
Pacuv.  216;  Novius  102.  103  [40  ^  p.  315  der  3.  Aufl.]),  iam  vero  pristino 
nitori  restituti,  item  nova  fabula  et  sane  beUa  HercuUs  lucrorum  ita  po- 
tentis,  ut  ipse  auctionem  faciat  et  bonis  divenditis  summas  redigat. 


*)  [Vgl.  F.  Skutsch  in:  Hoa;  (Festschr.  f.  A.  Fick,  Göttingen  1903)  S.  144 f.] 
**)  [Müller   hatte   die  Worte    so  herausgegeben:    vecors  est  turhati  et  maii 
cordis.     Pacuvius  in  Iliona:    'Qiii  veloci  f  siiperstitione  cum  vecordi  conitu/e'.    et 
Novius  in  ...  .  '^coactus  tristimoniam  ex  animo  deturbat  et  vecordiam.] 


XXXIV. 

Zu  Festus.*) 

467  Bei  Festus  8.  363  Müller  findet  sich  folgender  Artikel: 

Teretinatihus   (qui)    a  flumine  Terede   dicti   existimantur    et 
sylldba  eins  tertia  mutata   et  pro   (Terede  Teram  scribi    de- 


Derselbe  stand  auf  einem  der  jetzt  verlorenen  Quaternionen  unserer 
Festushandschrift  und  zwar  wahrscheinlich  auf  der  zweiten  zur  Hälfte 
468  weggebrannten  Spalte,  so  dass  der  vorliegende  Text,  und  namentlich 
die  bei  Ursinus  fehlenden  nur  in  den  Yulgathandschriften  sich  finden- 
den oben  eingeklammerten  Worte  dem  dringendsten  Verdacht  der 
Interpolation  unterliegen.  Paulus  hat  den  Artikel  übergangen.  — 
Daran  kann  nun  wohl  kein  Zweifel  sein,  dass  das  Lemma  dieses 
Artikels  Teretina  trihus  war.  Die  sonstige  handschriftliche  Ueber- 
lieferung  stimmt  freilich,  so  viel  mir  bekannt,  in  der  Schreibung 
Terentina  überein  (Liv.  10,  9;  ep.  10 ;  Cicero  ad  fam.  8,  8,  6;  Josephus 
ant.  14,  10,  10.  13.  19),  allein  sie  kann  hier  nicht  entscheiden  und 
muss  zurückstehen  gegen  die  freilich  meinesWissens  bis  jetzt  einzige**) 
Inschrift  C.  I.  G.  2637  [vgl.  Prosopogr.  imp.  Eom.  III  S.  468],  in  der 
der  Name,  und  zwar  zweimal,  voll  ausgeschrieben  vorkommt  und  inj 
der  er  THPHTINÄ  lautet.  Dass  man  nicht  etwa  beide  Formen  wie 
vicensimus  und  vicesimus,  semenstre  und  semestre  als  alte  Doppel-j 
Schreibung  neben  einander  gelten  lassen  kann  ,  ist  bekannt ;  es  gil^ 
dies  nur  von  dem  vor  s  eintretenden  n.  Dass  der  Artikel  hier  un( 
nicht  mit  dem  über  die  tromentinische  Tribus  S.  367  zusammstehl 


*)  [Rhein.  Mus.  12,  1857,  S.  467-69  mit  Nachtrag  ebd.  S.  633—34.     Vgl 
Staatsrecht  III   S.  172,  7.     Mommsens  Ausführungen  sind  bestätigt  worden  voB 
Ritschi,  op.  IV  S.  760  und  Kubitschek,  De  Romanarum  tribuum  origine  ac  pr 
pagatione,  Wien  1882,  S.  21.] 

**)  [Doch  s.  den  Nachtrag  unten  S.  282  und  Kubitschek  a.  a.  0.  S.  49.] 


Zu  Festus.  281 

erklärt  sich,  wenn  man  die  sämmtlichen  Tribusartikel  betrachtet  — 
sie  finden  sich  durchgängig  in  dem  alphabetisch  geordneten  Theü 
der  Glossen  (Clustumhia  p.  55;  Lemonia  p.  115;  Maecia  p.  136; 
Oufentina  p.  194;  Quirina  p.  254;  R&milia  p.  271^  und  so  sind  auch 
die  Teretina  und  Tromentina  gestellt,  wogegen  die  zahlreichen  unter 
P  (Pupinia,  Pomptina,  Poblilia  p.  233j  und  S  (Stellatina,  Sabatina, 
Scaptia  p.  343^  fallenden  Tribus  zusammen  geblieben  sind,  —  Was 
nun  die  Ableitung  dieses  Namens  anlangt,  so  ist  an  die  Terentier 
überhaupt  nicht  zu  denken,  da  die  vier  ältesten  (Palatina,  Suhnrana, 
Esqiiilina  und  Pollina)  und  die  fünfzehn  jüngsten  Tribus  (Clustumina, 
Stellatina,  Trometitina,  Sabatina,  Ärniensis,  Pomptina,  Poblilia,  Maecia^ 
Scaptia,  Oiifentina,  Falerina,  Aniensis,  Teretina,  Velina,  Quirina).  wie 
es  für  eine  solche  rein  äusserliche  Departementstheilung  sich  schickt, 
vorwiegend  nach  Flüssen  und  Seen,  daneben  nach  Ortschaften  be- 
nannt worden  sind.  In  unserm  Falle  empfiehlt  sich  die  Ableitung 
von  einem  Flussnamen  um  so  mehr,  als  die  teretinische  zugleich 
mit  dem  Aniodistrict  (Aniensis)  im  J.  455  eingerichtet  worden  ist. 
Aber  welcher  Fluss  ist  der  Teredes?  Unzweifelhaft  kein  andrer  als  469 
der  heutige  Sacro,  der  bei  Palestrina  entspringend,  zwischen  den 
Gebieten  der  Yolsker  und  Herniker  hindurch  in  südlicher  Richtung 
zum  Liris  fliesst  und  mit  diesem  sich  unweit  Fregellä  und  Fabrateria 
vereinigt.  Strabon,  der  meines  Wissens  einzig^  unter  den  alten 
Schriftstellern  diesen  Fluss  erwähnt,  nennt  ihn  (5,  3,  9  p.  237  Casaub.) 
TQYJQog.  Ob  danach  hier  Tgiidog  oder  bei  Festus  für  Terede  gelesen 
werden  muss  Terero^  muss  dahin  gestellt  bleiben;  die  Ausstossung 
des  kurzen  Vocals  der  Anfangssilbe  vor  dem  gleichen  aber  langen 
Yocal  der  zweiten  ist  in  der  Ordnung  2.  Diese  Annahme  stimmt 
völlig  zu  der  Geschichte  der  Zeit.  Es  war  die  Zeit  wo  nach  dem 
Ende  des  grossen  samnitischen  Krieges  (450)  Rom  sich  bleibend  in 
Mittelitalien  festsetzte,  die  Hermiker  (448),  Aequer  (452),  Umbrer 
(455)  definitiv  unterwarf,  Sora,  Alba,  Carsioli,  Namia  gründete  (R. 
G.  I  348  [I^  376]).  In  diesen  fernen  Gebieten  darf  man  natürhch  die 
ursprüngUchen  Bezirke  des  Anio  und  Trerus  nicht  suchen,  da  diese 


1)  Cluver  S.  1038.  [Vgl.  H.  Nissen,  Ital.  Landesktmde  I  S.  330  11  S.  647.] 
Nach  Forbiger  alte  Geogr.  3,  509  kommt  er  auch  auf  der  peutingerschen  Tafel 
verschrieben  als  Birius  vor.  Xämlich  sie  giebt  zwichen  Anagni  und  Rom  einen 
Scheideweg  —  ad  hiriiim  .  das  ist  ad  bivium  —  an! 

2)  Vergleichbar  ist  der  alte  Name  des  heutigen  Trivento,  das  bei  den 
Schriftstellern  (Plin.  h.  n.  3,  12,  107;  liber  colon.  p.  238)  Tereventum,  auf  den 
Inschriften  (C.  I.  N.  p.  463  [s.  jetzt  C.  I.  L.  IX  p.  241])  bald  Tereventum,  bald 
Terventum  heisst. 


282  Zu  Festus. 

nicht  nach  Bürger-,  sondern  nach  latinischem  Recht  constituirt  wurden ; 
aber  es  passt  vortrefflich  dazu,  dass  in  dem  äquischen  und  herni- 
kischen  Gebiet  am  unteren  Anio  und  am  oberen  Trerus  gleichzeitig 
zwei  neue  Bürgerbezirke  eingerichtet  wurden.  Bei  Festus  also  mag 
etwa  gestanden  haben: 

Teretina  tribus  a  flumine  Terede  dicta  existimatur  et  sylldba 

eins  tertia  mutata  T  pro  D  littera  posita. 


633  unter*)  den  ersten  Steinen,  die  mir  auf  meiner  Reise  diesmal 
zu  Gesicht  gekommen  sind,  war  der  folgende  jetzt  in  der  Kirche  zu 
Petronell  eingemauerte  aus  den  Ruinen  des  alten  Laurentum :  **) 

634  L  •  CORNELIVS 
L  •  F  •  FIRMVS 
TERETINA  •  AREL 
ATE  .  MIL  •  LEG  •  XV 
APOL  •  AN  •  XXX 
STIP  .  X  .  H  .  S  .  E 
C  •  VIBIVS  .  C  .  F  ■  MIL 

-  LEG     •     XV    •    APOL 

VB  •  H  •  P  viro  bono  heres  posuit 

Auch  hier  also  ist  der  Name  der  Tribus  Teretina  geschrieben;  wie 
auch  Marsilius  (Danub.  II  tab,  34,  3)  und  von  Sacken  (Sitzungsberichte 
der  Wiener  Akad.  Bd.  9  S.  736)  lasen;  nur  Muratori  808,  5,  der  den 
Stein  aus  Marsilius  nahm,  hat  durch  eine  der  ihm  geläufigen  kleinen 
Interpolationen  daraus  TERENTINA  gemacht. 


*)  [Hier  beginnt  der  Nachtrag.] 
'*)  [Die  Inschrift  steht  jetzt  im  C.  I.  L.  III,  4464.] 


XXXV. 

Zur  lateinischen  StichometriJ*) 


^ 


Der  liber  generationis,  griechisch  verfasst  vom  Bischof  Hippolytos  142 
von  Portus  im  letzten  Jahre  des  Kaisers  Sevenis  Alexander,  uns 
vollständig  nur  in  einer  lateinischen  Bearbeitung  erhalten,  muss  wie 
eine  der  elendesten  Schriften  der  sinkenden  Civilisation,  so  auch  eine 
der  im  Occident  meist  gelesenen  gewesen  sein.  Er  ist  theils  selb- 
ständig in  Handschriften  (namentlich  der  Bibliothek  Phillipps  in 
Cheltenham  n.  1S95  saec.  IX)  auf  uns  gekommen,  theils  findet  er 
sich  aufgenommen  oder  stark  benutzt  in  den  historischen  Compi- 
lationen,  die  jetzt  unter  den  Xamen  des  Chronographen  von  354, 
des  Barharus  Scaligeri  und  des  fränkischen  Fredegar  umlaufen^. 
Es  ist  ein  chronographisches  Compendium  geringfügigster  Qualität, 
hauptsächlich  ausgezogen  aus  der  Bibel,  von  Interesse  fast  nur  durch 
die  auf  Grundlage  der  Genesis  aufgebaute  VölkertafeP.    Von  dieser 

*)  [Hermes  21,  1885,  S.  142  —  156.  Über  das  Verzeichnis  der  Cyprian- 
schriften  ist  seit  Mommsens  Abhandlung  außerordentlich  viel  geschrieben  und 
sehr  vieles  gefordert  worden.  Die  Literatur  darüber  hier  anzufahren  erschien 
zwecklos;  diese  Abhandlung,  die  die  Entdeckung  gebracht  hat  und  dadurch 
grundlegend  -wurde,  mußte  genau  so  bleiben,  wie  Mommsen  sie  ausgehen  ließ. 
Die  Nachträge  beschränken  sich  daher  auf  die  wenigen  nebensächlichen  Fragen, 
zu  denen  ilommsen  selbst  späterhin  Stellung  genommen  hat.] 

1)  Neuerdings  haben  darüber  gehandelt  B.  Krusch  in  Wattenbachs  Neuem 
Archiv  7  (1882),  456  f.  und,  ohne  diese  Arbeit  zu  kennen,  H.  Geizer  Africanus  2 
(1885)  S.  2.  [Mommsen  selbst  hat  dies  Compendium  ediert  und  behandelt  in  den 
C  hronica  minora  I,  1892,  S.  78  ff.] 

2)  Diese  Völkertafel  ist  durch  Hippolytos  in  Umlauf  gekommen;  aber 
i'.üllenhoff  ('Weltkarte  des  Augustus  S.  37)  hat  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit, 
vermuthet,  dass  er  sie  dem  wenig  älteren  Julius  Africanus  entlehnt  hat,  von 
djm  er  in  der  Chronik  überhaupt  abhängt  (Geizer  a.  a.  0.).  Bearbeitet  ist  sie 
ttit  umsichtiger  Berücksichtigung  der  verschiedenen  griechischen  und  lateinischen 
Texte  von  Müllenhoff  a.  a.  0.  S.  39 f.  [Über  Müllenhoffs  und  Geizers  Forschungen 
zu  Julius  Africanus  und  Hippolytos,  insbesonders  über  das  Abhängigkeitsverhält- 


284  2"^  lateinischen  Stichometrie. 

Schrift  befindet  sich  in  der  Phillippschen  Bibliothek  ausser  der  eben 
erwähnten  noch  eine  zweite  ebenfalls  der  selbständigen  Ueberlieferung 
angehörige  Handschrift  aus  dem  zehnten  Jahrhundert  (n.  12266 
p.  66  f.),  die  meines  Wissens  noch  nicht  benutzt  ist.  An  sich  ist  sie 
von  geringem  Werth;  sie  zeigt  dieselben  Lücken,  wie  die  Hand- 
143  Schrift  n.  1895  sie  hat  und  die  Yorlage  des  sogenannten  Fredegar 
sie  hatte  ^,  und  ist,  im  Ganzen  wenigstens,  der  älteren  n.  1895  nach- 
zusetzen, obwohl  sie  auf  ein  recht  altes  im  J.  359  geschriebenes 
Exemplar  zurückgeht.  Denn  wenn  hinter  dem  Yerzeichniss  der 
jüdischen  Könige  und  vor  den  nomina  prophefarum  die  folgende, 
dieser  Recension  eigenthümliche  Bemerkung  sich  findet: 

ab  imperio  G.  lulii  Cesar  qui  ah  urbe  condita  initia  eins  per 
consules  inveniuntur  ann  sunt  DCCV  in  ****bium  et  typasium 
frs  ann  sunt  CCCGVI  si  quidem  ab  urbe  condita  usque  ad  hos 

consules  eubi  et  typasi  anni  sunt  ****.     CoUiguntur  u.  s.  w.  bis 

CXLVIII 

usque  eodem  anno  numero  III  BCC**** 

so  ist  dies  offenbar  eine  in  dem  Jahre  359,  das  allerdings  das  Jahr 
ist  nach  Roms  Erbauung  705  +  406  =  1111  und  dessen  Consuln 
Eusebius  und  Hypatius  in  der  That  Brüder  waren  2,  zu  dem  hippo- 
lytischen  Werk  zugefügte  Schreibernotiz,  welche  dann  in  unsere 
Handschrift  sich  fortgepflanzt  hat.  Danach  sind  wir  berechtigt  die 
Aufnahme  eines  anderen  wichtigeren  Stückes,  das  diese  Handschrift 
vor  den  übrigen  voraus  hat,  auf  dieselbe  Epoche  zurückzuführen. 

Die  Inhaltsangabe,  mit  der  die  Schrift  beginnt,  entspricht  im 
Ganzen  in  unserer  Handschrift  derjenigen  der  älteren  n.  1895,  nur 
dass  die  unsrige  beträchtlich  verkürzt  ist.  Den  Schluss  setze  ich  her, 
wie  er  in  beiden  vorliegt. 


nis  des  Hippolytos  von  Africanus  urteilte  Mommseu  später  wesentlich  anders: 
s.  Chronica  a.a.O.  S.  86f.]  Aus  dem  Fredegar -Codex  (Paris.  Lat.  10910)  hat 
Riese  diesen  Theil  des  Über  generationis  am  Schluss  seiner  geographi  Latini 
minores  abgedruckt  und  dadurch  auch  Philologen  im  engeren  Sinne  zugänglicl 
gemacht. 

1)  Die  Lücke  in  dem  gallisch-germanischen  Abschnitt,  welche  der  griechisch! 
Text  (Müllenhoff  a.  a.  0.)  nicht  hat,  wohl  aber  der  selbständige  lateinische 
wie  der  Fredegar,  ist  wahrscheinlich  durch  den  lateinischen  Uebersetzer  ver 
schuldet.  Der  Scaligersche  Barbaras,  aus  dem  Riese  a.  a.  0.  c.  32.  33  und  Kruscl 
a.  a.  0.  S.  465  sie  ausgefüllt  haben,  ist  bekanntlich  Uebersetzung  einer  griecbi'J 
sehen  Compilation  und  also  von  deren  Urheber  Hippolyt  nicht  in  der  üeber-jj 
Setzung,  sondern  im  Original  benutzt  worden. 

2)  Ammian  18,  1,  1.  21,  6,  4.  29,  2,  9. 


Zur  lateinischen  Stichometrie. 


285 


cod.  12266: 
nomina  patriarcharum. 
prophetarum. 
sacerdotum  ex  luda. 
mulierum  prcyphetissarum. 
regum  Macedonum  iuxta  Alexan- 
drum, 
reges  Saniartae. 

reges  Persarum  a  Cyro  rege. 
impe\ra\torum     Romanorum     ab 

Augusto    et    quis    quot    annis 

imperavit.  ^ 

lürri  qui    sunt    veteri    testamenti 

canonici     cum    indictdis    ver- 


cod.  1895: 

reges  Persarum  a  Cyro  et  quis 
qtiot  annis  regnavif. 

reges  Macedonum  ah  Alexandra  et 
quis  quot  annis  regnavit. 

imperatores  Romanorum  ab  Au- 
gusto et  quis  quot  annis  impe- 
ravit. 

tempora  olympiadum  ab  Ipito  us- 
que  in  praesentem  Oli/mpiadem. 

nomina  patriarcharum  a  genera- 
tione. 

nomina  prophetarum. 

mulieres  prophetissae. 

nomina  regum  Hebreorum  et  re- 
gum qui  in  Samaria  regnave- 
runt  supra  X  tribus  et  quis 
quot  annis  regnavit. 

nomina  sacerdotum. 

nomina  episcoporum^  Romae  et 
quis  quot  annis  praefuit. 

Während  im  Uebrigen  die  Yerschiedenheit,  abgesehen  von  den  Aus- 
lassungen, wesentlich  auf  Umstellung  hinausläuft,  wobei  übrigens  die 
jüngere  Handschrift  zum  Theil  wohl  treuer  als  die  ältere  die  ursprüng- 
liche Folge  bewahrt  hat,  fehlt  in  der  älteren  Inhaltsangabe  der  letzte 
Abschnitt  der  späteren,  und  entsprechend  fehlt  dem  älteren  Text  das 
fragliche  Yerzeichniss  selbst,  während  die  jüngere  Handschrift  den 
liher  generationis  p.  &  l  f.  abschliesst  mit  einem  Yerzeichniss  der  bib- 
lischen Schriften,  das  die  libri  canonici  nicht  blos  des  alten,  sondern 
auch  des  neuen  Testaments  ^  und  überdies  noch  die  Schriften  Cyprians 
cum  indiculis  versuum  verzeichnet.  Dieses  Yerzeichniss  lasse  ich  hier 
folgen  ^.*) 

1)  So  die  Handschrift,  wie  Labbe  richtig  las,  nicht  emperatontm,  wie  Krusch 
(a.  a.  0.  S.  468)  nach  Vogel  angiebt. 

2)  Dass  die  Inhaltsangabe  nur  das  alte  Testament  nennt,  welches  voran- 
steht, zeigt,  dass  der  Anfertiger  derselben  nicht  der  Redacteur  war ;  sonst  hätte 
er  den  vollen  Inhalt  gegeben,  nicht  mechanisch  die  erste  Zeile  wiederholt. 

3)  Der  Sohn  des  jetzigen  Besitzers  der  Phillippsschen  Bibliothek  Herr 
Fitzroy  Fenwick  hat  auf  meine  Bitte  die  im  letzten  Augenblick  und  eiliger  als 
biUig  von  mir  genommene  Abschrift  mit  der  Handschrift  verglichen. 

*)  [In  einem  Nachtrag:  „Zur  lateinischen  Stichometrie"  im  Hermes  25,  1890, 
S.  636 — 638  machte  Mommsen  die  Abweichungen  einer  Handschrift  aus  S.  Gallen 


144 


286  Zur  lateinischen  Stichometrie. 

Incipit  indiculum  veteri  (so)  [veferis  G]  iestamenti  qui  sunt  libri  can- 
nonici  sie 

Genesis  ver  n  [versus  IIIDCC  G] 

Exodus  ver  n  [ver  III  G] 
145  Numeri  ver  n  [ver  III  G] 

Leviticum  ver  n  [Leviticus  ver  IICCC  GJ 

Deuteronomium  ver  n  [ver  HD  CG  G] 

Ihü  Nave  ver  n  [Hiesu  Nave  ver  QCDCCL  G"" 

ludicum  ver  n  [ver  (XiDCCL  G] 

fiunt  libri  VII  iJe?  n  [Fi  fehlt  in  G]  XVIIIC 

Rut  ver  CGI''  [GCL  G] 

Regnorum  Über  I  ver  IIGGG 

Regnorum  liber  II  ver  IIGG 

Regnorum  liber  III  [Ilß]  vir  HD  [IlBL  G] 

Regnorum  liber  IUI  ver  IIGGL 

ßunt  versus  VIIIID^  [VlTlB  G] 

Paralipomen  [paralipomenon  G]  Hb.  I  IIXL  [uer  IIXL  G] 

Hb.  II  ^r  Tic 

Machabeorum  lib.  I  ver  IIGGG 

üb.  II  ^  (X>DGGG 
lob  ^^DGGG  [(X)BGC  G] 
Tobias  verDCGGG  [VIID  G] 
Bester  [verVIIDGC  fügt  G  zu] 
ludit  ver  CCG 

Psalmi  David  [Davitici  G]  CLI^  ver  V 
Salomonis  uer  VD  [VID  GJ 

profetas  [prophetae  G]  maiores  ver  X  VI[X  V]  CGGLXX  *  numero  IUI 
*saias  [Esaias  G]  uer  IIIDLXXX 
leremias  [Hieremias  G]  uer  IIIIGGGGL 
Daniel  [Danihel  G]  ver  Q/oGGGL 


(n.  133  p.  488—492,  vgl.  die  Beschreibung  dieser  Hs.  in  den  Chron.  min.  I  S. 
von  dem  englischen  Exemplar  bekannt.  Er  urteilt  a.  a.  0.  über  das  Verhältnis 
der  beiden  Exemplare  zu  einander  so:  „Dieses,  aus  dem  neunten  Jahrhundert, 
ist  älter  als  das  englische,  aber  nicht  dessen  Vorlage  gewesen  und  nicht  durch- 
gängig besser."  Es  erschien  zweckmässig,  die  von  Mommsen  mitgeteilten  Vari- 
anten der  S.  Gallen  Hs.  (G)  den  Lesarten  der  englischen  Hs.  gleich  in  Klammern 
beizufügen.] 

1)  Wohl  CCL.     [So  G.] 

2)  Die  Summirung  ergiebt  nur  9250. 
8)  Vielmehr  CL. 
4)  Die  vier  Theilposten  geben  nur  1B180. 


Zur  lateinischen  Stichometrie.  287 

EzecMel  ^  lUBCCC  [lIlCCCXL  G] 

profetas  [prophete  G]  XII  IIIDCCC 

erunt  omnes  ver  n  LXVIIIID^  [die  Zahl  fehlt  in  G] 

Sed  ut  in  apocalypsis  (so)  [apocalipsi  G]  lohannis  dictum  est:  ''vidi 
XXIIII  seniores  ynittentes  Coronas  suas   ante  thronum'^,  maiores  146 
nostri  probanf  Jios  libros  esse  canoniöos  et  hoc  [hos  G]  dixisse  seniores. 

Item  indiculum  novi  testamenti. 

euangelia  IUI  Matheum  [Mattheum  G]  vr  IIDCC 

Marcus  [Marcum  G]  ver  (X)DCC  1  [in  umgekehrter 
lohannem  vr  QcDCCC  J  Reihenfolge  G] 

Zwm  [Lucas  G]  v?  lÜCCC 

filmt  omnes  versus  X^ 

eplae  Pauli  n  XIII  (so)  [XZ/JJG;  „die  Zeüenzahl  fehlt  auch  hier«] 

actus  [actuum  G]  aplorum  ver  IIIDC 

apocalipsis  ver  [ver  fehlt  G]  (JoDCCC 

eplae  lohannis  III  ur  CCCCL  [CCCL  G] 

una  sola*  [una  sola  fehlt  G] 

eplae  Petri  II  ver  CCC 

una  sola*"  [una  sola  fehlt  G] 

Quoniam  indiculum  versuum  in  urhe  Roma  non  ad  liquidum^  sed 
et  [et  fehlt  G]  alibi  avariciae  causa  non  habent  integrum,  per  sin- 


1)  Die  Summirung  ergiebt,  wenn  für  Ruth  250  und  für  Könige  und  die 
grossen  Propheten  die  Sammtzahlen  in  Ansatz  gebracht  werden,  70560,  nach 
den  Theilansätzen  für  die  beiden  letzteren,  welche  zuverlässiger  sind,  67120, 
wozu  die  för  Esther  fehlende  Zahl  hinzutritt. 

2)  Äpokal.  4,  10  (Hieron.) :  procidebant  viginti  qiMttiuyr  seniores  ante  sedentem 
in  throno  ....  et  mittebant  Coronas  suas  ante  thronum.  Hieronymus  praef.  in 
libros  Samuelis  et  Malachim  vol.  9  p.  457  Vall.  (auf  welche  Stelle  Hr.  Dillmann 
mich  hingewiesen  hat) :  fiunt  . .  veteris  legis  libri  viginti  dito,  id  est  Mosi  guinque, 
jarophetarum  octo,  hagiographoriim  novem:  qiiamquam  nonmiUi  Ruth  et  Cinoth  (die 

Klageb'eder  des  Jeremias)  .  .  .  in  suo  putent  numero  supputandos,  ac  per  hoc  esse 
priscae  legis  libros  viginti  quattuor,  quos  sub  numero  viginti  quattuor  seniorum  apo- 
lUiJypsis  lohannis  inducit  adorantes  agnum  et  Coronas  suas  prostratis  vultibtis 
afferentes.  Das  Yerzeichniss  nimmt  übrigens  auf  die  22  oder  24  kanonischen 
Bücher  keine  Rücksicht  und  enthält  auch  solche,  die  nicht  im  Kanon  standen, 
<üe  Makkabäerbücher,  Tobias,  Judith. 

3)  Die  Theüzahlen  geben  10600. 

4)  Vgl.  S.  148  A.  2  [S.  289  A.  2]. 

5)  Handschrift  aliqui  dum  {dkqwdum  G], 


288  2"^  lateinischen  Stichometrie. 

gulos  libros  [Ubros  fehlt  Q]  computatis  syllahis  posui  ^  numero  XVI 
versum  Virgilianum  omnihus  lihris  numerum^  adscribsi^. 

147       Indiculum  Cecili  [cac  U  G]  Cipriani. 
1.*  ad  Donatum  CCCCX 

2.  ad  virgines  D 

3.  de  lapsis  BCCCCLXXX  [BCCCLXXX  G] 

4.  de  opere  et  elemosyna  DCLXX  [aelimosine    DCCLXX  G] 

5.  ad  Demetrianum  DXXXV 

6.  de  aeclesiae  unitate  DCCL  [DCC  G] 

7.  de  zelo  et  liuore  CCCCXX 

8.  de  mortalitate  DL 

9.  de  patientia  DCCCLX  [B  G] 

10.  ad  Fortunatum  DCCXL  [DCCCLX  G] 

XL 

11.  de  domini  oratione  (so)  [DCC  G] 

12.  ad  Quirinum  libri  III:  I^   DL. 

II  DCCCL  [DCCCCL  G] 

III  DCCLXX 

13.  ad  Äntonianum  [Äntonium  G]  DCL 

14.  de  calice  dominico  CCCCL 

15.  de  laude  martyrii  [martirum  Gj  DCCCXXX 

16.  «^  confessores  martyrum   [ad  confessione  martirum  G]  CXL 

17.  Moysi  [monsi  GJ  e^  Maxirno  LXX 

18.  at?  eosdem  alia  CXX 

19.  öJe  precando  deum  CXC 

20.  «(/  clerum  [clero  G]  il/IZ 

21.  Aurelio  lectori  pro  ordinato  CXL  [Aurilio  lectore  pre  ordi- 

natio  CXI  G] 

22.  Celerino  C 

23.  «^  lobianum  [labaianura  G]  Di 

24.  a^  Quintum  ü 

25.  J(^e  p^  ZIIZ  w  .  XXX  [ad  Efesius  (geändert  von  1 .  Hand . 

in  efphesius)  XIII  XXX  G] 

1)  Nach  posui  ein  Buchstabe  radirt. 

2)  num  die  Handschrift. 

3)  Die  verwirrten  Worte  weiss  ich  nicht  mit  Sicherheit  herzustellen ;  viel- 
leicht sind  posui  und  num  auszuwerfen  und  ist  zu  schreiben :  computatis  syllahis 
numero  XVI versum  Vergilianum  omnihus  lihris  adscrihsi.  [In  G  lautet  die  Stelle: 
posui  numero  versus  Virgilianum;  das  Weitere  fehlt.] 

4)  Die  Zählung  ist  von  mir  zugesetzt. 

5)  L  die  Handschrift.     [IUI  statt  III:  I  G.] 


Zur  lateinischen  Stichometrie.  289 

26.  Ade^n.  CXX  [ad  Efhesius  CXX  G] 

27.  sententiae  episcoporum  DXX 

28.  ad  Pompeium  CCXC 

29.  ad  Stephanum  C 

30.  ad  Fidum  [fidem  G]  CVI 

31.  ad  Ma^num  CCLXXXIIII  [ad  Magnium  CLXXXIIU  G] 

32.  ad  Martialem  [de  Martiale  G]  CCCL 

33.  Lud  ad  Eucratium  [Egracium  G]  XL 

34.  Felici  et  ceteris  XX 

35.  de  Numidia  [Numedia  G]  conf.  XXX  148 

36.  ad  Florentium  CCVII  [CCVIII  G] 

37.  ad  prest  LXXII  [LXXQ] 

38.  ad  eosdem  et  diac  XXV  [die  XXX  Gll  r      i.     x_  •    m 

39.  ad  clerum  urt  LXX  ]  [-«^^g^*^*?-  -  ^1 

40.  Bomani  resc  (so)    CCXV  [Roman  res  (so)  CCCXV  G] 

41.  adversus  lud    CCXC 

42-50.  a(?  Cornelium  [Comüimn  G]   FJ///  [FilZ  G]  (XiCVIII 
51.  v?Va  Cypriani  DC 

fiunf  omnes  versus  [versi  G]  n  XVIIID^ 

Es  ist  nicht  meine  Absicht  diese  Aufzeichnimg,  die  mir  zufallig 
in  die  Hand  gekommen  ist,  so  nach  allen  Seiten  hin  zu  erläutern 
Y-ie  sie  es  wohl  erfordert;  diejenigen  Gelehrten,  die  sich  mit  dem 
Kanon  der  biblischen  Bücher  ^  und  mit  der  Kritik  Cyprians  so  wie 
mit   der  Stichometrie  überhaupt  abgeben,   werden  nicht  verfehlen, 

1)  Die  Theilposten  ergeben  15446  Zeilen;  eine  Zahl  (n.  11)  fehlt. 

2)  Herr  Theodor  Zahn  in  Erlangen  bemerkt  in  dieser  Hinsicht  brieflich: 
'I'a  das  Verzeichniss  nur  13  paulinisehe  Briefe  zählt,  den  Hebräerbrief  also  da- 
'von  ausschliesst,  denselben  auch  nicht  anhangsweise  aufführt,  so  muss  dasselbe, 
'v  enn  es  africanischen  Ursprungs  ist,  älter  sein  als  die  Synoden  von  Hippo  (393) 
'uad  von  Karthago  (397).  Denn  damals  wurde  beschlossen:  Pauli  apostoli  epistolae 
Hredecim,  eiiisdem  ad  Hebraeos  una,  wobei  der  Uebergang  aus  dem  alten  abend- 
*lfc.ndi scheu  Kanon  zu  dem  aus  dem  Orient  importirten  jüngeren  in  der  Unter- 
'lassung  der  Addition  noch  deutlich  zu  sehen  ist.'  —  In  den  Worten  una  sola 
vor  und  hinter  epistiilae  Petri  II  erkennt  Zahn  den  nachdrücklichen  Protest  eines 
Mannes,  welcher  nach  altem  africanischen  Herkommen  nur  einen  einzigen  Brief  des 
Petrus,  den  ad  Ponticos,  anerkannt  haben  wollte.  [In  dem  Nachtrag  bemerkt 
Mommsen  über  die  Hs.  G:  ,««a  sola  fehlt  an  beiden  Stellen,  also  sicher  Randnote*.] 
—  .Interessant',  bemerkt  er  schliesslich,  'ist  auch  die  Ordnung  der  Bücher,  ganz 
'abweichend  von  dem  Verzeichniss  im  Claromontanus.  Die  Reihe  actus,  apocaiypsis, 
'epistulae  lohannis  scheint  Andeutungen  bei  Tertullian  zu  bestätigen'. 

MOMMSEN,    SCHR.  VII.  19 


290  2ur  lateinischen  Stichometrie. 

sich  mit  den  Verzeichnissen  eingehender  zu  beschäftigen.  Nur  eine 
vorläufige  Erörterung  mag  die  Veröffentlichung  derselben  begleiten. 
Dass  die  Notiz  aufgesetzt  worden  ist,  um,  so  weit  sie  reicht, 
den  Käufern  der  betreffenden  Schriften  deren  Umfang  zur  Kunde  zu 
bringen  und  dadurch  sie  vor  Uebertheuerung  durch  die  Buchhändler 
in  Rom  zu  schützen,  welche  die  den  Preis  bedingende  Zeilenzahl^ 
L49  eben  desswegen  wegzulassen  pflegten,  sagt  sie  uns  selbst.  Sie  ist 
also  ausserhalb  Roms  aufgesetzt,  wahrscheinlich  in  Africa,  einmal 
weil  bekanntlich  die  älteste  christliche  Litteratur,  soweit  sie  lateinisch, 
daselbst  ihren  Hauptsitz  hat,  zweitens  weil  neben  der  Bibel  hier  die 
Schriften  des  Bischofs  von  Karthago  verzeichnet  werden.  Dass  der 
africanische  Schreiber  über  die  Manipulation  der  römischen  Buch- 
händler sich  beschwert,  wird  wohl  daraus  sich  erklären,  dass  die 
fabrikmässige  Herstellung  der  Abschriften  ihren  Hauptsitz  in  Rom 
hatte  und,  nach  unserer  Weise  zu  reden,  die  Sortimentsbuchhändler 
in  Karthago  ihre  Exemplare  von  Rom  bezogen.  Es  war  eben  noch 
wie  in  den  Tagen  des  Horaz,  wo  die  römischen  Verleger  ihre  Laden- 
hüter, die  in  der  Hauptstadt  den  Motten  verfielen,  nach  Ilerda  und 
Utica  schickten  2.  Der  versus  Vergüianus  von  16  Silben  als  Einheit 
der  lateinischen  Zeilenzählung  wäre,  wenn  die  Notiz  vor  Ch.  Grauxs 
und  Diels  ^  Untersuchungen  sich  gefunden  hätte ,  eine  philologische 
Novität  gewesen;  jetzt  bestätigt  er  im  Wesentlichen  nur,  was  die 
Forschung  der  letzten  Jahre  ohne  solche  Hülfe  ermittelt  hat.  Ins- 
besondere hat  Diels  gezeigt,  dass  Galen  seinen  orixog  zu  16  Silben 
zählte.  Da  die  galenische  Zählung  sich  nur  auf  den  homerischen 
OTtxog  und  die  griechische  Silbe  beziehen  lässt,  so  stellt  das  Zeugnis 
für  den  versus  Vergüianus  von  ebensoviel  Silben  die  für  beide  Sprachen 
gleichmässige  Durchschnittsrechnung  fest,  woran  es  auch  nichts  ändern 
würde,  wenn  sich  herausstellen  sollte,  dass  die  Verschiedenheit  in  der 
Verwendung  der  Daktylen  und  der  Spondeen  und  die  lateinische 
Elision  eine  gewisse  Differenz  in  der  Silbenzahl  des  Hexameters  für 
die  beiden  Sprachen  bedingt.  Bei  buchhändlerischen  Durchschnitts- 
zahlen, vergleichbar  der  Gewohnheit  unserer  Drucker  den  Raum 
nach  dem  n  zu  berechnen,  konnten  kleinere  Differenzen  füglich  ausser 
Betracht  bleiben,  und  wurde,  was  in  Griechenland  aufgekommen  war, 

1)  Birt  das  antike  Buchwesen  S.  206, 

2)  Ep.  1,  20,  11:  contrectatus  tibi  manibus  sordescere  vulgi  coeperis,  aut  tineas 
pasces  taciturnus  inertes,  aut  fugies  Utieam  aut  vinctus  mitteris  Berdam.  Birt 
a.  a.  0.  S.  362. 

3)  In  dieser  Zeitschrift  XVII  377  f.,  wo  die  früheren  Schriften  ange- 
fühi't  sind. 


Zur  lateinischen  Stichometrie,  291 

von  den  Römern  wohl  auch  dann  übernommen,  wenn  es  nicht  völlig 
passte.  Einer  meiner  Freunde  hat  sich  übrigens  der  Mühe  unterzogen 
aus  dem  ehdirenden  Yergilius  und  dem  die  Elision  vermeidenden 
Calpurnius  einige  Abschnitte  auf  die  Silben  durchzuzählen;  ich  lege 
das  Ergebniss  vor,  um  die  Yergleichung  des  normalen  und  des  wirk- 
lichen Yerhältnisses  anschaulich  zu  machen. 

51 


Äm.TL  l-lOl 

Aen.  X  807—908       Caljn 

irnius  2,  1 

(ohne  94): 

(ohne  876); 

(ohne  30): 

Silben. 

19           1  (v.  31) 

— 



V 

18           1  (v.  64) 

3  (v.  866.  883.  904) 

— 

rt 

17           5 

12 

3 

n 

16         25 

24 

16 

D 

15         51 

39 

22 

r) 

14         15 

20 

7 

n 

13           2  (v.  78.  S 
100 

7)         2  (v.  809.  906) 
100 

2 

50 

Durchschnitt:  15.23 

15.33 

15.22 

Thatsächlich  also  kommen  auf  den  lateinischen  Hexameter  im  Durch- 
schnitt nicht  16,  sondern  nur  wenig  über  15  Silben. 

Die  stichometrischen  Angaben  über  die  lateinische  Bibel  zu 
erörtern  beabsichtige  ich  nicht;  es  giebt  manche  ähnliche^,  und  die 
Abweichungen  dieses  Yerzeichnisses  von  den  schon  bekannten  werden 
schwerlich  von  Belang  sein.  AYohl  aber  ist  es  von  Wichtigkeit,  dass 
die  immer  noch  vorwaltende  Auffassung  der  derartigen  die  Bibel 
betreffenden  Angaben  als  überwiegend  kolometi-ischer  Art  jetzt  nicht 
länger  wird  festgehalten  werden  können.  AYie  immer  über  die  bei 
den  poetischen  Büchern  des  alten  Testaments   schon  von  Origenes 

1)  Die  (bei  Birt  mangelnde)  Zeilenzählung  der  Bücher  des  alten  und  des 
neuen  Testaments,  wie  sie  die  Mauriner  (in  dem  Yallarsischen  Hieronymus  vol.  9 
p.  LXXXIII  f. ,  zweite  Columne)  nach  den  exemplaria  vetiistissima  der  hierony- 
mischen  Uebersetzung  zusammenstellen,  stimmt  mit  imserem  Verzeichniss  so 
genau,  dass  letzteres  vielleicht  für  jene  Zählung  zu  Grunde  gelegt  worden  ist. 
Beispielsweise  werden  dort  für  die  vier  grossen  Propheten  angesetzt:  Jesaias 
3580  —  Jeremias  4450  —  Daniel  1850  —  Ezechiel  3340,  für  die  zwölf  kleinen 
3800,  wogegen  freilich  anderswo  stärkere  Abweichungen  auftreten.  Die  Zahlen 
dagegen  des  Verzeichnisses  des  Claromontanus  (ebendaselbst  in  der  ersten  Columne 
und  in  Tischendorfs  Ausgabe  dieser  Handschrift  der  paulinischen  Briefe  p.  468. 
469),  welche  die  Mauriner  auf  einen  vorhieronymischen  Text  beziehen,  bieten 
auch  Berührungspunkte  (so  ist  die  Zahl  5000  für  die  Psalmen  allen  Listen 
gemein),  scheinen  indess  zum  weitaus  grössten  Theil  auf  einer  vermuthlich  nach 
demselben  Princip  angestellten,  aber  verschiedenen  Zählung  zu  beruhen. 

19* 


292  Zur  lateinisclien  Stichometrie. 

eingeführte  und  dann  besonders  durch  Euthalius  um  450  weiter  ent- 
151  wickelte  kolometrische  Schreibung  der  biblischen  Schriften  geurtheilt 
werden  mag,  die  Zeilensummirung  ist  in  den  Bibelhandschriften  der 
Regel  nach  offenbar  ebenso,  wie  in  der  gesammten  übrigen  Litteratur, 
auf  die  Raumzeile  zu  beziehen  ^. 

"Wichtiger  sind  auf  jeden  Fall  die  entsprechenden  Angaben  über 
Cyprian.  Wir  haben  hier  allem  Anschein  nach  ein  Verzeichniss  seiner 
Werke,  wie  sie  etwa  ein  Jahrhundert  nach  seinem  Tode  dem  Schreiber 
unserer  Notiz  vorlagen,  und  für  die  Feststellung  der  Titel  und  der 
Reihenfolge,  ja  selbst  in  Betreff  der  Echtheit  giebt  dasselbe  manchen 
Anhalt.  So  werden  die  Titel  ad  virgines  (statt  de  hahitu  virginum) 
und  de  patientia  (mit  den  Handschriften  statt  de  bono  patientiae) 
durch  dasselbe  beglaubigt.  Die  Schrift  ad  Antonianum  (ep.  55 
Hartel)  wird  auch  wohl  besser  mit  dem  Verzeichniss  in  die  Reihe 
der  Tractate  gestellt  als  zu  den  Episteln;  auch  die  Abhandlung  de 
calice  dominico  unseres  Verzeichnisses  ist  sicher  die  ep.  63  unserer 
Ausgaben.  Wenn  den  drei  Büchern  ad  Quirinum  hier  550  —  850  — 
770  Zeilen  gegeben  werden,  während  sie  jetzt  in  der  Hartelschen 
Ausgabe  525  —  886  — 1876  Zeilen  füllen,  so  lag  unserem  Gewährs- 
mann das  letzte  Buch  in  kürzerer  Form  vor  als  unsere  Ausgaben  es 
aufzeigen;  es  werden  in  demselben  nicht  blos  die  Abschnitte,  die 
allein  die  Würzburger  Handschrift  hat,  p.  134,  15—138,  21.  161,  8— 
162,  26  gefehlt  haben,  sondern  noch  viele  andere  dieser  'Zeugnisse' 
dürften  von  späterer  Hand  zugesetzt  sein.  Auf  jedes  Fehlen  in  dem 
Verzeichniss  wird  man  nicht  gerade  eine  Athetese  bauen  dürfen;  die 
Schrift  quod  idola  dii  non  sint,  der  einzige  unter  den  sicher  echten 
grösseren  Tractaten,  der  hier  vermisst  wird,  ist  wohl  nur  ausgefallen. 
Aber  dass  von  den  jetzt  für  unecht  gehaltenen  Schriften  allein  die 
Abhandlungen  de  laude  martyrn  und  adversus  ludaeos  aufgeführt 
werden,  ist  einerseits  eine  Bestätigung  der  Unechtheit  der  übrigen, 
152  andererseits  ein  nicht  unwichtiges  Zeugniss  wenigstens  für  das  Alter 
jener  beiden  Schriften,  von  denen  übrigens  auch  Hartel  die  erstere 

1)  Dass  auch  Kolenzählung  vorgekommen  ist,  soll  damit  keineswegs  ge- 
leugnet werden.  Uebrigens  wird  bei  abermaliger  Untersuchung  dieser  Frage 
die  Terminologie  noch  besonders  ins  Auge  zu  fassen  sein.  Zrixog  ist  die  Zeile 
schlechthin  und  wie  oft  es  auch  für  die  Raumzeile  gebraucht  wird,  so  bezeichnet 
es  unleugbar  anderswo  die  Sinnzeile,  wie  denn  die  poetischen  Bücher  des  A.  T. 
in  der  Recensiou  des  Origines  in  diesem  Sinne  ßißXoi  anxrjoai  oder  oTixi]S6v 
yEy()afifisvai  heissen.  Dies  ist  auch  insofern  ganz  in  der  Ordnung,  als  die  Sinn- 
zeile ursprünglich  ja  nicht  minder  Raumzeile  war.  Wie  man  beide  termino- 
logisch difFerenzirt  hat,  steht  dahin;  nahe  liegt  es  hieher  zu  ziehen,  dass  in  den 
Zeilenzahlangaben  einzelner  Bibelhandschriften  ozixoi  und  QTJfiava  sich  neben- 
einander finden  (Ritschi  opusc.  1,  88). 


Znr  lateinischen  Stichometrie. 


293 


als  Cyprian  gleichzeitig  anerkennt.  Die  Biographie  findet  sich  nicht 
blos  vor,  sondern  kann  auch  nach  der  Zeilenzahl  nicht  kürzer  ge- 
wesen sein  als  unsere  Ausgaben  sie  geben. 

Besondere  Aufmerksamkeit  verdienen  die  Briefe,  bei  denen 
freilich  die  Identification  nicht  immer  leicht  ist  und  zum  Theil  wohl 
unsicher  bleiben  wird.  Sie  sind  hier  nicht,  wie  in  unseren  auch  den 
besten  Handschriften  der  Fall  ist,  mit  den  Abhandlungen  durcheinander 
geworfen,  sondern  bilden  eine  besondere  Sammlung  von  33  Nummern, 
welcher  von  fremdartigen  Stücken  nur  zwei,  die  sententiae  episcoporum 
und  die  Schrift  adversus  ludaeos  eingefügt  sind  und  in  der  eine 
gewisse  Ordnung  herrscht;  wenigstens  stehen  die  neun  Briefe  an  den 
römischen  Bischof  Cornelius  und  überhaupt  die  an  denselben  Adres- 
saten gerichteten  zusammen.  Die  Reihenfolge  verdient  um  so  mehr 
Beachtung,  als  sie  sich  nahe  berührt  mit  der  ältesten  der  jetzt  vor- 
handenen Handschriften,  der  Lorscher,  jetzt  Vindobmietisis  962  saec. 
IX,   welche  der  folgenden  Zusammenstellung  zu  Grunde  gelegt  ist. 


Lorscher  Handschrift^: 
ad  Quirinum  (Hb.  III) 
de    sacramento    dominici    ccUicis 

(ep.  63; 
ad  confessm-es  (ep.  6^ 
ad  Antonianum  (ep.  bo) 
ad  martyras  et  confessores  (ep.  Xd) 
Mosi  et  Malimo  (ep.  28^ 
quibus  supra  (ep.  ZI) 
ad  clerum  de  deprecando  deo  (ep.  1  \) 
ad  clerum  etphhem  de  Aurelio  con- 

fessore  lectore  ordinato  (ep.  38) 
scheint  hier  zu  fehlen 
ad  clerum  etplebem  de  Celerino  con- 

fessore  lectore  ordinato  (ep.  39^ 
ad  Comelium  de  confessione  eius 

(ep.  60; 
ad  martyras  et  confessores  in  me- 

tallis  constitutos  (ep.  16) 
ad  luvaianum  de  hereticis  bapti- 

zandis    epistulas    numero    tres 

(ep  13) 
ad  Quintum  (ep.  1\) 


Verzeichniss  vom  J.  359: 
imter  den  Abhandlungen 
unter  den  Abh?iildlungen 


unter  den  Abhandlungen 
ad  confessores  martyrum  (16) 
Moysi  et  Maximo  (17) 
ad  eosdem  alia  (18) 
de  precando  deum  (19) 
ad  cleriim  (20) 

Aurelio  lectori  pro  ordinato  (21) 
Celerino  (22) 

unter  ad  Comelium  Villi  (42— 50) 


ad  lobianum  (23) 


ad  Quintum  (24) 


1)  Haxtel  praef.  p.  XXX. 
geben. 


Die  Adressen  sind  nach  dem  Lorscher  Text   ge- 


294 


Zur  lateinischen  Stichometrie. 


ohne  Ueberschrift ;  Unterschrift 
ad  lubaianum  de  haereticis  ha- 
ptimndis  epistula  n.  III  (ep.  10) 

sententiae  episcoporum  (Hb.  XIIIIj 

ad  Pompeium  contra  epistulam 
Stephani  (ep.  14) 

scheint  hier  zu  fehlen 

ad  Magnum  de  Novatiano  (ep.  69j 

de  Martiale  et  Basilide  (ep.  %1) 

ad  Fidum  (ep.  64^ 

ad  Eucratium  (ep.  2) 

ad  Ilogatianum  (ep.  13j 

de  laude  martyrii  (lib.  spur.  III) 

ad  plebem  de  quinque  presbyteris 
(ep.  43; 

ad  Epictetum  et  plebem  Ässurita- 
norum  (ep.  65) 

ad  Cornelium  (ep.  52) 

ad  clerum  et  plebem  (ep.  ]) 

ad  Fortunatum  et  ceteros  (ep.  56^ 

ad  Bogatianum  (ep.  3) 

ad  Cornelium  (ep.  41) 

secunda  (ep.  4b) 

ad  Cornelium  III  (ep.  48^ 

ad  Cornelium  IUI  (ep.  44^ 

ad  Lucium  (ep.  61) 

ad  Maximum  et  Nicostratum  (ep. 
46; 

ad  Cornelium  de  lapsis  (ep.  bl) 

ad  Cornelium  de  quinque  presby- 
teris (ep.  59) 

quod  idola  dii  non  sint  (lib.  II) 

ad  Florentium  (ep.  66) 
[54  de  Numidico  confessore  presbytero 
ordinato  (ep.  40) 

ad  Pomponium  (ep.  4) 

ad  Stephanum  (ep.  12) 

ad  Cornelium  de  confessoribus  (ep. 

5i; 

ad  Maximum  presbyterum  (ep.  M) 
ad  presbyferos  et  diaconos  (ep.  32) 


sententiae  episcoporum  (27) 
ad  Pompeium  (28) 

ad  Stephanum  (29) 

ad  Magnum  (31) 

ad  Martialem  (32) 

ad  Fidum  (30) 

Lud  ad  Eucratium.  (33) 


unter  den  Abhandlungen 


unter  ad  Cornelium  Villi  (42 — 50) 


unter  ad  Cornelium  Villi  (42 — 50) 


unter  ad  Cornelium  Villi {42 — 50) 


ad  Florentium  (36) 
de  Numidia  conf.  (35) 


unter  ad  Cornelium  (42  —  50) 


ad  eosdem  et  diaconos  (38) 


Zur  lateinischen  Stichometrie.  295 


ad  Romanos  (ep.  20^ 
ad  presbyteros  et  diaconos  (ep.  V2) 
Cypriano  papae  lyreshijteri  et  dia- 
coni  R&mae  consistentes  (ep.  30^ 


ad  clerum  urbis  (39) 
ad  presbyteros  (37) 
Romani  resc.  (40) 


Also  lassen  sich  von  den  33  Briefen,  die  das  Yerzeichniss  auf- 
führt^, etwa  28  in  der  Lorscher  Sammlung  mit  Sicherheit  oder  mit 
Wahrscheinlichkeit  wiedererkennen  und  stehen  daselbst  in  einer 
vielfach  der  unsrigen  sich  nähernden  Reihenfolge.  Die  fünf  übrigen 
des  Yerzeichnisses  n.  21.  25.  26.  29.  34  dürften  sich  nicht  unter  den  i 
zahlreichen  ausserdem  in  der  Lorscher  Handschrift  aufgeführten  ver- 
bergen, sondern  verloren  sein.  Die  beiden  Briefe  n.  21.29  scheinen, 
nach  den  Adressen  zu  schhessen,  mit  den  in  dem  Yerzeichniss  vorauf- 
gehenden 20  (=  38  Hartel)  und  28  (=  74  Hartel)  in  sachlichem 
Zusammenhang  gestanden  zu  haben  und  gehören  in  diesem  Falle 
sicher  zu  den  verlorenen.  Auch  für  die  kurzen  Schreiben  an  den 
Presbyter  Adam  und  Genossen  (n.  25.  26)  ^  und  an  Felix  und  Ge- 
nossen (n.  34)  wüsste  ich  unter  den  erhaltenen  Briefen  keine  zu 
bezeichnen ,  die  den  durch  das  Yerzeichniss  gegebenen  Bedingungen 
entsprechen.  Auf  den  Kreis  der  Lorscher  Briefsammlung  wird  die 
Untersuchung  wohl  auf  alle  Fälle  beschränkt  werden  müssen,  da,  so 
viel  ich  sehe,  von  den  in  dieser  fehlenden  Schreiben  unsere  Notiz 
nicht  ein  einziges  aufführt.  Möge  der  verdiente  Wiener  Herausgeber 
des  Cyprian,  dem  es  vor  jedem  Anderen  gebührt  über  diese  Fragen 
sich  zu  äussern,  uns  seine  Auffassung  des  Yerzeichnisses  baldigst  zur 
Kunde  bringen.*) 

Zur  Erleichterung  des  Xachrechnens  setze  ich  das  Cheltenhamer  155 
Yerzeichniss  noch  einmal  her  mit  Angabe  der  Zeilenzahl  der  corre- 
spondirenden  Abschnitte  nach  Harteis  Ausgabe.  Wenn  die  Zahlen 
bei  den  Briefen  im  Ganzen  zu  niedrig  erscheinen,  so  kommt  das 
wohl  auf  Rechnung  der  ziemlich  viel  Raum  in  Anspruch  nehmenden 
Inscriptionen. 


1)  Dabei  sind  die  neun  CF7J7J  besserte  Fenwick,  ich  las  VUI)  Briefe  an 
den  Bischof  Cornelius  eingerechnet.  Unsere  Ausgaben  enthalten  nur  acht  (44. 
io.  47.  48.  51.  52.  59.  60  Hartel),  ausserdem  zwei  oder  drei  (49.  50;  ep.  spur.  2) 
des  Cornelius  an  Cyprian. 

2)  Gemeint  ist  n.  25  wohl  Adae  et  presbyteris  XIII  nnmero;  in  n.  26  mag 
vor  n  die  Zahl  der  Coadressaten  ausgefallen  sein. 

*)  [Das  ist  nicht  geschehen.] 


296 


Znr  lateiniscilen  Stichometrie. 


156 


Zeilenzahl 

Zeilenzahl 

der 

dei 

Cheltenhamer 

Hartelschen 

Handschrift. 

Ausgabe. 

1. 

410 

lih.     \ 

•     319 

2. 

500 

Hb.     4 

472 

3. 

980 

m.    6 

703 

4. 

670 

m.  11 

579 

5. 

535 

lih.  10 

525 

6. 

750 

m.   5 

601 

7. 

420 

Hb.  13 

347 

8. 

550 

Üb.     8 

457 

9. 

860 

m.  12 

499 

10. 

740 

Hb.     9 

795 

11. 

— 

Hb.     7 

719 

12. 

I  550 

Hb.     3 

525 

II  850 

886 

III  770 

1876 

13. 

650 

ep.  55 

560 

14. 

450 

ep.  63 

375 

15. 

830 

Üb.  sp.  3 

526 

16. 

140 

ep.  10 

118 

17. 

70 

ep.  28 

53 

18. 

120 

ep.  37 

86 

19. 

190 

ep.  11 

159 

20. 

54 

ep.  38 

44 

21. 

140 

— 

— 

22. 

100 

ep.  39 

92 

23. 

550 

ep.  73 

470 

24. 

100 

ep.  71 

83 

25. 

30 

— 

— 

26. 

120 

— 

— 

27. 

520 

lih.  14     : 

543 

28. 

290 

ep.  74 

250 

29. 

100 

— 

— 

30. 

106 

ep.  64     : 

97 

31. 

284 

ep.  69     . 

388 

32. 

350 

ep.  67     : 

212 

33. 

40 

ep.     2     : 

35 

34. 

20 

—  . 

— 

35. 

30 

ep.  40     : 

25 

Zur  lateinischen  Stichometrie. 


29- 


42 


Zeüenzahl 

Zeilenzahl 

der 

der 

Cheltenhamer 

Hartelschen 

Handschrift. 

Ausgabe. 

36.         207 

ep.  66 

194 

37.           72 

ep.   12 

46 

38.           25 

ep.  32 

20 

39.           70 

ey.  20 

59 

40.         215 

ep.  30 

182 

41.         290 

lih.  sp.  9 

241 

50.       1108 

ep.  44.  45.  47.  4 

51.         600 

vita         : 

483 

991 


XXXVI. 

Zu  den  Scriptores  bist.  Aug.*) 

298  Das  merkwürdige  Florilegium,   das  vor  einigen  Jahren  aus  der 

Handschrift  von  Cues  bekannt  geworden  ist^,  enthält  unter  anderen 
auch  Auszüge  aus  den  Scriptores  historiae  Augustae  (bei  Klein  S.  95  f.), 
auf  welche  zurückzukommen  mich  eine  zufällige  "Wahrnehmung  ver- 
anlasst, die  für  die  Handschriftengeschichte  ein  gewisses  Interesse 
hat.  Haupt  (Hermes  1,  45  =  opusc.  3,  339)  und  Dümmler  (in 
Wattenbachs  neuem  Archiv  3,  189)  haben  in  der  Schrift  des  Sedulius 
de  rectorihus  christianis  (Mai  spicil.  Rom.  t.  YHI)  drei  den  scriptores 
historiae  Augustae  entlehnte  Stellen  nachgewiesen. 

c.  6  p.  19:  unde  illa  Antonini  imperatoris  praecipua  semper  in 
consiliis  fuit  sententia:  ^aequius  est  ut  ego  tot  et  tälium  ami- 
corum  consilium  sequar,  quam  ut  tot  et  tales  amici  nieam  unius 
voluntatem  sequantur\  Aus  vita  Marci  22. 
c.  14  p.  43:  qui  ab  uno  vinci  non  potest,  interdum  a  multis  vincitur. 
elepJias  grandis  est  et  occiditur,  leo  fortis  est  [et  occiditur],  tigris 
fortis  est  et  occiditur.  Aus  vita  Maximinorum  9. 
c.  7  p.  22:  quaeritur,  quae  causa  etiam  ex  honis  malos  ijrincipes 
faciat.  (ad  quod  dicendum) :  iam  primum  regalis  licentia,  deinde 
rerum  copia  (cum  ipsa  ahundantia  rerum  causa  malorum  fiat), 
amici  praeterea  improM,  satellites  detestandi,  eunuchi  avarissimi, 
aulici  vel  stulti  vel  detestäbiles,  (per  quos  omnes  etiam  in  illo 
dominatore,  qtd  videhatur  honus  esse,  nascitur  ohlivio  manda- 
torum  dei:  postremo),  quod  negari  non  potest,  rerum  puhlicarum 


*)  [Hermes  13,  1878,  S.  298  —  301.  Mommsens  Ausführungen  sind  von 
H.  Dessau,  Hermes  29,  1894,  S.  414f.  bestätigt  und  in  Einzelheiten  erweitert 
worden.] 

1)  Ueber  eine  Handschrift  des  Nicolaus  von  Cues  von  Joseph  Klein. 
Berlin  1866. 


Zu  den  Scriptores  bist.  Aug.  299 

ignorantia.   hinc  colligimt  se  quatUior  vel  quinque  atque  unum 

consilium   ad  decipiendum    imperatarem    (seu   regem)   capiunf.  299 

-  dicunt  quid  prohandtmi   sit.    Imperator  qui  domi   claustis   est 

Vera  non  novit:  cogitur  hoc  tantum  \scire\  quod  iUi  loquuntur. 

facit  iudices  quos  fieri  non  oportet,  amovet  a  re  publica  qtios 

debeat  optitiere.  unde  etiam  venditur  bonus  et  cautiis  et  optimus 

imperator.     Aus  vita  Aureliani  43;    Sedulius   eigene  Zusätze 

sind  in  (  )  eingeschlossen. 

Es    kann    nicht   Zufall    sein,    dass    diese    alle    in    den   Cusaner 

Excerpten   wiederkehren;     und   noch   weniger,    dass  in   der  letzten 

Stelle  bei  Sedulius  genau  die  von  der  üeberliefening  wesentlich  sich 

entfernende  Fassung  vorliegt,  die  der  Epitomator  der  Stelle  gegeben 

hat.     Damit  ist  erwiesen,   dass  wenigstens  das  Florilegium  aus  den 

Scr.  hist.  Ättg.,  wahrscheinlich  aber  die  ganze  in  dem  Cusaner  Codex 

uns  erhaltene  Excerpten  Sammlung  vor  der  Mitte  des  9.  Jahrhunderts 

abgefasst  ist,  in  welcher  Zeit  der  Irländer  Sedulius  an  der  Lütticher 

Schule  als  Lehrer  und  Schriftsteller  wirkte.    Die  Cusaner  Handschrift 

ist  aus  dem  12.  Jahrhundert,  bezeichnet  sich  aber  selbst  als  Abschrift 

eines  älteren  defecten  Manuscripts. 

\Venn  also  die  Cusaner  Excerpte  aus  Handschriften  von  solchem 
Alter  hen-ühren,  so  werden  ihre  Lesungen  von  Wichtigkeit,  nicht 
gerade  an  sich,  aber  wohl  als  Pfadweiser  für  die  richtige  Schätzung 
unserer  Ueberlieferung.  Insonderheit  die  Auszüge  aus  den  Kaiser- 
biographien hätten  wohl  eine  etwas  sorgfältigere  Behandlung  verdient, 
als  ihnen  von  ihrem  Herausgeber  zu  Theil  geworden  ist.  Trotz  ihres 
bescheidenen  Umfanges  kann,  bei  der  geringen  Zahl  der  über  das 
fünfzehnte  Jahrhundert  hinausgehenden  Handschriften  der  Kaiser- 
biographien und  bei  dem  fast  gänzlichen  Mangel  von  Allegaten 
derselben  aus  dem  Mittelalter,  die  Frage  keine  müssige  heissen,  von 
welcher  Beschaffenheit  diejenige  gewesen  sein  mag,  die  einst  in 
derselben  Bibliothek  gestanden  hat  mit  dem  vortrefflichen  Codex 
der  Ciceronischen  Reden,  der  die  Fonteiana  und  die  Pisoniana  damals 
noch  vollständig  enthielt,  und  aus  der  schon  spätestens  im  9.  Jahr- 
himdert  Auszüge  gemacht  worden  sind. 

Es  sind  die  Cusaner  Excerpte  nicht  geflossen  aus  den  schon 
früher  bekannten  palatinischen  (Jordan  in  der  Yorrede*)  S.  TUf.), 
sondern  aus  dem  vollständigen  Werk.  Zwar  ist  der  Umfang  der 
letzteren  nicht  genau  bekannt;**)  doch  zeigen  schon  die  von  Jordan 

*)  [Zu  seiner  und  Eyssenhardts  Ausgabe  der  script.  hist.  Aug.,  Berlin  1864.] 
**)  [Sie  sind   in  ihrem  ganzen  Umfang  von  Peter  in  seiner  Ausgabe  Leipz. 
1834,  benutzt  worden;   s.  dort  praef.  S.  XVI  f.  und  Dessau  a.  a.  0.  S.  414 f.] 


300  2u  den  Scriptores  bist.  Aug. 

p.  VIII  zur  Probe  mitgetheilten  Auszüge  aus  dem  Hadrian,  dass  die 
300  Cusaner  Excerpte   drei  Sätze  —  S.  17,  8  [19,  17  Peter]  frigora  .  .  . 
texerit;  S.  18,  17  [21,  3  P.]  in  honorem  .  .  .  iussit;  S.  25,  6  [28,  21] 
item  .  .  .  esse  —  enthalten,  die  in  den  palatinischen  fehlten. 

Die  Handschrift,  der  sie  entstammen,  hatte  dieselbe  Unordnung 
in  der  Folge  der  Biographien  und  dieselbe  Blätterversetzung  wie 
diejenige,  aus  der  der  B(ambergensis)  und  der  P(alatinus)  und  die 
den  palatinischen  Excerpten  zu  Grunde  Hegende  abgeleitet  sind. 
Auch  hier  folgte  Avidius  Cassius  erst  nach  Commodus,  Diadumenus 
auf  Elagabalus  (denn  aus  jenem  p.  189,  17  ist  das  von  Klein,  wie 
manche  andere  leicht  zu  findende,  nicht  nachgewiesene  Sätzchen ^ 
nie  speciosissimus  omnium  tamquam  sydereus  et  caelestis  emicuit  gratia 
venustate).  Die  Umsetzung  im  Alexander  Severus  und  den  folgenden 
Biographien  zeigt  sich  deutlich  in  der  folgenden  Zusammenstellung: 


Ordnung  unserer 

Hand- 

im  Cusanus  erhaltene 

Schriften: 

Stellen: 

I  p.  248,  25 

I  p.  243,  22 

I  p.  258,  20  —  II  p 

.4,9 

I  p.  263,  3 

I  p.  248,  26  —  258, 

20 

*I  p.  250,  24  danda  sunt  beneficia 
I  p.  258,  12 

II  p.  14,  1  -  p.  57, 

13 

*II  18,15  Idborem  in  victoria  nemo 
sentit  (geht  auf  die  Erzählung 
von  dem  Läufer) 
*II  20,  18  omnis  hipocrita 
*II  44,  3  miser  est  imperator 

II  p.  4,  9  —  14,  l 

*II  4,  10  miro  cum  gaudio 
II  7,  12 
II  12,  20 
II  12,  27 

II  p.  57,  13  f. 

II  64,  18 

Die  Ueberschrift  ex  vita  Caesarum  stimmt  mit  derjenigen  der 
palatinischen  Excerpte  ^ex  libro  Spartiani  de  vita  Caesarum  excerptum\ 
während  die  für  uns  massgebenden  Handschriften  (BP)  betitelt  sind: 
vitae  diversorum  principum  et  tyrannorum  a  divo  Hadriano  usque  ad 
Numerianum  diversis  conpositi  (so),  die  Handschrift  B  daneben  den 
301  zweiten  Titel  trägt:  excerpta  Spartiani  de  principibus.  Da  die  beiden 
Auszugmacher  übereinstimmen    und  von    einander,    wie   wir  sahen, 


1)  Ich  habe  diese  mit  einem  Stern  bezeichnet. 


Zu  den  Scriptores  bist.  Aug.  301 

unabhängig  sind,  so  möchte  die  üeberschrift  vüae  Caesarum  Anspruch 
darauf  haben  die  ursprüngliche  zu  sein. 

Die  abweichenden  Lesungen  sind  fast  durchaus  gleichgültige 
Schreibfehler  und  kleine  Aenderungen  und  Interpolationen,  wie  sie 
bei  derartigen  Excerpten  selbstverständlich  sind.  Auszuheben  möchten 
etwa  folgende  sein. 

Hadr.  15,  12  (Peter)  p,  15,  9  (Jordan):  cum  uerhum  eins  quondam 

ab  Hadriano  reprehensiim  esset  —  Die  Handschrift  quoddam 

eins  mit  der  princeps  richtig. 
Hadr.  17,  9  p.  17,  9  tegeret  die  Handschrift  mit  P^,  texeret  BP^. 

Wohl  Besserung  des  Auszugmachers. 
Comm.  19,  8  p.  101,  12  0  nos  felices  te  viro  imperante  —  die  Hand- 
schrift sie  te  vero  statt  te  viro. 
Avid.  Cass.  13,  5  p.  85,  16  zwischen  mncis  inimicos  und  Jiostis  exu- 

peras  setzt  der  Cus.  ein  exemplo  clementiae  ttiae,  was  die  Rede 

aber  verdirbt. 
Pescenn.  6,  5  p.  142,  11  vocis  catiarae  —  vocis  raiicae,  sed  canorae- 

die  Handschrift,  gewiss  durch  Interpolation. 
Alex.  7,  1  p.  223,  7  suscipias  P  mit  Cus.,  accipias  B. 
Alex.  10,  6  p.  225,  16  si  tierecundicte]  dii  immortales  fattearU  uere- 

cundiae  Cus. 
Alex.  18,  2  p.  230,  17  steht  das  verdorbene  dicit  (statt  edici)  wie 

in  P^B  so  auch  im  Cus. 
Alex.  57,  5  p.  258,  12  salva  Borna,  salva  res  publica,  quia  salvus 

est  Alexander  —  so  Cus. ;  in  unsern  Handschriften  fehlt  salva 

res  publica. 
Taler.  5(1),  6  p.  69,  21  steht  im  Cus.  zwischen  inimieiis  tyrannorum 

und  hostis  criminum  noch  in  consiliis  vehemens. 


XXXVII. 

Die  Scriptores  historiae  Augustae.*) 

228  Wenn  ich  es  unternehme  unmittelbar  nach  dem  Erscheinen  der 

vortrefflichen  Arbeit  Dessaus  über  Zeit  und  Persönlichkeit  der  scrip- 
tores historiae  Augustae  ^  denselben  Gegenstand  abermals  zu  behandeln, 
so  geschieht  dies  viel  mehr,  um  deren  Ergebnisse  zu  stützen  als  um 
sie  zu  bestreiten,  supplendi  gratia  magis  quam  corrigendi.  Das  haupt- 
sächliche derselben,  dass  in  diesen  Biographien  sowohl  den  Schrift- 
stellern der  zweiten  Hälfte  des  vierten  Jahrhunderts  entnommene 
Abschnitte  begegnen  wie  auch  Beziehungen  auf  die  Verhältnisse 
dieser  Epoche,  hat  mich  vollkommen  überzeugt  und  giebt  meines 
Erachtens  das  lange  gesuchte  Wort  dieses  litterarischen  Räthsels 
oder,  genauer  gefasst,  eines  dieser  Worte;  denn  das  Räthsel  ist 
einfacher  Lösung  nicht  fähig.  Aber  es  giebt  wie  ein  Finderglück, 
so  auch  ein  Finderunglück  und  meistens  gehen  beide  zusammen; 
regelmässig  pflegt  wem  dergleichen  gelingt,  die  bisher  geltende 
Ansicht  allzu  gründlich  zu  verwerfen  und,  wenn  theilweise  in  das 
Schwarze,  in  anderer  Hinsicht  über  das  Ziel  hinauszuschiessen.  Dies 
scheint   mir  auch  hier   eingetreten.      Die  Sammlung  ist   nicht,    wie 

*)  [Hermes  25,  1890,  S.  228—292.  Die  umfangreiche  Literatur,  die  seitdem 
über  dies  Problem  erschienen  ist,  braucht  hier  um  so  weniger  angeführt  zu 
werden,  als  sie  in  den  letzten  Behandlungen  durch  F.  Leo,  Die  griech.-röm. 
Biographie,  Leipz.  1901 ,  S.  301  ff.  sowie  bei  M.  Schanz,  Gesch.  d.  röm.  Lit.  IV  1, 
München  1904 ,  S.  55  verzeichnet  worden  ist  (vgl.  noch  Otto  Th.  Schulz ,  Das 
Kaiserhaus  der  Antonine  u.  s.  w.,  Leipz.  1907).  Übereinstimmung  in  der  Lösung 
des  Problems  ist  noch  nicht  erreicht  worden,  es  sei  aber  bemerkt,  daß  vieles  zu 
Gunsten  der  hier  von  Mommsen  bekämpften  Ansicht  zu  sprechen  scheint;  für 
die  prinzipielle  Controverse  wird  man  nicht  ohne  Nutzen  Moramsens  eigne 
Auffassung  von  der  Zusammensetzung  des  gromatischen  Corpus  (unten  Nr.  LH) 
vergleichen.  Doch  sollen  im  Folgenden  die  abweichenden  Meinungen  nur  insoweit 
angeführt  werden,  als  sie  einzelne  tatsächliche  Versehen  Mommsens  berichtigen.] 

1)  In  dieser  Zeitschrift  24,  337  f. 


Die  Scriptores  historiae  Augnstae.  303 

Dessau  meint,  eine  Arbeit  aus  theodosischer  Zeit,  welche  fölschlich 
in  der  diocletianisch-constantinischen  geschrieben  sein  will,  sondern 
sie  ist  im  Wesentlichen  in  der  letzteren  Epoche  entstanden  und  nur 
unter  der  folgenden  Dynastie  mit  einigen  relativ  nicht  bedeutenden 
Einlagen  versehen  und  hie  imd  da  überarbeitet  worden. 

Es  sollen  zunächst  diejenigen  Momente  hervorgehoben  werden, 
welche  es  meines  Erachtens  verbieten  die  Abfassung  dieser  Bio- 
graphien, im  Grossen  und  Ganzen  genommen,  in  die  theodosische 
Zeit  hinabzurücken. 

Dass  eine  unter  der  valentinianisch-theodosischen  Dynastie 
redigirte  Sammlung  der  Kaiserbiographien  mit  Carus  abgeschlossen  229 
haben  soll,  ist  an  sich  schon  befremdend,  da  Arbeiten  dieser  Art 
ihrem  Wesen  nach  die  Fortführung  bis  auf  oder  bis  nahe  an  die 
Gegenwart  fordern,  und  der  Einschnitt,  den  die  diocletianische  Um- 
gestaltung des  römischen  Staatswesens  allerdings  gemacht  hat,  für 
diese  Biographen  unmöglich  geltend  gemacht  werden  kann.  Aber 
geradezu  unbegreiflich,  ja  widersinnig  erscheint  es,  dass  ein  solcher 
Redacteur  die  Maske  der  diocletianisch-constantinischen  Epoche  vor- 
genommen haben  soll  und  nicht  blos  damit  jeder  Hinweisung  auf 
seine  Zeit  aus  dem  Wege  gegangen  ist,  sondern  auch  eine  damals 
erloschene  Dynastie  in  seltsamer  Uneigennützigkeit  gefeiert  hat.  Die 
Fälschungen,  von  denen  diese  Biographien  wimmeln,  sind  durchgängig 
Lückenbüsser;  man  begreift  es,  dass,  wer  erzählen  soll  und  nichts  zu 
erzählen  weiss,  ins  Lügen  geräth.  Aber  die  Biographie  des  Claudius 
mit  ihren  überschwänglichen  Lobreden  auf  einen  ephemeren  und 
längst  verstorbenen  Herrscher,  mit  der  unverfrorenen  Erklärung,  dass 
dies  des  Constantius  wegen  geschehe,  mit  ihrer  feierUchen  Hinweisung 
auf  die  Unvergänglichkeit  der  flavischen  Dynastie  trägt  unverkennbar 
den  Stempel  des  —  natürlich  gleich  allen  seinen  Collegen  durch  die 
reine  Wahrheitsliebe  zu  solcher  Verherrlichung  gedrängten  —  Offi- 
ciosus;  und  die  Hypothese,  dass  hier  in  mühsamer  Fälscherconsequenz 
der  Preis  einer  zur  Zeit  der  Abfassung  ausgestorbenen  Dynastie 
verkündet  werde,  wird  einfach  widerlegt  für  jeden  Unbefangenen 
durch  das  cui  hono,  das  bei  litterarischen  Producten  dieser  Art  nicht 
trügen  kann.  Sie  ist  gerade  so  wahrscheinlich  wie  es  die  Terherr- 
lichung  der  Neapolitaner  Bourbonen  durch  einen  italienischen  Loyalen 
sein  würde. 

Aber  auch  eine  Reihe  anderer  Erwägungen  sprechen  gegen  die 
Entstehung  dieser  Sammlung  in  so  später  Zeit,  wie  Dessau  dies 
annimmt.  Man  darf  bei  den  folgenden  Instanzen  nicht  vergessen, 
dass  diese  Biographien  eine  der  elendesten  Sudeleien  sind,  die  wir 


304  I^ie  Scriptores  historiae  Augustae, 

aus  dem  Alterthum  haben,  und  dass  ihren  Verfassern  alles  eher 
zugetraut  werden  darf  als  Geschick  und  Consequenz  im  Verbergen 
des  seltsamen  von  Dessau  ihnen  untergelegten  Planes. 

In  religiöser  Beziehung  gedenkt  der  älteste  unter  Diocletian 
abgefasste  Theil  der  Sammlung  lediglich  des  severischen  Verbots  des 
230  Uebertritts  zum  Juden-  wie  zum  Christenthum ^  und  spricht  Pollio, 
der  in  den  letzten  Jahren  Diocletians  schrieb,  von  diesem  überhaupt 
nicht  2,  Von  den  Schriftstellern  der  constantinischen  Epoche  behandelt 
der  ältere  das  Christenthum  wie  das  Judenthum  geringschätzig  als 
insbesondere  in  Aegypten  endemische  Uebel^,  der  jüngere,  obwohl 
auch  ein  guter  Heide,  mit  Respect  und  bereits  mit  Apprehension*. 
Alle  diese  Momente  stimmen  eben  in  ihrer  Nuancirung  vollständig 
überein  mit  den  Verhältnissen  der  diocletianisch-constantinischen  Zeit; 
kein  Sachkundiger  wird  bestreiten,  dass  sie  für  die  tbeodosische  nicht 
passen. 

Die  administrativen  Ordnungen,  welche  aus  diesen  Biographien 
sich  ergeben,  würden,  wenn  diese  gewissenhaft  und  sachkundig 
gearbeitet  wären,  lediglich  auf  die  geschilderte  Zeit  sich  beziehen 
und  also  auf  die  Zeit  der  Abfassung  einen  Schluss  nicht  gestatten. 
Aber  namentlich  die  zahlreich  eingelegten  gefälschten  Urkunden 
stehen  vielfältig  mit  den  Verhältnissen  der  Epoche,  auf  die  sie  sich 
beziehen,  im  Widerspruch,  und  es  liegt  in  der  Sache,  dass,  wenn 
auch  manche  freie  Erfindung  dabei  mit  untergelaufen  ist,  deren 
Urheber  überwiegend  sich  anlehnen  an  die  ihnen  selber  bekannten 
und  geläufigen  Ordnungen  und  also  die  Abfassungszeit  daraus  mit 
erschlossen  werden  kann.  Die  auf  diesem  schlüpfrigen  Gebiet  sich 
ergebenden  Beobachtungen  sind  wichtig  für  die  richtige  Behandlung 
der  schwierigen  Quelle;  was  ich  hier  vorlege,  macht  nicht  den 
Anspruch,  den  Gegenstand  zu  erschöpfen. 

Die  geographischen  Bezeichnungen  entsprechen  im  Allgemeinen 
den  lateinischen  der  vordiocletianischen  Epoche ;  aber  es  finden  sich 


1)  Secer.  17,  1. 

2)  Beiläufig  erwähnt  Pollio  Claud.  2,  4  den  Moses. 

3)  Aurelian  20,5  tadelt  den  Senat,  dass  es  bei  ihm  zuginge,  quasi  in 
Christianorum  ecdesia,  non  in  templo  deorum  omnium  tractaretis.  In  der  bekannten 
Diatribe  gegen  Aegypten  Saturnin.  7—8  spielen  die  Juden,  Samariter  und  Christen 
eine  Hauptrolle.  Die  heidnischen  Götter  heissen  Aur.  24,  3.  26,  5  vere  dei  (an 
beiden  Stellen  in  virdei  verdorben). 

4)  Bezeichnend  ist  besonders  die  Abmahnung  der  Haruspices  von  der  durch 
Alexander  beabsichtigten  Aufnahme  des  Christus  unter  die  Tempelgötter:  omnes 
Christianos  futuros,  si  id  fecissent,  et  templa  reliqua  deserenda  (Alex.  43,  1).  Vgl. 
ferner  Elag.  3,  5;  Alex.  22,  4.  29,  2.  45,  7.  49,  6.  51,  7. 


Die  Scriptores  historiae  Augustae.  305 

einzelne  Spuren  der  mit  der  diocletianischen  Reiehsordnung  neu 
eintretenden  Xoraenclatur.  Dahin  gehört  das  häufige  Auftreten  der 
von  Diocletian  herrührenden  Diöceseneintheilung  und  insbesondere 
die  damit  aufgekommene  Verwendung  von  Oriens  für  Syrien  und  die  231 
Xebenländer  bei  Pollio  ^  wie  beiVopiscus-;  ferner  von  den  diocletia- 
nischen Benennungen  der  Provinzen  die  der  thrakischen  Diöcese 
Haemimontus,  Rhodope,  Europa  und  Scythien  bei  denselben  Autoren'. 
Ob  die  Vervrendung  von  Libya  für  die  Küste  zwischen  Aegypten  und 
Tripolis*  hieher  gezogen  werden  darf,  ist  zweifelhaft,  da  diese  an 
ältere  Verhältnisse  anknüpfende  Bezeichnung  von  Diocletian  wohl 
mehr  aufgenommen  als  neu  gesetzt  ist.  Die  engen  Grenzen,  in 
welchen  anachronistische  Districtsnamen  auftreten,  entsprechen  der- 
jenigen Abfassungszeit,  welche  diese  Schriften  sich  beilegen.  Die 
Erwähnung  der  Provinz  Tripolis  findet  sich  in  einer  aus  Eutrop 
eingelegten  Stelle  ^  und  die  merkwürdig  genaue  Eintheilung  Italiens 
nach  seinen  Diöcesen  und  Provinzen  bei  Pollio  ^  sieht  ebenfalls  nach 
Einlage   aus.     Aber   die  Schreiber  dieser  Biographien  wissen  nichts 


1)  Valer.  3,  2  neben  Italia,  GalUa,  Hispania,  Äfrica,  Illyricum,  Pontiis  — 
GaU.  2,  5  neben  Asia  und  Illyricum  —  Trig.  tyr.  12,  12  neben  Illyricum  und 
Thraciae  —  29,  1  neben  partes  Gallicanae,  Africa,  Illyricum,  Tliraciae,  Pontus. 
r>ie3  alles  geht  zurück  auf  die  Diöcesen. 

2)  Aurel.  13,  1:  praeses  Orientis.  Ueber  den  Umes  Oiientalis  vgl.  S.  238  A.  7 
[ol2  A.  1]. 

3)  Claud.  11,  3:  cum  se  Haemimontum  multitudo  barbararum  gentium  .  . 
contulisset.      Aurel.  17,  2:    Gothi  .  .    Haemimontum   Europamque   vexant.      Auch 

'  'rel.  30,  4.  31,  1.  32,  1.  2  und  Prob.  13,  4  kann  Europa  nur  in  dem  späteren 
nie  gefasst  werden,  wenn  gleich  die  Bezeichnung  hier  etwas  weiter  aus- 
lehnt wird.    Aurel.  31,  3:  e  Bhodopa  revetiit.    Aurel.  13,  1:  Scytliici  limitis  dux. 

4)  Serer.  8,  7:  ad  Africam  .  .  .  legiones  viisit,  ne  per  Libyam  atque  Aegyptum 
!ier  Africam  occuparet;    ähnlich  Pescenn.  5,  5  und  Prob.  9,  1.     Auch  Hadr.  5,  2 

-  wohl  mit  Recht  lAhya  hergestellt  und  Kyrene  gemeint. 

5)  Sever.  18,  3. 

6)  Trig.  tyr.  24.  5:  (Tetrieum)  correctorem  totius  Italiae  fecit,  id  est  Campaniae 
mni  Lucaniae  Brittiorum  Ajndiae  Calabriae  Etruriae  atquf  Umbriae  Piceni  et 
ii.miniae  omnisque  annonariae  regionis.  Die  annonaria  regio  (seltsam  miss- 
istanden  von  Marquardt  Staatsverw.  l,  230  A.5)  ist  der  Bezirk  des  Vicarius 
■11  Italien,  der  seit  Diocletian  der  Staatskasse  steuerpflichtig  war;  die  dem 
urius  in  urbe  Borna  unterstellten  Provinzen,   deren  Abgaben   der  Stadt  Rom 

^.u  Gute  kamen,  sind  genau  die  hier  neben  der  annonaria  regio  aufgezählten, 
wobei  Flaminia  uud  Picenum  noch  ungetheilt  unter  den  urbicariae  regiones  er- 
scheinen, während  nach  dem  J.  365  der  nördliche  Theil  davon  zu  dem  Vicariat 
7011  Italien  geschlagen  ward  (röm.  Feldmesser  2,  210  f.).  Es  kann  also  diese 
'Stelle  so,  wie  sie  steht,  von  Pollio  geschrieben  sein,  aber  da  sie  als  Erklänmg 
.ftritt,  ebenso  gut  dem  Diaskeuasten  gehören. 

MOMMSEN,   SCHB.  VU.  20 


306  Die  Scriptores  historiae  Augustae. 

232  von  Constantinopel;    sie  kennen   allein    und   nennen   häufig  Byzanz, 
civitas  clara  navalihus  hellis,  clanstrum  Ponticum^. 

Yon  grösserer  Wichtigkeit  sowohl  überhaupt  wie  auch  in  Be- 
ziehung auf  die  chronologische  Frage  sind  die  Civil-  und  Militär- 
ämter. 

Yon  den  comites^  deren  Einrichtung  in  die  spätere  Zeit  Con- 
stantins  fällt  ^  und  die  seitdem  auf  Schritt  und  Tritt  begegnen,  findet 
in  unseren  Biographien  sich  keine  Spur^.  Niedrig  stehende  Schrift- 
steller der  theodosischen  Zeit  würden  dies  schwerlich  fertig  gebracht 
haben. 

Unter  den  Civilämtern  kann  die  mehrfach  vorkommende  Be- 
zeichnung des  procurator  als  rationalis^  nicht  beanstandet  werden, 
da  sie  bereits  dem  dritten  Jahrhundert,  wenn  gleich  nicht  als  titulare 
angehört  ^.  Aber  sicher  ist  anachronistisch  der  corrector  Lucaniae 
Tetricus  des  Yopiscus,*)  da  erwiesenermassen  Italien  bis  mindestens 
zum  J.  290,  vielleicht  bis  300,  unter  einem  einzigen  Corrector 
gestanden  hat  und  Pollio,  im  Widerspruch  mit  Yopiscus,  eben  dieses 
Amt  dem  Tetricus  beilegt.  Da  indess  derselbe  Fehler  bei  Yictor  und 
Eutrop  sich  vorfindet,  so  kann  diese  Ansetzung  daraus  von  dem 
Diaskeuasten  in  den  Text  des  Yopiscus  hineincorrigirt  sein^.  — 
Andere  in  den  Biographien  und  vorzugsweise  in  den  gefälschten 
Urkunden   erwähnte  Beamte,   der  mehrmals  begegnende  Civil-  und 

233  Militärverwalter  von  ganz  Gallien  '  oder  gar  von  Gallien  und  Illyricum  **, 


1)  Gall.  6,  8.  9,  wo  weiter  die  Verödung  der  Stadt  geschildert  wird. 

2)  Meinorie  delV  Instituto  2,  302  f. 

3)  Der  comitatus  prindpis   der  älteren  Zeit  wird  erwähnt  Fnis  7,  11  und 
Verus  7,  6-8. 

4)  Alexander  45,  6:  procuratores  id  est  rationales.     Aehnlich  wird  in   deni 
von  Herodian  abhängigen  Stellen  Maximin.  14,  1 ;    Gwd.  7,  2   das   grieehische| 
sjiETQÖjiEve  mit  fisci  procuraü»'  wiedergegeben ,   dann  aber  weiterhin  dafür  ratiO' 
tmlis  gesetzt. 

5)  Hirschfeld  Verwaltungsgesch.  1,  37  [2.  Aufl.  35  f.]. 
*)  [Aurel  39,  1.] 

6)  Dies    ist  weiter  erörtert   eph.  epigr.  1,  140   (danach   Marquardt    Staats* 
Verwaltung  1,  230). 

7)  Am   bestimmtesten   bezeichnet  Pollio    den  Postumus   als   Transrhenar 
limitis  dux   et    Galliae  p)-aeses  (trig.  tyr.  3,  9,    Brief  Valeriansj;    gleichartig  ist| 
offenbar  Tetricus  iure  pi-aesidali  omnes  Gallias  regens  (das.  24,  4  vgl.  1) ,  aucli 
wohl   Ragonius   Celsus   Gallias  regens  (Nig.  3,  9  ,   Brief  des  Severus^,  wogegea| 
unter  den  von  Balbinus  verwalteten  Provinzen  (Max.  et  Balh.  7,  2)  Galliae,  wohlf 
nur  mit  incorrecter  Verkürzung  aufgeführt  wjerden. 

8)  Trig.  tyr.  18,5,  Schreiben   Valerians    Ragonio  Claro   praefecto    Illyric 
et  GaUiarum. 


Die  Scriptores  historiae  Augustae.  307 

der praeses  Orieiifis^,  der  praefecius  annonae  Orientis^^  der  proatrafor 
aerarii  maioris^  sind  ohne  Zweifel  ebenfalls  fictiv,  lassen  sich  aber 
nicht  oder  doch  nicht  mit  Sicherheit  als  anachronistische  Ueber- 
tragungen  bezeichnen.  Nur  negativ  kommt  in  Betracht,  dass  nirgends 
eine  sichere  Hindeutung  sich  findet  auf  die  constantinische  Prätorianer- 
präfectur.  das  heisst  auf  deren  Umwandlung  in  ein  reines  Civilamt 
und  auf  die  von  dem  Oberregiment  unabhängige  Theilung  des  Reiches 
unter  die  mehreren  Präfecten. 

Belehrender  ist  die  Behandlung  der  Offiziere,  wie  die  Kaiser- 
biographien sie  aufweisen. 

Die  Bezeichnung  legattis  kommt  nach  der  diocletianisch-constan- 
tinischen  Ordnung  titular  allein  den  den  Proconsuln  beigegebenen  zu, 
und  für  diese  wird  sie  auch  in  diesen  Biographien  mehrfach  verwendet*. 
Als  Titel  des  Provinzialstatthalters  findet  sich  Jegatus  in  correcter 
Verwendung  nur  in  den  älteren  Biographien  und  auch  hier  nicht 
häufig '".   in   den  späteren   mehrfach   als  missbrauchte   Reminiscenz  ^. 


1)  Aurel.  13,  1 ,  Protokoll  über  eine  Art  Staatsrathsitzung  unter  Valerian. 
Der  darin  genannte  consul  Ordinarius  Memmius  Fuscus  wird  für  den  Tuscus  des 
J.  258  gehalten,  ist  aber  ebenso  verdächtig  wie  das  ganze  Actenstück. 

2)  In  demselben  Protokoll. 

3)  J>iadum.  4,  1 ;  vgl.  über  die  möglichen  Auffassmigen  dieser  Worte  Eürsch- 
feld  Untersuch.  1,  193  [2.  Aufl.  307  A.  3].  Zu  vergleichen  ist  das  repostorium 
sandius,  in  dem  Hadrians  Daktyliothek  aufbewahrt  ward  (Marc.  17,  4,).  —  Der 
CJaud.  15,  4  in  einem  Schreiben  Valerians  genannte  curator  Illyrici  metlarins 
oder  nach  meiner  Vermuthung  metdüarius  kann  der  im  4.  Jahrhundert  als 
comes  metallorum  per  lUyricutn  (C.  Th.  10,  19,  3;  Not.  dign.  Or.  13,  11^  auftretende 
Beamte  sein;  es  ist  nicht  erweislich,  aber  möglich,  dass  derselbe  vordiocletianisch 
i?t  und  früher  jenen  Titel  geführt  hat. 

4)  Sever.  2,  5.  6;  Gord.  7,  2.  18,  6;  JVoft.  13,  1  wird  den  Senatoren  gestattet, 
uf  . .  proconstiles  crearent,  legatos  [üs  ex]  consulibus  darent,  fast  gleichlautend  mit 
Gord.  7,  2. 

5)  Hadr.  3,  9:  legatus  postea  pradorius  in  Pannoniam  inferiorem  missus. 
Ser«r.  3,  8:  Liigdunetisem  provineiam  legatus  accepit.  Gewöhnlich  wird  dafür  die 
allgemeine  Bezeichnung  praeses  oder  auch  redor  oder  dergl.  gesetzt. 

6)  Im  Nachtrag  zu  den  trig.  tyr.  33,  1  heisst  Censorinus  in  einer  Gruppe 
von  Unglaublichkeiten:  legattts  praetorius  secundo,  quarto  aedilicius,  tertio  quae- 
itorius;  ohne  Zweifel  liegt  hier  die  eben  angeführte  Stelle  aus  dem  Leben 
Hadrians  zu  Grunde,  wobei  aber  übersehen  ward,  dass  diese  legati  nur  entweder 
consulares  oder  praetorii  sind  und  es  legati  aedilicii  und  quaestorii  nicht  geben 
kann,  weil  diese  niederen  Klassen  zur  Statthalterschaft  nicht  qualificirt  sind. 
Yermuthlich  dachte  der  Schreiber  an  die  senatorischen  Gesandtschaften,  da  er 

'ortföhrt:  extra  ordinem  q>'oque  legatiotie  Persica  functtis,  etiam  Sarmatica,  wonach 

»r  also  jene  Gesandten  sich  als  ordentKche  (I)  vorgestellt  zu  haben  scheint.  — 

rschieden,  unter  sich  aber  verwandt  sind  die  Stellen  Nig.  6,  10:  fuit  . .  .  miles 

20* 


308  Die  Scriptores  historiae  Augustae. 

Der  Legionscommandant  heisst  nirgends  legatiis'^^  sondern  es  wird 
diese  Stellung  in  den  besseren  Biographien  regelmässig  umschrieben  ^, 
während,  wie  weiterhin  gezeigt  w^erden  soll,  bei  den  schlechteren 
tribunus  dafür  eintritt. 

Praefectus  findet  sich  als  Titel  und  zwar  correct  für  eine  der 
von  jeher  unter  Rittercommando  stehenden  Legionen  3;  ohne  Zweifel 
hängt  dies  damit  zusammen,  dass  dieser  Titel  für  den  Legionsführer 
noch  unter  Diocletian  in  Gebrauch  war*.  In  Beziehung  aufAlenund 
Cohorten  wird  der  Titel  nirgends  gesetzt;  er  ist  hier,  wie  gleich  zu  zeigen 
sein  wird,  nach  der  späteren  Redeweise  verdrängt  durch  trihunus. 

Die  mehreren  fribuni^,   welche  nach  älterer  Weise  die  Legion 

commandiren,  werden  ausdrücklich  nur  einmal  erwähnt^;  regelmässig, 

235  jedoch  nicht  in  dem  ältesten  Abschnitt,  ist  der  Tribun  der  Einzelführer 

der  Gesammtlegion ''.    Die  factische  Beseitigung  der  Gesammtlegion 

optimus,  trihunus  singularis,  clux  praecipuus,  legatus  severissimus,  consul  insignis; 
Alex.  52,  4 :  iussit  ut  ante  tribnnmn  quattum'  milites  ambularent,  ante  ducem  sex, 
ante  legatum  decem;  Heliog.  6,  2:  müitaribus  .  .  .  praeposituris  et  tribunatibtis  et 
legationibus  et  dticatibus  venditis  und  das.  11,  1:  fecit  Ubertos  praesides  legatos  .  .  . 
duces;  Maximin.  15,  6  als  Adresse  eines  falschen  Senatsschreibens:  proconsidibus, 
p^'aesidibus,  legatis,  ducibus,  'tribiinis,  magistratibus  ac  singulis  civitatibus  et  muni- 
cipiis  et  oppidis  et  vicis  et  castellis.  Dass  hier  die  ältere  Terminologie  und  die 
spätere  in  einander  gewirrt  sind,  erhellt  schon  daraus,  dass  der  legattis  darin 
bald  unter,  bald  über  dem  dux  rangirt. 

1)  Die  Pert.  9,  6  neben  den  vacationes  genannten  legationes  militares  sind 
wahrscheinlich  Verschickungen,  nicht  Commandos.  Daselbst  1,  6:  a  pi-aeside 
Syriae  .  .  .  pedibus  ...  ad  legationem  suam  iter  facere  coactus  est  ist  wohl  legionem 
zu  schreiben. 

2)  Hadr.  3,  6 :  eum  primae  legioni  Minerviae  praeposuit ;  Pert.  2,  6 :  pi'uet<yrium 
eum  fecit  et  primae  legioni  regendae  imposuit;  Sever.  3,  6:  legioni  IUI  Scyiliicae 
p)raepositus ;  lul.  1,  6:  legioni  praefuit  in  Germania  .  .  .  primigeniae;  Älbin.  6,  2: 
egit  et  legionem  quartanorum  et  primanorum.  Offenbar  wird  die  Bezeichnung 
legatus  legionis  als  abgekommen  vermieden. 

3)  Carac.  6,  7 :  praefectus  legionis  II  Parthicae.  Vgl.  Domaszewski  Wiener 
Stud.  9  (1887)  S.  297;  Hirschfeld  Berliner  Sitzungsber.  1889  S.  434. 

4)  Er  findet  sich  noch  in  einer  Verordnung  vom  J.  290.  In  dieser  Zeitschrift 
24,  212 f.  270.  [In  dem  Aufsatz:  ,Das  röm.  Militärwesen  seit  Diocletian"  = 
Eist.  Sehr.  Bd.  III.] 

5)  Militaris  trihmiis  Max.  et  Balb.  5,  7;  tribunus  militum  nirgends,  ent- 
sprechend dem  späteren  Gebrauch.  —  lieber  die  vicarii  der  Tribunen,  die  trig. 
tyr.  10,  4;  Aurel.  7,  5.  10,  2  vorkommen,  vgl.  d.  Ztschr.  24,  270  A.  5  [vgl.  oben  A.  4]. 

6)  Alex.  54,  7:  tribunos  eins  (legionis  exauxioratae)  capitali  affecit  supplicio. 
Entsprechend  rechnet  der  Verfasser  dieser  Biographie  50,  5  die  Legion  zu 
5000  Mann.  Ebenso  ist  natürlich  zu  fassen  Hadr.  2,  2 :  tribunus  II  adiutricis 
legionis  creatus.    Unbestimmt  Alex.  50,  2. 

7)  3Iaximin.  5,  5;  Claud.  14,  2;  Aurel.  1,1,  in  welchen  Stellen  offenbar  es 
sich  um  das  Commando  der  ganzen  Legion  handelt.  Unbestimmt  Prob.  4,  7.  12, 


I>ie  Scriptores  bistoriae  Augustae.  309 

und  ihres  Sammtcommandos  und  das  Eintreten  der  von  einem  ein- 
zelnen Tribun  geführten  Theil-  oder  Neulegion  ist  ein  Werk  Dio- 
cletians ';  und  es  passt  gut  zu  den  überlieferten  Datirungen,  dass  der 
älteste  Abschnitt  die  letztere  nicht  kennt,  dagegen  in  den  späteren, 
namentlich  in  den  gefölschten  Urkunden  sie  häufig  auftritt.  — 
Ausserdem  aber  begegnet  der  tnhunus  nicht  blos  als  Führer  der 
Prätorianer- 2  und  der  städtischen  Cohorte',  sondern  als  der  Führer 
eines  jeden  mimerns*.  auch  der  Reitertruppe  ^;  wobei  diese  erscheinen 
als  den  Legionstribunen  nachstehend  ^,  auch  zuweilen  den  nicht  titular 
bezeichneten  Legionsführem  als  trihimi  entgegengesetzt  werden". 
Dem  entsprechend  bezeichnet  tribtmtis  ganz  gewöhnlich  den  Offizier 
überhaupt^  im  Gegensatz  einerseits  zu  dem  Centurio  und  dem  236 
Gemeinen  ^,  andererseits  zu  dem  Feldherrn,  dem  (lux  ^";  der  tribunns 
rückt  auf  zum  chix^^  und  unterscheidet  sich  von  ihm  durch  die 
geringere  Zahl  der  Ordonnanzen  ^^  und  die  geringeren  Emolumente^^. 

1)  Diese  Zeitschr.  24,  216  f.  270  [vgl.  o.  S.  308  A.  4]. 

2)  Pias  12,  6;  3Iarc.  7,  3;  Pert.  5,  7;  lul  2,  4;  Ser.  23,  1;  Eeliog.  14,  8.  Aus- 
drücklich als   Tribane  der  Prätorianer  werden  sie  freilich  nirgend  bezeichnet. 

3)  Get.6,4. 

4)  Claud.  13,  3:  tribunus  Assyriorum;  Prob.  4,  1:  iribunatum  in  eum  (Pröbum) 
contuli  datis  sex  cdhortihus  Saracenis,  creditis  etiam  auxiliaribus  Gallis  cum  .. 
Persarum  manu. 

5)  Äibin.  6,  2:  egit  tribtmus  equites  Balmatas.  Auch  der  Iribunus  Vocontionim 
trig.  tyr.  3,  11  wird  auf  die  gleichnamige  cda  (ej)h.  epigr.  5  p.  170;  zu  beziehen  sein. 

6)  Von  dem  A.  6  [4]  bezeichneten  Tribun  mehrerer  Gehörten  heisst  es 
Prcif.  4,  7:  hospitia  .  .  .  eidem  ut  tribunis  legionum  praeberi  iubebis. 

7)  Prob.  12,  6:  adidescens  tribimatus,  non  lange  post  adulescentiam  regendas 
Ugiones  accepit.  Auch  Albin.  6,  2  heisst  es  nach  den  A.  7  [5]  angeführten  Worten 
weiter:  egit  et  legionem  quaiianonim  et  primanorum. 

8)  Endr.  10,  3  — 7;  ATbin.  5,  4;  Maciin.  12,  7;  Maximin.  3,  1.  5,  1.  6,  6.  7,  4 
(tribunis  barbaris);  3fa.r.  et  Balb.  5,  7;  trig.  tyr.  12,  10.  18,  11  (tribtmus  stipator, 
wenn  die  Lesung  richtig;  vgl.  Alex.  15,5);  29,2  (ex  tribunis);  Aur.6,2;  Prob. 
B,  5.  4,  3.  5,  1.  6,  2  Schreiben  tribunis  exercituum  lUyricianorum. 

9)  Cass.  4,  6;  Nig.  3,  7—11;  Carac.  11,  3:  Alex.  15,  5.  23,  1.  50,  2;  Maximin. 
3,  6;  Prob.  3.  2:  cum  ordines  honestissime  duxisset,  tribunatum  adeptus;  10,  4. 

10)  Tribuni  und  djices  zusammengestellt:  Ser.  9,  8;  Xig.B,  12;  Alex.b2,B; 
;  Gord.  28,4;   Valer.6,1;  ^»«r.  10,  2:   habitit  multos  ducatus,  plurimos  tribunattis, 

vicarias  ducum  et  tribunorum  diversis  temporibits  p}-ope  quadraginta.  —  Dttces, 
tribuni,  milites:  Maximin.  15,4;  tribuni,  duces,  milites:  Alex.  55,  2:  Maximin.  7,  1; 
femer  Aur.  17,  2 ;  ttio  magisterio  milites  uti  rolo,  tuo  ductu  tribunos.  Dazu  die 
S.  233  A.  7  [307  A.  6]  angeführten  Stellen. 

11)  Xig.  4,  4:  ei  tribuuatus  dtios  dedi,  ducatum  mox  dabo,  ubi  per  senectidem 
Aelius  Corduenus  rem  p.  recusavetit ;  Maxiviin.  6,  4. 

12)  Alex.  52,  4  (S.  233  A.  7  [307  A.  6]). 

13)  Claud.  14,  15 :  haec  .  .  .  idcirco  specialiter  non  quasi  tribuno,  sed  quasi  duci 
detuli,  gtäa  vir  talis  est,  ut  ei  plura  etiam  deferenda  sint. 


310  Die  Scriptores  historiae  Augustae. 

—  Dieser  erweiterte  Gebrauch  des  Wortes,  welcher  wesentlich  die 
gesammte  nachdiocletianische  Litteratur  beherrscht^,  beruht  theils 
auf  dem  Bedürfniss  für  die  Abtheilungsführer  eine  zusammenfassende 
Benennung  zu  gewinnen,  theils  auf  nachlässiger  Handhabung  der 
technischen  Offizierstitel;  eine  genauere  Zeitbestimmung  scheint  ihm 
nicht  entnommen  werden  zu  können  und  es  lassen  sich  auch  in  den 
verschiedenen  Massen  darin  keine  bestimmten  Unterschiede  wahr- 
nehmen, wenn  gleich  allerdings,  je  schlechter  die  Biographen  werden, 
desto  mehr  der  uneigentliche  Gebrauch  des  Titels  um  sich  greift. 

Die  nicht  häufig  vorkommende  Bezeichnung  praepositus^  unter- 
scheidet sich  nicht  wesentUch  von  dem  tribunus  in  dessen  weiterer 
Anwendung. 

Yon  den  beiden  durch  die  diocletianisch-constantinischen  Ord- 
nungen neu  geschaffenen  militärischen  Titulaturen  magister  militum 
und  dux  kennen  unsere  Schriftsteller  die  erstere  nicht  und  verwenden 
237  überhaupt  den  Magisternamen  nie  für  Offiziere^.  Wo  die  historische 
Fiction  so  umfassend  gewaltet  hat  wie  hier,  wird  man  dies  nicht 
daraus  zu  erklären  haben,  dass  es  zur  Zeit  der  erzählten  Begeben- 
heiten also  benannte  Offiziere  nicht  gab,  sondern  es  waren  die  erst 
von  Constantin  eingesetzten  magistri  militum  den  Schreibern  unserer 
Biographien  nicht  bekannt  oder  doch  wenigstens  nicht  geläufig. 

Anders  verhält  es  sich  mit  dem  dux.  Diese  Bezeichnung  des 
Feldherrn  kommt  in  der  besseren  Zeit  dem  obersten  Befehlsführer 
ohne  Rücksicht  auf  dessen  Rangstellung  zu  und  hat  also  keinen 
titularen  Werth ;  auch  in  unseren  Biographien,  selbst  in  den  spätesten 
und    schlechtesten,    wird  häufig  noch  dux  also   gebraucht*.      Aber 

1)  So  braucht  z.  B.  Victor  Caes.  39  ebenso  duces  und  tribuni.  Vgl.  diese 
Zeitschr.  24,  270  [vgl.  o.  S.  308  A.  4]. 

2)  Neben  dem  Tribunat  Heliog.G,2,  allein  Alex.B6,S.  46,4;  Gord.24:,3. 
Vgl.  diese  Zeitschr.  24,  270  [s.  die  vorhergehende  Anm.]. 

3)  Die  Wendungen  bei  Vopiscus  Aur.  11,  2:  in  tua  erit  potestate  militiae 
magisterium;  17,2:  tuo  magisterio  milites  uti  volo,  tuo  ductu  tribunos;  18,  1:  equües 
.  .  .  omnes  . .  .  Aurelianus  guhernavit,  cum  offensam  magistri  e<yrum  incurrissent. 
Prob.  11,  7  in  den  Acclamationen  für  den  neuen  Kaiser:  magister  militiae  felix 
imperes  zeigen  wohl,  dass  der  Ausdruck  auch  militärisch  bezogen  werden  konnte, 
aber  führen  nirgends  auf  die  amtliche  Competenz,  wie  sie  später  bestanden  hat. 

4)  Dux  der  commandirende  Kaiser  Gallien.  1,  4;  tr.  tyr.  30,  11.  Allgemein 
vom  Commando  Pert.  5,  7:  Signum  dedit  .  .  .  'müitemus'  .  .  .  quod  quidem  etiam 
ante  in  omnilnis  ducatibus  dederat;  Nig.  1,  5:  oi'dines  diu  duxit  muUisque  ducatibus 
pervenit,  ut  exercitus  Syriacos  iussu  Commodi  regeret.  Auch  im  Alexander  58,  4: 
sola,  quae  de  Jwstibus  capta  sunt,  limitaneis  ducibus  et  militibus  donavit  können 
nur  die  Commandanten  der  einzelnen  Grenzcastelle  gemeint  sein,  nicht  die  duces 
limitum  im  diocletianischen  Sinn,  au  die  solche  Schenkungen  nie  haben  gelangen 


Die  Scriptores  historiae  Augustae.  311 

daneben  findet  sieh  kaum  in  denen  der  ersten  Gruppe  ^  wohl  aber  in 
den  drei  jüngeren  dtix  als  die  dem  tribunus  correlate  höhere  Staffel  des 
Militäramts  ^ ;  dem  dux  kommt  höhere  Besoldung  zu  als  dem  Tribun  238 
(S.  236  A.  5  [309  A.  13])  ein  stcärkeres  Gefolge  (S.  236  A.  4  [ebd.  A.  12]) 
und  eine  besondere  Uniform  ^.  Das  Commando  des  dux  wird,  wo  eine 
Determinirung  beigefügt  ist,  nie  auf  eine  Militärabtheilung  bezogen, 
wie  dasjenige  des  tribtimis,  sondern  immer  auf  einen  District.  und 
zwar  häufig  auf  einen  Grenzdistrict.  Am  meisten  hervor  tritt  der- 
jenige von  Illyricum,  zu  welchem  auch  Thrakien  noch  gerechnet 
wird*;  es  werden  aber  auch  dttces  genannt  für  die  zu  Illyricum 
gehörigen  Districte  Dalmatien^  und  den  limes  Scythicus^.  Ausserdem 
begegnen  derartige  Commandanten  fürKaetien",  für  die  Rhein-*  und 

können.  Sonst  in  diesem  Sinn  ilfaarfwjm.  29,  2;  Gord.W.l:  Gallien.  2,  Q.  A,  2; 
tr.  tyr.  12,  1:  Maerianus  primus  dueum;  Aur.  44.  2  und  sonst.  Der  griechische 
xaxa  xi]v  'Pcöfirjv  twv  oroaTo.iedoiv  hoosotok  (Herodian  7,  6,  4),  d.  h.  der  praefectus 
praetorio,  ist  dem  Uebersetzer  (Maximin.  14,  4j  dux  militum  praetorian<yrum,  der 
oxQaxriyixo^;  z6  d^iojua  Muixtpa;  xa/.ovuEV(K  (Herodian  7.  11,  3),  das  heisst  ein 
praetorius,  demselben  verkehrter  Weise  Maecena  ex  ducihus  (Gord.  22,  8^,  wobei 
allerdings  die  nach  diocletianischer  Ordnung  titulare  V^erwendung  des  dux  den 
Uebersetzungsfehler  befördert  haben  mag. 

1)  Nur  Ser.  9,  8;  Nig.  3,  12  stehen  duces  und  tribuni  so  zusammen  wie 
später  oft;  es  wird  die  erste  dieser  Stellen  den  in  die  erste  Gruppe  später  ein- 
gefugten Interpolationen  zuzuzählen  sein,  während  der  Niger  vielmehr  ganz  zu 
der  zweiten  gehört. 

2)  Die  Belege  sind  meistens  schon  angeführt  S.  236  Ä.  2  [309  A.  10]. 
Ausserdem  Gord. 'SO,  l.  3  im  Gegensatz  zu  milites;  tr.  tyr.  10,  lö.  13,3;  TaCit. 
6,  6:  faciat  eos  consules  duces  iiidices.  Vgl.  Heliog.  11,  1  (S.  233  A.  7  [307  A.  6]). 
Dass  bei  Postumus  (S.  238  A.  0  [unten  A.  8])  die  Combination  beider  Gewalten 
angedeutet  wird,  bestätigt,  dass  unsere  Schreiber  den  dux  lediglich  und  richtig 
als  Offizier  betrachten. 

3)  Aur.  13,  3:  tunicae  russeae  ducales. 

4)  Der  dux  Illyridani  limitis  et  Thracici  wird  in  dem  angeblich  valerianischen 
Protokoll  Aurel.  13,  1  aufgeführt.  Claudius  als  dux  totius  Illyrici  unter  Valerian 
luibet  in  potestatem  TJiracios,  Moesos,  Dahnatas,  Pannonios,  Dacos  exercitus  (Claud. 
15,  2j.  Dem  Aureliau  unterstellt  Kaiser  Claudius  omnes  exereittis  Thracicos.  omnes 
lllyricianos  totumque  limitem  (Anrel.  17,  d).  In  gleicher  Stellung  scheinen  auch 
gedacht  Ingenuus  (tr.  tyr.  9,  1 :  Fannonias  tunc  regebat,  a  Moesiacis  legionibus 
Imperator  est  dictus  ceteris  Pannoniarum  vokntHms),  Regillianus  (tr.  tyr.  10,  J: 
in  Illyrico  ducatum  gerens,  10,  9:  Illyrici  dux),  lunius  Brocchus  (Claud.  8,  3:  ad 
lunium  Brocchum  scripsit  Illyricum  tuentem). 

5)  Gallien.  14,  4.  9. 

6)  In  dem  valerianischen  Protokoll  (Aurel.  13,  i;  neben  dem  dux  von 
Illyricum. 

7)  Dux  Raetici  limitis  in  demselben  Protokoll  und  bei  Vopiscus  Bonos.  14,  2. 

8)  Postumus  Transi-henani  limitis  dux  et  Galliae  praeses  in  einem  angeblichen 
Schreiben  Valerians  (tr.  tyr.  3,  9^. 


312  Die  Scriptores  historiae  Augustae. 

die  Euphratgrenze^,  für  Armenien  2,  Aegypten',  Africa*.  Als  ausser- 
ordentliche Commandos  lassen  diese  Stellungen  principiell  mit  den 
vordiocletianischen  Ordnungen  sich  vereinigen  und  auch  die  Bezeich- 
nung eines  solchen  Auftragnehmers  als  dux  lässt  sich  rechtfertigen. 
Aber  unzweifelhaft  haben  die  Verfasser  der  Biographien  diese  Com- 
mandos vielmehr  als  ordentliche  gefasst;  die  häufige  IN^ennung  des 
Times  in  der  Titulatur,  entsprechend  der  von  Diocletian  seinen  Militär- 

239  commandanten  beigelegten,  und  überhaupt  der  enge  Anschluss  an 
die  ordentlichen  Ducate  der  diocletianischen  Zeit  lassen  darüber 
keinen  Zweifel.  Sie  finden  sich  so  gut  wie  ausschliesslich  in  den 
jüngsten  wie  den  verfälschtesten  Abschnitten  unserer  Sammlung  und 
sind  wenigstens  zum  grössten  Theil  zweifellos  freie  Erfindung.  Ins- 
besondere das  vor  allem  als  ständige  Institution  auftretende  thrakisch- 
illyrische  Ducat,  welches  mindestens  sechs  diocletianische  Commandos 
umfassen  würde  ■*,  ist  gerade  für  diese  Epoche  eine  Unmöglichkeit. 
Auch  die  Commandos  der  Binnenprovinzen  Dalmatien  und  Thrakien 
sind  unvereinbar  sowohl  mit  der  vordiocletianischen  wie  mit  der  dio- 
cletianischen Commandotheilung  und  haben  als  ordentliche  Aemter 
niemals  bestanden.  Die  diocletianische  Reichsordnung  hat  für  alle 
diese  .Aufstellungen  zum  Anhalt  gedient.  Der  Grundgedanke  des 
älteren  Provinzialregiments,  die  Vereinigung  der  obersten  Civil-  und 
der  obersten  Militärgewalt  in  derselben  Hand,  ist  allem  Anschein 
nach  bis  zum  Ausgang  des  dritten  Jahrhunderts  principiell  in  Kraft 
geblieben;  nach  der  Verdrängung  der  Senatoren  aus  den  Statthalter- 
schaften wird  wohl  der  legatus  Numidiae  vir  clarissimus  zum  praeses 
Numidiae  vir  perfectissimus ,  aber  auch  der  j^^f^ßses  ist,  so  viel  wir 
sehen,  in  den  mit  Truppen  belegten  Provinzen  ordentlicher  Weise 
noch  der  Träger  des  Commandos.  Freilich  ist  in  dieser  verwirrten 
Zeit   das  Militärcommando  wahrscheinlich   häufiger  in    ausserordent- 

240  lieber  Weise   geführt   worden    als    in   ordentlicher*'   und   dergleichen 


1)  Dux  limitis  Orientalis  ia  dem  valerianisclien  Protokoll  (Aurel.  13,  1); 
ein  anderer  Saturnin.  7,  2;  dem  Probus  decretirt  Tacitus  den  diicatus  totins 
Orientis  (Pivh.  7,  4).  2)  Biadum.  8,  4. 

3)  tr.  tyr.  22,  3.    Vgl.  Victor  Cnes.  20,  9 :  (Pescennius)  Aegyptum  dux  obfinens. 

4)  tr.  tyr.  29,  1;  Firm.  3,  1. 

5)  Pannonia  I  und  Noricum;  Pannonia  11;  Valeria;  Moesia  1;  Dacia; 
Moesia  IL     Dazu  kommen  noch  Skythien  und  Thrakien. 

6)  Wenn  die  Inschrift  von  Virunum  (C.  I.  L.  III  4855)  eines  Primipilaren, 
der  als  dux  leg.  III  Italicae  und  als  dux  et  praepositus  leg.  III  Augustae  ver- 
wendet wurde,  in  diese  Epoche  gehört,  wie  es  wahrscheinlich  ist,  so  hat  dieser 
allerdings  in  Noricum  und  später  in  Raetien  die  Truppen  commandirt  und  viel- 
leicht  eher   neben   als  unter  dem  gleichzeitigen  praeses   gestanden.     Aber  das 


Die  Scriptores  historiae  Augustae.  313 

Commissionen  mögen  wohl  von  den  Biographen  mit  den  späteren 
diocletianischen  Ducaten  confundirt  worden  sein.  Die  generelle 
Beschränkung  des  praeses  auf  das  Civilregiment  und  die  Einrichtung 
der  ständigen  Ducate  ist  sicher  erst  das  Werk  Diocletians^.  Auch 
die  nicht  officielle,  aber  übliche  Bezeichnung  des  Civilstatthalters  als 
des  iudex  ^  welche  dem  älteren  Sprachgebrauch  fremd  und  ohne 
Zweifel  eben  durch  diese  Trennung  hervorgerufen  ist,  begegnet 
ebenfalls  in  den  späteren  dieser  Biographien  2.  Um  das  J.  290,  als 
die  erste  Hälfte  dieser  Biographien  redigirt  ward,  war  die  Trennung 
der  Civil-  und  der  Militärverwaltung  noch  neu  und  kam  dem  Bericht- 
erstatter nicht  in  die  Feder:  gegen  das  Ende  des  zwanzigjährigen 
diocletianischen  Regiments  und  unter  seinem  Nachfolger  hatte  sie 
sich  so  festgesetzt,  dass  namentlich  in  den  Fictionen  nicht  gerade 
für  die  einzelnen  Militärbezirke^,  aber  doch  im  Grossen  und  Ganzen 
diese  Theilung  den  Variationen  der  Ueberlieferung  zu  Grunde  gelegt 
ward. 

Die  Benennungen  der  Truppenkörper,  so  weit  sie  erweislich 
oder  wahrscheinlich  fictiv  sind,  schliessen  im  Allgemeinen  sich  den 
vordiocletianischen  an^;  den  diocletianischen  Stempel  trägt  nur  die 
legio  VII  GaUicana'.      Die    späterhin    so   geläufige   Unterscheidung 

hinzugefügte  praepositus  erweist  diese  Stellung  als  irreguläre.  Sicher  historische 
Commandos  aus  dieser  Zeit  sind  zum  Beispiel  das,  welches  nach  der  Inschrift 
von  Grenoble  (C.  I.  L.  XII  2228)  unter  Claudius  der  praefectus  vigilum  r.  p.  der 
Stadt  Rom  über  rexillationes  atqite  erpiites  itemque  praepositi  et  ducenarü  protec- 
tores,  das  heisst  über  die  gegen  die  gallischen  Sonderkaiser  aufgebotenen  Truppen 
in  der  Narbonensis  führte ;  ferner  das  des  pi-aefecttis  classis  jn-aetoriae  Misenatium 
V.  p.  duct(or)  per  Africam  Kumidiam  Mauretaniamqiie  (Eph.  epiffi:  V  n.  301^. 
Beide  Inschriften  zeigen  in  charakteristischer  Weise,  dass  das  effective  Commando 
in  dieser  Epoche  auch  auf  die  pi-orinciae  inermes  erstreckt  werden  musste  und 
die  alten  Militärsprengel  nicht  innegehalten  werden  konnten. 

1)  In  dieser  Zeitschrift  24,  266  [vgl.  o.  S.  308  A.  4]. 

2)  Alex.  15,  1.  17,  1.  42,  4;  Vcd.  6,  6.  7  (hier  neben  trilnmi  und  duces);  Claud. 
2,  6;  Aui'el.  43,  4;  Tac.  6,  6  (faciat  eos  coiisules  duces  iudices);  Prob.  13,  1  (wo  die 
inagni  iudices,  von  denen  an  den  Senat  appellirt  wird,  wenigstens  einen  Theil 
der  Provinzialstatthalter  in  sich  begreifen),  c.  20,  6.  In  den  älteren  Abschnitten 
werden  wohl  die  italischen  inridici  als  iudices  bezeichnet  (Hadr.  22,  13j.  aber  in 
der  späteren  weiteren  Bedeutung  wird,  wenn  ich  nichts  übersehen  habe,  das 
Wort  dort  nicht  gefunden. 

3)  Doch  ist  der  dux  limitis  Scythici  wohl  geradezu  daher  entlehnt. 

4)  So  die  legio  III  felix  (Aur.W.A;  Prob.  5,  ß)  und  die  legio  V  Martia 
(Claud.  14,  2),  in  angeblichen  Schreiben  Valerians.  Gleichartig  ist  der  tribunus 
Assyriorum  in  dem  Stammbaum  des  Constantius  (Claud.  13,  3j. 

5)  Atirel.  7,  1.  Für  die  cohortes  duae  alares  (Albin.  10,  6)  und  die  gemischten 
Corps,  wie  das  aus  6  Cohorten  der  Saracenen   nebst  einer  Anzahl  Gallier  und 


314  Die  Scriptores  historiae  Augustae. 

241  zweier  gleichnamiger  Truppenkörper  durch  den  Beisatz  von  seniores 
und  iuniores  begegnet  nirgends.  —  Die  Bezeichnung  der  Grenz- 
truppen als  limitanei  findet  sich  mehrfach^,  einmal  auch  Erwähnung 
der  riparienses^,  beides  nur  in  den  späteren  Biographien  und  ohne 
Zweifel  in  Rückwirkung  der  von  Diocletian  geschaffenen  nicht  an 
die  Grenzen  gebannten  Reichstruppen;  aber  die  wahrscheinhch  erst 
durch  Constantin  aufgekommene  Bezeichnung  der  letzteren  als  comi- 
tatenses  wird  auch  in  diesen  nicht  gefunden.  —  Die  wahrscheinlich 
unter  Philippus  und  Decius  eingerichteten  protectores  divini  laieris 
werden  proleptisch  in  den  Biographien  Caracallas  und  Maximins 
erwähnt^,  und  zwar  an  der  zweiten  Stelle  in  Folge  incorrecter 
Uebersetzung  der  griechischen  doovcpÖQoi.  Dagegen  die  erst  unter 
Constantius  auftretenden  domestici  erscheinen  in  der  Stellung  der 
Gardisten  nirgends*. 

Die  Eintheilung  des  Kaisergesindes  nach  den  verschiedenen 
Geschäftszweigen  (officia)  ist  so  alt  wie  das  Gesinde  selbst,  und  die 
bureaukratische  Ordnung,  welche  jeder  einzelnen  Kategorie  einen 
Vormann  (princeps,  magister)  setzt,  geht  ebenfalls  in  frühe  Zeit 
zurück.  Aber  die  Zusammenfassung  der  gesammten  Hausdiener- 
schaft unter  einem  Vorsteher  von  Offiziersrang  ist  nachweisbar  erst 
seit  dem  Jahre  320  und  wahrscheinlich  nicht  sehr  viel  älter  (A.  4). 
Wenn  unsere  Biographien  nun  mehrfach  die  älteren  principes  oder 

Perser  gebildete  unter  einem  Tribun  (S.  235  A.  6  [309  A.  4])  und  das  von  1000  nostri, 
300  Armeniern  und  100  Sarmaten  in  dem  falschen  Marcusbrief  (Niger  4,  2j  fehlt 
uns  jede  Controle.  —  Die  in  den  falschen  Urkunden  bei  Vopiscus  auftretenden 
deutschen  Namen  (Aurel.  11,4:  Hariomundus  Haldagates  Hildomundus  Carioviscus. 
Bonos.  15,  7 :  Hunila)  mögen  wohl  auch  anknüpfen  an  die  wesentlich  auf  das 
Heranziehen  des  deutschen  Elements  begründete  Umgestaltung  des  Heerwesens 
in  der  diocletianisch - constantiuischen  Epoche,  führen  aber  nicht  gerade  auf 
constantinische  Zeit. 

1)  Pescenn.  7,  7;  Alex.  58,  4;  Prob.  14,  7;  vgl.  in  dieser  Zeitschrift  24, 199  A.  1 
[s.  0.  S.  308  A.  4]. 

2)  Aurd.  38,  4  in  einem  Kaiserbrief;  vgl.  in  dieser  Zeitschr.  24, 198  A.  4  [ebd.]. 

3)  Carac.  5,  8.  7,  1 ;  Maximin.  14,  4.  Weiter  ist  dies  ausgeführt  ephem. 
ejyigr.  5,  126. 

4)  Allerdings  gelangt  Diocletian  nach  Car.  13,  1  zur  Herrschaft  domesticos 
Urne  regens  und  schwerlich  ist  dies  aus  Victor  Caes.  39  [,  1]  eingesetzt,  sondern 
gehört  wohl  der  beiden  gemeinschaftlichen  Quelle.  Aber  es  ist  keineswegs 
sicher,  was  unter  dieser  Bezeichnung  zu  verstehen  ist  (vgl.  EpJi.  epigr.  5,  181); 
wahrscheinlich  sind  die  domestici  hier  nicht  in  dem  späteren  Sinn  als  Truppe 
gefasst,  sondern  die  Hausleute  gemeint,  und  ist  Diocletians  amtliche  Stellung 
nicht  mit  dem  comes  domesticorum  der  späteren  Zeit  zusammenzustellen,  sondern 
mit  dem  seit  dem  J.  320  begegnenden  tribunus  (später  comes)  et  magister  officiorum 
(vgl.  in  dieser  Zeitschr.  24,  224  A.  5  [s.  o.  S.  308  A.  4]). 


Die  Scriptores  historiae  Augastae.  315 

magistri  nennen^,  aber  der  magister  ofßciorwn  wenigstens  unter  diesem 
Namen  nirgends  darin  auftritt,  so  stellt  bei  der  Masse  der  darin  242 
enthaltenen  Anachronismen  sich  auch  dies  zu  den  Beweisen  dafür, 
dass  diese  Biographien  in  der  That  in  derjenigen  Epoche  entstanden 
sind,  welcher  sie  angehören  wollen.  —  Auch  die  castrenses  erscheinen 
hier  nur  in  der  älteren  militärischen  Beschränkung,  keineswegs  all- 
gemein für  das  Hofgesinde-. 

Bei  den  häufigen  Erwähnungen  von  Geldsummen  und  Münzen 
ist  vor  allem  bemerkenswerth.  dass  das  so  oft  genannte  Goldstück 
immer  aureus  heisst  und  die  Benennung  solidus  nur  an  einer  einzigen 
Stelle,  imd  hier  in  einer  Verbindung  auftritt,  wo  auch  nach  dem 
älteren  Sprachgebrauch  von  dem  Ganzstück  gesprochen  werden 
durfte-^.  Dieser  Wechsel  in  der  Benennung  des  Goldstücks  ist 
höchst  wahrscheinlich  unter  Constantin  eingetreten  zugleich  mit  der 
Einführung  des  Goldstücks  von  ^/72  Pfund,  und  zwar  ist  seitdem  die 
Benennung  solidus  wie  die  officielle  so  auch  die  gebräuchliche*. 
Wären  diese  Biographien  unter  Theodosius  geschrieben,  so  würde 
es  geradezu  unbegreiflich  sein,  dass  die  damals  allein  geläufige 
Benennung  der  Grossmünze  sich  nirgends  eingestellt  hat.  —  Die 
foUes  aeris^   welche  einmal  in  einem  unter  Constantin  geschi-iebenen 


1)  Magistri  aut  principes:  Alex.  82,  1  —  principes:  Marcus  8, 10;  Hdiog. 
10,  2  —  magistri:  Niger  12,  7;  Heliog.  20,  2;  Gallien.  17,  8.  Weiter  ist  dies  aus- 
geführt im  Neuen  Archiv  für  deutsche  Geschichtskunde  14,  466.  [In  dem  Aufsatz: 
.Ostgothische  Studien"  =  Bist.  Sehr.  Bd.  III.] 

2)  Im  Gegensatz  gegen  Hirschfelds  Ausführung  (Verwaltungsgesch,  S.  197  f. 
[2.  Aufl.  S.  313  f.]  und  bei  Friedländer  Sittengesch.  1«,  194)  muss  ich  daran  fest- 
halten, dass  für  das  Hof  lager  in  gewöhnlicher  Rede  (für  die  Juvenal  4,  134  nicht 
heweisend  ist)  die  Bezeichnung  castra  erst  aufgekommen  ist,  nachdem  Diocletian 
thatsächlich  die  Residenz  aufgegeben  und  dem  sacrum  Palatium  die  castra  sub- 
stituirt  hat.  Alex.  4:1,3  wird  sicher  mit  Recht  et  vor  onifies  castretises  ministri 
ergänzt  und  ist  die  speciell  für  die  Militärstellung  des  Kaisers  thätige  Bedienung 
gemeint,  ebenso  wie  in  sämmtlichen  Inschriften  des  zur  ratio  castrensis  gehörigen 
Personals.  Selbstverständlich  fungirt  der  Kaiser  als  oberster  Feldherr  auch 
wenn  er  in  Rom  verweilt  und  gehört  die  militärische  Apparition  insofern  auch 
zur  Palastdienerschaft.  —  Hadr.  13,  7 :  deinde  a  Cappadocibits  seri-itia  castris  pro- 
futura  suscepit  kann  unmöglich  darauf  gehen,  dass  er  dort  tüchtige  Sänftenträger 
kaufte,  sondern  bezieht  sich  auf  Rekrutirung,  vielleicht  zunächst  für  die  grossen- 
theils  mit  Freigelassenen  bemannte  Flotte. 

3)  Alex.  39,  8.  10  im  Gegensatz  zum  iriens;  ähnlich  spricht  schon  Appuleius 
von  solidus  aureus.     Vgl.  R.  M.-W.  S.  782. 

4)  Wir  finden  sie  zuerst  in  einer  Verordnung  von  317  (C.  Th.  9,  22,  1^  und 
seitdem  ständig.  Wie  das  diocletianische  Goldstück  von  V«o  Pfd.  genannt  ward, 
wissen  wir  nicht  (vgl.  in  dieser  Zeitschr.  25,  25  A.  5).  [In  dem  Aufsatz:  „Das 
liocletianische  Edict  über  die  Waarenpreise"  =  Jurist.  Sehr.  Bd.  II  S.  331  A.  3.] 


316  Die  Scriptores  historiae  Augustae. 

Abschnitt  begegnen  1,  sind  anderweitig  vor  diesem  nicht  nachweisbar, 
können  aber  füglich  schon  vorher  in  Gebrauch  gewesen  sein.  — 
243  Wenn  endlich  in  derselben  Biographie  zu  centum  sesfertki  erklärend 
hinzugesetzt  wird:  hoc  est  argenü  lihrae  iriginta,  so  passt  diese 
Gleichung  weder  auf  die  frühere  Epoche  noch  auf  die  constantinische 
Ordnung,  dagegen  genau  auf  die  Zeit  Diocletians,  welcher  das  zum 
Silber  etwa  wie  14  :  1  sich  verhaltende  Goldpfund  auf  50000  Denare 
werthete  ^. 

Die  hier  zusammengestellten  Beobachtungen,  denen  ohne  Zweifel 
noch  manche  analoge  angereiht  werden  können,  lassen  meines  Er- 
achtens  darüber  keinen  Zweifel,  dass  diese  Biographiensammlung 
wohl  in  theodosischer  Zeit  einzelne  Einschiebungen  und  Interpola- 
tionen erfahren  haben  kann,  aber  doch  im  Wesentlichen  derjenigen 
Epoche  angehört,  welcher  sie  sich  selber  zuschreibt.  Es  soll  weiter 
versucht  werden  die  Sammlung  in  ihre  Bestandtheile  zu  zerlegen, 
wobei  allerdings  von  vorn  herein  eingeräumt  werden  muss,  dass  diese 
Scheidung  durch  Nachträge  und  Ueberarbeitung  vielfach  verdunkelt 
worden  ist. 

Schon  der  Ueberlieferung  zufolge  zerfallen  die  Kaiserbiographien 
in  drei  scharf  von  einander  geschiedene  Massen:  die  erste  von  ehi- 
undz wanzig  Nummern,  welche  vier  verschiedene  Yerfasser  namhaft 
macht,  reicht  bis  auf  Gordian  III.,  zerfällt  aber  wieder,  wie  weiterhin 
gezeigt  werden  soll,  in  eine  mit  Macrinus  schliessende  und  eine  die 
Biographien  von  Caracalla  bis  auf  die  Gordiani  umfassende  Hälfte. 
Die  zweite  zu  Anfang  verstümmelte  Masse  von  den  Phihppi  bis  auf 
Claudius  gehört  dem  Trebellius  Pollio,  die  dritte  von  Aurelian  bis 
auf  Carus  dem  Flavius  Vopiscus. 

In  der  ersteh  Gruppe  sind  den  Subscriptionen  zu  Folge  ab- 
gefasst  von  Aelius  Spartianus  Hadrian,  (Aelius),  Julian,  Severus, 
(Niger),  Caracalla,  (Geta);  von  Julius  Capitolinus  Pius,  Marcus,  Verus, 
Pertinax,  (Albinus),  Macrinus,  die  Maximini,  die  Gordiani,  Maximus 
Balbinus;  von  Aelius  Lampridius  Commodus,  (Diadumenus),  Elaga- 
balus,  Alexander;  von  Yulcacius  Gallicanus  v.  c.  (Avidius  Cassius). 
Diese  Ueberlieferung  schliesst  allerdings  mehrere  Reihen  zusammen, 


1)  HeKog.  22,  3.     Vgl.  R.  M.  -W.  S.  805. 

2)  Heliog.  24,  3 :  in  dieser  Zeitschr.  25,  27  [s.  o.  S.  315,  4  =  Jur.  Sehr.  II  S.  332], 
Hirschfeld  vermuthet  (Wiener  Studien  Bd.  6  [1884]  S,  124),  dass  die  in  der 
Biographie  des  Severus  6,  4  erwähnten  septingeni  (denn  so  ist  allerdings  ohne 
Frage  für  das  unmögliche  sepUiagen-  zu  schreiben)  viceni  aurei  aus  12  Pfunden 
Gold  nach  diocletianischem  Münzfuss  umgerechnet  seien. 


Die  Scriptores  historiae  Augustae.  317 

werden  müssen,  wie  zum  Beispiel  Elagabalus  und  Alexander  so  wie 
die  Maximini,  die  Gordiani  und  Maximus  Balbinus;  dennoch  ist  244 
sie  aufs  ärgste  zerrüttet,  und  zwar  theils  durch  Interpolation  und 
Diaskeuase,  theils  wahrscheinlich  auch  durch  einfache  Abschreiber- 
verwirrung. Wenn,  wie  dies  weiterhin  wahrscheinlich  gemacht  werden 
wird,  die  oben  in  Klammern  gesetzten  Biographien  durch  nachträgliche 
Fälschung  in  diese  Reihe  gelangt  sind,  so  hat  der  Fälscher,  um  dies 
zu  verdecken,  seine  Autorbenennungen  meistentheils  den  von  ihm 
vorgefundenen  Biographien  entnommen  und  haben  bei  den  secundären 
die  Yerfassemamen  überall  keine  Autorität.  Aber  auch  wenn  man 
diese  ausscheidet,  bleibt  die  Verwirrung  unvermindert.  Es  ist  eine 
baare  Unmöglichkeit,  dass  auch  der  letzte  Ueberarbeiter  unserer 
Sammlung  ihr  diejenige  Autorvertheilung  beigelegt  hat,  welche  uns 
vorliegt;  wie  denn  schon  die  chronologisch  übel  gestörte  Reilienfolge 
der  unserem  Text  zu  Grunde  liegenden  Urhandschrift  und  ihre 
Lückenhaftigkeit  nebst  der  ständigen  Verwendung  der  Formel  eiusdem 
in  den  Subscriptionen  die  Annahme  hierin  eingetretener  Verwirrung 
nahe  legt.  Nach  den  Texten  der  Biographien,  die,  wenn  auch 
vielfach  verdorben,  doch  sicher  bei  weitem  zuverlässiger  überliefert 
sind  als  die  Subscriptionen,  rühren  die  Biographien  des  Hadrian,  des 
Aelius  und  desVerus^  von  demselben  Verfasser  her,  ebenso  die  des 
Severus,  des  Niger  und  des  Albinus^;  auch  in  der  Biographie  des 
Marcus  findet  eine  Verweisung  auf  die  des  Commodus  sich  vor^. 
Wenn  die  Subscriptionen  damit  in  Widerspruch  treten,  so  kann  dies 
nur  Schuld  der  Abschreiber  sein;  unmöglich  können  die  Urheber, 
Fälscher  oder  nicht,  in  dieser  Weise  sich  selber  widersprochen  haben. 
Biographische  Compilationen  dieses  Schlages  mögen  immerhin  un- 
gefähr gleichzeitig  von  mehreren  Schriftstellern  unternommen  worden 
sein  und  ein  späterer  Diaskeuast  aus  mehreren  Reihen  eklektisch 
unsere  Sammlung  zusammengestellt  haben,  wie  denn  der  Verfasser 
des  Aelius  die  Biographien  der  sämmtlichen  früheren  Kaiser  ge- 
schrieben haben  will*,  derjenige  des  Elagabalus  und  des  Alexander 
wenigstens  die  Absicht  ausspricht  auch  über  die  folgenden  Regenten 
bis  auf  Maxentius  und  Licinius  einschliesslich  berichten  zu  wollen  ^ 
während  unsere  Reihe  mit  Carus  abschliesst.  Aber  selbst  unter  den  245 
weitgehendsten  Voraussetzungen  dieser  Art   lassen   die   überlieferten 


1)  Aelius  1, 1.  2,  9.  3,  1  (vgl.  Hadr.  23,  14).  5,  5  (vgl.  Hadr.  21,  4). 

2)  Pescenn.  9,  3;  Albimis  1,  4  (vgl.  Pescenn.  8,  1).  12,  14. 

3)  Marc.  19,  5;  Comm.  11, 12.  4)  Ael.  1, 1. 
5)  Heliog.  35;  Alex.  64, 1. 


318  Die  Scriptores  historiae  Augustae. 

Namen  mit  den  sonstigen  Daten  sich  nimmermehr  in  Einklang  bringen. 
Auch  anderweitig  findet  sich  für  diese  vier  Namen  nur  wenig  Anhalt. 
Da  der  Name  des  Gallicanus  nirgends  erscheint  als  vor  der  einen 
gefälschten  Biographie,  so  hat  er  nicht  grössere  Autorität  als  die  in 
den  Adressen  der  falschen  Kaiserbriefe  genannten  Personen;  dass 
der  Yerfertiger  der  gefälschten  Biographien  zur  Abwechselung  für 
eine  derselben  einen  neuen  Autor  erfand,  liegt  ganz  in  dem  ihm 
geläufigen  Verfahren.  Von  den  drei  Verfassern,  welchen  die  nicht 
erst  später  zugesetzten  Biographien  der  ersten  Abtheilung  beigelegt 
werden,  lulius  Capitolinus,  Aelius  Lampridius  und  Aelius  Spartianus 
nennen  andere  Schriftsteller  überhaupt  keinen,  Vopiscus,  der  Verfasser 
der  dritten  Abtheilung,  der  im  J.  305  oder  306  schrieb,  unter  seinen 
Vorgängern  den  Capitolinus  und  den  Lampridius^.  Für  die  Unter- 
scheidung dieser  drei  Schriftsteller  sucht  man  einen  Anhalt  in  der 
gleich  zu  erwähnenden  etwas  festeren  Scheidung  der  13iographien  in 
eine  dem  Diocletian  und  in  eine  dem  Constantin  gewidmete  Gruppe ; 
aber  man  sucht  ihn  vergeblich:  die  Autornamen  in  beiden  Reihen 
gehen  wild  durch  einander.  Wenn  man  statt  dessen,  gestützt  auf 
jene  Angabe  des  Vopiscus,  die  diocletianische  Reihe  dem  Capitolinus 
und  dem  Lampridius,  die  constantinische  dem  Spartianus  zusprechen 
möchte,  so  verstösst  dies  ebenfalls  überall  gegen  die  überlieferten 
Subscriptionen.  Es  muss  unumwunden  eingeräumt  werden,  dass  die 
Zurechtstellung  der  Autornamen  sowohl  in  der  diocletianischen  wie 
in  der  constantinischen  Reihe  sich  in  befriedigender  "Weise  nicht 
bewirken  lässt  und  dass  man  wohl  berechtigt  ist  Dessaus  verwegene 
Hypothese  abzuweisen,  wonach  unter  allen  diesen  Namen  ein  und 
derselbe  Schriftsteller  der  theodosischen  Zeit  sich  verbergen  soll,  und 
vielmehr  die  Pluralität  der  Verfasser  so  wie  von  den  vier  Namen 
drei  aufrecht  zu  halten  sein  werden,  dass  aber  die  Verknüpfung  der 
einzelnen  Biographien  mit  den  einzelnen  Namen  theils  sicher  irrig, 
theils  wenigstens  ungenügend  beglaubigt  ist. 

Etwas  weiter  führen  die  im  Text  dieser  Biographien  enthaltenen 
und  somit  ohnehin  schon  zuverlässigeren  Dedicationen.  "Während  die 
beiden  folgenden  Gruppen  Privaten  dedicirt  sind,  sind  sämmtliche 
246  einundzwanzig  Biographien  der  ersten  Abtheilung  den  regierenden 
Kaisern  zugeschrieben,  und  zwar  theils  dem  Diocletian,  theils  dem 
Constantin.  Die  Anrede  an  Diocletian  tritt  auf  in  der  ersten  Hälfte, 
bis  auf  Macrinus^,  die  an  Constantin  in  der  zweiten  von  Elagabalua 

1)  Prohis  2,  7.      Hier  die   an   sich   nicht  verdächtigen    Namen  wegen    der 
zerrütteten  Subscriptionen  zu  streichen  kann  ich  nicht  richtig  finden. 

2)  Aelius  —  Marcus  —  Veras  —  Cassius  —  Severus  —  Niger  —  Macrinusj 


Die  Scriptores  historiae  Augustae.  319 

an^.  und  wir  werden  danach  eine  diocletianische  und  eine  constan- 
tinische  Reihe  unterscheiden  dürfen  2,  von  denen  wahrscheinlich  jede 
von  anderen  Verfassern  herrührt,  wenn  gleich  wir,  wie  gesagt,  die 
Namen  nicht  zu  bestimmen  vermögen.  Allerdings  machen  Instanz 
gegen  diese  Scheidung  die  beiden  dem  Constantin  zugeschriebenen 
Biographien  des  Albinus  und  des  Geta;  aber  jene  steht  insofern  mit 
sich  selbst  im  Widerspruch,  als  der  Biograph  des  Albinus  auch  die 
dem  Diocletian  gewidmeten  Biographien  des  Severus  und  des  Niger 
geschrieben  haben  will,  und  beide  gehören  zu  den  nachgefalschten 
Stücken.  Es  wird  also  mit  derjenigen  Wahrscheinlichkeit,  welche 
auf  diesem  Gebiete  überhaupt  erreichbar  ist.  eine  diocletianische  und 
eine  constantinische  Biographienreihe  unterschieden  werden  dürfen. 
Innerhalb  der  sechzehn  Biographien  der  diocletianischen  Reihe 
stellt  sich  ein  scharfer  Unterschied  heraus  zwischen  den  neun  der 
anerkannten  Kaiserreihe  (Hadrian,  Pius,  Marcus,  Commodus,  Per- 
tinax,  Julianus,  Severus.  Caracalla,  Macrinus)  und  den  sieben  der 
Mitherrscher  (Verus,  Geta),  der  Caesaren  (Aelius,  Diadumenus)  und 
der  Usurpatoren  (Cassius,  Niger,  Clodius).  Jene  sind  echte  allerdings 
vielfach  zerrüttete  Geschichtsquellen:  die  der  zweiten  Reihe  enthalten 
wenig  oder  gar  kein  eigenes  wirklich  geschichtliches  Material  und 
sind  wesentlich  entweder  aus  jenen  der  ersten  zusammengestoppelt 
oder  gefälscht.  Die  Beschaffenheit  dieses  Stoppeins  erscheint  es 
noth wendig  durch  einige  Belege  zu  erläutern. 

vita  Marci:  vita  Cassii: 

25,  5  in  conscios  defedionis  ve-         8,  7    ipse  autem    Änfonimis   a 


iuit  senatum  graviter  vindicare. 

25,  6  sinud  petit,  ne  qui  Senator 
iempore  principatus  sui  occideretur 


senatu  petit,   ne  graviter  in  con- 
scios defedionis  animadverteret 
60  ipso  tempore,  quo  rogavit,  ne 
quis  Senator  temporihus  suis  capi- 
tali  supplicio  afficerdur, 
quod  Uli  maximum  amorem   con-  247 
ciliavit. 
25,  7    eos  etiam    qui    deportati         8,  8    denique    paucissimis    cen- 

fiierant  revocari  iussit,  cum  pau-     turionibus  ]ninitis   deportatos  re- 

cissimi   cenfuriones   capite   essent     vocari  iussit. 

puniti. 

25,  S  ignovit  et  civitatihus  qtiae         9,  1  Antiochenes  quoque  Avidio 

Cassio    consenserant :     ignovit    et  \   Cassio  consenserant :  sed  et  his  et 

1)  Elagabalus  —  Alexander  —  Maximiui  —  Gordiani. 

2)  Anreden  fehlen  bei  Hadrian,  Pius,  Commodus,  Pertinax,  lulianus,  Cara- 
rallus,  Diadumenus,  Maximus  Balbinus. 


320 


Die  Scriptores  historiae  Augustae. 


AntiocJiensibus,  qui  multa  in  Mar- 
cum  pro  Cassio  dixerant  (vgl. 
Carac.  1,  7). 

25,  9  quihus  et  spectacida  et 
conventus  puhlicos  tulerat  et  om- 
nium  contionum  genus,  contra  quos 
edictum  gravissimum  misit. 

25,  10  seditiosos  autem  eos  et 
oratio  Marci  indicat  indita  Mario 
Maximo,  qwi  ille  usus  est  apud 
amicos. 

26,  12  filii  autem  CassH  et 
amplius  media  parte  accepenmt 
paterni  patrimonii 

et  auro  atque  argento  adiuti,  mu- 
lieres  autem  etiam  ornamentis, 
ita  ut  Älexandria  fdia  Cassii   et 
Druncianus  gener  liberam  vagandi 
potestatem  haberent 


commendati  amitae  marito. 


aliis  civitatibus ,  quae  illum  iuve- 
rant,  ignovif, 

cum  primo  Antiochensibus  graviter 
iratus  esset  hisque  spectacida  sus- 
tidisset  et  multa  alia  civitatis 
ornamenta,  quae  postea  reddidit. 
6,  6  amatus  est  ab  .  ,  Antio- 
chensibus, qui  etiam  imperio  eins 
consenserunt ,  ut  docet  Marius 
Maximus  in  vita  divi  Marci. 

9,  2  füios  Avidii  Cassii  Anto- 
ninus  Marcus  parte  media  pjatri- 
monii  donavit, 

ita  ut  fdias   eins  auro  argento  et 
gemmis  cohonestaret 

9,  3  nam  et  Älexandriae  filiae 
Cassii  et  genero  Drunciano  liberam 
evagandiubi  vellent  p>otestatem  dedit 
vixeruntque  non  quasi  tyranni 
pignora,  sed  quasi  senatorii  ordinis 
in  summa  securitate,  cum  Ulis 
etiam  in  Ute  obici  fortunam  pro- 
priae  vetuisset  domus,  damnatis 
aliquibus  iniuriarum,  qui  in  eos 
petidantes  fuissent, 
quos  quidem  amitae  sitae  marito 
commendavit 


24g  Vita  Severi: 

6,  10  Heraclitum  ad  obtinendas 
Britannias,  Plautianum  ad  occu- 
pandos  Nigri  liberos  misit. 

8,  6  Ad  Orientis  statum  con- 
firmandum  profectus  est,  nihil 
adhuc  de  Nigro  palam  dicens. 


[  Vita  Nigri: 

j  5,  2  Severus  Heraclitum  ad  obti- 
I  nendam  Bithyniam  misit,  Fulvium 
I  autem  ad  occiipandos  adidtos  Nigri 
\  filios. 

I       5,  3  nee  tarnen  in  senatu  quic- 

I  quam  de  Nigro  Severus  dixit,  cum 

iam  audisset  de  eins  imperio,  ipse 

autem  proficiscerefur    ad   compo- 

1  nendum  Orientis  statum  nutantem. 


Die  Scriptores  historiae  Augustae. 


321 


S,  1  nd  Africam  tarnen  legiones 
misit,  ne  per  Lihjam  atque  Äegijp- 
tum  Niger   Africam  occuparet  ac  j 
populum    Romanum   iienuria   rei 
frumentariae  perurgueret. 


8,  12  miserat  sane  legionem, 
quae  Graeciam  Thraciamque  prae- 
ciperet,  ne  eas  Pescennius  occu- 
paret, sed  iam  Byzantium  Niger 
tenebat. 

8,  13  PerintJmm  etiam  Niger 
volens  occupare  plurimos  de  exer- 
citu  interfecit.  atqtie  ideo  hostis 
cum  Aemiliano  est  appeUatus 

8,  14  cumque  Severum  ad  parti- 
cipatum  vocaret,  contemptiis  est 

8,  16  Aemilianus  deliinc  victiis 
in  Uelles2)07ito  a  Severi  ducibus 
Cijzicum  primum  confiigit  atque 
inde  in  aliam  civitatem,  in  qua 
eorum  iussu  occisus  est. 

8,  15  promisit  sane  Nigro  tutum 
exilium,  si  vellet,  Aemiliano  autem 
mm  ignovit 

9,  1  dein  conflixit  cum  Nigro 
eumque  apud  Cyzicum  interemit 


caputque  eius  pilo  circumtidit 

10,  1  piostea  (nach  Albinus  Ab- 
fall) .  occisi  sunt  (filii  Nigri)  cum 
matre 


MOMMSEN,    SGHR.  Vn. 


5,  4.  5  sane  illiul  fecit  profi- 
ciscens,  ut  legiones  ad  Africam 
mitteret,  ne  eam  Pescennius  occu- 
paret et  fame  populum  B.  per- 
urgueret. videhatur  autem  id 
facere  posse  p>er  Lihyam  Aegyp- 
tumque  vicinas  Africae,  difftcili 
licet  itinere  ac  navigntione. 

5,  6  et  Pescennius  quidem  ve- 
niente  ad  Orientem  Severo  Grae- 
ciam Thracias  Macedoniam 


interfectis  multis  inlustribus  viris 
tenebat 

5,  7  «  quo  causa  eorum  quos 
occiderat  cum  Aemiliano  hostis  est 
appellatus. 

ad  participatum  imperii  Severum 
vocans, 

dein  a  ducibus  Severi  per  Aemi- 
lianum  pugnans  victus  est 


5,  8  et  cum  iUi  tutum  exilium  249 
ptromitteret,  si  ab  armis  recederet, 

persistens  iterum  jmgnavit  et  victus 
est  atque  apud  Cyzicum  circa  pa- 
ludem  (eingelegt  wegen  des  Ora- 
kels 9,  6)  fiigiens  sauciatus  et  sie 
ad  Severum  adductus  et  statim 
mortuus. 

6.  1  Huius  Caput  circunüatum 
pilo  Romam  missum, 

6,  1.  2  ßii  occisi,  necata  uxor, 
Patrimonium  j)ublicatum,  familia 
amnis  extincta.  sed  haec  omnia 
postquam  de  Albini  rebeUione  co- 
gnitum  est  facta  sunt, 

21 


322  Die  Scriptores  historiae  Augnstae. 


9,  2  filios  Nigri  .  .  .  in  exilium 
cum  matre  misit. 


nam  prius  et  filios  Nigri  et  ma- 
trem  in  exilium  miserat 


In  welchem  Grade  die  Vorlage  bei  der  Wiedergabe  verstümmelt 
und  verdorben  ist,  ergiebt  die  Zusammenstellung  mit -so  schlagender 
Deutlichkeit,  dass  ich  dabei  nicht  verweile.  Abgesehen  von  den  in 
dieser  Weise  aus  den  neun  primären  Biographien  entlehnten  Materi- 
alien sind  die  sieben  secundären  wesentlich  und  im  umfassendsten 
Massstab  gefälscht.  Es  wimmelt  hier  alles  von  Anekdoten,  Orakeln, 
Vergil-  und  anderen  Versen,  insbesondere  von  litterarischem  Plunder; 
das  Ideal  des  Niger  ist  Marcius  Coriolanus,  Severus  heisst  der  punische 
Sulla,  Albinus  der  zweite  Catilina;  Aelius  hat  Ovids  amores  jede 
Nacht  unter  dem  Kopfkissen  und  Hadrian  betrauert  ihn  mit  einem 
Citat  aus  der  Aeneis.  Sicher  hängt  es  damit  auch  zusammen,  dass, 
während  in  jener  Masse  nur  Diocletian  angeredet  wird,  von  den 
secundären  Biographien  zwar  vier  (Aelius,  Verus,  Cassius,  Niger) 
demselben  Kaiser,  zwei  andere  dagegen  (Albinus,  Geta)  dem  Con- 
stantin  zugeschrieben  sind;  dem  Verfertiger  dieser  Machwerke  lag 
vermuthlich  ausser  der  diocletianischen  auch  die  constantinische 
Reihe  der  Kaiserbiographien  vor  und  er  knüpfte  unbesehens  bald 
an  diese,  bald  an  jene  an,  ebenso  wie  er  den  Verfassern  derselben 
seine  Machwerke  in  die  Schuhe  schob. 

Allerdings  bedarf  dieser  Gegensatz  nach  beiden  Seiten  hin 
250  der  Einschränkung:  weder  sind  die  secundären  Biographien  des 
selbständigen  Inhalts  völlig  baar,  noch  sind  die  primären  von  den 
Fälschungen  gänzlich  verschont  geblieben.  Abgesehen  von  kleineren 
Berichtigungen  und  Zusätzen,  die  das  secundäre  Exemplar  ergiebt^, 
finden  sich  besonders  im  Verus 2,  aber  auch  im  Albinus^  und  im 
Geta  einzelne  anderweitig  bestätigte  Angaben,   wie    denn  bei  einer 


1)  Die  oben  abgedruckten  secundären  Berichte  sind  frei  von  der  Nennung 
Britanniens  statt  Bitbyniens  Sev.^,  10  (die  nicht  Schreib-,  sondern  Redactions- 
fehler  ist,  da  Britannien  wohl,  aber  nicht  Bithynien  im  Plural  gebraucht  wird) 
und  nennen  den  Fulvius  Plautianus,  von  dem  die  ältere  Biographie  nur  das  Cog- 
nomen  giebt,  mit  dem  Geschlechtsnamen.  Jene  Vertauschung  wird  dem  Dias- 
keuasten  zur  Last  fallen  und  ebenso  die  Einnamigkeit  des  Plautianus. 

2)  Zum  Beispiel  die  Notiz  über  die  Anfänge  des  parthischen  Krieges  Yen: 
6,  9:  interfecto  legato,  caesis  legionihus,  Syris  defectionem  cogitantibus,  deren 
historische  Richtigkeit  feststeht,  ist  nicht  aus  der  des  Marcus  genommen. 

3)  Historisch  ist  zum  Beispiel  sein  Commando  in  Britannien  (Victor),  seine 
Betheiligung  bei  der  Katastrophe  des  Pertinax  (Victor,  Eutrop),  der  gescheiterte 
Versuch  des  Severus  ihn  umzubringen  (Herodian),  die  Entscheidungsschlacht 
bei  Lugdunum. 


Die  Scriptores  historiae  Augustae.  323 

solchen  Zufügimg  der  Herrscher  zweiter  Ordnung  es  nahe  lag  aus 
den  vorliegenden  Biographien  der  älteren  Redaction  einzelnes  nicht 
blos  in  die  secundären  Biographien  hinüber  zu  nehmen,  sondern 
auch  dort  zu  streichen.  Yon  den  zutreffenden  Verweisungen  auf  den 
uns  erhaltenen  Herodian,  die  im  Albinus  imd  im  Diadumenus  sich 
finden,  wird  weiterhin  noch  die  Rede  sein.  Im  Ganzen  aber  sind 
diese  besseren  Nachrichten  hier  äusserst  sparsam,  ja  im  Aelius,  Cassius. 
Pescennius  fehlen  sie  anscheinend  vollständig  und  bleibt,  wenn  man 
die  in  den  besseren  Biographien  wiederkehrenden  Daten  abzieht, 
nichts  übrig,  als  was  entweder  sicher  gefälscht  oder  doch  der  Fälschung 
in  hohem  Grade  verdächtig  ist.  Die  oben  gegebenen  Zusammen- 
stellungen geben  auch  dafür  bezeichnende  Belege.  Die  Zusätze  sind 
entweder  selbstverständlich,  wie  dass  Marcus  Milde  ihn  beliebt  gemacht 
hat  und  dass  Nigers  am  Commando  betheiligte  Söhne  erwachsen 
gewesen  sind,  oder  es  sind  ausspinnende  Anekdoten,  wie  dass  Severus 
die  Advokaten,  welche  den  Kindern  des  Niger  ihren  Vater  vorrückten, 
als  Injurianten  bestraft  habe.  —  Andererseits  kommt  die  Hand,  die 
diese  Sünden  verübt  hat,  auch  in  den  primären  Biographien  zum 
Vorschein.  Wenn  der  Mangel  an  Materialien  für  die  secundären 
Biographien,  der  darin  oft  und  weitläufig  beklagt  wird,  sicher  die 
hauptsächliche  Veranlassung  zu  den  Fälschungen  gegeben  hat,  und  251 
bei  den  meisten  Kaiserbiographien  mit  dieser  Ursache  auch  die  Folge 
wenigstens  im  Ganzen  wegfällt,  so  ist  doch  eine  derselben,  und  zwar 
die  letzte,  die  des  Macrinus,  neben  echten  Materialien  zum  grossen 
Theil  aus  gleichartigen  Erfindungen  zusammengesetzt.  Dass  eben 
diese  davon  betroffen  worden  ist,  hängt  damit  zusammen,  dass  uns 
diese  Biographien  nicht  selbständig  überliefert  sind,  sondern  eingefügt 
in  ein  Sammelwerk;  es  lag  in  der  Sache,  zumal  da  in  das  Leben 
des  Macrinus  die  Vorgeschichte  des  Elagabalus  aufgenommen  ist,  dass 
diese  Biographie  einen  hybriden  Charakter  erhielt,  auch  abgesehen 
davon,  dass  allem  Anschein  nach  dem  Fälscher  im  Lauf  der  Arbeit 
Lust  und  Muth  gewachsen  ist. 

In  diesen  Zusammenhang  gehören  die  berüchtigten  falschen 
Urkunden.  Sie  treten  in  den  sechzehn  Biographien  der  diocletiani- 
schen  Reihe  sehr  ungleichmässig  auf.  L'nter  den  primären  begegnen 
sie    einzig   in   der   des  Macrinus^,    dessen   Schreiben   an   den  Senat 

1)  Diese  ist  überhaupt  so  beschaffen,  dass  man  zweifeln  kann,  ob  sie  nicht 
vielmehr  aus  dieser  Reihe  auszuscheiden  und  mit  der  maximinisch-gordianischen 
Gruppe  zusammenzustellen  ist;  auch  die  Benutzung  der  Griechen  hat  sie  mit 
dieser  gemein.  Die  Widmung  an  Diocletian  indess  steht  entgegen;  und  viel 
kommt  überhaupt  nicht  darauf  an. 

•21* 


324  Die  Scriptores  historiae  Augustae. 

zweifellos  dazu  gehört;  wogegen  das  Protokoll  über  die  Senatssitzung 
nach  Commodus  Tode  am  Schluss  der  Biographie  desselben  vielmehr 
den  Stempel  der  Echtheit  trägt.  Unter  den  secundären  sind  die 
beiden  frühesten,  Verus  und  Aelius,  davon  frei,  ebenso  Geta;  massen- 
haft erscheinen  sie  in  Avidius,  Niger,  Albinus,  Diadumenus.  Wer  es 
über  sich  gewinnt,  diese  Producte  im  Zusammenhang  zu  lesen,  wird 
nicht  blos  keinen  Augenblick  an  der  Fälschung  zweifeln,  sondern 
auch  sich  davon  überzeugen,  dass  dieselben  alle  von  der  gleichen 
Hand  sind  und  dass  diese  Hand  verschieden  ist  von  derjenigen, 
welche  die  Hauptreihe  dieser  Biographien  verfasst  hat. 

Wenn  also,  was  in  den  sieben  secundären  Biographien  sich 
findet,  so  weit  es  selbständig  ist,  nicht  viel  mehr  ist  als  freie 
Erfindung  eines  späten  Litteraten,  so  ist  das  für  die  geschichtliche 
Forschung  von  nicht  geringer  Bedeutung.  Die  Chronologie  des 
cassischen  Aufstandes,  das  Gesammtbild  des  severischen  Dreikaiser- 
kriegs, wie  sie  jetzt  gelten,  beruhen  in  erster  Reihe  auf  diesen 
Schriftstücken  und  wir  werden  in  diesem  Abschnitt  alle  umzulernen 
252  haben,  falls  dieselben,  wie  ich  meine,  nicht  etwa  eine  getrübte 
Quelle  sind,  sondern  eine  Kloake.  Aber  nur  eingehende  prag- 
matische Behandlung  kann  diese  wichtigen  Fragen  erledigen  und  sie 
sollen  in  diesem  Zusammenhang  nicht  erörtert  werden. 

Dass  die  ursprüngliche  Abfassung  der  neun  primären  Biographien 
—  von  der  Entstehungszeit  der  später  hinzugefügten  wird  später  die 
Rede  sein  —  unter  Diocletian  fällt,  ist  schon  hervorgehoben  worden. 
Unter  den  Anreden  an  ihn  ist  allein  bemerkenswerth  die  Ausführung 
des  Satzes,  dass  es  den  Besten  und  Edelsten  nicht  beschieden  zu 
sein  pflegt  ihrer  würdige  Söhne  zu  hinterlassen  und  es  also  solchen 
zu  wünschen  sei  ohne  leibliche  männliche  Nachkommenschaft  aus 
dem  Leben  zu  scheiden^;  die  Beziehung  liegt  so  nahe,  dass  diese 
Auseinandersetzung  allein  genügt,  um  die  Abfassung  dieser  Biographien 
in  der  bezeichneten  Epoche  gegen  jede  Anfechtung  zu  schützen  2.  — 
Dass  Maximians  nirgends  gedacht  wird,  obwohl  die  Biographien  in 
Rom  geschrieben  sind,  ist  ein  merkwürdiger,  aber  in  keiner  Weise 
befremdender  Beleg  für  die  Stellung  des  Hercules  neben  dem  Jupiter; 
man  kann  damit  zusammenstellen,  dass  die  neuen  Thermen  der  Haupt- 
stadt nach  Diocletian  benannt  worden  sind  und  die  stadtrömischen 


1)  Semr.  20. 

2)  Die  mehr  zutreffende  als  höfliche  Nutzanwendung  auf  Maximian  und 
Maxentius  ist  bei  der  Inferiorität  dieses  Scribenten  wohl  nicht  zwischen  den 
Zeilen  zu  lesen ;  bei  einem  besseren  würde  man  nicht  zweifeln,  dass  er  den  dem 
Diocletian  ertheilten  Kranz  durch  Stacheln  gegen  den  CoUegen  pointirt  hat. 


Die  Scriptores  historiae  Augnstae.  325 

Ziegel  dieser  Epoche  wohl  eine  officina  lovia,  aber  keine  nach 
Maximian  benannte  aufzeigen.  —  Yon  den  Caesaren  ist  nur  einmal 
und  in  einer  Weise  die  Rede,  dass  sie  nur  als  Erben,  nicht  als 
Theilhaber  an  der  Herrschergewalt  erscheinen^;  wenn  danach  diese 
Biographien  nicht  vor  293  geschrieben  sein  können,  so  sind  sie  auch 
wohl  wenig  später  und  vor  der  Zeit  abgefasst,  wo  die  beiden  Caesaren 
anfingen  ebenso  viel  und  mehr  zu  gelten  als  die  Kaiser. 

In  der  Reihenfolge  der  Abfassung  schliesst  an  die  diocletianische 
Gruppe  der  Kaiserbiographien  sich  die  dem  Trebellius  Polho  gehörende  253 
von  Philippus  bis  Claudius  an.  Hier  ist  die  Autoi"schaft  gesichert-: 
der  Biograph  des  Aurelian,  des  Fortsetzers  dieser  Reihe,  bezeugt  sie  ^ 
und  die  Subscriptionen  stimmen  damit  überein*.  Er  selbst  sagt  uns, 
dass  er  die  Reihe  weiter  zu  führen  beabsichtigte^,  sein  Fortsetzer 
aber,  dass  dies  nicht  geschehen  sei^.  Nach  eben  demselben  waren 
PoUios  Bücher  vor  dem  März  des  Jahres  304  publicirt';  aus  ihm 
selber  erfahren  wir,  dass  er  unter  der  Herrschaft  Diocletians  und 
Maximians  geschrieben  hat.  Unter  den  Machthabem  hebt  er  den 
Caesar  Constantius  so  auffallend  hervor,  dass  dies  auf  die  der  Ab- 
dankung der  älteren  Regenten  (1.  Mai  305)  nächstvorhergehenden 
Jahre  hinführt,  wo  das  Ansehen  der  Augusti  vor  dem  aufgehenden 
Stern  der  Caesaren  verblasste*.     Eben  darauf  weist  die  Erwähnung 

1)  Ael.2,2:  nostris  tempc/ribus  a  vestra  dementia  Maximianus  atqne  Con- 
stantius Caesares  dicti  sunt  quasi  quidam  princijnim  filii  virtute  designaii  Augustae 
tnaiestatis  heredes.  Die  incorrecte  Nennung  des  Constantius  an  zweiter  Stelle 
sowohl  hier  wie  Car.  18,  3  ist  wohl  lediglich  Versehen;  ebenso  steht  Prob.  1,  5 
Maximianus  vor  Diocletian.  [Der  Verfasser  wählte  diese  Reihenfolge  der  rhyth- 
mischen Klausel  zuliebe.  Dadurch  erledigt  sich  der  von  Seeck,  Jahrb.  f.  Phil. 
141,  1880,  S.  618,  hiergegen  erhobene  Einwand.] 

2)  Wen  der  Verfasser  anredet  (Val.l.  8,5:  vobis;  Clatid.S,  1:  tu),  wissen 
wir  nicht,  da  der  Anfang  fehlt. 

3)  Ätirelian.  2,  1 :  seiino  nobis  de  Trebdlio  Poilione,  qui  a  dtiobtis  Philijijns 
usqtie  ad  divum  Claudium  et  eins  fratrem  QttintiUum  imperatores  tarn  claros  quam 
ohsatros  memoriae  prodidit.     Vgl.  Firm.  1,  3. 

4)  Die  Subscription  der  vita  Clandii  lautet:  expJicit  Treuelli  PoUionis  dia4S 
Claudius  und  danach  bestimmt  sich  das  eiusdem  in  den  Inscriptionen  eben  dieser 
vita  so  wie  der  unmittelbar  vorhergehenden  bis  zu  der  des  Valerian,  deren  Anfang 
nebst  den  vorhergehenden  Biographien  uns  fehlt.  Die  Inscription  dieser  rita 
Vcderiani:  incipit  eiusdetn  Valeriani  duo  legt  allerdings,  nach  der  jetzigen 
Beschaffenheit  der  Handschrift,  diese  Reihe  dem  Capitolinus  bei. 

5)  Trig.  tyr.  31,  8.  6)  Aurelian.  1,  4.  7)  Darüber  weiterhin. 

8)  Pollio  spricht  trig.  tyr.  31,  8  von  den  Tyrannen,  qui  inter  Tacitum  et 
Diocletianum  ftiei-unt;  sonst  nennt  er  ihn  einzeln  nicht  und  ebensowenig  Maximian, 
spricht  dagegen  Claud.  10,  7  seine  guten  Wünsche  für  den  Caesar  Constantius 
aus   salris  Diocletiano   et  Maximiano  Augustis  et  eius  fratre  Galerie  und  nennt 


326  I^ie  Scriptores  historiae  Augustae. 

der  im  J.  305  oder  306  dedicirten  Diocletiansthermen  ^.  Wenn  die 
vermuthlich  fictive  Anknüpfung  des  Stammbaums  dieses  Caesar  an 
254  den  Kaiser  Claudius  II.  uns  anderweitig  zuerst  in  Documenten  aus 
dem  J.  310  oder  311  begegnet,  so  passt  es  dazu  vortrefflich,  dass 
Pollios  Biographie  des  Claudius  recht  eigentlich  zu  diesem  Zwecke 
geschrieben  ist^;  es  ist  möglich,  dass  die  Fiction  eben  von  unserem 
Autor  herrührt,  nicht  unwahrscheinlich,  dass  sie  dazu  beigetragen  hat 
diese  Sammlung  in  Geltung  zu  bringen  und  sehr  unverdienter  Weise 
der  Nachwelt  zu  erhalten.  Wenn  der  Occident  den  Caesar  Constan- 
tius  auf  den  Schild  hob,  ohne  um  den  Kaisersohn  Maxentius  sich  zu 
kümmern^,  so  ist  dabei  nicht  zu  übersehen,  dass  der  letztere  allem 
Anschein  nach  als  Bastard  galt*;  aber  auch  wenn  derselbe  ein  ebenso 

jenen  Gall.  1,  1.  14,  3,  so  wie  in  der   ganz   zu  seinen  Ehren  geschriebenen  vita 
Claudii  1, 1.  3,  1.  9,  9.  13,  2. 

1)  Trig.  tyr.  21,  7:  in  his  loeis  fmrunt,  in  quibus  thermae  Dioeletianae  sunt 
exaedificatae  tarn  aeterni  nominis  quam  sacrati.  Wenn  Dessau  in  der  Dedications- 
iuschrift  C.  VI  1130  statt  des  von  mir  vorgeschlagenen  [absen]s  einsetzt  [reversu]s,  so 
ist  übersehen,  dass  dann  für  das  folgende  sub  p)-aesentia  mai[estatis]  der  Gegensatz 
fehlt,  [reversus  oder  rediens  ist  jetzt  gesichert  durch  ein  Fragment  eines  andern 
Exemplars  der  Dedikationsinschrift ,  s.  Dessau  inscr.  sei.  646;  C.  I.  L.  VI  p.  3079 
n.  31242.]  Dass  die  Thermen  nach  dem  Rücktritt  der  senioi-es  Awjusti  1.  Mai 
305  und  vor  Constantius  Tode  25.  Juli  306  dedicirt  worden  sind,  habe  ich  seiner 
Zeit  erwiesen.  [In  den  'Topographischen  Analakten',  Arch.  Zeit.  1846  S.  228  ff. 
=  Hist.  Sehr.  Bd.  II  S.  57  ff.]  Also  war  der  ungeheure  Bau  zu  der  Zeit,  in  der  Pollio 
schrieb,  im  wesentlichen  vollendet,  und  dazu  stimmt  seine  Aeusserung  auf  das  Beste. 

2)  Ich  kann  hiefür  lediglich  auf  Dessaus  Ausführungen  verweisen ,  die  an 
sich  zutreffen,  aber  keineswegs  beweisen,  was  sie  beweisen  sollen,  dass  dieser 
Stammbaum  erst  im  J.  310  oder  311  und  nicht  schon  einige  Jahre  früher  auf- 
gestellt worden  ist.  Dass  Constantius  aus  Rücksicht  auf  seine  Mitregenten 
unterlassen  haben  soll  sich  vor  seiner  Erhebung  zum  Augustus  dieser  Herkunft  zu 
berühmen,  ist  nicht  mehr  als  eine  Vermuthung  und  bei  der  den  Caesaren  in  den 
letzten  Jahren  zukommenden  Stellung  eine  recht  unwahrscheinliche.  Ebenso  wenig 
lässt  es  sich  begründen,  dass  die  Verknüpfung  des  constantinischen  Hauses  mit  dem 
des  Claudius  erst  nach  der  Katastrophe  des  alten  Maximianus  (f  310)  aufgebracht 
worden  ist,   mit  welcher  sie   in  gar  keinem  ursächlichen  Zusammenhang  steht. 

3)  Claud.  10,  [7]:  quae  idcirco  posui,  ut  sit  omnibus  darum  Constantium 
divini  generis  virum  sandissimum  Caesarem  et  Augustae  ipsius  familiae  esse  et 
Atigustos  multos  de  se  daturum.  Nichts  nöthigt  zu  der  Annahme,  dass  der 
Diaskeuast  auf  diese  Fassung  eingewirkt  hat  im  Angedenken  an  die  constan- 
tinische  Dynastie ;  Constantius  hatte  vier  Söhne  und  es  war  nur  natürlich,  dass 
seine  Getreuen  in  diesen  die  künftigen  Herrscher  sahen. 

4)  Dass  Maxentius  nach  der  Katastrophe  mehrfach  unecht  gescholten  wird 
(paneg.  9  [8],  4;  sog.  Victor  epiY.  40  [13];  anon.  Vales.l2),  würde  nicht  hoch  an- 
zuschlagen sein,  wenn  nicht  der  Umstand,  dass  seine  Inschriften  ihn  als  vir 
clarissimus  und  seinen  Sohn  als  clarissimus  puer,  seine  Gattin  dagegen,  die 
Kaisertochter  Valeria  Maximilla  als  nöbilissima  femina  bezeichnen  (C.  I.  L.  XIV 


Die  Scriptores  historiae  Augustae.  327 

echter  Kaisersohn  gewesen  sein  sollte  wie  Constantius  ein  wenig  be- 
glaubigter Kaiserenkel,  entspricht  seine  Zurückstellung  den  politischen 
Verhältnissen,  wie  sie  eben  lagen.  Die  Nachfolge  war  fest  regulirt, 
Constantius  der  anerkannte  Mitregent  und  Kronprinz,  Maxentius  von 
jedem  Antheil  an  der  Herrschaft  wie  von  jeder  Aussicht  auf  die 
Kaiserwürde  ausgeschlossen;  Constantius  nach  allen  Zeugnissen  ein 
tüchtiger  Feldherr  und  ein  bedeutendes  Yerwaltungstalent,  im  Voll- 
besitz des  Ansehens  und  der  Liebe  der  Unterthanen,  Maxentius  255 
allem  Anschein  nach  eine  Nullität,  völhg  geeignet,  die  Keihe  der  von 
der  alten  Prätorianergarde  gekrönten  Kaiserpuppen  zu  beschliessen  ^. 
Das  Adoptionssystem,  nicht  die  Legitimität  der  Geburt  beherrschte 
das  römische  Staatswesen;  es  wäre  mehr  als  sonderbar,  wenn  in  den 
letzten  Jahren  Diocletians  die  Loyalen  des  Occidents  sich  um  Maxentius 
bekümmert  hätten.  Also  schreibt  Pollio  völlig  in  dem  Sinn,  welchen 
man  berechtigt  ist  für  diese  Zeit  zu  erwarten-. 

Pollio  scheint  der  erste  gewesen  zu  sein,  welcher  neben  den 
landläufigen  lateinischen  Quellen  für  diese  Epoche  die  griechische 
Litteratur  herangezogen  hat;  allem  Anscheine  nach  hat  ihm  von  den 
historisch  richtigen  Angaben,  die  er  beibringt,  den  besten  Theil 
der  von  ihm  dreimal  angeführte  Dexippus  geliefert^.  Darum 
heissen    ihm    auch    die    Gothen    gewöhnlich    Skythen*,    die    GaUier 

2825.  2826),  die  Annahme  bestätigte,  dass  an  seiner  Gebui-t  ein  Makel  haftete, 
er  vielleicht  vor  der  Ehe  der  Aeltern  geboren  war.  Die  von  Borghesi  (opp. 
3,  151^  aufgestellte  Vemiuthung,  dass  er  durch  den  Rücktritt  seines  Vaters  die 
Qualification  als  Kaisersohn  eingebüsst  habe,  hat  keine  Wahrscheinlichkeit. 

1)  Die  Zeugnisse  bei  Schiller  Gesch.  der  röm.  Kaiserzeit  2,  169  A.  1.  2. 
S.  175  A.  5. 

2)  Wenn  gegen  Pollios  Betrachtung,  dass  der  Gotheusieg  des  Claudius 
seinem  Enkel  das  Reich  gesichert  habe  (Claud.  9,  9:  ut  iam  tunc  Constantio 
Caesar i  nepoti  futuro  videretur  Clattdiiis  securam  parare  rem  piiblicam),  Dessau 
S.  342  einwendet,  der  Schreiber  dieser  Zeilen  habe  nicht  gewusst,  dass  Con- 
stantius zeitlebens  (auch  als  Augustus?)  nur  einen  kleinen  Theil  des  Reiches 
zu  verwalten  gehabt  habe,  und  zwar  den,  für  welchen  der  Gothensieg  des 
Claudius  am  wenigsten  in  Betracht  gekommen  sei,  so  vergisst  er,  dass  Con- 
stantius der  erklärte  Nachfolger  in  der  Herrschaft  des  Westens  war  und  dass 
Illyricum  allem  Anschein  nach  damals  ganz  zum  Westreich  gehört  hat.  [Gegen 
letztere  Ansicht  s.  Dessau,  Hermes  27,  1892,  S.  564,  1.] 

3)  Die  annalistische  Erzählungsform  mit  vorgesetzten  Consnlaten,  wie  sie 
im  Gallienus  öfter,  auch  trig.  iyr.  9,  1  und  Claud.  11,  3  erscheint,  geht  sicher 
auf  Dexippus  zurück  (vgl.  S.  261  A.  3  [333  A.  3]). 

4)  Gull.  4,  7.  6,  2  (hier  mit  der  wohl  von  dem  Diaskeuasten  herrührenden 
befremdenden  Erklärung  Scythae,  Jioc  est  pars  Gothorum).  6,  5.  7,  3.  11, 1.  12,  6. 
13.6.  9.  10;  Claud.  G,  2  (Scytharum  diversi  populi,  Peuci  Grutungi  Austrogothi 
Tervingi  Visi  Gipedes).    9,  4  (wechselnd  mit  Gothi).    12,  1. 


328  Die  Scriptores  historiae  Augustae. 

Kelten^,  die  Numider  Mauren 2,  die  Donau  Hister^,  Africa  Libya*.  Zu- 
256  gleich  aber  führt  er  den  Reigen  der  Fälscher.  Wenn  sein  Fortsetzer 
Vopiscus  ihn  damit  entschuldigt,  dass  alle  Historiker  einigermasson 
lögen,  so  wird  man  das  Zugeständniss  dankbar  acceptiren,  aber  doch 
hinzusetzen  müssen,  dass,  selbst  wenn  man  dies  Privilegium  anerkennt, 
dieser  Historiker  davon  einen  übertriebenen  Gebrauch  macht.  Wer 
die  diplomatische  Correspondenz  Sapors  mit  allerlei  Kleinfürsten  des 
Orients  und  die  für  die  Vorgeschichte  der  Kaiser  nirgends  mangelnden 
Originalzeugnisse  und  Bestallungen  gelesen  hat,  non  quaeret  quem 
appellet  ineptum;  dazu  giebt  er  seine  Actenstücke  nicht  blos,  wie  er 
sie  in  authenticis  vorfand^,  sondern  versichert  auch,  dass  er  vom 
Kabinetssecretär  concipirte  verschmähe  und  nur  vom  Kaiser  selbst 
dictirte  beibringe^  und  pocht  dabei  auf  die  fides  historica,  die  ihm 
allein  am  Herzen  liege,  nicht  die  Schönrednerei''.  Für  unseren 
Zweck  ist  es  nicht  erforderlich,  darüber  weiter  Worte  zu  verlieren; 
res  iudicata  est. 

An  die  Biographien  Pollios  schliessen  als  Fortsetzung  sich  an 
die  der  Kaiser  Aurelianus,  Tacitus,  Probus  und  Carus  nebst  den 
Notizen  über  die  gleichzeitig  auftretenden  Usurpatoren.  Die  hier 
chronologisch  richtig  geordnete  Ueberlieferung  legt  diese  Arbeiten 
dem  Syrakusaner  Flavius  Yopiscus  bei,  und  wenn  dieser  sonst  nicht 
genannt  wird,  so  liegt  doch  kein  Grund  vor  diese  Angabe  zu  bean- 
standen; auch  führt  die  Einleitung  zu  der  ersten  dieser  Biographien 
dieselben  als  eigene  die  des  PoUio  fortsetzende  Reihe  in  angemessener 
und  der  Arbeit  selbst  gut  entsprechender  Weise  ein  ^.  Gleich  seinem 
Vorgänger  Pollio  macht  auch  er  in  Urkunden;  sein  Aurelian  zum 
Beispiel   enthält  in   den   50   kurzen   Capiteln   deren  ganze    zwanzig. 


1)  Gall.l,  1:  cum  multis  auxiliis  ...  Celticis  atque  Francicis;  Claud.  6,2 
(wo  Müllenhoff  die  Lesung  mit  Unrecht  beanstandet  hat).    9,  6. 

2)  Capellianus,  bekanntlich  Statthalter  von  Numidien  und  von  Herodian 
7,  9,  1  richtig  bezeichnet  mit  den  Worten  t)yeTro  dk  MavQovoicov  tmv  vjzo  'Pcofiaioig, 
JNofidScov  8e  xa?.ovfisvü)v,  heisst  Maximw.  19,  1  und  Gord.  15,  1  Mauros  regens. 
Wenn  er  an  der  zweiten  Stelle  als  veteranus  bezeichnet  wird,  so  denkt  der 
Schreiber  verkehrter  Weise  au  den  praeses  Mauretaniae  vir  perfectissimus ,  der 
allerdings  aus  den  Primipilaren  genommen  zu  werden  pflegte;  Herodian  sagt 
richtig  TCüv  dnö  ovyxkrjxm). 

3)  Gull.  13,  6.  4)  Gall  5,  4 ;  irig.  tyr.  29,  1 :  dux  limitis  Libyci. 

5)  trig.  tyr.  10,  9.  6)  Claud.  7,  2.  7)  trig.  tyr.  11,  6  vgl.  33,  8. 

8)  Fortgeführt  wird  dies  im  Eingang  des  Probus  1,  5 :  non  patiar  ego  ille, 
a  quo  dudum  solus  Aurelianus  est  expetitus,  cuius  (vielmehr  eins)  ritam  quantum 
potui  persecutus  Tacito  Florianoque  iam  conscriptis  non  me  ad  Pröbi  facta  con- 
scendere,  si  vitu  suppetit  omnes  ad  Maximianum  Diocletianumqne  dicturm. 


Die  Scriptores  historiae  Augustae.  329 

und  sie  sind  denen  seines  Yorgängers  vollständig  gleichartig.  Gleich 
diesem  berühmt  auch  er  sich  des  Studiums  lateinischer  wie  griechi- 
scher Quellenschriften^  und  nennt  deren  eine  relativ  beträchtliche 
Anzahl;  leider  sind  sie  sämmtlich  anderweitig  unbekannt,  Kallikrates  257 
aus  Tyros  sowohl  wie  Valerians  Kammerdiener  Acholius  und  der 
Xikomachos,  der  den  syrisch  geschriebenen  Brief  der  Zenobia  ins 
Griechische  übersetzt  hat.  Es  ist  befremdend,  wenn  auch  diejenigen 
Forscher,  die  über  die  Beschaffenheit  dieser  Sammlung  sich  nicht 
täuschen,  diesen  Schriftstellemamen  Vertrauen  schenken  und  darauf 
hin  dieser  geistesarmen  Zeit  eine  historische  Productivität  zuschreiben, 
die  auch  in  der  untergeordnetsten  Gestalt  sehr  wenig  für  sie  passt. 
Man  sollte  vielmehr  an  die  Autorenreihen  in  der  origo  gentis  Ttomanae 
und  den  Fulgentius  sich  erinnern  und  auch  hier  nicht  vergessen,  dass 
Vopiscus  in  der  Einleitung  sich  den  Freibrief  geben  lässt  es  mit  der 
Wahrheit  nicht  genauer  zu  nehmen  als  seine  Vorgänger:  habebis 
mendaciorum  comites.  Indess  hier  beschäftigt  uns  nicht  die  Ab- 
grenzung seiner  Fälschungen,  sondern  die  Zeit  der  Abfassung  seiner 
Schriften;  und  diese  lässt  sich  genau  und  sicher  bestimmen.  Er 
giebt  als  Einleitung  ein  Gespräch,  das  er  allem  Anscheine  nach  am 
25.  März  304  ^  während  einer  Festfeier  mit  dem  Stadtpräfecten  Junius 
Tiberianus  in   dessen  Kutsche  geführt  hat,    wobei    die  Absicht   des 

1)  In  den  Ortsbezeichnungen  führt  bei  ihm  nichts  auf  Benutzung  griechischer 
Quellen ;  die  ferae  Lihycae  (Aureh  33,  A)  und  die  Uopardi  Libyci  (Prob.  19,  IJ 
erklären  sich  genügend  aus  der  lateinischen  Dichtersprache.  Während  bei 
PoUio  die  griechischen  Quellen  durchgängig  als  die  glaubwürdigeren  behandelt 
^verden,  heisst  es  hier  Prob.  3.  3:  qtwd  quia  per  unum  tantum  Graecorum  relatum 
tst,  nos  in  medio  relinquemus. 

2)  Die  oft  verhandelte  Controverse  über  die  Datirung  dieses  Gesprächs 
geht  darauf  zurück,  dass  der  Stadtpräfect  lunius  Tiberianus  in  dem  zuverlässigen 
Verzeichniss  derselben  bei  dem  Chronographen  von  354  zweimal  vorkommt, 
zuerst  als  fungirend  291  XII  k.  Mali.  —  292  III  non.  Aug.,  dann  als  fungirend 
€03  prid.  idus  Sept.  —  304  j^id.  non.  lan.,  und  dass  das  Gespräch  an  den  Hilaria 
geführt  wird.  Die  erstere  Jahreszahl  kann  deshalb  nicht  gemeint  sein,  weil 
<3ie  Biographien  des  Pollio,  über  die  die  beiden  Freunde  sich  unterhalten,  erst, 
wie  wir  sahen,  um  303  publicirt  sind.  Die  Hilaria  erscheinen  zweimal  im  Fest- 
kalender, als  Fest  der  Göttermutter  unter  dem  25.  März,  als  Isisfest  unter  dem 
3.  Nov.;  jener  Festtag  wird  häufig,  dieser  selten  erwähnt.  Entweder  also  ist 
hier  das  weniger  bekannte  Hilarienfest  des  Herbstes  gemeint  oder  es  ist  bei 
dem  Chronographen  für  prid.  non.  lan.  zu  schreiben  prid.  'non.  lun.  Wofür 
immer  man  sich  entscheiden  will,  jeder  dieser  Wege  ist  gangbarer,  als  den 
urkundlich  beglaubigten  lunius  Tiberianus  mit  allem,  was  daran  hängt,  als  eine 
Fictiou  der  theodosischen  Epoche  zu  betrachten.  [Dessau  a.  a.  0.  (o.  S.  327,  2) 
S  567, 1  bemerkt,  daß  er  nur  das  Gespräch,  das  Vopiscus  mit  dem  Stadt- 
präfecten gehabt  haben  will,  als  Fietion  betrachte.] 


330  Die  Scriptores  historiae  Augustae. 

Provinzialen,  sich  ein  Ansehen  zu  geben,  ebenso  deutlich  hervortriti 
wie  die  Befähigung  des  Litteraten  eine  derartige  untergeordnet« 
Aufgabe  in  angemessener  Form  zu  behandeln,  während  er  in  dei 
historischen  Darstellung  sich  ebenso  ungeschickt  und  impotent  erweis 
258  wie  alle  seine  in  der  Sammlung  vereinigten  Collegen.  Den  Stempe 
der  Gleichzeitigkeit  trägt  diese  Einleitung  so  entschieden  an  der  Stirn 
dass  es  sich  nicht  verlohnt  darüber  Worte  zu  verlieren.  Weiterhir 
wird  Diocletians  und  seiner  Collegen  mehrfach  gedacht^,  an  ver- 
schiedenen Stellen  so,  dass  sie  noch  am  Regiment  zu  sein  scheinen  ^ 
während  an  anderen  Dio'cletian  und  Maximian  deutlich  erscheinei 
als    zurückgetreten^    und    Constantius    als    der    regierende   Kaiser* 

1)  Erwähnung  der  Diocletiansthernien  und  ihrer  Bibliothek:  Prob.  2,  1 
Ferner  Aurel.  29,3:  iy)'Oxime  Diocletianus.  42,  3:  ab  Augusto  in  Diocletianun 
Maximianumque  p-incipes  quae  series  purpuratomm  sit,  index  publicus  tenet 
44,  2.  8;  P)-ob.  22,  B;  Car.  20,  2. 

2)  Carin.  9,  3  wird  der  Persersieg  des  Galerius  bezeichnet  als  gewonnei 
per  sacratissimum  Caesarem  Maximianum.  Das.  17,  6:  Constantium ,  qui  postei 
Caesar  est  facttis.  In  dem  Schlusswort  Car.  18  werden  die  vier  Regenten  in  de: 
Weise  aufgeführt,  dass  Galerius  wegen  der  persischen,  Constantius  wegen  dei 
gallischen  Erfolge  gefeiert  wird,  kein  Wort  aber  auf  den  Rücktritt  hindeutet 
Auch  dass  der  Schreiber  sowohl  hier  wie  Bonos.  15,  10:  supersunt  mihi  Carus 
Carinus  et  Numerianus,  nam  Diocletianus  et  qui  sequuntur  stilo  maiore  dicencl 
sunt,  passt  am  besten  für  eine  unter  ihrem  Regiment  geschriebene  Arbeit,  wi( 
denn  auch  die  Worte  qui  sequuntur  füglich  auf  die  Folge  nicht  in  der  Regierung 
sondern  in  der  biographischen  Reihe  bezogen  werden  können.  Es  scheinen  dies( 
Stellen  vor  dem  Rücktritt  geschrieben  und  unverändert  geblieben  zu  sein,  ob 
wohl  die  Herausgabe  erst  kurz  nach  demselben  erfolgte. 

3)  Aurel.  43,  2:  ego  a  patre  meo  audivi  Diodetianum  piincipem  iam  privatun 
dixisse  nihil  esse  difficilius  quam  hene  imperare.  Das.  44,  2  wird  Maximianus  ge 
tadelt.  Ich  kann  nicht  einsehen,  warum  jene  Worte  nicht  im  J.  306  als( 
geschrieben  werden  konnten;  übrigens  ist  der  Text  ja  überarbeitet  und  kam 
auch  hier  modificirt  worden  sein. 

4)  Aurel.  44,  5:  et  est  quidem  iam  Constantius  imperator  .  .  .  cuius  puti 
posteros  ad  eam  gloriam  .  .  pervenire.  Rühl  (Rhein.  Mus.  43,  697  f.)  versucht  dies( 
Stelle  zu  beseitigen  als  wörtliche  Anführung  aus  der  Schrift  eines  Dritten 
indess  da  die  vorhergehenden  Angaben  mit  dicebat  und  dixit  eingeführt  werden 
so  ist  selbst  bei  einem  Schriftsteller  dieser  Art  ein  solcher  Uebergang  in  directes 
Citat  nach  meiner  Meinung  undenkbar.  Wer  und  wie  citirt  wird,  ist  aus  den 
vielleicht  mehr  durch  die  Diaskeuasten  als  durch  die  Abschreiber  zerrütteter 
Text  nicht  sicher  zu  entnehmen.  Es  werden  zwei  Aeusserungen  Diocletians 
über  Aurelian  berichtet,  die  erstere  mit  den  Worten:  Verconnius  Herennianm 
praefectus  praetorii  Diocletiani  teste  Asclepiodoto  saepe  dicebat  Diodetianum  fre 
quenter  dixisse,  die  zweite  also  eingeleitet:  compertum  [a\  Diodetiano  (vgl.  Car 
14,  1 :  avus  ineus  mihi  rettulit  ab  ipso  Diodetiano  compertum)  Asdepiodotus  Celsini 
eonsiliario  suo  dixisse  perhibetur.  Letzteres  kann  nur  heissen,  dass  Asdepiodotus 
dieselbe    von   Diocletian   erfuhr   und   sie    dem    Celsinus  mittheilte;   die  ersterf 


Die  Scriptores  historiae  Augnstae.  331 

ausdrücklich  werden  die  vier  Regenten  der  diocletianischen  Epoche  259 
bezeichnet  als  lebend  ^  Demnach  hat  Topiscus  geschrieben  nach 
CoDstantius  Antritt  der  Kaiserwürde  ( l.  Mai  305)  und  vor  dessen  Tod 
(24.  Juli  306).  Dazu  stimmt  es,  dass  er  die  Dynastie  des  Constantius 
als  die  Trägerin  des  Regiments  betrachtet,  da  die  Spannung  zwischen 
diesem  und  Galerius  dessen  Ignorirung  genügend  erklärt,  und  dass 
er  den  Bürgerkrieg  herannahen  sieht-,  welchen  das  zwischen  den 
beiden  obersten  Machthabern  bestehende  Zerwürfniss  erwarten  lies» 
und  der  bald  genug  zum  Ausbruch  kam;  auch  stehen  dieser  Zeit- 
bestimmung anderweitige  ernstliche  Bedenken  nicht  entgegen^. 

dürfte  danach  auch  auf  das  Zeugniss  desselben  Asclepiodotus  hin  (vielleicht 
stand  in  der  Urschrift  etwa  teste  adlato  Asckpiodoto  praefecto  praetorii  Diodetiani) 
von  Herennianus  weiter  erzählt  worden  sein.  Diese  Ketten  von  Gewährsmännern 
würden  höchst  befremdlich  sein,  wenn  sie  von  zuverlässiger  Hand  kämen;  aber 
diese  Angaben  sind  gleichwerthig  den  Urkunden  des  Vopiscus  und  für  gemischte 
mündliche  Tradition  recht  wohl  geeignet. 

1)  Vopiscus  Car.  18  erklärt  die  vier  Kaiser  von  seiner  Darstellung  aus- 
zuschliesseu,  maxime  cum  vel  vivorum  principum  vUa  non  sine  reprdiensione  dicatur, 
mag  man  nun  übersetzen:  'da  zumal  auch  bei  lebenden  Herrschern  es  ohne 
Tadel  nicht  abgehen  kann'  oder  auch:  'da  man  bei  lebenden  Herrschern  dem 
Austoss  nicht  entgeht".    Ich  sehe  keinen  Grund,  vivorum  für  verdorben  zu  halten. 

2)  Prob.  23,  5:  eant  nunc  qui  cid  civilia  beüa  milites  parent,  in  germatwrum 
necem  arment  dexteras  frcdrum,  hortentur  in  patrum  vulnera  liberos. 

3)  Die  von  Rühl  a.  a.  0.  für  eine  spätere  Abfassungszeit,  etwa  322/8  geltend 
gemachten  Gründe  sind  nicht  durchschlagend.  Wie  daraus,  dass  Aurelian  seiner 
Tochter  und  seiner  Gattin  jährlich  eine  bestimmte  Summe  zum  Satumalienfest 
scienkte  (Aurel.hQ,2;  vgl.  Marquardt  Handb.  6,  587;,  gefolgert  werden  kann, 
dass  jene  bei  des  Vaters  Tode  noch  unverheirathet  war,  sehe  ich  nicht  ein; 
sear  wohl  kann  ein  Enkel  des  im  J.  275  einundsechzigj ährig  umgekommenen 
Kiisers  im  J.  305  oder  306  im  reifen  Mannesalter  gestanden  haben  (Aur.  42,  2, 
wci  eiiis  wohl  auf  den  Kaiser  geht,  nicht  auf  dessen  Tochterj.  Es  kann  aber 
anch,  was  Hirschfeld  annimmt,  die  Notiz  über  Aurelians  Nachkommenschaft 
vo-i  dem  letzten  Diaskeuasten  in  die  Sammlung  eingelegt  sein.  Wenn  Vopiscus 
den  Diocletian  und  den  Constantius  zu  den  Offizieren  rechnet,  die  aus  Probus 
Sclmle  hervorgegangen  und  quos  patres  nostri  miraii  sunt,  so  passt  dies  dazu, 
dass  jener  um  305  schrieb.  Probus  ward  um  232  geboren,  Diocletian  um  245, 
Coastantius,  Vater  des  um  273  geborenen  Constantin,  nicht  viel  später  ;  Vopiscus 
Vater  konnte  also  füglich  Altersgenosse  der  beiden  Kaiser  gewesen  sein  und 
unter  dieser  Generation  von  Offizieren  jene  beiden  als  die  hervorragendsten 
gegrölten  haben.  Vopiscus  Grossvater  hat  wohl  Beziehungen  zu  Diocletian 
gehabt,  aber  nichts  st^ht  der  Annahme  im  Wege,  dass  er  um  eine  Generation 
ält«!r  war  als  der  Kaiser.  Dass  die  Schrift,  weil  in  der  Vorrede  der  Verfasser 
sich  der  Beziehungen  zu  dem  Stadtpräfecten  berühmt,  ihm  nun  auch  hätte  ge- 
widmet werden  müssen,  wenn  er  die  Publica tion  erlebt  hätte,  und  dass,  da  sein 
Totl  nicht  erwähnt  wird,  er  'ziemlich  lange  vorher'  mit  Tode  abgegangen  ist, 
kann  unmöglich  ernstlich   als  Beweis   geltend  gemacht  werden.     Was  endlich 


332  Die  Scriptores  historiae  Augustae. 

260  Die  Reihe  endlich  von  Elagabalus  bis  auf  Gordian  III.  ein- 
schliesslich gehört  in  die  spätere  Zeit  des  ersten  Constantin.  Dio- 
detian  und  Maximian^  sowie  Constantius  I.^  werden  erwähnt  als 
verstorben,  Maxentius  und  Licinius  (f  324)  als  überwunden';  Con- 
stantin, der  in  der  Anrede  stets  allein  genannt  wird,  heisst  ständig 
maximus^  oder  venerahilis^.  Alle  Indicien  treffen  zu  auf  dessen 
letztes  Decennium.  Vermuthlich  sind  diese  Biographien  alle  von 
einer  Hand;  die  Subscriptionen,  wonach  dem  Lampridius  Elagabalus 
und  Alexander,  die  anderen  Biographien  dem  Capitolinus  beigelegt 
werden,  lassen  sich  weder  mit  denen  der  vorhergehenden  Sammlung 

261  noch  mit  der  aus  Vopiscus  sich  ergebenden  Zeitbestimmung  dieser 
Schriftsteller  in  Einklang  bringen  und  sind  wahrscheinlich  aus  der- 
selben zerrüttenden  Interpolation  hervorgegangen,  welche  die  nach- 
gefälschten Biographien  des  ersten  Abschnittes  älteren  Schriftstellern 
aufgeheftet  hat.  Für  zwei  dieser  Biographien  liegt  das  Quellenmaterial, 
aus  dem  sie  hervorgegangen  sind,  auch  uns  noch  in  ziemhcher  Yoll- 
ständigkeit  vor;  es  sind  dies  diejenigen  des  Maximinus  und  der  beiden 
Kaiser  Maximus    und  Balbinus.      Die    lateinische   Quelle,    die    dem 

die  Frage  anlangt,  ob  es  für  Vopiscus  sich  schickte  Privatgespräche  zwischen 
Diocletian  und  seinem  Vater  bei  deren  Lebzeiten  zu  publiciren,  so  wird  man 
wohlthun,  an  diese  Machwerke  wie  lür  die  Wahrhaftigkeit  so  auch  für  die 
Schickliehkeit  ungefähr  den  Massstab  anzulegen,  welchen  unsere  untergeordnete 
Tagespresse  uns  an  die  Hand  giebt.  Gegenüber  den  positiven  Anhaltspunkten, 
welche  das  Gespräch  mit  Tiberianus  und  die  Erwähnung  des  regierenden  Kaisers 
darbieten,  fallen  dergleichen  Betrachtungen  nicht  ins  Gewicht. 

1)  Elagah.  35,  4  in  der  Anrede  an  Constantin:  Ms  iungendi  sunt  Diocldianus. 
aurei  parens  saeeiiN  et  Maximianus  ut  viilgo  dicüur  ferrei  ceteriqiie  ad  pietatem 
tuam. 

2)  Elagub.  2,  4. 

3)  Gord.S4:,  5;  Elagah.  Sb:  te  . .  .  prosequentur ,  quibus  id  felieior  natura 
detulerit.  his  addendi  sunt  Licinius  atque  Maxentius,  quarum  omnium  ius  in 
dieionem  tuam  venit,  sed  ita,  ut  nihil  de  eorum  rirtute  derogettir:  non  enim  ego 
id  faciam,  qiiod  plerique  scriptores  solent,  ut  de  his  detraham  qui  vidi  sunt.  Es 
ist  mir  nicht  verständlich,  warum  Dessau  (S.  338)  hieran  Anstoss  genommen 
hatte.  Allgemeines  Renommiren  mit  Unparteilichkeit  ist  den  Servilen  aller 
Zeiten  eigen  und  zu  allen  Zeiten  ungefährlich  gewesen;  hätte  derselbe  Scribent 
seine  Absicht  das  Leben  des  Maxentius  zu  schreiben  ausgeführt,  so  würde  er 
sich  wohl  gehütet  haben  diese  virtus  zu  specialisiren.  Meines  Erachtens  tragen 
diese  Redensarten  vielmehr  den  Stempel  der  Gleichzeitigkeit. 

4)  Albin.  4,  2;  Alex.  65,  1;  Maximin.  1,  1;  Goi-d.  34,6.  Maximus  heissi 
Constantin  noch  nicht  im  J.  316  (später  zugefügt  in  der  Inschrift  des  Jahres  314 
C.  L  L.  VIII  10064;  fehlt  in  denen  vom  J.  315  C.  I.  L.  VIII  8476.  8477  [Dessai! 
inscr.  sei.  695]),  aber  vor  dem  J.  319  (Eckhel  8,  75 ;  C.  I.  L.  VIII  8412  [Dessau  696]); 

5)  Elagab.  34,  1.  35,  5;  Gord.  1,  1. 


Die  Scriptores  historiae  Augustae.  333 

Verfasser  zu  Gebote  stand,  ist  dieselbe,  aus  der  Victor  und  Eutrop 
schöpfen,  und  hat  schwerlich  viel  mehr  enthalten,  als  diese  ihr 
entnommen  haben;  auf  sie  führt  mit  Sicherheit  nichts  als  die  eine 
Stelle  Maxim  in.  8,  1:  Maociminus  primum  e  corpore  militari  et  nondum 
Senator  sine  decreto  senatus  Augustus  ab  exercitu  appellatus  est  ^.  Von 
den  beiden  griechischen  wird  Dexippus,  angeführt  in  der  ersten  32,  3. 
33,  3.  in  der  zweiten  c.  16,  nur  nachträglich  berücksichtigt,  wogegen 
Herodian ,  angeführt  in  der  ersten  in  der  Ei-zählung  selbst  13,4,  in 
der  zweiten  15,  3  ausdrücklich  als  Hauptquelle  bezeichnet,  augen- 
scheinlich dem  Verfasser  das  Material  wesentlich  geliefert  hat^.  Für 
die  Biographie  der  drei  Gordiane  ist  er  auch  benutzt,  aber,  da  er 
mit  der  Erhebung  Gordians  III,  zum  Augustus  schliesst,  überwiegend 
Dexippus  zu  Grunde  gelegt*.     Die  Stellung  dieser  Berichte  zu  dem-  262 

1)  Fast  gleichlautend  bei  Eutrop  9,  1,  ähnlich  Victor  Caes.  25.  Diese  Stelle 
mit  Dessau  den  nachträglichen  Einlagen  aus  Eutrop  zuzuzählen  ist  kein  Grund 
vorhanden;  sie  kann  in  der  Erzählung  nicht  entbehrt  werden.  Dazu  kommt 
die  Ausführung  33,  3  über  den  Namen  des  Kaisers  Maximus. 

2)  Alle  übrigen  Citate  sind  ebenso  wenig  beglaubigt  wie  die  nicht  jenen 
Quellen  entnommenen  thatsächlichen  Berichte.  Dass  der  zu  Anfeng  der  drei 
connexen  Biographien  neben  Dexippus  genannte  Arrianus,  insbesondere  nach 
Vergleichung  der  gleichartigen  und  sicher  von  derselben  Hand  herrührenden 
Stelle  trig.  tyr.  32,  1,  nichts  ist  als  eine  Corruptel  vou  Herodianus,  ist  längst 
bemerkt  worden.  —  Von  den  Corduscitaten  wird  noch  unten  die  Rede  sein.  — 
Vulcacius  Terentianus,  der  die  Geschichte  seiner  Zeit  geschrieben  (Gord.  21,  5), 
desgleichen  Curius  Fortunatianus  (Max.  et  Halb.  4,  5^,  Aelius  Sabinus  (Maximin. 
32.  1)  und  Tatius  Cyrillus,  der  griechisch  geschriebene  Biographien  dieser 
Kj.iser  nach  Aufforderung  Constantins  ins  Lateinische  übersetzt  haben  soll 
(^laximin.  1,  2),  werden  jeder  nur  einmal  und  sonst  nirgends  genannt;  ihre 
Existenz  selbst  ist  mehr  als  fraglich.  Auch  der  Lollius  Urbicus  (Diadum.  9,  2> 
imd  der  Valerius  Marcellinus  (Max.  et  Balb.  4,  b)  stehen  auf  der  gleichen 
.Autorität. 

3)  Aus  Herodian  ist  die  Erzählung  der  Katastrophe  des  Vitalianus  c.  10 
geiommen;  aber  der  Bericht  auch  über  die  beiden  ersten  Gordiane  gehört  in 
dei-  Hauptsache  nicht  ihm,  sondern  dem  Dexippus.  Dexippus  kennt  die  Zwanzig- 
männer  (Maximin.  32,  3^  und  diese  figuriren  in  der  Biographie  der  Gordiane 
(10,  1.  2.  22,  1;  vgl.  14,4);  Herodian  dagegen  behandelt,  ohne  Frage  incorrect, 
den  Maximus  und  den  Balbinus  einfach  als  Kaisercollegen,  und  dieser  Auffassung 
fol^^en  die  Biographien  des  Maximinus  sowohl  wie  des  Maximus  und  Balbinos, 
nur  dass  in  dieser  12,  4,  in  einem  augeblichen  Gitat  aus  Cordus,  dieselben  auf- 
tre-en  umgewandelt  in  zwanzig  senatorische  Gesandt«  —  ohne  Zweifel  ein 
Veisuch  des  Biographen,  beide  Traditionen  zu  verkoppeln.  —  Ebenso  definirt 
He:'odian  nirgends  die  Stellung  Gordians  des  Sohnes  zu  seinem  Vater  während 
des  Proconsulats  desselben;  die  zweifellos  richtige  Bezeichnung  des  Sohnes  als 
Le^-aten  consularischen  Ranges  des  Vaters  kann  den  lateinischen  Quellen  nicht 
entlehnt  sein,  da  diese  ihm  eine  ganz  andere  und  verkehrte  Stellung  anweisen; 


334  Die  Scriptores  historiae  Augustae. 

jenigen  Herodians,  bekannt  und  anerkannt  wie  sie  ist,  rauss  dennoch 
hier  dargelegt  werden  an  einem  längeren  Abschnitt  der  Biographie 
Maximins  c.  9,  6 — c.  13,  4,  dem  bei  Herodian  der  Anfang  des  siebenten 
Buches  entspricht,  weil  nur  dadurch  über  die  Beschaffenheit  der  nicht 
herodianischen  Zusätze  eine  genügende  Anschauung  gewonnen  werden 
kann  und  diese  Einsicht  für  die  der  gesammten,  von  verschiedenen 
Händen  geschriebenen,  aber  innerlich  connexen  Sammlung  unent- 
behrlich ist.  Die  geringen  Umstellungen,  die  der  Bearbeiter  sich 
gestattet  hat,  sind  nicht  besonders  hervorgehoben,  seine  Zusätze  mit 
stehender  Schrift  gedruckt. 

Nobüem  circa  se  neminem  passus  est, 

juovog    eivai    ßovkojuevog    iv    reo    OTgaro)    xal    juijdev     avxco 
nagelvai  ix  ovvsidijoecog  evyevovg  xgeitrova  .... 


prorsus  ut  Spartaci  aut  Athenionis  exemplo  imperabat. 


praeterea  omnes  Alexandri  ministros  variis  modis  interemit: 
xrjv   re    &eQaneiav  näoav   ?;    ovveyEyovei   reo   'Ah^dvögo)  .  .  . 

rijg  ßaoilelov   avXrjg  äjiejiejuxpe ,    rovg    de  TiXeiorovg   avrebv 

xal  äjzexrsivev. 


^63  f  dispositionibus  eins  invidit    et  dum  suspectus  habet  amicos 

{      ac  ministros  eius  crudelior  factus  est. 
[  emßovXäg  vjionrevow  .... 


Cum  esset  ita  moratus  ut  ferarum  more  viveret, 


tristior    et   immanior   factus   est  (actione  Magni   cuiusdam 

consularis  viri  contra  se  parata, 
eri  de   xal  /xäXXov  avrbv   eg  ehju6r7]ra   xal   rrjv  TtQog  änavrag 

ÖQyijv  nQovxaXeoaro  ovjueojuooia  rig  .  .  .  Mdyvog  rig  övojua 

fjv  reöv  .  .  .  vjiarevxöreov 


sie  wird  ausdrücklich  auf  Dexippus  zurückgeführt  (Gord.  9,  6)  und  erscheint 
mehrfach  in  der  Biographie  der  Gordiane  (7,  2.  8,  3.  9,  6.  15,  2.  18,  6)  und  nur  in 
dieser.  Dass  die  annalistische  Erzählungsform  mit  vorgesetzten  Consulnamen, 
wie  sie  unter  diesen  Biographien  allein  die  Gordians  III  aufweist,  ebenfalls  aut 
Dexippus  zurückweist,  ist  schon  bemerkt  worden  (S.  255  A.  3  [327  A.  3]).  — 
Griechische  Ethnika  erscheinen  Maximin.  14,  1  procurator  in  Libya  (übersetzt 
aus  Herodian)  —  Gord.  3,  6  ferae  lÄhycae  (wohl  Einwirkung  der  römischen  Dichter- 
sprache) —  31,  1  Argunt  Scytharum  rex  (wohl  nach  Dexippus)  —  Max.  et  Bali. 
16,  3  Scythicum  bellum  (aus  Dexippus). 


Die  Scriptores  historiae  Augustae.  335 

!qui    ctim    mtiltis    militibus    et  centurionibus  ad   eum   con- 
fodiendum  consümm  inierat. 
TiokXwv  re  exaTOVTa.Qyoiv  ov/uTiveovrcov  .... 

ieum  in  se  imperiiim  transferre  cuperet. 
dießÄ.rj&i]   .  .  .   argaTKorag   Tivdg  Tiei^eiv   ig  avxov  ri]v  dgyrjv 
juerdyeiv. 


et  gemis  factionis  fuit  tale: 

fi  de  ovoxevi]  rocavn]  rig  ekeyero  eaeo'&ai. 


(cum  ponte  iuncto  in  Gemmnos  transire  Maximinus  vellet 
ri]v   yecfvoav   C^v^ag    (6    Ma^ifuvog)   e/j^eXXev  im   reofiavobg 
diaßrjoea&ai. 

placuerat,  ut  contrarii  cum  eo  transirent^, 


pons  postea  solveretur,   iUe  in  barbarico  circumventiis  occi- 

deretur, 
6   de    JMdyvog    iXeyero    oxQaxioixcbv   ....   xovg  xtjv  q)oovodv 

xijg  yeq)VQag  .  .  .  nentoxev/Lievovg  dvaTieioai  uexd  x6  diaßfjvai 

xöv    Ma^ifxivov    Xvoavxag     xi]v    yeqwgav    Jigoöovvai     xoXg 

ßagßdooig. 

imperium  Magnus  arriperet. 


nam  omnia  hella  coeperat  agere  et  quidem  fortissime,  statim 

ut  facius  est  imperator, 
dpa  ydo  xm  xr]v  doyJ]v  jiagaXaßeiv  ev&ecog  7ioXsfitxä>v  sgycov 

rjgiaxo 


{peritus  ritpote  rei  militaris,  264 

öid  ....  epTieiQiav  7ioXe/uxr]v 

ivolens  existimationem  de  se  habitam  teuere 
dox&v  eTiiXeXeyßai  egyoig  xi]v  öoiav  xal  x}]v  xcöv  oxgcoxicoxdtv 
vTiöXrjifiv  emaxovxo 


et    ante    omties    Alexandri    gloriam    quem    ipse    occiderat 

vincere  ^. 
x/]v    xe    A?.eidvdgov    .  .  .    öeiXiav    iXeyyeiv    ejisigäxo    eixoxcog 

y.axeyvooopevrjv. 


1)  Dies  ist  widersinnig ;  die  Brücke  wird  abgebrochen,  um  den  Kaiser  den 
Germanen  in  die  Hände  zu  liefern. 

2)  Dies  ist  geändert,   weil  der  Biograph  dem  Alexander  günstiger  gesinnt 
ist  als  Herodian,  dem  er  13,  4  odium  Al&candri  vorwirft. 


336 


Die  Scriptores  historiae  Angustae. 


265 


iquare  Imperator  etiam  in  exercitio  quotidie  milites  detinebat 
äoHCÖv  re  ovv  xal  yvjuvdCcov  rovg  orgaridnag  ov  diehiJcev 

ieratque  in  armis  ipse  magnus, 
avTÖg  re  ev  onloig  öjv 

fexercitui  et  corpore  multa  semper  osfendens. 
xal  tÖv  otgarov  Tzagog/ucbv  (vgl.  6,  8,  2 :    roTg   k'gyoig  jidvxcov 
jiQorjyovjuevog). 

Iet  ista)n  quidem  factionem  Maximinus  ipse  finxisse  perJiihetur, 
Y]   juev   rfjg   eTiißovkrjg   (prjfxr]    .  .  .   eire   dkr]'&rjg  vndg^aoa    eire 
vjiö  Tov  Ma^ijuivov  ovoHevaa§Eioa. 

ut  materiam  crudelitatis  augeret 


denique  sine  iudicio  sine  accusatione  sine  delatore  sine 
defensore  omnes  interemit  omnium  bona  sustulit 

fxfjxe  yäg  xgioewg  rivi  /neradovg  [xrjTe  änoXoyiag  jidvrag  .  .  . 
e(pövevoev 


et  plus  quattuor  milibus  hominum  occisis  se  satiare  non  potuit 


Fnit  etiam  sub  eodem  [actio  desciscentihus  sagittariis  Ordroenis 
ah  eodem  oh  amorem  Älexandri  et  desiderium^  quem  a 
Maximino  apud  eos  occisum  esse  constabat,  nee  aliud 
persuaderi  potuerat. 

eyevETO  de  rig  xal  'OogorjVMv  xo^orcbv  dnooxaoig ,  oi  ndvn 
dXyovvxeg  im  rfj  'Aks^dvdgov  xeXevxfj 

denique  etiam  ipsi  Titum  unum  ex  suis  sihi  ducem  atque 
imperatorem  fecerunt,  quem  Maximinus  privatum  iam 
dimiserat:  quem  quidem  et  purpura  circumdederunt,  regic 
apparatu  ornarunt  et  quasi  sui  milites  obsaepserunt  et 
invitum  quidem. 

negixvxovxeg  xcbv  dno  imaxdag  xal  (p'ikoiv  "Aksidvögov  xivi 
(KovagxTvog  de  rjv  övopa,  ov  Ma^ifxTvog  EXJiljuxpag  fjv  toS 
oxgaxov)  ....  oxgaxrjyöv  eavröjv  xaxeoxrjoav  nogcpvga  xt, 
xal  Jivgl  Txgojiopjievovxi  .  .  .  exooprjoav  em  xe  xrjv  dgxv^ 
Yiyov  ovxi  ßovlofxevov. 

Sed  hie  dormiens  dornt  suae  ah  uno  ex  amicis  suis  inter' 
fectus  est,  qui  sibi  doluit  illum  esse  praepositum,  Macedonio 
nomine, 

Exeivog  juev  ovv  ev  xfj  oxrjvfj  xa^evdcov  .  . .  vvxxcog  .  . .  dvrjged^ 
vjio  xov  .  .  .  doxovvxog  cpilov  .  .  .  Maxeöayv  fjv  övopa  avxtö 


Die  Scriptores  historiae  Augustae.  337 

qui  eum  Maximino  prodidit  quique  Caput  eitis  ad  imperatorem 

detulit. 
olöfievög    re  fieyäXa   j^a^tteo^at   zw  Ma^t/aivco   rijv  xecpaXriv 

OTIOTS/XCOV    EXOfllOeV. 


Sed  Maximinus  primo    ei  gratias    egit,    postea    tarnen   ut 

proditorem  odio  habuit  et  occidit. 
b  de  .  .  exeivov  .  .  .  äjiexreivev  (bg  .  .  .  ämotov  .  .  .  yevojuevov 

Tiegl  Tov  (fikov. 


His  rebus  in  dies  immanior  fiebat  ferarum  more,  quae  vul- 
neratae  magis  exulcerantur. 


Post  liaec  transiit  in  Germaniam  cum  omni  exercitu  et 
Mauris  et  Osdroenis  et  Parthis  et  omnibus  quos  secum 
Alexander  ducehat  ad  bellum 

IldvTa  TOV  oxQazbv  ävaXaßwv  xai  ötaßdg  äcpößwg  Tr]v  yecpvQav 
eiyezo  t^?  Jioög  reo/navovg  judyijg  .  .  .  eioijyaye  MavoovoUov 
re  äxovTioTcöv  ägi^ixbr  TzdjujiXeiorov  xal  to^otcöv  'Ooqotjvcöv 
....  xal  et  Tiveg  IIaQ-&vaioiv  ....  'Pco/naioig  eöovXevov' 
xd  de  Tikri'dri  xavra  xov  oxgaxov  xal  TiQÖxeoov  vn  ^Ake^dvbqov 

rji&QOlGXO. 


et  oh  hoc  maxime  orientalia  secum  trahehat  auxüia,  quod  ntdli  266 
maffis   contra   Germanos   quam    expediti  sagittarii  valent. 

fidkioxa  de   oi  dxovxioxal  xal   ol  xo^oxai  jigog  xdg  PeQfidvwv 
^dyag  enarjöeioi.  öoxovoiv. 


Imirandum  autem   apparatum   belli  Alexander    habuit,   cui 
Maximimis  vvulta  dicitur  addidisse. 
rjv^Yjxo  de  vtio  xov  Ma^ifxivov 


Ingressus  igitur  Germaniam  Transrlietianam  per  triginta  vel 
quadraginta  milia  barbarici  soll  vicos  {inceiuiit),  greges 
abegit,  praedas  sustulit,  barbarorum  plurimos  interemit, 
militem  divitem  reduxit,  cepit  innumeros. 

revofievog  d'  ev  xfj  Jiokefuq  Maiijuivog  7iok}.T}v  yrjv  ijifjk'&ev 
.  .  .  idijov  xe  ovv  Ttäoav  xrjv  ywgav  .  .  .  xdg  xe  xcofxag 
i/uiijiQag  diaQjidCeiv  ididov  xä>  oxgaxcö. 


et  nisi  Germani  a  campis  (germani  amnes  die  Hdschr.^  ad 

paludes  et  Silvas  confugissenf, 
01  de  reguavol  djio  fxev  xiov  nedkov  . . .  dvexeya>Qi]xeoav,  ev 

de  xaXg  v/.aig  exovnxovxo  Jiegi  xe  xd  ekt]  diexoißov. 


omnem  Germaniam  in  Romanam  dieionem  redegisset. 


MOMSJSEN,   SCHR.  VII. 


22 


338 


Die  Scriptores  liistoriae  Augustae. 


26' 


(ipse  praeterea  manu  sua  multa  faciebat, 
avxog  6  ßaodevg  Trjg  judyr]g  7]Q^ev. 


cum  etiam  paludem  ingressus  circumventus  esset  a  Germanis, 

nisi  eum  sui  equo  inhaerentem  liberassent. 
6  Ma^iuXvog  ä/ua  rcp  mnü)  ejußaXcbv   ig   x6  eXog  xakoi  vjisq 

yaorega  rov  mjiov  ßgE^ojasrov 


habuit  enim  hoc  barbaricae  temeritatis,  ut  putaret  impera- 
torein manu  etiam  sua  semper  (pugnare)  debere. 


denique  quasi  navale  quoddam  proelium  in  palude  fecit 
xriv    re    Xijuvr]v    .  .  .    7i£Co/j.axovvn    orgarcö    vavjuaxiag    öyjiv 
TiaQaox^Tv. 


plurimosque  illic  interemit 

rovg  äv^eoTMiag  icpövevoe  ßagßaQovg. 


Victa  igitur  Germania  litter as  Romam  ad  senatum  et  poptäum 

misit  se  dictante  conscriptas, 
xamr]v   xi]v  judxrjv   xal    xrjv    ägioxeiav    avxov    ov   juovov    did 

ygaju/bidxoiv  xfj  xs  ovyxXrjxco  xal  xcb  d^juM  IdrjXwoEv 


quarum  sententia  haec    fuit  (folgt   der  Brief   und  Urtheil 
des  Aelius  Cordus  und  des  Schreibers  über  denselben). 


lussit  2y>'(ieterea  tabulas   pingi  ita,    ut    erat    bellum   ipsum 
gestum,   et  ante  curiam  proponi,    ut   facta  eius  xnctura 


aXXd  xal  ygaqjfjvai  xeXevoag  /aeyioxaig  elxooiv  äve^rjxs  Jigö 
xov  ßovXevxrjgiov,  ha  jui)  juövov  dxoveiv,  dXXd  xal  ßXeneiv 
h'ycooi  'PcojuaToi. 


quas  quidem  tabulas  post    mortem  eius  senatus    et   deponi 

iussit  et  exuri 
xrjv  d'  elxova  voxegov  xad^elXsv  f]  ovyxXijrog. 


Fuerunt  et  alia  sub  eo  bella  plurima  (ac)  proelia,  ex  quibus 

semper  primus  victor  revertit 
yeyovaoi  dk  xal  exegai  ovjußoXat,  iv  alg  cbg  avxovgyog  xe  xal 

avxoyeig  xfjg  judyrjg  dgioxevmv  xe  navxayov  ejcr]veixo 


(et  cum  ingentibus  spoliis  et  captivis. 
noXXovg    de    yELgo)od{xevog    avrcüv    aiyjuaXwxovg     xal    Xsiav 
djieXdoag 

Extat  oratio  eiusdem  (folgen  deren  Anfangsworte). 


Die  Scriptores  historiae  Augustae. 


339 


IPacata  Germania  Sirmium  venu, 
Xeijuwvog  ijdr]  xaxaXafißdvovxog  ijiavfjX^ev  eg  üaiovag  ev  re 
2!iojuicp  diargißcov 

(Sarmatis  inferre  heUum  parans 
rd  jioog  ttjv  eioodov  ig  xo  eag  JiaQeoxevdCero. 

j  atque   animo    concipiens  usque  ad  Oceanum  septentrioncäes 

partes  in  Eomanam  dicionem  redigere,   quod  fecisset,  si 

j      vixisset,    ut  Herodianus  dicit    Graecus   scriptor,    qui   ei 

quantum  videmus  ob  odium  Älexandri  plurimum  favit. 

fjneiXei  ydo,  xal  jioiijaeiv  ejiieXXev,   exxoxpeiv  xe  xal  vjioncd^eiv 

xd  fieygig  ojxeavov  FeQixav&v  edvrj  ßdoßaoa. 


Diese  Bearbeitung  besteht,  wie  man  sieht,  abgesehen  von  der  268 
Verkürzung  und  der  mehrfach  begegnenden  Entstellung  der  Vorlage 
wesentlich  in  einer  rhetorischen  AmpÜfication  von  oft  unerträgUcher 
Albernheit,  wobei  auch  die  an  zwei  Stellen  eingelegten  Urkunden 
lediglich  die  Vorlage  mit  gesteigerter  Emphase  wiederholen,  und 
wobei  mehrfach  die  Determinirung  der  unbestimmten  Angabe  ge- 
radezu in  Fälschung  übergeht:  so  werden  aus  der  jioXXr}  yi]  30  bis 
40  Milien,  aus  den  sämmtlichen  hingerichteten  Verschworenen  4000. 
Wenn  dies  am  grünen  Holz,  einem  wohl  zusammenhängenden  Bericht 
über  den  Thronwechsel  und  Maximins  Kriegführung  geschieht,  so  ist 
die  Vorgeschichte  desselben  und  die  sogenannte  Biographie  seines 
Sohnes  in  noch  ganz  anderem  Masse  aus  Interpolation  hervorgegangen. 
Jene  beruht  wohl  auch  auf  Herodian: 


6,  8,  1 :  i]v  de  xig  iv  xat  oxoaxqj  Ma^ifuvog 
övojjia,  x6  juev  yevog  xcbv  evöoxdxco  Ogqxcov 
xal  fxi^oßaQßdQCOv ,  dno  xivog  xcof-i-qg,  (bg 
eXeyexo 

nooreoov  juh  ev  Tiaidl  sioifxaivcov 

ev  dxjufj  de  xijg  fiXixiag  yevojuevog  öid 
fxeye'&og  xal  ioyhv  ocojuaxog  ig  xovg  bi:ievovxag 
oxoaxio'ixag  xaxaxayeig. 


1,  5:  hie  de  vico  Ilirei- 
ciae  vicino  harbaris,  bar- 
baro  etiani  patre  et  matre 
genitus 

2^1:  et  in  prima  quidein 
pueritia  fuit  pastor 

2,  2:  prima  stipendia 
eqiiestria  huic  ftiere:  erat 
enim  magnitudine  corporis 
conspicuus,  virtiUe  intei' 
omnes  milites  clarus. 


Aber  was  in  der  Biographie  daran  anknüpft,  der  gothische  Vater  und 
die  alanische  Mutter,  das  vor  Severus  aufgeführte  Turnier,  Maximins 

22* 


340  ^^ß  Scriptores  historiae  Augustae. 

loyales  Verhalten  gegen  das  severische  Haus  und  so  weiter,  hat  sicher 
keinen  grösseren  Anspruch  auf  Glaubwürdigkeit  als  die  Zahl  der 
4000  Verschworenen.  Noch  zweifelloser  gilt  dies  von  der  Novelle 
über  den  wunderschönen  Sohn,  von  dem  ein  Kind  zu  bekommen 
Damenschwärmerei  ist,  den  der  Kaiser  zum  Collegen  ernennt,  um 
mit  einem  so  reizenden  Herrscher  den  Unterthanen  eine  Freude  zu 
machen,  dessen  Schönheit  die  Römer  noch  bewundern,  als  man  den 
Kopf  an  der  Stange  getragen  bringt.  Meines  Erachtens  ist  mit  der 
oben  bezeichneten  Ausnahme  der  gesammte  Inhalt  dieser  Biographie 
entweder  herodianisch  oder  apokryph. 

Die  hier  dargelegte  Benutzung  der  griechischen  Quellen  giebt 
269  sich  als  Correctiv  ^,  und  dazu  ist  sie  berechtigt.  Die  Kaisergeschichte, 
wie  sie  in  lateinischer  Fassung  in  dieser  Zeit  vorlag,  hat  offenbar 
von  den  drei  Gordianen,  deren  zwei  allerdings  Rom  als  Kaiser  nicht 
gesehen  hatte,  den  zweiten  ausgelassen  und  den  dritten  in  einen 
praefedus  praetorio  des  ersten  umgewandelt;  es  ist  ein  merkwürdiger 
Beleg  für  den  herabgekommenen  Culturzustand  Italiens  in  dieser 
Epoche,  dass  der  dritte  Gordian  erst  in  constantinischer  Zeit  mit 
Hülfe  der  griechischen  Berichte  wieder  entdeckt  ward^  und  trotz 
dieser  Entdeckung  die  ältere  fehlerhafte  Version  sich  noch  bei  Victor 
und  Eutrop  und  selbst  bei  Späteren  behauptet^.  Auch  mit  der 
Hypothese,  dass  der  Maximus  der  griechischen  und  der  Pupienus  der 
römischen  Quelle  vermuthlich  derselbe  Mann  sei,  hat  der  Verfasser 
es  getroffen,  so  seltsam  es  ist,  dass  man  bei  solchen  Fragen  damals 
zur  historischen   Conjecturalkritik  griff*.     Es   ist   eine   Ironie,    aber 

1)  Beispielsweise  Diadum.  2,  5:  Herodianus  Graecus  scriptor  haec  praeteriens ; 
Alex.  57,  3:  Herodianus  auetor  est  contra  miiUorutn  opinionem.  Durchgängig  giebt 
dieser  Schriftsteller  den  Griechen  den  Vorzug. 

2)  Vornehmlich  Gord.  2,  1:  Gordiani  non,  ut  quidam  imperiti  scriptores 
loquuntur ,  duo  sed  tres  fuerunt,  idqiie  docente  Arriano  (vielmehr  Hei'odiano) 
scriptoi'e  Graecae  historiae,  docente  itetn  Dexippo  Graeco  auctore  potuerunt  addis- 
cere,  qui  etiamsi  hreviter,  ad  fideni  tarnen  omnia  persecuti  sunt.  Dass  unter  den 
hier  und  anderswo  gegen  die  Griechen  zurückgesetzten  Latini  scriptores  Victor 
und  Eutrop  gemeint  sind,  wie  Dessau  S.  372  annimmt,  geht  schon  darum  nicht 
an,  weil  auch  nach  Dessaus  Ansicht  der  Biograph  sich  giebt  als  schreibend 
in  constantinischer  Zeit  und  dann  doch  unmöglich  auf  jene  Späteren  sich  be- 
ziehen konnte.  Auch  ist  notorisch  dieser  Fehler  nicht  bei  jenen  erst  entstanden, 
sondern  aus  der  älteren  Quellenschrift  übernommen. 

3)  Zonaras  12,  17  folgt  der  lateinischen  Fassung,  bringt  aber  als  Variante 
den  Tod  der  beiden  Gordiane  in  Africa  bei.  Die  unter  Theodosius  geschriebene 
sogenannte  Epitome  Victors  aber  führt  drei  Gordiane  auf. 

4)  Diese  Vermuthung  wird  an  einer  Reihe  von  Stelleu  mit  einer  ebenso 
unerträglichen  wie  charakteristischen  Weitläufigkeit  und  Selbstgefälligkeit 
entwickelt. 


Die  Scriptores  historiae  Augustae.  341 

nicht  minder  eine  Thatsache,  dass  diese  schlechten  Machwerke  eine 
wissenschaftliche  Leistung  der  constantinischen  Zeit  sind  und  theils 
durch  Hinzuziehung  besserer  Quellen,  theils  durch  Conjectur  einige 
Erfolge  aufzuweisen  haben. 

Die  beiden  vorhergehenden  Biographien  des  Elagabalus  und  des 
Alexander  tragen  zwar  einen  wesentlich  verschiedenen  Charakter, 
insofern  sie  augenscheinlich  hauptsächlich  aus  lateinischen  Quellen  270 
geflossen  sind,  und  zwar  die  erstere  sicher  aus  Marius  Maximus,  die 
zweite,  wenn  dieser  wirklich  mit  Elagabalus  geschlossen  hat,  aus 
einer  gleichartigen  Fortsetzung.  Aber  als  secundäre  Quelle  begegnen 
auch  hier  dieselben  Griechen:  im  Elagabalus  (35,  1)  werden  sie  im 
Allgemeinen  neben  den  Lateinern  angeführt  und  im  Alexander  sowohl 
Herodian  (52,  2.  57,  3)  wie  Dexippus  (49,  3). 


Da  die  vitae  diversorum  jyrinciinim  et  tyrannornm  a  divo  Hadrinno 
usque  ad  Kumerianum  a  diversis  compositae  zwar  als  ein  Sammel-, 
aber  doch  auch  als  Gesammtwerk  auftreten,  also  ein  Sammtredacteur 
dafür  gefordert  wird,  so  liegt  es  am  nächsten  diesen  in  dem  Urheber 
des  jüngsten  Abschnittes  zu  suchen  und  diesem  zuzuschreiben,  was 
in  den  übrigen  sich  als  nachgetragen  herausstellt.  Das  wird  auch 
durch  verschiedene  Judicien  bestätigt. 

Die  der  ersten  Gruppe  eingelegten  secundären  Biographien 
können  füglich  von  dem  Redacteur  der  vierten  Gruppe  herrührend 
Wenn  er  die  Reihen  des  Pollio  und  des  Yopiscus  mit  denen  der 
ersten  Gruppe  verknüpfte,  so  musste  das  Fehlen  der  Usurpatoren 
sich  ihm  aufdrängen  und  legte  eine  derartige  Ergänzung  nahe-. 
Dass  die  Biographien  des  Albinus  und  des  Geta,  obwohl  sie  in  der 
diocletianischen  Reihe  stehen,  dennoch  dem  Constantin  dedicirt  sind, 
spricht  entschieden  zu  Gunsten  dieser  Vermuthung,  und  nicht  minder 
spricht  dafür,  dass  die  drei  oder  vier  Verfassemamen  in  der  ersten 
Reihe  und  diejenigen  dieses  jüngsten  Abschnittes  dieselben  sind;  wie 
diese  wunderliche  Erscheinung  immer  sich  erklären  mag,  sie  knüpft 
diese  beiden  Massen  gegenüber  den  von  Pollio    und  von  Yopiscus 

1)  Dass  die  Alex.  35,  1  dem  Niger  beigelegte  Aeusserung  in  dessen  Bio- 
graphie 11,  5  wiederkehrt,  ist  freilich  ebenso  unbeweisend  wie  umgekehrt  die 
gänzlich  abweichende  Behandlung  Diadumenians  in  dessen  Biographie  und  in 
der  des  Elagabalus  (8). 

2)  Man  beachte  die  glückliche  Auffindung  der  Schrift  des  Äemilius  Parthe- 
nianus,  qiii  adfedatores  tyrannidis  iam  inde  a  veteribus  historiae  tradidit,  durch 
den  Biographen  des  Cassius  5,  1  und  die  Klage  desjenigen  Nigers  über  die  Be- 
schaffenheit der  Quellenschriften  für  die  'Tyrannen   (1,  1). 


342  Die  Scriptores  historiae  Augustae. 

herrührenden  enger  zusammen.  Nicht  minder  spricht  für  dieselbe, 
dass  die  beiden  griechischen  Historiker,  welche  der  constantinische 
Redacteur  in   so   ausgiebiger  Weise   compilirt  hat,  in  den  besseren 

271  Biographien  der  ersten  Gruppe  nicht  benutzt  sind,  wohl  aber  für  den 
Albinus^,  den  Macrinus^  und  den  Diadumenianus  ^  Sehr  bemerkens- 
werth  sind  auch  die  Verweisungen  auf  den  angeblichen  Cordus,  welcher 
zweimal  (Alb.  5,  10.  Maximin.  12,  1)  Aelius,  neunmal  (Macrin.  1,  3. 
Maximin.  27,  7.  Gordian.  5,  6.  12,  1.  14,  7.  17,  3.  21,  3.  4.  22,  2.  Max. 
et  Balh.  4,  2.  h)  Junius  genannt  wird:  diese  erscheinen  massenhaft  in 
den  drei  maximinisch - gordianischen  Biographien,  daneben  aber  nur 
in  der  des  Albinus  und  der  hybriden  des  Macrinus,  und  überwiegend 
für  die  imperatores  obscuriores,  mit  denen  er  sich  besonders  beschäftigt 
haben  soll  (Macrin.i,  3^,  so  gut  wie  ausschliesslich  bei  den  mythistoriae 
(Macrin.  1,  5j,  den  frivola  (Albin.  5,  10),  den  fabellae  (Maximin.  31,  4^, 
den  ridicula  et  stulta  (Gord.  21,3^,  wie  der  Biograph  selbst  sie  nennt, 
die  das  private  Verhalten  der  Kaiser  schildern.  Alle  Angaben,  bei 
denen  Cordus  genannt  wird,  sind  höchst  verdächtig,  zum  Theil  sicher 
gefälscht,  wie  denn  insbesondere  verschiedene  gefälschte  Urkunden 
bezeichnet  werden  als  ihm  entnommen  (Albin.  7,  2,  Maximin.  12,  7. 
Gord.  5,  6.  12,  1.  14,  7).  Dass  dieser  Cordus  sonst  nirgends  genannt 
wird,  kann  gegen  die  Zuverlässigkeit  dieser  Citate  allerdings  nicht 
geltend  gemacht  werden ;  aber  noch  weniger  wird  sie  dadurch  gestützt, 
dass  der  Verfasser  der  Biographien ,  trotzdem  er  dem  Cordus  lange 
Abschnitte  entnimmt,  ihn  zugleich  mit  äusserster  Geringschätzung 
behandelt  und  sich  ihm  gegenüber  überall  auf  das  hohe  Pferd  des 
moralischen  Historikers  setzt:  ea  debent  in  historia  poni  ab  historio- 
graphis,  quae  aut  fugienda  sunt  aut  sequenda  (Gord.  21,  4).  Mehr 
als  blos  verdächtig  ist  es,  dass  im  Leben  des  Maximinus  (12,  7)  die 
anekdotische  Amplification  der  herodianischen  Erzählung  ausdrücklich 

272  auf  Cordus   zurückgeführt  wird.     Hätte   der  Schreiber    neben   dem 

1)  1,  2.  12, 14  Herodian. 

2)  Genannt  werden  die  Griechen  in  dieser  Biographie  nicht;  aber  der 
ganze  Abschnitt  8,  3  — 10,  4  ist  Auszug  aus  Herodian  4  fin.  5  in.  Beispiels- 
weise ist  die  Notiz  über  die  Maesa  9,  4:  post  mortem  Antonini  Bassiani  ex  aulica 
domo  fuerat  expulsa  per  superbiam,  cui  qiiidem  omnia  concessit  Macrinus  quae 
diu  illa  collegerat  deutlich  üebersetzung  [53,  2]  :  zi]v  de  Matoav  zavTtjv  6  MaxgTvog 
fierä  T^v  .  .  'AvTCOvivov  .  .  dvaigsaiv  ngoasra^ev  ig  rijv  nargida  ijiave?.&ovaav  iv  roig 
oixsloig  xaraßiwvai ,  oiävra  e'xovaav  rä  iavzrjg '  nXsiatoov  8e  fjv  ;f ß>/|tarwv  avcmXswg 
ate  fiaxQ^  XQÖvcp  ßaadix^  i^ovaiq  ivTe^QafiinEvr].  Die  Schlussbemerkung  über  die 
Caesarstellung  des  Sohnes  kehrt  genau  ebenso  wieder  im  Diadumenian  2,  4  und 
hier  als  aus  Herodian  entnommene  Variante. 

3)  2,  5  Herodian. 


Die  Scriptores  historiae  Augustae.  343 

Griechen  eine  selbständige  Anekdotenbiographie  benutzt,  so  könnte 
sie  unmöglich  so  eng  an  jenen  sich  anlehnen;  hier  sind  nicht  zwei 
Quellen  contaminirt,  sondern  es  sind  bei  der  üebersetzung  des 
Herodian  Fälschungen  eingelegt  worden,  welche  die  zugehörigen 
Citate  noth wendig  einschliessen.  Der  Biograph  hat  für  die  anek- 
dotischen Erfindungen,  die  er  nicht  unterdrücken  konnte  und  deren 
er  doch  mit  gutem  Grund  sich  selber  schämte,  in  diesem  Pseudo- 
Cordus  sich  zugleich  einen  Gewährsmann  und  einen  Prügelknaben 
■geschaffen.*) 

Auch  in  die  von  Pollio  herrührende  Biographienreihe  hat  der 
Verfasser  dieser  jüngsten  Abtheilung  eingegriffen.  Den  Biographien 
der  sogenannten  dreissig  Tyrannen  ist  ein  durch  den  Tadel,  den  die 
Aufnahme  zweier  Frauen,  der  Zenobia  und  der  Victoria,  bei  dem 
Publicum  fand,  veranlasster  Nachti-ag  angehängt,  worin  der  Verfasser 
zwar  in  seiner  Weise  die  Aufnahme  der  angefochtenen  Biographien 
rechtfertigt  und  sie  denn  auch  stehen  lässt,  aber  doch  davon  Veran- 
lassung nimmt  zwei  nicht  unter  jenen  Dreissig  aufgeführte  Männer, 
den  Titus  und  den  Censorinus  anzuhängen,  zugleich  bemerkend,  dass 
er  auch  in  dem  Körper  des  Werkes  dem  Tyrannen  Valens  einen 
älteren  gleichnamigen  Usurpator  (c.  20)  zugesetzt  habe.  Diese  alberne 
Procedur,  deren  Verkehrtheit  noch  dadurch  gesteigert  wird,  dass  der 
ältere  Valens  und  der  Titus  zu  den  Usurpatoren  der  gallienischen 
Zeit  gar  nicht  gehören,  tritt  auf  als  Selbstcorrectur;  aber  wie  bei 
den  Zusätzen  zu  der  ersten  Gruppe  scheint  auch  bei  der  von  Pollio 
herrührenden  der  Sammtredacteur  unter  den  Xamen  der  ihm  vor- 
liegenden Biographen  zu  arbeiten.  Wenn  nicht  zwischen  Pollio  und 
dem  Schilderer  der  maximinisch - gordianischen  Zeit  ein  Verhältniss 
bestanden  hat  wie  zwischen  den  associirten  Lustspielschreibem 
unserer  Tage,  so  ist  der  Urheber  dieses  !Xachtrages  kein  anderer 
als  dieser  Schriftsteller  selbst.  Denn  nicht  blos  wird  in  diesem 
Nachtrag  auf  Dexippus  und  Herodian  ganz  in  der  gleichen  Weise 
hingewiesen  wie  in  den  Biographien  Maximins  und  der  Gordiane, 
sondern  jener  sowohl  im  Maximin  wie  in  diesem  Nachtrag,  und  in 
diesem  mit  ausdrücklicher  Beziehung  auf  Herodian,  unter  dem  Namen 
Titus  auftretende  Usurpator  heisst  bei  Herodian  Quartinus,  welche 
Verlesung  und  Verstümmelung  doch  nur  einmal  begangen  sein  kann. 
—  Wenn  ferner  in  diesem  Nachtrag  (33,  6)  der  gentes  Flaviae 
gedacht  wird,    so   ist  es  zwar  nicht  schlechthin  unmöglich,   dass  die 

*)  [S.  dagegen  KKlebs,  Rheio.  Mus.  47,  1892,  S.  21,  3  und  H.Peter,  Die 
Script,  bist.  Aug.,  Leipz.  1892,  S.  237.] 


344  Die  Scriptoies  historiae  Augustae. 

273  Uebereignung  des  Grabmals  des  vespasianischen  Hauses  an  das 
zweite  flavische  Kaisergeschlecht  ^  bereits  in  den  letzten  Jahren 
Diocletians  stattgefunden  hat;  aber  bei  weitem  besser  passt  diese 
Angabe  auf  die  spätere  Zeit  des  ersten  Constantin.  Allerdings  wird 
dann  auch  die  zweite  Erwähnung  dieses  Grabmals  im  Leben  des 
Claudius  nicht  von  Pollio,  sondern  von  dem  jüngeren  Biographen 
herrühren  und  eine  Einlage  sein  ähnlich  wie  die  Biographie  des 
älteren  Valens,  zu  welcher  letzteren  der  Urheber  des  Nachtrags  sich 
ausdrücklich  bekennt.  —  Endlich  die  im  Leben  des  GalUenus^  be- 
gegnende sehr  auffallende  Bemerkung,  dass  es  in  Byzanz  gar  keine 
alten  Adelsfamilien  gebe,  scheint  allerdings,  nach  Dessaus  feiner 
Bemerkung,  hervorgegangen  aus  der  Eifersucht  eines  Bürgers  der 
alten  Reichshauptstadt  auf  die  nova  Borna  und  kann,  wenn  dies 
zutrifft,  nicht  unter  Diocletian  geschrieben  sein;  dagegen  passt  sie 
vortrefflich  auf  das  letzte  Decennium  der  cor 
die  Nebenbuhlerin  am  Bosporus  erbaut  ward. 


In  dieser  Weise  scheint  unter  Diocletian  und  Constantin  I.  die 
uns  vorliegende  Sammlung  der  Kaiserbiographien  von  Hadrian  bis 
auf  Carus  successiv  entstanden  und  um  das  J,  330,  wesentlich  in 
der  Form  in  welcher  sie  uns  vorliegt,  zum  Abschluss  gekommen  zu 
sein.  Aber  Dessau  hat  erwiesen,  dass  dies  nur  mit  Einschränkungen 
gilt  und  die  Sammlung  noch  später  weiterer  Manipulation  unterlegen 
hat.  Es  finden  theils  sich  Abschnitte  darin,  welche  nachconstantini- 
schen  Schriftstellern  entlehnt  sind,  theils  sachliche  Hindeutungen  auf 
Personen  und  Verhältnisse  der  valentinianisch-theodosischen  Zeit. 

Die  weit  gehende  Uebereinstimraung  der  Capitel  16  und  17  des 
Marcus  mit  dem  entsprechenden  Abschnitte  des  bald  nach  364  ge- 
schriebenen Breviarium  des  Eutropius  und  der  Capitel  17.  18.  19 
des  Severus  mit  der  Lebensbeschreibung  desselben  Kaisers  in  den 
im  J.  360  abgeschlossenen  Kaiserbiographien  des  Aurelius  Victor  hat 
seit  langem  die  Forscher  zu  dem  Dilemma  geführt,  dass  entweder 
beide  Autoren  aus  derselben  Quelle  geschöpft  haben  müssen  oder 
der  eine  aus  dem  anderen.  Dass  aber  die  erstere  Hypothese  mit 
274  der  Freiheit,  mit  welcher  Eutrop  und  mehr  noch  Victor  ihre  Quellen 
behandeln,   schlechthin  unvereinbar  ist  und   die  zweite  unter  Aner- 


1)  Trig.  tyr.Zd,6;    Claud.  S,  6.     Vgl.  meine   Ausführung   im  N.Archiv  für 
deutsche  Geschichtskunde  14,  536  [s.  o.  S.  315,  1]. 

2)  6,  9. 


Die  Scriptores  historiae  Augustae.  345 

kennung  der  Priorität  Eutrops  und  Victors  bei  genauerer  Yergleichung 
sich  in  sich  selbst  als  allein  zulässig  erweist,  hat  Dessau  in  ab- 
schliessender Weise  entwickelt.*)  Die  diesen  grösseren  Entlehnungen 
sich  anschliessenden  gleichartigen  kleineren  sind  wenig  zahlreich  und 
wenig  bedeutend. 

Unter  den  sachlichen  Zusätzen  aus  späterer  Zeit  steht  in  erster 
Reihe  das  merkwürdige  Probusorakel.  Posten  Probi,  heisst  es  am 
Schluss  der  Biographie  dieses  Kaisers^  ....  Roma  (urbe)  fugenmt 
et  in  Italia  circa  Veronam  ac  Benacwn  et  Lariiim  atque  in  his 
regionibiis  larem  locaverunt.  sane  quocl  praeterire  [non  potui,  cum 
imago  Probi  in  Veronensi  sita  fuhnine  icta  esset,  ita  ut  eius  praetexta 
colores  mutaret,  hariispices  responderunt  Jmius  familiae  posteros  tantae 
in  senatu  clarifudinis  fore,  ut  omnes  summis  honoribus  fungerentur: 
sed  adhuc  neminem  vidimus:  posteri  auiem  aeternitatem  videntur 
habere  {fi)on{or)um.  Es  kann  dies,  wie  Dessau  schlagend  erwiesen 
hat,  sich  nur  beziehen  auf  das  gleichnamige  Haus  des  4.  Jahrhunderts, 
welches  wir  zurückverfolgen  können  auf  den  Consul  des  J.  322 
Petronius  Probianus-  und  dem  dann  in  den  folgenden  Generationen 
entsprossen  sind  Petronius  Probinus,  Consul  341;  sodann  Sex.  Petro- 
nius Probus,  Consul  371,  derselbe,  von  dem  kürzlich  bei  Gelegenheit 
der  Hieronymuschronik  in  dieser  Zeitschrift  gehandelt  ward^  der 
nächst  dem  Kaiser  mächtigste  und  der  reichste  Mann  seiner  Zeit; 
endlich  die  Brüder  Olybrius  und  Probinus,  beide  Consuln  im  J.  395. 
Dass  diese  Petronier.  vermuthlich  zu  Unrecht,  ihren  Stammbaum  an 
den  Kaiser  M.  Aurelius  Probus  anknüpften,  bestätigt  die  Hinweisung 
des  Biographen  auf  Verona,  nachweislich  die  Heimath  der  Probi 
des  4.  Jahrhunderts.  Der  Schreiber  dieses  raticinium  post  evetitttm 
braucht,  wie  auch  Dessau  bemerkt,  nicht  gerade  das  Consulat  der 
letztgenannten  Brüder  im  Auge  gehabt  zu  haben;  man  kann  sogar 
einräumen,  zumal  da  in  der  dürftigen  Ueberlieferung  der  constantini- 
schen  Epoche  alle  Xachrichten  über  die  Consuln  von  322  und  341  275 
fehlen,  dass  unter  Constantius  H.  oder  Julianus  so  hat  geschrieben 
werden  können;    unter    Constantin  I.    aber  würde  dies  in  der  That 


*)  [Gegen  die  direkte  Abhängigkeit  der  vita  von  Eutropius  s.  Leo  a.  a.  0. 
S.  290,  1  und  die  dort  angeführte  Literatur.] 

1)  Prob.  24.  Ueberliefert  ist  romanam  refugenint  und  am  Schluss  non 
modum;  was  ich  für  beides  gesetzt  habe,  ist  unsicher.  Hirschfeld  schlägt  vor 
Romanum  larem  fugernnt  und  fasst  modtnn  als  Grenze. 

2)  Dass  der  Consul  Probus  des  J.  310  dessen  Vater  ist ,  wie  Seeck  (zum 
Symmachus  p.  XCIV)  annimmt,  ist  mindestens  ungewiss;  die  Nichterwähnung 
desselben  in  der  Inschrift  von  Verona  C.  V  3844  [=  Dessau  1266]  spricht  dagegen. 

3)  24,  399  f.    [Vgl.  unten  nr.  LXVL] 


346  Die  Scriptores  historiae  Augustae. 

ein  vaticinium  ante  eventum  gewesen  sein.  Auch  verräth  der  Schreiber 
selber  deutlich  genug,  dass  er  die  nachconstantinische  Epoche  im 
Sinn  hat;  die  Bemerkung,  dass  die  Erfüllung  dieser  Weissagung 
noch  ausstehe  und  bis  jetzt  (adhuc)  keiner  der  bezeichneten  Nach- 
kommen zu  der  verheissenen  ausserordentlichen  Ehre  gelangt  sei, 
führt  mit  Nothwendigkeit  darauf,  dass,  wer  dieses  schrieb,  sich  dessen 
bewusst  war  einen  frühestens  der  Mitte  des  4.  Jahrhunderts  ange- 
hörenden Vorgang  in  eine  aus  dem  Anfang  desselben  datirenden 
Schrift  einzuschwärzen ,  was  denn  freilich  den  Werth  des  Orakels 
beträchtlich  erhöhte. 

Wahrscheinlich  hat  sich  diese  Manipulation  nicht  auf  den  eben 
ausgeführten  Fall  beschränkt^.  Dass  der  im  Leben  des  Severus^ 
unter  sehr  verdächtigen  Angaben  genannte  Clodius  Celsinus  dem 
Stadtpräfecten  des  Jahres  351 ,  der  in  einer  nicht  minder  unglaub- 
würdigen Notiz  im  Leben  Aurehans  ^  vorkommende  Faltonius  Probus 
dem  Stadtpräfecten  des  Jahres  391  gleichnamig  sind,  würde  an  sich 
nicht  hindern  diese  Angaben  einem  Schriftsteller  der  constantinischen 
Zeit  beizulegen;  die  genannten  Männer  können  füglich  von  gleich- 
namigen uns  unbekannt  gebliebenen  vornehmen  Vorfahren  abstammen. 
Aber  der  Stadtpräfect  des  J.  351  war  der  Gemahl  einer  Proba,  diese 
eine  Angehörige  des  eben  erwähnten  Hauses,  vielleicht  die  Schwester 
des  Consuls  Probinus  341*,  der  Stadtpräfect  des  J.  391  wahrschein- 
lich der  Sohn  des  Celsinus  und  der  Proba;  es  ist  danach  kaum 
abzuweisen,  dass  die  Beziehungen  des  Diaskeuasten  zu  diesem 
mächtigen  Geschlecht  auch  hier  eingewirkt  haben.  Hinzugefügt  werden 
276  kann  noch  der  Probus,  den  Kaiser  Severus  zum  reichen  Mann  und  zu 
seinem  Tochtersohn  und  zum  Consul  gemacht  haben  soll  und  der 
dann  die  Stadtpräfectur  ausschlug  als  eines  kaiserlichen  Schwieger- 
sohns nicht  würdig;  wenigstens  weiss  von  diesem  sonst  niemand  als 
diese  Biographiensammlung  ^.  —  Andere  von  Dessau  hervorgehobene 

1)  Der  Consul  Furius  Placidus,  von  dessen  kürzlich  (proxime)  gegebenen 
prächtigen  Spielen  Vopiscus  Aur.  15,  4  spricht ,  kann  nicht  wohl  der  consul 
Ordinarius  des  J.  343  M.  Marcius  Memmius  Furius  Baburius  Caecilianus  Placidus 
sein  (C.  I.  L.  X  1700  [=  Dessau  1231]),  da  die  Behandlung  des  Probusorakels 
zeigt,  dass  der  Diaskeuast  der  Schrift  den  Charakter  als  diocletianisch-con- 
stantinischer  zu  wahren  bemüht  war  und  eine  derartige  oflt'en  liegende  Inter- 
polation sich  damit  nicht  vertragen  würde.  Es  wird  also  ein  älterer  gleichnamiger 
suffectus  gemeint  sein  (vgl.  Henzen  5699  [=  C.  1.  L.  XI  5740.    Dessau  8133]). 

2)  11,  3.  3)  40,  4. 

4)  Sie  ist  die  Verfasserin  eines  verlorenen  Preisgedichts  auf  Constantins 
Sieg  über  Maxen tius  und  eines  noch  vorhandenen  vergilischen  Cento. 

5)  Sever.  8.  Ich  verdanke  diese  Hinweisung  Hirschfeld.  Desselben  Kaisers 
zugleich  erwähnter  zweiter  Schwiegersohn  Aetius  ist  nicht  minder  unbekannt, 


Die  Scriptores  historiae  Augustae.  347 

Coincidentien  sind  von  geringerer  Beweiskraft.  Die  Gleichnamigkeit 
des  im  Leben  des  Niger  ^  genannten  Ragonius  Celsus  mit  einem  um 
das  J.  338  fungirenden  praefecttis  amionae  kann  zufällig  sein.  Noch 
weniger  wird  darauf  Gewicht  gelegt  werden  können,  dass  ausser 
dem  im  Leben  des  Maximinus  ^  genannten  Toxotius  dieser  Name 
nur  bei  dem  Gemahl  und  dem  Sohn  der  dem  Hieronymus  befreun- 
deten, im  J.  404  verstorbenen  Paula  begegnet,  zumal  da  die  sig^m, 
zn  welchen  diese  Benennung  gehört,  in  der  früheren  Zeit  keineswegs 
in  dem  Umfang  die  legitime  Benennung  überwogen  haben,  wie  dies 
nachher  der  Fall  ist.  Sicher  hat  die  Erzählung  von  Maximinu» 
Herkunft  von  einem  gothischen  Vater  und  einer  alanischen  Mutter 
keine  Beziehung  zu  dem  Uebertritt  der  Barbaren  vom  linken  Ufer 
der  Donau  auf  das  römische  Gebiet  unter  Valens  und  Theodosius; 
[lie  Alanen  werden  wohl  unter  den  Völkern  des  linken  Ufers  genannt, 
die  damals  den  Römern  zu  schaffen  machten,  aber  nicht  unter  denen, 
die  zu  dieser  Zeit  oder  überhaupt  jemals  in  Thrakien  ansässig 
wurden,  und,  was  die  Hauptsache  ist,  die  Erzählung  selbst  spricht 
>ar  nicht  von  einem  Zusammenwohnen  der  Gothen  und  Alanen  in 
Ihrakien,  sondern  von  einem  gothischen  Mann  und  einer  alanischen 
Frau,  die  in  einem  vicus  TJireiciae  mcinus  harbaris  sich  zusammen- 
fanden und  aus  deren  Ehe  dieser  Thraker  entspross,  welcher  dann 
in  seinem  Heiraathdorf  sich  ankauft  und  mit  den  Gothen  imd  den 
Alanen,  die  des  Handels  wegen  an  den  Grenzstrom  kamen,  freund- 
jchaftlich  verkehrt.  Dies  passt  völKg  zu  den  Wohnsitzen,  welche 
beide  Völkerschaften  zu  Anfang  des  4.  Jahrhunderts  wahrscheinlich 
eingenommen  haben.  Indess  es  kommt  wenig  darauf  an,  ob  der 
Diaskeuast  der  theodosischen  Epoche  etwas  mehr  oder  eti^as  weniger  in  277 
jeine  Vorlage  hineingetragen  hat;  das  Vorkommen  derartiger  Fäl- 
schungen ist  meines  Erachtens  von  Dessau  ebenso  sicher  erwiesen 
^ie  die  Entlehnung  einzelner  Abschnitte  aus  nachconstantinischen 
Schriftstellern. 

