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Full text of "Gesammelte Werke"

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Emanuel Geibels 


Geſammelle Werke. 


In acht Bänden, 


Erſter Band. 


Iugendgedichte, — Beitftimmen, — Sonette, 





Hfuffgart. 
Berlag der %. ©. Cotta'ſchen Buchhandlung. 
1883. 


Drud von Gebrüder Kröner in Stuttgart. 








An Elarn Kugler, 

Wie lieblich fließt dur grüne Tannen 

Auf Böhmens Höh'n der Sonne Strahl! 
Durch's Didicht raufcht das Neh von dannen, 
Durch Felſen blinkt der Duell ins Thal, 
Und fern zu blauen Bergeswarten 

Berliert fi träumend Aug’ und Sinn, 

Du aber wandelit durch den Garten 

Sn Stiller Anmuth lächelnd bin. 


Und wie dein Blie mit leifer Frage 
Sich freundlich zu dem meinen neigt, 
Da muß ich denken jener Tage, 

Die mir zuerjt dein Herz gezeigt; 
Da ih, ein ungeftümer Knabe, 

Bon dunklem Jugenddrang bewegt, 
Der eriten Lieder frühe Gabe 
Schamroth in deine Hand gelegt. 


Ach, damals Elang’s mir leife wider 
Was ih voll Sehnſucht vorgefühlt, 
Und flatternd irrten meine Lieder, 
Wie wenn der Wind in Saiten mwübhlt. 
Noch ſchwankte vor dem jungen Herzen 
Die Welt mir wie ein goldner Traum; 
Allein den Abgrund aller Schmerzen, 
Der Freuden Gipfel ahnt’ ich Faum. 


Doch anders ward es. Leid und Wonne, 
Nun hab’ ich fie zum Grund erprobt; 
Mich bat verjengt des Südens Sonne, 
Mich hat des Nordens Sturm umtobt. 
Ich trank der Liebe volliten Sprudel, 
Ich meint um die verlorne Luft; 

Doch in des Lebens wildem Strudel 
Ward ich des Zieles mir bewußt. 





Wenn draußen der verworrne Neigen 
Des Tages laut und lauter Soll, 
Lernt’ ich zum Born binabzufteigen, 

Aus dem mir ew’ge Klarheit quoll. 

Mir jpielte wie mit Fühler Schwinge 
Um’s Haupt der Odem der Natur, 

Und einfam den Gejang der Dinge 
Bernahm mein Ohr aus Wald und Flur. 


Da ward e3 hell mir im Gemrüte, 

Sch ſah durch Eines Geijtes Wehn 

Der Zeiten Schritt, der Blumen Blüte 
In beil’ger Ordnung wechjelnd gehn; 
Sch jah den Tod das Sein gebären, 
Den Einklang hört’ ih durch im Zwiſt, 
Und ahnend lernt’ ich tief verehren 
Das Wunder defjen, was da ilt. 


Was jo im Bufen ich getragen, 

Was ich gefämpft, verfehlt, erſiegt, 
Das laß dir nun dieß Büchlein jagen, 
Drin meine Seele vor dir liegt. 

Sp nimm es hin! Und wuchert munter 
Manch buntes Unkraut auch noch heut: 
Schon find die Erjtlingshalme drunter 
Der Ernte, die mein Leben beut. 


Marienbad, im Julius 1846. 


— „J 


subalt. 


Ingendgedichte, 


Erites Bud). 


Dheitjage, 2’. 
Zigeunerleben . 
Einer jungen Freundin 


Der Knabe mit dem Munderhorn . 


Bergoleje . 
Rothenburg 

Kachtlied 

Borüber! . ; 
Das jterbende Kind 
Zwei Könige 

Einkehr 

Apologie 

Die beiden E ——— 
Schmetterling 

Der arme Taugenichts 
Der Hidalgo 

Der Page. 

Im April 

Feierabend 


Der Zigeunerbube im — 


Frühlingsoffenbarung 


— VII — 


Seite 

Drei Bitten . . - ee [[ 
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König Dichter — 

Lieder 
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Zweites Bud). 

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Clotar . 

Traumfönig und fein Sieb 
Sin der Ferne 

Cita mors ruit 

Friedrich) Rothbart 
Sehnsucht 


Sonette und Diſtichen. 


Dichterleben . 

Alte SBoeten . 

Auf der Akropolis zu Athen 
An den Grafen von Platen . 
Ermunterung 

Neues Leben 

Eros, der Schenf . 

Liebesglüd 

Das Zauberichloß 2 
An Ludwig Achim von Arnim . 
An Ernſt Curtius 


An Hermann Kregihmar, — Maler 


Verwünſchung. 

Sommer im Süden . 

Der Ungenannten 

Unrudiger Sinn . 

Memento mori 

Der Liebenden . 

Bergänglichkeit 

Diſtichen aus Giesentand L_xn. 


Drittes Bud), 


Shajel . 

Vorwärts 

Woran ich denke 
Der Sklav 

Platens Vermächtniß 


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Seite 

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Neue Sonette. 


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Den Berneinenden 

In jchwerer Stunde 
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Beim Tode eines Dichters 
Auferſtehung 


Viertes Buch. 


Auf dem Anſtand 
Wenn ſich zwei Herzen ſcheiden 
Rühret nicht daran! . 

Sn ein Stammbud) . 


Lieder eines fahrenden Schülers L._n. 


Waldmärchen 

Dante . 

Bon des Raifers Bart. 
Welt und Einjamfeit 
Meiden 

Sm Herbite . 

Muth . 

Sm Grafenſchloſſe un 1. 
Der Eintiedler . 

Lied 

Sansſouci 

Minnelied 


Zeitſtimmen. 


Einleitung 

Kreuzzug . 

Was uns fehlt 
Hoffnung . 

Der Alte von Athen. 
Das Negermweib 

Zuflucht — 
Barbaroſſa's Erwachen. 
Auf dem Rhein 

Italien 


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— XI — 


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Der junge Tieherkeflenfnft . - - » » 0 2 2... „ 2 
Schlußwort der erjten Ausgabe. . . . . . — —— 
An Georg Herwehh Feen 
Seht im Walde. : ..: .0 2% 2 We nr 
Lübecks Bedrängniß -.-_. - - .. 00. SEE 
An den König von Preußen . . . ... . 20 Fee 

Sonette, 

Deutiche Klagen vom Jahr 1844. I—X. . . 2... 0. 231 
Für Schleswig-Holjtein. L—-XI.. 2.» 2 2 2 20. 237 





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Frites Bud). 
Lübeck und Boni. 


1834—1835. 


Rheinſage. 


Am Rhein, am grünen Rheine, 
Da iſt ſo mild die Nacht, 

Die Rebenhügel liegen 

In goldner Mondenpracht. 


Und an den Hügeln wandelt 
Ein hoher Schatten her 

Mit Schwert und Purpurmantel, 
Die Krone von Golde ſchwer. 


Das iſt der Karl, der Kaiſer, 
Der mit gewalt'ger Hand 
Vor vielen hundert Jahren 
Geherrſcht im deutſchen Land 


Er iſt heraufgeſtiegen 

Zu Aachen aus der Gruft 
Und ſegnet ſeine Reben 
Und athmet Traubenduft. 


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Bei Rüdesheim da funtelt 

Der Mond in’s Waſſer hinein 
Und baut eine goldene Brüde 
Wohl über den grünen Rhein. 


Der Kaifer geht hinüber 

Und johreitet lanajam fort, 
Und jegnet längs dem Strome 
Die Neben an jedem Drt. 


Dann kehrt er heim nad Machen 
Und ſchläft in jeiner Gruft, 

Bis ihn im neuen Jahre 
Grwedt der Trauben Duft. 


Wir aber füllen die Römer 
Und trinken im goldenen Saft 
Uns deutſches Heldenfeuer 
Und deutſche Heldenkraft. 


Zigeunerleben. 


Im Schatten des Waldes, im Buchengezweig 

Da regt ſich's und raſchelt's und flüſtert zugleich; 
Es flackern die Flammen, es gaukelt der Schein 
Um bunte Geſtalten, um Laub und Geſtein. 


Das iſt der Zigeuner bewegliche Schaar, 

Mit blitzendem Aug' und mit wallendem Haar, 
Geſäugt an des Niles geheiligter Flut, 
Gebräunt von Hiſpaniens ſüdlicher Glut. 


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Um’s lodernde Feuer im fchmellenden Grün 
Da lagern die Männer verwildert und kühn, 
Da Fauern die Weiber und rüften das Mahl, 
Und füllen gejchäftig den alten Pokal. 


Und Sagen und Lieder ertönen im Rund, 
Wie Spaniens Gärten fo blühend und bunt, 
Und magifhe Sprüde für Noth und Gefahr 
Verfündet die Alte der horchenden Schaar. 


Schwarzäugige Mädchen beginnen den Tanz; 
Da jprühen die Fadeln im röthlihen Glanz, 
Heiß lodt die Guitarre, die Cymbel erklingt, 
Wie milder und milder der Reigen fi ſchlingt. 


Dann ruhn fie ermüdet vom nächtlichen Reihn; 
Es rauſchen die Wipfel in Schlummer fie ein, 
Und die aus der fonnigen Heimath verbannt, 
Sie hauen im Traum da3 ‚gejegnete Land. 


Do wie nun im Dften der Morgen erwacht, 
Verlöſchen die ſchönen Gebilde ver Nacht; 

Laut ſcharret das Maulthier bei Tagesbeginn, 

Fort ziehn die Gejtalten. — Wer jagt dir, wohin? 


Finer jungen Freundin. 
(Mit Gedichten.) 


63 fommt dies Büchlein zu dir fein 
Und möchte gern dein Garten fein. 
Zwiſchen den Blumen, die ihn zieren, 
Führ' deine Gedanken hübſch fpazieren. 
Wirſt mandes finden, was dich freut: 
Rojen im dunfeln Grün verftreut, 


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Nele, Apfelblüt! und Rosmarin, 

Und Falter, die dazwiſchen ziehn; 

Auch alte MWipfel leiſ' und ind 

Gerührt vom lauen Sommerwind. 

Und fommt dir's manchmal vor beim Yaujchen, 
Als fei Dir wohlbefannt das Rauchen, 

Sp denk', was raufht und klingt und blüht, 
Das ift am Ende mein Gemüth. 

Und bijt du größer, wirft du jehn, 

Daß zwiſchen den Roſen auch Dijteln jtehn. 
Zürn’ aber drum dem Gärtner nicht; 

Gr ließ fie bei den Blumen licht, 

Damit die Eſel und Reenjenten 

Für ih doch auch was finden könnten. 


Der Knabe mit den Wunderhorn. 


Sch bin ein luſt'ger Gejelle, 

Mer könnt’ auf Erden fröhlicher fein! 

Mein Röplein jo belle, jo belle, 

Das trägt mich mit Windesjchnelle 

J'ns blühende Leben hinein — 
Trarah! 

In's blühende Leben hinein. 


Es tönt an meinem Munde 
Ein ſilbernes Horn von ſüßem Schall, 
Es tönt wohl manche Stunde, 
Von Fels und Wald in der Runde 
Antwortet der Wiederhall — 

Trarah! 
Antwortet der Wiederhall. 


— Dr 


Und fomm’ ich zu feitlihen Tänzen, 

Zu Scherz und Spiel im fonnigen Wald, 

Wo ſchmachtende Augen mir glänzen 

Und Blumen den Becher befränzen, 

Da ſchwing' ih vom Roß mid alsbald — 
Trarah! 

Da ſchwing' ich vom Roß mich alsbald. 


Süß lockt die Guitarre zum Reigen, 

Ich küſſe die Mädchen, ich trinke den Wein; 

Doch will hinter blühenden Zweigen 

Die purpurne Sonne ſich neigen, 

Da muß es geſchieden ſein — 
Trarah! 

Da muß es geſchieden ſein. 


Es zieht mich hinaus in die Ferne; 

Ich gebe dem flüchtigen Roſſe den Sporn. 

Ade! Wohl blieb’ ih noch gerne, 

Doch winken ſchon andere Sterne, 

Und grüßend vertönet das Horn — 
Trarah! 

Und grüßend vertönet das Horn. 





Vergoleſe. 


Endlich iſt das Werk vollendet, 
Und der fromme Meiſter ſendet 
Seinen Dank zu Gottes Thron; 
Da erbrauſt in prächt'gen Wogen 
Durch des Domes ſtolze Bogen 
Schon Geſang und Orgelton: 


BE. 2 2 


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Stabat mater dolorosa 
Juxta crucem lacrymosa, 
Dum pendebat filius, 
Cujus animam gementem 
Contristatam ac dolentem 
Pertransivit gladius. 


Und der Gottesmutter Schmerzen 
Rühren mächtig Aller Herzen, 

Mie die Orgel tiefer jchmillt ; 

Doch in Schönen Himmelstönen 
Mus ſich ſelbſt Die Dual verſöhnen, 
Und der Wehmuth Thräne quillt. 


Quis est homo, qui non fleret, 
Christi matrem si videret 

In tanto supplicio; 

Quis non posset contristari, 
Piam matrem contemplari 
Dolentem cum filio! 


Frommer Schauer, heil’ges Bangen 
Hält des Meifters Seel’ umfangen, 
Todesahnung ernit und mild ; 
Doch in gläubigem Vertrauen 
Sehn mir zum Altar ihn Schauen 
Auf der Jungfrau Gnadenbild. 


Virgo virginum praeclara, 
Mihi jam non sis amara, 

Fac me tecum plangere, 

Face ut portem Christi mortem 
Passionis fac consortem 

Et plagas recolere, 


AIR => 


Horh! Da tönen Seraphäliever 
In den Chor der Frommen nieder, 
Wunder ahnend laufcht das Ohr; 
Erdwärts fteigen fel’ge Geiſter, 
Tragen himmelan den Meifter, 
Und das Lied raufht mit empor: 


Fac me cruce custodiri, 
Morte Christi praemuniri, 
Convoferi gratia; 

Quando corpus morletur, 
Fac ut animae donetur 
Paradisi gloria. 





Kothenburg. 


Der Dieter fommt mit leichtem Muth gezogen 
Durch grüne Triften und durch Korneswogen; 
Da fteigt wor ihm auf wald'gem Bergesfrange 
Gin Schloß empor im Abendjonnenglanze. 


Bald ift ver jteile Gipfel fühn erflommen; 
Bald hat den Gaft der Burghof aufgenommen; 
Dort ftehn als Wächter, eingelullt in Träume, 
Die alten blütenduft’gen Lindenbäume. 


Des Thores Wölbung it in Schutt zerfallen 
Und ungehindert tritt er in die Hallen, 

In die mit goldnem Strahl die Sonne ſchauet, 
In die von oben klar der Himmel blauet. 


Auf einen mooſ'gen Stein ſetzt er ſich ſchweigend, 
Er ſtützt das Haupt, es in die Rechte neigend, 
Und läßt in freiem Spiele die Gedanken 

Sich mit dem Epheu um die Trümmer ranken;: 


— 2-2” — 


„Du altes Schloß, wie bit du jtill geworden, 
Und jchollit jo laut einft von der Luft Accorden! 
Wie tft der belle Schmuck dir abgefallen, 

Und glänzteft einft das herrlichite von allen! 


—* 


Hier fanden ſonſt zu Spiel und luſt'gem Feſte 
In buntem Schwarm ſich hundert edle Gäſte; 
Kein hoher Wandrer zog vorbei der Stätte, 
Der unter deinem Dach geruht nicht hätte. 


Nun ſpielen in des Windes leiſem Koſen 
Hollunderſträuche nur und wilde Roſen, 


Und nur der Sonne, nur des Mondes Schimmer 


In deinen Hallen raſten ſie noch immer. 


Hier ſtürzte ſich in raſchen Melodien 
Trompetenjubel von den Gallerien; 


Die Schleppen rauſchten und die Sporen klangen, 


Wenn ſich im Fackeltanz die Paare ſchwangen. 


Jetzt hörſt du nur das Lied der Nachtigallen 
Aus den umbüſchten Mauerblenden ſchallen; 
Leuchtkäfer laſſen märchenhaft im Dunkeln 
Dazu den lichten Reigen nächtlich funkeln. 


Einſt ſchmückten Scharlachdecken dieſe Wände, 
Durchwirkt mit lautern Goldes reicher Spende: 
Vom grauen Thurme wehten bunte Fahnen, 
Die ſtolzen Zeichen der erlauchten Ahnen. 


Nun läßt der Himmel ſeine Purpurgluten 

In vollen Strömen um die Trümmer fluten, 
Und von den Zinnen ſeh' ich Epheuranken, 
Vergänglichkeit, dein grünes Wappen, ſchwanken. 


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a —i * tät Oö 


Dort vom Altane ſah im Abendſtrahle 

Des Burgheren roſ'ge Tochter wohl zu Thale, 
Und barg geheimnißvoll im reinen Sinne 
Den eriten füßen Blütentraum der Minne. 


Nun quellen Roſen aus des Söllers Spalten, 
Die eben den verſchämten Kelch entfalten, 
Und Schmetterlinge jeh’ ich till daneben, 
Die Geijter jener Liebesträume, ſchweben. 


Du altes Schloß, ih kann nicht um dich weinen, 
Blüht holdes Leben doch aus deinen Steinen; 

Wie eine Leiche hab’ ich dich gefunden, 

Der man den Sarg mit Blumen ſchön ummunden.” 


So jprad der Dichter, und im Spätroth jchienen 
Ihm einen Gruß zu winken die Ruinen; 

Er aber ſchritt, die Bruſt voll junger Lieder, 
Dom alten Schloß zur golonen Au hernieder. 


Nachklied. 


Der Mond kommt ſtill gegangen 
Mit ſeinem goldnen Schein, 

Da ſchläft in holdem Prangen 
Die müde Erde ein. 


Im Traum die Wipfel weben, 
Die Quellen rauſchen ſacht; 
Singende Engel durchſchweben 
Die blaue Sternennacht. 


Se 


Und auf den Lüften ſchwanken 
Aus mandem treuen Sinn 
Viel taufend Liebesgedanfen 
Ueber die Schläfer bin. 


ST 


Und drunten im Thale da funfeln 
Die Fenſter von Liebchens Haus; 
Ich aber blide im Dunkeln 

Still in die Welt hinaus. 


Dorüber ! 


D darum ift der Lenz jo ſchön 
Mit Duft und Strahl und Lied, 
Weil fingend über Thal und Höhn 
So bald er meiter zieht; 


Und darum it jo füß der Traum, 
Den erjte Liebe mebt, 

Meil fchneller wie die Blüt’ am Baum 
Er hinwelkt und verfchmebt. 


Und doch! Er läßt jo ftill erwärmt, 
So reih das Herz zurüd; 

Ich hab’ geliebt, ich hab’ geſchwärmt, 
Ich preiſ' auch das ein Glüd. 


GSejogen hab’ ih Strahl auf Strahl 
In's Herz den kurzen Tag; 

Die jhöne Sonne ſinkt zu Thal, 
Nun komme was fommen mag! 


Sei's bittres Leid, ſei's neue Luft, 
Es ſoll getragen fein: 

Der fihre Scha in meiner Bruft 
Bleibt dennoch ewig mein. 


Das flerbende Kind. 


Wie doch fo ftill dir am Herzen 
Ruhet das Kind! 

Weiß nicht, wie Mutterfchmerzen 
Sp herbe find. 

Auf Stirn und Lippen und Wangen 
Iſt Ihon vergangen 

Das füße Roth; 

Und dennoch heimlicherweiſe 
Lächelt es leife — 

Leiſe 

Küſſet der Tod. 


Zwei Könige. 


Zwei Könige ſaßen auf Orkadal, 
Hell flammten die Kerzen im Pfeilerſaal. 


Die Harfner ſangen, es perlte der Wein, 
Die Könige ſchauten finſter drein. 


Da ſprach der Eine: „Gieb mir die Dirn! 
Ihr Aug' iſt blau, ſchneeweiß ihre Stirn.“ 


Der Andre verſetzte in grimmem Zorn: 
„Mein iſt ſie und bleibt ſie, ich hab's geſchwor'n.“ 


FE 


Kein Wort mehr ſprachen die Könige drauf, 
Sie nabmen die Schwerter und ftunden auf. 


Sie johritten berfür aus der leuchtenden Hall’; 
Tief lag der Schnee an des Schlojjes Wall. 


63 jprübten die Fadeln, es bliste der Stahl — 
Zwei Könige ſanken auf Orkadal. 





Finkehr. 


Der Staub ift heiß, die Sonne glüht, 

Bom langen Wandern bin ich müd; 
Sieh da, im Schatten der Finden 
Mus ih ein Wirtbshaus finden! 


Gott grüß dich, ſchöne Kellnerin! 
Du fiehjt wohl, daß ich müde bin; 
D reihe dem durjtigen Zecher 
Zum Rande voll den Becher! 


Dein Wohl, vein Wohl, vielholdes Kind! 
Ei, wie dir jo rojig die Wangen find, 
Und deine Augen wie Kohlen 
Die funkeln ſchelmiſch verjtohlen. 


Dein Wein ift jüß, dein Wein ift klar; 
Doch ſchau' ih dir auf die Lippen gar, 
Da dünkt von deinem Munde 
Ein Kuß mir noch füßer zur Stunde. 


Du ſagſt nicht: ja, du ſagſt nicht: nein! 
Da muß ich denn jchon herzhaft jein; 
Da haft ihn — gieb mir ihn wieder! — 
Was ſchlägſt du die Augen nieder? 











— — 


Die beiden Engel. 


O kennſt du, Herz, die beiden Schweſterengel, 
Herabgeſtiegen aus dem Himmelreich: 
Stillſegnend Freundſchaft mit dem Lilienſtengel, 
Entzündend Liebe mit dem Roſenzweig? 


Schwarzlockig iſt die Liebe, feurig glühend, 

Schön wie der Lenz, der haſtig ſproſſen will; 

Die Freundſchaft blond, in ſanftern Farben blühend, 
Und wie die Sommernacht ſo mild und ſtill; 


Die Lieb' ein brauſend Meer, wo im Gewimmel 
Vieltauſendfältig Wog' an Woge ſchlägt; 
Freundſchaft ein tiefer Bergſee, der den Himmel 
Klar wiederſpiegelnd in den Fluten trägt. 


Die Liebe bricht herein wie Wetterblitzen, 

Die Freundſchaft kommt wie dämmernd Mondenlicht; 
Die Liebe will erwerben und beſitzen, 

Die Freundſchaft opfert, doch ſie fordert nicht. 


Doch dreimal ſelig, dreimal hoch zu preiſen 
Das Herz, wo Beide freundlich eingekehrt, 
Und wo die Glut ver Roſe nicht dem leiſen— 
Sebeimnißvollen Blühn ver Lilie wehrt! 


Schmeklerling. 


Ein Wetterfähnlein iſt mein Sinn, 
Er ſchwankt und wankt im Lieben, 
Er dreht ſich her und dreht ſich hin, 
Von jedem Wind getrieben. 


— art 


Ein braver Burj, 'ne Schöne Maid, 
Mo die fih treffen allezeit, 
Da foll ein Küßchen in Ehren 
Ihnen fein Narr verwehren. 


Apologie. 


Daß ich auch zur ſchönen Zeit des Frühlings 
Morgens lange ſtets im Bette ſäume, 
Darum wollt ihr, Freunde, mich verklagen? 
Thut es immerhin! Euch hat beim Werden 
Nicht die Muſe freundlich angelächelt, 

Und mit Morpheus lieblichem Geſchlechte 
Seid ihr ganz und gar in herbem Zwieſpalt. 
Nicht die Wonne kennt ihr, auf dem Lager 
Sich zu dehnen, wenn am offnen Fenſter 
Grünes Weinlaub ſchwankt im Sonnenſchimmer 
Und die Blüten rotb und weiß hereinwehn. 
Draußen in den Rojenbüjchen flötet 

Dann die Nachtigall, und wie die Töne 
Lieblich fih durch meine Seele dehnen, 
Spinnt der Morgentraum in halbem Wachen 
Sich noch fort und wird zu holden Liedern. 
Trifft mir endlih dann der Strahl die Wimpern, 
Spring’ ih rajch empor, auf weiße Blätter 
Die gereimten Träume fejtzubannen. 

Abends aber jchleich” ich zur Geliebten, 

Und fie liejt es, was in jüher Dämmruna 
Grüßend durch des Freundes Brujt gezogen, 
Und mit Küffen lohnt fie jede Zeile. 


Saat nun, ihr profanen Traumverädter, 
Sagt nun, wollt ihr länger noch mic fchelten ? 





BET nn 


Ich weiß nicht, iſt's mit mir allein, 
Mag's Andern auch fo geben? 

An jedem Fenfter groß und Klein 
Muß ich was Holvdes fehen. 


Heut’ Hopf ich bei der Blonden an, 
Und morgen bei der Braunen, 

Und übermorgen muß ich dann 
Der Schwarzen Reiz bejtaunen. 
Nur kann ich nimmer allzulang 
Bei Einer mich verweilen; 

Macht mich ein dunkles Auge frant, 
Ein blaues muß mich heilen. 


Und leicht gewogen hier am Dit 
Sind mir die roſ'gen Schönen, 
Denn jede hört ein Liebeswort 

Zur Cither gern ertönen, 

Und jede ſchwärmt auf ihre Art 
Beim janften Glanz der Sterne, 
Und machſt du's nur ein wenig zart, 
So küßt auch jede gerne. 


So fliehn mir denn in leifer Spur 
Dahin die jchnellen Stunden; 

Ich jeufze nicht, ich finge nur 

Und weiß von feinen Wunden; 
Bald bin ich dort, bald bin ich hier 
An Scherz und Spiel mich labend, 
Und jeder Tag bringt Lieder mir 
Und Küfje jeder Abend. 


Geibel, Gef. Werfe. I. 2 


SER Ta 


Der arme Vaugenidits. 


Ich kann wahrbaftig doch nichts dafür, 
Daß ſchief mir die Naf’ im Gefichte jteht, 
Und daß ſich's leichter zur Schenfenthür 
Als binter dem Pflug auf dem Felde gebt, 
Und daß mir beſſer des Müllers Kind 

Als unfer dider Herr Pfarrer gefällt — 
Ich aber predige in den Wind; 

Denn nimmer begreift mich die arge Welt. 


Der Müller, der ift euch ein grimmer Kumpan! 
Er jagt, ib wäre ein Taugenichts, 

Und die Yeute im Dorfe glauben daran, 

Und auch fein roſiges Töchterlein ſpricht's. 

Und wenn ſie mich jiebt am Mühlbach jtehn, 

Da rümpft fie das Näschen und zieht ein Geficht, 
Und weiß doch jo zierlih dabei ſich zu drehn, 
Daß vor Aerger und Yiebe das Herz mir bricht. 


Nun Elag’ ich mein Leid den Bäumen dadrauß, 
Doc fie bleiben jo ſtumm, doch fie bleiben jo jtarr, 
Und Kukuk und Gimpel pfeifen mich aus, 

Und die Käfer jummen: du Narr! du Narr! 

Und wird das nicht anders, und fommt’S nicht balo, 
Sp halt’ ich's im Dorfe nimmermehr aus; 

Da zieh’ ich davon durch den großen Wald, 

Und jtreiche die Fiedel von Haus zu Haus. 





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ENT ae 


Der SHidalgo. 


63 ift jo ſüß, zu jcherzen 

Mit Liedern und mit Herzen 

Und mit dem erniten Streit. 
Erglänzt des Mondes Schimmer, 
Da treibt’3 mich fort vom Zimmer 
Durch Plag und Gafjen meit; 

Da bin zur Lieb’ ich immer 

Wie zum Gefecht bereit. 


Die Schönen von Sevilla 
Mit Fächer und Mantilla 
Bliden den Strom entlang; 
Sie laufchen mit Gefallen, 
Wenn meine Lieder jchallen 
Zum Mandolinenklang, 

Und dunkle Roſen fallen 
Mir vom Balkon zum Dant. 


Ich trage, wenn ich finge, 
Die Cither und die Klinge 
Bon Toledanifhem Stahl. 
Ich fing’ an mandem Gitter, 
Und höhne manden Ritter 
Mit keckem Lied zumal. 

Der Dame gilt die Cither, 
Die Klinge dem Rival. 


Auf denn zum ‚Abenteuer ! 
Schon loſch der Sonne Feuer 
Hinter den Bergen aus; 

Der Mondnaht Dämmerftunden, 


Ra 


Sie bringen Liebeskunden, 
Sie bringen blut’gen Strauß; 
Und Blumen oder Wunden 
Trag' morgen ib nah Haus. 


ver Page. 


Da ib nun entjagen müjjen 

Allem, was mein Herz erbeten, 
Lab mich dieſe Schwelle füllen, 
Die dein jhöner Fuß betreten. 


Darf ih auch als Ritter nimmer 
Dir beglüdt zur Seite jchreiten, 
Lab mih doch als Pagen immer 
In die Meſſe dich begleiten. 


Mill ja treu fein und verjchwiegen, 
Tags dem Eleinften Winfe laufchen, 
Nachts auf deiner Schwelle liegen, 
Mag aub Sturm und Hagel raujcen; 


Will dir ſtets mit ſitt'gen Grüßen 
Morgens friihe Rojen bringen, 
Will des Abends dir zu Füßen 
Lieder zur Guitarre fingen; 


Will den weißen Renner zäumen, 
Wenn's dich lüſtet friſch zu jagen, 
Will dir in des Waldes Räumen 
Dienend Speer und Falken tragen; 


BER EUN ui 


Will auf deinen Liebeswegen 

Selbjt den Fadelträger machen, 

Und am Thor mit blanfem Degen, 
Wenn den Freund du füffelt, wachen. 


Und das Alles ohne Klage, 

Ohne Flehn, nicht laut noch leife, 
Wenn mir nah vollbrabtem Tage 
Nur ein Lächeln wird zum Preiſe; 


Wenn gleich einem Segensiterne, 
Der mein ganzes Wejen lenket, 
Nur dein Aug’ aus weiter Ferne 
Einen einz'gen Strahl mir jchenket. 


Im April. 


Du feuchter Frühlingsabend, 
Wie hab’ ich Dich jo gern! 
Der Himmel wolfenverhangen, 
Nur hie und da ein Stern. 


Wie leifer Liebesodem 
Hauchet jo lau die Luft, 
Es fteigt aus allen Thalen 
Ein warmer Beilchenduft. 


Ich möcht ein Lied erfinnen, 
Das diefem Abend gleich, 

Und fann den Klang nicht finden 
Sp dunkel, mild und mweid. 


Feierabend. 


Wie jih am mejtlichen Himmel 
Hinter den Bergen im Burpurgeflod 
Die Sonne verliert, 

Athmet die Bruft freudiger auf, 


Und jaugt begierig 


Den fühl erfriihenden Hauch des Abends. 


Stiller wird's in der Seele; 

Gin ruhig heitrer See 

Dehnt fie ſich weit; 

Schmwänen gleich 

Ziehen Erinnerungen 

Ueber ven friedlihen Spiegel hin. 


Ruhe, Rube 

Säufelt mih an aus der Höhe. 

Ueber das Auge jinft 

Reife die Wimper, 

Und vom Wunderbaume der Nacht 

Brech' ich des Schlummers liebliche Blüte, 
Des Traumes Golvdfruct. 


Der Zigeunerbube im Morden. 


Fern im Süd das ſchöne Spanien, 
Spanien iſt mein Heimathland, 
Wo die jchattigen Kaltanien 
Rauſchen an des Ebro Strand, 
Wo die Mandeln röthlich blühen, 
Wo die heiße Traube winkt, 

Und die Roſen jhöner glühen 
Und das Mondlicht goloner blinkt, 


Ai a 0 


ner 


Rs, 


Und nun wandr’ ich mit der Laute 
Zraurig bier von Haus zu Haus, 
Doc fein helles Auge ſchaute 
Freundlich noch nach mir heraus. 
Spärlih reiht man mir die Gaben, 
Mürriſch heißet man mich gehn; 
Ach, den armen braunen Knaben 
Bill fein Einziger verftehn. 


Dieſer Nebel drückt mich nieder, 
Der die Sonne mir entfernt, 

Und die alten luſt'gen Lieder 
Hab’ ich alle fajt verlernt. 
Immer in die Melodien 

Schleicht der Eine Klang fich ein: 
In die Heimath möcht ich ziehen, 
In das Land voll Sonnenfdein! 


Als beim legten Erntefeite 

Man den großen Reigen bielt, 
Hab’ ich jüngſt das allerbeite 
Meiner Lieder aufgefpielt. 

Doch wie fih die Baare ſchwangen 
In der Abendſonne Gold, 

Sind auf meine dunfeln Wangen 
Heiße Thränen hingerollt. 


Ach, ih dachte bei dem Tanze 
An des Baterlandes Luft, 

Wo im duft’gen Mondenglanze 
Freier athmet jede Bruft, 

Wo jich bei ver Either Tönen 
Jeder Fuß beflügelt jchwingt, 
Und der Knabe mit der Schönen 
Glühend den Fandango ſchlingt. 


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Nein! Des Herzens jehnend Schlagen 
Länger halt! ich's nicht zurüd; 

Will ja jeder Luft entjagen, 

Saft mir nur der Heimath Glüd! 
Fort zum Süden! Fort nad Spanien 
In das Land voll Sonnenſchein! 
Unter'm Schatten der Kajtanien 

Muß ich einjt begraben jein. 


Fruhlingsoffenbarung. 


Kommt ber zum Frühlingswald, ihr Glaubenslofen ! 
Das iſt ein Dom, drin pred’gen taufend Zungen; 
Seht dieſe blühn'den Säulen, dieſe Roſen, 

Die lichte Wölbung, Grün in Grün verſchlungen! 


Wie Weihrauchswolken ſteigt der Blumen Düften, 
Gleich goldnen Kerzen flammt das Licht der Sonnen, 
Als Jubelhymnen fluten in den Lüften 

Die Stimmen all von Vöglein, Laub und Bronnen. 


Der Himmel felbjt iſt tief herabgejunfen, 
Daß liebend er der Erde fih wermähle; 

Es ſchauern alle Weſen gottestrunfen, 

Und, wie verſtockt auch, ſchauert eure Seele. 


Und dann ſprecht: Nein! Es iſt ein hohl Getriebe, 
Ein Uhrwerk iſt's, wir kennen jeden Faden, 
Sprecht: Nein! zu dieſem Uebermaß der Liebe, 
Und von der Lippe weiſt den Kelch der Gnaden. 





Ihr könnt es nicht. Und thätet ihr's: verwehen 
Ins Nichts würd' eure Läſtrung ſonder Spuren, 
Und keinem Ohr vernommen untergehen 
Im tauſendſtimm'gen Ja der Creaturen. | 


Drei Bitten. 


Drei Bitten hab’ ih für des Himmels Ohr, 
Die jend’ ich täglich früh und jpät empor: 
Zum erften, daß der Liebe reiner Born 

Mir nie verfieg’ in Ungeduld und Zorn; 

Zum zweiten, dab mir, was ich auch vernahm, 
Ein Echo wed’, ein Lied in Luft und Gram; 
Zum dritten, wenn das legte Lied verhallt 
Und wenn der Quell der Liebe leifer wallt, 
Daß dann der Tod mich fchnell mit fanfter Hand 
Hinüberführ’ in jenes befjere Land, 

Mo ewig ungetrübt die Liebe quillt 

Und wo das Lied als einz'ge Sprache gilt. 





O flille dies Verlangen! 


O ftille Dies Verlangen, 

Stille die fühe Bein! 

Zu feligem Umfangen 

Lab den Geliebten ein! 

Schon liegt die Welt im Traume, 
Blühet die duft’ge Nacht; 

Der Mond im blauen Naume 
Hält für die Liebe Wacht. 

Mo zwei fich treu umfangen, 

Da giebt er den holvejten Schein. 
O ftille dies Verlangen, 

Lab den Geliebten ein! 


Du bilt das ſüße Feuer, 
Das mir am Herzen zehrt; 
Lüfte, Tüfte den Schleier, 

Der nun fo lang’ mir wehrt! 


Be; 5 


Lab mich vom rofigen Munde 
Küſſen die Seele dir, 

Aus meines Bujens Grunde 
Nimm meine Seele dafür — 
D jtille dies Verlangen, 
Stille die ſüße Bein, 

Zu jeligem Umfangen 

Laß den Geliebten ein! 


Die goldnen Sterne grüßen 
So klar vom Himmelszelt, 

Es geht ein Wehn und Küſſen 
Heimlih durch alle Welt, 

Die Blumen felber neigen 
Sehnjühtig einander ſich zu, 
Die Nachtigall jingt in den Zweigen — 7 
Iräume, liebe auch du! 

D ſtille dies Verlangen, 

Lab den Geliebten ein! 

Bon Lieb’ und Traum umfangen 

Wollen wir felig fein. 





ar di 


ae 


Im Weinberg. 


Ich hatt! im Weinberg jüngjt zu thun, 
Da fand ih in Gedanken 

Meinen langen Magijter ruhn 

Mitten unter den Ranken. 


Schmunzelt' er jüß und ftredte ſich faul, 
Schaut’ empor zu den Lauben, 
Rief: O wachſe mir doch ins Maul, 
Allerfhönfte der Trauben! 


U 


„Sreund, fei fein Narr, ſteh' auf, qreif zu! 
Wirſt fie ſonſt nimmer erreichen; 

Um einen Safenfuß wie du 

Geſchehn feine Wunder und Zeichen!” 


Spielmanns Jied. 


Und legt ihr zwijchen mich und fie 
Auch Strom und Thal und Hügel, 
Gejtrenge Herrn, ihr trennt uns nie, 
Das Lied, das Lied hat Flügel. 
Sch bin ein Spielmann mwohlbefannt, 
Ich mache mich auf vie Reife, 
Und fing’ hinfort durch's ganze Land 
Nur noch die eine Weife: 
Ich habe dich lieb, vu Süße, 
Du meine Luft und Dual, 
Ich habe dich lieb und grüße 
Dich taufend, taufendmal! 


Und wandr' ich durch den laub’gen Wald, 
No Fin? und Amfel fchweifen: 
Mein Lied erlaufcht das Völkchen bald 
Und hebt es an zu pfeifen. 
Und auf der Haide hört's der Mind, 
Der jpannt die Flügel heiter, 
Und trägt es über ven Strom geſchwind, 
Und über den Berg, und meiter: 

Ich habe dich lieb, du Süße, 

Du meine Luft und Qual, 

Ich habe dich lieb, und grüße 

Dich taufend, taufendmal! 


Durch Stadt und Dorf, dureh Wieſ' und Korn 
Spiel! ich's auf meinen Zügen, 
Da ſingen's bald zu Naht am Born 
Die Mägde mit den Krügen, 
Der Jäger jummt es vor ſich ber, 
Spürt er im Buchenhage, 
Der Fiſcher wirft fein Net in's Meer 
Und ſingt's zum Ruderſchlage: 
Ich babe dich lieb, vu Süße, 
Du meine Luft und Dual, 
Ich habe did lieb und grüße 
Dich taufend, taufendmal! 


Und friiher Wind und Waldvöglein, 
Und Fiſcher, Mägd’ und Jäger, 
Die müſſen alle Boten fein 
Und meiner Liebe Träger. 
So fommt’3 im Ernit, jo kommt's im Scherz 
Zu deinem Ohr am Ende; 
Und wenn du's hörſt, da pocht dein Herz, 
Du ſpürſt es, wer es jende: 

Ich habe dich lieb, vu Süße, 

Du meine Luſt und Qual, 

Sch habe dich lieb und grüße 

Dich taufend, taufendmal! 


König Didier. 


Der Dichter jteht mit dem Zauberitab 
Auf wolfigem Bergesthrone, 

Und Schaut auf Land und Meer hinab 
Und blidt in jede Bone. 


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— 


Für ſeine Lieder nah und fern 
Sucht er den Schmuck, den beſten; 
Mit ihren Schätzen dienen ihm gern 
Der Oſten und der Weſten. 


An goldnen Quellen läßt er kühn 
Arabiens Palmen rauſchen, 

Läßt unter duft'gem Lindengrün 
Die deutſchen Veilchen lauſchen. 


Er winkt, da öffnet die Roſ' in Glut 
Des Kelches Heiligthume, 

Und ſchimmernd grüßt aus blauer Flut 
Den Mond die Lotosblume. 


Er ſteigt hinab in den ſchwarzen Schacht, 
Taucht in des Oceans Wellen, 

Und ſucht der rothen Rubinen Pracht, 
Und bricht die Perlen, die hellen. 


Er giebt dem Schwane Wort und Klang, 
Er heißt die Nachtigall flöten, 

Und prächtig weben in ſeinem Geſang 
Sich Morgen- und Abendröthen. 


Er läßt das weite unendliche Meer 
In ſeine Lieder wogen, 

Ja, Sonne, Mond und Sternenheer 
Ruft er vom Himmelsbogen. 


Und Alles fügt ſich ihm ſogleich, 
Will ihn als König grüßen; 

Er aber legt ſein ganzes Reich 
Dem ſchönſten Kind zu Füßen. 


Lieder als Intermezzo. 


F 


Wenn die Sonne hoch und heiter 
Lächelt, wenn der Tag ſich neigt, 
Liebe bleibt die goldne Leiter, 
Drauf das Herz zum Himmel ſteigt; 


Ob der Jüngling ſie empfinde, 
Den es zur Geliebten zieht, 
Ob die Mutter ſie dem Kinde 
Sing' als ſüßes Wiegenlied, 


Ob der Freund dem Freund ſie ſpende, 
Den er feſt im Arme hält, 

Ob der hohe Greis ſie wende 

Auf den weiten Kreis der Welt, 


Ob der Heimath ſie der Streiter 
Zolle, wenn er wund ſich neigt: 
Liebe bleibt die goldne Leiter, 
Drauf das Herz zum Himmel ſteigt. 


IE 


Und als ih aufitand früh am Tag 

Und meinte, daß es noch Winter ſei, 

Da jauchzte ſchon mit luftigem Schlag 
Die Lerch’ an meinem Fenjter frei: 
Tirili, tirili! Vom blöden Traum, 
Langſchläfer, bift du endlich erwacht? 

Du ſchliefſt und merkteft das Süße kaum, 
Denn ſacht, denn jacht 

St fommen der Frühling über Nacht. 


Und als ih ſchaute zum Himmelsraum, 
Da war er fo blau, da war er fo meit; 
Und als ih blidt’ auf Straub und Baum, 
Da trugen fie all ein grünes Kleid. 

Und als ich jah in die eigene Bruft, 

Da ſaß die Liebe darin und fang 

Mas jelber jo ſüß ich nimmer gewußt; 
Das Klang, das Hang, 

Und foll nun Elingen mein Yeben lang. 


11. 


Sind die Sterne fromme Lämmer, 
Die, wenn fern die Sonne jcheidet, 
Auf den blauen SHimmelsfluren 

Still die Nacht, die Hirtin, weidet? 


Oder find es GSilberlilien, 

Die den reinen Kelch erjchliegen 
Und des Schlummerduftes MWogen 
Durch die müde Welt ergießen? 


* 


—— 


Oder ſind es lichte Kerzen, 
Die am Hochaltare funkeln 
Wenn der weite Dom der Lüfte 
Sich erfüllt mit heil'gen Dunkeln? 


Nein! es ſind die Silberlettern, 
Drin ein Engel uns vom Lieben 
In das blaue Buch des Himmels 
Tauſend Lieder aufgeſchrieben. 


IV. 


Herab von den Bergen zum Thale, 
Dom Thal zu den Höhen hinan, 
Sp zieh’ ich wohl taujendmale, 
Der Frühling zieht mir voran. 


Der Strom im Morgenrothe 

Lockt blinfend das Ufer entlang; 

Der Mond, der Friedensbote, 

Geht mit mir am Himmel den Gang. 


Und alle die Vögel die fingen 
Im Walde jo wundervoll 
Bon taujend herrlihen Dingen, 
Die ib noch finden joll. 


Sie fingen: wohl weit in der Ferne 
Da rauſchet ein waldiger Grund, 

Drin glänzen zwei jelige Sterne, 

Drin blüht ein vielrofiger Mund. 

Die Sterne, die jollen dich grüßen 

Sp fromm, wie fie Keinem gethan, 
Den Mund, den Mund folljt du küſſen, 
Du glüdliher Wandersmann! 


V. 


Gebt mir vom Becher nur den Schaum, 
Den leichten Schaum der Reben! 

Gebt nur einen flüchtigen Liebestraum 
Mir für dies flüchtige Leben! 


Den vollen Zug, das ſichre Gut, 

Ich gönn' es jedem Andern, 

Der feſt am eignen Herde ruht; 

Ich aber muß ſchweifen und wandern. 


Muß ſchweifen und wandern hin und her 
Auf allen Pfaden und Wegen, 

Wohl über die Lande, wohl über das Meer, 
Dem ewigen Lenz entgegen. 


Und wo ein Blick mir freundlich glänzt, 
Und wo auf meiner Reiſe 

Ein Gaſtfreund mir den Wein kredenzt, 
Da ſing' ich die alte Weiſe: 


Gebt_mir vom Becher nur den Schaum, 
Den leihten Schaum der Reben, 

Gebt nur einen flüchtigen Liebestraum 
Mir für dies flüchtige Leben! 


v1 


Wenn die Reb' im Safte jchmillt, 
Kommt die Schwalbe geflogen, 
Wenn das Aug’ in Thränen quillt, 
Kommt die Liebe gezogen. 

Seibel, Gej. Werke. J. 3 


IE 22 


Blume, Laub und weite Blüt’ 

Mus ih raſch entfalten. 
Schwarzbraun Kind, dein Herz behüt', 
Wirſt es nicht behalten. 


vn. 


Der Frühling it ein ſtarker Helo, 
Ein Ritter ſonder Gleichen, 

Die rothe Roſ' im grünen Feld 
Das ift fein Wappen und Zeichen. 


Sein Schwert von Sonnenglanze ſchwang 
Cr fühn und unermübdet, 

Bis hell der jilberne Panzer jprang, 

Den fih der Winter gejchmiedet. 


Und nun mit triumphirendem Schall 
Durchzieht er Land und Wogen; 
AS Herold fommt die Nachtigall 
Vor ihm daher geflogen. 


Und rings erjchallt an jedes Herz 
Sein Aufruf aller Orten, 

Und hüllt' es jih in dreifach Erz, 
Es muß ihm öffnen die Vforten; 


E3 mus ihm öffnen die Pforten dicht, 
Und darf fih nimmer entjchuld’gen, 
Und muß der Königin, die er verficht, 
Der Königin Minne hulv’gen. 





I —— 


en ern ne 


VII. 


Die Liebe gleicht dem April: 

Bald Froft, bald fröhliche Strahlen, 
Bald Blüten in Herzen und Thalen, 
Bald ſtürmiſch und bald ftill, 

Bald heimliches Ringen und Dehnen, 
Bald Wolfen, Regen und Thränen — 
Im ewigen Schwanfen und Sehnen 
Wer weiß, was werden will! 


IX. 


Die jtille Waſſerroſe 

Steigt aus dem blauen See, 
Die feuchten Blätter zittern, 
Der Kelch ift weiß wie Schnee. 


Da gießt ver Mond vom Himmel 
ALL jeinen golonen Schein, 

Gießt alle jeine Strahlen 

In ihren Schooß hinein. 


Im Wafler um die Blume 
Kreifet ein weißer Schwan; 
Er fingt jo jüß, jo leife, 

Und ſchaut die Blume an. 


Er fingt jo füß, jo leife, 

Und will im Singen vergehn — 
D Blume, weiße Blume, 

Kannſt du das Lied verjtehn? 





Ab bin die Roſe auf der Au, 
Die till in Düften leuchtet; 
Dob du, o Liebe, bift der Thau, 
Der nährend fie befeuchtet. 


Sch bin der dunkle Evelitein, 
Aus tiefem Schacht gemwühlet: 
Du aber bift der Sonnenſchein, 
Darin er Farben jpielet. 


Ich bin der Becher von Kryitall, 
Aus dem ver König trinfet; 

Du biſt des Weines jüßer Schwall, 
Der purpurn ihn durblintet. 





Sch bin die trübe Wolkenwand, 
Am Himmel aufgezogen; 

Doch du biſt flar auf mich geſpannt 
Als bunter Regenbogen. 


Sch bin der Memnon jtumm und todt 
Von Wüſtennacht bedecket; 

Du haſt den Klang als Morgenroth 
In meiner Bruſt erwecket. 


Ich bin der Menſch, der vielbewegt 
Durchirrt das Thal der Mängel; 
Du aber biſt's, die ſtark mich trägt, 
Ein lichter Gottesengel. 





Kornblumen flecht’ ich dir zum Kranz 
Ins blonde Lodenhaar. 

Wie leuchtet doch der blaue Glanz 
Auf goldnem Grund jo klar! 


Der blaue Kranz ijt meine Luft; 
Er jagt mir jtet3 aufs neu, 
Wohl keine fei in tieffter Bruft 
Wie du, mein Kind, fo treu. 


Auch mahnt jein Himmelblau zugleic 
Mich heimlich ſüßer Art, 

Daß mir ein ganzes Himmelreich 

In deiner Liebe ward. 


XII. 


Du biſt ſo ſtill, ſo ſanft, ſo ſinnig, 
Und ſchau' ih dir in's Angeſicht, 
Da leuchtet mir verſtändnißinnig 
Der dunkeln Augen frommes Licht. 


Nicht Worte giebſt du dem Gefühle, 
Du redeſt nicht, du lächelſt nur; 

So lächelt in des Abends Kühle 

Der lichte Mond auf Wald und Flur. 


In Traumesdämmerung allmählich 
Zerrinnt die ganze Seele mir, 
Und nur das Eine fühl’ ich ſelig, 
Daß ich vereinigt bin mit dir, 


—— 


XII. 


Mein Herz iſt wie die dunkle Nacht, 

Wenn alle Wipfel rauſchen; 

Da ſteigt der Mond in voller Pracht 

Aus Wolken ſacht — 

Und ſieh, der Wald verſtummt in tiefem Lauſchen. 


Der Mond, der helle Mond biſt du: 
Aus deiner Liebesfülle 

Wirf Einen, Einen Blick mir zu 

Voll Himmelsruh — 

Und ſieh, dies ungeſtüme Herz wird ſtille. 


XIV. 


Aus zerrifinen Wolfenmafjen 
Steigt ins Blau der goldne Mond 
Und beglänzt den Bergesgipfel, 
Wo die Burgruine thront. 


Am bemooften Thurme jteh’ ich, 
Himmelswärt3 das Angeficht, 

Und ich horche, und ich laufche, 
Was der Mond herniederjprict. 





Bon viel taufend Mädchenaugen 
Iſt's ein wunderbares Lie, 
Bon viel taufend rothen Küſſen, 
Die er in den Thalen fieht. 


Und ſchon will er mir erzählen 
Bon dem fernen blonden Kind — 
Ab, da fommen dunkle Wolfen 
Und das Lied verweht im Wind. 


XV. 


sch möchte jterben wie der Schwan, 

Der, langſam rudernd mit den Schwingen, 
Auf feiner blauen Waſſerbahn 

Die Seele löſt in leifem Singen. 


Und jtarb er, wenn der Abend jchied 
Mit goldnem Kuffe von den Gipfeln: 
Nachhallend fäufelt noh das Lied 

Die ganze Nacht in Buſch und Wipfeln. 


O mürde mir ein jolh Geſchick! 
Dürft’ unter Liedern ich erblaſſen! 
Könnt’ ich ein Echo voll Muſik 

Dem Bolf der Deutfchen binterlafjen ! 


Doch Größern nur ward folh ein Klang, 
Nur Auserwählten unter Vielen — 

Mir wird im Tode fein Geſang 
Verflärend um die Lippen fpielen. 


Zonlos werd’ ich hinübergehn, 

Man wird mich ſtumm zur Grube tragen, 
Und wenn die Feier it gefchehn, 

Wird niemand weiter nach mir fragen. 


XVI. 


Vöglein, wohin ſo ſchnell? 

„Nach Norden, nach Norden! 

Dort ſcheint die Sonne nun ſo hell, 
Dort iſt's nun Frühling worden.“ 


= MD 


O Vöglein mit den Flügeln bunt, 

Und wenn du fommit zum Lindengrund, 
Zum Haufe meiner Lieben, - 
Dann jag’ ihr, daß ih Tag und Nacht 
Von ihr geträumt, an jie gedacht, 

Und daß ich treu geblieben. 


Und die Blumen im Thal 
Grüß taufend, taujendmal! 


XV. 
Die Liebe ſaß als Nachtigall 
Im Roſenbuſch und jang, 


65 flog der wunderſüße Schall 
Den grünen Wald entlang. 


Und wie er Klang, da jtieg im Kreis 
Aus tauſend Kelchen Duft, 

Und alle Wipfel vaujchten leis, 

Und leije ging die Luft. 


Die Bäche jhmwiegen, die noch faum 
Geplätſchert von den Höhn, 
Die Nehlein jtanden wie im Traum 
Und laujchten dem Getön. 


Und hell und immer heller floß 

Der Sonne Glanz herein, 

Um Blumen, Bald und Schluht ergof 
Sich goldig rother Schein. 


Sch aber zog den Weg entlang 

Und hörte aud den Schall — 

Ad, was jeit jener Stund’ id) jang, 
War nur jein Wiederhall. 


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XVIII. 


Es ſtand ein Veilchenſtrauß an meinem Bette, 

Der duftete mir zu gar ſüßen Traum: 

Ich lag am Abhang einer Hügelkette, 

Und überblüht von Veilchen war der Raum: 

So viele wuchſen nie an einer Stätte, 

Man ſah vor ihrem Blau den Raſen kaum; 

Da ſprach das Herz: Hier ging mein Lieb, das traute, 
Und Veilchen jproßten auf, wohin fie jchaute, 


XIX. 


Sp halt’ ich endlich did umfangen, 
In ſüßes Schweigen ftarb das Wort, 
Und meine trunfnen Lippen bangen 
An deinen Lippen fort und fort. 


Was nur das Glüd vermag zu geben, 
In jel’ger Fülle ift es mein: 

Ich habe dich, geliebtes Leben, 

Was braucht es mehr, als dich allein? 


D, dede jegt des Schickſals Wille 

Mit Naht die Welt und ihre Bier, 
Und nur dein Auge jehwebe ftille, 

Ein blauer Himmel, über mir! 


Wohl lag ich einjt in Gram und Schmerz, 
Da meint ih Naht und Tag; 


Nun wein’ ich wieder, weil mein Herz 
Sein Glück nicht faſſen mag. 


Mir iſt's, als trüg’ ich in der Bruft 
Das ganze Himmelreich — 

O höchſtes Leid, o höchſte Luft, 

Wie ſeid ihr euch ſo gleich! 


— 
Nun iſt der Tag geſchieden 
Mit ſeinem Drang und Schall, 


Es weht ein kühler Frieden 
Durch's Dunkel überall. 


Wie ſtill die Felder liegen! 

Der Wald nur iſt erwacht, 

Und was er dem Lichte verſchwiegen 
Das ſingt er leiſe der Nacht. 


Und was ich am lauten Tage 

Dir nimmer ſagen kann, 

Nun möcht' ich dir's ſagen und klagen — 
O komm' und hör' mich an! 


XXII. 


Wenn ſtill mit ſeinen letzten Flammen 
Der Abend in das Meer verſank, 
Dann wandeln traulih wir zuſammen 
Am Waldgeſtad im Buchengang. 


Wir fehn den Mond durch Wolken jteigen, 
Wir hören fern die Nachtigall, 

Wir athmen Düfte, doch wir ſchweigen — 
Mas soll der Worte leerer Schall? 


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Das höchſte Glück hat feine Lieder, 
Der Liebe Luft iſt jtill und mild; 
Sin Kuß, ein Bliden bin und wieder, 
Und alle Sehnſucht iſt geitillt. 


XXI. 


Nun bab’ ih alle Seligteit 
Erlooſt von dieſer Erden! 

An feinem Ort, zu feiner Zeit 
Mag Beſſres je mir werden. 


Was nur das Herz zum Himmel hebt, 
Bejcheerte mir die Stunde, 

Der Liebe voller Becher ſchwebt 

An meinem durjt’gen Munde, 


D könnt' ich leeren den Pokal, 

Gh’ dort verlöſcht die Sonne, 

Und dann mit ihrem legten Strahl 
Vergehn vor Liebeswonne ! 


XXIV. 


Du fragit mid, du mein blondes Lich, 
Warum jo ftumm mein Mund? 
Weil mir die Liebe figet, 
Heimlich ſitzet 
Im Herzensgrund. 


Kann denn die Flamme ſingen, 
Wenn ſie zum Himmel will? 
Sie ſchlägt die Flügel hoch und roth, 
So hoch und roth, 
Und doch ſo ſtill. 


— 


Die Roſ' auch kann nicht ſprechen, 
Wenn ſie zur Blüt' erwacht; 
Sie glüht und duftet ſtumm hindurch, 
Stumm hindurch 
Die Sommernacht. 


So iſt auch meine Minne, 
Seit du dich mir geneigt; 
Sie glüht und blüht im Sinne, 
Tief im Sinne, 
Aber ſie ſchweigt. 





XV. 


Wem in Roſen und in Blüten 
Sich verliert des Lebens‘ Pfad, 
Mag die eigne Seele hüten, 

Denn gewiß, die Trauer naht. 


Da ih alle Luft bejejjen, 
Unter Liebesblid und Kuß 
Hatt’ ih Sel’ger, ab, vergejien, 
Daß ich wieder jcheiden muß. 


D wie blidt mich nun die weite 


Melt jo falt und finiter an! 
Wars dob nur an deiner Seite, 
Daß ih all mein Glüf gewann. 


rüber mot’ ich's ſchon ertragen, 
Diejes Schweifen ohne Licht, 

Denn mit Blindheit jelbit geſchlagen 
Kannt' ih noch die Sonne nit. 


ei 32 ae ee 


Aber jest begreift’ ich's nimmer, 
Was noch bleiben fann für mich. — 
MWelh ein Leben obne Schimmer 
Werd' ich leben ohne dich! 


ERVI: 
Goldne Brücken jeien 
Alle Lieder mir, 
Drauf die Liebe wandelt, 
Süßes Kind, zu dir. 


Und des Traumes Flügel 
Soll in Luſt und Schmerz 
Jede Nacht mich tragen 
An dein treues Herz. 


XXV1. 


Nun iſt der legte Tag erſchienen 

Und jonnig blidt er in das Thal. 

Der Wald jcheint tiefer heut zu grünen 
Und Blumen duften ohne Zahl, 

Es wogt das Korn in golonen Aebren, 
Die Vögel fingen wie zum Feit, 

Der Himmel jelbit will uns verflären 
Der ſüßen Stunden kurzen Reft. 


D lab noch heute drum das Härmen! 
Noch ruh ich ja an deiner Bruft. 

Wie Jephthas Tochter wolle ſchwärmen 
Durch Berg und Thal in reiner Luſt! 


ei, 


Ergieb dich ſelig dem Genuſſe, 

Bis fern der Sonne Strahl verglimmt 
Und mit dem letzten Abſchiedskuſſe 
Den Kelch uns von den Lippen nimmt. 


XXVIl. 


Viel taujend, taufend Küſſe gieb 
Süß Liebhen, mir beim Sceiden! 
Viel taufend Küffe, ſüßes Lieb, 
Geb’ ich zurüd mit Freuden. 


Was it die Welt doch gar ohn’ End’ 
Mit ihren Bergen und Meeren, 

Daß ſie zmei treue Herzen trennt, 
Die gut beifammen wären! 


Sch wollt’, ih wär’ ein Vögelein, 

Da flög’ ih ho im Winde 

Alle Nacht, alle Naht im Mondenſchein 
Zu meinem blonden Finde. 


Und fänd’ ich fie betrübt zum Top, 

Da wollt’ ih mit ihr klagen; 

Doch fänd' ih mein Röslein friih und roth, 
Wie wollt’ ih jauchzen und ſchlagen! 


Wie wollt’ ih mit dem ſüßen Schall 
Die ſtille Nacht durdklingen! 

Im Buſch, im Buſch die Nachtigall 
Sollte nicht bejjer fingen. 


O taufend, taufend Küfje gieb, 
Süß Liebehen mir beim Scheiden! 
Piel taufend Küſſe, ſüßes Lieb, 
Geb’ ih zurüd mit Freuden. 





EN 
ORATK 


Vorüber ift die Nofenzeit, 

Und Lilien jtehn im Feld; 

Doch drüber liegt jo klar und weit 
Das blaue Himmelszelt. 


Fahr’ hin, du qualenvolle Luft, 
Du raſches Liebesglüd! 
Du läſſeſt doch in meiner Bruft 
Ein ruhig Licht zurüd. 


Und nad) dem Drang von Freud’ und Leid 
Däucht mir jo ſchön die Welt; 

Vorüber ift die Rofenzeit, 

Und Lilien ftehn im Feld. 


XXX. 


Wie lang iſt's doch, daß ich nicht jang? 
Wohl Monden find dahingegangen — 
Cin langer Winter trüb und bang 
Hielt mir zulegt den Sinn befangen. 


Er brachte mir des Bittern viel; 

Es waren da viel faljhe Zungen, 

Die trieben gar ein ſchlimmes Spiel, 
So daß mir faſt daS Herz zerfprungen. 


Zu fremder Thorheit eigne Schuld 
Berjehrte mich mit gift’gen Pfeilen — 
Doh nun Geduld, o Herz, Geduld! 

Der Frühling kommt, er wird dich heilen. 


7 ee 


Die eriten Rnojpen werden wach, 

Der Bach entrauſcht in ſchnellen Wogen; 
Mein dumpfes Grämen rauſcht ihm nah — 
Friſch auf, und in die Welt gezogen! 


— 
Im Wald, im hellen Sonnenſchein, 
Wenn alle Knoſpen ſpringen, 


Da mag ich gerne mittendrein 
Eins ſingen. 


Wie mir zu Muth in Leid und Luſt, 
Im Wachen und im Träumen, 

Das ſtimm' ich an aus voller Bruſt 
Den Bäumen. 


Und ſie verſtehen mich gar fein, 
Die Blätter alle lauſchen, 
Und fall'n am rechten Orte ein 
Mit Rauſchen. 


Und weiter wandelt Schall und Hall 
In Wipfeln, Fels und Büſchen, 
Hell ſchmettert auch Frau Nachtigall 
Dazwiſchen. 


Da fühlt die Bruſt am eignen Klang, 
Sie darf ſich was erkühnen — 

O friſche Luft! Geſang! Geſang 

Im Grünen! 


— 49 — 
XXXH. 


Der Mai iſt gefommen, die Bäume fchlagen aus, 

Da bleibe wer Luft hat mit Sorgen zu Haus; 

Wie die Wolfen wandern am himmlischen Zelt, 

So jteht aucb mir der Sinn in die weite, weite Melt. 


Herr Bater, Frau Mutter, daß Gott euch behüt! 

Wer weiß, wo in der Ferne mein Glüd mir noch blüht! 
63 giebt jo manche Straße, da nimmer ich marfdirt, 
Es giebt jo manchen Wein, den ih nimmer nod probirt. 


Friſch auf drum, friſch auf im hellen Sonnenftrahl 
Wohl über die Berge, wohl durch das tiefe Thal! 

Die Quellen erklingen, die Bäume raufhen all, 

Mein Herz it wie 'ne Lerche, und ftimmet ein mit Schall. 


Und Abends im Städtlein da fehr’ ich durftig ein: 
„Herr Wirth, Herr Wirth, eine Kanne blanfen Wein! 
Grgreife die Fiedel, du luſt'ger Spielmann du, 

Don meinem Schat das Liedel fing’ ich dazu.“ 


Und find’ ich Feine Herberg, jo lieg’ ich zu Nacht 
Wohl unter blauem Himmel, die Sterne halten Wacht: 
Im Winde die Linde, die rauſcht mich ein gemach, 
Es küſſet in der Früh’ das Morgenroth mid wach. 


D Wandern, o Wandern, du freie Burfchenluft ! 
Da wehet Gottes Odem ſo friſch in die Bruft; 

Da finget und jauchzet das Herz zum Himmelszelt: 
Wie biſt du doch fo ſchön, o du meite, weite Welt! 


Seibel, Ge. Werte. 1. 43 


u ur: 


XXX. 


Die Lilien glühn in Düften, 
Die Blüte jpielt am Baum; 
Hoch zieht in jtillen Lüften 

Am bunten Schmud der Traum. 


Und wo er blidt, da neigen 
Die Blumen das Haupt überall; 
Und wo er zieht, da ſchweigen 
Waldrauſchen und Nachtigall. 


Mir wird das Herz jo ftille 
In diefer milden Nadt, 

Es bricht der eigne Wille, 
Die alte Lieb’ erwacht. 


Faſt ijt’s, als fäm’ ein Grüßen 
Auf mid vom Himmelzzelt, 
Und Frieden möcht’ ich jchließen 
Mit Gott und aller Welt. 





XXXIV. 


Es iſt das Glüd ein flüchtig Ding, 
Und war's zu allen Tagen; 

Und jagteft du um der Erde Ring, 
Du möchteſt es nicht erjagen. 


Leg’ dich lieber ins Gras voll Duft 
Und finge deine Lieder; 

Plötzlich vielleiht aus blauer Luft 
Fällt es auf dich hernieder. 


RE 2°" 


Aber dann pad’ es und halt! es feit 
Und plaudre nicht viel dazmwijchen; 
Wenn du zu lang’ es warten läßt, 
Möcht es dir wieder entwijchen. 


XXXV. 


Und geſtern Noth und heute Wein, 

Das iſt's, was mir gefällt; 

Und morgen ein Roß, ein ſchnelles Roß, 
Zu reiten in die Welt. 


Vergangnes Leid iſt kaum ein Leid, 
Und ſüß iſt Jubel im Haus, 

Und dazu ein Blick, ein heller Blick 
In luſt'ge Zeit hinaus. 


Die Welt iſt jetzt ſo frühlingsgrün 

Und hat der Blumen zu viel, 

Hat Mägdlein ſchön wohl nah und fern 
Und klingend Saitenſpiel. 


Und biſt du nur der rechte Mann, 
Und greifeſt fröhlich drein, 

So Roſ' als Maid, ſo Lieb' als Lied 
Iſt Alles, Alles dein. 


Drum geſtern Noth und heute Wein, 
Das iſt's, was mir gefällt; 

Und morgen zu Roß, wohl hoch zu Roß 
Reit' ich in alle Welt. 


XXXVL 


Das iſt's was an der Menfchenbruft 
Mich oftmals läßt verzagen, 

Daß fie den Kummer wie die Luft 
Vergißt in wenig Tagen. 


Und ift der Schmerz, um den es weint, 
Dem Herzen noch jo heilig — 

Der Vogel fingt, die Sonne jcheint, 
Vergeſſen iſt er eilig. 


Und war die Freude noch jo ſüß — 
Ein Wölkchen fommt gezogen, 

Und vom geträumten Paradies 

Sit jede Spur verflogen. 


Und fühl’ ih das, jo weiß ich faum, 
Was weckt mir tiefern Schauer, 

Daß gar fo kurz der Freude Traum, 
Dver fo furz die Trauer? 


XXXVII. 


Die Sonn’ hebt an vom Wolkenzelt 
Verſtohlnen Glanz zu ſchießen; 

Da giebt es rings in Wald und Feld 
Ein Rauſchen, Rieſeln, Fließen. 


Das Eis zergeht, der Schnee zerrinnt, 
Dann grünt es über ein Weilchen, 
Und leiſe ſingt der laue Wind: 
Wacht auf, wacht auf, ihr Veilchen! 


— 53 — 


O lindes Säuſeln tief im Thal! 

O erſter Duft des Märzen! 

Nun blüht und klingt die Welt zumal, 
Nun klingt's auch mir im Herzen. 


Und wie die Lüfte wundervoll 

Sich blau und blauer dehnen — 
Ich weiß nicht, was das werden ſoll, 
Was will dies Ringen und Sehnen? 


Mir wird die Bruſt ſo weit, ſo weit, 
Als ob's drin blüht' und triebe — 
Kommſt du noch einmal, Jugendzeit? 
Kommſt du noch einmal, Liebe? 


XXXVIII. 


O ſchneller mein Roß, mit Haſt, mit Haſt, 
Wie ſäumig dünkt mich dein Jagen! 

In den Wald, in den Wald meine ſelige Laſt, 
Mein ſüßes Geheimniß zu tragen! 


Es liegt ein trunkener Abendſchein 
Rothdämmernd über den Gipfeln, 

Es jauchzen und wollen mit fröhlich ſein 
Die Vögel in allen Wipfeln. 


O könnt' ich ſteigen mit Jubelſchall 
Wie die Lerch' empor aus den Gründen, 
Und droben den roſigen Himmeln all 
Mein Glück, mein Glück verkünden! 


Oder ein Sturm mit Flügelgewalt 

Zum Meere hinbrauſen, dem blauen, 

Und dort was im Herzen mir glüht und ſchallt 
Den verſchwiegenen Wellen vertrauen! 


a; art 


Es darf mich hören fein menſchlich Obr, | 

Ich kann wie die Lerche nicht jteigen, 

Ich kann nicht wehn wie der Sturm empor, 

Und fann’s doch nimmer verjchweigen. 
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So will’ es, du blinfender Mond im Fluß, 
So wißt es, ihr Buchen im Grunde: 

Sie iſt mein, fie ijt mein! Es brennt ihr Kuß 
Auf meinem jeligen Munde. 


XXXIX. 
Wohl jpringet aus dem Kiejel 
Der Fun? in liter Glut, 


Wohl quillet aus der Traube 
Das heiße Nebenblut, 


Doch aus dem dunfeln Auge, 
Dem holden Auge dein, 

Da quillet nichts als Liebe 
Mir tief in's Herz hinein. 


Seit du zum erjtenmale 

Mich angejehen halt, 

Da ſchwärmen meine Gedanken 
Und haben nicht Ruh, noch Rait; 


Sie ſchwärmen wie wilde Vögel | 
Durch Feld und Walorevier, | 
Und über Buſch und Wipfel 

Allein zu Dir, zu dir. 


Und würden die Berge zu Golpe, 
Und würde das Meer zu Wein: 
Sp wollt’ ih doc lieber, vu Holve, 
Du jolltejt mein eigen jein! 


XI 
Es raufht das rothe Laub zu meinen Füßen, 
Doh wenn es wieder grünt, wo weil’ ih dann? 
Wo werden mich die eriten Schwalben grüßen? 
Ach ferne, fern der Süßen, 
Und nimmer bin ich mehr ein froher Mann. 


Sonſt jang ich ſtets durch Flur und Bergeshalde 
Im braunen Herbit, in flod’ger Winterszeit: 

D ſchöner Frühling, fomm zu deinem Wale, 
Komme balde, balde, balve! 

Nun fing’ ih: Schöner Frühling, bleibe weit! 


Umſonſt! Wie jest fih Haid und Forſt entkleiden, 
Sp blühn fie neu; was fümmert fie mein Gram? 
Das Veilchen fommt, ih muß es eben leiden, 
Muß wandern und muß jcheiden, 

Doch o! wie leb’ ih, wenn ich Abſchied nahm! 


XLI. 
Ich weiß nicht, wie's gejchieht, 
Daß, was mein Herz au fingt, 
Mir immerdar in’S Lied 
Ein Klang der Liebe Elingt; 


Daß ih nicht Schweigen kann 
Bon ihrem Paradies, 
Wiewohl aus jeinem Bann 
Man lange mich veritieh. 


Dann ahn’ ich felber faum: 
Sing’ ih von fünft’gem Glüd? 
Sing’ ih den füßen Traum 
Der Jugend mir zurüd? 


ee 


XLIl. 


Ich bin jo lang’ in Berg und Thal 
Gewandert manche Meile, 

Daß ih auch möchte ruhn einmal, 
Und wär's nur eine Weile. 


Doch wo ich Elopfe an die Thür 

Und um ein Plätchen bitte, 

Da beißt es barih: Was willſt du hier 
Mit deiner fremden Sitte? 


Hier ift fein Amt und feine Zunft, 
In die du könnteſt treten ; 

Die Welt it fommen zur Vernunft, 
Und braucht jegt Feine Poeten. 


Und braudt die Welt der Lieder nit: 
Ich kann fie nicht entbehren; 

Sie find die Sterne, welche licht 

Das Leben mir verflären. 


Sie jind der Himmel, find die Yuft, 
In der mein Weſen lebet, 

Sie ſind der ewige Roſenduft, 

Der meinen Geiſt umwebet. 


Sie ſind mein Lenz, wenn weit und breit 
Im Herbſt die Blätter fallen, 

Sie ſchlagen in trüber Winterzeit 

Um mich als Nachtigallen. 





Käm' ohne fie der Mai einmal, 
Und fäme jelbjt die Liebe, 

Und brädten Wonnen jonder Zahl, 
Mir däucht' es alles trübe; 


Und jollten fie mir einjt vergehn, 
So will ih mich legen zu Grabe, 
Und will nicht eher auferjtehn, 
Bis ich fie wieder habe. 





weites Buch. 


Bert 


1836 — 1837. 


Der Ritker vom Rheine. 


Ich weiß einen Helden von jeltener Art, 
So jtarf und jo zart, jo jtarf und fo zart; 
Das iſt die Blume der Ritterjchaft, 

Das iſt der erite an Milde und Kraft, 

Sp weit auf des Baterlands Gauen 

Die Sterne vom Himmel jchauen. 


Er fam zur Welt auf jonnigem Stein 

Hoch über dem Rhein, hoch über dem Rhein; 
Und wie er geboren, da jauchzt' überall 

Im Lande Trompeten: und Paukenſchall, 

Da wehten von Burgen und Hügeln 

Die Fahnen mit lujtigen Flügeln. 


In goldener Rüftung geht der Gejell, 

Das funkelt fo hell, das funfelt jo heil! 

Und ob ihm aud Mander zum Kampf ji geitellt, 
Weiß Keinen, den er nicht endlich gefällt; 

Es ſanken Fürjten und Pfaffen 

Vor ſeinen feurigen Waffen. 








— 59 — 


Doh wo es ein Felt zu verhberrlichen gilt, 
Wie ift er jo mild, mie ijt er jo mild! 

Gr naht, und die Augen der Gäjte erglühn, 
Und der Sänger greift in die Harfe fühn, 
Und jelbit die Mädchen im Kreife 

Sie füffen ihn heimlicher Weife. 


D komm, du Blume der Nitterfchaft 

Poll Milde und Kraft, voll Milde und Kraft! 
Tritt ein in unjern vertraulihen Rund 

Und mwede den träumenden Dichtermund, 

Und führ’ uns beim Klange der Lieder 

Die Freude vom Himmel hernieder! 


der Huſar. 


Die Schlacht ijt aus, zerjprengt des Feindes Schaaren, 
Ein ſchwarzes Bahrtuch ſinkt die Nacht hernieder, 

Da lagern rings um's Feuer die Hujaren 

Und mwärmen ihre fampfesmüden Glieder. 


Ein bärt’ger Reiter fieht nach jeiner Wunde, 
Ein andrer ladet emfig die Biltolen, 

Die volle Flafche geht von Mund zu Munde; 
Kein Wort erihallt, nur tiefes Athembolen. 


Und jtill ift’3 ringsum. Nur die Frühlingswinde, 
Gewohnt mit holden Blumen fonjt zu fojen, 

Sie fpielen durch's Gefild und fächeln linde 

Der Todeswunden dunkle Burpurrofen. 


Doch fieh! Dort unterm Lindendah am Thurme 
Sit fanft ein junger Reiter eingejchlafen, 

Es rettet’ aus des Krieges wüſtem Sturme 

Sein Geiſt fih in ver Träume Friedenshafen. 


Se 


Gr jhlummert ſüß. ES hat um jeine Wangen 
Ein roſ'ger Freudenſchimmer fich ergofien, 

Gin mildes Lächeln hält ven Mund umfangen, 
Um den die eriten blonden FJlaumen jprofjen. 


Gr träumt jich beim vielleicht in’S enge Zimmer, 
In feines Jugendipiels geliebte Räume — 
Durch's offne Fenſter fällt der Sonnenfchimmer, 


Und draußen duften Wein und Blütenbäume. 


Und vor ihm fteht ein Mädchen hold erglühend, 
Der Morgenitrahl vergoldet ihre Wangen, 

Daß ſchöner noch der Mund, in Burpur blühend, 
Daß glänzender die braunen Locken prangen. 


Sie reiht im Glas ihm feurigen Tofaier, — 
Nachdem fie nicht verſchmäht, zum Gruß zu nippen ; 
Gr aber füßt, ein ungejtümer Freier, 

Anjtatt des ſüßen Weins die füßern Lippen. 


Umſchlungen jtehn fie, ganz in ſich verſunken, 
Und ſchaun fich jelig lähelnd an, und jchmweigen, 
Und nur die Nachtigallen jehmettern, trunfen 
Von Rofenduft, ein Brautlied in den Zmeigen. 


Sp träumt der Jüngling — aber plöglih tönen 
Trompeten fern in lujtigen Yanfaren, 

Es fallen Schüſſe, dumpfe Trommeln dröhnen 
Und auf vom Boden jpringen die Hufaren. 


Der Träumer auch erwacht. Er fährt zujammen, 
Dann ſitzt er eilig auf mit den Genofjen; 

Sie jagen fort; zu Aſche glühn die Flammen, 
Und fern verhallt der Hufichlag von den Roſſen. 


— — — — 








— bl — 


Des Wotewoden Vodter. 


Es ſteht im Wald, im tiefen Wald 
Das Haus des Woiewoden; 
Eiszapfen bangen am Dache kalt, 
Und Schnee bedeckt den Boden. 


Das Fräulein ſitzt am Herd und jpinnt 
Zu ihrem Hochzeitjchleier ; 

Sie hört im Rauchfang gehn den Wind 
Und ſchürt empor das Feuer. 


Da tritt die Walofrau zu ihr ein, 
Die pflegt nichts Guts zu bringen : 
„Guten Abend, feines Goldtöchterlein ! 
Will dir ein Liedchen fingen!” 


„„Was ſollen deine Lieder mir? 
Mein Liebiter, der kommt balde. 
Da haft vu Brod, da haft du Bier, 
Geh wieder heim zum Walde I" 


Die Alte ſprach: „Haft immer Zeit, 
Dein Schag wird nimmer fommen, 
Der Wald ift tief, der Weg iſt meit; 
Hat andern Weg genommen.” 


un das quäljt du mich mit falſchem Weh? 
Treu wird mein Liebiter bleiben, 

Gr ſchwur es mir, bis aus dem Schnee 
Einſt rothe Röslein treiben.“ 


Das Fräulein rief's, doch war ihr bang, 
Der Wind pfiff nicht geheuer, 
Die Alte blieb, die Alte fang 
Ahr dumpfes Lied in's Feuer: 


— 


„Und als ich ging die Schlucht entlang, 
Da kamen drei Wölfe geſprungen, 

Die heulten wie ob gutem Fang 

Und hatten blutige Zungen. 


Und als ih Fam zum Fichtenzaun, 

Drei Raben hört’ ich jchreien; 

Sie ſchrien: ihr Jungen, euch jollt traun 
Der friſche Schmaus gedeihen ! 


Und als ih kam zum eif’gen See, 
Hab’ ich einen Knaben gefunden ; 
65 flo wohl über den Winterjchnee 
Sein Blut aus tiefen Wunden. 


Roth Nöslein blüht aus dem Schnee fo falt, 
Nun bajt du's ſelbſt vernommen. 

Der Weg ijt weit und tief der Wald, 

Dein Schag wird nimmer kommen.” 


Das Lied war aus, die Alte fort, 

Des Herdes Glut vergangen, 

Die Jungfrau ſaß und fprad fein Wort, 
Ihr waren jo bleich die Wangen. 


Und lauter draußen pfff der Wind, 
Und lauter jchrien die Raben. 

Drei Tage nad diefem hat fein Kind 
Der Woiewod begraben. 


Gondoliera. 


O komm zu mir, wenn durch die Nacht 
Wandelt das Sternenbeer ! 
Dann ſchwebt mit uns in Mondespracdt 
Die Gondel über's Meer. 





DEE 


Die Luft ift weich wie Liebesicherz, 
Sanft Spielt der goldne Schein, 

Die Either Elingt, und zieht dein Herz 
Mit in die Luft hinein. 

O komm zu mir, wenn dur die Nacht 
Wandelt das Sternenheer! 

Dann ſchwebt mit und in Mondespracht 
Die Gondel über’s Meer. 


Das ift für Liebende die Stund’, 
Liebchen, wie ich und du; 

Sp friedlih blaut des Himmels Nund, 
Es ſchläft das Meer in Rub. 

Und wie es fchläft, da jagt der Blid 
Mas feine Zunge Spricht, 

Die Lippe zieht fih nicht zurüd 

Und wehrt dem Kufje nicht. 

O fomm zu mir, wenn durch die Nacht 
Wandelt das Sternenbeer! 

Dann ſchwebt mit uns in Mondespract 
Die Gondel übers Meer. 


Abendfeier in Denedig. 


Ave Maria! Meer und Himmel ruhn, 

Bon allen Thürmen hallt der Glode Ton. 
Ave Maria! Laßt vom ird’shen Thun, 

Zur Jungfrau betet, zu der Jungfrau Sohn! 
Des Himmels Schaaren felber knieen nun 
Mit Lilienftäben vor des Vaters Thron, 

Und dur die Roſenwolken wehn die Lieder 
Der ſel'gen Geifter feierlich hernieber. 


ER: 


O heil'ge Andacht, welche jedes Herz 

Mit leifen Schauern wunderbar durddringt! 
O jel’ger Glaube, der fih himmelwärts 

Auf des Gebetes weißem Fittih ſchwingt! 
In milde Thränen löft fih da der Schmerz, 
Indeß der Freude Jubel fanfter Klingt. 

Ave Maria! Wenn die Glode tönet, 

So lächeln Erd’ und Himmel mild verjühnet. 


Der lebte HRalde. 


Im Föhrenwalde ging der Sturm, 
Mitternacht war die Stunde, 

Da trat in des alten Sängers Thurm 
Der Knab' mit trüber Kunde: 


„Hört auf mit dem Leſen nun, Herr Skiold, 
Schaut auf von eurem Bude! 

Der alte Swerker lieb und hold, 

Der liegt im Leichentuche.” 


Da jeufzte der Sänger tief empor: 
„Sei Friede mit dem Biedern! 

Doch meh! Mir ftarb das legte Ohr, 
Das horchte meinen Liedern. 


Wohl fehten die Andern tagaus, tagen, 
Doch find fie des Skalden vergeſſen, 
Und mwerden einjt jelber vergejjen jein, 
So fühn fie des Ruhms ſich vermejien. 


Ich aber habe zur Neige nun 

Des Lebens Kelch geleeret; 

Wohl mag der Sänger gehn und ruhn, 
Wo niemand jein begehret. 


Er Ge 


Auf Knabe, ſchwinge die Fackel ftolz 
Empor zur Balfendede, 
Daß praffelnd von dem dürren Holz 
Die volle Flamme lede! 


Dann eil’ hinaus zum Walde frei, 
Nimm nit, was du erworben, 
Und fage den Leuten rings, es jei 
Der legte Skalde gejtorben.” — 


Und als der Knabe floh, da jtand 
Schon auf den Zinnen der Hohe, 
Und wie ein fönigli Gewand 
Schlug um ihn ber die, Lohe. 


Die Harfe hielt er goldesſchwer 
Und fang vom Thurmesgipfel, 

Da neigten die Föhren rings umher 
Ihre gerötheten Wipfel. 


Doch al3 gemah das Lied verichell, 
Verloſchen auch die Flammen; 

E3 ftürzte dampfend mit Geroll 
Der alte Thurm zujammen. 


Da lag nun unter Schutt und Brand 
Begraben ver lebte Skalde, 

Und niemand fang im ganzen Land, 
Als nur die Vögel im Walde. 


Geibel, Gef. Werke. 1. 


——— RL 


Fpigonen. 


Ich kam in einen grünen Hain, 

Viel Eichen ftanden in der Runde, 
Dur die gewölbte Yaubrotunde 

Floß goldner Sonnenglanz berein; 
Da jtredt’ ich mich ins Gras zur Ruh 
Und ſah dem Spiel der Blätter zu. 


Nah fünfzig Jahren Fam ich wieder, 
Doch modt ih andres da erſchau'n: 
Die ſchönen Wipfel lagen nieder, 

Die Stämme waren ausgehau’n; 

Statt deſſen blühten in der Rund 

Viel taufend Blümlein, Elein, doch bunt. 


Und meil die Eichen nun verjchwunden, 
Brüften fih ſtolz die Blümelein, 

Und meinen gar in manden Stunden, 
Sie möchten jelbit wohl Eichen jein. 


Wolle Keiner mid) fragen. 


Wolle Keiner mich fragen, 
Warum mein Herz jo Ichlägt, 

Ich kann's nicht fallen, nicht jagen, 
Was mich bemeat. 


Als wie im Traume ſchwanken 
TIrunfen die Sinne mir; 

Alle meine Gedanken 

Sind nur bei dir. 





NG —— 


Ich habe die Welt vergejlen, 
Seit ih dein Auge gejehn; 

Ich möchte dich an mich prejien 
Und jtill im Kuß vergehn. 


Mein Leben möcht’ ich laſſen 

Um ein Lächeln von dir, 

Und du — ih fann’s nicht fallen — 
Berjagit es mir. 


Iſt's Schidjal, iſt's dein Wille? 
Du ſiehſt mih nit. — 

Nun mein’ ich jtille, ftille, 

Bis das Herz mir zerbricht. 


Die junge Monne. 


Ach Gott, was hat mein Vater, was meine Mutter gedacht, 
Daß fie mich zu den Nonnen in das Klojter gebracht! 
Nun darf ih nimmer lahen und muß im Schleier gehn, 
Und darf fein liebend Herze mein Kerze vweritehn. 


Sie haben abgejchnitten mein langes jchwarzes Haar, 
Hat Feiner ſich erbarmet meiner jechzehn Jahr; 

Sch bin Schon jo betrübt und bin doch noch jo jung, 
Und bat die Welt der Freuden doch für Alle genung. 


An meiner Zelle Fenſter bau’n die Vögelein, 

Da möcht’ ich oft mit ihnen fo frei und luftig jein; 
Ich höbe meine Flügel und fände wohl den Steg 
Weit über alle Thürme und Klöfter hinweg. 


EIER, — 


Und wenn der Abend dämmert und dunfelt die Nacht, 
Hab’ ich vieltaufendmal an meinen Schat gedacht; 
Nun bin ich eine Nonne, mein Schat ijt jo weit, 
Drum fließen meine Thränen allezeit. 


Es fließen wohl die Wellen mitfammen in das Meer, 
63 fliegen mitfammen die Vögel drüber ber, 

Der Tag hat feine Sonne, die Nacht den Sternenjcein; 
Nur ih muß alle Stunden einfam jein. 


Ich wollt’, fie läuteten im Kreuzgang erſt um mid, 
Und trügen mit den Kerzen mich jtill und feierlich; 
Da wär’ ich los auf einmal von aller Noth und Bein, 
Und dürfte mit den Engeln wieder fröhlich jein. 


Mädchenlieder. 


J 


In meinem Garten die Nelken 
Mit ihrem Purpurſtern 
Müſſen nun alle verwelken, 
Denn du biſt fern. 


Auf meinem Herde die Flammen, 
Die ich bewacht ſo gern, 

Sanken in Aſche zuſammen, 
Denn du biſt fern. 


Die Welt iſt mir verdorben, 

Mich grüßt nicht Blume, nicht Stern; 
Mein Herz iſt lange geſtorben, 

Denn du biſt fern. 


II. 


Wohl waren es Tage der Sonne, 
Die Bäume blühten im Mai, 
Dein Blid ſprach Liebeswoönne — 
Das ijt vorbei. 


Verblüht jind lange die Bäume, 
Der Herbit iſt fommen gejchwind ; 
Die Träume, die fhönen Träume 
Verweht der Wind. 





I. 


Gute Naht mein Herz und fehlummre ein! 
In diefen Herbitestagen 

Ohne Blumen und Sonnenfcein 

Mas mwillit du fchlagen? 


Dein Schmerz ift aus, deine Luft ift todt, 
Verweht find Lenz und Lieder; 

Der Liebe Nöslein purpurroth 

Blüht nimmer wieder. 


Singend zog er ins Land hinein, 
Der faljche, liebe Knabe — 

Und du? — Sm ftillen Grabe 
Schlafe mein Herz, jhlaf’ ein! 


Jr. 


Die Sonne brannte heiß am Tage, 
Nun wird es auf den Abend fühl; 
Die Wolfen ziehn in dunkler Lage, 
Und durch die Luft weht Harfenfpiel. 


es 


Mir ift fo eigen, ift jo trübe; 
Mein Herz ftrebt in. die Ferne fort, 
Es denkt an feine alte Liebe 

Und finnt auf ein verloren Wort. 


Umsonst! Ich werd’ ihn nimmer finden, 
Den Sprud, der Seelen binden mag; 
Warum auch gab ich ihn den Winden, 
Da er auf meinen Tippen lag? 

Ab! Immer finftrer wird der Schatten; 
Sch ſteh' allein in öder Nacht 

Und feine Stätte harrt des Matten, 
Und niemand ift, der mit mir wadt. 





Ankwork. 


Du fragſt mich, liebe Kleine, 
Warum ich ſing' und weine, 
Du frageſt, was mich ſchmerzt? 
Ich habe den Lenz verſäumet, 
Ich habe die Jugend verträumet, 
Ich habe die Liebe verſcherzt. 


Mir ſchwoll der Becher am Munde, 
Ich hatte nicht Durſt zur Stunde, 
Ich ließ vorüber ihn gehn; 

Mir winkt' im grünen Laube 
Granate, Feig' und Traube, 

Doch hab' ich ſie laſſen ſtehn. 


Und als nun kam der Abend, 
Die Sonn' im Glanz begrabend, 
Da war mein Durſt erwacht; 
Aber der Becher der Wonnen, 
Die Früchte waren zerronnen, 
Und dunfelte rings die Nacht. 








AR ge 


Die Welt hat mich verlafjen ; 
Nun fing’ ich auf den Gaffen 
Mein Lied, wie tief es ſchmerzt: 
Ich habe den Lenz verjäumet, 
Ich babe die Jugend verträumet, 
Sch habe die Liebe verfcherzt. 





O fieh mid nidt fo lächelnd an. 


O fieh mich nicht jo lächelnd an, 
Du Nöslein jung, du ſchlankes Reh! 
Dein Blid, der jedem wohlgethan, 
Mir thut er in der Seele meh; 
Mein Herz wird trüb und trüber 
Bei deiner Freundlichkeit; 
Porüber it, vorüber 
Der Liebe Zeit. 


Ja wär ich jung und froh wie du, 
Und wär' ich fo friſch, und wär’ ich jo rein: 
Mie jchlüge mein Herz dem deinen zu, 
Mie könnten wir felig zufammen fein! 
Wie follte durch's Gemüthe 
Mir ziehn ein ſüßer Traum! 
Doh jo — was foll die Blüte 
Am melien Baum? 


Mein Leben liegt im Abenproth, 
Deins tritt erft ein in den fonnigen Tag; 
Mein Herz ift ſtarr, mein Herz it todt, 
Deins hebt erſt an den Iuftigiten Schlag ; 
Du ſchauſt nach deinem Glüde 
In golone Fernen meit, 
Sch blide ſchon zurüde 
In alte Zeit. 


Dr. Nee 


Drum ſieh mich nit jo freundlih an, 
Du Röslein jung, du ſchlankes Reh! 
Dein Blid, der jedem wohlgethan, 
Mir thut er in der Seele meh. 

Laß jcheiden mich und wandern 

Die Welt hinauf, hinab; 

Du findeft einen Andern, 

Und ih — ein Grab. 


Herbſtgefühl. 
O wär' es bloß der Wange Pracht, 
Die mit den Jahren flieht! 


Doch das iſt's was mich traurig macht, 
Daß auch das Herz verblüht; 


Daß, wie der Jugend Ruf verhallt 
Und wie der Blick ſich trübt, 

Die Bruſt, die einſt ſo heiß gewallt, 
Vergißt, wie ſie geliebt. 


Ob von der Lippe dann auch kühn 
Sich Witz und Scherz ergießt, 

's iſt nur ein heuchleriſches Grün, 
Das über Gräbern ſprießt. 


Die Nacht kommt, mit der Nacht der Schmerz, 
Der eitle Flimmer bricht; 

Nach Thränen ſehnt ſich unſer Herz, 

Und findet Thränen nicht. 


Wir ſind ſo arm, wir ſind ſo müd, 
Warum, wir wiſſen's kaum; 
Wir fühlen nur, das Herz verblüht, 
Und alles Glück iſt Traum. 








Yon Dingen, die man nidit antaften fol. 


Ich hatt’ ein Bildniß wunderfein, 

Mit zarten Farben ausgemalt, 

Das hat mit jeinem bunten Schein 

ar lieb ins Auge mir gejtrahlt; 

Sch hielt es ganz für mich allein, 

Und wo ich war, da mußt’ es fein. 
Tags ſtand's an meiner Arbeitsftätte, 
Zu Nacht hing's über meinem Bette, 
Und jelbjt in meinem ſchönſten Traum 
Wie hold es blüht’, ihr glaubt es kaum. 


Da dachten die Leute in der Stadt: 
„Bas der wohl fo befondres hat!“ 
Stamen berbei von allen Enden, 
Betafteten es mit plumpen Händen, 
Hielten e3 gegen Feuer und Licht, 
Ob auch die Farben in der Richt, 
Wiſchten am Firniß bier und dort, 
Und bingen’3 dann an feinen Drt. 