Nicht  genügend  erwogen  aber  ist  der  Zusammenhang,  in  dem 
lie  sicher  nachconstantinischen  Abschnitte  in  den  Biographien  auf- 
Teten. Dieselben  charakterisiren  sich  auch  äusserlich  auf  das  Be- 
itimmteste  als  Einlagen.  Hinsichtlich  der  Beziehimg  dieser  Bio- 
graphien zu  Victor  und  Eutrop   ist   es  völlig  ausgemacht,    dass   die 

md   es   ist  wenigstens   befremdend,   dass    der  Name   sonst  in  den  vornehmen 
Preisen    nicht   vorkommt    vor   Severus   Aetius   Proconsul   von   Aehaia   in   den 
^  396  401  (Athen.  Mittheil.  6,  312)  und  im  J.  419  Stadtpräfect  von  Constantinopel 
C.  Th.  14,  6,  b)  und  dem  bekannten  Feldherrn  Valentinians  III  (f  454). 
1)  3,  9.  2)  27,  6. 


348  I^iß  Scriptores  historiae  Augustae. 

zahlreichen  Uebereinstimmungen  in  richtigen  wie  in  fehlerhafter 
Angaben  zwischen  Victor  und  Eutrop  einer-  und  den  Biographier 
andererseits  grösstentheils  auf  die  Benutzung  einer  gemeinschaftlicher 
verlorenen  lateinisch  geschriebenen  Quelle  zurückgehen.  Aus  jener 
Schriften  selbst  ist  dagegen  wenig  mehr  in  die  Biographien  über- 
gegangen als  die  beiden  früher  bezeichneten  Abschnitte,  von  welcher 
die  Aufnahme  des  von  Victor  herrührenden  den  Severus  betreffender 
offenbar  dadurch  veranlasst  worden  ist,  dass  dieser  seinen  Landsmanr 
mit  einer  Vorliebe  schildert  wie  keinen  anderen  Herrscher;  für  di( 
Entlehnung  des  Marcus  aus  Eutrop  mögen  die  eingehenden  Angaber 
über  die  Palastauction  bestimmend  gewesen  sein.  Beide  Abschnitte 
sind  längst  anerkannt  als  eingelegte  Doubletten,  denen  ein  ander 
gefasster  Bericht  über  dieselben  Vorgänge  vorausgeht.*)  Unter  der 
Stellen,  welche  sachlich  auf  spätere  Zeit  hinführen,  ist  bei  dei 
wichtigsten  von  allen,  der  Weissagung  über  Probus  Nachkommen 
die  Einlage,  wie  Hirschfeld  mir  bemerkt,  gleichfalls  handgreiflich 
an  die  Klage  um  den  Tod  des  Kaisers  23,  5  schliessen  die  Worte 
24,  4  senatus  mortem  Prohi  gravissime  accepit,  aeque  populus  unmittel 
bar  an  und  die  Verbindung  wird  übel  unterbrochen  durch  das  da 
zwischen  stehende  Orakel  über  seine  Nachkommen.  Wenn  als( 
einerseits  die  Sammlung  sich  herausgestellt  hat  als  geschrieben  ir 
der  diocletianisch-constantinischen  Zeit,  andererseits  die  eben  be 
zeichneten  Stellen  wenigstens  ein  halbes  Jahrhundert  jünger  sind 
so  vereinigen  sich  beide  Beobachtungen  darin,  dass  die  letzterer 
auch  an  sich  selbst  als  Einlagen  erscheinen  und  durch  deren  Aus 
Scheidung  der  Zusammenhang  nicht  blos  nicht  gestört,  sondern  ge 
bessert  wird. 

In  wie  weit  der  zweite  Diaskeuast  sachlich  und  sprachlich  di( 
Vorlage  umgestaltet  hat,  lässt  sich  nur  annähernd  bestimmen.  Zu  der 
278  Einlagen  aus  Victor  und  Eutrop,  wo  wir  ihn  zu  controliren  ver- 
mögen, hat  er  einzelne  sachliche  Zusätze  gemacht,  von  denen  einei 
aus  den  Kaiserbiographien  selbst  herzurühren  scheint^,  die  anderer 
geringfügig  und  untergeordneter  Art  sind  2,  Wenn,  wie  dies  Dessai 
ausführt,  bei  jedem  Kaiser  angemerkt  wird,  ob  er  keinen  Wein  odei 

*)  [Daß  es  sich  nicht  um  eingelegte  Doubletten  handelt,  erweist  E.  Klebs 
Rhein.  Mus.  45 ,  1890,  S.  439  f.  unter  Zustimmung  von  F.Leo,  Die  griech.-röm 
Biographie,  Leipz.  1901,  S.  288  Anm.] 

1)  Die  Notiz  über  Severus  Oelspeuclen  18,  3  rührt  wohl  her  aus  Alex.  22,2 

2)  Dies  gilt  von  der  Notiz  über  Hadriaus  Daktyliothek  Marc.  37,4,  di( 
sonst  nicht  vorkommt,  und  über  die  Annahme  des  Titels  Britanniens  dural 
Severus  Sev.  18,  2. 


Die  Scriptores  historiae  Augustae.  349 

den  Wein  mit  \\'asser  oder  zu  viel  trank  und  wenn  die  griechischen 
Sprüche  durchgängig  in  lateinischer  Uebersetzung  vorgetragen  werden  ^, 
50  mag  dies  und  ähnliches  erst  bei  der  zweiten  Diaskeuase  einge- 
treten sein.  Wenn  von  den  fünf  völlig  gleichartigen  Doppelcitaten 
:les  Herodian  und  des  Dexippus  Maximin.  33,  3.  Gord.  2,  1.  3Iax. 
it  Balh.  1,2.  16,  6.  Trig.  tyr,  32,  l  der  Name  Herodians  nur  an  den 
beiden  letzten  Stellen  richtig  steht,  an  den  drei  übrigen  unter  sich 
konnexen  dagegen  in  Arrianus  entstellt  ist.  so  kann  diesen  drei- 
fachen Irrthum  nicht  wohl  begangen  haben  wer  den  Herodian  selbst 
Denutzt  hat,  wie  dies  von  dem  ersten  Diaskeuasten  vorher  nach- 
gewiesen ward;  allem  Anschein  nach  hat  der  zweite  Diaskeuast, 
ndem  er  die  mit  einem  Schreibfehler  ihm  überlieferte  Notiz  an 
irei  verschiedenen  Stellen  eintrug,  den  Fehler  vervielfältigt,  also 
luch  hier  Zusätze  gemacht.  Keineswegs  aber  darf  die  Ueber- 
irbeitung,  welche  oben  dem  constantinischen  Kedacteur  beigelegt 
vurde,  auf  den  letzten  Diaskeuasten  übertragen  werden;  wie  denn 
luch  die  Correctur  der  lateinischen  Yulgaterzählung  durch  die  reinere 
p-iechische  Ueberlieferung  nicht  wohl  in  so  späte  Zeit  hinabgerückt 
Verden  kann.  Dem  letzten  Diaskeuasten  dürften  ausser  Yictor  und 
Eutrop  schwerlich  sachliche  Quellen  von  Belang  zu  Gebote  gestanden 
laben.  Auch  die  Interpolationen  können,  von  dem  Probusorakel 
md  analogen  Adulationen  abgesehen,  unmöglich  erst  durch  ihn 
lineingekommen  sein ;  eben  die  inhaltlosen  und  gefälschten  Abschnitte 
ragen  am  deuthchsten  den  Stempel  einer  früheren  Epoche. 

In  der  Fassung  finden  sich  in  den  aus  Victor  und  Eutrop 
5t3nommenen  Abschnitten  neben  den  selbstverständlich  nicht  fehlenden 
Verkürzungen  und  Entstellungen  ^  auch  mehr  oder  minder  berechtigte  279 

1)  Nur  im  Alexander  wird  52,  2  ein  Wort  Herodians  griechisch  cittrt  und 
.8,  5  ein  griechischer  Vers  in  beiden  Sprachen  gegeben. 

2)  Victor:  Adiabene  quoqiie,  ni  tei'rarum  macies  despectaretur ,  in  tribtttarios 
o>icessisset.  Der  Biograph :  Adiahenos  in  tributarios  coegit.  Unter  den  von  Marcus 
'erkauften  Gegenständen  nennt  Eutrop  tasa  aurea,  poctila  crystallina  et  murrina 
ind  ähnlich  der  Biograph  in  der  aus  der  Quelle  Eutrops  geflossenen  Erzählung 
'l,d  pocula  et  vasa  aurea,  dagegen  in  der  aus  Eutrop  entlehnten  17,4  aurea 
)07ida  et  crystallina  et  murrina,  vasa  etiam  regia  incorrect;  denn  angemessen 
vird  das  Goldgeschirr  zusammengefasst  neben  den  Bechern  von  Krystall  und 
Jlas,  wogegen  kein  Grund  ist  im  Goldgeräth  die  Becher  besonders  auszuzeichnen 
ini  die  rasa  regia  keinen  Gegensatz  zu  den  Bechern  machen.  Offenbar  verband 
le::  Schreiber  bei  Eutrop  aurea  mit  pocida  statt  mit  vasa.  Der  alberne  Zusatz 
Mirc.  18,  1:  cum  .  .  .  ab  aiiis  modo  frater  modo  pater  modo  filius  nt  cuiusque  aetas 
inebat  et  dicerettir  et  amaretur  stammt  aus  Julian  4,  1 :  unumquemque,  ut  erat 
\etix8,  vel  patrem  vel  filium  vel  fratretn  adfatus. 


350  ^^®  Scriptores  historiae  Augustae. 

Correcturen  ^.  Den  Wortlaut  hat  er  im  Allgemeinen  beibehalten 
aber  doch  nicht  selten  variirt:  für  indicere  provincialihus  aut  senatu 
aliquid  wird  gesetzt  in  animum  inducere,  ut  extra  ordinem  provin 
cialihus  aliquid  imperaret;  centum  simul  leones  wird  erweitert  ii 
centum  leones  una  missione  simul  exhihere  et  sagittis  interficere;  zi 
den  tribuni,  centuriones  ac  cohorfes  der  Quelle  werden  die  ducei 
hinzugefügt.  Von  den  zahllosen  Wiederholungen  in  den  uns  vor- 
liegenden Texten,  von  den  Störungen  der  richtigen  Ordnung,  vor 
den  überall  im  Einzelnen  hervortretenden  Absurditäten  der  Fassung 
280  von  der  aller  Emendation^  spottenden  Behandlung  der  Sprache 
insbesondere  der  Tempora  und  der  Partikeln  hat  der  letzte  Diaskeuasi 
sicher  einen  Theil  verschuldet.  Dass  auffällige  Phrasen  wie  das  n 
litteras  mittere  in   allen  Abschnitten  wiederkehren^,  mag  wohl  seir 

1)  Victor,  der  den  Rivalen  des  Severus  Didius  an  Salvius  lulianus  nenni 
(so  beide  Handschriften),  sagt  von  Severus:  SaMi  nomen  atque  eins  Scripte 
factave  aboleri  ivbet,  quod  unum  effici  nequivit.  Er  identificirte  also  den  Kaisei 
Didius  Julianus  mit  dem  Juristen  Salvius  Julianus  und  bemerkte  dann,  das; 
trotz  der  von  Severus  verfügten  Rescission  der  acta  seines  Rivalen  das  julianischt 
Edict  in  Kraft  geblieben  sei.  Wenn  der  Biograph,  der  dem  Kaiser  Julianui 
•den  richtigen  Namen  giebt  und  ihn  zu  einem  Urenkel  des  Juristen  macht,  jen« 
Angabe  also  wiedergiebt  ([Sev.]  17,  5):  Salvii  luliani  decreta  iussit  aboleri,  quoä 
non  obtinuit,  so  hat  er  den  groben  Fehler  zwar  nicht  beseitigt  —  denn  sicherlicl: 
hat  Severus  nie  daran  gedacht  die  Rescission  der  acta  des  Kaisers  auf  das 
Edict  des  gleichnamigen  Rechtsgelehrteu  zu  erstrecken  — ,  aber  doch  bis  zi 
einem  gewissen  Grade  berichtigt.  Nicht  mit  Recht  nennt  Dessau  S.  364  dies 
eine  Verdrehung  der  Vorlage.  [Vgl.  gegen  Dessau  auch  Leo  a.  a.  0.  S.  287  Anm. 
Eine  andere  Correctur  findet  sich  Marc.  17,  4:  nach  Eutrop.  8,  13  (ebenso  Victoi 
■epit.  16)  giebt  der  Kaiser  in  Auction  uxoriam  ac  suam  sericam  et  auream  vestem 

nach  dem  Biographen  vestem  uxoriam  sericam  et  auratam,  vermuthlich  weil  ei 
an  der  seidenen  Garderobe  des  Philosophen  anstiess.  Ein  drittes  Beispiel  giebt 
Severus  Annahme  des  Beinamens  Pertinax.  Es  sei  dies,  meint  Victor,  geschehen 
wegen  seiner  acerbitas,  obwohl  viele  es  auf  die  moruvi  parsimonia  bezögen,  was 
■der  Biograph  umkehrt:  non  tarn  ex  sua  voluntate  (vielleicht  hier  die  Willens- 
festigkeit oder  auch  verdorben)  quam  ex  morum  parsimonia. 

2)  Es  wird  wahrscheinlich  in  unseren  Ausgaben  nicht  selten  den  Abschreibern 
zur  Last  gelegt,  was  der  Schriftsteller,  insbesondere  der  letzte  Diaskeuast  ver- 
schuldet. Der  Accusativ  bei  Ortsnamen,  die  Behandlung  der  Landschaftsnameu 
nach  Analogie  der  städtischen,  auch  wohl  manche  constructionslose  Sätze  fallen 
vermuthlich  diesem  zur  Last. 

8)  Indess  ist  auch  in  dieser  Beziehung  das  Vertrauen  auf  die  in  den  Sub- 
«criptionen  überlieferten  Namen  der  Untersuchung  nachtheilig  gewesen.  In 
litteras  mittere,  sagt  Dessau,  kommt  sechsmal  bei  Pollio,  viermal  bei  Vopiscus, 
fünfmal  bei  Lampridius,  je  einmal  bei  Spartian,  Vulcacius  und  Capitolinus  vor. 
Aber  die  Kaiserbiographien  des  ältesten  Abschnitts  haben  den  Ausdruck  nicht, 
sondern  nur  die  secundären  des  Avidius  (Vulcacius)  und  des  Niger  (Spartian;  in 


Die  Scriptorea  historiae  Augustae.  351 

"NVerk  sein.  Doch  hat  er  schwerlich  mit  dem  Hauptwerk  so  frei 
geschaltet  wie  mit  den  von  ihm  gemachten  Einlagen;  eine  eigent- 
liche Umschreibung  wird  durch  das  früher  nachgewiesene  Festhalten 
des  technischen  Sprachgebrauchs  der  diocletianisch-constantinischen 
Epoche  ausgeschlossen. 

Indess  die  Gleichförmigkeit  der  ganzen  Sammlung  ist  ohne 
Zweifel  durch  die  zwiefache  Ueberarbeitung  wohl  gesteigert,  aber 
nicht  erst  in  sie  hineingetragen  worden  und  insbesondere  die  hier 
waltende  Fälschung,  wie  gleichartig  immer  sie  auftritt,  gewiss  nicht 
das  Werk  einer  Hand.  Wenn  neben  Abschnitten,  die  in  der  knappen 
Aneinanderreihung  mannichfaltiger ,  auf  gleichzeitigen  Berichten  be- 
ruhender Thatsachen  dem  suetonischen  Muster  sich  anreihen,  überall, 
wo  der  Stoff  versagt,  die  Lücken  durch  mehr  oder  minder  freie 
Erfindung  gefüllt  werden,  so  beruht  dies  darauf,  dass  diese  Bio- 
graphien ungefähr  zu  gleicher  Zeit  und  am  gleichen  Ort  entstanden 
sind  und  dass  in  dem  sinkenden  kaiserlichen  Rom  die  Geschichts- 
ialschung  ebenso  epidemisch  grassirte  wie  in  dem  sinkenden  repu- 
blikanischen. Alexander  Polyhistor,  Talerius  Antias,  Licinius  Macer  sind 
ebenso  gleichartig  und  ebenso  verschieden  wie  Trebellius  Pollio  und 
Flavius  Yopiscus;  die  Auferstehung  der  libri  lintei^  ist  die  rechte  2Sl 
Signatur  dieser  Erscheinung.  Die  Myth-Historie,  wie  sie  selber  sich 
nennt  und  deren  Programm  die  Vorrede  zum  Aurelian  in  wünschens- 
werther  Klarheit  entwickelt ,  ist  eine  litterarische  Gattung  wie  der 
Itäuberroman,  imd  wo  dergleichen  Missformen  auftreten,  fehlt  es  nie 
an  Adepten,  von  denen  einer  den  anderen  fortsetzt  und  überbietet-. 

Möchten  diese  Erörterungen  dazu  beitragen,  uns  endlich  eine 
für  den  Historiker  brauchbare  Ausgabe  der  Kaiserbiographien  zu 
verschaffen.  Wie  sie  jetzt  vorliegen,  ist  man  bei  dem  Gebrauch 
des  ebenso  gefährlichen  wie  unentbehrlichen  Buches  in  stetiger 
Verlegenheit  und  Unsicherheit.  Ich  meine  damit  nicht  die  kritische 
Grundlage,  welche  im  wesentlichen  feststeht,  wenn  gleich  auch  in 
•dieser  Hinsicht  der  Apparat  noch  zu  wünschen  übrig  lässt;  wir 
brauchen  einen  Commentar,   welcher  für  jede  einzelne  Notiz  die  in 

Ulros  mittere  das.  9,  1).  Ebenso  findet  sich  rei  ptiblieae  necessarius  in  dem  ältesten 
Abschnitt  nicht,  sondern  nur  in  den  Biographien  des  Avidius  und  des  Niger  so 
"Wie  in  den  nachseverischen.  Auch  die  Verwendung  von  iudex  für  den  Provinzial- 
Tcrsteher  begegnet  nur  in  den  jüngeren  Abschnitten  (S.  240  A.  2  [S.  313  A.  2]). 

1)  Atirel  1,  7.  10. 

2)  Dies  gilt  auch  im  Einzelnen.  Nachdem  Pollio  den  Senat  auf  gut 
ciceronisch  im  Castortempel  zusammentreten  lässt  (Valer.  5,  4),  beraumt  der 
Biograph  Maximins  (16,  1)  dort  ebenfalls  eine  Senatssitzung  an. 


352  Die  Scriptores  historiae  Augustae. 

der  Sammlung  selbst  so  wie  ausserhalb  derselben  auftretenden 
Parallelstellen  vor  die  Augen  führt  oder  auch  deren  Mangel  constatirt, 
und  wir  brauchen  ein  wenigstens  die  sachlich  wichtigen  Ausdrücke 
vollständig  zusammenfassendes  und  chronologisch  controlirendes  Wort- 
verzeichniss.*)  Erst  wenn  beides  vorliegt,  wird  es  für  den  Historiker 
einigermassen  möglich  sein  die  einzelnen  Angaben  in  richtiger  Weise 
entweder  zu  verwerthen  oder  abzuweisen. 

Zur  handschriftlichen  Ueberlieferung.**) 
Die  beiden  Handschriften  der  Kaiserbiographien,  die  der  ehe- 
maligen Heidelberger  Bibliothek  (Vatic.  Fol.  899^  =  P  und  die  der 
Bamberger  (Elil  19^  =  5,  von  denen  jene  in  das  10.  Jahrhundert i, 
diese  in  das  9.  gesetzt  wird,  gelten  bekanntlich  als  Abschriften  des- 
selben Originals  und  insofern  als  gleicher  Autorität.  Mir  hat  indess 
die  Prüfung  ihrer  Lesungen  hieran  Zweifel  hervorgerufen.  Dass 
beide  auf  das  engste  verwandt  sind,  ist  ebenso  evident  wie  dass  an 
nicht  wenigen  Stellen  die  angeblich  jüngere  die  richtige  Lesung 
allein  bewahrt  hat.  Es  genügt  in  dieser  Hinsicht  auf  die  durch  P 
282  ausgefüllten  Lücken  der  Handschrift  B  zu  verweisen,  welche  Peter 
praef.  p.  X  zusammengestellt  hat.  Dagegen  habe  ich  vergeblich 
nach  sicheren  Belegen  gesucht  für  nicht  conjecturale  Verbesserung 
des  Textes  von  P  durch  B  und  wie  schon  vor  Jahren  ein  Anonymus 
(vgl.  Peter  jarae/*.  p.  YHI)  von  den  Varianten  der  letzteren  Hand- 
schrift den  Eindruck  gewonnen,  dass  sie  aus  der  ersteren  abge- 
schrieben ist.  Erschwert  wird  die  Untersuchung  über  das  zwischen 
beiden  Handschriften  bestehende  Verhältniss  durch  die  in  beiden 
sich  vorfindenden  zahlreichen  Correcturen  verschiedener  Hände. 
Die  durch  Jordan  und  Peter  vorgenommenen  Vergleichungen  der 
Heidelberger  lassen  bei  aller  darauf  verwandten  Sorgfalt  dennoch, 
wie  es  kaum  anders  sein  kann,  manchem  Zweifel  Raum  hinsichtlich 
der  Frage,  welche  in  P  vorgenommenen  Aenderungen  von  dem 
ersten  Schreiber  oder  einem  gleichzeitigen  Corrector  herrühren  und 
also  in  eine  früh  genommene  Abschrift  übergegangen  sein  könnten. 
Ich  bat  daher  unsere  römischen  Freunde  probeweise  einen  Abschnitt 

*)  [Dieser  Forderung  wird  jetzt  entsprochen  durch  C.  Lessing,  Script, 
hist.  Aug.  lexicon,  Leipz.  1901  ff.  Eine  Ausgabe  in  Mommseus  Sinn  ist  von  Dessau 
zu  erwarten.] 

**)  [Vgl.  zum  Folgenden  Dessau,  Hermes  29,  1894,  S.  393  ff.,  der  Mommsens 
Nachweis  bestätigt.] 

1)  Meine  sachkundigen  Freunde  erachten  die  Handschrift  nicht  jünger  als 
das  10.  Jahrhundert.  [Rühl  bei  Peter,  Berl.  phil.  Wochenschr.  1897  Sp.  814 
setzt  sie  ins  9/10.  Jh.,  die  Bamberger  ins  11.] 


Die  Scriptores  historiae  Augustae.  353 

der  Heidelberger  Handschrift  in  der  Weise  für  mich  vergleichen  zu 
wollen,  dass  die  Abweichungen  der  Bamberger  dabei  berücksichtigt 
werden  möchten,  imd  diese  von  Hrn.  Dr.  Bethe  für  die  vita  Alexandri 
1 — 27  (p.  247 — 267,  10  Peter)  in  gewissenhaftester  Weise  vorge- 
nommene Revision  lege  ich  hier  znr  Prüfung  vor.  Wo  nichts  be- 
merkt ist,  hat  dieselbe  Peters  Angaben  lediglich  bestätigt.  Bei 
Aenderungen  erster  Hand  bezeichne  ich  die  erste  Schreibung  P*, 
die  zweite  P*,  bei  Aenderungen  zweiter  oder  dritter  Hand  die 
Lesungen  durch  P^P^P^,  wo  die  bessernde  Hand  nicht  bestimmbar 
ist,  durch  P*"*.  Wo  eine  derartige  Variante  allein  angegeben  wird, 
stimmt  die  correlate  Lesung  mit  Peters  Text.  Die  Lesungen  der 
Bamberger  Handschrift  sind  der  Peterschen  Ausgabe  entnommen, 
diejenigen,  welche  aus  Peters  Stillschweigen  sich  ergeben,  bezeichnet 
als  (B). 

247,  1  Die  Anmerkung  Jtec  istoria  —  imliget  ist  von  anderer  und 

älterer  Hand  als  die  Beischrift  ad  constanfinum  aug. 
14  exponam  (nicht  et  pmiam)  P 

248,  3  clodium    albmum]    P*,    clodiimi    nigrutn    albinum    P«  B'^, 

clodium  nigrum  et  albinum  B^ 

7  ciuilia]  P'' B,  ciuia  P«,  ciuilua  P^  (?) 

8  parricidialiter]  (B),  parricidaliter  P 

16  su/fragante]  P^,  suffragente  P^B 
Caesaris]  a  (nicht  et)  caesaris  P" 

17  suffragante]  P^,  sujfragente  P^  B,  fragente  P" 

23  diceret]  P  (nicht  dicereref),  daret  B  283 

24  cui]  P  (nicht  cum)  B 
26  tam]  in  tarn  (?)  P« 

quam]  qam  P« 

249,  9  quas  in  scmo^m]  P*'",  qua  setiatu  PB 

24  conuiuia]  P*^,  cenuiuie  P^  cenuiui  B 

25  uocatos]  B,  uocatus  (so)  P 

s 
250,  10  praenestinae  (so  mit  kleiner  Rasur  nach   dem  zweiten  e 

und  beide  s  von  erster  Hand)  P 

18  nmmmeae  PB 

251,23  infamis  mico]  P^"*,  inf'amis  iunto  P^B^,  infamis  iuncto  B^ 

25  contamitmtor]  B^,  conframinator  PS  contaminaiur  P 
252,  17  per  te]  P"  B,  parte  P« 

omnia  ant.]  (B),  omne  ant.  P 
253,  l  me]  P"",  mi  B^  P^ 

6  diceret]  diceraet  P<^,  dicerat  P^B 

MOMMSEN,   SCHR.  VH.  23 


354  Diß  Scriptores  historiae  Augustae. 

2i  luxurie]  luxuri*e  P^,  hixuriae  B,  luxuria  P^'" 

254,  8  haec]  (B),  hac  P 

15  patres]  P^"\  patris  P^  B 

255,  9  me]  P'B,  fehlt  P« 
11   tale]  P'"\  talis  P^B 

29  öbtinuit  P 

256,  17  ouum]  P^,  ohiuni  P^B 

purpurei   coloris]   P^^',  ^)?^r^;Mrei/(?)o(?)cö/ores  P^,  purpmree 
colores  B 

18  palumhinuni]  P^,  palumuinum  P^  B 

19  oUulit  P 

1hl ^  10  parere]  parere  *  *  P 

22  filosopia  P^,  filosofia  P',  filosophia  B 

25  equidem]  quideni  et  (nicht  ex)  P^  B,  equidem  P*""'  (e^  viel- 

leicht schon  von  P*  getilgt^ 

26  ordbunt]  P'' B,  orabant  P" 

30  debellare]  P^,  deuellare  P^B 
258,  10  re  p.]  P^",  rei  p.  B,  re*p.  P^ 

14  suum]  suum  *  *  P 
17  wre  mrawc^o]  (^P^,  mrerando  (so)  P 
259,2  %is  PiP 

4  ac  saj)^ewi{i6t«s]  P^  accipientihiis  P^B 
284  7  «Ve^wr  wohl  schon  P^,  nur  nachgezogen  von  P*^' 

14  ac  hellorum  in   P  so  geschrieben,    dass    c&  leicht  für    dh 
genommen  werden  kann,  ad  hellorum  B 

16  quid]  P2,  quin  P^  B 

23  addit  septiminus  B,  addit  *  *  ptiminus  P^,  wo   die  beiden 

Buchstaben  vor  p  nicht  deutlich  zu  erkennen  sind,  doch 
war  der  erste  schwerlich  s,  addit  *  **  timinus  P* 
25  furtorum]  P^"'  (vielleicht  Aenderung  erster  Hand),  fertorum 

Pi  (oder  P«)  B 
11  choleram]  P*'",  cholera  P''B,  colera  P" 
261,7  qui]  P'\  fehlt  P^  B 
16  f.  ist  in  P,  dessen  Pergament  hier  einen  zusammengenähten 
Riss  zeigt,  also  geschrieben: 

trem  locum  ee.     moderationis 
tante  fuit^'^'~-~^^^^^ZZy<'t  nemo  umquam  ab  eius 
latere  summoueretur  ut  omnib.  se  hlandum  adfdbilemq. 
Daher  in  B  tante  fuit  zwischen  eius  und  latere. 

17  adfabilemque  P^  affdbilemque  P"^,  ad  fauHlemque  B 
iS  praeberet]  P^,  pr(a) ebnere  P^  B 


Die  Scriptores  historiae  Augustae.  355 

20  consent iehant  P^  B,  consentiehat  P"" 
27  mammea  PB 

maier  .  .  .  caftdi  ergänzt  von  P*,  also  gleich  vom   ersten 
Schreiber  und  mit  derselben  Dinte 

262,  6  perraras]  erraras  P^  B,  raras  P«'" 
7  etquae  P*  (nicht  P^)  B,  afquae  P" 

1 0  pecunias]  P*  B,  pecunia  P" 

22  stipendia]  P"",  spipendia  B,  s*ipendia  P^ 

25  proiiendis  B  P 

j)elegebat  B  P^;   das   über  das   erste  e  gesetzte  Zeichen  ~ 
stammt  wahrscheinlich  von  P^ 

263,  9  coniferre  P,  coniferre  B 

18  patipei-andos]  P'>  B,  paupauperandos  P" 
22  sed  iussit]  se  itissit  P*  B,  fehlt  P« 
264,  15  fumtis  Pi  (nicht  P^)  B,  ftimos  P^  (nicht  Pi) 

\9  p^-aesidiales]  P^  (B),  praesidales  P«"*;  welche  Hand  das  i 

getilgt  hat,  ist  nicht  zu  entscheiden. 
24  imferi'i  PB 

266,  1  electros]  P*  B,  electos  P« 

7  feneraren\tur  P,  feneraren  (ohne  tur)  B 

267,  4  qui  P  (nicht  quis)  B  285 

S(?rM?]  P^,  serM7s  P^P 

Schon  diese  Probe  stellt  das  Sachverhältniss  fest:  nicht  blos 
erklären  sich  kleine  Lesefehler  259,  14.  266,  7  in  P  durch  Besonder- 
heiten von  P,  sondern  die  Wortversetzung  in  B  261,  16  geht  augen- 
scheinlich zurück  auf  die  durch  den  Riss  des  Pergaments  bedingte 
Auseinanderschreibung  der  Stelle  in  P. 

Alles  Weitere  stimmt  dazu  vollständig.  Die  Uebereinstimmung 
der  beiden  Handschriften  reicht  noch  beträchtlich  weiter,  als  die 
Ausgabe  sie  zeigt:  an  nicht  wenigen  Stellen,  wo  sie  nach  dieser 
differiren  (248,  24.  254,  15.  255,  11.  258,  10.  259,  2.  261,  18.  262,22. 
25.  264,  24.  267,  4),  steht  oder  stand  früher  in  beiden  dasselbe. 

Wo  B  von  P  abweicht,  ist  durchgängig  jene  Lesung  fehlerhaft; 
so  247,  9  (zweimal).  12.  248,  2.  250,  10.  16.  252,  4  (wo  die  excerpta 
Cusana  mit  P  gehen).  23.  253,  15.  254,  6.  256,  11.  14.  257,  29. 
260.  10.  13.  261.  26.  262,  4.  264,  13.  265,  7.  266,  17.  21,  wobei  die 
zahlreichen  Stellen,  an  denen  der  Schreiber  der  Bamberger  Hand- 
schrift durch  Correctur  die  Lesung  von  P  hergestellt  hat,  nicht  mit 
berücksichtigt  sind.  In  den  wenigen  Stellen,  wo  umgekehrt  B  das 
Richtige  oder  doch  Bessere  gegen  P  giebt  oder  zu  geben  scheint: 

23* 


356  I^iß  Scriptores  historiae  Augustae. 

249,  25  uocatos  B,  iiocattis  B  P 
250,  5  decureum  P,  decorum  B"^,  decoreum  B^ 

251,  25  contaminator  B^,  contraminafor  B^,  contaminatur  P 

252,  17  in  te  oninia,  per  te  omnia  (B),  in  te  omnia,  per  te  omne  P 
28  antoninus  B,  antoninus  antoninus  P 

254,  8  haec  (B),  liac  P 
258,  17  iureiurando  (B),  iurerando  P 

22  mimquam  BP''  oder  P^,  numquam  numquam  P"^  oderP^; 
welche  Hand   das  Wort  gestrichen  hat,    ist   nicht    zu 
erkennen 
ist  die  Abweichung  so  beschaffen,  dass  sie  füglich  dem  Abschreiber 
beigelegt  werden  kann. 

Der  Schreiber  von  B  hat,  wie  dies  nicht  anders  sein  konnte, 
durchgängig  den  von  erster  Hand  emendirten  Text  (P'')  wieder- 
gegeben; wenn  er  an  einer  Stelle  (248,  3)  mit  P'^  gegen  P*  stimmt, 
so  hat  er  die  Besserung  übersehen.  Dagegen  haben  die  in  P  von 
286  späterer  Hand  vorgenommenen  Aenderungen,  auch  die  von  P^  her- 
rührenden (259,  4.  261,  18),  dem  Schreiber  von  B  noch  nicht  vor- 
gelegen. 

Diese  "Wahrnehmung   bestimmte    mich    Hrn.    Dr.  Bethe    weiter 
zu  ersuchen  um  Nachprüfung   derjenigen  Stellen,   welche  in  Peters 
Vorrede   p.  VHI    zum    Beweise    dafür    angeführt    werden,    dass    in 
zweifellos  richtigen  Ergänzungen  P^  und  B  zusammenstimmen.     Die 
mir  darauf  erth eilte  Antwort  hebt  die  letzten  Zweifel:  in  allen  diesen 
Stellen  ist  die  Petersche  Collation  ungenau  und  rührt  die  in  B  über- 
gegangene Besserung  von  P*  her: 
H  159,    3  gratias  P'B,  fehlt  P« 
160,    4  que  P"  B,  fehlt  P« 
163,  31  etiam  P*  B,  fehlt  P« 
168,  10  enim  P'>  B,  fehlt  P« 
173,  22  scaenicorum  ludorum  P''  B,  fehlt  P'' 
176,  26  que  P'>  B,  fehlt  P« 
182,  11  aliis  P'>  B,  fehlt  P« 
187,  28  primae  s.  u.  r.  i.  creahir  P*  P,  fehlt  P« 

194,  19  gessit  .  .  .  magnum  P*  P,  fehlt  P"" 

195,  4  senatu  P'' B,  senat  P" 

'Es  gehört',  bemerkt  mein  Correspondent,  'grosse  Yoreingenom- 
'menheit  dazu,  um  die  ganz  evidenten  Unterschiede  der  ersten  Hand 
'und  der  als  P^  und  P^  bezeichneten  zu  verkennen;  die  beiden 
'letzteren,  welche  übrigens  wohl  nicht  allein  in  der  Handschrift 
'späterhin    herumcorrigirt    haben,   sind    bei    weitem    schwieriger  zu 


Die  Scriptores  historiae  Augustae.  357 

'unterscheiden,  da  deren  Dinten  ähnlich  sind.  Diese  späteren 
'Schreiber  brauchen  grünliche  Dinte,  der  erste  eine  meist  tiefschwarz- 
'braune,  welche  aber  öfter  in  einzelnen  Buchstaben  hellbraun  erscheint, 
'was  denn  auch  in  den  Correcturen,  z.  B.  159,  3  in  gratias,  der 
'Fall  ist.  Die  IST,  2S  nachgetragenen  Worte  sind  mit  gelber,  meist 
'blasser  Dinte  geschrieben;  aber  in  dem  Zeichen  im  Text,  das  auf 
'diese  Worte  verweist,  b  ist  die  senkrechte  Hasta  schwarzbraun  wie 
'der  Text,  das  Häkchen  dagegen  ebenfalls  von  blasser  gelber  Farbe, 
'welche  auch  in  einzelnen  Buchstaben  des  Textes  hier  auftritt. 
'Die  ganze  Farbenscala  der  Dinte  vom  blassen  Hellgelb  durch  alle 
'Schattirimgen  hindurch  zum  tiefen  Schwarzbraun  zeigt  f.  32'  der 
'Handschrift.  Unter  den  Buchstabenformen  ist  das  r  charakteristisch; 
'die  erste  Hand  schreibt  V,  die  zweite  V. 

Ebenso  wenig  hat  die  Nachprüfung  des  defecten  Anfangs  der 
Biographie  des  Gallienus  die  Behauptung  Peters  praef.  p.  X  bestätigt.  287 
dass  dem  Schreiber  von  J5  hier  ein  von  P  verschiedenes  Original 
vorgelegen  habe:  vielmehr  stimmen  oder  stimmten  beide  Hand- 
schriften hier  bis  auf  den  Buchstaben  überein,  aber  allerdings  ist 
die  ursprüngliche  Lesung  in  P  zum  Theil  beseitigt  worden,  während 
sie  in  3  ungeändert  vorliegt. 

II  79,  7  mu  *  P^,  geändert  mit  Radirung  des  letzten  Buchstabens 
von  P^  (Hand  des  XVXYI.  Jahrh.)  in  murrmiräbant, 
mus  B 

8  amnium  und  quod  fehlen  wie  in  B  so  auch  in  P^,  zu- 

gesetzt von  derselben  späten  Hand  P^ 

9  romuni  persida  B  und   so    scheint   auch   zuerst   in  P 

gestanden  zu  haben:  man  erkennt  *  oma  %  *  i  persida; 
daraus  ist  zuerst  mit  Benutzung  des  vor  persida 
stehenden  i  und  unter  Radirung  der  übrigen  Buch- 
staben gemacht  worden:  in  persida;  diese  Correctur 
könnte  der  Dinte  nach  vom  ersten  Schreiber  her- 
rühren. Die  Hand  des  XY/XYI.  Jahrh.  hat  dann 
vor  in  zugesetzt  romanus^  wobei  zwischen  dem  vor- 
hergehenden iniperatar  und  in  noch  eine  Lücke  von 
neim  Buchstaben  bleibt.  Ungenau  also  giebt  Peter 
als  Lesung  von  P  an :  romanus  (sp.  9  litt,  vac.)  pei'sida. 
Z\vischen  ptersida  und  vor  omnium  hat  P  von  erster 
Hand  nicht  völlig  leeren  Raum  gelassen,  wie  Peter 
angiebt,  sondern  es  stand  zwischen  zwei  leeren 
Räumen  noch  ein  wegradirtes  Wort;  der  spätere 
Corrector  hat  den  ersten  leeren  Raum  mit  serviliter 


358  Die  Seriptores  historiae  Augustae. 

gefüllt,  für  das  wegradirte  Wort  teneretur  gesetzt, 
den  zweiten  leeren  Raum  frei  gelassen.  Vermuthlich 
stand  also  auch  hier,  was  JB  an  dieser  Stelle  hat: 
sertenetur. 
Wenn  also  auch  hier  B  den  Charakter  der  Abschrift  von  P 
nirgends  verleugnet,  so  ergiebt  sich  weiter,  dass  die  Abschrift  in  der 
Kritik  ihren  Platz  insofern  behaupten  wird,  als  sie  da,  wo  die  erste 
Hand  von  P  durch  spätere  Correctur  unkenntlich  geworden  ist,  für 
diese  eintritt,  und  als  sie  uns  eine  Controle  giebt  für  die  Scheidung 
der  von  dem  ersten  Schreiber  vorgenommenen  Aenderungen  und  den 
von  späterer  Hand  herrührenden.  Diese  Scheidung  ist  für  die  Kritik 
288  massgebend.  Jene  oben  als  P*  bezeichneten  Besserungen  tragen  den 
Stempel  der  Zuverlässigkeit  und  gehen  sicher  durchgängig  auf  die 
Vorlage  der  Heidelberger  Handschrift  zurück;  dagegen  werden 
diejenigen  Lesungen,  welche  nach  der  Anfertigung  der  Bamberger 
Abschrift  in  den  Heidelberger  Codex  eingetragen  sind,  nicht  an- 
gesehen werden  dürfen  als  handschriftlich  beglaubigt.  Unmöglich 
ist  es  ja  nicht,  dass  ein  späterer  Corrector  derselben  eine  originale 
Handschrift  eingesehen  hat;  aber  schon  die  geringe  Zahl  derartiger 
Berichtigungen  erweckt  gegen  diese  Annahme  gegründeten  Zweifel. 
Yon  den  drei  derartigen  Lesungen,  welche  Peter  praef.  p.  VH  n.  1 
als  Besserungen  bezeichnet,  gehen  die  beiden  Pert.  7,  6  und  Nig.  2,  6 
nicht  über  das  Gebiet  der  Conjectur  hinaus.  Das  kann  man  allerdings 
nicht  sagen  von  den  Worten  I  p.  187  Carac.  8,  3:  eumque  (Papinian) 
cum  Severo  professum  suh  Scaevola  et  Severo  in  advocatione  fisci 
successisse,  welche,  wie  mir  geschrieben  wird,  von  einer  Hand  etwa 
des  13.  Jahrhunderts  mit  grünlicher  blasser  Dinte  am  unteren  Rande 
nachgetragen  sind.  Sachlich  erwecken  sie  kein  Bedenken  und  figuriren 
auch  in  allen  bisherigen  Biographien  Papinians^;  sprachlich  aber 
unterbrechen  sie,  wie  Peter  richtig  bemerkt,  evident  den  Zusammen- 
hang und  auch  bei  der  Umstellung,  die  Peter  vorschlägt,  ist  dies 
nicht  weniger  der  Fall.  Dass  sie  grammatisch  der  Satzverbindung 
sich  einfügen,  macht  die  Interpolation  erst  recht  evident. 

Zu  wünschen  bleibt  es,  dass  die  kritische  Grundlage  der  Kaiser- 
biographien hienach  umgestaltet,  das  heisst  gereinigt  und  vereinfacht 
werde.  Ohne  Zusammenhalten  der  beiden  Handschriften  wird  dies 
freilich  kaum  in  genügender  Weise  geschehen  können;  findet  sich 
aber  dafür  der  geeignete  Arbeiter,   so  wird  die  liberale  Verwaltung 


1)  In  dieser  Hinsicht  habe  ich  die  Stelle  erörtert  in  der  Zeitschrift  der 
Savignystiftung  für  Kechtsgeschichte,  rom.  Abth.  11,  30  [Jurist.  Sehr.  II  S.  64]. 


Die  Sciiptores  historiae  Augustae.  359 

der  Bamberger  Bibliothek  hoffentlich  die  Hand  bieten,  um  dies  möglich 
zu  machen.*) 

Zur  Textkritik. 

Hadr.  2,  7  iiec  tarnen  et  per  paedagogos  piterorum,  quos  Traiarms 
impens'ms  diligebat,  alio  favente,  defuit.  Für  et  ist  e«,  für 
alio  überliefert  Gallo.  Er  versagte,  wenn  durch  diese  pasda- 
gogi  nicht  der  Kaiser,  sondern  ein  anderer  ihn  begehrte, 
diesem  sich  gleichfalls  nicht. 

Hadr.  3,  8  Suhurano  bis  et  Serviano  iterum  coiiss.  statt  sub  Surano.  289 
Gemeint  ist  der  Consul  des  J.  104,  übrigens  hier  alles  zer- 
rüttet. 

Hadr.  4,  5  eosdem  saepe  linxisse  statt  sepelisse. 

Hadr.  16,  7  iit  semper  Jcal.  lan.  scripserit  statt  sero. 

Hadr.  17,  4  fercula  de  aliis  mensis  etiam  ultimis  sibi  iussit  adponi 
statt  quibusque  adponit. 

Hadr.  18,  2  vilis  materiae  causa  statt  ullis. 

Hadr.  23,  8  tunc  livore  Servianum  .  .  .  mori  coegit  statt  libere. 

Ael.  4,  5  quod  si  non  rede  constellatio  eins  coUeda  est,  substituetur 
quem  credimus  esse  vidurum.  Ein  derartiges  Wort  ist  aus- 
gefallen. 

Fkis  10,  5  cuius  avaritiam  etiam  mercedis  notavit  statt  mercedibus. 

Marc.  4,  9  amavit  pugilatuum  luctamina  et  cursus  et  aucupatus 
statt  pugilatiim. 

Marc.  8,  10  Verum  Marcus  Capuam  usque  prosecutus  amicis  comi- 
tantibus  assectatu  ornamt  additis  officiorum  omnium  priti- 
cipibtis  statt  a  senatu. 

Marc.  26,  3  in  omnibiis  studiis,  templis,  oecis  statt  ocis.  Die  Aen- 
derung  stadiis  ist  wohl  nicht  erforderhch;  Studium  wird 
ähnlich  gebraucht  in  den  bekannten  Beneventaner  CoUegien- 
inschriften  [ocis  für  oecis  bei  Peter  ist  nur  Druckfehler]. 

Cass.  3,  7  nee  ille  abnuit  Hirschfeld  statt  timuit. 

Comm.  5,  11  nee  irrumantium  in  se  iuvenum  carebat  infamia  statt 
irruentium. 

Comm.  10,  3  si  quis  ante  se  mori  velle  praedixisset ,  hunc  invitum 
jjraecipitari  iubebat  statt  sane. 

Comm.  11,  2  duos  gibbos  retortos  in  lance  argentea  convivis  sinapi 
2)erfusos  exhibuit  Hirschfeld  statt  sibi. 


*)  [Das  ist  geschehen:  die  beiden  Handschriften  sind  von  H.Dessau  in  Rom 
verglichen  worden,  wodurch  die  Mommsenschen  Aufstellungen  durchweg  bestätigt 
worden  sind :  s.  o.  S.  352*  **.] 


360  I^iö  Scriptores  historiae  Augustae. 

Comm,  11,  3   quem  saltare   nudum  ante  concuhinas  suas  iussit  qua- 

tientem  cymhala  deformato  vultu  he  der a  leguminum  coctorum 

statt  genera.    Hedera  würde  hier  der  Epheukranz   und   der 

Epheukranz  gekochten  Gemüses  als  Oxymoron  zu  fassen  sein; 

man  könnte  auch  auf  Corona  rathen. 
Pert.  11,  3  et  tunc  quidem  omnes  milites  in  castris  qui  manebant  cum 

ad  dbsequium  principis  convenissent  statt  in  castris  manebant 

qui  cum  castris  ad  dbsequium. 
lul.  3,  7  creditum  fuerat  emendationem  femporum  Commodi  Pertinacis 

auctoritate  iri  parat  um  statt  reparandum. 
290  lul.  3,  10  ob  tantas  necessitates  sollicitus  statt  de. 

lul.  5,  3  ad  senatum  venit  impetravitque  ut  Jiostis  Severus  renuntia- 

retur  statt  imperavitque. 
Sever.  1  ist  wohl  zu  schreiben   cui  civitas  Lepti  magna,  pater  Geta 

....  patrui  Aper  et  Severus;    in  den  Handschriften  fehlt 

magna  nach  Lepti   und   steht  magnaper   statt  aper.     Patrui 

magni,  wie  jetzt  geschrieben  wird,  ist  nicht  möglich,  da  der 

avus  paternus  nachfolgt. 
Sev.  22,  3  (Victoriola)  quae  ipsius  nomine  adscripto  orbem  tenebat 

statt  adscriptum. 
Sev.  24,  2  cum  statim  illic,  ubi  vita  functus  est,  esset  incensus  statt 

septimus. 
Nig.  3,  12  idque  adsciscas  de  Nigro  tnilitem  timere  non  passe  statt 

sed  scias  idque. 
Macr.  3,  1   Caelestis   apud  Carthaginem,  quae  de  re  publica  laeta 

solet  et  Vera  canere  statt  de  repleta  solet  uera. 
Macr.  4,  7  imperatorem  suum  interemit  obtenta  factione  statt  tanta; 

vgl.  6,  4  vindicandam  factionem;    Biad.  1,  1   factione  Macri- 

niana. 
Heliog.  14,  7  misit  praefectos  (oder  de  praefectis)  alium  ad  com- 

pescendos  milites  in  castra,  alium  vero  ad  cos  placandos,  qui 

iam  in  liortos  venissent  statt  praefectis  alio  .  .  alio. 
Heliog.  15,  7   omniaque  per  praetorem  urbanum  facta   sunt,  quasi 

consules  illic  non  essent.     Die  richtige  Ueberlieferung  pr  ist 

falsch  durch  praefectum  aufgelöst  worden. 
Alex.  68,  1  Aeliu^  Gordianus  Gordiani  imperatoris parens  vir  insignis 

statt  ipsa  res  uiri. 
Gord.  22,  8  sind  die  Worte  a  Gallicano  ex  consulibus  et  Maecena  ex 

ducibus  Uebersetzung  der  herodianischen  7,  11,  3:  ävrjQ  anb 

vnareiag  .  .  .  FaXlixavog  övo/xa  .  .  .  xal  eregog  oxQaxrjyixoq  rb 

ä^ioDjua  Maixtjvag  xaXovfievog.    Man  darf  also  nicht  Maecenate 


Die  Scriptores  historiae  Augustae.  361 

ändern,  sondern  dies  ist  Uebersetzerfehler  wie  anderes  mehr 
an  dieser  Stelle. 

Goi'd.  26,  5  illic  frequentibus  jvoeliis  pugnavit  et  vicit  et  Sapore 
Persarum  rege  summoto  et  x^ost  Artaxia  duce  statt  aesapore 
p.  r.  s.  e.  p.  artaxansen.  Der  zweite  Name  ist  unsicher,  aber 
wohl  der  eines  Mannes,  nicht  einer  Stadt. 

Gwd.  27,  10    in    der  Inschrift    für  Timesitheus:   parenti  pn-incipum, 

p(opuli)  R(omani)  et  totius  orhis  statt  parenti  principum  291 
praetototius   urbis.     Die   Titulatur  praefecto  jyraetorü   kann 
nicht    zwischengeschoben    werden    zwischen    Prädicate    wie 
parenti  principum  und  tutori  rei  p. 

3Iax.  et  Balb.  5,  11  quare  nolenti  senatus  ei  ...  .  imperium  tarnen 
detulit  statt  veluti.     Hirschfeld  vermuthet  volenter. 

Gall.  9,  4  conviviisque  et  epulis  dies  plures,  alios  dies  voluptatibus 
publicis  deputabat  —  statt  epidis  depulsis  alios. 

Gall.  16,  4  corrigias  gemmeas  adnexuit,  cum  campagos  reticiüos 
appellaret  statt  caligias. 

Tng.  tyr.  30,  21  ipsa  Latini  sermonis  non  usque  quaque  ignara,  sed 
ut  loqueretur  pudore  cohibita  statt  gnara. 

Aurel.  1,  9  steckt  der  Name  des  Adressaten  wohl  in  der  Corruptel 
ptarrumipiane  praeceptis.,  welche  hervorgegangen  sein  kann 
aus  parui,  mi  ülpiane(?),  praeceptis.  Vgl.  43,  1  und  Carus 
21,  2  mi  amice.  Dem  Celsinus  ist  der  Probus  (1,  3)  zu- 
geschrieben, dem  Bassus  der  Firmus  (2,  1);  hier  wird  ein 
dritter  Name  gestanden  haben. 

Aiirel.  4,  2  matrem  . '.  Callicrates  .  .  sacerdotem  templi  Solis  sui  in 
vico  eo,  in  quo  liabitabant  pare^ites,  fuisse  dicit  statt  qui. 

Aurel.  7,  5  de  praeda  hostis,  non  de  Ubcrimis  provincialium  abundent 
statt  habeant. 

Aurel.  7,  8  alter  alteri  quasi  liomo,  quasi  servus  obseqtiatur  statt 
quasi  innemo;  homo  drückt  denselben  Begriff  mit  minderer 
Schärfe  aus  und  wird  also  durch  servus  gesteigert.  Hirsch- 
feld schlägt  vor  quasi  domino  servus  obseqtuzttir. 

Aurel.  19,  5  audivimus  litteras,  quibtis  rogavit  ope  dei  ut  vir  fortissi- 
mus  adiuvetur  statt  opem.  Indem  Aurelian  die  Befragung 
des  Sibyllenorakels  begehrt,  bittet  er  nicht  um  den  Beistand 
des  Gottes,  damit  er  Unterstützung  erhalte,  sondern  um 
Unterstützung  seiner  Tapferkeit  durch  göttlichen  Beistand. 

Aurel.  22,  1  fransactis  quae  ad  saeptionis  afque  urbis  stafum  et 
civilia  pertinebant  statt  saeptiones.  Yielleicht  ist  auch  für 
atque  zu  schreiben  sacrae. 


362  Die  Scriptores  historiae  Augustae. 

Tac.  10,  3  librum  per  annos  singulos  decies  scrihi  puhlicUus  a  prae- 

fectis  archiis  iussit  et  in  hpUiothecis ponl  äta,tt  euicosarchis. 

Wenn  man  sich  fragt,   welcher  Kategorie  von  Beamten  ein 
292  Auftrag  dieser  Art  hat  ertheilt  werden  können,  so  liegen  am 

nächsten  die  Vorsteher  der  tabularia  in  den  italischen  Muni- 

cipien. 
Tac.  \\^  4:  fdbricarum  peritissimus  fuit,   mavmorum  cupidus,  nitoris 

cenatorii,  venationum  studiosus  statt  senatorii. 
Tac.  15,  2  qui  Taprobanis  praesidem  imponat,  qui  ad  Monam  insulam 

proconsulem  mittat  statt  romanam. 
Saturn.  7,  4  mathematici,  haruspices,  medici  omnes  ludaei  Christiani 

Samarifae  statt  nam  eis  christiani  samaritae.    Der  Verfasser 

wiederholt  dies  nach    seiner  Gewohnheit   in   dem  folgenden 

Briefe :  nemo  illic  arcMsynagogus  ludaeorum,  nemo  Samarites, 

nemo  Christianorum  presbyter  non  mathematictis,  non  haruspex, 

non  aliptes. 
Carus  20,  4    et   concessit   aviae  pallio  aurato  atque  purpureo  pro 

syrmate  tragoedus  ut  uteretur.,  wo  für  concessit  überliefert  ist 

rectesi  und  ut  fehlt. 


XXXVIII. 

über  den  kritischen  Apparat  zum  Ammianiis.*) 

Bei  der  ausserordentlichen  Schwierigkeit,  welche  das  grosse  231 
Geschichtswerk  des  Ammianus  sowohl  in  sprachlicher  wie  in  sach- 
licher Beziehung  hat  wird,  wo  nicht  der  Philologe,  doch  wenigstens 
der  Historiker  schon  demjenigen  dankbar  sein,  der  auf  eigene  dieses 
Xamens  werthe  Editorenthätigkeit  verzichtend  das  kritische  Material 
vollständig  und  übersichtlich  darlegt.  Wie  weit  die  vor  kurzem  von 
W.  Eyssenhardt  besorgte  Ausgabe  in  dieser  Hinsicht  hinter  den  be- 
rechtigten Anforderungen  zurückbleibt,  soll  hier  in  kurzem  dargelegt 
werden,  in  der  Hoffnung,  dass  diese  Hinweisung  zur  Ausfüllung  des 
Fehlenden  anregt. 

Bekanntlich  kommen  für  Ammian  zwei  Handschriften  in  Betracht, 
die  noch^  vorhandene  ehemals  Fuldaer,  jetzt  vaticanische  ?f.  1S73  des 
neimten  Jahrhunderts  und  die  jetzt  verlorene  Hersfelder,  die  nicht 
Jünger  gewesen  sein  wird.  lieber  das  Verhältniss  beider  zu  einander 
ist  wohl  kaum  zu  einem  abschliessenden  Urtheil  zu  gelangen.  Fest 
^teht  nur,  dass  die  Hersfelder  nicht  Abschrift  der  Fuldaer  gewesen 
^ein  kann,  da  jene  bekanntlich  die  in  dieser  fehlenden  längeren 
griechischen  Stellen   gehabt    hat   und    auch    sonst   mehrfach   besser 


*)  [Hermes  6,  1872,  S.  231  — 242.  Dieser  und  die  folgenden  kritischen 
Aufsätze  zu  Ammian  behalten  ihre  volle  Bedeutung  auch  nach  der  Entdeckung 
der  Marburger  Fragmente  der  Hersfelder  Handschrift  und  den  neueren  For- 
schungen, unter  denen  diejenige  L.  Traubes  in  den  ilelanges  Boissier,  Paris  1903, 
H.  443  flf.  hervorragt.  Diese  Aufsätze  Mommsens ,  deren  Ergebnisse  in  der  von 
Clark  vorbereiteten  Ausgabe  Verwertung  finden  werden,  sind  daher  hier  unver- 
Icürzt  zum  Abdruck  gebracht,  von  der  neueren  Literatur  aber  nur  die  wichtigsten 
ügebnisse  angefahrt  worden.] 

1)  Mit  Ausnahme  eines  Blattes,  das  die  Worte  31,  8,  5  p.  507, 1  Eyss.  pau- 
Ictiim  —  31,  10,  18  p.  512,  8  est  quo  enthielt  und  aus  den  jüngeren  Abschriften 
und  der  Ausgabe  des  Accursius  zu  ergänzen  ist. 


364  Über  den  kritisclien  Apparat  zum  Ammianus. 

gewesen  sein  muss  als  diese.  So  dürfte  die  Yersetzung,  wodurch  in 
der  Fuldaer  Handschrift  der  Abschnitt  p.  442,  2  Eyss.*)  tem  (nicht 
tani^  wie  Eyssenhardt  druckt)  octavianum  —  p.  453,  12  inter  intrejn 
232  zwischen  die  Worte  accidebat  und  quorum  p.  430,  3  gerathen  ist,  der 
Hersfelder  fremd  gewesen  sein^;  und  auch  die  p.  373,  4  in  der 
Fuldaer  Hdschr.  (ohne  Bezeichnung  einer  Lücke)  fehlenden  "Worte 
et  ambitioso  .  .  .  quem  hat  Gelenius  gewiss  nicht  ersonnen.  Es  kann 
sogar  sein,  dass  die  Fuldaer  eine  alte  Abschrift  der  Hersfelder 
gewesen  ist;**)  denn  dass  zu  Gelenius  Zeit  jene  mit  den  Worten  decus 
implebat  p.  485,  19  Eyss.  (nicht,  wie  Eyssenhardt  in  der  Vorrede 
p.  Vin  sagt,  ad  fineni  lihri  tricesimi)  abbrach,  schliesst  natürlich 
nicht  aus,  dass  sie  im  9.  Jahrhundert  am  Schluss  vollständig  gewesen 
sein  kann;  und  so  weit  ich  sehe,  liegt  auch  sonst  nirgends  ein  ent- 
scheidender Beweis  dafür  vor,  dass  der  Yaticanische  Codex  nicht 
Abschrift  jenes  verlorenen  ist 2.  Eyssenhardt  folgt  der  entgegen- 
gesetzten Annahme,  dass  die  Fuldaer  und  die  Hersfelder  Handschrift 
aus  demselben  Original  geflossen  sind,  ohne  Beweise  dafür  bei- 
zubringen. Von  wesentlicher  Bedeutung  für  die  Kritik  ist  diese 
Differenz  bei  unserer  unvollkommenen  Kunde  von  der  Hersfelder 
Handschrift  allerdings  nicht. 

Von  der  Fuldaer  Handschrift  liegt  jetzt  in  der  Eyssenhardtschen 
Ausgabe  eine  Collation  vor,  für  die  wir  dem  Herausgeber  dankbar 
sein  müssen,  da  bis  jetzt  eine  solche  gefehlt  hat.  In  wie  weit  sie 
erschöpfend  ist,  werden  andere  prüfen;***)  einzelne  Versehen  kommen 
vor,  wie  z.  B.  die  Angabe 


*)  [Von  einer  Transkription  der  Seitenzahlen  der  Eyssenhardtschen  Aus- 
gabe in  diejenigen  der  Gardthausenschen  ist  mit  Rücksicht  auf  die  in  Vorbereitung 
befindliche  neue  Ausgabe  von  Clark  abgesehen  worden.] 

1)  Bei  Gelenius  erscheint  von  dieser  Versetzung  keine  Spur  und  nach  der 
verstümmelten  Beschaffenheit  der  Ränder  ist  Valesius  Annahme,  dass  Gelenius 
sie  durch  Combination  beseitigt  habe,  wenig  wahrscheinlich.  Dass  die  lücken- 
hafte Stelle  p.  442,  1  ...  3  Epiroten  .  .  .  permisso  von  Gelenius  weggelassen  ist, 
entspricht  seinem  sonstigen  Verfahren  und  beweist  eher  gegen  als  für  die 
Existenz  der  Versetzung  in  der  Hersfelder  Handschrift. 

**)  [Sie  sind  vielmehr  Abschriften  eines  gemeinsamen  Originals:  s.  Traube ; 
a.  a.  0.  S.  444.] 

2)  Auch  Haupt  sagt  im  Berliner  ind.  leet.  vom  Sommer  1868  p.  6  [opi 
2,  375],  nachdem  er  die  thörichte  Meinung,  dass  die  Fuldaer  Handschrift  da 
Original  der  Hersfelder  gewesen  sei,  abgewiesen  hat:  minus  fotiasse  fallereti 
qui  Fuldensetn  lihum  ex  Hersfeldensi  descriptum  esse  existimaret :  qiiamquam 
hoc  quidem  certo  argumento  demonstrari  poterit. 

***)  [Über    die  schweren  Irrtümer   der  Kollation  vgl.  Gardthausen  in  de 
praef.  zu  seiner  Ausgabe  (1874)  S.  XXIIL] 


über  den  kritischen  Apparat  zum  Ammianus.  365 

p.  270,  14  ligneae]  lineam  V 

17  sagittam  maligne  (ohne  Yariante) 
nach  der  von  Hrn.  Hübner  angestellten  Vergleichung  dahin  zu  be- 
lichtigen  sind,  dass  vielmehr  Z.  14  ligneae  auch  im  Vaticanus  steht, 
dagegen  Z.  17  die  Handschrift  hat  sagittam  lineam,  woraus  die 
Herausgeber  längst  das  richtige  sagittam  ligneam  hergestellt  haben. 
Das  seltsame  maligne  bei  Eyssenhardt  wird  wohl  Druckfehler  sein. 
—  Dagegen  wird  die  begründete  Hoffnung,  dass  die  neue  Ausgabe 
uns  über  den  Hersfelder  Codex  so  weit  belehre,  als  dies  jetzt  über-  233 
haupt  möglich  ist,  nicht  erfüllt. 

Zunächst  wäre  der  Herausgeber  verpflichtet  gewesen  sich  um 
die  jüngeren  dem  15.  Jahrhimdert  angehörigen  Handschriften  des 
Ammian  in  so  weit  zu  bekümmern,  als  erforderlich  war  um  fest- 
zustellen, dass  sie  aus  der  Fuldischen  geflossen  sind;  wozu  die  Mittel 
keineswegs  fehlen.  Abgesehen  von  anderem  sind  die  Worte  22,  10,  3 
p.  24S,  1 — 3  ut  fidenter  .  .  .  frenarent  monstrabat  von  Gelenius  ein- 
gesetzt, offenbar,  wie  dies  auch  Eyssenhardt  anerkennt,  aus  der 
Hersfelder  Handschrift,  während  sie  im  Fuldaer  Codex  so  wie  in  ' 
allen  vorgelenischen  Ausgaben  fehlen.  Wenn  dies  hinreichend  dar- 
thut,  dass  diese  letzteren  auf  Handschriften  beruhen,  die  aus  der 
Fuldaer  geflossen  sind,  so  war  weiter  zu  constatiren,  dass  auch  in 
den  Jüngern  Handschriften  wenigstens  diese  Worte  durchgängig 
vermisst  werden,  und  die  freilich  wenig  berechtigte  Hoffnung  ab- 
zuschneiden, dass  eine  derselben  uns  Abschrift  oder  Yarianten  der 
Hersfelder  aufbehalten  haben  könnte. 

In  der  That  indess  wird  wohl  alles,  was  wir  über  den  Hersfelder 
Codex  je  erfahren  werden,  sich  auf  dasjenige  beschränken,  was  Sieg- 
mund Gelenius  daraus  in  seine  Ausgabe  des  Ammian  (enthalten  in 
dem  Corpus  der  lateinischen  Historiker  JBasileae  in  officiiia  Froheniana, 
1533)  aufgenommen  hat;  und  dies  ist  grossentheils  ununterscheidbar 
von  seinen  auf  die  Lesung  des  Hersfelder  Codex  gestützten  Besse- 
rungsvorschlägen.  Um  so  mehr  aber  leuchtet  es  ein,  dass  jeder 
Apparat  zum  Ammian,  der  auf  Yollständigkeit  Anspruch  macht,  die 
Lesungen  des  Gelenius  sämmtlich  und  in  der  Weise  darzulegen  hat, 
dass  der  Leser,  so  weit  möglich,  in  den  Stand  gesetzt  wird  ihre 
Quelle  zu  erkennen.  Dies  ist  in  der  neuen  Ausgabe  nicht  geschehen, 
weder  für  die  Bücher  27 — 30,  die  Gelenius  lediglich  aus  dem  Hers- 
felder Codex  zum  Abdruck  gebracht  hat,  noch  für  die  Bücher  14 — 26, 
in  denen  er  den  Text  der  älteren  Ausgaben  nach  demselben  durch- 
corrigirt  hat.  Ich  gebe  zunächst  die  bei  Eyssenhardt  fehlenden 
Varianten   des  Gelenius  für  die  drei  ersten  Capitel  des  27.  Buches. 


366 


Über  den  kritischen  Apparat  zum  Ammianns. 


234 


Vaticanus: 

Geleniui 

369,  24  pertulerunt 

pertulerant 

370,  10  hosthim 

fehlt 

13  peroffessum 

per  08  fixuni 

15  sonu 

sono 

16  confusus 

confixus 

20  sed  eins 

Jiuius  modi 

371,    8  instante 

fehlt 

22  e^  s?«e^a 

insueta 

splendentium 

fehlt 

24  extimum 

extremiim 

validus 

ualidius 

32  ea;  a??!« 

sex  altera 

i??e 

fehlt 

372,    4  se^  constrictos 

Stratos 

8  ascarüs 

hastarns 

ad  dir.  tent.  miseraf 

miserat  ad  dir.  tent. 

19  cwm 

quoniam 

25  escenso 

ascenso 

32  /afetfWi 

falso 

373,    8  infixerat 

finxerat 

12  Äomo 

fehlt 

27  we  uitiorum 

ni  seruitiorum 

374,    3  <?mersa 

diuersas 

5  danina  defl.  crebra 

defl.  crebra  damna 

7.  15  uiuentius 

uincentms 

11  ursinus 

tirsiciniis 

13  conflictabant  conflictabantur  ^ 

15  coactus  ui  magna  vi  magna  coactus  | 

An  diesen,  wie  man  sieht,  zahlreichen  Stellen  ist  die  gelenische| 
Lesung  von  Eyssenhardt  schlechthin  unterdrückt  worden.  Wo  er  sie 
mittheilt,  geschieht  dies  zum  Theil  mit  ausdrücklicher  Erwähnung 
des  Gelenius,  häufiger  aber  in  der  Weise,  dass  die  gelenische 
Lesung  im  Text  steht  und  in  den  Noten  nicht,  als  die  abweichende 
des  Vaticanus,  zum  Beispiel  in  dem  oben  angeführten  Abschnitt  an 
4en  folgenden  Stellen: 

Yaticanus:  Gelenius: 

p.  369,  27  claudles  glaciales 

p.  370,  19  magnum  magna 

p.  371,    b  x^errupta  perrwpit 


über  den  kritischen  Apparat  zum  Ammianus.  367 

p.  372,  30  provinciae  in       provindam 

p.  374,  27  reuersas  re  tiera  si 

Nur  darf  man  nicht  etwa  meinen,  dass  hier  consequent  verfahren 
sei  und  überall,  wo  ohne  Angabe  eines  anderen  Gewährsmannes  ein-  235 
fach  die  Lesung  des  Yaticanus  angeführt  wird,  die  Lesung  des  Textes 
die  des  Gelenius  sei;  wie  zum  Beispiel  die  folgenden  Stellen  zeigen: 
Yatic.  und  Gelenius:       Eyssenhardt: 

p.  372,  29  officmtn  Orfitwn 

p.  432,  26  artum  sartum 

p.  449,  24  hellen  beUenen 

Man  wird  also  einräumen  müssen,  dass  es  völlig  unmöglich  ist 
sich  über  die  Lesungen  des  Gelenius  aus  der  Eyssenhardtschen 
Ausgabe  zu  unterrichten  und  dass  selbst  der  notorisch  aus  der 
Hersfelder  Handschrift  geflossene  gelenische  Abdruck  der  Bücher 
27 — 30  hier  behandelt  ist.  als  käme  er  allein  wegen  der  Yerbesse- 
iirngsvorschläge  des  Herausgebers  in  Betracht.  Ohne  Zweifel  ist 
die  grosse  Mehrzahl  der  oben  mitgetheilten  von  Eyssenhardt  weg- 
gelassenen gelenischen  Lesungen  theils  auf  Versehen,  theils  auf 
Besserungsversuche  des  Herausgebers  zurückzuführen;  aber  darüber 
darf  doch  nicht  vergessen  werden,  dass  die  Hersfelder  Handschrift 
entschieden  die  bessere,  vielleicht  die  Mutter  der  Fuldaer  war  und 
dass  jede  dieser  Lesungen  in  ihr  gestanden  haben  kann.  Wer  einen 
kritischen  Apparat  herstellen  will,  hat  zwar  selbst  zu  urtheilen,  aber 
auch  und  vor  allem  die  Acten  vorzulegen,  damit  jeder  Leser  eben- 
falls urtheilen  könne.  . 

Minder  einfach  liegt  das  Verhältniss  für  die  ersten  dreizehn 
Bücher.  Gelenius  hat  hier  nach  dem  Hersfelder  Codex  eine  ältere 
Ausgabe  durchcorrigirt;  es  kann  also  über  sein  Verfahren  nur  dann 
geurtheilt  und  was  er  in  seiner  Handschrift  gefunden  haben  mag, 
niu"  dann  ermittelt  werden,  wenn  man  weiss,  was  ihm  im  Druck 
V3rlag.  Selbstständigen  Werth  haben  die  vorgelenischen  Ausgaben 
des  Ammian  nicht;  ein  gewissenhafter  Herausgeber  aber  wird  sich 
die  massige  Mühe  nicht  ersparen  dürfen  die  EntvNickelung  des  Textes 
bis  auf  Gelenius  in  allen  Einzelheiten  sich  deutlich  zu  machen,  wenn 
es  auch  wohl  kaum  nothwendig  ist  diesen  ganzen  "Wust  in  den  ge- 
deckten Apparat  aufzunehmen.  Diese  Entwickelung  ist  einfach 
folgende.  —  Gedruckt  sind  die  Bücher  14 — 26  des  Ammianus 
erst    in    Rom    (R)    1474^    nach     einer    Abschrift    des     Fuldaer 

1)  per  diffnissimos  Impressores  Georgium  Saehsd  de  BeüAenhal  et  Barthölo- 
'um   Golsch  de  Hohenhart  dericos.    Diese  Ausgabe  so  wie  die  Bologneser  von 


ZI 


368  Über  den  kritischen  Apparat  zum  Ammianus. 

236  Codex  ^ ;  der  Text  ist  von  Abschreibern  und  Setzern  arg  zugerichtet, 
aber  nicht  mehr  interpolirt,  als  dies  sich  bei  jeder  solchen  Recension 
von  selber  versteht.  Auf  dieser  ruht  die  von  dem  Bologneser  (B) 
Petrus  Castellus  im  J.  1517  in  Bologna  publicirte  Recension  2,  die  nicht 
mit  Unrecht  auf  dem  Titelblatt  selbst  sich  ankündigt  als  opus  inßnitis 
errorum  monstris  enixissimo  labore  vindicatum  und  zugleich  bereichert 
mit  vielen  Dingen,  quae  hacfenus  desiderabantur;  nur  dass  diese  Ver- 
besserungen und  Zusätze  nichts  sind  als  eine  auf  keine  Handschrift^ 
gestützte  über  die  Massen  willkürliche  Zurechtstellung  des  in  der 
Ausgabe  von  1474  vorliegenden  Textes*.  Ein  Nachdruck  dieser 
Bologneser  Ausgabe  ist  der  'ex  recognitione  Bes.  JErasmi  Roterodami' 
bezeichnete,  dem  bei  Froben  in  Basel  1518  erschienenen  Corpus  der 
römischen  Historiker  einverleibte  Abdruck  des  Ammian  (E);  und 
diesen  letzteren  legte  Gelenius  seiner  Ausgabe  vom  J.  1533  (G)  zu 
Grunde  ^,  wie  denn  diese  überhaupt  nichts  ist  als  eine  neue  Auflage 
jenes  Frobenschen  Corpus  der  römischen  Historiker.  Ich  gebe  hier 
zwei  längere  Proben,  welche  jedem  Einsichtigen  das  Verfahren  des 
Gelenius  zur  Genüge  klar  machen  werden. 

p.  63,    17  fatarum]  BE&,  factorum  VR  23  multis]   VG,    muUisque   RBE 

18  fastorum]  "VG,  factorum  RBE  factis]  fractis  R 

19  augustö]  angusto  R                       p.  64,      2  nobilüms]  VR,  mobilibus  BEG 
genuino]  VG,  gemino  RBE  cunis]  VBEG,  cuius  R 

20  somniabat]  G,  somnahat  V,  4  pi-udentia]  prudentiam  R 
sonabat  RBE  5  antoninus]  VG,  antonius  RBE 

21  st  adfuisset]  "VG,   se  adfuisse  7  suos]  V,  fehlt  RBEG 
R,  se  affuit  BE  8  quoniam]  quom  R 

•flatti]  VG,   facul  R,  face  BE  12  hac]  V^  BEG,  hoc  Y\  hee  R 

237  secundo]  VRG,  secunda  BE  15  martium  G,  artium  VRBE 

1517   liegen  mir  vor   durch   die  nie  ermüdende   Gefälligkeit  der  Direction  der 
Göttinger  Universitätsbibliothek. 

1)  Besorgt  ist  die  Ausgabe  von  A(ngelus)  Sabinus,  demselben,  der  die  den 
ovidischen  Heroiden  angehängten  Briefe  verfasst  hat.  Die  Handschrift,  aus  der 
diese  Ausgabe  geflossen  ist,  scheint  Vatic.  Reg.  1994,  da  diese  mit  1.  XXVI 
schliesst  und  die  von  Hübner  genommenen  Proben  mit  den  der  Ausgabe  von 
1474  eigenthünilichen  Fehlern  stimmen. 

2)  impressit  Hieronymus  de  Benedictis  Bononiensis. 

3)  Der  codex  PhiUppi  Beroaldi  non  malae  frugis  und  der  codex  caeteris  fidelior 
Pii  Botioniensis  pi-aeceptoris  nostri,  die  Castellus  in  der  Vorrede  anführt,  sind 
ohne  Zweifel  nichts  als  die  Handexemplare  dieser  Bologneser  Gelehrten. 

4)  Haec  editio  omnium  fere  errorum,  qui  in  Marcellini  libris  oceurrwnt,  semi- 
narium  diei  potest,  sagt  Henr.  Valesius  (p.  LXXX  "Wagner)  mit  Recht;  wie  er 
denn  überhaupt  die  älteren  Ausgaben  durchaus  richtig  beurtheilt. 

5)  In  den  seltenen  Fällen,  wo  E  von  B  abweicht,  folgt  Gelenius  jenem, 
z.  B.  p.  265,  17. 


über  den  kritischen  Apparat  des  Ammianus. 


369 


16  satiguinem]   VG,    sanffuinum 
RBE 

17  mamts]  inanibiis  VRBEG 
catenis]  VR,  catetim  BEG 
adilixit]  V,  affixit  RBEG 

21  torpeyxte]  G,  torrente  VRBE 

22  concursatione]  BEG,   cwicits- 
safione  VR 

25  2J*a]  G,  gjwe  VRBE 
proximi]  VRG,  proximam  BE 

26  omni&iw]  BEG,  oronihus  VR 

28  cons«7iis]  VG,  con.?j7ü'  RBE 

29  fors]  VG,  /bros  R,  /'oro  BE 
80  tidum]  BEG,  ^ota  VR 

31  aliis]  G,  j)aZits  V,  pahis  R, 
paludem  BE 

arfeor]  VR,  arborosam  BEG 

32  ^e»-  sedelaucum  et  cor  am]  per 
sedelaiico  et  cora  V,  j)er  sedes      p 
leucoriim    G,   delauc.  et  cora 

R,  de  Zoc«  rt  corbitis  BE 
p.  65,      2  gwja  fene&ris]  G,  jui  antemu- 

mibris  V,  ^t  arrfe  in  umbris 

RBE 
3  auan7tartum]  atixilianim  R 
5  nÜebattir]  V,  nifcfeawtwr  .... 

R ,  «jfefcafMT   cunctis  uiribtis 

BEG 

jnfer?i««ia<]  V,  interiieniet  R, 

jn^erueHiref  BEG 

cat}iaj)hractariis]    VRBE,    ca- 

tapfiractis  G 

7  percurso]   EG,    percusso  VR, 
pe)-cuso  B 

aMfos^ifZornm]  G,  auto  .  .  .  sm- 
dorum  V,  auro  sudorum  R, 
ac?  anta  sMCCorw/n  BE 

8  <r«casmos]  VG,   tricasmos   R, 
tricastinos  BE 

11  /'aei7t]  /"flCiZe  B 

j>ro<e?-ens]  VG,  preteriens  RBE 

13  2t<j«]  gwi  BE 
iialebat]  ualebant  BE 
^yraepeditus]  VRG ,  perpeditus 
B,  praepeditos  E 

14  j)erpe*ts«s]  prepessus  R 

15  !<enj7]  V,  uenerit  R,  uewera« 
BEG 

16  fnc«sas]  VR,  ^ricosf«/«  BE, 

MOMMSEN,   SCHR.  Vn. 


iricassas  G 

tnspercrfws]  VG,  tnsperatos  R, 

insperatum  BE 

20  uehentem ]  VG,  uehentetn 

R,  uesunti  BE 

21  SMom]  BEG,  tuam  VR 

24  oZamaHna;»]  aletnannam  G, 
aiamanniam  V,  afoinianjam  R, 
o/einamam  B,  aZeman/itam  E 

25  tSttc]  t«Md  R 

27  mjnefea«]  V,  exdpiebat  RBEG 

28  discttrso]  discursos  BE 

30  auxiZm]  G  und  Rand  von  E, 
auxilio  VRBE 
deinde]  inde  Rand  von  E 

32  quod]  G,  fehlt  VRBE 

33  brotomagum]  BEG,  brotomago 
VR 

1  to6cr»»as]  tarbdlos  BE 
saZtsonem]  G,  salisone  V,  saJiso 
an€  R,  sebusianos  et  BE 
/leindas]  nemetes  BE 

2  carum]  eorttm  V  RBEG 

3  refiis]  VR,  retibus  BEG 

5  manus]  G,  fehlt  VRBE 

6  acj'e]  asiae  R 

7  «r^eren<Mr]  BEG,  surgeretUur 
VR 

coptis]  capitis  B 
aiits]  aiios  R 

8  /eruore]  V,  fauore  R,  /'«rore 
BEG 

residui]  VBEG,  se  »i  dw  R 
10  Tuiec]  VR,  Aac  BEG 
12  qiios]  quod  R 

nee  castellum]  VG,  fehlt  RBE 
14  rigomaguni]    VR,     rigodcium 

BE,  rigodidum  G 
17  firmaret  reip.]  firmare  reip. 

V,  rejp.  firmare  R,  rejp.  ^r-  238 

wäre«  BEG 

19  j>rtMU<iis]  primitus  R 

20  mMH<?anüu;»]   mufidanfium  R 
22  milites  qui]   G,    mulieres  qui 

V,  mulieres  qxie  RBE 
24  iwowirfere*]  preuideret  VRBEG 

27  con^<?e>i<€s]  BEG,  confidenter 
VR 

28  ei]  et  VRBE,  fehlt  G 

24 


370 


Über  den  kritischen  Apparat  des  Ammiaaus. 


prodentibus]  G,  et  prodemon- 
tibus  V,   et  quod  de  montibus 
R,  et  quod  de  multis  BE 
nee]  G,  iie  VR,  ire  BE 

30  cum  autem  .  .  .  .]  VR,  fehlt 
BEG 

31  intuta]  BEG,  intota  VR 

32  die]  VRBE,  dm  G 

p.  67,      2  praesentis]  BBEG,  praesenteY 

4  civitatis  obsidium]  G,  ciritati 
subsidium  VRBE 

at]  et  VRBEG 

5  adsignandutn]  VRG,  signan- 
dum  BE 

suppetias]  RBEG,  suppetia  V 

6  magister  equitum]  G,  equitum 
VR,  quietem  BE 

12  uastitatae]  VRBE,  uastatae  G 
congrud]  BEG,  eongruas  VR 

13  qtwque  diligentia  curatö]  G, 
quoque  diligenti  ac  curato  V 
(so),  diligenti  quoque  accurato 
RBE 

14  laetiore  spe]  G,  laetiwes  per 
VRBE 

^wosi^crorMm]   prosperum    BE 
ad]  VG,  fehlt  RBE 

15  cowswpebaf]  consurgebant  BE 


239 


p.  265, 


6  M*]  BEG,  fehlt  VR 
negotioi'um]  V,  fehlt  RBEG 

7  a^eZ>a«iwr]  VR,  agehantur  per 
provincias  BEG 

iam]  VG,  fehlt  RBE 
consul  VRBE,  consule  G 
collegium]  V,  collegio  RBEG 

12  flagranti]  VG,  flagrantis  RBE 

13  diligentiam]    VRBE,    diligen- 
tiae  G 

dmidews]  diffidens  VRBEG 

15  hierosolyma]  V,  -maw  RBEG 

16  obsidente]  VRG,  obsistente  BE 
posteaque]  VG,  posi  itaque  RBE 

17  ca?pM^nafM}w]  EG,  oppiignatum 
VRB 

22  adswZitbws]  BEG,  adsuinptibus 
VR 

23  inaccessum  hoc  que]  G,  inex- 
cessum  hoc  quo  VRBE 


24  inceptum]  G,  incertum  VRBE 
p.  266,    1  legatos  ad  se]  G,  legatis  adiem 
V,   %a^i  sardinie  R,    legatos 
sardiniae  BE 
aeterno]  VRG,  oena  BE 
cZare]  RBEG,  dare  V 

4  2^'>'OConsulem]  VG,  p}-aeconsulem 
BE  proconsulum  R 
uicariam]  G,  uicari  V,  uicario 
RBE 

5  aradium]    VR,  arabicum  BE, 
arabium  G 

7  ordinatis  VG,  ordinatius  BE, 
ordinatus  R 

8  profluvio  ...   9   comrte    fehlt 
RBE,  comife  fehlt  G 

9  extincto  eumque]  G,  extinctum 
quae  V 

11  j^raecesseraf]    VG,  processerat 
RBE 

12  eo]  VRBE,  fehlt  G 

13  sacerdotum   consortio  quidam 
e  VRBEG 

14  concidit]  BEG,    concedit  VR 

15  memorabant]  remorabant  R 

16  sallustio  set]  VG,  salustius  et 
RBE 

18  monstrabant  VRBEG 

gwofl!  acciderat  VRBEG 
22  jserwadere]  VG,  preu^lere  RBE 

24  externis]  VG,  externi  BE, 
externus  R 

25  remittente]  V,  renitente  RBEG 

26  jwons  VRBEG 
28  eo]  V,  Äoc  RBEG 

limitibus]  VG,  militibus  RBE 
30  aegentium  V,   egentium  R,  e^ 
gentium  BE,  gentium  G 

p.  267,    1  /b?-en]  VR,  /■o?*c»-e  BEG 

4  tendere]  tenderet  VRBEG 

5  primam]  VRG,  properandi  BE 
9  transmissoque]  G  transmissaquc 

VRBE 
12  gMendctj?«]  VG,  gite»?  RBE 

synacoe]  si/nce  R 
16  promiscua  itum]    G,   promis- 

quantum  V,  p'onus  quantum 

RBE 


über  deu  kritischen  Apparat  des  Ammianus. 


371 


exoptans]  G,  exortans  Y,  ex- 
hartam  RE,  exhorans  B 

17  ut  deinde]  \G,  inde  RBE 
ird\  iram  R 

21  reuersimm]    VRBG.     rmer- 
sum  E 

23  sui]  YRBE,  sibi  G 
haud]  mit  R 
contiffit]  contingit  R 

25  mhiirbana,]    VR,     suburbano 
BEG 

26  »«ajös]  VRBE,  martias  G 

27  hierapolim]    VRG.   hieropolim 
BE 

CMm]  VRG,  fehlt  BE 

30  feffulananque]  VG,  tegularum 
RBE 

31  ?a»j]  V,  jam  RBEG 

32  iM-ae«ma]  VBEG,  peiuersa  R 
eura^jMs]  VR,  accttrathts  BEG 

33  occieparet]  VBEG,  oceuparat  R 
p.  268,    1  eux>hrate\  G,  eiifraten  V,  ««- 

/j-afem  R,  eiiphratem  BE 

rt(?  6f<f«a.s]  VRG,  acbatanas  BE 

2  osrfroenfle]  osdrocene  BE 

3  calonnm]  G,  colonum  Vß,  co- 
lonoritm  BE 
SHsdpiendum]  sttspiciendnm  R 

4  co»Js?iefe]  VRG,  consueta  BE 
9  anfjg^tuw]  VBEG,  antiquum 

cum  V*R 
U  Ztwiae]  VG,  7«««  RBE 

riftt]  «Ytt  VRBEG 
15  /ert]  VRG,  /-e^-i«»-  BE 

19  praesagiebat]    BEG,    i>i-a€sa- 
^«&a^  VR 

20  sec»^?/n(/H]  BEG,  seeutum  V. 
secunim  R 

23  /jac]  Äcrcc  V,  /joc  compertuvi 
est  R,  fehlt  BEG 
pa7a/äu]  VG,  fehlt  RBE 

24  «eto-«fl]  aewa  BE 
ni]  ne  VRBEG 

28  disp<menti]disponendiYRBEG 

»proci<rsatorum]    G,    perparo- 
ciirsatorwn  VR,  propero  cur- 
satonim  BE 
tum]  VG,  CMjw  RBE 

31  cogitmierat]  G,  cot/jY«  e7-«f  V, 


cognita  erat  RBE 
p.  269,    1  ex  duce]  VRG,  rfwce  BE 

2  uigilanter]  iiigilianter  BE 
smtaiun]  VG,  serwan  RBE 

3  didicerat]  VG,  rfta-eraf  BEG 

4  posset]  V,  posst«  RBEG 

regft  sociarentur]  GV-,  r^t- 
so€tarentttrY\  regis  optarentt4r 
R,  rc/7i  optarentur  BE 

5  moxoenam]  VRG,  misenam  BE 
cAtZjocoOTo]  VRG,  chaJonitide 
BE 

6  mediae]  inedie  R 

7  a^enfi]  G,  o^e«/e  YRBE 
concurrerent]    concurrent    V,  240 
conctirret  RBE,  accurrerent  G 

10  re  «"darja]  rö/i  t<ana  YRBE, 
rc&w«  i<a?iis  G 

13  torminis]  BEG,  fonwnt  VR 

14  lapiUisque  VG,  /oiw/Z/s  RBE 
osfento]  BEG,  ext^nto  VR 

15  exclamauit]  esclamauü  VR, 
clamauit  BEG 

fcai«/Zon«]  VRBG,  babylonia  E 
procidisse]  G,  praecidisse  Y, 
prendisse  RBE 

16  o»jen]  VG,  omnes  RBE 

17  /josfjas]  VG,  Äosfianj  RBE 

18  funäitur]  VRG.  g«t  diffundittir 
BE 

in]  V*BEG,  fehlt  V^R 

19  curatis  et  guiete]  cur  misit 
quiete  VR,  accurate  refectis 
BEG 

ca/ZiOTJCum]  caZ/intsu»j  VRBEG 

20  e#]  V,  fehlt  RBEG 
opimitate]    RBEG,   opiimitate 
V\  oporttmitate  V* 

21  anf«  fehlt  VRBEG 

22  pmnpae]  pampe  R 

23  almonis]  BEG,  salmonis  V, 
salomonis  R 

afe/«i]  VBEG,  aZ>so??ti  R 
soUemnitate]  V*BEG,  soUicUate 
V>R 

28  saracc«artt»n]  saracinanm  V, 
sarracenortim  RBEG 
^ewjfe««]  VG,  fehlt  RBE 

29  nixi]   VG,   «I«   R,    misi   B, 

24* 


372 


Über  den  kritischen  Apparat  des  Ammianus. 


missi  E 

oblata  ex  auro]  V,  öblato  auro 

R,  oblata  auri  BEG 

30  fuHa]  VG,  futura  RBE 

31  odloquittM-]  VRG,  adloqui  BE 
p.  270,    1  classis\    V^BEG,    classi    V^R 

constantiano]     VBEG,     con- 
stiano  R 

3  artabat]  VBEG,    artabant   R 

4  eonteoäae]  G,  contectae  VRBE 
Zu  schreiben  ist  also  confectae. 

6  230«M  V^BEG,  jpoies  V^R 

7  admoneor]  BEG,  admoneo  VR 
241                  8  circumscripte]    VR,     circum- 
scripta BEG 

10  axicwZos]  exiculos  R 
dwos]  V^BEG,  dwo  V^R 

11  waioris]  VBEG,  maiores  R 

12  pars]  V,  ars  RBEG 
extentius]  VR,  extensius  BEG 

13  multiplici  chorda]  G,  »HMZft- 
jjZicJs  /jorc?a  V^  multiplicis 
chorda  V*,  multiplices  corda  R, 
multipUce  corda  BE 

14  dwae]  dftto  R 

%neae]  VRBEG  (lineam  Ejss.) 

16  iewiowts]  G,  temones  VKBE 
cat«tHime]  cauanine  R 

17  lineam  VRBE,  ligneam  G 
(maligne  Ejss.) 

22  ZetoZe  BEG,  Z[eto]Ze  V,  Za*afe  R 
agnoscat]  VG,  agnoscit  RBE 
24  tZicei]  BEG,  Zicaei  VR 

28  <^issi7iai]  G,  dissiiiant  VRBE 

29  resimw]  testimn  R 


31  wwct]  Htict  R 
p.  271,    1  2iendet]  G,  penden«  VRBE 
stuppea]  BEG,  struppea  V, 
strupea  R 

/erre«  /ttwda]  /errea  /errea  V* 
/"wZ/HewiMm]  VR,  fulcimentum 
BEG 

3  cespiies]  cospites  V^ 

4  latericios]  lateriotios  R 

5  inuenerit]  VG,  intertienerit  R 
BE 

SM&^cr]  G,  SMjier  VRBE 

6  a(Z  RBEG,  a«e  V^.  awfe  V« 

9  paene  supinum]  paene  surinum 
VR,  ^Jaewe  undnum  BE,  2)e«€S 
uncinum  G 

11  /br^i]  sorii  V^ 
perculsum]  perclusum  V*,  ^Jß^- 
clausum  VRBE,  percussum  G 
uolucri]  uolucris  BE 

12  moUitudine]  mollitudinem  R 
incurrerit]  inconcurrerit  V 

13  conlisurum]   BEG,    consorum 
V^  conlisorum  V*R 

ftr  eo  gwod]  VR,  ^worf  ex  eo  G, 
ea;  eo  ^gwod  fehltj  BE 

14  torquetur]  contorquetur  E 
awiewi  zweimal  Eyss,  (Druck- 
fehler) 

quoniam]  VG,  cum  RBE 
acttZc?t»i]  eculeum  R 

17  pOSi]  i30S  V 

calcitrando]  RBEG,  cal[cita]n- 
do  V 


Hienach  scheiden  sich  die  gelenischen  Lesungen  innerhalb  der 
ersten  dreizehn  Bücher  in  Kategorien  durchaus  verschiedenen  Werthes. 
"Wo  Gelenius  die  Lesungen  der  ihm  vorliegenden  Ausgabe  beibehält, 
wie  z.  B.  p.  265,  7  den  Zusatz  per  provincias,  p.  269,  19  den  Vorschlag 
accurate  refecfis,  oder  auch  mit  unwesentlicher  Aenderung,  wie  z.  B. 
p.  66,  14  Bigodulum  statt  des  Bigodolum  der  älteren  Drucke,  kann 
aus  seinem  Text  auf  die  Hersfelder  Handschrift  nicht  geschlossen 
werden  und  ist  die  fragliche  Lesung  unzweifelhaft  Conjectur.  Wenn 
Eyssenhardt  solche  Lesungen  stillschweigend  in  den  Text  setzt,  ohne 
in  den  Anmerkungen  etwas  anderes  beizubringen  als  die  abweichende 
Lesung  des  Vaticanus,  wie  z.  B.  p.  265,  22  adsuUibus  statt  adsmnpü- 


über  den  kritischen  Apparat  des  Ammianas.  '373 

6m5,  oder  wenn  er  gar  dergleichen  in  den  Anmerkungen  ausdrücklich 
auf  Gelenius  zurückführt,  wie  p.  265,  6  das  eingesetzte«^,  p.  265,  17 
eocptignatum  statt  oppugnahim^  so  führt  er  den  Leser  geradezu  irre 
und  ist  seiner  eigenen  Worte  in  der  Yorrede  uneingedenk,  dass 
Gelenius  Autorität  sehr  hoch  zu  stellen  sei,  quia  persaepe,  quae 
primo  aspectu  cmiiectura  orta  videntur,  Hersfeldensis  libri  memoriam 
repraesentare  jwsstint;  denn  diese  Lesungen  können  dies  eben  nicht 
und  in  der  That  schweigt  hier  Gelenius,  während  Erasmus  oder 
Castellus  reden.  —  Umgekehrt  ist  es  ausser  Zweifel,  dass  solche 
Lesungen,  die  Gelenius  von  seiner  Vorlage  abweichend  in  den  Text 
genommen  hat  und  die  mit  dem  Yaticanus  stimmen,  wie  z.  B. 
p.  265,  7  das  eingesetzte  iam,  p.  265,  16  die  Aenderung  von  posf 
itaque  in  posteaqiie,  dem  Hersfelder  Codex  entnommen  sind;  und  ein 
gewissenhafter  Herausgeber  wird  wenigstens  die  wichtigeren  Fälle 
der  Art  anzuzeigen  sich  verpflichtet  fühlen.  Es  bleiben  endlich  die 
zahlreichen  Stellen,  an  welchen  Gelenius  sich  sowohl  von  seiner 
Yorlage  entfernt  wie  vom  Yaticanus;  wie  zum  Beispiel  p.  265,  7 
consule,  13  diligentiae^  23  inaccessum  Jiocque  allein  bei  Gelenius  sich 
finden,  während  die  demselben  vorliegende  Ausgabe  hier  mit  dem  242 
Yaticanus  übereinstimmt.  Diese  Lesungen  können  sowohl  aus  der 
Hersfelder  Handschrift  entnommen  wie  durch  Conjectur  gefunden 
sein.  Natürlich  ist  das  letztere  bei  weitem  der  häufigere  Fall  und 
wird  man  nicht  oft  es  zur  Evidenz  bringen  können,  dass  Gelenius, 
was  er  also  drucken  liess,  auch  wirklich  gelesen  hat.  Aber  es  giebt 
doch  Fälle  der  Art,  wie  zum  Beispiel  die  schon  erwähnte  Ausfüllung 
der  Lücke  p.  248,  1 — 3;  und  die  Sache  liegt  mm  einmal  so,  dass 
der  hauptsächliche  Nutzen,  den  die  gelenische  Ausgabe  uns  gewährt, 
in  dieser  wenn  gleich  bedenkhchen  dritten  Kategorie  enthalten  ist 
und  dieselbe  im  Apparat  vollständig  aufgeführt  imd  deutlich  gekenn- 
zeichnet werden  muss.  Die  Hoffnung  mag  wohl  eitel  sein,*)  dass 
in  unserer  rasch  lebenden  und  noch  rascher  arbeitenden  Zeit  sich 
ein  Philologe  finden  werde ,  welcher  Yalesius  Arbeit  aufnimmt  und 
sich  in  einen  Schriftsteller  vertieft,  wie  Ammian  ist,  obwohl  derselbe 
darauf  ein  besseres  Anrecht  hat  als  viele  mehr  gepriesene  und 
gelesene.  Aber  was  man  jetzt  eine  kritische  Ausgabe  nennt,  wird 
auch  wohl  für  Ammian  gehofft  werden  dürfen;  und  was  von  einer 
solchen  zu  fordern  sei,  hat  vor  einigen  Jahren  Haupt  in  präciser 
Weise  definirt,  Totum  illiid^  sagt  er  in  dem  angeführten  Proömium 
p.  6  [opusc.  2,  374 f.],  praeparandae  emendationis  negotium  qtwd  receti- 

*)  [^gl-  jedoch  die  Anfangsworte  des  folgenden  Aufsatzes.! 


374  Über  den  kritischen  Apparat  des  Ammianus. 

sionem  dicimus  in  Ammiani  opere  continetur  diligenü  Vaficani  libri 
et  exemplaris  Geleniani,  quod  ex  Hersfeldensi  libro  sumptum  est,  com- 
paratione  .  .  .  illa  .  .  comparatio  tantum  dbest,  ut  certam  antiquae 
scripturae  formam  praebeat,  ut  plurimis  inpedita  sit  maximisque  duhi- 
tationibus.  alia  enim^  quae  codex  Fuldensis  auf  non  habet  aut  habet 
peius  scripta,  Gelenium  plane  non  potest  dubitari  sumpsisse  ex  Hers- 
feldensi codice,  alia  ajjertum  est  eum  ßnxisse  coniecturis  usum  partim 
egregiis  (ut  erat  homo  praeclari  ingenii),  jjartim  falsis;  denique  haud 
raro  in  Castelli  commentis  adquievit,  ita  fit  ut  multa  Geleniana  incerta 
sint  neque  fere  tutum  ab  omni  parte  sit  quicquam  praeter  Fuldensis 
libri  litteras.  Die  hier  geforderte  Arbeit  ist,  was  den  Gelenius 
betrifft,  immer  noch  zu  leisten.  Wir  vermissen  immer  noch  einen 
Apparat  des  Ammian,  in  dem  die  Lesungen  der  gelenischen  Ausgabe 
theils  vollständig  angeführt  werden,  theils  bei  jeder  einzelnen  kenntlich 
gemacht  wird,  ob  sie  auf  Sabinus,  Castellus  oder  Erasraus  zurückgeht 
oder  von  diesen  sich  entfernt  und  aus  der  überhaupt  erkannt  werden 
kann,  was  Gelenius,  sei  es  nun  aus  seiner  Handschrift  oder  aus  Yer- 
muthung,  an  dem  ihm  vorliegenden  Texte  geändert  hat. 


XXXIX. 

Weiteres  über  den  Apparat  zum  Ammian.*) 

Rascher,  als  ich  es  hoffen  durfte,  ist  der  in  diesen  Blättern  91 
(6,  233  [oben  S.  365])  ausgesprochene  Wunsch  in  Erfüllung  gegangen, 
dass  auch  die  jüngeren  Handschriften  des  Ammian  einer  gewissen- 
haften Prüfung  unterzogen  und  deren  Verhältniss  zu  den  massgeben- 
den, der  fuldischen  und  der  hersfelder  festgestellt  werden  möchte. 
Gardthausen,  der  seit  längerer  Zeit  mit  Vorstudien  für  eine  Ausgabe 
des  Ammian  beschäftigt  ist,  hat  kürzlich  in  Fleckeisens  Jahrbüchern 
1S71  S.  829  ff.  eine  dankenswerthe  Uebersicht  über  die  geringeren 
Handschriften  gegeben  und  ist  zu  dem  Ergebniss  gekommen,  dass 
zwar  die  vollständigen  sämmtlich  aus  der  fuldischen  abgeschrieben 
sind,  also  nur  etwa  für  das  eine  jetzt  in  dieser  fehlende  Blatt 
in  Betracht  kommen,  dagegen  diejenigen  Handschriften,  die  nur 
B.  14 — 26  umfassen,  auf  eine  zwar  der  vaticanischen  nächst  ver- 
wandte, aber  doch  von  dieser  unabhängige  Handschrift  zurückgehen. 

Jeden,  der  den  Text  dieser  unvollständigen  Recension  einiger- 
massen  kennt  —  und  im  Wesentlichen  ist  er  ja  in  den  älteren 
Ausgaben  bis  hinab  auf  die  frobenisch-erasmische  von  1518  allen 
zugänglich  —  wird  dies  Ergebniss  befremden.  Diese  Recension 
entfernt  sich  zwar  an  unzähligen  Stellen  mehr  oder  weniger  von 
dem  Text  der  fuldischen  Handschrift,  durchaus  aber  in  der  Weise, 
dass  alle  Fehler  der  letzteren  bleiben  und  die  Abweichimgen  lediglich 
weitere  Yerderbungen  oder,  im  besten  Fall,  leicht  durch  Conjectur 
au  findende  Textherstellungen  sind.  Mir  war  nicht  eine  einzige 
Stelle  vorgekommen ,  die  Veranlassung  gäbe  auf  eine  selbstständige  92 
handschriftliche  Quelle  zu  schliessen;  und  ebenso  haben  Valesius 
und  meines  Wissens  alle  Kenner  des  Ammianus  ohne  Ausnahme 
geurtheilt.     Diese  Differenz  der  früheren  Wahrnehmungen  von  den 

*)  [Hermes  7,  1873,  S.  91—101.     Einige  zweifelhafte  .\ngaben   sind   durch 
<^larks  briefliche  Mitteilungen  kontroliert  worden.] 


376  Weiteres  über  den  Apparat  zum  Ammian. 

Aufstellungen  Gardthausens  hat  mich  veranlasst  die  Grundlage  der 
letzteren  nachzuprüfen.  Ich  bin  dabei  zu  dem  Ergebniss  gekommen, 
dass  Gardthausen  geirrt  hat,  und  auch  die  Handschriften  dieser  un- 
vollständigen Recension,  wie  die  der  vollständigen  jüngeren,  lediglich 
aus  der  fuldischen  geflossen  sind.  Vielleicht  kann,  indem  ich  in  aller 
Kürze  hier  meine  Bedenken  ausspreche,  dies  dazu  führen,  dass,  wenn 
sie  begründet  befunden  werden,  dem  Pubhcum,  das  sich  jetzt  mit 
einem  durchaus  unvollständigen  Apparat  zum  Ammian  begnügen 
muss,  der  umgekehrte  Uebelstand  eines  übervollständigen  mit  den 
Schreibfehlern  von  schlechten  Abschriften  noch  erhaltener  Originale 
belasteten  Apparats  bei  der  neuen  höchst  wünschenswerthen  Recen- 
sion erspart  bleibt. 

Die  unvollständige  Recension  kennen  wir  aus  drei  nach  Gardt- 
hausens Annahmen  von  einander  unabhängigen  Quellen:  der  Hand- 
schrift des  Archivs  von  St.  Peter  aus  dem  14.  Jahrhundert  (P),  der 
Handschrift  der  Yaticana  Reginae  n.  1994  (R)  aus  dem  15.  und  der 
ältesten  von  Angelus  Sabinus  in  Rom  1474  besorgten  Ausgabe;  denn 
dass  die  des  Castellus  von  1517  nur  auf  der  letzteren  fusst,  giebt 
Gardthausen  zu.  Dagegen  bestreitet  er  die  von  mir  S.  235  A.  2 
[o.  S.  368  A.  1]  aufgestellte  Yermuthung,  dass  für  die  Ausgabe  des 
Sabinus  die  Handschrift  Reg.  1994  als  Vorlage  gedient  hat.*)  Dass  die 
Handschrift  des  Sabinus  mit  R  allerdings  nahe  verwandt,  aber  nicht 
identisch  gewesen  sei,  ergebe  sich  nicht  nur  aus  der  Verschiedenheit 
der  Lesarten,  sondern  hauptsächlich  aus  einer  grossen  Lücke.  In 
der  Ausgabe  des  Sabinus  fehlen  die  Worte  est  enini  occasio  (26,  7,  10) 
bis  Helenox>olini  venu  (26,  8,  1),  natürlich  durch  Ausfall  eines  Blattes. 
Dieser  Abschnitt  ist  aber  in  PR  vorhanden,  auch  fallen  diese  Worte 
nicht  mit  Anfang  und  Ende  von  Blättern  einer  oder  der  anderen 
Handschrift  zusammen;  demnach  'kann  wohl  kein  Zweifel  sein,  dass 
'die  Ausgabe  des  Sabinus  einen  dritten  Codex  der  unvollständigen 
'Familie  repräsentirt'.  —  Vielmehr  beweist  dies  nur.  dass  Sabinus 
nicht  jene  Handschrift  selbst  in  die  Druckerei  geschickt  hat;  von 
einer  sei  es  zum  Behuf  des  Abdrucks,  sei  es  sonst  genommenen 
Abschrift  konnte  sehr  wohl  ein  Blatt  also  verloren  gehen,  und  da 
93  sonst  die  Lücken  und  Fehler  von  R  in  der  Ausgabe  durchgängig 
wiederkehren,  hat  diese  Annahme  immer  noch  einen  hohen  Gradj 
von  Wahrscheinlichkeit  ^  —  In  gleicher  Weise  dürfte  R  nichts   seil 

*)  [In  seiner  Ausgabe  (1874)  praef.  S.  XVIIII  hat  Gardthausen  seinen  Wider 
Spruch  zurückgezogen.  Auch  den  codex  Petrinus  gibt  er  nach  einer  briefliche^ 
Mitteilung  bei  Schanz,  Gesch.  d.  röm.  Lit.  IV  1  (1904)  S.  98  jetzt  preis.] 

1)  Wenn  dagegen  -wirklich,  wie  es  nach  Gardthausens  Angabe  S.  834  übe 
complectm-  p.  339,  12  (Eyss.)   und  delatas   p.  339,  31   der  Fall   zu    sein   scheint 


Weiteres  über  den  Apparat  zum  Ammian.  377 

als  eine  Abschrift  von  P;  wenigstens  nach  allen  von  Gardthausen 
beigebrachten  Proben  scheint  R,  ausser  in  der  Hinzufügung  neuer 
Lesefehler  und  Auslassungen,  P  gegenüber  nichts  Selbstständiges 
darzubieten.  —  Soll  also  diese  unvollständige  Familie  überhaupt 
Berücksichtigung  finden,  so  wäre  mindestens  zu  erwägen,  ob  nicht 
die  Ausgabe  des  Sabinus,  als  aus  R,  und  R,  als  aus  P  geflossen, 
neben  dieser  letzten  unzweifelhaft  ältesten  und  besten  Handschrift 
dieser  Familie  in  Wegfall  kommen  müssten.  Uebrigens  kommt 
darauf  wenig  an;  nicht  so  sehr  um  den  kritischen  Werth  der  ein- 
zelnen Exemplare  dieser  Familie  handelt  es  sich  als  um  den  der 
Familie  selbst. 

Aeusserlichkeiten  können  diese  kritische  Frage  nicht  entscheiden. 
Dass  der  Petrinus  aus  dem  14.  Jahrhundert  ist,  die  vollständigen 
Handschriften  des  Ammian  alle  erst  aus  dem  15.,  schliesst  selbst- 
verständlich nicht  aus,  dass  jener  so  gut  wie  diese  aus  einer  und 
derselben  Yorlage  unmittelbar  oder  mittelbar  geflossen  sind.  Gardt- 
hausens  Behauptung  (S.  830),  dass  die  bisherige  Annahme  'unhaltbar 
geworden  sei,  seit  sich  ein  italienischer  Codex  gefunden  hat,  der  in 
das  14.  Jahrhundert  hinaufreicht,  also  in  eine  Zeit,  wo  der  Vaticanus 
noch  in  der  KlosterbibHothek  von  Fulda  vergraben  und  vergessen 
war",  zeugt  nicht  von  richtiger  Kenntniss  des  litterarischen  Verkehrs 
im  Mittelalter.  Dass  Abschrift  (oder  Abschrift  einer  Abschrift)  der 
fuldischen  Handschrift  zwischen  dem  zehnten  und  vierzehnten  Jahr- 
hundert über  die  Alpen  gekommen  sein  kann,  wird  von  vornherein 
zugegeben  werden  müssen,  und  das  'Vergrabensein'  in  einer  Kloster- 
bibliothek darf  doch  auch  nicht  allzu  buchstäblich  verstanden  werden. 
Erwiesen  ist  durch  jenen  Fund  eines  in  Italien  im  14.  Jahrhundert 
geschriebenen  Ammian  eben  nur,  dass  der  Ammian  schon  vor  Poggio 
in  Italien  nicht  völlig  unbekannt  war.  Von  dem  Puteanus  der  dritten  94 
livianischen  Dekade  können  wir  Abschriften  vom  11.  bis  zum  15.  Jahr- 
hundert nachweisen,  die  unter  sich  Familien  bilden,  aber,  so  weit  das 
Original  erhalten  ist,  alle  kritisch  gleich  werthlos  sind;  und  ähnliche 
Fälle  begegnen   überall.   —    Dass   der  Petrinus   mit   dem   26.  Buch 

Sibinus  zuweilen  in  Fehlem  mit  P  gegen  R  stimmt,  so  kann  er  allerdings 
letztere  Handschrift  nicht  gebraucht  haben.  Aber  wenigstens  in  die  erste  An- 
gabe scheint  sich  ein  Druckfehler  eingeschlichen  zu  haben,  da  nach  Eyssenhardt 
T  nicht  compJentur  hat,  sondern  complectur.  [,V  hat  wirklich  conpledur;  delatas 
ist  richtig.  P  hat  complectur  und  delatas.  Die  Lesarten  von  P  haben  aber  keine 
Bedeutung,  da  die  Hs.  nur  eine  entfernte  Abschrift  von  T  ist.  Die  Ausgabe 
dt's  Sabinus  ist,  wie  auch  ich  glaube,  von  R  oder  einer  Kopie  von  R  abgednickt 
worden."     Clark.] 


378  Weiteres  über  den  Apparat  zum  Ammian. 

schliesst,  beweist  natürlich  auch  nicht,  dass  die  Vorlage  (oder  die 
Vorlage  der  Vorlage)  nicht  darüber  hinausgegangen  ist.  Wie  Vat. 
1874,  obwohl  unzweifelhaft  Abschrift  des  Fuldensis,  doch  im  25.  Buch 
abbricht,  so  können  nicht  minder  unzählige  Zufälligkeiten  bewirkt 
haben,  dass  aus  einer  Handschrift  der  letzten  18  Bücher  Ammians 
eine  andere  floss,  der  die  letzten  fünf  Bücher  fehlten.  —  Wenn  in 
P  eine  Anzahl  Lücken  sich  finden,  die  51 — 63  Buchstaben  betragen, 
(Gardthausen  S.  835),  und  wenn  daraus  in  der  That  mit  Recht 
geschlossen  wird,  dass  die  Vorlage  von  P  und  der  unvollständigen 
Klasse  überhaupt  in  Zeilen  von  dieser  Länge  geschrieben  war,  so 
schli'esst  diese  Annahme  keineswegs  aus,  dass  diese  Vorlage  eine 
Abschrift  des  fuldischen  Codex  gewesen  ist;  für  unseren  Zweck  ist 
es  also  nicht  nöthig  den  weitgreifenden  und  zum  Theil  bedenklichen 
Combinationen  Gardthausens  über  die  Zeilenlängen  der  Vorlagen 
unserer  Handschriften  im  Einzelnen  nachzugehen.  Jeder  unbefangene 
und  mit  solchen  Fragen  vertraute  Kritiker  wird  urtheilen,  dass  der 
Herleitung  der  unvollständigen  Familie  aus  der  fuldischen  Handschrift 
äussere  Gründe  zwingender  Art  nicht  entgegenstehen  und  dass  alles 
ankommt  auf  das  Verhältniss  der  Lesungen  zu  einander.  Ist  die 
unvollständige  Familie  in  nichts  selbstständig  als  in  Fehlern  und 
Lücken  und  geht  sie  überall,  wo  die  beiden  Haupthandschriften,  die 
von  Hersfeld  und  Fulda,  sich  gegenüberstehen,  mit  der  letzteren,  so 
ist  sie,  ebenso  wie  die  vollständigen  Vulgathandschriften,  nur  in 
früherer  Zeit  und  in  anderer  Weise,  aus  der  fuldischen  geflossen  und 
also  kritisch  werthlos.  Die  Beweisführung  Gardthausens  hat  die 
inneren  Argumente,  die  doch  allein  entscheiden  können,  bis  jetzt 
durchaus  in  die  zweite  Reihe  gestellt.  Eine  abermalige  Discussion 
derselben,  bevor  die  Ausgabe  selbst  begonnen  wird,  scheint  mir 
wünschenswerth,  und  um  diese  herbeizuführen,  lege  ich  hier  meine 
Zweifel  dar. 

Es  liegt  auf  der  Hand  und  wird  auch  von  Gardthausen  selbst 
mehrfach  unumwunden  anerkannt,  dass  die  Vorlage  der  italienischen 
unvollständigen  Handschriften,  die  Familie  P  mit  dem  Vaticanus 
nächst  verwandt  ist.  Beide  brechen  in  der  griechischen  Obelisken- 
95  inschrift  mit  denselben  Buchstaben  NONCO  ab  (S.  836);  überhaupt 
theilt  P  mit  V  'zahlreiche'  —  ich  möchte  dafür  setzen  sämmtliche 
—  Lücken  und  nicht  minder  zwei  von  Gardthausen  S.  837  näher 
bezeichnete  Wiederholungen  derselben  Worte  an  falscher  Stelle. 
Wenn  es  unnütz  ist,  bei  dieser  unbestrittenen  Thatsache  nächster 
Anverwandtschaft  von  V  und  P  länger  zu  verweilen,  so  fragt  man 
um  so  mehr  nach  den  Gründen,   die   für  die  Selbstständigkeit  der 


Weiteres  über  den  Apparat  zum  Ammian.  379 

letzteren  Familie  geltend  gemacht  werden.  Wird  diese  mit  Recht 
angenommen,  so  hat  Gardthausen  allerdings  guten  Grund  die  durch- 
gängige Uebereinstimmung  im  Falschen  dieser  Klasse  mit  dem 
Fuldensis  als  eine  wunderbare  Erscheinung  zu  bezeichnen  (S.  S37); 
ist  die  Vorlage  derselben  aus  dem  Fuldensis  abgeschrieben,  so  erklärt 
sich  dies  Wunder  auf  sehr  natürliche  Weise, 

•Natürlich  genügt  es  nicht",  sagt  Gardthausen  S.  833  sehr  richtig, 
'um  die  Selbstständigkeit  der  italienischen  unvollständigen  Klasse  zu 
beweisen,  sich  auf  einige  verschiedene  Namensformen  zu  berufen', 
deren  er  dann  eine  Anzahl  anführt.  Ich  verweile  dabei  nicht,  da 
Gardthausen  selbst  darauf  keinen  Werth  legt;  sonst  wäre  es  ein 
Leichtes  zu  zeigen,  dass  die  Abweichung  der  Familie  P  von  R  in 
sämmtlichen  angeführten  Fällen  zweifellose  und  nahe  liegende  Yer- 
derbniss  der  entweder  richtigen  oder  doch  der  richtigen  sich  mehr 
nähernden  Lesung  des  Fuldensis  ist.  Gardthausen  fährt  dann  fort: 
'ich  greife  daher  ein  beliebiges  Stück  (25,  8,  15 — 9  fin.)  heraus,  um 
die  Lesarten  der  vollständigeren  mit  der  unvollständigeren  Klasse  zu 
vergleichen',  und  schliesst,  nachdem  diese  Lesungen  aufgeführt  sind, 
'dass  daraus  hervorgehe,  dass  die  Ueberliefeining  der  unvollständigen 
Klasse  schlechter  sei,  als  die  des  Vaticanus'.  Aber  darum  handelt 
es  sich  gar  nicht:  nicht  dass  die  Lesungen  dieser  Klasse  schlechter 
sind  als  die  von  Y,  sollte  bewiesen  werden  —  sie  galten  ja  längst 
nicht  bloss  als  schlechter,  sondern  als  absolut  schlecht  — ,  sondern 
dass  sie  selbstständig  seien;  und  davon  zeigt  die  von  Gardthausen 
beigebrachte  Probe  vielmehr  das  gerade  Gegentheil.  Sämmtliche 
hier  von  P  und  Consorten  beigebrachten  Abweichungen  sind  die 
gemeinen  Schreibfehler  oder  Schreiberinterpolationen,  von  denen  die 
geringen  Handschriften  des  14.  und  15.  Jahrhunderts  wimmeln:  so 
p.  338,  12  inumhatque  V  (statt  invitahatqtie),  munibatque  P,  niunie- 
hatque  R  Sab.;  p.  339,  14  contempna  (statt  contempta)  reliqua  V,  con- 
dempnare  liquet  P,  contemnari  liquet  R  und  so  weiter.  Nicht  eine  96 
ehizige  Stelle  findet  sich,  wo  man  auch  nur  einen  Augenblick  sich 
fragen  könnte,  ob  die  Lesung  von  P  nicht  den  Vorzug  vor  der  von 
V  verdiene;  es  ist  alles  ganz  und  völlig  werthlos,  eben  wie  ich  diese 
Recension  sonst  überall  schlechthin  werthlos  gefunden  habe,  wo  ich 
in  dem  Abdruck  des  Sabinus  sie  prüfte.  Ich  habe  nur  Stücke  ver- 
glichen und  diese  mögen  täuschen;  aber  der  Beweis,  dass  selbst- 
ständige ächte  Ueberlieferung  in  dieser  Familie  bewahrt  ist,  bleibt 
nooh  zu  führen.  Noch  ist  nicht  eine  Stelle  nachgewiesen  worden, 
dei*  die  Ueberlieferung  dieser  Handschriftenklasse  ii-gend  aufhilft; 
er^t  wenn  dies  in  überzeugender  Weise  geschehen  sein  wird,  erscheint 


380  Weiteres  über  den  Apparat  zum  Amniian. 

es  gerechtfertigt  mit  den  zahllosen  Varianten  derselben  den  kritischen 
Apparat  zu  behaften. 

"Wenn  um  das  Verhältniss  von  P  zu  Y  festzustellen  es  in  erster 
Reihe  darauf  ankommt,  die  jener  Familie  eigenen  Lesungen  nach 
ihrem  inneren  Werth  zu  würdigen,  so  bleibt  daneben  noch  ein  anderer 
Weg  den  kritischen  Werth  derselben  zu  ermessen.  Notorisch  stehen 
sich  bei  dem  Ammian  die  beiden  Haupthandschriften,  die  Fuldaer 
und  die  von  Gelenius  benutzte  Hersfelder  so  gegenüber,  dass  die 
letztere  häufig  allein  das  Richtige  bewahrt  hat.  Wenn  der  Klasse 
P  neben  V  überhaupt  ein  selbstständiger  Werth  zukommt,  so  muss 
sich  dieser  nothwendig  darin  zeigen,  dass,  wo  V  in  fehlerhafter 
Weise  von  G  abweicht,  P  wenigstens  zuweilen  gegen  Y  mit  G  stimmt. 
—  Allerdings  ist  dieser  Weg  der  Yergleichung  meistentheils  versperrt; 
denn  in  den  letzten  5  Büchern,  die  aus  dem  Hersfelder  Codex  ab- 
gedruckt vorliegen,  fehlt  P,  in  den  ersten  13  aber,  die  Gelenius  nach 
einer  aus  P  geflossenen  Ausgabe  gedruckt  und  aus  dem  Hersfelder 
Codex  nur  durchcorrigirt  hat,  kann  die  mit  P  stimmende  Lesung  des 
Gelenius  aus  jener  Ausgabe  herrühren  und  bleibt  es  also  ungewiss, 
wo  und  wie  P  mit  der  Hersfelder  Handschrift  gegen  Y  gestimmt 
haben  mag.  Somit  sind  wir  hier  beschränkt  auf  jene  schon  oben 
(S.  376)  erwähnte  Stelle  im  26.  Buch,  welche  in  P  sich  findet,  aber 
in  der  dem  Gelenius  vorliegenden  Ausgabe  fehlte  und  von  diesem 
aus  dem  Hersfelder  Codex  eingesetzt  worden  ist.  Hier  allein  können 
wir  YP,  wenn  nicht  mit  der  Hersfelder  Handschrift,  doch  mit  dem 
von  Gelenius  danach  hergestellten  Druck  vergleichen;  und  es  ist 
dankenswerth ,  dass  Gardthausen  S.  838  den  Apparat  zu  diesem 
Abschnitt  vollständig  mittheilt ^.  Aber  die  Annahme,  dass  der 
Familie  P  ein  selbstständiger  Werth  zukomme,  wird  durch  diese 
Mittheilung  nicht  unterstützt.  Der  gelenische  Text  giebt  in  diesem 
kurzen  Abschnitt,  wie  wir  später  noch  sehen  werden,  gegenüber  dem 
fuldischen  eine  Lückenausfüllung  und  gegen  dreissig  Textbesserungen, 
von  denen  wenigstens  einige  nicht  füglich  als  Conjecturalemendationen 
des  Herausgebers  betrachtet  werden  können.  Halten  wir  damit  die 
unvollständige  Familie  zusammen,  so  findet  sich  nicht  bloss  keine 
Stelle,  wo  YG  gegenüber  die  Lesung  derselben  irgend  in  Betracht 
käme,  sondern  es  geht  dieselbe,  und  insbesondere  ihr  ältester  und 
bester  Repräsentant  P,  durchgängig  auch  im  Fehlerhaften  mit  T 
gegen  G.     Nur  die  Besserungen  p.  359,  9  efftgiatos  GP  gegen  eff)- 

1)  Wir  lassen  denselben  zur  Vergleichung  unten  folgen.  [Anmerkung  der 
Redaktion  des  Hermes.  —  Dieser  auf  S.  100  f.  des  Hermesbandes  mitgeteilte 
Apparat  ist  hier  nicht  wieder  abgedruckt  worden.] 


Weiteres  über  den  Apparat  des  Ammiau,  3S1 

ciatos  V  —  p.  359,  2S  desertorumque  GPR  gegen  desertorum  V  — 
p.  360,  1  congregarat  GPR  gegen  congregerat  V  sind  G  mit  P  ge- 
meinsam; wozu  man  vielleicht  noch  zu  stellen  hat  p.  359,  23  ni 
V^GPR  gegen  re  V\  falls  in  der  That,  wie  Gardthausen  (S.  833) 
aufstellt,  die  dritte  Hand  in  V  aus  der  unvollständigen  Familie 
geschöpft  hat.  Ein  paar  andere  kleine  Besserungen:  p.  359,  10 
aliaque  GP  gegen  adiaqiie  VP  —  p.  359,  12  poeyiarum  GR  gegen 
poenar  VP  —  p.  360,  16  molliil  V^GR  gegen  moUiciti  V^P  —  treten 
in  dem  jüngeren  Codex  E,  hinzu.  Aber  wenn  man  dies  alles  zu- 
sammenfasst,  wird  man  darin  nichts  erkennen  können  als  naheliegende, 
zum  Theil  fast  unvermeidliche  Besserungen,  wie  sie  von  jedem  Ab- 
schreiber eines  also  verwahrlosten  Textes  vorgenommen  werden 
mussten.  Die  Annahme  also,  dass  die  Yorlage  von  PR  eine  andere 
gewesen  sei  als  V  oder  eine  Abschrift  von  V,  erscheint  auch  mit 
diesem  Thatbestand  als  unvereinbar. 


Was  weiter  das  Yerhältniss  der  hersfelder  und  der  fuldaer 
Handschriften  zu  einander  betrifft,  so  können  nur  entweder  beide 
aus  einem  gemeinschaftUchen  Original  herrühren  oder  die  noch  vor- 
handene Fuldaer  aus  der  verlorenen  Hersfelder  abgeschrieben  sein. 
Die  erstere  Ansicht,  die  hergebrachte  und  auch  von  Eyssenhardt 
festgehaltene  wird  von  Gardthausen  ebenfalls  gebilHgt;  aber  nach 
Idem  von  diesem  selbst  zuerst  zusammengestellten  Beweismaterial 
idüifte  die  zweite  schon  früher  von  Haupt  und  mir  vermuthungsweise 
auegesprochene  Annahme  entschieden  den  Vorzug  verdienen.  Yon 
Igrcsser  Bedeutung  für  die  Handhabung  der  Kritik  ist  die  Differenz 
inicht;  denn  auch  wer  der  letzteren  Ansicht  folgt,  kann  nicht  in  98 
Abi-ede  stellen,  dass  die  verlorene  Hersfelder  Handschrift  weit 
zuverlässiger  vertreten  wird  durch  die  Fuldische  Abschrift  als  durch 
den  gelenischen  Abdruck,  also  jene  immer  die  wesentliche  Grundlage 
;ler  Kritik  bleiben  wird.  Doch  mag  es  nicht  überflüssig  sein,  den 
Staad  dieser  Controverse  nach  dem  jetzt  vorliegenden  Material 
ibermals  zu  erwägen. 

Die  Behauptung,  dass  die  fuldaer  Handschrift  nicht  aus  der 
lersfelder  abgeleitet  sei,  stützt  Gardthausen  theils  auf  die  von  ihm 
).  838  mitgetheilten  Lesungen  zu  26,  7,  10 — 8,  1  (vgl.  unten),  theils 
uf  einige  Stellen,  wo  die  vaticanische  Handschrift  mehr  biete,  als 
xelmius  in  der  seinigen  gefunden  habe.  Für  die  erstere  Behauptimg 
enaisse  ich  den  Beweis.  Die  Durchsicht  der  a.  a.  O.  mitgetheilten 
'^aranten  ergiebt  nämlich,  dass  an  einer  einzigen  Stelle  Y  gegenüber 
r  dies  Richtige  bietet  —  es  ist  dies  359,  5  quaedam  Y,  quodam  G, 


382  Weiteres  über  den  Apparat  des  Ammian. 

WO  Gelenius,  nach  seiner  Interpunction  zu  schliessen,  durch  Miss- 
verständniss  des  Textes  zu  einer  falschen  Conjectur  geführt  worden 
zu  sein  scheint.  An  einer  anderen  —  es  ist  dies  359,  6  vel  occidi 
Ucentia  V,  veloci  licentia  G  —  liegt  eine  deutliche  Falschbesserung 
des  Gelenius  vor.    An  einer  dritten  —  359,  5  praeire  V,  praecedere  Gt 

—  sind  beide  Lesungen  gleich  gut.  An  allen  anderen  Stellen  da- 
gegen —  es  sind  dies,  von  ganz  geringfügigen  Varianten  abgesehen, 
^egen  dreissig  —  giebt  G  gegen  Y  das  Richtige.  Freilich  sind  die 
meisten  dieser  Berichtigungen  von  der  Art,  dass  sie  auch  durch  nahe 
liegende  Vermuthung  gefunden  werden  konnten  und  also  nicht  mit 
Sicherheit  auf  die  hersfelder  Handschrift  sich  zurückführen  lassen; 
aber  eine  Reihe  derselben  —  so  359,  4  congruum  quod  G,  congru- 
amque  V  —  359,  1 1  militum  redor  extinxit  G,  mil  regio  rex  ünxit  V 

—  360,  1  fere  sex  G,  ureui  V  —  360,  11  labefadans  cuncta  G, 
aliefadas  cimdas  V  —  360,  22  rumitalca  G,  rumit  V  —  sind  so 
schlagend  und  den  Spuren  der  in  Y  getrübten  Ueberlieferung  so  eng 
angeschmiegt,  dass  sie  mit  hoher  Wahrscheinlichkeit  als  Lesungen 
der  Hersfelder  Handschrift  betrachtet  werden  dürfen;  und  von  der 
Ausfüllung  der  (in  Y  nicht  angezeigten)  Lücke  360,  1 1  ut  rapiat  .  .  . 
avitae  wird  dies  noch  weniger  bestritten  werden  können.  Mit  ab- 
soluter Gewissheit  bewiesen  wird  hierdurch  freilich  nicht,  dass  die 
hersfelder  Handschrift  die  Mutter  der  fuldischen  ist,  und  schwerlich 
wird   sich  bei   der  jetzigen  Sachlage  ein  solcher  Beweis  überhaupt 

^9  führen  lassen;    aber  wohl  bestätigt  es  sich  abermals,  dass  die  hers- 
felder sehr  viel  besser  war    als  die  fuldische,    und  gewiss  können 
diese  Lesungen  weit  eher  geltend  gemacht  werden  zu  Gunsten  der 
'     Annahme,   dass  Y  aus  der  Yorlage  des  Gelenius  abgeleitet  ist,   als, 
wie  Gardthausen  dies  thut,  zu  deren  Widerlegung. 

Dasselbe  gilt  von  den  angeblichen  Lücken  der  hersfelder  Hand- 
schrift, welche  durch  die  fuldische  ihre  Ausfüllung  finden.  Dass 
wenigstens  an  neun  Stellen  die  gelenische  Ausgabe  Lücken  des 
Yaticanus  ausfüllt,  giebt  Gardthausen  zu;  aber  die  beiden  Stellen, 
die  er  für  den  umgekehrten  Fall  anführt,  29,6,11  und  30,8,5  sind 
nicht  beweisend.  Es  ist  nicht  genau,  dass  an  der  zweiten  die  Worte 
qui  hella  diutiirna  per  se  superavii  et  gravia  solus  in  V  stehen,  in  G 
aber  fehlen.  Yielmehr  steht  in  Y:  non  ideo  contemptus  ius  hella 
diuturna  parum  superavit  .  .  et  gra  ....  Ius  ad  resistendum  aptiis*) 
und  indem  Gelenius  schrieb  non  ideo  contemptus  ut  ad  resistendum 
aptus,   hat   er  offenbar,   seiner  Gewohnheit  gemäss,    das  unheilbar 

*)  [,V  hat  vielmehr  optus""  Clark,] 


Weiteres  über  den  Apparat  des  Ammian.  3S3 

Yerdorbene  in  der  Weise  beseitigt,  dass  was  übrig  blieb  sich  ver- 
stehen lässt.  Aehnlich  verhält  es  sieh  auch  mit  der  ersten  dieser 
beiden  Stellen.  Was  Gardthausen  angiebt:  ^retersit  obriitas  rndeoihis 
fossas  morumque  maximam  V,  fehlt  G',  ist  ebensowenig  genau  richtig. 
In  Y  steht  recrisit  ohrutas  rtiäerihus  fossas  morumque  maximam  partem 
pacis  diuturnitate  contemptam  et  suhversas  und  daraus  hat  Gelenius 
gemacht  arces  ob  pacis  diuturnitatem  contemptas  et  suhversas,  was 
eben  auch  ein  —  freilich  sehr  verfehlter  —  Verbesserungsversuch 
ist.  Um  so  weniger  kann  darauf  irgend  Gewicht  gelegt  werden, 
dass  die  an  beiden  Stellen  in  unsern  Texten  stehenden  höchst  un- 
zuverlässigen Worte  ungefähr  gleich  viel  Buchstaben  zählen.  Alles, 
was  bisher  über  die  Vorlage  des  Fuldensis  ermittelt  worden  ist.  kann 
meines  Erachtens  gerade  ebenso  gut  auf  die  hersfelder  Handschrift 
selbst  wie  auf  eine  dritte  bezogen  werden. 

Ich  bin  weit  davon  entfernt  die  Frage  damit  für  erledigt  erklären 
zu  wollen;  dazu  würde  es  einer  vollständigen  Vergleichung  der  gele- 
nischen  und  der  fuldischen  Lesungen  bedürfen,  welche  anzustellen 
ich  nicht  in  der  Lage  bin.  Wohl  aber  möchte  ich  dem  künftigen 
Herausgeber  bemerklich  machen,  dass  die  bis  jetzt  von  ihm  vor- 
gebrachten Argumente  die  Unabhängigkeit  der  fuldaer  Handschrift 
von  der  hersfelder  keineswegs  beweisen  und  dass,  bevor  auf  diese 
Annahme  die  neue  Recension  aufgebaut  wird,  es  noch  einer  weiteren  100 
und  nicht  bloss  auf  die  Aeusserlichkeiten  eingehenden  Untersuchung 
der  Frage  bedarf. 

Schliesslich  mag  noch  erwähnt  werden,  dass  das  angebliche 
Ammianbruchstück  aus  dem  9.  Jahrhundert,*  das  der  französische 
Catalog  der  Bibliothek  von  St.  Omer  aufführt  und  dessen  auch 
Gardthausen  gedenkt,  nach  der  mir  auch  sonst  von  competenter 
Seite  bestätigten  Angabe  Bethmanns  in  Pertzs  Archiv  (8,  80)  nichts 
ist  als  die  constantinopolitanische  Chronik  des  Marcellinus. 


XL. 
Über  die  Ammianhandschrift  des  AccursiuS.*) 

Je  weniger  es  bestritten  werden  kann,  dass  die  in  der  vor- 
stehenden Mittheilung  des  Herrn  Gardthausen**)  ans  Licht  gezogene 
Thatsache  für  die  Ammiankritik  von  Wichtigkeit  ist,  desto  eher 
wird  es  gestattet  sein  einige  Bemerkungen  daran  zu  knüpfen,  die 
für  die  Beurtheilung  des  Gefundenen  und  damit  für  die  Weiterführung 
der  Arbeit  von  Belang  zu  sein  scheinen.  Ein  fertiges  Werk  zu 
kritisiren  ist  in  der  Regel  ein  undankbares  Geschäft;  von  dieser 
Aeusserung  über  ein  noch  nicht  fertiges  hoffe  ich,  dass  sie,  in  dem- 
selben Sinne  aufgenommen  wie  vorgebracht,  dazu  beitragen  wird 
einem  der  grössten  und  ohne  Zweifel  dem  von  der  Kritik  am  meisten 
misshandelten  Historiker  des  römischen  Alterthums  zu  einer  seiner 
würdigen  Bearbeitung  zu  verhelfen. 

Die  bisherige  Annahme,  dass  die  beiden  ungefähr  gleichzeitigen 
Herausgeber  des  Ammian,  Gelenius  und  Accursius,  von  einander 
unabhängig  arbeitend,  jener  die  Hersfelder,  dieser  die  Fuldaer  Hand- 
schrift des  Ammian  ihrem  Abdruck  zu  Grunde  gelegt  haben,  ist  der 
Darlegung  Gardthausens  gegenüber  nicht  mehr  aufrecht  zu  halten; 
man  würde  sich  dem  Augenschein  verschliessen ,  wenn  man  nicht 
einräumte,  dass  schon  das  zufällige  Uebereinstimmen  beider,  wie  es 
Yalesius  für  28,  1,4  voraussetzt,  Bedenken  zu  erregen  geeignet  war, 
aber  die  jetzt  nachgewiesenen  zahlreichen  Fälle,  in  denen  Gelenius 
und  Accursius,  von  dem  Fuldaer  Codex  abweichend,  unter  sich  über- 
einstimmen, unmöglich  auf  zufälliges  Zusammentreffen  zurückgeführt 
werden  können. 

Man  wird  ferner  Gardthausen  einräumen  müssen,  dass  die  von 
ihm    aufgestellte    Erklärung    die   nächstliegende   und   äusserlich   die 

*)  [Hermes?  (1873)  S.  171-175.] 
**)  [Die  Ammianhandschrift  des  Accursius,  Hermes  a.  a.  0.  S.  168—170. 


über  die  Ammianliandschriffc  des  Accursius.  385 

wahrscheinlichste  ist.  Direct  ist  es  nicht  bezeugt,  dass  Accursius 
die  Fuldische  Handschrift  benutzt  hat;  bei  der  ungemeinen  Genauig- 
keit der  Abschreiber  des  zehnten  Jahrhunderts  kann  er  allerdings 
auch  eine  jetzt  verlorene  Zwillingshand schrift  der  Fuldischen  vor 
sich  gehabt  haben  ^  und  können  also  die  Fälle,  wo  er  und  Gelenius 
gegen  die  Fuldische  stimmen,  auf  die  üebereinstimmung  seiner  und 
der  gelenischen  Handschrift  zurückgehen. 

Aber  wenn  diese  Annahme  das  Richtige  trifft,  so  ist  auch 
Gardthausens  Folgerung  unabweislich ,  dass,  wo  die  relativ 
selbständige  Hersfelder  und  die  supponirte  Zwillingshandschrift  der 
Fuldaer  gegen  diese  übereinstimmen,  die  Lesung  der  Fuldaer  von 
der  gemeinschaftlichen  Grundlage  sich  weiter  entfernen  muss  als 
die  gelenisch- accursische  und  die  letztere  allein  für  die  Kritik  in 
Betracht  kommt.  Wenn  die  gelenisch- accursischen  Lesungen  diesem 
Erforderniss  nicht  genügen,  so  ist  Gardthausens  Yermuthung  trotz 
ihrer  äusserlichen  Wahrscheinlichkeit  nichts  desto  weniger  unhaltbar. 
—  Auch  hier  also  handelt  es  sich  darum,  nicht  bloss  die  Lesungen 
neben  einander  zu  stellen,  sondern  sie  zu  erwägen.  Da  meine 
Absicht  wiederum  nur  ist  eine  Frage  aufzuwerfen,  nicht  sie  zu  be- 
antworten, so  beschränke  ich  diese  Erwägung  auf  die  von  Gardt- 
hausen  vorher  angeführten  Beispiele;  was  übrigens  auch  schon  da- 
durch geboten  sein  würde,  dass  bei  der  Mangelhaftigkeit  der  Eyssen-  173 
hardtschen  Collation   des  Yaticanus  die  üebereinstimmung  von  GA 


1)  Haupt  macht  mich  darauf  aufmerksam,  dass  Valentin  Rose  in  dem 
2.  Bande  der  anecdota  Graeca  et  Graeco-Latina  (1870)  S.  164  eine  weitere  auf 
die  Ammianhandschrift  der  Ladenburger  Bibliothek  des  Bischofs  von  Worms 
Joh.  Dalberg  (f  1503)  bezügliche  Notiz  beigebracht  hat.  Sebastian  Münster  in 
der  lateinischen  Bearbeitung  seiner  Kosmographie  (zuerst  Basel  1550)  S.  619 
sagt  vom  Kloster  Lorsch:  'Non  est  locus  in  Germania,  tibi  vetustior  quam  in  hoc 
monasterio  bibliotheca  fuerit.  Vidi  ihi  exemplar  unum  quod  manu  Virgilii  scriptum 
atulus  praemoyiebat.     Inventus  est  ibi  quoqtie  uUimus  liber  Ammiani  MarceUini, 

grut  et  iam  publicatus  est,  scrijattts  maiusculis  tantum  Jitteris Johannes  Dai- 

hurffius  episcapus  Wormacensis  vir  doctissimtis  transtulit  inde  ad  hiNiothecam 
Ladenhurgensem  meliores  quosque  Codices'.  Wie  fabelhaft  auch  dieser  Bericht  des 
wenig  zuverlässigen  Gewährsmanns  lautet,  so  verdient  er  dennoch  deshalb  Be- 
achtung, weil  durch  Reuchlins  Zeugniss  feststeht,  dass  die  Dalbergsche  Biblio- 
thek einen  Ammian  enthielt.  Die  alten  Kataloge  der  Lorscher  Bibliothek  aus 
dem  zehnten  Jahrhundert  (A.  Wilmanns  rhein.  Mus.  23,  385  fg.  [vgl.  6.  Becker, 
Catalogi  bibliothecarum  antiqui,  Bonn  1885,  S.  82ff.])  fuhren  allerdings  keine 
Ammianhandschrift  auf;  und  andererseits  ist  es  gewiss  genug,  dass  in  der 
Pfälzer  Bibliothek,  in  welche  die  Ladenburger  übergegangen  ist,  sich  weder 
jetzt  ein  Ammian  vorfindet  noch  zu  Gruters  Zeit  vorfand. 

MOMMSEN,   SCHR.  VU.  25 


386  Über  die  Ammianhandschrift  des  Accursius. 

gegen  V  aus  dem  zur  Zeit  gedruckt  vorliegenden  Apparat  sich  nicht- 
erschöpfend feststellen  lässt. 

Es  classificiren  sich   die  von  Gardthausen  mitgetheilten  Stellen, 
wo  GrA  gegen  Y  steht,  folgendermassen : 

1)  gegen  V  giebt  GA  das  Kichtige  oder  wenigstens  dem   Sinne 
Angemessenere: 


Y 

GA 

27,    1,    4  per  offessum 

per  OS  fixum 

2,    6  sueta*) 

insueta 

3,    4  infixerat 

finxerat 

5,    9  iurandi 

iuris  iurandi 

7,    4  dilatum 

dilatum  aliquamdiu 

10,  14  ruinaruni 

turmarum 

28,    1,    4  linae 

Nileum''*) 

Y 

GA 

2)  Y  und  GA  sind  geich  möglich : 

27,    4,    8  accipimus 

accepimus 

4,    9  timehantur 

memorantur 

5,    2  ducens 

pendens 

6,  16  auctoritaüs 

maiestatis 

9,    9  praeclari 

clari 

12,    ^  ad  Valentem 

a  Valente 

28,    1,    6  dodrinarum 

disciplinarum 

1,    9            ob 

propter 

Dazu  kommen  ferner  die  Wortumstellungen,  wohin  zwölf  der  an- 
geführten Fälle  gehören.  Bemerkenswerth  ist  indess  bei  diesen, 
dass,^wo  der  einfachen  Wortfolge  die  mehr  versetzte  gegenübersteht, 
jene  in  GA,  diese  in  Y  auftritt;  so  27,  3,  10:  pauperum  damna 
deflentium  crebra  Y,  pauperum  deflentium  crebra  damna  GA — 27,  12, 
5:  uxorem  cum  filio  tuebatur  Ärsacis  Y,  uxorem  cum  filio  Arsacis 
tuebatur  GA. 

3)  gegenüber  der  richtigen  Lesung  von  Y  geben  GA  die  falsche : 
Y  GA 

27,    5,    4  we  igitur  ne 

6,  15  licuisset  licuisset  et 

8,  10  multos  alios         multos 


*)  [V  hat  et  sueta.] 
**)  [Clark:  Nikum  EG,  Nehum  A.] 


über  die  Ammianhandschrift  des  Accursius.  387 

4)  gegenüber  der  richtigen  oder  doch  der  richtigen  sich  nähernden  174 
Lesung  von  V  giebt  GA  eine  Interpolation: 

Y  statt  GA 

27.  2,    1  sedehis  setius  huiusmodi 

3,  8  vitiorum  vicinorum  servifiorum 

4,  1 1  cum  adorissima  cum  durissima        cum  audacissima 

5,  9  equestrem  equestrem  militiam  eqiiestretn  militiam 

curabant  et  agerent^ 

pedestrem 

6,  10  animo  animo  laeto 
10,    6  terente               tepente  recente 

10,  11  ohlita  ohlica  =  obliqua     dbrupta 

28,  1,    4  fehlt  Müetum  reUgaitts  est 

Nach  diesem  Thatbestand,  der  in  allem  Wesentlichen  feststeht, 
wenn  auch  über  die  Classificirung  einer  oder  der  anderen  unter- 
geordneten Lesung  gestritten  werden  kann,  gehört  dieser  Fall  zu  den 
nicht  seltenen,  wo  das  zunächst  Wahrscheinliche  doch  nicht  das 
Wahre  ist;  denn  die  äussere  Probabilität  gilt  nichts  vor  der  inneren 
Evidenz.  Die  zuletzt  aufgeführten  verfehlten  Conjecturen  und  Inter- 
polationen, acht  an  der  Zahl,  als  solche  nachzuweisen  wird  nicht 
nöthig  sein;  sie  werden  keinen  Anwalt  finden  und  tragen  jede  für  sich 
und  um  so  mehr  in  ihrer  Gesammtheit  an  ihrer  Stirn  den  Stempel 
von  Falschbesserungen  nicht  der  Abschreiber  des  zehnten  Jahr- 
hunderts, sondern  der  Philologen  des  sechzehnten.  Eben  dahin  führen 
diejenigen  Stellen,  wo  bei  GA  ein  unzweifelhaft  echtes  Textwort 
ausgefallen  oder  durch  falsche  Gemination  ein  et  eingeschoben  oder 
die  verzwicktere,  dass  heisst  die  echt  ammianische  Wortstellung  in 
die  gewöhnliche  umgesetzt  ist.  Dergleichen  konnte  den  ersten  Her- 
ausgebern des  Ammian  leicht  begegnen,  während  es  mit  der  Gardt- 
hausenschen  Hypothese  überall  unvereinbar  ist,  dass  Y  gegen  GA 
das  Richtige  bewahrt  hat.  Selbst  aus  den  den  Sinn  unbeschädigt 
lassenden  Wortversetzungen  und  Wortvertauschungen  in  GA  geht 
dasselbe  hervor;  dergleichen  Abweichungen  vom  Original  sind  bei 
den  mechanisch  copirenden  Schreibern  des  zehnten  und  elften  Jahr-  175 
hunderts  selten  und  eng  begrenzt,  aber  den  Gelehrten  des  fünfzehnten 
und  sechzehnten  bei  ihrem  freien  und  nicht  selten  willkürlichen  Zu- 


1)  In  dieser  Lesung  ist  nicht  bloss  der  Conjtmctiv  und  das  militiam  agere 
anstössig  (pedestrem  müüiam  curare  steht  18,  5,  b),  sondern  vor  allem,  dass  Victor 
und  Arinthaeus  beide  zu  magistri  equitum  gemacht  werden,  während  kurz  vorher 
ausdrücklich  jener  als  mag.  eq.,  dieser  als  )nag.  ped.  bezeichnet  ist. 

25* 


388  Über  die  Ammianhandschriffc  des  Accursius. 

rechtrücken  der  Ueberlieferung  sieht  es  gleich  ein  längeres  Komma, 
wie  27,  11,  2,  ohne  wesentliche  Beschädigung  umzustellen  oder  ducens 
und  pendens,  auctoritas  und  maiestas,  doctrina  und  disciplina  für  ein- 
ander zu  setzen.  Hieran  wird  auch  dadurch  nichts  geändert,  dass 
in  einzelnen  Fällen  die  Ausgaben  GA  gegen  die  Handschrift  V  das 
Richtige  geben.  Unter  den  bisher  hervorgehobenen  Fällen  dieser 
Art  ist  keiner,  der  nicht  allenfalls  auf  Conjectur  zurückgeführt 
werden  könnte;  aber  wenn  auch  einzelne  derselben  —  und  von 
Lesungen  wie  27,  1,4  per  os  fixum  und  27,  10,  14  turmarum  möchte 
dies  in  der  That  gelten  —  auf  bessere  handschriftliche  Ueberliefe- 
rung zurückweisen  sollten,  so  würde  dies  doch  das  Gesammtergebniss 
nicht  ändern. 

Wenn  nehmlich  der  von  Gardthausen  aufgestellte  Erklärungs- 
versuch der  von  ihm  zwischen  Gelenius  und  Accursius  beobachteten 
Uebereinstimmung  sich  als  unhaltbar  gezeigt  hat,  so  bleibt,  da  an 
ein  Spiel  des  Zufalls  nicht  gedacht  werden  kann,  nur  noch  eine 
mögliche  Erklärung:  es  müssen  zwischen  beiden  Herausgebern  irgend 
welche  Beziehungen  der  Art  bestanden  haben,  dass  der  Text  des 
einen  von  dem  des  andern  wenigstens  theilweise  abhängt.  Auf  welche 
Schwierigkeiten  diese  Hypothese  trifft,  weiss  ich  wohl;  aber  un- 
möglich erscheint  es  nicht,  dass  beispielsweise  neben  der  Fuldischen 
Handschrift  eine  unfertige  gelenische  Abschrift  des  Hersfelder  Codex 
in  Accursius  Hände  gekommen  ist  und  in  Folge  dessen  einige  der 
vorzüglichen  Lesungen  der  letzteren  Handschrift  und  nicht  wenige 
der  gelenischen  Yerderbnisse  auch  bei  Accursius  auftreten.  Alles 
hängt  hier  davon  ab,  in  welchem  Umfang  die  von  Gardthausen  be- 
obachtete Uebereinstimmung  beider  Ausgaben  statthat,  insbesondere 
ob  sie  sich  auf  den  ganzen  Ammian,  so  weit  beide  Ausgaben  ihn 
enthalten,  oder  nur  auf  einen  Teil  desselben  erstreckt.  Es  muss 
demjenigen,  dem  das  Verdienst  der  "Wahrnehmung  zukommt,  über- 
lassen bleiben  sich  weiter  das  grössere  einer  wissenschaftlich  be- 
friedigenden Lösung  des  Problems  zu  erwerben.*) 


*)  [Gardthausen  hat  in  seiner  Ausgabe  praef.  S.  XXI  f.  auf  Grund  der 
obigen  Darlegungen  Mommsens,  deren  Richtigkeit  er  anerkennt,  eine  Lösung 
versucht,  die  er  selbst  nicht  als  endgiltig  betrachtet.] 


XLI. 
Zur  Kritik  Ammians.*) 

Auch  nachdem  die  Auffindung  der  Ueberreste  des  Hersfelder  244 
Ammian  und  Nissens^  Auseinandersetzung  über  dessen  Stellung  zu 
den  übrigen  Handschriften  und  den  Ausgaben  die  hinsichtlich  des 
kritischen  Fundaments  bestehenden  Fragen  erledigt  hat,  wird  es 
immer  noch  erwünscht  sein  für  Dissens  Urtheil  (p.  29)  über  die 
grösseren  Zusätze  des  Gelenius:  si  unus  vel  plures  versus  in  Vaticano 
praetermissi  a  Gelenio  additi  sunt,  codici  dehentur,  eine  inschriftliche 
Bestätigung  zu  erhalten. 

Ammian  27,  3,  3  berichtet  von  der  Verwaltung  Roms  durch 
Symmachus,  den  Yater  des  Redners:  quo  instante  urhs  sacratissima 
otio  copiisque  solifo  ahundantius  fruehatur  [et  amhitioso  ponte  extdtaf 
atque  firmissimo,  quem]  condidif  ipse  et  magna  civium  laetitia  dedicavit. 
Sowohl  die  Erklärer  Ammians  z.  d.  St.  wie  die  Topographen  ^  haben 
diesen  Bericht  auf  den  pcms  Gratiani  bezogen,  den  heutigen  Ponte 
S.  Bartolomeo,  der  die  Tiberinsel  mit  dem  Janiculum  verbindet. 
Dass  dieser,  nach  der  noch  erhaltenen  und  den  Namen  feststellenden 
Inschrift,  erst  im  J.  370^  vollendet  worden  ist,  auch  seinen  Ifamen 
nicht  vor  der  Ernennung  Gratians  zum  Augustus  im  J.  367  hat  er-  • 
halten  können,  während  Symmachus  die  Stadtpräfectur  vom  Früh- 
jahr 364  bis  spätestens  Anfang  366  verwaltet  hat*,  brachte  man  in 

*)  [Hermes  15, 1880,  S.  244-246.  —  S.  Mommsen  im  C  I.  L.  VI  (4,  2)  S.  3096.] 

1)  Ammiani  Marcellini  fragmenta  Marbtirgensia.    Berlin  1876. 

2)  U.  A.  Becker  S.  699. 

3)  C.  I.  L.  VI  1175,  wo  Z.  7  TRIB  •  POT  •  UI  zu  lesen  ist  [s.  jetzt  C.  I.  L. 
VI,  31250].  Die  Daten  sind  nicht  congruent,  lassen  aber  nur  die  Wahl  zwischen 
369  und  370  (vgl.  Staatsrecht  2,  762). 

4)  Nach  den  Adressen  der  kaiserlichen  Rescripte  hat  Symmachus  das  Amt 
angetreten  zwischen  8.  und  22.  Apr.  364.  Die  letzte  an  ihn  erlassene  Verordnung 
:st  vom  20.  Dec.  365;   nicht  lange   darauf  muss  er    zurückgetreten   sein.     [Das 


390  Zur  Kritik  Ammians, 

Uebereinstimmung  durch   die  Annahme,   dass   die  Brücke  erst  nach 

245  Symmachus  Rücktritt  benannt  und  eingeweiht  worden  sei.  —  Nun 
ist  aber  vor  kurzem  in  Rom  unter  Ponte  San  Sisto  die  folgende  In- 
schrift zum  Vorschein  gekommen^:  imp.  Caesari  d(omino)  n(ostro) 
Fl(avio)  Volenti  max(imo)  ]p(io)  f(elici)  vidori  ac  triumfafori  seniper 
Äug(usto)  s(enatus)  p(opulus)  q(ne)  R(omanus)  ob  providentiam,  quae 
Uli  semper  cum  inclyto  fratre  communis  est,  instituti  ex  utüitate  urbis 
aeternae  Valentiniani  pontis  atq(ue)  perfecti:  dedicandi  operis  Jionore 
delato  iudicio  princip(um)  maximor(um)  L.  Äur(eUo)  Avianio  Sym~ 
macho  v(iro)  c(larissimo)  ex  praefectis  urbi.  Ohne  Zweifel  entsprach 
diesem  Stein  ein  zweiter  zu  Ehren  Yalentiniäns,  des  Herrschers  im 
"Westen  und  desjenigen,  von  dem  die  Brücke  den  Namen  trägt.  Ge- 
setzt sind  die  Inschriften  entweder  im  J.  366  oder  in  der  ersten 
Hälfte  des  J.  367,  nach  Symmachus  Rücktritt  von  der  Präfectur 
und  vor  Gratians  Ausrufung  zum  Augustus  im  Sommer  des  J.  367. 
Ammians  Worte  erhalten  nun  zum  ersten  Mal  ihr  volles  Licht:  Sym- 
machus hat  den  Bau  während  seiner  Amtführung  wenigstens  zum 
grössten  Teil  ausgeführt  und  bald  nach  seinem  Rücktritt  ihn  in  be- 
sonderem Auftrag  des  Kaisers  eingeweiht.  Die  Echtheit  der  oben 
in  Klammern  eingeschlossenen  nur  durch  Gelenius  aufbehaltenen 
Worte  Ammians  wird  durch  diese  inschriftliche  Bestätigung  über 
jeden  Zweifel  erhoben. 

Auch  für  die  so  verwickelte  Geschichte  der  römischen  Brücken 
ist  hiedurch  ein  neues  und  wichtiges  Datum  gewonnen.  Dass  Ponte 
Sisto  in  alter  Zeit  pons  Aurelius  geheissen  hat,  ist  bisher  ziemlich 
allgemein  angenommen  worden  und  kann  ja  auch  mit  der  neu  ge- 
fundenen Inschrift  bestehen,  wenn  man  die  Anlage  als  blossen  Um- 
bau  einer  älteren  Brücke  betrachtet;    doch  sind  die  Argumente  für 

246  die  recipirte  Identification  nicht  zwingend  2.    Einen  pons  Valentiniani 

älteste  an  ihn  gerichtete  kaiserl.  Reskript  ist  nach  Seeck  Symm.  p.  XLII  91  das 
vom  24.  Mai  364  datierte  Cod.  Theod.  VIII  5,  19  + XV  1,  11.] 

1)  Fiorelli  notizie  degli  scavi  1878  p.  344;  Lanciani  bull,  archeologico 
comunale  1878  p.  245.    [C.  I.  L.  VI,  31402.     Dessaiu  inöcr.  sei.  769.] 

2)  Wenn,  wie  es  den  Anschein  hat,  das  mittelalterliche  Verzeichniss  der 
römischen  Brücken  sie  der  Hauptsache  nach  in  ihrer  Folge  von  Ponte  Molle 
flussabwärts  aufführt,  so  muss  der  pons  Antonini  den  Ponte  Sisto  bezeichnen, 
der  alsdann  in  diesem  Verzeichniss  noch  einmal  am  Schluss  als  pons  Valentiniani 
aufgeführt  wäre,  möglicher  Weise  auf  Grund. unserer  zur  Zeit  der  Anfertigung 
jenes  Verzeichnisses  vielleicht  noch  am  ursprünglichen  Platz  sichtbaren  Inschrift. 
Dass  der  pons  felicis  Gratiani  auf  Grund  der  noch  vorhandenen  Inschrift  in  dies 
Verzeichniss  eingetragen  worden  ist,  ist  sehr  wahrscheinlich.  Aber  mag  mit 
der   Bezeichnung  pons  Antonini  auch  von    dem    Urheber   dieser  Beschreibung 


Zur  Kritik  Ämmians.  391 

erwähnen  die  antiken  Quellen  nicht,  wohl  aber  das  Yerzeiehniss  der 
Stadtbrücken,  welches  die  mittelalterliche  grapkia  urbis  und  die 
mirahilia  geben  ^.  Becker ^  und  Preller  ^  haben  diese  Bezeichnung 
für  den  späteren  Namen  desselben  Ponte  Sisto  erklärt,  während 
Jordan*  darin  die  Brücke  am  Aventin  sieht;  und  die  erstere  An- 
nahme hat,  obwohl  sie  auf  ein  ganz  nichtiges  Ai'gument  gestützt  ist^, 
dennoch  zufällig  das  Richtige  getroffen.  Wichtiger  aber  als  diese 
Einzelheiten  ist  die  Feststellung  der  überraschenden  Thatsache,  dass 
in  der  Hauptstadt  des  AYestens  zwischen  366  und  380  gewiss  zwei, 
wahrscheinlich  drei®  grosse  Brücken  erbaut  worden  sind;  es  ist  das 
ein  Zug  aus  dem  Regiment  Yalentinians  I,  der  den  grossartigen 
Uferbefestigungen  und  der  Reform  des  verfallenen  Municipalwesens 
sich  angemessen  an  die  Seite  stellt.  —  Indess  die  weiteren  topo- 
graphischen Consequenzen  aus  der  neuen  Entdeckung  zu  ziehen  wird 
Jordan  nicht  unterlassen*):  mir  kam  es  nur  darauf  an  den  Zusammen- 
hang derselben  mit  der  Kritik  Ammians  darzulegen. 


Ponte  Sisto  gemeint  sein,  so  folgt  daraus  noch  keineswegs,  dass  dieser  Name 
antik  ist  und  noch  weniger,  dass  er  dem  pons  AureUus  der  älteren  Liste 
entspricht. 

1)  Alle  Nachweisungen  findet  man  bei  Jordan  Topogr.  1,  192.  Pons  Vcden- 
tiniani  heisst  er  in  der  (fraphia,  Pons  Valentinianus  in  den  Mirabilien;  die 
Analogie  des  inschriftlich  festgestellten  pons  Gratiani  spricht  für  die  erstere 
Form. 

2)  Topographie  S.  701.  3)  Regionen  S.  245. 

4)  Topographie  2, 196. 

5)  Die  noch  vorhandene  Inschrift  C.  I.  L.  VI  1176,  auf  die  sich  Becker  beruft, 
befindet  sich  keineswegs  an  Pont«  S.  Sisto,  sondern  an  Ponte  S.  Bartolomeo. 

6)  Wenn  Symmachus  der  Sohn  als  Stadtpräfect  (rel.  25.  26;  ep.  5,  76;  Tgl. 
laud.  Grat.  8),  also  in  den  J.  384  —  386  die  Ahnahme  des  pons  nocus  und  die 
daran  sich  knüpfende  Rechnungslegung  erörtert,  so  wird  auch  dies  jetzt  auf 
den  pons  Gratiani  bezogen.  Allerdings  sind  diese  Verhandlungen  bereits  unter 
Symmachus  beiden  Amtsvorgängem  geführt  worden;  aber  die  Wendung  rel.  26: 
(operis)  stabilitatem,  sictiti  assa-tum  est,  hietJis  tertia  non  resdvit  führt  doch  darauf, 
dass  der  fragliche  Bau  erst  um  380  oder  noch  später  beendigt  worden  ist,  was 
für  die  Brücke,  die  Gratians_  Namen  trägtj  wenig  passt.  Vielleicht  ist  hier 
vielmehr  der  pons  Theodosii  gemeint,  wofern  derselbe  von  dem  379  zur  Regierung 
gelangenden  ersten  Theodosius  seinen  Namen  trägt. 

*)  [Er  hat  sie  m.  W.  nicht  gezogen.] 


XLU. 

Zu  Ammian.*) 

165  In  der  Schilderung  des  herabgekommenen  Rom,  welche  Ammian 

seinem  14.  Buch  eingereiht  hat,  ist  c.  6,  20  überliefert:  et  licet  quo- 
cumque  oculos  flexeris  feminas  adfatim  multas  spectare  cirratas,  quibus 
si  nupsissent  per  aetatem  ter  iam  nixius  poterat  suppetere  liherorum, 
ad  usque  taedium  pavimenta  tergentes  iactari  volvetur  cyris  (volucriter 
gyris  Gronov^,  dum  exprimunt  innuniera  simulacra  quae  finxere  fabulae 
theatrdles.  Die  alten  Herausgeber  besserten  nixus,  Valesius  nidtis 
unter  Tilgung  von  ter;  dass  die  letztere  Vermuthung  keine  äussere 
Wahrscheinlichkeit  hat,  ist  ebenso  einleuchtend  wie  Valesius  Einwand 
gegen  die  erstere:  ridiculum  est  Romae  fuisse  virgines  grandes  ad 
tria  milia,  quae  si  nupsissent  per  aetatem  iam  trinos  liheros  singulae 
domi  habere  potuissent.  An  das  ius  trium  liberorum  erinnerte  Gronov, 
hielt  aber  an  der  Lesung  nixus  fest.  Es  muss  heissen:  quibus,  si 
nupsissent,  per  aetatem  ter  iam  nixis  ius  poterat  suppetere  liberorum. 


*)  [Hermes  17,  1882,  S.  165.] 


XLm. 

Ammians  Geographica.*) 

Wenn  der  geschichtliche  Theil  der  auf  uns  gekommenen  Bücher  602 
Ammians  wenigstens  insofern  mit  denen  des  Thukydides  zusammen- 
gestellt werden  darf,  als  Benutzung  wenn  nicht  geschriebener  Quellen, 
80  doch  eigentlicher  Litteratur  bei  beiden  ausgeschlossen  ist,  so 
bieten  dagegen  die,  mit  der  Absicht  das  encyclopädische  Wissen  der 
Gebildeten  der  theodosischen  Zeit  darzustellen,  von  Ammian  ein- 
gelegten Excurse  für  eine  solche  Untersuchung  hinreichenden  Anhalt. 
Insonderheit  gilt  dies  von  den  geographischen  Erörterungen,  mit 
welchen  Ammian,  vielleicht  nach  dem  Muster  Sallusts,  seine  geschicht- 
lichen Darstellungen  einzuleiten  pflegt.  Zwar  liegt  auch  ihnen  zum 
Theil  die  eigene  Anschauung  des  im  Osten  und  Westen  des  römischen 
Reichs  vielgereisten  Verfassers  zu  Grunde ;  aber  das  Meiste  ist  doch 
aus  Büchern  entnommen.  Mit  Recht  hat  daher  der  neueste  Heraus- 
geber Gardthausen  diesen  Abschnitten  eine  eigene  Untersuchung^ 
gewidmet;  sie  ist  mit  Sorgfalt  gemacht  und  für  die  Kritik  des 
Schriftstellers  wie  für  die  sachlichen  Fragen  nicht  ohne  Nutzen 
gewesen,  aber  keineswegs  abschliessender  Art ;  ich  hoffe  nichts  Ueber- 
flüssiges  zu  thun,  wenn  ich  die  Frage  noch  einmal  aufnehme,  welches 
die  hier  benutzten  Bücher  gewesen  sind. 

Allerdings  kann  das  Ergebniss  auf  keinen  Fall  mehr  in  Anspruch 
nehmen  als  annähernde  Sicherheit.  Ammian  ist  keiner  von  jenen 
Schriftstellern,  die  lange  Strecken  hindurch  ein  einziges  Buch  com- 
piliren;  er  hat  viel  gesehen  wie  gelesen  und  diese  visa  vel  lecta 
(22,  8, 1)  mannichfach  gemischt  und  in  einander  geschoben.    Mit  der 

603 


*)  [Hermes  16,  1881,  S.  602—636.1 

1)  V.  Gardthaiisen  die  geographischen  Quellen  Ammians  (1873)  im  6.  Sup- 
plementband der  Fleckeisenschen  Jahrbücher  S.  509—556. 

2)  15,  d,2:  et  diligentia  Graeciis  et  litigua. 


394  Ammians  Geographica. 

sprach  er  sicherlich  aus,  was  er  auch  für  sich  im  Gegensatz  gegen 
seine  römischen  Zeitgenossen  beanspruchte  und  in  gewissem  Sinne 
wohl  beanspruchen  durfte.  Weiter  als  zur  individuellen  Bestimmung 
seiner  wichtigeren  Hilfsbücher  wird  nicht  zu  kommen  sein;  und  gar 
manche  Nachricht  Ammians  lässt  sich  auf  kein  einzelnes  derselben 
mit  Sicherheit  zurückführen. 

Eigenthümlich  erschwerend  greift  in  die  sachliche  Quellen- 
untersuchung Ammians  sprachliche  Phrasenstoppelung  ein.  Die  dar- 
über namentlich  von  M.  Hertz  geführten  oder  angeregten  dankens- 
werthen  Untersuchungen  haben  im  Einzelnen  nachgewiesen,  in 
welchem  Umfang  dieser  Schriftsteller  seine  Wendungen  den  klassi- 
schen Prosaikern,  unter  andern  dem  Cicero^,  Sallust^,  Livius'', 
Tacitus*  entnommen  hat.  Diese  stilistischen  Yorarbeiten  haben  mit 
der  Zusammenstellung  des  Materials  ah  sich  nichts  gemein;  die  Worte 
und  Phrasen  werden  ohne  Rücksicht  auf  ihre  ursprüngliche  sachliche 
Beziehung  verwendet  °.  Aber  gelegentlich  sind  natürlich  die  Lese- 
früchte doch  auch  sachlich  genutzt  worden.  Wenn  in  der  Schilderung 
Galliens  bei  der  beiläufigen  Erwähnung  der  Saguntiner  15,  10,  10 
diese  memorabües  aerumnis  ac  fide  heissen,  so  ist  dies  blos  eine  dem 
Sallust  (fr.  bist.  2,  21  Dietsch  [H  64  Maur.J)  Saguntini  fide  atque  aerum- 
nis incluü  abgeborgte  Wendung.  Aber  auch  die  Worte,  mit  denen 
die  Beschreibung  Galliens  15,  12,  5  abgeschlossen  wird:  omnes  Gallias, 
{ut)  Sallustio  docetur  auctore,  posf  decennalis  belli  mutuas  clades  sub- 
{egit  Caesar)  societatique  nostrae  foederihus  iunxit  aeternis^  hat 
604  Ammian  sicher  selbst  dem  Sallust  [I  11  M.]  entnommen.  Man  wird 
darum  diesen  noch  nicht  gerade  unter  diejenigen  Schriftsteller  ein- 
zureihen haben,  die  Ammian  für  seine  geographischen  Darstellungen 


1)  Hugo  Michael  de  Ammiani  Marcellini  süicliis  Ciceronianis.    Breslau  1874. 

2)  Hertz  de  Ammiani  Marcellini  studiis  Salliistianis.    Breslau  1874. 

3)  Michael  a.  a.  0.  S.  4. 

4)  Wölfflin  und  Gerber  Philol.  29  (1870)  S.  558. 

5)  So  wird  31,  2,  11  für  die  Schilderung  der  Hunnen  gebraucht,  was  Livius 
29,  3,  13  von  den  Africanern  sagt.    Aehnliches  begegnet  oft. 

6)  Dies  Supplement  der  älteren  Herausgeber  wird  sich  dem,  was  Ammian 
schrieb ,  mehr  nähern  als  was  Gardthausen  vorschlägt  und  in  etwas  geänderter 
Fassung  auch  Hertz  (stud.  Sali.  p.  7)  billigt,  clades  Sul{picio  Marcello  cos.  Caesar) 
soeietati  nostrae.  Es  ist  philologisch  unstatthaft  die  an  sich  nicht  anstössige 
Copula  zu  tilgen;  ferner  ist  es  gegen  Ammians  Gewohnheit  Thatsachen  dieser 
Art  mit  einer  bestimmten  Jahrangabe  zu  versehen ;  endlich  wird  ihm  damit  ohne 
Noth  ein  historischer  Fehler  aufgebürdet.  Sallust  sagt  ganz  richtig,  dass  im 
J.  703  res  Bomana  plurimum  imperio  valuit;  aber  keineswegs  fallen  in  dies  Jahr 
die  ünterwerfuugsverträge  der  gallischen  Völkerschaften. 


Ämmians  Geographica.  395 

sachlich  zu  Grunde  legte;  aber  YÖllig  trennen  lässt  sich  die  sach- 
liche Benutzung  von  der  stilistischen  nicht,  und  dem  eigentlichen 
Quellenmaterial  Ammians  tritt  durch  Einlagen  dieser  Art  ein  schwer 
zu  berechnendes  Element  hinzu  ^. 

Den  schematischen  Charakter  der  chorographischen  Abschnitte 
Ammians  hat  Gardthausen  richtig  erkannt.  Die  Diöcesen  des  römi- 
schen Reiches  Aegypten  (22,  15.  16),  Oriens  (14,  8),  Thrakien 
(27,4,  1 — 14)  und  die  beiden  gallischen  (15,9 — 12)  werden  in  der 
"Weise  abgehandelt,  dass  die  Beschaffenheit  der  Landschaft,  Gebirge, 
Flüsse,  Fruchtbarkeit,  dann  die  Yerwaltungsbezirke  nach  älterer  und 
besonders  nach  diocletianischer  Ordnung,  die  namhaften  Städte  nebst 
ihren  Memorabilien,  endlich  der  Eintritt  einer  jeden  in  das  römische 
Reich  dargelegt  werden.  In  den  verlorenen  Büchern  waren  die 
—  darum  bei  der  Diöcese  Oriens  fehlende  —  Provinz  Mesopotamien 
(14.  7,  21)  und  die  Diöcese  Britannien  (27,  S,  4)  geschildert,  ohne 
Zweifel  in  ähnlicher  Weise.  ^N'ach  derselben  Schablone,  so  weit  dies 
möglich  ist,  wird  auch  das  persische  Reich  oder,  genauer  gesprochen, 
der  nicht  römische  Osten  dargestellt  (23,  6),  einigermafsen  auch 
Skythien  (31,2,12 — 20).  Ungleichartig  ist  nur  die  Schilderung  der 
Küste  des  thrakischen  und  des  schwarzen  Meeres  (22, 8) 2;  indess 
ergänzt  sie  jene  Auseinandersetzungen,  insofern  sie  theils  die  pon- 
tische  Diöcese,  theils  Sarmatien  umfasst.  Das  vollständige  "Werk 
Ammians  mag  wohl,  abgesehen  von  Italien,  das  in  der  Geschichte 
des  römischen  Reichs  nicht  in  der  Form  der  Einlage  vorgeführt 
werden  durfte,  nach  der  Absicht  des  nicht  mit  grosser  Kunst,  aber 
mit  grosser  Ueberlegung  arbeitenden  Verfassers  eine  vollständige 
Beschreibung  der  damaligen  Oekumene  enthalten  haben;  die  noch 
fehlenden  fünf  Diöcesen  (Spanien,  die  beiden  illyrischen,  Asia  und  605 
Africa),  so  wie  das  freie  Africa  und  das  freie  Germanien  werden 
auch  an  geeigneter  Stelle  ihre  Erörterungen  gefunden  haben.  Für 
jene  Absicht  des  Verfassers  spricht  namentlich  die  Aufnahme  auch 
der  ferneren  asiatischen  Gebiete,  wie  Skythiens,  des  serischen  Landes 


1)  Dass  die  sonstigen  sachlichen  Beziehungen  zwischen  Sallnst  und  Ammian 
im  Ganzen  wahrscheinlich  indirecte  sind,  hat  Gardthausen  S.  549  f.  richtig 
erkannt.  Auch  die  Notiz  22,  8,  46  über  den  geringen  Salzgehalt  des  "Wassers 
im  schwarzen  Meer,  die  Hertz  stud.  Sali.  p.  8  auf  Sallust  zorückföhrt,  wird 
bei  dessen  Ausschreibem  nicht  gefehlt  haben. 

2)  Die  Beschreibung  der  Stadt  Amida  (18,  9)  lässt  wohl  analoge  Gesichts- 
punkte erkennen,  aber  gehört  nicht  hierher;  noch  weniger  die  Schilderungen 
der  Saracenen  (14,  4,  1 — 7)  und  die  mit  der  Darstellung  Skythiens  verbundene 
der  Hunnen  (81,  2,  1—11)  und  der  Alanen  (31,  2,  21—25). 


396  Ammians  Geographica. 

und   der  beiden  Sarmatien  des  Ptolemaeos,   die  für  die  historische 
Orientirung  in  keiner  Weise  in  Betracht  kamen. 

Gardthausen  geht  von  der  Annahme  aus,  dass  dem  Ammian 
eine  nach  jenen  Gesichtspunkten  gearbeitete  Erdbeschreibung  vor- 
gelegen und  er  diese  ins  Kurze  gezogen  und  überarbeitet  habe.  Ich 
meine  im  Gegenteil,  dass  Ammian  selbst  jenes  Schema  für  seine 
geographischen  Abschnitte  aufgestellt  und  aus  mehreren  nach  ver- 
schiedenen Kichtungen  hin  chorographisch  angelegten  Hülfsbüchern 
dieselben  zusammengestellt  hat.  Dass  diese  Gesichtspunkte  seine 
eigenen  sind,  tritt  schon  darin  hervor,  dass  jener  Gliederung  für  das 
römische  Reich  diejenige  Diöceseneintheilung  zu  Grunde  liegt,  welche 
zu  Ammians  Zeit  bestand,  neben  die  dann  der  persische  Staat  und 
die  sonstigen  nicht  römischen  Gebiete  sich  stellen. 

1.  Rufius  Festus. 
Am  bestimmtesten  lässt  sich  der  Quellennachweis  führen  für 
die  geschichtlichen  Nachrichten  über  den  Eintritt  der  einzelnen 
Landschaften  in  das  römische  Reich:  dieselben  sind  grösstentheils 
dem  Breviarium  des  Rufius  ^  Festus  entlehnt.  Diese  von  einem  lite- 
rarisch wie  politisch  angesehenen  Mann^  etwa  zwanzig  Jahre,  bevor 
606  Ammian  selber  schrieb,  verfasste  und  dem  Kaiser  Valens  gewidmete 
kleine  Schrift  hat  Ammian  unmöglich  unbekannt  bleiben  können; 
und  in  ihrer  ersten  Hälfte  ^  giebt  sie  eben  das,  was  Ammian  brauchte, 


1)  Dass  er  so  hiess,  nicht  Rufas,  lehrt  die  athenische  Inschrift  C  I.  Gr.  372 
=  C.  I.  A.  III  635.  Die  römische  (C.  I.  L.  VI  537  [Dessau  inscr.  sei.  2944])  E. 
Festus  und  die  Subscription  des  Breviars  Euß  Festi  sind  hienach  aufzulösen. 
Wenn  in  der  alten  Wiener  Handschrift  die  Dedication  überschrieben  ist  pio 
perpetuo  domino  Valentiniano  imp.  et  semper  Äugtisto  Eufus  Festus  v.  c. ,  so 
dürfte  dieselbe  in  der  andern  Familie  wohl  mit  Recht  fehlen  und  Schreiber- 
zusatz sein,  da  sie  nicht  bloss  Valentinian  statt  Valens  nennt,  sondern  auch 
den  Namen  des  Verfassers  nach  falscher  Auflösung  giebt. 

2)  Vir  clarissimus  nennt  er  sich  selbst  und  ist  ohne  Zweifel  identisch  mit 
dem  gleichnamigen  Proconsul  von  Achaia  und  Africa  (im  J.  366),  dem  Verfasser 
des  Weihgedichts  an  die  Nortia  C.  I.  L.  VI  537  [C.  L.  E.  II  1530  Bücheler].  Der 
Uebersetzer  des  Aratus  Rufius  Festus  Avienus  ist  vielleicht  derselbe,  wahrschein- 
licher sein  Vater  (vgl.  meine  Anmerkung  a.  a.  0.).  Ammian  kann  ihn  sehr  wohl 
persönlich  gekannt  haben.  [Die  Identification  ist  strittig:  vgl.  u.a.  H.Peter, 
Die  geschichtl.  Lit.  über  d.  röm.  Kaiserzeit  II,  1897,  S.  133,  2.] 

3)  Der  zweite  mit  dem  ersten  nur  lose  zusammenhängende  Theil  (c.  15—30) 
zählt  die  orientalischen  Expeditionen  der  Römer  in  chronologischer  Folge  auf, 
mit  Rücksicht  auf  den  damals  bevorstehenden  persischen  Krieg.  Dass  Ammian 
diese  zweite  Hälfte  nicht  benutzt  hat,  durfte  Gardthausen  nicht  unter  den 
Gründen  gegen  die  Benutzung  der  ersten  aufführen. 


Ammians  Geographica.  397 

einen  kurzen  Abriss  der  Geschichte  des  römischen  Reiches,  geordnet 
nach  der  Erweiterung  desselben  durch  das  successive  Zutreten  der 
Provinzen.  An  diesen  schliesst  sich  Ammian  in  den  historischen 
Notizen  über  Kilikien  und  Isaurien  (14,  8,  4),  Syrien  und  Palaestina 
(14,  8,  10.  12),  Kypros  (14,  8. 15),  Aegypten  nebst  Kyrene  (22,  16,  24) 
und  Thrakien  (27,4,4.10 — 12)^  nicht  blos  sachlich,  sondern  auch 
wörtlich  auf  das  engste  an,  so  dass  man  schon  in  dieser  Hinsicht 
nicht  geneigt  sein  wird  die  Uebereinstimmung  mit  Gardthausen  auf 
ein  Ausschreiben  derselben  Quelle  zurückzuführen^.  Die  ganz  gering- 
fügigen Zusätze,  die  bei  Ammian  begegnen,  sind  entweder  nach- 
weislich anderswoher  entnommen,  wie  die  Angabe,  dass  der  Hebros 
durch  das  Land  der  Odrysen  fliesse,  eine  der  bei  Ammian  so  häufigen 
Selbstwiederholungen  aus  18,  6,  5  ist,  und  der  Name  des  letzten 
Königs  von  Kypros  wahrscheinlich  aus  Valerius  Maximus  (9,  4  ext.  1)  607 
hinzugesetzt  ist,  oder  sie  sind  blos  ausschmückender  Art.  Dahin 
gehört,  was  er  mehr  hat  in  der  Stelle  27,  4,  4: 


Festus  9: 
in  Thraciae  regionibus  etiam  Scor- 
disci  liahUarunt  .... 

multa     de    saevitia   praedictorum 
fdbidosa  memorantur 


Ammian: 

partem  (Thraciarum)  hdbitavere 
Scordisci  longe  nunc  ah  iis- 
detn  promnciis  disparati^ 

saevi  quondam  et  truces,  ut  anti- 
quitas  docet 


1)  Die  Notiz  über  Curio  29,  5,  22  bezieht  Gardthausen  nicht  mit  Recht  auf 
Rufius ;  es  handelt  sieh  hier  um  die  Lagerzucht  und  der  Vorgang  ist  wahrschein- 
lich mit  dem  von  Frontin  strat.  4, 1,  43  berichteten  connex,  obwohl  nicht  identisch. 
Uns  ist  er  anderweit  nicht  überliefert;  Ammian  mochte  ihn  aus  Sallusts  Historien 
kennen. 

2)  Beispielsweise  führe  ich  die  Stelle  über  Kypros  an: 


Festus: 
eam  (Cyprum)  rex  foederatus  regebat, 
sed  tanta  fuit  penuria  aerarii  Romani. . . 
ut  .  .  Cyprus  confiseari  iiiberetur 


Ammian : 
Ptolemaeo  rege  foederato  nobis  et  socio 
ob  aerarii  nostri  angnstias 
iusso  sine  lüla  culpa  proscribi 


quo  accepto  rex  Cxjprius  nuntio  venemim  ;   ideoque  hausto  veneno  voluniaria  morte 
siimpsit.  \       deleto 

j  et  tribtitaria  facta  est 
Cato  Cyprias  opes  Eomam  navibus  ad-  j  et  veliit  hostiles  eius  exticiae  dassi  im- 
vexit.  positae  in  urhem  advectae   sunt  per 

I       Catonem. 
Jede  Redewendung   bei  Ammian  lässt  sich   in   der  Weise    auf  Festus  zurück- 
rahren,  dass  überall  bei  dem  Ausschreiber  das  Bestreben  hervortritt  zu  steigern 
und  zu  coloriren. 

3)  Dies   geht   auf  die   Versetzung    der   Skordisker  nach   Unterpannonien 
(C.  L  L.  III  p.  415)  und  beruht  zunächst  ohne  Zweifel  auf  Ptolemaeos  2, 15,  2. 


398  Ammiaus  Geographica. 


quod  hostiis  captivorum   diis  suis 

aliquando  litaverint 
quod  humanuni  sanguinem  in  ossi- 

hus  capitum  x^otare  sinf  soliti 
saepe  per  eos  Ronianus  est  caesus 

exerdtus. 


Jiostiis  captivorum   Bellonae    li- 

tantes  et  Marti 
humanumque  sanguinem  in  ossibus 

capitum  cavis  bibentes  avidius 
quorum  asperitate  post  multiplices 
aerumnas  saepe  res  Bomana 
vexata  postremo  omnem  amisit 
exercitum  cum  rectore. 
Bei  einem  Schriftsteller,  welcher  unbedenklich  einen  in  der  Schilde- 
rung der  Massageten  gefundenen  Charakterzug  auf  die  Parther  ^ 
und  den  Speer  des  Fetialen  auf  einen  germanischen  König  ^  über- 
trägt, muss  auch  die  Verwandlung  der  dii  in  Bellona  et  Mars  ebenso 
sicher  als  blosse  Ausführung  gelten  wie  die  'hohlen'  Schädel  und 
das  'gierige'  Trinken;  und  dass  der  Zusatz  cum  rectore  nicht  etwa 
der  gemeinschaftlichen  Quelle  entlehnt,  sondern  freie  Erfindung  ist, 
geht  daraus  mit  Sicherheit  hervor,  dass  Rufius,  wie  die  Vergleichung 
der  analogen  Berichte  zeigt,  hier  an  die  Niederlage  des  C.  Cato 
Consul  640  denkt,  bei  welcher  aber  der  Feldherr  keineswegs  um- 
kam^. Ganz  entscheidend  ist  die  Wiederholung  eines  von  Rufius 
608  Festus  begangenen  argen  Fehlers  bei  seinem  jüngeren  Zeitgenossen. 
Bekanntlich  wird  die  Erwerbung  von  Kyrene  in  den  römischen 
Annalen  in  zwei  verschiedene  Epochen  gesetzt,  in  das  Jahr  658,  in 
welchem  der  letzte  König  Ptolemaeos  Apion  starb,  und  in  das 
J.  679,  in  welchem  die  Römer  das  Land  besetzten*.  Das  Neben- 
einanderstehen der  beiden  an  sich  gleichmässig  richtigen  Angaben 
hat   auch    sonst  Irrungen  herbeigeführt^,    aber   die  verkehrte   Aus- 

1)  Was  Strabon  11,  8,  6  von  den  Massageten  berichtet  über  die  Missachtung 
derer,  die  nicht  im  Kampfe  fallen,  erzählt  Ammian  zweimal,  einmal  31,2,22 
von  den  'veteres  Massagetae'  den  Alanen,  aber  ebenso  und  mit  denselben  Worten 
23,  6,  44  von  den  Parthern. 

2)  19,  2,  6.  Mit  Recht  weist  Hertz  im  Hermes  8,  278  mit  Nachdruck  auf 
dieses  schlagende  Beispiel  hin  und  fügt  andere  ähnliche  hinzu. 

3)  Drumann  5,  152. 

4)  Marquardt  Staatsverwaltung  1^,  458,  wo  das  wichtige  Sallustfragment 
2,  39  Dietsch  [II  43  M.]  fehlt. 

5)  So  steht  bei  Hieronymus  J.  1922  Abr.  nach  dem  sicilischen  Krieg  653 
die  Notiz:  Ptolemaeus  rex  Cyrenae  moriens  Romanos  testamento  reliquit  heredes, 
unter  dem  J.  1954  zwischen  den  Ereignissen  von  690/1  die  andere:  Libya  per 
testamentum  Apionis  regis  Romanis  relicta.  Die  erstere  Nachricht  muss  wohl 
eusebisch  sein,  obwohl  sie  weder  im  armenischen  Text  noch  bei  Synkellos 
erscheint;  auf  keinen  Fall  hat  Hieronymus  sie  aus  Rufius  entnommen,  auch 
wenn  er  diesen  benutzt  haben  sollte,  da  er  sie  correct  datirt.  [Vgl.  Über  die 
<iuellen  der  Chronik  des  Hieronymus  S.  687  =  u.  nr.  LXVIL]    Die  zweite  Angabe 


Ammians  Geographica.  399 

gleichung  durch  Scheidung  der  Landschaften  Libyen  und  Kvrene 
und  der  Könige  Ptolemaeos  und  Apion  findet  sich  ausschliesslich 
bei  Rufius  und  bei  Ammian: 

Rufius  13: 
Cyrenas    cum    ceteris    civiiatibus 

Libyae     Pentapolis     Ptolemaei 

antiguioris     liberalitate     stisce- 

jyimus. 
Libyam    supremo    Apionis    regis 

arbitrio  sumus  adsecuti. 


Ammian  22,  16,  24: 
Aridioretn  Libyam  supremo  Apio- 
nos  regis  consecidi  sumus  arbitrio. 


Cyrenas  cum  residuis  dvitatibus 
Libyae  PentapoUos  Ptolemaei 
liberalitate  suscepimus. 
wobei  offenbar  mitgewirkt  hat,  dass  damals  die  alte  Cyrenaica  in 
die  beiden  Provinzen  Libya  x>e}itapolis  (oder  superior)  mit  der  Haupt- 
stadt Kyrene  und  Libya  sicca  (oder  inferior)  zerfiel.  "Wahrscheinlich 
hat  schon  Rufius  bei  seiner  Libya  an  die  letztere  gedacht,  was  dann 
Ammian  ausdrücklich  ausspricht.  Diese  gleichmässige  Falschbesserung 
einer  unverstandenen  Ueberlieferung  führt  mit  zwingender  Noth-  609 
wendigkeit  zu  der  Annahme,  dass  der  spätere  Schriftsteller  sie  von 
dem  früheren  übernommen  hat. 

Wenn  hiernach  die  Benutzung  von  Rufius  Breviar  für  die  auf 
die  Erwerbung  der  einzelnen  Reichstheile  bezüglichen  Kachrichten 
durch  Ammian  ausser  Zweifel  ist,  so  ist  Gardthausens  Annahme 
einer  bei  diesem  zu  Grunde  liegenden  systematischen  Erdbeschreibung 
wenigstens  nach  dieser  Seite  hin  widerlegt.  Höher  aber  werden 
wir  es  anzuschlagen  haben,  dass  wir  an  diesen  nicht  umfänglichen, 
aber  lehrreichen  Stücken  ersehen  können,  wie  weit  Ammian  einer- 
seits in  treuem  und  selbst  wörtHchem  Anschluss  an  seine  Quellen, 
andrerseits  im  Uebertreiben  und  Ausmalen  gegangen  ist. 

IJebrigens  hat  Ammian  für  die  historischen  Notizen,  die  er  in 
seine  chorographischen  Darlegungen  verwebte,  neben  Rufius  auch 
andere  Quellen  benutzt.    Wir  sahen  schon,   dass  er  für   das  durch 


ist  sicher  ein  aus  Eutrop  6,  11  entlehnter  Zusatz,  woher  auch  die  unrichtige 
Einstellung  sich  erklärt.  Dass  Hieronymus  selbst  beide  Notizen  in  seiner  Vor- 
stellung vereinigt  und  ähnlich  wie  Rufius  geirrt  hat,  ist  möglich.  Aber  da 
Eutropius,  den  er  doch  ausschreibt,  diese  Auffassung  ausschliesst:  Libya  .  .  Ro- 
mano imperio  per  testamentum  Apionis  gui  rex  dus  ftierat  accessit,  in  qua  indwtae 
urbes  erant  Berenice  Ptolemais  Oyrene,  so  ist  es  wahrscheinlicher,  dass  er  die 
zweite  Notiz  hinschrieb,  ohne  dabei  der  ersteren  sich  zu  erinnern,  und  also 
nicht  so  sehr  selber  irrte  als  seine  Leser  zum  Irren  verleitete.  Auf  jeden  Fall 
ist  dieser  Vorgang  unabhängig  von  dem  bei  Rufius  und  Ammian  vorliegenden 
Versehen.    [Vgl.  A.  Schöne,  Die  Weltchronik  des  Eusebius,  Berl.  1900,  S.  223,  1.] 


400  Ammians  Geographica. 

Caesar  eroberte  Gallien  (15,  12,  6)  einer  beiläufigen  Aeusserung  des 
Sallustius  den  Vorzug  gab,  obwohl  er  das  Erforderliche  auch  bei 
Rufius  c.  6  hätte  finden  können.  Was  er  in  derselben  Verbindung 
über  die  narbonensische  Provinz  berichtet  (15,  12,  5),  steht  bei  Rufius 
nicht  und  in  ähnlicher  Form  überhaupt  bei  keinem  der  uns  erhaltenen 
Autoren  mit  Ausnahme  der  Periochen  des  Livius  ^,  deren  Benutzung 
durch  Ammian  damit  freilich  nicht  erwiesen,  aber  an  sich  glaublich 
genug  ist.  Die  kurze  Meldung  über  die  Eroberung  Arabiens  durch 
Traian  (14,  8,  13)  geht  ohne  Frage  auf  Ammians  eigene  Darstellung 
in  den  verlorenen  Büchern  zurück. 

610  2.    Das  Verzeichniss    der  Reichsprovinzen  und 

Reichs  gemeinden. 
Es  ist  evident,  und  auch  von  Gardthausen  nicht  verkannt  2,  dass 
für  die  administrative  Reichseintheilung  seiner  Zeit  Ammian  eine 
Liste  benutzt  hat,  welche  die  Diöcesen,  in  jeder  Diöcese  die  Pro- 
vinzen, in  jeder  Provinz  die  Städte  verzeichnet,  so  wie  sie  uns  für 
Gallien  in  der  wahrscheinlich  Ammian  ungefähr  gleichzeitigen  Notitia 
GaUiarum,  für  das  Ostreich  der  justinianischen  Zeit  in  Hierokles 
ovvexörjfiog  erhalten  sind.  Eine  das  Ost-  und  Westreich  in  gleicher 
Ausführlichkeit  umfassende  Liste,  wie  sie  Ammian  vorgelegen  haben 
muss,  besitzen  wir  nicht,  sondern  nur  die  Verzeichnisse  der  Diöcesen 
und  Provinzen  mit  Weglassung  der  Stadtnamen  in  der  Veroneser 
Liste  und  in  derjenigen  des  Polemius  Silvius.  —  Dass  die  Land- 
schafts- und  Städtenamen  in  den  ammianischen  Beschreibungen  von 


Ammian : 
regiones  .  .  .  primo  temptatae  per  Ful- 
vium 

deinde    proeliis   parms    quassatae    per 

Sextium 
ad    ultimum    per    Fabium,     Maximum 

domitae. 


1)  Man  vergleiche: 

Livius  60: 
M.  Fulmus  Flaccus  primus  Transalpinos 

Ligures  domuit  hello. 
Livius  61 : 
C.  Sextius  proeos.  victa  Salluviorum  gente 

u.  s.  w. 
Q.  Fabius   Maximus  cos.  .  .  .    aäversus 

Alloh'ogas  .  . .  felieiter  pugnavit  .... 

Alldbroges  in  deditionem  recepti 
Die  Schlussworte  cui  negotii  plenus  effectus  asperiore  Ällobrogum  gente  devicta  hoc 
indidit  cognomentum  können  mit  Benutzung  von  Valerius  Maximus  6,  9,  4  ge- 
schrieben sein. 

2)  Freilich  drückt  er  sich  darüber  in  schwankender  "Weise  aus:  theils  soll 
die  angebliche  schematisirte  Geographie  nach  diesen  Provinzen  geordnet  gewesen 
sein  (S.  515),  theils  ist  von  einem  Provinzialverzeichniss,  das  auch  die  Metropolen 
oder  noch  andere  Stadtnamen  enthielt,  noch  als  von  einer  besonderen  Quelle  die 
Rede  (S.  524). 


Ammians  Geographica.  401 

Aegypten  (22,  16,  1—6),  Oriens  (14,8),  Thrakien  (27,  4,  12.  13)  und 
der  beiden  gallischen  bei  Ammian  genau  geschiedenen  Diöcesen 
(15,11,7 — 15)  aus  dieser  Quelle  geflossen  sind,  lässt  namentlich  bei 
den  beiden  letztern  Abschnitten  sich  auf  das  Bestimmteste  zeigen. 
Diese  Verzeichnisse,  wahrscheinlich  sämratlich  officiellen  Ursprungs, 
sind  rein  nomenclatorisch,  so  dass  bei  den  Ortschaften  nur  die 
Metropolenstellung  und  etwa  noch  die  übrigen  Rechtsverschieden- 
heiten ^  Berücksichtigung  finden;  Ursprungsnachrichten,  historische 
Bemerkungen,  Memorabilien  sind  in  ihnen  schlechthin  ausgeschlossen. 
Da  Ammian  durchaus  bestrebt  ist  diese  in  seine  Darstellung  zu  ver- 
flechten, so  ist  es  ein  deutlicher  Beweis  der  Abstammung  der  galli- 
schen wie  der  thrakischen  Städtelisten  aus  dem  Provinzialkatalog, 
dass  solche  Zusätze  hier  entweder  fehlen  oder  ihre  Entlehnung 
anderswoher  nachweislich  ist.  Bei  Gallien  finden  sich,  wenn  man  611 
von  Redensarten  wie  ampla  et  copiosa,  inter  alia  emhiens  und  dgl. 
absieht,  derartige  Bemerkungen  nur  bei  Trier:  domicilium  principum 
darum  und  bei  Argentoratum :  harharicis  cladibus  nota,  beides 
Reminiscenzen  an  anderswo  in  Ammians  Werk  ausführlich  geschil- 
derte Vorgänge ;  dann  bei  Aventicum  die  Hinweisung  auf  den  ehe- 
maligen Glanz,  den  aedificia  semiruta  nunc  quoque  manstrant,  also 
kein  lectum,  sondern  ein  visum ;  endlich  bei  Massilia  die  Bemerkung, 
dass  auf  dessen  societas  et  vires  in  discriminihus  arduis  Rom  sich 
verschiedene  Male  gestützt  habe,  was  auch  aussieht  wie  eine  ver- 
einzelte Lesefrucht.  —  Vielleicht  noch  auffallender  ist  das  Sach- 
verhältnis bei  Thrakien.  Hier  werden  zwar  bei  Philippopolis  und 
Hadrianopolis  die  alten  Namen  Eumolpias  und  Uscudama  angeführt^ 
und  bei  Aenos  sogar  die  mit  dieser  Stadt  verknüpfte  Aeneasfabel. 
Aber  die  beiden  ersten  Notizen  stammen  offenbar  aus  Rufius,  den 
Ammian  auch  in  dem  vorhergehenden  Abschnitt  ausschreibt,  und 
die  dritte  ist  eine  Wiederholung  aus  der  Beschreibung  des  schwarzen 
Meeres  (22,  S,  3).  Also  lag  Ammian  eine  notitia  Thraciarum  vor, 
wie  wir  sie  für  Gallien  haben,  welche  nur  die  nackten  Namen  ent- 
hielt, und  ist  er  bestrebt  gewesen,  diese  aus  seinem  sonstigen  Notizen- 
vorrath  dem  historischen  Kothurn  anzupassen.  —  Bei  den  Diöcesen 

1)  Die  Notitia  Gaüiarum  unterscheidet  von  den  dvitates  die  castra,  ver- 
muthlich  ummauerte  Ortschaften,  denen  das  Stadtrecht  fehlte.  So  werden  neben 
der  civitas  Helvetiorum  Aventicum  die  castra  Vindonissa  und  Eburodunum  auf- 
geführt, beide  nachweislich  der  helvetischen  civitas  angehörige  nicht  selbständige 
Flecken. 

2)  Der  Doppelname  Heraclea  Perinthua  ist  zu  allen  Zeiten  in  Gebrauch 
gewesen,  kehrt  übrigens  auch  wieder  22,  2,  3.    c.  8,  5. 

MOMMSEN,    SCHR.  VII.  26 


402  Ammians  Geographica. 

Aegypten  und  Oriens  tritt  die  Reichsliste  nicht  so  deutlich  hervor 
und  erscheinen  die  Memorabilien  in  grösserer  Zahl.  Aber  die  Grund- 
lage, besonders  die  Yertheilung  der  einzelnen  Städte  unter  die  Pro- 
vinzen, wird  bei  der  zweiten  doch  wohl  auf  dieselbe  Quelle  zurück- 
gehen.    Auf  Aegypten  kommen  wir  weiterhin  zurück. 

Was  Ammian  diesen  Verzeichnissen  entlehnt  hat,  hält  die  sach- 
liche Prüfung  im  Allgemeinen  recht  gut  aus.  Dass  die  kurz  bevor 
er  schrieb  neu  eingerichteten  gallischen  Provinzen  Lugdunensis  III 
und  Senonia  fehlen,  führt  darauf,  dass  er  eine  etwas  ältere  Liste 
612  benutzte^,  ist  also  kein  von  ihm  begangenes  Versehen.  Dass  er  die 
Doppelprovinzen  Äquitania  I.  II  und  Narbonensis  I.  II  nur  einmal 
aufführt,  mag  mit  der  für  die  südgallische  von  jeher  aus  sieben  Pro- 
vinzen bestehende  Diöcese  gangbaren  Benennung  der  quinque  pro- 
vinciae  zusammenhängen:  auch  fehlt  die  Narbonensis  II  nicht  ganz, 
so  wenig  wie  die  Alpes  maritimae'^.  lieber  andere  Abweichungen 
seiner  Ansetzungen  von  den  sonst  überlieferten  lässt  sich  streiten; 
einen  eigentlichen  Fehler  hat  er  nur  begangen  in  Beziehung  auf 
Aventicum,  das  er  nicht  der  sequanischen  Provinz,  sonden  den  poe- 
ninischen  Alpen  zutheilt.  Wenn  man  sich  erinnert,  dass  er  über  die 
Ruinen  dieser  Stadt  aus  eigener  Anschauung  berichtet,  so  möchte 
man  hier  einen  Nachtrag  des  Verfassers  erkennen,  wobei  er  die 
Liste  nicht  zu  Rathe  zog  und  daher  die  an  der  Grenze  der  sequa- 
nischen Provinz  gegen  die  poeninische  liegende  Stadt  irrig  dieser 
zuschrieb. 

3.  Ptolemaeos. 
Die  Dienste,  welche  das  Verzeichniss  der  Reichsgemeinden  für 
das  römische  Gebiet  leistete,  gewährte  jenseits  desselben  die  Geo- 
graphie des  Ptolemaeos.  An  der  einzigen  Stelle,  wo  Ammian  diese 
anführt  (22,  8,  10),  steht  das  nicht  in  ihr,  was  er  angiebt;  aber  in 
welchem  Umfang  er  von  Ptolemaeos  Geographie  da  abhängt,  wo  er 
sie  nicht  nennt,  haben  schon  Accursius  und  Valesius  erkannt,  und  es 
liegt  dies  in  der  That  besonders   in  der  Schilderung   des  persischen 


1)  Dafür  spricht  ferner,  dass  er  Ikonion,  die  Hauptstadt  der  einige  Zeit 
vor  373  von  Pisidien  abgetrennten  Provinz  Lykaonien,  noch  als  Pisidiae  oppidum 
(14,  2, 1)  bezeichnet.  Dergleichen  kleine  Incongruenzen  berechtigen  nicht  zu  der 
Annahme,  dass  Ammian  das  Provinzialverzeichniss  nicht  selbst,  sondern  durch 
einen  Vermittler  benutzt  hat,  welcher  in  diesem  Fall  nur  wenige  Decennien  vor 
ihm  geschrieben  haben  könnte. 

2)  In  dem  nicht  recht  angegliederten  Schlusssatz:  Ms  prope  Salluvii  sunt 
et  Nicaea  et  AntipoUs  insulaeque  Stoechades  stecken  sowohl  die  Aliies  maritimae 
(Nicaea),  wie  die  Narbonensis  II  (Antipolis). 


Ammians  Geographica.  403 

Staates  auf  der  flachen  Hand.  Die  Kritik  des  Ptolemaeos  kann  aus 
diesen  Auszügen  einiges  gewinnen^;  umgekehrt  haben  für  diejenige 
Ammians  sowohl  die  früheren  Herausgeber  wie  auch  Gardthausen 
den  Ptolemaeos  in  berechtigter  "Weise  herangezogen,  der  letztere 
aber  wie  bei  Festus  darin  geirrt,  dass  er  die  unmittelbare  Benutzimg 
der  Geographie  durch  Ammian  aus  schlechthin  nichtigen  Gründen  613 
bestreitet  2.  Es  tritt  die  Abhängigkeit  Ammians  von  seiner  Quelle 
nicht  blos  in  dem  Namengerippe  hervor,  sondern  auch  in  zahlreichen 
anderen  Beziehungen,  deren  Darlegimg  für  die  Compositionsweise 
Ammians  und  die  Beurtheilung  seiner  Autorität  von  Wichtigkeit  ist 
und  daher  hier  nicht  fehlen  darf.  Es  wird  angemessen  sein  zunächst 
einige  Proben  ^  zu  geben,  sowohl  aus  Ptolemaeos  Schilderung  des 
europäischen  und  des  asiatischen  Sarmatien  (3,  5.  5,  8),  die  Ammian 
bei  der  Beschreibung  der  Landschaften  am  schwarzen  Meer  (22,  8) 
neben  einer  anderen  später  zu  erörternden  Quelle  benutzt,  wie  aus 
dem  sechsten  Buch,  das  in  seinem  ganzen  Umfang  die  Grundlage 
der  ammianischen  Darstellung  des  Perserreichs  (23,  6)  bildet,  obwohl 
es  über  die  Grenzen  des  persischen  Reiches  weit  hinausgreift. 

1)  Es  giebt  Stellen,  wo  Ammian  ziemlich  allein  mit  dem  Vat.  191  das 
Richtige  bewahrt  hat,  so  23,  6,  26  et  Arsiana  aus  Ptol.  6,  3,  5  =  8,  21,  6  Tag- 
ciäva,  was  fast  in  allen  übrigen  Handschriften  des  Ptolemaeos  in  TaQEiäva  oder 
Tagiäva  verderbt  ist.  Ebenso  giebt  23,  6,  42  die  Schreibung  Fara  eine  gewisse 
Bestätigung  für  die  Lesung  des  Vat.  Zcoqpd&  gegenüber  der  der  anderen  Hand- 
schriften Zcoq:da.  Ich  verdanke  diese  Mittheilung  wiederum  der  zuvorkommen- 
den Gefälligkeit  des  Hm.  K.  Müller. 

2)  Coniectanea  Amm.  p.  34;  geogr.  Quellen  S.  524.  Wenn  es  richtig  wäre, 
dass  die  ammianischen  Ptolemaeos  -  Excerpte  der  schlechteren  Handschriften- 
famüie  folgten,  so  würde  dies  nur  noch  auffallender  werden  dadurch,  dass  sie 
von  einem  älteren  Autor  herrühren,  als  Ammian  selbst  ist.  Aber  es  verhält  sich 
gerade  umgekehrt;  dass  Ammian  nusquam  fere  cum  codicibus  conspirat  optimis 
BE  Pal  I  (Wilberg) ,  sed  plencmque  cum  M(irandtda)  cdiisqtie  notae  inferioris, 
stellt  sich  zu  den  Beweisen  dafür,  dass  der  Codex  des  Mirandula,  welcher  der 
lateinischen  Uebersetzung  zu  Grunde  liegt,  besser  ist  als  die  sonst  von  Wilberg 
benutzten.  Wenn  Gardthausen  dann  weiter  sagt:  mvMo  maioris  momenti  haec 
Ammianea  Persiae  descriptio  esset,  si  non  auctor  Ammiani  Latinus,  sed  Ammiamis 
ipse  Ptölemaei  geographia  usus  esset,  so  verstehe  ich  weder  wie  unterschieden 
werden  kann  noch  was  es  für  die  Kidtik  austragen  soll,  ob  die  Umschrift  aus 
dem  Griechischen  ins  Lateinische,  die  hier  stattgefunden  hat  und  von  der  in 
Lesefehlern  und  sonst  die  Spuren  zahlreich  genug  sind,  von  Ammian  oder  von 
einem  Andern  vollzogen  worden  ist.  Missverständnisse  des  Textes,  die  auf  Un- 
kunde  des  Griechischen  zurückgehen  und  die  Ammian  daher  nicht  beigemessen 
werden  könnten,  finden  sich  nirgends;  diejenigen  Entstellungen  der  ptole- 
mäischen  Namen,  wie  sie  bei  Ammian  auftreten,  konnten  genau  ebenso  gut 
einem  Griechen  begegnen  wie  einem  Römer. 

3)  Es  sind  dabei  alle  conjecturalen  Terbesserungen  bei  Seite  gelassen  worden. 

26* 


404 


Ammians  Geographica. 


Ptolemaeos: 
5,  8,  l  fj  .  .  .  HaQfxatia  negiogi- 
Cetai  .  .  .  .  Tft)  Taväidi  norajuco 

c.  2  Magovßlov  nox.  exß. 

'Pojußirov  fJLEydXov  nox.  exß. 
614        Oeocpaviov  nox.  exß. 


Ammian : 

22,  8,  29    ultra    Tanain  panduntur 

in  latitudinem  Sauromatae 


per    quos    amnes 

Maraccus 
ei  Bomhifis 
et  Theofanes 


fluunt  perpetui 


et  Totordanes  (sehr,  et  Oardanes) 

licet  alia  quoque  distans  immanibus 
intervallis  Sauromatarum  prae- 
tenditur  naiio  litori  iuncta,  quod 
Coracen  suscipiens  fluvium  in 
aequor  eiectat  extremum. 

22,  8,  38  {uU  Riphaei  deficiunt  mon- 
tes,  Jiabitant  Arimphaei"^),  .  .  . 
quos  amnes  Chronius  et  Visula 
praeterflunt 

iuxtaque  Massagetae^  Halani  et 
Sargetae,  aliique  plures  öbscuri, 
quorum  nee  vocahula  nohis  sunt 
nofa  nee  mores 
39  interiectu  deinde  non  mediocri 
Carcinites  panditur  sinus  eius- 
demque  nominis  fluvius 

et  religiosus  per  eas  Terras  Triviae 
lucus 

23,  6,  25  perfluunt .  .  .  easdem  terras 
potiores  ante  alios  amnes  M  qtios 
praediximus  et  Marses  et  Flumen 
regium  et  JEupJirates  cunctis  ex- 
cellens  .... 


OvaQÖdvov  ^  nox.  exß. 

C.  3  änö  de  /u.eorj/u.ßQiag  xco  xe 
evxevß'ev  juegei  xov  Ev^eivov 
JJovxov  juexQi  Kogaxog  noxa- 
fiov 

3,  5,  1  fJLSxä  xäg  xov  OvioxovXa 
noxajuov  exßokäg  .  .  .  Xqovov 
nox.  exß. 

3,  5,  10  (vgl.  19)  fxexa^v  de  x&v 
'AXavvcov  xal  xcöv  'Ajua^oßicov 
.  .  .  2aQya.xioi 

3,  5,  2    nQog     xcb    KaQxivixt] 

x6Xnq> 

Kagxtvhov  nox.  exß.     .     . 
äXoog  'Exdxi^g. 

5,  20,  2  diüQQeovoi  de  xrjv  xdÖQav 
ö  xe  Baoikeiog  noxa/xbg  xal 
6  .  .  .  .  xaXovfxevog  Maagod- 
Qrjg^,  dg  xco  juev  EtxpQdxr] 
ovfxßdXXei. 

1)  So  die  Handschriften  alle. 

2)  Dies  stammt  aus  der  Solinusquelle  (Sol.  p.  101,  4  [p.  89,  21 «]).  Insofern 
Ptolemäus  3, 5, 5. 101  die  rhipaeischen  Berge  im  europäischen  Sannatien  verzeichnet, 
knüpft  er  an  diese  Berge  —  verkehrt  genug  —  die  beiden  Flüsse  an,  mit  denen 
Ptolemaeos  die  Beschreibung  Sarmatiens  beginnt. 

3)  Diese  identificirt  Ammian  mit  den  'Jfia^oßtoi. 

4)  So  weit  stimmen  die  Handschriften  überein.  Bald  nachher  haben  die 
meisten  r«^  8e  öiä  BaßvXcovias  og  xaXsTxai  MaagadQTjg  6  BaciXsiog  norafio;  avvdnxmv, 
andere  mit  der  lat.  Uebersetzung  bloss  toi;t<j>  8h  ovvdnxei  6  BaoiXsiog  Tioza/nög. 


Ammians  Geographica. 


405 


6,  3  2!ovoiavijg  'dsoig 


6,  3,  4    7i6?.eig    de   eiolv    ev    ifj 
2!ovaiavfj 

"Agaxxa 
6,  3,  5  Zovoa 


Tagoidva  (vgl.  S.  612  A.  2 
[403  A.  1]) 

6,  3,  1  fieXQ'^  "^^  £''s  töv 
üeQoixov  y.ohiov  exßoXwv 
Tov  'Ogodrcdog  Jioxa/xov 

6,  3,  2  Xäga^  üaoivov 
Mcooaiov  tzot.  exß. 


6,  16,  1   fj  2li]oix7]  Tteoiooi^erai 


OTid  /bikv  dvoecog  rf]  exxbg 
'Ifxdov  ÖQOvg  Zxvdiq  .... 

ÖLTtb  de  ägxTCOv  äyvcboro)  yf] 
Tiagd  TOV  avrbv  did  Qov- 
Xrjg  TiaQaXXriXov ,  öjuoicog 
de  xal  djiö  ävaroXcbv 
äyvcooTO)  yfi  .... 

ajiö     de    fieorjfxßQiag    reo     re 
XoiTicö     juegei     rfjg     exxbg 
Payyov  'Ivöixfjg 
6,  16,  2  bor]  .  .  . 

rd  re  xaXovfxeva  "Awißa   .  .  . 

1)  Für  vosae  ist  wohl  ignotae 
lose  nivosae. 


26  His  tractibus  Stisiani  iunguntur, 
apud  quos  non  muliu  sunt  op- 
pida, 

23,  6,  26  inter   alia   tarnen   eminet  615 
Stisa  saepe  domicilium  regum 

et  Arsiana 

et  Sele 

et  Araclia:  cetera  brevia  sunt  et 
obscura. 

Fluvii  vero  mtdti  per  haec  loca 
discurrunt,  quibtis  praestant 
loroafes 

et  Harax 

et  Meseus 

per  harenosas  augustias,  qiiae  a 
rubra  prohibent  Caspium  mare, 
aequoream  imdtitudinem  inun- 
danfes 
23,  6,  64  Ultra  haec  utriusque  Scy- 
thiae  loca  contra  orientaletn 
plagam  in  orbis  sjjecietn  consertae 
celsorum  aggerum  summitates 
ambiunt  Seras  .... 

ab  occidentali  latere  Scythis  ad- 
nexos 

a  septentrione  et  onentali  vosae  ^ 
solitudini  cohaerentes 


qua   meridiem  spectant   ad   usque 
Indiam  porrectas  et  Gangen. 

Appellantur   autem    idetn    mmües 
Anniva 

herzustellen,  nicht  das  jetzt  gangbare  sinn- 


4<^  Ammians  Geographica. 

et  Nazavicium^ 


616       xal    x(bv   AvCaxicov   x6  äva- 

TOXIXÖV  jUEQOg    .... 

xal    rd   xaXovjueva  'AojuiQaia 

ÖQrj 

xal   Tcbv  'Hjucodcöv    .  .  .    x6 

ävaxohxöv  juegog  .  .  . 
xal   xb   xaXovfXEVov   'Oxxoqo- 

xoQQag 


et  Äsmira 

et  Emodon 
et  Opurocarra 


Diese  Zusammenstellung,  mit  der  manches  weitere  Blatt  gefüllt 
werden  könnte,  zeigt  genau  dasselbe  Verfahren,  wie  wir  es  bei  dem 
Provinzialverzeichniss  fanden,  nur,  wie  sich  dies  bei  der  Entlegenheit 
und  Unbekanntschaft  der  Gegenden  von  selbst  versteht,  noch  be- 
trächtlich zum  Schlimmeren  gesteigert.  Die  Ortsnamen  werden  dem 
Handbuch  in  der  Weise  entlehnt,  dass  in  der  Auswahl  der  angeblich 
bedeutendsten  theils  der  reine  Zufall  waltet,  theils  nahe  liegende 
Suppositionen ,  wie  denn  zum  Beispiel  die  Alexandrien  des  Ostens 
fast  alle  von  Ammian  aufgenommen  worden  sind,  theils  gewisse 
Andeutungen,  die  Ammian  bei  Ptolemaeos  fand  oder  zu  finden 
meinte:  so  werden  bei  Medien  diejenigen  Städte  bevorzugt,  die  im 
achten  Buch  des  Ptolemaeos  wiederkehren  2,  aus  der  ungeheuren 
Masse  der  'Städte'  im  glücklichen  Arabien  diejenigen  ausgesucht, 
denen  jUfjxQÖJioXig  oder  auch  blos  jtöhg  beigefügt  ist  3,  so  auch 
anderswo  die  von  Ptolemaeos  als  Metropolen*,  als  /ueydXa  s^vrj^ 
bezeichneten  Ortschaften  und  Völker  ausgewählt.  Neben  der  Namen- 
liste werden  für  die  Darstellung  auch  die  ptolemäischen  Grenz- 
bezeichnungen in  sehr  freier  Gestaltung  benutzt,  wie  dies  namentlich 
617  der  mit  Rücksicht  darauf  ausgewählte  Abschnitt  über  Skythien  dar- 
thut  ®,  auch  wo  es  angeht  aus  den  Namen  Memorabilien  heraus-  oder 

1)  'Verwechselung  von  ß  und  x'  bemerkt  mir  K.  Müller. 

2)  Amm.  23,  6,  39  vgl.  mit  Ptol.  6,  2.  8,  21,  8  — 11. 

3)  Amm.  23,  6,  47  vgl.  mit  Ptol.  6,  7. 

4)  Ptol.  6,  8,  13 :  KäQfiava  firjxQÖTioXig  =  Amm.  23,  6,  49 :  Carmana  omnium 
mater.  Ptol.  6,  9,  7:  'Ygxavia  fi^rgonoXig  =  Amm.  23,  6,  52:  Ms  nobiliorem  Hyr- 
eanam.  Ptol.  6,  12,  6:  Agsipa  /nrjTQÖnoks  =  Amm.  23,  6,  59:  Areta  ipsa  metro- 
polis.  Vgl.  Ptol.  6,  11,  9:  BdxzQa  ßaaiXeiov  =  Amm.  23,  6,  58:  Bactra  ipsa,  unde 
regnum. 

5)  Ptol.  6,  11,  6:  Toxagoi  fisya  e&vos  =  Amm.  23,  6,  57:  quas  (gentes)  exu- 
peran[t  To]c7iari.  Ptol.  6,  14,  10:  'la^dgrai  fisya  e^og  =  Amm.  23,  6,  62:  laxartae. 
Ptol.  6,  16,  5:  'loarjböveg  nsya  edvog  ==  Amm.  23,  6,  66:  Essedones  omnium  splmdi- 
dissimi. 

6)  Ebenso  Ptol.  6,  16,  5:  dvazcohxcözeQot  tcov  'Jvvißcov  ....  'Paßdvvai  =  Amm. 
23,  6,  66 :  incolunt  .  .  .  Ännibi  .  .  .  exortum  vero  solis  suspiciunt  Babannae. 


Ammians  Gec^raphica. 


407 


in  sie  hineingedeutet^;  die  meisten  derartigen  Bemerkungen  sind 
allerdings  anderswoher  entnommen.  Einlagen  eigentlich  geographi- 
scher Art  finden  sich  in  der  Beschreibung  Persiens  zwar  auch,  so 
aus  Homer 2  und  Herodot^,  aber  nur  vereinzelt*. 

\Yenn  diese  gesammte  Manipulation  als  eine  leichtfertige  und 
wenig  gewissenhafte  Quellenbehandlung  bezeichnet  werden  muss,  so 
verdient  es  noch  härteren  Tadel,  dass  und  wie  Ammian  diese  Be- 
nutzung des  Ptolemaeos  wenigstens  auf  eine  der  Provinzen  seiner 
Zeit,  auf  Libya  sicca  ausgedehnt  hat. 


Ptolemaeos: 
4,  4,  3  IJevTanöXeoog 

Beoevixi]  rj  y.al  'EoTiegideg 


'Agoivöt]  f]  aal  Tev/eiga 

IlroXejuaig 

Adgvig 

4,  4,  7  Kvoijvi] 


Xaigexka 
NedTioXiq 
4,  5,  3  vouov  Aißvrjg  Tiagdkiog 


Ammian  22,  16,  4.  5: 
in  Pentapoli  Lihija  Cyrene  est  posita 

et  Ptoleynais 

et  Arsinoe  eademgue  Teuchira 

et  Darnis 

et  Berenice  quas  Hesperidas  appeUant 

in  sicciore  vero  Lihya 

Paraetonion 
et  Chaerecla 
et  Neapolis 


üagaiToviov  inter  municipia  pauca  et  hrevia. 

Da  die  Ortschaften   des  Reiches  bei  Ptolemaeos   nach  dem  älteren,  618 
bei  Ammian  nach  dem  diocletianischen  Provinzialschema   aufgeführt 
werden,    so  fügten   jene  Namen   diesen  Kategorien  sich  nicht;  und 

1)  Ptol.  6,  13,  1 :  Siä  roi'  ogovg  o  xaXsTrai  'Aaxardyxa?  fi^ZQ'  ^^  xarä  ro 
'I/zaov  ooog  oourjxrjQiov  tÜ)v  ei;  ttjv  ZrjQav  ifiaogeroftevcov  =  Amm.  23,  6,  60:  cui 
Ascanimia  mons  imminet  .  .  .  praeter  .  .  radices  ....  iter  lonffissimum  patet  merea- 
toribus  pervium  ad  Seras  subinde  commeantibus.  Ptol.  6,  7,  46:  'Ogyara  (Grad- 
bestimmung) Zsoasitadog  (Gradbestimmong)  =  Amm.  23,  6,  47:  insignior  tarnen 
aliis  Turgana  est,  in  qua  Serapidis  maxiimim  esse  dicitur  templum. 

2)  Amm.  23,  6,  53.  62:  Abier  und  Galaktophagen.  Allerdings  kann  dieser 
Zusatz  ebenso  wie  der  folgende  herodotische  auch  mittelbar  an  Ammian  gelangt 
sein  (S.  6-27  A.  2  [416  A.  3]). 

3)  Die  Flüsse  Choaspes  und  Gyndes  Amm.  23,  6,  40  nennt  Ptolemaeos  nicht, 
wohl  aber  Herodot  1,  188  f.,  und  den  letzteren  ausser  Herodot  nur  Ammian. 

4)  Einige  andere  ammianische  Namen,  die  wir  bei  Ptolemaeos  nicht  nach- 
weisen können,  wie  23,  6,  39  Zombis  und  Patigran,  c.  43  Choatres  (vgl.  Ptol.  6, 
.J,  1),  c.  49  Sagareus  sind  sicher  entweder  durch  Ammian  selbst  oder  durch:  seine 

oder  des  Ptolemaeos  Abschreiber  entstellt  oder  verdunkelt. 


408  Ammians  Geographica. 

das  Ergebniss  ist  denn  auch,  dass  zwei  sonst  unbekannte,  aber  sicher 
unmittelbar  bei  Kyrene  gelegene  Ortschaften  des  Ptolemaeos  von 
Ammian  verwendet  werden,  um  die  libysche  Wüste  zu  bevölkern. 
Dass  das  Yerzeichniss  der  Reichsgemeinden  hier  mit  Stadtnamen  karg 
war,  ist  begreiflicher  als  dass  ein  Historiker  dieses  Ranges  es  nicht 
verschmäht  hat  den  Defect  in  ebenso  verkehrter  wie  unwürdiger 
Weise  zu  verdecken. 

An  Ptolemaeos  knüpfen  auch  wohl  die  verwirrten  Nachrichten 
an,  die  Ammian  über  die  vordiocletianische  Reichseintheilung  für 
Gallien  (15,  11,  6)  und  Aegypten  (22,  16,  1)  beibringt.  Dort  spricht 
er  von  vier  Provinzen,  nach  ihm  Narbonensis  nebst  Lugdunensis, 
Aquitanien,  Obergermanien,  Untergermanien  nebst  Belgica,  während 
er  entweder  mit  Ptolemaeos  Narbonensis,  Lugdunensis,  Aquitanien, 
Belgica  nebst  den  beiden  Germanien  als  die  vier  gallischen  Provinzen 
aufführen  oder,  die  vierte  für  drei  zählend,  sechs  gallische  Provinzen 
verzeichnen  musste.  Bei  Aegypten  spricht  er  gar  von  drei  alten 
Provinzen  Aegypten,  Thebais  und  Libya,  wobei  wahrscheinlich  die 
bei  Ptolemaeos  verzeichneten  drei  Epistrategien  (Delta,  Heptanomis, 
Thebais)  ihm  im  Sinne  liegen ;  in  der  That  bildete  die  spätere  Diöcese 
Aegypten  nach  der  alten  Ordnung  die  beiden  Provinzen  Aegypten 
und  Kyrene. 

4.    Timagenes   und   die   Beschreibung   des   schwarzen 

Meeres. 
Haben  wir  uns  bisher  mit  denjenigen  Quellen  Ammians  be- 
schäftigt, die  in  gleicher  oder  doch  nicht  wesentlich  veränderter 
Gestalt  auch  uns  noch  vorliegen,  so  treten  wir  jetzt  in  die  Unter- 
suchung über  die  uns  verlorenen  Schriften  ein,  aus  denen  er  geschöpft 
hat  —  nicht  ohne  Bedenken,  nachdem  sich  dort  nur  zu  deutlich 
gezeigt  hat,  wie  weit  Ammian  im  Mengen  wie  im  Erweitern  geht. 
Indess  einen  Gewährsmann  nennt  uns  wenigstens  Ammian  selbst,  und 
619  offenbar  mit  dem  Gefühl  besonderer  Befriedigung  wegen  des  exquisit 
gelehrten  Citats;  in  der  That  ist  diese  Anführung  nebst  derjenigen 
des  Hermapion  wohl  die  einzige  directe  eines  nicht  zu  den  damaligen 
Schulschriften  zählenden  Werkes,  welche  bei  Ammian  sich  findet. 

Timagenes  aus  Alexandreia  in  Aegypten  kam  im  J.  699  d.  St., 
ohne  Zweifel  schon  erwachsen,  als  Kriegsgefangener  nach  Rom  ^  und 
ist  daselbst  bejahrt  ^  unter  Augustus,  wahrscheinlich  zehn  bis  zwanzig 


1)  Suidas  u.  d.  W.     Müller  fr.  hist.  Gr.  3  p.  317. 

2)  Seneca  de  ira  3,  23,  5:  in  contubernio  Pollionis  Äsinii  consenuit. 


Ämmians  Geographica.  409 

Jahre  vor  dem  Beginn  unserer  Zeitrechnung^  gestorben.  Er  muss 
sich  in  Rom,  theils  durch  seine  scharfe  Zunge,  theils  durch  seine 
litterarischen  Leistungen,  eine  sehr  angesehene  Stellung  geschaffen 
haben,  welche  auch  durch  den  Bruch  mit  dem  Kaiser  nicht  erschüttert 
ward;  selbst  ein  Mann  wie  Quintilian  bezeichnet  ihn,  allerdings  mehr 
dem  Streben  als  dem  Gelingen  nach,  als  den  Wiedererwecker  der 
griechischen  Historiographie  2.  Geschrieben  hat  er  ein  historisches 
"Werk  unter  dem  Titel  der  Bücher  'der  Könige',  dessen  erstes  die 
Könige  der  Fabelzeit  verzeichnete^;  dass  die  sonstigen  Anführungen 
aus  diesem  Schriftsteller,  in  denen  der  Diadochenkönige  von  Aegypten 
und  Syrien  und  der  Könige  der  Juden  Erwähnung  geschieht,  dem- 
selben Werk  entlehnt  sind,  ist  wahrscheinUch,  und  da  die  darin 
erwähnten  Vorgänge  bis  in  die  ciceronische  Zeit  hinabreichen,  so  ist 
es  wohl  möglich,  dass  die  —  nach  dem  Bruche  mit  dem  Kaiser  von 
dem  Verfasser  vernichtete  —  Geschichte  Augusts  den  Abschluss  des- 
selben bilden  sollte.  Es  ist  eine  keineswegs  sichere,  aber  ansprechende 
Vermuthung  Gutscbmids  ,*J  dass  dieses  "Werk  bald  nachher  von  Pom- 
peius  Trogus  lateinisch  bearbeitet  worden  und  insofern  auch  uns 
noch  im  Auszug  geblieben  ist.  Femer  gab  es  wahrscheinlich  von  620 
ihm   einen    Tieotji/.ovg  Tidorjg  '&a).door]g  in   fünf  Büchern*.      Er  muss 

1)  Nach  der  Art,  -wie  Horaz  in  der  kurz  vor  733  geschriebenen  Epistel  1, 19 
von  ihm  spricht,  war  er  damals  vermuthlich  nicht  mehr  am  Leben  oder  hatte 
wenigstens  das  Leben  hinter  sich.  Eben  dahin  führt,  dass  Livius  in  dem  wohl 
Tor  734  herausgegebenen  neunten  Buch  c.  18,  .6  bei  dem  levissimiis  ex  Graecis 
allem  Anschein  nach  das  Geschichtswerk  des  Timagenes  im  Sinne  hat. 

2)  Inst.  10,  1,  75:  longo  post  intervdllo  temporis  naitis  (vorher  ist  Kleitarchos 
genannt,  der  Zeitgenosse  Alexanders  des  Grossen)  Timagenes  vel  Iwc  est  ipso  pro- 
habilis,  qttod  intermissam  historias  scinbendi  indtistriam  nova  laude  reparai-it. 

3)  Stephanus  Byz.  u.  d.  W.  Müvai,  oi  rroÖTeoov  Z6i.vi.ioi,  ok  Ti^ayevrjg  rtgärat 
ßaadicov.  Aus  ihm  wird  geschöpft  sein,  was  Stephanos  weiter  von  dem  König 
Solymos  anführt. 

*)  [Vor  dem  Erscheinen  der  vorliegenden  Abhandlung  Mommsens  hatte 
Gutschmid  diese  Hypothese  noch  ohne  nähere  Begründung  aufgestellt  in  der 
Recension  der  Gardthausen'schen  Schrift,  an  die  Mommsen  hier  anknüpft  (Lit. 
Centralbl.  1873,  738  =  Kl.  Schriften  hrsg.  von  Rühl  Y  368  vgl.  352).] 

4)  Der  erste  Artikel  des  Suidas,  welcher  der  Schx-ift  des  Berytiers  Hermippos 
aus  hadrianischer  Zeit  .7£pt  tw»-  öianoetf'dvTwv  h  Tiaiötia.  dov/.coy  entlehnt  zu  sein 
scheint  (Wilamowitz) ,  giebt  eine  ziemlich  eingehende  Biographie,  bezeichnet 
aber  die  Schriften  nicht  genauer  (lyoarf's  no/lä).  Die  zweite  Notiz:  Tt^iayevtj^ 
iorooixog  :i£oi:n}.ovv  ndorjg  &a/.daar]g  iv  ßiß/.toig  £  auf  dieselbe  Persönlichkeit  zu 
beziehen  ist  dadurch  angezeigt,  dass  kein  anderer  namhafter  Historiker  dieses 
Namens  begegnet.  Müller  vermuthet  (fr.  bist.  3  p.  317),  dass  diese  Schrift 
identisch  sei  mit  der  in  den  Apolloniusscholien  unter  dem  Namen  TtudyrjTo; 
öfter  angeführten  einer  weit  älteren  Zeit  angehörenden  .-rfot  kiiievoyv  (die  Frag- 


4 1  0  Ammians  Geographica. 

sonst  noch  manches  geschrieben  haben,  das  wir  nicht  mehr  im  Stande 
sind  zu  fixiren. 

Aus  Timagenes  entlehnte  Ammian,  was  er  über  die  Ursprungs- 
geschichte der  Gallier  mittheilt  15,  9,  2  —  3  und  c.  10,  9^;  und  es 
passt  der  Inhalt  zu  dieser  Herleitung  vollkommen:  nicht  bloss  ist 
die  griechische  Abstammung  dieser  Berichte  evident,  sondern  sie 
stimmen  auf  das  Genaueste  zu  dem,  was  die  ungefähr  gleichzeitigen 
Schriftsteller  Dionysios  von  Halikarnassos  ^  und  Strabon^  über  die- 
selben Dinge  berichten.  Freilich  wird  man  daraus  nicht  folgern 
621  dürfen,  dass  diese  hier  eben  aus  ihm  geschöpft  haben.  Timagenes, 
der  nach  Ammian  ex  muUijylicibus  l'ibris  sein  Werk  zusammenstellte, 
hat  für  die  gallischen  Dinge  ohne  Zweifel  den  Poseidonios  heran- 
gezogen und  namentlich  den  Bericht  über  die  Barden,  Vaten  und 
Druiden,  in  dem  er  mit  Strabon  übereinstimmt,  sicher  diesem  Ge- 
währsmann entnommen*,  dem  wir  ja  überhaupt  ungefähr  verdanken, 
was  wir  von  älteren  gallischen  Zuständen  wissen.  Strabon  konnte 
denselben  also  von  Timagenes  entlehnen,  den  er  für  Gallien  aller- 
dings neben  dem  Poseidonios  einmal  anführt^;  aber  es  ist  viel  wahr- 

mente  das.  4  p.  519).  Aber  die  Bezeichnung  ioxoQixog  zeigt  wenigstens,  dass  der 
Verfasser  dieser  Notiz  in  der  That  an  den  Timagenes  der  augustischen  Zeit 
gedacht  hat;  und  ich  sehe  keinen  genügenden  Grund  eine  über  Suidas  hinaus 
reichende  Verwechselung  hier  zu  statuiren. 

1)  c.  10,  9  fehlt  bei  Müller  und  wird  von  Gardthausen  S.  555  auf  Sallust 
bezogen,  ist  aber  augenscheinlich  ein  weiteres  Stück  (nt  relatum  est)  des  tima- 
genischen  Excerpts. 

2)  Die  Erzählung  Ammians  15,  9,  6  von  dem  thebanischen  Hercules,  der 
nach  der  Ueberwindung  der  bösen  Herrscher  Spaniens  und  Galliens  cum  gene- 
rosis  fetninis  die  zwei  Söhne  erzeugt  habe,  welche  beiden  Ländern  den  Namen 
gegeben  haben,  kehrt  wieder  bei  Dionysios  14,1  Kiessling  [IV  248,  9  Jacoby], 
wonach  Herakles  mit  der  Asterope,  der  Tochter  der  Atlantis,  die  Söhne  Iberos 
und  Keltos,  die  ersten  Könige  Spaniens  und  Galliens  erzeugt. 

3)  Die  merkwürdige  Uebereinstimmung  des  Berichts  über  die  gallischen 
Barden,  Vaten  und  Druiden  bei  Strabon  4,  4,  4  p.  197  und  Ammian  15,  9,  8  ist 
oft  hervorgehoben,  auch  schon  von  Zeuss  gr.  Celt.  p.  46*  darauf  hingewiesen 
worden,  dass  Ammians  evhagis  gewiss  nichts  ist  als  verlesen  aus  dem  griechischen 
OYATIC.  —  Uebrigens  wird  hienach  nicht  abzuweisen  sein,  dass  der  römische 
vates  seinem  Ursprung  nach  nicht  minder  gallisch  ist  als  der  haruspex  etruskisch, 
wenngleich  schon  Ennius  ihn  mit  dem  Faunus  zusammen  nennt  und  Varro  für 
ihn  nach  einer  lateinischen  Etymologie  suchte. 

4)  Dass  Poseidonios  von  den  Barden  erzählte ,  lehrt  das  Fragment  23  (vgl. 
25)  bei  Müller  =  Athenaeos  VI  p.  246  c. 

5)  4,  1,  13  p.  188.  Was  er  ihm  entnimmt,  ist  Stadtklatsch  und  er  fährt  fort: 
ni&avcoTSQog  d'  iazlv  6  JIooeiScoviov  köyo?. 


Ammians  Geographica.  411 

scheinlicher,  dass  er  denselben  vielmehr  der  eigentlichen  Quelle,  das 
heisst  dem  Poseidonios  entnommen  hat. 

Die  Frage,  ob  bei  Ammian  weitere  Auszüge  aus  dieser  relativ 
werthvollen  Quelle  enthalten  sind,  lässt  sich  für  den  Abschnitt  über 
die  Chorographie  Galliens  mit  Bestimmtheit  verneinen^.  Dagegen 
ist  Bergers  2  Vermuthung  sehr  wahrscheinlich,  dass  die  sicher  einer 
griechischen  Quelle  entstammende,  der  Darstellung  Galliens  kurz 
voraufgehende  Schilderung  des  Bodensees  ebenfalls  auf  Timagenes 
zurückgeht^. 

Welche  Schrift  des  Timagenes  dem  Ammian  vorgelegen  hat,  ist 
nur  insoweit  zu  entscheiden,  dass  die  lediglich  in  mythologisch- 
geographischen Nachrichten  bestehenden  Auszüge  auf  das  Geschichts- 
werk nicht  passen*.  Für  den  Periplus  gilt  dies  nicht  in  gleicher 
^V^eise;  vielmehr  verdient  Erwägung,  dass  die  einzige  Stadt,  die  die  622 
ammianischen  Timagenes- Excerpte  nennen,  Massalia  ist,  der  einzige 
darin  vorkommende  Alpenpass  der  über  die  Seealpen.  Letzteres  ist 
besonders  bemerkenswerth,  weil  Ammian  die  Alpenpässe  überhaupt 
schildern  will  und  neben  der  dem  Timagenes  entnommenen  Dar- 
stellung  des   Seealpenübergangs   den   cottischen  Pass  nach    eigener 


1)  Wir  sind  hier  in  der  Lage  die  Quellen  fast  durchgängig  mit  Sicherheit 
nachweisen  zu  können.  Cap.  9  u.  10,  8.  9  kommen  von  Timagenes;  c.  10,  1 — 7, 
c.  11,  16 — 18  (Schilderung  der  Rhone)  und  c.  12  aus  eigener  Anschauung;  10,  10. 
11  aus  Livius;  12. 1 — 5  aus  Caesars  Commentarien;  12,  6—15  aus  der  ßeichsliste 
der  Gemeinden;  12,  5  vielleicht  aus  der  livianischen  Epitome;  12,  6  aus  Sallustius. 

2)  Eratosthenes  S.  363. 

3)  15,  4,  2  —  6.  Für  ihn  passen  die  Stadien  so  wie  die  Vergleichung  der 
Nilkatarakten  und  der  Arethusaquelle.  "Wie  Gardthausen  S.545  diese  Beschreibung 
des  Oberrheins,  die  beste  aus  dem  Alterthum,  die  wir  haben,  im  Ernst  hat  auf 
Eratosthenes  zurückführen  können,  der  'das  Keltenland  gar  nicht  kannte'  (Strabon 
2,  1,  41  p.  93),  verstehe  ich  nicht.  Am  letzten  Ende  stammt  sie  sicher  von 
Poseidonios.     [Vgl.  E.  Fisch,  De  Argonautarum  reditu,  Göttingen  1896,  S.  51.] 

4)  Dass  Strabon  dieses  benutzt  hat,  nicht  bloss  in  seinem  verlorenen  Ge- 
schichtswerk, sondern  auch  in  der  erhaltenen  Geographie,  führt  Gutschmid 
(Litterar.  Centralblatt  1873  S.  788  [=  Kl.  Sehr.  V  S.  368])  mit  Recht  gegen  Gardt- 
hausen aus  —  dass  Strabon  das  Werk  'in  seiner  Geographie  benutzt',  was  Gardt- 
hausen geltend  macht,  beweist  natürlich  gar  nichts.  Aber  die  Nachricht  über  die 
to-osanische  Beute  vS-  621  A.  2  [410  A.  5])  kann  unmöglich  in  einem  Periplus  ge- 
sta-nden  haben.  Auch  die  Fabelerzählung  von  dem  indischen  Kupferregen  (15, 1, 57 
p.  711)  lässt  sich  nicht  mit  Sicherheit  dem  Geschichtswerk  absprechen;  der  Zug 
Al'jxanders  bot  dafür  eine  geeignete  Anknüpfung.  Aber  für  Ammian  folgt  daraus 
nichts;  denn  dass  Strabon  und  Ammian  dieselbe  Schrift  des  Timagenes  benutzten, 
wi'5  dies  Gardthausen  und  Gutschmid  annehmen,  beruht  auf  der  Zurückführung 
des  strabonischen  Berichts  über  die  keltische  Religion  auf  Timagenes,  deren 
ünwahrscheinlichkeit  oben  dargethan  ist. 


412  Ammians  Geographica. 

Anschauung^,  den  poeninischen  nach  Livius  beschreibt 2;  es  scheint 
also  ziemlich  sicher,  dass  Timagenes  die  anderen  Alpenpässe  nicht 
beschrieben  hat.  Bedenken  erregt  freilich  die  Schilderung  des  Boden- 
sees, womit  noch  zusammengestellt  werden  kann,  dass  Plinius^  die 
Längenausdehnung  der  Alpen  aus  Timagenes  anführt.  Unmöglich 
ist  es  allerdings  nicht,  dass  ein  Periplus  bei  der  Rheinmündung  und 
der  Seealpe  diese  Notizen  beibrachte.  Aber  andrerseits  ist  nicht  in 
Abrede  zu  stellen,  dass  das  Hervortreten  des  Timagenes  vorzugsweise 
bei  Nachrichten,  welche  sich  auf  Gallien  beziehen,  die  Annahme  einer 
Gallien  behandelnden  Specialschrift  empfiehlt*.  Eine  bestimmte  Ent- 
scheidung ist  nicht  zu  gewinnen. 

Es  liegen  aber  bei  Ammian  noch  anderweitige  geographische 
Excerpte  aus  einer  griechischen  Quelle  vor.  Ich  habe  früher  (S.  604 
[395])  hervorgehoben,  dass  die  Schilderung  der  Küsten  des  thrakischen 
und  des  schwarzen  Meeres  (22,  8)  den  sonstigen  geographischen 
623  Erörterungen  Ammians  ungleichartig  ist.  Allerdings  ist  sie  nicht 
einheitlicher  Art^.  Der  zweite  Abschnitt,  der  die  Nord-  und  West- 
küste des  schwarzen  Meeres  vom  Phasis  bis  zur  thrakischen  Ost- 
küste umfasst  (24—48),  enthält  nicht  wenige  ptolemaeische  Excerpte, 
die  zum  Theil  schon  früher  erörtert  sind^;  andere  Nachrichten  des- 


1)  15, 10, 1-7.    Vgl.  C.  I.  L.  V  p.  811. 

2)  15,  10,  10.  11.  Dies  führt  Gardthausen  S.  553  f.  mit  Recht  gegen  Wölfflin 
aus.  Jede  einzelne  positive  Angabe  kehrt  bei  Livius  wieder;  wie  arg  Ammian 
seine  Quelle  zerrüttet,  lehrt  freilich  auch  diese  Stelle  in  nur  zu  schlagender 
Weise.  j 

3)  n.  h.  3,  19, 132.  I 

4)  Dies  ist  Wilamowitzs  Ansicht;  die  Nichterwähnung  der  übrigen  Alpen-' 
passe  würde  dann  darauf  zurückzuführen  sein,  dass  diese  der  griechischen 
Legende  fem  lagen.  [Vgl.  H.  Wilkens,  Quaest.  de  Strabonis  aliorumque  rerum 
Gallicarum  auctorum  fontibus,  Marburg  1886,  S.  29 ff.].  Strabons  Nachricht  von 
dem  tolosanischen  Schatz  wird  nicht  hierher  zu  ziehen  sein,  weil  dieser  den 
Timagenes  auch  für  nichtgallische  Dinge  mehrfach  anführt. 

5)  Von  eigenen  Wahrnehmungen  des  Schriftstellers,  auf  die  das  visa  vel 
lecta  des  Eingangs  führt,  finde  ich  hier  keine  Spur. 

6)  Die  erste  ziemlich  sickere  Spur  ist  die  Nennung  der  Achaeer  und  Cer- 
ceten  c.  25,  schwerlich  zu  trennen  von  Ptolemaeos  3,  9,  25:  tuagä  t6v  IJovrov 
'Ayaiol  xal  KsQxhai,  womit  auch  die  bei  Ptolemaeos  vorhergehenden,  bei  Ammian 
folgenden  Bosporaner  und  der  Fluss  Ra  (Ptol.  5,  8,  6  und  sonst)  zusammengehören 
werden.  Der  bei  Ammian  folgende  Abschnitt  29  ist  oben  S.  613  [404]  ab- 
gedruckt und  sicher  ptolemaeisch.  Ebenso  sind  in  c.  33  die  Arinchi  et  Sinchi 
et  Napaei  ohne  Zweifel  die  'AQiyyoi  (so  mehrere  Handschriften,  ähnlich  auch 
Mirandula ;  Aq^ikoi  der  Vat.)  Ziyyol  (2ivxoi  der  Vat. ,  Zivyoi  oder  Ziyyol  die 
übrigen^  Kavatprjvoi  (so  der  Vat.,  die  übrigen  Kovaiprjvoi)  des  Ptolemaeos  5,  9,  18. 
Man  sieht,  dass  Ammian  bis  hieher  Ptolemaeos  asiatisches  Sarmatien  benutzt 


Ammians  Geographica.  413 

selben  berühren  sich  so  eng  mit  dem  solinischen  Memorabilienbuch, 
dass  über  deren  Herkunft  insoweit  kein  Zweifel  bleiben  kann^. 
Anders  verhält  es  sieh  mit  dem  ersten  Abschnitt,  der  Beschreibung 
der  europäischen  Küste  vom  Athos  bis  Byzanz  und  der  asiatischen 
von  Alexandria  Troas  bis  zum  Phasis  (2 — 24),  woran  einige  wenige 
gleichartige  Stücke  aus  dem  zweiten  Theil  sich  anschliessend. 
Augenscheinlich  liegt  hier,  und  zwar  in  dem  ersten  Abschnitt  aus- 
schliesslich, eine  griechisch  geschriebene  Küstenbeschreibung  zu 
Grunde,  deren  Verfasser  die  mythologische,  historische  und  litterar-  624 
historische  Ueberlieferung  in  weitem  Umfang  geläufig  war.  Die  zahl- 
reichen Entstellungen  kommen  ohne  Zweifel  auf  Rechnung  Ammians  ^. 
Mit  Recht  sagt  Valesius  einmal,  dass  hier  Apollonios  Rhodios  über- 
setzt oder  vielmehr  in  die  Form  eines  Periplus  umgesetzt  zu  sein 
scheine*;  die  Argonautensage  spielt  an  der  pontischen  Küste  überall 


hat.  Weiterhin  entnimmt  er  dem  dritten  Buch  die  Angaben  über  den  taurischen 
Chersonesos  (6)  und  über  das  europäische  Sarmatien  (5).  Die  Städtenamen  c.  36 
Eupatoria,  Dandake,  Theodosia  sind  wohl  geflossen  aus  Ptolemaeos  3,  6,  2; 
ptolemaeische  Entlehnungen  in  c.  38.  39  sind  S.  614  [404]  aufgeführt;  c.  40 
sind  die  Städtenamen  Borysthenes  und  Cephalonesus ,  so  wie  die  Alexander- 
und Augustusaltäre  aus  Ptolemaeos  3,  5,  8.  26.  28  genommen.  Auch  in  den 
folgenden  Abschnitten  mag  noch  so  manches  Einzelne  der  Art  enthalten  sein, 
ist  aber  nicht  mehr  sicher  zu  scheiden. 

1)  Dahin  gehört  die  Notiz  über  Dioskurias  und  die  Heniocher  c.  24,  wo 
Ammian  selbst  in  der  verdorbenen  Xamensform  mit  Solinus  übereinstimmt;  die 
Erwähnung  der  ilelanchlaenen,  Gelonen  und  Agathyrser  c.  31  zusammengehalten 
n:it  der  weiteren  Ausführung  31,2,13  —  15;  die  schon  S.  614  A.  2  [404  A.  2] 
erwähnten  Arimphaeer  c.  38 ;  die  Angaben  über  die  Donau,  das  Wasser  und  die 
Fische  des  schwarzen  Meeres  c.  44—47  (Tgl.  S.  632  [420]). 

2)  Dahin  gehört  wenigstens  die  auserlesene  Notiz  c.  34  über  die  Artemis 
Orsiloche,  die  in  unserer  Litteratur  nur  bei  Antoninus  Liberalis  c.  27  wiederkehrt; 
vielleicht  auch  die  Inseln  Phanagoria  und  Hermonassa  c.  30  und  anderes,  was 
auf  das  griechische  Wesen  engeren  Bezug  hat. 

3)  Namentlich  in  dem  Umsetzen  der  Orte,  auch  wo  geographisch  geordnete 
Verzeichnisse  vorliegen ,  leistet  Ammian  das  Unglaubliche.  Auf  die  Folge  der 
Localnamen  hat  Gardthausen  S.  538  mehr  Gewicht  gelegt  als  er  durfte.  Eigent- 
liche Zusätze  hat  Ammian  nicht  gemacht;  denn  ConstanthiopoUs  vetus  Byzantium 
c.  8  zählt  nicht,  und  ob  die  Provinz  Rhodope  auf  die  Fassung  c.  4  eingewirkt 
hat,  ist  fraglich. 

4)  Die  merkwürdigste  Analogie  ist  22,  8,  20:  attoUitur  Carambis  placide  cottis 
co'itra  septentrionem   Heiken   surgens,  von  Valesius  verglichen   mit   Apollonios 

2,360: 

eari  Ss  tis  äxQrj  'EXixfjs  xaTEvavxiov  agxzov 
jrdvzodev  rjUßaxo^-  xal  ftiv  xakiovai  KÖQajxßiv, 
WC  in  der  That  entweder  Ammian  oder  schon  sein  Gewährsmann  aus  der  'Bärin 
Helike'  des  Dichters  einen  poetisch  wie  prosaisch  unmöglichen  'Heüke  Norden' 


414  Ammians  Geographica. 

die  erste  Rolle,  obwohl  auch  gelehrte  Notizen  anderer  Art  in 
Fülle  vorhanden  sind.  Citirt  werden  Hekataeos  und  Eratosthenes, 
und  zwar  wenigstens  letzterer  richtig^;  gerechnet  wird  nach  Stadien, 
und  die  mitgetheilten  Angaben  stimmen  ziemlich  mit  den  erato- 
625  sthenischen  überein  2.  Daneben  erscheint  Rücksichtnahme  auf  römische 
Verhältnisse,  wie  die  Aeneassage^  und  die  römische  Provinzial- 
eintheilung  nicht  der  ammianischen,  sondern  der  früheren  Zeit*. 
Wenn  Timagenes  einen  neQiTiXovg  ndorjg  'd^aXdoorjg  geschrieben  und 
Ammian  diesem  die  Gallien  betreffenden  Timagenes  -  Auszüge  ent- 
nommen hat,  so  wird  man  nicht  anstehen  dieselbe  Quelle  auch  hier 
zu  erkennen  5,  Man  kann  dafür  weiter  geltend  machen,  dass  die 
einzige  gewissermassen  historische  Stelle  sich  nahe  berührt  mit  Justin: 


Justin  2,  4,  2: 

(Scythae)  in  Cappadociae  ora  iuxta 
amnem  Tliermodonta  consede- 
runt  suhiectosque  Themiscyrios 
campos  occupavere. 

ihi  per  multos  annos  spoliare  fini- 
timos  adsueti 


Ammian  22,  8,  17.  18: 
Thermodon  Ms  est  proximus  .... 
Themiscyraeos  interlahens  lucos, 
ad  quos  Amazonas  quondam 
migrare  necessitas  suhegerat  talis. 
attritis  damnorum  adsiduidate  fini- 
timis 


gemacht   hat.     Wie   war   es   hieuach   möglich   septentrionem   bei   Ammian    zu 
athetiren ! 

1)  22,  8,  10.  Gardthausen  führt  S.  541  aus,  dass  die  Vergleichung  der  West- 
küste des  schwarzen  Meeres  mit  einem  Skythenbogen ,  um  die  es  sich  hier 
handelt,  bei  Eratosthenes  stand  und  wahrscheinlich  von  ihm  herrührt,  Hekataeos 
also  hier  ebenso  zu  Unrecht  citirt  wird  wie  Ptolemaeos.  Die  Hereinziehung 
des  letzteren  hat  Ammian  verschuldet;  ob  auch  die  des  ersteren  oder  dieser 
Fehler  älter  ist,  lässt  sich  nicht  entscheiden.  Berger  (Eratosth.  S.  333)  ist 
geneigt  jene  Vergleichung  auch  dem  Eratosthenes  abzusprechen;  aber  sie  tritt 
so  früh  und  so  häufig  auf,  dass  ich  Gardthausen  beistimmen  möchte. 

2)  Die  Entfernung  der  Vorgebirge  Criumetopon  und  Carambis  beträgt 
2500  Stadien  nach  Ammian  22,  8,  20  wie  nach  Strabon  2,  5,  22  p.  125 ,  ohne 
Zweifel  nach  Eratosthenes,  da  späterhin  niedrigere  Zifi"ern  erscheinen.  Als 
Umfangsmass  des  schwarzen  Meeres  giebt  Ammian  22,  8,  10  nach  Eratosthenes 
23000  Stadien  an,  und  diese  Ziffer  wird  als  die  richtige  eratosthenische  durch 
zahlreiche  andere  Angaben  geschützt  (Müller  zu  Agathemeros  3,  11;  Berger 
Eratosth.  S.  330);  die  Zahl  25000  bei  Strabon  a.  a.  0,  ist  von  ihm  oder  den  Ab- 
schreibern verdorben.  3)  22,  8,  3. 

4)  Bomanae  provinciae:  22,8,11.  Bithynia:  c.  14.  Post  Bithyniae  partem 
provindae  Pontus  et  Paphlagonia  protenduntur :  c.  16,  welche  der  Schreiber  zu- 
sammenfasst,  also  die  Doppelprovinz  Pontus  und  Bithynien  im  Sinne  hat. 

5)  Daraus,  dass  c.  18  bei  der  lo-Fabel  hinzugesetzt  ist:  ut  poetae  loquuntur, 
und  c.  15  der  Argonautengedichte  als  priscorutn  carmimim  cantm  gedacht  wird, 
kann  unmöglich  mit  Gardthausen  S.  539  auf  einen  metrischen  Periplus  ge- 
schlossen werden. 


Ammians  Geographica.  415 

Die  weitere  Erzählung  geht  allerdings  verschiedene  Wege.  —  Aber 
die  hier  auf  jeden  Fall  zu  Grunde  liegende  der  Argonautensage 
sich  anschliessende  Küstenbeschreibung  ^  kann  allerdings  auch  durch 
eine  andere  Zwischenquelle  oder  selbst  unmittelbar  von  Ammian 
benutzt  worden  sein. 

Auch  in  die  Beschreibung  des  Orients  scheinen  einige  gleich-  625 
artige  Notizen  eingelegt.  Gardthausen  hat  aufmerksam  gemacht  auf 
die  hier  hin  und  wieder  auftretenden  eratosthenischen  Nachrichten. 
"Was  Strabon  über  das  persische  Meer  aus  Eratosthenes  anführt, 
stimmt  genau  mit  dem  Anfang  der  Beschreibung  der  Diöcese  Oriens^. 
Drei  offenbar  zusammengehörende  Angaben  Ammians  23,  6,  43.  69. 
70  sind  dem  berühmten  eratosthenischen  Kontier  über  die  Strasse 
von  den  kaspischen  Pforten  zum  Indus  entnommen,  erscheinen  aber 
hier  nicht  bloss  arg  zerrüttet,  sondern  sonderbarer  "Weise  als  Masse 
irgend  welcher  Küstenfahrt  ^.  Weiter  begegnet  als  Abschluss  der 
Beschreibung  des  persischen  Staates  ein  Bericht  über  die  Ausdehnung 

1)  Welcher  Beschaffenheit  dieselbe  gewesen  ist,  liegt,  ausserhalb  des  Kreises 
meiner  Forschung.  Wilamowitz  schreibt  mir  darüber:  ^.Evident  ist,  dass  der 
Periplus  an  Apollonios  auschliesst,  um  so  auffallender,  dass  er  mit  den  erhaltenen 
Schollen,  welche  doch  schon  Valerius  Flaccus  benutzt  hat,  keine  BerOhnrng 
zeigt.  Ausserdem  aber  erkennt  man,  dass  attische  Tradition  irgendwie  einge- 
wirkt hat:  denn  die  singulare  Notiz,  welche  Byzantion  von  Athen  gegründet 
werden  lässt  (vgl.  Kydathen  S.  17),  die  Bemerkung  über  die  ionische  Wanderung 
und  die  attische,  allerdings  populärste,  Amazonensage  schliessen  sich  zusammen. 
Ebenso  geht  die  Gründung  von  Ainos  durch  Aineias,  von  Parion  durch  Paris 
lasions  Sohn  auf  gute  sehr  alte  epichorische  Ueberlieferung  zurück.  Dagegen 
versagt  das  Historische  fast  völlig ;  vs-o  doch  Lysimacheia  Apameia  Nikomedeia 
Erklärung  forderten." 

2)  Strabon  16,  3,  2  p.  765  =  Ammian  23,  6,  10.  Hier  stimmt  sogar  das 
Mass;  Gardthausen  hat  übersehen,  dass  die  10000  Stadien  bei  Strabon  nur  die 
eine  Hälfte  des  Ringmasses  sind.  Vgl.  Plinius  6,  24,  108.  Agathemeros  3, 12. 
Berger  Eratosthenes  S.  274. 

3)  Ammian  23,  6,  43:  a  ciiius  (Heeatonyayli)  finibus  per  Caspia  litora  ad 
tisque  portarum  angustias  stadia  XL  numerantur  et  M.  Dieselbe  Distanz  be- 
rechnet Plinius  6,  15.  44  auf  133  Milien  =  1064  Stadien,  Eratosthenes  bei  Strabon 
11,8,9  auf  1960  Stadien.  C.  69:  unde  (von  Alexandria  Ariana)  naviganü  ad 
Caspmm  mare  D  stadia  numerantur  et  M.  Gemeint  ist  wohl  die  bei  den  ge- 
nannten Autoren  (Plinius  6,  17,  61,  Strabon  a.  a.  0.)  nächstfolgende  Distanz  von 
Hekatompylos  nach  Alexandria  Ariana  von  575  Milien  =  4600  Stadien  nach 
Plinius,  4530  Stadien  nach  Strabon.  C.  70:  Ortospana,  unde  litorea  naiigatio  ad 
usque  Mediae  fines  portis  proximos  Caspiis  stadiorum  »unt  duo  milia  et  CC.  Ter- 
muthlich  ist  dies  die  Strecke  von  der  Stadt  der  Arachoten  bis  Ortospana, 
175  Milien  =  1400  Stadien  nach  Plinius,  2000  Stadien  nach  Strabon.  Das 
Schwanken  der  Zahlen  darf  nicht  iiren ;  schon  Plinius  merkt  an :  in  quihusdam 
•ixemplarihus  diversi  ntomri  reperiuntur. 


416  Ammians  Geographica. 

der  nördlichen  und  der  südlichen  Küsten  desselben  ebenfalls  in 
627  Stadien  ^.  Diese  Art  der  Entstellung  wird  etwas  weniger  unbegreif- 
lich, wenn  Ammian  hier  einem  Periplus  folgte^  und  die  Angaben, 
die  er  bei  diesem  fand,  unverständiger  Weise  sämmtlich  als  Küsten- 
masse auffasste.  Ob  dies  eben  derselbe  Periplus  ist,  der  für  das 
schwarze  Meer  die  Nachrichten  lieferte,  steht  dahin.  Auf  alle  Fälle 
schien  es  angemessen,  unter  diesem  Abschnitt  die  eigentlich  grie- 
chischen Quellen,  die  nach  Stadien  messen  und  eratosthenische  An- 
setzungen  wiedergeben 3,  zusammenzufassen.  Sind  die  ammianischen 
Angaben  wie  gleichartig,  so  auch  der  gleichen  Schrift  entnommen, 
so  kann  dies  nur  eine  des  Timagenes  sein;  denn  diesen  allein  nennt 
Ammian  in  dieser  Verbindung  und  zwar  in  einer  "Weise,  dass  hier 
an  indirecte  Benutzung  nicht  gedacht  werden  kann. 