Die Leute find ein eigen Geſchlecht, 

Meinen, fie hätten volllommen Recht, 

Sagen, mir bliebe das Bild ja doch 

Und ich auch ſei derfelbe noch; 

Ich aber ſchlage die Mugen nieder, 

Und wenn ic auf mein Kleinod jeh, 

Thut's mir im tiefiten Herzen weh; 

Der Schmelz ift hin und fommt nicht wieder, 


>> a en 


Derlorene Siebe. 


Und fragft du mich mit vorwurfsvollem Blid: 
Warum fo trübe? Welch ein Mißgeſchick 
Vermag der Seele Frieden dir zu ſtören? — 
Wohlan! Es feil Die nächt'ge Stund’ ift qut, 
Im Becher glüht der Traube dunkles Blut — 
Ron meiner Jugendliebe follit du hören. 





Ich war ein Knab', wie andre Knaben jind, 
Halb trogig heißer Jüngling, halb noch Kind, 
Zu ſcheu, des Lebens Räthſel zu entjiegeln; 
Mein junges Herz war voll und ſehnſuchtsſchwer, 
Es wußte faum, weßhalb — es gli) dem Meer, 
Das ftill des Mondes harrt, ihn abzujpiegeln, 


Da fand ih Sie, das blonde Kind der Flur, 
Und zwiegefchaffen fühlten wir uns nur, 

Uns neu zu einen wie in Edens Räumen; 
Blau war ibr Auge, wie die Sommernadt; 
Und diefe Lippen! — Wem fie nur gelacht, 
Der mußt’ hinfort won heißen Küffen träumen. 


Wohl blüht’ uns damals eine jchöne Zeit, 

Als wir in dunkler Waldeseinjamfeit 

Das Reh belaufchten und der Knoſpen Schwellen, 
Als wir im Kahne — Dämmrung rings umher — 
Uns wiegten auf dem abenditillen Meer, 

Vom Spätroth nur gefehn und von den Wellen; 


Als wir auf mondbeleuchtetem Balkon 
Zweiſtimmig fangen zu der Laute Ton, 

Als wir uns heimlich flüfternd dann umfingen 
Und Aug’ in Auge jeligen Erguß 
Herniederthaute und im erjten Kuß 

Die Seelen brennend an einander hingen. 





2 I 


O mär’ ich bei des eriten Kufjes Taufe 
Damals gejtorben in beglüdtem Rauſch, 

Aus mweihen Armen in die Gruft getrieben! 
Ich wäre jeßt Fein reis mit braunem Haar, 
Stich außen, innen Leiche. — O fürmwahr, 
65 jtirbt als Knabe, wen die Götter lieben. 


Kun mußt’ ich fie verlieren. An den Mann 
Iſt fie gebannt, den fie nicht lieben kann, 

Dem ihre erjten Küſſe nicht zu eigen. 

Gr führte lächelnd zum Altar fie fort; 

Sie wurde bleich, der Prieſter ſprach das Wort, 
Ich aber jtand dabei und mußte fchmeigen. 


Und den? ich dran, jo fodht im Grimm mein Herz, 
Und wie ein faltes Eifen fährt der Schmerz 

Mir dur die Bruft, und jeder Troft verfaget. 
Darum bin ich jo trüb, darum fo wild. 

Doch nun hinweg damit! — Das Glas gefüllt! 
Beim Weine will ich ſchwärmen, bis e3 taget. 


Auf dem Waſſer. 


Nun wollen Berg’ und Thale wieder blühn, 

Die Winde fäufeln dur der Wipfel Grün, 

Des Waldhorns Klang verfhmwimmt im Abendrotd — 
Ich möchte froh fein, doch mein Herz it todt. 


Die Freunde rudern friſch und ſäumen nicht, 
Des Waſſers Furche blinkt im Sternenlicht, 

Die Cither Klingt, im Takte ſchwebt das Boot — 
sh möchte froh jein, doch mein Herz ijt todt. 


RE 


Der Mond geht auf und lauter wird die Luft, 
Es drängen Lieder fih aus jeder Bruft, 

Der Wein im Becher glutet dunkelroth — 
Sch möchte froh fein, doch mein Herz iſt todt. 





Und jtiege meine Lieb’ aus ihrem Grab 

Mit all den Wonnen, die fie einjt mir gab, 
Und böte Alles, was ſie einjt mir bot: 
Umfonft! — Denn bin it bin und todt ift todt. 


Des Müden Abendlied. 


Berglommen it das Abendroth, 
Da tönt ein fernes Klingen; 

Ich glaube fait, das ift der Tod, 
Der mill in Schlaf mich fingen. 
D finge nur zu, 

Du Spielmann du! 

Du ſollſt mir Frieden bringen. 


Ein weiches Bette der Raſen giebt, 

Es fäufeln jo fühl die Cypreſſen, 

Und mas ich gelebt, und was ich geliebt, 
Ich mill es Alles vergefjen. ; 
Keinen Ruhm, fein Glüd 

Laſſ' ich zurüd, 

Hab’ nihts als Schmerzen beſeſſen. 


So fahr’ denn wohl, du arge Welt 
Mit deinen bunten Schäumen ! 
Was dich ergößt, was dir gefällt, 
Wie gern will ich’S verfäumen! 
Schon mehet die Nacht 

Mich an fo ſacht; 

Nun laßt mih ruhn und träumen. 





Pr 


O Jugendzeif. 


D Jugendzeit, du grüner Wald, 
Darin der Liebe Nöslein blüht, 
Wie ift dein Raufchen mir verhallt, 
Verhallt im Ohr und im Gemüth! 
Voll Liebesluft der friſche Muth, 
Der helle Blid, der fede Sinn, 
Das raſche, rothe Dichterblut, 

O ſprich, o fprich, wo find fie hin? 


Es kamen Zeiten ſchwer wie Blei, 
Der Zweifel ſchlich in diefe Bruft, 
Der Traum der Neigung flog vorbei 
Und blafjer wurden Licht und Luft; 
Und wenn ich in die Zukunft ſchau, 
Das iſt nicht mehr das alte Gold; 
Ich ſeh' ein trübes Nebelgrau, 
Wie's herbitlih um die Berge rollt. 


Und doc getroft! Die Blütenzeit 
Verweht hat fie des Windes Flucht, 
Doch reift in tiefer Einſamkeit 

Und unter Schmerzen reift die Frucht. 
Die Sehnſucht lafj’ ih nimmer los; 

Sie wählt in kranker Bruft und fchwillt, 
Wie in der dunkeln Muſchel Schoof 
Empor die lichte Verle quillt. 


Drum klag' ich nicht, drum zag' ich nicht, 
Sie halt’ ich feit in Noth und Bein, 

Und wenn mein Herz im Rampfe bricht, 
So muß die Sehnfucht Flügel fein. 


3 ee 


Da ſchwingt fie kühn ſich auf mit mir, 
Daß bell wie Liedesaruß es jchallt, 

Und ſchwebt, und trägt mich heim zu dir, 
D Augendzeit, du grüner Wald! 





Die es geht. 


Sie redeten ihr zu: Er liebt dich nicht, 

Gr jpielt mit dir — Da neigte fie das Haupt, 
Und Thränen perlten ihr vom Angeficht 

Wie Thau von Rojen; o, dab ſie's geglaubt! 
Denn als er fam und zweifelnd fand die Braut, 
Ward er voll Trog, nicht trübe wollt’ er jcheinen; 
Gr jang und jpielte, trank und lachte laut, 

Um dann die Nacht hindurch zu meinen. 


Wohl pocht' ein guter Engel an ihr Herz: 

„Er ilt doch treu, gieb ihm die Hand, o gieb!“ 
Wohl fühlt! auch er durch Bitterfeit und Schmerz: 
„Sie liebt dich doc, fie iſt ja doch dein Lieb, 

Ein freundlih Wort nur ſprich, ein Wort vernimm, 
Sp iſt der Zauber, der euch trennt, gebrochen.” 

Sie gingen, jahn ſich — o, der Stolz iſt ſchlimm! — 
Das Eine Wort blieb ungejprocen. 


Da jhieden fie. Und wie im Müniterchor 
Verglimmt der Altarlampe rother Glanz — 

Grit wird er mait, dann fladert er empor 

Noch einmal hell, und dann verlifht er ganz — 
So jtarb die Lieb’ in ihnen, erft beweint, 

Dann heiß zurüderjehnt, und dann — vergeflen, 
Bis fie zulegt, e3 jei ein Wahn, gemeint, | 
Daß fie ſich je dereinit beſeſſen. 





ee, 


Nur manchmal fuhren fie im Monvdenlicht 
Vom Kiffen auf. Bon Thränen war es naß, 
Und naß von Thränen war noch ihr Geficht; 
Seträumet hatten fie — ich weiß nicht mas. 
Dann dachten fie der alten fchönen Zeit, 

Und an ihr nichtig Zweifeln, an ihr Scheiden, 
Und wie fie nun jo weit, jo ewig weit. — 
D Gott, vergieb, vergieb den Beiden! 


Hiehfl du das Meer. 


Siehjt du das Meer? Es glänzt auf feiner Flut 
Der Sonne Pradt; 

Doch in der Tiefe, wo die Verle rubt, 

St finſtre Nacht. 


Das Meer bin ich. In ſtolzen Wogen rollt 
Mein wilder Sinn, 

Und meine Lieder ziehn wie Sonnengold 
Darüber hin. 


Sie flimmern oft von zauberhafter Luſt, 
Von Lieb' und Scherz; 

Doch ſchweigend blutet in verborgner Bruſt 
Mein dunkles Herz. 


Reue. 


Die Nacht war ſchwarz, die Luft war ſchwül, 
Ich fand nicht Schlaf auf meinem Pfühl, 
Mein Sinn ward trüb und trüber; 

Da ſchritten die Tage der alten Zeit 
Zu langem, langem Zug gereiht 
Wehllagend mir vorüber: 


ee 


„Du battejt den Lenz und du halt ihn entlaubt, 
Du battejt das Heil und du haft nicht geglaubt, 
Du batteft ein Herz zum Lieben, 

Du bait es vertändelt mit eitlem Schein; 

Nun biit du zulegt allein, allein 

Mit deinem Nammer geblieben.“ 


„And wie du ringjt in bangem Gebet, 
Es iſt zu ſpät, es iſt zu fpät, 

Du darfit von Raſt nicht willen; 
Dein einfam Herz tft dein Gericht.“ 
Ich aber drüdte mein Angeficht 
Zautweinend in die Kiffen. 


Sclaflofigkeit. 


Wenn ih in den Anabenjahren 
Abends hinſank auf mein Bette, 

D mie war die Rajt mir lieblich ! 
Schon nah wenig Athemzügen 
Löſten fih von jelbit die Wimpern 
Und des Schlafes Wellen jpülten 
Um die Brujt mir leicht und linde, 
Und der Traum mit Elfenhänden 
Nahm mir von der jungen Seele 
Allen kleinen Harm des Tages. 


Uber jegt wie ward es anders! 
Sud’ ih Mitternahts mein Lager 
Mit herabgebrannter Kerze, 

Bleibt der füße Schlaf mir ferne; 
Denn die Sehnſucht rudt am Kiffen, 
Und es laiten die Gedanken 





ES 2 


Auf mir wie ein böjer Alpdrud, 
Und mit Rabenflügeln jehwirren 
Um mein Haupt die fchlimmen Sorgen. 


Stundenlang mit heißem Auge 
Starr’ ib dann hinaus ins Dunkel, 
Bis zulegt die matte Seele 

Sich verliert in dumpfen Träumen. 


Ach, was gäb’ ih drum, ihr Freunde, 
Könnt ib nur nod einmal wieder, 
Ginmal wie ein Jüngling weinen, 
Ginmal jchlafen wie ein Knabe! 


— ⸗ 


Scheiden, Leiden. 


Und biſt du fern, und biſt du weit 
Und zürnſt noch immer mir, 

Doch Tag und Nacht voll Traurigkeit 
Iſt all mein Sinn bei dir. 

Ich denk' an deine Augen blau 

Und an dein Herz dazu — 

Ach, keine, keine find' ich je, 

Die ſo mich liebt, wie du. 


Wie ſtand die Welt in Roſen ſchön, 
Da ih bei dir noch war; 
Da rauſcht' es grün won allen Höhn, 
Da ſchien der Mond jo Har. 
Du brachſt die Ro)’, ich fühte dich, 
Ich küßt' und jang dazu: 
Wohl feine, keine find’ ich je, 
Die jo mich liebt, wie du. 

Geibel, Gef. Werke. 1. 6 


EN BER 


Wohl bin ich frei nun wie der Falf, 
Der über die Berge fliegt, 

Vor dem die Welt, die fhöne Welt 

Hellſonnig offen liegt; 

Doch hat der Falk fein heimisch Neft, 
Und wo wird mir einjt Ruh? 

Ad, Feine, feine find’ ich je, 

Die fo mich liebt, wie du. 


O ſchlimmer Tag, o ſchlimme Stund’, 
Die uns für immer jchied! 

Da find aus meines Herzens Grund 
Geſchieden Freud’ und Fried’. 

Nun ſuch' ich wohl durd Land und See, 
Und babe nit Raft nob Ruh; 

Doch feine, feine find’ ich je, 

Die jo mich liebt, wie du. 


Nachruf. 


In dieſen Zimmern haſt du jüngſt gewohnt, 

Die Treppen hat dein ſchöner Fuß betreten, 
Durch dieſe Wipfel ſchauteſt du den Mond 

Und ſahſt den Sommer blühn auf dieſen Beeten. 


Und dort an jenem Fenſter ſaßeſt du 

Und alter Zeit gedachteſt du im Herzen, 
Und dort entſchliefſt du, wenn zu tiefer Ruh 
Dein Nachtgebet beſprochen alle Schmerzen. 


Ach, da du fortzogſt, mußt' es jedem ſein, 
Als ob der Engel dieſes Hauſes ſchiede; 
Ich aber trat an deiner Statt herein, 

Ein wilder Gaſt mit meinem wilden Liede. 





Nun iſt mir oft, al3 wüßten fie von dir 

Und müßten reden dieje ftummen Wände, 

Als ſchwebt' um Garten, Wald und Blumen bier 
Ein Still Vermächtniß, das ich nicht verſtände. 


Und doc, verjtänd’ ich's, möcht’ e8 mir — wer weiß! — 
Dom Buſen wälzen eine Laſt won Kummer 

Und diefe Wimper müd und fieberheif 

Mit Thränen wieder fegnen und mit Schlummer. 


MWüpt’ ich das Eine nur, was Tag und Nacht 
Die Raſt mir nimmt und mir verftört das Leben, 
Das Eine nur, ob du nod mein gedacht, 

Und, wenn du's thatejt, ob du mir vergeben? 


Slotar. 


(Fragment) 
1838. 


63 liegt am Strand der Spree im Preufenland 
Die Stadt Berlin, die jede Zeitung nennt, 
Berühmt durch ihren Frig und ihren Sand 
Und taufend Dichter, welche Niemand fennt; 
Dort lebte no vor Kurzem unbelannt, 

Doch werth, daß ihr ihn fennet, ein Student, 
Und weil mir eben andre Helden fehlen, 

Will ih von meinem Freund Glotar erzählen. 


Er war ein feltner Kauz, halb Mann, halb Kind, 
Ein Menſch, als hätt’ ihn der April geboren: 
Bald heldenkühn und raſch zur That gefinnt, 
Bald träumerifh in Schwärmerei verloren; 


— 


Trübſinnig heute, wetterlauniſch, blind 

Und morgen jeden Kummer abgeſchworen; 

Jetzt wehmuthweich, jetzt trotzig, nimmer ſtet — 
Mit einem Wort: er war ein Stück Poet. 


In der Geſellſchaft, wo am blanken Theetiſch 

Das Waſſer brodelt und der Blauſtrumpf glänzt, 
Und wo proſaiſch bald und bald poetiſch 

Des Geiſts Rakete durch die Luft ſich ſchwänzt, 
Langweilt' er ſich; er liebt' es nicht, den Fetiſch 
Mit anzubeten, den man juſt bekränzt; 

Er ſchwieg darum, und that er auch den Mund auf, 
So war's zu gähnen nur von Herzensgrund auf. 


Auch haßt' er Ceremonien und Viſiten, 

Manſchetten, Binde, Frack, den Hut im Arm, 

Den Mund voll Phraſen und das Herz voll Nieten, 
Und fader Püppchen aufgeſtutzten Schwarm; 

Ja, hätte manche Dame zu gebieten, 

So würde längſt ihm in der Hölle warm, 

Damit er qualvoll dort es lernen müſſe, 

Wie man die ſchönberingte Hand ihr küſſe. 


Dagegen liebt' er alte Folianten, 

Woraus der Geiſt vergangner Größe ſprach; 

Wenn bleicher ſchon des Himmels Sterne brannten, 
Saß einſam er noch oft bei ihnen wach. 

Er ſpürt' in ihrem Schacht den Diamanten 

Der Schönheit und dem Gold der Weisheit nach, 
Und hörte drin mit andachtsvollem Lauſchen 

Des Lebens tiefverborgne Quellen rauſchen. 


Ernſthaft ans Werk, zum Frohſinn aufgeräumt, 
Das war ſein Wort und das war ſeine Weiſe. 
Seht hin! Die Cither klingt, der Becher ſchäumt, 
Er raſtet beim Gelag im Freundeskreiſe; 





Da glänzt die Stirn, die eben noch geträumt, 
Die blaffe Wange färbt mit Roth fich leife, 
Die Wimpern zuden raſch, die Augen bligen 
Und feine Lippe jprüht von hundert Witzen. 


Und fand er Mädchen ſinnig, lieb und fhlicht, 
Mit offner Stirn und feingewölbten Brauen, 

Sp weilt' er gern. hr lächelndes Geſicht 

Boll roj’gen Friedens ſcheucht' ihm jedes Grauen; 
Ihm mar’s, als ſäh' er dur des Auges Licht 
Der Seele tiefen Himmel glänzend blauen; 

Im Herzen klang ihm leife Melodie, 

Und Liebe fühlt! er nicht, doch ahnt’ er fie. 


Wir werden lieben! — Schöne Dämmerzeit! 
Die Luft iſt jtill, nur fchauert’S in den Bäumen, 
Grröthend dehnt der Himmel ſich jo meit, 

Die Vögel jhlafen noch, die Blumen träumen 
Und duften aus dem Traume, weit und breit 
Zieht leichter Nebel an den Bergesfäumen; 

Doch Alles findet Schon, daß jtrablenvoll 

Der Sonne Gruß die Welt entzünden joll. — 


Es war April. Der Schnee im Thal zerihmolz, 
Die Ströme tanzten jiegreih durch die Flur, 
Die eriten Schwäne wiegten flügelitolz 

Den Leib im tiefen fonnigen Azur, 

Don harz'gen Knospen ſchwoll das dürre Holz, 
Durch deſſen Kronen lau der Weſthauch fuhr, 
Und Shüchtern aus dem lodern Boden trat 
Dom Licht gewedt die erſte grüne Saat. 


D kennt ihr jene Sehnſucht, die jo mild 

Zu diejer Zeit die Menjchenbruft durchzieht, 
Die janft mit jedem Frühlingshauche jehmillt, 
Mit jedem Beilchen voll und voller blüht, 


Die, o jo ſüß und doch jo ungeftillt, 

Kaum weiß, wonad jte jeufzt, wofür jie glübt, 
Und endlich, wenn der Abendjtern erjcheint, 
Der Hoffnung und Erinnrung Thränen weint? 


Diejelbe Sehnſucht iſt's, die in der Nacht 
Die Nahtigall der Roſe ſchmelzend Elagt, 
Diejelbe, die vom fühen Traum erwacht 

Uns jeufzen läßt, daß es ſchon wieder tagt, 
Diefelbe, die im Mäpchenherzen jacht 

Sih regt und dennoch ſich zu regen zagt, 
Wenn jechzehnjährig es zum erjtenmal 
Entgegenfnospt der Liebe jungem Strahl. — 


Es war April. Am Fenjter jtand Clotar 

Und ſah hinaus zum meiten Himmelsbogen, 

Wo aus dem Blau die Sonne licht und Kar 
Herniederfhien und wo die Schwalben zogen, 

Und aud in feiner Bruft fing wunderbar 

Der Wellenſchlag der Sehnſucht an zu wogen, 
Ihm mwar’s, als rief’3 ihn aus dem dumpfen Haus 
Mit taufend Stimmen in die Welt hinaus. 


Und plöglih fuhr er auf, wie aus dem Traum 
Ein Kranker fährt, wenn er ſich fühlt geneſen — 
Vom Auge reibt er ſich des Schlummers Flaum, 
Und nicht begreift er, was mit ihm gemejen; 
Was hinten liegt, däucht ihm ein Leben faum, 
Der Zukunft farb’ge Blätter will er leſen, 

Er ruft: Hinaus, um neue Kraft zu faugen! 
Das friihe Grün ift gut für trübe Augen. 


Und von der Wand nahm er den Wanveritab, 
Den Arioft und feine treue Laute; 

Dann ging’3 die Friedrihsitraße rajch hinab, 
Die jchattenlos einförmig langgebaute; 





Ede) 


Ihn kümmert's wenig, daß auf ihn herab 
Aus manchem Fenjter man verwundert jchaute ; 
Zum Hallfhen Thor ſchritt er hinaus in Ruh, 
Und wandert ohne Umſchau'n rüftig zu. 


Doch fürcht' ich wahrlich, mancher wird mich fchelten, 
Dat meinen Helden ih jo ungerührt 

Von dannen fchide, und ich laſſ' es gelten, 

Berlin hat Vieles, dem ein Lob gebührt. 

Schön iſt's unjtreitig Abends an den Zelten, 

Wenn man fein Liebehen dort jpazieren führt; 
Schön ift’3 im fifhberühmten Stralau, Dank o 
Neptunus dir, und ſchön iſt's auch in Pankow. 


Schön it der Staub der wimmelnden Chauffeen, 
Schön ift der Fähndrihs feingefehnürtes Corps, 
Schön find die nachgeäfften Vropyläen 

Mit Treppen drauf, daS Brandenburger Thor, 
Schön des Ballet hochaufgeſchürzte Feen, 

Und ſchön des Coloſſeums Damenflor, 

Sa, ſchön find Menſchen, Waſſer, Luft und Erde, 
Bor allem die Charlottenburger Pferde — — 


Traumkönig und fein Sieb. - 


Süß jchlummert das Mädchen im Kämmerlein, 
Gebettet auf reinlihem Pfühle; 

Die Sommernadbt haucht würzig berein 

Mit ihrer erquidenden Kühle. 


Am Feniter blühn die Rojen zumal, 

Es duften jo jüß die Linden, 

Kaum mag des Mondes goldner Strahl 
Durch's Laub den Eingang finden. 


EN ARE 


Doch plötzlich ſtärker wird der Duft, 
Glühwürmchen mweben und flimmen, 

Es rauſchen die Blätter, es Hingt die Luft 
Bon leifen melodifhen Stimmen: 


„Süß Lieb, ſüß Lieb und wiege dich fein 
Auf stillen Schlummermogen! 
Traumkönig will dein Liebjter fein, 
Traumkönig fommt gezogen.” 


Da fteht der Elf zu Häupten ihr; 
Er jhüttelt die Loden, die dunfeln, 
Daß hell an feiner Krone Bier 
Die Edelſteine funfeln. 


Dann beugt er fih ſanft auf die Holde herab, 
Küßt Stirn und Lippen ihr leife, 

Und zieht mit goldenem Zauberjtab 

Umber viele luftige Kreife. 


Und wie er fie weiter und meiter jchlinat, 
Da wird zum Palaſte das Stübchen, 

Drin ruhn, von fürjtlihem Glanz umringt, 
Traumkönig und fein Liebchen. 


Aus purpurnen Polſtern bereitet jhwillt 
Die prächtige Lagerſtätte; 

Bon ferne dämmert die Lampe milo, 
Zwei Pagen fnieen am Bette. 


Und drüber in filbernem Reifen ſchwingt 

Ein Vogel fein farbig Gefieder, 

Gr jhaufelt fih jaht wie im Schlaf und fingt 
Ein Brautlied jchmelzend hernieder. 





Sp ruht Traumfönig beim Liebchen fein 
In traulihem Küffen und Kofen, 

Bis hell das Lager der Morgenſchein 
Bekränzt mit leuchtenden Roſen. 


Dann fehwindet der Elfe von dannen jacht, 
Rings ift der Zauber zerfloſſen, 
Und aub das Mädchen, das holde, erwacht, 
Bon lieblicher Scham übergofjen. 


Doch als fie empor nun die Augen jchlägt, 
Bon langen Wimpern umfäumet, 

Da ſeufzt fie, da preßt fie das Herz bewegt: 
Ach, war denn mein Glüd nur geträumet? 


In der Ferne. 


Sag an, du wildes oft getäufchtes Herz, 
Was follen diefe lauten Schläge nun? 
Willſt du nah fo viel namenlofem Schmerz 
Nicht endlih ruhn? 


Die Jugend ijt dahin, der Duft zerjtob, 
Die Rofenblüte fiel vom Lebensbaum; 
Ach, was dich einjt zu allen DR hob, 
63 war ein Traum. 


Die Blüte fiel, mir blieb der jcharfe Dorn, 
Noch immer aus der Wunde quillt das Blut; 
Es find das Weh, die Sehnfuht und der Zorn 
Mein einzig Gut, 


—— 


Und dennoch, brächte man mir Lethe's Flut 
Und ſpräche: Trink, du ſollſt geneſen ſein, 
Sollſt fühlen, wie ſo ſanft Vergeſſen thut, — 
Ich ſagte: Nein! 


War Alles nur ein weſenloſer Trug, 
Er war ſo ſchön, er war ſo ſelig doch; 
Ich fühl' es tief bei jedem Athemzug: 
Ich liebe noch. 


Drum laßt mich gehn, und blute ſtill mein Herz; 
Ich fuhe mir den Ort bei Naht und Tag, 

Wo mit dem legten Lied ich Lieb’ und Schmerz 
Berhauden mag. 


Cita mors ruit. 


Der ſchnellſte Reiter ijt der Tod; 

Er überreitet das Morgenroth, 

Des Wetters rajches Bligen; 

Sein Roß it fahl und ungeſchirrt, 
Die Senne fhwirrt, der Pfeil erflirrt 
Und muß im Herze fißen. 


Durh Stadt und Dorf, über Berg und Thal, 
Im Morgenrotb, im Abenditrahl 

Geht's fort in mwildem Jagen, 

Und wo er floh mit Ungejtüm, 

Da ſchallen die Gloden hinter ihm, 

Und Grabeslieder Elagen. 


Gr tritt herein in den Brunfpalaft, 
Da wird jo bla der jtolze Gaſt, 
Und läßt von Wein und Buhle; 





Er tritt zum lujtigen Hochzeitsſchmaus, 
Ein Windſtoß löſcht die Kerzen aus, 
Bleich lehnt die Braut im Stuhle. 


Dem Schöffen blidt er ins Geficht, 
Der juft das weiße Stäblein bricht, 
Da ſinkt's ihm aus den Händen; 

Ein Mägpdlein windet Blüt’ und Klee, 
Gr tritt heran; ihr wird jo weh — 
Wer mag den Strauß vollenden! 


Drum fer nicht ſtolz, o Menſchenkind! 
Du bilt dem Tod wie Spreu im Wind, 
Und magſt du Kronen tragen. 

Der Sand verrinnt, die Stunde jchlägt, 
Und eh’ ein Hauch dies Blatt bewegt, 
Kann aud die deine jchlagen. 


Friedrid Rokhbark. 


Tief im Schooße des Kyffhäuſers 
Bei der Ampel rothbem Schein 
Sigt der alte Kaiſer Friedrich 
An dem Tifh von Marmorftein. 


Ihn ummwallt der Burpurmantel, 
Ihn umfängt der Rüftung Pracht, 
Doch auf feinen Augenwimpern 
Liegt des Schlafes tiefe Nacht. 


Borgejunfen ruht das Antlig, 
Drin fh Ernſt und Milde paart; 
Durch den Marmortiih gewachſen 
Sit fein langer, goldner Bart, 


ER: ae 


Rings wie eh’rne Bilder ſtehen 
Seine Ritter um ibn ber, 
Harniſchglänzend, ſchwertumgürtet, 
Aber tief im Schlaf, wie er. 


Heinrich auch, der Ofterdinger, 
Iſt in ihrer ſtummen Schaar, 
Mit den liederreichen Lippen, 
Mit dem blondgelockten Haar. 


Seine Harfe ruht dem Sänger 
In der Linken ohne Klang; 
Doch auf ſeiner hohen Stirne 
Schläft ein künftiger Geſang. 


Alles ſchweigt, nur hin und wieder 
Fällt ein Tropfen vom Geſtein, 
Bis der große Morgen plötzlich 
Bricht mit Feuersglut herein; 


Bis der Adler ſtolzen Fluges 
Um des Berges Gipfel zieht, 
Daß vor ſeines Fittichs Rauſchen 
Dort der Rabenſchwarm entflieht. 


Aber dann wie ferner Donner 

Rollt es durch den Berg herauf, 
Und der Kaiſer greift zum Schwerte, 
Und die Ritter wachen auf. 


Laut in ſeinen Angeln dröhnend 
Thut ſich auf das eh'rne Thor; 
Barbaroſſa mit den Seinen 

Steigt im Waffenſchmuck empor. 





Auf dem Helm trägt er die Krone 
Und den Sieg in feiner Hand; 
Schwerter bligen, Harfen Eingen, 
Wo er ſchreitet Durch das Land. 


Und dem alten Kaifer beugen 
Sich die Völker allzugleich 

Und aufs Neu zu Aachen gründet 
Gr das heil’ge deutſche Reid). 


Sehnſucht. 


Ich blid’ in mein Herz und ich blick' in die Welt, 
Bis vom Auge die brennende Thräne mir fällt; 
Wohl leuchtet die Ferne mit goldenem Licht, 

Doch hält mich der Nord, ich erreiche fie nicht. 

D die Schranken fo eng, und die Welt jo weit, 
Und ſo flüchtig die Zeit! 


Sch weiß ein Land, wo aus jonnigem Grün, 

Um verfunfene Tempel die Trauben glühn, 

Mo die purpurne Woge das Ufer beihäumt, 

Und von fommenden Sängern der Lorbeer träumt. 
Fern lodt es und winkt dem verlangenden Sinn, 
Und ib fann nicht hin! 


D hätt’ ich Flügel, durch's Blau der Luft 

Wie wollt’ ich baden im Sonnenduft! 

Doch umſonſt! Und Stund’ auf. Stunde entflieht — 
Vertraure die Jugend, begrabe das Lied! — 

D die Schranken jo eng, und die Welt jo meit, 
Und jo flüchtig die Zeit! 





Sonette 


und 
Diſtichen aus Griechenland 
als Intermezzo, 
1839 — 1840. 


Dichterleben. 


Wen einſt die Muſe mit dem Blick der Weihe 
Mild angelächelt, da er ward geboren, 

Der iſt und bleibt zum Dichter auserkoren, 

Ob auch erſt ſpät der Kern zur Frucht gedeihe. 


Des Lebens Pfade zeigt in bunter Reihe 
Ihr ihm umſonſt; er wandelt wie verloren, 
Es klingt ein ferner Klang in ſeinen Ohren, 
Er ſinnt und ſinnt, daß er Geſtalt ihm leihe. 


Der Lenz erſcheint mit ſeinen Blüthenzweigen: 
Er fühlt ſo ſeltſam ſich vom Hauch durchdrungen; 
Die Liebe kommt: er weiß nicht mehr zu ſchweigen. 


Und wie ein Quell, der lang ans Licht gerungen, 
Bricht's nun hervor gewaltig, tonreich, eigen, 
Und ſieh, er hat ſein erſtes Lied geſungen. 





Dr san 


Alte Xoeten. 


Jetzt erjt erkenn' ich euren Werth, ihr Alten, 
Seit ih auf eurem heil’gen Boden jchreite; 
Lebendig wandelt ihr mir nun zur Geite, 
Gin hoher Chor befreundeter Geftalten. 


Nun lehret mich der Götter ew’ges Walten 

Der Greis von Chios in der Helden Streite, 
Und mächtig trägt mich Pindars Lied ins Weite, 
Dem wie im Sturm die Flügel fih entfalten. 


Sanft fpielt Horaz mit feinem leichten Spotte 
Mir um die Bruft, indeß den Bliß ergrimmt 
Sich Juvenal erborgt vom Donnergotte. 


Doch mwehmuthsvoll zu ſüßer Klage jtimmt 
Tibull die Either in umlaubter Grotte, 
Wenn fern im Blau der Stern des Abends alimmt. 


Huf der Akropolis zu Athen. 


Bei euch, ihr hohen Säulen, laßt mich mweilen, 
Ihr ftummen Zeugen wechjelvoller Tage, 

Und laßt fih mein Gemüth ergehn in Klage, 
Daß nichts entrinnen mag des Schidjals Pfeilen. 


Die Zeit des Glanzes faht ihr fchnell enteilen, 
Und was ihr dann geihaut war eitel Plage; 
Kaum leſ' ih noch die taufendjähr’ge Sage 
Des Ruhms in euren unterbrocdhnen Zeilen. 


Es mill das Herz mir ſchauerlich bewegen, 
Wenn ich betrachte ſolche Weltgeſchicke, 
Wie hier das freifte Volt dem Fluch erlegen. 


Und wenn ich dann in meine Seele blide, 
Scheint mir der eigne Schmerz jo Hein dagegen, 
Daß ih ihn lächelnd in der Bruſt erſticke. 


An den Grafen von Blalen. 


Denn aub nur Wen’ge deine Größe ahnen 

Don jenem Bolt, für das du haft gefungen, 

Für das du haft gefochten und gerungen, 

Voran ihm wandelnd auf der Schönheit Bahnen: 


Doch jammelt ſchon im Schatten deiner Fahnen 
Ein Häuflein fih von edlem Muth durchdrungen, 
Und ob dein eigner Feldruf auch verklungen, 
Wir jhlagen fort die Schlacht für deine Manen. 


Wir find die Schaar, die nie von Schreden bleiche, 
Die mitten duch des Feinds geſenkte Speere 
Den Weg erfämpft für eine Königsleiche. 


Verpfändet haben wir die eigne Ehre, 
Das feines Buben Hand mit frehem Streiche 
Die Schulter, die den Purpur trug, verſehre. 


Frmunferung. 


Blick um dich her! Es redet dir vom Lieben 
Mas du nur Shauft in aller Höh’ und Tiefe; 
Die Roje läge ftill im Moos und jchliefe, 
Wenn fie die Liebe nicht ans Licht getrieben. 





Es wäre ſtumm die Nachtigall geblieben, 

Wenn Sehnfucht ewig nicht zu Liedern riefe, 
Sa, felbft der Himmel ward zum Liebesbriefe, 
Mit Silberfhrift auf blauen Grund gejchrieben. 


O fieh, wie fo die Welt in ſüßem Zwange 
Sich dreht, wie ſelbſt das Seelenloje gerne 
Sich überläßt dem allgemeinen Drange. 


Drum länger nicht vom Strahl des Lebens ferne 
Verſchließ dein Herz; lab glühen diefe Wange, 
Und thu’ wie Roſe, Nachtigall und Sterne! 


Neues Jeden. 


Verhalle nun Geſang der Liebesklagen, 

Du langes, banges Echo meiner Leiden! 

Der Tag erſcheint, die trübe Naht muß jcheiden, 
Die Stunde der Erlöjung bat gejchlagen. 


Nicht länger jollt ihr Zrauerfarben tragen, 

Ihr meine Lieder! Nein in bunte Seiden, 

Sn Gold und Burpur will ih nun euch Fleiden 
Zu würd’ger Feier dieſen YJubeltagen. 


Auf denn! Im Feitgewand ven Tanz zu fchlingen, 
Kränzt euch mit Blumen, zündet luſt'ge Kerzen! 
Die volliten eurer Töne laßt erklingen! 


Nun gilt es, leiht in holder Form zu jcherzen; 
Denn Frühling fam auf Regenbogenichmwingen 
Und Frühling blüht und leuchtet mir im Herzen. 


Seibel, Ge. Werte, 1. 7 


BE 


Sros, der Schenk. 


Ich wähle mir den Liebesgott zum Schenfen, 
Er füllt den Becher mir aus Zauberfrügen 
Und weis das Herz in feliges Genügen, 
Den Sinn in füßen Taumel zu verfenfen. 


Auch lehrt er mich zu holdem Angeventen 
Den Wein zu jchlürfen in bedächt'gen Zügen, 
Zu zartem Gruße Reim in Neim zu fügen 
Und janft der Mufen weißes Roß zu Ienfen. 


Und wenn des Abends Schatten fich verbreiten 
Und müd' ich rube von des Tags Genufle, 
Erregt er jacht der Cither goldne Saiten. 


Da mu im Schlaf gleich Wimpeln auf dem Fluffe 
Manch holdes Traumbild mir vorübergleiten, 
Bis mich der Morgen wedt mit roſ'gem Kuſſe. 


Liebesglück. 


D wie jo leicht in ſeligen Genüſſen 

Sih mir die Stunden jegt dahin bemegen ! 

Ins Auge jhau ich dir, bift du zugegen, 

Und von dir träum’ ich, wenn wir fcheiden müfjen. 


Dft zügeln wir die Sehnjuht mit Entſchlüſſen, 
Doch mill ſich ſtets ein neu Verlangen regen, 

Und wenn wir faum verjtänd’ger Rede pflegen, 
Zerſchmilzt jie wieder uns und mird zu Küffen. 


Der erite weckt Begier nad) taufend neuen, 
Es folgt auf Liebeszeichen Liebeszeichen, 
Und jedes jcheint uns höher zu erfreuen. 


a 


Nun erjt begreif’ ich ganz den Lenz, den reichen, 
Wenn er nicht endet, Roſen auszuftreuen, 
Die alle ſchön find und fich alle gleichen. 





Das Zauberſchloß. 


Es gibt ein Königsjehlo in alten Sagen, 

Durch Zauberbann in wüjten Schutt zerfallen, 
Doch wenn die rechten Löſungsworte ſchallen, 
Sp fteigt’3 empor wie in der Vorzeit Tagen. 


Da glänzt der Saal, die golonen Zinnen ragen, 
Sasmin und Roſ' umblühn die Säulenhallen, 
Es tanzen Mädchen, Purpurkleider wailen, 

Und Silberharfen hörst du lieblich jihlagen. 


Den Trümmern glih mein Herz. Es mußte lange 
In Graus und Finfterniß verödet liegen, 
Und drinnen war es leer und dumpf und bange. 


Da ſpracheſt du, den Bannfluch zu befiegen, 
Das Löfungswort, und fieh, mit hellem Klange 
Iſt draus der Liebe Zauberſchloß geftiegen. 


Un Jsudwig Achim von Arnim. 


Wenn fich ein Geiſt erhebt in ungeſchwächter 
Erhabner Würde mit gewalt’gem Schritte, 

Zu ſtolz, daß er des Haufens Gunſt erbitte, 
Sp wird er oft dem niedern zum Gelächter, 


Sp gingejt du, der treue Kronenwächter 
Altdeutſcher Gottesfurht und edler Sitte, 
Verkannt durch deiner Zeitgenoſſen Mitte, 
Doch nur ein Lächeln gönnend dem PVerächter. 


— 1% = 


Still ſchmückteſt du indeß mit Kreuz und Blume 
Den Dom, an dem du bauetejt, den weiten, 
Zu Gottes Ehre, deinem Volk zum Ruhme. 


Zwar ſahſt du nicht das Werk zum Ende jchreiten, 
Doch ragt's gleich jenem Kölner Heiligthume 
Ein rieſig Brucftüd in dem Strom der Zeiten. 


An Ernſt Curkius. 


Wer hat der Sorge je ſein Herz verſchloſſen? 
Und flöh'n wir zu des Poles eiſ'gen Strecken, 
Sie würde dort auch uns vom Lager ſchrecken, 
Wenn auf die Wimper kaum ſich Schlaf ergoſſen. 


Wir ſehn von hellem Kerzenglanz umfloſſen 

Sie flattern an des Prunkſaals goldnen Decken; 
Dem Schiffer folgt ſie durch das Meer, dem kecken, 
Den Reiter holt ſie ein auf flücht'gen Roſſen. 


Drum ſuche nicht ihr thöricht zu entfliehen, 
Mit Lächeln wolle das Geſchick verſöhnen, 
Da feinem noch ein reines Glück gediehen. 


Doch kannſt du dich der Klage nicht entwöhnen, 
Sp reife fie zum Lied, der dir verliehen, 
Der leife Hauch der griechiſchen Kamönen. 





An Hermann Kreßfdmar, den Waler. 
(1839.) 
63 nabn und fliehn die wechjelnden Gejtalten 
Und was wir faum im Herzen lieb gewannen, 


Die Ferne führt es neidifh uns von dannen, 
Im Lauf der Stunden muß es rafch veralten, 





= 491 = 


Da greift der Künftler in des Schickſals Walten: 
Ein Zaubrer weiß er Raum und Zeit zu bannen, 
Er weiß den Augenblid, den wir umfpannen, 

In lichten Farben jeliq feitzubalten. 


So haſt nun du mit ſchöpfriſchem Gemüthe 
Die ſchönſte Roſ' auf Hellas ſchönen Auen 
Dahingebannt in ew'ger Jugendblüte. 


Und ſtaunend wird es noch der Enkel ſchauen, 
Dies Angeſicht voll Majeſtät und Güte, 
Die Königin der Griechen und der Frauen. 





Verwünſchung. 


Du willſt dich nicht bei unſrem Feſte zeigen, 
Wo auf dem Raſen unter grünen Bäumen 
Guitarren klingen und Pokale ſchäumen, 

Und Reb' und Roſe ſich zum Kranz verzweigen. 


Du fliehſt den Scherz, den Becherklang, den Reigen, 
Um ſtumm daheim von nicht'gem Leid zu träumen; 
Des Lebens Liebesblick willſt du verſäumen, 

Um einem Luftgebild das Ohr zu neigen. 


Du willſt an ſchöner Augen Blitz nicht glauben, 
Und wendeſt ſcheu dich ab von den Genüſſen, 
Die uns gewährt der ſüße Gott der Trauben. 


So ſei dir ewig denn von jenen Küſſen 
Die Glut verſchloſſen, die ſo ſanft ſich rauben, 
Und ewig ſollſt du Waſſer trinken müſſen. 


— 12 — 


vSommer im Hilden. 


In Teppichzelten, die zum Schlummer taugen, 
Am Spiele der Gedanken fih vergnügen, 
Dazwiſchen dann und wann in langen Zügen 
Den Fühlen Rauch der Waflerpfeife faugen, 


Bald einfam träumen won geliebten Augen 
Und mit dem Traum die Gegenwart betrügen, 
Bald mit den Freunden bei gefüllten Krügen 
In leihtem Wig der Thoren Werk durchlaugen, 


Das iſt das Einz’ge, was in diefen Tagen, 
Wo alle Blumen vor der Sonne flüchten, 
Mir thunlich noch erſcheint und zu ertragen. 


Doch wollt mich drum des Leihtfinns nicht bezüchten ; 
Ein Dichter darf ſchon auszuruben wagen, 
Denn auch ſein Müßiggang iſt reih an Früchten. 


Der AUngenannten. 


Die du den Blick mir zugewandt voll Güte, 
Da mic die Andern in den höfiſch glatten 
Prunkvollen Sälen ſtolz vergefien hatten, 

Wie dank' ich deinem freundlichen Gemüthe ! 


Du botejt lächelnd mir des Herzens Blüte, 
Mit ſüßem Wort erquidteit du den Matten; 
Sp mag ein Quell in hoher Palmen Schatten 
Den Bilger laben, der von Durjt entglühte. 


Und doch! Nicht folgen darf ich jenem Glüde, 
Das deine Gunft jo reich mir zugemwogen; 
Mich hält das Herz, mich hält die Pflicht zurüde, 





— 193 — 


Denn zwifchen uns ift eine Kluft gezogen, 
Die fih verbinden läßt durch Feine Brücke, 
Und die noch feiner glücklich überflogen. 


Anruhiger Hinn. 


Es treibt mich jtetS ein mwechjelndes Berlangen: 
Bald möcht’ ih unter meiner Heimath Linden 
Am eignen Herd ein Schattig Pläschen finden, 
Um dort zu raften ohne Wunſch und Bangen; 


Bald wieder möcht’ ich, jonnverbrannt die Wangen, 
Des Südens Meer durchſchweifen mit den Winden, 
Big ferne, wo die legten Pfade jchwinden, 
Der Wüſte Balmenfchatten mich umfangen. 


Der jähe Wechfel ruht auf Einem runde; 
Zur Heimath leitet mich ein ſüßes Träumen, 
Sie bringe mir ein Wort aus liebem Munde. 


Doh bin ich dort, jo fühl ich ohne Säumen: 
toch immer nicht erihien das Glüd zur Stunde, 
Und wieder ſuch' ich's in den ferniten Räumen. 


Memento mori. 


Die ihr den Geift zu fernen Bahnen lenket 

Und nächtlich finnt bis zu des Tags Grröthen, 
Vergept nicht, daß ein Andres noch vonnöthen, 
Und daß des Lebens Sold euch nicht gejchenket. 


Und die ihr euch in Scherz und Luft verjenfet, 
Mit kurzem Raufch die Furze Zeit zu tödten, 
Berftummen heißet die Muſik der Flöten, 

Seht ab den Becher, und des Endes denket! 


— 14 — 


Auch euer wartet jenefgroße Lüde; 
Ein Abgrund bleibt der Tod, ein ewig trüber, 
Wie ſchön mit Blumen ihn der Dichter jchmüde. 


Kein Liedchen tändelt fort das Gegenüber, 
Kein Schluß der Weisheit jchlägt die fühne Brücke, 
Und nur des Glaubens Flügel trägt hinüber. 


Der FIiebenden. 


Seitdem die Liebe dir genaht, der Reinen, 
Iſt's wie ein Zauber über dich gekommen; 
In ſüßem Feuer ift dein Aug’ erglommen, 
Doch ſchöner blidt es noch in jel’gem Weinen. 


Dft, wenn du wandeljt, will e$ mir erjcheinen, 

ALS jei die ird'ſche Schwere dir genommen; 

Dein Thun ift wie der Blumen Blühn, der frommen, 
Und mie der Engel iſt dein Wunſch und Meinen. 


Das Wort erblüht von felbit dir zum Gedichte, 
Doch ſchweigſt du, jtrahlt, die Rede zu ergänzen, 
Bon deiner Stirn die Lieb’ im reinften Lichte, 


So jah dereinjt, entrüdt der Erde Gränzen, 
Auf Beatricens ſchönem Angefichte 
Den Strahl des Paradieſes Dante glänzen. 


Vergänglichkeit. 


Daß Alles uns ſo raſch vorübereilet 

Und ſich die Zeit nicht läßt in Feſſeln ſchlagen, 
Es war mir nimmermehr ein Grund zu klagen, 
Wenn ich im Kreis der Fröhlichen verweilet. 





Denn öfter noch hat mir es Trojt ertheilet, 
Wenn auf der Seele tiefe Schatten lagen; 
Der bangen durft’ ih dann vertrauend jagen: 
Getroft! Der Sand verrinnt, die Wunde beilet. 


Sp hofft! ich jtetS dem jungen Lenz entgegen, 
War ih vom Froſt des Winters kalt umfchauert, 
Und jah mit Ruh den Herbit ins Grab fich legen. 


Nur Eines hab’ ich immer tief betrauert, 
Daß auch die ſchönſte Blum’ auf unfern Wegen, 
Die Liebe ſelbſt nur zwei Minuten dauert. 





Diſtichen aus Griechenland. 


LE 


Die du die Burg dort oben bewohnjt, blauäugige Vallas, 
Schau mit fegnendem Blid auch auf den Sänger herab! 
Zwar mir zeigte ſich Eros geneigt, und der roſige Bakchos 
Blickt' aus dem Epheufranz jchalkhaft verlodend mih an! 
Doch du, Göttin, verleib zu dem Süßen das Maaß und 
die Weisheit, 
Sieb mir das jtille Gemüth, vecht zu genießen, dabei. 
Liebt auch die Jugend den feurigen Rauſch und den Taumel 
der Wonne, 
Ab, wie theuer erfauft oft ſich die flüchtige Luft! 
Doch wenn du die Begier mit lächelndem Ernſte befänftigit, 
Wie mit frommer Mufif Orpheus den Löwen gezähmt; 
Nimmer entheiligt das Mahl alsdann der vergofjene Becher, 
immer betroffenen Blids glühen die Mädchen vor Scham- 
Sondern es wandelt im Kreis mit Blumen umwunden die 
Gitber, 
Und um das freundliche Felt ſchlingt ich der Grazien Tanz. 


— 16 — 


Dann erjt wird der Genuß zum Genuß, und die Blüte 
der Freude 
Treibt ala ſchwellende Frucht manches begeifterte Lied. 


11. 


Fleißig blätte ich die Alten mir durch, dann finn’ ich auf 
Lieder, 

Blättre wieder und fo fliehn mir die Stunden dahin. 
Glücklicher Doppelgenuß! Kaum weiß ich, it das Empfangen 
Süßer, ijt’3 das "Gefühl, jelber ein Dichter zu jein. 

Aber ich flehe zu euch, ihr Götter, erhaltet ‘mir gnädig 
Jenen beweglihen Sinn, der fi auf beides verjteht! 
Laßt wie die Biene mich fein, die bald in der Roje fi) 

feftfaugt, 
Bald den gewonnenen Saft ämfig in Honig verkehrt! 


II. 


Jubeln am Morgen die Lerchen und dehnt in heiterer Bläue 
Ueber des üppigen Thals Wipfeln der Himmel ſich aus: 
D wie erfreut mich alsdann Homers anmuthige Klarheit, 
Wie bewegt mir alsdann Sophofles’ Würde das Herz! 
Doch wenn fpät in der Naht durch dämmernde Nebel ver 
Mond jcheint, 
Und, vom Zuge berührt, zittert die Flamme des Herds, 
Sei Arioft mir gegrüßt, der Poet buntfarbiger Märchen, 
Und in phantaftifhen Traum wiege mich Calderon ein. 





IV. 
Mas ih bin und weiß, dem verftändigen Norden ver: 
dank' ich's, 
Dob das Geheimniß der Form bat mi der Süden 
gelehrt. 


Y. 
Auch dem bejehwerlichiten Stoff noch abzugewinnen ein 
Lächeln 
Durch vollendete Form ftrebe der wahre Poet. 
Kummer und Gram ſei'n jhön, vom erbabenen Rhythmus 
befänftigt, 
Selber der Brust Angſtſchrei werde dem Ohr zur Mujif 
Und der verjehrende Pfeil des Gefpötts, in die Woge der 
Anmuth 
Sei er getaucht, Hangvoll werd’ er vom Bogen gejchnellt. 


NE 
Ebene von Rlarathon. 


Halb won öden Gebirgen umkränzt jtredt Marathons heil’ge 

TIhalflur gegen des Meers Thimmernde Bucht ji hinab. 

Feterlich ſchweigt es umher, jtumm freifen die Adler, und 
einjam 

Ueber dem weiten Gefild jchwebt der Gefallenen Ruhm. 





VII. 
Chelidono. 


Wo die Platane ſich rieſig erhebt im Schatten der Wald— 
ſchlucht, 


Ragt in Trümmer bereits fallend das Kloſter empor; 


— 18 — 


Längſt it der Mönche Geſang in der Kirche verhallt und 
es duftet 
Weihrauch nimmer, des Chors ewige Lampe verloſch; 
Aber der Quell, der kühl am Altar auffprudelt, erquidt noch 
Häufig den Wandrer, er Spricht dankend ein kurzes Gebet. 


VII. 
Grab des Themiſtokles. 


Wo am zackigen Fels das Gewog ſich brandend emporbäumt, 
Senkten die Freunde bei Nacht heimlich Themiſtokles Leib 
In heimathlichen Grund. Feſtgaben und Todtengeſchenke 
Brachten ſie dar und es floß reichlich die Spende des 
Weins. | 
Aber den Zorn des verblendeten Volks Eeinmüthig be: 
fürchtend, 
Stahlen fie leife jich heim, ehe die Dämmrung erjhien. 
Dentiteinlos nun jchlummert ver Held. Doch drüben im 
Spätroth 
Ragt ibm, ein ewiges Mal, Salamis Feljengeftad. 


IX. 
Villa bei Melanes auf Naxos. 


Wie fih der Garten in Duft und Dämmerung hüllt! Der 
Drangen 
Saftige Wipfel veritreun liebliches Dunkel umber. 
Meithin ftredt fih der Pinie Dach, aus Silberoliven 
Heben das ſäuſelnde Haupt jchlanfe Cypreſſen empor. 
Durb Weinlauben hinauf führt ftattlich zur Billa die 
Treppe, 
Aber des freundliben Bau’s weite Gemächer ſind leer. 





— 109 — 


Könnt’ ich doch hier, entfernt von der Welt, mit der Jugend: 
geliebten 

Einmal grüßen den Lenz, wann er mit Blüten ſich 
ſchmückt, 

Oder in Muße den goldfruchtbringenden Herbſt hinträumen. 

Nichts als Lieb' und Geſang in der beruhigten Bruſt! 


x; 
Aperanthos auf Naxos. 

Ya, das heiß’ ich fürwahr Dionyjos heilige Stätte! 
Ueppiges Traubengeländ kränzt das gejegnete Thal. 
Segliher Abhang triefet von Wein; um die Giebel ver 

Häufer, 
Um der Kajtanien Schaft jehlingt ſich das grüne Öerant. 
Horb, ſchon wandelt der bachifhe Zug; \hmarzäugige 
Jungfraun 
Führen den Reihn, du vernimmſt Cithern und Pauken— 
getön. 
Jener erglühende Greis auf dem Eſel, er ſcheint mir 
Silenos; 
Folgt nicht, die Schläfe bekränzt, bald mit den Panthern 
der Gott? 
Aber indeß nicht läſſig, o Schenk! Friſch, walte des Amtes, 
Mit dem ambroſiſchen Trank fülle den weiten Pokal. 


xl. 
Sahreszeiten in Athen, 


Nimmer den Sommer verweil’ in Athen. Glutvollen Sirocco 

Athmeſt du dann, und der Geift jenfet die Flügel verzagt. 

Doh wann Le der Herbit in röthlichem Duft durd 
die Berge 

Wandelt, und am Felshang tiefer die Traube ſich bräunt, 


— —— 


Wann der Iliſſos rauſcht und die neuaufgrünende Thalflur 

Zwiſchen dem Oelwald bunt mit Anemonen ſich ſchmückt, 

Welche Wonne gewährt es alsdann, mit dem Freunde der 
Jugend 

Auf den koloniſchen Höhn unter den Blumen zu ruhn, 

Oder durch's Marmorgebälk goldroſtiger Säulen des Himmels 

Leuchtendes Blau, einſam, ſtillen Gemüths zu beſchaun! 


XII. 


Freundlicher Greis, hab’ Dank! Du erquidteit die durftigen 
Wandrer, 
Die auf felſigem Steig deiner Behauſung genaht. 
Selbſt zwar arm, doch ludeſt du uns in des grünenden 
Weindachs 
Schatten und brachteſt uns gern was du beſaßeſt herbei; 
Sorglich laſeſt du ſelbſt im Garten die ſaftigſten Trauben, 
Aus dem erfriſchenden Quell ſchöpfteſt du ſelber den 
Trunk. 
Freundlicher Greis, hab' Dank! Zwar ſchlugſt du das 
Gegengeſchenk aus, 
Aber den ſegnenden Wunſch halt' ich vergebens zurück: 
Möge der Stock dir blühn von den köſtlichſten Beeren und 
täglich 
Streue der Palme Gezweig dichteren Schatten umher. 
Nimmer verſiege der labende Quell, und nimmer im Faſſe 
Gehe der Weizen dir aus, nimmer im Kruge das Oel; 
Doch uns möge der Wanderer Gott noch oft es gewähren, 
Solch ein traulich Gemüth wiederzufinden wie deins! 


Xıll. 


Viel zu willen geziemt und viel zu lernen dem Dichter, 
Ah, für feinen Beruf däucht mir das Leben jo kurz. 








— 111 — 


Denn er kenne die Welt und ihre Gefchichten, er gehe 
Bei den Alten mit Luft wie bei den Neuen zu Galt. 
Fremde Länder und Sprachen erforfh’ er mit willigem 

Eifer, 
Sei im Norden und ſei unter ven Palmen zu Haus. 
Aber vor Allem veriteh’ er das Herz und die ewige Leiter 
Seiner Gefühle: die Luft fenn’ er und fenne den Schmerz. 
Was aus Säul und Gemälde dich anspricht, wiſſ' er zu 


deuten, 
Was dir des Waldes Geräufch flüftert, er fall’ es ins 
Wort. 
Kunst und Natur und Welt und Gemütb, er beberrihe 
fie alle: 


Aber der Thor nur verlangt, daß ein Gelehrter er jet. 


Drittes Bud). 
5 Ba FOR RT RS 


1838— 1840, 


Ghaſel. 


Zur Zeit, wenn der Frühling die Glut der Roſen entfacht 
in Athen, 

Wie dämmert ſo lieblich alsdann die duftige Nacht in Athen! 

Hoch leuchtet der Mond und beſcheint Cypreſſen und Palmen 
umher 

Und marmornen Tempelgeſäuls verſinkende Pracht in Athen. 

Wir aber bekränzen das Haupt und füllen den Becher mit 
Wein, 

Gedenkend, wie Sokrates einſt die Nächte verbracht in Athen. 

Von Lieb' entſpinnt ſich Geſpräch; denn ob auch Pallas die 
Burg 

Beherrſchen mag, Eros, der Gott, übt ſelige Macht in Athen. 

Zur Rede geſellt ſich Muſik, leicht ſind die Guitarren geſtimmt, 

Leicht regt ſich des Wechſelgeſangs melodiſche Schlacht in Athen. 

Da webt manch klaſſiſches Wort, manch leuchtender Name 
ſich ein, 

Denn großer vergangener Zeit Erinnerung wacht in Athen. 

Und kühner erbrauſet das Lied; wir ſpenden aus vollem Pokal 

Den Herrlichen, die einſt gekämpft, geſungen, gedacht in Athen. 





SYorwarts. 


Laß das Träumen! Laß das Zagen! 
Unermüdet wandre fort! 

Will die Kraft dir ſchier verjagen, 
Vorwärts iſt das rechte Wort. 


Darfjt nicht weilen, wenn die Stunde 
Nofen dir entgegen bringt, 

Wenn dir aus des Meeres Grunde 
Die Sirene Iodend jingt. 


Vorwärts! vorwärts! Im Gejange 
Ninge mit dem Schmerz der Welt, 
Bis auf deine heiße Wange 
Goldner Strahl von oben fällt; 


Bis der Kranz, der dichtbelaubte, 
Schattig deine Stirn ummebt, 
Bis verklärend über'm Haupte 
Dir des Geiltes Flamme fchwebt, 


Porwärts drum durch Feindes Zinnen, 
Vorwärts durch des Todes Pein! 

Wer den Himmel will gewinnen, 

Muß ein rechter Kämpfer fein. 


Voran ich denke. 


Woran ich denk'? — An meines Lebens Morgen, 
Als noch ſo ungeſtüm, ſo frei von Sorgen 

Das jugendliche Herz mir ſchlug, 

Als vor mir, ein beſonnter Meeresſpiegel, 

Die Hoffnung lag, als der Gedanke Flügel 

Und als die Liebe Roſen trug. 


Geibel, Geſ. Werke. J. 8 


— 114 — 


Da weilt' ih Abends, ohne zu ermatten, 

Im Regen, nur um einen flücht’gen Schatten 
Am bellen Feniter zu erſpähn; 

Und jelig war ih, durft' ich aus der Ferne 
Nah ihrem Auge wie nad einem Sterne 
Im tiefen Blau des Himmels jehn. 


Ib ſah im Duft ver Lilie, die mit Schweigen 
Sich aufthat, ein Gebet zum Himmel jteigen, . 
Und meine Seele fniete mit; 

Sch hörte Lieder im Geräufch der Quellen, 

Die mir der Wind mit Sinfen und mit Schwellen 
In ungewiſſe Strophen jehnitt. 


Sa, ih war fromm und frei und rein. Ich glaubte 
An jede Reinheit, und mit ftolzem Haupte 

Sah ih hinab auf das Gewühl, 

Das unter mir im engen Horizonte 

Schaffen, fich freun, leben und jterben fonnte, 

Des Windes und der Wellen Spiel. 


Nun bab’ ih, ab, geſchaut, erkannt, genofjen; 

Die Blüt’ ijt hin, der Farben Schmelz zerflofjen, 
Sch bin erprobt in Lujt und Schmerz. 

Ih ward ein Mann, doch konnt' ich nichts erlangen, 
ALS wen’ge Lieder, jonnverbrannte Wangen 

Und diejes jehnjuchtsvolle Herz. 


Und jene Zeit, da mir jo unvermeſſen 

Die Welt no ſchien, faſt hab’ ich fie vergeſſen; 
Nur manchmal, wenn der Feigenbaum 

An meinem offnen Fenſter leife raujchet 

Und jtill durd’3 Laub des Mondes Sichel laufchet, 
Blidt fie mih jhmerzlih an im Traum, 





— 15 — 


der 5klap. 


D wär’ ich frei und reich, ein Paſcha fonder Gleichen, 
Mie liebt’ ich dann dies Land mit feinen Lorbeeriträuchen, 
Don Korn und Trauben jegenfchwer, 

Dies klare Sonnengold in den kryſtallnen Lüften, 

Diefe Gärten, durchwürzt von ew’gen Rojendüften, 

Und diejes glänzend blaue Meer! 


Um Mittag ruht’ ih dann auf weichen Burpurdeden 
Im luftigen Gemab, wo im marmornen Beden 

Der Springflut Raufchen nie verjtummt ; 

Und wo ein ſchwarzer Knab', am Nigerjtrand geboren, 
Mit fraufem Wollenhaar, Goldringe in den Ohren, 
Sein Liedchen zur Guitarre jummt. 


Oder auf ſtolzem Rob von ächt arab’ichem Stamme, 
Defjen Lauf wie der Wind, deß Auge wie die Flamme, 
Flög' ih dahin durch Thal und Höhn, 

Durch die Felder von Mais, bejehattet von Platanen, 
Den präht’gen Strom entlang, wo ſtolz wie grüne Fahnen 
Der Balmen breite Fächer wehn. 


Und um die Zeit, wo ſüß die Nachtigallen Elagen, 

Ließ' ich ein leicht Gezelt von Seidenjtoff mir ſchlagen 
Am Berg auf fühlem Wiejenfammt: 

Ich jähe fern das Meer fich dehnen unermefjen, 

Und an der Bucht die Stadt mit Kuppeln und Cypreſſen 
Vom Abendpurpur überflammt. 


Und dann die ſüße Nacht! Auf ſchwebender Galeere 
Führ' ich bei Flötenſchall hinaus zum jtillen Meere, 
Und bei des Halbmonds Dämmerjchein 

Höb' ich mit leifer Hand der Favorite Schleier 
Und ſäh' ein dunkles Aug’, in dem das tiefe Feuer 
Verheißend jprähe: Sch bin dein! — — 


a a 


So träumte ſüß der Sklav. Da Elirrte feine Kette, B 
Er fubr verftört empor von feiner Lagerftätte 

Mit bangem Blick, mit blafjem Mund; 

Denn ſchon verſchwand im Blau der Morgenitern erbleichend, 
Und vor ihm jtand der Vogt, den fraufen Bart fich ftreichend, 
Und rief: Zur Arbeit fort, vu Hund! 


»latens Dermädtniß. 


Noch ſchweift der Fräft'ge Geijt auf fernen Bahnen 
Und raſch durch dieſe Adern pocht das Leben; 
Doch Stimmen giebt's, geheime, deren Mahnen 
Das Herz umjonit ſich müht zu widerjtreben, 

Und mir verfündet ſolch ein dunfles Ahnen: 

Bald muß ich diefen Staub dem Staube geben, 
Und den jie mir im Leben nicht gejtatten, 

Der Lorbeer wird auf meinem Grabe jchatten. 


Ser’3 immer. Ich erfüllte meine Sendung, 
Ein raftlos treuer Prieſter der Kamönen; 

Ich deutete mit jeder leifen Wendung 

Ein Fadelträger nah dem Reich des Schönen. 
Ummallt vom Königsmantel der Vollendung 
Schritt mein Geſang dahin in Feiertönen, 
Und was vordem den Griehen nur gelungen, 
In deutſcher Rede hab’ ich's nachgeſungen. 


Zwar habt ihr ſelten meinen Ernſt begriffen 
Und nie das Ziel bedacht, das ich erforen; 

Zu meinem Spotte habt ihr grell gepfiffen, 
Denn feine Wahrheit figelt nicht die Ohren, 
Und mwie der Wogenſchlag an Feljenriffen 

Sing jelbjt des Liedes Maß an euch verloren; 
Doch wie ihr mich verläugnet und mein Dichten, 
Ich bin getroit, die Nachwelt wird mich richten. 





— 11 — 


Sit auch das Saatkorn noch nicht aufgegangen, 
Das ich geftreut in unſfrer Heimath Boden, 
Verzagt ihr au, von Kleinmuth noch befangen, 
Des Unkrauts träge Wildniß auszuroden: 
Erſcheinen wird der Tag, wo mit Berlangen 

Den Aſchenkrug ihr juchet des Rhapſoden, 

Der ringend nah der Schönheit goldnen Früchten 
Vor eurem Groll zum Süden mußte flüchten. 


Dann wird der deutſche Wald von Liedern Tchallen, 
Die prächtig wie auf Adlersflügeln raufchen, 

Der bheitre Süden wird zum Norden wallen, 

Um feines Ernjtes Schäge einzutaufchen. 

Und heilig wird der Sänger fein vor Allen, 

Und fromme Hörer werden rings ihm laujchenn. 
Was joll ih drum den frühen Tod beweinen? — 
Der Dichter lebt, fo lang die Sterne fcheinen. 


Winker in Akhen. 


Winter mit den eiſ'gen Locken 
War mir immer ſonſt ſo leid, 
Denn er hielt mit ſeinen Flocken 
Alle Freuden eingeſchneit. 


Wenn die Vöglein luſtig ſangen, 
Wenn das Bächlein rauſchend zog, 
Kam er plötzlich hergegangen 

Wie ein mürr'ſcher Pädagog: 


„Vöglein, laßt das dumme Lärmen! 
Lüfte, laßt das laue Wehn! 
Bächlein, willſt du ewig ſchwärmen? 
Beſſer iſt's, fein ſtill zu ſtehn. 


218 


Fort, du ausgelajj'ne Erde, 

Mit dem bunten Narrenkleid! 
Das dein Anblick ehrbar werde, 
Halt’ ih ſchon ein Hemd bereit. 


Und ihr andern wilden Nangen, 
Blumenduft und Sonnenjtrabl, 
Keiner joll ſich unterfangen, 
Mir zu ftören die Moral.” 


Und die Blumen wurden jelten, 
Bächlein jtand und Vogel jchwieg, 
Als der Pädagog mit Schelten 
Auf den Eiskatheder jtieg. 


Schadenfroh mit arger Tüde 
Schlug er in den lujt’gen Walp, 
Und es jtob aus der ‘Berüde 
Ihm ein Schneegewölf alsbald. 


Und der Sturm, fein böjer Hujten, 
Ließ ſich hören weit und breit, 
Und wir armen Menjchen mußten 
Nichts zu thun in ſolcher Zeit. — 


Doch der Süden, o wie ijt er 
Doppelt nun mir lieb und werth, 
Seit er diefen Erzphiliſter 

Selber zur Vernunft befehrt! 


Nicht mehr in die enge Stube 
Schließt mich jegt der Januar, 
Nein, er ward ein toller Bube, 
Hat ein Auge groß und Klar. 


On Se 


An den Bergeshängen fpringt er 
Luſtig hin im grünen Kleid; 

In den hohen Lüften fingt er, 
Blumen ſtreut er weit und breit. 


Kommt einmal Gewölf gezogen, 
MWurmt ihn gleich der dunfle Tand, 
Und den bunten Regenbogen 
Spannt er drauf mit leichter Hand. 


Gänzlich hat er auch vergefjen 
Pädagogik und Moral, 

Unter Balmen und Cypreſſen 
Sonnt er müßig fih im Strahl. 


Manchmal nur in jeltnen Zungen 
Schwaßt er von der Freude Macht, 
Und von feinem Hauch durhdrungen 
Hab’ ich dieſes Lied erdact. 


Tannhäuſer. 


Wie wird die Nacht ſo lüſtern! 
Wie blüht ſo reich der Wald! 

In allen Wipfeln flüſtern 

Viel Stimmen mannigfalt. 

Die Bächlein blinken und rauſchen, 
Die Blumen duften und glühn, 
Die Marmorbilder lauſchen 
Hervor aus dunklem Grün. 


Die Nachtigall ruft: Zurück! zurück! 
Der Anab’ ſchickt nur voraus den Blick; 
Sein Herz ift wild, fein Sinn getrübt, 
Vergeſſen Alles, was er liebt, 


— 


Er kommt zum Schloß im Garten, 
Die Fenſter ſind voll Glanz, 

Am Thor die Pagen warten 

Und droben klingt der Tanz. 

Er ſchreitet hinauf die Treppen, 
Er tritt hinein in den Saal, 

Da rauſchen die Sammetſchleppen, 
Da blinkt der Goldpokal. 


Die Nachtigall ruft: Zurück! zurück! 
Der Knab' ſchickt nur voraus den Blick; 
Sein Herz iſt wild, ſein Sinn getrübt, 
Vergeſſen Alles, was er liebt. 


Die ſchönſte von den Frauen 
Reicht ihm den Becher hin, 
Ihm rinnt ein ſüßes Grauen 
Seltſam durch Herz und Sinn. 
Er leert ihn bis zum Grunde, 
Da ſpricht am Thor der Zwerg: 
Der Unſre biſt zur Stunde, 
Dies iſt der Venusberg. 


Die Nachtigall ruft nur noch von fern, 
Den Knaben treibt ſein böſer Stern; 
Sein Herz iſt wild, ſein Sinn getrübt, 
Vergeſſen Alles, was er liebt. 


— re 


ER — — 


Und endlich fort vom Reigen 
Führt ihn das ſchöne Weib; 

Ihr Auge blickt ſo eigen, 
Verlockend glüht ihr Leib. 

Fern von des Feſts Gewimmel 
Da blühen die Lauben ſo dicht — 
In Wolken birgt am Himmel 

Der Mond ſein Angeſicht. 


TE. Darin Tr 


— 721 — 


Der Nachtigall Ruf ift lang verballt, 
Den Knaben treibt der Luft Gewalt; 
Sein Herz ift wild, fein Sinn getrübt, 
Vergeſſen Alles, was er liebt. — — 


Und als e3 wieder taget, 

Da liegt er ganz allein; 

Im Walde um ihn raget 
Verwildertes Geftein. 

Kühl geht die Luft von Norden 
Und ftreut daS Laub umber; 
Er jelbjt iſt grau geworden, 
Und bang fein Herz und leer. 


Er fißt und ftarret vor fih hin, 

Und jchüttelt das Haupt in irrem Sin. 
Die Nachtigall ruft: Zu fpät! zu fpät! 
Der Mind die Stimme von dannen weht. 





Fied der Hpinnerin. 


Schnurre, ſchnurre, meine Spindel, 
Dreh’ dich ohne Raſt und Ruh! 
Todtenhemd und Kinderwindel 
Und das Brautbett rüfteft du. 


Goldner Faden, fanın nicht jagen, 
Welch ein Schidjal dir beitimmt, 
Ob mit Freuden, ob mit Klagen 
Das Geſpinnſt ein Ende nimmt. 


Anders wird’s, als wir's begonnen, 
Anders fommt’s, al3 wir gehofft; 
Was zur Hochzeit war gejponnen, 
Ward zum Leihentuch ſchon oft. 


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Schnurre Spindel, fchnurre leise, 
Rund iſt wie dein Rad das Glüd; 
Gehſt du jelig auf die Reife, 
Kehrit du mweinend wohl zurüd. 


In die Wolfen geht die Sonne, 
Schnell verweht im Wind ein Wort; 
Wie der Faden rollt die Wonne, 
Rollen Lieb’ und Treue fort. 


Schnurre Spindel, ſchnurr' im Kreiſe, 
Dreb’ dih ohne Rait und Ruh — 
Und ihr Thränen fließet leife, 

Fließet unaufhaltfam zu! 


Rückerinnerxung. 


Oft wenn die Sommernacht auf lauen Flügeln 
Bon Gärten, Blütenwälvdern, Rebenhügeln 

Des Südens Düfte zu mir trägt, 

Wenn durch das Bogenwerf am Säulengange 

Der Mondftrahl fpielt, und fern mit ſüßem Klange 
Die Nachtigall am Brunnen jchlägt: 


Wenn mit Geplauder dann, mit Scherz und Singen 
Die muntern Freunde lachend mich umringen, 

Die Laut’ im Arm, das Glas zur Hand: 

Da werd’ ich plöglich Itumm, und die Gedanken 
Schmeifen, Zugvögeln gleid, mit irrem Schwanfen 
Sehnſüchtig heim ins Vaterland. 


Mir iſt es dann, als jei ih doch im Grunde 
Gin Schiffer nur, geführt von böjer Stunde 
Zu eines Zaubereilands Pracht, 


Se VE 


Als müßt' ich diefes Mondlihts ſüßes Weben 
Und dieſe Blütendüfte freudig geben 
Für Eine deutihe Nebelnact. 


Da ven? ich, wie ich bei des Herbjtes Stürmen 
Dftmals entlang den Kirhhof an den Thürmen 
Des gothifhen Doms vorüberjcritt; 

Die Gloden ſchlugen an, gleich rothen Sternen 
Schwankten im Zug der Gaſſen die Laternen, 
Und über Gräbern jcholl mein Tritt. 


Laut auf die Dächer prafjelte der Regen; 
Am Bogenthor ſchlug mir der Wind entgegen 
Und ſchüttelt' heftig mit Gebraus 

Die alten Ulmen, die dort finjter ragen; 
Doch ih, den Mantel fejter umgejchlagen, 
Gilte zum hohen Giebelhaus. 


D Freude, wenn ich dann vom Regen tropfend, 
Das Herz in ungejtümer Sehnjucht Eopfend, 
Empor die breiten Treppen flog, 

Und von den dunklen Gallerien droben 

Sich mir, vom Schein der Lampe mild ummoben, 
Ein Yodenhaupt entgegen bog! — 





Beim Siefte. 
D füllt die Pokale mit cyprifhem Wein! 
Laßt blinfen im Becher den purpurnen Schein! 
Schlürft haftigen Zuges den raſchen Genuß! 
Sp furz ift die Jugend, jo flüchtig der Kup. 


Es Flammen die Roſen in duftiger Glut, 

Es jpiegeln die Sterne ſich tief in der Flut; 

Doch mehr it als Roſen und Sterne zumal 

Die Blüt' auf den Wangen, im Auge der Strahl. 


a 


Durb Blätter und Lauben bricht farbiger Glanz, 
Da regt jih im Grünen melodifh der Tanz; 
Heiß ſchlingt fih der Arm um die fchöne Geftalt, 
Die Blicke, die Herzen, fie finden ſich bald. 


So ſchwärmet, jo Füfjet! Vom Himmelsgezelt 
Wirft goldene Schimmer der Mond in die Welt. 
Genießt! Wenn die glänzende Scheibe verblich, 
Mer weiß, ob die Liebe der Brust nicht entwich! 


Ich hab’ einſt geliebt und auf Treue gebaut, 
sh habe dem Lächeln des Frühlings vertraut. 
Die Stürme des Herbfies, fie brausten daher, 
Sch ſuchte die Blumen und fand fie nicht mehr. 


Drum baftig die blinfenden Becher geleert! 
Grareift was die rollende Stunde befceert! 
Genießt die Minute, jo lange jie glüht! 

Der Frühling verwelft und die Liebe verblüht. 


Neugriechiſche Volkslieder. 
1. 
Das Mädchen im Hades. 


D wie glüdlih find die grünen Felder, 

D wie glüdlih jind die hohen Berge, 
Welche nimmermehr den Hades jchauen! 
Kommt der Winter, vedt er fie mit Reif zu 
Und mit dichtem flodigen Gejftöber; 

Kommt der Frühling, grünen fie auf’3 Neue, 
Tragen Blumen, tragen würz’ge Kräuter, 
Und der Sonnenjhimmer jchläft auf ihnen; 
Aber nimmer braucden fie dort unten 

Jene trübe Dunkelheit zu fürchten. 


Hatten ſich drei Rieſen einjt verſchworen, 
In das Neich ver Schatten einzubreden. 
Stiegen ſie hinab die dunklen Pfade, 
MWanderten drei Tage und drei Nächte, 
Kamen endlich in das Neich der Todten. 
Wie fie Alles dort erforfchet hatten, 

Wollten jie zurüd zum Lichte fehren. 

Trat zu ihnen da ein jchönes Mädchen, 
Blond von Haaren, aber bla won Wangen, 
Sprach die Niefen an mit janfter Stimme: 
ſdehmt mich mit hinauf, ihr lieben Riefen! 
Möchte gern einmal die Sonne ſchauen 

Und die rothen Blümlein auf dem Felde. 
Drauf verfegten die gewalt’gen Riefen: 
Deine ſeidenen Gewänder rauschen, 

Deine langen blonden Locken flüſtern, 

An den Füßen Elappern vie Bantoffeln; 
Können dich nicht mit uns nehmen, Mädchen, 
Gharon, unfer Fährmann, würd’ es merken. 
Sprab das Mädchen drauf mit fanfter Stimme: 
Meine Kleider will ih von mir legen, 

Will vom Haupt die langen Locken ſchneiden, 
Die Bantoffeln laſſ' ih an der Treppe; 
Nehmt mich mit hinauf, ihr lieben Riejen ! 
Sehen möcht’ ih meine beiden Brüder, 

Wie am Herd fie jißen, mich beweinend; 
Meine Mutter möcht’ ih klagen hören, 
Klagen in der rauchbeſchwärzten Hütte, 

Daß ihr liebſtes Töchterlein gejtorben. 
Sprachen drauf die Riefen: Liebes Mädchen, 
Bleib’ nur unten bei den bleichen Schatten! 
Deine Brüder fingen in den Schenken, 

Und dein Mütterlein ſchwatzt auf der Galle. 


ll. 
Hirſch und Reh. 


Auf dem boben Berg Olympos, wo der Wald von Tannen 
rauſcht, 

An dem Quell im hohen Kraute ſteht ein Hirſch, der thal— 
wärts lauſcht; 

Thränen weint er, dicke Thränen, groß wie Beeren, roth 
wie Blut; 

Wie aus liebem Menſchenauge ſtrömet ſeine Thränenflut. 


Kommt ein Rehlein hergeſprungen, Rehlein mit geflecktem 

CH 
5 Sell, 

Sieht des Hirſches Thränen fallen auf die Kräuter, in den 
Quell, 

Spridt: Was weinit du ſolche Thränen, groß wie Beeren, 
rothb wie Blut? 

Wie aus liebem Menſchenauge jtrömet deine Thränenflut. 


„Zürfen find ins Thal gefommen. Als empor den Berg 


ih ſprang, 

Sab ih ihrer Säbel Bligen, hört! ich ihrer Trommeln 
Klang; 

Hört ich auch ein großes Bellen: denn fie haben fich zur 
Jagd 


Aus der Stadt Konitantinopel jechzig Hunde mitgebracht.“ 


Rehlein jpriht: das grämt mich wenig; Läufe hab’ ich 
flinf und gut, 

Jede Kluft zu überjpringen, zu durchſchwimmen jede Flut, 

Und vom Berg die Klephten haben Pulver, Kugeln und 
Gewehr, 

Um die Türken und die Hunde fortzujagen bis ans Meer. 


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Aber als die Sonn’ hinabging, lag das Neblein ſchon im 

Staub, 

Blutig das gefledte Hälschen, und fein Fleisch der Hunde 
Raub; 

Eh’ der Morgen wieder graute, war der jtolze Hirjch erjagt, 

Und die Türken höhnen Seven, der fie nah den Klephten 
fragt. 


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Das Kraut Vergeffenheit. 


Es hat die Mutter mir gejagt, dort hinter jenem Berge, 

Der Wolfen um den Gipfel hat und Nebel um die Wurzel, 

Dort wächst das Kraut Vergefjenheit, dort wächst es in 
den Schluchten. 

D müßt ih nur den Pfad dahin, drei Tage wollt! ich 
wandern, 

Und wollte brechen von dem Kraut, und wollt's im Weine 
trinfen, 

Damit ich dich vergefien fünnt’ und deine falſchen Schwüre 

Und deine Augen, die jo oft von Liebe mir gejprocden, 

Und deinen füßen, ſüßen Mund, der taujendmal mich füßte! 





IV. 
Lied des Aädchens. 


D Mond, mein leuchtend heller Mond im klaren Licht— 
gewande, 

Der du dort oben ziehit im Blau, und der du niederjchaueit, 

D ſahſt du meine Liebe nicht, den vielgeliebten Jüngling ? 

In welchem Schloſſe fist er nun, in welchem Schloſſe 
trinkt er? 


Me Hände ſchenken ihm den Wein? — und ac, die meinen 


raiten. 

Mei Augen ſchaun ihn an mit Luft? — und meine find 
voll Thränen. 

An weſſen Tiſche rubt er aus? — und meiner jtebt ver: 
laſſen. 


Weß Lippe küßt und koſ't mit ibm? — und meine brennt 
in Sebnfuct! 


V. 
Die Küffe. 


In Salonichi war es nicht, 

Nicht war's im ſchmucken Städten, 
Im armen Wlachenlande liebt’ 

Ih einer Wittme Mädchen. 


Jetzt Shmüde, Mutter, ſchmück' das Haus, 
Und ſchmücke deinen Garten! 

Die Toter dein jo hold und fein 

Soll mib als Braut erwarten. 


Sie hat die Lippen roſenroth 
Gefärbt mit rothem Scheine; 
Ich neigte mich und küßte jie, 
Und färbte auch die meinen. 


In dreien Flüffen wuſch ich fie 
Und färbte roth die Flüffe, 
Und färbte rotb das Meer dazu 
Durch ihre rotben Küjle. 


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Elegie. 


O wie war mir daheim am nordiſchen Herde die Freude 
Ein willkommener zwar, aber ein ſeltener Gaſt! 
Denn bald ſcheuchte der Nebel ſie fort, der grau und ver— 
drießlich 
Ueber das lachende Thal, über die Berge ſich zog; 
Bald vertrieb ſie der lärmende Tag und das Dröhnen des 
Marktes, 
Wo nur jeder ſich ſelbſt, Keiner den Sänger vernahm. 
Auch den ſtörenden Schwarm der wilden Genoſſen ver— 
mied ſie, 
Und ſie entfloh dem Gelag, fand ſie die Cither verſtimmt. 
Manchmal nur, wenn im Arm der Geliebten ſinnend ich 
rubte, » 
Und ihr leuchtender Bli tief mir den Himmel erfchlof, 
Wenn wir in leifem Gefpräch der rinnenden Stunden ver: 
gapen, 
Aug’ in Auge verjenkt, weilte die Liebliche gern. 
Aber auch dann nur furz. Bald kamen die fehwagenden 
Muhmen, 
Bor dem geihäftigen Wort floh das verfehüchterte Kind. 
Wieder verjtrihen darauf eintönige Wochen und Monde, 
Und nad der Göttlihen Gruß blickte vergebens ich aus- 
Glücklicher Süden, wie dank' ich e3 dir! Du haft die Ent- 
wichne 
Neu mir vereint und fie ganz mir zur Vertrauten gemadt. 
Schreit’ ich hinaus ins Gebirg, jo find’ ich fie unter dem 
Lorbeer 
Mein ſchon barrend: fie jchläft, ſchön wie ein Mädchen, 
3 am Quell. 
Aber fie hört des Nahenden Tritt, mit wehenden Loden 
Springt fie empor, und zum Kuß hängt an den Lippen 
jie mir, 
Geibel, Gel. Werte, 1. 9 


— 130 — 


An das Geſtade des Meers, zu den heiligen Schatten des 
Delmwalds 
Leitet fie mich; ſie bejteigt mit mir den ſchwankenden 
Kahn; 
Leif’ auch führt fie den Hang mich empor zu den Trüm— 
mern des Tempels, 
Mo noch das Marmorgefims über den Säulen erglängt; 
Und fie deutet mir dort die vermitterten Bilder, ergänzend 
Mit lebendigem Wort was die Barbaren zerjtört. 
Faunen erblid’ ich im bacchiſchen Tanz und trunfne Mänaden, 
Hoh auf dem Panthergefpann folgt mit dem Thyrſus 
der Gott; 
Weiter verliert fih der taumelnde Zug, harmloſere Feite, 
Wie fie Demeter gebeut, zeigt der gebildete Stein; 
Hirten, mit Blumen befränzt, und Jungfraun führen den 


Reigen, 
Und im geläuterten Maß hebt fih und jenft ſich der 
Fuß; 
Sieh, dort jtürmen auch Rofje heran. Die jtäubende Renn— 
bahn 


Füllt ih mit Wagen, e3 jtrebt Jeder der Erjte zu jein. 
Zorbeer’n winken dem Sieger als Preis, doch ſchöner als 
Lorbeer'n 
Lohnt ihm des Dichters Geſang, der ihm Unſterblichkeit 
ſchenkt. 
Alſo deutet die Himmliſche mir die Gebilde der Künſtler, 
Und ich erkenne, wie ſchön einſt ſie die Völker regiert; 
Wie fie mit lächelndem Blick die rohen Gewalten gezügelt, 
Wie fie die ſproſſende Kraft ftet3 auf das Große gelenft. 
D da mwird mir die Seele fo meit, unendlide Sehnſucht 
Faßt mich, mit bebendem Mund ſprech' ich ein jtilles 
Gebet: 
Meile bei mir, du ſchönſte von allen den Töchtern des 
Himmels, 
Mit fanft lenkender Hand führe durch's Leben mid hin! 


DE N Den Pe de beten a 


—XRX 


— 131 — 


Zeige befänftigend mir die rechten Bahnen, und dämpfe 
Weiſe die Glut, und wenn blind einjt mich die Leiden: 
haft faßt, 
D da fühle das brennende Haupt und Fränz’ es mit Rofen, 
Bis mich der zögernde Gott till zu den Schatten ent: 
führt. 





Auf den Tod eines Freundes. 


D mie viel Kränze, eben frifh und grün, 
Sah ih in Einer furzen Nacht verblühn! 
D mie viel blondgelodte Knaben, 

D mie viel Bräute, deren füßer Blid 
Sich faum entzündet an der Liebe Glüd, 
Sah ih ſchon lächeln und begraben! 


63 ſucht der Tod die Freude, wie der Strahl 
Das funfelnde Metall. Ins laute Mahl, 
Mo Blumen duften, Becher prangen, 

Wo zur Mufif der rafche Tanz erbrauft, 
Greift er hinein mit eilig Falter Fauſt 

Und ftreift die Rofen von den Wangen. 


Das ift das Schidjal! Nah dem Tag die Nacht, 
Die jtille Thräne nah des Feſtes Pracht, 

Nah luſtigem Geſang die Klage, 

Und nach der Jugend Glüd jo jtrahlenvoll, 
Drin wie ein Himmel weit die Seele fhmwoll, 
Die Ruh’ im engen Sarfophage. 


— 132 — 


Auch du, mein Arthur! — D gedenf ich dein, 
Fließt um mein dunkles Herz ein janfter Schein, 
Wie Mondenfhimmer um Ruinen; 

Es blickt die alte Zeit mich jeltfam an, 

So blidt wohl jhüchtern auf den erniten Mann 
Ein lächelnd Kind mit roj’gen Mienen. 


Wohl war er jelig diefer Jugendtraum! 

Ich zählte damals funfzehn Jahre Faum, 

Und ſchwärmt' und träumte wie ein Anabe; 

Du warſt mein Freund — ich forderte nicht mehr; 
Sch babe dich geliebt, wie ich nachher 

Nur einmal noch geliebet habe. 


Dein Auge war mir Licht, dein Wort Mufik, 
Ich zürnte eiferfüchtig jedem Blick, 

Den einem Anderen du gönnteft, 

Und oft hab’ ich in jtiller Nacht geweint 

Bei dem Gedanken nur, daß du den Freund, 
Zum Mann gereift, vergejjen könnteſt. 


Des Abends, war die Schule endlih aus, 
Zogen mir fingend in den Wald hinaus, 

Oder im arten am Gewäſſer 

Sah’n wir die Sonne glühend niedergehn, 
Und bauten wie das Lichtgewölf jo ſchön 

Uns für die Zukunft golone Schlöfler. 


Da freut’ ich mich, wenn um dein blondes Haar 
Der Glanz der Abendröthe wunderbar 

Wie eine leiſe Glorie jpielte; 

Ich wurde ſtill, ich drückte dir die Hand, 

Und nur die Thräne, die im Blick mir ſtand, 
Sagte dir ſchweigend, was ich fühlte. 





u 
Re 


— 13 — 


D fanfter Rajenhang am Rand der Flut, 
Wo in den Blumen wir fo oft gerubt, 
O breite, dichtbelaubte Bude, 

Zu deren Wipfel unfer Lied erjcholl, 
Wie ſchauet ihr mih an fo trauervoll, 
Wenn ih euch einfam jest bejuche! 


Auch du, mein Arthur! Abgeblüht ift nun 
Dein Lächeln, deine ſchönen Glieder ruhn, 
Staub bei dem Staub, im Schooß der Erden, 
Und diejes Auge, das mein Himmel war, 
Als reine Flamme glänzt’ es nur jo Klar, 
Um ewig Aſche dann zu werden. — 


63 war die Zeit, wo leij’ in wärmern Haud 
Der Winterfehnee zerrinnt, wo Herz und Straud 
Sehnfühtig nah dem Lichte ringen, 

Da neigtejt du die ſchöne Stirn zur Ruh 

Und lächeltejt im Tod, als fühltejt du 

An deiner Seele jhon die Schwingen. 


Du lächelteft, ich meinte laut. Mein Herz 

War jest verwaiſt. Es war mein erjter Schmerz 
Und nimmer glaubt’ ich zu genejen. 

Ad, deiner Liebe war ich jo gewohnt; 

Sie war in meiner Nacht der Klare Mond, 

Die Rof’ in meinem Lenz gemwejen. 


Und als fie dich geſenkt zur Ruh hinab, 
Da zog der Frühling über deinem Grab 
Empor mit leifem, indem Wehen; 

Er brachte Sonnenſchimmer, Veilchenduft 
Und Iujt’gen Vogelfang und blaue Luft — 
Ich aber hab’ ihn nicht gefehen. 


= Wa 


Teichter Hinn. 


Und wie wär es nicht zu tragen 
Diejes Leben in der Welt? 

Täglih wechſeln Luft und Blagen, 
Was betrübt und was gefällt. 
Schlägt die Zeit dir mande Wunde, 
Manche Freude bringt ihr Lauf; 
Aber Eine jel’ge Stunde 

Wiegt ein Jahr von Schmerzen auf. 


Wiffe nur das Glüd zu fallen, 
Menn es lächelnd dir fich beut! 
In der Bruft und auf den Gaſſen 
Sud’ es morgen, ſuch' es heut. 
Doch bevrängt in deinem Kreije 
Did ein flühtig Mißgeſchick, 
Lächle leife, hoffe meije 

Auf den nächſten Augenblid. 


Nur fein müßig Schmerzbehagen ! 
Nur fein weichlich Selbitwerzeihn! 
Kommen Grillen, dich zu plagen, 

Wiege fie mit Liedern ein. 

Froh und ernit, doch immer heiter 
Leite dich die Poeſie, 

Und die Welle trägt dich meiter, 

Und du meißt es jelbit nicht, wie. 





— 1355 — 


Ländliche Fieder. 
1. Frühling. 


Und wenn die Vrimel fchneemweiß blidt 

Am Bach, am Bah auf dem Wiefengrund, 
Und wenn vom Baum die Kiriehblüt’ nidt 
Und vie Vögelein pfeifen im Wald allitund: 
Da flickt der Fischer das Netz in Ruh, 

Denn der See liegt heiter im Sonnenglanz, 
Da juht das Mädel die rothen Schuh, 

Und jhnürt das Mieder ſich eng zum Tanz, 
Und denfet ftill, 

Ob ver Liebite, der Liebjte nicht fommen mill. 


Es Klingt die Fiedel, es brummt ver Baß, 
Der Dorfihuß fist im Schanf beim Wein; 
Die Tänzer drehn ſich ohn’ Unterlaß 

An der Lind’, an der Lind’, im Abendſchein. 
Und geht’3 nah Haus um Mitternacht, 
Glühwürmchen trägt das Laternen vor, 

Da küſſet der Bube fein Dirnel ſacht, 

Und jagt ihr lei’ ein Wörtchen ins Ohr, 
Und fie denken beid’: 

D du fröhliche felige Maienzeit! 


2. Winter, 


Nun weht auf der Haide der jcharfe Nordoft, 
Am Vordach hangt der Zapfen von Eis, 
Die Tannen jehütteln fih rings vor Froit 
Und Feld und Kirchhof find filbermeiß. 

Sm Dorf verjchneit liegt jeglicher Pfad, 


— 136 — 


Ein Weg nur führet zur Schenke allein, 

Und geb’ ich dort grade des Abends jpat, 

Sp tret’ ich hinein; 

D mein Käthchen, mein Mädchen, nun bringe mir Wein! 


D liebes Käthchen, nun fing’ mir ein Lied 

Von der jonnigen, wonnigen Jrühlingszeit! 

Und wenn erjt wieder die Schwalbe zieht, 

Dann jollit du ſchauen, wie hold fich’S freit. 

Und wenn aufs Neu der Winter ſich naht, 

Da jchiert fein Wind uns von Dit und von Weit; 
Am lodernden Herde jigen wir jpat 

Im traulihen Neit, 

Und füffen uns warm und umſchlingen uns feit. 


Das Madden von Waros. 


Denkſt du des Abends no, des hellen, 
Da mid der Winde leifer Zug 

Sanft über die entichlafnen Wellen 

An dieſe ftille Küſte trug? 

Da ih, ermüdet vom Gemühle, 

Das draußen tojet früh und jpat, 

Mit bang jehnjühtigem Gefühle 

Bom hohen Schiff ans Ufer trat? 


Wie mwehte da vom Bergesgipfel 

Ein leifer Hauch willkommner Ruh! 

Wie raufhten der Cypreſſen Wipfel 

Mir den erjehnten Frieden zu! 

Die Stadt, von meißem Marmor glänzend, 
Das Weinlaub, Fenjter und Altan 

Mit jeinem dichten Grün umfränzend, 

63 ſah mich jo befreundet an. 





Die Männer mit gebräunten Zügen, 
Sie ſchienen alter Zeiten Bild; 

Und Mädchen wandelten mit Krügen 
Zum Brunnen, welcher tönend quillt; 
Und Buben fhwangen jih im Tanze, 
Es floß der Wein, die Cither flang, 
Indeß die Sonn’ in rothem Glanze 
Langſam ins golone Meer verfanf, 


Da ſah ich dich zum erjtenmale: 

Auf hoher Treppe ftandejit du, 

Ummölbt vom ranfenden VBortale, 

Und ſchauteſt jtill dem Reigen zu. 

Der Abendröthe Strahl umſpielte 

Dein Haar, zu träumen fehien der Blid, 
Als ob dein Buſen ahnend fühlte 

Der erjten Liebe nahes Glüd, 


Wohl uns! Nun hat das Herz in Wonne 
Die Knoſpenhülle abgeitreift; 

Nun bat des Südens heifre Sonne 

Die Frucht der Liebe fehnell gereift. 

Wir haben Welt und Grab vergejien, 

In ihrem Laufe fteht die Zeit, 

Und Balmen jehatten und Cypreſſen 

Um unjre jtille ©eligfeit. 





Fahr wohl. 


Den legten Becher bring’ ich dir, 
Du jehöner, fremder Strand! 

Ach, bitter wird das Scheiden mir, 
Als wär's mein Heimathland. 


— 153 — 


Fahr wohl, fahr wohl! Im Segel rubt 
Der Wind und treibt fein Spiel, 

Und raufchend furcht die grüne Flut 
Der Barke ſcharfer Kiel. 


Die Sonne ſinkt ins Inſelmeer, 

Die Luft glüht roſenroth — 

Dort ſchimmert noch das Fenſter ber, 
Wo fie mir Abjchied bot. 

Wie gern, wie gern, du holdes Kind, 
Hätt’ ich bei dir gejäumt! 

Umſonſt, auch diefer Traum zerrinnt, 
Und war jo jhön geträumt. 


Das ift daS Leben: Kommen, Gebn, 
Treiben in Wind und Flut; 
Fortziehn auf Nimmerwiederjehn, 
Wenn faum wir fanft gerubt; 
Geliebt jein und vergeſſen fein, 
Selbſt lieben — ftill! mir däucht, 
63 blendet mich der Abendſchein, 
Mir wird die Wimper feucht. 


Vorbei! vorbei! Die Thräne fällt; 

Vorbei jo Luft als Schmerz! 

Und wieder einfam in der Welt 

Schlägt nun dies wilde Herz! 

Ser’3 drum! — Des Mondes eriter Strahl 
Beglänzt das Meer in Pracht; 

Die Küfte flieht — zum legtenmal, 

Mein Mädchen, gute Nacht! 





ag in 


Sebensftimmung. 


D wer ſo recht die füße Kunft begriffe, 

Allein der ſchönen Gegenwart zu leben, 

Bei fanftem Windeshauch auf hohem Schiffe 
Ein fünlih Meer mit Wonne zu durhjchweben, 
Im Traubengarten über'm Feljenriffe 
Beglüdter Tage hold Geſpinnſt zu meben, 

Als hätte nie das Herz in andern Stunden 
Des Lebens Schmerz und Bitterfeit empfunden! 


Mer das vermöhte! Wer bei jedem Gruße, 

Bei jedem Blid der Liebe könnte ſäumen! 

Wer e3 verftünde, ftet3 in jel’ger Muße 

Sein Lied zu fingen unter Blütenbäumen! 

Ihm würde gern mit leifem Götterfuße 

Die Mufe nah’n in golonen Dichterträumen, 

Und eh’ er noch um ſolchen Preis gerungen, 

Wär’ ihm die Stirn vom Lorbeer ſchon umfchlungen. 


Sch hab’ es oft verfucht, und oft erglänzte 

Die Stunde mir, doh war's ein eitles Prangen; 
Denn wenn ich faum das Haupt mit Blumen frängte, 
Erwachten alte Schuld und altes Bangen; 

Am Becher, den der Freundſchaft Hand kredenzte, 
Schien eine heiße Thräne mir zu bangen, 

Und wenn ich froh die Saiten angejchlagen, 
Berhallten fie in ſehnſuchtsvollen Klagen. 


Mir iſt die Luft ein Schifflein, das zeriplittert, 
Sobald's aus jtiller Bucht hinausgefhmwunden, 
Ein thönern Bild, das über Nacht vermittert, 

Mie jhön es auch mit Roſen war ummunden, 


— 109 — 


Ein Flötenhall, der in der Luft verzittert, 

Menn er getönt zwei felige Sekunden, 

Im Lebenskelch der flücht'ge Kranz des Schaumes, 
Gin Duft, ein Haud, der Schatten eines Traumes. 


Drum richtet nicht zu jtrenge die Gedichte, 

Wenn fie euch oftmals nah'n im ſchwarzen Kleide; 
Nicht alle find genährt vom frohen Lichte, 

Nein, viele tränkt' ein Herz mit feinem Leide; 
Und das bedenkt, dem Menjchenangefichte 

Iſt aud die Thrän’ ein köſtliches Gefchmeide, 

Und manden Schat, den ihr in Freudenftunden 
Vergeblih juchtet, hat der Schmerz gefunden, 


Norgenwanderung. 


Mer recht in Freuden wandern will, 
Der geh’ der Sonn’ entgegen ; 
Da ift der Wald jo Eirchenftill, 
Kein Lüfthen mag fi regen; 
Noch find nicht die Lerchen wach, 
Nur im hoben Gras der Bad 
Singt leife ven Morgenjegen. 


Die ganze Welt ijt wie ein Bud, 
Darin uns aufgejchrieben 
In bunten Zeilen manch ein Sprud, 
Wie Gott uns treu geblieben ; 
Wald und Blumen nah und fern 
Und der helle Morgenitern 
Sind Zeugen von feinem Lieben. 


Da zieht die Andacht wie ein Hauch 
Durd alle Sinnen leife, 


al 


Da pocht ans Herz die Liebe auch 

In ihrer jtillen Weise, 
Pocht und pocht, bis ſich's erſchließt 
Und die Lippe überfliegt 

Bon lautem, jubelnden Breife. 


Und plötzlich läßt die Nachtigall 

Im Buſch ihr Lied erklingen, 

In Berg und Thal erwacht der Schall 

Und will jih aufwärts ſchwingen, 
Und der Morgenröthe Schein 
Stimmt in lichter Glut mit ein: 

Laßt und dem Herrn lobfingen! 





Thürmerlied. 


Wachet auf! ruft euch die Stimme 
Des Wächters von der hohen Zinne, 
Wach auf, du weites deutſches Land! 

Die ihr an der Donau hauſet, 
Und wo der Rhein durch Felſen brauſet 
Und wo ſich thürmt der Düne Sand! 

Habt Wacht am Heimathsherd 
In treuer Hand das Schwert, 
Jede Stunde! 
Zu ſcharfem Streit 
Macht euch bereit! 
Der Tag des Kampfes iſt nicht weit. 


Hört ihr's dumpf im Oſten klingen? 
Er möcht' euch gar zu gern verſchlingen, 
Der Geier, der nach Beute kreiſ't. 

Hört im Weiten ihr die Schlange? 


— 142 — 


Sie möhte mit Sirenenjange 
Bergiften euch den frommen Geift. 
Schon naht des Geiers Flug. 
Schon birgt die Schlange klug 
Sich zum Sprunge; 
Drum haltet Wacht 
Um Mitternacht 
Und wetzt die Schwerter für die Schladht! 


Reiniget euh in Gebeten, 
Auf daß ihr vor den Herrn könnt treten, 
Wenn er um euer Werk euch frägt; 
Keuſch im Lieben, feit im Glauben, 
Laßt euch den treuen Muth nicht rauben, 
Seid einig, da die Stunde fchlägt! 
Das Kreuz fei eure Bier. 
Eu’r Helmbufh und Panier 
In den Schlachten. 
Mer in dem Feld 
Zu Gott ſich bält, 
Der hat allein ſich wohl geftellt. 


Sieh herab vom Himmel droben, 
Herr, den der Engel Zungen loben, 
Sei gnädig dieſem deutſchen Land! 
Donnernd aus der Feuerwolke 
Sprich zu den Fürften, fprih zum Bolfe, 
Und lehr' uns ſtark jein Hand in Hand! 
Sei du uns Feld und Burg, 
Du führſt uns wohl hindurd. 
Halleluja! 
Denn dein ift heut 
Und alle Zeit 
Das Reich, die Kraft, die Herrlichkeit. 


— 13 — 


Hufe Nadit. 


Schon fängt es an zu dämmern, 

Der Mond als Hirt erwacht 

Und fingt den Wolfenlämmern 

Ein Lied zur guten Nacht; 

Und mie er fingt jo leife, 

Da dringt vom Sternenfreije 

Der Schall ins Ohr mir jadt: 
Schlafet in Ruh! fchlafet in Ruh! 
Vorüber der Tag und fein Schall; 
Die Liebe Gottes dedt euch zu 
Allüberall. 


Nun fuhen in den Zweigen 

Ihr Nejt die Vögelein, 

Die Halm’ und Blumen neigen 

Das Haupt im Mondenſchein, 

Und jelbjt des Mühlbachs Wellen 

Laſſen das wilde Schwellen 

Und jchlummern murmelnd ein. 
Schlafet in Ruh, jchlafet in Ruh! 
Vorüber der Tag und fein Schall; 
Die Liebe Gottes deckt euch zu 
Allüberall. 


Bon Thür zu Thüre mallet 
Der Traum, ein lieber Gaſt, 
Das Harfenjpiel verhallet 
Im ſchimmernden Balaft, 
Im Nahen jchläft der Ferge, 
Die Hirten auf dem Berge 
Halten um's Feuer Rait. 


ST: Fe 


Schlafet in Rub, jchlafet in Rub! 
Vorüber der Tag und fein Schall; 
Die Liebe Gottes dedt euch zu 
Allüberall. 


Und wie nun alle Kerzen 

Verlöſchen durch die Nacht,’ 

Da ſchweigen au die Schmerzen, 

Die Sonn’ und Tag gebradt; 

Lind fäufeln die Cypreſſen, 

Ein jeliges Vergeſſen 

Durchweht die Lüfte jacht. 
Schlafet in Rub, jchlafet in Ruh! 
Vorüber der Tag und jein Schall; 
Die Liebe Gottes deckt euch zu 
Allüberall. 


Und wo von heißen Thränen 

Ein ſchmachtend Auge blüht, 

Und wo in bangem Sehnen 

Ein liebend Herz verglübt, 

Der Traum fommt leif’ und linde 

Und fingt dem Franken Kinde 

Ein tröſtend Hoffnungslied. 
Schlafet in Ruh, ſchlafet in Ruh! 
Vorüber der Tag und ſein Schall; 
Die Liebe Gottes dedt-euch zu 
Allüberall, 


Gut Nacht denn all ihr Müden, 
hr Lieben nah und fern! 
Nun ruh' auch id in Frieden, 
Bis glänzt der Morgenitern. 
Die Nachtigall alleine 


— 15 — 


Singt noch im Mondenfceine 

Und lobet Gott den Herrn. 
Schlafet in Rub, jchlafet in Ruh! 
Vorüber der Tag und fein Schall; 
Die Liebe Gottes dedt euch zu 
Allüberall. 


Geibel, Geſ. Werke. 1. 10 


Rene Sponette 


als 


Intermezzo. 


Zur Kileitung. 


In Blüten ſah ich Thal und Hügel prangen 

Und tief im Grün die Spur des Winters ſchwinden, 
Da iſt auch mir mein Denken und Empfinden, 

Luſt, Zorn und Lieb' in Liedern aufgegangen. 


Oft ließ ich auch die Laut' am Aſte hangen; 
Da kam der Lenz und harfte mit den Winden 
Ein Stück dazwiſchen, eins von ſeinen linden, 
Die wundermild das Menſchenohr befangen. 


Die Lieder alle hab’ ich hier gereiht: 
Es ward ein Kranz — ih wand ihn leiht und loje — 
Bunt wie mein Herz und bunt wie dieje Zeit. 


Die heiße Tulpe flammt bei dunklem Mooje, 
Beim Blütenſchnee trägt die Cypreſſe Leid 
Und unter wilden Nefjeln laufcht die Roje. 


u 


Mein Weg. 


Sch hör’ es wohl, es rufen die Partei'n: 

„Komm ber, und woll' uns endlich angehören! 

Der rüft’ge Harfner fei zu unjern Chören, 

Und jchling’ als Kranz dein Lied um unfern Wein.“ 


Mein ewig Echo bleibt ein ruhig: Nein! 

Denn zu der Fahnen feiner kann ich ſchwören; 
Den Gott im Bufen darf fein Schlagwort ftören, 
Sch folge meinem Stern und geb’ allein. 


Dem Wandrer bin ich gleih am Feljenhang, 
Dem ſchroff die Wand fih thürmt zur rechten Seite, 
Zur Linken braust der See mit dumpfem Klang. 


Doch rühr' ih fromm die Saiten, wie ich fehreite, 
Und oftmals will’3 mir dünfen beim ©ejang, 
Daß mi wie Kaifer Mar ein Engel leite. 


Erſter Sonnenblik. 


Nach jo viel trüben, trüben Nebeltagen, 

Du goloner Schein, der aus dem Blauen fließt 
Und klar durch meine Seele fich ergießt, 

D Schein des Trofts, laß meinen Gruß dir jagen! 


Ih war mit Angſt und Traurigkeit gefchlagen, 
Doch nun iſt's gut, da ſich der Strahl erjchließt; 
Und leife, leife, wie die Roſe jprießt, 

Darf Luft und Hoffnung aufzublühen wagen. 


O fcheltet nicht, daß ich, ein Sohn der Erde 
Und tief im Wefen der Natur vereint, 
Bon ihrem Angeficht geleitet werde! 


— 148 — 


Ihr ſeht ja doch, daß, wenn die Mutter meint, 
Das Kind veritummt mit trauriger Geberde 
Und wieder lächelt, wenn fie froh erjcheint. 


Nachts. 


Dem Mondesaufgang wandl' ich gern entgegen, 
Wenn alles ſchlummert, durch die ftillen Gaflen; 
Des Marktes Brunnen raufchet noch verlafien, 

Sonit tiefes Schweigen rings auf allen Wegen. 


Da ſpricht die Naht auch über mich den Segen, 
In fanfte Wehmuth ſchmilzt das trog’ge Haflen, 
Die Liebe naht, mich gläubig zu umfaſſen, 

Und will das Haupt an meine Schulter legen. 


Mir its, als käme mir die Jugend wieder, 
Und wieder jtreben in ſehnſücht'ger Weife 
Aus diefer Bruft zur Heimat meine Lieber. 


So jhmingt von Schwänen eine Schaar fi leije 
Aus dunklem See auf wallendem Gefieder, 
Wenn fie beginnt nah Süden ihre Reife. 


Anbekümmerf. 


Bit vu als Künſtler, als Poet gejenvdet, 

O laß dih nicht vom Preis des Marktes leiten! 
Denn finnlos hat die Welt zu allen Zeiten 

An Mittelmäp’ges ihre Gunſt verjchwendet. 


Zeig’ ihr ein Bild vom Genius vollendet, 

Drauf alle Himmel ſtille Glorien breiten, 

Und eins, wo grell und roh die Farben jtreiten: 
Du wirſt es jehn, wohin ihr Herz ſich wendet. 


— 19 — 


Nein, ihrem Tadeln lächle, ihrem Loben; 
Du halt genug der Wonnen eingetaufcht, 
Kam dir der jel’ge Schöpfungsprang von oben. 


Der Nachtigall fei gleich, die duftberaufcht 
Noch ſtets dem Lenz den Brautgefang erhoben, 
Ob ihr auch niemand als die Nacht gelaufct. 


Finer jungen Freundin. 


Das Meer ift oben glatt und jpiegeleben, 
Doch bunte Gärten trägt’s auf feinem runde; 
Goldmwälder, Burpurftauden ftehn im Sunde, 
Darinnen Perlen jtatt des Thaues beben. 


Das iſt ein heimlih Glühn, ein farbig Leben, 
Doch jelten wird dem Schiffenden die Kunde; 
Ein Sonntagskind nur fieht in guter Stunde 
Die Wipfel dämmernd aus der Tiefe jtreben. 


So blüht audb dir ein Garten im Gemüthe; 
Allein die Welt, getäuſcht von deinen Scherzen, 
Sit blind für feine wunderfame Blüte. 


Der Dichter nur, vertraut mit Luft und Schmerzen, 
Las was im Dunkel deines Auges glühte 
Und ahnt die Zauberwelt in deinem Herzen. 


Finem Freunde. 


Wenn kaum erwacht die lauen Lüfte gehen, 

Da fingt der Dichter Schon von Maienwonnen; 
Er glaubt beim erjten blafjen Strahl der Sonnen 
Die Welt im Glanz der Pfingſten ſchon zu fehen. 


— 10 — 


So ſpricht er auch von Liebes-Luft und Wehen, 
Wenn kaum ein flüchtig Lächeln er gewonnen ; 
Die Blüte, die zu Inofpen nur begonnen, 
Sieht er in Pracht als volle Roſe jtehen. 


Darum, o Freund, verwundre dich mit nichten, 
Daß oft ein freudig Lied ihm jest bejchieden, 
Wiewohl ſich kaum der Zeit Gemitter lichten. 


Mag er bei Tag nob rüftig Waffen ſchmieden: 
Nachts winkt ihm fernite Zukunft in Gefichten, 
Und was er jchaut, it Frieden, goldner Frieden. 





Xedite Weihe. 


Kalt find fie, Falt, und kalt iſt ihr Gedicht; 

Sie waren nie vom Hauch des Frühlings trunfen, 
Nie in des Gottes Melodie verjunfen, 

Der dur die heil’ge Nacht vernehmbar ſpricht. 


Auch fühlen fies, was ihrem Lied gebricht, 

Und laſſen zum Erſatz der Lebensfunken 

Mit Schmin® und Flittergold die Leiche prunfen, 
Mit eitlem Schimmer, ver den Sinn beftict. 


Doch wen der Geiſt bejeelet, unerfhroden 
Berjhmähen mag er, was der Markt erhebt, 
Und dennod, jingt er, bleibt fein Auge troden. 


Dem Gotte gleicht er, den der Mar umſchwebt; 
Er ſchüttelt leife nur die dunfeln Loden, 
Und der Olymp und jedes Herz erbebt. 


An — 


Weil ihren Wit dein hoher Sinn vernichtet 

Und ihre Schmeidhelei für dich verloren, 

So heißt di) marmorn dies Gefhleht von Thoren, 
Das froftig jede große Seele richtet. 


Doch millig haft du auf ein Lob verzichtet, 
Das für den Kern die Schale jtet3 erforen; 
Du gleihjt dem Wein, der, äußerlich gefroren, 
So Geiſt als Glut im Innerften verdichtet. 


Heil aber jenem, der dich einjt erfennt, 
Und, in der Seele jtillen Reiz verfunfen, 
Nicht eher raftet, bis er fein dich nennt! 


Bei deinem Kuß empfinden wird er trunfen, 
Um wie viel heißer heimlich Feuer brennt, 
Als was für jeden ſich verjprüht in Funden. 


O ſchöne Zeit. 


O ſchöne Zeit, da mich noch jede Stunde 
Zu einer friſch erſchloſſ'nen Blüte rief, 

Da jeder Tag, ein goldner Freudenbrief, 
Sich vor mir aufthat mit beglückter Kunde; 


Da, wie die Rof/ in dunklem Alpengrunde, 
Ihr liebes Bild mir blüht’ im Herzen tief, 
Und ih mit ihrem Namen fjanft entjchlief, 
AS würd’ er zum Gebet in meinem Munde! 


Du biſt dahin, und doch, du bijt noch mein: 
Es fließt das Lied von deinen Nachtigallen 
Ein Frühlingsaruß in meinen Herbſt herein. 


— 12 — 


Allabendlib, wenn Stadt und Flur verhallen, 
Kebrt die Erinnrung tröſtend bei mir ein, 
Mit mir im Traume dur die Nacht zu mallen. 


Pfingfien. 


Das Feit der Pfingſten fommt im Hall der Gloden, 
Da jauchzt in Frühlingsfhauern die Natur; 

Auf jedem Straub des Waldes und der Flur 
Schmwebt eine Roſ' als Flamme mit Frohloden. 


D Geiſt, der einjt in golonen Feuerfloden 
Aufs Haupt der Jünger braufend niederfuhr, 
Von deinem Reichthum einen Funken nur, 
Hernieder jend’ ihn auf des Sängers Loden! 


Ich weiß es wohl, nicht würdig bin ich dein; 
Doch haſt du nie die Tugend ja gemefjen, 
Der Glaube zieht, die Sehnſucht dich allein. 


Der Armen haft du nimmermehr vergefjen, 
Du kehrteſt in der Fiſcher Hütten ein, 
Und an der Sünder Tijeh biſt du gejeflen. 


Im Frühjahr. 


Wenn ih im Lenz durch Grün und Rojen mwalle, 
Da wird mir oft zu Sinn, als müßt’ ich klagen, 
Daß ih geboren bin in folhen Tagen, 

Die rauh erdröhnen von der Waffen Schalle. 


Ich hätte gern ein freudig Lied für Alle 
Boll Gottesfrieden in der Bruft getragen, 
Ich hätte gern im Zauberwald der Sagen 
Ein meißes Edelwild gebracht zu Falle. 


> 


— 13 — 


Umfonjt! Es ziemt uns nicht, im Kranz der Reben 
Mit goldnen Märchen das Gelag zn würzen; 
Denn diefe Zeit ift wie die Sphine von Theben. 


Wer's heute wagt, als Dichter ſich zu ſchürzen, 
Ihr Räthſel wird fie ihm zu rathen geben, 
Und löst er's nicht, ihn in den Abgrund jtürzen. 


Den Aufgeregken. 


Glaubt mir, dafern in Deutſchlands Eingeweide 

Das Schwert ihr kehrt und jhürt des Kriegs DVerverben: 
Nicht Freiheit werden eure Kinder erben; 

Zum Baume tragt ihr jelbjt des Beiles Schneide. 


63 wird ein Kampf von unermefj’nem Leibe, 
Darin die Beiten auf der Waljtatt jterben ; 

Der Slave wird zulegt das Reich erwerben, 

Daß er auf Gräbern feine Roſſe weide. 


Schon hör! ih als der Knechtſchaft Siegesreigen 
Prophet'ihen Ohrs den Klang von feinen Hufen — 
Ihr aber glaubt es nicht, und ich muß jchweigen. 


So ſchwieg Kafjandra auf des Tempels Stufen, 
Da fie im Geiſt ſah Troja's Flamme jteigen, 
Und niemand hört’ es, daß fie Weh gerufen. 


Gegen den Hfrom. 


Die Freiheit hab’ ich ſtets im Sinn getragen, 
Doch haſſ' ich eins noch grimmer als Defpoten: 
Das ift der Pöbel, wenn er fih den rothen 
Berfegten Königsmantel umgejchlagen. 


— 154 — 


Die kleinen Seelen glühn in folhen Tagen, 
Sich aufzujpreizen als des Himmels Boten, 
Und frech verläftern fie die großen Todten, 


Denn Sündemward es, ausdem Shwarmgzuragen. 


Sa, wem das Herz nur höher wagt zu pocen, 
Aus wen der eilt, der beil’ge, gottgejandte, 
Erhaben zürnt, fein Urtheil ift geſprochen. 


Hat doch der Pöbel einjt, der wuthentbrannte, 
Ob Ariftives Haupt den Stab gebrochen, 
Und ins Exil verjtoßen einen Dante. 


Bei einem Feſte. 


D zieht nur auf mit flatternden Standarten! 

Ruft euren Uebermuth von allen Zinnen! 

Haut, wie Sir John, mit prahlendem Beginnen 

Die Klinge, die zum Spiel ihr führt, voll Scharten ! 


Kampflieder auch jtimmt an von allen Arten, 
Indeß jtatt Blutes Ströme Weines rinnen! 
Mir däucht es würd’ger, mit gefaßten Sinnen 
Den großen Tag des Schidjals zu erwarten. 


Gr bleibt niht aus. Doc feine Donner tödten 
Mit ihrem erjten Hall den Lärm ver Schreier, 
Und feine Blige find wie Morgenröthen. 


Dann will ich fragen euch, ihr Weltbefreier: 
Habt ihr ein Schwert in eures Volkes Nöthen ? 
Und für die Schlabten habt ihr eine Leier? 


Pr 


— 15 — 


Den Verneinenden. 


Ich will e8 immerhin euch gern erlauben, 

Daß ihre mich rechnet al3 der Schwachen Einen, 
Do jollt ihr meinem Auge nicht das Weinen, 
Noh meinem Mund der Freude Lächeln rauben. 


Zu eurer Höhe kann ih mid nicht ſchrauben, 
Mo jtatt der Sonne froſt'ge Sterne ſcheinen; 
Ich kann nicht halfen bloß und bloß verneinen; 
Dies Herz bedarf’3 zu lieben und zu glauben. 


Daß ihr euch Heiden nennet, hör’ ich jagen, 
Doch jene ſahn den Gott im Sturm der Meere, 
Den Gott im Donner und im Sonnenwagen. 


Ihr aber möchtet frech mit erznem Speere 
In Trümmer jedes Götterbild zerichlagen — 
So bleibt euch nichts denn, als die große Leere. 


In ſchwerer Hunde. 


Wenn nach des Tags Verbluten weit und breit 
Die Finſterniß ſich ſchauervoll ergießet, 

Daß Berg und Thal in wüſtes Schwarz zerfließet, 
Da tritt hervor der Sterne Heiterkeit. 


Und wenn ein Volk in trotz'gem Widerſtreit 

Dem gottgeſandten Strahl das Herz verſchließet, 
Um Hütt' und Schloß der Lügen Unkraut ſprießet, 
Das iſt der Seher, der Propheten Zeit. 


Herr, ſieh gen Himmel uns die Arme ſtrecken! 
Hör' unſer heißes Flehen früh und ſpat, 
Du wolleſt einen Retter uns erwecken! 


— 156 — 


Dies Volk ift irr und irre der hohe Rath — 
D laß ibn nahn im Donner deiner Schreden, 
Die Spreu zu feheiden von der guten Saat! 


Schill. 


D eine Eiche pflanzt auf diefen Hügel! 

Die grünfte jucht, jo weit die Amfel ruft! 
Sie jtreue Schatten auf des Helden Gruft, 
Und Lieder rauſch' in ihr des Windes Flügel. 


Denn gleih dem Roß, das knirſchet in die Zügel = 
Und ſcharrt und jtampfet, jpürt es Morgenluft, 

So wittert' er zuerjt der Freiheit Duft, 

Da Alles ſchwieg, und ſchwang jih in den Bügel. 


Fürwahr, o Schill, du warſt ein ächter Reiter 
Und jchneller als die Zeiten rittjt du gern, 
Mit dir wie Blige deine blanfen Streiter. 


Dein Jagdhorn Hang: „Der Tag ift nicht mehr fern!“ 
Da ging der Morgen auf jo roth und heiter; 
Doch unter gingſt du, ſchöner Morgenftern. 


Bem Vode eines Dichkers. 


D Tod, du bijt der wahre Fürjt der Welt, 

Der Prieſter biſt du, der mit reinen Händen 

Den Kranz der bleihen Stirn vermag zu ſpenden, 
Und heil’ge Namen jchreibt an's Sternenzelt. 


Das Linnentuch, zu deinem Dienjt beftellt, 

Ein Burpur wird’, den Keiner wagt zu ſchänden, 
Ein Demantjchild, gefeyt an allen Enden, 

Don dem zurüd der Pfeil des Spottes ſchnellt. 


— 157 — 


Wohl höhnt die Welt in blödem Frevelmutbe 
Manch großes Herz, das ihr doch Alles gab, 
Mas reih und ſchön in feiner Tiefe rubte; 


Da ſchwebſt, ein Troftesengel, du herab, 
Und rührſt es ſacht, daß es nicht fürder blute — 
Und pflanzeit em’gen Lorbeer auf das Grab. 


Auferſtehung. 


Wenn Einer ſtarb, den du geliebt hienieden, 

So trag' hinaus zur Einſamkeit dein Wehe, 

Daß ernſt und ſtill es ſich mit dir ergehe 

Im Wald, am Meer, auf Steigen längſt gemieden. 


Da fühlſt du bald, daß Jener, der geſchieden, 
Lebendig dir im Herzen auferſtehe; 

In Luft und Schatten ſpürſt du ſeine Nähe, 
Und aus den Thränen blüht ein tiefer Frieden. 


Ja, ſchöner muß der Todte dich begleiten, 
Um's Haupt der Schmerzverflärung lichten Schein, 
Und treuer — denn du bajt ihn alle Zeiten. 


Das Herz au hat jein Djtern, wo der Stein 


Bom Grabe fpringt, dem wir den Staub nur mweihten; 
Und was du ewig liebit, ift ewig dein. 


Viertes Bud). 
Eſcheberg. St. Goar. 


1842—1843. 


Huf dem Anfand. 
An Ernſt Curtius. 


Grau iſt der Morgen, ſtreif'ge Nebel wallen, 

Ein leiſer Regen ſpinnt ſich trüb und kalt; 

Die rothen Blätter ſeh' ich langſam fallen — 
Jagdwetter ſchien's, drum zogen wir zu Wald. 
Schon ſpürt die Meute fern, ſie bellt im Suchen, 
Und ihr Gebell verheißt uns gute Pirſch; 

Ich ſteh' im feuchten Herbſtlaub an den Buchen, 
Geſpannt die Büchſe paſſ' ich auf den Hirſch. 


Mich fröſtelt. — Sollt' in meiner Waidmannstaſche 
Bei Blei und Pulver nicht Erquickung ſein? — 
Fürwahr, das iſt die korbumflochtne Flaſche! 

Ein tücht'ger Zug! — Ha, das iſt Cyperwein! 
Heiß rinnt er durch die Adern, durch die Glieder — 
Floß durch die Wipfel plötzlich Sonnenglanz? 

Die griech'ſche Feuertraube ruft mir wieder 

Im Herzen wach die Bilder Griechenlands. 


— 159 — 


Zwei Jahre ſind's! Ei, wie jo anders jchaute, 
Wie froh der Herbſt mir damals in's Geficht! 
Lau war die Luft, der tiefe Himmel blaute, 

Die Feige ſchwoll, die Traub’ im Sonnenlidt. 
Da ließen, matt noch von des Sommers Gluten, 
Mein Ernit, den Ernjt wir in Athen zu Haus, 
Und zogen durch des Inſelmeeres Fluten, 

Zwei ſel'ge Schwärmer, abenteuernd aus. 


Gedenkſt du, wie bei Paros durch die Brandung 

Das Boot wir zwängten ? — dämmernd jtieg der Mond — 
Und mie jo ſchön uns dann die fühne Landung 

Die rebumkränzte Marmorjtadt belohnt? 

Denkſt du der Cithern, die die Nacht durchklangen, 
Der Brunnen, die uns in den Schlaf geraufcht, 

Und jenes Mädchens, das mit glüh’nven Wangen 

Für leihten Schmud Drangen uns vertaufht? 


Denkſt du an Naxos neh? ch jeh’ fie liegen, 
Die Klöfter und das Schloß auf hohem Stein, 
Den Säulenhof, wo fi die Palmen wiegen, 
Die Felswand übergrünt von eitel Wein, 

Das reihe Thal, in deſſen bucht’ge Weiten 

Ein buntgezäumtes Saumthier leicht uns trug — 
Da blinkten Becher rings, da Elangen Saiten; 
Fürwahr, es war ein neuer Bachuszug! 


Und al3 wir jonnverbrannt mit jtaub’gen Ballen 
Zur Ruh verlangten nach der heißen Fahrt, 

Da nahm uns in die fühlen Klofterhallen 

Der wadre Bater mit dem langen Bart. 

Hoch über'm Meer auf jenem Laubenfige, 

Wie fchollen unfre Lieder da fo frifch! 

Wie floß der Duell des Nektars und der Witze 
Sp unerſchöpft am jaubern Abendtisch! 


— 160 — 


Dort ſaß der Bifchof, dort der Kapuziner, 

Wir zwei Poeten luftig mittendrin: 
Schlaulächelnd jtellte der ſlavon'ſche Diener 

Uns beiden jtets die volliten Flaſchen bin. 

O Jubel, wie wir einft im Mönchövereine 
Gezecht, bis jenen die Geduld felbit riß, 

Und wie wir dann, noch voll von fühem Weine, 
Verdeutſcht das Trinkliev des Panyaſis! 


Doch mußten auf dem Chor die Priejter fäumen: 
Dann ſuchten wir die Gärten am Geftad; 
Skhlaftrunfen wob's in den Citronenbäumen, 

Die ftille Felsbucht rief zum lauen Bad; 

Dazu ein Trunf, ein Lied. So floß der Morgen, 
Sp fam gejtirnt die duft’ge Nacht daher; 

Wir lebten, ſchwärmten — zwischen unfern Sorgen 
Und zwiſchen unjern Herzen lag das Meer. 


Nur einſt — ein Sonntag war's, die Öloden gingen — 
Da daten wir an Lübeds Glodenklang, 

Der Baterjtadt, und an den Wimpern hingen 

Uns. plöglih Thränen, und wir ſchwiegen lang. 

Ein Luftſchloß baut’ ih für mein Zufunftleben; 

So golden war's. Die Bruft ſchlug heimatwärts — 
Ah, wenig hat die Heimat nun gegeben, 

Ein Liederbuch und ein verwundet Herz. 

Doch heilt es ſchon. Die Saiten, die zerfprungen, 
Zu ew'ger Stummbheit find fie bald gedämpft; 

Ich babe mir in Nächten, bang durchrungen, 

Das jchwere Gut der Heiterkeit erfämpft. 

Du jollit es am Gefang aus meinem Munde 

Raum fpüren, welche Hoffnung von mir ſchied; 
Und bricht fie einmal auf die alte Wunde: 

Lab bluten! Auch der Schmerz will ja fein Lied, 


— 161 — 


Muth! Muth! Dem Leid, der Luft die Stirn entgegen! 
Die Welt iſt immer noch des Schönen voll. 

Gin fühnes Ringen gilt's auf meinen Wegen, 

Sch ward ein Mann und fühle was ich foll. 

Db’3 wieder Täufhung? — Doch genug! Der Hunde 
Gebell Elingt nah, der Fels antwortet hohl; 

Gin Schuß und wieder einer fällt im Grunde — 

Der Hirſch bricht duch die Büſche — Lebewohl! 


Denn fih zwei Kerzen Iheiden. 


Wenn fi zwei Herzen ſcheiden, 
Die ſich dereinjt geliebt, 

Das iſt ein großes Leiden, 

Wie's größres nimmer giebt. 

Es klingt das Wort jo traurig gar: 
Fahrwohl, fahrwohl auf immervar! 
Wenn fih zwei Herzen jcheiden, 
Die fih dereinſt geliebt. 


ALS ich zuerſt empfunden, 

Daß Liebe brechen mag, 

Mir war's, als jei verſchwunden 

Die Sonn’ am hellen Tag. 

Mir EHang’s im Ohre wunderbar: 
Fahrwohl, fahrwohl auf immerdar, 
Da ich zuerit empfunden, 

Daß Liebe brechen mag. 


Mein Frühling ging zur Nüfte, 
Sch weiß es wohl warum; 
Die Lippe, die mich füßte, 
Sit worden fühl und ftumm. 
Geibel, Ge. Werte. 1. 11 


ae 


Das Eine Wort nur fprab fie Har: 
Fahrwohl, fahrwohl auf immerdar! 
Mein Frühling ging zur Rüſte, 

Ich weiß es wohl warum. 


Rührek nichk daran. 


Wo ſtill ein Herz voll Liebe glüht, 
O rühret, rühret nicht daran! 

Den Gottesfunken löſcht nicht aus! 
Fürwahr, es iſt nicht wohlgethan. 


Wenn's irgend auf dem Erdenrund 
Ein unentweihtes Plätzchen giebt, 
So iſt's ein junges Menſchenherz, 
Das fromm zum erſtenmale liebt. 


O gönnet ihm den Frühlingstraum, 
In dem's voll roſ'ger Blüten ſteht! 
Ihr wißt nicht, welch ein Paradies 
Mit dieſem Traum verloren geht. 


Es brach ſchon manch ein ſtarkes Herz, 
Da man ſein Lieben ihm entriß, 

Und manches duldend wandte ſich, 
Und ward voll Haß und Finſterniß; 


Und manches, das ſich blutend ſchloß, 
Schrie laut nach Luſt in ſeiner Noth, 
Und warf ſich in ven Staub der Welt; “ 
Der ſchöne Gott in ihm mar todt. 


Mg 


Dann meint ihr wohl und Hagt euch an; 
Doch feine Thräne heißer Reu 

Macht eine welke Roſe blühn, 

Erweckt ein todtes Herz auf's neu. 


In ein Skammbuch. 
(Nah Byron.) 


Wenn fich auf diefes Blatt dein Auge jentt, 
Betracht’ es Still, als wär's mein Leichenftein ; 
Und mild, wie man der Todten fonft gedenkt, 
Gedenke mein! 


Lieder eines fahrenden Schülers. 
(Zu Boltsweifen.) 


F 


Kein Tröpflein mehr im Becher! 
Kein Geld im Seckel mehr! 

Da wird mir armen Zecher 
Das Herze gar ſo ſchwer. 

Das Wandern macht mir Pein, 
Weiß nicht, wo aus, noch ein; 
Ins Kloſter möcht' ich gehen, 
Da liegt ein kühler Wein. 


Ich zieh' auf dürrem Wege, 
Mein Rock iſt arg beſtaubt, 
Weiß nicht, wohin ich lege 
In dieſer Nacht mein Haupt. 


ET 


Mein Herberg’ iſt die Welt, 
Mein Dach das Himmelszelt, 
Das Bett, darauf ich fchlafe, 
Das iſt das breite Feld. 


Ich geh’ auf flinfen Sohlen, 
Doch jchneller reit’t das Glück; 
Ich mag es nicht einholen, 
Es läßt mich arg zurüd. 
Komm’ ih an einen Ort, 

Sp war e3 eben dort, 

Da kommt der Wind geflogen, 
Der pfeift mih aus jofort. 


Sch wollt’, ich läg’ zur Stunde 
Am Heidelberger Faß, 

Den offnen Mund am Spunde 
Und träumt’ ich weiß nicht was. 
Und wollt’ ein Dirnlein fein 

Mir gar die Scenfin fein: 

Mir wär's, als ſchwämmen Roſen 
Wohl auf dem flaren Wein. 


Ach wer den Weg doch müßte 
In das Schlaraffenland ! 

Mir dünket wohl, ich müßte 
Dort finden Ehr’ und Stand. 
Mein Muth ift gar fo fchlect, 
Daß ih ihn taufchen möcht'; 
Und ſo's Dufaten jchneite, 
Das wär’ mir eben recht. 


II. 


Es fliegt manch Böglein in das Neft 
Und fliegt’ auch wied'r heraus; 

Und bijt vu 'mal mein Schat geweſt, 

So iſt die Liebjchaft aus. 

Du haft mich ſchlimm betrogen 

Um ſchnöden Geldgewinn — 

Viel Glüd, viel Glüd zum reihen Mann ! 
Geh’ du nur immer bin! 


Biel Blümlein jtebn im hohen Korn 
Bon roth und blauer Zier, 

Und haſt du eins davon verlor'n, 
So ſuch' ein andres dir. 

Glaub’ nicht, daß ich mich gräme 
Um deinen falfhen Sinn — 

Ich find Schon einen andern Schatz; 
Geh’ du nur immer hin! 





III. 


Herr Schmied, Herr Schmied, beſchlagt mir mein Rößlein 
Und habt ihr's beſchlagen, fo macht mir ein Schlößlein, 


Ein Schlößlein jo feit und ein Schlößlein jo fein, 
Und muß bei dem Schlößlein ein Schlüflel auch fein. 


Das Schlößlein, das will ich vor's Herze mir legen, 


Und hab’ ich's verjchloffen mit Kreuz und mit Segen, 


Sp werf’ in den See ih den Schlüfjel hinein, 
Darf nimmer ein Wort mehr heraus noch herein. 


Denn mer eine felige Liebe will tragen, 

Der darf es den alten Jungfern nicht jagen; 
Die Dornen, die Dijteln, die ftehen gar ſehr, 
Doch ftehen die Altjungfernzungen noch mehr. 


— 1606 — 


Sie tragen’s zur, Baſ' bin und zur Frau Gevattern, 
Bis daß es die Gänſ' auf dem Marfte bejchnattern, 
Bis daß es der Entrich bered’t auf dem See, 

Und der Kudud im Walde, und das thut doch weh. 


Und wär’ ich der Herrgott, fo ließ’ ic auf Erven 
Zu Dornen und Dijteln die Klatjehzungen werden, 
Da fräß’ fie der Eſel, und hätt's feine Noth, 

Und meinte mein Schag jih die Augen nicht roth. 


Daldmärden. 


In einer Waldſchlucht finiter, 
Wo beimlih baut der Fuds, 
Wo Farrenfraut und Giniter 

Sich rankt in üpp'gem Wuchs, 
Lag ih, vom Grün ummoben, 
An einem dunflen Bad; 

Es lugte faum von oben 

Die Sonn’ ins Laubgemad). 


Sch hatte Moos zum Pfühle, 
Gejtrüpp zur Lagerſtatt, 

Vom Fels fam eine Kühle 

Und ging durch Bujh und Blatt; 
Und fühle quoll der Sprudel 

Und murrt' am jchroffen Hang, 
Den oft bei Naht im Rudel 

Die Hindin überjprang. 


Mit rotbem Auge jhaute 
Vom Baum der Auerbahn, 
Es 309 mit heij’rem Laute 
Der Häher jeine Bahn; 


—1* 


a 


Dann hämmert' abgebrochen 

Der Speht von Zeit zu Zeit — 
Mir wars, als hört’ ich pochen 
Das Herz der Einjamteit. 


Da plöglih jah ich lehnen 

Am Stamm ein hohes Weib, 
Umwallt von lodigen Strähnen 
Den wunderfhönen Leib; 
Wem ward zum Eigenthume 
Se jolh ein Goldgewand! 

Sie trug eine blaue Blume 
In ihrer weißen Hand. 


Sie ſprach: „Sei mir willtommen! 
Du biſt ein jeltner Gaſt, 

Doch haft du dir zum Frommen 
Erkoren bier die Rait; 

Bon allen Königinnen 

Die reihite bin ich bald; 

Mein Schloß mit grünen Zinnen 
Das ift der luſt'ge Wald. 


Sonjt maht ich wohl hinunter 
Ins offne Land den Ritt, 
Und Blumen ſproßten munter, 
Wohin mein Zelter jehritt; 

Zu bringen Luft und Minne, 
Das war mein fröhlid Recht; 
Doch ift von anderm Sinne 
Das heurige Geſchlecht. 


Das träumt von Klingenhieben, 
Von Schlacht nur und Geſchoß; 
Da bin ich heimgeblieben 
In meinem Zauberſchloß. 


— 168 — 


Nun lehr' ich fingend wallen 
Den Bach durch Fels und Nied, 
Nun lehr' ich die Nactigallen 
Im Lenz ihr ſüßeſtes Lied. 


Ich weiß, auch du mußt fechten, 
Auch du gebörft der Zeit; 

So jteh’ zu deinen Rechten 

Und führe wadern Streit! 

Dob will dein Arm ermüden, 
Bei mir dann fehre du ein, 
Im jäufelnden Waldfrieden 
Sollit du gefräftigt fein. 


Da jollit du Frifhe jaugen 

Im barz’gen Duft vom Tann, 
Da ſchaut aus Blumenaugen 
Das Märchen fromm dich an; 
Und macht der Forit dich fingen: 
Es wird in der Zeiten Gang 
Auf ſolche Weife dringen 

Wie grüner Waldhornklang.“ 


Sie ſprach's; ich ſtand erichroden 
Und wußte nicht ein Wort, 

Da jhüttelte fie die Locken 

Und ſchwand ins Didicht fort. 
Noch glaubt’ ich fern das Wallen 
Zu jehn des golonen Haar’s, 
Doch in den Buchenhallen 

Ein Strahl ver Sonne war's, 


Und wieder jchrie der Häher, 
Und wieder quoll die Flut; 
Doch mir entzüdtem Seher 
Mar groß und ftill zu Muth. 


— 169 — 


Und zeihn fie mir's als Sünde: 
Ich laſſe dich dennoch nie, 

D Fey der MWaldesaründe, 

D Sagenpoefie ! 


Dante. 


Einſam durch Verona's Gaſſen wandelt’ einſt der große 
Dante, 
Jener Florentiner Dichter, den ſein Vaterland verbannte. 


Da vernahm er, wie ein Mädchen, das ihn ſah vorüber— 
ſchreiten, 

Alſo ſprach zur jüngern Schweſter, welche ſaß an ihrer 
Seiten: 


„Siehe, das iſt jener Dante, der zur Höll' hinabgeſtiegen, 
Merke nur, wie Zorn und Schwermuth auf der düſtern 
Stirn ihm liegen! 


Denn in jener Stadt der Qualen mußt' er ſolche Dinge 
ſchauen, 

Daß zu lächeln nimmer wieder er vermag vor innerm 
Grauen.“ 


Aber Dante, der es hörte, wandte ſich und brach ſein 
Schweigen: 

„Um das Lächeln zu verlernen, braucht's nicht dort hinab— 
zuſteigen. 


Allen Schmerz, den ich geſungen, all die Qualen, Gräu'l 
und Wunden 

Hab' ich ſchon auf dieſer Erden, hab' ich in Florenz ge— 

funden.“ 


— 170 — 


Don des Kalfers Dart. 


Im Schank zur goldnen Traube, 
Da ſaßen im Monat Mai 

In blühender Rofenlaube 

Suter Gejellen drei. 


Ein friiher Burſch war jeder, 
Der Erſt' am Gurt das Horn, 
Der Zweit' am Hut die Feder, 
Der Dritte mit Koller und Sporn. 


Es trug in funfelnden Kannen 

Der Wirth den Wein auf den Tiſch; 
Luſtige Reden jie jpannen, 

Und fangen und tranken friic. 


Da war au einer drunter, 
Der grüne Fägersmann, 
Dom Kaifer Rothbart munter 
Zu ſprechen hub er an: 


„Ich babe den Herrn gejehen 
Am Rebengeſtade des Rheins, 
Zur Meſſe wollt’ er gehen 
Wohl in den Dom nah Mainz. 


Das war ein Bild, der Alte, 
Fürwahr von Kaiferart ! 
Bis auf die Bruft ihm mallte 
Der lange braune Bart.“ 


Ins Wort fiel ihm der Zweite, 
Der mit dem Federhut: 

„Ei Burſch, bift du gejcheidte? 
Dein Märlein iſt nicht aut. 


> 


Auch ich hab’ ihn gejehen 
Auf feiner Burg im Harz, 
Am Söller thät er jteben, 
Sein Bart, jein Bart war jehwarz.” 


Da fuhr vom Sig der Dritte, 

Der Mann mit Koller und Sporn, 
Und in der Zänfer Mitte 

Rief er in hellem Zorn: 


„Sp gebt mir doch zur Höllen, 
Shr Lügner! Glüd zur Reif! — 
Ich ſah den Kaijer zu Köllen, 
Sein Bart war weiß, war weiß.“ 


Das gab ein grimmes Zanfen 

Um Weiß und Schwarz und Braun, 
Es fprangen die Alingen, die blanfen, 
- Und wurde jcharf gehau’n. 


Berjehüttet aus den Kannen 
Floß der vieledle Wein, 
Blutige Tropfen rannen 
Aus Teihten Wunden drein. 


Und al3 es fam zum Wandern, 
Ging jeder in zornigem Muth, 
Sah feiner nad) dem andern, 
Und waren fih jüngjt jo gut. 


Ihr Brüder lernt das Eine 
Aus dieſer ſchlimmen Fahrt: 
Zankt, wenn ihr fit beim Weine, 
Nicht um des Kaifers Bart! 


— 12 — 


Welt und Finfamkeit. 


D rübmet immerhin mir eure lauten Fefte, 

Zu denen man gejhmiücdt mit prächt’gen Rappen fährt, 
Wo jtetes Yächeln Fränzt die Stirnen aller Gäfte, 

AS fei der Tod nicht mehr und jedes Leid verklärt, 

Wo Scherz und Lüjternheit fich in einander ranken, 

Sp wie der üpp’ge Mohn dem Korn fi lodernd mifcht, 
Wo Alles bligt und jprübt, Demanten und Gedanken, 
Als gält's ein Feuerwerk, das vor bezahlten Schranken 
Vielfarbig auf in's Dunkel ziſcht. 


Und eure Bälle rühmt, wo man in Prunkgemächern 
Mit duft'gem Eis euch kühlt und ſüßen Schaum kredenzt, 
Wo reich ein bunt Gewirr von Federn, Blumen, Fächern, 


Von Seid' und Goldgeſchmeid' aus hundert Spiegeln glänzt, 


Wo bei Trompetenklang und bei der Pauke Toſen 

Der Reigen hold ſich löſt, und holder wieder ſchließt, 
Und um der Schönheit Preis die ſtolzen Frauen loſen 
Mit jenem weichen Schmelz, der wie ein Duft von Roſen 
Um ſechzehnjähr'ge Stirnen fließt. 


Rühmt alles immerhin, die Pracht, das dunkle Feuer, 
Das aus den Augen flammt, die man in Liedern preiſt, 
Die Klugheit, die dies Meer befährt mit ſicherm Steuer, 
Den leichtbewegten, ach, ſo oft mißbrauchten Geiſt; 
Rühmt mir den Ambraduft der hohen Teppichzimmer, 
Den Silberſchmuck, der Glanz der würz'gen Tafel leiht, 
Den Wein, der wie Rubin erglüht im Kerzenſchimmer, 
Der Mädchen ſüß Geſchwätz — ihr lockt, ihr lockt mich nimmer; 
Ich wähle dich, o Einſamkeit. 


Dich, hohe Zauberin, die wandelt in den Forſten, 

Wo kaum ein fleckig Reh durch's Brombeerdickicht rauſcht, 
Die auf dem Inſelfels von kahlen Geierhorſten 

Dem ewiggleichen Schlag der Meereswoge lauſcht, 





— 135 — 


Die ihren Wohnſitz hat auf Schlöffern, längſt verlafjen, 
Wo Epheulauben fih um Thor und Söller baun, 

Und nur bei tiefer Nacht betritt der Städte Gaſſen, 
Um Kirch’ und Erferthburm und düſtre Giebelmafjen 
Im Mondenglanze zu bejchaun. 


Ich wähle dich, denn du haft mich im Schoß getragen, 
Da ib, ein Knabe no, in Haid’ und Tanıı gejchweift, 
Haft mich das erjte Lied gelehrt in frühen Tagen 

Und dann in fehwerer Zeit zum Manne mich gereift. 
Und wollte mir das Herz vergehn in Angſt und Wehe, 
Nie kehrt’ ich heim von dir, daß ich nicht Trojt gefühlt; 
Empfinden ließejt du mich meines Gottes Nähe 

Wie einen Frühlingshauch, der, ob ich ihn nicht jehe, 
Mir doch die heiße Stirne fühlt. 


Du warft es, göttlich Weib, die mir von alten Zeiten, 
Bon Hellas Glanz erzählt an Suniums Klippenitrand, 
Wenn ih, den Blick gekehrt zu blauen Meeresweiten, 
Dort an des Tempelbau’sS verwaisten Säulen jtand. 

Die rothe Diitel wuchs umher am fchroffen Hügel, 

Um Schutt und Trümmer froh ein fonnverbrannt Gerant 
Ein Aar vor Tayget ſchwang über mir die Flügel, 
Indeß mein türkifh Roß mit blanfem Schaufelbügel 

Aus einem Marmorfnaufe tranf, 


Und o wie wehte janft dein Hauch durch meine Träume, 
AS ih im Waldgebirg an Heſſens Marken lag! 
Spätjommer war's, ein Duft von Harz durchzog die Bäume, 
Aus fernem Grund herauf erjcholl des Beiles Schlag; 
Ich ſah, wie jtil und jchlaff der Eiche Blätter hingen, 
Kein Lüfthen! Selbſt der Zweig der Espe hatte Ruh; 
Und plöglih dann im Laub ein Rauſchen und ein Klingen, 
Es fam der Wind: mir war's, als trügen feine Schwingen 
Auf dein Geheiß Gefang mir zu. 


— 114 — 


Fürwahr, du bleibit getreu. Mag alle Welt mir grollen, 
Ich flüchte mich zu dir, du hältft mich jtarf und feit; 
Du lehrit mich das Panier der Schönheit hoch entrollen, 
Sa, Mufe biſt du mir, wenn mich die Liebe läßt. 

So laß denn fern am Strand, im Wald, auf Burgruinen 
AN deinen Märchenreiz verjtrömen in mein Lied, 

Sp wie zur Sommerszeit, fobald die Nacht erfchienen, 
Der Nelfe Duft, vermifcht dem Dufte der Jasminen, 
Die laue Finfterniß durchzieht. 


Weiden. 


Es jchleiht ein zehrend Feuer 
Durch mein Gebein; 

Mein Schatt’ iſt mir nicht treuer, 
Wie dieſe Pein. 

Ich höre die Stunden ziehen 
Trüben Geſichts; 

Sie kommen, weilen, fliehen — 
Und ändern nichts. 


Der Sommer kommt gegangen, 
Mir iſt's wie Traum; 

Am Buſch Wildröslein hangen, 
Ich acht' es kaum. 

Es ſchlagen die Nachtigallen 
In Wald und Plan, 

Laß ſchallen, laß verhallen! 
Was geht's mich an? 





Ich fühle nur das Eine 
In meinem Sinn: 
Daß ich von dir, du Reine, 
Geſchieden bin. 


a 


Mein Scatt’ it mir nicht treuer, 
Mie dieſe Bein; 

Und zehrend ſchleicht das Feuer 
Durch mein Gebein, 


Im Serbfle. 


Auf des Gartens Mauerzinne 
Bebt noch eine einz’ge Ranfe: 
Alio bebt in meinem Sinne 
Schmerzlih nur nod ein Gedanke. 


Kaum vermag ih ihn zu fallen, 
Aber dennoch won mir lafjen 
Mill er, ab, zu feiner Frift; 
Und fo denk ich ihn, und trage 
Alle Nächte, alle Tage 

Mit mir fort die dumpfe Klage, 
Daß du mir verloren bift. 


Auth. 


O Herz, laß ab zu zagen, 
Und von dir wirf das Joch! 
Du haſt ſo viel getragen, 
Du trägſt auch dieſes noch. 


Tritt auf in blanken Waffen, 
Mein Geiſt, und werde frei! 
Es gilt noch mehr zu ſchaffen, 
Als einen Liebesmai. 


— ne 


Und ob die Bruft auch blutet, 
Nur vorwärts in die Bahn! 
Du meißt, am volliten flutet 
Geſang dem wunden Schwan. 


Im Grafenſchloſſe. 
IE 


Sie waren alle in den Fort hinaus, 

Den Hirſch mit Bühl’ und Mefjer zu erlegen; 
Ich ſaß allein im alten Grafenhaus 

Und harrt' im Saal der Jägerſchaar entgegen. 
Ein fahles Spätroth floß gedämpften Lichts 


Auf Wänd und Hausrath dur die engen Scheiben, 


Rings Todtenftill’ umher! Ich hörte nichts, 
Als vorn im Hof den Zugwind in den Eiben. 


Die Spiegel rings in dumpfes Gold gefaßt, 
Das Laubwerk am Gefims, einjt vielbewundert, 
Die düſtern Sammttapeten, halb verblaßt, 
Mich mahnt es an ein anderes Jahrhundert. 
Die Spieluhr jang ein Lied aus alter Zeit, 
Ein Liebeslied — jest lange ſchon vergefien — 
Da dacht' ich derer, die in Luſt und Leid 

Bei diefem Stüdchen horchend einjt geſeſſen. 


Und mit Geftalten füllt’ ih mir den Saal, 
Die dunfeln Bilder rief ih aus den Rahmen; 
Hin durch die Dämm'rung ſchwebten fie zumal, 
In Feltespuß die alten Herren und Damen. 
Ich ſah den Reifrod, das Brocatgewand ; 
Das war ein hajtig flüjterndes Bewegen, 


a na nn kan 


— 117 — 


Ein Drehn! — Da fühlt’ ich plöglich eine Hand 
Sich falt wie Eis auf meine Schulter legen. 


Sch wandte mih — bei Gott, daS war fein Wahn! — 
Da Stand ein Weib mit Zügen bleih und fteinern, 

Mit ſchwarzverſchoſſ'nem Schleppkleid angethan, 

Draus ihre Hand hervorjah elfenbeinern. 

Sie ſah mih an — O dieſer Blid voll Leid! 

D viejes Auges halberlojchnes Strahlen! 

Mir war's, als ſtarrt' ih in die Ewigkeit 

Und in den Abgrund bodenlojer Qualen. 


Sie winkt' und ſchritt. Nicht hört’ ich ihren Fuß, 
Nicht ihrer Schleppe Saum den Teppich rühren, 
Sie ſprach fein Wort, fie jagte feinen Gruß; 

Sie winkt, und tonlos fprangen auf die Thüren. 
Sch folgte ftumm. Sie ſchwebte wor mir her 
Durch Prunkgemächer, Treppen auf und nieder, 
Durb Gänge dann und Säle wült und leer — 
Sie ſchritt, und ſah fih um und winfte wieder. 


Zum Erfertburm! Es war ein eng Gemad), 

Gewölbt und dumpfig, eine düſtre Stätte; 

Ein Tiſchchen bier, drauf alter Goldſchmuck lag, 

Und hoch und faltig dort ein Himmelbette. 

Dort ſtand fie till, und wies mit weißer Hand 

Erit auf den Tiſch, dann auf die jtaub’gen Dielen; 
Ich beugte mich — o Gott, mein Sinnen ſchwand — 
Ein Blutfled war's, worauf die Blide fielen. 


Und Schaudernd jah ih auf. Da war fie fort, 

Wie Nebel in die leere Luft verfchweben ; 

Ich aber ftand gebannt am graufen Drt, 

Und ſtarrt' und wagte nicht den Fuß zu heben. 
Seibel, Gef. Werke. 1. 12 


— 118 — 


Mein Atbem flog, mein Blut gefror zu Eis, 

Da — Gott ſei Dant — da hört’ ih SHornfanfaren, 
Gebell und Hufſchlag; und in kaltem Schweiß 
Stürzt’ ich hinunter zu den Jägerſchaaren. 


ll. 


Die Naht war wild. Wir ſaßen am Kamin, 

Der Kajtellan und ich, noch jpät beifammen ; 

Wir hörten, wie vom Thurm die Dohlen jchrien, 

Und dann den Sturm, und fehürten in den Flammen, 
Da litt mich's nicht, ih mußt es ihm geitehn, 

Das düjtere Geheimnif, das mich quälte; 

Er jagte nur: So habt ihr's auch gejehn? 

Und athmend horcht' ich, als er drauf erzählte: 


„Sie war ein jtolzes Weib, reich, ſchön und Falt, 
Als Kind vermählt dem ungeliebten Gatten, 

Bon ftarrem Sinn, wo’3 Chr’ und Wappen galt, 
An ihrem Rufe duldend feinen Schatten. 

Ihr Auge gab Gebot dem Dienertroß; 

Weh jedem, dem es finjter Zorn geflammet! 

Sie fang und lachte nie, fie zäumt' ihr Roß, 

Und ritt zu Wald im Enappen Kleid von Sammet, 


Ihr einzig Töchterlein war mildrer Art, 

Boll frommen Sinns fihb um die Mutter mühend; 
In strenger Hut erwuchs fie hold und zart 

Wie ein Waldröslein unter Dornen blühend. 

Ihr Haar war fließend Gold im Sommerwind, 
Ihr Auge blau wie Blumen in den Aehren — 
Mein Aeltervater ſah fie noch als Kind, 

Und nannt’ er fie, jo war es oft mit Zähren. 


MINE 


Da fam des Pfarrers jchöner Sohn ins Schloß 

Und anders plöglic ward des Mädchens Weſen; 
Bald war's ihr Glüd, wenn ſanft die Nev’ ihm floß, 
Sm dunfeln Räthſel jeines Blids zu leſen. 

Sie liebt’ und ſchwieg. Doch als im Mondenlauf 
Der Lenz erſchien und Beilhen wedt und Blüten, 
Da gieng die Blüt' auch ihres Herzens auf. 

Sie liebt’ und fiel. — Wer mag die Liebe hüten? 


Stumm war der Gräfin Zorn, doch war er jchwer. 
Der Züngling bat, die Tochter rang die Hände; 
Umfonjt! — da ſtürzt' er fort, aufs Roß, zum Heer, 
Don Schladht zu Schlacht, und niemand weiß fein Ende. 
Doch als im Herbft am Fels die Traube fchwoll, 
Berfhwand das Mädchen in des Thurms Vortale; 
Dort floß ihr Leben jtill geheimnißvoll, 

Ein dunkler Bach in fonnenlojem Thale. 


Und Winter ward’s. Da, einjt im Dämmerftrabl, 
Ging heimlich Flüftern in den nahen Zimmern, 

Ein dumpfes Stöhnen, dann ein Schrei der Qual, 
Und drauf ein Laut wie eines Säuglings Wimmern. 
Dann ſchwieg's. Die Gräfin trat aus dem Kloſet 
Bleih wie der Tod. — D fragt nit, was gejcheben! 
Die golone Nadel auf dem Tiſch am Bett, 

Den led am Boden habt ihr jelbjt gefehen. 


Die Tochter fieht’ und ſtarb. In düſtrer Pracht 
Hielt ihr Begängnig man nach alter Weife: 

Die Silberampeln flammten dur die Nacht, 

Die Glocke ſcholl, ſchwarz jtand das Volk im Kreife. 
Da trat die Mutter vor, ein fteinern Bild, 

Ihr Auge brannte hohl, ihr Fußtritt irrte: 

Sie legte auf des Sarges Wappenſchild 

Mit ſchwanker Hand die jungfräulihe Myrte. 


— 180 — 


Ein Jahr verging, und wieder floß ein Zug 
Zur Gruft, im Fackelſchein, im düſterrothen: 
Die Gräfin war's, die man zur Ruhe trug, 
Doch Ruhe fand fie feine bei den Todten, 
Denn wenn mit ihrem fahlen Dämmerſchein 
Im Spätjahr fommt die Zeit der Abendmette, 
Da ruft der Blutfled fie empor vom Schrein, 
Und wandeln muß fie zu der Schauerftätte.“ 


Der Alte ſchwieg. Kaum wagt' ich aufzufehn 
Dom Feuerbrand, in den ich jtumm gefchauet: 

Mir war's, fie müßte wieder vor uns ftehn 

Mit jenem Blid, davor der Seele grauet. 

Da plöglib draußen Shwoll der Sturm mit Madt, 
Es pfiff im Rauchfang, raufht’ in den Tapeten; 
Zur Kerze griff ih! Alter, gute Nacht! 

Laßt uns für die verlorne Seele beten! 


Der Finfiedler. 


Wie ward mir da3 Gemwühle 

Der Welt doch gar zur Lat! 

Es rauſcht der Wald jo fühle, 
Und lodt zu ſüßer Rait. 

Fahrt wohl denn ihr Beſchwerden, 
Fahr’ wohl, o Luft der Erden! 
Ein Siedler will ich werden, 

Der Wildniß ſtiller Gaſt. 


Mein Wamms von Purpurſammet, 
Ich muß dich von mir thun: 
Mein Schwert, haſt ausgeflammet, 
Ein Grabſcheit wirſt du nun. 





Bl 


Fleuch auf, mein Falk, mit Schalle! 
Trab heim, mein Roß, zum Stalle! 
Der Goldfporn bricht, ih walle 
Fortan auf Sandelſchuh'n. 


Ich will ein Haus mir bauen 
Hier zwiſchen Eich und Tann 
Aus Stämmen unbehauen 

Mit Moos und Flechten dran: 
Ein Kreuzlein will ich ſchneiden 
Aus jenen Hängeweiden, 

Und mich in Felle kleiden, 
Wie weiland Sankt Johann. 


Im hohlen Baum die Waben, 
Sie reichen Honig dar; 

Nach Wurzeln kann ich graben 
Die längſte Zeit im Jahr; 
Und dort von felſ'ger Schwelle 
Hüpft braun herab die Quelle, 
Wie ſchimmert ihre Welle 

In hohler Hand ſo klar! 


Ein Gärtlein ſoll umhegen 

Die dunkle Siedelei, 

Drin will ich Roſen pflegen 
Und Rosmarin dabei: 

Will aus dem Born ſie tränken, 
Und wenn ſie welk ſich ſenken, 
Im Herzen ſtill gedenken, 

Daß Lieb' ein Schatten ſei. 


Und kommt zu meiner Zellen 
Ein Reh die grüne Bahn, 
Das wähl' ich zum Geſellen, 
Und zieh' es treu heran. 


— 


Auf meinem Bett von Ranken 

Da ruh' es ſeine Flanken; 
Es wird mir beſſer danken, 

Als je ein Menſch gethan. 


So will ich Umgang pflegen, 

Mit Roſen, Reh und Hain, 

Gegrüßt auf meinen Wegen 
Vom Sonnenſtrahl allein; | 
Und jeden Abend treten 

Will ih zum Kreuz und beten 

Den Einen Spruch, den fteten: 

„Herr, nimm zu dir mich ein!“ 


Und fo mich Gott erhböret, 
Da fei der Forjt mein Grab, 
Wo mich fein Reigen ftöret, 
Und feines Roſſes Trab. 
Wildröslein, roth und bleiche, 
Beitatten fromm die Leiche, 
Es fingt won dunkler Eiche 
Die Nachtigall herab. 


Lied. 


Ich habe wohl in jungen Tagen 

Mich ſtark in mir geglaubt und feſt, 

Und keck der Sorgen mich entſchlagen, 

Sah ich den Vogel bau'n ſein Neſt. 

Doch kommt die Zeit, wo auch den Sänger 

Die Sehnſucht faſſet bang und bänger, 

Und wo das müde Herz nicht länger 

Sich um ſein Recht betrügen läßt. — 


Nun blüht um mich das Land der Reben, 
Und Burgen winken über'm Rhein; 

Mich trägt der Kahn mit leifem Schweben 
Das Thal entlang im Abendfcein. 

Der Felttag ruft mit hellen Geigen 

Die Winzer von den Felfenteigen, 

Der Becher ſchäumt, es klingt der Reigen; 
Mas kümmert's mich? — ich bin allein. 


D dürft ich nicht mehr fuchend ſchweifen 
Bon Ort zu Drt, ein fremder Gaft! 
Dürft' ic mein jtilles Theil ergreifen, 
Mein Theil der Luft, mein Theil ver Laſt! 
Schlüg' endlich mir ein Herz entgegen, 
Die heißen Schläfe dran zu legen! 

Denn nur von innen fommt der Segen, 
Und nur die Liebe bringet Raft. 


Sansſouci. 


Dies iſt der Königspark. Rings Bäume, Blumen, Vaſen! 
Sieh, wie ins Muſchelhorn die Steintritonen blaſen! 
Die Nymphe ſpiegelt klar ſich in des Beckens Schooß: 
Sieh hier der Flora Bild in hoher Roſen Mitten, 

Die Laubengänge ſieh, ſo regelrecht geſchnitten, 

Als wären's Verſe Boileau's! 


Vorbei am luft'gen Haus voll fremder Vögelſtimmen 
Laß uns den Hang empor zu den Terraſſen klimmen, 
Die der Orange Wuchs umkränzt mit falbem Grün! 
Dort oben ragt, wo friſch ſich Tann' und Buche miſchen, 
Das ſchmucklos heitre Schloß mit breiten Fenſterniſchen, 
Darin des Abends Feuer glühn. 


— — 


Dort lehnt ein Mann im Stuhl: ſein Haupt iſt vorgeſunken, 
Sein blaues Auge ſinnt und oft in hellen Funken 
Entzündet ſich's; ſo ſprüht aus dunkler Luft ein Blitz. 
Ein dreigeſpitzter Hut bedeckt der Schläfe Weichen, 

Sein Krückſtock irrt im Sand und ſchreibt verworr'ne Zeichen — 
Nicht irrſt du, das iſt König Fritz. 


Er ſitzt und ſinnt und ſchreibt. Kannſt du ſein Brüten deuten? 
Denkt er an Kunersdorf, an Roßbach oder Leuthen, 

An Hochkirchs Nacht, durchglüht von Flammen hundertfach? 
Wie dort im rothen Qualm gegrollt die Feldkanonen, 
Indeß die Reiterei mit raſſelnden Schwadronen 

Der Grenadiere Viereck brach. 


Schwebt ein Geſetz ihm vor, mit dem er weiſ' und milde 
Sein ſchlachterſtarktes Volk zu ſchöner Menſchheit bilde, 
Ein Friedensgruß, wo jüngſt die Kriegespauke ſcholl? 
Erſinnt er einen Reim, der ſeinen Sieg verkläre, 

Oder ein Epigramm, mit dem bei Tiſch Voltaire, 

Der Schalk, gezüchtigt werden ſoll? 


Vielleicht auch treten ihm die Bilder nab, die alten, 

Da er im Mondenlicht in feines Schlafrods Falten 

Die janfte Flöt’ ergriff, des Vaters Aergerniß; 

Des treuen Freundes Geift mwill er heraufbeichwören, 
Dem — ab, um ihn — das Blei aus fieben Feuerröhren 
Die fühne FJünglingsbruft zerriß. 


Träumt in die Zufunft er? Zeigt ihm den immer vollern, 
Den immer fühnern Flug des Aars von Hohenzollern, 
Der ſchon den Doppelaar gebändigt, ein Geſicht? 
Gedenkt er, wie dereinſt ganz Deutjchland hoffend Laufche 
Und bangend, wenn daher fein Schwarzer Fittih raufche! — 
D nein, das Alles ift es nicht. 


— 15 — 


Er murrt: „O Schmerz, als Held geſandt fein einem Volke, 

Dem nie der Mufe Bild erſchien auf goloner Wolfe! 

August fein auf dem Thron, wenn fein Horaz ihm fingt ! 

Mas hilft’S, vom fremden Schwan die weißen Federn borgen ! 

Und doch, mas bleibt uns ſonſt? — Erſchein', erſchein', 
o Morgen, 

Der uns den Götterliebling bringt!“ 


Er ſpricht's und ahnet nicht, daß jene Morgenröthe 

Den Horizont ſchon küßt, daß ſchon der junge Goethe 
Mit ſeiner Rechten faſt den vollen Kranz berührt, 

Er, der das ſcheue Kind, noch roth von ſüßem Schrecken, 
Die deutſche Poeſie aus welſchen Taxushecken 

Zum freien Dichterwalde führt. 


Minnelied. 


Es giebt wohl Manches, was entzücket, 

Es giebt wohl Vieles, was gefällt; 

Der Mai, der ſich mit Blumen ſchmücket, 
Die güldne Sonn' im blauen Zelt. 

Doch weiß ich Eins, das ſchafft mehr Wonne, 
Als jeder Glanz der Morgenſonne, 

Als Roſenblüt' und Lilienreis: 

Das iſt, getreu im tiefſten Sinne 

Zu tragen eine fromme Minne, 

Davon nur Gott im Himmel weiß. 


Wem er ein ſolches Gut beſchieden, 

Der freue ſich und ſei getroſt! 

Ihm ward ein wunderbarer Frieden, 
Wie wild des Lebens Brandung toſt. 


— 186 — 


Mag alles Leiden auf ihn ſchlagen: 

Sie lehrt ihn nimmermehr verzagen, 

Sie iſt ihm Hort und ſichrer Thurm; 
Sie bleibt im Labyrinth der Schmerzen 
Die Fackelträgerin dem Herzen, 

Bleibt Lenz im Winter, Ruh im Sturm. 


Doch ſuchſt umſonſt auf irrem Pfade 
Die Liebe du im Drang der Welt; 
Denn Lieb' iſt Wunder, Lieb' iſt Gnade, 
Die wie der Thau vom Himmel fällt. 
Sie kommt wie Nelkenduft im Winde, 
Sie kommt, wie durch die Nacht gelinde 
Aus Wolken fließt des Mondes Schein; 
Da gilt kein Ringen, kein Verlangen, 
In Demuth magſt du ſie empfangen, 
Als kehrt' ein Engel bei dir ein. 


Und mit ihr kommt ein Bangen, Zagen, 
Ein Träumen aller Welt verſteckt; 

Mit Freuden mußt du Leide tragen, 
Bis aus dem Leid ihr Kuß dich weckt; 
Dann iſt dein Leben ein geweihtes, 

In deinem Weſen blüht ein zweites, 
Ein reineres voll Licht und Ruh; 

Und todesfroh in raſchem Fluten 

Fühlſt du das eigne Ich verbluten, 
Weil du nur wohnen magſt im Du. 


Das iſt die köſtlichſte der Gaben, 
Die Gott dem Menſchenherzen giebt, 
Die eitle Selbſtſucht zu begraben, 
Indem die Seele glüht und liebt. 





— 


O ſüß Empfangen, ſel'ges Geben! 

O ſchönes Ineinanderweben! 

Hier heißt Gewinn, was ſonſt Verluſt. 

Je mehr du ſchenkſt, je froher ſcheinſt du, 
Je mehr du nimmſt, je ſel'ger weinſt du — 
D gieb das Herz aus deiner Bruſt! 


Sn ihrem Auge deine Thränen, 

Ihr Lächeln fanft um deinen Mund, 
Und all dein Denken, Träumen, Sehnen, 
Ob's dein, ob's ihr, dir iſt's nicht fund. 
Mie wenn zwei Büjche fih verfehlingen, 
Aus denen junge Roſen jpringen, 

Die weiß, die andern roth erglüht, 

Und feiner merkt, aus weſſen Zweigen 
Die hellen und die dunfeln jteigen: 

Sp iſt's; du fühleft nur: es blüht. 


Es blüht; es ift ein Lenz tiefinnen, 
Ein Geijteslenz für immerdar; 

Du fühlt in dir die Ströme rinnen 
Der ew'gen Jugend wunderbar. 

Die Flammen, die in dir frohloden, 
Sind ftärfer, al3 die Afchenfloden, 
Mit denen Alter droht und Zeit; 

Es leert umfonft der Tod den Köcher, 
Sp trinkſt du aus der Liebe Becher 
Den füßen Wein: Unjterblichkeit. 


Spät ift e8 — hinter dunfeln Gipfeln 
Färbt golden fih der Wolfen Flaum; 
Tiefröthlich fteigt aus Buchenmwipfeln 
Der Mond empor am Himmelsjaum, 


— 


Der Wind fährt auf in Sprüngen, loſen, 
Und ſpielet mit den weißen Roſen, 

Die rankend blühn am Fenſter mir. 

O fäufelt, ſäuſelt fort, ihr Lüfte, 

Und tragt, getaucht in Blumendüfte 

Dies Lied und meinen Gruß zu ihr! 





Zeitſtimmen. 





Sinleifung. 
Sommer 1841. 


In vor’gen Tagen mand ein Lied von Luft und Liebe 
jang ich euch, 

Sp mies zur schönen Nofenzeit der Bogel fingt im 
Waldgeſträuch; 

Die Jugend floh, die Luſt verloſch, da ſtellt' ich alles 
Singen ein, 

Und alten Sagen forſcht' ih nach in Spaniens Pomeranzen— 
hain. 


Da fam ein Beben in die Welt, hohlbraujfend wuchs ver 
Zeiten Sturm, 

Die Eiche bog ihr knotig Haupt, in feinen Feſten brad) 
der Thurm; 

Und als ih nun vom Bergament die Augen bob und jah 
umber, 

Da ſchien der Dften feuerrotb, im Welten hing's gemitter: 
ſchwer. 


Und rings die Völker ſah ich ſtehn im Widerſchein des 
Flammenlichts, 

Gewappnet, und erwartungsvoll, als harrten fie des Welt— 
gerichts; 

Doch murrt' es auch nur dumpf von fern, ich ſah, daß 
nah ein Kampf uns iſt 

Von Nacht und Licht, von Geiſt und Stoff, ein Kampf 
von Gott und Antichriſt. 


— 12 — 


Und mächtig fahte mich Begier, mitauszufechten folchen 
Streit, 

Doch was vermag ein einz’ger Arm, ein ſchwacher Arm 
in unjrer Zeit? 

Da ſprach mein Herz: es iſt der Reim des Sängers Wehr 
in Ernjt und Scherz, 

Und da von Erz die Zeiten find, fo ſei'n die Lieder auch 
von Erz. 


Wohlauf, wohlauf denn mein Gejang, und wandle flingend 
deinen Schritt! 

Ich geb’ als werthen Talisman das Kreuz dir in die 
Schlachten mit; 

Der Freiheit Röslein hell im Schild, des Geijtes Schwert 
in fejter Hand, 

Sp ſchreit', ein wadrer Rittersmann, geharniſcht durch das 
deutſche Land. 


Und lächelt ihr, daß meine Bruft jo ficheres Vertrauen 
heat, 

Bedenkt: es iſt das Dichterherz die Glode, die die Stunde 
ſchlägt; 

In ihm verſammelt ſich der Hall, der murmelnd läuft von 
Haus zu Haus, 

Und vollen Schwunges ſendet's ihn melodiſch in die Welt 
hinaus. 


Kreuzzug. 
Frühjahr 1841. 
O Schmach und Schimpf Europa dir und deiner thaten— 
(ofen Ruh! 


In Flammen steht Jerufalem, und träge feiernd ſchauſt 
du zu; 





— 193 — 


Das Grab, darin der Heiland lag, es ward der Mufel: 
männer Spott, 

Doh du verräthit in jchnödem Geiz noch heut wie Judas 
deinen Gott, 


Hätt’ ich ein Lied fo roth wie Blut und laut wie Kriegs: 
trompetenjchall, 

Zu allen Thronen fendet’ ich's, bis daß es fände Wieder; 
ball, 

Don Land zu Lande follt! es ziehn durch alles Volk des 
Occidents 

Und werben für die heil'ge Stadt wie jener Mönch von 
Amienz. 


Sa, rufen ſollt' es aus dem Grab die Zeit von Ruhm 
und Thaten voll, 

Als vor der Andaht mächt'gem Hauch bochflatternd jedes 
Banner ſchwoll, 

Als, wo es Gottes Sache galt, der Greis ver Narben 
nicht gedacht, 

Und froh fein jechszehnjähr'ges Blut ver blonde Anabe 
dargebracht. 


Da wälzte ſich lawinengleich durch Land und Meer der 
Kriegesruf, 

Da funkelt' hell das Chriſtenſchwert, da klang des Chriſten— 
roſſes Huf, 

Wie Juda's Wolkenſäule zog das Kreuz den Streitern hoch 
voran, 

Bis ſie vom Oelberg Zions Burg im Morgenrothe vor 
ſich ſahn. 


Ei, wie ſo anders lenkt ihr Schiff die Staatskunſt jetzt in 
ſchlauer Pflicht, 
Am Steuer ſitzt der Eigennutz und die Deviſ' heißt: 
Gleichgewicht; 
Geibel, Geſ. Werke. J. 18 


N 


Jetzt wird auf morſchem Minaret der roit’ge Halbmond 
Hug gejtüßt, 

Und mit der Feuerfchlünde Muth des alten Erbfeinds 
Reich geſchützt. 


D England, Meeresfürſtin, wird dein weißer Fels nicht 
rot) vor Scham, 

Denkſt du an Richard Lömenherz, der Ehre kühnen 
Bräutigam? 

O Deutſchland, rauſcht auf deinen Höhn der Wald nicht 
nach Prophetenart, 

Dir zu verkünden, wie da jtarb dein Kaifer mit dem 
rothen Bart? 


D Franfreih, iſt in deinem Ohr denn Elanglos das Ge: 
rücht verhallt, 

Wie deiner Söhne Panzerfchritt gen Sonnenaufgang einft 
gewallt? 

Zönt aus gemwölbter Königsgruft zu Saint Denys um 
Mitternacht 

Des heil’gen Ludwigs Stimme nit und ruft zur Sara: 
cenenjchlacht ? 


Das waren Helden! Db am Gaum der lebte Tropfen war 
verdortt, 

Sie achteten des Durſtes nicht, fie hielten fejt und kämpf— 
ten fort, 

Die Wüſte trank der Schlachten Blut, auf fahlen Flügeln 
fam die Veit, 

Der Sandmwind grub die Leihen ein — fie kämpften fort 
und hielten feit. 


Jetzt gilt es nicht mehr, jahrelang die heißen Gteppen 
zu durchziehn, | 

Nicht mehr mit braunen Neitern Steht entgegen euch ein 
Saladin; 





Nur eines Winkes brauct’3 von euch, und eurer Feinde 
Burg zerbricht, 

Nur eines Winfes, und befreit iſt Zion — doc ihr mwinfet 
nicht! 


O Schmahb und Scham Europa dir und. deiner thaten- 
loſen Ruh! 
In Flammen jteht Jerufalem, und träge feiernd ſchauſt 
du zu, 
Das Grab, darin der Heiland lag, es ilt der Mufelmänner 
Spott, 
Doch du verräthit in ſchnödem Geiz noch heut wie Judas 
deinen Gott. 


Bas uns fehlt. 


Wenn ich mit Menſchen- und mit Engels 
zungen redete, und hätte der Liebe nicht, jo wäre 
ich ein tünendes Erz und eine flingende Schelle. 
Und wenn id) weifjjagen fünnte, und wüßte alle 
Geheimnifje und alle Erfenntniß, und hätte allen 
Glauben, aljo daß ich Berge verjeßte, und hätte 
der Liebe nicht, jo wäre ich nichts, 


Es ijt in leere Nüchternheit die ganze Welt verfunfen, 

Und feine Zunge redet mehr vom beil’gen Geifte trunfen; 

Die Poefie, das fromme Kind, tjt jcheu von uns gewichen, 

Der Himmel dünft uns trüb und grau, und Sonn’ und 
Mond verblichen; 

Die groß geſchaut und groß gebaut, ſie jchlummern in 
den Särgen, 

Auf ihren Gräbern kriechen wir als ein Geſchlecht von 
Zwergen, 


Nichts blieb uns, als die ſchlimme Kunſt, zu zweifeln und 


zu richten, 
Und wenn ſich ein Gigant erhebt, ſo iſt er's im Vernichten. 


— 196 — 


Wohl grübelt ihr und möchtet gern das große Räthſel 


löſen, 

Aus welchem tiefverborg'nen Quell der Strom ſich wälzt 
des Böſen, 

Ihr eilt geſchäftig hin und her, um Wuſt auf Wuſt zu 
thürmen, 

Und meint mit eures Witzes Rath den Himmel zu er— 
ſtürmen, 

Doch ſeht, nur Eines Donners Schlag, nur Eines Blitzes 
Flammen, 


Und eurer Weisheit Pelion und Oſſa ſtürzt zuſammen. 


Sch aber ſage euch: fürwahr, es wird nicht anders werden, 

Bis ihr den Bli nicht himmelwärts erhebt vom Staub 
der Erden, 

Bis ihr dem Geist der Liebe nicht, dem großen Ueberwinder, 

Demüthig euer Herz erſchließt und werdet wie die Kinder; 

Denn wo die Liebe wohnt, da hat ein emw’ger Lenz be: 
gonnen, 

Da grünen alle Wälder auf und raufchen alle Bronnen, 

Ihr offenbart fih, was dem Blick der klugen Welt ver: 
borgen, 

In trüber Dämm’rung-fieht fie Shon den rofenrothen Morgen, 

Das Braufen wird ihr zur Mufif, zum Reigen das Ger 
mwimmel, 

Helljauchzend jteigt ihr Lied empor auf Flügeln in den 
Himmel, 

‚ Sie ijt ein Kind und doc ein Held mit unbefiegten Waffen, 

Und meil fie noh an Wunder glaubt, jo fann fie Wun- 
der ſchaffen. 





Hoffnung. 


Und dräut der Winter noch fo jehr 
Mit trogigen Geberven, 

Und ftreut er Eis und Schnee umber, 
Es muß doch Frühling werden. 


Und drängen die Nebel noch jo dicht 
Sich vor den Blid der Sonne, 

Sie wedet doch mit ihrem Licht 
Einmal die Welt zur Wonne. 


Blast nur ihr Stürme, blast mit Macht, 
Mir foll darob nicht bangen, 

Auf leifen Sohlen über Nacht 

Kommt doch der Lenz gegangen. 


Da wacht die Erde grünend auf, 

Weiß nicht, wie ihr gejchehen, 

Und lat in den jonnigen Himmel hinauf, 
Und möchte vor Luſt vergehen. 


Sie fliht fich blühende Kränze in’s Haar, 
Und Shmüdt fih mit Roſen und Aehren, 
Und läßt die Brünnlein rieſeln Elar, 

ALS wären es Freudenzähren. 


Drum Still! Und wie es frieren mag, 
D Herz, gib dich zufrieden; 
63 ijt ein großer Maientag 
Der ganzen Welt befchievden. 


Und wenn dir oft auch bangt und graut, 
Als fei die Höll’ auf Erden, 

Nur unverzagt auf Gott vertraut! 

635 muß doch Frühling werden. 


— 198 — 


Der Alle von then. 
Spätherbit 1841. 
Asvre zaıdeg rov 'EAAnvor. 


Es webte fühl vom Meer, der Tag war längjt gejunfen, 
Das Feuer am Slip verjprühte rothe Funken, 

Im Kreiſe lag die Schaar, das Banner aufgepflanzt, 
Die Pfeifen glommen hell, der Becher ging im Streife, 
Und zu der Trommel Schlag und der Hoboen Weife 
Ward die Romaika getanzt. 


Mie flirten da im Taft die Säbel der Gefellen! 

Wie flatterten im Wind die weißen AFuftanellen! 

Der Flamme Strahl beſchien manch bärtig Angeficht 
Gefurcht und fonnverbrannt, und plöglih dann dazwijchen 
Ein lodig Knabenhaupt; jo ſchaut aus dunkeln Büfchen 
Sm Lenz der Roje junges Licht. 


Da trat ein alter Mann ins tofende Gedränge, 

Wohl ragt’ er aus der Schaar um eines Hauptes Länge, 
Hinab zum Gürtel floß der Bart ihm filberweiß, 

Kühn war die Stirn, darum die Loden flatternd mehten, 
In feinem Auge glomm das Feuer des Propheten, 

Und alfo rief der hohe reis: 


„Hinweg, Verblendete, mit Trinfgelag und Reigen! 
Setzt ab ven Weinpofal, laßt die Hoboen jchmeigen, 
Den luſt'gen Schall ver Trommel dämpft! 
Vergeßt ihr, daß, indeß ihr ſchwelgt in müh’ger Feier, 
Auf Kreta’s blut’gem Strand der Adler mit dem Geier 
Um eurer Brüder Leichen fämpft? 

* 
D wär’ ih noch ein Anab’, ih könnte Thränen meinen! 
Doch Muth! Wie unbeilvoll für uns die Sterne fcheinen, 





— 199 — 


Noch ward die Hoffnung nicht zum Trug; 
Leonidas erlag einjt an den Thermopylen, 

In Flammen jtand Athen und feine Tempel fielen, 
Ch Salamis die Verfer fchlug. 


Drum auf! Nicht länger hört, was euch die Fremden rathen; 
Im Schwerte nur ijt Heil, und mit des Schwertes Thaten 
Rächt Kreta's Schmach und Griechenland's; 

Die Zeit iſt reif, den Grund, drin unſre Heil'gen modern, 
Den frechgeraubten Grund im Kampf zurückzufodern; 
Gen Norden geht es nach Byzanz! 


So ſteigt denn vom Gebirg, ihr braunen Klephten, nieder, 
Ergreift das lange Rohr, den krummen Säbel wieder, 
Erwacht ihr Männer von Athen! 

Ihr Adler Suli's auf, und zeigt den Weg den Andern, 
Kanaris, fülle du den Hellespont mit Brandern, 

Laß, Hydra, deine Wimpel wehn! 


Und du, o junger Fürſt von blondem Heldenſtamme, 
Das Wittelsbacher Schwert war ſonſt der Schlachten Flamme, 
Vertrau, ein Schwimmer, dich der Zeit gewalt'gem Strom; 
Sp ſchön der Delzweig ziert, er weicht dem Lorbeerfranze, 
Wir harren deines Winks; wirf dich aufs Roß, und pflanze 
Das Kreuz auf Sankt Sophiens Dom! 


Hört ihr's in hoher Luft wie zieh'nde Schwäne fingen? 
Der Engel Schaaren find’S, die Flammenjchwerter ſchwingen, 
Bor ihnen wird der Feind zum Spott; 

Wem fie zu Häupten zieh’n, mag Noth und Tod verachten, 
Darum frifh auf mein Bolt! ES rufen die die Schlachten, 
Vorwärts! Vorwärts! Mit ung it Gott.“ 


So ſprach der hohe Greis, und ſchwand im Volksgedränge, 
Hoch ſchlug das Feuer auf — erſchüttert ftand die Menge, 


— —— 


Sie bebten; jeder Mund ſprach murmelnd ein Gebet. 
Wohl forſcht' ich, aber wo der Alte hergekommen, 

Ob er ein Schwärmer war, ich hab' es nicht vernommen; 
Doch, traun, mir dünkt' er ein Prophet. 


Das Megerweib, 


O Herz und jhaue nit nad Weiten unverwandt, 

Im Sonnenuntergang liegt nicht der Freiheit Land; 
Was ijts, das dort hinaus dich triebe? 

Do:t raujcht fein Porbeer für des frommen Sängers Gruft, 
Dort find die Vögel jtumm, die Blumen ohne Duft, 
Die Menjchenherzen ohne Xiebe. 


Mo am großen Strom die Sicheln durch das hohe Rohr: 
feld Elirren, - 

Und im Laub des Zuderahorns farb’ge Bapagayen ſchwirren, 

Sigt das Negerweib, den Naden bunt geziert mit Glas: 
forallen, 

Und dem Knäblein auf dem Schooße läßt ein Schlummer: 
lied fie ſchallen: 


Schlaf, o Schlaf mein ſchwarzer Knabe, du zum Jammer 
mir geboren, 

Eh’ zu leben du beainneft, ift dein Leben fehon verloren, 

Schlaf, o fchlaf, verhüllt im Dunfel ruhn dir noch der 
Zufunft Schreden, 

Nur zu früh aus deinen Träumen wird der Grimm des 
Herrn dich meden, 


Mas die Menfchen Freude heißen, wirft du nimmermehr 
, empfinden, 
Dort nur fühlt fih’3, wo des Nigers Wellen dur vie 
Flur ſich mwinden, 





all — 


Nie den Tiger wirft du fällen mit dem Wurf der feharfen 
Zangen, 

Nie den Neigen deiner Väter zu dem Schlag der Pauke 
tanzen. 


Nein, dein Tag wird fein voll Thränen, deine Nacht wird 
jein voll Klagen, 

Mie das Thier des Feldes wirft du ftumm das Joch der 
Meißen tragen, 

Wirt das Holz den Weißen fällen, und das Rohr den 
Weißen jchneiden, 

Die von unferm Marfe praffen und in unfern Schweiß fich 
kleiden. 


Kluge Männer find die Weißen, fie durchfahren kühn die 
Meere, 
Bligesglut und Schall des Donners ſchläft in ihrem Jagd: 
gemwehre, 
Ihre Mühlen, vampfgetrieben, regen ſich mit taufend Armen, 
Aber ach, bei ihrer Klugheit wohnt im Herzen fein Erbarmen. 


Dftmals hört ih auch die Stolzen ſich mit ihrer Freiheit 
brüjten, 

Wie fie kühn vom Mutterlande losgerifjen dieſe Küften, 

Aber über jenen Edlen, der mit Muth das Wort geſprochen, 

Daß die Schwarzen Menfchen wären, haben fie den Stab 
gebrochen. 