5.    Solinus  und  die  Memorabilien. 
Die    enge  Verwandtschaft    zwischen    Solinus    collectanea    verum 
memordbilium   und  Ammian    ist   notorisch.     Wenn   jene   Schrift   im 
Grossen  und  Ganzen  als  ein  geographisch   geordneter  und  vielfach 

1)  23,  6,  74:  ne  igitur  orae  maritimae  spatia  adluentia  Persidis  extremitcUes 
per  minutias  demonstrantes  a  proposito  longius  aberremus,  id  sufficiet  dici,  quod 
mare  praetentum  a  Caspiis  montibus  per  horium  latus  ad  usque  memoratas 
angustias  novem  milium  stadiorum,  austräte  vero  ab  ostiis  Nili  fluvii  ad  usque 
principia  Carmanorum  XIV  milium  stadiorum  numero  definüur.  Die  Rückbeziehung 
auf  die  eben  erörterten  Ansetzungen  ist  deutlich,  denn  die  memoratae  angxistiae 
können  nur  die  c.  40.  70  genannten  kaspischen  sein.  Im  Uebrigen  ist  schwer 
zu  sagen,  was  hier  gemeint  ist.  Als  persische  Nordküste  kann,  zumal  da  die 
Skythen  c.  61  ausdrücklich  intra  Persicos  fines  gesetzt  werden,  wohl  nur  die  süd- 
liche und  östliche  Küste  des  kaspischen  Meeres  gedacht  sein,  indess  ist  weder  mit 
Caspius  mons  etwas  anzufangen  (Berger  S.  328),  noch  können  als  andere  Grenze 
die  kaspischen  Pässe  auftreten,  noch  lassen  aus  den  überlieferten  eratosthenischen 
Zahlen  (Berger  S.  328  f.^  die  9000  Stadien  ohne  arge  Willkür  sich  herausrechnen. 
Noch  seltsamer  ist  die  zweite  Angabe.  Bergers  Vermuthung  (S.  251),  dass  für 
den  Nil  der  Indus  zu  setzen  und  die  Südküste  der  zweiten  eratosthenischen 
atpQayig  gemeint  sei,  die  Strabon  15,  2,  8  p.  724  auf  14000  Stadien  angiebt,  mag 
das  Richtige  treffen;  aber  unerklärt  bleibt,  warum  hier  der  persische  Meerbusen 
fehlt  und  nicht  von  der  Mündung  des  Indus  bis  zu  der  des  Euphrat  gemessen  ist. 

2)  Bergers  Vermuthung  (Eratosth.  S.  239),  dass  die  im  Alterthum  weit 
verbreitete  Annahme  einer  Verbindung  des  kaspischen  Meeres  mit  dem  Ocean 
und  der  Möglichkeit  einer  Fahrt  vom  indischen  ins  kaspische  Meer  hier  zu 
Grunde  liege,  scheint  mir  verfehlt ;  alle  greifbaren  Elemente  bei  Ammian  führen 
auf  die  Landstrasse  von  den  kaspischen  Thoren  an  den  Indus. 

3)  Auch  die  Behandlung  der  beiden  früh  in  die  geographische  Discussion 
hineingezogenen  Homerstellen  bei  Ammian  in  der  Beschreibung  des  Perserreichs 
23,  6,  53.  62  und  in  der  von  Thrakien  27,  4,  3  führt  Gardthausen  S.  543.  546  auf 
die  eratosthenische  Quelle  zurück,  vielleicht  mit  Recht  (vgl.  Berger  Eratosth. 


Amniians  Geographica. 


417 


erweiterter  Auszug  der  in  Plinius  Naturgeschichte  erwähnten  Merk- 
würdigkeiten sich  charakterisiren  lässt,  so  schliesst  Ammian  auch 
da,  wo  Solinus  von  seiner  Quelle  abweicht,  sich  im  Ganzen  an  ihn 
an^  und  giebt  selbst  solche  solinische  Angaben  wieder,  welche  bei 
Plinius  fehlen^.  Nichts  desto  weniger  reicht  man  nicht  aus  mit  der  628 
einfachen  Annahme,  dass  Ammian  den  Plinius  nur  mittelst  des  So- 
linus benutzt  hat;  es  finden  sich  verschiedene  Stellen,  wo  er  sich 
enger  an  Plinius  anschliesst  als  an  Solinus'.     Hätte  Ammian  beide 

S.  350  nnd  oben   S.  617   A.  3  [407  A.  2]).     Es  mag   auch  sonst   noch   manches 
vereinzelte  Excerpt  aus  gleicher  Quelle  bei  Ammian  vorkommen. 

1)  Zu  den  zahlreichen  Beweisen,  die  die  Zusammenstellungen  und  die 
Anmerkungen  in  meiner  Ausgabe  des  Solinus  dafür  geben,  füge  ich  einen  dort 
fehlenden,  der  besonders  schlagend  ist.  Die  Wagenlenker  der  Dioskuren,  von 
denen  die  Stadt  am  Phasis  erbaut  sein  soll,  heissen  bei  Plinius  6,  5,  16  Amphitus 
und  Telchius  und  diese  Formen  Te/.yig  y.al  "Aucfnog  bestätigt  Charax  (schol. 
Dionys.  perieg.  687),  während  alle  sonstigen  Quellen  (Strabon  11,2,12  p,  496 
und  aus  ihm  Enstathios  zum  Dionys.  680;  Justinus  42,  3,  3)  in  den  Namen 
variiren.  Bei  Solinus  15,  17  heissen  sie  Amphitus  et  Cercius  (Var.  tercius,  circius) 
und  die  letztere  ohne  Zweifel  bloss  auf  Verderbniss  des  plinianischen  Telchius 
beruhende  Form  wiederholt  sich   bei  Ammian   22,  8,  24  ebenso  wie  bei  Isidor. 

2)  So  die  Notiz  über  die  Danae  Amm.  14,  8.  3  =  Solin.  88,  3;  die  Erwähnung 
der  hundert  Priester  bei  der  Apisweihe  Amm.  22,  14,  8  =  Solin.  32,  18;  die  der 
punischen  Bücher  Amm.  22,  15,  8  =  Solin.  32,  2.  Aus  dem,  was  Plinius  vom 
Krokodil  sagt  8.  25.  89:  armatus  est  contra  omnes  ictas  cute  invicta  ist  dann  geworden 


bei  Solinus  32,  24: 
circumdatur   maxima   cutis   firmitate    in 
tantum,  ut  icttis  quovis  tormento  adactos 
tergo  repercutiat. 


bei  Ammianus  22,  1-5,  16: 
diebus  hutni  versatur  confidentia  cutis, 
quam  ita  validam  gerit,  ut  eius  terga  cata- 
phracta    vix  tormentorum    ictibus   per- 
forejitur. 

3)  So  haben  vom  Nil  den  Gegensatz  ruere  —  fluere  Plinius  5, 9,  54  und  Ammian 
22, 15,  9  (ebenso  vom  Rhein  15,  4,  2),  während  Solinus  32,  7  dafür  fhiere  —  manare 
setzt.  So  geben  Plinius  8,  25,  89  und  Ammianus  22,  15, 16  dem  Krokodil  achtzehn 
Ellen  Länge  (denn  in  edbeciem  kann  nur  octodecim  stecken),  Solinus  32,  22  abge- 
rundet 20.  Auch  was  Ammian  22,  8, 47  über  die  Fische  des  Pontus  sagt,  steht  wohl 
ähnlich  bei  Solinus  12, 13,  aber  schliesst  sich  weit  enger  an  Plinius  9,  15,49.  50  an: 

Plinius:  i  Ammian:  | 

zumthynnishaec  (amia)  \  constat  ah  ultimis  )wstri  fini- 
'?  pelamydes  in  Fontiwi  ■■  btts  maris  agminatim  ad  hunc 
ad  didciora  päbula  in-   [   secessum  pariendi  gratia  petere 

tränt    gregatim    pisces,    ut  aquariim   suavitate 

in  Pontum  nuUa  intrat  \  saluhrius  fetus  educant  in  re- 
ceptaadis  cavis,  quae  sunt  ihi 
densissima,  securi  voracitim 
heluarum;  nihil  enim  in  Ponto 
huiusmodi  aliquando  est  visum 
praeter  innoanos  delphinas  et 
phocas  (Hdsch.  et  pauos) 


Itstia  piscibus  malefica 
jraeter  ritulos  et  parvos 
('elphinos. 


Solinus: 
(in  Ponto)  praeter  pho- 
cas rara  hdua  est:  plu- 
rimus  thynnus  in  Ponto, 
nee  aJibi  paene  fetificant: 
nusquam  enim  citius 
adulescunt,  scilicet  ob 
aquas  dulciores. 


MOMHSEN,   SCHR.  VII. 


27 


418  Ammians  Geographica. 

620  neben  einander  gebraucht^  und  im  Anschluss  an  Plinius  die  Worte 
des  Solinus  geändert,  so  würden  wir  erwarten  dürfen  wenigstens  in 
den  geographischen  Abschnitten  irgend  einem  von  den  Memorabilien 
unabhängigen  plinianischen  Excerpt  zu  begegnen.  Dies  aber  ist 
schlechterdings  nicht  der  Fall.  Es  bleibt  also  wohl  nichts  übrig  als 
die  von  mir  schon  früher*)  aufgestellte  Annahme,  dass  das  uns  vor- 
liegende Memorabilienbuch  verkürzt  ist  und  dem  Ammian  reiner 
und  reicher  vorgelegen  hat  als  wir  dasselbe  besitzen. 

Wenn,  was  hienach  nicht  abgewiesen  werden  kann,  im  Ammian 
noch  andere  Auszüge  aus  dem  Memorabilienbuch  stecken  als  sie  in 
unserem  SoHnus  sich  finden,  so  muss  die  Untersuchung,  welche 
Nachrichten  Ammian  dem  Memorabilienbuch  entlehnt  hat,  auf  eine 
vollständige  Lösung  verzichten.  Denn  bei  dem  desultorischen  Cha- 
rakter dieser  Notizen,  die  aus  unzähligen  und  sehr  verschiedenartigen 
Quellen  herrühren  können,  sind  Schlüsse  aus  Analogie  hier  vor  allem 
bedenklich.  Wir  werden  uns  begnügen  müssen  in  allgemeinen  Um- 
rissen darzulegen,  wie  Ammian  diese  Quelle  genutzt  hat. 

Dass  im  Laufe  der  Erzählung  gelegentlich  Notizen  aus  dem 
Memorabilienbuch  verwendet  werden,  so  über  die  Träume  15,  3,  6; 
über  den  Biber  17,  5,  7  =  Solinus  13,  2;  über  das  Schaltsystem 
26,  1,  12.  13;  über  die  Waffenthaten  des  Dentatus  und  des  Catilina 
25,  3,  13.  27,  10,  16,  versteht  sich  bei  Ammians  schriftstellerischer 
Weise  von  selbst.  In  ähnlicher  Weise,  aber  häufiger,  hat  er  des 
Yalerius  Maximus  Anekdotensammlung  geplündert. 

Anders  verhält  es  sich  in  den  geographischen  Abschnitten,  Hier 
ist  die  Benutzung  gewissermassen  eine  systematische,  nachweisbar 
für  die  Diöcesen  Aegyptus  (22,  14 — 16)  und  Oriens  (14,  8),  für 
Persien  (23,  6),  für  die  pontischen  Districte  (22,  8)  und  für  die 
Schilderung  der  Hunnen  und  Alanen  (31,  2),  also  für  alle,  mit  Aus- 
nahmen des  gallischen  und  des  thrakischen.    Es  ist  dies  auch  natür- 

630  lieh;  denn  da  die  Memorabilien  chorographisch  geordnet  waren,  so 
bildeten  sie   das  natürliche  Complement   der  Stadtverzeichnisse    der 

Fariendi  gratia  stammt  aus  den  fetificant  des  Solinus,  ebenso  die  beluae  statt 
der  bestiae  und  die  phocm  (denn  so  ist  offenbar  zu  schreiben)  statt  der  vituli, 
aber  die  innoxii  delphini  kommen  aus  Plinius. 

1)  Diese  Vermuthung  hat  Hertz  ausgesprochen  (Hermes  8,  266),  indem  er 
auf  die  aus  dem  Widmungsschreiben  des  Solinus  entlehnte  Phrase  26,  1,  1  referre 
a  notioribus  pedem  hinweist.  Aber  dies  entscheidet  insofern  nicht,  als  der 
Redacteur  des  uns  vorliegenden  Memorabilienbuchs  füglich  auch  diese  Vorrede 
ganz  oder  theilweise  von  seinem  Vorgänger  übernommen  haben  kann. 

*)  [In  der  ersten  Ausgabe  des  Solinus  (1864)  S.  XXIf.;  später  (1895)  in  der 
zweiten  S.  XVII  f.] 


Aramians  Geographica.  419 

Eeichsliste  und  des  Ptoleraaeos.  In  welcher  "Weise  im  Einzelnen 
die  Benutzung  stattgefunden  hat,  ist  im  Wesentlichen  aus  dem  Index 
meiner  Solinusausgabe ^  zu  entnehmen;  wo  Solinus  uns  im  Stich 
lässt,  vermögen  wir  nur  selten  eine  Nachricht  mit  einiger  Sicherheit 
auf  diese  Quelle  zurückzuführen.  Ich  beschränke  mich  daher  auf 
wenige  Bemerkungen. 

Die  Benutzung  ist  natürlich  sehr  ungleich.  Am  ausgedehntesten 
hat  sie  stattgefunden  bei  dem  Wunderlande  Aegypten.  Manches 
erzählt  Ammian  hier  nach  eigener  Anschauung  ^  oder  wenigstens 
ohne  Zuziehung  schriftlicher  Vorlagen,  besonders  in  der  Schilderung 
Alexandreias  und  seiner  namhaftesten  Gebäude  namentlich  des 
Heptastadiums  ^  und  des  Serapeums*,  ferner  des  nahen  Kanopos 
(22,  16,  7—14),  sowie  der  Aegyptier  überhaupt  (22,  16,  23)  5;  die 
Betrachtung  über  die  Stellimg  der  Alexandriner  in  der  Wissenschaft 
und  der  Religion  (22,  16,  16 — 22)  ist  ebenfalls  ohne  Benutzung 
schriftlicher  Torlagen  verfasst.  Dass  der  kurze  Abschnitt  22,  16,  1 — 6 
(vgl.  c.  15,  1.  2)  von  einigen  Einlagen  abgesehen  aus  der  Reichsliste 
und  Ptolemaeos,  die  historische  Schlussbemerkung  22,  16,  24  aus  631 
Rufius  entnommen  ist.  wurde  schon  gesagt;  die  Jfachricht  über 
Alexandreias   Schicksale   unter  Aurelian  22,  16,  15   ist  ohne  Zweifel 

1)  Hinzuzufügen  ist  Ammian  17,  5,  7  hocque  bestias  —  impavidae  =  Solinus 
p.  91,  11.  12  [81,  9.  10*]:  22,  8,  47  =  Solinus  p.  90,  3—7  [80,6-8*]  (s.  S.  628 
[417];  nachgewiesen  von  Gardthausen  S.  551);  22,  15,  12.  IS  cum  atüem  .  .  .  nuUas 
inspirat  =  Solinus  p.  157,  18  —  158,  12  [141,  10—142,  1»];  23,  6,  50  tibi  etiam 
tigridum  .  .  .  plures  =  Solinus  p.  101,  17  [90,  9*] ;  23,  6,  56  cameli  =  Solinus  p.  200, 18 
[181,8*];  31,2,23  sed  gladhis  —  colunt  =  Solinus  p.  92,10  [82,9*]  (nachgew. 
von  Gardthausen  S.  553). 

2)  Nach  seiner  eigenen  Angabe  22,  15,  1  hatte  er  bei  einer  früheren  Ge- 
legenheit von  Aegypten  visa  pleraqiie  erzählt. 

3)  Die  sicher  fabelhafte,  aber  merkwürdige  Erzählung  über  die  Erbauung 
des  Heptastadium  durch  die  Königin  Kleopatra  zur  Beseitigung  des  rhodischen 
Hafenzolls  sieht  ganz  aus  wie  eine  an  Ort  und  Stelle  dem  Fremden  erzählte 
Legende. 

4)  Mit  Unrecht  also  verwirft  Gardthausen,  was  man  bisher  aus  dieser 
Stelle  gefolgert  hat,  dass  das  22.  Buch  publicirt  ist  vor  der  Zerstörung  des 
Serapeums  im  J.  391.  Aus  andern  Gründen  hat  hiegegen  schon  Gutschmid  in 
der  angeführten  Recension  [Kl.  Sehr.  V  366  f.]  Einspruch  erhoben.  —  Daraus, 
dass  das  26.  Buch  c.  5,  14  den  Neoterius  als  postea  consul  bezeichnet,  also  nach 
391  geschrieben  ist,  hat  Gart  (quaestiones  Ammianae  p.  48)  mit  Recht  auf 
successive  Publication  der  Bücher  geschlossen.  —  Die  Fixirung  des  21.  Buches  in 
oder  nach  389  wegen  der  Präfectur  des  Victor  (c.  10,  6)  ist  unsicher;  das  Jahr 
derselben  ist  nicht  fixirt. 

5)  Dahin  gehört  auch  die  Bemerkung  über  das  Schwinden  der  Elephanten 
:i2, 15,  24,  wahrscheinlich  auch  die  über  die  Syringen  22,  15,  30. 

27* 


420  Ammians  Geographica. 

eine  Recapitulation  aus  der  eigenen  Erzählung  des  Historikers. 
Anderswo  begegnen  vereinzelte  Lesefrüchte  ^  Dagegen  scheint  der 
Abschnitt  22,  14,  7 — 15,  32  wesentlich  dem  Memorabilienbuch  ent- 
lehnt, aus  dem  auch  noch  weiterhin  einige  mehr  oder  minder  sichere 
Spuren  sich  finden  2.  Für  einen  sehr  grossen  Theil  setzt  die  Ueber- 
einstimmung  mit  Solinus  die  Herkunft  ausser  Zweifel;  von  dem,  was 
dieser  nicht  hat,  kehrt  einiges  bei  Plinius  wieder,  und  zwar  in  so 
enger  Anlehnung  an  die  solinischen  Excerpte,  dass  es  mit  grosser 
\Yahrscheinlichkeit  auf  die  diesen  zu  Grunde  liegende  Chorographie 
zurückgeführt  werden  kann^.  Was  weder  bei  Plinius  noch  bei 
Solinus  steht,  ist  den  solinischen  Einlagen  in  dem  Pliniusauszuge 
632  durchaus  gleichartig*;  auf  die  vollständigere  Chorographie  lässt  sich 
davon  mit  ziemlicher  Sicherheit  die   folgende  Angabe  zurückführen. 


Plinius  5,  9,  54:  1  Solinus  32,  7: 

(Niliis)  vectus  ...  ad\  (Nilus)  cum  primum  oc- 
loeum  Aethiopum  qui  Cata-  I  cursantibus  scopiüis  aspe- 
dupi    vocunttir ,    novissimo  j  ratur,  tantis  agtninibus  ex- 


catarracte  inter  occursantes 
scopulos  non  fluere  immenso 
fragore  creditur,  sed  ruere. 


tollitur  inter  obiecta  rupium, 
ut ruere potius  quam  manare 
credatur,  demumque  a  ca- 
tarracte  ultimo  tutus  est. 


Ammianus  22,  15,  9: 
(Nilus)  ad  catarractas  id 
est  pmeruptos  scopulos  venit, 
e  quibus  xjraecipitans  ruit 
potius  quam  flult:  unde 
Atos  olim  acrotas  usu  au- 
rium  fragore  adsiduo  demi- 
nuto  necessitasvertere  solum 
ad  quietiora  coegit. 


1)  So  ist  Gellius  7,  17,  3  sachlich  die  Quelle  von  22,  16,  13,  welcher  selben 
Stelle  anderswo  Ammian  die  Phrase  opera  consulta  entlehnt  hat  (Hertz  im 
Hermes  8,  279.  285).  Der  ganze  Schlangenknäuel  22,  15,  27  ist  aus  Lucan  9,  700  f. 
entlehnt,  nur  dass  der  Grieche  den  iacuU  Z.  720  die  acontiae  substituirt  hat, 
und  nach  Valesius  feiner  Bemerkung  die  Notiz  über  die  Aspis  ein  Missverständ- 
niss  ist  von  Z.  704. 

2)  Der  Anfang  der  Beschreibung  von  Alexandreia  ist  sicher  daraus  ge- 
nommen, da  er  vielfach  wörtlich  mit  Solinus  82,41.  43  stimmt.  Die  Anekdote 
über  Dinokrates  lehnt  so  eng  sich  an,  dass  sie  auch  wohl  ein  von  Solinus  weg- 
gelassener Zusatz  der  plinianischen  Chorographie  ist;  allerdings  konnte  Ammian 
sie  auch  aus  Valerius  Maximus  1,  4  ext.  1  entnehmen.  Minder  sicher  ist  die 
gleiche  Herkunft  der  Ursprungsgeschichte  von  Kyrene  22,  16,  4,  Pelusion  22,  16,  3, 
Kanopos  22,  16,  14.  Die  Notiz  über  den  kasischen  Berg  22,  16,  8  stimmt  mit 
Solinus  34,  1. 

3)  Dahin  gehören  die  Aufzählung  der  Nilmündungeu  22,  15,  10  =  Plinius 
5,  9,  64,  während  Solinus  32,  8  nur  allgemein  der  sieben  Arme  gedenkt ;  die 
Erwähnung  der  100  Tage  der  Nilschwelle  22,  15,  12  =  Plinius  5,  9,  57,  die  bei 
Solinus  in  der  sonst  genau  entsprechenden  Schilderung  fehlt.  Der  bei  Solinus 
fehlende  Bericht  über  das  Schatten  werfen  in  Aegypten  22,  15,  31  =  Plinius 
2,  73,  183  ist  um  so  sicherer  aus  Plinius  geflossen,  als  der  Auszugmacher  ofi'enbar 
die  Worte  XC  dies  . ...  in  Meroe  unrichtig  mit  einander  verband. 

4)  Dies  sind  die  Erwähnung  des  Sonnenstiers  Mneuis  22,  14,  7  (vgl.  Plinius 
36,  8,  65);   die  Angabe  über  die  Dauer  der  Etesien  und  ihre  prodromi  22,  15,  7 


Ammians  Geographica.  421 

Die  Taubheit  der  Anwohner  der  Katarrakten  erwähnen  Cicero 
somn.  Scip.  5.  2  und  Plinius  h.  n.  6,  29,  ISl,  die  Auswanderung  fast 
mit  denselben  Worten  wie  Ammian  Seneca  nat.  quaest.  4,  2.  5  (vgl. 
epist.  56.  3):  (strepiUim)  j)erferye  geiis  ibi  a  Pcrsis  collocata  non  potuit 
obttisis  adsiduo  fragore  aurihus  et  oh  hoc  sedibus  ad  quietiora  trans- 
latis;  aber  den  Xamen  des  Volkes  ^  nennt  ausser  Ammian  niemand. 
Diese  ofiFenbar  gleich  den  solinischen  Additamenten  auf  recht  alte 
Quellen  zurückgehende  Nachricht  kann  Ammian  weder  aus  Solinus 
noch  aus  Plinius  genommen  haben;  imd  doch  lehnt  sie  sich,  eben 
wie  die  solinischen  Zusätze,  auf  das  engste  an  Plinius  an.  Hier 
scheint  keine  andere  Herleitung  statthaft  als  die  aus  einer  über 
Solinus  hinausreichenden  vollständigeren  plinianischen  Chorographie. 
In  der  Beschreibung  der  Diöcese  Oriens  kann  nur  eine  Angabe, 
die  bei  Solinus  wiederkehrende  Gründung  von  Tarsos  durch  die 
Danae  (14,  S,  3),  mit  Sicherheit  auf  das  Memorabilienbuch  zurück- 
geführt werden.  Was  sich  sonst,  abgesehen  von  einigen  auch  ohne 
litterarisches  Material  herstellbaren  Angaben,  noch  findet,  die  zweite 
Gründungssage  von  Tarsos  durch  Sandan  (14,  S,  3),  die  sonst  nirgends 
erscheint,  diejenigen  von  Anazarbos  und  Mopsuestia  (a.  a.  O.).  endlich 
die  Meldung  über  den  Zeus-  und  den  Aphroditecult  auf  Kypros^, 
kann  ebendaher  rühren,  aber  mindestens  mit  gleichem  Recht  für 
den  Periplus  in  Anspruch  genommen  werden.  Woher  die  Angabe 
kommt,  dass  Kypros  aus  eigenen  Ei-zeugnissen  ein  Seeschiff  aus-  633 
rüsten  könne,  weiss  ich  nicht  ^.  Dass  die  Beschreibung  des  Perser- 
reichs oder  vielmehr  des  nicht  römischen  Ostens  im  Wesentlichen 
ein  Auszug  aus  dem  sechsten  Buch  des  Ptolemaeos  ist  mit  Ein- 
setzung einiger  der  griechischen  Quelle  entnommenen  Nachrichten, 
ist  früher   ausgeführt  worden;    es  ist  dies  wohl  der  geringhaltigste 

(verwandt  mit  Plinius  2,  47, 123.  124,  aber  nicht  darauf  zurückzuführen,  wie  ich 
in  der  Einleitung  zum  Solinus  p,  XXVII  [auch  ed.  2  p.  XXII]  aus  Versehen 
gethan  habe);  die  über  Aegyptens  siebzigfältige  Frucht  22,  15,  13  (vgl.  Plinius 
18,  10,  95);  die  Nennung  der  ävTiaxioi  22,  15,  31,  die  Plinius  nicht  hat. 

1)  Wesselings  Vermuthung,  dass  Aetos  zu  lesen  sei,  weil  der  Nil  asrög 
genannt  werde,  ist  nicht  plausibel.     Eher  könnte  man  an  aoto$  denken. 

2)  14,  8,  14.  Am  nächsten  verwandt  ist  Tacitus  ann.  3,  62;  der  salaminische 
Zeus  kommt  nicht  häufig  vor. 

3)  Ihre  von  Valesius  nachgewiesene  Wiederkehr  bei  dem  gothofredischen 
Anonymus  (c.  63  p.  527  Müller)  legt,  in  Verbindung  mit  einigen  anderen  in  der 
Beschreibung  von  Trier  und  Alexandria  hervortretenden  Uebereinstimmungen 
(nachgewiesen  von  Gardtbausen  S.  537),  die  Frage  nahe,  ob  deren  Verfasser  den 
Ammian  gekannt  hat.  Das  Werk  Ammians,  von  Cassiodor  ausgeschrieben  und 
als  Stilmuster  nachgeahmt,  von  Priscian  citirt,  muss  grossen  Erfolg  gehabt  haben. 


422  Ammians  Geographica. 

Abschnitt  der  ganzen  Schrift.  Aus  eigener  Kunde  ist  neben  manchen 
Einzelheiten  ^  die  Schilderung  der  Perser  am  Schluss  (23,  6,  75 — 84), 
so  wie  die  der  Magier  (32 — 36)  wenigstens  grossentheils  genommen, 
obwohl  darin  auch  litterarische  Reminiscenzen  eine  bedeutende  Rolle 
spielen.  Anderes  (c.  24)  ist  Reminiscenz  aus  früheren  Büchern. 
Aber  auch  die  Memorabilien  haben  ihren  Theil  geliefert:  was 
Ammian  sagt  über  das  medische  Oel'^,  über  die  hyrkanischen  Tiger  ^ 
und  die  baktrischen  Kamele*,  über  die  serische  Seide  (c.  67.  68), 
über  die  Perlen  (c.  85—88),  ist  daraus  genommen.  Uebrig  bleibt 
eine  Ausführung  unbestimmter  Herkunft  über  hitumen  und  naphta 
und  über  Bodendämpfe  ^. 
634  Endlich  sind  in  die  Schilderung  der  Hunnen  und  Alanen,  welche 

der  Schriftsteller,  so  weit  er  dies  überhaupt  vermag,  nach  eigener 
Anschauung  giebt,  aus  einer  auch  anderweitig  (22,  8,  31)  von  ihm 
benutzten  Stelle  der  Chorographie  einige  Nachrichten  über  die  sagen- 
haften skythischen  Yölker  (31,2,  14.  15)  eingefiochten  worden.  Dass 
diese  etwas  vollständiger  darin  standen  als  wir  sie  jetzt  bei  Solinus 
lesen,  ist  anderswo  ausgeführt  worden^. 


1)  So  die  vitaxae  23,  6,  14;  die  Flüsse  ia  Adiabene  quos  ipsi  transmmus 
c.  21;  die  nesäischen  Rosse  c.  30;  vielleicht  auch  die  Mittheilungea  über  die 
Entstehung  von  Ktesiphon  c.  23. 

2)  23,  6,  37.  38  =  Solinus  21,  4.  Aus  Versehen  führt  Gardthausen  (eoni. 
p.  36,  geogr.  Quellen  S.  552)  diese  Stelle  auf  Sallust  bist.  4,  54  Dietsch  [IV  61  M.] 
zurück. 

8)  c.  50,  weitläuftige  Umschreibung  der  Worte  Solins  17,  4:  Hyrcani  . .  . 
gens  silvis  aspera,  copiosa  inmanibus  feris,  feta  tigribus. 

4)  Ammians  (23,  6,  56)  cameli  a  Mithridate  exlnde  (von  den  Baktriern)  per- 
ducti  et  primitus  in  obsidione  Cyzicena  visa  Romanis  gehen  zurück  auf  Solins 
Worte  49,  9:  Bactri  camelos  fortissimos  habent.  Dass  die  Eömer  die  Kamele 
zuerst  bei  der  Belagerung  von  Kyzikos  gesehen  haben,  rührt  von  Sallust  her 
(bist.  fr.  3,  29  Dietsch  [III  42  M.]),  wie  Gardthausen  S.  550  nachweist;  warum  es 
nicht  von  Ammian  aus  eigener  Leetüre  der  Historien  beigesetzt  sein  kann 
(ders.  a.  a.  0.),  sehe  ich  nicht  ein. 

5)  23,  6,  15-18.  Gardthausen  coni.  p.  36  denkt  hier  c.  15.  16  an  Sallustius, 
der  allerdings  darüber  gehandelt  hat  (bist.  4,  54  [IV  61  M.]),  für  c.  17—19  an 
einen  Paradoxographen  (geogr.  Quelle  S.  520).  C.  19  stammt  augenscheinlich 
aus  Philostratos  vita  Apoll.  1,  4;  aber  dass  Ammian  selbst  es  diesem  entlehnt 
hat,  ist  desswegen  nicht  recht  wahrscheinlich,  weil  der  ganze  Abschnitt  auf 
einen  Gewährsmann  zurückzugehen  scheint.  Gehört  diesem  auch  die  Anführung 
aus  dem  Philostratos,  so  lebte  er  nicht  vor  dem  dritten  Jahrhundert- 

6)  praef.  ad  Solinum  p.  XXIV  [=  ed.  2  p.  XXI ,  unverändert].  Ich  würde 
freilich  jetzt,  nachdem  ich  Ammians  redactionelles  Verfahren  genauer  untersucht 
habe,  kein  Gewicht  mehr  darauf  legen,  dass  er  von  den  Neuren  31,  2,  14  wesent- 


Animians  Geographica.  423 

Ich  fasse  das  Ergebniss  dieser  Untersuchungen  zusammen.  Es 
ist  richtig,  was  Gardthausen  sagt,  dass  Ammians  geographische  Ab- 
schnitte schematisch  gearbeitet  sind ;  ja  man  wird  hinzusetzen  dürfen, 
dass  es  wahrscheinlich  die  Absicht  des  Historikers  war  eine  nach 
diesem  Schema  gearbeitete  Beschreibung  der  gesammten  bewohnten 
Erde,  an  die  passenden  Orte  vertheilt.  seinem  Geschichtswerk  ein- 
zufügen. Aber  die  schematische  Geographie,  die  nach  Gardthausens 
Hypothese  Ammian  hiebei  zu  Gmnde  gelegt  haben  soll,  hat  nie 
existirt^.  Tielmehr  hat  Ammian  zur  Grundlage  seiner  Arbeit  für 
das  römische  Reich  dessen  officielle  Districts-  und  StadtHste,  für 
das  Ausland  die  analogen  ptolemaeischen  Listen  genommen  und 
aus  dem  chorographisch  geordneten  Geschichtswerk  des  Rufius 
Festus  die  historischen  Xotizen,  aus  den  ebenfalls  chorographisch 
geordneten  plinisch-solinischen  Memorabilien  die  Merkwürdigkeiten 
hinzugefügt.  Ausserdem  hat  er  eine  oder  mehrere  griechische  Orts- 
beschreibungen in  einzelnen  Abschnitten  hinzugezogen  benutzt  [so!];  es 
ist  hauptsächlich  der  Einwirkung  der  letztgenannten  Quelle  zuzu- 
schreiben, dass  der  Yerfasser  sein  Schema  theilweise  selber  bei 
Seite  gesetzt  hat.  Endlich  begegnen  zahlreiche  sachliche  Ent-  635 
lehnungen  mehr  vereinzelter  Art,  nachweisHch  aus  Caesar,  Sallustius, 
Livius.  Wenn  dieser  Arbeitsplan  von  Ueberlegung  und  Belesenheit 
zeugt,  so  tritt  in  der  Ausführung  nicht  bloss  eine  arge  Fahrlässigkeit 
zu  Tage,  sondern  auch  das  Bemühen  durch  leere  Worte  die  mangelnde 
Kunde  zu  verdecken  und  ein  scheinhaftes  Bescheidwissen  an  allen 
Orten  und  von  allen  Dingen  dem  Leser  vorzuführen,  welches  bei 
ernstlicher  Prüfung  vielmehr  sich  darstellt  als  eine  ebenso  unzu- 
längliche wie  dreiste  Uebertünchung  der  eigenen  Unkenntniss.  Das 
eitle  Bemühen  um  Allwissenheit,  wie  es  der  Fluch  aller  encyclopädischen 
Bildung  ist  und  vor  allem  der  Fluch  jener  unseligen,  auch  auf  dem 
geistigen  Gebiet  in  der  Trümmerwelt  einer  grössern  Vergangenheit 
kümmerlich  hausenden  Generationen  war,  zeigt  sich  bei  Ammian 
nicht  bloss  auf  diesem  Gebiet;  seine  übrigen  Excurse  über  die 
Orakel    und    allerlei    andere    religiöse    Begriffe,    über   Regenbogen, 

lieh  anders  berichtet  als  Solinus.  Aber  mehr  Gewicht  hat  die  Erwähnung  der 
Budiner  (denn  nur  diese  können  in  den  Vidini  stecken)  und  der  Melanchlaenen, 
die  bei  Solinus  fehlen,  nicht  aber  in  den  verwandten  Stellen  des  Mela  (1,  116. 
2,  14)  und  des  Plinius)  4,  12,  88.  6,  5,  15). 

1)  Kein  geographisches  Buch  aus  dem  Alterthum  entspricht  dem  ammia- 
nischen  Schema.  Die  unter  dem  Namen  des  lunior  laufende  Provinzial- 
beschreibung  sieht  von  der  Historie  gänzlich  ab,  berücksichtigt  dagegen  den 
Standpunkt  des  Kaufmanns. 


424  Ammians  Geographica. 

Kometen,  Finsternisse,  Jahrschaltung,  Erdbeben,  Palmenzucht,  Hiero- 
glyphen und  so  weiter  steigern  noch  jeder  in  seiner  eigenen  Unzu- 
länglichkeit die  schon  so  dunklen  Schatten;  und  zu  dem  allen 
kommt  die  Hoffart  des  Griechen  statt  seiner  eigenen  vielmehr  die 
vornehme  Sprache  des  Hofes  und  des  Reiches  zu  reden,  die  der 
Schriftsteller  trotz  eifrigster  phraseologischer  Beflissenheit  dennoch 
zu  handhaben  nie  vermocht  hat^.  Mchts  desto  weniger  bleibt  uns 
Ammianus  auf  seinem  eigentlichen  Gebiet  was  er  uns  war,  ein 
ehrenhafter  frei  und  hoch  denkender  Mann  und  ein  scharfer  und 
dennoch  liebevoller  Kündiger  des  menschlichen  Herzens,  besser 
geeignet  höfische  Nichtswürdigkeit  zu  durchschauen  als  in  die  In- 
dividualität andersartiger  Völker  sich  hineinzudenken,  aber  mit  allen 
636  seinen  nicht  geringen  Unzulänglichkeiten  und  Fehlern  dennoch  weit- 
aus der  beste  Geschichtschreiber  einer  ebenso  tief  versunkenen  wie 
höchst  bedeutsamen  Epoche  der  Weltgeschichte. 

Ich  möchte  noch  einen  Rathschlag  hinzufügen  in  Betreff  dieser 
Stücke  des  ammianischen  Werkes.  Die  Untersuchung,  die  ich  hier 
angestellt  habe,  hat  mir  in  erschreckender  Weise  den  Missbrauch 
gezeigt,  der  mit  ammianischen  Nachrichten  in  den  geographischen 
Handbüchern  getrieben  wird;  hunderte  von  Namen,  die  Ammian 
aus  Ptolemaeos  abgeschrieben  hat,  laufen  in  ihnen  um  und  gehören 
einfach  vor  die  Thüre.  Freilich  zeigte  sie  mir  nicht  minder  die 
Entschuldbarkeit  dieses  Missbrauchs.  Wer  jemals  geographische 
Nachrichten  zusammengestellt  hat,  weiss  aus  Erfahrung,  wie  unmög- 
lich es  ist  in  jedem  einzelnen  Falle  dem  einzelnen  Zeugniss  die- 
jenige Stelle  zuzuweisen,  die  ihm  in  der  That  zukommt.  Wir 
brauchen  eine  Bearbeitung  dieser  Abschnitte,  welche,  so  weit  dies 
möglich  ist  —  und  in  weitem  Umfang  ist  es  möglich  —  einer  jeden 
Angabe    das   Ursprungszeugniss    beisetzt.     Innerhalb   einer  Ausgabe 


1)  Bei  aller  Dankbarkeit  für  den  Einblick  in  die  stilistische  Eigenart 
Ammians,  den  Hertzs  gelehrte  und  lehrreiche  Untersuchungen  mir  eröffnet  haben, 
möchte  ich  doch  ihm  auf  dem  Wege  nicht  folgen,  dass  in  diesen  Reminiscenzen 
System  und  Tendenz  steckt.  Mir  scheint  seine  Sprache  die  eines  Fremden,  der 
das  Lateinische  vielleicht  spät  erlernend  mit  fertig  empfangenen  und  angelernten, 
oft  auch  missbrauchten  Phrasen  operirt;  wobei  es  sich  von  selbst  ergiebt,  dass  er 
diese  meistens  für  ganz  andere  Zwecke  verwendet  als  wofür  sie  ursprünglich 
dienten.  Das  Register  seiner  gellianischen  Phrasen,  wie  es  Hertz,  gewiss  im 
wesentlichen  richtig,  geliefert  hat,  würde  ohne  Zweifel  nicht  bloss  seine  da- 
maligen Leser,  sondern  ihn  selbst  in  hohem  Grade  überrascht  haben;  ebenso 
wie  wir,  wenn  wir  unser  sogenanntes  Latein  schreiben,  gar  nicht  wünschen 
können  unsern  Stil  in  einem  ähnlichen  Präparat  in  seiner  ünfreiwilligkeit  zu 
begreifen. 


Ammians  Geographica.  425 

des  Geschichtswerks  ist  das  nicht  füglich  auszuführen;  aber  in  den 
Sammlungen  der  kleinen  lateinischen  Geographen  würde  ein  Abdruck 
dieser  Abschnitte  mit  Hinzufügung  der  erforderlichen  leicht  in  Xoten- 
form  zu  bringenden  Xachweisungen  mehr  Nutzen  stiften  als  die 
Wiederholung  längst  bekannter  einzeln  überlieferter  Stücke.  Mit 
diesem  Apparat  in  der  Hand  würde  es  bei  jeder  geographischen 
Untersuchung  leicht  sein  die  werthlose  Spreu  zu  entfernen  und  würden 
andrerseits  die  brauchbaren  Xachrichten,  an  denen  es  auch  nicht 
fehlt,  in  ihrem  ATerth  besser  zur  Geltung  kommen. 


XLIV. 
Bemerkungen  zu  einzelnen  Stellen  Ammians.*) 

16,11,4.  Die  Laeti  erscheinen  nur  an  dieser  Stelle  als  auf 
dem  rechten  Rheinufer  wohnende  Germanen,  nicht,  wie  sonst,  auch 
bei  Ammian  selbst  bald  nachher,  als  in  Gallien  angesiedelte  und 
zum  Theil  daselbst  geborene  germanische  Mannschaften,**)  Die 
Yermuthung  liegt  nahe,  zumal  bei  der  abenteuerlichen  Beschaffenheit 
dieses  gegen  die  Hauptstadt  Galliens  gewagten  Handstreichs,  dass 
auch  diese  Laeten  germanische  Zwangscolonisten  sind,  die  sich  gegen 
die  Römer  auflehnen  und  mit  den  Waffen  die  Rückkehr  in  die 
Heimath  erzwingen. 

22,  12,  8  docerentur  deumque  (fehlt  cod.  F)  adfatus  circumhumata 
Corpora  statuit  exinde  transferre.  Dies  geht  auf  die  von  Sozomenus 
5,  19  berichtete  Ansprache  Julians  an  die  bei  Daphne  verehrte 
Gottheit,  wo  diese  ihm  auf  seine  Fragen  zur  Antwort  gibt,  dass  die 
Gräber  sie  am  Orakelspenden  hinderten,  so  dass  adfatus  sicher  richtig 


*)  [Ungedruckt;  der  Titel  vom  Herausgeber  hinzugefügt.  In  Mommsens 
Nachlaß  fanden  sich,  außer  einer  angefangenen  Untersuchung  über  Ammians 
Chronologie,  über  die  Seeck  Hermes  XLI  1906  S.  481  berichtet  hat,  zahlreiche 
Bemerkungen  zürn  Text  desselben  Schriftstellers,  die,  soweit  sie  sich  auf  Ver- 
besserungsvorschläge beschränken,  in  der  in  Vorbereitung  befindlichen  neuen 
Ausgabe  des  Ammianus  von  Clark  Verwendung  finden  werden.  Von  den  übrigen 
wird  hier  nur  eine  Auswahl  gegeben,  da  einige  durch  Seecks  angeführten  Aufsatz, 
mehrere  durch  Mommsens  eigene  Auseinandersetzungen  über  das  „römische  Heer- 
meisteramt"  (Hermes  XXXVI  1901  S.  531  ff.  =  Ges.  Sehr.  4, 5545  fi".)  und  „Sallustius- 
Salutius"  (Hermes  XXXVII  1902  S.  443  ff;  wird  in  den  epigraphischen  Schriften 
zum  Abdruck  gelangen)  erledigt  waren  und  es  bei  anderen  zweifelhaft  schien, 
ob  Mommsen  sie  ohne  wesentliche  Veränderung  veröffentlicht  haben  würde. 
Kleine  stilistische  Härten  würde  er  auch  in  den  oben  abgedruckten  Bemerkungen 
vermutlich  beseitigt  haben.  —  In  Mommsens  Nachlaß  fand  sich  außerdem  ein 
alphabetisch  geordnetes  Notizbuch  mit  vielen  noch  unverarbeiteten  sprachlichen 
und  sachlichen  Bemerkungen  zu  Ammianus,  ein  weiterer  Beweis  für  das  be- 
sonders lebhafte  Interesse,  das  er  vor  allem  in  seinen  letzten  Jahren  an  diesem 
Schriftsteller  nahm.] 

**)  [S.  Mommsen  Hermes  24,  1889,  S.  252;  A.  Müller  Philol.  64,  1905,  S.  583.] 


Bemerkungen  zu  einzelnen  Stellen  Ammians.  427 

ist.  Ob  bloss  deiimque  fehlt  oder,  wie  wahrscheinlich,  noch  weiteres, 
ist  nicht  zu  entscheiden,  üebrigens  ist  die  Erzählung  bei  Sozomenus 
verchristlicht ;  während  nach  der  älteren  (auch  bei  Sozomenus  noch 
durchscheinenden  Erzählung)  der  Gott  nur  die  Entfernung  der 
Gräber  verlangt  und  der  Kaiser  dem  entsprechend  den  Ort  reinigt, 
bezieht  nach  dem  christlichen  Historiker  der  Kaiser  den  Befehl  des 
Orakels  auf  die  Beseitigung  des  Grabes  des  christlichen  Märtyrers 
Babylas. 

23,  5,  15  fracto  (praetor  cod.  V)  igitur,  ut  ante  diximus,  ponte 
cumtisqiie  (man  erwartet  cunctis)  transgressis.  Gemeint  sein  kann 
nur  die  nach  23,  5,  4.  5  bei  Circesium  über  den  Aboras  geschlagene 
und  dann  auf  den  Befehl  des  Kaisers  aufgelöste  Schiffbrücke.  Die 
Erzählung  ist  aber  insofern  verwirrt  (wie  dies  nach  Andern  Sudhaus*) 
p.  19  fg.  richtig  hervorgehoben  hat,  mit  Unrecht  aber  den  Text 
verdächrigend),  als  c.  5.  15 — 25  sich  an  c.  5,  5  anschliesst  und  stehen 
sollte  vor  c.  5.  6 — 14,  dem  Aufbruch  von  Circesium  nach  Zaitha 
sowie  dem  Abmarsch  nebst  den  dazu  gehörigen  Anekdoten  und 
Wundergeschichten.  Dadurch  ist  die  Ansprache  Julians,  die  auch 
bei  Zosimus  3,  13,  3  erwähnt  wird,  also  schon  in  der  gemeinschaft- 
lichen Quelle  stand,  und  die  nothwendig  bei  dem  Eintritt  in  das 
Feindesland  (24,  1,  1)  gehalten  sein  muss,  verschoben,  während  sie 
sich  an  den  Uebergang  über  den  Aboras  anschliessen  imd  dann 
der  Bericht  23,  5,  S  mit  24,  1,  5  zusammenschliessen  sollte.  Dies 
ist  kein  Versehen  Ammians,  sondern  rhetorische  Mache,  veranlasst 
durch  seine  Liebhaberei  für  Anbringung  historischer  Rerainiscenzen. 
Das  Grab  des  Kaisers  Gordian,  das  in  der  julianischen  Allocution 
erscheint  (23,  5,  17),  befand  sich  jenseits  von  Circesium  unweit  Dura 
(Zosimus  3,  14,  2)  und  um  dies  in  der  Rede  anzubringen,  musste 
der  Standort  verschoben  werden. 

24,  2,  6.  Lucillianus,  welcher  hier  zuletzt  und  ebenso  bei 
Zosimus  zuletzt  3,  12,  2  als  einer  der  Führer  in  dem  persischen 
Feldzug  erscheint,  erscheint  einige  Monate  später  25,  S,  9  als  ver- 
abschiedet und  in  seiner  Heimath  Sirmium  verweilend.  Die  Richtig- 
keit beider  Angaben  vorausgesetzt,  an  der  zu  zweifeln  kein  besonderer 
Grund  vorliegt,  hat  Ammian  die  wahrscheinlich  in  Ungnade  erfolgte 
Entlassung  dieses  hohen  Offiziers  zu  berichten  vergessen.  Zosimus 
(3,  35,  1)  lässt  den  Lucillianus  erst  nach  JuUans  Tode  nach  dem 
Westen   abgehen;    doch    scheint    der  detaillirtere  Bericht  Ammians 


*)  [Zosimi  et  Ammiani  de  hello  a  luliano  cum  Persis  gesto  reiationes.    Diss. 
Bonn.  1870.] 


428  Bemerkungen  zu  einzelnen  Stelleu  Ammians. 

correcter.  —  Dass  die  Kriegführung  Julians  in  ihrem  letzten  Abschnitt, 
insbesondere  der  Flussübergang,  bei  den  Offizieren  des  Kaisers 
lebhaften  Widerspruch  fand,  berichten  die  Geschichtsschreiber  (Zos. 
3,  25,  1 ,  abgeschwächt  Amm.  24,  6,  4) ;  Libanius  in  der  Grabrede 
(p.  606  [18,  250  vol.  II  p.  345  Foerster])  berichtet,  dass,  als  der 
Kaiser  im  Kriegsrath  seinen  Plan  den  Tigris  zu  überschreiten  ent- 
wickelte, die  Uebrigen  schwiegen,  ein  Mann  aber,  vcp  cd  .  .  f]v  r^g 
dvvdjuecog  rö  jiXeov,  entschieden  widersprach,  der  Kaiser  aber  bei 
seiner  Meinung  blieb  und  einen  andern  Mann  (einsetzte;  der  Text 
ist  hier  lückenhaft).*)  Dies  kann  recht  wohl  Lucillianus  gewesen 
sein.**) 

24,  2,  7.  Der  entsprechende  Bericht  bei  Zosimus  3,  16,  1  zeigt, 
dass  Ammianus  diesem  Euphratkanal  mit  Unrecht  die  Benennung 
Naarmalcha  beilegt,  die  vielmehr  dem  später  24,  6,  1  an  der  richtigen 
Stelle  unter  gleichem  Namen  von  ihm  erwähnten  zukommt.  Die 
geographische  Notiz  23,  6,  25  hat  er  zweimal  und  zuerst  an  der 
falschen  Stelle  wiederholt.***) 

24 ,  6 ,  3  in  agro  consedimus  opulento.  In  dieser  Weise ,  als 
habe  er  selbst  den  Feldzug  mitgemacht,  erzählt  Ammian  durchaus, 
nirgends  aber  deutet  er  auch  nur  an,  in  welcher  Stellung  er  sich 
befunden  und  was  ihn  persönlich  betroffen  hat.  Yergleicht  man 
damit  seine  Erzählung  der  Belagerung  von  Amida,  bei  welcher  er 
wirklich  im  Sattel  gesessen  hat,  so  erscheint  seine  eigene  Betheiligung 
in  hohem  Grade  zweifelhaft.  Dass  ihm  überall  ein  geschriebener 
Bericht  vorgelegen  hat,  ist  evident, 

24,  6,  5.  Bewusste  Entstellung  der  ihm  vorliegenden  Ueber- 
lieferung  zur  Yerherrlichung  seines  Helden  Julians  liegt  vor  bei 
dem  Uebergang  der  Flotte  über  den  Kanal.  Bei  Zosimus  (3,  25,  2), 
der  dieselbe  Quelle  ungetrübt  wiedergibt,  sendet  der  Kaiser  zur 
Recognoscirung  zwei  (bei  Ammian  fünf)  Schiffe  vorauf,  welche  sofort 
von  den  Persern  in  Brand  geschossen  werden.  Der  Kaiser  gibt 
seinen  Truppen  an,  es  sei  dies  das  als  Zeichen  des  gelungenen 
Uebergangs  verabredete  Feuerzeichen  und  sendet  die  ganze  Flotte 
nach,  die  in  der  That  das  andre  Ufer  gewinnt  und  auch  jener 
beiden  *halb  verbrannten"  Fahrzeuge  sich  wieder  bemächtigt  und 
einen  Theil  der  Mannschaften  rettet.  Ammian  berichtet  dieselbe 
Kriegslist,    bei    ihm    aber    wird    der    Brand    der    recognoscirenden 

*)  [Die  Lücke  wird  von  Reiske  und  Foerster  an  einer  etwas  späteren 
Stelle  angenommen.] 

**)  [Eine  andre  Vermuthung  bei  Sudhaus  S.  78]. 
***)  [Vgl.  Sudhaus  a.  a.  0.  p.  38.] 


Bemerkungen  zu  einzelnen  Stellen  Ammians.  429 

Fahrzeuge  verschwiegen :  'sie  wären  verloren,  wenn  die  Flotte  nicht 
Hülfe  gebracht  hätte'.  Die  Entstellung  ist  eine  leichte,  aber  doch 
eine  Entstellung. 

24,  7.  Ammians  Bericht  über  das  Verbrennen  der  Schiflfe  wider- 
spricht sich,  insofern  die  zwölf  übrig  bleibenden  zunächst  bezeichnet 
werden  als  von  dem  Verbrennen  ausgenommen,  dann  als  aus  dem 
Brande  gerettet;  die  Schlusswendung,  quae  ut  possint  custodiri 
servatae  sunt  zeigt  nur  die  Verlegenheit  des  Schreibers.  Was  er 
über  die  infausti  ductores  [24,  7,  3]  und  die  perfugae  [5]  sagt,  ist 
aus  sich  selbst  nicht  verständlich;  anderweitig  aber  wird  vielfach 
der  Schiffsbrand  auf  eine  vielfach  variirende  persische  Kriegslist 
zurückgeführt  (Sievers  Studien  S.  256  aus  Zonaras  13,  13).  Zosimus 
3,  26,  3  berichtet  die  Verbrennung  der  Schiffe  mit  abweichenden 
Zahlen;  von  den  falschen  Ueberläufern  spricht  er  nicht.  Ammian 
scheint  hier  verschiedene  Berichte  combinirt  zu  haben. 

26.  4,  6.  27,  12,  l.  Ammian  hat  hier  vergessen,  dass  seinem 
eigenen  Bericht  zufolge  (25,  7,  12)  Tortianus  im  Friedensvertrag 
Armenien  den  Persern  preisgegeben  hatte,  während  hier  das  Ver- 
hältniss  so  gefasst  wird,  dass  der  von  Tortianus  den  Armeniern  aus- 
gewirkte Schutzvertrag  durch  den  Tod  des  Kaisers  hinfällig  geworden 
sei.  Dass  über  dessen  Inhalt,  da  er  nicht  schriftlich  geschlossen 
war,  Zweifel  entstanden,  deutet  Ammian  30,  2,  3  an. 

26,  7,  14.  Frocopius  Calchedone  eijressus  (procopkis  aniicea 
regresstis  V).  Procopius  ITebergang  nach  Asien  kann  nicht  wohl 
anderswohin  gegangen  sein  als  nach  Kalchedon.  das  sogleich  (26,  8,  2) 
genannt  wird  als  in  der  Gewalt  des  Procopius.  Die  gewöhnliche 
Lesung  a  Nicaea  regressus  ist  sinnlos :  Nicaea  wird  erst  später  28,  8,  1 
besetzt  und  zwar  vom  anderen  Ufer  aus. 


XLV. 
Zu  Ammian  und  Ennodius.*) 

153  In  der  Schilderung  der  Stadt  Rom  spricht  Ammian  14,  6,  20 
von  den  3000  Tänzerinnen  daselbst,  quibus,  si  nupsissent,  per  aetatem 
ter  iam  nixus  poterat  suppetere  liberorum.  Für  die  Möglichkeit  drei 
Kinder  zu  haben  die  Möglichkeit  zu  setzen  dreimal  die  Geburt  von 
Kindern  leisten  zu  können,  ist  auch  bei  diesem  Schriftsteller  uner- 
träglich und  Yalesius  Vorschlag,  nidtis  zu  setzen,  ist  keine  Ver- 
besserung. Die  Handschrift  hat  nixius;  Ammian  schrieb:  quibus, 
si  nupsissent,  per  aetatem  ter  iam  nixis  itis  poterat  suppetere  liberorum. 

Theodosius,  der  Vater  des  späteren  Kaisers,  ward  nach  dem- 
•selben  28,  3,  9  in  Gallien  im  J.  369  an  des  Jovinus  Stelle  zum 
magister  equitum  ernannt:  in  locum  Valentis  lovhii  successit,  qui 
equorum  cojnas  tuebattir.  Valens  Jovinus  ist  ein  seltsamer  Name 
und  Jovinus,  sehr  oft  vorher  erwähnt,  heisst  sonst  nirgends  so.  Die 
Handschrift  hat  utlentis;  Ammian  schrieb:  in  locum  ut  Jenti  lov'mi 
successit. 

Valentinian,"  lesen  wir  bei  Ammian  in  der  zusammenfassenden 
Schilderung  30,  7,  5,  impteritare  exorsus  arces  prope  flumina  sitas  et 
urbes  et  Gallias  petit  Alemannicis  patentes  excursibus  reviviscentibus 
crectius  cognito  principis  luliani  interitu.  Die  Schuld  dieser  stam- 
melnden Rede  trägt  nicht  der  Schriftsteller;  die  seltsame  Marsch- 
zieldreiheit  der  Flusscastelle,  der  Städte  und  Galliens  haben  erst  die 
Herausgeber  entwickelt  aus  der  corrupten  Ueberlieferung  exorsus 
ut  arces  p.  fl.  s.  et  turbines  et  Gallias.  Vermuthlich  ist  die  Stelle 
lückenhaft  und  dem  Sinne  nach  zu  schreiben:  ut  arces  prope  flumina 

154  sitas  et  turbines  (barbarorum  frenantes  def ender) et,  Gallias  petit.  Ein 
Wort  wie  turbines  darf  bei  diesem  Schriftsteller  nicht  herauscorrigirt 
werden. 


")  [Hermes  24,  1889,  S.  153-154.] 


Zu  Ammian  und  Ennodius.  431 

Epijihanüis,  sagt  Ennodius  in  dessen  Lebensbeschreibung  (c.  7 
Togel),  oriundo  Ticmensis  oppidi  indigetm  fuit,  patre  Mauro  generattis 
et  matre  Focaria  editiis.  Dies  sollen  die  ^N'amen  der  Eltern  sein; 
aber  der  weibliche  ist  als  Eigenname  mir  nicht  vorgekommen  und 
auch  Maunis  als  solcher  keineswegs  geläufig.  Es  soll  wohl  gesagt 
sein,  dass  er  ein  Soldatenkind  war.  Focaria  bezeichnet  in  den 
Rechtsbüchern  (cod.  lust.  5,  16,  2  vom  J.  213;  6,  46,  3  vom  J.  215) 
bekanntlich  die  Frau,  mit  welcher  der  vom  Heirathen  ausgeschlossene 
Soldat  zusammenlebt,  ohne  dass  mit  dem  Wort  ein  schimpflicher 
Nebenbegriff  sich  verknüpft.  Abtheilungen  der  Mauri  führt  zum 
Beispiel  die  Notitia  eine  ganze  Reihe  auf. 

Ebendaselbst  c.  79  heisst  es:  defuncto  Urne  Bicema'e  vel  Anthemio 
successit  Olyhrius.  Ricimer  war  nicht  Kaiser,  sondern  nur  Kaiser- 
macher; er  substituirte  dem  Anthemius  den  Olybrius.  Die  Erzählung 
ist  schlicht  und  rührt  von  einem  Zeitgenossen  her;  es  ist  unglaublich, 
dass  dieser  den  Ricimer  als  Kaiser  bezeichnet  und  noch  mehr,  dass 
er  als  dessen  Nachfolger  den  Olybrius  hingestellt  haben  soll.  Ricemere 
(vel)  ist  wohl  eine  in  den  Text  gerathene  Glosse.  Ebenso  wird  bald 
nachher  c.  93:  mediatias  insidas  Cycladas  Lerum  ipsamque  .... 
Lerinum  adiit  das  widersinnige  Cycladas  nicht  in  Stoechadas  zu 
«orrigiren  sein,  sondern  zu  streichen. 

Derselbe  op.  458  (ep.  9,  30)  feiert  die  Beseitigung  des  Schisma 
zwischen  Symmachus  und  Laurentius  im  Auftrag,  wie  man  meint, 
des  Rhodanius;  filius  vester  dmnnus  Rodanitis  exegit  a  me  in  usum 
stili  praesetitis  erumpere.  Als  Eigenname  ist  auch  diese  Bezeichnung 
seltsam;  ohne  Zweifel  heisst  es  'der  Rhonesieger'.  Theoderich  selbst 
ist  gemeint,  auf  dessen  Heersendung  nach  Gallien  im  J.  508  gleich 
nachher  angespielt  wird:  didicistis  eins  evenfus  prosperos,  quem  videtis 
secutam  dum  mandat  hella  victoriam.  Also  wird  dieser  Brief  wenigstens 
ein  Jahr  später  geschrieben  sein  als  er  bisher  angesetzt  ward  (Vogel 
praef.  p.  XYI). 


XLVI. 

Eutropius  Breviarium  ab  urbe  condita.*) 

468  In  der  schönen  Gothaer  Handschrift  (n.  101)  des  neunten  Jahr- 

hunderts, welche  ausser  dem  Rufius  Festus  und  einem  Theil  der 
Strategeme  Frontins  den  echten  Eutropius  enthält  und  welche,  wie 
die  Yergleichung  unzweifelhaft  herausgestellt  hat,  identisch  ist  mit 
der  von  F.  Sylburg  verglichenen  Handschrift  von  Fulda,**)  ist  zwar 
dem  Werke  selbst  wie  in  andern  Handschriften  vorgesetzt:  incipit 
hreviarius  Eutropi  und  steht  auch  am  Schluss  nur:  Eutropi  Über  X 
explicit.  Aber  vollständiger  wird  der  Titel  am  Schluss  des  ersten 
Buches  also  angegeben:  hreviarium  ab  urbe  condita  Hb x>rimus  explicit, 
incipit  secundus  und  ebenso  am  Schluss  des  neunten:  Eutropi  bre- 
viarium (zuerst  stand  breviarum)  ab  urbe  condita  liber  Villi  explicit 
incipit  X.  Es  wird  wohl  keines  besonderen  Nachweises  dafür  be- 
dürfen, dass  der  —  meines  Wissens  bisher  für  diese  Schrift  noch 
nicht  bekannte  —  Titel  breviarium  ab  urbe  condita  der  von  dem 
Urheber  desselben  gewählte  ist.  Eine  Bestätigung  gewährt  dafür 
noch  Suidas,  indem  er  unter  den  Schriften  des  Lydiers  Capito  er- 
wähnt juerd(pQaoiv  xf}g  ejiirojufjg  EvxQomov  'Pco/naioxl  imis/növrog  Äißiov 
röv  'PcüjuaTov.  Denn  auch  hienach  muss  Eutropius  seine  Arbeit  nicht 
als  Auszug  schlechtweg  bezeichnet  haben,  sondern  als  Auszug  aus 
Livius,  sei  es  nun,  dass  er  dies  indirect  that,  indem  er  sein  Werk 
, Auszug  aus  den  Büchern  ab  urbe  condita^  betitelte,  oder  dass  der 
volle  Titel  seines  Abrisses  gelautet  hat  breviarium  T.  Livii  ab  urbe 
condita.  —  Also  auch  von  Eutropius  gilt,  was  ich  in  meiner  Aus- 
gabe der  Chronik  Cassiodors  S.  551***)  für  die  gesammte  Behandlung 
der  Geschichte   der  Republik  in  der  Kaiserzeit  nachgewiesen  habe, 

*)  [Hermes  1,  1866,  S.  468,] 
**)  [Vgl.  über  die  beiden  Handschriften  jetzt  H.  Droysen  in  seiner  Ausgabe 
des  Eutropius  (1879)  S.  II  fF.  und  Mommsens  Bemerkung  daselbst  S.XIV.] 
***)  [S.  unten  nr.  LXIX.] 


Eutropius  Breviarium  ab  urbe  condita.  433 

dass  all  diese  späteren  Abrisse  Auszüge  aus  Livius  entweder  waren 
oder  doch  dafür  galten.  Dabei  mag  noch  erwähnt  werden,  da  es 
vielfach  übersehen  worden  ist,  dass  schon  Malalas  (1.  8  p.  211  Bonn.) 
die  Schrift  des  Florus  als  Auszug  aus  Livius  anführt:  y.a^cog  6 
oocpdizoTog  0Äcooog  vrce/uv7]judnoev  ix  rcbv  Äißiov  ovyyga/xfj.a.T(ov,  also 
deren  Bezeichnung  als  epitoma  de  T.Livio,  wenn  nicht  ursprünglich, 
doch  mindestens  sehr  alt  ist. 


MO>tMSE>-,    SCHB.  VII. 


28 


XLVII. 
Zu  der  Origo  gentis  Romanae.*) 

401  Die  Zusätze,   mit  denen  Paulus  Diaconus  am  Ende  des  achten 

Jahrhunderts  das  Breviarium  des  Eutropius  ausgestattet  hat,  lassen 
sich,  so  weit  das  letztere  reicht,  im  Allgemeinen  mit  Leichtigkeit 
und  Sicherheit  auf  uns  erhaltene  Quellen,  insbesondere  die  Chronik 
des  Hieronymus,  die  Geschichtsbücher  des  Orosius  und  Jordanis, 
die  sogenannte  Epitome  des  Victor  zurückführen^  und  sind  insofern 
für  uns  ohne  selbständigen  Werth.  Aber  eine  Ausnahme  macht 
in  der  Einleitung,  auf  die  Paulus  selbst  in  dem  Brief  an  die 
Adelperga  hinweist  als  auf  sein  Werk  (jmuIo  superius  ab  einsdem 
—  des  Eutrop  —  textu  historiae  narraüonem  capiens),  was  dort  über 
die  Ursprungsgeschichte  Roms  gesagt  und  nicht  aus  Hieronymus 
abgeschrieben  ist.  Es  scheint  angemessen  zunächst  die  wenigen 
Notizen,  um  die  es  sich  hier  handelt,  zusammenzustellen,  da  sie  auch 
für  die  Philologen  von  einigem  Werthe  sind  und  von  denen,  die  sie 
angehen,  nicht  beachtet  worden  zu  sein  scheinen.  —  Ich  füge  diesen 
(unter  lY  Anm.  YII.  XI)  die  gleichartigen  bei  Paulus  fehlenden,  aber 
bei  Landolfus  Sagax  in  der  sogenannten  Mstoria  miscella  erscheinen- 
den Nachrichten  hinzu.  Derselbe  hat  bekanntlich  um  das  J.  1000 
den  Paulus  erweitert  und  zwar  regelmässig  in  der  Weise,  dass  er 
die  von  Paulus  dem  Eutrop  eingefügten  Zusätze  aus  den  ursprüng- 
lichen Quellen  weiter  vermehrt.     Es  wird  sich  zeigen,  dass  auch  er 

*)  [Hei-mes  12,  1877,  S.  401— 408.  Über  das  hier  besprochene  Verhältnis 
der  Origo  zu  Paulus  hat  Mommsen  ausführlicher  gehandelt  in  dem  Aufsatz: 
Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus,  im  Neuen  Archiv 
f.  ältere  deutsche  Geschichtsforsch.  V,  1880,  S.  59  ff.  Dieser  Aufsatz  wird  im 
3.  Bande  der  Hist.  Sehr,  zum  Abdruck  kommen.] 

1)  Im  Einzelnen  ist  dies  kürzlich  von  H.  Droysen  geschehen  in  seiner  Dar- 
legung 'die  Zusammensetzung  der  Historia  Bomana  des  Paulus  Diaconus'  For- 
schungen 15,  167  f. 


Zu  der  Origo  gentis  Romanae.  435 

Doch  jenes  Geschichtsbuch  gekannt  und  Auszüge  aus  demselben  dem 

Paulus  einverleibt  hat. 

I.  Primus  in  Italia^  ut  quibusdam  placet,  regnavit  lanus.  deinde 
Saiumus,  lovem  filmm  e  Graecia  fugiens,  in  civitate  quae  ex 
eins  nomine  Saturnia  dicta  est,  cuius  ruinae  hactenus  cemuntur 
in  finibtis  Tusciae  liaud  procul  ab  urbe.  hie  Satumus  quia 
in  Italia  luiuit,  ab  eins  hfebra  Latium  appellata  est.  ipse  402 
enim  adhtic  rüdes  poptdos  domos  aedificare,  terras  incolere, 
plantare  vineas  docuit  atque  humanis  moribus  vivere,  cum 
antea  semiferi  glanditim  tantummodo  aUm£ntis  vitam  susten- 
tarent  et  aut  in  speluncis  aut  frondibus  virgultisque  cantextis 
casulis  habitarent.  ipse  etiam  eis  nummos  aereos  primus 
instituit,  pro  quibus  meritis  ab  indocili  et  rustica  mtdtitudine 
deus  aj)pellatus  est.  Post  hunc  Picus  eitis  ßitcs,  de  quo  fahu- 
lose  dicitur,  quod  a  qtuxdam  famosissima  maga  Circe  7iomine 
ob  contemptum  eins  amorem  in  avem  sui  nominis  sit  mutatus. 
post  hunc  eius  filius  Fatinus,  qui  fuit  pater  Latini,  cuius 
mater  Camientis  Nicostrata  creditur  Latinas  litteras  reperisse. 
n.  (Latinus)  Latinam  linguam  correxit  et  Latinos  de  suo  nomine 
appellavit. 

m.  Capta Troia  Aeneas  Veneris  et  Änchisae  filius  ad  Ita- 

liam    venit cum    Turno    Bauni    Tuscorum    regis   ßio 

dimicans  cum  interemit  eiusque  sponsam  Laviniam  Latini  regis 
filiam  in  coniugium  accepit,  de  cuius  etiam  notnitie  Lavinium 
oppidum,  quod  construxerat,  appellavit. 
lY.  (Regnum  suscepit  Äscanius)  qui  et  lulus,  dusdem  Aeneae  ßius, 
quem  apud  Troiam  ex  Creusa  coniuge^  genuerat  et  secum  in 
Italiam  veniens  adduxerat. 
V.  (Capys  Silvius)  Capuam  in  Campania  condidit. 
YI.  (Tiberinus  Carpetiti  ßius  . .:  ab  huius  nomine  Tiberinus  fluvius 

dictus  est)  eo  quod  in  eum  decidens  extinctus  sit. 
Yn.  Zusatz  von  Landolfus:  Dum  Procas  obisset,  testamentum  suum 
duobus  filiis  suis  Amulio  et  Numitori  reliquit,  ut  unus  pecu- 
niam  protinus,  alter  regnum  susciperet.  Amulius  vero  fratri 
suo  Numitori  electionem  dedit,  quid  desideraret,  acciperet. 
Numitor  vero  pecuniam  tidit,  Amulius  autein  regnum  optinuit 

et  dum  regnum  optineret,    consuluit   deos    responsum- 

que  est  ei,    quia  ab  stitpe  fratris  sui  occideretur  et   regnum 
perderet,  statimque  eum   de  regno  expulit erant  autem 


1)  Zusatz  von  Landolfus:  filia  JPriami  regis. 

28* 


436  Zu  der  Origo  gentis  Romanae. 

ei  (Numitori)  duo  filii  Sergestus  et  Rhea  quae  et  llia  dicta  est. 
metuens  ergo  Ämulius  rex  responsum,  Sergestum  ad  venationem 
secum  duxit  et  cum  in  silva  occidit^. 
403  VIII.  (Romulus  condita  civitate,  quam  a  nomine  suo  Romam  vocavit) 
a  qua  et  Bomanis  nomen  inditum  est  (Jiaec  fere  egit).  condito 
templo,  quod  asylum  appellavit,  pollicitus  est  cunctis  ad  eum 
confugientihus  inptmitatem;  quam  oh  causam  (uiuUitudinem 
finitimorum)  qui  aliquam  apud  suos  cives  offensam  contraxe- 
rant,  ad  se  confugientem  (in  civitatem  recepit). 
IX.  (Romulus)  mille  etiam  pugnatores  delegit,  quos  a  numero  milites 

appellavit. 

X.  Pepigere  tarnen  Romani^  cum  Sahinis,  quorum  filias  rapuerant, 

amicitias  adeo,  ut  Sahinorum  rex  Tatius  pariter  regnaret  cum 

Romulo  Sahinique  et  Romani  unus  populus  efßcerentur.     quo 

tempore  Romani  ad  confirmandam  coniunctionem  nomina  illo- 

rum^  praeponebant  nominibus  et  invicem  Sahinis  Romanorum; 

et  ex  illo  consuetudo  tenuii,  ut  nemo  Romanus  sit  dbsque  jjrae- 

nomine.    propter  hanc  etiam  societatem,  cum  Sahinorum  more 

Romulus  hastam^  ferret,  quae  eorum  lingua  cyris  appelldbatur, 

Quirinus  est  dictus^. 

XI.  Den  Tod    des   Romulus   berichtet  Paulus    nach   Eutrop    und 

Hieronymus;  Landolf  setzt  hinzu,   er  sei  gestorben   VII  hol. 

Augusti  und  fulmine  ictus. 

Weiterhin   begegnen    analoge   Zusätze   nicht  mehr.     Dass    den 

oben  mitgetheilten   eine   der  uns   erhaltenen   origo   gentis  Romanae 

verwandte    ebenfalls    auf  Vergil    oder    vielmehr    auf    vergilianische 

Schollen  zurückgehende  Schrift  über  die  Anfänge  Roms  zu  Grunde 

liegt,   hat  G-.  Bauch   (über   die  hist.  Romana  des  Paulus  Diaconus. 

Göttingen  1873.  S.  14)  beiläufig  bemerkt,  ohne  auf  den  Gegenstand 

weiter   einzugehen.     In    der   That    aber   ist    das  Yerhältniss    dieser 

Notizen  zu  der  erhaltenen  origo  ein  eigenartiges,  das  zu  entwickeln 

1)  Paulus  hat  an  dieser  Stelle  die  aus  Hieronymus  geschöpften  Worte: 
Isti  quoque  Amulius  suecedens  eins  (Procae)  iunior  filius  regnavit  annos  XLIII: 
Numitor  Procae  rq/is  maior  filius  a  fratre  Amulio  regno  pulsus  in  agro  mo  vixit, 
welche  bei  Landolf  an  die  beiden  mit  Puncten  bezeichneten  Stellen  vertheilt  sind. 

2)  romanis  die  besten  Hdschr.  des  Paulus. 

3)  suis  schalten  die  geringeren  Hdschr.  des  Paulus  ein. 

4)  longam  setzt  Landolf  hinzu. 

5)  Hieraus  rührt  wohl  weiter   her,    dass  die  Worte  des  Hieronymus  (Abr. 

1274) :  JRomani a  Cwibus  Quirites  appellantur  bei  Paulus  so  wiedergegeben 

werden:  Romani  vero  sive  a  cyribus,  id  est  hastis  (longis  setzt  Landolf  hinzuj  sive 
a  Quirino  Quirites  nominari  coeperunt. 


Zu  der  Origo  gentis  Romanae.  437 

der  Mühe   lohnt.     Ich   schicke  vorauf,    dass  Paulus    seine   Quellen  404 
regelmässig  wörtlich  wiedergiebt  und  wir  auch    hier    dasselbe  Yer- 
hältniss  werden  voraussetzen  dürfen. 

I.  Der  Anfang  stimmt  fast  -wörtlich  mit  der  origo: 
er.  c.  1,  1:  Primus  in  Italiam  creditur  venisse  Sattirmis,  ut  etiam 
Moronis  (Aen.  8,  319)  3Iusa  testatur  his  verhis 
primus  ab  aetherio  venit  Saturmis  OJympo 
arma  lovis  fugiens 
or.  c.  1,3:    Certum  tarnen  est  priorem  lanum  in  Italiam  devenisse. 

Ton  der  Gründung  Saturnias  spricht  die  Origo  3,  1  und  4,  5. 
aber  wenigstens  an  der  ersten  Stelle  ist  die  Fabelstadt  auf  dem 
capitolinischen  Berge  gemeint  (Schwegler  1,  213).  Als  Gründer  der 
noch  heute  unter  gleichem  Namen  bestehenden  Stadt  Etruriens  wird 
Saturnus  in  unseren  Quellen  so  ausdrücklich  wie  hier  nirgends  be- 
zeichnet, obwohl  wahrscheinlich  TertulHan  (apolog.  10:  civitas  quam 
depalaverat  Saturnia  usque  nunc  est)  und  wohl  auch  Solinus  2,  4 
[S.  32,  2  ed.  2]  die  Tuskerstadt  im  Sinne  haben  und  überhaupt  es 
nicht  bezweifelt  werden  kann,  dass  in  der  voll  ausgeführten  Saturnus- 
legende  auch  sie  ihren  Platz  gefunden  hat. 

Die  Herleitung  des  Namens  Latium  von  Saturnus  Yersteck  und 
die  Sittenbildung  der  eichelnessenden  Barbaren  stammt  wieder  aus 
der  oben  angeführten  Stelle  des  Yergilius  und  den  Scholien  dazu, 
die  die  Origo  c.  3  ähnlich  wiedergiebt.  Auffallend  aber  sind  die 
Angaben  über  die  Einführung  des  Geldes.  Diese  führt  die  Legende 
einstimmig  auf  Janus  zurück,  und  sie  konnte  nicht  anders  erzählen, 
da  ja  der  As  den  Januskopf  trägt.  Dem  Saturnus  wird  daran  nur 
insofern  ein  Antheil  beigelegt,  als  nach  der  gangbaren  Erzählung 
Janus  das  Schiff  auf  die  Münze  gesetzt  haben  soll  in  Erinnerung  an 
den  über  das  Meer  nach  Italien  gelangten  Saturnus  (Plutarch  q,  R.  41: 
d)g  Ol  TioXXoi  Xsyovoiv;  Ovidius  fast.  1,  233;  Macrobius  sat,  1,  7,  22), 
während  eine  andere  Yersion  (Plutarch  a.  a.  O,;  Athenäos  15,  46 
p,  692)  den  Saturnus  ganz  beseitigt  und  den  Janus  zum  Erfinder 
des  Schiffes  macht  oder  auch  ihn  wegen  seiner  eigenen  Einwande- 
rung nach  Italien  das  Schiff  auf  seine  Münze  setzen  lässt  (Plutarch 
a.  a.  0.;  Scholien  zur  Aen.  8,  357).  "Wenn  es  nun  in  unserer  Origo  3,  4 
heisst:  is  tum  etiam  usum  signandi  aeris  ac  mmietae  in  formam 
incutiendae  oste^idisse  traditur,  in  quam  ab  una  parte  caput  eiiis 
imprimerettir,  altera  navis,  qua  vectus  illo  erat,  so  stellt  sich  diese 
Erzählung  offenbar  zu  der  letzten  Yersion.  die  ja  auch  die  ihrer  405 
Quelle,  der  Yergilcommentare  ist;  und  es  kann  der  erste  Concipient 


438  Zu  der  Origo  gentis  Romanae. 

dieser  Worte  bei  dem  iste  nur  an  den  Janus  gedacht  haben,  dessen 
Kopf  die  Münze  trug.  Aber  in  dem  Zusammenhang,  in  dem  diese 
Stelle  in  der  Origo  auftritt,  muss  iste  vielmehr  auf  Saturnus  bezogen 
werden,  sei  es  nun,  dass  der  Schreiber  seine  Vorlage  missverstanden, 
sei  es,  dass  er  selber  die  Angabe  richtig  bezogen  und  sich  nur,  wie 
oftmals,  im  Ausdruck  verwirrt  hat.  Wenn  nun  Paulus  geradezu  von 
Saturnus  sagt:  ipse  etiam  eis  nummos  aereos  primus  insfituit,  so  ist 
es  evident,  dass  dies  der  Origo  eigenthümliche  Yersehen  in  seinen 
Bericht  übergegangen  ist,  das  heisst,  dass  er  keine  andere  Quelle 
als  eben  die  Origo  benutzt  hat. 

Die  Erzählung  vom  Picus  und  dessen  Verwandlung  in  einen 
Vogel  durch  die  Zauberin  Circo,  deren  Liebe  er  verschmäht  hatte, 
stammt  aus  den  Schollen  zur  Aeneis  7,  190  (vgl.  Schwegler  1,  214); 
in  der  Origo  wird  Picus  nur  kurz  genannt  (4, 3)  und  dies  nicht  berichtet. 

Pannus  ist  der  Vater  des  Latinus  nach  der  gemeinen  auch  bei 
Vergilius  7,  47  auftretenden  Erzählung.  Als  Mutter  des  Latinus 
dagegen  erscheint  bei  diesem  die  Nymphe  Marica  (vgl.  Schwegler 
1,  215);  die  Carmentis  gilt  bekanntlich  vielmehr  als  Mutter  des 
Euander  (Schwegler  1,  358)  und  sie  ist  dies  auch  in  der  Origo 
5,  1,  so  dass  hier  Paulus  Confusion  gemacht  zu  haben  scheint.  Die 
Angabe,  dass  die  Carmentis  Nicostrata  das  lateinische  Alphabet  er- 
funden habe,  kehrt  so  nirgends  wieder,  schliesst  sich  aber  am 
engsten  an  die  Origo  5,  2  an,  wo  die  erst  Carmenta,  dann  Nicostrata 
genannte  Mutter  des  Euander  (die  Namen  haben  auch  Plutarch 
q.  R.  56  und  Rom.  21 ;  Strabo  5,  3,  3  p.  230;  Schollen  zur  Aen.  8,  51. 
130.  336)  als  litterarum  peritissima  bezeichnet  wird.  Die  gewöhn- 
liche Erzählung  legt  bekanntlich  dem  Euander  die  Erfindung  des 
Alphabetes  bei. 

II.  Dass  die  Latiner  ihren  Namen  vom  König  Latinus  führen, 
sagt  ausser  vielen  Anderen  (Schwegler  1,  197)  der  Hauptgewährs- 
mann unserer  Schrift,  der  Scholiast  zur  Aeneis  8,  322.  Als  Sprach- 
verbesserer wird  meines  Wissens  König  Latinus  sonst  nicht  prädicirt; 
wenn  man  nicht  hierher  ziehen  will,  was  Jupiter  bei  Vergil  12,  834 
sagt:  sermonem  Ausonii  patrium  moresque  tenebunt. 

m.   IV.   Die    Angaben    über   Aeneas    und    Ascanius    enthalten 
nichts  von  Belang.     Der  Vater  des  Turnus  Daunus  stammt  aus  der 
406  Aeneis  10,  616;   die   Origo   nennt  ihn  nicht.     Dass   Turnus  Etrusker 
ist,  ist  wohl  Verwirrung,  obwohl  die  bei  Schwegler  1,  331  zusammen- 
gestellten Notizen  dafür  Anknüpfungen  bieten. 

V.  Die  Erbauung  Capuas  durch  den  Silvier  Capys  berichten  die 
Vergilschohen  10, 145  und  Sueton  Caes.  8 1.  In  der  Origo  fehlt  die  Notiz. 


Zu  der  Origo  gentis  Romanae.  439 

VI.  Dass  der  Tiberfluss  seinen  Namen  davon  führe,  weil  der 
Silvier  Tiberinus  in  ihm  ertrunken  sei,  kehrt  dagegen  wieder  in 
der  Origo  18,  1  und  findet  sich  auch  sonst  mehrfach  (Liv.  1,  3; 
Scholien  zur  Aen.  8,  330). 

YII.  Das  Verhältniss  der  beiden  Söhne  des  Procas  Numitor 
und  Amulius  wird  regelmässig  einfach  dahin  angegeben,  dass  der 
jüngere  den  älteren  vom  Thron  verdrängt  habe;  abweichend  lässt 
Strabon  (5,  3,  2  p.  229)  sie  zunächst  gemeinschaftlich  regieren  und 
die  Schrift  de  viris  ill.  ( 1 )  die  Herrschaft  von  Jahr  zu  Jahr  zwischen 
ihnen  wechseln.  Die  Erzählung,  dass  der  eine  die  Herrschaft,  der 
andere  den  Schatz  habe  erben  und  der  ältere  wählen  sollen,  haben 
nur  Plutarch  (Rom.  3;  aus  ihm  Zonaras  7.  t)  und  die  Schrift  de 
origine  gentis  Born.  19.  jedoch  in  verschiedener  Wendung:  bei  Plutarch 
wählt  Xumitor  die  Herrschaft  und  wird  dann  von  seinem  Bruder 
mittelst  seiner  Schätze  vom  Thron  verdrängt,  während  der  Verfasser 
der  Origo  den  Xumitor  den  Schatz  wählen  lässt.  Der  letzteren 
Version,  die  gewiss  eine  sehr  späte  ist,  da  sie  die  Usurpation  des 
Amulius  aufhebt,  folgt  Landolfus;  und  es  kann  schon  hienach  keine 
Frage  sein,  dass  er  die  Origo  gentis  Romanae  ebenso  wie  Paulus  be- 
nutzt hat.  —  Dasselbe  bestätigt  die  weitere  Erzählung.  Den  Sohn 
des  Xumitor,  den  sein  Oheim  auf  der  Jagd  umbringen  lässt,  nennen 
von  den  uns  gebliebenen  Autoren  nur  Ovid  (fast.  4,55),  bei  dem  er 
Lausus  heisst,  imd  die  Griechen  Dionys.  l,  76  (Atyeorog),  Appian 
(reg.  l  "EyeoTog),  Dio.  fr.  4, 11  [vol.  I  p.  6  Boiss.]  (Atyeairjg)  und  Plutarch 
(parall.  36:  AXvnog),  bei  welchen  er  Aegestus  genannt  wird.  Den 
Griechen  schliesst  Landolfus  mit  seinem  Sergestus  sich  an,  folgt  also 
hier  einer  für  uns  verlorenen  lateinischen  Quelle. 

Vni.  IX.  Die  Angaben  über  Romulus  Asyl  sind  so  allgemeiner  Art, 
dass  sie  sogar  als  eine  Amplification  des  Paulus  gefasst  werden  können. 
—  Die  Zurückführung  von  miles  auf  mille  hat  schon  Varro  de  1.  L.  5,  89. 

X.  Die  Angabe,  dass  die  Doppelnamigkeit  der  Römer  auf  die 
Coalition  der  Gemeinden  des  Romulus  und  des  Tatius  zurückgehe,  407 
findet  meines  Wissens  sich  nur  hier;  denn  die  bekannte  Zurück- 
führung der  Benennung  der  Curien  auf  die  geraubten  sabinischen 
Jungfrauen  (Schwegler  1,  464)  ist  davon  wesenthch  verschieden, 
und  auch  was  die  Schrift  de  praen.  2  über  das  Verhältniss  der 
römischen  Xamen  zu  den  sabinischen  bemerkt,  gehört  schwerlich 
hierher.  Wie  unhaltbar  die  Aufstellung  auch  ist,  so  ist  sie  immer 
ein  Zug  mehr  für  jenes  Bild  der  Fusionirung  zweier  stammfremden 
Gemeinden,  welches  die  römischen  Archäologen  nicht  müde  geworden 
sind  in  allen  Einzelheiten  auszvmialen. 


440  2u  der  Origo  gentis  Romanae. 

Die  Yersion  der  bekannten  Yerknüpfung  der  sabinischen  curis 
mit  den  Quiriten  und  dem  Quirinus  (Schwegler  1,  495),  dass  Romulus 
nach  der  römisch -sabinischen  Conföderation  die  sabinische  Lanze 
angenommen  habe  und  davon  Quirinus  benannt  worden  sei,  gehört 
in  denselben  Zusammenhang:  auch  sie  soll  das  Zusammenfliessen  der 
beiden  Nationalitäten  veranschaulichen. 

XL  Als  Todestag  des  Romulus  bezeichnet  die  Legende 
(Schwegler  1,  519)  bekanntlich  entweder  die  Poplifugien  (III  non. 
lul.  =  5.  Juli^  oder  die  nonae  Cajyrotinae  (non.  lul.  ^=  7.  Juli^. 
Für  den  von  Landolfus  bezeichneten  Tag  des  26.  Juli  (VII  hol.  Aug.) 
weiss  ich  keine  Anknüpfung  und  muss  er  wohl  auf  einem  Versehen 
beruhen. 

Aus  dieser  Uebersicht  ergiebt  sich  einerseits,  dass  Paulus  und 
sein  Fortsetzer  die  origo  gentis  Romanae.,  welche  uns  in  dem  Corpus 
des  sogenannten  Victor  vorliegt,  ebenfalls  vor  Augen  gehabt  haben, 
andrerseits,  dass  die  von  ihnen  benutzte  Fassung  eine  weit  voll- 
ständigere gewesen  ist.  Sie  muss  sogar  etwas  weiter  hinab  geführt 
gewesen  sein  als  die  uns  vorliegende.  Bekanntlich  ist  diese  Origo 
dem  Gesammt werke,  das  sie  uns  erhalten  hat,  in  der  Weise  ein- 
gefügt worden,  dass  das  erste  Capitel  der  viri  illustres.,  das  die 
Gründung  Roms  behandelt,  dafür  weggestrichen  ist;  das  zweite 
aber,  das  mit  Romulus  Regiment,  der  Gründung  des  Asyls  und 
den  weiteren  Einrichtungen  sich  beschäftigt,  ist  stehen  geblieben, 
während  die  Paulus  vorliegende  Schrift  bis  zum  Tode  des  Romulus 
reichte.  Es  hat  also  der  Zusammensteller  jenes  Corpus  wie  das 
erste  Capitel  der  viri  illustres.,  so  den  Schluss  der  Origo  ge- 
strichen. Dass  er  auch  sonst  noch  vieles  weggelassen  hat,  zeigt 
die  oben  gegebene  Uebersicht;  indess  ist  nichts  darunter,  was 
nicht  der  Origo  sich  durchaus  passend  einfügte  und  nicht  ebenso, 
408  wie  diese  selbst,  in  der  Hauptsache  auf  die  Commentare  zur  Aeneis 
zurückging. 

Insofern  gewinnen  wir  hier  theils  eine  entscheidende  Bestätigung 
der  jetzt  wohl  allgemein  recipirten  Annahme,  dass  die  Origo,  obwohl 
uns  nur  in  einer  einzigen  jungen  Handschrift  überliefert,  doch  keines- 
wegs als  moderne  Fälschung  angesehen  werden  darf,  theils  einen 
EinbHck  in  die  Beschaffenheit  der  Ueberlieferung,  insofern  sie  sich 
als  ein  Auszug  herausstellt. 

Da  unsere  Schrift  nach  der  einzigen  auf  uns  gekommenen 
Handschrift  wahrscheinlich  den  Titel  origo  gentis  Romanae  geführt 
hat,  so  kann  es  sein,  dass  der  Verfasser  der  ältesten  Langobarden- 
chronik (mon.  Germ.  LL.  IV,  641)  ebenso  wie  Paulus  dieselbe  gekannt 


Zu  der  Origo  gentis  Romanae. 


441 


und  desshalb  seinem  Werke  den  Titel  gegeben  hat  origo  gentis 
Langohardoriim.  Weiter  als  auf  den  Titel  erstreckt  sich  freilich  die 
Analogie  der  beiden  Schriften  nicht. 

Yielleicht  darf  man  aber  nach  einer  anderen  Seite  noch  einen 
Schritt  weiter  gehen.*)  Zu  den  Quellenschriften,  aus  denen  Hiero- 
nymus  die  eusebianische  Chronik  mit  Zusätzen  versah,  gehört  be- 
kanntlich eine  Latina  historia^  wie  er  sie  nennt,  die  von  Janus 
bis  auf  Romulus  Tod  gereicht  hat:  ich  habe  die  Auszüge  im  1 .  Bd. 
der  Abhandlungen  der  sächs.  Ges.  S.  6S9f.**)  zusammengestellt. 
Die  kurzen  Angaben  gestatten  meistens  keine  genaue  Yergleichung; 
die  Vorgeschichte  zum  Beispiel  fasst  Hieronymus  zusammen  in  den 
Worten:  ante  Aeneam  lanus  Saturnus  Picus  Faunus  Latinus 
regnaverunt  annis  circiter  CL.  Dennoch  ergeben  sich  auch  hier 
entschieden  Beziehungen  theils  zu  der  vergilischen  Litteratur  (wie 
zum  Beispiel  die  Erwähnung  des  Melampus,  des  Täters  des  Larinus 
Silvius,  bei  Yergil  Aen.  10,  320),  theils  unmittelbar  zu  der  Origo. 
wie  dies  in  den  Anmerkungen  von  mir  nachgewiesen  ist.  Anfang 
und  Ende  endlich  stimmen  genau  zu  der  Origo  des  Paulus.  Danach 
drängt  die  Termuthung  sich  auf,  ob  nicht  die  Schrift,  welche 
Hieronymus  benutzt  hat,  eben  diejenige  war,  die  dem  Ordner  des 
victorianischen  Corpus  und  sodann  dem  Paulus  vorgelegen  hat. 
Dass  die  falschen  Autoritäten,  an  denen  die  Schrift  so  reich  ist, 
ebenso  gut  in  der  Epoche  vor  Hieronymus  erfunden  sein  können 
wie  in  derjenigen  des  Fulgentius,  unterliegt  keinem  begründeten 
Zweifel. 


*)  [Vgl.  zum  Folgenden  A.  Enmann  im  Philol.  Suppl.  IV  (1884)  S.  490.] 
*)  [S.  unten  nr.  LXVII.] 


XLVIII. 

Zu  Vegetius.*) 

130  In  dem  uralten  Palimpsest  der  Verrinen  Vat.  Reg.  2077,  dessen 
zweite  Schrift  in  das  siebente  Jahrhundert  gehört  (vgl.  Rossi  inscr. 
Christ.  I  p.  LYIII  sq.),**)  findet  sich  von  dieser  nach  Hieronyraus 
und  Gennadius  de  viris  ill.  (f.  1 — 78  r)  ein  Stück  de  duohus  testihus. 
Incipit  de  Enoc  et  Hella  (f.  78  r.  v.);  die  von  Rossi  a.  a.  0.  erörterte 
ratio  Paschae  [Chron.  min.  I,  1892,  S.  739  ff.];  der  verkürzte  Prosper 
mit  seinen  Anhängen  wie  sie  bei  Roncalli  p.  705 — 734  aus  dieser 
Handschrift  abgedruckt  sind  [Chron.  min.  a.  a.  O.  S.  385  ff.];  f.  99 
eine  Welt-  und  Windtafel;  f.  99  v — lOOv  Auszüge  aus  Yegetius; 
f.  101  r  nomina  heresum.  Die  bisher  meines  Wissens  unberücksichtigt 
gebliebenen  Auszüge  aus  Vegetius  sind  ohne  Zweifel  das  älteste 
Stück  handschriftlicher  Überlieferung,  das  wir  von  diesem  Schrift- 
steller besitzen,  und  insofern  beachtenswerth.  Die  Überschrift  lautet: 
Ux  lihro  quarto  Publi  fegati  (so)  Benati  de  re  militari  in  titulo 
XXXVIIII  posf  praecepta  helli  naualis,  quae  incipiunt  a  titulo  supra 
scripti  libri  XXXI,    inter  cetera  et  ad  locum.     Es  folgt  nun  wort- 

131  getreu  aus  Buch  5  Kap.  8—11  nach  unserer  Zählung  (=  IV  38  — 40 
Lang  ed.  2)  die  Stelle  igitur  uentorum  (p.  138,  1  der  Zweibrücker 
Ausgabe  [p.  154,  16  L.])  bis  usus  intellegit  (p.  141,  2  [159,  15]).  Dann 
weiter:  item  ex  su^jeriorihus  libris  eiusdem  operis  inter  cetera  et  ad 
locum  zunächst  apud  Romanos  in  legione  erant  — '  equites  DCCXXX, 
ein  freier  Auszug  aus  2,  6,  und  ohne  Absatz  der  Anfang  von  2,  2: 
legiones  ergo  proprie  Romanorum  sunt,  Macedones  vero  Greci  Bardani 
—  sena  millia  armatorum.  —  Der  Text  dieser  Auszüge  (E),  so  kurz 
sie   sind,    erweist   die  Handschrift,   aus    der   sie   genommen  wurden, 


*)  [Hermes  1,  1866,  S.  130  —  133.] 
**)  [Über  diese  Hs.  bat  Mommen  selbst  genaue  Angaben  gemacht  in  den 
Chron.  min.  I,  1892,  S.  871  f.] 


Zu  Vegetius,  443 

wenn  nicht  als  die  Quelle  der  sämmtlichen  auf  uns  gekommenen 
Vegetiushandschriften,  doch  mindestens  als  die  interpolationsfreie 
Grundlage  derjenigen  zwar  interpolirten ,  aber  sehr  alten  Recension, 
die  am  besten  der  von  Dr.  Zangemeister  in  Rom  aufgefundene  und 
verglichene  Codex  Yat.  Pal.  909  (P)  aus  dem  zehnten  Jahrh.  vertritt. 
Mit  diesem  stimmen  die  Excerpte  zunächst  in  Buchtheilung  und 
Capitelzählung;  denn  1.  4.  c.  21  der  Handschrift  P  entspricht  dem 
Anfang  des  5.  Buchs  in  der  Yulgatausgabe  und  ist  in  P  überschrieben 
praecepta  helli  navalis.  Es  ist  nur  ein  Schreibfehler  der  Excerpte, 
dass  sie  B.  5  K.  8  bezeichnet  als  4,  39  und  nicht,  wie  in  P,  als 
4,  38;  denn  B.  5,  9  ist  in  E  wie  in  P  bezeichnet  mit  XXXYILH. 
Auch  die  Schreibimg  uegati  statt  tiegeti  wiederholt  sich  in  einer  der 
Subscriptionen  des  Palatinus.  Mit  diesem  stimmen  die  Excerpte 
femer  in  eigenthümlichen  Fehlern,  von  denen,  wie  es  scheint,  die 
übrigen  Handschriften  frei  sind: 

p.  139,  22  [157,  10]  taurus  a  verdorben  in  tmirura  P,  taurora  E 
140,    2  [158,  10]  ist  das  richtige   tempiantur  in   P   in  tempes- 
tantur,  in  den  Excerpten  in  testantur  verdorben. 
Beide  Texte  stimmen  aber  ebenso  im  unzweifelhaft  ganz  oder  nahezu 
Richtigen;  so 

139,  10  [157,  2]  ist  zu  lesen  Pachone  decurso;  pachnifae  decurso 

E,  pagnite  decurso  P,  phaenitae  decursu  die  Yulg. 

140,  2  [158,  8]  urbium  EP  statt  des  sinnlosen  gentium 

140,  23  [159,  8]  aut  inephim  uidetur  (uideatur)  aut  hngum  EP, 

longum  est  die  Vulgata  und  so  ja  wohl  auch  die  übrigen 

Handschriften.     [Im  Wesentlichen  so  auch  Lang.] 

Der  Unterschied  von  E   vmd   P  zeigt  sich  zunächst  darin,  dass 

von  den  massenhaften  und  zahllosen  Interpolationen,  die  P  überall 

entstellen,  in  E  keine  Spur  erscheint:  ich  erwähne  nur 

138,  16  [155,  10]  notv^]  auster  quod  latini  euroaustrum  uocant  P 

corus]  austroafricus  P 
18  [155,  11]  subuesp.]  id  est  cortis*)  setzt  P  hinzu 
20  [156,  1]  sive  fauonius]  id  est  corus  P 

139,  11  [157,  3]  iuniaruni\  maiarum  P  132 
30  [158,  6]  natalem  uero]  octaiio  igitur  kalendas  ianuarias 

P.  d.  h.  der  Schreiber  dachte  an  den  natalis  Christi, 
wo  Yegetius  vom  natalis  navigationis  spricht! 

140,  8  [158,  12]  priuatarum  mercium]  prius  commercium. 

*)  [Nach  Längs  Apparat  sind   die  von   P  hinzugesetzten  Worte  vielmehr 
sict  faboniits.] 


444 


Zu  Vegetius. 


"Wo,  abgesehen  von  diesen  Interpolationen,  E  und  P  abweichen 
steht  in  der  Regel  der  erstere  Text  dem  Original  näher. 

138,  5  [154,  19]  ist  zu  lesen:  experimentum  posterioris  aetafii 

duodecim  comprehendit  mit  E,  nur  dass  hier  potiorii 
steht;  non  solum  {stsitt  experimentum)  posterioris  aetatii 
(XII  fehlt)  comprehendit  P,  experimento  x^osterior  aefai 
XII  comprehendit  die  Vulgata. 
6  [155,  1]  Quorum  uocahula  ad  summouendam  duhitationen 
E  und  so,  mir  hortim,  die  Yulg.;  uocdbula  ad  dduendan 
uero  dub.  P 
13  [155,  7]  caecias  siue  eurohorus  E;  celcias  siue  rohorut 
quod  latini  uolturnum  dicunt  P;  xaixiag  die  Vulg. 

139,  21  [157,  10]  ist  aeduU  (statt  haedi)  und   V  id.  easdem  stat 

des  unlateinischen  eiusdem  in  E  richtig  überliefert. 
Der  umgekehrte  Fall  tritt  ein 

139,  28  [158,  4]  wo  zu  lesen  ist  mit  P  und  Stewechius:  uentorun\ 

imhri  uel  niuibus  geminata  saeuitia;  imhrium  niihibus  E 
Aufmerksamkeit  verdient  bei  dem  hohen  Alter  der  vaticanischer 
Excerpten  noch  eine  eigenthümliche  Reihe  von  Fehlern  in  denselben 

falsche  Lesung  in  E 

138,  4  [154,  18]  quartos 
5  [155,  1]  pofioris 

8  [155,  2].  24  [156,5]  et 

[155,  3]  perttdimus 
13.  16.  19  [155,  7.  9.  12]  iungit 
30  [156,  9]  inierdo  (ido) 

139,  8  [157,  1]  sed  (s'J 
17  [157,  7]  peraptior 
26  [158,  3]  plixa 
29  [158,  5]  pelagorum 

140,  5  [158,  10]  industriarum 
10  [158,  13]  quomodo  (qni) 
22  [159,  7]  nuncupatur  (-f) 

141,  2  [159,  15]  ratiorum 
133  Es  kann  niemand  entgehen,   dass   diese   zum  Theil  sehr   seltsamen 

und  den  Sinn  gänzlich  aufhebenden  und  dennoch  gleichförmigen 
Schreibfehler  sich,  zumal  in  einer  Handschrift  des  siebenten  Jahr- 
hunderts, lediglich  durch  die  Voraussetzung  erklären,  dass  die  dem 
Schreiber  voi'liegende  Handschrift  des  Yegetius  mit  denjenigen  Ab- 
kürzungen geschrieben  war,  die  uns  aus  dem  Gaius  und  den  vati- 
canischen  Fragmenten  geläufig  sind ;  hier  ist  allerdings  nichts  leichtei 


richtige  Losung 

IUI 

quattuor 

postioris 

posterioris 

ei 

etiam 

ptulimus 

protulimus 

iungif 

iungitur 

-tdo 

secundo 

s 

sunt 

propior 

plixa 

prolixa 

'  pelagos'' 

pelago  sed 

industrias' 

industria  sed 

qäm 

quemadmodum 

nuncupaf 

nuncuparunt 

ratios' 

ratio  sed 

Zu  der  Origo  gentis  Romanae.  445 

ils  die  in  der  zweiten  Columne  stehenden  Zeichen  mit  denjenigen 
EU  verwechseln,  die  nach  diesem  Abkürzungssystem  den  im  Codex 
befindlichen  Lesungen  entsprechen  würden  und  die,  wo  es  nöthig 
schien,  in  Klammem  beigefügt  sind.  Indess  ist  mir  kein  zweites 
Beispiel  dafür  bekannt,  dass  die  ^notae  iuris  ausserhalb  ihres  eigent- 
ichen  Kreises  und  für  andere,  wenn  gleich  ebenfalls  fachwissen- 
schaftliche Schriften  verwendet  worden  sind.  Als  eine  weitere 
Analogie  zwischen  diesen  Auszügen  und  der  juristischen  Litteratur 
kann  übrigens  noch  die  Formel  intcr  cetera  et  ad  locum  angeführt 
fverden;  dieselbe  findet  sich  sehr  häufig  in  der  Consultatio  veteris 
Iuris  consulti  da,  wo  nicht  das  ganze  Gesetz,  sondern  nur  die  unter 
ien  übrigen  zur  Sache  gehörigen  Worte  desselben  angeführt  werden, 
während  ich  mich  nicht  erinnere  ihr  anderswo  begegnet  zu  sein. 


XLIX. 
Firmicus  Maternus.*) 

468  Dass  die  Mathesis  des  Senators  Julius  Firmicus  Matemus  zwischen 

den  Jahren  334  und  337  geschrieben  wurde,  ist  ausser  Zweifel. 
Der  Verfasser  erwähnt  einerseits  (1 ,  2  der  Baseler  Ausgabe  von 
1551  =  1,  5,  10  der  neuen  Ausgabe  von  Sittl  [=  vol.  I  p.  13,  18  ff. 
ed.  Kroll-Skutsch])  die  Sonnenfinsterniss  des  17.  Juli  334  mit  Angabe 
der  Consuln,  und  nennt  an  zwei  anderen  Stellen  (1,  1  =  1,  1,  7  [I 
p.  3,  18]  und  1,  4  =  1,  10,  15  fg.  [I  p.  37,  25])  als  damals  regierende 
Herrscher  Constantin  I.  und  die  Caesaren,  schrieb  also  vor  dem 
Tode  des  erstgenannten  22.  Mai  337.  Allerdings  scheint  dieser 
Datirung  zu  widerstreiten,  was  aus  derselben  Schrift  über  den 
Empfänger  der  Dedication  zu  entnehmen  ist.  Es  ist  dies  bekannt- 
lich eine  auch  sonst  nicht  unbekannte  Person,  Q.  Flavius  Maesius 
(oder  Messius)  Egnatius  Lollianus  mit  dem  Beinamen  Mavortius, 
Präfect  der  Stadt  Rom  nach  dem  officiellen  Verzeichniss  (chron. 
min.  1  p.  68)  vom  1.  April  bis  6.  Juli  342,  ordentlicher  Consul  des 
J.  355  und  im  Jahre  darauf  praefectus  praetorio  von  Italien  (Ammian 
16,  8,  5).  Seinen  vollen  Namen  und  seine  frühere  Amtslaufbahn 
ersehen  wir  aus  vier  Inschriften  (Suessa  C.  I.  L.  X,  4752;  Puteoli 
C.  I.  L.  X,  1695.  1696;  Rom  C.  I.  L.  YI,  1723).**)  Yon  diesen  sind 
die   drei  ersten  vor   der  Stadtpräfectur  gesetzt  und  auch   die  vierte 

*)  [Hermes  29,  1894,  S.  468— 472.  In  demselben  Bande  S.  618  — 619  hat 
Mommsen  auf  Grund  einer  Neukollation  eines  Abschnitts  der  Münchener  Hs. 
des  Firmicus  die  Unbrauchbarkeit  der  Sittl'schen  Ausgabe  (Pars  I  1894)  erwiesen. 
Da  sein  Wünscht,  daß  diese  Ausgabe  bald  durch  eine  bessere  ersetzt  werden 
möge,  inzwischen  seiner  Erfüllung  entgegengeführt  worden  ist  (Firmicus  ed. 
Kroll-Skutsch.  I  1897),  konnte  von  einem  Wiederabdruck  der  zweiten  Miszelle 
abgesehen  werden.] 

**)  [Hinzugekommen   ist   eine   Inschrift  vom   Forum    Romanum    Notizie 
<Jegli  scavi  1901  p.  129;  auch  bei  Hülsen  Klio  II  1902  S.  244  n.  29.] 


Finnicus  Matemus.  447 

unvollständige  nennt  nur  die  früheren  Aemter;*)  diese  Aemterreihe 
stellt  sich  danach  folgendermassen : 

qttaestor  kandidatus 

praetor  urbanus 

augur  (fehlt  auf  dem  römischen  Stein) 

comes  doniinorum  nostrortim  Ätig(usti)  et  Caesarum  (nur  auf 
dem  sicher  unter  Constantin  gesetzten  Stein  von  Suessa). 

curator  (oder  considaris)  alvei  Tiberis  et  cloacarum 

curator  (oder  considaris)  operwn  publicorum 

consularis  aquarum  et  Minuciae 

considaris  Campaniae  (hiermit  endet  die  Reihe  auf  dem 
Stein  von  Suessa). 

comes  Flavialis  (so  die  puteolaner  Steine;  der  römische  ist 
von  hier  an  in  der  Lesung  wie  in  der  Erklärung  unsicher, 
vgl.  meine  Erörterung  memoria  dell'  Instituto  II  304).**) 

comes  Orientis 

comes  primi  ordinis 

proconsid  provinciae  Africae. 
Nach  der  Dedication  hat  Firmicus  dem  Lollianus  oder  Mavortius  469 
(er  wechselt  mit  dem  JS^amen  und  dem  Signum)  die  Abfassung  dieser 
Schrift  zugesagt,  als  derselbe  Statthalter  von  Campanien  war  (cum 
esses  in  Campaniae  provinciae  fascibus  constitutus),  aber  mit  der 
Ausführung  gezögert;  LoUianus  habe  als  comes  Orientis  Aegypti 
et  Mesopiotamiae  —  so  lautet  der  volle  Titel  —  (cum  tibi  totius 
Orientis  gttbernacula  domini  atque  imperatoris  nostri  Constantini 
Augusti  .  .  .  iudicia  tradidissent)  ihn  vergeblich  gemahnt;  erst  jetzt 
erfülle  er  seine  Zusage:  proconsuli  itaque  tibi  et  ordinario  consuli 
designato  jiromissa  reddimus.  Der  Proconsulat  ist  der  auch  auf  den 
Steinen  genannte  von  Africa,  und  diesen  kann  Lollianus  füglich  von 
Constantin  I.  erhalten  haben.  Die  Nichterwähnung  der  im  J.  342 
bekleideten  Stadtpräfectur  stimmt  zu  der  angegebenen  Abfassungszeit. 
Aber  befremdend  ist  in  diesem  Zusammenhang  die  Designation  zum 
ordentlichen  Consul,  welche  wiederkehrt  S,  15  p.  221:  talis  nostris 
temporibus  Lollianus,  qui  severiiatis  merifo  etiam  ordinarii  cotistdatus 
insignia   consecutus   esf^,    da    Lollianus,   wie  gesagt,    erst  achtzehn 

*)  [Wie  0.  Seeck,  Mitt.  d.  archäol.  Instit.  Rom  1905  S.  283  ff.  bemerkt 
hat,  ist  auch  die  zweite  Hälfte  dieser  Inschrift  erhalten,  C.  I.  L.  VI,  1757  = 
Dessau  1232.] 

**)  [In  der  Abhandlung  de  C.  CaeUi  Satumini  titnlo,  die  im  1.  oder  2.  Bde. 
der  epigraph.  Schriften  zum  Abdruck  gelangen  wird.] 

1)  Das  Fehlen  dieser  Worte  in  einer  der  späten  Handschriften,  welche  die 


448  Firmicus  Maternus. 

Jahre  nach  Constantins  Tode  das  Consulat  bekleidet  hat,  auch  nicht 
wohl  anders  als  im  Vorjahr  dazu  hat  designirt  werden  können; 
wenigstens  führt  keine  Spur  auf  dergleichen  Anticipation.  Desshalb 
ist  die  Abfassung  der  Schrift  selbst  in  das  Jahr  354  gesetzt  worden, 
was  der  neueste  Herausgeber  Sittl  (Archiv  für  lat.  Lexikographie 
IV  610)  mit  Recht  verwirft.  Aber  was  er  als  ,sehr  einfache  Lösung 
des  Räthsels'  bezeichnet,  dass  Firmicus  die  Schrift  nicht  in  den 
Buchhandel  gegeben  habe,  oder,  wie  er  in  seiner  Ausgabe  (vgl.  die 
Anm.  zu  2,  27,  15)  diese  Vermuthung  modificirt  hat,  dass  die  Worte 
et  ordinario  consuli  designato  Zusatz  des  Verfassers  bei  einer  zweiten 
Publication  seien,  hebt  die  Schwierigkeit  nicht;  es  hätten  dann  doch 
in  dieser  die  auf  Constantin  bezüglichen  Stellen  abgeändert  werden 
müssen.  Eine  Nöthigung  zur  Annahme  eines  so  groben  Schrift- 
stellerversehens liegt  nicht  vor ;  es  genügt  die  Annahme,  dass  Kaiser 
Constantin  dem  Lollianus,  als  er  ihn  zum  Proconsul  von  Africa  er- 
nannte, zugleich  das  ordentliche  Consulat  in  Aussicht  stellte.  Eine 
förmliche  Designation  war  dies  nicht,  da  die  gleichzeitigen  Inschriften 
von  einer  solchen  schweigen,  aber  adulatorisch  konnte  dies  wohl  so 
470  heissen.  Dies  mag  auch  mit  den  ,Insignien'  des  ordentlichen  Consulats 
gemeint  sein;  einen  festen  Begriff  vermag  ich  mit  dieser  Bezeichnung 
nicht  zu  verbinden,  da  die  Insignien  vielmehr  negativ  das  Fehlen 
des  betreffenden  Amtes  ausdrücken  und  mit  dem  ordentlichen 
Consulat  in  correkter  Rede  nicht  verbunden  werden  können.  Auf 
keinen  Fall  kann  die  gesicherte  Datirung  der  vielfach  merkwürdigen 
Schrift  durch  diese  Stelle  erschüttert  werden. 

Wichtiger  ist  eine  andere  auf  die  Verhältnisse  der  Gegenwart 
bezügliche  Stelle  2,  32  =  2,  27,  15  fg.  Sittl.  [I  p.  81,  9  ff.].  Firmicus 
giebt  hier  das  detaillirte  Horoskop  einer  bestimmten  Person,  die  er 
nicht  nennt,  weil  LolHanus  weiss,  wer  gemeint  ist  (cuius  Jiaec 
genitura  sit,  LoUiane  .  .  .  optime  nosti):  eins  geniturae  pater  post 
geminum  ordinarium  consulatum  in  exilium  datus  est,  sed  et  ipse  oh 
adulterii  crimen  in  exilium  datus  et  de  exilio  raptus  in  administratio- 
nem  Campaniae  primum  destinatus  est,  deinde  {ad)  Achaiae  pro- 
consulatum,  post  vero  ad  Asiae  proconsulatum  et  praefecturani  urhi 
Romae.  Der  Vater,  geringer  Herkunft  (paternum  genus  ignohile),  sei 
heatus  felix  potens  gewesen,  obwohl  nach  dem  zweiten  Consulat 
heimgesucht  durch  ein  vom  Senat  über  ihn  verhängtes  famosum 
exilium-,  der  Vater  wie   der  Sohn  hätten  viel  von  Feindschaften  zu 


letzten  Bücher  allein  bewahrt    haben  (Sittl.    a.  a.  0.   S.  610  A.),    dürfte   deren 
Tilgung  nicht  rechtfertigen. 


Firmicus  Matemus.  449 

leiden  gehabt.  Der  Sohn  wird  endlich  bezeichnet  als  ein  hervor- 
ragender Forscher,  ein  Kenner  der  absconsae  Utterae,  der  eine  solche 
doctrina  et  litterarimi  scientia  besitze,  ut  oratio  eius  ac  stilus  veterihus 
aiictoribus  conferatur.  —  Es  fragt  sich,  ob  die  hier  genannten 
Personen  sich  finden  lassen.  Nach  Borghesis  (opp.  IV  521  ff.)  Ver- 
muthung  ist  der  Sohn  der  Lollianus  praef.  urhi  254,  nach  seiner 
Meinung  der  Grossvater  des  Mavortius;  den  Tater  zu  finden  hat  er 
aufgegeben,  da  er  -wohl  sah,  dass  bei  jener  Annahme  die  beiden 
ordinarii  consnlatus  unmöglich  wurden.  Entschuldigt  wird  die 
unglückliche  Hypothese  dadurch,  dass  eine  an  dieser  Stelle  eingelegte 
Zeichnung  die  L'eberschrift  trägt  Lolliani  genitura  und  Borghesi 
darum  in  diesen  Kreis  glaubte  gewiesen  zu  sein.  Die  neue  Ausgabe 
hat  von  diesem  wie  von  zahlreichen  anderen  Emblemen  der  Italiener 
des  15.  Jahrh.  uns  befreit;  man  wird  umgekehrt  sagen  müssen,  dass 
der  Ehebrecher  am  wenigsten  in  dem  Hause  des  Mannes  gesucht 
werden  darf,  dem  das  ^Verk  zugeschrieben  ist.  Sittl  hat  durch  ein 
mir  unbegreifliches  Missverständniss  den  nicht  genanntea  Sohn  für 
den  Lollianus  selbst  gehalten,  dem  das  Buch  gewidmet  ist  und  dann 
den  Schluss  Ächaiae  .  .  .  Bomae  als  Zusatz  zweiter  Ausgabe  be- 
ti-achtet,  ohne  durch  den  Widerspruch  der  Inschriften  des  Lollianus 
mit  der  hier  aufgeführten  Aemterreihe  sich  irre  machen  zu  lassen.  471 
In  der  That  ist  die  Lösung  leicht  und  sicher,  wenn  man  ausgeht 
von  dem  sichersten  Anhaltspunkt,  dem  ordentlichen  Consulat.  Mehr- 
malige Bekleidung  desselben  gehört  vom  Ende  des  3.  Jahrh.  an  zu 
den  ATorrechten  des  Kaisers  und  des  Kaiserhauses^:  die  einzige 
Ausnahme  macht  C.  Ceionius  Rufius  Yolusianus^,  -der  unter  ganz 
besonderen  Verhältnissen  zuerst  unter  Maxentius  die  Stadtpräfectur 
vom  2S.  Oct.  310  bis  zum  27.  Oct.  311,  sowie  das  ordentliche  Consulat 
im  Sept.  311  übernahm,  dann  nach  Maxentius  Katastrophe  unter 
Constantin  sowohl  abermals  die  Stadtpräfectur  vom  8.  Dec.  313  bis 
zum  19.  Aug.  315  wie  auch  für  314  abermals  das  ordentliche  Consulat 
erhielt';  er  heisst  auf  der  Inschrift  seines  Sohnes  (C.  I.  L.  \1,  1708 


1)  Staatsrecht  2\  93. 

2)  Wahrscheinlich  derselbe  ist  Rufius  Volusianus  Corrector  von  Campanien 
unter  Carinus  282  3  (C.  I.  L.  X,  1655). 

3)  Ueber  ihn  und  seine  Nachkommenschaft  handelt  Seeck  zum  Symmachus 
p.  CLXXIY,  aber  nicht  ohne  Versehen.  Die  dem  Constantin  von  Volusianus 
gesetzte  Inschrift  C.  I.  L.  VI,  1140  [Dessau  692],  auf  der  er  sich  consul  ordhiarius, 
praef.  tirhi  vice  sacra  iudicans  nennt,  kann  natürlich  nicht,  wie  Seeck  meint, 
während  seiner  ersten  Präfectur  unter  Maxentius  gesetzt  sein;  vielmehr  fehlt 
sowohl  hier  wie  in  einer  dritten  Inschrift  C.  I.  L.  VI,  1707  [Dessau  1213]  bei 

MOMMSEX,   SCHB.  VH.  29 


450  Fimiicus  Maternus. 

[Dessau  1222])  Rufius  Volusianus  bis  consul  Ordinarius.  Dieser  sein 
Sohn  (C.  I.  L.  a.  a.  0.)  ist  Ceionius  Rufius  Albinus,  ordentlicher 
Consul  des  Jahres  335  (Eossi  inscr.  ehr.  1  p.  40),  Stadtpräfect  vom 
30.  Dec.  bis  10.  März  337  (chron.  min.  1  p.  68).  Als  Gelehrten  — 
phüosophus  —  bezeichnet  ihn  auch  die  Inschrift;  die  von  Boethius 
und  Cassiodor  erwähnten  Schriften  eines  Albinus  über  Dialektik, 
Geometrie  und  Musik  (Teuffei  Litt.-Gesch.  §  407,  5)  sind  längst  mit 
Wahrscheinlichkeit  ihm  beigelegt  worden  und  passen  auch  wie  zu 
dem  philosophus  so  zu  den  ahsconsae  litterae.  Wenn  endlich  Servius 
seine  Schrift  de  centum  metris  einem  jungen  Albinus  widmet,  dessen 
Yater  und  Grossvater  sich  um  die  Litteratur  verdient  gemacht  hätten 
472  (Teuffei  a.  a.  O.  §  431,  4),  so  wird  der  letztere  wohl  auch  derselbe 
sein.*)  —  Diesen  Albinus  also  hat  Firmicus  zunächst  im  Sinne,  den 
zu  der  Zeit,  wo  er  schrieb,  fungirenden  Stadtpräfecten.  Die  Ab- 
fassungszeit des  Werkes  bestimmt  sich  darnach  enger  auf  die  Epoche 
vom  30.  Dec.  335  bis  zum  22.  Mai  337. 


beiden  Aemtern  die  Iteration  desswegen,  weil  sie  von  einem  , Tyrannen'  verliehen 
waren.  Sie  sind  erst  späterhin  wieder  als  gültig  betrachtet  worden.  Insofern 
ist  auch  das  Consulat  des  Volusianus  von  314  nach  der  Absicht  des  verleihenden 
Kaisers  keineswegs  ein  iterirtes  gewesen,  sondern  vielmehr  eine  Art  Rehabili- 
tation und  ist  die  Regel,  dass  Privaten  das  ordentliche  Consulat  nicht  mehr 
als  einmal  gegeben  wird,  ausnahmefrei.  Dass  Constantin  den  Volusianus  also 
rehabilitirte ,  hängt  wahrscheinlich  mit  den  Verhältnissen  der  Provinz  Africa 
zusammen,  wohin  Volusianus  als  praefectus  praetorio  von  Maxentius  geschickt 
worden  war  (Zosimus  2,  14;  Victor  Caes.  40,  18). 

*)  [^gl-  zu  der  letzteren  Identifikation  Graf  in  der  Realenzykl.  I  Sp.  1315.] 


L. 

Ein  gromatisches  Fragment  in  einer  Mailänder 
Handschrift.*) 

In  der  reichen  Bibliothek  des  Ritters  Carlo  Morbio  in  Mailand  1014 
fand  Hr.  Jaffe  bei  seinem  letzten  Aufenthalt  daselbst  einen  Band  in 
Grossfolio  von  242  Pergamentblättem,  von  welchen  f.  17  r.  bis  239  r., 
von  derselben  Hand  des  zehnten  Jahrhunderts  geschrieben,  die 
EtjTnologien  Isidors  (f.  17r.  —  192v.),  die  ars  Donati  grammafici 
(f.  192v. — 21  Ir.)  und  verschiedene  Glossare  enthalten.  Am  Schluss 
sind  von  anderen  Händen  des  zehnten  Jahrhunderts  noch  die  Distichen 
Catos  (f.  239  v.— 240  v.),  ein  Brief  des  Hieronymus  an  Paulus  (f.  240  v 
— 241  r.),  ein  Yerzeichniss  juristischer  Noten  (f.  241  r.  —  242  r.)  und 
einige  Excerpte  aus  den  Biographien  der  Päpste  (f.  242  v.)  hinzugefügt. 
Yorgeheftet  sind  dem  Codex  16  ursprünglich  demselben  nicht  an- 
gehörige  Blätter  etwas  kleineren  Formats,  von  denen  die  ersten  13 
ein  gromatisches,  die  letzten  3  ein  grammatisches  Fragment  ent- 
halten; am  Anfang  imd  am  Ende  so  wie  zwischen  beiden  Stücken 
ist  eine  Seite  leer  gelassen.  Das  grammatische  Bruchstück,  be- 
ginnend f.  14  V.  mit  den  Worten:  littera  est  pars  minima  uocis  arti- 
cidatae.  Primtim  nohis  quer&ndum  est,  schliessend  f.  16  r.  mit  den 
Worten :  longa  syU  duo  temjn'  habet  ut  unns  hreuis  umim  ut  amor, 
ist  nicht  näher  imtersucht  worden.  Das  gromatische  Fragment 
dagegen  hat  Hr.  Jaffe  abgeschrieben  und  mir  mit  zuvorkommender 
Freundlichkeit  zur  Yerfügung  gestellt. 

Dies  gromatische  Bruchstück  ist  ganz  in  eckigen  langgezogenen 
und  ungefälligen  Majuskeln  geschrieben,  ausser  wo  Bl.  13  die  kreis- 
förmige Richtung  der  Schrift  einen  veränderten  mehr  gerundeten 
Schriftcharakter  bedingte.    Auf  die  voll  beschriebene  und  nicht  theU- 

*)  [Monatsber.  der  Berl.  Akad.  der  Wiss.  1861,  II  S.  1014—1021.  Die  Über- 
schrift ist  von  mir  zugesetzt  worden.] 


452  Ein  gromatisches  Fragment  in  einer  Mailänder  Handschrift. 

weise  von  Bildern  eingenommene  Seite  gehen  16  Zeilen.  Abgesehen 
von  den  festen  Siglen,  wie  p,  für  passus,  finden  raumsparende 
Schreiberabkürzungen  sieh  nicht,  mit  der  einzigen  Ausnahme,  dass 
am  Ende  der  Zeilen  m  zuweilen  durch  einen  Querstrich  vertreten 
wird;  überdies  werden  hie  und  da,  gewöhnlich  am  Zeilenschluss 
Buchstaben  zusammengezogen,  so  ^,  \^  —  was  alles  sämmtlichen 
Majuskelhandschriften  gemeinsame  Eigenthümlichkeiten  sind.  Roth 
geschrieben  sind  in  dem  ersten  Abschnitt  die  Einzelbuchstaben  und 
die  Ziffern  oder  was  der  Schreiber  für  Ziffern  ansah,  in  dem  zweiten 
1015  überdies  die  Anfänge  der  einzelnen  Paragraphen.  Die  diesem  letzteren 
beigegebenen  rohen  Zeichnungen  sind  sämmtlich  in  Farben  ausgeführt. 
Der  Text  umfasst  diejenigen  zwei  Recensionen  der  casae  litierarum, 
welche  Lachmann  p.  327 — 333  und  p.  325—327,  jene  aus  dem 
Arcerianus,  diese  aus  der  jüngeren  Wolfenbüttler  und  der  ehemals 
Heidelberger,  jetzt  römischen  Handschrift  des  gromatischen  Corpus 
herausgegeben  hat.  Indess  sind  beide  Stücke  nicht  vollständig,  sondern 
es  mangelt  dem  ersten  der  Anfang  (A — E),  dem  zweiten  der  Schluss 
(Y^ü);  die  Handschrift  aber  ist  nicht  defect,  da  sie  mit  einem 
leeren  Blatt  beginnt  und  schliesst.  Vermuthlich  ist  dieselbe  die 
Copie  eines  von  dem  Schreiber  vorgefundenen  Fragments,  dessen 
Schriftcharakter  er  beibehalten  und  woran  er  ein  zweites  übrigens 
in  keiner  Weise  damit  zusammengehöriges  Bruchstück  grammatischen 
Inhalts  angehängt  hat;  es  möchte  darum  auch  nicht  so  sehr  unserer 
Handschrift  als  vielmehr  ihrem  unmittelbaren  Original  ein  besonders 
hohes  Alter  beizulegen  sein.  —  Über  die  casae  litterarum  selbst, 
die  Rudorff  mit  Recht  'das  sonderbarste  Stück  der  ganzen  Feld- 
messersammlung genannt  hat,  ist  hier  zu  sprechen  nicht  der  Ort; 
es  muss  in  einem  andern  Zusammenhang  untersucht  werden,  ob  diese 
Stücke  wirklich  aus  der  noch  lebendigen  gromatischen  Technik  hervor- 
gegangen und  nur  verdorben  sind  oder  ob  sie  nicht  vielmehr  der 
Periode  vollständiger  innerer  Auflösung  der  Gromatik  bei  einem 
scheinhaften  äusserlichen  Fortleben  derselben  und  Forthanthieren 
mit  den  Büchern  und  Bildwerken  der  alten  Messkundigen  angehören. 
Auf  jeden  Fall  sind  die  Stücke  wie  sie  liegen  ihrer  ganzen  praktischen 
Beziehung  nach  noch  viel  mehr  als  in  ihren  Einzelheiten  unver- 
ständlich; wie  denn  auch  Lachmann  sich  begnügt  hat  sie  einfach 
abdrucken  zu  lassen,  ohne  eine  Besserung  auch  nur  zu  versuchen. 
Dasselbe  geschieht  hier  mit  den  in  der  neu  gefundenen  Handschrift 
enthaltenen  Recensionen,  da  sie  auf  jeden  Fall  Documente  sind  aus 
einem  der  dunkelsten  Gebiete  der  Geschichte,  der  Tradition  antiker 
Technik  während  des  frühesten  Mittelalters,  und  was  von  dieser  sich 


Ein  gromatisches  Fragment  in  einer  Mailänder  Handschrift.  453 

erhalten  hat,  für  künftige  Prüfung  aufbewahrt  zu  werden  verdient. 
Es  soll  nur  hinzugefügt  werden,  dass  die  erste  Buchstabenerkläning 
unserer  Handschrift  der  in  der  arcerianischen  enthaltenen  eng  ver- 
wandt, aber  doch  vielfach  von  ihr  verschieden  ist.  ohne  dass  sich 
für  jetzt  bestimmen  Hesse,  welcher  von  beiden  Texten  den  Vorzug 
verdiente;  die  zweite  dagegen  ziemlich  wörtlich  mit  der  von  Lach-  10I6 
mann  herausgegebenen,  besonders  nach  der  Fassung  des  Wolfen- 
büttler  Codex,  übereinstimmt,  aber  in  sofern  schlechter  ist  als  diese, 
als  von  den  dieser  Buchstabenerklärung  in  der  Lachmannschen 
Recension  fehlenden  Buchstaben  ZHSZOYXW  in  der  jetzt  bekannt 
gewordenen  drei  ZIO  durch  ungeschickt  aus  der  ersten  Recension 
herübergenommene,  vielleicht  erst  dem  letzten  Abschreiber  beizu- 
messende Plagiate  ergänzt  worden  sind. 

Die  mir  mitgetheilte  Abschrift  ist  Zeile  auf  Zeile  gemacht  und 
giebt  auch  die  Bilder  annähernd  wieder.  Ein  einfacher  Abdruck 
und  kurze  Beschreibung  der  Bilder  schien  zu  genügen ;  wem  daran 
liegen  sollte  jene  Abschrift  selber  einzusehen,  dem  diene  zur  Nach- 
richt, dass  dieselbe  an  die  hiesige  Königl.  Bibliothek  abgegeben 
worden  ist. 

Bl.lR. 
* _  '        *        '     , '   ,  '       \      '       '  -,         , "    , Lachm.  S.  32" 

I  casa  quae  per  i  ^  nomen  habet  fines  grandes  habet  et  casa  ipsa  in 

montem  posita  est  fluuium  ti*ansit  limitem  sextaneum  proximum 

habentem. 
casa  quae  per  G  nomen  habet  tortas  fines  habet  in  monte  posita  est 

tres  riuos  ei  significat  in  trifinium  uineam  positam  habet, 
casa  quae  per  H  nomen  habet  multas  fines  habet  in  monte   posita 

est  super  se  albarium   et  fontem   super    se  montem  habentem 

significat  limitem  sextaneum  proximum  habentem. 
casa  quae  per  I  nomen    habet   fines   ei   in  longum  significat   si    in  i^chm.  s.  32! 

sextaneo    passus    XXX   quod   computum  colligosun    orientatem 

pedes  mille  ducentos  ICC 
casa  quae  per  K  nomen  habet  fines  ei  ante   se  subiacent  super   se 

montem  habentem   de  latus     uallem  habentem  in  uallem  duasßi.  av. 

aquas  uiuas  habentem   et  haec  casa  in  latere  montis  posita  est 

super  se   fines  proximas  habentem  super    se    riuum    et   cauam 

terminum  iuxta  sub  ipso  fluuium  currit  proximum  se  pentagonum 

habentem  uineam  in   sinistris  pratum   sub   se  habentem  et  hoc 

ca  per  quae  per  K  nomen  habet  tales  fines  habet. 


1)  Alles  mit  Versalien  Gedruckte  ist  in  der  Handschrift  roth  geschrieben. 


454  Ei°  gromatisches  Fragment  in  einer  Mailänder  Handschrift. 

1017  casa  quae  per  L   nomen  habet  finis  sub   se   proximum  habet  pro- 

ximum  se  aquam  uiuam  significat  limitem  sextaneum  habentem 
passu3  CCL  de  latus  orientalis  significat  riuum  qui  albeum  facit 
hoc  legitur  casa  quae  per  L  nomen  habet  quam  plurimum  tales 
fines  habet 

casa  quae  per  M  nomen  habet  de  dextram  et  sinistram  partem  aquam 

uiuam  significat   et   fines  grandes  habet  et  casa  in  medio   fine 

BL  2E.  posita  fines  quadratos  |j  habentem  limitem  maritimum  et  Galicum 

intercedentem   et  haec    casa  in  curtem  aquam  uiuam  habet  et 

flumen  inferiua 

casa  quae  per  N  nomen  habet  in  sinistram  partem  fines  nihil  habet 
et  haec  casa  est  in  campo  posita  super  se  limitem  proximum 
habet  et  ante  se  fluuium  aquae  qui  albeum  currit  limitem  eins 
passos  in  longum  IICCC  et  haec  in  alio  casulem  inpinget  partet 
miliarium  in  sinistram  quidem  partem  dimitto  casulibus 

casa  ^  [quae  per  0  nomen  habet  in  montem  posita  est  quae  per 
campos  (ita  est  quae  per  campos  ztveimdl)  fines  rutundos  (rotundos) 
habet  et  culta.  per  medium  finem  aquam  uiuam  significat  et 
sub  se  iuncinam  et  exforam  quam  uergens  habet  arcam  (exforam 
aquam  uergens  harcam)  in  monticellum  constitutam  ubi  casa  per 
Bi.  3  V.  eum  mittet  casaliculos  dimisimus  ||  ideoque  haec  arca  trifinium  faciet] 

Lachm.s.  329  casa  quac  per  P  nomen  habet  fines  ante  se  habet  de  latus  limitem 
orientalem  qui  proximum  casa  finit  multos  casules  alius  fundus 
continet  limites  eius  post  casam  orientalem  qui  finit  proximum 
se  aquam  habet  super  aquam  arcam  super  arcam  memoriam  de 
intus  sextaneam  partem  aliam  fontanam  sub  se  habentem  super 
se  montem  et  de  latus  montem  in  triuio  tribotines  in  sinistram 
partem  arcam  constitutam  in  trifinium  positam  inter  0  et  P 
multa  casulia  et  subtus  se  riuum  currit 

casa  que  per  Q  nomen  habet  in  piano  posita  est  fines  habet  multas 

1018  transit  riuum  de  sinistram  partem  in  aliam  finem  montem  super 
se   habentem  subtus   flumen    transit   subtus  flaminia^    posita    et 

Bi.  3R.  circa  uinea  riuus  currit   et  intra  uinea ^  j|  memoriae  sunt 

super  se  loca  macra  habentem  et  subtus  se  campum  extensum 
habentem  limitem  eius  in  longum  p  CCL, 
casa  quae  per  R  nomen.    habet,   fines  super  se  habet  grandes  campum 
sub  se  habentem  et  per  medium  campum  flaminiam  currentem 

1)  [  ]  wiederholt  BI.  12  V.   der   Handschrift.     Die  abweichenden  Lesungen 
dieses  zweiten  Textes  sind  in  (  )  in  den  Abdruck  eingerückt. 

2)  'Das  erste  a  nicht  deutlich'.    Jaffe. 

3)  'Etwa  fünf  Buchstaben  abgerieben'.    Jaffe. 


Ein  gromatisches  Fragment  in  einer  Mailänder  Handschrift.  455 

miliarium  transit  pratum  super  flaminiam  habentem  de  latus 
flaminia  nuces  super  se  montem  habentem  et  de  monte  exsurget 
riuum  qui  descendit  fsoj  proximum  casa  et  de  riuum  petent 
aquam  et  de  sub  riuo  alium  latum  riuum  limitem  transit  qui 
uenet  super  sextaneum 

casa  quae  per  S  nomen  habet  super  se  aquam  uiuam  signifacat 
(so)  de  orientalibus  partibus  riuum  significat  super  riuum  cur- 
rentem  1  transet  super  se  montem  habente  et  casa  ipsa  umorosum  Bi.iV. 
locura  fines  habentem  in  septentrionem  proximum  finit  et  super 
se  fines  grandes  habentem  et  subtus  se  alius  casules  intra  limitem 
habentem  et  super  se  montem  et  subtus  se  montem  et  in  montem 
albarium  ^  habentem  EY  retro  hoc  nomina  et  signa  in  casa  finis^-achm.  s.330 
limitibus  suis  est  adsignata 

casa  quae  per  T  nomen  habet  super  se  finem  nihil  habet  sub  se 
mittet  riuum  qui  currit  subtus  transet  limitem  eins  et  trans  flumen 
aquam  uiuam  habet  usque  in  aliam  aquam  uiuam  mitet  limitem 
eius  ipsa  aqua  uiua  trifinium  facit  super  se  limitem  orientalem 
proximum  habentem  hoc  legitur 

casa  quae  per  Y  nomen  habet  fines  grandes  habet  \\  super  se  montem  bi.4K. 
habet  et   casa   in  piano  posita  est  sub  ipsa  riuum  descendit  de 
sinistram   partem    riuum   altenim    tria    riuora    ei    descendent    a 
sinistram  partem  lapis  grandis  qui  in  albario  est  duas  seras  ab 
eo  et  caba  de  ab  unam  partem  sacra  pannarium  appellatur 

casa  quae  per  X  nomen  habet  ^  [fines  in  longum  habet  et  casa  ipsa 

in  campo  posisita  (posita)  est  non  per  omnes  fines  eius  seminatur  1019 
sed  per  campum  super  se  montem  significat  de  latus  albarium 
currentem  (curentem)  sub  se  alium  albarium  pentagonum  pro- 
ximum scriptum  de  latus  (latum)  alium  riuum  quattur  (soj  riuora 
habentem  in  finibus  suis  et  in  hoc  finem  albatum  inpinget  (inpiget) 
super  albarium  alium  riuum  curret  quod  in  albarium  coniungitur  bi.  sv. 
gurgalis  super  ipsum  albarium  constituta  id  est  super  se  montem 
(raon)   habentem    et   transis   montem    alius  casulis  inpinget]    de 

I^K     duodecimam  partis  limitem  proximum  constat  basis  in  sinistris 
^P     partibus  riuum  significat  hoc  legitur 
casa  quae  per  Y  nomen  habet  fines  grandes  habet  super  se  albentem 
et  super  se  planum  habentem  de  latus  in  sinistra  fontem  de  ap 
partem  sinistram  mutabilis  locus  et  casa  in  suis  subiacet  ceteria 
proximum  uenit  casa  super  casa  duo  riuora  ei  current  hoc  legitur 


1)  'Oder  albareum'.    Jaffe. 

2)  [  ]  wiederholt  Bl.  11  R.  der  Handschrift. 


456  Ein  gromatisches  Fragment  in  einer  Mailänder  Handschrift. 

casa  quae  per  Z  nomen  habet  ^  [fines  nihil  habet  proximum  si  orien- 
talis  concidat  de  sinistram  partem  fontanam  proximam  habentem 
simi  (si)  limitem  proximum  casulis  inpinget  horocitide  (orocitide) 
^^•5R-  diuidi  mille  uenit  computationis  liraites  ||  qui  usque  (asque)  finibus] 

AC  litteris  DE  EA  YSquae  finibus  partibus  partire  cui  TV 
litteris  quia  de  litteris  conputare  casa  quae  Z  nomen  habet 
DVIVGVM  PYTARE  finis  conputum  hoc  est  nominis  destinata 
per  conputum  designata  conputa  P  CCC  et  CCCL  hoc  est  in 
litteris  conputum  colligitur^  de  omnibus  finibus  quales  fines  sint 
iiitellegis  hoc  A  uenit  ^ 


Lachm.  s.  325  SCARifus  expositio  litterarura  finalium. 

Bi.  6V.        II  MONticellum  habet,    post  montem  non  transet  ad  collem  stricta  est 
habet  ad  pedem  aquas  uiuas  duas  et  subtus  se  fluuium  aquae  uiuae 
Lachmann   Fig.  254.    Berg   unten   violett,  oben  matt  roth, 


alpha 


A 


(im  Buchstaben). J\.  der  Rand  hlatc.     Qtiellen  und  Fluss  gelb. 

1020   SYPER  se  montem  habet   et  ad  pectus  strita  est  alia  casa  eadem 

ibidem  mordet  post   se  riuum  habet  et  trans  et  contra  non  longe  a 
R.         riuo  II  fines  ei  iacent 

BF.  255,    doch  fehlt  der  ziveite  Berg.     Berg  braunroth  mit 
grünem  Hand,  Quelle  und  Fluss  schmutzig  blau. 

YSQYE  ad  collem  exit  non  grandes  fine  habet  in  gama  iacet  post 
V.         se  ad  pedem  aquam  uiuam  habet  et  flumen  inferius  || 

r-^  F.  256,    über   dem   Buchstaben   noch    Berg   ziegelroth   mit 

gamma     grünem  Band.     Quelle  und  Fluss  schmutzig  blau. 

R         II  AD  Montem  se  colliget  inferius   maiores  fines  habet  et  ad  pedem 
aquam  uiuam  habit  et  flumen  inferius 

AF.  257.    Berg  unten  dunkelblau,  oben  röthlich.  Band  grün. 
Quelle  und  Fluss  schmutzig  blau. 
V.         II  SICCA  casa  est  aquam  minus  habet  per  collem   iacet  longe  a  se 
fluuium  habet 

^  Berg  (nur  ei'ngipflig)  braun  mit  blauem  Band.     Tief  unter 

^  dem  Buchstaben  Fluss  schmutzig  hellgelb. 

B.         II  *fines  nihil  habet  —  quiasque  finibus 


;  1)  [  ]  wiederholt  Bl.  8  R.  der  Handschrift. 

•    2)  'Nach  CO  leerer  Raum  für  zwei  Buchstaben'.    JafFe. 

3)  Eine  Zeile  leer. 

4)  Der  Buchstabe  Z  fehlt  in  den  Lachmannschen  Handschriften;  was  in 
der  Morbios  steht,  ist  von  Bl.  5  V.  derselben  herübergenommeu.  Die  Buchstaben 
H  &  fehlen  sowohl  in  den  Lachmannschen  Handschriften  wie  in   der  Morbios. 


Ein  gromatisches  Fragment  in  einer  Mailänder  Handschrift.  457 

^  Quelle  sclimutzig  hellgelb. 

11  IN"  SCAmnum  iacet  per  iugum  in  lanciolam  habet  a  pedem  aquaniBi.gv. 
uiuam  et  flumen  inferius  Laehm.  s. 

IF.  259.    Berg  ohne    Farbe,    Quelle    und    Flttss   schtmttziq 
''""         heUgelb. 

II  SVPER  se  nihil  habet   quia  usque   ad   coUem   exit  et  ad  pectusBi.gR. 
steriles  terras  habet  et  confragosas  et  sub  se  meliores  et  latiores  ad 
sinistram  partem  aquam  uiuat  fso)  habet  et  flumen  inferius. 

KF.  260.    Berg  ohne    Farbe,    Quelle    nnä  Fltiss   schmutzig 
heUgelb. 

In  TRIgono  iacet  ad  pectus  striata  est  et  inferius  latior  est  habet  g/^^j^^ 
ad  pedem  aquas  uiuas  duas  et  flumem  (so)  inferius 

XF.  261,  aber  zicei  Quellen.    Dieses  und  alle  folgenden  Bilder 
schmtttzig  hellgelb. 

11  QYADRA  possessio    est  super   se   colliget    aquam    et  habet  uelutßi.ioK. 
herbam  germanam  ad  dextram  et  sinistram  aquas  uiuas  habet  flumen 
inferius 

]yj  F.  262. 

AD  COLLEM  exit  et  usque  ad  flumen  aqua  a  coUe  redit  a  sinistram  bi.  u  v. 
partem  ad  pedem  aquam  uiuam  habet  et  flumen  inferius 

NF.  263;  über  dem  Buchstaben  noch  grosser  ziceigipfliger  Berg. 
Zicei  Quellen. 
I  ^FI^ES  in  longum  habet  —  alius  casulis  inpinget  blur. 

^^  Übe>-  dem  Buchstaben   ein  grosser  Berg;  an  jeder  der  vier 

C~^  Ecken  des  Buchstabens  Quelle. 

^QVAE  per  O  nomen  habet  —  trifinium  faciet 

OÜber  dem  Buchstaben  Berg  mit  ztcei  Quellen ;  neben  dem  bl  12  v. 
Btichstaben  Quelle. 
,  PER  COLLES  in  quadru  iacet  per  colliculos  descendentibus  dextraßiiaK. 
leleuaque  aquas  uiuas  habet  et  flumen  inferius 

T  1  FlusSj  darüber  zicei  Quellen. 

'  Circat  montem  et  sub  se  redit  ^  ßi.i3V. 

"\ta6e^r^    P  ^Me7/e,  darunter  Fluss. 


1)  Die  Buchstaben  3  0  fehlen  in  dem  Lachmannschen  Text;  was  hier  in 
tler  Morbioschen  Handschrift  steht,  ist  aus  Bl.  4  R,  5  Y.  und  2  R.  3  V.  derselben 
■^nederholt. 

2)  Circat  —  redit  und  ab  aqua  —  cadet  mit  abweichender  mehr  gerundeter 
Ilncialschrift  im  Kreise  um  den  Kopf  des  P  und  um  C  geschrieben. 


458  Ein  gromatisches  Fragment  in  einer  Mailänder  Handschrift. 

Uallem  tenet  ab  aqua  exit  per  colles  in  aqua  cadet^ 

f^  Quelle,  darunter  Fluss. 

B1.13R.    II  PER  iugum  currit  ei  limes  ante  se  habet  casulem  post  se  ad  pedem 
habet  aquam  uauam  (so)  et  flumen  inferius 

TF.  267 ;  ausserdem  über  dem  Buchstaben  grosser  zweigipfliger 
Berg. 


1)  Circat  —  redit  und  ab  aqua  —  cadet  mit  abweichender  mehr  gerundeter 
Unicialschrift  im  Kreise  um  den  Kopf  des  P  und  um  C  geschrieben. 


LI. 

Über   den  codex  Arcerianiis   der  Gromatici  und  eine 
Handschrift  des  Petrarca.*) 

Die  von  mir  S.  151  [=  Hist.  Sehr.  H  S.  150  f.]  aufgestellte  Be-  215 
hauptung,  dass  der  Arcerianus  schon  um  1509  von  Rom  weggekommen 
sei,  steht  im  Widerspruch  mit  Blumes  Ausführung,  welcher  zwar  die 
nahe  liegende  Combination,  dass  Erasmus  während  seines  Aufenthalts 
in  Italien  (1506  — 1509)  von  dem  ihm  befreundeten  Wiederauffinder 
der  Handschrift  Phädrus  dieselbe  erworben  habe,  selbst  andeutet 
(S.  16),  sie  aber  dennoch  verwirft,  weil  Angelus  Colotius  in  den 
ersten  Decennien  des  sechszehnten  Jahrhunderts  die  Handschrift 
besessen  habe.  Es  wird  gestattet  sein  die  Gründe  anzugeben, 
wesshalb  wenn  ich  nicht  irre  Colotius  aus  der  Reihe  der  Besitzer 
des  Areerianus  ganz  zu  streichen  ist, 

Blume  hat  den  Colotius  aus  zwei  Gründen  in  diese  Reihe  auf- 
genommen: einmal  weil  Volaterranus  Auszüge  aus  einer  Agrimensoren- 
handschrift  des  Colotius  beibringt,  welche  Blume  für  den  Arcerianus 
erklärt;  zweitens  weil  die  Abschrift  des  Zanchi,  welche  nach  Blume's 
Ansicht  aus  dem  Arcerianus  geflossen  ist,  nach  dem  Zeugniss  des 
Metellus  ex  codice  Colotiano  copirt  ist. 

Was  indess  die  Auszüge  des  YolateiTanus  anlangt,  so  sind  nicht 
bloss,  wie  Blume  selbst  bemerkt,  einige  darin  enthaltene  Notizen 
aus  einer  Handschrift  dritter  Klasse  entlehnt,  sondern  sie  sind  von 
A.nfang  bis  zu  Ende  aus  einer  der  erfurter  durchaus  analogen  Hand- 
schrift genommen.    Man  vergleiche  nur  die  S.  12A.  15  abgedruckten 


*)  [Die  Schriften  der  römischen  Feldmesser,  herausg.  und  erläutert  von 
F.  Blume,  K.  Lachmann  und  A.  Rudorff  II,  Berlin  1852,  S.  215-220.  Diese  von 
Ilfoinmsen  als  , Zusatz  über  den  Arcerianus"  und  „Notiz  über  eine  Handschrift 
des  Petrarca"  bezeichneten  Darlegungen  bilden  den  Schluß  seiner  Abhandlung 
über  „Die  libri  coloniarum",  a.  a.  0.  S.  143  —  214  =  Hist.  Sehr.  2  S.  146  fif.] 


460  Über  den  codex  Arceriauus  der  Gromatici  etc. 

Auszüge  des  Yolaterranus  mit  E.  16 — 18  (Ausg.  Frontin  27,  13  fg. 
Nipsus  290,  17fg.);  E.  3.  4.  (Ausg.  lib.  col.  246  —  249);  1.  2  (Ausg. 
Balb.  94,  13.  19).    Die  Identität  geht  bis  in  die  kleinlichsten  Schreib- 

216  fehler,  wie  z.  B.  29,  2,  wo  Frontin  sagt:  qui  qua  longior  erat,  fecerunt 
decumanum,  der  Erf.  quia  für  qui  qua  liest  und  Volaterranus  desshalb 
schreibt :  decumanum  vocavenmt  quod  is  longior  sit.  Ebenso  ist  sexta 
sii)e  dutrans  statt  sextans  sive  dodrans  94,  19,  nigrius  oder  ingrms 
statt  iugarius  247,  1 7  im  Erf.  ebenso  wie  bei  Yolaterranus  zu  finden. 
Dagegen  findet  sich  auch  nicht  ein  "Wort,  das  auf  eine  Quelle  anderer 
Art  deutete  und  schon  die  Bezeichnung  der  Handschrift  bei  Vola- 
terranus als  Iidius  Frontinus  et  M.  lunius  Nypsus  führt  auf  eine 
Handschrift  der  dritten  Klasse,  welche  Recension  nach  Lachraanns 
sehr  wahrscheinlicher  Vermuthung  (S.  1 1 3)  das  gromatische  Material 
in  zwei  Bücher  zusammenfasst  und  das  erste  derselben  dem  Julius 
Frontinus,  das  zweite  dem  M.  Junius  Nipsus  beilegt.  Zum  TJeberfluss 
hat  Blume  selber  erwiesen,  dass  lange  nachdem  der  Arcerianus  von 
Rom  weggeführt  war,  Colotius  sich  im  Besitz  einer  Gromatiker- 
handschrift  befand,  welche  Metellus,  der  sie  sah,  als  Frontinus  und 

^Nypsus  bezeichnet  und  mit  der  florentiner,  einer  Schwesterhandschrift 
der  erfurtischen  vergleicht.  Also  die  Handschrift,  die  Yolaterranus 
bei  Colotius  sah,  war  keineswegs  der  Arcerianus  ^,  sondern  die  auch 
von  Metellus  dort  gesehene  der  dritten  Klasse. 

Was  die  Abschrift  des  Basihus  Zanchi  betrifft,  so  sind  wir 
darüber  immer  noch  ungenügend  unterrichtet.  Ich  kann  es  nicht 
billigen,    dass    Blume    zwei    Abschriften    desselben    aus    zwei    ver- 

217  schiedenen  alten  gromatischen  Handschriften  unterscheidet,  von  denen 
die  eine  —  ich  sehe  schlechterdings  nicht  wesshalb  —  zu  dem  ganz 
verschiedenen  Erfurter  und  den  diesen  analogen  Manuscripten  gestellt 
ist.  Mir  scheint  es  vielmehr  einleuchtend,  dass  sowohl  der  Vitruvius, 
Rufus,  Simplicius  u.  s.  f.  (S.  14)  als  der  Hyginus  de  castrametatione, 
die  libri  col.  u.  a.  m.  (S.  52)  von  Metellus  aus  demselben  zanchischen 
Exemplar  copirt  wurden.  Das  einzige  Bedenken  hiegegen,  dass 
Metellus  als  das  Original  der  zanchischen  Copie  einmal  eine  Hand- 
schrift des  Colotius  bezeichnet,   ein   anderes  Mal  eine  des  Gallesius 


1)  Hiemit  fällt  auch  das  Zeugniss  weg  für  die  Identität  der  in  Bobbio  1493 
gefundenen  und  der  arcerianischen  Handschrift,  auf  welches  Blume  S.  11  Gewicht 
legt.  Zum  Glück  bedai-f  es  dessen  aber  nicht;  denn  es  kann  unmöglich  Zufall 
sein,  dass  das  von  Volaterranus  mitgetli  eilte  Inhalts verzeichniss  der  Handschriften 
von  Bobbio  die  gromatischen  Schriften  genau  in  der  Ordnung  des  Arcerianus 
aufzählt,  nur  dass  B  vor  A  steht.  Die  beiden  Handschriften  waren  bei  der 
Auffindung  also  noch  nicht  in  einen  Band  vereinigt. 


über  den  codex  Arcerianns  der  Gromatici  etc.  461 

Massa,  hat  kein  Gewicht,  da  einerseits  Metellus  flüchtiger  und  sich 
selbst  widersprechender  Bericht  in  keiner  Weise  vollständig  aufrecht 
gehalten  werden  kann,  andererseits  er  in  keinem  Punkte  leichter 
irren  konnte  als  in  der  Bezeichnung  des  ihm  ohne  Zweifel  nur  vom 
Hörensagen  bekannten  Originals  der  ihm  zu  Gesicht  gekommenen 
Copie.  Wie  nahe  lag  es  ihm.  als  er  zwanzig  Jahre  später  in  Köln 
seine  Notizen  machte,  den  von  ihm  selbst  gesehenen  vermuthlich 
alten  Codex  des  Colotius  dritter  Classe  mit  dem  nicht  gesehenen 
Original  der  jungen  zanchischen  Abschrift  zu  verwechseln!  Wäre 
es  also  auch  völlig  ausgemacht,  dass  das  Exemplar  des  Zanchi 
unmittelbar  aus  dem  Arcerianus  abgeschrieben  ist,  so  würde  doch 
auf  jene  Aeusserung  des  Metellus  codex  Basilii  Zatichi  swnptus  ex 
Colotiano  noch  keineswegs  Colotius  als  Besitzer  des  Arcerianus  an- 
gesehen werden  dürfen. 

Wie  steht  es  denn  aber  mit  dem  Original  des  zanchischen 
Manuscripts?  von  dem  übrigens,  beiläufig  gesagt,  nirgends  gesagt 
wird,  dass  es  von  Zanchis  Hand  geschrieben  und  nicht  bloss  in 
seinem  Besitz  gewesen  sei,  so  dass  man  aus  Zanchis  Geburtsjahr 
1501)  keinen  Schluss  machen  kann  auf  das  Alter  der  Handschrift.  — 
AVir  würden  die  Frage,  ob  die  zanchische  Abschrift  aus  dem  Ar- 
cerianus, und  wenn  dies,  ob  sie  direct  aus  dem  Arcerianus  geflossen  2 IS 
sei,  bestimmt  und  mit  Leichtigkeit  entscheiden  können,  wenn  Metellus 
Abschrift  der  zanchischen  Copie  (cod.  Barb.  1546,  Blume  S.  53; 
vielleicht  auch  cod.  Eeg.  7229,  Blume  S.  31)  genauer  bekannt  wäre; 
indess  nur  für  den  einzigen  Hygin  de  castrametatiane  ist  Zanchis 
Text  zugänglich  geworden.  Der  neueste  Herausgeber  dieser  Schrift 
meint  nun  S.  30  seiner  Prolegomenen,  dass  zwar  die  Blattversetzungen, 
Verstümmelungen  und  eine  Menge  auffallender  Fehler  dem  Arcerianus 
mit  dem  Codex  Zanchi  gemeinschaftlich  seien,  dennoch  aber  dieser 
von  jenem  in  zu  vielen  und  auffallenden  Dingen  abweiche  um  aus 
dem  Arcerianus  geflossen  zu  sein.  Ist  dies  richtig,  und  Blume 
wenigstens  giebt  es  zu.  so  wird  auch  in  den  übrigen  Stücken  der 
gromatischen  Sammlung  den  zanchischen  Abschriften  eine  ähnliche 
Geltimg  angewiesen  werden  müssen.  Die  genaue  Beweisführung 
wird  bei  Lange  leider  vermisst  und  es  ist  weder  meines  Amtes  noch 
dieses  Ortes  diese  L'ntersuchung  hier  nachzubringen;  wohl  aber  darf 
man  zu  einer  nochmahgen  ernstlicheren  Prüfung  auffordern.  Es  ist 
ungemein  auffallend,  dass  von  einer  Anzahl  Schriften,  die  sonst 
schlechterdings  nur  aus  dem  Arcerianus  bekannt  sind,  hier  auf  einmal 
iine  Handschrift  erscheint,  die  in  Lücken  und  Versetzungen  und 
Zufälligkeiten  aller  Art,  vor  allem   aber  in   dem  Inhalt  wie  in   der 


462  Über  den  codex  Arcerianus  der  Gromatici  etc. 

Ordnung^  mit  dem  Arcerianus  offenbar  übereinstimmte,  deren  kriti- 
scher Ertrag  trotz  des  äusserst  corrupten  Zustandes  dieser  Schriften 
mindestens  sehr  unbedeutend  ist^  und  die  dennoch  auf  einer  vom 
Arcerianus  verschiedenen  Grundlage  beruhen  soll.  Ja  wenn  es  wahr 
219  ist,  dass  Metellus  den  berufenen  „Simplicius"  im  Codex  Zanchi  fand 
(S.  14),  80  muss  derselbe  schlechterdings  eine  Abschrift  des  Arcerianus 
gewesen  sein,  in  dem  bekanntlich  dieser  Name  durch  ein  absurdes 
Quiproquo  entstanden  ist.  Man  möchte  demnach  fragen,  ob  sich 
nicht  Lange  doch  geirrt  hat  und  ob  das  Original  der  zanchischen 
Copie  nicht  eine  etwa  im  zwölften  Jahrhundert  gefertigte  und  durch 
mehrfache  Mittelglieder  von  der  Urhandschrift  getrennte  Tochter- 
handschrift des  uralten  Arcerianus  war. 


Diesen  Bemerkungen  über  den  Arcerianus  mag  sich  noch  folgende 
Notiz  über  eine  Handschrift  des  Petrarca  anschliessen. 

In  einem  wohl  ungedruckten*)  im  cod.  Riccard.  n.  898  p.  109 
von  mir  gefundenen  Briefe  des  florentiner  Staatsschreibers  Colucius 
Salutatus,  welchen  dieser  VIII  hol.  Oct.  um  das  J.  1390**)  an  den 
Kanzler  des  comes  Virtutum  (d.  h.  des  Herzogs  von  Mailand  Gian 
Galeazzo  Yisconti)  Pasquino  de  Capellis  schrieb,  finden  sich  folgende 
Worte :  Ex  ore  FranciscuoU  generi  quondam  celebris  memorie  Fetrarce 
nostri  (Francesco  da  Brossano,  Petrarca's  Schwiegersohn  und  Uni- 
versalerbe, s.  Tiraboschi  Bd.V.  S.  90)  certissimum  haheo  ex  hibliotheca 
dicti  Fetrarce  in  manihus  communis  domini  illustrissimi  principis  domini 
comitis  Virtutum  esse  librum  M.  Varronis  de  mensuris  orhis  terrae, 
lihrum  quidem  magnum  in  antiquissima  littera,  in  quo  sunt  quaedam 
geometricae  figurae.  Quanvis  Antonius  Luscus  noster  michi  scripserit, 
quod  putet   esse  Varronem   de  lingua  Latina^.      Quidquid  Varronis 


1)  Ich  erinnere  z.  B.  au  die  mathematischen  Fragmente,  die  im  Arcer.  wie 
im  Codex  Zanchi  der  Schrift  de  castranietatione  vorangehen. 

2)  Ich  wenigstens  habe  keine  Stelle  gefunden,  wo  die  Abweichungen  der 
zanchischen  Copien  vom  Arcer.  bestimmt  auf  eine  andere  Quelle  führten. 

*)  [Jetzt  gedruckt  in:  Fonti  per  la  storia  d'Italia  XVI,  Roma  1893  = 
Epistolario  di  Coluccio  Salutati  a  cura  di  Francesco  Novati  II  S.  392  f.  Nach 
dieser  Ausgabe  ist  im  Folgenden  der  von  Mommsen  auf  Gruud  der  alten  vom 
J.  1741  gegebene  Text  geändert  worden.] 

**)  [Nach  Novati  a.  a.  0.  S.  381,  1  am  24.-30.  Sept.  1392.] 

3)  Der  Brief  des  Colucius,  auf  den  Luscus  ihm  dies  zurückschrieb,  an 
Antonius  Luscus  von  Vicenza,  datirt  Florentiae  XII  kal.  Sextilis,  steht  im  cod. 
Medic.  Gadd.  pl.  XC  sup.  cod.  41,  8  ep.  60  [Fonti  etc.  a.  a.  0.  S.  358] :  Miroret  non 
modicum ,  quod  de  Varrone  nichil  exploratum  habeas  nichilque  rescripseris.  Bogavi 
super  hoc,  videns  te  negligen  tiorein,  Boggerium  Canem,  non  quod  hanc  pfoairationem 


über  den  codex  Arcerianus  der  Gromatici  etc.  463 

fuerit,  cupio  plurimum  etim  habere,  et  ob  id  etiam  nomine  nieo,  si  tibi  220 
videtur,  illum  a  domino  po!<tules  ut  habe^-e  valeam  in  exemplar,  michique 
quantocius  fieri  potest  et  hanc  sitim  extinguere.  —  Dass  Luscus  falsch 
rieth,  leidet  keinen  Zweifel;  eine  gromatische  Handschrift  ist  höchst 
wahrscheinlich  gemeint.  Unter  den  bekannten  finden  sich  varronische 
Titel  in  zweien :  liber  Marci  Barronis  de  geometria  ad  Rufum  SiJbium 
im  Arcerianus  (243,  17  A)  und  M.  Varro  de  arithmetica  in  dem  ver- 
schollenen und  mit  Sicherheit  nicht  einmal  zu  classificirenden  Codex 
des  Alciat  (Blume  S.  55;  vgl.  Ritschi  im  rhein.  Mus.  N".  F.  YI,  505 
[opusc.  in  S.  443]).  An  jenen  kann  man  nicht  wohl  denken,  da  die 
Nachricht,  dass  er  erst  1493  aus  Bobbio  nach  Rom  kam,  voll- 
kommen beglaubigt  ist;  die  alciatische  Handschrift  könnte  dagegen 
recht  wohl  die  des  Petrarca  sein,  zumal  da  diese  ja  in  Alciats 
Heimath,  nach  Mailand  gekommen  sein  soll.  Die  Abweichung  in 
dem  Titel  ist  zwar  befremdend,  aber  dennoch  um  so  weniger  ent- 
scheidend, als  Alciatus  sämmtliche  Ueberschriften  sehr  frei  angegeben 
zu  haben  scheint.*) 

Ueber  die  von  Gian  Galeazzo  gestiftete  Bibliothek  vergleiche 
Tiraboschi  Bd.  Y.  S.  S6.  87,  woraus  hervorgeht,  dass  auch  eine  andere 
Handschrift  des  Petrarca  in  dieselbe  gekommen  ist,  die  jetzt  in  der 
Ambrosiana  sich  befindet. 


«  te  transferam  et  Uli  maioi'ibus  occupato  confidam,   sed  qtioniam  facilitts  poteris 
forte  per  ipsum  quam  per  te  vel  Pasquinum  meum  quod  expedit  impetrare. 

*)  [Zu  diesen  von  ihm  citierten  Worten  Mommsens  bemerkt  Xovati  a.  a.  0. 
S.  392,2;  ,Come  VHoHis  ha  giä  dichiarato  (M.  T.  Cicer.  nelle  op.  del  Petr.  p.  71) 
i\ell'  inventario  della  libreria  pavese  compilato  del  1426,  questo  codice  non  si  cüa, 
sebben  dei  lihri  Rerum  Rusticarum  di  Varrone  siani-i  menzionate  due  copie.  Lo 
Siesso  silenzio  noto  neW  inventario  del  1459;  cf.  Giom.  stör.  d.  letter.  ital.  I  43."] 


LH. 
Die  Interpolationen  des  gromatischen  Corpus.*) 

272  Yon   den  in  unserem  gromatischen  Corpus  vereinigten  Schrift- 

stücken gehören  die  grösseren,  meistentheils  mit  gesicherten  Autor- 
namen versehenen,  überwiegend  der  besseren  Litteraturperiode  an 
und  können  mit  den  überall  massgebenden  Einschränkungen  für  die 
sachliche  Untersuchung  als  zuverlässige  Quellen  betrachtet  werden. 
Aber  eine  allerdings  nicht  sehr  umfängliche  Reihe  anderer,  theils 
benannter,  theils  anonymer  Schriftstücke  sind  diesen  ungefähr  mit 
demselben  Recht  beigesellt,  wie  das  Buch  Esther  dem  Pentateuch. 
Die  ziemlich  unterschiedslose  Benutzung  der  gesammten  uns  unter 
denselben  Buchdeckeln  vorliegenden  Masse,  wie  sie  zum  Beispiel  in 
den  sonst  so  trefflichen  gromatischen  Institutionen  Rudorffs  durch- 
gängig stattfindet,  gereicht  der  Forschung  zum  Schaden,  und  es  ist 
der  Zweck  dieser  Blätter,  davor  zu  warnen.  Den  Philologen,  die 
sich  eingehend  mit  den  Gromatikern  beschäftigt  haben,  werden  sie 
wenig  Neues  bringen,  aber  als  zusammenfassende  Uebersicht  doch 
vielleicht  nicht  ganz  unnütz  sein. 

Es  ist  dabei  auszugehen  von  dem  Gegensatz  der  beiden  gro- 
matischen Corpora,  auf  welchen  unsere  Ueberlieferung  beruht:  das 
bessere  ist  überliefert  durch  die  erste  Klasse  Lachmann -Blumes, 
das  heisst  die  Handschriften  A  B  nebst  den  aus  diesen  vor  dem 
späteren  Blattverlust  geflossenen  Abschriften  J  V,  sowie  durch  die 
dritte  Klasse  (E),  da  diese  von  der  ersten  sich  wesentlich  nur  durch 
die  veränderte  Ordnung  unterscheidet;  das  geringere  durch  die  zweite 
Klasse  der  Ausgabe  (PG,  welche  letztere  Handschrift  aus  der 
ersteren  jetzt  defecten,  damals  noch  vollständigen  abgeschrieben  zu 
sein  scheint^.     Um  das  Gesammtergebniss  vorweg  zu  nehmen:    das 

*)  [Jahrbücher  des  Vereins  von  Altertumsfreunden  im  Rheinlande  Heft  XCVI. 
XCVII  (1895)  S.  272  —  292.] 


Die  Interpolationen  des  gromatischen  Corpus.  465 

erste  Corpus  ist  eine  gromatisehe  Compilation  aus  der  zweiten  273 
Hälfte  des  fünften  Jahrhunderts  und  im  Grossen  und  Ganzen  nicht 
interpolirt;  das  zweite  ist  aus  dem  ersteren  geflossen,  aber  in  der 
"Weise  vermehrt,  dass,  was  dieses  allein  bietet,  überwiegend  als 
Fälschung  frühestens  der  zweiten  Hälfte  des  sechsten  Jahrhunderts 
sich  darstellt. 

Die  gromatisehe  Sammlung,  wie  sie  den  Handschriften  ABE 
zu  Grunde  liegt,  enthält  oder  enthielt  die  Schriften  des  Frontin,  des 
Agennius,  des  Baibus,  des  Siculus  Flaccus,  die  beiden  dem  Hygin 
beigelegten,  die  Schrift  über  die  Lagerschlagimg,  die  unter  den 
Namen  des  Epaphroditus  und  des  Yitruvius  gehenden  geometri- 
schen Aufgaben,  die  Schrift  des  M.  Jimius  Nipsus,  das  mamilische 
Gesetz,  endlich  ausser  einigen  kleineren  Pseudonymen  oder  anonymen 
Tractaten  (de  sepulchris  p.  271.  272;  Uebersicht  über  die  termini 
p.  242,  7  —  243,  17;  agrorum  quae  sit  inspectio  p.  281 — 2S4^  das 
italische  Städteverzeichniss  wesentlich  in  der  Gestalt,  wie  es  in  der 
Ausgabe  als  Über  coJonianim  priar  vorliegt.  Der  Titel  finium  re- 
gundorum  des  43S  publicirten  theodosischen  Codex  fehlt  in  A  JB, 
findet  sich  aber  schon  in  E.  Da  alle  auf  uns  gekommenen  Hand- 
schriften zerrüttet  und  verstümmelt  sind,  sind  mehrere  dieser  Stücke 
defect  und  können  kleinere  Bestandtheile  der  Sammlung  uns  mög- 
licher Weise  ganz  fehlen.  Ueberwiegend  gehören  die  in  dieser 
Sammlung  vereinigten  Stücke  der  Fachlitteratur  der  guten  Kaiserzeit 
an.  Indess  ist  dieselbe  von  Interpolationen  nicht  frei  geblieben. 
Abgesehen  von  dem  kleinen  Tractat  de  sepulchris,  welcher  durch 
unvernünftige  Zusätze  am  Anfang  und  am  Schluss  in  eine  an  die 
Triumvirn  Octavian,  Antonius  und  Lepidus  adressirte  Verordnung 
des  Kaisers  Tiberius  umgewandelt  ist,  hat  am  meisten  das  Städte- 
verzeichniss gelitten.  Die  Grundlage  dieser  Listen  ist  gut  und  alt; 
aber  fast  bei  jeder  Ortschaft  zeigen  sie  die  Spuren  davon,  dass  sie 
um  450  n.  Chr.  aus  dem  Bureau  der  stadtrömischen  Feldmesser 
überarbeitet  hervorgegangen  sind,  wofür  ich  auf  meine  Darlegungen 
Feldm.  2,  176  fg.  [=  Hist.  Sehr.  Bd.  2,  S.  169  f.]  und  Hermes  18, 173  fg. 
[a.  a.  0.  S.  167  f.]  verweise.  Es  gibt  uns  dies  zugleich  einen  Anhalt 
für  die  Epoche  der  Redaction  der  ganzen  Sammlung.  Für  die 
weitere  Entwickelung  kommt  in  Betracht,  dass  in  den  wenigen 
Abschnitten  des  Städteverzeichnisses,  welche  der  Text  E  vor  dem 
Text  A  voraus  hat  (p.  239,  20  —  240,  15),  sich  deutliche  Spuren  ge- 
steigerter Interpolation  zeigen;  es  scheint  jener  einer  etwas  späteren 
Textgestaltung  anzugehören.  Im  Ganzen  aber  hält  die  Textfölschung  274 
sich  in  der  Recension  AB E  \n  bescheidenen  Grenzen. 

MOMMSEIf,    SCHB.  VII.  30 


466  Die  Interpolationen  des  gromatischen  Corpus. 

Ein  einziges  diesem  Corpus  einverleibtes  Schriftstück  scheidet 
durch  die  barbarische  Sprache  wie  durch  die  Nichtigkeit  seines 
Inhalts  aus  dieser  Reihe  werthvoller  Reste  aus:  dies  sind  die  casae 
litterarum  (p.  327,  4  —  331,  7).  So  weit  es  nicht,  sicher  durch  die 
Schuld  mehr  des  Concipienten  als  des  Abschreibers,  geradezu  un- 
verständlich ist,  stellt  es  sich  dar  als  entnommen  einer  Art  von 
Situationsplan,  darstellend  25  mit  den  Buchstaben  des  Alphabets 
bezeichnete  Häuser,  dazwischen  Wasserläufe,  Berge  und  Wege.  Bei 
jedem  Hause  werden  zunächst  die  fines  angegeben,  das  heisst  die 
dazu  gehörige  Bodenfläche: 

P     finis  ante  se  habenfem 
D.  Q     finis  pos  se  habentes  oder  pos  se  finem  habet 

R     finis  super  se  habentem 
C.T     finis   super  se   non   habentes    oder    super   se   finem    nihil 
habentem 
r^J^'"     X     finis  in  longo  habentem 
""°^B.Y     finis  grandis  habentes 
M.  S.|V     finis  egrcgios  habentes 
G     tortas  fines  habentis 
N     sinistram  partem  finis  nihil  habet 
Z     finis  nihil  habentes 
Aus   den  Angaben  über  die  Berge  und    die  Wasserläufe   setze 
ich  einige  leidlich  verständliche  her: 

V  super  se  montem  et  casa  in  piano  loco  posita 
N     casa  in  campo  piosita 

F     (vgl.  G.  H.  0)  casa  in  monte  posita 

A     super  se  montem  habente 

D     super  se  mittit  usque  in  balle  montem  de  latus  habentem 

K     super  se  montem  habentem  de  latus  ballern  habentem 

A     sinistra  partem  aquam  vivam  significat 

K     et  in  vallem  duas  aquas  vivas  habentis 

M     dextra  levaque  aquam  vivam  significat 

Q     multas  aquas  vivas  transeunt  de  sinistram  partem  in  alias 

fines 
S     super  se  aquam  vibam  significat,   de  orientalibus  partibus 

rivum  significat 
275  V     sub  se  rivum  discindit  et  de  leva  parte  rivus  alter 

Y  habentem  de  latus  in  sinistris  fontem super  casa 

duo  rivora  current 

Z     de  sinistris  partihus  proximum  fontanam  habentem 
M     hoc  casa  (occasu?)  aquam  in  curtem  habentem. 


Die  Interpolationen  des  gromatiachen  Corpus.  467 

Diese  wirren  Ansetzungen  steigern  sich  in  das  Maasslose  hin- 
sichtlich der  Angaben  über  "SVege  und  sonstige  von  Menschenhand 
herrührende  Dinge:  wir  kommen  auf  die  Einzelheiten,  arca,  hotmi- 
tinus,  lavacncm,  memoria,  trifinium,  limes  sextaneus,  weiterhin  zurück. 
Das  Ganze  macht  den  Eindruck  eines  Schulexercitiums  zu  dem  Zweck, 
den  Schüler  die  auf  dem  Situationsplan  gegebenen  Darstellungen  in 
Wortbeschreibungen  umsetzen  zu  lassen,  was  an  sich  wohl  für  den 
gromatischen  Unterricht  passt,  hier  aber  in  einer  theoretisch  wie 
praktisch  gleich  unbrauchbaren  und  völlig  barbarischen  Exemplification 
auftritt.  Das  Merkwürdigste  an  dem  ganzen  Stück  ist,  dass  es,  nach 
Zeit  und  Ort  hinreichend  bestimmt,  uns  einen  Maassstab  gibt  für  den 
Tiefstand  der  höheren  Bildung  in  der  Stadt  Rom  nach  Alarich  und 
vor  Theoderich. 

Auch  die  jüngere  Sammlung  ist  nach  Ort  und  Zeit  ungefähr 
bestimmbar.  Sie  ist  so.  wie  sie  vorliegt,  im  Laufe  des  6.  oder  des 
7.  Jahrhunderts  gestaltet  worden.  Unter  den  hinzugekommenen 
Stücken  sind  für  die  Zeitbestimmung  wichtig  ein  Abschnitt  der  im 
J.  533  publicirten  justinianischen  Digesten  und  Auszüge  aus  den 
Origines  Isidors  (f  636).  Da  der  Pandektentext  die  vollen  Inscrip- 
tionen  und  die  griechischen  Stellen  im  Original  und  unverdorben  hat 
und  die  Digesten  nicht  lange  nach  Justinian  in  Italien  ausser  Gebrauch 
kamen,  kann  dessen  Aufnahme  in  die  Sammlung  nicht  wohl  später 
als  in  die  Mitte  des  6.  Jahrhunderts  gesetzt  werden;  wenn  die 
isidorischen  Excerpte  nicht  bloss  durch  spätere  Schreiberwillkür  mit 
der  Sammlung  vereinigt  worden  sind,  was  möglich  ist,  wenn  auch 
nach  ihrer  Stellung  in  derselben  nicht  gerade  wahrscheinlich,  so  ist 
die  Sammlung  in  ihrer  gegenwärtigen  Gestalt  mindestens  ein  Jahr- 
hundert jünger.  Eine  letzte  Grenze  gibt  das  Alter  der  im  10.  Jahr- 
hundert geschriebenen  palatinischen  Handschrift.  —  Oertlich  kann 
auch  diese  Sammlung  nicht  ausserhalb  Italiens  entstanden  sein,  da 
das  ihr  eigenthümliche  Städteverzeichniss  ausschhesslich  italienisch 
ist.  Bestätigend  tritt  hinzu,  dass  in  den  casae  litterarum  dieser 
Recension  keine  andere  geographisch  bestimmte  Localität  gefunden  276 
wird,  als  die  sehr  oft  genannte  Flaminia  und  dass  für  FäUe  extra 
Italiam  Ausnahmebestimmungen  getroffen  werden  (p.  335,  7.  337,  25). 
Es  kann  dagegen  nicht  geltend  gemacht  werden,  dass  in  den  hinzu- 
gekommenen Stücken  von  Messungen  in  Constantinopel  (p.  351,  15. 
angeblich  vom  Kaiser  Arcadius)  und  Africa  (p.  307,  24.  344,  4. 
353,2.20)  gehandelt  wird,  da  das  Rom  des  siebenten  Jahrhunderts 
dem  byzantinischen  Machtbereich  angehört.  Wahrscheinlich  ist,  wie 
ich    schon  früher  vermuthet  habe   (Feldmesser  2,  166),   die  jüngere 

30* 


468  Die  Interpolationen  des  gromatischen  Corpus. 

Recension  in  Dalmatien  entstanden.  Diese  Landschaft,  unter  Theo- 
derich ein  Theil  seines  Herrschaftsgebiets  ^,  ist  auch  unter  dem 
byzantinischen  Regiment  bei  Italien  geblieben  2;  und  es  ist  schwerlich 
zufällig,  dass  in  dieser  zweiten  Redaction  dem  besseren  Über  coloniarum 
die  Provinz  Dalmatien  zugefügt  worden  ist^. 

Diese  jüngere  Sammlung  ruht,  wie  gesagt,  auf  der  älteren; 
wenn  manche  der  in  dieser  enthaltenen  Stücke  in  der  jüngeren 
Recension  verstümmelt  sind,  insbesondere  Frontinus  und  Nipsus, 
so  sind  dies  Schäden  der  Abschrift  und  hat  der  Redactor  allem 
Anschein  nach  von  den  wesentlichen  Bestandtheilen  der  älteren 
Sammlung  keinen  geradezu  weggelassen  mit  Ausnahme  der  Schrift 
über  die  Lagerbeschreibung,  die  ihm  ohne  Zweifel  für  seine  prakti- 
schen Zwecke  entbehrlich  erschien.  Für  den  Text  ist  sie  selbständig 
und  sehr  häufig  werden  Lücken  der  älteren  Sammlung  (zum  Beispiel 
die  grossen  im  Siculus  Flaccus  p.  142,  1—145,  2.  148,  19—165,  24) 
und  Corruptelen  derselben  durch  die  jüngere  authentisch  ergänzt 
oder  gebessert.  Auch  von  allgemeiner  Interpolation  der  Texte  hält 
sich  die  Sammlung  frei.  Aber  einzelne  Abschnitte  sind  in  der 
jüngeren  Redaction  in  eine  andere  Form  gebracht  oder  hinzugefügt 
worden;  von  diesen  soll  jetzt  gehandelt  werden. 

1.  Vor  allem  charakteristisch  für  die  jüngere  Recension  ist  der 
nur  in  ihr  auftretende  Commentar  zu  den  beiden  Tractaten  des 
Frontinus  de  agrorum  qualitate  und  de  confroversüs,  welcher,  in  der 
277  handschriftlichen  Ueberlieferung  dem  echten  Frontinus  voraufgehend 
und  in  derselben  zu  Unrecht  dem  Agennius  Urbicus  beigelegt,  als 
Untersatz  zu  jenen  Tractaten  bei  Lachmann  p.  1 — 26  abgedruckt  ist. 
Die  Beschaffenheit  dieser  Schrift,  obwohl  von  Lachmann  wohl  er- 
kannt, ist  meines  Wissens  weder  von  ihm  noch  von  Späteren  aus- 
einander gesetzt  worden.  Nach  der  Vorrede  ist  das  Werk  ein 
Schulbuch,  bestimmt  die  jungen  Leute,  die  nach  Erledigung  des 
niederen  Unterrichtes  dem  höheren  (litteris  secundis  ac  Uheralibtis) 
sich  zuwenden,  in  diesen  Theil  desselben  einzuführen.  Wir  erfahren 
daraus,  was  meines  Wissens  sonst  nicht  bezeugt  ist,  dass  in  der 
Jugendbildung  dieser  Epoche,  wie  wir  sie  im  Allgemeinen  aus 
Augustinus,  Macrobius,  Boethius  kennen,  das  höhere  Studium  auch 


1)  Neues  Archiv  für  deutsche  Geschichte  14,  503  [„Ostgothische  Studien' 
die  im  Bd.  3  der  Hist.  Sehr,  zum  Abdruck  gelangen  werden];  meine  Cassiodor 
Ausgabe  im  Index  p.  503  [Chron.  minora  vol.  II  1894]. 

2)  Constantin  Porpb.  de  them.  2  p.  57  Bonn:  t]  8e  Aa^./nazia  rfjg  'haUag  earl 
XcÖQu.    Joh.  Lydus  (dem  ich  a.  a.  0.  Unrecht  gethan  habe)  de  mens.  4,  60, 

3)  Auch  die  arcae  und  arcellae  passen  dazu  (vgl.  unten  S.  290  [480]). 


I 


Die  Interpolationen  des  gromatischen  Corpus.  469 

die  Feldmesskunst  bis  zu  einem  gewissen  Grade  einschloss.  Zu  den 
eigentlichen  vier  oberen  artes  liberales:  Geometrie,  Arithmetik,  Musik, 
Astronomie,  gehört  allerdings  die  Groraatik  nicht,  aber  scharf  war 
dieser  Kreis  schwerlieh  abgegrenzt  und  sie  konnte  leicht  an  die 
Geometrie  angeschlossen  werden.  —  Der  Commentar,  der  uns  hier 
vorliegt,  besteht  im  Wesentlichen  darin,  dass  in  die  frontinische 
Schrift  zwei  andere  ebenfalls  in  der  älteren  Recension  enthaltene 
gromatische  Schriften  oder  Schrifttheile  hineingearbeitet  sind,  welche 
letztere  desshalb  aus  der  jüngeren  Sammlung  beseitigt  wurden:  es  sind 
dies  die  Schrift  des  Agennius  Urbicus  über  die  agrarischen  Contro- 
versen  und  der  gleichartige  Abschnitt  des  (sogenannten  älteren)  Hyginus. 
a.  Yon  der  Schrift  über  die  agrarischen  Controversen  (p.  59 — 90 
der  Ausgabe),  welche  die  ältere  Sammlung  in  der  Subscription  dem 
Agennius  Urbicus  beilegt,  ist  in  die  zweite  Sammlung  in  der  ursprüng- 
lichen Form  nur  ein  einzelnes  Blatt  p.  73,  2S— 74,  10  =  42,  21— 43,13  ^ 
gelangt,  das  ohne  Zweifel  in  dem  ihrem  Redactor  vorliegenden 
Exemplar  der  älteren  Sammlung  von  seinem  Platze  verschlagen 
worden  war  und  darum  nicht,  wie  das  übrige  Werk,  in  der  jüngeren 
wegblieb.  Dagegen  hat  der  Verfasser  des  Commentars  zum  Frontin 
in  denselben  eine  Reihe  von  Auszügen  aus  dem  Agennius  aufge-  27S 
nommen;  die  erste  derartige  Stelle  ist  p.  79,  13  e^  sunt  plerumque'^) 
—  17  ita  esse  =  15,  10  — 19  und  es  folgen  weitere  genau  in  der 
Folge  bei  Agennius  bis  zu  der  letzten  p.  89,  25  satis  ut  puto  genera 
confroversiarum  exposui  —  90,  21  artifices  coguntur  =  25,  4  —  26,  25, 
in  welchen  Epilog  ausserdem  einige  bei  Agennius  in  der  Einleitung 
stehende  Brocken  p.  6S,  16.  69,  3.  20,  70,  1  eingelegt  sind.  Mit 
Rücksicht  darauf,  dass  der  Epilog  des  nur  die  Controversen  behan- 
delnden Agennius  von  dem  Commentator  für  sein  in  der  ersten  Hälfte 
de  agrorwn  qualitate  handelndes  Werk  verwendet  wird,  setzt  er  nach 
controversiarum  hinzu  vel  primum  agri  qualitatem.  Was  schon  hier- 
nach evident  ist,  dass  nicht  Agennius  aus  dem  Commentator,  sondern 
der   Commentator  aus  Agennius  geschöpft  hat^,  bestätigt   die  Ver- 

1)  Das  Anhängsel  74,  11  vam  et  —  14  ostendunt  =  43,  14—17  ist  nicht  zum 
Agennius  zu  ziehen  schon  der  Zeichnungen  wegen  (auch  Fig.  34  gehört  offenbar 
zu  74,  11,  nicht  zu  74,  10),  die  im  Agennius  nicht  vorkommen,  kann  aber  auch 
nach  dem  Inhalt  (trxfinium!)  zu  diesem  nicht  gehören.  In  den  Handschriften 
P G,  welche  dieses  Stück  aufbewahrt  haben,  steht  es  zwischen  den  Elxcerpten 
ans  Faustus  und  Valerius  p.  307.  308  und  denen  aus  Latinus  p.  809,  und  hierher 
gehören  offenbar  auch  jene  vier  Zeilen. 

*)  [Gemeint  ist  wohl  vielmehr:  p.  79,  7  nam  ubi  mons  ftiit.] 
2)  Dass  Lachmann  2,  110  dies  unentschieden  lässt,  ist  nichts  als  ein  üeber- 
s(;hen  der  nicht  von  ihm  abgeschlossenen  Untersuchung.     Danach  kann  es  auch 


470  Die  Interpolationen  des  gromatischen  Corpus. 

gleichung  überall.  Dass  derjenige  Theil  des  agennischen  Werkes, 
welcher  in  unseren  Exemplaren  der  älteren  Redaction  unter  dem 
unzweifelhaft  echten  Namen  des  Agennius  Urbicus  mit  In-  und 
Subscription  vorliegt  (p.  77,  20—90,  21),  auch  von  dem  Redactor  der 
zweiten  Sammlung  unter  demselben  Namen  gelesen  ward,  wird 
dadurch  ausser  Zweifel  gesetzt,  dass  er  mit  dem  Epilog  zugleich 
diesen  Namen  übernommen  und  ihn  als  Inscription  p.  1,  5  seinem 
ganzen  Commentar  vorgesetzt  hat.  Der  vorhergehende  Abschnitt  aber 
(p.  59 — 77,  18),  der  in  unseren  Handschriften  der  ersten  Recension 
lückenhaft  und  verwirrt  und  ohne  Yerfassernamen  überliefert  ist, 
war  wohl  schon  zerrüttet,  als  die  zweite  Recension  entstand,  und 
ging  unter  dem  Namen  des  Frontinus,  da  der  Verfasser  des  Frontin- 
commentars  p.  10,  19  eine  Stelle  daraus  p.  68,  6  als  Worte  des 
Frontinus  anführt  und  die  zweite  Recension  ihrem  vorher  erwähnten 
einzelnen  Agennius  -  Blatt  die  vermuthlich  dem  laufenden  Blatttitel 
entnommene  Ueberschrift  gegeben  hat  ex  lihro  Frontini  secimdo^. 
279  Aus  inneren  Gründen  aber  kann  dieser  Abschnitt  unmöglich  frontinisch 
sein;  sicher  richtig  hat  Lachmann  darin  die  erste  Hälfte  der  Contro- 
versen  des  Agennius  erkannt.  —  Das  Verhältniss  der  Controversen- 
schrift  des  Agennius  zu  derjenigen  Frontins  über  denselben  Gegen- 
stand kann  hier  unberührt  bleiben;  Lachmanns  Ansicht,  dass  Frontinus 
diesen  Gegenstand  zweimal  bearbeitet  und  Agennius  dessen  zweite 
ausführlichere  Bearbeitung  überarbeitet  hat,  scheint  mir  wenig  wahr- 
scheinlich. Auf  alle  Fälle  ist  es  rathsam,  den  überlieferten  Text  des 
Agennius  p.  59  —  90  anstatt  des  von  Lachmann  daraus  hergestellten 
nach  ihm  frontinischen  p.  34,  15  —  58,  22  zu  benutzen. 

b.  Weiter  hat  der  Commentator  den  letzten  Abschnitt  des  hygini- 
schen  Lehrbuchs  von  p.  123,  17  nunc  de  generibus  controversiarum 
perscribam  bis  zum  Schluss  p.  134  aus  seinen  Digesten  entfernt  und 
dagegen  sehr  umfängliche  Auszüge  daraus  seinem  Frontincommentar 
einverleibt. 


nicht  zweifelhaft  sein,  dass  der  Name  des  Agennius  Urbicus  vor  der  Controversen- 
schrift  zu  Recht  und  vor  dem  Frontincommentar  zu  Unrecht  steht. 

1)  Diese  Ueberschrift  ex  lihro  Frontini  seeundo  ist  von  Lachmann  ohne  zu^ 
reichenden  Grund  26,  3  eingesetzt  worden ;  hier  ist  überhaupt  kein  Abschnitt, 
da  25,  1  und  26,  5  deutlich  zusammengehören.  Meines  Erachtens  kann  als  fron- 
tinisch nur  p.  1  —  34,  13  der  Ausgabe  betrachtet  werden,  welche  auch  die  In- 
und  die  Subscription  der  besseren  Recension  dem  Frontin  beilegen.  Die  Ordnung 
war  wohl  dieselbe  wie  bei  Hygin:  de  limitibiis  (p.  27, 13—34,  13)  —  de  agrorum 
qualitate  (p.  1 — 8)  —  de  controversiis  (p.  9  — 26,  2).  Der  Abschnitt  über  solidum 
und  cultellatum  p.  26,  6— 27, 12  scheint  nicht  am  richtigen  Platz  zu  stehen. 


Die  Interpolationen  des  groma tischen  Corpus.  471 

Wenn  zu  diesen  Excerpten  noch  eine  einzelne  Stelle  aus  Baibus 
p.  4,  33  — 5,  12  =  104,  3 — 7  gefügt  wird,  so  ist  damit  erschöpft, 
was  der  Verfasser  des  Frontincommentars  aus  noch  vorhandenen 
Bestandtheilen  des  älteren  Corpus  entlehnt  hat^  Aber  er  hat  auch 
Stücke  gehabt,  die  uns  fehlen,  nicht  eigentlich  andere  Quellen'^,  aber 
wahrscheinlich  die  beiden  oben  angeführten  jetzt  stark  verstümmelten 
vollständiger   als  wir  sie    besitzen^.     Zweimal  p.  3,  23.  28  führt^er  280 


1)  Die  Stelle  p.  11,  24  kehrt  zwar  wieder  im  Städteverzeichniss  p.  220, 15, 
aber  Lachmanu  2,  141  hat  sehr  schön  gezeigt,  dass  der  Commentator  sie  nicht 
diesem  entnommen  hat.  sondern  dem  Hyginus. 

2)  Lachmanns  Vermuthung  2,  108,  dass  der  Verfasser  des  Frontincommentars 
einen  älteren  gleichartigen  benutzt  hat,  kann  ich  nicht  theilen.  Was  in  den 
Stellen  steht,  auf  die  sich  Lachmann  beruft,  dass  die  richterliche  Entscheidung 
nicht  den  Mensoren  zukommt,  sondern  dem  Statthalter  (16,  20),  und  dass  diese 
nur  die  Grenzen  zu  weisen  haben ,  aber  Land  zu  adsigniren  allein  der  Kaiser 
befugt  ist  (8,26),  dürfte,  auch  abgesehen  davon,  dass  dergleichen  bei  Hyginus 
oder  Agennius  gestanden  haben  kann,  der  Verfasser  des  Commentars  wohl  aus 
eigenen  Mitteln  haben  beschaffen  können. 

3)  Lachmann  (2,  129)  nimmt  an.  dass  der  Commentator  nicht  bloss  für  uns 
verlorene  Blätter  des  Agennius  benutzt,  sondern  auch  in  dem  anscheinend 
äusserlich  vollständigen  Theil  einen  volleren,  in  unseren  Handschriften  durch 
Schreiberwillkür  gekürzten  Text  gehabt  hat.  Aber  die  fraglichen  Stellen  scheinen 
mir  nicht  dem  Agennius  zu  gehören.    Es  handelt  sich  um  die  folgenden: 

15,  10  nam  ubi  mons  —  16  stringebantur  (^ergänzt  im  Agennius  79,  7 — 13,  ^im 

Frontin  48,  9—16).  Es  ist  dies  lediglich  Amplification  der  im  Commentar 
vorhergehenden  "Worte  Frontins  und  kann  füglich  dem  Commentator  ge- 
hören. 

16,  16  sxint  et  aliae  proprietates ,  quae  muMicy^us  a  principibus  sunt  concessae  (da- 

nach im  Agennius  80,  9.  10,  im  Frontin  49,  12.  13).  Dies  ist  Umschreibung 
des  Commentators  für  den  Satz  des  Agennius:  aliaheneficia  etiam  quaedam 
mtmici'pia  acceperunt. 
21,  11  sunt  silvae  ....  14  peregrinis  (danach  im  Agennius  86,  4—7,  im  Frontinus 
55,  4—7).  Da  von  der  Holzlieferung  in  balnea  eben  vorher  die  Rede  gewesen 
ist,  so  hat  Agennius  schwerlich  die  Lieferung  in  lavacra  publica  folgen 
lassen.  Die  Freigebung  der  pa^ua  quibuscumqiie  in  urbetw  venientibtis 
peregrinis  ist  seltsam  und  schwerlich  dem  Agennius  beizulegen. 

21,  18  sunt  autem   loca  publica  coloniarum  ....  28  casalia  non  täuntur  (danach 

bei  Agennius  86,  16  —  25,  bei  Frontinus  55,  16—22).  Was  hier  über  die 
praefecturae  gesagt  wird,  hat  der  Commentator  offenbar  aus  16.  10  wieder- 
holt. Warum  die  Bemerkung  über  die  Tiberinsel  aus  .Agennius  genommen 
sein  soll,  ist  nicht  ersichtlich. 

22,  25  si  enim  loca  Sacra  ...  23,  28  perspicimus  (danach  bei  Agennius  88,  4—17, 

bei  Frontinus  p.  57,  5—20)  ist  sicher  in  dieser  Gestalt  nicht  von  Agennius; 
die  Worte  des  Commentators  in  Itaiia  multi  crescenie  rdigione  sacratissima 
Christiana  lucos  profanos  sive  templorum  loca  occupaterunt  et  strunt  sind 
vielmehr  Umschreibung  derjenigen  des  Agennius:  in  Italia  densitas  pos- 
sessorum  mullum  improbe  facit  et  lucos  sacros  occupat,  ebenso  wie  bei  den 


472  Die  Interpolationen  des  gromatischen  Corpus. 

den  Hyginus  an,  wo  unser  Hygintext  anscheinend  versagt^;  eine 
281  Reihe  anderer  Stellen  aus  dem  Commentar  hat  Lachmann  (2,  129  f. 
139  f.)  vermuthungsweise  theils  dem  Agennius  p,  67,  12.  70,  11.  71,  11. 
72,24.  73,5,  theils  dem  (älteren)  Hyginus  p.  108—111.  113—115 
zugewiesen.  Dabei  bleibt  selbstverständlich  das  Einzelne  zweifelhaft; 
indess  wird  man  im  "Wesentlichen  dem  grossen  Sprachmeister  wenig- 
stens hinsichtlich  des  Agennius  beipflichten  können.  Ob  der  Commen- 
tator  den  sogenannten  älteren  Hygin  wirklich  vollständiger  gehabt 
hat,  ist  minder  sicher;  was  Lachmann  auf  diesen  zurückgeführt  hat, 
kann  entweder  auf  freie  Benutzung  uns  erhaltener  Stellen  zurück- 
gehen (so  auf  133,  9  die  schon  durch  die  Beziehung  auf  den  augusti- 
schen Reichscensus  bedenkliche  Stelle  8,  18—22  =  111,  3—7)  oder 
auf  die  vielleicht  von  Lachmann  etwas  unterschätzte  eigene  Kunde 
des  Verfassers. 

2.  Das  Städteverzeichniss  findet  sich  in  der  jüngeren  Recension 
in  doppelter  Gestalt,  von  denen  die  eine  (in  G  fehlende)  im  Ganzen 
dem  Über  coloniarum  I  der  Ausgabe  entspricht,  diejenige  dagegen, 
welche  Lachmann  p.  252 — 262  als  Über  coloniarum  II  herausgegeben 
hat,  der  jüngeren  Recension  ausschliesslich  eigen  ist.  Was  in  dem  Über 
coloniarum  I  die  jüngere  Recension  allein  hat,  ist  durchaus  minder- 
werthig.  Unzweifelhaft  gilt  dies,  wie  ich  schon  früher  (Feldm.  2, 1 57. 165 
[Hist.  Sehr.  2  S.  155. 162])  hervorgehoben  habe,  von  einigen  bei  Picenum 
gemachten  kleineren  Zusätzen  und  von  der  neu  hinzutretenden 2)rovincia 
Dalmatia;  aber  auch  den  Abschnitt  über  die  überhaupt  bedenkliche 
provincia  Valeria  p.  228,  3 — 229,  5   hätte  ich   strenger,   als  a.  a.  O. 

folgenden:   lucos  frequenter  in  trifinia   et  quadrifinia   invenimus,    sieut  in 
siiburbanis  .  .  .  perspicimus  die  Stelle  des  Agennius  benutzt  ist :  haec  maxime 
aut  in  loco  urbis  aut  in  suburbanis  locis  privatis  detinentur. 
23,  31  si  aqua  ...  24,  18  perita  finiendum  (danach  bei   Agennius  89,  8—9,  bei 

Frontinus  58,  4— 10)  passt  in  den  Agennius  nicht  gut. 
Wenn  man  erwägt,  dass  wir  die  handschriftlichen  Quellen  des  Commentators 
keineswegs  vollständig  besitzen  und  noch  weniger  zu  ermessen  im  Stande  sind, 
was  er  aus  seinem  eigenen  Vermögen  hat  hinzuthun  können,  so  empfiehlt  es 
sich  gewiss  nicht,  einen  in  der  bezeichneten  Weise  vermehrten  Agennius  -  Text 
zu  schaffen.  Die  Lachmannsche  Ausgabe  fordert  sehr  vorsichtigen  Gebrauch. 
In  einem  neuen  Abdrucke  wäre  es  dringend  zu  wünschen  in  dem  Text  des 
Commentars  die  sicheren  und  die  nur  conjecturalen  Entlehnungen  durch  ver- 
schiedene Schrift  kenntlich  zu  machen  und  auf  die  sämmtlichen  Reconcinnationeu 
zu  verzichten.  [Eine  neue  Ausgabe  der  Gromatiker  verspricht  Carl  Thulin,  dem 
Ad.  Schulten  sein  Material  zur  Verfügung  gestellt  hat.] 

1)  Der  sogenannte  jüngere  Hygin  hat  entsprechende  Stelleu,  aber  sie  stimmen 
im  Wortlaut  nicht  und  Benutzung  dieser  Schrift  durch  den  Commentator  lässt 
sich  nicht  erweisen. 


Die  Interpolationen  des  gromatischen  Corpus.  473 

S.  167  geschehen  ist,  behandeln  und  mit  den  übrigen  Stücken  der 
zweiten  Recension  auf  eine  Linie  stellen  sollen.  Bei  einem  neuen 
Abdruck  der  gromatischen  Digesten  Tnrd  es  nothwendig  sein  im  liber 
ccloniarum  I  die  in  AB  erhaltenen  relativ  reinen  Bestandtheile  von 
den  aus  EP  hinzutretenden  sorgfältig  zu  scheiden.  Der  gesammte 
liher  coloniarum  II  aber  charakterisirt  sich  deutlich  als  verschlech- 
ternde Ueberarbeitung  des  liber  coloniarum  I,  wie  dies  bereits  früher 
(a.  a.  O.  S.  167  f.  [Hist.  Sehr.  2  S.  162  f.])  von  mir  entwickelt  worden  ist. 
3.  Ueberarbeitet  in  den  jüngeren  Digesten  ist  auch  der  kleine 
Abschnitt  p.  242,  7  —  243,  17.  eine  Uebersicht  der  verschiedenen  Grenz- 
steinformen von  Gracchus  bis  auf  Traian,  welche  in  den  älteren 
gromatischen  Digesten  unter  den  kleinen  Schlussstücken  steht,  wäh- 
rend sie  in  den  jüngeren  unter  Verkürzung  und  Verderbung  des  2S2 
Anfangs  an  die  Erwähnung  der  termini  Augiistei  p.  22S,  1  ange- 
schlossen ist:  In  der  Ausgabe  steht  sie  nicht  zweckmässig  am 
Schluss  des  liber  coloniarum  I.  "Weiter  erscheint  die  jüngere  inter- 
polatorisch  verkürzte  Form  im  wesentlichen  identisch  in  einem  der 
jüngeren  Recension  eigenthümlichen  Abschnitt  (p.  347.  348)  unter  der 
L'eberschrift  Latinus  et  Mysrontius  togati  Augustorum  auctores.  Es 
mögen  hier  die  drei  Texte  stehen,  um  die  interpolatorische  Hand- 
habung der  zweiten  Recension  zu  verdeutlichen, 

A  p.  242,  7  P  p.  227,  16.  242,  11  PG^  p.  34S,  l 

ratio  militiae  (vielleicht 
Umitum)  adsignationis 
prima  (primae?)  trium- 
inralis  lapidesGraccani 
rotundi  columniaci,  in 
capite  diatnetrum  ped.  I 

et  ped.  IS,   altus  ped.  et   variis    locis    tenni-  Nam  in  locis  montanis 
IUI  et  Ulis.  nos    Augusteos  ^,     per  terminos  posuimus  ro- 

Item    divi    luli    idem  quorum  cursus  in  Pi-  tundos,  quos  Augusteos 
sunt.  ceno  fities  terminantur.  vocamus,  pro  hac  ra- 

Item     Augustei     idem  Item   divi   luli  Augu-  tione    quod    Augustus 
sunt  hac  ratione  quod  stei    pro    hac    ratione  eos    recensivit    et    ubi 
Augustus  eorum  men-  sunt,    quod    Augustus  fuerunt    lapides    alios 
suras  recensiit  et   tibi  eos    recensivit    et    ubi  constituit  cet. 
fuerunt    lapides    alios  fuerunt     lapides    alios 
cynstituit  cet.  constituit  cet. 


1)  Vgl.  P  bei  Dalmatien  p.  240,  20 :  summa  montium,  terminos  Ättgusteos, 
tf'  est  rotundos  in  effigiem  columnae. 


474  Die  Interpolationen  des  groniatischen  Corpus. 

So  geht  es  weiter  mit  Auslassungen,   aber  in  wesentlicher  Identität 
des  jüngeren  Textes  mit  dem  älteren. 

4.  Analog  behandelt  werden  die  casae  litterarum.  Das  in  der 
älteren  Recension  vorliegende  Alphabet  wiederholt  in  dieser  bar-^ 
barischen  Gestalt  in  der  jüngeren  sich  nicht;  aber  vier  durchaus 
analoge,   zwei  lateinische  und  zwei  griechische,    das  zweite   doppelt 

283  (p.  310—325.  331. — 338)  treten  dafür  ein,  das  erste  unter  der  Ueber- 
schrift  ex  libro  XII  Innocentius  v.  p.  auctor  de  litteris  notis  iuris 
exponendis,  das  zweite  ohne  Ueberschrift,  das  dritte  in  dem  einen 
Text  ebenfalls  ohne  Ueberschrift,  in  dem  andern  überschrieben  ex- 
positio  litterarum  finalium,  das  vierte  betitelt  de  casis  litterarum 
montimn  in  ped.  V  fac.  pede  uno.  Die  Sprache  ist  minder  roh  als 
in  dem  der  älteren  Sammlung  einverleibten  Exemplar,  die  Darlegung 
aber  künstlicher  und  oft  unglaublich  verzwickt,  so  dass  die  bei  jenem 
mögliche  Annahme  einer  entsprechenden  einfachen  Zeichnung  sich 
hier  nicht  mehr  durchführen  lässt.  Im  Wesentlichen  gilt  sonst  von 
diesen  Yerzeichnissen  das  von  dem  ältesten  Gesagte.  Augenschein- 
lich haben  wir  gleichartige  Schulexercitien  vor  uns,  herrührend  von 
einem  grammatisch  etwas  weiter  gediehenen,  aber  sonst  dem  älteren 
gleichwerthigen  Ludimagister,  dem  die  Feder  und  der  Griffel  offenbar 
geläufiger  waren  als  die  Messstange. 

5.  Während  in  der  älteren  Sammlung  der  theodosische  Codex 
erst  in  der  Recension  E  vertreten  ist  und  die  posttheodosischen 
Novellen  ganz  fehlen,  haben  von  diesen  drei  in  die  jüngere 
p.  273  —  275  Aufnahme  gefunden,  aber  in  einer  selbst  in  diesem 
Kreise  unerhört  interpolirten  Gestalt.  Zwei  derselben  tit.  24  vom 
J.  443  und  tit.  4  vom  J.  438,  die  von  den  milites  limitanei  handeln, 
sind  hier  dahin  umgestaltet,  dass  den  Mensoren  die  erste  grössere 
Emolumente,  die  zweite  eine  höhere  Rangstufe  beilegt;  die  dritte 
tit.  20  vom  J.  440  ist  nicht  ganz  so  arg  misshandelt,  aber  zwei  rohe 
Einlagen  zeugen  auch  hier  von  der  Absicht  den  Mensoren  gegen  die 
bestehende  Ordnung  die  rechtliche  Entscheidung  in  Alluvionsstreitig- 
keiten  beizulegen. 

6.  Dazu  tritt  endlich  eine  der  älteren  Recension  gänzlich  un- 
bekannte Masse  von  angeblichen  Excerpten  aus  einer  Menge  von 
Schriftstellern,  auctores,  wie  sie  hier  heissen.  Es  sind  dies  die 
etruskische  Wahrsagerin  Begoe  (p.  348,  17.  350,  17),  deren  Brief  an 
den  Aruns  Yelthymnus  allerlei  religiöse  Merkwürdigkeiten  enthält; 
Mago  (p.  348,  16),  doch  wohl  der  alte  karthagische  Ackergelehrte; 
der  Kaiser  Arcadius  (p.  343,  20.  351,12);  Theodosius  (p.  345,  22), 
auch  wohl  der  Kaiser  Theodosius  II;  dann  die  meistens  als  viri  per- 


Die  Interpolationen  des  gromatischen  Corpus.  475 

fedissimi,  zum  Theil  auch  als  togati  (Advocaten)  titulirten  Auetoren 
Dolabellä  (p.  302);  Faustus  (p.  307,21.  353,1);  Gaius  (p.  307,1. 
345,  23):  Innocentius  (p.  310,  2);  Latinus  (p.  305,  1.  309,  1.  347,  1); 
Mysrontius  (p.  347,  t);  Yalerius  (p.  307,  22.  353,  l);  Vitalis  (p.  307, 14.  284 
343,  20.  352,7),  denen  dann  noch  eine  Reihe  kleiner,  ohne  Xamen 
der  Verfasser  auftretender  Abschnitte  beigefügt  sind.  Die  Gesammt- 
masse  macht  den  Eindruck  von  Excerpten  aus  einem  nach  Art  der 
justinianischen  Digesten  geordneten,  vielleicht  bloss  gromatischen, 
vielleicht  umfassenderen  Sammelwerk,  dessen  zwölftes  Buch  zweimal 
angeführt  wird,  einmal  p.  310,  1  vor  dem  Auszug  aus  Innocentius 
und  allgemein  von  dem  Kaiser  Arcadius  p.  351,  20;  sicut  in  libro  XII 
aiictores  constituermit.  Dass  das,  was  uns  vorliegt,  in  der  That 
Excerpte  sind,  findet  eine  Bestätigung  darin,  dass  die  zwei  Stellen 
aus  Gaius  und  die  drei  aus  Yitalis  in  verschiedener  YoUständigkeit 
auf  eine  gemeinschaftliche  Quelle  zurückgehen.  Aber  damit  wird 
die  nicht  abzuweisende  Frage  nach  der  Echtheit  dieser  CollectaneeQ 
nur  etwa  um  eine  Stufe  zurückgeschoben.  Anderweitige  Anlehnung 
finden  diese  Citate  nirgends  ausser  in  einem  anderen  der  Zusatz- 
stücke der  zweiten  Redaction,  indem  der  liber  coloniarum  II  p.  253,  24 
mit  den  signa  quae  in  lihris  auctorum  leguntur  (vgl.  255,  16)  auf 
Dolabellä  p.  303,  4  verweist,  und  allenfalls  in  den  casae  Utterarum, 
welche  mehrfach  (p.  313, 12.  316,  24.  317,  14.  322,  25)  auf  die  auctores 
verweisen.  Kann  einer  Compilation  des  6.  Jahrhunderts  n.  Chr., 
deren  Redactor  die  Ueberschrift  Balbi  ad  Celsum  umgewandelt  hat 
in  lulius  Frmitinus  Celso'^  und  dessen  Interpolationen  der  theodosi- 
schen  Xovellen  an  Unverschämtheit  ihres  gleichen  suchen,  diese 
Schaar  sonst  unbekannter  Gromatiker  in  gutem  Glauben  entnommen 
werden?  Dass  eines  dieser  Excerpte  in  der  älteren  Sammlung 
anonym  vorkommt,  während  es  die  jüngere  Recension  in  inter- 
polirter  Form  dem  Latinus  beilegt  2,  und  dass  eine  Yariation  der  in 
der  älteren  Sammlung  ebenfalls  anonym  auftretenden  Hausalphabete 
hier  dem  Innocentius  und  dem  zwölften  Buch  der  Sammlung  zuge- 
schrieben wird,  muss  den  Yerdacht  wesentlich  steigern. 

Dieser  durch  die  äusserlichen  Momente  erweckte  Yerdacht  gegen 
die    der  jüngeren   Sammlung   eigenthümhchen  Abschnitte   wird    zur 


1)  Allerdings  leitete  ihn  dabei  die  Subscription  der  älteren  Sammlung 
p.  108,  8:  expUcit  liber  Frontonis. 

2)  S.  282  [473].  Auch  das  dem  Mago  beigelegte  Stück  knüpft  p.  348,  19  in 
bedenklicher  Weise  an  den  interpolirten  Abschnitt  der  älteren  Sammlung  de 
sepiila-is  p.  271,  11  an,  sowie  p.  349,  10  an  die  Interpolation  der  theodosischen 
Verordnung. 


476  Diß  Interpolationen  des  gromatischen  Corpus. 

Gewissheit,   wenn  dieselben  auf  ihren  Inhalt  geprüft  und  die  darin 
auftretenden  Ungehörigkeiten  erwogen  werden.    Zwar  in  dem  Frontin- 

285  commentar  begegnen  uns  dieselben  nicht,  sei  es,  dass  dieser  in  noch 
umfassenderem  Grade,  als  jetzt  angenommen  wird,  einen  blossen 
Cento  aus  älteren  Schriften  darstellt,  sei  es,  was  mehr  Wahrschein- 
lichkeit hat,  dass  er  von  anderer  Hand  herrührt  als  die  übrigen  der 
jüngeren  Redaction  eigenthümlichen  Stücke,  die  Umarbeitung  des  Über 
coloniarum,  die  Zusätze  zu  den  theodosischen  Verordnungen,  die  casae 
litterarum,  die  Auszüge  aus  den  gromatischen  Digesten.  Durch  alle  diese 
geht,  wie  ich  schon  vor  vielen  Jahren  in  den  Feldmessern  (2,  163.  164 
[Hist.  Sehr.  2  S.  159  f.])  erinnert  habe,  die  Tendenz  die  Grenzmarken, 
sowohl  die  natürlichen  wie  die  von  Menschenhand  gesetzten  Merk- 
zeichen zu  specialisiren,  und  an  dieses  Bestreben  knüpfen  sich  eine 
Anzahl  gleichartiger  Verkehrtheiten.  Schon  in  der  älteren  Recension, 
sowohl  in  ihrem  Städteverzeichniss  wie  vor  allen  Dingen  in  dem  ihr 
einverleibten  schlechten  Schulexercitium,  den  casae  litterarum,  zeigen 
sich  davon  die  Anfänge,  so  dass  wir  den  Ursprung  dieser  Schwinde- 
leien in  der  Tradition  des  gromatischen  Schulunterrichts  zu  suchen 
haben  werden;  die  jüngere  wird  ganz  von  ihnen  beherrscht.  Es 
erscheint  erforderlich,  von  diesen  verwirrten  Ansetzungen  die  wichtig- 
sten hervorzuheben.  Dass  auch  sprachlich  diese  Stücke  gleichartig 
sind,  zum  Beispiel  in  dem  Gebrauch  von  latitia  für  latitudo  und  in 
der  incorrecten  Verwendung  der  Präposition  de,  will  ich  nur  andeuten. 

Das  Limitationssystem  der  Römer  kennt  die  Zählung  der  Mr- 
dines  und  decimani,  gibt  aber  der  sechsten  Stelle  keine  besondere 
Bedeutung.  Dagegen  spielt  der  linies  sextaneus'^,  welcher  in  der 
älteren  Sammlung  nur  in  den  casae  und  in  dem  Verzeichniss  der 
nomina  limitum  p.  248,  15  auftritt,  in  der  jüngeren  eine  hervor- 
ragende Rolle:  er  erscheint  massenhaft  in  den  casae,  aber  auch  bei 
Mago  350,  14:  Hmes  sextaneus  transit  per  limitem  possessionis  und 
bei  Vitalis  345,  18  =  352,  11  vgl.  342,  25. 

286  ^on  dem  llmes  Galliens  weiss  die  gute  Litteratur  ebenfalls  nichts; 
in  der  älteren  Sammlung  begegnet  er  nur  an  einer  zweifellos  inter- 


1)  Rudorff  2,  344  versteht  darunter  den  Tiardo  maximus,  weil  dieser  in  horavi 
sextam  trifft  (p.  170,  8).  Aber  es  kann  auch  der  Schreiber  daran  gedacht  haben, 
dass  der  limes  quintarius,  insofern  die  Hauptlinie  mitgezählt  wird,  auch  als 
sechster  gezählt  werden  kann  (p.  112,  9  fg.  174,17:  hunc  volunt  esse  quintum, 
qui  est  sextus).  Die  unlateinische  Endung  auf  -eus  ist  auch  charakteristisch  für 
diese  halb  byzantinischen  Schriftstücke,  die  ebenso  stets  von  dem  limes  oder 
terminus  Augusteus  sprechen,  niemals  lateinisch  von  Augustus  oder  Augustanus 
(einmal  Augustianus  p.  237,  2). 


Die  Interpolationen  des  gromatischen  Corpus.  477 

polirten  Stelle  des  Städteverzeichnisses  p.  227,  11:  ager  Falerionensis 
limitibus  maritimis  et  GaUicis,  quos  dicimus  decimanos  et  Jcardines; 
ferner  wie  der  sextmieus  in  den  casae  p.  328,  20:  finis  quadratos 
hahentes  limites  maritimense  GaUicu  intercidunt  und  in  dem  Xamen- 
verzeichniss  24S,  10:  limites  GaUici  hinter  den  limites  maritimi.  In 
den  jüngeren  Stücken  findet  er  sich,  abgesehen  von  der  Wieder- 
holung der  Xotiz  über  den  ager  Falerionensis  p.  256,  6,  an  folgenden 
Stellen: 

lih.  col.  II  p.  252,  2:  Ädrianus  ager  limitibus  tnaritimis  et  GaUicis, 

quos  nos  d.  et  k.  appellamus. 
lib.  col.  II  p.  256,  16:  Kam^rinus  ....  ager  eins  limitibus  mariiimis 

et  GaUicis  corUinetur. 
casae  p.  314.  30:  fines  in  quadro  habens:  limes  maritimus  Gaüicum 
intercidet  —  offenbar  Rectifieation   der  aus  der  älteren  Samm- 
lung angeführten  Stelle. 
casae  p.  334,  12:  per  GaUicum  limitem  IcUitia  ped.    oc  L. 
Faustus    und  Yalerius   p.  308,18:    circa   urbem  Babylonis  Bomae 

maritimtim  fiet  et  GaUicum. 
expositio  limitum  p.  359,  15  fg.:  omiies  limites  maritimi  aut  GaUici 
una  factura  current,  quoniam  sanctior  est,  id  est  iustior  videtur 
mariiimiis  limes  frequentius  solei  recte  studiri  ....  est  GaUicus 
in  sua  constiettidine  ....  contra  urbis  Babylonis  Borna  maritimi 
limites  fient  et  GaUicus  inpinget. 
Handgreiflich  ist  hier  aus  den  beiden  Stellen  der  älteren  Sammlung, 
die  allem  Anschein  nach  selbst  nichts  taugen,   dieser  Doppelgänger 
des  limes  maritimus  in  eine  Reihe  von  Angaben  der  zweiten  Recen- 
sion  hineingetragen  worden. 

Ein  Hauptkriterium  der  späten  Pseudogromarik  ist,  wie  gesagt, 
die  Specialisinmg  der  arcifinischen  Grenzlinien  durch  zufällige  die 
Grenzsteine  oder  Grenzpfähle  ergänzende  Grenzmerkmale.  Was  der 
Art  bei  den  älteren  Schriftstellern  sich  findet,  ist  ebenso  sparsam 
vie  sachgemäss:  genannt  werden  in  dieser  Beziehung  der  Fluss,  der 
Graben,  die  Strasse,  der  Höhenzug  (summa  montium  iuga  oder  ähn- 
lichy  und  die  Wasserscheide  (divergia  aquarum),  die  Tieflinie  der 
Bodensenkung  (supercilium :  p.  128,  15.  143,  3^,  die  Hecke,  der  Stein- 
haufen (congeries  lapidum,  scorpio,  attina),  der  freistehende  oder 
gezeichnete  Baum.  In  der  späteren  Schriftmasse  dagegen  ver- 
schwinden die  guten  alten  technischen  Ausdrücke,  wie  supercilium  287 
und  divergium  aquarum,  ganz  oder  fast  ganz  und  treten  in  der  neuen 
Terminologie  Wortgruppen  auf  folgender  Art: 


478  ^^^  Interpolationen  des  gromatischen  Corpus. 

p.  227,  14  arcae,  ripae,   canahula,  noverca  .  .  .  muri,   maceriae, 

scorofiones,   congeriae,    carbunculi,    fast    ebenso    211,10.  228,5. 

252,  3.  256,  8. 

p.  259,  25  arcae,   ripae,   sepuUurae,   congeriae,   carbunculi,  rivi, 

supercilia  et  limites  decumani  et  hardincs. 
Dies  ist  nichts  als  ein  wüstes  Conglomerat  halb  oder  nicht  verstandener 
zum  guten  Theil  synonymer  oder  gar  in  diese  Yerbindung  nicht 
gehöriger  Ausdrücke;  die  den  Grenzsteinen  etwa  unterlegten  Kohlen 
passen  zu  den  sichtbaren  Grenzmarken  übel  und  gar  die  decumani 
xm'di  Icardines  haben  mit  der  arcifinischen  Termination  nichts  zu  thun. 
Es  soll  dies  weiter  an  einzelnen  Beispielen  dargelegt  werden. 

Als  arcifinische  Grenzmale  begegnen  in  der  guten  gromatischen 
Litteratur  Berge  und  Hügel  nicht  ^,  sondern  nur  der  Höhenzug,  die 
summa  montium  iuga;  wo  von  montes  in  allgemeinen  Angaben  die 
Bede  ist  (p.  5,  8.  41,  10),  ist  dieselbe  Hochlinie  gemeint.  In  der 
That  eignet  die  Anhöhe  ohne  nähere  Determination  sich  für  eine 
solche  Verwendung  nicht,  weil  sie  weder  als  Punkt  noch  als  Linie 
hinreichend  bestimmt  ist.  Zu  den  Kriterien  der  schlechten  Masse  ■ 
.gehört  dagegen  der  monticellus;  er  begegnet  häufig  in  den  Auszügen 
aus  den  gromatischen  Digesten  (p.  305  —  367)  und  in  keineswegs 
vertrauenerweckender  Weise.  Die  mit  gelehrtem  Herabsehen  auf 
■die  Ignoranten  (qui  nesciunt  quid  est  in  lectionihus)  vorgetragene 
Auseinandersetzung  (p.  306,  9),  dass  in  Kriegszeiten  (in  tempore 
quando  müites  occidebantur  in  hello  puhlico)  die  Gefallenen  regel- 
mässig an  den  Trifinien  und  Quadrifinien^  beigesetzt  worden  seien 
und  zwar  ein  jeder  unter  besonderem  Hügel,  ist  hinreichende  Warnung. 
Wenn  nach  einer  mehrfach  wiederholten  Notiz  (307,  17.  345,  15. 
352,  8)  der  mitten  auf  der  Grenze  (limes)  stehende  Grenzstein  (ter- 
288  minus),  falls  er  nach  einer  Seite  hin  ausgehöhlt  ist,  auf  drei  Hügel 
hinweist  (so  scheint  tres  monticellos  transit  gemeint  zu  sein)  und  auf 
dem  dritten  Hügel  am  Bad  eine  das  Quadrifinium  bezeichnende 
Steinkiste  (arca)  sich  findet,  so  wird  es  nicht  gelingen  diesen  und 
ähnlichen  Angaben  eine  bestimmte  Vorstellung  abzugewinnen.  Ver- 
ständlich ist  es,  dass  nach  einer  anderen  Notiz  (p.  308,  1)  bei  der 
africanischen  Termination,  um  Grenzsteine  zu  sparen,  dafür  Erdhügel 


1)  In  dem  Schema  19,  21  =  114,  16  lieisst  es  zwar:  ex  colle  (Hdschr.  coUegio) 
qui  appellatur  ille  ad  flumen  illud,  aber  es  gehört  dies  zu  den  nur  im  Froutin 
commentar    enthaltenen    vermuthungsweise    von    Lachmann    dem   Hygin    zug 
wiesenen  Stücken,  bei  welchen  die  Wortfassung  keineswegs  zuverlässig  ist 

2)  Was  die  centuriae   hier  bedeuten,   weiss  ich  nicht;  vielleicht  sind  die 
afrikanischen  Steuerhufen  (Marquardt  Staatsverw.  2,  230)  gemeint. 


I 


Die  Interpolationen  des  gromatischen  Corpus.*  •  479 

aufgeschüttet  werden,  sogenannte  botonfini.  Es  ist  nichts  im  "Wege 
darin  eine  africanische  Localgewohnheit  und  Bezeichnung  zu  erkennen, 
da  alle  die  hotontini  behandelnden  Stellen  füglich  von  africanischen 
Mensoren  herrühren  können;  für  die  allgemeine  Gromatik  ist  eine 
derartige,  nur  durch  die  Umgebung,  in  der  sie  auftritt,  verdächtige 
Angabe  auch  dann  nicht  verwendbar,  wenn  man  sie  gelten  lässt. 

Dass  die  Gräbmäler  bei  der  arcifinischen  Termination  gelegentlich 
erwähnt  (19,  28  =  114,  23.  19,  30  =  115,  1.  347,  5.  348,  14)  und 
namentlich  in  den  casae  litterarum  unter  dem  späten  Namen  memoria 
häufig  genannt  werden,  hat  keine  weitere  Bedeutung;  eine  gewisse 
Beachtung  aber  verdient  die  sepultura  finalis  (250,  22.  341 ,  17. 
361,  12.  405,  19;  vergl.  243,  14.  271.  272),  insofern  die  römische 
Sitte  die  Gräber  längs  der  öffentlichen  Wege,  eventuell  an  der 
Grenze  des  Privatackers  die  Frage  nahe  legt,  ob  sie  nicht  bei 
Grenzstreitigkeiten  unter  Umständen  Berücksichtigung  gefunden  haben. 
In  der  That  sieht  ein  dem  Dolabella  beigelegtes  Fragment^  dies 
vor:  um  zu  finden,  nach  welcher  Seite  hin  das  Grab  an  die  Grenz- 
linie stösst,  soll  fünf  Fuss  von  demselben  der  Boden  ausgehoben 
oder  aufgepflügt  werden  und  ist  die  Grenze  an  derjenigen  Seite,  an 
welcher  Topfscherben  oder  ganze  Töpfe  zum  Vorschein  kommen. 
Irgend  welche  monumentale  Bestätigung  dieser  Angabe  ist  mir  nicht 
bekannt  und  bis  eine  solche  sich  finden  sollte,  verbietet  die  Unzu- 
verlässigkeit  des  Gewährsmannes  ihr  Glauben  zu  schenken. 

Am  auffallendsten  unter  den  Grenzmalen  ist  die  arca  oder 
arcella.  Die  bessere  gromatische  Litteratur  kennt  die  arca  nicht; 
selbst  in  dem  Colonieverzeichniss  findet  sie  sich  in  der  besten  Hand- 
schrift (Ä)  nur  an  einer  einzigen  zweifellos  in  später  Zeit  eingescho- 
benen Stelle^  und  ebenso  wenig  erscheint  das  Wort  in  dieser  Ver- 
wendung ausserhalb  des  gromatischen  Corpus.  Dagegen  begegnet  es  2S9 
überall  in  den  nur  in  den  geringeren  Handschriften  (PG)  bewahrten 
Abschnitten  des  Colonialverzeichnisses;  ferner  sehr  häufig  in  den 
Auszügen  aus  Latinus  und  den  gleichartigen  Autoren;  die  arca  darf 
als  das  rechte  Kennzeichen  der  Zugehörigkeit  zu  dieser  verdächtigen 
Masse  angesehen  werden.  Auf  die  Frage,  was  sie  sei,  fehlt  die 
Antwort  nicht;  sie  ist  von  Marmor  (p.  334,  25:  arca  constiiuta  mar- 
morea.  363,  2S)  und  hohl  (p.  308,  25:  terminns  in  modum  arcellae 
covatus   Claudianus  dicitur;    ähnlich   p.  227,  5).     Die  Maasse   giebt 

1)  303,  12  fg.  Zu  lesen  ist  wohl  ixixta  sepulturam  sive  bitsttnn  (huxus  die 
Hclschr.^  sive  etiam  eitleres  (cineates  die  Hdschr./ 

2)  227,  14  vgl.  2,  163.  Die  Worte  p.  227,  5  gut  in  modum  arceUae  facti  sunt 
fei  Jen  im  Arcerianus  und  sind  Zusatz  der  jüngeren  Recension. 


480  Die  Interpolationen  des  gromatischen  Corpus. 

beispielsweise  das  Excerpt  aus  Faustus  und  Yalerius  p.  353,  6  = 
356,  21 :  30  Fuss  lang,  15  Fuss  breit,  7  Fuss  hoch,  also  3150  Fuss  im. 
Kubikinhalt,  womit  die  Zeichnung  (Fig.  288)  übereinstimmt.  Aber 
die  Zweckbestimmung  bleibt  fraglich.  Da  die  arca  sehr  häufig  in 
Verbindung  auftritt  mit  der  aqua  (z.  B.  305,  8:  ipsa  aqua  viva  in 
arca  trifinii  est;  ähnlich  314,  17.  320,  2)  oder  mit  dem  alveus  (312, 17: 
ipsa  arca  alveum  signißcat;  317,  33:  arca  super  ripa  alvei  constituta 
est;  319,  10:  sub  alveo  arca  constituta  est  pl[us'\  m[inus'\  ped.  C  de 
ripa  alvei),  auch  mit  dem /«mcr^m  (307,  1 9.  311,27.  319,20.  352,9), 
könnte  an  einen  Wasserbehälter  gedacht  werden;  aber  diese  Yer- 
bindung  ist  keineswegs  durchgehend  und  auch  die  quadratische 
Form,  welche  zum  Wesen  der  arca  gehört,  kann  unmöglich  als 
normale  der  Cisterne  hingestellt  werden.  Am  nächsten  liegt  es 
immer  bei  der  viereckigen  hohlen  Steinkiste  an  den  Sarkophag  zu 
denken,  der  ja  häufig  arca  heisst;  insbesondere  wenn  man  sich  an 
die  Sitte  der  Spätzeit  erinnert,  die  Todten  beizusetzen  in  mächtigen 
unter  freiem  Himmel  stehenden  Steinsärgen,  wie  Cassiodor  (var.  3, 19) 
die  für  die  cadavera  in  supernis  humata  in  Ravenna  angefertigten 
arcae  beschreibt  und  wie  sie  uns  der  Soldatenfriedhof  in  Concordia 
und  ähnliche  dalmatinische  Sarkophagfelder  ^  vor  Augen  führen. 
Dass  der  Grabstein,  in  diesem  Spätlatein  memoria,  zuweilen  mit  der 
arca  in  Yerbindung  gebracht  wird  (besonders  364,  28:  quia  arcas  — 
d.  i.  arcae  —  aliquotiens  circa  sepulchrum  sine  dubio  ponuntur  et 
super  ipsam  arcam  memoriae  constitutae  .  .  .  .  ut  in  ipsa  memoria 
consecraretur  arca  finalis,  vgl.  315,  27.  324,  2.  329,  7),  lässt  sich  mit 
der  Auffassung  der  arca  als  Sarkophag  wohl  vereinigen.  Hirschfeld 
290  erinnert  daran,  dass  die  Bezeichnung  arcella  ausser  bei  unseren 
Autoren  allein  auf  einer  dalmatinischen  Inschrift  (C.  I.  L.  HI.  5 
n.  9546)  sich  gefunden  hat  und  dass  die  dalmatinischen  Christen- 
gräber nicht  selten  in  eine  sonst  nicht  vorkommende  Yerbindung 
mit  der  piscina  gebracht  werden;  da  die  Compilation  in  Dalmatien 
gemacht  zu  sein  scheint  (S.  276  [467  f.]),  so  bieten  sich  hier  allerdings 
nach  mehreren  Seiten  Anknüpfungspunkte.  Aber  andrerseits  passen 
zu  der  Auffassung  der  arca  als  Sarkophag  die  oben  angegebenen 
Maasse  keineswegs,  und  vor  allem  bleibt  es  unerklärt,  inwiefern  die 
arca  als  Sarkophag  zugleich  Grenzbezeichnung  sein  kann;  daran  aber 
ist  doch  kein  Zweifel.*)   Sie  heisst  arca  finalis  (241,  2.  363,  23.  364,  32) 

1)  Ich  sah  ein  solches  bei  Spalato  auf  der  Strasse  nach  Trau  (C.  I.  L.  III 
p.  305). 

*)  [Im  Thes.  1. 1.  s.  v.  arca  (vol.  II  p.  433,  68)  wird  noch  citiert:  Lex  Vis. 
Reco.  10,  3,  3  quotienscumqm  de  terminis  fuerit  mia  contentio,  signa  quae  antiquitus 


Die  Interpolationen  des  gromatischen  Corpus.  481 

und  es  wird  die  arca  in  quadrißnio  unter  den  termhii  aufgeführt 
(341,16),  auch  sonst  das  quadrißnium  (310,15.  311,27.  312,8.  16. 
352,  10)  wie  das  trißnkim  (325,  9:  arca  in  monticeUo  posita,  cui 
[d.  h.  in  quo]  casales  [=  Dörfer]  conveniunt;  ideo  arca  trißnium  signi- 
ficat  et  territoria  dividet;  313,8.  315,18.  352,13.  360,22)  durch  die 
arca  bezeichnete  Richtig  kann  dies  nicht  sein;  gegenüber  dem 
Schweigen  der  älteren  und  zuverlässigen  Zeugen  und  gegenüber 
dem  Fehlen  aller  monumentalen  Belege  ^  erscheint  die  Bezeichnung 
der  Trifinien  und  Quadrifinien  durch  Sarkophage  ebenso  widersinnig 
wie  das  Schreiben  des  Kaisers  Tiberius  an  Octavian  und  dessen 
Collegen  im  Triumvirat.  Mir  gilt  die  arca  ßnalis,  wie  die  verrückte 
Schematisirung  der  Ebenen  und  der  Gebirge  nach  dem  lateinischen 
und  dem  griechischen  Alphabet,  als  dreiste  Erfindung  nicht  eines 
Feldmessers,  sondern  eines  Schulmeisters,  welchem  die  Sarkophage 
der  Gräberfelder  im  Sinne  lagen  und  dem  es  beliebte  in  die  Plan- 
skizzen für  seine  Schulübungen  dergleichen  Kasten  einzuzeichnen, 
unmöglich  in  der  realen  Feldmesserei,  aber  wohl  geeignet  in  dem 
verfallenden  Unterricht  dieser  traurigen  Jahrhunderte  mitzuwirken 
bei  der  Yerdummung  der  Jugend.  Da  die  zufälligen  Grenzmarken 
dem  ager  arcißnins  eigen  sind  und  die  späteren  Schulmeister  die 
arca  sprachlich  mit  diesem  verknüpfen  (367,  4 :  arcam  ab  arcendo 
vocatam,  fines  enim  agri  custodit  eosque  adire  prohihet:  trißnium  291 
dictum  eo  quod  trium  possessionum  fines  attinget,  hinc  et  qtiadrifinium, 
quod  quattuor),  so  mag  die  Lucubration  des  Stubengelehrten  darauf 
verfallen  sein  die  Knickpunkte  der  arcifinischen  Termination  häufig 
durch  eine  arca  zu  illustriren.  Die  viereckige  Form  passte  zu  dem 
quadrißnium;  bei  der  arca  am  trißnium  mag  man  sich  vorgestellt 
haben  entweder,  dass  die  eine  Seite  unbenutzt  blieb  oder  dass  die 
arca  selbst  hier  dreieckig  geformt  war  (vgl.  306,  16). 

Das  trißnium  und  das  quadrißnium  kennt  die  gute  gromatische 
Litteratur  natürlich  sowohl  in  Beziehung  auf  die  nachbarlichen  Sacra* 


constituta  sunt,  obportet  inqttiri,  id  est  aggeres  terre  sive  arcas,  quas  propter  fines 
fundorum  antiquittis  apparuerit  fuisse  coniectas  adque  ccmstructas.] 

1)  Dies  hat  Rudorflf  2,  264  richtig  erkannt,  aber  irrig  die  arca  auf  das 
(ntadrifinium,  die  arcella  auf  das  irifinitim  bezogen. 

2)  Den  quadratischen  Kern,  der  sich  kürzlich  in  den  sogenannten  Begleit- 
hägeln  am  obergermanischen  Limes  herausgestellt  hat,  könnte  man  mit  einigem 
guten  Willen  wohl  arca  nennen;  aber  an  ihn  kann  schon  darum  nicht  gedacht 
■<?erden,  weil  er  zugeschüttet  ward  und  die  Anlage  dem  Auge  sich  als  Rund- 
hügel darstellt. 

3)  Siculus  p.  141,  18.     Agennius  p.  88,  14.    Vgl.  3,  4  =  110,  11. 

MOMMSES,   SCHR.  VII.  31 


482  Die  Interpolationen  des  gromatischen  Corpus. 

wie  auch  bei  Grenzstreitigkeiten  i;  aber  sie  werden  nur  beiläufig 
erwähnt,  da  die  Limitationsordnung  gar  nichts  mit  ihnen  zu  schaffen 
hat  und  auch  die  Termination,  so  viel  wir  wissen,  keine  besonderen 
Zeichen  und  Regeln  für  die  Fälle  aufstellt,  wo  der  Markstein  mehr 
als  zwei  Besitzungen  scheidet.  In  der  jüngeren  Sammlung  hat  sich 
nicht  der  Begriff  verschoben  2,  aber  wohl  die  Handhabung.  Die 
erste  der  Theodosius  II.  untergeschobenen  Constitutionen  spricht  dem 
Mensor,  si  fundo^  cui  finem  restituens  in  trifinii  rationem  institerit 
et  convenientiam  trium  ccnturiarum  ibidem  esse  signaverif,  ein  Honorar 
von  drei  Goldstücken  zu,  und  dem  entsprechend  finden  sich  die 
trifinia  und  quadrifinia,  welche  in  der  älteren  Recension,  abgesehen 
von  den  casae  (327,  25.  328,  31.  329,  10.  330,  7),  gar  keine  Rolle 
spielen,  in  der  jüngeren  vielfach  und  zwar  in  dem  Über  coloniarum  II 
einmal  p.  252,  16  =  308,  26,  in  den  casae  an  unzähligen  Stellen 
und  nicht  minder  häufig  in  allen  Excerpten  aus  den  angeblichen 
gromatischen  Digesten*.  Die  Yorstellung  dabei  ist  überwiegend 
wohl  die  eines  auf  drei,  resp.  vier  Seiten  markirten  Grenzsteines: 
Latinus  p.  306,  16:  terminus  si  in  tres  acies  constitutus  fuerit,  tres 

lineas  auctoris  ostendit;  si  in  quattuor  acies,  quadrifinium  facit. 
292       Gaius  p.  307,  7:    terminus   si  una(m)  acie(m)   reproba(m)  habuerit, 

hoc  est  non  aequalem  aciem,  .  .  .  ponitur  aliquando  in  trifmium, 

in  quadrifinium  autem  ...  non  ponitur  nisi  solidus  lapis.    Ygl. 

344,  13. 
Aber  es  kommt  auch  Bezeichnung  durch  drei,  resp.  vier  Steine  vor: 
Faustus  und  Yalerius  308,  25  (ähnlich  227,5):  terminus  in  modum 

arcellae  cavatus  Claudianus  dicitur  .  .  .  et  si   tres  fuerint,  tri- 

finium  faciunt. 
Gaius  a.  a.  O.:  et  quattuor  lapides  in  quadrifinium  constituimus. 
Bei  mancherlei  recht  wunderlichen  Einzelheiten,  zum  Beispiel  der 
festen  Normirung  der  Intervalle  theils  zwischen  Trifinien,  theils 
zwischen  Quadrifinien  p.  343,  23.  345,  24,  verweile  ich  um  so  weniger, 
als  diesen  Ansetzungen  wohl  grösstentheils  gar  keine  greifbaren  Vor- 
stellungen zu  Grunde  liegen  und  sie  vielfach  den  Eindruck  sinnlosen 
Wortgeklingels  machen. 

1)  Frontinus  p.  10,  3  mit  dem  Commentar  p.  10,  9  =  39,  18  =  70,  18. 

2)  Pseudo-Theodosius  p.  273,  4.     Dolabella  p.  302,  20.    Anonymus  p.  367,  5. 

3)  So,  nicht  fundi  der  Palatinus. 

4)  Die  Stellen  hier  und  weiterhin  sind  im  Index  der  Ausgabe  verzeichnet. 


LIII. 

Zu  Dictys.*) 

Bekanntlich  wird  darüber  gestritten,  ob  die  der  Vorrede  zufolge  3S3 
von  einem  gewissen  L.  Septimius  aus  dem  griechischen  Original  des 
Dictys  von  Kreta  übei-setzte  sogenannte  Geschichte  des  trojanischen 
Krieges  nicht  vielmehr  ursprünglich  lateinisch  abgefasst  sei.  Es  liegt 
mir  fern,  diese  Controverse  zu  erörtern:  ich  möchte  nur  auf  ein 
Moment  aufmerksam  machen,  das  dafür  in  Betracht  kommen  dürfte, 
vielleicht  aber  bisher  noch  nicht  in  Betracht  gezogen  worden  ist. 

unter  den  von  Jordanis  oder  vielmehr  von  seiner  Vorlage,  von 
Cassiodorius,  für  die  Getica  benutzten  Quellen  befindet  sich  auch  die 
Schrift  des  Dictys,  dem  augenscheinlich  die  Geschichte  des  'Kaisers 
von  Moesien*  Telephus  im  neunten  Capitel  entlehnt  ist.**)  Dabei 
begegnen  aber  zwei  Abweichungen  in  der  abgeleiteten  Darstellung 
von  der  des  Originals,  die  Fehler  des  letzteren  berichtigen  oder 
Lücken  ergänzen.  Telephos  Gemahlin  Astyoche  heisst  bei  Dictys  2,  5 
des  Priamos  Tochter,  dagegen  bei  Jordanis  des  Priamos  Schwester; 
die  letztere  Angabe  kehrt  wieder  bei  Quintus  von  Smyrna  6,  135, 
Servius  zu  Vergils  ecl.  6,  72  und  sonst;  und  nur  so  konnte  die  Fabel 
erzählen,  da  sie  ja  den  Sohn  des  Telephos  und  der  Ast\oche  Eury- 
pylos  zum  Bräutigam  der  Tochter  des  Priamos  Kassandra  macht. 
Wenn  dann  weiter  der  Kampf  des  Telephos  gegen  die  griechischen 
Helden  Aias  und  Odysseus  berichtet  wird,  so  lässt  Jordanis  jenen 
im  Rebengelände  mit  dem  Pferd  stürzen  und  also  von  Achilles  am 
Schenkel  die  Wunde  empfangen:  dum  Aiacem  infestus  invadit  Ulixem- 
que  persequitur,   vitibus  equo  cadente  ipse  corruit  Achillisque   iactdo 


*)  [Hermes  10.  1876,  S.  383  — 384;  Mommsens  Annahme  eines  griechischen 
Originals  ist  jetzt  durch  einen  Papjmisfand  bestätigt  worden:  The  Tebtnnis 
Papyri,  II,  London  1907  S.  9  flf.] 

**)  [Vgl.  Mommsens  Anmerkungen  in  seiner  Ausgabe  des  Jordanis  (1882) 
S.  70  f.] 

31* 


484  Zu  Dictys. 

femur  sauciafus  diu  mederi  nequivit,  genau  wie  Eustathios  das 
Märchen  erzählt:  (zur  II.  1,  59):  6  di]  TrjkEcpog  .  .  .  nsnov&E  juev  igav/ua 
öeivöv  vnb  'ÄyiXXewg  äjUTteXov  eXixi  ovjujiodiod'evrog  avxcb  rov  i'jijiov. 
384  Dictys  2,  3  stimmt  fast  wörtlich:  Telephus  .  .  .  infestus  aciem  invadii 
atque  .  .  .  cum  obstinate  Ulixem  inter  vineas  quae  ei  loco  adiundae 
erant  insequerefur,  praepedifus  trunco  vitis  mit.  id  uhi  Achilles  procul 
animadvertit,  telum  iaculatus  femur  sinistrum  regi  transfigit;  aber  von 
dem  Stürzen  des  Rosses  weiss  er  nichts,  und  es  scheint  dieser  Zug 
der  älteren  Erzählung  fremd  zu  sein.  Von  Cassiodorius  erfunden 
aber  ist  er  nicht,  da  er  in  griechischen  Fassungen  wiederkehrt. 

Sollte  es  hiedurch,  besonders  durch  die  erste  Stelle,  nicht  wahr- 
scheinlich werden,  dass  Cassiodor  eine  reinere  Quelle  benutzt  hat 
als  die  uns  vorliegende  Schrift,  das  heisst  deren  griechisches  Original? 
Die  Uebereinstimmung  im  Wortlaut  ist  zwar  ziemlich  eng  (z.  B. 
Dictys  2,  4 :  Hercule  genitus  procerus  corpore  ac  pollens  viribus  divinis 
patriis  virtutibus  proprium  gloriam  aequiparaverat;  Jordanis:  Telephus 

Herculis  fdius procerus  quidem  corpore,  sed  plus  vigore  terri- 

bilis,  qui  paternam  fortitiidinem  propriis  virtutibus  aequans),  aber 
doch  nicht  von  der  Art,  dass  die  Aehnlichkeit  nicht  auch  durch  die 
Gleichheit  des  griechischen  Originals  sich  erklären  Hesse.  —  Dass 
Cassiodorius,  wie  den  Dio  und  den  Dexippos,  so  auch  den  griechi- 
schen Dictys  benutzt  haben  kann,  wird  keinen  Widerspruch  finden.*) 


*)  [Zustimmend  E.  Rohde,  Rhein.  Mus.  38,  1883,  S.  303  =  kl.  Sehr.  1  S.  349 
A.  2;  mit  Unrecht  ablehnend  H.  Haupt,  Philol.  43,  1884,  S.  546.] 


LIV. 
Carmen  codicis  Parisini  8084.*) 

Carminis  quod  legitur  in  codice  Parisino  Lat.  S0S4  postquam  350 
versus  quosdam  protulerunt  a.  1620  Salmasius^  et  a.  1757  Tassin  et 
Toustain  Maurini'^,  totum  nuper  edidit  primus  Leopoldus  Delisle^, 
denuo  recognovit  ad  ipsum  codicem  Carolus  Morel*,  repetivit  inde 
Alexander  Riese  in  anthologia  Latina^  egeruntque  de  eo  praeter 
Morelium,  qui  diligentissimo  et  utilissimo  commentario  editionem 
omavit,  Italus  Johannes  Baptista  Rossius®  et  Anglus  R.  Ellis'.  quo 
carmine  non  minus  pio  et  Christiano  quam  inepto  et  barbaro  cum 
nihilominus  rerum  Romanarum  aetatis  labentis  neque  vulgarium  nee 
minimarum  notitiam  contineri  intellexissem,  leetionem  autem  a  duobus 
viris  supra  laudatis  diligenter  quidem  exeeptam  esse,  sed  tamen  non 
ita  satisfacere,  ut  detritarum  et  multis  locis  perforatarum  membra- 
narum  iterata  inspectio  supervacanea  fore  videretur,    familiari  meo 

*)  [Hermes  4,  1870,  S.  350  — 364.  Das  Gedicht  ist,  seitdem  Mommsen  die 
Aufmerksamkeit  darauf  gelenkt  hatte,  oft  besprochen  worden.  Die  Literatur 
hat  M.  Schanz,  Gesch.  d.  röm.  Lit.  IV  1,  1904,  S.  200  f.  zusammengestellt.] 

1)  Scilicet  in  adnotatione  ad  vitam  Caracallae  c.  9  et  ad  Elagabali  c.  7 
edidit  v.  57—62  (inde  Burmann  anth.  1,  57;  Meyer  anth.  n.  605)  et  v.  106—109 
(inde  Burmann  1,  58;  Meyer  n.  606).  [Die  von  Salmasius  genommene  Abschrift 
fend  Baehrens  in  dem  cod.  Paris.  17904  wieder:  vgl.  Rhein.  Mus.  32, 1877,  S.  212.] 

2)  Nouveau  traue  de  diplomatique  vol.  III  p.  156  tab.  43  n.  1.  ibi  leguntur 
aere  expressi  v.  1 — 4. 

3)  Bibliotheqiie  de  Veeöle  des  diartes.  Serie  6.  Tom.  3  (1867)  p.  297  seq. 
principium  idem  edidit  in  actis  menstruis  academiae  Berolinensis  a.  1867  p.  526. 

4)  Bevne  arcMologique  1868  m.  lun.  et  lul.  =  recherches  sur  un  poeme 
latin  du  IV^  siede.  Parisiis  1868.  8.  pp.  23.  adde  eiusdem  observationes  Sevue 
aitique  d'histoire  et  de  litterature  a.  1869  p.  300  seq. 

5)  Fase.  1  p.  13  seq.  [20  seq.  ed.  2]  cf.  praef.  p.  XI. 

6)  BtiUettino  di  archeologia  cristiana  1868  p.  49—58.  61  —  75.  Rossias 
codicem  quoque  inspexit  et  quaedam  inde  emendavit. 

7)  Journal  of  philology  vol.  2  p.  66—80. 


486  Carmen  codicis  Parisini  8084. 

Paulo  Kruegero,  nuper  antequam  Parisios  proficisceretur  officiose 
adeunti  me  quaerentique ,  si  quid  vellem  ibi  mihi  curari,  respondi 
gratam  rem  eum  mihi  facturum  esse,  si  breve  Carmen  denuo  recog- 
nosceret.  quod  ille  cum  suscepisset,  paullo  post  praestitit  quaeque 
accepta  recognitione  eius  dubia  mihi  subnata  essent,  codice  resumpto 
orania  solvit.  hac  autem  recognitione  quid  effectum  sit,  quot  locis 
351  errores  emendati  sint  et  hiatus  expleti,  intellegent  qui  hanc  carminis 
recensionem  cum  antea  editis  component.  nos  satis  habuimus  veram 
et  plenam  lectionem  repraesentasse  suppressis  mendis,  quarum  com- 
memoratio  non  solum  utilitatem  nullam  habitura  fuisset,  postquam 
quae  posuerunt  priores  omnia  in  re  praesenti  examine  instituto  aut 
comprobata  sunt  aut  reiecta,  sed  etiam  nisi  re  certe  specie  in  exagi- 
tationem  abiisset  optimorum  peritissimorumque  virorum,  qui  si  qua 
erraverunt,  indignabuntur  fortasse  imperiti  et  tirones,  at  facile  excu- 
sabunt,  qui  quam  arduum  sit  in  tali  re  non  errare  longo  usu  didi- 
cerunt. 

Nactus  itaque  plenam  et  certam  codicis  notitiam  Carmen  vel  sie 
difficillimum  (nam  et  multis  locis  librarius  peccavit  et  poeta  ipse 
sensus  imperfecte  et  implicate  expressit  saepissimeque  ad  res  alludit 
quotidianis  suae  aetatis  sermonibus  magis  quam  rerum  notitia  cele- 
bratas  hodieque  plane  obscuratas)  cum  intellegerem  a  me  satis  per- 
poliri  et  emendari  non  posse,  Kruegeri  schedas  tradidi  Mauricio 
Hauptio,  qui  cum  eiusdem  generis  multa  insperato  sanaverit,  insana- 
bilibus  quoque,  ut  fieri  solet,  et  paene  desperatis  opem  ferro  posse 
creditur,  is  Carmen  ita  ut  infra  scriptum  est  constituit.  deprecatur 
tamen,  ne  putetur  aut  opinionibus  suis  probabilitatem  attribuere 
eandem  omnibus  aut  tutam  existimare  emendationem  carminis  non 
librariorum  tantum,  sed  ipsius  etiam  auctoris  culpa  obscuri  quodque 
poetam  referat  ineptum  sententiis,  sermone  rüdem,  versuum  facien- 
dorum  syllabarumque  metiendarum  imperitum.  sed  ut  dubia  rema- 
neant  non  pauca  et,  ut  fit,  ea  praesertim,  quae  propter  rerum  notitiam 
maxime  volles  elucidata,  tamen  etiam  hoc  nomine  aliquantura  pro- 
fectum  esse  hac  quam  edimus  recensione  intellegent  eruditi.  qui  ut 
libenter  legent  carmen  nisi  bonum,  certe  memorabile  et  quod  nunc 
demum  ita  prodeat,  ut  non  continuo  offendas,  ita  fortasse  quaerent, 
qui  fiat,  ut  a  me  potissimum  id  accipiant,  cuius  nullum  in  ea  re 
meritum  est  nisi  fortasse  suasoris.  nam  rerum  explicationem  in 
summa  re  praecepit  Morelius  auxitque  Rossius,  qui  quae  posuerunt, 
paucis  exceptis  mihi  quoque  probantur;  minora  autem  persequi  sin- 
gillatim  nee  placet  nee  mei  officii  est,  qui  ab  Isiacis  similibusque 
tarn  abhorream   quam    liceat    epigraphicae    rei    studioso,     habebunt 


Carmen  codicis  Parisini  8084.  487 

igitur  qui  haec  percurrent  lectionem  Kruegeri,  recognitionem  Hauptii, 
interpretationem  Morelii,  quarum  omnium  mihi  non  restat  nisi  prae- 
conium.  sed  quoniam  amici  ita  voluerunt,  raalui  morem  iis  gerere 
et  officio  isto  minirae  splendido  fungi,  quam  bona  litterarum  sub- 
sidia  aut  perire  sinere  aut  certe  latere. 

Sequitur  codicis  descriptio  Pauli  Kruegeri.  352 

„Conrinet  codex  olim  Puteanus,  nunc  Parisiensis  Lat.  S084  car- 
mina  Aurelii  Prudentii  Clementis  scripta  litteris  quadratis  simillimis 
eis,  quibus  Plautus  Ambrosianus  et  Vergilius  Laurentianus  exarati 
sunt,  initio  carminum  in  margine  metrum  adnotatur  litteris  semi- 
uncialibus  inclinatis  ita  nitidis.  ut  hominis  non  cuiusvis,  sed  eins  qui 
scribendi  arti  se  dederit  esse  videantur.  eadem  ut  videtur  manus 
in  fine  Cathemerinon  folio  45  recto,  quod  scriptura  paene  vacat,  in 
media  pagina  haec  scripsit  edita  primum  a  Maurinis^: 

t    UETTIUS   AGORIÜS    BASILIUS 

Tres  primae  litterae  quamquam  incertae  sunt,  tamen  satis  intelle- 
gitur  et  probe  intellexit  Delislius  nominari  hie  Mavortium  consulem 
a.  p.  Chr.  527  notum  cum  aliunde  tum  ex  subscriptione  librorum 
Horatianorum  2 : 

UETTIUS  AGORIUS  BASILIUS  MAUORTIUS  U.  C.  ET  IXL.  EX  COM.  DOM. 
EX  COXS.  ORD.  LEGI  ET  UT  POTÜl  EMENDAUI  COXFEREXTE  MIHI 
MAGISTRO    FELICE    ORATORE    URBIS    ROMAE 

utrum  autem  Mavortius  ipse  ita  simpliciter  nomen  suum  ac  ne  id 
quidem  integrum  carminibus  Prudentianis  subscripserit,  quod  visum 
est  Delislio,  an  librarius  subscriptionem  imperfecte  repetiverit^,  certo 
diiudicari    non    potest.     codicem    autem    saeculo    sexto    recentiorem 

1)  L.  c.  tab.  46  n.  2  cf.  p.  208. 

2)  Cf.  Jahn  in  actis  soc.  Saxonicae  1851 ,  363  et  Rossi  inscr.  ehr.  I  p.  460. 
[Lommatzsch,  Z.  f.  vergl.  Litt. -Gesch.  15,  S.  177.] 

3)  Mihi  opinio  haec  sola  probatur.  nam  in  ipso  libro  Parisino  nullo  tem- 
pore subscriptio  ea  de  qua  agitur  plenior  fuit  quam  adhuc  cemitur,  nee  potuit 
Mavortius  ita  libro  subscribere,  ut  nomina  secundaria  poneret  primario  omisso. 
quare  qui  autographum  eins  ibi  agnoscunt,  iis  eo  coulugiendum  est,  ut  Mavor- 
tius inter  scribendum  interpellatus  nomen  non  perscripserit ;  quae  defensio  quam 
sit  infirma,  apparet.  immo  librarius  aliquis  nactus  exemplum  Prudentii  a  Mavor- 
tio  recognitum  cum  ipsius  subscriptione  vetustate  maiore  ex  parte  abolita  quod 
inde  dispicere  posset  in  librum  hodie  Parisinum  rettulit.  unde  hunc  intellegimus 
recognitum  esse  post  annum  p.  Chr.  527.  quod  autem  posuit  Delislius  probavit- 
que  Rossius  codicem  Parisinum  scriptum  esse  auctore  vivo,  id  est  saeculo  quarto, 
non  perspicio  quomodo  inde  eflfecerint  sit  sane  saeculi  quarti,  quoniam  in  hac 
parte  palaeographiae  probationibus  deficientibus  quisquis  pro  lubitu  asseveratione 
uti  solet;  sed  quid  ad  eam  rem,  quod  adnotatus  est  aut  saeculo  lustiniano  aut 
post  id  saeculum?     TH.  M, 


488  Carmen  codicis  Parisini  8084. 

esse  veri  simile  non  est:  mirorque  praeter  Nicolaum  Heinsium  nemi- 
nem  editorum  hunc   librum   omnium  Prudentianorum   qui   supersunt 
veterrimum  atque  Optimum  excussisse  ^. 
354  „Constat  ex  viginti   compagibus,    quae    quamquam   numerantur 

tripertito,  ut  f.  1 — 44  quaternionibus  comprehendantur  T — VI,  f.  45 — 
123  quaternionibus  I — X,  f.  124 — 155  quaternionibus  I — IUI,  tamen 
cum  carmina  tam  a  f.  44'  ad  f.  45  quam  a  f.  123'  ad  f.  124  continuen- 
tur,  non  tres  sunt  Codices  in  idem  volumen  compacti,  sed  placuit 
librario  quaterniones  non  continuo  ordine  numerare. 

„Continet  codex  hymnos  cathemerinon,  apotheosin,  hamartigeniam, 
psychomachiam ,  hymnos  quinque  peristephanon  deficitque  in  v.  142 
hymni  quinti. 

„Sequuntur  tria  folia  eiusdem  membranae  eiusdemque  formae, 
scripturae  tamen  prorsus  diversae,  quae  utrum  ab  initio  an  postea 
Prudentio  adiecta  sint  dici  nequit.  Carmen  quod  sine  ulla  inscriptione 
in  iis  exstat,  scriptum  est  litteris  semiuncialibus  elegantissimis,  quae 
non  multum  differunt  ab  iis  quas  videmus  in  fragmento  Veronensi 
de  iure  fisci  et  Neapolitaiio  digestorum  ^.  paginae  quinque  primae 
vicenos  singulos  versus  habent"*,  sexta  cum  non  tota  scripta  sit, 
tantummodo  septendecim.  compendia  scripturae  non  occurrunt  nisi 
duo:  u.  71  BACGHiQ-  et  v.  78  xpigolas.  in  fine  versuum  bis  ligaturis 
usus  est  librarius  (v.  106  m  ae,  v.  118  in  us);  ubi  necesse  fuit  litteris 
minutis  versum  explevit. 

„Primum  folium  integrum,  secundi  recta,  tertii  versa  pagina 
facillime  leguntur:  in  secundi  autem  versa  et  tertii  recta  (f.  157'*. 
158*)  litterae  partim  exesae  partim  evanidae  eo  difficilius  distin- 
guuntur,  quod  alterius  paginae  scriptura  perlucet.  quam  difficultatem 
ita  evitavi,  ut  inclinato  ad  oculos  libro  non  tam  atramenti  reliquias 
investigarem  quam  sequerer  ductus  litterarum,  qui  etiam  ubi  atra- 
mentum  decidit,  coloris  diversitate  membrana  ibi  ofFuscata  a  reliqua 
superficie  distinguuntur.  ita  factum  est,  ut  exceptis  paucis  litteris  quae 
membrana  perforata  perierunt,  iam  nuUa  supersit,  de  qua  non  constet". 

Hactenus  Kruegerus.  ipsum  Carmen  Hauptius  sie  constituit,  ut 
quid  in  codice  dispici  possit  accurate  ubique  aut  in  ipsis  versibus 
scriptum  aut  infra  adnotatum  sit.*) 

1)  Quod  V.  d.  Dressel  (praef.  p.  XXIV)  monet  omnes  quos  viderit  Codices 
Vetüstos  et  variis  lectionibus  et  glossis  instructos  esse,  in  Puteanum  non  quadrat. 
Cf.  eundem  p.  XXXVIII. 

2)  Specimen  scripturae  dederunt  Maurini  (v.  p.  350  not.  2  [485,  2]). 

3)  Prudentii  über  in  singulis  paginis  habet  versus  vicenos. 

*)  [Beiträge   zur  Kritik  seit  der  vorliegenden  Ausgabe  verzeichnet  Schanz 


Carmen  codicis  Parisini  8084.  489 

Dicite  qui  Colitis  lucos  antnimque  Sibyllae  156*  354 

Idaeumque  nemus,  Capitolia  celsa  Tonantis, 

Palladium  Priamique  Lares  Yestaeque  sacellum 

incestosque  deos,  nuptam  cum  fratre  sororem. 

inmitem  puerum.  Yeneris  monumenta  nefandae, 

purpurea  quos  sola  facit  praetexta  sacratos, 

quis  numquam  uerum  Phoebi  cortina  locuta  est, 

Etruscus  ludit  semper  quos  uanus  aruspex, 

luppiter  hie  uester,  Ledae  superatus  amore, 

fingeret  ut  cycnum  uoluit  canescere  pluma? 

perditus  ad  Danaen  flueret  subito  aureus  imber? 

per  freta  Parthenopes  taurus  mugiret  adulter? 

haec  sie  monstra  placent  nulla  sacrata  pudica? 

pellitur  arma  louis  fugiens  regnator  Olympi. 

et  quisquam  supplex  ueneratur  templa  tyranni, 

cum  patrem  uideat  nato  cogente  fugatum? 

postremum,  regitur  fato  si  luppiter  ipse, 

quid  prodest  miseris  perituras  fundere  uoces? 

plangitur  in  templis  iuuenis  formonsus  Adonis, 

nuda  Venus  deflet,  gaudet  Mauortius  heros, 

luppiter  in  medium  nescit  finire  querellas 

iurgantesque  deos  stimulat  Bellona  flagello.  156'^ 

conuenit  bis  ducibus  proceres  sperare  salutem 

sacratis?  uestras  liceat  conponere  lites? 

dicite,  praefectus  uester  quid  profuit  urbi, 

quem  louis  ad  solium  raptum  tractatus  abisset, 


a.  a.  0.  (Dazu  kommen  noch  üseners  Bemerkungen  im  Anecdotön  Holderi,  Bonn 
1877,  S.  36.)  8ie  sind  hier  nur  berücksichtigt  worden,  insoweit  sie  thatsächliche 
Versehen  berichtigt  haben.  Die  Nachweise  von  Imitationen  älterer  Dichter 
sind  sehr  vervollständigt  worden  u.  a.  von  M.  Ihm,  Rhein.  Mus.  52,  1897,  S.  209f. 
Eünen  ausführlichen  Kommentar  gibt  Seefelder  im  Programm  des  Realgymn.  in 
Gmünd  1901.] 

C  codex  Parisimcs  8084.  qiiae  nullo  auctore  menwrato  coirecta  sunt  debentur 
'flleraque  Delislio.  |  1.  sybillae  C.  \  2.  ideumque  C.  Aen.  III  112  Idaeumque  nemos.  | 
f>.  nefandae  Haupt:  nefanda  C.  Aen.  VI  26  Veneris  monumenta  nefandae.  ] 
"  nimm  C.  |  curtina  C.  Aen.  VI  347  Phoebi  cortina.  ]  10.  cycynum  C.  |  11.  danain 
O.  1  12.  parthenopis  C.  \  mugire*  C.  \  13.  sie  Haupt:  si  C.  |  nullo  sacrata  pudere 
■Riese.  I  16.  sogente  C.  |  19.  Bue.  X  18  formosus  —  Adonis.  |  22.  Aen.  VIII  703 
Bellona  flagello.  |  24.  Buc.  III  108  conponere  lites.  [Das  2'«  Fragezeichen  hinzu- 
(,efügt  von  J.  MaeMy,  Z.  f.  d.  ösfr.  Gymn.  18T1  S.  585.]  \  25,  urbii  C.  |  26.  quom 
l3uis  ad  solium  raptum  trabeatus  adisset  Haupt,  et  trabeatus  tarn  Morel,  quom 
Ijuis  ad  solium  raptim  tractatus  abisset  EUis.  qui  louis  ad  solium  raptus  trac- 
titua  abisset  de  Rossi.  Aen.  XII  849  louis  ad  solium. 


490  Carmen  codicis  Parisini  8084. 

cum  poenas  scelerum  tracta  uix  morte  rependat? 
mensibus  iste  tribus  totum  qui  concitus  orbem 
355  lustrauit  metas  tandem  peruenit  ad  aeui. 

30     quae  fuit  haec  rabies  animi,  quae  insania  mentis? 
sed  louis  uestram  posset  turbare  quietem. 
quis  tibi  iustitium  incussit,  pulcerrima  Roma, 
ad  saga  confugerent,  populus  quae  non  habet  olim? 
sed  fuit  in  terris  nullus  sacratior  illo, 

35     quem  Numa  Pompilius,  e  multis  primus  aruspex, 
edocuit  uano  ritu  pecudumque  cruore 
polluit  (insanum)  bustis  putentibus  aras. 
non  ipse  est  uinum  patriae  qui  prodidit  olim 
antiquasque  domus,  turres  ac  teeta  priorum 

40     subuei'tens,  urbi  uellet  cum  inferre  ruinam, 
ornaret  lauro  postes,  conuiuia  daret, 
pollutos  panes,  infectos  ture  uaporö 
poneret,  in  risum  quaerens  quos  dederet  morti,       157^ 
collaribus  subito  membra  circumdare  suetus, 

45     fraude  noua  semper  miseros  profanare  paratus? 
sacratus  uester  urbi  quid  praestitit?  oro. 
qui  hierium  docuit  sub  terra  quaerere  solem; 
cum  sibi  forte  pirum  fossor  de  rure  dolasset, 
diceret  esse  deum  comitem  Bacchique  magistrum; 

50     Sarapidis  cultor,  Etruscis  semper  amicus, 
fundere  qui  incautis  studuit  concepta  uenena, 
mille  nocendi  uias,  totidem  conquireret  artes, 
perdere  quos  uoluit  percussit  luridus  anguis, 
contra  deum  uerum  frustra  bellare  paratus, 

55     qui  tacitus  semper  bigeret  tempora  pacis, 


27.  poena  C.  \  28.  totum  certo  C.  \  orbem  Mommsen:  urbem  C.  \  29.  lustrauis 
aetas  C.  Aen.  X  472  metasque  dati  peruenit  ad  aeui.  |  30.  qua  insania  G.  | 
31.  ioui  C:  nominatiuum  requiri  uidit  Morel.  |  36.  paecudumque  C.  \  37. 
polluere  Morel.  \  busti  C.  \  38.  uenum  patriam  Haupt:  tradita  uenum  castra 
Lucanus  IV  206.  |  39.  antiquaque  C.  \  turres  a  tecta  C.  |  41.  adiret  Ellis.  sed 
dedisse  conuiuia  ille  multo  hie  rectius  dieitur  quam  adiisse,  neque  mutanda  sunt 
in  hoc  carmine  quae  nulla  alia  re  quam  nunworum  uitio  displicent.  \  42.  infectous 
C.  I  43  quos  Haupt,  dederet  Belisle:  quodedere  C.  \  44.  collaribus  Haupt:  galla- 
ribus  C.  I  suetus  Haupt:  subitus  C.  |  47.  quid  G.  [  |  hibernum  Usener;  s.  u. 
S.  494*)]  ]  48.  pyrum  C.  |  49.  diceret  Ellis :  diceretque  C.  \  bhaccique  deleto  h 
post  b  C.  I  ministrum  Haupt,  Priapum  intellegens.  \  51.  concerta  G,  contrita 
Haupt,  ut  trita  uenena  saepius  dicuntur.  [concepta  erweist  Him  a.  a.  0.  211  als 
richtige  Eniendation  von  Delisle]  \  52.  conquereret  C.  \  53.  percuss''  C. 


CÄrmen  codicis  Parisiui  8084.  491 

nee  proprium  interius  posset  uulgare  dolorem? 

quis  tibi  taurobolus  uestem  mutare  suasit,  35g 

inflatus  diues  subito  mendicus  ut  esses. 

obsitus  et  pannis,  modiea  stipe  factus  epaeta, 

sub  terram  missus,  pollutus  sanguine  tauri, 

sordidus,  infectus,  uestes  seniare  cruentas, 

uiuere  cum  speras  uiginti  mundus  in  annis? 

abieras,  censor  meliorum  eaedere  uitam, 

hinc  tua  confisus  possent  quod  facta  latere,  157^ 

cum  canibus  Megales  semper  circumdatus  esses, 

quem  lasciua  cohors  (monstrum)  comitaret  ouantem. 

sexaginta  senex  annis  durauit  efebus, 

Saturni  cultor,  Bellonae  seraper  amicus, 

qui  cunctis  Faunosque  deos  persuaserat  esse 

Egeriae  nymphae  comites  Satyrosque  Panasque, 

nympharum  Bacchique  comes  Triuiaeque  sacerdos; 

quem  lustrare  choros  ac  molles  sumere  thyrsos, 

cymbala,  quae  inbuerat  quatere  Berecyntia  mater, 

quis  Galatea  potens  iussit  loue  prosata  summo, 

iudicio  Paridis  pulcrum  sortita  decorem? 

sacrato  liceat  nulli  seruare  pudorem, 

frangere  cum  uocem  soleant  Megalensibus  actis. 

christicolas  multos  uoluit  sie  perdere  demens, 

qui  uellent  sine  lege  mori,  donaret  honores 

oblitosque  sui  caperet  quos  daemonis  arte, 

muneribus  cupiens  quorundam  frangere  mentes 

aut  alios  facere  parua  mercede  profanes 


56.  nee  de  Eossi:  ne  C.  |  57—62  protiilit  Salmasius  in  Ijampridii  Hdiog. 
''  V.  I  59.  modicastepefactusepeta  C:  correxit  Morel.  |  60.  terra  C.  |  62.  annis, 
1011  annos,  C,  i  fere  certo,  s  non  plane  perspicuo.  j  63.  [ambieras  Usener}  \  eaedere 
Eüis:  cedere  C.  \  64.  facta  certo  C.  |  65.  Megales  semper  Morel:  magalis  semper 
0.  I  66.  lasciua  cohors  Haupt:  laciua  (u  incerto)  eorum  C.  [S.  Ihm  a.  a,  O.]  ] 
:oniitarecouantem  C:  correxit  Morel.  \  67.  efoebus  C.  \  68.  saturni,  solo  s  non  plane 
oenpicuo,  C.  \  bellonae  certo  C.  \  69.  quictis  faunosique  certo  C.  |  70.  egaeriae 
lynipae  C.  \  saturosque  poeuasque  C.  \  71.  bacehiq.  comae  triuaeque  C.  Petro- 
1««.',  quem  Morel  indicauit,  c.  133  nympharum  Bacchique  comes.  Aen.  VI  35 
Iriiiiaeque  sacerdos.  \  72.  quem,  non  cum,  C,  quantum  dispicitur.  \  lustrare  thorus 
10  moles  sumere  thyercos  C:  correxit  Riese.  Aen.  VII  390  molles  tibi  sumere 
thyrsos,  Te  lastrare  choro.  |  73.  cymbala  non  prorsus  certis  m  et  h  C.  \  quae 
Baupt:  quem  C.  [,nothicendig  'cymbala  quem  inbuerat'  etc."  C/sener]  |  berec'ntia 
^.  Aen.Yl  784  Berecyntia  mater.  |  75.  paridis  non  prorsus  certo  p  C.  \  78.  xpicolas 
-  I  30.  oblitusque  sui  C.  oblitosque  dei  Riese  \  demonis  C.  \  82.  aut  non  prorsus 
\erto  t  C. 


492  Carmen  codicis  Parisini  8084. 

357  mittereque  inferias  miseros  sub  Tartara  secum: 
;  soluere  qui  uoluit  pia  foedera  leges, 

85    Leucadium  fecit  fundos  curaret  Afrorum, 
perdere  Marcianum,  sibi  proconsul  ut  esset, 
quid  tibi  diua  Paphi  custos,  quid  pronuba  luno 
Saturnusque  senex  potuit  praestare  sacrato? 
quid  tibi  Neptuni  promisit  fuscina,  demens? 

90     reddere  quas  potuit  sortes  Tritonia  uirgo? 

die  mihi,  Sarapidis  templum  cur  nocte  petebas? 
quid  tibi  Mercurius  fallax  promisit  eunti? 
quid  prodest  coluisse  Lares  lanumque  bifrontem? 
quid  tibi  Terra  parens,  mater  formonsa  deorum, 

95     quid  tibi  sacrato  placuit  latrator  Anubis, 

quid  miseranda  Ceres,  subter  Proserpina  mater, 
quid  tibi  Vulcanus  claudus,  pede  debilis  uno? 
quis  te  plangentem  non  risit,  caluus  ad  aras 
sistriferam  Phariam  supplex  cum  forte  rogares 

100     cumque  Osirim  miserum  lugens  latrator  Anubis 
quaereret  inuentum  rursum  quem  perdere  posset, 
post  lacrimas  ramum  fractum  portaret  oliuae? 
uidimus  argento  facto  iuga  ferre  leones, 
lignea  cum  traherent  iuncti  stridentia  plaustra, 

105     dextra  laeuaque  istum  argentea  frena  tenere, 

egregios  proceres  currum  seruare  Cybebae,  15S'' 

quem  traheret  conducta  manus  Megalensibus  actis, 

358  arboris  excisae  truncum  portare  per  urbem, 
Attin  castratum  subito  praedicere  Solem. 

83.  niTTeRGü*  Ire  RIAS  C,  neque  littera  qicae  ante  f  non  satis  dispid 
potuit  N  fuisse  uidehatur  Kruegero.  tarnen  puto  scriptum  fuisse  fOlTTeRGQ. 
INFGRIAS.  I  84.  qui  Haupt:  quis,  minus  perspicuis  qui  litteris,  C.  \  uersus  refid 
potest  conplemento  eiusmodi,  sanctas,  pia  foedera,  leges.  |  86.  macianum  C.  |  ut 
esse,  tribus  postremis  litteris  non  satis  perspicuis,  perforata  post  ultimum  memhrana. 
C.  I  87.  diua  Paphi  Haupt:  uaphafus  C.  [Paphu  Baehrens]  \  luno  Biese:  foramim 
ahsumptum  in  C.  \  91.  pebas  C.  \  95.  Aen.  VIII  698  latrator  Anubis.  |  96.  niise- 
rande  caeris  subtes  C.  [miserande  (so  mit  G  Usener),  Ceres  mater,  Proserpiun 
subter  Maehly  a.  a.  0.  S.  589.]  |  97.  Aen.  V  271  debilis  uno.  Minucius  Felix,  qiwn 
Ellis  indicauit,  c.  22  5  Vulcanus,  claudus  deus  et  debilis.  |  99.  fariam  G.  \  100.  cumq 
o.ssyrim  C.  \  lugens  Mommsen:  lugis  G.  \  101.  perdere  posset  (posset  minoribm 
litteris)  G.  |  Minucius  Felix,  quem  de  Bossi  et  Ellis  indicarunt,  c.  22  1  mox  inuentc 
paruulo  gaudet  Isis,  exultant  sacerdotes,  cynocephalus  inuentor  gloriatur,  ne( 
desinunt  annis  Omnibus  vel  perdere  quod  inueniunt  vel  inuenire  quod  perdunt.  j 
105.  leuaque  situm  G.  \  106—109.  i)rotulit  Salmasius.  \  106.  aegregios  G.  \  cirilla'j 
C.  Cybellae  Salmasius.  |  107.  quem  incerto  e  C.  \  trahere  G.  |  108.  arboribus  C. 


Carmen  codicis  Parisini  8084.  493 

11(1     artibus  heu  magicis  procerum  dum  quaeris  honores, 
sie,  miserande,  iaces  paruo  donatus  sepulcro. 
sola  tarnen  gaudet  meretrix  te  consule  Flora, 
ludorum  turpis  genetrix  Yenerisque  magistra, 
conposuit  templum  nuper  cui  Symmachus  heres. 

115     omnia  quae  in  templis  positus  tot  monstra  colebas 
ipsa  mola  manibus  eoniunx  altaria  supplex 
dum  cumulat  donis  uotaque  in  limine  templi 
soluere  dis  deabusque  parat  superisque  minatur 
carminibus  magicis  cupiens  Acheronta  mouere, 

ijo     praecipitem  inferias  miserum  sub  Tartara  misit. 
desine  post  hydropem  talem  deflere  maritum, 
de  loue  qui  Latio  uoluit  sperare  salutem. 

Invehitur  poeta  in  sacratos  ^  vires  id  est  proceres  antiquae  reli- 
gionis  adversus  Christianam  sectam  Ultimos  vindices  quales  fuerunt 
Vettius  Agorius  Praetextatus  (f  cos.  des.  a.  385)  et  Aurelius  Sym- 
machus (cos.  a.  391)  et  Yirius  Nicomachus  Flavianus  (cos.  a.  394) 
principes  suae  aetatis  senatus  Romani  et  tarn  in  litteris  quam  in  re 
publica  clari.  nam  haec  ipsa  tempora,  quibus  ita  luctabantur  vetus- 
tarum  caerimoniarum  cultores  cum  ritu  extemo,  ut  iam  desperarent, 
cum  Universum  Carmen  clare  indicat  tum  inde  confirmatur  diserte, 
quod  V.  114  Symmachus  heres  aedem  Florae  dicitur  restituisse.  in- 
tellegitur  enim  omnino  aut  is,  quem  modo  nominavimus,  Q.  Aurelius 
Avianius  Symmachus  orator  consul  a.  391  aut  fihus  eius  Q.  Fabius 
Memmius  Symmachus  praef.  urbi  a.  419.  utrum  eorum  poeta  respiciat, 
ex  ipso  carmine  non  elucet;*)  nee  de  aedis  Florae,  eius  opinor 
quae  fuit  in  circo  2,  restitutione  facta  aetate  labente  quicquam  prae- 
terea  traditur.  —  Ut  ex  Symmachi  nomine  de  aetate  carminis  certa 

110.  heu  Biese:  seu  C.  \  quaeres  C.  |  111.  iacis  C.  \  114.  symmacus  C.  \ 
116.  molat  C.  Vergilius,  quem  EUis  indicauü,  Aen.  IV  517  ipsa  mola  manibusque 
piis  altaria  iuxta.  |  eoniunx  C.  \  117.  comulat  C.  |  limina  C.  |  118.  düs  C.  |  minatus, 
coAiunctis  us  litteris,  C.  |  119.  aceronta  C.  Aen.  VII  312  flectere  si  nequeo  superos, 
Acheronta,  mouebo.  i  121.  ydropem  C. 

1)  Eodem  vocabulo  notabile  est  tam  Praetextatum  quam  coniugem  eius 
insigniri  in  titulo  Donat.  72,  2  [C.  I.  L.  VI,  1779  =  Dessau  1259],  ubi  ille  dicitur 
sacratus  Libero  et  Eleusinüs,  haec  sacrata  Cereri  et  Eleusinüs,  sacrata  apud 
Eginam  Eecatae. 

*)  [Nach  Seeck,  Symmachus  praef.  p.  CXIX  war  es  der  Vater.] 

2)  Becker  top.  I,  472.  neque  enim  hac  excepta  certa  memoria  ullius  ad  nos 
peivenit  aedis  ei  numini  in  urbe  dedicatae.  [Vgl.  Wissowa,  Relig.  u.  Kultus 
d.  Rom.  S.  164.1 


494  Carmen  codicis  Parisini  8084. 

359  coniectura  capi  non  potest,  ita  multo  minus  certi  quicquam  coUigitur 
ex  eo,  quod  item  norainantur  ibi  v.  85  Leucadius  et  v.  86  Marcianus, 
quorum  hie  videtur  proconsul  fuisse  Africae,  ille  primum  rationalis 
in  Africa  ^,  deinde  in  supra  dictl  proconsulis  locum  substitutus.  Leu- 
cadius, praeses  nescio  cuius  provinciae  dioecesis  ut  videtur  Galliarum, 
quod  a  partibus  Gratiani  (f  383)  stetisset,  eo  interfecto  apud  Maxi- 
mum (383 — 388)  accusatus^  potest  idem  esse,  cum  praesertim  voca- 
bulum  infrequens  sit.  Mareiani  cum  plures  nominentur,  invenitur 
eadem  aetate  eius  nominis  vicarius  (Italiae  fortasse)  a.  384  ^,  is  ipse 
fortasse,  ad  quem  epistulas  complures  Symmachus  dedit*  quemque 
amico  commendat  ^  utpote  Optimum  virum,  sed  invidia  tyrannici 
temporis  involutum,  scilicet  aut  sub  Maximo  aut  sub  Eugenio.  — 
Denique  v.  47  coniecit  Rossius  induci  Hierium  aliquem  sub  terra 
Solem  quaerentem,  id  est  Mithrae  sacrificantem.  quae  coniectura 
de  loco  interpretationis  paene  desperatae  si  proba  est  nee  praefe- 
renda,  quam  equidem  praeferendam  esse  iudico,  Hauptii  interpretatio 
in  hierium  latere  leQsa,  illius  nominis  viri  praesto  sunt  orator  urbis 
Romae  saec.  lY  exeunte,  cui  Augustinus  adulescens  libros  quosdam 
inscripsit  ^,  item  vicarius  Africae  a.  395  '^  et  fortasse  ab  eo  non 
diversus  consul  Ordinarius  a  427.*)  hi  sunt  qui  in  carmine  nomi- 
nantur  nominarive  videntur. 

Sed  ut  ex  disquisitione  hac  de  nominatis  a  poeta  personis  non 
auferas  nisi  opinationem  ambiguam  et  parum  firmam,  ita  alia  profe- 
runtur  de  adversariorum  principe  quodam,  qui  cum  non  nominetur, 
quae  de  eo  enuntiantur  vel  certe  videntur  enuntiari  (nam  multa 
ambigua  sunt  nee  plane  certum  est  eundem  ubivis  significari),  haec 
sunt : 


1)  Verbis  Leticadium  fecit  fundos  curaret  Afrorum  innuitur  sine  dubio 
rationalis  rei  privatae  fundorum  domus  divinae  per  Africam  (Not.  dign.  occ. 
p.  53  [p.  155  Seeck]).  ceterum  quae  de  utroque  magistratu  significare  voluit 
poeta,  propter  infantiam  eius  parum  assequimur.  Rossius  comma  ita  cum  praece- 
dentibus  conectit  ut  Flavianus  arguatur  asseclarum  apostasiam  remunerasse 
magistratibus  in  eos  collatis;  quod  si  verum  est,  in  Leucadium  tantum  convenit, 
non  item  in  Marcianum. 

2)  Sulpicius  Severus  dial.  2  (3),  11,  8  Halm.    Monuit  de  eo  Morel. 

3)  C.  Tb.  9,  38,  7. 

4)  1.  8  ep.  9.  23.  53  [54].  58.  73.     [Vgl.  Seeck  p.  CXCIL] 

5)  1.  3  ep.  33. 

6)  Augustinus  conf.  4,  14.     Cf.  Suidas  s.  v.  Ua/ujigEJitog. 

7)  C.  Tb.  16,  2,  29. 

*)  [üseners  Emendation  hibernum  ist  von  Cumont,  Textes  et  nionuments 
...  de  Mitbra  II,  1896,  S.  52  als  ricbtig  anerkannt  worden.] 


Carmen  codicis  Parisini  8084.  495 

1.  Praefectus  dicitur  v.  25  fuenmtque  sub  eo  tarn  Roma  quam  360 
Africa  (v.  85.  86),  cuius  adeo  proconsulem  rautandum  curavit.     Fuit 
igitur  praefectus  praetorio  Italiae  Illyrici  Africae. 

2.  Consul  dicitur  v.  112,  quo  item  pertinet  traheati  epithetum 
V.  26  a  Morelio  felici  coniectura  recuperatum. 

3.  Motus  eo  tempore  fuit  in  Italia  tam  gravis,  ut  tumultu 
Romae  indicto  plebs  urbana  ad  arma  vocaretur^, 

4.  Cum  per  tres  menses  is  de  quo  agitur  in  itinere  bellove 
fuisset,  periit  morte  violenta  ( v.  26  seq.)  habuitque  parvum  sepulcnim 
(V.  111). 

5.  Heres  quod  dicitur  Symmachus  v.  114  quamquam  potest  ad 
aliam  quamlibet  hereditatem  referri,  tarnen  probabilius  est  heredem 
eum  dici  ipsius  illius  viri,  in  quem  toto  carmine  invehitur  poeta,  ut 
cum  bonis  etiam  impii  cultus  hereditatem  crevisse  insimuletur 2. 

Haec  omnia  conveniunt  in  Flavianum  eum,  quem  supra  nomi- 
navimus.*)  Primum  quae  ex  caede  Yalentiniani  II  (j  1 5.  Mai.  392) 
originem  cepit  seditio  Eugeniana  adversus  Theodosium  ita  gentilium 
motus  fuit  adversus  sectam  Christianam,  ut  paganorum  dux  et  prin- 
ceps  esset  non  Eugenius  imperator,  ipse  Christianae  fidei  addictus, 
sed  Flavianus^.      Quo  tetenderint    qui   turbas   eas  concitarant.    inter 

1)  Tumultus  indicendi  vetusta  consuetudo  accurate  enuntiatur  v.  32.  33: 
qiiis  tibi  iustitium  incussit,  pulcerrima  Roma,  ad  saga  confugerent,  poptdus  quae 
non  habet  ölim?  Cf.  Cicero  Philipp.  5,  12,  32:  rem  .  . .  confestim  gerendam  censeo: 
tumultum  deeerni,  iustitium  edici,  saga  sumi  dico  oportere.  item  adhibe  quae 
Victor  Caes.  40,  25  de  Constantino  Magno  scribit:  praetoriae  legiones  ac  subsidia 
factionibits  aptiora  quam  urbi  Romae  sublata  penütis,  simul  arma  aique  usus 
indumenti  militaris. 

2)  Conferendus  titulus  est  nuper  Romae  repertus,  quem  qui  edidit  Henzenus 
(Bullett.  1868  p.  90  [C.  I.  L.  VI,  754  =  Dessau  4269  =  C.  L.  E.  265  Bücheier]), 
demonstravit  scriptum  esse  inter  a.  fere  382  et  391,  ubi  Tamesius  Augentius 
Olympius  avi  exemplum  secutus  sumptibns  suis  antrum  Mithrae  restituisse  se 
praedieat  sie  finiens:  damna  piis  mdiora  hicro:  quis  ditior  illo  est,  qui  cum  caeJi- 
colis  parcus  bona  dividit  heres? 

*)  [Vgl.  über  ihn  Seeck,  Symmachus,  praef.  S.  CXII  ff.] 

3)  Rufinus  Aquileiensis  hist.  eccl.  2,  33:  pagani  ....  innovare  sacrificia  et 
JRomatn  funestis  victimis  cntentare,  inspicere  exta  peciidum  et  ex  fibrarum  prae- 
scientia  securam  Eiigenio  victoriam  nuntiare,  superstitiosius  haec  agente  et  cum  omni 
animositate  Flaviano  tuiic  praefecto,  cuius  adsertionibus  (magna  enim  erat  eius  in 
sapientia  praerogativa)  Eugenium  victorem  fore  pro  certo  praesumpserant.  Sozo- 
menus  hist.  eccl.  7,  22 :  weto  dk  (Eugenius)  tov  eniyeiQrmaTog  u.a<paX<ög  xQarijaeiv, 
vnayöfisvog  Xöyotg  ävdoco.-icov  sidsvat  ro  fisJU.ov  vmoyvovi.isvcov  a<fayioig  rtai  xai 
^naTooHo:iiaig  xal  xaiaß.fjifei  äaxiocov  eo:TOv8a^ov  öe  .Tfßt  zavza  äXXoi  ze  Tiokkoi  xätv 
'hf  TsXet  'Peof.iaicov  xal  0/.aßiav6g  6  tote  vnaQxog,  avtjo  ilXöyifiog  xai  tteqI  xa  jioXixixä 
v:xeq>Q(ov   Eivai   doxä>v,   :ioooexi    de   xal    xä   iA.i).i.ovxa   dxQißovv  loyiCöfievog   kriaxijfit} 


496  Gannen  codicis  Parisini  8084. 

alia  declarant  lovis  simulacra  a  Theodosii  adversariis  nescio  quibus 
ritibus  consecrata  et  in  Älpibus   constituta,    quorum   post  victoriam 

361  fulmina  aurea  cursoribus,  et  se  ab  eis  fulminari  velle  dicentibus, 
Theodosius  hilariter  benigneque  donavit^;  item  quod  Yictoriae  ara 
in  curia  restituta  est  reditusque  templorum  caerimoniis  redditi  inter- 
cedentibus  apud  Eugenium  Arbogaste  et  Flaviano^.  —  Romae 
appropinquante  Theodosio  secundum  antiquam  consuetudinem  tumultum 
edictum  esse  etsi  nemo  praeterea  memoriae  tradidit,  tarnen  recte 
convenit  huic  extremae  vetustarum  caerimoniarum  adversus  novicias 
pugnae.  —  Flavianum  denique  constat  cum  ex  auctoribus  tum  ex 
titulis  sub  Eugenio  et  praefecturam  praetorii  Italiae  sustinuisse  ^  et 
a.  394  consulatum  ordinarium  suseepisse,  deinde  vere  eiusdem  anni 
profectum  adversus  Theodosium  ad  Italiam  tendentem  in  bello  eo 
periisse*.     De   genere   temporeque    mortis   quamquam  parum   accu- 

362  rate  auctores  rettulerunt,  tamen  quae  accepimus  cum  carmine  facile 

Jiavxo8ouifjg  fiavzeiag.  tavz]]  yag  indXiara  tov  Evyeviov  sneioe  sig  jzökefior  naga- 
oxEvdaao&ai,  /noigidiov  elvai  avxcö  xrjv  ßaoiXeiav  la^vgi^öfisvog  xal  vixrjv  im  rfj  fidxf} 
ovfißi^OEa&ai  xal  ixstaßokrjv  rrj?  ÄgiOTiavcüv  §Qrjaxeiag. 

1)  Augustinus  de  civ.  dei  5,  26,  1. 

2)  Paulinus  in  vita  S.  Ambrosii  c.  26  (opp.  Ambrosii  app.  p.  VII  ed.  Maur.): 
Eugenius  ....  petentibus  Flaviano  tune  pi-aefecto  et  Arbogaste  comite  aram  Victo- 
riae  et  sumptus  caerimoniarum,  quod  Valentinianus  ....  petentibus  denegaverat, 
oblitus  fidei  sxme  concessit.  Ambrosius  in  epistula  ad  Eugenium  (n.  57  opp.  2 
p.  1012  ed.  Maur.):  donata  illa  praecellentibus  in  re publica,  sed  gentilis  observantiae 
viris:  et  fortasse  dicatur,  imperator  Auguste,  quia  ipse  non  templis  reddideris,  sed 
bene  meritis  de  te  donaveris.  et  post  alia:  petierunt  legati  ut  templis  redderes: 
non  fecisti.  iterum  alteri  postulaverunt :  renisus  es.  et  postea  ipsis,  qui  petiere, 
donandum  putasti. 

3)  Orelli  1188.  5593  [C.  I.  L.  VI,  1782.  1783  =  Dessau  2947.  2948];  in  hac 
diserte  dicitur  praef.  praet.  Ital.  Illyr.  et  Afric.  iterum.  Africa  quamquam  eo 
tempore  sub  Gildone  fuit,  qui  totum  se  Eugenio  non  commisit,  tamen  nihil 
obstat,  quominus  Flavianus  quaedam  ibi  egerit.  verba  sibi  proconsul  ut  esset 
possunt  ferri,  quamquam  proconsul  Africae  proprie  non  fuit  sub  praefecto  prae- 
torio;  nee  necessarium  est  scribere  ibi. 

4)  Paulinus  1.  c.  c.  31 :  pi-omiserant  Arbogastes  tunc  comes  et  Flavianus  prae- 
fectus  Mediolano  egredientes,  cum  victores  reversi  fuissent,  stabulum  se  esse  facturus 
in  basilica  ecclesiae  Mediolanensis  atque  clericos  sub  armis  probaturos.  Rufinus 
bist.  eccl.  2,  83 :  uin  . . .  Theodosius  Alpium  fauces  coepit  urgere,  primi  Uli  ....  dae- 
mones  in  fugam  versi,  post  etiam  magistri  (immo  ministri)  horum  et  doctores  errorum: 
praecipue  Flavianus  plus  pudoris  quam  sceleris  reus  cum  potuisset  evadere,  eruditua 
admodum  vir  mereri  se  mortem  pro  errore  iustius  quam  pro  crimine  iudicavit. 
Theodosii  imperatoris  nepotes  in  epistula  ad  senatum  Romanum  (Orell.  5593 
[CLL.  VI,  1783  =  Dessau  2948])  sie  scribunt  de  avi  sui  frustrata  dementia: 
eum  (Flavianum)  vivere  nobis  servarique  vobis,  quae  verba  eins  aput  vos  fuisse 
pleriq.  meministis,  optavit. 


Carmen  codicis  Parisini  8084.  497 

conciliantur  et  eius  ope  explentur.  Flavianus  cum  secimdum  ßu- 
finum  Alpibus  luliis  videatur  praesedisse  ibique  primus  ex  ducibus 
Eugenii  Theodosio  occurrisse,  eo  rettulit  Rossius^  quod  legitur  v.  26 
praefectum  abiisse  ad  'lovis  solium',  nempe  ad  simulacra  illa  lovis 
in  summa  Alpe  lulia  adversus  Theodosium  constituta.  nam  ibi 
aedem  lovis  fuisse  veri  non  absimile  est,  maxime  ubi  compararis 
aedes  lovis  Poenini  et  lovis  Apennini^  similiter  in  summo  monte 
QoUocatas.  ita  sine  nimia  exaggeratione  Flavianus  dici  potest  totum 
orbem  lustrasse,  scilicet  dum  Alpium  itinera  communit  ibique  hosti- 
bus  se  obicit;  tertio  autem  post  bellum  coeptum  mense  eum  oecu- 
buisse  eum  ex  carmine  intellegatur,  auetores  non  adversantur,  eum 
praesertim  secundum  Rufinum^  mortem  oppetivisse  videatur,  ante- 
quam  Alpes  superaret  Theodosius  et  apud  fluvium  Frigidum  (394 
Sept.  6)  cum  Eugenio  debellaret*.  —  Tracta  mors,  scilicet  ea  quae 
secuta  est  post  longos  cruciatus,  quo  referatur,  ignotum  est,  cum  de 
genere  mortis  hoc  imum  constet  voluntariam  eam  quodam  modo 
fuisse.  —  Denique  inter  heredes  Flaviani  esse  potuit  Symmachus 
oratoris  filius  utpote  maritus  neptis  Flaviani,  cui  etiam  post  mortem 
domi  statuam  posnit.  nam  quamquam  Flaviano  heres  ab  intestato 
ne  uxor  quidem  Symmachi  fuit  patre  suo  etiamtum  vivo,  tarnen 
Flavianus  potest  progenerum  testamento  honorasse,  ut  fortasse  eum 
Florae  aedem  reficere  iuberet,  Theodosius  autem  hereditatem  propter 
crimen  maiestatis  commissam  nihilominus  testamento  scriptis  here-  363 
dibus  reddidisse. 

Ad  haec  qui  addet  ea  aetate,  quam  carmen  indicat,  satis  in 
Universum  nobis  nota  nee  motum  alium  nee  hominem  ullum  reperiri, 
de  quibus  cogitari  liceat,  id  quod  diligenter  persecutus  est  Morelius, 

1)  Lectionis  constitntio  tarnen  felicios  quam  Rossio  cesait  Morelio.  -  nam 
sölium  rapttim  omnino  recte  hie  rettulit  ad  lovis  adversus  patrem  Satumiun 
rebellionem  iam  antea  v.  14  ei  exprobratam,  et  quod  summum  est,  non  potest 
V.  26  significari  victi  Flaviani  ad  victorem  adductio,  cum  hie  indicetur  scelus, 
propter  quod  punitur,  poena  enuntietur  versu  sequente.  irabeatus  denique  optime 
dicitur  dux  idem  consul. 

2)  cf.  C.  I.  L.  I  [ed.  1]  p.  267. 

3)  Nam  post  ea  quae  supra  p.  361  n.  4  [p.  496  n.  4]  rettulimus  sie  pergit : 
ctteri  vero  instruunt  aciem  et  coUocatis  in  superiore  iugo  insidiis  ipsi  pitgnam  in 
descensu  montis  exspedant  et  quae  sequuntur.  proelium  hoc,  quo  debellatum  est, 
factum  est  ad  flumen  Frigidum,  hodie  Wippach,  XXX VI  lapide  ab  Aquüeia  in 
latere  ad  Italiam  vergente  Alpium  luliarum. 

4)  Quod  si  Hauptius  recte  ex  abisset  fecit  adisset,  verba  intellegenda  sunt 
de  noto  consulis  processu  die  initi  magistratus  ad  aedem  lovis  optimi  maximi 
(Liv.  21,  63,  8;  cf.  Becker  in  encliir.  2,  2,  124  [Staatsrecht  P  S.  616]).  [Vgl.  C. 
SchenkL  Wiener  Stud.  1,  1879,  S.  73,  der  für  Haupts  Deutung  eintritt.] 

MOMMSES,    SCHB.  TU.  32 


498  Carmen  codicis  Parisini  8084. 

non  dubitabit  Carmen  referre  ad  Flavianum  partis  gentilium  ante- 
signanum,  idque  scriptum  iudicare  aut  eo  ipso  anno  394  aut  certe 
proximo.  nam  vivida  rerum  memoria  in  summa  carminis  exilitate 
et  languore  etiam  magis  elucet. 

Hoc  posito  quae  ex  solo  hoc  carmine  innotuerunt,  ad  eundem 
Flavianum  referre  licebit.  ita  obiisse  eum  natum  annos  sexaginta 
coUigitur  ex  v.  67;  hydropicum  eum  fuisse  vel  certe  ab  inimicis 
eiusmodi  corporis  habitum  ei  exprobratum  esse  ex  v.  121.  quae  de 
uxoris  eins  pro  eo  invocationibus  magicis  traduntur  v,  115  seq.  osten- 
dunt  mulierem,  de  qua  nihil  praeterea  comperimus,  marito  super- 
fuisse.  paullo  maioris  momenti  est  quod  v.  38  Flavianus  obiurgatur 
propterea,  quod  olim,  id  est  ante  Eugeniana  tempora,  vinum  patriae 
prodiderit;  quod  si  recte  traditum  accepimus,  trahendum  erit  ad 
canonem  vinarium  ex  Italia  urbi  Romae  subministratum  ^  a  Flaviano, 
fortasse  cum  primum  praefectus  esset  praetorio  in  Italia  a.  383, 
aliqua  ratione  imminutum^.  sed  fortasse  magis  se  commendabit 
legentibus  Hauptiana  emendatio,  qua  admissa  Flavianus  non  vinum 
patriae  prodidit,  sed  venum  patriam,  id  est  subvertit  eam  et  pessum 
dedit  malis  artibus.  quae  sequuntur,  innuunt  demolitiones  nescio 
quas  quove  tempore  factas  plebi  invisas.  —  Reliqua,  quae  ad  res 
sacras  magis  spectant  quam  ad  publicas,  aut  explicuerunt  alii  aut 
explicabunt,  maxime  insignes  locos  de  feriis  ea  aetate  in  urbe  Roma 
celeberrimis,  ut  de  taurobolio  v.  57 — 62,  de  Isiis  (Oct.  28 — Nov.  1) 
v.  99—102,  de  dendrophoriis  (Mart.  22  —  27)  v.  103—109;  de  quibus 
quaedam  in  carmine  leguntur  alibi  nusquam  reperienda.  nam  ego 
mihi  certe,  puto  etiam  aliis  nimium  iam  videor  immoratus  esse  diris 
hisce  infantiae  piae. 


1)  Gothofredus  ad  C.  Th.  14,  6,  3,  cf.  quae  adnotavi  ad  edictum  Diocletianijj 
de  pret.  rer.  p.  76  [Edictum  Diocletiani ...  ed.  Mommsen-Blumner,  Berl.  1893,  S.  76].J 

2)  Querelae  Sjmmachi  (ep.  7,  96),   quod  Longinianus   Flavianum  iuniorei 
propter  vinarii  tituli  debita  multarit,  ad  rem  de  qua  agitur  non  pertinent. 


LV. 

Zur  lateinischen  x\nthologie.*) 

Die  bekannte  Einsiedler-Handschrift,**)  aus  der  Mabillon  (anal.  296 
1723  p.  359  sq.)  und  Hänel  (Jahns  Jahrb.  für  Phil,  fünfter  Suppl- 
Band  S.  115)  die  älteste  auf  uns  gekommene  Inschriftensammlung 
und  die  zu  dieser  gehörige  Stadtbeschreibung  von  Rom  heraus- 
gegeben haben,  ist  zwar  zunächst  dem  Epigraphiker  von  "Wichtigkeit; 
doch  findet  sich  auch  einiges  darin,  das  für  die  lateinische  Anthologie 
brauchbar  scheint  und  worüber  ich  hier  für  die,  die  es  angeht, 
Bericht  erstatten  will.  —  Von  den  fünf  Schriftstücken,  die  der 
Buchbinder  in  diesem  Band  vereinigt  hat,  ergeben  die  ersten  drei 
(ein  Siglenverzeichniss ;  das  lateinische  evangelium  Nicodemi;  ein 
Pönitentialbuch)  für  diesen  Zweck  nichts.  In  dem  fünften,  das  von 
einer  Hand  wohl  des  zehnten,  spätestens  des  elften  Jahrhunderts 
die  nicht  zu  Ende  geschriebene  Legende  von  der  Auffindung  des 
Kreuzes  enthält,  ist  auf  der  letzten  Seite  in  wunderlicher,  die  In- 
schriftenbuchstaben nachahmender  halber  Majuskelschrift  mit  grossen- 
theils  dreieckigen  Worttrennungspuncten  und  Horizontalstrichen  über 
den  meisten  Wörtern  die  Grabschrift  verzeichnet,  die  man  bei  Gruter 
€60,  1  und  in  Bumianns  Anthologie  IT,  323  findet.  Ich  gebe  den 
Text,  wie  er  mir  vorliegt.***) 

d.  m.  xanthippes  a  sive  a 

laleae  a  .  cassius  .  lucilianus  .  alumnae  a 

dulcissimae  .  seu  .  mortis  .  a  .  miseret  .  a 

seu  .  A  te  A  vitae  a  perlege  nomen  a  297 

*)  [Rhein.  Mus.  N.  F.  9,  1854,  S.  296  —  301,  mit  Nachtrag  S.  480.] 
**)  [Über  sie  hat  sich  Mommsen  späterhin  noch  geäußert  iu  den  Gramm. 
lat.  ed.  H.  Keil  IV,  S.  315.    Vgl.  Henzen  im  C.  I.  L.  VI  p.  IX.] 

***)  [Der  Text  ist  hier  wegen  der  von  Mommsen  daran  geknüpften  Be- 
merkung unverändert  wiedergegeben  worden;  über  das  Original  der  Inschrift 
auf  Stein  s.  die  folg.  Anm.] 

2* 


500  ^^'*  lateinischen  Anthologie. 

xantippe  .  a  .  lalalea  (so)  .  eadem  .  a  ludic 

ro  quod  a  exspimens  (so)  a  dolorem  fu 

git  A  anima  .  corpore  .  hie  a  conqui 

eseit  .  A  cunis  a  .  terrae  .  molibus  (so)  quam  a 

trino  A  annorum  a  filo  a  proterren 

tia  .  novem  .  a  post  a  .  menses  .  a  fata  a 

conficiunt  a  malo  lues  a  .  ignita  .  a 

torret  a  ultra  a  .  quot  a  dies  venus 

ta  A  amoena  a  intellegens  a  et  garru 

la  .  qua  si  qua  a  pietas  a  insistat  a  caelesti 

bus  A  ////  viventi  a  ingenio  a  soll  a 

et  A  luci  A  reddite  altoris  a  memo 

rem  a  quem  a  parentes  a  dixerant  cum 

primum  .  a  natus  est  lucilianum  cassi 

um.  A 

Es  scheint  dies  in  der  That  eine  altrömische  Grabschrift  zu  sein, 
welche  irgend  ein  Mönch  im  Mittelalter  vom  Stein  copirt  hat;*)  er 
hat  sogar  die  Puncto  getreulich  nachgeahmt,**)  die  ganz  römisch 
am  Ende  jeder  Zeile  (mit  wenigen  Ausnahmen)  fehlen.  Sonach 
giebt  sie  ein  kleines  Seitenstück  zu  der  Inschriftensaipmlung  aus 
Rom  und  Pavia,  die  in  demselben  Bande  mit  ihr  vereinigt  ist,  und 
zeigt  immer  mehr,  welcher  Sinn  sich  im  neunten  und  zehnten  Jahr- 
hundert in  der  Sanct  Galler  Schule  regte.  —  Das  vierte  Stück 
unsers  Miscellanbandes ,  das  wohl  eher  im  zehnten  als  im  neunten 
Jahrhundert  geschrieben  ist,  enthält  nach  der  Inschriftensammlung, 
der  dazu  gehörigen  Beschreibung  von  Rom  und  einer  offenbar  gleich- 
falls von  demselben  Urheber  stammenden  Beschreibung  des  der- 
zeitigen Ceremoniells   der   kirchlichen  Feierlichkeiten  in  Rom^,  das 

*)  [Hierzu  Mommsens  Nachtrag  a.  a.  0.:  „Die  a.  a.  0.  abgedruckte  und 
besprochene  Inschrift  der  Xanthippe  sive  Lalea  [laia  der  Stein]  existirt,  wie  ich 
zu  spät  gesehen,  noch  in  Parma  und  ist  von  Affo  mem.  de'  scritt.  di  Parma  I 
p.  IV  und  de  Lama  iscr.  ant.  ne'  muri  della  scala  Farn.  p.  119  (daraus  Jahn  spec. 
epigr.  p.  106)  nach  dem  Original  herausgegeben.  Es  war  also  richtig,  was  dar- 
über gemuthmasst  ward,  dass  sie  ganz  wie  die  Inschriften  der  grossem  Sammlung 
von  irgend  einem  reisenden  St.  Galler  oder  Reichenauer  Mönch  aus  Italien  heii 
gebracht  ward".  —  Nach  dem  Original  ist  die  Inschrift  inzwischen  heraus-^ 
gegeben  worden  im  C.  I.  L.  XI,  1118  und  von  Bücheier  C.  L.  E.  nr.  98.] 

**)  [Das  hat  de  Rossis  Kollation  des  Einsidlensis  bestätigt,  vgl.  Bormär 
zum  C.  I.  L.  a.  a.  0.     Sogar  die  apices  sind   von  dem  Kopisten  wiedergegebei 
worden.] 

1)  Dies  ist  das  Stück,    welches  Hänel,  S.  116,  ich  weiss  nicht  warum,  al 
die  Anbetung  des  Kreuzes  durch  die  Apostel  bezeichnet. 


Zur  latemischen  Anthologie.  501 

heisst  nach  den  Reisenotizen ,  die  irgend  ein  alemannischer  Mönch 
von  seiner  Römerfahrt  heimgebracht  hatte,  eine  Anzahl  lateinischer 
Gedichte,  die  ich  hier  verzeichne.  1.  f.  88  v.  ohne  Ueberschrift 
folgendes  Räthselgedicht,  das  bei  Burmann  5,  121  corrupt  und 
defect  steht  [vgl.  Anth.  lat.  727  Riese^]: 

Quadam  nocte  niger  dux  nomine,  candidus  alter  298 

Forte  subintrarunt  unica  tecta  simul. 
Candidus  exhibuit  secum  ter  quinque  nitentes 

Totque  niger  nigros  more  colore  pares. 
5         Candide.  de  nostris  primus  quis,  dixerat  alter, 

Providet  excubias?  nam  tua  dicta  sequar, 
Haec  placido  contra  respondit  candidus  ore: 

ludicio  quemquam  nolo  gravare  meo, 
Ife  nova  lis  socios  per  me  conspiret  in  arma; 
10  Sed  tibi  consilium  non  removebo  meum. 

Ordine  disponam  socios  discumbere  cunctos, 

Quos  sors  nona  legat  noctis  in  excubias. 
Candida  sed  sedeat  nigris  commixta  catervis," 

Ut  me  volle  viros  fallere  nemo  putet. 
15         Quattuor  eximii  candori.s.  quinque  nigelli, 

CandiduH  bini,  unicus  atque  niger,     _ ,  .,      .      ,  -. 
Splendentes  trini,  fuscato  pelle  nigellus,    .     _,- 

Candidus  hinc  unus  carboneique  duo, 
Fulgentes  bini,  fuscato  tegmine  trini, 
20  Candidus  hinc  unus  carboneique  duo. 

Candiduli  bini  splendentes  pelle  decora, 

Quos  sequitur  cunctos  unicus  atque  niger. 
Hoc  super  ingenio  cunctos  sors  nona  nigellos 

Sic  cecidit;  turba  Candida  sorte  caret. 
25         Dux  niger  excubias  solus  cum  milite  fusco 

Pervigiringratus  duxit  adusque  diem. 
Ast  placidum  tota  carpebat  nocte  soporem 

Candidus  ingenio  praeditus  atque  sxii. 

2.  f.  S9  r.     Monastica   de   erumnis   XII  Herculis. 
Gedruckt  bei  Burmann  anth.  I,  43.  [641   Riese  2 J 

3.  f.  89v.     Conflictus  versis  (so)   et  hiemis.  0 :/..A  ei; 
Gedruckt  bei  Burmann  anth.  V,  70.  [Poet.  lat.  aevi  Carol.  t  ^70]    "  ' 

4.  f.  90r.     ohne  Ueberschrift  [485^  Riese2]  - 

Klustius  invidia  nihil  est  quae  protinus  ipsum 
Corrodit  auctorem  excruciatque  animam. 


502  Zur  lateinischen  Anthologie. 

299       5.    f.  90r.     mit  dem  vorigen  verbunden  [720''  Riese^]. 
Titire  tu  fido  recubans  sub  tegmine  Christi 
Divinos  apices  sacro  modularis  in  ore; 
Falsas  non  fabulas  studio  meditaris  inani. 
Ulis  nam  capitur  felicis  gloria  vitae, 
Istis  succedent  poene  sine  fine  perennes. 
Unde  cave,  frater,  vanis  te  subdere  curis, 
Inferni  rapiant  miserum  ne  tartara  tetri; 
Quin  potius  sacras  animo  spirare  memento 
Scripturas,  dapibus  faciant  quae  pectora  castis. 
Te  domini  salvum  conservet  gratia  semper. 

6.  f.  90  r. 

Anima  pro  diversis  actibus  diversa  nomina  sortitur.  Dum  ergo 
vivificat  corpus,  anima  est;  dum  vult,  aniraus  est;  dum  seit,  mens 
est;  dum  recolit,  memoria  est;  dum  rectum  iudicat,  ratio  est;  dum 
spirat,  Spiritus  est;  dum  aliquid  sentit,  sensus  est. 

7.  f.  90v.     Ad  Septitianum. 

Decipies  alios  verbis  vultuque  benigne; 
Nam  mihi  iam  notus  dissimulator  eris. 

Der  Schluss  des  Epigramms  von  Martial  5,  89. 

8.  f.  90  V.  ohne  Ueberschrift  folgt  das  Dittochäum  von  Prudentius 
p.  665  sq.  Arev.  [S.  470  Drossel]  Die  24  Vierzeilen  des  alten 
Testaments  sind  mit  römischen,  die  24  des  neuen  Testaments  mit 
arabischen  Ziffern  numerirt. 

9.  f.  97  V.     Epitaphium    Geroldi. 

Mole  sub  hac  magni  servantur  membra  Geroldi, 

Huius  vita  (schreibe  iura)*)  loci  cunctis  qui  viribus  auxit. 

Pannoniis  vera  ecclesiae  pro  pace  peremptus 

Oppetiit  sevo  Septembribus  ense  kalendis, 

Sideribusque  animam  dedit;  artus  Saxo  fidelis 

Abstulit,  huc  retulit  dignoque  hie  clausit  honore 

Die  hiesigen  Forscher,   die   ich   desswegen  zu  Rathe  zog,    er- 

300  kannten  in  diesem  Gerold  den  Schwager  Karls  des  Grossen,  Bruder 

der  Kaiserin  Hildegard,  der  am  1 .  Sept.  799  in  einem  Treffen  gegen 

die  Avaren  fiel  und  in.  der  Abtei  Reichenau  bestattet  wurde,  die  er 

reichlich  beschenkt  hatte  (Stalin  würt.  Gesch.  I,  246).    Im  Reichenauer 


*)  [Diese  Konjektur  fand  Mommsen  nachträglich  in  der  gleich  erwähnten 
Hs.  von  St.  Gallen  bestätigt,  s,  u.  S.  504  ] 


Zur  lateinischen  Anthologie.  503 

Nekrolog  (Mitth.  der  ant.  Ges.  in  Zürich  Bd.  YI)  steht  er  unterm 
I.Sept.  verzeichnet:  'Geroldus  comes  caritatem  constiiuif.  Abgedruckt 
ist  diese  Grabschrift  aus  einer  Handschrift  von  St.  Gallen  bei  Canisius 
lect.  ant.  11,  2  p,  73  ed.  Basnage  und  danach  bei  Bouquet  rec.  5,  400.*) 

10.    f.  97v.     Epitaphium  Bernaldi.**) 

Qüaravis  magna  piis  meritorum  praemia  restent, 

Parva  tarnen  functis  sunt  loca  corporibus. 
Mole  sub  hac  terrae  Bernaldi  praesulis  almi 

Membris  (sehr.  Membra)  iacent  tumulis  insinuata  suis. 
Saxo  quidem  genere  et  gremio  nutritus  in  Auuae 

Aulica  mutato  gesta  labore  adiit. 
Hinc  honor  exhibitus;  hinc  digna  potentia  crevit, 

Nobileque  ornavit  vita  modesta  genus 
Plena  viro  fuerat  germine  (wohl  geminae)  prudentia  partis 

IIK:  (Die  folgenden  Blätter  weggeschnitten.) 

Dieselben  Freunde  haben  auch  diesen  frommen  Herrn  mir  nach- 
gewiesen. Es  ist  die  Grabschrift  des  Bischofs  Bernald,  der  seine 
Bildung  in  Reichenau  empfing,  Ende  821  oder  Anfang  822  Bischof 
in  Strassburg  wurde  und  in  dem  Kampfe  zwischen  Kaiser  Ludwig 
dem  Frommen  und  dessen  Söhnen  treu  zu  dem  Yater  hielt,  dessen 
Missus  in  Rätien  er  825  war  und  für  den  er  832  als  Gesandter  nach 
Rom  ging.  Er  starb  am  17.  April  840;  der  Reichenauer  Nekrolog 
verzeichnet  ihn  unter  diesem  Jahrestag  als  ^PernnoUus  episcopus' ***) 
Ermoldus  Nigellus  (um  826)  schildert  ausführlich  seine  geistliche 
"Wirksamkeit  unter  dem  rohen  Yolke  des  Elsass,  welches 

nescit  amare  deum, 
Barbara  lingua  sibi,  scripturae  nescia  sacrae, 
Ni  foret  antestis  ingeniosus  ei 
und  rühmt   die   Bildung,  die  er  in  den  Carolingischen  Schulen  em-  301 
pfangen  : 

Quem  Carolus  sapiens  quondam  regnator  in  orbe 
Doctrinae  studiis  imbuit  atque  fide. 


*)  [Neuerdings  in  den  Poetae  lat.  aevi  Carolin!  rec.  E.  Dümmler  I  1,'Berl. 
1880,  S.  144  nr.  X,  vgl.  die  Vorbemerkung  Dümmlers  a.  a.  0.  S.  101.] 

**)  [Gedruckt    auch    in    der   in  der  vorigen    Anm.    genannten    Sammlung 
Dämmlers,  Bd.  II,  Berlin  1884,  S.  420  nr.  LXXXVIL] 
***)  [V'gl-  Dümmler  a.  a.  O.  Anm.  6.] 


504  Zur  lateinischen  Anthologie. 

;   -         Saxona  (sehr.  Saxonum)*)  hie  equidem  veniens  de  gente 

sagaci 
Sensu  atque  ingenio  nunc  bene  doctus  homo^. 

Sollte  diese  Grabschrift  noch  nicht  bekannt  sein,**)  so  werden 
unsere  germanistischen  Collegen  sie  nicht  ungern  kennen  lernen. 
Dass  sie  hier  mitgetheilt  und  die  des  Gerold  wiederholt  worden  ist, 
mag  darin  seine  Entschuldigung  finden,  dass  es  für  uns  in  mancher 
Hinsicht  interessant  wäre  zu  erfahren,  aus  welchem  Kloster  die 
Einsiedler  Inschriftensammlung  hervorgegangen  ist.  Die  Handschrift 
hat  früher  dem  Kloster  Pfäffers  gehört,  allein  sie  ist  sicher  nur  eine 
Abschrift;  diese  beiden  Epitaphien  deuten  vielmehr  nach  Reichenau. 
Yielleicht  gelingt  es  noch  in  der  Geschichte  dieser  in  der  Carolingi- 
schen  Zeit  so  blühenden  Benediktinerabtei  für  die  Entstehung  unserer 
im  ganzen  Mittelalter  einzig  dastehenden  litterarischen  Römerweise 
eine  Anknüpfung  zu  ermitteln. 

Nachschrift,  Nachdem  diese  Notiz  zum  Druck  abgesandt  war, 
hatte  ich  Gelegenheit  die  St.  Galler  Handschrift  —  jetzt  899,  sonst 
S.  259  — ,  aus  der  Canisius  die  Grabschrift  des  Grafen  Gerold  ans 
Licht  gezogen  hat,  einzusehen;  hier  steht  richtig  iura  loci.  Sie  ist 
ein  Miscellanband  wie  die  Einsiedler,  geschrieben  wohl  im  neunten 
Jahrhundert.***)  Da  sich  auch  sonst  noch  ein  paar  kleine  Stücke  in 
beiden  Handschriften  gleichmässig  finden,  ist  es  nicht  unwahrscheinr 
lieh,  dass  dies  das  Original  ist,  aus  dem  der  Einsiedler  Codex  zum 
Theil  abgeschrieben  ist  oder  auch  ganz;  denn  die  St.  Galler  Hand- 
schrift ist  nur  der  Ueberrest  eines  ehemals  sehr  starken  Bandes. 
Der  Quaternio  eines  Inschriftencodex,  den  Poggio  in  St.  Gallen  sah 
und  abschrieb,!)  könnte  recht  wohl  zu  diesem  Bande  gehört  haben. 


*)  [Saxona  unverändert  Dümmler  a.  a.  0.  (s.  die  hier  folgende  Anm.  1),] 
1)  Ermoldi  Nigelli  eleg.  I  mon.  Germ.  bist.  11,  p.  518.     Nougart  episc.  Con- 

stant.  I,  110.  160.    Grandidier  hist.  de  Strassbourg  I.  123—150.    [Ermoldi  Nigelli 

carmina  ed.  Dümmler  a.  a.  0.  (503**)  S.  84,  Vers  154-156.  147-150.] 
**)  [Sie  war  es,  als  Mommsen  sie  publizierte,  in  der  Tat  nicht.] 
***)  [Dümmler,  der  diese  Hs.  genau  beschrieben  hat  in  den  Mitt.  der  Züricher 

antiquar.  Gesellsch.  XII   p.  V  —    s.  seine  Bemerkungen  a.  a.  0.   (503*)  S.  31  f. 

—  setzt  die  Handschrift  ins  zehnte  Jahrhundert.] 

t)  [Vgl-  über  diese  Abschrift  Poggios  Mommsen  in  den  Sitzungsber.  d.  sächs. 

Ges.  d.w.  1850  S.  288  f.    Seine   dort  aufgestellte  Vermutung,  dass   Poggio  die 

handschriftl.  Sammlung   der  Inschriften  kannte,    wurde   dann  durch   de   Rossis 

Auffindung  der  Sylloge  des  Poggio  bestätigt.] 


LYl. 
Zu  den  Schollen  der  A-irglllschen  Georgica.*) 

Es  wird,  wenn  ich  nicht  irre,  manchem  erwünscht  sein  hier  449 
wenn  nicht  alle,  doch  die  wichtigsten  neuen  Fragmente,  die  in  den 
Bemer  Schollen  zu  Tage  gekommen  sind,  zu  finden.  Sie  fehlen  in 
den  gangbaren  Sammlungen,  selbst  in  den  nach  Yeröffentlichung  der 
Schollen  erschienenen,  z.  B.  in  Yahlens  Ennius,  in  Ribbecks  comici 
Latini,  in  Dietschs  Sallust;  nur  die  suetonischen  sind  von  Reiffer- 
Bcheid  Suetoni  rel.  S.  242.  257.  350  gebührend  berücksichtigt  worden. 
Ennius.  Schol.  G.  1,  512.  carceribus]  ianuis.  Ennius  [484  f. 
Yahlen^]  ait: 

cum  a  carcere  fusi 
Currus  cum  sonitu  magno  permittere  certant. 

Schol.  G.  2,  43.    non  mihi  si  linguae  centum  sint  oraqüe  öentum]  450 
Homer ictis  sensiis;  sie  [waw]  et  Ennius:  [561  f.] 

ora  decem.*'^) 
Schol.  G.  4,  72  Ennius  in  VIII  [299]  ait: 
tibia  musarum  pangit  melos. 

*)  [Rhein.  Mus.  N.  F.  16,  1861,  S.  442  —  453  mit  Xachtrag  ebd.  17,  1862, 
S.  143 — 144.  In  dem  ersten  Teile  dieses  Aufsatzes  macht  Mommsen  Mitteilungen 
aus  mehreren  Hss.  mit  Schollen  zu  Vergils  Georgica  darunter  den  Bemer 
Scholien,  und  behandelt  die  Verwandtschaft  dieser  Scholienconglomerate  zu 
einander.  Da  seiner  Forderung,  diese  Fragen  genauer  zu  untersuchen,  inzwischen 
von  verschiedenen  Seiten  nachgekommen  ist,  so  erschien  es  unnötig,  diesen  Teil 
seines  Aufsatzes  hier  wieder  zum  Abdruck  zu  bringen.  Dagegen  durfte  der 
zweite  Teil  über  die  Autoren,  die  in  den  (inzwischen  von  H.  Hagen  in  den 
Jahrb.  f.  Philol.  Suppl.  IV  1867  zum  ersten  Mal  kritisch  edierten)  Bemer 
Scholien  zitiert  sind,  schon  wegen  der  zu  einzelnen  dieser  Autoren  gemachten 
Bemerkungen  nicht  übergangen  werden.] 

**)  [Dieses  Scholion  hat  Mommsen  in  dem  Nachtrag  vervollständigt  aus 
einem  Kommentar  der  Georgica  in  der  (jetzt  auch  von  Hagen  in  der  appendix 
Serviana  p.  284  benutzten)  Pariser  Hs.  7960.  Danach  ist  das  erweiterte  Ennius- 
fragment  von  Vahlen  a.  a.  0.  behandelt  worden.] 


506  Zu  den  Scholien  der  virgilischen  Georgica. 

Afranius.  G.  2,  98:  Vinum  masculino  genere  dicit  Tmolius^ 
nee  immerito,  quoniam  et  apud  Äfranium  (Hdschr.  franium)  in, 
satyria  invenitur.  Lustspiele  des  Titels  Satura  werden  angeführt 
von  Atta  und  von  Pomponius.*) 

Calvus.  G.  1,  125  Ante  lovem  et  reliqua]  Bicunt  lovem  commu- 
tasse  omnia,  cum  bonus  a  malo  non  discerneretur ,  terra  omnia 
liherius  ferente,  quod  Calvus  [20  Baehrens]  canit.  luniUus  dicit, 
G.  2,  94:  Temptatura  et  reliqua]  Hos  versus  a  Calvo  [21]  poeta 
transtulit;  ait  enim  ille; 

lingua  vino  temptantur  et  pedes. 

Kleitarchos,  Aurimantus  (?). 

G.  2,  124:    Arhores   procerrimae    gignuntur,     quarum   cacumina 
sagittae  non  pertingunt,  sicque  Clitarchus**)  scripsit. 
G.  2,  137 :  Pactolum  esse  auriferum  Aurimantus*"^*)  qui  Alexandra 
Macedonis  res  gestas  scripsit,  testis  est. 

Asellio.  G.  3,  474  Norica]  Norica  castella  dixit  ah  urhe  Noreia 
(aborea  norea)  quae  est  in  Gallia,  ut  Asellio  [fr.  9  Peter]  historia- 
rum  non  ignarus  (vielleicht  historiarum  nono)  docet.  Dies  kann 
sich  wohl  nur  beziehen  auf  die  Besiegung  des  Consuls  Carbo 
bei  Noreia  im  J.  641 ;  dazu,  dass  dies  bei  Asellio  im  neunten 
Buche  stand,  passt  auch  recht  gut,  dass  Asellio  im  fünften  Buch 
451  den  Tod   des  Ti.  Gracchus  erzähltet      Dass  Noreia,   die  Stadt 


*)  [Eis  ist  vielmehr  zu  lesen :  apud  Petronium  (nämlich  c.  41, 12)  in  satira: 
s.  Büchelers  Ausgabe  1862  praef.  p.  III.] 

**)  [sicque  eclitarchus  B  sique  eelitartus  C;  sicut  et  Clitarchus  Hagen.] 

***)  [Amyntianus  Schneidewin,  Philol.  7,  1852,  S.  739  nach  Photios  bibl. 
cod.  131  p.  97  BR.] 

1)  Dazu  passt  auch  das  von  Roth  (fragm.  hist.  p.  326  fr.  10)  [fr.  11  Peter] 
vielleicht  mit  Recht  auf  die  Ermordung  des  Drusus  663  bezogene  Fragment  des 
14.  Buches.  Ein  anderes  aus  dem  13.  bei  Gellius  4,  9  [,  12  =  fr.  10] :  facta  sua 
spectare  oportere,  non  dicta,  si  minus  facundiosa  essent  könnte  wohl  auf  desselben 
Drusus  Auftreten  sich  beziehen,  den  Cicero  (Brut.  62,  222)  nennt  gravem  oratorem 
ita  dumtaxat,  cum  de  re  publica  diceret.  Endlich  bei  dem  Citat  des  Charisius 
p.  195  Keil:  Asellio  [fr.  13]  verum  Eomanarum  quadragesimo:  tarn  pulchrum  opus 
tamque  artificiose  factum  passus  est  dirui  möchte  ich  denken  an  die  Zerstörung 
des  Peiraieus  durch  Sulla  668;  s.  Florus  1,  39  Jahn:  subrutus  Piraei  portus  sex 
aut  amplius  mu/ris  dnctus.  Appian  Mithr.  41 :  6  8s  UvXXäs  tdv  ÜEigaiä  xazemfiJtQtj, 
(psibofXEVog  ovrs  ztjs  onXodrjxrjg  ovzs  twv  vecoootHcov  ovzs  rcvog  aXXov  xcöv  doidcficov. 
Vgl.  Plutarch  Süll.  14  und  Strabon  9,  1,  15  S.  396  Gas.  Die  BuchzifFer  40  ist 
vielleicht  verschrieben,  braucht  es  aber  nicht  nothwendig  zu  sein,  da  der  Bundes- 
genossenkrieg und  die  sonstigen  Vorgänge  der  ereignissreichen  Jahre  663  —  668 
füglich  eine  grosse  Zahl  von  Büchern  gefüllt  haben  können.  [Die  Zahl  ist  sicher 
falsch:  s.  Peter,  Hist.  Rom.  reliquiae,  Leipz.  1870,  S.  CCL.] 


Zu  den  Schollen  der  virgilischen  Georgica.  50T 

der  Taurisker  im  heutigen  Steiermark,  hier  nach  Gallien  gesetzt 
wird,  ist  vielleicht  kein  Fehler;  wir  können  denjenigen  Sprach- 
gebrauch, wonach  Gallien  östlich  vom  Rhein  begrenzt  wird, 
nicht  über  Cäsar  zurück  verfolgen  und  es  ist  gar  nicht  unwahr- 
scheinlich, dass  man  in  früherer  Zeit  auch  das  von  Kelten  be- 
wohnte Land  zwischen  den  Alpen  und  der  Donau  'Keltenland' 
genannt  hat.     Ygl.  Polyb.  2,  22. 

Ungenannter  Annalist.*)  G.  4,  108  vellere  signa]  mos  etiim 
fuerat  hellantium  ut  (ut  fehlt^  signa  figerent  eaque  moverent 
(Hdschr.  ea  quae  moverint)  profeduri.  Si  facüe  vellentium  (Hdschr. 
veUenentium)  manus  sequerentur  (Hdschr.  sequeretur)^  prospera 
pugna  ostendebatur,  si  cum  conatu  (Hdschr.  conaturis),  tum  exitium 
signifieahant ,  ut  in  historia:  Sertorius  effodit  signa,  pugnamf  et 
victus  est,  vix  ipse  ut  evaderet,  Rhodanum  transnatavit.  Dies 
gehört  in  den  Kimbernkrieg  des  Jahres  648  (Plutarch  Sertor.  3), 
ist  aber  sonst  mit  diesem  Detail  nicht  bekannt.  Sertorius  muss 
danach  die  erwähnte  Niederlage  als  Befehlshaber  erlitten  haben, 
da  auf  sein  Geheiss  die  widerstrebenden  Feldzeichen  aus  dem 
Boden  gerissen  wurden. 

Sallustius.     G.  d,\3:  Salustius:  [ine.  21  Maurenbr.]  hene  posita 
urhs,  id  est  hene  constituta. 
G.  4,  104:  Salustius:  [IV  35]  frigida  nocte,  id  est  pro  tempore. 

Varro.  G.  1,  448.  Varro:  haruni  pampinorum.  Ygl.  Servius 
zu  Buc.  7,  58. 

G.  2,  97:    Amimos    Felasgos   fuisse    Varro   aif;    hinc    ah    agro  452 
Ämineo  hatte  vitem  translatam  dicutit;  womit  zu  verbinden  Phi- 
largyrius   zu   dieser  Stelle:  Amineos  Aristoteles  in  politicis  hoc 
scribit  Thessalios  fuisse,  qui  suae  regionis  vites  in  Italiam  trans- 

■  tulerint  atque  Ulis  inde  nomen  impositum. 
G.  2,  325  Caeli  uxorem,    Terram  dici  testis  est  Varro.     Vgl.  de 
ling.  Lat.  5,  57  sq. 
G.  4,  168.      Varro  ait:  pecus  a  pascendo  veteres   omne   atiimal 
dixerunt. 
Noch  verdienen  Beachtung  die   Anführungen  von  Accius   G.  1,  502 
(von  Ribbeck  trag.  p.  1 88  nach  Suringar  gegeben  [ed.  3  p.  255  ver- 
bessert]), Aemilius  Macer  G.  2, 160  (für  eine  geographische  Angabe); 
Alkman  G.  3,  89;  Cicero  G.  1,  4.  2,  28.  157;  Cominianus  (Charisius) 
E.  3,  21.   G.  1,  215.  3,  311 ;   Eusebius  (?)   [Aeschijlus  Hagen  a.  a.  O. 
S.  711]   G.  1,482;  Flavianus  B.  6,  62  (vgl.  Reifferscheid  in    diesem 

*)  [Nach  Wölfflin,  Philol.  17,  1861,   S.  541  aus  SaUosts  Historien  Buch  L] 


508  Zu  den  Schollen  der  virgilischen  Georgica. 

Museum  16,  23);*)  Fronto  poeta  G.  4,  283;  Hesiodus  gynecon  G-. 
4,  361;**)  Nigidius  G.  1,  174.  428.  498.  2,  168.  3,  147;  Philorus  (?) 
[Phüochorus  Hagen  a.  a.  0.  S.  720]  G.  1,  19;  ferner  die  der  älteren 
Commentatoren  des  Virgil  Asper  zu  G.  4,  238  und  Probus  zu  G. 
4,  134  (vgl.  das  schon  bekannte  Scholion  zu  G.  1,403  und  dasjenige 
zu  B.  3,  105)  und  gewisser  glosomata  zu  G.  1,  399.  4,  151.  232,  die 
ganz  aussehen  wie  Bruchstücke  eines  Commentars  zum  Aratus  [vgl, 
Hagen  S.  727].***) 


*)  [Gemeint  ist  vielmehr  Flavius  Charisius :  vgl.  H,  Keil,  Hermes  1,  1866, 
S.  334.] 

**)  [Vgl.  M.  Haupt,  opusc.  8  S.  861.] 
***)  [Es  folgen  zwei  Stellen  aus  einer  von  Mommsen  verglichenen  Leydener 
Scholienhandschrift  in  korrekterer  Fassung  als  sie  Burmann  gegeben  hatte.  —  In 
dem  Nachtrag  hat  er  das  Verwandtschaftsverhältnis  der  Leydener  und  einer 
Pariser  Handschrift  auf  Grund  einer  für  ihn  angefertigten  Kollation  der  letzteren 
J>räzisiert.] 


LVII. 

Zeitalter  des  Scholiasten  Juvenals.*) 

Dass  die  Scholien  nicht  vor  dem  vierten  Jahrhundert  geschrieben 
sind,  ist  aus  zahbeichen  Angaben  deutlich.  Nur  beispielsweise  er- 
innere ich  an  die  Erwähnung  der  Diocletiansthermen  (321,  3.  338,  4); 
des  constantinischen  magister  militum  (320,  24)  oder  magister  peditum 
et  equitum  (377,  5);  der  circetises  quos  praetores  edunf  (345,  18), 
nämhch  in  Folge  einer  Yorschrift  Constantins  (C.  Th.  YI,  4  u.  das. 
Goth.);  an  die  constante  Bezeichnung  des  Goldstückes  durch  den 
constantinischen  soZjV?ws,  wodurch  sogar  aureus  erklärt  wird  (247,11. 
2S4,  11.  289,  25.  375,  24);  an  die  Bezeichnung  der  bekanntlich  durch 
Constantin  geschleiften  castra  praetoria  als  nicht  mehr  vorhanden 
(384,  18,  vgl.  321,  2).    Andererseits  können  die  Scholien  nicht  wohl 

*)  [Ungedruckt.  Das  (ziemlich  vergilbte)  Manuskript  fand  sich  in  O.  Jahns 
I'apieren  nnd  wnrde  von  Ad.  Michaelis  zur  Verfügung  gestellt.  Offenbar  war 
der  Aufsatz  dazu  bestimmt,  dem  zweiten  Bande  von  Jahns  Juvenalausgabe  bei- 
gegeben zu  werden  (vgl.  die  epistula  Mommseus  über  Obsequens  aus  dem  J.  1853, 
oben  S.  168  ff.);  da  aber  dieser  zweite  Band  nicht  erschien,  unterblieb  auch  die 
Veröffentlichung  des  vorliegenden  Aufsatzes.  Hieraus  läßt  sich  auch  auf  die 
Zeit  seiner  Abfassung  schließen:  bald  nach  1851,  dem  Erscheinungsjahre  der 
Jahnschen  Ausgabe  (D.  lunii  luvenalis  saturarum  libriV.  Ex  recensione  et  cmn 
commentariis  Ottonis  lahnii.  Vol.  I.  Berolini  a.  1851),  nach  deren  Seitenzahlen 
Mommsen  zitiert.  (Der  Hinweis  auf  den  Kalender  von  449,  unten  S.  510,  läßt 
v.jrmuten,  daß  er  eben  damals  mit  der  Arbeit  an  Polemius  Silvius  beschäftigt 
•war;  diese  Abhandlung,  von  der  der  Kalender  selbst  freilich  ausgeschlossen 
wurde,  erschien  1853,  s.  u.  nr.  LXVIII.)  Als  dann  Jahn  i.  J.  1868  den  Text  und 
die  Scholien  Juvenals  abermals  edierte  (A.  Persü  Flacci,  D.  lunü  luvenalis, 
Sidpiciae  saturae,  recognovit  Otto  Jahn.  Berolini  a.  1868),  faßt«  er  das  Resultat 
des  Mommsenschen  Aufsatzes,  ohne  ihn  zu  nennen  (wozu  bei  der  Kürze  der 
praefatio  keine  Veranlassung  vorlag),  in  die  Worte  zusammen  (praef  p.  7): 
'originem  eorum  (näml.  der  alten  Scholien)  satis  certis  argumentis  ad  saecuH  quarti 
fit'em  referre  licet.'  Es  wird  den  Lesern,  obwohl  diese  Ansicht  von  dem  Zeitalter 
der  Mehrzahl  der  alten  Scholien  längst  rezipiert  worden  ist,  erwünscht  sein, 
nun  zum  ersten  Male  die  Argumente  zu  erfahren,  auf  die  sie  sich  stützt.l 


510  Zeitalter  des  Scholiasten  Juvenals. 

lange  nach  dem  Anfang  des  5.  Jh.  geschrieben  sein.  Die  Bezeich- 
nung Germani  sive  Franci  228,  l  passt  am  besten  auf  die  Zeit,  wo 
die  Franken  noch  diesseit  des  Rheines  sassen,  also  auf  die  Epoche 
vor  430  (Zeuss  die  Deutschen  S.  342).  Noch  bestimmter  führt  die 
Angabe,  dass  der  Rhein  zwischen  den  GalHern  und  Alamanniern 
iliesse  (299,  4),  auf  das  4.  Jahrh. ;  denn  seit  dem  Anfang  des  5.  Jh. 
«assen  die  Alamannen  auf  dem  linken  Rheinufer  im  heutigen  Elsass 
(Zeuss  S.  317).  —  Dazu  kommen  andere  Spuren.  Das  gewöhnliche 
Silberstück  heisst  seit  dem  fünften  Jahrh.  regelmässig  als  Aequivalent 
eines  Goldkarats  siliqua  (Verfall  des  röm.  Münzw.  S.  270);  der 
Scholiast  aber  giebt  ihm  den  älteren  und  eigentlichen  Namen 
argenteolus  oder  nummus  (das.  S.  272).  —  Der  christliche  (vgl. 
iaptware  367,  26)  und  jüdische  Cult  ist  dem  Scholiasten  wenig 
bekannt  —  wegen  des  letztern  citirt  er  Tacitus  —  und  nirgends 
Tieigt  sich  Bekanntschaft  mit  den  Dingen,  die  zu  der  Zeit,  wo  das 
Ohristenthum  Staatsreligion  war,  auch  dem  renitenten  Altgläubigen 
geläufig  sein  mussten.  Vielmehr  spricht  der  Schreiber  von  der 
Yerehrung  der  Götter  in  der  gegenwärtigen  Zeit  (319,  20.  321,  24), 
«benso  von  der  Sühnung  der  Blitze  durch  die  Pontifices  (271,  5), 
wogegen  die  Anspielen  schon  verschwunden  sind  (333,  21.  341,  9). 
Dies  passt  nicht  mehr  auf  das  fünfte  Jh.,  wo  dergleichen  'Aber- 
glauben' wohl  noch  geübt,  aber  nicht  darüber  in  den  Schulen  docirt 
ward,  wohl  aber  auf  das  vierte,  in  dem  man  das  heidnische  Wesen 
wohl  controlirte  und  gelegentlich  verfolgte,  aber  nicht  eigentlich 
unterdrückte  (vgl.  z.  B.  Goth.  zu  C.  Th.  XVI,  10,  7).  Ebenso  ist 
309,  20,  wo  die  Rede  ist  von  den  Matronalia,  quae  sunt  k.  Apr., 
quibiis  est  natalis  Veneris,  offenbar  eine  Angabe  des  derzeitigen 
officiellen  Kalenders  referirt,  welche  sich  dann  auch  in  dem  der 
Chronographie  von  354  einverleibten  wiederfindet;  wogegen  in  dem 
von  449  (acta  sanct.  lun.  VII  p.  176  sq.)  keine  derartige  Notiz  mehr 
erscheint. 

Die  Schollen  sind  also  im  Laufe  des  4.  Jh.  entstanden;  wahr- 
scheinlich gegen  das  Ende  desselben,  wie  schon  Gothofred  zu  C.  Th. 
XrV,  17,  2  sie  mit  Recht  für  'wenig  jünger  als  Prudentius"  erklärt 
hat.  Sie  gegen  das  Ende  hinabzurücken  bestimmt  mich  weniger 
die  Erwähnung  des  panis  gradilis  286,  4,  welcher  Ausdruck  aller-  \ 
dings  erst  seit  364  nachzuweisen  ist  (Goth.  a.  a.  O.)  als  die  Erklärung 
von  tutor  principis  durch  patricius  (320,  25).  Es  ist  nicht  glaublich, 
dass  der  Scholiast  hiebei  an  das  constantinische  Rangprädicat  allein, 
gedacht  haben  sollte  (vgl.  Goth.  zu  C.  Th.  VI,  6);  vielmehr  müssen 
ihm  Patricius  wie  Stilicho,  Rufinus  Eutropius  im  Sinn  gelegen  haben. 


Zeitalter  des  Scholiasten  Juvenals. 


511 


die  allerdings  recht  eigentlich  die  Kaiser  bevormundeten.  Man  kann 
sich  kaum  der  Vermuthung  wehren,  dass  der  Scholiast,  indem  er 
den  magister  tnüihim  und  den  pafricius  so  nahe  zusammenrückte, 
eben  an  Stilicho  gedacht  hat,  der  beides  war. 

Es  wird  hiedurch  auch  ziemlich  sicher  gemacht,  dass  der  prae- 
fectus  Cerealis  (316,  58  vgl.  374,  6)  der  Stadtpräfect  dieses  Namens 
352  3  sein  soll;  obwohl  die  Möglichkeit,  dass  ein  älterer  Präfect 
dieses  Namens  gemeint  sein  kann,  in  einer  so  verwirrten  und  so 
offenbar  einem  Missverständniss  der  Worte  Juvenals  accommodirten 
Notiz  keineswegs  geleugnet  werden  kann. 

Die  Schollen  sind  also  wahrscheinlich  um  400  in  Rom  (dies 
zeigen  die  Stellen  207,  17.  208,  20.  244,  22.  289,  13.  293,  8.  338,  3) 
niedergeschrieben  und  später  wohl  verkürzt  und  verdorben,  aber 
nicht  eigentlich  verfälscht. 


LVIII. 

'       Aus  lind  über  Leydener  und  Münchener 
Handschriften.*) 

[45  Unter  den  lateinischen  Glossarien,   woran  die  Leydener  Biblio- 

thek bekanntlich  so  reich  ist  wie  kaum  eine  zweite,  ist  mir  besonders 
einer  verständigen  Untersuchung  werth  erschienen  die  früher  Krohnische 
Handschrift  XYIII,  67.  D  (n.  498  des  Geelschen  Supplements)  aus 
dem  zehnten  Jahrhundert.  Ich  gebe,  was  ich  mir  daraus  angemerkt 
habe. 


*)  [Rhein.  Mus.  N.  F.  16,  1861,  S.  135—147.  Da  die  von  Mommsen  in  diesem 
Aufsatz  gegebenen  Nachweise  seitdem  von  den  Herausgebern  der  Texte  ver- 
wertet worden  sind,  werden  sie  hier  nicht  wieder  zum  Abdruck  gebracht. 
Seine  Exzerpte  betreffen :  1)  'Florus'.  Die  Mommsensche  Neukollation  des  Brüsseler 
Kodex,  der  das  Fragment  überliefert  hat,  ist  von  C.  Wachsmuth  in  einem  Nach- 
trag zur  Ausgabe  in  Ritschis  op.  3  S.  742  benutzt  worden.  2)  'Paulus  Auszug  des 
Festus'.  Die  von  Mommsen  namhaft  gemachten  Handschriften  hat  daraufhin  E. 
Thewrewk  de  Ponor  in  der  Ungarischen  Revue  1884  genauer  beschrieben. 
Am  Schluß  dieses  Teiles  seines  Aufsatzes  spricht  Mommsen  von  der  Notwendig- 
keit, die  Überlieferungsgeschichte  der  im  Farnesinus  nicht  mehr  vorhandenen 
Quaternionen  des  Festustextes  zu  klären;  die  Lösung  dieser  Aufgabe  hat  er  dann 
später  selbst  in  Angriff  genommen:  s.  o.  S.  272.  3)  'Virgilische  Scholien'.  Die 
Münchener  Handschrift  ist  für  den  Text  des  Probus  von  Thilo -Hagen  benutzt 
worden  (Servius  111,2,  Leipz.  1902,  praef.  p.  Vlllf.);  die  von  Mommsen  daraus 
notierten  Bemerkungen  des  Petrus  Crinitus  über  den  Kommentar  des  Ti.  Donatus 
hat  H.  Georgii,  soweit  sie  von  Bedeutung  sind,  in  der  Ausgabe  dieses  Kommen- 
tars Bd.  1  Leipz.  1905  praef.  p.  Vlll  A.  1  und  XIX  wiederholt.  4)  'Der  Grono- 
vische  Scholiast  zu  Ciceros  Reden'.  Die  von  Mommsen  aus  der  Blätterfolge  der 
Leydener  Handschrift  gezogenen  Schlüsse  auf  die 'Sammlung  ciceronischer  Reden, 
welche  dem  Scholiasten  vorlag',  lassen  sich  nach  den  neueren  Forschungen  über 
dieses  Scholienkonglomerat  nicht  mehr  aufrechterhalten.  5)  'Glossarien'.  Was 
Mommsen  aus  dem  minderwertigen,  von  ihm  eingesehenen  Glossar  der  Leydener 
Bibliothek  (vom  Corpus  gloss,  ausgeschlossen)  notierte,  ist  oben  abgedruckt 
worden  wegen  der  von  ihm  daran  geknüpften  Bemerkungen.] 


Aus  und  über  Leydener  und  Münchener  Handschriften.  513 

Anfang:  Ab  ahatissimis  a  deformissimis  et  ab  infirmissimis.    Ab 

abiectissimis  ab  tenuissimis ,  ab  öbscurissimis,  ab  angusiissimis 

sive  a  paucissimis  et  liumilibus. 
Atnpilestiis  quorum  (1.  Ampiles  Tuscorum)  liiigua  Malus  ynensis 

dicitur. 
ActoUera    urbe   ArgiripJia.      hanc   enim   JDiomedis    Etolus    post 

excidium  alii  (1.  Ilii)  in  Aj)ulia  condidit. 
Ceraunium    nota    est   quae    in    libris   apponitur   quotiens   muMi 

versum    (1.  versus)    inprobantur    nee   per    singidos    obolantur. 

ceraunium  enim  fulmen  dicitur.     Aus  Isidor  etym.  I,  21,  21. 
Ciathum  cum  h  scribi  oportet.     Ciati  decem  dragmis  appenditur, 

qui  etiam  quibusdam  Cassatus  nominatur. 
Ereo  Octimber  mensis  dicitur  in  lingua  Bizantinorum. 
Lemnias  genus  tnonstri  in  Libia  credunt  esse  truncos  sine  capite, 

OS  et  ocidos  habere  in  pectore. 
Linne  saga  quadra  et  mollia  sunt,    de   quibus   Plaut us:    Unna 

cooperata  est  testrio  Gallia. 
Sensa   dici  Donatus  grammaticus  ait  Epicureus  ostendit  omnia  146 

conpraehendi  posse  sensa  corporis. 
Septem  arces  Septem  montes  intra  Homam,  id  est  Tarpeius  Aven- 

tinus  Viminalis  Quirinalis  Celius  Escilitius  et  Palatinus. 
Soene  castrum  in  ßnibus  Ethiopiae  habetur;  ibi  est  turris  Magdal 

et  Romanae   ditioni   std)iacet.     Ibi  sunt  irdicata  rede  {\..NiU 

catarractae),    usque   aque   locum    denso     (1.    ad    quem    locum 

deusque)  mari  ipse  Nihilus  navigabilis  est. 
Traneus  Iiüius  mensis  dicitur  in  lingua  Tuscorum. 
Velcitanus  Tuscorum  lingua  Martins  mensis  dicitur. 
Xoffer  Octimber  mensis  dicitur  in  lingua  Tuscorum. 
Schliesst:  Zoxia  signa  est.     Folgen  Thierstimmen  u.  dgl.  m. 

Dass  von  den  etniskischen  Monatnamen,  die  kürzlich  aus  dem  Papias 
ans  Licht  gezogen  -svorden  sind,  in  diesem  älteren  Glossar  wenigstens 
vier  erscheinen  (nach  Aclus  und  Celius  habe  ich  vergeblich  gesucht), 
i^t  beachtenswerth.  Erwägung  verdient  auch,  dass  hier  die  uns 
geläufigen  sieben  Hügel  Roms  aufgeführt  werden,  während  die  noch 
dem  Alterthum    angehörigen  Verzeichnisse  andere  jS^amen  nennen^. 


1)  Das  älteste  ist  das  der  Stadtbeschreibung  S.  26.  27  PreUer:  Cadius 
Aventinus  Tarpeius  Palatinus  Esquilinus  Vaticanus  et  lanienlensis;  warmn 
Quirinal  und  Viminal  hier  fehlen,  habe  ich  in  der  dritten  Ausgabe  meiner 
R.  G.  I,  109  gezeigt.  Servius  (zur  Aeneis  6,  784)  nennt  statt  des  tarpeischen 
mid   des  vaticanischen  Hügels,   Quirinal  und  Viminal;   die  zwei  von  Johannes 

MOMMSEN,   SCHB.  VII.  33 


514  Aus  und  über  Leydener  und  Müuchener  Handschriften. 

Dagegen  kehren  die  sieben  Hügel  unseres  Glossars  in  dem  Über 
Guidonis  (f.  9  der  Handschrift)  wieder;  und  die  gemeinschaftliche 
Quelle  des  Glossenschreibers  wie  des  Geographen  scheint  die  kurze 
Notiz  de  montibus  und  de  aquarum  ductibus  zu  sein,  die  Preller  in 
der  Ausgabe  der  Regionen  S.  37  aus  cod.  Laur,  pl.  89,  67  saec.  X 
herausgegeben  hat  und  die  Bock  (lettres  ä  M.  Bethmann  p.  1 7)  in 
der  Pariser  Handschrift  4806  ebenfalls  fand. 

Dagegen  möchte  dasjenige  Lexikon  derselben  Bibliothek  (Bibl. 
147  publ.  n.  56)  aus  dem  Bake  in  seiner  Ausgabe  der  Schrift  Ciceros 
von  den  Gesetzen  S.  285  ein  Fragment  Macers  mitgetheilt  hat,  nach 
Angabe  des  gedruckten  Katalogs  eine  Papierhandschrift,  Auszüge 
aus  Nonius  und  ähnlichen  Büchern  enthaltend,  den  davon  gehegten 
Erwartungen  nicht  entsprechen.  Die  mitgetheilten  Worte:  Acca. 
Mater  Msforiarum  IP  sind  unzweifelhalt  so  zu  ändern :  Acca.  Macer 
historiarum  l.  P  und  geflossen  aus  Macrobius  Sat.  I,  10,  17:  Macer 
hisforiarum  libro  primo  Faustuli  coniugem  Accam  Larentiam  JRomuU 
et  Remi  nutricem  fuisse  confirmat.  Hiernach  wird  man  auch  von 
den  abweichenden  Lesungen,  mit  denen  die  Stelle  Varros  de  1.  Lat. 
VI.  S.  265  [§  88]  in  derselben  Handschrift  wiedergegeben  ist  (Bake 
a.  a.  O.  S.  658),  für  unseren  Text  sich  keine  Hülfe  versprechen  dürfen. 


Lydus  S.  118  Bekker  [de  mens.  ed.  Wünsch  p.  173]  mitgetheilten  Listen  sind 
lückenhaft  und  verwirrt  (vgl.  Becker  Topogr.  S.  123),  aber  weder  die  ältere 
noch  die  jüngere  lässt  sich  füglich  auf  die  uns  geläufigen  sieben  Namen  zu- 
rückführen. 


LIX. 
Lateinisches  Glossar  des  cod.  Vat.  2730.*) 

Ob  für  die  Kritik  des  einen  oder  des  anderen  dieser  Schrift-  73 
steller  [der  in  den  von  Mommsen  gegebenen  Proben  zitierten]  die 
Anführungen  in  dem  Glossar  brauchbar  sind,  lasse  ich  dahingestellt; 
viel  wird  damit  nicht  anzufangen  sein.  Aber  wenigstens  in  einer 
Hinsicht  ist  die  Auffindung  dieser  Handschrift  doch  von  einigem 
Nutzen.  Caspar  Barth  hat  in  den  Adversarien  37,  5  aus  einer 
Handschrift  des  Yirgil  den  Anfang  eines  Glossars  herausgegeben^, 
der  dann  in  Lions  Ausgabe  der  Yirgilscholien  2,  373  —  374  wieder- 
holt und  in  den  Fragmentensammlungen  von  Ribbeck,  Peter  und 
Anderen  benutzt  ist.  Wer  diesen  Abdruck  mit  den  oben  gegebenen 
Proben  zusammenhält,  wird  sich  leicht  überzeugen,  dass  Barth  eben 
unser  Glossar  vor  Augen  gehabt  hat,  und  dass  sein  Text  noch  viel  -^ 
zerrütteter  war  als  der  uns  vorliegende,  dagegen  durch  alle  Buch- 
staben des  Alphabets  reichte,  während  unsere  Handschrift  im  M 
abbricht.    Ich  gebe  zur  Vergleichung  den  Buchstaben  B  nach  Barth : 

hachar  herba  quae  fascinum  peUit.  Virg.:  'hachare  frontem 
cingite  ne  ptiero  noceant  mala  signa  futuro.'  Neratitts  in 
Ydro  dixit:  'bachareis  frondihus  puerum  amictum\ 

Bldbios  est  Mantiiae  conditor:  dictus  est  autem  quasi  animo 
et  corpore  fortissimus. 

*)  [Hermes  8,  1874,  S.  67—74.  Das  Glossar,  von  dem  Mommsen  Proben  gab, 
ist  nicht  wieder  abgedruckt  worden,  da  es,  wie  mir  G.  Goetz  brieflich  mitteilt, 
von  Guarino  herrührt:  vgl.  Sabaddini,  La  scuola  e  gli  studi  di  Guarino,  Catania 
1896,  S.  54  und  in  der  Riv,  di  filol.  31  S.  470  f.  Von  den  an  die  Veröffentlichung 
angeschlossenen  Bemerkungen  Mommsens  schienen  die  oben  stehenden  den 
Abdruck  zu  verdienen.] 

1)  Barth  sagt  von  dieser  Handschrift:  Est  aptid  nos  priscus  Moronis  codex, 
cui  subiectmn  visitur  glossariolum,  in  quo  isla  offendo  ex  antiqtiis  explanatoribtis 
excerpta  ....  Glossae  .  .  .  toittm  (üfdbetwm  percurrunt,  rariores  tarnen  in  postremis 
praecipue  litteris. 

33* 


516  Lateinisches  Glosar  des  cod.  Vat.  2730. 

Uaterare  inepta  vociferare.     Appuleiiis   in  antalogio:  quae  et 
si  possent  ab  iis  velint  hlaterata  esse  hlaterata  ob  mercedem. 
blatea  lamina  ex  metallo.     Virg.:  crepitabant  blatea  vento. 
bruina  hiems  dicta.     finitur  bruina  VIII  kl.  lan. 

Dies  stimmt,  wie  man  sieht,  im  Ganzen  wörtlich  und  selbst  in 
argen  Corruptelen  mit  dem  vaticanischen  Glossar  überein,  und  das 
Gleiche  wird  bestätigt  finden,  wer  weiter  die  aus  dem  Buchstaben 
A  mitgetheilten  Auszüge  mit  dem  Barthschen  Text  zusammenhält. 
Nur  eine  Anführung  ist  davon  auszunehmen:  das  angebliche  Citat 
aus  Neratius  in  Ydro,  wovon  unser  Text  so  wenig  etwas  weiss  wie 
die  sonstige  antike  Ueberlieferung,  und  das  jetzt  unzweifelhaft  als 
eine  Barthsche  Interpolation  sich  herausstellt.  Dergleichen  begegnet 
auch  sonst  noch;  wie  denn  die  beiden  unter  admitto  von  Barth 
beigebrachten  Citate  aus  Plautus  und  luvenal  in  der  vaticanischen 
Handschrift  sich  nicht  finden  und  ebensowenig  unter  apparere  Servius 
angeführt  wird.  Man  wird  das  Barthsche  Glossar  als  einen  schlechten 
und  interpohrten  Auszug  des  vaticanischen  in  Zukunft  bei  Seite  legen 
dürfen  und  manche  auf  dessen  Corruptelen  aufgebaute  Combination 
(wie  z.  B.  die  in  Orellis  onomast.  Cic.  unter  Anser  vorgebrachte)  ist 
hiedurch  erledigt. 


LX. 

Ueber  eine  Stelle  des  Ennodius.*) 

Ennodius  preist  in  seiner  Lobrede  den  König  Theodorich  (p.  315  47 
der  Simaond.  Ausg.  von  1611  [p.  284  Hartel]),  dass  er  die  Jugend 
durch  Scheinkämpfe  zu  dem  ernsthaften  Waffendienst  vorbilde,  und  fügt 
hinzu,  dass  er  damit  die  alten  Römer  übertreffe.  Butilium,  fährt 
er  dies  belegend  fort,  et  Manlium  comperimus  glaäiatorium  conflictum 
magistrante  poinilis  Providentia  contulisse,  ut  inter  theatrdles  caveas 
plebs  diuturna  pace  possessa,  quid  in  acie  gereretur,  agnosceret.  Sed 
tiinc  feriatis  manihus  frustra  sociae  mortes  ingerehantur  adspectui. 
In  diesen  Worten  hat  kürzlich  Huschke  (in  dieser  Zeitschrift  IX,  330) 
ein  Zeugniss  dafür  gefunden,  dass  die  Gladiatorenspiele  im  J.  649 
der  Stadt  bei  den  Römern  unter  die  amtlichen  und  regelmässig 
wiederkehrenden  aufgenommen  seien  —  was  allerdings  wichtig  genug 
sein  würde,  um  diese  Worte,  wie  Huschke  dies  thut,  einer  „neu 
entdeckten  Quelle"  gleichzuachten.  Freilich  erheben  sich  für  jeden, 
der  die  in  Rede  stehenden  Dinge  kennt,  sogleich  sehr  ernstliche 
Schwierigkeiten,  Wir  wissen  nichts  von  festen  Spielen,  die  aus- 
zurichten den  Consuln  obgelegen  hätte.  Ebensowenig  weiss  die 
Ueberlieferung  der  republikanischen  Zeit  etwas  von  stehenden 
Gladiatorenspielen;  was  Huschke  für  die  Regelmässigkeit  derselben 
geltend  macht,  dass  Dio  47,  40  die  Aufführung  von  Gladiatoren- 
anstatt  Bühnenspielen  bei  den  Cerealien  im  J.  712  unter  den  Pro- 
digien  verzeichnet  beweist  augenscheinlich  das  Gegentheil.  Sogar 
dass  die  Einführung  der  festen  Gladiatorenspiele  in  das  J.  47  n.  Chr. 
fällt,  berichtet  Tacitus  (annal.  11,  22)  und  ist  auch  sonst  wohl  be- 
glaubigt; sie  fielen  in  den  December  und  wurden  von  den  Quästoren 
gegeben  (C.  I.  L.  I.  p.  407).  Somit  ist  guter  Grund  vorhanden,  nicht 
eher  aus  der  „neu  entdeckten  Quelle"  zu  schöpfen,  bevor  wir  wissen, 

♦)  [Zeitschrift  für  Bechtsgeschichte  10,  1872,  S.  47—48.] 


518  -     Ueber  eine  StelUe  des  Ennodius, 

48  ob  die  Wasser  nicht  trübe  sind;  und  sie  sind  es  in  der  That.  Was 
Valerius  Maximus  2,  3,  3  von  dem  Consul  des  J.  649  P.  Kutilius 
Rufus,  dem  Collegen  des  Cn.  Mallius  erzählt,  dass  er  die  Gladiatoren 
aus  der  Fechtschule  des  C.  Aurelius  Scaurus  als  Instructoren  für 
seine  Soldaten  verwendet  habe,  liegt  zwar  weit  genug  ab  von  dem 
Bericht  des  Ennodius;  aber  wenn  lanuarius  Nepotianus  in  seinem 
Auszug  des  Valerius  (10,  22)  diese  Erzählung  folgendermassen  wieder- 
giebt:  Fisi  virtute  Romani  sine  artißcio  dimicahant.  itaque  P.  Rutüio 
et  Cn.  Mallio  cos.  e  ludo  gladiatorio  doctores  accersiti  sunt,  ut  inferre 
ictus  et  declinare  monstrarent,  adiutaque  est  artificio  fortitudo,  so  ist 
es  dennoch  evident,  dass  Ennodius  Meldung  nichts  ist  als  ein  Miss- 
verständniss  der  Erzählung  des  Yalerius.  Denn  Nepotians  Worte 
können  allerdings  so  verstanden  werden  als  handle  es  sich  nicht  um 
ein  Vornehmen  des  Rutilius,  der  mit  Mallius  Consul  war,  sondern 
um  ein  Vornehmen  der  Consuln  Rutilius  und  Mallius;  ferner  als 
habe  die  Instruction  darin  bestanden,  nicht  dass  man  den  Rekruten 
Fechtmeister  aus  den  Gladiatorenschulen  gab,  sondern  dass  vor  der 
Bürgerschaft  Kunstfechten  von  Gladiatoren  aufgeführt  wurde.  Also 
ist  aus  den  Worten  des  Ennodius  über  die  Munera  nichts  zu  lernen, 
und  überhaupt  nichts  weiter  als  etwa,  dass  Nepotianus  Auszug  vor 
dem  Anfang  des  sechsten  Jahrhunderts  verfertigt  worden  ist ;  ausser- 
dem allenfalls  noch,  was  Auszugmacher  und  Auszugbenutzer  zu  leisten 
im  Stande  sind.     Cave! 


LXI. 
Jamblichos  bei  Jordanes.*) 

Jordanes  beginnt  seinen  Abriss  der  römischen  Geschichte  mit  352 
den  Worten:  Eomani ,  ut  ait  lamhlicus,  arniis  et  legibus  exercentes 
orhem  terrae  suum  fecerunt:  armis,  si  quidem  constrztxerunt ,  legibus 
autem  conservaverunt,  qiiod  et  ego,  sequens  eruditissimum  virum,  dum 
aliqua  de  cursu  temporum  scribere  delibero,  necessaritim  duoci  opusculo 
meo  velut  insigne  quoddam  ornamentum  praeponere.  Dass  dieser 
Satz  bei  dem  berühmten  Philosophen  Jamblichos  von  Chalkis  sich 
nicht  findet  und  auch  nicht  füglich  von  ihm  geschrieben  sein  kann, 
habe  ich  in  der  Vorrede  meiner  Ausgabe  hervorgehoben  und,  da 
nach  der  Art,  wie  Jordanes  den  Mann  erwähnt,  doch  kaum  an 
einen  anderen  als  jenen  vielfach  gefeierten  Schriftsteller  gedacht 
werden  kann,  das  Citat  überhaupt  als  mindestens  bedenklich  be- 
zeichnet. Ich  werde  nun  aber  aufmerksam  gemacht  auf  eine  Stelle 
des  bekannten  Juristen  der  justinianischen  Zeit  Stephanos  aus  den 
Basilikenscholien  zu  23,  1,  9,  9  p.  601  Heimbach:  xalcbg  ovv  xal 
äojuoöicog  äv  Tig  tov  f]QO)og  'AfxßXixov  (sehr.  "lafxßXiy^ov)  xe/Qrjfiivog 
orffiaoiv  amoi '  w  Tiooa  dvvarai  xoyv  ovvaXXay fxdroiv  ff  cpvoig.  cb  Jiöoa 
dt  evog  iJ,eiaox^]fJ-o.rioTai  grjfjiaxog'  aTiavia  yaQ  reo  'y^orjoai  fxeta- 
ßeßXr]vxai  grj/uari,  deoTioreia,  vojui],  ovvd/.Xayp,a,  xivdvvog,  äycoyij. 
Weiter  wird  dieser  Jamblichos  nicht  genannt;  die  Bezeichnung 
•JQcog  wird  öfter  von  Stephanos  angesehenen  Vorgängern  bei- 
gelegt; nach  der  Meinung  Zachariäs  von  Lingenthal  ist  es  der  Titel 
der  berytischen  Rechtslehrer.  Ich  lege  diese  mir  zugekommene 
Nachweisung  hier  zur  weiteren  Prüfung  vor.  Dass  die  an  beiden 
Stellen  angeführten  Worte  den  gleichen  declamatorischen  Charakter 
tragen  und  füglich  in  derselben  Schrift  vorkommen  konnten,  leuchtet 


*)  [Neues  Archiv  der  Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Geschieh tskunde  8, 
1883,  S.  852.] 


520  Jamblichos  bei  Jordanes. 

ein.  Andererseits  erhebt  sich  freilich  ein  doppeltes  Bedenken. 
Einmal  muss,  wie  ich  bereits  in  der  Ausgabe  hervorgehoben  habe, 
wenn  Jordanes  das  sequi  nicht  völlig  gedankenlos  gesetzt  hat,  die 
fragliche  Schrift  einen  der  des  Jordanes  einigermassen  analogen 
Inhalt  gehabt  haben.  Zweitens  stimmt  zu  dem,  was  wir  über  Jor- 
danes litterarische  Hülfsmittel  seinen  Schriften  entnehmen,  die  An- 
führung einer  doch  ohne  Zweifel  in  griechischer  Sprache  nicht  lange 
vor  Justinian,  vielleicht  in  Berytos  abgefassten  juristischen  Schrift 
nicht  besonders  gut.  Indess  beachtenswert  ist  die  Zusammenstellung 
auf  jeden  Fall  und  trifft  vielleicht  das  Richtige. 


LXII— LXIII. 
E  u  g  i  p  p  i  a  11  a.*) 

Sauppe  contra  Knöll. 

Die  Biographie  des  Severinus,  welcher  als  Abt  von  Faviana  454 
(unweit  Ips)  im  Jahre  482  starb  und  dessen  Körper,  bei  dem  Ab- 
zug der  Römer  aus  Noricum  im  Jahre  488  mitgeführt,  seine  zweite 
Ruhestätte  bei  Xeapel  im  casti-um  LucuUanum  fand,  verfasst  im 
Jahre  511  von  seinem  jüngeren  Zeitgenossen  Eugippius,  damals  Abt 
des  bei  jener  Ruhestätte  gegründeten  Klosters,  zum  Theil  aus  eigener 
Anschauung,  überwiegend  aber  nach  den  Erzählungen  älterer  Männer^, 
ist  ein  so  einzigartiges  und  so  werthvolles  Document  für  den  Unter- 
gang der  römischen  Civilisation  in  den  Landschaften  nordwärts  der 
Alpen,  dass  es  gestattet  sein  wird  auf  dessen  Ueberlieferung  noch 
einmal  die  Aufmerksamkeit  zu  richten. 

Handschriften  aus  älterer  Zeit  besitzen  wir  nicht,  wohl  aber 
Auszüge  aus  der  Biographie  in  der  italischen  Chronik  2,  deren  Auf- 
zeichnung wohl  noch  dem  sechsten  Jahrhundert  angehört,  weitere 
bei  Paulus  Diaconus  aus  dem  Ende   des  achten^  und  in  den  wenig 


*)  [Hermes  32,  1897,  S.  454—468.  In  einer  zweiten  Abhandlung  'Eugippiana  II' 
im  Hermes  33,  1898,  S.  160—167  hat  Mommsen  die  deutschen  Hss.  des  Eugippius, 
deren  Prüfung  er  unten  S.  523  als  wünschenswert  bezeichnet,  in  ihrem  Verhältnis 
'.;u  einander  und  zu  den  italienischen  untersucht.  Diese  zweite  Abhandlung  hier 
5;um  Abdruck  zu  bringen  erübrigt  sich  durch  die  unmittelbar  darauf  erschienene 
Ausgabe  des  Eugippius,  1898,  S.  XVIIl  ff.,  während  die  vorliegende  Abhandlung 
rieben  der  kurzen  Zusammenfassung  ihrer  Resultate  a.  a.  0.  S.  XXVI  ff.  ihren 
selbständigen  Wert  behält.  Die  Abweichungen  der  in  vorliegender  Abhandlung 
Elitgeteilten  Lesarten  von  denjenigen  der  Ausgabe  sind  hier  im  Text  in  Klammem 
angegeben  worden.] 

1)  Brief  an  Paschasius  2 :  ex  notissima  nobis  et  cottidiana  maiorum  relatione. 
Mit  Namen  nennt  er  solche  Gewährsmänner  27,  19.  35,  1. 

2)  In  meinen  Chroniken  1  p.  314.  315. 

3)  bist.  Lang.  1,  19;  bist.  Rom.  15,  8. 


522  Eugippiana. 

jüngeren  Gesten  der  Bischöfe  von  Neapel  ^  Von  den  uns  erhaltenen 
Handschriften  gehören  die  ältesten  —  die  von  Sauppe  und  Knöll  dem 
neunten  Jahrhundert  zugeschriebene  Münchener  1044  ist  vielmehr 
aus  dem  elften  —  dem  zehnten  Jahrhundert  an,  die  des  Lateran 
(L)  und  wohl  auch  die  Turiner  (T);  die  grosse  Masse  dem  elften 
Jahrhundert  und  der  Folgezeit.  Die  Feststellung  des  kritischen 
Fundaments  verdanken  wir  Sauppe.  In  seiner  Ausgabe  (1877)  warf 
er  die  Masse  der  deutschen  bei  Seite  als  in  verschiedener  Weise,  aber 
gleichmässig  arg  interpolirt,  und  schied  die  brauchbaren  in  zwei 
455  Classen,  eine  bessere,  vertreten  durch  jene  des  Lateran,  und  eine 
geringere,  von  der  er  zwei  Exemplare,  das  vaticanische  5772  aus 
Bobbio  (V)  und  das  Mailänder  J  61   inf.  (M)  heranzog. 

Pius  Knöll  schloss  in  seiner  Ausgabe  (1886)^  diesen  Feststellungen 
sich  vollständig  an,  aber  zog  in  zweckmässiger  Weise  noch  andere 
Handschriften  der  italischen  Classen  hinzu,  für  die  erste  theils  die 
beste  der  zahlreichen  Handschriften  von  Monte  Cassino  145  (C), 
theils  eine  zweite  vaticanische  1197  (G),  für  die  zweite  theils  die 
ehemals  bobiensische  Handschrift,  jetzt  in  Turin  lY.  F.  25  (T), 
welche  er  als  das  Original  der  vaticanischen  5772  (V)  nachwies, 
theils  die  römische  der  Vallicellianischen  Bibliothek  XII  (N).  Damit 
wurde  insbesondere  für  die  erste  Classe  ein  wichtiger  Fortschritt 
gemacht.  Die  Handschrift  des  Lateran  erwies  sich  den  Zwillings- 
handschriften  CG  wohl  als  eng  verwandt,  aber  in  der  Weise,  dass 
an  zahlreichen  Stellen  L  gegen  CG,  an  zahlreichen  anderen  CG 
gegen  L  im  Rechte  waren,  und  fortan  also  für  Sauppes  L  vielmehr 
CGL  einzutreten  hat.  Dies  ist  insofern  von  wesentlichem  Gewinn, 
als  die  Lateranhandschrift  zwar  von  sachlichen  Interpolationen  frei, 
der  Text  aber  durch  leichtfertige  Behandlung  der  Ueberlieferung 
und  durch  eine  grosse  Zahl  kleiner  Verderbnisse  entstellt  ist,  welche 
Sauppe,  dem  die  Controle  fehlte,  nur  zum  Theil  mit  Hilfe  der 
andern  Classe  hat  beseitigen  können.  Von  minderer  Wichtigkeit, 
obwohl  ebenfalls  nützlich,  ist  die  Verstärkung  des  Fundaments  der 
zweiten  Classe;  T  ist  allerdings  wohl  die  Vorlage  von  Sauppes  V 
—  beide  sind  bobiensisch  —  und  dafür  einzusetzen,  aber  die  Abschrift 
ist  sorgfältig  und  viel  wird  durch  diesen  Wechsel  nicht  gewonnen. 
Nützlicher  hat  sich  in  manchen  Einzelfragen  die  Hinzuziehung  des 
dritten  weder  von  T  (V)  noch  von  M  abhängigen  Exemplars  N  bc- 

1)  Gesta  ep.  Neap.  in  den  scr.  rer.  Lang.  p.  468. 

2)  Dazu  gehört  die  Abhandlung  ,Das  Handschriftenverhältniss  der  Vita 
S.  Severini  des  Eugippius'  in  den  Sitzungsberichten  der  phil.-hist.  Classe  der 
Wiener  Akademie  95,  1880,  S.  445  —  498. 


Eugippiana.  523 

wiesen.  —  Darin,  dass  weder  LCG  noch  TNM  entbehrlich  sind, 
vielmehr  bald  die  eine  Classe,  bald  die  andere  den  echten  Text 
bewahrt  hat,  stimmt  Knöll  mit  Sauppe  überein.  Aber  in  der 
Schätzung  der  beiden  Classen  stehen  sich  die  beiden  Herausgeber 
schroff  gegenüber:  wie  Sauppe  der  ersten,  so  giebt  Knöll  der  zweiten 
den  Yorzug. 

Bei  dem  fundamentalen  Ergebniss,  dass  die  deutschen  Hand- 
schriften, die  allerdings  noch  genauerer  Prüfung  bedürfen,  kritisch 
zurückstehen,  die  italienischen  aber  in  zwei  Classen  zerfallen  und  456 
zwischen  den  Classenlesungen  die  Wahl  offen  steht,  wird  es  bleiben; 
Sauppes  Ansetzungen  sind  von  Knöll  bestätigt  worden  und  haben 
sich  auch  mir  als  völHg  gesichert  erwiesen.  Der  Classengegensatz 
ist  ein  merkwürdig  scharfer  und  Contamination  scheint  bei  dieser 
Schrift  überhaupt  nicht  vorgekommen  zu  sein,  worauf  wir  weiterhin 
zurückkommen  werden.  Nichts  desto  weniger  ist  der  zwischen 
Sauppe  und  Knöll  bestehende  Gegensatz  für  die  Handhabung  der 
Kritik  von  wesentlichem  Belang;  obwohl  keine  der  beiden  Classen 
entbehrlich  ist,  stehen  sie  im  Werthe  nicht  gleich  und  Knölls  Aus- 
gabe ist,  wie  in  der  Verstärkung  des  Apparates  ein  wesentlicher 
Fortschritt,  so  ein  arger  Rückschritt  in  dessen  Schätzung  und  Be- 
handlung. Es  wird  angezeigt  sein  zunächst  diejenigen  Stellen  folgen 
zu  lassen,  bei  welchen  eine  Entscheidung  zwischen  den  verschiedenen 
Lesungen  möglich  ist  und  dadurch  das  Urtheil  über  die  Beschaffen- 
heit der  beiden  Classen- Archetypen  zu  fundiren.  Einzelne  für  das 
Classenverhältniss  nicht  in  Betracht  kommende  Stellen  sind  hinzu- 
gefügt, wo  sie  anderweitig  zu  Bemerkungen  Anlass  geben.  Da  die 
Knöllsche  Ausgabe  allein  den  Apparat  vollständig  bietet,  so  citire 
ich  hauptsächlich  nach  deren  Seiten  und  Zeilen.*) 

1,  9  ep.  Eug.  1  Titcis]  I,  titis  IL  Dass  jene  Form  die  richtige 
ist.  hat  Knöll  im  Index  erwiesen. 

2,  20  ep.  Eug.  3  und  sonst.  Die  ältere  Schreibung  spirital- 
iat  in  der  zweiten  Classe  bewahrt,  nur  dass  M  an  zwei  Stellen  36,  14.- 
42.  8  abweicht;  in  der  ersten  Classe  hat  sie  L  2,  20.  31,  8.  36,  14 
i(hier  geändert  in  spiritual-) ,  dagegen  spiritual-  4,8.  42,8.  45,  11. 
j55,  24,  während  CG  keine  andere  kennen  als  diese. 

I  3,  24  ep.  Eug.  6  sperantes  nos  haiuli  nomen  etiam  de  tui  operis 
^perfecüone  esse  dictiiros.  Die  Aenderung  Sauppes,  die  Knöll  gebilligt 
ihat,  ducttoos,  beruht  auf  Missverständniss;  der  Bote  heisst  Deogratias, 

*)  [Von  der  Umschreibung  dieser  in  die  Seiten  und  Zeilen  von  Mouunsens 
(Vu8  »abe  konnte  abgesehen  werden,  da  die  Zahlen  der  Kapitel  und  Paragraphen 
k  beiden  Ausgaben  gleich  sind.] 


524  Eugippiana. 

und  der  Schreiber  hofft  dies  ,Gott  sei  Dank'   auch  nach  Abschluss 
der  von  Paschasius  erwarteten  Arbeit  sagen  zu  können. 
4,  7  ep.  Eug.  7  weichen  die  beiden  Familien  also  ab: 
I.  de  qua  (patria  Severini)  me  II.    de    qua    licet    me    fatear 

fatem'  nullum  evidens  habere  do-  (fateor  M)  nulluni  evidens  habere 
cumentum.  nam  cum  multi  sacer-  documentum ,  tarnen  quid  hinc  ab 
dotes  cet.  meunte     aetate    cognoverim     non 

tacebo.      cum  multi  igitur  sacer- 
dotes  cet. 

457  Dies  ist  nicht  Schreibfehler,  sondern  verschiedene  Fassung.  Die 
erstere  ist,  wie  Sauppe  gezeigt  und  Knöll  (S.  488)  nicht  widerlegt 
hat,  die  allein  dem  Zusammenhang  angemessene;  denn  die  folgende 
Erzählung  giebt  über  die  Heimath  des  Severinus  keine  Auskunft, 
wie  die  zweite  Fassung  dies  andeutet,  sondern  belegt  nur,  dass 
Eugippius  darüber  nichts  in  Erfahrung  gebracht  hat.  Auch  ist  hinc 
ab  meunte  aetate  damit  unvereinbar,  dass  Eugippius  den  Severinus 
erst  am  Schluss  seines  Lebens  kennen  lernte  und  darum  (S.  455  A.  1 
[S.  522  A.  2])  seinen  Bericht  bezeichnet  als  herrührend  ex  notissima 
nobis  et  cottidiana  maiorum  relatione.  An  dem  von  Eugippius  hier 
zunächst  berichteten  Gespräch  hat  allem  Anscheine  nach  dieser  selbst 
nicht  theilgenommen.  Die  verkehrte  Interpolation  ist  handgreiflich, 
übrigens  in  M  nicht  völlig  durchgeführt, 

4,  22  ep.  Eug.  9  serio  I  (CG-,  seuerinus  L)  wird  auch  von  Knöll 
als  richtig  anerkannt  gegenüber  dem  unmöglichen,  aber  eher  inter- 
polirten  als  verschriebenen  senior  der  zweiten. 

7,  19  cap.  8  und  sonst  heisst  der  König  der  Ruger  in  I  durch- 
gängig (mit  Ausnahme  einer  Stelle  40,  2)  Feva,  in  II  durchgängig 
Feba.  Jene  Form  kehrt  wieder  in  der  italischen  Chronik  (I  p.  312. 
313  meiner  Ausgabe)  und  bei  Paulus  hist.  Lang.  1,  19;  analog  ist 
der  Name  des  Westgothenkönigs  Livva.  Die  Chronik  Cassiodors 
zum  Jahre  487  (chron.  2  p.  159)  hat  Foeba. 

12,  8.  12.  58,  21.  59,  5.  14.  62,  14.  63,  1.  5.  Durchgängig  heissti 
der  Bruder  des  Königs  Feletheus  in  der  ersten  Classe  (ebenso  in' 
dem  Auszug  der  gesta  ep.  JSeap.)  Ferderuchus,  in  der  zweiten  Frede-\ 
ricus,  welchen  letzteren  Namen  in  beiden  und  auch  anderswo  dei; 
Sohn  des  Feletheus  führt.  , 

13,  3  c.  1,  1  ist  der  in  II  nach  rebus  turbabantur  ambiguis  einj 
geschobene  Satz:  ac  primum  inter  filios  eius  (des  Attila)  de  opti 
nendo  regno  magna  sunt  exorta  certamina,  qui  morbo  dominationi 
inflati  materiam   sui  sceleris  aestimarunt  patris    interitum    deutlic 


Eugippiana.  525 

entlehnt  aus  der  Chronik  Prospers  c.  1370:  Attila  insedibus  suismortuo 
magna  xirimum  inter  filios  ipshis  (eius  v.  1.^  certamina  de  optinendo 
regno  exorta  sunt.  Was  jener  A-bschreiber  hinzusetzt,  ist  nicht  bloss 
inhaltlos,  sondern  albern;  bei  Erbsehaftsstreitigkeiten  kann  der  Tod 
des  Erblassers  nicht  angemessen  die  , Quelle  des  Frevels'  genannt 
werden. 

23,  8  c.  S,  1  rehaptizare  quosdam  est  conata  catholkos  I,  ohne 
Zweifel  richtig;  qiiondam  II  ist  unerträglich. 

27,  7  c.  10,  2   scrt/waras]  jS^,   se  amaras  TM,   scamerasl.     Jene  458 
Form  scheint  die  ältere  zu  sein. 

27,  24  c.  11,  2  manu  unusquisque]  II,  manus  quisqtieh,  manuCGt. 

29,  12  c.  12,  3  omnis  aetas  et  sextts  quae  etiam  voce  non  po- 
terat  I,  wo  quae  nicht  grammatisch,  aber  dem  Gedanken  nach  zutrifft; 
qui  II  ist  Correctur. 

29,  17  c.  1 2,  4  ad  agrum  propriae  segetis  invisendi  causa  I  mit  M, 
hwisendae  TN,  auch  wohl  in  Folge  grammatischer  Correctur.  Jene 
Ausdrucksweise  ist  der  Sprache  nicht  fremd;  vgl.  z.  B.  Cicero  acad. 
pr.  2,  41,  128:  omniiim  rerum  una  est  definiiio  comprehendendi. 

30,  1  c.  12,  4  ea  twcte  I,  ex  nocte  II  sinnlos;  ex  ea  nocte  Hartel. 
Yielmehr  sind  hier  X  und  A  verwechselt. 

30,  3  c.  12,  5  atque  eontemptor  I,  fehlt  II;  dass  die  Worte  durch 
das  Capitelverzeichniss  gestützt  werden,  bemerkt  Knöll  richtig. 

31,  4  c.  13,  1  cancussis  ex  more  lapidihusl;  excussis,  was  II  für 
concussis  hat,  ist  sinnwidrig  und  wird  von  Knöll  (in  der  Vorrede 
p.  X)  unrichtig  vertheidigt  durch  die  Stelle  des  Ovidius  met.  8,  339: 
eacussis  elisi  mibibus  ignes.  Der  Funke  fährt  aus  dem  Kiesel  nicht 
wie  der  Blitz  aus  der  Wolke,  sondeni  durch  Zusammenschlagen  mit 
einem  anderen  Stein. 

31,  5  c.  13,  1  alterutra  ferri  ac  petrae  conlisione  I  tadellos;  feiri 
fehlt  11;  wenn  Knöll  schreibt  alterutra  hac  xietrae  conlisione,  so  fragt 
man  billig,  wo  dabei  alteruter  bleibt.  Bei  dem  Feuerzünden  sprechen 
die  Alten  meist  von  Stein  und  Stein,  aber  Stein  und  Eisen  kommt 
auch  vor.  Lucretius  6,  160:  ceu  lapid^m  si  percutiat  lapis  atä  ferrum. 
314.    Lactantius  de  ira  dei  10,  18.  19. 

I  32,2  c.  14,2  quid  inquit  I;  inquit  fehlt  11,  auch  nach  Knöll 
I  durch  Versehen. 

j        34,  8  c.  16,  3  credideris  I  ist  bedenklich,  credideras  H  wohl  vor- 
Izuziehen.     [credideris  in  der  Ausgabe.] 
»        35.  1  c.  16,  6  suhdiaconi  I,  diaconi  II;  zweifellos  ist  jenes  richtig. 

35.  1   c.  16,  6  materni  I,  niartini  II;  zweifellos  ist  jenes  richtig. 


526  Eugippiana. 

36,  1  c.  17,  4  Tiburnia  heisst  hier  und  ebenso  36,  4  p.  39,  10 
der  Ort  I,  Tigurnia  II.  Die  correcte  Benennung  Teurnia  (C.  I.  L.  III 
p.  593)  konnte  füglich  in  Tiuurnia,  Tiburnia  übergehen;  die  andere 
Bildung  ist  sprachlich  unmöglich. 

37,  5  c.  19,  1  h(a)enum  II,  r(h)enum  I:  an  den  beiden  anderen 
Stellen,  wo  der  Inn  genannt  ist  (16,  11.  39,  14),  findet  sich  dieselbe 
Corruptel  in  CGr,  aber  nicht  in  L. 

459  38,  14   c.  20,  1  per  id  temporis  II,  per   ideni   tempus  I;  per  id 

tempus  scheint  nothwendig.     [idem  in  der  Ausgabe.] 

38,  16  c.  20,  1  ist  zu  schreiben:  qua  consuetudine  desinente  simul 
militares  turmae  sunt  deletae  cum  limite,  Batavino  utcumque  numero 
perdurante;  durch  richtige  Interpunction  wird  die  Stelle  klar,  delatae 
(V*M),  was  Hartel  vorzieht,  wird  ausgeschlossen  durch  den  zu  per- 
durante geforderten  Gegensatz. 

39,  1 1  c.  21,  2  coegerunt  I,  elegerunt  II:  jenes  ist  vorzuziehen, 
da  es  die  Worte  populorum  desideriis  aufnimmt. 

39,  14  c.  22,  1.  53,  12  c.  36,  1  Boiotro  I  und  an  der  ersten 
Stelle  N;  baiothro  M  an  der  ersten  Stelle,  boit(h)ro  an  der  ersten 
Stelle  T,  an  der  zweiten  alle  Hss.  der  zweiten  Classe.  Jene  Forin 
steht  der  correcten  Boiodurum  näher. 

39,  17  c,  22,  1  x>'^'oferebat  WY  gegen  praeferebat  I  und  N;  jenes 
ist  nothwendig,  aber  bei  den  regelmässig  abgekürzten  Präpositionen 
pro  und  prae  hat  der  Zufall  leichtes  Spiel. 

40,  2  c.  22,  2  Die  Accusativform  Febanem  (MT)  ist  von  Feha 
correct  gebildet,  wie  Attilanem  und  Aehnliches  häufig  sich  findet, 
wogegen  febanum  (I  und  N)  nicht  gebilligt  werden  kann.  Auch  die 
italische  Chronik  (I  p.  312.  313)  hat  beide  Formen  und  es  ist  dies 
kaum  mehr  als  orthographische  Variante. 

40,  5  c.  22,  2  destituto  II,  destituta  I  unrichtig,  [destitutum  in 
der  Ausgabe  nach  Mommsens  Konjektur.] 

42,  5  c,  24,  2  praesagio  I,   nuntio  II:  praesagium   kehrt  wieder    | 
51,  14.  63,2,  nuntius  ist  wahrscheinlich  Interpolation.  | 

42,  13  c.  24,  3   sed  presbytero,  was  I   und  N  nicht  haben,  kann    | 
fehlen ,   da  reliquis  in   dem   folgenden  p)i^ßsbytero  retinenti  einen  ge-   I 
nügenden    Gegensatz     hat;     auch    sprachlich    ist    die    unmittelbare 
Wiederholung  von  presbytero  nicht  gerade  empfehlend. 

43,  17  c.  24,  3  vastantes  I  ist  sicher  dem  vexantes  der  zweiten 
Classe  vorzuziehen,  das  hier  viel  zu  schwach  ist. 

44,  1 3  c.  27,  2  spe  I,  fehlt  II  fehlerhaft. 

45,  10  c.  28,  1  praestruebat]  II,  perstruebat  I;  ebenso  48,  8  prae- 
struxit  II,  perstruxit  I;  umgekehrt  43,  h  praestructus  J,  perstructus  U. 


Eagippiaoa.  527 

Es   ist  wohl  überall  praestriiere  zu  schreiben  in  der  Bedeutung  von  460 
monere,  certiorem  f'acere. 

47,19  c.  29,  3  ducatus  11  mit  dem  Capitelverzeichniss  10,  14, 
ductus  I  irrig. 

51,  9  c.  31,  6  Vn  romani  (romam  h)  soU  provinciam  (-da  CG)  I, 
in  romanis  ad  suas  provincias  TN,  romanos  ad  suus  provincias  M. 
Es  ist  schwer  zu  begreifen,  dass  Knöll,  anstatt  der  befriedigenden 
Lesung  der  guten  Classe  (vgl.  57,  14:  emigrantes  ad  Romanam  pro- 
vinciam) zu  folgen,  aus  der  sinnlosen  der  zweiten  die  Schlimmbesserung 
herausgearbeitet  hat  inde  Romanos  ad  suas  provincias. 

51,  13  c.  32,  1  ^"  qua  I,  quae  II;  jenes  wird  durch  den  Anon. 
Yales.  bestätigt,  hat  aber  dennoch  bei  Knöll  der  interpolirten  Lesung 
weichen  müssen. 

51,21  c.  32,  2  integer  inter  tredecim  et  quattttordecim:  so  I  und 
ebenso  der  Anon.  Yales.,  nur  dieser  mit  Weglassung  von  integer,  das 
nicht  fehlen  kann  wegen  der  folgenden  Worte:  annos  videlicet  integri 
eins  regni  significans.  Dagegen  fehlt  in  II  das  durch  I  und  Yales. 
gesicherte  inter  und  ist  danach  auch  bei  Knöll  weggelassen ;  da  die 
dadurch  entstehende  Fassung  integer  tredecim  et  quatttwrdecim  annos 
widersinnig  ist,  weil  der  Prophet  das  Ende  im  vierzehnten  Regierungs- 
jahr anzeigen  wiU,  so  wird  weiter  et  geändert  in  vel,  auch  damit 
aber  das  Nothwendige  nicht  erreicht;  denn  .zwischen  dreizehn  und 
vierzehn'  ist  präcis,  ,  dreizehn  oder  vierzehn'  unklar. 

52,  1  c.  32,  2  integri  eius  regni]  U  (integrum  eins  regnum  M^ 
mit  dem  Yales.,  infegritatem  eius  regni  I  fehlerhaft. 

52,  22  c.  35,  1  oculorum  imhecilUtate  plurimum  praegravaius 
medelam  .  .  .  poscehat  I,  ocidorum  imbecillitatetn  plurimam  jyatiehatur 
medelatnque  .  .  .  poscehat  II.  Die  erstere  Fassung  ist  correcter  und 
gewählter. 

53,  7  c.  35,  2  dedit  opeiam  corde  magis  uidere  quam  corpore  1; 
didendi  11  (fehlt  N)  für  videre  sieht  nach  grammatischer  Correctur  aus. 

54,  10  c.  36,  3  diaholo  NT,  diaboli  MI;  jenes  haben  die  besseren, 
dieses  die  schlechteren  Handschriften  des  Sulpicius  und  vielleicht 
hat  auch  Eugippius  die  letztere  Lesung  befolgt,  da  er  gleich  darauf 
tentus  mit  denselben  Handschriften  liest  gegen  retentus  der  besseren. 

54,  12  c.  36,  3  iUa  II  mit  allen  Handschriften  des  Sulpicius; 
fehlt  in  I,  ohne  Zweifel  durch  Yersehen. 

56,  IS  und  23  c.  40,  1.  2  giso  I,  wie  23,  6  alle  Handschriften 
haben,  gisa  hier  II,  weil  der  Frauenname  auf  o  Anstoss  gab.  Auch 
Paulus  bist.  Lang.  1,  19,  der  hier  den  Eugippius  ausschreibt,  hat 
Giso  geschrieben,  obwohl  diese  richtige  Form  sich   bei  ihm  nur  in 


528  Eugippiana. 

einer  einzigen  Handschrift  und  in  dem  sehr  alten  Excerpt  der  gesta 
ep.  Neap.  erhalten  hat. 

461  60,  5  c.  43,  2  singulos  I  richtig,  singulorum  IL 

60,  6  c.  43,  2  infimi  ac  tepidi  I,  inßrmi  ac  t.  II;  vgl.  57,  16: 
indignus  et  infimus. 

62,  8  c.  43,  9  nobis  vix  respondenfibus  I,  nostris  v.  r.  II.  Diese 
Variante  ist  insofern  sachlich  von  Belang,  als  nach  der  ersten  Lesung 
Eugippius  bei  dem  Tode  des  Severinus  anwesend  war,  nach  der 
zweiten  dies  nicht  gesagt  oder  vielmehr  ausgeschlossen  ist.  Nun 
war  Eugippius  nicht  bloss  sechs  Jahre  später  bei  der  Oeffnung  des 
Grabes  anwesend  (c.  44,  6),  sondern  hat  auch  den  Severinus  persön- 
lich gekannt  (epist.  ad  Pasch.  1 0 ;  Paschasii  ep.  3) ;  also  ist  die  erste 
Lesung  die  angemessene.  Wenn  er  bei  der  Berufung  an  das  Sterbe- 
lager und  bei  dem  Abschiedskuss  sich  nicht  mit  nennt,  so  ist  daraus 
nur  zu  schliessen,  dass  er  damals  noch  nicht  zu  den  fratres  gehörte, 
sondern  in  einer  untergeordneten  Stellung  sich  befand. 

62,  11c.  43,  9  praeterire]  I  und  N,  praeteriri  TM.  Das  Wort 
im  Sinne  von  evanescere,  perire  findet  sich  ebenso  39,  18.  58,  17. 
68,  15  in  beiden  Classen  und  gehört  zu  den  zahlreichen  Besonder- 
heiten der  eugippischen  Schreibweise. 

64,  10  c.  44,  7  idem  iter  I,  eundem  iter  II:  solche  Schnitzer 
macht  Eugippius  nicht. 

64,  1 3  c.  44,  7  sancti  itaque  corpusculum  ad  casteUum  nomine  Mon- 
teni  Feletem  (felentem  G)  multis  emensis  regionihus  apportatum  est. 
So  haben  die  guten  Handschriften  OLG  in  Uebereinstimmung  mit 
dem  Auszug  in  den  Gesten  der  Bischöfe  von  Neapel  und  nach  L 
Sauppe;  Knöll  streicht  mit  der  geringeren  Classe  monteni  und  setzt 
für  multis  emensis  regionibus  mit  derselben  Mulsemensis  regionis  mit 
der  Bemerkung,  dass  in  mzdse  mensis  der  Name  einer  italischen 
Region  zu  stecken  scheine  —  welche  das  sein  kann,  sagt  er  nicht, 
obwohl  wir  die  italischen  doch  kennen.  Gemeint  ist,  wie  längst 
feststeht,  der  mons  Feleter,  die  heutige  Stadt  S.  Leo  bei  S.  Marino. 
Erwähnt  wird  der  Ort  zuerst  bei  Prokop  b.  Goth.  1 ,  11:  eori  de  xa\ 
älla  (pQovQia  ovo  Kaiorjvd  (xaioiva  die  interpolirte  Classe,  xaoiva 
die  bessere^  re  xal  Movxeq)EQerQa  (so  Comparettis  V  und  alle  besseren 
Handschriften,  juovifjg  (peQavrrjg  die  interpolirten),  für  welche  letztere 
Form  Comparetti  MovrecpsQEjQov  in  den  Text  gesetzt  hat.  Weiter 
wird  der  Ort  genannt  bei  dem  Ravennaten  p.  273:  Monte  Feletre 
(mons  felleris  Guido^  und  in  der  Biographie  Papst  Stephans  IL : 
3Ionte  Feretri  oder  Felitis  (1   p.  454  Duch.).      Die   Gleichung    des 

462  Namens  mit  dem  heutigen  S.  Leo  beruht  auf  Liutprand  (bist.  Otton. 


Eagippiana.  529 

c.  6)  und  ist  auch  dadurch  gesichert,  dass  das  Gebiet  Monte  Feltre 
heisst,  Noch  heute  giebt  es  in  S.  Leo  eine  Kirche  des  heiligen 
Severinus  und  wird  jährlich  sein  Gedächtniss  daselbst  gefeiert  ^.  Bei 
Eugippius  wird  FeUtrem  herzustellen  sein.  Die  Weglassung  von 
mofitem  ist  ebenso  sicher  ein  Fehler  der  geringeren  Classe  wie  die 
Substituirung  des  ungeheuerlichen  mulsemensis  regio  anstatt  des 
klaren  und  guten  Texts  der  besseren  Handschriften  2. 

65,  2  c.  45,  2  reversus  ad  hospitium  .  .  .  interrogantis  fuisset  ex 
more  nutu  signoqtie  ptdsatus,  wie  beide  Classen  haben,  ist  richtig 
und  interrogantis  mit  nutu  sigyioque  zu  verbinden;  interrogatus  (M), 
was  Sauppe  und  Knöll  aufgenommen  haben,  ist  Interpolation. 

65,  3  c.  45,  2  orasse  et  I  richtig,  orasset  11. 

66,  6  c.  46,  4.  5.  6  tunc  ...  23  rettidisse  miraculu  I;  in  der 
zweiten  Classe  fehlen  diese  zwei  "Wundergeschichten  und  diese  Ab- 
weichung ist  auch  in  das  Capitelverzeichniss  übergegangen.  KnöUs 
Argumente  für  die  Unechtheit  der  in  n  fehlenden  Stücke  (S.  4S6) 
sind  zwar  weitläufig,  aber  unschlüssig.  Wenn  Eugippius  den  Bericht 
über  die  Wunder  abschliesst  mit  den  Worten  multis  plura  scietitihts, 
so  folgt  daraus  , offenbar'  nicht,  dass  er  selbst  keine  anderen  kennt 
als  die  angeführten;  der  Gedanke  ist  vielmehr,  dass  er  noch  andere 
berichten  und  auch  belegen  könnte.  Die  Aeusserung  verträgt  sich 
auch  vollkommen  mit  der  in  dem  Brief  an  Paschasius  enthaltenen, 
dass  der  Ueberbringer  diesem  noch  eine  Reihe  anderer  Fälle  werde 
berichten  können.  Wenn  an  anderen  ähnlichen  Stellen  der  Biographie  463 
der  Autor  nur  ein  einziges  Beispiel  wunderbarer  Thaten  des  frommen 
Mannes   anführt,  so  kann  ihm   darum  doch  nicht  verboten  werden 

bei  der  vorzugsweise  wichtigen  fortwirkenden  Wunderthätigkeit  des 
Todten   drei  Fälle   zu    erwählen.     Ebenso  wenig   folgt   daraus,   dass 

1)  G.  B.  Marini  saggio  di  ragioni  deUa  cittä  di  S.  Leo  (Pesaro  1758)  p.  322: 
II  comune  di  S.  Leo  fa  ogni  anno  un'  oblazione  per  un  uffizio  di  messa  alla  chiesa 
di  S.  Severino  posta  presso  la  cittä. 

2)  Knöll  (S.  495)  fordert  zu  castellum  den  Zusatz  der  Region :  ,Eagippia8 
konnte  doch  nicht  voraussehen,  dass  der  Leser  oder  auch  nur  Paschasius  dieses 
fast  nie  erwähnte  Castell  kenne'  —  als  ob  das  Publicum  des  Eugippius  nicht 
•Ortschaften  genug  gekannt  hätte,  die  Knöll  nicht  finden  kann.  .Rathlos  stehen 
■«Tir  vor  dem  Wort  mulsemensis.  Was  verbirgt  sich  dahinter?  Hier  verlassen 
ims  die  Mittel  der  Nachforschung.  80  viel  scheint  aus  dem  Zusammenhang 
hervorzugehen,  dass  der  Ort  nicht  weit  von  Neapel  gelegen  haben  kann  und 
dass  daher  an  Monte  Feltre  in  Umbrien  nicht  zu  denken  ist'.  Warum  der  von 
der  Donau  nach  Neapel  gebrachte  Sarg  nicht  eine  Zeit  lang  in  S.  Leo  gestanden 
liaben  kann,  ist  ,aus  dem  Zusammenhang'  nicht  zu  entnehmen;  und  darüber,  ob 
auch  femer  an  Monte  Feltre  gedacht  werden  kann,  steht  die  Entscheidong  in 
btzter  Instanz  nicht  bei  Pius  Knöll. 

MOJtMSEN,    SCHR.  VII.  34 


530  Eugippiana. 

er  erklärt  sich  kurz  fassen  zu  wollen,  dass  er  nur  eine  Heilung 
berichten  darf.  Dass  die  Wendungen  sich  wiederholen,  liegt  in  der 
Sache;  warum  es  , läppisch  und  ungeschickt'  sein  soll,  dass  der 
Blinde,  als  der  Leichenzug  vorbeikommt,  die  Umstehenden  fragt, 
was  der  Lärm  bedeute,  habe  ich  mich  vergebens  bemüht  zu  be- 
greifen. Nach  meiner  Ansicht  giebt  weder  was  der  Abt  des  neapoli- 
tanischen Klosters  von  ^dem  blinden  Laudicius  berichtet  noch  die 
.  Erzählung  von  dem  Kopfschmerz  des  Marinus  primicerius  cantorum 
sanctae  ecclesiae  Neapolitanae  irgend  begründeten  Anstoss. 

67,  1  c.  46,  6  scheinen  die  in  I  mangelnden  Worte  sunt  curati 
et  diversis  ohstricti  langorihus,  namentlich  nach  Vergleichung  der 
analogen  64,  15  nicht  wohl  fehlen  zu  können.*) 

69,  19  ep.  Pasch.  5  sertis  decorati  perennihus  I  passt  vortrefflich 
zu  der  civica  Corona,  wogegen  gestis  II  für  sertis  ungeschickt  aus 
69,  5  entnommen  ist. 

Von  der  Beurtheilung  dieser  Einzelfälle  hängt  das  Gesammt- 
resultat  ab. 

1.  Die  Fehler  der  ersten  Classe  sind  nicht  bloss  minder  zahl- 
reich als  die  der  zweiten,  sondern  fast  durchgängig  einfache  Yer- 
schreibungen.  Die  sichersten  und  bedeutendsten  sind  52,  l  integritatem 
für  integri  gegen  den  Text  der  Chronik  und  54,  12  das  fehlende 
illa  gegen  den  Text  des  Sulpicius,  weiter  die  übrigens  in  der 
Classe  nicht  durchgeführte  Verwandlung  des  Aenus  in  den  Rhenus 
(zu  37,  5).  Die  sonst  vorher  aufgeführten  —  27,  24.  34,  8.  38,  14. 
39,  17.  40,  2.  5.  45,  10.  47,  19.  48,  8  (zu  45,  10).  67,  l  —  sind  zum 
Theil  unsicher  und  sämmtlich  einfache  Schreibversehen;  von  ab- 
sichtlicher Entstellung  der  Ueberlieferung  ist  diese  Classe  frei. 

2,  Wo  bei  Eigennamen  Classenunterschiede  hervortreten,  hat 
durchaus  die  erste  Classe  die  reine  oder  die  reinere  Form,  die 
zweite  die  corrupte:  so  Titas  —  Titis  1,  9;  Ferderuchus — Frede- 
ricus  12,  2;  Materni — Martini  35,  1;  Tiburnia  —  Tigurnia  36,  1; 
Boiofro  —  Boitro   39,  14;    Giso — Gisa  5Q,  18.     Dabei  ist  vor  allem 

464  bemerk enswerth,  dass  in  drei  von  den  sechs  Fällen  nicht  einfache 
Schreibversehen  vorliegen,  sondern  Interpolationen,  da  die  Namen 
mehrfach  mit  derselben  Differenzirung  wiederkehren,  Ferderuchus 
zum  Beispiel  und  Fredericus  ebenso  im  Capitelverzeichniss  sich 
gegenüberstehen  wie  im  Text.    Also  muss  der  Archetypus  der  einen 


*)  [In  der  Ausgabe  setzte  Mommsen  die  Worte  nicht  in  den  Text,  weil  er 
inzwischen  festgestellt  hatte,  daß  sie  auch  in  den  deutschen  Hss.  fehlen.] 


Eugippiana.  531 

Classe  interpolirt  worden  sein;  und  allem   Anschein  nach   ist   dies 
der  der  zweiten  gewesen. 

3.  Auch  an  anderen  Stellen  hat  sicher  Interpolation  stattge- 
fiinden;  so  4,  7  bei  den  allein  in  der  zweiten  Classe  erscheinenden 
"Worten  tarnen  quid  .  .  .  tacebo;  13,  3  bei  der  Notiz  über  die  Söhne 
Attilas;  66,  6  bei  der  in  das  Capitelverzeichniss  übergegangenen 
Differenz  der  drei  und  der  einen  Wundergeschichte.  Gleichartige, 
aber  geringere  Interpolationen  begegnen  oft,  so  42,  5.  51,  9.  52,  22. 
69,  19.  Nicht  um  Schreiberversehen  handelt  es  sich  hier,  sondern 
entweder  der  eine  Text  oder  der  andere  ist  absichtlich  verändert 
worden.  Meines  Erachtens  ist  dies  der  der  zweiten  Classe;  denn 
den  Zusatz  4,  7  macht  der  Zusammenhang  unmöglich  und  denjenigen 
13,  3  die  Yerwandtschaft  mit  Prosper  mehr  als  verdächtig.  Sauppe, 
der  etwas  von  Kritik  verstand,  ist  offenbar  hauptsächlich  durch  diese 
Stellen  zu  seinem  ürtheil  über  das  Handschriftenverhältniss  geführt 
worden;  und  wer  nach  diesem  Urtheil  jene  Interpolationen  wieder 
aufnimmt,  weist  sich  damit  ausreichend  seinen  Standpunkt  an.  Ueber 
den  dritten  Fall  lässt  sich  aus  inneren  Gründen  nicht  entscheiden; 
aber  die  Yergleichung  der  beiden  anderen  spricht  auch  hier  für  die 
Ursprünglichkeit  des  Textes  der  ersten  Classe. 

4.  Der  erste  Text  ist  bis  in  das  achte  Jahrhundert  hinein  be- 
glaubigt, während  von  den  Besonderheiten  des  zweiten  dies  nicht 
erwiesen  werden  kann.  Die  in  die  italische  Chronik  aufgenommenen 
Stellen  entscheiden  insofern  nicht  rein,  als  dieser  Text  über  unsere 
beiden  Classen  hinausreicht;  51,  13  si  qua  1  (gegen  quae  U)  und 
51,21  inter  I  (fehlt  11)  stimmt  die  Chronik  mit  I,  dagegen  52,  1 
integri  II  (gegen  integritatem  I)  mit  11.  Aber  die  Eigennamen 
Ferderuchus  und  Giso  so  wie  den  mmis  Feleter  geben  die  gesta  episc. 
Neap.  in  den  Formen  der  ersten  Classe. 

Es  liegen  uns  also  wohl  zwei  von  einander  unabhängige  Texte 
vor,  aber  nicht  zwei  gleichwerthige,  sondern  ein  reiner  hier  und  da 
durch  kleine  Schreibfehler  entstellter  und  ein  mehrfach  schwer  inter- 
polirter.  Jenem  ist  Sauppe  gefolgt,  obwohl  er  ihn  nur  unvollkommen 
kannte;  diesem  folgt  Knöll,  obwohl  er  beide  kennt,  ja  den  ersten  465 
uns  zuerst  in  besserer  Gestalt  kennen  gelehrt  hat.  Er  folgt  ihm  so 
blind,  dass  er  auch  da  an  der  zweiten  schUmmbessert  (51,  9),  oder 
verzweifelt  (64,  13),  wo  der  bessere  Text  das  einfach  Richtige  bietet. 

An  dieser  Auffassung  wird  auch  die  Untersuchung  der  deutschen 
Handschriften  nichts  "Wesentliches  ändern,  die  allerdings,  wie  schon 
bemerkt  ward,   noch   aussteht.*)      Sauppe   hat  von   einer  derselben 

*)  [Die  zweite  Abhandlung  (s.  o.  S.  521*)  hat  dies  Urteil  bestätigt.] 

34* 


532  Eugippiana. 

eine  umfassende  Probe  gegeben  und  danach  alle  als  werthlos  be- 
zeichnet, KnöU  sie  in  Folge  dessen  vollständig  ignorirt.  Damit  sind 
sie  nicht  erledigt.  So  weit  ich  Handschriften  dieser  Kategorie  unter- 
sucht habe,  sind  sie  nicht  contaminirt,  sondern  in  sehr  verschieden- 
artiger und  arger  Interpolation  aus  einem  und  demselben  Archetypus 
abgeleitet,  welcher  selbst  zwar  auch  übel  interpolirt  ist,  aber  weder 
auf  die  eine  noch  auf  die  andere  Classe  der  italienischen  Hand- 
schriften zurückgeführt  werden  kann,  sondern  eine  selbstständige 
Stellung  einnimmt  und,  wenn  er  auch  kaum  wesentliche  eigene  Text- 
verbesserungen giebt,  doch  vielleicht  in  manchen  Fällen,  wo  die 
beiden  italienischen  Classen  sich  gegenüberstehen,  die  Entscheidung 
geben  wird.  Indess  wird  diese  noch  nicht  abgeschlossene  Unter- 
suchung das  Gesammtergebniss  nicht  verschieben. 

Ist  die  Sachlage  in  der  bisherigen  Darlegung  richtig  entwickelt, 
so  ergeben  sich  daraus  für  die  Kritik  der  Biographie  zwei  weitere 
Gesetze  oder  vielmehr  dasselbe  Gesetz  in  zwiefacher  Anwendung, 
einmal  dass  jede  Lesung  einer  Einzelhandschrift,  wenn  die  anderen 
derselben  Classe  mit  der  anderen  Classe  übereinstimmen,  Schreib- 
fehler oder  Interpolation  ist,  zweitens,  dass  die  Lesung,  in  welcher 
die  eine  Classe  mit  einer  Einzelhandschrift  der  anderen  übereinstimmt, 
die  des  unseren  beiden  Recensionen  zu  Grunde  liegenden  Archetypus 
ist.  Natürlich  ist  dabei  abzusehen  von  geringfügigen  und  nicht  noth- 
wendig  auf  Gleichheit  der  Vorlage  zurückgehenden  üebereinstim- 
mungen.  Bei  der  Durchsicht  des  Knöllschen  Apparates,  welcher 
durch  die  gedankenlose  Aufnahme  auch  der  gleichgültigsten  ortho- 
graphischen Differenzen  übel  verdunkelt  wird,  übrigens  aber  durch- 
aus gewissenhaft  und  zuverlässig  erscheint,  habe  ich  beide  Conse- 
quenzen  der  vorher  entwickelten  Auffassung  bewährt  gefunden. 

Die  Werthlosigkeit  aller  Yarianten  nicht  der  Classe,  sondern 
des  einzelnen  Exemplars,  hat  der  Sache  nach  im  Wesentlichen  auch 
KnöU  anerkannt,  indem  er  diesen  zwar  in  seinem  Apparat  den 
466  breitesten  Raum  gewährt,  im  Text  aber  davon  nur  in  einem  Fall 
Gebrauch  gemacht  hat,  und  hier  mit  Unrecht,  c.  9  p.  25  fragt  der 
auf  Anordnung  des  Severinus  gelöste  Gefangene  dessen  Abgesandten, 
ob  er  ihn  nicht  zu  diesem  Gottesmann  führen  könne,  dem  er  an- 
gewiesen sei  Märtyrerreliquien  zu  übergeben.  Tunc,  heisst  es  weiter, 
nuntius  hominis  dei  eins  se  aspeciihus  praesentavit,  qui  debito  sancto- 
rum  Gervasii  et  Profasii  martyruni  reliquias  honore  suscipiens  in 
hasilica  .  .  .  collocavit.  Dies  ist  entweder  schlecht  erzählt  oder  lücken- 
haft; der  Abgesandte  muss  nicht  sich,  sondern  den  Bringer  der 
Keliquien  dem  Severinus  vorstellen  oder  auch  von  dem  Träger  die 


Engippiana.  533 

Reliquien  in  Empfang  nehmen  und  dann  sich  mit  diesen  zum  Seve- 
rinus  begeben.  Aber  -wenn  die  schlechteste  der  zugezogenen  Hand- 
schriften, die  Mailänder,  nach  praesentavit  einsetzt:  reliquiasque 
sanctorum  ah  eo  suscipiens  viro  dei  detidit,  so  ist  damit  die  Confusion 
nur  gesteigert,  da  ab  eo  auf  den  Bringer  bezogen  werden  muss, 
vorher  aber  nur  Severinus  imd  dessen  Bote  genannt  werden;  allem 
Anschein  nach  ist  hier  die  Correctur  eines  Abschreibers  mit  der 
überlieferten  Lesung  übel  cumulirt  und  soll  es  etwa  heissen:  tunc 
nuntius  hominis  dei  reliquias  sanctorum  ab  eo  stisceptas  viro  dei 
detidit  unter  Streichung  der  folgenden  Worte.  Dass  Sauppe  und 
nach  ihm  Knöll  jenen  schlechten  Flick  haben  stehen  lassen,  kann 
nicht  gebilligt  werden;  ob  eine  Lücke  anzunehmen  ist,  steht  dahin. 
[Ygl.  die  Ausgabe  S.  21,  10  mit  der  krit.  Anm.] 

Wichtiger  ist  die  zweite  Regel ,  dass  bei  Differenzen  zwischen 
CG  und  L  die  zweite  Classe,  bei  Differenzen  zwischen  T  xmd  N  und 
M  die  erste  entscheidet.  Dass  dies  nicht  auf  jede  kleine  Variante 
erstreckt  werden  darf,  ist  schon  gesagt  worden.  16,  3  steht  male 
partis  CG,  male  paratis  in  L  und  der  zweiten  Classe;  dies  Zusammen- 
treffen kann  zufällig  und  jene  Lesung  die  echte  sein.  25,  4  ist 
studiosms  wahrscheinlich  mit  CL  zu  schreiben,  obwohl  G  mit  der 
weitezn  Classe  studiosus  hat:  denn  dieser  Gebrauch  des  Comparativs^ 
gehört  zu  den  Besonderheiten  der  nicht  selten  eigenartigen  eugippi- 
schen  Schreibweise^.  Die  Formen  mensuum  44,  2  und  ossuum  21,  11  467 
hat  Knöll  mit  Recht  nach  II  in  den  Text  genommen,  obwohl  mit 
I  M  dafür  die  gewöhnlichen  setzt.  Aber  von  solchen  Minutien  ab- 
gesehen, ist  die  gegenseitige  Correctur  von  CG  und  L  durch  die 
zweite  Classe  evident  und  nützt  diese  Classe  überhaupt  der  Kritik 
mehr  dadurch  als  durch  die  ihr  eigenen  Lesungen.  Eher  könnte 
bestritten  werden,  dass  der  Zutritt  einer  Einzelhandschrift  der  zweiten 
Classe  zu  der  ersten  für  diese  entscheidet;  aber  bei  keiner  der  drei 
zugezogenen  begegnen  Spuren  von  Dittographie  oder  Contamination 
und  da  sie  von  einander  unabhängig  sind,  so  können  die  Lesungen 
des  Originals  in  jeder  selbstständig  bewahrt  sein.  Einige  Beispiele 
mögen  dies  erläutern. 

1)  animo  promptiore  mandavit  2,  1  (in  II  herauscorrigirt)  —  citius  14,  4.  52,  2 
—  evidentius  16,  15  —  vehementius  20,  5  —  maturiiis  25,  12  —  soUicitius  26,  9  — 
religiosius  29,  2  —  attentius  31,  7  —  vdocius  42,  5  —  instantius  42,  9.  43,  4  — 
inixius  58,  15.  23  —  celebrius  69,  14. 

2)  Eine  der  merkwürdigsten  Eigenthümlichkeiten  ist,  wie  Sauppe  nach- 
j-ewiesen  hat,  in  den  Ortsnamen  der  constante  Gebrauch  des  indeclinabel  be- 
landelten  Ablativs,  Batavis  fär  Batav-,  Boiotro  für  Boiodur-  u,  s.  w.  Die  einzige 
i.Qsnahme  macht  Lauriacum,  welches  daher  in  regelmässiger  Weise  flectirt  wird. 


534  Eugippiana. 

I  mit  T  gegen  NM: 

5,  2     iadantiam]  iactandam  NM 
33,  6     alluuione]  illuuione  NM 
39,  11  sacerdotii]  sacerdotis  NM 

45,  9     hortatibus]  hortafionibus  N,  oracionibus  M 
I  mit  N  gegen  TM: 

13,  13  quadam  die]  quodam  die  TM 

14,  18  quidam]  quidem  TM 

42,  13  sed  x>resbyter6\    TM,    während   N    mit    I    die    Worte 

wegläset 
44,  1 3  omnes]  I  N,  fehlt  TM 

50,  1     ex  quibus  unum  erat  favianis]  I  N,  fehlt  TM 
56,  18.  23  giso]  I  N,  gisa  TM 
65,  17  lucullano]  I  N,  luca(l)lano  TM 
I  mit  M  gegen  TN; 

16,  4     diu  denegata]  CG,  diu  negata  LM,  dure  negata  TN 
29,  17  inuisendi]  inuisendae  TN 
44,  20  induiiis]  indiciis  TN 
64,  10  idem]  eiundem  TN 
Die  Verderbnisse  des  Archetypus  der  zweiten  Classe  gegenüber 
der  ersten  sind  wahrscheinlich  zum  Theil  im  Wege  der  Aenderung 
entstanden  und    in   diesem    Fall   in  verschiedenem    Umfang    in    die 
Abschriften  übertragen  worden.   Es  ist  danach  auch  die  Heranziehung 
des  Vallicellianus  durch  Knöll  wohl  gerechtfertigt. 

Derjenige    Text   der  Biographie,    den  wir  mit  unseren   Hülfs- 

468  mittein   herzustellen    vermögen,    erscheint    auffallend    rein.      Sicher 

verdorbene  Stellen,    die  durch  die  handschriftlichen  Lesungen  nicht 

zu  bessern  sind  und  als  Fehler   des  Archetypus  angesehen  werden 

müssen,  begegnen  in  verschwindend  geringer  Zahl^. 

6,  2     et]  ut 

11,  11  ajfectum]  effectum  (vgl.  53,  9) 

28,  10  satis   factionibus]    satis    actionibus    (so    ist    wohl    zu 

schreiben) 
33,  15  eher  fluvius  zu  tilgen  als  inferius  zu  ändern  [In  der 

Ausgabe  S.  27,  4  fluvius  ....  erat  inferius  im  Text] 
37,  22  pro  re  qua]  re  pro  qua 

1)  Unnöthige  oder  irrige  Aenderungen  sind  nach  meiner  Ansicht  vor- 
geschlagen für  dicturos  3,  24  (oben  S.  456  [523  f.])  —  ducenta  47,  12,  was  wohl 
sachlich  Anstoss  giebt,  aber  darum  aus  der  Wiedergabe  einer  mündlich  um- 
laufenden Wunderanekdote  nicht  herauscorrigirt  werden  darf  —  simplicibus  61, 3 
—  interrogantis  65,  2  (vgl.  S.  462  [529])  —  priorum  68,  14. 


Eugippiana.  535 

38,  7     regis]  regi 

46,  1 2  stiUa]  situla  (?) 

64,  13  fehtem]  feletrem  (oben  S.  461  [528]). 
Auch  die  Orthographie  des  Urexemplars,  so  weit  sich  diese 
aus  der  Ueberlieferung  erkennen  lässt  —  die  üblichen  Schnitzer  der 
Schreiber  des  zehnten  und  elften  Jahrhunderts  kommen  natürlich 
nicht  in  Betracht  —  ist  derart,  wie  sie  dem  Zeitgenossen  Cassiodors 
und  einem  gebildeten  Geistlichen  wohl  beigemessen  werden  kann: 
ohoedire,  spiritalis,  internicio,  Danuvius  ^  hat  das  Urexemplar  correet 
geboten  imd  mit  Ausnahme  von  locusta  statt  lucusta  wüsste  ich 
keine  Fehlschreibung  unserer  Handschriften  zu  bezeichnen,  die  sich 
mit  Wahrscheinlichkeit  auf  den  Archetypus  unserer  beiden  Recensionen 
zurückführen  Hesse.  Bei  dieser  Schrift  des  sechsten  Jahrhunderts 
haben  zwischen  dem  Original  und  unseren  Abschriften  vermuthlich 
nm*  wenige  Zwischenglieder  gelegen. 

1)  Daniibius  ist  fast  constant  in  CG,  umgekehrt  Danuvius  sowohl  in  L 
wie  in  der  zweiten  Classe,  die  überhaupt  in  der  Orthographie  dem  Original 
wohl  näher  steht  als  die  sonst  bessere. 


LXIV. 
Über  den  Chronographen  vom  J.  354.*) 

549  Unter    den    auf   uns    gekommenen    Ueberlieferungen    aus    dem 

römischen  Alterthum  nimmt  nicht  die  letzte  Stelle  ein  Sammelwerk 
aus  der  Mitte  des  vierten  Jahrhunderts  ein,  welches  ohne  allen  An- 
spruch auf  litterarisches  Verdienst  nur  zum  unmittelbar  praktischen 
Gebrauch  compiliert  worden  ist,  aber  manche  wichtige  historische 
Daten  uns  erhalten  hat.  Es  finden  sich  darin  Verzeichnisse  der 
römischen  Consuln,  Stadtpräfecten  und  Bischöfe,  eine  Ostertafel,  eine 
kurze  Weltchronik,  eine  nach  den  Königen  und  Kaisern  geordnete 
Stadtchronik  von  Rom,  eine  Beschreibung  der  Stadt,  ein  wenn  nicht 
heidnischer,  so  doch  wenigstens  nicht  christlicher  Kalender,  ein  Ver- 
zeichniss  der  Gedächtnisstage  der  römischen  Bischöfe  und  Märtyrer, 
das  in  gewissem  Sinne  die  Grundlage  des  spätem  christlichen 
Kalenders  geworden  ist ;  so  dass  die  ganze  Sammlung  als  ein  Noth- 
und Hülfsbüchlein  für  den  Gebrauch  der  Stadt  Rom  erscheint.  Wenn 
nun  gleich  seit  drei  Jahrhunderten  diese  Sammlung  vielfältig  benutzt, 
die  einzelnen  Stücke  zum  Theil,  wie  z.  B.  das  Consulnverzeichniss 
und  der  Papstkatalog,  sehr  ausführlich  bearbeitet  worden  sind,  so 
hat  doch  noch  Niemand  es  der  Mühe  werth  gefunden  die  ganze 
Sammlung  einer  kritischen  Untersuchung  zu  unterwerfen  und  die 
Ueberlieferung,  die  Redaction  und  die  Quellen  derselben  im  Zu- 
sammenhang zu  prüfen;  ja  man  hat  nicht  einmal  alle  Stücke  der 
Sammlung  publiciert.     Desshalb    schien    es   zweckmässig    hier,    mit 


*)  [Abhandl.  der  Sachs.  Ges.  d.  Wissensch.  Bd.  2,  1850,  S.  547— 693.  Von 
dieser  Abhandlung  sind  hier  nur  diejenigen  Abschnitte  abgedruckt  worden,  die 
nicht  von  Mommsen  selbst  in  seine  Ausgabe  (Chronica  minora  I  Berl.  1892)  auf- 
genommen worden  sind  und  daher  ihren  selbständigen  Wert  behalten  haben. 
Der  'Anhang'  Über  die  Quellen  der  Chronik  des  Hieronymus  folgt  gesondert  als 
Nr.  LXVII.] 


über  den  Chronographen  vom  J.  354.  537 

Ausnahme  allein  des  Kalenders,  der  in  der  Sammlung  der  römischen 
Kalender  seinen  Platz  finden  wird,*)  und  der  Stadtbesehreibung, 
welche  nicht  in  diesem  Sammelwerk  allein  erhalten  und  kürzlich 
erschöpfend  bearbeitet  worden  ist,**)  die  sämmtlichen  gedruckten 
und  ungedruckten  Stücke  der  Sammlung  nach  den  Handschriften 
vollständig  mitzutheilen.  Die  Einleitung  wird  über  die  Handschriften 
und  Ausgaben  das  Nöthige  zusammenstellen  und  hieran  die  Unter- 
suchung über  Zweck  und  Material  der  Redaction  anschliessen ;  in 
dieser  Beziehung  werden  auch  der  Kalender  und  das  Regionen- 
verzeichniss  Berücksichtigung  finden,***) 

m.  564 

Die  Bestandtheile   der  Sammlung, f) 
Wir  wenden  ims  zu  den  Bestandtheilen  der  Sammlung  unseres 
Chronographen,   die  wir   zunächst  einzeln  betrachten  wollen  in  der 
Ordnung  der  Wiener  Handschrift   als   der  vollständigsten  von  allen, 
jedoch  mit  Beseitigung  der  offenbaren  Yersetzungen. 

L   Der  Kalender. ff)  565 

Der  Kalender  unserer  Handschrift  befasst  nicht  bloss  die  ge- 
wöhnlichen zwölf  Monatstafeln,  sondern  folgende  Stücke: 

1)  ein  mit  Zeichnungen  fff)  verziertes  Titel-  und  ein  ähnliches 
Schlussblatt,  wovon  das  letztere  allein  in  Peiresc's  Kopie  erhalten 
iät,  das  erstere  auch  in  der  Wiener  und  Brüsseler  Abschrift  sich 
findet  (s,  die  Beschreibung  oben  S,  554.  *t)  555).  Das  Titelblatt  nennt 
den  dem  das  Buch  gewidmet  war:  VALENTINE  LEGE  FELICITER, 
VALENTINE   FLOREAS   IN  DEO    (dies    auch    im    Monogramm), 


*)  [C.  I.  L.  I  S.  334ff.  u.  I*  S.  256  ff.] 

**)  [L.  Preller,  Die  Regionen  der  Stadt  Rom,  Jena  1846.  Neuere  Bearbeitung 
TDn  Jordan.  Topographie  der  Stadt  Rom  11  Berlin  1871  und  Forma  urbis  Romae 
regionum  XIV,  Berlin  1874.] 

***)  Es  folgt  auf  S.  550  —  561:  ,1.  Die  Handschriften':  vgl,  Chron.  a.  a.  0. 
S.  17—34,  sowie  auf  S.  561—564:  „11.  Die  Ausgaben":  vgl.  ebd.  S.  34—36.] 
t)  [Vgl.  0.  Seeck  in  Pauly-Wissowas  Realenzykl.  III,  1899,  Sp.  2477  ff.] 
tt)  [Nach  dieser  Überschrift  und  den  folgenden  (II — XI)  machte  Mommsen 
jedesmal  Angaben  über  das  Vorkommen  der  betr.  Abschnitte  in  den  Hand- 
schriften und  älteren  Ausgaben.  Diese  Bemerkungen  sind  nicht  wieder  ab- 
gedruckt worden.] 

ttt)  [Die  hier  und  im  Folgenden  erwähnten  Zeichnungen  sind  reproduziert 
vcn  J.  Strzygowski,  Die  Calenderbilder  des  Chronogr,  vom  J.  354,  Jahrb.  d. 
areh.  Inst.,  I.  Ergänzungsheft,  Berl.  1888.] 

*t)  [Die  Beschreibung  steht  in  dem  hier  weggelassenen  Abschnitt  L] 


538  Über  den  Chronographen  vom  J.  354. 

VALENTINE  VIVAS  FLOREAS,  VALENTINE  VIVAS  GAVDEAS 

—  und  den  Verfertiger  des  Titelblatts  so  wie  der  übrigen  Zeich- 
nungen, die  das  Buch  illustrieren:  FVRIVS  DIONYSIVS  FILOCALVS 
TITVLAVIT.  —  Das  Schlussblatt  stellt  zwei  Kaiser  dar,  den  einen 
sitzend  mit  dem  Diadem  und  dem  Nimbus,  den  andern  stehend  ohne 
Diadem  mit  dem  Nimbus  allein.*) 

2)  Die  natales  Caesarum.  d.  h.  derjenigen  Kaiser,  die  consecriert 
waren  und  deren  Geburtstage  gefeiert  wurden,  gleichfalls  auf  einem 
mit  Zeichnungen  verzierten  Blatte,  das  Peiresc  allein  uns  erhalten 
hat  ^  Man  sieht  darauf  das  Brustbild  des  Kaisers  mit  dem  Phönix  auf 
der  Weltkugel,  einen  Typus,  der  zuerst  auf  den  Münzen  der  jüngeren 
Söhne  Constantins  des  Grossen  vorkommt  (Eckhel  VIII  p.  111.  504 
[Cohen,  med.  imp.^  VII  p.  406]);  ferner  die  Bilder  der  vier  Haupt- 
städte des  römischen  Reiches,  wobei  merkwürdiger  Weise  neben 
Rom  Constantinopel  und  Alexandria  nicht  Antiochia,  sondern  an 
dessen  Stelle  Trier  erscheint.**)  Eine  Beischrift  lautet:  SALVIS 
AVGVSTIS  FELIX  VALENTINVS. 

3)  Der  Kalender  selbst  besteht  aus  zwei  Abtheilungen:  einem 
astronomisch  -  astrologischen  und  einem  bürgerHchen  Kalender.  Ich 
lasse  hier  den  noch  ungedruckten  Text  des  astronomischen  Kalenders 

566  nach  der  Brüsseler  Handschrift  folgen;  die  dazu  gehörigen  Flaneten- 
bilder***)  finden  sich  unter  Aleanders  Nachlass  in  der  Barberina. 
Jupiter  und  Venus  fehlen.  Die  Wiener  Handschrift  hat  diesen  ganzen 
Abschnitt  ausgelassen,  f) 


*)  [Gemeint  sind  der  Augustus  Constantius  und  der  Caesar  Gallus,  vgl. 
Chron.  S.  37.J 

1)  Den  Text  der  natales  hat  auch  die  Brüsseler  Abschrift.  Der  Wiener 
Abschreiber  Hess  die  Tafel  wohl  weg,  weil  die  natales  Caesarum  im  Kalender 
selbst  sämmtlich  wiederkehren ,  nur  dass  L.  Verus  und  Trajan  zufällig  aus- 
gelassen sind.  —  Die  Tage  des  Regierungsantritts  (d.  h.  der  Erhebung  zur 
Caesarwürde)  finden  sich  erst  seit  Constantin  dem  Grossen  in  den  Fasten  und 
Kalendern  gleichfalls  als  natales  verzeichnet;  die  Fasten  des  Idatius  und  unser 
Kalender  zeigen  durch  ihre  Uebereinstimmung,  dass  dies  eine  neue  im  vierten 
Jahrhundert  aufgekommene  Form  officieller  Komplimente  war.  Auf  diese  natales 
bezieht  unser  Verzeichniss  sich  nicht. 

**)  [Hierfür  gibt  Mommsen  a.  a.  0.  S.  40  einen  Erklärungsversuch.] 
***)  [S.  0.  S.  537ttt-] 

t)  [Dieses  Stück  hat  Mommsen  in  den  Chronica  zwar  wiederholt,  es  mußte 
hier  aber  wieder  abgedruckt  werden  zum  Verständnis  der  folgenden,  in  den 
Chron.  nicht  wiederholten  Erläuterungen,  auf  die  Mommsen  selbst  a.  a.  0.  S.  46 
mit  folg.  Worten  verweist:  '(?e  Iwrum  laterculorum  usu  quae  dixi  in  editione. 
Chronographi  p.  567 seq.,   nee  repetere  huius   loci  est  neque  auger e;    unum  adäe 


über  den  Chronographen  vom  J.  354. 


539 


Noct. 

Diur. 

Noct. 

Diur. 

I  Mar. 

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I  Ven. 

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Mar.  II 

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B 

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VI  Sat. 

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xn  Iauh. 

C 

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Vm. 

B 

xn  JoM. 

B 

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l/wn.  c 

Saturni  dies  k. 
Sb<urm  dies  horaque  eins  cum  erit 
nocturna  site  ditima,  omnia  obscura 
Idboriosaqiie  fiunt:  gut  nascentur  peri- 
ctilosi  erunt;  qui  recesserit  non  invenie- 
tiir;  qui  decubuerit periclitabitur ;  furtum 
factum  non  invenietur. 


Martis  dies  h. 
Martis  dies  horaque  eius  cum  erit  noc- 
turna sive  diuma,  nomen  militiae  dare, 
arma  militaria  comparare  utile  est.  qui 
nascentur  periculosi  erunt;  qui  recesse- 
rit non  invenietur;  qui  decubuerit  peri- 
clitabitur ;*  furtum  factum  non  invenietur. 


Koct. 

Diur. 

I  Sat. 

N 

I 

Mer. 

c 

n  lou. 

B 

n 

Lun. 

c 

m  Mar. 

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Sat. 

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nn  Sol. 

K 

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B 

V  Ven. 

B 

v 

Mar. 

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VI  Mer. 

C 

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C 

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Ven. 

B 

vm  Sat. 

K 

vm 

Mer. 

C 

vim  lou. 

B 

VllU 

Lun. 

C 

X  3Iar. 

>- 

X 

Sat. 

K 

XI  Sol. 

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XI 

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B 

xn  Ven. 

B 

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Mar. 

K 

Noct. 

__       I   lou.      B 

n  Mar.  k 

m  Sol.    c 

nn  Ven.  b 

V  Mer.  0 

VI  Lun.  c 

vn  Sat.    N 

vra  lau.    B 

vnn  Mar.  n 

X  Sol.     c 

XI  Ven.  B 

xn  Mer.  c 


Diur. 
I  Lun. 
n  Sat. 
m  lott. 
im  Mar. 
V  Sol. 
VI  Veti. 
vn  Mer. 
vin  Lun. 
villi  Sat. 
X  lou. 
XI  Mar. 
xn  Sol. 


Mercuri  dies  c. 
Mercuri  dies  horaque  eius  cum  erit 
n-Ktuma  sive  diuma,  t-üicum  actorem 
institorem  in  negotio  ponere  utile  est. 
qti  nascentur  vitales  erunt;  qui  reces- 
serit invenietur;  qui  decubuerit  cito  con- 
valescet;  furtum  fact%im  invenietur. 


Lunae  dies  c. 
Lunae  dies  horaque  eius  cum  erit 
nocturna  sive  diurna,  stercus  in  agro 
mitter e,  putea  cisternas  fabricare  utile 
est.  qui  nascentur  vitales  erunt;  qui 
recesserit  invenietur;  qui  decubuerit  con- 
t;  furtum  factum  invenietur. 


sifälis  laier culi  frustulum  repertum  esse  lapidi  incisum  Poientiae  in  Piceno 
C.  I.  L.  vol.  IX  n.  5808.*  Der  oben  abgedruckte  Text  ist  der  aus  einer  inzwischen 
gefundenen  Hs.  von  St  Gallen  korrigiert«  und  ergänzte  der  Chronica  S.  42  ff.] 


540  Über  den  Chronographen  vom  J,  354. 

567 


Noct. 

Diur. 

I  Mer. 

c 

I 

Sol.     c 

II  Lun. 

c 

u 

Ven.  B 

III  Bat. 

N 

m 

Mer.  c 

nii  lou. 

B 

irn 

Lun.  0 

V  Mar. 

N 

V 

Sat.    N 

VI  Sat. 

C 

VI 

JOM.      B 

VII  Ven. 

B 

VII 

Mar.  N 

VIII  Jfer. 

0 

vni 

ÄoZ.     c 

viin  Lun. 

0 

vim 

Few.  B 

X  Sa<. 

N 

X 

Mer.  c 

XI  lou. 

B 

XI 

iww.  c 

XII  il/ar. 

N 

xn 

Sat.    N 

(SoZis  dies  c. 
Solis  dies  horaque  eius  cum  erit  nocturna  sive  diurna, 
viam  navigium  ingredi,  navem  in  aquam  deducere  utile  est. 
Qui  nascentur  vitales  erunt,   qui  recesserit  invenietur ,  qui 
decvbuerit  convalescet,  furtum  factum  invenietur. 

laterculus  deficit 

lovis  dies  b. 

lovis  dies  horaque  eius  cum  erit  nocturna  sive  diurna,  ■ 

beneficium  petere,  cum  potente  colloqui,  rationem  reddere  i, 

utile  est.    qui  nascentur  vitales  erunt;   qui  recesserit  cito  | 

invenietur;  qui   decubuerit  convalescet;  furtum  factum  in-  >) 

venietur.  | 

laterculus  deficit  | 

Veneris  dies  b.  ,^ 

Veneris  dies  horaque  eius  cum  erit  nocturna  sive  diu/rna,  | 

sponsalia  facere,  pueros  puellas  in  disciplina  mitter e  utile  ^: 

est.    qui  nascentur  vitales  erunt;  qui  recesserit  invenietur;  ' 

qui  decubuerit  convalescet;  furtum  factum  invenietu/r.  J 

Jedem  Tag  und  wieder  jeder  Stunde  ist  beigefügt,  welcher  der 
sieben  Planeten  regiere  und  welchen  Einfluss  er  übe;  dabei  sind 
Saturn  und  Mars  mit  N,   Sol,  Luna,  Mercur  mit  C,  Venus,  Jupiter 

mit  B  bezeichnete     Dies  erklären  Servius  (in  Yirg.  Georg.  I,  335):  j 

de  planetis  quinque  duos  esse  noxios  Martern  et  Saturnum,  duos  bonos  > 

lovem  et  Venerem,  Mercurius  vero  talis  est  qualis  üle  cui  iungitur;  und  ; 

Plutarch  de  Iside  c.  48:   XaXdaToi  de  tcöv  nXavrjx&v  rovg  d'eovg  ysvEO^ai  \ 

ovg  xakovoi  ovo  juev  äyad^ovQyovg ,   ovo    de   xaxonoiovg,   /ueoovg  ' 

de  Tovg  rgeig  anocpaivovGi  xal  xoivovg.     N  ist  also  noxius,  B  bonus,  • 


1)  Lersch's  Aufsätze  über  den  planetarischeu  Götter  kreis  (Jahrb.  des  Vereins 
von  Alterthumsfr.  im  Rheinland  IV,  S.  147  —  176.  V.  VI,  S.  298—314.  VIII, 
S.  145— 152)  sind  mir  bei  dieser  Auseinandersetzung  sehr  nützlich  gewesen. 


über  den  Chronographen  vom  J.  354.  541 

C  communis.  Hiernach  sind  sie  auch  geordnet,  so  dass  die  noxii 
Saturn  und  Mars  beginnen,  die  communes  folgen,  Mercur,  Luna,  Sol; 
die  honi,  Yenus  und  Jupiter  fehlen  in  der  Lücke*)  —  ähnlich  wie 
auf  der  alexandrinischen  Münze  des  Antoninus  Pius  (Barthelemy 
Acad.  des  inscr.  et  b.  1.  XLI  p.  502  pl.  I  n.  11.  Eckhel  D.  K  lY 
p.  70):  Saturn,  Mars  —  Sol,  Luna,  Mercur  —  Yenus,  Jupiter. 
—  In  welcher  Art  der  Planet  seinen  Einfluss  geltend  mache,  wird 
bei  jedem  Tage  am  Schluss  kurz  angegeben.  —  Die  Yertheilung 
der  Stunden  imd  Tage  der  planetarischen  Woche  unter  die  sieben 
Planeten  ist  nach  dem  von  Dio  Cassius  38,  19  und  Paulus 
Alexandrinus  {ajioxeXeafiatixri  Yiteb.  15S8  fol.  31,  angeführt  von  Ideler 
Chronol.  I,  179,  vgl.  II,  177)  dargestellten  ursprünglich  ägyptischen  568 
und  von  dort  aus  in  Rom  eingebürgerten  System  gemacht.  Die 
Stunden  des  Tages  und  der  J^acht  werden  vertheüt  unter  die  sieben 
Planeten  in  der  Reihenfolge  ihrer  Umlaufszeit,  so  dass  Saturn,  der  ' 
die  längste  Bahn  hat,  die  erste,  Jupiter,  Mars,  Sol,  Yenus,  Mercur 
die  folgenden,  endlich  Luna,  deren  Bahn  die  küi-zeste  ist,  die  siebente 
Stunde  beherrscht;  worauf  dann  derselbe  Reihenlauf  bei  Saturn 
wieder  beginnt.  Der  Planet,  welchem  die  erste  liora  diurna  jedes 
Tages  zufällt,  beherrscht  den  ganzen  planetarischen  Tag,  d.  h.  nicht 
die  folgenden  24  Stunden,  wie  Ideler  T,  181  und  Lorsch  a.a.O.  lY 
S.  154  annehmen,  sondern  die  zwölf  vorhergehenden  Nacht-  und  die 
zwölf  folgenden  Tagesstunden,  wie  ein  Blick  auf  unsre  Tafel  lehrt, 
die  den  Tag  beginnt  von  der  ersten  Nacht-  und  benennt  von  der 
ersten  Tagstunde.  Der  planetarische  und  astrologische  Tag  begann 
also  nicht  wie  der  bürgerliche  der  Römer  und  Aegypter  um  Mitter- 
nacht (Ideler  I  S.  100),  sondern  mit  Sonnenuntergang,  und  zwar  ohne 
Zweifel  mit  dem  wirklichen,  nicht  einem  mittleren,  so  dass  die  liorae 
diurnae  und  nocturnae  der  Astrologen  je  nach  der  Jahreszeit  von 
verschiedener  Dauer  waren  (vgl.  Ideler  I  S.  87).  Dadurch  recht- 
fertigt sich  die  Angabe,  in  der  Serv.  ad  Aen.  Y,  738,  Lydus  de 
mens.  p.  13  Schow  [II  2  p.  19  Wünsch]  und  Isidor  etym.  Y,  30  über- 
einstimmen, dass  der  ägyptische  Tag  mit  Sonnenuntergang  beginne. 
Ideler  I  S.  100  verwirft  diese  Notiz,  da  sie  auf  den  bürgerlichen 
Tag  der  Aegypter  nicht  passt;  allein  dies  secundum  Äegyptios  kann 
in  dieser  Zeit  sehr  wohl  den  Tag  nach  astrologischer  Rechnung 
bezeichnen,  und  ist  insofern  ganz  richtig.  —  Aus  dieser  Yertheilung 
der  Stunden   und   der    daraus  hervorgehenden  der  Tage  unter  die 

*)  [Die  Lücke  ist  in  den  Chronica  S.  45,  wenigstens  für  die  Subskriptionen, 
aus  der  St.  Galler  Hs.  ergänzt  worden.] 


542  Über  den  Chronographen  vom  J.  854. 

Planeten  nach  der  Reihenfolge  der  Umlaufszeit  entwickelt  sich  die 
Reihenfolge  der  Wochentage,  wie  wir  sie  im  Wesentlichen  noch 
jetzt  befolgen  *)  Wenn  die  erste  Tagesstunde  des  ersten  Tages  nebst 
den  11  folgenden  dem  Saturn  gehört,  so  fällt  von  den  folgenden 
24  Stunden  die  13.  oder  die  erste  hora  diurna  auf  den  Sol,  und  so 
fort  auf  Luna,  Mars,  Mercur,  Jupiter,  Yenus,  bis  mit  dem  Ende 
der  zwölften  hora  diurna  des  siebenten  Tages  die  erste  Woche  ab- 
gelaufen ist. 

Zu  dem  astronomischen  Kalender  gehören  ohne  Zweifel  noch 
die  Bilder  des  Thierkreises,  welche  ohne  weiteren  Text  wie  es 
scheint  sich  in  der  Handschrift  gefunden  haben  und  durch  Peiresc 
aufbewahrt  worden  sind.  Neben  diesem  astronomisch -astrologischen 
Kalender,  der  die  Monde  nach  dem  Zodiacus,  vor  allem  aber  die 
569  Tag  und  Stunde  regierenden  sieben  Planeten  verzeichnet,  steht  der 
bürgerliche  Kalender,  der  die  einzelnen  Tage  der  zwölf  Monate  mit 
ihren  Festen  aufführt  und  in  den  Bildern  der  Monate  die  Beschäf- 
tigungen jeder  Jahreszeit  in  Haus  und  Feld  symbolisch  darstellt; 
ganz  wie  der  Kalender,  der  im  Triclinium  des  Trimalchio  auf  den 
beiden  Thürpfosten  auf  zwei  Tafeln  gemalt  war  (Petron.  c.  30).  Die 
eine  enthielt  einen  bürgerlichen  Kalender,  wie  die  parodierende 
Inschrift:  HI.  ET.  PR.  K.  lAN.  C.  NOSTER.  FORAS.  CENAT 
beweist;  die  zweite  einen  astronomischen:  altera  (inscriptum  hdbebat) 
lunae  cursum  (die  zwölf  Zeichen  des. Thierkreises)  stellarumque  Septem 
imagines  pictas  (die  Planeten),  et  qui  dies  honi  quique  incommodi 
essent  distinguente  hulla  notahantur  —  die  dies  honi  und  noicii  waren 
durch  Nägel  oder  Buckeln  ausgezeichnet.  —  Noch  anschauhcher 
stellt  sich  uns  dieser  astronomisch -bürgerliche  Kalender  auf  einer 
Zeichnung  dar,  die  in  den  römischen  Titus[vielmehr:  Trajan]thermen 
auf  der  Wand  eingeritzt  gefunden  worden  ist  ^.  In  einem  viereckigen 
Rahmen  erscheinen  hier  in  oberster  Reihe  die  sieben  Planeten  neben 


*)  [Mommsen  ist  in  der  Röni.  Chronologie«,  Berl.  1859,  S.  313 f.  kurz  hierauf 
zurückgekommen.  Vgl.  jetzt  auch  A.  Bouche-Leclercq,  L'astrologie  grecque» 
Paris  1899,  S.  476  ff.] 

1)  Guattani  mem.  enciclopediehe  suUe  ant.  e  belle  arti  di  Borna,  vol.  6  (1816)  i 
Roma  1817.  p.  160  f.  Le  antiche  camere  Esquüine  dette  comunemente  delle  terme  j 
di  Tito  dis.  ed  ill.  da  Ant.  de  Romanis  Roma  1822  fol.  p.  12.  21.  59.  Die  Wand  | 
zeigte  unter  verschiedenen  Kritzeleien,  wie  ACHILLIS  VIVAS  u.  dgl.  (Guattani  j 
p.  163),  diesen  Kalender,  welcher,  als  auf  derselben  Wand  christliche  Fresken  j 
die  h.  Felicitas  mit  ihren  Kindern  darstellend  gemalt  wurden,  absichtlich  nicht  | 
übermalt  ward,  offenbar  weil  er  auch  für  den  kirchlichen  Gebrauch  diente 
(Guattani  p.  161).  [Vgl.  Jordan -Hülsen,  Topographie  d.  Stadt  Rom  13,  Berl. 
1907,  S.  311  Anm.  68.] 


über  den  Chronographen  vom  J.  354.  543 

einander;  Saturn  (zerstört)  Sol  Luna  Mars  Mercur  Jupiter  (zerstört) 
Venus;  darunter  die  zwölf  Zeichen  des  Zodiacus  im  Kreise,  bezeichnet 
mit  den  Anfangsbuchstaben  Xries  Taurus  Gemini  Kancer  Leo  Birgo 
hibripens  Scorplus  Sagittarius  Kaper  Aquarhis  Fisces;  neben  diesem 
rechts  die  Tage  I— XY,  links  XYI— XXX.  J^eben  jedem  Wochen- 
tag, Monatsstembild  und  Monatstag  ist  ein  Loch,  in  deren  einem 
sich  ein  beinerner  Knopf  fand;  durch  das  Umstecken  dieser  Knöpfe 
gab  man  Monat,  Wochentag  und  Monatstag  an  —  für  den  31.  Tag 
findet  sich  zwar  keine  Nummer,  aber  ein  überzähliges  Loch  zwischen 
XXYTTTT  und  XXX.  Noch  in  diesem  compendiösesten  aller  Kalender 
finden  sich  wesentlich  dieselben  Bestandtheile  wie  in  dem  ausführ- 
lichen Kalender  unserer  Handschrift. 

4)  Der  bürgerliche  Kalender  in  zwölf  Monatstafeln,  ohne  Zweifel 
der  officielle  Kalender,  wie  er  im  römischen  Reiche  galt,  nachdem 
das  Heidenthum  durch  Constantin  den  Grossen  aufgehört  hatte  Staats-  570 
religion  zu  sein  und  ehe  das  Christenthum  Staatsreligion  geworden 
war;  die  eigentlichen  Opfer  und  heidnischen  Ceremonien  sind  aus 
demselben  gestrichen  und  die  ursprünglich  dem  Cultus  der  Götter 
bestimmten  Tage  nur  als  dies  feriati  ohne  religiöse  Bedeutung  bei- 
behalten, namentlich  aber  die  Spiele  unverändert  geblieben.  Neben 
der  achttägigen  römischen  Woche  ist  die  siebentägige  planetarische 
in  den  Kalender  aufgenommen;  die  Bezeichnung  der  Tage  als  fasti 
nefasti  u.  s.  f.  ist  verschwunden,  wofür  die  Tage  des  senatus  legitirmis 
angemerkt  sind.  Auch  das  Eintreten  der  Sonne  in  die  Zeichen  des 
Thierkreises  und  in  die  Solstitialpuncte  und  die  unheilbringenden 
Tage  (dies  Aegyptiaci)  sind  verzeichnet;  andre  Notizen,  wie  canna 
intrat,  arhor  intrat  sind  aus  dem  cal.  rusticum  entlehnt.  Ton  christ- 
lichen Gebräuchen  ist  nirgends  eine  Spur.  Es  ist  indess  hier  nicht 
der  Ort  auf  diese  wichtige  Urkunde  einzugehen,  die  in  der  von  mir 
beabsichtigten  Sammlung  der  römischen  Kalender  ihre  geeignete 
Stelle  finden  wird;*)  vergl.  vorläufig  die  Berichte  der  sächs.  Ges. 
der  Wiss.  phil.  bist.  Gl.  1S50  S.  63flF.**)  Hier  sei  nur  erwähnt,  dass 
die  Berner  Handschrift  am  Schluss  des  December  die  Worte  hat: 
QYAE  SIS  QYAM  YIS  ANNYM  CLAYDERE  POSSIS,  wovon  viel- 
leicht die  erste  Hälfte  mit  dem  gegenüberstehenden  das  Bild  des 
December  darstellenden  Blatte  verloren  gegangen  ist.  —  Beigegeben 
sind   dem  Kalender    die   Bilder   der  zwölf  Monate   mit  erklärenden 


*)  [S.  0.  S.  537*.] 

**)  [Epigraph.  Analekten  8 ;  wird  in  den  Epigraph.  Sehr.  Bd.  I  abgedruckt 
werden.] 


544  Über  den  Chronographen  vom  J.  354. 

Tetrastichen;  letztere  indess  finden  sich  nur*)  in  der  Brüsseler 
Handschrift  und  zwar  auch  hier  nur  für  Febr.  Sept.  Nov.  Dec.  Yoll- 
ständig  sind  sie  in  verschiedenen  Catalectenhandschriften  erhalten^, 
woraus  schon  Pithöus  sie  entlehnt  hat;  den  vollständigsten  Apparat 
giebt  Burmann  in  der  Anthologie  II  p.  360  sq.  [Baehrens,  Poet.  lat. 
min.  I  p.  206 sq.]**) 

572  n.  Annalen  von  Cäsar  bis  539  n.  Chr.,  die  Consulate  mit  einigen 
historischen  Notizen  enthaltend. 

Ein  kürzeres  und  geringeres  Exemplar  derselben  Annalen,  welche 
unter  VIII  wieder  vorkommen;   s.  daselbst. 

III.   Consularfasten  vom   Beginne   des   Consulats  bis   354 
n.  Chr.  (der  sog.  anonymus  Norisianus). 

Dies  Consularverzeichniss***)  ist  das  vollständigste  und  zuver- 
lässigste aller  handschriftlich  erhaltenen.  Zu  verbinden  damit  sind 
die  Consularkataloge ,  die  bei  der  Ostertafel  (IV)  und  dem  Ver- 
zeichniss  der  Stadtprafecten  (V)  vorkommen,  so  wie  die  zerstreuten 
Angaben  von  Consulaten  im  Papstverzeichniss  (VII)  und  sonst,  indem 
alle  diese  auf  ein  und  dasselbe  Exemplar  der  Fasten  zurückgehen 
und  den  unter  III  gegebenen  Text  hie  und  da  berichtigen  und  ver- 
vollständigen. —  Beigefügt  ist  die  Angabe  der  Schaltjahre  nach  dem 
84  jährigen  Cyclus,  ferner  der  Wochentage,  auf  die  der  erste  Januar 
fällt  und  des  Mondalters  am  1.  Januar,  wonach  man  die  Ostern  jedes 
Jahres  berechnen  kann.  Vgl.  über  diese  astronomischen  Daten  Ideler 
Chronol.  II,  238 f.;  bemerkenswerth  ist,  dass  die  Mondalter  nur  für 
den  letzten  Cyclus  298  n.  Chr.  f.  einigermassen  mit  den  mittleren 
Bewegungen  des  Mondes  übereinstimmen,  während  sie  in  den  früheren 
Cyclen  stark  und  je  weiter  man  zurückgeht  immer  stärker  diffe- 
rieren —  zum  deutlichen  Beweis,  dass  sie  nur  für  den  letzten  Cyclus 
auf  unmittelbarer  Beobachtung,  für  die  früheren  dagegen  nur  auf 
unvollkommener  Zurückrechnung  beruhen.  —  Dass  diese  Fasten  im 
J.  354  geschrieben  sind,  lehrt  der  Augenschein. 


*)  \yg^-  jedoch  Chronic,  a.  a.  0.  S.  48.] 

1)  Mit  der  Ueberschrift  tetrasticum  autenticum  de  singulis  mensibm  z.  B.  in 
einer  Handschrift  von  Avranches  saec.  XII  (Ravaisson  rapport  sur  les  bibl.  des 
dep.  p.  124).     [Vgl.  Chronic,  a.  a.  0.  S.  33.] 

**)  [Hier  folgt  —  auf  S.  570—71  —  eine  Bemerkung  über  die  Entstehungs- 
zeit des  Kalenders.    Da  Mommsen  seine  damalige  Ansicht  in  den  Chronica  S.  37 
korrigiert  hat,  ist  diese  Bemerkung  hier  weggelassen.] 
***)  [Vgl.  C.  I.  L.  I»  S.  483  f.  P  S.  81  f.] 


über  den  Chronographen  vom  J.  354.  545 

lY.  Yerzeichniss   der  Ostertage  vom   J.  3  1 2  auf   100  Jahre 
berechnet;  Anhang  zu  n.  III. 

Die  ursprünglich  beabsichtigte  Ordnung  dieses  durch  Abschreiber 
und  Ergänzer  sehr  verunstalteten  wichtigen  Aktenstücks  ist  von 
Bucherius  p.  255 — 266  sehr  gut  wiederhergestellt  worden.  Die  Reihe  573 
der  Consuln  ist  richtig  von  312  —  358;  worauf,  da  die  Consulate 
359—367  fehlen,  sofort  die  von  368—410  folgen!  Das  Jahr  378  ist 
unter  den  gleichgeltenden  Bezeichnungen  post  consulatum  Gratiani 
et  Merobaudis  und  Valente  VI  et  Valentiniano  iun.  zweimal  gezählt. 
Die  drei  letzten  Consulate  408,  409.  410  finden  sich  in  der  Wiener 
Handschrift  nicht,  die  mit  407  schliesst;  die  Brüsseler  hört  mitten 
im  J.  410  mit  den  Worten  Varrane  et  auf.  Es  scheint  die  gemein- 
schaftliche Urhandschrift  des  Brüsseler  und  Wiener  Manuscripts  hier 
beschädigt  gewesen  zu  sein,  so  dass  in  den  verloschenen  Zügen  der 
eine  Abschreiber  noch  einige  Zeüen  mehr  las  als  der  andere. 
Unabhängig  von  der  ersten  Columne  ist  die  zweite  die  Daten  der 
Ostertage  enthaltende  fortgeführt;  es  versteht  sich  also,  dass  nach 
dem  J.  358  die  Ostertage  und  die  Consuln  nicht  mehr  auf  dasselbe 
Jahr  treffen.  Aber  auch  hiervon  abgesehen  ist  die  Ostertafel  selbst 
durch  den  Abschreiber  verunstaltet,  indem  nach  dem  Ostertag  des 
J.  361  erst  dieser  noch  einmal,  dann  die  Ostertage  355  —  361  aber- 
mals, und  alsdann  erst  der  Ostertag  des  J.  362  folgt.  Wirft  man 
diese  acht  Tage,  die  neben  den  Consuln  371 — 378  a  stehen,  heraus, 
so  bleiben  die  ächten  100  Ostertage  von  312 — 411,  die  der  Chrono- 
graph zu  geben  beabsichtigte,  wie  die  Unterschrift  amio  centesimo 
ergiebt.  Die  Consuln  hat  er  selbst  offenbar  so  weit  nicht  hinab- 
geführt, sondern  wie  gewöhnlich  in  Kalendern  die  für  die  Zukunft 
feststehenden  chronologischen  Angaben  auf  eine  Reihe  von  Jahren 
im  Voraus  eingetragen  und  für  die  Is'achtragung  der  wandelbaren 
Zeitbestimmungen  leeren  Raum  gelassen.  Die  ursprüngliche  Auf- 
zeichnung nebst  der  unmittelbaren  Fortführung  reicht  nur  bis  358 ; 
hiemach  scheint  die  Urhandschrift  eine  Zeit  lang  vernachlässigt  zu 
sein  und  der  Fortsetzer,  der  sie  alsdann  wieder  aufnahm,  Hess  neun 
Jahre  aus  und  zählte  ein  andres  doppelt,  so  dass  er  um  acht  Jahre 
zu  kurz  kam^.  Uebrigens  scheint  er  die  Absicht  gehabt  zu  haben 
die  Consuln  bis  zum  Schluss  der  100jährigen  Tafeln,  also  bis  411 
fortzuführen  und  es  dürften  der  zweite  Consul  von  410  und  die  beiden 


1)  Die  Haudschrift  hat  also  acht  Consulate  zu  wenig  und  acht  Ostertage 
zu  viel.  Vielleicht  wurde  der  erste  Fehler  bemerkt  und,  indem  man  ihn  an  der 
unrichtigen  Stelle  verbessern  wollte,  der  Irrthum  verdoppelt. 

MOMMSEX,    SCHR.  VII.  35 


546  Über  den  Chronographen  vom  J.  354. 

von  411  wohl  nur  in  Folge   der   oben  erwähnten  zufälhgen  Beschä- 
574  digung  des  dem  Brüsseler  und  Wiener  Codex  zu  Grunde  liegenden 
Manuscripts  fehlen. 

Die  also  wiederhergestellte  Paschaltafel  schliesst  sich  nun  in 
ihren  ächten  Theilen  durchaus  den  voraufgehenden  Fasten  an.  Die 
Consuln  von  312  —  354  entsprechen  denselben  durchaus;  die  Oster- 
tage  sind  berechnet  nach  demselben  84jährigen  Kanon,  welcher  dem 
den  Fasten  beigefügten  Yerzeichniss  der  Epakten  jedes  Jahres  zu 
Grunde  liegt.  Im  Ganzen  stimmen  nun  auch  die  Ostertage  unsrer 
Tafel  überein  mit  den  nach  diesem  Kanon  sich  ergebenden,  welche 
bei  Ideler  II,  S.  249  —  251  verzeichnet  sind;  allein  es  finden  sich 
nicht  wenige  Verschiedenheiten,  von  denen  manche  zwar  blosse 
Schreibfehler,  andere  aber  offenbar  absichtliche  und  sehr  merk- 
würdige Abweichungen  von  dem  84jährigen  Kanon  sind.  Dass  bei 
den  meisten  an  Schreibfehler  nicht  zu  denken  ist,  ergiebt  sich  aus 
der  Wiederkehr  derselben  Abweichungen  bei  denselben  Jahren  ver- 
schiedener Cyclen  und  besonders  daraus,  dass  die  von  unsrer  Hand- 
schrift dargebotenen  Tage  auch  Sonntage  sind,  was  nicht  zufällig 
sein  kann.  Ideler's  Machtspruch,  dass  unsre  Paschaltafel  ein  späteres 
Machwerk  sei  (II,  S.  275),  verdient  in  der  That  keine  ernsthafte 
Widerlegung;  Niemand,  der  die  Ueberlieferung  derselben  und  die 
Umgebung  in  der  sie  erscheint  einigermassen  kennt,  wird  einer 
solchen  Behauptung  beistimmen,  die  bei  Ideler  zu  finden  in  der  That 
gerechtes  Befremden  ejregt.  Vielmehr  hat  van  der  Hagen  p.  355 f. 
(s.  Ideler  a.  a.  O.  und  oben  S.  563*))  mit  weit  grösserem  Rechte  in 
unsrer  Tafel  ein  aus  den  päpstlichen  Archiven  gezogenes  Verzeichniss 
der  zu  Rom  wirklich  gefeierten  Osterfeste  erkannt;  was  allerdings 
auf  die  Ostertage  312 — 354  oder  vielmehr  —358  zu  beschränken 
ist,  da  die  folgenden  359 — 411  wie  oben  gezeigt  nur  durch  Berech- 
nung gewonnen  sind.  Auch  die  Principien  der  Aenderungen  und 
Abweichungen  von  dem  84jährigen  Kanon  sind  von  ihm  nicht  durch- 
aus richtig  festgestellt  worden;  sie  beruhen  ohne  Zweifel  auf  Ver- 
fügungen der  römischen  Bischöfe,  bei  denen  zwar  ein  Princip  zu 
erkennen  ist,  aber  die  strenge  Durchführung  desselben  vermisst  wird. 
Es  ist  ja  auch  bekannt  genug,  dass  häufig  Zweifel  über  das  Datum 
des  Festes  entstanden  und  diese  dann  durch  bischöfliche  Rund- 
schreiben erledigt  wurden  (vergl.  z.  B.  Ideler  II,  245.  256  u.  s.  w.). 
Die  Differenzen  zerfallen  in  folgende  zwei  Kategorien: 


*)  [Die  dort  zitierte  Schrift  des  Joh.  van  der  Hagen  hat  den  Titel:   Obser- 
vationes  in  Prosperi  Aquitaui  chronicon,  Amstelod.  1733.] 


über  den  Chronographen  vom  J.  354.  547 

1)  Abänderungen  des  Kanon  selbst,  veranlasst  durch  allza  fi^es  575 

oder  allzu  spätes  Einfallen  des  Osterfestes. 

a.  Verschiebung  der  zu  frühen  Paschaltage.  —  Es  muss  mit  der 
Reception  des  84  jährigen  Kanon  selbst  zugleich  nicht  bloss  in 
Alexandrien,  wie  Ideler  meint,  (H,  192.  275),  sondern  (wie  immer 
die  von  Ideler  S.  247  angeführte  Stelle  des  Victorius  zu  erklären 
sein  möge)  auch  in  Italien  (s.  den  anon.  de  computo  Ideler  S.  245. 
248)  der  Satz  angenommen  sein,  dass  das  Osterfest  nie  vor  noch 
an  dem  Tag  der  Frühlingsnachtgleiche  (21.  März)  gefeiert  werden 
dürfe.  —  Deshalb  (s.  van  der  Hagen  p.  101  f.)  wird  in  dem  Jahre 
des  Cyclus  63  (n.  Chr.  360)  statt  des  19.  März  der  16.  April,  in 
dem  Jahre  des  Cyclus  6  (387)  statt  des  21.  März  der  18.  April 
angesetzt,  d.  h.  das  Osterfest  um  einen  Mondmonat  von  28  Tagen 
verschoben.  So  zeigt  es  unsere  Tafel  und  ebenso  der  anon.  de 
computo  (Ideler  a.  a.  O.  S.  252.  253),  nur  dass  dieser  im  6.  Jahre 
beide  Tage  nennt,  21.  März  und  18.  April,  mit  einer  merkwürdigen 
Bemerkung  (van  der  Hagen  p.  252):  man  solle  sich  an  das  einmal 
vorkommende  Datum  des  21.  März  nicht  stossen;  denn  darin  liege 
nur  eine  levis  reprehensio,  wenn  man  aber  den  28.  März  ansetze, 
wo  die  Iwia  XXIII  statthabe,  verfalle  man  in  eine  criminis  nota, 
cum  lege  sit  cautum,  ne  modum  lunae  statutum  ("cod.  statum)  ali- 
quis  excedat.  Er  schliesst  mit  der  Bemerkung,  zuweilen  könne 
Ostern  auf  zwei  Tage  gesetzt  werden,  et  quia  una  observanda  est, 
erit  in  arbitrio  summi  sacerdotis  conferre  cum  preshyteris  qui  dies 
eligi  debeat  (S.  245).  —  Aber  auch  wenn  Ostern  auf  den  22.  und 
23.  März  fiel,  fand  eine  Translation  statt:  so  wenn  Ostern  nach  dem 
Kanon  am  22.  März  zu  feiern  war,  in  den  Jahren  33  (330)  imd  44 
(341)  des  Kanon,  substituierte  man  den  eine  luna  späteren  19.  April^; 
wenn  Ostern  auf  den  23.  März  fiel,  in  dem  Jahre  60  (357)  den 
nächsten  Sonntag,  30.  März,  im  Jahre  71  (368)  den  vierten  Sonntag, 
20.  April.  —  Auf  den  24.  März  fällt  Ostern  nur  einmal  nach  diesem 
Kanon,  im  J.  3  (384),  wo  keine  Verlegung  bemerkt  ist;  auch  der 
25.  März  2  ist  gebUeben  in  den  J.  14  (395)  und  25  (322.  406);  ja 

1)  Xlll  Kai.  Mai.,  wie  auch  330  zu  schreiben  ist  statt  III  Kai.  Mai., 
i7as  kein  Sonntag  ist.  [In  der  Brüsseler  Hs.  ist  III  in  XIII  korrigiert:  s. 
(niron.  S.  62.] 

2)  Im  Jahre  6  (373)  ist  VIII  Kai.  Apr.  angegeben,  wofür  man  Villi  Kai., 
den  25.  März  substituiren  möchte.  Allein  der  Kanon  fordert  vielmehr  pr.  Kai. 
.^.pr.,  was  mit  van  der  Hagen  p.  304.  317  zu  schreiben  sein  wird,  da  durchaus 
kein  Grund  der  Aenderung  abzusehen  ist,  namentlich  bei  einem  bloss  berechneten 
Osterfest. 

35* 


548  Über  den  Chronographen  vom  J.  354. 

im  J.  316  ward  sogar  (s.  S.  680*))  Ostern  irregulärer  Weise  vom 
1.  April  auf  den  25.  März  verlegt.  —  Dass  alle  die  Aenderungen, 
welche  die  Ostern  des  19.,  21.,  22.,  23.  März  betreffen,  nicht  bloss 
für  die  einzelnen  Jahre  verfügte,  sondern  auf  die  Dauer  und  ohne 
Zweifel  gleich  bei  Aufnahme  des  Kanon  in  Rom  festgestellte 
ßectificationen  desselben  für  den  praktischen  Gebrauch  sind,  zeigt 
theils  ihr  innerer  Zusammenhang,  theils  der  Umstand,  dass  sie 
grossentheils  bei  Osterfesten  vorkommen,  die  für  den  ursprüng- 
lichen Verfertiger  des  Kalenders  zukünftige  waren.  Das  einfache 
Resultat  ist  also,  dass  die  Ostergrenze  der  lateinischen  Kirche  im 
vierten  Jahrhundert  der  23.  März  ist,  so  dass  Ostern  frühestens 
auf  den  24.  März  fallen  kann. 
b.  Beschleunigung  der  zu  späten  Paschaltage.  —  Der  Kanon  von 
84  Jahren  führt  im  J.  36  (333)  auf  den  22.  April  ^,  wofür  unsre 
Tafel  den  vorhergehenden  Sonntag,  15.  April,  an  die  Stelle  setzt. 
Als  das  36.  Jahr  des  Kanon  wieder  eintrat,  im  J.  417,  wurde  durch 
Verordnung  des  Papstes  Leo  statt  des  22.  April  der  25.  März 
substituiert  (Ideler  II  S.  247);  entweder  also  war  die  Verordnung, 
die  für  das  J.  333  erging,  keine  kanonische,  oder  Leo  fand  für 
gut  sie  wieder  zu  ändern.  Auf  den  21.  April  fällt  Ostern  in  den 
Jahren  des  Kanon  9  (390)  20  (317.  401)  ^  und  82  (379).  Die 
Jahre  9  und  82,  welche  für  unsern  Schreiber  in  der  Zukunft  lagen, 
zeigen  auch  wirklich  dies  Datum;  dagegen  scheint  im  J.  317  Ostern 
um  eine  Woche  früher,  auf  den  1 4.  April,  angesetzt  zu  sein,  welche 
Bestimmung  eine  bleibende  gewesen  sein  muss,  da  unser  Schreiber 
sie  auch  auf  das  J.  401"anwendet.  Ebenso  muss  für  das  Jahr  des 
Kanon  23  (320.  404),  dessen  Ostern  auf  den  17.  April  fällt,  in  dem 
Jahre  320  eine  ähnliche  Abänderung  stattgefunden  haben,  indem 
Ostern  damals  um  eine  Woche  verfrüht  und  auf  den  10.  April 
angesetzt  ward,  was  der  Schreiber  auch  auf  das  Jahr  404  an- 
577       wandte^.     Im  Allgemeinen  aber  fand  man  kein  Bedenken  darin 

*)  [Diese  Zahl  sowohl  hier  wie  in  Anm.  1.  Gemeint  ist  wohl  vielmehr 
S.  578  =  550  dieses  Abdrucks.] 

1)  Auch  als  luna  XIV  war  dieser  Tag  anstössig ;  doch  entstand  dies  Be- 
denken erst  in  späterer  Zeit.   S.  680. 

2)  Bei  317  hat  Brux.  richtig  XVIII,  Vind.  XIIII;  401  haben  beide  XVII. 
was  in  XVIII  zu  ändern  ist. 

3)  Hierdurch  erledigt  sich  das  Bedenken,  welches  van  der  Hagen  p.  299 
gegen  die  Ansetzung  des  Pascha  401  und  404  erhebt  —  dass  deren  Ostertage 
auf  luna  XV  und  XIV  fallen,  während  man  doch  um  400  schon  die  luna  XVI 
verlangte.  Das  ist  richtig;  allein  die  exceptionellen  Bestimmungen  für  die 
Jahre  317  und  320  wirkten  hier  nach  und  veranlassten  Ausnahmen.     Im  J.  488 


über  den  Chronographen  vom  J.  354.  549 

Ostern  auf  die  dem  21.  April  kurz  vorhergehenden  Tage  anzusetzen; 
auf  den  20,  fällt  das  Fest  im  J.  66  (363)  und  durch  Yorrückung 
im  J.  71  (36S),  auf  den  19.  im  J.  55  (352)  und  durch  Yorrückung 
in  den  J.  33  (330)  und  44  (341),  auf  den  18.  in  den  J.  17  (314. 
398),  28  (325.  409),  39  (336)  und  durch  Yorrückung  im  J.  6  (387), 
auf  den  17.  in  den  J.  1  (382),  12  (393)  und  74  (371).  Das  Resultat 
ist,  dass  man  Ostern  gesetzlich  nicht  später  als  den  21.  April  an- 
setzte, also  wenn  sie  auf  den  22.  hätten  fallen  müssen,  dieselben 
eine  "Woche  früher  eintreten  Hess,  dass  man  aber  in  dem  ersten 
Decennium  der  mit  312  beginnenden  Periode  auch  an  einem  an 
oder  kurz  vor  dem  21.  April  fallenden  Ostertag  Anstoss  nahm  und 
desshalb  in  den  J.  317  und  320  das  Osterfest  vom  21.  und  17.  April 
auf  den  14.  und  10.  verlegte^,  wogegen  man  im  J.  314  sich  den 
1 8.  April  als  Datum  des  Osterfestes  gefallen  Hess.  Seit  dem  J.  320 
zeigt  sich  von  diesen  Schwankungen  keine  Spur  mehr,  ausgenom- 
men dass  die  in  den  Jahren  317  und  320  getroffenen  Bestimmungen 
für  die  Jahre  20  und  23  anderer  Cyclen  massgebend  blieben;  viel- 
mehr trägt  man  von  da  ab  kein  Bedenken  das  Osterfest  vor  und 
an  dem  21.  April  eintreten  zu  lassen.  Nur  in  einem  Falle,  wo  im 
60.  Jahre  des  Kanon  im  J.  357  Ostern  eigentlich  auf  den  23.  März 
fiel,  aber,  da  dieser  Termin  zu  früh  war,  um  einen  Mondmonat 
von  4  Wochen  hätte  vorgerückt,  also  auf  den  20.  April  hätte  an- 
gesetzt werden  sollen,  wählte  man  ausnahmsweise  statt  dessen  den 
30.  März,  offenbar  weil  man  das  so  sehr  späte  Eintreten  der  Ostern 
zwar  sich  gefallen  Hess,  wenn  der  Kanon  es  mit  sich  brachte,  aber 
nicht  in  denselben  hineintragen  wollte.  Es  scheint  diese  Angabe 
wie  alle  vor  dem  J.  358  verzeichneten  nicht  auf  Rechnimg,  sondern 
auf  unmittelbarer  Bestimmung  des  römischen  Bischofs  zu  beioihen;  578 
im  J.  71  (368),  wo  derselbe  Fall  eintrat,  berechnet  der  Schreiber 
Ostern  dagegen  allerdings  auf  den  20.  ApriP. 


übrigens,  wo  das  23.  Jahr  des  Cyclus  wiederkehrte,  war  man  zur  ursprünglichen 
Regel  zurückgekehrt  und  feierte  Ostern  den  17.  April  (XV  Kai.  Mai.),  wie  der 
Annalist  von  Ravenna  (unten  n.  VIII)  zu  diesem  Jahre  beweist.  [Chron.  min.  I 
S.  312  'his  cons.  (Dinamio  et  Sifidio)  arsit  pontus  (scr.  pons^  Apollinaris  noctu 
in  pascha  XV  Kald.  Maias.] 

1)  Ein  anderer  Grund  als  die  Nähe  dieser  Tage  an  der  Paschalgrenze  dürfte 
schwerlich  für  die  Verlegung  ausfindig  gemacht  werden;  denn  an  der  luna  XXII 
oder  XX7,  auf  welche  die  kanonischen  Ostern  des  J.  317  und  320  gefallen  sein 
"Würden,  scheint  man  keinen  Anstoss  genommen  zu  haben  (van  der  Hagen  p.  311. 
315)  und  die  Neumonde,  die  auf  den  20.  und  17.  März  fallen,  können  noch 
weniger  zu  einer  Aenderung  veranlasst  haben. 

2)  Die  Ostergrenzen,  welche  hiernach  im  4.  Jahrhundert  bei  dem  84  jährigen 


550  ^ber  den  Chronographen  vom  J,  354. 

2)  Zufällige  Verlegungen  des  Osterfestes.  —  Ich  finde  deren  drei, 
und  zwar  jedesmal  Verfrühungen  der  Ostern  um  eine  Woche:  im 
J.  316  Verlegung  vom  1.  April  auf  den  25.  März;  im  J.  323  vom 
14.  April  auf  den  7.  April;  im  J.  340  vom  6.  April  auf  den  30.  März. 
Es  ist  möglich,  dass  auch  hierbei  noch  astronomische  Gründe  mit- 
wirken; doch  glaube  ich  es  nicht,  einmal  weil  in  dem  auf  Rechnung 
beruhenden  Theil  der  Ostertafel  359  —  411  von  diesen  Anomalieen 
auch  nicht  eine  vorkommt,  zweitens  weil  in  den  Jahren  400  und  407, 
die  ebenso  wie  316  und  323  19te  und  26  te  Jahre  des  Cyclus  sind 
und  von  einer  bleibenden  Bestimmung  in  Betreff  der  letztgenannten 
Jahre  mit  wären  getroffen  worden,  die  gewöhnlichen  Ostertage  des 
Kanon  erscheinen. 

Die  vielfachen  und  nicht  uninteressanten  Belehrungen,  die  aus 
unsrer  Tafel  sich  für  die  Berechnungsweise  des  lateinischen  Oster- 
festes im  4.  Jahrhundert  ergeben,  kann  man  bei  dem  trefflichen 
van  der  Hagen  nachsehen;  so  über  die  Grenze  der  Neumonde,  nach 
denen  das  Osterfest  angesetzt  wird,  vom  5.  März  bis  2.  April,  aus- 
nahmsweise auch  am  3.,  4.,  5.  April  (p.  305  —  311),  und  über  die 
Tage  des  Mondmonats,  wo  man  vor  dem  nicänischen  Concil  die 
luna  XIV  zuliess,  später  die  luna  XF,  endlich  die  luna  XVI  forderte 
(p.  320  f.).  Hier  genügt  die  Nachweisung,  dass  unsre  Tafel  bis  zum 
J.  358  nicht  bloss  auf  Rechnung,  sondern  auf  unmittelbarer  Auf- 
zeichnung beruht.  Wir  besitzen  in  unserer  Paschaltafel  ein  Ver- 
zeichniss  der  in  der  Diöcese  des  römischen  Bischofs  von  den  J.  312 — 
358  wirklich  gefeierten  Ostertage  so  wie  eine  Vorausberechnung  der- 
selben nach  dem  damals  gültigen  Kanon  für  die  Jahre  359 — 411; 
eine  Vorausberechnung,  von  der  indess  unter  Umständen  abgewichen 
sein  mag,  wie  z.  B.  das  Pascha  des  J.  417  nicht,  wie  man  nach 
unsrer  Tafel  vermuthen  sollte,  auf  den  15.  April,  sondern  durch 
specielle  Abkündigung  des  Papstes  auf  den  25.  März  angesetzt  ward. 
Es  bleibt  nur  eine  Frage  noch  übrig :  warum  beginnt  unsre  Paschal- 
tafel mit  dem  J.  312,  d.  h.  mit  dem  15.  Jahr  des  84jährigen  Cyclus?  — 
579  Die  Frage  fällt  zusammen  mit  einer  anderen  auch  noch  nicht  genügend 
beantworteten;  es  ist  nämlich  dies  Jahr  der  Ausgangspunkt  der  In- 
dictionenrechnung,  indem  die  erste  indictio  des  ersten  Quindecennium 


Cyclus  festgestellt  waren,  finden  sich  fast  ebenso  wieder  bei  den  alten  Britten 
[und  Iren],  die  diesen  Kanon  am  längsten  in  Gebrauch  behielten  (van  der  Hagen 
p.  336f).  [Krusch,  Studien  zur  christl.-mittelalterl.  Chronologie,  der  84jährige 
Ostercyklus  u.  seine  Quellen,  Leipz.  1880.  Derselbe:  Die  Einführung  des  griech. 
Paschalritus  im  Abendland,  im  Neuen  Archiv  der  Ges.  f.  ältere  deutsche  Ge- 
schichtskunde IV  S.  99  ff.] 


über  den  Chronographen  vom  J.  354.  551 

beginnt  mit  dem  1.  Sept.  312 1.  Dass  unser  Schreiber  mit  dem  J.  312 
begonnen  habe,  weil  mit  diesem  die  Indictionen  begannen,  ist  mög- 
lich, allein  nicht  eben  wahrscheinlich,  denn  nirgends  ist  sonst  bei 
ihm  eine  Spur  von  der  Rechnung  nach  Indictionen  und  15jährigen 
Cyclen;  auch  scheint  im  J.  354  die  Rechnung  nach  Indictionen  erst 
im  Aufkommen  gewesen  zu  sein  (Tillemont  h.  des  emp.  IV,  144. 
Ideler  IT.  352).*)  —  Yielmehr  hängt  der  Anfangspunkt,  den  der 
Chronist  gewählt  hat,  wahrscheinlich  eng  mit  der  Osterfeier  in  Rom 
zusammen.  Es  ist  bekannt,  dass  Constantin  nach  seinem  Siege  über 
Maxentius  am  28.  Oct.  312  (Tillemont  lY,  135)  den  christlichen  Cultus 
in  Rom  freigab;  es  versteht  sich  von  selbst,  dass  es  von  da  an  dem 
christlichen  Bischof  freigestanden  und  dieser  nicht  unterlassen  haben 
wird  die  Ostern  jedes  Jahres  öffentlich  und  feierlich  zu  verkündigen, 
und  dahin  zu  wirken,  dass  in  seiner  Diöcese  alle  Christen  an  diesem 
Tage  Ostern  feierten.  Dann  musste  aber  auch  von  diesem  Tage  an 
eine  römische  Ostertafel  entstehen,  welche  die  für  jedes  Jahr  vom 
Bischof  festgesetzten  Tage  des  Ostersonntags  aufführte-.**) 

V.  Yerzeichniss    der  Stadtpräfecten  von  254 — 354   mit  der  580 
Ueberschrift:  ex  temporibus  GdUieni  quis  quantum  temporis  prae- 
fecturam   TJrbis  adtninistraverii. 
Die  Wichtigkeit  dieses  vortrefflichen  vom  J.  2S8  und  besonders 
von  302    an  bis  auf  die  Tage  genauen  Aktenstücks  ist  jedem  Ge- 
schichtsforscher hinreichend  bekannt.     Es  enthält  zugleich  Consular- 
fasten  für  die  Jahre  254—354,  die  wie  schon  bemerkt  aus  demselben 
officiellen  Register  wie   die   imter  III  aufgeführten  Fasten   entlehnt 
sind;    sogar  offenbare  Fehler  wie   Gallicano    für   Gallieno  261.  264 

1)  Allerdings  findet  sich  auch  ein  anderer  Anfangspunkt,  der  erste  Sept. 
des  J.  49  V.  Chr.  (Ideler  II,  350);  allein  es  ist  evident,  dass  dieser  Indictionen- 
kreis,  der  24  Quindecennien  umfasst  (1.  Sept.  49  n.  Chr.  —  31.  Aug.  811  v.  Chr.), 
nach  Einführung  der  Indictionenrechnung  nachträglich  erfunden  ist,  um  auch 
die  Zeitangaben  vor  312  in  der  damals  üblichen  Weise  ausdrücken  zu  können. 
[Etwas  anders  hierüber  F.  Rühl,  Die  constantinischen  Indictionen  in  den  Jahrb. 
f.  class.  Philol.  1888,  S.  789  S.] 

*)  [Genaueres  hierüber  jetzt  bei  V.  Gardthausen,  Griech.  Palaeogr.  Leipz. 
1879,  S.  391  f.] 

2)  Allerdings  müsste  diese  Tafel  eigentlich  mit  dem  J.  313  beginnen ,  da 
doch  frühestens  fiir  die  Ostern  d.  J.  Constantins  Edict  wirksam  sein  konnte. 
Allein  abgesehen  davon,  dass  man  das  Jahr,  wo  das  ersehnte  Edict  erschien, 
und  dessen  noch  unter  dem  Druck  gefeierte  Ostern  könnt«  an  die  Spitze  stellen 
wollen,  ist  es  gar  nicht  unmöglich,  dass  schon  Maxentius  den  christlichen  Cult 
freigegeben.     Tillemont  IV,  120. 

**)  [Die  weiterhin  aufgestellte  Hypothese  über  den  Grund  der  Benennung  in- 
dictio  ist  hier  nicht  abgedruckt  worden,  da  Mommsen  selbst  sie  hat  fallen  lassen.] 


552  Über  den  Chronographen  vom  J.  354. 

kehren  in  beiden  wieder.  Bei  einigen  Jahren  (307.  308.  311.  312. 
317)  sind  die  Consuln  in  diesem  Yerzeichniss  vollständiger  angegeben 
als  in  den  Fasten.  In  den  Jahren  308—311  findet  sich  Maxentius, 
in  den  J.  351.  352  Magnentius  und  Decentius  unter  den  Consuln  des 
Präfectenverzeichnisses ,  während  sie  in  den  Fasten  getilgt  sind;  da 
diese  Empörer  in  ßom  zur  Herrschaft  gelangten,  sind  sie  natürlich 
auch  in  die  römischen  Fasten  eingetragen  worden,  und  während  man 
sie  in  dem  officiellen  Consulverzeichniss  später  auslöschte,  scheinen 
sie  in  dem  gleichfalls  officiellen  Stadtpräfectenverzeichniss  vergessen 
worden  zu  sein. 

VI.    Depositio  episcoporum.     Item  depositio  martyrum. 

581  Dies  Yerzeichniss  der   Gedächtnisstage   der  römischen  Bischöfe 

und  Märtyrer*)  ist  offenbar  für  die  römischen  Christen  bestimmt,  da 
mit  Ausnahme  dreier  afrikanischer  Märtyrer  (Perpetua  und  Felicitas 
Xini  K.  lun.,  Cyprian  XYIII  K.  Oct.)  nur  römische  Gedächtniss- 
stätten in  demselben  vorkommen.  Ein  ähnliches  Yerzeichniss  der 
Kirche  von  Karthago  hat  Mabillon  (anall.  ed.  1723  p.  163^  aus  einer 
Handschrift  des  YII.  Jahrhunderts  bekannt  gemacht,  mit  der  üeber- 
schrift  '^Hic  continentur  dies  nataliciorum  martyrum  et  depositiones 
episcoporum,  quos  ecclesia  Carthagenis  anniversaria  celeirat".  Es  ist 
dasselbe  ein  Yorläufer  des  christlichen  Kalenders,  der  aus  solchen 
Yerzeichnissen  sich  gestaltet  hat.  —  Das  Martyrologium  ist  das  älteste 
aller  bekannten;  vergleicht  man  es  mit  dem  martyr.  Hieronymi,  das 
die  Grundlage  der  übrigen  bildet,  so  zeigt  sich,  dass  der  Redacteur 
des  letzteren  unser  Yerzeichniss  vor  sich  hatte,  es  (zum  Theil  mit 
Missverständniss)  benutzte  und  die  in  diesem  vorkommenden  Daten 
unter  den  einzelnen  Tagen  an  die  Spitze  seines  Yerzeichnisses  stellte. 
Es  scheint  also  der  sog.  Hieronymus  unser  Martyrologium  bei  seiner 
Arbeit  zu  Grunde  gelegt  zu  haben.  —  Das  Yerzeichniss  der  Be- 
gräbnisstage der  römischen  Bischöfe  begreift  von  Lucius  (f  255) 
sämmtliche  Bischöfe,  nur  dass  Marcellus  vom  Abschreiber  ausgelassen 
ist  und  Sixtus  unter  den  Märtyrern  steht;  letzteres  beweist  das  Zu- 
sammengehören der  beiden  Yerzeichnisse.  Geordnet  ist  dasselbe 
ähnlich  wie  das  Martyrologium  nach  der  Folge  der  Gedächtnisstage 
im  Laufe  des  Jahres;**)  doch  reicht  die  so  geordnete  Reihe  nur  bis 

*)  [„i]  veramente  il  feriale  della  chiesa  romana,  cioe  la  tabella  delle  feste 
solenni  non  mobili"  G.  B.  deRossi,  La  Roma  sotterranea  I,  Rom  1864,  S.  116, 
vgl.  II,  1867,  S.  IV  f.  dem  Mommsen  selbst  Chron.  min.  I  S.  71  zustimmte.] 

**)  [Und  zwar  des  mit  dem  25.  Dez.  beginnenden  kirchlichen  Jahres :  s.  Usener, 
Rhein.  Mus.  60,  1905,  S.489f.] 


V  über  den  Chronographen  vom  J.  354.  553 

auf  Silvester  (f  335  Dec.  3t),  die  beiden  letzten  Päpste  Marcus 
(t  336  Oct.  7)^  und  Julius  (f  352)  sind  später  nachgetragen.  Das 
Verzeichniss  muss  demnach  ursprünglich  zwischen  dem  1 .  Jan.  und 
7.  Oct.  336  entworfen  und  alsdann  bis  nach  352  fortgeführt  sein.  — 
Dass  diese  beiden  Verzeichnisse  ebenso  wie  die  Ostertafel  als  offi- 
cielle  Documente  der  römischen  Kirche  des  lY.  Jahrhunderts  an- 
zusehen sind,  bedarf  wohl  keines  Beweises;  man  sieht,  dass  deren 
Archiv  damals  bis  in  die  Mitte  des  dritten  Jahrhunderts  hinauf- 
reichte, oder  vielmehr  bis  gegen  den  Anfang,  denn  wenn  man  das 
Martyrologium  hinzunimmt,  fehlt  von  Pontianus  an  (231 — 235)  die 
depositio  nur  eines  römischen  Bischofs,  des  Anteros,  der  nicht  mehr 
als  41  Tage  im  Amte  war  2. 

YII.   Yerzeichniss   der   römischen  Bischöfe,   von  Christi  Tode  582 
bis    auf  Liberius   (352  —  369),    dessen   Amtsantritt   bezeichnet, 
sein  Todesjahr  aber  so  wie  die  Dauer  seines  Amtes  in  blanco 
geblieben  ist.     Nach  einer  kurzen  Einleitung  lautet  die  Ueber- 
schrift:  qiiis  episcopus  quot  annis  prefuit  vel  quo  imperante. 
Dies  Yerzeichniss   ist   sehr  merkwürdig  und   oft  besprochen  als 
die    älteste    uns   bekannte    Grundlage    des    Über  pontificalis^.     Dass 
eben    unser   bis    auf   Liberius    Regierungsantritt    fortgeführtes  Yer- 
zeichniss  den  spätem  Bearbeitern  vorlag,  geht  mit  Evidenz  hervor 
aus  dem  Aufhören  der  Consulate  in  allen  späteren  Recensionen  des 
liber  pantificalis  mit  Liberius.     Am  nächsten  der  Zeit  nach  steht  die 
mit  Papst  Felix  (f  530)  unter  Justinian  schliessende  (abgedruckt  am 
besten   bei  Schelestrate   antiqu.   eccl.  T.  I  p.  401  f.,  vgl.  p.  354  f.*)), 
welche  bei  den  beiden  letzten  Päpsten,   wo   der  Schreiber  als  Zeit- 
genosse die  Consulate  kannte,  diese  beifügte,  um  sich  ihrem  Muster 
möglichst  eng  anzuschliessen;   aus  dieser  jüngeren  Recension  haben 
wir   die    zahlreichen  Auslassungen    und   sonstigen    Copistenfehler  in 
imsrer  Handschrift  der  älteren  berichtigt.     Doch  findet  sich  auch  in 

1)  wenigstens  nach  der  Wiener  Handschrift ;  in  der  Brüsseler  [und  der  von 
Amiens]  ist  er  einrangiert. 

2)  Cornelius  scheint  durch  Versehen  des  Schreibers  zu  fehlen,  s.  zu  XVIII  K.Oct. 

3)  Genau  genommen  entstand  dieser  aus  der  Vereinigung  zweier  verschieden- 
artiger Kataloge:  des  unsrigen,  der  die  Consuln  nennt,  und  des  bei  Schelestrate  I, 
p.  611  abgedruckten,  der  die  Heimath  und  die  Ordinationen  lieferte.  [Vgl. 
Wommsens  Prolegomena  zu  seiner  Ausgabe  des  liber  pontificalis  in  den  Mon. 
Germ.  bist.,  gest.  pontif.  Rom  vol.  I,  Berl.  1898;  über  das  vorliegende  Verzeichnis 
handelt  er  dort  kurz  auf  S.  VIII.] 

*)  [Vgl.  Duchesne,  Liber  pontificalis  I,  Paris  1886,  S.  XLIX  S.  und  Mommsen 
selbst  a.a.O.  (Anm.  3)  S.  LXIX  f.  und  229  f.] 


554-  tJher  den  Chronographen  vom  J.  354. 

den  späteren  Recensionen ,  dem  sog.  Anastasius,  manches  unserm 
Katalog  Entlehnte,  was  in  der  jüngeren  Recension  fehlt;  so  dass 
diese  entweder  verkürzt  sein  oder  Anastasius  beide  Recensionen  vor 
sich  gehabt  haben  muss.  —  Dass  unser  Katalog  unter  Liberias 
redigiert  ward,  ist  evident;  allein  der  Redacteur  schöpfte  nicht  aus 
gleichartigen  Quellen,  wie  dies  auch  schon  Henschen  (Acta  Sand, 
l.  c.  [Apr.  7.  I  Antverp.  1675]^  u.  A.  bemerkt  haben;*)  bis  auf  Urbanus 
(f  230)  giebt  er  nur  die  Namen  der  Bischöfe,  die  Dauer  des  Amtes 
nach  Jahren,  Monaten  und  Tagen,  die  gleichzeitigen  Kaiser  und  die 
Consuln  des  ersten  und  letzten  Jahres  eines  jeden  Bischofs.  Diese 
werden  so  berechnet,  dass  jeder  Bischof  eine  Anzahl  voller  Jahre 
zugetheilt  erhält,  so  dass  die  Consuln,  unter  denen  sein  Nachfolger 
beginnt,  unmittelbar  voraufgehen.  Dagegen  wird  von  Pontianus  an 
seit  231  die  Behandlung  eine  andre:  einzelne  historische  Notizen 
583  werden  eingestreut  und  die  Tage  des  Amtsantrittes  und  des  Todes 
häufig  bemerkt,  womit  es  zusammenhängt,  dass  der  Tod  des  einen 
und  der  Antritt  des  andern  Papstes  von  nun  an  regelmässig  nicht 
mehr  in  zwei  verschiedene,  sondern  meistens  in  dasselbe  Consulat 
gesetzt  werden.  Folglich  stand  für  den  zweiten  Theil  des  Ver- 
zeichnisses von  Pontianus  an  bis  auf  Liberius  dem  Schreiber  eine 
bessere  Quelle  zu  Gebot,  womit  es  'in  offenbarem  Zusammenhange 
steht,  dass  in  n.  VI  die  Gedächtnisstage  sämmtlicher  Bischöfe  von 
Pontianus  an  (mit  Ausnahme  von  Anteros  und  vielleicht  Cornelius) 
verzeichnet  sind,  während  von  den  früheren  ausser  Petrus  und  Calixtus 
(f  222)  nicht  ein  einziger  genannt  wird.  Also  kirchliche  Aufzeich- 
nungen, die  um  231  begannen,  sind  die  Quelle  des  zweiten  Theils 
dieses  Verzeichnisses,  dessen  Glaubwürdigkeit  durchaus  keinem  Zweifel 
unterliegt,  ja  das  wahrscheinlich  einen  officiellen  Charakter  trägt. 

Anders  steht  es  um  den  ersten,  der  wenigstens  einen  unzweifel- 
haften faktischen  Irrthum  enthält:  er  stellt  nämlich  Anicetus  vor 
Pius,  während  es  durch  gleichzeitige  Zeugnisse  vollkommen  feststeht, 
dass  Anicetus  auf  Pius  folgte.  Aber  noch  ärger  sind  die  Fehler  in 
der  Angabe  der  gleichzeitigen  Kaiser  von  Sixtus  bis  Eleutherius  und 
ein  offenbarer  Rechnungsfehler  liegt  vor  in  der  Angabe,  dass  Papst 
Anicetus  153  n.  Chr.  gestorben,  sein  Nachfolger  Pius  im  J.  146  ein- 
gesetzt sei.  Sagen  wir  es  gleich,  wie  es  sich  mit  diesem  Katalog 
verhält:  dem  Redacteur  lag  für  die  Epoche  bis  230  nichts  vor  als 
ein  Verzeichniss  der  römischen  Bischöfe  von  Petrus  an  mit  Angabe 
ihrer  Amtsdauer,  ähnlich  wie  es  Irenäus,  Hegesippus,  Eusebius  uns 


*)  [^gl-  jetzt  auch  Duchesne  a.  a.  0.  S.  IX. 


über  den  Chronographen  vom  J.  354.  555 

auch  aufbehalten  haben,  um  dies  dem  zweiten  Theil  des  Ver- 
zeichnisses, wofür  er  in  der  That  Consulatsangaben  vorfand,  einiger- 
massen  zu  accommodieren,  berechnete  er  nach  den  ihm  vorliegenden 
Consularfasten  und  Kaiserverzeichnissen  die  auf  jeden  Bischof  tref- 
fenden Consulate  und  Kaiser,  jene  nach  den  Fasten  unsrer  Hand- 
schrift n.  m,  diese  nach  der  Kaiserchronik  n.  X.  Hieraus  erklärt 
es  sich  vollständig,  wesshalb  die  Consuln  unsres  Kaiserkatalogs  in 
dem  ersten  Theil  durchaus,  selbst  bei  den  Jahren  wo  die  Bezeich- 
nungen ungemein  variieren  z.  B.  161,  die  unsrer  Fasten  sind  —  es 
konnte  nicht  anders  sein,  da  unser  Redacteur  sie  aus  diesen  ab- 
geschrieben hat^  Hieraus  erklärt  es  sich  femer,  warum  jeder  584 
Bischof  mit  dem  Jahre  anfangt,  welches  auf  das  letzte  seines  Vor- 
gängers folgt  —  es  heisst  das  nur,  dass  der  Redacteur  in  den  Fasten 
bloss  die  vollen  Jahre  zählte  und  auf  Monate  und  Tage  keine  Rück- 
sicht nahm.  So  begreift  man  endhch  die  Entstehung  der  oben 
gerügten  Fehler.  Die  Rechnung,  welche  von  den  beiden  End- 
puncten  —  Christi  Tod  29  und  Pontianus  Antritt  231  —  ausgehend 
in  diesen  Zwischenraum  die  überlieferten  Zahlen  einzuordnen  ver- 
suchte, kam  nämlich  nicht  aus;  es  fanden  sich,  indem  man  theils 
von  231  zurück,  theils  von  29  vorwärts  rechnete,  da  wo  beide  Rech- 
nungen sich  begegneten,  unter  Pins  Episcopat  acht  Jahre  zu  \ael2, 
was  der  Schreiber  vielleicht  auch  bemerkt  und  den  Fehler  absichtlich 
auf  dies  längere  Pontificat  gelenkt  hat,  um  ihn  einigermassen  zu 
verstecken.  —  Eine  noch  grössere  Confusion  herrscht  in  den  Angaben 
der  gleichzeitigen  Kaiser  von  Telesphorus  bis  auf  Anicius: 

Sixtus   117—126 Hadrianus  118—138. 

„,       ,  ,„_     ,.„         f  Antoninus  (Pius)  139— 161. 

Telesphorus  12 (—137  .  .  <  ,,  ,       ^-. 

^  \  Marcus  (Aurel.)  162—180. 

TT     •         1QQ     1.0  i  Veras  162—169. 

Hyginus  138—149 


Marcus  162—180. 


1)  Auch  in  dem  zweiten  Theil  ist  die  Übereinstimmung  fast  durchgängig 
'Vgl.  z.  B.  die  Jahre  308.  309) ;  doch  findet  sich  eine  vollständigere  Angabe  bei 
dem  J.  311:  Maximiniano  VIII  solo,  quod  fuit  mense  Sep.  (Eusebio)  et  Rufino 
(Vgl.  das  Präfectenverzeichnis  z.  d.  J.).  [Über  letztere  Angabe  urteilte  Mommsen 
«päter  anders:   s.  Chronica  S.  76,4.] 

2)  Da  in  den  älteren  Verzeichnissen  entweder  nur  Cletus  oder  nur  Anacletus 
vorkommt,  so  scheint  einer  dieser  Päpste  zu  streichen.  Tilgt  man  den  Cletus 
tmn.  VI,  so  kommt  die  Rechnung  ziemlich  aus;  ganz  genau  kann  sie  ohnehin 
rieht  sein,  da  sie  nur  nach  vollen  Jahren  rechnet,  auch  die  Vacanzen  nicht 
beachtet  sind.  Wahrscheinlich  aber  hat  der  erste  Verfertiger  des  Verzeichnisses 
es  den  Cousulaten  von  Christi  Tod  bis  auf  seine  Zeit  aecommodiert,  wenn  er 
gleich  die  Consulate  nicht  beischrieb. 


556  Über  den  Chronograplien  vom  J.  354. 

...       ,.n    .f,o  f  Verus  162—169. 

Amcetus  150—153   ....-!„  ^      ^ 

\  Marcus  162—180 

Pius   146—161 Antoninus  Pius  139—161. 

Soter   162  —  170 Verus  162—169. 

Eleutherius  171-185   .  .  p'^toninus  (d.i.  M.  Aurel.)  162-180. 
\  Commodus  181—192. 
Man   sieht,    dass  bis   auf  Pius  richtig  zurück,   bis  auf  Sixtus  richtig- 
vorwärts  gerechnet  ward,   dass  aber  bei  Hadrian  ein  Versehen  vor- 
kam,  indem   der  Rechner  zu  früh   mit   dessen  Regierung  fertig  zu 
sein  glaubte;   was  dann  in  Verbindung  mit  dem  Fehler  in  der  Be- 
rechnung der  Consuln  dahin  führte,  dass  Antonius  Pius  und  die  Divi 
fratres  zweimal  im  Katalog  vorkommen.     Unser  Resultat  ist  dem- 
nach, das  uns  hier  vorliegt: 
585  t .    Ein  älteres  Verzeichniss  quis  episcopus  quot  annis  praefuit  bis 

zu  Urbanus  Tode  (230),  welches  durch  blosse  Rechnung  vermehrt 
ward  mit  der  Angabe  der  Kaiser  (daher  auch  in  der  Ueberschrift 
der  Zusatz  vel  quo  imperante)  und  der  Consuln  des  ersten  und  letzten 
Jahres.  Diese  sind  brauchbar  als  Correctiv  der  hie  und  da  corrupten 
Jahrzahlen,  aber  als  synchronistische  Angaben  ohne  allen  Werth. 

2.  Ein  Verzeichniss  von  231 — 352,  das  aus  derselben  Quelle 
stammt  mit  den  deposifiones  n.  VI  und  auf  synchronistisch  zuver- 
lässigen, vermuthlich  aus  einem  römischen  Kirchenarchiv  entlehnten 
Nachrichten  beruht.  So  weit  wir  hier  nachrechnen  können,  sind 
diese  Angaben  vollkommen  richtig;  so  namentlich  in  der  Angabe 
des  Todestages  Sixtus  11.  (6.  Aug.  258),  und  selbst  scheinbare  Ver- 
wirrungen, wie  bei  Lucius  und  Stephanus,  erklären  sich  bei  genauerer 
Untersuchung. 

VIII.  Annalen  von  Cäsar  (nach  vorausgeschicktem  Verzeichniss  der 
Könige)  bis  403  und  wieder  von  455 — 496. 
Diese  namentlich  für  die  spätere  Zeit  nicht  unwichtigen  Annalen, 
von  denen  unter  n.  II.  ein  geringeres  Exemplar  vorkommt,  erweisen 
sich  durch  die  Epoche,  wo  sie  entstanden  sind,  und  durch  die  be- 
deutenden Abweichungen  der  Fasten  von  der  bei  unserem  Chrono- 
graphen durchgängig  zu  Grunde  liegenden  Recension  als  ein  mit  den 
anderen  Stücken  unsrer  Sammlung  nicht  zusammenhängender  zufällig 
von  dem  Schreiber  irgend  einer  Handschrift  damit  verbundener  Be- 
standtheil.  Was  darüber  ferner  zu  bemerken  ist,  wird  unten  in  der 
Einleitung  zu  dem  Abdruck  gesagt  werden.*) 

*)  [Diese  Einleitung  —  auf  S.  656  f.  —  ist  nicht  wieder  abgedruckt  worden: 
s.  Chronica  S.  263  f.] 


über  den  Chronogfraphen  vom  J.  354.  557 

IX.  Eine  Weltchronik,    die   sich  selbst  als  chrotiica  Horosii  be- 

zeichnet.*) 

X.  Stadtchronik  von  Rom. 

Diese  Schrift,  die  wie  eben  gezeigt,  der  Absicht  des  Redacteurs 
zufolge  einen  Abschnitt  der  Weltchronik  bildet,  aber  in  der  Aus- 
führung selbstständig  erscheint  und  aus  ganz  anderen  Quellen  ent- 
lehnt ist,  trägt  die  Ueberschrift :  Item  origo  gentis  Romanorum  ex 
quo  primum  in  Italia  regnare  coeperuni.  Sie  nennt  die  Könige  von 
Laurentum,  Alba  ^  und  Rom ;  die  nomina  dictatorum,  d.  i.  eine  Anzahl 
berühmter  J^^amen  aus  der  republicanischen  Epoche  in  grösster  Con- 
fusion  und  ohne  historische  J^otizen;  endlich  die  Kaiser  von  Cäsar 
bis  auf  Licinius.  Gewissermassen  umfasst  sie  also  die  ganze  römische 
Geschichte.  Die  Xotizen,  die  sie  mittheilt,  betreffen  aber  nicht  Er- 
eignisse von  allgemein  geschichtlicher  Bedeutung,  sondern  durch- 
gängig städtische  Merkwürdigkeiten:  Pesten,  Feuersbrünste,  Einsturz 
von  Gebäuden,  Bauten,  namentlich  der  für  die  römische  Plebs  so 
wichtigen  öffentlichen  Bäder,  die  der  Plebs  zu  Theil  gewordenen 
Congiarien,  die  Ankunft  grosser  Schiffe,  monströse  Erscheinungen, 
ja  sogar  das  Auftreten  von  Fresskünstlern  machen  den  hauptsäch- 
lichen Inhalt  aus,  geschichtliche  Ereignisse  werden  fast  nur  erwähnt, 
wenn  sie  die  Hauptstadt  direkt  berühren,  wie  z.  B.  die  Kämpfe  der 
Soldaten  und  der  Bürger  unter  Maximin  imd  Maxentius.  Auch  das 
Königsverzeichniss  ist  von  gleichartigem  Charakter;  es  weist  den 
Ursprung  derjenigen  Institutionen  nach,  die  für  die  tenuiores  von 
besonderer  Bedeutung  waren,  des  Hausgeräthes ,  der  Strafen,  der 
Congiarien,  Frumentationen  und  circensischen  Spiele.  Das  Büchlein 
ist  also  keineswegs  ein  gewöhnliches  Königs-  und  Kaiserverzeichniss, 
sondern  eine  planmässig  angelegte  und  von  Romulus  bis  auf  Licinius  599 
im  gleichen  Sinne  und  zu  demselben  Zweck  durchgeführte  Stadt- 
chronik.     Dazu  passt  auch  gar  wohl  die  grosse  Fülle  und  Präcision 

*)  [Der  Nachweis  —  S.  585  —  598  — ,  dass  diese  Chronik  sowie  das  oben 
unter  VII  behandelte  Verzeichnis  der  röm.  Bischöfe  in  seinem  ersten  Teile  auf 
flippolytos  von  Portos  zurückgehen,  ist  hier  nicht  wieder  abgedruckt  worden, 
ia  Mommsen  ihn  in  den  Chronica  S.  84  ff.  mit  z.  T.  neuem  Material  wiederholt 
iat;  vgl.  dazu  auch  die  gegen  die  Zweifel  von  C.  Frick,  Chron.  minora,  Leipz. 
1892,  praef.  gerichteten  Bemerkungen  von  A.  Hamack ,  Die  Chronol.  der  altchr. 
Lit.  bis  Euseb.,  II,  Leipz.  1904,  S.  236  ff.] 

1)  Ich  bemerke  bei  dieser  Gelegenheit,  dass  der  Auszug  aus  der  römischen 
"■Vorgeschichte,  den  die  Berliner  Handschr.  saecVIU.  Santen.  n.  66  enthält  und 
clessen  Pertz  im  Archiv  VIII,  S.  854  gedenkt,  entlehnt  ist  aus  Augustin  de 
<ivitate  dei  XVIII  c.  15.  16.  19.  21. 


558  tJhev  den  Chronographen  vom  J.  354. 

der  Notizen  über  die  Topographie  der  Stadt  Rom,  welche  diesen 
sog.  catalogus  imperatorum  Vindohonensis  zu  einer  der  wichtigsten 
Quellen  dafür  machen.  —  Merkwürdig  ist  der  trockene  Euhemeris- 
mus  in  der  Darstellung  der  ältesten  Sagen,  der  geflissentlich  allen 
Schimmer  des  Göttlichen  abstreift:  acht  Könige  treten  auf  statt  der 
heiligen  sieben,  denn  Titus  Tatius  muss  ja  mitgezählt  werden; 
Romulus  ertrinkt  beim  Baden,  Ancus  Marcius  wird  zu  einem  Marciu& 
Philippus,  Numa  ist  Erfinder  der  Betten,  Tische,  Stühle  und  Leuchter, 
Tarquin  der  jüngere  der  Foltern,  Bergwerkssklaverei,  Ketten  und 
Stockprügel!  Dass  der  Schreiber  ein  Christ  war,  ist  nicht  zu  be- 
zweifeln, da  die  Stadtchronik  ja  ein  Theil  der  christlichen  Welt- 
chronik ist^;  es  ist  charakteristisch,  in  welcher  entwürdigenden  Weise 
die  römischen  Christen  des  vierten  Jahrhunderts  die  den  Vorfahren 
heiUge  Sagengeschichte  auffassten.  Die  gewaltigen  geistigen  und 
sittlichen  Strömungen,  welche  durch  die  Geschichte  gehen,  ohne  auf 
ein  Land  und  ein  Volk  sich  zu  beschränken,  wirken  immer  zerstörend 
auf  den  nationalen  Kern;  wie  segensreich  und  nothwendig  das 
Christenthum  auch  sonst  gewesen  ist,  der  römische  Sinn  und  der 
römische  Staat  ist  in  seiner  Eigenthümlichkeit  durch  dasselbe  zu 
Grunde  gegangen. 

Da  die  Stadtchronik  nach  der  Intention  unseres  Chronographen 
einen  Theil  der  mit  dem  J.  334  schliessenden  Weltchronik  bildet, 
so  muss  sie  in  demselben  Jahre  geschrieben  sein.  Hiezu  passt  es, 
dass  sie  mit  dem  letzten  der  vor  334  gestorbenen  Kaiser,  Licinius, 
abschliesst,  und  dass  sie  unter  Domitian  die  hasilica  Constantiniana 
als  ein  neues  Gebäude  erwähnt.  —  Die  Quellen,  aus  denen  der 
Chronograph  diesen  Abschnitt  zusammentrug,  sind  kaum  zu  er- 
mitteln. Kaiserkataloge  gab  es  zu  seiner  Zeit  genug,  ja  sogar  einen 
officiellen  Index  (Vopisc.  Aur.  42.) ;  es  sind  deren  theils  mit  Angabe 
600  der  Regierungsdauer  2,  theils  mit  Hinzufügung  der  Todesarten  und 
Todesorte  noch  mehrere  uns  erhalten;  eine  Vereinigung  von  zwei 
derartigen  Verzeichnissen  scheint  die  Grundlage  des  Buches  geliefert 
zu  haben.  Den  Katalog  der  zweiten  Art,  den  unser  Chronograph 
benutzte,   finden  wir   in   der  series  regum  des  armenischen  Eusebius 


1)  Auch  heisst  es  unter  Diocletian:  circum  templa  domini  posuei-unt  —  wo 
aber  domini  vielleicht  Emblem  ist.  [Chron.  S.  148,27:  „domini  magis  videtur  a 
librario  additum  esse,  quamquam  potest  accipi  pro  nominativo  pluralis".] 

2)  Der  alexandrinische  Anon.  Scalig.  p.  65.  66  [Chronic,  min.  I  S.  279  ff.] 
fügt  noch  die  Zahl  der  vom  Kaiser  bekleideten  Consulate  hinzu.  Das  Verzeichnis» 
bei  Schelestrate  antiqu.  eccl.  I  p.  597,  das  Roncalli  mit  unserm  Kaiserverzeichnisa 
zusammenstellt,  ist  eine  werthlose  Compilation  aus  Hieronymus  und  Eutrop. 


über  den  Chronographen  vom  J.  354.  559 

(T.  n  p.  35.  36  Aucher  [I  Append.  I  A  p.  17.  IS  Schöne])  wieder; 
dagegen  ist  das  von  ihm  eopierte  höchst  genaue  Kaiserverzeichniss 
mit  Angabe  der  Regierungszeit  sonst  nirgends  erhalten,  und  nament- 
lich ist  der  von  Hippolyt  aufgenommene  Katalog  sicher  ein  anderer, 
da  dieser  mit  August,  der  unsrige  mit  Cäsar  beginnt  und  die  Zahlen 
sehr  wesentlich  abweichen.  —  Die  historischen  Xotizen,  die  die 
Königszeit  betreffen,  dürften  aus  Suetons  drei  Büchern  de  regibus 
entlehnt  sein,  da  die  ^N^otiz,  welche  unser  Chronograph  über  Numa's 
Congiarien  vmd  Lederasse  giebt,  bei  Suidas  unter  Suetons  Xamen 
citiert  wird;  auch  passt  die  geistlose  Behandlung  des  Sagenstoffs 
unter  allen  römischen  Schriftstellern  am  besten  für  Sueton,  den  Mann 
der  Antichambre  und  der  Anekdoten.*)  —  Für  die  republicanische 
Epoche  fehlte  es  dem  Redacteur  offenbar  an  geeigneten  Quellen 
oder  an  der  Fähigkeit  sie  zu  bearbeiten;  er  mag  seine  nomina  dicta- 
toriim  aus  dem  Index  irgend  einer  Schrift  de  viris  illustribus  com- 
piliert  haben.  Eine  ähnliche  Xomenclatur  findet  sich  bei  Hieronymus 
p.  66  Rone.**)  zwischen  den  Königen  und  den  Kaisern;  im  armeni- 
schen Eusebius  fehlt  sie  an  der  entsprechenden  Stelle,  könnte  aber 
am  Schluss  des  ersten  Theils  gestanden  haben.  —  Die  Quellen,  aus 
denen  der  Chronograph  für  die  Kaiserzeit  schöpfte,  liegen  uns  nicht 
mehr  vor;  vermuthlich  eine  der  zahlreichen  Sammlungen  von  Bio- 
graphien der  Kaiser  ^.  Für  die  spätere  Zeit  mag  der  Schreiber  auch 
aus  eigener  Kunde  geschöpft  haben,  zumal  da  die  Notizen  gegen 
das  Ende  an  Fülle  zunehmen  2.***) 


*)  [Seine  Ansicht  über  den  suetonischen  Ursprung  dieses  Abschnitts  hat 
Jloromsen  in  den  Chronic.  S.  141  f.  etwas  modifiziert.  Vgl.  auch  H.  Geizer,  Sex. 
lal.  Africanus  I,  Leipz.  1880,  S.  228.] 

**)  [S.  jedoch  über  dieses  Vei-zeichnis  unten  S.  570,  3.] 

1)  Ein  durch  das  mon.  Ancyr.  widerlegter  Irrthum  Suetons  über  die  Con- 
giarien Augusts  kehrt  bei  unserm  Chronographen  wieder;  doch  wissen  wir  nicht, 
ob  dieser  Irrthum  dem  Sueton  eigenthümlich  war.  [Vgl.  Res  gestae  divi  Augusti* 
S  60.]  Dass  unser  Chronograph  die  Kotizen  über  die  zwölf  ersten  Kaiser  sonst 
n:cht  aus  Sueton  entlehnte,  steht  fest. 

2)  Gradezu  unmöglich  wäre  es  nicht,  dass  das  am  Ende  des  1.  Buches  von 
Eisebius  gegebene  verlorene  Kaiserverzeichniss  die  Quelle  nnsres  Chronographen 
g(!wesen,  denn  Eusebius  schliesst  326.  Allein  das  erhaltene  Königsverzeichniss 
p.  359  f  Aucher  [I  289  f  Schöne]  stimmt  durchaus  nicht  mit  dem  unsres  Chrono- 
graphen; und  wie  hätte  Eusebius  dazu  kommen  sollen  eine  Stadtchronik  von 
ß')m  in  seine  Chronik  einzurücken? 

***)  [Es  folgen  zunächst  auf  S.  600  f.  kurze  Bemerkungen  über  die  Autoren, 
di}  ihrerseits  die  Stadtchronik  benutzt  haben:  s.  Chronic.  S.  142.  —  Dann  auf 
S.  601— 605   der   Abschnitt:    „XI.  Die  Regionen  der  Stadt  Rom'.     Er  ist  hier 


560  Über  den  Chronographen  vom  J.  354. 

606  IV. 

Die  Sammlung  als  Ganzes. 

Ueberblicken  wir  noch  einmal  den  gesammten  Inhalt  der  ver- 
schiedenen auf  uns  gekommenen  Handschriften,  der  uns  bisher 
beschäftigt  hat,  so  sondern  sich  für  uns  drei  grössere  Massen. 

Ä.  Die  erste  Abtheilung,  welche  die  ganze  Brüsseler  Hand- 
schrift und  die  erste  Hälfte  der  Wiener  einnimmt,  begreift  folgende 
sechs  Abschnitte: 

I.  den  Kalender,    geschrieben    zuerst   340 — 350,    überarbeitet 
zwischen  350  und  361. 

III.  die  Consularf asten  aus  dem  J.  354. 

IV.  die  Ostertafel,  regelmässig  fortgeführt  bis  358,  mit  späteren 
schlechten  Ergänzungen  bis  410  oder  411. 

V.  das  Präfectenverzeichniss  aus  dem  J.  354. 
VI.  Gedächtnisstage  der  Bischöfe,  abgefasst  336,  ergänzt  zwischen 

352  und  369. 