Süß erflinget ihre Predigt, wie ein Gott für fie geftorben, 

Und durch folhes Liebesopfer aller Welt das Heil erworben; 

Doch mie fol das Wort ih glauben, wohnt es nicht in 
ihren Seelen? 

Iſt denn das der Sinn der Liebe, daß fie uns zu Tode 
quälen? 


— 22 — 


D du großer Geift, was thaten meine armen Stamms 
Genoſſen, 

Daß du über uns die Schaalen deines Zornes ausgegoſſen! 

Sprib, wann mirjt du mild dein Auge aus den Wolfen 
zu uns wenden? 

Sprid, o ſprich, warn wird der Sammer deiner ſchwarzen 
finder enden? 


Ah, das mag geichehen, wenn der Miffifippi rückwärts fließet, 

Wenn an hoher Baummolljtaude dunkelblau die Blüthe 
iprießet, 

Wenn der Alligator friedlich jchlummert bei den Büffel— 
beerven, 

Wenn die weißen freien PBflanzer, wenn die Chrijten Men- 
jhen werden. 


Zuflucht. 


Der du mit Thau und Sonnenſchein ernährſt die Lilien 
auf dem Feld, 

Der du der jungen Raben nicht vergiſſeſt unterm Himmels— 
zelt, 

Der du zu Waſſerbächen führſt den Hirſch, der durſtig auf 
den Tod, 

O gieb, du Allbarmherziger, auch unſ'rer Zeit, was ihr 

ſo noth! 


Um Frieden, Frieden flehen wir, nicht jenen, der des Sturms 
entbehrt, 

Der ſicher in der Scheide Haft gefeſſelt hält das ſcharfe 
Schwert, 

Nein, um den Frieden in der Bruſt, den's mitten in der 
Schlacht nicht graut, 

Weil auf den Felſen deines Worts mit feſten Pfeilern er 
gebaut. 





— 203 — 


Gieb uns die Hoffnung, Herr, zu dir, die nie zu Schanden 
werden läßt, 

Gieb uns die Liebe, die im Tod, und über'm Tode noch 

| bält feſt, 

Gieb uns den Glauben löwenftarf, den Glauben, der die 
Welt bezwingt, 

Und auf dem Scheiterhaufen noch dir helle Zubelpfalmen 
Jingt. 


Wohl find wir fündig, arm und ſchwach, und nimmer folcher 
Gnaden werth, 

Doch du erbarmit dich, wo ein Herz voll Angjt und Sehn— 
jucht dein begehrt; 

Sp hör’ uns denn gleih Iſrael, da er dich vingend hielt 
umfaßt: 

„Ich laß dich nicht, ich laß dich nicht, Herr, bis du mic 
gejegnet haft.” 


Nein! Du verjtößeft nimmermehr den, der da flüchtet in 
dein Haus, 

Zerbrichſt nicht das zerfnicdte Rohr, und löſchſt den matten 
Docht nicht aus, 

Die Arme thuft du auf, und ſprichſt auch zu den Herzen 
unſ'rer Zeit: 

Kommt ber zu mir, die ihr im Geift mühſelig und be: 
laden jeid. 


Sp fommt denn all’, in deren Ohr die hohe Freudenbot: 
ſchaft Hang, 

Die einjt den Hirten auf dem Feld der Chor der Engel- 
jtimmen fang; 

Kommt! Süßer Frieden ift in ihm, und Licht, das feinem 
Dunkel weicht, 

Das Leben ift er, und fein Joch ift fanft, und feine Lajt 
iſt leicht. 


— 2U — 


SBarbarofa’s Erwachen. 


Jüngling. 
Durch den Wald, durch den Wald, 
Den Felſenſpalt 
Klimm' ich hinunter, 
Alter Kaiſer, zu dir, 
Und rufe dich munter. 
D nimm von mir 
Die Laft, den Kummer! 


Kaiſer. 

Was ſtörſt du mich aus hundertjähr'gem Schlummer? 
Rede, Geſelle! 

Jüngling. 
Draußen toſet die Brandung der Zeit. 
Sie warf mich wie die ſterbende Welle 
Hier aus in deine Einſamkeit. 
O, eh' ich mich wieder hinunterwage, 
Sag' wie ich's trage! 
Gieb Rath, gieb Weisheit! 


KRaiſer. 
Was fandeſt du? 


Jüngling. 
Nirgends Ruh! 
Ueberall ein Stürmen, ein Drängen 
Sn den Herzen, in den Geſängen. 
Nirgends mehr ein fiheres Bildniß, 
Alle Farben fließend verwiſcht, 
Und in fündliher Wildniß 
Naht und Klarheit, 
Lüg' und Wahrheit, 
Reht und Frevel zufammengemifdt. 





— 205 — 


KRaiſer. 
Und im Volke die Alten? 


Jüngling. 
Die ſtützen und halten, 
Halten das Gute, halten das Schlimme. 
Sie hören nicht die Gottesſtimme, 
Die nächtlich durch das Land ſich ſchwingt, 
Und leiſe lockend, leiſe, 
Wie eine Frühlingsweiſe 
Von einer reichen Zukunft ſingt. 
Der Lenz iſt ihnen zu grün, 
Zu hell die Sonne, 
Der Jugend ſchwellende Wonne 
Zu ſtolz, zu kühn. 
Sie zertrümmern feindlich die Flaſche 
Voll feurig gährenden Weins, 
Und wiſſen nur Eins: 
Die Flamm' iſt gefährlicher als die Aſche. 


Baifer, 
Uber die Jungen? 


Süngling, 
Die fchelten und meiſtern mit feden Zungen; 
Nichts iſt ihnen recht, 
Alles ſoll anders werden 
Im Himmel und auf Erden, 
Und wer nicht mitfchreit, heißt ein Anedt. 
Sie möchten das Höchſte zu unterſt fehren, 
Um ſelbſt zu herrſchen nach eignem Begehren; 
Der Glaub’ ijt ihnen ein Faſtnachtsſcherz, 
Eine Thorheit das Herz. 
Ach, und fo viele 
Treiben's zum Spiele! 
Nach Freiheit rufen fie männiglich, 


— 206 — 


Und find der eigenen Lüfte Anechte; 

Sie reden vom ewigen Menfchenrechte, 

Und meinen doch nur ihr Heines Sch. 

Sie wollen der Wahrheit Schlachten fchlagen 
Und die Lüg’ it ihr Schwert, 

Wollen die Welt auf den Schultern tragen 
Und oronen faum den eignen Herd. 


aifer. 
TIhoren! Sie ſchießen nah den Sternen, 
Doch fie werden das Treffen nicht lernen. 
Die Welten wandeln ihren Gang 
Ruhig entlang, 
Und lächeln auf die Knaben herunter, 


Züngling. 
Aber es find auch andre drunter, 
Ein welfiſch ehrenwerth Gejchledt; 
Sie Hagen um zertretnes Recht. 
Sie haben geredet, gerufen, - 
Bor den Hallen, an den Stufen, 
Ste haben geläutet unverdrofjen 
Sm Trauergewand, in der Flehenden Kleid, 
Aber es blieb wor ihnen verjchlofjen 
Die Pforte der Gerechtigkeit. 
Gilt es nicht da, das Schwert zu fchleifen? 


Baifer, . 
Laß reifen, laß reifen! 
Tändle nicht mit tödtlihen Waffen! 
Im Alles verwettenden Spiele 
Was magſt du jchaffen? 
Denn wenn der Würfel nun anders fiele, 
Als du gedadt? | 
Wenn unter des Fremdlings Sichelſchneide 
Die junge Saat hinjänfe mit Leide, 





m a 


Kaum zur grünen Hoffnung erwacht? 
Harre, doch ſei nicht angſtbeklommen. 
Der Lenz wird fommen 

Plöglich geboren über Nat. 


Süngling. 
Wie lange wird er noch verziehn! 
Dft will die Laft mich niederprefien — 


Baifer, 
Mirf deine Sorgen all’ auf ihn, 
Der droben auf ewigem Stuhl ijt gejejjen! 
Er hat auch euer nicht vergefjen. 
Die Stunde fennt er, die Wege. 
Du aber pflege 
Der Gabe, die er dir gnädig beſchied, 
In That und Lied, 
Schaue feit auf das Ziel deiner Reife! 
Der iſt der Weife, 
Der es nimmer vergaß; 
Wirke treu im befriedeten Kreife, 
Und halte Maß. 


Huf dem Rhein. 


Es fährt das Schiff im Morgenglanz hinauf den duntel- 


grünen Rhein, 


Vorbei an Städten voll Geläut, an Burgen hochumkränzt 


mit Wein, 


An jenen Bögen, draus hervor der Silberarm der Mojel 


wallt, 


Und an der Lurlei ſchwarzem Fels, von dem das Echo 


dreifach ballt, 


, — 208 — 


Und fieh! Am Maft des Schiffes fteht gelehnt ein fröh: 
licher Geſell, 

Die Wange brennt ihm gar jo tief, das Auge bligt ihm 
. gar fo hell, 

Und wie empor aus hohem Schlot des Dampfes fchwarzer 
Wirbel zieht, 

Da fingt er in der Räder Takt mit lauter Stimm’ ein 
frifches Lied: 


„So fei gegrüßt, du ſchöner Strom, fo klar und tief und 
doch jo mil. 

Fürwahr, du bift in deiner Pracht des deutfchen Sinne 
ſchönſtes Bild, 

Drum, wer das Auge nur verjenft in deine Flut, ge: 
walt’ger Rhein, 

Der denket unbewußt mit Stolz des Glüds, ein deutſcher 
Mann zu fein. 


O heil’ger Strom, behüt' dich Gott! D veutjches Reich fei 
ftarf und eins, 

Sp weit das deutfhe Wort erklingt, fo weit man trinkt 
des deutſchen Weins, 

Halt! feſt zufammen, doch nicht wie ein Bettlermantel bunt 
geflickt, 

Nein, einem Banner ſei du gleich, in dreißig Farben froh 
geſtickt. 


Kein Haufen ſei von rohem Stein, der formlos ſich zu— 
ſammenfand, 

Nein, ein Gebäude ſtolz und hoch gefügt von eines Mei— 
ſters Hand, 

Mit Giebeln und Altan geſchmückt, mit Bögen, Erkern, 
Zinn' und Thurm, 

Auf ſichern Pfeilern aufgeführt zum Trotz dem Wetter und 
dem Sturm. 





2 


Wenn Quader feit an Quader fchließt, jo Steht die Burg 
durch Gottes Kraft, 
So brauchen wir nicht Frankenthum und nicht Balchkiren: 


brüderfchaft; 

Nur fülle jeder feinen Plak, und wer zum Echſtein nicht 
erſehn, 

Dem ſei's der Ehre ſchon genug, als Mauerſtein im Bau 
zu ſtehn. 


Ihr Fürſten, denen Gott verlieh des Purpurs und der 
Krone Zier, 

O dämmet nicht am Strom der Zeit, die Zeit iſt mächtiger, 
als ihr, 

Nein, weiſ' und mäßig ſteuernd nutzt, indem ihr ſie be— 

herrſcht, die Flut, 

Gebt frei das Wort! Vertraut dem Volk! Fürwahr das 

Volk ift treu und gut. 


Ahr Ritter, die ihr reich und hehr auf euren Adelsſchlöſſern 
bauft, 

Die ihr im hoben Rathe figt, und führt das Schwert in 
eurer Fauft, 

Die Erften fteht in jedem Kampf, wo's Recht und Licht und 
Wahrheit heißt, 

Denn eure Würd’ ift hohler Schall, jo ihr nicht adlich feid 
von Geiſt. 


Ihr Bürger, ſchaffet fröhlid fort am Herd im fichern 
Eigenthum, 

Ein treu Gemüth fei euer Dank, und eure Pflicht ſei euer 
Ruhm, 

Seid eurem Land ein feſter Wall, ein feſter Wall dem 
alten Recht, 

Denn wer ſich willig knechten läßt, verurtheilt ſelber ſich 
zum Knecht. 

Geibel, Geſ. Werke. J. 14 


— 210 — 


Und du mit Spaten, Had und Pflug, Gott grüß dic, 
wadrer Bauernjtand, 

Er gebe deinen Hügeln Wein und gold’ne Ernten deinem 

Sand, 

Sei fromm und einfab, ſchlecht und recht, halt feft an Gott 
und Fürftenhausg, 

Gewiß, des Landesvaters Huld, des Himmels Segen bleibt 
nicht aus, 


Und ihr, ihr Dichter, wachet auf! Es ift genug gejcherzt, 
geſpielt, 
Legt ab das bunte Schellenkleid, und wenn der Welt ihr 
drin gefiel't, 
Nicht ſinget dumpfen Sinnenrauſch, Unfrieden nicht und 
herben Spott, 
In keuſcher Schönheit führe ſanft das Lied des Volkes Herz 
zu Gott. 


Wie vor dem blütenvollen Lenz als Herold zieht die Nach— 
tigall, 

So ſchreitet vor der neuen Zeit im Feierkleid mit Klang 
und Schall, 

Des Geiſtes Ritter ſollt ihr ſein, der Väter Glauben ſei 
euch werth, 

Ein klarer Spiegel euer Sinn und euer Wort ein flammend 
Schwert. 


Fürwahr, fie irrten, die gejagt, die deutſche Poeſie ſei 


todt, 

Nein, wenn ein Abend mwirklih kam, fo dämmert bald das 
Morgenroth; 

Schon ſeh' ich fern am Horizont de3 neuen Tages golo’nen 
Schein, 


D laßt in feiner Frühe mich der erften Lerchen eine fein!” 





— 211 — 


Sp jang der Sängerknab' und fing im hellkryſtallenen 
Vokal, 

Darin das Gold der Rebe ſchwamm, des Morgens ſonnen— 
rothen Strahl; 

Dann ſchwenkt er hoch den Wein und goß ihn opfernd von 
des Schiffes Rand, 

Und von den Bergen Hang e3 nah: Geſegnet ſeiſt du, 
deutfches Land! 





alten. 


Italial oh Italia! thou, who hast 

The fatal gift of beauty, which became 

A funeral dower of present woes and past, 

On thy sweet brow is sorrow ploush’d by shame, 

And annals graved in characters of flame. 

Oh God! that thou wert in thy nakednefs 

Leſs lovely or more powerful, and couldst claim 

Thy right, and awe the robbers back, who press 

To shed thy blood and drink the tears of thy distress. 
Childe Harold. 


D wie eigen wird dem Mandrer, der, entflohn des Nordens 
Haft, 

Nah dem heißerſehnten Süden lenkt die frohe Vilgerfchaft, 

Menn er von des Gotthard Gipfel, der in ew’gem Eiſe 
ſchweigt, 

Langſam durch die Morgendämm'rung gen Italien nieder— 
ſteigt. 


Leiſe theilen ſich die Nebel, und es wird ſo lau die Luft, 

Aus der Tiefe wie ein Grüßen weht empor verlorner Duft; 

Noch ein Vorſprung! — ſieh und unten weit und blühend 
lacht das Thal, 

Dichte Gärten, Silberſeen überglänzt vom Morgenſtrahl. 


Aus den Hügeln quellen Roſen, um die Ulmen rankt ver 
Mein, 

Schlanke Marmorjäulen ſchimmern winfend im Cypreſſen— 
hain, 

Dort die Berge lorbeerwaldig, hier das blaukryſtall'ne Meer, 

Und der Himmel wie ein liebend Mutterauge drüber her. 


Und dazwiſchen buntgekleidet buntes Volk in Thal und Höhn, 
Braune Buben, ſtolze Frauen, wie des Landes Roſen ſchön, 
Winzertanz auf allen Bergen, in den Häuſern Citherſchall, 
Luſt'ge Lieder in den Barken, Klang und Jubel überall. 


Wahrlich, ſollteſt du nicht meinen, ausgeſtürzt auf dieſes 
Land 

Seiner Freuden vollſten Becher hab' ein Gott mit trunkner 
Hand? 

An dem Länderbaum Europens ſei's der blütenvollſte Zweig, 

Wie an grünen Laubgewinden, ſo an gold'nen Früchten 
reich? 


Aber ach, der bittern Täuſchung! Unter dieſem farb'gen 
Scherz 

Wie die Natter unter Blumen, lauſcht ein tief verborg'ner 
Schmerz, 

Jener Schmerz, der nimmer raſtet, daß die alte Tugend 
ſtarb, 

Daß die Freiheit ging verloren, und ein Heldenvolk ver— 
darb. 


D Italien, du der Künſte Mutter, ſtolzes ſchönes Weib, 

Träg’rin einſt der höchſten Kronen, fiech und elend ward 
dein Leib, 

Diejer holde Roſenſchimmer, der jo reizend dich umblüht, 

Ad, es iſt des Fiebers Hite, das in deinen Adern glüht. 





4 
h 
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Sg 


Sa, es will mich oft gemahnen, aller deiner Blumen Glanz | 
Lieg' um deine kranken Schläfe fertig jchon als Todtenkranz, 
Sa, als fein Veſuv und Aetna lodernd nur dahingeftellt 
Fadeln an dem GSterbelager einer Königin der Welt. — 


Aber nein! Noch lebt die Hoffnung, ob auch tief verjtedt 
im Web; 

Kennſt du nicht das Lied vom herben Kummer der Penelope? 

Schön wie du vor allen andern ward wie du fie vielumfreit 

Und der Fremden Schwarm verpraßte frech des Haufes 
Herrlichkeit. 


Zwanzig Jahr die Burpurmwolle jpann fie weinend auf dem 
Thron, 

Zwanzig Jahr mit bangen Geufzern zog fie groß den 
theuern Sohn, 

Zwanzig Jahr getreu dem Gatten blieb fie und getreu dem 
Sram, 

Harrend, hoffend, Boten fendend — fieh, und ihr Odyſſeus 
kam. 


Weh den übermüth'gen Freiern, als genaht des Rächers 
Gang, 

Als von bittern Todespfeilen ſein gewalt'ger Bogen klang! 

Von dem rothen Blut der Freier troffen Säul' und Eſtrich da, 

Und ein ſchrecklich Feſt der Rache ward erfüllt auf Ithaka. 


Kennſt du jenes Lied, Italia? Hör's und harre muthig 
aus, 
Wie fih auch die Freierihwärme drängten in dein adlich 
Haus; 
Deine Söhne zieh zu Männern unter Thränen früh und fpat, 
Mein’ und hoff’! Es fommt die Stunde, wo auch dein 
Odyſſeus naht. 


= 


Der junge Tfcherkeflenfürf. 


Sie haben mir gejagt: Komm ber, du Sohn der Steppe! 
Komm ber, und küſſ' im Staub des Zaren Burpurfchleppe ! 
Der Lohn ift groß, die That ijt Klein. 

Du follft geſchmückt alsdann dem Herrn zur Linken reiten, 
Es joll dein Feder Fuß auf Bauernftirnen jchreiten, 

Der Höchſten Einer follft du jein. 


Was frommt dir fteter Kampf mit ruheloſen Zügen? 
Wir lehren dich, wie leicht im mwechjelnden Vergnügen 
Dahin das rafche Leben rollt; 

Mir wollen dir ein Haus mit prächtigen Sälen bauen, 
Dein Stall fei voll Gewieh’r, dein Schlafgemad voll Frauen, 
Dein jtraffer Sedel ihmwer von Gold. | 


Des Köftlichften foll nie dein reicher Tiſch bedürfen, 

Du follft von Epernay den Schaum der Traube fehlürfen 
Aus hellgeſchliffenem Kryſtall, 

Und wenn der Abend naht, den leichten Rauſch zu enden, 
So ſei ſie dir gewährt die Wolluſt, zu verſchwenden 

Bei Kartenſpiel und Würfelfall. 


Du ſollſt auf prächt'gem Ball, wenn tauſend Kerzen funkeln, 
Mit deiner reichen Tracht, mit deinem Wuchs verdunkeln 
Der Kronbeamten ſtolzen Schwarm; 

Auf Wellen der Muſik ſollſt du dich jauchzend wiegen 
Und ſporenklirrend durch den Saal im Tanze fliegen 

An einer Kaiſertochter Arm. 


Beim Lager ſollſt du ſchaun, wie ſich im Flintenfeuer 
Die Regimenter drehn, vielfüß'ge Ungeheuer, 
Auf denen hoch die Fahne ſchwankt; 


Die Trommel wirbelt dumpf, das Feldhorn läßt ſich hören, 


Die Batterie fällt ein mit ihren Donnerchören, 
Daß unter ihr der Boden wankt. 





4 
J 
J 
= 
4 
J > 
* 
* 





— 215 — 


Ja, mehr der Wunder noch! Groß iſt die Macht des Zaren; 
Du ſollſt auf einem Schiff mit Doppelrädern fahren, 
Von keines Tauwerks Laſt beſchwert; 

Dem Strome beut es Trotz und Trotz dem Sturmgeheule, 
Wenn drin die Eſſe glüht, und wenn aus ſchwarzer Säule 
Der Giſcht des Dampfes brauſend fährt. 


Das Alles bieten wir. Nur laß die blut'gen Horden, 
Laß Steppe, Krieg und Zelt; komm reuig her zum Norden 
Und vor dem Herrſcher beuge dich. — 

Sch aber wandte mich bei ihrer Worte Havdern, 

Es fchwoll der rothe Zorn empor in meinen Adern — 
Der Zar ift nur ein Fürft wie ich. 


Kaſan hat feine Frau’n, fchneeweiß mit jchwarzen Loden, 
Mostau hat feinen Kreml und Kiew feine Gloden, 

Und Betersburg hat mehr als das; 

Doch böten fie mir au die Wunder aller Fremde: 

ſticht Fäuflih find mir drum mein ſchuppig Panzerhemde 
Und meine Freiheit und mein Haß. 


Schflußworf der erfien Ausgabe. 
Spätherbit 1841. 


Mer in unferm guten Deutihland Sprecher will und Dichter 
jein, 

Artig ſei er doch vor Allem, Hug gemäßigt, zahm und fein; 

Gern mit Roj und Gänſeblümchen mag er kränzen ſich 
das Haupt, 

Lerchentriller jelbjt und muntre Spagenweifen find erlaubt; 

Aber wenn vom gold'nen Bogen, der vom Gott ihm ward 
zu Theil, 

Er ein fühnes Wort entſendet als entflammten Feuerpfeil, 


— 210 — 


Menn fein Lied, ein wilder Falke, ſich empor zur Sonne 
ſchwingt, 

Daß das Rauſchen ſeiner Flügel wie Prophetenruf erklingt: 

Ei, da meint man, daß ein ſolches Treiben nun und nimmer 
nutzt, 

Und es naht die große Scheere, die ihm raſch den Fittich 
ſtutzt. 


Gleiches Loos erfuhr der Dichter, der zum Abſchied vor 


euch tritt, 

Da man auch von dieſem Bäumchen ſeine grünſten Zweige 
ſchnitt. 

Gern entſagt er jenen Liedern, doch das Eine ſchafft ihm 
Gram, 


Daß man ihm als arg verdächtigt, was aus treuer Seele kam. 


Drum, ihr Hörer und ihr Leſer, klopft er ſanft an eure 
Thür, 

Und für das, was er verloren, o entſchädigt ihn dafür, 

Nehmt ihn gern in eure Mitte, ſchenkt ihm willig eure 


Gunſt, 

Zeugt ihm, daß ſein Schwung begeiſtert, und gebildet ſeine 
Kunſt. 

Aber ach! Auch dieſe Bitte drängt ſich wohl umſonſt an's 
Licht, 

Unſre Zeit, die kühlverſtänd'ge, liebt die bunten Träume 
nicht. 

Kalt zerlegt ſie ihren Dichter, oder ſchließt ihm ganz den 
Sinn, 

Doch die ſüße Kunſt, mit Andacht ihm zu lauſchen, iſt 
dahin. 


Wie viel Schönes ging vorüber, und des Großen o wie viel 
Unbemerft und unempfunden, gleih als ſei's ein bloßes 
Spiel! 


— 21 — 


Keinen Kranz habt ihr gemunden um des Sängers Pilgerſtab, 

Dem Siciliens Lorbeer jchattet auf jein viel zu frühes Grab; 

Arnim Schritt durch eure Mitte, wie ein träumenvder Gigant, 

Süßen Tieffinn auf den Lippen, doch ihr habt ihn nicht 
erkannt; 

Seiner Jugend Fehler habt ihr jenem o wie jpät verzieh'n, 

Der den zweiten Fauſt gejhaffen, den gewaltigen Merlin, 

Erſt, als in den Epigonen er zu euch herunterftieg, 

Als münchhauſiſch er gefabelt, vieft ihr: Sieg, und aber: 
Sieg; 

Und dein Haupt, o Schwan von Hellas, ſchönheitstrunk'ner 
Hölderlin, 

Sollte jtatt der Lorbeerfrone nur ein Dornenkranz umzieh'n. 


Mohl, wenn jolhe Namen dämmernd ſchwinden, würde 
mancdem bang, 

Doch es wohnt mir tief im Bufen ein geheimnißvoller 
Klang, 

Nimmer läßt er jtumm mich raften, und in Liebe, Lujt 
und Horn, 

In der Angjt des Schmerzes felber bleibt er jtetS des 
Liedes Sporn; 

Und ich fühl's, wer todesmuthig um den höchſten Preis 
nicht ringt, 

Wirdig kann er nie erjcheinen, daß das Höchſte ihm 
gelingt. 


Drum frisch auf! dem heißen Drange und der jungen 
Kraft vertraut! 
Hoffend ſpann' ich meine Segel als ein kühner Argonaut, 
Jenen Wunderküſten gilt es, die mir Ahnung längſt verhieß, 
Und die Liebe meines deutſchen Volkes jei mein golv’nes 
Vließ. 
Leuchtet günſtig denn, ihr Sterne, eb'ne dich, bewegtes 
| Meer, 


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Auf den dunkeln Burpurwogen trage ftolz das Schiff daher, 

Wehe fanft, o Wind, geſchwängert von ven Düften des 
Jasmin, 

Glücdverfündend um das Steuer yplätich’re, freundlicher 
Delphin, 

Aber du, o klarer Himmel, deſſen Velten ewig blau’n, 

Laß bernieder auf die Lippen gold'ne Melodie mir thau'n, 

Daß mein Lied wie Waffenrauſchen bald erbrauf’ im 
Männerchor, 

Bald wie Flötenton verballe jcehmelzend in des Mädchens 
Ohr; 

Gieb mir Kraft zum fchwerften Werke, bis der Preis mein 
Eigenthum, 

Denn das Höchſte, was der Dichter mag erringen, bleibt 
der Ruhm. 


An Georg Herwegh. 
Februar 1842. 


Es ſcholl dein Lied mir in das Ohr 
So ſchwertesſcharf, ſo glockentönig, 

Als wär' aus ſeiner Gruft empor 
Gewallt ein alter Dichterkönig. 

Und doch! Ich weiſ' es nicht von mir, 
Ich muß dich in die Schranken laden; 
Komm an in voller Harniſchzier, 

Auf Tod und Leben Kampf mit dir, 
Kampf du Poet von Gottes Gnaden! 


Bilt du dir felber Klar bemußt, 

Daß deine Lieder Aufruhr läuten; 
Daß Jeglicher nach jeiner Bruft 
Das Aergſte mag aus ihnen deuten? 





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Der Zwerg, der matte Pfeile jchnit, 
Wohl, — ſchieß' er ohne feit zu zielen; 
Doh wer vom Wetterlicht umbligt 

Im Donnerwagen grollend fit, 

Der ſoll nit mit den Zügeln fpielen. 


Fürwahr, ein Sämann ſchreiteſt du, 

Der Samen ſtreut, doch der Zerſtörung; 
Ein Glöckner, der aus ihrer Ruh 

Die Völker ſtürmt, doch zur Empörung. 
Du willſt die Flamme, die ſo rein 

Und heilig ſtrahlt durch alle Lande, 

Du willſt den warmen Gottesſchein 

Zur Fackel Heroſtrats entweih'n, 

Und ſchwingſt ſie wild zum Tempelbrande. 


Wozu ſonſt dieſes Schwerterklirr'n, 

Die Kriege, die dein Lied gefodert, 
Die haſt'ge Glut, die durch dein Hirn 
In taufend Funken prächtig lodert? 

D nein! Das it nicht deutjche Art! 
Wohl kämpfen wir auch für das Neue; 
Um’s Freiheitsbanner vihtgejchaart 

So ftehn auch wir; doch aufbewahrt 
Aus alter Zeit blieb ung die Treue, 


Verhaßt auch uns ift der Baſchkir, 
Der Unterjocher der Gedanken, 

Und feinen Deut begehren wir 

Don jenen übermüth’gen Franken. 
Wir wollen au, daß frei das Wort 
Durch alle Lüfte möge fluten; 

Es dünkt auch uns in Süd und Nord 
Das Wort der bejte Freiheitshort — 
Doch joll darum dein Volk verbluten ? 


— 20 — 


Nein! Glaub, der Tag ift bald erwacht, 
Der Morgen naht, wo wir's erringen, 
Nicht ohne Kampf, doch ohne Schlacht, 
Der Geiſt ift ſtärker als die Klingen. 
Geharniſcht jteht er auf dem Plan, 

Er, der mit Luthern einft gefochten; 
Durch taufend Lanzen bricht er Bahn, 
‚Und mag die Hölle dräuend nahn: 
Der Lorbeer bleibt ihm doch geflochten. 


Drum thu dein Schwert an feinen Drt, 
Wie Petrus that, da er gefündigt; 

Die Freiheit geht nicht auf aus Mord, 
Blick nah Paris, das dir's verfündigt. 
Dom Geift will fie gewonnen fein; 
Doch mer ihr Kleid fo rein und heiter 
Mit blut’gem Makel mag entweih'n, 
Und jäng’ er Engelsmelodei'n: 

Der iſt der Welt, nicht Gottes Streiter. 


Ich fing’ um feines Königs Gunft, 

Es herrſcht fein Fürft, wo ich geboren; 
Ein freier Prieſter freier Kunſt 

Hab’ ih der Wahrheit nur geſchworen. 
Die werf' ich Fed dir in's Geficht, 

Ked in die Flammen deines Branders; 
Und ob die Welt ven Stab mir bridt: 
In Gottes Hand ift das Gericht; 

Gott helfe mir! — Ich fann nicht anders, 


— 21 — 


Geſicht im Walde. 


Ich hatte mich verirrt im tiefſten Wald, 
Schwarz war die Nacht, unheimlich troff der Regen, 
Der Sturm ging in den Wipfeln wild und kalt. 


Da ſah ich plötzlich unfern meinen Wegen 
Durch's feuchte Laub blutrothe Funken ſprühn, 
Und Hammerſchläge dröhnten mir entgegen. 


Durch Dornen und durch Buſchwerk drang ich kühn, 
Und bald gewahrt’ ich, rings vom Wald umfangen, 
Sn hoher Hall’ ein Schmiedesfeuer glühn. 


Drei Riefen waren's, die die Hämmer ſchwangen, 
Berußt, die Augen nur auf3 Werk gekehrt, 
Dazu fie ſchauerliche Werfen jangen. 


Sie fchmiedeten an einem großen Schwert, 
Zweiſchneidig war's, der Griff als Kreuz geitaltet, 
Die Kling’ ein Strahl, der züngelnd niederfährt. 


Und Einer fang in Tönen, faft veraltet, 
Doch aljo tief, wie wenn emporgejchwellt 
Der mächt'ge Hauch in dumpfer Orgel maltet: 


„Es rührt im Birnbaum auf dem Waljerfeld 
Sich ſchon der Saft, und deinem Volk zum Heile 
Erſcheinen wird der langerjehnte Held. 


Drum rüftig mit dem Hammer, mit der Zeile! 
Das Schwert, das Königsſchwert muß fertig fein, 
Und unfer Werk hat Eile, Eile, Eile!“ 


Er ſchwieg, und fingend fiel der Zweite ein 
Mit einer Stimm’, als wollt’ er aus den Grüften 
Mit Erzpoſaunenſchall die Todten ſchrein: 


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150 


„Es bat zu Nacht gevdonnert in den Klüften 
Des alten Bergs, den man Kyffhäuſer heißt, 
Und einen Adler ſah ich in den Lüften. 


Wie Sturmesrauſchen Klingt es, wenn er freift, 
In feinen Fängen trägt er Bligesteile, 
Die Nabenbrut entflieht, wo er fih weilt. 


Drum rüftig mit dem Hammer, mit der Feile! 
Zur rechten Stunde fei das Werk gethan; 
Das Kreuzesichwert hat Eile, Eile, Eile!“ 


Und tief einfallend hub der Dritte an, 
Das ſcholl, wie unterird'ſche Donner grollen, 
Wenn fih die Lava rühret im Vulkan: 


„Die Zeit ift Schwanger; aus den dürren Scollen 
Wird eifern aufgehn eine Kriegerjaat, 
Sein rothes Banner wird der Kampf entrolien. 


Drum ſchreiten hohe Geifter früh und ſpat 
Durch's deutſche Land, und pochen an die Thüren, 
Und mahnen laut: der Tag des Schidjals naht! 


Viel eitle3 Blendwerk wird er fih erfüren, 
Mit Lächeln loden, dräu'n mit Blitzgeſchoß, 
D laſſe feiner dann jein Herz verführen! 


Denn Füße nur von Thon hat der Kolof, 
Und ftürzen wird er über furze Weile, 
Im Fall begrabend jeiner Anechte Tioß. 


Drum rüftig mit dem Hammer, mit ver Zeile! 
Ihr Bälge blajt, ihr Funken jprüht empor! 
Das Schwert des Siegs hat Eile, Eile, Eile!” 





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— 23 — 


So fangen fie. Dann ſchwieg der dumpfe Chor, 
In kaltem Schauer bebten meine Glieder, 
Doch wagt’ ih nicht mich in der Halle Thor. 


Zurüd ins ſchwarze Didicht floh ich wieder, 
Und fah verlöfchen bald der Zlamme Licht, 
tur bang im Haupt no fummten mir die Lieder. 


Kaum weiß ich jebt, war's Traumbild, war's Geſicht? 
Doch mahnt e3, daß auch wir das Schwert bereiten, 
Das Schwert des Geiftes, welches nie zerbricht. 


Wachet und betet! Schwer find die Zeiten. 





Lübecks Bedrängniß. 
1844. 


Nun reich', o Muſe, den Pokal, 

Doch laß von hellem Zorn ihn ſchäumen! 
Ein Lied gieb, das wie Blitzesſtrahl 

Die Schläfer ſchreck' aus ihren Träumen! 
Wie Ruf ver Glocke zur Gefahr 

Erſchall' es weit im deutfchen Lande; 

Es gilt der Stadt, die mich gebar, 

Der Mutter, die man ſchlägt in Bande! 


Wie fteigft, o Lübeck, du herauf 

In alter Pracht wor meinen Sinnen 

An des beflaggten Stromes Lauf, 

Mit ftolzen Thürmen, fhart'gen Binnen ! 
Dort war's, wo deiner Erfer Zahl 

Der Hanſa Boten wartend zählten, 
Dort, wo die Väter hoch im Saal 

Ein Haupt für leere Kronen wählten, 


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Denn eine Fürjtin ſtandeſt du, 

Der Markt war dein und dein die Mege, 
Du führteit reih dem Süden zu, 

Mas nur gedieh in Nordens Pflege, 

63 bot dir Norweg feinen Zoll, 

Der Schwede bog fein Haupt, der Däne, 
Wenn deine Schiffe jegelvoll 
Norüberfloh’n, des Meeres Schwäne. 


Und jest? — Verhüll' ihn nicht im Lied, 
Den Schmerz, daß foldher Glanz zerronnen; 
Nur leif’ um deine Stirn noch zieht 

Die Glorie der verfunfnen Sonnen. 

Wohl beugt fich Still, wen eh'rnen Schritts 
Ein groß Gejhid im Gang verjehret, 

Doch das empört, wenn Menfchenwit 

An alter Größe hämifch zehret. 


Sept trägit du das. Der Schwingen Zier 
Zerpflücdt man deinem Nar mit Hadern, 
Durchſchneidet Eleinen Ingrimms dir 

Die Straßen, deines Lebens Adern. 

O Schmach und Scham! Das Land hindurd 
Iſt tiefer Fried’ in Süd und Norden, 

Du aber bift wie eine Burg, 

Die man umlagert hält, geworden! 


Du zahlit es Spät uns heim fürmahr, 

D Dänemarf, mit bittrem Leide, 

Daß einft vor uns dein Waldemar 
Grzittert’ auf Bornhövev’3 Heide; 

Daß er, der faum noch trunfnen Muths 
Geprunft im Schwarm der Bogenfpanner, 
Auf flücht'gem Renner, wund, voll Bluts 
Heimfprengte nach verlornem Banner, 


— 25 — 


Doch ſei's. Du warſt uns ewig feind; 
Und magit du Bündner auch dich wähnen: 
Don Herzen halt du's nie gemeint, 

Es taugt der Deutjche nicht zum Dänen. 
Mir ſah'n ung bei der Dörfer Brand 

Zu oft ins Aug’ auf blut’gem Pfade, 

ALS unfrer Bürger Schaar noch ſtand 

Des Neihes Wall am Norvgeftade. 


Und als du jüngjt in finſter'm Muth 
Dem Franken dich, dem Feind verbündet: 
Da ward des alten Haders Glut, 

Die faum erlojchne, neu entzündet, 

Wir aber jtürzten zornentfacht 

Zur Fahne bei der Trommel Dröhnen; 
63 tauft’ als Prieft’rin ung die Schlacht 
Mit Blut zu Deutfchlands freien Söhnen, 


Bei diefer Weihe, die und ward, 
Und bei dem Geijte, den wir tragen, 
Der heute noch fo deutfcher Art 

Sich rühmt, wie in der Väter Tagen, 
Bei jenem Band, das Pfeilen gleich 
Ummindet alle deine Stämme, 

D hör’ uns rufen, deutfches Reich, 
Und unſres Feindes Trugen dämme! 


D wär ein Hauch Bertrand’3 de Born, 

Des Troubadours, in meinen Zeilen, 

Daß grollend eines Königs Zorn 

Sie mwaffneten mit Blißesfeilen ! 

D naht’ ung Einer jegt, ein Hort! 

63 drängt die Noth — o daß er füme 

Und ſpräche deutſch das Römerwort: 

„Sorgt, daß die Stadt nicht Schaden nehme!” 
Geibel, Geſ. Werke, I. 15 


9 5 


Doch iſt's umſonſt, verweht ein Blatt 
Im Wind der Auf, den wir entjenden: 
Dann naht dein Legtes, alte Stadt, 
Dann wiſſ' in Schweigen groß zu enden, 
Gebarnifcht, ſtehend wie der Eid 
Zuſammenbrich mit deinem Ruhme, 

Und deines legten Dichters Lied 

Nimm mit hinab als legte Blume! 


An den König von VBreußen. 
Dezember 1842. 


Ich habe nie nach Gunft gerungen, 

Ich ſang allein was ich gemußt; 

Wie Roſen, friſch dem Lenz entiprungen, 
So brach's hervor aus meiner _Bruft. 
Und fröhlich ftreut’ ich in die Winde 
Die leichte, reihe Blumenpradt; 

Ob fie der Freund, der Tadler finde, 
Ich hab’ es nie zuvor bevadt. 


Doch Dir, o Fürft aus edlem Stamme, 
Der treu vor Gott fein Volk regiert, 

Den jhöner noch des Geiftes Flamme 

ALS feiner Väter Krone ziert, 

Auf den, wenn fi die Wolfen ſchwärzen, 
Als Leuchtthurm fehauet Deutihlands Kern; 
Wie danf ih Dir aus tiefftem Herzen, 
Wie dan ih Alles Dir fo gern! 


Mas ih in unfrer Wälder Stille, 
An Hellas Strand umfonjt begehrt, 
Das hat Dein königlicher Wille 
Aus freien Hulvden mir gewährt: 





— 27 — 


Du gabft ein Leben mir vom Staube 
Des niedern Marktes unberührt, 

Ein Leben, wie’3 im grünen Laube 
Der freie Vogel fingend führt. 


Sp helfe Gott mir, daß ich walte 

Mit Ernit des Pfundes, das mir ward, 
Daß ich getreu am Banner halte 

Der deutfchen Ehre, Zucht und Art. 

Fern von dem Schwarm, der unbejonnen 
Altar, und Herz in Trümmern jchlägt, 
Quillt mir der Dichtung heil'ger Bronnen 
Am Felfen, der die Kirche trägt. 


Nicht, dab mir drum in Nacht verfunfen 
Die Welt und ihre Schönheit jet, 

Nein! Wer aus jenem Born getrunfen, 
Dem ward erft ganz die Lippe frei. 
Sein ernfter Muth mag fröhlich herzen 
Des Grundes, drauf er jteht, bewußt; 
Er trägt erblüht im reinen Herzen 

Den Rofengarten jeder Luft. 


Und wo die grimmiten Qualen bluten, 
In jeden Abgrund ſchaut er Fühn, 
Sieht er doch ob ven finjtern Fluten 
Den Bogen der Berfühnung glühn. 
Den Fluch, den Oedipus entjandte, 

Gr zeugt ihn neu aus heiter'm Sinn, 
Und fchreitet unverfehrt, wie Dante 
Selbſt durh ver Hölle Flammen hin. 


Sp laß mich ftehn, jo lab mich ringen, 
Und fo durch Wonn’ und Jammer gehn! 
Kein eitel Spielwerk ift mein Singen, 
Sch fpür in mir des Geijtes Wehn. 


— 23 — 


Und ob auch der Vernichtung Tönen 
Der Haufe raſch entgegenflanmt: 

Zu bau’n, zu bilden, zu vwerjöhnen, 
Fürwahr, mir dünkt's ein bejjer Amt. 


Ob jemals ich den Kranz gewinne, 
Des Dichters Preis, wer jagt es an! 
Steil ragt empor des Ruhmes Hinne, 
Und faum betrat ich erit die Bahn. 
Doch rührt von jenen dunkeln Zweigen 
Gin Blatt auch nur die Stirne mir: 
Der Mutter ſei's geweiht zu eigen, 
Dem deutſchen Vaterland, — und Dir. 








Deutfdie Klagen vom Dahr 1544. 
7 


So wie der Hirſch, verletzt von Pfeil und Speer, 
In's Dickicht fleucht, um einſam zu verenden, 

So flücht' ich mich zu deinen Felſenwänden, 

Zu deinen ſtummen Grotten, ew'ges Meer. 


Mein Herz iſt wund und meine Seele ſchwer; 
Das Wort der Freiheit hört' ich täglich ſchänden, 
Und deren Amt es war, hier Troſt zu ſpenden, 
Sie trugen ſein zu walten kein Begehr. 


Drum laßt mich gehn! Hier, wo mit feuchten Schwingen 
Die Winde toſen und die Wogen ſchlagen, 
Will jedem Tag ein zornig Lied ich ſingen. 


Und jede Morgenröthe will ich fragen: 
Biſt du die Botin, uns das Heil zu bringen? 
Doch keine, keine wird mir Antwort ſagen. 





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Dem Winde möht’ ich meine Sorgen geben, 
Daß er hinaus in’3 weite Meer fie trüge, 
Sch möchte, meiner Jugend Traumesflüge 
Erneuend, wieder kühn in's Blaue ftreben. 


— 22 — 


Doch ernfter ward und bittrer ward das Leben, 
Es giebt und Seufzer ftatt der Athemzüge, 

Iſt jede Luft doch eine halbe Lüge, 

Wenn Wetter jo wie jegt am Himmel fchmeben. 


Der Lenz bat feinen Rofenduft verloren; 
Die Hoffnung felbit, die jugendliche rafche, 
Pocht wie ein Kind nur fehüchtern an den Thoren. $ 


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Die Luft verfieget mit dem Gold der Flaſche, 
Und nur der Schmerz fteigt ewig neugeboren 
Ein dunkler Phönix wieder aus der Aſche. 





II. 


Wenn Kinder weinen, pflegt’S nicht lang zu währen, 
Getröftet find fie bald mit bunten Flittern, 

Und Thränen, die in Mädchenaugen zittern, 

Sind Berlen, die die Schönheit nur verflären. 


Doch anders ift es mit des Mannes Zähren; 
Dom Schmerz erpregt, vom langgenährten, bittern, 
Sind fie den Tropfen gleich, die vor Gemittern 
Unbeilverfündend jprühn auf Laub und Aehren. 


D böſe Zeit, wo ſolch ein heißer Regen 
An taufend Wimpern hängt, daß wir mit Zagen 
Alftündlih Shaun dem Wetterfchlag entgegen! 


Die Donner raunen fern, die Wolfen jagen; 
Und mogt auch heute noch der Felder Segen: 
Was morgen übrig ift, mer mag e3 fagen! J 





— 233 — 


EV 


Das ift ver Fluch von dieſen trüben Zeiten, 
Mo losgelaſſen die Parteien toben, 

Daß faum der Starfe, welcher blickt nah Oben, 
Dermag in Reinheit mittendurch zu fchreiten. 


Nur Einen Fußbreit mag er jeitwärts gleiten, 
So hat jein ganzes Wefen fich verſchoben, 

Nur Einen Schritt, jo lernt jein Mund zu loben, 
Was er noch jüngſt bedacht war zu bejtreiten. 


Drum gieb, o Herr, dab ich die Lebensamme, 
Die heil’ge Freiheit, nie mit jenem Weibe 
Sm blut’gen aufgefjhürzten Kleid verdamme! 


Und ob die Wilde mih an meinem Leibe 
Schmerzlich werjehren mag mit Erz und Flamme: 
Gieb, daß ich treu der Himmelstochter bleibe! 


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O hüte dich zu fpielen mit dem Schwert! 

Cin Dämon wohnt, ein feindlicher, im Eifen; 
Du meißt nicht, läſſeſt du es leuchtend Ereifen, 
Ob's nicht in deines Freundes Bufen fährt. 


Und hat man fühn zu jchleudern dich gelehrt, 
Laß feinen Ball vom Berg zur Tiefe reifen! 
Mer jagt dir, ob er nicht auf fchnee’gen Gleiſen 
Zur tödtlichen Lawine fich verfehrt? 


Und wenn es ftürmet wie in unfern Tagen, 
Kein müßig Wörtlein gieb dem Wind zum Raube, 
Daß er es könn’ im Lande weiter tragen. 


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Ein Schlimmer Herold ift der Wind, das glaube, 
Und bat ein Wort ſchon manden Mann erjchlagen, 
Der bob war wie die Geder über'm Staube. 





ER 
„Bas fchauteft geftern du jo finfter drein, 
Da jhwarz aufs Meer die Wolfen niederzogen, 


Und freifhend vor dem Sturm die Möven flogen, 
Die Schwingen taudhend in den Wetterfchein ? 


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Mir, war's als würd’ ich ledig jeder Bein, 

Und jauchzen mußt’ ich in's Geroll der Wogen, 
Doch trübe ftandeft du, das Haupt gebogen — 
Mas war's? Du fiehft, die Luft ift wieder rein.” 


Nicht ſchelt' ich deinen ungeftümen Drang, 
Dem Knaben wird im Sturm die Bruft erweitert, 
Der Fluten Donner däucht ihm wie Geſang; 


Wohl haft du Recht, der Himmel glänzt erheitert, 
Die Sonne wandelt ruhig ihren Gang — 
Doch weißt du au, wie viel heut Nacht gejcheitert? 


Y:ll; 


Zum Himmel bete, wer da beten fann, 
Und mer nicht aufwärts blidt nad einem Horte, 
Der ſag's dem Sturm, daß er von Drt zu Orte 
Es meiter trag’ als einen Zauberbann, 


Der Säugling, der zu ftammeln faum begann, 
Bon feiner Mutter lern’ er diefe Worte, z 
Du Greis no ſprich fie an des Grabes Pforte: | 
„O Schidjal, gieb uns Einen, Einen Mann!” 





— 235 — 


Was frommt uns aller Wig der Zeitungsfenner, 
Mas aller Dichter wohlgereimt Geplänfel 
Vom Sand der Nordſee bis zum wald'gen Brenner! 


Ein Mann ift noth, ein Nibelungenenfel, 
Daß er die Zeit, den tollgeworonen Renner, 
Mit eh'rner Fauft beherrſch' und eh'rnem Schenfel. 


vm. 


Lab ab, o Mädchen, dieſe Zeiten find 

Für Lieb’ und NRofenlauben nicht gefchaffen ; 
Nicht darf in ſüßem Spiel der Arm erjchlaffen; 
Darum laß ab, laß ab von mir, mein Sind. 


Trompetenklänge flattern hoch im Wind, 

Don Wunden redend, die jchon morgen klaffen: 
Es dröhnt das Lager, und der Gott der Waffen 
Sit wie der Gott der Liebe raſch und blind. 


Vielleicht ift ſchon geſchärft die Lanzenſpitze, 
Die mich durchbohren fol in Mordbegier, 
Und dieſe Stirne bald ein Ziel ver Blitze. 


Fahr wohl, daß nicht der Stahl, gezückt nach mir, 
Auch deine Bruſt, auch deine Schulter ritze! 
Fahr wohl, fahr wohl! Und Friede ſei mit dir! 


IX. 


Bei Gott, ich zähle nicht zu den Verwegnen, 

Die um ein Nichts ein ſchwer Verhängniß fodern, 
Doch beſſer, als am innern Krebs vermodern, 

Däucht mir’s, dem Feind auf blut’gem Feld begegnen. 


— 236 — 


Ja, dreifach will ich jest die Stunde fegnen, 
Mo ihrer Scheiden bar die Schwerter lodern, 
Und wo an euern Mofeln, euern Odern 
Statt ew’ger Zanfesworte Kugeln regnen. 


O ſäh' ih morgen ſchon den Sonnenschein 
Sich jpiegeln auf den Helmen der Geſchwader! 
Ging's morgen fhon in Feindes Land hinein! 


Krieg! Krieg! Gebt einen Krieg uns für den, Hader, 
Der uns das Mark verfenget im Gebein! — 
Deutjchland ift todtkrank — fchlagt ihm eine Ader! 


X. 
Des eiteln Jammers trug ich immer Scham, 
Doch nicht erröth’ ih über diefe Zähre; 
Achill, der Götter Enkel, weint” am Meere, 
Da feine Mutter ihn zu tröften kam. 





Doch war das Leid, das ihn gefangen nahm, 
Nicht meinem gleih an Bitterfeit und Schwere; 
Er meint im Zorn um feine Lieb’ und Ehre, 
Ich meint’ um meines Baterlandes Gram. 


Doh nun genug! est gilt es fich zu faflen, 
Und nicht, ein händeringender Tribun, 
Den Lärm noch zu vergrößern auf den Gafjen. 


Kannft du nicht handeln, laß die Worte ruhn; 
Und lerne, wo nicht freudig, doch gelaffen 
Und fejt das Unabänderlide thun. 


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Für Schleswig - Holfein. 
1846. 
1? 


Deutichland, die Wittib, faß im Trauerfleide 
Und ihre Stimme war von Stöhnen heifer, 
Da man fie jchied von ihrem Herrn und Kaiſer, 
Dem fie verfchworen war mit theurem Eide. 


Doch iſt ein Tröfter fommen ihrem Leide: 

Der Geiſt der Eintracht, welcher nun mit leifer 
Gewalt um ihre Stirn die Eichenreifer 
Zuſammenhält, daß keins vom Kranze fcheide. 


O Kaifererbe, Geilt voll Kraft und Milde, 
Die Stunde ſchlug, der Welt an allen Enven 
Zu fünden, daß du feift fein MWahngebilve. 


Der Däne mwagt’s, ein deutſch Geſchlecht zu fehänven ; 
D deck e3 zu mit deinem breiten Schilde, 
Und mit dem Schwert umgürte deine enden! 


11. 


Deutſchland, bift du fo tief vom Schlaf gebunven, 
Daß dieſe fremden Zwerge ih getrauen, 

Mit frehem Beil in deinen Leib zu hauen, 

Als könnteſt du nicht ſpüren Streih und Wunden? 


Sit deine Ehre jo dahingeſchwunden, 

Im Mund der Völker, daß fie fed drauf bauen, 
Mit theilnahmlofer Ruhe würden jchauen 

Die Schmach des kranken Gliedes die gefunden? 


— 238 — 


Erwach' und ſteig' empor in Zornes Lohen! 
Laß aus der Bruſt, die nicht umſonſt ſich brüſtet, 
Die Rieſendonner deiner Stimme drohen! 


Da werden die nach deinem Raub gelüſtet 
Entſetzt zerſtäuben, wie die Troer flohen 
Beim Ruf Achills, noch eh' er ſich gerüſtet. 


111. 


Es ift ein Ruf in's Niederland gekommen 
Vom Gau ber, wo der Eivder Fluten münden, 
Der jede deutjche Seele muß entzünden, 

Und mar fie nie bis heut in Zorn erglommen. 


Dom Niederlande hat’3 der Harz vernommen, 
Da jehrie er auf aus feinen hundert Schlünden, 
Dem Fichtelberg die Botſchaft zu verkünden; 
Der rief den Alpen fie, vor Grimm beflommen. 


Die Alpen fandten jie nah Oſt und Norden 
Mit Rhein und Donau, die im Wogenbrande 
Wie Zornesavdern ſchwollen aus den Borden. 


Nun wiſſen's ſchon die Kinder mweit im Lande, 
Und alle Stimmen find Ein Schrei geworden, 
Ein Schrei nah Sühne für jo große Schande. 


IV. 


Das Elſaß, roth im Schmud der Purpurtraube, 

Den Blutrubin in unſres Reichs Geſchmeide, 
Ausbrach der Frank ihn mit des Schwertes Schneide, 
Daß er in feines Königs Kron’ ihn ſchraube. 








EN ange I 


Doh da er's that, lag unfer Volt im Staube 
Blutrünftig, mit zerrifinem Eingeweide, 

Und jo erfäuft in taufendfachem Leide, 

Daß feiner fragen mochte nah dem Naube, 


Und dennoch grollen wir mit unfern Bätern, 
Daß fie, wiewohl bis auf den Tod zerjpalten, 
Verloren, was verloren blieb uns Spätern. 


Wie jollten wir nun, die wir ftarf uns halten, 
An unfern Enteln werden zu DVerräthern, 
Das thuend, drum wir unſre Ahnen jchalten! 





V. 


Der alte Münfter fpricht im Glodenflange: 

Mich hieß die deutſche Kunjt in befjern Tagen 
Pit meinen Gipfeln in die Sterne ragen, 

Doc fteh’ ich längſt betrübt in welſchem Zwange. 


Jetzt, wo ich ſchaue nach der Zeiten Gange, 
Gewahr' ich, daß auf's neu mit frehem Wagen 
Ein Fremdling fih vermißt, ein Glied zu ſchlagen 
Vom deutſchen Leib, und laufen muß ich bange, 


Gelingt's ihm: weh, fo will im Staub ich trauern, 
Die Gluten meiner Roje jollen bleichen, 
Mit Seufzern will ich jprengen Thurm und Mauern. 


Doch glückt's ihm nicht, fo fol’3 mir fein ein Zeichen: 
Auch meine Knechtſchaft wird nicht ewig dauern, 
Einft werd’ ich ausgelöst mit Schwertesftreichen, 


— 240 ° — 


VE 


tun ſei verfiegelt jeder Eleine Hader, 
Verftummt jedwede Klage, die wir fangen, 
Da unfer aller Feind fih unterfangen, 
Aus unſrer Burg zu breden eine Quader. 


Wem deutfhes Blut noch füllt die Herzensader, 
Nah anderm Recht nicht foll er jetzt verlangen, 
AS jhmwertgerüftet, Zornglut auf den Wangen, 
Zu jtehn mit feinen Brüdern im Geſchwader. 


Cinmüthig gilt's das Banner hoch zu tragen, 
Bis auf den Raub der Fremdling hat verzichtet, 
Mo nicht, bis daß im Blut er liegt erjchlagen. 


Wenn dann am Meer das Siegsmal aufgerichtet, 
Dann laßt uns gehn, im Eichenforjt zu tagen, 
Und unfer eigner Handel jei gejchlichtet. 


VL. 


Vom Holger Dänen flingt mir's in den Sinnen 
Und von Morgand, der Königin der Feyen, 
Die ftete Jugend ihm ließ angedeihen, 

Ihn in des Meers Kryſtallpalaſt zu minnen. 


Gr aber floh mit jchnellem Schiff von binnen, 
Am Land ein rojig Königskind zu freien; 

Da brab der Zauber und er ftand im Reihen, 
Sein Goldhaar greis, fein Burpur Bettlerlinnen. 


Die alte Sage will dein Bild dir zeigen, 
D Dänemark, doch glaubt du feiner Sage, 
Da du die deutihe Maid begehrit zu eigen. 








— 241 — 


Wohlauf denn, Holger, auf zum Brautgelage, 
Zum Hochzeitstanz, mo Schwerter find die Geigen, 
Daß deine ganze Blöße kommt zu Tage! 


VIII. 


O Mutterſprache, reichſte aller Zungen, 

Wie Lenzwind ſchmeichelnd, ſtark wie Wetterdröhnen, 
In deren dreimal benedeiten Tönen 

Zuerſt erfriſcht das Wort des Herrn erklungen, 


Mit eh'rnen Banden hältſt du uns umſchlungen, 
Uns alle, die du zählſt zu deinen Söhnen, 

Daß keiner ſich dem Machtſpruch mag gewöhnen, 
Der ihm mit anderm Laut in's Ohr gedrungen. 


Nun aber wollen dir die Weltgeſtalter 
Entziehn ein ganz Geſchlecht nach ihren Launen, 
Und däniſch welſchen ſoll's im neuen Alter. 


Wohl mag dich, Mutter, faſſen drob ein Staunen, 
Doch zage nicht! Nein, greif' auf deinem Pſalter 
Ein wehrhaft Lied, ſchmetternd wie Kriegspoſaunen! 


IX. 


Mich will's bedünken faſt gleich einem Schwanke, 
Daß dieſes Inſelreich, das kleine ſchwache, 
Aufbäumend wie ein zorn'ger Meeresdrache, 
Sich wider uns erhebt zu grimmem Zanke. 
Geibel, Geſ. Werke, 1. 16 


— 242 — 





Denn eines Streichs nur braucht's, ſo liegt zum Danke | 
Für ſolchen Troß es da in blut’ger Lache, % 
Es ſei denn, daß vor unfrer ftarfen Rache 
Der Slav’ es wolle jehirmen oder Frante, 


Doch wär' es fo, und fpie! aus feinen Kreifen 
Der Eispol Schaaren her wie Sand am Meere, 
Und brüllte Frankreich, feinen Ruhm zu jpeifen: 


Auf dann, mein Volk, die Herzen hoch, die Speere! 
Dann gält es erjt im Kampf uns zu erweifen, 
Im ein’gen Riefenfampf um Deutſchlands Ehre. 


X. 
D hätt! ih Drachenzähne jtatt der Lieder, 
Daß, ſät' ich fie auf diefe dürre Küſte, 
Draus ein Gejchleht von Kriegern wachſen müßte, 
Im Waffentanz zu rühren Eijenglieder. 


Sie alle follten Deutſchlands Heerſchild wieder 
Erhöhn, unnahbar jedem Raubgelüfte, 

Und nimmer fragen nad des Kampfes Rüſte, 
Bis Hauch des Siegs umſpielt' ihr Helmgefieder. 


Nun hab’ ih Worte nur, allein wie Saaten 
Will ih fie ftreun in deutſche Seelen mader, 
Db bier und dort mag eine Frucht gerathen. 


Doch foll draus aufgehn nit ein BZorngeflader, 
Nein, ruhig ernſt ein Muth zu großen Thaten. 
Du aber, Herr, bereite ſelbſt ven der! 


63 ſprach der Herr zu uns in Krieges Lohen: 
Geid einig, und wir waren’3 eine Stunde, 

Doch lachten wir des Worts aus feinem Munde, 
Da am Gewölk ver Glutſchein faum entflohen. 


Nun läßt er wieder feine Stimme drohen, 

Und mahnt uns feitzuftehn im guten Bunde. 

O bört den Ruf ihr Nievern in der Runde, 

Und beugt euch ihm auf eurem Thron, ihr Hohen! 


Denn alfo ſpricht Er: Habet ihr danieden 
Vergeſſen ſchon der Trübjal eurer Herzen, 
Die auf euch Fam, da ihr euch jüngjt geſchieden? 


Seid Eins, ſonſt muß Ich euch gleich ſpröden Erzen 
Zerbrechen oder neu zuſammenſchmieden 
Im Feuer meines Zorns und eurer Schmerzen, 





XI. 


Es figt die Zeit am großen Webeſtuhle, 

Sm Teppich der Geſchicht' ein Bild zu meben; 
Schon jeh’ ih hin und ber die Fäden ftreben, 
Der Riefeneinfhlag rauſcht, es dröhnt die Spule. 


Noch kannſt vu wählen, Deutjchland, ob zur Buhle 
Sie dih dem jternbefrönten Ruhm foll geben, 

Db im Geweb' ein Schmachbild du millit leben, 
Ein Hohn ven Völkern bis an's fernſte Thule. 


— 24 — 





Sprib aus — doch gilt fein Zaudern jegt noch Zagen — 
Willſt hülflos du von deinem Angefichte 
Die Kinder ftoßen, die dein Schooß getragen? 


Sprib, oder willft in grollendem Gerichte 
Die fie bevrängen du zu Boden fchlagen? — 
Thu deinen Spruh! Es harrt die Weltgejchichte. 





Emanuel Geibels 


Sefammelte Werke. 


In acht Bänden. 


Zweiter Yand. 


Suniuslieder. — Iulian, 





Stuffgarf. 
Verlag der J. ©. Cotta'ſchen Buchhandlung. 


1883. 











z. Drud von Gebrüber Kröner in Stuttgart. 





Inbhabt. 


Juniuslieder. 
Lieder. 


Sei getroſt 

Früh morgens 
Kriegslied . : 
Trinflied der Alten 
Neue Liebe 

Schöne Tage . 

Sm Gebirg 3 
Unter der Loreley . 
Die Sonnenblume . 
Lied des Mädchens 

Die Berlafjene : 
Lied des Alten im Bart. 
O was bleibt dem armen Herzen 
Kurt von Wyl 
Herbitlieder 1-3... 
Zu Volksweiſen 1—6 . 
Sr März. .- . 

Den Freunden 

Für Muſik 

Jägers Liebe 1-3 . 
Meluſine 

Anruhe. 

Herbſtklage 

Minneweiſe 

Donatus 1—3 


er a 


Gute Stunde . 

Lied vom Mein . 

Lied des Corſaren 
Frühlingslieder 1-3 . 


Vermiſchte Gedichte, 


An den Genius . 

Nachts am Meere . 

Gebet E 

Aus dem Walde. 
Frühlingshymnus 

Heimkehr 

Wiederſehen 

Eonett . 

Letzte Eühne . 

Wind und Glüd 

Die junge Zeit . 
Frühlingsbrauſen 

Am Meere. 

Beruhigung .. 

Ich ſah den Wald ſich — 
Frohe Botichaft . i 
Heimweh 

Daheim . 

Wiederſehen 

Nach zehn Jahren. 

Am Bergſee 

Einem Freunde . h 
Herbitlich jonnige Taoe . 
Der Templer . \ 

Das Geheimniß der Sehnſagt 
a r 
Schlaf und rue : 


Zeitgedichte. 


Ein Lied am Rhein 

Fragment . . 

Proteſtlied für Schlewig- Gottein 
Eine Septembernadt . u 
An die Gewaltjamen . 


Bu 


Mene Tefel . 
Dftermorgen 
Gebet . 
Geduld . 
Den Dichtern 


Sonette. 
Herbſtblätter I-XIU 


Gelegenheitsgedichte. Sprüche. Scherze. 


Zu Freiligraths Geburtstag . 
Abſchied von St. Goar . 
Auf eine Einjame - . 

An Ernjt Curtius 

An Denjelben 

An F. K. 

An Clara 
Stammbuchblätter 

Sprüche 1—60 .. . 
tachtigallenjchlag . 
Mittagzitille 

Schlimmer Bejud) 

Vom Genius E 

Der gejtrenge Kritikus . 
Des Zechers Traum . 

Der Geift von Würzburg . 


Der Troubadour, 
I—VII 


Balladen und Erzählungen. 


Balladen vom Pagen und der a, I—-IV. 
Des Deutjchritterg Ave F — 
Die Windsbraut 

Die Türkenfugel . ; 

Der reiche Mann von Köln ; 

Am Waldjee 

Herr Malther . 

Die weiße Schlange . 


Morgenländifcher Mythus . 


Seite 


143 


151 
158 
161 
163 
166 
168 
169 
173 


180 


u RE 


König Sigurds Brautfahrt. 


Nie König Sigurd Mffonnen traf 
Wie König Sigurd gen Alfheim fan 
Mie die Geſchwiſter Rath hielten . 
ie Alf und Eref erichlagen wurden 
Wie König Sigurd Hochzeit hielt . 


Buch der Betrachtung. 


Gnomen I-XII . 
Widmung einer Tragödie . 
Helle Kächte 

Schickſalslied 

An den Schlaf. 
Didterloo . . . .» 


Iulian. 


Fragment eines erzählenden Gedichtes. 


Eriter Gejang . 
Zweiter Gejang 
Dritter Gejang 


Eeite 
194 
197 
199 
202 
205 


209 
216 
218 
219 
222 
224 


229 
246 
263 








Auninslieder, 


Geibel, Geſ. Werke, 11. 





Yieder 


Hei gefrofl. 


Sei getroſt und ob die Stunden 
Raſcher Jugend dir verweht! 

Haſt du doch in dir gefunden, 
Was unalternd fortbeſteht: 

Kannſt du ringend doch geſtalten, 
Was der Geiſt dir reichlich giebt, 
Kannſt im Lied die Liebe halten — 
Selig iſt, wer ſchafft und liebt. 


Nimmer nun des Segels Schwinge 
Stell' ich aus in's weite Meer; 
Denn gewaltig zieht die Dinge 
Frommer Liebeszwang mir her. 
Alle Wunder, die ich ferne 
Suchte, trägt der Heimath Schoos; 
Und ſo ſegn' ich meine Sterne, 
Und ſo preiſ' ich ſtill mein Loos. 


a — 


Früh morgens. 


Ich weiß nicht, fäufelt! in den Bäumen 
Des Frühlings Zauberlied zu Nacht? 
Aus unerklärlih holden Träumen 

Bin früb und frifch ich heut erwacht. 
Der Morgen weht mit goloner Schwinge 
Mir um die Stirn den fühlen Schein; 
Noch möcht ich raſten, doch ich finge, 
Mein Herz ift wie der Himmel rein. 


In Süßen Schauern rührt ſich wieder 
Mas je geblüht in meiner Bruft, 
Und alte Liebe, junge Lieder 
Empfind’ ich in vereinter Luft, 
Sowie der Schwan, der feine Bogen 
Auf blauem Waller freifend zieht, 
Zugleich im Spiegelglanz der Wogen 
Den Himmel mit den Sternen fieht. 


Kriegslied. 


Und wenn uns nichts mehr übrig blieb, 
So blieb uns doch ein Schwert, 

Das zorngemuth mit ſcharfem Hieb 
Dem Trutz des Fremdlings wehrt; 

So blieb die Schlacht als letzt Gericht 
Auf Leben und auf Tod; 

Und wenn die Noth nicht Eiſen bricht, 
Das Eiſen bricht die Noth. 


Wohlauf, du kleine Schaar, wohlauf, 
Vertrau' auf Gott, den Herrn! 

Es geht ein Stern am Himmel auf, 
Das iſt der Freiheit Stern. 


Be She 


Als wie ein Frühlingsiturm erbraust 
Der Völker Aufgebot; 

Da fährt an’s Eifen jede Fauft, 
Das Eifen bricht die Noth. 


Und ob der fremden Söldner Schaar 
Wie Dünenfand jih mehrt: 

Getroft, je größer die Gefahr, 

Se höher Herz und Schwert! 

Und ob aus feiner Höllenburg 

Der Teufel felber droht: 

Ein fühner Muth geht mittendurd, 
Das Eifen bricht die Noth. 


Schon hallt des Feinds Trompetenruf, 
Kanonen brummen drein. 

Mohlauf, wohlauf mit raſchem Huf 

In feine Lanzenreihn! 

Es Elingt der Stahl, es jteigt der Brand, 
Die Bronnen fpringen roth — 

So grüß dich Gott, mein deutjches Land ! 
Das Eiſen bricht die Noth. 


Vrinklied der Alten. 


D wohl trüb ift die Zeit, mo der frojtige Gaft, 

Wo mit fnöchernem Arme das Alter uns faßt, 

Und die feurige Luft, die noch jüngjt uns befeelt, 

Wie ein Märchen uns däucht, das am Herd man erzählt. 
Doch der Wein bringet wieder, 
Mas zu rafh uns entfloh, 
Bringt Erinnerung und Lieder — 

Altes Herz, altes Herz, und was glüheſt du fo! 


Grün waren die Lauben und fonnig die Stund, 
Da mein Mädchen ich küßt' auf den frifchrothen Mund, 
Da nicht Süf’res ih wußt' als ihr Auge fo blau — 
Ab, der Herbit fommt zum Wald und die Lode wird grau. 
Doch der Wein bringet wieder 
Was zu rafch uns entfloh, 
Bringt Jugend und Lieder — 
Altes Herz, altes Herz, und was glüheſt du fo! 


Keine Thräne, Herzbruvder! Wir jchaun von den Höhn 
Nach der finfenden Sonn’, und verglüht fie nicht ſchön? 
Heil uns, daß uns ward, was der Frühling nur giebt! 
Diefen Becher der Liebe, die einst wir geliebt! 

Denn der Wein bringet wieder, 

Was zu rafh uns entfloh, 

Bringt Lieb’ ung und Lieder — 
Altes Herz, altes Herz, und was glüheſt du jo! 


Neue Siebe. 


Hinaus ins Weite 
Frühling fommt balv. 
Durch Schneegebreite 
Zum Fichtenwalo ! 

An ftürzenden Bächen 
Schwindelnde Bahn, 
Durch faufende Wipfel 
Zum Fels, zum Gipfel 
Hinauf, hinan! 


Sauge duritiger Wind nur, fauge 
Mir die jtürzende Thräne vom Auge, 
Leg’ an die brennende Stirne dich an! 


EEE RE 


Ach, nah dem Trauern, 

Dem dumpfen Schmerz, 

Wie löst dieß Schauern 

Selig mein Herz! 

D rajtlos Drängen, 

Willit du gewaltfam 

Die Bruft zerjprengen ? 

Ich kenne dich — 
Liebe, Liebe, du kommſt unaufhaltſam 
Noch einmal, Herrliche, über mich! 


Schöne Tage. 


O wie ſegn' ich euch, ihr Tage, 

Die ihr reich und reicher blühend 
Still durch Hain und Garten wandelt! 
O wie ſegn' ich euch, ihr blauen 
Duft'gen tiefgeſtirnten Nächte! 

O wie ſegn' ich dich, o Erde, 

Die zu ſolchem Glück mich nährte, 
Dich, o Himmel, den ich athme! 


Ach ſchon wähnt' ich faſt erkaltet 
Dieſes Herz und wollte männlich 
Mit dem ſchwer erkauften Schatze, 
Mit der Weisheit mich beſcheiden. 
Seht, da bringt ihr, wie des Frühlings 
Milde Sonne roſig aufglüht, 

Bringt noch einmal mit den Blumen 
Alle Füllen der Empfindung, 

Heiße Thränen, junge Lieder; 

Und mir ſelbſt ein ſelig Wunder, 
Wieder leb' ich Liebesleben. 


er ER BEE 


Wenn ib Glüdliher nun Abends 

Arm in Arm mit der Geliebten 

Ueber jtille Felder jchreite, 

Daß der Halbmond hold verichlungen 

Unjer Bild am Boden fchattet, 

Wenn wir dann am Wald uns ruhen 

Und in kühler Silbervämmrung 

Hundert Frühlingsjtimmen fluten, 

Bag ih näher noch und lieber 
Meines Mädchens Herzſchlag höre: 

Wie vermag ich’3 da zu fallen, 

Was mir in der Seele finget! 

Mit des Dankes feuchtem Auge 

Bid ih um zur reichen Erde, 

Bid’ ih auf zum ſchönen Himmel, 

Und den Segen, ven ich leife 

Sprechen möht auf Erd’ und Himmel, 

Küf ich endlich ſüßverworren 

Stumm auf die geliebten Lippen. 


Im Gebirg. 


Nun raufht im Morgenwinde fact, 

So Buſch als Waldrevier ! 

Sp rauſcht meine Sehnfuht Tag und Nacht, 
Rauſcht immerdar nad dir. 


Du merfit es nicht, du bift fo weit, 
Kein Laut herüber jpricht; 

O ſchlimme Zeit, einjame Zeit! 

Und Flügel hab’ ich nicht. 





N 


Dom höchſten Berg mein Auge fieht 
Umſonſt nad Weft und Dft, 
Ein Gruß zu dir, von dir ein Lied, 
Das iſt mein einz’ger Troft. 


So fing’ ich denn durch Wald und Dorn 
Meine Weil’ im Wanderzug: 

„Deine Lieb’ das ift ein ſüßer Born, 
Deß trink' ich nie genug.“ 


Unter der Sorefey. 


Wie fühl der Felfen dunkelt 

Hernieder in den Rhein! 

Kein Strahl der Sonne funfelt 

Im grünen Waflerfchein. 

Es fommt im Windesmweben 

Ein Gruß der Märchenzeit — 

Wie fern von bier das Leben! 

Die Welt wie weit von hier, wie weit! 


In diefer Schattenfühle 

Der Einfamfeit im Schoof, 

Wird alles, was ich fühle, 

So ftill, fo Kar, fo groß. 

Kein Wunſch mehr, fein Begehren, 
Gefchlichtet jeder Zwiſt — 

Ich kann der Welt entbehren, 

Wo du, o Liebe, bei mir bift. 


ne 


Die Honnenblume. 


D Roſen, die mit Rubme 
Ihr prangt in Duft und Licht, 
Ich bin die Sonnenblume 
Und ich beneid’ euch nicht. 


Des Falters flatternd Koſen, 
Die Lieder im Gefträud, 

Der Menſchen Lob, ihr Roſen, 
Wie gerne ginn’ ich's euch! 


Mir Schafft es volle Gnüge, 
Dom Himmelsthau getränkt 
In meines Liebjten Züge 
Zu Schauen ftill verjenft. 


Zum Sonnenjüngling. richte 
Das Haupt ich früh und ſpät, 
Und nähre mih vom Kichte, 
Das fein Gelod ummeht. 


Mein Auge bleibt dem Hohen 
Auh dann noch zugekehrt, 
Wenn er mit heil’gen Lohen 
Zulegt mich ſelbſt verzehrt. 


O ſprecht, wie ließ’ erwerben 
Sich köſtlicher Gefchid, 
Als jo dahinzufterben 
Sanft an des Lieblings Blid! 


Drum blüht in eurem Ruhme, 
Ihr Rofen wonniglich! 

Sch bin die Sonnenblume 
Und jelig bin auch id. 





ar Bi N 


Fed des Mädchens. 


Laß Schlafen mich und träumen, 
Mas hab’ ich zu verſäumen 
In dieſer Einſamkeit! 

Der Reif bedeckt den Garten, 
Mein Daſein iſt ein Warten 
Auf Liebe nur und Lenzeszeit. 


Es kommt im Frühlingsglanze 

Für jede kleine Pflanze 

Einmal der Blütentag. 

So wird der Tag auch kommen, 
Da dieſem Froſt entnommen 

Mein Herz in Wonnen blühen mag. 


Doch bis mir das gegeben, 

Däucht mir nur halb mein Leben, 
Und kalt wie Winters Wehn; 
Trüb ſchauert's in den Bäumen — 
O laß mich ſchlafen, träumen, 

Bis Liebe mich heißt auferſtehn! 


Die Derlaflene. 


D fingt nur ihr Schwetern mit fröhlihem Mund, 
Und führet den Neigen im Lindengrund 
Mit ven Burihen bei Cithern und eigen! — 
Mich aber laßt gehn und fehmweigen. 


Was blickt ihr mir nad, und was wollt ihr von mir? 
Sch habe die Freude getragen wie ihr 

In der Bruft mit Lachen und Scherzen — 

Nun trag’ ich den Tod im Herzen. 


— — 


Durch alle Wipfel der Lenzhauch geht, 
Ich bin der Baum, der laublos ſteht; 
Die Waſſer rieſeln ſo helle, 
Ich bin die vertrocknete Quelle. 


Die Treue, die Treue, darauf ich gebaut, 

Sie iſt mit dem Schnee vor der Sonne zerthaut; 
Wie Spreu vor dem Winde, ſo ſtiebet 
Meine Liebe, die ich geliebet. 


Fed des Alten im Barf. 


Durch tiefe Naht ein Braufen zieht 
Und beugt die knospenden Reifer, 
Im Winde klingt ein altes Lied, 
Das Lied vom deutſchen Kaifer. 


Mein Sinn ift wild, mein Sinn tft ſchwer, 
Ich kann nit laffen vom Laufen; 

Es Elingt, als zög’ in den Wolfen ein Heer, 
Es Klingt wie Adlers Raufchen. 


Viel taufend Herzen find entfacht 
Und barren wie das meine, 

Auf allen Bergen halten fie Wacht, 
Ob roth der Tag erjcheine, 


Deutſchland, die ſchön geſchmückte Braut, 
Schon ſchläft fie leiſ' und leiſer — 
Wann weckſt du ſie mit Trompetenlaut, 
Wann führſt du ſie heim, mein Kaiſer! 





O was bleibt dem armen Herzen. 


D was bleibt dem armen Herzen, 
Wenn die fehöne Liebe floh! 


Heimlich zehrt an mir ein Wehe 
Nah den ſüßen Jugendſcherzen, 

Da ih in der Holden Nähe 

Tage lebte till und froh; 

Und verwaijet im Gemüthe 

Fühl' ich's unter bittern Schmerzen: 
Einmal bringt der Lenz die Blüte, 
Aber auch nur einmal ſo. 


D was bleibt dem armen Herzen, 
Wenn die fehöne Liebe floh ! 





Kurt von Vyl. 
Das Mädchen fpridt: 


Gegangen war ich zum grünen Hag, 
Da Mittag über den Wipfeln lag: 

Das Harz troff aus der Fichte wund, 
Die Schlange fonnte fi ftill am Grund. 


Ich beugte mich über Sankt Albans Duell, 
Der ſchoß aus dem Feljen frifch und hell, 
Mit weißer Hand den Sprudel ich fing, 
Und negte mir Stirn und Lodenring. 


Und als ich trank die fühle Flut, 
Urplöglih mwallte mir das Blut; 

Der Vögel Gruß verjtand ich balo, 
Und was fie fangen im ganzen Wald. 


Ey an 


Sie flogen und hüpften von At zu At, 
Und fangen nur eins ohne Ruh und Raſt, 
Nur eines, das mir baß gefiel: 

„Der ſchönſte Mann ift Kurt von Wyl“. 


D Klingen, o Singen fo wunderjam ! 

Nicht weiß ih, wie aus dem Wald ich Fam; 
Mein Trug und Lachen ift all dahin, 

Mir will das Lied nicht aus dem Sinn. 


Sch hör’ es, wenn ich die Spindel dreh, 
Und wenn ih am Herd in die Flammen eh, 
Im Glodenklang, im Reigenjpiel: 

„Der ſchönſte Mann iſt Kurt von Wyl“. 


D Kurt von Wyl und merfjt du es nicht 

An meinem glühenden Angeficht, 

Und Sieht du es nicht an den Augen mir an, 
Daß ich weiß, was da fingen die Vögel im Tann? 


Herbſtlieder. 


1: 


Nun ftrömet Kar von oben, 
Der Tag in’3 Land herein, 
Aus tiefem Blau gemwoben J 
Und lichtem Sonnenſchein. 


Es will noch einmal blühen 
Der Wald, bevor er ſtarb; 4 
Er prangt in goldnem Glühen, 

Und lächelt purpurfarb. 








DEN Se 


Und fern im Glanze ſchließet 
Sih Berg an Berg gereiht, 
Und Sabbathitille fließet 
Sm Thale weit und breit. 


Was will dich's Munder nehmen 
D Freund zu diefer Frift, 

Daß deine Bruft ihr Grämen 
Wie einen Traum vergißt? 


Daß du der alten Sorgen 
Mit Lächeln nur gevenfit, 
Und in den goldnen Morgen 
Dich voll und froh verfenfit? 


D gib di hin dem Frieden 
Und jauge diefen Glanz, 
Der aller Welt befchieden, 
In deine Seele ganz. 


Lab Ruh und Lied fih gatten 
Bei frommem Harfenklang, 
Der legten Trauer Schatten 
Derfühne mit Gejang. 


Der Sonne heb’ entgegen 

Den Becher jungen Weins, 

Und heiſcht der Trunk den Segen, 
So wünſche jegnend eins: 


Daß, wenn nah Freud’ und Leide 
Dein Herz einst brechen will, 

Mie diefer Herbit es jcheide 

So heiter, groß und ftill. 


—— 


2. 


Ach, in dieſen blauen Tagen, 

Die ſo licht und ſonnig fließen, 
Welch ein inniges Genießen, 
Welche ſtillverklärte Ruh! 

Heiter iſt das Blut gezügelt, 
Leichter Schlaf und klarer Morgen 
Wiſſen nichts von bangen Sorgen, 
Und die Seele ſchweift beflügelt 
Jeder lieben Stelle zu. 


Ach in dieſen blauen Tagen, 
Die wie Wellen ſo gelinde 

Mich in's Leben weiter tragen, 
Muß ich hoffen, muß ich fragen, 
Ob ich nie dich wiederfinde 
Liebling meiner Seele du! 





3. 


Es ſchleicht um Buſch und Halde 

Der Sonnenſtrahl ſo matt, 

Im herbſtlich ſtillen Walde 

Fällt langſam Blatt um Blatt. 

Die Welt verſinkt in Todeseuh, 5 
Mas iſt's denn mehr? Auch du, aub du 
Mein Herz, du findejt balde 

Die rechte Lageritatt. 


Du brachſt am Lebensſteige 
Die Früchte, die er bot, 
Der Jugend Rojenzmweige, 
Der Minne Himmelsbrod. 





a — 


Doch endlich wird des Windes Raub 
Die letzte Lieb, das letzte Laub — 
So neige dich, o neige 

Dich lächelnd in den Tod. 





Zu Dolksweifen. 


F 
Neapolitaniſch. 


Du mit den ſchwarzen Augen, 
Die ſchön ſind wie die Sterne, 
Soll ich den Tod mir ſaugen 
Aus, ihrem kühlen Schein? 
Umſonſt in alle Ferne 

Hinaus die Blicke lenk' ich, 
Ach, dein ſo viel gedenk' ich, 
Und nimmer denkſt du mein. 


Tief in der Nacht voll Kummer 
In öden Finſterniſſen 

Wälz' ich mich ohne Schlummer, 
Darf ja bei dir nicht ſein. 

Mein Wollen, Sinnen, Wiſſen 
In's Meer der Liebe ſenk' ich — 
Ach, dein ſo viel gedenk' ich, 
Und nimmer denkſt du mein. 


All meine Sinne fluten 

Zu dir, zu dir gewaltſam, 

Brennender Sehnſucht Gluten 

Rieſeln durch mein Gebein. 
Geibel, Geſ. Werke. II. 2 


—— 


Mit Thränen unaufhaltſam 
Mein einſam Lager tränk' ich — 
Ach, dein ſo viel gedenk' ich, 
Und nimmer denkſt du mein. 


2. 
Schottiſch. 


Weit, weit aus ferner Zeit 
Aus grüner Jugendwildniß 
Grüßt mich in Luft und Leid. 
Ein wunderfames Bildniß. 

Wohl kenn’ ich gut 

Der Lippe Glut, 

Die mit mir pflag zu ofen, 

Das Auge jo hold, 

Der Lode Gold 

Der Wange bleibe Roſen. 
Denn ob in Kampf und Schmerz 
Kein Hauch der Jugend bliebe: 
Nie doch vergißt das Herz 
Den Traum der erjten Liebe, 


Spät nah des Tages Streit, 
Wenn Har erglühn die Sterne, 
Giebt's mir ein treu Geleit 
In aller Näh und Ferne. 

35h lag bei Nacht 

Wohl auf ver Wacht, 

Da ſtand eS mit am Feuer; 

Ich fuhr daher 





Ueber’3 blaue Meer, 

Und ſah es ruhn am Steuer. 
Denn ob in Kampf und Schmerz 
Kein Hauch der Jugend bliebe: 
Nie Doch vergibt das Herz 
Den Traum der eriten Liebe. 


Still wie ein [hüchtern Kind 

So blidt’3 mid an durch Thränen, 
Mill feine Locken lind 

An meine Schulter lehnen. 

Es winkt jo lieb, 

Es fingt jo trüb 

Bon Zeiten, die vergangen; 

Da ſchmilzt mein Sinn 

Sn Heimmweh hin, 

Bin für und für gefangen. 
Denn ob in Kampf und Schmerz 
Kein Hauch der Jugend bliebe: 
Nie doch vergißt das Herz 
Den Traum der erjten Liebe. 





3. 
Ruſſiſch. 


Durch die Waldnacht trabt mein Thier 
Sacht beim Sterngefunkel, 

All mein Glück liegt hinter mir, 

Vor mir nichts als Dunkel. 

Welke Blätter wirbeln wild 

In des Sturms Gewimmer — 
Lebewohl geliebtes Bild! 
Lebewohl für immer! 


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Ab, wohl mag der Menſchenbruſt 
Lieb’ ein Himmel fcheinen, 

Doch nah allzuflücht’ger Luft 
Giebt fie langes Weinen. 
Sehnſucht ewig ungeftillt 

Folgt dem furzen Schimmer — 
Lebewohl geliebtes Bild! 
Lebewohl für immer! 


4. 
Franöſiſch. 


In lichten Frühlingstagen 

Sei nur kühn, ſei nur kühn ohne Zagen, 
Wenn alle Vögel ſchlagen, 
Das iſt der Sehnſucht Zeit. 


Wenn alle Vögel ſchlagen, 

Sei nur kühn, ſei nur kühn ohne Zagen! 
Dann kannſt du nimmer tragen 
Im Herzen ſtumm das Leid. 


Dann kannſt du's nimmer tragen, 
Sei nur kühn, ſei nur kühn ohne Zagen! 

Du mußt es ſingen und ſagen 

Der allerſchönſten Maid. 


Du mußt es ſingen und ſagen, 

Sei nur kühn, ſei nur kühn dhne Zagen! 
Sie krönt dein raſches Wagen, 
In grüner Einſamkeit. 


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Sie Frönt dein raſches Wagen 

Sei nur fühn, fei nur fühn ohne Zagen! 
Wie ſchwinden alle Blagen, 
Wenn's Küſſ' und Roſen fchneit ! 


Wie ſchwinden alle Plagen! 

Sei nur fühn, ſei nur kühn ohne Zagen! 
In lichten Frühlingstagen 
Das ift der Liebe Zeit. 


5. 
Deutſch. 


Wenn ich an dich gedenke 

Bei ſtiller Nacht allein, 

Das geht mir durch die Seele 
Wie lichter Mondenſchein; 
Das geht mir durch die Seele 
Wie lieblich Harfenſpiel, 

Mir iſt, ich hatte nimmer 
Der Freuden alſo viel. 


Mein Herz iſt wie ein Ringlein 
Von eitel güldnem Glaſt, 

Du biſt die klare Perle, 

Und biſt darein gefaßt. 

So wie die Perl' im Golde, 
So funkelſt du darin, 

Und trägſt auch mich beſchloſſen 
So feſt in deinem Sinn. 


O dank' dir's Gott, Herzliebſte, 
Viel tauſend, tauſendmal, 

So viel als Veilchen blühen 
Zu Oſtern tief im Thal! 


* 


So viel als Veilchen blühen, 
So oft gedenk' ich dein; 

Das geht mir durch die Seele 
Wie lichter Mondenſchein. 


6. 
Deutſch. 


Mag auch heiß das Scheiden brennen, 
Treuer Muth hat Troſt und Licht; 
Mag auch Hand von Hand ſich trennen, 
Liebe läßt von Liebe nicht. 

Keine Ferne darf uns kränken, 

Denn uns hält ein treu Gedenken. 


Iſt kein Waſſer ſo ohn' Ende, 
Noch ſo ſchmal ein Felſenſteg, 
Daß nicht rechte Sehnſucht fände 
Drüberhin den ſichern Weg. 
Keine Ferne darf uns kränken, 
Denn uns hält ein treu Gedenken. 


Ueber Berg' und tiefe Thale, 

Mit den Wolken, mit dem Wind 
Täglich, ſtündlich tauſendmale 
Grüß' ich dich, geliebtes Kind. 
Keine Ferne darf uns kränken, 
Denn uns hält ein treu Gedenken. 


Und die Wind' und Wolken tragen 
Her zu mir die Liebe dein, 

Die Gedanken, die da ſagen: 

Ich bin dein und du biſt mein! 
Keine Ferne darf uns kränken, 
Denn uns hält ein treu Gedenken. 


ONE 


Ueberall, wohin ich fchreite, 

Spür' ich, wie unfihtbarlich 

Dein Gebet mir zieht zur Seite, 
Und die Flügel ſchlägt um mid. 
Keine Ferne darf uns Fränfen, 
Denn uns hält ein treu Gedenken. 


Und fo bin ic froh und ftille, 

Muß ih noch fo ferne gehn; 

Jeder Shritt — iſt's Gottes Wille — 
Iſt ein Schritt zum Wiederfehn. 

Keine Ferne darf uns Fränfen, 

Denn uns hält ein treu Gedenken. 





Im ärz. 


Es ift mir eben angethan, 

mei ſchöne Augen fahn mich an, 

Und in den ſüßen feuchten Schein 

Blickt' ich zu tief, zu tief hinein, 

Mir ſchwirrt der Kopf, mir glühn die Wangen, 
Und nun kommt draußen der Lenz gegangen 
Ueber die Hügel, über den Fluß, 

Die Schwalbe zwitfchert ihren Gruß, 

Die Wolken ziehn und zwiſchendrein 

Fließet der lichte Sonnenſchein, 

Und aus dem klar vertieften Blau 

Säuſelt es linde, weht es lau, 

Man meint, die Veilchen ſind ſchon da. 

Das iſt ein ſehnſuchtsvolles Weben, 

Ein heimlich Locken und Leben 

Allüberall, fern und nah. 


ge 


Und du, mein Herz, wirft nie gejcheidt, 
Läſſeſt fo willig dich verführen, 

Deffneft der Sehnfuht Thor und Thüren; 
Bon Liebes-Freud und Leid 

Singejt du Lieder, 

Und bijt jo froh, bift ganz jo thöricht wieder, 
AlS wie in deiner jungen Zeit. 





den Freunden. 


Endlih hatt' ich mich bejchieden, 

Lebte ſonder Wunſch und Stummer, 

Und der lang entbehrte Frieden 

Kehrte ſchon in diefe Bruft; 

Ach, da wedt ihr das Berlangen, 

Weckt die Hoffnung aus dem Schlummer; 
Mieder zweifeln, fürdten, bangen 

Muß ih unter Qual und Luft. 


Soll ih zürnen, foll ich danken? 
Aus des Hafens Jihern Schranken 
Zreibt ihr mi aufs Meer zurüd, 


Manches wohl erringt der Wille, 
Wo die jtolzen Segel ſchwanken — 
Aber jene tiefe Stille, 

Freunde, war doch auch ein Glüd. 


Fir Wufik. 


Nun die Schatten dunfeln, 
Stern an Stern erwadt: 
Welch ein Hauch der Sehnſucht 
Flutet in der Nacht! 








Durh das Meer der Träume 
Steuert ohne Ruh, 

Steuert meine Seele 

Deiner Seele zu. 


Die ſich dir ergeben, 

Nimm ſie ganz dahin! 

Ach, du weißt, daß nimmer 
Ich mein eigen bin. 


Dagers Siebe. 


I. 


Es jaust der Wind im dunfeln Wald, 
Daß hoch die Wipfel ſchwanken; 

Wohl über den Wald, wohl über die Flur 
Verweht er meine Gedanken. 


Er trägt ſie hin zum Grafenſchloß, 
Da klingen Flöten und Geigen, 
Bei Kerzenſchimmer perlt der Wein, 
Im Saale braust der Reigen. 


Das iſt das Feſt der ſchönſten Maid, 
Das Feſt der weißen Roſe; 

Man bringt ihr manchen Becher dar, 
Manch Sprüchlein bunt und loſe. 


Sie ſteht im Tanz und hat nicht Acht, 
Daß ſie die Weiſe lerne; 

Sie lächelt ſtill in ſich hinein, — 
Als wär' ihr Sinn in der Ferne. 


— 


Ich weiß es nicht, iſt an ihr Ohr 
Des Lieds ein Ton gedrungen, 

Das weit von ihr im dunkeln Wald 
Der Jägersmann geſungen? 


2. 


Von des Geiers Gefieder 

Trag' ich Federn auf meinem Hut; 
Aus den Lüften des Adlers Brut 
Hol' ich hernieder. 


Fort mit Zagen und Schwanken! 

Mein Blei fliegt keck, mein Blei fliegt hoch, 
Aber zehnmal höher noch 

Meiner Liebe Gedanken. 


3. 


Hörſt du mein Horn erklingen, 
Du wunderſchöne Maid? 

Es fleht zu dir: O flieh mit mir! 
Mein Rappe ſteht bereit. 


Gott grüß in meinen Armen, 

Du Grafenkind, Gott grüß! 

Du biſt ſo ſchön, ich bin ſo jung, 
Und Küſſen und Koſen ſo ſüß. 


Die Nacht iſt ſtill und dunkel, 

Mein Rößlein treibt der Sporn, 

Uns treibt die Lieb', uns treibt zur Haſt 
Deines Vaters ſcharfer Zorn. 





x 


E — — — — 


ne a 


Ach, ſchließt Fein Riegel fo feite, 
Die Liebe fprengt ihn bald; 

Nun reit' ich feliger Jägersmann 
Mit der köftlihen Beute zu Wal. 


Melufine. 


Es wohnt das Mädchen wunderhold 
Mitten im Walde; 

Mas da webet und grünt und blüht, 
Gehorcht ihr balde, 


Und tritt fie früh aus ihrer Thür 
Auf leihten Füßen, 

Fattern die Vögel um fie ber, 
Die blauen Blumen grüßen, 


Das fledige Rehlein hält ihr ftill, 
Läſſet fich jtreicheln mit Niden; 
Sie hat gezähmt den jungen Wolf 
Mit ihren holvjeligen Bliden, 


Singend über das thauige Moos 
Schreitet die Holde, 

Die Morgenfonne wirft ihr um 
Den Mantel von Golde. 


D wär’ ih dann der klare Brunn, 
Den fie zum Spiegel wählet! 

Sie lacht hinein mit rothem Mund, 
Wenn ihr Haar fie jtrählet. 


Sie lat hinein und fingt dazu: 
„O luſtig Schweifen! 


Mein Sinn iſt wie der Wind, Wind, Wind, 


Wer kann ihn greifen! 


BE 


Und wie ein Schrein fo ijt mein Herz, 
Nur fejter, feiner. 

Mo liegt der Schlüffel? ich weiß es wohl, 
Doch find’t ihn feiner.” 


Anruhe. 


An Wunden, ſchweren, 
Langſam verbluten, 

In heimlichen Gluten 
Still ſich verzehren, 
Täglich voll Reue 

Den Wahnſinn verſchwören, 
Täglich auf's Neue 

Sich wieder bethören, 
Ewig zum Meiden 

Die Schritte wenden, 

Und doch nicht ſcheiden — 
O Lieb', o Leiden, 

Wann wirſt zu enden! 


Herbſtklage. 


O weh, wie iſt ſo raſch dahin 
Der grüne Sommer gegangen, 
Und hat mir doch den trüben Sinn 
Mit Freuden nicht umfangen! 
Dem Maien wollt' ich bieten Gruß, 
Da hör’ ih ſchon um meinen Fuß 
Die fallenden Blätter rauſchen. 





IT: Sr 


D weh, nun hab’ ich wieder ein Jahr 
Geharrt auf Glück und Frommen, 
Und iſt das Glück doch nimmerdar 
An meine Thür gekommen; 

Oder es kam in Nächten tief, 

Da ich feſten Schlummer ſchlief, 

Und iſt vorübergezogen. 


Mein Leben däucht' mir als ein Traum, 
Den ich geträumet habe; 

Rechter Freude denk' ich kaum, 

Seitdem ich war ein Knabe. 

Tanz und Sang zergeht mit Gram, 
Und wenn die Liebe Abſchied nahm, 
Wohl nimmer kehret ſie wieder. 


Die Welt ward falſch und eitel Schein, 
Wie ſoll ſie mir gefallen? 

An Bechers Rande blinkt der Wein, 
Doch drunten ſchwimmen die Gallen. 
Was ich redlich focht, mißlang, 

Was ich fröhlich ſang, verklang 

Wie Herbſtwind über den Stoppeln. 


O weh, nun bin ich gar allein 

Mit meinem Harm geblieben. 

Dahin mein Jugendſonnenſchein! 

Dahin mein Singen und Lieben! 

Der Abend graut, die Luft geht Falt — 
Winter, Winter fommft du bald 

Auf meinen Hügel zu fchneien? 


— 3 
Minneweiſe. 


Wie holde Schweſtern 

Blühn die Roſen 

Im tiefen Walde roth und weiß; 

Da rauſchte geſtern 

Heimlich Koſen 

Von Mund zu Munde lind und leis; 
Durch's grüne Laub die Sonne ſah — 

Klinge mein Liedel! Bi 
Wohl mir, ih weiß was da gefhah! J 





Unter den Zweigen 

Wilder Reben, 

Wo tief im Buſch der Finke ſchlug, 

Da hat zu eigen 

Sich mir gegeben 

Die ich in treuem Sinne trug. 

Nun ſteht mein Herz in Freuden ganz — 
Klinge mein Liedel! 

Aus Dornen bridt der Roje Glanz. 


WERTE © 
LE - rip 


Da ihr zum Ruhme 
Meinem Liede 
Gefagt, es fei wie duft’ger Wein, = 
Soll feine Blume BE 
Hinfort nur Friede J 
Und alle Luſt der Minne ſein. u 
Gott wolle, daß es jo geiheh” — 3 
Klinge mein Lievel! = 
Doh klinge nimmermehr: D meh! 








FU 


Donatus. 


(Aus einer Novelle.) 


1. 


Fuhr einjt unaufhaltiam 
Meerwärts ſtolz und frei, 
Lockſt mih nun gewaltſam, 
Süße Loreley. 


Laß die Wirbel toben, 
Lab die Strudel drohn — 
Silbern weht von oben 
Deines Liedes Ton. 


Haft mit deinen Lippen 
Mir e3 angethan; 

Selig in die Klippen 
Steur’ ih meinen Kahn. | 


— * 


2. 


Ich bin der Sturm, der fährt dem Norden zu, 
Du biſt die mondbeglänzte Meeresruh — 
Wie ſtimmt ein ſolches Ich zu ſolchem Du! 


Du biſt der Strahl, der ſich auf Lilien wiegt, 
Der Hagel ich, der aus der Wolke fliegt — 
O ew'ge Kluft, die zwiſchen beiden liegt! 


Ich unſtät, wild, der Erde düſtrer Gaſt, 
Du himmliſch heiter, wie die Engel faſt — 
Nun zeig', o Liebe, daß du Allmacht haſt! 


Nun bin ich heim. O felig Ende 

Der langen rubelofen Bein! 

Jetzt jchließt ihr wohl, ihr engen Wände, 
Den Glüdlihiten der Menfchen ein, 


Wir haben unter Thränengüffen 

Die Seelen jubelnd ausgetaufcht, 
Noch ift mein Sinn von ihren Küſſen 
Als wie von edlem Wein beraufdt. 


Durch finjtre Gaſſen ſchreitet ftille 

Die Mitternacht und Alles ruht, 

Doch jauchzt mein Herz in ſeiner Fülle 
Und freut ſich ſchlaflos ſeiner Glut. 


So wie, wenn's dunkel ward im Thale 
Und dunkel ward am Firmament, 
Noch ſattgetränkt vom rothen Strahle 
Der Alpe Gipfel glorreich brennt. 


Hufe Hfumde. 


Wie ward es tief in mir fo ftille! 

Der Tage Wandeln rührt mich Faum. 
Der Lärm der Zeit, der Menſchen Wille 
Geht mir vorüber wie ein Traum. 
Doch drinnen iſt es warm und belle, 
Es lauſcht die Seele ungeftört 

In jih hinein, daß fie die Welle 

Des eignen Wohllauts fluten hört. 





we 


2 
— 


— 
Als wie aus Flammen neu geboren 
Sp ſpielt das Herz mir friſch und rein: 
Vergeſſen tft, was ich verloren, 
Und was ich liebte dennoch mein. 
63 hat der Jugend ſüß Gedenken 
Sich wie ein Himmel aufgethan ; 
Und Schön mit feiner Huld Gejchenfen 
Erſcheint der Gott und rührt mich an. 


FIted vom Wei. 


Nun grüß dich Gott du Himmelsthau, 
Du Ehrenpreis der Rebenau, 

D Wein, du Kind der Sonnen! 

Wie blinkt du mich jo mwohlgethan 
Aus bellgefhliffnem Becher an 

Als wie ein güldner Bronnen! 

D fomm empor an meinen Mund 
Und fülle mir das Herz zur Stund 
Bis auf den Grund 

Mit allen deinen Wonnen! 


Sp wie das Licht den Enelftein 
Durchſtrömt mit feinem Flaren Schein, 
Sollit vu den Sinn mir flären; 
Und was noch trüb in meinem Muth, 
Das foll hinweg die heil’ge Glut 
Der feuchten Flamme zehren, 
Ich ſtimme dir dafür zum Holl 
Ein Lied an aller Freuden voll, 
Das längſt mir ſchwoll 
Im Buſen dir zu Ehren. 

Geibel, Geſ. Werke. II. 3 


Ja, groß ift deiner Wunder Kraft 
In Freud’ und wo in Kummers Haft 
Einfam ein Mann mag trinken; 

Du bändigft mild den dumpfen Gram, 
Läßt ihn, zu Thränen wunderjam 
Gelöst, im Kelch verfinken. 

O föftlih wird der Becher da, 

Wie jener, drin Kleopatra 

Die Perle fah 

Zergehn mit klarem Blinken. 


Es ſchläft in dir die alte Zeit, 

Die hohe Luft, das ſüß Leid, 

Der Minne zartes Kojen; 

63 ſchläft in dir das Lied verfchämt, 

Das Lied, das fromm den Sturm bezähmt, 
Wenn Flut und Leben toſen. 

Die Jugend hebt fi wunderbar 

Aus dir empor und fränzet Far 

Das Silberhaar 

Mit frifhen Maientofen. 


Und was der Menſch, vom Gott bewegt, 
So tiefgeheim im Bufen trägt, 

Als ſei's der Welt verfunten, 

Du pochſt mit golonem Finger dran, 
Bis daß der Schrein fih aufgethan, 
Und feine Schäße prunfen. 

Da klingt herauf der Weisheit Wort, 
Da taucht empor der Liebe Hort, 

Um fort und fort 

Zu glühn in hellen Funfen. 


Und bijt du jelber nicht, o Wein, 
Ein Spiegel nur und Widerfchein 


— 39 — 


Bom Mandel unfrer Tage? 

‚Sebrochen, bis zum Kern verjehrt, 

Wirt du zu Glut und Geilt verklärt, 
Und felbft ein Bann der Plage. 

Dein Feuer ſüß, das ftegreich lobt, 
Spridt dann von Glorien nach ver Noth, 
Und dab aus Tod 

Der Jugend Flamme jchlage. 


Sp komm denn ber du Simmelsthau, 
Du Ehrenpreis der Nebenau, 

Du feurig Kind der Sonnen, 

Du Wedemund zum Harfenton, 

Du königlicher Sangeslohn, 

Du güldner Freudenbronnen! 

Empor im Beer klar und rein! 
Empor, laß ſegnend deine Weih’n 
Mir angedeihn, 

Und alle deine Wonnen! 


Lied des Corſaren. 


Gut der Wind und feſt das Steuer, 
Leuchtend Silbergrün das Meer, 
Ueber uns der Sterne Feuer — 
Gebt die Mandoline her! 

Syrakuſer ſchenkt mir ein! 

Heißer Sinn will heißen Wein. 


Ging mein Schloß in jähem Brande 
Lodernd auf um Mitternacht, 
Schwirrt auf Rabenſchwing' am Lande, 


— 


Um mein Haupt des Reiches Acht: 
Auf dem Meer im Sturmesflug 
Weht der Freiheit Odemzug. 


Hab' ich doch mein Schwert behalten, 
Und den Arm, der ſtark es faßt; 
Des verfehmten Banners Falten 
Flattern ſchwarzgeſengt vom Maſt; 
Weh' dem Kühnen, der's bedroht! 
Seine Antwort lautet: Tod. 


Seit das Schiff ich frei beſtiegen, 
Hauſ' ich jedem Fürſten gleich; 
Weit, ſo weit die Winde fliegen, 
Liegt mein flutend Königreich. 
Blanker Stahl iſt mein Wardein, 
Treib' ich meine Schatzung ein. 


Säckel, die von Gold ſich brüſten, 
Ferner Zonen ſeltne Fracht, 
Kloſterwein von ſonn'gen Küſten 
Und den Becher von Smaragd, 
Was nur Sinn und Herz begehrt, 


Kauft im Schlachtgewühl mein Schwert. 


Und wie reizend iſt die Dirne, 
Wenn ſie vor dem Räuber ſteht 
Und um ihre blonde Stirne 
Glühend Haß und Neigung weht! 
Scham und Luſt — o ſüßer Krieg! 
Doch dem Kühnen bleibt der Sieg. 


er) 


Heil dir Meer, du Feld des Muthes! 
Heil dir Freiheit, meine Braut! 
Dir mit jedem Tropfen Blutes, 


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Dir allein bin ich getraut, 
Treu aub dann, wenn mich umdrobt 
Einſt im Kampf die legte Notb. 


Dann fein Ach, fein feiger Sammer! 
Doch die Wimpel, hoch das Beil! 
In der engen Pulverkammer 
Schläft beifammen Nach’ und Heil; 
Stolz im Blitze fahr’ ich dann 

In den Tod als freier Mann. 





Frühlingslieder. 
% 


Kein Stern will grüßend funfeln 
In Wolken hängt die Nacht; 

Doch acht durch's Thal im Dunkeln 
Ein Säujeln lau und jadt. 


Geheimnißvolles Wallen 
kommt von den Wipfeln ber, 
Einzelne Tropfen fallen 
Wie Thränen heiß und jchwer. 


Mir it, als könnt’ ich ſpüren 
Im Wind, im Dufte der Flur, 
Wie ſich die Kräfte rühren 
Der Ichaffenden Natur. 


Ach, mir im Buſen ringt es 
Sp dunkelmächtig au, 

Da brütet’3 und da klingt es 
Bewegt vom Frühlingshauch. 


— 


Es rührt der Saft ſich wieder 
In meines Lebens Baum. 

Iſt's Liebe? Sind es Lieder? 
Noch unterſcheid' ich's kaum. 


2. 


Tief im grünen Frühlingshag 
Durch die alten Rüſtern 
Wandelt leiſ' am ſchönſten Tag 
Wunderſames Flüſtern. 


Jedes Läublein ſpricht: Gott grüß! 
Zu dem Laub daneben, 

Alles athmet tief und ſüß 

Heil'ges Friedensleben. 


Und wie Blüt' und Blatt am Strauch 
Still ſich wiegt im Glanze, 

Wiegt ſich meine Seel' im Hauch, 
Der durchſtrömt das Ganze. N 


Nun der Lenz im Forjte wieder 
Klingend zieht durch alle Bäume, 
Kommen Tages mir die Lieder, 
Kommen mir bei Nacht die Träume; 


Lieder, die vom Glüde jagen, 
Das dabinging mit der Einen, 
Träume, die zu ihr mich tragen, 
Und erwacht mich machen weinen, 





DINO. 2 


Und dazwijchen Glanz der Sonne, 
Junger Leichtjinn, neues Sehnen, 
Alle tolle Frühlingswonne, 
Lachend in die frifchen Thränen. 


Raſtlos in die blüh'nden Haivden 
Stürm’ ich fort ohn' umzumenden; 
Freuden jtürmen nad und Leiden — 
Lenz, o Lenz, wie joll das enden! 


Vermiſchte Gedichte. 


An dei Genius. 


Während einer Krankheit. 


Du Genius, der von ew’gem Herd 
Mein Wefen all gejegt in Flammen, 
D halte diefen Leib zufammen, 

Bis ih ein Werk ſchuf deiner wertb; 
Dann mag in Erde, Luft und Wellen 
Der Staub dem Staube ſich gefellen, 
Ein Tropfen, der zum Meere fehrt. 


Du legtejt tief in diefe Bruft 

Die Sehnfucht, Gott und Welt zu jchauen, 
Dem Lied es jelig zu vertrauen 

Mit Wort und Klang, was mir bewußt; 
D lab mid fahren niht von binnen, 

Bis einmal ich mit reinen Sinnen 
Gekoſtet der Erfüllung Luit. 


Dir ſchläft im Herzen noch fo viel; 
O bin ib Einer der Grfornen: 
Erbarme did des Ungebornen, 

Sieb Leben, Leben bis an's Ziel! 





— 7 


Daß ich dort unten Ruhe finde, 
Und Troſtes voll der Kranz ſich winde 
Un mein verftummend GSaitenfpiel, 


Nachts am Weere. 


Es jchlief das Meer und rauſchte kaum 
Und war doch allen Schimmers voll, 
Der duch der Wolken Silberflaum 
Vom lichten Monde niederquoll; 

Im Blau verſchwamm die ferne Flut, 
Wie Bernftein flimmerte der Sand; 
Ich aber fehritt in ernjtem Muth 
Hinunter und hinauf den Strand, 


D was in jolcher stillen Nacht 
Durch eine Menſchenſeele zieht, 

Bei Tag hat's feiner nachgedacht, 
Und ſpricht es aus fein irdifch Lie, 
Es iſt ein Hauch, der wunderbar 
Aus unſrer ew’gen Heimath weht, 
Ein innig Schauen tief und Klar, 
Ein Lächeln halb und halb Gebet. 


Da ſpürſt vu ftill und förperlos 

Ein jegnend Walten um dich ber, 

Du fühlit, du rubit in Gottes Schoof;, 
Und wo du wandelit wallt auch Er; 
Die Thränen all find abgethan, 

Die Dornen tragen Rofenglut, 

53 taucht die Liebe wie ein Schwan 
Aus Deines Lebens dunkler Flut. 


Und was am fjehwerjten dich bedroht, 
Dir zeigt's ein liebes Angeſicht. 

Zum $reibeitsherold wird der Tod, 

Der deines Weſens Siegel bricht; 

Du ſchauſt in’3 Aug’ ihm jtill vertraut, 
Bon beil’gem Schauder nur berührt, 
Gleichwie ein Bräut’gam, den die Braut 
Zum jeligjten Geheimniß führt. 


Genug, genug! Halt ein mein Lied! 
Denn was bei Naht und Mondenlicht 
Durch eine Menjchenjeele zieht, 

Das jagt fein irdiſches Gedicht; 

Ein Haud iſt's, der da wunderbar 
Bon Edens Friedenspalmen weht, 

Gin wortlos Schauen tief und Klar, 
Gin Lächeln halb und halb Gebet. 


Hebel. 


Herr, den ich tief im Herzen trage, ſei du mit mir! 

Du Gnadenhort in Glück und Plage, jei du mit mir! 
Im Brand des Sommers, der dem Manne die Wange bräunt, 
Wie in der Jugend Rofenhage jei du mit mir; 

Behüte mih am Born der Freude wor Uebermuth, 

Und wenn ich an mir jelbjt werzage, jei du mit mir. 
Sieb deinen Geijt zu meinem Liede, daß rein es jei, 
Und daß fein Wort mich einit verflage, jei du mit mir, 
Dein Segen ift wie Thau den Neben; nichts fann ic) jelbit, 
Doh daß ih fühn das Höchſte wage, fei du mit mir, 

D du mein Troft, du meine Stärke, mein Sonnenlidt, 
Bis an das Ende meiner Tage jei du mit mir. 





Aus dem Walde. 


Mit dem alten Förjter heut 
Bin ih durh den Wald gegangen, 
Während hell im Feitgeläut 
Aus dem Dorf die Gloden klangen, 


Golden floß in’3 Laub der Tag, 
Böglein jangen Gottes Ehre, 
Faſt als ob's der ganze Hag 
Wüßte, daß es Sonntag wäre. 


Und wir famen in’s Revier, 

Wo umraufht von alten Bäumen 
Junge Stämmlein ſonder Bier 
Sproßten auf befonnten Räumen. 


Feierlich der Alte ſprach: 
„Siebjt du über unfern Wegen 
Hochgewölbt das grüne Dach? 
Das tft unfrer Ahnen Segen. 


„Denn es gilt ein ewig Recht, 

Wo die hohen Wipfel raufchen ; 
Bon Geſchlechte zu Gejchlecht 

Seht im Wald ein heilig Taufchen. 


„Bas uns Noth ift, uns zum Heil 
Ward's gegründet von den Vätern; 
Aber das iſt unjer Theil, 

Daß wir gründen für die Spätern. 


„Drum im Forit auf meinem Stand 
Sit mir’s oft, als böt’ ich linde 
Meinem’ Ahnheren diefe Hand, 

Jene meinem Kindesfinde, 


— —— 


„Und ſobald ich pflanzen will, 

Pocht das Herz mir, daß ich's merke, 
Und ein frommes Sprüchlein jtill 
Muß ich beten zu dem Werke: 


„Schütz' euch Gott, ihr Neifer Schwan! 
Mögen unter euren Kronen, 

Rauſcht ihr einſt den Wald entlana, 
Gottesfurcht und Freiheit wohnen! 


„Und ihre Enkel, jtill erfreut 

Mögt ihr dann mein Segnen ahnen, 
Wie's mit frommem Dank mid beut 
An die Väter will gemahnen.” 


Wie verjtummend im Gebet 

Schwieg der Mann, der tief erarante, 
Klaren Auges, ein Prophet, 

Welcher vorwärts, rüdwärts jchaute. 


Segnend auf die Stämmlein rings 
Sah' ih dann die Händ' ihn breiten; 
Aber in den Wipfeln ging’s 

Wie ein Gruß aus alten Zeiten. 


Frühlingshymnus. 
(Bruchſtück) 


O Frühling, Frühling, der in mildem Thauen 
Voll Schöpfungswonne du das All durchdringſt, 
Der du das Meer, den Himmel läſſeſt blauen, 
Und rauſchend mit dem Bach vom Felſen ſpringſt, 
Der du die Flur mit goldnen Schauern tränkſt, 
Und ſtill in jedes Veilchens Schooß dich ſenkſt; 


D 
— 





— — — — 


Der du zum Lied wirſt in des Vogels Kehle, 
Die jauchzend hoch im Aether überfließt, 
Als Liebe ſchleicheſt in des Mädchens Seele, 
Daß ſchöner, wie du ſie im Thal erziehſt, 
Die rothe Roſ' auf ihren Wangen ſprießt: 
O Frühling, tiefer, ſüßer Gotteshauch, 

Sei mir gegrüßt und fülle du mich auch! 
Wie eine Welle leg' dich an mein Herz, 
Und ſpüle ſanft hinweg den letzten Schmerz! 


Du nimmſt ihn weg. Es kommt mit deinem Wehen 
Ein ſchönes jugendliches Auferſtehen. 

Du kleideſt nicht den Forſt allein in Grün, 

Und lehrſt die junge Brut die Flügel heben: 

Mit jedem Laub muß eine Hoffnung blühn, 

Um mit den Lerchen ſonnenwärts zu ſchweben, 

Ja, zu den Gräbern ſeh' ich fromm dich ſchreiten, 
Die thau'gen Opferſpenden drauf zu breiten, 

Als wollteſt du mit Kränzen und mit Zähren 

Sp Gram als Tod in Herrlichkeit verklären. 


O Zeit, wo Roſen auf den Grüften ſtehn, 
Und wir den Tod ſelbſt Blüten tragen ſehn! 
Da mag das Herz, nicht mehr der Sorge Raub, 
Den Kirchhof der Geſchichte fromm betreten, 
Und Frühling ahnend in vermorſchtem Staub 
Getroſt an halb verfunfnen Mälern beten; 
Es fühlt, fein Fünfchen Geift iſt uns verloren, 
Die Blüte fällt, doch auch das Samenkorn, 
Der Fels zerbirit, doch ihm entwallt der Born, 
Und aus ver Lava wird der Wein geboren. 

* 
So denk' ich dein zuerſt im Todtenfeld 
Mein Hellas, blühend Jugendland der Welt, 


et AB, m 


Wo unter fel'gem Himmel ohne Neid 

Der Baum emporwuchs holder Menfchlichteit; 
Wo wie im Bufen der gemwölbten Laute 

In jeder Seel’ ein tiefer Wohllaut fchlief, 
Wo jede Trauer den Altar ſich baute 

Und jede Luft nah ihrem Gotte rief, 

Du beilig Land, an deſſen Sonnenfüften 

Die Schönheit jtieg, da jie das Meer gezeugt, 
Und dejlen Kinder fie an Götterbrüften 

Die jungfräulibe Amme, groß gefäugt. 


sa Sie, die Göttin war's, die ihre Weihen 
Verfhmendrifeh ausgoß auf die Säulenreihen, 
Bon der ein Schimmer auf des Kindes Spiel 
Wie auf die braune Stirn des Helden fiel; 

Ihr Walten war's, wenn an Alphéus' Strand 
Sn Staub der Rennbahn, hoch vor allem Bolfe 
Der Rofjelenker auf dem Wagen ftand, 

Dem jungen Phöbus gleich in feiner Wolke, 
Ihr Walten, wenn der todte Marmorjtein 
Erröthend in das Leben jauchzt hinein, 

Wenn, ein Gemitter, von des Redners Stuhle 
Der heil’ge Eifer zürnend fih ergoß, 

Und wenn im Delwald vor der frommen Schule 
Gin hold Geſpräch von meifer Lippe floß. 

Ihr Walten war's, wenn bei den Thermopylen 
Den Helm befränzt, im frohen Feſtgewand, 

Das Auge lächeln die Dreihundert fielen, 

Ein freudig Opfer für das Vaterland; 

Wenn dann von folhem Segen übervoll, 

Ein großes Lied aus trunfner Seele quoll, 
Und, während andachtsvoll die Menge laufcte, 
Bon ſelbſt ver Lorbeer in die Strophen raufcte. 
Und doch verfunfen? — Ja. Die Form zerbrad, 
Da länger nit der Geiſt den Segen ſprach, 


———— — —— — 


— 


Da dein Geſchlecht im Fieber der Partei'n 

Den heißen Stahl in Bruderblute kühlte 

Und frech mit ihm dein eigen Herz durchwühlte, 
Da zogen aus die Götter — Philipp ein. 
Dein Genius aber ſang ſein Schwanenlied 

Im Donner des Demojthenes, und ſchied. 


Doch nicht für alle Zeiten. Nein, o nein! 
Mein Hellas, du biſt unſer, du biſt mein. 

Jung und unſterblich tchreiteſ deine Sage 

Mit blüh'nden Lippen noch durch unſre Tage; 
Allüberall, wo Großes ſoll erſtehen, 

Geht von dir aus ein ſchöpferiſches Wehen; 
Dem Künſtler biſt du, biſt dem Sänger nah, 
Und wie dereinſt aus goldnem Henkelkruge 

Die königliche Maid Nauſikaa 

Den Dulder tränkt' auf ſeinem Wanderzuge, 

So tränkſt du, will's in unſern Brunnen fehlen, 
Mit Schönheit und mit Freiheit unſre Seelen, 
Mit jener Freiheit, welche Plato zeugt, 

Für die geblutet Ariſtides Wunden, 

Die groß und ſtill ſich vor den Göttern beugt, 
Weil ſie das Göttlichſte, das Maß, gefunden. — 





Heimkehr. 


Das war dereinſt ein Tag der Schmerzen, 
Der uns getrennt auf immerdar; 

Du wandteſt dich won einem Herz, 

Das rei und das dein eigen war. 


Ich weiß, ich hatte wiel verfchulvet, 
Doch nicht jo viel als du gemeint, 
Und bitter hab ich drum geduldet, 
Und blutig hab ich drum gemeint. 


— 8 — a 


Doh nun aufs Neu in deine Näbe 

Nah manchem Jahr mein Stern mich führt 
Empfind' ich, wie ſich Luit und Wehe 

In meinem Bufen mächtig rührt. 


Mir iſt's, ich jollte dich nicht meiden, 
Und jprechen möcht ih: D vergieb! 
Ob Welt und Sitt! uns ewig jcheiben, 
Du biſt mir dennoch ſchön und lich. 


Wohl lenkt' ih ftill nah andern Zielen, 
Ih rang mich fort durch Freud’ und Bein, 
Dob, wie des Lebens Mürfel fielen: 
Vergeffen konnt ich nimmer dein. 


Ich warb um Luft, um Ruhm, um Tugend, 
Und mandes Schöne ftel mir zu; 

Doch bleibt das ſchönſte Glüd die Jugend, 
Und meiner Jugend Glüd wart Du. 


Wiederſehen. 


Nicht länger konnt' ich's ſtumm ertragen, 
Hintrieb's zu dir mich unruhvoll, 

Und alles, alles wollt' ich ſagen, 

Davon das Herz mir flutend ſchwoll. 


Ich ging — mir ſchwankten die Gedanken 
Von Augſt, von Hoffnung halb erfüllt; 
Du aber hatteft ſonder Wanken 

In deinen Stolz dich eingehüllt. 


ar = 


Wohl warſt du Schön, jo ſchön wie immer, 
Nur Eines, Eines fand ich nicht, 

Der Seele wunderfamen Schimmer, 

Der einjt umfloffen dein Geficht. 


Fat ſchien's du habeft Leid und Wonne 
In dir getödtet mit Gewalt; 

Dein Auge war wie Winterfonne, 

So klar, jo lähelnd und jo — kalt. 


Ah, gleih dem zarten Frühlingstriebe, 
Den noch im März ein Nactreif fchlug, 
Grfror mir da das Wort der Liebe, 
Das auf den Lippen jehon ich trug. 


Der legte Zauber war gebrochen, 

Der mich gebannt jo mandes Jahr; 
Sch weiß nicht mehr, was ich gejprochen, 
Ich weiß nur, daß es Thorheit war. 


Kalt gingen wir. Doc das find Leiden, 
Wofür die Zeit nicht Balfam giebt, 

Daß man fich jo vermag zu jcheiven, 
Wenn man vereint jich jo geliebt. 


Sonett. 


O wär' es eine Schuld nur, was uns trennte! 
Und ſtünde vorn ſie in der Sünden Reihen: 
Die Lieb' iſt Gnad' und könnte ſie verzeihen, 
Wenn ſie im Andern nur die Lieb' erkennte. 
Geibel, Geſ. Werke. II. 4 


A 


Dob wo it Feuer, das im Waller brennte? 

Wo Waſſer, das in Flammen mag gedeihen? 
Was uns für heut und immer muß entzweien, 
Sit Wivderfpruch wie der der Elemente. 


Du folgteft deinen Sternen, ich den meinen — 
Seit man uns ſchied — im Ölauben, Denken, Lieben. 
Ab, daß die Sterne ſo verſchieden jcheinen! 


Nun muß dein Wort mir, leerer Schall, verjtieben 
Und meines dir. Wir aber ftehn und weinen, 
Daß nichts gemein uns als dieß Leid geblieben. 


Tehzte Sühne. 


Meiner Jugend Liebe du, 
Bild voll Luſt und Schmerzen, 
Gehſt du wieder auf in Ruh 
Ueber meinem Herzen? 


Ach nicht ewig kann die Bruſt 
Schuld um Schuld ermeſſen, 
Eins nur iſt mir noch bewußt, 
Daß ich dich beſeſſen. 


Die mit ihrem finſtern Wahn 
Mein Gemüth verſchattet, 
Jeder Groll iſt abgethan, 
Jeder Gram beſtattet. 


Lächelnd, wie ich einſt dich ſah, 

Da mein Herz erglühte, 

Stehſt du wieder vor mir da 
In der Anmuth Blüthe. 


EEE 


Und jo ſchließ' ich ſchön und hoch, 
Sonder Schuld und Feble, 

Mit dem Bli der Liebe noch 
Dih in meine Seele. 


Nie mehr will ih nur von fern 
Deinem Pfad begegnen; 

Doch als Fugendmorgenitern 
Soll dies Bild mich jegnen. 


Und am Ende meiner Bahn, 
Hoff ich, foll voll Milde 
Mir der Todesengel nahn 
Ach, in diefem Bilde. 


Wind und Glück. 


Stets, wenn das Segel zur Fahrt nur ſchlaff hing, hört! 
ih den Bootsmann 
Pfeifen; begierig gemacht fragt’ ich ihn einſt um den 
Grund. 
Doch er bedeutete mich fchlau lächelnd: der Wind ijt ein 
Vogel, 
Welcher gelockt ſein will. Sagt' es und flötete fort. 
Und ſo ſing' ich gefaßt mein Lied in ſchwererer Zeit nun, 
Da mich das Leben bedrückt. Iſt doch das Glück wie 
der Wind, 
Flattert geflügelt umher in der Luft, und harret des Lock— 
rufs; 
Komm' Glücksvogel! Den Weg zeigt dir der leiſe Geſang. 





Die junge Zeit. 
1847. 


Wohl jehwillt mir hoch die Bruft mit raſchem Hlopfen, 
Seh’ ih, im Angefiht des Schweißes Tropfen, 

Die junge Zeit, wie fie gewaltſam ringt, 

Wie fie, zu jtetem Werk gefehürzt die Lenden, 

Ein neuer Herkules, mit Kinderhänden 

Das Ungeheure jhon vollbringt. 


In taujend Schmieden bei der Eſſen Brande 
Sieht fie das Erz, und ſchweißt in Eiſenbande 
Die weiten Länder, die ihr untertban; 

Dom müden Saumrof, das fih wund getragen, 
Nimmt fie das Joch, und ſchirrt wor ihrem Wagen 
Den Dampf, den wilden Rieſen, an. 


Durch Felſenſchachte wühlt fie ihm die Gänge 
Gewölbt und feit, daß in der düjtern Enge 

Des Schlotes Feuer roth wie Fadeln jprühn ; 

Sie ſchlägt ihm über's Thal mit Strom und Weilern 
Mie einen Aquädukt auf hundert Beilern 

Bon Berg zu Berg die Brüde fühn. 


Im Schiff, das fed entgegen jedem Winde 

Ihr Dämon treibt, durchfliegt fie pfeilgefchwinde 
Zum fremden Küjtenland die ſalz'ge Bahn; 

Stolz flattert wie ein Buſch von jchwarzen Federn 
Der Raub am Maft, und grollend in den Rädern 
Knirſcht der bezwungne Dcean. 


Des froſt'gen Nords, des heißen Südens Sterne 
Schlingt fie zum Kranz, ſchon giebt es feine Ferne; 
Vor'm Hammerfchlage ihrer mächt'gen Hand, 


Dt +7 


j 


a 


Wie einſt vor Iſraels Bofaunenschalle 
Die Mauern Jericho's, zerbarſt im Falle 
Des Raumes ehrne Scheidewand. 


Und ſieh, nun braust es her auf tauſend Wegen, 
Was nie fih fchaute, tritt fich keck entgegen, 

Bunt find die Trachten, das Gedräng’ ift dicht — 
Der Bergſchütz grüßt den Neitersmann im Panzer, 
Der deutſche Bauer ſchaut dem Steppenpflanzer 
In's tiefgebräunte Angeſicht. 


D meld ein endlos Wühlen, welch ein Rauſchen! 
D welch ein Markt, welh Hinundwiedertauſchen 
Von Schäßen, wie fie jede Zon’ erzieht! 

Jeder iſt Kaufmann, und mit ew'gem Schwanken 
Von Mann zu Mann gehn Waaren und Gedanken, 
Des Juden Gold, des Sängers Lied. 


Der todte Buchſtab weicht Tebend’ger Nede, 
Gekämpft wird Blid in Blid der Geiſter Fehde, 
Und wieder fchließt fih Hand in Hand der Bund; 
Sroblodend fpürt der Stamm im Bruderjtamme 
Sein eigen Blut, es ſchwebt wie eine Flamme 
Der Freiheit Wort auf jedem Mund. 


Glüdauf, und magjt du's Stets im Herzen tragen 

Bei deiner Haft, bei deinem Mühn und Wagen! 
Glüdauf, Glüdauf, du junge Zeit von Erz! 

Und doch — muß ich jo ganz verjenkt dich ſchauen 
Sn Stoff und Wucht — bejchleiht mit leifem Grauen 
Mir oftmals eine Furcht das Herz: 


Du möchteſt einft im Rauche deiner Eſſen, 
Sm Troge deines Rieſenwerks vergefien, 
Das droben Einer figt auf ew’gem Thron, 


+ Ile 


Sp lang vergeffen, bis er in Gewittern 
Herabfteigt, was du bauteft zu zerfplittern, 
Mie jenen Thurm von Babylon. 


Frühlingsbrauſen. 


Nun knosſspt im Sonnenſchein 
Das erſte Grün der Halde; 
Nun laſſet ganz allein 
Dahin mich gehn im Walde! 


Ich will am frühen Duft 

Der Veilchen mich berauſchen, 
Dem Brauſen in der Luft, 
Dem heil'gen, will ich lauſchen. 


O Laut, in welchem ſich 
Zuerſt der Lenz enthüllet, 
Und der wie keiner mich 
Mit ſüßen Schauern füllet! 


Mir iſt's, als ſchlief' in dir 

Der Einklang aller Stimmen, 
Die ſpäter durch's Revier 

Des Mai's geſondert ſchwimmen; 


Als ſprächſt du aus geſammt 
Die tauſend Schöpfungstriebe, 
Damit die Welt durchflammt 
Der Rathſchluß ew'ger Liebe. 


Du mahneſt wunderſam 

Mich an das Sauſen wieder, 

Drin einſt zu Pfingſten kam 
Der Geiſt des Herrn hernieder. 


Verſtummend muß ich dir 

Mein Haupt in Andacht beugen: 
D fomm, zu ruhn in mir, 

Und beil’ge Kraft zu zeugen! 


Um leere, 


D leiſer Wogenfchlag, eintönig Lie, 

Dazu die Harfe rührt der müde Wind, 

Wenn Well’ auf Welle blinfend jtrandmwärts zieht, 
Und dann auf golonem Uferfand verrinnt, 

Wie oft in märchenhaftes Traumgebiet 

Berlocdte mih dein Wohllaut ſchon als Kind! 
Verſunken jtand ich dann und laufchte tief, 

Bis mih die Nacht vom lieben Strande rief. 


Und Alles, was Geheimnißvolles je 

Mir fund ward, dämmert' auf in meinen Sinnen: 
Durchſicht'ge Schlöffer auf dem Grund der See 
Mit Silberpfeilern und Korallenzinnen ; 

Meerkönig jaß mit feinem Bart von Schnee 

Auf buntem Muſchelſtuhl, und harfte drinnen, 
Und Niren jpannen zu dem ſüßen Schall 

Bon goldnen Spindeln Fäden von Kryftall. 


Doch als ih älter ward, da laufcht’ ich nicht 

Auf weiße Niren mehr, noch auf Sirenen; 

Mein eigen Leben blühte zum Gedicht, 

Und wieder trug zum Strand ich all mein Sehnen. 
Dem Seewind bot ich mein erhitt Gelicht, 

Gr fühlte mih und füßte mir die Thränen 

Dom Auge fort — ih aber ſprang in’s Boot, 
Und jteuert’ heiß hinaus ins Abendroth. 


KBrl | ler 


Und über'm Waſſer jang ich — mild und mild, 
Reimloje Weifen, wie des Herzens Drang 

Sie eingiebt, wenn's bis zum Zeripringen jchwillt, 
Nun jauchzend, nun in Sehnſucht todesbang; 
Heiß wie die Thräne, die bemußtlos quillt, 

Sp flutet’ aus der Seele mein Gejang, 

Der jungen Liebe kunſtlos rauhes Lied, 

Das erſte, das die Muſe mir beſchied. 


Und wenn des Mondes klares Auge dann 

Im Blauen aufging und auf weiter Flut 

Sein kühles Silber irren Scheines rann, 

Da ward mir ſtill und friedensvoll zu Muth. 
Das Ruder zog ich ein, und ſaß, und ſann 
Von goldner Zukunft. O es ſinnt ſich gut 

Im Kahne — nichts umher in Näh' und Ferne, 
Als Lieb' und Meer, und über uns die Sterne. 


Einſt kehrt' ich heim — O, wie ich da ſie fand, 

Mein lockig Kind, das ſpät zum Strand gegangen, 

Und wie ich ſchwieg und ſie mich doch verſtand, 

Und ſelig glüht' und doch verſtummt' in Bangen, 

Wie meine Lippe brannt' auf ihrer Hand 

Gleich Flamm' auf Schnee, und dann auf ihren Wangen, 
Und dann in wonn'gen Zähren all ihr Stolz, 

In langen Küſſen all ihr Weſen ſchmolz: 


Wer ſänge das! — Ein Jüng'rer könnt' es kaum, 

Von roſ'ger Schönheit zum Geſang geweiht, 

Ein Jüng'rer, dem der Seele duft'gen Flaum 

Noch nie verſehrt des Schickſals Bitterkeit. 

Mir aber liegſt du fern ſchon wie ein Traum, 

Du meines Herzens ſüße Veilchenzeit, 

Du goldne Dämmrung, ach, mit allen Wonnen 
Verweht im Wind, wie Flut und Schaum zerronnen. — 


Per 


Ban re 


Beruhigung. 


Menn ein Freund auf deinem Pfade 
Dich mit Wort und That verfehrt, 
Dente till an Gottes Gnade, 

Die dir täglich widerfährt. 


Halt! im Zaume deiner Seele 
Sprüh’'nden Zorn und den? an ihn, 
Der nicht einmal deine Fehle, 
Der fie tauſendmal verzichn. 


So bereit fei, ſonder Klage 
Zu verzeihn in jeder Frift, 
Wie mit jedem neuen Tage 
Er bereit zum Segnen iſt. 


Preiſ' ihn auch, daß er im Liede 
Einen Baljam dir bejchert, 

Der da wirft, daß neuer Friede 
Stets in deinen Buſen fehrt. 


Da fah den Wald fi färben. 


Ich ſah den Wald fich färben, 
Die Luft war grau und ftumm; 
Mir war betrübt zum Sterben, 
Und wußt' es faum, warum 


Durch's Feld vom Herbitgeftäude 
Hertrieb das dürre Laub; 

Da dacht’ ich: deine Freude 
Ward jo des Windes Raub. 


sr 


Dein Lenz, der blütenvolle, 
Dein reiher Sommer ſchwand; 
An die gefrorne Scholle 

Bit du nun fejtgebannt. 


Da plötzlich floß ein klares 
Getön in Lüften hoc: 

Ein Wandervogel war es, 
Der nah dem Süden zog. 


Ach, wie der Schlag der Schwingen, 
Das Lied in’S Ohr mir fan, 

Fühlt ich's wie Troſt mir dringen 
Zum Herzen wunderjam, 


65 mahnt’ aus heller Kehle 
Mich ja der flüht’ge Galt: 
Vergiß, o Menfchenfeele, 

Nicht, daß du Flügel haſt! 


Frohe Bolſchaft. 


Nach langem bangem Winterſchweigen 
Willkommen heller Frühlingsklang! 

Nun rührt der Saft ſich in den Zweigen 
Und in der Seele der Geſang. 

Es wandelt unter Blütenbäumen 

Die Hoffnung über's grüne Feld; 

Ein wunderſames Zukunftsträumen 
Fließt wie ein Segen durch die Welt. 


So wirf denn ab was mit Beſchwerden, 
O Seele, dich gefeſſelt hielt! 

Du ſollſt noch wie der Vogel werden, 
Der mit der Schwing' im Blauen ſpielt. 


audi 


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BO 


Der aus den fahlen Dornenbeden 
Die rothen Roſen blühend jchafft, 
Gr kann und will auch dich erweden 
Aus tiefem Leid zu junger Kraft, 


Und find noch dunkel deine Pfade, 
Und drüdt dich ſchwer die eigne Schuld: 
D glaube, größer ift die Gnade, 
Und unergründlih iſt die Huld. 
Laß nur zu deines Herzens Thoren 
Der Pfingſten vollen Segen ein, 
Getroſt, und du wirſt neugeboren 
Aus Geiſt und Feuerflammen fein. 


Heimweh. 


O Heimathliebe, Heimathluft, 

Du Born der Sehnfuht unergründet, 
Du frommer Strahl, in jeder Bruft 
Vom Himmel jelber angezündet, 
Gefühl, das wie der Tod jo jtark 

Uns eingeſenkt ward bis in’s Matt, 
Das uns das Thal, da wir geboren, 
Mit taufendfarb'gem Schimmer Shmüdt, 
Und wär’s im Steppenfand verloren, 
Und wär's von ew’gem Schnee gevrüdt: 
Wohl feinem ward zum tiefjten Grunde 
Bon deiner Allgewalt die Kunde, 

Der pilgernd nie aus jeinem Ohr 

Der Mutterfprahe Laut verlor, 

Und nie, an fremder Thür gefeflen, 
Der Fremde bittres Brod gegeſſen. 


Dod wer vom eignen Heerd verbannt 
Irrt in ungaftli fernem Land, 


Der Mandrer, der auf wüſtem Meer 
Nur Luft und Wafjer fieht umber, 
Der Pilger, der mit kecken Sinnen 
Durch Wälder, über Bergeszinnen 
Auf irrem Pfad zu weit gejchweift, 
Der iſt's, den deine Macht ergreift; 
Doch wandelt ihm fi im Gemüthe 
Zum jcharfen Dorn die Rofenblüte, 
Du ziehſt, o milde Heimathluft, 

Als Heimweh dur die Franke Bruſt. 


Dann biſt du’s, die im Frühlingswalde, 
Im Veilchenhag, umfpielt vom Weit, 
Das arme Kind der eif’gen Halde 

Nach feinem Norden fchmacten läßt; 
Dann bijt du's, die mit berber Flamme 
Des Polenflüchtlings Herz verzehrt, 

Und die dem Sohn von Juda's Stamme, 
Im Tod die Füße ojtwärts Eehrt, 

Als möcht’ er ſterbend noch erjtreben 
Das Land, das ihm verjagt im Leben; 
Dann lodit du, Klingt im Mondenglanze 
Des Alphorns heimathjel’ger Gruß, 

Zu Straßburg von der hohen Schanze 
Den Schmeizer in den wilden Fluß, 
Und von den Klängen, von den Wogen 
Wird er in feinen Tod gezogen. 


Ich jelber hab’ in vor’gen Jahren 
Dieb mwunderfame Weh erfahren, 
Da Aegeus Flut wie lautres Gold 
Zu meinen Füßen noch gerollt. 

D mohl iſt's ſchön an jenem Meer! 
Die ſchlanke Balme ſah ich ragen, 





a ——— 


Der Tempel Säulentrümmer lagen 
Umblüht von Rojen um mich ber; 

Der Himmel wölbte fich Eryftallen, 

Von Düften ſchien die Luft zu. mwallen, 
Zu leifem Citherſchlag erflang 

Dom Meer des Fiſchers Abendfang, 

Der in der Bart’ auf lichter Spur 

Gen Salamis hinüberfubr. 

Und doch! ich fühlte Feine Luft, 

Es Shlih ein frankfhaft brennend Sehnen 
Wie Fieberhauch dur meine Bruft, 

Und Faum erwehrt’ ich mich der Thränen. 
Ich ſaß auf zad’gem Fels und laufchte, 
Ob nit aus Nord ein Lüftchen raufchte; 
Das jog ih durſtig athmend ein, 

Als obs mich tief erquiden müßte; 

Es konnte ja zur fernen Küjte 

Ein Gruß aus Deutjchlands Wäldern fein. 


Und ward es ftill, dann blict’ ich wieder 
Hinab in’3 Buch auf meinen Anie’n 
Und ließ die alten goldnen Lieder 
Homers durch meine Seele ziehn; 

Den eignen Schmerz dann fühlt ich mit 
Im Sammer, den der Dulver litt, 

Ich juht’ ihn in des Sängers Tönen 
Zugleich mit jenem zu verföhnen. 

Da wurdeſt du in meinem Weh 

Mir oftmals Hoffnung, Troſt und Steuer, 
Du ewig Lied der Abenteuer, 

Du Lied des Heimmehs, Odyſſee! 


Re —— 


Daheim. 


Daheim, daheim! Nah fo viel Wandertagen, 
Nah jo viel Nächten, wo ich fturmverfchlagen 
Schlaflos im Schiff erfonnen meinen Reim, 
Nah Froſt und Glut auf öden Feljenitiegen, 
Nah em’ger Haft — o melde Zauber liegen 
In diefem Heinen Wort: Daheim! 


Nun Fnattert im Kamin mit rafhem Schimmer 
Die Flamme jhon; mein bolzgetäfelt Zimmer 
Erdämmert roſig. Müßig ſchau ich zu. 

Der Armjtubl bier mit den gewundnen Füßen, 
Die alten Bilder — Alles will mih grüßen 
Mit einem Hauce tiefer Ruh; 


Die Bücher dort, die mir mit goldner Kunde 
Hinweggetäufcht jo manche jchwere Stunde, 

Der Hausrath, den die Mutter noch gewählt, 
Die Wanduhr jelbit, die mit verhaßtem Schlage 
Mich oft in's Bett trieb, wenn die jchönjte Sage 
Die blonde Schweiter mir erzählt; 


Und hier das Fenjter! Ja, das find die Straßen, 
Wo mir einjt jpielten, wo wir Abends jahen 
Zur Sommerzzeit, vom Lindenduft umwebt; 

Dort jtehn die Thürme, dort aus Stein gebaden 
Die ſchwarzen Giebel, hinter deren Zaden 

Der Mond die Silberjcheibe hebt. 


Und durch die Dämmrung flatternd das vertraute 
Geſchwätz der Mädchen, vie befannten Laute, 
Nach denen fi jo oft mein Herz gefehnt, 

Wenn ih, indeß der Beifall ſtürmiſch raufchte, 
Mit halbem Ohr der fremden Weife laufchte, 

In einer Loge Sammt gelehnt. 


Ps « 


Sa 7 


Ah Alles, Alles — hell in's Auge jchiehen 

Die Thränen mir; ſei's drum, fie mögen fliegen! 
Was lächelt ihr? — Laßt mich, ich bin ein Kind. 
Ihr aber, nie entflohn aus eurem Ringe, 

Ihr wißt es nicht, wie lieblich diefe Dinge 

tach jahrelangen Fahrten find. 


Ihr wißt auch nicht, wie jelbjt am Starren, Todten 
Vom Geifte, der darüber einjt geboten, 

Ein Schimmer hängen bleibt, ein irres Licht; 

Wißt nicht, wie in Geräthen, Häufern, Bäumen 
Wohnt eine Stimme, die gleihwie aus Träumen 
Der eignen Jugend zu euch jpricht; 


Noch wißt ihr, daß am Born in Waldes Mitten, 
Wo ihr mit eurem Mädchen jonjt gejchritten, 
Am Eihbaum, drein ihr eure Namen jchriebt, 
Euch noch nah Jahren, einfam bingetrauert, 
Mie Rofenduft ein leifer Hauch umfchauert 

Der Liebe, die ihr einjt geliebt. 





Wiederſehen. 


Ich ſchritt mit meinem ſchönen Kinde 
Den Fluß hinab im Morgenthau, 
Das Schilfrohr wogte ſacht im Winde, 
Die Waſſer glänzten ſtill und blau. 


Erſt geſtern war aus weiter Ferne 

Ich heimgekehrt nach manchem Jahr, 
Doch war mit mir gleich einem Sterne 
Ihr Bild gezogen immerdar. 





Ba > nee: 


Und ob im Lande der Eyprefjen 
Manch dunkles Auge mich gebannt; 
Des blauen hatt’ ich nie vergefien, 
Das, als ih ſchied, in Thränen ftand. 


Und jest gedacht’ ich's ihr zu jagen, 
Wie lieb fie mir von Herzensgrund; 
Allein ein nie gefanntes Jagen 
Verſchloß mir, wie ich ging, den Mund, 


Auch Sie lie jtumm das Köpfchen bangen, 
Das fonjt fo munter umgefchaut; 

Do lag's wie Glut auf unjern Wangen 
Und unfre Herzen pochten laut. 


Und als zum Lindenborn wir famen, 
Der unſrer Kindheit Spiel gefannt, 
Nur leife nannt' ich ihren Namen 
Und drüdte feiter ihre Hand. 


Da überfam fies: all mein Sehnen 
War plöglih wortlos ihr bewußt 

Und heiß bejtrömt von jel’gen Thränen 
Barg fie das Haupt an meiner Bruft. 


Der Frühling ließ Maiblumendüfte 
Herüberwehn vom Waldeshang 

Und über uns im Blau der Lüfte 
War nichts als Glanz und Lerchenfang. 


— — 


65 


Nach zehn Dahren. 


In der Schweſter Haus nach langer Irrfahrt 
Trat ich ein; da hört' ich's drinnen jauchzen 
Hell von unbekannten Kinderſtimmen. 

Sieh, und im Gemach, in das der Abend 
Golden fluthete durch ſchattend Weinlaub, 
Sah ich wohlgemuth die Kleinen ſpielen, 
Sieben an der Zahl. Die blonden Häupter 
Tummelten im reichergoſſnen Schimmer 

Froh umher, und wie die Roſen blühten 
Ihre Wangen von geſunder Friſche. 


Ach, ſie alle waren nicht geboren, 

Als ich auszog durch die Welt zu ſchweifen, 
Selbſt die Namen wußt' ich kaum zu nennen. 
Still verwundert drum mit großen Augen 
Schauten ſie mich an, das Spiel verſtummte, 
Und die Aelteſte, mir ſchüchtern nahend, 
Fragte mit der Mutter Ton: wer biſt du? 
Doch da kam die Schweſter. In die Arme 
Sank ich ihr, und dann voll Wonne zeigte 
Sie die Kinder mir, den Schatz des Hauſes, 
Der ſo lieblich ſich gemehrt, und zeigte 
Dann den heimgekehrten Ohm den Kindern. 
Und nun gab's ein Jubeln, raſch entſchloſſen 
Kletterten an mir empor die Buben, 

Mich zu küſſen, und die Mädchen bogen 
Mir das Haupt herab, und ſelbſt das Kleinſte, 
Das ſich erſt geſcheut vor meinem Barte, 
Taſtete nach mir mit ſeinen Händchen. 





O wie ward mir's wohl, ſo ganz umſchlungen, 
Ganz umrankt vom jungen friſchen Leben, 
Geibel, Geſ. Werke. II. 5 





en BERN ER 


Das wie eine Bienentraub’ am Stode 

Um mid bing und taufend Wunder fragte! 
Aber leife ging ein Hauch der Wehmuth 
Durch das Herz mir dod, denn dieje Küffe, 
Diefe Fragen, die mi rings bejtürmten, 
Mahnten fie zugleih nicht: jo wiel Schritte 
Sie gethan in’S Leben, fo viel Schritte 
Haft auch du gethan dem Tod entgegen, 
Und ſchon reift in ihnen täglich rajcher 
Das Gefchlecht, das über deinem Grabe 
Wandeln joll, und felig fein, und meinen. 
Und mie fegnend legt’ ich meine Hände 
Auf ihr Haupt, und dachte ftill die Worte: 
Seid gegrüßt, ihr holden Todesboten! 

Seid gegrüßt, ih dank' euch, daß fo Tieblich 
Ihr den ernten Gruß an mich beitellt habt. 
Aber ihr — zu vollem Leben freudig 
Wachſet auf, daß, wenn ich einſt dahin bin, 
Ihr vollenden mögt mit euren Brüdern 
Was ich felbft und mein Gefchleht nicht konnte. 


Um DBergfee. 


Am Bergjee, wo die Wipfel fteigen, 
Bis in die Nacht hab’ ich gelaufcht, 
Da bat der Wald mit feinen Zmeigen 
Die alte Zeit mir wach geraufdt: 


Die Zeit, die nah zu furzem Schimmer 
Wie eine Sonn’ hinabgeglübht, 

Bon der ein Nachglanz mir nod immer 
Wie Spätroth in der Seele blüht: 


A —— 


Die Zeit, da ich mit dir geſchritten, 
Geliebtes Kind, im tiefen Hag, 

Da ich in hoher Buchen Mitten 
Zu deinen Füßen träumend lag; 


Da du dein Aug in meines ſenkteſt, 
Und lächelnd bald und weinend bald 
Mir deine junge Seele ſchenkteſt, 

Und Niemand wußt' es, als der Wald; 


Da deine Hände mich geſegnet 
Und deine Lippen fromm gefeyt 
Den meinen ſanft im Kuß begegnet 
Und ſie zu reinem Lied geweiht. 


O Zeit der Liebe, Zeit der Lieder, 
Der ſtillen grünen Waldesluſt, 

Wie zog von dir ein Odem wieder 
Sehnſüchtig heut durch meine Bruſt! 


Und du, die ewig mir erleſen 

In meines Herzens Tiefen ruht, 

Wie grüßte ſtill mich all dein Weſen 

Aus Laub und Dämm'rung, Luft und Flut! 


Der nächtlich tiefe Himmel blaute, 
Auf ging der Mond im dunklen See: 
Mir aber war's, dein Auge ſchaute 
Zu mir empor in ſtillem Weh. 


Und da hinab die Bergeslehnen 

Der Wind den feuchten Wald durchſtrich, 
Da fiel der Thau wie fühle Thränen 
Wie deine Thränen über mid. 


= RE 


Da bielt ich's nicht. Mit wildem Klopfen 
Unbändig quoll mein Herz empor, 

Und heiß vom Auge fühlt! ich's tropfen, 
Wie damals, da ich dich verlor. 


Finem Freunde, 


O menn dahin die erjte Jugend, 

Die ſchuldlos noch, noch ohne Tugend 

Den Tag verihwärmt im Sonnenglanz, 

Die unter ahnungsvollen Schauern 

Die Mondnacht heut verwacht in grundlos füßem Tronerik 
Und morgen fie durdftürmt im Tanz; 

Wenn dieſer holde Rauſch verflogen, 

Der an Erkenntniß arm, verſchwendriſch im Gefühl 
In unermeßlichem Gewühl 

Von Well' in Welle dich gezogen: 

Wie weht ſo wunderbar dich dann 

Des Lebens friſcher Morgenſchauder an! 


Ach, von den Dingen, drin du webteſt, 

Siehſt du dich plötzlich losgetrennt; 

Du fühlſt, daß du in goldnen Träumen lebteſt, 
Und ſucheſt ſehnſuchtsvoll dein wahres Element. 
Nicht länger kannſt du dich vergeuden 

Des großen Alls bewußtlos kleiner Theil; 

Es ſtrebt dein Geiſt nach eignen Freuden, 
Nach eignen Schmerzen, eignem Heil. 


Und ſieh, in nimmer müdem Ringen 
Erbauſt du deine ſtille Welt; = 
Die Seele jtrebt mit jungen Schwingen 
Aus Zweifeln fühn zum Himmelszelt. 


A ee 





Die milde Wärme, die dein Herz ertaufchte 
Für haſt'ge Glut, fie bricht dir jtandhaft Bahn, 
Und die Natur, die dich beraufchte, 

Sieht dich mit klaren Augen an, 


Ach, wenn ſich's dann wie Traumeshülle, 

Mie Nebel dir vom Blide ftreift 

Und himmliſcher Gedanken Fülle 

In deinem Haupte wachjend reift; 

Wenn aus verworrner Vorzeit wildem Handeln, 
Aus jeder That, die heute ward, 

Wie aus des Jahres heil’gem Wandeln 

Ein ewig Walten dir jich offenbart, 

Menn jene Sterne, die dort oben reifen, 

Der Weltgefchlehter Gang, der Eleinjte Halm am Bad, 
Dein eigen Herz in wundervollen Weijen 

Dir Eines fünden tauſendfach: 

Dann mill dein Bufen weit ſich dehnen, 

Did faßt ein unausſprechlich Sehnen, 

Des innern Schages los zu fein; 

Umſonſt, es fehlt die Hand, um ihn zu heben, 
} Dein Beſtes kannſt du Niemand geben, 

Und mie du ſuchſt — du biit allein. 


Dann balte feit, dann laß aus deinem Herzen 
Den Glauben dir hinweg nicht Tcherzen, 
Ertrage jtill die Wucht der Einſamkeit; 

Wie toll dich Widerſpruch umſchwirre, 

Harr' aus in Hoffnung und in Leid, 

Und werd' am Gott in deiner Zeit, 

Und werde an dir ſelbſt nicht irre. 


i Getroſt! ES kommt des Bangens Endniß, 
; Mo eine Seele dir verwandt entgegentönt, 
. Und Lieb’ in jeligem Verſtändniß 


Dich mit dem Leben hold verjöhnt. 


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Herbſtlich ſonnige Tage. 


Herbſtlich ſonnige Tage 
Mir beſchieden zur Luſt, 
Euch mit leiſerem Schlage 
Grüßt die athmende Bruſt. 


O wie waltet die Stunde 
Nun in ſeliger Ruh! 
Jede ſchmerzende Wunde 
Schließet leiſe ſich zu. 


Nur zu raſten, zu lieben, 
Still an ſich ſelber zu baun 
Fühlt ſich die Seele getrieben, 
Und mit Liebe zu ſchaun. 


Und ſo ſchreit' ich im Thale, 
In den Bergen, am Bach, 
Jedem ſegnenden Strahle, 
Jedem verzehrenden nach. 


Jedem leiſen Verfärben 

Lauſch' ich mit ſtillem Bemühn, 
Jedem Wachſen und Sterben, 
Jedem Welken und Blühn. 


Selig lern' ich es ſpüren, 
Wie die Schöpfung entlang 
Geiſt und Welt ſich berühren 
Zu harmoniſchem Klang. 


Was da webet im Ringe, 
Was da blüht auf der Flur, 
Sinnbild ewiger Dinge 

Iſt's dem Schauenden nur. 


a u Lu —— 


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Jede ſproſſende Pflanze, 
Die mit Düften ſich füllt, 
Trägt im Kelche das ganze 
Weltgeheimniß verhüllt. 


Schweigend blickt's aus der Klippe, 
Spricht im Wellengebraus, 

Doch mit heiliger Lippe 

Deutet die Muſ' es aus. 


Der Templer. 


Durch's Haus des Ordens bei des Tags Verfärben 
Schleicht unheilvolle Kunde hin und her: 
„Der Tempelmeiſter Odo liegt im Sterben.“ 


Und jedem, der ſie hört, bewölkt ſich ſchwer 
Die heitre Stirn, und ſeine Lippen fragen: 
„Iſt's möglich? Der ſoll uns verlaſſen, der? 


Er geht dahin, der noch vor wenig Tagen 
Den milden Berberhengſt zu ſtöhnen zwang, 
Der mit der Fauſt den Panther jüngſt erſchlagen? 


Der in der Felvjhlaht wildverworrnem Drang 
Beiprist mit Blut bis zu den Gürtelſchnallen 
Zu Todesitreihen Liebeslieder fang? 


Auch er! So foll er nie beim Würfelfallen 
Mit ung durchzehen mehr die tiefe Nacht, 
Der Einzige, der nüchtern bleibt von Allen; 


Nie joll er mehr von toller Brunft entfacht 
Ein hold ſchwarzäugig Heidenkind umminden, 
Von deſſen Lippen heit die Wolluft Tat. 


ER 0 5 


Auch werden wir ihn nimmer wandelnd finden 
Im Mondichein auf der Mauern weitem Rund, 
Und mit den Sternen fprehend, mit den Winden. 


Denn manderlei Geheimniß ward ihm fund, 
Und jeltiam mag's um feinen Glauben jtehen; 
Doch that er nie darüber auf den Mund.” 


So fummt die Rede, und die Ritter gehen 
Zu Odo's Zelle, noh ein legtesmal 
Ihn, der des Ordens Pfeiler war, zu fehen. 


Sie treten ein. Im fahlen Dämmerftrahl 
Auf feinem Binfenlager ruht der Blaſſe; 
Aus feinem Auge brennt des Fiebers Dual. 


Die Hand, als ob fie noch nach Leben fafle, 
Greift irre umher, die Lippe Frampft jih an, 
Daß fie des Schmerzes Schrei hervor nicht laſſe. 


Da naht im erniten Zuge der Kaplan 
Mit Kreuz und Kerzen beim Geſang ver Lieber, 
Der Kranke ſoll den legten Troſt empfahn. 


Und vor dem Saframente ſinken nieder 
Aufs Knie die rothbefreuzten Brüder all, 
Er aber richtet auf die hagern Glieder. 


Und jeine Stimme ruft mit dumpfem Schall, 
Wie wenn im Sturm geboritne Gloden läuten: 
„Hinweg! Nicht bin ich eurer Furcht Vafall! 


Hinweg mit Formeln, die mir nichtS bedeuten! 
Ich mill nicht Tröftung. Immer war’3 mein Braud, 
Das, was mir Noth war, jelbft mir zu erbeuten; 


Den Sieg der Schlacht, der Minne glüh'nden Hauch, 
Die Wahrheit ſelber, die ich nadend jchaute; 
Nun kommt ver legte Feind, ich zwing' ihn auch. 


Was jtarrt ihr alle, gleich als ob euch graute, 
Lebend’ge Säulen wie das Weib des Lot? 
Ich vente, klar find meines Sprucdes Laute. 


Hat Einer einjt ven Tod gemacht zu Spott, 
Und ihn gekrümmt zu jeinem Fuß gejehen: 
Sch thu's ihm gleih. Der Will’ in mir ift Gott, 


Und dieſes Wort laſſ' ih an euch ergehen: 
Kraft meines Willens und fraft meiner Kraft 
In dreien Tagen werd’ ich auferiteben. 


Ich will, ih will” — In Murmeln graujenhaft 
Eritirbt das Wort, jein Auge ftiert im Kreife, 
Er ſchlägt zurüd aufs Bett, vom Tod entrafft. 


Die Ritter jtehn verftummt, ſie ſchaudert leife; 
Der Briejter aber heißt das Rauchfaß ſchwenken, 
Und jummt gebeugt die dumpfe Todtenweiſe. 


Und als herauf der Mittnacht Sterne lenken, 
Da wallt ver Zug, bei düſterm Fadeljchein 
Im Münjterhor ven Leichnam zu verjenfen. 


Die ofine Gruft empfängt den ſchwarzen Schrein, 
Drauf fie zum Wappen Schwert und Mantel legen; 
Dann wälzt ji drüber hohlen Schalls der Stein. 


Ein kurz Gebet — und auf gejchieonen Wegen 
Sucht jeder fein Gemach verjtört im Sinn, 
Und träumet bang dem Morgenroth entgegen. 


BER, ee 


Es fteigt der Tag und ruhig vom Beginn 
Zum Ende jehlingt ſich feiner Stunden Kette; 
Der zweite fommt, der dritte jchwindet hin. 


Doh als die dritte Mitternacht zur Mette 
Die Bruder all verfammelt hat im Chor, 
Gebt unterirdiich Braujen durch die Stätte. 


Und fieb, der jüngjte Grabjtein birft empor, 
Und im gejprengten Sarg aus Bühr’ und Linnen 
Ringt langjam jich ein gräulich Bild hervor. 


Das Auge ftumpf verglast gekehrt nah innen, 
Im fahlen Antlig der Verweſung Graus, 
So ftrebt es auf, al3 wollt's der Gruft entrinnen; 


Die Lippen regt's, doch dringt fein Ton heraus, 
Nun taftet’3 mit den halbvervorrten Händen, 
Nun ſteigt's und ftredt die Arme greifend aus. 


Da plöglih aus der Gruft betropften Wänden 
Schießt zifhend her von Schlangen ein Gemühl, 
° Und ftriet im Knäul fih ihm um Bauch und Lenden. 


Mit ihren Leibern feucht und moderkühl 
Die ganze Leich’ umzingeln fie in Schaaren, 
Zurüd fie zerrend auf den Todtenpfühl. 


Und als die Brüder mit gejträubten Haaren 
Die Fadel nahn, zu prüfen, was fie jahn: 
Nur Schlangen fünnen fie und Staub gewahren. 


Da ftarren all’ entjegt. Nur der Kapları 
Hat feines frommen Muthes nicht vergeflen, 
Und jchaudernd ſpricht er: daS hat Gott gethan! 


— nk “ss 


— — 


Ueber den ſünd'gen Geiſt, der ſich vermeſſen, 
Das Werk des Herrn zu thun aus eigner Kraft, 
Iſt- er im Zorne zu Gericht geſeſſen. 


Der Will’ iſt ſtark nur, den Gott ſelber ſchafft, 
Wir aber flehn: in deines Sohnes Namen 
Erlöſ' uns, Herr, einſt von des Todes Haft! 


Die Ritter kreuzen ſich, und murmeln: Amen. 


Das Geheimniß der ZSehnſucht. 


Nun wandelt von den Bergen ſacht 

Zum See herab die Sommernacht, 

Und träumeriſch mit heißem Sinn 

Durch ihre Schatten ſchreit' ich hin. 
Berauſchend ſchwimmt im Strom der Luft 
Daher der Rebenblüte Duft, 

Der Glühwurm webt vie lihte Bahn 

Sm Dunfel an des Thurms Gemäuer 
Und droben glühn mit tiefem Feuer 

Die Sterne räthjelhaft mich an. 


Dieß ift die Stunde, da das Lied 
Der Sehnfuht dur die Lüfte zieht, 
Die tief in Wald, Geftein und Flur 
Der Kern iſt aller Greatur: 

Der Sehnjucht, vie durch Felſen dicht 
Den Duell emporzwingt an das Licht, 
Die nah dem Himmel aus dem Wald 
Mit taufend grünen Armen greift, 
Aus hartem Stein als Echo hallt, 
Im irren Wind die Welt umfchweift, 


I TE E 


Die aus der Nachtigallen Kehle 

Im Gilberton binperlend quillt, 

Und aus der Blumen Auge mild 
Dich anſchaut mit der ftummen Seele. 


O Sehnſucht, die du wie ein Kind, 

In Schlaf gelullt durch ſüße Lieder, 
Doch Stets auf's neu erwachft und wieder 
Zu weinen anhebjt leif’ und lin, 

Wie nimmft du heut mir Herz und Sinn 
Mit deiner Klage ganz dahin! 

Mir iſt's, ich müßte Flügel heben 

Und förperlos in’s Weite fehmeben, 
Verſchenken müßt’ ich wonniglich 

Mein bejtes Sein, mein tiefites Ich; 
Den ganzen Schag der vollen Bruft, 
Andacht und Liebe, Schmerz und Luft, 
Der inneriten Gedanken Hort 

Ich müßt ihn in ein einzig Wort 

ALS wie in güldnen Kelch befchließen, 
Um ihn verjchwendrifceh hinzugießen. 


Umfonjt! Kein Wort, ſei's no fo groß, 
Macht dich des tiefen Dranges los, 

Den heißen Durft der Seele ftillt 

Kein Brunnen, der auf Erden quillt. 

Wohl wähnt ich einft in golonen Stunden, 
In meines Herzens Maienzeit, 

Des Räthſels Löfung fei gefunden, 

Und Dinne heile jeves Leid; 

Doh was fo hoch mir mar, fo lieb, 

Mir ward es — und die Sehnfuht blieb. 


Darum zur Ruh mein wild Gemüth! 
Nicht alles wird hier Frucht, was blüht; 





ee 


Du trägft, der Erde ſtummer Gaft, 
In dir, was nur der Himmel faßt. 
Was für und für jo ruhelos 

Dich dunkel treibt auf deinen Wegen, 
Es iſt das erjte Flügelregen 

Des Falters in der Puppe Schooß; 
Dir ſelbſt bewußt kaum, iſt dein Leid 
Ein Heimweh nach der Ewigkeit. 


Fin Bil. 


Leichtſinnig, redlich Mann und Kind zugleich, 
Voll Uebermuth und Demuth, ftarr und weich, 
Bon Sinnen wild und ſtets damit im Streit, 
Berfolgt von Lieb’ und doch in Liebesleid, 

Ein Wandervogel voll Begehr nah Ruh, 

Ein Weltkind, das fich jehnt dem Himmel zu — 
O Bild des Widerſpruchs, wann kommt der Tag, 
Der allen deinen Zwiefpalt fühnen mag! 


| Schlaf and Erwachen. 


In's Gebirg am frühen Tag 

Schritt ih aus des Waidmanns Hütte, 
Mo der Freund auf feiner Schütte 
Noch in tiefem Schlummer lag. 


Und ich dacht' im Morgenroth: 
Ruht dem Schlaf anheimgegeben 
Er nicht lebend ohne Leben? 
Nicht ein Todter ohne Tod? 


Liegt vom ird'ſchen Drud befiegt 
Millenlos nicht bier die Hülle, 
Während balbaelöst die Fülle 
Seines Geiſts im AM ſich wiegt? 


Dennoch braucht's nur meiner Hand 
Einen Drud, und raſch vereinet 
Knüpft fih was fo Inder fcheinet, 
Zwiſchen Geift und Leib das Band. 


Der erloſchne Blid wird alühn, 
Zuden wird der Muskeln jede, 
Und der Geift in holder Rede 
Bon den ftummen Lippen fprühn. 


In dies Wunder noch verjenft 
Trat ih in die Nacht der Eichen, 
Die, ſich mwipfelnd, mit den reichen 
Schatten rings den See beſchränkt. 


Horb, da weht' es, horch da ging 

Leis Geräufh im Grün des Haineg, 
Faſt als wär's das Athmen Eines, 
Melden tiefer Schlaf befing. 


Seltſam ſah der See mid an, 
Mie ein jtummes Auge ſchmachtet, 
Wenn das Franke Haupt umnadhtet 
Todverwandter Starrheit Bann. 


Und durh Blume, Laub und Straud 
Mob es leife hin und mieder, 

Wie durh traumgebannte Glieder 

Ein verlorner Seelenhaud. 


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Ja, ich ſpürt' im Waldrevier, 

In der Flut ein ahnend Beben — 
Hier auch Leben fonder Leben, 
Tod, doch ſonder Tod auch bier. 


Und mir ward es: die Natur 
Schläft, gebannt in ihren Kreifen; 
Aus dem Traum in dunkeln Weifen 
Redet ihre Sehnſucht nur. 


Aber einst erfcheint der Tag, 

Wo das Wunder fich entvedet 
Und der Herr zur Sprache medet 
Was in ftummen Banden lag. 


In das Starre wunderbar 

Wird der Geift fih dann ergießen 
Und lebendig Leben fließen, 

Mo nur Bild und Zeichen mar. 


Heilig Feuer muß mit Macht 

Den befiegten Stoff durdleudten; 
Milde Seele glüht im Feuchten, 
Roſ'ge Dämmrung wird die Nadıt. 


Und was dumpfverworren klang, 

Mie ein Ruf aus dunfeln Träumen, 
Aus Geftein, aus Well! und Bäumen, 
Flutet weiter als Gejang. 


Dann lobpreifend im Azur 

Ziehn die Stern’ als Bruderweſen, 
Und es jauchzt in Gott genefen 
Die erlöste Greatur. 


HBeitgedichte. 


Fin Sid am Ahern. 
1843. 


Durch dieſen Herbitestag voll Sturm 
Zum Dracenfeld empor die Steige! 
Schon mwinft zu Häupten mir der Thurm, 
Der breite, durch die falben Zweige. 

Da fteh’ ih — rother Sonnenschein 
Umlodert königlich die Klippe; 

Zu meinen Füßen braust der Rhein — 
Mir ſchlägt das Herz. O reichet Wein, 
Das volle Glas reicht meiner Lippe! 


Dir ſei's, o deutiches Volk, gebradt, 

Dem Ginen, großen, wundervollen, 

Sp weit der Himmel um dich lat 

Und über dir die Donner rollen! 

Was kümmert's mid, auf Stein und Holz 
Mie deiner Wappen Farben ftreiten ! 

Ich meine did, das jüngft noch jtolz 

sn Hamburgs Brand zuſammenſchmolz, 
Korinthiſch Erz für alle Zeiten. 


sk 7 > 


Und wieder füllt den Römer mir! 

Laßt ſprühn, laßt fprühn die golonen Funken! 
Gr fei aus vollem Herzen dir 

Zum Preis, o deutjcher Geiſt, getrunfen; 
Dir, der fih aus den Tiefen nährt, 

Der gleich dem wilden Sohn der Trauben, 
Wenn er im Lenze braust und gährt, 

Zu ſüßer'm Feuer nur ſich klärt, 

Dir Geiſt voll Liebe, Kraft und Glauben! 


Und nochmals füllt! Und wenn darein 
Die Neigen aus der Flaſche troffen: 

Es ſoll darum nicht ſchlechter ſein; 

Den letzten Becher unſerm Hoffen! 

Dem Wort ein fröhlich Auferſtehn, 

Dem freien Kampfe der Gedanken! 

Laßt kühn des Geiſtes Stürme gehn! 
Was Spreu iſt, mag wie Spreu verwehn, 
Was Felſen iſt, wird doch nicht wanken. 


Vorwärts heißt unſer Loſungswort, 

Und durch die Reihen rauſcht's im Volke — 
Ein Schneegeſtöber dräut vom Nord, 

Und dort im Weſten murrt die Wolke. 
Vorwärts darum am eignen Herd, 

Daß Jena's Schmach ſich nicht erneue! 
Vorwärts! Und wenn's der Tag begehrt, 
Dann blitz' in jeder Fauſt ein Schwert, 
Und Gott mit uns und deutſche Treue! 


Geibel, Geſ. Werke. II. 6 


Fragment. 


Die Nacht ift lau, die Schwäne Freifen, 
Entſchlummert ſcheinen Blüt’ und Blatt, 
Zehn’ dich auf des Geländers Eifen, 
Dort zeigt am jchönften jich die Stadt. 
Siehſt du den Häuferfreis, den dunkeln, 
Aus welchem taufend Lichter funkeln, 
Die tief fih Spiegeln in der Flut? 

So iſt's, wenn mit gejchliff'nen Kanten 
Ein Kranz von bligenden Demanten 
Auf blauem Sammetliffen ruht. 


Komm näher! Sieh, wie hier in Maflen 
Die Menſchenwoge ſich ergießt! 

Dieß find die Häufer, find die Gaſſen, 
Mo man erwirbt, wo man genießt. 
Bon lihtem Kerzenglanz umflojjen 

Ruht bier am Prunkgewölb erſchloſſen 
Der fernſten Zonen Schmuck und Zier; 
Und horch, aus jenen Säulenhallen 
Durch's Klirren der Pokale ſchallen 

Der Gäſte Lieder. Lauſchen wir! 


„Laßt andre beten, andre faſten! 
Für unſre Stirn der Freude Kranz! 
Uns führen hunderttauſend Maſten 
Die Götter her: Genuß und Glanz. 
Es ſchafft die Welt an allen Enden 
Für unſer Feſt mit tauſend Händen, 
Die Wahl des Köſtlichſten iſt ſchwer; 
Die Hügel zollen ſüße Weine, 

Die Berge geben Gold und Steine, 
Und ſeine Perlen giebt das Meer.“ 


ee See re ee 


„Schaut dies Gemach an! Die Tapeten 
Hat China bunt uns ausgejpannt; 

Der farb’ge Teppich, drauf mir treten, 
Kommt aus der Smyrnioten Hand; 
Das Holzwerk, das geädert glänzet, 
Hat einjt als laub’ger Wald umkränzet 
Den hohen Bord von Martinique! 
Antwerpen wob des VBorhangs Sammet, 
Und aus Venedigs Spiegel flammet 
Die Ampel von Paris zurüd,“ 


„Drum laßt ung feinen König neiden! 

Für ihn die Macht, für ung die Luft! 

Mag er in Waffenihmud ſich kleiden, 

In Seiden meicher fchläft die Bruſt; 

Mag er um Schweiß ſich Ruhm erkaufen! 
Was frommt ihm, wenn die Zeit verlaufen, 
Der Lorbeerfranz, der Thronen Sturz? 
Mir wollen, wo die Tafeln brechen, 

Den roſ'gen Augenblid werzechen ; 

Das Grab ift ſchwarz, das Leben kurz.“ 


„Und haft Muſik zum reichen Tiſche! 
Sie flute halbgehört dahin 

Und wie ein fühles Bad erfriiche 
Verhallend fie den heißen Sinn. 

Wie lieblich iſt's, ihr nachzuträumen, 
Wenn in den bildervollen Räumen 

Sich Kerzenglanz und Mondlicht miſcht, 
Und wenn dazu in ſchäum'gen Strahlen 
In weite rothkryſtallne Schalen 
Aufperlend der Champagner zifcht!” 


„And laßt's an Mädchen, laßt's an Iofen 
Schenkinnen ung gebrechen nie! 


v4 Dr Ya 
BEN" Een 


Sie find des Freudengartens Roſen, 

Sie find des Feltes Poeſie. 

Zwei dunkle wolluftfeuchte Augen, 

Zwei friſche Kirfchenlippen taugen 

Mehr als ein ſchwer Geſpräch zur Luft: 
Die Schönheit bleibt des Lebens Giebel, 
Und jchöner als die ſchwarze Bibel 

Sit einer Dirne weiße Bruſt!“ 


So ſchwärmen fi. Wohl fingt zur Stunde 
Der Thurm, der dort fo finfter ftebt, 

Mit feiner Gloden ehrnem Munde 

Ein Lied, und mahnet zum Gebet. 

Doch drunten tof’t der Jubel weiter, 

Es rollen Magen, jagen Reiter, 

Trompeten jauchzen dur die Nacht; 

Zu mildern Gluten ſchürt ver Becher 

Den trunfnen Uebermuth der Zecher, 

Und Niemand hat der Mahnung Acht, — — 


»rofeftlied 
für Schleswig-Holftein, 


Es hat der Fürft vom Inſelreich 
Uns einen Brief gejenvet; 

Der hat ung jach auf einen Streich 
Die Herzen umgemwendet. 

Mir rufen: Nein! und aber: Nein! 
Zu ſolchem Ginverleiben ; 

Mir wollen feine Dänen fein, 

Mir wollen Deutjche bleiben, 


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Wir alle find bier, alt und jung, 

Aus deutſchem Thon gefnetet, 

Wir haben deutſch gejcherzt beim Trunf, 
Und deutjch zu Gott gebetet. 

Man fol uns ſchenken deutschen Wein 
Und deutſche Satzung fehreiben ; 

Wir wollen feine Dänen fein, 

Mir wollen Deutfche bleiben. 


Dem Herzog haben fie gejagt, 

Gr joll die Zügel jchärfen, 

Wir würden ftumm uns und verzagt 
Der Willtür unterwerfen. 

Drum fingt’S in feine Burg hinein, 
Daß zittern alle Scheiben: 

Mir mollen feine Dänen fein, 

Wir wollen Deutſche bleiben. 


Nicht ſühnt uns fremder Herrſchaft Pub 
Die eingebornen Schmerzen; 

63 grollt der alte Sachſentrutz 

Noch heut in unjern Herzen; 

Der Albion nahm im blut’gen Neihn, 
Kann au ein och zevreiben; 

Wir wollen feine Dänen jein, 

Mir wollen Deutfche bleiben. 


Hie deutſches Land troß Spruch und Brief! 
Ihr ſollt's uns nicht verleiven. 

Mir tragen Muth im Herzen tief 

Und Schwerter in den Scheiben. 

Von unjern Lippen joll allein 

Der Tod dieß Wort vertreiben: 

Wir wollen feine Dänen fein, 

Mir wollen Deutjche bleiben. 


Fine Heptembernadt. 
1845. 


— Unde was der tidt tho Lübeck börgermefter Jürgen 
Wullenweber; de hedde by ſik geſwaren, ſchot unde regi— 
ment van den Derefundt an the hänfifchen tho bringen, 
unde ſcholden de uth den fteden myt eren ſchepen vortan 
nycht enes penniges wert an den Dänen betalen — 
Lübiſche Chronik. 


Zu Lübeck im Rathskeller ſaßen ſpät 

Wir Freunde noch beim Wein und tranken, 
Wo tief gebräunt die Eichentafel ſteht 

Aus unſres letzten Kriegsſchiffs Planken. 
Doch galt es heute keinen Zecherſpaß, 

Kein luſtig Liedel, keine Becherfehde; 

Es ſchaute jeder ernſt in's grüne Glas, 
Und ernſt und ſinnig floß die Rede. 


Wir ſprachen von des alten Glanzes Zeit, 
Von jenen, die der Hanſa Schlachten ſchlugen, 
Wir ſprachen von der jüngſten Tage Leid, 
Und von der Hoffnung, die wir trugen. 
Wohl ſpürten's alle feierlich und leiſ', 

Wie ſich aus Trümmern junges Leben zeuge, 
Und ſtille ward's, als ob in unſern Kreis 
Der Schutzgeiſt unſrer Stadt ſich beuge. 


Da ſchlug es Mitternacht. Sie brachen auf, 

Wir drückten herzlich uns die Hände; 

Mich aber trieb es noch den Gang hinauf, 

Die Fäſſer durch, entlang die ſchatt'gen Wände. 

Ich konnt' an Schlaf nicht denken. Sonſt und Heut 
Zerfloß in meinen Sinnen loſe; 

So trat ich ein, gedankenvoll zerſtreut, 

In's hallende Gewölb der „Roſe“. 


Mie fühl, wie ftile! Nur mein Fußtritt ſcholl 
Verdreifacht von den Gurten wieder; 

Ein Schauer wie vor Geifternäbe quoll 
Geheimnißvoll durch meine Glieder, 

Und fieb, ein Lichtfehein drang mir wunderbar 
Linksher entgegen aus der hohen Nifche, 

Sch naht’ und ſtand. Denn traun, ein jeltnes Baar 
Erblidt’ ich zechend dort am Tische. 


Der Eine ſaß geſchmückt nach alter Art 

Mit Sammetjchaube, Krauf’ und Kette, 
Umflofien Wang’ und Kinn vom blonden Bart, 
Die mächt'ge Stirn bejchattet vom Barette, 
Das blaue Auge zudt’ in ſcharfem Glühn, 

Als hing’ ein Weltgefhid an feinem Winfen: 
So ſaß er da, gebeugt und dennoch Fühn, 

Und ſtarrt' in feines Römers Blinfen, 


Der Andre ftand, die Hand am Schwertesfnauf, 
Rieſig, vom Haupt zum Fuß in blanfem Erze; 

Mie Blut an feinem Panzer ſpielt' herauf 

Der rothe Fladerfchein der Kerze; 

Ein wild und rauh Gefiht. Ich ſpürt' es bald, 
Hier war die Fauft, dort das Erfinnen; 

Da, murmelnd, wie der Wind durch Herbftlaub mwallt, 
Hört’ ih des Erſten Worte rinnen: 


„D Meeresauge, dunfelblauer Sund, 

Du felsumſtarrte Oſtſeepforte, 

Wie ſchaut' ich oft hinab in deinen Grund, 

Und zwang in's Herz zurück der Sehnſucht Worte! 
Dort unten, wo die Welle leiſer ſchoß, 

Sah ich den goldnen Zauberſchlüſſel liegen, 

Der uns ein neues Reich erſchloß 

Von Meeresherrſchaft, Glanz und Siegen. 


„sb warb um ibn, wie um den Ring der Braut, 
Sch warb auf Leben und auf Sterben. 

D hätte mir das blöde Volk getraut! 

Den Sieg erzwingen mußte folb ein Werben, 
Den Sieg der Kampf, der fieben Jahre dur 
Sm Ratb, zur See, im Schlachtfeld grollte, 

Der Riefenfampf, der unfrer Hanſa Burg 

Bis zu den Sternen thürmen follte. 


„Sie faßten's nicht, es war für fie zu groß; 
Sie zitterten, die Käufer und Verkäufer; 
Da führten meine Feinde ſchlau den Stoß, 
Nerrätber hieß ich, Miedertäufer. 

Sie riſſen von den Stufen mich herab, 

Sie ſaßen trogiq zu Gerichte, 

Sie braben über mich den weißen Stab, 
Und mehr! — Sie jchrieben die Geſchichte. 


„Dreibundert Fahre ſind's, da fprang vom Schlag 


Des Beil mein Blut in Strömen vom Schaffotte. 


Doh war ein Geilt des Unheil jeit vem Tag 
Mit meiner Heimath Heer und Flotte — 

Mas Menſchen bauten, wird des Mindes Spiel, 
Nur Gottes Rathſchluß bleibt beitändig; 

Die Hanja fank, das alte Reich zerfiel, 

Doch Deutſchland jteigt empor lebendig. 


„Es geht ein heil’ger Sturm von Stadt zu Stadt, 
Sie jpüren’3 all erwacht aus ſchwerem Traume: 
Deutſchland ift eins, und jeder ift ein Blatt 

Am riefengroßen Wunderbaume. 

Schon grollt man jevem fremden Uebermuth, 
Schon zürnt der Süden, ift der Norden fröhnig; 
Hinweg denn mit dem fnechtifchen Tribut, 

Dem Schoß an jenen Inſelkönig! 


EL 


„Friſchauf, mein Volk, du großes Vaterland, 
Treueinig, wie ich's nimmer durfte fehauen! 
Bollführe du, was mir im Herzen ftand, 

Zu Maften laß des Forftes Tannen hauen! 
Dein ſei der Sund, der dich nach Meften meif't, 
Der Weg des Meeres dein, ein glorreich Lehen. 
Mit Kugeln gieb den Zoll! Es foll mein Geift 
Am Steuer deines Heerihiffs ſtehen!“ 


Gr fuhr empor: die Beiden ftießen an, 

Die Schwerter Flirrten und die grünen Becher, 
Und bajtig bis zur Neige ftürzten dann 

Den Wein hinab die jeltnen Becher. 

Da dröhnt es Eins von Sankt Marien Thurn, 
Die Kerze fladert’ und erloſch im Schalle. 
Durch Port’ und Gitter braust’ es wie ein Sturm, 
Und einſam jtand ich in der Halle. 


Mir graute nit. Wohl hatt! ich ſie erkannt, 

Die Heimgefehrten aus dem Reich der Gräber, 

Die mächtigen Geftalten Hand in Hand, 

Marr Meier, Jürgen Wullenmweber. 

Mein Herz jhlug kühn, zur Hoffnung hoch erwacht, 
Und durch des Herbites Wind und Blättertreiben 
Heimfchritt ih froh, um no in tiefer Nacht, 

Mas ich vernommen, aufzujchreiben. 


An die Gewaltfamen. 


Der heil'ge Geift ift Gottes freie Gabe, 
Das Wort ein Fels, ein ew’ger. Meint ihr gar, 
Daß ihr ihn ftügen mögt mit eurem Stabe? 


— — 


Und deſſen Hand ihn hielt zweitauſend Jahr, 
Daß auch kein Körnchen durfte davon ſplittern, 
Wähnt ihr, er ſchlafe, weil ihr träumt Gefahr? 


Kleingläubige, wie mögt ihr alſo zittern! 
Nein! Laßt die Geiſter wandeln ihre Bahn! 
Klar wird die Luft in Sturm und Ungewittern. 


Und ſchwölle berghoch die Verneinung an 
Wie eine neue Sündflut: mag ſie ſchwellen! 
Nicht eurem Machtſpruch iſt ſie unterthan. 


Doch glaubt, ob Menſchenſatzung mag zerſchellen: 
Der wahren Kirche dreimal heilig Schiff 
Treibt gleich der Arche ſicher auf den Wellen. 


Und wen die Sehnſucht nach dem Herrn ergriff: 
Wie immer auch geheißen ſei ſein Glaube, 
Er mag ſich bergen drin vor Flut und Riff. 


Und kommen wird der Tag, da bringt die Taube 
Den Oelzweig heim: es wurzelt im Geſtein 
Des Schiffes Kiel, nicht mehr der Flut zum Raube. 


Dann wird Ein Hirt und Eine Heerde ſein, 
Verlaufen in der Tiefe ſind die Wogen, 
Verweht vom Winde iſt das letzte: Nein! 


Und auf den Wolken ſteht der Friedensbogen. 


n — 
* 


ee ns: 


Au 


Mene Veßel. 
1846, 


Hei, wie die Tafeln find geſchmückt, 
Mie Far die Kerzen erglommen! 
Mer fingt und lacht und Roſen pflückt, 
Der ift zum Felt willlommen. 

Muſik erklingt den Saal herauf, 
Schöne Mädchen warten auf 
In leichten loſen Gewanden. 


Sie tanzen um das goldne Kalb, 
Sie fallen ihm gar zu Füßen; 
Sie rufen: ehe das Laub wird falb, 
Hilf du die Luſt uns büßen! 
Ueberſchäumt im Kelch der Wein. 
Ich drücke mich ſtumm in den Winkel hinein; 
Mir ſchaudert das Herz im Leibe. 


Mir iſt's, durchſichtig wird die Wand, 
Und draußen dicht und dichter 
Da drängen ſich bei Fackelbrand 
Viel tauſend Hungergeſichter. 

Durch's Gewühl mit rieſ'gem Leib 
Herſchreitet kampfgeſchürzt ein Weib 
Mit blutroth flatternder Fahne. 


Und ſieh, der Boden wird zu Glas, 
Und drunten ſeh' ich ſitzen 
Den Tod mit Augen hohl und graß 
Und mit der Senfe bligen; 

Särg' auf Särgen rings gethürmt — 
Doch drüberhin wie rafend ftürmt 
Der Tanz mit Pfeifen und Geigen. 


N ne 


Sie haben Augen und fehen’s nicht, 

Sie prafjen fort und laden, 

Cie hören's nicht, wie zum Gericht 

Schon Balk' und Säule krachen; 
Lauter jauchzt der Geige Ton — 

hr Männer, ihr Weiber von Babylon 

Mene, Tetel, Upbarfin ! 


Oftermorgen. 


Die Lerche ftieg am Dftermorgen 

Empor in’3 klarſte Luftgebiet, 

Und fchmettert! hob im Blau verborgen 
Ein freudig Auferjtehungslied, 

Und mie fie jehmetterte, da klangen 

Es taufend Stimmen nah im Feld: 
Wach auf, das Alte ijt vergangen, 
Wach auf du froh verjüngte Welt! 


Macht auf und raufht durch's Thal, ihr Bronnen, 
Und lobt den Herrn mit frohem Schall! 

Macht auf im Frühlingsglanz der Sonnen 

Ihr grünen Halm’ und Läuber all! 

Ihr Veilchen in den MWaldesgründen, 

hr Brimeln weiß, ihr Blüten roth, 

Ihr follt e8 alle mit verkünden: 

Die Lieb’ ift ftärker als der Tor. 