Gedächtnisstage  der  Märtyrer,  gleichzeitig. 
VII.  Yerzeichniss  der  römischen  Bischöfe,  seiner  Anlage  nach  um 

230  entstanden,  vollendet  zwischen  352  und  369. 
Dies  ist  die  handschriftliche  Ordnung  des  Berner  Fragments, 
des  Wiener  und  auch  des  peiresc'schen  und  Brüsseler  Manuscripts, 
nur  dass  im  Wiener  die  viel  jüngeren  Annalen  zwischen  I  und  III 
gerathen  sind,  und  dass  der  Jean  Sibilla,  welcher  Peiresc's  Hand- 
schrift ergänzte  und  vermuthlich  neu  binden  Hess,  die  n.  III  zu  An- 
fang defect  und  die  Reste  von  n.  I  in  losen  Blättern  vorfand,  wo  er 
dann  seine  Handschrift  für  zu  Anfang  defect  hielt  und  die  losen 
Blätter  an's  Ende  stellte.  Der  Kalender,  der  ein  gemaltes  Titelblatt 
hat,  auf  dem  sich  der  Schreiber  nennt,  wird  wohl  jedesfalls  an  der 
Spitze  des  Bandes  gestanden  haben.  —  Von  diesen  sechs  Abschnitten 
sind  zwei  (III.  V.)  bestimmt  im  Jahre  354  abgefasst,  drei  (I.  VI.  VII.) 
um  dies  Jahr,  und  wenn  der  letzte  (IV)  bis  358  fortgeführt  ist,  so 
rührt  dies,  wie  schon  bemerkt,  davon  her,  dass  hier  ursprünglich 
für  die  Namen  der  Consuln  bis  411  Raum  gelassen  war  und  diese 
die  ersten  vier  Jahre  nach  Vollendung  der  Arbeit  in  dem  Exemplare, 


fortgelassen  worden,  da  alle  daran  sich  knüpfenden  chronologischen  und  hand- 
schriftlichen Fragen  inzwischen  von  H.  Jordan,  Topographie  d.  Stadt  Rom  i. 
Alterthum  II,  Berlin  1871,  zum  Teil  in  genauem  Anschluß  an  Mommsen  erörtert 
worden  sind.    Das  Resultat  hat  Mommsen  selbst  in  den  Chronic.  S.  77  zusammen- 


über  den  Chronographen  vom  J.  354.  561 

woraus  unsre  Abschriften  geflossen  sind,  regelmässig  nachgetragen  607 
waren.  Demnach  sind  diese  sechs  Abschnitte  im  J.  354  ^  abgefasst 
und  als  chronologisches  Hülfsbüchlein  in  diesem  Jahr  veröffentlicht 
worden,  in  dem  man  ausser  dem  Haupterfordemiss ,  dem  Kalender, 
noch  die  Verzeichnisse  der  wichtigsten  Beamten  der  Stadt  Rom  und 
die  für  die  christliche  Feier  erforderlichen  Tafeln  fand. 

Dies  Büchlein  trägt  an  der  Spitze  zwei  Namen,  über  die  noch 
einiges  zu  bemerken  ist.  Dediciert  ist  es  einem  gewissen  Yalentinus, 
einem  Christen,  wie  aus  der  Formel  Valentim  floreas  in  deo  erhellt. 
Lambek  (in  der  Einleitung  zum  Kalender)  denkt  an  den  Valentinus 
bei  Amm.  Marc.  XYIII,  3,  5,  der  primicerius  protectorum,  trihunus 
und  nach  einer  im  J.  359  grundlos  gegen  ihn  erhobenen  Anklage 
auf  Hochverrath  dux  lllyrici  war;  dieser  kann  allerdings  gemeint 
sein,  obwohl  die  Identität  nicht  bewiesen  ist.  Wenn  dagegen  bei 
der  hasilica  in  via  Flaminia  mill.  II.  quae  appellatur  Valentini,  die 
unser  Papstverzeichniss  unter  den  Bauten  des  Papstes  Julius  (337 — 
352)  nennt,  Bucher  p.  273  bemerkt:  an  forte  est  Valentinus,  cui 
hüendarium  inscrihitur?,  so  ist  dagegen  einzuwenden,  dass  diese 
Basilica,  die  unweit  Ponte  molle  lag,  dem  unter  Claudius  hinge- 
richteten heiligen  Yalentinus  geweiht  war  (Acta  Sanct.  Febr.  t.  IE 
p.  752).  —  Ferner  heisst  es  auf  dem  Titelblatt:  Furitis  Dionysius 
Filocalus  tiiulavit.  Damit  ist  zu  vergleichen  eine  aus  drei  Fragmenten 
bestehende  christliche  Inschrift,  die  aus  der  römischen  Basilica 
S.  Martini  in  montibus  in  das  vaticanische  Museum  gekommen  ist; 
die  Schrift  ist  vortrefflich  ^ : 


1)  Ein  blosser  Zufall  ist  es,  dass  mit  demselben  Jahre  auch  die  ältere 
Becension  des  Chronicoti  Pasdiale  schliesst  (Ducange  II  p.  16  Bonn.).  [Die  Un- 
richtigkeit der  Holstenschen  Hypothese,  daß  die  ältere  Rezension  der  Paschal- 
chronik  354  schließe,  hat  H.  Geizer,  S.  lul.  African.  I,  Leipzig  1880,  S.  139 ff.  er- 
"viesen.]  Die  römische  Sammlung,  die  uns  hier  vorliegt,  und  jene  alexandrinisch- 
constantinopolitanische  Chronik  sind  durch  Sprache,  Entstehungsart,  Zweck  und 
(Charakter  völlig  von  einander  geschieden. 

2)  Gedruckt  ist  sie  bei  Mai  Script.  Yatic.  vol.  V  p.  58;  ich  gebe  sie  nach 
der  genaueren  Abschrift,  die  mein  Freund  Henzen  in  Rom  mir  zugesandt  hat. 
[Sie  ist  hier  wiederholt  nach  de  Rossi,  Roma  sotterranea  I  S.  120,  vgl.  Chron. 
min.  I  S.  16.] 


MOMMSEN,    SCHR.  VII.  36 


562 


Über  den  Chronographen  vom  J.  354. 


margo              j 

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608  SCRIBSIT  FVRIYS  DION heisst  es  hier;  es  ist  wohl 

mehr  als  wahrscheinlich,  dass  derselbe  Filocalus,  der  unseren  Kalender 
titulierte,  die  vorstehende  Inschrift  geschrieben,  d.  h.  die  von  dem 
Steinmetz  einzugrabenden  Züge  vorgezeichnet  hat.  Derselbe  scheint 
also  ein  berühmter  Kalligraph  des  vierten  Jahrhunderts  gewesen  zu 
sein,  der  seinen  Handschriften  wie  den  nach  seiner  Yorzeichnung  ver- 
fertigten Inschriften  seinen  Namen  beizusetzen  nicht  versäumte.*) 
Auf  Inschriften  sind  dergleichen  Angaben  äusserst  selten;  mir  ist  nur 
ein  ähnliches  Beispiel  bekannt,  eine  christliche  Inschrift  aus  dem 
coemeterium  Maximi,  die  Bianchini  zum  Anastasius  III  p.  88  im  Stich 


*)  [Vgl-  Chron.  min.  a.a.O.  S.  15 ff,,  wo  Mommsen  über  Filocalus,  dessen 
kalligraphische  Thätigkeit  durch  neues  Material  inzwischen  bekannter  geworden 
war,  genauer  gehandelt  hat.] 


über  den  Chronographen  vom  J.  354.  -563 

mitgetheilt  hat.*)  Die  oberste  Zeile  ist  der  Rest  einer  Grab- 
schrift ....  TIAJsAE  EIYS;  darunter  sind  gezeichnet  die  Figuren 
zweier  in  dieser  Grabstätte  beigesetzten  Märtyrer,  beide  sitzend, 
mit  beigeschriebenen  Xamen  MAXIM VS  und  SECYNDES^VS;  neben 
diesen  steht  dem  Beschauer  links: 

s^IPTVM  EST 
T 
per  ruf?^}S. 
und  darunter 

tabulX  PICTA  EST 

per 

Auch  an  dieser  Inschrift  wird  die  eJegans  charaderum  forma 
hervorgehoben,  wie  an  der  des  Furius  Dionysius;  was  sehr  gut 
zu  der  Annahme  passt,  dass  sie  von  Kalligraphen  vorgeschrieben 
wurden.  —  Ob  derselbe  Kalligraph,  der  unsre  Handschrift  illustrierte, 
sie  auch  geschrieben,  ob  er  ferner  den  Inhalt  derselben  selber  zu- 
sammengestellt hat  oder  ein  Andrer  dies  that,  sind  ziemlich  müssige 
Fragen.**)  Von  einem  Verfasser  kann  eigentlich  gar  nicht  die  Rede 
sein  bei  einem  Werke  dieser  Art,  das  nichts  ist  als  eine  Zusammen-  . 
Stellung  von  Urkunden,  die  vielleicht  alle  als  officielle  Documente 
von  den  römischen  bürgerlichen  und  geistlichen  Behörden  bekannt 
gemacht  worden  sind.  Dass  das  \Yerk  nicht,  wie  Peiresc  vermuthete, 
in  der  Gegend  von  Trier,  sondern  in  der  Stadt  Rom  enstanden  ist, 
ist  evident  nicht  bloss  durch  den  ausschliesslich  auf  Rom  berechneten 
Inhalt,  sondern  jetzt  auch  durch  das  Yorkommen  des  Kalligraphen, 
<ler  in  demselben  erscheint,  auf  einer  römischen  Inschrift. 

B.  Während  Peirescs  und  die  Brüsseler  Handschrift  uns  die 
Sammlung  des  Chronographen  von  354  in  ihrem  ursprünglichen 
umfang  aufbewahrt  haben,  erscheint  dieselbe  in  dem  Wiener  Manu-  609 
Script  vermehrt  mit  theils  gleichartigen,  theils  ungleichartigen  Zu- 
isätzen.  Als  gleichartige  Ergänzung  können  wir  betrachten  die 
-N^ummem 

IX.  Weltchronik  | 

X  Stadtchronik  |  geschrieben  im  J.  334. 

XI.  Regionenverzeichniss  j 

*)  [Die  Inschrift  haben  weder  Dessau  noch  ich  identifizieren  können.  Das 
coemeterium  Maximi  ist  unter  diesem  Namen  in  der  neueren  einschlägigen  Literatur 
unbekannt,  es  heißt  coem.  Felicitatis;  vgl.  de  Rossi,  Bull,  di  archeol.  crist.  1863 
f.  41  ff.,  1884  5  S.  149  ff.] 

**)  [In  den  Chron.  min.  a.  a.  0.  S.  17  wird  es  als  wahrscheinlich  bezeichnet, 
•diß  die  Thätigkeit  des  Kalligraphen  sich  auf  den  Titel  beschränkt  habe.] 

36* 


'564  tJher  den  Chronographen  vom  J.  354. 

Diese  drei  Abschnitte  bilden  ein  kleines  Werk  für  sich,  von  dem 
CS  nur  zweifelhaft  erscheint,  ob  dasselbe  rein  äusserlich  mit  der 
Sammlung  von  354  verbunden  ist  oder  doch  auch  ein  innerer  Zu- 
sammenhang stattfindet.  Auf  den  ersten  Blick  möchte  man  sich  für 
die  erste  Annahme  entscheiden ;  allein  die  zweite  scheint  dennoch 
mehr  für  sich  zu  haben.  Dafür  spricht  zunächst  die  Gleichartigkeit 
beider  Sammlungen,  von  denen  jede  offenbar  für  die  Stadt  Rom 
berechnet  war,  und  die  sich  einander  nicht  ohne  Absicht  ergänzen. 
Wer  die  Consuln,  die  Präfecten  und  die  Bischöfe  Roms  verzeichnete,^ 
hätte  doch,  sollte  man  denken,  auch  ein  Kaiserverzeichniss  geben 
müssen;  dennoch  fehlt  es  in  der  Sammlung  von  354,  aber  es  findet 
sich  in  der  von  334.  Was  aber  besonders  die  Zusammengehörigkeit 
beider  Sammlungen  beweist,  ist  die  oben  S.  597*)  nachgewiesene 
Thatsache,  dass  das  Verzeichniss  der  römischen  Bischöfe  in  der 
Sammlung  von  334  desshalb  fehlt,  weil  es  in  die  von  354  auf- 
genommen ist.  Verbinden  wir  hiemit  die  mannigfachen  Spuren  einer 
um  zehn  bis  zwanzig  Jahre  älteren  Redaction,  die  die  letztere  Samm- 
lung im  Kalender,  in  den  Depositionen,  ja  auch  im  Papstverzeichniss,. 
.  wo  die  Notizen  über  Papst  Julius  337 — 352  unverkennbar  ein  späterer 
Nachtrag  sind,  noch  an  sich  trägt  (S.  606  [560]),  so  dürfte  es  wahr- 
scheinlich werden,  dass  beide  Sammlungen  ursprünglich  verbunden 
waren.  Zu  Grunde  liegt  vermuthlich  die  Weltchronik  des  Hippolyt, 
die  ein  unbekannter  Römer  im  J.  334  fortsetzte  bis  auf  seine  Zeit 
und  zugleich  mehrere  Abschnitte  besonders  und  sorgfältiger  ausführte. 
Ob  derselbe  schon  den  Kalender,  die  Fasten,  die  Ostertafel,  das 
Stadtpräfectenverzeichniss  hinzufügte  oder  nicht,  lässt  sich  nicht  aus- 
machen. Zwanzig  Jahre  später  wurden  diejenigen  Abschnitte  dieser 
Sammlung,  die  am  unmittelbarsten  ein  praktisches  Interesse  hatten, 
ergänzt  und  die  zuletzt  genannten  Stücke,  wenn  sie  in  der  Sammlung 
von  334  fehlten,  hinzugefügt;  während  die  Chroniken  und  das 
Regionenverzeichniss,  auf  die  es  im  täglichen  Gebrauch  weniger 
ankam,  unverändert  blieben.  Die  Handschrift  von  Peiresc  enthielt 
610  nur  diejenigen  Stücke,  welche  im  J.  354  durchgesehen  oder  zugefügt 
waren,  während  die  Wiener  die  Bestandtheile  der  ersten  und  der 
zweiten  Ausgabe  mit  einander  vereinigt 

C.    Zusätze  späterer  Abfassung. 
II.   Annalen  bis  539. 
VIIL    Annalen  bis  496  (Schluss  fehlt). 

Die  Weltchronik   des  Hippolyt,    die   überhaupt    in  Italien  und 
Frankreich  bis   in   sehr  späte   Zeiten  hinab   gebraucht   und  ausge- 

*)  [Vgl.  die  Anm.  *  oben  S.  557.] 


über  den  Chronographen  vom  J.  354.  565 

schrieben  wurde  —  nur  der  IS^ame  des  Yerfassers  scheint  früh  in 
Vergessenheit  gerathen  — ,  wird  in  der  zweckmässigen  Gestalt,  welche 
der  A.nnalist  von  334  ihr  gegeben  und  sein  Nachfolger  vom  J.  354 
bis  auf  seine  Zeit  fortgeführt  hatte,  im  Abendlande  vielfach  benutzt 
worden  sein.  Dafür  bürgt  der  ungeschickte  Versuch  einer  Fortfüh- 
rung der  Ostertafel  bis  410.  welche  allem  Anschein  nach  nicht  410, 
sondern  später  stattgefunden  hat;  denn  der  Schreiber  wollte  offenbar 
nur  die  100  Jahre,  für  die  Platz  gelassen  war,  nachführen,  nicht 
aber  bis  auf  seine  Zeit  die  Arbeit  fortsetzen.  Dafür  bürgen  ferner 
jene  beiden  Handschriften  aus  dem  VIII.  oder  IX.  Jahrhundert,  wo- 
von so  weit  wir  sehen  die  eine  aus  Belgien,  die  andre  aus  der 
Schweiz  stammt:  deren  gemeinschaftliches  Original  nicht  älter  ge- 
wesen sein  kann  als  410,  da  die  Supplemente  zur  Ostertafel  in  beiden 
gemeinschaftlich  sich  finden,  wahrscheinlich  aber  noch  jünger  gewesen 
ist.  —  Es  kann  nicht  befremden,  wenn  zu  einem  solchen  Werke 
später  andre  chronistische  Werke  hinzugeschrieben  wurden,  die  durch 
nichts  andres  mit  demselben  in  Verbindung  stehen  als  durch  die 
ungefähre  Aehnlichkeit  des  Inhalts  und  die  Laune  des  Schreibers. 
Von  dieser  Art  sind  die  Annalen,  welche  wenigstens  in  ihrem  späteren 
Theil  in  Ravenna  entstanden  sind;  «s  sind  diejenigen  libri  chronico- 
rum,  aus  denen  der  Anonymus  Vaksii  schöpft.  Die  Wiener  Hand- 
schrift enthält  davon  zwei  Exemplare,  ein  ausführlicheres  und  ein 
verkürztes,  die  leider  beide  unvollständig  sind.  Diese  Chroniken 
stehen  mit  dem  Werke  des  Hippolvt  nur  in  einem  ganz  äusserlichen 
Zusammenhang;  da  dem  Schreiber  von  n.  H  die  Weltchronik  vorlag 
und  er  daraus  einen  Zusatz  aufnahm,  wird  vermuthKch  der  Urheber 
von  jenen  sie  ursprünglich  einer  Abschrift  des  hippolytischen  Werkes 
hinzugeschrieben  haben.*) 

*)  [Die  nuu  folgende  Ausgabe  des  Chronographen  (S.  611 — 668)  ist  durch 
diejenige  in  den  Chron.  min.  I  überholt  worden ;  doch  gab  Mommsen  dem  Text 
<ler  Origo  in  der  ersten  Ausgabe  Anmerkungen  bei,  die  er  in  der  zweiten,  deren 
verändertem  Charakter  entsprechend,  teils  ausließ  teils  verkürzte.  Es  schien 
daher  wünschenswert,  diesen  Abschnitt  der  Chronik,  den  siebenten,  mit  den 
Anmerkungen,  soweit  diese  sich  nicht  auf  bloße  Zitate  aus  topographischen 
Handbüchern  beschränken  oder  durch  neuere  Untersuchungen  überflüssig  ge- 
worden sind,  hier  wieder  zum  Abdruck  zu  bringen.  Der  Text  ist  derjenige  der 
zweiten  Ausgabe;  die  Anmerkungen,  die  in  der  ersten  Ausgabe  hinter  dem  Text 
stehen,  sind  gemäß  der  später  von  Mommsen  befolgten  Praxis  unter  diese  ge- 
setzt worden.] 


566  Über  den  Chronographen  vom  J.  354. 

644  VII.*) 

Item  origo  gentis  Romanorum,  ex  quo  primum  in  Italia 
regnarc  coeperunt. 

Picus  Saturni  filius^  regnavit  agro  Laurentino  usque  ad  eum  locum 
ubi  nunc  Roma  est,  ann.  xxxviii^.  Eo  tempore  ibi  nee  oppida  nee 
vici  erant,  sed  passim  habitaverunt^. 

Faunus  Pici  filius  eisdem  locis  regnavit  annis  xliiii*.  Eo  tempore 
Hercules  cum  ab  Hispania  reverteretur,  aram  quae  est  ßomae  ad 
forum  boarium  posuit  et  dedicavit  eo  quod  Cacum  filium  Vulcani 
ibi  in  spelunca  sua  occiderat. 

Latinus  isdem  locis  regnavit  ....  Hie  ex  suo  nomine  cives  suos 
Latinos  appellavit.  Hoc  regnante  Troia  capta  est,  unde  Aenea» 
Veneris  et  Anchisae  filius  venit  et  se  cum  Latino  iunxit  unaque 
bellum  gesserunt  adversus  Rutulos.  Eo  proelio  Latinus  occisus  est 
et  regnum  eius  penes  Aeneam  remansit. 

Aenea s  oppidum  condidit  Lavinium  ibique  regnavit  annis  tribus. 

Ascanius  Aeneae  filius  regnavit  annis  xxxvi.  Albam  longam  con- 
didit. 


•*)  [Vgl-  die  Anmerkung  auf  der  vorhergehenden  Seite.] 

1)  Dass  Janus  und  Saturuus  fehlen,  ist  charakteristisch;  der  Verfasser  hat 
jedes  Wunder  und  so  auch  die  Götterkönige  beseitigt.  Aehnlich  Augustin 
CD.  18,15:  primus  (rex)  Laurentum  Picus,  und  Syncellua  p.  322  Bonn.,  der 
überhaupt  hier  aus  einer  Quelle  mit  dem  Verfasser  der  Stadtchronik  schöpfte 
oder  aus  der  Stadtchronik  selbst:  Africanus  kann  hieför  seine  Quelle  nicht  ge- 
wesen sein;  Snavla  weist  auf  einen  lateinischen  Autor.  Mit  Syncellus  ist  hier  der 
Anonymus  Scaligers  p.  53  (hinter  dem  Eusebius)  verwandt.  [Das  Abhängigkeits- 
verhältnis wird  etwas  anders  beurteilt  in  den  Chron.  S.  142;  vgl.  auch  H.  Geizer, 
Sex.  lul.  Africanus  I,  Leipz.  1880,  S.  243.] 

2)  TiQo  Alvsiov  a  <paoi  IIeTxov  vlov  Kqovov  ßaoiXevoai  x^Q*^^  Aavgevrov  l^  . 
Eivat  ÖS  rrjv  xwgav  k'cog  rfjg  vvvl  'Pcöfirji;  jzöXsws.  Syncell.  1.  c.  —  Die  Zahlen  der 
ersten  beiden  Regierungen  scheinen  nacherfunden  denen  der  römischen  Könige: 

Picus     37  (Sync.)  oder  38  (St.  Chr.)  =  Romulus  37  oder  38. 
Faunus  44  =  Numa       43. 

3)  erant  omnes  partes  illas  sine  urhes  et  sine  regem,  secundum  quod  nairat 
historia.    Anon.  Seal.  p.  53. 

4)  fxed''  ov  ^avvov  rov  vlov  avrov  IIeUov  rov  xai  Aiog  ht]  fid'  —  —  y.a^'  ov 
'HgaxXfj?  ano  Sjiaviag  enavsX&Oiv  ev  (pögu)  reo  X.syofievfp  ßaagico  ßcojuov  rjyeiQE ,  Stötc 
äveUs  Kdxov  tov  'Hcpaiatov  viöv.  Syncell.  p.  323.  Tunc  Eraclius  ah  Spanorum 
partibus  rediens  arma  sua  ['scr.  aram  suam':  Zusatz  in  den  Chron.  min.]  posuit 
in  Roma  in  boarium  forum  in  templo  clausit.  Anon.  Seal.  p.  53.  —  Dass  die  Er- 
richtung der  ara  moxima  auf  dem  Forum  Boarium  (Becker  Topogr.  S.  469  A.  974 
[O.Richter,  Topogr.*  S.  187])  unter  Faunus  gesetzt  wird,  rührt  wohl  daher,  dass 
die  Sage  den  Faunus  und  den  Euander  zu  Zeitgenossen  macht  (Dionys.  I,  31). 


über  den  Chronographen  vom  J.  354.  567 

Reges  Albani^. 
Posturaus  Silvius   Aeneae   nepos    regnavit   aiin.  xxxvii.     Ab  hoc 

prognati  postea  Albae  regnaverunt  ac  Silvi  sunt  cognominati, 
Aeneas  Silvius  regnavit  annos  xxxi. 
Latinus  li. 
Alba  XXVIII. 
Appius^  xLi. 
Capys  XXVIII. 
Campeius'  xxi. 
Titus*  viii. 
Agrippa  Li. 
Aventinus  xxxviii. 
Procas  viii. 
Amulius  LI. 
Remus  Silvius  regnavit  xvii.     Eum  Romulus  interfecit. 

Reges  Rotnanortim  mimer o  viii^  645 

Romulus  Martis  et  Iliae  filius  regnavit  annos  xxxviii.  Urbem  Romam 
condidit  xi  kal.  Mai.,  qui  dies  appellatur  Parilia.  Hie  x  menses 
in  annum  constituit  a  Martio  in  Decembrem.  Mille  iuvenes  de 
plebe  Romana  legit,  quos  railites  appellavit^,  et  centum  senio- 
res,  quos  senatores  dixit"^.     Congiarium   dedit  congium  vini  inter 


1)  Dies  Register  der  Könige  stimmt  im  Ganzen  mit  Livius  und  Eusebios, 
bis  auf  eine  oflFenbar  absichtliche  Aenderung:  der  12.  Silvier  Remulus  ist  weg- 
gestrichen und  unmittelbar  vor  Romulus  gesetzt,  wo  er  durch  die  Aenderung 
des  Namens  in  Remus  und  den  Beisatz:  Eum  Romulus  interfecit  mit  dessen 
Bruder  identificirt  wird.  So  willkürlich  ist  hier  die  Sage  historisirt  worden. 
[Vgl.  Geizer  a.  a.  0.  S.  239.] 

[2)  'debuit  esse  Epitus"  (Zusatz  a.  a.  0.).] 

[3)  debuit  esse  Calpetus  (a.  a.  0.).] 

[4)  'secundum  antiquiorem  laterculi  formam  Tiberinus:  sed  Titum  item  habet 
licet  loco  non  suo  Barbarus'  (a.  a.  0.).] 

5)  Es  wird  nämlich  T.  Tatius  mitgezählt  von  dem  Verfasser,  den  die  heilige 
Siebenzahl  wenig  kümmert.  Die  Regierungsjahre  stimmen  nicht  mit  den  ge- 
wöhnlichen Angaben  überein,  doch  kann  dies  auf  Schreibfehlem  beruhen.  Ich 
h;ibe  vermittelst  einiger  Aenderungen  die  Gesammtzahl  245  hergestellt. 

6)  Tgl.  Isidor.  orig.  IX,  3[,  31] :  miles  dictus  quia  milJe  erant  ante  in  numero 
uno  vd  quia  unus  est  ex  mille  dedus.  Romulus  autem  primus  ex  populo 
milites  sumpsit  et  appellavit.  Die  gespen-ten  Worte  sind  aus  Hier.  [z.  J.  Abr. 
1289]:  Romulus  primus  milites  sumit  ex  populo,  die  andern  vielleicht  aus  der 
Stadtchronik. 

7)  Isidor.  orig.  IX,  4[,  8]:  senatui  nomen  adas  dedit,  quod  seniores  essent; 
was  hieraus  genommen  sein  kann,  aber  ähnlich  bei  vielen  vorkommt. 


568  Über  den  Chronographen  vom  J.  354. 

homines  xii^.  Hie  cum  natat  ad  paludem  caprae^,  subito  nusquam 
comparuit.    In  numerum  deorum  relatus  deus  Quirinus  appellatus  est. 

Titus  Tatius  dux  Sabinorum  una  cum  Romulo  regnavit  annos  quin- 
que.  Hie  Tarpeiam,  virginem  Vestalem,  vivam  armis  defodit  eo 
quod  secreta  Romuli  ei  propalare  noluisset^. 

Numa  Pompilius  regnavit  ann.  xli.  Pontifices,  virgines  Vestales 
instituit.  Hie  duos  menses  ad  x  menses  Romuli  instituit,  lanuarium 
diis  superis,  Februarium  diis  inferis.  Hie  prior  hominibus  adinvenit 
grabata  mensas  sellas  candelabra*.  Congiarium  dedit  scortinos? 
asses  et  militibus  donativum  aere  ineisum  dipondium  semis. 

1)  Also  jedem  Mann  eine  Hemina.  Diese  imaginäre  Geschichte  des  Ursprungs 
und  der  Entwicklung  der  Congiarien  findet  sich  vollständig  nur  hier:  Romulus 
gab  jedem  Mann  eine  Hemina  Wein,  also  je  zwölfen  einen  Congius ;  Numa  jedem 
Plebejer  einen  (oder  1  ^2)  ledernen  As,  den  Soldaten  aber  2V2  erzene  Asse;  Ancus 
endlich  gab  dem  Plebejer  IV«,  dem  Soldaten  2^2  Asse.  Ein  Fragment  daraus 
scheint  die  von  Suidas  v.  daadgia  aus  Sueton  angeführte  Stelle :  Novfiä?  6  Tigcbrog 
ßaacXsvg  fietä  'PwfMvXov  'Poj/naicov  ysyovcD?  djio  oiÖtjqov  xai  xa^xov  jtejtoirjfisva  ngöürog 
ixaQiaaro  'Pcofiatot? ,  rcöv  jiqo  avrov  siävxcov  öid  oxvtivwv  xal  oaxQaxivoiv  rijv  XQ^^a^ 
nXrjQovvTWV  ojisq  wvöjxaoEv  ix  rov  Idiov  ovofxarog  vovfxfiia.  Ebenso  ohne  Nennung 
des  Sueton  Cedren.  I.  p.  260  Bonn.:  xai  doaoQia  8e  dno  doijfiov  (sehr.  oiSrjQov)  fcai 
XaXxov  7isjioir]/j,Eva  TiQwxog  'Pcofiaioig  syaQiaaxo,    tiqiv   diä   axvxivcov  xal  ^vXlvcov  xal 

650  oaxgaxivcov  xtjv  ;|fß«tav  nXrjQovvxcov  •  ojisq  ix  xov  Idiov  oro/iiarog  vovfxia  ixdXsaev  (dass 
Sueton  hier  die  Quelle  des  Cedrenus  ist,  wird  auch  dadurch  bestätigt,  dass  die 
unmittelbar  vorhergehende  Notiz  über  die  Entlehnung  der  Toga  von  den  Isauriern 
in  dem  Chr.  Pasch,  p.  217  ausführlicher  berichtet  wird  xa§cog  6  oocpüxaxog 
ZovEXcoviog  TgdyxvkXog  'Pco/naicov  laxogioygdcpog  avveyQdtpaxo  [vgl.  Reifferscheid, 
Suet.  rel.  S.  321]);  und  kürzer  Africanus  (daraus  Syncell.  p.  398  Bonn,  und  Euseb., 
aus  diesem  wieder  Chr.  Pasch,  p.  218  Bonn,  und  der  Anonymus  Scaligers  p.  54 
[p.  242  Frick,  Chron.  min.  IJ)  yoyyiaQtov  edojxev  daoaQia  ^vXiva  xal  oxvxiva  xal 
oaxgdxiva  (nach  dem  Text  des  Syncellus).  [Vgl.  Geizer  a.a.O.  S.  230.  234  fi".] 
Hieraus  ergiebt  sich,  dass  die  Geschichte  von  der  Entstehung  der  Congiarien 
aus  Sueton,  wahrscheinlich  aus  dessen  Büchern  de  regibus,  herrührt,  aus  denen 
sowohl  der  Verfasser  der  Stadtchronik  als  Africanus  schöpften  [doch  s.  0.  S.  559*]. 

2)  Der  Verfasser  insinuirt,  dass  Romulus  wohl  beim  Baden  ertrunken 
sein  möge. 

3)  Die  Sage  von  der  Tarpeja  erscheint  hier  in  andrer,  jedoch  nicht  ganz 
klarer  Gestaltj  Ursache  des  Todes  ist  die  Treue  gegen  Romulus,  vielleicht  die 
Weigerung  die  Burg  zu  öffnen.  Tarpeja  wird  auch  sonst  zur  Vestalin  gemacht 
(Varr.  V,  41.  Propert.  IV,  4,  18),  obwohl  übrigens  nach  dem  Verfasser  erst  Numa 
die  Vestalinnen  einsetzt;  bemerkenswerth  ist  der  mythische  Zusammenhang, 
welcher  zwischen  dem  Tod  der  lebendig  unter  den  Schilden  begrabenen  Tarpeja 
und  der  bekannten  Strafe  der  vestalischen  Jungfrauen  offenbar  hier  angedeutet 
wird.    Dies  scheint  eine  gute  Sagentradition. 

4)  Dass  Numa  Betten,  Tische,  Stühle  und  Leuchter  erfunden  habe,  steht 
sonst  wohl  nirgends;  es  ist  das  Gegenstück  zu  der  Erfindung  der  Strafen  durch 
Tarquinius  Superbus. 


über  den  Chronographen  vom  J.  354,  569 

Tullius  Hostilius   regnavit   annos  xxxii.     Hie   prior   censum   egit 

edictoque  suo  cavit  ut  quicunque  temporibus  ipsius  falsum  fecisset, 

daret  pro  capite  suo  dimidium  verbecem^ 
Marcius  Philippus^  regna^•it  ann.  xxxvi.    Cong.  dedit  assem  semis 

et  militibus  donativum  dipondium  semis.    Ostiam  coloniam  condidit. 
L.  Tarquinius  Priscus  regnavit  annos  xxviii.    Hie  eum  fundamenta 

Capitolii  eavaret,   invenit  eaput  bumanum  litteris  Tuscis  scriptum 

CAPVT.   OLIS.  REGIS3,    unde   hodieque   Capitolium   appellatur. 

Hie  prior  Romanis  duo  paria  gladiatorum  edidit,  quae  comparavit 

per  annos  xxvii*. 
Servius  Tullius   serva  natus   regnavit  ann.  xlv.     Hie  votum  fecit 

ut   quotquot   annos   regnasset,    tot   ostia    ad   frumentum   publicum 

constitueret^. 


1)  Diese  Bemerkung  über  den  Census,  die  wohl  eigentlich  bei  Numa  stehen 
sollte  [vgl.  Geizer  a.  a.  0.  S. 237],  ist  sonst  nirgends  zu  finden;  wie  der  incensus 
in  die  Fremde  als  Knecht  verkauft  ward  (Walter  R.  G.  §.  164)  [vgl.  Strafrecht 
S.  44],  so  hatte  der,  welcher  beim  Censiren  falsche  Angaben  machte,  sein  Haupt 
mit  einem  halben  (?)  Hammel  zu  lösen.  Ob  er  aus  Irrthum  oder  aus  Betrug 
gefehlt,  war  wohl  gleichgültig;  vorzugsweise  mag  an  jenen  gedacht  sein,  da 
der  zufällige  Todtschlag  ähnlich  gesühnt  wird  durch  Entrichtung  eines  Widders 
(aries  stibiectus)  an  die  Agnaten. 

2)  Dass  die  Marcii  Philippi  ihr  Geschlecht  auf  den  vierten  König  zurück- 
führten, wussten  wir  (Ovid.  fast.  VI,  803.  Eckhel  D.  N.  V  p.  248  [Rom.  Mflnzw. 
S.  547.  641]);  nicht  aber,  dass  sie  auch  ihr  Cognomen  ihm  geradezu  beilegten. 
Auch  das  gehört  zu  den  vielen  Zügen,  durch  welche  unser  Redacteur  bemüht 
gewesen  ist.  die  römische  Sage  zu  historisiren  und  zu  trivialisiren. 

3)  Hieraus  schöpft  Isidor  XV,  2  [31]:  loco  fundamenti  caput  hominis  litteris 
Tuscis  notatum  invenit  et  proinde  Capitolium  appeUavit.  Die  etmskische  Inschrift 
ist  ein  ächter  Zug  der  Sage,  da  das  gefundene  Haupt  das  des  Königs  Olus  von 
Volci  war  (Amob.  VI,  7)  und  etmskische  Zeichendeuter  die  Inschrift  auslegen 
(Liv.  I,  [38,  7].  55  [5].    Serv.  ad  Aen.  VIII,  345). 

4)  Wie  die  Spenden  sollten  auch  die  circensischen  Spiele  auf  einen  König 
zurückgeführt  werden,  wobei  mau  denn  natürlich  den  Erbauer  des  Circus  und 
den  Gründer  der  ludi  Eomani  wählte. 

5)  Dass  jede  Getreidemarke  auf  ein  besonderes  Ostium  lautete,  wissen  wir 
aus  Inschriften:  C.  Vibius  Celer  —  frum.  ac.  d.  VII  ostio  XV  (Fabrett.  234,  617, 
jetzt  im  Mus.  Borbon.  [C.  I.  L.  VI  10225]);  C.  Sergius  C.  f.  Aldmus  —  fruvientum 
itccepit  die  X  ostio  XXXIX  (Fabrett.  235,  618  [C.  I.  L.  VI  10224]).  Vgl.  Henzen 
tab.  alim.  p.  23.  Unzweifelhaft  sind  die  Arkaden  der  Porticus  Minucia  frumen- 
taria  (Becker  Topogr.  S.  621.  Preller  Regionen  S.  168  [Jordan  I  3  S.  546])  ge- 
rieint,  welche  ebenso  mit  Nummern  bezeichnet  gewesen  sein  müssen,  wie  noch 
jjtzt  die  Arkaden  des  Coliseo.  —  Dass  deren  45  waren  und  dass  der  Sage  nach 
Itervius  so  viele  Getreidebureaus  errichtete,  als  er  Jahre  regierte,  war  uns  bisher 
rieht  bekannt;  nur  wussten  wir  aus  Aur.  Vict.  de  viris  ill.  c.  7,  dass  die  Frumen- 
titionen  von  Servius  zuerst  eingerichtet  wurden. 


570  Über  den  Chronographen  vom  J.  354. 

Tarquinius  Superbus  regnavit  ann.  xxv.  Hie  prior  hominibus 
invenit  lautuinias  tormenta  fustes  metalla  flagella  carceres  exilia. 
Ipse  prior  exilium  meruit^  Inter  duos  pontes  a  populo  Romano 
fuste  mactatus  (est)  et  positus  in  eireo  maximo^  sub  delfinos. 

Item  nomina  dictatorum^. 
P.  Cornelius  Seipio  Africanus.  Fabius  Maximus.  Apulius  Claudius. 
Popilius  Lenas.  Yalerius  Publicola.  Pompeius  Maximus.  Enea» 
Julius.  Sulla  Felix,  Barbatus.  Seipio  Nasica.  Aemilius  Paulus. 
Fabius,  Cincinnatus.  Decimus.  Titus  Marius,  Plutatius  Catus. 
Marius  Rutulus.  Yalerius  Corvinius.  Cornelius  Seipio,  P.  Decius. 
Q.  Fabius.  Metellus  Pius,  Marius.  Licinius  Salinator.  Curiu» 
Dentatus.     lulius  Brutus. 

Item  imperia  Caesarum. 
C.  lulius   Caesar   imperavit   annos  in  menses   vii   dies  vi*.     Con- 
giarium  dedit  X  C.     Occisus  curia  Pompeia. 

1)  Dies  hat  Isidor  V,  27  [23]  wörtlich  ausgeschrieben :  (Tarquinius  Superbus} 
pnai'  latomias  tormenta  fustes  metalla  atqu£  exilia  adinvenit  et  ipse  piior  ex  regibus 
exilium  mefi-uit.  —  Aus  derselben  Quelle,  der  die  Stadtchronik  dies  entnahm, 
vermuthlich  aus  Sueton  entlehnte  es  Eusebius  beim  J.  1470 :  T.  S.  invenit  vincula 
verbera  cippos  carceres  custoäias  ligamina  collaria  catenas  exilia  damnationes  ad 
metalla  (so  der  armenische  Text);  oder,  wie  Hieronymus  übersetzt  ['adhibito 
fortasse  in  fustibus  et  lautumiis  Chronographo':  Zusatz  in  den  Chron.  min.  S.  145J: 

651  T.  S.  excoyitavit  vincla  taureas  fustes  lautumias  carceres  compedes  catenas  exilia 
metalla;  oder  wie  Cedren.  I.  p.  262  wohl  aus  Eusebius  hat:  e^evqs  Seafia  judoTiya^ 
^vXa  siQxräg  (pvXaxäg  xloiov?  Tiedag  ulvoeig  s^ogiag  ^wcraAAa.     Vgl.  S.  568,  4. 

2)  Diese  rohe  Ciceronensage  kommt  hier  allein  vor:  der  (aus  der  Verban- 
nung zurückgekehrte)  letzte  König  sei  auf  der  Tiberinsel  (deren  Entstehung  mit 
der  Vertreibung  der  Tarquinier  in  Verbindung  gebracht  wird,  Becker  S.  651 
[Liv,  II  5J)  zu  Tode  geprügelt  und  im  Circus  bestattet  worden, 

3)  Dieser  Lückenbüsser  soll  die  Zeit  der  Republik  vertreten;  es  sind  Namen 
berühmter  Kömer  ohne  alle  Rücksicht  auf  die  Zeitfolge  hier  zusammengehäuft, 
deren  Berichtigung  unnütz  ist.  Vgl.  den  ähnlichen  Abschnitt  iu  der  series  regwn 
bei  Hieronymus  p.  66  Rone.  [I  app.  p.  3ö  Schöne],  der  bei  Euseb.  fehlt  und  viel- 
leicht aus  einem  besseren  Exemplar  unsrer  Stadtchronik  herrührt.  Er  beginnt: 
Jlomae  post  exactos  reges  consules  guotannis  bini  creati,  et  in  maxima  urbis  cala- 
mitate  quandoque  etiam  creabatur  dictatoi':  daher  die  nomina  dictaUn'um.  [In  den 
Chron,  min.  S.  141, 1  wird  bemerkt,  daß  diese  Stelle  des  Hieronymus  keine  hand- 
schriftliche Beglaubigung  habe.]  —  Die  Consularfasten,  die  beim  J.  705  bemerken: 
hoc  usque  dictatores  fuerunt,  deuten  damit  offenbar  auf  diesen  Abschnitt;  was 
deswegen  bemerkeuswerth  ist,  weil  hier  wieder  eine  Wechselbeziehung  der 
zweiten  Abtheilung  vom  J.  334  und  der  ersten  von  354  hervortritt  (vgl.  S.  609  [564]). 

4)  Von  Cäsars  Tode  15,  März  44  drei  Jahre  sieben  Monate  sechs  Tage  zurück- 
gerechnet führt  auf  das  Datum  der  Schlacht  bei  Pharsalus  (9.  Aug.  48),  von  wo 


über  den  ChroiK^raphen  vom  J.  354.  571 

Divus  Octavianus  Augustus  imp.  ann.  lvi.  m.  im  d.  unum.  Gong.  646 
ded.  ter  X  CCCLXIIS  K  Hoc  imp.  navis  Alexandrina  primum  in 
portu  Romano  introivit  nomine  Acatus,  qui  attulit  frumenti  modios 
CCCC,  vectores  MCC,  piper,  linteamen,  carta,  vitria  et  opoliscum 
cum  sua  sibi  base,  qui  est  in  circo  maximo,  altum  pedes  LXXXVJLIS^. 
Excessit  Xola. 

Tiber iu8  Caesar  imp.  ann.  xxii  m.  vii  d.  xxviii.  Cong.  dedit 
X  LXXIIS.  Hoc  imp.  in  civitate  Fidenis  populo  spectante  amphi- 
theater  mit  et  oppressit  homines  iiliccv'.     Excessit  Miseno. 

C.  Gallicula  imp.  ann.  iii.  m.  viii.  d.  xii.  Cong.  dedit  X  LXXIIS 
et  de  basilica  lulia  sparsit  aureos  et  argenteos,  in  qua  rapina 
perierunt  homines  xxxii  (mulieres)  [cgxlvii  et  spado*.  Occisus 
Palatio. 

Tiberius  Claudius  imp.  ann.  xiii  m.  viii  d.  xxvii,  Cong.  dedit 
X  LXXY^.     Hoc  imp.   primum  venenarii  et  malefici  comprehensi 

auch  die  aera  Caesariana  beginnt.  (Eckhel  D.  N.  4, 400).  Die  genauen  Angaben 
aber  die  Regierungsdauer  in  unserer  Stadt chronik  sind  wohl  zu  beachten;  eine 
jede  derselben  zu  prüfen  ist  hier  nicht  möglich. 

1)  August  gab  (uach  dem  mou.  Ancyr.  tab.  III  [p.  60  ed.  2])  drei  Congiarien 
von  je  400  Sesterzen  und  60  Denare  sportulae  bei  der  dediictio  in  forum  des 
L.  Cäsar ;  dass  die  St.  Chr.  letzteres  Geschenk  nicht  als  congiarium  mitzählt, 
entspricht  dem  mon.  Ancyr.  Die  Gesammtsumme  ist  nach  dem  mon.  Ancyr. 
360  Denare;  wenn  unsre  Chronik  .362'«  rechnet,  so  kommt  dies  daher,  weil  sie 
mit  Sueton  Aug.  41  die  sportulae  nicht  zu  60  Denaren,  sondern  zu  250  Sesterzen 
ansetzt.     [Vgl.  Chron.  min.  S.  145.] 

2)  Interessant  ist  die  Notiz  über  das  gewaltige  ägyptische  Lastschiff  Acatus 
(axaro?  I,  welches  den  Obelisk  des  Circus  (jetzt  auf  Piazza  del  popolo)  mit  seiner 
Base,  1200  Passagiere,  400000  Scheffel  Weizen  und  andere  ägyptische  Waaren: 
Pfeffer  (Plin.  H.  N.  6,  23  [105]  i,  Byssus,  Papyrus,  Nitrum  (Plin.  31,  10  [106 ff'.]; 
nitria,  nicht  vitria  hat  die  Hdscbr.  [nach  den  Chron.  min.  S.  145, 17  vielmehr 
doch  vitria])  nach  Rom  brachte.  —  Dies  ist  dasselbe  Schiff,  welches  Claudius 
nachher  da,  wo  er  den  Leuchtthurm  anlegen  wollte,  ins  Meer  versenkte.  Saet- 
Claud.  20.    Preller  a.  a.  0.  S.  13. 

3)  Tacit.  Ann.  IV,  62.  63.  Suet.  Tiber.  40.  Gros.  VII,  4.  Cluver.  Ital.  ant. 
p.  656.  Tacitus  spricht  von  mehr  als  50000  Verwundeten  und  Todten,  Sueton 
von  20000  Todten;  die  Zahl  von  4205  Getödteten,  wie  unsre  Chronik  sie  giebt, 
hat  ein  weit  glaubwürdigeres  Ansehen  als  diese  beiden  Angaben. 

4)  Ueber  diese  Siiendungen  vom  Dach  der  Basilica  lulia  (über  welches  die 
vcm  Capitol  nach  dem  Palatin  geschlagene  Brücke  geführt  sein  wird,  Becker 
Top.  S.  393.  S.  4;31.  A.  879.)  vgl.  Suet.  Calig.  37.  Die  Zahl  der  Getödteten  ist 
vermuthlich  corrupt;  vielleicht  stand  homines  XXXII,  mulieres  CCXLVII 
et  »pado. 

5)  Dies  bestätigt  Dio  60,  25. 


572  Über  den  Chronographen  vom  J.  354. 

sunt;  homines  XLV,  mulieres  lxxxv  ad  supplicium  ductisunt^.  Hie 
metas  in  circo  maximo  deauravit^.     Excessit  Palatio. 

Nero  imp.  ann.  xiiii  menses  v  dies  xxviii.  Cong.  dedit  X  C.^  Hoc 
imp,  fuit  polyfagus  natione  Alexandrinus  nomine  Arpocras,  qui 
manducavit  pauca:  aprum  coctum,  gallinam  vivam  cum  suas  sibi 
pinnas,  ova  c,  pineas  c,  clavos  galligares,  vitrea  fracta,  thallos  de 
scopa  palmea,  raappas  im,  porcellum  lactantem,  manipulum  feni, 
et  adhuc  esurlens  esse  videbatur*.     Nero  occisus  via  Patinaria  ^ 

Galba  imp.  m.  viii  d,  xii.  Cong.  promisit  sed  non  dedit.  Hie  domum 
suam  deposuit  et  horrea  Galbae  instituit^.  Deeolatus  foro  i^o- 
mano  iaeuit. 

Otho  imp.  dies  xc.     Ipse  se  Brixellis  interfeeit. 

Vitellius  imp.  m.  viii.  d.  xi.     Occisus  Palatio. 

Divus  Yespasianus  imp.  ann.  xii.  m.  viii.  d.  xxviii.  Congiarium  dedit 
X  LXXV.  Hie  prior  tribus  gradibus  amphitheatrum  dedicavit". 
Excessit  Curibus  Sabinis. 

Divus    Titus   imp.   annos   . , Hie 

amphitheatrum  a  tribus  gradibus  patris  sui  duos  adiecit.  Excessit 
Curibus  Sabinis  cubieulo  patris. 

Domitianus  imp.  ann.  xvii.  m.  v.  d.  v.  Congiarium  dedit  ter  X  LXXV*. 
Hoc  imp.  multae  operae  publicae  fabricatae  sunt^:  atria  vii,  horrea 

1)  Tacit.  Ann.  XII,  52:  de  viathematicis  Italia  pellendis  factum  actum  atrox 
652  et  irritum.     Dasselbe  wurde    unter  Tiberius  beschlossen,   wobei  ebenfalls   Hin- 
richtungen stattfanden.     Tac.  Ann.  II,  32. 

2)  Suet.  Claud.  21.   Becker  Top.  S.  666. 

3)  Suet.  Ner.  10:  divisis  populo  viritim  CCCC  nummis.    Tac.  Ann.  13,21. 

4)  Dieser  Harpokras  muss  derselbe  ägyptische  polyphagus  sein,  dem  Nero 
lebendige  Menschen  zum  Frass  vorzuwerfen  den  Gedanken  gehabt  haben  soll 
(Suet.  Nero  37).  Vgl.  unter  Sev.  Alexander  den  Bericht  über  einen  ähnlichen 
Vielfrass,  der  nach  den  Speisen  auch  die  Behälter  und  die  Tischtücher  so  wie 
die  Palmenwedel,  womit  man  den  Tisch  abfegte,  verschlang;  ferner  Vopisc. 
Aurel.  50.  über  einen  solchen  Fresser  aus  der  Zeit  Aurelians. 

5)  Die  via  Patinaria  kommt  nur  hier  und  im  Summarium  des  Reg.  Verz. 
vor;  sie  muss  zwischen  der  Salaria  und  Nomentana  gesucht  werden  (Suet. 
Nero  48).    S.  Preller  Reg.  S.  228. 

6)  Wegen  der  horrea  Galbiana  s.  Preller  S.  102.     [Jordan  ISS.  175  f.] 

7)  Zu  denen  Titus  nachher  noch  zwei  fügte,  s.  daselbst.  Vgl.  besonders 
die  Arvaltafel  XXIII,  wo  den  Arvalbrüdem  und  ihrer  Dienerschaft  Plätze  in  drei 
Gradus  angewiesen  werden:  im  maenianum  primum  —  im  maenianum  summwn 
secundum  —  im  maenianum  summum  in  ligneis. 

8)  Suet.  Domit.  4 :   Congiarium  populo  n.  CCC  ter  dedit. 

9)  Das  nun  folgende  Verzeichniss  ist  ausgeschrieben  theüs  von  Eutrop  7,  23, 
der  nur  das  Capitol,  das  forum  transitoiitim  und  das  Stadium  bei  Sueton.  Dom.  5 
fand',  die  divorum  porticus  und   das  Iseiim  und  Sei'apeum  aus  unserm  Kataloj: 


über  den  Chronographen  vom  J.  354.  573 

piperataria  ubi  modo  est  basilica  Constantiniana  et  horrea  Vespasiani^, 
templum  Castorum  et  Minervae^.  portam  Capenam,  gentem  Flaviam, 
Divorum^,  Iseum  et  Serapeum,  Minervam  Chalcidicam,  Odium*, 
Minuciam,   veterem    Stadium,   et   thermas    Titianas   et  Traianas^, 


zugesetzt  haben  wird,  theils  von  Hieronymus  (p.  443  Rone.  [z.  J.  Abr.  2105],  s. 
den  Anhang  [Chron.  min.  I  S.  417])  und  dieser  wieder  copirt  von  Prosper  p.  570 
Rone,  und  Casaiodor  p.  198  Rone.  [Chron.  min.  II  140].  Die  Ordnung  der  Gebäude 
in  der  St.  Chr.  ist  keine  streng  locale,  doeh  sind  gewisse  locale  Gruppen  er- 
kennbar. So  liegen  die  Gebäude  von  Divorum  particus  bis  zum  Stadium  alle  in 
der  neunten,  die  Thermen  des  Titus  und  das  Amphitheater  in  der  dritten,  die 
drei  folgenden  Gebäude  in  der  achten  Region. 

1)  hwr  hat  die  Handschrift,  nicht  forum,  wie  Roncalli  hat.  Ein  forum 
Vespasiani  kennt  man  auch  sonst  nicht,  so  dass  Becker  S.  441  A.  912  sieh  ge- 
nöthigt  sah,  hier  das  templum  Pacis  zu  verstehen,  das  aber  keineswegs  Domitian 
erbaut  hat.  üebrigens  kommen  auch  die  Jiorrea  Vespasiani  nur  hier  vor.  Hier, 
hat  durch  Miss  verstand  niss  Vespasiani  templum  aus  den  horrea  Vespasiani,  templum 
Castorum  gemacht. 

2)  Da  die  Stadtchronik  ebenso  wie  das  Curiosum  von  einem  templum  Casto- 
rum et  Minervae  spricht  und  die  Notitia  dafür  blos  das  templum  Castorum  nennt, 
ist  es  wahrscheinlich,  dass  Domitian  nicht  neben  dem  alten  Castortempel  einen 
Tempel  der  Minerva  erbaute,  sondern  bei  der  Wiederherstellung  von  jenem 
denselben  den  Castoren  und  der  Minerva  dedicirte.  Hiedurch  entgeht  man  der 
grossen  Schwierigkeit  zwischen  dem  Vestaheiligthum  und  der  Basilica  lulia,  da 
wo  noch  jetzt  die  drei  Säulen  stehen,  für  zwei  Tempel  Platz  zu  gewinnen. 
[Vgl.  Jordan  1  2  S.  373,  81.] 

3)  Die  Divorum  porticus,  welche  auch  Eutrop  7,  23  (und  aus  ihm  Hieronymus) 
anter  Domitians  Bauten  nennt,  und  die  ebenfalls  blos  als  Divorum  im  Regionen- 
verzeichniss  in  der  neunten  Region  vorkommt,  in  der  Gegend  von  S.  Maria  sopra 
Minerva.  Preller  S.  178  will  zwar  im  Regionenverzeichniss  nicht  die  porticus 
Divorum  Domitians,  sondern  ein  von  Tacitus  erbautes  templum  Divorum  ver- 
stehen, allein  bei  dem  engen  Zusammenhang  und  der  Gleichheit  des  Sprach- 
gebrauchs der  Stadtchronik  und  des  Regionenverzeichnisses  (hier  z.  B.  hat  jene: 
Divorum,  Iseum  et  Serapeum,  Minervam  CJialcidicam,  dieses:  Is.  et  Serap.  31.  Ch.  D.) 
iät  unzweifelhaft  an  beiden  Stellen  dasselbe  Gebäude  zu  verstehen  und  zwar 
der  von  Domitian  errichtete  Säulengang,  in  dem  die  Statuen  der  consecrirten 
Kaiser  aufgestellt  waren.     [Vgl.  jetzt  Hülsen  bei  Jordan  13  S.  564fF.] 

4)  In  der  neunten  Region,  Preller  S.  169  [Jordan  I  3  S.  594f.].  Das  hand- 
schriftliche synodum  ist  sinnlos;  wollte  man  an  das  forum  transitorium  denken, 
so  würde  dieser  halb  in  reg.  IV,  halb  in  reg.  VIII  belegene  Platz  (s,  meine  Äbh. 
*•  comitio  Romano  §  XVIII  [Hist.  Sehr.  II  S.  29flf.])  hier  unpassend  zwischen 
If  ,uter  Localitäten  der  neunten  Region  stehen.  Das  richtige  odium  giebt  Hiero- 
nymus, der  hier  die  Stadtchronik  ausgezogen  hat. 

b)  In  der  dritten  Region  beim  Amphitheater,  wo  Titus  sie  celeriter  anlegte 
(Suet.  Tit.  7),  Domitian  sie  ausbaute  und  Traian  das  (gewiss  auch  schon  von 
D  imitiau  begonnene)  Frauenbad  hinzufügte  (S.  574,  5) :  Becker  S.  686  fg.,  der  aber 
nicht  an  eine  Anlage  von  Trajan  als  Consul  hätte  denken  sollen.  [Vgl.  jetzt 
H  ilsen  a.  a.  O.  S.  307  ff.] 


574  Über  den  Chronographen  vom  J.  354. 

amphitheatrum    usque    ad   clypea^,    templum  Vespasiani    et   Titi, 

Capitolium,  senatum,  ludos  iiii^,  Palatium,  (micam  auream)'  metam 

sudantem  et  Panteum.     Occisus  Palatio. 
Nerva  imp.  ann.  v.  m.  im  d.  unura.  Gong.  de.  X  LXXV  et  funera- 

ticium  plebi  urbanae  instituit  X  LXIIS*.    Excessit  hortis  Salustianis. 
Traianus  imp.  ann.  xix.  m.  im.  d.  xxvii.  Cong.  dedit  X  DCL.     Hoc 

imper.    mulieres    in    thermis    Traianis    laverunt^.     vii.  idus  lulias 

excessit  Selinunti^. 
647  Adrianus  imp.  ann.  xx.  m.  x.  d.  xiiii.  Cong.  dedit  X  QC  .    Hoc  imper. 

templum  Romae  et  Veneris  fabricatum  esf.   Excessit  Bais  veteribus**, 
Antoninus   Pius    imp.    ann.  xxii.    m.  viii.   dies  xxvm.    Cong.    dedit 

X  DGGc.    Hoc  imper.  Circensibus  Apollinaribus  partectorum  columna 

ruit  et  oppressit  homines  qc  cxii^.     Excessit  Lorio^". 

1)  In  der  dritten  Region.  Ueber  die  clipei  s.  Becker  S.  682.  A.  1495.  Auf 
den  Münzen,  welche  das  Amphitheater  darstellen  (s.  die  Abbildungen  zusammen 
bei  Maffei  Verona  ill.  V  tav.  1.  [vgl.  Hülsen  a.a.O.  S.  283,3]),  ist  der  oberste 
Ring  mit  einem  Kranze  von  Kugel  eben  geschmückt,  welche  eben  diese  clipei 
sein  werden;  warum  sie  auf  der  Münze  von  Titus  fehlen,  erklärt  unser  Katalog. 

2)  Nämlich  matutinus  magnus  Dacicus  Gallicus,  die  die  Regionarier  in 
reg.  II.  III.  nennen.  Da  Hieronymus  den  ludus  matutinus  nennt,  dürfte  er  in 
seinem  Text  der  St.  Chr.  die  vier  Namen  gefunden  haben,  die  jetzt  fehlen. 

3)  Ich  habe  dies  aus  Hier,  ergänzt;  in  unsrer  Stadtchr.  scheint  mica  vor 
meta  ausgefallen. 

4)  In  dieser  Stelle  habe  ich  früher  zu  finden  geglaubt,  dass  Nerva  über 
die  Todtengilden  der  plebs  urbana  eine  Bestimmung  getroffen  habe.  Indess  ist 
bei  dem  funeraticium  instituit  vielmehr  zu  verstehen,  dass  Nerva  im  Testamente 
einem  jeden  römischen  Bürger,  der  seiner  Beerdigung  beiwohnte.  Sportein  von 
^50  Sesterzen  zu  geben  vorschrieb.  S.  meine  Schrift  de  sodalic.  et  colleg.  [Berl. 
1843]  p.  103. 

5)  S.  S.  573,  5. 

6)  Trajans  Todestag  ist  sehr  bestritten  (Tillemont  note  28  über  Trajan); 
VII  idus  lul.  =  9  Juli  kann  nicht  richtig  sein,  da  Hadrian  in  Antiochia  den  Tod 
Trajans  am  11.  Aug.  erfuhr.   Vielleicht  ist  vii  idus  Aug.  =  7.  Aug.  der  wahre  Tag. 

7)  Hieraus  Hieronymus  [z.  J.  Abr.  2147]:  Templum  Eomae  et  Veneris  sub 
Hadriatio  in  urbe  factum. 

8)  Baiae  veteres  so  wie  die  dadurch  vorausgesetzten  Baiae  novae  kommen 
sonst  nirgends  vor. 

9)  Die  drei  ruina  erwähnt  auch  Capitolin  Ant.  Pius  c.  9.  Das  in.  den 
Wörterbüchern  fehlende  Wort  partectum  findet  sich  nur  in  unsrer  Chronik,  die 
hier  den  Einsturz  der  partectorum  columna,  unter  Diocletian  den  des  partectoi'um 
podius  beide  Male  im  Circus  erwähnt.  Es  scheinen  die  Gerüste  zu  verstehen, 
welche  im  Circus  die  hinteren  Sitzreihen  bildeten  ^partectum  fortasse  fonuatum 
est  a  JiaQaxexraivoi :  conferri  potest  nagaaräg,  naoräg  (Vitruv.  VI  10, 1)':  Zusatz 
iu  den  Chron.  min.  S.  146]. 

10)  Zwölf  Miglien  von  Rom  an  der  aurelischen  Strasse.  Cluver.  p.  521. 
[Nissen,  Ital.  Landesk.  II  1  S.  351.] 


über  den  Chronographen  vom  J.  354.  575 

Divus  Verus    imp.   ann.  vii.  m.  viii  dies  xii.  Congiar.   ded.  3t  (xcc. 

Hoc  imper.  scrofa  porcellum  peperit  in  effigiem  elefanti.    Excessit 

Altino. 
Marcus    Antoninus    imp.    ann.  xviii.   m.  xi.   dies  xiiii.    Cong.   ded. 

X  DcccL.     Hoc  imper.  instrumenta  debitorum  fisci  in  foro  Romano 

arserunt  per  dies  xxx^.     Excessit  Pannonia  superiore. 
Commodus   imper.    ann.  xvi.   m.  viii.  d.  xir.   Cong.   dedit  X  dcccl^. 

Hoc  imp.  thermae  Commodianae  dedicatae  sunt^.     Excessit  domo 

Yictiliana. 
Pertinax  imper.  d.  lxxv.  Congiarium  dedit  X  gl*.    Excessit  Palatio. 
lulianus  imp.  dies  lxv.     Occisus  Palatio. 
Divus  Severus  imp.  an.  xvii.  m.  xi.  dies  xxviii.  Cong.  ded.  X  QO  c. 

Hoc   imper.  Septizonium   et   thermae  Severianae   dedicatae  sunt^ 

Excessit  Britaniae. 
Oeta  imp.  menses  x  dies  xii.     Occisus  Palatio. 
Antoninus  Magnus  imp.  ann.  vi.  m.  11.  dies  xv.  Cong.  dedit  X  cccc. 

Hoc  imp.   ianuae    circi  ampliatae    sunt  et   thermae   Antoninianae 

dedicatae  sunt^.    Hie  suam  matrem  habuit'.    Excessit  interEdessam 

et  Carras. 
Macrinus  imp.  anno  uno  menses  im  d.  11.  Cong.  dedit  X  cl*.     Hoc 

imp.  amphitheater  arsif.     Occisus  Arcelaida^". 


1)  Africanus:  rd  xe  Srjfiöoia  reh]  avrjy.av  xai  xovg  rä>v  xosäv  xagrag  i:ii  z^^ 
'Fcofianoias  dyoocig  xaretpXs^av  (s.  Syncell.  p.  667;  ebendaher  Eusebius  Hieronymus 
Cassiodor).  Dio  LXXI,  32.  Spanhem.  de  usu  et  praest.  II.  p.  552.  Tillemont  If. 
p.  390.  —  Wörtlich  aus  unsrer  Stadtchronik  schöpften  die  sog.  fasti  Hydatiani, 
die  aber  das  Factum  irrig  beim  J.  218  unter  Caracalla  eintrugen  [Chron.  min. 
I  226]:  Eis  conss.  instrumenta  dehitwum  fisco  in  foro  Bomano  arserunt  per 
dies  XXX. 

2)  Lamprid.  Comm.  16.  hat  eine  etwas  niedrigere  Summe,  725  Denare. 

3)  Hieraus  Hieronymus  [z.  J.  Abr.  2199] :  Thermae  Commodianae  Bomae  factae. 
Tgl.  Chr.  Pasch,  p.  492 :  Oiouai  Kofifiodiaval  ev  'Ptöfuj  dq^ieQwdrjaar.  Lamprid. 
Comm.  c.  17.     Becker  S.  689.'    Preller  S.  114.    [Jordan  I  3  S.  217  f.] 

4)  Sein  Congiarium  von  100  Denaren  erwähnen  Dio  73, 5.   Capit.  Pert.  15.     654 

5)  Hieraus  Hieronymus  [z.  J.  Abr.  2216] :  Severo  imperanie  thermae  Severianae  — 
Bomae  factae  et  Septizonium  exstructum.  Vgl.  über  jene  Becker  S.  690.  Preller 
?.  114[.  Jordan  ISS.  217],  über  dieses  Becker  S.434.  [Hülsen  bei  Jordan  a.  a.  0. 
S.  lOOfiF.] 

6)  Hieraus  vielleicht  Hieronymus  [z.  J.  Abr.  2231]:  Antoninus  Bomae  thermas 
sd  nominis  aedificavit  (vgl.  Eutrop.  8,  20). 

7)  Spartian.  Carac.  10. 

8)  Ebenso  berichtet  Dio  78,  34  über  diese  Spende. 

9)  Dio  78,  25.   Becker  S.  682. 
10)  Archelais  in  Cappadocien. 


576  Über  den  Chronographen  vom  J.  354. 

Antoninus  Eliogaballus  imper.  annos  vi.  m.  viii.  dies  xviii.  Cong. 
ded.  X  CCL.     Eliogaballium  dedicatum  est^.     Occisus  Romae. 

Alexander  imper.  ann.  xiii.  m.  viii.  d.  ix.  Cong.  dedit  X  dc.  Hoc 
imp.  fuit  polyfagus  natione  Italus  qui  manducavit  pauca:  cistam, 
lactucas,  vascellum  sardinarium ,  sardas  x,  melopepones  lxx,  tallos 
de  scopa  palmea,  mappas  im,  panes  castrenses  im,  cistam,  cardos 
cum  suas  sibi  spinas,  et  ebibit  vini  grecanicum'^  plenum  et  venit  ad 
templum  lasurae  ^  et  ebibit  labrum  plenum  et  adhuc  esuriens  esse 
videbatur.  Et  thermae  Alexandrinae  dedicatae  sunt*.  Alexander 
occisus  Mogontiaco. 

Maximinus  imp.  ann.  iii.  m.  im.  d.  duos.  Cong.  ded.  X  gl.  Hoc 
imp.  magna  pugna  fuit  cum  Romanis  et  praetorianis  5.  Occisus 
Aquileia. 

Duo  Gordiani  imper.  diesxx^.     Excesserunt  Africae. 

Pupenius  et  Balbinus  imper.  dies  xcix.  Cong.  dederunt  X  cci. 
Occisi  Romae. 

Gordianus  imper.  ann.  v.  m.  v.  d.  v.  Cong.  ded.  X  gcgl.  Hoc  imp. 
mula  hominem  comedit.  Agonem  Minervae  instituif.  Excessit 
finibus  Partiae. 

Duo  Philippi  imper.  ann.  v.  m.  v.  dies  xxix.  Cong.  ded.  X  ggcl. 
Hi  seculares  veros  in  circo  maximo  ediderunt^.  Occisus  senior 
Verona,  iunior  Romae  in  castris  praetoriis. 


1)  Hieraus  Hieron.  [z.  J.  Abr.  2236]:  Heliogahalum  templum  Botnae  aedificatum. 
Vgl.  Becker  S.  435. 

2)  graecanici  eadum? 

3)  ['id  est  deae  Syriae  (Jordan  in  Hermae  vol.  6  p.  314)':  Zusatz  in  den 
Chron.  min.  S.  147.] 

4)  Hieraus  Hier.  [z.  J.  Abr.  2243]:  Thermae  Alexandrinae  Eomae  aedificatae. 
Vgl.  Becker  S.  685.  [Jordan  I  3  S.  591.]  Eutrop.  7, 15:  Aedificavit  (Nero)  Romae 
thermas,  quae  ante  Neronianae  dictae  nunc  Alexandrianae  appellantur  (daraus 
Cassiodor)  schöpfte  diesen  Zusatz  zu  Sueton,  den  er  sonst  hier  ausschreibt,  ent- 
weder aus  der  Stadtchronik,  oder  aus  der  vita  Alexandn  (vgl.  Lamprid.  Alex.  25). 
[Die  zweite  Möglichkeit  ist  in  den  Chron.  min.  147  nicht  erwähnt.] 

5)  Besser  Eomanis  cum  praetoi'ianis.     Tillemont  III.  p.  236  (art.  9). 

6)  Dies  scheint  die  richtige  Angabe,  nicht  m.  VI,  wie  (nach  der  richtigeren 
Lesart)  bei  Capitol.  Gord.  c.  16  steht.  S.  Tillemont  note  4  sur  l'empereur 
Maximin. 

7)  Aurel.  Vict.  Caes.  27 :  lustri  certamine,  quodN  ero  Bonuim  invexerat,  aucto 
firmatoque.  Ueber  diese  Neronia  vgl.  Tac.  Ann.  XIV,  20.  dial.  de  orat.  11.  Suet. 
Nero  12. 

8)  Hier  scheint  ausgefallen,  was  Hier,  [z,  J.  Abr.  2263]  aufbewahrt  hat: 
Agon  mille  annoi'um  actus. 


über  den  Chronographen  vom  J.  354.  577 

Decius  imper.  annum  unum  m.  xi  d.  xviii.  Cong.  ded.  X  gcl.     Hoc 

imp.    therraae   Commodianae  ^   dedicatae   sunt.     Occisus   praetorio 

Abrypto  ^. 
Gallus   et  Yolusianus   imper.    ann.  ii  m.  im  d.  ix.    Cong.  dedenint  648 

5  GCL.     His  imp.  magna  mortalitas  fuit^.     Occisi  in  foro  Flamini. 
Aemilianus  imper.  dies  lxxxviii.     Occisus  ponte  Sanguinario*. 
Gallienus  cum  Yaleriano  imper.  ann.  xnii.  m.  im  dies  xxviii.    Yale- 

rianus  occisus  in  Syria.    Gallienus  cong.  dedit  5  oc  ccl  et  binionem 

aureum^.     Occisus  Mediolano. 
Claudius  imper.  ann.  unum  m.  im  d.  xiiii.    Cong.  dedit  X  gcl.    Ex- 

cessit  Sirmi. 
Quintillus  imp.  dies  lxxvii.    Cong.  promisit  sed  non  dedit.    Occisus 

Aquileia. 
Aurelianus  imp.  ann.  v.  m.  im.  d.  xx.    Congiarium  dedit  X  d.    Hie 

muro   urbem  cinxit,    templum  Solis   et   castra  in  campo  Agrippae 

dedicavit,  genium  populi  Romani  aureum  in  rostra  posuit.    Porticus 

termarum  Antoniniarum  arserunt  et  fabricatum  est,     Panem  oleum 

et  sal  populo  iussit  dari  gratuite  ®.    Agonem  Solis  instituit'.    Occisus 

Caenophrurio  ^. 
Tacitus  imper.  m.  viii.  dies  xii.     Occisus  Ponto. 
Florianus  imper.  d.  lxxxviii.     Occisus  Tharso. 
Probus  imper,  ann.  vi.  m.  ii.  d.  xii.     Hoc  imp.  senatores  agitaverunt 

in  Circo  maximo  missos  xiiii^.     Occisus  Sirmi. 


1)  Sehr,  ['exspectamus'  Chron.  S.  147]  Decianae.  Becker  S.  691.  Preller 
S.  201.    [Jordan  I  3  S.  163.] 

2)  In  Mösien.    S.  Tillemont  III.  p.  285. 

3)  lieber  diese  Pest  s.  Tillemont  III.  p.  288. 

4)  Vielleicht  bei  Spoleto.    Cluver  p.  631.    Tillemont  III.  p.  292. 

5)  Vermutblich  sind  die  grossen  Goldmünzen  mit  VIRTVS.  GALLIENI. 
AVGVSTI.  gemeint,  die  zum  Theil  mit  COS.  II  bezeichnet  sind,  also  ins  Jahr  255 
gehören.  Eckhel  VII,  390.  415.  [Cohen,  med.  imp.^  V  p.  457.  461.]  Die  Münzen 
Eckhel  VII,  406  [Cohen  a.  a.  0.  364]  sind  nach  Typus  und  Aufschrift  (DONA. 
AVG.)  zur  Erinnerung  an  dies  Donativ  geschlagen.  Jene  Goldstücke  sind 
Doppelaurei  von  50  Denaren,  die  ungemein  selten  geschlagen  wurden  und  bei 
den  Schriftstellern  sonst  nirgends  vorkommen  (vgl.  Letronne  consid.  p.  69). 

6)  Aurelian  gründete  die  bleibenden  und  sogar  vererblichen  tesserae  frumen- 
iariae.  Vopisc.  Aurelian.  35.  47.,  wo  auch  der  Oelvertheilung  gedacht  wird. 
[Vgl.  0.  Hirschfeld,  Philol.  29  (1870)  S.  20  f.] 

7)  Hieraus  Hier.  [z.  J.  Abr.  2291]:  Primus  agon  Solis  ab  Aurdmno  instituUts. 

8)  Kaivov  (pQoi'Qiov  zwischen  Byzanz  und  Heraklea.     Tillemont  III.  p.  404. 

9)  Das  Zeichen  zum  Rennen  mit  der  Mappa  zu  geben  war  ein  Vorrecht 
der  Magistrate  (Suet.  Nero  c.  22),  welches  also  zu  denen  mit  gehörte,  die  Probus 
dem  Senat  einräumte  (Vopisc.  Prob.  13.  Tillemont  IIL  p.  424). 

MOMMSEN,    SCHK.  VlI.  37 


578  Über  den  Chronographen  vom  J.  354. 

Carus  imp.  m.  X.  d.  v.     Excessit  Seleucia  Babyloniae. 

Carinus  et  Numerianus  imper.  ann.  ii  menses  xi.  d.  ii.  Cong. 
ded.  5  D.  His  imper.  fames  magna  fuit^  et  operae  publicae  arse- 
runt  senatum,  forum  Caesaris^,  basilicam  luliam,  et  Graecostadium. 
Occisus  campo  Margense^. 

Diocletianus  et  Maximianus  imper.  ann.  xxi.  m.  xi.  dies  xii.  Cong. 
dederunt  S  QC  dl.  His  imper.  multae  operae  publicae  fabricatae 
sunt:  senatum,  forum  Caesaris,  basilica  lulia,  scaena  Pompei, 
porticos  II,  nymfea  iii,  templa  ii  Iseum  et  Serapeum,  arcum  novum, 
thermas  Diocletianas.  Sparserunt  in  circo  aureos  et  argenteos. 
Partectorum  podius  ruit  et  oppressit  homines  xITi;  et  mulier  nomine 
Irene  peperit  pueros  tres  et  puellam.  Regem  Persarum  cum 
Omnibus  gentibus  et  tunicas  eorum  ex  margaritis  numero  xxxii 
circa  templa  domini  posuerunt*.  Elephantes  xiii,  agitatores  vi, 
equos  CGL  in  urbem  adduxerunt -'.  Excessit  Diocletianus  Salonas, 
Maximianus  in  Gallia. 

Constantius  et  Maximianus**  imp.  ann.  xvi  m.  viii.  d.  xii.  Cong. 
dedit  bis  X  qo  d.  Constantius  excessit  in  Gallia "',  Maximianus  in 
Dardania. 

Severus  imp.  ann.  in.  m.  im.  d.  xv.  Ipse  se  interfecit  via  Latina 
miliario  iii^. 

Maxentius  imper.  ann.  vi.  Hoc  imp.  templum  Romae  arsit  et  fabri- 
catum   est.     Thermas  in   palatio    fecit   et   circum   in   catecumbas. 

1)  Fasti  Hydat.  ad  a.  284  [Chron.  min.  1229]  Caro  II  et  Numeriano:  his 
conss.  magna  fames  fuit. 

2)  Patrimonium  ist  Glossem  eines  Abschreibers  [überliefert  ist:  forum  Caesaris 
Patrimonium],  der  das  forum  desshalb  Caesaris  genannt  glaubte,  weil  es  dem 
Kaiser  gehöre.  Dass  Preller  S.  143  daraus  atrium  Minervae  macht,  ist  nicht  zu 
billigen,  um  so  weniger,  als  unter  Diocletian,  wo  dieselben  Gebäude  als  wieder- 
hergestellt vorkommen,  Patrimonium  oder  etwas  ähnliches  nicht  wieder  erscheint. 

3)  Bei  Viminacium  in  Mösien.     Tillemont  t.  IV  p.  6. 

655  ^)  Vermuthlich  zur  Erinnerung  an  den  triumphirenden  Einzug  Diocletians 

und  Maximins  in  Rom,  worin  die  Bilder  der  besiegten  Völker,  namentlich  der 
Perser,  und  die  Gattinnen,  Schwestern  und  Kinder  des  Narses  aufgeführt  wurden, 
Eutrop.  VIII,  27.  Tillemont  IV  p.  48.  Diese  perlengeschmückten  fercula  wird 
man  später  in  den  Tempeln  aufgestellt  haben,  wahrscheinlich  in  den  capito- 
linischen,  wohin  der  Festzug  ging.     Domini  ist  Zusatz  eines  christlichen  Copisten. 

5)  Muss  sich  auf  denselben  Triumph  beziehen. 

6)  Nämlich  Galerius  Maximianus. 

7)  Abweichend  von  der  gewöhnlichen  Erzählung,  wonach  er  zu  York  in 
England  stirbt.     Tillemont  IV  p.  91. 

8)  Severus  Tod  wird  sonst  anders  berichtet.  Tillemont  IV,  99  und  note  10 
sur  Constantin. 


über  deu  Chronographen  vom  J.  354.  579 

Farnes  magna  fuit^.  Romani  traxerunt  militem  Moesiacum  et 
occisi  sunt  Romani  a  militibus  homines  vi  2.  Romanis  omnibus 
aurum  indixit  et  dedenmt^.  Fossatum  apeniit,  sed  non  perfecit*. 
Occisus  ad  pontem  Mulvium  in  Tiberim. 

Maximianus  imper.  ann.  ix.  m.  viii.  d.  vi.     Occisus  Tarso. 

Licinius  imp.  ann.  xv.  m.  im.  d.  xvi.     Occisus  Thessalonica. 


1)  Tülemont  IV  p.  121. 

2)  Ein  Soldat,  der  die  Göttin  Fortuna  gehöhnt  hatte,  wurde  von  der 
römischen  Plebs  erschlagen,  worauf  die  Soldaten  unter  den  Plebejern  ein  Blutbad 
anrichteten.  Tülemont  t.  IV  p.  121.  Dass  der  Soldat  ein  Mösier  war  und  durch 
die  Strassen  geschleift  ward  und  dass  6000  Bürger  dabei  umkamen,  lernen  wir 
aus  nnsrer  Chronik. 

3)  Aur.  Vi  ct.  40,  24:  uti  —  pritnus  instüttto  pessinw  munerutn  specie  patres 
aratoresque  (also  alle  Römer,  wie  unsre  Chronik  sagt)  pectmiam  conferre  sibi 
rogaret.    Tülemont  1.  c. 

4)  Dass  Maxentius  sich  auf  eine  Belagerung  vorbereitet  und  die  Stadt  ver- 
proviantirte,  ist  sonst  bekannt  (Tülemont  IV  p.  123.  124);  hier  erfahren  wir, 
dass  er  auch  Gräben  zu  ziehen  begann,  um  die  Stadt  in  Vertheidigungsstand 
zu  setzen. 


Ö7« 


LXV. 

Die  armenischen  Handschriften  der  Chronik 

des  Ensebius.*) 

321  Für  den  armenischen  Text  der  Eusebischen    Chronik   kommen 

drei  Handschriften  in  Betracht: 
G  bei  Petermann,  die  um  1 790  im  Auftrage  der  Venezianer  Mechi- 
taristen  angefertigte  Abschrift  einer  damals,  angeblich  aus  Jeru- 
salem, in  die  Bibliothek  des  armenischen  Seminars  in  Con- 
stantinopel  überbrachten  Handschrift.  Die  Abschrift  befindet 
sich  in  Venedig  im  Mechitaristenkloster  und  ist  dort  von  Peter- 
mann sorgfältig  verglichen  worden.  Eine  zweite  in  gleicher 
Weise  entstandene  Abschrift  umfasst  nur  die  ersten  Blätter 
(Petermann  bei  Schöne  1  p.  59  A.  6).  Gefertigt  sind  die  Ab- 
schriften, nach  Petermanns,  wie  es  scheint  aus  den  Acten  der 
Mechitaristen  herrührenden  Angaben,  von  dem  Lector  Georg 
Johannesean  in  den  Jahren  1790  —  1793;  auf  Grund  dieser  Ab- 
schriften hat  Avger  (oder  nach  der  jetzigen  Aussprache  Avker, 
italianisirt  Aucher)  nach  seiner  eigenen  Angabe,  schon  1795  die 
lateinische  Uebersetzung  fertig  gestellt  —  er  bringt  die  vom 
6.  Mai  1795  datirte  Druckerlaubnis  bei.  Nachher  während  seines 
siebenjährigen  Aufenthaltes  in  Constantinopel  1802—1809  hat] 
Avger  die  Handschrift  selbst  in  Händen  gehabt;  dass  er  die] 
Abschrift  mit  dem  Original  collationirt  hat,  sagt  er  nicht  undj 
ist  auch  nicht  wahrscheinlich,  da  weder  die  Handschrift  G  nochl 
die  darauf  gebaute  Ausgabe  Spuren  einer  Nachvergleichungj 
zeigen.  Der  von  Avger  gedruckte  armenische  Text  (E  Peter- 
mann), sowie  Avgers  lateinische  Uebersetzung  (Ä  Pet.)  und  nichtl 
minder  die  aus  denselben  MateriaHen  geflossene  Uebersetzungj 
Zohrabs  (Z  Pet.)  kommen  neben  G  für  die  Kritik   so   gut  wie} 


*)  [Hermes  30,  1895,  S.  321—338.] 


Die  armenischen  Handschriften  der  Chronik  des  Eusebius.  5Sl 

gar  nicht  in  Betracht,  nur  dass,  da  Petermann  die  Lesungen 
der  Handschrift  G  blos  für  den  lateinischen  Apparat  veröffent- 
licht hat,  der  Text  E,  dessen  Mangelhaftigkeit  eben  diese 
Collation  erwiesen  hat,  zur  Zeit  nicht  entbehrt  werden  kann. 
^  bei  Petermann,  geschrieben  in  Tokat  im  Jahre  1696,  um  1854  322 
daselbst  für  dieselben  Yenezianer  Mechitaristen  erworben  und 
von  Petermann  ebenso  wie  G  für  den  lateinischen  Apparat  ver- 
glichen. 
E  Handschrift  des  Klosters  Ejmiatsin  n.  1 724  ^,  von  der  Petermann 
(vol.  1  p.  XI,  vol.  2  p.  LH)  eine  kleine  Probe  gegeben  hat; 
Abschrift  der  ersten  14  Seiten  der  Handschrift  sowie  Tergleichung 
einer  grösseren  Anzahl  ausgewählter  Stellen  und  der  Jahres- 
zahlen der  Chronik,  ferner  photographische  Facsimiles  hat  der 
Pater  jenes  Klosters,  Galust  Ter  Mkrtcean  auf  Verwendung  der 
Herren  Belck  und  Lehmann  mir  zur  Verfügung  gestellt.  Herr 
F.  Justi  in  Marburg  hat  sodann  sich  der  Mühe  unterzogen  diese 
armenische  Probecollation  zu  übersetzen  und  die  Lesungen  in 
dem  Sinn  zu  ordnen,  dass  das  Verhältniss  der  drei  Handschriften 
danach  bestimmt  werden  kann.  Diese  Gruppen  sollen  hier  mit- 
getheilt  werden,  bevor  das  Ergebniss  dargelegt  wird.  Die  Citate 
der  Schöne -Petermannschen  Ausgabe  sind  vorangestellt,  wobei 
der  erste  Band  und  die  series  regiim  (Schöne  app.  I  des  ersten 
Bandes)  nach  Seite  und  Zeile,  der  zweite  nach  Jahren  Abrahams 
angeführt  wird:  daneben  ist  in  runde  Klammern  der  armenische 
Text  nach  der  von  Galust  benutzten  Folio-  und  der  von  Justi  ge- 
brauchten Quart -Ausgabe  nach  Seite  und  Zeile  citirt.*)  Hinsicht- 
lich der  Transcription  bemerkt  Justi:  ,Das  armenische  Alphabet 
besteht  aus  den  Buchstaben  a  b"g  d  e  z  e  e  t'  z  i  P/  ts  k  h  dz  1  c  m 
y  n  §  0  c  p  j  r  s  w  t  r  ts  v  p'  k'  ö  f.  Für  u  und  ü  wird  nach  dem 
Vorbild  des  Griechischen  ov  geschrieben,  iv  für  in,  heute  ü 
gesprochen,  z.  B.  in  der  Endung  ovt'ivn  (ut'iun,  ut'ün),  daher  iv 
auch  für  griechisch  v.     Für  langes  o  steht  theils  ö.   theils  ow.' 

Zunächst  verzeichnen  wir  eine   Reihe  von   allen   drei  Handschriften 

gemeinschaftlichen  Fehlern. 

1)  In  dem  von  Karenian  im  Jahre  1863  publicirten,  von  Fehlem  wimmelnden 
Katalog  der  Handschriften  von  Ejmiatsin  ist  die  unsrige,  wie  Petermann  (H  p.  LHI) 
richtig  sah,  als  n.  1684  aufgeführt;  aber  die  Angabe  des  Katalogs,  dass  dieselbe 
im  Jahre  1144  Arm.  =  1695  n.  Chr.  geschrieben  sei,  bezieht  sich  auf  n.  1683, 
jetzt  1725,  ein  Exemplar  von  Eusebius  Kirchengeschichte,  und  ist  durch  Con- 
fusion  auf  die  folgende  Nummer  übertragen  worden. 

*)  [Für  den  Abdruck  sind  nur  die  Schöneschen  Zahlen  revidiert  worden.] 


582  Die  armenischen  Handschriften  der  Chronik  des  Eusebius. 

32:5  p.  9,  3  (=  7,  12  =:  12,  7)  'i  Parmibihlon  EGN,  aber  in  E  durch 

übergeschriebenes  vt  in  'i  Pavtibiblon  corrigirt,  wie  weiterhin  immer 
geschrieben  ist. 

p.  69,1  (=49,2  V.  u.  =  103,6)  Meles]  übergeschrieben   in  G, 
Seles  ENG  (Text). 

p.  103, 10  (=  78, 18  =  161 ,  14)  Äbdon  ann.  XXX  ENG:  ann.  VIII 
Avger  nach  dem  Griech. 

p.  103,  12  (=  78,  20  =  161,  16)  ann.  XX]  ann.  XL  ENG. 

p.  135,  36  (=  98,  22  =  201,  31)  merots  =  nosfra]  ENG. 

p.  139,  16  (=  100,  3  V.  u.  =  207,  10)  Sosorthus]  ENG. 

p.  163,  22  (=  115,  1  V.  u.  =  242,  4)  XVJ  ENG. 

p.  178,  2  (=  124,  5  =  261,  2)  K'arimedos]  ENG. 

p.  179,29  (=  126,  7  =  265,  15)   Kovmemes   (gesprochen  Kume- 
nies)]  ENG. 

p.  181,  5  (=  126,  23  =  266,  13)  "i  Timmin  =  in  Timaeo  ENG. 

p.  183,23  (=  128,  12  =  270,4)  Kravnavos  EG,  mit  geänderter 
Orthographie  Krönavos  N. 

p.  183,26  (128,  16  =  270,  8)    Nanaatsvots  =  Nanaidum  ENG 
statt  Danaidum. 

p.  185,  8    (=  128,  16  V.  u.  =  271,  5)    Partiatsvots    ENG   statt 
Spartanis. 

p.  185,  14  (=  128,  9  V.  u.  =  271,  12)  Timows  E  und  wesentlich 
gleich  Tinows  NG  statt  Minos. 

p.  191,  15  (=  132,  1  =  278, 14)  Engimioni  ENG  statt  Endymion. 

p.  193,  24  (=  133,  20  =  282,4)  CCCCXIX  ENG  statt  des  rich- 
tigen CCCCLIX. 

p.  195,  6  (=  134,  2  =  283,  11)  Antikle  E{NG). 

p.  197,  30  (=  136, 1  =  287,  14)  Speron  ENG. 

p.  201, 13  (=  137,  20  =  290,  22)   noijn  =  idem  G  am  Rande, 
Yoyn  =  lonius  ENG. 

p.  201,26  (137,9  V.  u.  =  291,15)    Kamarinetsi   G    am  Rande, 
Katarinetsi  ENG. 

p.  205,  13  (=  139,5  V.  u.  =  296,  1)  Petostramos  ENG. 

p.  207, 4  (=  140, 5  V.  u.  =  298, 6)  Imandreatsi  =  Imandrius  ENG. 

p.  207, 11   (=  141,  6  =  298,  16)  Lagas  ENG  statt  Ladas:  d  und 
g  ähnlich. 

p.  210,  1  (=  141,  4  V.  u.  =  300,  9)  Kapos  ENG  statt  Kapros. 
324  p.  211,7  (=  143,  15  =  303,  7)    in    secundo    ENG,    von    Avger 

getilgt. 

p.  213,  19  (=  144,  16.  15  v.  u.  =  306,7)    Pasems   ENG    i 
Pammenes. 


Die  armenischen  Handschriften  der  Chronik  des  Eusebius.  583 

p.  213,  19  (=  144, 16.  15  v.  u.  =  306,  7)  Seandreay  =  in  Seandria 
ENG  statt  in  Meandria. 

p.  238,  9  (=  157,  24  v.  u.  =  332,  18)  XLIII]  ENG. 

p.  239,  8  (=  158,  18  v.  u.  =  335,  3.  4)  CLIX]  ENG. 

p.  295,  32  (=  189,  1 1  v.  u.  =  397,  10)  et  Marctmi  et  in  Piso- 
nem  ENG. 

A.  475  Musictis  Euctei  et  Niphae  filius]  Nipa  ENG  (Peter- 
mann n  S.  LIY  Z.  10).  ,Auch  syrisch  Nlpa  neben  Nimpä;  vgl. 
griechisch  Nvcpecav  ieoov  der  alten  Inschrift  von  Siphnos  CIG  2423  c 
(Kirchhoff  Studien  zur  Gesch.  des  griech.  Alphabets  S.  67)'  Justi. 
Synkellos  und  Hieronymus  haben  Nympha. 

A.  481  fdio  Deucalionis  et  Preal(k')]  so  ENG;  Avger  verbessert 
Pmreay  =  Pyrrhae. 

A.  538  Ämantes]  ENG  für  Amyntas. 

A.  710  Paleatos]  ENG  für  Palaephatus. 

A.  760  Diposeay]  ENG  statt  Oedipi;  ,die  armenische  Casusendung 
hängt  an  der  griechischen  Nominativform  OidL-io(v)g^  Justi. 

A.  S03  Amentes]  ENG  statt  des  (in  armen.  Schrift  ähnlichen) 
richtigen  Amenemes. 

A.  814  Tikenits  (gen.  j[>?.)]  ENG  statt  Mycenis  (Petermann  11, 
LI,  23):  m  und  t  ähnlich. 

A.  847  Palepos]  ENG  statt  Palaephatus  (Petermann  U,  LI,  23). 

A.  864  Agenoraysn]  ENG  (womit  im  Widerspruch  Avger  in  den 
Errata  Aden-  als  Lesung  seiner  Handschrift  angiebt)  statt  Antenoris: 
d  und  g  ähnlich. 

A.  882  Thometes  a.]  EG  statt  «.  VIII. 

A.  888  Aridemos]  ENG  statt  Charidemus. 

A.  952  Ik'sbion]  ENG  statt  Ixion. 

A.  1023  Mersipos]  ENG  statt  Thersippus:  m  und  t  ähnlich. 

A.  1227  TelPstos]  ENG  statt  Telestas. 

A.  1228  P'satmos]  ENG  statt  Psammos:  m  und  t  ähnlich. 

A.  1239  Actos]  EGN  statt  Automenes. 

A.  1258  Krine]  EGN  statt  Cyrena. 

A.  1278  Midam]  EGN  statt  Midas:  m  und  s  ähnlich. 

A.  1282  ams  XIX]  EG  (wohl  auch  N)  statt  ann.  LI;  die  Zijffern  325 
sind  unähnlich. 

A.  1284  Lidikos]  ENG  statt  Clidicus. 

A.  1303  em  assaria]  ENG  statt  et  (=  dedit,  Aorist  von  tat) 
assaria. 

A.  1326  Aseres]  ENG  statt  AmPres  (Petermann  IL  LI,  24):  m 
und  s  ähnlich. 


584  Die  armenischen  Handschriften  der  Chronik  des  Eusebius. 

A.  1333  y-evripatideantsn\  ENG  statt  ex  eupatridis. 

A.  1338  Stepinafri]  ENG  statt  Stephinatis. 

A.  1363  PWavontes]  ENG  statt  Phraortes. 

A.  1409  Ayerpos]  ENG  statt  Aeropus. 

A.  1 427  tragos  travn]  EG,  tragos  trönn  N  (av  und  ö  nur  ortho- 
graphisch verschieden):  Avger  verbessert  im  Druck  tragos  tavav  z= 
Mrcus  dabatur. 

A.  1466  Koyisay]  ENG  statt  Croesi. 

A.  1470  Sijwrhos]  ENG  statt  Superbus. 

A.  1476  ivardapet  i-fagavorats]  =.  paedagogus  a  regibus  statt  war- 
dapet  Pitagoray  =  mag  ister  Pythagorac. 

A.  1484  Pandohostos]  EGN  statt  Pantagnostus :  ,in  der  neueren 
Aussprache  ist  t  zu  d,  g  z\i  k  geworden'  Justi. 

A.  1532  Porpiliakos]  ENG  statt  Pompilia  Icoys  (=  virgo). 

A.  1546  Süniakos]  ENG  statt  Sünia  koys  {=  virgo). 

A.  1550  Bakfajides]  ENG  statt  BakJcalides  =  Bacchylides. 

A.  1573  Protvbagras]  ENG  {ow  =  o)  statt  Protagoras. 

A.  1580  Karpanatsvots]  ENG  statt  Campanorum. 

A.  1597  ivistht  {=  calamitates)]  EN,  wistn  {=  calamitas)  mit 
untergeschriebenem  Pluralzeichen  G. 

A.  1678  Armes]  ENG  statt  Arses;  m  und  s  ähnlich. 

A.  1687  z-Sonatsis  und  am  Rande  z-Savinatsis  ENG. 

A.  1688  Attalus  in  Asiam  fugit  cum  Paulo  {cum  Polo  N)  et 
Taxide]  ENG  mit  falscher  Stellung  der  Schlussworte. 

A.  1695  leandros]  ENG  statt  Menandros. 

A.  1818  Skopanay  E,  Skoiionay  G(N):  ,nicht  wesentlich  ver- 
schieden' Justi. 

A.  2052  Mameay]  ENG  statt  Memmii. 

A.  2084  Steay]  ENG  statt  Cestii. 

A.  2097  Domitianus  inJcn  (==  ipse)  Sehaste  appellatus  est]  ENG 
statt  Domitiani  kinn  (=  uxor)  Sehaste  appellata  est:  eine  in  E  bei- 
gefügte Erklärung  in  =  inJcnin  ist  undeutlich.  m 
326           A.  2123  Pilinios]  ENG  statt  Plinius.                                              -B 

A.  2237  ar  Yovlios  arl'ay  Aprikanosi  (=  ad  lulium  regem  Afri- 
cani)  ENG  statt  ar  arJi-ny  Yovliosi  Aprikanosi  =  ad  regem,  lulii 
Africani. 

ser.  reg.  p.  8  Aeg.  dyn.  XVI  (=  13,36  =  24,21)  Sehaijatsilc] 
ENG  statt  Thehaidarum. 

p.  9  Aeg.  dyn.  XXI,  3  (14,  11  =  25,  18)  NelcrJ^ercs]  ENG  statt 
NepJiercheres. 

p.  12  Lac.  9  (=  17,  14  =  30,  9)  Alkem^inos]  ENG  statt  Alkamenes. 


Die  armenischen  Handschriften  der  Chronik  des  Easebius.  5g5 

p.  17  (==  21,  16  =  36,  15):  Gaius  Caesar  interfedus  est  Nolae, 
Augustus  mortuus  est  in  Palatio  ENG;  durch  übergesetzte  Zahl- 
zeichen ist  in  EG  in  palatio  zum  ersten,  Nolae  zum  zweiten  Glied 
gezogen. 

p.  18  Kodomos\  ENG  statt  Commodus. 


Hieran  schliessen  sich  weiter  diejenigen  Stellen,  in  denen  EN 
besser  oder  vollständiger  sind  als  G. 

p.  55,  1 3  (=  40,  20  =  82,  27)  die  Worte  z-or  kargeats  =  quos 
redegit  stehen  nach  ^i  kanonsn  =  in  canonibus  in  EN  und  der  un- 
vollständigen Abschrift  Avgers,  fehlen  in  der  vollständigen  G,  offenbar 
nur  aus  Versehen. 

p.  65,  30  (=  48,  17  =  99,  22)  Davith  EN,  fehlt  G. 

p.  115,  2  (=  85,  17  =  174,  9)  hramayer  =  iussit  EN,  fehlt  G. 

p.  125, 25  (=  90,  20  =  190,  3)  t^tie  ....  Olimpiadis  EN  (Peter- 
mann A.  1),  fehlt  G. 

p.  137,  28  (=  110,4  =  205,  6)  Wibenüs  EN,  Wihetis  G:  Obßiev&ig 
Syncellus. 

p.  181,8  (=  126,  26  =  267,  2)  shishn  arnel  =  initium  fecisse 
EN,  nach  Piatons  emyeiQsTv^  skizbn  ar  =  initium  fecit  G. 

p.  183,  2  (=  127, 18  V.  u.  =  268,22)  sub  finetn  . . .  mortem  (Peter- 
mann A.  1)  EN,  fehlt  G. 

p.  189,  31  (==  131,  18  =  277,  7)  fori  ind  =  videtur  mihi  E,  wie 
Avger  dazu  vermuthet;  tovi  im  =  videtur  aliquid  G  [N  unbekannt). 

p.  191,  16  (=  132,  2  =  278,  15)  AMsinosi  EN,  Aleksiosi  G: 
AXe^vov  Eusebius. 

p.  215,  3  (=:  145,  5  V.  u.  =  308, 16)  ev  "i  bowandaks  =  et  inper- 
fecto  EN,  fehlt  in  G:  xal  (t6)  rekeiov  Eusebius. 

p.  223,  28  (=  151,  13  =  320,4)  geben  dem  Egestrates  35  Jahre  327 
EN,  was  mit  der  Summe  stimmt,  37  G:  5  und  7  sind  in  armenischer, 
namentlich  cursiver  Schrift  leicht  zu  verwechseln. 

p.  231,  37  ff.  (=  155,  9  V.  u.  =  328, 18)  wird  von  Galust  nach  EN 
richtig  also  ergänzt:  et  filiorum  Cassandri  computantur  anni  imperii 
a  quarto  anno  centesimae  et  vigesimae  olympiadis  usque  ad  centesimae 
vigesimae  (primae  eiusdem  {tertium  annum).  Demetrium  regnantem 
annos  VI  inde  a  centesimae  vigesimae  primae  olympiadis  qtuirto  anno 
usque  ad  centesimae  vigesimae)  et  tertiae  olympiadis  primum  annum 
Fyrrhus  u.s.w.,  wo  was  in  (  )  steht,  in  G  fehlt,  die  beiden  in  (  )  ein- 
gijschlossenen  Worte  in  EGN  fehlen  und  dem  griechischen  Text  ent- 
nommen sind.    Darnach  kommen  auf  die  Jahre  Kassanders  Ol.  1 20. 4  — 


586  I^iö  armenischen  Handschriften  der  Chronik  des  Eusebius. 

Ol.  121,3,  auf  Demetrius  121,4—123,1.  Eiusdem  würde  olyminadis 
vertreten. 

p.  239, 13  (=158,11  v.u.  =  335,11)  Levkios  et  AUlios  JEN, 
Leucippus  et  Acilius  G:  Aevxiog  Aljuikiog  der  griechische  Text.  Die 
Yerderbniss  des  ersten  in  EN  richtig  überlieferten  Namens  bei  Avger 
sieht  nicht  nach  Schreibfehler  eines  alten  armenischen  Copisten  aus, 
sondern  ist  meines  Erachtens  einer  der  Beweise  dafür,  dass  der 
Avgersche  Text  (so  wie  der  davon  abhängige  Zohrabs)  von  nicht 
angezeigten  conjecturalen  Besserungen  keineswegs  frei  ist. 

p.  245,  29  (=  162, 16  =  342,  8)  mensibusV  EN,  mensihusVII  G. 

p.  247,  12  sextum  annum  EN,  annum  fehlt  G, 

A.  508  OQ  Ismayelatsvoyn  =  non  Ismaelitae  (gen.  sing.)  EN,  or 
"i  Semeleay  =  qui  ex  Semele  G:  ov^l  rov  ex  I^ejuekrjg  Syncellus  und 
ebenso  Hieronymus  (vgl.  auch  zu  Abr.  520).  Ohne  Frage  ist  die 
Lesung  von  EN  die  echte  des  Uebersetzers,  der  freihch  den  Text 
albern  missverstand,  die  Avgersche  Lesung,  die  die  echte  Negation 
beseitigt  und  die  Mutter  des  Dionysos  Semele  herstellt,  eine  Inter- 
polation, deren  sich  ein  alter  armenischer  Abschreiber  nicht  schuldig 
gemacht  haben  kann,  die  aber  recht  wohl  für  Avger  oder  einen 
seiner  Gehülfen  passt. 

A.  525  i  Dedos  =  quod  in  Dcdo  EN,  i  Bel'pos  =  quod  in  Delphis  G. 
Dass  hier  vom  delischen,  nicht  vom  delphischen  Apollo  die  Rede 
ist,  bezeugen  Syncellus  und  Hieronymus ;  der  armenische  Uebersetzer 
hat  allem  Anschein  nach  in  seinem  Originale  AHaDI  statt  AHAQl 
gelesen.  Hier  aber  haben  wir  es  wiederum  zweifellos  mit  einer 
Literpolation  der  armenischen  Gelehrten  unseres  Jahrhunderts  zu 
328  thun;  diese  konnten  wohl  aus  dem  ,dedischen'  Apollo  einen  del- 
phischen machen,  nimmermehr  aber  kann  eine  solche  Schlimm- 
besserung einem  alten  armenischen  Abschreiber  zugetraut  werden. 

A.  670  KeJcores  ann.  XL  EN,  Kekropes  ann.  XLIV  G. 

A.  743  CCXL  EN  mit  Hieronymus,  CCXLI  G. 

A.  981  Samos  condita  est  EN,  fehlt  G. 

A.  1260  in  Sicilia  Silinus  et  Gängle  conditae  sunt  EN,  fehlt  ('. 

A.  1283  Messene  a  Lacedaemoniis  capta  est  EN,  fehlt  G, 

A.  1345  Libyeos  ann.  XCVI  EN,  ann.  XCVI  fehlt  G. 

A.  1358  DesJces]  E,  Deßes  G  (N  nicht  angegeben),  verlesen 
aus  Aeoxrjg. 

A.  1360  Jstoros  EN,  Istros  G. 

A.  1599  Alkibades  EN,  Alkibatcs  G. 

A.  1746  Epicurus  dedessit  EN,  fehlt  G. 

A.  1969  liomanorum  monarcha  regnavit  ann.  IV  mens.  IV  EN; 


Die  armenischen  Handschriften  der  Chronik  des  Eusebius.  587 

)ei  Avger  fehlen  die  Worte  monarcha  regnavit  und  für  aim.  IV 
nens.  IV  steht  wenigstens  im  armenischen  Druck  wie  in  der  Ueber- 
etzung  ann.  V,  ob  auch  in  der  Handschrift  G,  ist  zweifelhaft.  Auch 
lier  ist  die  Editoreninterpolation  zweifellos,  da  die  Tafel  dem  Caesar 
ünf  Jahre  giebt. 

A.  20S0  2-Hoktabia  EN,  z-HoTcahia  G. 

A.  2123  itidem  et  Ignat'ms  Antiochensiutn  episcopus  EN,  et  Ign. 
ehlt  G. 

A.  2135  Achianus  .  .  .  .  multis  EN,  fehlt  G. 

A.  2140  Armonikos  EN,  ar  Armoikos  G:  ursprünglich  wohl  ar 
Monikos  =  ad  Mimicium. 

A.  2181  Pisis  .  .  .  iecit  EN,  fehlt  G. 

A.  2317  hinter  telis  =  locorum  hat  E  isk  (diese  beiden  Buch- 
staben undeutlich)  artatseloyn  =  iitique  (?)  superhientis  und  ebenso  N, 
edoch  mit  Weglassung  der  beiden  undeutlichen  Buchstaben,  wodurch 
V  als  Abschrift  von  E  bestätigt  wird. 


Weit  geringer  ist  die  Zahl  der  Stellen,  in  denen  EG  besser 
»der  vollständiger  sind  als  N. 

p.  223, 10  f=  1 50, 1 2  V.  u.  =  317, 19)  Agisilavos  EG,  Agislavos  N. 

A.  1100  nach  dem  ausgefallenen  Blatt  prophetabant  Elia  et 
^lisaeus  G,  von  N  wohl  absichtlich  weggelassen  als  zum  Fehlenden 
;ehörig. 

A.  1358  et  Almaeon  cognoscehatur  EG,  fehlt  N  (Pet.  II,  LII,  6).  329 

A.  1376  gavazans  =  scepira  EG,  gazans  =  bestias  N. 

A.  2082  i-Sifia  =  in  Isthmiis]  EG,  i-sidia  N. 

A.  2160  Mesodemes  E,  mesdemes  (wesentlich  dasselbe)  G,  fehlte. 


Auch  die  Zahl  der  Stellen,  in  welchen  E  richtiger  oder  voll- 
täüdiger  ist  als  GN,  erscheint  gering  und  ist  wohl  noch  bedeutend 
;eringer  als  sie  hier  erscheint,  da  in  den  meisten  derselben  es  an 
.usdrücklichem  Zeugniss  über  N  fehlt  und  das  Schweigen  Peter- 
nanns,  zumal  bei  einem  nur  der  Uebersetzung  angepassten  Apparat, 
liclit  allzu  beweiskräftig  ist. 

p.  107,  7  (=  80,  10  v.  u.  =  165,  26)  datavoratsn  =  iudicum  E, 
agavoratsn  =  regum  G{N). 

p.  111,21  (=  83,8  =  171,  10)  arkanel  =  suffocaret  E,  wie  Avger 
ennuthet  hatte;  ankanel  =  caderet  NG. 

p.  245,25  (=  161,20  =  340,25)  anisxanovfivn  er  =  anarchia 
rat  E,  -fean  er  =  anarchiae  (Genetiv)  G(N). 


588  1^16  armenischen  Handschi-iften  der  Chronik  des  Eusebius. 

p.  291,  10  (=  186,  6  =  392,  9)  TovUos  OstiUos  E,  Tovlvos  or 
Stillos  ==  Tullus  qui  Stilius  und  am  Rande  Otilios  G;  jene  Lesung 
scheint  auch  \^  zu  haben.  An  einer  zweiten  Stelle  ser.  reg.  p.  12 
(=  16,  9  V.  u.  ^=  29,  24)  haben  alle  drei  Handschriften  TovUos  or 
Stilios  (auch  E  nach  Galust,  nicht,  wie  Petermann  angiebt,  Stilos). 

ser.  reg.  p.  10,2  (=  14,8  v.  u.  =  26,21)  Nephirites  mens.  IV 
E,  mens.  III  G(N). 

ser.  reg.  p.  15  Med.  6  (=  p.  19, 18  =  33, 14)  Artavan  mens.  VII 
E,  ann.  VII  (GN). 

A.  1684  0-Aornm  E,  z-Omin  NG. 

A.  2312  nach  Alexandria  nequivit  resisfere  Bomanorum  exercitui 
setzt  E  hinzu:  coactique  sunt  ad  fradendos  seditionis  atictores,  was 
bei  Avger  und  Petermann  sich  nicht  findet;  Hieronymus,  im  Uebrigen 
hier  von  Eutropius  abhängig,  giebt  diese  Worte  wieder:  interfectis 
his  qui  auctores  perduellionis  extiterant. 


Stellen,  in  denen  N  alleinstehend  den  Text  von  EG  besserte 
oder  ergänzte,  sind  uns  nicht  begegnet.  Dagegen  giebt  es  eine 
Anzahl  solcher,  in  denen  G  das  Richtige  hat  gegen  EN: 

p.  179,24  (=126,  1  =  265,9)  Atrevs  G,  Artevs  EN. 
330  p.  181,  36  (=  127,  20  v.  u.  =  268,20)  Andropompeay  G,  Andor- 

pompeay  EN. 

p.  195,  19  (=  134,  16  =  284,  8)  \  Epidaivratsi  G,  Epigaw- 

p.  199,23  (=  136,  13  v.  u.  =  289,  8) )      ratsi  EN. 

p.  211,  32  1=  144,  5  =  304,  18)   Tavromenatsl  G,   Tavram-  EN. 

p.  265,  19  (=  171,  1  V.  u.  =  360,  15)  Anßiseay  =  Anchisae  G, 
Anißseay  EN. 

ser.  reg.  p.  1 1  Ath.  1  (=  16,  2  =  28, 12)  Mcdon  G,  Makedon  EN. 

ser.  reg.  p.  1 1  Ath.  3  (=  1 6, 4  =  28, 14)  Arßippos  G,  Ärßiapos EN. 

A.  532  Pslesgatsis  {=  Pelasgos)]  Asl-  E,  Oel-  N  (Petermann 
p.  LH  16):  a  und  r  ähnlich. 

A.  562  F'inißs  =  Phoenix  G,  Ginih  EN:  g  und  />  ähnlich. 

A.  600  Zefos]  G,  Getos  EN:  g  und  z  ähnlich. 

A.  618  ajme  (sinnlos)  EN,  patme  =  narrat  G  (Petermann  H,  j 
LH  11). 

A.  704  "i  Mikeans  (statt  -nas)  G,  "i  Sikeans  EN:  s  und  m  ähnlich,  j 

A.  1260  Treapesos  G,  Treapegos  EN:  z  und  g  ähnlich. 

A.  1354  Ardes  G,  Argeos  EN:  d  und  g  ähnlich. 

A.  1387  y-  Ehrayetsis  G,  y-  Erayetsis  EN:  ,die  echt  armeniscln 
Form  für  Hehraeos  ist  Hreays'-  Justi. 


Die  armenischen  Haudschriften  der  Chronik  des  Eusebius.  589 

A.  1771   Evergetes  G,  Ergetes  EN. 

A.  1772  sarsetsan  =  concussae  sunt  G  und  übergeschrieben   in 
E,  sinetsan  =  conditae  sunt  E  (im  Text)  N. 

A.  2051   Trdelianos  =  Tertullianus  G,    Trgelianos  EN:  d  und  g 
ihnlich. 

A.  2123  Eron  G,  Ereon  EN. 

A.  2131  srhel  {purgaret)  Jianel  (eiciendö)  "i  nahangen  (=  e  pro- 
incia  G):    in  N  fehlt  hanel  in  freigelassenem  Raum,   ebenso  in  E, 
vie  es  scheint   ohne  Andeutung  der  Lücke.     Der  Schreiber  von  N 
vie  Avger  haben  diese  Lücke  bemerkt,  letzterer  sie  ausgefüllt, 
»der  gegen  E  allein,  wo  die  Lesung  von  N  nicht  bekannt  ist: 

p.  187,  20  (=  130,  1  =271,  16.  18)  ar  oroiv  =  suh  quo  G,  orow 
ehlt  E. 

p.  190, 14  (=  130,  5  V.  u.  ^  276,  5)  ev  or  ine  =  et  quaecumque] 
V  oc  im  =  et  non  aliquid  E. 

p.  198,  13  (=  135,  16  =  286,  10)  i/errord  =  tertio]  yerhrord  = 
vcundo  E. 

p.  271,  31  (=  176.  19  =  370,  2)  i  Lavinion]  i  Lavinios  E:  s  und  331 
i  ähnlich. 

p.  273,  8  {=  177,  4  =  371,  18)  Silovios]  Sihvisos  E. 

ser.  reg.  p.  1 1   Ath.  17  (=  15, 1  v.  u.  =  28, 10)  Kodros]  Kogros  E. 

ser.  reg.  p.  11  Ath.  arch.  4  (=  16,5  =  28, 15)  Tersippos]  T'reippos 
E  nach  Galust,  T'rmeippos  nach  Petermann. 

ser.  reg.  p.  1 1  Lat.  in.   (=  16,  30  v.  u.  =  29,  3)  Dimopneay  G, 
W.omfnneay  E. 

ser.  reg.  p.  15  (=  21, 10  =  33,28)  annos  CCXXXV]  CC  fehlt  E. 

A.  401   XXXI]  XXX  E. 

A.  1351  manhtvoy  {==  puerorum)]  maktvoy  E  unrichtig. 

A.  1410  Afenatsvoy  (=  Atheniensis)]  Afenatsvots  (=  Athenien- 
ivm  unrichtig)  E. 

A.  1 443  edav  agon  {=  actus  est  agon)]  ed  agon  (=  egit  agonem)  E. 

A.  1493  Angeos]  Angeas  E. 

A.  1497  ayrs  (=  hie  vir)]  so  G  am  Rande,  hie  G  im  Text,  t7i> 
Wger  in  der  Uebersetzung,  aysr  unrichtig  E. 

A.  1498  Aristogiton]  -diton  E  (g  und  d  ähnlich). 

A.  1619  Grilay  (=  Grylli)]  Drilay  E  {g  und  d  ähnlich). 

V.  1697  l^eoprastos]  Teoprados  E. 

\.  1799  XLII]  XLVIII  E. 

A.  1802  Eratostenes]  Eastofenes  E. 

A.  1993  Lolios]  ZoUos  E:  l  und  z  ähnlich. 

A.  2085  a.  IX  m.  XI  d.  XXII]  a.  X  E:  hier  muss  Avger,  wie 


590  I^iö  armenischen  Handschriften  der  Chronik  des  Eusebius. 

bei  Caesar  (S.  328),  die  Ziffern  nach  Hieronymus  geändert  und  Peter- 
mann die  Abweichung  in  N  übersehen  haben. 

A.  2139  '^  Yadrianosi,  y  in  neuerer  Aussprache  auch  A]  "i  Tsadria- 
■nosi  E,  y  und  ts  ähnlich, 

A.  2200  DovliJcianos]  LovUfcianos  E:  d  und  l  ähnlich. 

A.  2272  PHaminay  =  Flaminii]  P'^alminay  E. 


An  einigen  anderen  Stellen  bedarf  der  Text  noch  weiterer 
Verification : 

p.  193,  19  (=  133,  14  =  281,  18)  für  dexargsig  ÖXvjumddag  hat 
E  die  Zahl  LIII,  N  XIII,  G  LIII  und  am  Rande  XIII.  Das 
Zeichen  L  ist  dem  für  X  sehr  ähnlich;  die  Besserung  in  beiden  Ab- 
schriften (6r  hat  sie  im  Text  nur  halb  vollzogen)  lag  nahe,  da  die 
14.  Olympiade  sogleich  folgt. 
332  ser.   reg.  p.  17    (=  18,  21  =  36  a.  E.)   Bemetianos  EG,   Bome- 

tianos  N:  wenn  kein  Irrthum  unterläuft,  hat  N  hier  gebessert,  was 
möglich  ist,  da  der  Name  mehrfach  vorkommt. 

A.  618  Äntipiojn  =  Ätthidos  E  und  ebenso,  aber  wie  es  scheint, 
mit  übergeschriebenem  n,  NG  (Petermann  2,  LI,  26)  mit  Yerwechselung 
der  ähnlichen  Buchstaben  p  und  t.  Das  n  ist  falsch  und  man  sollte 
erwarten,  dass  es  auch  in  E  über  der  Zeile  steht;  doch  wird  dies 
nicht  angegeben. 

A.  1423  Epesinedes  E  und  so  haben  wohl  auch  G  (da  Zohrab 
Epesinedes  giebt)  und  N  (worüber  nichts  gesagt  wird)  statt  Epimenides. 

A.  1729  Lysimachus  a.  V  hat  Hieronymus;  Livsimalcos  ann.  V  ev 
mniss  (=  L.  ann.  V  et  menses)  E,  L.  ann.  V  et  menses  V  N;  G  wie 
Hieronymus.     Sowohl  N  wie  G  scheinen  corrigirt  zu  sein. 


Schliesslich  sollen  hier  noch  eine  Anzahl  geringfügiger,  meistens 
blos  orthographischer  Differenzen  aufgeführt  werden,  die  wenigstens 
beitragen  werden  die  Beschaffenheit  der  Texte  zu  charakterisiren. 
Allgemein  ist  hervorzuheben,  dass  die  Handschrift  E  gegenüber  der 
Ausgabe  die  ältere  Orthographie  zeigt,  namentlich  für  au  der  Hand- 
schrift sehr  häufig  ö  gedruckt  ist.  Ebenso  ist  nicht  selten,  um  eine 
Consonantenhäufung  zu  mildern,  ein  der  Handschrift  fehlendes  e  ein- 
geschoben, z.  B.  für  csdiv  =  cum  cura  gedruckt  cesdiv. 

p.  1,25  (=  2, 23  =  3, 1 1 .  12)  ameneJcin  =  omnium]  amenelcean  E. 

p.  5,  30  (=  5,  14  =  8,  17)  amenesin  =.  onines]  amenesean  E. 

p.  15,  6  (=  11,  13  V.  u.  =  22,  14)  arnis  =  mascuUnas]  arnatsis  J 
richtiger. 


Die  armenischen  Handschriften  der  Chronik  des  Eusebius.  591 

p.  31,3  (=  23,  8  =  45,  35)  eöfanasn  cttneay  =  LXX  annorum] 
evfan-  E  und  so  überhaupt  bei  dem  Zahlwort  7  mit  der  altern  Form. 

p.  73,  41    (=  53,  7   V.  u.   =  110.  24)    ayseafi   =  eiusmodi]    ays 
doppelt  E. 

p.  89,  7  (=68,  13  =  140,  2)1      ..     ,  j,      •   .         rn 

p.  89,  35  (=  69,  1 3  =  142,  7)  /  ''"^''"  *'  =  ''^^  ^  ""'"^"^  ^  ^' 

p.  89,  38  (=  69,  15  =  142,  9)  ams  =  annos  fehlt  E. 

p.  93,  45  (:=  72,8  v.  u.  ^  149, 14)  prius  quam  ante  XXX.  annum] 
Jean  =  quam  fehlt  E. 

p.  107,2  (=  80,  17  V.  u.  =  165,  19)  miangamayn]  miatigamayn 
(=  simul)  isJc  (ipsos)  E. 

p.  121,  40   (=  90,  9  =  185,  6)    arajnordi]  arajnerordi  E  =  in  333 
{anno)  primo:  beides  üblich. 

p.  139,  24  (=111,9  =  207,  21)      |  piramidti]  piratidn  E:  m  und 

p.  139,  40  (=  1 1 1,  6  V.  u.  =  209, 3)  J      t  verwechselt. 

p.  159, 13  (=  112, 12  =  234, 20)  möti  '/  M  am  =  annos  prope  M] 
-möt  für  möti  E. 

p.  163,  19  (=  115,4  V.  u.  =  241.  242)  'i  tagavorovfivn]  -tivnn  E 
mit  Zusetzung  des  zweiten  n,  einer  Art  von  Artikel. 

p.  163,  30  (=  116,  15  =  243,  13)  govmareal  (Particip  des  Aorists 
=  gesammelt  habend)]  govmarel  (Infinitiv  statt  des  Finalzeitworts)  E. 

p.  169,  7   (=  118,  1  V.  u.  =  249,  11)    Antonios]    Antonia  E  = 
{Marcus)  Antonius. 

p.  169,32  (=  119,7  V.u.  =  250,12)  AMsandriatj]  z-  AI.  E  mit 
Torgesetztem  Accusativzeichen. 

p.  199,  31   (=  136,  1    V.  u.  =  290,  2)    brnamaiikn  =  pugilatu] 
hrnamartkin  E  unrichtig. 

p.  201,  33   (=  138,  2  =  292,  4)    osox  =  adversarium]    ovsox  E 
unrichtig. 

p.  205,  28  (=  140,  16  =  297,  2)  2-  ivr  =  suam]  s-  am-  =  dieni 
E  unrichtig. 

p.  211,  17  (=  143,  31  =  303,  20)  '«  Hrom  =  Romam]  H  fehlt  E. 

p.  2 1 9, 26  (=  1 48, 9  V.  u.  =  3 1 5, 3)  matneal  =  tradentes]  matnal  E. 

p.  223,  11   (=  150,  2  V.  u.  =  319,  29)  Jean  z  L  =  (un)dequinqua- 
ginta]  z  fehlt  E. 

p.  225,  7  (=  151,23  =  320,  14)   tane  —  familia]  tanen   E  mit 
iZU-^esetztem  Artikel. 

p.  225,  36  (=  152, 1 0  =  321, 24)  AMsandrosi  =  Alexandri]  AleJc- 
sandri  E  mit  anderer  Form  des  Genetivs. 

p.  239,  18  (=  158,  5  v.  u.  =  335,  17)  >  Albe  =  Albam]  'y  Alben 
E  mit  Zufügung  des  Artikels. 


592  I>ie  armenischen  Handschriften  der  Chronik  des  Eusebius. 

p.  243,  10   (=  160,  4  V.  u.  =  340,  2)  ordvoy  =  filii]   ordvots  = 
fdiorum  E  unrichtig:  y  und  ts  oft  verwechselt. 

p.  283,  13  (=  183,  5  =  385,  14)  Bovtovlatsis  —  liutulos]  Bovtov- 
latsits  =  Rutulis  E. 

p.  291,  17  (=  186,  12  V.  u.  ==  392,  3)   ts-   Bomilos  =  usque  ad 
Romulum]  '^  Bomilos  E  unrichtig. 
334  p.  291 ,  20  (=  187, 8  =  392, 22)  fagavorafs  =  regum]  z-  ^agavorats 

=  reges  (Accus.)  E. 

p.  291,  26  (187,  17  —  393,  5)  Bomilay  =  Bomuli]  Bomilos  E  mit 
nicht  flectirter  griechischer  Nominativform. 

p.  293,  12   (188,  9  =  394,  18)   Atenatsvoy  =  Ätheniensis]   Ate- 
natsvots  =  Atheniensium  E. 

ser.  reg.   p.  8  Sic.  18   (=  13,  18  =  24,  3)   Lavomedoiv]   Lama- 
medow  E. 

ser.  reg.  p.  8  Aeg.  dyn.  18,  11  (=  13,  10  v.  u.  =  24,  36)  K'en- 
Tceres^  K'enkeres  E. 

A.  545  fargmanovfeann  =  versionis]  -tivn  =  versionem  E. 

A.  847  "i  frier  navavn  =  trieri  navi]  H  fehlt  E. 

A.  889  tön  =  soUemnitas]    tavnes  E   (av  ■=  ö  und    zugesetzter 
Artikel). 

A.  1 303  0-  gongiarion  =  congiarium]  -rionn  E  mit  Artikel. 

A.  1406  Arion]  Ariown  E. 

A.  1427  2-  tragowdeans  =  tragoedos]  z-  tragowdsean  E. 

A.  1471   Teognes]  reognis  E. 

A.  1484  Samay]  Sama  E. 

A.  1496  hnakelotsn  =  habitantium  (Particip)]   hnaJccatsn  E  (das- 
selbe, Adjectiv). 

A.  1537  T^ermovpivlis]  GN,  Termovpavlis  E. 

A.  1541  EsBlos]  EsJcilos  E. 

A.  1563  Piaton]  Platn  E. 

A.  1572  y-  Afrikanoy]  -nay  E  mit  anderer  Declination. 

A.  1738  Gonatas]  Gonatos  E. 

A.  1825  Termovpivlisn]  -pavlisn  E. 

A.  1856  ß-  Omapölis]  z-  Omopavlis  E  {ö  =  av). 

A.  1928  i-  pausten  =  ex  fuga]  i-  pavsten  E  unrichtig. 

A.  1928  z-  soyn  =  eum]  z-  sayn  E  (dasselbe). 

A.  1 962  paylatahmamb  =  fidmine]  -momhlc  E  mit  anderer  Decli- 
nation und  Plural. 

A.  2049  or  i  Urüits  =  quod  ab  Hehraeis]  i  fehlt  E. 

A.  2062  bivrovts  =  decem  milium]  bovrovts  E  ungenau. 

A.  2079  sarzmambJc  =  terrae  motibus]  -mamb  =  terrae  motu  E. 


Die  armenischen  Handschriften  der  Chronik  des  Eusebius.  593 

A.  2081  yoicanakakans  =  puUinos]  yotcanakans  E  fehlerhaft. 

A.  2093  hanel  =  educerent]  Jianeal  E  (dieselben  Formen  wie  die 
zu  163,  30  angeführten). 

A.  2109  z-  püisopay  =  philosophos]  z-  püisopays  E  richtig. 

A.  2110  Dometianosiv]  Demet-  E.  335 

A.  2121  Kitos  =  Quietus]  V  Kitos  =  a  Quieto  E. 

A.  2292  merovm  ocoys  (Dativ)  =:  adversum  nostram  religionem] 
meroy  ocoys  (Genetiv)  E. 


l^ach  diesen  ausgiebigen  Proben  scheint  es  mir  festzustehen, 
dass  uns  die  Chronik  durch  die  Handschrift  E  überliefert  ist  und 
sowohl  N  wie  G  aus  dieser  abgeschrieben  sind.  Es  werden  die 
folgenden  Sätze  sich  aufstellen  lassen: 

N  hat  gegenüber  E  nichts  Eigenes  von  TVerth.  Ganz  richtig  hat 
Petermann  bemerkt,  dass  iV  näher  mit  E  stimmt  als  G  und  auch 
Galust  hat  dies  betont;  aber  es  zeugt  dies  eben  nur  für  die 
grössere  Genauigkeit  der  älteren  Abschrift.  Nicht  mit  Recht 
hat  Petermann  die  Lesungen  und  die  Zusätze  von  N  grossen- 
theils  aus  dem  Text  entfernt;  die  Handschrift  ist  von  Inter- 
polationen frei  und  von  den  bis  jetzt  genügend  bekannten 
die  beste. 

G  das  heisst  Avger  oder  vielmehr  der  Lector  Georg  (S.  321  [580]) 
hat  allerdings  an  einer  Reihe  von  Stellen  allein  das  Richtige;  aber 
bei  genauer  Prüfung  erweisen  sich  diese  Besserungen  als  con- 
jecturale.  Wie  frei  Avger  den  Text  behandelt  hat,  zeigt  schon 
das  Yerhältniss  seines  Druckes  zu  seiner  Abschrift;  aber  auch 
in  der  letzteren  ist  sicher  nicht  selten  stillschweigend  gebessert, 
wie  dies  für  die  Stellen  p.  239,  13,  A.  508.  525  oben  S.  327  [586] 
nachgewiesen  ist.  Mir  ist  nicht  eine  einzige  Stelle  begegnet,  wo 
die  an  sich  bessere  Lesung  von  G  nicht  mit  Wahrscheinlichkeit 
als  Conjectur  aufgefasst  werden  könnte. 
JSG  sind  unter  sich  nicht  enger  verwandt;  wo  dies  der  Fall  zu  sein 
scheint,  z.  B.  bei  der  Weglassung  der  Schlussworte  A.  2312, 
muss  entweder  ein  Collationsversehen  vorliegen  oder  der  Zufall 
sein  Spiel  getrieben  haben. 

Für  die  Geschichte  der  Handschriften  ergiebt  sich  hieraus,  dass  der 
jetzt  in  Ejraiatsin  aufbewahrte  Codex  im  Jahre  1696  in  Tokat  sich 
befunden  hat,  und  dass  er  eben  derjenige  ist,  welcher  um  1790  (an- 
geblich aus  Jerusalem  gesandt)    sich  in  Constantinopel  befand  und 

MOMMSEN,    SCHR.  VII.  38 


594  Die  armenisclien  Handschriften  der  Chronik  des  Eusebius. 

daselbst  im  Jahre  1864  von  Petermann  vergeblich  gesucht  worden 
336  ist.  Das  Wandern  der  Handschrift  durch  diese  verschiedenen  Stellen 
kann  bei  dem  engen  Zusammenhang  des  armenischen  Klerus  nicht 
befremden.  Dazu  stimmt  das  völlige  Zusammentreffen  der  Beschrei- 
bung, die  Avger  von  dem  Original  seines  G  und  Galust  von  der 
Handschrift  E  giebt.  Beide  sind  in  Bolorgir  oder  Minuskelschrift 
geschrieben.  Beide  werden  von  den  genannten  armenischen  Gelehrten 
in  das  12.  Jahrhundert  gesetzt.  In  beiden  findet  sich  der  (wahr- 
scheinlich erst  später  aufgedrückte)  Stempel  des  Katholikos  Gregor 
(abgebildet  bei  Avger  2  p.  134  =  238,  vgl.  191  =  347),  in  dem  Avger 
den  Grigor  Pahlavuni,  Katholikos  seit  1113,  erkennt,  der  aber  nach 
Justi  eher  Grigor  Tlay,  Katholikos  1173—1190  sein  dürfte,  welcher 
eine  Elegie  auf  die  Einnahme  Jerusalems  durch  Saladin  verfertigt 
hat  (K.  P.  Patkanean,  Bibliograph.  Abriss  der  armen,  geschichtlichen 
Litteratur,  Petersburg  1880  S.  40.  41).  Schon  nach  diesen  Be- 
schreibungen, insbesondere  nach  dem  gleichartigen  Stempel  ist  es 
nicht  wahrscheinhch,  dass  wir  es  hier  mit  verschiedenen  Hand- 
schriften zu  thun  haben,  vielmehr  die  Identität  derselben  alle  Pro- 
babilität  für  sich  hat. 

Es  kommt  dazu  schliesslich  die  Beschaffenheit  der  grösseren 
Lücken.  Sie  sind  allen  Handschriften  gemein  und  wenigstens  die 
beiden  der  Chronik  nach  A.  1030  und  am  Schluss  beruhen  nach 
Avgers  Angabe  auf  Blätterausfall  der  Constantinopolitaner  Hand- 
schrift. Ueber  die  der  Handschrift  von  Ejmiatsin  hat  mir  Galust  auf 
meine  Anfrage  Aufschluss  gegeben.  Dieselbe  zählt  jetzt  181  Seiten, 
welche  durchlaufend  arabisch  numerirt  sind.  Aber  daneben  findet 
sich  eine  ältere  Lagenzählung  in  armenischer  Schrift,  welche  vor 
dem  Blätterausfall,  ohne  Zweifel  von  dem  ursprünglichen  Schreiber 
gemacht  ist,  in  der  Weise,  dass  auf  die  unteren  Ränder  des  ersten 
und  des  letzten  Blattes  einer  jeden  Lage  ^  der  betreffende  Buchstabe 
des  armenischen  Alphabets  gesetzt  ist.  Das  Vorsetzblatt  ist  dabei 
nicht  mitgezählt.  Danach  hat  die  Handschrift  aus  zehn  (oder  mehr) 
Lagen  von  je  12  Blättern  bestanden  und  ist  der  gegenwärtige 
Bestand  der  folgende. 

Lage  1  (S.  2—25)  vollständig. 

Lage  2  (S.  26—49)  vollständig. 

Lage  3  (S.  50—73)  vollständig. 

Lage  4  (S.  74—97)  vollständig. 


1)  Von  der  siebenten  Lage  fehlt  das  Schlussblatt,    auf  dem  Schlussblatt 
der  neunten  die  Zahl. 


Die  armenischen  Handschriften  der  Chronik  des  Eusebius.  595 

Lage  5  Bl.  1.  2  (S.  98 — 101)  schliessen  wo  unsere  Ausgaben  des  337 
ersten  Theiles  abbrechen  (l  p.  295  Schöne). 
Bl.  3 — 10   verloren;    es   fehlt  der  Schluss  der  Chronik 

und  der  Anfang  des  series  regum. 
Bl.  11.  12   (S.  102—105)    beginnt   ser.  reg.  (app.  1  p.  5 
Schöne)   sub  quo  llium,    wo    auch    nach  Avgers 
Zeugniss  die  Handschrift  von  Constantinopel  be- 
gann. 
Lage  6  Bl.  1.2   (S.  106  —  109)   schliessen   wo   unsere  Ausgaben 
der    ser.  reg.   abbrechen    (app.  1    p.  18  Schöne) 
Pupinius  et  Balhinus  occi  . . . 
Bl.  3  — 10  verloren;  es  fehlt  der  Schluss  der  series  regum 

und  der  Anfang  der  Chronik. 
Bl.  11.  12  (S.  HO  — 113)  beginnen  mit  unseren  Ausgaben 
Abr.  344. 
Lage  7  Bl.  1  —  9  (S.  114  -131)  schliessen  Abr.  1030. 

Bl.  10  verloren;  umfasste  die  Jahre  Abr.  1031—1099. 
Bl.  11   (S.  132.  133)  Abr.  1100  —  1166. 
Bl.  12  verloren;  umfasste  die  Jahre  Abr.  1167 — 1220. 
Lage  S  (S.  134—157)  vollständig. 

Lage  9  (S.  158—181)  vollständig,  reicht  bis  Abr.  2319. 
Lage  10  (und  vielleicht  noch  weitere)  verloren. 
Damit  ist  die  Frage  endgültig  entschieden.  Wo  äusserlich  voll- 
ständige Handschriften  mit  äusserlich  unvollständigen  im  Umfang 
übereinstimmen,  ist  der  Beweis  für  ihr  Yerhältniss  als  Copien  und 
Originale  geführt.  IsG,  welche  die  gleichen  Lücken  ohne  ßlatt- 
ausfall  aufweisen,  sind  aus  E  nach  dessen  Yerstümmelung  abge- 
schrieben. Dass  in  der  Richterliste  der  Schreiber  von  N  die  vor 
Esebon  fehlenden  Namen  zugesetzt  hat,  kommt  um  so  weniger  in 
Betracht,  als  diese  mit  denselben  "Worten  in  der  Chronik  p.  HO 
Schöne  sich  findet  und  darnach  von  dem  Schreiber  ergänzt  werden 
konnten. 

Für  die  Textkritik  der  eusebischen  Chronik  ergiebt  sich  daraus, 
dass  der  ganze  Apparat  —  NGEAZ  bei  Petermann  —  wird  entbehrt 
werden  können,  wenn  die  Mutterhandschrift,  unsere  E^  vollständig 
und  genügend  verglichen  sein  wird.  Bedeutende  Ergebnisse  können, 
da  unser  Text  auf  zwei  von  einander  unabhängigen  Abschriften 
derselben  beruht,  allerdings  nicht  erwartet  werden.  Aber  wenn  man 
erwägt  einerseits,  dass  der  armenische  Text  uns  zur  Zeit  nur  vor- 
hegt in  dem  recht  unzuverlässigen  Avgerschen  Druck,  andererseits,  33g 
dass  die  Bücher  des  Eusebius  zu  den  wichtigsten  Denkmälern  der 


596  1^16  armenischen  Handschriften  der  Chronik  des  Eusebius. 

späteren  klassischen  Litteratur  gehören  und  namentlich  die  authen- 
tische Feststellung  der  armenischen  Jahreszahlen,  in  welchen  die 
Handschrift  an  zahlreichen  Stellen  von  der  Ausgabe  abweicht,  von 
Werth  ist,  so  erscheint  der  Wunsch  gerechtfertigt,  dass  eine  neue 
Ausgabe  des  armenischen  Textes  mit  entsprechender  Uebersetzung 
in  Angriff  genommen  werden  möge.  Die  Handschrift  ist  so  schön 
und  deutlich  geschrieben,  dass  die  Arbeit  verhältnissmässig  leicht 
ist.     Diesen  Wunsch  zu  begründen  war  der  Zweck  dieser  Zeilen.*) 


*)  [Vgl.  E.  Schwartz,  Eusebios  in  Pauly-Wissowas  RE.  Bd.  VI  Sp.  1376: 
,üer  dort  (näml.  in  obiger  Abhandlung)  ausgesprochene  Wunsch,  den  Text  nach 
dieser  Hs.  neu  herauszugeben,  ist  bis  jetzt  nicht  erfüllt."] 


LXVI. 
Die  älteste  Handschrift  der  Chronik  des  Hieronymus.*) 

Die  älteste  aller  auf  uns  gekommenen  Handschriften  der  Chronik  393 
des  Hieronymus  befindet  sich  in  Oxford  in  der  Bodleiana  unter  den 
lateinischen  Handschriften  aud.  T  II  6.**)  Sie  gehört  zu  den  Claro- 
montani  und  ist  in  dem  Pariser  Katalog  derselben  vom  J.  1764  unter 
Nr.  638  verzeichnet  als  codex  memhr.  in  quarto  foll.  196  saec.  VIII 
exaratus  praeter  quaterniones  tres  priores  saec.  XVI  descriptos,  non 
compactus  et  mutilus;  ungefähr  mit  denselben  Worten  in  dem  Meer- 
mannschen  Katalog  als  Nr.  771 .  An  der  Identität  kann  um  so  weniger 
gezweifelt  werden,  als  die  im  Katalog  angegebene  Blätterzahl ^  wie 
überhaupt  in  den  Claromontani  so  auch  in  diesem  auf  dem  Vorsatz- 
blatt gleichfalls  verzeichnet  ist.  Wie  manche  anderen  Stücke  dieser 
unschätzbaren  Sammlung  ist  sie  nicht  an  Sir  Thomas  Philipps  gelangt, 
sondern  im  Jahr  1824  aus  der  Meermannschen  Bibliothek  um  den 
(vorn  in  der  Handschrift  angemerkten)  Preis  von  131  Gulden  in  die 
Oxforder  übergegangen.  Da  ein  genügender  Katalog  dieser  Ab- 
theilung noch  nicht  vorhanden  ist,***)  ist  sie  bis  jetzt  unbeachtet  ge- 

*)  [Hermes  24,  1889,  S.  393 — 401.  Die  Handschrift  wird  in  der  neuen,  von 
R.  Helm  vorbereiteten  Ausgabe  der  Chronik  verwertet  werden.  Von  Helm 
stammen  die  in  den  folgenden  Anmerkungen  mit  H.  signierten  Angaben;  auch 
einige  Druckfehler  sind  nach  seinen  Mitteilungen  stillschweigend  verbessert 
worden.] 

**)  fCod.  Oxon.  Bodleian.  Auct.  T.  2.26.  Vgl.  Madan,  A  summary  cata- 
logue  of  Western  Manuscripts  in  the  Bodleian  library  at  Oxford  vol.  IV,  Oxf. 
1897,  S.  441  nr.  20632.  Die  Hs.  ist  im  Facsimile  herausgegeben:  The  Bodleian 
Manuscript  of  Jeromes  Version  of  the  Chronicle  of  Eusebius  reproduced  .  .  .  .  by 
J.  Knight  Fotheringham,  Oxf.  1905;  vgl.  E.  Schwartz,  Berl.  phil.  Wochenschr. 
XXVI 1906  Sp.  744  ff.'  H.  Die  im  Text  angegebene  Signatur  beruht  nach  freund- 
licher Mitteilung  von  K  Jacobs  auf  einem  alten  Druckfehler  oder  einem  Ver- 
sehen Mommsens.] 

1)  In  Folge  der  Herausnahme  einiger  früher  angebundener  Papierblätter 
zählt  die  Handschrift  jetzt  deren  nur  178. 

***)  [Die  Lücke  ist  jetzt  durch  den  in  Anm.  **  genannten  Katalog  ausgefüllt 
worden.] 


598  Die  älteste  Handschrift  der  Chronik  des  Hieronymus. 

blieben;    ich  verdanke   die  Kunde  derselben  dem  jetzigen  Vorsteher 
der  Sammlung  Hrn.  Nicholson. 

Die  Handschrift  enthält  die  Chroniken  des  Eusebius-Hieronymus 
und  des  Marcellinus.  Aber  sie  ist  nicht  vollständig.  Die  ersten 
Lagen  sind  verloren  und  der  Hieronymus-Text  beginnt  jetzt  p.  33  Seh. 
mit  dem  als  555  Abr.  gezählten  Jahr: 

Ärgivorum        Ätheniensium 
XIII  XXVI 

XIIII  XXVII  in  Creta  regnavit  Lappis. 

Ferner  fehlt  von  dieser  Chronik  das  letzte  Blatt;  sie  schliesst  kurz 
vor  dem  Ende  p.  198  Seh.  mit  j?er  auaritiam  Maximi.  —  Die  Chronik 
394  des  Marcellinus  ist  selber  zu  Anfang  wie  am  Schluss  vollständig. 
Die  mit  dem  J.  535  beginnende  nur  aus  dieser  Handschrift  bekannte 
und  aus  ihr  von  Sirmond  herausgegebene  Portsetzung,  welche  wohl 
gleichartig  ist,  aber  meines  Erachtens  dem  Marcellinus  mit  Unrecht 
beigelegt  wird,  reicht  in  der  Handschrift  bis  zum  J.  548  und  ist  am 
Schluss  defect;  der  letzte  auf  die  in  den  Ausgaben  schliessenden 
Worte:  qui  postea  patitur  noefurnum  Totilae  superventum  Bulgarum 
suorum  proditione  folgende  unvollständige  von  Sirmond  weggelassene 
Satz  lautet: 

Verus  quoque  magisfer  militum  et  ipse  in  parte  alia  Calabriae 

infestum    sustinuit   Totilan  et  Valerianus   ab    imperatore   in 

eorum  solacia. 
Ich  verweile  hiebei  nicht,   da  ich  bei  der  Herausgabe  der  Chronik 
Marcellins  auf  diesen  Theil  der  Handschrift  zurückzukommen  haben 
werde.*) 

Die  Schrift  in  beiden  Chroniken  ist  uncial;  nach  dem  Urtheil 
des  bewährten  Kenners  E.  Maunde  Thompson  in  London  ist  der 
Hieronymus  spätestens  im  6.  Jahrhundert,  der  Marcellinus  etwas 
später,  aber  auch  gegen  das  Ende  des  6.  Jahrhunderts  geschrieben. 
Die  hie  und  da  auf  dem  Rande  des  Hieronymus  sich  findende  Schrift 
so  wie  die  gleichartige  eines  zwischen  den  beiden  Chroniken  stehenden 
Blattes,  welches  aus  der  Chronik  des  Hieronymus  ausgezogene  Com- 
putationen  und  eine  Zusammenstellung  der  Christenverfolgungen  ent- 
hält, nähert  sich  der  Cursive,  ist  aber  sicher  nicht  jünger  als  die 
Hauptschrift  und  rührt  vielleicht  von  demselben  Schreiber  her.  — 
Die  Berichtigungen,  welche  die  Handschrift  zeigt,  gehören  meistens 
dem    ersten   Schreiber    an   und    scheinen   für   den   Text  von    keiner 


*)  [S.  Chronica  minora  II,  1894,  S.  48  ff.] 


Die  älteste  Handschrift  der  Chronik  des  Hieronymus.  599 

grossen  Bedeutung  zu  sein  ^ ;  die  den  Rand  bedeckenden  zahlreichen 
Glossen  aus  später  Zeit  haben  nach  der  Angabe  des  Hrn.  Xettleship 
zum  Theil  ältere  verdrängt.  —  Die  Orthographie  der  Handschrift*) 
bestätigt  durchaus  das  Urteil  des  englischen  Paläographen  und  be-  395 
weist  wiederum,  dass  den  Autoren  auch  der  letzten  Römerzeit  die 
incorrecten  Schreibungen  der  späteren  Epoche  nicht  aufgedrängt 
werden  dürfen.  In  dem  genau  von  mir  verglichenen  Schluss  (von 
Julian  an)  habe  ich  keine  anderen  orthographischen  Irrthümer  ge- 
funden als  b  für  v  {iobianus  constant)  —  einmal  Fehler  im  h  {eustatii, 
dagegen  richtig  gegen  den  Schöneschen  Text  schola  und  darostori)  — 
einige  Male  e  für  ae  {terre  inott4S^  —  sepe,  aber  dies  berichtigt)  oder 
ae  für  e  [dogmutae)  —  i  für  ae  {niciam;  dagegen  elementum,  nicht 
elimentum  und  superiore,  nicht  superiori)  —  falsche  Gemination 
(atrabattas) ;  also  nur  diejenigen  Fehler,  welche  die  gleichzeitigen 
Steinschriften  auch  aufzeigen  und  welche  Hieronymus  allenfalls  selbst 
gemacht  haben  kann,  und  auch  diese  nur  in  geringer  Zahl.  Ver- 
wechselung von  c  und  t  dagegen  und  was  dessen  weiter  ist  begegnet 
hier  so  wenig  wie  in  den  Florentiner  Pandekten,  denen  diese  Hand- 
schrift in  jeder  Hinsicht  an  die  Seite  gestellt  werden  darf.  In  ortho- 
graphischer Hinsicht  wird  für  die  Chronik  des  Hieronymus  diese 
Handschrift,  wie  die  älteste,  so  auch  die  massgebende  sein. 

Für  den  Text  des  Hieronymus  gilt  nahezu  das  Gleiche  wie  für 
die  Orthographie ;  man  kann  die  übrigen  Handschriften  nicht  schlecht- 
hin bei  Seite  lassen,  wo  diese  (0)  vorliegt,  aber  den  erhaltenen  und 
bei  Schöne  verglichenen  gegenüber 

A  Yalenciennes  7.  Jahrh. 

B  Bern  7.  Jahrh. 

F  Leiden  Seal.  14  9.  Jahrh.,  Abschrift  einer  von  einem  gewissen 
Bonifatius  um  500  geschriebenen  Handschrift. 

M  Middlehill,  jetzt  Berlin  8.  Jahrh. 

P  Leiden  Voss.  Q.  110  9/10.  Jahrh. 

R  Rom  reg.  560  13.  Jahrh. 

1)  p.  131,  wo  die  Begiei-ungsjahre  Hyrkanos  II.  auf  XXVI  angesetzt  werden, 
ist  über  diese  Zahl  von  zweiter  Hand  gesetzt  Vo  XXXI.  Diese  Zahl  stammt 
aus  Josephus,  welcher  (nach  Nieses  freundlichen  Mittheilungen)  sie  in  den 
antiq.  sowohl  13,  10,  7  wie  auch  20,  10,  3  im  griechischen  wie  im  lateinischen 
Text  ohne  wesentliche  Abweichungen  giebt;  im  bell.  lud.  1,  2,  8  hat  zwar  die 
zuverlässige  Ueberlieferung  in  beiden  Sprachen  die  Zahl  33,  doch  giebt  der 
sogenannte  Hegesipp  auch  hier  jene.    Was  V«  bezeichnet,  weiss  ich  nicht. 

*)  [Vgl.  A.  Schöne,  Die  Weltchronik  des  Eusebius,  Berlin  1900,  S.  138  ff.] 

2)  Die  Handschrift  schreibt  den  Genitiv  der  ersten  Declination  meistens 
richtig,  aber  in  dem  zusammengesetzten  Wort  terremotus  setzt  sie  in  der  Regel 
einfaches  e. 


600  Die  älteste  Handschrift  der  Chronik  des  Hieronymus. 

gebührt  ihr  die  erste  Stelle.  Ich  habe  selbst,  wie  gesagt,  den 
Schluss  verglichen  und  über  den  Abschnitt  p.  131  — 139  Seh.  aus- 
führliche Mittheilungen  von  Hrn.  Nettleships  freundlicher  Hand  er- 
halten; was  mir  vorliegt  reicht  aus,  um  der  Handschrift  ihre  Stelle 
anzuweisen  und  verdient  vorläufige  Bekanntmachung. 

Die  chronologischen  Ansetzungen  sind  hier,  wie  in  allen  anderen 
396  Handschriften,  nach  den  Jahren  Abrahams,  den  Regierungsjahren 
und  den  Olympiaden  gemacht.  In  den  beiden  letzteren  Angaben 
weichen  die  mir  vorliegenden  Proben  vom  Druck  nicht  ab.  Die 
Jahre  Abrahams,  welche  hier  wie  in  den  Handschriften  überhaupt 
nur  von  Decennium  zu  Decennium  angegeben  werden,  stimmen  bis 
zum  J.  2320,  dem  19.  Diocletians  mit  der  Ausgabe;  aber  Abr.  2330 
steht  in  der  Handschrift  nicht  neben  dem  8.,  sondern  neben  dem 
7.  Jahre  Constantins  und  von  da  sind  diese  Jahre  sämmtlich  um 
eine  Stelle  vorgerückt,  also  das  Jahr  2379  Seh.,  das  zweite  Julians, 
n  CCCLXXX,  das  Jahr  2389,  das  neunte  des  Valens,  H  CCCXC. 
Die  Handschrift  M  stimmt  nach  ihrer  ursprünglichen  Lesung  hierin 
wesentlich  mit  0  überein.  —  In  der  Yertheilung  der  historischen 
Notizen  unter  die  einzelnen  Jahre  weicht  die  Handschrift  nach  den 
vorliegenden  Notizen  von  der  Ausgabe  nur  an  einer  Stelle  ab:  die 
Bemerkung  über  die  Hinrichtung  des  Theodosius  p,  198w  ist  nicht 
zum  elften,  sondern  zum  zwölften  Jahr  des  Yalens  gestellt.*) 

Am  nächsten  kommt  unserer  Handschrift  unter  den  oben  auf- 
geführten, wie  schon  die  Jahreszählung  ergiebt,  die  Handschrift  M; 
an  einer  Reihe  von  Stellen  haben  diese  beiden  allein  oder  fast  allein 
die  ursprüngliche  Lesung  bewahrt. 

p.  131/"  vallo  circumdans  OM,  circumdans  ABFPR  **) 

p.  133  6  gaUis  lucilius  OM,  gaius  lucius  APFR,  c.  lucius  B 

ß  uuUacilius  OM,  uulcacilius APR,  uttacilius F, uuUacius  B***) 

p.  197  v  prohus  praefectus  illyrici  OM,  illyrici  (ülirici  P,  yllirici  F) 
equitius  comes  ABPF,  prohus  praefectus  illyrici  equitius 
comes  R 
Auch  in  Fehlern  stimmen  beide  Handschriften  überein: 

p.  135e  ad  miliarium  II  ABFPR,  ad  miliarium  0,  fehlt  M 
wobei  sich  die  Oxforder  als  die  bessere  zeigt;  denn  der  Ausfall  der 
Zahl  in  0  hat  offenbar  die  Streichung  von  ad  miliarium  in  M  herbei- 
geführt.    In   gleicher  Weise   hat   die   Oxforder  Handschrift  p.  137  a; 

*)  [Vgl.  Schöne  a.  a.  0.  S.  144,  1.] 
**)  [vallo  steht  auch  in  AP  c.  N'  H.] 
***)  {uultadlius  steht  in  F  ganz  deutlich'  H.] 


Die  älteste  Handschrift  der  Chronik  des  Hieronymns.  601 

lecticis   mit  APFR  gegen   electis  M,   woraus   in  B  das  interpolirte 
electris  geworden  zu  sein  scheint. 

An  anderen  Stellen  zeigt  sich  eine  bemerkenswerte  Ueberein- 
stimmung  mit  dem  Bonifatiustext  F,  theils  in  völliger  oder  an- 
nähernder üebereinstimmung  mit  M: 

p.  133  Syriae  et  Asiae  regnuyyi  defecit  ABPB,  fehlt  in  MOF 

p.  137  (Caesar)  mens.  VII  OF,   mens.  VIII  M,   mens.  VI  ABPB 

p.  198/)  qui  (Basilius)  miäta  continentiae  et  ingenii  bona  uno  supei-  397 
biae  mdlo  perdidit  nur  vorhanden  im  Text  von  OMF 
und  am  Rande  von  P 
theils  im  Gegensatz  auch  zu  diesem: 

p.  137/)  ab  hoc  loco  Antiocheni  sua  tempora  computant  ABPRM, 
fehlt  in  OF.  Entsprechend  fehlen  in  beiden  Hand- 
schriften die  Worte  p.  159  secundiim  Antiochenos  anni 
CCCLI 

p.  139/*  Cicero  tit  qtiibusdam  placet  interficittir  in  Caietis  ABPBM, 
fehlt  in  OF*) 
Selbst   in    kleinen    Schreibfehlern    stimmen    theils    die    drei    Hand- 
schriften überein: 

p.  139e  popili  BP,  pupili  A,  pompilii  B,  popidi  OMF 
theils  die  Oxforder  und  die  des  Bonifatius: 

p.  131a:  iannaeus  BM,  ianneus  AP,  annaeus  OB,  anneiis  F 
wobei  allerdings  der  Zufall  mitgespielt  haben  kann.     Dagegen  geht 
den  Fehlem  in  F  gegenüber  regelmässig  0  mit  den  übrigen: 

p.  133^  aetatis  suae  OAPBM,  aetatis  FB 

p.  135     dionysus  OAPB,  dionisus  M,  dyonisius  F,  dionysiiis  B 

p.  137 0  apud  romanos  OAPMR,  romnnos  F,  romamis  B 
Es  zeigt  sich  hiernach  0  einerseits  mit  M  frei  von  den  in  der  Gruppe 
ABPFR  eingetretenen  Corruptelen  und  Interpolationen,  andererseits 
mit  F  frei  von  denen,  die  in  ABPRM  vorliegen,  also  durchgängig 
jeder  einzelnen  der  übrigen  sechs  Handschriften  überlegen  und  wird 
demnach  als  die  dem  ursprünglichen  Text  nächststehende  Ueber- 
iieferung  zu  gelten  haben. 

Allerdings  weist  auch  diese  Handschrift  schon  eine  Interpolation 
auf.  Wo  Hieronymus  unter  dem  ersten  Jahre  JuUans  (p.  196^^)  über 
die  Einsetzung  des  katholischen  Bischofs  von  Antiochia  Paulinus 
berichtet,  die  der  aus  Sardinien  verbannte  Bischof  Lucifer  durch- 
setzte adscitis  dnobus  aliis  confessoribus ,  stehen  die  Worte:  Gorgo- 
fiium  dicit  de  Germanicia  et  Cymatium  de  Gabala,  welche  die  Hand- 
schriften AB  am  Rande  haben,  bei  0  im  Text  mit  den  Schreibfehlern 

*)  \^Oi<xro — Caietis  steht  in  AMP  am  Rande'  H.] 


ß()2  Die  älteste  Handschrift  der  Chronik  des  Hieronyraus. 

gorgonium  und  gahata.*)  Dass  diese  Erläuterung  nicht  von  Hierony- 
mus  herrührt,  ist  ebenso  evident  wie  dass  sie  herrührt  von  einem 
über  diese  Vorgänge  wohl  unterrichteten  Zeitgenossen  ^  Aber  die 
398  Aufnahme  in  den  Text  ist  incorrect  und  stellt  sich  zu  den  Fehlern^ 
welche  gegenüber  den  sechs  übrigen  die  Oxforder  Handschrift  auf- 
weist, zum  Beispiel 

p.  133  (Philippus)  a.  II  fehlt  0.**) 

p.  135^  cahyle  A.  cdbile  PFR,  gabyle  B,  ahyle  M,  cyhele  0 
r  praebiiere]  praehere  0 

p.  137  a  capto]  captum  0 
Wo  an  sich  zulässige,  aber  einzela  stehende  Lesungen  in  0  begegnen, 
was  übrigens,   so  weit  die   mir  vorliegenden  Notizen  reichen,   nicht 
häufig  und  nicht  in  wichtigen  Stellen  der  Fall  ist: 

p.  131 Ä  expulsus  aegypto]  ex  aegypto  pulsus  0 
2)  appellari]  appellare  0 
X  fiUus]  fehlt  0 

p.  133  m;  LXII  0,  LXIII  ABRFM,  LXIIII  P 

p.  \31  ß  iulius]  fehlt  0 
wird     hienach    auch     wohl     eher    ein     singulare»    Versehen    dieses 
Schreibers   anzunehmen  sein  als  die  ausschliessliche  Bewahrung  der 
richtigen  Lesung  durch  denselben. 

Aber  ausser  den  bisher  erwähnten  Handschriften  der  Hieronymus- 
Chronik  giebt  es  noch  eine  weitere,  welche  freilich  an  Alter  und 
Genauigkeit  hinter  den  besten  der  oben  genannten  weit  zurück,  aber 
doch  selbständig  neben  ihnen  steht  und  für  die  Kritik  ebenfalls  in 
Betracht  kommt.  Es  ist  dies  die  Handschrift  des  Brittischen  Museums 
16974  aus  dem  10.  Jahrhundert^,  die  einzige,  welche  das  dem  Prosper 
beigelegte  sog.  chronicon  imperiale  und  die  Chronik  des  Marius  von 
Aventicum  uns  bewahrt  hat;***)  denn  die  zahlreichen  mit  dem  Sige- 

*)  [Diese  Angabe  hat  Mommsen  im  gleichen  Bande  des  Hermes  S.  649 
folgendermaßen  korrigiert: 

„Die  Bemerkung  Gorgonium  —  Gabala  rührt  zwar  von  dem  Schreiber  der 
Handschrift  her,  steht  aber  in  der  von  diesem  für  die  Randnoten  angewandten 
Schrift,  am  Rande  in  der  Weise,  dass  der  Schreiber  beabsichtigt  zu  haben 
scheint  sie  hinter  corruei'unt  (p.  196  e)  einzuschalten."] 

1)  Die  beiden  Männer  werden  sonst  nicht  erwähnt;  im  Allgemeinen  be- 
richtet den  Vorgang  Theodoretus  bist.  eccl.  3,  5.  Vgl.  Tillemont  mem.  ecel. 
7,  520.    [Vgl.  Schöne  a.  a.  0.  S.  177  f  ] 

*♦)  ['Philippus  fehlt  auch  in  0'  H.] 

2)  Schöne  erwähnt  sie  in  der  Vorrede  II  p.  XIV  [sowie  a.  a.  0.  S.  30  f.]- 
***)  [Genaueres  über  diese  Hs.   machte   Mommsen  bekannt    in    den  Chron. 

min.  I,  1892,  S  620.     Ihren  Wert   für  die  Kritik   des  Hieronymus  beurteilt  von 
Mommsen  abweichend  Schöne  a.  a.  O,  S.  144  f.] 


Die  älteste  Handschrift  der  Chronik  des  Hieronymus.  603 

bert  verknüpften  Handschriften  der  ersteren  Chronik  sind  allem  An- 
schein nach  aus  diesem  Codex  geflossen.  Der  Hieronymustext  dieser 
Handschrift  oder  vielmehr  der  von  ihr  abhängigen  Sigebert-Hand- 
schriften  ist  derjenige,  welchen  Scaliger  {animadv.  p.  4 f.  imd  bei 
Schöne  praef.  H  p.  XXX)  als  prioris  exempli  Codices  (PB)  bezeichnet; 
die  in  Schönes  Ausgabe  nicht  wiederholten,  aber  bei  Scaliger  ab- 
gedruckten Notizen  über  den  Petrus  Caesaraugustae  orator  unter 
Constantius  H.  und  über  den  Theodultis  preshyter  unter  Valentinian 
gehören  dieser  Recension  an.  Die  Handschrift  ist  voll  von  Fehlem 
und  wird  für  die  Fundirung  des  Textes  kaum  selbständige  Beiträge  399 
liefern;  aber  die  Plünderung  Illyricums  legt  sie,  wie  IfO,  dem 
Probus  bei  und  Scaliger  hat  auch  nicht  unterlassen  in  den  Anmer- 
kungen p.  253  zu  dem  Equitius  zu  bemerken:  ita  editioties  et  POST. 
( d.  h.  die  Handschriften  BPF  u.  s.  w.),  sed  PR  Probus,  was  allerdings 
unbeachtet  geblieben  ist.  Für  die  Verzweigung  der  Handschriften 
ist  noch  von  Wichtigkeit,  dass  die  eben  erwähnte  Notiz  über  Theo- 
dulus,  welche  dieser  Familie  eigen  ist  und  auch  von  Scaliger  (p.  259) 
bezeichnet  wird  als  nur  in  den  PR  vorhanden,  sich  auch,  aber  ver- 
stümmelt, in  der  Handschrift  31  gefunden  hat.  Also  ist  diese  aus 
einer  der  Londoner  gleichartigen  interpolirt  worden  und  es  stellt 
sich  das  Fehlen  dieser  den  hierony mischen  gleich werthigen,  aber 
dem  Hieronymus  selbst  fremden  Notiz  zu  den  Vorzügen,  welche  0 
gegenüber  31  aufweist. 

Wie  hienach  sich  herausstellt,  hat  die  Chronik  des  Hieronymus 
flüher  und  stärker,  als  wir  es  bisher  wussten,  der  Interpolation 
unterlegen;  und  diese  Zusätze  und  Aenderungen  haben  theilweise 
ein  über  die  Textkritik  hinausreichendes  Interesse.  Da  die  Notiz 
über  das  Anfangsjahr  der  antiochenischen  Aera  weder  in  dem 
griechisch-armenischen  Text  des  Eusebius  sich  vorfindet*)  noch  aus 
der  hier  von  Hieronymus  zugezogenen  lateinischen  Quelle  entnommen 
sein  kann,  so  liegt  es  auch  von  dieser  Seite  her  nahe  sie  als  eine 
sachlich  zutreffende  spätere  Interpolation  aufzufassen;  sie  kann  von 
derselben  Hand  herrühren,  die  die  Notiz  über  die  Wahl  des  Bischofs 
Paulinus  von  Antiochia  erläutert.  —  Die  Verbindung  Caietas  mit  dem 
Ende  Ciceros  mag  darauf  zurückgehen,  dass  er  nach  Senecas 
(suasor.  5,  17)  aus  Livius  entnommener  Erzählung  bei  Caieta  sich 
einschiffen  wollte.  —  Merkwürdiger  ist  die  Tilgung  des  von  Hiero- 

*)  [Dies  korrigierte  Mommsen  a.  a.  0.  so:] 

„Die  Angabe  über  den  Anfang  der  antiochenischen  Aera  fehlt  im  griechisch- 
irmeniscKen  Text  nicht,  sondern  steht  bei  dem  Armenier  nur  an  etwas  anderer 
Stelle  (p.  138  a)." 


ßQ4  Die  älteste  Handschrift  der  Chronik  des  Hieronymuy. 

nymus  über  den  Bischof  von  Caesarea  Basilius  ausgesprochenen 
Tadels;  denn  unstreitig  ist  das  scharfe  Wort  über  die  Hoffart  seines 
gefeierten  Zeitgenossen  nicht  Schreiberzusatz,  sondern  es  hat  die 
fromme  Schönfärberei  das  unbefangene  Urtheil  des  Presbyters 
getilgt.  —  Aber  vor  allem  verdient  die  Aufmerksamkeit  auch  des 
Historikers,  dass  die  von  Hieronymus  unter  dem  achten  Jahre  von 
Valentinian  und  Valens,  also  zum  J.  371  berichtete  Misswirthschaft 
des  Statthalters  von  Illyricum  —  iniquissimis  tributorum  exactionihus 
ante  provincias,  quas  fegehat,  quam  a  harbaris  vastarenücr,  erasit  in 
den  drei  Handschriften  OML*)  dem  Probus  praefectus  Illyrici,  da- 
gegen in  AB  PF  diQm  Illyrici  Equitius  comes  zur  Last  gelegt  wird, 
400  während  die  Handschrift  R  beide  Lesungen  contaminirt  aufweist^. 
Beide  Persönlichkeiten  sind  wohl  bekannt  und  Titel  und  Zeit  treffen 
für  beide  gleichmässig  zu.  Sex.  Petronius  Probus  ^  ist  der  Consul 
des  J.  371,  praefectus  praetorio  von  Illyricum,  Italien  und  Africa  in 
den  J.  368  —  375;  Equitius^,  der  Consul  des  J.  374,  hat  in  den 
J.  365— 373  das  Commando  der  illyrischen  Truppen,  zuerst  als 
blosser  comes,  dann  als  magister  equitum  peditumque  geführt.  Also 
wird  das  Missregiment  in  den  Donauprovinzen,  das  heisst  in  der 
Heimath  des  Hieronymus,  nach  der  einen  Version  dem  Civil-,  nach 
der  anderen  dem  Militärvorsteher  derselben  zur  Last  gelegt.  Eine 
dieser  beiden  Lesungen  ist  ebenso  sicher  interpolirt,  wie  es  evident 
ist,  dass  diese  Interpolation  von  einem  Zeitgenossen  herrührt  und 
der  Publication  der  Chronik  selbst  der  Zeit  nach  sehr  nahe  steht. 
Keinen  Augenblick  kann  es  zweifelhaft  sein,  dass  Hieronymus  den 
Probus  genannt  hat  und  die  Anklage  durch  den  Interpolator  von 
diesem  auf  den  Equitius  abgewälzt  worden  ist.  Denn  die  ein- 
gehende und  allem  Anschein  nach  unparteiische  Schilderung,  welche 
Ammian  von  der  Verwaltung  namentlich  der  illyrischen  Provinzen 
durch  den  in  Sirmium  residirenden  Präfecten  Probus  macht,  ent- 
spricht völlig  der  kurzen  Verurtheilung  desselben  durch  Hieronymus, 
während  gegen  Equitius,  den  Ammian  ebenfalls  häufig  erwähnt, 
nirgends    eine    ähnliche  Beschuldigung    erhoben  wird   und   derselbe 

*)  [Schöne  a.  a.  0.  S.  96  bemerkt,  daß  die  Überlieferung  in  L  so  laute :  .  .  . . 
exactionibiis  pi-ovincias  quas  regebat,  tamquani  a  harbaris  vastarentur,  evasit.] 

1)  Die  zweite  früher  Philippsische,  jetzt  Berliner  Handschrift  der  Chronik 
aus  dem  8.  Jahrhundert  n.  1872  hat  die  gewöhnliche  Lesung ,  aber  am  Rand 
probus  praefectus. 

2)  Die  Nachrichten  über  ihn  sind  zusammengestellt  bei  Seeck  in  der  Vor- 
rede zum  Symmachus  p.  XCIX  f.     [Vgl.  oben  S.  345.] 

3)  Ammian  nennt  ihn  häufig;  auch  die  Inschriften  C.  I.  L.  III,  3653.  Eph. 
epigr.  II  n.  718. 


Die  älteste  Handschrift  der  Chronik  des  Hieronymus,  605 

durchaus  als  ein  strenger,  aber  tüchtiger  Beamter  erscheint.*)  Femer 
erklärt  sich  die  Interpolation  zu  Gunsten  des  Probus  durch  die 
beispiellose  Machtstellung,  die  derselbe  einnahm  und  bis  an  sein 
Ende  behauptete  —  potuit  quoad  vixit  ingentki,  sagt  Ammian  (27, 
11,2)  und  Ausonius  {ep.  16,2;  ähnlich  Mosell.  4ü7f.)  nennt  ihn  den 
ersten  Mann  nach  den  drei  Herrschern.  Hieronymus,  der  im  Ost- 
reich schrieb,  scheute  sich  nicht  in  der  wahrscheinlich  bei  Probus 
Lebzeiten  veröffentlichten  Chronik  den  mächtigen  Mann  mit  Namen- 
nennung scharf  zu  tadeln.  Dass  die  occidentalischen  Abschreiber 
und  Buchhändler  eine  Censur  vornahmen,  ist  begreiflich;  dass  sie  401 
zu  diesem  Zweck  nach  dem  Muster  des  Prügelknaben  einen  un- 
schuldigen Beamten  dem  schuldigen  substituirten ,  allerdings  wenig 
erbaulich.**) 

Schliesslich  mag  noch  darauf  hingewiesen  werden,  dass  die  Ver- 
zweigung der  Hieronymus -Handschriften  mit  den  ihr  angehängten 
Fortsetzungen  in  deutlichem  Zusammenhang  steht.  Die  Oxforder 
Handschrift  ist  die  einzige,  welche  die  dem  Marcellinus  angehängte 
Fortsetzung  bewahrt  hat;  die  Berliner  die  einzige,  welche  den  voll- 
ständigen Idacius  enthält;  die  Londoner  die  einzige  füi-  die  deni 
Prosper  beigelegte  Kaiserchronik  und  den  Marius;  die  grosse  Masse 
der  übrigen  Handschriften,  insbesondere  der  Scaligeranus,  verknüpfen 
die  Chronik  des  Hieronymus  mit  dem  Schluss  der  Consularchronik 
Prospers.  Obwohl  Contaminirung  dieser  Recensionen  sich  früh  ein- 
gestellt hat,  sind  wir  dennoch  bei  dieser  Schrift  mehr,  als  dies  sonst 
durchgängig  der  Fall  ist,  in  der  Lage  unseren  Text  auf  verschiedene 
der  Zeit  der  Abfassung  nahe  stehende  Exemplare  zurückführen  zu 
können;  und  es  ist  nur  zu  bedauern,  dass  in  Schönes  Ausgabe  allein 
die  letzte  Kategorie  vorliegt,  von  den  drei  übrigen  die  zweite  nur 
im  Nachtrag,  die  beiden  anderen  überall  nicht  vertreten  sind.***) 

*)  [Vgl.  über  ihn  O.  Seeck  bei  Pauly-Wissowa  VI  Sp.  321f.] 
**)  [Eine  etwas  andere  Lösung  der  Frage  versucht  Schöne  a.  a.  0.  S.  98  £F. 
Gegen  Schöne  E.  Schwartz  a.  a.  0.] 

***)  [Hierzu  äußert  sich  Schöne  a.  a.  0.  S.  142  ffi] 


LXVII. 

lieber  die  Quellen  der  Chronik  des  Hieronymus.*)  ^ 

669r^  Hieronymus  selbst  giebt  in  der  Yorrede  zu  seiner  Uebersetzung 
des  zweiten  Buches  der  Chronik  des  Eusebius  ausführliche  Rechen- 
schaft von  seinem  Verfahren.  Er  sei,  sagt  er  [p.  3  Schöne],  theils 
treuer  Uebersetzer,  theils  Verfasser:  nonnuUa  quae  mihi  omissa 
videbantur  adieci,  in  Romana  maxime  hisforia  —  und  weiterhin: 
A  Nino  et  Abraham  usque  ad  Troiae  captivitatem  pura  Graeca 
translatio  est.  A  Troia  autem  usque  ad  XX.  Constantini  annum 
nunc  addita  nunc  mixta  sunt  plurima,  quae  de  Tranquillo  et  ceteris 
ülustrihus  in  historicis  curiosissime  excerpsi.  A  Constantini  autem 
supra  dicto  anno  usque  ad  consulatuni  Augg.  Valentis  VI  et  Valen- 
tiniani  II  totum  meum  est.  Jetzt,  wo  uns  in  der  armenischen  Ueber- 
setzung ein  von  allen  Interpolationen  freier  Text  des  ächten  Eusebius 
vorliegt,  können  wir  die  Prüfung  dieser  Angabe  des  Uebersetzers 
und  die  Scheidung  der  Materialien  unternehmen,  in  der  Hoffnung, 
die  unkritische  Compilation  hiedurch  für  die  jetzige  Forschung 
brauchbarer  zu  machen  2. 


*)  [Abhaudl.  der  Sachs.  Ges.  d.  Wiss.  Bd.  2,  1850,  S.  669  — 693  als  'Anhang 
zur  Abhandlung  'Über  den  Chronographen  vom  J.  354.'    Vgl.  oben  S.  536.] 

1)  Ich  erlaube  mir  diese  zunächst  um  das  Verhältniss  der  Stadtchronik  zu 
Hieronymus  [s.  0.  S.  558  f.]  festzustellen  geführte  Untersuchung  hier  gleich  bei- 
zufügen; es  kam  darauf  an,  nicht  eben  in  den  Hauptsachen  neue  Resultate  zu 
gewinnen  —  das  Verhältniss  des  Hier,  zu  Sueton  und  Eutrop  ist  ja  bekannt 
genug,  —  sondern  die  Bestandtheile  der  Compilation  zum  praktischen  Gebrauch 
übersichtlich  darzulegen. 

2)  Ich  folge  im  Allgemeinen  der  neuesten  Ausg.  von  Mai  Script,  vet.  nova 
coUectio  T.  VIII.  Romae  1833.  4.,  jedoch  mit  steter  Zuziehung  der  älteren, 
namentlich  der  Roncallischen  Ausgabe.  Mai  hat  den  Hieronymus  nicht  selten 
aus  dem  armenischen  Eusebius  corrigiert  und  manche  schon  von  Scaliger  be- 
seitigte spätere  Zusätze  wieder  in  den  Text  hineingetragen.  [Die  Zitate  sind 
in  diesem  Abdruck  nach  der  Ausgabe  von  A.  Schöne,  Berl.  1866,  revidiert 
worden.] 


üeber  die  Quellen  der  Chronik  des  Hieronymus.  607 

Es  ist  durchaus  kein  Grund  vorhanden,  die  eigenen  Angaben 
des  Hieron^Tnus  in  Zweifel  zu  ziehen.  Wenn  er  auch  in  dem  nicht- 
römischen Theil  Zusätze  von  Bedeutung  gemacht  hätte,  warum  hätte 
er  es  verschweigen  sollen?  —  Nun  aber  finden  sich  in  der  That 
dennoch  eine  ganze  Reihe  nichtrömischer  Notizen  bei  Hieronymus, 
die  bei  dem  Armenier  fehlen;  es  fragt  sich,  ob  diese  dem  ächten 
Eusebius  gehören  und  von  dem  Armenier  weggelassen  oder  eigne  670 
Arbeit  des  Hieronymus  sind.  Einen  Theil  derselben  erkennt  man 
leicht  als  dessen  Werk;  es  sind  kurze  und  werthlose  Zusätze,  wie 
sie  jeder  mit  der  heidnischen  und  christlichen  Ueberlieferung  einiger- 
massen  Yertraute  mit  Leichtigkeit  machen  konnte.  Die  wichtigeren 
darunter,  die  selbstständig  Facta  berichten,  stammen  dagegen  wohl 
ohne  Zweifel  aus  Eusebius  her.  Denn  einmal  finden  sich  diese  auch 
schon  in  grosser  Anzahl  in  den  vorti-ojanischen  Zeiten,  wo  doch 
Hieronymus  eine  pura  translatio  zu  geben  versichert:  andemtheils 
kehren  die  meisten  derselben  wieder  in  den  o7iooddi]v  überschriebenen 
fast  ganz  mit  Eusebius  Kanon  übereinstimmenden  Kapiteln  des  Syn- 
cellus^.  Ueberdies  sind  sie  den  eusebischen  Notizen  ganz  gleichartig 
und  deuten  jedesfalls  auf  griechischen  Ursprung;  römische  Notizen 
sind  nur  sparsam  darunter,  ähnlich  wie  bei  Eusebius  selbst.  Es  ist 
also  anzunehmen,  dass  der  armenische  Uebersetzer  in  den  Zeiten 
vor  Christi  Geburt  sein  Original  stark,  aber  planlos  verkürzt  hat;*) 
in  den  Zeiten  nach  Christus  hat  er  wenig  oder  nichts  weggelassen, 
indem  alles,  was  Hieronymus  hier  vor  dem  annenischen  Text  voraus 
hat,  nachweislich  von  ihm  selber  zugesetzt  ist.  Wir  geben  in  Beil.  A. 
ein  Verzeichniss  der  in  dem  armenischen  Eusebius  fehlenden  und 
sonst  auf  keine  bestimmte  Quelle  zurückzuführenden  Noten  des 
Hieronymus  mit  Verweisung  auf  Syncellus. 

Gehen  wir  über  zu  dem  eigentlichen  Gegenstand  unsrer  Unter- 
suchung, der  Ermittelung  der  römischen  Quellen,  welche  Hieronymus 
in  den  vollständigen  Eusebius  einrückte.  Zunächst  finden  wir  in 
<ler    Regum    series   et    qtianto    qnisqtie    tempore   regnaverit    vor    dem 

1)  Syncellus  scheint  indess  nicht  den  Eusebius,  sondern  vielmehr  dessen 
<!uelle ,  den  Africanus  ausgeschrieben  zu  haben ,  den  er  auch  p.  283  und  489 
Itonc.  dafür  citirt.  Von  da  an,  yfo  dieser  aufhört  (mit  Heliogaballus),  hört  auch 
die  Aehnlichkeit  auf  zwischen  Eusebius  und  Syncellus.  Indess  ist  dies  im 
Besultat  für  uns  gleichgültig;  denn  dass  Hieronymus  neben  dem  Easebios  den 
Africanus  benutzt,  ist  durchaus  unwahrscheinlich. 

*)  [Das  Verhältnis  der  armenischen  Übersetzung  und  derjenigen  des  Hiero- 
n;mius  zu  Eusebius  wird  jetzt  anders  beurteilt  von  A.  Schöne,  Die  Weltchronik 
dos  Eusebius,  Berlin  1900,  S.  256 ff.;  vgl,  auch  E.  Schwartz  in  Pauly-Wissowas 
ß  E.  VI  (1907)  Sp.  1380f.] 


608  Ueber  die  Quellen  der  Chronik  des  Hierouymus. 

Kanon,*)  die  überhaupt  bedeutenfl  von  der  eusebischen  abweicht, 
in  den  römischen  Abschnitten  manche  Zusätze  zum  Eusebius,  deren 
Quellen  bei  diesen  nackten  Namenreihen  weder  leicht  zu  ermitteln 
noch  von  grosser  Bedeutung  sind.     Hieronymus  nennt 

1.  die  Könige  von   Aeneas,    mit  Angabe  ihrer   Regierungszeit 
671  im   Ganzen,    die    bei  Eusebius  fehlen.      Dieses  Register  kehrt  im 

Kanon  genau  ebenso  wieder,  und  werden  wir  dort  über  dessen  Her- 
kunft sprechen. 

2.  Die  Könige  von  Aeneas  bis  Tarquinius  Superbus,  aus  Eusebius. 
Die  Summe:  hi  regnaverunt  simul  CCXL,  welche  dieser  nicht  hat, 
beruht  auf  Addirung  der  einzelnen  Angaben. 

3.  Romae  post  exactos  reges  consules  hini  creati  et  in  maxima 
urbis  calamitate  quandoque  etiam  creabantur  didatores;  worauf  ein 
Verzeichniss  einzelner  bekannterer  Consuln  und  Dictatoren  folgt. 
Genau  ist  nicht  zu  ersehen,  woraus  dies  Register  entnommen  ist; 
Scaligers  Meinung  (im  Comm.  p.  9.  10),  dass  dies  ein  Rest  der  von 
Eusebius  und  Hieronymus  ursprünglich  beigesetzten  Consularfasten 
sei,  ist  von  Yallars  im  Comm.  p.  34.  79  mit  Recht  verworfen  worden; 
auf  Eutrop  passen  nicht  alle  Namen.  Yielleicht  war  der  Abschnitt 
nomina  diciatorum,  den  wir  in  der  Stadtchronik  finden,  die  Quelle 
oder  wenigstens  die  Veranlassung  dieses  Artikels;  wir  werden  unten 
sehen,  dass  dieselbe  zu  Hieronymus  Quellen  gehörte  und  ihm  wohl 
in  etwas  besserer  Gestalt  vorlag,  als  wir  sie  kennen. 

4.  Imperatores  Romanorum,  ein  Verzeichniss  der  Kaiser  mit 
Angabe  der  Regierungsdauer,  dem  Hieronymus  im  Kanon  selber  aufs 
Genaueste  folgt  und  an  fünf  Orten  von  den  Angaben  "des  Eusebius 
im  Kanon  abweicht,  um  sich  diesem  Verzeichniss  anzuschliessen : 

Arm.  Euseb.  Hieron.  im  Kanon  und  im  Verz. 
Caesar                            a.      v.  a.     iv  m.  vii. 

Nero  a.  xin  m.  vn.  a.  xni  m.  vn  d.  xxvin. 

Domitian  a.  xvi.  a.    xv  m.  v. 

M.  Aurel.  u.  L.  Verus     a.  xix.  a.  xix  m.     i.  **) 

Pertinax  a.       i.  m.  vi. 

Hieronymus  muss  also  noch  ein  andres  Kaiserverzeichniss  vor 
sich  gehabt  haben  als  das  im  Kanon  enthaltene.  Dass  er  aber  auch 
dies  Verzeichniss  bei  Eusebius  fand,  bezeugt  Syncellus  p.  669  Bonn., 

*)  [Nacb  Schöne ,  Weltchronik  S.  259,  1  ist  die  vor  dem  Kanon  stehende 
lateinische  series  regum  nur  ein  Auszug  aus  der  Hieronymus -Chronik.] 

**)  [Nach  dem  Druck  dieser  lateinischen  series  regum  bei  Schöne,  Eusebi 
chronicorum  liber  prior,  Berl.  1876,  appendix  I B,  S.  36,  im  Verzeichnis  19  Jahre, 
ohne  Monatsangabe.] 


Ueber  die  Quellen  der  Chronik  des  Hieronymus.  609 

von  Pertinax:  ßaodevoag  xatd  jusv  Evoißiov  fifjvag  e^.  —  Hiezu 
kommt  eine  andre  ähnliche  Erscheinung.  Yon  Claudius  sagt  Hier.: 
moritur  in  Palafio ,  von  Trajan :  in  Selenunti  perit,  von  Caracalla : 
interficitur  inter  JEdessam  et  Carras,  von  Claudius:  Sirmii  moritur, 
von  Quintillus:  Aquileiae  occiditur  —  lauter  Angaben,  die  er  weder 
bei  Eusebius  im  Kanon,  noch  bei  Eutrop  fand.  Dass  seine  Quelle 
wiederum  Eusebius  war,  sagt  uns  abermals  Syncellus,  der  p.  657 
von  Trajan  sagt,  dass  er  xar  Evoeßiov  iv  ZeXivovvri  starb.  Dies 
erklärt  sich  dadurch,  dass  Hieronymus  in  einem  andern  Theile  des 
eusebischen  "Werkes  einen  Kaiserkatalog  fand,  der  die  Regierungs-  672 
jähre,  und  einen  zweiten,  der  die  Todesorte  und  Todesarten  ver- 
zeichnete. Letzterer  findet  sich  noch  im  armenischen  Text  vor  dem 
Kanon  p.  36  Aucher  [app.  I  A,  S.  17  f.  Schöne],  und  so  weit  er  geht 
(die  Handschrift  bricht  ab  mit  Pupienus  und  Balbinus)  enthält  er 
alle  Angaben  des  Hieronymus  wörtlich.  Der  erste  Katalog,  der  die 
Regierungsjahre  verzeichnete,  wird  am  Schluss  des  ersten  Theils 
von  Eusebius  verheissen;  die  Lücke  der  Handschrift  hat  ihn  uns 
entzogen.  Sonach  ist  unter  den  Quellen  des  Hieronymus  dieses 
doppelte  bei  Eusebius,  aber  ausser  dem  Kanon  stehende  Kaiser- 
verzeichniss  mit  aufzuführen.*) 

Wir  kommen  zu  der  Chronik  selbst  Schon  Scaliger  und  viele 
Andere  haben,  noch  ehe  der  armenische  Eusebius  bekannt  war,  es 
bemerkt,  dass  das  Breviarium  des  Eutropius  von  Gründung  der 
Stadt  bis  zu  Diocletians  Tod,  von  wo  er  dasselbe  weniger  stark 
benutzt  hat,  die  vorzüglichste  historische  Quelle  des  Hieronymus  ist, 
aus  der  er  den  Eusebius  ergänzt.  Jetzt  wo  wir  den  echten  Eusebius 
besitzen,  kann  man  namentlich  für  die  Kaiserzeit,  wo  die  Einfügung 
der  historischen  Notizen  in  das  chronologische  Gebäude  leichter 
war,  die  Chronik  des  Hieronymus  als  eine  Yerschmelzung  des  Eusebius 
und  Eutrop  bezeichnen.  Es  muss  einer  künftigen  kritischen  Aus- 
gabe des  Hieronymus  überlassen  bleiben,  an  jeder  Stelle  die  Ent- 
lehnung aus  Eutrop  hervorzuheben;**)  hier  genügen  wenige  Beispiele, 
um  zu  zeigen,  wie  Hieronymus  das  Breviar  selbst  mit  theilweisen 
Missverständnissen  ausgeschrieben  hat.  So  heisst  es  in  der  Chronik 
beim  J.  43  vom  Kaiser  Claudius :  Iste  -  est  Claudius  patruus  Drusi, 
qui  apud  Mogmitiacum  monumentum  habet ;  was  sinnlos  abgeschrieben 
i^t  aus  Eutrop.  YH,  13:  Post  hunc  Claudius  fuit,  patruus  Caligulae, 

*)  [Eine  abweichende  Auffassung  von  der  armenischen  series  regum  sacht 
Schöne,  Weltchronik  S.  259  ff.  zu  begründen.] 

**)  [Dies  ist  in  der  Schöneschen  Ausgabe  geschehen.  —  Die  Benutzung 
Eutrops  durch  Hieronjrmus  leugnet  F.  Rühl,  Litt.  Centralbl.  1892  Sp.  5.] 

MOMMSES,   SCHK.  VII.  39 


QIQ  Ueber  die  Quellen  der  Chronik  des  Hieronymus. 

Drusi  qui  apud  Maguntiacum  monumentum  habet  filius,  indem 
Hieronymus  verband  patruus  Caligulae  Drusi.  —  Ebenso  sinnlos  ist 
in  der  Note  beim  J.  67  des  Hier.:  duae  tantum  provinciae  sub  Nerone 
factae  Pontus  cet.  das  tantum;  es  rührt  her  aus  Eutrop.  VH,  14: 
duae  tarnen  pr.  sub  eo  f.  sunt  Pontus  cet.,  mit  Verwechselung  von 
tarnen  und  tantum.  —  Bei  Eutrop.  YH,  15:  a  senatu  hostis  iudicatus 
cum  quaereretur  ad  poenam  hat  Hieronymus  a  senatu  falsch  bezogen 
und  geschrieben:  cum  a  senatu  quaereretur  ad  poenam.  —  Eutrop. 
YII,  19:  Achaiam  Lyciam  Rhodum  Bymntium  Samum,  quae  liberae 
ante  hoc  tempus  ftierant,  item  Thraciam  CiUciam  Commagenen,  quae 
sub  regibus  amieis  egerant,  in  provinciarum  formam  redegit  —  hat 
Hieronymus  so  zusammengezogen:  A.  L.  Rh.  B.  S.  Thr.  C.  Com- 
673  magene,  quae  liberae  antea  et  (!)  sub  regibus  amicis  erant,  in  provincias 
redactae.  —  Eutrop.  YHI,  17:  Victus  est  a  Severo  apud  Mulvium 
pontem,  interfectus  in  Palatio;  Hier.:  quem  postea  Severus  apud 
Mulvium  pmitem  interfecit.  —  Die  Stelle  über  die  späteren  Schick- 
sale des  Tetricus  und  der  Zenobia  Eutrop.  X,  13  scheint  Hieronymus 
gleichfalls  missverstanden  zu  haben,  indem  er  diutissime  vixit  Zenobia 
verband.  Selbst  dass  Hieronymus  mit  dem  Regierungsantritt  der 
Kaiser  schliesst,  unter  denen  er  schrieb,  und  die  Wendung  praef. 
p.  7  [3  Seh.]:  reliquum  temporis  Gratiani  et  Theodosii  latioris  historiae 
stilo  reservavi,  ist  offenbar  dem  Eutrop  entlehnt,  der  also  schliesst: 
reliqua  stilo  maiore  dicenda  sunt,  quae  nunc  non  tarn  praetermittimus, 
quam  ad  maiorem  scribendi .  diligentiam  reservamus.  —  An  diesen 
Beispielen  wird  es  genügen;  sie  zeigen  zugleich,  mit  welcher  wört- 
lichen Treue  Hieronymus  seiner  Quelle  folgte.  Es  ergiebt  sich 
hieraus,  dass  für  uns,  die  wir  den  Eutrop  noch  besitzen,  alle  diese 
Auszüge  und  namentlich  auch  die  chronologischen  Epochen,  unter 
welche  Hieronymus  sie  eingestellt  hat,  ohne  historischen  Werth  sind 
und  Hieronymus  hier  eigentlich  gar  nicht  angeführt  werden  darf.  — 
An  einigen  wenigen  Stellen  scheint  Hieronymus  neben  dem  Eutrop 
das  fast  gleichzeitige  grösstentheils  aus  Eutrop  entlehnte  Breviarium 
Sex.  Ruß  gebraucht  zu  haben,  s.  zu  den  J.  250.  267.  275.*) 

Ein  wichtiger  Theil  der  Zusätze  des  Hieronymus  betrifft  die 
römische  Litterargeschichte.  .Dieselben  sind  kürzlich  von  Karl  Fried- 
rich Hermann  (de  scriptoribus  illustribus  quorum  tempora  Hieronymus 
ad  Eusebii  chronica  annotavit,  Göttinger  Programm  1 848)  übersicht- 
lich zusammengestellt ;  ich  werde  die  Nummern  dieser  Excerpte  den 
Olympiadenjahren  beifügen.  —  Die  Hauptquelle  des  Hieronymus  ist 
bekanntlich  Sueton,  den  er  in  der  Yorrede  allein  unter  seinen  Quellen 

*)  [S.  jedoch  unten  die  Beilage  A  zu  den  Jahren  250.  267.] 


üeber  die  Quellen  der  Chronik  des  Hieronymus.  61t 

mit  Namen  nemit,  und  zwar  dessen  Schrift  de  viris  ülustribus  (vgl. 
besonders  Ritschi  parerga  Plaut.  I.  p.  609  ff.) ;  so  sehr  ist  dies  seine 
Hauptquelle,  dass  seine  Notizen  da  aufhören,  wo  Sueton  schliesst, 
mit  Quintilian  und  dem  älteren  PUnius'^.  Von  dieser  Schrift  ist  ein 
Abschnitt  {de  iüustribus  grammaticis)  vollständig,  von  einem  zweiten 
{de  iUustribus  rhetoribus)  wenigstens  das  Inhaltsverzeichniss  und  der  674 
Anfang  auf  uns  gekommen;  zwei  andre  Abschnitte  de  oratoribus 
und  de  poetis  werden  von  Pontanus  in  einer  Notiz  über  den  durch 
Sicco  Polentone  angeblich  vernichteten  Codex  (Ritschi  a.  a.  O.  S.  612)*) 
genannt  und  verschiedene  vitae  sind  daraus  einzeln  auf  uns  gekommen. 
Die  Yergleichung  des  Erhaltenen  mit  Hieronymus  Angaben  zeigt 
mit  Evidenz,  dass  die  letzteren  Excerpte,  wenn  gleich  noch  so 
kümmerliche,  aus  Sueton  sind,  und  dass  Hieronymus  nichts  Wesent- 
liches zugesetzt 2,  aber  freihch  sehr  vieles  weggelassen  hat,  z.  B. 
alle  Grammatiker  vor  Yerrius  Flaccus,  alle  Redner  vor  Cicero,  alle 
Historiker  vor  Sallust.**)  Man  sieht,  dass  man  in  Hieronymus  Zeit 
von  den  Schriftstellern  der  republicanischen  Zeit  höchstens  noch  die 
Poeten  las,  aber  nicht  mehr  die  Prosaisten.  Die  Yergleichung  der 
erhaltenen  Abschnitte  mit  Hieronymus  Auszügen  beweist,  dass 
Hieronymus  bei  jedem  Namen  die  Kategorie,  imter  die  Sueton  ihn 
eingetragen,  zu  wiederholen  pflegte:  aus  den  stehenden  Epitheten 
des  Hieronymus  können  wir  also  zurückschliessen  auf  die  Abschnitte 
und  Eintheilung  der  suetonischen  Schrift.  Es  schien  zweckmässig 
von  den  uns  bei  Hieronymus  erhaltenen  suetonischen  Notizen  nach 
diesen  Kategorien  eine  Uebersicht  zu  geben,  bis  einmal  ein  künftiger 
Herausgeber  des  Sueton  diesen  Fragmenten  den  gebührenden  Platz 
einräumt.***)  Die  vier  Abschnitte  der  grammatid  rhetores  oratores 
historici  stehen  imzweifelhaft  fest;  von  den  Dichtem  ist  es  zweifel- 
haft, ob  sie  in  einer  Abtheilung  zusammenstanden  oder  ob,  wie  ich 
eher  glaube,  die  poetae,  d.  h.  die  Epiker,  Satiriker  und  Lyriker  von 


1)  Die  drei  letzten  Paragraphen  bei  Hermann  verdienen  ihren  Platz  nicht; 
sie  gehören  zu  den  Auszügen  aus  Eutrop.  Vgl.  Salvius  lulianus  (§.  98,  Ol.  227J) 
rdt  Eutrop.YIII,  17;  Fronto  (§.  99,  Ol.  235,|)  mit  Eutrop.  Vm,  12;  ülpianus 
(§.  100,  Ol.  251,i)  mit  Eutrop.  Till,  23. 

*)  [Die  Angabe  des  Pontanus  ist  erfunden:  s.  A.  ReifFierscheid,  Snetoni  reli- 
quiae,  Leipz.  1860,  S.  363  f.] 

2)  Eine  triviale  synonymische  Bemerkung  ist  bei  dem  Grammatiker  Palaemon 
zugefügt;  auch  bei  Plinius  finden  sich  irrige  Zusätze. 

**)  [Mit  Reifierscheid  S.  406  wird  jetzt  angenommen,  daß  Sueton  die  ält«ren 
Redner  und  Historiker  nicht  genauer  behandelt  habe;  doch  ist  diese  Annahme 
Dllbeweisbar.] 

***)  [Das  ist  inzwischen  von  A.  Reifierscheid  geschehen.] 


ßj2  Ueber  die  Quellen  der  Chronik  des  Hieronymus. 

den  Dramatikern,  den  comoediarum  tragoediarum  mimorum  scriptores, 
getrennt  waren  ^.*)  In  Ermangelung  einer  passenderen  Rubrik  ward 
Varro  unter  den  Dichtern  als  philosophus  et  poeta  mit  aufgeführt. 

675  I.    de  illustrihus  grammaticis. 

C.  lulius  Hyginus       grammaticus  (§.  63,  Ol.  192,4  oder  193, 1)  =  Suet.  c.  20. 

Melissus  grammaticus  (§.  66,  Ol.  194,  ^)  =  Suet.   c.  21. 

Verrius  Flaccus  grammaticus  (§.69,01.196,4)  =  Suet.  c.  17. 

Palaemon  grammaticus  (§.85,01.206,4)  =  Suet.  c.  23. 

Die  differentia  zwischen  stilla  und  gutta  ist  Zusatz  des  Hier.;  sie 
findet  sich  ebenso,  doch  ohne  den  Namen  des  Palaemon  bei  [Ps.-I 
Frmto  de  diff.  p.  1332,  50  [GL  VII  527].  Isidor  orig.  XIII,  20.  In 
den  differentiae  sermonum,  die  unter  Palaemons  Namen  noch  vor- 
handen sind,  wird  zwischen  gutta  und  stilla  anders  distinguiert 
(ßitschl  1.  c.  p.  626.    Hermann  §.  85  not.  [Reifferscheid  S.  292]). 

Probus  grammaticus  (§.86,01.208,4)  =  Suet.   c.  24. 

II.    de  claris  rhetorihus. 

Plotius  Gallus  primus  Romae  Lat.  (§.  18,  Ol.  173,  i)  =  Suet.  c.  2. 

rhetor.  docuit 

Vultacilius  Plotus      Latinus  rhetor.        (§.20,01.174,4)  =  Suet.   c.  3. 

Hieronymus  hat  den  Namen  verdorben**)  {L.  Otacilius  Pilutus  heisst 
er  bei  Sueton)  und  ihn  fälschlich  zum  Freigelassenen  des  grossen 
Pompejus  gemacht  (manumissus  —  Cn.  Pompeium  magnum  docuit 
Suet.). 

Cestius  Latinus  rhetor.       (§.60,01.191,4)  =Suet.ind.6. 

Albucius  Silo  rhetor.        (§.  64,  Ol.  193,|)  =  Suet.    c.  6. 

[vielmehr:  Silus] 

M.  Porcius  Latro        Latinus  declaraator  (§.  67,  Ol.  194,^)  =  Suet.ind.7. 

Claudius  Quirinalis  rhetor.        (§.  82,  Ol.  205,4  oder  206, 1)  =  Suet.ind.l2. 

M.Antonius  Liberalis  Latinus  rhetor.        (§.  84,  Ol.  206,4  oder  207, 1)  =  Suet.  ind.  13. 

Statius  Ursulus  rhetor.        (§.  87,  OL  209,  i)  =  Suet.ind.  11. 

Gabinianus  rhetor.        (§.95,01.213,4)  =  Suet.  ind.  14. 

Quintilianus  (§.  96,  Ol.  216,4  oder  217, 1)  ==  Suet.  ind.  15. 

Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  Sueton  diesem  Yerzeichniss 
der  öffentlichen  Lehrer  der  lateinischen  Rhetorik  in  Rom  anhangs- 
weise eine  Notiz  über  die  römischen  Professoren  der  griechischen 
Rhetorik  beigegeben  hat.     Daraus  scheint  entlehnt  [S.  80  Reiff.]: 

1)  Vgl.  auch  Hieronymus  ep.  CXII  p.  738  Vallars.:  legisti  mim  et  Graecos 
et  Latinos,  qui  vitas  virorum  illustrium  descripserunt,  quod  nunquam  epitaphium 
titulum  indiderint,  sed  de  illustrihus  viris,  verhi  gratia  ducihits  philosophis  oratoribus 
historicis  poetis  epicis  tragids  eomicis.  Gewiss  dachte  er  bei  den  letzten  Titeln 
an  seinen  Sueton.  Diese  Theilung  der  poetischen  Werke  geht  auf  die  alexandri- 
nischen  Bibliothekare  zurück.  Tzetzes  im  rhein.  Mus.  N.  F.  VI  S.  117. 
*)  [S.  dagegen  Reifferscheid  S.  380.] 
**)  [Vgl.  M.  Hertz  im  Rhein.  Mus.  43,  1888,  S.  312.1 


Ueber  die  Quellen  der  Chronik  des  Hieronymus. 


613 


Nicetas  et   Hybreas  et  Theodorus   et  Plutio  nobilissimi  artis  rhetoricae 
Graeci  praeceptores  habentur  (§.  48,  Ol.  187,  |) 

und  eine  andere  Spur  davon,  auf  die  O.  Jahn  mich  aufmerksam 
macht,  und  die  um  so  wichtiger  ist,  als  sie  den  Sueton  namentlich 
citirt,  findet  sich  Schol.  luv.  3,  74  (aus  dem  Probus  des  Yalla): 
Isaeus  rhetor  fnit  Atheniensis  illius  temporis:  cuius  et  Tranquillus 
meminit  [S.  80  Reiff.].  —  Die  summarische  Weise,  in  der  vier  der 
bedeutendsten  griechischen  Rhetoren  in  einen  Satz  zusammengedrängt 
werden,  scheint  dafür  zu  sprechen,  dass  Sueton  diese  Nachrichten 
nur  anhangsweise*)  mitgetheilt  hat.  —  Die  Angabe  über  Apollo- 
dorus  von  Pergamus  könnte  man  auch  hieher  ziehen;  doch  scheint  676 
sie  eher  aus  dem  Leben  des  Redners  M.  CaHdius  entnommen  (s.  das.). 


ni.    de  oratorihus. 
Cicero  (§.  12,  Ol.  168,3;  §.  23,  Ol.  174,4  od.  175,1; 

§.  24,  Ol.  175, 1 ;  §.  30,  Ol.  180, 1 ;  §.  41,  Ol. 
184,4  od.  185,1.  Hiezu  füge  ich  noch  die 
bei  Hieronyraus  nach  §  12  folgenden 
Worte :  Cn.  Pompeitis  Magnus  oriUir,  deren 
Quelle  sonst  nicht  nachweisbar  ist;  wahr- 
scheinlich bemerkte  Sueton,  dass  Cicero 
in  demselben  Jahre  mit  Pompejus  geboren 
sei.  —  Femer  §.65,  Ol.  193,4:  M.  Tuüius 
Tiro  Ciceronis  libertus  qui  primus  notas 
commentus  est,  in  Puteolano  praedio  usqiie 
ad  C  annum  consenescit;  was  unter  keine 
der  fünf  Rubriken  passt,  aber  sehr  wohl 
am  Schluss  der  vita  Oieeronis  gestanden 
haben  kann.) 
(§.  32,  0.  180,1;  §.  52,  Ol.  188,1;  §.  71^  Ol. 

197,f-). 

(§.34,   Ol.  180,4.)    Aus   dessen  vita  wohl 

auch  §.  29  (Ol.  179,2.):  ÄpoUodorus  Perga- 

menus    (rraectis   orator   praeceptor   Calidii 

et  Äugusti  clarus  habetur. 

(§.36,  01.181,4  oder  182,1.) 

(§.45,  01.186,1.) 

(§.53,  Ol.  188,4  oder  189,1.) 

(§.  56,  Ol.  189,4  oder  190,1.) 

(§.  62,  Ol.  192,1.) 

(§.68.  Ol.  195,4  oder  196,1.) 

(§.  73,  Ol.  198,2.) 

(§.77,  01.200,4  oder  201,1.) 

(§.78,  Ol.  201,  |.) 

(§.79,  01.202,4  oder  203,2.) 

(§.81,01.204,2.)     Ein   Auszug    der    sue- 

")  [Vielmehr  wohl  in  der  Einleitung:  s.  Reifferscheid  S.  405.] 


Messalla  Corvinus 

orator 

M.  Calidius 

orator 

Ciuio 

orator 

Furnii 

oratores 

Munatius  Plancus 

orator 

Atratinus 

orator 

Passienus  pater 

declamator 

Asinius  Pollio 

orator 

C.  Asinius  Gallus 

orator 

Q.  Haterius 

orator 

Votienus  Montanus 

orator 

Cas.sius  Severus 

orator 

Passienus  filius 

614 


Ueber  die  Quellen  der  Chronik  des  Hieronymus. 


Domitius  Afer 


orator 


tonischen  Biographie  ist  erhalten  [Schol. 
luv.  4,  81   (s.  daselbst   0.  Jahn) ,   in  dem 
sich  die  Angabe  des  Hieronymus  wieder- 
findet. 
(§.83,  01.205,4  oder  206,1.) 


Die  unmittelbar  auf  das  Excerpt  über  Q.  Haterius  folgende  Angabe: 

Saevius  Plautus  corrupti  filii  reus  semet  in  iudicio  interficit  (01.200,4.) 
scheint  in  der  Biographie  irgend  eines  Redners  bei  Sueton  gelegent- 
lich vorgekommen  zu  sein.*) 

677  IV.    de  poetis. 

(§.  1,  Ol.  134,4  oder  135,2;  §.  6,  Ol.  153,;i.) 

(§.2,  Ol.  144,  f.) 

(§.3,  Ol.  145,  f) 

(§.  4,  Ol.  148,  i) 

(§.  5,  Ol.  150,2.) 

(§.  7,  Ol.  155,  |.).    Stimmt  mit  der  suetoni- 

schen  vita  Terentii. 

(§.  8,  Ol.  156, |.) 

(§.  9,  Ol.  158,i;  §.  14,  Ol.  169, |.) 

(§.  10,  Ol.  160, |.) 

(§.  11,  Ol.  166,1;  §.50,  01.188,1  oderjl89,l.) 


(§.  13,  Ol.  169,2.) 
(§.15,  01.169,3  oder  170,2.) 
(§.  16,  Ol.  171,2.) 
(§.17,  01.172,1.) 

(§.  19,  Ol.  173,1;  §.  33,  Ol.  180,4  od.  181,1.) 
(§.21,  01.174,3.) 

(§.26,  01.177,3;   §.  31,   Ol.  180,  |;   §.  35, 
Ol.  181,4  oder  182,1;  §.  57,  Ol.  190 1;  §.  58, 
Ol.  190,4:    Varius  et   Tucea  u.  s.  w.,  was 
auch  aus  dem  Leben  des  Virgil  herrührt. 
Auch  §.54,  Ol.  189, -|:   Quintilius   Cremo- 
nensis  Vergilt  et  Horati  famüiaris  moritur 
ist  sicher  Fragment  der  vüa  Virgüii.) 
satiricus  et  ly-     (§.  28,  Ol.  178,4  oder  179,2;  §.  61,  Ol.  192, 3.). 
ricus  poeta    Stimmt  mit  der  suetonischen  vita  Horatii. 
mimographus        (§.39,  01.184,2.) 
mimorum  scriptor  (§.  40,  Ol.  184,  |.) 
poeta  (§.  42,  Ol.  184,  |;  §.  75,  Ol.  199,i) 

P°^*^l  (§.43,  Ol.  184,4  oder  185,1.) 

poeta  (§.47,  Ol.  186, |.) 

poeta  (§.51,  01.188,3.) 

poeta  (§.59,  Ol.  191,  i.) 


Q.  Ennius 

poeta 

Naevius 

comicus 

Plautus 

T.  Livius 

trag.  scr. 

Statius  Caecilius 

com.  scr. 

P.  Terentius 

com.  scr. 

Pacuvius 

trag.  scr. 

C.  Lucilius 

satir.  scr. 

L.  Accius 

trag.  scr. 

M.TerentiusVarro 

philosophus  et 

poeta 

Turpilius 

comicus 

M.Furius  Bibaculus  poeta 

T.  Lucretius 

poeta 

L.  Pomponius 

Atell.  scr. 

C.ValeriusCatullus  scriptor  lyricus 

P.  Terentius Varro 

Vergilius  Maro 

Horatius  Flaccus 

Publius 
Laberius 
Ovidius  Naso 
Comificius 
Comificia 
M.  Bavius 
Cornelius  Gallus 
Aemilius  Macer 


*)  INach  Reifferscheid  S.  85  f.  eben  in  der  vita  des  Haterius.] 


lieber  die  Quellen  der  Chronik  des  Hieronymus. 


615 


Phüistio 


mimographus 


Persius  Flaccus        satiricus  poeta 


M,  Ann.  Lucanus      poeta 


(§.  70,  Ol.  196, -J.)  (schrieb  lateinisch,*)  wie 
es  scheint,  s.  Hermann  a.  a.  0.,  vgl.  0.  Jahn 
z.  Persius  praef.  p.  XC). 
(§.80,  01.203,1;  §.88,  01.210,2.)  Stimmt 
mit  der  i-ita,  die  von  dem  älteren  Gramma- 
tiker Val.  Probus  herrührt,  aber  auch  für 
Sueton  Quelle  war. 
(§.  90,  Ol.  211,1.).    Stimmt  mit  der  mta. 


V.   de  historicis.  678 

Sallustius  Crispus       scriptor  historicus      (§.20,  Ol.  173,  |;  §.46.  Ol.  186,2.) 

T.  Livius  scriptor  historicus      (§.  32,  Ol.  180,  J;  §.  74,  Ol.  199,1.) 

Cornelius  Nepos         scriptor  historicus      (§.44,  Ol.  185,  i.) 

Fenestella  historiarum  scriptor  (§.  76,  Ol.  199,3.) 

et  carminum 

Q.AsconiusPedianus  scriptor  historicus      (§  94.  Ol.  213,  |.) 

Plinius  Secundus        (orator  et)  historicus  (§.97,  01.221,3  oder  222,1.      Da,  wie 

Hermann  gezeigt  hat,  Hier,  die  sue- 
tonische  Biographie  des  älteren  Plinius 
irrthümlich  auf  den  jungem  bezog,  so 
möchte  auch  das  orator  et  auf  seine 
Rechnung  kommen.)**)  Stimmt  mit  der 
Biographie,  welche  um  so  sicherer  dem 
suetonischen  Werke  de  viris  iUustribus 
entlehnt  ist,  als  Vincentius  Bello vacensis 
im  spec.  histor.  L.  XI.  c.  67  sie  anfahrt 
aus  TranquiUus  in  cathalogo  virorum 
ittustrium. 


Wir  schliessen  hieran  verschiedene  andere  mehr  oder  weniger 
die  Litterärgeschichte  berührende  Angaben,  deren  Quelle  nicht  mit 
Sicherheit  ausgemittelt  werden  kann. 

1.    Eine  Anzahl  Ts'otizen  beziehen  sich  auf  Seneca: 
lunius  Gallio   frater  Senecae  egregius  declamator  propria  se  manu  interficit 

(§.89,  01.210,4  oder  211,1.) 
L.  Annaeus  Seneca  Cordubensis  praeceptor  Neronis  et  patruus  Lucani  poetae 
incisione  venarum  et  veneni  haustu  perit  (§.91,  01.211,1.).  Damit  zu 
verbinden:  (Sotio  philosophus  Alexandrinus )  praeceptor  Senecae  (clarus 
habetur)  (§.  72,  Ol.  197,4  oder  198,1.).  Das  Eingeklammerte  ist  aus 
Eusebius. 
L.  Axmaeus  Melas,  Senecae  frater  et  GaUionis,  bona  Lucani  poetae  filii  sni 
a  Nerone  promeretur  (§.  92,  Ol.  211,4  oder  212,1.).  Aus  der  suetonischen 
vita  Lucani  ist  dies  nicht  entlehnt. 


*)  [S.  dagegen  H.  Reich,  Der  Mimus  I  2,  Berl.  1903,  S.  423  ff.] 
**)  [Vgl.  Schöne,  Weltchronik  S.  153,  2  u.  170  ff.] 


616  Ueber  die  Quellen  der  Chronik  des  Hieronymus. 

Diese  Notizen  über  den  Jüngern  Seneca  und  seine  Brüder  einer 
suetonischen  vita  desselben  beizulegen  verbietet  einmal  die  notorische 
Verwechslung  des  Jüngern  Gallio  mit  seinem  Adoptivvater,  dem 
Declamator,  die  man  Sueton  nicht  zuschreiben  kann;  zweitens  der 
Umstand,  dass  in  den  bekannten  Abschnitten  der  suetonischen  Schrift 
für  den  Philosophen  Seneca  nirgends  Platz  ist.*)  —  Sollten  diese 
Notizen  nicht  vielmehr  in  einem  gewissen  Bezug  auf  die  Controversen 
des  älteren  Seneca  stehen?  Diese  sind  den  drei  Brüdern  Novatus 
(wahrscheinlich  dem  später  lunius  Gallio  umgenannten)  Seneca  Mela 
679  gewidmet  —  in  derselben  Ordnung  wie  Hieronymus  sie  aufführt  — ; 
der  Rhetor  Junius  Gallio  der  Vater,  den  Hieronymus  mit  dem 
Adoptivsohn  verwechselte,  kommt  sehr  oft  darin  vor.  Alles  was  wir 
hier  lesen,  könnte  sehr  passend  in  einer  Vorrede  oder  Einleitung 
zu  Excerpten  aus  Senecas  controversiae  gestanden  haben,  wo  Rechen- 
schaft gegeben  ward  über  die  Schicksale  derer,  denen  das  Buch 
dediciert  war. 

2.  Aus  einer  gemeinschaftlichen  Quelle  dürften  folgende  Notizen 
stammen : 

Nigidius  Figulus  pythagoricus  et  magus  in  exilio  moritur  (§.37,  Ol.  183,4). 
Anaxilaus  Larissaeus  pythagoricus  et  magus  ab  Augusto  urbe  Italiaque  pellitur 

(nicht  bei  Hermann,  Ol.  188,1). 
Titus  Musonium  Rufum  philosophum  de  exilio  revocat   (nicht  bei  Hermann, 

Ol.  214,4). 

Aus  Sueton  rühren  diese  Angaben  gewiss  nicht  her;**)  er  würde 
weder  Nigidius  und  Anaxilaus  zu  magis  gemacht,  noch  überhaupt 
den  letzteren  so  wie  den  Musonius  Rufus  —  beides  griechische 
Schriftsteller  —  aufgenommen  haben.  Wenn  aber  die  Notiz  über 
den  Anaxilaus  nicht  von  Sueton  ist,  ist  es  auch  nicht  die  über  den 
Nigidius,  wie  denn  auch  die  suetonischen  Kategorien  hier  fehlen. 
Vielmehr  scheint  Hieronymus  irgendwo  eine  Angabe  über  die  Aus- 
treibungen der  Philosophen  aus  Italien  gefunden  und  daraus  diese 
drei  Noten  entlehnt  zu  haben. 

3.  Die  Bemerkung  über  den  jüngeren  M.  Porcius  Cato  stoicus 
philosophus  (§.  27,  Ol.  177,4),  der  in  die  römische  Litteraturgeschichte 
nicht  gehört,  da  er  nichts  geschrieben,  gehört  dem  Eusebius  (s.  u.  S.  687 
[Beil.  A  z.  J.  1948]).  Die  über  den  Juristen  Ser.  Sulpicius  und  den  P.  Ser- 
vilius  Isauricus,  von  denen  letzterer  nicht  Schriftsteller  war,  ersterer 

*)  [Nach  Reifferscheid  S.  95  f.  handelte  Sueton  über  Seneca  und  dessen 
Familie  in  einem  Abschnitt  de  philosophis.] 

**)  [Reifferscheid  S.  408  sucht  sie,  freilich  in  Einzelheiten  irrend,  als  Frag- 
mente eines  Abschnitts  de  philosophis  zu  erweisen.] 


Ueber  die  Quellen  der  Chronik  des  Hieronymus.  617 

wenigstens  nicht  in  das  suetonische  Werk  passt,  welches  offenbar 
die  Juristen  nicht  mit  umfasste;  die  über  Augusts  Arzt  M.  Artorius 
(§.49,  01.187,4  oder  188,1);  die  über  den  Pantomimen  Pylades 
(§.  55,  Ol.  189|)  sind  ungewisseren  Ursprungs,  aber  schwerlich  dem 
Sueton  entnommen.*)  Wir  haben  die  letzteren  in  die  Beilage  C. 
aufgenommen,  da  sie  vielleicht  mit  den  dort  aufgeführten  Noten 
zusammengehören.  —  Dass  die  Noten  über  Julian,  Fronto  und  Ulpian 
aus  Eutrop  entlehnt  sind,  wurde  schon  S.  673  [610]  bemerkt. 

Prüfen  wir  nun  die  Bemerkungen,  welche  nach  Abzug  des  Euse- 
bius,  Eutrop  und  Sueton  dem  Hieronymus  übrig  bleiben,  so  wird 
man  darunter  zunächst  wie  natürlich  eine  Reihe  christlicher,  besonders 
literarischer  Notizen  finden,  wofür  bei  einem  kundigen  Philologen, 
wie  Eüeronymus  war,  eine  besondere  Quellennachweisung  kaum  sich 
geben  lassen  wird.  Uns  interessieren  dieselben  hier  nicht.  —  Be-  681 
merkenswerth  sind  einige  Notizen,  welche  aus  der  Localtradition 
von  Antiochia  herrühren  (Abr.  1949;  n.Chr.  101.  110.  201.  271.  275, 
wo  er  eines  Vorfahren  seines  Freundes  Euagrius  gedenkt,  281.  283. 
306),  eine  andre  aus  der  Localtradition  von  Jerusalem  (Aelia  Capi- 
tolina)  beim  J.  138  n.  Chr.;  diese  entnahm  Hieronymus  aus  eigener 
Kunde,  da  er  an  beiden  Orten  lange  lebtet  Von  manchen  Angaben 
geringerer  Bedeutung  wird  es  stets  unausgemacht  bleiben,  woher 
sie  rühren;  hervorzuheben  sind  hier  indess  noch  drei  Quellenschriften, 
von  denen  zwei  uns  verloren,  die  dritte  noch  vorhanden  ist.  —  Die 
erste  ist  eine  Schrift  de  origine  gentis  Romanae  von  Janus  bis  auf  den 
Tod  des  Romulus  (Beil.  B.),  welche  Hieronymus  selbst  fr.  1 0,  wo  er 
ad  verhum  daraus  etwas  anführt,  im  Gegensatz  zu  seinem  griechischen 
Original  als  Latina  historia  bezeichnet  {alia  historia  fr.  5).  Von 
wem  diese  Schrift  herrühre,  lässt  sich  nicht  ermitteln.  Ihr  Verfasser 
benutzte  Sallusts  Catilina  (fr.  21)  und  citiert  für  das  Alter  des  Homer 
den  Apollodor  und  Euphorbus  (wohl  Corruption  eher  des  Verfassers 
als  des  Abschreibers  für  Ephorus,  s.  Seal.  z.  d.  St.)  und  den  Cornelius 


*)  [Die  Bemerkung  über  Pylades  nach  ReiflFerscheid  S.  372  vielleicht  aus 
der  Einleitung  zu  de  poetis.] 

1)  Hieronymus  schrieb  bei  Lebzeiten  von  Gratian  (f  383)  und  Theodosius 
{.irraef.  p.  9  Rone.  [3  Seh.]  und  in  der  Chronik  363  [S.  195  w  Seh.]),  noch  ehe 
Theodosius  die  Gothen  aus  dem  Reiche  vertrieb  im  J.  380  (praef.  1.  c.  verglichen 
mit  Tillemout  V.  p.  206) ;  wie  Vallars  in  der  vita  S.  Hier.  (opp.  XI.  p.  66)  gut 
g(!zeigt  hat.  Damals  hatte  er  schon  längere  Zeit  in  Antiochia  bei  Euagrius 
gelebt  (373  fg.) ,  dessen  er  auch  im  Chronicon  gedenkt  (Yallars  1.  c.  p.  36)  und 
WUT  auch  wohl  in  Jerusalem  gewesen  (ib.  p.  34).  [Vgl.  über  die  Datierung  der 
Cluronik:  Schöne,  Weltchronik  S.  249  ff.] 


618  Ueber  die  Quelleu  der  Chronik  des  Hieronymus. 

Nepos.  Er  berichtet  manches  ihm  Eigenthümliche ,  so  dass  Lavinia 
ausser  dem  Silvias  Postumus,  den  sie  vom  Aeneas  hatte,  noch  mit 
Melampus  den  Latinus  Silvius  gezeugt  habe,  der  nach  seinen  beiden 
Brüdern  Ascanius  und  Silvius  zur  Herrschaft  gekommen  sei;  dass 
Romulus  Feldherr  Fabius  den  Remus  erschlagen,  dass  der  Raub  der 
Sabinerinnen  im  dritten  Jahre  nach  Erbauung  Roms  stattgefunden. 
"Vergleicht  man  unsre  Fragmente  mit  Livius,  so  wird  man  in  den 
Facten  und  oft  in  den  Worten  einen  engen  Anschluss  bemerken, 
jedoch  so,  dass  in  der  Regel  unsre  Schrift,  selbst  in  ihrer  fragmen- 
tarischen Gestalt,  noch  ausführlicher  ist  als  Livius  und  das  erklärt, 
was  dieser  andeutet;  ob  uns  hier  Fragmente  der  Schrift  vorliegen, 
welche  Livius  in  diesen  ersten  Kapiteln  hauptsächlich  vor  Augen 
hatte,  oder,  was  glaublicher  ist,  Fragmente  einer  den  livianischen 
Bericht  zu  Grunde  legenden  und  weiter  ausführenden  Bearbeitung, 
681  ist  nicht  mit  Bestimmtheit  zu  entscheiden.  Jedesfalls  zeigt  die  Ver- 
wirrung in  den  Zeitangaben  fr.  10,  dass  schon  die  Quelle  des 
Hieronymus  eine  sehr  trübe  war. 

Von  der  zweiten  Quellenschrift  haben  wir  die  Auszüge  de& 
Hieronymus  in  Beilage  C.  gesammelt.  Es  sind  historische  Notizen 
aus  der  Zeit  von  Pompejus  Tod  bis  auf  die  Schlacht  von  Actium, 
von  bester  Art  und  sehr  detailliert.  Die  Quelle,  aus  der  Hieronymus 
hier  schöpft,  scheint  auch  Quelle  des  Dio  in  den  Büchern  43  —  48 
gewesen  zu  sein,  und  zwar  sind  die  einzelnen  Facta  in  der  Regel 
bei  Hieronymus  genauer  und  detaillierter  angegeben  als  bei  Dio,  so 
dass  man  nicht  etwa  meinen  kann,  Hieronymus  habe  aus  Dio  ab- 
geschrieben. Für  die  Verwandtschaft  der  Angaben  bei  Dio  und  bei 
Hieronymus  spricht  nicht  bloss  die  zum  Theil  wörtliche  Ueberein- 
stimmung,  sondern  auch  die  Gemeinsamkeit  des  Fehlers,  dass  Kleo- 
patra  mit  Cäsar  in  Rom  statt  in  Alexandrien  ihren  Einzug  gehalten 
[s.  u.  Beil.  C  zu  46  v.  Chr.].  Diese  Notizen  sind  daher  ein  werthvoller 
Rest;  nur  darf  man  auf  die  Jahreszahlen,  denen  Hieronymus  die 
Facta  beigeschrieben  hat,  nicht  zu  viel  Gewicht  legen.  Welchem 
Schriftsteller  Hieronymus  diese  auch  durch  Proprietät,  Genauigkeit 
und  Eleganz  des  Ausdrucks  bei  ihm  sich  auszeichnenden  Fragmente 
entlehnt  hat,  weiss  ich  nicht;  sicher  aber  einem  römischen  Autor 
guter  Zeit.  An  Livius  zu  denken  liegt  nahe;  indess  dagegen  spricht, 
dass  die  epii.  CXI  den  Tod  des  Coelius  und  des  Milo,  CXII  den  des 
Pompejus  erwähnt,  während  bei  Hier,  die  Ordnung  umgekehrt  ist; 
auch  stimmen  die  Prodigien  nicht  mit  Obsequens  zusammen.*) 

*)  [Eine  Liviusepitome  sucht  als  Quelle  zu  erweisen  H.  Haupt,  Philologus  44, 
1885,  S.  291  ff.] 


Ueber  die  Quellen  der  Chronik  des  Hieronymus.  619 

Die  dritte  Quelle,  welche  Hieronymus  benutzt  hat,  ist  die  noch 
vorhandene  Stadtchronik,  wie  die  in  Beilage  D.  zusammengestellten 
Auszüge  beweisen.  Es  sind  deren  zwar  nur  wenige,  wie  die  Natur 
der  Sache  es  mit  sich  bringt ;  allein  es  ist  darum  nicht  minder  be- 
weisend, dass  die  wenigen  Angaben  des  Hieronymus  über  römische 
Bauten,  welche  bei  Eusebius  und  Eutrop  nicht  vorkommen,  sämmtlich 
in  der  Stadtchronik  verzeichnet  sind.  Am  schlagendsten  ist  die  Ent- 
lehnung bei  dem  Verzeichniss  der  Bauten  Domitians.  Die  ersten 
Worte  ynulta  opera  —  Stadium  sind  wörtlich  und  mit  beibehaltener 
Reihenfolge  aus  Eutrop  abgeschrieben.  Die  folgenden  Worte  sind 
ebenfalls  wörtlich  und  mit  beibehaltener  Reihenfolge,  jedoch  mit 
Auslassung  der  schon  bei  Eutrop  genannten  und  einiger  weniger 
wichtigen,  aus  der  Stadtchronik  entlehnt;  wobei  es  dem  Compilator 
begegnet  ist  aus  horrea  Vespasiani,  templum  Castorum  herauszulesen 
Vespasiani  templum.  Weil  er  femer  unter  Domitian  tliermas  Titianas  682 
et  Traianas  fand  (was  ganz  richtig  ist,  da  dies  zwei  zusammengehörige 
Bäder  sind,  von  denen  das  letztere,  das  Frauenbad,  wohl  auch  unter 
Domitian  gebaut,  aber  erst  unter  Trajan  dediciert  ward),  meinte  er 
auch  das  forum  Traiani  hier  anbringen  zu  dürfen,  das  unter  Domitian 
ganz  verkehrt  steht,  und  stellte  desshalb  um:  tJiermae  Traianae  et 
Titianae,  nicht  richtig,  denn  das  Titusbad  war  das  hauptsächliche. 
Die  unkundige  Compilation  aus  Eutrop  und  der  Stadtchronik  ist  hier 
handgreiflich;  Hieronymus  hat  hier  für  uns  nur  den  Werth,  dass  er 
das  auch  bei  Paeanius  und  in  den  besten  Handschriften  fehlende 
Glossem  odium  im  Eutrop  beseitigt  und  in  der  Stadtchronik  das 
sinnlose  synodum  verbessert  in  odium,  so  wie  die  in  der  Stadtchronik 
vor  der  meta  su^mis  ausgefallene  mica  aiirea  und  den  Namen  des 
einen  ludus  ergänzt,  welche  wahrscheinlich  alle  vier  in  den  bessern 
Texten  der  Stadtchronik  genannt  waren.  Ueberhanpt  scheint  er  ein 
besseres  und  vollständigeres  Exemplar  derselben  als  das  unsrige  ist 
vor  sich  gehabt  zu  haben.  —  Dass  er  vielleicht  aus  derselben  Chronik 
das  Verzeichniss  einiger  Consuln  und  Dictatoren,  welches  in  der 
series  regum  zwischen  den  Königen  und  den  Kaisern  steht,  entlehnt 
hat,  ist  schon  S.  671  [609]  bemerkt  worden.  Die  Namen  stimmen 
zwar  nicht,  allein  sie  schwanken  in  den  Hdschr.  des  Hieronymus 
(s.  Vallars  p.  81)  selbst  gar  sehr;  auch  mag  er  die  Nomenclatur  der 
Stadtchronik  bloss  als  Ausgangspunkt  benutzt,  die  Namen  aber  aus 
Eutrop  und  Victor  zugesetzt  haben.  —  Was  übrigens  von  den  Jahren 
za  halten  ist,  denen  Hier,  die  der  Stadtchronik  entnommenen  Notizen 
beigeschrieben  hat,  sieht  ein  Jeder;  an  einer  Stelle  ist  sogar  noch 
das  Severo  imperante  der  Stadtchronik  stehen  geblieben. 


620  Ueber  die  Quellen  der  Chronik  des  Hieronymus. 

Endlich  ist  hier  noch  einer  Stelle  besonders  zu  gedenken,  beim 
J.  212  n.  Chr.:  Äntoninus  Caracalla  cognominatus  propter  genus  vestis 
quod  Bomae  erogaveraf,  et  e  contrario  caracallae  ex  eins  nomine 
Antonianae  (so  alle  Hdschr.)  dictae.  Eutrop  und  Eusebius  wissen 
hiervon  nichts;  auch  in  der  Stadtchronik  findet  sich  diese  Notiz 
nicht.  Dagegen  haben  wir  darüber  zwei  divergierende  Berichte :  den 
einen,  wonach  der  Kaiser  die  Plebs  zwang,  seine  celtischen  caracallae 
ihm  abzukaufen  und  in  den  Audienzen  damit  bekleidet  vor  ihm  zu 
erscheinen,  in  der  epitome  Aur.  Vict.  c.  21.,  worauf  auch  Dio  78,  3 
hinführt;  den  zweiten  (übrigens  mit  jenem  nicht  unvereinbaren), 
wonach  er  die  caracallae  an  die  Plebs  verschenkte  und  diese  nach 
ihm  Antoni{ni)anae  genannt  wurden.  Diesem  folgt  Spartian.  Car.  9 
683  (vergl.  Diadum.  2):  Caracalli  nomen  accepit  a  vestimento  quod  populo 
dederat  demisso  usque  ad  talos,  quod  ante  non  fuerat;  unde  hodieque 
Antoninianae  dicuntur  caracallae  huiusmodi  in  usu  maxinio  Romanae 
plehis  frequentatae;  und  daraus  Yict.  de  Caes.  21 :  Äntoninus  incognita 
munerum  specie  urbem  Romanam  adficiens,  quod  indumenta  in  talos 
demissa  largiretur  Caracalla  dictus,  cum  pari  modo  vesti  Antonianae 
nomen  e  suo  daret.  Aus  einem  dieser  beiden  Autoren,  wahrscheinlich 
aus  Yictor  (mit  dem  er  in  der  Form  Caracalla  und  Antonianae 
übereinstimmt)  scheint  Hieronymus  geschöpft  zu  haben;  was  aller- 
dings auffallend  ist,  da  sich  sonst  nichts  aus  Yictor  bei  ihm  findet, 
aber  einigermassen  dadurch  unterstützt  wird,  dass  Hieronymus  im 
J.  374  (wo  er  im  Begriff  war  seine  Chronik  zu  schreiben)  von  einem 
lombardischen  Freunde  sich  propter  notitiam  persecutormn  Aurelii 
Victoris  historiam  erbat  (ep.  X  p.  24  Yallars).  Diese  Spur  einer 
Benutzung  des  Yictor  verdient  Aufmerksamkeit,  da  die  schwierige 
Frage  über  die  Echtheit  und  die  Yerfasser  der  verschiedenen  jetzt 
unter  Yictors  Namen  bekannten  Schriften  hier  vielleicht  einigen 
Anhalt  findet.*) 

Wir  schliessen  hiemit  unsre  Untersuchung.  Die  Epoche  von 
Constantins  Regierungsantritt  bis  auf  Yalens  Tod  (310—381)  ist  von 
Hieronymus,  wie  er  auch  in  der  Yorrede  sagt,  selbständig  bearbeitet 
worden  und  es  kann  hier,  abgesehen  von  der  Scheidung  dessen,  was 
dem  Eutrop  gehört,  von  einer  Ermittelung  seiner  Quellen  in  der 
Art  wie  sie  bisher  versucht  ward,  nicht  mehr  die  Rede  sein.  — 
Das  Resultat  ist,  dass  Hieronymus  sein  Chronicon  zusammengesetzt 
hat,  aus  folgenden  Quellen: 

Noch  ganz  oder  theilweise  vorhanden  sind: 
1.  Kanon  und  series  regum  des  Eusebius;   wovon   er  jenen  in 

*)  [Vgl.  Schöne,  Weltchronik  S.  209  ff] 


üeber  die  Qnellen  der  Chronik  des  Hieronymus.  621 

einem  vollständigeren  Exemplar  benutzt  als  das  armenische 
ist  [s.  jedoch  oben  S.  609].  Aus  dem  ersten  Theil  des 
Eusebius  scheint  er  die  Zahlen  der  Könige  von  Mycenae 
entlehnt  zu  haben  (S.  685  [Beil.  A  z.  J.  705]),  wenn  nicht  diese 
auch  in  der  series  regiini  standen.   Ygl.  auch  oben  S.  672  [609]. 

2.  Eutrops  Breviar. 

3.  Das  hreviarium  Sex.  Rufi,  wenig  gebraucht. 

4.  Die  Stadtchronik,  in  einem  besseren  Exemplar  von  Hierony- 
mus gebraucht. 

5.  Suetons  Schrift  de  viris  in  litteris  iUtisfribtts,  die  Hieronymus 
vollständig  hatte. 

Verloren  sind:  684 

6.  eine  Latina  historia  de  origine  gentis  Romanae. 

7.  ein  Werk  über  die  Zeit  von  Pompejus  Tod  bis  zur  Schlacht 
bei  Actium,  das  auch  Quelle  des  Dio  war. 

Hiezu  kamen  verschiedene  einzelne  Notizen:  vielleicht  eine  Ein- 
leitung zu  den  Excerpten  der  Controversen  des  älteren  Seneca  — 
eine  Angabe  über  die  Austreibungen  der  Philosophen  aus  Rom  — 
Localtradition  von  Antiochia  und  Jerusalem  —  mancherlei  Kunde 
über  christliche  Dinge,  namentlich  über  christliche  Literatur  und 
sonst  mancher  kleinere,  nicht  gerade  einem  bestimmten  Buche  ent- 
lehnte Zusatz.  —  AVie  Hieronymus  seine  Quellen  behandelt  hat,  ist 
aus  der  Vergleichung  seiner  Excerpte  mit  den  noch  vorhandenen 
Originalen  zu  ersehen:  er  hat  ziemlich  planlos  ausgewählt,  die  Texte 
stark  verkürzt,  aber  wo  möglich  die  eigenen  Worte  beibehalten,  oft 
freilich  auch  missverstanden.  Am  wenigsten  Werth  haben  gerade 
die  wichtigsten  Angaben,  die  der  Jahreszahlen;  wo  er  sie  nicht 
ausdrücklich  in  den  Quellen  fand,  hat  er  die  Anmerkungen  beliebig 
unter  gewisse  Jahre  untergebracht,  wie  dies  Ritschi  {parerg.  I.  p.  623  fiF.) 
mit  strengem,  aber  richtigem  UrtheU  gezeigt  hat  und  wie  die  Yer- 
»leichung  seiner  Auszüge  mit  Eutrop  und  der  Stadtchronik  augen- 
scheinlich darlegt.  Als  Zeittafel  taugt  er  wenig,  als  Excerpierender 
hat  er  den  Werth  seiner  Quelle,  so  dass  man  ihn  nicht  brauchen 
sollte,  ohne  in  jedem  Falle  sich  erst  über  diese  zu  vergewissem. 
Dass  er  späterhin  selbst  wieder  Quelle  geworden  ist  imd  Prosper 
lind  Cassiodor  fast  nichts  gethan  haben  als  den  Hieronymus  aus- 
schreiben, ist  so  bekannt,  dass  es  Verwunderung  erregt  bei  gründ- 
Lchen  Forschern  jene  neben  diesem  als  eigene  Gewährsmänner 
erwähnt  zu  finden. 


622 


lieber  die  Quellen  der  Chronik  des  Hieronymus. 


685  A. 

Anmerkungen  des  Hieronymus,  die  im  armenischen  Text  fehlen  und 

entweder  aus  Eusebius  entlehnt  sind  oder  sich  nicht  auf  eine 

bestimmte  Quelle  zurückführen  lassen^. 


Abr.  1 — 344  fehlen  im  armenischen  Teoct. 
(349.  Pharaones  ex  Maneth.  fehlt  in  aUen 

guten  Handschr.    Vgl.  zum  J.  1144.) 
351.  principium  xlvii  lub.  (fehlt  hei  Mai.) 

[und  Schöne]. 
365.  ccxc  annus  reprom.  (fehlt  hei  Mai.) 

375.  ccc  annus  reprom.  (fehlt  hei  Mai.) 

376.  Callithyia  sac.  Arg.  Syncellus  p.  283 
Bonn,  init  der  Ueberschrift  'Aq^Qi- 
xavov. 

385.  cccx  ann.  repr. 

400.  quippe  cuius  statua  Zus.  des  Hier, 
[fehlt  hei  Schöne]. 

402.  princ.  XLvni  lub.  (fehlt  hei  Mai.) 
[u.  Seh.]. 

405.  cccxxx  ann.  repr. 

415.  cccxL  ann.  repr. 

443.  Hercules  Antaeum.  Vergl.  unter  820. 
Wohl  aus  Euseb.  Fehlt  hei  Syn- 
cellus, der  hier  einen  Abschnitt  über- 
sehlagen zu  haben  scheint. 

445.  cccLXX  ann.  repr.,  xx  ann.  Moysis. 

449.  Primus  quadr.  Trochilus.  Wahr- 
scheinlich aus  Eusebius. 

451.  Xanthus  Triopa  Lesb.  cond.  Wahr- 
scheinlich aus  Eusebius. 

452.  princ.  xiix  lub.  (fehlt  hei  Mai.) 
[u.  Seh.]. 


453.  In  Greta  regn.  Cydon.     Wohl  aus 

Eusebius. 
455.  XXX  ann.  Moysi  (fehlt  hei  Mai.) 
460.  XXXV  Moysi  anno  Cecrops.     Zus. 

des  Hier. 
464,  XL  ann.  Moys. 

485.  ccccx  a.  r.  et  lx  a.  M.  (fehlt  bei  Mai.) 

486.  iudicium    Neptuni    et    Minervae. 
S.   p.  290. 

489.  Iste  est  Pharao  Chencheres,  Schevnt 
Zus.  des  Hier,  [fehlt  hei  Seh.]. 

490.  quam  urbem  Euboici.   S.  p.  290. 
495.  Lxx  ann.  Moys. 

505.  quae  nupta   postea  Telegono.    S. 

p.  288. 
510.  In  Aegypto  regn.  Telegonus. 
518.  qui  et  urbem  condidit.    S.  p.  296. 
520.  Deucalionis    filius    Dionysius.      S. 

p.  297. 
530.  Cath  fil.  Trismegisti.  Wohl  Zus.  des 

Hier,  [fehlt  bei  Seh.]. 
530.  Lacedaemon  cond.    S.  p.  298. 
533.  Remesses.    cui    datum    est    regn. 

eiecto  Danao.    S.  p.  293.  [fehlt  bei 

Seh.]. 
541 .  post  Sthenelum  Argisregn.  Gelanor. 

S.  p.  288. 
543.  Argos  sibi  Danaus  vind.    S.  p.  288. 


1)  Unter  dieser  Ueberschrift  ist  zusammengestellt,  was  Hieronymus  mehr 
bat  als  der  armenische  Text  des  Eusebius,  so  weit  es  nicht  aus  Eutrop  entlehnt 
oder  in  die  Beilagen  B.  C.  D.  aufgenommen  ist.  So  weit  möglich  ist  bei  jeder 
einzelnen  Bemerkung  die  Quelle  angegeben,  der  Hieronymus  sie  entnahm, 
namentlich  ist  Syncellus  sorgfältiger  verglichen  als  Mai  es  gethan;  was  Hier, 
nicht  gerade  einem  bestimmten  Buch  entlehnt,  sondern  aus  eigener  Kunde  zu- 
gesetzt hat,  bezeichne  ich  als  Zusatz  des  Hieronymus.  Was  in  ( )  eingeschlossen 
ist,  halte  ich  für  Interpolationen  im  Text  des  Hieronymus,  der  in  dieser  Be- 
ziehung noch  einer  durchgreifenden  Kritik  bedarf.  [Die  Interpolationen  sind 
in  der  Schöneschen  Ausgabe  ausgeschieden  worden.  —  In  der  Tabelle  sind  für  die 
Bequemlichkeit  des  Benutzers  die  Jahre  Abrahams  nach  der  Schöneschen  Ausgabe 
geändert,  dagegen  die  p.  Chr.  so  belassen  worden,  wie  sie  Mommsen  nach  Mai  gab.] 


Ueber  die  Quellen  der  Chronik  des  Hieronymus. 


623 


546.  Erichthonius  pr.  quadr.    S.  p.  297. 

546.  Eleazar.   S.  p.  284. 

555.  lesus  succ.  Moysi. 

567.  templ.  Delph.  ine.    S.  p.  288. 

570.  in  Greta  regn.  Asterius.   S.  p.  289. 

590.  Melus  et  Paphus  et  Thasus  et 
Callista  cond.   S.  p.  299. 

593.  Bithynia  cond.   S.  p.  299. 

599.  qui  ferr.  reper.    S.  p.  299. 

608.  Ephyra  cond.    S.  p.  299. 

611.  Harmonia  rapta.   S.  p.  299. 

613.  Cadmea  et  Side  cond.    S.  p.  300. 

619.  a  quo  Peloponnesus.   S.  p.  303. 

643.  Thebis  expulso  Cadmo  Amph.  et 
Zethus.  Wiederholung  aus  602? 

645.  Progne  et  Philomela.    S.  p.  304. 

654.  apud  Pythium  Phemonoe.  S. 
p.  304. 

683.  gesta  Persei.  (fehU  hei  Mai.) 

705.  Ben  Katalog  der  Könige  von 
Mycenae,  den  der  arm.  Euseh.  am 
Schluss  der  argivischen  ohne  die 
Jahreszahlen  giebt,  hat  Hieronymus 
mit  den  Jahreszahlen  eingerückt, 
wohl  aus  dem  ersten  TheU  des 
Eusebiusp.  133  Mai.  [p.  179  f.  Seh.]. 

708.  Midas.   S.  p.  306. 

709.  Ilium  cond.    S.  p.  305. 
713.  Laius    S.  p.  306. 

715.  templ.  Eleus.    S,  p.  306. 

801.  Minos   leges    ac    iura   const.    S. 

p.  308. 
303.  Philistus  scr.  Carth.    S.  p.  324. 
.S06.  Hercules  agon.  Olymp.    S.  p.  324. 
812.  Apri  Calyd.    S.  p.  324. 
823.  lephte  in  libro.    Zus.  des  Hier. 
8.35.  a  quo  Mopsicrenae.   WoM  2his.  des 

Hier. 
835.  Menestheus  moritur.    S.  p.  325. 
841.  Aegistbus.    S.  p.  322. 
H7.  Sirenas  quoque.     Zus.  des  Hier. 
857.  Zeuxipp.  baln.  Byz.   Vgl.  1550. 
860.  Tisamenus.  Vgl.  zu  705. 
(661.  Hebraei  hunc  trad.  (fehlt  bei  Rone. 

[u.  Seh.])). 
862.  Hectoris  filii.   S.  p.  322. 
-875.  agon  Lycior.   S.  p.  334. 
9)1.  Saul.   S.  p.  332. 
(910.  Samuel  (fehlt  bei  Rom.)). 


916. 
921. 

927. 
(944. 
968. 
970. 
972. 


985. 

1003. 

1009. 

1031- 
1113. 

1116. 

1134. 
1152. 
1155. 
(1158. 


1167- 
1233. 
1248. 
1249. 
1251. 
1260. 

1261. 


1283. 


Heracl.  in  Pel.   S.  p.  334. 
Eurysth.  et  Procl.   S.  p.  336. 
lones.    S.  p.  335. 
Pelop.  rursus  (fehlt  bei  Rone.)). 
Cumae  cond.    S.  p.  340. 
Myrena  cond.    S.  p.  340. 
Ephesus  cond.    S.  p.  340. 
Samos  cond.  (feMt  bei  Rone.  [u. 
Seh.])). 

a   diluvio   usque   ad  Zusatz  des 
H.;  vgl.  S.  p.U2. 
quod  Virgilius.     Zusatz  des  H. 
[fehlt  bei  Seh.]. 

tertio     Thraces    mare    obt.     S. 
p.  340;  vgl.  unier  1055. 
-1099  fehä  im  armenischen  Teoct. 
Hie   Zacharias.     Zusatz   des   H. 
{Interpol.]. 

qui  dedit  mand.    Zusatz  des  H. 
[fehlt  bei  Seh.]. 
Lycurgus. 
Cypri  mare  obt. 
Elisaeus.    S.  p.  353. 
alter  Sesonchoris,   Serapis,   mit 
einem  Zitat  auf  die  membranae 
aegyptiacae     Ptolemaei ,     quae 
dicitur   sacra   scriptura.      Fehlt 
bei  Seal.  [u.  Seh.]  und  scheint  [ist 
siehei-]  Emblem.    Vgl.  zum  J.  349 
und  Sync.  p.  170.). 
-1220  fehlt  im  armenischen  Text. 
Aeg.  mare  obt. 
triremis  Ath.    S.  p.  400. 
Osee  loel  Isaias  Oded.    S.  p.  375. 
Hesiodus. 

fuit  autem  sub  regibus.    Zusatz 
des  H. 

(Cyzicus  condita  fügt  Rone.  [u. 
Seh.]  hinzu,  fehÜ  bei  Mai.). 
mare  obt.  Milesii.  Naucratis. 
Messena  capitur.  WoM  atis  Euse- 
bius,  wie  die  folgenden  Notizen. 
S.  p.  404  mit  Zusatz 
des  Hier.  [fehU  bei  Seh.]. 
Taracus  Sebic. 
Ecbatana  cond.    S.  p.  372. 
Tarentum  Corcyra  cond. 
Hipponax. 
Chalcedon  cond. 


1305.  Manasses. 


1305. 
1309. 
1312. 
1329. 
1332. 


686 


624 


Ueber  die  Quellen  der  Chrouik  des  Hieronymus. 


1344.  Nechepsus. 

(1557. 

1352.  Aristoxenus.   S.  p.  401. 

1370.  Selinus  cond.    S.  p.  402. 

1566. 

1372.  Borysthenes  cond.  (fehlt  hei  Rom.) 

S.  p.  402. 

1566. 

1376.  Terpander.   S.  p.  402. 

1387.  Sinope  =  Sidon  im  arm.  Text. 

1406.  Alcman.    S.  p.  403. 

1568. 

1415.  Perinthus  cond. 

1573. 

1441.  Hoc  tempore  Über.   Zus.  von  Hier. 

1580. 

{fehlt  hei  Seh]. 

1583. 

(1442.  Alyattes   et  Astyages   (fehlt  hei 

1588. 

Rone.  [u.  Seh.])  vgl.  unter  1435.). 

1591. 

(1450.  Amosis  iste  (fehU  hei  Rone.  [u. 

1617. 

Seh.])). 

1623. 

1460.  Anaximenes.    S.  p.  454. 

1625. 

1467.  Apollinisresponso.  Zus.  von  Hier. 

1648. 

1471.  Cyrus  S.  c.  S.  p.  451. 

(1652. 

1472.  Harpagus.   S.  p.  451. 

1653. 

687    1482.  Ibycus. 

1666. 

1489.  Dicaearchia  cond. 

1670. 

(1497.  a   Davide   (fehlt    hä   Rone.    \u. 

1672. 

Seh.])). 

1672. 

(1497.  Olympias  (fehlt  bei  Rone.)). 

1676. 

1505.  rege.s  —  imperunt  annis  ccxl  (ist 

1678. 

die   Totalsumme  der  7  regua,  s. 

1681. 

series    reg.     p.  66  Rone,    ohen 

1684. 

S.  671)  sive  ut  quibusdam  placet 

coxiiii  (aus  Eutrop.  1,  8.j. 

1694. 

1505.  Naxii  mare  obt.  (fehlt  bei  Rom. 

1695. 

[u.  Seh.])  S.  p.  469. 

1696. 

1513.  Censu    agitato    Romae    inventa 

1697. 

sunt    hominum    cxx    milia.      S. 

1706. 

p.  452. 

1713. 

1525.  bellum    Marath.   Miltiades   Ari- 

1716. 

stides.   S.  p.  468. 

1733. 

1529.  Gelo.   S.  p.  469. 

1745. 

1533.  Aristides.    S.  p.  470,  vgl  472. 

1747. 

1(1533.  Xerxes  pontem    (fehlt   in   vielen 

Hdsehr.)  [fehlt  bei  Seh.]). 

1774. 

1538.  Ath.  Piraeum.    S.  p.  470,  5. 

(1540.  Hieron  Syrac.   regnat  (fehlt  hei 

Mai.)). 

1550.  Zeuxis  lavacr.  Byz.  Vgl.  unter  8bl. 

1801. 

(1551.  Themistocles.    Rone.  [u.  Seh.]  hat 

1813. 

diesen  AH.  so  Jcurz  toie  Euseb., 

Mai  hat  ihn  erweitert.). 

1816. 

(1551.  lub.  Lxxi  (fehlt  in  vielen  Hdsehr. 

[u.  bei  Seh.])). 

1828. 

Reges  gent.  div.  mare  obt.  (fehlt 

hei  Rone.  [u.  Seh.])). 

Bacchylides  Praxilla  Cleobulina, 

S.  p.  470. 

Romani  per  legatos  ab  Athenien- 

sibus  iura  petierunt,  ex  quibus 

xn  tabulae  conscribtae.  S.  p.  484. 

Abaris.    S.  p.  471. 

Melissus.    S.  p.  471. 

Aristofanes.    S.  p.  482. 

Socrates.    S.  p.  482;  vgl.  489. 

Pericles. 

ex  Aetna.    S.  p.  489. 

Ctesias.   S.  p.  490. 

Dionysius.    S.  p.  491. 

Eudoxus.    S.  p.  491  cf.  489. 

Teos  rex. 

laddus  (fehlt  hei  Rone.  [u.  Seh.])). 

Alexander  Pheraeus. 

hucusque  Manethos.   S.  p.  486. 

Ochus  Sidonem.    S.  p.  486. 

Dionysius  Corinthum. 

Plato.    S.  p.  494. 

Dionys.  Corinthum;  vgl.  S.  p.  494. 

laddus.    S.  p.  484. 

Manasses.    S.  p.  484. 

ist  der  Name  des  Consuls  Maelius 

Torquatus  Zus.  des  Hier. 

Agathocles.   S.  p.  522. 

Lamiacum  bellum.    S.  p.  522. 

qui  divinitate.    Zus.  von  Hier. 

Demetrius  Phalereus.    S.  p.  521. 

Edesseni.   S.  p.  520. 

Theodorus.    S.  p.  522. 

Seleucus  Babyl.    S.  p.  520. 

Demetrius.   Vgl.  S.  p.  519. 

Aratus.   S.  p.  523. 

Argenteus    nummus    primum    in 

urbe  figuratus.    S.  p.  523. 

Romae   templum  Vestae   incen- 

sum.     S.   p.  524.      (Der  Zusatz 

MaVs  correptis  —  abripuit  fehlt 

bei  Ronealli,  Synceüus  [u.  Seh.]). 

victi  ludaei. 

Scipio    Hiberiae    multas    urbes 

recipit.    S.  p.  524. 

Carthago  in  ditionem  Rom.  redi- 

gitur  [fehlt  bei  Seh.]. 

Eumenes. 


Ueber  die  Quellen  der  Chronik  des  Hieronymus. 


625 


1860.  ludas  occ.    S.  p.  535. 

1911.  lonathas.   S.  p.  544. 

1922.  Ptolomaeus  Cyren-  rex.  Von  Hie- 
ronymus rührt  dies  sicher  nicht  her, 
da  er  dasselbe  Factum  zum  J.  1951 
aus  Eutrop.  6, 11  nachtrug.  Viel- 
mehr hat  hier  im  armenischen 
Text  der  Schreiber  durch  mehrere 
Jahre  die  Notizen  weggelassen; 
und  auch  Syncellus  lässt  uns  hier 
im  Stich,  da  er  die  Epoche  van 
der  Zerstörung  Karthag&s  bis  auf 
Sulla  überschlägt,  so  dass  Hiero- 
nymus hier  allein  den  E^isehius 
uns  betcahrt  hat*) 

1929.  Alexander  matrem  saam  occ. 

1931.  Sylla  Ath.  vastat. 

1932.  Descriptione  Romae  facta  inventa 
sunt  hominum  ccccLXin  müia. 

1933.  templum  tertio  apud  Delfos  —  in- 
censum  et  Romae  Capitolium. 

1934.  lannaeus  plurimas  civ.  cepit. 
1937.  Sylla   Romam    obtinuit    et   post 

biennium  moritur. 

1944.  Bellum  gladiatorium  in  Campa- 
nia;  eher  aus  Euseb.  als  aus 
Eutr.  6,  7. 

1945.  Pompeius  universam  Hiberiam 
subiugavit;  nicht  aus  Eutrop.  6, 1, 
da  der  Ausdruck  Hiberia  die  grie- 
chische Quelle  anzeigt. 

1947.  Crassus  triumphat. 

1948.  M.  Porcius  Cato  stoicus  philo- 
sophus  agnoscitur.  Diese  Angabe 
gehört  waJirscheinlich  dem  Eusebius, 
nicht  dem  Sueton;  Hermann  hätte 
sie  rmter  die  Zus.  des  Hier,  nicht 
aufnehmen  sollen.    Vgl.  S.  679. 

1949.  Die  Notiz  über  den  lucus  Daph- 
nesium  ist  aus  Eutrop.  6,  14  (vgl. 
Brev.  Eufi  c.  16;  jedoch  mit  Zus. 
von  Hier,  aus  Localtradition  voti 
Antiochia. 

1954.  Pompeius  captis  Hierosolymis 
tributarios  ludaeos  facit.  S.  p.  566. 

1955.  Ea  quae  de  Catilina  cet.  S.  p.  566. 
Die  Erwähnung  des  Sallust  ist  von 
Hieronymus  zugefügt. 


1971. 


1976. 


1985. 
1988. 


1956.  Pompeius  Imperator   appellatus. 

S.  p.  566. 
1968.  Diodorus  Siculus  graecae  scriptor 
historiae  clarus  habetur.  Woher 
diese  Notiz,  ist  schwer  zu  sagen. 
Decretumsenatus  et  Atheniensium 
ad  ludaeos  mittitur  qui  per  lega- 
tionem  amicitiam  postularunt. 
S.  p.  577. 

Antonium  superat  Aug.  S.  p.  578. 
1983.  Lunae  secundum  Romanos  cursns 
inventus  est.  Der  Ausdruck  sec. 
Rom.  deutet  auf  ein  griech.  Ori- 
ginal. Vgl.  S.  p.  577. 
de  quo  VLrg.  scr.  Zus.  des  Hier. 
Aegypti  regn.  destr.  Zus.  des  Hier. 
[fehlt  bei  Seh.]. 
1997.  Cantabri    res   novas   mol.   oppr. 

S.  p.  593. 
2014.  TertuUianus  in  eo  libro.    Zus.  des 

Hier. 
p.  Chr.  31.    principium   lxxxi    lubilaei 

(fehlt  bei  Mai.) 
p.  Chr.  38.  Die  Angabe  über  Pilatus  von 
Hier,  ericeitert,  tcofür  er  sich  auf 
TertuHian  in  apolog.  beruft,  den 
auch  Eusebius  aber  kürzer  anführt. 
p.  Chr.  62.  Terrae  motus  Romae  et  solis 

defectio.  S.  p.  636. 
p.  Chr.  70.  Vitellius  octavo  cet;  viel- 
leicht ausgefallen  im  armen.  Euseb., 
kann  aber  auch  aus  Eutrop.  7, 18 
zusammengestellt  sein  [fehlt  bei  Sdi.]. 
hat  Hier.  Notizen  über  den 
Ignatius  von  Antioehia  zu- 
gesetzt. 

p.  Chr.  120.  Hadrianus  (eruditissimus 
in  utraque  lingua)  sed  in  puero- 
rum  amore  parum  continens  fuit. 
Die  erste  Hälfte  aus  Eutrop.  8,  7, 
die  zweite  Zus.  des  Hier. 
p.  Chr.  120.   Hadrianus  reliqua  tributo-  688 

rum.  S.  p.  659. 
p.  Chr.  131.  (Antinous  puer  egregius) 
eximiae  pulchritudinis  (in  Aegyp- 
to  moritur,  quem  Hadrianus  vehe- 
menter deperiens,  nam  in  deliciis 
habuerat,  in  deos  refert);  ex  eins 


Chr.  101 
Chr.  110 


*)  [Vgl.  Hermes  16,  1881,  S. 

MOMMSEN,   SCHB.  Vn. 


?,  2  =  0.  S.  398,  5.] 


40 


Ueber  die  Quellen  der  Chronik  des  Hieronymus. 


nomine  etiam  urbs  appellata  est. 
Zus.  des  Hier. 

p.  Chr.  135.  Basilides  mit  Zm.  des  Hier. 

p.  Chr.  138.  Aelia  ab  Aelio  Hadriano 
condita,  et  in  fronte  eins  portae, 
qua  Bethleem  egredimur,  sus 
sculptus  in  marmore,  significans 
Romanae  potestati  subiacere  lu- 
daeos.  Nonnulli  a  Tito  Aelio 
filio  Vespasiani  extructam  arbi- 
trantur.  Zus.  des  Hier,  aus  eigener 
Kunde. 

p.JChr.  144.  Marcus  episc.  Alex.  Vgl. 
Sync.  p.  661. 

p.  Chr.  147.  Taurus  Berytius.  S.  p.  662. 

p.  Chr.  166.  Apud  Pisas  peregrinus  phi- 
losophus.    S.  p.  664. 

p,  Chr.  169.  Der  Märtyrer  Pionius  von 
Hier,  zugefügt. 

p.  Chr.  172.  Melito  Asianus.   S.  p.  665. 

p.  Chr.  173.  Dionysius,    S.  p.  665. 

p.JChr.  173.  Pinytus.    Zus.  des  Hier. 

p.'^Chr.  173.  Pseudoprophetia  mit  Zus. 
von  Hier. 

p.  Chr.  174.  Tatianus,  Bardesanes.  Zus. 
des  Hier. 

p.  Chr.  182.  Comm.  de  Germ,  triumph. 
S.  p.  667. 

p.  Chr.  184.  Irenaeus.    S.  p.  668. 

p.  Chr.  194.  (Victor)  cuius  mediocria 
extant  de  religione  volumina. 
{Zus.  des  Hier.) 

p.  Chr.  198.  Anführung  der  Schriften 
über  die  Oster  zeit;  Zus.  des  Hier. 

p.  Chr.  199.  Judaicum  et  Samariticum 
bellum  vel  ortum  vel  resumptum. 

p.  Chr.  201.  Severo  imperante  thermae 
Severianae  apud  Antiochiam  et 
Romaefaetae.  Tlieils  aus  der  Stadt- 
chronik, theils  aus  Localtradition 
von  Antiochia. 

p.  Chr.  (209.  Tertullianus.  Zus.  des  Hier.) 

p.  Chr.  211.  Antoninus  Caracalla  cogno- 
minatus  propter  genus  vestis, 
quod  Romae  erogaverat,  et  e 
contrario  caracallae  ex  eins  no- 


mine Antonianae  dictas.  Aus 
Aur.  Vict.  de  Caes.  21,  wie  es 
scheint;  vgl.  oben  S.  682. 
p.  Chr.  230.  Geminus ,  Hippolytus ,  Be- 
ryllus,  clari  scriptores.  Zus.  des 
Hier. 

p.  Chr.  246.  hat  Hier,  zu  Eutrop.  9,  2 
hinzugefügt,  dass  Philippus  praef. 
praet.  war.  Denselben  2ksatz  hat 
das  brev.  Rufi  c.  22. 

p.  Chr.  247.  (Philippus  Philippum  filium 
suum  consortem  regni  facit)  pri- 
musque  omnium  ex  Romanis 
imperatoribus  Christianus  fuit. 
Der  Anfang  wohl  aus  Eutrop.  9,  3. 

p.  Chr.  250.  Philippus  urbem  nominis 
sui  in  Thracia  construit.  Woher 
dies  ist,  ist  schwer  zu  sagen  — 
jedesfalls  ist  es  eine  Verwechselung 
des  thracischen  von  dem  Vater 
Alexanders  gegründeten  Philippo- 
polis  und  einer  von  dem  Kaiser 
in  Arabien  gegründeten  Stadt  dieses 
Namens.  Also  wohl  ein  Zusatz 
aus  Hier,  eigener  Kunde  oder  eher 
Missverständniss  des  brev.  Rufi 
c.  9.*) 

p.  Chr.  254.  diaconus  Laurentius  mart. 
[fehlt  bei  Seh.]. 

p.  Chr.  254.  Antonius  monachus. 

p.  Chr.  254.  Alexander  et  Babylas  interf. 
Vgl.  S.  p.  683. 

p.  Chr.  255.  Fabiani,  Comelii  mors.  Vgl. 
S.  p.  683.     Cypriani  epist. 

p.  Chr.  255.  Citat  von  Cyprian  de  mor- 
talitate. 

p.  Chr.  255.  Novatus,  abweichend  von 
Eus. 

p.  Chr.  256.  Citat  von  Cyprians  epistolae. 

p.  Chr.  259.  Cyprianus  mart.  Vgl.  S. 
p.  683. 

p.  Chr.  261.  Sapor  rex  Persarum  Syriam 
Ciliciam  et  Cappadociam  depo- 
pulatur.     Aus  Eusebius'i 

p.  Chr.  267.  Odenatus  decurio  Palmyre- 
nus  collecta  agrestium  manu  ita 


*)  [Nach  Schöne  a.  a.  0.  S.  219  ff.  stammt  diese  Notiz,  wie  die  übrigen  über 
Kaiser  Philippus,  aus  Eusebios,  den  Hieronymus  mißverstand.] 


Ueber  die  Quellen  der  Chronik  des  Hieronymas. 


62: 


Persas  cecidit,  ut  ad  Ctesiphontem 
castra  poneret.  Eutrop.  9,  10, 
ergänzt  aus  dem  brav.  Rufi  c.  23.*) 

p.  Chr.  271.  Timaeus  episc.  Antioch. 

p.  Chr.  275.  Die  Stdle  über  Zenobia  ist 
aus  Eutrop.  9,  13,  aber  die  Worte 
apud  Immas  sind  hinzugefüfft  aus 
brav.  Rufi  c.  24.  Der  ScMuss:  in 
qua  pugna  —  descendit  ist,  tcie 
Hier,  selbst  sagt,  Familientradition 
seines  Freundes  Euagrius  in  An- 
tiochia. 

p.  Chr.  278.  Die  Nachricht  über  den  Tod 
des  Äurdian  ist  aus  Euseb.  und 
Eutrop.  9, 15  zusammengesetzt;  das 
Wunderzeichen  des  Blitzes  ist  Zus. 
des  Hier. 

p.  Chr.  280.  Anatolius  Laodic.  episc. 

p,  Chr.  281.  Secundo  anno  Probi  iuxta 
Antiochenos.  cet.  LocaUradition 
von  Antiochia. 

p.  Chr.  283.  Cyrillus  episc.  Antioch. 

p.  Chr.  283.  (Saturninus)  magister  exer- 
citus  novam  civitatem  Antiochiae 
orsus  condere,  (qui  postea  im- 
perium   molitus    invadere)  Apa- 


miae  (occiditur).  2him  Theil  aus 
Eutrop.  9,  17,  zum  Theü  aus 
Tradition  von  Antiochia. 

p.  Chr.  299.  Marcellinus  Rom.  episc 

p.Chr.  303— 329.  fehlt  der  armenische 
Text,  und  da  auch  Syncellus  fehlt, 
hört  die  Contrdle  auf;  die  armeni- 
schen Excerpte  sind  dürftig. 

p.  Chr.  306.  terrae  motu  horribiÜ. 

p.  Chr.  306.  decimo  nono  anno  eccl. 
subversae. 

p.  Chr.  306.  pers.  Christiana  secundum 
Antiochenos  an.  cccu.    Hier,  fügt 
überall  die   Rechnung  nach  den  689j 
Jahren  der  Verfolgung  hinzu. 

p.  Chr.  307.  Galeriussolus  [fehUbeiSch.]. 

p.  Chr.  309.  Für  das  obscurius  matri- 
monium  Eutrop.  10,  2  nennt  Hier, 
die  coneubina  Helena. 

Mit  Diodetians  Tode,  loo  Hier,  selbst- 
ständig icird,  obwohl  er  den  Eusdnus, 
so  weit  er  reicht,  und  den  Eutrop  auch 
noch  benutzt  hat,  schliessen  wir  diese 
Ud)erskht. 


B. 

Auszüge  des  Hieronymus  aus  einer  ^Latina  historia'  de  origine 
gentis  RomanaeK 

1.  [Abr.  839]  Ante  Aeneam  lanus  Saturaus  Picus  Paunns  Latinus 
m  Italia  regnaverunt  annis  circiter  gl  2. 

2.  [Abr.  851]  (11.  Ascanius  Aeneae  filius)  derelicto  novercae  suae 
regno  Lavinii  ^  (Albam  Longam  condidit)  et  Silvium  Postumum  fratrem 
3uum  Aeneae  ex  Lavinia  filium  summa  pietate  educavit. 

3.  [Abr.  875]  Ascanius  lulium  filium  proereavit,  a  quo  famUia 
luliorum  orta.     Et  propter  aetatem  parvuli,   quia  necdum  regendis 


*)  [Nach  Schöne  a.  a.  O.  S.  221  f.  aus  der  von  Rufius  und  Hieronymus  be- 
rutzten  Historia  des  Aurelius  Victor,  auf  die  er  auch  die  folg.  Notiz  z.  J.  275 
zurückführen  möchte.] 

1)  Das  in  (  )  Eingeschlossene  ist  von  Hieronymus  aus  Eusebius  fibersetzt. 

2)  Auch  in  Hier,  series  regum  p.  65  Rone.  [s.  0.  S.  608] ;  Eusebius  hat  dies 
•weder  hier  noch  dort.  —  Die  Zahl  150  weiss  ich  sonst  nicht  nachzuweisen. 

3)  Vgl.  Liv.  1,  3.       ' 

40* 


628  Ueber  die  Quellen  der  Chronik  des  Hieronymus. 

civibus  idoneus  erat,  Silvium  Postummn  fratrem  suum  regni  reliquit 
heredem. 

4.  [Abr.  877]  iii.  Silvius  Postumiis,  quia  post  mortem  patris 
editus  ruri  fuerat  educatus,  et  Silvii  et  Postumi  nomen  accepit;  a 
quo  omnes  Albanorum  reges  Silvi  vocati  sunt. 

5.  [Abr.  909]  (iv.  Aeneas  Silvius  annis  xxxi).  In  alia  historia 
repperimus  quarto  Latinum  Silvium  regnasse  Laviniae  et  Melampodis  ^ 
filium,  uterinum  fratrem  Postumi;  et  quinto,  (qui  nunc  hie  quartus 
ponitur),  Silvium  Aeneam  Postumi  filium. 

6.  [Abr.  1029]  vii.  Aegyptus^  Silvius  a.  xxiiii^.  Silvius  (Atys  sive) 
Aegyptus  Albae  superioris  regis  filius  fuit. 

690  7.  VIII*.  [Abr.  1053]    (Capys)    Atyis  superioris  regis  filius  (annis 

XXVIIl). 

8.  [Abr.  1081]  ix.  (Carpentus  Silvius)  superioris  regis  Capyis 
filius  (annis  xiii). 

9.  X.  [Abr.  1094]    (Tiberinus   Silvius)  Carpenti  filius   (anni8;viii). 

10.  XI.  [Abr.  1102.  1104]  (Agrippa  Silvius)  Tiberini  filius  (annis  xl). 
In  Latina  historia  haec  ad  verbum  scripta  repperimus:  Agrippa  apud 
Latinos  regnante  Homerus  poeta  in  Graecia  claruit,  ut  testantur 
Apollodorus  grammaticus  et  Euphorbus^  historicus,  ante  urbem  Ro- 
mam  conditam  annis  cxxiiii,  et,  ut  ait  Cornelius  Nepos,  ante  olym- 
piadem  primam  ann.  c^. 

11.  [Abr.  1142]  XII.  (Silvius  Aremulus  sive  Remulus)  Agrippae 
superioris  regis  filius  praesidium  Albanorum  inter  montes  ubi  nunc 
Roma  est  posuit;  qui  ob  impietatem  postea  fulminatus  interiit.  Huius 
filius  fuit  lulius  proavus  lulii  Proculi,  qui  cum  Romulo  Romam 
commigrans  fundavit  gentem  luliam. 

12.  XIII.  [Abr.  1161]  Aventinus  Remuli  superioris  regis  maior  filius 
in  eo  monte  qui  nunc  pars  urbis  est  mortuus  ac  sepultus  aeternum 
loco  vocabulum  dedit. 


1)  Der  mit  Hercules  nach  Italien  kam  (Virg.  Aen.  10,  320^.  Dass  er  mit 
der  Lavinia  sich  vermählt,  berichtet  sonst  Niemand. 

2)  [So  Schöne  nach  den  Hss.];  Epistus  S.  Eus.  Arm.  Epitus  S.  die  hist. 
laisc. ;  Atyvjitiog  üdovibg  Syncell. 

3)  XXVI  Eus.  Arm. 

4)  Die  Könige  8.  9.  10  fehlen  in  der  armenischen  Handschrift;  mit  Zu- 
ziehung des  Syncellus  ist  indess  leicht  zu  bestimmen,  was  hier  dem  Eusebius 
gehört. 

5)  Scaliger  glaubt,  dass  Ephorus  gemeint  sei. 

6)  Dieser  Bericht  igt  ganz  confus ;  Nepos  in  primo  Chronicorum  setzte  mit 
Apollodor  den  Homer  160  J.  vor  Roms  Erbauung.  Gell,  xvn,  21.  [Vgl.  jedoch 
F.  Jacoby,  Apollodors  Chronik,  Berlin  1902,  S.  105  f.]  * 


Ueber  die  Quellen  der  Chronik  des  Hieronymus.  629 

13.  [Abr.  119S]  xiv^.  (Procas  SiMus  an.  xxni).  ÄTentini  superioris 
filins. 

14.  [Abr.  1221]  xv.  Numitor  Procae  superioris  regis  maior  filhis 
a  fratre  Amulio  regno  pulsus  in  agro  suo  vixit.  Filia  eins  adhnendi 
parhis  gratia  virgo  Yestalis  lecta ;  quae  cum  septimo  patrni  anno  "^ 
geminos  edidisset  infantes,  inxta  legem  in  terra  viva  defossa  est. 
Yenim  parvulos  prope  ripam  Tiberis  expositos  Faustulus  regü  pastor 
armenti  ad  Accam  Laurentiam  uxorem  suam  detulit.  quae  propter 
pulchritudinem  et  rapacitatem  corporis  quaestuosi  lupa  a  vicinis 
appellabatur.  Unde  ad  nostram  usque  memoriam  meretricum  cellulae 
lupanaria  dicuntur^.  Pueri  cum  adolevissent,  collecta  pastorum  et 
latronum  manu  interfecto  apud  Albam  Amulio  avum  Numitorem  in 
regnum  restituunt. 

15.  [Abr.  1264]  Roma  Parilibus,  qui  nunc  dies  festus  est,  condita. 

16.  [Abr.  1265]  Ob  asyli  impunitatem  magna  Romulo  multitudo 
coniungitur. 

17.  [Abr.  1266]  Remus  rutro*  pastorali   a  Fabio   Romuli  duce  691 
occisus. 

18.  Consualibus  ludis  Sabinae  raptae  anno  ab  u.  c.  tertio*;  et 
una  virginum  pulchenima  cunctorum*  acclamatione  rapientium  Talasso 
duci  Romuli  decemitur.  Unde  in  nuptiarum  solemnitatibus  Talasso 
vulgo  clamitant;  quod  scilicet  talis  nupta  sit.  quae  Talassum  habere 
mereatur. 

19.  [Abr.  1274]  Tarpeia  clipeis  Sabinorum  obnita,  unde  mons 
Tarpeius  in  quo  nunc  Capitolium. 

20.  [ibid.]  Romani  Tatio  Sabinorum  rege  regnante  cum  Romulo, 
a  Curibus  Quirites  appellati. 

1)  Fehlt  in  der  armenischen  Handschrift. 

2)  Da  Procas  23  Jahre  regierte,  war  also  Romulus  bei  Roms  Gründung 
18  Jahre  alt,  nach  der  allgemeinen  Annahme  Dionys.  2,  56. 

3)  Vict.  origo  gentis  Born.  21:  (Accam  LaretUiam)  eo  quod  preHo  corpus  esset 
Ktügare  solita  Lncpam  dictam.  Notum  quippe  ita  appeUari  mulieres  quaestrtwi  cor- 
pore facientes;  unde   et  eiusmodi   loci  in  quibus   hae  consistant  lupanaria  dicta. 

Dieselbe  Erklärung  auch  Liv.  1,  4  u.  a. 

4)  rastro  Eonc.  Vgl.  Vict  vir.  Hl.l:  a  Celere  ceniuri&ne  rutro  fertur  oceisus 
[Keil  (S.  Aur.  Victor  de  viris  ill.  herausgeg.  v.  Keil  Breslau  1872)  liest  auf  Gnmd 
der  Überl.  rastro.] 

5)  Diese  Zeitbestimmung  findet  sich  sonst  nirgends.  Gewöhnlieh  wird  dw 
I^nb  der  Sabinerinnen  in  den  vierten  Monat,  von  Cn.  Gellius  ins  4.  Jahr  d.  St. 
j,'e8etzt  (IHon.  2,  31),  und  so  muss  auch  Hieronymus  geschrieben  haben,  da  die 
list.  misc.  1,  4,  die  ihn  ausschreibt,  hier  hat  anno  ab  u.  e.  quarto. 

6)  besser  cunctarum. 


630  Ueber  die  Quellen  der  Chronik  des  Hieronymus. 

21.  [Abr.  1289]  (Romulus  primus  milites  sumpsit  ex  populo  et 
nobilissimos  c  senes)  ob  aetatem  senatores,  ob  similitudinem  curae 
patres  appellavit^. 

22.  Secundum  quosdam  Romulus  descripsit  in  x  menses  annum 
(prius  sine  aliqua  supputatione  confusum)^, 

23.  [Abr.  1300]  Romulus  apud  paludem  Caprae  nusquam  com- 
paruit,  et  suadente  Lucio  Proculo  Quirini  nomine  consecratus  est. 


Hieronymus  Auszüge  aus  einer  röm.  Geschichte  der  Periode  von 
Cäsar  und  August. 

Pompeius  proelio  victus  et  fugiens  a  spadonibus  Alexandrini 
regis  occiditur.     (28.  Sept.  48  v.  Chr.,  unter  Ol.  183,  1.) 

M.  Caelius  praetor  et  T.  Annius  Milo  exul  oppressi,  res  novas 
in  Thyriano  Bruttioque  agro  simul  molientes^.  (48  v.  Chr.,  unter 
Ol.  183,  1.) 

Romae  basilica  lulia  dedicata*.     (46  v.  Chr.,  unter  Ol.  183,  3.) 
692  Cleopatra  regio  comitatu   urbem   ingressa^.     (46  v.  Chr.,   unter 

Ol.  183,  3.) 

Prohibitae  lecticis  margaritisque  uti  quae  nee  vires  nee  liberos 
haberent  et  minores  essent  annis  xliv^.    (46  v.  Chr.,  unter  Ol.  183,  3.) 

Idibus  Martiis  C.  lulius  Caesar  in  curia  occiditur,  et  fasces  statim 
suscipit  P.  Dolabella''.  C.  Caesaris  corpus  in  rostris  ob  honorem  con- 
crematum.     (15.  März  44  v.  Chr.,  unter  Ol.  184,  1.) 

Ser.  Sulpicius  iuris  consultus  et  P.  Servilius  Isauricus^  publico 
funere  elati.     (Sulp.  43,  Servil.  44  v.  Chr.,  unter  Ol.  184,  1.) 

1)  aus  Sali.  Catil.  6:  ei  vel  aetate  vel  curae  simüüudine  patres  appellabantur. 

2)  die  Schlussworte  von  Hieronymus  zugesetzt  aus  Eutrop  1,  3  von  Numa: 
annum  descripsit  in  x  menses  prius  sine  aliqua  supputatione  (so  ist  zu  lesen) 
confusum. 

3)  vgl.  Dio  42,25;  doch  ist  die  Ortsangabe  bei  Hier,  genauer.  Drumann 
1,  51  [\\  36]. 

4)  Dio  43,  22  nennt  das  forum  luiium. 

5)  Dio  43,  27  ^Xd'sv  i?  tö  aaxv.  Das  Factum  ist  falsch  und  beruht  wohl  auf 
Verwechselung  von  Rom  und  Alexandria,  s.  Seal.  z.  d.  St.  [doch  vgl.  Cic.  ad  Att. 
14,  8.  20.  15,  15]  —  Dieselben  Worte  finden  sich  auch  bei  Eutrop.  6,  22  in  einigen 
Hdschr.,  aber  da  weder  Paeanius  noch  die  besseren  Handschriften  sie  haben, 
sind  sie  als  aus  Hier,  interpoliert  anzusehen. 

6)  Gehört  zu  den  Luxusgesetzen  und  den  noXvnaibiag  ä&Xa,  die  Dio  43,  25 
im  Allgemeinen  erwähnt.  Sonst  kommt  dies  Gesetz  nicht  vor.  [Die  Hss. 
schwanken  zwischen  ledicis  (APF)  und  electris  (B).] 

7)  Dio  44,  22.  8)  Dio  45,  16. 


üeber  die  Quellen  der  Chronik  des  Hieronjrmus.  631 

Romae  tres  simul  exorti  soles  paallatim  in  eundem  orbem  coie- 
nrnti.     (44  v.  Chr.,  unter  Ol.  184,  1.) 

Inter  cetera  portenta  quae  toto  orbe  facta  sunt  bos  in  suburbano 
Romae  ad  arantem  locutus  est  frustra  se  urgeri;  non  enim  frumenta 
sed  homines  brevi  defuturos^.     (44  v.  Chr.,  unter  Ol.  184,  1.) 

Antonius  adversus  Caesarem  Augustum  bellum  movet.  (44  v.  Chr., 
unter  Ol.  1S4.  2.) 

C.  Falcidius  tr.  pl.  legem  tulit,  ne  quis  plus  testamento  legaret, 
quam  ut  quarta  pars  heredibus  superesset  ^.  (40  v.  Chr.,  unter  Ol. 
184,  4.) 

Curtius  Salassus  in  insula  Arado  cum  iv  cohortibus  vivus  com- 
bustus  est,  quod  tributa  gravius  exigeret.  (40  v.  Chr.,  unter  Ol. 
184,  4*.) 

Yibium  Maximum  designatum  quaestorem  agnovit  dominus  suus 
et  abduxit^.     (39  v.  Chr.,.  unter  Ol.  184,  4.) 

E  tabema  meritoria  trans  Tiberim  oleum  terra  erupit  fluxitque 
tota  die  sine  intermissione  ^     (38  v.  Chr.,  unter  Ol.  184,  4.) 

Templa  Rhodiorum  depopulatus  est  Cassius  '^.  (42  v.  Chr.,  unter 
Ol.  184,4.) 

Secunda  secessio  Augusä  et  Antonii.    (41  v.  Chr.,  unter  Ol.  184, 4.) 

Augusti  et  Antonii  tertiae  dissensionis  exordium  (quod  repudiata 
sorore  Caesaris  Cleopatram  duxisset  uxorem)  ^.  (33  v.  Chr. ,  unter 
Ol.  186,  4.) 

Artorius   medicus   Augusti    post    Actiacam    victoriam   naufragio  593 
perit.     (31  v.  Chr.,  unter  Ol.  187,  2.) 

Agon  Aerius  constitutus  ^.     (30  v.  Chr.,  unter  Ol.  1 87,  4.) 

Pylades  Cilix  pantomimus.  cum  veteres  ipsi  canerent  atque 
saltarent,  primus  Romae  chorum  et  fistulam  sibi  praecinere  iussit 
(unter  Ol.  189,  3).*) 

1)  Dio  45,  17.    Vgl.  Obseqn.  c.  130. 

2)  Kommt  sonst  nirgends  vor. 

3)  In  ähnlicher  Weise  Dio  48,  33. 

4)  Weniger  genau  und  ohne  den  Namen  Dio  48,  24. 

5)  Dio  48,  34  Md^ifMv  yovv  rivä  jafuevaetv  ftdXioyta  eyrrngtae  re  6  deasionj^ 
xcd  cbiijyayev. 

6)  Wozn  Hier,  noch  fugt:  significans  Christi  graiiam  ex  gentibus.  Kürzer 
erwähnt  dasselbe  Zeichen  Dio  48,  43. 

T:)  Dio  47,  33.  8)  Aus  Eutrop.  7,  6. 

9)  Dio  51,  1.  Könnte  auch  aus  der  Stadtchronik  sein,  die  mehrere  Agonen 
Dinnt. 

*)  [Nach  Reifferscheid  a.  a.  0.  8.  372  stammt  diese  Notiz  aus  d«  Einleitung 
»i  de  poetis.] 


632  Ueber  die  Quellen  der  Chronik  des  Hieronymus. 


D. 

Hieronymus  Auszüge  aus  der  Stadtchronik. 

(Multa  opera  Romae  facta,  in  quis  Capitolium,  forum  transi- 
torium,  Divorum  porticus,  Isium  ac  Serapium,  Stadium  ^)  horrea  pipe- 
rataria,  Vespasiani  templum,  Minerva  Chalcidica,  odium,  forum 
Traiani,  thermae  Traianae  et  Titianae,  senatus,  ludus  matutinus, 
mica  aurea,  meta  Sudans  et  pantheum  (p.  Chr.  92)  [Ol.  217,  1]. 

Templum  Romae  et  Yeneris  ab  Hadriano  Romae  factum  (p. 
Chr.  132)  [Ol.  227,  3]. 

Thermae  Commodianae  Romae  factae   (p.  Chr.  185)  [01.240,3]. 

Severo  imperante  thermae  Severianae  (apud  Antiochiam  et)  ^ 
Romae  factae  et  Septizonium  extructum  (p.  Chr.  201  [Ol.  244,  4]. 

Antoninus  Romae  thermas  sui  nominis  aedificat^  (p.  Chr.  216) 
[Ol.  248,  3]. 

Eliogabalum  templum  Romae  aedificatum  (p.  Chr.  223)  [01.249,4]. 

Thermae  Alexandrinae  Romae  aedificatae  (p.  Chr.  229)  [Ol.  251, 3]. 

Atlas  mons  natali  Romanae  urbis  cucurrit  et  agon  mille  annorum 
actus  (p.  Chr.  250)*  [Ol.  256,  3]. 

Primus  agon  Solls  ab  Aureliano  institutus  (p.  Chr.  277)  [Ol.  263,3]. 

Thermae  Romae  Diocletianae  factae  et  Maximianae  Karthagine  ^ 
(p.  Chr.  302)  [Ol.  270,  2]. 

1)  So  weit  aus  Eutrop.  7,  23. 

2)  Zus.  des  Hier.,  s.  S.  688  [o.  S.  626.] 

3)  Entweder  aus  Eutrop.  8,  20  oder  aus  der  Stadtchronik. 

4)  Der  arm.  Eus.  hat  nur:  stadia  pro  dedicatione  urbis  currebant  [genauer 
die  von  Petermann  revidierte  Auchersche  Übersetzung :  stadia  in  encaeniis  Romae 
incedebant:  Schöne  S.  180  bei  d],  so  dass  der  Schlusssatz  wahrscheinlich  von 
Hieronymus  hinzugefügt  ist,  vielleicht  aus  der  Stadtchronik,  die  sonst  die  Agonen 
aufführt.  Ob  auch  im  ersten  Satze  etwas  von  Hier,  zugesetzt  ist,  ist  um  so 
schwieriger  zu  bestimmen,  als  die  Lesart  schwankt.  Wir  folgen  der  scaligerschen, 
welche  sich  auf  den  Bongarsianus  und  die  Hdschr.  der  ersten  Familie  stützt; 
in  andern  (s.  Pontac.  p.  644)  steht  xl  missus  bald  für,  bald  vor  Atlas  mons  (oder 
Aihalasmos).  Auch  findet  sich  cucurrerunt  statt  cucurrit.  [Vgl.  die  Angaben 
bei  Schöne  S.  181  bei  h  sowie  desselben  genaue  Behandlung  der  ganzen  Stelle 
in  der  Weltchronik  S.  89ff.,  wo  auch  der  Nachweis  geführt  worden  ist,  daß 
Hier,  den  griech.  Text  des  Eusebius  umschrieb.] 

5)  Es  ist  zweifelhaft,  ob  dies  aus  der  Stadtchronik  ist;  wenigstens  die 
thermae  Max.  fand  Hier,  dort  nicht. 


Lxvni. 

Polemii  Silvii  Laterculus.*) 

Die  im  Katalog  der  königlichen  Bibliothek  in  Brüssel  als  233 
n.  10615 — 10729  bezeichnete  Pergamenthandschrift  von  231  oder 
nach  einer  andern  Angabe  244  Blättern  aus  dem  Anfang  des  zwölften 
Jahrhunderts^,  welche  früher  den  Jesuiten  in  Antwerpen,  in  noch 
älterer  Zeit  dem  Hospital  des  heiligen  Nicolaus,  vermuthlich  irgend 
einer  niederrheinischen  oder  mitteldeutschen  Stadt  gehört  hat  2,  enthält 
unter  vielen  anderen  Collectaneen  ^  auf  S.94  fg.  n.  10691 — 10695  einen 

*)  [Abhandlungen  der  K.  sächsischen  Gesellschaft  der  Wissenschaften  Bd.  HI 
(=  Abb.  der  phil.-hist.  Kl.  H),  1857,  S.  231—277;  gedruckt  1853  und  als  Sonder- 
abdnick  in  diesem  Jahre  erschienen ;  mit  Nachträgen  Abh.  VIII  (phil.-hist.  Kl.  III), 
1861,  S.  694  —  696.  —  Neununddreißig  Jahre  später  hat  Mommsen  den  Later- 
culus zum  zweitenmal  herausgegeben,  in  den  Chronica  minora  (Monum.  Germ. 
hist.,  Äuct.  Antiquiss.  t.  IX)  I  (fasc.  2)  511  flF.;  doch  schien  es  richtig,  die  Ein- 
leitung zu  der  ersten  Ausgabe  und  die  Bemerkungen  zu  den  ersten  Abschnitten 
des  Stücks  in  ihrer  ursprünglichen  Fassung,  und  damit  auch  diese  ersten  Ab- 
schnitte selbst  wieder  abzudrucken.] 

1)  Vgl.  überhaupt  das  gedruckte  Inventar  der  Brüsseler  Handschriften 
S.  213,  wo  die  Beschreibung  indess  mehr  ausführlich  als  genau  ist;  ferner  die 
von  Hänel   (Richters  Jahrb.  1837  S,  760  fg.)  und  Hertz  (in  Lachmanns  Feldm. 

2,  47)  gegebenen  Mittheilungen  über  dieselbe.  Der  Katalog  setzt  die  Handschrift 
ins  erste  Drittel  des  zwölften,  Herr  Gachet  sie  ins  zwölfte,  Hertz  theils  ins  elfte, 
theils  ins  zwölfte  Jahrhundert. 

2)  «Le  codex  faisait  partie  autrefois  des  mss.  du  Museum  des  Jesuites  ä 
Anvers;  il  y  etait  cote  ainsi:  +  ms.  — 120 —  a.  Anterieurement  ü  arait  appartenu 
ä  un  hopital  dont  le  nom   est  au  premier  feuillet,  mais  qu'une  tache  d'encre 

empeche  de  lire :  Iste  est   liber  hospitalis  Sancti  Nicolai »  (Mittheilung 

des  Herrn  Gachet).  Nach  Hänel  a.  a.  0.  wäre  die  Handschrift  aus  der  Abtei 
Tongerloo  nach  Brüssel  gekommen.    [Der  Codex  gehörte  dem  Nicolaus  Cusanus, 

3.  Chronica  min.  I  p.  517.] 

3)  Z.  B.  Stücke  von  Aratus,  Sidonius  Apollinaris,  Paulinus  Nolanus,  Salvian, 
Notker,  Aldhelmus  u.  a.  m. ;  das  interessanteste  Stück  ist  ohne  Zweifel  das 
kürzlich  daraus  (n.  10677)  bekannt  gewordene  Fragment  der  Declamation  des 
P.  Annius  Florus  (in  0.  Jahns  Florus  praef.  p.  XLI),  dessen  schon  im  J.  1643 
BoUandus  in  seiner  Vorrede  gedacht  hat.  Die  agrimensorischen  Stücke  sind 
nach  Blume  (Feldm.  2,  47)  abgeschrieben  aus  einer  jetzt  in  Rom  befindlichen, 
^wahrscheinlich  aus  Fulda  stammenden  Handschrift ;  was  für  die  Herkunft  unsers 
tchriftchens  nicht  ohne  Bedeutung  ist. 


634  Polemii  Silvii  Laterculus. 

kleinen  Aufsatz,  der  sich  selbst  als  eine  von  einem  gewissen  Polemius 
Silvius  im  J.  448  unsrer  Zeitrechnung  abgefasste  und  dem  Bischof 
Eucherius  gewidmete  Kalendertafel  (laterculus)  mit  einer  Anzahl 
Beigaben  zu  derselben  ankündigt.  Die  BoUandisten  sind  es,  die 
diese  Handschrift,  und  damit  wie  es  scheint  das  einzige  auf  uns 
gekommene  Exemplar  dieses  Laterculus  wie  das  einzige  Exemplar 
234  des  merkwürdigen  Florusfragments,  erwarben  und  die  Aufmerksam- 
keit auf  sie  lenkten;  sie  gaben  im  J.  1643  die  Vorrede  und  einige 
Proben^,  im  J.  1717  den  Kalender  selbst  heraus  nebst  den  Schluss- 
worten des  Kaiserverzeichnisses  und  der  Chronik^,  und  hatten,  wie 
eine  Randnote  in  der  Handschrift  zeigt,  die  Absicht,  die  ganze 
Schrift  mit  Commentar  zu  publicieren.  Daraus  ist  nichts  geworden 
und  auch  sonst  hat  sich  meines  Wissens  Niemand  dieser  Arbeit 
unterzogen,  so  dass  ein  nicht  unwesentlicher  Theil  der  Handschrift 
immer  noch  ungedruckt  ist.  Durch  freundliche  Vermittelung  mehrerer 
Gelehrten  gelang  es  mir,  eine  von  dem  Chef  des  paläographischen 
Bureaus  in  Brüssel,  Herrn  Emil  Gachet,  sorgfältig  revidierte  Abschrift 
zu  erhalten,*)  wonach  hier  die  bisher  nicht  oder  nicht  vollständig 
aus  der  Handschrift  bekannt  gemachten  Stücke  mitgetheilt  werden 
sollen.  Den  Kalender,  der  gedruckt  ist  und  zweckmässig  mit  den 
gleichartigen  Documenten,  namentlich  dem  lambecianischen  verbunden 
wird,**)  lasse  ich  zurück,  ebenso  wie  es  mit  diesem  bei  der  Heraus- 
gabe der  im  J.  354  veranstalteten  chronographischen  Sammlung  ge- 
schehen ist,  wovon  der  lambecianische  Kalender  bekannthch  einen 
Theil  bildet. 

Der  Yerfasser  Polemius  Silvius  ^  oder  schlechtweg  Silvius  ist 
nach  Tillemonts*  wahrscheinlicher  Vermuthung  derselbe  Silvius,  der 

1)  Acta  Sanct.  Jan.  I  praef.  gen.  p.  XLIV, 

2)  Acta  Sanct.  Jun.  VII  p.  176—184  [der  ersten  Ausgabe;  .Tun.  VI  p.  833—842 
des  Pariser  Abdrucks]. 

*)  [Die  Abschrift  hatte  zahlreiche  Fehler,  die  Mommsen  aus  der  Handschrift 
selbst  in  den  Nachträgen  Abh.  III  S.  694  verbessert  hat.] 
**)  [S.  jetzt  C.  I.  L.  1  ed.  2  p.  254  ff.] 

8)  Die  Conjectur  Bollands  P.  Annaeus  Silvius,  die  aus  jenem  P.  Annius 
oder  Annaeus  Florus  geflossen  ist,  ist  nicht  glücklich;  ein  solcher  Name  würde 
für  das  fünfte  Jahrhundert  so  wenig  passen  wie  Polemius  Silvius  der  damaligen 
Nomenclatur  durchaus  angemessen  ist.  Polemii  finden  sich  in  dieser  Zeit  öfter, 
z.  B.  heisst  so  einer  der  Consuln  des  J.  338.  Uebrigens  soll  nach  Holland  praef. 
gen.  p.  XLIII  zuerst  Patmei,  dann  an  einer  andern  Stelle  Polemei  in  der  Hand- 
schrift stehen;  Herrn  Gachets  Angabe  darüber  verstehe  ich  nicht  recht;  es 
scheint  einmal  Poltmei,  einmal  Polemei  zu  stehen.  [Irrtum,  anscheinend  dadurch 
hervorgerufen,  daß  der  Inhalt  von  f.  93  von  jüngerer  Hand  auf  f.  94  wiederholt  ist. 
Die  Handschrift  hat  Poltmei.]  4)  M6m.  pour  servir  ä  l'hist.  eccl.  XV,  134. 


Polemii  Silvii  Laterculus.  635 

in  der  Biographie  des  Bischofs  Hilarius  von  Arelate  (403 — 449)  unter 
den  namhaften  Theologen  des  fünften  Jahrhunderts  aufgeführt  wird^ 
und,  nach  einer  Chronik  dieser  Zeit,  nach  vollendeter  Beamten- 
carriere  verschiedene  theologische  Irrlehren  bekannt  machte  2;  wie 
denn  auch  die  Dedication  seines  Laterculus  zeigt,  dass  er  schon  235 
vorher  mancherlei  geschrieben  hatte.  Der  Bischof  Eucherius,  dem 
der  Laterculus  gewidmet  ist,  ist  unzweifelhaft  der  bekannte  Bischof 
dieses  Namens  von  Lyon,  der  wenigstens  schon  im  J.  441  dieses 
Amt  bekleidete  und  wahrscheinlich  am  16.  Nov.  450,  also  bald  nach 
Abfassung  unsrer  Schrift,  starb ^.  Man  hat  vermuthet,  dass  der 
Verfasser  unsers  Laterculus  derjenige  Bischof,  wie  man  annimmt 
von  Agaunum,  jetzt  Martinach  im  Wallis,  sei,  dem  Eucherius  das 
Leben  des  heiligen  Mauritius  gewidmet  hat;  allein  dieser  scheint 
Salvius,  nicht  Silvius  geheissen  zu  haben*  und  auch  sonst  findet 
diese  Vermuthung  nirgends  einen  Anhalt.  Nach  der  Art,  wie  der 
Chronist  sich  ausdrückt,  sollte  man  auch  annehmen,  dass  unser  Silvius 
wenn  gleich  vielleicht  Geistlicher,  doch  schwerhch  Bischof  war.  — 
Genauer  zu  bestimmen  wo  die  Schrift  entstanden  ist,  vermag  ich 
nicht;  aber  nach  Gallien  führen  alle  Spuren:  die  Datierung  nach 
dem  occidentalischen  Consul*;  die  Yerzeichnung  des  Geburts-  und 
Krönungstages  (nataUs  genuinus  und  natalis  purpurae)  des  occidentali- 
schen Kaisers  Valentinian  III.  im  Kalender,  während  von  seinem 
Collegen  nicht  die  Rede  ist;  endlich  die  Erwähnung  Galliens  in 
allen  Verzeichnissen  der  Districte  unmittelbar  nach  Italien  und  die 
zuweilen  hervortretende  Berücksichtigung  gallischer  Verhältnisse, 
z.  B.   die  Notiz,   dass   die  Prätendenten  Magnentius  und  Decentius 

1)  Acta  Sanct.  Mai.  II  p.  29:  übi  instructos  supervenisse  vidisset  sermoni 

se  ipse  celsior  apparebat,  ut  eiusdem  praeclari  auctores  temporis,  qui  suis  scriptis 
nuriti  summi  daruere,  Silvius  Eitsebius  Domnolus  admiratione  siKxensi  in  haec 
veiba  proruperitU ,  noti  doclrinam,  tum  eloquent iam,  sed  nescio  quid  super  homines 
cotisecutum. 

2)  Tironis  ehr.  beim  J.  438  p.  754  Rone,  [chron.  min.  I  p.  660]:  Silvius 
turbatae  admodum  mentis  post  müitiae  in  pcUaMo  eoMcta  munera  aUqua  de  reUgione 
coiiscribit. 

3)  TiUemont  a.  a.  0.  XV,  120  fg.  848  fg.  Haller  Bibl.  der  Schweizergesch. 
;  in.  511  fg. 

i  4)  Die  Adresse  lautet  bei  ßuinart  Acta  mart.  p.  274:  domino  beatissimo  in 

i  Christo  Salvio  episeopo  Eucherius.     Auch  Tillemont  a.  a.  0.  unterscheidet  beide. 
j[S.  jetzt  Krusch  mon.  Germ.,  Script,  rer.  Meroving.  III  p.  20.  39.] 
I  5)  Asterio  consule  am  Schluss  der  Chronik;  der  Schreiber  wusste  wohl  den 

lNa:iien  des  Consuls  Asterius,  der  am  1.  Jan.  d.  J.  die  Fasces  in  Arles  genommen 
hatte,  aber  noch  nicht  den  Namen  des  constantinopolitanischen  Consuls  Proto- 
genes.    S.  Reland  zum  J.  449.    TUIemont  Eist,  VI,  237.    [Chron.  minor.  lU  p.  532.] 


636  Polemii  Silvii  Laterculus. 

Franken  waren,  während  von  italischen  und  speciell  römischen  Dingen 
der  Verfasser  nichts  weiss,  und  z.  B.  das  forum  pacis  und  das  forum 
Yespasiani,  welche  beiden  Namen  im  fünften  Jahrh.  der  Friedens- 
tempel in  Eom  führte,  als  zwei  verschiedene  Plätze  aufführt,  Nach 
Gallien,  speciell  nach  Fulda  (S.  622  A.  3)  führt  endlich  die  Handschrift. 
—  Als  das  Jahr  der  Abfassung  giebt  uns  der  Verfasser  selbst  an 
zwei  Stellen  das  der  Consuln  Zeno  und  Postumianus,  448  n.  Chr., 
an ;  offenbar  ein  wenn  gleich  nur  um  wenige  Monate  späterer  Nach- 
trag ist  die  Notiz  am  Schluss  der  Chronik,  dass  mit  dem  J.  448 
das  Jahr  1200  der  Stadt  abgelaufen  sei  und  Asterio  consule  eine 
236  neue  Aera  beginne.  Es  passt  dazu,  dass  alle  in  diesem  Laterculus 
als  lebend  erwähnten  geschichtlichen  Personen,  Theodosius  IL,  Valen- 
tinian  IIL,  Placidia,  Eudoxia,  Eucherius,  damals  in  der  That  noch 
lebten.  Dass  dagegen  von  den  eingerückten  Beilagen  eine  bestimmt 
fünfzig  bis  sechzig  Jahre  früher  redigiert  worden  ist,  begreift  bei 
einer  solchen  Compilation  sich  ohne  Mühe. 

Der  Zweck  der  Arbeit  liegt  klar  vor,  Silvius  wollte  eine  simpli- 
ficierte  Kalendertafel  liefern  mit  Weglassung  theils  alles  Schwierigen, 
theils  alles  Gottlosen  und  Heidnischen;  wobei  ihm  offenbar  ein  älterer 
dem  lambecianischen  nahe  verwandter  Laterculus  vorlag.  Schwer 
machte  er  sich  die  Sache  nicht;  die  Buchstaben  der  acht-  und  der 
siebentägigen  Woche,  die  Epakten  und  alles  was  wie  Chiffer  aussah, 
liess  er  einfach  weg  und  setzte  bloss  den  Monatstag.  Die  Siglen  in 
den  Randbemerkungen,  so  weit  sie  beibehalten  wurden,  löste  er  auf; 
man  findet  nicht  mehr  N,  sondern  natalis.  Die  Tag-  und  Nachtlängen, 
die  z,  B.  im  Kai.  rusticum  stehen,  blieben  weg,  «da  es  doch  nicht 
möglich  sei  sie  genau  zu  geben».  Die  Zeichen  des  Thierkreises 
schickten  sich  gleichfalls  nicht  mehr  für  den  christlichen  Mann;  «wer 
sah  je  am  Sternengewölbe  irdische  Individuen»,  Steinböcke  oder 
Fische  ?  Noch  weniger  Gnade  fanden  natürlich  die  Bilder  der  sieben 
tagbeherrschenden  Planeten;  «wozu  die  Tage  abmalen  oder  benennen, 
da  sie  doch  alle  gleich  sind»?  So  blieben  also  einestheils  die  Bilder 
der  Planeten  und  die  Zeichen  der  Ekliptik  weg,  die  noch  den  Kalender 
der  Chronographie  von  354  schmückten^,  anderntheils  wurden  im 
Text  die  irreführenden  Bezeichnungen  wie  sol  piscibus,  sol  tauro^ 
sorgfältig  vermieden  und  die  Namen  der  Tage,  wo  der  Schreiber 
sie  für  das  erkannte  was  sie  waren,  wie  lunonalia,  Hilaria,  Requetio, 

1)  Abb.  der  säcbs.  Ges.  11,  S.  566.  568  [o.  S.  538.  541]. 

2)  In  dem  gedruckten  Text  steht  allerdings  beim  15.  December  Aqtmrms; 
aber  die  Handschrift  hat  XV  X  qttaHus  XIII,  d.  h.  XV,  XIIll,  XIIL  [C.  I.  L.  I 
ed.  2  p.  279.] 


Polemü  Silvii  Laterculus.  637 

Lavatio  in  der  Mehrzahl  beseitigte  Auch  die  schlimmen  Tage  sind 
nicht  bezeichnet,  «da  Gott  ja  alles  wohl  geschaffen  hat»;  deshalb 
fehlt  der  Abschnitt  über  die  horae  bonae,  noxiae,  commmies^  und 
die  Verzeichnung  der  dies  Aegyptiaci.  Endlich  liess  der  Verfasser 
auch  die  Monatsbilder  weg,  die  in  der  Chronographie  von  354  auf 
der  Nebenseite  einer  jeden  Monatstafel  in  stattlicher  Grösse  ge-  237 
zeichnet  waren;  doch  gedenkt  er  dieser  in  der  Vorrede  nicht.  So 
blieb  denn  freilich  im  Kalender  nicht  viel  nach  als  die  Angaben 
einiger  christlichen  Festtage,  der  regelmässigen  Senatssitzungen  und 
der  Tage  der  Aratsantretung  bei  wechselnden  Aemtern,  der  Geburts- 
tage der  Kaiser  und  Märtja-er,  der  Spiele  und  einige  dürftige  histo- 
rische Nachrichten;  während  auf  der  Rückseite  und  am  oberen  und 
unteren  Rande  der  Kalendertafel  der  dm-ch  die  Bilder  eingenommene 
Raum  frei  ward.  Unser  Reformator  hatte  vollkommen  Platz  nicht 
bloss  im  Kalender  selbst  vollständige  Wetterprophezeiungen  anzubringen, 
sondern  noch  daneben  seinen  Lesern  und  Käufern  das  Nützliche  und 
Nöthige  von  Geschichte  und  Geographie  in  einer  Nuss  darzubieten. 
Dass  es  nicht  viel  ist,  wird  man  begreifen;  nicht  minder  aber,  dass 
der  fromme  Verfertiger  dieses  zeitgemässen  verbesserten  Kalenders 
durch  ein  ausführliches  Verzeichniss  des  reichen  Inhalts  dem  Leser 
sich  sofort  empfiehlt.  Es  ist  dies  für  uns  insofern  wichtig,  als  wir 
in  unserm  Exemplar  zwar  den  Kalender  ganz,  aber  manche  der 
Zugaben  auf  den  Zwischenblättern  nicht  mehr  finden.  Ich  gebe  im 
Folgenden  die  übersichtliche  Vergleiehung  der  in  der  Vorrede  an- 
gezeigten und  der  in  der  Handschrift  enthaltenen  Stücke. 

I  enumeratio  principum  cum  tyran-  Nomina  omnium  principum  Romanorum 

nis.  (zwischen  Jan.  und  Febr.). 

II  enumeratio    provinciarum   Roma-  Nomina  provinciarum  (zwischen  Febr. 

norum.  und  März). 

III  enumeratio  spirantium:  quadrupe-  Nomina  cunctorum   spirantium:  quad- 
dum,  volatilium,  natantium.  rupedum,  volucrum,    eorum  quae  non 

moventur,  colubrarum  (zwischen  März 
und  April»,  insectorum  sive  reptantium, 
natantium  (zwischen  April  und  Mai). 

IV  ratio  quaerendae  lunae  festivique      Fehlt  zwischen  Mai  und  Juni. 
pasehalis. 

V  enarratio  fabricarum  urbis  Rom.ae.      Quae  sint  Romae  (zwischen  Juni  und 

Juli). 


1)  Einige  sind  übersehen  oder  missdeutet  worden  und  so  stehen  geblieben; 
so  11.  Jan.  Carmentalia,  13.  Febr.  parentatio  tumulorum,  15.  Febr.  Lupercalia, 
17.  Febr.  Quirinalia,  23.  Febr.  Tenninalia,  27.  März  «Lavationem  veteres  nomina- 
bmt.» 

2)  Abh.  a.  a.  0.  S.  566  [o.  S.  538]. 


638 


Polemii  Silvii  Laterculus. 


VI  poeticae  fabulae.  Fehlen  zwischen  Juli  und  August. 

VII  series  Romanae  historiae  breviter      Breviarium  temporum  (zwischen  Aug. 
conclusa.  und  Sept.). 

VIII  Stridores  animantium.  Voces    variae    animantium    (zwischen 

Nov.  und  Dec). 
IX  pondera  sive  mensurae.  Nomina    ponderum    vel     mensurarum 

(nach  Dec). 
X  pedes  metrorum  omnium.  Fehlen. 

XI  sectae  philosophicae.  Fehlen. 

238  Da  der  lange  dritte  Abschnitt  offenbar  auf  zwei  Blätter  vertheilt 

war,  haben  wir  hier  die  in  alternis  foliis  versprochenen  zwölf  Stücke 
vollständig  aufgezählt.  Da  die  Handschrift  mit  Explicit  schliesst, 
auch  von  den  Monaten  keiner  fehlt,  scheinen  die  vier  fehlenden 
Stücke  vom  Abschreiber  weggelassen  zu  sein,  während  er  die  beiden 
letzten  versetzte  und  überhaupt  die  alte  Kalenderform  aufgebend 
den  ganzen  Text,  selbst  den  Kalender,  fortlaufend  schrieb.  Es  wäre 
übrigens  noch  zu  untersuchen,  ob  sie  sich  nicht  an  einem  andern 
Ort  in  derselben  Handschrift  sollten  wiederfinden  lassen.  —  Ich  gebe 
im  Folgenden  unter  den  Nummern  I — IX  die  Vorrede,  die  Einleitung 
und  die  sieben  erhaltenen  Beilagen.*)  Zwei  derselben,  die  nomina 
spirantium  (V)  und  die  voces  animantium  (VIII)  liegen  meinem 
Kreise  so  fern,  dass  ich  mich  begnügt  habe  den  Text  mit  allen 
Fehlem  abdrucken  zu  lassen,  da  es  doch  möglich  ist,  dass  ein  Lexi- 
kograph oder  ein  Herausgeber  des  Plinius  daraus  hie  und  da  einigen 
Nutzen  ziehen  kann.  Die  übrigen  Stücke  sind  kritisch  und,  so  weit 
es  der  Mühe  werth  schien,  historisch  bearbeitet  worden.  Der  Text 
ist  nicht  interpoliert,  aber  sehr  corrupt,  so  dass  an  manchen  Stellen 
die  Lesung  zweifelhaft  bleibte  Dass  der  Stil  nicht  gut  sein  kann, 
versteht  sich;  Ansätze  zur  Eleganz,  die  hie  und  da  sich  finden,  wie 
necessum.  est,  ad  celsiorem  tramitem  surgens  und  dgl.,  machen  das 
Stammeln  des  Schreibers  nur  noch  fühlbarer.  Immer  aber  finden 
sich  in  dem  Wust  platter  und  gewöhnlicher  Notizen  mancherlei  in 
verschiedener  Beziehung  nicht  unbrauchbare  Angaben  und  Excerpte. 
Von  dem  Libellus  provinciarum  erhalten  wir  hier  einen  zweiten  von 
dem  Speierer  Codex  nicht  abhängigen   Text,    der   das  keineswegs 

*)  [Von  den  Beilagen  sind  hier  nur  die  beiden  ersten  wiederholt,  s.  S.  633  A.  *.] 
1)  Die  Bollandisten  sagen,  der  Codex  sei  geschrieben  charactere  minuto  sed 
staute,  scriptus  ab  eadem  manu  a  capite  ad  calcem,  non  sine  mendis.  «Die 
Schrift»,  sagt  Hänel,  «ist  klein,  gedrängt,  mit  vielen  Abkürzungen,  aber  im 
Ganzen  deutlich  und  ziemlich  correct;  die  griechischen  Stelleu  für  die  damalige 
Zeit  genau  wiedergegeben.»  Dies  ist  zunächst  von  den  gromatischen  Abschnitten 
gesagt;  für  den  unsrigen  bedürfte  es  einer  starken  Beschränkung. 


Polemii  Silvii  Laterculus.  639 

unwichtige  Aktenstück  wesentlich  berichtigt.  Von  der  Beschreibung 
Roms  giebt  uns  Polemius  Auszüge,  die  aus  einem  weit  reineren  Text 
entlehnt  sind  als  ihn  alle  unsre  Handschriften,  selbst  die  der  Chrono- 
graphie von  354  einverleibte,  darbieten  und  mehrere  bisher  unlösbare 
Monstra  erfreulich  aufklären.  Auch  in  den  Gewicht-  und  Mass- 
bestimmungen finden  sich  ein  paar  beachtenswerthe  Notizen  und  das 
Register  der  Thiere  stützt  sich  wenigstens  auf  schätzbare  Quellen. 
Endlich  ist  in  den  beiden  historischen  Abschnitten  der  Anfang  der 
Chronik  zwar  aus  Hieronymus  ausgeschrieben,  einiges  Andere  viel-  239 
leicht  aus  Eutrop^,  dagegen  bei  weitem  das  Meiste  aus  guten  für 
uns  verlorenen  Quellen  geschöpft  und  zum  Beispiel  das  Verzeichniss 
der  römischen  Regenten  und  Tyrannen  so  vollständig  gegeben,  dass 
manche  IS^amen  darin  zum  erstenmal  erscheinen  —  für  die  Geschichte 
freilich  ein  geringer  Gewinn,  da  es  ihr  an  Bettelkönigen  nicht 
mangelt.  Immer  noch  ist  der  Laterculus  ein  Ueberrest  aus  den 
letzten  römischen  Zeiten,  wo  ein  kleines  Geschlecht  im  Plunder 
früherer  Grösse  unterging;  geschrieben  während  Aetius  die  römische 
Herrschaft  in  Gallien  aufrecht  erhielt,  wenige  Jahre  vor  der  grossen 
Schlacht  auf  den  catalaunischen  Feldern  (453).  Die  armselige  Dürftig- 
keit der  Kenntnisse  wie  der  Ideen  dieser  Epoche,  ihre  platte  Oppo- 
sition gegen  die  Reminiscenzen  des  Heidenthums  liegen  in  dieser 
Encyclopädie  in  einem  Spiegel  vor,  der  nicht  schmeichelhaft,  aber 
belehrend  ist.  Der  Leser,  wenn  diese  Blätter  einen  finden,  darf  sich 
allerdings  weder  \ie\  Freude  noch  viel  Aufklärung  versprechen;  doch 
glaube  ich  nicht  zu  fehlen,  wenn  ich  hier  eine  Ausnahme  mache 
von  dem  nicht  oft  ungestraft  verletzten  Erfahrungssatz,  dass  die 
Inedita  aus  der  Zeit  des  Verfalls  ihre  Bestimmung  erfüllen,  wenn 
sie  Inedita  bleiben. 


1)  S.  zum  Kaiserverzeichniss  (III)  S.  642  A.  3  und  S.  643  A.  1 ;  zur  Chronik  A.  1. 
[S.  275  der  1.  Ausg. ;  chron.  min.  I  p.  547.] 


640 


Polemii  Silvii  Laterculus. 


240  POLEMII  SILVII  LATERCVLVS. 

I. 
DOMINO  BEATISSIMO  EVCHERIO  EPISCOPO  8ILVIVS. 
Laterculum  quem  priores  fecerunt  cum  difficilibus  supputatoribus 
indiciis  notatum  legissem,  ne  minus  doctis  esset  obscurior  absolutione, 
positarum  in  eo  rerum  significationem  mutavi  et  apud  te  potissimum, 
a  quo  mea  omnia  pro  eo  qui  inter  nos  est  amoris  studio  compro- 
bantur,  digestum  direxi.  Laetificabor  iudicio  tuo,  si  eum  tibi  pla- 
cuisse  cognovero. 

II. 
Quae  in  eo   sunt. 
Menses  singuli  cum  vocabulis  suis,   quibus  apud  diversas  gentes  ] 
dicuntur,   et   in   alternis  inter  eos   foliis  enumeratio  principum  cum 
tyrannis;  provinciarum  etiam  Romanorum;  spirantiumque ,  quadrupe- 
dum  volatilium  natantium ;  ratio  quaerendae  lunae  festivique  paschalis ; 
nee  non  urbis  Romae  fabricarum  enarratio ;  poeticae  fabulae ;  Romanae 
historiae  breviter  conclusa  series;  cum  stridoribus  animantium,  pon-  j 
deribus  sive  mensuris,  vel  metrorum  omnium  pedibus,  ac  sectis  filo- 
soficis  continentur. 

De  diebus. 
Dierum  necessum  non  fuit  formas  depingi,  quia  sibi  omnes  quali- 
tate  consimiles  sunt,  neque  ut  stulti  gentiles  locuntur  nomina  desig-  : 

24 1  nari,  quoniam  nullius  rei  nisi  septenarii  propter  revolubiles  ebdomadas 
numeri,  sicut  scriptura  caelestis  edocuit,  appellatione  censentur.  In 
quibus  non  ita  modus  certus  horarum  est,  ut  valeat  a  quocumque 
monstrari;  quia  quod  nequit  dividi,  non  possumus  computare.  Quarum, 
etiamsi  oculis  subiacerent,  nulla  mala  erat  aestimanda,  quoniam  Dens  ; 
universa  bona  constituit.  Quod  qui  esse  credit  aliter,  in  eo  a  quo 
cuncta  sunt  non  credit. 


Bei  der  Angabe  der  Varianten  ist  die  in  der  Hdsehr.  fast  eonstante  Schreibung 
e  anstatt  der  Diphthongen  ae  und  oe  übergangen  [hier  die  Varianten  nach  Chronic, 
minor.].     Die  Handschrift  1  Poltmei  [nach  Äbh.  d.  sächs.  Ges.  3  S.  695  Poltmii] 
latercolus        3  prioris         difficelibus  suppucatioribus :   einfacher  wäre  suppu- 
tatori  5  besser  ad  te  6   eo]tius  11   folis  13  natuncium   {am 

nanancium)  pascalis  15   triumphatoribus  statt  stridoribus  16  ac]ae 

17  contenentur         19  furmas         21  revolubelis  22  cinsentur  24  nequid 

26  esse  non  credit 


Folemii  Silvii  Latercnlas.  041 

De  signis. 

De  signis  nihil  est  quod  dicatur,  quia  non  sunt,  etiamsi  dicantur. 
Quis   enim  facies  terrestrium  singulonim  aliquando  inter  astra  con- 
spexit?     Quorum,   quoniam   longe   post  mundi   ortum  vana  vetenim 
5  profanorum  arte  conficta  sunt,  mentio  relinquenda  est. 

De   anno. 

Annus  primum  decem  mensum  fuit,  qui  trecentos  et  quattuor 
dies  habebat;  licet,  ut  auctores  plurimi  prodiderunt,  apud  Aegyptios 
quattuor,  apud  Arcades  tribus,  apud  Acamanes  YI  mensibus  eompu- 

0  tatus  fuisse  referatur  ^.  Post  a  Numa  rege  Komanorum  secundo 
inter  Decembrem  et  Martium  lanuarius  et  Februarius  fertur  adieetus, 
ut  trecentis  quinquaginta  quattuor  diebus  atque  duodecies  luna  reno- 
vata,  quae  vicenis  novenis  et  semis  vicibus  cursum  suum  efficit,  in- 
pleretur.     Postremo   additi'sunt  decem  dies,   atque  ob  quadrantem, 

5  quod  per  quadriennium  dies  unus  iunctus  crescit,  quarto  anno,  quem 
bisextum  vocamus,  inseritur.  Cuius  initium  cum  Aegyptiis  qui  nonas 
idusque  non  norunt  mense  Septembri,  cum  Graecis  Novembri  2,  Martio 
cum  ludaeis^  habetur.  Nos  calendarum  rationem  secuti  a  lanuario, 
cuius  ante  dies  octo  et  sol  ad  celsiorem  tramitem  surgens  recurrit, 

»  et  quod  est  amplius  Dominus  et  Deus  noster  Dei  filius  lesus  Christus 
corporaliter  natus  est,  ordiemur. 


3  terrestraum  5  confecta  sunt  nachgetragen  8  prodederunt 

9  Archades  Carnanes  10  post  annum   a  rege  Romanorum  secundnm 

11  iauinarius         12  quinquaginta  et  quatuor         atque]  quos         12/13  renovat 
atque  vicinis  novenis  et  simis  13  effecit  et  inpleritur  14  diebus  atque 

quadrantem  (ob  fehlt)         15  quadriennum        17  et  cum  Grecis         18  calendorum 
19  recnrret  20  ihesus 


1)  Plut.   Numa  18.     Censorin.   c.  19.     Macrob.   Sat.  I,  12.     Solin.  c.  1  p.  3  242 
Salm.    [1,  34  p.  9  Momms.  ed.  II.]    Ideler  Chronologie  I,  62.  94. 

2)  Ich  weiss  nicht  recht,  was  hiemit  zu  machen.  Die  Graeci  sind  gewiss 
wie  im  Kalender  die  syrischen  Griechen  (Ideler  I,  431),  deren  Jahr  aber  mit  dem 
ersten  Hyperberetäus  oder  October  anfing.  Vielleicht  fand  eine  Verwechselung 
statt,  indem  das  makedonisch-kleinasiatische  Jahr  beginnt  mit  dem  ersten  Dius, 
welcher  nicht  in  dem  kleinasiatischen,  aber  im  syrischen  Jahr  dem  8.  Nov. 
entspricht. 

3)  Ideler  Chronol.  I,  559  vgl.  491.    Der  mosaische  Nisan  ist  gemeint 

MOMMSEN,   SCHR.  VlI.  41 


ß42  Polemii  Silvii  Laterculus. 

m. 

NOMINA  OMNIVM  PRINCIPVM  ROMANORYM.*) 

1  Anno  septingentesimo  et  decimo  ab  urbe  condita  primus  Gaius 
lulius  Caesar  socer  Pompei  ex  dictatore  imperatorem  ipse 
se  fecit^ 

2  Quo  occiso  in  curia  post  quadriennium ,  Lepidus,  Antonius 
et  Octavianus,  sororis  supradicti  Caesaris  de  filia  nepos, 
triumviri  constituti  sunt.  De  quibus  Lepido  mortuo,  cum 
Antonium  Cleopatrae  reginae  maritum  navali  proelio  devicisset, 
Octavianus  praedictus  primum  dictus  Augustus  quinquaginta  et 
VI  annis  imperium  solus  obtinuit. 

3  Sub  quo  Gaius  et  Lucius  Caesar  es  varia  mortis  sorte 
perierunt. 

4  Huic  successit  Tiberius  eius  privignus  ex  Livia,  quam  praeg- 
nantem  superstite  viro  eius  Domitio  idem  Augustus  coniugio  suo 
suo  iunxerat. 

5  Graius  Caligula  Germanici  filius  occisus  a  Chaerea. 

6  Claudius  Gai  patruus  paterque  Britannici. 

7  Sub  quo  Camillus  tyrannus  primum  factus  in  Syria^  est. 

8  Nero  Aenobarbi  et  Agrippinae  filius,  qui  quintodecimo  anno 
ipse  se  ferro,  cum  ob  scelera  sua  et  dedecora,  quibus  genus 
humanum  omne  superavit,  a  Romano  populo  ad  poenam  quae- 
ritur^,  occidit. 

9  Sub  quo  Yindex  et  Clodius  tyranni  fuerunt. 
10  Galba  cum  Pisone  occisus. 


*)  [Text  nach    Chron.  min.  I  p.  520—523.]       Die   Handschrift  1,  i   orbej 
2  imperatore        2,  i  in  curia  am  Bande  ergänzt         2,  i  octouianus         sororej 
nepus       5  octouianus       quinginta       4,  i  theberius       quam  prignante  super- 
stetit        5  gaius  gaicoli  caligola        occisus  caereia         6  paterquem         7  siria 
8,  1  aenobardi       agripine       3  huminum  omnes       10  bisone 


1)  Den  Titel  imperator  in  dem  späteren  Sinn  nahm  Caesar  im  J.  709  der  St 
(nach  varronischer  Zählung)  an.    Die  vierjährige  Regierung  Caesars  beruht  auf 
einer  Abrundung  der  3  Jahr  7  M.  6  Tage,  die  die  Stadtchronik  [chronic,  minor, 
p.  145]  und  Clem.  Alexandr.  ström.  I  [21, 144]  p.  146  von  der  pharsalischen  Schlacl 
bis  auf  Caesars  Tod  zählen,  während  die  zweite  Berechnung  bei  Hieronymus' 
von  4  Jahr  7  M.  oder  rund  5  Jahren  von  der  ersten  Dictatur  an  zählt. 
245  2)  Vielmehr  in  Dalmatien.      Suet.   Claud.  13.     Dio    60,  15.     Vict.  epit.  4. 

Vielleicht  «in  Illyrico»  [oder  in  Istria,  nach  v.  Gutschmid   Rh.  Mus.  17,  1862, 
S.  826  (Kl.  Sehr.  5,  278)]. 

3)  Eutrop  7, 15:  Nero  cum  quaereretur  ad  poenam. 


Polemii  Silvii  Laterculus.  ß43 

11  Vespasianus. 

12  Titus  filius  ludaeae  gentis  subactor. 

13  Domitianus  frater  eius,  qui  primus  Flavius  nominatus  dominum 
se  dici  iussit^,  occisus  a  Stephano. 

14  Sub  quo  tyrannus  Antonius  fiiit. 

15  Nerva  ex  praefecto^. 

16  Traianus  Ulpius. 

17  Hadrianus  Aelius. 

18  Antoninus  Pius. 

19  Sub  quo 3  in  Oriente  tyrannus  Cassius  fuit. 

20  Yerus. 

21  Marcus  Aurelius. 

22  Com  modus  filius  occisus. 

23  Pertinax  occisus. 

24  Julian  US  occisus. 

25  Severus  Afer. 

26  Sub  quo  Pescennius  et  Albinus  ex  Caesare  tyranni  fuenint.  243 

27  Geta  filius  Severi  occisus  a  fratre. 

28  Antoninus  Caracalla  frater  praedicti, 

29  Macrinus  cum  Diadumeno  filio  occisi. 

30  Antoninus  Heliogabalus  occisus. 

31  Sub  quo  Marcellus  Caesar*  et  Sallustius,  Uranius,  Seleucua 
atque  Taurinus^  tyranni  fuenint. 


12  iude  13,  i  dominus  17  helius  18  antonius  19  casius  21  auri- 
lius  22  filius  occisos  26  poscennius  27  zeta  28  antonius  29  dia- 
domino        30  antonius        31  macellus        salustius 


1)  Eutrop  7,  23:  dominum  se  et  deum  primtis  appellariiussit;  ähnlich  Victor 
epit.  11,  beide  aus  Sueton.  Domit.  13.  —  Die  Erwähnung  der  Flavier  ist  ein 
Zusatz  des  Polemius,  veranlasst  dadurch,  dass  zu  seiner  Zeit  sowohl  dominus 
noster  als  Flavius  stehende  Prädicate  der  Kaiser  waren. 

2)  Ich  weiss  nichts  zu  machen  mit  dieser  Angabe;  vielleicht  hat  eine 
Verwechselung  stattgefunden  des  Kaisers  mit  dem  praef.  praet.  Petronius  Secundus, 
der  ihm  zur  Regierung  verhalf. 

3)  Vielmehr  unter  Marcus  Aurelius. 

4)  Vict.  epit.  23 :  hie  MarceUum,  qui  post  Alexander  est  dictus  consobrinum 
suum  Caesarem  fecit.  Dies  ist  ausser  dem  des  Polemius  das  einzige  Zeugniss, 
das  dem  Kaiser  Severus  Alexander  vor  seiner  Adoption  den  Namen  Marcellus 
giebt;  Dio  78,  30  nennt  ihn  Bassianus,  Herodian  5,  7  Alexianus.  [S.  Prosopogr. 
imp.  Rom.  I  p.  215.  216.] 

5)  Von  diesen  vier  Prätendenten  sind  nur  zwei  sonst  bekannt,  L.  lulius 
Aurelius  Sulpicius  Uranius  Antoninus,  von  dem  es  Münzen  giebt  (Eckhel  7,  288. 
Lenormant  Rev.  de  num.  1843,  p.  255  fg.)  und  der  auch  als  Uranius  bei  SynceUus 

41* 


644  Polemii  Silvii  Laterculus. 

32  Alexander, 

33  Maximinus  cum  filio  occisi. 

34  Sub  quo  duo  Gordiani  in  Africa  tyranni  fuerunt. 

35  Balbinus,  Pupienus  occisi. 

36  Gordianus  occisus. 

37  Philippus  cum  Philippe  qui  primus  factus  est  Christianus. 

38  Sub  quo  lotabianus  tyrannus  in  Cappadocia  fuit^. 

39  Decius  cum  Herennio  filio  occisus  in  pugna  Gothorum. 

40  Sub    quo    Prise us    in    Macedonia   et  Valens    Romae    tyranni 
fuerunt. 

41  Hostilianus  cum  Yolusiano  Caesare. 

42  Aemilianus. 

43  Valerianus  captus  a  Persis  aput  eosdera  defecit. 

44  Gallienus  praedicti    filius    cum    Salonino    et   Licinio   filiis* 
occisi. 


34  gorgianus  35  babienus  popienus  36  gorgianus  88  iotabian 
39  herinnoo  (?)  pugnatorum  (/%r  pugna  gothorum)  41  uolustiano  42  emilia- 
nus  cum        44  galliaenus  praedicasti  filius        salonio 


I,  p.  675  Bonn. ,  als  Uranius  und  Antoninus  (woraus  irrthümlicli  zwei  Personen 
gemacht  werden)  bei  Zosimus  I,  12  vorkommt;  ferner  Taurinus,  dessen  Victor 
epit.  24  gedenkt.  Lenormants  Vermuthung  a.  a.  0.  p.  259,  dass  Taurinus  Schreib- 
fehler für  Uranius  sei,  wird  durch  Polemius  Zeugniss  widerlegt.  —  Sallustius 
wird  zwar  nirgends  unter  diesem  Namen  genannt;  allein  es  scheint  nicht  zu 
bezweifeln,  dass  er  der  Schwiegervater  des  Kaisers  Macrinus  oder  Macrianus  ist, 
den  Alexander  zum  Caesar  erhob  (vita  Alex.  49),  der  Vater  seiner  aus  Münzen 
und  Inschriften  bekannten  Gemahlin  Sallustia  Barbia  Orbiana.  Vielleicht  ist 
der  affinis  Alexanders  Varius  (Barbius?)  Macrianus  (vita  Alex.  58)  ein  Sohn 
dieses  Caesar.  —  Von  Seleucus  finde  ich  nirgends  eine  Spur.  —  Dass  übrigens 
diese  vier  Tyrannen  unter  Alexander,  nicht  unter  Elagabalus  zu  setzen  sind, 
bedarf  wohl  keines  weiteren  Beweises.  [Über  Sallustius  s.  Prosopogr.  imp. 
Rom.  II  p.  314,  22.    III  p.  158,  58,  über  Uranius  Prosopogr.  II  p.  170, 123.] 

1)  Zosim.  I,  20.  21.  Vict.  Caes.  29.  Seine  Erhebung  fällt  unter  Philipp,  sein 
Tod  unter  Decius.  Zosimus  setzt  ihn  in  den  Orient,  Victor  nach  Syrien ;  Polemius 
Angabe  ist  genauer.    [S.  Prosopogr.  11  p.  43,  1.] 

2)  Vict.  epit.  33:  Gallienus  in  locum  üorndii  filii  sui  Salonianum  cUterum 
filium  subrogavit.  Diese  Angabe,  die  bei  ihrer  Flüchtigkeit  grosse,  durch  die 
gefälschte  Inschrift  eines  Sohnes  des  Gallien  Namens  Q.  lulius  (Eckhel  7,  345. 
I.  N,  647*  [C.  I.  L.  X,  565*])  noch  vermehrte  Schwierigkeiten  gemacht  hat,  wird 
jetzt  bestätigt  und  ergänzt  durch  die  Inschrift  von  Sitifis  (Letronne  Journ.  des 
sav.  1847  p.  730;  Abb.  der  Bair.  Akad.  V,  II,  230  [C.  I.  L.  VIII,  8473  =  Dessau  557]): 
Divo  Caesari  P.  Cornelio  Licinio  Valeriano,  nepoti  imp.  Caes.  P.  Licini  Valeriani 
Aug.,  fUio  imp.  Caes.  P.  lAcinii  Gallieni  Aug.,  frcUri  P.  Corneli  Licini  Salonini 
noUlissimi  Caes.  Aug.  u.  s.  w.  Also  der  ältere  Sohn,  den  Postumus  tödten  liess, 
hiess  P.  Cornelius  Licinius  Valerianus  —  er  ist  der  Cornelius  Victors,  der  Licinius 


Poletnii  Silvii  Laterculus.  545 

45  Sub  quo  Ingenuus  Sirmii  et  Regalianus  ibidem;  Viennae 
Postumus,  Laelianus  et  Marius  ex  fabro;  Macrinus*) 
quoque,  Quietus  et  Odaenathus  in  Oriente,  vel  Aureolus  in 
Italia  tyranni  fuerunt  *. 

46  Claudius  in  bello  Gothico  occisus. 

47  Quintillus  occisus. 

48  Aurelianus  occisus. 


45, 1  ingenuos  2  laebanus  marius  et  fabro  3  odinatus  aorealus 
47  quintillus        48  aurilianus 

iinsrer  Chronik  — ;  der  jüngere  P.  Cornelius  Licinius  Saloninus,  bei  den  beiden 
Chronisten  Saloninus.  Hiemach  wird  es  auch  wohl  gelingen,  die  Münzen  wenig- 
stens zum  Theil  zu  scheiden,  was  Eckhel  7,  421  nicht  durchfuhren  konnte;  ich 
denke  in  folgender  Art: 

Der  ältere  Sohn:  Der  jüngere:  246 

P.  C.  L.  Valerianus  nob.  Caes.  (Eckhel  B).      P.  Cor.  Sal.  Yalerianus  Caes.  (Eckhel  A). 
P.  Lic.  Cor.  Yalerianus  Caes.  (Eckhel  D).      Salon.  Valerianus  Caes.  (Eckhel  C). 
Valerianus  Caes.  oder  nobil.  Caes.  Lic.  Cor.  Sal.  Valerianus  n.  Caes. 

(Eckhel  G).  (Eckhel  E). 

P.  Lic.  Valerianus  Caes.  (Eckhel  H).  Salon.  Valerianus  nob.  Caes.  (Eckhel  F). 

divo  Caes.  Valeriano  (Eckhel  p.  422).         imp.  Salon.  Valerianus  Aug.  (Eckhel 

p.  422). 
divo  Valeriano  Caes.  (Eckhel  p.  422).  divo  Com.  Sal.  Valeriano  (Eckhel  p.  422). 

divo  Valeriano  (Eckhel  p.  422). 

Dass  der  ältere  Sohn  nur  den  Caesarentitel  erhielt,  ist  hiernach  gewiss ;  auf 
zwei  in  Wien  von  mir  abgeschriebenen  Meilensteinen  (Ameth  n.  20.  21  ungenau 
[C.  I.  L.  III,  4646.  4652])  setzt  er  aber  den  Imperatorentitel  voran:  imp.  P.  Licinius 
Cornelius  Valerianus  nobilissimics  Caesar  princeps  iuventutis.  Der  jüngere  bekam 
einen  höheren  Rang,  jedoch  welchen,  schwankten  schon  die  Alten:  qiiem  multi 
Augustum,  mtiUi  Caesar em,  multi  neuirum  fuisse  dicunt  (vita  GaUieni  c.  14). 
Daher  heisst  er  denn  auch  auf  der  afrikanischen  Inschrift  nobilissimus  Caesar 
Augustus,  was  sonst  vielleicht  ohne  Beispiel  [doch  s.  Staatsrecht  II*  S.  1164 
A.  5,  2],  aber  eben  darum  wohl  das  streng  Richtige  ist :  einzelne  lateinische  und 
die  meisten  griechischen  Münzen  nennen  ihn  geradezu  imp.  —  Caes.  Aug.,  worin 
wohl  einige  Steigerung  liegen  mag.  [S.  jetzt  über  die  beiden  Söhne  des  GalUenus: 
Prosopogr.  imp.  Rom.  II  p.  272.  273  n.  123.  124;  Regling  Wochenschr.  f.  klass. 
Philologie  1904  n.  22  (S.  610£F.);  Kubitschek  numismat.  Zeitschr.,  Wien  1908, 
S.  102  ff.,  Regling  daselbst  S.  115  ff.] 

*)  [Vielmehr  Macrianus,  wie  Mommsen  in  der  1.  Ausgabe  auch  in  den  Text 
aufgenommen  hatte.] 

1)  Polemius  folgt  wie  Eutrop,  Victor  und  die  Epitome  dem  Bericht,  dass 
in  Gallien  nach  Postumus  Tode  Laelianus  und  Marius  und  erst  nach  dessen 
kurzer  Regierang  Victorinus,  und  zwar  dieser  unter  Aurelian  zur  Regierung 
gelangten;  wähi-end  die  Biographie  den  Victoi-inus  zum  Mitregenten  des  Postumus 
macht.  Da  ein  Tyrann  Fabius  sich  nicht  findet,  habe  ich  es  gewagt  nach 
trig.  tyr.  8.  Vict.  Caes.  33,  9  aus  d  Fabio  herzustellen  fai>er  [so  die  1.  Ausg. ; 
ex  fabro  von  Gutschmid  nach  Trig.  tyr.  8  eingesetzt]. 


§46  Polemii  Silva  Laterculus, 

49  Sub  quo  Victorinus,  Vabalathus  et  mater  eius  Zenobia, 
vel  Antiochus  ^,  Romae  Felicissimus,*)  duo  Tetrici  pater  et 
filius,  qui  se  eidem  dederunt  et  post  purpuram  iudices  provin- 
ciarum  facti  sunt,  sive  Faustinus  Treveris^  tyranni  fuerunt. 

50  Tacitus. 

51  Florianus  frater  eius  occisus. 

52  Probus,  qui  Gallis  vineas  habere  permisit. 

53  Sub  quo  Saturninus,  Proculus  et  Bonosus  tyranni  fuerunt. 

54  Carus  in  Perside  fulminatus. 

55  Carinus  filius  occisus. 

56  Numerianus  frater  praedicti. 

57  Sub  quo  Julian us  tyrannus  fuit. 

58  Diocletianus  et  Maximianus,  sub  quibus  primum  Romanum 
imperium  divisum  est;  hi  primi  sponte  regnum  deposuerunt. 

59  Sub  quibus  Achi Ileus  in  Aegypto,  Carausius  et  Allectus 
in  Britannia  tyranni  fuerunt, 

60  Constantius  et  Galerius. 

61  Sub  quibus  Maxirainus  et  Severus  Caesares  fuerunt. 

62  Constantinus  Constantii  filius,  a  quo  Crispus  Caesar  ex  eo 
244          natus  occisus   est,   et  Maxentius  uxoris  suae  frater,  sub  quo 

Alexander  fuit  tyrannus,  socerque  ipsius  Maximianus  cum 
imperium  resumpsisset,  et  Licinius  sororis  suae  maritus,  qui 
Martinianum  et  Yalentem  Caesares  sibi  fecit,  cum  Licinio 
filio  Thessalonicae  pariter  extincti  sunt.  Ab  hoc  imperatores 
Christiani  esse  coeperunt. 

63  Vel  Calocaerus  Cypro  tyrannus  fuit,  sive  Dalmatius,  frater 
illius  de  matre  alia,   de   quo   nati  sunt  Gallus   et  lulianus  qui 

49,1  bala  (für  vabalathus)  2  antiochoro(a?)me/ili/issimus  3  iudicis 
4  fau*tinus  52  que  haberi  53  bonosus  {aus  bonosius)  58,  i  dioclisianus 
(aus  dioclisidnus)  primum  nachgetragen  2  hü  exponte  59,  i  achileus 
2  britannia  aus  britania  60  constantinus  et  gallerius  61  sub  fehlt  62,  i  con- 
stantini,  verändert  in  constancii  3  cui  (für  cum)  4  ea  {für  et)  5  mari- 
tinianum  cesares  fuerurit  sibi  fecerunt  licino  6  tessalonice  63,  i  calocelus 
sipro 

1)  In  Palmyra  nach  Zenobias  Besiegung:  Zosim.  I,  60.  61  [auch  C.  I.  L. 
III,  6727].    Im  Leben  des  Aurelian  c.  31  heisst  er  Achilleus, 

*)  [Romae  Felicissimus  in  der  2.  Aufl.  nach  den  Spuren  der  Handschrift 
hergestellt.] 

2)  Tetricus  cum  Faustini  praesidis  dolo  corruptis  militibus  plerumque  peteretur, 
Aureliani  praesidium  imploraverat  (Vict.  Caes.  35,  4).  Nach  dieser  Angabe  ver- 
glichen mit  der  des  Polemius  scheint  der  Präses  von  Uutergermanien  Faustinus 
gegen  Tetricus  rebelliert  und  selbst  den  Purpur  genommen  zu  haben;  was  dann 
die  Katastrophe  der  gallischen  Separatregierung  herbeiführte. 


Polemii  Silva  Laterculas.  547 

imperavit^,  factus  est  Caesar,  Uannihalianus  frater  praedicti 
factus  est  rex  regum  gentium  Ponticanim^.. 

64  Constantinus  filius  Constantii  occisus. 

65  Constans  frater  praedicti  vitae  infamissimae  oqcisus. 

66  Constantius  frater  praedictorura. 

67  Sub  quo  Magnentius  et  Decentius  ex  natione  Francorum^, 
Nepotianus  etiam  Romae,  sive  Silvanus  in  Gallia  tyranni 
fuerunt,  et  Gallus  consobrinus  suus  Caesar,  quem  ipse  iussit  occidi. 

68  lulianus. 

69  lovianus. 

70  Yalentinianus. 

71  Talen s  frater  eins  incensus  a  Gothis. 

72  Sub  quo  Procopius  Antiochiae  tyrannus  fuit. 

73  Gratianus  Yalentiniani  filius.  Sub  quo  Maximus  et  Victor 
eius  t}ranni  filius  tjranni  fuerunt.     Lugduni  occisus  est. 

74  Yalentinianus  praedicti  frater  Yiennae  laqueo  vitam  finivit. 

75  Tbeodosius  a  Gratiano  factus  Augustus. 

76  Sub  quo  tyrannus  Eugenius  fuit. 

77  Arcadius  filius  Theodosii. 

78  Honorius  frater  praedicti. 

79  Sub  quo  Gratianus  et  Constantinus,  bisque  Attalus, 
Constans,  Maximus  atque  Servatus,  Marcus,  Magnus  et 
Maximus,  lovinus,  Sebastinus  ac  Yictor  tyranni  fuerunt*. 


63,  3.  4  Caesar  —  factus  est  felM  64  filius  constantini  filius,  rerändert  in 
filius  constancii  67,  i  decensius  2  pro  me  {für  romae)  3  suos  69  ieuianus, 
verchidert  in  iouinianus  72  pro  cobius  anthiocie  73,  i  ualentinianius  2  ty- 
ranni filii  lucduni  75  theodocius  76  fuit  mtchgetragen  77  archadius 
79,  1  athalus  3  sebassianus 


1)  Dalmatius  der  Caesar  war  nicht  der  Bruder  Constantins,  sondern  der 
Sohn  seines  Halbbruders  Dalmatius  Censor;  Gallus  und  Julianus  waren  nicht 
die  Söhne  dieses,  sondern  eines  andern  Halbbruders  desselben,  des  Julius  Con- 
stantius. Ich  habe  indess  nicht  geändert,  da  es  nicht  wahrscheinlich  ist,  dass 
die  beiden  Brüder  Constantins  in  der  Reihe  der  regierenden  Fürsten  mit  auf- 
geführt wurden ;  Polemius  scheint  selbst  diese  Verwirrung  verschuldet  zu  haben. 

2)  Exe.  de  Const.  §  35  [chron.  min.  I  p.  11] :  Calocaeriim  qiiendam  —  oppressit. 

Dalmatium  filiiim  fratris  sui  DalmcUü Eius  fratrem  Annibalianum  — 

regem  regum  et  Ponticarum  gentium  constituit,  wo  vor  et  vielleicht  Cappadocicarum 
ausgefallen  ist.  Aus  oreticarum  [so  die  Mommsen  Obersandte  Abschrift]  weiss 
ich  nichts  besseres  zu  machen  als  Ponticarum  [durch  die  Handschrift  bestätigt]. 

3)  Dass  die  beiden  Brüder  hier  geradezu  Franken  genannt  werden,  ist 
beachtenswerth.     Tillemont  IV,  354. 

4)  Ich  finde  von  diesen  Tyrannen  nur  Gratianus  (Tillemont  V,  551),  Constan- 
tinus (ib.),  Attalus,  der  zweimal  den  Purpur  nahm  (Till.  V,  579.  619),  Constans 


648  Polemii  Silvii  Laterculus. 

80  Constantius. 

81  d,  n.  Theodosius  praesens  Augustus. 

82  d,  n.  Placidus  Valentinianus. 

83  Sub^  quibus  lohannes  tyrannus  extinctus  est  et  a  quibus  cum 
d.  d.  matre  Placidia,  uxore  Eudoxia  Augustis  nunc  imperiura 
possidetur. 

84  Quod  Postumiano  et  Zenone  viris  clarissimis  consulibus  adnotavi. 

IV. 

Das  Yerzeichniss  der  Provinzen  des  römischen  Reiches,  das 
gewöhnlich  unter  dem  Namen  libellus  provinciarum  Schonhovianus 
angeführt  wird,  ist  aus  dreifacher  Quelle  uns  überliefert,  nämlich 
einmal  in  dem  Kalender,  den  Silvius  449  zusammenstellte;  zweitens 
in  derjenigen  Sammlung  von  Stücken  des  späten  Alterthums  (z.  B. 
dem  Staatskalender  des  östlichen  und  westlichen  Reiches,  dem 
Stationenbuch,  den  Beschreibungen  von  Rom  und  Konstantinopel 
u.  a.  m.)  und  des  frühen  Mittelalters  (namentlich  dem  Dicuil),  welche 
unter  dem  Namen  des  Speierischen  Codex  der  Notitia  dignitatum 
bekannt  und  durch  eine  Anzahl  aus  demselben  im  fünfzehnten  Jahr- 
hundert geflossener  Abschriften  uns  erhalten  ist^;  drittens  ver- 
schmolzen mit  dem  bekannten  Yerzeichniss  der  gallischen  Provinzen 
und  Civitates,  das  übrigens  auch  in  der  Handschrift  von  Speier 
voranging.  Für  die  zweite  Klasse  habe  ich  die  beiden  Münchener 
Abschriften  Mon.  Lat.  10291  (früher  cod.  Palat.  cum  pict.  41  a,  bei 
Böcking  Ä,  bei  Pinder  U)  *)  und  die  weniger  sorgfältig  geschriebene 
Mon.  Lat.  794  (früher  cod.  Vict.  99,  bei  Böcking  C,  bei  Pinder  7)**), 


81  dni  n  82  dn.  n.  83  iohannis  {vorher  anscheinend  et  getilgt) 


Constantins  Sohn  (Till.  V,  554),  Maximas  die  Creatur  des  Gerontius  (Tillemont 
V,  584),  Marcus  (Tillemont  V,  551),  einen  zweiten  Maximus  (Tillemont  V,  605. 
247  643),  lovinus  (Tillemont  V,  607)  und  Sebastianus  (Tillemont  V,  609).  Von  Ser- 
vatus,  Magnus,  Victor  ist  mir  sonst  keine  Erwähnung  vorgekommen;  bei  dem 
damaligen  Zustand  von  Gallien,  Britannien  und  Spanien  kommt  auf  ein  paar 
Tyrannen  mehr  oder  weniger  in  der  That  auch  nicht  viel  an.  [In  den  Chron. 
min.  I  p.  523  vermutet  Mommsen ,  daß  mit  Magnus  und  Victor  der  von  Theo- 
dosius besiegte  Magnus  Maximus  —  der  übrigens  bei  den  Schriftstellern  sonst 
nur  Maximus  heißt  —  und  sein  Sohn  Flavius  Victor  gemeint  seien,] 

1)  Böcking  über  die  not.  dign.   S.  4  fg.  Parthey  und  Pinder  itin.  Antonini 
p.  XXV  seq.  p.  XXXIII.    [Seeck  praefatio  zu  seiner  Ausgabe  der  Notitia  digni- 
tatum p.  X ;  Mommsen  chron.  min.  I  p.  527.] 
*)  [Chron.  min.  I  p.  531.] 

**)  [A.  a.  0.  p.  530.] 


Polemii  Silvii  Latercalus.  549 

für  die  dritte  die  Handschrift  des  achten  Jahrhunderts  Mon.  Lat.  6243 
(früher  Frisingensis  43)*)  und  die  römische  Ausgabe  in  De  Roma 
prisca  et  nova  varii  auctores  (Romae  ex  aed.  Mazochii  1523.  4  foL  87  v.) 
benutzt,  welche  aus  einer  Handschrift  dieser  Klasse  geflossen  ist. 
Meinem  Freunde  Halm  verdanke  ich  nicht  bloss  die  Abschriften  der 
drei  Münchener  Texte,  sondern  auch  die  erste  Kunde  der  wichtigen 
Freisinger  Handschrift.  Der  mir  vorliegende  Apparat  reicht  hin, 
um  einen  wohlbeglaubigten  Text  zu  constituieren.  Dass  er  noch 
sehr  vermehrt  werden  kann  und  namentlich  die  dritte  ßecension  in 
einer  grossen  Anzahl  alter  Handschriften  uns  überliefert  ist,  ist  wahr- 
scheinlich; vermuthlich  wird  ein  beträchtlicher  Teil  der  für  die  not. 
prov.  Gall.  benutzten  Handschriften  auch  unser  Verzeichniss  enthalten 
in  ähnlicher  Weise  wie  der  cod.  Yat.  1338  saec.  XI,**)  aus  dem  248 
Schelestrate  (antiq.  eccl.  II,  643  fg.)  einen  in  allen  wesentlichen  Stücken 
dem  der  Freisinger  Handschrift  entsprechenden,  aber  geringeren  Text 
hat  abdrucken  lassen.  Allein  wo  drei  in  so  alter  Zeit  von  einander 
sich  scheidende  Recensionen  vorliegen,  wie  dies  hier  der  Fall  ist, 
kann  von  der  Vermehrung  des  Apparats  kaum  ein  wesentlicher 
Aufschluss  erwartet  werden.  —  "Was  die  Ausgaben  anlangt,  so  habe 
ich  die  vermuthlich  älteste  Romae  loann.  de  Besicken  1505***), 
worin  dem  Yibius  Sequester  eine  Schrift  «de  regionibus  cum  pro- 
vinciis  suis»,  vermuthlich  unser  Katalog,  angehängt  ist,  nicht  gesehen, 
sondern  nur  den  eben  angeführten  Wiederabdruck  derselben  von 
1523  benutzen  können.  Aus  dieser  und  nicht  aus  einer  Handschrift 
wird  Schonhovens  Ausgabe  (mit  dem  Eutrop  Basil.  1552)  geflossen 
sein,  nur  dass  der  Text  willkürlich  corrigiert  und  der  Abschnitt  über 
Gallien  aus  der  not.  prov.  Galliae  interpoliert  ist.  Dieser  inter- 
polierte Text  ist  es,  der  allen  späteren  Abdrücken,  die  mir  zu  Gesicht 
gekommen  sind,  zu  Grunde  liegt,  ohne  dass  Handschriften  oder  auch 
nur  die  älteren  Ausgaben  zugezogen  worden  wären.  Es  wird  daher 
nicht  überflüssig  sein,  einen  besser  beglaubigten  Text  vorzulegen; 
jedoch  müssen  über  das  Yerhältniss  der  verschiedenen  Handschriften 
noch  einige  Bemerkungen  voraufgeschickt  werden. 

Der  Text  des  Polemius  ist  wesentlich  derselbe,  welchen  die 
Handschriften  dritter  Klasse  darbieten,  während  die  Recension  des 
Speierischen  Codex  als  interpolierte  erscheint.  Der  wichtigste  Unter- 
schied der  beiden  ersten  Klassen  und  zugleich  der  wichtigste  Vorzug 

*)  [A.  a.  0.  p.  524.  564.] 
*•)  [Über  diese  Handschrift,  n.  85  in  der  Reihe  der  von  Mommsen  für  die 
Notitia  Gralliarum  benatzten,  s.  Chron.  min.  I  p.  562.  572.] 
***)  [S.  jetzt  chron.  min.  I  p.  545.  568.] 


650  Polemii  Silvii  Laterculus. 

des  von  Polemius  copierten  Textes  besteht  darin,  dass  die  ersten 
sechzehn  der  gallischen  Provinzen  in  den  Handschriften  der  zweiten 
Klasse  theils  ungeschickt  weggelassen,  theils  ungeschickt  ergänzt  sind. 
Wo  sie  fehlen,  ist  dies  nicht  eigentlich  eine  Lücke,  sondern  da  die 
Notiz  über  Gallien  und  das  Reichs -Yerzeichniss  zu  einem  Ganzen 
verbunden  wurden,  Hess  man  absichtlich  in  dem  letztern  Galhen  aus. 
Allein  man  versah  sich  dabei  und  vergass  die  letzte  Provinz  zu 
streichen;  wovon  die  Folge  war,  dass  die  Alpes  Graiae  als  die  letzte 
Provinz  von  Italien  auftraten  und  dieses  17  statt  16  Provinzen  erhielt. 
So  erscheint  das  Verhältniss  in  der  Freisinger  Handschrift.  In  der 
römischen  Ausgabe  ist  Gallien  wieder  eingerückt,  und  zwar  nicht 
aus  einer  interpolierten  Handschrift  und  noch  weniger  aus  der  not. 
prov.  Galliae,  sondern  aus  einem  dem  des  Silvius  völlig  gleichartigen 
249  Texte,  den  ich  indess  handschriftlich  nachzuweisen  nicht  vermag.*) 
Der  Fehler  ist  aber  dennoch  stehen  geblieben,  und  daher  kommt 
es,  was  den  Topographen  viele  grundlose  Mühe  gemacht  hat,  dass 
die  grajischen  Alpen  in  allen  Ausgaben  unsres  Katalogs  sowohl  als 
italische  wie  als  gallische  Provinz  aufgezählt  werden.  Uebrigens  ist 
das  Verhältniss  des  Freisinger  und  des  Römischen  Textes  auch  sonst 
ähnlich.  Zwischen  beiden  besteht  zwar  die  engste  Verwandtschaft, 
wie  ausser  der  Ueber-  und  Unterschrift  die  Fehler  Favia  57,  Afla- 
conia  98  zeigen;**)  allein  keineswegs  ist  doch  der  letztere  aus  dem 
ersteren  geradezu  abgeleitet,  sondern  die  zahlreichen  Lücken  und 
argen  Verderbnisse  des  Freisinger  Codex  sind  aus  besseren  hand- 
schriftlichen Quellen  in  der  römischen  Ausgabe  grossentheils  beseitigt. 
Dass  die  dritte  Klasse  von  Handschriften  einen  mehrfach  inter- 
polierten Text  giebt,  ist  evident ;  ich  hebe  nur  hervor,  dass  in  Gallien, 
weil  die  Narbonensis  secunda  ausgefallen  war,  aus  der  Maxima 
Sequanorum  zwei  Provinzen,  Maxima  und  Sequanorum,  ebenso  aus 
der  Tingitana  trans  fretum  eine  Provinz  Tingitana  und  eine  trans 
fretum  gemacht  werden,  und  dass  bei  Britannien  die  römische 
Provinz  (!)  Orcades  zugefügt  wird.  Dennoch  ist  diese  Recension 
nicht  bloss  für  die  Textesconstituierung  von  Wichtigkeit  —  wie  denn 
zum  Beispiel  gleich  in  Hinsicht  der  Alpes  Graiae  nur  in  den  inter- 
polierten Texten  und  bei  Silvius  das  Richtige  steht  —  sondern  sie 
giebt  auch  sonst  einen  lange  vergebens  gesuchten  Aufschluss,  Be- 
kanntlich hat  Paulus  Diaconus  in  seine  Geschichte  der  Longobarden 

*)  [Eine  ganze  Reihe  von  Handschriften  dieser  Art  führt  Mommsen  chron. 
min.  I  p.  566  ff.  unter  den  Ueberschriften  ,recte  ordinati  cum  duplicatione  Alpium 
Graiarum"  und  ,similes  adiuncti  Vibio  Sequestri"  auf.] 
**)  [S.  chron.  min.  I  p.  539.  541.] 


Pol^Qui  Silvii  Laterculas.  65  t 

2,  14—23  ein  Yerzeichniss  der  Provinzen  Italiens  in  römischer  Zeit 
eingerückt,  welches  er  citiert  als  catalogus  provinciamm :  « Marsonim 
regionem  ideo  intra  Yaleriam  provinciam  aestimo  computari,  quia 
in  catalogo  provinciarum  minime  ab  antiquis  descripta  est».  Es  zeigt 
sich  jetzt,  dass  dieser  verloren  gegebene  Katalog  kein  andrer  ist 
als  der  der  Speierer  Handschrift,  den  Paulus  allerdings  mit  mancherlei 
anderen,  besonders  etymologischen  Notizen  und  aus  seiner  eigenen 
topographischen  Kunde  bereichert  hat,  jedoch  in  einer  Weise,  dass 
die  Grundlage  überall  hervortritt,  in  der  Angabe  der  Provinzen  selbst 
wie  in  den  Nebenbemerkungen  —  z.  B.  in  der  Hervorhebung  des 
tyrrhenischen  Meers  bei  den  drei  Inseln,  am  deutlichsten  eben  in 
den  Abweichungen,  wo  sich  zugleich  mit  Sicherheit  ergiebt,  dass 
nicht  unser  Katalog  aus  Paulus,  sondern  Paulus  Katalog  aus  dem 
unsrigen  geflossen  ist.*)  So  hat  der  letztere  als  neunte  Provinz 
Alpes  Cotticae  et  Appenninae,  während  Paulus  jene  zur  fünften,  diese 
zur  neunten  macht,  allein  mit  der  Bemerkung:  «sunt  qui  Alpes  250 
Cottias  et  Appenninas  unam  dicant  esse  provinciam;  sed  hos  Victorini 
revincit  historia,  qui  Alpes  Cottias  per  se  provinciam  appellat». 
So  gewiss  mit  dem  letztem  Citat  gemeint  ist  Yict.  epit.  5 :  « Pontum 
in  ius  provinciae  redegit  itemque  Cottias  Alpes»  —  denn  es  ist  bekannt, 
dass  der  Schriftsteller  bald  Victor,  bald  Victorinus  genannt  wird  imd 
dass  ein  aus  der  Epitome  von  Paulus  verfertigter  Auszug  noch  jetzt 
in  Bamberg  vorhanden  ist  — ,  ebenso  gewiss  geht  das  erste  Citat 
auf  unsern  Katalog.  —  Wenn  es  femer  weiter  bei  Paulus  heisst: 
«extiterant  quoque,  qui  Aemiliam  et  Valeriam  Nursiamque  unam 
provinciam  dicerent;  sed  horum  sententia  stare  non  potest,  quia  inter 
Aemiliam  et  Valeriam  Nursiamque  Tuscia  et  Umbria  sunt  consti- 
tutae»  —  so  scheint  hiermit  gleichfalls  unser  Katalog  gemeint  zu 
sein,  der  die  Valeria  Nursiaque  durch  Interpolation  nach  der  Aemilia 
eingeschoben  hat.  Nimmt  man  an,  was  glaublich  ist,  dass  das  Paulus 
vorliegende  Exemplar  die  Ordinalzahlen  nicht  beigefügt  hatte  und 
dass  darin  die  Gesammtzahl  der  italischen  Provinzeii  nicht  interpoliert 
war,  so  lag  es  nahe  Aemilia  Nursia  Valeria  als  eine  Provinz  zu 
betrachten.  Es  ergiebt  sich  hieraus  das  negative,  aber  darum  nicht 
anwichtige  Resultat,  dass  für  die  Kenntniss  römischer  Verhältnisse 
das  Verzeichniss  bei  Paulus  nicht  femer  gebraucht  werden  darf, 
während  dagegen    das   offenbar    in  Italien    interpolierte   Provinzen- 

*)  [Über  das  von  Paulus  benutzte  Provinzverzeicliniß  hat  Mommsen  dann 
lusfohrlich  gehandelt  im  Neuen  Archiv  f.  ältere  deutsche  Geschichtskunde 
'),  1880,  S.  84flF.  (,Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus*; 
s.  jetzt  Ges.  Schriften  VI).] 


652 


Polemü  Silvii  Laterculus. 


verzeichniss  der  Speierer  Handschrift  für  das  frühe  Mittelalter  und 
selbst  die  späteste  römische  Zeit  einige  Autorität  in  Anspruch  nehmen 
kann. 

Um  den  Ueberblick  zu  erleichtem,  schien  es  zweckmässig,  den 
interpolierten  Text  in  Cursivschrift  dem  reinen  zur  Seite  zu  stellen, 
welchem  letzteren  der  nothwendige  kritische  Apparat  beigefügt  ist. 
Zu  Grunde  liegt  die  von  Polemius  aufbehaltene  Recension,  die  bei 
weitem  die  beste  ist.*) 


251  NOMINA  PROVINCIARUM.t) 

I   in  Italia  sedecim. 

1.  Campania,  in  qua  est  Capua. 

2.  Tuscia  cum  Umbria. 
8.  Aemilia, 


DE  PROVINCIIS**) 

Provintiae  (Provincie)  Italiae 

sunt  XVII. 

Prima  Campania,  in  qua  est 

Capua. 
Secwnda  Tuscia  cum  Umbria, 

in  qua  est  Borna. 


Quarta 

Nursia  Valeria,  in 
qua  est  Beate. 

4.  Flaminia,  in  qua  est  Ravenna,. 

Quinta 

Flammina  (-nea),  in 
qua  est  Bavenna. 

5.  Picinum. 

Sexta 

Picinum  (Picenum), 
in  qua  est  Asculis. 

6.  Liguria,  in  qua  est  Mediolanus. 

Septima 

Liguria,  in  qua  est 
Mediolanum. 

7.  Venetia  cum  Histris,  in  qua  est  Aquileia 

.      Octava 

Venetia  cum  Histria, 
in  quibus  (qua  est) 
Aquileia  (-legia). 

8.  Alpes  Cottiae. 

Nona 

Alpes  Cotticae(-ce)  et 
Appenn,  in  quibus 
(quibus  est)  Genua. 

9.  Samnium. 

Decima 

Samnium  (Samnum), 
in  qua  est  Bene- 

3  emilia 

ventu  (-tum). 

t)  Die  Handschrift  hat:  1  capud 

4  flamminia       6  leguriam 

est  fehlt        9  samium 

*)  [Mit  üben-eichem  kritischen  Material  hat  Mommsen  die  Liste  in  ihren 
verschiedenen  Variationen  bearbeitet  Chron.  min.  I  p.  535—542.  Hier  ist  für 
den  , reinen"  Text  nur  Polemius  Silvius  mit  den  Lesimgen  der  Brüsseler  Hand- 
schrift gegeben;  für  den  interpolierten  Text,  s.  die  folgende  Anmerkung.] 

**)  Nach  Cod.  Mon.  lat.  10291  (früher  cod.  Palat.  cum  pict.  41  a)  [vergl. 
Chron.  min.  I  p.  531]  f.  63  sq.;  die  Abweichungen  vom  cod.  Mon.  lat.  794  (früher 
Cod.  Vict.  99)  [nach  Chron.  min.  I  p.  530  einer  Abschrift  eines  Oxoniensis ,  von 
dem  er  nur  in  orthographischen  Kleinigkeiten  abweicht]  sind  in  ( )  eingefügt 
[weitere  Varianten  zu  geben  schien  nicht  nötig]. 


Polemii  Sütü  Laterculas. 


653 


10.  Apulia  cum  Calabria,  in  qua  est  Ta- 
rentum. 


11.  Brutia  cum  Lucania. 


12.  Haetia  prima. 

13.  Raetia  secunda. 

14.  SiciHa. 

15.  Sardinia. 

16.  Cursica. 


II   item  Galliarum  XVn. 

17.  Yiennensis 

18.  Narbonensi3  prima. 

19.  Narbonensis  secunda. 

20.  Aquitanica  prima. 

21.  Aquitanica  secunda. 

22.  Novempopulana. 

23.  Alpes  maritimae. 

24.  Belgica  prima,  in  qua  est  Trevems. 


25.  Belgica  secunda,  de  qua  transitur  ad 

Britta  nniam. 

26.  Germania  prima,  super  Rhenum. 

27.  Germania  secunda,  ut  supra. 


28.  Lugdunensis  prima. 

29.  Lugdunensis  secunda,  super  oceanum. 

30.  Lugdunensis  tertia,  ut  supia. 


31.  Senonia. 

32.  Maxima  Sequanorum. 

t53.  Alpes  Graiae. 


Undecima 

Duodecima 

Tertia  decima 
Quarta  decima 
QtUnta  decima 

Sexta  decima 

Septima  decima 


Äpulia  cum  Calab- 
ria, in  quibus  (qua 
est)Tarantum(Ta- 
rentum). 

Britia  (Bricia)  cum 
Lucania,  in  quibus 
(qua  est)  Begium, 

Betia  prima. 

Betia  secunda. 

Siciliae  (-ia)  insuHa 
in  mari  Tyrrheno. 

Sardinia  in  mari 
Tyrrheno. 

Corsica  in  mari 
Tyrrheno. 


252 


Provinciae  Galliarum  sunt  XVII. 
Prima  Viennensis. 

Secunda  Narbonensis. 


Tertia 

Äquitania  prima. 

Quarta 

Aquitania  secunda. 

Quinta 

Notempolana. 

Sexta 

Alpes  tnaritimarum. 

Septima 

Belgica  prima,  in  qua 

estTreveris(inq.e. 

T.  fehlt;. 

Odava 

Belgica  secunda  de 

qua  iransitus  Bri- 

tannorum. 

Nana 

Germania  prima, 

super  Benum. 

Dedma 

Germania  secunda. 

versus   Britanii 

(-tannß-). 

ündeäma 

Lugdunensis  prima. 

Duodecima 

Lugdunen   supra 

oceanum. 

Tertia  decima 

Lugdunensisut  supra 

versus   Britah 

(•tann). 

Quarta  decima 

Senonia. 

Quinta  decima 

Maxima. 

Sexta  decima 

Sequanorum.               253 

Septima  decima 

Alpes  Graiae. 

10  tarentum  fehlt  11  brittannia  12  raetia  fehlt  14  cicilia  17  vien- 
iienses  18  narbonenses  20  aquitania  24  treferus  26  germanica  rennm 
19  ocianum        33  graciae 


654 


Polemii  Silvii  Laterculus. 


III   item  in  AfricaVI. 


Provi/nciae  Africae  sunt  VI. 


34.  proconsularis,  in  qua  est  Carthago. 

Prima 

consularis  (proconsu- 

laris), in  qua  est 

Kartago. 

35.  Numidia. 

Secunda 

Numidia. 

36.  Byzacium. 

Tertia 

Bizantium. 

37.  Tripolis. 

Quarta 

Tripolis. 

38.  Mauretania  Sitifensis. 

Quinta 

Mauritania  Caesa- 
riensis (Ces-). 

39.  Mauretania  Caesariensis. 

Sexta 

Mauritania   Siti- 
fensis. 

IV  in  Hispania  VII. 

Provinciae  Ei 

Ispaniae  sunt  VIII. 

40.  Tarraconensis. 

Prima 

Terraconensis. 

41.  Carthaginensis. 

Secunda 

Carthaginensis. 

42.  Baetica. 

Tertia 

Betica. 

43.  Lusitania,  in  qua  est  Emerita. 

Quarta 

Lusitania,  in  qua  est 
Emerita. 

44.  Gallaecia. 

Quinta 

Galada  (-atia). 

45,  insulae  Baleares. 

Sexta 

insulae  (-le)  Baleares. 

46.  Tingitana,  trans  fretum  quod 

ab  oce- 

Septima 

Tingitana. 

ano    infusnm     terras    intrat    inter 

Octava 

trans    fretum    quod 

Calpem  vel  Abinnam. 

ab  oeeano  infusum 
transmittitur  inter 
Calpem  et  Avienam 
(Amenam). 

V  in  Illyrico  XVIIII. 

Provinciae  lllyricae  sunt  XVIII. 

47,  Dalmatia,  super  mare. 

Prima 

Dalmatia. 

48.  Pannonia  prima,  in  qua  est  Sirmium. 

Secunda 

Pannonia  prima. 

254  49.  Pannonia   secunda. 

Tertia 

Pannonia  secunda. 

50.  Valeria. 

Quarta 

Viridia. 

51.  Praevalis. 

Quinta 

Siribalis. 

52.  Mysia  superior. 

Sexta 

Misia  inferior. 

53.  Epirus  vetus. 

SeptiwM 

Epirus  vetus. 

54.  Epirus  nova. 

Octava 

Epirus  nova. 

55.  Noricus  ripensis,  super  Danuvium. 

Nona 

Noricus  (-cum). 

56.  Noricus  mediterranea. 

Dedma 

Mediterranea. 

67.  Suavia. 

Undecima 

Suavia. 

58.  Dardania. 

Duodeäma 

Dardania. 

59,  Haemimontus. 

Tertia  dedma 

Emantus. 

60.  Dada. 

Quarta  dedma 

Datia. 

61.  Scythia. 

Quinta  dedma 
36  bizaci  ut  supra      37 

Scotta  (Scorta). 

34  proconsulares      cartago 

tripoles      38  mauri- 

tania       39  mauritania  cesarienses 

41  ca 

irthaginenses       42  betica       43  teme- 

rita        44  gallicia        45  insole 

46  ocianum        calpe 

abinam      V  illirico 

48  sermium       52  misia       53  eph: 

irus  uentus       55  supra  danubium      59  hemy- 

Polemii  Silvii  Laterculus. 


655 


62.  Greta  insula. 

Sexta  decma       Orda  insuia. 

63.  Achaia. 

SepUma  decima  Achnia, 

64.  Macedonia. 

Octava  decima    Macedonia. 

65.  Thessalia. 

Nona  decima      Thessaionicensis. 

VI   in  Thraciis  VI. 

Pr<mnciae  Thraciae  sunt  VL 

66.  Thracia  prima. 

Prima                 Thratia. 

67.  Thracia  secunda. 

Secunda               item  Thratia. 

68.  Mysia  inferior. 

Tertia                 Europa,  in  qua  est 
Constantinopölis 
prius  dicta  lAcus 
sive    Byzantium 
(Biz-). 

69.  Scythia  inferior. 

Quarta                Bodopa. 

70.  Europa,   in   qua 

est 

ConstantinopoHs 

Quinta                Misia  superior. 

prius  Lycos  dicta  ! 

äive  Byzantium. 

71.  Rhodopa. 

Sexta                  Scythia  (ScUhia) 
superior. 

Vnin  A 

sia 

xn. 

Provinciae  Asiae  sunt  XII. 

72.  Asia  ipsa,  in  qua 

est  Biam. 

Prima                 Asia,  in  qua  Hium. 

73.  Lycia. 

Secunda              Lycia  (Licia). 

74.  Galatia. 

TerHa                  Galatia. 

75.  Lydia. 

Quarta                Lyca  (Lica). 

76.  Caria. 

Quinta                Caria. 

77.  Hellespontus. 

Sexta                  HeUespontus. 

78.  Pamphylia. 

Septima              Pamphüia. 

79.  Pisidia. 

Octava                 Pisidia. 

80.  Phrygia  prima. 

Nona                  Phrygia  (Phrigia). 

81.  Phrygia  salutaris. 

Decima                Salutaris. 

82.  Lycaonia, 

ündedma            Lycaonia  (Lic-). 

83.  Cyclades. 

Duodecima          Cyclades  (Eldades). 

255 


87. 


VIII  in  Oriente  X. 
Syria  Coele,  in  qua  est  Antiochia. 
Syria  Palaestina. 
Syria  Phoenice. 
Isauria. 


Promdae  (so)  Orient:  sunt  X 
(Cr.  s.  X  erloschen^. 


Prima 


Secunda 


Tertia 


Quarta 


Stria  cade  (cole),  in 
qua  est  Antiochia. 

Palaestina  (Pale- 
stina). 

Siria   Pfiaenicis 
(Phenicis). 

Isauria. 


VI  trachiis  66  tracia  67  tracha  68  misia  69  scithia  70  in 
qua  am  Bande  nachgetragen  licos  bizancium  71  rodoui  73  licium 
75  lidia  78  pamphüia  80  frigia  81  frigia  secunda  82  licaonia 

83  clades        84  siria  eile        85  siria  palestina        86  siria  finice        87  ysauria 


656 


Polemii  Silvii  Laterculus. 


88,  Cilicia,  iuxta  montem  Taurum. 

Quinta 

Cilicia  iuxta  montem 

Taurum   (T.  et 

Euphraten). 

89.  Cyprus. 

Sexta  (fehlt) 

Cyprus  (fehlt). 

90.  Mesopota.Tnia,   inter 

Tigrem  vel   Eu- 

Septima 

Mesopotamia  inter 

fraten. 

Tygrem  et  Euphra- 
ten   (et   E.   fehlt 
hier;. 

91.  Eufratesia. 

Octava 

Hosdroene  (-drone). 

92.  Hosdroene. 

Nona 

Supannenae. 

93.  Sophanene. 

Becima 

Eufragia. 

IX  in  Ponto 

VIII. 

Provineiae  Ponti  sunt  VIII. 

94.  Pontus  Polemiacus. 

Prima 

Pontus   Pole- 
moniacus. 

95.  Pontus  Amasia. 

Secunda 

Pontus  Ämassia. 

96.  Honoriada. 

Tertia 

Honoriada. 

97.  Bithynia. 

Quarta 

Bythinia  (Bith-). 

256     98.  Paflagonia. 

Quinta 

Paflagonia. 

99.  Armenia  minor. 

Sexta 

Armenia  maior. 

100.  Armenia  maior. 

Septima 

Armenia  minor. 

101.  Cappadocia. 

Octava 

Cappadotia  (-oda). 

X   in  Aegyp 

toVI. 

Provineiae  A 

egipti  (Aegypti)  suntVI. 

102.  Aegyptus  ipsa,  in  qua  est  Alexandria. 

Prima 

Aegyptus    (Eg-),   in 

qua  est  Alexandria. 

103.  Augustamnis. 

Secu/nda 

Augustalis. 

104.  Thebaida. 

Tertia 

Thebaida. 

105.  Libya  sicca. 

Quarta 

LyUa  sicca. 

106.  Libya  pentapolis. 

Quinta 

ijylia  pentapolis. 

107.  Arcadia. 

Sexta 

Archadia. 

XI   in  BrittanniaV. 

108.  Brittania  prima. 

109.  Brittania  secunda. 

110.  Flavia. 

111.  Maxima. 

112.  Valentiniana. 

Summa  CXII. 


Provineiae    Occiden:   (oecidentales) 
sunt  VI. 


Prima 

Secunda 
Tertia 
Quarta 
Quinta 


89  cipros        90  mesopomitamia       tigremi        eufrate 
96  bithelia        98  pamflagonia        X  egipto         102  egiptus 
105  libea        106  libea        107  archaida 


Brittannia 

(Britannia). 
item  Britannia. 
Phlagia  (Flagia). 
Maxima. 
Valentiniana. 
Oreades  (Orchades). 


95  pontus  samaria 
102  augustamnes 


Polemii  Silvii  Laterculus.  '  557 

Da  das  vorliegende  Aktenstück  far  die  Kenntniss  der  damaligen  257 
Zeitverhältnisse  nicht  ohne  Wichtigkeit  ist  und  zum  richtigen  Ge- 
brauch desselben  es  vor  allem  darauf  ankommt,  dessen  Abfassung 
so  scharf  wie  möglich  festzustellen,  sollen  hier  die  Zeitgrenzen  so 
weit  thunHch  ermittelt  werden.  Es  würde  dies  eine  ziemlich  ver- 
gebliche Mühe  sein,  wenn  Tillemont  darin  Recht  hätte,  dass  dies 
Yerzeichniss  von  einem  unkundigen  oder  nur  halbkundigen  Ver- 
fasser herrührt^:  allein  ich  zweifle  nicht  und  es  zweifelt  wohl  jetzt 
Memand,  dass  unser  Katalog  nicht  minder  eine  officielle  Arbeit  ist 
wie  die  Notitia  dignitatum,  vermuthlich  eben  ein  Auszug  aus  einer 
älteren  Notitia  dignitatum,  und  ohne  in  Abrede  zu  stellen,  dass  auch 
ein  officieller  Arbeiter  sich  versehen  kann,  werden  doch  solche  Yer- 
sehen,  wie  Tillemont  sie  annahm,  unmöglich  supponiert  werden  dürfen.*) 

Das  Provinzenverzeichniss  muss  abgefasst  sein  auf  alle  Fälle 
zwischen  385  und  399,  wahrscheinlich  zwischen  393  und  399,  nach 
folgenden  Merkmalen. 

1.  Es  kommt  darin  vor  die  im  J.  369  eingerichtete  britannische 
Provinz  Yalentia^. 

2.  Es  kommen  darin  vor  die  drei  jüngsten  gallischen  Provinzen 
Narbonensis  II,  Lugdunensis  III,  Senonia,  die  Rufus**)  Festus  (ums 
J.  369)  noch  nicht  kennt  3,  während  die  Narbonensis  II  schon  381 
erwähnt  wird*. 

3.  Es  kommt  darin  vor  die  Satrapie  Sophanene,  die  zu  den  von 
Jovian  an  die  Perser  überlassenen  transtigritanischen  Districten  gehört 
und  vermuthlich  im  Frieden  mit  Sapor  384  wiedergewonnen  ward  5. 

1)  V,  699  der  Origiaalausgabe :  L'anteur  de  la  Notice  vivoit  en  Occident, 
et  ne  savoit  pas  trop  l'etat  oü  estoit  TOrient. 

*)  [Später  hat  Mommsen  Tillemont  Recht  gegeben,  s.  Chronic,  min.  I  p.  533, 
und  sich  zu  der  Ansicht  bekannt,  daß  die  Liste  für  den  Westen  den  Zuständen 
zur  Zeit  des  Polemius  Silvius  selbst  entspreche,  für  den  Osten  aber  eine  ältere 
Vorlage  ungenügend  korrigiert  wiedergebe.  Direkt  als  unbrauchbar  hat  Mommsen 
die  Liste  im  J.  1901  bezeichnet,  s.  Ges.  Schriften  IV  S.  559  A.  1.] 

2)  Amm.  28,  3,  7.     Böcking  zur  not.  dign.  p.  500*. 

**)  [Über  die  Schreibung  des  Namens  s.  Ges.  Sehr.  V  S.  569  A.  *  und  oben 
S.  396,  1]. 

3)  Rufi  brev.  6.  Dass  auch  Ammian ,  der  doch  sicher  noch  zwischen  383 
und  390  an  seinem  Werke  arbeitete,  noch  Gallien  nach  der  älteren  Eintheilung 
darstellt  (15,11),  kann  bei  einem  so  voluminösen  und  wahrscheinlich  langsam 
gearbeiteten  Werk  nicht  entscheiden.    [Anders  erklärt  0.  S.  402.] 

4)  Acten  des  Concils  von  Aquileia  381  (Mansi  III,  615):  episcopis  provinciae 
Vünnensium  (sehr,  -sis)  et  Narbonensium  primae  et  secundae.  —  Warum  Walckenaer 
(g^ogr.  des  Gaules  II,  370)  die  Theilung  in  das  Jahr  379  setzt,  sehe  ich  nicht  ein. 

5)  Tülemont  V,  238. 

MOMMSEX.    SCHR.  VU.  42 


658  Polemii  Silvii  Laterculus. 

4.    Die  Aemilia  und  Liguria,    die  im  J.  385  noch   unter  einem 
Statthalter  standen  i,  erscheinen  schon  getrennt. 
258  5.    Es  kommen  die  beiden  von  Theodosius  I  Söhnen  benannten 

Provinzen  Arcadia  und  Honorias  darin  vor,  von  denen  die  letztere 
auf  jeden  Fall  jünger  ist  als  Honorius  Geburt  384,  wahrscheinlich 
auch  jünger  als  seine  Erhebung  zum  Augustus  393. 


6.  Andrerseits  fehlt  die  italische  Valeria,  die  schon  im  J.  399 
vorkommt  2  und  vom  Interpolator  auch  in  unserm  Yerzeichniss  hin- 
zugefügt ward. 

7.  Es  fehlen  darin  die  Provinzen  Macedonia  salutaris,  Galatia 
salutaris,  Cappadocia   secunda,   Syria   salutaris,   Palaestina  secunda, 

1)  C.  Th.  II,  4,  4. 

2)  Vgl.  meine  Ausführung  in  den  röm.  Feldmessern  II,  210  [Ges.  Sehr.  V  195]. 
die  hiedurch  näher  bestimmt  wird :  bis  wenigstens  365  gab  es  nur  einen  District 
Flaminia  et  Picenum  unter  einem  Consularis ;  zwischen  365  und  dem  Entstehungs- 
jahr des  Lib.  prov.  393/399  wurden  zwei  Districte  gemacht :  Flaminia  et  Picenum 
annonarium  und  Picenum  suburbicarium ,  beide  unter  einem  Consular;  vor  399 
ward  der  letztere  wieder  getheilt  in  Valeria  und  Picenum  suburbicarium.  — 
Ich  habe  dabei  eine  Inschrift  übersehen,  die  wichtig  ist,  aber  grosse  und  ich 
fürchte  unlösbare  Schwierigkeit  macht:  die  dem  Ceionius  Contucius  Gregarius 
von  den  Foronovanern  gesetzte  Base  (Gud.  120,  1  besser  als  Fabrett.  101,  229), 
euius  ope,  wie  es  darin  heisst,  auctam  instauratamq.  tota  se  Piceni  et  Flaminiae 
promncia  gratulatur.  Auf  der  Seite  steht  das  Jahr  dedic.  e.  XIII  Tel.  Die.  Fl. 
Stüichone  v.  c.  cos,  d.  h.  400  n.  Chr.  Nimmt  man  nicht  an,  was  allerdings  nicht 
unmöglich  ist,  dass  die  Dedication  nicht  zu  dieser  Inschrift  gehört,  sondern  zu 
einer  andern  auf  der  Gegenseite,  so  ist  der  Stein  in  entschiedenem  Widerspruch 
mit  allen  sonstigen  Zeugnissen.  Nicht  bloss  weil  die  Valeria,  in  der  Forum 
novum  gelegen  ist  und  die  doch  schon  399  bestand,  nicht  vorkommt  —  man 
könnte  allenfalls  sagen,  dass  die  Dedication  ein  oder  zwei  Jahre  nach  der  Amts- 
führung stattgefunden  hätte;  sondern  weil,  ehe  die  Valeria  eingerichtet  ward, 
Forum  novum  schlechterdings  nur  zum  Picenum  (suburb.),  nicht  zur  Flaminia 
gehören  konnte,  wie  ein  Blick  auf  die  Karte  zeigt.  Sonach  bleibt  wohl  nichts 
übrig  als  die  Annahme,  dass  Gregarius  ausserordentlicher  Weise  mehrere  Pro- 
vinzen verwaltete,  worauf  auch  die  zweimalige  Hervorhebung  der  tota  provincia 
und  die  sonst  wohl  nirgends  vorkommende  Stellung  Picenum  et  Flaminia  (statt 
Flaminia  et  Picenum)  hindeuten.  Ohne  Beispiel  sind  dergleichen  Aemter- 
cumulierungen  nicht;  ich  erinnere  nur  an  eine  vor  kurzem  in  Rom  gefundene 
Inschrift  [C.  I.  L.  VI,  1736  =  Dessau  1256]  des  Julius  Festus  Hymetius,  Proconsul 
von  Africa  vor  368  (Amm.  28,  1.  17),  wo  er  heisst  consularis  Campaniae  cum 
Samnio.  —  Meine  Bemühungen,  zu  ermitteln  wohin  der  Stein  gekommen  ist, 
sind  fruchtlos  geblieben;  die  Aechtheit  ist  ausser  Zweifel.  [Die  Inschrift,  im 
Palazzo  Barberini,  aber  ohne  die  anscheinend  verlorene  Seiteninschrift  mit  dem 
Datum,  nach  Bormanns  Abschrift  C.  I.  L.  VI,  1706.  Über  die  Schwierigkeit,  die 
sie  bietet,  s.  jetzt  Mommsen  chron.  min.  I  p.  532  not.  4.] 


I 


Polemii  Silvii  Laterculus.  659 

Phoenice  Libani,  Cilicia  secunda,  welche  sicher  im  J.  381  noch  nicht 
bestanden  \  wahrscheinlich  auch   noch  nicht    im    J,  386  2,    während  259 
wenigstens  eine  derselben  409  vorkommt^;  wahrscheinlich  sind  die- 
selben sämmtlich  von  Eutropius,  also  zwischen  395  und  399  errichtet 
worden*. 


1)  Den  entscheidenden  Beweis  geben  die  Akten  des  zweiten  Constantino- 
politanischen  Concils  von  381  (Mansi  III,  568),  auf  dem  sämmtliche  Provinzen 
der  Diöcese  Oriens  und  der  grössere  Theil  der  Provinzen  von  Pontus  und  Asia 
vertreten  waren;  es  ergiebt  sich  daraus  mit  vollkommener  Gewissheit,  dass 
damals  wenigstens  die  letztgenannten  fünf  Provinzen  noch  nicht  existierten. 
Hiermit  stimmt  auch  überein,  dass  Ammian  von  all  diesen  Provinzen  nichts 
weiss  (Tillemont  V,  100)  und  dass  Damascus,  später  der  Sitz  des  praeses  Phoenices 
Libani,  im  J.  380  noch  dem  Consularis  des  (ungetheilten)  Phoenice  gehorchte 
<C.  Th.  VII,  22,  9),  überhaupt  aber,  dass  keine  Urkvmde  aus  dem  vierten  Jahrh. 
dieser  Provinzen  Erwähnung  thut.  Die  Theilung  Cappadocieus ,  gegen  die 
Basilius  [ep.  74]  im  J.  371  protestierte  (Tillemont  mem.  de  l'hist.  eccl.  IX,  174), 
kann  daher,  wie  Norisius  (epochae  Syromaced.  p.  302  ed.  Florent.  1691)  mit 
Recht  ausführt,  damals  noch  nicht  zur  Ausfuhrung  gekommen  sein. 

2)  Wir  finden  bis  386  einen  Proconsul  von  Palaestina  (Tillemont  V,  699 
[Prolegom.  zum  Theodosianus  p.  CXCIV]),  während  die  not.  dign.  auch  in  der 
vornehmsten  der  drei  Palaestinae,  Palaestina  prima  oder  Palaestina  schechtweg, 
nur  einen  Consular  nennt.  Die  Rangverminderung  dieses  Beamten  und  seine 
Unterordnung  unter  den  Comes  des  Oriens  (denn  die  Consulare  gehorchten  diesem, 
nicht  aber  unbedingt  die  Proconsuln,  s.  Böcking  zur  not.  dign.  or.  p.  167)  fiel 
wahrscheinlich  mit  der  Theilung  der  Provinz  in  Palaestina  und  Palaestina 
secunda  zusammen,  welche  man  nicht  verwechseln  darf  mit  der  älteren  Theilung 
Arabiens  in  Arabia  und  Palaestina  salutaris,  wie  Böcking  zur  not.  dign.  or. 
p.  512  gethan  hat.  Palaestina  salutaris  bestand  schon  381  (s.  u.);  aber  daraus 
folgt  nicht,  dass  es  damals  drei  Palaestina  gab. 

3)  C.  Th.  VII,  4,  30  per  primavi,  secuttdam  ac  tertiam  PaJaestitiam. 

4)  Claud.  in  Eutrop.  2,  585  von  Eutropius:  Ne  quid  tarnen  orbe  reciso  tetu 
ditor  amittat,  provinda  quaeque  superstes  dividitur,  geminumque  duplex  passura 
tnhimdl  cogitur  alterius  pretium  sarcire  peremptae,  womit  zu  vergleichen  das  etwa 
um  408  abgefasste  Schreiben  des  Papstes  Innocenz  1  an  den  Bischof  von  Antiochia 
(Mansi  coli.  3,  1055) :  Quod  seiscitaris  utrum  divisis  imperiali  iudicio  provinciis  ut 
duae  metropoles  fiant,  sie  duo  tnetropolitani  episcopi  debeant  nominari,  tum  vere 
(sehr,  e  re)  visum  est  ad  mobilitatem  necessitatum  mundanarum  dei  ecdesiam  com^ 
mutari  honoresque  aut  divisianes  perpeti,  quas  pro  suis  causis  faciendas  duxerit 
imperator.  Vgl.  Tillemont  V,  450.  —  Dass  ich  wie  vor  mir  Böcking  auf  Malalas 
confuse  Angaben  keine  Rücksicht  genommen  habe,  bedarf  keiner  Entschuldigung. 
Man  findet  dieselben  übrigens  auch  bei  einem  andern  Byzantiner  (Mai  spiciL 
Rom.  II  in  f.  p.  20),  der  für  die  Quelle  des  Malalas  gilt.  [Vielmehr  Malalas  selbst; 
s.  E.  Patzig,  Unerkannt  und  unbekannt  gebliebene  Malalas -Fragmente,  Jahres- 
bericht der  Thomasschule  in  Leipzig  1891.  —  Mommsen  war  also  die  versteckte 
Mai'sche  Publikation  nicht  unbekannt  geblieben,  wenn  er  sie  auch  in  seiner 
späteren  Arbeit  über  Malalas  (Hermes  6,  1872  =  unten  nr.  LXXV)  nicht  er- 
wähnt hat.] 

4ß» 


660  Polemii  Silvii  Laterculus. 

8.    Es  erscheint  Tuscien  noch  ungetheilt,  das  vermuthlich  schon 
418,  sicher  458  getheilt  war^. 


Nachdem  so  die  Entstehungszeit  festgestellt  ist,  sollen  noch  die 
wesentlichen  Differenzen,  die  zwischen  unserem  Provinzenverzeichniss 
und  demjenigen,  das  sich  aus  der  Notitia  dignitatum  entnehmen  lässt, 
hier  zusammengestellt  und  beleuchtet  werden.  Dass  die  letztere 
jünger  ist  als  unser  Register  und  nicht  vor  Gildos  Tod  398  geschrieben 
sein  kann  ist  bekannt;  die  Annahme  Böckings,  dass  sie  zwischen 
260  400  und  405  abgefasst  sein  müsse,*)  bedarf  noch  einer  weiteren  Recht- 
fertigung, die  der  vortreffhche  Herausgeber  in  seiner  Einleitung  sicher 
nicht  schuldig  bleiben  wird,  wenn  er  nicht  —  quod  absit  —  uns  die 
Einleitung  selbst  schuldig  bleibt.**)  —  Was  die  sonderbare  Reihenfolge 
anlangt,  in  der  die  Diöcesen  und  Provinzen  in  unserem  Register 
erscheinen,  so  kann  ich  darin  nur  eine  theils  an  die  Rangordnung, 
theils  an  die  Namensgleichheit  und  Lage  sich  anlehnende,  theils 
wohl  rein  zufällige  Aufzählung  erkennen.  So  steht  Campanien  in 
Italien  voran  als  vornehmste  Magistratur  2;  aber  dass  der  Consular 
von  Sicilien  erst  an  der  vierzehnten  Stelle  steht,  rührt  her  von  der 
Zusammenstellung  der  Inseln.  Ebenso  steht  in  Gallien  die  Viennen- 
sis  voran  als  die  im  Rang  erste  Provinz,  aber  der  Consular  von 
Lugdunensis  I  ist  verbunden  mit  den  Praesides  der  Lugdunenses  II.  III. 
1.  Die  Diöcesen  unsres  Katalogs,  die  in  Polemius  Breviar***)  mit 
Weglassung  von  Aegypten  wiederholt  sind,  sind  dieselben,  die  auch 
in  der  not.  dign.  vorkommen,  mit  der  einen  Ausnahme,  dass  Illyricum 
hier  als  eine  einzige  Diöcese  erscheint,  während  die  not.  dign.  theils 
im  Occident  eine  Diöcese  Illyricum  unter  dem  praef.  praet.  Italiae, 
theils  im  Orient  unter  dem  praef.  praet.  per  Illyricum  die  zwei 
Diöcesen  Macedonia  und  Dacia  verzeichnet.  Diese  Abweichung  ver- 
dient Aufmerksamkeit  bei  der  eigenthümlichen  und  noch  immer 
nicht  ganz  aufgehellten  Stellung  von  Illyricum  im  vierten  Jahr- 
hundert, f)     Regelmässig  bestanden  nach   der   constantinischen  Ver- 


1)  Rom.  Feldmesser  II,  208  [Ges.  Sehr.  V  193]. 

*)  [Mommsen  hat   zuletzt,    in  dem    Aufsatz    über  Aetius    (Ges.  Sehr.  IV 
S.  558),  die  AbfassuDgszeit  der  Notitia  dignitatum  auf  etwa  425  bestimmt.] 

**)  [S.  Seeck,  quaestiones  de  Notit.  dign.  (1872)  p.  5,  Hermes  9,  1875,  S.  218.] 

2)  Rom.  Feldmesser  II,  205  [Ges.  Sehr.  V  192]. 

***)  [S.  275  in  Mommsens  erster  Ausgabe  =  chron.  min.  I  p.  347.] 
t)  [Über   die   Entstehung   der   Praefectura    praetorii    von   Illyricum   hat 
Mommsen  in  dem  Aufsatz  über  ,Die  diocletianische  Reichspraefectur",  Hermes  36, 
1901,  S.  201  ff.  (Ges.  Sehr.  VI  S.  284  ff.),  eingehend  gehandelt.] 


Polemii  Silva  Laterculus.  QQ\ 

fassung  drei  Instanzen:  die  der  Provinzialstatthalter,  die  der  Vicare 
und  die  der  Praefecti  praetorio;  in  lUyricum  jedoch  hatte  nur  die 
Diöcese  Macedonien  einen  Vicar,  während  es  in  den  übrigen  Pro- 
vinzen nur  zwei  Instanzen  gab,  indem  über  den  Provinzialstatthaltem 
unmittelbar  in  dem  kleineren  westlichen  Theil  der  praef.  praet. 
Italiae,  in  dem  grösseren  östlichen  der  praef.  praet.  per  lUyricum 
stand.  So  hatte  Constantin  selbst,  wie  es  scheint,  die  Verhältnisse 
geordnet  1  und  so  bestanden  sie  bis  zum  Tode  des  Constantius  (361)2,  261 
Juhan  combinierte  die  beiden  Präfecturen  von  Italien  (nebst  Africa) 
und  Illyricum  unter  einem  praefectus  praetorio  Italiae,  lUyrici  et 
Africae,  den  wir  von  362  bis  zum  Jahre  393  nachweisen  können 
und  der  unzweifelhaft  bis  zum  Tode  Theodosius  des  Ersten  395 
bestand^.    Bei  der  Theilung  des  Reiches  erhielt  Arcadius  die  beiden 

1)  Anderer  Meinuug  sind  die  sorgfältigsten  Forscher,  so  Tillemont  IV,  284. 
V,  716;  Böcking  zur  not.  dign.  occ.  p.  141,  nach  deren  Annahme  das  westliche 
Illyricum  (d.  h.  beide  Noricum,  beide  Pannonien,  Taleria,  Savia,  Dalmatien)  bis 
zur  Abtretung  des  östlichen  an  die  Constantinopolitanische  Regierung  mit  diesem 
vereinigt  war.  Es  muss  indess  jeder  einräumen,  dass  man  gute  Gründe  haben 
konnte  die  Immediatprovinzen  unter  die  beiden  nächsten  Präfecten  zu  vertheilen. 
Was  den  Titel  des  italischen  Präfectfu  anlangt,  so  steht  der  Annahme  nichts 
im  Wege,  dass  er  sich  auch  jetzt  wie  später  (S.  651  A.  1)  praef.  praet.  Italiae. 
lUyrici  et  Africae  nannte.  Endlich  schliesst  gerade  die  Hauptstelle  des  Zosimus 
2,  3.3,  die  den  Sprengel  des  praef.  praet.  per  Illyricum,  wie  Constantin  ihn  fest- 
gesetzt hatte,  augiebt,  das  occidentalische  Illyricum  ausdrücklich  aus.  Er  gab 
ihm,  heisst  es,  'IÄ?.voiovg  xai  Aäxag  xai  ToißakÄov;  xai  tovg  ä/oi  t/;»  BaXeoiag 
Ilaiova;  xai  sm  xovroig  ttjv  avoi  Mvaiav.  Die  «lllyrier,  Päoner.  Triballer»  sind  im 
Stil  dieser  Zeit  die  Districte  Epirus  nova,  Macedonia  II,  Dardania;  von  den 
Districten  des  westlichen  Illyricum  wird  nicht  bloss  keiner  genannt,  sondern  die 
Valeria  sogar  ausdrücklich  ausgeschlossen  [?].  —  Zosimus  könnte  allerdings  geirrt 
und  die  Verhältnisse  seiner  Zeit  auf  die  constantinische  übertragen  haben ;  allein 
warum  er  geirrt  haben  muss,  sehe  ich  nicht  ein.  [Später,  in  der  Abhandlung 
über  „die  diocletianische  Reichspraefectur",  Hermes  36,  1901,  S.  207  A.  3  (s.  Ges. 
Sehr.  VI  S.  289  A.  6),  hat  Mommsen  selbst  die  Angabe  des  Zosimus  verworfen.] 

2)  Amm.  21,  6,  5.     Böcking  zur  not.  dign.  occ.  p.  141. 

3)  Der  erste  Beamte,  der  beide  Sprengel  zugleich  verwaltete,  war  Mamer- 
tinus,  den  wir  361  als  praef.  praet.  per  Illyricum  (.\mm.  21,  12,25),  362  schon 
in  Italien  thätig  finden  (C.  Th.  VIII,  5,  12  vgl.  VIII,  1,  8).  In  den  nächsten 
dreissig  Jahren  finden  sich  zahlreiche  Beweise  dieser  Combinierung,  die  Gotho- 
fred  zu  C.  Th.  I,  1,  2  und  X,  19,  7  gesammelt  hat;  wenn  neben  dem  vollständigen 
Titel,  der  Italien,  Illyricum  und  Africa  neben  einander  auffuhrt,  häufig  abge- 
kürzte Bezeichnungen  vorkommen  und  namentlich  Africa  oft  nicht  mit  genannt 
wird,  so  sind  darin  unzweifelhaft  nur  Abkürzungen  des  Sprachgebrauchs  oder 
der  .Abschreiber  zu  erkennen.  So  heisst  Nicomachns  Flavianus,  Präfect  zum 
zweiten  Mal  390  bis  392,  in  einer  Inschrift  praef  praet.  Ital.  Illyr.  et  Äfric. 
(Ann.  deir  Inst.  21,  285  [C.  I.  L.  VI,  1783  =  Dessau  2948]),  in  den  Adressen  der 
Verordnungen  C.  Th.  I,  1,  2.  III,  1,  6  praef.  praet.  lUyrici  et  Italiae.     Der  letzte 


6g2  Polemii  Silvii  Laterculus. 

Östlichen,  Honorius  die  beiden  westlichen  Präfecturbezirke ,  wovon 
die  nothwendige  Folge  war,  dass  die  Combinierung  der  italischen 
262  und  der  illyrischen  Präfectur  aufhörte  und  wir  von  dieser  Zeit  an 
im  Wöstreich  einen  praef.  praet.  per  Italias  oder  im  officiellen  Stil 
praef.  praet.  Italiae  lUyrici  et  Africae^,  im  Ostreich  einen  praef. 
praet.  per  Illyricum  ganz  wie  unter  Constantin  und  dessen  Söhnen 
wiederum  finden  2.  —  Unser  Verzeichniss  fällt  eben  in  die  Ueber- 
gangszeit.  Ist  es  nach  395  abgefasst,  so  sehe  ich  keine  Möglichkeit 
es  zu  rechtfertigen,  dass  ganz  Illyricum  als  Ein  Yerwaltungsbezirk 
aufgeführt  ward.  Entstand  es  vor  395,  während  das  östliche  und 
westliche  Illyrien  unmittelbar  unter  dem  italischen  Präfecten,  Mace- 
donien  unter  dem  von  diesem  abhängigen  Vicar  standen,  so  bleibt 
es  noch  immer  sehr  sonderbar,  dass  nicht  wenigstens  Macedonien 
und  Illyricum  getrennt  sind,  wie  doch  in  den  Verordnungen  dieser 
Zeit    geschieht^;     allein    es    lässt    sich    doch    die    Sache    eher   be- 

Präfect,  der  nachweislich  beide  combinierte  Aemter  verwaltete,  ist  Apodemius 
392—393,  der  praef.  praet.  Illyrici  et  Africae  (392  C.  Th.  XIII,  5, 21),  per  Illyricum 
(393  C.  Th.  XII,  12, 12),  Illyrici  et  Italiae  II  (393  C.  Th.  XI,  30,  51)  heisst.  Gewiss 
sind  diese  drei  Formeln  nichts  als  verschiedene  Abkürzungen  der  vollständigen 
Illyrici  Italiae  et  Africae;  Hänels  Vorschlag  zu  C.  Th.  XIII,  5,  21  et  Africae  zu 
streichen  und  anzunehmen,  dass  Apodemius  erst  Präfect  des  östlichen  Illyricum, 
dann  von  Italien  und  dem  westlichen  Illyricum  war,  ist  im  höchsten  Grade 
gewaltsam  und  unbefriedigend.  Allerdings  macht  es  grosse  Schwierigkeit,  dass 
dies  in  Constantinopel ,  also  von  Theodosius  an  den  Präfecten  von  Italien, 
Illyricum  und  Africa  erlassene  Rescript  das  Datum  XV  kal.  Mart.  des  J.  392 
trägt,  während  der  occidentalische  Kaiser  Valentinian  II.  erst  den  15.  Mai  d.  J, 
starb;  allein  das  Datum  ist  unzweifelhaft  falsch,  da  theils  das  vorhergehende 
Rescript  prid.  id.  Apr.  datiert  ist,  theils  VI  id.  Apr.  dieses  J.  der  Vorgänger  des 
Apodemius,  Flavianus  noch  im  Amte  war  (C.  Th.  X,  10,  20).  [In  seiner  Ausgabe 
des  Theodosianus  ist  Mommsen  auf  Hänels  Vorschlag  zurückgekommen  und  hat 
Xni  5,  21  den  Zusatz  et  Africae,  außerdem  aber  auch  XI  30,  51  et  Italiae  II 
für  unecht  erklärt  und  Prolegom.  p.  CLXXIX  Apodemius  unter  die  Praefecti 
praetorio  Illyrici  des  Ostreichs  aufgenommen.  Über  die  andern  in  dieser  An- 
merkung genannten  Praefecti  praetorio  s.  Prolegomena  z.  Theodosianus  p.  CLXVIIif.] 

1)  Die  alte  Titulatur  blieb,  wie  die  Inschrift  des  Jüngern  Flavianus  praef. 
praet.  von  Italien  431  beweist  (Ann.  21,  p.  285  [C.  I.  L.  VI,  1783  Z.  6]). 

2)  Zosim.  4,  59.  Der  erste  Präfect  von  Illyricum,  den  wir  in  Verordnungen 
der  constantinopolitanischen  Kaiser  finden,  ist  Anatolius  397  fg.  (C.  Th.  XVI,  8,  12 
u.  a.  m.);  er  ist  wohl  zu  unterscheiden  von  dem  praef.  praet.  Illyrici  Italiae 
Africae,  der  abgekürzt  auch  wohl  bloss  praef.  praet.  per  Illyricum  genannt  wird. 

3)  So  nennen  die  occidentalischen  Verordnungen  Illyricum  et  dioecesin 
Macedonicam  (370  C.  Th.  X,  19,  7),  Macedoniam  et  Illyrici  tractum  (376  C.  Th. 
X,  19,  8).  Ebenso  unterscheidet  Festus  c.  8  Illyricum  und  die  dioecesis  Mace- 
doniae.  In  der  Verordnung  von  383  C.  Th.  XI,  13,  1  wird  freilich  nur  omne 
Illyricum  genannt,  allein  Macedonien  scheint  damals  unter  Theodosius  gestanden 


Polemii  Silvii  Laterculus.  663 

greifen,*)  wenn  man  annimmt,  dass  der  Schreiber  den  Staatskalender 
des  ungetheilten  Reiches  in  der  Art  epitomierte,  dass  er  soviel  Abschnitte 
machte  als  er  Vicarii  fand  und  die  keinem  Vicarius  untergebenen 
Provinzen,  wie  die  illyrischen,  die  direct  unter  dem  praef.  praet. 
standen,  die  Proconsulate,  die  nicht  von  den  Vicarien,  sondern  ent- 
weder von  dem  praef  praet.  (so  in  Achaia).  oder  direct  vom  Kaiser 
(so  in  Asia  und  Africa)  ressortierten,  die  gleichfalls  nicht  unter  dem 
Präfecten  stehenden  Sprengel  der  orientalischen  Correctoren  ^.  endlich 
die  Provinzen  Hellespontus  und  Cyclades,  deren  Vorsteher  statt 
unter  dem  Yicar  unter  dem  Proconsul  von  Asia  standen,  der  Diöcese 
des  nächsten  Vicars  beifügte.  Ist  dies  richtig,  so  ist  das  Provinzen- 
verzeichniss  älter  als  395:  ich  habe  es  indess  nicht  gewagt,  darauf 
oben  bestimmt  zu  fussen,  weil  es  zwar  schwierig,  aber  nicht  ganz  263 
unmöglich  ist,  beim  Excerpieren  einer  Not.  dign.  des  getheilten  Reiches 
zu  ähnlichen  Resultaten  zu  gelangen. 

2.  In  der  Yertheilung  der  Provinzen  unter  die  Diöcesen  findet 
sich  ausser  der  eben  berührten  bloss  formellen  Differenz,  wonach 
auch  die  ausserhalb  der  Diöcesen  stehenden  Provinzen  in  dieselben 
eingeschaltet  sind,  nur  eine  einzige  Abweichung  zwischen  dem  Pro- 
vinzenverzeichniss  und  der  Not.  dign. :  Galatia  steht  nach  jenem  unter 
dem  Vicar  von  Asia,  nach  dieser  unter  dem  Vicarius  des  Pontus. 
Bei  einer  an  der  Grenze  beider  Diöcesen  gelegenen  Provinz  ist  ein 
solcher  Wechsel  begreiflich;  weitere  Belege  dafür  habe  ich  nicht 
gefunden  2. 

3.  Dass  die  Provinzen  Valeria  in  Italien,  Macedonia  salutaris 
in  lllyricum.  Galatia  salutaris  in  Asia.  Cappadocia  secunda  in  Pontus, 
Syria  salutaris,  Palaestina  secunda,  Phoenice  Libani,  Cilicia  secunda 
im  Oriens  in  unsrem  Verzeichniss  fehlen,  in  der  Not.  dign.  aber 
vorkommen,  also  in  der  Zeit  zwischen  der  Abfassung  beider  Schrift- 
stücke errichtet  sind,  ward  schon  erwähnt. 

4.  "Wenn  umgekehrt  die  Provinzen  Sophanene  im  Oriens  und 
Valeria  in  lllyricum  in  unserm  Provinzenverzeichniss  vorkommen, 
dagegen  in  der  Not.  dign.  fehlen,  so  sollte  man  danach  annehmen, 
dass   sie    in    der  Zwischenzeit  eingegangen    sind.      Indess    was    die 

zu  haben  (Tillemont  V,  716),    so  dass  diese  Verordnung   in    der  That   nur   die 
Immediatprovinzen  betroffen  hätte. 
*)  [Vergl.  Ges.  Sehr.  V  S.  569.] 

1)  Ich  glaube  nicht  richtig  hat  auch  Böcking  noch  diese  beiden  Correctoren 
im  c.  2  der  not.  or.  eingeschaltet;  wenigstens  sehe  ich  nicht,  was  der  im  Text 
angegebenen  Auffassung  entgegenstände. 

2)  Im  Gegentheil  steht  in  dem  Schreiben  der  Synode  von  Philippopolis  341 
(Mansi  III,  126)  Galatia  unter  den  pontischen  Provinzen. 


664  Polemii  Silvii  Laterculus. 

erstere  anlangt,  so  kann  diese  «Satrapie»,  die  erst  von  Justinian  als 
Provinz  organisiert  ward,  recht  wohl  in  dem  jüngeren  Katalog  nur 
aus  diesem  Grunde  weggelassen  sein  ^.  Auch  von  der  Valeria  nimmt 
Böcking  an,  dass  sie  noch  zur  Zeit  der  Not.  dign,  bestand  und  ich 
glaube  mit  Recht;  auch  hier  scheint  der  Unterschied  zwischen  den 
beiden  Verzeichnissen  mehr  formell  als  reell  zu  sein  2. 
264  5.    Blosse    Namensverschiedenheiten    ohne    weitere    Bedeutung 

sind  es,  dass  der  District  Helenopontus  der  not.  dign.  in  dem  Pro- 
vinzenverzeichniss  als  Pontus  Amasia,  die  beiden  Phrygien  der  not. 
dign.  Pacatiana  und  salutaris  in  diesem  als  Phrygia  prima  und  secunda 
(nach  einigen  Handschriften)  vorkommen.  Nicht  anders  urtheile  ich 
von  den  bemerkenswertheren  Abweichungen  in  Thracien  und  Illyricum  : 

lib.prov.  Thracia  not.  dign. 

Thracia  secunda  Haemimontus 

Scythia  inferior  Scythia 

Illyricum 
Scythia  Dacia  mediterranea 

Dacia  Dacia  ripensis 

Haemimontus  Macedonia 

Macedonia  Macedoniae  salutaris  pars 

in  dioecesi  Daciae 
Macedoniae  salutaris  pars 
in  dioecesi  Macedoniae. 

Evident  ist  es  zunächst,  dass  die  Thracia  secunda,  die  ich  sonst 
nirgends  finde,   mit   der  Provinz  an   der  Südseite   des  Haemus,   die 


1)  C.  Th.  XII,  13,  6  vom  J.  387:  Gaddanae  Satrapae  Sofanenae  und  Justinian 
nov.  31  c.  1  §  3:  ovveotrjodfis^a  ds  xal  XEx6.Qxr}r  'Agfisviav  f]  jIQÖxeqov  ovx  sig 
sjiaQxia?  ovvexeixo  axfjf^a,  dAAct  xcöv  xs  idrcüv  ^v  xal  ix  diaqpögcov  ovvsiXexxo  ßagßa- 
Qixcöv  ovo/iidxcov,  TCoq)avr}vrj  xs  xal  'AvCfjxrjvrj ,  7]  Tl^ocprjvi]  xal  'Ao^iavrjvrj ,  tj  xal 
Bakaßixrjvrj  xalovfisvr]  xal  vtio  aaxQOjiatg  ovoa.  '  Weitere  Nachweisungen  giebt 
Gothofred  zu  dem  a.  0. 

2)  Böcking  zur  Not.  dign.  occ.  p.  144.  691.  Wenn  geändert  werden  soll, 
muss  nicht  bloss  in  c.  2  Valeria  ergänzt  und  septem  statt  sex  gesetzt  werden, 
sondern  ebenso  in  dem  Verzeichniss  der  Praesides  c.  1  triginta  duo  statt  XXXI, 
quinque  statt  quattuor  gesetzt  und  Valeria  hinzugefügt  werden,  was  unmöglich 
angeht.  Entscheidende  Beweise  für  die  Existenz  dieser  Valeria  nach  dem  vierten 
Jahrh.  sind  mir  nicht  bekannt;  denn  das  Zeugniss  des  Jordanis  de  regn.  succ. 
p.  233  Mur.  [p.  27.  28  Momms.],  der  den  Festus  ausschreibt,  macht  nicht  vollen 
Beweis  und  noch  weniger,  dass  der  dux  Valeriae  ripensis  in  der  not.  dign.  vor- 
kommt. Ich  glaube  indess  ebenfalls,  dass  zur  Zeit  der  Not.  dign.  es  noch  eben 
wie  im  vierten  Jahrhundert  einen  District  Valeria  in  Pannonien  gab.  Die 
einfachste  Annahme  scheint  mir  zu  sein,  darin  einen  Militärbezirk  zu  erkennen, 
in  dem  der  dux  ausnahmsweise  auch  die  Civilverwaltung  besorgte;  wesshalb  dieser 
District  sowohl  in  dem  Katalog  der  Provinzialstatthalter  als  in   dem  der  vom 


Polemii  Silvii  Latercnlas.  6ß5 

bei  Ammian^  und  in  der  Notitia  unter  dem  Namen  Haemiraontus 
auftritt,  identisch  ist,  also  der  Haemimontus  des  Provinzenverzeich- 
nisses von  dem  Haemimontus  der  Notitia  verschieden  ist,  wie  denn 
auch  der  letztere  District  nie  zu  Illyricum  gehört  haben  kann. 
Ebenso  kann  es  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  die  zwei  Scythien 
und  das  eine  Dacien  des  Provinzenverzeichnisses  zusammenfallen  mit 
den  zwei  Dacien  und  dem  einen  Scythien  der  Notitia;  ohne  Zweifel 
ist  die  nördlichere  der  beiden  Dacien,  Dacia  ripensis  dort  unter  dem 
Namen  Scythia  (superior),  dagegen  Dacia  mediterranea  als  Dacia  . 
schlechtweg  aufgeführt.  Schwieriger  ist  es,  über  die  macedonischen 
Districte  ins  Klare  zu  kommen.  Die  Xotitia  kennt  einen  Consularis  265 
von  Macedonia,  dessen  Sprengel  unter  dem  Yicarius  von  Macedonien 
steht,  femer  einen  Präses  von  Macedonia  salutaris,  dessen  Sprengel 
halb  in  die  Diöcese  Macedonien  fallt,  halb  in  die  Diöcese  von  Dacien. 
Yor  der  Einrichtung  von  Macedonia  salutaris.  also  zur  Zeit  der  Ab- 
fassung des  Provinzenverzeichnisses,  wird  ganz  Macedonien  unter 
einem  Consular  gestanden  haben,  von  dessen  Sprengel  die  grössere 
südliche  Hälfte  zur  Diöcese  Macedonien  gehörte,  die  kleinere  nörd- 
liche zur  Diöcese  Dacien.  Ich  zweifle  nicht,  dass  unser  rein  topo- 
graphisches Yerzeichniss  beide  gesondert  aufführt  als  Macedonia  und 
Haemimontus,  so  dass  der  letztere  District  (wohl  zu  unterscheiden 
von  dem  Haemimontus  der  Notitia)  das  Hochland  des  skomischen 
Gebirges  bezeichnet  2. 

6.  Endlich  fehlen  in  unsrem  Register  zwei  Provinzen  Arabia 
und  Palaestina  salutaris,  welche  sowohl  in  der  Zeit  vor  als  in  der 
Zeit  nach  Abfassung  desselben  nachzuweisen  sind  imd  deshalb  nur 
durch  ein  Yersehen  des  Epitomators  ausgefallen  sein  können.  Die 
beiden  Provinzen  machen  das  alte  Arabia  aus,  das  vor  und  wahr- 
scheinlich kurz  vor  381  in  die  zwei  ProArinzen  Arabia  mit  der  Haupt- 
stadt Petra  und  Bostra  oder  Palaestina  salutaris  (später  auch  Palae- 


praef.  praet.  abhängigen   Districte  fehlt,    während  unser  rein  topographisches 
Verzeichniss  ihn  aufnimmt.     Aehnlieh  stand  es  wahrscheinlich  mit  Arabia,  s.  u. 

1)  27,  4,  12. 

2)  Dass  der  Haemus  nicht  bloss  der  grosse  Balkan  ist,  sondern  schon  die 
Kette,  die  an  dem  rechten  Ufer  der  Morawa  hinauf  von  der  Donau  zum  Balkan 
läuft,  diesen  Namen  führt,  hat  Mannert  Geogr.  VII,  5  gezeigt,  besonders  nach 
Amm.  21,  10.  3.  Sehr  passend  führt  eben  die  Landschaft,  die  der  Knotenpunkt 
der  Gebirgszüge  und  das  Quellgebiet  der  grossen  nach  allen  Richtungen  von 
da  entsendeten  Ströme  ist,  den  Namen  Haemimontus.  Wer  dies  nicht  annimmt, 
dem  wird  kaum  etwas  anderes  übrig  bleiben,  als  mit  Gothofred  die  Aufführung 
von  Haemimontus  in  Illyricum  für  einen  groben  Fehler  des  Redacteurs  zu  er- 
klären. 


(566  Polemii  Silvii  Laterculus. 

stina  tertia  genannt)  getheilt  ward  ^.  In  der  Notitia  dignitatum  stehen 
beide,  doch  ist  es  bemerkenswerth,  dass  von  Arabia  kein  Präses 
266  aufgezählt  und  bei  der  Aufzählung  der  dem  Präfectus  des  Oriens 
untergebenen  Sprengel  Arabia  zwar  vorkommt,  aber  mit  einer  Note, 
die  anzudeuten  scheint,  dass  dieser  District  unter  keiner  Civil-,  sondern 
einer  Militärjurisdiction  steht  2.  Yielleicht  galt  damals,  als  das  Pro- 
vinzenverzeichniss  abgefasst  ward,  dasselbe  von  Palaestina  salutaris; 
in  welchem  Fall  die  Auslassung  der  beiden  Districte  begreiflich 
würde.  Wie  dem  auch  sein  möge,  es  scheint  mir  ebenso  ausgemacht, 
dass  diese  beiden  Sprengel  zur  Zeit  der  Entstehung  unseres  Ver- 
zeichnisses bestanden,  als  dass  sie  nicht  absichtlich,  sondern  nur  durch 
Versehen  von  dem  Exceptor  ausgelassen  worden  sind. 

7.  Schliesslich  soll  noch  daran  erinnert  werden,  dass  wir  von 
einer  der  unbequemsten  Divergenzen  zwischen  dem  Provinzenverzeich- 
niss  und  der  Notitia  durch  den  bessern  Text  des  Polemius  befreit 
worden  sind:  ich  meine  von  den  am  Schluss  Italiens  hinzugefügten 
Alpes  Graiae,  die,  wie  wir  jetzt  sehen,  bloss  zufällig  von  dem  Ende 
des  zweiten  an  das  Ende  des  ersten  Abschnitts  sich  verirrt  hatten, 
ohne  an  der  ersten  Stelle  darum  zu  fehlen;  und  da  die  Zahlen  sowohl 
in  Italien  als  in  der  Summe  hiernach  geändert  worden  waren,  war 
es  bedenklich  zu  ändern.    Wir  sind  dadurch  einer  Schwierigkeit  über- 


1)  Die  älteste  Spur  der  Theilung,  die  bisher  übersehen  zu  sein  scheint, 
enthalten  die  Akten  des  constantinopolitanischen  Concils  von  381,  wo  zwischen 
Cölesyrien  und  Osroene  die  provincia  Arabia  und  provincia  Bostron  erscheinen 
(Mansi  III,  568).  Damit  stimmt  überein  Hieronymus  in  seinen  nicht  nach  392 
(Hieron.  v.  ill.  c.  135),  vermuthlich  389  oder  390  (vita  Hieron.  von  Vallars  p.  108) 
geschriebenen  quaestiones  in  Genesim  (opp.  III  p.  337  Vall.):  in  Geraris  ubi  et 
ßersabae  hodie  oppidum  est.  Quae  provincia  ante  non  grande  tempus  ex  dimsione 
praesiduni  Palaestinae  (sehr.  Palaestina)  salutaris  est  dicta.  Insofern  würde  also 
die  Aenderung  des  verdorbenen  pi-aesidi  Frygiae  Palaestinae  in  einer  Verordnung 
von  396  (C.  Th.  XI,  23,  3)  in  Hygiae  Palaestinae  zulässig  sein;  doch  scheint  sie 
mir  in  der  Stellung  wie  in  dem  Gebrauch  des  griechischen  Epithetons  gegen 
den  Curialstil  zu  Verstössen,  wesshalb  vielmehr  mit  Wesseling  Phrygiae  Paca- 
tianae  zu  schreiben  ist.  Die  Palaestina  secunda  kam  erst  399  hinzu  (oben  S.  659); 
weshalb  es  auch  ganz  in  der  Ordnung  ist,  dass  in  der  Notitia  die  Palaestina 
salutaris  oder  tertia  immer  vor  der  zweiten  steht. 

2)  «et  dux  et  comes  rei  militaris»,  was  sich,  wie  Böcking  p.  165  zeigt, 
auf  den  dux  Arabiae  und  den  comes  rei  militaris  Isauriae  bezieht.  Verdorben 
sind  die  Worte,  aber  gewiss  kein  Glossem,  sondern  stehen  damit  in  Verbindung, 
dass  in  dem  Verzeichniss  der  Provinzialvorsteher  c.  I  Arabia  und  Isauria  fehlen. 
Für  jede  andere  der  in  c.  II.  III  aufgezählten  Provinzen  konnte  man  den  Vor- 
steher in  c.  I  finden,  ausser  für  diese  beiden;  es  war  daher  zweckmässig  sie 
beizusetzen.    Vielleicht  stand  est  dux,  est  comes. 


Polemii  Silvii  Laterculus.  667 

hoben,  deren  Lösung  nicht  gelingen  konnte^,  und  können  jetzt  mit 
Bestimmtheit  behaupten,  dass  die  grajischen  und  pöninischen  Alpen, 
d.  h.  Savoyen  und  das  "Wallis,  nie  zu  Italien,  sondern  zu  allen  Zeiten 
zu  Gallien  gerechnet  worden  sind,  wie  die  Alpenscheide  es  in  der 
That  fordert.*) 


1)  S.  darüber  Böcking  zur  Not.  dign.  occ.  p.  488,  der  ausser  mit  der  falschen 
handschriftlichen  Lesart  sich  auch  noch  mit  den  Interpolationen  hat  plagen 
müssen,  die  die  Herausgeber  aus  der  Not.  prov.  Gall.  in  unser  Verzeichniss 
hineingebracht  haben.  Dass  auch  Paulus  Diaconus  die  Alpes  Graiae  et  Poeninae 
nicht  zu  Italien  rechnet  und  seine  Alpes  Apenninae  keineswegs  Savoyen  und 
das  Wallis  bezeichnen,  ist  klar.    [S.  den  oben  S.  651*  angeführten  Aufsatz  S.  86.] 

*)  [Die  übrigen  Abschnitte  des  Latercnlus  s.  Chron.  min.  I  p.  543—551; 
über  das  von  Mommsen  S.  273  aus  einer  Pariser  Handschrift  herausgegebene 
,. topographische  Bruchstück*  (Riese  geogr.  min.  p.  140)  s.  Chron.  min.  I  p.  545.] 


LXIX. 

Die  Chronik  des  Cassiodorus  Senator 
vom  J.  519  n.  Chr.*) 

549  Abfassungszeit  und   Quellen   der  Chronik. 

Die  Chronik,  mit  der  wir  uns  beschäftigen,  ist  519  geschrieben, 
das  ist  im  zweiten  Regierungsjahre  des  byzantinischen  Kaisers 
Justinus  I.,  im  siebenundzwanzigsten  —  nach  der  gewöhnlichen 
Rechnung  —  des  ostgothischen  Königs  Theoderich,  unter  dem  Con- 
sulat  des  Kaisers  Justinus  für  den  Osten,  des  Eutharichus  Cillica  für 
den  Occident.  Nicht  dem  König  Theoderich,  wie  die  Ausgaben 
fälschlich  sagen,  ist  die  Schrift  gewidmet,  sondern  sie  ist,  wie  der 
Schluss  zeigt,  auf  Begehren  eben  jenes  Eutharich  abgefasst  und  daher 
ihm  zugeeignet,  Eutharich,  aus  dem  königUchen  Geschlecht  der 
Amaler,  war  seit  seiner  Vermählung  mit  Theoderichs  Tochter 
Amalasuinta  (515)  von  diesem  in  Ermangelung  eigener  Söhne  zu 
seinem  Nachfolger  bestimmt,  wesshalb  Cassiodor  ihm  auch  schon 
geradezu  den  königlichen  Titel  {dominus  noster)  beilegt;  er  starb 
indess  noch  vor  Theoderich  und  es  ging  nach  dessen  Tode  (526)  der 
Königstitel  über  auf  dessen  Enkel,  den  Sohn  des  Eutharich  und  der 
Amalasuinta,  Athalarich.  —  Als  Verfasser  der  Chronik  nennt  sich 
Magnus  Aurelius  Cassiodorus  Senator,  v{ir)  c(larissimus)  et  inliustris), 


*)  [Abhandlungen  der  Sachs.  Ges.  der  Wiss.  Bd.  8,  1861  S.  547—696.  Infolge 
der  Neubearbeitung  in  den  Chronica  minora  vol.  II,  1894,  S.  109—161  lag  keine 
Veranlassung  vor,  die  Darlegungen  über  die  Handschriften  und  Ausgaben 
(S.  571  — 588)  sowie  die  Ausgabe  der  Chronik  selbst  (S.  589  ff.)  hier  zu  wieder- 
holen, obwohl  in  der  Neubearbeitung  Einzelnes  gekürzt  oder  weggelassen  worden 
ist.  Auch  die  'Beilagen'  (S.  660  ff.)  sind  durch  die  Neubearbeitung  in  den 
Chronica  erledigt.  Die  einleitenden  Bemerkungen  hingegen  behalten  ihren 
selbständigen  Wert,  wie  Mommsen  selbst  dadurch  bestätigt,  daß  er  sich  in  der 
Neubearbeitung,  in  der  ganze  Stücke  daraus  fehlen,  öfters  auf  sie  bezieht.] 


Die  Chronik  des  Cassiodonis  Senator  vom  J.  519  n.  Chr.  669 

ex  quaestore  sacri*)  pdlatü,  ex  cons{iüe)  ord{inano),  ex  mag{istro) 
o/f{iciorurn) ,  piraefedus)  p{raetori)o  atque  patricins  —  welches  die- 
selbe Titulatur  ist,  die  —  wenigstens  in  den  Ausgaben^  —  der 
Verfasser  der  variae  sich  beilegt.  Ueber  Cassiodors  Zeitverhältnisse 
überhaupt  fehlt  es  noch  an  einer  genügenden  Untersuchung,  so  viel 
darüber  auch  geschrieben  worden  ist  2;  da  die  Abfassungszeit  der 
Chronik,  von  einzelnen  Lobreden  etwa  abgesehen  des  ältesten  von 
ihm  bekannt  gemachten  Werkes,  feststeht,  so  können  für  diesen  550 
Zweck  die  übrigen  Fragen  auf  sich  beruhen  bleiben  und  es  mag 
nur  bemerkt  werden,  dass,  wenn  der  Titel  der  Chronik  genau  gefasst 
ist,  Cassiodor  nach  der  Quästur  sacri  palatii,  dem  Consulat  (514) 
imd  dem  magisterium  officiorum  im  J.  519  praefectus  praetorio  ge- 
wesen ist.**) 

Cassiodor    hat   die  Weltgeschichte  in  die  folgenden  sechs    am 
Schlüsse  seiner  Chronik  zusammengefassten  Abschnitte  zerlegt: 

1 .  von  Adam  bis  zur  Sündfluth 2242  Jahre, 

2.  von  der  Sündfluth  bis  auf  Ninus     ....     899       » 

3.  von  Ninus  bis  auf  Latinus 852       » 

4.  von  Latinus  bis  auf  Romulu» 457       » 

5.  von  Romulus  bis  auf  die  ersten  Consuln  .     .     240       » 

6.  Consularjahre  bis  5!9  n.  Chr 1031       » 

5721  Jahre. 
Die  ersten  fünf  Epochen  sind  wesentlich  herübergenommen  aus 
Eusebius-Hieronymus,  auf  den  sich  auch  Cassiodor  in  dem  Schlusswort 
ausdrücklich  beruft:  Prosper,  den  Cassiodor  sonst  auch  gebraucht,  hat 
von  diesen  Angaben  das  Meiste  nicht.  Die  zweite  Hauptziffer  beruht 
auf  einer  Combination  der  beiden  Ansetzungen  des  Hieronymus,  dass 
von   der  Sündfluth   bis   auf  Abrahams  Geburt  942  Jahre  verflossen, 


*)  [Dies  in  der  Titulatur  der  Variae  fehlende  Wort  beruht  auf  Interpolation : 
vgl.  Mommsen  a.  a.  0.  S.  IX.] 

1)  In  den  Handschriften  der  variae,  die  mir  vorgekommen  sind,  habe  ich 
diese  Titulatur  nirgends  gefunden.  [Sie  findet  sich  auch  dort:  s.  Mommsens 
J'rooemium  zu  seiner  Ausgabe  (1894)  S.  IX-] 

2)  Vgl.  Manso  ostgoth.  Reich  S.  85fg.;  Baudi  di  Vesme  in  den  Schriften 
der  Turiner  Akademie  Ser.  2  Bd.  8  S.  172  u.  A.  m.  [dazu  jetzt  H.  üsener,  Anecdoton 
Holderi,  Leipzig  1877  und  vor  allem  Mommsen  selbst  a.  a.  0.  p.  VfF.] 

**)  [Diesen  Irrtum  hat  Mommsen  a.  a.  0.  p.  IX  so  korrigiert:  'subscriptio  at 
variis  apta  est  editis  ab  auctore  in  praefectura,  ita  nequaquam  convenit  chronicis 
f .bsolutis  a.  519  aliquanto  ante  eam  adeptam ,  neque  dubium  est  in  exemplari 
Jjitiquissimo  nostrorum  omnium  parente  et  varias  et  chronica  simul  complexo 
eam  ab  illis  ad  haec  perperam  translatum  esse'.  Das  Jahr  der  Praefectur  ist 
r33,  das  des  mag.  off.  unbekannt:  cf.  p.  XI.] 


670  Die  Chronik  des  Cassiodorus  Senator  vom  J.  519  n.  Chr. 

Abraham  aber  im  43.  Jahre  des  Ninus  geboren  sei,  die  folgenden 
auf  einfacher  Addition  der  aus  Hieronymus  entnommenen  Einzelsätze. 
Bemerkenswerth  ist  die  arge  Nachlässigkeit  im  Uebergange  von  der 
dritten  Periode  auf  die  vierte:  während  nach  Hieronymus  im  25.  Jahre 
des  26.  assyrischen  Königs  Tautanes  (reg.  32  Jahre)  Troia  einge- 
nommen und  das  28.  Jahr  desselben  dem  1.  des  Aeneas  geglichen 
wird,  bricht  Cassiodor  vielmehr  die  assyrische  Königsliste  mit  dem 
25.  König  ab,  giebt  dann  die  32  Jahre  des  Tautanes  vielmehr  dem 
König  Latinus  und  setzt  den  Fall  Troias  in  dessen  25.  Jahr;  wodurch 
er  auch  in  den  Gesammtsummen  5  Jahre  mehr  erhält  als  nach 
hieronymischer  Rechnung  sich  ergeben  würden. 

Von  Interesse  ist  allein  der  letzte  Abschnitt,  das  längste  aus 
dem  Alterthum  überlieferte  Consulnverzeichniss.  Dasselbe  zerfällt 
in  zwei  ihrer  Quelle  wie  ihrer  Beschaffenheit  nach  völlig  verschiedene 
Theile.  Die  Consuln  bis  zu  dem  Jahre,  in  welches  Cassiodor  die 
Kreuzigung  Christi  setzt  (31  n.  Chr.),  einschliesslich  sind  sämmtlich 
nach  älterer  Weise  mit  den  Vornamen  bezeichnet,  die  hier  auch 
durchaus  abgekürzt  geschrieben  sind,  während  übrigens,  wo  ander- 
551  weitig  bei  Cassiodor  Vornamen  vorkommen,  sie  in  der  Regel  voll 
ausgeschrieben  werden;  von  da  an  dagegen  mangeln  die  Vornamen 
durchaus  und  sind  die  Consuln  ohne  Ausnahme  (abgesehen  von  dem 
aus  L.  Aelius  hervorgegangenen  Laelius  1 37  n.  Chr.)  nach  späterer 
Weise  mit  einem  einzigen  Namen  benannt.  Augenscheinlich  hängt 
dieser  Unterschied  zusammen  mit  der  Angabe  am  Schluss,  dass  das 
Consularverzeichniss  ex  Tito  Livio  et  Aufidio  Basso  et  Paschali  virorum 
clarorum  auctoritafe  firniato  entlehnt  sei:  der  ältere  bessere  Theil 
stammt  aus  den  Geschichtswerken  des  Livius  und  Bassus,  der  spätere 
aus  dem  Paschale.  Wir  werden  diese  beiden  Abschnitte  demnach 
jeden  besonders  zu  prüfen  haben. 

Die  Auszüge  aus  Livius. 
Livius  Annalen  haben  in  der  Epoche  des  Verfalls  nicht  als  eine, 
sondern  als  die  Geschichte  der  römischen  Republik  gegolten.  Schon 
in  der  besseren  Kaiserzeit  ist  er  für  Römer  und  Griechen  die  Haupt- 
quelle; je  mehr  die  Litteratur  versiegt  und  je  dürftiger  die  Quellen- 
benutzung wird,  desto  ausschliesslicher  werden  für  die  vorkaiserliche 
Periode  Roms  die  livischen  Annalen  gebraucht.  Es  geht  dies  so  weit, 
dass  selbst  diejenigen  älteren  Abrisse  der  republikanischen  Geschichte, 
die  keineswegs  einfache  Auszüge  aus  Livius  waren,  doch  den  Späteren 
als  solche  galten.  So  heissen  des  Florus  hellorum  onmium  annorum 
septingentorum  lihri  II  (denn  also  ungefähr  lautete   der  echte  Titel 


Die  Chronik  des  Cassiodorus  Senator  vom  J.  519  n.  Chr.  671 

des  Buches)  in  den  Handschriften  nebenbei  und  in  den  späteren 
allein  epitoma  de  Tito  Livio;'^)  so  wird  in  dem  Corpus  der  römischen 
Geschichte,  das  unter  dem  Namen  des  Victor  geht,  der  die  republi- 
kanische Geschichte  in  Biographien  darstellende  Abschnitt  ebenfalls 
dem  Livius  beigelegte  Es  kann  demnach  nicht  überraschen,  dass 
auch  Cassiodor  für  die  republikanische  Epoche  sich  an  Livius  ge- 
halten hat;  in  der  That  ist  nach  der  Yergleichung  der  erhaltenen 
Theile  des  livischen  Werkes  mit  der  cassiodorischen  Consularliste 
nicht  zu  bezweifeln,  dass  dieselbe  von  Anfang  an  bis  zum  J.  745 
d.  St.,  mit  welchem  Livius  seine  Annalen  geschlossen  hat,  mit  Ein-  552 
schluss  der  hier  und  da  eingelegten  kurzen  geschichtlichen  Notizen 
lediglich  aus  Livius  abgeschrieben  ist.  —  Wohl  aber  kann  die 
Frage  aufgeworfen  werden,  ob  Cassiodor  die  weitschichtigen  Annalen 
zu  diesem  Zwecke  unmittelbar  ausgezogen  hat  oder  vielmehr  an  eine 
schon  vorhandene  Epitome  sich  gehalten,  an  welcher  es  gewiss  nicht 
gefehlt  hat  —  es  ist  ganz  im  Geiste  der  Kaiserzeit,  dass  man  das 
weitläuftige  und  viel  «Ueb erflüssiges»  enthaltende  Werk  des  Livius 
früh  in  einen  kurz  das  Thatsächliche  Jahr  für  Jahr,  unter  Voran- 
stellung der  Consulnamen  im  Ablativ,  zusammenfassenden  Abriss 
gebracht  hat.  Manche  Spuren  deuten  darauf,  dass  sowohl  Obsequens 
wie  Cassiodor  aus  einem  solchen  und  zwar  dem  gleichen  geschöpft 
haben.  Darauf,  dass  die  Cassiodor  vorliegende  Liste  die  Consulnamen 
ebenso  im  Ablativ  aufführte,  wie  dies  bei  Obsequens  geschieht, 
führt  das  seltsame  Labeon  (571  d.  St.)^  und  die  durchgängige  Ver- 
vs-andlung  des  Cognomens  Paetus  in  Paeto.  Dass  bei  Obsequens 
nicht  bloss  die  Prodigien  verzeichnet  sind,  sondern  öfters  auch  andere 
historische  Notizen  gleichsam  verloren  sich  vorfinden,  legt  die  An- 
nahme nahe,  dass  dieser  Schreiber  aus  einer  allgemein  gefassten 
Epitome  des  Livius  die  Prodigien  zusammengestellt  hat.  Endlich 
und  besonders  stimmen  die  Notizen  bei  Obsequens  und  Cassiodor 
in  der  Auswahl  und  Fassung  verhältnissmässig  so  oft  zusammen 
(vgl.  besonders  die  J.  571.  64S.  657.  671),  wie  es  bei  zwei  selbstständig 
aus    dem  Hauptwerke    geflossenen  Auszügen    kaum    hätte  der  Fall 


*)  [Vgl.  0.  S.  433.] 

1)  Der  Titel  dieses  Abrisses  der  römischen  Geschichte  a  lano  et  Scäwmo 
conditoribus  tisque  ad  consuJatwn  decimum  Constantii  nennt,  nachdem  die  falschen 
Zeugen  für  den  ersten  Theil,  die  Urgeschichte,  aufgezählt  sind,  als  Gewährs- 
männer für  die  spätere  Zeit  den  Livius  und  den  Victor  Afer.  Jenem  wird  also 
die  Schrift  de  viris  illustribus  zugeschrieben,  diesem  die  Sammlung  von  Kaiser- 
biographien. 

2)  Vgl.  Voran  410.  456  n.  Chr.  [und  anderes  dieser  Art  Chron.  p.  112.] 


672  t)ie  Chronik  des  Cassiodorus  Senator  vom  J.  519  n.  Chr. 

sein  können.  Hieraus  erklären  sich  wahrscheinlich  noch  manche 
auffallende  Uebereinstimmungen  im  Falschen  bei  den  späteren  von 
Livius  mehr  oder  minder  abhängigen  Berichterstattern,  vor  allen 
Dingen  die  anderswo  (Chronol.  S.  204)  erörterte  Ansetzung  der 
magistratlosen  Jahre  auf  vier  bei  Vopiscus,  Eutropius,  Sex.  Rufus, 
dem  Pseudo-Idatius  und  Cassiodor,  während  Livius  selbst  so  wie 
der  Chronograph  von  354  und  Lydus  vielmehr  fünf  dergleichen 
Jahre  zählen.  Cassiodor  hat  diese  Angabe  unzweifelhaft  aus  seiner 
livianischen  Quelle,  da  dieser  der  ganze  Abschnitt  entnommen  ist 
und  Hieronymus  der  Anarchie  überhaupt  nicht  gedenkt;  aus  einem 
gleichartigen  Gewährsmanne  können  auch  die  übrigen  Angaben 
füglich  herrühren,  selbst  die  des  sogenannten  Idatius,  da  dieser  zwar 
die  Consularliste  nicht  aus  Livius,  sondern  (mittelbar)  aus  den 
553  capitolinischen  Fasten*)  geschöpft,  aber  für  die  eingelegten  historischen 
Notizen  noch  eine  zweite  Quelle  benutzt  hat.  Wenn  im  dritten 
Jahrhundert  oder  auch  bereits  früher  ein  Auszug  aus  Livius  gemacht 
und  darin  durch  Versehen  der  Anarchie  ein  Jahr  zu  wenig  gegeben 
wurde,  so  ist  es  erklärlich,  dass  sämmtliche  später  schreibende 
lateinische  Chronisten  diesen  Fehler  wiederholen  und  ausser  dem 
echten  Liviustext  und  den  Byzantinern  nur  die  von  den  Annalisten 
gänzlich  unabhängige  Zeittafel  das  Richtige  bewahrt  hat  ^  Umgekehrt 
erscheint  von  denjenigen  Verderbnissen,  die  der  im  Anfange  des 
fünften  Jahrhunderts  veranstalteten  nicomachischen  Recension  der 
ersten  Dekade  des  Livius  anhaften,  der  dem  Cassiodor  zu  Grunde 
liegende  livianische  Text  noch  durchaus  unberührt,  wie  er  denn  die 
Namen  der  Consuln  248  noch  unverdorben  so  wie  die  von  439  noch 
nicht  verloren  gehabt  hat;  was  allerdings  nicht  zu  der  Annahme 
nöthigt,  aber  doch  sehr  gut  sich  damit  verträgt,  dass  Cassiodor  nicht 
aus  dem  Liviustexte  seiner  Zeit,  sondern  aus  einem  spätestens  im 
dritten  Jahrhundert  entstandenen  Auszuge  geschöpft  hat.**)  —  Wenn 

*)  [S.  jedoch  C.  I.  L.  I  ed.  2  p.  81.] 

1)  Vielleicht  gehört  auch  das  hierher,  dass  zwischen  den  Consulaten  362 
und  388  Cassiodor  17  tribunicische,  4  magistratlose,  3  tribunicische,  Idatius  18 
(sehr.  17)  tribunicische,  4  magistratlose  und  [3]  tribunicische  Jahre  zählt,  während 
Livius  selbst  vielmehr  15  tribunicische,  5  magistratlose  und  4  tribunicische  Jahre 
verzeichnet.  Die  Gesammtzahl  ist  dieselbe;  in  den  Theilzahlen  aber  scheint  der 
Epitomator  sich  mehrfach  versehen  zu  haben  und  diese  Fehler  gleichmässig  auf 
seine  Ausschreiber  übergegangen  zu  sein. 

**)  [Den  obigen  Nachweis  der  Existenz  einer  Livius-Epitome  hat  Mommsen 
selbst  auf  S.  696  durch  folgenden  Zusatz  erweitert:  „Noch  verdiente  hier  ein 
anderer  merkwürdiger  Fall  hervorgehoben  zu  werden,  wo  eine  Anzahl  von  Schrift- 
stellern,  die  von  Livius   abhängen,  in   einem  Fehler  übereinstimmen,  von  dem 


Die  Chronik  des  Cassiodorus  Senator  vom  J.  519  n.  Chr.  673 

übrigens  wie  Cassiodor  so  auch  Ausonius  im  J.  383  n.  Chr.  aus  den 
römischen  Annalen,  also  für  die  ältere  Zeit  ohne  Zweifel  aus  Livius 
oder  einer  livianischen  Epitome,  eine  Consularliste  zusammengestellt 
hat,  wie  er  selber  sagt  (p.  91  Toll  [carm.  22,  1  Schenk]]): 
Digessi  fastos  et  nomina  perpetis  aevi 

Sparsa  iacent  Latiam  si  qua  per  historiam. 
80  ist  es  nicht  gerade  unmöglich^,  aber  auch  nicht  besonders  wahr- 
scheinlich, dass  Cassiodor  diese  Arbeit  sich  angeeignet  und  auf  ihr 
fortgebaut  habe. 

Um  die  Benutzung  dieser  Auszüge,  auf  denen  der  Werth  der 
cassiodorischen  Chronik  beinahe  ausschliesslich  beruht,  dem  Leser 
zu  erleichtem,  sind  die  entsprechenden  Angaben  aus  Livius  und 
Obsequens  ihnen  gegenübergestellt  und  zwar,  da  es  hier  zunächst  554 
auf  die  Yergleichung  der  verschiedenen  handschriftlichen  Ueber- 
liefemngen  ankommt,  unter  Beseitigung  sämmtlicher  wenn  auch  noch 
80  sicherer  Verbesserungen  und  unter  Beibringung  der  in  Betracht 
kommenden  Varianten,  in  welcher  letzteren  Hinsicht  ich  mich  der 
Hülfe  meines  Freundes  M.  Hertz  zu  erfreuen  gehabt  habe.  Es  sind 
demnach  mitgetheilt: 

1)  Für  Livius  B.  1 — 10  die  Varianten  der  Florentiner  (M)  und 
Pariser  (P)  Handschrift  nach  Aischefskis  für  diesen  Zweck  von 
Hertz    noch    einmal  eingesehenen  CoUationen,  ferner  die  der 

Livius  eigener  Text  frei  ist.  Den  Consul  des  ersten  Jahres  der  Freiheit  nennt 
Livius  2,  2  P.  Vaierius,  unzweifelhaft  richtig,  wie  schon  die  It«rationsangaben 
beweisen,  und  ebenso  heisst  er  bei  Vaierius  Maximus  (4,  1,  1)  und  bei  sämmt- 
lichen  von  Livius  unabhängigen  Gewährsmännern.  Aber  derselbe  Consul  heisst 
L.  Valeritis  in  der  Livianischen  Epitome  (2,  wo  erst  Sigonius  den  Vornamen 
geändert  hat),  in  Cassiodors  Chronik,  bei  Victor  (viri  ill.  15,  sowohl  nach  der 
vollständigen  Brüsseler  Handschrift  wie  in  den  besten  Handschriften  der  anderen 
am  Schluss  defecten  Familie)  und  bei  Eutrop  1,  9  (wenigstens  in  der  grossen 
Mehrzahl  der  Handschriften  und  in  der  griechischen  Paraphrase).  Auch  hier 
haben  alle  diese  aus  einem  und  demselben  Auszug  geschöpft,  der  jenen  falschen 
Vornamen  enthielt.  —  Von  gleicher  Art  ist  es,  dass  der  Consul  A.  Manlius  576 
bei  Livius  den  richtigen  Vornamen  geführt  zu  haben  scheint,  bei  Cassiodor  und 
Obsequens  aber  falsch  Chi.  genannt  wird."  Die  umfangreiche  Literatur,  in  der 
Mommsens  Nachweis  durch  neue  Argumente  gestützt  worden  ist,  braucht  hier 
nicht  angeführt  zu  werden.  Mommsen  selbst,  der  in  den  Chronica  min.  voL  II 
p.  112  die  Sache  mit  einigen  Worten  erwähnt,  weist  dort  darauf  hin,  daß  bereits 
Martial  epigr.  14,  190  eine  solche  Epitome  kenne.] 

1)  Die  Bedenken  gegen  die  Möglichkeit  dieser  Annahme,  die  ich  früher 
hegte  (Chronol.  S.  130),  haben  sich  bei  näherer  Erwägung  gehoben.  Cassiodor 
konnte  die  Liste  des  Ausonius  für  die  republikanische  Zeit  übernehmen  und 
dennoch,  da  er  in  der  Zählung  wesentlich  an  Hieronymus  sich  anschloss,  zu 
einer  um  17  Jahre  differirenden  Stadtjahrzahl  gelangen. 

MOMMSEK,   SCHR.  VU.  43 


674  Die  Chronik  des  Cassiodorus  Senator  vom  J.  519  n.  Chr. 

Wormser  (Y),  so  weit  sie  bekannt  sind.  Die  übrigen  Hand- 
schriften kommen  für  die  Kritik  nur  ausnahmsweise  in  Betracht 
und  konnten  hier  übergangen  werden, 

2)  Für  B.  21 — 30  die  Varianten  des  Puteanus  (P),  und  wo  dieser 
fehlt,  der  Florentiner  (M)  und  der  Pariser  (C)  Handschrift 
(Aischefski  vol.  3,  p.  XXI;  Hertz  vol.  1,  p.  XXXYI). 

3)  Für  B.  31—38  die  Varianten  der  Bamberger  Handschrift  (B) 
nach  Kreyssig  (Hertz  a,  a.  0.).  Wo  diese  fehlt  und  wir  auf 
die  aus  der  Mainzer  Handschrift  geflossenen  Ausgaben  ange- 
wiesen sind,  ist  die  diplomatische  Grundlage  bekanntlich  sehr 
unsicher. 

4)  Für  B.  41 — 45  die  Lesung  der  Wiener  Handschrift  nach  ge- 
fälliger Mittheilung  des  Hrn.  Vahlen. 

5)  Für  den  Obsequens  die  Lesungen  der  ersten  Ausgabe. 
Cassiodors  Excerpte  aus  Livius  sind  insofern  rein,  als  in  diesem 

Abschnitte  weder  interpolirte  Consulate  vorkommen,  noch  anders- 
woher entlehnte  Notizen  eingemischt  sind  —  selbst  den  Hieronymus 
muss  Cassiodor  in  dem  ganzen  Abschnitte  von  Vertreibung  der 
Könige  bis  auf  die  Kreuzigung  Christi,  abgesehen  von  den  gering- 
fügigen Notizen  über  die  Gründung  der  Monarchie  bei  dem  J.  705 
d.  St.,  den  Tod  des  Augustus  bei  dem  J.  14  n.  Chr.,  sowie  über 
Christi  Geburt  und  Kreuzigung,  ganz  bei  Seite  gelegt  oder  höchstens 
insoweit  berücksichtigt  haben,  dass  er  einige  von  Hieronymus  er- 
wähnte Thatsachen  (vgl.  die  Jahre  253.  300.  442.  571.  724)  mit 
Rücksicht  darauf,  aber  aus  seiner  livianischen  Quelle  und  in  einer 
zunächst  von  dieser  abhängigen  Fassung  aufnahm.  Willkürliche 
Verkürzungen  hat  sich  Cassiodor  insofern  gestattet,  als  er  nicht 
bloss  die  sämmtlichen  Namen  der  Decemvirn  und  der  Kriegstribunen 
in  derselben  Weise  weggelassen  hat,  wie  dies  auch  die  aus  den 
capitolinischen  Tafeln  geflossenen  Listen  des  Idatius  und  der  Paschal- 
chronik  thun  und  die  von  Sex.  Rufus  benutzte  that  (meine  Chronol. 
555  S.  113),  sondern  auch  nur  an  zwei  Stellen  (303.  304  und  363—387) 
diesen  Ausfall  angegeben  hat;  womit  weiter  zusammenhängt,  dass 
er  zur  Deckung  der  also  entstandenen  Lücken  auf  das  Decemvirat 
statt  der  3  des  Livius  40  Jahre  rechnet.  Dieser  Lückenbüsser  zeigt 
nur  zu  klar,  wie  plump  und  gewissenlos  der  ostgothische  Chronist 
seine  Aufgabe  durchgeführt  hat;  doch  haben  wir  diesem  Umstand 
es  zu  verdanken,  dass  im  Uebrigen  die  livianische  Consularliste  von 
Cassiodor  weder  interpolirt  noch  willkürlich  verkürzt  worden  ist. 
Wie  die  cassiodorische  Liste  jetzt  vorliegt,  zählt  sie  vom  Anfang 
des  Consulats  bis  zum  J.  705  d.  St.  einschliesslich  459  Jahre,  nämlich 


Die  Chronik  des  Cassiodorus  Senator  vom  J.  519  n.  Chr.  675 

395  Consulpaare,  indem  diejenigen  der  Jahre  247.  264.  265.  333. 
485.  561.  6SS/9  sich  nicht  vorfinden;  femer  anstatt  der  zwei  oder 
drei  Decemviraljahre  (303.  304),  der  neunundvierzig  der  Kriegstribunen 
(316.  321.  322.  32S  — 330.  332.  334  —  340.  346-360.  363—378. 
384—387)  und  der  fünf  magistratlosen  (379—383)  die  nach  302  und 
362  eingelegten  40  -f  24  Fülljahre,  wogegen  die  vier  Dictatorenjahre 
(421.  430.  445.  453)  selbstverständlich  fehlen.  Doch  sind  von  jenen 
sieben  fehlenden  Consulaten  einige  ohne  Zweifel  bloss  durch  Schuld 
der  Abschreiber  aus  dem  cassiodorischen  Texte  ausgefallen;  wie 
viele  dies  gewesen  sind,  lässt  sich  einigermassen  daraus  bestimmen, 
dass  Cassiodor  als  Gesammtzahl  der  Consuljahre  1031  angiebt  und, 
wie  wir  später  sehen  werden,  von  706  d.  St.  bis  519  n.  Chr.  568, 
569  oder  570,  wahrscheinlich  aber  569  Consuljahre  in  Eechnung 
bringt.  Demnach  muss,  falls  er  überhaupt  richtig  gezählt  hat,  die 
republikanische  Liste  461,  462  oder  463,  wahrscheinlich  aber 
462  Jahre  gezählt  haben.  Es  sind  mithin  drei  Jahre  bei  ihm  aus- 
gefallen ;  und  dies  ist  auch  in  anderer  Hinsicht  wahrscheinlich.  Denn 
die  Verschmelzung  der  beiden  Consulpaare  von  688  und  689  zu 
einem  kann  nicht  wohl  von  dem  Verfasser,  sondern  nur  von  den 
Abschreibern  verschuldet  sein;  und  ebenso  werden  die  Consuln  von 
485  und  561,  von  denen  die  letzteren  sich  in  unserem  Liviustexte 
noch  vorfinden,  bei  Cassiodor  selbst  schwerlich  gefehlt  haben.  Da- 
gegen die  Consuln  von  333  konnten  sehr  leicht  übersehen  werden 
weil  sie  mitten  unter  Kriegstribunenjahren  vorkommen;  und  die 
Consuln  247.  264.  265  haben  schon  in  der  livianischen  Quelle  Cas- 
siodors  sich  nicht  vorgefunden.  Von  den  letzten  beiden  Jahren  ist 
dies  unbestritten;  aber  auch  von  247  lässt  es  sich  erweisen.  Dio- 
nysios,  der  hier  unter  den  annalistischen  Quellen  allein  das  Richtige 
bewahrt  hat,  giebt  folgende  Liste: 

246  (5,  20;  vgl.  12,  22)    P.  Valerius  Poplicola  IL  556 

T.  Lucretius. 
247(5,21) P.  Valerius  Poplicola  IIL 

M.  Horatius  11. 
248  (5,  36) Sp.  Larcius. 

T.  Hermenius. 

und  erzählt  den  Krieg  mit  Porsenna  unter  dem  J.  247,  die  Rückgabe 
des  an  Porsenna  abgetretenen  Gebiets  imter  dem  J.  248,  während 
im  J.  246  nichts  Erwähnenswerthes  vorkommt.  Livius  nennt  (2,  8) 
die  Consuln  des  J.  246,  erzählt  dann  ausführlich  den  Krieg  mit 
Porsenna  (2,  9  — 14),  hierauf,  nachdem  er  den  Amtsantritt  anderer 

43* 


676  1*16  Chronik  des  Cassiodorus  Senator  vom  J,  519  n.  Chr. 

Consuln  berichtet  hat,  die  Rückgabe  des  transtiberinischen  Grebiets 
(2,  15).  Offenbar  sind  also  die  bei  ihm  fehlenden  Consuln  die  des 
J.  247,  welche  vor  2,  9  einzuschalten  sind  etwa  in  folgender  Weise : 
inde  P.  Valerius  Herum,  T.  Lucretius,  [mox  P.  Valerivs  tertium,  M. 
Horatius  iferum]  consules  facti;  da  unter  jenem  Jahre  nichts  zu 
erzählen  war  und  die  Namen  theilweise  gleich  lauteten,  war  ein 
solcher  Ausfall  sehr  leicht  möglich.  Die  Consuln  demnach,  deren 
Amtsantritt  2,15  berichtet  wird,  müssen  die  des  J.  248  gewesen 
sein;  und  dies  bestätigt  auf  das  Vollständigste  Cassiodor,  der  nach 
dem  Consulat  246  die  Namen  der  Consuln  von  248  Spurius  Largus 
et  Titus  Herannius  verzeichnet.  Unsere  Handschriften  des  Livius 
lesen  hier  folgendermassen: 

M:  spurius    publius  lucretius  inde  et*) 

V:  purius     publius  lucretius  inde  et 

P:  p.  lucretius  inde  et 

Flor.  """ 

S  Marci  pii^üus  lucretius  inde  et 

Leid.  1.    purius  lucretius  inde  et**) 

31:  p.  valerius  publicola. 

P:  p.  valerius  publicola. 

Flor.  S.   titus   ermenius     p.  valerius  publicola. 

Marci       

Leid.  1.    titus  hermenius  p.  valerius  publicola. 

557  In  dem  von  Nicomachus    durchcorrigirten   Exemplar  war    also    die 
Stelle  vermuthlich  folgendermassen  geschrieben: 

PVBLIVS  P.  VALEBIVS  PVBLICOLA 

PYRITS  LVCRETIVS  ET  TITYS    HERMENIYS 


Yon  den  zwei  Yerbesserungsvorschlägen  des  Nicomachus  hat  der 
erste  die  alte  Lesung  nur  in  der  Pariser  Handschrift  völlig  verdrängt; 
dagegen  ist  dem  zweiten  die  echte  Lesung  durchaus  gewichen  mit 
Ausnahme  der  im  Ganzen  geringeren  Familie,  welche  hauptsächlich 
Harlei.  1,  Leid.  1  und  Flor.  S.  Marci  vertreten.  Es  stellt  sich  also 
der  Fall  zu  den  von  Madvig  emend.  Liv.  p.  31  aufgeführten,  wo 
diese  letzteren  allein  das  Echte  bewahren;  an  eine  Interpolation  ist 
um  so  weniger  zu  denken,   als  der  Name  des   T.  Hermenius   sonst 


*)  [Nach  Riemann  M^  purius  publius,  M'  spurius  publius.] 
**)  [inde  et  scheint  in  dieser  Hs.  vielmehr  zu  fehlen.] 
***)  [Die  La.  dieser  Hs.  scheint  auch  jetzt  noch  nicht  bekannt  zu  sein.] 


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Die  Chronik  des  Cassiodorus  Senator  vom  J.  519  n.  Chr.  677 

nur  bei  Cassiodor  und  Dionysios  genannt  wird  und  nicht  leicht  eine 
dieser  Quellen  einem  Abschreiber  des  Mittelalters  zu  Gebote  gestanden 
haben  kann.     Die  Yerderbniss  von  Larckis  in  Lticretius  scheint  zu- 
fällig zu  sein;  die  übergeschriebenen  Lesungen  aber  sind  handgreif- 
liche nicomachische  Interpolationen,  von  denen  die  erste  sich  leicht 
erklärt,  aber  auch  die  zweite  höchst  gewaltsame  nahe  genug  lag,  da 
Livius  den  P.  Yalerius  Publicola  unter  dem  J,  246  als  cos.  II,  unter 
dem  J.  250  als  cos.  lY  aufführte  und  demnach  dazwischen  nothwendig 
sein  drittes    Consulat   ausgefallen   sein  musste.     Nicomachus  versah 
sich  nur  darin,  dass  er,  statt  in  2,  9  das  ausgefallene  dritte  Consulat 
zu  ergänzen,   es  2,  15   durch  verkehrte   Aenderung  hineintrug.     Es 
ist  dieser  Umstand  auch  für  die  Beurtheilung  des  Verhältnisses  der 
Handschriften   der   ersten  Dekade   zu   einander  und  der  Kritik  des 
Mcomachus  selbst  nicht  ohne  Wichtigkeit   und  schien  desshalb  eine 
etwas  ausführliche   Erörterung  zu  verdienen.*)    —    Fassen  wir   zu- 
sammen, was  von  der  livischen  Consulartafel  theils  in  den  erhaltenen 
Büchern,  theils  durch  Cassiodor  überliefert  ist,  so  ergiebt  sich,  dass 
dieselbe,    abgesehen   davon,    dass    die   vier  Dictatorenjahre    gemäss 
des    annalistischen    Princips    fehlen,  von    der   jetzt   gangbaren    sich 
nur  unterscheidet  durch  das  Fehlen  der  vier  Eponymencollegien  247. 
264.   265,  37S,    die   in  einer  jenseit  unserer  gesammten  handschrift- 
lichen üeberlieferung   liegenden  Zeit  aus  dem  Texte  der  livischen 
Annalen    ausgefallen    sind.      Dass   Livius   einzelne  derselben   selber 
vergessen  hat,  ist  allerdings  auch  möglich,  aber  desshalb  nicht  wahr- 
scheinlich,   weil    er    in   seiner    Zählung    der    Stadtjahre    diese   vier 
durchaus    mit    in    Ansatz    bringt    (vgl.  meine    Chronol.    S.  120  fg.). 
Livius  muss  für   die  Consularzeit  von  245   bis  705  d.  St.  45S  Jahre  553 
gerechnet  haben.      Was   Cassiodor  zu    seinen  64  Fülljahren  und  zu 
der  Gesammtjahrzahl  462  geführt  hat,  ist  nicht  klar.     Yielleicht  hat 
er    mit    Hieronymus   auf    die    Consularperiode    464    Jahre    rechnen 
wollen   und    um    diese    Ziffer    zu    erreichen    seine    chronologischen 
Fictionen  vorgenommen.    Indess  ergiebt  seine  Rechnung,  wie  gezeigt 
isi:,  von  245  bis  705  d.  St.  nicht  mehr  als  462  Jahre. 

Die   Auszüge   aus  Aufidius  Bassus. 
Das  Wenige,   was  über  Aufidius  Bassus  anderweit  bekannt  ist, 
hat  kürzlich  W.  Harless   (de    Fabiis    et   Aufidiis   rerum  Romanarum 
acriptoribus.    Bonn  1S53.    S.  49  fg.)  sorgfaltig  zusammengestellt.   Von 

*)  [Andere  Behandlungen  der  Stelle  verzeichnet  z.  B.  H.  J,  Müller  im  Anhang 
de:  Weißenbornschen  Ausgabe  12*,  Berlin  1894,  S.  166 f.  und  im  Kommentar 
zn  c.  8,  9.1 


678  I^ie  Chronik  des  Cassiodorus  Senator  vom  J.  519  n.  Chr. 

seinen  Lebensumständen  wissen  wir  nichts,  als  dass  er  nach  Quin- 
tilians  (10,  1,  103)  Zeugniss  etwas  älter  war  als  der  Historiker  M. 
Servilius  Nonianus,  der  im  J.  35  zum  Consulat  gelangte  und  im 
J.  59  starb  (Tac.  ann.  14,  19)  und  dass,  als  der  jüngere  Seneca  (f  65) 
an  Lucilius  schrieb  (ep.  4,  1  =  30),  er  noch  in  Rom  lebte,  aber  seine 
schwache  Constitution  bereits  unter  der  Last  der  Jahre  erlag.  Sein 
Geschichtswerk  oder  wenigstens  ein  Theil  desselben  war  bereits 
publicirt,  als  der  ältere  Seneca  um  37  n.  Chr.  seine  rhetorische 
Blumenlese  herausgab,  in  der  einige  Stellen  aus  jenem  angeführt 
werden  (p.  34.  36  Bursian  [suas.  6,  18  u.  23]).  Er  erzählte  den  Tod 
Ciceros  (Seneca  d.  Ä.  a.  a.  O.)  und  die  deutschen  Kriege,  denn  die 
mit  besonderem  Lob  von  Quintilian  erwähnten  lihri  belli  Germanici 
wird  man  wohl,  ähnlich  wie  des  Livius  Bücher  belli  civilis,  als  inte- 
grirenden  Theil  seines  Hauptwerkes  betrachten  dürfen.*)  Ausserdem 
wird  noch  eine  Notiz  über  den  Flächenraum  Armeniens  aus  ihm 
angeführt  (Plin.  h.  n.  6,  9,  27).  Der  ältere  Plinius  (f  79)  setzte  in 
seinen  a  fine  Aufidii  Bassi  libri  XXXI  (h.  n.  praef.  §  19;  Plinius 
d.  J.  ep.  3,  5)  dies  Werk  bis  auf  seine  Zeit  fort;  ob  diese  plinischen 
Bücher  erst  mit  dem  Regierungsantritt  Neros  54  n.  Chr.  anhoben, 
wie  Nipperdey  (Einl.  zum  Tacitus  S.  XIX)  meint,  ist  nicht  aus- 
gemacht.**) Das  bedeutende  Ansehen,  dessen  das  "Werk  des  Bassus 
genoss,  geht  ausser  den  freihch  bedingten  Lobsprüchen  Quintilians 
noch  hervor  aus  der  lobenden  Erwähnung  bei  Tacitus  (dial.  23)  und 
selbst  aus  der  Aufführung  der  epitomae  Aufidii  unter  den  falschen 
Zeugen  in  der  Schrift  de  origine  gentis  Romanae  (18,  13).  Was 
559  Gassiodor  aus  diesem  Geschichtswerke  entlehnt  hat,  ergiebt  sich 
leicht.  Die  livischen  Annalen  schlössen  mit  745  d.  St.;  was  vom 
J.  32  n.  Chr.  an  bei  Gassiodor  steht,  rührt,  wie  wir  sehen  werden, 
aus  dem  Paschal buche  her;  dagegen  das  Consularverzeichniss  von 
746  d.  St.  bis  31  n.  Chr.  nebst  den  dazu  gehörigen  Notizen  kann 
weder  aus  der  einen  noch  aus  der  andern  Quelle  geflossen  sein, 
sondern  nur  aus  dem  von  Gassiodor  in  seiner  Quellenangabe  zwischen 
Livius  und  dem  Paschalbuche  genannten  Aufidius  Bassus.  Auch  ist 
dies  eben  die  Epoche,  welche  nach  den  sonst  bekannten  Nachrichten 
von  Bassus  erzählt  worden  ist.***)   Höchstens  könnte  in  Frage  kommen, 


*)  [Vgl-  gegen  diese,  in  den  Chron.  S.  112  wiederholte  Auffassung  u.a. 
M.  Schanz,  Gesch.  d.  röm.  Literatur  II  2  (2.  Aufl.,  1901)  S.  254.  H.  Peter,  Histor. 
Rom.  reliquiae  II  (Leipz.  1906)  S.  CXXVI.] 

**)  [Auch  nicht  durch  die  neue  Forschung,  vgl.  die  folg.  Anm.] 
***)  [Vgl.  Chron.  S.  112  'constat  Bassum  res  gestas  narrasse  a  morte  Caeaaria 
dictatoris   ad   mortem  Seiani'.     Daß    er  wirklich   mit  dem    Tode    des   Seianu» 


Die  Chronik  des  Cassiodorus  Senator  vom  J.  519  n.  Chr.  679 

ob  Bassus,  der  wie  sein  Zeitgenosse  Seneca  der  Ä.  ab  initio  heUorum 
civiliutn  die  Geschichte  seines  Landes  geschrieben  zu  haben  scheint 
(vgl.  Seneca  d.  J.  Fragm.  15  Haase),  nicht  schon  vor  746  d.  St.  von 
Cassiodor  zur  Hand  genommen  worden  ist;  doch  lässt  es  sich  nicht 
füglich  bezweifeln,  dass  die  von  Cassiodor  gebrauchten  livianischen 
Excerpte  bis  zum  Schluss  des  ganzen  "Werkes  gereicht  haben  und 
dass  Cassiodor  oder  wer  vor  ihm  diese  Annalenwerke  epitomirte, 
das  jüngere  und  minder  bemhmte  erst  da  zur  Hand  genommen 
haben  wird,  wo  das  ältere  abbrach. 

Die  Jahrtafel  der  Kaiserzeit. 
Die  cassiodorische  Jahrtafel  der  Kaiserzeit  beruht  auf  der 
Combination  einer  Kaiserliste,  die  jedem  Regenten  unter  mehr  oder 
minder  genauer  Angabe  seiner  wirklichen  Regierungszeit  zugleich 
nach  ägyptischem  Muster  eine  bestimmte  Zahl  conventioneil  fixirter 
Regierungsjahre  beilegt  —  wie  es  denn  ausdrücklich  bei  Decius  und 
Gallus  heisst,  sie  hätten  1  J.  3  M.  und  2  J.  4M.,  aber  quanfum  ad 
consules  1  und  2  J.  regiert  —  und  einem  Consularverzeichniss.  "Wie 
dieser  einfache  Plan  ausgeführt  und  die  eponymen  Consuln  unter 
die  einzelnen  Regenten  vertheilt  worden  sind,  legt  übersichtlich  die 
folgende  Tafel  dar,  die  zugleich  die  beiden  Quellen,  aus  denen 
Cassiodor  hier  geschöpft  hat,  die  Kaiserjahrtafel  des  Hieronymus 
und  die  nach  Kaisern  abgetheilte  Consulartafel  des  Prosper,  zur 
Yergleichung  daneben  stellt. 


schloß,  macht  W.  Pelka,  Rhein.  Mus.  61  (1906)  S.  620  ff.  auch  durch  andere  Gründe 
wahrscheinlich,  während  J.  Münzer  ebd.  62  (1907)  S.  161  ff.  die  Grenze  zwischen 
Aufidius  und  Plinius  weiter  hinabrückt.] 


680 


Die  Chronik  des  Cassiodorus  Senator  vom  J.  519  n.  Chr. 


560 


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Die  Chronik  des  Cassiodorus  Senator  vom  J.  519  n.  Chr. 


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6iS2  Die  Chronik  des  Cassiodorus  Senator  vom  J.  519  n.  Chr. 

Im  Einzelnen  ergiebt  sich  hieraus  Folgendes: 
1)  Die  Kaiserliste  mit  Angabe  der  wirklichen  Regierungsdauer 
ist  bei  Hieronymus,  Prosper  und  Cassiodor  im  Wesentlichen,  nament- 
lich auch  in  der  fehlerhaften  Ausdehnung  der  Regierung  des  Philippus, 
identisch,  das  heisst  die  beiden  letzteren  haben  sie  aus  jenem,  so 
weit  dieser  reicht,  und  wo  Hieronymus  aufhört,  Cassiodor  sie  aus 
Prosper  herübergenommen  ^.  Dass  Cassiodor  die  frühere  Liste  nicht 
aus  Prosper,  sondern  unmittelbar  aus  Hieronymus  entnahm,  beweist 
auch  die  Zählung  der  Regierungen,  die  bei  Cassiodor  mit  Hieronymus 
stimmt,  während  Prosper,  da  er  Florianus  und  Galerius  mitzählt, 
zwei  Nummern  mehr  hat.  Einige  untergeordnete  Differenzen  be- 
sonders zwischen  Hieronymus  und  Prosper  mögen  theils  auf  die 
Ungleichheit  der  beiden  Listen  des  Hieronymus  —  der  in  der  Ein- 
leitung und  der  im  Kanon  enthaltenen  — ,  theils  auf  Schreibfehler 
zurückgehen.  Bemerkenswerther  sind  folgende  Abweichungen 
Cassiodors  von  seiner  Vorlage: 

Hieronymus.  Cassiodor. 

Otho 3  M 3  M.     5  T. 

VitelHus 8  M 8  M.     IT. 

Trajanus    .    .     19  J.    6  M 19  J.     6  M.  15  T. 

Hadrianus.    .     21J 20J.  lOM.  29T. 

weil  in  diesen  vier  Fällen  Cassiodor  genauere  und  zwar  unter  allen 
uns  vorliegenden  Quellen  vollständig  lediglich  mit  Eutropius  stimmende 
Zahlen  giebt.  Warum  Cassiodor,  der  sonst  nicht  gerade  es  geliebt 
zu  haben  scheint  mehrere  Quellen  neben  einander  zu  brauchen, 
diesen  anscheinend  so  gleichgültigen  Tagzahlen  zu  Liebe  eine  Aus- 
nahme gemacht  hat,  wird  später  sich  zeigen.  Wenn  er  dagegen 
dem  Pius  statt  22  J.  3  M.  nur  21  J.,  dem  Julian  statt  1  J.  8  M.  nur 
1  J,  giebt  und  die  2  Jahre  des  Constantius  und  Galerius  mit  der 
Bemerkung  unterschlägt,  dass  Constantius  tantum  Äugusti  dignitate 
contentus  cum  esset  otiosus,  anni  ipsius  adscribuntur  filio  eius,  so 
563  hängen  diese  Umänderungen  mit  den  Umgestaltungen  zusammen, 
die  er  in  der  Zählung  der  Regierungsjahre  sich  gestattete  und  von 
denen  sogleich  die  Rede  sein   wird.   —  Die  drei  letzten  Regenten 

1)  Die  Behauptung  von  Baudi  di  Vesme  (mem,  dell'  Acc.  di  Torino  ser.  II 
vol.  8  p.  181),  dass  ein  kurzes  —  seltsamer  Weise  trotz  der  Versicherung,  dass 
dasselbe  »qui  vede  per  la  prima  volta  la  luce«,  ungedruckt  gebliebenes  — 
Kaiserverzeichniss  hinter  dem  Codex  Theodosianus  eine  der  Quellen  Cassiodors 
gewesen,  fällt  in  sich  selber  zusammen,  da  dieses  Verzeichniss,  nach  den  daraus 
mitgetheilten  Proben,  nichts  ist  als  ein  Auszug  aus  Hieronymus.  Vesme  hat 
nicht  gesehen,  das  Cassiodor  aus  Hieronymus  schöpft.  [S.  jetzt  Chron.  min.  III  p.4l3.] 


Die  Chronik  des  Cassiodorus  Senator  vom  J.  519  n.  Chr. 


683 


Leo,  Zeno  und  Anastasius  hat  Cassiodor  hinzugefügt,  aber  in  einer 
so  Kederlichen  Weise,  dass  er  nicht  einmal  die  Regentennummern 
weiter  fortgeführt  hat,  als  er  sie  aus  Prosper  abschreiben  konnte, 
femer  den  Kaiser  Justinus,  der  im  J.  5 1 8  den  Thron  bestiegen,  zwar 
als  Consul  aber  nicht  als  Kaiser  verzeichnet. 

2)  Die  Zählung  der  conventioneilen  Regierungsjahre  ist  schon 
bei  Hieronymus,  ja  bei  Eusebius  selbst,  abgesehen  von  einigen  unter- 
geordneten sich  bald  wieder  ausgleichenden  Fehlem,  durch  ein  tiefer 
greifendes  Versehen  entstellt,  indem  dem  Phihppus  ein  Jahr  zu  viel 
beigelegt  wird,  was  denn  zur  Folge  hat,  dass  das  Jahr,  mit  dem 
Hieronymus  schliesst,  378  n.  Chr.  nach  unserer  Zählung,  nach  der 
seinigen,  wenn  man  das  Jahr  von  Christi  Geburt  =  1  n,  Chr.  setzt, 
379  n.  Chr.  werden  würde,  und,  da  er  selber  Christi  Geburt  um 
zwei  Jahre  höher  hinaufrückt,  nach  seiner  eigenen  Zählung  381  n.  Chr. 
ist.  Unter  Zugrandelegung  dieser  List^  hat  sich  Cassiodor  die 
folgenden  Abweichungen  gestattet: 

Hieronymus.  Cassiodor. 

.     .     .     .     + 


+  2 


—  2 


Augustus 56    ...    . 

Tiberius 23    ...    . 

Galba,  Otho,  Vitellius  ..—.... 

Nerva •      1    .    •    •    . 

Traianus 19    ...    . 

Pius 23    ...    . 

Pertinax —    .... 

Aurelianus 5    .    .    .    . 

t  Galerius 2 — 2 

Julianus 2 —  1 

mittelst  welcher  Manipulationen  er  im  Ganzen  um  1  J.  höher  kommt 
und  von  706  d.  St.  bis  378  n.  Chr.  nicht  ^vie  Hieronymus  427,  sondern 
428  J.  erhält  ^    Hier  hat  ihn  bei  den  Zuschlägen  für  Augustus,  Galba, 


1)  Prosper  hat  in  ähnlicher  Weise  an  der  Liste  des  Hieronymus  folgende 
Abänderungen  vorgenommen: 

Hieronymus.  Prosper.  Hieronymus.  Prosper. 

[0   .     .    .     .   —  1  Decius  .    .    .    1    .    .    .    .   + 1 

2   .    .    .    .   +  1  Tacitus ...   1    ....   —  1 

23   .    ,    .    .   —  1  Julianus    .    .   2    .    .    .    .   + 1 

7   .     .     .    .    -1 
Indem  er  also  vier  Kaiserjahre  weglässt  und  nur  drei  zuschlägt,   kommt  er  im 
Ganzen  auf  1  Jahr  weniger,  d.  h.  er  rechnet  von  da,  wo  bei  ihm  die  Consulate 
beginnen,  dem   14.  J.  des  Tiberius  bis  zum  Schluss  seiner  Liste  429,  also  mit 
Zusatz  der  Regierungen  Cäsars,  Augustus  und  des  ersten  Theües  der  Regierung 


Yespasianus 
Titus     .    . 
Pius .     .    . 
Caracalla  . 


6g4  Die  Chronik  des  Cassiodorus  Senator  vom  J.  519  n.  Chr. 

Otho,  Vitellius,  Traianus,  Pertinax,  Aurelianus  die  Erwägung  geleitet, 

564  dass  in  dieser  Rechnung  6  Monate  besser  für  ein  Jahr  zu  rechnen 
als  wegzuwerfen  seien;  und  eben  damit  muss  es  zusammenhängen, 
dass  er,  wie  bemerkt,  mit  einer  ihm  sonst  nicht  eigenen  Genauigkeit 
bei  Otho,  Yitellius  und  Traianus  die  Tage  aus  Eutrop  nachgetragen 
hat,  um  auf  diese  Weise  die  grössere  Jahrhälfte  zu  erhalten.  Selbst 
bei  Nerva,  der  freilich  nur  1  J.  4  M.  regierte,  mag  ihm  das  Weg- 
werfen der  Monate  Scrupel  gemacht  haben,  zumal  da  Hieronymus 
unmittelbar  vorher  für  Domitian  bei  einer  Regierung  von  15  J.  5  M. 
doch  16  J.  in  Ansatz  gebracht  hatte.  Natürlich  kam  er  bei  diesem 
gedankenlosen  Verfahren  von  der  Wahrheit  noch  viel  weiter  ab  als 
sein  Vorgänger;  und  wo  er  dann  auf  das  Vorlaufen  seiner  Consulate 
vor  den  Kaiserjahren  aufmerksam  ward,  half  er  sich  durch  Inter- 
polationen, die  jener  Fiction  eines  vierzigjährigen  Decemvirats  voll- 
kommen ebenbürtig  zur  Seite  stehen.  Es  war  nichts  dagegen  zu 
sagen,  dass  er,  nachdem  er  das  J.  14  dem  Augustus  gegeben,  dem 
Tiberius  ein  Jahr  weniger  zutheilte;  aber  Pius  Regierung  ist  mit 
sichtlicher  Willkür  verkürzt  um  das  Consulat  161  {duo  Äugusti),  von 
dem  an  Prospers  Consularliste  einigermassen  in  Ordnung  kommt, 
ebenfalls  auf  das  erste  Jahr  von  Marcus  und  Lucius  zu  bringen; 
Galerius  Consulate  und  das  eine  des  Julian  sind  gestrichen,  um  das 
Consulat  364  {lovianus  et  Varronianus)  auf  das  Kaiserjahr  des 
Jovianus  zu  lenken.  Hätte  der  Verfasser  der  Chronik  diese  seine 
Zuschläge  und  Abminderungen  gleichförmig  vorgenommen,  so  würde 
er  wenigstens  die  Gesammtzahl  des  Hieronymus  festzuhalten  ver- 
mocht haben;  indess  auch  dies  ist  ihm  nicht  gelungen,  sondern  er 
hat  sich  bei  seinen  Aenderungen  um  ein  Jahr  versehen.  Dass  die 
ganze  Procedur  von  der  übelsten  Art  ist  und  den  viel  gefeierten 
gothischen  Historiker  in  jeder  Weise  compromittirt,  bedarf  keiner 
Auseinandersetzung.  —  Für  die  spätere  Zeit  fällt  der  Unterschied 
der  wirklichen  und  der  conventioneilen  Regierungsdauer  weg,  indem 

565  sowohl  Prosper  wie  Cassiodor  überhaupt  nur  die  letztere  namhaft 
machen;  für  Leo  und  Anastasius  hat  der  Letztere  auch  diese  anzu- 


des  Tiberius  (5  +  56  +  13  =  74)  im  Ganzen  503  Kaiserjahre,  also  nach  Abzug 
der  nachhieronymischen  77  für  die  Zeit  von  706  d.  St.  bis  378  n.  Chr.  426  Jahre. 
Hat  er  aber,  was  wahrscheinlich  ist,  das  erste  der  zehn  Consulate  des  Tiberius 
mit  dem  15.  Jahre  desselben  geglichen,  in  das  er  die  Kreuzigung  setzt,  also  in 
der  That  auf  Tiberius  nicht  23,  sondern  24  Jahre  gerechnet,  so  stimmt  er  im 
Gesammtresultat  mit  Hieronymus  überein.  [Über  die  von  Prosper  an  Hieronymus 
vorgenommenen  Änderungen  hat  Mommsen  genauer  in  den  Chron.  min.  I  S.  351  f.' 
gehandelt.]  —  Cassiodor  hat  diese  Abweichungen  Prospers  unberücksichtigt 
gelassen. 


Die  Chronik  des  Cassiodorus  Senator  vom  J.  519  n.  Chr.  685 

geben  vergessen.  Ergänzt  man,  und  zwar  unter  Anrechnung  des 
wohl  nur  von  den  Schreibern  überschlagenen  Consulats  503,  diese 
Ziffern  so  wie  die  des  Justinus  nach  den  Consulaten,  so  erhält  man 
für  die  Kaiserjahre  als  cassiodorische  Gesammtzahl  569.  Sollte  das 
Consulat  503  von  Cassiodor  selber  ausgelassen  sein,*)  so  würde  die 
Ziffer  sich  auf  56S  stellen. 

3)  Die  Consulartafel  vom  J.  32  n.  Chr.  an  ist,  wie  schon  oben 
(S.  551  [670])  hervorgehoben  wurde,  unzweifelhaft  aus  einer  anderen 
und  weit  geringeren  Quelle  geflossen  als  die  der  früheren  Epoche 
imd  zwar,  nach  des  Verfassers  eigener  Angabe,  ex  Paschali  clarorum 
virarum  auctoritate  firnmto.  Diese  Tafel  stimmt  in  zahllosen  Verderb- 
nissen, Auslassungen  und  Interpolationen  mit  derjenigen  des  Prosper, 
der  adnotatio  consulum  apassione  d.  n.  lesu  Christi  cum  historia  (p.  559  fg. 
Roncalli  [Chron.  min.  I  p.  410])  überein  und  geht  ohne  Zweifel  auf 
diese  zurück.  Da  nun  Cassiodor  die  dem  J.  379  —  455**)  beige- 
schriebenen historischen  Notizen  der  Chronik  Prospers  entlehnt  hat, 
auch  in  seiner  Schrift  über  die  Klosterbibliotheken  (div.  lect.  c.  17) 
die  vollständige  Chronik  Prospers  anführt  —  Sancttis  qtwque  Prosper 
chronica  ab  Adam  ad  Genserici  tempora  et  urhis  depraedationem 
tcsqtie  perduxit  —  und  zur  Anschaffung  empfiehlt,  so  könnte  man 
meinen,  dass  er  auch  die  Consularliste  unmittelbar  aus  dieser  Chronik 
genommen  habe.  Allein  dies  ist  nicht  der  Fall:  bereits  Bucherius 
(in  Victorii  canonem  pasch,  p.  227  fg.)  und  van  der  Hagen  (obss.  in 
Prosp.  Aquit.  p.  145  fg.)  haben  gesehen,  dass  Cassiodor  seine  Consular- 
tafel zimächst  aus  der  im  J.  457  geschriebenen  Ostertafel  des  Victo- 
rius  Aquitanus  abgeschrieben  habe,  welcher  allerdings  dieselbe 
wieder,  zufolge  seiner  eigenen  Angabe  in  dem  Prolog,  aus  der  zwei 
Jahre  vorher  bekannt  gemachten  Chronik  des  Prosper  herüber- 
genommen hat.  Dafüi-  zeugt  die  Uebereinstimmung  der  victorischen 
und  der  cassiodorischen  Liste  gegenüber  derjenigen  des  Prosper  in 
einer  Anzahl  von  absichtlichen  Veränderungen  (vgl.  z.  B.  J.  410.  414. 
453,  wo  Prosper  nur  einen  der  eponymen  Consuln  namhaft  macht, 
Victorius  dagegen  und  Cassiodor  gleichmässig  den  zweiten  beifügen) 
und  offenbaren  Fehlem;  wohin  ich  rechne  vor  allen  Dingen  das 
Fehlen  des  Consulats  130  und  die  Umstellung  der  Consulate  96.  97. 
sodann  die  constante  Verderbniss  des  oft  vorkommenden  Namens 
Glalrio,  der  bei  Victorius  wie  bei  Cassiodor  stets  Gabrio  heisst,  so 
wie    die    ähnhchen   Verwandlungen   von   Bagalaifus   in   Gadalaifus  566 


I 


*)  [Hierfür  entscheidet  sich  Mommsen  in  den  Chron.  S.  115.  116.] 
**)  [Wahrscheinlich  nur  bis  445 :  s.  Chron.  S.  113.] 


6g6  Die  Chronik  des  Cassiodorus  Senator  vom  J.  519  n.  Chr. 

(J.  366)  *)  und  von  Batianus  in  Titianus  (J.  358).  Alle  diese  Ent- 
stellungen der  von  Prosper  gegebenen  Consulartafel  scheinen  von 
Victorius  begangen  und  mit  dessen  Liste  von  Cassiodor  übernommen 
zu  sein.  Die  zu  Cassiodors  Zeit  vermuthlich  allgemein  recipirte 
Tafel  des  Yictorius  also  ist  das  Paschale  darorum  virorum  auctoritate 
firmatum,  das  Cassiodor  neben  Livius  und  Bassus  für  seine  Arbeit 
benutzt  zu  haben  angiebt.  Nur  den  Schluss  von  458  an  bis  auf 
seine  Zeit  hat  Cassiodor  selbstverständlich  anderswoher  entlehnt.  — 
Die  Tafel  des  Prosper  ist  in  der  ersten  Beilage  abgedruckt  und 
auch  die  Abweichungen  der  victorischen  Fasten  von  derselben  sind 
dort  verzeichnet  nach  der  einzigen  mir  von  denselben  vorgekommenen 
Handschrift,  der  in  den  Beilagen  genauer  beschriebenen  Leydener 
Seal.  28.*)  Cassiodor  hat  die  Liste  weder  verbessert  noch  weiter 
verdorben,  sondern  sie  genau  so  wiedergegeben  wie  er  sie  bei 
Yictorius  fand;  dagegen  erscheint  dieselbe  bei  ihm  anders  angeknüpft 
als  bei  Prosper.  Denn  während  Prosper  das  Jahr  der  Kreuzigung, 
das  erste  seiner  Liste  und  darin,  der  bekannten  Ueberlieferung 
gemäss,  mit  den  Consulnamen  des  J.  29  bezeichnete,  mit  dem  14.  des 
Tiberius  =  27  n.  Chr.  gleichsetzt,  hat  Cassiodor,  gestützt  auf  die 
Angabe  des  Hieronymus,  dass  Christus  im  18.  Jahre  des  Tiberius 
hingerichtet  sei,  das  Jahr  nach  der  Kreuzigung,  das  erste  bei  ihm 
aus  dem  Paschalbuch  entlehnte  und  darin  richtig  mit  den  Namen 
der  Consuln  des  J.  30  bezeichnete,  mit  dem  J.  32  n.  Chr.  geglichen; 
so  dass  von  der  Kreuzigung  an  Prosper  10,  Cassiodor  nur  6  Con- 
sulate  auf  Tiberius  rechnet.  Also  ist  bei  Cassiodor  die  Liste  von 
Haus  aus  falsch  gestellt,  und  theils  dadurch,  theils  durch  ihre  zahl- 
reichen und  argen  Fehler  sind  dann  die  unsinnigsten  Ansetzungen 
entstanden,  ohne  dass  der  Verfasser  der  Chronik  sich  dadurch  irre 
machen  lässt;  wie  er  denn  zum  Beispiel  Nervas  Tod  in  dem  Jahr 
vor  dem  sechsten  Consulat  Traians  verzeichnet.  Wo  er  ausnahms- 
weise auf  dergleichen  Widersprüche  zu  achten  für  gut  gefunden  hat, 
wie  bei  dem  Consulat  der  beiden  Kaiser  161  und  nachher  unter 
lovianus,  hat  er  desswegen  an  den  Kaiserjahren  gerückt  (S.  564  [684]). 
So  ist  es  gekommen,  dass,  abgesehen  von  einer  zufälligen  —  durch 
das  Fehlen  der  beiden  Consulpaare  von  31.  32  bei  Prosper  herbei- 
geführten —  Uebereinstimmung  der  cassiodorischen  Liste  mit  der 
richtigen  in  den  Jahren  33  fg.,  in  derselben  die  Consulate  nur  unter 


*)  [Doch  vgl.  die  Ausgabe  des  Victorius  in  den  Chron.  min.  I  p.  714.] 
**)  [Diese  Beilage  ist,    da  sie  durch  die  Edition  des  Prosper  in  den  Chron. 
min.  I  überflüssig  geworden  ist,  nicht  wieder  abgedruckt  worden.] 


Die  Chronik  des  Cassiodorus  Senator  vom  J.  519  n.  Chr.  6g7 

M.  Aurelius  und  Commodus  und  sodann  von  Constantin  und  besonders 
von  Julian  an  richtig  gestellt  sind. 

Für  die  Feststellung  des  cassiodorischen  Textes  gewinnen  wir  567 
hieraus,  dass  die  Dauer  der  Kaiserregierungen  —  indem  6  Monate 
oder  mehr  immer  für  ein  volles  Jahr,  weniger  als  6  Monate  in  der 
Regel  nicht  gerechnet  werden  —  und  die  der  Consulate,  wie  Cassio- 
dor  sie  aufstellt,  sich  gegenseitig  controliren  und  wir  gewiss  sein 
können  mindestens  bis  zum  J.  491 ,  von  wo  an  die  Regierungsjahre 
nicht  mehr  angegeben  sind,  die  Consultafel  so  vollständig  zu  besitzen, 
wie  Cassiodor  sie  niedergeschrieben  hat.  Die  einzige  Differenz 
zwischen  den  Regierungsjahren  imd  der  Zahl  der  entsprechenden 
Consulate  besteht  in  dem  Ueberschiessen  eines  Consulats  unter 
Diocletian,  dem  Cassiodor  mit  Hieronymus  20  Jahre  beilegt  und 
unter  dem  er  dennoch  21  Consulpaare  verzeichnet.  Wahrscheinhch 
hat  Cassiodor  sich  hier  selber  verzählt.  Ob  das  J,  503  durch  seine 
oder  der  Abschreiber  Schuld  fehle,  ist  nicht  bestimmt  auszumachen; 
doch  ist,  so  nachlässig  er  sich  auch  im  Allgemeinen  erweist,  schwer 
zu  glauben,  dass  er  ein  nur  16  Jahre  vor  das  der  Abfassimg  fallendes 
Consulat  selber  vergessen  haben  sollte.  —  Die  Gesammtzahl  der 
Consulate  der  Kaiserzeit  stellt  sich  demnach  für  Cassiodor  in  Folge 
der  Differenz  unter  Diocletian  um  ein  Jahr  höher  als  wir  sie  für 
die  Kaiserjahre  fanden,  nämlich  von  706  d.  St.  bis  519  n.  Chr.  auf 
570:  doch  wird  er  selbst  wahrscheinlich  die  Kaiserjahre  zusammen- 
gezogen, nicht  die  Consulate  gezählt  und  also  als  Gesammtsumme 
569,  nicht  570  Jahre  gefunden  haben.  Sollte  das  Consulat  von  503 
von  Cassiodor  ausgelassen  sein,  so  hat  er,  selbst  wenn  er  nach 
Consulaten  zählte,  als  Gesammtzahl  ebenfalls  569  erhalten. 

Die  der  Jahrtafel  der  Kaiserzeit  beigesetzten 
historischen  Notizen. 
Die  historischen  i^otizen,  die  Cassiodor  der  Jahrtafel  vom  J.  31 
an  beigefügt  hat.  sind  bis  zum  J.  373  aus  Hieronymus  und  von  379 
bis  455  aus  der  Fortsetzung  des  Prosper  entlehnt,*)  auch  nicht  nach 
den  Consulaten,  sondern  nach  den  von  Hieronymus  allein  angesetzten 
Kaiserjahren  eingetragen.  Die  Entlehnung  geschieht  meist  bis  zur 
Gedankenlosigkeit  wörtHch:  wie  denn  die  Notiz  über  Jerusalem  bei 
dem  J.  141  n.  Chr.  in  einer  Fassung  gegeben  ist,  die  wohl  für  den 
in  Jerusalem  schreibenden  Hieronymus,  nicht  aber  für  den  in  Rom 
schreibenden  Cassiodor  sich  schickt.    An  einigen  wenigen  Stellen  —  568 


*)  [Genauer  darüber  Chronica  vol.  I  p.  346.  374.] 


688 


Die  Chronik  des  Cassiodorus  Senator  vom  J.  519  n.  Chr. 


es  sind  ausser  den  oben  angezeigten  über  die  Regierungsdauer  der 
Kaiser  Otho,  Vitellius,  Traian  und  Hadrian  hauptsächlich  die  Angaben 
über  die  neronisch- alexandrischen  und  die  decischen  Thermen 
und  über  die  Säule  des  Traianus  —  ist  daneben  Eutropius  gebraucht. 
Ausser  dem  Nutzen,  den  diese  Auszüge  für  die  Textconstituirung 
der  älteren  Chroniken  gewähren,  sind  sie  vollkommen  werthlos. 
Von  eigenen  Aenderungen  oder  Zusätzen  Cassiodors  sind,  ausser  den 
früher  erörterten  Abänderungen  einzelner  Kaiserjahrzahlen  und  den 
beiläufigen  Bemerkungen,  dass  der  Romatempel  jetzt  templum  urbis 
(J.  135)  und  die  von  Decius  erbauten  Thermen  nach  ihrem  Erbauer 
genannt  würden  (J.  252)  und  dass  Constantinopel  früher  Byzantium 
geheissen  habe  (J.  332),  nur  die  folgenden  auf  die  Gothen  oder  doch 
gothische  Verhältnisse  bezüglichen  Umgestaltungen  des  ihm  vor- 
liegenden Textes  zu  erwähnen: 


Hieronymus: 
Decius  cum  filio  suo   in  Abritte 

occiditur.     (Vgl.  Eutrop.  9,  4: 

ipse    et  filius   —   in  barbarico 

interfecti  sunt). 
Claudius  Gothos  Illyricum  et  Ma- 

cedoniam  vastantes  superat. 


Cassiodor: 

Decius  cum  filio  suo  in  Abritto 
Thraciae  loco  a  Gothis  occiditur 
(J.  252).  (Ausführlich  erzählt 
dasselbe  Jordanis  c.  18.) 

Claudius  barbaros  vastantes  re- 
pellit  (J.  271). 


Prosper: 

Ambrosius  episcopus  pro  catholica 

fide  multa  sublimiter  scribit. 


Athanaricus  rex  Gothorum  apud 
Constantinopolim  xv  die  quam 
fuerat  receptus  occiditur. 

PoUentiae  adversus  Gothos  vehe- 
menter utriusque  partis  clade 
pugnatum  est. 

Roma  a  Gothis  Alarico  duce  capta. 


569  Placidiam  Theodosii  imp.  filiam, 
quam  Romae  Gothi  ceperant, 
quamque  Athaulphus  coniugem 
habuerat,  Wallia  pacem  Honorii 


Ambrosius  episcopus  de  Christiana 
fide  multa  sublimiter  scribit 
(J.  380).  (Geändert  wegen  des 
Arianismus  der  Gothen.) 

Athanaricus  rex  Gothorum  Con- 
stantinopolim venit  ibique  vitam 
exegit  (J.  382). 

PoUentiae  Stiliconem  cum  exercitu 
Romano  Gothi  victum  acie  fuga- 
verunt  (J.  402). 

Roma  a  Gothis  Halarico  duce 
capta,  ubi  clementer  usi  victoria 
sunt  (J.  410). 

Gothi  placati  Constantio  Placidiam 
reddiderunt,  cuius  nuptias  pro- 
meretur  (J.  416). 


Die  Chronik  des  Cassiodorus  Senator  vom  J.  519  n.  Chr. 


689 


Prosper: 
expetens  reddit  eiusque  nuptias 
Constantius  promeretur. 
Placidia  Augusta  a  fratre  Honorio 
pulsa   Orientem   cum   [Honorio 
et  Valentiniano]  filiis  proficiscitur. 


Gens  Yandalorum  ab  Hispaniis  ad 
Africam  transit. 

Attila  —  multa  vicinarum  sibi  gen- 
tium milia  cogit  in  bellum,  quod 
Grothis  tantiim  se  inferre  tam- 
quam  custos  Romanae  amicitiae 
denuntiabat.  Sed  cum  transito 
Rheno  saevissimos  eins  impetiis 
multae  Gallicanae  urbes  ex- 
perirentur',  cito  et  nostris  et 
Gothis  placuit,  ut  furori  super- 
borum  hostium  consociatis  exer- 
citibus  repugnaretur;  tantaque 
Aetii  Providentia  fuit,  ut  — 
adversae  multitudini  non  inpar 

occurreret. Chunos  —  eo 

constat  victos  fuisse  quod  amissa 
proeliandi  fiducia  qui  super- 
fuerant  ad  propria  reverterunt. 

Attila  redintegratis  viribus,  quas 
in  Gallia  amiserat,  Italiam  in- 
gredi  per  Pannonias  intendit, 
nihil  duce  nostro  Aetio  secun- 
dum  prioris  belli  opera  prospi- 
ciente,  ita  ut  ne  clusuris  quidem 
Alpium  quibus  hostes  prohiberi 
poterant  uteretur. 


Cassiodor. 


Placidia  Augusta  a  fratre  Honorio 
ob  suspicionem  invitatorum  hos- 
tium cum  Honorio  et  Valenti- 
niano filiis  ad  Orientem  mittitur 
(J.  423). 

Gens  Yandalorum  a  Gothis  exclusa 
de  Hispaniis  ad  Africam  transit 
(J.  427). 

Romani  Aetio  duce  Gothis  auxilia- 
ribus  contra  Attilam  in  campe 
Catalaunico  pugnaverunt,  qui 
virtute  Gothorum  superatus  ab- 
scessit  (J.  451). 


Attila  redintegratis  viribus  Aqui- 
leiam  magna  vi  dimicans  introivit 

(J.  452). 


Diese  Stellen  sind   entweder   im  gothischen  Interesse  geändert  570 
oder  mit  kurzen  auf  gothische  Leser  berechneten  Zusätzen  versehen ; 
womit  noch  zu  verbinden  ist,   dass  an  vielen  Stellen  (z.  B.  J.  333. 
370.   378.   405.   425.  436.   438.   439.  453)    Niederlagen   der    Gothen 


MOSEMSEN',    SCHK.  VII. 


44 


ß90  ^^6  Chronik  des  Cassiodorus  Senator  vom  J.  519  n.  Chr. 

oder  was  sonst  ihnen  nachtheilig  erschien  ausgemerzt  worden  sind. 
Eigentliche  Umänderung  der  überlieferten  Thatsachen  hat  der  Ver- 
fasser sich  zwar  nicht  zu  Schulden  kommen  lassen  —  denn  dass  die 
Treffen  bei  PoUentia  und  auf  dem  catalaunischen  Felde  ihm  zu 
Siegen  der  Gothen  geworden  sind,  ist  ziemlich  unschuldig  — ,  wohl 
aber  mahnt  diese  immer  doch  sehr  freie  und  stark  parteiische  Zu- 
rechtlegung der  Ueberlieferung,  wie  sie  hier  nachweislich  vorliegt, 
zur  Vorsicht  bei  dem  Gebrauch  der  Auszüge  aus  seinem  wichtigeren 
und  hauptsächlich  aus  uns  nicht  mehr  zugänglichen  Quellen  geschöpften 
Werke,  der  gothischen  Geschichte. 

Für  die  Jahre  455 — 519  kann  Cassiodor  für  uns  als  eine  selbst- 
ständige Quelle  betrachtet  werden;  jedoch  hat  er  für  die  Jahre  455— 
495  höchst  wahrscheinlich  geschöpft  aus  der  mit  der  Chronographie 
von  354,  freilich  in  zerrütteter  und  verkürzter  Gestalt,  erhaltenen 
Ravennatischen  Chronik,  die  von  der  jüngeren  Fortsetzung  abgesehen 
im  J.  495  geschlossen  ist.  Ohne  Zweifel  hat  dieselbe  wie  dem  Ver- 
fasser der  Auszüge  »ex  libris  chronicorum«  hinter  dem  Ammian  so 
auch  dem  Cassiodor  in  ihrer  ursprünglichen  Vollständigkeit  vorgelegen; 
die  Aufgabe  aber  aus  diesen  drei  Quellen  die  ursprüngliche  Fassung 
wiederherzustellen  kann  nur  unter  sorgfältigem  Eingehen  auf  die 
Geschichte  dieser  merkwürdigen  und  schwierigen  Epoche  und  daher 
nicht  an  diesem  Ort  und  in  diesem  Zusammenhang  gelöst  werden.*) 
—  Erst  von  496  an  scheint  Cassiodor,  abgesehen  von  dem  Consuln- 
verzeichniss,  keine  schriftlichen  Quellen  benutzt  sondern  aus  eigener 
Kunde,  freilich  in  dürftigster  Hofschreiberauswahl  und  Hofschreiber- 
weise, die  gleichzeitigen  Ereignisse  aufgezeichnet  zu  haben. 


^)  [Vgl.  Chron.  vol.  I  p.  252.] 


LXX. 

Schlussbericht 
über  die  Herausgabe  der  Auetores  antiquissimi.*) 

Die  im  Jahre  1875  von  mir  übernommene  Abtheilung  Auetores  287 
antiquissimi   der  Monumenta  Germaniae  historica  ist  mit  dem  jetzt 
abgeschlossenen  Arbeitsjahr  zu  Ende   geführt  worden.     Sie  umfasst 
in  13  Quartbänden  die  folgenden  Schriftwerke: 

Alcimus  Avitus  (VI,  2) 

Ausonius  (V,  2) 

Cassiodorus,  Variae  (XIT) 

Chronica  minora,  vol.  I.  11.  m  (IX.  XI.  XDI) 

Claudianus  (X) 

Corippus  (III,  2) 

Ennodius  (VII) 

Eugippius,  vita  Severini  (I,  2) 

Eutropius  und  Paulus,  bist.  Romana  (II) 

lordanes  (V,  1) 

Salvianus  (I,  l) 

Sidonius  (VIII) 

Symmachus  (VI,  1) 

Venantius  Fortuna  tus  (IV) 

Victor  Vitensis  (IH,  1). 
Von  diesen  Bänden  sind  Cassiodor,  Jordanes  und  die  drei  Bände 
der  Chroniken  von  mir,  die  übrigen  von  den  Herren  Birt,  Droysen, 
Halm,  Krusch,  Leo,  Lütjohann,  Partsch,  Peiper,  Sauppe,  Schenkl, 
Seeck,  Vogel  unter  meiner  Leitung  bearbeitet  worden. 

Dass    diese   im  Wesentlichen  der  römischen  Geschichtsperiode 
angehörige  Abtheilung  in   die  Monumenta  Germaniae  historica  auf- 

*)  [Sitzungsberichte  der  Berliner  Akademie.  Jg.  1898  HalbbcL  I  S.  287— 290.] 

44* 


692         Schlussbericht  über  die  Herausgabe  der  Auetores  antiquissimi. 

genommen  worden  ist,  war  von  den  Begründern  dieser  Sammlung 
beschlossen  worden,  lange  bevor  nach  Pertz'  Tode  mit  dem  Eintritt 
des  Directorats  von  Waitz  der  neue  Arbeitsplan  festgestellt  wurde. 
Der  annus  quingentesimus  aus  dem  Yorblatt  unserer  sämmtlichen 
Bände  bezieht  sich  auf  die  beabsichtigte  Ausgabe  von  Jordanes  imd 
Cassiodor.  Ausgeführt  war  allerdings  von  den  dafür  bestimmten 
Arbeiten  noch  keine,  auch  der  Kreis  derselben  nicht  endgültig  fest- 
gestellt; aber  für  einen  Theil  derselben  waren  umfassende  Yorarbeiten 
unternommen  und  die  Abtheilung  selbst  öffentlich  angekündigt  worden, 
so  dass  man  damals  übereinkam,  auch  hierin  an  dem  ursprünglichen 
Plan  festzuhalten. 

Für   die  Auswahl   trage    ich   als  Leiter   dieser   Abtheilung  im 
Wesentlichen  die  Yerantwortlichkeit.     Mich  hat  dabei  zunächst  der 
Gedanke   geleitet,    dass   es   überhaupt,   insbesondere  aber  für  eine 
Uebergangsepoche,  wie  diejenige  ist  von   dem  Zusammenbruch  des 
288  römischen  Westreichs   bis   zum   Beginn    der   fränkischen  Yormacht, 
schlechterdings  unmöglich  ist,    das  für  den  Historiker   erforderliche 
Material  in  einer  bestimmten  Zahl  von  Bänden  zusammen  zu  fassen, 
und   dass  demnach  diese  Abtheilung   nicht  darauf  angelegt  werden 
durfte,  in  dieser  Hinsicht  eine  nothwendig  scheinhafte  Yollständigkeit 
zu  erzielen,   sondern  vielmehr  bei  jedem  einzelnen  Schriftwerke  zu 
erwägen  war,  einmal  ob  es  für  die  historische  Kunde  dieser  Epoche 
von  wesentlicher  Bedeutung  sei,  und  zweitens,  ob  eine  kritische  Be- 
arbeitung desselben,  namentlich  die  Herstellung  der  handschriftlichen 
Grundlage  Nutzen  verspreche.     Die  höhere  auf  Sprach-  und  Sach- 
kenntnis  beruhende  Kritik   kann  bei  Collectivunternehmungen ,  wie 
die  unsrige  ist,   wohl  als  wünschenswerther  Gewinn,   aber  nicht  als 
das  regelmässige  Ziel  in  das  Auge  gefasst  und  wie  die  geistige  Arbeit 
überhaupt  wohl  gefördert,  aber  niemals  abgeschlossen  werden.     Die 
diplomatische  Kritik   dagegen  fordert,  wo  sie  in  weiterem  Umfang 
auftritt,  Mittel,  wie  nur  eine  vom  Staat  getragene  Institution  sie  zu 
liefern  vermag,  und  bei  ihr  ist  andrerseits  ein  Abschluss  erreichbar. 
Darum   sind  Tacitus  und  Ammian  ausgeschlossen  worden;    sie  sind 
ohne   Zweifel  für   die   deutsche  Geschichte  unendlich  viel  wichtiger 
als  sämmtliche  in  meine  Abtheilung  aufgenommene  Autoren;   aber 
die  diplomatische  Kritik  ist  bei  beiden  einfach  und  im  Wesentlichen 
erledigt.     Dagegen  war   für  alle   oben  genannten  Schriftwerke    die 
handschriftliche  Grundlage  der  Feststellung  bedürftig,  und  dass  jedes 
einzelne    derselben    für    die    Geschichtsforschung    der    bezeichneten 
Epoche  von  wesentlichem  Nutzen  ist,  wird  nicht  bestritten  werden. 
Die  Grenzen  einer  derartigen  Bearbeitung  sind  allerdings  mit  objectiver 


Schlussbericht  über  die  Herausgabe  der  Auetores  antiquissimi.         693 

Bestimmtheit  nicht  zu  ziehen  und  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
abhängig  theils  von  der  Meinung  des  Leiters  der  Abtheilung,  theik 
von  dem  Belieben  der  Centraldirection  selbst,  die  nicht  alle  Anträge 
des  Leiters  genehmigt  hat.  Bei  der  Grenzenlosigkeit  der  Aufgabe 
selbst  hat  in  der  praktischen  Ausführung  eine  gewisse  Willkür  nicht 
vermieden  werden  können.  Indess  hoffe  ich,  wenn  auch  im  Einzelnen 
manches  hinweg-  oder  hinzugewünscht  werden  mag,  doch  im  Ganzen 
den  richtigen  Mittelweg  zwischen  dem  zu  Wenig  und  dem  zu  Yiel 
gefunden  zu  haben.  Insbesondere  bei  den  in  den  drei  Bänden  der 
Chroniken  vereinigten  Miscellaneen  habe  ich  es  lebhaft  empfunden, 
dass  ohne  die  grossen  Hülfsmittel,  welche  eine  Institution  wie  die 
unsrige  gewährt,  eine  derartige  für  das  einzelne  Kleinstück  schlechthin 
unmögliche  und  doch  in  ihrer  Gesammtheit  imentbehrliche  Sammlung 
sich  niemals  würde  haben  durchführen  lassen. 

Die  Rücksicht  darauf,  dass  Ausgaben,  wie  die  unsrigen  sind, 
vor  allen  Dingen  den  diplomatischen  Apparat  liefern  sollen,  hat  mich 
weiter  dazu  bestimmt,  was  vielleicht  manchen  Tadel  gefunden  hat, 
wo  es  irgend  anging,  nicht  einzelne  Stücke,  sondern  die  uns  er-  2S9 
haltenen  Werke  des  betreffenden  Schriftstellers  vollständig  zu  geben. 
Freilich  bei  Prosper,  Eugippius,  Cassiodor,  Beda  liess  sich  dies  nicht 
durchführen.  Aber  wenn  auch  von  Ausonius  oder  Claudianus  dem 
Historiker  nur  wenige  Abschnitte  direct  nützlich  sind,  so  darf  auch 
über  diese  keiner  mitsprechen,  der  nicht  den  Schriftsteller  im  Ganzen 
kennt  und  beurtheilen  kann.  Die  Excerptenpublication  mag  fiir  die 
Wissenschaftlichkeit  zweiter  Ordnung  am  Platz  sein,  für  unsere 
Arbeiten  ist  sie  mir  immer  als  ein  dem  nationalen  Unternehmen 
wenig  anstehendes  Armuthszeugnis  erschienen. 

Die  mir  übergebenen  Yorarbeiten  erwiesen  sich  mit  geringen 
Ausnahmen  als  unbrauchbar;  die  CoUationen  —  solche  von  Pertz 
und  Waitz  fanden  unter  den  für  diese  Arbeit  mir  übergebenen  sich 
nicht  —  gehörten  überwiegend  der  Frühzeit  der  Gesellschaftsarbeit 
an  und  waren  ebenso  unzulänglich  wie  leicht  ersetzlich.  Wir,  meine 
Mitarbeiter  und  ich,  haben  keine  Mühe  und  keine  Kosten  gescheut, 
um  in  dem  bezeichneten  Kreise  die  diplomatische  Kritik  abschliessend 
zu  erledigen. 

Eine  Schranke  habe  ich  bei  dieser  Abtheilung  oft  ungern,  aber 
dennoch  streng  eingehalten;  es  ist  dies  der  Ausschluss  der  byzanti- 
nischen Geschichtswerke.  Dass  der  Römerstaat  namentlich  der  späteren 
Kaiserzeit  diese  ebenso  und  vielleicht  noch  mehr  fordert  als  die  latei- 
nischen Quellen,  bedarf  der  Ausführung  nicht;  und  wie  sehr  selbst 
ein  Schriftsteller  wie  Prokop   des  kritischen  Apparates  entbehrt,  in 


694         Schlussbericht  über  die  Herausgabe  der  Auetores  antiquissimi. 

wie  geringem  Grade  die  sogenannte  akademische  Byzantinerausgabe 
ihrem  Namen  Ehre  macht,  wie  wir  überall,  wo  de  Boor  nicht  ge- 
arbeitet hat,  uns  in  kläglicher  Unsicherheit  befinden,  das  wissen  die 
Kundigen  alle  und  fordert  dringend  Abhülfe.  Aber  diese  kann  nur 
eine  Sonderbearbeitung  der  byzantinischen  Geschichtsquellen  bringen, 
die  zu  unseren  Monumenten  so  nothwendig  gehört  wie  einstmals  das 
Ostreich  zum  "Westreich  gehört  hat.  Die  grosse  Gefahr,  der  unsere 
Monumenta  Germaniae  in  Folge  der  centralen  Lage  unseres  Landes 
ausgesetzt  sind,  die  Uferlosigkeit  unserer  Sammlungen  durch  das  Ueber- 
greifen  in  die  Geschichte  der  Nachbarstaaten,  würde  wesentlich  ge- 
steigert werden,  wenn  unsere  Arbeiten  auch  auf  das  Gebiet  des 
Ostreichs  und  die  griechischen  Geschichtsquellen  erstreckt  würden. 
Ich  habe  darum  der  namentlich  bei  der  Bearbeitung  der  kleinen 
Chroniken  oft  sehr  lockenden  "Versuchung,  in  diese  Kreise  ein- 
zugreifen, nicht  nachgegeben. 

Ebenso  wie  ich  bemüht  gewesen  bin,  von  den  aufgenommenen 
Schriftstellern  die  "Werke,  so  weit  möglich,  vollständig  zu  geben, 
habe  ich  dieselben  auch  nach  Möglichkeit  in  der  Publication  ge- 
trennt. Ein  Sammeluntemehmen,  wie  das  unsrige  ist,  kann  bei  den 
290  Schriftwerken  die  Trennung  nach  den  Autoren  nicht  in  dem  Umfang 
durchführen,  wie  dies  in  der  Behandlung  der  griechischen  und 
römischen  Schriftsteller  geschieht;  in  viel  weiterem  Umfang  ist  es 
hier  erforderlich,  kleinere  Schriftwerke  zusammenzufassen,  secundäre 
den  primären  anzuschliessen.  So  weit  aber  die  Sonderung  sich 
durchführen  lässt,  erleichtert  sie  nicht  bloss  die  Fertigstellung  der 
Publicationen,  welche  ohne  weitgehende  Arbeitstheilung  nicht  zum 
Ziel  gelangen  können,  und  gewährt  den  Benutzern  bei  ihren  sehr 
verschiedenartigen  Interessen  die  Möglichkeit,  sich  das,  was  ein  jeder 
braucht  und  nur  dies  zu  beschaffen,  sondern  sie  macht  es  auch  mög- 
lich, wo  nöthig  und  so  weit  wie  nöthig  zu  bessern  und  zu  erneuern. 
Bei  weitschichtigen  Unternehmungen  dieser  Art  kann  es  nicht  aus- 
bleiben, dass  eine  einzelne  Bearbeitung  mit  oder  ohne  Schuld  der 
Herausgeber  sich  als  ungenügend  erweist,  der  litterarische  Apparat 
einer  Ergänzung  oder  einer  Correctur  bedarf.  In  meiner  Abtheilung 
ist  dies  bei  der  kleinen  Schrift  des  Eugippius  eingetreten.  Ich  habe 
in  Folge  dessen  eine  neue  Recension  derselben  hergestellt,  welcher 
bei  dem  geringen  Umfang  des  "Werkes  und  bei  der  Brauchbarkeit 
desselben  auch  für  Unterrichtszwecke  die  Form  der  Octavausgabe 
gegeben  worden  ist.*) 

*)  [Eugippii  vita  Severini  denuo  recognovit  Th.  Mommsen,  Berl.  1898.] 


LXXI. 

Die  Historia  Papirii  des  Henoch  von  Asculum.*) 

Auf  der  Yallicelliana  in  Rom  findet  sich  eine  Papierhandschrift  1 34 
aus  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jahrh.,  bezeichnet  G.  47.  Der  im 
inneren  Deckel  verzeichneten  Notiz  zufolge  {Jo.  de  Beate  prothono- 
tario  et  correciori  apostolico,  qui  bibUothecam  hanc  et  aureos  xyro  fdbrica 
quingentos  sacratissimo  Fontis  Palumbe  loco  legamt,  fratres  aeteme 
memoriae  causa  posuere)  stammt  diese  Handschrift  aus  Rieti;  und  ihr 
ganzer  Inhalt  zeigt,  dass  sie  eben  daselbst  entstanden  und  längere 
Zeit  hindurch  verblieben  ist.  Diesen  Inhalt  vollständig  zu  verzeichnen 
ist  übrigens  nicht  erforderlich:  es  finden  sich  Gedichte  neuerer  Ita- 
liener neben  einigen  virgilischen  Katalekten,  auch  eine  Cansmi  de 
M.  F.  F.;  Auszüge  aus  Gellius  und  Livius,  Miscellen  von  Guarinus, 
Karolus  Arretinus,  Philelphus,  Poggio,  Laur.  Valla;  Auszüge  aus  den 
älteren  Inschriftensammlungen  von  Signorili,  Poggio,  Cyriacus  von 
Ancona,  grösstentheils  stadtrömische  Steine  enthaltend,  aber  auch 
Inschriften  aus  Ariminum,  dem  Orient  und  Kleinasien,  darunter  ein- 
zelne griechische;  endlich  eine  wie  es  scheint  originale  Sammliing 
der  Inschriften  von  Rieti  (von  Muratori  angeführt  unter  dem  Kamen 
der  schedae  Vallicelliaiiae),  welche  auch  die  von  Papst  Pius  U  (f  1464) 
seinen  Aeltern,  Silvius  und  Victoria  Piccolomini  gesetzten  Grab- 
schriften enthält.  Dazu  kommen  andere  Notizen  mannigfaltigster 
Art,  unter  denen  ich  der  Zeitbestimmimg  wegen  eine  Bulle  vom 
J.  1476  (f.  6)  erwähne.  Um  diese  Zeit  etwa  muss  die  Handschrift  135 
geschrieben  sein;  wenigstens  deutet  nichts  auf  eine  spätere  Ent- 
stehungszeit hin.  —  Hier  nun  finden  sich,  unmittelbar  hinter  der 
Reatiner  Inschriftensammlung  und  gleich  dieser  im  Text  mit  Kapi- 
tälchen geschrieben,  die  folgenden  Auszüge: 
f.  39  r.  Ex  historia  Papirii  inventa  ab  Enoc  in  Datia  de 
situ  Reatino. 
Subacto  agro  Beaiino  Romani  Picenis  bellum  inttäerunt. 

*)  [Hermes  1,  1866,  S.  134—136.] 


696  Die  Historia  Papirii  des  Henoch  von  Asculum. 

f.  39  V.     Ex  eadem  hystoria  Papirii. 

Velinus  fluvius  Beatinum  agrum  secat,  qui  paludem  in  SuUuco 
a  JRomanis  effectam  ingreditur,  dehinc  Septem  meatibus  sulfureas 
petit  aquas. 
(folgen  Auszüge  mit  der  Ueberschrift :  Plinius  naturalis  hystoriae  libro 
secundo  cap.  de  miraculis  aquarum,  d.  i.  Plin.  2,  103.  227.  226  sehr 
zerrüttet), 
f.  40  r.    Ex  eadem  hystoria  Papirii. 

Hörnern  rerum  caput  a  puella  ^  Graia  istic  combusta,  cui  nomen 
erat  Rhomi,  dictam  putant. 
Hieran  schliessen  sich  die  falsche  Inschrift  divo  lulio  Caesari 
urbis  et  orbis  hero  [C.  I.  L.  VI  5,  23*],  aus  dieser  Handschrift  heraus- 
gegeben von  Mur.  221,  4,  und  weitere  Auszüge  aus  Plinius  naturalis 
hystoriae  2,  103,  230  und  3,  12,  109.  Dann  folgt,  ohne  Ueberschrift, 
der  Anfang  der  bekannten  Mummiusinschrift  von  Rieti  [C.  I.  L.  IX 
4672  add.  p.  684  Dessau  3410]: 

sancte 
de  decuma  victor  tibei  Lucius  Munius  (so)  donum 
was  desshalb  hervorzuheben  ist,  weil  diese  Inschrift  hier  mit  am 
frühesten  auftritt:  sie  wurde  von  Pomponius  Laetus  copirt  und  ist 
nur  durch  ihn  erhalten,  begegnet  übrigens  wohl  zuerst  vereinzelt  in 
dem  Siliuscommentar  des  Petrus  Marsus,  des  Schülers  des  Laetus 
(zuerst  gedruckt  1483),  und  dann  bei  Jucundus.  —  Was  nun  folgt, 
hat  auf  Rieti  keinen  bestimmten  Bezug  weiter  und  gehört  wohl  nicht 
zu  der  eben  erörterten  Sammlung. 

Es  ist  auf  den  ersten  Blick  klar,  dass  dieser  Papirius  seinen 
Platz  finden  muss  nicht  neben  dem  von  Henoch  von  Asculum  ent- 
deckten Porphyrie  und  Apicius,  sondern  neben  dem  Fenestella  und 
Messalla  Corvinus;  so  ist  die  palus  in  Subluco  a  Romanis  effecta 
offenbar  gemacht  nach  der  zuletzt  angeführten  Pliniusstelle ,  in  der 
136  unsere  Handschrift  statt  qui  nomen  dedere  Sublaqueo  liest  cui  nomen 
dedere  Subluco  und  aus  der  auch  die  sulfureae  aquae  genommen  sind. 
Immer  aber  verdienen  dergleichen  Fälschungen  des  fünfzehnten  Jahr- 
hunderts, wenigstens  wenn  sie  auf  bestimmte  Namen  alter  Schrift- 
steller und  sogar  bekannter  Handschriftensucher  gestellt  sind,  eine 
gewisse  Beachtung,  da  für  die  litterarische  Thätigkeit  dieser  Zeit 
daraus  sich  Anknüpfungspunkte  ergeben  können. 

1)  puUa  die  Handschrift. 


LXXII. 