Macht auf ihr trägen Menjchenherzen, 
Die ihr im Winterfchlafe fäumt, 

In dumpfen Lüften, dumpfen Schmerzen 
Ein gottentfremdet Dafein träumt. 


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2. EEE 


Die Kraft de3 Herrn weht dur die Lande 
Wie Jugendhauch, o laßt jie ein! 
Zerreißt wie Simſon eure Bande, 
Und mie die Adler jollt ihr fein, 


Wacht auf ihr Geijter, deren Sehnen 
Gebrochen an den Gräbern ftebt, 

Ihr trüben Augen, die vor Thränen 
Ahr nicht des Frühlings Blüten jeht, 
Ihr Grübler, die ihr fern verloren 
Traummwandelnd irrt auf mwüjter Bahn, 
Wacht auf! Die Welt it neugeboren, 
Hier ift ein Wunder, nehmt es an! 


Ihr follt euch all des Heiles freuen, 

Das über euch ergojjen ward! 

Es ijt ein inniges Erneuen 

Sm Bild des Frühlings offenbart. 

Mas dürr war, grünt im Wehn ver Lüfte, 
Jung wird das Alte fern und nah, 

Der Odem Gottes jprengt die Grüfte — 
Wacht auf! der Ditertag ift da. 


Gebet. 
September 1848, 


Herr, in dieſer Zeit Gewog, 

Da die Stürme rajtlos ſchnauben, 
Wahr', o wahre mir den Glauben, 
Der noch nimmer mich betrog, 


Der noch fieht in Nacht und Flud 
Eine Spur von deinem Lichte, 
Ohne den die Weltgejchichte 
Wüſter Gräuel nur ein Bud; 


a Be 


Daß, wo troftlos unbefchränft 
Dunkle Willkür ſcheint zu fpielen, 
Liebe doch nah ew’gen Zielen 
Die verborgnen Fäden lenkt; 


Daß, ob wir nur Einfturz fchau’n, 
Trümmer, fchwarzgeraucht vom DBrande, 
Doch Schon leife durch die Lande 
Waltet ein geheime Bau'n; 


Daß aud in der Völker Gang 
Wehen deuten auf ©ebären, 

Und wo taufend meinten Zähren, 
Einſt Millionen fingen Dank; 


Ya, daß blind und unbewußt 

Deiner Gnade beil’gen Schlüfjen 
Selbſt die Teufel dienen müſſen, 
Wenn fie thun nah ihrer Luſt. 


Herr, der Ervball wankt und freist; 
Lak, o laß mir diefen Glauben, 
Dieſen Starken Hort nicht rauben, 
Bis mein Geift dich ſchauend preist! 


Geduld! 
Frühjahr 1849. 


So ſchwankſt du wieder als ein Rohr dahin 

Gegeben in des Windes Zorn und Huld? 

Haft du noch immer nicht, mein troß’ger Sinn, 
Grlernt Geduld? 


Ss KON — 


Magit du in goldnen Zufunftsträumen jtehn, 

Magit hin du weinen fonder Licht und Rath: 

Geduld! Geduld! — die ew’gen Sterne gehn 
Doch ihren Pfad. 


Und der die Bahnen ihnen ausermählt 

Und fie bewegt mit jeines Mundes Haud, 

Er hat die Thränen deines Volks gezählt, 
Und deine aud. 


Er hält der Zeiten Wag’ und wägt genau, 

Und was ſie jinnen, er nur giebt den Schluß; 

Kein Stein wird fallen, der für feinen Bau 
Nicht fallen muß. 


Stehſt du mit ihm in Frieden, magjt du feit 

Des Weltgangs Braufen hören fern und nah: 

Dir ift der Tag, was er auch werden läßt, 
Zum Gegen da. 


Drum hoff auf Ihn, und bänd’ge deinen Zwiſt, 

Und was dir fehlichlug, hoffe ſtets aufs neu: 

Sein Nam’ ift Kraft und Wunder und er ift 
Allein getreu. 


den Diditern. 
1849. 


Ihr Sänger, denen auf die Brauen 

Einst ſüßer Thau des Himmels fiel, 

Daß ihr im dunkeln Heut zu ſchauen 
Vermögt der Zukunft Farbenſpiel, 


EBENE 


Auf, jest gedenkt, wie euch gegeben 
Ein Heildamt aller Sübnung voll, 
Und laßt das Lied erbabner ſchweben, 
Als diefer Tage Lieb’ und Groll! 


Zum wüſten Kampf nicht, der die Stufen 
Noch blind umtobt mit Schwert und Brand, 
Zur Tempelwacht ſeid ihr berufen, 

Und auf den Höhn ift euer Stand. 

Wenn alle ſchwanken, trugen, zagen 

Beim jähen Wetterfchlag der Zeit, 

Sollt ihr in freier Seele tragen 

Das Maß und die Gerechtigkeit. 


Die heil'gen Schäße follt ihr hüten, 
Die fromm die Väter aufgehäuft, 

Des Herzens keuſche Wunderblüten, 
Den Glauben, der von Frieden träuft. 
Ihr follt durch diefe Zeit von Eifen 
Forttragen im gediegnen Wort 

Als hochbegnadigte Templeijen 

Der Schönheit Licht, des Geijtes Hort. 


Nicht dürft ihr euch vor Thronen beugen, 
Noch fnieen wo der Pöbel niet; 

Die em’ge Wahrheit braucht der Zeugen, 
Und Opferfeuer ſei das Lied, 

Daß, wenn dereinft nah Sturm und Fluten 
Erſcheint des Friedensbogens Tag, 

Das Volk an euern reinen Gluten 

Der Freiheit Fadel zünden mag. 


Hinweg drum mit des Grimmes Falten, 
Mit Scellenklang und Brunft und Lug! 
Wie mag der Arm die Wage halten, 

Der mit dem Schwert den Bruder ſchlug? 


ER 


Fee —— 


Wie mag den Kelch des Segens jpenden 
Mer ſelbſt am Mahl der Sünde zecht? 
Rein follt ihr fein an Herz und Händen, 
Ihr feid ein priejterlich Geſchlecht. 


Und will euch ſchier die Kraft verjiegen, 
Und ſchwankt euch in der Bruft das Herz: 
Öebete, die zum Himmel fliegen, 

Ziehn Feuerzungen niederwärts ; 

Und aus der Schöpfung heil’gem Leben, 
Aus ihrer ewig heitern Ruh 

Strömt mit geheimnißvollem Weben 
Verjüngung euch und Klarheit zu. 


Geht hin zum Meer in Abenpgluten, 

Geht hin zum Wald und rüjtet euch! 

Der Geift ſchwebt heut noch auf den Fluten, 
Noch heute flammts im Dorngeiträud; 

Da wird in ahnungsvollem Segen 

Der Herr euch nah jein, nah und hold, 
Und wird euch auf die Lippen legen 

Was ihr dem Volk verfünden jollt. 


Seibel, Gef. Werke. 11. 7 


Souette, 


Sserbfiblätter. 


1. 


Es hat das Meer mit jeinem Wogenſchlage, 

Es hat ver Wald mit feinen grünen Zungen 
Bis diefen Tag daſſelbe Lied gejungen, 

Das einft fie angejtimmt am Schöpfungstage. 


Wie fih auch wandeln modt in Kampf und Plage 
Die Welt umber, vom Menſchenwitz bezwungen: 
Noch Elingt der Gruß, der dermaleinjt erflungen, 
Von Flut zu Flut, von Blatt zu Blatt im Hage. 


Drum wenn ich finnen will von ew’gen Dingen, 
Sud’ ih den alten Forſt an hoher Küfte, 
Mo Meer und Wald ihr raufhend Wort verjchlingen; 


Mir ift es, wenn ich dort zum Werk mich rüfte, 
Al ob des Weltgeifts Stimme zu mir dringen 
Und mid jein Odem nah durhichauern müßte, 


11: 


Weil meine Mufje nicht den wilden Trieben 
Der Menge fröhnt in diefen wirren Tagen, 
So hat fie früh gelernt dem Ruhm entjagen 
Und ift in ihrer Stille gern geblieben. 


Denn nicht verwechjeln läßt ſich's nad Belieben, 
Wofür begeiftert eine Bruft gejchlagen; 

Und was ein Gott mich lehrt! im Herzen tragen, 
Das fann mit meinem Herzen nur zeritieben. 


Behagt mein Lied euch nicht, jo laßt mich gehen, 
Und horcht den Weiſen Anprer, die gejchwinde 
Nach eurer flüht'gen Gunft den Mantel drehen. 


Ih finge dann den Wäldern und dem Winde, 
Den lichten Sternen über blauen Seen, 
Doch kann ich fingen nur, was ich empfinde. 


III. 


Der Zmeifel ift ein Falk mit jcharfen Klauen; 
Des Glaubens weiße Taube jieht er faum, 

So beizt er nieder dur ven luft'gen Raum, 
Die Krallen in ihr zitternd Fleiſch zu hauen. 


Da flodt zerrupft hernieder aus dem Blauen 
Das ſchimmernde Gefieder Flaum für Flaum, 
Mit jeder Feder fällt ein Gottestraum, 

Und langjam blutet hin das Gottvertrauen. 


Ein Engel jieht herab vom Himmelszelt, 
Und wendet trüb mit fragenvden Geberven 
Das Angefiht empor zum Herrn der Welt. 


— — 


Der aber ſpricht: der Falk hat Macht auf Erden, 
Doch ſeine Marken ſind auch ihm beſtellt; 
Denn jede Taube kann zum Adler werden. 


IV. 
Held Parzival, der Junge, Fam zum Grale 
Und wußt' es nicht, doch fühlt er ungejehen 


Des Friedens Hauch in feinen Locken mwehen, 
Da man zu Montjalvatih ihn jpeist' im Saale. 


So jaß auch ich einft an der Liebe Mahle, 
Unwiſſend, welch ein Wunder mir gejchehen; 
Nur jah die Erd’ ich licht in Blüten ftehen, 
Und Meer und Himmel glühn in roj'gem Strahle. 


Weh, daß mie jener ich bethört mich wandte, 
Und fortzog, um zu jpät es zu empfinden, 
Daß ih mich jelbjt von meinem Glüd verbannte! 


Nun ſchweif' ih durch die Welt mit allen Winden, 
Doch ad, wohin ich auch die Segel ipannte: 
Mein Montſalvatſch konnt’ ich nicht wiederfinden. 


V. 


In meinem Wald find feine Vogelchöre, 

Da nur verlorne Schimmer drinnen wanfen; 
Don Stamm zu Stamme wucern dichte Ranken, 
Und düſter Schatten drüber Buch’ und Föhre. 


Kaum ruft ein Hirſch, daß er das Schweigen jtöre, 
Kaum rauſcht ein mwelfes Blatt im Niederſchwanken; 
Ep ſtille wird e3, daß ich die Gedanken 
In meiner eignen Seele wandeln höre. 


= 20B, >> 


Da mill ein Schauder oft in’3 Herz mir gleiten 
Mit leifem Froft, als ftünd’ ih an den Thüren, 
Den eh’rnen, die in's Neich der Wunder leiten. 


Mir iſt's — beginnt fih’3 dann im Laub zu rühren — 
Es müſſ' hervor Virgil, der Hohe, fchreiten, 
Durch Hölle mid und Paradies zu führen. 


VE 


Ich habe viel verfucht, und hab’ erfahren 

Ein reih Gefhid auf meinen Wanderzügen; 

Ich fah ven Bauer feine Scholle pflügen, 
Und jah den reihen Städter ſich gebahren. 


Die Weifen ſah ih und der Künftler Scharen 
Sih ewig mühn, und doch fih nie genügen; 
Ich ſah die Höfe fih am Prunk vergnügen; 

Doch konnt' ich wenig Glüdlihe gewahren. 


Mir felbft hat jene Glut die Bruſt beweget, 
Die Liebe heit, allein ich mußt’ erproben, 
Daß fo viel Bittres fie wie Süßes heget; 


Drei Dinge nur vermag ih ganz zu loben, 
Die ſtets zu ächtem Heil den Grund geleget: 
Geſundheit, Muth und heitern Blid nah Oben. 


VII. 


Wie uns die Mutter auferzieht zum Leben, 

Erzieht das Leben uns gemach zum Sterben; 
Wir ſollen einſt den Scheidekelch, den herben, 
Zu trinken wiſſen ſonder Graun und Beben. 


ee 


Drum heiſcht e8, was es uns fo reich gegeben 
Allmählich wieder und zerſchlägts in Scherben, 
Der Leib wird fiech, wie ſich die Locken färben, 
An taufend Schranken bricht des Geiltes Streben. 


Und mie der Pilger, dem auf thau'gen Megen 
Das Wandern eitel Luft ſchien in der Frühe, 
Am Abend do ſich jehnt dem Ziel entgegen: 


Verlangt's auch uns zulegt an’3 Ziel der Mühe, 
Und alle Raſt erjcheint uns al3 ein Gegen, 
Ob aub im Schatten fie des Todes blühe. 


VII. 


Eins ijt noch jchlimmer, al3 den Damm durditechen 
Und plöglib dann die Sturmflut meiftern mollen: 
Begeiftrung weden, und wenn angejhmollen 

Im Volk fie herbraust, ihren Strom zerbrechen. 


Denn einmal aufgemogt aus taufend Bächen 
Verlangt fie ſtolz und ſiegreich hinzurollen ; 

Du bemmit fie wohl, o Fürft, doch kehrt mit Grollen 
Ihr Schwall fih wider dich und deine Schmäden. 


Je fihrer fie dein Schifflein trug zur Gtelle, 
Menn du fie nußteit, dejto grimmer trachtet 
Dih zu vernichten die geftaute Welle. 


Schon mandes Volk hat ſich dem Ruhm gefchladtet, 
Dod feines heiligiten Gefühles Duelle 
Läßt fein vergeuden, das ſich ſelbſt noch achtet. 


65 thürmt ſich Noth und Jammer unermeſſen 
Vom Eispol bis zum Nil in weiter Runde, 
Zwiſt, Aufruhr, Seuchen wandeln hin im Bunde 
Von Land, zu Land der Städte Mark zu freſſen. 


Die Reb' iſt ſchwarz, will ſie der Winzer preſſen, 

Zermalmt vom Hagel liegt die Frucht am Grunde, 
Die Luft trieft Feuer, und mit gier'gem Schlunde 

Verſchlingt die Woge was die Glut vergeſſen. 


So war es ſtets, wenn abendlich und bange 
Die kalten Schatten auf den Erdkreis fielen 
Von einer Weltzeit Sonnenuntergange. 


Doch nicht an Zeichen, die auf's Ende zielen, 
Glaubt dies Geſchlecht und ſchreit im irren Drange 
Am offnen Grabe nur nach Brot und Spielen. 





X: 
Wenn von der Zeit der finfenden Cäfaren 
Sch las, bevor die Stadt der Feinde Beute, 
Im Geiſt erwägend was die Welt erfreute 
Und was die Welt verftört in jenen Jahren: 


So hat's mich oft wie jäher Schred durchfahren ; 
Mir war's, als ob ein Spiegelbild des Heute 
Aus der Geſchichte mir entgegendräute 

Und ſpräch': ihr ſeid was jene Römer maren. 


Co lag bei hohlem Wort die Zucht im Staube, 
So ward der Geelen gottverlafj'nes Bangen 
Heut freher Taumel, morgen Aberglaube, 


Re 


So bielt der Schein jedwedes Sein gefangen, 
Indeß vom Nord ber, ſchon bereit zum Raube, 
Barbarenftämme dumpfen Schlahtruf fangen. 


XI. 


Das iſt der Bildung Fluch, darin wir leben, 
Daß ihr das Beſte untergeht im Vielen; 
Mit jedem Elemente will ſie ſpielen, 

Und wagt ſich keinem voll dahinzugeben. 


Kaum winkt ihr rechts ein Kranz, darnach zu ſtreben, 
So reizt ein neuer ſie, nach links zu ſchielen; 

Von Zweck zu Zweck gelockt, von Ziel zu Zielen, 
Als Falter ſchwärmt ſie ſtatt als Aar zu ſchweben. 


Getaucht in Alles und von nichts durchdrungen 
Preist fie ſich reich, wenn folgſam jedem Stoße 
Ein Maaß buntſcheckigen Wiſſens ſie erſchwungen. 


Was Wunder, wenn bis heut aus ihrem Schooße 
Nur Schwahes, Halbes, Einzelne entiprungen! 
Denn in fih ganz und einfach ift das Große. 


XI. 


Der ſei noch nicht des Lorbeers werth gehalten, 
Zu deſſen Wohllaut Ohr und Sinn fih neigen; 


Dem Dichter fei ver Blid des Sehers eigen, 
Der fromm vertraut ift mit des Schidjals Walten. 


hm muß im Kampf des Neuen fih und Alten 
Durch alle Zeit des Lebens Werkftatt zeigen, 

An Schuld und Sühnung muß fih ihm der Reigen 
Der em’gen Weltgeſetze jtill entfalten, 


— 105 


Nur wenn er in fih trägt das Maß der Dinge, 
Gebührt es ihm, daß er die Dinge fchlichte, 
Öelingt es ihm, daß er die Sphinx bezwinge. 


Dann aber wird ihm Alles zum Gedichte, 
Denn Alles wirkt und deutet mit im Ringe, 
Und was er fingt iſt wie die Weltgefchichte. 


Gelegenheitsgedichte. Sprüche. 
Scherze. 


Zu Sreiligratis Geburkskag 


mit Champagnerflaſchen. 


(St. Goar 1843.) 


Von Franfreihs Höhn, die jonnenklar 
Von aolonem Segen triefen, 

Da bringen wir dir Nektar dar 

Für deinen Hippogryphen; 


Für ihn, der ſich fo Itolz gebäumt 
Am Euphrat und am Nile, 

Und den du jest auf deutſch gezäumt 
Zu ſchöner'm Ritterjpiele. 


Hoh auf! Er ſcharret mit Gemieh'r 
Und knirſcht in Kett! und Stange, 
Und ftampft, al3 wollt’ er jagen dir: 
„Was raſteſt vu jo lange?“ 


Ein friiher Reiter bijt ja du, 
Drum laſſ' dein Thier nicht warten; 
Sig auf und reit’ dem Meere zu 
Durch deines Rheinlands Garten. 


— 


Er RT 


Und wenn der Huf vom Flügelhengjt 
Erklingt im Land der Schleuſen, 
Dann rühren, die da jchliefen länglt, 
Im Grabe fih die Geufen. 


Sie jteigen auf, eine wilde Schaar, 


Am Kleid von düſtrer Farbe, 
Mit langem Schwert und kurzem Haar 
Und auf der Stirn die Narbe. 


Und Einer ſpricht: „Halt an Gefell! 
Du riefft und wir erwachten; 

Spiel auf, fpiel auf! Wir folgen fohnell 
Zu Zechgelag und Schlachten. 


„Hoch flattert unjrer Maiten Bier, 
Das Banner von Dranien; 

Mie gerne trugen wir mit dir 
Dem finitern Mann in Spanien! 


„Die gerne ftehn wir Glied an Glied 
Mit dir zum andernmale, 

Daß unjer Sieg in deinem Lied 
Auf's neu verherrlicht jtrahle. 


„Friſch! Med’ die Saiten aus der Ruh! 
Greif’ ein mit fedem Finger! 

Wir hoffen Großes. — Läſſeſt du 

Uns harren, fühner Singer?” 


Doch millft du nicht in's Nievderland, 
So reit' in’3 Land Weſtphalen; 
Von Alters her iſt's dir bekannt, 
Du magſt es prächtig malen. 


— 108 — 


Die Haide braun, den Eichengrund, 
Den ftillen Hof dazwiſchen, 

Den Waidgefell’n mit Horn und Hund, 
Den Dambirfh in den Büfchen. 


Den grünften Waldplag ſuch' dir dort, 
Um auszuruhn vom Ritte; 

Bemooste Stein’ umftehn den Ort, 
Fern lugt die Köhlerhütte. 


Der Meiler alübt. Es ballt der Rauch 
Sich mählih zu Geltalten ; 

Düfter wehen im Windeshauch 

Der langen Gemwänder Falten. 


Sie ſchweben zum Freigrafenjtein, 
Sie laſſen ſich nieder im Kreife, 
Aus dumpfen Kehlen murmelt drein 
Bon Strang und Schwert die Weiſe. 


Du hörst, wie langlam, Schall auf Schall, 
Im Helm die Kugeln dröhnen — 

Drauf Todtenftille — dann ein Fall, 

Und jchneidend furz ein Stöhnen. 


Und wieder ſchwinden fie hindan 

Mit tief verbüllten Brauen; 

Sie ziehen wohl, auf’3 neu den Span 
Aus einer Thür zu hauen. 


Du haſt's belauſcht, du haſt's gejchaut, 
Ach weiß, du kannſt's nicht lafien, 
Du mußt das Bild, den Todeslaut 
In deine Lieder faflen. 


a 18 1 


O thu’3, und” dann fehr’ zu uns heim 
Mit frohem Roßgewieher, 

Und lies uns deinen neuſten Reim 
Im goldnen Pfropfenzieher.! 


Abſchied von Hf. Goar. 
(In Freiligraths Album.) 


Wie flog im Land des Rheines 
So raſch die Sommerszeit! 
Schon dunkelt blauen Scheines 
Die Traube weit und breit; 
Es färbt das Laub ſich gelber, 
Der Kranich zieht dahin; 

Mit zieh' ich, weil ich ſelber 
Ein Wandervogel bin. 


Fahr wohl, von Wallnußbäumen 
Umrauſcht, mein St. Goar! 
Das war ein ſüßes Träumen 
In deinem Schooß fürwahr. 
Wie oft im Thal der Grindel 
Ward mir die Luſt Geſang, 
Wenn die kryſtallne Spindel 
Der Waſſerfey erklang! 


Fahr wohl, du Ley der Lore 
Un wilder Strudel Schwall! 
Noch tönt in meinem Obre 
Gedämpft vein Klagehall; 

Er rief mir tief im Sinne 
Die dültre Sage wach 

Vom Herzen, das die Minne 
Mit ihrer Falichheit brad). 


1 Der goldene Pfropfenzieher, eine Schenke in Oberwejel am Rhein. 


re 
on —— 
er 


— 10 — 


Ihr Thürm' und Bürgen droben, 
Ich grüß euch tauſendmal; 

Von eurem Grün ummoben 

Wie ſchaut' ich gern zuthal! 

Ich ſah mit trunfnem Geijte 

Die Sonne dort verglühn, 

Und mein Gedanke kreiſ'te 

Mie euer Falk jo fühn. 


Fahrt wohl ihr jonnigen Weiler, 
Mein Baharah jo traut, 

Wo um Sanft Werners Pfeiler 
Boll Glanz der Himmel blaut; 
Und Kaub voll rofiger Dirnen, 
Und Wefel grün von Wein; 
Ich denk' an euern Firnen 
Fürwahr noch weit vom Rhein. 


Und du fahr wohl, mein Dichter, 

Du Mann fo jugendgrün, 

Und mag dir immer lichter 

Das Herz von Liedern blühn! 

Wohl jänge dir Beſſeres gerne 

Der dieſes fang und jchrieb; . 
Doch ſei's — und halt aud ferne 

Mie hier am Rhein ihn lieb. 


Auf eine Finfame,. 


Dreimal unjelig Weib! Du warſt einft ſchön und jung, 
Geflügelt war dein Geilt zu wundervollem Schwung; 
Und wie bei lautem Lied von ſelbſt vie Saiten tönen, 
Klang dir im Herzen nah ein Echo alles Schönen. 


— 11 — 


Doch ab, du fofteteft, niemals bedacht zu ruhn, 

Bon jeglibem Gefühl nur wie die Bienen thun; 
Gleihwie durch Schlangenblid an's Neue jtetS gebunden, 
Des Trunfs, der dich gereizt, jchon fatt nach wenig Stunden, 
Zogſt du, dem Augenblid als Sklavin unterthan, 

Mit jedem friſchen Kleid ein friih Verlangen an, 

Und ſchwärmteſt, janft gewiegt in deiner Schönheit Nuhme, 
Bon Sieg zu Sieg dahin, von Blume hin zu Blume, 
ALS jei für immerdar dir zum Genuß bereit 

Die Erd’ ein Rofenwald, die Jugend Ewigkeit. 


Doc jeder Zuftpofal hat jeine Hef' am Grunde, 

Es folgt dem Nachtbankett die trübe Zwielichtitunde; 

So fam aud dir der Tag, wo plößlic unterm Spiel 

Aus deinem Lodenhaar der Anmuth Berle fiel, 

Mo all dein ſprüh'nder Wis nicht mehr verhehlen fonnte, 

Die Sonne neige fih an deinem Horizonte, 

Und durch des bunten Felts Muſik ſich abendlich 

Ein fröftelnd Ruhbegehr in deine Seele ſchlich. 

Da ſahſt du um; doch ad, du trafit auf allen Zügen 

Des Mitleids Lächeln nur, des Hohns verhaltne Rügen; 

Denn feiner ftand im Kreis, den lieblos nicht bis jetzt 

Dein ſcharfer Spott gekränkt, dein Wankelmuth verlegt. 

Du aber, allzu ſtolz und allzu ſchwach zur Bitte, 

Schrittſt — Frohfinn auf der Stirn — verjtört aus ihrer 
| Mitte; 

Du wollteſt jelbit genug dir fein in deinem Sinn 

Und jchlofjeft zu dein Herz. Doch öde war es drin. 


D hättejt damals du erfannt: ES maltet jtille 

Nach ewigem Geſetz durch's All ein heil'ger Wille, 

Der Schlag auf Schlag den Troß zerbricht, bis daß er ſchweigt, 
Doh jede Stirn erquidt, die jich in Demuth neigt: 
Vielleicht, e8 wäre dir der Weinenden zum Frommen 
Nah kühler Sommerzzeit ein milder Herbit gelommen — 


— 12 — 


Du aber dachteſt nicht an Sühnung, tiefvergällt, 

Und grollteft, ftatt mit dir, mit Gott und mit der Welt. 
Und dennoch boffteft vu. Du mollteft, aus der Frauen 
Gebiet dich flüchtend, kühn ein neu Gefchid dir bauen; 
Da du den Herd verjcherzt und feinen frommen Schein, 
Beſchloſſeſt Fadel du der Welt und Licht zu fein. 

Du wollteft deinen Gram wie ein Geſchmeide tragen, 
Um prunfend auf dem Markt das Schidjal zu verflagen; 
Im Lorbeer dachteft du, den jelbjt der Neider preif't, 

Zu berrichen wie vordem durch Schönheit, nun durch Geift; 
Du dürfteteft nah Ruhm — 


Doch ad, dein trogig Fodern 
Ließ dichter nur herab des Unheils Blige lodern, 
Und deine Hoffnungen, die Träume neuer Luft, 
Die du wie Kinder ftolz genährt an deiner Bruft, 
Du fahit fie Haupt für Haupt mit bittern Thränenfluten 
Rom ſcharfen Pfeil durhbohrt zu Füßen dir verbluten, 
Bis du, unfelig Weib, zulegt in deinem Weh 
Einſam verfteinertejt, wie jene Niobe. 


Un Ernſt Curkius. 


Wenn im fürſtlichen Palaſte 

Strenger Ernſt nicht ganz dich faßte, 
Und ſo froh ſich noch die Muſe 
Bitten darf bei dir zu Gaſte, 

Wie dereinſt auf Aegeus Fluten 

An des Hydrioten Maſte: 

Nenne, Freund, mir Tag und Stunde, 
Da ich ſchwärmend bei dir raſte, 

Daß du ſpüreſt, wie ich kühner, 

Der ich einſt in Farben praßte, 


Er 


Seht nach mächtigen Stoffen greife, 
Nach gedicgnen Formen tafte. 
Brechen will ich dann die reiffte 
Meiner Früchte dir vom Aſte. 


An Denfelden. 


Sch hätte gern, o Freund, mit dir gejpeist heute, 
Und frohen Muths bei perlenreibem Schaummeine 
Der Zeit gedacht, da wir im attiſchen Delwalde 

An berber'm Trunk uns labten aus dem Pechſchlauche 
Auch hätt’ ich willig dir vun hundert Thorheiten 
Erzählt, wie mir im ſchwangern Haupte buntfarbig 
Gin ganzer Nattenfönig ſitzt von Luftipielen, 

Du aber wärſt vielleicht, dafern ich ſcherzweiſe 

Mich Zeus vergleihen darf, in roſ'ger Weinlaune 
Hephäftos worden, meines Kopfes Hebamme, 

Doc andres fanneft du, und andern Pfad mählet 
Die Hore. Denn es lud der malereifund’ge 
Breitftirn’ge Freund mich geitern jhon zum Gaftmahle; 
Und fiher wär’ es mißgethan, dur Ausbleiben 
Sein hold Gemahl zu fränfen, ver ich dienſtwillig 
Zu Füßen legt’ ein halbes Dugend Auflagen. 

Drum mußt du heut bei Tafel ftatt an Versrhythmen 
Mit deinem Bruder dich erfreun an ernithaftern 
Indogermaniſchen Epradvergleihungsgrundfägen. 
Mich aber laß die liebe Hoffnung feithalten, 

Daß du mir bald einmal Hephäſtos fein mwerbeft. 


Geibel, Ge). Werke I. 8 


— 14 — 


An 3. K. 


„Tragödien dichte; lab das Liederfeilen !” 

Sp ſchiltſt du und ermahnjt du mich voll Güte, 
Doch fieb, mir ftedt ein Fieber im Geblüte, 
Das Fieber der Eonette, ſchwer zu heilen. 


Dies ift der Krankheit Merkmal, daß mit Eilen 
Mas immer nur berübret mein Gemüthe 
Verſchlungen dur vierfahen Reimes Blüte 
Mir unbewußt fih fügt in vierzehn Zeilen. 


Zwar fürdt’ ich nicht, daß fie in’3 Grab mich treibe, 
Da ja Petrark, den fie geplagt wie Keinen, 
Alt dabei ward und mohlgevieh am Leibe. 


Doch läßt fie fich jo wenig je verneinen, 
Daß ſelbſt dieß Brieflein, das ich rafch dir fchreibe, 
Mir zum Sonett wird wider Wunfh und Meinen. 


An Glara 


(im Namen eıner Freundin, mit einer Schlummerdede). 


Halt du vom Teppich Salomo’3 

Gehört die wundervolle Sage, 

Dran in kryſtallner Grotte Schoof 

Die Geifter woben dreißig Tage? 

Mer ihn betrat mit Zauberwort, 

Den trug er durch die Lüfte fort, 

Ein ſchwebend Scifflein raftlos fliegend, 
In blauer Aetherflut ſich wiegend. 


Ich bin nicht König Salomo, 
Auf deſſen Wink Dämonen ſchreiten: 
Drum mußt' ich ſelber ſtill und froh 


—ı 4b — 


Den Schlummerteppich dir bereiten; 
Doch hat auch hier ein Geift von oben, 
Die Liebe hat mit dran gemoben. 

Und ſieh, mich dünkt daß Liebesfraft 
Mohl falt noch führe Wunder fchafft. 
Denn wenn du tagesmatt die lieder 
Gehüllt in dieß Gewebe faum, 

Co fommen leife zu dir nieder 

Die ftillen Knaben, Schlaf und Traum, 
Mit lindem, kühlem Flügeljchlagen 
In's Neich der Märchen dich zu tragen. 
Da Elingt’3 im Ohr dir wie ein Lied; 
Ein Nebel reißt — dein Auge fieht 
Befreit von jeder dumpfen Hülle 
Erſchloſſen aller Wunder Fülle, 

Was war, was ift, was fommen will, 
Schauſt du zugleih; die Zeit jteht ftill. 
Bei Frühlingsblüten glänzt im Laube 
Die golone Frucht, die glüh'nde Traube; 
Das Willen der erfahrnen Bruft 
Verſchmilzt mit reinfter Jugendluſt; 

Du ſpürſt im Herzen jüßerjchroden 

Der frübften Liebesahnung Glanz, 

Und doch in deines Kindes Locken 
Drückſt wonnig du den Myrtenkranz — 
Geliebte, Mutter, Kind zugleich 

Bift du unendlich froh und reich. 


Und mwebt der Traum auch immer nicht 
Solch unergründlih ſüß Gedicht, 

So weiß er doch mit Elfenhänden 
Willkommne Gabe ftetS zu jpenden: 
In Winters Schnee und rauber Luft 
Umſpielt er dich mit Veilchenduft; 

Er weht dir in des Sommers Schmüle 


BE 


Um’s Haupt mit grüner Walvesfühle; 
Die Lieben bringt er dir ins Haus, 
Von denen dich die Welt geichieden ; 
Erquickung giebt er, gießet Frieden 
Auf deine Wimpern läcelnd aus, 
Und mill die Bruſt die Sorge prefien, 
Cr Schafft ein wundervoll Vergefien. 


Das iſt's was ich in mir gedadıt, 
Als ih das Werk für dich vollbracht; 
Und wirſt du, holde Schläferin, 

Den Zauber des Gewirks erproben, 
Dann denke ftill in deinem Sinn: 
Die Liebe hat ihn drein gewoben, 


Stammbucdlätter. 


13 


Wie unter Schnee und Eis 
Des Mooſes zarte Triebe, 
Sp grünt im Herzen leif’ 
Grinnrung fort der Liebe. 


Mag immer dann die Bruft 

Ein froftig Heut bevrüden: 

Ein Hauch der alten Luft 

Kann dir’3 mit Blüten fhmüden. 


Drum liebe! Sonder Raft 

Fliehn Jugend, Glück und Schimmer; 
Mas du geliebet haft, 

Bleibt dir ein Schag für immer. 





— 417 — 


Nah Hafis.) 


Längft genug im weiten Raume 
Schweift' ih um mit dürrem Öaume, 
Raſtlos nah dem Glücke ſucht' ich, 
Doh ergriff ich’3 nicht am Saume. 
Darum halt’ ich ruhig lächelnd 
Meine Sehnſucht jeßt im Zaume, 
Und gelagert, wo der Eppich 

Rankt empor am Rojenbaume, 

Sing’ ich holder Thorheit Weife 

Bei des Meines Berlenfhaume: 
Sudt und forfeht nicht, ihr entkleidet 
Nur die Fruht vom duft’gen Flaume; 
Unerbeten von den Göttern 
Kommt das Höchſte wie im Traume. 


Sprüche. 


Das Größeſte iſt das Alphabet, 
Denn alle Weisheit ſteckt darin, 
Aber nur der erkennt den Sinn, 
Der's recht zuſammenzuſetzen verſteht. 


2 
So ſteckt Muſik in Flut und Stein, 
In Feu'r und Luft und allen Dingen; 
Aber willſt du vernehmen das Klingen, 
Mußt du eben ein Dichter ſein. 


pe: 1 


Leicht iſt's mit ſtarken Conſequenzen 
Als neuer Philoſoph zu glänzen; 

Doch iſt's ein ſchwerer Unterwinden, 
Die rechten Vorausſetzungen zu finden. 


4. 


Studire nur und raſte nie, 

Du kommſt nicht weit mit deinen Schlüſſen; 
Das iſt das Ende der Philoſophie, 

Zu wiſſen, daß wir glauben müſſen. 


5. 


Die ſchöne Form macht kein Gedicht, 

Der ſchöne Gedanke thut's auch noch nicht; 
Es kommt drauf an, daß Leib und Seele 
Zur guten Stunde ſich vermähle. 


6. 


Fließend Waſſer iſt der Gedanke, 
Aber durch die Kunſt gebannt 
In der Form gediegne Schranke 
Wird er blitzender Demant. 


Hi 
Die Zeit geht langſam ihren Schritt, 
Da fann der Hippogryph nicht mit. 
Entweder er wird bleiben liegen, 
Oder er wird voraus ihr fliegen. 


Gefegnet fei dir beides, Schmerz und Luft, 
Und jedes Werk, das du vollenden mußt; 
Doh Gott bewahre dich zu deinem Heile 
Bor Krankheit, Mißmuth, Langerweile. 


=. 


Beklage dih nicht auf deinem Pfad, 
Daß dir's an Raum zum Handeln fehle; 
Ein jeder Klang aus voller Seele 

ft eine wirkungsvolle That. 


10. 


Um feinen Preis geitehe du 

Der Mittelmäßigfeit was zu. 

Haft du dich erjt mit ihr vertragen, 
So wird dir's bald bei ihr behagen, 
Bis du zulegt, vu weißt nicht wie, 
Geworden bit fo flach mie fie. 


19° 


Das iſt's, was mid am Freund zumeilt werbrießt, 
Wenn er nah Spagen mit Kartätſchen ſchießt. 


12. 


Es winkt ein Schloß, jo ftolz, jo ſchön, 
Sm Abendrolh von fteilen Höhn. 

Du ringit hinauf von Stein zu Stein — 
Doch iſt der Gipfel dann erflommen, 


— 120 — 


Co will dir faum die Fernſicht frommen, 
Du blidft nab Lager, Speiſ' und Wein. 
Aber das Klimmen, das Suchen, das Streben, 
Das war deine Freude, das war dein Leben. 


13. 


Lehr’ nur die Jungen weisheitevoll, 
Wirſt ihnen feinen Irrthum fparen; 
Mas ihnen gründlich helfen foll, 

Das müfjen fie eben jelbit erfahren. 


14. 


Die Melt ift reich und mohlberatben, 
Nur zäume nicht das Pferd am Echwanz, 
Wolle die Nachtigall nicht braten, . 

Und nicht fingen lehren die Gans. 


15. 


„Woher ich dies und das genommen?” 

Mas geht's euch an, wenn es nur mein ward! 
Fragt ihr, ift das Gewölb vollfommen, 

Woher gebrochen jeder Stein ward? 


or 


16. 


Ruhm zeugt Eiferfucht, wie man fprict; 
Und jell!ft du dich bezwingen fünnen, 
Dem Freunde deinen Ruhm zu gönnen, 
Du gönnft ihm deine Liebe nicht. 

Das joll am Mein belobet fein: 

Er trinkt am beiten ſich zu zwei'n. 





IR 


Bitterfeit zum Leide 

It wie Gift 

Auf des Schwertes Schneide, 

Das dich trifft! 

Magſt du fonjt von jedem Streich gefunden: 
Niemals find zu heilen vergiftete Wunden. 


18. 


Gönnt nur der jungen Bruft ihr Wogen 

Non Leid in Luft, von Luft in Bein! 

Thränen der Lieb’ und froher Hoffnung Schein, 
Das giebt des Lebens jhönjten Regenbogen. 


19. 


Mohl ist es ſchwer zu tragen ſtumm, 
Menn andre Uebles von dir denfen; 
Doch ſchwerer noch, die Liebe Fränfen, 
Und nit jagen dürfen, warum. 


20. 


Nur ſachte kritiſches Gefchlecht ! 

Es dünkt dein Spruch uns fehr erläßlic; 
Du urtheilft über Schön und Häßlich, 

Und weißt nit mehr was Gut und Schlecht. 


21. 
Mie ſeltſam haben ſich die Sachen 
In unfrer Kunſtkritik gedreht! 
An jedem Werk venjelben Fehler machen 
Heißt heutzutag Originalität. 


22. 
Dich wundert's, daß fie gegen dich fchreien, 
Miewohl du fie behelligt nie? — 
Das iſt's juft, was jie dir nimmer verzeihen, 
Daß du fein Lump bift jo wie fie. 


23. 


Hältft vu Natur getreu im Augenmerf, 
Frommt jeder tüchtige Meifter dir; 

Doch klammerſt du did bloß an Menjchenwert, 
Wird alles, was du fchaffit, Manier. 


24. 


Dich zu vertheid'gen vor dem Richter 
Führft deine Lieder du herein? 

D Freund, man fann ein Iyrifher Dichter 
Und doch ein dummer Teufel fein. 


25. 
Sch fühle mich nie jo groß, jo klein, 
Als wenn im Shafejpeare ich gelejen: 
Klein, weil ih dene’ an das, was mein, 
Groß, weil er auh ein Menſch gemejen. 





26. 


Un aller Fremde bunten Gaben 

Mag ih mich hin und wieder laben, 

Doh wohl ift mir in Süden und Norden 
Nur bei den Griechen und Britten geworden. 


AT: 
Menn fie dih ſchmähten und wenn fie dich Schalten, 
Widerſprich nicht mit higigem Blut; 
Schweig und ſchaffe was jchön und gut, 
So wirſt du zulegt doch Recht behalten. 


28. 
Das iſt klarſte Kritif von der Welt, 


Menn neben das, was ihm mißfällt, 
Einer was Eigenes, Befjeres ftellt. 


29. 


Mit deinen Augen jhauft du was da ift: 
Die Dinge find dir wie du felber bift: 
Drum millft du andres als Verwirrung fehn, 
Lern’ heiter bliden und dich ſelbſt verftehn. 


30. 


Es rinnt fein Bach, er nimmt in feinem Lauf 
Durh Stein und Erdreich leichte Trübung auf: 


— 124. 


So fein Empfangnes überlieferft du, 

Es fommt aus deinem Weſen was hinzu. 

Du willſt nicht fälſchen, woillft nicht Farbe geben, 
Doch du bijt du, das Schafft die Wandlung eben. | 


ol. 
Warum dieß Buch mir jo mipfällt? 
Juſt, weil es Wahrheit auch enthält; 
Denn brädt’ es nichts als eitel Lügen, 
Mer ließe ſich davon betrügen ! 


38. 


Leben und Dichten ift zu fallen, 

Wie Athem einziehn und entlailen; 
Soll ih was Rechtes Schaffen können, 
Mut mir ein rechtes Leben günnen, 


33. 


Wie reih du dich in Lob ergeht, 

Das wird des Künftlers Muth nicht ftärken; 
Nein, tadle gern an feinen Werken, 

Doch zeig’ ihm, daß du ihn verftebft. 


34. 


Ja donnert Gott, Ya fingt der Dichter, 
Stel’ etwa3 hin und laß fie fchrein! 
Der Teufel nur, der Splitterricter, 

Der felbjt nichts jchafft, jagt ewig: Nein. 





35. 


Das Schwerſte klar und Allen faßlich jagen 
Heißt aus gediegnem Golde Münzen fchlagen. 





36. 


Ein gut Gedicht ift wie ein ſchöner Traum, 

Es zieht dih in fih und du merkſt es kaum; 

Es trägt dich mühlos fort durch Raum und Zeit, 
Du jhauft und trinkt im Schau’n Vergeſſenheit, 
Und gleich als hätteft du im Schlaf gerubt, 
Steigjt du erfriſcht aus feiner klaren Flut. 


3% 
Das iſt die Kraft, Poet, dadurd der Geiit, 
Der wahrhaft jchöpferifche, ſich erweiſ't, 
Daß kaum von feinem Flügelſchlag berührt 
Dein eigner Geift den Drang des Schaffens fpürt. 





38. 


Das reine Licht läßt fi nicht malen; 
Die Dinge mal’ in feinen Strahlen, 
Sp werden an den feiten Mafjen 
Wir auch des Lichtes Wejen fallen. 


39. 
Mann im Haus und auf den Gajjen 
Stets am beftigjten du zankſt? — 
Wenn du ſelbſt im Innern ſchwankſt 
Und du mwilljt’s nit merken lajjen. 


40. 


Im Handeln ift die Mafle groß, 

Bei rüft’gem Merk, bei Schlag und Stoß; 
Doch ſoll euch kräftig Heil erfprießen: 
Laßt Einen urtheln und bejchließen. 


41. 


Freiheit ift wie ein ftarfer Wein; 
Dem Manne wird fie ftetS gedeihn; 
Aber ihr zecht und fchreit wie Knaben, 
Ihr werdet morgen Kopfweh haben. 


42. 


Mir hatten’3 herrlich weit gebracht 
Und alles fertig geſprochen; 

Doch da's nun galt, da hatte jacht 
Die Zunge den Arm uns zerbroden. 


43. 
Die Zeit ift wie ein Bild von Moſaik, 
Zu nah bejchaut verwirrt es nur den Blid; 
Willſt vu des Ganzen Art und Sinn verftehn ; 
Co mußt du's, Freund, aus rechter Ferne jehn. 


44, 


Gern will ich jeden anerkennen, 

Der was er treibt zum Grund verjteht; 

Doh den nur weiß ich Freund zu nennen, 
Durch deſſen Bruft ein Zug des Schönen geht, 





45. 
Mit dem Klagen, mit dem Zagen 
Wie verdarbit du's, ach, jo oft! 
Lerne Trübes heiter tragen, 
Und dein Glüd fommt unverhofft. 


46. 


Der Kleine Geift, fand er in Gott die Ruh, 
Schließt vor der Welt fih ängitlih bangend zu; 
Der große ftrebt geftählt an Kraft und Sinnen 
Die Welt für Gott erobernd zu gewinnen, 


41% 


Hinweg mit dir! fpricht das Gebot, 
Das thateft du, dein ijt der Tod, 
Aber die Gnade ruft: fomm ber, 
Und jündige fortan nicht mehr. 


48. 


Dem Afte glei, darauf der Vogel jchlummert, ift \ 
Erlernte Weisheit div ein Halt bei ftiller Frift; ) 
Doch in der Zeit des Sturm zerbricht gar leicht der At, 
Weh dir, wenn du alsdann nicht felber Flügel halt! 


49, 


Wenn die Blüten abgeftreift, 
Iſt nicht gleich die Frucht gereift 


— 183 — 


An dem Baum im Garten. 
Zwiſchen der Empfindung Zeit 
Und der Zeit, wo That gedeiht, 
Lieat ein banges Warten. 





50. 


Eiferſucht macht ſcharfſichtig und blind, 
Sieht wie ein Schütz und trifft wie ein Kind. 


51. 


Kein tüchtig Mühn, das ſeinen Lohn 
Zuletzt nicht reichlich in ſich hätte! 

Wie mancher grub nach Waſſer ſchon 
Und fand einen Schatz an ſelber Stätte! 


5% 
Proben giebt es zwei, darinnen 
Sih der Wann bewähren muß: 
Bei der Arbeit recht Beginnen, 
Beim Genießen retter Schluß. 


53. 
Sorgen find meilt von der Neſſeln Art, 
Sie brennen, rührjt du fie zu zart; 
Halle fie nur an herzhaft, 
So ift der Griff nicht jchmerzhaft. 


54. 


Schwer ift oft das Thun fürwahr, 
Aber ſchwerer ift das Laſſen; 
Dort gilt’3 einmal fih zu faſſen, 
Hier gefaßt jein immerdar. 


55. 


Halte feſt am frommen Sinne, 

Der des Grenzſteins nie vergaß! 
Alles Heil liegt mitten inne, 

Und das Höchſte bleibt das Maß. 
Glücklich, wem die Tage fließen 
Wechſelnd zwiſchen Freud' und Leid, 
Zwiſchen Schaffen und Genießen, 
Zwiſchen Welt und Einſamkeit. 


56. 


Bor Leiden nur kann Gott dich wahren, 
Unmuth magjt du dir jelber jparen. 


57. 


Der hat’3 wahrhaftig als Poet 
Nicht hoch hinaus getrieben, 

In deſſen Liedern mehr nicht fteht, 
Als er hineingefchrieben, 


Geibel, Gej. Werte I, 9 


58. 


Iſt's nicht ſchier um zu verzweifeln, 
Menn ich ſehn muß wie fie's treiben, 
Die da fingen, die da ſchreiben 

In dem mweiland Dichterwald! 

Und du läßt es dir gefallen, 

Deutihes Volk, und nimmſt von Allen 
Mas fie bringen heiß und kalt: 

Statt des MWahren nur das Reizende, 
Statt des Schönen nur das Beizende, 
Statt des Tiefen Mißgeltalt. 


59. 


Welch ein Schweifen, welh ein Srren! 
Alle Gränzen wild vermwirren, 

Unſre Zeit nimmt's für Oenie. 
Tonfunft will Gedanken Elingen, 
Dichtkunſt eitel Farben bringen, 
Malerei malt Boefie. 


60. 


Macht der Zeit verworrnes Stammeln, 
Macht ihr mülter Raufh dir Bein, 
Kehr', o Seele, dich zu jammeln, 
Kehre bei dir jelber ein. 

Schon ein heilig ernjter Wille 

Zieht den Gott in deinen Kreis; 

Bılt du fromm und bift du ftille, 

So vernimmit du fein Geheiß. 


Mag dir dann der Markt nicht lauſchen, 
Laß ihn jtürmen, laß ihn raujchen 





— 131 — 


In befinnungslofer Haft! 

Doch mit glüdliher'm Gefchlechte 
Sigeft du die ſchönen Nächte 
Bei der Zufunft ſchon zu Galt. 


Nachkigallenſchlag. 


Erſte Nachtigall. 
Tio, tjo, tio tjo tiotinx, 
O wie ſüß, o wie ſüß 
Im blühenden Flieder 
Auf und nieder 
Zu ſchaukeln, 
Zu gaukeln, 
Wenn der Mond erwacht, 
Durch die lange duftige Sommernacht, 
O wie ſüß, o wie ſüß! 
Bweite Nachtigall. 
Frau Nachbarin, Gott grüß! 
Tio, tjo, tio, tjo, hier gefällt mir's auch 
Im Hollunderſtrauch, 
Wo die blauen Glocken 
Ueber dem Waſſer hangen — 
Züküht, Züküht — ſeht wie ſie ae 
Mollen noh mehr zujammenloden. 
Zio, tjo, tio, tjo! 
Dritte Nachtigall (kommt geflogen). 
Mer ruft mir jo? 
Erſte Nachtigall. 
Ei auch ſchon hier 
Im grünen Revier? 
Bweite Nachtigall. 
Glaubten dich noch im Süden weit, 


— 12 — 


Mo die Orange Blüten fehneit, 
Warſt ja jo glüdlich noch dort, als wir zogen; 
Sangjt immerzu 
Dhne Naft und Rub, 
Das war ein Schwellen, ein Mogen. 
Sprib, was wandte fo fchnell dir den Sinn, 
Daß du doch nah Norden geflogen? 

Dritte Nachtigall. 
Er ift hin! Er ift hin! 
Alles Glück ein Hauch! 

Bmweite Wadtigall, 
So ſprich doch, wer? 

Dritte Nadtigall. 
Mein Rofenftraud. 
Ich hatt’ ihn jo werth, jo lieb gehatt, 
Kannt’ jede Knospe, jedes Blatt; 
Der König war er der ganzen Au, 
Sein Gold und Berl’ der Morgenthau 
Im Purpur aufgefangen — 
Kam der Sommer in’3 Thal 
Mit heißem Strahl, 
Da iſt er vermelft, vergangen. 

Erſte Nachtigall. 
Aermſte! und nun? 

Dritte Nachtigall. 
Mich ließ es nicht ruhn. 
Flog weit, immer weiter, bis zu euch, 
Abſchied zu nehmen, ihr Guten. 
Dort im dichten Jasmingeſträuch 
Laßt mich in Liedern verbluten. 

(Fliegt ins Dickicht.) 
Erſte Nachtigall. 

Tio, tjo, tio, tjo! lieb Schweiterlein! 
Wir wollen mit dir traurig fein. 





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— 138 — 


Bweite Uachtigall. 
Wollen klagen mit hellem Schlag 
Bis an den roſenrothen Tag, 

Züküht, züküht. 


(Flattern fort.) 


RKukuk 
(ſetzt ſich auf eine Pappel). 
Kukuk, kukuk, und noch einmal! 
Was ſind die Vögel doch ſentimental! 
Kukuk, kukuk! Bin Recenſent; 
Wenn ich's nur beſſer machen könnt! 
Kukuk! 


Mittagsſtille. 
An Friedrich Ahlbeck. 


Welche tiefe Mittagsſchwüle 

Lagert überm Thal und zieht mich 
Auf das weiche Moos hernieder, 
Das, ein grün und goldner Teppich, 
Sich um Eichenwurzeln breitet! 

Alles ſtill! kein Lüftchen athmet. 

In den mächt'gen Wipfeln rühret 
Sich kein Blatt, am See kein Schilfhalm 
Neigt ſich flüſternd hin und wieder. 
Tief im kühlſten Dickicht ſchlummern 
Fink und Amſel, ſelbſt die Sonne 
Wandelt müd und läſſig blickend 
Langſam ihre Bahn im Traume; 
Und wie Alles nun im Kreiſe 
Schweigt und ausruht, wie mir ſelber 
Schwer es laſtet auf den Wimpern, 


— 134 — 


St es mir, der Weltgeift jchlafe. 
Nur die Wolken dort, die luft'gen 
Ewig wecjelnden Geitalten, 

Ziehn im Blau, wie durch die Geele 
Wandelbare Träume ziehen 

Schnell geboren, jchnell verſchwindend. 
Jetzt find’3 weiße Friedensſchwäne, 
Schiffe jegt mit ſtolzen Wimpeln, 
Jetzt ein Schloß, auf dejjen Binnen 
Blühend prächt'ge Gärten bangen. 
Aus dem Schloſſe fteigt ein König 
Silberbärtig, mit erhobner 

Rechten fegnet er die Völker; 

Nun auf goldnem Wagen thronend 
Naht ein hohes Weib, es jchimmert 
Schneerein ihr Gewand — fo dad’ ich 
Mir die Freiheit, wenn fie fiegreich 
Lächelnd hinfährt durch die Städte 
Mit ver Wage, mit dem Palmzweig. 
Weil' o Göttlihe! — Vergebens! 
Schon zerrinnt die Glanzerſcheinung 
In die Luft, und neue Bilder 
Drängen ſich empor am Himmel. 


Sind vielleicht die Wolken droben 
Lichte Träume nur des Weltgeiſts, 
Wenn er ſchlummert, Gottgedanken, 
Die in luft'gen Stoff gebildet 
Durch den klaren Himmel fluten, 
Allzuſchön für unſre Erde? 





— 135 


Schlimmer Beſuch. 


Die Grillen. 
Siehft vu das Wölkchen 
Fliegen im Stillen? 
Mir find das Völkchen 
Närriiher Grillen. 
Des Bauern Kammer 
Gab feinen Schmausg, 
Des Handwerks Hammer 
Trieb uns hinaus; 
Doc ungebeten 
Mollen wir rajten 
Bei dem Poeten, 
Dei dem Phantaſten. 
In die Gedanfen 
Beim Lampenſchein 
Schmwirren und ſchwanken 
Mir ihm hinein. 
Der Poet, 
Wie laftend drückt des Zimmers Dede 
Hernieder, zum Erſticken jchier! 
Der Bücerjtaub, in dem ich ftede, 
Schafft ein unfäglih Unbehagen mir, 
Ich bin nicht frank, und doch verjaget 
Mir jedes geiftgeborne Wort — 
Doch ſei's verfuht! — Auf! Unverzaget! 
Und mirf die trüben Schleier fort! 


Die Grillen, 
Thu nicht jo groß, 
Als wäreſt du Meifter: 
Die Eleinen Geifter 
Wirſt du nicht los. 
Hier, mein Gejelle, 


— 136 — 


Sind mir zur Stelle, 

Mo wir gedeibn; 

Mir miſchen dir leise 

Mit Wermutb die Speife, 

Mit Mißmuth den Wein; 

Wir mandeln im Scheyze 

Die Hoffnung zum Schmerze, 

Die Liebe zur Pein; 
Hier helfen nicht Sprüche, noch Kreuze, noch Schmüre 
Und würfeſt du glüdlich hinaus uns zur Thüre, 
Wir ſchlüpfen durch's Schlüſſelloch wieder herein. 





Dom Genius. 


Kommt mwohl, daß ein berühmter Mann 
Hat feinen Fehler dann und wann, 

Daß er auf's Geld fich nicht verjteht, 
Die Wirthſchaft gehn läßt, wie fie geht, 
Beim Weine Zeit und Maß vergißt, 

Und fonft thut, was nicht fauber ift. 
Das Alles wird nun nimmer fein, 

Doch mag man’s folhem Mann verzeihn, 
Miewohl er ohne das auf Ehr’ 

Einem noch zehnmal lieber wär. 


Doh nun meint mand ein Hafenfuß, 

Im Dred, da figt der Genius, 

Und Unordnung und loſes Weſen 

Das iſt fo reht vom Geiſt erleſen; 
Verſucht's auch luſtig hinterdrein 

Auf ſolche Art genial zu ſein; 

Verdirbt bei Dirnen ſich das Blut, 
Schlampampt, verthut ſein Hab' und Gut, 





— 137 — 


Und meil ihm das denn baß gelingt, 

Er’3 bald zu Raufh und Schulven bringt, 
Sp bläst mein Narr die Nüftern auf, 
Als wär die Welt bei ihm zu Kauf, 

Und fieht jedweden Ehrenmann 

Für einen Lumpenhund nur an. 


Doch zehnfah arg wird's und verkehrt, 
Menn in ein Weib der Teufel fährt; 
Gleich ift ihr zu gemein das Leben, 
Muß immer in den Wolfen fchmeben, 
Kriegt die Bapeurs und hat das Maul 
Vol Nevensarten von Sean Paul, 
Studiert ven Hegel zum Zeitvertreib, 
Und trägt fein reines Hemd am Xeib. 
Am Feur der Braten brennt zu Ajchen, 
Die Kinder laufen ungewaſchen, 

Und kommſt du erjt zu ihr in's Haus: 
Sp fieht’3 in feinem Sauftall aus. 


Und muß ich ſolche Unbild jehn 
Dem armen Genius geichehn, 

Wie freh in feine jchlechtiten Lappen 
Die eitlen Affen ſich verfappen, 

Die doch — zu reden gar gelind — 
Mißrathene Philiſter find, 

Da ſeufzt mein Herz voll Ingrimm auf: 
O Simſon, Simſon ſteig herauf, 
Und fahre mit dem Eſelsbacken 

Dem Volk allmächtig in den Nacken, 
Bis ihm die Genialität 

Für heut und immerdar vergeht! 


— 188 — 


Der geſtrenge Krifikus. 


Ich hört' einmal ein Brüllen groß, 
Schon dacht' ih: Himmliſcher Vater! 
Das iſt ein Leu! Doch fand ich bloß 
Einen ganz gewöhnlichen Kater. 


Mag man immer den Lömwenton 

Dem pugigen Thierchen verjtatten ! 

Die Bären und Panther läßt es ſchon 
Und fängt uns die Mäuf’ und die Ratten. 


Des Zechers Traum. 


Mit den Freunden bei der mächt'gen Bowle 
Hatt' ich tief bis in die Nacht geſeſſen; 
Sieh, da kam im Schlaf ein ſeltner Traum mir. 
An dem Strand des unfruchtbaren Meeres 
Irrt' ich von gewalt'gem Durſt gepeinigt 
Hin und her zur Zeit der Sonnenrüſte; 
Eine Quelle ſucht' ich, einen Brunnen, 

Mich zu laben, doch umſonſt! Da rief ich 
Sehnſuchtsvoll umher mit heiſ'rer Stimme: 
O wer ſchafft zu trinken mir, zu trinken, 
Aber nicht zu wenig — ich verſchmachte — 
O wer ſchafft zu trinken mir, zu trinken! 


Siehe, da geſchah ein plötzlich Wunder; 
Denn des Meeres ungeheure Tiefe 

Ward verwandelt zur kryſtallnen Schale, 
D'rum als Kranz des Ufers Wälder lagen. 
Klares Waſſer ſah ich drinnen dampfen 





— 139 — 


Hell durchſichtig; aber Riff' und Klippen 
Waren eitel Süßigkeit, und ſchmolzen 

In der heißen Flut; des Abends Strahlen 
Schoſſen als ein goldner Strom herunter 
Edlen Geiſts, und färbten bis zum Rande 
Nun die Miſchung, daß ſie zitternd glänzte. 
Doch zuletzt als Rieſenpomeranze 

Sank die Sonn' herab und wogte ſchwimmend 
Auf dem Trank dahin, die Schale krönend. 


Und begierig, mit den trodnen Lippen 
Schlürfend ſetzt' ih an, und fchon berührte 
Mir das feltne Naß den Mund — da medte 
Mid der Schlag der Uhr; vom Lager fuhr ich 
Durftig auf, und mußte herzlih lachen. 


Der Geiſt von Würzburg. 


Zu Würzburg in der gülonen Blum, 
Da, fagt man, geht ein Geift herum, 
Der hat dem Wirth von Mitternadt 
Bis Eins fhon manden Schred gemadt. 
Kamen eimal drei Studiofen 

Mit Inappem Reitwamms, Lederhofen 
Und hellem Sporenklang daher, 

Denen erzählt der Wirth die Mähr. 
Machen die Herren ein Hug Geficht, 
Sagen, fie glaubten fein Wort ihm nidt, 
Sein gar gewigt und viel gereif't, 

Und forcht'ten fih vor feinem Geift! 
Mollten no heut die Brobe machen, 
Den Geift zu bannen und auszuladen. 


— 10 — 


So fasten fie vergnügt im Ginn, 

In die verrufene Kammer fi bin, 
Stellten drei Lichter auf den Tiſch, 

Der Wirth bracht’ ihnen vom Weißen frifch; 
Sie disfurrirten bin und ber, 

Trank jeder ein Maß und wohl nod mehr. 
Und als es ſchlug die zehnte Stunden, 
Der Weiße wollt! ihn'n nicht mehr munden, 
Liegen fih drum vom Rothen bringen; 
Der machte fie alsbalde fingen, 

Und jeder zu befundrer Luft 

Viel neuer Schwänk' und Liedel mußt’. 
Doch als die Thurmuhr Eilfe ſchlug, 

Sie hatten des Rothen auch genug; 
Forderten mit gejchliffnen Kelchen 

Noch Einen Wein, ihr merkt fhon melden: 
Der hell im Glaſe rauſcht und fäufelt, 
Und lihten Schaum und Perlen fräufelt. 
Dep tranfen fie nun auch ihr Theil, 
Hatten dabei nicht lange Weil, 

Bis endlih mit gelindem Schwanfen 
Umgingen ihnen die Gedanken, 

Ein leifer Froft fie überfam, 

Der Kopf ward ſchwer, die Zunge lahm. 
Da ſchlug es Mitternadht vom Thurm; 
Auffuhr die Thür al3 wie im Sturm, 
Und trat herein zu ihrem Graun 

Der Geift, entjeglih anzufhaun, 

Aſchfarb von Antlig, Kleid und Schopf, 
Hinten mit einem langen Zopf, 

Die Na’ allein in rothem Schein, 
Erglühend wie Karfunfelitein. 

Hertrat zum Tiſch das Ungethüm, 

Fuhr an die Herrn mit heif’rer Stimm’: 
„Bas treff' ih euch, ihr lodern Buben, 





— 


2 


— 1411 — 


Zu folder Zeit in diefer Etuben? 
Könnt ihr nicht ruhig fchlafen aus, 
Oder mit rechtem Fleiß zu Haus 
Ariftotelem erponiren, 

Euch aufs Examen präpariren? 
Statt dejjen weicht ihr hier im Wein 
Eure ſteinharten Köpfe ein, 

Verſtört die Nacht aus ihrer Ruh; 
Und was beginnt ihr morgen fruh? 
Mas ift dann eurer Seelen Nahrung? 
Antwort: dünn Bier und falzen Harung. 
Denn wie wohl fändet ihr den Weg, 
Zu befirer Atzung in's Golleg ? 


Damit padt’ er den Griten frisch, 

Warf kurz und gut ihn unter'n Tiſch; 
Den Zweiten ſchnürt' er an ver Kehlen, 
Der meint‘, es führ’ ihm aus die Seelen, 
Den Dritten pantſcht' er auf den Baud, 
Daß von ihm ging mandh Seufzerhaud. 
Das war ein ungefüges Raufen, 

Ein banges Winfeln, Keuhen, Schnaufen, 
Bis bei dem erſten Schlag der Uhr 

Der Geijt mit Stanf von dannen fuhr. 


Den Herren war nicht wohl zu Muth, 
Verſpürten falten Schweiß und Glut, 
Dlieben ganz ftille in der Schenken, 
Shliefen die Naht auf harten Bänfen; 
Und als der Wirth früh Morgens kam, 
Bon ihnen die ſchwere Zeche nahm, 
Bekannten fie mit bleihen Mienen, 

Der Geijt wär’ ihn'n doch erſchienen; 
Noch läg's ihnen in den Gliedern ſchwer, 
Und mwollten ihn bannen nimmermehr. 


— 12 — 


Der Geift zu Würzburg in der Kammer 
Heißt inSgemein: Herr Katenjammer, 
Und die Moral von der Geſchicht: 

Auf Weißen trinkt kein'n Rothen nicht; 
Und fegt ihr gar Champagner drauf: 
Der Geift von Würzburg wart't euch auf. 





Der Troubadour. 


I. 


Da ih dich ließ, du wunderfhönes Weib, 
Dom dumpfen Stundenfhlag hinweggetrieben, 
Da ſchied von dir der ftaubgeborne Leib, 
Doch ijt die Seel’ in deiner Haft geblieben. 


Mein Sinnen, Sehnen, die Gedanken all 
Umflattern dich, verfpottend Schloß und Riegel, 
Sa, jelbit der Gaufler Traun ward dein Bafall, 
Dein Bild allein noch zeigt fein Wunderfpiegel. 


So bin ich dein bei Tag, jo bleib ich dein, 

Menn Naht und Schlaf auf meinen Wimpern liegen ; 
Du biſt die Kerze ftetS, um deren Schein 

Wie trunfne Falter alle Wünfche fliegen. 


Du bift zugleih mir Mufe und Gedicht, 
Feltklarer Stern im irren Weltgetriebe, 

Luft meines Lebens — ad, und fiehjt es nicht, 
Und ahnſt es nicht einmal, daß ich dich liebe, 





Il. 


Du bift fo Schön, ih wag' es nicht 

Dich anzujhauen, 

Du fchlanfe Lilie hoch und Licht 

Im Kranz der Frauen; 

Du Kön’gin fonder Hermelin, 

Bon deren Stirne Gnad' und Hoheit jcheinen, 
Du bijt jo ſchön — o laß mich vor dir fnie’n, 
Und ſtumm auf deine Füße weinen! 


Ich kann die Wonne, kann den Schmerz 
Nicht mehr verſchweigen, 

Ich kann nur flehn: Nimm hin dieß Herz, 
Es iſt dein eigen. 

Nimm's, deiner Huld werthloſen Raub, 
Und blid’ es an zwei ſelige Sekunden; 

Da wirf es hin und tritt e$ in den Staub, 
Es hat des Heils genug gefunden, 


Doch milje, Feines Fann dir je 

Wie dieſes ſchlagen, 

So weit beſchwingt um Land und See 
Die Winde jagen; 

So weit das lichte Morgenroth 

Dahinfleucht durch die Welt mit raſchen Gluten, 
Iſt keins wie dieß bereit in ſel'gem Tod 

Sein Daſein für dich hinzubluten. 


IH. | 
D meißt du, was den wilden Schwan 
Treibt über Meer in füplih Land, 
Mas aus dem Schadht zum Licht hinan 
Das Bächlein zwingt durd Kies und Sand? 


s 


— 15 — 


Kannit du es fagen: 
Dann magft du fragen, 
Mas mih an deine Schritte bannt. 


Dann magit du fragen au, warum 
Dieß Auge brennt, das jtetS gelacht, 

Warum der fede Mund ward ftumm, 
Kein Becher mehr mich fröhlih macht, 
Warum in Sorgen 

Mich trifft der Morgen 

Und jchlaflos die geſtirnte Nacht. 


Ich weiß nur das: Trüb oder froh, 

Gin Schidjal iſt's, ih gab mic drein; 
In meinen Sternen flammt' es fo, 

Und Lieb’ ijt Lieb’ in Luft und Bein. 
Drum duld' es ftille, 

Daß all’mein Wille 

Um dich fich dreht: nimm hin, was dein! 


EV. 


D du der Schönheit Fürſtin ftolz und hoch, 
Du Räthſelvolle, die fein Sinn erfaßt, 
Du bijt jo falt und zündeſt Flammen doch, 
Und jelbit fo ruhig raubſt du alle Raſt; 
Du machſt mid irre an meines Herzens Schlag, 
Mich felbjt verlor ich, feit ich dich gejehn; 
Schlaflofe Naht löst ab verträumten Tag 

Mit Zweifeln, Gluten, Wehn — 
Du aber lädeljt fort, als wäre nichts gejchehn. 


Dft zweifl' ih, daß dir eine Seele ward, 
Und wieder mein’ ih dann, fie ſchlafe nur, 
Seibel, Gef. Werte. II. 10 


— 146 — 


Und wer fie wel’ aus ihren Träumen zart: 

Ihr holdſtes Wunder zeige dem Natur; 

Urplöglid, wie der Lenz kommt über Nacht, 

So müſſ' aufquellend einft in jäher Luft 

Dein Weſen all erblühn in Frühlingspradt, 
Wenn deine junge Bruft 

Zum erjtenmale fühlt, wovon fie nie gewußt. 





D dürft’ ich der gefeite Zaubrer fein, 

Der jo den Froft in Maienwonne fehrt, 

Der deine Wangen glühn in haſt'gem Schein, 

Dein Aug’ in brünft'gen Thränen fluten lehrt! 

Dürft' ich der fein, der dir die Seele giebt, 

Die jtummen Räthſel löfend deinem Sinn, 

Der Sel’ge, den du liebjt, weil er dich liebt — 
O was ih hab’ und bin, 

Die eigne Seele halb, die ganze gäb' ich hin! 


Verwegner Traum! Doch wie du immer feift: 
Mich treibt zu dir allmädtige Gemalt; 
Gebannt in deine Kreije liegt mein Geiſt, 
Ich kann nicht los, und thujt du noch fo kalt. 
Du ziehjt mich nad dir wie der Mond die Flut, 
Wie der Magnet das Eifen fiegreich zieht; 
Und ob du harmlos fpieljt mit meiner Glut, 
Ob jtreng dein Auge fieht: 
Mein unjtät Herz ift dein, und dein mein dunkles Lied. 


Y 


Streih aus mein Roß, die Flanken hoch! 
Die Meute bellt, es Elingt das Horn, 
Der Tag ift wild, doch milder noch 

Dein Reiter; % 


— 147 — 


Es treibt durch Schnee, Geftrüpp und Dorn 
Ihn raftlos, ruhlos weiter. 


Ich habe getrunfen einen Tranf, 

Lieb’ heißt der Trank, und der war heiß. 
Davon bin ich geworden franf 

Im Herzen. 

Mir will nicht Fühlen Winters Eis 

Noch jharfer Sturm die Schmerzen. 


Drum rafh, als könnt’ ich fliehn mein Meh! 
Was ſchiert's mi, wenn die Sonn’ entwich! 
Schon färbt des Hirſchen Schweiß den Schnee 
Der Haide; 

Ich jage das Wild, die Liebe mich, 

Bis wir erliegen beide. 


VI. 


Durch die erſtorbnen Gaſſen, 

Die kalt im fahlen Mondenjhimmer liegen, 
Durch Pfeilerhallen, über Marmorftiegen 
Schweif’ ich umher verlafjen, 

Und den? in Gram verfenfet 

An dich, die meiner nimmermehr gevdenket. 


Mie unter fchmweren Laften 

Ein Mann vom Holzichlag feucht auf Waldespfaden, 
So feufz ich mit des Kummers Wucht beladen, 
Der nicht vergönnt zu rajten, 

Und meiter ohn’ Grmatten 

Mich forttreibt, umzugehn, mein eigner Schatten. 


Und führt zu deiner Schwelle 
Mein Weg mid, der da weiß von feinem Ziele: 


— 148 — 





Rankt meine Seele ſich in leerem Spiele 
Um vie geliebte Stelle; 

Ich Steh’ gebannt, und meine 

Brennende Thränen auf die falten Steine. 


VII. 


Wohl kenn' ich vom Beginne 

Der Neigung Jahreszeiten; 

Die Veilchen erſter Minne 

Brach ich, und brach die Roſen dann der zweiten. 
Doch ſeit ich dich erkannt mit Geiſt und Auge, 
War fürderhin kein Streiten 

In dieſer Bruſt, was mir zu lieben tauge. 


Denn ein Gemüth, tief innig 

Und ſpiegelklar zum Grunde, 

Denn einen Leib ſo minnig, 

Wie Gott ihn ſchafft in rechter Gnadenſtunde, 
Dazu den Geiſt, für jede Weisheit offen, 
Die edlen Drei im Bunde 

Hab' ich, o Herrin, nur bei dir betroffen. 


O dürft' ich all mein Weſen | 
Ergeben dir, du Hohe, j 
Wie würde da genejen 

Zu füßem Heil vieß Herz, das liederfrohe! 1 
Nichts wüßt' ih, was mir befire Luft gewährte, . 
Als meines Geistes Lohe ; 
Zu ſchüren, daß der Schimmer dich verflärte. # 


Doch runzelft du die Brauen 
Und ſchämſt di meines Strebens; 
Ad, darin muß ih jhauen 





— ⏑ — 


Gerechte Buße frühern Ueberhebens. 

Einſt hab' ich die mich liebte kalt betrübet, 
Nun lieb' ich ſelbſt vergebens — 

Das iſt die Minne, die Vergeltung übet. 


So will vor deinem Zorne 

Ich Flucht und Fahrt erküren, 

Will mich an fremdem Borne 

Erlaben, und will ruhn an fremden Thüren. 
Und ſtatt des luſt'gen Spiels der Minneſinger 
Die Harfe will ich rühren, 

Ein düſtrer Pilgersmann, mit rauhem Finger. 


Du aber, hörſt du ferne 

Des Sängers dumpfe Töne, 

Nur ſo viel Huld erlerne, 

Daß ohne Haß dein Ohr ſich dran gewöhne. 
Und ſo fahrwohl du, die ich trag' im Sinne, 
Fahrwohl du ſtolze Schöne! — 

Dieß iſt von mir das letzte Lied der Minne. 


VIII. 


Ich hab' es bei mir ſelber wohl erwogen 
In einer langen ſchlummerloſen Nacht, 

Daß Liebe, die mir Süßes viel gebracht, 
Mich dennoh um mein bejtes Glück betrogen. 


Denn jeit der Zeit, daß ihrer ich gepflogen, 
Derlor ih Ruhe, Heiterkeit, Bedacht; 

Bald war mein Sinn zu wilder Glut entfacht, 
Und bald in Schmerzen fern hinaus gezogen. 


— —⏑—— 


Darum beichloß ic, fonder Ungeduld 
Dem holden Neiz auf immer zu entjagen, 
Und abzuthun der Neigung ſüße Schul. 





Sn Ruhe follit fortan, mein Herz, du jchlagen, 
Und ftatt des Schattens flücht'ger Ervenhuld 
Die Ewigkeit in deiner Tiefe tragen. 


Balladen und Erzählungen. 


Balladen vom Hagen und der Königstoditer. 


r, 


Der alte König zog zu Wald, 

Das ift ein Jagen heute! 

Der Nenner fchnaubt, das Hüfthorn fchallt, 
Sm Buſche bellt die Meute. 


Und als die Sonn’ im Mittag jteht, 
Da hat im Buchengehege 

Des Königs roſiges Töchterlein 
Verloren ji) vom Wege. 


Sie reitet jacht, es reitet mit ihr 
Der Bag’ im gelben Haare 

Und wäre fie nicht des Königs Kind, 
Sie taugten zum ſchönſten Paare, 


Er ſchaut fie an, fein Herz erbebt, 

Der Forft wird immer dichter, 

Die Wangen brennen ihm bis zur Stirn, 
Mit brennenden Wangen fpridt er: 


— 12 — 


„Du bold holdfelige Prinzeß, 

Ih kann's nicht mehr verfchweigen, 
Mein junges Herz, das bricht vor Lieb’, 
Mein Herz, das ift dein eigen.“ 


„D dürft! ih auf den rothen Mund 

Ein einzigmal dich füllen! 

Sch wäre der jeligfte Mann von der Welt, 
Sollt’ ih drum fterben müfjen.” 


Sie jagt nicht Ja, fie jagt nicht Nein, 
Sie hemmt des Rofjes Zügel, 

Und als fie fih vom Sattel ſchwingt, 
Da hält er ihr den Bügel. 


Sie ſchreilen hinein in den tiefen Wald, 
Da find fo fchattig die Lauben, 

Da fingt von Liebe die Nachtigall 

Und girren die Zurteltauben. 


Da ſprießt die rothe, die wilde Roſ' 
In grünen Finfterniffen ; 
Da beut am Grund das friihe Moos 
Der Lieb’ ein Rubefifjen. 


Sie ruhn im Moos bei der milden Roſ', 
Die Rofje laſſen fie grafen, 

Sie hören nicht mehr die Nachtigall 
Und nicht der Jäger Blaſen. — 


Du alter König, harre nicht! 
Die ſchönſte der Prinzeſſen 
Sie hat in deines Pagen Arm 
Dih und die Welt vergefjen. 





— 155 — 


ie 


Zwei Reiter reiten vom Königsſchloß, 
Sie reiten hinab zum Strande; 

In hohen Lüften pfeift der Wind, 
Die Wellen fhäumen zu Lande. 


Der König ſpricht zum Bagen fein, 
Gr ſpricht's in finfterem Mutbe: 
Mer gab das Röslein dir, Geſell; 
Das Nöslein auf deinem Hute? 


Das Röslein gab die Mutter mir, 
Da jie mich ließ in Sorgen! 

Ich ſtell's in Waſſer jeve Nacht, 
So blüht es jeden Morgen.” 


Sie reiten entlang an der blauen Budt, 
Die Woge murrt eintönig, 

Die Möven fliegen kreiſchend auf, 

Zum andern fragt der König: 


Weß ift die Lode, die ich fah 
An deine Bruft geihlungen, 

Da dir vorhin vom fharfen Ritt 
Das Reitwamms aufgeiprungen? 


„Das iſt meiner Schweiter lihtbraun Haar, 
So fein und weich wie Seiden! 

Es duftet ſüß wie Roſenöl, 

Sie weinte drauf beim Scheiden.“ 


Sie reiten hinauf den Felſenſteig; 
Am Pfad ſind eingeſchnitten 
Blutrunen aus uralter Zeit, 

Der König fragt zum’ dritten: 


— 154 — 


Sag an und rede die Wahrheit mir, 
Gefell, es gilt dein Leben, 

Mer hat den Ring am Finger dir, 
Den goldnen Ring gegeben? 





„Die mir den Ning am Finger gab, | 
Gab mir ihr Herz desgleichen ; | 
Das ift die allerfhönjte Maid 

In allen deinen Reichen.” 


Des Königs Stirn wird roth wie Blut, 
Die Augen zornig ihm brennen; 

„Der Ring ift meines Kindes Ring! 
Sein Blinfen muß ich kennen. 


Und mwagteft du in fredher Lujt 

Um ihren Leib zu werben, 

So dauert dein jungfrifh Leben mich nicht, 
Des Todes mußt du fterben.“ 


Gr zieht hervor jein feharfes Schwert, 
Er ftößt es durch's Herz dem Gejellen; 
Das Blut fließt über ven Runenſtein 
Hinunter in die Wellen. 


Be N TE 


Er wirft den Leichnam in die Flut: f 


„Und fteht fo hoch dein Sinnen, 
So magſt du um die Königin jeßt f 
Der Wajlerniren minnen!” 2 

ä 
Den Strand entlang zum Königsſchloß 5 


Heimreitet ein düſterer Reiter; 
Hinaus in's Meer die Leihe ſchwimmt, 
Die Wellen raufchen weiter. 





TER 


Am Runenftein in der Sommernadt 
Da jpielen die Wafjerfrauen; 

Das Waſſer Elingt, e3 fingt die Luft, 
Der Mond ftehbt hoch im Blauen. 


Das plätichert und lacht, das wogt und taucht 
Wie Lilien auf und nieder, 

Es ſchwimmt auf der Flut das golone Haar, 
63 ſchimmern die weißen Glieder. 


Mit ſchilfigem Bart der Meermann bläst 
Die gemwundene Mufchelpofaune, 

Die Niren ſchlingen den Reigen dazu, 
Sie find in der beiten Laune. 


Da jchreit die Jüngſte und fichert drauf: 
Gi feht, was fand id in der Welle! 
Ein blintendes winfendes Todtengebein, 
Wie Silber glänzt es jo helle. 


Ich jtieß mit dem Fuß an’s Korallenriff 
Beim luftigen Untertauchen, 

Da lag’s in den Aeſten, ih 309 e3 hervor; 
Nun jagt, wie können wir's brauchen 2” 


Neugierig bejhaut der Schwarm den Fund, 
Die Königin ſpricht mit Lachen: 

„Das beinerne Ding ijt hübſch und fein, 
Eine Harfe wol’n wir draus maden. 


Komm Scilfbart, alter Mufikant, 

Du weißt von folhen Dingen; 

Ich chen? einen Schwertfiih dir zum Roß, 
Kannſt du's zu Stande bringen.“ 


— 16 — 


Der Meermann kommt, er nimmt das Gebein, 
Er fügt es mit langem Geflügel, 

Er macht aus den Fingern die Wirbel gut, 
Aus dem Bruftbein madht er den Bügel. 


Gr nimmt von der Königin goldenem Haar, 
Und fpannt es drüber als Saiten; 

Ei wie fo wunderfam durch die Nacht 

Die Töne ſchwellen und gleiten! 


- Nun Schlägt er die Harfe wohl auf und ab, 
Da laſſen die Wellen das Raufchen, 

Der Wind hält leife ven Odem an, 

Und ſchlummert ein im Laufen. 


Die Möven jegen fih nieder am Strand, 
Goldfiſchlein jteigen vom Grunde, 

Es horcht die Luft, es horht das Meer 
Bezaubert in der Runde; 


Der Meermann harft und fingt darein, 
Er fühlt niht Müh noch Sorgen; 

Die Niren ſchlingen ven Reigen dazu 
Bis an den rothben Morgen. 


IV. 


Die Lampen funfeln im Königsſchloß, 
Es klingen die Flöten und Geigen; 
Des Königs ſchönes Töchterlein 
Tanzt drinnen den Hochzeitreigen. 


Sie trägt im Haare den Viyrtenkranz, 
Doch wandelt fie jtumm und befangen; 
Sie trägt an der Bruft die blühende Rof', 
Doc find ihr fo bleih die Wangen. 





— MM — 


Sie tanzt mit dem fremden Königsjohn, 
Er geht in Burpur und Seide; 

Doch ſchöner, taufendmal ſchöner war 
Der Knab' im Pagenkleide. 


Am goldnen Tiſch zwölf Jungfraun ſtehn, 
Den perlenden Wein zu kredenzen; 

Zwölf Pagen ſchwingen ſich um das Paar 
Mit lodernden Fackeln und Kränzen. 


Urplötzlich löſchen die Fackeln aus, 
Urplötzlich verſtummen die Geigen; 
Der alte König fährt vom Sitz: 
„Sagt an, was ſoll dieß Schweigen?“ 


„Herr König, nicht entbrenn' in Zorn, 
Wir dürfen nicht blaſen und ſtreichen; 
Der Meermann harft vor dem Schloſſe dein, 
Dem Meermann müſſen wir weichen.“ 


Und horch, empor vom Meere weht 

Ein ſüßes trauriges Schallen, 

Es ſchleicht ſo ſacht durch die dämmernde Nacht 
Herein in die feſtlichen Hallen. 


Es ſchleicht ſo ſacht in das Ohr der Braut; 
Ihr iſt, als ob aus der Tiefe, 

Als ob aus der Tiefe mit Allgewalt 

Der liebſte Buhle ſie riefe. 


Ihr quellen die Augen, ſie weiß nicht warum, 
Sie muß in Thränen zerfließen; 

Aus ihren Locken der Myrtenkranz 

Fällt welk zu ihren Füßen. 


— 158 — 


Dem König rieſelts durch Mark und Bein, 
Er fleucht entjegt vor dem Schalle; 

Es eilt der fremde Königsjohn 

Nach feinen Roſſen im Stalle. 


Im Saale liegt die bleihe Braut, 

Ihr ift das Herz zerjprungen; 

Der Morgen trüb in die Fenjter graut, 
Des Meermanns Harf iſt verklungen. 


Des Deutfdhritfers Ape. 


„Herr Dtt vom Bühl, nun drängt die Noth, 
Nun zeigt, wie treu ihr's meint! 
Das Feld ift roth und die Brüder find todt, 
Und hinter uns rafjelt der Feind. 


„Wohl Elag’ ich manch gebrochnen Speer, 

Manch Wappenſchild zeripalten; 

Doch ſchmerzt's um den heiligen Kelch mich noch mehr 
In meines Mantels Falten. 


„Im Schlachtfeld tranken wir alle daraus, 
Zu ſühnen uns mit Gott; 

Soll nun beim wüſten Siegesſchmaus 
Der Heid' ihn ſchwingen zum Spott? 


„Herr Ott und fühlt ihr euch ſtark und jung, 
Noch einmal wendet das Roß, 

Verſucht mit ſcharfem Schwertesſchwung 

Noch einmal zu hemmen den Troß. 


„Und haltet ihr nur ſo lang' ihn auf, 
Als ihr ein Ave jagt, 

So rettet meines Hengjtes Lauf 

Den Kelch, um den ihr’s wagt.“ 


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— 1659 — 


Herren Otts Belinnen war nicht groß, 
Sprab; Ja, und meiter nichts; 

Des Meiſters Roß von dannen ſchoß 
Im Strahl des Mondenlichts. 


Und als das Kreuz auf dem Mantel weiß 
Nicht mehr zu fennen mar, 

Da ſauste ſchon auf Säulen heiß 

Heran der Lithauer Schaar; 


Und al3 ver Mantel fern im Schwung 
Nur ſchien wie ein fliegender Schwan, 
Da fielen fie ven Nitter jung 
Mit grimmigen Streidhen an. 


Die frummen Schwerter blinften frei, 
63 rafjelten dumpf die Keulen, 
Dazwiſchen ging ihr Kampfgefchrei 
Wie hungriger Wölfe Heulen. 


Herr Dit vom Bühl ſprach: Ave Marie, 
Und führt’ einen Hieb, ver traf; 

Der Hauptmann flog vom Sattel auf’3 Knie 
Mit durchgeſpalt'nem Schlaf. 


Das zweite Wort der Held dann fprad, 
Und hieb noch kräftiger ſchier; 

Der Bannerträger zufammenbrad, 

Und über ihn fiel daS Banier. 


Und Wort um Wort, und Streib um Streich, 
Das war ein tapfer Gebet: 

Bei jedem Spruch lag aljogleich 

Ein Heide dahingemäht, 


— | 7 


Und e3 klaffte dem Ritter das Stahlhemd meit, 
Und es färbten die Ringe fich roth, 

Gr aber ward nicht laß im Streit, 

Und jeder Schlag war Tod. 


Und es barit jein Schild, und e3 ſank fein Pferd, 
Da kämpft' er fort zu Fuß; 

Mit beiden Händen ſchwang er dag Schwert, 

Und betete weiter den Gruß. 


Und als zu Ende das Ave gieng, 
Cr führte noch Einen Streich, 
Und in gethürmter Leihen Ring 
Hinſank er blutend und bleid. 


Sein Mund ward jtumm, fein Arm ward jchwer, 
Im Tode jtand fein Herz; 

Nicht: Amen konnt' er ſprechen mehr, 

Das mar fein legter Schmerz. 


Doch die Lithauer warfen die Renner herum, 
Kein Streit mehr lüſtete fie. 

Öerettet war das Heiligthum 

Durch des Ritters: Ave Marie, 


Gott geb’ ihm droben jelige Statt 
Auf's toſende Schlachtgetümmel! 
Wer ſo auf Erden gebetet hat, 
Mag Amen ſagen im Himmel. 





ge 1 — 


Die Windshrauf. 


Nun ift der Frühling kommen ins Land, 
Sp wonnig geht fein Hauch; 

Es ſchlägt die junge Nachtigall 

Am blühenden Flievderjtraud. 


Sie ſchlägt fo füß, fie fingt fo trüb 
Don großer Liebesmadht; 

Am Spiegel ſteht das Burgfräulein 
Und ftrählt ihr Haar und ladıt. 


Da tritt ihr Bruder dar zu ihr: 
„O Schweſter Kunigund, 
Verzeih' dir Gott das Lachen 
Von deinem rothen Mund! 


„Verzeih' dir Gott dein arges Spiel 
Und deinen harten Sinn! 

Wer hat dich ſolche Kunſt gelehrt 
Du ſtolze Zauberin? 


„Du fängſt mir Ritter und Edelknecht 
Mit deiner Augen Schein; 

Du ſingſt ihr Herz in Liebesglut, 
Und deins bleibt kalt wie Stein. 


„O Schweſter, wer mit Flammen ſpielt, 
Der löſch' auch, wo es brennt; 
Dein Locken und dein Höhnen 
Das nimmt kein gutes End.“ 


Das Fräulein ſchüttelt ihr goldnes Haar: 
„Du ſprichſt nicht nach Gebühr. 
Und glänzt mein Aug', und blüht mein Mund, 
Sag' an, kann ich dafür? 
Geibel, Geſ. Werke. II. 11 


— 12 — 


„Was jhiert mich all die Liebesalut, 
Non Ritter und Edelknecht? 

Lab fie verderben und jterben! 

Sie find mir viel zu jchledt. 


„Laß fie verderben und jterben! 

Eh’ fie mich lehren frein, 

Der Wind, der Wind, das Königskind, 
Soll eh’ mein Buhle fein.“ 


Zu Nacht das Fräulein jchlief im Saal; 
Sie hatt’ einen jehweren Traum. 

Ihr war's, fie flög’ ein Vogel 

Im bovdenlojen Raum. 


Sie flog und hatte niht Raft, es ging 
Ein Saufen hinterher, 

Hoch über ihr die leere Luft 

Und unter ihr daS Meer. 


Und plöglih ward es todtenftill, 
Ihr Flügel war wie Dlet: 
Hinunter ftürzt ſie jählings — 
Da wacht fie auf im Schrei. 


Da horch, was Elirrt und flingt im Saal? 
Die Fenjter jpringen auf — 

Sp mie das Saufen dort im Traum 

So fließt’3 an ihr herauf. 


Des Lagers Deden lüften fich, 
Sie weiß nicht wie's gejchehn; 
Ihr faltig Nachtkleid flattert, 
Ihre goldnen Loden mwehn. 





— 18 — 


Es füßt fie was fe fühle, 

Daß ihr das Blut gerinnt; 

Es fommt ein langer luft’ger Arm, 
Und hebt fie auf gejchwind. 


„Hinaus, hinaus, Feinslieb, und fort 
Im weißen Mondenjchein ! 

Und ift dein Fuß gleich unbeichubt, 
Es geht zum Hochzeitsreihn. 


„Sb bin der Wind, das Königskind, 
Du überjtolzes Blut: 

Die Wälder neigen fi unter mir, 
Und mir gehordht die Flut.“ 


Und über die Wälder trägt er fort 
Und über daS Meer fein Lieb, 


Mit Saus und Braus und Pfeifenklang — 


Meiß feiner, wo fie blieb, 


Die Vürkenkugel. 


Auf der Höh’ am Feljenkirchlein, 
Rings vom Türfenheer umſchloſſen, 
Liegt ein Häuflein tapfrer Griechen 
Bon des Bozzaris Genofjen. 


Achtmal hat die Schaar dort oben 
Schon begrüßt den Strahl der Sonnen; 
Achtmal ſchon ergrimmten Muthes 

Hat der Feind den Sturm begonnen. 


Doch vergeblih in ven Schluchten 
Häuft’ er Todte nur zu Todten, 
Denn der Fels ijt jchroff, und ficher 
Trifft das Blei der GSulioten. 


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Drum von fern aus Feuerſchlünden 
Will er nun Verderben ſenden; 
Kugeln über Kugeln wirft er 

Nah den jteilen Feljenwänden. 


Aber mag fein glühend Eijen 

Seltnes Opfer nur erreichen: 

Schon beginnt ein andrer Würger 
Droben durch die Schaar zu fehleichen. 


Graufer al3 von Feindeswaffen 
Sit der Tod von Durftesqualen; 
Keinen Brunnen bat der Fellen, 


Und geleert find Schläud’ und Schalen. 


Und der Himmel blau und ehern 
Schaut herab mit Feueraugen; 

Ab, nicht reicht’3, daß von den Halmen 
Sie den Thau der Frühe jaugen. 


Bleih, mit hohlen Wangen, ſchwanken 
Um das Kirchlein vie Geftalten: 
Kaum vermag der Arm, entkräftet, 
Noch das lange Rohr zu halten. 


Dorrend flebt die Zung’ am Gaumen, 
Fieberglut durhrast die Glieder; 

In der Noth des neunten Abends 
Werfen fie fih flehend nieder: 


„Der du Mofis Stab gejegnet, 
Daß er Wafler ſchuf vem Volke, 
Der du auf Elias Rufen 
Kamft in ſchatt'ger Regenwolke, 





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— 15 — 


„Herr, erbarm, erbarm dich unfer! 
Sieh mir find wie trodne Scherben, — 
Bon des Feindes Schwert errettet, 

Laß uns nieht im Durft verderben !“ 


Und noch hallt es: „Herr, erbarm dich!“ 
Da in rothgewölbten Bogen 

Aus dem Türfenlager faujend 

Kommt ein Feuerball geflogen. 


Dröhnend ſchlägt er in die Klippe, 
Bohrt fih mwühlend tief und tiefer, — 
Horch, da ziſcht es leiſ', und filbern 
Zuckt es auf im Felsgeſchiefer: 


Und es blinkt, und rinnt und rieſelt, 
Und mit Brauſen dann geſchoſſen 
Well' auf Welle kommt das Waſſer, 
Dem das Erz die Bahn erſchloſſen. 


O wie lieblich rauſcht der Sprudel 
In das Ohr der Kriegsgefährten! 
O wie ſchlürfen ſie mit Wonnen 
Von dem Naß, dem langentbehrten! 