Zur  Kritik  der  Geographie  des  Ptolemaeos.*) 

Unter  den  0 ertlichkeiten,  welche  Ptolemaeos  3.  3,  3  an  der  297 
Südküste  Sardiniens  aufführt,  nennt  er  zwischen  Sulci  und  Nora  unter 
anderen  auch  Bioia  kijutjv,  wie  die  Ausgaben  und  die  für  sie  ver- 
glichenen Handschriften,  entsprechend  auch  die  alte  lateinische  Ueber- 
setzung  {Bioea  portus)  schreiben.  Nur  Cluverius  merkt  in  seiner 
Sicilia  et  Sardinia  antiquu  (vom  Jahre  1619!)  p.  491  dazu  an:  in 
Vaticano  exemplari  legitur  Bi&ia  :i6Xig,  welche  Lesung  er  übrigens 
selbst,  ebenso  wie  die  gewöhnliche,  für  irrig  hält.  Die  Herausgeber 
des  Ptolemaeos  haben  sich  weder  um  diese  Lesung  noch  viel  weniger 
um  ihre  Quelle  bekümmert.  Dagegen  hat  dieselbe  eine  überraschende 
Bestätigung  erhalten  durch  einen  bei  dem  alten  Xora  (jetzt  Pula) 
gefundenen  und  zuerst  im  J.  1S31  herausgegebenen  Meilenstein  des 
Kaisers  Philippus  (Orelli-Henzen  5195  [C.  L  L.  X  7996  =  Dessau 
5870]),  den  ich  selbst  im  Museum  zu  Cagliari  gesehen  habe.  Er  stand 
an  einer  via,  quae  a  Nora  dticit  Bitiae,  und  zeigt,  da  weder  der 
falsche  Casus  noch  die  mangelnde  Aspiration  bei  einer  Inschrift 
dieser  Epoche  weiter  in  Betracht  kommt,  dass  der  Ort  nicht  Bioea 
hiess,  sondern,  wie  die  vaticanische  Handschrift  ihn  schreibt,  Bithia. 

Eine  derartige  Abweichung  von  der  constanten  Vulgata  zu  einer 
zweifellos  besseren  und  ebenso  zweifellos  nicht  durch  Conjectur  ge- 
fundenen Lesung  musste  jedem,  den  die  Kritik  des  Ptolemaeos  angeht, 
wesentlich  erscheinen,  und  die  Ermittellung  der  Quelle  schien  ja 
nicht  schwer.  Indess  die  sämmtlichen  Ptolemaeoshandschriften  der 
Yaticana,  welche  Hr.  Mau  auf  meine  Bitte  einsah,  ergaben  nichts 
als  die  gewöhnliche  Lesung;  und  zu  demselben  negativen  Resultat 
führte  die  Einsicht  der  sämmtlichen  Handschriften  der  Pariser  Bib- 
liothek   durch  Hm.  A.  Schöne,    so    wie    die  Einzeluntersuchungen,  298 


')  [Hermes  15,  1880,  S.  297  —  300.; 


698  "^^^  Kritik  der  Geographie  des  Ptolemaeos. 

welche  ich  hie  und  da  zu  veranlassen  Gelegenheit  hatte.  Schliesslich 
aber  wies  Herr  Ch.  Müller,  an  den  ich  mich  wandte,  mir  im  Vatican 
die,  wie  es  scheint,  in  den  Katalogen  nicht  verzeichnete  Handschrift 
n.  191  etwa  des  13.  Jahrhunderts  nach^  als  die  von  Cluverius  be- 
nutzte. Nachdem  ich  durch  diese  liberale  Mitteilung  des  verdienten 
Gelehrten  in  den  Stand  gesetzt  war  die  Untersuchung  weiter  zu 
verfolgen,  fand  sich  in  dieser  Handschrift  an  der  angegebenen  Stelle 
eine  Zeile  mehr,  als  die  Ausgaben  haben,  und  die  ganze  Stelle  in 
folgender  Fassung: 

XeQoövvjoog  Xa  L'    Xe  L'<5' 

Bid^ia  Xifxrjv  Xa  yo    Xe  L'/ 

BiMa  jioXig  Xa  gd'  Xe  L'y' 

'HgaxXeovg  Xijuijv  Xß  Xe  L'/ 
Es  wird  also  noch  ein  anderes  Bedenken  hiedurch  gehoben. 
Die  römischen  Strassen  nennen  als  Endpunkte  ohne  Ausnahme  Ort- 
schaften. War  Bithia  blos  Hafen,  so  konnte  eine  Strasse  nicht  füglich 
dort  endigen,  wohl  aber,  wenn  an  diesem  Hafen  eine  gleichnamige 
Stadt  lag,  wie  dies  das  vervollständigte  Yerzeichniss  des  Ptolemaeos 
ergiebt. 

Ich  habe  seitdem  Veranlassung  gehabt  einige  grössere  Abschnitte 
aus  jener  Handschrift  vergleichen  zu  lassen  und  daraus  die  Ueber- 
zeugung  gewonnen,  dass  sie  mit  der  von  Jacob  Aessler  bei  der 
Strassburger  Ausgabe  der  lateinischen  Uebersetzung  von  1513  zu- 
gezogenen damals  von  Picus  de  Mirandola  besessenen  zusammen- 
gehört ^  und  dass  diese  vaticanische  Handschrift  eine  ähnliche  Stellung 
in  der  Kritik  des  Ptolemaeos  einnimmt,  wie  die  des  Escurial  in  der- 
jenigen des  antoninischen  Itinerars,  das  heisst,  dass  ihr  Zeugnis» 
allein  wenigstens  ebenso  viel  wiegt  wie  das  aller  übrigen  Hand- 
schriften zusammen.*) 

1)  Erst  nachträglich  fand  ich,  dass  Nobbe  in  der  litteratura  geographiae 
Ptolemaeae  (1838)  p.  3  und  in  der  Vorrede  seiner  sogenannten  Ausgabe  eine  in  der 
Leipziger  Rathsbibliothek  vorhandene  Randcollation  (p.  7  Graec.  n.  XIV,  rep.  T. 
4.  67  des  Naumannschen  Katalogs)  erwähnt,  welche  nach  einer  Mittheilung 
Heyses  den  Vat.  191  in  unvollständiger  Weise  wiedergeben  soll. 

2)  Freilich  kehrt  nicht  alles,  was  die  vaticanische  Handschrift  richtig  hat, 
bei  Aessler  wieder,  zum  Beispiel  heisst  Bi&ta  auch  ihm  Bioea. 

*)  [Es  folgen  einige  Textproben  aus  B.  2  und  4  der  Geographie  sowie  ein 
Werturteil  über  den  Vaticanus.  Ein  Abdruck  ist  unterblieben,  da  inzwischen 
wenigstens  der  erste  Teil  der  Müllerschen  Ausgabe  erschienen  ist.] 


Lxxm. 

Z  0  s  i  m  u  s.*) 

Dem  der  "Wissenschaft  zu  früh  entrissenen  Mendelssohn  ist  bei  533 
seiner  philologisch  wie  historisch  trefflichen  Ausgabe  des  Zosimus 
ein  Versehen  begegnet,  auf  das,  da  es  leicht  Schaden  stiften  kann, 
hier  aufmerksam  gemacht  werden  soll.  Nach  dem  Vorgang  von  Jeep 
setzt  er  in  der  Vorrede  (p.  VII)  die  Abfassung  jenes  Geschichts- 
werkes vor  das  Jahr  502,  weil  Eustathius  von  Epiphania  dasselbe  in 
seiner  in  diesem  Jahre  herausgegebenen  Chronik  (die  Fragmente  bei 
Müller  fr.  bist.  Graec.  4,  138  fg.)  anführe.  Aber  Euagrius,  durch  den 
so  gut  wie  allein  wir  von  dieser  Arbeit  des  Eustathius  Kunde  haben, 
sagt  dies  nicht,  sondern  5,  37  (ähnlich,  aber  kürzer  5,  24) :  og  (Eusta- 
thius) inexQi  rfjs  ygaiprjg  ravrrjg  (bis  zu  dem  Krieg  gegen  den  Perser- 
könig Choades)  lorogi^oag  roig  djuMovoi  owagi^jueirai  dcodexarov 
ezog  rfjg  'Ävaoraoiov  y.axaXeXoiJicog  ßaoiXeiag.  Dies  giebt  Malalas 
p.  399  richtig  also  wieder:  Tiegl  ov  TioXefiov  Evaxd'&iog  ....  ovvEyQo.- 
yjaro'  öorig  xal  ev^ecog  ixeXevxrjos  fxrjTe  etg  reketov  zrjv  ex^soiv  avrov 
ovvra^ag.  Das  Jahr  502  also  ist  das  letzte  von  Eustathius  behan- 
delte, keineswegs  aber  dessen  Todesjahr.  —  Andrerseits  erwähnt 
Zosimus  2,  38  zweifellos,  und  nicht  als  einen  Vorgang  aus  nächster 
Vergangenheit,  die  Aufhebung  des  Chrysargyrum  durch  Anastasius 
im  Jahre  501^;  es  ist  unmöglich  mit  Mendelssohn  seine  Worte  auf 
die  schon  früher  eingetretene  Beseitigung  des  Follis  der  Senatoren 
zu  beschränken.  Demnach  besitzen  wir  für  Zosimus'  Lebensdauer 
keinen  sicheren  Endtermin,  werden  ihn  aber  nicht  im  5.,  sondern  im 
6.  Jahrhundert  zu  suchen  haben.  Dasselbe  gilt  von  Epiphanias, 
dessen  Tod  natürlich  später  angesetzt  werden  muss.  Endlich  Euagrius 
selbst  scheint  auch  noch  vor  dem  Jahre  601  gestorben  zu  sein;  ein 
positives  Datum  aber  fehlt  auch  für  ihn. 

*)  [Byzantinische  Zeitschrift  12,  1903,  S.  533.] 

1)  Die  Jahrzahl  beruht  auf  Theophanes  (p.  14,  3  de  ßoor),  J.  d  W.  5993 
=  n.  Chr.  500/1 ,  ist  also  keineswegs  sicher.  Die  Erlasse  Cod.  Tust.  XI,  1, 1.  2 
haben  das  Datum  verloren. 


LXXIV. 

lieber   die    dem  Cassius  Dio    beigelegten    Theile    der 

Planudischen  und  der  Constantinischen  Excerpte.*) 

I. 

Die  planudischen  Excerpte.**) 
82  Yon  dem  Mönch  Maximus  Planudes,  der  im  14.  Jahrhundert  in 

Constantinopel  mancherlei  Compilationen  angefertigt  hat,  giebt  es 
bekanntlich  auch  eine  solche  historischen  Inhalts,  betitelt  ovvaycoyi] 
ovXXeyEioa  äjib  öiacpoQcov  ßißUcov  jcagd  tov  oocpcüxdTOv  xal  Xoyio)xdrov 
xal  rifiicoraTov  iv  fiova^oTg  hvqiov  Ma^ijuov  rov  Ilkavovdr}  ndvv 
dxpeXijuog.  A.  Mai  fand  diese  Compilation  in  zwei  vaticanischen 
Handschriften,  einer  des  14.  Jahrh.  und  einer  jüngeren^;  Kramer 
(Strab.  praef.  p.  XLV)  in  der  Pariser  n.  1409;  auch  die  von  Heidel- 
berg nach  Paris  und  Rom  geführte,  jetzt  wieder  in  Heidelberg  be- 
findliche Handschrift  Nr.  129  des  Sylburgischen  Verzeichnisses  muss 
wenigstens  einen  Theil  derselben  enthalten.  Siebenkees  und  Kramer 
haben  diese  CoUectaneen  für  den  Strabo  benutzt;  Mai  hat  im  2.  Band 
seiner  Scriptores  (1827)  p.  552  verzeichnet,  was  ihm  daraus  aus 
Cassius  Dio  herzurühren  schien  und  das  Ungedruckte  davon  daselbst 
p.  527 — 555  herausgegeben.  Ausserdem  finden  sich  darin  nach  den 
Angaben  von  Siebenkees,  Mai  und  Kramer  Stücke  aus  Plato,  Aristo- 
teles, Pausanias,  Dio  Chrysostomus,  Johannes  Lydus,  Basilius,  Synesius 
und  vielleicht  noch  aus  manchen  Andern;  eine  erschöpfende  Unter- 

*)  [Hermese,  1871,  S.  82  — 91.] 
**)  [Die  hier  von  Mommsen  angeregte  Frage   ist  seitdem  öfters  behandelt 
worden,  zuletzt  von  Boissevain  in  seiner  Ausgabe  des  Cassius  Dio  Bd.  I  (Berlin 
1895)  praef.  S.  CXI  ff.,  wo  auch  die  weitere  Literatur  verzeichnet  ist.    Das  Haupt- 
resultat der  Mommsenschen  Darlegung  hat  sich  dadurch  als  gesichert  erwiesen.] 

1)  Nam  tertii  minor  fruetus  erat,  fügt  er  in  der  Vorrede  p.  XXXV  hinzu. 
Die  von  Siebenkees  angegebene  Bibliotheknummer  Pal.  105  ist  nach  Mai  irrig, 
was  Kramer  bestätigt;  die  richtige  Nummer  giebt  Mai  nicht  an.  [Genauere 
Angaben  über  die  Hss.  der  Exzerpte  macht  Boissevain  a.  a.  0.  S.  CXHI  f.] 


Ueber  Planudische  und  Constantinische  Excerpte.  701 

suchung  der  ganzen  Masse  hat  meines  Wissens  nicht  stattgefunden.  83 
—  Die  von  Mai  als  dionisch  herausgegebenen  Bruchstücke  sind  seit- 
dem in  die  Ausgaben  des  Dio  von  Bekker  und  Dindorf  übergegangen, 
wie  es  scheint,  ohne  dass  die  inuicta  argumenta,  auf  Grund  deren 
Mai  (p.  427  vgl.  praef.  p.  XXY)  dieselben  dem  Dio  beigelegt  hat, 
ernstlich  nachgeprüft  worden  wären.  Dass  dies  nicht  überflüssig 
gewesen  wäre,  soll  hier  gezeigt  werden. 

Planudes  hat  ofl'enbar  diese  Excerpte  entweder  aus  einem  ein- 
zigen im  Allgemeinen  chronologisch  geordneten  und  von  Romulus 
bis  auf  Gratian  reichenden  "Werk  genommen  oder,  wenn  aus  ver- 
schiedenen Werken,  selbst  seine  Auszüge  in  dieser  Folge  zusammen- 
gestellt. Wir  betrachten  dieselben  zunächst  nach  den  vier  Zeit- 
abschnitten, in  die  sie  sich  zweckmässig  zerlegen  lassen:  von  Romulus 
bis  auf  den  viriathischen  Krieg;  die  sullanische  Zeit;  von  dem  mithra- 
datischen  Krieg  bis  auf  Elagabalus;  von  da  an  bis  auf  Gratian. 

1.  Die  Fragmente,  welche  die  Epoche  von  Romulus  bis  zum 
viriathischen  Krieg  betreffen,  verzeichne  ich  hier,  wie  sie  nach  Mai 
in  den  planudischen  Collectaneen  auf  einander  folgen,  da  aus  den 
gangbaren  Ausgaben  darüber  keine  Uebersicht  zu  gewinnen  ist.*) 

Mai  fr.     1     Dindorf  fr.     5,  2. 
2  „        „    11,8. 


T) 

3 

» 

n 

11,9. 

n 

4 

» 

n 

13,  1  =  E.  1,  9. 

T) 

5 

» 

7) 

17,  13. 

n 

6 

n 

n 

18,1. 

1) 

7 

n 

n 

19,2. 

•n 

8 

n 

n 

25,8. 

n 

10 

n 

rt 

25,9. 

n 

11 

n 

r) 

27. 

r 

12 

n 

r> 

31,  vollständiger  bei  Suidas  u.  d.  W.  Toqxov- 
äro?;  =  E.  2,  5. 

ff 

14 

„ 

f) 

30,  aber  in  anderer  Form. 

r 

n 

18 

n 

n 

34,  vollständiger  bei  Suidas  u.  d.  W.  KbXtoi; 
=  E.  2,  6. 

n 

p 

20 

« 

V 

35,6. 

n 

n 

21 

n 

r> 

35,-3. 

rt 

r) 

22 

» 

n 

36,9. 

D 

r> 

26 

r> 

n 

39,  2. 

n 

r 

27 

n 

n 

39,  2  am  Ende. 

*)  [Vgl.  jetzt  Boissevain  a.  a.  0.  S.  CXIV  ff.] 


Mai  fr. 

33  ] 

Dind 

«  n 

34 

n 

»   « 

35 

n 

»  n 

37 

n 

»   « 

40 

T) 

n      n 

42 

n 

»   » 

43 

n 

«   » 

44 

n 

»   « 

54 

)i 

)7   » 

55 

n 

702  lieber  Planudische  und  Constantinische  Excerpte. 

Dindorf  fr.  40,  17  =  E.  2,  11. 

84  „  „  34  „  „  40,  20  =  E.  2,  11. 
40,  41  =  E.  2,  13. 
40,  44,  vollständiger  bei  Suidas  u.  d.  W.   0a- 

ßQixiog;  =  E.  2,  14. 
43,  24. 
71. 
43,  28,  vollständiger    bei    Suidas    u.    d.    W. 

PrjyovXog;  =  E.  2,  25. 
44. 

57,  27. 
57,  37,  ön  IlrohjLiaiog  Alyvnxov  ßaodevg  u.  s.  w. 

56  du  im   IlToksjuaiov    rov   micpavovg   'Irjoovg    6    xov    ^igax 
'lovöacoig  rrjv  Tiavagsrov  oo(piav  sis'&ero. 

57  Dindorf  fr.  57,  41. 
57,  44. 

66,  5  =  E.  4,  7. 
66,  6  =  E.  4,  8. 
70,  1  =  E.  3,  15. 
80,   genauer  bei  Suidas  u.  d.  W.  Bogiav^og; 

=  E.  4,  16. 
„     „     66  ön  rö  juerd   rov  tzqcütov  xrjg  'Pco/urjg  ovvoixiojuöv  e^axooio- 
ordv  XQiaxooTOv  nifxnxov  exog  enl  xrjg  exaxooxrjg  e^axooxijg 
xExoLQxrjg  fjv  dXvjuTiiddog. 

Diese  Stücke  dem  Dio  beizulegen  ist  Mai  hauptsächlich  dadurch 
veranlasst  worden,  dass  nachher,  wie  wir  sehen  werden,  dionische 
Excerpte  folgen.  Aber  einmal  werden  diese,  wie  sogleich  gezeigt 
werden  soll,  durch  Auszüge  aus  dem  Plutarch  von  der  hier  in  Frage 
stehenden  Masse  geschieden.  Sodann  aber  lässt  sich  auf  das  Be- 
stimmteste zeigen,  dass  unsere  Bruchstücke,  so  wie  sie  liegen,  einem 
um  Jahrhunderte  jüngeren  Autor  entnommen  sein  müssen.  Dafür 
ist  vor  allem  entscheidend,  dass  ein  nicht  geringer  Theil  derselben 
einfach  aus  dem  Eutrop  übersetzt  oder  vielmehr  einer  griechischen 
Metaphrase  des  Eutrop  entlehnt  ist;  es  sind  dies  die  zwölf  in  dem 
Yerzeichniss  mit  E.  bezeichneten  Stellen,  von  denen  hier  zwei  zur 
Probe  stehen  mögen. 

85  fr.  40,  20  Eutrop.  2,  11 

ön  JJvQQog  rovg  xaxä  rrjv  judxfjv  tietixco-  Pyrrlius  Romanos  . . .  occisos 
xoxag  'Pcojualovg  smixeXwg  Maips'  xal  sepelivif.  quos  cum  adverso 
'&avjudCo)v  xö  cpoßsQÖv  xov  ei'dovg  xcöv     vulnere  et  truci  vultu  etiam 


58 

n 

n 

59 

n 

n 

60 

n 

r 

61 

r 

» 

64 

« 

« 

Ueber  Planndische  und  Constantinische  Eicerpte.  703 

avdg&v  eil  diaaoil^ofjLeyov  xal  Sncog  evav-  mortuos  iacere  vidisset,  ttdisse 

jia    jidvzsg    £(peQov    roavfiara,    Xsyexai  ad  caelum  mantis  dicitur  cum 

dvarsivag  eg  ovgavöv  rag  ydgag  roiomovg  hoc  voce  se  iotkcs  orhis  domi- 

ev^ao^ai  ol  yeveodai  avjufidyovg'  gadicog  num  esse potuisse,  si  tales  sihi 

yoLQ  av  HQajrjOELE  Ti]g  oixovjuevijg.  milites  configissent. 

fr.  66,  5  Eutrop.  4,  7 

on  IleQOEvg,    voraxog   ßaodevg   Maxe-  Ipse  rex,  cum  desereretur  ab 

öovcag,  y.arahjujiavo/uEvog   ev    reo   .t^o?  aniicis,  venit  in  Pauli potesta- 

'Pcojuaiovg    no?Jjucp    vnb    xcbv    otxeicov,  tem.  sed  honorem  ei  Aeniilius 

djioyvovg  (pegüiv  evEyeiQioev  iavTov  Atfii-  Paulus  consid  non  quasi  victo 

Ucp  IIavX(p.      6    de  neoeiv  ßovXrj^evza  hahuit,  nam  et  volentem  ad 

TiQog  ToTg  yovaoiv  aircov  dvaaxijaag  xai  pedes  sibi  cadere  non  permisit 

ejumoiv  'äv&QOiTK,  xi  fxov  xa^igeig  xb  et  iuxta  se  in  sella  coUocavit. 
xaxoQ-^cofxa;'  em  xivog  ßaoiXixov  ^govov 
ndgeögov  avxco  xaxeoxrjoaxo. 

Diese  beiden  Stellen  sind  desshalb  ausgewählt,  weil  wir  von  bei- 
den Anekdoten  auch  die  wirklich  dionische  Fassung  besitzen  40,  19 
und  66,  4  Dind.,  die  von  der  eutropischen  wesentlich  abweicht:  zum 
Beispiel  heisst  es  an  der  letzten  Stelle :  avxov  eg  xr]v  'A/MpuioXiv  äyßevxa 
6  IlavXog  ovöev  ovxe  egyco  ovxe  Xöyq>  deivöv  eögaoev,  äXXd  xal  ngo- 
ciovxi  ol  vnavaoxdg  xd  xe  dXXa  ede^icooaxo  xal  öfxooixov  ejTOiTJoaxo,  ev 
xe  cpvXaxf]  dÖeojuco  xal  ev  '^egoTteia  jioXXij  fjye.  Die  eutropische  Ueber- 
setzung  ist  nicht  die  noch  vorhandene  des  Paeanius,  sondern  eine 
andere  verlorene,  vielleicht  die  des  Capito  aus  Lykien,  welche  Suidas 
(u.  d.  W.)  erwähnt,  —  "Welche  weiteren  Quellen  dem  Verfasser  vor- 
gelegen haben  mögen,  ist  nicht  mit  gleicher  Bestimmtheit  zu  sagen. 
Es  ist  der  Annahme  nichts  im  Wege,  dass  er  den  Dio  neben  dem 
Eutrop  gebraucht  hat,  aber  zwingende  Gründe  für  diese  Annahme 
finde  ich  wenigstens  in  den  planudischen  Excerpten  nicht,  und  aus 
den  dionischen  Fragmenten  müssen  nicht  blos  die  eutropischen,  son- 
dern sämmtliche  oben  verzeichnete  Excerpte  entfernt  werden.  Sie  86 
rühren  von  einem  Schriftsteller  her,  der,  da  er  eine  Metaphrase  des 
Eutrop  ausschreibt,  nicht  vor  dem  Ende  des  4.  Jahrhunderts  sein 
Werk  verfasst  hat;  und  es  finden  sich  auch  in  der  nicht  beträcht- 
hchen  Masse  genug  der  Dinge,  die  Dios  unwürdig  sind  und  die  eher 
an  Malalas  und  Cedrenus  erinnern  —  so  die  symbolische  Deutung 
der  Ceremonien  bei  Roms  Gründung  fr.  5,  2;  die  alberne  Erzählung 
von  dem  Ankläger  des  Camillus  Februarius,  dem  zur  Schande  der 
Monat   dieses  Namens  verstümmelt  worden  sei  fr.  27 ;  die  Verstüm- 


704  lieber  Planudische  und  Constantinische  Excerpte. 

melung  von  Viriathus  und  Caepio  in  Borianthos  und  Scipio^  fr,  80; 
die  Verschiebung  der  aus  dem  dritten  punischen  Kriege  bekannten 
Belagerungsgeschichten  in  den  ersten  fr.  71;  die  Hereinziehung  zweier 
die  Ptolemäer  und  den  Jesus  Sirach  betreffenden  Notizen  57,  37 
Dind.  und  56  Mai.  "Wir  stehen  hier  schon  im  reinen  Byzantinismus, 
in  dessen  Entstellung,  AUegorisirung  und  Anekdotisirung  des  über- 
lieferten Stoffes  die  immer  schwankenden  Grenzen  zwischen  Ge- 
schichte und  Roman  vollständig  verschwinden. 

Es  bleibt  noch  übrig  den  Namen  des  wahren  Verfassers  zu  be- 
zeichnen, dem  diese  Bruchstücke  gehören:  und  er  liegt  nicht  fern. 
Schon  Mai  hat  gesehen,  dass  das  von  Planudes  ausgezogene  Ge- 
schichtswerk auch  dem  Suidas  vorgelegen  hat  und  dass  eine  relativ 
beträchtliche  Anzahl  der  von  Planudes  ausgezogenen  Stellen  bei 
diesem,  und  zwar  grossentheils  vollständiger,  wiederkehrt^.  Zur  Er- 
mittelung des  Verfassers  hilft  dies  freilich  nicht  weiter;  denn  keinem 
dieser  Fragmente  hat  Suidas  den  Namen  des  Verfassers  beigesetzt. 
Aber  eines  derselben,  das  Planudes  (fr.  80  bei  Dindorf)  und  in  mehr 
authentischer  Form  Suidas  aufbewahrt  haben  —  es  ist  das  schon 
erwähnte  von  Borianthos,  das  ist  von  Viriathus  handelnde  —  kehrt  in 
wörtlicher  Uebereinstimmung  mit  Suidas  wieder  in  den  constantini- 
schen  Excerpten  de  consiliis,  und  zwar  hier  unter  den  Auszügen  aus 
dem  Johannes  von  Antiochia  (fr.  60  p.  559  Müll.).  Auch  hat  man 
längst  bemerkt  (Müller  4,  538),  dass  eine  der  Hauptquellen  dieses 
Schriftstellers  eine  griechische  Bearbeitung  des  Eutrop  ist;  und  zwar 
eine  von  der  noch  vorhandenen  verschiedene.  Also  nicht  den  Cassius 
Dio  hat  Planudes  hier  excerpirt,  sondern  den  Johannes;  und  alle 
87  Merkmale,  die  gegen  die  Autorschaft  Dios  sprechen,  passen  umgekehrt 
yollkommen  auf  diesen  späten  christlichen  Scribenten. 

2.  Die  bei  Planudes  aufbehaltenen  Fragmente,  welche  von  dem 
mithradatischen  Kriege  Luculis  bis  auf  Elagabalus  reichen,  sind  un- 
zweifelhaft dionisch;  an  drei  Stellen  werden  die  Auszüge  eingeleitet 
mit  öu  Aicov,  welche  Stellen  in  der  That  bei  Dio  44,  2.  72,  23.  75,  4 
erscheinen,  und  auch  die  grosse  Masse  der  übrigen  Auszüge  findet 
bei  Dio,  wie  wir  ihn  besitzen,  sich  wieder.  Die  wenigen,  bei  denen 
dies  nicht  der  Fall  ist,  hat  Dindorf  in  seiner  Ausgabe  Bd.  5  S.  234 — 
236  zusammengestellt  3;   es  ist  nicht  zu  bezweifeln,   dass  auch  diese 

1)  SxrjjiLwv  haben  Planudes  und  Suidas;  Dindorf  hätte  es  nicht  in  Kamicov 
ändern  sollen. 

2)  Unter  den  Worten  dfivoostv,  cbioaTvyovvTSS ,  BoQiavd^og ,  Bqevvo?  ,  KsXxoi, 
PiqyovXog,   ToQXoväto?,   ^aßgixiog,   ^eßgovagiog. 

3)  Es  sind  dabei  die  Stellen,  die  Mai  als  unedirt  gegeben,  aber  Dindorf  am 
Rande  bei  Dio  nachgewiesen  hat,  in  Abzug  zu  bringen.     Durch  Versehen,  wie 


Ueber  Planudische  und  Constantinische  Excerpte.  705 

dem  Dio  angehören.  Aber  daraus  folgt  noch  nicht,  dass  Planudes 
oder  des  Planudes  Gewährsmann  für  diesen  Abschnitt  den  vollstän- 
digen Dio  vor  sich  gehabt  hat;  ja  es  lässt  sich  das  Gegentheil  be- 
stimmt erweisen,  so  weniges  auch  aus  diesem  Abschnitt  gedruckt 
vorliegt.  Die  vier  ersten  Excerpte  dieser  Masse  hat  Mai  als  fr.  74 — 77 
abgedruckt;  von  diesen  ist  fr-,  76  zusammengestellt  aus  Dio  36,  30,  3 
und  36,  37,  1,  ganz  ebenso  wie  diese  beiden  Stellen  in  Xiphüins 
Auszug  verschmolzen  erscheinen,  und  ebenso  wird,  wer  vergleicht, 
sieh  leicht  überzeugen,  dass  fr.  77  identisch  ist  mit  dem  xiphilinischen 
Auszug  von  Dio  36,  43.  44.  Ebenso  stimmt  fr.  75  wörtlich  mit  der 
xiphilinischen  Fassung,  die  statt  der  verlorenen  dionischen  jetzt  bei 
diesem  36,  3  a  eingerückt  ist.  Nun  hat  freilich  der  Yerfasser  dieser 
Compilation  nicht  den  Xiphilinos  benutzt,  da  er  viele  bei  diesem 
nicht  vorkommende  Stellen  aus  Dio  beibringt;  aber  ein  älterer 
Auszug  aus  Dio  muss  die  gemeinschaftliche  Quelle  der  xiphilinischen 
wie  der  planudischen  Excerpte  sein.  Diesem  ältesten  Compilator 
selber  aber  haben  von  Dios  grossem  Werke  wohl  die  fi-üheren  Bücher 
nicht  vorgelegen,  da  Xiphihnos  wie  Planudes  ungefähr  an  derselben 
Stelle  mit  dem  J.  d.  St.  685,  nicht  bedeutend  vor  dem  jetzigen  An- 
fangspunkt der  dionischen  üeberreste,  anheben. 

3.  Dass  für  die  suUanische  Epoche  von  Planudes  oder  dem  Ge- 
währsmann desselben  nicht  Dio,  sondern  Plutarchs  Sulla  benutzt  ist, 
hat  Dindorf  (Yorrede  zu  Bd.  5  S.  YII)  richtig  ausgeführt  imd  zu- 
gleich nachgewiesen,  dass  bereits  die  Compilatoren  des  Porphyro- 
gennetos  das  dionische  Werk  in  ähnlicher  Weise  durch  den  Sulla  88 
des  Plutarch  ergänzt  vorgefunden  und  ausgezogen  haben.  Gewiss 
hängt  diese  Ergänzung  des  dionischen  Werkes  durch  die  plutarchische 
Biographie  Sullas  zusammen  mit  der  oben  ausgeführten  Wahrnehmung, 
dass  für  die  zweite  Hälfte  desselben  schon  in  ziemlich  früher  Zeit 
das  J.  678  d.  St.  der  faktische  Anfangspunkt  geworden  ist.  Der 
Abschnitt  desselben,  der  von  Sulla  handelte,  muss  früh  verloren  ge- 
gangen und  so  als  Surrogat  diese  litterarische  Combination  eingetreten 
sein.  —  Dem  Plutarch  gehören  bei  Planudes  die  Excerpte  67 — 72 
nach  Mais  Zählung;  ausser  denen,  die  bereits  Dindorf  (Bd.  I  S.  143—146) 
mit  Recht  aus  der  Reihe  der  dionischen  Fragmente  gestrichen  hat, 
ist  noch  ferner  zu  tilgen  fr.  103,  l  =  Plutarch  Süll.  14.  Wenn  in 
dem  zweiten  dieser  plutarchischen  Fragmente  68  Mai  :=  p.  1 43  Din- 
dorf als  Gewährsmänner  Xivius  imd  Diodoros'  angeführt  werden,  so 

es  scheint,  fehlt  bei  Dindorf  das  Excerpt  p.  553  fr.  78  Mai,  das  zwischen  54,  21 
und   23    gestanden   haben   soll,    beginnend:   ort   KoQvr)liov   zivog  cuziav  naoa  xov 

Kataaoo;  u.  s.  w. ;  es  ist  gewiss  dionisch. 


II 


MOIIMSEX.    SCHR.  VU. 


45 


706  Ueber  Planudische  und  Constantinische  Excerpte. 

kann  die  Nennung  des  ersteren  darauf  zurückgehen,  dass  Plutarch 
im  Sulla  c.  5  sich  auf  ihn  beruft;  die  Erwähnung  Diodors  in  dieser 
Verbindung  ist  wohl  nichts  als  Confusion  des  späten  Byzantiners, 
aus  dem  Planudes  hier  schöpft,  oder  auch  des  Planudes  selbst.  — 
Das  planudische  Fragment  73  Mai  =  106,  2  Dindorf,  den  Untergang 
der  sibyllinischen  Bücher  bei  dem  Brande  des  Capitols  im  J.  671 
betreffend,  ist  nicht  aus  Plutarch,  und  da  es  genau  auf  der  Grenze 
steht  zwischen  den  plutarchischen  und  den  dionischen  Excerpten, 
kann  es  der  letzteren  Masse  beigezählt  werden;  aber  da  diese,  wie 
wir  sahen,  wahrscheinlich  erst  mit  685  anhob,  so  ist  vermuthlich  diese 
Notiz  aus  irgend  einer  dritten  Quelle  hier  eingelegt. 

4.  Die  planudischen  Excerpte  reichen  bis  über  die  Zeit  hinab, 
wo  Dio  schliesst;  die  wenigen  in  diese  Epoche  fallenden  Stücke,  von 
denen  das  jüngste  den  Kaiser  Gratian  betrifft,  sind  bei  Dindorf  5,  233 
abgedruckt. 

Es  hat  also  Planudes,  wofern  er  selbst  hier  verschiedene  Quellen- 
werke nach  einander  in  historischer  Folge  ausgezogen  hat,  zunächst 
den  Johannes  Antiochenus  benutzt,  ferner  von  Sulla  ab  einen  zu 
Anfang  aus  dem  Sulla  Plutarchs  vervollständigten  Auszug  aus  Dio, 
endlich  eine  mindestens  bis  auf  Gratian  hinabgeführte  Fortsetzung 
der  dionischen  Annalen.  Aber  es  kann  auch  sein,  dass  er  alle  diese 
Auszüge  einem  einzigen  Geschichtswerk  entlehnt  hat,  welches  in  die- 
sem Fall  kein  anderes  sein  kann  als  das  des  Johannes  Antiochenus. 
Ohne  eine  eingehende  Untersuchung  über  die  Frage  anstellen  zu 
wollen,  ob  auch  die  Auszüge  aus  Plutarchs  Sulla  und  aus  Dio  wie 
89  aus  der  Fortsetzung  desselben  dem  Planudes  durch  Vermittelung  des 
Johannes  zugekommen  sind,  bin  ich  doch  geneigt  dieselbe  zu  bejahen. 
Dass  Dies  Name  einigen  Auszügen  bei  Planudes  vorgesetzt  ist,  steht 
nicht  entgegen;  wenn  Johannes,  wo  er  den  Dio  zur  Hand  nahm,  ihn 
als  seinen  Gewährsmann  namhaft  machte,  so  konnte  dies  den  Planu- 
des bestimmen  seine  Auszüge  auf  den  Dio  zurückzuführen.  Johannes 
hat  für  die  Kaisergeschichte  bis  auf  Marcus  nach  Ausweis  seiner 
zweifellosen  Fragmente  den  Dio  oder  auch  einen  daraus  geflossenen 
Auszug  fast  ausschliesslich  benutzt  und  es  scheint  nichts  im  Wege 
zu  stehen,  die  betreffenden  planudischen  Excerpte  als  durch  Johannes 
aus  Dio  übernommene  zu  betrachten.  Yon  Commodus  an  folgt  aller- 
dings Johannes  in  den  gesicherten  Ueberresten  hauptsächlich  dem 
Herodian,  während  in  den  planudischen  Excerpten  auch  hier  Dio 
vorwaltet;  aber  einzeln  erscheinen  in  dem  von  Herodian  erzählten 
Zeitabschnitt  doch  auch  in  den  andern  Fragmenten  des  Johannes 
dionische    Auszüge    (so   fr.  134  Müll.)   und  man  wird   wegen   dieser 


Ueber  Planudische  imd  Constantinische  Excerpte.  707 

allerdings  befremdenden  Discrepanz  eine  sonst  fast  unabweisliche 
Combination  nicht  aufgeben  dürfen.  Bevor  die  planudischen  Excerpte 
vollständig  durchgearbeitet  sind,  ist  die  Frage  allerdings  nicht  end- 
giltig  zu  entscheiden.  Es  ist  der  Zweck  dieser  Notiz  einen  unsrer 
jüngeren  Fachgenossen,  der  Zeit  und  Gelegenheit  dazu  hat,  zu  dieser 
Arbeit  zu  veranlassen,  die  nicht  überflüssig  sein  wird,  sollte  sie  auch 
mehr  dazu  führen  schlechte  Münze  aus  unserem  Bestände  zu  ent- 
fernen als  diesen  selbst  zu  mehren. 


n. 

Die  Excerpte    des   constantinischen  Titels  de  sententiis*) 

Genau  dasselbe  Versehen,  das  hinsichtlich  der  planudischen  Ex- 
cerpte stattgefunden  hat,  Auszüge  aus  dem  Johannes  für  solche  aus 
Dio  auszugeben,  hat  Mai  auch  in  dem  Titel  de  sententiis  der  con- 
stantinischen Sammlung  sich  zu  Schulden  kommen  lassen.  "Was  er 
davon  dem  Dio  beilegt,  zerfällt  in  zwei  Massen.  Die  erste,  von  der 
Vorrede  bis  auf  die  Schilderung  der  cannensischen  Schlacht  reichend, 
ist  unzweifelhaft  aus  dem  vollständigen  Dio  geflossen.  Die  zweite 
(p.  197 — 246  Mai,  vollständig  wieder  abgedruckt  in  dem  5.  Bande 
der  Ausgabe  Dindorfs  S.  181  —  232)  reicht  von  Augustus  bis  Con- 
stantin  und  kann  also  selbstverständlich  wenigstens  in  der  zweiten 
Hälfte  dem  Dio  nicht  gehören.  Aber  dass  auch  derjenige  TheU, 
der  dem  Inhalt  nach  mit  Dio  zusammentrifft,  wohl  materiell  aus  dessen  90 
Werk  entlehnt,  aber  von  den  Compilatoren  nicht  aus  Dio,  sondern 
aus  einem  seiner  Ausschreiber  entnommen  ist,  und  zwar  eben  aus 
dem  Johannes,  hat  eigentlich  schon  K.  Müller  in  den  fragm.  histor. 
4,  191  nachgewiesen,  obwohl  er  sein  eigenes  Resultat  nicht  gelten 
lassen  will.  Schon  Mai  wies  auf  die  enormes  varietates  lectionis  hin, 
die  dieser  Abschnitt  verglichen  mit  Dio  darbietet,  weshalb  er  ihn 
eben  auch  ganz  hat  abdrucken  lassen;  man  braucht  nur  hineinzu- 
sehen, um  sich  davon  zu  überzeugen,  dass  diese  Abweichungen  nicht 
von  den  Eklogarien  Constantins,  sondern  von  einem  älteren  und  freier 
arbeitenden  Epitomator  herrühren.  Müller  wies  weiter  hin  auf  das 
den  Caligula  betreffende  Fragment  p.  204  Mai,  p.  186  Dind.,  das 
wohl  aus  Dio  59,  22,  4  geflossen  ist,  aber  in  der  Fassung  keines- 


II 


*)  [Auch  den  hier  erbrachten  Nachweis,  daß  die  zweite  Excerptenmasse 
undionisch  ist,  hat  die  weitere  Forschung  bestätigt.  Dagegen  ist  ihre  Zuweisung 
an  Johannes  Antiochenus  widerlegt  und  für  diesen  vielmehr  Petrus  Patricius  an 
die  Stelle  gesetzt  worden  von  Boissevain,  De  excerptis  Pianudeis  et  Constanti- 
nianis ,   Rotterdam  1884  und  besonders  de  Boor ,  Byz.  Zeitsc^.  I  (1892)  S.  13  flF.] 

45* 


708  Ueber  Planudische  und  Constantinische  Excerpte. 

wegs  mit  Dio,  dagegen  wörtlich  mit  einem  sicheren  Bruchstück  des 
Johannes  (fr.  83  bei  Müller)  stimmt.  Also  wird  was  in  dem  Titel 
jiegl  yvcofx&v  von  römischer  Kaisergeschichte  sich  vorfindet,  aus  dem 
Johannes  genommen  sein.  Für  den  nachdionischen  Abschnitt  sprach 
schon  Mai  diese  so  nahe  liegende  Vermuthung  aus;  Müller  verwarf 
sie,  weil  Johannes  Chronik  von  Adam  bis  zum  Schluss  des  6.  Jahr- 
hunderts n.  Chr.,  hier  aber  die  Erzählung  nur  von  Augustus  bis 
Constantin  reiche;  weil  sie  hier  ausführlicher  sei  als  sonst  bei  Johan- 
nes und  weil  Johannes  in  dem  Abschnitt  von  Commodus  bis  Gordian 
aus  Herodian  schöpfe,  was  hier  nicht  der  Fall  sei.  Er  hat  es  darum 
vorgezogen  diese  Fragmente  einem  Anonymus  qui  Dionis  historias 
continuavit  beizulegen  (4,  191 — 199)  und  sie  von  denen  des  Johannes 
getrennt.  Aber  das  erste  seiner  Argumente  ist  nichtig,  da  die  frag- 
lichen Excerpte  am  Anfang  wie  am  Schluss  defect  sind.  Sehr  wesent- 
liche Verschiedenheit  ferner  in  der  Behandlung  des  Stoffs  kann 
ich  zwischen  den  sicheren  Fragmenten  des  Johannes  und  den  hier 
in  Frage  stehenden  nicht  finden.  Das  Gewicht  des  letzten  von 
Müller  beigebrachten  Arguments  verkenne  ich  nicht;  es  ist  auffallend, 
dass  die  Spuren  Herodians  in  diesen  Bruchstücken  sich  nicht  vor- 
finden, wie  dies  auch  in  Betreff  der  gleichartigen  planudischen  Ex- 
cerpte schon  eingeräumt  werden  musste.  Dass  die  die  Kaiserge- 
schichte betreffenden  Excerpte  des  Titels  de  sententns  aus  derselben 
Quelle  geflossen  sind  wie  die  planudischen,  ist  evident;  wie  denn 
auch  Dindorf,  ohne  sonst  den  Sachverhalt  zu  erkennen,  wenigstens 
die  drei  nachdionischen  den  Maximianus,  Constantin  und  Gratian  be- 
treffenden Bruchstücke  bei  Planudes  richtig  mit  den  entsprechenden 
91  Fragmenten  des  constantinischen  Titels  combinirt  hat.  Aber  auch 
die  Zurückführung  beider  Massen  auf  den  Johannes  von  Antiochia 
scheint  mir  kaum  einem  Zweifel  zu  unterliegen. 

Ueberhaupt  wäre  dringend  zu  wünschen,  dass  einer  unserer 
jüngeren  und  weniger  beschäftigten  Genossen  es  sich  angelegen  sein 
Hesse  dem  unbillig  vernachlässigten  Johannes  die  Wohlthat  einer 
gesonderten  Sammlung  und  Bearbeitung  zuzuwenden,  wobei  dann 
auch  sein  Yerhältniss  zum  Xiphilinos  und  vor  allem  zum  Zonaras, 
der  ihn  entschieden  gebraucht  hat,  ins  Auge  zu  fassen  wäre;  ferner 
seine  Benutzung  durch  Suidas,  unter  dessen  anonymen  die  römische 
Geschichte  betreffenden  Citaten  eine  grosse  Menge  ans  dem  Johannes 
sein  muss.*)    Dios  Geschichtswerk  nimmt  in  der  späteren  griechischen 


*)  [Hierzu  schreibt  mir  de  Boor:   , Obwohl   in  der  Zwischenzeit  die  Anti- 
ochenus- Frage  namentlich  in  den  ersten  Bänden  der  Byz.  Zeitschr.  sehr  lebhaft 


üeber  Planudische  und  Constantinische  Excerpte.  709 

Litteratur  einen  ähnlichen  Platz  ein  wie  Livius  in  der  lateinischen; 
das  Epitomiren  des  Werkes  und  wieder  der  Epitomen  desselben 
einer-  und  das  Fortsetzen  andrerseits  ist  die  Geschichtschreibung 
dieser  Epoche:  und  eines  der  wichtigsten  Glieder  in  dieser  Kette 
ist  Johannes  von  Antiochia. 


ventiliert  worden  ist,  fehlt  es  zur  Erfüllung  von  Monunsens  Wünschen  noch  an 
jedem  Fundament."] 


LXXV. 

Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des 
Johannes  Malalas.*) 

323  Nachdem  ich  vor  einiger  Zeit  in  diesen  Blättern  (oben  S.  82  fg. 

[700  f.])  gezeigt  habe,  dass  verschiedene  bisher  für  dionisch  geltende 
Excerptenmassen  vielmehr  dem  Johannes  von  Antiochia  gehören,  bin 
ich  jetzt  durch  freundliche  Mittheilung  anderer  Forscher  in  den  Stand 
gesetzt  über  diesen  nicht  unwichtigen  Chronisten  des  7.  Jahrhunderts 
einige  aus  Handschriften  geschöpfte  Nachträge  vorzulegen,  die  den 
auf  diesem  Gebiet  thätigen  Arbeitern  willkommen  sein  werden, 

I. 

Den  ^^ ersten  dieser  Nachträge  verdanke  ich  Herrn  Professor 
Schäfer  in  Bonn  und  glaube  ihn  hier  nicht  unterdrücken  zu  dürfen, 
obwohl  er  in  der  kürzlich  in  Bonn  erschienenen  Inauguraldissertation 
des  Herrn  Dr.  A.  Köcher^  bereits  Erwähnung  gefunden  hat.  —  Ale- 
mannus  theilte  in  seinem  Commentar  zu  Prokops  Anekdotis  aus  einer 
vaticanischen  Handschrift  zwei  Bruchstücke  unter  dem  Namen  des 
Johannes  von  Antiochia  mit,  die  in  den  sonst  bekannten  Fragmenten 
desselben  nicht  wiederkehren  und  die,  da  sie  Justinian  betreffen,  von 
Müller  vermuthungsweise  dem  damals  unbekannten  Schluss  des  con- 
stantinischen  Titeh  TieQUmßovXöjv  beigelegt  und  also  als  fr.  217.  218 
seiner  Sammlung  der  Fragmente  des  Johannes  einverleibt  wurden. 
Indess  von  Verschwörungen  handeln  diese  Bruchstücke  nicht,  und 
in  den  inzwischen  vollständig  bekannt  gewordenen  wirklich  von 
Johannes  herrührenden  Excerpten  dieses  Titels  haben  sich  die  beiden 


*)  [Hermes  6,  1872,  S.  323-383.] 

1)  De  loannis  Antioeheni  aetate  fontibus  auctoritate  Bonn  1871.  Mir  lagen 
durch  Herrn  Schäfers  Güte  dieselben  von  Herrn  Dr.  Kruse  in  Rom  herrührenden 
Mittheilungen  vor,  aus  denen  Herr  Köcher  geschöpft  hat. 


Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas.   711 

alemannischen  nicht  gefunden.  Andererseits  haben  die  auf  Herrn 
Schäfers  Yeranlassung  im  Vatican  angestellten  Nachsuchungen  die 
von  Alemannus  benutzte  Handschrift  wieder  ans  Licht  gezogen;  es 
ist  cod.  Vat.  Graec.  96  saec.  XIV  oder  auch  der  wahrscheinlich  aus  324 
dem  eben  genannten  abgeschriebene  cod.  Vat.  Palat.  93  ebenfalls 
saec.  XIV.  Der  erstere  enthält  nach  den  ßioi  (pdoo6(pojv  des  Diogenes 
Laertius  und  den  ßioi  ooqpiojcöv  des  Philostratus  die  ägyaioloyia 
'Icodvvov  'AvTioyewg  eyovoa  xal  diaod(pr}oiv  rdtv  fiv^evofxevoiv,  welche 
nach  der  salmasischen  Abschrift  cod.  Paris.  1763  bei  Gramer  (anecd. 
Paris.  2,  3S3 — 401)  und  nach  ihm  von  Müller  abgedruckt  ist^  Diese 
Auszüge  füllen  in  der  Handschrift  96,  in  welcher  eine  übrigens  am 
Rande  bemerkte  Blattversetzung  stattgefunden  hat,  die  Blätter  99 — 102. 
106 — 111.  103;  auf  sie  folgen  andere  aus  dem  Agathias,  denen  der 
Name,  wenn  auch  erst  von  zweiter  Hand,  vorgesetzt  ist,  auf  den 
Blättern  103'  — 105.  112 — 114';  daran  schliesst  sich  die  noixiXr]  imogia 
Tiegl  Ccocov  idiojrjTog  von  Aelian.  Die  fraglichen  beiden  Fragmente^ 
bilden  den  Beschluss  der  Fragmente  des  Agathias,  und  werden 
also  zunächst  bei  diesem  zu  suchen  sein.  In  der  That  ist  das  zuerst 
stehende  (fr.  218  bei  Müller)  zusammengesetzt  aus  den  Angaben  des 
Agathias  p.  301,  6.  303,  5.  305,  16,  und  auch  das  zweite  nichts  als 
eine  allerdings  sehr  willkürliche  Redaction  des  von  Agathias  p.  332  fg. 
mitgetheilten  Schreibens  Justinians  an  den  Hunnenfürsten  Sandilchos; 
womit  also  diese  Frage  ihre  Erledigung  gefunden  hat. 

1)  Dieselbe  findet  sich  auch  in  dem  Neapolitaner  Codex  1.  E.  22,  wie  nach 
Bachmann  Müller  a.  a.  0.  p.  235  bemerkt  hat.  Wenn  Köcher  sagt:  inedita  res- 
tant  ea  fragmenta  (des  Johannes),  quae  codicibus  Neapolitano,  Vaticano  et  Escuria- 
lensi  insunt,  so  ist  dies  —  von  den  spanischen  abgesehen  —  falsch;  denn  die 
vaticanischen  wie  die  neapolitanischen  sind  ja  nichts  als  die  wohlbekannten, 
auch  von  Köcher  eben  vorher  angeführten  salmasischen.  Von  den  Johannes- 
fragmenten der  vaticanischen  Handschrift  96  hat  Hr.  Kruse  eine  Collation  ge- 
nommen :  zur  Probe  gebe  ich  die  Abweichungen  des  fr.  200  Müller.  §  1  tw^  im- 
diScoai]  (bg  i:Ti  ri  diScooi  —  t^  Avyovaxi]  —  tov  vor  Ma^iuov  wie  vor  'Aertov  fehlt 
—  TOV  ßaodeoig]  tov  ßaadsa  (wie  der  Salm.)  —  §  2  ovTog]  ovTCjg  —  Evdo^ia]  i) 
Evdo^ia  —  OTi  nach  (prjalv  fehlt  —  Tr;v  :töXiv]  ttjv  te  nöltv  —  Ttjv  ^vyaxioa]  xa; 
^'yaTsgag  —  ßaadscog]  tov  ßaodscog.  Der  Text  wird  hie  und  da  in  Kleinigkeiten 
berichtigt,  wie  man  sieht;  wesentlich  Neues  giebt  die  Handschrift  nicht.  Die 
neapolitanische  ist  auf  den  Johannes  noch  nicht  untersucht;  doch  wird  sicher 
von  ihr  dasselbe  gelten.  [Über  die  Handschriften  der  sog.  Exzerpta  Salmasiana 
und  ihr  Verhältnis  zu  einander  s.  jetzt  C.  de  Boor,  Zu  Johannes  Antiochenus 
im  Hermes  34,  1899,  S.  298  ff.  und  480.  Derselbe  teilt  mir  mit,  daß  er  die  voll- 
ständigen Kollationen  besitzt.] 

2)  Die  Abweichungen  der  Handschrift  von  Müllers  Text  theilt  Köcher  p.  2 
mit,  ohne  auf  das  Verhältniss  der  Stellen  zu  dem  gedruckten  Agathias  weiter 
sich  einzulassen. 


712    Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas. 

325  n.*) 

Von  positivem  Werthe  sind  dagegen  die  jetzt  endlich  vollständig 
bekannt  gewordenen  Fragmente  des  constantinischen  Titels  Ttegl 
emßovköjv.  Von  diesem  scheinen  nur  zwei  Handschriften  sich  er- 
halten zu  haben,  die  Pariser  N.  1666  und  die  der  Bibliothek  des 
Escurial  I.  ü.  11.  Jene  enthält  nichts  als  die  Auszüge  aus  dem 
Johannes  von  Antiochia  und  auch  von  diesen  fehlt  der  Schluss;  ihr 
Inhalt  wurde  zuerst  durch  J.  A.  Gramer  (1839)  ans  Licht  gezogen. 
Die  Inedita  der  Madrider  Handschrift  sind  bekanntlich  durch  K. 
Müller  und  A.  Feder  grösstentheils  bekannt  gemacht  worden;  durch 
einen  wunderlichen  Zufall  indess  wurde  von  beiden  der  in  der  Pariser 
Handschrift  fehlende  Schluss  der  Excerpte  des  Johannes  übergangen, 
nicht  minder  die  Auszüge  aus  dem  Johannes  Malalas  und  dem  Georgius 
Hamartolus.  In  Folge  dessen  ersuchte  ich  Herrn  Professor  Geppert 
bei  der  von  ihm  für  andere  litterarische  Zwecke  unternommenen 
Reise  nach  Spanien  auch  diese  seinen  eigenen  Studien  fern  liegende, 
aber  für  den  Historiker  empfindliche  Lücke  auszufüllen;  und  kurze 
Zeit  darauf  sandte  mir  derselbe  die  mit  grosser  Sorgfalt  gemachte 
Abschrift  sowohl  der  Schlussstücke  des  Johannes  ^  wie  der  gesammten 
Auszüge  aus  Malalas.  Die  beste  Anerkennung  dieses  mühevollen 
und  mit  Aufopferung  eigener  Interessen  von  Herrn  Geppert  den 
ferner  stehenden  Fachgenossen  erwiesenen  Dienstes  schien  die 
schleunige  Bekanntmachung  alles  dessen  zu  sein,  was  von  diesen 
Abschriften  für  den  Druck  geeignet  ist^,  indem  auch  ich  nicht  blos 

*)  [Die  in  diesem  Abschnitt  edierten  und  commentierten  Exzerpte  aus 
Johannes  von  Antiochia  sind  inzwischen  von  de  Boor  (Excerpta  historica  iussu 
Imp.  Constantini  Porphyrogeniti  confecta,  vol.  III:  Excerpta  de  insidiis,  Berlin 
1905)  S.  138  S.  auf  Grund  einer  neuen  Collation  der  Madrider  Hs.  herausgegeben 
worden.  Dennoch  erschien  es  wünschenswert,  diesen  Abschnitt  unverkürzt 
wiederzugeben,  da  der  historische  Commentar,  mit  dem  Mommsen  die  Exzerpte 
ausstattete,  unersetzt  ist,  aber  ohne  den  Text  der  Exzerpte  nicht  voll  verständlich 
sein  würde.  Text  und  kritischer  Apparat  sind  nach  der  genannten  Ausgabe 
revidiert,  die  Abweichungen  von  Mommsens  Ausgabe  aber  nur  in  Ausnahmefällen 
ausdrücklich  bezeichnet  worden.] 

1)  Nach  Abschluss  der  Arbeit  geht  mir  der  fünfte  Band  von  K.  Müllers 
fragmenta  historicorum  Graecorum  zu,  der  die  Fragmente  des  Johannes  nach  den 
Abschriften  des  Herrn  Bussemaker  bringt.  Ich  habe  die  Mittheilung  in  diesen 
Blättern  dennoch  nicht  unterlassen,  da  jenes  Werk  wohl  manchem,  der  sich  für 
diese  Forschungen  interessirt,  nicht  zukommen  wird,  auch  die  neuen  Bruchstücke 
des  Malalas  darin  so  gut  wie  ganz  fehlen. 

2)  Herr  Geppert  verglich  auch  Müllers  fr.  214  §1-6  [FHG  IV  S.  620f.] 
mit   dem   gedruckten  Text   und    bemerkt   daraus   folgende  Variauten:    §  1  xai 


Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas.    713 

andere  dringende  Arbeiten  zurückstelle,  sondern  auch  Bruchstücke 
bekannt  mache,  die  sachlich  und  spracbUch  wohl  einen  geeigneteren 
Herausgeber  hätten  finden  können.  Indess  in  letzterer  Hinsicht 
habe  ich  meinen  Freund  Hercher  auch  hier,  wie  so  oft  schon,  um 
seinen  kundigen  Beistand  ansprechen  können;  die  unten  mitgetheilten  326 
Yerbesserungsvorschläge  gehören,  so  weit  sie  irgend  von  Belang 
sind,  ihm  alle  an.  AVas  aber  die  sachliche  Erklärung  anlangt,  so 
werden  die  von  mir  hinzugefügten  historischen  Erörterungen  wenig- 
stens insoweit  genügen,  als  sie  über  das  Yerhältniss  der  neuen 
Berichte  zu  den  früher  bekannten  orientiren;  was  weiter  erforderlich 
ist,  wird  schon  von  den  Beikommenden  gehörigen  Orts  nachgetragen 
werden.  Yielleicht  darf  ich  diese  daran  erinnern,  dass  nicht  freie 
Wahl,  sondern  der  Zufall  und  die  in  dem  Zufall  liegende  Verpflich- 
tung mich  zur  Herausgabe  dieser  Stücke  berufen  haben. 

In  Betreff  der  Beschreibung  der  Handschrift  habe  ich  dem 
sorgfiiltigen  Bericht  Feders  (excerpta  e  Polybio  u.  s.  w.  Darmstadt 
1848—1855)  p.  IV  fg.  nichts  hinzuzusetzen.     [Vgl.  de  Boor  S.  Xf.] 


'Yjidjov  de  Tov  Aoyyivov  xaiu  rov  e^rjg  änoöeöeiy fievov  yQÖvov,  f.  148 
o  TC  0£odc6or/og  tiolXiv  eig  djidoraoiv  eiöe  xal  rd  ::ieQl  rr/v  Ogdxrjv 
eXv/xaivero  xwQia,  xal  6  Zrjvoiv  tiqoq  röv  ""Odoaxgov  ro  twv  'Pöycov 
eTcaveoxrjoe  yevog,  (hg  eyvco  rovrov  :ioög  zriv  'IXXov  ovjujuayiav  Tiaga- 
5  oxsva^öfzevov.  ka/ujigdv  de  dvadrjoa/nevcov  vixrjv  tcöv  71€qI  tov 
'Odoaxgov,  JiQOohi  de  xal  nEfJ,xpdvTCOv  öcöga  rcp  Zt]V(ovi  xwv  Xaqw- 
Qcov,  OMongoonoirjodfievog  ovvrjdero  xöig  ngax&sTocv.  oi  de  xfj  'IXXov 
xal  Aeovxiov  Jigooedgsvovxeg  TioXiogxiq  juexd  xö  emxvxeiv  xov  dvxt- 
(pgovgiov  TioXXdig  jurjxav^fJ'aoiv  eygwvxo.     dvxixa&eCo/uevcov   de  xcöv 

10  oxgaxevjudxcov  xal  ig  Xoyovg  cpiXiovg  ovvfjX&ov  "IXXovg  xe  xal  'loidwrjg 
6  2!xv'&r]g,  xal  ygdf.i/uaxa  Jigog  xov  Zi]vcova  öiejiefj,if'axo  vTio/uijuvt]- 
oxcov  avxöv  xfjg  ngoxegag  evvoiag.  (bg  öe  ovöev  JiXeov  edga,  av&ig 
ev  xo7g  ojiXoig  iyevovxo.  xco  de  e^i]g  exet  Seodwgiyog  enaveXdoiv 
ex  Noßcbv  eoxgaxoTiedevoev  ev   x0  XeyojLievw  'Prjyicp   xal  xaxaxgeyei 

15  xd  7i).r}Giov.     6  de  ye  Zrjvoiv  ßovXo/iievog  avxöv  vnoxXlvai,  fjv  elxev 


11  [SisnsfiyjaTo  (sc.  'IXäovs)  de  Boor,  öiesrsftipavTo  die  beiden  Hds.]  \]  12  mit 
ai'Tov  bricht  die  Pariser  Hds.    ab.  i|  14  xarargixei]  xaTeg^erai  Hds.  [de  Boor  im 

Text] 


'I/./.OV  statt  xaxä  tov  'IXXov  (wie  die  Pariser  Hdschr.)  —  §  2  o*  8e  dij  äilot  statt 
Ol  8k  äD.oi  —  §  3  viä  xov  avxov  ä^ioxTEivavrog  statt  oia  xov  avxov  cutoxxtivavxa  — 
ßovotpavxiavaig  statt  ßovo(faxiavatg.  —  §  6  xao8ä).o}v  statt  xao8äu(ov.  [Dies  Stück 
jetzt  bei  de  Boor  S.  136  f.] 


714     Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas. 

avrov  ädelcptjv  rfj  ßaodidi  ovvdiaircojusvrjv  äjiSTiejUJiev  en  nolefxovvri 
ä/xa  noXXcö  itkovicp,  ojioxeqov  MeXot  didovg'  ix  rovde  voeiv  rjv  cbg 
q)do7ioiov/uevog  eri.  juetd  de  xrjv  OeodcoQixov  xfjg  JioXiogxiag 
djiaXlayrjv  "Av&ovoa  fi   xov  'IXkov  d'vya.xrjQ   ev  xcb  cpQovqicp  /xerrj}.- 

20  Xa^EV,   e^  ovTisQ   judXiora   6  'IXXovg  xaxooXiycoQsi  x'^g  cpvXaxrjg   xcov 

327         evöov.    xai  6  xcov  üegocüv  ßaodevg  UeQoCrjg  T  ßiovg  xQOvovg  juexd 

xov   Jtaxega   'lodiyegdrjv   ßaodevoag   heXevxrjoev    ev  xcb    jiQÖg    xovg 

öjuoQOvvxag  Ovvvovg  noXe/uo).    evög  de  diayevojuevov  XQOvov  Kaßd- 

dr]g  xrjg  ßaodeiag  xgaxeT,  dXXd  xai  avxög  £|  emßovXiig  x&v  ev  xeXei 

25  xivcöv   xfjg   fjyeixoviag    (hod'elg   ev    cpQovQiq)   xad-eiQX'&i]-      exei'&ev    xe 

f.  148'       Xd'&Qa  diaq)vydiv  Jigög  xovg  ||  Kadiorjvovg  Xeyo/uevovg  Ovvvovg  d(pixveT- 

xai  xai  öl'  avxcbv  av'&ig  xrjv  ßaodeiav  xxrjodjuevog  xovg  emßovXev- 

oavxag  dvedev.    enQd'/pri  de  xai  fj  xov  q)QOVQLOv  Xegqig  xaxdXrjxpig 

XQOTicp  xoiüide.    'Ivöaxbg  6  Koxxovvrjg  ndXai  xr]v  uQoöooiav  jueXexdJv, 

30  äfia  de  xai  xyjv  cpvXaxrjv  xov  egvjuaxog  emxexQajujuevog ,  jieid-et  xov 
'IXXovv  e^co  xov  (pQOVQiov  xovg  djicp"  avxov  Jiagaoxevdoai ,  (bg  dr} 
x(bv  evavxicjov  did  xrjg  vvxxög  emovxwv,  avxov  xe  ä/xa  Äeovxico  ev 
xcö  ovvTJ'&ei  xaxevvao'&fjvai  xoixcbvi.  o  de  vvxxög  emXaßojuevrjg  did 
xov  TjQefiovvxog  juegovg  xaXcodiov  xa^elg  xovg  evavxiovg  dvdyei.     xai 

35  TiQcbxa  juev  ol  xcov  jivXcöv  (pvXaxeg  dnoocpdxxovxai ,  eneixa  ßorjg 
dxovo'&eiorjg,  (bg  e'&og  eoxl  'Pco/xaioig  Xeyeiv,  ' Zrjvojv  Avyovoxe  xov^ 
ßixag'  JtaQaygrjjua  juev  'Ivdaxög  xai  ol  ovv  avxco  Ttgodövxeg  dvai- 
Qovvxai,  'IXXovg  de  xai  Äeövxiog  eig  xö  xejuevog  xov  judgxvgog  K6va>- 
vog  xaxacpevyovoiv.     xai  xov  Aeovxiov   ßovXrj'&evxog  dveXeiv  eavxöv 

40  eneoxev  'IXXovg'  cbg  de  eig  avxovg  yjX'&ov  ol  evavxioi,  Jigög  ßiag 
exßdXXovxai  xai  ^vXonedaig  de'&evxeg  vnb  xcöv  axQaxioixwv  äyovxai.  xai 
6  [lev  'IXXovg  noXXd  xai  elncov  xai  ödvgdjuevog  fjxrjoe  xovg  negl 
IlavXov  xai  'IXXovv  xovg  dovXovg  avxov  yevojuevovg  x6  juev  xfjg 
'&vyaxQÖg    ocojua    ev    Tagoäf  xaq)fj    dovvai,    xrjv    de   yajuexrjv   dvv- 

45  ßgioxov  cpvXd^ai  xai  xov  ovxoig  evvovv  yevojuevov  Kövcova  xov 
dvdqa  cpeidovg  xv^eTv.  ol  de  ojiovdaiwg  xavxa  ejiexeXeoav  xai  x6 
juev  oöjjua  ovv  xi]  'IXXov  yajuexfj  xai  xfj  naidl  GexXt]  eig  xö  evxxrJQiov 
xcöv  y  naidoiv  ev  Tagoä)  dneoatoav ,  avxovg  de  juixqÖv  e'ia>  xov 
cpQOVQiov  Xaßovxeg  xai  jioXXd  jzgög  xö  d'eTov  ovv  ddxgvoiv  djiemovTag 

50  xai  xdg  x^^QO.?  ^^g  xöv  ovqavöv  dvaxeivavxag  xcöv  xecpaX&v  dnexejuov. 
doxQajial  de  xai  ßqovxal  ovv  yaXd^tj  xai  dve/xco  xaxd  xwv  nagovxcüv 
fjvex'O'rjoav ,    xai    6   dveXwv  avxovg  e^eoxt]    xai  ävavdog  ev    Tagocö 


17  i]v  Müller,  t}  Hds.]  H  20  xatcoliyögei  Hds.  ||  21  [|  vermutet  Müller]  ||  ßiovs 
zu  tilgen  ||  23  6[xoQoovvxag  Hds.  ||  29  'Mavxbg  Hds.  ||  32  avxög  Hds.  ||  49  laßövxsg] 
dyayovxeg  ? 


Brachstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas.   715 

exofua^.     Zijvcov   de   tag  xecpaXäg  tovtcov  ds^d/aevog  dvrixov  rfjg 
noXecog  äveoxoXomosv  xal  Kovcova  ^avfidaag  ^eQa:ieiag  d^iovodai  328 

ö5  VTOOoeza^Ev.     d/x'  6  jmv  eqr^  xdv  -^dvarov  'IX  Xov  te  xal  Aeovriov i.\A^ 
fxa'&eTv  xal  anaoa^ag  iavxöv  djießiov.     6  de  ßaadevg  öeivwg  äjiaai 
TÖig  dXovoiv  hceitjei  rovg  juev  dvaigaw  ;^vdi7v,  xovg  de  jfov  oi'oubv 
äXkozQi&v.     To   de  BijQivTjg  oatjua   ig  rrjv  Kcovoravxivov  ßaaiXixcbg 
exrjdevoe,  xal  Jigög  xw  xov  dvdoog  xaxa^e/uevog  juvrjjuaxi  Ävyovaxav 

60  ovo/xd^eodai  diexeXevoaio.  nXelord  xe  xcbv  ev  'laavoiq  (pQovoiwv 
xaxeXvoev,  xal  ol  xfjg  'IXXov  xexoivwvnxozeg  Jioodooiag  oixxiaxoig 
dicoXovxo  davdxoig,  Koxxovvrjg  xe  o  deiXaiog  xal  Kovoiv  6  dygecljxtjg 
xal  Äoyyivog  6  xov  Aoyyivov  naig  xal  6  Tgoxovvdov  vjiaojiioxijg 
'ÄQxe/LudaiQog. 

Das  Bruchstück*)  berichtet  den  Ausgang  des  einst  so  mächtigen 
Isauriers  Illus.  Johannes  erzählt  in  den  schon  bekannten  Auszügen, 
wie  Illus  mit  dem  Leontius,  den  er  vergeblich  versucht  hatte  an  Zenos 
SteDe  auf  den  Kaiserthron  zu  setzen,  mit  der  Schwiegermutter  Zenos 
und  der  erbittertsten  Feindin  desselben,  der  Yerina  und  seinen 
sonstigen  Getreuen  in  dem  festen  Schloss  Cherris  ^  von  dem  Feldherrn 
Zenos  Johannes  dem  Skythen  belagprt  wird,  wie  während  der  Belage- 
nmg  Zenos  Schwiegermutter  und  ein  anderer  seiner  Getreuesten 
Namens  Marsus^  rasch  nach  einander  starben,  Illus  und  Leontius, 
den  Muth  verlierend,  jener  sich  mit  Bücherlesen  beschäftigte,  dieser  329 
nichts  that  als  klagen  und  jammern,  während  sie  die  Yertheidigung 
dem  Indakus  Kottunes  überliessen,  der  in  früheren  Jahren  als  Haupt- 
mann einer  Räuberschaar  in  dem  isaurischen  Bergschloss  Papurion 


57  aX<öaiv  ens^Ui  Hds.  |j  60  :iK£iaxöv  Hds. 


*)  [Zu  dessen  Anfang  machte  Mommsen  in  demselben  Bande  des  Hermes 
S.  496  folgende  nachträgliche  Bemerkung:] 

Prof.  Dümmler  macht  darauf  aufmerksam,  daß  durch  die  Nachricht  Z.  3, 
Zeno  habe  die  Rugier  gegen  Odovakar  aufgehetzt,  zuerst  die  Beweggründe  für 
dessen  Zug  gegen  Fevva  klar  werden. 

1)  Es  kommt  dies  nur  hier  vor  und  in  den  aus  derselben  Erzählung  ge- 
flossenen Bruchstücken  bei  Suidas  unter  'Ivöanog  und  XeooeoH  (poovoiov. 

2)  Den  Marsus  erwähnen  Candidus  (Müll.  4.  137).  Theophanes  zum  J.  5972 
[1128,9  de  Boor],  Euagrius  3,27  und  Damascius  bei  Photius  cod.  242  p.  352 
Bekk.,  femer  unter  den  Begleitern  des  Illus  Malalas  in  einer  in  unserem  verkürzten 
Text  fehlenden,  aber  in  der  Handschrift  des  Escurial  erhaltenen  und  unten 
[S.  371]  abgedruckten  Stelle  [nicht  wieder  abgedruckt:  s.  u.  S.  750*.  Bei  de  Boor 
a.  a.  0.  (o.  S.  712*)  auf  S.  165].  Malalas  nennt  ihn  tov  aro  i-.TaTwv  Mdoaov.  Da- 
mascius schliesst  die  Aufzählung  der  Christenfeinde,  die  dafür  das  Verderben 
traf,  mit  Marsus  und  Illus. 


716    Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas. 

sich  durch  die  Tapferkeit  seines  Armes  und  vor  allem  die  unerreichte 
Greschwindigkeit  seiner  Füsse  einen  Ifamen  gemacht  hatte.  Das 
Aussenwerk  war  bereits  gefallen  und  die  von  Illus  an  Zeno  gesandte 
flehentliche  Bitte  ihm  in  Erinnerung  der  alten  Freundschaft  Gnade 
angedeihen  zu  lassen  ohne  Erfolg  geblieben.  Hiemit  setzen  die 
neuen  Bruchstücke  ein,  die,  wie  über  den  früheren  Gang  der  Dinge 
Johannes  hauptsächlich  Aufschluss  gegeben  hat,  so  auch  den  Ausgang 
zuerst  genau  berichten^.  Es  starb  während  der  Belagerung  auch 
Anthusa,  die  Tochter  des  Illus,  und  dieser  Hess  sich  immer  mehr 
von  der  Muthlosigkeit  übermannen.  Das  Ende  aber  kam  nicht 
durch  Gewalt,  sondern  durch  Yerrath^.  Der  factische  Befehlshaber 
der  Feste  Indakus^  veranlasste  den  Illus  durch  die  Versicherung, 
dass  ein  nächtlicher  Angriff  bevorstehe,  die  Besatzung  vor  der  Festung 
330  aufzustellen:  und  während  der  Nacht  zog  er  dann  an  den  von  Truppen 
entblössten  Theilen  der  Mauer  Soldaten  des  Johannes  mit  Stricken 
herauf.  Diese  besetzten  die  Thore,  machten  die  Wachen  nieder, 
und  erst  das  Geschrei  der  Sieger  Zeno  Auguste  tu  vincas  erweckte 
den   Illus   und    den   Leontius,    die   wie  gewöhnlich  in  ihren   Betten 


1)  Die  sonst  hierüber  vorliegenden  Berichte  sind  die  folgenden.  Candidus 
erzählte  im  3.  Buch  von  Leontius  und  Illus :  knoXioQxrj'&rjaav  xal  aXövrsg  djTEr/j.ij&r]oav 
(Müller  4,  137).  Auch  Eustathius  beschrieb  (nach  Euagrius  3,  '27)  ausführlich 
das  klägliche  Ende  des  Illus  (Müller  4,  140).  Marcellinus  zum  J.  488  [chron. 
min.  II  p.  93]:  Leontius  interrex  et  Illus  tyrannus  in  Papyrio  Isauriae  castello 
capti  decollatique  sunt:  capita  eorum  Constantinopolim  adlata  praefixa  hastilibus 
tabuere.  Daraus  schöpft  Jordanis  (de  regn.  succ).  Theophanes  zum  J.  5980 
[I  p.  132  de  Boor]:  rovtco  xä>  erei  "IXXog  xal  Äeövriog  ^exa  noXXovg  jioXsfiovg  etil 
TEaaaga  hr)  qjgovQovfxsvoi  iv  reo  JJanvQiov  xaarsXXJq)  ixsiQW&tjaav  Tigodooia  xov 
a8e}.(f>ov  xfjg  yafiexijg  Tgoxovvöov  öoXco  ns/LKpd'svxog  vno  Ziqvojvog.  xal  djrex/nij&rjaav 
xal  al  XECpaXai  avxcov  ejiEfj.cpßr)oav  xcö  Zrjvcovi  xal  Eiorjvsx&rjaav  eig  xovrovg  iv  xq> 
Ijimxü)  xdxsT§sv  sjidyrjoav  nsgav  iv  üvxatg  Jigog  ■&Qca/xßov.  Damit  stimmt  wörtlich 
Theodorus  Lectör  2,  3  p.  571  Reading.  Victor  Tuununensis  zum  J.  488  [chron. 
min.  II  p.  191]:  Leontius  tyrannus  et  Illus  patricius  proditione  castelli  capti  morte 
turpissima  pereunt.  Codinus  de  aedif.  p,  84:  (pvycov  6  'IXXog  sig  ri  <p()ovQiov  jiags- 
86{}rj  vno  xwv  olxeiwv  avxov  dovX.wv  xal  djiexfitj&tj  xrjv  xecpaXJp'  nagä  ^Icodvvov  xov 
Qr)§ivxog'  GvX).aß6[xsvog  8e  xovg  äg^ovrag  xal  xtjv  x£(paXrjv  'IXXov  im  Sogarog 
fjveyxe  Zi]vcovi.  Zonar.  14,  2  p.  257  Dind.  Malalas  p.  389  der  Bonner  Ausgabe, 
etwas  ausführlicher  in  den  Excerpten  des  Escurial  (s.  u.  [Hermes  S.  372  =  de  Boor 
p.166]). 

2)  Dass  Illus  verrathen  ward,  sagen  auch  die  übrigen  Berichte;  den  Ver- 
räther aber  nennt  keiner,  nur  Theophanes  bezeichnet  ihn  als  den  Bruder  der 
Gemahlin  des  Trocundus,  des  Bruders  des  Illus.  Dass  dieser  Schwager  des 
Trocundus  eben  Indakus  war,  ist  kein  Grund  zu  bezweifeln. 

3)  Vgl.  über  Indakus  Johannes  Antioch.  fr.  206  und  die  dazu  von  Müller 
angeführte  Stelle  aus  dem  Suidas. 


Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas.    717 

schliefen.  So  fiel  das  CasteU.  Hlus  und  Leontius  flüchteten  sich  in 
die  Kirche  des  Märtyrers  Konon^;  Leontius  wollte  sich  das  Leben 
nehmen,  aber  Illus  hielt  ihn  davon  zurück,  Wenn  er  es  that,  weil 
er  noch  auf  Gnade  hoffte,  so  hatte  er  sich  geirrt.  Ohne  Rücksicht  auf 
das  Asylreeht  der  heiligen  Stätte  drangen  die  Soldaten  in  den 
Tempel  ein,  schleppten  die  Gefangenen  hinaus  und  legten  sie  in 
Fesseln.  Die  Führer  derselben  waren  zwei  gewesene  Sclaven  des 
Hlus,  Paulus 2  und  (wenn  der  Name  richtig  ist)  ein  anderer  Illus; 
sie  hatten  jetzt  an  ihrem  ehemaligen  Herrn  das  Todesurtheil  zu  voll- 
strecken. Er  bat  sie  die  Leiche  seiner  während  der  Belagerung 
gestorbenen  Tochter  Anthusa  nach  Tarsos  zu  bringen  —  er  scheint 
dort  ein  Familienbegräbniss  gehabt  zu  haben  ^  —  und  seiner  Gattin 
so  wie  seiner  überlebenden  Tochter  Thekla  und  ihres  Gatten  Konon* 
zu  schonen.  Sie  vollzogen  die  Aufti-äge  ihres  jetzigen  wie  ihres 
ehemaligen  Gebieters.  Der  gewesene  Kaiser  Leontius  und  der 
während  Zenos  bisherigen  Regiments  fast  mit  grösserer  Macht  als 
der  Kaiser  selbst  schaltende  Illus  wurden  vor  das  Castell  geführt 
und  erlitten  unter  Thränen  ihr  Geschick  bejammernd  den  Tod  durch 
Henkershand.  Die  Leiche  der  Anthusa  sandten  die  Diener  des 
Kaisers  nach  Tarsos  zur  Beisetzung  in  der  Kirche  der  drei  Knaben 
und  eben  dahin  des  Hlus  Gemahlin  und  Tochter.  Die  Häupter  aber 
der  Hingerichteten  wurden  dem  Kaiser  geschickt  und  nach  damaliger  331 
Sitte  auf  Stangen  öffentlich  aufgestellt.  Den  Konon  dachte  der 
Kaiser  zu  begnadigen;  aber  als  er  den  Tod  des  Leontius  und  des 
Illus  erfuhr,  nahm  er  sich  das  Leben.  Die  Leiche  der  Yerina,  der 
Gemahlin  des  Leo  und  Mutter  der  Kaiserin  Ariadne ,  wurde  auf 
Befehl   des  Kaisers  nach  Constantinopel  geführt  imd  hier  ehrenvoll 


1)  Vergleiche  über  diesen  selten  erwähnten  Heiligen  von  Ikonion  Tülemont 
mem.  potir  servir  ä  Phistoire  eecl.  4,  355,  auch  Prokop  de  aedif.  5,  9. 

2)  Diesen  nennt  Johannes  kurz  vorher  fr.  214  §  4  als  einen  der  beiden  gegen 
Illus  gesandten  Flottenfuhrer  und  zugleich  als  Schatzmeister:  Ilavlov  rov  ix 
dov/.cov  ysv6/.ievov  avzov  oay.EU.äoiov .  Es  ist  gewiss  nur  Entstellung  dieses  Berichts, 
wenn  Codinus  den  Illus  von  seinen  eigenen  Sclaven  nicht  enthauptet,  aber  ver- 
rathen  werden  lässt. 

3)  Tarsos  ist  in  der  späteren  Zeit  die  Metropole  der  drei  Provinzen  Kilikien, 
Isaurien  und  Lykaonien  (Waddington  zu  Lebas  inscr.  3,  1480).  Illus  war,  wie 
Zeno,  aus  Isaurien  gebürtig.  Natione  Isatirus  heisst  er  bei  Marcellinas  zum 
J.  484  und  bei  Malalas  p.  385  Bonn.    Vgl.  Johannes  fr.  211,  2. 

4')  So  scheint  der  wahrscheinlich  verstümmelte  Text  aufgefasst  werden  zu 
müssen.  Warum  dieser  Konon  von  Johannes  als  ovzoj?  evvov;  yevönsvog  bezeich- 
net wird  imd  bei  Zeno  so  besondere  Gnade  findet,  erhellt  nicht. 


718     Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas. 

neben  ihrem  Gatten  beigesetzt  i.  Im  Uebrigen  erging  über  die  an 
dem  Aufstande  Betheiligten  ein  entsetzliches  Strafgericht.  Die  Ge- 
nossen des  Illus,  Artemidorus  der  Leibwächter  des  Trocundus,  des 
Bruders  des  Illus  2,  ferner  ein  Sohn  des  Longinus  ^  und  andere  mehr, 
ja  sogar  Indakos  selbst*,  durch  dessen  Verrath  das  Castell  den 
Kaiserlichen  überliefert  worden  war,  wurden  unter  Martern  hin- 
gerichtet; wer  nicht  am  Leben  gestraft  ward,  verlor  mindestens 
sein  Vermögen.  Eine  Anzahl  Burgen  in  den  isaurischen  Bergen 
wurden  geschleift;  aber  die  Annonae,  welche  Illus  den  Isaurern  aus- 
gesetzt hatte,  im  Gesammtbetrag  von  1400  Pfund  Gold,  wurden 
denselben  auch  von  Zeno  gelassen^,  sei  es,  weil  auch  er  sich  als 
Isaurer  fühlte,  sei  es,  was  wahrscheinlicher  ist,  dass  er  diesen  Schritt 
zu  thun  nicht  wagte. 

In  diese  Erzählung  von  Illus  Ende  sind  einige  die  Reihenfolge 
der  persischen  Könige  betreffende  Notizen  eingelegt.  In  dieser 
Hinsicht  begnüge  ich  mich  darauf  hinzuweisen,  dass  über  Isdigerdes, 
332  Perozes  und  Kabades  ähnliche  Angaben  bei  Agathias  4,  27.  28  zu 
finden  sind;  vgl.  auch  Clinton  fast.  Rom.  zum  J.  482  und  Bd.  2,  261. 
Die  Kadisener  nennt  Prokop  de  hello  Pers.  1,  14. 


1)  Dies  berichtet  auch  Theophanes  zum  J.  5975  [I  129,25]:  ixsta  xQÖvov 
dvExo/iiiodrj  elg  to  Bv^dvriov  iuio  'jQeäövrjg.  Der  Befehl  sie  Augusta  zu  nennen 
kann  darauf  bezogen  werden,  dass  sie  bei  ihrer  Verbannung  vom  Hofe  diesen 
Titel  verloren  hatte,  jetzt  aber  dennoch  als  Augusta  bestattet  und  nach  dem 
Tode  geehrt  ward. 

2)  Ihn  nennt  Johannes  auch  fr.  214,  4. 

3)  Welcher  Longinus  gemeint  ist,  ist  nicht  klar;  wir  kennen  unter  den 
Anhängern  des  Illus  keinen  dieses  Namens.  Dass  es  der  eigene  Bruder  des  Zeno 
sei,  ist  nicht  glaublich.  Ebenso  unbekannt  ist  Kövcov  6  dyQscortjg  oder  vielmehr 
dyQoicozrjg.  An  Konon  den  Bruder  Zenos  (Zonaras  14,  2  p.  255  Dind.;  Suidas  unter 
Aöyyivog)  ist  wohl  nicht  zu  denken. 

4)  KoTTovvrjg  6  deiXaiog  scheint  identisch  mit  dem  Indakos,  dessen  Tod  mit 
dem  der  übrigen  Verräther  Johannes  vorher  schon  berichtet  hat.  Johannes 
selbst  mag  freilich  beide  für  verschiedene  Personen  gehalten  haben. 

5)  Dies  zeigt  Johannes  später  (S.  339  Z.  50  [S.  725]).  Vgl.  Jordanis  de  regn. 
succ.  [p.  46,  4  Momms.] :  contra  quem  (Anastasium) ,  dum  sibi  quod  Ulis  tyi-annus 
nie  adieccrat  donativum  et  Zenon  reeonciliationis  gratia  invitus  largierat  ab  isto 
fraudantur.  Euagrius  bist.  eccl.  3,  35:  evxevd'Ev  xal  tu  xaXovf^isva  jtqcötjv  'laavgtxd 
roTg  ßaaiXixoTg  iarjvex&f]  &r]aavQoTg'  fjv  ök  äga  zovro  yQvaiov  ig  sxaozov  ezog  ßagßd- 
QOig  x^QrjyovixEvov  nevzaxiaxMo.?  i'Xxov  Urgag. 


Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannns  Malalas.    719 

'Oxi  Oeodcogr/og  xal  'Odoaxoog  ovv&^xag  xal  ^v/bißdaeig  bioitj- 
oavro  TiQÖg  dXÄij/.ovg  äficpco  fjydo^ai  rfjg  'Pco/uaicov  äQxrjg  xal  Xouidv 
fjoav  avroTg  evrev^eig  Jia^  äXXrjkovg  (ponwai  ovyvai  ovnco  de 
fjvveio  fj^eoa  dexdrr]  xal  xov  'Ododxgov  yevofxevov  nagd  rov  0eo- 
5  dwQiyov  noooeX^ovxeg  rcov  avrov  ävögeg  ovo  rag  rov  'Ododxgov, 
äre  ixhai  yevö/Lievot,  xareyovoi  yelgag.  /jie&'  o  rcov  TigoXo/jo^evrojv 
ev  rolg  nag'  ixdrega  olxioxoig  ETieX^övrcov  ä/ua  roTg  ^[(peotv,  Ix  de 
rrjg  -deag  xaraTikayEvroiv  xal  ovx  eTiiri&ejuevcov  rä>  'Oöodxgm  Qeo- 
öcogiyog  ngooögafidiv  Jiaiei  rä>  ^i(pei  avrov  xard  rrjv  xXelöa,  eisiövra 
10  de  'nov  6  'deog;'  ä/ueißerai  'rovro  eariv  o  xal  ov  rovg  ejuovg  edga- 
aag'  rrjg  de  JiXrjy^g  xaigiag  xal  fleugt  rrjg  oacpvog  dtel&ovorjg  ro 
'Ododxgov  ow/ua  ebieiv  tpaoiv  0eoda>giyov  (bg  'rdya  ovde  oarovv 
fjv  rw  xax(b  rovrcp'  xal  rov  juev  nefxxpag  e^io  §djirei  elg  rag  ovvo- 
dovg  rcöv  'Eßgaicov  ev  h&ivr}  kdgvaxi,  err]  ßeßicoxora  ^,  dg^avra 
15  de  id' ,  rov  de  ddeXcpov  rovrov  ev  rä>  re/uevei  qwyovra  xarerö^evoe. 
ovveyoiv  de  xal  ri]v  'Ododxgov  ya^ieri]v  2ovviyiXdav  xal  'OxXdv 
rov  naida,  ov  'Odoaxgog  Kaioaga  änedei^ev,  rovrov  fiev  exTie/nJiei 
elg  Fakkiav,  exel&ev  de  dnodgdvra  xard  rrjv  'IraXiav  dia<p^eigei, 
rrjv  de  vjio  Xi/uov  q^govgovjuevrjv  c^rjyaye  rov  ßiov. 

» 
Ich  fasse  hier  zusammen,  was  die  Auszüge  für  Theodorich  I^eues 
bringen.  Johannes  Nachrichten  über  ihn,  so  weit  sie  bekannt  waren, 
reichten  bis  zum  J.  4S6,  in  dem  (wenn  Johannes  richtig  datirt  hat) 
Theodorich,  der  damals  in  Novae  in  Niedermoesien  residirte^,  mit 
Zeno  brach  und  Thrakien  verwüstete.  Die  jetzt  zum  Vorschein  ge-  333 
kommene  Fortsetzung  der  Erzählung  hebt  damit  an,  dass  dieser 
Zug  im  folgenden  Jahr  (487)  wiederholt  wird:  Theodorich  bricht 
von  Novae  auf  und  gelangt  bis  nach  Rhegion,  womit  die  Station 
dieses  Namens  auf  der  Strasse  von  Serdica  nach  Constanänopel,  nur 
12  Milien  von   der  Hauptstadt  entfernt,  gemeint  ist 2.     Zeno  sendet 


3  aXXriXoig  Hds.  H  5  x&v  aurotJ]  tcöv  exeX&Bv'i  fl  dv(o  Hds.  H  16  viehnehr  öi/ior. 

18  diatf&EiQeTai  Hds. 


1)  Anon.  Vales.  §  42  [chron.  min.  1  314] :  ad  civitatem  Novam.  §  49:  rf«  civitaU 
Nova  [ib.  316].  Marcellinus  zum  J.  487  [chron.  min.  II  p.  93]:  ad  Novensem  Moesiae 
civitatem.  Eugippius  vita  S.  Severini  c.  44  [p.  52,  16  ed.  Monunsen]:  apud  Nocas 
civitatem  provinciae  Moesiae.  Ohne  Zweifel  ist  Novae  in  Niedermösien  an  der 
Donau  nicht  weit  von  Rustschuk  gemeint,  wie  auch  Jordanis  Goth.  18  bestätigt. 
Vgl.  Böcking  zur  not.  dign.  or.  p.  467 :  Zeuss  S.  427. 

2)  Itin.  Hierosol.  p.  570.  Marcellinus  [S.  720  A.  1]  nennt  dafür  Melentias, 
auf  derselben  Strasse  18  Milien  von  der  Hauptstadt. 


720     Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas. 

die  Schwester  Theodorichs,  die  am  Hofe  von  Constantinopel  bei  der 
Kaiserin  Ariadne  sich  aufhielt,  mit  reichen  Geschenken  an  den 
Gothenkönig  und  es  gelingt  denselben  zur  Aufhebung  der  Belagerung 
zu  bestimmen  ^.  Jene  Schwester  kann  keine  andere  sein  als  Amala- 
freda,  die  spätere  Gemahlin  des  Vandalenkönigs  Thrasamund;  von 
ihrem  Aufenthalt  am  Hofe  von  Byzanz,  wo  sie  vermuthlich  als 
eine  Art  von  Geissei  für  den  gefährlichen  Statthalter  von  Thrakien 
verweilte,  ist  weiter  nichts  bekannt. 

Belehrender  ist  das  Bruchstück,  das  die  Katastrophe  des  Odova- 
kar  berichtet.  Wir  besitzen  über  dieselbe  bekanntlich  zwei  Ueber- 
lieferungen,  die  gothische,  welche  ohne  Zweifel  auf  eine  und  dieselbe 
wahrscheinlich  officielle  Quelle  zurückgeht,  bei  dem  Anonymus  des 
Valesius,  in  der  ravennatischen  Chronik,  in  den  Kopenhagener  Sup- 
plementen zum  Prosper,  bei  Cassiodor,  Marius  von  Avenches  und  in 
334  den  beiden  Büchern  des  Jordanis,  woran  sich  weiter  die  rhetorische 
Darstellung  in  Ennodius  Lobrede  auf  Theodorich  anschliesst ;  ferner  die 
dem  Ostreich  angehörige  in  Marcellins  Chronik  und  vor  allem  bei  Pro- 
kop  (bell.  Goth.  1,1).  Beide  stimmen  darin  überein,  dass,  nachdem 
Odovakar  in  Ravenna  eingeschlossen  war,  ein  gütliches  durch  den 
Bischof  Johannes  vermitteltes  Abkommen  dem  mehrjährigen  Kampf 
zwischen  den  beiden  deutschen  Fürsten  ein  Ende  machte.  lieber 
die  Bedingungen  aber  gehen  sie  aus  einander,  und  zwar  in  der 
"Weise,  dass  nach  jenen  Odovakar  sich  dem  Theodorich  unterwirft, 
nach  diesen  beide  beschliessen  fortan  gemeinschaftlich  zu  regieren. 
Denn,  wenn    auch  die   ravennatische  Chronik  und  bestimmter  noch 


1)  Ueber  diesen  Zug  berichten  sonst  Marcellinus  zum  J.  487  [a.  a.  0.]: 
Theodorieus  rex  Gothorum  Zenonis  Augusti  nmnquam  beneficiis  satiatus  cum  magna 
suorum  manu  usque  ad  regiam  civitatem  et  Melentiadam  oppidum  infestus  accessit 
plurimaque  loea  igne  cremata  ad  Novensem  Moesiae  civitatem,  unde  advenerat, 
remeavit.  Prokop  b.  Goth.  1,  1:  rör&oi,  o'i  im  QQÖxrjg  dövrog  ßaodecog  xarcpxrjvzo, 
OTila  im  'Pcofj,aioig  ©svSeQt'xov  acpioiv  riyovfMEvov  ävrtjQav.  Theophanes  p.  203 
[I  131,9]:  i^eX'&cov  {Osvösgixog)  iv  xfj  &Qq>crj  xai  arQaro:^s8evoäfA.svog  ijzegxsrai  tm 
BvCavricp  xal  fiovfj  (psidoT  xfj  jzsqI  trjv  tiöXiv,  äg  qiaoi,  xQaxrjd'Elg  ijiavsQxexai  etg  zijv 
©Qcpcrjv.  Malalas  p.  383  Bonn:  xal  fiX'&s  {0sv8sQi/og)  xaxä  rov  ßaadimg  Zrjvmvog 
ecog  2vH(bv  Jiiqav  xaxevavxi  Koivoxavxivovjiolscog  xöipag  xal  xov  ayoiybv  x^g  nölstog 
xal  Jioirjoag  ■^fisgag  noXXag  xal  fir/  Svvrj^slg  ßldipai  xov  ßaadsa  dvsxcögrjaev.  Die 
gothischen  Quellen  verschweigen  den  Angriff  auf  Constantinopel;  charakteristisch 
ist  die  Recapitulation  bei  dem  Anon.  Vales.  §  49  [chron.  min.  I  316]:  Zeno  itaque 
recompensans  beneficiis  Theodericum,  quem  fecit  patriciwn  et  consulem,  donans  ei 
multum  ec  mittens  cum  in  Italiam,  wonach  man  nicht  vermuthen  würde,  dass 
dazwischen  die  Berennung  Constantinopels  durch  den  Gothenfürsten  fällt.  Ganz 
ebenso  ist  die  ausführliche  Erzählung  bei  Jordanis  (Goth.  57  [p.  132  f.]  und  de 
regn.  succ.  [p.  45])  gehalten. 


Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas.    721 

die  kopenhagener  Annalen  diesen  Yertrag  als  einen  Frieden  be- 
zeichnend so  kann  doch  nur  als  Unterwerfung  gefasst  werden,  dass 
Odovakar  seinen  Sohn  Thelane  als  Geissei  stellt  und  ihm  dagegen 
das  Leben  zugesichert  wird  2;  und  gi-adezu  als  Unterwerfung  bezeichnen 
den  Act  der  Redner  Ennodius  ^  und  der  rhetorisirende  Historiker 
Jordanis*.  Der  Byzantiner  dagegen  hebt  zunächst  die  für  beide 
streitende  Theile  aussichtlose  militärische  Lage  hervor  und  lässt 
dann  den  Yertrag  dahin  abschliessen,  dass  Theodorich  und  Odovakar 
in  Ravenna  in  gleicher  Stellung  residiren  sollten  (enl  t/)  Totj  y.al  6/uoiq 
diaiTf]  e^ovot).  was  auch,  wie  er  hinzufügt,  einige  Zeit  geschehen  sei. 
Zu  diesem  letzteren  Bericht  stellt  sich  nun,  wie  zu  erwarten  war, 
der  des  Johannes;  er  stimmt  völlig  mit  Prokop,  aber  er  lautet  bei 
weitem  bestimmter:  OeodwQiyog  xai'Odöaxgog  avv^xag  xal  ^v/nßd-  335 
oeig  £7ioi}]oavro  Jigog  dXXi^Xovg  äjU(pco  fjyeio&ai  zfjg  'Ptofxaicov  äoxrjg. 
Hier  ist  also  auf  das  Bestimmteste  gesagt,  dass  beide  gedachten 
über  die  Römer  des  Westens  gemeinschaftlich  zu  herrschen  ^,  wobei 
vermuthlich  hinzuzudenken  ist,  dass  jeder  über  seine  Germanen, 
Odovakar  über  die  Rügen  und  Skiren  wie  Theodorich  über  die 
Gothen,  die  Sonderherrschaft  behalten  sollte^.  —  Auch  von  dem 
weiteren  Hergang  der  Dinge  lagen  uns  die  beiden  verschiedenen 
Versionen ,   die  gothische  wie  die  byzantinische  in  allgemeinen  Um- 


li  Ravenn.  Chronik  p.  668  meiner  Ausgabe:  facta  est  pax  inter  dotninum 
Theodorieum   regem  et   Odoacrem.     Ebenso    Agnellus  p.  279  Bacch.  [chron.  min. 

I  321]:    invitat  (Johannes  der  Bischof)  nonim  regem  de  Oriente  venietUem et 

subiit  JRavennam  III  non.  Martias.  Kopenhagener  Annalen  p.  31  Hille  [chron. 
min.  I  321]:  Odoachar  pacem  ab  Theudm-ico  postulans  accepit,  qua  non  diu  potittis 
est,  dediique  obsidem  filiutn  suum.  Theudoricus  cum  pacem  cum  Odoachar  fecissd, 
ingressus  est  Ciassem  IUI  k.  Mar.  ac  deinde  ingressus  est  Ravennam. 

2)  Anon.  Vales.  §54  [chron.  min.  I  320]:  accepta  fide  securum  se  esse  de 
sanguine. 

3)  Ennodius  p.  305  Sinn.  [209,  11  Vogel] :  ecce  iterum  ad  deditiottem  sibi 
cögnitam  hostium  leto  dehita  pars  cucurrit,  ei  cum  excessissent  occumhentes  nume- 
rum,  ad  serritium  tarnen  armis  instruda  radiarüibus  agmitia  convenerunt.  Die 
Stelle  wird  gewöhnlich  (Dahn  Kön.  der  Germanen  2,  79;  PaUmann  Völker- 
wanderung 2.  453)  auf  den  Vertrag  mit  Tufa  bezogen,  aber  sehr  mit  Unrecht, 
wie  wir  noch  weiter  sehen  werden. 

4)  In  der  sogenannten  Schrifl  de  regnorum  successione  [p.  45,  13] :  Theodo- 
ricus  Odoacntm  Ravenna  in  dedüione  suscepU.  In  den  Goth.  57  [p.  134]  heisst 
es:  Odoacer  ...  missa  legatione  veniam  supplicabat:  et«  d  primum  concedens 
Theodoricus. 

5)  Eine  verwirrte  Erinnerung  hieran  liegt  vielleicht  den  S.  334  A.  1  [0.  A.  1] 
angefahrten  Worten  des  Agnellus  zu  Grunde. 

6)  Pallmanns  Combinationen  (2, 468)  haben  also  keineswegs  das  Rechte 
getroffen. 

MOMMSEX,    ?CHR.  VII. 


722     Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas. 

rissen  vor.  Sie  stimmen  darin  überein,  das  einige  Tage  nach  Ab- 
schluss  des  Vertrages^  Theodorich  mit  eigener  Hand  in  seinem 
Palast  in  Laureto  den  Odovakar  getödtet  hat  2;  aber  während  die 
Gothen  einstimmig  den  Odovakar  bezichtigen  dem  Theodorich  nach 
dem  Leben  getrachtet  zu  haben  und  dieser  also  nur  dem  geplanten 
Meuchelmord  mit  gleichen  Waffen  entgegentritt^,  beschuldigen  die 
Byzantiner  vielmehr  den  Theodorich  des  Verraths:  er  habe  den 
Odovakar  zur  Tafel  geladen  und  ihn,  als  er  dazu  erschien,  mit 
336  tückischer  Hinterlist  umgebracht*.  Schon  an  sich  kann  es  keinen 
Zweifel  leiden,  dass  der  letztere  Bericht,  dessen  Urheber  weder  dem 
Odovakar  besondere  Gunst  noch  dem  Theodorich  besondere  Ungunst 
zuzuwenden  Veranlassung  hatten,  allein  Anspruch  hat  auf  Glaub- 
würdigkeit gegenüber  dem  erstem,  in  welchem  in  der  That  der 
Mörder  die  Geschichte  des  Ermordeten  schreibt.  Jetzt  erhalten  wir 
zum  ersten  Mal  von  byzantinischer  Seite  eine  ausgeführte  und  lebens- 
volle Schilderung  des  folgenreichen  Ereignisses.  Die  beiden  Könige 
verweilten  gemeinschaftlich  in  Eavenna  und  häufig  fanden  Zusammen- 
künfte unter  ihnen  statt.  Als  einmal  —  es  waren  noch  nicht  zehn 
Tage  nach  dem  Frieden  vergangen  —  König  Odovakar  den  König 
Theodorich  besuchte,  kamen  zwei  Männer  ihm  entgegen  ihn  um 
Gewährung  eines  Gesuchs  anzusprechen  und  ergriffen  als  Bittende 
seine  beiden  Hände.     Dies  war  das  verabredete   Zeichen:  aus   den 

1)  Post  aliquot  dks  sagt  der  Anou.  Vales.  §  55  [chron.  I  320],  post  paucos 
dies  Agnellus  p.  279  [chron.  I  321]. 

2)  Am  genauesten  erzählt  der  Anon.  Vales.  §  55 :  in  Palatio  manu  sua  Theo- 
dericus  eum  in  Lauretum  pervenientem  gladio  interemit.  Im  Wesentlichen  stimmen 
damit  alle  anderen  Meldungen  überein. 

3)  Am  ehrlichsten  sagen  die  Kopenhagener  Annalen  [chron.  I  321] :  pacis 
specie  Odoachrem  interfecit.  Die  übrigen  haben  für  den  Mord  kaum  einen  Tadel. 
Anon.  Vales.  §  54  [chron.  I  320]:  dum  ei  Odoachar  insidiaretur,  detectus  ante  (die 
Handschrift,  von  der  ich  die  Collation  besitze,  cante  [es  ist  der  cod.  Berolinensis, 
aus  dem  in  den  chron.  a.  a.  0.  aber  conte  notiert  wird])  ab  eo  praeventus.  Cassio- 
dor  ehr.  zum  J.  493  [chron.  II  159]:  molientem  sihi  insidias  interemit.  Jordanis  de 
regn.  succ.  [45,  14Momms.]:  ac  si  suspectum  iugulans.  Ennodius  paneg.  p.  305 
[209,  13  V.]  geht  gar  so  weit  dem  Theodorich  sein  allzugrosses  Vertrauen  auf 
die  Redlichkeit  des  gewesenen  Feindes  vorzuhalten:  credidisti  quod  fidem  ad- 
su^escerent  .  .  .  Servamt  te,  regum  praecipu£,  quod  abiecisti  sacramenti  confidentia 
cautionem.  Pependimiis  anxii,  ne  mererentur  quos  de  hostibus  tuis  receperas  non 
perire.  Gratias  tibi,  mundi  arhiter  deus,  qui  conscientias  ...ad  ultores  gladios 
impulisti  .  .  .  Libuit  eos  rursus  tendenti  inei'mem  dextram  Odovacri  (d.  h.  nach 
erfolgter  Dedition)  regna  poUiceri. 

4)  Prokop  b.  Goth.  1,1:  OsvdsQixog  'Odöaxgov  Xaßcbv  w?  qyaaiv  sjiißovi.f]  ig 
avzov  XQcönevov,  XQonco  te  doksQc^  kg  ß-oivijv  xaUaag  eursivs.  Bist.  misc.  16,  20:  a 
Theoderico  in  fidem  susceptus  ab  eo  trucidenter  peremptus  est.  Marcellinus  zum 
J.  489  [chron.  II  93]:  ab  ...  Theodorico  periuriis  inlectu^  interfectusque  est. 


m 


Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas.    723 

Nebenzimmern  zu  beiden  Seiten  stürzten  Bewaffnete  hervor  mit 
gezogenen  Schwertern  den  Wehrlosen  niederzustechen.  Aber  als 
sie  ihm  gegenüberstanden,  wagte  doch  niemand  die  Hand  zu  dem 
ersten  Streich  zu  erheben.  Da  trat  Theodorich  selbst  in  das  Gemach 
und  durchstiess  den  König  mit  dem  Schwert,  so  dass  es  bei  dem 
Schlüsselbeine  in  den  Leib  und  bis  an  die  Hüften  eindrangt.  Dir 
thue  ich,  rief  er  dabei,  was  du  den  Meinen  gethan  hast  2.  Und  als 
er  die  furchtbare  Wunde  sah,  die  sich  sofort  als  tödtlich  erwies, 
meinte  er,  dieses  Scheusal  habe  wohl  nicht  einmal  einen  Knochen 
im  Leibe  gehabt.  So  starb  Odovakar,  im  sechzigsten  Jahre  seines 
Alters,  im  vierzehnten  seiner  Regierung^  und  wurde  in  einem  steiner- 
nen Sarg  bei  der  Judensynagoge  beigesetzt.  Der  Bruder  —  es  wird 
der  auch  sonst  öfter  erwähnte  Onoulf  sein  — ,  der  sich  in  eine  Kirche 
gerettet  hatte,  wurde  dort  mit  Pfeilschüssen  erlegt*.  Die  Gemahlin  337 
des  Odovakar  Sunigilda,  die  sonst  nicht  genannt  wird,  wird  einge- 
sperrt, sein  Sohn  Thela^,  den  der  Yater  —  wie  wir  hier  zuerst 
erfahren  —  zum  Caesar  ernannt  hatte,  nach  Gallien  verbannt;  als 
dann  dieser  den  Bann  bricht  und  sich  in  Italien  zeigt,  wird  er  hin- 
gerichtet und  die  Mutter  im  Gefängniss  durch  Himger  getödtet. 
Von  den  Massregeln,  die  gegen  die  Mannschaften  des  Odovakar 
ergriffen  wurden,  erfahren  wir  aus  Johannes  nichts,  dessen  Excerpt 
hier  abbricht;  aber  anderweitig  steht  fest,  dass  Theodorich  den 
Befehl    hatte    ausgehen    lassen    dieselben    mit    ihrer   ganzen    Nach- 


[Ol 


1)  Dabei  scheint  vorausgesetzt,  dass  Odovakar  den  Todesstoss  in  kniender 
llung  von  oben  herab  empfing. 

2)  Damit  wird  auf  denselben  Vorfall  angespielt,  den  auch  Ennodius  p.  298 
Sirm.  [206,  17  V.]  als  die  nächste  Ursache  des  Krieges  zwischen  Theodorich  und 
Odovakar  bezeichnet:  natu  est  felicis  inter  vos  causa  discordiae,  dum  perdueUes 
animos  in  propinqtiorum  tuorum  necem  Romana  prosperitas  incitavit.  Welche 
propinqui  Theodorichs  diurch  Odovakar  den  Tod  gefunden  haben,  wissen  wir  nicht. 
Dahn  2, 33. 

8)  Dem  Odovakar  legt  die  vita  S.  Severini  in  der  Prophezeihung  c.  32 
42,  2  Momms.]  inter  tredecim  et  qnattttordecim  annos  bei,  der  Anon.  Vales.  §  45 
chron.  I  314]  dreizehn  Jahre,  während  er  §  48  [315]  die  Stelle  der  vita  Severini 
ausschreibt,  zehn  Jahre  Prokop  b.  G.  1,1,  vierzehn  Jahre  die  bist.  misc.  16,  12. 
Sein  Tod  erfolgte  im  Frühjahr  498;  der  Anfangspunkt  für  die  vierzehnjährige 
Regierung  ist  ohne  Zweifel  der  Tod  des  Nepos,  der  in  das  Jahr  480  föllt.  Vgl. 
Dahn  2,  41.  Sein  Lebensalter  wird  sonst  meines  Wissens  nirgends  gemeldet. 
4)  Johannes  fr.  209,  1  (vgl.  Suidas  u.  d.  W.  'Aoftdu(K).  Eugippiua  vita  S. 
Severini  c.  44  [p.  52  M.].  Abweichend  Isidor  chron.  Goth.  39  [chron.  II  283]: 
perempto  Odoacar  rege  Ostrogothorum  atque  devicto  fratre  eius  Onoulfo  et  trans 
confinia  Daniaii  effugato.    Vgl.  Pallmann  2,  172. 

5l  Filium  Thelanem  nennt  ihn  der  Anon.  Vales.  §54  [chron.  I  320], 'Oxiay 
Tov  :iaida  Johannes,  welches  letztere  wohl  aus  Oi^Xav  verschrieben  ist. 

46* 


724    Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas. 

kommenschaft  an  dem  für  den   Tod   des  Königs  bestimmten  Tage 
338  allerorts  niederzumachen  ^  und  er  sich  also  seiner  Rivalen  so  gründ- 
lich wie  gewissenlos  mit  einem  Schlag  entledigt  hat. 


"Chi  'Avaordoiog    ö  ßaodsvg    Xvel    röv    df]jUEVoscog    cpoßov   rolg 

vnrjxooig,    äjiayogsvEi    de    xdig    ovxofpdvxaig  ttjv   äöemv  xal   xb  xfjg 

f.  149        xaXov fJLEvrjg  drjXaxcoQiag  nd&og  xi/icoQEtxai  ||  xal  xovg  ex  xöjv  Eiocpogcbv 

öcpEiXErag  eXev&eqoI  xcöv  e/jljiqoo^ev  xqovojv.    (hg  de  xaxd  xdg  '&Eag 

5  axaxxovaiv  6  xfjg  jiökECog  Enag^og  did  jiQoyQdfXfxaxog  rag  svöov  öia- 

xQißdg  antjyoQEVOEv ,   vjtovoia   x6   Xoinov   ixöovreg  eavxovg  ol    roTg 

jikrjjujuehjjuaoiv  evexo/uevoi  änavxa  diExdgaxxov.    xal  dr}  xov  ßaodsojg 

xfjv  iTtJioÖQOjuiav  '&Ea)juEvov  noXvg  evxev'&ev  öcrjyEiQEXo  d^OQvßog,  (hg 

xal  avxov   xov   xrjg  ßovXfjg  rjyov/XEVOv  xaxaßoäv.     'lovXiavög   dh  fjv 

10  d  "'AXE^avÖQEvg    xcöv    Ix   naiÖEiag  xal  X6ya>v   Eior]yr]X'^g.       ev    ogyfj 

xoivvv   xov   ßaoiXECog  JioirjoajUEvov   xovg   xd   xoiavxa   xoXjucovxag   xal 

1  zcöv  drjfisvaeoiv  cpößcov  Hds.  [zov  x&v  drjfisvaecov  cpößov  de  Boor]  ||  2  zoi? 
vnr/xooig]  so  die  Hds.  |1  3  Vgl.  Suidas  unter  örjXdrcoQ:  ozi  'Avaoxäaiog  6  ßaodsvg 
'Pcofiaicov  x6  xfjg  drjXaxcoQiag  jtdßog  xificogecxai  TiQog  xoTg  äXXoig  sQyoig 


1)  Die  ravennatische  Chronik  p.  668  und  Agnellus  p.279  [chron.1 321]  lassen  den 
Odoaker  umkommen  cum  commilitibus  (Agnellus  cum  comitibus)  suis.  Bestimmter  er- 
zählt der  beste  unter  den  gothischen  Gewährsmännern,  der  Anonymus  des  Valois 
§  56  [chron.  I  320]:  cuius  (Odoacri)  exercüus  in  eadem  die  iussu  Theoderici  omnes 
interfecti  sunt,  quivis  (Hdschr.  quis)  ubipotuit  reperiri  (Hdschr.  [von  1.  Hand]  reperire) 
cum  omni  stirpe  sua.  Auch  nach  den  Kopenhagener  Annalen  [chron.  I  321]  vrird 
Odovakar  getödtet  cum  coHegas  omnes,  qui  regni  praesidium  {praesidio  die  Hdschr.) 
amministrabant.  Dies  bestätigt  Ennodius  paneg.  p.  305  [209  V.].  Nachdem  der 
angeblich  von  Odovakar  angezettelte  Aufstand  erzählt  worden  ist,  werden  die 
von  Theodorich  dagegen  getroffenen  Abwehrmassregeln  dargelegt,  die  durch  alle 
Districte  ergehenden  geheimen  Befehle  an  die  erprobten  gothischen  Genossen 
(fecisti  consilioi'um  participem  in  secretis  popuhim  iam  probatum  .  .  .  mandata  est 
per  regiones  disiunctissimas  nex  votiva),  die  trotz  der  Menge  der  Mitwissenden 
dennoch  den  ausersehenen  Opfern  verborgen  bleiben  (neminem  adversarium  novisse 
contigit,  quod  tecum  pars  mundi  potioi-  disponebat).  So  unterliegt  denn  Odovakar 
und  mit  ihm  an  einem  Tage  alle  die,  die  so  lange  Italien  bedrückt  hatten  (.  . 
ut  unius  ietu  temporis  effunderetur  Bomani  nominis  clades  longa  tempm-um  im- 
pi-oUtate  collecta  .  .  .  eonsumpta  res  est  prospero  fatalique  belle,  succisa  est  Odovacris 
praesumptio,  postquam  eum  contigit  de  fallacia  non  iuvari).  —  Dass  diese  ganze 
Stelle  nicht  auf  Tufas,  sondern  auf  Odovakars  Katastrophe  geht,  wird  jedem 
Unbefangenen  einleuchten.  Nicht  bloss  wird  dieser  zweimal  genannt  und  jener 
nicht,  sondern  es  ist  auch  unglaublich,  dass  ein  Redner  lange  Jahre  nach  den 
Vorgängen  einen  relativ  unbedeutenden  Incidenzfall  des  Zwistes  so  ausführlich 
geschildert,  dessen  Katastrophe  aber  übergangen  haben  sollte,  üeberdies  passt 
von  dem  Bericht  des  Redners  Zug  für  Zug  auf  den  geschichtlichen  Hergang, 
so  weit  Phrasen  dieser  Art  überhaupt  der  Wirklichkeit  entsprechen  können. 


I 


Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas.    725 

öid  7iX)]&ovg  axQaxKOTixov  äveigyeiv  avxovg  hii'/eiorioavKx;  eixötcog, 
eig  asieyvcooixevTjv  eiQOJi'qaav  nqä^iv,  jivq  h'tevxeg  tcö  rag  ■&vQag  Ttjg 
hijiodgouiag  e/ovri  rojico,  e^  oimeg  xal  ai  TigooTiaoay.eifievai  oroai 

IS  diecp&EioovTO  gadicog.  exeWev  re  zag  axrjXag  rcöv  ßaoikecov  ex  x^^~ 
xov  Tiejtotij/Lisvag  t&v  idgv/udrcov  dj&rjoavreg  Jiäv  eldog  vßgecug  eig 
avtdg  EJiereXovv,  (bg  xal  avxovg  exeivovg  aixiCöjuevoi,  xaixoi  tioXX&v 
fxev  dvatgovjuevcov  noXXwv  de  xal  ^juidv^xcov  yevo/nevajv.  6  ßaoi- 
Xevg  xoivvv  ögcbv  xr/v  xaxd  xöjv  vjitjxocov  avxov  vixt]v  ov  :ige7iovoav 

20  eJvai,  djionavei  fiev  x^g  dgyrjg  xöv'Iovhavöv,  vjiagyov  de  Jigoxeigi- 
^exai  ZexovvöXvov  xov  xfjg  eavxov  ddeX<pfjg  Kaioagiag  ävöga,  xal 
xovx(p  Xrj^dorjg  xfjg  xcöv  oxgaxicoxcov  Avxxijg  ov  -/aXencög  xal  xd 
TiETtovdoxa  xcbv  olxodoixr]fidxü)v  dvexxijoaxo.  xgivcov  de  eixoxoig  ex 
xfjg  xcbv  evdrifxovvxoiv  'loavgcov  eTtißovXrjg  öieoxevdo&ai  xavxa  djio- 

25  yatgelv  xovxovg  xrjg  ßaodiöog  exeXevoev,  ovö^  d^icojudxcov  dtpaigov- 
fievög   xiva   avxcöv  ovöe  ygr]/adxcov,   xal  xavxa  ijörj  dyyeX'&eiorjg  xfjg 
xaxd  yoigav   avxöiv   djiooxdoewg.      jueXXovxcov    de   xal  ev    öiaxgißfj 
Tioiov/nevwv  X7]v  dvaycogijaiv  ovveldev  avxoTg  dvdyxt]v  ejw&eivai,   e^  339 
ovTieg  XafXTigoxegov  djieösiy^oav   övo/neveTg  xco  xgaxovvxi  TioXixev- 

30  fiaxi.     evxev&ev  Xouibv  6  xov  Z^vwvog  döeXcpbg  Aoyylvog  xaxd  xr)v 
Orjßaicov  dcpogi^exai  ywgav,  xal  avxov  djieqyddgrj  Xifxco  juexd  ygovovg 
r] ,  ^  xe  ovaa  avxw  yafiext]   OvaXegia  xovvofia   ovv  xfj\\7iaidl  ^oy-f.  150 
yivq,  i]  xal  cbjuoXoyrjxo  Zi^voivi  xcb  'Ay&ejLilov  xal  'Hgatöog  vicö,  xal 
AaXlg  fi  Z}]vo)vog  xal  Aoyyivov  /^^xrjg  xb  ev  Bgoyßolg  ovxco  Tigoaa- 

3ö  yogevouevü)  Tigoaaxe'up  xrjg  Bi^värv  xaxeXaßov  evxxrjgiov,  ev  cojieg 
xal  Zi]va)v  ovy  fjxioxa  öie&egiCev,  mißicooaaac  de  ygövov  ov  juexgiov 
xal  xd  Jigbg  xb  Cfj^  £^  egdvov  nogiCovoai  äXXooe  äXXr)  /uex^XXa^e 
xbv  ßiov.  Aoyylvog  de  6  /xdyioxgog  xal  'A^voöcogog,  dvögelq  xe 
avyßiv  xal  nXovxw,  avv  exegoig  ovyvoig  ig  xtjv  'Ioavga>v  e^Tieaov 
yjüigav.  djiooxeg^ag  de  6  ßaodevg  eodna^  xd  'loavgwv  xrjv  xe  xov 
ßaoiXevoavxog  Zrjvoivog  negiovoiav  ngoeygaxpev ,  &axe  xal  avxt)  ye 
Yj  ßaoiXeiog  eo&i]g  ojviog  ngovxeixo,  xal  xb  ücmeigiov  xaXovfuvov 
(pgovgiov  neuxpag  xaxeoxgeipev.  dvaigel  de  xal  xdg  dido/nevag  avxölg 
Tiagd  xov   Zi]vcovog   oix^oeig,    xeivovoag   eig   v    xal  ;ffA/as   ygvoiov 

45  XJxgag  exrjoiag.  dgxvoafievoiv  de  xd  Tigbg  dvxioxaoiv  xal  ijdr]  xivrj- 
^evxwv  ex  xfjg  ocpexegag  vTib  fjyeixooi  Aiyyivivr]  xal  'A^vodmgcp, 
ovvovxcov  avxoTg  xal  Kovcovog  0ovoxiavov  xov  djib  enioxöncov  xal 
Aoyyivov  juayiaxgov  xal  'A&i]vod(jOQOV  xov  exegov,  JiXfjdog  xe  nayi- 
fiwv  dfi(pl  xdg  g  yiXiddag  mayojuevojv  ex  xe  'loavgcov  xal  'PwfiaUov, 
Tuw  fuv   exovoicog   eXojuevcov   xrjv   ov/xfiayiav,   xcöv  de  xal  dvdyxfi 


15  diEfpdeigavro  Hds.  H  16  ä&rjaavze?  Hds.  H  20  dva.-iav€i  MüUer  1|  27  [xaxainjv) 
Müller]  II  36  emßiwaa;  Hds. 


726     Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas. 

ijiojuevcüv  xal  diadga/növrcov  rag  Tzökeig  xal  yevofxhoov  iv  Koriaelco 
reo  äoxEi  rfjg  ^gvyiag,  vjtrjvriaoev  avxdig  xal  x6  tov  ßaodecog 
axQdxevfxa  a.fji(pl  rovg  diox'ihovg.  ijyovvro  ds  avxwv  oxQaxrjyol  ß' , 
'Icodvvrjg  6  Hxv'&rig  xal  'Icodvvi^g  o  Kvgxog,  xal  avxög  ex  Zdvßgiag 

55  ÖQjucojLisvog ,  VTiooxQaxrjyoi  de  'lovoxlvog  ex  Bedegiavov  (pQovgiov 
TtkrjoidCovrog  NaCoocö  xfj  'IXIvqiÖl,  xal  'ÄyjixdX  ßdgßagog  yevovg  xoiv 
xaXovfievmv  Fox^ojv,  eri  xe  Ziyii^av  xal  ZoXßwv,  Ovvvcov  äyovxeg 
Tilrj'&og.  ejieidi]  de  nXrjOiov  äXXrjXcov  f]X'&ov,  ovggdiavxeg  Tiegl  öeiXrjv 
ionegav  noXXovg  rcöv  evavxiayv  diecpd'eiQav  ol  'PoifxaXoi,    xal  avxöv 

60  äveXovxeg  xov  fjyefiova  rcüv  'loavgcov  Äiyyivcvfjv,  (bg  xovg  jiegiXeKp- 
340  '&hxag  ÖQOfiatwg  öiacpvyelv  eg  xd  ocpexega.  6  de  xov  ßaoiXea>g 
axQaxog  ejiidicü^ag  emg  xal  xrjg  xov  Tavgov  vnegßoXrjg  öiejueivev  xijv 
f.  150'       II  TOV  xeifxmvog  Sgav. 

Dass  Anastasius  dem  Delatorenunwesen  ein  Ende  machte,  be- 
richtet Cedrenus^.  Dass  er  die  rückständigen  Steuern  erliess,  finde 
ich  sonst  nicht.  Die  Abschaffung  der  lustralis  coJlatio  oder  des  so- 
genannten chrysargyrimi  und  die  Verbrennung  sämmtlicher  darauf 
bezüglicher  Steuerpapiere  ^  hat  allerdings  ohne  Zweifel  die  Meder- 
schlagung  der  Rückstände  dieser  Steuern  eingeschlossen;  aber  dass 
Johannes  dies  gemeint  hat,  ist  nicht  glaublich. 

Weiterhin  berichtet  unser  Fragment  ausführlich  über  die  Um- 
triebe der  durch  den  Vorgänger  des  Anastasius,  den  Isaurer  Zeno 
und  dessen  Landsmann  Illus  grossgezogenen  isaurischen  Partei  und 
die  dadurch  veranlassten  Insurrectionen  in  der  Hauptstadt  wie  in 
Kleinasien.  Ein  strenges  Edict  des  Stadtpräfecten  lulianus  gegen 
die  Unruhstifter  bei  den  öffentlichen  Spielen  führte  zu  einem  heftigen 
Aufstande,  bei  dem  die  Hallen  an  den  Thoren  des  Circus  nieder- 
gebrannt und  die  daselbst  stehenden  bronzenen  Bildsäulen  des  Kaisers 
und  seiner  Gemahlin  von  den  Piedestalen  herabgerissen  und  von  der 
Menge  geschleift  wurden,  als  wären  es  die  Originale^.  Anastasius 
ersetzt  den  Julianus  durch  Secundinus,  den  Gemahl  seiner  Schwester 

52  vjiavTiäoav  Hds.  ||  58  riytXxo  Hds.  ||  55  ßeSegiavoi;  Hds. 


1)  p.  626  Bonn:  ovrog  tovg  öijkdroQag  ix  rijg  nökscog  zsXsicog  i^sxoyjsv.  Es 
kann  sein,  dass  die  nur  im  Auszug  erhaltene  griechische  Verordnung  Cod.  lust. 
10,  11,7  die  hier  in  Rede  stehende  ist. 

2)  Cedrenus  p.  627  Bonn ;  Euagrius  3,  39. 

3)  Marcellinus  erzählt  den  Brand  des  Circus  unter  491  [chron,  II  94] ,  das 
Schleifen  der  Statuen  unter  493  [ib.],  beides  ohne  es  ausdrücklich  mit  den 
isaurischen  Unruhen  zu  combiniren. 


Bruchstücke  des  Johannes  von  Autiochia  und  des  Johannes  Malalas.    727 

CaesariaS  und  es  wird  nun  streng  eingeschritten  gegen  die  in  der  341 
Hauptstadt  lebenden  Isaurer,  denen  die  Urheberschaft  dieser  Frevel 
zur  Last  gelegt  wird,  zumal  da  auch  ihre  Landsleute  daheim  sich 
zum  Aufstand  zusammenrotten.  Jene  werden,  ohne  jedoch  an  ihrer 
Habe  beschädigt  zu  werden,  aus  der  Hauptstadt  ausgewiesen  2,  dar- 
unter Longinus,  der  Magister  officiorum,  der  wenige  Jahre  vorher 
gegen  Hlus  befehligt  hattet  und  Athenodorus*.  Zugleich  wird 
Longinus,  der  Bruder  des  Zeno  und  dessen  präsumtiver  Nachfolger, 
aus  der  Hauptstadt  entfernt  und  nach  der  Thebais  in  die  Verbannung 
gesandt,  wo  er  acht  Jahre  später  den  Hungertod  stirbt  '^.  Die  Frauen 
aus  dem  Hause  des  Zeno,  seine  und  des  Longinus  Mutter  Lalis,  die 
Gattin  des  Longinus  Yaleria,  dessen  dem  Zeno,  dem  Sohn  des 
Anthemius  und  der  Herais,  verlobte  Tochter  Longina  fanden  ein 
Asyl  in  Brochthoi,  einer  Vorstadt  Constantinopels  auf  dem  asiatischen 
Ufer,  wo  sie  von  Almosen  erhalten  noch  lange  lebten ^  Denn  das 
ganze  Vermögen   des  verstorbenen  Kaisers    und    der  Seinigen    zog 

1)  Secundinus  war  Consul  511,  wo  ihn  Johannes  (unten  S.  344  [730]) 
Schwager  (ya,ußQ6g)  des  Kaisers  nennt.  Bei  Theophanes  p.  247  [I  160,  29]  heisst 
er  yaußgog  'AvaoTaaiov  m  ddsJ.qpfj,  und  dem  entsprechend  des  Secundinus  Sohn 
Hypatius  bei  Jordanis  (de  regn.  succ.  [p.  16, 19])  und  bei  Theophilus  p.  245  NeflFe 
(nepos,  adslffidovs)  des  Anastasius,  Anastasius  bei  Marcellinus  zum  J.  515  dessen 
avunculus.  Wenn  er  von  Theophanes  p.  242  [I  157,  18]  genannt  wird  v»o? 
i|  dde/.q.fjg  'Avaaraai'ov  xal  Ssy.owöivov ,  so  hat  der  Verfasser  wohl  geschrieben 
oder  hätte  doch  schreiben  sollen  vlög  Zsxowöivov  i|  ddeXqp^^  'Avaaraoiov.  —  Den 
Namen  der  Gemahlin  des  Anastasius  erfahren  wir  erst  aus  Johannes. 

2)  Theophanes  J.  5985  [I  137,  28]:  'Avaardaio<;  6  ßaat/^v;  tov;  h  Kcovarav- 
xivovn6).£i.  'laavoovg  8iä  jioXXäg  diomag  idiw^sv.  Priscianus  paneg.  51  fg.  Zonar. 
14,  3.  Theodorus  Lector  2,  9.  Nach  Euagrius  3,  29  werden  die  Isaurer  auf  ihre 
Bitte  in  die  Heimath  entlassen. 

3)  Johannes  r.  214,  6,  wo  er  AoyyTvog  ix  KagSaficov  (oder  KaodäXatv,  vgl. 
S.  325  A.  2  [712  A.  2])  heisst.  Euagrius  3,  29  und  Codinus  de  aedif.  p.  84  ver- 
wechseln ihn  mit  Longinus  dem  Bruder  Zenos,  wie  in  Betreff  der  letzteren  Stelle 
Köcher  (de  Joh.  Antiocheno  p.  76)  richtig  bemerkt;  unterschieden  werden  beide 
ausser  von  Johannes  auch  von  Theophanes  und  Zonaras  14,  3. 

4)  Ihn  nennen  ausser  Johannes  auch  Theophanes  und  Theodorus  Lector  2,  9. 
Bei  Euagrius  3,  35  heisst  er  OeoSotgog. 

5)  Theophanes  zum  J.  5984  [1137,2]:  ioraaiaae  xoj  aviov  6  Aoyyiyoc  6 
Ztjvojvoi;  döeÄ(fCK,  ov  /etQOioduevog  hi'  'Aiyv-irov  sidfiaei  i^ögiarov  iv  'Ale^ovdoeiq.  xal 
ixeXevas  xEioorovrj&rlvai  ainov  jtQeaßvTegov.  hixaniav  be  Liißiov;  iv  'AXs^avdQeia 
irs/.evTr]asv.     Zonaras  14,  3. 

6)  Alle  diese  Personen  sind  meines  Wissens  sonst  nicht  bekannt.  Der  Ort 
iv  Boöyßoig  [die  Hs.  hat  so  wie  oben  im  Text  gedruckt  ist;  M.  druckte:  iv  jq> 
iv  B.]  ist  wohl  die  Villa  an  dem  asiatischen  Ufer  Constantinopel  gegenüber, 
welche  nach  Prokop  de  aedif.  1,  8  früher  JIoöoz&oi  hiess,  späterhin  Bgozoi 
{Boöyßoi'i)  genannt  ward. 


728     Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas. 

Anastasius  ein  und  Hess  dessen  Habe,  sogar  die  Kleider  öffentlich 
342  versteigern;  dasselbe  geschah,  nachdem  der  Aufstand  förmlich  aus- 
gebrochen war,  gegen  sämmtliche  Isaurer^.  In  Isaurien  selbst  befahl 
er  das  papurische  Castell,  von  dem  in  den  isaurischen  Wirren  unter 
Zeno  so  oft  die  Rede  ist,  zu  schleifen  und  entzog  den  Isaurern  die 
ihnen  von  Illus  überwiesenen  und  von  Zeno  belassenen  jährlichen 
Annonae  im  Gesammtbetrag  von  1400  Pfund  Gold  (S.  331  A.  5 
[718  A.  5]). 

Nun  wurde  die  Insurrection  zum  Kriege.  Die  Isaurer  fühlten 
sich  stark  genug  in  das  Feld  zu  rücken  und  die  förmliche  Offensive 
zu  ergreifen;  dass  der  Krieg  überdies  auch  zur  See  geführt  ward, 
sehen  wir  aus  anderen  Quellen  2.  An  die  Spitze  des  Heeres  stellten 
sich  die  schon  genannten  aus  der  Hauptstadt  ausgewiesenen  isauri- 
schen Offiziere,  Longinus  der  gewesene  Magister  und  Athenodorus; 
ferner  Konon  des  Fuscianus  Sohn,  früher  Bischof  von  Apamea  in 
Syrien,  aber  ein  streitbarer  Mann  und  schon  von  Zenon  gegen  Illus 
aufgeboten^;  ausserdem  ein  anderer  Athenodorus  und  vor  allem 
Lilingis,  ein  unechter  Bruder  des  Illus,  der  auch  schon  gegen  diesen 
gefochten  hatte,  in  diesem  Kriege  aber  den  Oberbefehl  über  das 
Rebellenheer  führte  *.  Dieses  Heer,  dem  sich  theils  freiwillig,  theils 
gezwungen  zahlreiche  'Römer'  anschlössen,  zählte  100,000  Mann^ 
und  drang  vor  bis  nach  Cotyaeum  in  Phrygien,  das  an  einem  Neben- 
fluss  des  Sangarius  liegend  den  Weg  nach  Bithynien  öffnete;  offen- 
bar war  das  Ziel  des  Marsches  die  Hauptstadt  und  bereits  die 
grössere  und  schwierigere  Hälfte  desselben  zurückgelegt.  Dort  endlich 
trat  ihnen  eine  Abtheilung  kaiserlicher  Truppen  entgegen;  es  waren 
nicht  mehr  als  2000  Mann,  die  Johannes  der  Skythe,  der  Ueberwinder 

1)  So  mögen  die  Angaben  des  Johannes:  ov8'  d^KOfidrcov  acpaiQovfiEvö?  Tiva 
avTcov  ovös  xQrjfxätwv  und:  h  mta^  rä  'laavQcov  jigoBygatpsv  auszugleichen  sein. 

2)  Priscian  paneg.  107:  quid  tempestates  memorabo  fluctibus  ortas  atque  hostis 
Lyciae  proiectas  litore  classes?    Theophanes  zum  J.  5987  [I  139]. 

3)  Als  Führer  gegen  Illus  nennt  ihn  Johannes  fr.  214,  2,  als  Führer  der 
Aufständischen  ausser  dem  Johannes  in  unsern  Fragmenten  Theophanes  zum 
J.  5985  [I  138,  4]  und  Euagrius  3,  35.  Müller  4,  134  bezieht  auf  ihn  auch  das 
4.  Fragment  des  Capito. 

4)  Aiyytjv  tov  v6&ov  avzov  (des  Illus)  d8s?.(p6v  nennt  ihn  Johannes  fr.  214,  2, 
Aiyyig  Suidas  u.  d.  W.,  beide  als  Führer  gegen  Illus.  Den  Feldherrn  der  Rebellen 
nennen  Aiyyivlvrjg  Johannes  in  unsern  Excerpten,  Nivlhyyig  Theophanes,  Lilingis 
Marcellinus  und  Jordanis.  Bei  Marcellinus  zum  J.  492  [chron.  II  94]  heisst  er 
segnis  quidem  pede,  sed  eques  in  hello  acerritnus  (daraus  Jordanis),  bei  Theophanes 
zum  J.  5985  [I  138,  2]  6  tfjg  'loavgiag  ^yefiwv  etiI  Zi^vcovog  xaraardg,  dvrjQ  {^Qaovxazog. 

5)  Bei  Theophanes  a.  a.  0.  sind  daraus  150  000  geworden.  [Vgl.  de  Boor 
zu  I  137,  26.] 


Bi-uchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas.  729 

des  Dlus,  und  Johannes  der  Buckliche  von  Selymbria  heranführten  i;  343 
unter  ihnen  befehligten  Justinus  von  Bederianum  unweit  Naissus  in 
Mösien.  der  spätere  Kaiser  2,  der'  Gothe  Apsical  und  die  Hunnen- 
führer Sigizan  und  Zolbo.  Dennoch  erfocht  der  kleine  Haufe  einen 
vollständigen  Sieg:  Lilingis  selbst  fiel  im  Kampfe;  die  Isaurer  eilten 
in  wilder  Flucht  zurück  in  ihre  Heimath  und  nur  die  rauhe  Jahres- 
zeit bewog  die  Verfolger  am  Fuss  der  Tauruskette  Halt  zu  machen 
und  hier  den  Eintritt  der  besseren  Jahreszeit  abzuwarten'. 


"Cht   eJil  'AvaoTaoiov   6   xrjv  vtioq^ov   ävvoiv   rrjg  TioXecog  'H/Jag  f. 150' 

rovvoua   zrjv   r<öv   xaXovfxevcov  ßgirctöv    eoQirjv   enixeXwv   (hg   ovtko 

Tcoöxeoov  yeyovev,  vjio  xivog  ßaoxaviag  aXxiog  noUxöv  iyevexo  (povcov. 

jcov  yäo  ä&ooio'&evxoav  eg  öeikijv  xov  di^juov  ä/xa  ^Upeai  xax'  clÄItj- 

hov  cooLuyy.oxoiv,   noXvg  fjv  x&v  dXkvfxevwv  6  xgojiog.     öfioicog  xal 

wxdvTiog  6  ägyrcov  xfjg  nöXetog  xrjv  avxrjv  emxeXeiv  xwv  ßgvxcöv 

jyvQiv  ßovXevodfxevog  oXiyov  dtcoieae  xov  obiavxa  drjfiov,  Tioiy.i- 

ug  diatpßagevxa  xgojioig,  mg  xov  ßaoiksa  xov  Xouiov  yijgcöoai  xrjg 

y.a)Moxi]g  ög/t]a€cog  xäg  TioXeig. 

Leber  diesen  Vorgang  berichten  meines  Wissens  sonst  nur  noch 
falalas  in  einer  in  den  Ausgaben  fehlenden  unten  S.  374*)  mit- 
getheilten  Stelle  und  ein  von  Suidas  unter  dem  Worte  Maiovfiäg  344 
erhaltenes  Bruchstück:  exeXovv  öe  fiexgig  'Avaoxaoiov  ßaoiXeoyg  oi  ev 
KcovoravxivovTioXei  Tiavi^yvgiv  xcbv  ßgvxcöv,  xal  xavxrjv  'Avaaxdoiog 
k'rtavoe.  Auch  das  Fest  selbst  finde  ich  sonst  nicht  erwähnt.  Die 
Bedeutung:  desselben  ist  dunkel. 


t4  Tov  brjuov  zu  tilgen 
1)  Beide  nennt  auch  Theophanes  zum  J.  5985  [I  138,  7]  und  bezeichnet  sie 
\  TOV  6ony.o)ov  orgarevuaKK  fjyov^ievoi,  was  dazu  stimmt,  dass  sie  nach  Johannes 
n  Selvinbria  herankommen;  den  zweiten  Prokop  hist.  arc.  6. 

2)  Dessen  Heimath  so  wie  seine  Theilnahme  au  dieser  Expedition  berichtet 
übereinstimmend  Prokop  hist.  arc.  6.  Von  den  anderen  Führern  wird  sonst 
meines  Wissens  keiner  genannt;  Theophanes  fand  sie  wohl  in  seiner  Quelle, 
aber  er  fertigt  sie  ab  mit  eiegoi  rivsg  irraiveroi  ävSoeg. 

3i  Aehnlich,  aber  minder  genau  Theophanes  zum  J.  5985  [I  138,11]:  udxtjs 
de  .TfOf  rö  Korvdeiov  yevofiivtjg  Nivihyyig  ftev  6  aiQanjyog  äsiootfaTrerat.  uty.gov  8k 
t6  .-T/.£toTov  'loavgiy.bv  cujoUv^urov  fiohg  inri  rä  a<peTsga  Steacodi).  xal  ei  tu)  -Tfot 
rä  oy.v'/.a  roTg  'Pcoitaioig  yiyove  oyoKt],  re/Lsicog  av  sxgdxrjoav  xov  :to/Juov.  äjj'  extircov 
iv  Toizotg  ä.-TOOtfa/.h-xon'  (fgovotov  Tirog  i.ii  r^g  äxgag  zov  Tavgov  xgaxt)aavxeg  oi 
"loavgoi  xgixov  Ixog  tjgxeoav  :io).euovvxEg. 

~*^  [Nicht  wieder  abgedruckt:  s.  u.  S.  750*.  Die  dort  von  Mommsen  zitierte 
Stelle  des  Malalas  jetzt  auch  bei  de  Boor  a.  a.  0.  (oben  S.  712*)  S.  168.  Ebd. 
führt  Mommsen  auch  eine  Vermutung  Herchers  über  die  Bedeutung  von  ßgvxa  an.] 


■ 


730     Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas. 

"Chi  xad^'  ov  xQovov  6  rov  ßaodecog  rov  'Avaojaoiov  yajußQog 
2exovvdTvog  rrjv  vnarov  OLQyJjv  naQeikrjrpei,  exivr/^f]  ra  jisqI  rijv 
Uacpkayoviav. 

Secundinus  wird  Consul  511;  vgl.  über  ihn  oben  S.  340  A.  4 
[727  A.  1].  Von  den  paphlagonischen  Unruhen,  die  hier  erwähnt 
werden,  finde  ich  sonst  nichts. 


"Chi  ovvExvxa  xard  rov  avrov  ygövov  rä  xaxä  xyjv  Ogdxijv 
BixaXiavog ,  äv^QComoxog  ßga^vg  xai  xQavXog  xrjv  qycovijv  xai  xäg 
äxgag  xoiv  ßXeqxxQOiv  vjioxexav/xevog,  viög  öjv  UaxQixiolov,  naxgida 
Eoxy}>ioxog  Zdkdaßa,  xrjg  xdrco  Mvoiag  jiohojua  ßgayv.  ovxog 
5  sjieidrj  xd  noXXd  ovvdiaxgißcDv  xoig  Ovvvoig  exoijuÖQQOTiog  Jigbg 
anovoiav  fjYyeX'&r]  xcö  ßaciXel'  dcpaigs'&elg  ydg  oirrjoecog  drjjuoolag 
xcöv  xaXovjUEvcov  (poidegaxixcov  dvvcovcov  eiorjysTxai  xöig  xd  negi 
Sxvd^iav  xai  Ogdxrjv  nlrjgovoi  xdyjuaxa,  dvoy^egaivovoi  juev  xai  i^ 
eavxcüv  ecp    oig  enaoyov  Jigog  xov  xijv  oxgaxrjyiav  syovxog  'Yjtaxiov, 

10  xai  drj  nd'&ei  gadicog  xä)  ngäyxog  äg^ai  xcöv  Jiagavojutjjudxcov  xai 
ETiexeiva  x6X/ur]g.  xovg  ydg  xco  oxgaxtjycp  jiagsdgEvovxag  Kcovoxav- 
xXvov  xiva  EX  Avdiag  xai  KEXsgTvov  (povEvoag  exi  xai  Ma^Evxiov  xov 
xov  xaXovjuEVov  Aovxog  xrjv  Mvgcüv  EJiixExgajujUEvov  ägyj]v  dia- 
(f&eigEi,   xai  xov   reo  oxgaxrjycp  ovjujivovv   xai    sig   änavxa  xsyagio- 

15  jUEVov  Kagivov  ovoyojv  xrjg  xov  fir]  dvEXElv  ydgixog  xojuiCExai  dcögov 
xö  ovjungäiai  oi  ngbg  xyjv  xfjg  'Odvooov  xai  xfjg  oxgaxtjyiag  i^ov- 
oiav,  xaxafprjjuioavra  (bg  eYyj  avrqj  xd  xfjg  '^ys/ÄOviag  EJiixExgajujUEva, 
nagadovvai  Öe  xai  onooov  fjv  nag  avxcb  ygvoiov.  TiEioag  ovv  ix 
xovxayv  änavxag  ßXsjiEiv  Eig  avxöv,  ovva^goioag  djuq)i  xdg  v  yiXiddag 
345  20  TtoXE/biixcöv  XE  xai  dygoixcov  ävdgcöv,  xfj  Koivoxavxivov  ngoodysiv 
f.  151  II  rjyyEXxo'  6  Öe  ßaoiXEvg  xai  e$  cbv  Evayyog  etzejiov&ei  Jigög  dsiXiav 
xaxEVEy&slg  xai  xco  nagado^co  xü)v  jisgioxdvxcov  avxcb  övoyEgaivcov, 
TigooExi  ÖE  xai  xcö  axovEiv  xovg  ijiiövxag  xrjv  6/uoiav  xfjg  i^grjoxEiag 
ngoßdXXEO'&ai   juEjuyjiv,   oxavgovg  juev    ex  yaXxov  nayfjvai  VTikg  xdg 

25  TivXag  xcöv  xEiycöv  nagaxEXEVExai,  ygdjujuaoi  xi]v  alxiav  xov  ovordvxog 
ETI  avxöv  d^ogvßov  jiagaxa§ioxcövxag ,  xfjg  öe  vTchg  xcöv  ^cocov  eio- 
cpogäg  xyjv  xExdgxt]v  TtEgiEXdtv  juoTgav  xov  Bid'vvcöv  re  xai  'Aoiavan' 
Ed^vovg,    xov  xavxa  drjXovvxa    ydgxip    iv  xfj  xaxd   xf]v  ngcoxEvovoav 


5  sneiörj  zu  streichen  1|  hoifiözQOJiog  Hds.  [vielmehr  ETOi/.i6zsQog ,  wie  mir 
de  Boor  ausdrücklich  bestätigt]  ||  7  dvcovcov  Hds.  ||  8  rd/naia  Hds.  ||  10  rö  jiQwzog 
Hds.  II  jcagavo/ndzcov  Hds.  [am  Rand  von  zweiter  Hand  hinzugefügt  oz,  d.  h.  jzaoa- 
voficozdzcov]  II  12  xsleagTvov  Hds.  ||  14  z6v  fehlt  |1  15  zfjg]  zijv  Hds.  ||  18  ojiöooaov  Hds.  jj 
27  r^v  fehlt  —  nEQul&ojv  Hds.  |1  28  ev  fehlt 


Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas.   731 

exxhjaiav  iega  rgaTieCf]  q^sgcov  xaxe&rjxe,  xal  T»)g  TioXecog  (pQovQav 

30  enoieXxo  diä  tcöv  ev  xoTg  xeXeaiv.  rjörj  de  xov  BixaXiavov  ngoaßa- 
Xövxog  xdig  xrjg  noXecog  Tigoaoxeioig  xal  Tiegl  avxä  xd  xeiyj}  iXij- 
Xaxoxog,  oxeXXexai  Jtgög  avxöv  Uargixiog  6  oxgaxrjyog,  ä/xa  fxkv  <hg 
ngoorjXovTog  oi  öiä  xi]v  ägyjjv  xov  xoiovde  koyov ,  äua  de  xal  <hg 
yrjgq   Tigovywv   xal  äiicooeoiv,  xal   avxcö    Se  xm   BixaXiavco  juegog 

35  ov  juixgöv  xrjg  evTigayiag  yevöjuevog.  og  ejieidi]  :iag  avxöv  ijX&e 
xal  xfi  ex  xrjg  evegyeoiag  nagg7]oiq  xa'&^rm)axo,  xä  eixoxa  fjxovev,  eig 
ola  710/JA  Tigorjveyßr}  ex  xe  xcöv  xi]v  ßaoiXeiav  eoyrjxoxojv ,  xal  vvv 
^xeiv  avxovg  öeofxevovg  eTiavog&ay^ijvat  /uev  xcbv  dötxrjfxdxarv  xov 
XTJg    Ogqx&v^   oxgaxrjyov ,     xvgcod^rjvai    de   xal  xijv   ög&cög    eyovoav 

40  xov  'deiov  öö^av.  xfj  de  voxegaiq  xcbv  ev  ngdnoig  nagd  xov 
ßaodea)g  etoxkrjdevxoiv  xal  7iagayevofxh>oiv  BixaXiavov  ywgig  {xovxov 
ydg  ovde  eiooj  xi]g  TiöXeojg  yeveo&ai  ejieioe)  xd  juev  ijieyxaXeoag  6 
ßaoiXevg  xal  (hg  fxt]dev  öXiycogrj^evxag  dieXey^ag,  xd  de  ix&ega^evaag 
dcbgotg  xe  xal  xfj  xcbv  öcpeiXojuevcov  ejiayyeXiq,  d^eiv  xe  VTiooyöjuevog 

4-  xoi'g  x^g  Tigeoßvxegag  'Pco/tirjg  xd  Tiegl  xijg  dö^tjg  xcbv  iegcbv  xaxa- 
oxrjoovxag  d^ejiejuyjev,  ogxovg  vjieg  xijg  ig  xö  Xouiöv  evvoiag  avxcbv 
OTiodeidjbievog.  oi  de  xcb  BixaXiavcb  ovyyevojuevoi  dvaXaßovxeg  avxöv 
xe  xal  xö  TiXfj&og  coyovxo.  6  de  ßaoiXevg  'Avaoxdoiog  xrjv  xörv  ev 
Qgdxrj  crcoXcov  axgaxTjyiav  KvgiXXco  Tiagadidcooiv,  ovx  dovvexco  ovde 

.'0  TToXe/uixTJg  e/njieigiag   djua&ei'    eX^d>v   de   6   KvgiXXog  xaxd  Mvoiav 
xal    hiißovXevoai    oTiovddCcov    xcb    BixaXiavcb    avxög    e7ießovXev&i] 
■K  Ij  Ti^WTOs  ev  xoig  oxgaxrjyixoig  oixoig  diacp&agelg  ^icpei.     6   de  ßaoi- tibi' 
\^^'Xevg    dxovoag    xd    ov/ußdvxa    doyfiaxi    xijg    avyxXrjxov    ßovXrjg    xijg 

'Pcojual'xijg  TioXixeiag  dU.6xgiov  xöv  BixaXiavöv  tprjcpiCexai,  xal  crcgaxidv  346 

55  fieyioxrjv  dyeigag  dfxcpl  xdg  n    yiXiddag  avxoxgdxogd  xe  xov  TioXejuov 

^^ßibiodei^ag  'Y^iaxiov  xöv   ddeXcpidovv  xöv   eavxov,  "AXa&ag   de  yevog 

^KtSxv&ixöv  eTil   xf]  xov  oxgaxTjyov   xcbv  Sgqxcbv  agootjyogiq   ejceo&ai 

Ol  Jigooxd^ag  xal   Oeödcogov  xöv   xcbv  ßaoiXixcbv  ^rjoavgcbv  xa/iiav, 

•  Ol  ovfi/xi^avxeg  avxcb  xal  diacpögoig  eXao&evxeg  xvyaig  xai  Jioxe  xai 
rixTjv  ägavxeg  fiexgiav  eyvcbgioav  xcb  ßaoiXevovxi,  diene  avxöv  xal 
ngoeXdeXv  ev  xoig  iegoTg  xojioig  xal  ^eag  enixeXeoai  drjßioxeXeig.  ov 
fiaxgdv  de  'YTidxiog  jidXiv  enl  xöv  xvgawov  ögjmjoag  'lovXiavöv 
djießaXe  <^o)ygi]devxa  xöv  ex  xov  Xoyov  xcbv  Xeyofxevcov  juejuagiaXicov, 
xoXixTjoavxa  öXcog  xal  ^edoao&ai  TiöXe/iov.  xal  o  fiev  ev  xXcoßcb 
65  ßX)]deig  xal  Tiegiay&elg  d<pe&r]  ygvoicp.  dvaoxrjoag  xoivvv  6'Y:;iaxiog 
ex  xcbvde  xöv  oxgaxov,  ägxi  xe  xal  Tijuo&eov  xivög  h  xoig  oojfiaxo- 
(pvXa^iv  xexay/uevov  xov  ßaaiXecog  vjiö  xcbv  ßagßdgcov  dvaigedevxog 

34  yiga  Hds.  ||  36  eig]  (bg  flds.  H  [49  ori?.(ov  Hds.,  rekibt-  de  Boor]  U  56  aJla&ao 
Hds.  11  63  Tov]  xä>v  Hds.  11  [66  xivog  xov  Hds.] 


732     Bruchstücke  des  Johanne?  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas. 

im  rfjg  ''AxQidog  OTgarojisdevexai ,  to  ex  xcbv  ä/ua^wv  yaQaxcojua 
TiQoßaXofievog.    töte  öe  xcbv  Ovvvcov  ändvicov  owad^goiodevrcov  xal 

70  elg  äjua  eqpoQjurjodvrcüv  ijieoxe  ju^ev  rig  elg  ßga^vv  iQovov  ävxijiaXog 
xo^eta  ■  cbg  de  oi  ßdgßaQoi  xovg  x&v  äjua^cöv  ßöag  eßaXXov  ovoxeva- 
odevxag  rjör]  ngög  juexdoxaoiv ,  öiaXvexai  juev  rj  xov  xagaxcojuaxog 
ovvxa^ig,  eti'  avxovg  de  i'aoiv  oi  ßdgßagoi  xovg  'Poijuaiovg ,  ovdk 
dvxägai   acpioi  xdg  ;f£t|Oa?   xoXfi&vxag.      vjio   de  juiäg   xrjg    jigög    xb 

75  dnodgävai  onovöyjg  JiieCojuevcDv  Jigög  dXXrjXwv  xal  vno  xivog  juayeiag 
xcbv  ßagßdgwv  EJiiyEvoju£vt]g  dyXvog  ejiioxoxiodorjg  avxoig  xdg  ötpecg, 
ov  TiQoiöovxeg  ev  olg  xtjv  (pvyrjv  etioiovvxo  xonoig  ig  xgrjjuvovg  xal 
(pdgayyag  xaxa(peQ6juevoi  öiecp^e'iQovxo.  äjicoXovxo  juev  ovv  xcööe 
xcp  xQOJicp  JiXeiov  fj  ^  yjXidöeg  xal  xalg  dxQU>Qeiaig  x6  xrjg  q^dgayyog 

80  TZQOoiocod^f]  ßd&og  vjio  xov  jtXij&ovg  xcbv  ijujiEoovrcov  dvögcöv  xe  xal 

Ccoayv  dX6ya>v'  ?]Xa>oav  dk  xal  ol  xcöv  Xoyaycbv  xr}v  xd^iv  nXrjqovvxeg. 

f.  152        avxög  dk  'Yjidxiog  j|  ig  xrjv  ^dXaxxav  xaxadvg  xal  ola  xd  TioXXd  xcbv 

EV   xfj   äXl   xQE^ojUEVwv   oQVEOiv    ix   ju6vr]g   dveyovorjg    xrjg    xetpaXrjg 

EJiiyvwo^Eig   ovvEXrjcp'&ri.     JiXrjQcbv   öe  BixaXiavog    xoig    Ovvvoig    ov 

85  vTiEo^exo  7coQio/u6v  x(bv  xQTjjLidxov,  djioöidoo^ai  avxoig  xovg  äXovxag 

i(pfjxev  xal  xov  xe  "AXadag   djieXvxgcboaxo   xal  'Aoiyviov  äXXovg  xe 

347  ovxvovg,  xov  de  'Yndxiov  6  BixaXiavog  xojuiörjg  fj^iov   xrjg  ÖEOvorjg, 

(bg    im   (hvio)   jXEydXco   xov   vjieq    avxov    xid^ijuEvog    Xoyov.      xal   xb 

Xoinbv  ovvEOXoXaoxo  juev  änavxa  xd  iv  üxvd^aig  xal  MvooTg  (pQOvgid 

$0  XE  xal  JioXeig,  jidvxeg  Se  avxbv  idedieoav  xal  ßaoiXea  jigooEdoxcov. 
6  Öe  ßaoiXEvg  JiQovoovjUEVog  xov  ovjußdvxog  oxeXXei  xivd  Ovgdviov, 
xrjv  xov  xaXovfXEVOv  xayxeXXagiov  xd^iv  jiXrjQovvxa  xcb  xcbv  öcpcpixicov 
[xayioxQcp,  dfxa  UoXvyQovicp  xe  xal  MagxvQicp  xoTg  xdg  xcbv  Ovvvcov 
jigeoßeiag  imxexgajujuevoig ,    ovv  avxoig  de  xal  dixa  xQ^oiov  XiXQcbv 

95  Exaxovxddag.  ovg  drj  xaxd  xrjv  ^cüI^otioXiv  6  xvgavvog  Xoyioag  avxrjv 
XE  xrjv  nöXiv  i^eiXe  jurjxavijjuaxi  doXico,  xal  xb  yqvoiov  dcpaigelxai 
Jigbg  ßiav.  iv  de  xfj  Kcovoxavxivov  xaxd  xrjv  xrjg  inmxrjg  '&eav  xov 
drjfxov  Jigbg  oxdoiv  diavaoxdvxog  xrjv  xe  xrjg  öeiXrjg  navrjyvgiv  6 
ßaoiXevg  fjQviqoaxo  xal  cpovog  ovx  oXiyog  eyeyövei,  avxov  je  xov  xrjg 

100  TtöXECog  vvxxEJidgyov  xov  xaXovjuivov  Fexa  dvaige&evxog  xaxd  rr]v 
judyrjv.  rjör]  de  juixQOv  diadgajuövxog  ygovov  BixaXiavbg  avd^ig  dgag 
vrjcbv  cbg  o  cnoXov  xal  oxgaxbv  ne^ixov  xe  xal  iJimxbv  noXvv  Jiaqa- 
noQevd^elg  xbv  Ev^eivov  IIövxov,  dd^gocog  imcov  axp&rj  xfj  Kcovoxav- 
xivov.     jUEXECOQOv    ds   xrjg   JiöXECog   ovorjg    xal    vnb    xovg  JioXEjuiovg 

105  iXmCojUEvrjg    yevEO'&ai,     oxeXXexai    nag     avxbv    'Icodvvrjg,    xrjv    xcbv 


86  Evalyviov  Müller  [dies  ist  nach   de  Boors  Mitteilung  vielmehr  die   La. 
der  Hs.]  ||  89  ovvsoxsvaoTo?  [dsgl.]  |1  98  ngöoraoiv  diavaozävzeg  Hds. 


Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas.   733 

oxQarrjXaxcbv  xal  vnaioiv  d^icoaiv  ex(ov,  ex  rov  rijg  jurjTOog  etkovv/wv 
BaXeoiavrjg  yvcogiCo/xevog.  xal  6  jukv  vTiamjoag  xdig  TioXeuloig  rov 
ex  xfjg  Tiocorrjg  jigooßoXrjg  dirjycoviCero  xivdvvov,  em  de  tm  Xeyofievco 
Aaoo&evicp    Ixezevev,    atnög   de   hiavfiei   doojudörjv   ^aod   rov  'Ava- 

110  ordötov,    dyyeXXcov   xd    vtio  xov  xvgdvvov   ejii^rjjov fieva.      (bg   de   6 

ßaoiXevg   rf]    xe   xrjg  noXiooxiag  dvdyxrj  xal   xfj  rov  oroaxTjyov  ||  xatf.152' 
ovyyevovg  ejioyj]  ^dvxa  jioieTv  (bfxoXoyei,  ecpegexo  juhv  ?;  xov  x&^o^ 
Tcoooxrjg,    eig  nevxaxioyiXiag  xeivovoa   kirgag,  iölSoxo  de  xal  xd  t^s^ 
Ogqxiag   dgyjjg   ovjußoXa   Tiagaygijiua,    ögxoi  xe  negl  (piXiag  Txagec- 

115  yovxo  xal  xö  xijg  i&grjoxeiag  dveveovxo  xrjgvyixa.  (hg  de  ovde  ovxcog 
eX^elv  Jigög  xov  ßaoiXea  ngoedvfxeixo,  djieycogei.  'Avdeuiov  de  X7]v 
vjiaxov  dgyi]v  diade^a/uerov  Bixahavog  av&ig  e^oyxovaevog  deivcbg 
xov  'Avaoxdoiov  enie^ev  xal  oi  xcbv  Xeyo/nevwv  Ovwayv  2!aß^g,  ex 
xfjg    Tigoxegag    Tiagoxgvv^evxeg   Tieigag,    nolAankaoioveg    xcö    TcXij&ec 

120  xaig  Txdoaig  ayedbv  eneyeßrjoav  enagyiaig  xrjg  xaXov/nevrjg  Tlovxixfjg,  348 
dgdoavxeg   de  (povov  fj.vgiov   dyeXag  aiyjuaXcüxcov   asirjyayov.     av&ig 
xe  xaxd  rr/v  Tiavtjyvgiv  xrjg  yaaxgfjg  ovveßr}  '&6gvßov  vjio  rov  drjfxov 
yeveo^ai.     6  de  ßaodevg  äxe  ovx  OJid  yvcojurjg  jieTigaycbg  xdg  jxgdg 
xov  xvgawov  ovjußdoeig  e/bitjyaväTO  ei  xi  dvvrjßeii]  dgäoai  xax'  exeivov 

i2f,  doXioig.  6  de  nagaygfjfia  xt]v  xov  ßaoiXewg  Jivdofievog  yv(6/nr]v 
ai'&ig  XYjv  Tigoxegav  /xeregyexai  Tieigav  xal  ovv  noXXw  JiXij&ei  dia- 
7iegaio)ßelg  xov  Ev^eivov  tiovxov  eg  xd  Aaoo&eviov  rjxev,  Tigbg  avxaig 
de  xaig  xaX.ovjuevaig  Zvxalg  {jxolga  de  avxr]  xfjg  ::i6X.ecog  eoydxif) 
xcbv  ßagßdgcov  TigooeXaodvxoiv  JieCojuayia  xe  ovvexgox/]d)]  jxgbg  xovg 

130  ev  exeiv7]  cpvXdxxeiv  ex  xe  'loavgcüv  xal  xcov  äXXcov  X.ayövxag  {ecbga 
ydg  eg  xdg  xcbv  Tigodidovxoiv  v:iooyeoeig  6  xvgavvog),  xal  vrjcbv 
avrov  xaxd  xb  /LLepaixaxov  xfjg  XgvoonoXecog  yevofievcov  vjiavxtjoaaa 
vavg  xayvdgoixog  xov  ßaoiXecog  eqf  ^g  'lovoxZvog  fjv  xcbv  xaXov/nevatv 
e^xovßixogoiv  ägycov,  ov/ujiXaxelg  fuä  xcbv  vrjcbv  xal  C(oyg}]oag  xavg 

135  ev  avxfj  xovg  äXXovg  ig  cpvyfjv  exgetpev.  d&goio&evxoiv  de  xcbv 
Tie^cbv  xaxd  xov  'AvdjiXovv  vvxxcog  aio^ofxevog  xfjg  hi  avxcb  yevo- 
fievTjg  emßovXijg  d:rcedga,  01  xe  ovv  avxcb  ä<pavxoc  änavxeg  h  dxagei 
eyevovro  yoovcp,  xovg  xgcoßevxag  ex  xcbv  ßagßdgcov  Tifj  fxev  fj^i- 
'dvfjxag  Tifj  de  xal  vexgovg  xaxaMxpavxeg.      juexd    de  xiva  yoovov  6 

140  x&v  BixaXiavw  owagafievcov  Ovwayv  (bg  öxi  ^dXiaxa  xgdxiatog,  og 
xal  xov  II  KvgiXXov  xov  axgaxrjyov  (povov  avxoyeigia  enga^e,  Taggdx  153 
xr]v  Tigooriyogiav,   TiegieXMvxog  avxbv  ojidxT]  Tovgyovv  Ovwov  xai 
avxov   xal   ygt]/Lidxa)v   dnodoixevov   xfjv   xoiavxrjv   Jigä^iv,    ovvdedelg 


115  TÖ]  t6t£  Hds.  II  118  £-Ta«r«'  Hds.  H  121  dysXa;]  xai  äyej.<x^  Hds.  H  133  i^axov- 
ßrjrÖQcov  Hds.  0  140  d>g]  og  Hds. 


734     Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malales. 

jiQÖg  avTov  xal  xoTg  rov  ßaodecog  Jiagado'&elg  sg  rrjv  Kcovoravrivov 

145  ^x^V-      ^^^   ßaodvovg  tzqoxeqov  vjiooräg  fiexä  rovto   ^cöv  eri  Jivgl 

die(p'&dQr]    xaTO.    rov    XaXxrjdövog    sjiexeiva    xorcov,    ov   Uarxeixiov 

övojudCovoiv.      juexä    de  xavxa  'PovcpXvog    6   oxQaxrjyög  'ÄvaoxaGiov 

xe    xal   Ao/xvixov    xovg    xvgdvvov    ocojuaxoq^vXaxag    Coiygia    Xaßwv 

exnefiTiEi  xa>  ßaodei,  xovg  de  naQayevofxevovg  (bg  nolXcbv  '&avdxa>v 

150  alxiovg   6  avxoxgdxcoQ  diaq)'d-aQrjvai  xQivag  xöig  xöjv  vvxxöjv  (pvXa^i 

349         Tiagadidmoiv    oi    de  xaxd  xbv   avxixgv  xrjg    Kcovoxavxivov    nokecog 

kocpov  xdg  xeq)aldg  exxefxovxeg  enl  ^vXivcov  ene&rjxav  xiovojv. 


Yitalianus  Vater  war,  wie  auch  sonst  angegeben  wird,  Patriciolus, 
welcher  im  persischen  Kriege  des  Anastasius  502  fg.  ein  höheres 
Commando  führte  ^,  seine  Heimath  Zaldaba  in  Medermösien^.  Seine 
Persönhchkeit  schildern  uns  die  neuen  Fragmente  nicht  von  der 
vortheilhaften  Seite;  er  sei  von  kurzer  Statur  und  stammelnder 
Stimme  gewesen  und  entstellt  durch  die  an  den  Rändern  versengten 
Augenlider.  Verkehrt  habe  er  vor  allem  mit  den  Hunnen,  mit 
welchem  Namen  Johannes,  wie  Prokop  und  Andre,  die  Bulgaren 
bezeichnet  ^.  Den  Anlass  zu  dem  Aufstand,  der  von  ihm  den  Namen 
führt,  gab  ein  Befehl  des  magister  niilitum  per  Thracias  Hypatius*, 
350  eines  Neffen  des  Kaisers  Anastasius,  welcher  den  in  Skythien  und 
Thrakien  stehenden  Besatzungen  die  annonae  foederaticae  entzog. 
Foederati  heissen  diejenigen  Barbaren,  die  sich  der  römischen  Herr- 
schaft unterworfen   haben  ^  und  in    den   Grenzprovinzen    mihtärisch 


148  CoyyQialaxcbv  Hds. 


1)  Prokopius  bell.  Pers.  1,8.  Die  Identificirung  dieses  Patriciolus  mit  Patri- 
cius,  dem  Sohne  des  Aspar  (Tillemont  6,  414;  Gibbon  eh.  40)  ist  eine  leere  Ver- 
muthung. 

2)  Der  Ort  kommt  auch  sonst  vor,  zum  Beispiel  bei  Hierokles  p.  637.  Er 
gehört  nach  der  späteren  Eintheilung  zur  Provinz  Scythia,  weshalb  Vitalianus 
bei  Marcellinus  zum  J.  514  [chron.  II  98]  Scytha  heisst.  Unrichtig  machen  ihn 
Malalas  p.  402,  3  und  Euagrius  8,  48  zu  einem  Thrakier. 

3)  Vgl.  Zeuss  S.  710  fg.,  der  die  Hunnen  und  Bulgaren,  es  scheint  mit  Recht, 
identificirt.  Zonaras  14,  3  nennt  statt  der  Hunnen  x6  x&v  Bovkydgwv  s&vog  firjnoi 
jiQiv  yivfooxo/xevov.     Hunnen  und  Bulgaren  nennen  Malalas  und  Theophanes. 

4)  Er  war  der  Sohn  des  Secundinus,  des  Consuls  511  und  der  Caesaria,  einer 
Schwester  des  Kaisers  (S.  340  A.4  [727  A.  1]).  Hypatius  der  Consul  500,  Führer 
im  persischen  Kriege  503,  muss  von  ihm  verschieden  gewesen  sein,  da  sonst  der 
Sohn  vor  dem  Vater  zum  Consulat  gelangt  wäre. 

5)  Olympiodorus  fr.  7  Müll.:  iv  xal?  i^/nsQuig  'Ovwgiov  .  .  x6  (poidsgarcov 
{ovofia)  xaxa  SiatpÖQOV  aal  ov/nfxtyovs  ecpsgexo  nXrj^ovg.  Suidas  u.  d.  W. :  (poiSsgäxoi  • 
ovxoo  xakovai  'Poofiaioi   xovg  vnoosiövdovg   xcöv  2xv&cöv.      Malchus  fr.  11  Müll. :    e^^i 


Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas.  735 

verwendet  werden;  und  wie  in  dieser  Zeit  die  nicht  römische  Miliz 
überhaupt  mehr  gilt  und  besser  gestellt  ist  als  die  eigene,  so  sind 
auch  in  Betreff  der  militärischen  Emolumente  diese  Grenztruppen 
vor  ihren  Kameraden  privilegirt ^.  Es  wurde  dem  Vitalianus,  dem 
Sohn  eines  der  Führer  dieser  foechrati^,  nicht  schwer  die  also  be- 
schädigten und  gekränkten  Soldaten  aufzuwiegeln;  auch  mögen  gleich 
jetzt  eine  Anzahl  von  Hunnen  sich  angeschlossen  haben  ^.  Dass 
Yitahanus  mit  seinen  Leuten  als  Vorkämpfer  der  Orthodoxie  gegen 
den  manichäischer  Irrlehren  angeschuldigten  Kaiser  aufgetreten  ist, 
wie  die  Spätem  angeben*,  sagt  Johannes  hier  nicht;  und  wenn  351 
gleich,  wie  spätere  Aeusserungen  auch  bei  ihm  zeigen,  allerdings 
dergleichen  religiöse  Motive  mit  im  Spiel  gewesen  sind,  werden  wir 
immer  aus  ihm  zu  lernen  haben,  dass  dieser  Zug  kein  Kreuzzug 
gewesen  ist,  sondern  eine  Schilderhebung  unzufriedener  Söldner. 
Zunächst  entledigte  sich  Vitalianus  der  dem  Kaiser  getreuen  Officiere, 
des  Constantinus  aus  Lydien  und  des  Oelerinus,  der  Beistände  des 
Hypatius,  ferner  des  Statthalters  von  Moesien  Maxentius,  Sohnes  des 

Zijvan'og  TTOsoßsig  rj/.dov  ex  Ogqxfjg  röjv  v:ioa:iöv8<i}v  fördcov,  ovg  di]  xai  «foiöeoarovs 
Ol  'PcofiaTot  y.aj.ovaiv.  Sie  werden  mehrfach  den  milites  entgegengesetzt,  so  in 
der  uov,  Valent.  III  9  vom  J.  440:  tarn  müittim  atqtie  foederatorum  Uiitionem,  und 
nov.  Theod.  II  24  §  3  vom  J.  443:  ab  omni  limitaneorum  müitum  ac  foederatarum 
gentium  concussione.     Vgl.  Gothofred  zum  C.  Th.  7,  13,  16. 

1)  Nov.  Theod.  II  24  §  2:  de  Saracenorum  vero  foederatorum  aliarumgue 
gentinm  annonarüs  alimentis  nuUam  penittts  eos  decerpendi  aliquid  .  .  .  licentiam 
habere  concedimus ,  nachdem  vorher  verfugt  worden  ist,  dass  den  duces  und 
anderen  Offizieren  ein  Zwölftel  der  annonae  des  limitaneus  niiles  zu  Gute  kommen 
soll,  üeber  die  foederaticae  annonae  ist  auch  die  unten  S.  369  aus  Malalas  nach- 
getragene Stelle  zu  vergleichen.  [Diese  unten  nicht  abgedruckte  Stelle  des 
Malalas  p.  371  Boim.  lautet:  sl/j  yäg  (^Janag)  .  .  jiiij&oi  röxdwv  xai  xöfitjxas 
Jio/LÄ.oi'g  xai  äX/.ovg  :TaTöag  xai  :iaQa[^iivovTac  avxöig  dr&gwsiovt;,  ov;  ixdXtae  (poi&egd- 

oup'  MV  xai  ai  (foiöegarixal  äwtovai  xazdyovrai.] 

2)  Johannes  bezeichnet  des  Vitalianus  Stellung  nicht;  aber  Theophanes 
Tum  J.  6005  [I  157,  11]  nennt  ihn  tov  viov  IlaxQixiöXov  xöfttjzog  <poi8eo6j(ov,  Victor 

Tunn.  zum  J.  510  [chron.  II  194]  Vitalianus  comes  (vielmehr  comitis  [diese  Ver- 
mutung ist  a.  a.  0.  fallen  gelassen  worden])  PatricioU  filius. 

3)  Johannes  spricht  von  den  Hunnen  hier  nicht,  und  es  ist  wahrscheinlich, 
dass  in  diesem  ersten  Abschnitt  die  foederati  im  Wesentlichen  allein  standen, 
besonders  wenn  man  die  Verhandlung  der  Offiziere  mit  Anastasius  beachtet, 
die  dieser  Bewegung  ein  Ende  machte.  Dass  unter  den  foederati  selbst  und 
im  Gefolge  des  Vitalianus  sich  Hunnen  befunden  haben  (vgl.  Prokop  bell.  Goth. 
1,27  p.  125,  21  Bonn),  auch  freiwillig  deren  jetzt  sich  anschlössen,  soll  damit 
nicht  geleugnet  werden;  aber  das  Herbeirufen  der  Fremden  als  solcher  scheint 
erst  später  stattgefunden  zu  haben. 

4)  Theophanes  zum  J.  6005  [1 157, 12] :  oi  h  2xv^tq  xai  Mvaiq  xai  iouiais 
Ztögaig  ogßödo^oc  :iagexa/.ovv  xtvrj&^at  xaxd  'Jvaaxaoiov  xov  dvaaeßovs.  Ebenso 
Victor  Tunn.  zum  J.  510  [chron  a.  a.  0.]. 


736    Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas. 

sogenannten  Dux,  die  alle  niedergemacht  wurden.  Eines  andern 
Beamten,  des  Carinus,  bemächtigte  er  sich  und  nöthigte  ihn  seinem 
Vorgeben,  dass  ihm,  dem  Yitalianus,  vom  Kaiser  die  Befugnisse  des 
magister  militum  übertragen  seien,  Glauben  zu  verschaffen,  wodurch 
er  sich  in  den  Besitz  der  Stadt  Odessos^  und  des  Schatzes  setzt. 
So  marschirte  er  an  der  Spitze  von  50,000  Mann  auf  ConstantinopeP. 
Anastasius  sucht  zunächst  sich  von  den  an  seiner  Orthodoxie  ge- 
machten Ausstellungen  zu  reinigen:  er  lässt  bronzene  Kreuze  mit 
der  Angabe  des  wahren  Grundes  des  Aufstandes  über  den  Thoren 
der  Hauptstadt  aufstellen  und  bringt  auf  dem  Altar  der  Hauptkirche 
als  Opfergabe  den  vierten  Theil  der  Viehsteuer  ^  der  Diöcesen  Asia 
352  und  Bithynia  dar.  Als  dann  Vitalianus  vor  den  Thoren  der  Haupt- 
stadt erschien,  wurde  ihm  der  mag.  mil.  Patricius*  entgegengesendet, 
ein  bejahrter  hochangesehener  Mann,  unter  dem  Vitalianus  früher 
den  persischen  Feldzug  mitgemacht  hatte  ^.  Vitalianus  erklärte,  dass 
er  in  Erinnerung  des  Wohlwollens,  das  ihm  die  Regierung  früher 
bewiesen,  gekommen  sei  um  die  Aufhebung  der  dem  thrakischen 
Heer  von  Hypatius  zugefügten  Unbill  und  die  Festhaltung  am  ortho- 
doxen Bekenntniss  nachzusuchen  ^    Am  folgenden  Tage  wurde  nicht 

1)  Dasselbe  Factum  ist  wohl  das  von  Marcellinus  [chron.  II98]  nach  der 
ersten  Rückkehr  von  Constantinopel  berichtete:  hinc  Odyssum  Moesiae  civitatem 
Vitalianus  pernoctans  astu  ingressus  est.  Ebenso  erzählen  Theophanes  und 
Euagrius  (S.  352  A.  5  [S.  737  A.  2]). 

2)  Marcellinus  zum  J.  514  [chron.  a.  a.  0.]:  Vitalianus  Scytha  adsumpta 
Bomanarum  equitum  peditumque  plus  quam  LX  milia  armatorum  in  triduo  eongre- 
gatorum  in  locum  qui  Septimus  dicitur  advenit  ibiqu£  castra  metatus  est,  dispositis- 
que  a  muri  in  mare  suarum  ordinibus  ipse  ad  usque  pai'tam  quae  aurea  dicitur 
sine  ullius  accessit  dispendio.  Die  Späteren,  wie  Jordanis  {Vitalianus  cum  LX 
milibus  armatwum  tertio  —  vielleicht  triduo  [andere  Vermutung  in  der  Jordanis- 
ausgabe  der  Monumenta  S.  46,  17]  —  paene  non  rei  publicae,  sed  regi  infestus 
accedens  multa  suburbana  regiae  urbis  praedis  spoliisque  attrivit)  und  Theophanes 
(zum  J.  6005  [I  157,  13]:  6  Ss  xivrjd'slg  jioVmq  /nvQidda?  dvsT?.s  orgarov  tcöv  vjisq 
'Avaoraoiov  /LcayofiEvcov  yqvaöv  ts  slg  göyag  avrcöv  jtsiLi7i6/j,svov  nkeToxov  xai  onXa  stg 
avi^naxiav  xal  dojrdvag  xai  oaa  akka  iysiQovTo)  machen  schon  aus  diesem  Zug  einen 
eigentlichen  Feldzug,  aber  gegen  ,i  die  besten  Zeugen  und  offenbar  verkehrt. 

3)  Dies  ist  die  capitatio  animalium,  die  neben  der  capitatio  humana  C.  Th. 
11,  20,  6,  oder  die  publicae  functiones  animales,  die  neben  den  publicae  functiones 
terrenae  Cod.  lust.  11,48,  23,  2  auftreten,  derjenige  Theil  der  Grundsteuer,  der 
für  das  Vieh  entrichtet  wird.  Vgl.  Hermes  3,438  [in  dem  Aufsatz:  'Syrisches 
Provinzialmaß  und  römischer  Rechtskataster',  der  in  den  Epigraphischen  Schriften 
zum  Abdruck  gelangen  wird]. 

4)  Consul  500,  Feldherr  gegen  die  Perser  503  fg. 

5)  So  wird  wohl  Johannes  Andeutung  zu  fassen  sein:  avzc^  tcö  Bizahavcö 
fisQo;  ov  fiixQov  zi]g  svjigayiag  yevö/HEvog. 

6)  Marcellinus  nach  den  S.  351  A.  2  [oben  A.  2]  angeführten  Worten:  scilicet 


Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas.   737 

Vitalianus   selbst  —   denn  er  zog  es  vor    draussen    zu    bleiben   

wohl  aber  seine  Offi eiere  zum  Kaiser  geführt,  der  ihnen  theils  den 
Ungrund  ihrer  Beschwerden  darthat;  theils  für  die  begründeten 
Abhülfe  versprach,  wegen  der  Rehgionsstreitigkeit  aber  verhiess  die 
Bischöfe  des  ^\'estreichs  als  unparteiische  Richter  um  ihren  Schieds- 
spruch anzui-ufen.  In  der  That  gelang  es  dem  Kaiser  die  Gefahr 
*  zu  beschwören.  Die  Offi  eiere  leisteten  ihm  aufs  Neue  den  Eid  der 
Treue  und  bestimmten  den  Yitalianus  sowohl  wie  die  Massen  dahin 
woher  sie  gekommen,  zurückzukehren  1. 

Anastasius  ernannte  nun  anstatt  des  Hypatius  zum  mag.  mtl.  för 
Thrakien  den  Cyrillus,  einen  fähigen  und  erfahrenen  Officier.  Dieser 
suchte  mit  List  den  Yitalianus  aus  dem  Wege  zu  räumen;  aber 
seine  Pläne  wurden  demselben  kund  und  einer  der  treuesten  und 
angesehensten  Genossen  des  Yitalianus,  der  Hunne  Tarrach,  erschlug 
den  Cyrillus  mit  eigener  Hand  2.  Als  Anastasius  diese  xs'achricht 
erhielt,  Hess  er  nach  altem  Herkommen  den  Yitalianus  durch  den  353 
Senat  in  die  Acht  erklären  und  sandte  den  Hypatius,  dessen  Mass- 
regeln die  Insurrection  hervorgerufen  hatten,  als  Höchstkommandiren- 
den  mit  SO  000  Mann  gegen  die  Insurgenten.  Unter  ihm  standen 
der  Skythe  Alathar,  der  als  tnag.  mil.  von  Thrakien  dem  Cyrillus 
nachfolgte  ^,  und  der  kaiserliche  Schatzmeister  Theodorus.    Yitahanus 

pro  orthodoxorum  se  fide  proque  Macedonio  wrbis  episcopo  incasstim  ab  Anastagio 

EHpe  exulato  Constantinopolim  accessisse  adserens. 
1)  Marcellinus  a.  a  0. :  Anastasii  simulationibus  cUque  periuriis  per  Theodo-  ' 
intemuntium  ilUctus  atque  iUusus  octavo  die,  quam  urbem  aceesserat,  remeavU. 
2)  ]\tarcellinus  a.a.O.:  CyriUum  Unocinantem  magis  quam  stremium  müitiae 
yrem  inter  duas  paelices  Vitaliamis  repperit  donnientem  eumque  abstractum 
mox  cuUro  Getieo  iugulavit  hostemque  se  Anastasio  Caesari  paiam  aperteque  eaJti- 
hiit.  Malalas  p.  402  sehr  ausführlich.  Theophanes  zum  J.  6006  [I  160,  13]: 
rovrcp  TW  hei  Bixakiavog  jragcüaßoyv  jiäaav  zijr  Oqoxtiv  xcu  .  .  .  ix<ov  fi£&'  iavrov 
:t/.fjdo;  Ovwcov  y.al  BovXydgcov  nagiXaßev  rr]y  'Ayiiclov  xcu  rrff  'OdvooöJioXiv,  xiäoas 
y.al  Kvoi/./.ov  xov  aroarTjXdTrjv  OQÖxrjg,  xal  ^/i?e  7toai8sv(ov  eoyg  zov  Bv^avziov.  Aus 
Theophanes  schöpft  Cedrenus,  den  ich  desshalb  nicht  -weiter  berücksichtige. 
Euagrius  3,  43:  KvqiXX<k  zag  ImaxQatevaEig  syxeioi^exai  xcu  Jigtöia  fiev  rij;  fidxtjs 
u-'/co/^id/.ov  yevofiEvrjg ,  sha  xal  noXXäg  XQo:ias  de^afievTjg  ev  xe  xaig  v:iay<aycüg  xcu 
Tov  KvoiXkov  x6  ziXiov  iaxijxöxog  kiiGXQoq;ä8rjv  :icdivdico^ig  yeyovev  edti.oxaxT]odvio>y 
Töiv  GxoaxicoxöJv  xal  ovxu>  xov  KvQiÄlov  EX  xrjg  'Obvoaov  ^aQsiXi]<fsv  6  Bixcdiavog. 
Malalas,  Theophanes  und  Euagrius  setzen  die  Niederlage  des  Cyrillus  nach  der 
des  Hypatius,  während  Johannes  die  Folge  umkehrt.  Die  übrigen  Quellen,  selbst 
'      Marcellinus,  nennen  nur  die  eine  oder  die  andere.    Vermuthlich  ist  Malalas  der 

IHfcheber  dieser  Umstellung  und  hängen  Theophanes  und  Euagrius  von  ihm  ab. 
^^  3)  Ihn  kennt  auch  Jordanis  de  regn.  succ.  [p.  46,  22]:  item  Bufinus  Alathort- 
que  magister  militum  saepe  supercdi.  So  hat  die  Heidelberger  Handschrift,  wofür 
freilich  in  den  Ausgaben  steht:  Herum  suus  gubemator  magisterque  rmlitum. 

MOMMSEN,    SCHR.  VU.  ^7 


Ift 


738    Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas. 

stellte  sich  ihm  mit  den  Seinigen  entgegen  und  rief  die  befreundeten 
Hunnen  auf;  gegen  Zusicherung  einer  grossen  Geldsumme  sandten 
diese  ihm  ansehnliche  Haufen  ^.  Von  den  Kaiserlichen  wurden  einige 
glückliche  Gefechte  geliefert  und  der  Kaiser  glaubte  schon  die  In- 
surrection  unterdrückt,  so  dass  er  wieder  in  den  Kirchen  der  Haupt- 
stadt und  bei  den  öffentlichen  Spielen  erschien.  Aber  es  folgten 
bald  neue  Unglücksfälle.  Julianus,  ein  Beamter  aus  dem  Scrinium 
der  Memoriales,  der,  ohne  Officier  zu  sein,  den  Krieg  als  Zuschauer 
hatte  mitmachen  wollen,  wurde  gefangen  und  in  einem  eisernen 
Käficht  mitgeführt 2,  bis  mit  vielem  Golde  seine  Freigebung  erkauft 
ward.  Ein  höherer  Officier  Timotheus,  einer  der  Protektores  des 
Kaisers,  fiel  im  Gefecht.  Hypatius  schlug  sein  Lager  bei  der  Burg 
Akris  ^  am  Ufer  des  Meeres  und  ordnete  hier  hinter  der  Geschütz- 
reihe seine  Truppen.  Mit  gesammter  Hand  griffen  die  Hunnen  ihn 
an.  Eine  Zeit  lang  stand  das  Schiessgefecht;  aber  als  die  Hunnen 
ihre  Pfeile  auf  die  Ochsen  richteten,  mit  denen  die  Geschütze  be- 
354  spannt  waren,  und  diese  niederschössen,  ward  die  Geschützreihe 
durchbrochen*  und  die  Truppen  selbst  hielten  den  anstürmenden 
Hunnen  keinen  Augenblick  Stand.  Es  wird  berichtet,  dass  deren 
Zauberer  gar  noch  Finsterniss  machten  und  also  die  nicht  von  den 
Streichen  der  Feinde  fielen,  auf  der  Flucht  theils  in  die  Bergschluchten, 
theils  in  die  See  stürzten,  zusammen  über  60,000  Menschen  umkamen. 
Die  Officiere  wurden  fast  alle  gefangen,  Hypatius  selbst  lebend  aus 

1)  Johannes  erwähnt  dies  erst  später;  es  passt  das  Herbeirufen  des  Landes- 
feindes aber  nur  in  diesen  Zusammenhang. 

2)  Dasselbe  berichtet  Victor  Tunnunensis  von  dem  Patricius  oder  vielmehr 
dem  Hypatius  (S.  354  A.  2  [S.  739  A.  1]). 

3)  Dass  Akris  Ortsname  ist ,  zeigt  Marcellinus  zum  J.  515  [chron.  II  99] : 
Hypatium  . .  captivum  catenatumque  apud  Acres  castellum  tenebat;  dass  es  am 
Meere  lag,  die  weitere  Erzählung.  Sonst  ist  der  Ort  unbekannt;  er  muss  an 
der  thrakischen  oder  allenfalls  an  der  skythischen  Küste  gelegen  haben. 

4)  Die  mit  Ochsen  bespannten  Wagen  der  Römer,  die  während  der  drtijia- 
Xog  ro^eia  in  erster  Linie  stehen,  können  nur  die  onagri  des  Vegetius  (2,  25; 
vgl.  Marquardt  3,2,471)  sein:  legio  .  ..  instruitur  iaculis,  quae  mdlae  loricae, 
nulla  possunt  scuta  sufferre.  nam  per  singulas  centurias  singiclas  carroballistas 
habere  consuevit,  quibus  muli  ad  trahendum  et  singula  eontubernia  ad  armandum 
vel  dirigendum,  hoc  est  undecim  homines  deputantur  .  .  .  mm  sölum  autem  castra 
defendunt,  verum  etiam  in  campo  post  aciem  gravis  armaturae  ponuntur  .  .  .  in 
una  autem  legione  LV  carroballistae  esse  solent.  item  decem  onagri,  id  est  singuli 
per  singulas  cohortes,  in  carpentis  bubus  portantur  armati,  ut  si  fo^ie  hostes  ad 
oppugnandum  (Hdschr.  ad  pugnandum)  venerint  Valium,  sagittis  et  saxis  possint 
castra  defendi.  Die  Bezeichnung  carpentum  deutet  an,  dass  die  Wagen  bedeckt 
waren.  Uebrigens  kenne  ich  keine  zweite  Schlachtbeschreibung,  die  die  Verwen- 
dung der  Geschütze  in  dem  Standgefecht  dieser  Zeit  so  anschaulich  machte. 


Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas.    739 

dem  Meere  aufgefischt  ^.  Die  ungeheure  Beute  setzte  den  Yitalianus 
in  den  Stand  den  Hunnen  die  versprochene  Summe  zu  zahlen.  Die 
übrigen  gefangenen  Officiere,  Alathar,  Asignius  und  andere  wurden 
gegen  Lösegeld  entlassen;  aber  den  Prinzen  des  kaiserlichen  Hauses, 
den  ihm  das  Kriegsglück  in  die  Hände  gespielt  hatte,  bewahrte 
Vitalianus  sorgfältig  wie  eine  kostbare  für  hohen  Preis  anzubringende  355 
Waare.  Er  hatte  sich  nicht  geirrt.  Der  Kaiser  sandte  den  Can- 
cellarius  des  magister  officiorum^  Uranius  mit  den  beiden  für  den 
Verkehr  mit  den  hunnischen  Gesandten  bestimmten  Beamten  Poly- 
chronius  und  Martyrius  ^  imd  mit  zehn  Hundertpfunden  Goldes  *,  um 
den  Gefangenen  von  den  Hunnen  zu  lösen.  Aber  bei  Sozopolis, 
dem  alten  Apollonia  in  Thrakien,  fielen  die  Boten  in  einen  Hinterhalt 
und  statt  den  Gefangenen  zu  befreien  wurden  sie  selbst  mit  dem 
Lösegeld  und  der  Stadt  Sozopolis  eine  Beute  des  Feindest 

In  den  Statthalterschaften  Moesien  und  Skythien  waren  die 
Castelle  und  Städte  sämmtlich  in  der  Gewalt  des  Yitalianus  und 
allgemein    erwartete    man,    dass    derselbe    sich    zum    Kaiser  werde 

1)  Jordanis  [p.  46, 19] :  contra  quem  (Vitalianum)  dum  Hj/patius  nepus  Caeaaris 
cum  exercitu  mimeroso  prignaturus  egreditur,  ante  ab  Hunnis  ar4xäiaribus  capitur 
et  Vitaliano  mula  insidens  turpiter  venditur,  anteguam  aperto  prodio  parte  adversa 
sese  inimieum  ostenderet.  Marcellinus  übergeht  die  Gefangennahme  des  Hypatius, 
obwohl  er  dessen  Lösung  erwähnt ;  Theophanes  und  Euagrius  erwähnen  sie,  aber, 
wie  schon  bemerkt  ward  (S.  352  A.  5  a.  E.  [S.  737  A.  2]),  wahrscheinlich  nicht  an 
der  richtigen  Stelle.  Jener  erzählt  unter  dem  J.  6005  [1 157,  16] :  <paal  8s  ozi  ir 
fiiä  ovfißoXfj  k^rjxovra  :xhne  ^Uiddag  argarov  ßaaüixov  ixQtjfivioe  ovv  'Y^ariq)  aTQorrj- 
yovvri  avx&v,  vlät  8e  i^adskqpfjg  'Avaaraoiov  xal  2sxow8ivov  aargtxiov,  ov  xai  niaaas 
CöHra  SV  q?QovQä  slxev.  Dieser  sagt  3,  43:  ago?  tcöv  olxslcov  ^Qo8odsi?  6  'YTcärio? 
Qoiyoiag  ?//£ö.  Victor  Tunnunensis  zum  J.  511  [chron.  II  195] :  Vitalianus  comes 
Patricium  nepotem  Anastasü  principis  magistrum  Bomanae  müitiae  congressione 
facta  LXVviris  ex  militia  Bomana  peremptis  rtntm  capit  et  vinculis  aereis  vhictutn 
in  custodiam  cavae  (vielmehr  caveae  [so  eine  Hs.])  ferreae  trudit  et  postea  distrahU, 
wo  Patricius,  Hypatius  und  lulianus  verwechselt  werden  [statt  Patricium  haben 
zwei  Hss.  Hypatium].  Keiner  dieser  Berichte  ist  correct;  der  wahre  Zusammen- 
hang der  Dinge  wird  erst  durch  Johaimes  klar. 

2)  Die  Not.  Dign.  Occ.  c.  VIII  verzeichnet  unter  den  dem  magister  ofßeio- 
■tm  untergebenen  Bureaus  an  letzter  Stelle  die  cancdlarii, 

3)  Diese  merkwürdigen  rag  xätv  Ovwcov  ngsaßsiag  hiixsxQannevoi  sind  ver- 
muthlich  zu  suchen  unt^r  den  interpretes  diversarum  (oder  omnium)  gentium,  die 
die  Notitia  unter  dem  Bureaupersonal  des  magister  officiorum  aufführt  Vgl. 
dazu  Böcking  not.  dign.  occ.  p.  322. 

4)  Vgl.  Cod.  lust.  12,  51,  12:  exceptis  auri  centenariis. 

5)  Diese  Sendung  erwähnt  auch  Marcellinus  beiläufig  zum  J.  515  [chron, 
II  99]:  iam  miUe  centiim  auri  libris  cum  TJranio  captivo  sibi  a  suis  in  Sozopoli 
dblatis.  Die  1100  Pfund  scheinen  aus  Missverständniss  der  8ixa  yovalov  iAXQtöv 
sxajovrddeg  entstanden. 

47* 


It 


740     Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochja  und  des  Johannes  Malalas. 

ausrufen  lasspn.  Auch  in  der  Hauptstadt  fanden  Aufläufe  statt,  zu 
dienen,  wie  gewö,hnlichj,  die  Circusspiele  die  Veranlassung  gaben;  da 
der  Kaiser  sich  weigerte  das  Rennen  am  Abend  zu  wiederholen, 
erschlug  der  Pöbel  den  jjraefedus  vigilum  Geta  und  andere  Personen  ^. 
Zum  Kaiser  nun  zwar  Hess  Vitalianus  sich  nicht  machen  2,  wohl  aber  griff 
er  die  Hauptstadt  an,  diesmal  zu  Lande  und  zu  Wasser,  indem  er  an 
der  thrakischen  Küste  hinab  marschirend  bis  nach  dem  Hafen  Sosthe- 
nion,  zehn  Milien  von  Constantinopel,  vordrang  und  dahin  zugleich 
seine  Flotte  von  200  Schiffen  steuern  liess^.  Die  Bewohner  der 
356  Hiauptstadt  erwarteten  ihn  einrücken  zu  sehen;  der  Kaiser  hatte  in 
der  That  nichts  ihm  entgegen  zu  stellen.  Wie  immer  suchte  er 
sein  Heil  in  der  Diplomatie  und  sandte  an  ihn  den  Johannes,  den 
Sohn  der  Yaleriana,  der  Schwester  des  Vitalianus,  der  schon  hohe 
Aemter  bekleidet  hatte  und  späterhin  in  Justinians  Gothenkrieg  eine 
hei-vorragende  Rolle  spielte  *.    Derselbe  gelangte  nicht  ohne  Lebens- 


1)  Von  diesen  Unruhen  ist  sonst  nichts  bekannt.  Die  von  Theophanes 
unter  dem  J.  6005  erzählte  durch  religiöse  Motive  veranlasste  Bewegung,  bei 
welcher  das  Volk  den  Ruf  erhoben  haben  soll,  dass  Vitalianus  Kaiser  werden 
möge,  scheint  nicht  hierher  zu  gehören,  sondern  aus  dem  hervorgegangen  zu 
sein,  was  Marcellinus  unter  dem  J.  512  von  Areobindus  berichtet. 

2)  Johannes  sagt  das  nicht,  obwohl  er  ihn  als  xvqawog  bezeichnet;  und 
dass  es  von  Vitalianus  keine  Münzen  giebt  (Sabatier  monnaies  Byzantines  1, 156), 
ist  entscheidend. 

3)  Marcellinus  515:  Vitalianus  eiäem  Anastasio  imp.  imnianior  factus  est 
inimiciis :  praemissis  quippe  suorum  equitibus  armatisque  naviculis  sinistro  sibi  litwe 
deeurrentibus  ipse  peditum  armis  stipatus  Systhenense  praedium  ingressus  est  totius- 
que  loci  palatium  habuit  mansionem.  Theophanes  zum  J.  6006  [I  160,  17],  unrichtig 
anknüpfend  an  die  Gefangennahme  des  Cyrillus:  (pEidöfisvo?  ds  x^s  nöXacog  h 
Zoio&Evicp  iorgatoMEÖsvaaro.  Victor  Tunn.  zum  J.  514  [chron.  II  195]:  Vitalianus 
comes  cum  manu  valida  barbara)-um  Constantinopolim  veniens  in  Sosthene  sedit. 
Den  Ort  nennt  auch  Johannes  Antiochenus  fr.  15,  2  (und  dessen  dort  von  Müller 
angeführte  Ausschreiber) ;  die  Lage  bestimmt  Malalas  p.  403,  8.  406,  21  und 
besonders  der  Periplus  des  Euxinus  §  90.  Die  Form  Aaooßiviov  findet  sich  ausser 
unserer  Stelle  nur  in  den  salmasianischen  Excerpten  des  Johannes  a.  a.  0., 
Ascood^enov  bei  Stephanus  (u.  d.  W.  rvvaixöonoXig) ,  während  der  Pariser  Codex 
1680  der  Excerpte  und  alle  anderen  Zeugen  Scoad'eviov  schreiben.  Vgl.  Man- 
nert  7,  152. 

4)  Marcellinus  zum  J.  515:  missi  sunt  ad  Vitalianum  a  Caesare  senatores, 
qui  pacis  cum  eo  leges  componerent.  Theophanes  zum  J.  6006  [1 160,  18]:  Ava- 
0x6.0105  Sk  ojioyvovg  nsixnei  xiväg  xfjg  ovyxXrjXov  Jtagaxakcöv  EiQrjvsvoai  avxöv.  Vgl. 
Prokop  bell.  Goth.  2,  5:  "loiävvrjg  6  Bixahavov  xov  iiQwrjv  xexvQavv7]x6xog  a8sX(pi8ovg, 
und  Malalas  p.  404,  2:  Imdvvtjv  xöv  BaleQiavijg,  wonach  der  lückenhafte  Text  des 
Johannes  zu  ergänzen  ist.  Wenn  Johannes  der  Neffe  des  Vitalianus  nach 
Johannes  von  Antiochien  schon  mag.  mil.  und  Consul  gewesen  war,  so  kann 
letzteres   nicht  vom  Ordinariat  verstanden  werden:    denn   die  beiden   aus  dem 


Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas.   741 

gefahr  durch  die  feindlichen  Yorposten  bis  in  das  Hauptquartier  des 
Yitalianus  in  dem  kaiserlichen  Palast  von  Sosthenion.  Man  musste 
wohl  jede  Bedingung  annehmen,  die  Yitalianus  zu  stellen  beliebte: 
dass  dieser  sich  enthielt  die  Absetzung  des  Kaisers  zu  fordern  und 
überhaupt  Bedingungen  stellte,  war  schon  ein  unerwartetes  Glück. 
Yitalianus  wurde,  wie  er  verlangte,  zum  magister  militum  per  TJiracias 
bestellt^,  für  die  Lösung  des  Hypatius  die  ungeheure  Summe  von 
5000  Pfund  Goldes  entrichtet  2,  endlich  durch  ein  kaiserliches  Edict  357 
den  Beschwerden  der  Orthodoxen  abgeholfen  und  der  ganze  Yertrag 
durch  feierliche  Eide  bekräftigt.  Dass  die  Wiedereinsetzung  der 
abgesetzten  Bischöfe  und  die  Einberufung  eines  allgemeinen,  auch 
von  den  occidentalischen  Bischöfen  zu  besuchenden  Concils  gefordert 
ward  und  Yitalianus  sich  nicht  mit  dem  oft  gebrochenen  kaiserlichen 
Eidschwur  begnügte,  sondern  auch  die  Principes  der  sämmtlichen 
Scholae  so  wie  der  Senat  und  die  Oberbeamten  den  Yertrag  eidlich 
bekräftigen  mussten,  sagt  Johannes  nicht,  ist  aber  sonst  glaubwürdig 
überliefert^.  Ohne  den  Kaiser  haben  sehen  zu  wollen ^  ging  der 
neue  magister  miliitim  in  seinen  Sprengel  zurück. 

Aber  Anastasius  war  nicht  gewohnt  sich  an  irgend  etwas  zu 
binden,  am  wenigsten  an  ein  gegebenes  Wort;  er  rechnete  den 
Meineid  für  den  Herrscher  zu  den  Mitteln  gerechter  Notwehr*.  Im 
folgenden  Jahre  5!5  —  es  ist  dies  leider  die  einzige  in  diesen  Frag- 
menten ausdrücklich  angegebene  Jahrzahl  —  brachen  die  Saber- 
Hunnen  von  Armenien  her  in  das  römische  Gebiet  ein  und  plünder- 
ten und  mordeten  entsetzlich  in  der    ganzen    pontischen    Diöcese^ 

isaurischen   Feldzuge   bekannten  Johannes,   die  498  und  499  zum  ordentlichen 
Consulat  gelangten,  sind  von  diesem  verschieden. 

1)  Das  sagt  auch  Marcellinus  [chron.  II  99]:  tnagistef  tnilüttm  VUahanus  per 
Thracias  factus. 

2)  Marcellinus  zum  J.  515:  nongenta  pondo  (oder  pondera)  auri  exeeptis 
regalibus  mutieribiis  pi'o  pretio  tunc  accepit  Bypatii  .  .  .  Hypatium,  quem  captivum 
catenatumqtie  apud  Aa-es  castellum  tenebat,  reversus  siw  remisit  avunculo.  Theo- 
phanes  zum  J.  6006  [I  160,  28]:  Hsxovvdlvog  dk  6  jtazQixio;,  yafißgog  'Avamaa/ov 
i:i  ä8£/.q:i~j,  .tot^o  8k  'Ynaxiov  etg  rovc  :j6Sag  rov  BiraJuavov  :igoc:isaü}y  :ioHoTi 
däy.ovaiv  'Y:tdriov  rov  löiov  viöv  ex  twv  iv  Mvaiq  deoficöv  C^vro  d.-üj.aßsv.  Kurz 
erwähnt  den  Loskauf  Euagrios  3,  43.  —  Dass  Marcellinns  nicht  von  90  Pfiind 
Gold  gesprochen  haben  kann,  ist  aus  dem  Zusammenhang  klar;  vermuthlich 
schrieb  er  oder  hätte  schreiben  sollen  L  auri  pondera,  so  dass  pondus  so  viel 
ist  als  centenarium. 

k;     3)  Theophanes  zum  J.  6006  [1 160,  21].  Victor  Tunn.  zum  J.  514  [chron.  U  195]. 
1,     4)  Theophanes  a.  a.  0.  [I  161,  10]:  sleys  rofior  eivai    xs'uvovxa  ßaadia   xar 
avdyxTjv  eTctoQxsTv  xai  xpevdeodai. 

5)  Marcellinus  zum  J.  515:  ea  tempesMe  Hunni  Armenia  transmissa  totam 
Cappadociam  devastantes  usgue  Lycaoniam  perrexerunt.     Victor  Tunn.  zu  dems. 


742    Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas. 

.Nach  Johannes  Angabe  ist  dieser  Angriff  der  Hunnen  vom  Kaukasus 
durch  die  von  den  Hunnen  an  der  Donau  bei  dem  Aufstand  des 
Vitalianus  erreichten  Erfolge  hervorgerufen  worden,  und  unmöglich 
ist  es  nicht,  dass  die  in  Europa  zu  Tage  getretene  Schwäche  des 
Römerstaates  auf  die  asiatischen  Völkerschaften  bestimmend  ein- 
gewirkt hat.  Anastasius  suchte,  vielleicht  diesen  Hunneneinfall  zum 
Vorwand  nehmend,  sich  den  mit  Vitalianus  geschlossenen  Verträgen 
zu  entziehen ;  anderweitig  wird  gemeldet,  dass  er  die  Abhaltung  des 
358  zugesicherten  allgemeinen  Concils  zu  hintertreiben  wusste  ^  und  dass 
er  das  dem  Vitalianus  gegebene  Commando  in  Thrakien  an  seiner 
Stelle  dem  Rufinus  übertrugt.  Da  brach  Vitalianus  zum  dritten 
Male  mit  Heer  und  Flotte  gegen  die  Hauptstadt  auf  und  gelangte 
wiederum  ungehindert  bis  nach  Sosthenion;  ja  er  besetzte  Sykae, 
die  Vorstadt  Constantinopels  auf  der  andern  Seite  des  goldenen 
Horns,  das  heutige  Pera.  Vitalianus  hoffte,  dass  die  Isaurer  und 
die  sonst  dort  stehenden  Besatzungstruppen  zu  ihm  übergehen  würden, 
aber  vergebens:  sie  leisteten  tapferen  Widerstand.  Seine  Schiffe 
zeigten  sich  selbst  an  dem  asiatischen  Ufer  Constantinopel  gegenüber 
bei  Chrysopolis,  dem  heutigen  Scutari.  Andere  Berichte  sagen,  dass 
der  kaiserliche  Admiral  Marinus  der  Syrer  hier  den  Vitalianus  zur 
See  besiegte  und  in  Folge  dessen  dieser  eiligst  die  Belagerung  auf- 
hob'; Johannes  meldet  davon  nichts,  als  dass  der  Führer  der  kaiser- 


J.  [chron.  II  195].  Theophanes  zum  J.  6008  [I  161,  28] :  zoitca  xw  hei  Ovvvoc  ot 
Xsyöfisvoc  SaßrjQ  TtsQaoavreg  rag  Kaaniag  nvXag  rtjv  'AQfxeviav  s^sögafMOV,  KannaSoxiav 
T«  xal  FaXaziav  xal  Ilovtov  Xrji!^6fi£voi  dtg  xal  Evxdira  (iixqov  8eTv  jiaQaan^aaa&ai. 
Euagr.  3,  43.  Malalas  p.  406,  10.  Bei  Theodorus  Lector  2,  19  heissen  sie,  wohl 
durch  Schreibfehler,  xatßavoc  Andere  Stellen  über  diese  Sabern  am  Kaukasus 
giebt  Zeuss  S.  711.  713,  wo  die  hier  angeführten  fehlen. 

1)  Theophanes  zum  J.  6006  [1 160,  31]  berichtet,  dass  der  Papst  Hormisdas 
auf  das  Ansuchen  des  Anastasius  das  Concil  von  Heraklea  in  Thrakien  zu  be- 
schicken bereits  zwei  Abgesandte  ernannt  gehabt  habe,  aber  obwohl  Vitalianus 
und  der  mit  Vitalianus  einverstandene  Theodorich  auf  deren  Absendung  gedrungen 
hätten,  sich  doch  durch  vertrauliche  Mittheilungen  des  Kaisers  habe  bestimmen 
lassen  sie  zurückzuhalten. 

2)  Marcellinus  zum  J.  516  [chron.  II  99]:  mutata  fide  Anastasius  imp.  Vita- 
liano  siiccedit  (=  ruft  ihn  ab)  eidemque  Rufinum  destinat  suecessorem.  Den  Rufinus 
nennt  Jordanis  (S.  353  A,  1  [S.  737  A.  3])  unter  den  von  Vitalianus  überwundenen 
Feldherren. 

3)  Euagrius  S.  43,  anknüpfend  an  die  Gefangennahme  des  Cyrillus:  fiexec 
rcov  xaXovfieviov  Hvxäv  rrjv  sXaoiv  snoirjoaxo  (Vitalianus)  nävra  Srjwv,  nävxa  tivqjio- 
Xwv  ov8h>  STEQOV  Toig  qpavraoiaig  sxcov  rj  xal  xrjv  nöXiv  avxrjv  i^sXsTv  xal  xfjg  ßaai- 
Xsiag  XQaxfjoai.  iv  2vxaTg  de  avxov  axr]vcooa/x.ivov  axeXXsxai  JiQog  rov  ßaaiXimg 
MagTvog  6  üvQog  ....  fiexä  vtjixov  otqüxov  noXs/ntjocov  x(p  BixaXiavw.     ovv^xrjv  ovv 


Bruchstücke  des  Johannes  von  Äntiochia  und  des  Johannes  Malalas.   743 

liehen  Palastwächter  {excubitores)  Justinus  mit  einem  Schnellsegler  359 
ein  feindliches  Schiff  weggenommen  habe,  und  den  plötzlichen  nächt- 
lichen Abzug  der  Hunnen  unter  Zurücklassung  selbst  der  Verwundeten. 
Weiter  erfahren  wir  aus  Johannes  ^,  dass  es  den  Kaiserlichen  gelang 
Zwietracht  unter  den  Anhängern  des  Yitalianus  anzustiften.  Der 
getreue  Diener  desselben,  durch  dessen  Hand  Cyrillus  gefallen  war, 
der  Hunne  Tarrach,  wurde  durch  seinen  mit  kaiserlichem  Gold  er- 
kauften Landsmann  Turgun  den  Kaiserlichen  in  die  Hände  geliefert 
imd  in  Panteichion  bei  Kalchedon  lebendig  verbrannt.  Rufinus  bekam 
die  Leibwächter  des  Yitalianus,  Anastasius  und  Domnicus  in  seine 
Gewalt  und  auch  diese  wiu-den  in  Constantinopel  hingerichtet.  — 
Hier  bricht  der  Auszug  ab.  Ueber  die  Wendung,  die  der  Tod  des 
alten  Anastasius  (9.  Juli  5 IS)  vmd  der  Regierungsantritt  des  ortho- 
doxen Justinus  diesen  Dingen  gab,  über  die  hohe  Stellung,  die 
Yitalianus  unter  diesem  einnahm,  über  seine  Erhebung  zum  mdgister 
militiae  in  praesenti  und  zum  ordentlichen  Consul  für  520  und  seine 
Ermordung  auf  kaiserlichen  Befehl  in  eben  diesem  Jahre  erfahren 
wir  aus  den  neuen  Fragmenten  nichts. 


äfj.(f<o  Ttü  axQara),  o  ^ev  i:ii  :iQVfivav  ras  Zvxäs,  o  8e  rijr  K(ovoxavTivov:ioXtv  f/eov. 
}<ai  ngcörov  ftev  dvexcöxfvov ,  sha  /lexa  tovc  exJiXovs  xai  xoi-g  dxQoßoXtofioi-s  firta^i' 
roiv  dvoTv  aroaxo:ti8otv  vavfiaxias  xaQxegäg  ovoxäarjg  jxegi  xä  xaXnvutva  Bv&ägia 
(vgl.  Malalas  p.  405,  5)  qjevyei  fiiv  nQoxQonddfjv  :;igvfivav  xoovadftsvos  6  BixaXtavog 
xä  :io/./.ä  xtjg  Svvdfteco?  obxoßaXwv,  <pevyovai  8e  xai  oi  äfitp'  avxöv  ovxto  xdxiaxa,  <5ff 
firjöeva  .-rokiuiov  dvä  xrjv  s^ij?  .-xeqI  xov  'Avcuniovv  tj  :t€Ql  xijv  jcöhv  avxijv  ei^Qe&rjrat, 
Anaplus  heisst  eine  Oertlichkeit  vier  Milien  vor  Constantinopel  gegen  Norden 
(Marcellinus  zum  J.  481 ;  Stephanus  u.  d.  W.  /i-vatxoo.-io/t^  und  KcdXüxoXt^; 
Skylax  §  67  und  sonst).  —  Der  Bericht  des  Euagrius  ist  unter  den  über  diese 
Seegefechte  erhaltenen  der  beste:  noch  geringer  sind  die  bei  Malala.s  p.  403  und 
bei  Zonaras  14,  3,  wobei  die  Wunderthaten  des  Proklos  die  Hauptrolle  spielen; 
obwohl  in  der  märchenhaften  Umgestaltung  bei  dem  ersteren  mancher  der  wahren 
Ueberlieferung  entnommene  Zug  enthalten  sein  mag.  Die  im  Ganzen  besseren 
Darstellungen  des  Marcellmus  und  des  Theophanes  übergehen  diese  Seeschlacht 
ganz. 

1)  Die  übrigen  Quellen  schweigen  Ober  den  weiteren  Verlauf  der  Verwick- 
lung; nur  Euagrius  sagt  3,  43:  qraai  S"  oiV  xov  Bixadtayov  iv  'Ayztdi.ip  xtra  ZQ^"^ 
diaxoiipai,  xrjv  rjovxiav  äyovxa.  Was  Theophanes  unter  dem  J.  6007  [I  161.  14ffi] 
berichtet,  dass  Vitalianus,  durch  den  Meineid  des  Anastasius  erbittert,  ihm  viel 
Böses  zugefügt  habe  und  ihm  zum  Hohn  die  einzelnen  gefangenen  Soldaten  ftlr 
einen  Follis  den  Kopf  verkauft  habe,  fugt  sich  in  die  sonst  bekannten  Nach- 
richten nicht  recht  ein. 


744     Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas. 

"Ort   enl  Uovoxiviavov   hvQdvvrjoav   ol  ZafxaQeXtai    xal   eorexpav 
ßaodsa. 
Gemeint    ist    der    Aufstand    der  Bewohner  von   Samaria    unter 
Führung  des  Julianus  gegen  Kaiser  Justinian  im  J.  529.   Vgl.  Clinton 
fast.  Rom.  zu  d.  J. 


"Chi  'lovorTvog  rbv  äveyjiöv  avrov  äjiExexpdXioev  cog  emßovXevod- 
jusvov  avrcp. 
Der  jüngere  Justinus,  Sohn  des  Germanus,  des  Bruders  Justini- 
ans,  Consul  540,  wurde  auf  Befehl  Justins  II  im  J.  566  hingerichtet  ^. 


3ßQ  "Chi  oxavdaXio^eig  6  Mavgixiog  enl  rcp  juiorj'&fjvai  diä  ro  jiqo- 

dovvai  Ti]v  aixjualojoiav  ygäcpEi  ngog  rbv  oxQaxrjyov  KojuevnoXov 
xgv(pa  jiQodovvai  röv  Xaov  Tijg  Ogaxrjg  eig  rovg  ßagßdgovg.  eyvoj 
ovv  6  Xabg  rbv  doXov  rbv  ydg  OTQaxr]ybv  XQarijoavrsg ,  vjxedei^ev 
5  avxoig  xd  yodjujuaxa.  änb  xoxe  ovv  ei^rjxovv  (povevoai  Mavgixiov. 
yvovg  de  6  Mavqixiog  dieöe^axo  KojuevxiöXov  noirjoag  0iXi7i7iix6v. 
ene^xpav  ovv  evxoXixaoiovg  öid  KojuevxiöXov  f]v  de  sig  e^  avxcov 
0coHäg.  6  ovv  0(oxäg  dvxixaxeoxr}  xcö  ßaoiXeT  xal  ndvxo)v  e^eX- 
d^övrojv  elg  xcöv  jiaxQixicov  eTiidga/ucbv  xw  0ü)xa  dneonaoe  xcbv 
10  yeveicov  avxov.  6  de  0ojxäg  eveßXeipev  avxbv  änoxQioiv  /it]  öovg 
avxüj. 

Dies  Bruchstück  gehört  in  den  Avarenkrieg  des  J.  600.  Nach- 
dem der  Chagan  der  Avaren  den  Kaiser  Mauricius  vergeblich  auf- 
gefordert die  Gefangenen  für  einen  niedrigen  Preis  auszulösen,  lässt 
er  sie  sämmtlich  umbringen.  Die  Erbitterung  der  Soldaten  gegen 
den  Kaiser,  dem  sie  den  Tod  ihrer  Kameraden  zur  Last  legen, 
bestimmt  diesen  dem  Feldherrn  Commentiolus  den  geheimen  Befehl 
zugehen  zu  lassen  das  Heer  dem  Feinde  zu  verrathen;  die  Soldaten 
erhalten  Kunde  davon  und  senden  Abgeordnete,  darunter  den  Centu- 
rionen  Phokas,  den  spätem  Kaiser,  an  Mauricius,  um  über  Commen- 
tiolus Beschwerde  zu  führen.  Wie  Phokas  den  Kaiser  anredet,  wird 
er  von  einem  der  Senatoren  gemisshandelt,  der  Kaiser  aber  ruft  den 
Commentiolus  ab  und  ersetzt  ihn  durch  den  Philippicus.  —  So  erzählt 

2  ai/jiaXcooiav]  alyjiaXcooiav  xal  Hds. 


1)  Johannes  Biclariensis  zum  2.  Jahr  Justins  II  [chron.  II  211]:  lustinus 
filius  Geitnani  patricii  consobrinus  lustini  impei-atoris  factione  Sophiae  Augustae 
in  Alexandria  occiditur. 


Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas.   745 

Johannes.  Bei  unseren  anderen  Gewährsmännern,  insbesondere 
Theophanes  zum  J.  6092  p.  432  [I  2S0  de  Boor]  und  Theophylactus 
Simocatta  S,  1,  legt  das  Heer  nicht  dem  Kaiser,  sondern  dem  Com- 
mentiolus  den  beabsichtigten  Terra th  zur  Last,  was  allerdings  zu 
der  Beschwerdeführung  beim  Kaiser  besser  passt,  und  ^vird  Com- 
mentiolus  für  jetzt  nicht  abberufen,  sondern  im  Oberbefehl  bestätigt. 
Doch  ist  der  genau  motivirte  und  detailUrte  Bericht  eines  so  ge- 
wichtigen Zeugen,  wie  Johannes  für  diese  Epoche  ist,  sehr  beachtens- 
werth.  Theophanes  Erzählung  mag  zur  Yergleichung  hier  stehen: 
iy.  Tovrov  tio'/.v  fuoog  ey.ivt]dr]  xaxä  Mavgtxiov  tov  ßaodecog  xal 
rjoiavTO  Xoidogiaig  tovtov  ßdXXeiv  öuoicog  xal  6  ?M6g  6  ev  r/)  Soaxt] 
:To6g  Xoidooiav  rov  ßaouecog  exivtj'&r].  6  de  orgarög  evrohxaoiovg 
a:T€7ieLiyje  Tioög  rov  ßaot/Ja  xarä  KoixevnÖAov  ojg  Tiooöooiav  ev  reo 
7io/J/ucp  Jioii^oavrog,  ev  olg  fjv  xal  6  0a)xäg,  oortg  reo  ßaodei  dia-  361 
?.ey6/nevog  ßovegebg  xovzep  ävreXeyev  ev  reo  oeXevriw,  Sore  rivd  reöv 
TiarQixieov  rovrov  juar^eöaai,  xal  rov  7ieoyo}va  avrov  riXai.  6  de  ßaai- 
Xevg  ov  xareöe^aro  ttjv  xarä  Kofxevriokov  eyxXr]aiv,  aXkä  rovrovg 
OTiodxrovg  OTieXvaev.  öiä  rovro  xal  })  eTiißov).)}  tov  ßaoiXeeog  ägxrjy 
i/.d/ußavev. 


"Ort  /uravevovrog  rov  ßaoiXeeog  Mavoixiov  eig  ri]v  v:ianavr}]v 
yvjuivoTiodog  Xi&oi  xar  avrov  tie/uep&tjoav  elg  rd  KaQTiiavov,  xal 
exddiodv  riva  epaXaxqbv  elg  ovov,  ßaXovreg  eig  rijv  xeepaXrjv  avrew 
oxoQoda  jiQog  jui/urjoiv  Mavoixiov,  Xeyovreg  'evgev  rrjv  ödfxaXiv 
5  djiaXi]v  xal  rgvepegdv  xal  ebg  ro  xatvov  dXexrögiv,  ovreog  avrijv 
7ie7irjöi]xev. 

Diesen  Yorfall  berichtet  fast  mit  denselben  Worten  Theophanes 
zum  J.  6093  p.  437  [I  2S3,  12]:  rov  de  ßaoiXeeog  wxrl  dvvjioörjrov 
Xiravevovrog  juerd  Tidoijg  rfjg  TioXeeog,  7iagegx,o/Li£vov  h  röig  Kagmavov, 
oraoidCovotv  ex  rov  JiX^dovg  riveg  xal  Xidovg  xard  rov  ßaaiXeeog 
eßeülov,  öjene  fioXig  rov  ßaoiXea  ohv  Oeoöooiq)  xeb  vleb  avrov  öiaooi- 
•dtivai  xal  ri]v  evxT]v  jiXtjgeöoai  ev  BXayegvaig.  oi  de  dijfwt  evgovreg 
ävöga  Tigooojuoiovvra  Mavgixio)  xal  ßaXovreg  avrq>  oayiov  ^lavgov  xai 
d:i6  oxögdatv  jiXe^avreg  eneepavoiv  xal  eig  ovov  rovrov  xadioavrsg 
die:naii^ov  Xeyovreg  'eügrjxe  ri]V  dauaXiöa  äjiaXrjv  xal  eog  ro  xatvov 
dXexTogiv  ravrt]  TieTirjdrjxev  und  so  weiter.  Kürzer  Theophylactus 
S,  4.  5^.  ' 


746     Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas. 

f.  153'  "Oll  vtpcoQäro  MavQixiog    eig   röv   oxQaxbv   0QqxYjg  xal   eig  xbv 

yafxßgbv  0diJiJiix6v.  xal  eldev  änoxdXvxpiv  6  Mavgixiog,  öti  i'oraro 
iv  zw  7iOQq)VQM  juagjudQü)  xrjg  y^aXxfjg,  xal  eXsysv  avjcö  'nov  MXug 
änodcüOü)  ooi;  code  fj  sv  rä>  fxeXXovxi;"  o  öe  eJnev  ^cbde'  xal  xöxe 
5  STiexQerpev  avxbv  Ixdod^rjvai  ^coxä  oxQaxicoxr]-  xal  divnvio'&r]. 
EnoitjOEv  ovv  juerdvoiav  xco  ^iXinnixio  6  Mavqlxiog.  enexEiQOvv 
ovv  oi  oxgaxol  &QqxY]g  dvEQxead^ai  Jigbg  smßovXrjv  MavQixiov. 
sßovkEvoavxo  ovv  oi  oxgaxol  xiva  noirjoovoi  ßaoiXm.  EJioirjoav 
ovv  0a)xäv  xal  atpiEoav  xöv  xe  'AXe^avdgov  xal  AiXXiv ,  xal  ^X'&av 

10  EOig    xov    xajujiov    eßdojuov.      ixpcoQwvxo    ovv  oi    xrjg    jiöXECog    diä 

362         MavQixiov,  xal  ovdslg  ixöXjua  e$eX-&eTv  Jigbg  avxovg.    etieovqexo  ovv 

Eig  xal  djifjEi  Jigbg  xbv  axgaxov.     fjßovXij^t]   6  Mavgixiog  xfj  vvxxl 

(pvysiv  Tigbg  xbv  äyiov  Ävxovojuov,  äXX'  imaosv  avxbv  fj  jioöaXyia. 

jigooEggvTjoav  ovv  xal  xd  ß'  jusgr],  Ugdoivoi  xal  Bevexoi,  xal  Jidvxsg, 

15  xal  dvrjyayov  xbv  0(oxäv  Eig  oxovxdgiv  iv  xco  xgißovvaXico  xov 
xdjujtov  xal  dvrjyögEvoav  avxbv  ßaoiXm.  6  öe  Mavgixiog  dxovoag, 
e^eX'&cov  did  xo^Xiov  EÖoxEi  juExd  xov  viov  avxov  cpEvyEiv  Eig  xbv 
äyiov  Avxovojuov  xal  Jigbg  Xoagorjv  ev  ÜEgoiöi.  fjv  öe  juex'  avxov 
xal  2xEcpavog,  6  ßaiovXog  OeoÖooIov  ,  6  xxioag  xd  dgjuaxiov  xal  xb 

20  odyjua.  dvxavEjuiag  yEvojUEvrjg  i^rjX'&Ev  Eig  dtadgojuovg.  6  ds  0eo- 
ööoiog  fjdvvfid^ri  öiacpvyElv  xal  ovÖElg  öiEyvoi.  o'i  ök  t'cpaoav  öxi 
<pEvya>v  E^EßgaoE  xal  exeXevxyjoev.  yj  Öe  yvvr}  xov  ßaoiXEOig  Mavgi- 
xiov  xal  xd  xsxva  dnfjXd'Ov  ev  XaXxrjdovi,  6  öe  ^iXinjiixbg  ixEigaxo 
xYjv  x6jui]v  xXrjgixbg   ev  XgvooTtoXsi.      iitjxrjOEv   ovv  6    0coxdg  xbv 

25  Jiaxgixiov ,  xbv  xgaxrjoavxa  xbv  ndöywva  avxov,  Xsyoiv  '(pigEXE  xbv 
xaxd  juov^  xal  dnsxEtpdXioEv  avxov.  k'oxEyjEv  ovv  xbv  0coxäv  Kvgia- 
xbg  6  naxgidgxrjg  Eig  xbv  äyiov  ^Iwdvvrjv  Eig  xb  C'.  W  ^^  ^f?  ysvEi 
0gq^  ExdJv  ve',  eI^e  Öe  yvvaixa  ÄEOvxiav  xal  jurjxsga  xal  Svyaxsga 
AvojXEvI^iavrjv  xal  sßaoiXEvoEv  hrj  rf.  xal  Exga^EV  ö  örjfiog  ev  xco 
f.  154  30  II  ijijiodgofiiq)  'Mavgixiog  ovx  dnE^avE,  fidd^E  xyjv  dX-iq^Eiav.  xal 
exeXevoev  dTiEVEyßrjvai  Mavgixiov  xal  xd  xsxva  avxov  Eig  xbv  jucöXov 
xbv  Evxgojiiov  xal  dnoxxavd^rjvai. 

Die  Katastrophe  des  Mauricius  und  die  Thronbesteigung  des 
Phokas  wird  von  Johannes  im  Ganzen  so  wie  von  Theophanes 
p.  439  fg.  [I  284  f.]  berichtet.  Die  Besorgniss  vor  dem  thrakischen 
Heere  und  dem  Philippicus;  das  Traumgesicht,  in  dem  Mauricius 
erklärt  lieber  in  dieser  als  in  jener  Welt  die  verdiente  Strafe  er- 
leiden  zu  wollen;   die  Aussöhnung   mit  Philippicus;   die  Revolution 

1  dg  zu  tilgen  ||  2  d:!iöxafitpiv  Hds.  ||  32  röv  Evzq.]  täv  Evtq.  Hds. 


Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas.    747 

bei  dem  thrakischen  Heere  und  die  Ernennung  des  Phokas  stimmen 
wesentlich  überein.  Nicht  genannt  werden  bei  Theophanes,  wenig- 
stens nicht  in  diesem  Zusammenhange,  Alexandros  und  Lillis;  es 
scheinen  dies  die  Abgesandten  des  thrakischen  Heeres  zu  sein,  die 
in  der  Hauptstadt  gegen  Mauricius  auftreten,  imd  sie  sind  wohl 
identisch  mit  den  später  unter  den  Yertretem  der  Sache  des  Phokas  363 
von  Theophanes  genannten  Alexandros  und  Lilius.  Die  Flucht  des 
Mauricius  zur  Kirche  des  H.  Autonomus  ^,  der  Plan  sich  zu  Chosroes 
zu  begeben,  die  Ausrufung  des  Phokas  in  der  Hauptstadt,  die  Hin- 
richtung des  Mauricius  und  fünf  seiner  Söhne  erzählt  Theophanes 
ebenfalls  ganz  ähnlich.  Die  Nachrichten  aber  über  das  Schicksal 
der  sonstigen  Glieder  des  kaiserlichen  Hauses  fehlen  bei  ihm  und 
sind  zum  Theil  wohl  neu,  obwohl  einiges  daraus  Zonaras  14,  14  bei- 
bringt, ebenso  die  über  die  Hinrichtung  des  Patriciers,  der  den 
Phokas,  als  er  als  Abgesandter  des  Heeres  zum  Kaiser  Mauricius 
kam,  am  Bart  gerupft  hatte.  Es  liegt  nicht  in  meinem  Kreise  ge- 
nauer hierauf  einzugehen. 

"On  Tioiijaag  rbv  Ttargoetov  JIoioxov  6  ^coxäg  yafißgov  htl  t^- 
yarQl  y.al  decogtjoag  rd  XavQara  xov  yafißgov  avrov  ^coxag  xal 
T^?  &vyaTg6g  eig  ^rjXov  eX^&cov  e^rjxa^E  xovg  ygajujbucfxdg  xal  rovg 
i^gcoxovg  xibv  juegcöv.  6  de  yafxßgbg  avxov  ügioxog  ....  toore 
5  äjiooxsUai  'HgdxXeiov  xov  viöv  avxov  xal  Nixrjxav  xov  viov  Fgrjyogd 
xov  vjiooxgaxijyov  avxov,  vjiiayvovfievog  avxoig  Jigodiöovai  ^ojxäv 
fjxovexo  ydg  oxi  xaxaoxgarijyeT  0(oxä.  oi  de  IJgdaivoi  ev  bino- 
ögofiiq  eXeyov  ngog  ^oixäv  'ndXiv  eig  xov  xavxov  enieg,  TidXiv  xov 
vovv  ojKühoag!  xal  jioXXovg  e^  avxcbv  djiexxeive.  ^jnco^evxeg 
10  oi  ügdoivoi  exavoav  xb  :igaixd>gtov. 

"Oxi  eTiißovXovg  TioXXovg  tüaoe  ^<oxäg  vjio  xe  xov  tidgxov 
avxov  xal  dXXmv.  xal  fjX^ev  'HgdxXeiog,  örjXw^elg  nagd  xov  üglaxov 
Tiaxgixiov,  eig  "Aßvdov  xal  öe^dfievog  xbv  xo^tjxa  "Aßvöov  efxa&ev 
jiag  avxov  xd  xivov/aeva  ev  xf]  noXei.  biifKfSij  de  6  ddeX(pbg 
15  <^oixä  6  xovöoyjig  eig  xb  Maxgbv  xelyog,  xal  fiadibv  eig  "Aßvöov 
elvat  xbv   'HgdxXeiov,   ecpvyev   ev   xfj  JioXet.      6  'HgdxXeiog  ovv   eig 

4  Keine  Lücke  in  der  Hds.;  es  fehlen,  wie  Theophanes  zeigt,  die  Worte 
eyoaxpev  :TQ6g  'Hqox/leiov  xov  jtaxQixiov  xai  oxQaxriyov  "AtpQiXfjg  \\  5  vucriaap  Hds.  I| 
10  JiQaixÖQiov  Hds.  11  14  i^dfiqpei  Hds. 

1)  Vgl.  über  diesen  selten  genannten  bithynischen  Heiligen,  von  dem  Gibbon 
sagt,  dass  er  nicht  die  Ehre  habe  ihn  zu  kennen,  Tillemont  mem.  pour  servir  ä 
Vhist.  eccl.  5,  159. 


748     Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas. 

"Äßvdov  ndvxag  rovg  e^oqigtovq  eÖE^aro,  ovg  e^cogioe  ^coxäg.  yjX'&ev 
O'öv  'HqdxXeiog  elg  'Hgdxhiav  xal  rjv^axo  eig  xrjv  äyiav  PXvxEQiav 
xal   äjio   ^dvßgiag   EiarjX^E   nkcb    xal  äjifjl^Ev    sig  xrjv  vvjoov  rrjv 

364  20  xaXovfXEvrjv  Kakcovvjuov.    fxa&cov  ovv  SxEcpavog  6  KvCixrjvog,  Xaßoiv 

EX  xfjg  '&Eox6xov  'Agxdxrig  oxEfXjxa  dmfjyayEv  avxö  tw  'HqaxXEiq). 
i^fjX^Ev  ovv  0ojxäg  iv  BXayEQvaig'  exeixo  yaQ  Ugioxog  6  ya/ußgög 
avxov  Etg  rrjv  dyiav  ooqov,  TXQOonoiovjUEvog  aXyETv  xovg  nodag.  6 
Bovvcooog   ovv  ovveßovXEVExo  djioxxEivai  xov  yajußgov  avxov.     jua- 

25  '&6vxEg   ovv  xivsg  Ugdoivot  oxi  rjX^Ev  6  ßaoiXEvg  sig  xrjv  vfjoov  xrjv 

7iQoonaQaxEiju£vr]v   xfj   tioXei,    EJiijQav  xrjv   yvvaZxa  xal  xrjv   jurjxsga 

'HgaxXEiov   0aßiav  xal  anrjveyxav  'HgaxXEiq).    l^fjXdsv  öe  6  0(jDxäg 

xal   dnrjX^EV   Etg  Bvgidag  xal  e^ecüqei   xrjv  nagdxa^iv   xcov   nXoioiv 

f.  154'       x(bv  eX^ovxcov  fiExd  'HgaxXEiov   änb  l4.q)Qixrjg.     rjoav  Öe  \\  xd  7i),oTa 

30  Ewg  xov  ^.  xal  wg  iß^Ecogsi  oxi  iyyiCovoi  xfj  tioXei,  EviJiJiEvoag  6 
0a)xäg  EioijX'&EV  iv  xfj  jiöXei  xal  sjiixQEnEi  <pvXdxxEO&ai  ex  xöjv 
Hgaoivciv  xov  XijUEva  xov  Kaioagiov  xal  xov  2ocpiag,  xovg  öe  Beve- 
xovg  xd  Eni  'Oqjuio^ov.  6  öe  ITgioxog  sdrjXwoE  ovvax^ijvai  xovg 
E^oxovßixwQag  Eig  xd  Bogatöog  Eig  xov  ituiööqoiuov  xov  ol'xov  avxov 

35  äjua  xoig  oxgaxicoxaig  ßovxsXXaQioig.  eJ^e  Se  'HgdxXEiog  MavQixwv 
jzXfj^og  jioXv,  xal  eIotjX&ev  Eig  odvdaXov  KaXXionäg  6  TgijuoXaijurjg 
6  fjvioyog,  (pogaJv  äg/xa  xal  xaooida,  xal  i^EX'&div  Eig  xö  äxgofioiXov 
ETifjgE-  xrjv  xaooida,  fjv  l(p6gEi,  xal  yvcogio^svxog  avxov  sv^vg  s'ßaXov 
Ol   JJgdoivot   Eig    td   Kaioagiov    nvg'    6   dk   Ugioxog  EVExpsv  avxov 

40  ngög  xd  E^oxovßixoga.  xov  Öe  Bovvcooov  djiEX'&övxog  Eig  xd  Kaioa- 
giov, ETifjXdov  ovxcb  Ol  Ugdoivoi,  xal  (poßrj'&Elg  E(pvyEV  Eig  juiav  xojv 
oxaXcöv  Tial  k'XaßE  xovxagaiav  exeZoe'  ol  öh  ävd^goiJioi  xov  0a>xä 
dvExcbgrjoav.  6  ovv  0(bxiog  6  Jiagd  0coxä  EJiißovXEv&Elg  Eig  xrjv 
yvvaixa  avxov,   eioeX^ojv  Eig   xd  naXdriov  juExd  oxgaxov,  xgaxrjoag 

45  ai)xbv  dnb  xov  ndyycovog  i^sßaXsv  avxov  xov  naXaxiov.  Exövoavxsg 
ovv  avxbv  xrjv  ßaoiXixrjv  oxoXrjv  xal  ijußaXovxEg  avxbv  Eig  dyxvgo- 
judyov  dnrjyayov  Jigbg  'HgdxXEiov.  idojv  Öe  avxbv  6  'HgdxXEiog 
E^dyxayva  ÖeÖejuevov  XiyEi  avxqj  'ovxojg  idioixrjoag,  äd'XiE,  xrjv  ßaoi- 
Xsiav;'    o    ök  eTtiev  'ov  xdXXiov  E^Eig  dioixijoai!      o    ovv  'HgdxXEiog 

50  xad^rjfJiEvog  Eig  xb  osXXiv  ÖEdmxEV  avxö)  Xaxxaiav.  xal  im  xov  tonov 
djiEXEcpdXioav  avxov,   xöyjavxsg   xbv  (bjuov  xbv  ÖE^ibv   xal  xrjv  /etioa 

,  xal  xrjv  cpvoiv,  xal  ßaXovxEg  Eig  xovxdgia  Eovgav  avxbv  xal  Aojuvix- 
^ioXov  xbv  dÖEXcpbv  avxov  xal  Bovvcooov  xal  Aeovxiov  xbv  oaxsXXd-r 

365  giov  avxov  xal  k'xavoav  avxovg  Eig  xbv  ßovv. 


34  s^oxovßrjzoiQa?  Hds.  H  38  snrjQs]  xal  sjifjQE  Hds.  [|  40  s^oy.ovßrjxoQa  Hds. 


Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas.   749 

Auch  der  Bericht  über  den  Ausgang  des  Phokas  (1610  Oct.  6) 
stimmt  in  der  Hauptsache  mit  dem  besten  oder  vielmehr  bisher 
einzigen,  dem  des  Theophanes,  giebt  aber  einiges  anders  und  manches 
mehr.  Die  Yermählung  seiner  Tochter  Domentia  mit  dem  Patricier 
Priscus,  die  Erbitterung  des  Kaisers,  weil  die  Tribüne  der  Factionen 
(rd  fieorf)  die  Bilder  der  Neuvermählten  mit  dem  Lorbeer  bekränzen, 
die  Bestrafung  dieser  Tribüne  wie  der  Maler  {yga/u/nioxai)  berichtet 
Theophanes  p.  454  [I  294]  ausführlicher  als  Johannes  oder  wenigstens 
unser  Auszug.  Weiter  heisst  es  bei  Theophanes  p.  456  [295,  27j: 
6  JJoioxog  fj-i]  U7io(f£ocov  ooäv  rovg  xe  ädiy.ovg  (povovg  xal  rd  y.axd 
lä  vTib  0(oxä  yivojueva  eyqayfe  TiQog  'HgdxXeiov  röv  Tiargixiov  xal 
OToaxYiyov  "AcpQixrlg,  wäre  djiooTei/.ai  ^Hodxkeiov  röv  viov  avrov  xal 
Nixrjxav  xbv  viov  rgTjyooä  xov  Jiaxgixiov  xal  vTiooxQaxrjyov  avxov, 
öncog  ekßojoi  xaxd  xov  xvgdvvov  ^ayxä.  ijxove  ydo  /LieksTOJin€vt]v  ev 
xf]  'Acpoixf]  xaxd  ^orxd  avxaqoiav,  was  fast  wörtlich  mit  unserm  Text 
stimmt.  Dasselbe  gilt  von  dem  Aufstand  der  Grünen,  den  Theophanes 
p.  457  fg.  [296 f.]  ausführlicher  erzählt,  und  der  Ankunft  des  Heraklius 
p.  460  [298,  26],  wo  es  heisst:  xaxakaßcov  de  'HgdxXeiog  xi]v  "Aßvöov 
Evoev  OeoöcoQOV  xov  xöfirjxa  xrjg  '-ißvdov  xal  dvaxoivag  ejuade  Tiag 
avxov  xd  xivovjUEva  h  Ka>voxavxivovJiökei.  6  de  ^coxäg  asiemede  xbv 
döeXcpbv  avxov  AojuevxCloXov  xbv  judyioxgov  —  bei  Johannes  heisst  er 
6  xovöo/eio,  der  Einarmige  —  cpvMxxeiv  xd  Maxod  xeiyt]'  fxa&ojv  de 
6  fxdyioxQog,  öxi  xaxüaßev  'HodxXeiog  xfjv  "Äßvöov,  ecfvye  xaxaXiJidiv 
xd  xeixt]  xal  eioT]X§ev  eig  KcovoxavxivovTioXiv.  6  de  'HgdxXetog  ede^aro 
ev  'Aßvdcp  ndvxag,  ovg  e^cogiae  0o)xäg,  xal  dvfjX&e  ovv  avxolg  eig 
'Hgdxleiav.  Yon  der  Ankunft  in  der  Kirche  der  H.  Glyceria,  der 
Fahrt  von  Herakleia  (Permthos)  nach  Selymbria  und  von  da  nach 
der  Insel  Kalonymos  bei  Constantinopel  ^  steht  bei  Theophanes  nichts, 
wogegen  das  Folgende  wieder  fast  wörtlich  stimmt:  Zxe(pavog  de  6  366 
r>)g  Kv^ixov  jLii]xgo7ioXixT]g  Xaßcov  oxejUfia  ex  xfjg  ixx/.J]oiag  xijg  dyiag 
deoxoxov  Agxdxrjg  djirjyayev  avrb  xw  'HgaxXeicp.  Die  bei  Johannes 
folgende  Erzählung,  die  manches  geschichtlich  wie  geographisch 
unbekannte  Detail  enthält,  ist  bei  Theophanes  zusammengezogen  in 
die  wenigen  Worte:  xaxaXaßmv  de  xrjv  KcovoxavxivovnoXiv  jigoawgiuoe 
xcp  Xi^evt  xrjg  Zocpiag  xal  noXefiov  xgoxrj&evxog  vixq  xji  x^Qixi  xov 
Xgioxov  0o}xäv  xbv  xvgawov.  ol  de  dfjjuoi  xovxov  nagaXaßovxeg 
dveTXov  Tivgl  xaxaxavoavieg  h  x&  Bot  Unter  den  sonstigen  Quellen 
berichtet  Zonaras  14,  14  von  der  Gefangensetzung  der  Mutter  und 


1)  Sie  wird  auch  erwähnt  bei  Theophanes  in   der  vüa  p.  XXV  [II 19,  7] 
und  bei  Leo  Diaconus  p.  147,  19. 


750     Bruchstücke  des  Johannes  von  Antiochia  und  des  Johannes  Malalas. 

der  Braut  des  Heraklius,  deren  Befreiung  durch  die  Grünen  nachher 
Johannes  meldet.  Dass  dieselben  das  Haus  des  Cäsarius  anzünden 
und  Bonosus  vor  ihnen  die  Flucht  ergreift,  berichtet,  aber  in  unklarer 
und  abweichender  Fassung,  die  Paschalchronik  p.  700.  Die  Gefangen- 
nahme und  Hinrichtung  des  Phokas  wird  von  Zonaras  14,  14  und 
Cedrenus  p.  712,  20  so  erzählt,  dass  offenbar  der  Bericht  des  Johannes, 
wenn  auch  nicht  unmittelbar,  beiden  zu  Grunde  liegt;  ich  setze  die 
erstere  etwas  bessere  Fassung  her:  ^conog  de  rcöv  e7ii<pava>v  vjzaQxcov, 
ov  TTjv  yvvaixa  6  rvQavvog  ßia  ijuoixsvoe,  ovv  7ikrj§Ei  oxQarKOTCov 
xaraXaßoiv  rä  ßaoiXeia  xazsoTiaoe  rov  '&q6vov  tov  zvQavvov  (ot  yoLQ 
Tiegl  avxbv  dTzoyvövreg  tcöv  ßaodsicov  v7tavex(OQt]oav)  xal  anoövaag 
rtjv  7ioQ(pvQida  cpaiäv  eod^rlTa  eveÖvoe  xal  deojuiov  tw  'HgaxXeiq)  nage- 
OTYjOEV.  ö  Öe  iödiv  avxbv  eqpr]  'ovxcog,  ä'&he,  ra  xfjg  noXecog  öicoxrjoag 
TiQayfxaxa-'  xal  6  ^coxäg  dnovoiq  xdxoxog  ojv  äjiEXQtvaxo  'ov  de  xgeix- 
xovcog  juaXkov  öioixrjoeig  avxd;^  OQyiod^Elg  de  6  'HgdxXeiog  Xdi  exEivqy 
EVE'&OQE  xal  £XT/ut]'&i]vai  TiQooha^ev.  oT  /liev  ovv  avxixa  avxbv  dvaiQE'&fjvai 
loroQfjoav,  oT  Öe  tiqoxeqov  avxov  xdg  xeXgag  xal  xovg  noöag  Exxojtfjvai 
(paoiv,  eixa  xal  xä  alödia  .  .  .  xal  ovxcog  avxov  xrjv  xe(paXf]v  Exxonijvai, 
xb  Öe  övoxfjvov  acbfia  xav&fjvai  xaxd  xbv  Bovv.  Ausserdem  ist  auch 
hier  die  Paschalchronik  p.  700  beachtenswerth.  Das  Einzelne  dieser 
Vorgänge  zu  verfolgen  liegt  meinen  Untersuchungen  fern.*) 


*)  [In  einem  III.  Abschnitt  (Hermes  a.  a.  0.  S.  366  —  383)  publizierte  Mommsen 
die  Malalasexzerpte  der  Madrider  Hs.,  so  weit  sie  bisher  ungedruckt  waren,  und 
notierte,  soweit  sie  im  Malalastext  des  Bonner  Corpus  schon  vorlagen,  die  Ab- 
weichungen der  Madrider  Hs.  von  der  Oxforder.  Da  er  diese  Exzerpte  ohne 
historischen  Kommentar  herausgab  und  die  Ausgabe  selbst  durch  diejenige  von 
de  Boor  (a.  a.  0.  S.  151  ff.)  ersetzt  wurde,  da  endlich  sein  am  Schluß  geäußerter 
Wunsch,  jüngere  Gelehrte  möchten  sich  des  über  Gebühr  vernachlässigten,  sach- 
lich wie  sprachlich  interessanten  Chronisten  annehmen,  eben  durch  die  von  ihm 
hier  gegebenen  Anregungen  in  Erfüllung  ging,  so  schien  es  nicht  erforderlich, 
diesen  Abschnitt  hier  wieder  zum  Abdruck  zu  bringen.] 


LXXVI. 
Lateinische  Malalasauszüge.*) 

Angelo  Mai  hat  im  Spicilegium  Romanum  9  p.  118 — 140  (danach  437 
hei  Migne  vol.  94  p.  1162)  aus  dem  im  8.  Jahrhundert  in  Uncial- 
schrift  geschriebenen  vatikanischen  Codex  Pal.  277  eine  lateinische 
Chronik  —  übrigens  recht  nachlässig  und  vielfach  korrigierend  — 
herausgegeben,  deren  enge  Verwandtschaft  mit  dem  griechischen 
Malalas  ihm  nicht  entging,  ohne  indes  in  ihrem  ganzen  Umfang  von 
ihm  erkannt  zu  -werden.  Bei  Nachvergleichung  und  Untersuchung 
des  Textes  habe  ich  gefunden,  dass  alles  darin  enthaltene  Historische 
einfach  aus  dem  Malalas  übersetzt  ist.  Daraus  ergiebt  sich  einiges 
für  das  merkwürdige  Buch  des  Antiocheners,  worauf  hier  hingewiesen 
werden  soll. 

Dass  hier  und  da  Schreibfehler  berichtigt  und  kleine  Lücken 
ergänzt  werden,  zum  Beispiel 

p.  228  Bonn.:    d>g   dijXov  elvai         c.  Z  ut  hoc  quoqtte  darius  ap- 
6x1  pareaf  qui  (so)  sicuf  sexta  die 

homo  in  paradyso  plasmatus 

ovrco  xal  ri]     corruit  in  peccato,    ita  sexta 

ey.Tt]    fjixEoa    rfjg  yj^^oidog  im  rrjg     die  miliarii  mundtis  (so)  in  aetate 

yrjg  Efpdvt]  6  deonozrjg  ^ficöv  "Ljoovg      Christus  super  terratn  manifesfatus 

6  XoioTog  est 

will  nicht  viel  bedeuten.  Bei  anderen  Stellen  ist  die  nähere  Unter- 
suchung erforderlich,  ob  sie  aus  unserem  griechischen  Text  aus- 
gefallen oder  von  dem  Bearbeiter  eingelegt  sind. 

Die  grosse  Lücke  des  Oxforder  Textes,  in  welcher  die  Kaiser- 
geschichte von  Gallus  bis  auf  Aemilianus  untergegangen  ist,  war  in 
der  Vorlage  des  Bearbeiters  ebensowenig  vorhanden,  wie  in  der- 
jenigen der  constantinischen  Epitomatoren  (Hermes  6,  368.  382  [s. 

*)  [Byzantinische  Zeitschrift  IV,  1895,  S.  487— 488.] 


752  Lateinische  Malalasauszüge. 

oben  S.  750*]).  Die  Kaiserreihe  ist  hier  Yollständig.  Allerdings 
befremdet  es,  dass  Kaiser  Yalerianus  in  derselben  zweimal  auftritt, 
einmal  am  richtigen  Platz  nach  Aemilianus,  das  andere  Mal  nach 
Caracalla,  also  an  eben  derjenigen  Stelle,  welche  er  infolge  des 
Ausfalles  im  Oxforder  Codex  einnimmt.  Indes  kann  dieses  nur 
Zufall  sein;  denn  dass  jene  Kaiserreihe  nicht  anderswoher  eingelegt, 
488  sondern  wie  alles  Übrige  aus  Malalas  entlehnt  ist,  geht  daraus  hervor, 
dass  die  fehlerhafte  Umsetzung  der  Kaiser  Decius  und  Gallus  in 
Gallus  und  Decius  in  unserer  Liste  ebenso  sich  vorfindet  wie  in  den 
constantinischen  Exzerpten. 

Der  falsche  Kaiser  Marcus,  den  Zonaras  und  Cedrenus  zwischen 
Gordian  und  Philipp  einschieben  und  der  wahrscheinlich  nichts  ist 
als  ein  Doppelgänger  des  M.  lulius  Philippus,  ist  auch  hier  vor- 
handen; womit  übrigens  nicht  behauptet  werden  soll,  dass  jene 
späteren  Chronisten  von  Malalas  abhängen. 

Endlich  wird  dadurch,  dass  das  Kaiserverzeichnis  schliesst  mit 
lustinus  ann.  Villi,  authentisch  bestätigt,  was  allerdings  ohnehin 
nicht  zweifelhaft  war,  -dass  Malalas  unter  Justin  II  geschrieben 
hat,  und  neu  gewonnen,  dass  er  sein  Werk  im  neunten  Jahr  des- 
selben, also  573  n.  Chr.  (f  578  Sept.  26)  abschlösse 

Erwähnung  verdient  noch,  dass  der  Lateiner  in  der  Vorrede 
auf  das  mulioloquium  der  Scottorum  scolares  (Hs  scolaces)  schilt  und 
weiterhin  denselben  Scotti  vorwirft,  dass  sie  sapientia(m)  se  existimant 
habere  et  scientiam  perdederunt.  Dieser  Gegensatz  einer  im  Abend- 
land von  Byzanz  abhängigen  Schule  zu  derjenigen  Columbans  ist 
merkwürdig,  und  darum  möchte  man  wohl  wissen,  wo  diese  Chronik 
latinisiert  worden  ist.  Die  theologischen  Stücke,  die  sie  enthält, 
weisen  durch  das  Zitat  wenigstens  des  Ephrem  wohl  auch  auf  ein 
griechisches  Original;  es  kann  sein,  dass  der  lateinische  Bearbeiter 
nicht  den  Malalas  selbst  vor  sich  gehabt  hat,  sondern  einen  mit  theo- 
logischen Ausführungen  verschmolzenen  byzantinischen  Auszug  aus 
demselben.  Die  Frage,  wo  der  Übersetzer  zu  suchen  ist,  dem  sicher 
jene  Ausfälle  gegen  die  Schotten  angehören,  bleibt  noch  zu  erledigen.*) 

1)  Wenn  Bethmann  (Archiv  12,  333)  die  Abfassung  der  Chronik  gleich  nach 
628  setzt,  so  ist  dies  ein  Versehen;  er  hat  wohl  sagen  wollen,  dass  die  Hand- 
schrift, da  sie  verschiedene  Isidoriana  enthält,  nicht  älter  sein  kann. 

*)  [Eine  Vermutung  darüber  in  unmittelbarem  Anschluß  an  obige  Worte 
äußert  L.  Traube,  Byz.  Zeitschr.  a.  a.  0.  S.  489  ff.] 


Lxxvn. 

Zur  byzantinischen  Chronographie.*) 

Yon  der  Stadtchronik,  welche  der  von  mir  (Abhandlungen  der  625 
Sachs.  Ges.   Bd.  II)    herausgegebenen  Chronographie   von   354   ein- 
verleibt ist,   findet   sich   eine   Stelle  (p.  646  meiner  Ausgabe   [oben 
S.  571])  ausgeschrieben  von  Cedrenus  I  p.  302  der  Bonner  Ausgabe, 
wodurch  der  Text  berichtigt  und  vervollständigt  wird: 
Hoc  imp.  navis  Alexandrina  pri-     "Em   dk   Tfjg  ßaotXeiag  Avyovazov 
mum   in  portu  Romano   introivit     Kaioaoog  elafjXde  tiXoTov  cbiö   'A- 
nomine   Acatus,    qui    attulit   fru-      le^avdgecag  eig  rrjv  jvograv 'Pwßiijg, 
menti    modios     CCCC,    vectores      e^iq}eoöfi.Evov  oirov /uodicov  xiXiddag 
MCC,  piper,linteamen,  carta,nitria     v,  hiißdxagao,  vavzaga,  Jtejiegi, 
et  opeliscum  cum   sua  sibi  base,      o^ovag,    x^Q'^V'^'    veha,    xcu   rov 
qui  est  in    circo  maximo,   altum     /iiyav  oßekioxov  juerd  rov  ßaoiXicog  626 
pedes  LXXXYÜS.  avröv   re  iaxdna   ev  töji  /xeydXwi 

»buiixcöi  eyovra  vrpog  nodag  n^ 
^fuovv. 

Im  griechischen  Text  hat  schon  Meursius  eig  töv  jiootov  herge- 
stellt, womit  freilich  vielleicht  nicht  der  Abschreiber,  sondern  der 
Uebersetzer  corrigiert  wird.  Auch  das  imsinnige  furd  tov  ßaodimg 
statt  f.iEjd  xfjg  ßdoecog  hat  wohl  dieser  verschuldet,  da,  wenn  maa 
ändert,  mit  dem  folgenden  avröv  re  nichts  Rechtes  anzufangen  ist  — 
Dagegen  ist  im  lateinischen  Text  aus  der  Version  herzustellen  natäas 
CC,  was  nach  vectores  MCC  ausfiel,  und  es  ist  statt  nitria  herzu- 
stellen vürea,  wenn  nicht  dies  schon  in  der  Wiener  Handschrift  steht.**) 

Uebrigens  ist  es  für  die  Quellengeschichte  nicht  ohne  Interesse 
bei  diesem  späten  Byzantiner  eine  Benutzung  jener  Schrift  der  con- 
stantinischen  Zeit  zu  finden,  die  nur  mittelbar  sein  mag,  wovon  aber 


*)  [Rhein.  Mus.  11,  1857,  S.  625—26.] 
**)  [vüria  (sie)  hat  die  Hs.  in  der  That:  s.  o.  S.  571,  2.] 

MOIMSEH,    SCHB.  Vn.  *° 


754  Zur  byzantinischen  Chronographie. 

meines  Wissens  die  Mittelglieder  uns  nicht  mehr  vorliegen.  Weitere 
Auszüge  aus  der  Stadtchronik  finde  ich  bei  Cedrenus  nicht.  Möchte 
doch  endhch  sich  jemand  dem  undankbaren,  aber  notwendigen  Ge- 
schäft unterziehen  das  nachzuholen,  was  die  Herausgeber  der  Byzan- 
tiner mit  wenigen  Ausnahmen  versäumt  haben:  die  Angabe  der 
Quellen.  Die  ganze  bändereiche  Reihe  ist  doch  lediglich  für  den 
historischen  Quellenforscher  bestimmt;  und  dieser  kann  mit  diesen 
Chroniken  ernstlich  und  im  Zusammenhang  nichts  anfangen,  bis  sie 
so  bearbeitet  vorliegen  wie  die  verwandte  occidentalische  Litteratur 
in  den  monumenta  Germaniae.  Möchte  sich  ein  Philolog  entschliessen, 
wenigstens  für  die  vorjustinianische  Zeit  den  Cedrenus,  den  'Malalas, 
die  alexandrinische  Chronik  und  die  übrigen  einschlagenden  Quellen 
im  Zusammenhang  durchzuarbeiten,  wie  es  Moerner  mit  dem  Orosius 
gethan  hat.  Er  wird  nicht  viel,  aber  doch  sicherlich  einiges  an 
neuem  Material  wie  an  Textberichtigung  gewinnen  und  die  Grenzen 
wie  die  Sicherheit  der  historischen  Quellenforschung  nicht  unwesent- 
lich erweitern  und  steigern.*) 


*)  [Dieser  Wunsch  Mommsens    ist  wenigstens  in  dem  von  ihm  verlangten 
Umfange  m.  W.  bisher  unerfüllt  geblieben.     Vgl.  auch  oben  S.  708f.] 


Lxxvm. 

Die  Orthographie   der   sogenannten  Tabulae   honestae 
Missionis.*) 

Die  Bürgerrechts  Verleihungen,  officielle  und  beglaubigte  Docu-  460 
mente  und  sämmtlich  in  Rom  selbst  ausgefertigt  wie  copirt,  mit 
wenigen  Ausnahmen  entweder  noch  vorhanden  oder  doch  vollkommen 
sicher  überliefert  und  zwar,  wo  die  Tafeln  vollständig  sind,  durchaus 
in  doppelten  Exemplaren,  sind  schon  an  sich  für  römische  Recht- 
schreibung Documente  vollkommener  Autorität,  einzig  aber  in  ihrer 
Art  insofern,  als  sie  uns  aus  einem  Zeitraum  von  zweihundert  und  461 
fünfzig  Jahren,  von  Claudius  an  bis  auf  Diocletian,  wesentlich  die- 
selben Formeln  in  über  fünfzig  sicher  datirten  ^  Beispielen  vorführen 
und  wir  also  hier  wenigstens  für  einzelne  Fälle  und  Wörter  Be- 
obachtungen anzustellen  vermögen,  die  nicht  auf  der  Individualität  des 
einzelnen  Schreibers,  sondern  auf  zahbeichen  durch  einen  längeren 
Zeitabschnitt  sich  vertheilenden  Wahrnehmungen  beruhen.  Es  wird 
daher  gerechtfertigt  sein  hier  übersichtlich  zusammenzustellen,  was 
diese  Documente  für  die  römische  Orthographie  ergeben  und  dabei 
auch  Geringfügiges  nicht  zu  übergehen,  insbesondere  wo  darin  eine 

*)  [Hermes  1,  1866,  S.  460 — 467.  Die  von  Mommsen  hier  benutzten  'tabolae' 
sind  von  ihm  selbst  ediert  worden  im  0.  I.  L.  III  2,  1873,  S.  843  ff.  mit  Nach- 
trägen im  Suppl.  dieses  Bandes,  pars  prior,  1902,  S.  1955  ff. ;  vgl.  auch  Ges.  Sehr. 
V  S.  38  A.  **.  Diese  Nachträge  hier  zur  Ergänzung  der  Mommsenschen  Aus- 
führungen heranzuziehen,  schien  nicht  angebracht;  nur  in  einem  Falle,  wo 
dadurch  eine  besondere  Bemerkung  ergäjizt  werden  konnte,  ist  davon  eine  Aus- 
nahme gemacht  worden  (u.  S.  761*).] 