Aber dann zum frommen Danke 
Siehſt du ſie die Hände falten: 
„Sei geprieſen Herr der Gnaden! 
Wundervoll iſt all dein Walten. 


„Durch die Hand des grimmſten Feindes 
Weißt du Troſt und Heil zu geben; 
Tod gedacht' er uns zu ſenden, 

Doch du wandteft Tod in Leben!” 


— 16 — 


Der reihe Wann von Köln. 


Zu Köln ein reicher Kaufberr ja, 
Der hatt! ein Herz von Eiſen; 

Gr lebte dahin in Saus und Braus, 
Und drüdte Wittwen und Waiſen. 


Er zählte jein Silber und wog jein Gold 
Und lachte dazu im Stillen; 

Der Richter bog um Gunjt und Geld 
Das Recht nach feinem Willen. 


Da war ein Mägplein in der Stadt, 
Ein Kind von jungen Jahren, 

Er trieb es fort von Haus und Hof 
Mit grimmigem Gebahren. 


Und als der Schnee im Winter fiel 
Und ging der Rhein mit Eife, 

Ihn jammerte nicht des Kindes Noth, 
Das hatte nicht Kleid noch Speife. 


Und al3 der Frühling fam ins Land, 
Die Vöglein fangen mit Schalle: 

Sie fanden das Mägpdlein Morgens todt 
Auf einer Streu im Stalle. 


Sie trugen es fort und gruben es ein 

Am Friedhof auf der Wieſe; 

Die Seele gieng in Sankt Michaeis Schooß 
Hinauf zum Paradiefe. 


Den Tag darnach der Kaufmann ritt 
Wohl lahend daher im Trabe, 

Da jtanden drei Lilien weiß wie Schnee, 
Gewachſen auf dem Grabe; 





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Da ſtanden drei Lilien weiß wie Schnee, - 
Im Winde die Blumen gingen; 

Ein Vöglein ſchwang vom Hügel fih auf, 
Sm Flug hub's an zu fingen: 


„Herr Marı von Köln, Herr Mare von Köln, 
Wie bleih ift dein Gefichte! 

Du biſt ein Mörder, Herr Marr von Köln, 
Sch lade dich zu Gerichte.“ 


Dem Kaufheren wohl das Lachen verging, 
Sein Muth war all verloren; 

Gr wandte jein Roß und jagte nad Haus, 
Dom Blute troffen die Sporen. 


Er mochte nit nehmen Speife noch Tranf 
Bor ängſtlichen Gedanken; 

Wohin er ſchaut' in Saal und Hof, 

Drei Lilien ſah er ſchwanken; 


Und als er Nachts auf dem Kiffen lag, 
Keinen Schlaf fonnt’ er erzwingen; 
Sobald ihm fielen die Augen zu, 

Hört’ er das Vöglein fingen. 


„Ach helft mir, helft mir, lieber Arzt! 

Sch will's euch neunfach zahlen, 

Mir brennt’3 im Herzen wie hölliih Feu'r; 
Helft mir von diefen Qualen!“ 


Wohl ging der Arzt, mit Sorg’ und Fleiß 
Manch bittern Trank zu mijchen; 


Es that nicht gut, es that nicht jchlimm, 


Das Vöglein fang dazwischen: 


— 168 — 


„Herr Marr von Köln, an deiner Sünd’ 
Wird alle Kunſt zunichte! 

Du bit ein Mörder, Herr Marr von Köln! 
Sch lade dich zu Gerichte.” 





Und um die dritte Mitternacht 

Ging an der Thür ein Klopfen; 
Den Kranken trieb’S vom Lager auf, 
Ihm floß die Stirn von Tropfen. 


Und als feine Hand den Riegel jchob, | 
Sie flog vor Angjt und Schmerze; \ 
Und als die Thür in den Angeln ging, 


Ein Zug blies aus die Kerze. 

Der draußen ftand, das war der Tod; 

Er nahm Herrn Marx von Köllen, | 
Er jest’ ihn auf fein aſchfarb Roß i 
Und fuhr mit ihm zur Höllen. 1 


Am Waldfee. 


Da draußen an der Halbe, 
Da fingt ein Vöglein frei: 
Sung Blut, geh’ nicht zu Walbe, 
Im Walde wohnt die Fey. 


Bei Tag im Grafe funfelt 
Ihr ſchuppiger Schlangenleib ; 
Doch mwenn der Abend dunfelt, 
Wird fie ein Schönes Weib. 


Sie fit in Mondſcheinnächten 
Am jhmwarzen See im Tann, 
Und löst die langen Flechten, 
Und lodt ven Wandersmann, 





— 1660 — 


Da blitzen ihr die Augen 
Wie blauer Edelſtein; 
Ihre kalten Lippen ſaugen 
Sein rothes Leben ein. 


Es ſchallt wie Wonn' und Grauſen 
Ihr Lachen durch die Nacht, 

Bis fern mit kühlem Sauſen 

Der Morgenwind erwacht. 


Dann ächzt es in den Tannen, 
Dann brauſt's im Wogenſchlund: 
Eine Schlange rauſcht von dannen, 
Eine Leiche liegt am Grund. 


Herr Walther. 


Herr Walther lag im Zauberthurm 

In der Walpfrau jchneeweißem Arm; — 
Frau Mechthild Elagte bei tiefer Nacht 
Ihres Herzens bitteren Harm, 


Sie jaß auf ihrem vermittweten Bett, 
Und meinte Thränen wie Blut; 

Zwei Monden war's, daß ihr Gemahl 
Ihr nicht am Herzen gerubt. 


Und als der Morgen ins Fenfter ſah, 

Vom Lager jprang fie empor, 

Und al3 man im Münjter die Frühmette fang, 
Sie pocht' an des Biſchofs Thor. 


„Ach beiliger Bischof, nun rath und hilf, 
Groß Unheil jag’ ih dir an; 

Die Waldfrau hat meines Gatten Herz 
Bezaubert mit Spruch und mit Bann. 


— 1%. — ; 


„Wohl lebten wir Monden drei und vier, 

Und die Zeit ward nimmer uns lang; 

Tags Hang aus dem Wald herüber fein Horn, 
Und es hüpfte mein Herz bei dem Klang. 


„Und bei Nacht, wie blübte fo roth fein Mund! 
Und er füßte mich taufendmal. 

Nun hält ihn bezwungen das teufliiche Weib, 
Und einfam verzehrt mich die Dual. 


„Ah Biſchof, heiliger Vater mein, 
Und weißt du ein Sprüchlein nicht, 
Das jtarf iſt wider hölliſche Kunſt 
Und ſolchen Zauber zerbricht ?“ 


Den weißen Bart der Bilchof ftrich; 

Er griff in den Bufen hinein: 

„Da nimm die Kapfel von rotbem Gold 
Mit des Märtyrers heil'gem ©ebein! 


„Und hälft du fie bob in Sonn’ und Wind, 
Wenn von ferne die Gloden erjchallen, 

Und rufit dreimal jeinen Namen dazu, 

Der Zauber wird von ihm fallen.” 


Frau Mechthild ſchürzt' ihr langes Gewand, 
Sie fchritt in ven Wald hinaus, 

Und als auf den Gipfeln ver Mittag lag, 
Sie jtand vor des Waldweibs Haus. 


Da fam e3 gewogt durch die jtille Luft 
Die Gloden Elangen jo tief; 

Sie hielt die Kapſel in Sonn’ und Wind, 
Herr Walthers Namen fie rief. 








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Sie rief ihn zum zweiten und drittenmal, 
Vor Thränen vermochte ſie's faum; 

Herr Walther lag in der Waldfrau Schooß, 
Gr hob die Stirn wie im Traum, 


„Run jage mir an, mein jehneeweiß Lieb, 
Sag an was joll es bedeuten? 

Mir ift, als zöge mich was won hier, 
Und Gloden hört’ ich läuten. 


„Dir iſt, ih müßt mich bejinnen auf was, 
Mas jüß und theuer mir war.“ 

Da ſah fie mit funfelnden Augen ihn an, 
Und löst’ ihr wallendes Haar. 


„Sieh hin, fie her, was mwillft du mehr? 
Meine Loden find güldene Schlangen, 

Mein Leib iſt weiß und mein Mund ijt heiß, 
Du bijt und bleibjt gefangen.“ 


Und fie küßt' ihn mild auf den lechzenden Mund, 
Da vergiengen die Sinnen ihm all; 

Und als er zurüd in den Schooß ihr janf, 

Sie lachte mit lautem Schall. 


Frau Mechthild hörte das Lachen mohl, 
Ihr ſchnitt's wie ein Mefjer durch's Herz; 
Unter den Lindenbaum ſank fie dahin 
Aufs Moos in tödtlihem Schmerz. 


Sie wollte rufen und fonnt’ es nicht, 

Ihr war die Bruft jo beflommen; 

Sie rang und wand fih in ftummer Qual 
Es war ihr Stündlein gefommen. 


— 172 — 


Und als die Sonne zu finfen kam, 
Ein Knäblein lag ihr im Schooß, 
Das ſchaute fie an mit Walthers Blid 
Aus Augen blau und groß. 


„D Kind mein Kind, nun erbarme jich dein 
Der Vater droben im Licht! 

Mit TIhränen wirft du getaufet fein, 

Ginen Vater haft du nicht. 


„Durch Wald und Wind, mein Waiſenkind, 
Komm, fomm, nun trag’ ich dich fort.“ 
Da that der Anab’ einen hellen Schrei, 
Als wollt’ er nimmer vom Ort. 


Herr Walther lag in der Waldfrau Schooß, 
Er hörte des Kindleins Schrei, 

Da war's, al3 ſpräng' ihm in tiefjter Bruft 
Ein tönend Glas entzwei; 


Und rings zerging’3 wie ein weißer Dampf, 
Und leiht ward Seel’ und Leib. 

„Las los, Verfluchte, laß mich los! 

Ich muß zu meinem Weib. 


„Su meinem Weib, das ich vergaß, 

Zu meinem Fleifh und Blut — 

D Gott im Himmel ſei Preis und Dank! 
Nun wird no alles gut!“ 


Den Teppich zerriß er und fprang hinab 
Die Stufen zu vier und vier. 

„O du vergieb, mein treu, treu Lieb! 
Nun ſcheid' ich nimmer von dir, 





ah: 1 3 Me 


„Und grüß dich Gott, mein Knab, mein Kind, 
Und fegne dich taufenfach, 

Und jegne dir auch dein Stimmlein hell, 
Das all ven Zauber zerbrach!” 


Die weiße Hdilange. 


Auf der Burg in reihgefhmüdter Halle 
Schweigſam brütend ſitzt der greife Stojan, 
Sigt beim vollen Silberfrug und trinkt nicht, 
Starrt empor zum Balkenwerk der Dede, 
Das von gülodnen Dracenköpfen funfelt; 
Hell ins Fenjter lacht die Spätherbitjonne 
Doch nit mit ihr lacht die Seele Stojans; 
Denn fie denkt Gedanken vor'ger Tage, 
Denkt und finnt, und weiß micht froh zu werben. 


Tritt zu ihm herein vom See der Fiſcher, 
Neigt jih dreimal tief und fpricht die Worte: 
„Grüß dich Gott, Herr Stojan mein Gebieter! 
Heute Nacht im See die Nee warf ich, 

Doch nicht Male fing ih drin, noch Karpfen, 
Noch die Brut des blaugeflogten Hechtes, 
Fing ftatt ihrer eine weiße Schlange, 

Weiß am Kopf und Rüden, roth am Bauche. 
Wer von folder weißen Schlange ifiet, 

Der vernimmt e3, was die Thiere fprechen, 
Auf dem Feld das Wild, im Laub die Vögel, 
Auch der Wipfel Rede mag er deuten, 

Wenn fie flüftern mit den grünen Zungen, 
Und des Bachs Geſchwätz, der Winde Saufen. 
Giebjt du dreißig Goldſtück mir Herr Stojan, 
Mill ih dir die weiße Schlange laſſen.“ 


— 114 — 


Dreißig Goldſtück giebt der Greis dem Fischer, 
Schidt ihn heim und ruft den Koch zur Stelle, 
Daß er ihm die Schlange zubereite ; 

Spricht dann zu ſich ſelbſt, und pfeift dazwiſchen: 
Mag binfort mid die Woimodfchaft meiden, 

Die mir nicht zum Schmaufe fommt um Djtern 
Noch zum Zechgelag am Neujahrsabend ; 

Fortan lach’ ich ihres Außenbleibeng. 

Neden werd’ ich mit den Thieren draußen, 

Daß fie die Gedanken mir verjcheuchen 

Und die Träume, die ich träum’ im Wachen. 


AS die Mittagjtunde nun gejchlagen, 
Bringt der Koh die Schlange mwohlbereitet, 
Grünumfränzt auf goldgediegner Schüſſel. 
Munter jegt Herr Stojan fih zur Tafel, 
Legt fih vor und ißt mit Wohlbehagen, 

St, und trinkt vom rothen Wein dazwijchen, 
Bis die Schüfjel auf den Grund geleert ft. 
Drauf vom Seſſel fpringt er auf die Füße, 
Schnallt fih um den Säbel mit Smaragden, 
Heißt den Knecht fein türkisch Rothroß jatteln, 
Schwingt fih auf und reitet aus dem Hofe. 


Bald im dichten Walde trabt Herr Stojan, 
Wo der Weg zum jchmarzen See hinabführt, 
Zaublos jhon am Wege jtehn die Bäume; 
In den Wipfeln hört er da ein Schallen, 
Das von At zu Aijte meiterflüftert, 

Bang und traurig wie von Menfchenftimmen, 
Die ein dräuend Unheil jich verkünden. 
Doch er achtet's faum und reitet meiter. 


Als er nun den jchwarzen See erreicht hat, 
Flattern über's Waſſer her zwei Raben, 





ed — 


Alte Vögel beide, breitgeflügelt, 

Kuhn dann Frächzend aus auf einer Fichte. 
Wohl vernimmt Herr Stojan was fie Frächzen, 
Hält fein Rothroß an und lauft zur Kurzweil. 
Spricht der erſte Nabe da zum zweiten: 
Bruder, fprich, woher haft du den Golpreif, 
Den ich gejtern fah in deinem Schnabel, 

Fein und blank, mit fieben rothen Steinen? 
Mo nur haft du den aefunden? Sag mir’s! 
Ihm erwidert drauf der andre Vogel: 
Mäbhrlein will ih dir erzählen, Bruder, 

Von dem Goloreif wunderliche Mäbhrlein. 
Sind nun fiebenundzwanzig Jahr und länger, 
Daß ein Mägplein bier ihm Walde wohnte, 
Weiß und roth, mit langen ſchwarzen Zöpfen 
Trug fie nur ein Hemd von grobem Linnen, 
Nur Sandalen an den weißen Füßen, 

Trug fie doch ein Antlig wie die Blumen. 
Heller jhien die Sonne wenn fie lachte, 
Wenn fie fang, fo Itand das Bächlein ftille, 
Grüner ward der Raſen, drauf fie tanzte. 
Sieh, da fam des MWegs ein Herr geritten, 
Reiherfedern an der Zobelmüge, 

Gold jein Zaum, jein Säbel mit Smaragden. 
Einmal fam er erft, dann kam er vielmals, 
Sprad ihr zu und ſchwur ihr hundert Schwüre, 
Stedt’ ihr an den Finger einen Golvreif 
Fein und blank, mit fieben rothen Steinen, 
Daß jie feinen Schwüren glauben möchte; 
Und fie glaubt’ und ließ von ihm fich küſſen. 
Lieblih däucht' es ihr den langen Sommer. 
Aber als im Herbit die Vögel zogen, 
Fernhinzogen und nicht wiederfamen, 

Kam auch er nicht wieder gleich den Vögeln; 
Wo er blieb daS mag die Sonne wiſſen. 


— 116 — 


Doh jedweden Abend Fam das Mägplein, 
Saß am Eee und weinte heiße Thränen, 
Meint’ hernieder auf den Schnee im Winter, 
Und im Frühjahr auf die blauen Veilchen. 
Aber in der Nacht der Frühlingsgleiche 
Schrie fie laut empor vor großer Trübjal, 
Sprang hinunter dann ins ſchwarze Wajler. 
Keiner hat fie wieder je gejeben; 

Nur den Goldreif warf der See an3 Ufer. 


So zum einen Raben Ipriht der andre, 
Doh Herrn Stojan dünkt es üble Kurzmweil; 
Dröhnend jhlägt das Herz ihm wie ein Hammer. 
Seinem Rothroß drüdt er ein die Sporen, 
Daß es jtöhnt und jählings drauf dahinjchießt 
Kreuz und quer, von feinem Pfad geleitet. 
Aber endlich feuchend hält es ftille, 
Hält’ an einer Hütt’, und mwill nicht weiter. 


Tief im finftern Walde liegt die Hütte, 
Hat nit Feniter mehr, noch Thür und Angel; 
Hohes Unkraut wuchert auf der Schwelle. 
Eigen auf dem Dach zwei wilde Tauben, 
Blau und meiß, ein Männlein und ein Weibchen, 
Gurren laut, und wohl vernimmt's Herr Stojan. 
Fragt die wilde Taube da den Tauber: 
Männlein ſprich, was iſt's mit dieſer Hütte, 
Daß darinnen feine Menſchen haufen, 
Wie in allen Hütten fonjt im Forjte? 
Warum jteht fie gar jo öde? Sag mir’! 
Ihr ermwivert drauf der wilde Tauber: 
Mährlein jollit du hören, du mein Weibchen ; 
Nicht zu jeder Zeit war’ hier jo einjam. 
MWohnte vormals in der Hütt’ ein Köhler, 
Alt von Jahren, jhmwarz, mit weißem Barte; 
Wohnte mit ihm drinn ein junger Anabe, 


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— 1171 — 


Sah nicht aus wie Köhlerbuben ausjehn, 

Hieß er fo, doch war er's nicht in Wahrheit, 
Denn am See einjt fand das Kind der Alte 
Morgens nach der Nacht der Frühlingsgleiche, 
Nahm's und pflegt’ es groß an Sohnes Gtelle. 
Stark und ſchön erwuhs der Anab’ im Walde, 
Golone Locken fproßten ihm am Haupte, 
Schwarze Brauen über ſchwarzen Augen. 

Doch am Meiler mot’ er nimmer ftehen, 
Noch die Kohlen hüren mit dem Schürbaum, 
Schnitte lieber Bogen ſich und Pfeile, 

Scharfe Pfeile, vie das Wild erlegen, 

Oder zog ih Falken auf zur Beize. 

Täglih ging er dann hinaus zu jagen, 

Kehrte heim zu Nacht mit reicher Beute, 

Und der Köhler freute fih des Mahles. 

Aber einft am Tag der Sonnenwende — 
Sieben Fahre ind e8 nun und länger — 
Ging er auch zu Wald, und fam nicht wieder, 
Kam auch nicht am andern Tag, noch jpäter, 
Daß der Alte drob zu Tod fich härmte, 

Mo er blieb, daS mag die Sonne miljen, 


©o zur wilden Taube jpricht der Tauber; 
Doch Herr Stojan hört es mit Entjegen, 
Kalter Angſtſchweiß perlt ihm von der Stirne, 
Und zu Eis gefriert fein Herz im Leibe. 
Plöglih wirft er dann herum fein Rothroß, 
Sagt nah Haufe fort duch Dorn und Didicht, 
Sagt in Haft, als ob der Tod ihn hetze. 
Scharf in's Antlig fchlagen ihm die Aefte, 
Hornig pfeift der Wind aus Hagelwolfen, 
Doch er merkt es faum und fleucht von dannen. 


AS er nun das Thor der Burg erreicht hat, 
Sporenklirrend eilt er in die Halle, 
Seibel, Gef. Werke, II, 12 


ET 


Heißt im Steinfamin ein Feuer zünden, 
Hoch aus Fichtenholz ein großes Feuer, 

Daß er fich fein frierend Herz erwärme, 
Mirft fich lechzend dann in feinen Gejjel. 





Bald im Steinfamine brennt das Feuer. 
Brütend ins Geloder ftarrt Herr Stojan; 
Aber wie er ftarrt, da ſaust es drinnen, 
Saust und prafjelt um die harz'gen Scheite;; 
Sieh, und plötzlich redt fi hoch die Flamme, 
Blitzt ihn an und fpricht mit rothen Zungen: 
Mährlein Fünden will ich dir, Herr Stojan, 
Dunkle Mäbhrlein won vergangnen Tagen. 
War ih einft ein Fichtenbaum im Walde, 
Stredte tief ing Erdreich meine Wurzeln, 
Meinen Wipfel in des Himmels Bläue. 
Wohl gedenk ich noch der alten Zeiten, 

Doch zumeilt des Tags der Sonnenmwende, 
Sieben Jahre find e8 nun und länger. 
Sab ein Knabe da in meinem Schatten, 
Goldnen Haars, mit fchwarzen Augenbrauen, 
Trug auf feiner Fauſt den ſchönſten Falken, 
Spielt’ und fofte mit dem Elugen Bogel. 
Zu der Stunde kamſt auch du, Herr Stojan, 
Kamft vom Waidwerk durch den Busch gejhritten, 
Sahſt den Falken an, und er gefiel dir, 
Daß du trugig ihn vom Knaben heifchteit. 
Aber diefer wollt! ihn nimmer lafjen, 
Faßt' ihn feft und lachte, da du drohteft, h 
Lachte, wie du felber pflegft zu lachen. R 
Da ergrimmte dir die finjtre Geele, | 
Zogſt ein fpiges Mefjer aus dem Gürtel, 
Stießeft ihm ins Herz das fpise Meſſer, 
Wandteſt dih und flohjt mit rothen Händen; 
Kreifchend hub der Falk fih in die Lüfte, 


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Doch im Moos verjcheivdend lag der Knabe; 
Langfam aus der Wunde troff fein Herzblut, 
Troff in Strömen über meine Wurzeln, 
Troff hinunter in die ſchwarze Erde, 

Sieh, da ſchauderte die ſchwarze Erde, 

Zudte wie im Krampf und jchrie zur Sonne: 
Weh, von welchem Blut hab’ ich getrunfen! 
Blut, verjtrömt in unerhörtem Gräuel, 
Kindesblut von Vaterhand vergofjen ! 


Alſo jaust im Steinkamin die Flamme, 
Da vom Sefjel fluchend fpringt Herr Stojan, 
Reißt den krummen Säbel aus der Scheide, 
Haut in blinder Wut damit ins Feuer, 

Daß die Brände durch die Halle Iprigen, 
Taumelt dann und ftürzt erfhöpft zu Boden. 


Aber leife züngelt’3 aus den Bränden, 
Schießt wie rothe Schlänglein hin und wieder, 
Let, und klimmt empor am Wanvaetäfel, 
Klimmt empor in3 Balfenmwerk der Dede. 

Doch urplöglich droben wächst die Lohe 

Wie ein Riefenfächer, ver fih aufſchlägt, 

Bricht zugleih durch Fenfter, Pfort' und ®itter, 
Wirbelt aus vem Dach als Feuerfäule, 

Wirbelt hoch hinauf zum dunkeln Himmel, 

Und in Flammen kracht die Burg zufammen. 


Liegt nun tief im Wald ein Trümmerhaufen, 
Hochgethürmter Schutt, verfohlte Ballen: 
Sagt fein Jäger dort, und treibt fein Hirte, 
Singt fein Vogel auch an jener Stätte, 
Und fein Thau benegt umher das Erdreich. 
Denn verflucht find die geſchwärzten Steine; 
Drunter liegen die Gebeine Stojans, 
Stojans, der den eignen Sohn erfchlagen, 


Morgenlänpijcher Mythus. 


Welch ein Schwirren in den hohen Lüften 
Nächtlich über'm Kaſchmirſee! — Von Flügeln 
Rauſcht's, als kämpften droben Schwan und Rabe 
Flatternd hin und her, und wunderſame 

Stimmen gehn dazwiſchen, ſcheltend, flehend. 
Weithin trägt den Schall der Wind im Mondlicht. 


Danhaſch iſt's, der dunkeln Geiſter Einer, 
Die gebannt ſind aus den obern Lüften, 
Danhaſch und die ſchöne Fey Maimune 

Vom Gebirge Saleh. Durch die Mondnacht 
Leiſ' auf ſilbernem Wolkenkahne ſchiffend 
Traf den dunklen Dſchinn auf ihrer Bahn ſie; 
Nun bedräut ſie ihn mit heftigen Worten: 


Sohn der Finſterniß, ſag an, wie wagſt du 
Frech mit deinem gottverhaßten Anblick 

Meinen Pfad zu kreuzen, ein dich drängend 

In die Region, die dir verſagt iſt? 

Weißt du nicht, daß ich mit mächtigem Spruche 
Nun dich ſchmieden könnt' an Kafs Gebirge, 
An den ſteilſten Fels, daß blutige Geier 
Langſam dich zerfleiſchten, oder ſchleudern 

In den See der grauſen Rochen Spielwerk? 


— 1831 — 


Scheu zufammen fchraf der Dſchinn; die Arme 
Stredt’ er flehend aus und redet’ alfo: 
Sei mir gnädig ſchöne Fey Maimune! 

Denn du haſt Gewalt, mich zu verderben ; 
Aber glaub’, es fonnte nur ein Wunder 

So die blöden Sinne mir vermirren, 

Daß des Bannes ich vergaß. Doc ſchwöre, 
Schwör', o Holde, Freiheit mir und Leben, 
Schwör' es mir bei Salomonis Siegel, 

Und ih will, was mir gejhehn, dir fünden. 


Ihm ermwiederte drauf die Fey Maimune: 
Nicht verdienft du ſolche Huld, doc will ich 
Gnädig fein. Dich frei zu laſſen ſchwör' ich 
Ungejtraft bei Salomonis Siegel, 

Spridit du lautre Wahrheit, aber läugft du, 
Wehe dir! jo ſchleudr' ich aus den Lüften 
In der Fluten Abgrund dich, Verfluchter! 


Tief aufathmend ſprach der dunkle Danhaſch: 
Hohe Herrin, fern aus Indien komm’ ich 
Blitzesſchnell; du weißt, wie Geiſter reifen. 
Dort am Oanges liegt ein präctiger Garten 
Palmenreih, gehüllt in Duft. Inmitten 
Zwiſchen Laubgerank und fpringenden Brunnen 
Ruht auf blanfen Säulen eine Kuppel, 
Goldne Gitter find die Wände drunter. 

Aber drinnen wohnt die Königstochter 

Badur, die fo lieblih mie ver Mond ift. 

Ach, ih weilte dort den langen Abend, 
Konnte mich nicht fatt Shaun an der Holden, 
Wie fie Laute ſchlug und fang, und lachend 
Mit dem jhönen farbigen Vogel fpielte, 

Der im filbernen Reif zu ihren Häupten 

Hin und ber fih ſchwang. So oft ich zügernd 


Sa | 


Von dem reizenden Bild die Augen fehrte, 
Immer wieder zog's mich hin, und endlich, 
Als ib floh, gedacht' ich tief im Herzen 
Ihrer nur und achtete nicht des Weges. 
Doch gewiß ift dieß: fie iſt das ſchönſte 
Unter allen lebenden Menſchenkindern. 


Zornig blickt' ihn an die Fey, und: thöricht, 
Sprach ſie, redeſt du, o dunkler Danhaſch. 

Weil die Königstochter dir den dumpfen 

Sinn verwirrte, hältſt du ſie für einzig. 

Aber wiſſe, ſchöner, zehnmal ſchöner 

Iſt der ſchlanke Jägersmann Nurreddin, 

Den ich raſten ſah bei Mondesaufgang 
Unter'm Fichtenbaum am Berge Saleh. 

Reizend lag er da, aus friſchem Schlummer 
Wie die Sonn' aus Meereswellen athmend. 
Wär' er nicht ein Menſch, ich müßt' ihn lieben! 
Zürne nicht, verſetzt der Dſchinn, ich habe 
Lautre Wahrheit dir, o Fey, verheißen, 

Lautre Wahrheit red' ich. Mag der Jäger 
Schlank und hoch ſein, wie des Bergs Cypreſſe, 
Blühend, wie die junge Morgenröthe — 
Dennoch ſchöner iſt die liebliche Badur. 


Alſo ſtritten in der Luft die Geiſter 

Ueber'm See noch viel mit heftigen Worten, 
Sie den Waidmann, er die Jungfrau preiſend. 
Doch zuletzt beſchloß die Fey Maimune: 
Zwar nicht Ehre bringt es, ſolchen Gegner 
Siegreich zu beſtehn, doch meine Laune 
Gönnt es dir, daß wir Entſcheidung ſuchen, 
Drum wohlauf! Entfalte deine Schwingen, 
Nach dem Palmengarten fleuch am Ganges, 
Und die Königstochter trag’ im Schlummer 





— 


Auf mein Schloß; du follit in feinen Thoren 
Schon den Jägersmann Nurreddin finden; 
Auch ein Schiedsmann wird uns dort beftellt fein. 


Sprach's, und eilig zog das Silberwöltchen, 
Da3 fie trug, von ſcharfem Wind getrieben, 
Wie ein wilder Schwan zum Berge Saleh. 
Aber Danhaſch breitete feine Schwarzen 
Fittich' aus, und flog hinab gen Indien. 


Haſtig durch die Lüfte ſchießt der Falke, 
Schneller ſchwirrt ein Pfeil, am fchnelliten aber 
Sit der Flug der Geifter und Gedanlen. 


Unter ging der Mond, da ſah in feinem 
Letzten Silberblid der dunkle Danhaſch, 

Mit der holden Bürd’ aus Indien fehrend, 
Liegen ſchon das Hochgebirge Saleh 

Und das Schloß der Fey, auf zadigem Gipfel 
Kühn gebaut won Geiſterhand. Er jchwebte 
Drüber bald wie eine Wolfe Rauches; 

Dann langjameren Flugs herab fich laſſend, 
Zrat er auf das Dach, und ſchritt auf fünfzig 
Breiten Stufen nieder in die Hallen. 

Aber janft in feinen Arm gebettet 

Wie ein Kindlein jchlief die rolige Badur 
Ahnungslos. Fest rauſcht' ein feioner Vorhang 
Faltenreih zurüd won hoher Pforte, 

Und geblendet jtand der Dſchinn — es ftrömte 
Vlögliher Glanz ihm in die blöden Augen. 
Denn geſchloſſen in des Saales Dede 

Brannt’ ein riefiger Demant wie die Sonne 
Seliges Licht in milden Strahlen ſchießend. 


— - 184 — 


Rings umher an reich durchbrochenen Wänden 
Rankt' es grün; unzählige Stauden tauchten 
Weiße Blüten, tiefe Purpurkelche 

In den fpielenden Schein; es mwallten taujend 
MWohlgerühe durch den lauen Aether. 


Aber mitten im Gemach auf weißen 
Elfenbeinernen Pfoſten zierlih ruhend 
Stand ein breites Lager; rothe Seide 
Floß auf ſchwellende Polſter hingebreitet 
Rings herab. In tiefen Schlaf verſunken 
Ruhte dort der Jägersmann Nurreddin. 


Lange ſtand gebannt der dunkle Danhaſch 
Regungslos, er hatte nie im Herzen 

Solche Herrlichkeit geahnt. Doch endlich, 
Auf die Laſt in ſeinen Armen blickend, 
Schritt er zögernden Fußes hin zum Lager 
Und ſich beugend legt' er ſanft die ſchöne 
Badur an des ſchlummernden Jünglings Seite. 
Leiſe trat herzu die Fey, zum Lager 

Hin die Blicke wendend, und die Lippen, 
Die ſie ſchon, den dunkeln Geiſt zu höhnen, 
Halb geöffnet, blieben ſtumm. In tiefes 
Anſchaun ganz verſunken ſtand ſie ſchweigend, 
Schweigend neben ihr der dunkle Danhaſch. 


Aber wie am Pomeranzenbaume 

Blüt' und goldne Frucht an Einem Aſte 

Oft erſcheint, daß du vergeblich ſinneſt, 

Was du miſſen möchteſt, alſo ruhten 

Bei einander jene zwei Erkornen, 

Beid' im Bade ſeligen Schlummers, beide 

Von dem unausſprechlichen Reiz umfloſſen, 

Der der Jugend Zauber iſt. Ihm ruhte 

Auf dem Arm das Haupt; in lichtem Goldbraun 








— 185 — 


Floß von ſchimmernder Stirne Lock' an Locke, 
Doch um Wang und Kinn wie Flaum des Pfirſichs 
Sproßt' ihm Ahnung künftigen Barts; ein leiſes 
Lächeln ſchwebt' auf ſeinen blühenden Lippen, 
Süßen Traum verkündend. Alſo lag er 
Tiefberuhigt, hingeſtreckt in Schönheit. 

Aber hold in ſich geſchmiegt, als hätt' ein 
Süßverhüllt Geheimniß fie zu wahren, 

Lag die lieblihe Badur. Leiſe ſtieg ihr, 

Wie im Schlaf fie athmete, Roſenanhauch 

In der Wangen zart durhfichtige Bläſſe 
Blumenhaft. Des Auges holde Seele 

Dedten fanft die langen feionen Wimpern 

Schwarz wie Naht, und ſchwarz in reihen Wellen 
Wogt' herab des glänzenden Haares Fülle, 

Daß fie fait den jilbernen Fuß berübhrte, 

Der verjtohlen aus den Falten vorſah. 


Endlih ſprach die ſchöne Fey Maimune: 
Sohn der Finjternig, du fiehjt mich ftaunen! 
Neizender wahrlich, als ich denken mochte, 
St die Maid vom PBalmenhain am Ganges; 
Dennoch dünkt der Jägersmann mich ſchöner. 
Doch in eigner Sache Recht zu ſprechen 
Ziemt ſich nicht. Der ſchönheitskundige Gasban, 
Der aus Erz und farbig edeln Steinen 

Tag und Nacht am Heerd des untern Feuers 
Kunſtreich für die Burg des Geiſterkönigs 
Bilder formt, er mag den Streit entſcheiden. 


Sprach's und dreimal mit dem Fuße ſtampfte 
Sie den Marmorgrund, und murmelte Worte 
Dunkeln Sinns, — da öffnete ſich der Boden, 
Und dem Spalt entſtieg der kundige Gasban 
Mißgeſtaltet ſelbſt, der Schönheit Bildner. 


— 1860 — 


Aus der Werkitatt kam er ber, fein dunkles 
Antlik brannte fupferfarb vom heißen 
Widerſchein der Lohe; grün von Goldſtaub 
Starrten ihm die Funftgewandten Hände, 

Drin er noch die Feile trug. Er neigte 

Sich der Fey, und fprad die furzen Worte: 
Was begehrft du? Sprih! Ich bin zur Stelle, 


Ihm erwiderte drauf die Fey Maimune: 
Meifter, wohl im ganzen Geifterreiche 

Iſt fein Einziger aller Form und Schönheit 
Kundig jo wie du, der du im Herzen 

Täglich hundertfahe Geſtaltung ausfinnft 

Vol von Neiz und dann in Erz fie bilveft; 
Drum verlangt uns hier nach deinem Sprude. 
Sag’ uns, welches von den Menjchenkindern, 
Die auf jenem Lager ruhn, ift fehöner? 


Mit neugierigen Augen auf die Schläfer 

Sah ver kundige Gasban. Freundlih grinfend 
Nickt' er mit dem Haupt, und fchüttelte wieder, 
Wie der Kaufmann, wenn er zögernd Gold wägt; 
Prüft' und prüft! auf's neu, und endlich ſprach er: 
Holde Fey, der Fall ift Schwer zu fchlichten ; 
Denn wohin ih auch die Blide wende, 

Find’ ich eitel Neiz; und feinen Mangel 

Kann ich weder dort noch hier entdeden. 

Doch fie ruhn im Schlaf. Der Schönheit Blüte 
Aber it Bewegung, wenn die Geele 

In des Auges Glanz, im Schwung der Glieder 
Sih enthüllt. Vielleicht, wenn du fie wedteft, 
Möchten wir ein billig Urtheil finven. 


Bögernd ftand die Fey, da ſchwirrte Danhaſch 
Schon zur riefigen Fledermaus verwandelt 





N 


Durch's Gemach. Mit haftigem Flügelfchlage 
Zraf er dann der Jungfrau nadte Sohle, 
Sie zu mweden. Doch die Fey Maimune, 
Keinen Vorſprung lafjend ihrem Gegner, 
Ward zur Taube rafch; mit weißem Fittih 
Nührte fie des Jünglings lockige Scheitel. 


Doch die Beiden, aus dem Schlaf erwachend, 
Glaubten noch zu träumen, ſchwankend blickten 
Sie ſich um, des ſchönen unbekannten 
Raumes fremde Wunder nicht begreifend. 

Und wie Kinder, die der Glanz der Sonne 
Blendet, taſteten ſie umher. Da rührte 

Sacht des Jägers Hand den Arm der Jungfrau, 
Und ſie ſahn ſich an. Und wie am Morgen 
Erſt ein roſiger Schimmer leiſ' am Himmel 
Aufgeht, und dann höher, immer höher 
Selige Glut empormweht, aljo 309 e3 

Lodernd über ihr Geficht; vergeſſen 

Maren rings umher die blühenden Räthſel, 
Denn fie ſchauten jich; fein dunkles Auge 
Hing an ihrem blauen. Aber plöglid 

In jungfräuliher Scham zufammenfhauernd 
Wandte fich die liebliche Badur. Thränen, 
Heiße Thränen brachen aus den langen 
Wimpern ihr hervor, fie wollte fliehen. 


Doch mit flehender Stimme rief der Jüngling: 
Bleib o ſüßes Traumbild, bleib o Holve! 

D wie nenn’ ih dich — du meiner Seele 
Beſter Theil, o wende dich nicht von binnen! 
Was ih je vom nächtlichen Wald umfäufelt 
Wunderbares träumte, was der Frühling, 
Wenn er von den jonnigen Bergesgipfeln 
Zwiſchen Laub und Blüten Teif’ herabitieg, 


— 1888 — 


Ahnungsvoll mir jang, was mir des Herzens 
Heilige Hoffnung ftill verhieß, ich hab’ es 
Nun gefunden, habe mich felbit gefunden, 
Mib in dir — o bleib! — 





Da kehrte leiſe 
Zu dem Flehenden ſich zurück die Jungfrau, 
Bog ihr glühend Haupt, und durch die lichten 
Thränen lächelnd ſprach ſie: ja, du biſt es, 
Du biſt Du und ich — du biſt mein Leben! 


Stumm in Wonne ruhten nun die beiden 
Athemlos. Mit glänzenden Augen ſchauten 

Sie ſich an. Sie ſchlangen ihre Arme 

In einander, daß ſich ihre Locken 

Mit dem lichteren Haar des Jünglings miſchten, 
Und zu ſeligem Kuſſe neigte Lippe 

Sich an Lippe. 


Doch die Fey Maimune 
Schwang den ſilbernen Stab in ihrer Rechten, 
Und hernieder von der hohen Decke 
Floß melodiſches Säuſeln, heiße Düfte 
Strömten aus den rieſigen Blumenkelchen 
Schlafberauſchend — ſieh, und mählich lösten 
Sich der Liebenden Arme — ihre Lippen 
Rührten nur die Luft, die Wimpern fielen 
Ihnen zu — vom Zauber überwältigt 
Sanken ſie zurück in tiefen Schlummer. 


Aber ſtaunend ſprach der kundige Gasban: 
Wunder habt ihr mir gezeigt, doch fordert 
Keinen Richterſpruch! Von beiden Jedes 

Iſt untadelig, aber doppelt reizend 

Sind ſie Eins beim andern — Er der ſchönſte 
Mann und Sie das ſchönſte Weib auf Erden. 


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a 15 


Sprach's und dur den neu fi öffnenden Abgrund 
Fuhr er nieder mit Getös. Doc alfo 

Redete drauf zum Diehinn die Fey Maimune: 

Unjer Streit ift aus. Sch unterwerfe 

Mich dem Urtheil Gasbans, welches Keinem 

Sieg ertheilt. Du aber, dunkler Danhaſch, 

Auf, und trag’ im Flug die fchlafende Jungfrau 
Heim gen Indien! Eh der Tag im Diten 

Mieder dämmert muß die Fahrt vollbracht fein. 


Wie die Fey gebot, jo that ver Dunkle. 

Aber fie ven leichten Wolkenwagen 

Raſch beſteigend, ſchwebte mit dem Jüngling 
Nach der Waldſchlucht am Gebirge Saleh. 
Dort am Fichtenbaume, wo ſein Jagdſpeer 
Friſch bethaut noch lag im Raſen, lehnte 

Sie den Schlafenden hin und floh von dannen, 
ALS fie aufjtieg Frähten ſchon die Hähne. 


Prangend wie ein Fürft, der fiegreich einzieht, 
Mar ver goldne Morgen aufgeitiegen 

Ueber Indiens Hochgebirg. Ihm hatten 
Taufend friſch erſchloſſene Blumenkelche 

Ihren Weihrauch hingeſtreut, und lieblich 
Floß balſamiſche Luft um Thal und Höhen. 


Doch im Königsgarten an des Ganges 
Palmenufer war mit Sonnenaufgang 
Fröhlich klingendes Leben wach geworden. 
Frühe ſchon, bevor des Tages Strahlen 
Unbeſcheiden durch die Zweige lauſchten, 
Hatten dort der Königstochter Jungfraun 
Sich erquickt am Bad im ſchattigen Teiche, 


— 


Der vom Dieicht blühender Waldjasminen 

Hoch umbüfht war. Aber vor der Herrin 
Spielt! in Jugendluft auf fonnigem Raſen 

Sept die muntere Schaar. Sie rührten Cymbeln, 
Schlugen Tamburin und fhlangen Tänze; 

Andre warfen jhimmernde Burpurbälle, 

Daß die Luft von Schellen klang, und lachten, 
Menn die greifende Hand den Fang verfehlte. 
Aber auf den breiten Marmorjtufen, 

Die empor zum luftigen Gitterfaale 

Führten, faß, geſenkt das holve Köpfchen, 

Still die lieblihbe Badur. Nicht wie früher 
Mochte fie ven Scherz der Schweſtern theilen, 
Noh im Tanz die flüchtigen Sohlen regen 
Leichtbeſchwingt. Denn wie fih der Oranatbaum, 
Menn er prangt im grünften Schmud ver Blätter, 
In der eriten Nacht des warmen Frühlings 

Jäh verwandelt, und von taufend Blüten 
Blöglih brennt in fürjtliher Glut — jo war ihr 
Ueber Naht das Herz verwandelt worden. 

Alle höchſte Luft des Menjchenlebens 

Kannte fie und allen Schmerz, und Ieife, 

Wie fih ſelbſt zur Ruh beſchwichtigend fang fie: 


„D wo weilſt du, Leben meines Lebens, 
Schönes Traumbild, aber meiner Seele 
Mehr al3 Traum, du, aller meiner Gedanken 
Holder Liebling, meiner Liebe König! 

Ach, nicht kann ich ja nach deinen Spuren 
Durch die Wälder pilgern, noch der Berge 
MWildni und das ftürmifhe Meer durchſchweifen, 
Dih zu fuchen! — Aber ftill im Herzen 
Will ih dir vie heilige Stätte rüſten! 
Meines Mittags Kühlung, meiner Nächte 
Mondlicht joll es fein, in treuen Sinnen 





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Dein zu denfen, bis du einjt, o Hoher, 
Mild herab dich neigjt in meine Kreife. 
Aber fomm! O fomm! Ich fterb’ in Sehnjucht.“ 


Alfo jang am blühenden Gangesufer 

Reife vor ſich hin die lieblihe Badur. 

Aber in ver Schluht am Berge Saleh 

Lag zur Stunde no in tiefem Schlummer, 
Wie er nach unruhiger Nacht der Jugend 
Wimpern vrüdt, vahingeftredt Nurreddin. 

Ueber jeinem Haupt mit leiſem Rauſchen 

Wogt' im Blau des Fichtenbaumes Krone 

Hin und her: es quoll behaglich murmelnd 
Seitwärts über's Felsgeftein durch dichtes 
Dleandergebüfch herab ein Bächlein. 

Dod, die Schatten löſend, immer höher 
Schwebte nun die Sonne. Ihre Strahlen 
Märmten ſchon des Sünglings Bruft, jest trafen 
Sie den blühenden Mund, und endlich blenvdend 
Rührt' ihr Glanz die feitgejchlofjenen Wimpern. 


Haftig fuhr er auf, mit ftarren Blicken 
Schaut’ er ſuchend um. Gr ſchloß die Augen 
Nochmals, gleich als zweifl' er, dab er wache, 
Und dann blidt’ er jpähend wie ein Falke 
Mieder um ſich her. Doc nichts gewahrt’ er, 
AS vie waldige Schlugt, zu jeinen Füßen 
Ein unendlih Meer von grünen Wipfeln, 
Fichten und Platanen, und dahinter 
Meitgevehnt das jonnige Land, vom blauen 
Hochgebirg am fernen Saum umſchloſſen. 


Auf nun ſprang er, doch am Jagdſpeer lehnend 
Blieb er ftehn und fann; und wie er tiefer, 
immer tiefer in Gedanken mwühlte, 


— 12 — 


Wehte wie der Nachglanz eines Traumes 

Hohe Röthe um fein fchönes Antlit. 

„Dieß find Wunder,” ſprach er, „mein, es täufchte 
Mid kein Gaufelbild mit irrem Blendwerf. 
Daß ih Wahrheit ſah, glüdjelige Wahrheit, 
Ab, mir faat’3 mein Herz, das heimmehtrunfen 
Nur nob Ein Verlangen fennt, mir jagt es 
Diefer tödtlih brennende Schmerz im Bufen. 
Aber ihr, ihr fernher ziehenden Lüfte, 

Kündet mir, wo find’ ih Sie? Ihr Wolfen, 
Die ihr weit auf Berg und Thal herabjchaut, 
Sprecht, wo fteht ihr Haus? — Und wär's im fernen 
Ocean gebaut auf felligem Eiland, 

Wärs umringt von fiebenfaher Mauer 

Hoher Flammen, dräute jeder Schritt mir 
Unausbleibliben Tod, ih muß fie finden! 
Und du fühes Bild, nach dem vergebens 

Sch die ſehnſuchtsvollen Arme breite, 

Nimm, o nimm im fchmebenden MWindesodem 
Meine Grüße, nimm die glühenden Seufzer 
Dieſer Bruft, nimm hin die ganze Seele! 
Gaub’, ih fomm’, ih komme. Al mein Leben 
Soll ein Wandern fein nad dir, ein Ningen 
Mit der Welt um did. Sch will nicht raften, 
Bis den Tod ich oder dich gefunden.” 


Alfo rief der Süngling, in den golonen 

Schein des Morgens meit die Arme jtredend, 
Feuhten Blicks. Dann aber, raſch entſchloſſen 
Seine Bilgerihaft beginnend, eilt’ er 

Längs dem Bach hinab zur Tiefe. — Raufchend 
Schlug die Waldnacht hinter ihm zufammen. 





— 193 — 


Glück auf feinen Weg, und leite günjtig 

Ihn ein Stern! — Denn weiter führt die Sage 
Nicht den Jüngling. Ob der Sehnfuht Irrfahrt 
Wonnevoll den köſtlichen Preis errungen, 

Db die Herzen, wund vom Pfeil der Schönheit, 
Sich in heimlicher Glut verzehrt — der Sänger 
Weiß es nit. Beglüdter Liebe Weiſe 

Ward ihm lange fremd. Aus tiefiter Seele 
Sang er euch die Lied der ewigen Sehnſucht. 





Geibel, Ge. Werfe. I. 13 


König Sigurds Brautfahrt. 


Die König Higurd Alfſonnen traf. 


Lenz war gefommen. Der lichte Schnee zerihmol;z 
An den Bergeshalven, in Veilchen ftand das Holz; 
Die blaue Meeresmoge glänzte frei won Eis, 

Da ging zu Schiffe Sigurd, der fönigliche Greis. 


Umfahrt wollt’ er halten von Upjala’3 Strand 

Entlang die hoben Külten, daß überall am Land 

Er nähme Schoß und Gaben, und mit Spruh und Schwert 
Des alten Rechtes pflegte, jo Jemand hätte deß begehrt. 


Es war der neunte Morgen, feit die Fahrt begann; 
Gehalten war der Frühtrunf von Skald' und Rittersmann, 
Die Segel und die Taue rauſchten allzumal 

Vom lauen Maienmwinde: da famen fie gen Skiris-Sal. 


Als das Schiff gelandet, da ſprach der König gut: 

„Wie fingt mein Herz jo fröhlich, wie fleugt jo hoch mein 
Muth! 

Sch weiß nicht, thut’3 der Frühling oder thut's ver Wein; 

Mir ift, als jollt! ic heute ein Jüngling wieder fein.” 








— 195 — 


Sie ſchritten haftig fürder auf gelbem Uferfand, 
Das Land in Acht zu nehmen, da trafen fie am Strand 
Eine Schaar von Mägden, die am Erlenbufc, 
Mo in das Meer ein Bach ging, Gewand und Linnen wuſch. 


Es lachten und es jangen bei der Arbeit frei 

Die frohgemuthen Dirnen, eine Jungfrau ftand dabei; 
Aller Herrin ſchien fie, da fie des Werks vergaß. 

Auch trug fie gülone Spangen; ein Falk auf ihrer Schulter ſaß. 


Sie jtand in ſüßer Jugend; ihr rofig Antlig war 
Wie die Morgenfrühe, es floß ihr goldenes Haar 
In langen Ringeln fhimmernd herab auf ihr Gewand, 
Daß jchier der lichten Spangen Gefunfel davor ſchwand. 


Da dachte Sigurd bei fich in feinem Sinn: 

„Holofelig ift die Jungfrau, jo wahr id König bin! 

Trotz meiner achtzig Jahre die führ" ih heim als Braut. 

Sonſt briht mein Herz vor Liebe.” Doch ſagt' er das 
nicht laut, 


Nah ihr ven Skalden fragt’ er. Der ſprach: „Herr König, 
wißt, 

Daß fie Alfs, des Weifen, vielhohe Tochter ift; 

Ihr Leib ift frifch und wonnig, die jhönfte wohl im Land, 

Ihr Goldhaar jtrahlt ſonnig. Alf-Sonne ijt fie drum 
genannt. 


Mit wunderfamer Tugend gegürtet ift die Maid; 
E3 pflegen ihrer Jugend ihre Brüder beid’, 

Alf geheißen Blondbart und Eref Harfenjchall, 
Seit Alf ver Weife zehet mit Odin in Walhall.“ 


Zur Jungfrau ſprach da Sigurd: „Gejegnet fei die Frift, 
Da du Minniglihe mir begegnet bijt! 


Er 


Doch darf ih eins dich bitten, jo bring’ im Kruge dein 
Einen fühlen Trunf mir. Dort oben quillt das Bächlein 
rein.” 


Alffonne ging und jehöpfte; den Krug bielt fie var; 
Langſam trank der König. Da däucht' es ihm fürwahr, 
Als tränf er Lieb und Jugend, der eisgraue Mann; 
Wohl feiner je aus Waller ſolche Luſt gewann. 


Und läcelnd ſprach er weiter: „Nun ſollſt vu haben Dank, 
Daß du mi jo erquidet; doh wüßt' ich füßern Tranf, 
Das ift von deinen Lippen ver rothe Freudenmwein, 
Labſal für Helvenherzen, die Minne jchenkt ihn ein. 


Hei, daß ich davon zechte! Mir wär es mwohlgethan 

Bei Tag und in den Nächten.” — Da ſah ihn finjter an 

Roth vor Scham und Zorne die wonniglide Maid: 

„Ich merke,“ rief fie jcheltend, „daß Ihr aus weiter Fremde 
jeid; 


Mie möchtet Ihr jonjt reden zu einem Edelkind 

Als ein lodrer Bube, der um Dirnen minnt! 

Und wär't Ihr jelbjt ein Rede over ein König gar: 
Sold Schwaten dünkt mich Schande für euer graues Haar.” 


Sie warf in ihrem Zürnen in den Bach den Krug, 
Daß er auf den Kiejeln zu taufend Scherben ſchlug 
Und hoch das Waſſer jprigte. Dann floh fie längs der Bucht 
Gleich einer weißen Hinde mit winpfchneller Flucht. 


Nahflog ihr ver Falke. Erſtaunt blieb Sigurd ftehn; 
Ihm war's, er hätte nimmer jo reizend fie gejehn, 

Denn in ihrem Scelten. Dann ftrih er fih den Bart: 
„Wohlauf ihr wadern Degen! Gen Alfheim geht die Fahrt.“ 


u 
7 
24 





ER age 


Die König Higurd gen Alfheim kan. 


Zu Alfheim von den Zinnen wehten Fahnen viel, 
Man ftreute Maien drinnen, und jtimmte Saitenfpiel: 
Botſchaft war gefommen vor des Burgherrn Ohr, 
Mie König Sigurd zöge vom Meergejtad empor. 


Sie jehritten ihm entgegen bis vor des Schlojjes Wall, 
Die beiden fühnen Degen, Erek Harfenjchall 

Und Alf im blonden Barte: nicht froh war ihr Muth; 
Was am Strand gejchehen, fie wußten's von der Schweiter gut. 


Draußen auf der Brüde fie harrten mit Bedadt, 
Da ſprach der junge Eref: „Mir träumte zu Nacht, 
Einen Geier jäh’ ich fliegen von königlicher Akt, 
Und plötzlich niederſtoßen auf ein Täublein zart. 


Das ſchneeweiße Täublein fih barg in meinem Schoof, 

Doch konnt' ich's nimmer fhirmen vor des Unholden Stoß; 
Er würgt' es ohn’ Erbarmen. Nun fürcht ich, Bruder mein, 
Alfſonne möchte die Taube und Sigurd Ning der Geier fein. 


Wie jollen wir ihm wehren, fo er ver Maid begehrt?” — 
„Dafür,“ ſprach Alf Blondbart, „tragen wir ein Schwert, 
Und lichte Schild' und Panzer. Nie foll das rofige Weib 
Kaltem Winter ſchenken den Ienzhaften Leib.“ 


Da jie alſo red’ten, erhub ſich heller Alang 

Bon Cymbeln und Drommeten. Es zog das Thal entlang 
Inmitten feiner Degen König Sigurd Ring; 

AL fein Ingefinde im Feſtgeſchmeide ging. 


Bis auf der Brüde Mitten, wo das Banner ftand, 
Trat ihm Alf entgegen; er trug in jeiner Hand 

Ein kunſtreiches Trinkhorn von Gold und Edelſtein, 
Das war zum Rand gefüllet mit dem allerbejten Wein. 


— 198 — 


Den greifen König grüßt’ er, wie's geziemend war, 

Zum Willlommen bot er den Labetrunf ihm dar. 

Da neigten fih alle Mannen aus Alfs und Erefs Haus, 
Sigurd nahm das Goldhorn, doch trank er nicht daraus. 





Er fprab: „Ich will nicht trinken, noch ruhn an eurem 
Herd, 

Bis daß ich euch verfündet, was mein Herz begehrt. 

St grau mein Haupt geworden, jo ward es ehrenreich, 

Und gilt eine gelbe Krone wohl gelben Haaren gleich. 


Ich minn’ um eure Schweiter, daß ihr zum Gemal 
Sie mir geben möchtet. Sie ſoll ven finftern Saal 
Erleuchten meinem Alter mit ihrer Jugend Schein; 
Alfſonn' im Goldgelode ſoll König Sigurd Sonne fein.” 


Da ſprach mit Stirnrunzeln Alf im blonden Bart: 
„Kurz Wort will furze Antwort. Iſt eurer Alfheimsfahrt 
Dieb das Ziel gewejen, jo kehrt in Frieden heim; 
Auf euer Lied, Herr König, weiß ich feinen Reim. 


In jpäten Herbitestagen, da e3 friert und jchneit, 

Bribt man feine Roſen. Auch war zu aller Zeit 

Ein ſcheues Wild die Minne, das holde Jugend allein 
Zur Beute mag gewinnen. Drum ftellet euer Werben ein.” 


Stumm jtand da Sigurd. Ihm fuhr es dur den Sinn, 
Mie er einjt gefahren durch Blut und Leichen hin 

Auf Bramwallas Haide gleih Odins Wetterleucht, 

Das aller Helden Häupter fih unter ihm gebeugt, 


Und mwie er nun verjchmäht jei. Da ſchoß das rothe Blut y 
Brennend ihm in's Antlig; er preßte zorngemuth ö 
Alfo ſtark das Goldhorn, das feine Fauft umſchloß, 5 
Daß draus hodaufjprigend der Wein gen Himmel jchoß. 2 

F 


> 19 


Dann wandt’ er ih zu Thale und vief hinauf den Wall: 
„Fahret wohl Alf Blondbart und Erek Harfenſchall! 
Fahr’ wohl dazu Alfionne, du wonnigliches Kind! 

Ihr follt es noch verjpüren, wie König Sigurd minnt.“ 


Die die Geſchwiſter Rath hielten. 


Sünglings Zorn und Lieben ift Flamm' in Stroh und Dorn, 
Doch mie glühend Eiſen ijt Greijes Lieb’ und Horn: 

Das mußten bald erfahren die fühnen Brüder beid, 

Dazu Alfſonn' im Goldhaar zu übergroßem Leid, 


Es war die Zeit gefommen, da im grünen Hag 

Man kühle Schatten juchet und Nachtigallenfchlag 

Un ven Brünnlein jchallet: da fam, den Sporn voll Blut, 
Ein Reiter gen Alfheim, deß Kunde war nicht gut. 


Gr ſprach: „ES hat entboten bei lautem Hörnerjchall 

Sigurd der Vielgrimme jeine Degen all; 

Mit Roſſen und Streitwagen zieht er nun daher 

Auf mehr denn hundert Schiffen. Co Viele trug noch nie 
das Meer. 


Auch hat er fih verſchworen mit einem theuern Eid 
Nimmerdar von Alfheim zu ehren aus dem Streit, 
Ohne mit Alffonnen. Nun pfleget Raths gejchwind! 
Der König zaudert nimmer, und fährt mit gutem Wind.” 


Da ſprach der junge Erek: „Das geht an unfern Leib, 
Es fei denn, daß die Schweiter würde Sigurds Weib; 
Doch möcht’ ich deß entrathen. Es müßt’ im Eis vergehn 
Traurig unfer Röslein.“ „Das ſoll,“ ſprach Alf, „niemals 
geſchehn.“ 


— — 


„Lieber will ich liegen auf der Heide breit 

Im blutgefärbten Ginſter, ja lieber mag die Maid 
Ihr jungfriſches Leben verathmen in den Wind, 

Eh ſie wird des Greiſen, den ihr Herz nicht minnt.“ 


Am hohen Bogenfenſter von ihren Sorgen ſchwer 
Red'ten ſo die beiden; da ſahn ſie über's Meer 

Viel weiße Segel kommen wie mit Schwalbenflug; 
Das war die Sigurdsflotte, nicht enden wollte der Zug. 


Auf den Schiffen blitzt' es und gleißt' im Sonnenlicht 
Von blanken Stahlpanzern, die Speere ſtarrten dicht 
Wie des Kornfelds Aehren, wann man mähen will; 
In's Auge ſahn die Brüder ſich leidvoll und ſtill. 


Sie ſchritten nach dem Söller. Da ſaß die holde Maid 

Alfſonn' im Goldgelocke; ſie webte ſich ein Kleid 

Von ſchneeweißem Linnen am Webeſtuhl, und ſang, 

Dazu das Schifflein ſilbern hellklingend durch die Fäden 
ſprang. 


Da ſie der Brüder wahrnahm, frug ſie: „Was hat den Muth 
Alſo euch verſtöret? Euch iſt das lichte Blut 

Gewichen aus den Wangen; der Grund iſt nicht gering.“ 
„Es rückt,“ ſprach Alf Blondbart, „vor Alfheim Sigurd Ring. 


An zehntauſend Klingen führet er daher; 

Zur Minne dich zu zwingen, das dünkt uns ſein Begehr. 

Wir können ihm nicht wehren, zu klein iſt unſre Kraft. 

Wer ſieht zu deinen Ehren, wenn uns die Feldſchlacht hin— 
gerafft?“ 


Bleich ward Alfſonne, da ſie das vernahm; 

Ihrer lichten Thränen hatte fie nicht Scham, 

Die fprangen aus den Wimpern. Dann fprad fie: Brüder 
mein, 

Sch mweiß, was mir geziemet, Ruhig mögt ihr fein, 





— 210 — 


Alfs Tochter dünkt es befier, zu frein den falten Tod, 
Denn in des Königs Bette zu legen fih aus Noth 

An eines Greifen Seite. Auch hab’ ih einen Tranf, 

Einen vielmilden, deß weiß ich heut den Göttern Dant. 


Der hilft mir diefe Stunde. Doc jeh’ ich dort am Strand 

Schon die Brünnen leuchten und Helm und Schildesrand. 

Mich dünkt, mein Werk hat Eile, fo wollt mich einfam la’n 

Daß ih zur Fahrt mich rüſte. Was Noth thut, das ijt 
bald gethan.” 


Mit feiten Schritten ſchweigend jchritt Alf aus der Hall; 
Auf die Augen Füßte ſie Erek Harfenſchall, 

Daß fie nicht ſäh fein Weinen. Dann ließ er fie allein. 
Nicht zauderte die Jungfrau, fie ging an ihren Schrein; 


Einen Becher gülden nahm jie aus der Haft, 

Dazu ein filbern Fläjchlein, darinnen war ein Saft 
Bon blutrotber Farbe; ven hatt? aus Zauberfraut 

In der Nacht des Neumonds die Drude flug gebraut. 


Auf die Zinne trat fie, da lagen weit im Ning 
Nordlands Meer und Berge, die Sonne niederging, 

63 glomm der legte Schimmer um Wald und Feljenhöhn; 
Ihr war's, fie hätte nimmer vie Welt geihaut jo ſchön. 


Sie jprah: „Fahrwohl o Sonne, du rojentother Tag, 

Meiner Augen Wonne, fahrwohl du Frühlingshag ! 

Ihr Brünnlein an der Halde, die all mein Spiel gejehn, 

Fahrt wohl ihr Beilchen im Walde! Sch foll euch nimmer 
pflüden gehn. 


immer joli ich hören ver Eleinen Vöglein Scherz 

In lichten Maientagen; es foll auch nie mein Herz 
Süßer Minne pflegen, und bin doch jung und voth. 
O Sigurd Ring, was treibft du fo früh mich in den Tod?“ 


— 202 


Den gülonen Becher nahm fie und leert' ihn bis zum Grund, 

Da wurden ibr fchwer die Wimpern; fie ſank mit bleichem 
Mund 

Auf den Steinboven; die Loden fielen dicht 

ALS wie ein güldener Schleier über ihr Angelicht. 


Darnab ward eine Stille. Vergangen war der Tag 
Mit der lihten Sonne. Da fam ein Flügeljchlag 
Aus den Lüften nieder, das war ihr Falke gut, 

Der kehrte jeden Abend in jeiner Herrin Hut. 


Da er Alfſonnen jo jtille liegen fand: 

Dreimal zog er kreiſend um der Zinnen Rand, 

Als wollt’ er fie erweden. Doch glückt' es ihm nict. 
Da flog er hochaufſteigend hinauf in's fühle Mondenlicht. 


Die Alf und Srek erfhlagen wurden. 


In kühler Morgenftunte, da der junge Tag 

Mit rofenrothen Wangen noch auf den Bergen lag, 

Da war auf Alfbeims Haide gewalt’ger Schall erwadt; 
Don Alfs und Sigurds Mannen begonnen wurde die Schladt. 


Unter Roſſeshufen erzitterte der Grund, 

Die Helmbüfche wallten, die Fähnlein flogen bunt; 

Hei, wie vie Splitter toben, wie krachten Stang’ und Spieß, 
Wenn blank in Erz gerüftet Geſchwader auf Geſchwader ſtieß! 


Hell auf Schild und Banzer der Schwerter Schlag erihell, 
Der Bfeilbagel Elirrte; al3 wie aus Brünnlein quoll 
Das rothe Blut dazwischen. Sie rangen Mann an Mann, 
Daß hoch der Staub in Wolfen daherzuziehn begann. 


FEN 
— 
er 


* 


Auf ehernem Streitwagen König Sigurd ſtand 

In lichtem Stahlgejehmeide. Er führte beiderhand 

Einen Flammbergen, deß Klinge flammte gut; 

Es hatten fie die Zwergen gehärtet einjt in Dradenblut. 


Er trug auf jeinem Helme Geiers Haupt und Klaun 
Aus klarem Gold getrieben, hellblikend anzuſchaun; 

Durch die Feldſchlacht führt' ihn der windſchnelle Huf 
Seiner ſchwarzen Hengſte, die lenkt’ er mit dem Ruf. 


Dem Könige zur Seite ritt jein ſtarker Sohn, 

Ragnar, ver Vielgrimme. Bärtig war er fchon, 

Und war nod fait ein Knabe; das Fechten dünkt' ihm Spiel, 

Gr jang darein und lachte, wenn jchwer jein Hammer 
niederfiel. 


Gr jang: wohl auf der Wahljtatt jteht ein Roſenhag, 

Da ein Mannesherze mit Wonne pflüden mag. 

Geöffnet jind die Thüren zu Walhalls Helvenruh: 
Mohlauf ihr Walfüren, ih trink' euch manden Becher zu. 


Wo der Schlaht Getofe am lauteften erjcholl, 

Da ſuchten fie die Pfade; es wurden Blutes voll 
Des Streitwagens Näder. So drangen fie heran 
Auf die Alfheimsreden, die Waffen fchufen Bahn, 


Da Herr Alf im Barte Sigurd Ring erfah 

Mit dem Golohelme, zu Erek ſprach er da: 

„Den Geier jeh ich fliegen, der solche Noth gebracht 
Auf unfer weißes Täublein; nun gilt es fühne Jagd!” 


Mit gehobner Klinge den König lief er an; 

Hei, was es aus den Brünnen zu ftäuben da beganı 

Ron feuerrotben Funken! Das ward ein harter Streit; 
Herr Alf gedachte zu rächen den Tod der ſüßen Maid, 


Bu 





An Sigurds PBanzerringen eine Lücke nahm er wahr, 
Hinein wollt’ er jtoßen. Da traf ihm fchnell Ragnar 
Mit dem Streithammer die Schläfe zornesvoll, 

Daß er rafjelnd ftürzte. Sein blonder Bart von Blute quoll; 


Es brach fein grollend Auge, der Odem ihm verging. 
Ueber jeine Leiche hinweg fuhr König Ring, 

Den GStreitwagen lenkt! er auf Erek Harfenjchall, 
Der hatte wohl gewahret feines Bruders Fall. 


Er bob fih in ven Bügeln, die Lanze ſchwer und ſcharf 
Nach dem Geierhelme mit Nachemuth er warf; 

Da bog der König jeitwärts, daß dur den Mantel nur 
Ueber jeiner Schulter daS Speereijen fuhr. 


Ingrimmig auf den Schleuderer er trieb das Roßgeſpann, 
Bis er ihn konnt’ erreichen. Mit beiden Händen dann 
Schwang er fein Gemwaffen, das bligt’ im Sonnenlicht 
ALS wie ein gülden Feuer, doch jeinen Mann erlegt’ er nicht. 


Des Flammberges Schneide durch Ereks Zäume ſchoß 
In des Vferdes Naden. Da bäumte fih das Roß 
Von übergroßem Schmerze und ftieg mit fteilem Bug, 
Daß binterrüds der Reiter zu Boden niederjchlug. 


Sein Fuß blieb in dem Bügel. Ueber's Schlachtgefild 

Ward er jo gejchleifet von dem Hengjte wild, 

Sein lihtbraun Haar im Staube, der Züge Lieblichkeit 

Veritellt vom jadhen Tode. Das war zu mancher Jung: 4 
frau Leid. | 


Da die Alfheims-Mannen den Reden fallen Jahn: 
Zu meichen fie begannen. Da ftob es auf dem Plan 
Bald von Waffenlojen; es wälzt ſich die Flut 
Hinauf zu den Bergen, hinab zur Meeresbudt, 


ee yore sie: E64; 


RO 


König Sigurd ſchaut' es, da jtieß er freudevoll 

In fein jilbern Hüfthorn, da über Feld es jcholl; 
Zuhauf rief er die Kämpen, fie famen wohlgemuth. 

Wie war da mander Panzer bejprengt mit rothem Blut! 


Mit frohen Augen grüßte der König Mann für Mann, 
Und hieß am Strand fie lagern. Zum Sohn ſprach er dann: 
„Du führteft gut das Eifen, Ragnar, du junger Leu, 
Nun ſollſt du mir erweiſen in füßerm Dienste deine Treu. 


Das Feld iſt gewonnen, der Feind ift entflohn, 

Nun bringe mir Mffonnen, den jehönen Siegeslohn! 
Hochzeit will ich halten noch heute mit der Maid; 

Mer achtzig Sommer ſchaute, der hat niht Wartens Zeit.“ 


Die König Higurd Hochzeit hielk. 


Bei ver Sigurdsflotte nicht weit vom Feld der Schlacht 
Lag ein Schiff gerüjtet mit wunderfamer Pracht, 

Die Majten und die Stangen gebaut aus edlem Hol, 
Dran ſah man Wimpel prangen und Flaggen reich und ftolz. 


Bon ſchneeweißem Linnen das Segel war zur Fahrt, 
Man hatte an den Tauen der Seide nicht gejpart, 
Silbern jhien der Anker, e$ war des Steuerd Griff 
Aus blanfem Erz getrieben. Das war das Hochzeitsichiff. 


Am Ufer bei dem Schiffe König Sigurd ftand; 

Sröhlih war jein Herze und purpurn fein Gewand. 

Boll heißer Inbrunſt harrt’ er der holdſel'gen Maid, 
Daß Ragnar fie brächte. Doc oft wird Luft verfehrt in Leid. 


Es fam des Wegs vom Schlofje daher ver junge Held; 
Sp hanget wohl ein Wetter düſter über'm Feld, 

Ch es tobend ausbricht in Bli und Donnerjchlag, 
Wie auf der Stirn de3 Knaben des Grames Wolfe lag. 


206... 





Ihm folgten fieben Degen in Helm und Banzerring, $ 
Sie trugen eine Bahre, darob ein Teppich hing. } 
Langſam fehritten alle, mit Blicken trauervoll 

Grüßten fie den König, daß bangend ihm die Seele jchwoll. 


Da ſprach Nagnar der Junge: „Ich babe fchlechten Gruß, 

Eitel Rabenbotichaft ift was ich künden muß. 

Wohl bring’ ih dir Alffonnen, wie dein Spruch gebot; 

Dob wirft du nie fie minnen, geminnt bat fie der bleiche 
Tod.“ 


Er winkte den Genofjen, daß fie aus der Hand 

Die Bürde jegen möchten. Dann ſchlug er das Gewand 
Zurüd von der Bahre, vie faltig es bevedt: 

Da lag die fhöne Jungfrau todt dahingeftredt. 


Sie lag in Mohn und Lilien als wie ein fchlafend Bild, 
Zugedrüdt die Augen, verfärbt die Wangen mild, 

Im weißen Linnenkleive, jeden Schmudes bar, 

Ihr einzig Goldgeſchmeide das ſonnig leuchiende Haar. 


Da fie der König ſahe, die ſchneeblaſſe Maid, 

Ihm war's, als führe plöglih durch all fein Eingeweid 
Ein zweifchneidig Eifen. Zum Himmel auf er jchrie. 
Er hatte nimmer Minne getragen heiß mie bie. 


Keine Thräne weint’ er; jtarr blieb er ftehn 

Mit vorgejunfnen Antlig. Wer ihn da gefehn: 

Er hätt’ ihn wohl gehalten für ein Bild von Stein. 

Da ward ein tiefes Schweigen durch aller Kämpen Reihn. 


Lange fonder Regung gebeugt jtand Sigurd Ring; 

Dann warf empor das Haupt er, von feinen Augen ging 
Ein freudevolles Funkeln, es zudten jeine Braun 

In kühnem Helventruge; gewaltig war er anzuſchaun. 





Er ſprach: „ES ſchuf die Norne mir ungefügen Gram, 
Da fie mir im Horne den Preis des Kampfes nahm; 
Daß ſie mich felbjt verjchonte, weiß ich ihr nicht Dante. 
Mas frommt es mir zu leben, wenn meine Sonne jank! 


Siebenzig Jahre trug ich mein Schwert bei Feſt und Krieg; 
Hundert Schlachten jhlug ih und mein war der Sieg. 
Nun mag ich nicht verfümmern fonder Klang und Strahl, 
Ein elender Greiſe daheim im öden Saal. 


Auch hab’ ich mich verſchworen mit einem theuren Eid, 
Nimmer heimzufehren, denn mit der holden Maid. 
Sch müßte Schmad erwerben, bräch' ich's ohne Noth; 
Nein, bejjer iſt's zu jterben einen königlichen Tod. 


Auf, ſchaffet von der Wahljtatt die Erſchlagnen all, 

Und thürmt fie aufeinander zu einem Leichenwall 

Auf dem Ded des Schiffes! Mir däucht, es find genug, 
Daß ih gen Walhall fahre mit reifigem Heereszug. 


Dob an's Steuerruder bei de3 Lootfen Stand 
Sollt ihr Alfſonnen legen, und einen Fichtenbrand 
Hoh daneben pilanzen in hellem Flammenfcein. 
Das joll bei meiner Feier die Hochzeitfadel jein. 


Fahr wohl, Ragnar, mein Knabe, dir geb’ ih Kron’ und 
Reich; 

Ihr auserlef'nen Degen, ih grüß’ euch allzugleich; 

Fahrt wohl und lafjet wallen die Banner hoch im Wind! 

Zabt die Pauken ſchallen! das Brautfejt beginnt.” 


Das Schiff war gerüjtet, hinein der König trat; 
Niemand durft' ihm folgen auf dem ſchmalen Pfav. 
Das Ankertau zerhieb er, dann löst er ruhevoll 

Die Seile an den Linnen, daß friſch im Wind das Gegel 
ſchwoll. 


— 208 — 


Unter Sfalvenlievern das Schiff zog die Bahn 
Hinaus zur blauen Weite. Es glitt al3 wie ein Schwan 
Der Abendfonn’ entgegen. Am Steuer Sigurd ftand, 
Es ſchwang der alte Degen den ſprühenden Fichtenbrand. 


Da lief empor am Segel ein glutrother Schein, 
Geſchleudert war die Fadel in's dürre Holz hinein; 
Rauchgewölke zogen. Dann brad ein Slammenfranz 
Empor um Maſt und Stangen, es ftand das Schiff in 
Feuer ganz. 


Die Lohen ſchlugen mädtig und fpiegelten im Meer, 
Dom Ufer zog prächtig des Liedes Schall daher, 
Bis in der feuchten Tiefe Schiff und Glut verging. 
Da war der Held beftattet. Das ijt das Lied von Sigurd 
Ring. 





Buch der Betrachtung. 


Hnomen. 


L 


Biſt vu der Selbſtſucht los, jo gehorche der ahnenden Seele, 
Und das Bezmeifeln der Welt jtöre dir nimmer ven Weg; 
Folge getroft. Am ſchroffeſten Hang wallt ficher die Unſchuld, 
Durch die Grube des Leun führt fie befhirmend ein Gott. 
Selber das Unglück wandelt ſich ihr zur erhebenden Staffel; 
Ging doch aus finjterer Haft Joſeph im Purpur hervor. 
Aber fürchte die Schuld, und mehr no fürchte den Hoch— 
muth, 
Der wie berauſchender Wein raſch dir die Sinne ver— 
wirrt. 
Auch Alexander erlag, der gewaltige Liebling des Schickſals, 
Eh’ ſein Ziel er erreicht, weil er der Götter vergaß. 


Il. 


Großes vermag der Verſtand, er erfinnt und bildet und 
ordnet, 
Aber das Kunſtwerk ſchweigt, aber die Ordnung iſt todt. 
Prangt auch hehr das Gebild in der Glieder entzückendem 
Gleichmaß: 
Nimmer vom Marmorgeſtell ſpringt es erröthend herab: 
Geibel, Geſ. Werke. II. 14 


— 210 — 


Nimmer bewegt ſich die athmende Bruſt, von der ſchwellen— 
den Lippe 
Fließt, uns das Herz zu erfreun, nie der empfindende 
Laut; 
Ach, und des Auges erſtarrtes Gewölb klagt traurig und 
glanzlos: 
„Warum gabſt du den Leib, wenn du die Seele nicht 
giebſt?“ 
Willſt du Lebendiges zeugen, ſo ſchaffe wie Gott ſchuf — 
liebend; 
Göttlichen Odem beſchert einzig die Liebe dem Werk. 





III. 


Ueber dem ſchlummernden Kind, dem ergötzlichen Spiele des 
Knaben 

Hält mit lächelnder Stirn ſchirmend ein Genius Wacht; 

Liebreich gönnet dem redlichen Sinn, dem beſchränkten, der 
Zufall 


Was er bedarf, und im Spiel ebnet er gern ihm die Bahn. 


Doch nur felten erfcheint aus den Wolken ein Helfer dem 
Großen; 
Denn ihm gab die Natur jelber ein Auge, zu ſchaun, 
Schuf ihm Flügel, die Welt zu beherrſchen, und ſenkt' ihm 
der Ahnung 
Göttlihe Kraft in die Bruft, daß fie ein Steuer ihm fei. 
Wohl ihm, ehrt er daS hohe Geſchenk! Doch trübt er es 
frevelnd: 
Leicht, ein erblindeter Aar, ſchwankt er hinab in's Geklüft. 
Ach drum ſehn wir ſo oft vom Sturm die Heroen ver— 
ſchlagen, 
Und das gefeierte Haupt ſchwer von den Blitzen verſengt. 
Aber getroſt, du vernahmſt das Geſetz. In düſterer Stunde 
Wahre den heiligen Muth, wahr' in beglückter das Maß; 






— 


* nein: rue —— 


— 211 — 


Horh, dann jehmilzt dir der Parze Gejang zu flötendem 
Mohllaut, 
Und du verfühnit das Geſchick, dem du dich heiter ergiebit. ' 





EV: 


Wer ſich ſelbſt zu bejcheiven vermag aus Liebe zum Ganzen, 

Den vor Allen im Staat preif’ ich als groß und als frei. 

Denn ihm ward das Gejeß zum eigenen Willen, und freudig 

Uebt er aus innerjtem Trieb was ihn beglüdet, das 
Map. 

Seglichem leijtet er gern das Gebührende, daß er es jelber 

Wieder empfange, vom Recht, dem er fi) beuget, be- 
ſchützt. 

Lebte Jeglicher ſo vom König herunter zum Bauern: 
Ach, kein bitterer Zwiſt ſpaltete ſchmählich das Land, 
Sondern wir ſtänden vereint, wie ein Forſt hochragender 

Eichen, 
Auf uns ſelber, dem Feind ſchrecklich und glücklich am 
Herd. 


V 
Sei nur rein wie der Schwan und es ſproſſen von ſelber 
dir Flügel 
Dir zu begeiſtertem Schwung hoch an den Schultern 
empor 
Und du erkenneſt die Welt und dich ſelbſt und den walten— 
den Vater, 


Himmel und Erde beherricht klar der erleuchtete Blick. 
. Aber befledjt vu mit Staube die göttlich entfprungene Seele, 
Bieht did ein ewig Gejeß wieder zum Staube zurüd. 


— 212 — 


Einzelnes magſt auch dann du vernehmen. Die himmlische 
Gabe 
Wirket entweiht jelbjt fort; aber der Genius ſchweigt. 
Wie fihb der Mond nur voll im lauterjten Strome be— 
ipiegelt, 
Ruht jtill Schaffend der Gott einzig im reinjten Gemüth, 


VI. 


Vieles erlerneſt du wohl, doch nimmer erlernſt du das 
Große, 

Und das Gewaltige giebt einzig der Strahl der Geburt. 

Wem an die Wiege der Gott nicht trat mit jegnender 
Lippe, 

Nach ver Krone des Glüds jtredt er vergebens die Hand. 

Männliche Tugend erringjt du dir jelbjt, unenvliches Wiſſen 

Kauft du mit Schweiß, es gehorht deiner Bemühung 


der Stoff; 
Aber die Blüte des Seins — nenn's Schönheit, Genius, 
Liebe, 
Nenn’ es Begnadung — umjonft wie der ambrojijche 
Thau, 


Unerbeten fällt es herab auf die Stirn des Erwählten, 
Daß ſie in ſeliger Scham unter dem Lorbeer erglüht. 


VII. 


Heilig acht' ich den Wein, und immer, ſobald er die Lippen 
Herzerfreuend mir netzt, denk' ich des Lebens dabei. 
Denn vom Lichte gezeugt und der Alles ernährenden Erde 

Grüßt in des Lenzes Beginn jhüchtern die Rebe ven Tag; 

Und dann füßt fie ver Strahl, da meint ji. Aber bie 
Zähren 

Sind noch ſüß, und allein quellenden Lebens Symbol; 





a re 


al) 5 


Bald auch ſchießen die Blätter heraus in grünender Jugend, 
Und allmählig am Stod drängt fi die Traube hervor. 
Langſam reift fie, vom Glanze gefäugt, bis endlih im 
Herbite 
Boll ſüßſchwellenden Saft purpurn den Winzer te lodt. 
Wenn fih das Laub dann fenkt, und den Tod vorahnend 
nob einmal 
Prächtig in Farben erglüht, naht er mit blinfendem Erz; 
Und vom Stamme gelöst und gelöst von der nährenven 
Mutter, 
Mird die gezeitigte Frucht unter die Kelter gethan. 
Ah, dann duldet fie viel; der Geburt urfprüngliche Reinheit 
Geht ihr verloren, fie weint blutige Thränen des Leids. 
Aber das Fremde bemältigt fie nicht, und die Strahlen 
der Sonne, 
Die fie als Kind einſog, vegen ſich mädtig in ihr, 
Bis fie in gährendem Kampf die gemeineren Stoffe be- 
zwungen, 
Und ala Feuer und Geijt wiedergeboren erjiheint. 
Seht, da fafjet der Prieſter den Wein in goldene Schalen, 
Und ein geläutert Geſchenk bringt er den Göttern ihn dar. 


ADEL 
Groß mit den Großen zu fein iſt göttliches Loos. An 
Achilleus 
Lehnt ſich Patroklos im Kampf, wenn er um Ilium 
braust; 
Teukros entſendet den Pfeil umſchirmt vom Schilde des 
Ajax, 


Neſtor ſitzet, der Greis, neben Odyſſeus im Rath; 
Und dann wandelt Homer mit der goldenen Harfe. Be— 
geiſtert 
Mit unſterblichem Preis krönt er der Helden Gelock. 


—. 214 


Aber in Eleinlicher Zeit, einfam wie ein Adler, das Große 
Kühn zu verfuchen, und, wenn blutend der Fittich verjagt, 
Noch mit fterbendem Blick nad dem heiligen Ziele zu deuten, 
Wahrlich, ähnlichen Ruhms dünkt es mich würdig zu fein. 





RX. 
Daran kranket die Zeit, daß fie ſtets mit fleinlihen Mitteln 
Spielt und verfuht und dabei Großes zu jchaffen wer: 
meint. 
Niemand wagt den geradejten Weg; man fügt fi dem 
Weltlauf, 
Da ſich der Weltlauf doch ſtets dem Gewaltigen fügt. 
Freilich beſchränkterer Sinn bebt ſcheu vor ftürmijcher Meer: 
fahrt, 
Weil er im Wetter ſich nicht fräftig zu jteuern getraut; 
Aber dem Genius jchenfte der Gott zur Schmeiter die 
Kühnheit, 
Und durch Klippen und Sturm führt er zum Hafen das 
| Schiff. 
ſicht in den Abgrund ſpäht er mit Angſt; er erhebt zu 
den Sternen 
Muthig das Haupt. Noch nie haben die Sterne getäufcht. 


X. 
Glaubt mir das Eine: Das Recht ift nit hier und das 
Recht iſt nit dorten, 
Aber der feurige Streit ſtählet und zügelt die Kraft. 
Wie kreuzweiſſ im Geweb ſich die feindlichen Fäden be— 
gegnen, | 
Wirkt fih der Tag aus dem Kampf zweier Gedanken 
das Kleid. 





— 


Raſtlos vollet ver Wagen der Zeit, doch daß er nicht ftürze, 
Hat ihm der waltende Geijt doppelte Lenker geſellt. 
Geißelt der Eine zu wild das Geſpann in die ftäubende 

Rennbahn, 
Hält der Andre dafür ſtraffer den hemmenden Zaum. 
Und ſo rücken wir dennoch vom Ort, und der Gott der 
Geſchichte 
Fügt es nach ew'gem Geſetz anders, als beide gedacht. 


XI. 


Wie der purpurne Wein, wenn die blintende Schale zer: 
Iprungen, 
Alſo zerfließet der Geilt ohne des Wortes Gefäß, 
Und nicht hält er dir Stand. Doc) bildet’ er jtill ſich ver 
Rede 
Köſtlichen Leib: wie ein Freund ſpricht er vertraulich 
dich an. 

Durch ein Wunder erſchließt ſich das unſichtbare Geheimniß 
Und das lebendige Wort zeuget lebendige That. — 
Ueber den Waſſern ſchwebte der Geiſt, doch als er das 

Wort ward, 
Stieg aus dem Chaos der Nacht herrlich die Schöpfung 
empor. 


XII. 
Kühl zu deinem Verſtand ſpricht jegliche Lehre; ſie bleibt dir 
Ewig ein Todtes, ſobald fremd ſie von außen dir kommt. 
Was dir ein Anderer giebt, und wär' es das Köſtlichſte, 
frommt nicht, 
Wenn du den ſchlafenden Klang tief in der Seele nicht 
trugſt. 


— 216 — 
Wunder begreifen fih nicht, du mußt fie im Innern er— 
leben, 
Segliher Glaub’ ift ein Wahn, den du nicht felber er: 
fubrit; 
Nur was ſelbſt du erfennjt als ein Göttlihes, das bir 
berabfam, 


Hat, ein lebendiger Hauch, dich zu verwandeln die Macht. 


XIH. 
Segliches gleichet fih aus. Die Glüdlihen find mie bie 
Kinder, 


Froh durchs jonnige Thal wandeln fie ohne Bedacht; 
Und fie brechen die purpurne Frucht und fingen im Schatten 
Mühlos heiter, es däucht ihnen das Leben ein Traum. 
Aber das Unglüd reift vie köſtliche Perle der Weisheit, 
Schmerzlih gefurcht ift die Stirn, drin der Gedanke ſich 
zeugt. 
Mas dir gelang, leicht nimmſt du es hin und genießeit 
es achtlos, 
Was du verfehlteſt, es ſchließt immer ein Räthſel dir auf. 
Drum ſo du ſcheiterteſt, grolle du nie. Aus jeglichem 
Schiffbruch 
Geht der erhabene Geiſt größer und reicher hervor. 


Widmung einer Tragödie. 
An den Rönig von Preußen. 


Zum erjtenmal, nachdem in Luft und Xeid 

Ich mandes Lied zum Spiel den Winden gab, 
Betret’ ich heut der Bühne mwechjelnd Reich; 
Und nicht mit leihtem Sinne, Nein, ich meiß, 


Va er VE 





Daß Großes ih mit junger Kraft gewagt. 
Denn nicht geziemt es mehr, den Müfliggang 
Im götterlofen Haus durch flücht’gen Reiz 
Und furze Ueberraſchung zu zerjtreun; 

63 fei die Bühne, was dereinſt jie war, 

Ein Heiligthum; es fei das Trauerfpiel 

Ein dunkler Spiegel, drin, zum Bild gefaßt, 
Das ewige Geſetz des Weltengangs 
Gejtaltenreih dem Volk jih offenbart. 


Drum wolle Keiner, der in Zeit und Vorzeit 

Des Gottes mächt'ges Schreiten nie vernahm, 

Und nicht die Sühnung fennt und nicht das Maß, 
Hier Priejter fein. Und wer zu opfern kommt, 
Sei reines Sinns und nahe fih in Ehrfurdt 

Der erniten Mufe, der gewaltigen, 

Die hochherwandelnd That und Mifjethat 

Der Sterbliben in erzner Schale wägt. 


Sp tret’ auch ich heran, und wie ich fchreite, 
Bewegt ein leifer Schauer mir die Bruft, 

Doh hebt mir Eins den Muth: ich weiß, ich ringe 
Nah Würdigem, und wer des Lebens Kraft 

An Großes jest, den führet gern ein Gott 

Zulegt an’3 Ziel, ob er auf feiner Bahn 

Auch viel erdulden müſſe. 


Langſam ringt 
Im dunkeln Schacht die Flut, bis hoffend fie 
Herporjpringt und das heißerjehnte Licht, 
Den golonen Tag mit Elaren Augen grüßt; 
Auch dann noch rinnt fie leifer durch's Geftein, 
In ſteter Krümmung ihre Pfade juchend; 
Doch gnädig jchließet fih der Himmel auf, 
Und jhidt den friſchen Wolkenſohn, ven Negen, 


Und jendet ihr die fröhlichen Geſchwiſter, 

Die felsgebornen, vom Gebirg herab. 

Da ſchwillt fie kühn empor, gefräftigt bricht fie 
Durch Klippentrümmer fih die eigne Bahn, 
Und endlich, ſiegreich durch die Thäler wandelnd 
Tränkt fie die Flur und jpiegelt fie die Sonne, 
Ein goldner Strom des Segen?. 


Alſo reift 
Auch Weisheit langjam, und ein andres bringt 
Der Jugend raſcher Sinn, ein anderes 
Aus reichem Schat des Manns geprüfter Geift. 


Ich babe heute nur ein Jünglingswerf; 

Dod leg’ ich's dankbar als die einz’ge Gabe, 
Die Deinesgleihen ich zu bieten weiß, 

In Deine Hand, o Fürft, ver freundlid Du 
Die ihlimmite Muſenſtörerin, die Sorge, 

Mit holdem Wink von meinem Tiih gejcheucht. 
Sp nimm es hin, und ob auch viel gebridt: 
Vergieb es lächelnd, daß ver friſche Duell 
Dom künft'gen Strome leiſe rauſchend träumt, 
Zu fühn vielleiht — denn Hoffnung, Muth und Kraft 
Genügen nimmer, wenn von goloner Wolfe 
Der jhöne Gott nicht jegnend niederjchaut. 


DIET ENG 
2 i — u u 


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De ——— 


Helle Nächte. 


Schweifſt du noch immer dort oben 
Du von den Töchtern des Himmels 
Mir die freundlichſte, Abendröthe? 
Oder naht ſchon von ferne 
Tagverkündend 





u 


Die prangende Schweſter, 

Die mit den Rojenfingern 

Die Rofje des Helios anſchirrt? 

Nicht weiß ich's zu fagen; 

Aber droben zwiſchen ven Wolken 

Seh’ ih vie weißen Ströme de3 Lichts. 


So iſt's auf der Höhe des Lebens 
Dem jinnenden Manne, 

Der mit rubigem Auge 

In die flutende Zeit hinausſchaut, 
Und Vergangenes und Künft’ges 
Still im Bujen erwägt. 

Allwärts haut er 

Unendliche Wandlung, 

Aber trojtlos laſtendes Dunfel 
Siehet er nidt; 

Denn es reiht das Geſchlecht dem Gefchlechte 
Segnend die Hand, 

Don einem zum andern wandelt leiſe 
Das heilige Feuer der Belta, 

Die erquidende Gabe des Lichts, 
Und der fommende Tag 

Zündet freudig die Fadel 

An dem verlöfchenden an. 





Schikfalslied. 


Starr und unmandelbar 
Mit ebernen Füßen 
Durch Zeit und Wechſel 
Schreitet das Schidfal, 
Nah ewiger Satzung 


a 


Unerbittlich 
Segen lohnend mit Segen, 
Fluch mit Fluch. 


Hat die Erde 

Blut getrunken, 

Aus der rauchenden Scholle 

Mit dem Schlangengelock 

Steigt die Erinnys; 

Nimmer müde, 

Dem lechzenden Spürhund gleich, 
Keucht ſie nach der Fährte des Frevlers 
Und ſinget Eulengeſang 

In ſeine Träume. 


In ſelbſtgewürktem Netze 
Unentrinnbar 

Feſſelt ſie den Flüchtling; 
Sein einzeln Haupt 
Trifft ſie grollend, 

Trifft zugleich 

Des fluchgezeugten Enkels Schläfe; 
Sie legt die Fadel 

An den Prachtbau 
Ganzer Geſchlechter; 
Rieſig wachſend 

Ueber Völker und Reiche 
Gießt ſie die volle 
Schale des Zorns. 


Aber neben 

Der hochherdräuenden 
Wie Mond durch Nächte, 
Wandelt auf ſchwebenden 





— 2231 ‚— 


Sohlen die Gnade, 
Himmliſch Erbarmen im Angeficht. 


Wehe, wer trogig 

Finſteren Auges 
Vorüberſchreitet 

Der lichten Geſtalt; 
Verfallen iſt er 

Dem eiſernen Spruche 

Der unerbittlichen Rächerin, 
Und ſeiner Frevel 

Wird ihm keiner geſchenkt. 


Aber den Reuigen, 

Der mit flehenden Armen 
Sich an den Saum 

Der Himmliſchen klammert, 
Und ſelbſt die achtlos 
Weiterſchreitende 

Nimmer losläßt, 

Lächelnd endlich 

Hebt ſie empor ihn, 

Und wie einſt Pallas 
Mit dem Gorgoſchilde 
Den fluchbeladnen 
Oreſtes deckte, 

Deckt ſie ihn 

Mit ſilbernem Schleier, 
Daß ihn die zürnende 
Schweſter nicht ſchaut. 