1)  An  sich  hat  Föringer  (Münchener  Gel.  Anz.  1844,  293)  allerdings  Recht. 
wenn  er  darauf  hinweist,  dass  die  Daten  nur  für  die  Privilegien  selbst  mass- 
gebend sind,  nicht  für  die  Copien.  Aber  wie  alle  anderen  Alterskennzeichen, 
so  insbesondere  die  Zeugennamen  lehren,  dass  die  Extracte  durchgängig  wenig 
jünger  sind  als  die  Originale. 

48* 


756         I^ie  Orthographie  der  sogenannten  Tabulae  honestae  Missionis. 

gewisse  Stetigkeit  sich  zeigt.  —  Ich  citire  die  Tafeln  nach  den 
Jahren  in  denen  sie  erlassen  sind. 

1.    Der  Genetiv  der  2.  Decl.  von  Wörtern  auf  ius  und  ium. 

Das  ältere  Latein,  das  überhaupt  nicht  zwei  gleiche  Buchstaben 
neben  einander  duldet,  kann  desshalb  von  den  Wörtern  der  zweiten 
Declination  auf  ius  und  ium  die  Bildungen  auf  ü  im  Gen.  Sing,  und 
Nom.  PI.  und  auf  iis  im  Dat.  Abi.  PI.  nicht  verwenden,  sondern  muss 
dafür  andere  Formen  an  die  Stelle  setzen.  Diese  sind  indess  nicht 
durchaus  gleichartig.  In  republikanischer  Zeit  bildete  man  von  filius 
den  Nominativ  Plural  fiU,  filei  oder  filiei,  den  Dat.  Abi.  PI.  ebenso 
^_filis,  ßeis  oder  ßieis,  dagegen  den  Genitiv  Singular  nie  anders  als 
fili  oder  filei,  so  dass  die  Unterdrückung  des  «-Lautes  vor  der 
Casusendung  im  Plural  facultativ  ist,  im  Singular  dagegen  obligatorisch. 
Dies  lehren  die  Inschriften  dieser  Epoche  ^  und  damit  stimmt  die 
grammatische  Theorie,  wie  Lucilius  sie  vorträgt^;  dass  auch  die 
Dichter  der  republikanischen  Zeit  keinen  andern  Genitiv  wenigstens 
von  Substantiven  kennen  ^  als  auf  einfaches  i,  ist  von  Bentley  längst 
462  erkannt  und  seitdem  vielfach  bestätigt  worden.  —  Hieran  änderte 
zunächst  nichts,  dass  man  in  der  augustischen  Zeit  das  Gesetz  nicht 
zwei  gleiche  Yocale  neben  einander  zu  schreiben  aufgab;  es  hatte 
dies  nur  zur  Folge,  dass  man  das  bisher  oft  stellvertretend  gebrauchte 
ei  durch  langes  i  ersetzte  und  also  im  Nominativ  Plural  auf  fili  und 
ßi%,  im  Dativ  Abi.  PI.  auf  ßis  und  filils,  im  Genitiv  Singular  da- 
gegen auf  fili  kam.  Aber  gegen  die  letztere  Schreibung  traten  die 
theoretisirenden  Grammatiker  auf,  zuerst,  so  viel  wir  wissen,  Yarro  *, 
indem  sie  behaupteten,  dass  der  Genitiv  wohl  mehr,  aber  nicht 
weniger  Silben  haben  dürfe  als  der  Nominativ,  wesshalb  sie  auch 
für  den  Genitiv  der  Wörter  auf  ius  die  Schreibung  ßii  forderten  — 
ähnlich  wie   man   für  den  Nominativ  derselben,   der  in  älterer  Zeit 


1)  Vgl.  die  Zusammenstellung  in  Hübners  Index  zum  C.  I.  L.  I  p.  605.  607. 
Füiei  z.  B.  ist  immer  Nora.  PI.,  fili  und  filei  entweder  Nom.  PI.  oder  Gen.  Sing. 
Lucilius  [364  Marx]  forderte  weiter,  dass  im  Genitiv  Sing,  immer  i,  im  Nom. 
PI.  immer  ei  geschrieben  werde;  diese  Differenzirung  aber  ist  in  der  Praxi» 
nicht  durchgedrungen. 

2)  Charisius  p.  78  Keil  und  dazu  Lachmann  zu  Lucret.  5,  1006. 

3)  Von  Adjectiven  so  wie  von  Lehnwörtern  haben  schon  ältere  Dichter  den 
Genitiv  auf  ii  gebildet.  Die  Inschriften  übrigens  schreiben  vicei  Sulpicei  (C.  I.  L. 
I,  804  [VI  32452  =  Dessau  6078])  und  muniäpi  Flavi  (S.  463  [u.  S.  758])  und 
Hdi  so  gut  wie  luli  (I.  N.  6310,  116  [C.  I.  L.  X  8059,  209]);  wenn  man  nur  auf  sie 
Rücksicht  nähme,  könnte  man  für  die  ältere  Zeit  den  Genitiv  auf  i  oder  ei  als 
ausschliesslich  geltend  aufstellen. 

4)  Bei  Charisius  a.  a.  0. 


Die  Orthographie  der  sogenannten  Tabolae  honestae  Missionis.        757 

sehr  häufig  in  i(s)  verkürzt  ward,  bereits  viel  früher  die  volle  Form 
allgemein  zurückgeführt  hatte.  Es  ist  nicht  meine  Absicht  nach 
Bentley  und  Lachmann  die  weitläufige  und  schwierige  Untersuchung 
aufzunehmen,  wie  sich  zu  diesem  Schulstreit  die  Schriftsteller  der 
Kaiserzeit,  insbesondere  die  Dichter  verhalten  haben ;  im  Allgemeinen 
steht  fest,  dass  der  Einfluss  der  varronischen  Theorie  zuerst  bei 
Propertius  und  Ovidius  wahrgenommen  wird  und  sie  dann  allmählich 
zu  allgemeiner  Geltung  gelangt.*)  Hier  soll  nur  constatirt  werden, 
dass  in  unseren  Documenten,  die  durchgängig  die  Zeugennamen  im 
Genitiv  zeigen  und  wo  also  die  Beispiele  für  den  Genitiv  der  zweiten 
Declination  nach  Hunderten  zählen,  unter  allen  diesen  Genitiven  von 
Eigennamen  nicht  ein  einziger  begegnet,  der  anders  als  auf  einfaches 
i  auslautete  —  das  einzig  widersprechende  Marii  auf  der  Berliner 
Tafel  Yespasians  vom  J.  71  ist  nichts  als  ein  Lesefehler  für  Marci. 
Andere  solche  Genitive  als  von  Eigennamen  sind  freilich  auf  den 
Tafeln  überhaupt  sparsam  und  nur  aus  späterer  Zeit  zu  finden;  contihi 
steht  auf  den  Tafeln  des  M.  Aurelius  und  L.Yerus  von  Chieti,  contibii 
auf  denen  von  Caracalla  vom  J.  216  und  Gordian  vom  J.  243,  femer 
durchgängig  pü  (J.  208.  216.  230).  Jene  Thatsache  aber  föllt  sicher- 
lich schwer  ins  Gewicht,  um  so  mehr  wenn  man  damit  andere  Docu- 
mente  gleichen  Ranges  zusammenhält  und  sich  dadurch  überzeugt, 
wie  sparsam  in  den  Urkunden  des  ersten  Jahrhimderts  der  Genitiv 
nach  varronischer  Theorie  geschrieben  wird.  Das  ancyranische 
Monument  kennt  den  Genitiv  auf  i,  wie  es  scheint,  ausschliesslich, 
während  im  Plural  einfaches  i  mit  doppeltem  wechselte  Damit 
stimmen  die  Pisaner  Decrete  zu  Ehren  der  Söhne  des  Augustus  463 
überein  2.  Dass  Yerrius  Flaccus  auch  hierin  Varros  Yorschrift  befolgt 
hat,  ist  sehr  wahrscheinlich;  aber  die  pränestinischen  Fasten  geben 
kein  sicheres  Beispiel  eines  solchen  Genitivs',  während  sie  übrigens 
zeigen,  dass  Yerrius  im  Plural  durchaus  das  doppelte  i  brauchte*. 
Die    ersten   ganz    sicheren  Belege    für  diese  Schreibung    sind  wohl 


*)  [Vgl.  F.  Neue,  Formenl.  d.  lat.  Spr.  I»,  Leipz.  1902,  S.  134  £F.] 

1)  Hier  findet  sich  conffiari,  coronari,  Feretri,  luli,  Pompei,  prodi;  8.  meine 
Ausgabe  S.  145  [191*].  Ckrnlegii  4,  36/7  beruht  auf  nicht  sicherer  Ergänzung. 
Die  frühere  Meinung,  der  noch  Lachniann  a.  a.  0.  folgt,  dass  das  über  die  Linie 
hinausgeführte  i  als  Surrogat  der  Gemination  anzusehen  sei.  bedarf  jetzt  keiner 
Widerlegung  mehr:  unzweifelhaft  bezeichnet  dasselbe  nichts  als  die  Vocallänge. 

2)  Hier  lesen  wir  fili,  Gai,  Lud,  während  die  Nominative  ti  und  oH,  die 
Dative  Ablative  üs  und  spoleis  begegnen,  genau  wie  im  ancyranischen  Monument. 

3)  TARVTILI  (Dec.  23)  ist  wahrscheinlich  aus  TARVTII  entstellt,  aber 
doch  kein  sicherer  Beweis. 

4)  Wir  finden  hier  aJii,  Exqiiüüs,  iis,  ebenso  abiit. 


758        Die  Orthographie  der  sogenannten  Tabulae  honestae  Missionis. 

imperii  in  der  Lyoner  Eede  des  Kaisers  Claudius^  und  municipii 
auf  der  malacitanischen  Bronzetafel  Domitians,  wo  dies  ungefähr 
ebenso  oft  steht  wie  municipi,  während  die  gleichzeitige  Tafel  von 
Salpensa  ausschliesslich  die  letztere  Form  kennt  ^.  Dies  stimmt 
vollkommen  mit  der  Bemerkung  des  älteren  Plinius  im  fünften 
Buche  der  Schrift  dubii  sermonis,  die  Charisius  (a.  a.  0.)  aufbewahrt 
hat:  esse  quidem  rationem  per  duo  i  scrihendi,  sed  multa  iam  consue- 
tudine  superari;  zu  seiner  Zeit  also  hatte  man  wohl  in  der  Theorie 
sich  für  die  Ansicht  des  Varro  entschieden,  aber  im  Gebrauch  be- 
hauptete sich  noch  sehr  überwiegend  die  ältere  Schreibung  und  es 
waren  vielleicht  nur  die  orthographischen  Revolutionäre,  die  den 
Genitiv  fdii  bildeten,  wie  Kaiser  Claudius  der  Buchstabenerfinder 
und  der  Schreiber  der  malacitaner  Tafel,  der  ebenfalls,  einer  andern 
orthographischen  Theorie  zu  Liebe,  eines  und  cuiius  schrieb.  —  Aber 
um  die  seltsame  Beständigkeit  unserer  Tafeln  in  dieser  Schreibung 
zu  erklären,  wird  man  wohl  noch  eines  hinzusetzen  müssen:  dass 
auch  diejenigen  Grammatiker,  die  der  varronischen  Lehre  folgten, 
sie  doch  auf  Eigennamen  nicht  anwandten.  Dies  ist  zwar  von  den 
Grammatikern  nicht  überliefert,  ja  die  von  ihnen  gewählten  Beispiele 
zeigen  durchgängig,  dass  sie  die  Regel  auch  auf  Eigennamen  erstreckt 
wissen  wollten;  aber  die  Documente  scheinen  es  zu  fordern.  Die 
Lyoner  Tafel  des  Claudius  schreibt  zwar  imperii  [s.  jedoch  Anm.  1], 
aber  daneben  Caeli  und  Tarquini;  und  noch  auffallender  ist  es,  dass  die 
Tafel  von  Malaca  in  der  zehnmal  wiederkehrenden  Phrase  municipii 
464  Flavi  Malacitani  häufig  municipii,  aber  nicht  ein  einziges  Mal  Flavii 
schreibt.  Dasselbe  gilt  von  unseren  Bronzen.  Wäre  die  varronische 
Schreibung  auf ,  die  Eigennamen  erstreckt  worden,  so  wäre  es  mehr 
als  seltsam,  dass  unter  so  vielen  Concipienten  vom  ersten  bis  zum 
dritten  Jahrhundert  auch  nicht  einer  ihr  darin  gefolgt  sein  sollte; 
und  dieselben  Tafeln  aus  der  Zeit  Severus  und  Caracallas,  die  pH 
und  conubii  schreiben,  kennen  von  Septimius  nur  den  Genitiv  Septimi. 
Ferner  erklärt  es  sich  bei  dieser  Annahme,  dass  Varro,  obwohl  er 
die  Schreibung  filii  fordert,  dennoch^  den  Genitiv  von  Plautius  für 
identisch  mit  demjenigen  von  Flautus  erklären  konnte  *.    Wenn  end- 

1)  I,  36.  Doch  fällt  auch  hier  n  in  den  Bruch  und  ist  genaue  Constatirung 
der  Lesung  vorzubehalten.  [Die  Tafel  hat  nach  Hirschfelds  Lesung  imperi: 
C.  L  L.  XIII  nr.  1668,  Zeile  36.] 

2)  Auf  der  letzteren  erscheint  überhaupt  ü  nicht;   sie   schreibt  is,  nuptis. 

3)  de  l.  l  8,  36. 

4)  Ebenso  wird  man  aus  der  bei  Gellius  13,  26  (25)  aufbewahrten  Aeusse 
rung  des  Nigidius  Figulus  über   die  verschiedene  Aussprache   des  Vocativs  und 


J 


Die  Orthographie  der  sogenannten  Tabnlae  honestae  Missionis.        759 

lieh  Lachmann  von  Propertius  sagt:  disylldbo  a  recto  trihrevi  sdus 
usus  est  cum  dixit  arma  Mari  et  bene  facta  Mari,  Tunc  animi 
vettere  Beci,  contudit  arma  Tati,  item  hasta  Tati  et  ora  Tati; 
hoc  enim  nulltis  ceterorum  imitatus  est  nee  facile  adducor,  ut  credam 
Ovidium  semel  Tati  scripsisse  in  fastarum  l,  260,  so  verdient  es 
gleichfalls  Beachtung,  dass  die  hier  zusammengestellten  Fälle  sämmt- 
lich  Eigennamen  angehören.  Auch  können  wir  andere  Fälle  nach- 
weisen, wo  sonst  allgemein  durchgeführte  Gesetze  der  lateinischen 
Orthographie  auf  Eigennamen  nicht  erstreckt  worden  sind  —  so 
schrieben  die  Numonii  Valae  auch  in  späterer  Zeit  noch  ihren  Namen 
mit  doppeltem  a^  und  hat  sich  das  ei  in  den  Namen  Veiditis"^  und 
Teidius^  bis  in  Zeiten  behauptet,  wo  es  aus  der  gewöhnlichen 
Schreibung  lange  verschwunden  war,  wie  ja  denn  in  allen  Sprachen 
ähnhche  Anomalien  zahlreich  begegnen  imd  die  theoretisirenden 
Orthographiker  doch  vor  den  Stammbäumen  und  den  Urkimden 
einigen  Respect  zu  empfinden  pflegen.  Ohne  weiterer  Untersuchung 
vorzugreifen,  wird  als  Ergebniss  der  epigraphischen  Documente 
-anzusehen  sein,  dass  dieselben  den  Genitiv  der  zweiten  Declination 
auf  ii  zu  keiner  Zeit  ausschhesslich  und  überhaupt  nicht  vor  der 
Mitte  des  ersten  Jahrhunderts  zulassen,  in  Eigennamen  aber  durch- 
aus ausschliessen. 

2.  Dass  im  Dativ  und  Ablativ  Plural  der  zweiten  Declination 
—  für  den  Nominativ  derselben  bieten  unsere  Documente  keine 
Belege  —  die  Schreibung  mit  doppeltem  /  weit  älter  und  weit  465 
berechtigter  ist  als  in  dem  entsprechenden  Genitiv,  wurde  schon 
gesagt;  denn  auch  in  repubhkanischer  Zeit  wurde  gewöhnlicher 
".edißcieis  geschrieben  als  aedificis  oder  aedificeis.  Damit  stimmen 
auch  unsere  Tafeln  überein,  und  zwar  in  der  Art,  dass  für  die 
frühere  Zeit,  d.  h.  von  Claudius  bis  Traianus,  der  Doppelvocal  auf 
das  entschiedenste  überwiegt,  späterhin  aber  das  Verhältniss  sich 
umkehrt.  Die  Tafeln  des  ersten  Jahrhunderts  zeigen  stipendiis 
achtmal  (J.  SO  zweimal  —  86  zweimal  —  93  zweimal  —  96  zweimal), 
während  stipendis  nur  ein  einziges  Mal  auf  der  Tafel  vom  J.  SO 
begegnet;  die  Urkunde  vom  J.  HO  hat  einmal  stipendiis  und  einmal 
stipendis;    auf  denen  vom  J.  113  abwärts  begegnet  nur  die  letztere 


des  Genitivs  Valeri  nicht  mit  Sicherheit  schliesseu  können,  dass  Nigidius  ein 
Gegner  der  varronischen  Theorie  gewesen  ist. 

1)  Rom.  Münzwesen  S.  471. 

2)  Vgl.  den  Index  zu  den  I.  R.  N.  p.  440  unter  Veidins. 

3)  Der  Consul  des  J.  31  heisst  Sex.  Teidius  Catullinm  (Orell.  4033  =  L  R. 
N.  1968  [C.  I.  L.  X  1233  =  Dessau  6124]).    Vgl.  C.  I.  L.  I  n.  1090  [VI  21363]. 


760        Die  Orthographie  der  sogenannten  Tabulae  honestae  Missionis. 

Form  (J.  113.  116.  129.  134.  145.  230.  247),  und  auf  denselben 
erscheinen  die  Formen  praeforis  (J.  161/9.  208.  216  zweimal.  243) 
und  filis  (J.  230.  247.  249).  Ungefähr  dasselbe  gilt  von  dem  Dat. 
Abi.  PI.  des  Demonstrativpronomens.  Unsere  sämmtlichen  Tafeln 
bis  zum  J.  110  einschliesslich  kennen  nur  die  Form  iis  und  zwar  so, 
dass  sie  auf  jeder  mit  Ausnahme  der  gänzlich  fragmentirten  der 
ersten  einundzwanzig  Tafeln  und  gewöhnlich  mehr-,  oft  vier-  bis 
siebenmal,  im  Ganzen,  wenn  ich  recht  gezählt,  siebenundsechzig  mal 
vorkommt,  woneben  sich  zweimal  eis  findet  (J.  71  und  80),  is  nur 
ein  einziges  Mal  auf  dem  Berliner  Diplom  vom  J.  71.  Dasselbe  gilt 
von  den  Documenten  von  Marcus  Aurelius  abwärts:  vom  J.  167  an 
bis  zum  Ende  des  dritten  Jahrhunderts  finden  wir  ausschliesslich, 
freilich  in  nur  fünfzehn  Fällen  überhaupt,  die  Form  iis  und  iisdem, 
wozu  sich  die  Form  piis  in  den  Urkunden  von  208  (zweimal).  243. 
248  stellt.  Daneben  erscheint  ein  einziges  Mal  (J.  247)  isdem.  Da- 
gegen in  der  Zwischenzeit,  d.  h.  in  den  letzten  Jahren  Traians  und 
unter  den  Regierungen  von  Hadrian  und  Antoninus  Pius  schwankt  die 
Orthographie  des  Wortes:  iis  findet  sich  achtzehn-,  is  zweiundzwanzig- 
mal,  oft  beides  auf  denselben  Tafeln  neben  einander.  —  Im  Ganzen 
ergiebt  sich,  dass  die  Römer  bei  der  definitiven  Fixirung  der  Ortho- 
graphie unter  Augustus  und  den  julischen  Kaisern  im  Dat.  Abi.  PI. 
sich  für  die  Schreibung  iis  entschieden  und  dass  man  im  ersten  Jahr- 
hundert daran  festhielt;  dass  aber  dann  gegen  das  Ende  der  Regie- 
rung Traians  und  unter  Hadrian,  wahrscheinlich  im  Zusammenhang 
mit  den  archaisirenden  Tendenzen  dieser  Epoche,  wie  sie  zum  Bei- 
spiel bei  Fronte  hervortreten,  die  —  freilich  nicht  mit  Recht  —  als 
ursprünglicher  erscheinende  Schreibung  auf  is  vorzuwalten  anfing. 
Diese  hat  dann  zwar  in  den  Wörtern,  wo  das  i  zum  Stamm  gehört, 
wie  in  iis  und  piis,  sich  nur  so  lange  behauptet,  als  diese  litterarische 
466  Richtung  dominirte,  das  heisst  etwa  bis  an  den  Anfang  der  Regierung 
des  Marcus;  aber  wo  i  blosser  Bindevocal  ist,  hat  sie  auch  späterhin 
vorgeherrscht,  wie  sie  denn  auch  in  nnsern  Handschriften  überwiegend 
häufig  ist. 

3.  Unter  den  Casusendungen  verdient  endlich  noch  Beachtung 
die  des  Abi.  Sing,  der  dritten  Declination,  namentlich  in  den  Ad- 
jectivformen.  Der  constante  Ablativ  classe  und  die  Bildung  Ceriale 
von  dem  Eigennamen  Cerialis  (Diplom  vom  J.  74)  folgen  nur  an- 
erkannten Regeln;  ebenso  ist  es  jetzt  hinreichend  bekannt,  dass  die 
Comparativformen  nur  den  Ablativ  auf  e  gestatten,  wie  in  unsern 
Documenten  dexteriore,  posteriore,  sinisteriore  bestätigen.  Aber 
beachtenswerth   ist,    dass   das  sehr  häufig  im  Ablativ  vorkommende 


K 


Die  Orthographie  der  sogenannten  Tabulae  honestae  Missionis.        "61 

gregalis  diesen  stets  (auf  acht  Urkunden)  auf  e  bildet;  ebenso,  dass 
unsere  Tafeln,  und  zwar  die  der  besten  Zeit,  die  Ablative  fidde 
(J.  70),  adiuirice  dreimal  (zwei  des  J.  68  und  eine  des  J,  70),  Baven- 
nate  (J.  71.  127.  249)  aufweisen,  wogegen  Misenense  sich  zwar  auch 
findet  (J.  247),  aber  auf  den  Tafeln  der  besseren  Zeit  (J.  129.  134. 
145)  doch  nur  Misenensi. 

4.    Ich  füge  noch  einige  Einzelheiten  hinzu. 

Die  Schreibung  praest  statt  praeest  behauptet  sich  stetig  durch 
die  beiden  ersten  Jahrhunderte;  erst  die  Tafeln  des  Severus  Alexander 
vom  J.  230  haben  einmal  praest  (so  getheilt)  und  einmal  2)raeest. 

Die  Gesammtzahl  der  Alen  imd  Gehörten,  welche  gleichzeitig 
die  Privilegien  empfangen,  wird  auf  denjenigen  Diplomen,  die  sich 
auf  Auxiliartruppen  beziehen,  bis  zum  J.  116  einschliesslich  (mit 
Ausnahme  allein  des  neronischen  vom  J.  60),  und  ebenso  auf  den 
der  städtischen  Besatzung  ertheilten,  nicht  mit  Ziffern,  sondern  mit 
Buchstaben  angegeben,  offenbar  um  dieselbe  von  der  unmittelbar 
darauf  folgenden  Ordnungszahl  der  ersten  Ala  oder  Cohorte  besser 
abzusetzen.  Dabei  verdient  Beachtung,  dass  die  Ziffern  über  zehn 
durchgängig  mit  Yoranstellung  des  grösseren  Zahlwortes  gebildet 
werden:  decem  et  una  (zweimal  J.  104  und  J.  105)  —  decem  et  tribus 
(J.  SO)  —  decem  et  quinque  (J.  85)  —  decem  et  Septem  (J.  116), 
während  nur  ein  einziges  Mal  duodecim  (J.  74)  sich  findet.  Jenes 
scheint  also  die  solenne  Bildung  gewesen  zu  sein,  wenn  auch  der 
Sprachgebrauch  undecim  u.  s.  w.  vorzog.  Dagegen  heisst  es  durch- 
gängig quina  {sena,  octona)  et  vicena,  quinque  et  viginti  (Diplom  des 
Pius  Cardinali  XVIII;  vgl.  das  hadrianische  von  124),  niemals  viginti 
quinque.  Die  Copula  fehlt  nur  auf  dem  schlecht  überlieferten  Diplom 
om  J.  92. 

Die  Bezeichnungen   des   gemeinen  Soldaten,   die  imsere  Tafeln 
iifzeigen,  sind  je   nach   den  Truppenkörpern  verschieden:    in  den 
Cohorten  heisst  er  stets  pedes,  woneben  auch  nicht  selten  Reiter  der  467 
Cohorten  vorkommen;    in   den  Alen   und  den  Flotten  dagegen  nie 
anders  als  gregalis. 

Die  Kupfertafel  heisst  auf  unseren  Urkunden  bis  zum  J.  134 
durchgängig  tabida  aenea  (nie  ahenea),  vom  J.  13S  abwärts  ebenso 
durchgängig  —  nur  mit  Ausnahme  des  übrigens  nicht  ganz  sicher 
überlieferten  Diploms  von  247*)  —  tabtda  aerea.  Auch  zeigen  die 
Bomitii  ÄlienoharU  und  die  Formel  hoc  aere  aemaque  libra   sowohl 


lt. 


*)  [Aber  auch  auf  d^m  Diplom   vom  J.  148:  C.  I.  L.  III  suppl.  pars  prior 
1985.1 


762         I^ie  Orthographie  der  sogenannten  Tabulae  honestae  Missionis. 

wie  überhaupt  der  Sprachgebrauch  der  republikanischen  Zeit,  das» 
aeneus  die  althergebrachte  Bezeichnung  dessen  ist,  was  aus  Kupfer 
besteht;  aereus  findet  sich  nicht  vor  Virgil*)  und  in  früherer  Zeit 
überwiegend  in  dem  Sinn  von  aeratus,  mit  Kupfer  bekleidet. 

Die  Copula  zwischen  den  voll  angegebenen  Consulnamen  fehlt 
bis  zum  J.  167,  erscheint  dagegen  vom  J.  216  an  durchgängig  in  den 
Urkunden  des  dritten  Jahrhunderts.  Wo  aber  die  Consuln  ausnahms- 
weise mit  den  blossen  Cognomina  bezeichnet  sind,  wie  auf  der  Innen- 
seite eines  Diploms  von  Pius  und  desjenigen  von  167,  fehlt  die  Copula 
niemals.  Die  Ursache  liegt  nahe.  Die  ältere  Sprache  lässt  die  Copula 
zwischen  nothwendig  zusammengehörigen,  insbesondere  complemen- 
tären  und  zusammen  einen  Gesammtbegriff  bildenden  Wörtern  durch- 
aus weg,  da  hier  eben  eine  Einheit  vorhanden,  also  nichts  zu  verbinden 
ist.  So  sagt  man  usus  fructus,  emptio  venditio,  usus  audoritas,  lis 
vindiciae  u.  dgl.  m.  und  ebenso  M.  Tullio  C.  Antonio  cos.,  da  beide 
Consuln  nothwendig  zusammengehören,  ganz  besonders,  wo  sie  zur 
Bezeichnung  des  Jahres  stehen.  Diese  lebendige  Auffassung  aber 
ging  der  Sprache  später  verloren  und  erhielt  sich  nur  erstarrt  in 
einzelnen  Formeln.  Die  Bezeichnung  der  Consuln  mit  Vor-  und 
Geschlechtsnamen  aber  ist  bekanntlich .  die  alte  und  lange  Zeit  allein 
gültige,  die  mittelst  der  Cognomina  noch  viel  jünger  als  der  Gebrauch 
der  Cognomina  selbst;  als  diese  aufkam,  war  jene  alte  asyndetische 
Zusammenstellung  bereits  verschollen. 

Die  Abkürzung  f.  wird  nur  für  filius  verwendet,  niemals  für  fdia. 
Letzteres  wird  entweder  voll  ausgeschrieben  —  so  auf  den  altern 
Tafeln  von  den  J.  64  und  93;  oder  in  fU.  abgekürzt  —  so  auf  den 
Tafeln  der  J.  113.  129.  134  —  wo  fünfmal  f.  für  fiUo,  zweimal  fil. 
für  filiae  neben  einander  steht  —  247  und  in  einem  Münchener 
Bruchstück  aus  hadrianischer  Zeit.  Uebrigens  findet  sich  die  Ab- 
kürzung fd.,  besonders  in  den  Tafeln  des  dritten  Jahrhunderts,  auch 
wohl  für  filius  (J.  129.  230.  247.  249). 


*)  [Vielmehr  schon  bei  Varro  sat.  169 :  s.  Thes.  1.  1.,  s.  v.] 


LXXIX. 

T  e  r  r  u  n  c  i  u  s.*) 

In  Bona,  dem  alten  Hippo  regius,  ist  vor  kurzem  die  folgende  485 
Inschrift  zum  "Vorschein  gekommen,  herausgegeben  von  Hrn.  Papier 
im   Bulletin  de  VÄcademie  d'Hijjpatie  n.  21    p.  81,    auch  von  Joh. 
Schmidt  besichtigt  und  abgeklatscht.**) 

.  .  [Salviiis]  L.  f.  Quir.  Fiisc[^is  praef.]  fabr{um),  aedü{is),  Ilvir, 
II  mr  quinqiuennalis)  [st\atuam  argenteam  ex  SS  HCCCXXXV 
tribus  lihelijis),  sing{ula),  terr(uncio)  et  aeris  qttad{rante) ,  cum  rei 
p{uhlicae)  SS  L  prom{isisset) ;  amplius  ad  SS  X  mi(lia)  n{ummum) 
legitima  et  SS  VII  m{ilia)  n{ummum),  quae  in  imagines  argenteas 
imp.  Caes.  Traiani  Hadriani  Aug(tisti)  promisit,  suo  et  C.  Salvi 
Hestituti  fUi  sui  nomine  posuit  idemque.  dedic{avit)  cum  corona 
aurea. 

Hier  wird  also  die  Schreibung  terruncius  inschriftlich  festgestellt.  486 
Sie  ist  aber  gleichfalls  die  einzige  handschriftlich  beglaubigte.  Cei 
Plautus  capt.  All;  Varro  de  l.  Lat.  ö,  174;  Cicero  de  fin.  3,  14,  45 
und  ad  fam.  2,  17,4;  Plinius  h.  n.  33,  3,  45 ;  Volusius  Maecianus 
(lisfr.  jyart.  63  f.  hat  die  jedesmal  beste  handschriftliche  Ueberlieferung 
dieselbe  Schreibung,  die  allerdings  von  allen  Herausgebern  (auch 
von  mir)  herauscorrigirt  worden  ist.  In  den  übrigen  mir  für  dieses 
AVort  bekannten  Belegstellen  (Cicero  de  fin.  4,  12,  29;  ad  Ätt.  6,  2,  4. 
7,  2,  3 ;  Appuleius  apol.  76)  ist  die  hergebrachte  Schreibung  über- 
liefert oder  wenigstens  Abweichung  der  Handschriften  von  derselben 
nicht  angemerkt;  indess  ist  keine  darunter,  bei  der  die  handschrift- 
liche Ueberlieferung  in  solchen  Fragen  Autorität  macht.  Allerdings 
widerstreitet  die  Schreibung  terruncius  der  zweifellosen,  auch  von 
Varro  und  Plinius  a.  a.  O.  angegebenen  Herleitung  a  tribus  unciis; 


■ 


*)  [Hermes  22,  1887,  S.  485— 486.  —  Vgl.  Buecheler  Rhein.  Mus.  1891  S.  236.] 
'*)  [Jetzt  C.  I.  L.  VIII  suppl.  17408;  Dessau  5474.] 


764  Terruncius. 

aber  dies  stellt  den  Gebrauch  nur  um  so  deutlicher  in  das  Licht. 
Das  Wort,  obwohl  sprachlich  lateinisch,  ist  griechisch  gedacht,  der 
xQLäg  lateinisch  quadrans,  und  wird  darum  barbarisirt  nicht  anders 
als  scaena  und  epistula. 

Die  Inschrift  ist  auch  sonst  von  Interesse  als  das  meines  Wissens 
einzige  Zeugniss,  in  welchem  die  Rechnung  nach  Sesterzen  in  ihrem 
incongruenten  Verhältniss  zu  den  effectiv  vorhandenen  Münzen  uns 
deutlich  entgegentritt.  Fuscus  hat  die  Herstellung  der  im  Werth 
von  50000  Sesterzen  versprochenen  Bildsäule  in  der  Weise  geleistet, 
dass  ihm  eine  Rechnung  präsentirt  ward  von  51335  Sesterzen  3  libeUae 
(=  3^10  Sest.)  1  singula  {=  ^J2o  Sest.)  1  terruncius  (=  V*o  Sest.)  und 
1  Quadrans  (=  ^/le  Sest.).  Der  Theilbetrag  von  zusammen  ''/le  Sesterz 
setzt  sich,  in  Münze  ausgedrückt,  zusammen  aus  l  As  (V*  Sest.), 
1  Semis  (^/s  Sest.)  und  1  Quadrans  (Vie  Sest.).  Die  beiden  ersten 
Münzen  Hessen  sich  ratione  sestertiaria  ausdrücken  durch  E  ST,  wie 
dies  hier  mit  Worten  geschieht;  aber  für  den  Quadrans  giebt  diese 
Bruchrechnung  einen  Ausdruck  nicht  und  es  musste  derselbe  also 
als  et  aeris  quadrans  angehängt  werden. 


LXXX. 

Zahl-  und  Bruchzeichen  \ 

Den  Ausgangspunkt  aller  Wortkürzung  haben  für  Italien  die  596 
Zahlwörter  gegeben.  Sie  können  in  der  Prosa  —  für  die  Nieder- 
schrift der  Poesie  existiren  Abkürzungen  überhaupt  nicht  —  durch 
die  entsprechenden  Zeichen  vertreten  werden,  ohne  dass  der  Unter- 
schied der  Kategorien  der  Zahlwörter  2,  geschweige  denn  der  des 
Casus  ^  dabei  Ausdruck  fände.  Indess  ist  es  nicht  schlechthin  gleich- 
gültig, ob  die  Ziffer  gesetzt  oder  dafür  das  entsprechende  Zahlwort 
geschrieben  wird.  Kleinere  nicht  zu  einer  Gruppe  sich  zusammen- 
schliessende  Zahlen  werden  in  der  guten  Schrift  vorzugsweise  mit 
Buchstaben  ausgedrückt*.    "Wo  dagegen  die  Angabe  mehr  geschäft- 

1)  [Hermes  22,  1887  S.  596—614  mit  Nachtrag  ebd.  23,  1888,  S.  152—156.]  — 
Diese  kurze  Uebersicht  über  das  römische  Zififemwesen  soll  nicht  sowohl  Neues 
lehren  als  an  einem  Beispiel  zeigen,  dass  die  lateinische  Grammatik,  geschicht- 
lich und  systematisch  behandelt,  der  Schrift,  ich  meine  den  Buchstabenformen, 
den  Ziffern,  den  Abkürzungen,  der  Interpunction,  eingehendere  Darlegung  widmen 
sollte.  Hier  ist  der  zweite  dieser  vier  Abschnitte  erörtert.  Mit  den  Belegen 
ist  Mass  gehalten;  es  kam  mir  weniger  auf  die  Einzelheiten  an  als  auf  die 
Darlegung  des  Systems  in  seinem  Zusammenschluss. 

2)  Duo  und  secundus  wenigstens  sind  von  jeher  gleichmässig  abgekürzt 
worden;   hini  und  iterum  oder  bis  ursprünglich  schwerlich,  späterhin  ebenfalls. 

3)  Als  das  alte  Grundgesetz  der  Abkürzungen,  nur  den  oder  die  Anfangs- 
buchstaben hinzusetzen,  ins  Schwanken  kommt  und  schliesslich  fällt,  erstreckt 
sich  dies  auch  auf  die  Ziffern;  XMVS  =  decimtis  u.  dgl.  ist  in  christlichen 
Inschriften  spätester  Zeit  nicht  selten. 

4)  Dafür  sind  vor  allen  Dingen,  wie  überhaupt  ftr  das  Schriflsystem  der 
guten  Kaiserzeit,  die  Veteranengesetze  massgebend.  Die  Gesammtzahl  der  Alen 
und  der  Cohorten.  ebenso  die  Zahl  der  Dienstjahre,  werden  darin  regelmässig  mit 
Buchstaben  ausgedrückt ;  für  die  ersteren  erscheinen  bis  auf  Hadrian  Ziffern  nur 
vereinzelt  (Nero  D.  11;  Traianus  D.  XIX),  for  die  letzteren  in  besserer  Zeit 
nirgends  (zuerst  Pius  D.  XXXIX),  Dagegen  sind  die  Ziffern  stehend  in  den 
Kalenderdaten,  den  Namen  der  Cohorten  und  Alen,  der  Kaisertitulatur,  den 
Citaten. 


766  Zahl-  und  Bruchzeichen. 

liehen  als  historischen  Charakter  an  sich  trägt,  Summen  römischen 
Geldes,  Gewicht-  und  Massangaben,  Jahr-  und  Tagesdaten,  Citate 
nach  Büchern  und  Capiteln,  Bestimmung  der  Lebensdauer,  Zahlen 
597  enthaltende  Amtstitel  auftreten,  gehört  die  Anwendung  der  Ziffern 
zur  correcten  Schreibung.  In  einzelnen  Fällen  lassen  sich  hier  Zeit- 
grenzen erkennen.  Die  Iterationszahl  wird  bei  den  Aemtern  in 
republikanischer  Zeit  immer  mit  Buchstaben  geschrieben  und  es 
beginnen  die  Ziffern  dafür  erst  um  die  Zeit  der  actischen  Schlacht 
in  Folge  der  bei  der  weitläuftigen  Titulatur  der  damaligen  Macht- 
haber wünschenswerthen  Verkürzung  ^  Meistentheils  ist  natürlich 
eine  scharfe  Abgrenzung  nicht  möglich,  auch  an  Licenzen  und  fehler- 
haften Ausnahmen  begreiflicher  Weise  kein  MangeP.  In  gewissen 
Fällen  ist,  um  der  Fälschung  vorzubeugen,  die  Schreibung  mit  Buch- 
staben vorgeschrieben  oder  doch  üblich  gewesen 3. 

1)  Als  Pompeius  den  Tempel  der  Victoria  weihen  wollte,  war  er  zweifel- 
haft, ob  er  sich  consul  tertio  oder  tertium  nennen  solle  und  schrieb  auf  Ciceros 
Rath  teH.  (Gellius  10,  1,  vgl.  C.  I.  L.  I  615.  616  [Dessau  877.  876]).  Die  Denkmäler 
der  Republik  verwenden  für  die  Iterationsadverbien  die  Ziffern  nicht.  Deutlich 
lässt  sich  der  Wechsel  auf  den  Münzen  verfolgen.  Die  des  Dictator  Caesar 
kennen  für  die  Iteration  nur  die  Vollschreibung;  dasselbe  gilt  für  die  Münzen 
des  Sex.  Pompeius,  für  die  Caesars  des  Sohnes  vor  der  actischen  Schlacht  und 
für  die  des  Antonius  bis  zum  J.  719  d.  St.  Die  Ziffern  stellen  zuerst  bei  diesem 
■sich  ein  auf  seinen  spätesten  mit  cos.  des.  III  (720—722)  oder  cos.  III  (723)  be- 
zeichneten Münzen.  Bei  Caesar  dem  Sohn  finden  wir  sie  zuerst  im  J.  726  auf 
den  mit  Caesar  divi  f.  cos.  VI  Aegypto  capta  bezeichneten  Denaren  und  von  da 
an  constant.  Auf  den  Inschriften  heisst  Augustus  im  J.  721  cos.  desig.  tert., 
Illvir  r.  p.  c.  iter.  (Triest,  C.  V  525  [Dessau  77]) ,  im  J.  725  cos.  quinct.,  cos.  desigii. 
seoct.,  imp.  sept.  (Rom,  C.  VI  873  [Dessau  81]) ,  im  J.  726  ....  cos.  sept.,  designat. 
oetavom  (Rimini,  C.  XI  365  [Dessau  84]);  im  J.  729  cos.  nonum,  designato  decimum, 
imp.  oetavom  (Nemausus,  C.  I.  L.  XII  8148.  3149  [Dessau  85]);  ebenso  Agrippa 
auf  der  Inschrift  des  Pantheon  vom  J.  727  cos.  tertium  (C.  VI  896  [Dessau  129]). 
Dagegen  Augustus  im  J.  723  imp.  VI  cos.  III  (Capua,  C.  X  3826  [Dessau  79]); 
im  J.J725  COS.  Vimp.  VI  (Rufrae  bei  Teanum,  C.  X  4830  [Dessau  80]);  im  J.  744/5 
imp.  XII  COS.  XI  trib.  potest.  XIV  (Rom,  C.  VI  701.  702  [Dessau  91]),  im  J.  745 
imp.  XIII  COS.  XI trib. potest.  XV  (Rom,  C.  VI  457  [Dessau  93]),  im  J.  747/8  trib. 
potest.  XVII  (Rom,  C.  VI  1236  [Dessau  5924]). 

2)  Wenn  es  in  dem  pompeianischen  Elogium  [Dessau  64]  von  Romulus 
heisst:  regnavit  annos  duodequadraginta ,  so  ist  die  Vollschreibung  dem  histori- 
schen Bericht  angemessen;  wenn  aber  Geldsummen  ausgeschrieben  werden  oder 
die  Lebensjahre,  so  zeigt  schon  die  Seltenheit  solcher  Fälle,  dass  dies  Verstösse 
später  und  meist  provinzialer  Schreiber  sind. 

3)  In  den  pompeianischen  Quittungen  aus  neronischer  Zeit  ist  die  gezahlte 
Summe  im  Hauptexemplar  in  Ziffern,  im  Nebenexemplar  regelmässig  in  Buch- 
staben ausgedrückt  (in  dieser  Zeitschrift  [Hermes]  12,  103  [Ges.  Sehr.  3,  236]). 
In  der  veleiatischen  Alimentartafel  Traians  ist  die  Hauptsumme  des  Capitals 
sestertium  deciens  quadraginta  quaituoi-  milia  mit  Buchstaben  angegeben,   alle 


Zahl-  und  Bruchzeichen.  757 


1.    Die  Zahlbezeichnung.  :)!(S 

Die  lateinischen  Ziffern  sind  ihren  Anfängen  nach  früher  ent- 
standen, als  das  Alphabet  in  Italien  Aufnahme  fand.  Dass  die 
Bezeichnungen  der  kleinen  Einheit  durch  den  Punkt  oder  den 
Horizontalstrich  1.  der  grossen  durch  den  Perpendicularstrich,  der 
fünf  durch  Y.  der  zehn  durch  X,  älter  sind  als  die  Einführung  des 
Alphabets,  zeigt  theils  das  verschiedene  in  ihnen  obwaltende  graphische 
Princip,  theils  die  Identität  dieser  Zeichen  oder  wenigstens  der  drei 
letzten  bei  den  Römern  und  den  stammverwandten  Nationen  einer- 
und den  Etruskern  andererseits,  nur  dass  diese  das  Zeichen  für  fünf 
umkehren.  Ob  diese  Zeichen  von  den  Italikern  zu  den  Etruskern 
gekommen  sind  oder  umgekehrt,  ist  nicht  zu  entscheiden.  Im  späteren 
Gebrauch  sind  sie  insofern  nicht  homogen,  als  das  Verhältniss  der 
grossen  und  der  kleinen  Einheit  das  duodecimale  ist,  während  die 
letzten  beiden  an  die  einfache  und  die  doppelte  Hand  sich  an- 
schliessenden Zeichen  mit  dem  Zählen  nach  den  Fingern  und  insofern 
dem  Decimalsystem  in  Zusammenhang  stehen.  Aber  nichts  steht 
der  Annahme  entgegen,  dass  da«  Zeichen  der  kleinen  Einheit  bei 
dem  Uebergang  vom  decimalen  zum  duodecimalen  System,  welcher 
nothwendig  einmal  stattgefunden  haben  muss,  seine  Form  behalten 
und  seinen  Werth  gewechselt  hat,  die  uncia  in  fernster  Zeit  ein 
Zehntel  war. 

Mit  oder  nach  Einführung  des  Alphabets  sind  zwei  andere  Zeichen 
hinzugetreten  für  50  und  1000  i  (später  iL  ±  l_)  0,  ohne  Zweifel 
die  beiden  Buchstaben  x  ^  des  Musteralphabets,  denen  sie  in  der 
Gestalt  genau  entsprechen,  für  die  lateinische  Sprache  unbrauchbar 
und  daher  zur  Ergänzung  der  Zifferreihe  verwendet.  Ein  Zeichen 
für  100  muss  gleichzeitig  eingeführt  worden  sein  und  das  später 
dafür  gebrauchte  trägt  seinen  relativ  jungen  Ursprung  an  der  Stirn:  Ö99 


Theilzahlen  mit  Ziffern.  Darauf,  dass  in  den  C.  VIII  p.  448  behandelten  Inschriften 
C.  VI  1261  und  XIV  3676,  die  das  Wasserrecht  der  Privaten  betreffen,  alle  Ziffern 
vermieden  sind,  habe  ich  schon  Zeitschr.  für  gesch.  Rechtswiss.  15  8.310  [Ges. 
Sehr.  8,  88]  aufmerksam  gemacht.  Dasselbe  gilt  von  der  Inschrift  von  Viterbo 
bei  Lanciani  aeque  p.  378  [C.  I.  L.  XI  3003  =  Dessau  5771]. 

1)  Diese  Verschiedenheit  ist  ohne  Zweifel  nur  graphisch;  der  Punkt  ist. 
wie  die  Münzen  zeigen,  die  urspüngliche  Form,  die  aber,  da  sie  dem  Wesen  der 
Quadratschrift  wenig  homogen  ist,  später  zur  Querlinie  sich  erweitert.  Diese 
Linie  erscheint  bald  gerade,  bald  gerundet  oder  geschwungen  (—  ^  f»).  Es  ist 
mindestens  sehr  irreführend,  wenn  Marquardt  (Staats verw.  2,47  [2*49])  sagt, 
dass  die  «ncja  'vier  Bezeichnungen  habe.' 


768  Zahl-  und  Bruchzeichen. 

aber  in  lateinischen  Urkunden  ist  uns  ein  älteres  Hundertzeichen 
nicht  erhaltend  Indess  dürften  die  etruskischen  Zeichen  für  50, 
100,  10002 

'^   (8)    ^ 

diese  Lücke  ergänzen.  Denn  da  die  sicher  festgestellten  etruskischen 
Ziffern  für  1,  5,  10,  50  mit  den  lateinischen  wesentlich  überein- 
stimmen, wird  dies  auch  für  die  connexen  mit  Wahrscheinlichkeit 
angenommen  werden  dürfen ;  und  hier  sind  die  Etrusker,  welche  die 
Aspiraten  nicht  wegwarfen,  auf  jeden  Fall  die  entlehnenden  gewesen. 
Aus  demselben  Grunde  haben  sie  die  betreffenden  Ziffern  von  denen 
der  Aspiraten  differenzirt.  Bei  ^  ^  geschah  das  durch  Stürzung, 
bei  (p  0  vielleicht  durch  Yereinfachung  der  Figur  in  0  und  Fort- 
führung und  Kreuzung  der  beiden  oberen  Linien.  Das  Zeichen  für 
100,  genau  dem  ^  des  Musteralphabets  entsprechend,  bedurfte  der 
Abänderung  desshalb  nicht,  weil  in  der  etruskischen  Schrift  früh, 
und  wahrscheinlich  mit  Rücksicht  auf  diese  Ziffer,  der  Buchstabe  ^ 
das  Kreuz  einbüsste  und  durch  |~|  oder  Q  bezeichnet  ward.  Sind 
nun  die  etruskischen  Zeichen  für  500  und  1000  den  Etruskern  aus 
Latium  zugekommen,  so  wird  auch  das  Zeichen  für  100  ebendaher 
stammen,  und  es  dürfte  also  die  ältere  durch  C  verdrängte  lateinische 
Ziffer  das  Theta  des  Musteralphabets  gewesen  sein.  In  der  That 
lag  dem  Lateiner  nichts  näher  als  wie  für  50  und  1000  9?  x^  so  für 
100  die  dritte  Aspirata  zu  verwenden. 

Die  übrigen  Ziffern  sind  auf  römischem  Boden  entstanden  theils 
durch  Halbirung  des  Tausendkreises,  wonach  die  Kreishälfte  den 
Werth  von  500  bekam,  theils  durch  Multiplicirung  desselben  Tausend- 
600  Zeichens,  indem  dem  um  den  Tausendkreis  gezogenen  zweiten  und 
dritten  Kreis  der  Werth  der  Yerzehnfachung  beigelegt  wurde.  So 
entstanden  ®  =  10000,  (^  =  100000  und  die  drei  Hälftenzeichen 


1)  [Vgl.  Buecheler  Rhein.  Museum  1891  S.  239].  Die  coranische  Inschrift 
(jetzt  C.  I.  L.  X  6514  [Dessau  3819]),  in  welcher  0.  Müller  (Etr.  2,  319  der  1.  Ausg.) 
und  nach  ihm  ich  (unterital.  Dial.  S.  33)  das  älteste  Zeichen  für  100  zu  finden 
meinten,  enthielt  nach  den  besten  Abschriften  nur  das  gewöhnliche  Zeichen 
®  =  1000. 

2)  Dass  0.  Müller  die  Zahlentafel  der  Pariser  Gemme  (A.  Fabretti  n.  2578 <er) 
richtig  gefasst  hat,  ist  trotz  Deeckes  Widerspruch  (2,  533  der  2.  Ausg.)  zweifel- 
los; denn  wenn  hier  auf  die  Zeichen  5  und  10  die  beiden  ®  ^  folgen,  so  kann 
unmöglich  mit  Deecke  angenommen  werden,  dass  die  Tafel  von  10  auf  1000 
und  10000  springt.  Hat  OIC  der  etruskischen  Kupfermünzen  den  Werth  von  100 
und  bezeichnet  nicht  etwa,  was  auch  möglich  wäre,  das  Ganzstück,  so  hat  das 
Zeichen  verschiedene  Formen  angenommen. 


Zahl-  und  Bruchzeichen.  769 

für  500,  5000,  50000.     Ueber  100000  ist  man  in  älterer  Zeit  nicht 
hinausgegangen  ^. 

Es  hat  also  eine  Epoche  gegeben,  wo  Buchstaben  und  Ziffern 
geschieden  waren,  das  heisst  auf  verschiedenem  Princip  beruhten; 
denn  freilich  fallen  graphisch  die  drei  einfachsten  und  ältesten  Ziffern 
I  Y  X  mit  dreien  des  Buchstabenalphabets  zusammen  und  ist  in 
ähnlicher  Weise  das  auf  Halbirung  des  Tausendzeichens  beruhende 
Zeichen  für  500  graphisch  identisch  mit  dem  Buchstaben  D.  Diffe- 
renzirung  ist  bei  den  ersten  drei  in  Latium  nicht  versucht  worden, 
wogegen  das  letzte  häufig  quer  durchstrichen  gefunden  und  dadurch 
von  dem  Buchstaben  unterschieden  wird.  Die  Etrusker  haben, 
wie  schon  bemerkt  ward,  der  Unterscheidung  wegen  die  Ziffer 
y  gestürzt. 

Merkwürdiger  Weise  macht  sich  späterhin  die  Tendenz  geltend 
sämmtliche  Ziffern  den  Buchstabenformen  zu  assimiliren,  wahrschein- 
lich weil  die  wenigen  und  einigermassen  fremdartigen  Zahlzeichen 
bei  der  wenig  beachteten,  aber  sehr  beachtenswerthen  künstlerischen 
Handhabung  des  lateinischen  Alphabets  unbequem  erschienen. 

Darauf  beruht  die  Verdrängung  des  Hundertzeichens  und  dessen 
Ersetzung  durch  den  Anfangsbuchstaben  C.  Sie  muss  verhältniss- 
mässig  spät  stattgefunden  haben,  da  C  bekannthch  noch  in  der 
Epoche,  in  der  die  Abkürzungen  der  Yomamen  sich  fixirten  und  der 
unsere  ältesten  lateinischen  Schriftmale  angehören  2,  auch  im  Lateini-  601 
sehen  den  ursprünglichen  Werth  des  Gamma  behauptete,  in  dem 
Zahlzeichen  dagegen  bereits  in  seinem  späteren  Werth  als  Tenuis 
auftritt. 

1)  Wenigstens  stellte  die  duilische  Säule  [Dessau  65]  das  Zeichen  für 
100000  etwa  dreissig  Male  hintereinander;  wer  sie  coneipirte,  wusste  also,  dass 
die  Schreibung    XXX    später  aufgekommen  sei. 

2)  Die  neuesten  Funde  haben  uns  zurückgeführt  in  diejenige  Epoche  der 
lateinischen  Schrifl,  in  welcher  G  noch  g  war,  K  c.  Denn  wer  auf  die  Fibula 
von  Praeneste  (Mitth.  des  röm.  Instituts  1887  S.  41  [C.  I.  L.  XIV  4123  =  Dessau 
8561])  FHEFHAKED  setzte,  schrieb  auch  KENTVM.  —  Vielleicht  gehört  der- 
selben Epoche  auch  an  die  bekannte  Inschrift  eines  Geräths  aus  Thon  vom 
Esquilin:  ECO  •  C  •  ANTONIOS  (Dressel  ann.  deW  Institttto  1880  S.  301  [C.  I.  L. 
XV  6122  =  I  ed.  2  n.  462]).  Aber  die  seitdem  zum  Vorschein  gekommenen 
lateinischen  Inschriften  mit  EQOKANAIOS  (Ardea;  C.  I.  L.  X  8336,  1  [=  I  ed.  2 
n.  474])  und'EQOFVLFIOS  (Latium;  Notizie  degli  scavi  1887  p.  150  [CLL. 
XV  6159  =  I  ed.  2  u.  479]),  so  wie  die  faliskischen  mit  eko  lartoe  und  eko  kaisidsio 
(Mitth.  des  röm.  Instituts  1887  S.  62)  scheinen  vielmehr  dafür  zu  sprechen,  dass 
der  zweite  Buchstabe  des  ersten  Worts  als  Tenuis  genommen  werden  muss.  Die 
gangbare  Identification  desselben  mit  ego  wird  freUich  nur  derjenige  leichten 
Herzens  statuiren,  für  den  Etymologie  und  Grammatik  Nebensache  sind.  [?1 

MOMMSEX,    SCHR.  VII.  ^ 


770  Zahl-  und  Bruchzeichen. 

Das  alte  Zeichen  v[»  ist  zunächst  in  ein  gestürztes  T  umgewandelt, 
späterhin  geradezu  dem  L  gleichgemacht  worden. 

Von  dem  Tausendzeichen  und  den  daraus  entwickelten  fiel  das 
Hälftenzeichen,  wie  gesagt,  ohnehin  mit  dem  Buchstaben  D  zusammen; 
aber  auch  bei  ihm  beseitigt  die  Ausgleichungstendenz  allmählich  die 
früher  beliebte  Durchstreichung.  Zur  Vereinfachung  der  beschwer- 
lichen Aneinanderreihung  der  Hunderttausendzeichen  kam  zunächst 
für  quingenta  milia  die  Form  Q_J5  auf^,  eine  Verknüpfung  des 
decimalen  Multiplicativzeichens  mit  dem  Anfangsbuchstaben.  Auch 
das  Tausendzeichen  selbst  und  seine  Multipla  wurden  im  Laufe  der 
Zeit  nicht  völlig  ausser  Gebrauch  gesetzt,  aber  doch  aus  dem  ge- 
wöhnlichen verdrängt.  Zwar  durch  den  Anfangsbuchstaben  von  niille 
ist  dies  nicht  geschehen.  M  im  Werthe  von  mille  oder  milia  findet 
sich  als  Wortabkürzung  vom  zweiten  Jahrhundert  ab  nicht  selten  2, 
ziffermässig  aber  ist  der  Buchstabe  von  den  Kömern  niemals  ver- 
wendet worden^.  Dagegen  kam  der  Gebrauch  auf  das  Tausend 
und  dessen  Multipla  mit  den  einfachen  Zahlen  zu  schreiben  und 
diese  durch  übergesetzten  Querstrich  von  den  einfach  geltenden  zu 
scheiden,  ferner  das  Hunderttausend  von  der  Million  an,  gemäss  dem 
Sprachgebrauch,  welcher  hier  die  Numeraladverbien  mit  Unterdrückung 
des  zugehörigen  centena  milia  verwendet,  ebenfalls  mit  den  ein- 
fachen, aber  nach  drei  Seiten  hin  eingerahmten  Ziffern  zu  bezeichnen, 
also  decies  (centena  milia)  mit  |  X  |  und  so  weiter  auszudrücken  *. 
602  Also  schrieb  man  5000  nicht  mehr  100  =,  sondern  V,  500000  nicht 
mehr  cd,  sondern  D,  die  Million  |  X  1.  Aber  es  ist  dies  System  in- 
sofern begrenzt,  als  die  Combinirung  des  TJeberstrichs  und  der  Ein- 
rahmung nicht  zulässig   ist;   um  100   Mill.   und  höhere  Summen  zu 

1)  In  dieser  Zeitschrift  3,  467.  10,  472  [unten  S.  788.  790].    C.  VI  3824  [add^ 
31603  =  Dessau  5799]. 

2)  XV  •  M  •  N  Inschrift  vom  J.  133  (Henzen  6086  [Dessa^u  7212]);  HS  •  L  M 
Inschrift  vom  J.  153  (Orelli  2417  [Dessau  7213]);   X  •  M  •  N  Inschrift  vom  J.  1( 
(Orelli  1368  [Dessau  5449]).     In  der  Verbindung  M  •  P  =  milia  passuum  ist 
Verwendung  von  M  für  milia  viel  älter. 

3)  In  der  Tafel  der  lex  municipalis  Caesars  (Ritschi  P.  M.  L.  Tab.  33)  1 
Z.  67  A  stehen;  aber  Z.  68.  69  ist   das  nach  späterer  Art  etwas  verzogene 
gesichert  und  offenbar  ist  auch  das  erste  Zeichen  ebenso  zu  fassen.     Es  wissei 
■wohl  nicht  Viele,   aber  es  ist  vollkommen  sicher,  dass  die  Schreibung  MM 
2000  nichts  ist  als  ein  Schnitzer. 

4)  Inschriftliche  Belege  z.  B.  C.  IX  6072.  6075  [Dessau  5875]  und  mehrfac 
in  der  veleiatischen  Alimentartafel.  Die  Multipla  von  100000  unter  der  Millic 
werden  nicht  durch  Einrahmung,  sondern  durch  üeberstrich  bezeichnet, 
die  Schrift  der  Sprache  folgt  und  200000  lateinisch  nicht  bis  heisst,  sonde 
ducenta  milia. 


Zahl-  und  Bruchzeichen.  771 

bezeichnen,  musste  man  auf  die  Bezeichnung  des  Tausend  durch 
Ueberstrich  verzichten  und  auf  das  alte  Q)  zurückgreifen^.  —  Den 
ältesten  Beleg  für  dieses  System  —  denn  das  ist  es  —  giebt  das 
rubrische  Gesetz  aus  Caesars  Zeit  2;  nach  dem  ausgedehnten  Gebrauch, 
der  davon  schon  in  der  frühen  Kaiserzeit  gemacht  wird,  mag  das 
Aufkommen  dieser  Schreibung  wenigstens  in  der  Buchschrift  noch 
viel  weiter  zurückreichen.  Auf  den  pompeianischen  Quittungstafeln 
aus  neronischer  Zeit  herrscht  die  ältere  Schreibung  vor;  doch  findet 
sich  daneben  auf  einer  Urkunde  aus  dem  J.  56  die  neuere*.  In 
den  Handschriften  des  älteren  Plinius,  den  Alimentarurkunden  Traians 
und  überhaupt  in  der  späteren  Zeit  herrscht  die  letztere  aus- 
schliesslich. 

Die  Differenzirung  der  Ziffern  von  den  Buchstaben  durch  einen 
über  die  Linie  gezogenen  Querstrich  ist  der  guten  republikanischen 
Schrift  fremd,  auch  in  Widerspruch  mit  dem  damals  streng  fest- 
gehaltenen Schreibungsgesetz,  dass  die  Schriftzeichen  das  Zeilen- 
quadrat, den  vorsus,  nicht  überschreiten  dürfen.  In  der  Monumental- 
schrift beginnt  er  in  augustischer  Zeit*,  vielleicht  gleichzeitig  mit 
der  Einführung  der  Zahlzeichen  iiür  Bezeichnung  der  Iteration  in 
der  Titulatur.  Von  da  an  erscheint  in  dieser  der  Ueberstrich  zum 
Beispiel  auf  den  Arvaltafeln  und  den  Militärdiplomen  wesentlich 
constant,  nicht  minder  bei  den  Nummern  der  Truppentheile  und  in 
den  Citaten.  Merkwürdiger  Weise  dringt  er  in  die  Kalenderdatirung 
erst  spät  ein^,  vermuthlich  weil  deren  Fixirung  einer  Zeit  angehört,  603 
welche  den  Ueberstrich  noch  nicht  kannte.  —  Die  Zweideutigkeit, 
welche  dadurch  entstand,  dass  der  Ueberstrich  schon  innerhalb  der 
Ziffern  zui-  Differenzirung  der  Tausende  und  der  Einer  in  Gebrauch 
war,  scheint  man  hingenommen  zu  haben,  ohne  Abhülfe  dagegen 
zu  versuchen.    Wenn  die  Verwendung  des  Ueberstrichs  zur  Hervor- 


i      a,2 

I       Ne 

I   "' 

11 


1)  99  Mill.,  nongenties  nonagies  mit  Ziffern  geschrieben  sind  DCCCCLXXXX', 
100  Mill.,  milies  [ööi.  Inschriftliche  Belege  für  die  letztere  Schreibung  kenne  ich 
nicht,  aber  sie  erhellt  aus  den  Spuren  bei  Plinius  n.  h.  33,  3,  56.  

2)  Diese  Nachweisung  (C.  I.  L.  I  n.  204  Col.  2  L  4.  19.  27:  HS  XV)  giebt 
Ritschi  P.  L.  M.  p.  114.  Der  Ueberstrich  kehrt  wieder  auf  dem  Meüenstein  des 
Claudius  C.  IX  5959  =  Benzen  5181  [Dessau  209]. 

3)  De  Petra  Nr.  14  [C.  I.  L.  IV  suppl.  p.  306  n.  XXIV,  vergl.  Ges.  Sehr. 
3,265]  HS  Vi  CCLII;  Nr.  15  [C.  I.  L.  IV  p.  308  n.  XXV]  XI  XXXIX  auf  dem 
Neben-,  ccloo  oo  XXXVIIII  auf  dem  Hauptexemplar;  Nr.  39  [CLL.  IV  p.  346 
n.XLIX]. 

4)  Er  steht  schon  auf  den  S.  597  A.  1  [S.  766  A.  1]  angeföhrten  Inschriften 
4es  Augustus,  den  pisanischen  Cenotaphien  und  sonst.    Vgl.  Ritschl  a.  a.  0. 

5)  In  den  Diplomen  zuerst  unter  Traian  (D.  XXIII.  XXVI). 

49* 


772  Zahl-  und  Bruchzeichen. 

hebung  der  Ziffer  schlechthin  zunächst  bei  der  Iteration  der  Aemter 
in  Gebrauch  kam,  wie  es  scheint,  so  war  hier  die  Yerwechselung- 
mit  dem  Tausendzeichen  von  selber  ausgeschlossen;  und  auch  sonst 
wird  die  Zweideutigkeit  in  den  meisten  Verbindungen  durch  den 
Zusammenhang  thatsächlich  aufgehoben.  Doch  fehlt  es  nicht  an 
Fällen,  wo  man  sich  fragt,  ob  III  drei  bezeichnet  oder  drei- 
tausend. 

Die  neben  einander  stehenden  Ziffern  sind  der  Regel  nach 
additioneil  aufzufassen,  wobei,  so  weit  höhere  Ziffern  verwendet 
werden  können,  die  niederen  ausgeschlossen  sind^,  und  stehen  in 
fester  Folge,  so  dass  die  höhere  voraufgeht.  Nur  in  später  Zeit 
und  in  untergeordneten  Kreisen  wird  dies  Gesetz,  am  häufigsten  in 
Anlehnung  an  die  Sprechweise  bei  den  Kalenderdaten,  verletzt  und 
für  ante  diem  quintum  decimum  VX  geschrieben.  —  Indess,  wie  in 
der  Sprache  subtractive  Bezeichnungen  neben  additionellen  vorkommen 
{duodeviginti ,  undeviginti  und  so  weiter  bis  undecentum),  so  und  in 
noch  bedeutend  weiterem  Umfang  begegnet  auch  in  der  Ziffernsetzung 
die  Yoraufstellung  der  niederen  Ziffer  in  subtractiver  Bedeutung. 
Es  steht  aber  diese  Schreibung  unter  folgenden  Gesetzen: 

1.  Nicht  blos  eine  Ziffer,  sondern  auch  mehrere  coordinirte 
können  subtractiv  verwendet  werden;  IIX  ist  ebenso  correct  oder 
ebenso  incorrect  wie  IX. 

2.  Subtractiv  werden   regelmässig   nur   die    Zeichen   I   X^  C '^ 
rendet, 

V«  L*)  D. 


1)  Ausnahmen  wie  Hill;  XXXXXXXX;  LL;  LXXXXX  in  africanischen 
Inschriften  (C.  VIII  p.  1108),  sind  Licenzen  oder  Fehler. 

2)  Zum  Beispiel  CCCX'L  in  der  Betilienusinschrift  von  Alatri  C.  I  1166- 
[Dessau  5348],  CXvUVIIIS  in  der  pränestinischen  11143  [Dessau  5916],  CCXXCVI 
in  der  Inschrift  vom  J.  567  C.  I  536  [Dessau  5804],  XXCIIII  in  der  Strassen- 
inschrift  vom  J.  622  C.  I  551  [Dessau  23],  CCCXXC  C.  I  1179  [=  X  5680]. 

3)  CD±  im  Repetundengesetz  vom  J.  631/2  (C.  I.  L.  I  198)  mehrfach  und 
constant;  C  oo  I,  C  oo  LX  auf  den  augustischen  Inschriften  C.  VI  1243  e,  f.  1250  c 
[suppl.  S15b8gh.  31562  c];  .  .  CG  oo  XXI  C.  I  1257  [=  X  290]. 

4)  In  der  Inschrift  der  Trebonia  Salvia  Grut.  997,  15  [C.  VI  27619]  ist  die 
Lesung  oo  ly  wohl  beglaubigt,  ebenso  in  der  nolanischen  C.  X  1273  [Dessau  6344]. 

5)  In  der  Inschrift  Eph.  IV  p.  289  n.  833  =  Grut.  897,  2  [C.  VI  31619] 
scheint  gestanden  zu  haben  ccciooo  Q  "^  =  400000;  in  der  von  Dessau  ge- 
sehenen praenestinischen  C.  XIV  3015  steht  ccloo  Iood  =  40000. 

6)  VL  der  africanischen  Inschrift  VIII  3998  ist  barbarisch. 

*)  [Doch  s.  Mommsen  Hermes  23,  1888,  S.  159  A.  1;  C.  I.  L.  IV  suppl.  p.  408.] 


i 


Zahl-  und  Bruchzeichen.  773 

3.  Das  Zeichen  I  wird  subtractiv  der  Regel  nach  nur  verwendet 
vor  Y  und  X,  nur  ausnahmsweise  vor  L^  und  den  höheren  Stellen  2. 

4.  Die  subtractive  Schreibung  hat  den  Zweck  der  Raumersparung; 
«ie  ist  also  unzulässig,  wo  damit  nicht  Stellen  gewonnen  werdend 
und  tritt  namentlich  in  besserer  Zeit  nur  in  zweiter  Reihe  auf,  vor- 
wiegend da,  wo  dadurch  eine  wesentliche  Vereinfachung  erreicht 
wird,  also  insbesondere  bei  den  Zahlen  80  und  90*,  und  mehr  in 
der  vernachlässigten  Privat-  als  in  der  eigentlichen  Monumentalschrift  ^ 

5.  Der  Stellung  nach  treten  die  subtractiv  geltenden  Ziffern  in  615 
die  additionell  geordnete  Reihe  vor  die  zu  vermindernde  Ziffer  und, 
wenn   diese  Ziffer  darin  mehrfach  auftritt,  vor  die  jedesmal   letzte; 
man  schreibt  also  XIIX,  nicht  IIXX  —  CCCXXC,  nicht  XXCCCC 

S.  603  A.  1  [S.  772  A.  1]. 

2.    Die  Bruchbezeichnung.*) 
Die  römische  Briichbezeichnung  ist  insofern  so  alt  wie  die  Be- 
zeichnung des  Ganzen,  als  das  Zeichen  für  die  kleine  Einheit,  der 

1)  IIL  im  Kepetundengesetz  Z.  34.  Auf  den  Münzen  findet  sich  meines 
Wissens  nichts  Aehnliehes. 

2)  Einen  Beleg,  der  Autorität  machte,  finde  ich  für  HC,  IC  und  dgl. 
nicht;  IIIC  der  africanischen  Inschriften  VIII  1616.  5113  ist  barbarisch. 

3)  Dadurch  ist  IIIX  statt  VII,  XXXC  statt  LXX  ausgeschlossen. 

4)  Deutlicher  als  aus  den  Inschriften  geht  der  Verwendungskreis  der  sub- 
tractiven  Ziffern  namentlich  im  letzten  Jahrhundert  der  Republik  aus  den 
Denaren  hervor,  deren  Ziffern  zum  Beispiel  in  dem  Fabrettischen  Katalog  der 
Turiner  Münzsammlung  verzeichnet  sind.  Hier  findet  sich  von  dem  Denar  des 
L.  Piso  Frugi  auf  elf  Exemplaren  IUI,  auf  einem  IV  (n.  1412a  XCIV):  VIII 
und  Villi  ohne  Ausnahme;  ebenso  XXXX;  dagegen  zwar   gewöhnlich  ±XXX, 

er  zweimal  XXC;  femer  ^XXXX  auf  sieben,  XC  ebenfalls  auf  sieben  Exem- 
laren.  Hier  wurden  allerdings  fünf  Zeichen  durch  zwei  ers^etzt.  Aus  demselben 
Grunde  überwiegen  auf  den  Legionsmünzen  des  Antonius  IV  und  IX  über  IUI 
und  Villi,  während  IIX,  wo  nur  eine  Stelle  erspart  wird,  nicht  begegnet. 
Diese  Gruppen  haben  die  Subtractivziffern  noch  am  häufigsten;  anderswo  er- 
scheinen sie  vereinzelt  und  fehlen  auf  zahlreichen  Sorten  vollständig.  Keine 
einzige  Münzgruppe  zeigt  dieselben  in  regelmässigem  oder  auch  nur  vorwiegen- 
dem Gebrauch. 

5)  Belege  C.  I.  L.  III  p.  1187;  Hübner  exetnpla  p.  LXX.  Dafür  ist  weiter 
bezeichnend,  dass  in  den  Inschriften  republikanischer  Zeit  (nach  dem  Index  von 
C.  I.  L.  I  p.  613)  die  Zeichen  IV,  IIX,  XIV  sich  so  gut  wie  ausschliesslich  auf 
den  Griffelinschriften  der  Aschentöpfe  von  Vigna  S.  Cesario  gefunden  haben: 
nicht  minder,  dass  die  ausserhalb  Italiens  roh  und  schlecht  geprägten  Legions- 
münzen des  Antonius  allein  unter  allen  den  subtractiven  Ziffern  IV  und  IX  den 
Vorrang  geben  (A.  4). 

*)  [Hierzu  sind  Mommsens  Bemerkungen  „über  die  römische  Bruchbezeich- 
nung"  (zum  Hildesheimer  Silberfund)  zu  vergleichen:  Hermes  Bd.  3,  S.  469— 475 
(s.  in  den  „Epigraphischen  Schriften").] 


774  Zahl-  und  Bruchzeichen. 

Punkt  oder  der  Horizontalstrich  (S.  598  A.  1  [S.767  A.  1]),  augenschein- 
lich demjenigen  der  grossen  Einheit,  dem  Perpendikularstrich  correlat 
und  gleichzeitig  entstanden  ist.  Alle  übrigen  Bruchziffern  aber  haben 
die  Schrift  zu  ihrer  Voraussetzung,  indem  sie  sämmtlich  aus  den 
Anfangsbuchstaben  der  betreffenden  Wörter  entwickelt  sind.  Es  ist 
dies  evident  für  semis  S;  semuncia  und  sembella  H,  später  gewöhn- 
lich S_;  3  sextula;  T  terruncius.  Das  Zeichen  des  sicilicus  0  und 
das  des  scripulum  B,  die  beide  erst  spät  auftreten  und  von  denen 
das  erstere  schon  durch  die  Benennung  seinen  Ursprung  anzeigende 
ursprünglich  auf  die  von  griechischem  Einfluss  beherrschte  Silber- 
rechnung  beschränkt  ist,  sind  wahrscheinlich  nach  dem  gleichen 
Princip  aus  dem  griechischen  Sigma  in  seiner  jüngeren  Form  ent- 
wickelt^. 

Yon  den  Bruchzeichen  kann  nur  ein  einziges  in  ähnlicher  Weise 
wie  die  Ziffern  allgemein  verwendet  werden :  es  ist  dies  S,  welches, 
wie  das  entsprechende  meist  indeclinable  semis  in  der  Sprache,  so 
in  der  Schrift  jedem  Ganzen  angefügt  werden  kann.  Hiervon  ab- 
gesehen werden  die  Bruchzeichen  allgemein  verwendet,  wo  der 
Begriff  des  as  und  seiner  zwölf  Theile  zur  Geltung  kommt,  zum 
Beiispiel  bei  der  Theilung  des  Grabrechts  nach  Zwölfteln  2,  bei  der 
606  als  Zins  zu  zahlenden  Capitalsquote^,  bei  der  Erbschaft,  dem  Gesell- 
schaftsvermögen, der  Stundentheilung  und  überhaupt  sonst  in  mancher- 
lei Beziehungen;  wo  immer  dies  der  Fall  ist,  können  auch  die  Bruch- 
ziffern gesetzt  werden.  Yor  allem  aber  erscheinen  sie  bei  dem  Geld, 
dem  Gewicht,  dem  Längen-  und  dem  Flächenmass,  wobei  im  All- 
gemeinen ebenfalls  duodecimale,  im  Silbergeld  aber  auch  decimale 
Brüche  zur  Verwendung  kommen. 

Geld  und  Gewicht  fallen  bekanntlich  ursprünglich  zusammen. 
Für  beide  sind  bei  der  ältesten  Bruchziffersetzung  nach  dem  Duo- 
decimalsystem  aus  den  beiden  einfachen  Zeichen  für  ^2  S  und  '/12  — 


1)  Diese  Erklärung  erscheint  mir  jetzt  probabler  als  die  der  Ableitung- 
des  sicilicus  aus  dem  griechischen  Hälftenzeichen  (R.  M.-W.  S.  202).  Das  grie- 
chische C  im  Werth  von  s  erscheint  schon  auf  den  vor  Pyrrhos  geschlagenen 
tarentinischen  Münzen  (R.  M.-W.  S.  137)  und  in  Griechenland  seit  der  Zeit 
Alexanders  (v.  Wilamowitz  homer.  Untersuch.  S.  307;  Köhler  zu  C.  I.  A.  II  1152). 

2)  In  der  Inschrift  des  T.  Flavius  Heuretus  (C.  VI  18100  [Dessau  8295]) 
werden  drei  Grabbesitzer  aufgeführt ,  jeder  mit  dem  Beisatz  P  •  P  •  ^  ^  =  pi'o 
parte  triente. 

3)  Alimentartafel  von  Veleia  (Bruns  fontes  ed.  7  p.  347  [Dessau  6675])  z.  A.: 
quae  fit  usura  ^  (^  ~  sortis  supra  scribtae,  das  heisst  quincunx  (vgl.  usurae 
quincunces  Henzen  7172  [Dessau  6148]),  das  ist  V12  vom  Hundert  für  den  Monat 
oder  5  V.  H.  im  Jahre. 


Zahl-  und  Bruchzeichen.  775 

die  übrigeo,  ähnlich  wie  die  der  Ganzen,  combinirt  worden,  so  dass 
das  letzte  Zeichen  bis  zu  fünf  Malen  wiederholt  werden  kann.  Dazu 
fügte  man  als  drittes  Zeichen  das  der  Hälfte  der  kleinen  Einheit, 
der  semuncia,  welches,  da  es  dem  vierstrichigen  s  entlehnt  ist,  sehr 
alt  sein  muss,  und  in  der  That  schon  auf  der  ältesten  Prägung  be- 
gegnet. Hierin  scheint  die  Bruchziffersetzung  in  ältester  Zeit  ihre 
Grenze  gefunden  zu  haben;  wenigstens  gehen  die  Münzzeichen  nicht 
weiter  abwärts^.  Indess  muss  namentlich  bei  der  Behandlung  der 
Edelmetalle  sich  schon  früh  die  Nothwendigkeit  aufgedrängt  haben 
die  Theilung  weiter  zu  führen.  Es  ist  dies  in  der  Weise  geschehen, 
dass  die  Theilung  der  grossen  Einheit  in  vierundzwanzig  Theile  bei 
der  kleinen  Einheit,  der  uncia,  wiederholt  ward:  so  entstand  das 
scripidum,  ^,24  der  Unze,  '/288  des  As.  Dieser  Feststellung  folgte 
auch  die  Ziffersetzung  wenigstens  in  so  weit,  dass  für  *  4,  V«-<  V»»» 
S*  der  Unze  oder  ^/«g,  ^/la,  */***»  ^Z*«»  des  Pfimdes  eigene  Namen 
und  Zeichen:  0  sicilieus  —  8  sexttda  —  -g-  dimidia  sexttda  —  O 
scripulum  festgestellt  wurden,  von  denen  die  beiden  letzten  aber  erst 
nach  Yarros  Zeit  in  Gebrauch  gekommen  zu  sein  scheinen  2.  Durch 
Combination  dieser  Zeichen  konnte  das  Gewicht  bis  auf  ^/»ss  der 
grossen  Einheit  hinab  ausgedrückt  werden,  und  zwar  geschah  dies 
durch  additionelle  Zusammenreihung  der  verschiedenen  Brüche  bis 
hinab  zum  Scrupel.  Mehrfache  Setzung  desselben  Zeichens  war 
hierbei  nur  einmal,  bei  der  Bezeichnung  von  '/as  durch  Verdoppelimg 
der  sexttda  {binae  sexitdae)  erforderlich.  Indess  die  hierbei  sich 
herausstellenden  Additionsreihen  von  V2,  V12,  V«*»  ^^*^-)  *i"*?  Vi*«>  V*«« 
des  Pfundes  waren  nichts  weniger  als  übersichtlich,  und  es  sind 
daher  1/48,  V^a?  V»**  ausser  Gebrauch  gestellt^  und  diese  Brüche  607 
vielmehr  auf  Scrupel  reducirt  worden,  so  dass  die  Bruchreihe  von 
der  semuncia  zum  scripulum  fortschreitet.  Da  es  aber  nicht  wohl 
anging  das  Scrupelzeichen  bis  zu  elf  Malen  zu  wiederholen,  so  wurde 
dasselbe  als  Exponent  verwendet  und  ihm  die  Zahl  der  Scrupel 
nachgesetzt,   als  wären   sie  Ganze*.     Es  erleichterte   dies  das  Ver- 

1)  R.  M.-W.  S.  189. 

2)  Varro  de  1.  L.  5, 171.    R.  M.-W.  a.  a.  0. 

3)  Ich  kann  keinen  Beleg  nachweisen,  welcher  die  Reihe  in  der  hier  be- 
zeichneten VoUständigkeit  giebt;  praktisch  scheint  die  Scrnpelzählong  allein 
zu  herrschen. 

4)  So  drückt  zum  Beispiel  Frontinus  die  Brüche  aus.  Dasselbe  thon  regel- 
mässig die  Inschriften,  zum  Beispiel  C.  X  8071,  7.  8.  15.  18.  19  und  die  von 
Praeneste  C.  VI  194  =  XIV  2861:  ex  argienti)  p{ondo)  XIS-  -§_  >V  =  11  P£ 
9  V,  Unzen  5  Scrupel.  Ein  anderes  Beispiel  S.  612  A.  2  [S.  781  A.  1].  Es  kommt  anch 
vor,  dass  statt  des  Scrupelzeichens  das  Wort  gesetzt  wird  (so  in  der  Inschrift  von 


■ 


776  Zahl-  und  Bruchzeichen. 

ständniss.  brach  aber  die  alte  Regel  die  Zahlzeichen  lediglich  für 
die  Ganzen  zu  verwenden  und  die  Brüche  durch  ihnen  eigenthüm- 
liche  Zeichen  auszudrücken  ^, 

Im  Gewicht  hat  sich  dies  System  zu  allen  Zeiten  ohne  wesent- 
liche Modification  behauptet.  Auch  im  Geldwesen  werden,  so  weit 
das  Kupferpfund  als  aes  grave  auftrat,  die  Bruchziffern  dafür  in 
Gebrauch  geblieben  sein.  Auf  den  reducirten  As  ist  das  System 
der  Zwölftelung  in  gleicher  Weise  angewendet  worden  wie  auf  den 
ursprünglichen  pfundigen,  und  es  konnten  die  Bruchziffern  auch  auf 
diese  Einheit  bezogen  werden;  indess  kam  derselbe  rechnungsmässig 
hauptsächlich  als  Quotentheil  des  Silbercourants  in  Ansatz  und  insofern 
nicht  für  sich  zu  eigenem  Ausdruck  2. 

Jede  Silbereinheit  konnte  an  sich  als  as  gefasst  und  gezwölf- 
telt  werden.  Bei  dem  Denar  ist  dies  auch  geschehen  ^,  und  zwar 
nachweislich  im  Anschluss  an  die  spätere  Prägung.  Indem  der 
Denar  als  zwölftheiliger  As  gefasst  ward,  wurden  seine  silbernen 
608  Theilstücke  der  Quinar  zum  Semis,  der  Sesterz  zum  Quadrans.  Von 
den  beiden  reducirten  Assen  von  Vio  und  ^/le  Denar  ist,  so  viel  wir 
wissen,  nur  der  letztere,  der  Münzas  der  späteren  Prägung  auf  den 
zwölftheiligen  Denar  bezogen  worden.  Er  konnte  ausgedrückt  wer- 
den durch  die  semuncia  und  den  sicilicus,  ^jn  -f  ^48  des  Denars,  und 
dem  entsprechend  natürlich  auch  das  Dupondium  =  ^js  Denar  durch 
die  uncia  und  die  semuncia  ^ji2  -f-  ^ju,  so  wie  jedes  höhere  Multi- 
plum.  Wir  kennen  diese  Bruchziffern  allein  aus  der  Schrift  des 
Maecianus*,  und  zwar  verzeichnet  dieser  sie  in  der  Weise,  dass  er 
diesen  Bruchziffern  wie  den  etwa  damit  verbundenen  Ganzen  als 
Exponenten  das  Denarzeichen  vorzusetzen  vorschreibt  und  dass  er 
bei  dem  As  aufhört.    In  der  That  liess  sich  auf  diesem  Wege  zwar 

Ostia  C.  I.  L.  XIV  3:  arg.  p.  XV  scrp.IX),  oder  dass  das  Scrupelzeichen  fehlt 
und  die  Zahl  nur  durch  ihre  Stellung  am  Schluss  sich  als  die  der  Scrupel  an- 
zeigt (C.  X  8071,  9.  12.  17;  in  dieser  Ztschr.  3  S.  473  [s.  S.  773  A.  *]). 

1)  Die  Stellung  des  Scrupelzeichens  nach  der  Zahl  nimmt  Hübner  eocempla 
n.  445  =  C.  II  3386  mit  Unrecht  an;  vielmehr  ist  zu  lesen  entweder,  wie  er 
selbst  früher  las,  OV,  oder,  falls  das  Schlusszeichen  nicht  blos  verschnörkelt  ist, 
OVS.  Aber  es  wäre  dies  das  einzige  Beispiel  des  halben  Scrupels.  Marquardt 
Handb.  5,  50  fasst  die  beiden  Zeichen  als  die  des  sicilicus  und  der  sextula;  aber 
beide  sind  anders  geformt. 

2)  Man  kann  natürlich  mit  dem  As  die  Bruchzeichen  ebenso  verbinden, 
wenn  er  Vio  oder  '/le  wie  wenn  er  V*  des  Denars  ist;  aber  die  Römer  rechneten 
praktisch  in  jenen  Fällen  nach  Denaren  oder  Sesterzen,  eben  so  wie  wir  nicht 
voh  25  Groschen,  sondern  von  2Vj  Mark  reden. 

3)  R.  M.-W.  S.  199. 

4)  Distr.  part.  4:8-63. 


Zahl-  und  Bruchzeichen.  777 

der  Semis  =  1/32  Denar  durch  den  sicüicus  und  die  sextula  = 
Vis  +  ^96  <^6s  Denars  wiedergeben;  weiter  hinab  aber  war  nicht  zu 
gelangen,  wenn  nicht  unter  den  Scrupel  hinabgegangen  werden  sollte, 
was  in  der  gemeinen  Rechnung  nie  geschehen  ist,  obwohl  späterhin 
die  siliqua  =  ^\%  des  Scrupels  vorkommt^.  Diese  Rechnung  kann 
nicht  älter  sein  als  die  Einführung  der  Sechzehntheilung  des  Denars 
neben  der  älteren  Zehntheilung  und  ist  vielleicht  noch  jünger.  Eine 
praktische  Anwendung  derselben  hat  sich  bis  jetzt  nicht  gefunden^. 
Die  ursprüngliche  römische  Silberrechnung  geht  andere  Wege. 
Bei  der  Einführung  des  griechischen  Silberstücks,  des  nummtis  in 
Rom  wurde  dessen  Theilung  in  zehn  libellae  zu  12  Unzen  oder 
4  Trienten  im  griechischen  Sinn  {xQiäg  =  3  Unzen)  mit  dem  nummtis 
selbst  übernommen ,  also  für  die  neue  Silberrechnung  ein  neues 
Bruchziffersystem  gebildet.  Darin  erhielten,  abgesehen  von  dem 
allgemein  gültigen  Hälftenzeichen,  zwei  der  alten  Bruchziffern  ver- 
änderten Werth;  eine  vierte  wurde  neu  gebildet.  Somit  kamen 
hier  die  Zeichen  auf  —  libella  =  ^lo,  H  semheUa  (singula)  =  ^j-io,  0  609 
oder  T  sicüicus  oder  terruncius  =  ^jio^.  Auch  für  die  älteste  der 
Silberprägung  gleichzeitige  Kupferprägung,  insofern  dabei  abgesehen 
wird  von  dem  Triens,  dem  Sextans  und  der  Unze*,  gestattete  dieses 
System  einen  entsprechenden  und  bequemen  Ausdruck,  sowohl  wenn 
der  Sesterz  von  2^2  Assen  als  Einheit  gesetzt  wird: 

dupondius   (*/5    Sesterz)  S  _- 

OS  (2/5    Sesterz)      -- 

semis  (Vs    Sesterz)       -- 

quadrans     (\'io  Sesterz) 
wie  auch  wenn  der  Denar  von  10  Assen  zu  Grunde  gelegt  wird: 

Quinar         (^2    Denar)    S 

Sesterz        (V*   Denar)    ZZ 


1)  Die  merkwürdige  Inschrift  eines  goldenen  Armbandes  P  (?)  I  -i-  HI  ?t 
XXII  SIL  IUI  0  ö  (?)  II  (in  dieser  Zeitschrift  4,  377  [s.  in  den  Epigr.  Schriften]) 
giebt  das  Gewicht  an  nach  Pfunden,  Unzen,  Scrupeln,  siliaqtuu  und  vielleicht 
Obolen. 

2)  Bevor  die  Inschrift  von  Hippo  zum  Vorschein  kam,  meinte  ich  einen 
solchen  in  der  S.  610  A.  4  [S.  779  A.  2]  angeführten  Inschrift  gefunden  zu  haben  {Eph. 
epigi:  IV  p.  333).  Aber  das  zwischen  die  Denare  und  die  Bruchziffem  eingesetzte  AER 
wird  bei  Maecianus  nicht  erwähnt  und  ist  mit  seiner  Darstellung  unvereinbar. 
Jetzt  kann  es  nicht  zweifelhaft  sein,  dass  die  römische  Inschrift  mit  dem  zwölf- 
theiligen Denar  nichts  zu  schaffen  hat. 

3)  Es  ist  dies  näher  ausgeführt  R.  M.-W.  S.  198  f.,  wo  aber  in  der  Tabelle 
S.  200  A.  87  verschiedene  Schreibfehler  zu  berichtigen  sind. 

4)  R.  M.-W.  S.  418. 


Sesterzrechnung: 

Denarrechnung 

as              (Vi  Sesterz)       12" 

As              (1/16  Denar) 

semis         (Vs  Sesterz)       -  T 

Semis         (1/32  Denar) 

quadrans  (Vie  Sesterz)  nicht  aus- 
zudrücken 

Quadrans  {^jei  Denar)  J 

778  Zahl-  und  Bruchzeichen. 

Dupondius  ('/s    Denar)    - 

As  (^/lo  Denar)    - 

Semis  (^/zo  Denar)    Z 

Quadrans  (^/4o  Denar)  T 
Wahrscheinlich  ist  nach  dem  einen  oder  dem  andern  dieser  Systeme 
das  Geldwesen  der  republikanischen  Zeit  im  Wesentlichen  geführt 
worden,  während  andererseits  das  Zurücktreten  der  demselben  in- 
commensurablen  Theilstücke,  des  Triens,  des  Quadrans  [so!  lies: 
Sextans]  und  der  Uncia  wohl  eben  dadurch  herbeigeführt  ist. 

Bei  dem  Sesterz  von  4,  dem  Denar  von  16  Assen  stellt  sich  die 
Rechnung  für  den  ersteren  weniger  günstig,  für  den  letzteren  ganz 
incongruent: 


nicht  aus- 
zudrücken 


woraus  wohl  geschlossen  werden  darf,  dass  nicht  blos  im  Militär- 
wesen, sondern  überhaupt  im  Grossverkehr  der  Rechnungsas  von 
^/lo  Denar  auch  dann  sich  behauptet  hat,  als  er  in  der  Münze  durch 
den  von  ^/le  Denar  verdrängt  ward.  —  Man  sollte  erwarten,  dass^ 
nachdem  letzteres  geschehen  war  und  die  Kleinmünze  den  Bruch- 
ziffern des  Silbers  nicht  mehr  entsprach,  wenigstens  im  gewöhnlichen 
610  Leben  die  Gross-  und  die  Kleinmünze  selbständig  neben  einander 
gestellt  worden  sind  und  man  erst  die  Denare  oder  Sesterze,  dann 
die  Asse  gezählt  hat  wie  wir  heute  Mark  und  Groschen.  Aber  es 
scheint  dies  nicht  geschehen  zu  sein^  In  der  jucundischen  Tafel  119 
wird  die  gleiche  Summe  ausgedrückt  in  Buchstaben  mit  sesteriios 
.  .  .  quinquaginta  nummos  nummi  (so,  oder  numm.  I  *))  libellas  quin- 
que,  in  Ziffern  mit  HS  .  .  .  LIS;  hier  ist  also  der  halbe  Sesterz,  in 
Münze  2  Asse,  nicht  also  bezeichnet,  sondern  als  S  oder  quinque 
lihellae'^.     In   einer  kürzlich    in  Africa  gefundenen  bereits  in   dieser 

1)  Sind   in  der  jucundischen  Tafel  34  die  Ziffern  HS  N  .  .  .  DLXII  richtig 

aufgelöst  durch  sester sexages  dupundius,  so  ist  allerdings  dies  widerlegt. 

Aber  es  ist  mir  wahrscheinlicher,  dass  vielmehr  sexaginta  duo  gemeint  sind  und 
die  Auflösung  irrig  ist  (in  dieser  Ztschr.  12,  131  [Ges.  Sehr.  3,  263 ;  s.  auch  C.  I.  L. 
IV  suppl.  p.  335  not.  11]).  Die  Griffelinschrift  von  Pompeii  C.  I.  L.  IV  2041: 
X  XIIII A /// V  DIIBIIS  X-XLVII  XVI-  ist  ganz  unsicherer  Lösung,  zumal 
wenn  man  sich  erinnert,  dass  der  Denar  16  Asse  hat. 

*)  [Die  Tafel  hat  nummo;    s.  Ges.  Sehr.  3,  263;    C.  I.  L.  IV   suppl.   p.  390 
n.  CXCLIIL] 

2)  In  dieser  Zeitschrift  12,  130  [Ges.  Sehr.  3,  263]. 


Zahl-  und  Bruchzeichen.  779 

Zeitschrift  von  mir  behandelten  Inschrift  aus  der  Zeit  Hadrians^  so 
wie  in  einer  zweiten  stadtrömischen  ^  wird  die  Sesterzrechnung  mit 
der  Münze  nur  in  so  weit  combinirt,  dass  blos  was  in  Bruchtheilen 
des  Sesterz  nicht  auszudrücken  war,  mit  dem  Vormerk  et  aeris  an- 
geschlossen ward. 

Wenn  der  Fuss,  sei  es  als  Längen-  oder  als  Flächenmass,  zwölf- 
theilig auftritt,  werden  auf  ihn  die  Bruchziffem  in  gleicher  Weise 
angewendet  wie  auf  das  Pfund  3.  Wo  die  Sechzehntheilung  mass- 
gebend ist,  wie  bei  dem  Fuss  im  römischen  Bauwesen  und  bei  den 
Hohlmassen,  sind  die  Bruchzeichen,  von  dem  der  Hälfte  abgesehen,  611 
praktisch  unverwendbar.  Dasselbe  gilt  von  den  decimal  gestalteten 
Einheiten  des  Wegemasses,  dem  Schritt  =  5  Fuss  und  der  Meile 
=  5000  Fuss.  Da  man,  immer  von  der  Hälfte  abgesehen,  hier 
keine  Bruchzeichen  verwenden  kann,  legen  die  Römer  bei  Ent- 
fernungsangaben durchgängig  nicht  die  Meile  zu  Grunde,  sondern 
den  Fuss,  drücken  also  zum  Beispiel  fünf  Viertel  der  römischen  Meile 
in  Wort  und  Schrift  aus  mit  passuum  quinqtie  milia  ducenti  quinqiia- 
ginta  =  VCCL*. 

1)  S.  485  [s.^ben  S.  763].  Es  heisst  in  dieser  Inschrift:  [fecit  8t\atxtain 
argenteam  ex  HS  LICCCXXXV  tribus  libel(lis)  sing{ula)  terr{uncio)  et  aeris  qua- 
d{rante),  cum  rei  p(uhlicae)  HS  L  prom{isisset).  Gezahlt  sind  51335  Sest.  1  A» 
1  Semis  1  Quadrans;  As  und  Semis  werden  rafjone  sesiertiaria  ausgedrückt  durch 
'10  +  V20  +  *'4o  und  der  nicht  auszudrückende  quadrans  angehängt. 

2)  In  einem  grossen  von  J.  Schmidt  vortrefflich  zusammengesetzten  Prae- 
torianerverzeichniss  aus  dem  3.  Jahrhundert  {Eph.  ep.  IV  p.  329  [C.  I.  L.  VI 
suppl.  32536])  findet  sich  auf  den  Resten  der  Stirnseite  (in  vrelcher  Verbindung, 
ist  nicht  zu  erkennen)  die  Zahlangabe  X  /  //  \  AER  -  T  .  aufzulösen  durch 
denarii  X[X]X,  aer{is)  quadrans,  falls  das  letzte  Zeichen,  wie  wahrscheinlich, 
ebenso  wie  in  den  Handschriften  des  Maecianus  die  Combiuation  des  Unzen- 
zeichens mit  dem  Schlusspunkt  darstellt.    Vgl.  S.  608  A.  3  [S.  777  A.  2]. 

3)  Klassisch  sind  dafür  die  Arvaltafel  vom  J.  80  (C.  VI  ^059  [Dessau  5049] 
V.  29-34),  welche  schliesst  mit  summa  ped{um)  CXXVIIII  S  _  _  -  S.  =  129"/,» 
[über  die  Ziffern  dieser  Tafel  s.  jetzt  Hülsen  Bullett.  della  commissione  archeoL 
di  Roma  1894  S.  314 ff.];  femer  die  Bauinschrift  von  Puteoli  vom  J.  649  (C.  I 
n.  577).  Grabinschrift  aus  Ostia  CLL.  XIV  665:  in  agr.  j>._XXVS Z -  S_ 
=  2b-' js  Fuss;  aus  Velitrae  C.  I.  L.  X  6596:  in  agr.  p.  XVIISE^  =  17»/.  Fuss. 

4)  Bemerkenswerth  sind  Schreibungen  wie  millia  passtts  XV-B<!CL  auf  dem 
hadrianischen  Meilenstein  C.  I.  L.  IX  6075  [Dessau  5875];  ebenso  müia  pedum 
00  00  ooLX  auf  dem  Stein  aus  guter  Zeit  C.  I.  L.  XIV  4012  [Dessau  5387]  und 
sogar  millia  pas»us  00  00  00  auf  dem  Stein  C.  I.  L.  XIV  2121  [Dessau  5683]. 
Wo  milia  voraufgeht,  müssen  die  Einheiten  folgen,  nich^die  Tausende;  und 
so  schreibt  man  auch  correct  M-P-IH,  nicht  M  •  P  •  III  und  per  passuum 
XXXX  VTiCLXXXII  auf  dem  Meilenstein  des  Claudius  C.  IX  5959.  Aber  wenn 
Zahlen  unter  dem  Tausend  sich  anschliessen ,  ist  die  Coordinirung  der  zu  miha 
gehörigen  und  der  einfachen  Einheiten  unbequem,  und  dadurch  werden  jene 
Schreibungen  wenigstens  entschuldigt. 


780  Zahl-  und  Bruchzeichen. 

Auf  das  zwölftheilige  Flächenmass  des  iugerum  endlich  werden 
die  Bruchbezeichnungen  ^  und  Bruchziffern '^  in  regelmässiger  Weise 
bezogen.  Aber  auch  hier  werden,  wie  an  die  Pfunde  von  der 
Semuncia  abwärts  die  Scrupel,  so  an  die  lugera  von  der  Semuncia 
abwärts  die  Fusse  angehängt^. 

3.    Die  Exponenten. 

Die  Ganz-  wie  die  Bruchzeichen  fordern,  da  sie  auf  die  ver- 
schiedensten Gegenstände  bezogen  werden  können,  regelmässig  die 
Vorsetzung  eines  die  Kategorie  determinirenden  Wortes,  welches 
hier  als  Exponent  bezeichnet  wird.  Obwohl  die  Zahlwörter  der 
Notirung  auch  unterliegen  können,  wenn  kein  Exponent  dabei  steht 
612  oder  wenn  derselbe  voll  ausgeschrieben  wird,  so  erstreckt  sich  doch 
in  zahlreichen  Fällen,  und  namentlich  in  denen,  wo  die  Setzung  der 
Ziffern  obligatorisch  ist,  die  Abkürzung  auch  auf  einen  vorhergehen- 
den Exponenten.  Insbesondere  gilt  dies  von  denen,  welche  die 
Münze,  das  Gewicht  und  das  Längenmass  determiniren.  Es  gehören 
diese  Zeichen  nicht  dem  Ziffersystem  an,  sondern  dem  der  Wort- 
abkürzungen; doch  treten  sie  so  oft  zusammen  mit  Ziffern  auf,  dass 
es  angemessen  ist  ihrer  auch  hier  zu  gedenken. 

Der  Exponent  kann  die  Einheit  nicht  vertreten;  ein  Pfund  ist 
nicht  P,  sondern  P  I.  —  Der  Exponent  ist  seinem  Wesen  nach  ein- 
fach, das  heisst  es  werden  die  unter  dem  Ganzen  stehenden  Grössen, 
mögen  sie  in  Verbindung  mit  Ganzen  oder  allein  auftreten,  ursprüng- 
lich nie  anders  als  durch  die  Bruchziffern  ausgedrückt.  Im  Laufe 
der  Zeit  ändert  sich  dies  Gesetz,  indem  neben  Ganzeinheiten  Bruch- 
einheiten angesetzt  werden;  ein  und  ein  Viertelpfund  schreibt  man 
anfänglich  P  IZ-  =  IV*  Pf-,  später  P  •  I  -  III  =  1  Pf.  3  Unzen. 

Den  Gewichtangaben  wird  regelmässig  das  Wort  p{ondo)  vor- 
gesetzt.   Indess  kann  dieser  Exponent  vor  den  Pfundganzen  fehlen* 

1)  Inschrift  von  Praeneste  C.  XIV  3340  [Dessau  8844]:  mm  agro  iugeribus 
duobus  dextante  semuncia;  Columella  de  re  rust.  5,  2,  2:  decem  milia  pedum  qua- 
dratorum  efficiunt  iugeri  trientem  et  sesetulam;  Inschrift  bei  Marini  Arv.  p.  230 
[C.  I.  L.  VI  29961]:  hie  locus  .  .  .  plus  minus  quincumque  iugeri;  C.  I  1430  [Dessau 
8381]:  loc.  patet  agrei  sesconeiam  quadratus. 

2)  Bruchziffern  in  Verbindung  mit  dem  iugerum  sind  selten.  Inschriften 
von  Praeneste  (Anm.  3)  und  Ostia  C.  XIV  396  [Dessau  8346]  iugera^H ZZ  -; 
in  fronte  p.  CCLXXX;  in  agro  pomprensa  maceria  colligit  iugera  II — . 

3)  Inschrift  von  Praeneste  C.  I.  L.  XIV  3343:  IVG  •  V  S  — S  (vielmehr  8.) 
P  -B-  und  meine  Anmerkung  dazu.  Man  schreibt  also  in  Bruchziffern  bis  hinab 
zur  semuncia  des  Jugerum  =  1200  QFuss  und  fügt  den  Rest  in  Füssen  hinzu. 

4)  Zum  Beispiel  C.  I.  L.  X  8071,  15. 


Zahl-  und  Bruchzeichen.  7g j 

und  wo  das  Gewicht  unter  dem  Pfund  bleibt,  fehlt  er  häufig  ^  — 
Dass  das  scriptdum,  eigentlich  die  Ziffer  für  Vas«,  schon  früh  zum 
Exponenten  geworden  ist  und,  wie  auf  p{ondo),  die  gezählten  Ein- 
heiten darauf  folgen,  wurde  schon  bemerkt.  In  noch  späterer  Zeit 
ist  dasselbe  mit  dem  Wort  wie  mit  dem  Zeichen  der  Unze  geschehen; 
auf  den  Exagien  zum  Beispiel  ist  —  nicht  mehr  ein  Zwölftel  des 
Pfundes,  sondern  der  Nenner  der  folgenden  Einheiten.  So  entwickelt 
sich  schliesslich  die  Gewichtangabe  mit  den  mehrfachen  Exponenten 
der  Pfunde,  Unzen  und  Scrupel  (S.  608  A.  2  [S.  777  A.  1]),  wie 
wir  sie  heute  gewohnt  sind. 

Bei  Geldangaben  ist  Kupfersummen  oft  kein  Exponent  vorgesetzt 
worden  2;  doch  findet  sich  zuweilen  der  nicht  notirte  Vorsatz  aeris  613 
gravis^  oder  aeris  allein*,  oder  auch  notirt  a{sses)'.  Die  Silber- 
rechnung bedient  sich  des  Exponenten  seit  ältester  Zeit  und  constant, 
theils  um  den  Gegensatz  gegen  das  Kupfergeld  zu  bezeichnen,  theils, 
namentlich  in  späterer  Zeit,  weil  die  ratio  sestertiaria  und  die 
ratio  denariaria  lange  neben  einander  in  Ajiwendung  gewesen  sind. 
Bei  der  ratio  sestertiaria  dient  als  Exponent  entweder  N  •  =  nummi 

1)  Näher  ist  dies  ausgeführt  in  diecer  Zeitschrift  3,  472  [s.  oben  S.  773  A.  *]. 
Er  findet  sich  vor  blossen  Bruchziffem;  zum  Beispiel  auf  dem  Stein  von  Ostia 
C.  I.  L.  XIV  21  (vgl.  add.  [Dessau  4373])  stehen  neben  einander  drei  Gewicht- 
angaben: PIS  =  IV2  Pf.,  P--  3  III  =  3  Unzen  3  Scrupel,  PZZ-  D  J,  = 
5  Unzen  8  Scrupel  und  auf  einem  von  Reii  (C.  I.  L.  XII  354  [Dessau  3855]) 
Prr-L  =  5V2  Unzen. 

2)  Darin  drückt  die  Inschrift  des  Duilius  (C.  I  195)  gewiss  den  alten  Ge- 
brauch richtig  aus:  [omne]  captom  aes,  worauf  die  ZiflFem  folgen. 

3)  R.  M.-W.  S.  '292.  Auch  auf  der  Inschrift  Eph.  IV  p.  289  n.  833  =  Grat. 
897,  2  [C.  I.  L.  VI  31619]:  [aeri]s  gravis. 

4)  Abgesehen  von  den  Stellen,  wo  aeris  blos  der  kürzere  Ausdrack  ist  für 
aeris  gravis,  wird  aeris  auf  den  Münzas  wohl  nur  bezogen,  wenn  keine  Ganz- 
zahlen folgen,  zum  Beispiel  in  der  lex  metatti  Vipascensis  (Brans  fotUes''  p.  289 
[Dessau  6891])  Z.  23:  aeris  semisses,  aeris  asses  und  in  den  S.  610  A.  3.  4  [S.  779 
A.  1.  2]  angeführten  Beispielen,  wo  den  Silbersummen  die  nicht  darin  auszu- 
drückende Kleinmünze  mit  dem  Vormerk  (et)  aeris  angehängt  ist.     Von  Münz- 

IWB^  assen  sagt  man  nicht  aeris  duo,  sondern  asses  duo. 
Hp  5)  So  sind   die  Multen  sowohl  auf  dem  uralten  Stein  von  Spoleto  (Brans 

>^^  fotUes''  p.  283  [Dessau  4912])  auf  300  wie  in  dem  Collegialgesetz  C.VI  10298 
[ßruns  fmtes''  p.  394]  auf  500,  100,  5  Asse  gesetzt.  In  dem  ersten  sind  ohne 
Zweifel  Pfundasse  gemeint,  und  wahrscheinlich  auch  in  dem  zweiten,  da  der 
reducirte  As  von  »/lo,  resp.  Vi,  Denar  wohl  schwerlich,  wie  schon  gesagt  ward, 
selbständig  als  Rechnungseinheit  zur  Anwendung  kommt.  Sonst  erscheint  die 
Note,  wo  sie  den  Münzas  bezeichnet,  wohl  nur  bei  Zahlungen  im  Kleinverkehr, 
so  in  der  Wirthshausrechnung  von  Aeseraia  C.  IX  2689  [Dessau  7478]  und  in 
den  pompeianischen  Griffel inschriften  (C.  IV  1751:  st  qui  futuere  toUt,  Atticm 
quaerat  a.  XVI;  vgl.  1969.  2028.  2450). 


782  Zahl-  und  Bruchzeichen. 

allein,  was  die  älteste  Schreibung^  ist,  oder  vorgesetztes  HS^  •  N  • 
=  sestertii  nummi^,  selten  N  •  HS  •  =  nummi  sesterfii^  oder  endlich, 
was  in  späterer  Zeit  Regel  ist,  HS-  •  .  .  .  N  • ,  sestertii  .  .  .  nummi  mit 
zwischengesetzter  Zahl.  Bei  der  ratio  denariaria  wird  als  Exponent 
des  nummus  denarius  niemals  das  Substantiv,  sondern  lediglich  ^, 
denarii  vor  die  Ziffern  gesetzt.  Gewöhnlich  werden  diese  Exponenten 
614  nur  gesetzt,  wenn  Ganze  folgen*;  doch  liegt  für  den  zweiten  ein 
Beispiel  vor,  wo  er  der  blossen  Bruchziffer  vorgeschrieben  ist^.  — 
Da  die  hier  als  Wortabkürzungen  für  sestertius  und  denarius  zur 
Verwendung  kommenden  Zeichen  IIS  und  X  ihrem  Ursprung  nach 
Ziffern  waren  und  von  den  auf  sie  folgenden  Ziffern  nothwendig 
streng  geschieden  werden  mussten,  so  wurden  sie  zu  diesem  Behuf 
quer  geschnitten  HS  X-  Diese  Durchstreichung  wird  analogisch  auch 
für  den  vic{toriatus)  angewendet^. 

Bei  den  Massangaben  ist  der  Vorsatz  von  p(edes)  da  geboten, 
wo  das  Mass  den  Fuss  übersteigt;  vereinzelt  steht  dieser  Exponent 
gleichfalls  vor  der  allein  stehenden  Bruchziffer '^. 

1)  So  steht  numei  vorgesetzt  auf  der  Tafel  des  Duilius  vom  Golde  wie  vom 
Silber;  ebenso  auf  der  Inschrift  vom  J.  683  d.  St.  (C.  VI  1299  [Dessau  5800]) 
opus  constat  w.  j^^CD  J.XXII.  Gleichbedeutend  ist  argenti  centum  et  quinqiia- 
ginta  milia  bei  Livius  40,  38,  6  (vgl.  45,  43,  5:  centum  viginti  milia  Illyrici  argenti); 
da  streng  genommen  der  Sesterz  im  Silber  dasselbe  war  wie  der  As  im  Kupfer, 
so  genügte  als  Exponent  bei  Münzangaben  das  Metall. 

2)  So  das  Repetundengesetz  vom  J,  631/2  Z.  48  und  die  Inschrift  der  via 
Salaria  vom  J.  639  [wohl  aus  späterer  Zeit]  Eph.  II  p.  199  [Dessau  5799].  Die- 
selbe Formel  zeigen  alle  Quittungen  des  lucundus  aus  neronischer  Zeit. 

8)  Senatsbeschluss  für  Priene  unbestimmter  Zeit  (C.  I.  Gr.  2905,  7  [Hiller 
v.  Gärtringen  Inschr.  v.  Priene  40]):  [v6]/xcov  orjarsQti'cov  sxaxöv  el'xooi  nsvrs. 

4)  Zum  Beispiel  in  der  africanischen  lex  portus  C.  VIII  4508. 

5)  In  der  Griffelinschrift  von  Pompeii  1232  add.  steht  folgender  Ansatz 

X   s 
X  I 

X    I 

X  I 

X  I 

X  s 

^  I 

6)  C.  I.  L.  I  199  V.  25  =  Ritschi  P.  L.  M.  Tab.  20.  Auch  bei  duovir  und 
wo  sonst  die  Zahlwörter  in  die  Titulatur  eintreten,  kommt  häufig  Durchstreichung 
vor  (Beispiele  bei  Hübner  exempla  p.  LXX).  Im  Ziffersystem  erscheint  sie  nur 
bei  •©-  =  500  und  gehört  vielmehr  zum  System  der  Wortabkürzungen  (vgl.  diese 
Zeitschrift  4,  379  A.  1). 

7)  In  dem  Baucontract  von  Puteoli  (C.  I  577  [Dessau  5817])  1,  14:  latum 
p.IS'.',  altum  p.  S'.'.  Dagegen  1,15:  crassos  S;.,  altosp.l  und  sonst  überall 
fehlt  p.  vor  blossen  Bruchziffern. 


Zahl-  und  Bruchzeichen.  7g3 

Bei  dem  iugerum  ist  der  Exponent  nothwendig  und  wird  nicht 

abgekürzt. 

Die  Exponenten  bei  der  Zeitrechnung,  wie  a{nno)  u(rbis)  c{<m- 
ditae),  a{nno)  p(ost)  r(eges)  e{xactos\  sowie  die  des  Kalenders  genügt 
es  hier  kurz  zu  erwähnen. 

Wer  römische  Starrheit  und  römische  Folgerichtigkeit  sich  ver- 
gegenwärtigen will,  der  findet  sie  in  der  Nuss  im  Schreibsystem, 
und  vor  allem  in  den  neben  der  Reihe  der  Buchstaben  selbständig 
stehenden  und  völlig  originell  auf  italischem  Boden  gestalteten  beiden 
Reihen  der  Ziffern  und  der  Bruchzeichen.  Der  Mathematiker  mag 
lächeln  über  den  Bruchtheil  eines  Systems,  für  das  es  Theile  ausser 
dem  Zwölftel  und  allenfalls  dem  Zehntel  nicht  giebt;  vom  geschicht- 
lichen Standpunkt  aus  offenbart  die  Klarheit,  die  Einfachheit,  die 
Festigkeit  des  römischen  Wesens  sich  auch  in  seinen  Zahlen  und 
Brüchen.  

Gleichzeitig*)  mit  meiner  in  das  letzte  Heft  dieser  Zeitschrift  auf-  •  ^2 
genommenen  Erörterung  über  die  römischen  Zahl-  und  Bruchzeichen 
hat  mein  Freund  und  Arbeitsgenosse  Karl  Zangemeister  in  dem 
Sitzungsbericht  der  Berl.  Akad.  vom  1.  Dec.  1SS7  (S.  1011  f.)  die 
'Entstehung  der  römischen  Zahlzeichen'  behandelt.  Die  Ergebnisse 
beider  Untersuchungen  gehen  weit  auseinander.  Da  ich  die  Zange- 
meistersche  bei  der  meinigen  nicht  habe  benutzen  können  und  sie 
mich  in  keinem  Punkte  überzeugt  hat,  will  ich  hier  nachträglich 
hinzufügen,  warum  sie  mir  verfehlt  erscheint. 

Is^ach  Zangemeister  sind  die  Ziffern  bis  1000  gleichzeitig  und 
nach  einem  einheitlichen  Bildungsprincip  entstanden  und  zwar  durch 
'Decussation'.  Aus  I  wurde  durch  Kreuzung  X  =  10,  aus  diesem 
durch  Halbirung  V  =  5.  Aus  dem  Zehnzeichen  gingen  durch 
'Decussarion"  zwei  Zeichen  für  100  hervor,  theils  )K,  theils  g:.  Das 
Zeichen  für  50  i  ist  entweder  durch  'Decussation'  aus  dem  Fünf- 
zeichen oder  durch  Halbirung  aus  dem  ersten  Zeichen  für  100  her- 
I vorgegangen.  Das  zweite  Zeichen  für  100  ist  durch  Vereinfachung 
nnter  Mitwirkung  der  Initiale  aus  jgc  zu  C  geworden.  Aus  dem- 
selben Zeichen  für  100  ging  durch  abermalige  'Decussation'  die 
äPorm  CXO  =  1000  hervor,  aus  dieser  durch  Halbirung  D  =  500. 
Das  Zeichen  für  500  gab  dann,  wieder  durch  'Decussation*,  die  für 
5000  100  und  50000  1000,  und  diese  durch  Verdoppelung  die 
Zeichen  für  10000  CCIOO  und  100000  CCCIOOO. 

Gegen  diese  Theorie  sprechen  die  folgenden  Bedenken.  153 


■ 


*)  [Hier  beginnt  der  Nachtrag:  s.  o.  S.  765,  1.] 


784  Zahl-  und  Bruchzeichen. 

1.  Die  Behauptung,  dass  die  Italiker  in  der  Epoche  vor  der 
'gewiss  spät  erfolgten'  Einführung  des  griechischen  Alphabets  mit 
den  Ziffern  für  1,  5,  10  nicht  hätten  auskommen  können,  sondern 
auch  ein  Zeichen  für  100\ hätten  haben  müssen,  ist  nicht  blos  inso- 
fern bedenklich,  als  jene  Einführung  gewiss  früh  erfolgt  ist,  wenn 
überhaupt  bei  solchen  Fragen  von  spät  und  früh  geredet  werden 
darf.  Es  ist  mehr  als  verwegen  über  das  Stadium  der  Cultur,  auf 
welchem  das  hellenische  Alphabet  die  Italiker  vorfand,  sich  Muth- 
massungen  zu  gestatten  und  die  Frage  aufzuwerfen,  wie  die  noch 
nicht  schreibenden,  aber  der  Ziffern  sich  bedienenden  Italiker  das 
Hundert  ausgedrückt  haben  mögen.  So  gut  wie  die  Hunderttausende 
in  langen  Reihen  auf  der  duilischen  Inschrift  figuriren,  so  gut  kann 
in  ältester  Zeit  die  Zehn  vielfach  wiederholt  worden  sein.  Man  kann 
damit  vergleichen,  dass  das  einzige  vorgriechische  Bruchzeichen  des 
römischen  Systems  das  der  kleinen  Einheit  (uncia)  ist  und  das  Hälften- 
zeichen erst  mit  dem  Alphabet  eintritt,  also  in  ältester  Zeit  die 
kleine  Einheit  bis  neunmal  (oder  gar  wenn  für  diese  Zeit  ein  Duo- 
decimalsystem  bestarjd,  bis  elfmal)  hat  neben  einander  gestellt  werden 
können. 

2.  Dass  von  den  drei  Aspiraten,  die  das  griechische  Alphabet 
in  der  Folge  ®  4)  ^  darbot,  das  erste  Zeichen  für  100,  das  zweite 
für  1000,  das  dritte  für  50  verwendet  worden  ist,  erklärt  sich  daraus, 
dass  die  beiden  ersten  Zeichen  für  die  Ergänzung  des  vorhandenen 
Ziffernsystems  wesentlich  waren,  das  dritte  entbehrlich  und  eigentlich 
erst  brauchbar  wurde  in  Verbindung  mit  der  Aufstellung  des  Zeichens 
500  durch  Halbirung  der  zweiten  Aspirata.  Mit  Unrecht  also  fordert 
Zangemeister  die  Verwendung  der  drei  Zeichen  in  der  durch  den 
Zahlenwerth  gegebenen  Folge. 

3.  Dass  das  jetzt  im  lateinischen  für  das  Hundert  dienende 
Zeichen  in  dieser  Form  jung  und  ein  älteres  verschollen  ist,  ist  evi- 
dent und  räumt  auch  Zangemeister  ein.  Jede  methodische  Unter- 
suchung wird  weiter  anerkennen  müssen,  dass  bei  der  wesentlichen 
Analogie  der  lateinischen  und  der  etruskischen  Zahlzeichen  in  diese 
Lücke  das  etruskische  Zeichen  (^  eintritt,  dessen  Form  derselbe 
Gelehrte  bestätigt  und  dessen  Deutung  als  Zeichen  für  100  auch  er 
als  wahrscheinlich  anerkennt. 

4.  Dass  die  Etrusker,  welche  in  ihrem  Alphabet  die  Aspiraten 
festhalten,  sich  derselben  Zahlzeichen  bedienen,  indem  sie  dieselben 

154  von  den  entsprechenden  Buchstabenformen  differenziren,  kann  den 
Ursprung  der  lateinisch-etruskischen  Ziffern  aus  den  Aspiraten  nicht 
in  Frage   stellen,   da  es  sehr   wohl  möglich,  ja   wahrscheinlich  ist, 


Zahl-  und  Bruchzeicben. 


785 


dass  die  Etrusker  diese  Ziffern  entweder  von  ihren  südlichen  Nach- 
barn übernommen  oder  doch  im  Wechselverkehr  mit  diesen  fest- 
gestellt haben. 

5.  Die  Fehlerhaftigkeit  und  Willkürlichkeit  der  von  Zange- 
meister aufgestellten  einheitlichen  Reihe  ist  augenfällig.  Die  Ent- 
wickelung  der  Zeichen  für  5  und  10  aus  der  Einheitslinie,  wie  er 
sie  annimmt,  führt  nicht  auf  X  und  Y,  sondern  auf  -f-  und  ±; 
meine  Erklärung,  dass  diese  Figuren  die  Hand  und  die  Doppelhand 
andeutend  wiedergeben,  giebt  den  Schräglinien  ihr  unabweisbares 
Recht. 

6.  Was  Zangemeister  decussare  nennt  und  wie  er  dies  decussare 
verwendet,  verstehe  ich  nicht.  Decussis  sind  decem  asses^,  wie  cen- 
tussis  hundert  und  qtiadrussis  vier  Asse;  decussare  heisst  das  Zehn- 
zeichen setzen,  also  zwei  Linien  in  das  schräge  Kreuz  stellen.  Nie- 
mals heisst  das  Wort  Verzehnfachen'  und  es  hat  überhaupt  mit  dem 
Zahlensystem  nichts  zu  schaffen.  Die  in  der  lateinischen  Cursivschrift 
häufige  Form  ^  u.  s.  w.  für  20  und  die  analogen  für  30  und  40  führen 
in  keiner  Weise  auf  ein  sonst  unbekanntes  Verzehnfachungszeichen, 
sondern  sind  einfache  Contignaticn  mehrerer  Zehnzeichen.  Alle 
Contignation  beruht  bekanntlich  auf  der  Zusammenziehung  mehrerer 
Zeichen  in  eines  mittelst  der  Doppelfunction  einzelner  Linien,  mögen 
diese  nun  unverändert  bleiben,  wie  in  V\\  und  \Ä.,  oder  denaturirt 
werden,  wie  in  "V^,  wo  der  zweite  Schrägstrich  des  V  zugleich  als 
Perpendicularstrich  des  R  functionirt.  Bei  dem  Zeichen  für  XX  wird 
durch  Veränderung  der  Stellung  (Tieferstellung  des  zweiten  X)  und 
Verbindung  zweier  der  vier  Querlinien  ^  2:u  \^  und  in  analoger 
Weise  können  drei  und  vier  Zehnzeichen  verbunden  werden.  Auf 
welchem  graphischen  Wege  aus  X  die  Zeichen  X  oder  ]^  im  Werthe 
von  100  hervorgehen  können  und  wie  dies  Decussation  genannt 
werden  kann,  ist  mir  ein  unlösbares  Räthsel. 

7.  Der  Werth  des  auf  zwei  etruskischen  Denkmälern  vorkommen-  155 
den  Zeichens  ^  =  100  ist  sehr  problematisch,*)  die  Annahme  eines 
doppelten  Zeichens  tur  100  ein  übler  Nothbehelf. 


1)  Schon  das  analoge  Wort  centussis  zeigt,  dass  nicht  eine  Manie  gemeint 
sein  kann;  auch  hat  in  dem  Knpfergeld  das  Zehnasstöck  eine  untergeordnete 
Rolle  gespielt  und  heisst  das  silberne  Zehnasstück  nicht  decussis,  sondern  (num- 
miis)  denarius.  Es  ist  also  der  Werth  oder  das  Gewicht  von  zehn  Assen  darunter 
verstanden. 

*)  [Trotz  L.  de  Feis,  Disaertaz.  della  pontif.  accad.  di  archeologia  ser.  II 
vol.  7,  1900,  S.  14.] 

MOMMSEN,   SCHR.  VII.  -  ^ 


7S6  Zahl-  und  Bruchzeichen. 

8.  Die  'Erschliessung'  der  nirgends  überlieferten  Form  ]^  =  100 
und  deren  Yereinfachung  in  C  kritisiren  sich  selber  ohne  weiteren 
Commentar. 

9.  Dass  die  Grundform  des  Tausendzeichens  0,  nicht  aber  CXO 
ist,  zeigt  zur  Evidenz  das  Hälftenzeichen  D,  während  dies  aus  der 
von  Zangemeister  angenommenen  Grundform  sich  nicht  entwickeln 
lässt.  Uebrigens  sind  beide  nur  graphische  Varietäten;  die  jüngere 
i^t  entstanden  durch  stärkere  Angabe  des  oberen  und  unteren  Ein- 
schnittes der  Hasta,  wodurch  die  beiden  Hälften  Q  D  sich  der  Kreis- 
form näherten,  0  in  oo  und  CXO  überging. 

10.  Die  Annahme,  dass  die  Zeichen  für  5000  und  5000,0  die 
primären  und  die  für  lOOOO  und  1 00000  erst  daraus  abgeleitet  sind, 
ist  aller  Wahrscheinlichkeit  zuwider.  Zu  welchen  unhaltbaren  Con- 
sequenzen  die  durch  nichts  gestützte  Behauptung,  dass  der  einzelne 
Seitenstrich  oder  seitlich  gestellte  Halbkreis  verzehnfacht,  nothwendig 
hinführt,  ist  hier  mit  Händen  zu  greifen.  Wäre  sie  richtig,  so  müsste 
sie  vor  allem  auch  für  die  Zeichen  10000  und  100000  gelten,  und 
es  kann  dem  nicht  durch  'Verdoppelung'  der  Zeichen  für  die  Hälften 
ausgewichen  werden.  Ueberhaupt  ist  die  Entwickelung  der  Zeichen 
für  10000  und  100000  aus  dem  Zeichen  für  1000  durch  Umkreisung 
und  die  der  Zeichen  für  500,  5000,  50000  aus  den  entsprechenden 
Doppelten  durch  Halbirung  so  in  sich  selbst  evident,  dass  an  diesem 
Bildungsprozess  bisher  noch  niemand  gezweifelt  hat  und  auch  in 
Zukunft  schwerlich  ein  Zweiter  zweifeln  wird. 

11.  Das  Zeichen  für  quingenta  milia  ist  aus  der  Initiale  durch 
eine  kleine  an  das  Hunderttausendzeichen  anlehnende  Differenzirung 
hervorgegangen.  Der  neben  dieser  naheliegenden  Auffassung  von 
Zangemeister  zur  Auswahl  hingestellte  Vorschlag,  dasselbe  auf  ein 
verzogenes  cursives  D  zurückzuführen,  verdient  keine  Billigung.  Das 
cursive  D  ist  offenbar  denaturirt  aus  dem  der  Lapidarschrift,  indem 
der  Perpendicularstrich  mit  dem  Halbkreis  in  einem  Zug  gebildet 
und  dadurch  selber  zum  Halbkreis  ward.  Dergleichen  denaturirte 
Formen  sind  nicht  zeugungsfähig;  auch  ist  nicht  D  quingenta  milia, 
sondern  D,  und  bei  Zangemeisters  Aufstellung  fehlt  dem  Zeichen 
jede   Spur    des    unentbehrlichen   Ueberstrichs,    selbst   wenn   man   so 

156  nachsichtig   sein   will   die  Aehnlichkeit   des  Zahlzeichens  selbst   mit 
dem  Cursivbuchstaben  anzuerkennen. 

12.  Nach  Zangemeisters  Ansetzungen  sind  die  italischen  Ziffern 
von  1  bis  1000  in  vorgriechischer  Zeit  auf  einmal  ins  Leben  getreten, 
gleich  wie  Athene  aus  dem  Haupte  des  Zeus,  und  es  wird  dies  be- 
zeichnet  als    ein    in   die   Urzeit  Italiens    fallender   Lichtstrahl.     Die 


Zahl-  und  Bruchzeichen. 


r87 


natürliche  Geburtsform  geht  andere  Wege  und  der  Lichtstrahl  scheint 
mir  ein  Irrlicht.  Es  ist  höchst  unglaublich,  dass  irgend  ein  und  nun 
gar  ein  nicht  schreibendes  Volk  das  Problem  der  Ziffernerfindung 
in  dieser  Yollkommenheit  mit  einem  Schlage  gelöst  hat.  Es  ist  noch 
weniger  glaublich,  dass  dieses  selbe  Yolk  gleichzeitig  nicht  ein  ein- 
ziges Bruchzeichen  erfunden  haben  soll,  zwar  500  und  1000,  aber 
keine  Hälfte  schreiben  konnte.  Denn  Zangemeister  selbst,  wie  sehr 
er  auch  die  Ziffernbezeichnung  durch  die  Initialen  perhorrescirt  und 
selbst  den  Zeichen  für  centum  und  für  quingenta  milia  ihren  recht 
evidenten  Ursprung  halbwegs  bestreitet,  wird  nicht  leugnen,  dass  die 
Zeichen  für  semis  und  semuncia  nichts  anderes  sein  können  als  die 
Initialen  und  dass  also  selbst  das  einfache  Hälftenzeichen  jünger  ist 
als  die  Bildung  des  lateinischen  Alphabets. 

Mit  schlagender  Deutlichkeit  fiihrt  das  römische  Ziffemsystem 
uns  die  drei  grossen  Etappen  der  italischen  Civilisationsanfange  vor: 
die  Epoche  vor  der  Kunde  des  griechischen  Alphabets  lediglich  mit 
den  Ziffern  für  1,  5  und  10  nebst  dem  Zeichen  der  uncia;  die  Ent- 
nahme der  Zeichen  für  100,  1000  und  50  aus  dem  griechischen 
Alphabet;  endlich  die  auf  italischem  Boden  hinzugetretene  Ent- 
wickelung  weiterer  Zeichen  aus  dem  des  Tausend.  Auf  keinem 
anderen  Gebiet  begegnen  dem  vergleichbare  Repräsentanten  der 
vorgriechischen  Cultur,  der  einfachen  Entlehnung  griechischer  Er- 
findungen, der  diesen  Erfindungen  sich  anschliessenden  und  vielleicht 
der  Zeit  nach  mit  ihrer  Uebemahme  zusammenfallenden  Weiter- 
gestaltung; da  wir  hier  sie  haben,  werden  wir  sie  auch  zu  behaupten 
wissen. 


50* 


LXXXI. 

Quingenta  milia.*) 

467  Zu  den  wohlbekannten  römischen  Zahlzeichen  füge  ich  das  in 
der  folgenden  Inschrift  an  erster  Stelle  vorkommende  hinzu,  das  in 
Deutschland  kaum  und  in  Italien  wenig  gekannt  sein  dürfte: 

GAVIA    •    (^  •    F   MAXIMA 

IN    •    A^VAM    •    HS-    Qj<ilk) 

^eSi^AMENTO    •    DEDIT 

Der  Stein  befindet  sich  in  Yerona  eingemauert  in  einem  an  der  Ecke 
des  Corso  vecchio  und  der  Yia  rosa  belegenen  Hause;  gedruckt  ist 
er  bei  Persico  descrizione  di  Verona  2  (1821)  p.  328.**)  Dasselbe 
Zeichen  wiederholt  sich  auf  einem  zweiten  ungedruckten  Veroneser 
Fragment  im  Hause  Balladoro  am  Corso: 

c|vM       •       SOLJo 

,;hs-  Cum  I 

und  auf  einem  dritten  unweit  Yerona  in  Colognola  in  der  Yilla 
Nichesola  aufbewahrten  und  ebenfalls  von  Persico  a.  a.  0.  publicirten: 

ex  ii\s  •  CL»  •  T  •  F  '  I 

Ausser  auf  diesen   drei  sämmtlich  von   mir  gesehenen   Steinen, 
die  alle  aus  guter  Zeit  sind,  ist  mir  dieses  Zeichen  nie  begegnet  und 

468  auch  Borghesi,  der  so  wie  Labus  von  Persico  über  den  Werth  des- 
selben befragt  wurde,  scheint  es  anderweitig  nicht  gekannt  zu  haben. 


*)  [Hermes  3,  1869,  S.  467— 468  mit  Nachträgen  der  gleichen  Überschrift 
in  derselben  Zeitschrift  7,  1873,  S.  366;  10,  1876,  S.  472;  20,  1885,  S.  317.] 

**)  [C.  I.  L.  V  3402;   zweites  Exemplar  Notizie   degli  scavi  1893    p.  11. 
Dessau  5757.] 


Qaingenta  milia.  7g9 

Die  von  Labus  und  von  Borghesi  aufgestellten  Erklärungsvorschläge 
sind  nicht  glücklich:  denn  wenn  jener  das  Zeichen  im  Werth  von 
5000  mit  subtractiver  Geltung  nahm,  so  steht  dem  entgegen,  dass 
für  diese  Zahl  die  wohlbekannte  Ziffer  loa  vorhanden,  ferner  die 
substractive  Anwendung  der  höheren  Zahlzeichen  überhaupt  unzulässig 
ist;  und  wenn  Borghesi  zwischen  diesem  Zeichen  und  der  tironischen 
Note  für  quater  eine  gewisse  Aehnlichkeit  fand  und  daher  qttater 
centies  zu  lesen  vorschlug,  so  haben  weder  die  tironischen  Abkür- 
zungen mit  der  gemeinen  Schrift  irgend  etwas  zu  thun  noch  darf 
eine  willkürlich  modificirte,  um  nicht  zu  SLgen  incorrecte  Ausdrucks- 
weise wie  quater  centies  statt  quadringenties  der  Ziffernsetzung  zu 
Grunde  gelegt  werden,  um  davon  abzusehen  dass  das  zweite  Zeichen 
nicht  centies  heisst,  sondern  cenfum  milia.  Ohne  Zweifel  ist  das 
Zeichen  vielmehr  aufzulösen  durch  quingenta  milia.  Dafür  spricht 
einmal  die  Stellung,  wonach  dasselbe  einen  höhera  Werth  gehabt 
haben  muss  als  100000;  zweitens  die  Form,  die  augenscheinlich  zur 
Hälfte  aus  dem  Buchstaben  <^,  zur  Hälfte  aus  dem  der  Hundert- 
tausendreihe zu  Grunde  liegenden  Zeichen  gebildet  ist;  drittens  und 
vor  allem  das  Bedürfniss.  Denn  in  demjenigen  Ziffersystem,  dem 
das  nebenstehende  Hunderttausendzeichen  angehört,  ist  dies  das 
höchste  bisher  bekannte  einfache  Zeichen,  so  dass,  um  eine  halbe 
Million  zu  schreiben,  nichts  übrig  bleibt  als  diese  an  sich  schon 
schwerfällige  Ziffer  fünfmal  zu  wiederholen.  Wie  man  aus  gleichen 
Gründen  nach  IHI  mit  V,  nach  XXXX  mit  L,  nach  CCCC  mit  D, 
nach  oo  oo  oo  oo  mit  Iod  fortfuhr,  lag  es  auch  nahe  mit  dem  in  Frage 
stehenden  Zeichen  die  Reihe  der  einfachen  Hunderttausende  auf 
höchstens  vier  zu  begrenzen.  Da  das  Zeichen  somit  vollständig  in 
das  allgemeine  System  sich  einfügt,  wird  man  dasselbe  auch,  wenn 
es  gleich  zufällig  bisher  nur  auf  Steinen  von  Verona  sich  gefunden, 
keineswegs  als  ein  bloss  local  gültiges  betrachten  dürfen,  wie  denn 
eigenthümliche  Zeichen  örtlichen  Werths  überhaupt  der  römischen 
Schreibweise  fremd  sind  und  insbesondere  in  dem  Pogebiet  höchst 
auffallend  sein  würden  *) 

Vor  einiger  Zeit  habe  ich  in  dieser  Zeitschrift  (3,  467)  bemerkt,  366. 
dass   auf  drei  Inschriften  von  Verona   das    Zahlzeichen  o.    in    der 
Bedeutung  von   quingenta   milia   begegnet,    und    seitdem    bei    dem 
Wiederabdruck  dieser  Inschriften  im  5.  Band  des  C.  I.  L.  (n.  3402.- 

*)  [Das  Zeichen  hat  sich  später  auch  auf  einer  stadtrömischen  Inschrift 
aus  republikanischer  Zeit  (C.  I.  L.  VI  31603  =  Dessau  5799)  und  im  alten 
Volskergebiet  (C.  I.  L.  X  5624)  gefunden.] 


3f^0  Quingenta  milia. 

3447.  3867)  darauf  hingewiesen,  dass  in  den  Briefen  Oiceros  an 
Atticus  9,  9,  4:  volui  HS  q:  egi  per  praedem  {predum  die  Handschrift) 
dasselbe  Zahlzeichen  erscheint.  Seitdem  macht  mich  Studemund 
darauf  aufmerksam,  dass  auch  Priscian  in  der  Schrift  de  ßguris  niime- 
Korum,  quos  antiquissimi  hdbent  Codices  (S.  407  Keil),  dieses  Zeichens 
Qrwähnt  und  den  von  mir  vermutheten  Werth  desselben  bestätigt: 
quingenta  milia  per  q,  quod  est  initium  nominis,  et  apostrophon  'I'. 
Offenbar  ist  ein  Zeichen  q'  oder  vielmehr  in  Quadratschrift  Q'  ge- 
meint, welches  eben  das  jener  Inschriften  ist. 


472  Ich  habe   früher  in   dieser  Zeitschrift   (3,  467)*)  auf  ein  Zahl- 

zeichen aufmerksam  gemacht,  das  mir  auf  drei  Inschriften  von  Verona 
in  folgender  Gestalt 

vorgekommen  war,  und  dessen  "Werth  als  quingenta  milia  nachge- 
wiesen. Uebersehen  habe  ich  damals  und  auch  bei  der  Herausgabe 
jener  Inschriften  im  fünften  Bande  des  C.  I.  L.  (n.  3402.  3447.  3867) 
nur  theilweise  nachgeholt,  dass  dasselbe  Zeichen  auch  in  der  Litteratur 
begegnet,  einmal  bei  Cicero  ad  Att.  9,  9,  4 :  volui  HS  Q,  wo  offenbar 
das  Häkchen  am  Schluss  abgefallen  ist,  vor  allem  aber  bei  Priscian 
de  fig.  num,  p.  407  Keil,  wo  aber  die  richtige  Ueb erlief erung  in  die 
Varianten  verwiesen  worden  ist:  quingenta  milia  per  q"  quod  est 
initium  nominis  et  apostrophon.  So  haben  die  Handschriften  P 
(Paris  7530)  und  Y  (Leid.  Voss.  12),  und  eben  diese  Figur,  ein  in 
einen  Haken  auslaufendes  Q,  zeigen  die  Steine.  Dagegen  ist  die 
theilweise  von  Keil  in  den  Text  genommene  Lesung  von  RA  (Paris 
7496  und  7501) :  quinquaginta  milia  per  q  quod  est  initium  nominis 
et  apostrophon  T  eine  Schlimmbesserung,  die  das  Verständniss  aufhebt. 


317  Das   erst   durch   die  Inschriften  rehabihtirte  Zahlzeichen  cl    = 

quingenta  milia  ist  früher  in  dieser  Zeitschrift  (3,  467.  7,  366)  nach- 
gewiesen worden  als  auch  handschriftlich  überliefert  bei  Cicero 
ad  Ätt.  9,9,4  und  bei  Priscian  de  fig.  wwm.  p.  407  Keil.  Dazu 
kommt  weiter  eine  gleichartige  Stelle  in  Ciceros  Rede  für  den, 
Schauspieler  Iloscius.  Den  "Werth  des  erschlagenen  Sclaven  bestimmt 
derselbe  c.glO,  28.  29  auf  150000  Sesterzen:  ex  qua  parte  erat  Fannii, 


*)  [Bei  Niederschrift  dieser  Miszelle  erinnerte  sich  Mommsen  offenbar  nicht 
mehr  der  drei  Jahre  vorher  von  ihm  im  Hermes  ßd.  7  veröffentlichten.] 


Quingenta  milia.  791 

non  erat  SS  ho  oo  ^  ex  qua  parte  erat  JRoscü,  amplius  eiat  BS 
ccclooo  looD^  und  fügt  dann  hinzu,  dass  Roscius  für  seine  Hälfte 
einen  reichlichen  Ersatz  bekommen  habe,  dessen  Höhe  sich  übrigens 
daraus  erkläre,  dass  ihm  aus  dieser  Veranlassung  ein  seitdem  sehr 
im  Preise  gestiegenes  Grundstück  abgetreten  worden  sei.  Magno, 
sagt  der  Gegner  des  Roscius,  tu  tuam  dimidiam  partem  ahstulisti; 
und  Roscius  erwiedert:  magno  et  tu  tuam  partem  decide.  —  HS  Q« 
ccclooo  tu  ahstulisti.  —  Sit  hoc  verum^:  SS  Cl  ccclooo  tu  aufer. 
Ueberliefert  ist  an  erster  Stelle  i/S  g:  cccinr,  an  zweiter  SS  q:,  wo 
also  vermuthlich  ccciojo  ausgefallen  ist.  Das  Grundstück  wurde 
demnach  zur  Zeit  des  Processes  auf  600000  Sesterzen  geschätzt. 
Auch  der  Sache  nach  leuchtet  es  ein,  dass  bei  einem  Sachwerth  von 
150000  Sesterzen,  da  eine  weit  über  den  "Werth  hinaus  gehende 
und  durch  eine  allgemeine  Verschiebung  des  Bodenwerths  erklärte 
Entschädigung  gefordert  wird,  die  Summe  von  600000  Sesterzen  den 
Verhältnissen  angemessen  ist.  Für  die  Beurtheilung  des  Rechts- 
handels selbst  ist  die  Richtigstellung  dieser  Ziffern  ebenfalls  von 
wesentlichem  Nutzen.*) 

1)  Diese  Zahlen  wiederholen  sieh  dreimal.  Ueberliefert  ist  an  der  zweiten 
Stelle  SS  III  oc,  an  der  ersten  und  dritten  Sß  IUI  oo,  und  dies  letitere 
haben  unsere  Ausgaben.  Aber  es  ist  sinnlos,  da  das  Zahlzeichen  für  Tausend 
niemals  das  Wort  milia  vertritt;  4000  kann  nur  ausgedrückt  werden  entweder 
mit  IUI  milia  oder  mit  IUI  oder  mit  oo  co  oo  ex.  Ohne  Zweifel  ist  loo  oo 
=  6000  herzustellen. 

2)  Die  handschrifliche  Ueberlieferung  fthrt  an  beiden  Stellen  hierauf;  die 
Ziffer  ccclooo  der  Ausgaben  ist  unvollständig. 

3)  So  ungefähr  ist  zu  sehreiben:  si  fit  hoc  vero  ist  Oberliefert. 

*)  [Vgl.  auf  Grund  obiger  Darlegung:  H.  Pflüger,  Ciceros  Rede  pro  Q.  ßoscio 
com.  rechtlich  beleuchtet,  Leipz.  1904,  S.  152  ff.  mit  der  Rezension  von  B.  Kühler, 
Berl.  phil.  Wochenschr.  1905,  Sp.  671.] 


LXXXII. 

Die  Wiedergabe  des  griechischen   *  in  lateinischer 
Schrift.*) 

65  Die  Wiedergabe  der  griechischen  Schriftzeichen  durch  das  im 
Allgemeinen  dem  griechischen  nah  verwandte,  aber  doch  sehr  eigen- 
thümlich  ausgearbeitete  lateinische  Alphabet  und  insbesondere  die 
des  griechischen  99  durch  die  Zeichen  ph,  f,  p  hat  die  Philologen 
so  oft  beschäftigt,  dass  es  wohl  befremden  mag,  wenn  heute  jemand 
darüber  besonders  zu  handeln  unternimmt,  insbesondere  wenn  es  nicht 
in  der  Absicht  geschieht  das  grenzen-  und  meist  nutzlose  Detail  der 
Schreibfehlerverzeichnung  vor  dem  Leser  auszuschütten,  sondern  nur 
die  wesentHchen  Abschnitte  der  Entwickelung  der  Orthographie  in 
diesem  Punkte  festzustellen.  Ich  meine  dennoch  neben  manchen 
längst  jedem  geläufigen  Dingen,  die  des  Zusammenhangs  wegen  hier 
wieder  zu  erwähnen  sind,  für  die  Geschichte  der  lateinischen  Gram- 
matik sowohl  wie  für  die  Zeitbestimmung  der  uns  erhaltenen  Schrift- 
denkmäler in  dem  folgenden  einige  neue  Anhaltspunkte  geben  zu 
können. 

Bekanntlich  Hessen  die  Lateiner  in  älterer  Zeit  den  Lautgesetzen 
ihres  Idioms  gemäss  auch  in  den  Wörtern,  die  sie  einem  fremden 
entlehnten,  in  sämmtlichen  aspirirten  Consonanten  die  Aspiration 
schwinden  und  drückten  wie  ^  q  x  durch  f  r  c,  so  cp  durch  p  aus. 
Aus  der  Epoche  bis  auf  den  Anfang  des  7.  Jahrhunderts  ist  bisher 
noch  kein  Beispiel  der  Consonantenaspirirung  nachgewiesen  worden 
und  noch  in  der  ersten  Hälfte  des  siebenten  begegnet  die  Aspiration 

66  in  Lehnwörtern  oder  was  dafür  galt  ^  nur  vereinzelt.     Das  bis  jetzt 

*)  [Hermes  14,  1878,  S.  65 — 76.  Das  Material  hat  sich  seither  kaum  wesent- 
lich vermehrt.] 

1)  Dass  triumphus,  obwohl  es  eigentliches  Lehnwort  nicht  ist  und  am 
wenigsten  das  ph  auf  griechische  Entlehnung  zurückgeführt  werden  kann,  den- 


Die  Wiedergabe  des  griechischen  *  in  lateinischer  Schrift.  793 

bekannte  älteste  Beispiel  ist  triumphans  in  der  Mummiusinschrift 
C.  I  [ed.  1]  541  [=  Dessau  20],  die  oder  wenigstens  deren  Original 
im  J.  609  oder  doch  nicht  lange  nachher  abgefasst  ist^;  und  kaum 
dürfte  ausser  diesem  Wort  und  Corinthi&nim  im  Ackergesetz  vom 
J.  643  in  einer  sicher  datirten  Inschrift  ein  anderes  Beispiel  der 
Aspiration  aus  der  Zeit  vor  650  vorhanden  sein.  Auf  den  Denaren 
beginnt  die  Aspiration  um  640 — 650  sich  zu  zeigen  2;  auf  den  Sacral- 
inschriften  von  Capua  erscheint  sie  bis  656  nicht  und  zuerst  im 
J.  660  3.  Man  wird  daher  mit  ziemlicher  Sicherheit  die  Regel  auf- 
stellen dürfen,  dass  bis  zur  Mitte  des  siebenten  Jahrhunderts  die 
Aspiration  der  Consonanten  der  römischen  Rechtschreibung  fremd 
gewesen  ist. 

Die  Einführung  der  Aspiration  der  Consonanten  in  Fremdwörtern 
hat  demnach  um  das  Jahr  650  stattgefunden;  und  zwar  in  der  "Weise, 
dass,  während  die  Griechen  den  aspirirten  Laut  durchaus  durch 
einen  einfachen  Buchstaben  —  ^  <P  X  —  oder  höchstens  durch  den 
Hauchexponenten  —  o  —  ausdrückten,  die  Römer  überall  ihren 
Aspirationsbuchstaben  h  hinter  dem  Consonanten  einschalteten.  Auf 
die  nahe  liegende  Frage,  warum  man  0uog  nicht  vielmehr  durch 
Filus  wiedergab,  eben  vne  die  Griechen  für  Felix  ^ijXt^  schrieben, 
antworten  unsere  alten  Gewährsmänner  mit  der  Lautverschiedenheit 
zwischen  lateinischem  f  und  griechischem  q),  die  aber  doch  die 
Griechen  aller  Zeiten  nicht  abgehalten  hat,  als  verstände  es  sich 
von  selbst,  lateinisch  f  durch  ihr  9  wiederzugeben.  Es  mag  an  sich 
richtig  sein,  dass  das  aspirirte  9?  und  das  nicht  aspirirte  f  lautlich 
nicht  völlig  zusammenfallen:   aber   bei  diesen  Sprachmeisterbetrach- 

noch  den  Römern  als  Lehnwort  erschienen  ist,  lehren  die  Thatsachen  und  be- 
stätigen die  Grammatiker  Cledonius  (5  p.  61  Keil)  und  Pompeius  (5  p.  239  Keil), 
letzterer  unter  Anführung  des  triftigen  Grundes,  dass  der  Triumph  eigentlich 
nicht  römisch,  freilich  auch  nicht  griechisch,  sondern  von  dem  indischen  Vater 
Bacchus  und  seinen  Satyrn  aufgebracht  sei.  [Vgl.  Varro  de  1.  L.  VI  68.]  Umge- 
kehrt scheint  purpura  niemals  als  Lehnwort  betrachtet  worden  zu  sein.  Die 
Begrenzung  des  Fremd wortbegriffs  ist  offenbar  eine  wesentlich  conventioneile 
und  wenig  rationelle  gewesen.  In  wie  fem  bei  dem  Eintreten  der  Aspiration 
in  Wörtern  wie  Cethegus,  Tlialna,  Thoriiis  —  brachium,  Gracchus,  pulcher  u.  dgl. 
m.  griechische  Etyma  mitgespielt  haben,  ist  hier  nicht  zu  untersuchen. 

1)  Es  ist  dies  nicht  das  einzige  Moment,  welches  gegen  die  Gleichzeitigkeit 
der  Inschrift  Bedenken  erweckt.  S.  Ritschi  titulus  Mutnmianus  p.  IVf.  [op.  IV 
S.  87  f.];  tria  monumenta  p.  27.   [Op.  IV  S.  147  f.  Vgl.  Bächeier  zu  carm.  epigr.  I  3.] 

2)  Anncdi  delT  InstÜxdo  1863  p.  52.  [Gemeint  ist  der  Aufsatz  Mommsens: 
Sopra  alcuni  ripostigli  di  denari  scoperti  nella  Spagna,  der  in  Bd.  IX  der  .Ges. 
Sehr."  zum  Wiederabdruck  gelangen  wird.] 

3)  C.  I.  L.  I  570.  571  [X  3789.  3772  =  Dessau  3609.  6302]. 


794  Die  Wiedergabe  des  griechischen  4>  in  lateinischer  Schrift. 

tungen  über  den  rauhen  lateinischen  /-Laut,    den   kein  Grieche  zu 
sprechen  vermöge,  und  über  den  lieblichsten  der  griechischen  Buch- 

67  Stäben,  dessen  Aussprache  dem  römischem  Munde  versagt  sei,  wird 
doch  sehr  wesentlich  mitgewirkt  haben,  dass  die  griechische  Sprache 
den  lateinischen  Schulmeistern  und  ihren  Schülern,  eben  wie  vor 
Zeiten  die  französische  den  deutschen,  überhaupt  feiner  und  gebildeter 
klang  als  die  Muttersprache  und  sie  diesen  ganz  anderswo  begründe- 
ten Zauberreiz  in  den  Klang  des  einzelnen  Buchstabens  hineinlegten. 
Auf  jeden  Fall  ist  für  99  nicht  /",  sondern  ph  lediglich  desshalb  ge-r 
schrieben  worden,  weil  diese  Veränderung  der  Orthographie  sich 
nicht  auf  den  ^-Laut  beschränkte,  sondern  die  Aspiration  der  Con- 
sonanten  damals  überhaupt  aufgenommen  ward ,  und  da  man  für 
^"^  §  yi  entsprechende  Zeichen  nicht  besass,  man  es  vorzog  die  allge- 
meine Regel  in  Betreff  des  nachgesetzten  h  aufzustellen  und  diese 
dann  auch  auf  das  j)  zu  erstrecken.  —  Wenn  jede  orthographische 
Neuerung  nothwendig  zunächst  Schwankungen  herbeiführt  und 
kürzere  oder  längere  Zeit  die  alte  wie  die  neue  Schreibung  neben 
einander  auftreten,  so  gilt  dies  ganz  besonders  von  dieser,  wie  es 
ja  denn  auch  sich  eigentlich  von  selbst  versteht,  dass  eine  lediglich 
die  Fremdwörter  betreffende  orthographische  Neuerung,  abgesehen 
von  der  principiellen  Opposition,  den  weniger  Gebildeten  in  der 
Durchführung  immer  Schwierigkeit  macht  und  häufig  verletzt  wird» 
Es  wird  darum  hier  vor  allem  nothwendig  den  thatsächlich  uns  ent- 
gegentretenden Schreibgebrauch  und  die  normale  Orthographie  zu 
scheiden.  Bleiben  wir  bei  der  Ersetzung  des  p  durch  ph  stehen, 
mit  der  diese  Untersuchung  sich  allein  beschäftigt,  so  ist  allem  An- 
schein nach,  wenn  man  nur  auf  die  Regel  sieht,  die  Aspirirung  sehr 
früh  durchgedrungen  und  der  Zeitraum,  in  welchem  die  ältere 
Schreibung  mit  der  jüngeren  stritt,  ein  verhältnissmässig  kurzer 
gewesen.  Aus  Inschriften  oder  gar  aus  Handschriften  den  Beweis 
für  oder  gegen  zu  führen  dürfte  freilich  nicht  wohl  möglich  sein. 
Die  Inschriften  aus  der  zweiten  Hälfte  des  7.  Jahrhunderts  zeigen 
ein  solches  Schwanken  in  dem  Setzen  oder  Weglassen  des  Aspirations- 
zeichens, dass  von  ihnen  aus  zu  einer  chronologischen  Fixirung  des 
Aufkommens  der  Regel  schwerlich  2u  gelangen  ist,  obwohl  allerdings 
die  nicht  aspirirte  Schreibung  in  stetigem  Schwinden  ist  und  die 
Allgemeingültigkeit  der  Aspiration,  wie  wir  sie  in  den  massgebenden 
Denkmälern  der  guten  Kaiserzeit  durchgeführt  finden,  sich  schon  in 
republikanischer  vorbereitet.  Noch  weniger  aber  dürfte  es  auch 
nach  unseren  besten  Handschriften  sich  entscheiden  lassen,  ob  Cicero 

68  Phüus   oder  Pilus  geschrieben  hat,    da    die    ältere  Schreibung   als 


Die  Wiedergabe  des  griechischen  0  in  lateinischer  Schrift.  795 

fehlerhafte  Form  nachweislich  bis  in  das  viette  Jahrhundert  hinein 
vorgekommen  ist  K  Aber  was  Inschriften  imd  Manuscripte  nicht  ge- 
währen, lehren  uns  die  Münzen;  denn  dass  auf  ihnen  mit  ver- 
schwindenden Ausnahmen  die  correcte  Orthographie  der  Epoche 
herrscht,  versteht  sich  in  der  That  von  selbst  und  bestätigt  sich  bei 
jeder  speciellen  Prüfung.  Auf  den  römischen  Denaren  aber  erscheint 
die  Aspiration  von  da  an,  wo  sie  überhaupt  beginnt,  wesentlich  als 
allgemein  herrschend:  in  derjenigen  Epoche,  die  etwa  den  Jahren 
640 — 650  beigelegt  werden  kann  2,  findet  sich  einerseits  Cilo  (C.  I 
345),  andrerseits  Philippus  (C.  I  35S)  und  Philus  (C.  I  385)  und 
auf  den  später  geschlagenen  Münzen  erscheint  nirgends  ein  Fremd- 
wort ohne  seine  Aspiration^.  Wir  haben  daher  Grund  anzunehmen, 
dass  bereits  in  ciceronischer  Zeit  die  lateinische  Sprache  die  Aspira- 
tion der  Fremdwörter  als  Regel  anerkannte.  —  In  der  Kaiserzeit 
und  zunächst  im  ersten  Jahrhundert  derselben  zeigen  die  pompeia- 
nischen  Steininschriften  ohne  Ausnahme  das  ph  da,  wo  es  hingehört*, 
während  auf  den  Wandinschriften  ^  und  ebenso  auf  den  Quittungs- 
tafeln   des  Jucundus^,    welche   letztere   wesentlich   der   neronischen  69 


1)  Auf  dem  Soldatenverzeichniss  vom  J.  205  (ungefähr)  C.  VI  1057  findet 
sich  für  (f  neben  ph  und  f  auch  noch  p:  Philippus  7,  83;  Sympor  1,  81;  TeU- 
spo(rus)  1,  125.  Philosopus  steht  auf  einer  Inschrift  (C.  VI  2153)  der  constantini- 
schen  Epoche  aus  den  vornehmen  Kreisen  der  Hauptstadt.  Die  Form  triumpator 
erscheint  sogar  noch  auf  den  Meilensteinen  der  Söhne  Constantins  (de  Minicis 
iscr.  dt  Fermo  n.  644,  von  mir  gesehen  [C.  IX  5942];  C.  II  4742,  wo  die  üeber- 
lieferung  ebenfalls  auf  diese  Form  führt).  Jovians  (C.  V  8012)  and  von  Valens 
und  Gratian  (C.  V  8008).  Der  späte  Grammatiker,  der  unter  dem  Namen  des 
Probus  geht  (4  p.  199,  7  Keil),  erinnert :  strofa,  non  stropa. 

2)  Wegen  der  Zeitbestimmung  vgl.  Ann.  deWinst.  1863  &  50f.  [vergl.  S.  793  A.2]. 

3)  R.  M.  W.  S.  471.  Dass  triumpus  auf  den  Münzen  der  Papia  aus  der  Zeit 
Caesars  und  der  Münzmeister  etwa  des  J.  717  Ti.  Sempronius  Graccus  hiegegen 
nicht  geltend  gemacht  wenden  können,  bedarf  kaum  der  Erwähnung;  diese 
Schreibung  rührt  von  Grammatikern  her,  welche  für  beide  Wörter  als  nicht- 
griechische die  Aspirata  nicht  zuliessen. 

4)  Auch  die  sonstigen  aspirii-ten  Consonanten  erscheinen  mit  einer  einaigen 
Ausnahme  {scoia  1.  X.  2227  =  C.  X  831)  an  richtiger  Stelle.  Die  vor  einigen 
Jahren  bei  Scafati  gefundenen  fast  barbarischen  Grabsteine  {Giunuik  degh  aeavi 
di  Pompei  N.  S.  3  p.  144)  mit  dem  seltsamen,  aber  nicht  seltenen  Eucumene  (C.  X 
1072;  vgl.  Hübner  C.  II  2259),  das  doch  wohl  auf  Eizofürv  zurückzufahren  ist, 
und  dem  fehlerhaften  Thice  (C.  X  1070)  gehören  vielleicht  der  Zeit  nach,  aber 
nicht  nach  dem  Bildungskreis  zu  den  Inschriften  der  Stadt  PompeiL 

5)  Zusammengestellt  von  Zangemeister  C.  I.  L.  IV  S.  256  [Mau  ib.  snppl. 
S.  778.] 

6)  Hermes  12,  107  [in  der  Abb.:  'Die  pompeianischen  Quittungstafeln',  jetzt 
in  den  Ges.  Sehr.  III  221  ff.,  die  hier  angeführte  Stelle  S.  239  A.  1.    Vgl.  auch 


796  I^iß  Wiedergabe  des  griechischen  0  in  lateinischer  Schrift. 

Zeit  angehören,  Schreibungen  wie  elepantus,  Posporus,  Pronimus  un- 
gemein häufig  gefunden  werden.  Hier  tritt  es  also  deutlich  hervor,  dass 
die  um  650  eingeführte  Orthographie  im  ersten  Jahrhundert  unserer 
Zeitrechnung  die  allein  anerkannte  war,  aber  häufig  Personen  ge- 
ringerer Bildung  von  derselben  abwichen  und  in  die  ehemalige 
aspirationslose  Schreibung  zurückfielen,  während  andrerseits  nicht 
selten  selbst  da,  wo  man  es  kaum  erwarten  sollte,  in  partem  doc- 
tiorem  peccirt  und  griechisches  ji  durch  lateinisches  ph  wiedergegeben 
ward^  Damit  stimmen  auch  die  übrigen  inschriftlichen  Denkmäler 
wesentlich  überein,  wenn  man  dabei,  wie  es  freilich  nur  zu  selten 
geschieht,  die  Kategorien  in  genügender  Weise  scheidet  und  bei  den 
einzelnen  Inschriften  den  voraussetzlichen  Bildungsgrad  der  Schreiber 
und  die  dabei  obwaltende  Controle  nicht  aus  den  Augen  lässt.  Aus 
den  öffentlichen  stadtrömischen  Inschriften  der  Kaiserzeit  wird  es 
nicht  leicht  sein  ein  Beispiel  von  p  für  griechisches  cp  vorzubringen. 
Bei  den  privaten  erscheinen  merkwürdige  Gegensätze.  Die  Inschriften 
aus  dem  Grabmal  des  Hausgesindes  der  Livia,  jetzt  zusammengestellt 
im  C.  YI  3926—4326,  zeigen  wie  überhaupt  einen  in  dieser  Gattung 
von  Denkmälern  ungewöhnUchen  Grad  von  Correctheit,  so  insonder- 
heit p  für  ph  nur  dreimal,  und  zwar  in  der  Weise,  dass  diese  Aus- 
nahmen die  Regel  bestätigen;  die  drei  Inschriften  rühren  alle  von 
demselben  Philadelpus  Neronis  Caesaris]  her  und  sind  alle  unter 
Tilgung  älterer  nachträglich  geschrieben,  haben  also  der  von  der 
Verwaltung  der  Grabstätte  ausgeübten  Controle  nicht  unterlegen  2. 
70  Aehnliche  Grabstätten  gleichfalls  aus  der  Zeit  der  ersten  Dynastie, 


Zangemeister  im  Index  der  neuen  Ausgabe  der  Quittungstafeln  C.  I.  L.  IV  suppl. 
S.  449]. 

1)  Wenn  wir  auf  den  Inschriften  der  hauptstädtischen  Plebejer  Olymphus 
(C.  VI  3684)  und  Phylades  (VI  766)  lesen,  so  ist  das  ebenso  in  der  Ordnung,  wie 
wenn  unsere  Journalisten  der  'Sphynx'  zum  Opfer  fallen  oder  unsere  Klassiker 
für  Halbgebildete  den  oder  die  'Amaranth'  besingen.  Aber  Phisidae  auf  einem 
römischen  Plebiscit  vom  J.  684  d.  St.  (C.  I  [ed.  1]  204  [ed.  2  n.  589  =  Dessau  38], 
9,  32)  und  vor  allem  Apollo  Phutius  auf  der  delphischen  Inschrift  eines  römischen 
Senators  der  ciceronischen  Zeit  (Hermes  8,414;  Eph.  epigraph.  IV  p.  51  n.  107 
[Dessau  4047])  zeigen,  wie  bedenklich  es  noch  in  der  ciceronischen  Zeit  mit  der 
Durchbildung  der  höheren  römischen  Gesellschaft  bestellt  war.  [Über  die  delphische 
Inschrift,  die  nicht  in  die  ciceronische  Zeit,  sondern  ins  J.  646  d.  St.  gehört,  s. 
jetzt  Pomtow,  Philol.  54,  1895,  S.  226  und  Herrn.  41,  1906,  S.  368.] 

2)  C.  VI  3971  =  Gori  187,  190;  C.  VI  4012  =  Gori  104,  44;  C.  VI  4179 
=  Mur.  1594,  3.  Die  letzte  der  drei  Inschriften  ist  verloren  und  daher  die 
Rasur  nicht  äusserlich  zu  erweisen;  aber  das  darin  genannte  Ehepaar  ist  evident 
dasselbe  wie  in  N.  8971. 


Die  Wiedergabe  des  griechischen  *  in  lateinischer  Schrift.  797 

zum  Beispiel  die  der  Statuier,  haben  dagegen  das  p  für  ph  häufig  ^ 
und  stehen  orthographisch  ungefähr  auf  einer  Linie  mit  den  oben 
erwähnten  Quittungen  des  pompeianischen  Banquiers.  Die  weitere 
Fortführung  dieser  Beobachtungen  kann  für  die  richtige  Behandlung 
der  einzelnen  Denkmälerkategorien  und  selbst  für  den  Bildungsgrad 
der  einzelnen  vornehmen  Häuser  von  Wichtigkeit  werden;  für  unsern 
Zweck  genügt  es  die  Regel  und  die  Abweichungen  davon  im  All- 
gemeinen bezeichnet  zu  haben. 

Weiterhin  stellt  nun  die  Wiedergabe  des  griechischen  93  durch 
lateinisch  f  sich  ein.  Aus  republikanischer  Zeit  ist  ein  gesicherter 
Beleg  für  das  letztere  überhaupt  nicht  vorhanden;  in  der  nicht  be- 
sonders gut  überlieferten  Inschrift  C.  I.  L.  I  n.  602  [=  Y  4087]  vom 
J.  695  d.  St.  wird  ORFEYS,  das  dort  neben  Aprodisitcs,  Fhilogenes 
u.  dgl.  m.  auftritt,  aus  ORPEYS  verlesen  sein.  Auch  in  der  früheren 
Kaiserzeit  erscheint  f  für  ph  nur  ganz  vereinzelt;  auf  den  pompeia- 
nischen Steininschriften  so  wie  auf  den  Quittungstafeln  des  Jucundus 
begegnet  es  in  griechischen  Lehnwörtern  nirgends  und  unter  den 
Pinsel-  und  Griffelinschriften  hat  Zangemeister  (C.  lY  n.  258)  das- 
selbe nur  viermal  gefunden:  n.  680  (ziemlich  alt)  Dafne;  n.  2402 
Fileto;  n.  1265*  Fyllis;  n.  2039  Trofime.  Dies  sind  meines  Wissens 
die  ältesten  datirten  Belege,  die  wir  für  diese  Schreibung  besitzen; 
überhaupt  aber  tritt  dieselbe  in  der  vorseverischen  Zeit  nur  in  äusserst 
beschränktem  Umfang  und  nur  in  gänzlich  incorrect  geschriebenen 
Documenten  auf.  In  keiner  der  Inschriften,  welche  der  nach  Hadrian 
nicht  mehr  vorkommenden  ornamenta  ^riMW/)ÄaZ/a  Erwähnung  thim-, 
ist  das  Wort  mit  f  geschrieben,  ebenso  in  keiner  von  denen,  welche 
die  mit  Severus  abkommenden  phcderae^  erwähnen.  In  den  Arval- 
acten,  die  doch  sonst  der  Fehler  genug  enthalten  und  keineswegs 
sorgfältig  geschrieben  sind,  begegnet  f  in  einem  Fremdwort  (scyfos) 
zuerst  unter  dem  J.  218  (Yl  2104  Z.  26).  Unter  den  sämmtlichen 
sicher  vorseverischen  sacralen  und  Kaiserinschriften,  die  im  6.  Band 
des  C.  I.  L.  zusammengestellt  sind,  ist  keine,  die  f  in  einem  Fremd- 
wort zeigte,  mit  Ausnahme  des  Pontificalschreibens  vom  J.   155  (YI  71 


1)  Die  Beispiele  sind  Apihonus  6256  [dies  ist  correct:  vgl.  W.  Schulze, 
Orthographica  (Marburg  1894)  S.  XLIX]  —  Äprodisia  6440  —  Dapnts  6431.  6528 
—  Eupemm  6438.  6439  -  Nicepar  6318.  6354. 

2)  Staatsrecht  P  S.  450  [=  S.  466,  3.  Aufl.]. 

3)  ijalarae  C.  I.  L.  V  7495  [=  Dessau  2337];  palerae  C.  I.  L.  I  [ed.  1]  n.  624 
[X  8886  =  Dessau  2225];  phalarae  Henzen  6749  [C.  I.  L.  X  1202  =  Dessau  2660]; 
sonst  phalerae.  Die  schlecht  überlieferten  Inschriften  III  1664.  2718  können 
die  Schreibung  falerae  nicht  beglaubigen. 


798  ^iö  Wiedergabe  des  griechischen  *  in  lateinischer  Schrift. 

2120  [Dessau  8380]),  in  welchem  neben  dem  fehlerhaften  Älphius^ 
umgekehrt  sarcofagus  auftritt  2;  dasselbe  ist  aber  überhaupt  in  solchem 
Orade  incorrect  geschrieben,  dass  es  nothM^endig  unter  anderen  Be- 
dingungen entstanden  sein  muss  als  sie  bei  der  Technik  der  Stein- 
schrift im  Allgemeinen  massgebend  gewesen  sind.  Wir  werden  also 
2war  einräumen  müssen,  dass  f  und  ph,  da  sie  in  der  Aussprache 
ohne  Zweifel  zusammenfielen,  schon  wenigstens  seit  der  neronischen 
Zeit  bei  Personen  von  niedrigem  Bildungsstand  mit  einander  ver- 
tauscht worden  sind;  aber  bis  auf  Severus  hinab  begegnet  diese 
Yerweehselung  so  selten,  dass  das  f  im  Lehnwort,  wenn  die  Inschrift 
nicht  allergeringster  Qualität  ist,  als  ein  sicheres  Indicium  der  nach- 
severischen  Zeit  angesehen  werden  darf. 

Dass  mit  Severus  die  Barbarismen,  die  vorher  nur  in  einzelnen 
Privatscripturen  auftreten,  auch  in  die  öffentlichen  Urkunden  und  in 
-das  Gebiet  der  eigentlichen  Steintechnik  eindringen,  ist  schon  anders- 
wo bemerkt  worden  (C.  I.  L.  III  p.  919).  Aber  kaum  irgendwo 
zeigt  sich  dies  so  scharf  und  umfassend  wie  in  dem  plötzlichen  Ein- 
treten des  /  statt  ph  auf  den  Inschriften  dieser  Epoche. 

vom  J.  197/8,  Soldatenkatalog  (VI  3884):  Eumorfiis  (3,  17)  neben 

Tryphon  (5,  6). 
vom  J.  198,  Yerzeichniss  der  paedagogi  puerorum  a  capite  Africae 

(YI  1052):  Tryferus,  Eutyfron  neben  TropMmus. 

vom  J.  205,  Soldatenverzeichniss  (YI  1056);  Afrodisi  (3,  92),  Calli- 

morfe  (3,  109),    JEufron   (3,  37),    Füonice  (3,  110),    Ifianax 

(3,  17),  Menofante  (2,  6),  Philadelfie  (4,  11)  neben  Ephoebe 

(4,  17),  FMippe  (1,  37),  Philomuse  (3,  75). 

vom  J.  205    (?),   Soldatenverzeichniss   (YI  1057):  Eufraf.  (7,  85), 

72  Euf rosin.   (7,  45),  Fileterus  (7,  89),  Filippus  (7,  51),  Filo- 

calus  (2,  2),  Filofa  (2,  140),   Filume.  (1,  155),   Fotinus   (5, 

136),  Nymfi(dius)   (2,  81),  Syntrof.  (5,  113),   Trofim.   (5,   4, 

auch  wohl  7,  76),    Tryfo  (1,  142)   oder  Trifon  (7,  76),   Xc- 

1)  Gleichartig  ist  Orphitus  in  einer  Inschrift  des  J.  142  (VI  644).  [Der 
Irrtum  Mommsens  betr.  Alphius  ist,  worauf  mich  Dessau  hinweist,  im  Thes.  ling. 
iat.  I  S.  1722  Z.  76  korrigiert  worden:  das  griechische  Libertinencognomen '^A9?£toä 
hat  mit  dem  römischen  Gentilnamen  Älfius  nichts  zu  tun.] 

2)  In  den  Verzeichnissen  der  magistri  fontis  findet  sich  im  J.  131  Filumenus 
(VI  157),  im  J.  165  Fileros  (VI  164);  was  an  sich  nicht  eben  befremden  würde, 
da  dies  geringe  Leute,  grossentheils  Sclaven  sind.  Aber  die  üeberlieferung  ist 
80  schlecht,  dass  auf  diese  Angaben  kein  Verlass  ist.  Die  traiauische  Alimentar- 
tafel  ist  in  dem  Gebrauch  des  ph  fehlerfrei,  was  ich  anführe,  weil  Schneider 
Iat.  Gramm.  1,  1  p.  202  img  daraus  Epafrodüus  anführt;  nicht  minder  das  grosse 
Verzeichniss  der  magistri  vicorum  aus  dem  J.  136  (C.  VI  975). 


Die  Wiedergabe  des  griechischen  ^  in  lateinischer  Schrift.  799 

nofon  (5,  103);  daneben  Äphian.  (1,  154),  Euphrates  (4,  96), 
Fhihn  (2,  4),  Phihimen.  (3,  22);  auch  nach  alter  Schreibung 
Püippus,  Sympor,  Telespofnis)  S.  68  A.  1  [S.  795  A.  1]).  Für 
diesen  Concipienten  also  war  es  Regel  (p  durch  /"auszudrücken, 
vom  J.  210,  Soldatenverzeichniss  (YI  105S),  dem  vorigen  ganz 
gleichartig,  aber  von  einem  andern  Concipienten:  hier  wird 
mit  nur  zwei  Ausnahmen  (Fotinus  2,  127;  Menofilus  5,  106) 
in  griechischen  Wörtern  durchaus  ph  geschrieben,  dafür  aber 
findet  sich  auch  Phidelis  (3,  30). 

Dazu  stellen  sich  weiter  die  ziemlich  zahlreichen  misenatischen  In- 
schriften, auf  denen  das  Amt  des  Schiffswächters  durchgängig  als 
naofylax  oder  naufyJax  vorkommt;  sie  sind  nicht  datirt,  gehören 
aber  ohne  Frage  sämmtlich  dem  3.  Jahrhundert  an. 

Aber  wenn  auch  hienach  in  den  Steinschriften  der  hauptstädtischen 
und  der  campanischen  Plebs  seit  dem  Anfang  des  severischen  Re- 
giments das  griechische  ph  ganz  gewöhnlich  durch  f  wiedergegeben 
wird,  so  ist  diese  Schreibung  doch  in  der  gleichen  Epoche  noch 
keineswegs  in  die  Kreise  der  besseren  Gesellschaft  eingedrungen: 
"vielmehr  hat  die  Orthographie  der  früheren  Kaiserzeit  hier  sich  nach- 
weislich bis  in  die  Mitte  des  4.  Jahrhunderts  behauptet.  Sämmtliche 
Münzen  der  beiden  Philippi  (244 — 249  n.  Chr.)  so  wie  ihre  sämmt- 
lichen  Diplome  folgen  derselben;  und  auch  unter  den  Bildsäulen- 
steinen ist  mir  nur  ein  einziger  einer  kleinen  illyrischen  Landstadt 
bekannt,  der  von  dieser  sich  entfernt  ^.  —  Wir  besitzen  stadtrömische 
Mithrasinschriften,  die  von  Personen  aus  den  höchsten  Kreisen  der 
römischen  Gesellschaft  in  den  J.  313  ^  und  319^  dedicirt  sind  imd  der 
alten  Orthographie  folgen.  Das  Wort  triumplius  mit  seinen  Derivaten, 
das  auf  den  Münzen  und  den  Ehreninschriften  von  Anfang  des  4.  Jahr- 
hunderts an  häufig  begegnet*,  erscheint  in  der  alten  Orthographie 
sowohl  auf  dem  in  Rom  Constantin  dem  Grossen  gesetzten  Bogen  ^ 

1)  Aus  Albona  in  Histrien  C.  III  3049  [Dessau  512]. 

2)  C.  VI  507:  hierophantes. 

3)  C.  VI  508  [Dessau  4146] :  Phryg.  Daneben  mochten  andere  Personen  des 
gleichen  Kreises  und  der  gleichen  Epoche  sich  der  vulgären  Schreibung  bedienen : 
so  wird  die  Inschrift  VI  48  [Dessau  3375],  in  der  Eufranor  vorkommt,  wahr- 
scheinlich mit  Recht  dem  Consul  Gallus  des  J.  298  beigelegt. 

4)  Brauchbare  Belege  der  Schreibung  aus  dem  dritten  finde  ich  nicht;  die 
Aufschrift  triunfu  Quad&r.  auf  einer  Münze  Numerians  (Cohen  n.  19  [ed.  2  n.  91]) 
ist  auch  sonst  incorrect,  triumfus  Caesarum  «uf  einer  Münze  des  Constans  (Cohen 
n.  156  [ed.  2  n.  116])  schlecht  beglaubigt. 

5)  C.  YI  1139. 


800  I^iß  Wiedergabe  des  griechischen  ^  in  lateinischer  Schrift. 

wie  überhaupt  auf  seinen  stadtrömischen  Inschriften  ^,  ferner  auf  den 
Goldstücken  mit  der  Aufschrift  ob  victoriam  triumphalem  des  Constans 
(339—350)2  und  Constantius  II  (337—361)3.  Also  bis  um  das  J.  350 
war  die  Vertretung  des  99  durch  f  zwar  sehr  gewöhnlich,  aber  doch 
nichts  als  ein  häufiger  Sprachfehler,  der  mit  der  Schreibung  e  für 
ae  und  analogen  Barbarismen  auf  einer  Linie  stand.  Dieser  ortho- 
graphischen Yerwilderung  gegenüber  lehren  die  Grammatiker  Caper*: 
Graeca  nomina,  ut  Phryne  et  phalanx  et  Phronimus,  per  p  et  h  scri- 
henda:  Latina,  ut  f allere  et  facile,  per  f  scribenda;  Sacerdos^:  harba- 
rismus  .  .  fit .  .  .  per  immutationem  loquelarum,  ac  si  Graecum  nomen 
Latine  dicas  vel  Latinum,  nomen  Graece  scribas  vel  dicas,  ut  puta  si 
'pMlosophum'  per  f  scribas,  cum  per  p  et  h  scribere  debeas,  vel  si  'felix' 
scribas  per  p  et  h,  cum  f  ratio  exigat. 

Aber  um  die  Mitte  des  vierten  Jahrhunderts  ändert  die  Schrei- 
bung sich  plötzlich  und  vollständig.  Auf  den  oben  angeführten 
Goldstücken  von  Constans  ^  und  Constantius  II  '^  ist  die  Schreibung 
ob  victoriam  triumfalem  etwas  häufiger  als  die  mit  triumphalem;  ihre 
Emission  muss  eben  in  die  Zeit  des  Wechsels  fallen.  Die  unter  den- 
selben Kaisern  beginnende,  dann  unter  Magnentius,  Yalentinian  I  und 
Valens,  Theodosius  I  und  Honorius  häufig  gebrauchte  Münzaufschrift 
triumfator  gentium  barbararum  tritt  nie  anders  als  in  dieser  Schrei- 
bung auf.  Dasselbe  ergeben  die  Inschriften  in  Betreff  dieser  jetzt 
74  fast  zur  ständigen  Titulatur  gewordenen  Bezeichnung:  triumfatores 
heissen  die  Kaiser  von  Constantius  II  an^  auf  den  stadtrömischen 
Inschriften  wie  auf  denen  der  Provinzen^,  und  wenn  daneben  vereinzelt 
die  Form  triumpator  erscheint  (S.  68  A.  1   [S.  795  A.  1]),  so  ist  da- 


1)  triumphator:  C.  VI  1135.  1141.  1142.  1144.  1146.  1683.  Auf  den  durch- 
gängig schlecht  überlieferten  kleinasiatischen  Inschriften  desselben  Kaisers 
(CLL.  III  209.  477.  6159.  6375)  scheint  die  Schreibung  mit  f  vorzuwiegen;  es 
ist  begi^iflich,  dass  sie  früher  in  der  griechischen  als  in  der  lateinischen  Reichs- 
hälfte allgemein  wird. 

2)  Cohen  n.  43  [ed.  2  n.  90]. 

3)  Cohen  n.  92  [ed.  2  n.  148  vergl.  n.  147].  Dazu  kommt  die  unzuverlässige 
Inschrift  C.  VI  1165  und  eine  spanische   des  Magnentius  (350-353)  C.  II  4765. 

4)  p.  2240  Putsch,  7  p.  95  Keil. 

5)  6  p.  451  Keil. 

6)  Cohen  n.  41.  42  [ed.  2  n.  88.  89]. 

7)  Cohen  suppl.  n.  9  [ed.  2  n.  146]. 

8)  C.  VI  1158.  1161.  1162.  1163,  4.  24.  Es  verdient  hervorgehoben  zu  werden, 
dass  selbst  in  der  Inschrift  des  Symmachus,  auf  die  unten  noch  zurückzukommen 
ist,  die  triumfatores  principes  begegnen. 

9)  Vgl.  die  Indices  zu  C.  I.  L.  II  p.  766.    III  p.  1120.  V  p.  1161. 


Die  Wiedergabe  des  griechischen  $  in  lateinischer  Schrift.  gOl 

gegen  triumphator  vom  J.  350  ab  so  gut  wie  verschollen^.  —  Von 
dem  Consul  des  J.  348  Philippus  führt  Rossi^  neben  sechs  Inschriften 
mit  Filippus  zwei  mit  Philippus  auf;  von  dem  gleichnamigen  Consul 
des  J.  408^  und  von  dem  Consul  451  Adelphius*  giebt  es  keinen 
Stein,  der  den  ]S'amen  mit  ph  schriebe.  Diese  Christengrabschriften 
machen  allerdings  keinen  Beweis  für  die  schulmässige  Rechtschrei- 
bung der  Epoche,  aber  es  bleibt  doch  bemerkenswerth,  dass  sowohl 
das  Uebergangsstadium  von  ph  in  f  wie  die  spätere  Alleinherrschaft 
der  letzteren  Schreibung  selbst  in  ihnen  hervortritt.  —  Wenn  also 
in  der  zweiten  Hälfte  des  vierten  und  im  fünften  Jahrhundert  in  den 
officiellen  Urkunden  und  in  den  aus  den  vornehmen  Kreisen  hervor- 
gegangenen Denkmälern^  regelmässig  ph  durch  f  ersetzt  wird,  so 
kann  keinem  der  Verhältnisse  Kundigen  ein  Zweifel  darüber  bleiben, 
dass  wir  es  hier  mit  etwas  ganz  anderem  zu  thun  haben  als  mit  dem 
Umsichgreifen  eines  schon  länger  eingerissenen  Barbarismus.  Aller- 
dings herrscht  auf  den  öffentlichen  Denkmälern  dieser  Epoche  nicht 
mehr  die  absolute  Sprachrichtigkeit,  wie  dies  unter  dem  früheren 
Principat  der  Fall  ist,  aber  sehr  deutlich  imterscheidet  man  auch  75 
auf  ihnen  noch  das  orthographische  Gesetz  und  den  Verstoss  dagegen. 
Wer  untersucht  hat,  in  welchen  äufserst  beschränkten  Grenzen  die 
zweiffellosen  Sprachfehler,  zum  Beispiel  die  Vertauschung  von  h  und 
V,  von  e  und  ae  auf  den  Münzen  erscheinen,  wird  einräumen,  dass 
um  das  J.  350  das  orthographische  Gesetz  selbst  geändert  und  was 
bis  dahin  Barbarismus  war,  die  Vertretung  des  griechischen  (p  durch 
f,  vielmehr  zur  orthographischen  Regel  geworden  ist.  Auch  war 
diese  Aenderung  der  bestehenden  Orthographie,   soweit  überhaupt 

1)  Ich  weiss  augenblicklich  keine  anderen  sicheren  Belege  dafür  als  die 
Meilensteine  72  und  113  (beide  wohl  ungedruckt  [C.  I.  L.  IX  5956.  5952])  der 
valerischen  Strasse  aus  der  Zeit  von  Valentinian,  Valens  und  Gratian.  Ohne 
Zweifel  giebt  es  noch  mehrere  [z.  B.  C.  I.  L.  IX  5946.  5957] ;  aber  sie  sind  ausser- 
ordentlich selten. 

2)  Rossi  inscr.  Chr.  1,  96—103. 

3)  Rossi  a.  a.  0.  584-589.     C.  V  6282.  ' 

4)  Rossi  a.  a.  0.  752.  753. 

5)  Hieher  gehören  namentlich  die  Inschriften  des  oppositionellen  Heiden- 
thums  der  vornehmen  Welt  in  Rom;  wir  lesen  darin  cryfios  (J.  358:  VI  751 
[Dessau  4267^])  oder  chryfios  (J.  362:  C.  VI  753  [Dessau  4267«];  hierofanta  (J.376: 
C.  VI  504.  510  [Dessau  4153.  4152];  J.  377:  C.  VI  511;  vgl.  ierofanta  C.  VI  846 
[Dessau  4413].  1675,  letztere  geschrieben  vor  333  [vielmehr  vom  Ende  des 
4.  Jahrhunderts:  s.  C.  VI  31902]);  profeta  (C.  VI  846).  Femer  Passißus  (J.  355: 
C.  VI  1656)  —  sifo  (J.  362:  C.  VI  3744)  —  amfor-  (J.  362  eher  als  339:  C.  VI 
1771,  14  vgl.  1784,  5)  —  Epifanius  (J.  412:  C.  VI  1718)  —  fcUancarii  (C.  VI 
1785,  4)  —  Nymfium  (C.  1728)  —  Sfalangim  (C.  VI  1672). 

MOMMSEN,   SCHR.  VII.  51 


802  Diß  Wiedergabe  des  griechisclien  *  in  lateinischer  Schrift. 

dergleichen  Neuerungen  sich  rechtfertigen  lassen,  wohl  begründet 
und  zeitgemäss.  Da  in  den  Alphabeten  der  beiden  Cultursprachen, 
auf  deren  Gleichstellung  die  damalige  Civilisation  ruhte,  das  grie- 
chische (p  und  das  lateinische  f  lautlich  zusammenfielen,  so  war  es 
allerdings  sehr  anfechtbar,  dass  f  durch  99,  aber  cp  nicht  durch  f, 
sondern  durch  ph  ausgedrückt  ward.  Mehr  und  mehr  aber  war  man 
in  dem  römischen  Staat  seit  der  Verlegung  des  Herrschersitzes  von 
Rom  in  den  griechischen  Osten  auf  die  harmonische  Doppelent- 
wickelung der  beiden  Sprachen  angewiesen,  und  es  durfte  wohl  an- 
gemessen erscheinen  das  völlige  Gleichgewicht  der  Idiome  auch  in 
der  Orthographie  nach  Möglichkeit  zum  Ausdruck  zu  bringen. 

Aber  wir  sind  noch  nicht  am  Ende.  Es  zeigen  sich  Spuren 
einer  Opposition  gegen  das  neue  System,  die  zwar  sparsam,  aber 
durch  die  Namen,  an  die  sie  sich  knüpfen,  bedeutsam  sind.  Ab- 
gesehen von  einer  Inschrift  unbestimmter  Zeit  (C.  YI  1728^  vgl. 
1728''),  der  zufolge  der  Stadtpräfect  Flavius  PhiUppus  ein  nymfium 
erbaut  1,  lesen  wir  auf  einer  Inschrift  des  Symmachus,  des  Vaters 
des  Redners,  vom  J.  377  (VI  1698  [Dessau  1257])  Phosphorius  neben 
triumfatores  und  auf  Inschriften  (VI  1779.  1780  [Dessau  1259.  1260]) 
des  Vettius  Praetextatus  (f  384)  hierophanta  und  hierophantria  neben 
sofus.  Auch  hier  wird,  wie  man  sieht,  die  ältere  Schreibung  nur 
theilweise  festgehalten,  wobei  wohl  irgend  ein  Versuch  principieller 
Scheidung  zu  Grunde  liegen  mag.  Es  scheint  danach  die  neue 
Schreibweise  damals  wohl  officiell  anerkannt  gewesen,  aber  bei  den 
Vertretern  des  alten  Classicismus,  den  Symmachi  und  den  Praetex- 
76  tati,  auf  Widerspruch  gestossen  zu  sein;  wie  es  ja  denn  auch  be- 
greiflich war,  dass  diese  einem  System  nicht  hold  sein  konnten,  das 
in  folgerichtiger  Entwickelung  die  Umschreibung  der  Bücher  des 
Cicero  und  des  Livius  in  die  moderne  Orthographie  herbeigeführt 
haben  würde.  Diese  Opposition,  fortgepflanzt  in  den  gelehrten  Kreisen, 
wird  wohl  dahin  geführt  haben,  dass,  als  nach  dem  Untergang  des 
Westreichs  das  Lateinische  in  seiner  schriftmässigen  Gestalt  haupt- 
sächlich als  Hof-  und  Gesetzsprache  des  Ostreichs  fortlebte,  die 
constantinopolitanischen  Grammatiker  zu  der  älteren  Theorie  zurück- 
gekehrt sind,  oder,    wie  Priscian^   dies  ausdrückt,  nunc  quoque   in 

1)  [Ein  drittes,  neuerdings  gefundenes  Exemplar  dieser  Inschrift  C.  I.  L. 
VI  31912  =  Dessau  5733  hat  nymphium;  so  auch  vielleicht  C.  I.  L.  VI  1728».] 
Die  Lesung  phaleras  in  der  Inschrift  des  Probus  Consuls  371  C.  VI  1756i>  8  [vergL 
81922;  Buecheler  carm.  epigr.  1347]  ist  nicht  genügend  beglaubigt;  die  angeb- 
liche Inschrift  des  J.  391  mit  M.  Phihnius  Phüomenus  C.  VI  736  ist  falsch. 

2)  1,  12  p.  11  vgl.  1,  24  p.  19  Hertz. 


J 


Die  Wiedergabe  des  griechischen  $  in  lateinischer  Schrift. 


803 


Graecis  nominihus  antiquam  scripturam  servamtts  pro  qjp  eth  ponerUes, 
ut  'Orpheus'  et  'Phaethon',  nicht  ohne  guten  Grund  die  antiqua  scrip- 
tura  betonend.  Unsere  Philologen  aber  werden  bei  Feststellung  der 
in  den  Textreeensionen  zu  befolgenden  Schreibung  vielleicht  gut  thun 
die  verschiedenen  Stadien,  die  diese  orthographische  Kleinigkeit 
durchlaufen  hat,  nicht  ganz  unbeachtet  zu  lassen,  und  wenn  es  ihnen, 
unbenommen  bleibt  sich  in  die  individuelle  Methode  oder  Unmethode 
jedes  alten  Steiohauers  und  Abschreibers  nach  wie  vor  liebevoll  zu 
vertiefen,  doch  auch  zu  bedenken,  dass  es  zwar  sehr  genau  und 
glücklicher  Weise  zugleich  sehr  bequem,  aber  weder  sehr  gelehrt 
noch  sehr  gescheit  ist  Privatschnitzer  zu  generalisiren. 


51* 


Lxxxm. 

Templa  domus  vici  insulae  plateae  angiportus.*) 

303  In  der  berühmten  Pariser  Handschrift  (Lat.  7651  saec.  VIII 
[IX  nach  G.-G.]),  die  die  lateinisch  -  griechischen  unter  dem  Namen 
des  Philoxenus  gehenden  Glossen  bewahrt  hat,  findet  sich  hinter 
diesen  von  derselben  Hand  geschrieben  f.  218.  219  eine  nicht  alpha- 
betisch geordnete  Glossenreihe  seltener  lateinischer  "Wörter,  vorzugs- 
weise griechischer  Lehnwörter,  mit  kurzen  Erklärungen.  Dass  die 
kleine  Arbeit  nicht  aus  spätrömischer  Zeit  ist,  sondern  fränkischen 
Ursprungs,  zeigt  nicht  bloss  das  mehr  als  bescheidene  Mass  von 
Kunde  des  Griechischen,  das  der  Verfasser  entwickelt,  sondern  geradezu 
Glossen  wie  Tragelafus  bestia  quem  elcum  vocamus  und  Sandix  herha 
apta  tincturae,  quam  vulgus  waranfia  (vgl.  Ducange  unter  waranchia, 
franz.  garance)  vocant.  Vollständigen  Abdrucks  dürfte  das  Stück 
nicht  werth  sein,  am  wenigsten  des  Abdrucks  an  dieser  Stelle;  Auf- 
merksamkeit aber  verdient  die  folgende  Notiz: 

Urhs  omnis  dividitur  in  sex  partes,  id  est  templa  domos  vicos 
insulas  plateas  et  angiportus  [-tas  G.-G.].  Templa  sunt  loca 
diis  sacrata.     Domus  publica   aedißcia,  id   est  theatra   amphi- 

304  theatra  drei  balneae  sive  termae  nimpheta  (so)  culinae  pistrina 
yppodromi  et  reliqua.  Vici  sunt  publicae  construcfiones  man- 
sionum.  Insulae  qui  inter  vicos  sunt  horfi.  Plateae  viae  latae 
a  porta  in  portam.  Angiportus  (geändert  in  angiportas)  viae 
angustae  inter  minores  vicos,  quae  exitum  ad  muros  aut  nullum 
aut  angustum  habent. 

wozu  noch  die  folgende  Glosse  gestellt  werden  kann 


*)  [Hermes  3,  1860,  S.  303-304.  Das  ganze  Stück,  aus  dem  Mommsen  hier 
einen  Teil  heraushob,  ist  dann  im  Corp.  gloss.  lat.  II,  Leipz.  1888,  praef  S.  XI  flf. 
von  Goetz- Gundermann  veröffentlicht  worden.] 


Templa  domus  vici  insulae  plateae  angiportus.  805 

HEPTIZONION    Septem    zonae,     dictum    Latine    septizonium, 

domus  caenacuhrum  Septem. 

Diese  Angaben,  deren  Quelle  ich  nachzuweisen  nicht  im  Stande 
bin,  verdienen  Prüfung.  Sie  zeigen  einestheils  eine  gewisse  anschau- 
liche Kunde  und  eigenthümliche  Bezeichnung  der  beschriebenen  Ge- 
genstände, andererseits  deutliche  Beziehungen  zu  den  Regionariem, 
die  in  jeder  Region  die  Zahl  der  vici,  insulae,  domus  verzeichnen. 
Es  wäre  möghch,  dass  irgend  eine  spät  römische  vielleicht  an  diese 
sich  anschliessende  Notiz  hier  zu  Grunde  liegt,  die  ebenso  gut  in 
einer  solchen  Arbeit  sich  erhalten  haben  kann  wie  manches  Aehn- 
liche  in  den  gleichzeitigen  Virgil-  und  Horazcommentaren. 


LXXXIV. 

Triquetrum.*) 

283  Schon  die  Alten  haben  an  dem  seltsamen  „Triquetrum"  Anstoss 

genommen;  Quintilian  inst.  1.  6.  30  berichtet,  dass  manche  Triquetra 
ansähen  als  verdorben  aus  triquadra  (denn  so  ist  dort  zu  lesen,  nicht 
triquedra).  Ich  kann  nur  dabei  bleiben,  dass  es  auf  quadrus  zurück- 
geführt werden  muss ;  dass  in  diesem  Wort  d  für  t  steht,  ist  bekannt 
(quattuor,  rstraQeg)  und  der  Umlaut  von  a  in  e  im  Compositum  re- 
gulär, wie  in  perpetrare,  von  patrare,  expertes  von  pars.  Dass  man 
„dreiviertelig"  statt  „dreiseitig"  setzt  ,  (an  der  Bedeutung  ist  kein 
Zweifel),  ist  allerdings  ein  seltsamer  Sprung  der  Sprache,  und  eine 
gute  Analogie  dafür  weiss  ich  nicht;  quadrare  im  Sinne  von  anpassen 
hat  wohl  den  Grundbegriff  von  „vier"  aufgegeben,  aber  doch  nicht 
aus  der  Yierheit  eine  Dreiheit  gemacht.  Trihus,  Drittel,  nimmt  sehr 
früh  den  Begriff  „Teil"  an  (distrihuere),  aber  nicht  den  des  Viertels. 
Aber  die  Etymologie  scheint  mir  so  durchsichtig,  dass  man  sich  doch 
dabei  wird  beruhigen  müssen.  —  Man  hat  im  zweiten  Worttheil  auch 
edga  (Sitz,  Sessel)  gesucht;  aber  das  ist  sprachlich,  wie  logisch 
verkehrt.**) 


*)  [Verhandlungen  der  Berliner  Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie 
und  Urgeschichte  Jg.  1886  S.  (283).  —  In  der  Sitzung  dieser  Gesellsch.  vom 
10.  April  1886  sprach  Olshausen  'über  Anwendung  symbolischer  Zeichen',  darunter 
I.  Über  das  Triquetrum.  Dort  heißt  es  zum  Schluß  (S.  282):  „Da  ich  über  die 
Etymologie  desselben  aus  den  mir  zu  Gebote  stehenden  Hülfsmitteln  nichts  sicheres 
erfahren  und  also  auch  nicht  feststellen  konnte,  ob  es  auf  3  Arme  oder  Schenkel 
überhaupt  anwendbar  oder  nicht  vielmehr  zu  beziehen  sei  auf  die  Seiten  oder,  wie 
trinacrium,  auf  die  Ecken  eines  Dreiecks,  so  wandte  ich  mich  an  Hrn.  Prof. 
Theodor  Mommsen,  welcher  die  Güte  hatte,  mir  darüber  Folgendes  zu  schreiben."] 
**)  [Neuere  Deutungsversuche  verzeichnet  A.  Walde ,  Lat.  etymol.  Wörter- 
buch, Heidelberg  1906,  u.  d.  W.  triquetrus.] 


LXXXV. 

JLIIXQOTI  XtO  V*) 

In  einer  Inschrift  von  Comum  vom  J.  401  (C.  I.  L.  Y  p.  1060)  423 
heisst  es:  C^oag  jutxQOJiAovg  eicov  £^r,xovxa,  in  einer  von  Concordiae 
vom  J.  409/410  (das.  n.  8731;  vgl.  S989):  h&v  fuxgojisog  (sie)  X;  in 
einer  von  Trier  (C.  I.  Gr.  9892):  Cv^ag  [jui]xQ6jiXovg  errj  xß'.  Alle 
diese  Inschriften  gehören  nachweislich  Syrern,  und  es  scheint,  dass 
diese  wunderliche  Formel  dem  örtlichen  Sprachgebrauch  dieser 
Provinz  angehört. 


*)  [Mitteilung  Mommsens  an  U.  Wilcken:  Hermes  29,    1884,  S.  42:3  A.  2.] 


LXXXVI. 

Gutachten  über  das  Unternehmen  eines  lateinischen 
Wörterbuchs.*) 

685  Es  wird  kein  Einsichtiger  bestreiten,  dass  der  "Wissenschaft,  und 

zwar  keineswegs  der  Sprachforschung  allein,  kaum^  durch  ein  anderes 
Einzelwerk  mehr  genützt  werden  könnte  als  durch  die  Herstellung 
eines  ihren  Anforderungen  genügenden  lateinischen  Wörterbuchs. 
Dass  die  Sicherung  und  Herstellung  der  Schriftstellertexte,  die  Be- 
obachtung der  Stilunterschiede  nach  der  Zeit  wie  nach  der  Art  der 
Schriftsteller,  die  chronologische  Feststellung  der  uns  gebliebenen 
Litteraturtrümmer  dadurch  ein  festes  Fundament  gewinnen  würden; 
dass  was  jetzt  durch  mühsame  und  endlose  Einzelarbeit  mehr  erstrebt 
als  erreicht  wird,  dann  zu  grossartigem  Allgemeingebrauch  eröffnet 
wäre;  dass  damit  an  die  Stelle|einer  in  ihrer  Zerstreutheit  unüber- 
sehbaren und  durch  ihre  Massenhaftigkeit  zum  guten  Theil  sich  selber 
unmöglich  machenden  Litteralur  mit  einem  Schlage  ein  grosses  Ge- 
sammtwerk  träte,  ist  sicher  nichts  Geringes;  in  dieser  Hinsicht  würde 
ein  solches  Werk  den  grossen  Gesammtpublicationen  über  Inschriften 
und  Bildwerke  mindestens  gleichberechtigt  sich  an  die  Seite  stellen. 
Aber  dies,  so  werthvoll  es  ist,  wäre  noch  nicht  die  Hauptsache.  Viel 
wesentlicher  noch  würde  der  Einblick  sein,  den  dasselbe  gewähren 
würde  in  die  Geschichte  der  heutigen  Cultursprachen,  das  heisst 
in  die  Geschichte  unserer  Civilisation.  Wie  die  Sprachen  der  älteren 
Culturperiode  geworden  sind,  können  wir  meistentheils  nur  durch 
Rückschluss  erkennen;  für  die  gegenwärtige  lässt  sich  das  gleiche 
Problem,  der  wunderbare  aus  den  Trümmern  der  antiken  Cultur  neu 

*)  [Sitzungsberichte  der  Berliner  Akademie  1891  Halbbd.  II  S.  685  —  689. 
Es  geht  voran  eine  Denkschrift  von  M.  Hertz  über  'Bedeutung,  Geschichte,  Plan 
und  voraussichtliche  Kosten  eines  lateinischen  Wortschatzes'.  Die  hier  ab- 
gedruckten Bemerkungen,  unterzeichnet  von  der  Kgl.  Akademie  der  Wissen- 
schaften, stammen  von  Mommsen.] 


Gutachten  über  das  Unternehmen  eines  lateinischen  Wörterbuchs.      809 

erblühte  Sprachenfrühling  in  grossem  Umfang  in  historischen  Docu- 
menten  verfolgen.  Aber  freilich  muss  man  dazu  sie  sammeln  und 
ordnen.  Die  Schlüsse  ins  Allgemeine  können  erst  gezogen  werden, 
wenn  im  Besonderen  die  Lebensgeschichte  jedes  einzelnen  Worts,  der 
abgestorbenen  nicht  minder  wie  der  lebendig  gebliebenen  und  ihres 
verjüngenden  Nachwuchses,  der  Wandel  der  Formen  wie  der  Ver- 
wendungen zuverlässig  und  übersichtlich  dargelegt  ist.  Insofern  kommt 
dem  lateinischen  Thesaurus  eine  allgemein  geschichtliche  Bedeutung 
zu,  wie  sie  einer  gleichen  Bearbeitung  des  griechischen  oder  eines 
anderen  Wortschatzes  nicht  zugesprochen  werden  kann.  Es  ist  das 
Vorrecht  der  grossen  Ziele,  dass  sie  ernste  Männer  zwingen  zu  streben 
und  zu  hoffen,  selbst  wenn  ein  unmittelbarer  Erfolg  nicht  abzusehen 
ist.  In  diesem  Sinne  ist  die  Frage  angeregt  worden,  wie  dies  Ziel 
sich  erreichen  lässt,  und  in  diesem  Sinne  wird  sie  auch  hier  auf- 
genommen. 

Darüber  kann  keine  Frage  sein,  dass  dieses  Werk  nur  durch  686 
staatlich  organisirte  Arbeit  herbeigeführt  werden  kann.  Es  über- 
steigt weitaus  die  Arbeitskraft  auch  des  thatkräftigsten  Individuums 
imd  darf  nicht  an  die  zufällige  Lebensdauer  einer  einzelnen  Per- 
sönlichkeit geknüpft  werden.  Wie  auf  allen  anderen  Gebieten  der 
menschlichen  Thätigkeit  fordert  auch  die  Wissenschaft  die  Organisa- 
tion der  Arbeit,  und  wir  Deutsche  dürfen  uns  rühmen  hierin  die 
Spitze  genommen  zu  haben  und  zu  behaupten.  Kann  ein  solcher 
Wortschatz  überhaupt  geschaffen  werden,  so  wird  er  in  Deutschland 
geschaffen,  und  dieses  Yorrecht  schliesst  eine  Pflicht  ein. 

Ueber  die  Modalitäten  dieser  Organisation  schon  jetzt  zu  rechten 
scheint  kaum  der  Sache  förderlich  zu  sein.  Die  der  Akademie  vor- 
gelegte Denkschrift  ist  als  ein  erster  Entwurf  nützlich  und  anregend ; 
dass  der  Arbeitsplan  erst  festgestellt  werden  kann,  wenn  die  Aus- 
führung als  möglich  erkannt  und  im  Allgemeinen  beschlossen  ist, 
wird  ihr  Verfasser  selbst  am  wenigsten  bestreiten.  Auch  sind  die 
Grundlinien  des  Unternehmens,  wie  bei  jedem  grossen  Bau,  einfach 
und  zweifellos  und  ihre  Nothwendigkeit  einleuchtend.  Die  Leitung 
kann  nur  einer  dauernden  Körperschaft,  sei  es  einer  Akademie  oder 
einer  nach  Analogie  unserer  wissenschaftlichen  Centraldirectionen  ge- 
stalteten staatlichen  Corporation  übertragen  werden.  Die  Theilung 
der  Arbeit  ist,  nicht  bloss  für  das  Sammeln,  sondern  auch  für  das 
Verarbeiten  der  Materialien,  unerlässliche  Bedingung,  und  wird  die 
Leitung  des  Unternehmens  hauptsächlich  darin  bestehen,  die  für 
dieses  wie  für  jenes  geeigneten  Kräfte  zu  finden  und  zu  staatlicher 
Genehmigung    vorzuschlagen.     Es   wird    von    der  Individualität    der 


glO      Gutachten  über  das  Unternehmen  eines  lateinischen  Wörterbuchs. 

also  gerufenen  Gelehrten  abhängen,  welchen  grösseren  oder  geringeren 
Einfluss  auf  die  Gestaltung  des  Unternehmens  der  einzelne  gewinnt; 
formell  kann  ihre  Stellung  zu  der  leitenden  Stelle  nur  als  gleichartige 
und  zu  einander  nur  als  paritätische  geordnet  werden.  Das  Ziel  der 
Arbeit  ist  die  Zusammenstellung  der  Acten  über  das  Vorkommen 
eines  jeden  lateinischen  Wortes  und  die  Darlegung  der  aus  diesen 
Acten  sich  ergebenden  Resultate  über  das  Wandeln  seiner  Formen 
und  seiner  Verwendung.  Die  sprachevergleichende  Untersuchung 
über  die  in  vorhistorische  Zeit  fallende  Bildung  des  Wortes  und 
nicht  minder  die  Untersuchung  über  dessen  Umwandlung  oder  auch 
dessen  örtliches  oder  allgemeines  Verschwinden  in  der  nachlateinischen, 
ungefähr  mit  dem  Anfang  des  7.  Jahrhunderts  anhebenden  Epoche 
werden  von  dem  Wörterbuch  selbst  auszuschliessen  sein;  für  diese 
grossen  Arbeiten  soll  dasselbe  das  Substrat  bieten,  aber  sie  keines- 
wegs in  sich  aufnehmen.  Daran  wird  nicht  zweifeln,  wer  die  deutsche 
Wissenschaft  kennt,  dass  es  an  den  Arbeitern,  den  Gehülfen  sowohl 
687  wie  den  Meistern,  nicht  fehlen  wird,  wenn  an  einen  solchen  Bau  die 
Hand  gelegt  wird,  und  dass  für  die  zahlreichen  und  schwierigen 
Einzelfragen,  welche  in  Betreff  der  Modalitäten  schon  jetzt  sich  jedem 
aufdrängen  und  bei  effectivem  Angreifen  in  noch  weit  grösserer 
Zahl  hervortreten  werden,  die  nach  Umständen  mögliche  praktische 
Lösung  alsdann  ebenfalls  gefunden  wird. 

Aber  wer  einen  Bau  beginnen  will,  hat  zunächst  und  vor  allem 
eine  wenigsten  ungefähre  Einsicht  darein  sich  zu  verschaffen,  welche 
Mittel  zu  dessen  Vollendung  erfordert  werden.  Wenn  der  Verfasser 
der  vorstehenden  Denkschrift  in  richtiger  Erkenntniss  der  Sachlage 
einen  vorläufigen  Kostenanschlag  aufgestellt  hat,  so  soll  hier  im  An- 
schluss  daran  auf  einige  Punkte  hingewiesen  werden,  in  welchen  er 
der  Ergänzung  bedürftig  und  die  erforderliche  Summe  in  Folge 
dessen  allzu  niedrig  angesetzt  erscheint. 

Wir  sehen  dabei  ab  von  der  Abschätzung  des  Umfanges  der  zu 
bearbeitenden  Schriften;  die  Masse  des  nicht  in  den  Sammlungen  von 
Teubner  und  Migne  enthaltenen  Materials  dürfte  beträchtlich  grösser 
sein  als  dort  angenommen  ist.  Aber  da  Gewissheit  hier  doch  nicht 
erreichbar  ist,    mag  es   bei  der    gegebenen  Aufstellung    bewenden. 

Weit  wichtiger  ist  die  Frage,  in  welcher  Weise  die  Materialien 
gesammelt  werden  sollen.  Bisher  ist  dafür  durchgängig  der  Weg 
eingehalten  worden,  und  diesen  hat  auch  der  Verfasser  der  Denk- 
schrift im  Sinn,  dass  die  Werke  unter  die  Hülfsarbeiter  vertheilt 
werden  und  jedes  einzelne  von  einem  einzelnen  zu  diesem  Zweck 
ausgezogen  wird.     Wie  unvollkommen  diese  Manipulation   ist,  hat 


J 


Gutachten  über  das  Unteraehmen  eines  lateinischen  Wörterbuchs.      811 

niemand  schwerer  empfunden  als  der  Meister  der  Lexikographie 
Jakob  Grimm,  auch  scharf  genug  es  ausgesprochen;  z.  B.  in  seinen 
Briefen  an  Hirzel,  wo  es  unter  anderem  heisst:  »Aller  Anweisungen 
»zum  Trotz  haben  solche  Schlingels  von  Mitarbeitern  nur  nach  Wörtern 
»gesucht,  die  in  ihren  Gedanken  wichtig  waren,  die  aber  worauf  es 
»ankam  unausgezogen  gelassen«  und  später:  »Die  bedeutendsten 
»Schweizer  Schriftsteller  sind  nur  ungenau  und  ohne  Einsicht  in  die 
>Zwecke  des  Wörterbuchs  genutzt;  es  musste,  so  gut  es  ging,  nach- 
»geholfen  werden<^,  und  so  weiter.  Dieselbe  Erfahrung  wird  mit 
Nothwendigkeit  sich  bei  jedem  Unternehmen  wiederholen,  das  auf 
vereinte  Thätigkeit  Vieler  angewiesen  ist;  es  ist  von  der  Organisation 
der  Arbeit  eben  nicht  zu  trennen,  dass  unter  den  vielen  Mitarbeitern 
halbfähige  gar  nicht  und  unfähige  schwer  zu  vermeiden  sind.  Indess 
mag  dies  Yerfahren  bei  den  gewöhnlichen,  wesentlich  auf  eine  leid- 
liche Ueb ersieht  des  Sprachschatzes  sich  beschränkenden,  Wörter- 
büchern sich  ertragen  lassen;  wenn  aber  ein  solches  den  Anspruch 
erhebt,  die  Geschichte  des  einzelnen  Wortes  zu  liefern  und  wenn, 
wie  selbstverständlich,  nicht  bloss  die  Raritäten,  sondern  vor  allen  688 
Dingen  die  häufig  gebrauchten  und  vielfach  gewendeten  Ausdrücke 
darin  zur  Anschauung  kommen  sollen,  so  kann  es  nimmermehr  auf 
solche  vom  individuellen  Belieben  gewöhnlicher  Gehülfen  abhängige 
Auslesungen  gegründet  werden.  Unumgänglich  bedarf  es  dafür  einer 
Verzettelung  wenigstens  der  wichtigsten  Schriftwerke,  wie  sie  für 
das  von  der  Savigny-Stiftung  vorbereitete  Vocabularium  juris  bei  den 
klassischen  Juristen  durchgeführt  worden  ist;  insbesondere  lässt  sich 
das  Fehlen  eines  Wortes  in  einem  zeitlich  oder  örtlich  oder  personal 
bestimmten  Kreise,  das  oft  wichtiger  ist  als  das  Vorkommen,  in 
weiterem  Umfange  nur  auf  diesem  Wege  ermitteln.  Wenngleich 
dies  Verzettelungsverfahren  den  Vortheil  gewährt,  dass  rein  mecha- 
nische, also  billigere  Arbeitshülfe  dabei  in  weiter  Ausdehnung  zur 
Anwendung  kommen  kann,  so  hat  doch  die  Erfahrung  gelehrt,  dass 
das  Verzetteln  und  das  Ordnen  des  in  grösseren  Werken  enthaltenen 
Wortschatzes  bei  weitem  kostspieliger  ist  als  das  blosse  Ausziehen. 
Auch  wird  für  das  beabsichtigte  Lexikon  das  letztere  nothwendig 
mit  dem  Verzetteln  verbunden  werden,  werden  die  Zettel,  bevor  man 
sie  in  die  alphabetische  Folge  bringt,  von  wissenschaftlichen  Männern 
durchgegangen  und  wird  bei  den  zur  Aufnahme  in  das  Lexikon  ge- 
eignet erscheinenden  Stellen  die  zum  Verständniss  erforderliche 
Verbindung  hinzugefügt  werden  müssen.  Wenn  es  bei  den  Digesten 
durchführbar  ist  auf  Grund  jener  mechanisch  hergestellten  und  einer 
solchen    Durchsicht    nicht    unterworfenen    Zettel    auch    häufig    vor- 


812      Gutachten  über  das  Unternehmen  eines  lateinischen  Wörterbuchs. 

kommende  Wörter  bei  der  Redaction  überall  nachzuschlagen,  so 
würde  keine  Arbeitskraft  bei  einem  allgemein  angelegten  Wörter- 
buch für  jedes  einzelne  Wort  die  sämmtlichen  Citate  zu  verificiren 
und  daraus  dessen  Darstellung  zu  gestalten  vermögen.  Aus  dem- 
selben Grunde  werden  auch  die  —  überhaupt  nur  in  beschränktem 
Umfang  bereits  vorliegenden  —  Indices  verborum  zu  einzelnen  Schrift- 
stellern für  eine  derartige  Arbeit  grossentheils  unbrauchbar  sein.  — 
Gewiss  soll  nicht  behauptet  werden,  dass  das  hier  angedeutete  Ver- 
fahren für  die  gesammte  einschlagende  Litteratur  zur  Anwendung 
zu  kommen  hat.  Insbesondere  die  stereotype  Inschriftenmasse,  sowie 
die  gleichfalls  in  ihrem  Wortgebrauch  homogene  patristische  Litteratur 
werden  durch  verständig  angelegte  und,  wovon  nicht  abgesehen 
werden  darf,  von  den  Leitern  des  Unternehmens  revidirte  Excerpte 
genügend  ausgenutzt  werden  können.  Aber  ohne  Yerzettelung  des 
Wortschatzes  der  wichtigsten  Profanschriftsteller,  sowie  der  lateini- 
schen Bibel  in  allen  ihren  Abwandlungen  und  einzelner  Hauptwerke 
der  theologischen  Litteratur  wird  ein  lateinisches  Lexikon  nie  das 
geben,  was  mit  vollem  Rechte  von  dem  Verfasser  der  Denkschrift 
verlangt  wird,  die  Geschichte  des  Einzelworts.  Um  wieviel  bei  dieser 
689  Voraussetzung  die  Kosten  des  Sammeins  der  Materialien  sich  erhöhen 
würden,  lässt  sich  zifFermässig  nicht  fixiren;  sicher  würde  der  von 
der  Denkschrift  dafür  eingestellte  Betrag  von  140000  Mark  sich 
mindestens  verdreifachen. 

Nicht  minder  als  die  Sammelarbeit  wird  in  der  Denkschrift  die 
Redaction  unterschätzt.  Die  Voraussetzung,  dass  ein  derartiges  Werk 
mit  zehn  Bänden  von  je  1200  Seiten  abgeschlossen  werden  kann,  ist 
völlig  problematisch  und  selbstverständlich  wird,  wenn  dasselbe  um- 
fänglicher ausfallen  müsste,  auch  der  Kostenbetrag  verhältnissmässig 
steigen.  Aber  selbst  wenn  man  jene  Voraussetzung  vorläufig  gelten 
lässt,  ist  der  Kostenansatz  weitaus  zu  niedrig  gegriffen.  Jakob  Grimm, 
ein  Meister  auch  im  Fertigstellen,  hat  in  zwölf  Jahren  in  Gemein- 
schaft mit  dem  Bruder  fünf  Buchstaben  zum  Druck  gebracht;  und 
nicht  im  Nebenamt  und  mit  unendlich  viel  knapperem  Material, 
dessen  Mehrung  wohl  den  Werth  des  Werkes,  aber  in  gleichem 
Maass  auch  die  Schwierigkeit  der  Arbeit  steigert.  Man  wird  acht 
bis  zehn  geeignete  Gelehrte  einen  jeden  zehn  bis  zwölf  Jahre  hin- 
durch ausschliesslich  für  diese  lexikalische  Arbeit  zu  beschäftigen 
haben,  wenn  dieselbe  in  absehbarer  Zeit  zum  Abschluss  gelangen 
soll.  Auch  hier  also  wird  die  in  der  Denkschrift  für  die  Kosten  der 
Redaction  in  Anschlag  gebrachte  Summe  von  360000  Mark  ohne 
Frage  nicht  ausreichen. 


Gutachten  über  das  Untemelimen  eines  lateinischen  Wörterbuchs.      813 

Es  können  demnach  die  Gesammtkosten  des  Unteraehmens  nicht 
unter  einer  Million  Mark  präliminirt  werden. 

Eine  derartige  Forderung,  von  etwa  50000  Mark  jährlich  auf 
einen  Zeitraum  von  etwa  20  Jahren  für  ein  fundamentales  wissen- 
schaftliches Unternehmen  darf  nicht  erschrecken,  ja  nicht  einmal  be- 
fremden. Wenn  die  Kosten,  welche  die  preussische  Regierung,  bez. 
das  Reich  durch  viele  Jahre  hindurch  für  die  griechische  und  latei- 
nische Inschriftensammlung  und  für  die  Herausgabe  der  deutschen 
Geschichtsquellen  aufgewendet  hat,  zusammengerechnet  werden,  so 
werden  sie  für  jedes  dieser  Unternehmen  einen  gleichen  Betrag  theils 
erreichen,  theils  sich  ihm  nähern.  Bisher  sind  die  also  aufgewendeten 
Gelder  auch  ausserhalb  der  Fachkreise  weder  als  übel  angewandt 
noch  als  unbillige  Belastung  des  Staatshaushalts  bezeichnet  worden. 
Was  in  den  Zeiten  nationaler  Erniedrigung  und  mühsamen  Auf- 
strebens möghch  war,  wird  das  vereinigte  Deutschland  auch  zu  leisten 
und  allenfalls  zu  übertreffen  vermögen.  Aber  wenn  man  in  schwierige 
und  weitaussehende  Unternehmungen  nicht  mit  sehenden  Augen 
hineingeht,  so  wird  diese  Blindheit  denselben  nicht  zum  Vortheil 
ausschlagen.  Der  rechtzeitige  Hinweis  auf  die  Schwierigkeiten  ist 
der  beste  Weg  um  sie  zu  überwinden. 


LXXXVII. 

Besprechung  von:  Martin  Hertz,  Karl  Lachmann. 
Eine  Biographie.     BerKn  1851.*) 

783  Es  wird  nicht  viele  Gelehrte  geben,  von  denen,  wenn  das  Grab 

sieh  über  ihnen  geschlossen  hat,  für  weitere  Kreise  etwas  Anderes 
zurückbleibt,  als  höchstens  ihre  Schriften.  Lachmann  ist  eine  der 
seltenen  Ausnahmen:  eine  ächte  und  eigene  Natur,  deren  scharf 
markirte  Specialität  der  reinen  Menschlichkeit  keinen  Eintrag  that, 
und  welche  eben  darum  weit  tiefer  und  allgemeiner  vermisst  wird, 
als  manche  viel  berühmtere  Männer.  Es  ist  dankenswerth,  dass  einer 
seiner  jüngsten  Schüler  es  übernommen  hat,  den  vielen,  die  Lach- 
mann treu  anhingen,  eine  Biographie  des  seltenen  Mannes  zu  bieten. 
Mit  grosser  Sorgfalt  hat  derselbe  das  Material  zusammengestellt, 
welches  Lachmanns  Schriften  und  die  Unterstützung  zahlreicher 
Freunde  ihm  gewährten;  auch  über  die  göttinger  Zeiten  und  die 
kurze  Campagne  von  1815  hat  es  an  Mittheilungen  nicht  gefehlt 
und  man  wird  in  den  Notizen  über  die  äusseren  Lebensumstände, 
welche  freilich  nur  die  wenig  bewegten  eines  deutschen  Professors 
waren,  wenig  Lücken  wahrnehmen.  Bei  der  Rechenschaft  über  Lach- 
manns litterarische  Thätigkeit  hätte  indess  der  Verfasser  billig  sich 
kürzer  fassen  und  nicht  die  Biographie  in  eine  Bibliographie  über- 
gehen lassen  sollen.  Auch  über  das  innere  Leben  und  die  charak- 
teristischen Eigenthümlichkeiten  Lachmanns  hat  sein  Biograph  eine 
Menge  einzelner  Züge  und  Erzählungen  gesammelt,  in  denen  das  in- 
nerste Wesen  des  Mannes  sich  offenbart.  Ein  eigentlich  biographisches 
Talent  besitzt  Herr  Hertz  nicht,  der  auch  Lachmann  nicht  nahe  genug 
gestanden  zu  haben  scheint,  um  den  ganzen  Mann  aus  dem  Ganzen 

*)  [Literarisches  Centralblatt  1851  Sp.  783—784.  Die  Besprechung  ist  nicht 
gezeichnet,  stammt  aber  nach  Mitteilung  des  jetzigen  Herausgebers  des  Central- 
blatts  laut  dessen  handschriftlichen  Eintrags  von  Mommsen.] 


Besprechung  von  Martin  Hertz,  Karl  Lachmann.  815 

schildern  zu  können;  die  bedeutendsten  Verhältnisse,  wie  z.  B.  zu 
Schleiermacher,  zu  Meusebach,  zu  dem  Buttmannschen  Hause  werden 
kurzweg  abgefertigt,  und  doch  liegt  bei  jeder  sittlichen  Natur,  die 
nicht  zum  öffentlichen  Wirken  berufen  ist,  in  diesen  Verhältnissen 
der  Schwerpunkt  des  Lebens.  Manche  der  eigensten  Züge  des 
Lachmann'schen  Wesens,  z.  B.  sein  Talent  Verächtliches  gründlich 
zu  verachten  und  die  ihn  genirende  Impotenz  und  Insolenz  mit  ver- 
zehrender Schärfe  zu  vernichten,  sind  hier  so  in  den  Hintergrund 
geschoben  und  in  einer  durchaus  nicht  Lachmannischen  apologetischen 
Tendenz  fast  vertuscht,  dass  dadurch  charakteristische  Documente, 
wie  z.  B.  die  Eingabe  wegen  der  Anstellung  Massmanns,  in  einem 
sehr  schiefen  Licht  erscheinen.  Der  panegyrische  Ton  in  der  Schil- 
derung von  Lachmanns  Wesen  verdeckt  die  Armuth  der  Anschauung 
nicht  ausreichend  und  stört  recht  sehr  den  einfachen  Eindruck  einer 
rein  angelegten  und  consequent  entwickelten  Natur;  nicht  als  ob  des 
Lobes  an  sich  zu  viel  gesagt  wäre  oder  als  ob  wir  die  reine  Pietät 
des  Verfassers  irgend  verkennten,  aber  wer  ein  Buch  schreibt  über 
einen  Mann,  soll  es  nicht  auf  jeder  Seite  dem  Leser  bemerken,  wie 
gross  der  Mann  war,  und  braucht  es  nicht,  wenn  er  ihn  zu  schildern 
versteht.  —  Unter  den  Beilagen  sind  einige  ganz  unschätzbare  Lach- 
mann'sche  Reliquien,  so  die  allerliebsten  altdeutschen  und  griechischen  7S4 
Spässe  und  die  Selbstkritik  seines  Lessing,  vielleicht  das  sprechendste 
Document  von  Lachmanns  Verhalten  gegen  litterarische  Naseweisheit 
und  buchhändlerische  Importunität.  Recht  im  Sinne  Lachmanns  hat 
der  Verfasser  gehandelt,  indem  er  der  Schrift  ganz  dieselbe  Aus- 
stattung sohder  Eleganz  gab,  wie  sie  Lachmann  für  seinen  Lukrez 
gewählt  und  so  oft  gelobt  hat. 


Sachliches  Register.*) 


Acatus,  aegyp  tisch  es  Lastschiff  571,  2 

acta  diurna  als  Quelle  der  Historiker 
263;  a  senatus  s.  Senat 

Aemilius  Sura,  Historiker  71  f. 

Agennius  Urbicus,  Gromatiker  469 

Albinus,  Schriftsteller  saec.  FV:  s.  Ce- 
ionius 

Alpes  Graiae  et  Poeninae,  provinzielle 
Zugehörigkeit  650.  666  f. 

Ammianus  Marcellinus,  Handschrift- 
liches 363 ff.  374ff.  384ff.;  Geographi- 
sche Exkurse  393 ff.;  Quellen  396 ff. 
Entlehnungen  aus  Caesar,  Sallust 
u.  Livius  394.  397, 1.  400,  1.  411,  1. 
412.  422,  4,  aus  Lucan  u.  Gellius 
420,  1 ;  Publikationszeit  einzelner 
Bücher  419,4;  Benutzung  A.'s  bei 
Späteren  421,8;  Allgemeine  Wür- 
digung 423  f. 

Anastasios  (I),  Kaiser:  aus  d.  Geschichte 
seiner  Zeit  724  ff. 

Apollonios  Rhod.,  benutzt  in  einem 
Periplus  des  Pontos  Euxeinos  413. 
415,  1 

Apulien,  Hellenismus  in  sullanischer 
Zeit  4  f. 

Arabia,  Teilung  in  zwei  Provinzen 
saec.  IV:  665  f. 

archimimus  94f. 

artes  liberales:  s.  Gromatik 

Aufidius  Bassus  677  f. 


Augnstus,  Feldhermstatuen  auf  dem 
Marsfelde  176, 1 ;  genius  Augusti  180 

Aurelius  Victor  620.  671, 1 ;  u.  die  scrip- 
tores  bist.  Aug.  344  f.  ,347  f.  349  f. 

Avarenkrieg  des  J.  600:  744  f. 

Basilica  lulia  571,  4 

Büdung,  Tiefstand  in  Rom  saec.  V :  467 

Bithia  auf  Sardinien  697  f 

Bqoxoi  (Bgö/doi)  in  Kleinasien  727,  6 

Bruchbezeichnung  773  ff. 

Brücken,  römische  389 ff. 

ßQvxä,  unerklärter  Name  eines  Festes 

in  CP  729  mit  Anm. 
Bulgaren  u.  Hunnen  734 

Caesar,  verschiedene  Berechnungen 
seiner  Regierungszeit  642,  1 ;  Hand- 
schriftliches zum  bell.  Gall.  44  ff. 

capitatio  animalium,  Grundsteuer  736,  3 

casae  litterarum  in  der  Gromatik  452  ft". 
466  f.  474 

Cascellius  186 

Cassiodor,  Chronologie  seiner  Ämter 
669;  Chronik  668  ff.;  Benutzung  grie- 
chischer Quellen  483  f. 

Catilinarische  Verschwörung  81  ff. 

Cedrenus:  s.  Kedrenos 

C.  Ceionius  Rufus  Volusianus  449 f.; 
dessen  Sohn  Ceionius  Rufius  Albinus, 
Schriftsteller  450 


*)  Stiebworte  mit  Sammelbezeichnung:  'Chronograpbisches',  'Grammatisch-Sprach- 
liches', 'Handschriftliches',  'Heerwesen',  'Münzwesen*,  'Namen'.  'Rom  (Topographisches)'. 
—  Von  Mommsen  als  noch  unerledigt  Bezeichnetes  s.  bei  'Geographica',  'Grammati- 
sches Fragment',  'Johannes  von  Antiochia',  'Kedrenos'. 

MOMMSEN,    SCHR.  VII.  52 


811 


Sachliches  Register. 


Census,  legendarische  Einsetzung  569, 1 

centuriae  in  der  Gromatik  478,  2 

Christentum  im  Kampfe  gegen  den  na- 
tionalen Glauben  485  ff.  510.  802 

Chronographisches:  Cassiodor  668  if.; 
Chronogr.  vom  J.  354:  536  ff.  753; 
liber  generationis  283 ff.;  Polemius 
Silvius  633 ff.;  Prosper  Aquitanus 
683,  1.  686  ff.  Vgl.  Eusebius,  Hiero- 
nymus,  Kedrenos,  Malalas,  Synkellos 

Cicero,  Zeit  der  1.  catilinarischen  Rede 
81  ff.;  Hss.  der  Reden  in  Vatin.  u. 
pro  Flacc.  36,  der  Verrinen  442,  des 
Cato  maior  6  ff.,  des  Laelius  9  ff.,  der 
Briefe  28  ff 

clientes :  s.  tribules 

Cloelia  gens  164f. 

Cluvius  Rufus  264  ff 

colonia  im  weiteren  Sinne  64;  liber 
coloniarum  472  f. 

Compitalienkult  seit  Augustus  181 

Congiarien ,  legendarischer  Ursprung 
568,  1;  des  Augustus  571,  1 

Consulat,  ausnahmsweise  Iteration  des 
ordentlichen  C.'s  Anf.  saec.  IV;  4491; 
Consulnamen  der  Jahre  246.  247. 
248:  675 ff.;  cons.,  conss.  als  Zeit- 
indicium  102 

Corbulos  Berichte  an  den  Senat  261,  2 

Cumae  als  Schauplatz  des  petronischen 
Romans  193  ff. 

Curici  portus,  Curictae  42  f. 

Cyprian,     Schriftenverzeichnis     mit 
Stichometrie  286  ff. 

üalmatien  saec.  VI:  467 f.  480 
decuriae  der  Apparitoren  203  f. 
Dexippos    als    Quelle    der  script.  bist. 

Aug.  327.  333 
Dictys,  griechisches  Original  483  f. 
Dio  Cassius,  Epitome  (nicht  Xiphilinos) 

von  Planudes  benutzt  704ff.;    com- 

biniert  mit  Plutarchs  Sulla  705;  in 

den  constantinischen  Excerpten  707 ; 

Quelle  von  XLIII-XLVIII:  618,  vgl. 

680  f. 
Diocletiansthermen,  Zeit  der  Dedication 

326,1 


Ehen  zwischen  Verwandten  165  f. 
Eid,  öffentlicher,  der  Republik  u.  Kaiser- 
zeit 180  f. 
Ennodius  benutzt  den  lanuarius  Nepo- 

tianus  51 7  f. 
Equitius  cos.  374:  604 
Eratosthenes  bei  Ammianus  Marc.  414, 

1.  415 
Etruskische  Zahlzeichen  768,  2.  784 f. 
Euagrius,  Lebenszeit  699 
Eugippius,  Handschriftliches   zur  vita 

Severini  521  ff. 
Eumenes  und  Prusias  151 
Eusebios,  armenische  Hss.  der  Chronik 

580ff.;    Verhältnis    zu    Hieronymus 

606  ff. 
Eustathios   von  Epiphania,   Lebenszeit 

699 
Eutropius,   Titel  seiner  Schrift  432  f. ; 

E.  und   die   script.  bist    Aug.  344f. 

347 f.    349 f.;    benutzt  in   Hieronym. 

Chronik  609  f,  von  Polemius  Silvius 

639;  griech.  Paraphrase  (nicht  Pai- 

anios)  702  f.  704 

Fälschungen    von    Autorennamen    329. 

351.  441.  474ff.  696 
Fasti  von  Fulvius  Nobilior  aufgestellt 

92  f. 
Festus,    Handschriften    des    Quaternio 

XVI:  269ff.,  vgl.  512 
Filocalus:  s.  Furius 
Firmicus  Maternus,  Abfassungszeit  der 

mathesis  446 
Flaminia,  Picenum,  Valeria:  Districte 

658,1 
Flaviauus  (Virius  Nicomachus  Flavia- 

nus)  493  ff 
Flavius,  Q.  Fl.  Maesius  Egnatius  Lollia- 

nus  Mavortius:  Ämterlaufbahn  446  ff. 
Florus  und  Livius  433.  670 f. 
foederati,     Miliz     der    Grenzprovinzen 

734f. 
Folia  s.  Foslia  gens  144 
Franci:   Germani    sive    Franci    in    den 

luvenalscholien  510 
funeraticium  des  Nerva  574,  4 
Furius  Dionysius  Filocalus  561  ff. 
Furius  Placidus,  cos.  suff.  346,  1 


Sachliches  Register. 


819 


I 


Gallien,  Gebrauch  des  Namens  in  vor- 
caesarischer  Zeit  507;  Einteilung  in 
Provinzen  183.  657;  Topographisches 
37 f.  46.  56 f.;    58;    Schilderung   des 
Poseidonios,  Timagenes,  Ammianus 
410 f.;  Heimat  des  Polemius  Silvius 
(saec.  V)  635  f. 
Gallienus'  Söhne  644,  2 
Geographica  des  Ammianus  Marc,  Not- 
wendigkeit   einer    Neubearbeitung 
424  f. 
Gerichte  des  Senats  und  des  Princeps 

2G0 
Geschichtschreibung     der     Kaiserzeit, 

allgemeine  Charakteristik  256 f. 
Geschütze   in   der  späteren   Kaiserzeit 

738,4 
Getreidemarken  569,  5.  577,  6 
Glossar  einer  Leydener  Hs.  51"2ff.,  einer 
Pariser  804 f.,    einer    vaticanischen 
515f.,  des  Caspar  Barth  515f. 
Grabmäler,  Bildwerke  auf  ihnen  200 
Grammatisches    Fragm.    in  einer  Mai- 
länder Hs.,    noch   nicht  untersucht 
451 
Grammatisch-Sprachliches  : 
Vocalismus:  ae  und  e  vertauscht  116f., 
ae  und  oe  117;  u  für  uii  112;  uo, 
uu   112;    M    und  i  in  -iimus ,    lubet 
u.  dgl.  112;  dilecttis,  nicht  ddeetus 
115;    derigere,    nicht   dirigere  115; 
Dissimilation :   coaptare  =  cooptare 
12;    Synkope    von    e    {Tereventtim- 
Terventum  u.  dgl.)  281 ;  lulus,  drei- 
silbig bei  Virgil  188 
Consonantismus :    b   und  p   {scribtor, 
optinere  u.  dgl.)  114f.;  b  und  t?  117; 
c  ^  k,  g  769,  2 ;  -d  und  -t  {adqtie, 
haut  u.  dgl.)  114;  ex-  und  exs-  114; 
exquiliae  115;  qim  und  eu  {aecum, 
relinaint  u.  dgl.)  118;  tra-  und  trans- 
(tranare.  transfhre  u.  dgl.) ;  Aspira- 
tion: Wiedergabe  des  (p  u.  anderer 
griech.  Zeichen  792  ff.,  falsche  Asp. 
117;   Gemination  (Iwppj^  u.  dgl.) 
112;    Vereinfachung  [lulhis  -  luKits 
u.  dgl.)    188;    Assimüation    113f.; 
Consonantentrennung    107  ff.     148. 
150 


Flexion : 

nomen:  Gen.  sing  -ii  oder  -i  111. 
756 ff.,  plur.  -uum  in  mensunm, 
ossuum  bei  Eugippius  533;  Dat. 
sing,  plebei,  plebe  111 ;  .\bl.  sing. 
-i  oder  -e  110.  760f.;  Acc.  plur. 
■is  110;  Dat-Abl.  plur.  -eis  oder 
-its  oder -ts  Ulf.  759 f.;  Abi.,  in- 
declinabler  von  Ortsnamen  bei 
Eugippius  533,  2 ;  sam  =  eam  279 
Syntax : 

Comparativ  —  Positiv  bei  Eugip- 
pius 583 

et  zwischen  Consulnamen  762 

Zahlwörter  {decem  et  quinque  u.  dgl.) 
761 
Wortgebrauch : 

aeneus  u.  aereus  761  f. 

arca  'Sarkophag'  in  der  jüngeren 
Gromatik  479  ff". 

botontini  in  der  afrikanischen  Gro- 
matik 479 

casae  litterarum  in  der  Gromatik 
452  ff.  466  f.  474 

castra  'Hoflager'  315,  2 

centuriae  in  der  Gromatik  478,  2 

delapidare  279 

-eus  unlateinisch  in  sextaneus  u.  dgl. 
476,  1 

gregalis   761 

fiixg6::iXsov  807 

partectum,  Bedeutung  zweifelhaft 
574,9 

prodicere,  technisch  22 

terruncius  763  f. 

triquetrum  806 

Zahl-  und  Bruchbezeichnung  767  ff'. 
778  ff. 
Orthographisches:  varia  lOf.  109 ff. 

augur,  auger  115 

Encumene  =  Ev^onerTj  795,  4 

neelegere,  neglegere  115 

praest  =  praeest  761 

promiscue,  nicht  -ce  115 

Quinctitis,  Quintius  116 

sescenti,  nicht  sexcenti  116 

triump(h)ns,  triumfm  792. 1.  795.  8. 
799  ff.,  vgl.  oben  bei  Consonantis- 
mus: Aspiration 


820 


Sachliches  Register. 


Abkürzungen  auf  Inschriften  765,  3; 

f.  =  filius,  nicht  ßia  762 
Interpunktion  im  cod.  Veronensis  des 
Livius  106,  vgl.  148 
Griechische  Kultur  in  Campanien  192  ff. ; 
Sprache    in    juristischer    Literatur 
267 ;  Scholien  im  cod.  Veronensis  des 
Livius    105 f.;    Mißverständnis     bei 
Übersetzen  ausdemLat.:  s.Tlutarch' 
Gromatik,  Teil  der  artes  liberales  468 f.; 
codex  Arcerianus  459 ff.;  Zusammen- 
setzung und  Abfassungszeit  des  Er- 
haltenen 464  ff. ;  Fragment  in  einer 
Mailänder  Hs.  451  ff. 
Grundstücke  benannt  nach  Territorien 
199  f. 

Haemus,  Ausdehnung  des  Namens 
665,2 

Handschriftliches :  Mitteilungen  aus 
Hss.  von  Gotha  432,  Einsiedeln  498, 
St.  Gallen  504,  Leyden  u.  München 
512  ff,  Mailand  451,  Rom  442.  695  f. 
Verona  96  ff.;  Cusaner  Excerpte 
298  ff. ;  Altersbestimmung  eines  cod. 
Parisinus  217.  —  Anderes  s.  unter 
'Ammianus',  'Caesar',  'Cicero',  'Eu- 
gippius',  'Eusebios',  'Festus',  'Glos- 
sar', 'Gromatik',  'Hieronymus',  'Li- 
vius', 'Ptolemaios',  'Vegetius' 

Heerwesen:  Benennung  der  Truppen- 
körper seit  Diocletian  313  f. ;  Deutsche 
im  röm.  Heere  313,  5;  domestici  814; 
dux  in  titularer  Verwendung  310f.; 
tribuni  seit  Diocletian  308 ff. 

Herodianos  als  Quelle  der  script.  bist. 
Aug.  333  ff.  349 

Hesiodos,  Geburtsjahr  40 f. 

Hieronymus,  Chronik:  Abfassungszeit 
617,1,  Quellen  606 ff.,  älteste  Hs. 
597  ff 

Hippolytos,  Bischof  von  Portus  283; 
Weltchronik  564 f. 

historiaAugU8ta:hand8chriftlicheÜber- 
lieferung  352  ff ;  Textkritisches  359  ff. 
passim ;  Dessausche  Hypothese  302  ff. 
Vgl.  'Aurelius  Victor',  'Dexippos', 
'Eutropius',  'Herodianos' 

Hofgesinde  314 f. 


Hügel  Roms  513 f. 

Hunnen  741  f.;  s.  auch  'Bulgaren* 

lamblichos,  Jurist  aus  Berytos  519  f. 

lanuarius  Nepotianus,  Excerptor  des 
Valerius  Max.  vor  Anf.  saec.  VI  518 

Illos  der  Isaurier  715  ff. 

Illyricum  saec.  IV  660f. 

Interpunktion :  s.  'Grammatisch-Sprach- 
liches' 

lohannes  von  Antiochia,  Fragmente  in 
d.  constantinischen Excerpten  712ff.; 
Quelle  für  Planudes  704.  706 f.;  Not- 
wendigkeit einer  Bearbeitung  708 f. 

losephos  u.  Cluvius  Rufus  250 

Isaurische  Insurrection  unter  Anasta- 
sios  I.  726  ff. 

Italien,  Einteilung  nach  Diöcesen  und 
Provinzen  305 

iudex  =  Civilstatthalter  313.  350,  3 

lugurthinischer  Krieg  i.  J.  644/45:  77  ff. 

lulians  persischer  Feldzug  nach  Am- 
mianus Marc.  426  f. 

lullus  Antonius  187  f. 

lunius  Tiberianus ,  Stadtpräfekt  329,  2 

lupiterterapel  auf  Berghöhen  497 

Kaiser:  Prätendenten  unter  Alexander 
Severus  643,5;  andere 'tyranni' 644  ff. 
passim 

Kedrenos:   Quellenfrage  ungelöst  753 f. 

Kyrene,  Erwerbung  durch  die  Römer 
398  f. 

Lachmann  814  f. 

Laeti ,  germanische  Zwangscolonisten 
426 

latus  clavus  189  f. 

legatus,  Bedeutung  des  Wortes  89; 
nicht  —  quaestor  oder  proquaestor 
53  f.  60;  in  der  diocletianisch- con- 
stantinischen Ordnung  307  f. 

legio  vernacula  64 

limes  in  der  Gromatik  476f. 

Livius,  codex  Veronensis  96  ff.  149,  codd. 
Puteanus,  Vaticanus,  Vindobonensis 
150ff.;  Recensio  der  I.  Decade  119 ff. 
677,  der  III.  Decade  153 ff.;  Frag- 
ment des  91.  Buchs  147 f.;  Auszüge 


Sachliches  Register. 


821 


432 f.  670ff.;  periochae  in  verschie- 
denen Fassungen  164 
lustra  bei  Livius  161  f. 

Maecius:  Sp.  Maecins  Tarpa  185  f. 

magalia  90  f. 

Malalas  659,  3.  750*;  lateinische  Über- 
setzung 750f. 

Mamilius  Sura.  Ackerschriftsteller  70 

Manilios  Rhalles,  Humanist  saec.  XV: 
270,  1 

Manlius,  L.,  Mirabilienschriftsteller  72tf. 

Marcii  Philippi,  legendarischer  Stamm- 
baum 569,  2 

Maurikios,  Kaiser  746 f. 

Mavortius  cos.  355:  s.  Tlavius' 

Maxentius,  Bastard  ?  326,  4 

Meclodunum  =  Melun  56f. 

Mimen  93  f. 

Misenum  194 IF. 

mons  Feleter  (=  S.  Leo  bei  S.  Marino) 
528f. 

Monumenta  Germaniae  auct.  ant.  691  ff. 

Munda  in  Spanien,  Topographie  67 f, 

Münzwesen:  Bruchziffem  775 ff.;  mit 
den  clipei  des  amphitheatr.  Flav. 
574,  1 ;  decussis  785, 1 ;  foUes  aeris 
316f.;  gefütterte  Münzen  3f;  Gold- 
münzen des  Gallienus  577,  5;  Gold- 
pfund, Wert  in  diocletianischer  Zeit 
316;  sicilicus  774;  solidus  315;  ter- 
runcius  763  f. 

Namen:  Cognomina  der  Nobilität  und 
der  Freigelassenen  201  f.;  nomina 
von  Geschlechtem  aus  cognomina 
entwickelt  222,  1 

Neapel  194  ff". 

Nerva,  Testament  574,  4 

notae  des  M.  Valerius  Probus  206 ff. 
218;  notae  iuris  214,  in  Hss.  nicht- 
juristischen Inhalts  444 f.;  im  cod. 
Veron.  des  Livius  105 f. 

notitia  dignitatum,  Abfassungszeit  660; 
n.  Galliarum  u.  a.  Provinzen  400ff. 

Obsequens  benutzt  Liviusepitome  671 
Odovakar  715*.   723,  3;    vgl.  'Theode- 
rich' 


Origo  gentis  Romanae:  Titel  440 f.:  ver- 
kürzt 440 f.;  vollständigere  Fassung 
als  Quelle  des  Hieronynius  441.  617. 
627 ff.,  des  Paulus  Diaconus  484 ff.; 
im  Chronogr.  vom  J.  354:  566  ff. 

Patrizier  u.  Plebejer,  Streit  noch  inner- 
halb der  Jahre  513—535:  167 

Paulus  Diaconus  und  die  origo  gentis 
Romanae  434  ff. 

Periplus  des  Pontes,  von  Timagenes 
413 f.;  vgl.  'Apollonios  Rhod.' 

Petronius,  Roman  191  ff.;  P.s  FamUie 
191,2 

Philostratos ,  vita  ApoUonii  von  Am- 
mianus  Marc,  benutzt?  422,  5 

Phoenixperiode  74,  2 

Phokas,  Kaiser  747.  749  f. 

Picenum,  District :  s.  'Flaminia' 

Planeten  in  der  Astrologie  539  ff. 

Planudes,  historische  Excerpte  700 ff". 

Plautus,  Zeit  des  Prologs  der  Casina 
Iff. 

Plutarch,  Leben  225 f.;  CharakterLstik 
des  Galba  u.  Otho  226 f.;  Mißver- 
ständnis eines  lat.  Ausdrucks  235,  1 ; 
248,  1 ;  nicht  abhängig  von  Tacitus 
227.  243;  Sulla  combiniert  mit  Dio 
Cass.  705 f. 

Polemius  Silvius  633  ff. 

polyphagi  572,  4 

Pompeius,  Cn.  in  Spanien  67 

Pompeius  Trogus  (lustinus)  und  Tima- 
genes 409.  414 

porticus  Minucia  frumentaria  569,  5; 
Divorum  573,  3 

Poseidonios  (über  Gallien),  benutzt  von 
Timagenes  410  f. 

praefectus    308;    praefecti    praetorio 
Italiae,  lllyrici  et  Africae  661  f. 

praeses  312  f. 

praetor  im  weiteren  Sinne  198 

Probi,  Familie  345 f.  604 f.;  vgl.  Vale- 
rius 

Prodigien  bei  Livius -Obsequens  168  ff". 

Provinzen,  Einrichtung  neuer  saec.  IV: 
658 f.;  Provinzialkataloge400f.  648 ff. 
650  f. 

Prusias  und  Eumenes  151 


822 


Sachliches  Register. 


Ptolemaios,  Geogr. :  Handschriftliches 
697 f.;  als  Quelle  Amraians  402 iF. 
412,6 

Puteoli  994  ff'. 

Quaestur,  Altersstellung  53;  quaestor 
für  proquaestor  54 

Rittercarriere  267,  2 

Rom    (Topographisches):    s.   'basilica', 

'Brücken',  'Hügel'.  Torticus',  'temp- 

lutn',  'therraae",  'via' 
Roscius:  L.  Roscius  Fabatus  53 
Rufius  Festus,  Namensform  396, 1.  657**; 

Persönlichkeit  396,  2;  als  Quelle  des 

Ammianus  Marc.  396ff'. ;  desHierouy- 

mus  610 
Rutilia  gens  165 

Sallusts  Historien,  Notiz  daraus  bei 
Ammianus  Marc?  897,  1 

Saso,  Topographie  42 

Scholien  zu  luvenal,  Zeit  509  if.;  Berner 
zu  Virg.  georg.  505  ff'. 

Scotti,  Polemik  gegen  ihre  Gelehrsam- 
keit 752 

Scriptores     hist.    Aug.     s.    'historia 
Augusta' 

Senat:  acta  senatus  oder  commentarii 
s.  aufgezeichnet  254 f.;  als  Quelle 
für  Historiker  256;  senatuscons.  de 
ambitu  vom  11.  Febr.  55  v.  Chr.:  16; 
de  oder  ex  senatus  sententia  oder 
consulto  80,  1 

Seneca  d.  ä.  616 

Sertorius  507 

Sevirat  203 

Solinus,  vollständigerer  benutzt  von 
Ammianus  Marc.  4160". 

Sorex,  archimimus  94  f. 

Sosthenion,  Hafen  bei  CP.  740 

Spanien:  s.  'Munda' 

Spurius,  Praenomen  137 

Stesichoros,  Geburtsjahr  40f. 

Stichometrie  286  ff. 

Subscriptionen  in  Liviushss.  1501f.;  des 
Mavortius  487 

Sueton,  nicht  abhängig  von  Tacitus 
sondern   von  Cluvius  Rufas  250 ff.; 


de  regibus  benutzt  im  Chronogr.  vom 
J.  854?  559.  56S,  1;  de  viris  ill.  als 
Quelle  des  Hieronymus  610  ff'. 

Syramachi  493 

Synkellos,  Quelle  607,  1 

'Tabulae  honestae  missionis',  Ortho- 
graphisches 7550". 

Tacitus  und  die  acta  senatus  253  ff". ; 
undCluviusRufus  '224ff'.;  Darstellung 
stellenweise  flüchtig  oder  gefärbt 
237 ff'.;  Excurse  247,  7;  Zeit  der 
Herausgabe  der  Historien  227 

Tarpeiasage  .068,  3 

templum  Castorum  et  Minervae,  erbaut 
von  Domitian  573,  2 

Teretina  tribus  280flF. 

Theoderich  u.  Odovakar  7 19  ff'. 

thermae  Titianae  et  Traianae  573,  5.  619 

Tiberius,  Expeditionen  182  ff'. 

Tillius,  L.  Tillius  Cimber  189 

Timagenes,  Leben  u.  Werke  408 ff'.,  be- 
nutzt von  Pompeius  Trogus,  Strabon 
u.  Ammianus  Marc.  410 ff'. 

Traian,  Todestag  574,  6 

Trerus,  Fluß  (=  Sacro)  281  f. 

tribules  clientes  143,  1 

triquetrum  806 

Valentinianus  1.,  seine  Bedeutung  391 
Valentinus,  Adressat  des  Clironogr.  vom 

J.  354:  561 
Valeria,  District:  s.  'Flaminia' 
Valerius,  M.  Valerius  Probus   de  notis 

antiquis  206  ff.  218 
Varius,  L.  Varius  Rufus,  sein  'Thyestes' 

218 
Vecellinus,  Cognomen  12 
Vegetius  de  re  militari,  Überlieferung 

442  ff. 
via  Patiuaria  572,  5;  viae  publicae  278  f. 
Victorius,  Namensform  222,  1 
vigiles  in  den  Municipien  197 
Virgilcommentare  als  Quelle  der  origo 

gentis  Rom.  436 ff'. 
Vitalianus,  Aufstand  unter  Anastasios  I. 

734  «•. 
Vitorius  Marcellus   und   seine  Familie 

221  ff'. 
■^olusius  Maecianus  264  ff. 


Register  der  behandelten  Stellen. 


Weinhandel   von   Italien  nach  Gallien 

37  f. 
Weltmonarchien  71  f. 


823 

Zahl-  und  Bruchzeichen  anf  Inschriften 
und  Münzen  765 ff.;  quingenta  miJia 
788  ff. 

Zosimos,  Lebenszeit  699 


II. 


Register  der  behandelten  Stellen. 


Ammianas  Marc. 

14,  6,  20       -  392.  430 

15,  9,  8        —  410,  .3 

15,  12,  5       -  394  f. 

16,  11,  4       -  426 
22,8,  17  f.    —  414 
22,  8,  20      -  413.  4 
22,  8,  47      -  417,  3 
22,  12,  8      -  426f. 
22,  15,  9      -  420 

22,  15,  16    —  417,  9 

23,  5,  15      _  427' 

24,  2,  6  f.      -  427  f. 
24,  6,  3.  5    -  428 
24,  7  -  429 
26,  4,  6        -  429 

26,  7,  14  -  429 
27,3,  3        -  388f. 

27,  12.  1       -  429 

28,  3,  9  -  430 
30,  7,  5  —  480 
33,  6,  74      -  416,  1 

Anthologia  lat. 

Edition  einiger,  z.  T.  mittelalterlicher 

Gedichte  499  ff. 

Asellio 

fr.  9.  10.  11.   !3  Feter  _  506 

(aesar 

bellum  civile  3,  8,  4.  10,  5  —  42 f. 

bellum  Gallicum,  passim     —  44  ff. 

bellum  Hispanieuse,  passim  —  61  ff. 
Tannen  adversns  paganos'    —  485ff. 
Cassins  Heini  na  fr.  38  Peter  —  90 
Catnllu.s  1  _  219f 

(.'edrenus:  s.  'Kedrenos' 


Charisins 

GLK  I  138 
Cicero 

pro  Fonteio  9,  19  — 

pro  Roscio  com.  10,  28  f.    — 
ad  Att.  Buch  4,  Blätter- 

versetzung  

ad  Att.  4,  16  ff.                     _ 
6,  1,  17                    _ 
9,  9,  4                     _ 
ad  Qaint.  fr.  Buch  2,  Blätter- 
versetzung   

ad  Quint.  fr.  2,  4ff.  — 

de  republ.  2,  10  _ 

2,  22,  39  — 

Laelius  11,36  _ 

25,  96  _ 

Dionysios  Hai. 

ant.  1,  19  _ 

Ennodins 

paneg.  in  Theodos.  p.  209 

Vog.  _  721,  3 

vita  Epiphanii  c.  7.  79       — 
ep.  9,  30  _ 

Engippias 

vita  Severini,  passim  

Easebios 

Chronica,  armenischer  Text  — 


—  92 


37  f. 
790  f. 

13  ff'. 

30  ff. 

35 

790 

13  ff. 
20  ff 
39  ff. 
35 
12 
12 

72  f. 


724,1 
431 
431 

521  ff-. 


Fannins 

Rede  g.  Gracchus 
Festns 

p.  326 

p.  363  Teretina  tribus 

p.  371  vectigal 


580ff. 
607 


—  92 


93  f. 
280  ff. 
278 


824 


Register  der  behandelten  Stellen. 


—  278 

-  279 


p.  371  viae 
p.  372  vecors 

Firmicns  Maternus 

math.  2,  32  (I  81,  9ff.  Kroll- 

Skutsch)  -  ^8ff. 

Florus 

2,  9  (3, 21  =  p.  89, 21  Jahn)  -  91  f. 

Hieronymus 

Chronica,  passim       -622tf.  b83tt. 
quaest.  in  Genesim  opp.  HI 

p.  337  Vall.  -  666, 1 

Horatius 

carm.  4,  8  -  1^^'/ 

sat.  1,  6,  24  -  189f- 

epist.  1,  13  -  17^' 1 

2,  1-3  -  nSff. 

Innocenz  I. 

Schreiben  an  den  Bischof 
von  Antiochia  vom  J. 
ca.  408  (Mansi,  coli.  3, 
1055) 


-  659,  4 


Inscbriften 

C.  1.  L.  1  195  -  769, 1.  781, : 
III  4464 
III  4855 

V  4087 
VI  1706 
VI  14672 
VI  30794 
VI  31402 

VI  suppl.  32536 
VllI  8473 

VIII  suppl.  17408 

X  7996 
XI  1118 
XI  3614 

XI  5400 
XII  2228 

XIV  250 
Ephemeris  epigraphica  V 

n.  301 
Christliche  (Bianchini   ad 

Anastas.  bibl.  III  p.  88) 
hie  requiescit 
hoc  monumentum  heredera 

non  sequetur 


782,1 
282 
312,6 
797 
658,1 
191,1 
.  187 

•  390 

•  779,  2 

-  644,2 

-  762 

-  697 

-  499  f. 

-  255, 1 

-  205 

-  312,6 

-  268, 1 

-  312,6 

-  562  f. 

-  203 


loliannes  Aiitioch. 

Exe.  Const.   IIl  138 ff.    de 
Boor 
lordanis 

bist.  Rom.,  Anf.  — 

p.  46,  17  - 

lastinns 

2,  4,  2 
Kedrenos 

I  p.  260  Bonn. 
Llvins 

2,  8-15 

3—6  passim  - 

3,24 
10,  47 

20  fragm.  "" 

22,  49,  15  f. 
41,  27, 11  f. 
45  Schluß 
91  fragm. 
MUn/en 

Eckhel  7,  421  f. 

Novius 

102  f.  Ribb. 

Obsequens 

p.  120,  14  Jahn 

Pacuvius 

216  Ribb. 

Petronius 

30  (Kalender) 

71  (Grabschrift  des  Trim.) 

Plautus 

Casina,  prol. 

Flinius 

nat.  bist,  praef.  Anf. 

2,  104,  235 

Plinius 

epist.  1,  16,  5 

Plutarchos 

Sulla  36 
quaest.  Rom.  6 
Polemins  Silvius 


Pomponins 


201, 1     in  Dig.  1,  2,  2,  45 


712  ff. 

519  f. 
736,2 

414 

■  568, 1 

-  675  f. 

-  124  ft'. 

-  161 

-  161 

-  163  ff. 

-  89 

-  91 

-  151 

-  147  f. 

-  644,2 

-  279 

-  169 

-  279 

-  542 
_  200  ff. 

_  Ifi-. 

-  219f. 

-  91 


—  94 

-  165 

-  640  ff. 

—  186,  l 


Register  der  behandelten  Stellen. 


825 


Priscianus 

Snidas 

de  fig.  num.  p.  407  K. 

-  790 

V.  TifiayivTjs 

—  409, 4 

Ptolemaios 

Snetonins 

Geogr.  3,  3,  3 

—  697  f. 

Tiberius  9 

—  182f. 

5,  9,  18 

—  412,  6 

6,  3,  5  =  8,  21,  6 

-  403, 1 

Tacitus 

Qnintilianns 

ann.  2.  88 

-  262  f. 

inst.  1,  6,  30 

—  806 

3,  13 

—  263 

Sallustins 

4,53 

-  263 

Catü.  26fF. 
bist.  1,  34  Maur. 
1,63 

-  86f. 

-  88 

-  88 

6,7 
14,21 
15,74 
16,32 

-  257,2 

—  5 

-  257,  2 

—  263 

4,  69 
lug.  39,  2 

—  88f. 

-  79  f. 

bist.  4,  39 

- 

-  247,  5.  249, 1 

43,1 

—  80  f. 

Tarro 

46-73 

—  78 

de  ling.  Lat. 

5,32 

—  73 

Scriptores  liist.  lug. 

7,16 

—  73 

V.  Marci  25 

-  266 

Vegetlns 

V.  Avidii  Cassii  7 

-  266 

de  re  mil,  2, 

25 

-  738,4 

V.  Severi  17,  5 

-  350,1 

Yelleins 

V.  Maximini,  passim 

—  334  ff. 

1,6 

—  71 

—  91 

—  91 

T.  XXX  tjrann.  33,  1 

-  307,6 

2,  27 

V.  Probi  24 

-345 

2,' 29 

Senins 

Serv.  Dan.  in  Aen.  1,  421 

—  90  f. 

Zosimos 

Solinns 

2,33 

—  660, 1 

15,  17 

-  417, 1 

Zwölf  Tafeln 

Strabon 

7,  7  Schöell 

—  278  f. 

3,2,2 

-  67 

M0M3ISEX,    SCHR.  Vn. 


53 


Weimar.  —  Hof  -  Buchdruckerei. 


n 


«wuir^Gc-^..  MAY  201970 


DG 
15 

Bd.7 


Mommsen,  (Theodor 

Gesammelte  Schriften 


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