Leiſ' auch verwandelt 
Sie den Geretteten; 

Sein blutig Gewand 

Wird weiß wie Wolle 
Junger Lämmer 


— 22 — 


Und den Entjühnten 
Führt fie geflügelt 

Hinauf an das Herz 
Des ewigen Vaters. 


Wähl', o Sterblicer: 
Willſt du wohnen 

Im Bann des Schickſals, 
Unterthan 

Unbeugſamer Satzung? 
Willſt in der Himmliſchen 
Retterin Arme 

Gläubig dich flüchten? 
Dein iſt die Wahl. 


An den Schlaf. 


Hoch vor allen \ 
Gaben der Himmliſchen 
Sei mir gepriefen 

Du der Seele 
Labendes Waſſer, 
Gliederlöſender 
Heiliger Schlaf. 


Dich ſegn' ich Abends, 
Wenn ich gebeugt, 
Erquickung ſuchend 
Herniederſteige 

Zu deiner Tiefe. 


Wie Meereswogen 
Umfängſt du mich kühlend; 





— 23 — 


Und wie das Meer 
In feinem Schooße 
Nichts fremdes herbergt, 
Und faules Gewächs, 
Trümmer und Leichen 
Raſtlos wieder 

An's Ufer flutet: 
Spülſt du die Sorgen 
Alle des Tages, 

Die kranken Gedanken 
Zurück an's Geſtad. 


Dich rühm' ich Morgens, 
Wenn mir die Seele 
Verjüngt emportaucht 
Aus deinen Wellen, 
Friſch und ſtrahlend 
Wiedergeboren, 

Der meerentſtiegenen 
Göttin gleich. 


Ein heilig Bad 

Biſt du, o Schlummer, 
Würziger Kraft voll. 
Muth und Erneuung 
Athmet die Pſyche, 
Wenn deine Woge 
Sanft die bewußtlos 
Schwimmende trägt 
Von Leben zu Leben, 
Von EStrand zu Strand. 


So iſt der Tod 
Auch ein Bad nur. 


— 24 — 


Uber drüben 

Am anderen Ufer 
Liegt uns bereitet 
Ein neu Gewand. 


Dichterloos. 


Und ſo klag' ich zu dir, 

Vater Apoll! 

Du aber höreſt geduldig 

Mein leidvoll Schickſal, 

Denn wie dein eigenes klingt es; 
Und an Daphnen gedenkend, 

Die Jugendblonde, die Frühgeraubte, 
Lächelſt du unter der Strahlenwimper 
Mitleidig mich an, 

Und ſchwichtigſt huldreich 

Mit Leyertönen 

Mir das ſtürmiſche Herz. 


Ach, gleich dir 

Breitet' ich einſt im Frühroth 
Liebeverlangend 

Sehnſüchtige Arme aus. 

Aber das reizende Bild, 

Das heißbegehrte, 

Floh wie das Reh des Gebirgs 
Scheu vor mir her, 

Nur die unfühlbare Luft 

Zur Umarmung mir laſſend. 
Vom Gipfel zum wonnigen Thale, 
Durch die Schatten des dämmernden Waldes 





— 225 


Zog es mid nad) 

In unfterblider Anmuth, 

Immer den jehimmernden 

Naden mir zeigend, 

Immer nah den beflügelten Füßen, 
Nimmer erreicht. 


Mohl rief ich, weint’ ich 

Nach der flüchtigen Liebe, 

Und du, o Bater, 

Zräufelteft goldenen Wohllaut 
Sn die Stimme des Rufenden, 
Und miſchteſt mit Nektar 
Seine Thränen. 


Die Blüthe ver Freude 
Bracht' ich ſeitdem 

Den Gäſten zum Mahle, 
Zum Herde den Glücklichen, 
Der Braut zum Feſte, 
Freudlos ſelber. 


Ach! Und nun ich endlich 

Das ſelige Kleinod 

Mit der Spitze des Fingers ſtreife, 
Und tiefaufathmend 

Ermattet ſinke: 

Hat ſich das Köſtliche mir 

Unter den Händen 

Zum Lorbeer verwandelt. 


Wohl rauſcht er tröſtliche Kühlung 
Um die pochenden Schläfe, 
Aber in Schlummer nicht 


Geibel, Geſ. Werke. II. 


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Rauſcht er die unauslöſchliche Sehnſucht; 
Und klagen muß ich im Liede 

Fort und fort, 

Wie du, Vater, dereinſt 

Von Pindus' waldigen Gipfeln 


Um Daphnen klagteſt. 


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Iulian, 


Sragment eines erzählenden Gedichtes. 


1850. 





Erſter Geſang. 


Da meine Seele fünfunddreißig Jahr 

Nun wohnt zur Mieth’ in diefem Haus von Leimen 
Und bier und dort bereits ein filbern Haar 

Um Wang’ und Scläfe mir beginnt zu feimen: 
Sp mwill’s nicht mehr jich ziemen, immerdar 

Des Herzens flücht’ge Träume nur zu reimen; 
Nein, endlich gilt e8 andern Ton zu wählen ; 

Die Jugend ſingt, das Alter mag erzählen. 


Und fo erzähl’ ich denn. Doc mißverfteht, 
Sch bitt' euch, nicht ven Vorſatz, den ich faßte; 
Nicht Siegfrieds oder Dietrihs Banner meht 
In alter Pracht von meines Liedes Mafte. 
Kein Epos bring’ ih. Wollt ihr das, jo gebt 
Und ſetzt an Simrods Tafel euch zu Galte, 
Der treu den firnen Wein der Heldenſage 

In neuen Behern Ichenkt für unſre Tage. 


Nein, was ich biet’, ein Faden ſoll es nur 
Aus unſres Zeitlaufs buntem Teppich fein; 
Doch meil fein Menſch kann wider die Natur 
Und nun einmal der Hauch des Liedes mein, 
Gedenk' ih auf der Fabel dürft’ge Schnur 
Die Perlen der Empfindung aufzureih'n 
“Und neben einem Eleinen Stüd vom Leben 
Verzeiht, ein großes Stüd von mir zu geben. 


— 230 — 


Julian nennt fih mein Held. Das MWiegenlied 

Sang ihm der Rhein und zwar auf deutſchem Grunde; 
Ob heſſiſch, badiſch, naſſauiſch Gebiet 

Ihn zeugte, davon ward mir keine Kunde, 

Und wohl uns, dünkt' uns das kein Unterſchied; 
Dann ſprächen wir vom Reiche, ſtatt vom Bunde 
Und dürften ſtolz empor die Wimper ſchlagen, 

Wenn wir das Wort: Ich bin ein Deutſcher ſagen. 


Ich bin ein Deutſcher! Klingt's nicht voll und gut? 
Mir iſt, ich höre Rhein und Donau brauſen, 

Die Alpen glühn, der Nordſee grüne Flut 

Hüpft auf in Schäumen und die Fichten ſauſen 

Am Bernſteinufer — o mir wallt das Blut, 

Durch meine Seele geht ein heilig Grauſen. 

„Ich bin ein Deutſcher“ Glocken hör' ich läuten 

Von Aachen's Thürmen. Weißt du, was ſie deuten? 


Wann kommt der Tag, der mit Poſaunenſtoß 

Zum Heerbann ſchmiedet die zerſprengten Rotten 

Und dir, mein Volk, ein Haupt giebt ſtark und groß? 
Bis dahin wird der Fremdling deiner ſpotten. 

O Schwarm von Bienen irr und weiſellos! 

Dein beſter Hermelin ward Fraß der Motten, 

Im Staub zerſchellt liegt deine ſchönſte Krone. 

Doch ſtill, mein Herz! — Zurück zum leichtern Tone! 


Alſo: Julian iſt deutſch. Doch trägt im Fluge 
Nach Rußland mein Geſang euch vor der Hand, 
Nicht dorthin, wo mit breitem Wellenzuge 

Die Newa ſtrömt, von Brücken überſpannt, 
(Der Schauplatz mißbehagt' euch wohl mit Fuge) 
Nein, in der Steppen wellig Hügelland, 

Die zwiſchen düſtern Waldeseinſamkeiten 

Sich unabſehbar hinter Moskau breiten. 





— ae 


ALS Bonapart’ auf feinem Giegesgang, 

Dem feine Hand von Staub ein Ziel zu fteden 
Beſtimmt ſchien, plöglich ſtockt und wankt' und ſank 
Durch Moskaus Flammen und des Winters Schrecken, 
Geſchah's, daß in des Rückzugs Haſt und Drang, 
Der wirr dahinſtob durch die öden Strecken, 

Ein deutſcher Hauptmann unter'm flücht'gen Troſſe 
Im Schnee zuſammenbrach mit ſeinem Roſſe. 


Erſtarrt vom Froſte, halb verhungert, wund 

Sucht er noch einmal ſich emporzuraffen, 

Umſonſt, ſein Haupt ſinkt rückwärts auf den Grund 
Zu Wagentrümmern, weggeworfnen Waffen 

Und Todten, die, gleich ihm, in weitem Rund 

Die Flucht umhergeſtreut. Ein tief Erſchlaffen 
Kommt über ihn; mit Mühe nur die Hände 

Noch faltet er und faßt ſich auf ſein Ende. 


Oft hatt’ er ſchon in des Gefechtes Glut 

Dem Tod getrotzt; auch jetzt in dieſer herben 
Geſtalt ſieht er ihn nah'n mit feſtem Muth; 
Trifft's doch nur ihn, der ohne Weib und Erben. 
Wenn irgend ein Gedank' ihm wehe thut, 

Iſt's der, nicht für ſein Vaterland zu ſterben; 
Denn treu im Sinn dem Geiſte ſeiner Ahnen, 
Folgt' er gezwungen nur des Kaiſers Fahnen. 


So liegt er da, liegt manche Stunde lang, 

Bewußt bald, fiebernd bald von Kampf und Schlachten; 
Um Mittag war's, als er zu Boden ſank, 

Und nun bereits will's über'm Schneefeld nachten; 
Die wunde Schulter brennt; nach einem Trank 

Lechzt ſeine Kehle mit erhitztem Schmachten — 

Da hört er's traben, dann ein Pfiff, ein Fluchen. 
Das ſind Koſacken, die nach Beute ſuchen. 


— 282. 


Und näher kommt's, und roth wie Fadelbrand 
Fließt's um ihn ber; er fieht im engen Kreife 
Die bärt'gen Lanzner, die mit fichrer Hand 
Den Tod ausplündern nach Barbarenmeije. 
Da rinnt, was er bisher noch nie empfand, 
Ein Schau'r von Furcht durh Mark und Bein ihm leiſe. 
In Gottes Hand hatt’ er fich till ergeben, 

Die Hand des blut'gen Räubers macht ihn beben. 





Schon beugt ein Graubart über ihn fich ber, 

Und als der Wunde, ven er todt geglaubt, 

Emporzudt, greift er ruhig nad) dem Speer, 

Ihn Falt zu machen, eh’ er ihn beraubt; 

Da plöglih jhallt ein Auf: Um Gott! Valer! 

Halt! Halt! — Und dur den Schwarm mit hohem Haupt 
Drängt ih ein Jüngling, dem die Silberligen 

Der Ruflengarden an den Schultern bligen, 


Zurüd, zurüd, Kojaden! ruft er wieder. 

Sp bittre Störung fam den Plündrern nie; 
Doch, da fie Degen, Schärp’ und Hutgefieder 

Am Fremdling Shaun, gehorchen zögernd fie. 

Der aber wirft fich bei dem Deutjchen nieder, 
Das Haupt ihm janft aufjtügend mit dem Knie, 
Reibt ihm die Schläfe, tröpfelt ihm zum Munde 
Ein Neithen Wein und forfcht nad feiner Wunde. 


Ins Meer wirf deine Wohlthat, fpriht ein Lied 

Im Morgenland, dem Land der weiſen Zungen; 
Wirf fie ins Meer, wenn fie der Filch nicht fieht, 
So Sieht fie Gott. Nachſprech' ich's tiefdurchdrungen; 
Die gute That, wie ſtill ſie auch geſchieht, 

Iſt unverloren. Gleich dem Kern, verſchlungen 
Vom Boden, reift ſie. Sinkſt du einſt ermattet: 
Sie ward zum Baum indeß, der kühl dir ſchattet. 


dr 


Baler erfuhr's. Er hatt’ auf Moskau's Gafjen 
Jüngſt einen Bauern, deſſen ſchlichte Tracht 
Kaum zu den feinen Zügen wollte paſſen, 

Aus trunfner Schweizer Händen losgemacht; 

Zwar feinen Namen hatt! er ihm gelaſſen, 

Doch dann des Vorfall weiter nicht gedacht; 

Im Shmuden Kriegsmann nun, der ihm jo bieder 
Beiſpringt, erkennt er feinen Schügling wieder. 


Zum Reden freilich fehlt jet Kraft und Zeit. 

Gefahr ift im Verzug. Der Ruſſe ſchlingt 

Ihm um die Wund’ ein Tuch voll Sorglichkeit, 

Das mweih und feucht das Blut zum Stoden zwingt. 
Dann ruft er laut, ein Schlitten fteht bereit, 

Drauf man den Tieferfhöpften unterbringt; 

Der trinkt noch einmal mit gedehntem Zuge; 

Drauf ſinkt er hin — und vorwärts geht's im Fluge. 


Schlaf, ſüßer Schlaf, aeheimnißvoller Sohn 

Des heil’gen Dunkels, der du jede Laſt 

Uns abnimmft, und im Kranz von buntem Mohn 
Vom Bruder Tod nichts als fein Lächeln haft; 
Wenn du dem Herzen, dem fein Glüd entflobn, 
Die allzulauten Schläge lullſt in Raft, 

Mie lieblih dann, ein Hauch aus Varadiefen, 

Sit deiner Flügel Wehen! Sei gepriejen! 


Auch unjern Dulder rührt ihr fanfter Schlag; 

Mie kühler Schatten ruht’3 auf feinen Sinnen, 

Lang, lang. — Zwar manchmal will, al3 wär’ es Tag, 
Ein Strahl dureh feiner Träume Zwieliht rinnen, 
Doch finkt er jtet3, ch er fi jammeln mag, 

Auf's neu zurüd, er fühlt's, auf weiche Linnen. 

-Mie viel indeß verfließt des Zeitenfchmwalles, 

Ihn kümmert's nit. Er rubt — und das ift alles, 


— 34. — 


Doch endlich ſummt es in fein trunfen Obr, 

Mie tiefmetallner Hall, und Klingt, und Klingt — 
Er hört's, er rührt fich, fehlägt das Aug’ empor, 
Und wie fein Blick umher im Kreife dringt, 

Als ob er ſtets noch träume, fommt’3 ihm vor; 
Im Himmelbett, daS grüne Seid’ umſchlingt, 
Sieht er ſich ruhn, in hohem Teppichzimmer, 
Mit Holz getäfelt von gedänpftem Schimmer. 


Und bier ein Tifchlein, Gläſer mannigfalt, 
Arzneien drauf, gezupfte Linnenfloden; 

Und dort zunächſt dem Fenjter, mild ummallt 
Dom Sonnenglanz und vom Getön der Oloden, 
Hinlehnend eine weibliche Geſtalt. 

Sie fehrt den Rüden ihm; die braunen Loden, 
Wie vrüberhin des Morgens Strahlen wogen, 
Sind wie von goldnem Ölorienfhein umzogen. 


Zu oronen ſcheint fie mit vertieftem Sinn 

Die Blumen, die des Fenjters Blend’ umranfen, 
Und wie zum Gruß um’s Haupt der Pflegerin 
Mit brennend rothen Kelchen niederjchwanten. 
Valer ftarrt bin, blickt fort, ftarrt wieder hin — 
's it wie zuvor. Cr müht fi, die Gedanken 
Zu zwingen, daß fie Sonjt und Jetzt verbinden, 
Umfonft, er weiß ſich nicht zurecht zu finden. 


Den Sturz im Schnee, die Angjt der Schredensnadt, 
Ein dumpf Empfinden dann, er fei gerettet, 

Mehr kann er nicht erinnern, wie bedacht 
Rüdfinnend er auch Schlüſſ' an Schlüſſe kettet. 

Wer hat in dies Aſyl ihn hergebracht? 

Wer ihn ſo weich und liebevoll gebettet? 

Gepflegt, verbunden, wer? Und wer iſt dort 

Die holde Hüterin am holden Ort? 





ml 13 13 Werth 


Er ftüßt fih auf im Bett, und hingewandt 

Zu ihr — auf ruſſiſch, daß fie ihn verftehe — 
Wo bin ih? fragt er, welcher güt’gen Hand 
Verdank' ich's, daß ich noch das Tagslicht jehe? 
Da blidt fie um, und ſteht wie fejtgebannt, 
Thränen im Aug’. Ob's Scham vor feiner Nähe, 
Ob's Freud’ ift, mas fie jo bewegt, ob Beides — 
Ich kann's nicht jagen: wer’3 vermag, entjcheiv’ es! 


Gelobt jei Gott! jo ruft fie, und vom Grunde 
Des vollen Herzens quellen Ton und Wort. 

Doch dann, vergelfend ganz, daß er um Kunde 
Sie anſprach, mie ein Rehlein jchlüpft fie fort 
Mit leichten Füßen. Nachblickt ihr der Wunde, 
Und preßt die Hand auf's Herz, als jpürt er dort 
Ein plöglih Leid — da, freudig lächelnd, tritt 
Sein junger Retter ein mit raſchem Schritt. 


Nun geht's an ein Erzählen, Forjchen, Fragen, 
Und bald find alle Wunder aufgeklärt. 

Baler, vom flüht’gen Schlitten hergetragen, 
Ruht an Gregors, des Ruſſen, altem Herd, 

Mo ihm, dem Schläfer, nun feit fieben Tagen 
Der edle Gaftfreund Pfleg' und Schu gemährt, 
Don feiner Schweiter, feiner Mutter Händen 
Hold unterftügt, die Wohlthat zu vollenden. 


Auch hört Valer, um den’3 wie Licht ſich breitet, 
Daß mehr Gregor ihm dankt, als er verjtand; 
Er trifft in ihm den Kühnen, der, geleitet 

Bon heil'gem Zorn, den düſtern Fadelbrand 

In Moskau's Schooß verkleidet vorbereitet — 
Und fiel er damals in der Franken Hand, 
Ward er erkannt auf feinen dunkeln Pfaden, 

So war ſein Theil die Kugel ſonder Gnaden. 


“x —F — u u r en — 
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” 


BR N a 


Bald nahn, den Gaft zu grüßen, au die Frauen: 

Die Mutter mild und ernft in Wittwentracht, 

Ergebner Schwermuth Lächeln um die Brauen — 

Die Tochter ſah vorhin er, kaum erwacht. 

Weich, ſchlank und ſchmiegſam ift ihr Wuchs zu ſchauen; 
Vom Auge, dunkel wie geftirnte Nacht, 

Strahlt Güt’ und Unſchuld; Schläf und Wangen zeigen 
Den blafjen Schmelz, der ächten Perlen eigen. 


Bald wird man traulid. Das Gefpräch durchweben 
Nührung und Scherz, die gern Genofjen find, 

Wie Falter gern um dunkle Bäche ſchweben — 
Erwärmt vergißt man, daß die Stunde rinnt. 

Grit al3 Gregor, dem Kranken Ruh zu geben, 

Zum Aufbrud anmahnt, ſcheidet man geſchwind, 
Und Anna jpricht, gemah der Scheu entjchleiert, 
Sie habe nie fo froh Advent gefeiert. 


Advent! Das wollten jene Gloden fagen, 

Die in den Traum ihm Elangen tief geſtimmt; 
Advent! Ihm kommt aus frühiten Jugendtagen 
Ein Schauer bei dem Wort, jein Auge ſchwimmt. 
Des Münſters dunkle Pfeiler fieht er ragen, 

Die Orgel hallt, die Fenfterroje glimmt; 

Advent! Du Felt, zur Heilsbotichaft erforen, 

Gr fühlt an dir zum Heil ſich neugeboren. 


Co mild ijt kein Gefühl, als zu genejen 

Bon ſchwerer Krankheit, die uns trüb umgraut. 
Ein janft Ermatten liegt auf unferm Wefen, 
Gleich jenem Duft, der über Früchte thaut; 
Wir blättern fpielend nur, anftatt zu leſen, 
sm Buche ver Erfheinungen, doch ſchaut 

Beim holden Spiele, deß wir raftend pflegen, 
Die jhöne Welt nur inn’ger uns entgegen, 





SAN. 


Empfunden hab’ ich's einjt an Griechenlands 
Geſtaden, wo ich ſchon zu fterben wähnte. 

D, wie mir da getaudt in tiefern Glanz 

Der Himmel ſchien, die Bucht ſich blauer vehnte, 
ALS ih nah Tagen dumpfen Fieberbrands 

Am Zinnenrand des Kloftergartens lehnte, 

Und tiefen Zugs die dufl’ge Kühle jog, 

Die janft herauf von Blütenwäldern flog ! 


Glückſel'ge Stunv’! In ſtiller Olorie ging 

Des Tages Strahlenwimper langfam nieder; 

An Tempeln und Cypreſſen ſcheidend hing 

Sein Feuerblid, die Berge glänzten wider, 

Das weite Meer ward wie ein goloner Ring — 
Rubin die Inſeln drin — und ferne Lieder 
Trug ber der Wind. Ich jauchzt' und fühlt allein: 
Du lebſt, du lebſt, und dieß ift wieder bein! 


So war's Valer. Und Süßres noch vielleicht 
Geichieht ihm. Dank und Muße ſchüren jacht 

Ein Feuer, das ihn erſt im Zraum bejchleicht, 
Und, wie er's fpürt, fhon brennt mit Uebermadt; 
Aus jedem Becher, den ihm Anna reicht, 

Nun trinkt er Leid und Wonnen; jede Nacht 
Entjäläft er, ihres Namens Hall im Munve; 

Am Arm vernarbt, im Herzen klafft vie Wunde. 


Mer ſchilt ihn drum? Mit einem ſchönen Kind 
Iſt's mißlih unter Einem Dad) zu leben; 

Mer mag an jo viel Reizen täglid blind 
Borbeigehn, jo ihm Gott ein Herz gegeben? 
Bejonders, wenn dies Herz noch nie geminnt, 
Wie's bei Valer war, oder wenn ihm eben 
Die Welt entriß, woran es hing in Treue; 
Heimweh nad alter Liebe zeugt die neue. 


— 238 


Nennt mich leichtfertig nicht um dieſes ſchwere 
Geftändniß. Doch fo ift des Manns Natur: 
Viel trägt fein junges Herz, nur nicht die Leere, 
Menn’s einmal exit, was Lieben heißt, erfuhr; 
Im Blid noch um vergangnes Glüd die Zähre, 
Sudt er ſchon künft'ges. Nomen ließ fih nur 
Sp raſch von Juliens Augen überwinden, 

Meil er voll Schwermuth war um Rofalinden. 


Doch Anna? fragt ihr. Nun, die weiß von Grämen, 
Bon Seufzern nichts, fort blüht fie ohne Harm; 

So einfah ſcheint ihr’s, Theil an dem zu nehmen, 
Der ihr den Bruder löst’ aus Feindes Schwarm. 
Daß ſüß dies Mitleid, joll fie jih drum jhämen? 
Sie hegt ihn, pflegt ihn, ftügt ihn mit dem Arm, 
Wenn er, auf Stunden feiner Haft entlafjen, 
Quftwandelt auf des Schlojjes Glasterrafjen. 


Und Abends, wenn im trauten Lampenſchein 
Beim Nachtmahl er erzählt von jeinen Zügen, 
Von Krieg und Schladt, vom heimatlihen Rhein, 
Da lauft fie ftill mit athmendem Vergnügen; 
Auch fliht fie wohl ein lächelnd Wort mit ein 
Und weiß voll Sinn zu preifen und zu rügen; 
Dft muß er ftaunen, wie fie, faum berichtet, 

Mit fiherm Geijt die jchwerjten Dinge jhlichtet. 


Viel Weisheit wohnt beim weiblichen Gejchlechte, 
Dafern der Ahnung Stimm’ aus jeiner Brujt 
Nicht weggebildet ward. Wo Tag’ und Nächte 
Der Mann oft Gründe wägt für Scheu und Luſt, 
Da trifft beim erjten Blid die Frau das Rechte, 
Sie trifft’3, und iſt fich feines Grunds bewußt; 
Der Mann fragt Bücher, Freunde, Welterfahrung, 
Das Weib vernimmt des Herzens Offenbarung. 





a — 


Drum geh zu Frau’n, willſt du Entſcheidung haben 
Auf irrem Pfad, bei ſchwankendem Geſchick; 

Und bijt du Künitler, breite deine Gaben 

Um liebiten aus vor ihrem reinen Blid, 

Und wohl dir, mögen fie jih dran erlaben! 

Nur eins, bleib ihnen fern mit Politik, 

Denn bier auch jpriht ihr Herz, das. heißt, es ſchwört 
Blind auf das Banner deß, dem’3 angehört. 


Doh zum Beriht! Wir fommen ſonſt ins Stoden. 
Das Weihnachtsfeſt iſt unter Kerzenſchein 
Dahingeflohn und kindlichem Frohlocken; 

Des Jahres letzte Dämm'rung bricht herein. 
Unwetter bringt ſie draußen, Sturm und Flocken, 
Bleigießen drinnen, ſcherzhaft Prophezeih'n; 

Auch läßt Nußſchalen man, drin Lichter glimmen, 
Im weiten Rund des Silberbeckens ſchwimmen. 


Glückwünſchend drauf bei hellem Gläſerklange 

Begrüßt man ſich um Mitternacht. Valer 

Wird ſtill; der Schluß des Jahres mahnt ihn bange, 
Daß hier nicht fürder ſeines Bleibens mehr. 

Nach Anna blickt er mit wehmüth'gem Drange; 

Die ſcherzt und lacht; ihr ſcheint das Herz nicht ſchwer 
Um Künft'ges, das ſie freilich nie erwogen. 

Da blitzt's ihm auf: Wie, wenn du dich betrogen? 


Er geht, doch nicht zur Ruhe. Schlaflos ziehn 
Die Stunden hin; er ſtürzt von Luſt in Schmerzen, 
Bon Zweifelsqual in Hoffnung. Liebt fie ihn? 
Nicht Raſt vergönnt dies Räthſel feinem Herzen. 
Vom Lager ſpringt er, ſchürt im Steinkamin 

Die Flammen auf, entzündet ſeine Kerzen, 

Setzt ſich und ſchreibt, von haſt'ger Glut getrieben, 
Und dann zerreißt er, was er kaum geſchrieben. 


— 240° — 


Ad, jedes Wort erfheint ihm todt und alt; 

Er kann's nicht mit ven dürft’gen Lettern jagen, 
Mas zitternd heiß in feiner Seele wallt; 

Mer fefjelt auch des Lebenspuljes Schlagen? 

Mer bannt ver Lohe Züngeln zur Geftalt? 

Se mehr er finnt, jo mehr muß er verzagen. 

Die Hähne krähn, der Dämmrung weicht die Nacht, 
Die Sonne fteigt, und er bat nichts vollbradt. 


Bleib, überwacht, das Blut won Fieberpein 
Erregt, betritt er um des Frühmahls Zeit 
Den Saal, und findet Anna noch allein. 
Holdſelig jigt fie da; das schlichte Kleid 

Bon blaffem Meergrün hebt den Silberjchein, 
Der um ihr Antlig webt. Voll Herzlichkeit. 
Begrüßt fie ihn auch heut; doch fie erjchridt, 
Mie fie des Gaſtes düſtre Stirn erblidt. 


Um Gott, Baler, was ijt euh angethan? 

Sp fragt fie bang, Beftürzung auf den Brauen, 
Sagt an, welch plögli Unheil konnt' euch nahn? 
Sprecht! fpredt! — Er aber blidt fie mit ven blauen 
Tiefvunfeln Augen lange forjchend an, 

Als wollt er wie Kryſtall ihr Herz durchſchauen; 
Dann fpriht er kurz, doch bebt im Ton fein Leiden: 
Sch bin genejen, Anna, ih muß foheiden. 


Bon Menſchen wiſſen wir, die in der Nacht 

Der Mond emportreibt mit entihlafnen Sinnen; 
Wie Geifter ſonder Schwere wandeln facht 

Auf Giebeln fie dahin und Thurmeszinnen ; 
Doch, rufit du fie bei Namen: jäh erwacht 

Des Auges Nebel fühlen fie zerrinnen, 

Sie jehn, fie zittern, Angſt befällt vie Glieder, 
Und Schwindel reißt fie in die Tiefe nieder. 





— 41 — 


So iſt's mit Anna. Wie ein Traum zerftiebt 

Beim Worte: Scheiden all ihr harmlos Mähnen; 
Auf Tteilem Firft, der nirgends Halt ihr giebt, 

Sieht fie zu Füßen fih den Abgrund gähnen; 

Sie ijt erwacht, fie ftürzt hinein — fie liebt. 

Durch ihre Wimpern bricht ein Strom von Thränen, 
Und au3 der tiefjten Eeele weint das Wort: 

O bleib, Valer, o bleib, o geh nicht fort! 


Und mie er glühend nun, halb unbemußt, 

In dunklem Trieb nah ihr die Arme breitet, 
Da wirft fie ſtürmiſch fih an feine Bruft 

Und will vergehn in Schluchzen. D mie jtreitet 
Im Zittern diefes Lautes Leid mit Luft! 

Wie holvden Wohlflang auch die Welt bereitet, 
Sp füß mag feiner wie ſolch Weinen fein, 
Das wortlos jagt: id bin auf ewig dein. 


Und dann, indeß ihn feit die Arm’ umfchließen, 
Wirft fie das Haupt zurüd, und ſchaut empor 

Zu ihm mit Augen, die von Thränen fließen, 

Und dennoch lächeln, ad, wie nie zuvor; 

Da fühlt er all jein Blut zum Herzen jchießen, 

Ihm dämmert's vor dem Blid, ihm klingt's im Ohr; 
Sich neigend briht er — Schauer im Gemüte — 
Bon ihrem Mund des eriten Kufjes Blüte. 


Was ſonſt die Stunde bringt, das jagen Lieder 

Nicht aus. Geſegnet, wer es einſt empfand! 

Ein Hall davon Elingt lang nachzitternd wieder 

Dur all fein Leben. Sankt im Sonnenbrand 

Ihm längſt der Jugend Blumenfhmud darnieder: 

Im rothen Herbitlaub nob, im Echneegemand 

- Bernimmt er fern an ftillem Tag tie Weife, 

Die ihm dies Echo fingt, und lächelt leiſe. 
Seibel, Gef. Werke, II. 16 


Noh halten fich die Liebenden umfangen, 

Im Strom der Luft vergeflend Welt und Zeit, 
Da tritt die Gräfin ein. Mit heiten Wangen 
Fliegt ſchamhaft an der Mutter Bruſt die Mai, 
Und bald hat jene Wiſſenſchaft empfangen 

Von dem, was längit das Herz ihr prophezeiht. 
Seit Wochen ftill gefaßt auf ſolch Begegnen, 
Mas anders kann fie heute thun, als fegnen? 


Gregor auch weij’t den Freier nicht zurüd; 

Doch forſcht er, ohne jeine Wahl zu fehmälen, 
Zuvor noch klüglich nah manch anderm Stüd, 

Als nah dem wahlverwandten Zug der Seelen. 

Er meint, zu dauerhaften Eheglüd 

Darf Haus und Herd als fichrer Grund nicht fehlen, 
Und, alle Macht der Sympathie in Ehren, 

Liebe, die hungert, wird nicht lange währen. 


„Nur eine Hütt’ und Sie!” ijt leicht gejagt. 

Und ſchwer gethban. Auf Wochen lafj’ ich's gelten, 
Auf länger find’ ich's mindeſtens gewagt, 

Und mögt ihr mid darum proſaiſch fchelten. 

Zwar Fälle giebt’3, wo Lieb’ im Kleid der Magd 
Grit ganz als Kön’gin ftrahlt. Doc fie find felten, 
Wie Silberfrähn; und meife thut Gregor, 

Zieht er dem Ausnahmsfall vie Regel vor. 


Doch fügt fih Alles bald. Baler ift zwar 

Nicht eben reich, allein er hat zu leben; 

Ein Gut ift fein, ein Sümmchen blank und baar, 
Ein Haus am Rhein dazu, befränzt mit Reben, 
Dorthin, bejhließt man, foll das junge Paar, 
Sobald der Priefter Hand in Hand gegeben, 
Sich überfiedeln. Bis zur Hochzeitfeier, 

Das heißt bis Dftern, bleibt als Gaft ver Freier, 





243 — 


Gr bleibt, und ſieht beglüdt den Reiz der Braut 
Eich voller ſtets und inniger erjchließen ; 

Denn wie die Lilie blüht fie, frifchbethaut, 

Und fein ift all ihr Duften, all ihr Sprießen. 
D jhöne Tage, deren Himmel blaut! 

Mit Schweigen lafj' ih euch vorüber fließen, 
Denn ihr ſeid eitel Glanz, und für den Dichter 
Sind ftarfe Schatten noth, wo hell die Lichter. 


Wie fommt’3 doch, daß mir beſſer Trauer fingen 
Als Luft? — daß mächt’ger ftet3 ein Angeficht 
Uns fefjelt, vem vom Auge Thränen dringen? 
Iſt's, weil der Menfchenfeele zartes Licht 

Grit, wenn des Grames Schatten fie umringen, 
In vollem Regenbogenftrahl jich bricht? 

Iſt's, weil, ſeit Adam fiel, in jedem Herzen 

Der legte tiefite Ton ein Ton der Schmerzen? 


Ein einzig Wölkchen dräut dem neuen Bunde, 

Doch nur von fern. Des Haufes ältiter Sohn, 
Graf Baul, dem man nah Kafan hin die Kunde 
Gejandt hat, feheint nicht fehr erbaut davon. 

Cr hat, der Himmel weiß aus welchem Grunde, 
Was deutjch fih nennt, und fchreibt in bitterm Ton, 
Als Schwager fer ein Ruf im Bauernhemde 

Ihm lieber, als ein Junker aus der Fremde, 


Mas iſt dabei zu thbun? Man läßt ihn grollen, 
Man jest ſich drüber weg, und doppelt leicht, 

Weil Liebe Flügel hat. Indeſſen rollen 

Die Nebel auf, wie Tag um Tag verjtreicht; 

Bald ift vie Luft von wärmer'm Hauch durchquollen, 
Im Garten fchmilzt der Schnee vom Strahl ermeict, 
° Und glorreich endlich, Auferftehungswonne 

Durch's AU ergießend, fteigt die Oſterſonne. 


— 24 — 


Und Hochzeit giebt ed. Aus des Kirchleins Hallen, 
Mo man die Ringe taufchte, geht's zum Mahl, 
Das man auf rufiiih hält; vie Pfropfen knallen, 
Die Säfte werden munter beim Pokal; 

Ein Lied wird angeftimmt, Trinkſprüche ſchallen, 
Man jauczt, lacht, weint und küßt fih ohne Wahl; 
Beim Nachtiſch kniet Valer zu Anna's Füßen, 

Und trinkt aus ihrem Schub mit ftummem Grüßen. 


Und als der Abend dunkelt, fteigt das Paar 

Zum Hof herab, wo große Feuer brennen; 

Dort tummelt fih der Knecht' und Bauern Schaar. 
Welch froher Lärm! Welch Durceinanderrennen! 
Der Glühwein dampft und macht die Kehlen Klar, 
Die Balalaika fchwirrt, und auf den Tennen 

Siehſt du im Hemd, verbrämt mit Purpurihnüren, 
Manch ſchwarzgeaugtes Kind den Reigen führen. 


Doh kaum, daß die Vermählten man gewahrt, 
Da drängt fih alles zu und flüjtert leife; 

Der küßt der Braut die Hand, wie Schnee fo zart, 
Und ver des Kleides Saum nah Slavenmeije. 

Da tritt ein Greis mit filberweißem Bart, 

Geführt vom blonden Enfel, aus dem Kreife, 

Und fpricht, mie Citherſchlag und Reigen jchmeigt, 
Die Arme freuzend und das Haupt geneigt: 


Anna Betrowna, nimm zum hohen Feite, 

Nimm deines alten Knechtes Segen an! 

Gott ſei mit dir, wie du ung ftetS die beite 

Gebiet’rin mwarft, und hold zu jedermann. 

Ach, daß du Täublein nun jo weit vom Neſte 
Hinwegfliegſt aus des heil’gen Rußlands Bann! 

Traun, Lieb’ ift ſtark — doch wie wird una gejchehen, 
Menn wir dein Antlig, Seelen, nicht mehr jehen? 


J 
J 
4J 
— 





Denn du mwarjt wie der Mond uns in der Nadt, 
Du warſt — er jtodt, und wiſcht die hellen Thränen 
Eich mit des Aermels Pelz vom Auge jacht, 

Und muß jih jchluchzend auf den Knaben Iehnen. 
Da gebt durch Anna's quellend Herz mit Macht 
Noch einmal bin der Heimat Luft und Sehnen; 

Sie weint und lernt im höchſten Glüd erkennen: 

Es iſt doch jchwer, vom Vaterland ſich trennen. 


Ja, ſchwer it jeder Abſchied. Selbit vom Ort 
Reizlos und traurig, wo wir Leid erfuhren, 

Ziehn wir zulegt nicht ohne Seufzer fort. 

Wir drüdten unjres tiefiten Weſens Spuren 

Auf das, was jtündlih um uns war, au dort. 
Ad, mit dem Braun der öden Haidefluren, 

Den jand’gen Höhn, den düjtern Föhrenbäumen 
Verwuchs ein Stüd von unjerm Sein und Träumen. 


Doch wenn es gilt der Heimat Statt zu meiden, 
Wo jeder Waldpfad Märchen uns vertraut 

Aus goloner Kindheit, wo von Glück und Leiden 
Grinn’rung bebt in jevem Glodenlaut, 

Altan und Garten in den Glanz ich kleiden 
Der erjten Liebe, die nur jie gejchaut, 

Wo Giebel, Thürme, Wipfel alles wifjen, 

Was unjer Herz bejeligt und zerrijjen: 


Wohl drängt ſich da mit Fug ein ſchmerzlich Ad 
Ins Lebewohl. — Doh nun zu Anna’3 Harme! 
Sanft führt Valer fie fort; er fühlt es nad, 

Was fie durchbebt, und ſchweigt im lauten Schwarme. 
Erjt fpät, ganz jpät, im jtillen Brautgemad, 

Da ſchließt er feit und treu fie in die Arme, 

Und jpriht: O du, nun ganz und ewig mein, 

Mein Herz joll fortan deine Heimat fein! — 


— 246 — 


Hier ruht beim erjten Meilenftein die Kunde 

Des Liedes aus. Nur dies noch: unfer Baar 

Hat gute Fahrt und bald auf deutfhen Grunde 

Iſt Anna heimifh. Raſch verjtreiht ein Jahr. 

Da jchreibt Valer, daß in beglüdter Stunde 

Ein blühend Knäblein ihm fein Weib gebar. 

Man tauft’s Sultan. Von jeinem Sinn und Wejen, 
Geliebt's euch, mögt im nächſten Buch ihr leſen. 


Zweiter Geſang. 


D Sohn der Alpen, in Eryjtallnen Wiegen 

Genährt von Gletſcherbrüſten, heil’ger Rhein, 

Wenn du, dem blauen Schmweizerjee entitiegen, 

Dich jauchzend warfſt vom ſchroffen Felsgeftein, 

Und glorreich nun, ein Held nach frühen Siegen, 
Das Thal durchwallſt im laub'gen Kranz von Wein, 
Zur Luſt den Völkern und der Flur zum Segen: 
Wie ſchlägt dir hoch das deutſche Herz entgegen! 


Und traun mit Fug. Denn deutſchen Lebens Bild 
Und Zeuge biſt du, ſeit von ſüßen Zähren 

Auf deinen Höh'n der Rebſtock feurig ſchwillt; 

All um dich her erwuchſen unſ're Ehren; 

Du ſahſt zuerſt erhöht des Reiches Schild, 

Des Reichs, nach dem wir fromm noch heut begehren, 
Wir Waiſen nun im eignen Vaterlande 

Ruhmlos zertheilt, wie du zuletzt im Sande. 


Den Kaiſern warſt du werth; die Starken zog 
Der Starke, daß, was gleich, zuſammenwohne; 
Hier ſtand der Stuhl des großen Karl, hier bog 
Konrad das Haupt vor Konrad, eine Krone 





— 247 — 


Mit Lächeln mifjend; hier im Feſtgewog 

Schied der im rothen Bart vom ehr'nen Sohne; 
Siegstrunfen mocht' er deinen Wirbeln laufen, 
Nicht ahnend, daß fein Tod bald ſolches Raufcen. 


Auf deinen Burgen horſtet' ein Geſchlecht, 

Frei, mild und mild; es wohnt in feinem Sinne 
Don deiner Traub’ ein Anflug, zum Gefecht 
Befeuernd wie zu Harfenjchlag und Minne. 

Wie freudig blutet’ hier der Edelknecht, 

Wenn aus ver Herrin Blid von hoher Zinne 
Ein Gruß als erjter, ah, und legter Dant 

Auf fein verftrömend Leben nieverjanf! 


Und Städte jahn voll Trug in deine Welle, 

Wo unterm Krummſtab Bürgerfreiheit ſproß 

Und Füll' und Kunſt, und wo dann morgenhelle 
Die neue Zeit ihr Kinderaug' erſchloß. 

Denn war's zu Mainz nicht, wo in ſtiller Zelle 

Ein andrer Dädalus die Flügel goß, 

Die ſtark das Wort in alle Winde tragen? 

Ward nicht zu Worms die Geiſterſchlacht geſchlagen? 


Und heut! Welch reich Gewühl umbraust noch heut 
Die Rebenufer, wo vom breiten Riffe 

Die Veſte droht, und weit im Thal zerſtreut 

Die Eſſen raſtlos ſprühn! Mit grellem Pfiffe 
Durchkeucht das Dampfgeſpann des Doms Geläut, 
Und durch die Fluten wandeln Feuerſchiffe, 

Wie ſchwarze Rieſenſchwäne; Flaggen winken, 

Und Winzerjubel ſchallt, und Römer blinken. 


Gebrochen ſind die Burgen. Ihre Zeit 

Ging aus. Doch ſitzt an ihrer Thürme Scharten 
Die Sage harfend noch, die Wundermaid, 

Und lallt im Traum von Chriemhilds Roſengarten, 


— 248 — 


Rom Drabenftein und von der Nonne Leid. 
Und fließt das Monvliht um die Feljenwarten: 
Da fingt die Loreley und aus dem Dunkel 
Der grünen Wafjer glimmt des Horts Gefunfel. 


Gruß dir mein Rhein! Wie leicht bei dir einft floſſen 
Die Lieder mir, die jedes Tags Gewinn! 

tein Sternbild ſtand im Aufgang; noch im Sprojjen 
Wie Laub um Pfingſten grünte friſch mein Einn, 
Gruß euch, die ihr mir damals wart Öenofjen 
In Leben und Geſang! — Wo feid ihr hin? 
Ab, auseinander weit feit jenen Tagen, 
Zu weit hat uns der Kampf der Zeit verfchlagen. — 


Doch zum Bericht! An ftiller Bucht, mo flad) 
Ein Ihalgrund zwifhen laubgen Höhen mündet, 
Erhob das Haus Valers fein jpisig Dad). 

Der Zadengiebel, hart am Fluß gegründet 
Stredt auf die Jlut ein ſchwebend Thurmgemach. 
Die Thüre krönt, die zum Gewölb ſich ründet, 
Das Wappenſchild, in grauen Stein gehauen, 
Darin drei Rojen und ein Falk zu fchauen. 


Und beimlih ift es drinnen; Kühle weht 

In Saal und Erker, auf den luft’gen Stiegen; 
Durb weinumranfte Fenjter früh und jpät 

Quillt fanftes Licht, um Wand und Nifhe fehmiegen 
Sich Bilder, Waffen, blintend Jagdgeräth; 

Der Hausrath, ob veraltet, glänzt gediegen, 

Gin Teppich) dämpft den Schritt und magit du laujcen, 
Hörft du den Strom, des Gartens Wipfel rauſchen. 





Dort wähst Julian empor. Die Eltern laben 
Sih an des Kindes Reiz mit frohem Muth, 
Denn hold gleich Sanzios roj’gen Engelöfnaben 
Erſcheint's, umwallt von brauner Lodenflut. 


Sein Herz ijt weich, fein Kopf zeigt gute Gaben, 
Nur ſtürmt in ihm ein allzuheftig Blut: 
Ein Strauß, ein todter Vogel bringt den Kleinen 
Zu lautem Jubel, ungemeßnem Weinen. 


Valer, der weiß, daß allzuviel Befehlen 

In Haus und Staat no nie zum Heil gedieh'n, 
Sucht mehr was tüchtig ift im Sohn zu ftählen 
ALS jein Gebahren nad) der Schnur zu ziehn. 
Doch, mag er ihn nicht mit Vermahnung quälen: 
Zwei Dinge jtreng von frühauf lehrt er ihn, 
Zwei Dinge, der Erziehung Kern für jeden: 

Aufs Wort gehorhen und die Wahrheit veven. 


Doch Anna übt der Mutter fhönjte Pflicht; 

Sie lehrt die Heinen Händ’ ihn betend falten 

Und deutet ihm mit Worten lieb und jhlicht 

Des ew'gen Vaters unjichıbares Walten. 

Dann hold erzählend giebt fie ihm Bericht 

Vom Heil des neuen Bundes und des alten; 
Julian, von dunkler Ehrfurcht angemweht 

Lauſcht fromm auch dem was er noch nicht verjteht. 


Denn Andaht wohnt im kindlichen Gemütbe 
Geſtaltlos nod; wie ahnend Dämmergraun; 

Sie iſt ein Ruh'n in Gottes Vatergüte, 

Hingebung ganz und frievenoll Bertrau’n. 

Des Kindes Beten gleicht dem Duft ver Blüte, 

Die ih im Thau erſchließt. Auf Edens Aun 

Noch heimisch fühlt ſich's. Nah Erlöfung ſchmachtet 
Erjt wer, von dort vertrieben, rüdwärts trachtet. 


Bald wird der Gartenhag Julians Gebiet; 

Dort jpielt zur Sommerzeit er heut wie gejtern, 
Allein, doch einfam nicht, denn was er fieht, 

Das lebt ihm aud: die Blumen find ihm Schweſtern; 


— ON 


Ihn grüßt der Drofjel Schlag, des Finken Lied 
Und fröhlih dankt er aufwärts nah den Neitern; 
Den Wipfeln lauſcht er, plaudert mit ven Bächen 
Und ſchilt fie nur, daß fie nicht klarer Sprechen. 


Und tief an feine junge Seele greifen 

Die Wunder, die der Tag am Firmament 
Dabinführt. Stumm vertieft er fih in’s Schweifen 
Der Wolfen, drin er Bild um Bild erkennt. 

Dft träumt er fo, bis roth in Feuerjtreifen 

Gelöst im Strom der Abenphimmel brennt. 

Dann geht beim Besperläuten wohl ein Schauer 
Dur feine Bruft; er weint, doch nicht vor Trauer. 


Doch wenn das Laub dann fällt, die Schwalben ziehn, 
Bannt ihn die Mutter vom bereiften Grunde. 

Der Tag fließt traulid drinnen am Kamin 

Und jeine Krone wird die Dämmerftunde ; 

Da wiegt Valer den Liebling auf den Knien 

Und füllt fein Herz mit wundervoller Kunde 

Bon fernen Zonen, längjtvergangnen Tagen, 

Und Märchen mwebt er drein und bunte Sagen. 


Erzählen hören, tief mit allen Sinnen 

Ins Fremde, Selt'ne tauchen, welche Luft! 

Stumm lauſcht Julian; glüdjelig ſchwelgt er innen, 
Sp wie die Biene ſchwelgt im Sommerbluft. 

Mag dann Baler die Mähr nicht weiter fpinnen, 
Zum Winkel jchleiht er, heiß an Stirn und Bruft, 
Um dort was er vernahm mit füßem Grauen 
Phantaſtiſch in's Unenpliche zu bauen. 


O Kinderfinn, den Golvreif Salomos 

Haft du, des Paradieſesvogels Schwingen, 

Du fpielft mit Kiefeln aus des Bades Schoos 
Und wandelſt zu Jumelen die geringen, 





EN 


Zum Frühlingswald wird dir ein blühend Moos, 
Zum raufchenden Accord ein einfah Klingen, 
Sm wilden Rojenjtraud) am Rand des Sees 
Siehjt du die Königsgärten Ninive's. — 


Wie drauf Sulian gedeiht an Geiſt und Jahren, 
Da blickt Valer nad) einem Mentor um, 

Der unter feiner Hut ihn wohlerfahren 

Einführ’ in der Erkenntniß Heiligthum. 

Den engen Zwang möcht’ er dem Liebling jparen, 
Der meiſt umbumpft ein deutſch Gymnaſium; 
Nicht zum Lateiner will er ja den Knaben, 

Zum Menſchen will er ihn erzogen haben. 


Sch jagte: meift — Ausnahmen giebt’S auch bier, 
Und von der ſchönſten darf ich Zeugniß geben; 
O Heimathſchule, ſei gejegnet mir, 

Wo frei und friſch erwuchs mein Jugendleben; 
Du dämpfteſt nur die flatternde Begier 

Und ſchnittſt vom Stocke nur die wilden Reben, 
Was je als Kern und Weſen ſich bewährt, 

Das haſt du mild geſchont und fromm genährt. 


Bald iſt der Mann, deß man bedarf, gefunden. 
Er nennt fich Berthold. Armer Bauern Sohn, 
Doch früh gelodt vom Erzklang tiefer Kunden 
Dem Triebe folgt er, aller Noth zum Hohn. 
Jetzt, da er manden Schaß bereitS entbunden 
Aus ftaub’gen Rollen, greift das Haar ihm ſchon, 
Und Falten zeigt die Stirn, drauf eine Narbe 
Erzählt, er trug als Jüngling Lützows Farbe, 


Da nie ſich worzudrängen er getrachtet, 

Nicht Ihön ift und von Art und Form nichts weiß, 
So ließ die Welt ihn bingehn unbeadtet 

Und unverforgt. Kaum mocht' ihm all fein Fleiß 


Die Kammer jchaffen, drin er übernachtet, 

Dicht unterm Dad vier Wände fahl und weiß, 
Ein farg Gericht zum Mahle, grobes Tuch 

Zum einz’gen Kleid und dann und wann ein Bud). 


Und dennoch wohnt in diefer armen Hülle 

Ein Geift, der nie vom Clend unterjocht 

Fortblüht in eigenjter Gedanken Fülle, 

Ein Herz, das zart erklingt und glühend podt. 
Doch ſchließt fein Inn'res vor des Markts Gebrülle 
Sich zaghaft; hätt! er's kundzuthun vermocht: 

Wir priefen ihn als Dichter hier am Orte — 
Nun fpielt er, ab, nur Lieder ohne Worte. 


Das Eine fehlt ihm, was zu allen Tagen 
Des Künftlers Theil: die Form, die nie zerfließt, 
Die Rede, die das Tiefite ohne Jagen 

Wie in ein klar Kryitallgefäß bejchliekt. 

Nur in des Zwieſprachs trautem Wohlbehagen 
Beim Freunde thaut er auf, und dann ergießt 
Der golone Quell fih reich von feinen Lippen, 
Stoßweiſe jprudelnd wie ein Bach durch Klippen 


Mit Luft nimmt er Balers Erbieten an, 

Den muntern Knaben aufzuziehn, und theuer 
Durch Friſch' und Anmuth wird ihm bald Julian, 
Der fih dem reichen Geijt mit Jugendfeuer 
Dahingiebt. Muthig treibt er jeinen Kahn 

Ins Meer des Wiflens; Berthold figt am Gteuer, 
Und lenkt die Fahrt, die mühlam zwar beginnt, 
Doch, wie man fortrüdt, Neiz um Neiz gewinnt. 


Er öffnet ihm der Griechen heitre Welt, 

Die jhönheitstrunfen glänzt vom Öötterlichte, 
Zeigt ihm des eh’rnen Römers Kriegsgezelt 
Und führt ihn dann aus jhatt’ger Waldespichte 





— 23 — 


Ins Kaiferalter, wo auf blut’gem Feld 

Durh Wahn und Glauben wandelt die Gejchichte; 
Dort deutet er ihm ernit bei jedem Schritte, 

Mas deutjches MWefen, deutjche Treu und Sitte, 


Doch wandeln Abends fie den Strom entlang, 

Spricht Berthold gern von jüngjter Zeit. Sein bleiches 
Geficht erglübt, kann er vom Schlachtendrang 

Auf Leipzig Flur berihten Wundergleiches; 

Auch fliht er dann wohl ein was Körner jang, 

Mas Schenfendorf, der Schwan des deutjchen Reiches. 
Nachſingt's Sultan mit frohbewegtem Muthe; 

Sr jpürt e3: dies ift Blut von deinem Blute. 


Denn jede Zeit bewegen ihre Lieder 

Am tiefften, find fie gleich die größten nicht; 
Sie jtrahlen ihr verklärt im Spiegel wieder 
Ihr lächelnd oder meinend Angeficht. 

Der Dichter, der ihr Sohn, leiht fein Gefiever 
AN ihrer Sehnsucht. Klar und tönend Spricht 
Gr au, was dunkel fie durchſchauert faum 
Und deutet ihr wie Sofeph ihren Traum. 


Indeſſen jo aus Quellen friſch und ächt 

Den Geijt des Zöglings Berthold tränft voll Güte, 
Sorgt treu Baler, daß auch dem Leib jein Recht 
Geſcheh' und daß er ihn vor Schaden hüte: 

Er weiß, iſt auch der Leib des Geiftes Knecht, 

Der Herr gedeiht nur bei des Knechtes Blüte; 
Der aber braudt, ſoll er nit laß und lafjer 

Im Dienjte werden, Arbeit, Luft und Waſſer. 


„Eßt euer Brod im Schweiß des Angeſichts“ 
Der Sprud erging ans Ohr der Creatur 

Als erſt Gefeg. Drum, könnt ihr anders nichts: 
Sp fpaltet Hol, farrt Sand, grabt um die Flur! 


— 24 — 


Das lehrt euch friſch fein und die Grillen bricht's. 
Traun, mwolltet ihr jtatt Zeitungshallen nur 
Ringſchulen baun und Bäder wie die Griechen: 
Ahr würdet nicht als Hypochonder fiechen. 


Gern übt Julian fih, auf verwegnem Pfad 

Der Gemfe gleih zum fteiljten Firit zu klimmen, 

Er lernt im Beden, das fih vom Geſtad 

Umbüſcht landeinwärts zieht, die Flut durchſchwimmen. 
Dort taucht mit jedem Frühroth er ins Bad, 

Wenn kaum erwacht die erjten Lerchenſtimmen, 

Und fteigt dann wonnig fohauernd aus dem Feuchten 
Mit Wangen, die wie Frühroth felber Teuchten. 


Auch weiß er bald im Dämmergrün der Eichen 
Mit fihrem Rohr, daran die Hand nicht bebt, 
Die Schnepf im Zidzadfluge zu erreichen, 

Den flücht’gen NRehbod, der im Sprunge jehwebt. 
Doch meld ein Jubel läßt fi vem vergleichen, 
Der jugenditolz des Knaben Bruft erhebt, 

Wenn jattellos, doc jtattlih aufgezäumt 

Sein weißes Rößlein unter ihm fich bäumt. 


Dann geht's durch's Rebgeländ wie Windesflügel, 
Vorbei am Mühlwerk, an der Schmelze Glühn; 

Am Schluß des Thalgrunds fteigt ein wald'ger Hügel, 
Wo diht im Gras die blauen Gloden blühn. 

Dort auf des Pferdes Naden pflegt die Zügel 

Julian zu werfen und fich felbit in’s Grün, 

Und Roß und Mann verfchnaufen dann in Wonne 
Ummeht von Würzgeruh und Glanz der Sonne, 


Ein lieblih Bild: im Kreis die äſt'gen Rüftern, 
Durd deren Laub tiefgoloner Schimmer fliegt, 
Der Knabe drunter heiß vom Ritt, vom Flüftern 
Der hohen Blumen halb in Schlaf gewiegt, 





Indeß fein filberglänzig Thier die Nüftern, 

Die roj’gen jhnoppernd an jein Antlig ſchmiegt — 
Doch nun genug! Nicht länger darf ich ſäumen 
Bei meines Helden Luft und AJugendträumen. 


Nah And'rem, mer? ich, tragt ihr längſt Begehr, 
Und wünſcht hinfort des Liedes Sporn gewebter; 
Verzeiht ihr mwißt, bisweilen jhläft Homer, 

Warum nicht ih, der Epigonen Letter? 

Bor Fahren ftürmt’ ich ſtets im Flug daher 

In Lied und Leben. Doch ich ward gejegter 

Und Ternte, wenn das Ziel noch) liegt im Weiten, 
Sp thut’s nicht übel, manchmal Schritt zu reiten. — 


Schnell rinnt die Zeit. Julian zählt jechzehn Jahr 
Am Tag, zu dem uns jegt die Reime führen. 
S'iſt hoher Sommer; über'm Strome klar 

Zittert die Luft, Fein Wipfel mag fih rühren. 

Doch nimmſt du wohl ein muntres Glänzen wahr 
Am alten Haus Valers; Geſims und Thüren 
Umfränzen Blumen und belaubt Geäſt: 

Man feiert drin der Mutter Namensfeit. 


Vorüber ift ſchon längit die Mittagſtunde, 

Doch figt der kleine Kreis noch traut beim Mahl; 
Des Nachtiſchs Früchte prangen in ver Runde, 
Dazwiihen blinfen nah des Hausherren Wahl 
Zwei braune Flajchen aus des Kellers runde, 
Des Elfers Blume flattert dur den Saal, 

Und wie der dritte Nömer folgt dem zweiten, 
Gedenkt man alter, blidt in künft'ge Beiten. 


Da ruft Valer: Wohl darf ih rühmend jagen, 
Daß ih ein neidenswerth Gejchid empfing, 

- Dem führe Frucht das Leben ſtets getragen 
Und Liebe fort und fort zur Seite ging; 


— 356 — 


Oft ſteh ich ſtill und denke faſt mit Zagen 

An jenes alten Inſelkönigs Ring; 

Das iſt das Loos der Sterblichkeit: wir ſorgen 
Am heitern Tage doppelt bang um morgen. 


Doch Anna ſpricht: Ich leg' in Gottes Hände 
Mein Schickſal ruhig, wie ich's that bis heut, 
Und dank' ihm ſonder Klügeln. Was er ſende, 
Mir ſei's geſegnet, Beides, Leid und Freud. 
Nur eins erfleh ich: Liebe bis an's Ende! — 
Sie ſchweigt, und wie das Glas Valer ihr beut, 
Treu ſtößt ſie an, doch mit gedämpftem Schall 
Zerſpringt des Römers funkelnder Kryſtall. — 


Man hebt die Tafel auf. Da greift Julian 

Zum leichten Jagdgewehr und eilt mit Singen 
Hinauf den Thalgrund auf gewundner Bahn, 

Bis wo im Bach des Schmelzwerks Räder ſchwingen. 
Dort klimmt er ſeitwärts in der Schlucht hinan 
Durch rothes Steingeröll und Brombeerſchlingen; 
Bald iſt die Höh erreicht und freudig oben 

Sieht er vom Waldesſchatten ſich umwoben. 


Pfadlos durchſchweift der Jüngling Forſt und Kluft, 
Doch ſpäht umſonſt nach Beut' er hin und wieder; 
Denn ſchwül und immer ſchwüler wird die Luft 
Und bannt in's ſchatt'ge Neſt das Waldgefieder. 

Der Sonne Schild verſchwimmt in trübem Duft, 
Der ſich zu Wolken aufballt; ſchlaff hernieder 

Gleich durſt'gen Zungen hängt das Laub der Wipfel, 
Da ſteht er athmend vor des Bergzugs Gipfel. 


Den Fuß der Klippe, deren Firſt geplattet 
Die wald'gen Höhn, das Stromthal überſchaut, 
Umzieht von Tannendunkel dicht beſchattet 
Goldgrünes Moos und wuchernd Farrenkraut. 





Be 


Die Stelle lodt zur Raſt; er wirft ermattet 

Zu Boden fih; und wie nun rings fein Laut 
Erſchallt, al3 fern des Spechts eintönig Hämmern, 
Beginnt e3 vor den Sinnen ihm zu dämmern. 


Bald liegt er feit im Schlaf. Da kommt im Traum 
Gin wunderfames Bild vor fein Gemüth: 

Gr fieht in unbefanntem Gartenraum 

Die Eltern ruhn, vom Abendroth umglüht; 

Gie ſind's, er weiß es, doch erfennt er faum 

Ihr Antlik, das im Reiz der Jugend blüht; 

Da tritt zum Paar ein Fremdling, dem zur Seiten 
Zwei Belter von des Goldes Farbe jchreiten. 


Ihr Auge flammt, aus ihren Nüftern bricht 

Der Scharfe Hauch in leichten Feueritreifen, 

Die reihe Mähne fließt wie mwallend Licht, 

Der Huf jheint zornig in den Kies zu greifen, 

Als wär’ fein Element die Erde nicht 

Und ſonſt fein Amt, auf andrer Bahn zu jchweifen; 
Der Fremdling winkt, mit Bangen fieht Julian 
Die Eltern den gefeiten Roſſen nahn. 


Und plöglih ſteht's im Innerſten ihm far: 

Sie müſſen fort. — Schon find fie aufgejtiegen — 
Hinftrebt er, ruft. Doch fühlt er wunderbar 

Des Fußes Kraft, die Stimme fich verjiegen; 

Nur, daß fie lächeln, wird er noch gemwahr, 

Dann Sieht er faufend fie von dannen fliegen — 
Fahrt wohl! — Da trifft ein Donnerfhlag fein Obr, 
Und jählings fährt er aus vem Schlaf empor. 


Sich ſammelnd lauſcht er. Lang nachmurrend Elingt 
Der Donner aus an des Gebirges Flanken, 
Der ihn erwedt; durch's Schwarz der Tannen dringt 
Ein fahles Licht, die düſtern Aeſte ſchwanken 

Geibel, Geſ. Werke. II. 17 


m 


Vom Sturm gefhüttelt, der in Stößen fpringt 
Und Laub umberftreut und zerbrochne Ranken; 
Da treibt’3 den Knaben, bei des MWetterd Grauen 
Dom Gipfelfels das Land zu überfchauen. 


Er Elimmt empor und blidt hinaus; doch wer 
Malt was er ſchaut? Ringsum im weiten Bogen 
Gethürmt Gewölk im Kampf, von Abend ber 
Mit Eupferfarb'gem Leuchten überflogen, 

Dicht unter ihm’ der Wipfel flutend Meer, 

Im Thal des Stromes zornempörtes Wogen, 

Die Ferne ſchwarz und drüberhin im Grimme 
Heulend und pfeifend des Drfanes Stimme. 


Und nun ein Bliß, der ob den finitern Gründen 

Die Feuerflügel ſchwingt, al3 wollt’ er jach 

Mit feiner Glut ringsum die Höh'n entzünden; 

Und gleih darauf der Wolfenburg Gekrach, 

Als ob fie trümmernd ftürzt’! In hundert Schlünden 
Dumpf meiterzürnend grollt das Echo nad. 

Noch iſt's am fernften Gipfel nicht verendet, 

Als ſchon ein zweiter Strahl den Knaben blendet. 


Und wieder flammt’3, und eh die Loh'n erjtarben, 
Zum vierten Mal; die Blige ſprüh'n zu zwei'n, 
Zu dreien jeßt. Hier ſchießt es ſchwefelfarben 
Wie Schlangen züngelnd in die Nacht hinein, 
Dort fällt's herab in brennend rothen Garben, 
Dort zudt es wimperngleich in blauem Schein; 
Die Veſte will, durchhallt von Donnerfhlägen, 
Zergehn, jo ſcheint's, in Einen Feuerregen. 


63 dröhnt und wankt der Boden wie im Krampf, 

Der Rhein, zum Grund durchwühlt von Wetterjtreichen, 
Bäumt fievend auf, vom Forfte wirbelt Dampf 

Und Funkenſaat aus durchgejpaltnen Eichen. 





— 259 — 


Wie oft Julian der Elemente Kampf 

Belauſcht, nie ſah er ſolchen chaosgleichen 

Aufruhr der Ding', und tief erſchüttert bebt 

Sein Herz, das zwiſchen Angſt und Jubel ſchwebt. 


So ſtarrt er angewurzelt in's Getos, 

Bis fern das Spätroth glüht, die Donner ſchweigen; 
Da reißt er endlich mit Gewalt ſich los 

Und ſtürmt zu Thal auf ſchroffen Felſenſteigen; 
Indem zerbirſt der Wolken ſchwarzer Schooß 

Und ſchwer von Tropfen klingt es auf den Zweigen, 
Als er im Dämmerlicht mit haſt'gem Schritt 

Den Gartenpfad und dann das Haus betritt. 


Todtſtill empfängt's ihn. Rings vom Grund zum Dach 
Kein Laut! Nur am Gewölb aus Stein gehauen 
Unheimlich ſchallt im Flur ſein Fußtritt nach; 

Da denkt er plötzlich ſeines Traums mit Grauen. 

Gr fliegt die Stieg' empor zum Thurmgemach, 

Der Eltern liebes Angefiht zu jchauen; 

Raſch pocht er, öffnet, doch fein Blut wird Eis 

Beim Anblid, den er nicht zu deuten weiß. 


Denn ohne Regung ſieht er, ohne Laut 

Die Beiden ruhn im Sitz am Fenjterbogen, 

Auf des Geliebten Schulter lehnt vertraut 

Sih Anna's Haupt, von Lilienweiß umzogen; 
Sie lächeln, wie er's jüngjt im Traum gefhaut, 
Doch lächelt Marmor jo. Don Angſt durchflogen 
Stürzt er hinzu, ruft, rüttelt fie — vergebens, 
Dabin auf immer ift der Hauch des Lebens. 


Gr ſchreit nah Hülfe, ſtarrt umher entjegt: 
Wie iſt's geihehn? In mafellofer Friſche 
Blühn rings die hohen Blumen, unverlegt 
Liegt Anna's Pjalter offen auf dem Tijche; 


— 260 — 


Da blickt er auf und plöglich weiß er's jetzt; 
Ein zack'ger Riß im Sims der Erfernifche, 

Brandipuren an des Fenfters Pfeiler jagen: 
Hier fuhr ver Blitz herein, der ſie erjchlagen. 


Sp war's. Ch bei des Lebens Gaftgebot 

Der Krug erihöpft, zum Stumpf gebrannt die Kerzen, 
Hat auf den Feuerroffen fie ver Tod 

Vereint entführt, urplöglid, jonder Schmerzen. 

Dom Frojt des Alters, von der Trennung Noth 
Unangetajtet jchlugen ihre Herzen 

Den höchſten Schlag und feinen mehr hinfort; 

So jtirbt die Weil’ im volliten Schlußakkord. 


Der tiefjte Kummer weint nicht. Unverwandt 

Den Blick geheftet auf die theuren Züge, 

Stumm preßt Julian der Mutter ftarre Hand, 

Selbſt ſtarr, al3 ob auch feine Bruft nicht ſchlüge; 
Gr fühlt nur eins, daß all fein Glüd entſchwand, 
Troſt däucht ihm Läſt'rung, jeder Zujprud Lüge. 
Berthold, der treue Freund, läßt ihn gewähren; 
Schmerz, weiß er, muß wie Moſt zur Klarheit gähren. 


Am Tag erjt, da man mit Geläut und Chor 

Die Hüllen beigefegt in heil’gen Mauern, 

Mit ſanftem Wort vor feines Zöglings Ohr 
Nennt er die Theuren, die fie nun betrauern. 

Grit horcht der Anabe wie verträumt empor, 
Dann aber plöglic fliegt ein krampfhaft Schauern 
Durch all fein Weſen hin; er ſchluchzt gewaltſam 
Und feine Thränen fluten unaufhaltjam. 


Und dann, indeß die Augen fort und fort 

Ihm quellen, ſpricht er; anfangs fait mit Zagen, 
Doh bald, zum Strom gelöjt aus Bett und Bord 
Schmwillt jein Gefühl und feiner Pulſe Schlagen 





261 — 


Wird ruhiger. Erlöfung wohnt im Wort, 

Das ijt der alte Schmerz nicht, den wir Elagen, 
Dom Herzen finft uns mit der Stummheit Bann 
Die halbe Laſt. — Co kommt die Nacht heran. 


Noch weinend jchläft er ein, und feſt in Haft 

Hält ihn der Schlaf bis zu des Frühroths Strahle, 
Da jpringt er auf und fpürt, dem Drud entrafit, 
Daß er fein Kind mehr ſei, zum erjten Male. 

Sn feinem Bufen rührt fih eine Kraft, 

Wie fie das Feuer leiht dem jprövden Stable; 

Gr fühlt's, ihn hat der Schmerz in dieſen Tagen 
Zum Ritter für des Lebens Kampf gejchlagen. 


Sein Herz wird feit und feſter. Milo zerrinnt 

Der Gram ihm in ein innig fromm Gedenken; 

Nun treibt's ihn mächt'ger nod, denn einft als Kind, 
Den Schritt zur Waldeseinſamkeit zu lenken; 

Dort will fih’s oft, wenn ftill er rückwärts finnt, 
Wie Geiſterhauch auf ihn herniederjenfen ; 

Der ift nicht einfam, jpürt er, in der Welt, 

Wer jeinen Todten rechte Treue hält. 


Denn Rauchwerk nicht, Erzjpiegel, Knochenjtüde, 
Mie fie beim Weib von Endor Saul gefjehn, 

Die Kraft des Herzens füllt allein die Lüde 

Des Grabes aus, zu dem wir klagen gehn. 

Sie wölbt vom Hier in's Jenſeits fühn die Brücke 
Und läßt uns vie Verlornen auferjtehn. 

Getreuer Liebe ſehnſuchtsvoll Beihmwören 

Das iſt der Auf, auf den die Geifter hören. 


Indeß hat Berthold, wie's der Brauch gebot, 
Nah Rußland hin berichtet was gejchehen, 

Mo jest Graf Paul nad feiner Mutter Tod 
Als einz’ger Herr verwaltet Erb und Lehen; 


TEEN 


Denn fern zum Elbrus, wo der Erbfeind droht, 
dog aus Gregor nad blutigen Trophäen; 
Zwei Monde gehn in’s Land, da trifft am Rhein 
Vom unbekannten Ohm die Antwort ein, 


Sein Brief ift kurz, er wünjcht im deutſchen Sande 
Den Gatten janfte Ruh mit frojt’gem Ton, 3 
Nochmals bedauernd, daß vom Heimathlande 
Zu leichten Sinnes Anna je geflohn; 
Trotzdem, beſchließt er, ſei'n des Blutes Bande 
Geheiligt, und Julian ſein Schweſterſohn, 

Den er, dafern er andre Lebenspfade 

Noch nicht erwählt, zu jih nah Rußland lade. 





— * 


So rüſtet ſich zur Fahrt denn unſer Held. 

Zwar fühlt er ſich zu Paul nicht hingezogen, 
Doch einſam ſteht er und vom Gut der Welt 
Ein ſchmaler Theil nur iſt ihm zugewogen. 
Zudem hat Sehnſucht oft ſein Herz geſchwellt, 
Wenn über ihm die Wandervögel flogen; 

Er traut noch auf ſein Glück und ſieht die Ferne 
Vom Strahl erleuchtet wundervoller Sterne. 


Beglückte Jugend, die noch ſonder Grenzen 
Hofft, wo ſie eben gränzenlos geweint, 

Der alle Zukunft wie ein Tag des Lenzen 
Getaucht in der Verheißung Gold erſcheint, 
Ach, dir im Auge haftet jenes Glänzen, 

Nicht an den Dingen, wie dein Sinn es meint; 
Verklärend wirfſt du, ähnlich dem Karfunkel, 
Dein eignes Roſenlicht hinaus in's Dunkel. 


a ET N TE ET — ———— 





Drifter Geſang. 


Wenn Wald und Haide junges Grün gewinnen, 
Das Veilchen ſchüchtern aus dem Graſe ſieht, 

Die Wolken ſegeln und die Bäche rinnen, 

Und hoch der wilde Schwan im Blauen zieht, 

Da wacht dem Deutſchen in Gemüth und Sinnen 
Alljährlich auf der alten Sehnſucht Lied, 

Ein lei” Erinnern fühlt er in ihm wogen, 

Daß einjt fein Stamm von fern in's Land gezogen. 


Und wieder möcht’ er wandern, jchweifen wieder 
Nah traumverheißnem Glück auf fernen Au’n, 
Bald norbwärts, wo umſchwärmt vom Seegefieder 
Aufs Meer bajalt'ne Pfeilergrotten ſchau'n, 

Gen Mittag nun, wo janft in’3 Thal herniever 
Um 2orberwipfel jonn’ge Lüfte blau’n, 

Unp über’3 Grab uralter Helvenzeiten 

Den blühnden Teppih Roj’ und Rebe breiten. 


Das zog den Angeljadhjen übers Meer, 

Das ließ, ob blutig auch um ſolch Gelüjten 

Sn welſche Grüfte ſank manch deutſches Heer, 
Stets neuen Römerzug die Kaiſer rüſten; 

Das trieb mit blanker Waar' und blank'rer Wehr 
Der Hanſa ſegelnd Volk zu Lievlands Küſten; 
Das läßt noch heut, wo dumpf die Stämme fallen, 
Im Urwaldrauſchen deutſchen Gruß erſchallen. 


Die Fremde lockt uns all. Und wem an's Haus 

Der Fuß gebannt, der ſchickt auf luft'ger Schwinge 
Den Wolkenpilger, den Gedanken, aus, 

Daß forſchend er, was draußen liegt, durchdringe. 


— — 


So zieht noch heut erobernd fern hinaus 
Der deutſche Geiſt, im weitgezognen Ringe 
Sich an des fernſten Auslands Wundergaben 
Vertraut und allempfänglich zu erlaben. 


Zu Theil ward uns die echoreiche Bruſt 

Vor allen Völkern. Hell, wohin wir ſchritten, 

Klang's in uns nach. Des Griechen Schönheitsluſt, 

Des Römers Hochſinn, den Humor des Britten, 

Des Spaniers Andachtsglut und Ehrenbluſt, 

Des Franzmanns Witz und leichtgefäll'ge Sitten, 

Das Patriarchen Glück, der in den Landen 

Des Aufgangs ſchweift — wer hat's wie wir verſtanden? 


Das Leben aller Weltgeſchlechter ſchloſſen 

In unſres wir. Wir haben kühngemuth 

Den fremden Geiſt in deutſch Gefäß ergoſſen, 

Die fremde Form durchſtrömt mit deutſchem Blut. 
Da ward, im Ringen tiefer nur genoſſen, 

Zum Eigenthum uns das entlehnte Gut. 

So iſt der Vers auch dieſes Liedes hier 

Des Südens Kind, und doch gehört er mir. 


Doch wohin ſchweif' ich? Redet' ich doch nur 

Von deutſcher Wanderluſt, um zu erzählen, 

Daß unſer Held auch ihre Macht erfuhr, 

Und Zeit nicht fand, ſich um ſein Loos zu quälen, 
Als er nun raſch an Wald, Gebirg und Flur, 
Bethürmten Städten, Brücken, Wappenpfählen 
Vorüber flog, und jede Sonn' im Steigen 
Beſtimmt ſchien, neue Wunder ihm zu zeigen. 


Die bunte, wechſelvolle Gegenwart, 

Drin Bild auf Bild ſich drängte ſonder Bleiben, 
Befing ihn ganz. Doch denk' ich ſeine Fahrt 
Hier nicht als erſten Weltgang zu beſchreiben; 


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— 265 — 


Ihr lest Schon ohnedieß genug der Art, 

Seit als Gejchäft ſelbſt Frau'n das Reifen treiben; 
In's Steppenjchloß geleit’ ich euch jtatt deſſen, 
Das ihr, jo hoff ich, noch nicht ganz vergefjen. 


Dort war die Gräfin — ich erwähnt’ es ſchon — 
Gejtorben, und mit ihr zu Grab gegangen 

Die Zeit der milden Herrichaft, da ihr Sohn, 

Graf Paul, nicht mit dem Erb’ ihr Herz empfangen. 
Das feine jcheint geformt aus rauhem Thon; 

Im Handeln rüdjichtslos wie im Verlangen, 

Iſt er gewohnt nah Willkür nur zu jchalten, 

Was Heine Seelen gern für Stärke halten. 


Stets unberehenbar wie Wind und Flut, 

Die bös nicht find, doch unheimlihe Mächte, 

Meil fein Gejeß in ihrem Stürmen rubt, 

Herrijcht er, umbangt vom Schwarm leibeigner Knechte. 
Sie wiſſen, wallt in Leidenschaft fein Blut, 

Kein Maß dann kennt er, fragt nad feinem Rechte, 
Und zeigt er Güt’ und Großmuth oft zum Staunen, 
Auch die find blind wie eines Raubthiers Launen. 


Zwar trägt er furz verfchnitten Bart und Haar 
Und ftatt des Pelzgewands den Rod ver Franten; 
Doch ſonſt, als eingewurzelter Bojar, 

Bon feinem Brauch der Vorzeit mag er wanfen; 
Bor nichts ſich beugend als wor Gott und Zar, 
Prunkſüchtig, herriſch, galtfrei jonder Schranten, 
Sigt er jahraus, jahrein auf jeiner Scholle, 
Gleihgültig wie der Weltlauf draußen rolle. 


Zur Gattin hatt’ er einft ein Weib erwählt 
Aus jenen Thälern, wo der duft’ge Wind 
Don Shiras nahem Rojenwald erzählt, 
Liebreizend wie nur dort die Frauen jind; 


Doch war von ihm vergöttert und gequält 
Sie früh dahingewelkt. Das einz'ge Kind 
Marina, das dem kurzen Bund verliehn, 
Läßt er in Moskau klöſterlich erziehn. 


Doch ift er drum nicht einfam. Auf dem Schloſſe 
Fehlt’3 nie an Gäften. Küch' und Stall find reich; 
Da zecht und tafelt man, man prüft die Rofje 

Vom Don und aus der Krimm, man filht im Teich; 
Auch geht's zur Wolfsjagd wohl mit hellem Troſſe; 
Und ſtöbert's draußen, bettet man ſich weich 

Um's lodernde Kamin und zieht in Reifen 

Den blauen Raub aus langen Bernfteinpfeifen. 


Zu Nacht giebt's andre Luft; Armleuchter winfen 
Auf grünem Tiih im Viereck aufgeftellt, 

Die Karte biegt fi, Haufen Goldes blinfen 

Und mwechjeln, wie des Glüds Entſcheidung fällt. 
Dazwiihen mahnt ver Wirth zu fleiß'gem Trinken, 
Und höher jchmwillt ver Sag und lauter gellt 
Fluch und Frohloden, bis nad Mitternacht 
Schlaf oder Rauſch dem Spiel ein Ende mad. 


Des Grafen liebjter Gaſt iſt Fürſt Baſil, 

Sein Gutsnachbar, vertraut mit ihm ſeit Jahren, 
Ein Dreiß’ger faum, doch frijcher nicht um viel, 
Als Paul, ver kräftig blüht bei grau’nden Haaren. 
Gleich dieſem liebt er Tafellujt und Spiel, 

Und iſt als Schütz und Reiter wohl erfahren; 

Im weitern — find fie gleich fi) unentbehrlih — 
Zwei jchärfre Gegenfäge triffit du ſchwerlich. 


Denn vier, fünf Sprachen revend, vielgereift, 

Glatt, biegjam, ftet3 im Kleid von neuftem Schnitte, 
Befigt Bafil, was man als Weltton preift, 

Und glänzt als Leu in der Bojaren Mitte. 








Um alles, was er thut und redet, gleißt 

Der Firniß vornehm unnahbarer Sitte. 

Gr hat gelernt zu jcheinen; ſchwer ermißt 

Dein Blid, was Form an ihm, was Weſen iſt. 


Nur mandhmal, wenn in raujchendem Vergnügen, 
Beim Tanz, am Spieltiih ihm die Nacht entflohn, 
Da liſcht beim Morgengrau’n auf feinen Zügen 
Der Gleichmuth jählings aus, ein Falter Hohn 
Umzüdt die Lipp' und ftraft ihr Lächeln Lügen; 
Unheimlich dann in feiner Stimme Ton 

Grflingt ein Etwas, dab du ahnen mußt, 

Ein dunkler Dämon wohn’ in dieſer Bruft. 


Doch fünftig mehr von ihm! Erzählen wir! — 
Ein Spätherbitmorgen iſt's, und weiß zur Stunde 
Noch Stepp’ und Park vom Reif, da beut ich dir 
Gin lebhaft Schaufpiel in des Schloßhofs Runde. 
Mit Körben, Flaſchen, Pelzen tummeln bier 

Koſak und Diener fi, es bellen Hunde, 

Gewehre rajjeln, Roſſe jtampfen, Wagen 

Stehn angejhirrt — man will hinaus zum Sagen. 


Im vielgejhäfttgen Schwarm gebeut erhigt 

Der rothe Petrow, ven fein Bambusjteden 

Als Haushofmeijter fundgiebt; jpähend bligt 

Sein Aug aus buſch'gen Brau’n nah allen Eden, 
Er murrt und flucht, verhaltner Ingrimm ſitzt 
Auf feiner Stirn in brennendrotben Fleden; 
Man merft’s, ihm wandelt was die Gall’ in Gift 
Mas ihn noch näher als jein Dienjt betrifft. 


Bald wird's auch Klar, denn plöglich wuthentfacht 
Bleibt dort jein Blid am legten Fenfter bangen: 
Gr fiehbt was längjt vie Eiferfuht ihm ſacht 

In's Ohr geraunt, wie zwei fih drin umfangen. 





Be 


Gin junger Burſch iſt's in Koſakentracht, 

Blitzäugig, fehlant, gebräunt an Schläf und Wangen; > 
Und ſchlicht, als Magd gekleivet, eine Dirne, 3 
Mit fhwarzen Zöpfen und mit weißer Gtirne, s 


ee 


Im dunkeln Grund der Kammer, Brujt gedrückt 

An Bruft, noch glaubt das Paar fich ungeſehen, 
Doch wandelnd ift ver Frühſtrahl vorgerüdt, 

Daß fie vom vollften Glanz umflutet jtehen. 

Sie merfen’s nicht; auf Petrows Antlig zückt 

Indeß ein Wetter hin von Zorn und Wehen; 

Erjt bleibt er ſtumm und ftarr, doch ſchäumend drauf 
Zum Fenfter ſchießt er fort mit jachem Lauf. 


Und „Sergej,“ ſchreit' er, „Hund, betreff ich hier 
Dich müſſig bei der Buhlin? Wart, bejcheren 
Den Segen, Bürfchchen, foll die Knute dir! 
Beim weißen Zar, ih will dich küſſen lehren, 
Dich und die Dirne, die zur Heil’gen ſchier 

Vor uns fi log, die Spätzin jonder Ehren —“ 
tun läßt von Schimpfausprüden eine Folge 

Gr hageln, die nur heimijh an der Wolge. 


Sein Gutes hat das Schelten. Der Gevdanfen 
Gewittergährung ſchafft es wieder jtill; 

Ein Troſt oft iſt's, zumal bei Leberkranken. 
Auch ſchimpfen würd'ge Männer von Achill 
Bis Leo, der den Gegner meiſt beim Zanken 
Mit bergſturzgleichem Schmähn verſchütten will. 
Doch nie wohl war ein Wortſchwall ſo gewürzt 
Mit Gift, wie der von Petrows Lippen ſtürzt. 


Indeſſen ſind die Zwei hervor an's Licht 
Getreten, er verſtört und ſie in Thränen; 
Doch da der Wüthrich nun in's Angeſicht 
Die Fauſt ihr ballt, knirſcht Sergej mit den Zähnen: 





— 9 — 


„Mir magſt du dräun, allein der Olga nicht, 

Die andres nichts verbrach, als abzulehnen, 

Mas ſchamlos war.” Gr ruft eg, und vom Grimme 
Gekränkter Neigung zittert ipm die Stimme. 


Doch jener ſchwingt zur Antwort mwuthentitellt 

Sein Rohr ihm blind um Schultern, Haupt und Lenden, 
Und da's bereit3 beim vierten Schlag zerjpellt, 

Grgreift er aus des nächjten Diener Händen 

Ein Jagdgewehr, das grad’ in's Aug’ ihm fällt, 

Die Zücht’gung mit dem Kolben zu vollenden ; 

Schon holt er aus zum Streich und ächzt verbifien, 

Da fühlt er plöglih fih die Waff' entrifjen. 


Wild fhaut er um, — und — ftußt. Denn er gewahrt 
Ein völlig fremdes Antli vor dem feinen; 

Ein Jüngling, luftbraun wie von langer Fahrt, 

Steht neben ihm, bejprigt an Rad und Leinen 

Hält nahebei ein Fuhrwerk leichter Art. 

Inmitten des Gelärms — jo muß es feheinen — 

St dieß genaht, und raſch vom Sitz gejprungen 

Hat ihm der Ankömmling die Wehr entrungen. 


Der Troß der Diener gafft verwundrungsvoll 

Den Kühnen an, ver fejt und ohne Zagen 

Auf Petrow Schaut. Der jehreit, und weiß nicht, ſoll 
Gr ihn erdrofjeln, joll vie Schmad er tragen; 

Doch ſcheint's ihm ihrer, eh er feinem Groll 

Luft macht, mit wem er Streit beginnt, zu fragen. 
Da hemmt ihm jener furz den Redeſtrom, 

Indem er foriht: „Wo ift Graf Baul, mein Ohm?“ 


Es iſt Julian; ihr habt ihn längft erkannt, 

Der eben recht Fam, was hier Brauch, zu jchauen ; 
Doh hat er faum den Herrn als Ohm genannt, 
Als auf des Haushofmeilters troß’gen Brauen 


Be 


Die dräuend aufgethürmte Wolkenwand 

Sich eilt, in grinjend Lächeln hinzuthauen, 

Und ibm der Mund, no heiß vom Schimpfgelüft, 
Den Saum des Nodes unterthänig küßt. 


Kurz it das Leben und die Kunft ift lang — 
Bei diefer Stell hab’ ich's auf's neu empfunden, 
Denn was ich hier in fieben Stanzen zwang, 
Das war gejhehn in faum jo viel Sekunden: 
Gezeter, Wehſchrei, Ruf des Staunens klang 
In Ein verworren Tongemijch verbunden ; 

Ein Durcheinander gab's jo mild verjtört, - 
Wie man's in Meyerbeer’ihen Opern hört. 


Da jteigt Graf Paul, ver fih vom Frübftüd eben 

Erhoben bat beim Ausbruch des Gejchrei's, 

Dom Schwarm jagdluftger Freunde rings umgeben, 
Herab zum Hof. Doch eh’ Julian noch weiß 

Dem Ohm zu nah’n, jtürzt Olga Schon mit Beben 

Zu Füßen ihm, von Scham und Sorgen heiß, 

Um unter Schludhzen meldend, was gejchehen, 

Für fih und Sergej Gnad’ und Schuß zu flehen. 


Die Dirn ift jung und hübſch. Und da vom Wein 
Des Grafen Adern raſch und fröhlich ſchlagen 

Und auch Bafıl, der fih am dunfeln Schein 

Don Olga's Auge legt mit Wohlbehagen, 

Ihm zuminkt, diesmal gnädig zu verzeihn, 

So iſt die Sache gütlich bald vertragen. 

Petrow zieht murrend ab und aus dem Chor 

Der Diener tritt Julian und jtellt ſich vor. 


Graf Paul, der immer furz ift im Beſcheid, 

Küßt ihm die Stirn und ſpricht: „Du bijt willfommen ! 
Mach dir's bequem; dein Zimmer fteht bereit, 

Dir wird ein Feuer jet, ein Imbiß frommen. 





EIN. 


Ich aber muß zur Jagd; zur Abenvzeit 

Bleibt weit'res Zwiegefpräh uns unbenommen. 
Gehab’ dich wohl indeß, mein Freund. Bedienen 
Mag dich der Burſch, dem du zum Heil erfchienen.” 


Er jpriht’s und grüßt, und zu den Gäften dann, 
Die feiner warten, ift er eingeftiegen ; 

Und rafjelnd jagt davon das Viergejpann, 

Um das in buntem Schwarm die Reiter fliegen. 
Noch eh’ Julian fich recht befinnen fann, 

Sieht er ven Schloßhof wie verödet liegen ; 

Nur Sergej blieb, dur finſt're Gäng’ und Thüren 
Den neuen Herrn auf fein Gemach zu führen. 


Die eriten Wochen fliehn ihm raſch dahin; 
Verwirrt, befangen dur die Macht des Neuen, 
Läßt ohne Rüdhalt er den jungen Sinn 

Sih vom Gemühl, das ihn umgiebt, zerjtreuen; 
Auch reizt des Haufes Füll' ihn im Beginn, 

Der Prunf, an dem fih Wirth und Gäjte freuen; 
Er reitet, jagt und läßt ven Wein fich jchmeden, 
Um ſpät erſchöpft auf’3 Lager fich zu ftreden. 


Doch als zum andernmal, feitdvem er Fam, 

Der Mond fih füllt und Tag für Tag im trägen 
Genuß vergeht, will ein Gefühl von Scham 

Und Ueberdruß in feiner Bruſt fich regen; 
Beftürzt gewahrt er, daß man jonder Gram 

Der Sammlung Ernit, des Haufes beiten Segen, 
Hier zu entbehren weiß, und alles flieht, 

Was Geiſt und Herz in Höh’n und Tiefen zieht. 


Für die, jo mit ihm leben, it die Welt 

Ein Haufen einzig nugbar todter Dinge; 
Nur auf Belis, Genuß und Glanz geitellt, 
Kreijt all ihr Dafein dumpf im engen Ringe; 


a 


Doch ihm, dem deutſches Blut in Adern fchwellt, 
Wuchs früh befiedert des Gedankens Schwinge; 

Ihm muß im Großen, ahnt er, wie im Kleinen 
Ein göttliher Zuſammenhang erſcheinen. 


Denn wie du fuchjt im Ird'ſchen ein und aus, 

Ein Ding in fich befchlofjen triffit du nicht; 

Mas da ift, deutet über fih hinaus 

Auf ein Unendliches, das ihm entjprict; 

Durh Art des Wahsthums, dur Geftalt des Baus, 
Durh Einklang, Zahl, Verhältniß, Farb’ und Licht, 
Iſt's Gleichniß eines Höhern und verkündet 

Das ew'ge Maß, nachdem das All gegründet. 


Das iſt's, was fo geheimnißvoll dich rührt, 
Wenn tief im Frühlingswald auf Blütenfteigen 
Dein Sinn die Ordnung alles Werdens fpürt, 
Wenn dir die Mitternacht im Sternenreigen 
Des em’gen Wandels Bild vorüberführt; 

Das überwältigt dich fo tief und eigen, 

Wenn du Muſik hörſt; im verfühnten Klange 
Enthüllt jih das Geje vom Weltengange. 


Zwar wohnt davon in unjres Freundes Bruft 
Unfichre Dämmrung nur; nicht alt genug 

Sit er, um klar zu fein, doch unbewußt 

Nimmt fein Empfinden oftmals ſolchen Flug. 
Der Schauder wird ihm dann zur höchſten Luft, 
Der an die Örenzmark ihn des Em’gen trug, 
Und trunfen jtammelnd möcht' er Kunde geben 
Bon dem, was jo bewegt jein tiefites Leben. 


Dob mie die Seel’ ihm ſchwillt: hier ift fein Ohr, 
Das freundlich ihren dunkeln Weiſen lauſche, 

Kein einzig Herz, an das er, wie zuvor 

An Berthold, jeines Schau’ns Geheimniß taufche; 


el 


Er heißt ein Schwärmer, ſpricht ev’3 aus, ein Thor, 
Den man verlacht, als faſelt' er im Rauſche; 

So zieht er, tiefverlegt am zartiten Flecke, 

Zurüd ſich in fich jelber, gleich der Schnede, 


Der Mann erträgt des Schweigens Einjamteit, 
Sie ſucht der Greis, und birgt in ſtiller Zelle 
Den klar gediegnen Schatz. Doch zu der Zeit, 
Wo ſtürmiſch noch des innern Lebens Quelle 
Aufiprüht in jeliger Verworrenheit, 

Getrübt noch hier, dort wie Kryſtall jchon helle: 
Willſt du den jungen Sprudel da verjchliegen, 
Sp brennt's, wie Thränen, die nach innen fließen. 


Die Qual erbulvet jest Julian; und doch 

Iſt's kaum das Herbſte, daß er einfam ſchmachtet; 
Die eiſ'ge Hoffart kränkt ihn tiefer nod, 

Damit der Menſch den Menſchen hier mikadhtet. 
Gr ſieht's: wer einmal auferwuchs im Jod, 
Wird als ein Stüd der Scholle nur betrachtet, 
Ein hörig Ding, das nad Gefallen man 
Brauchen, verjchleudern und zerbrechen fann, 


's iſt wahr, Graf Paul nährt den Leibeignen gut, 
Doch mie ein Laftthier nur zum Ziehn und Tragen; 
Mas jeiner Seele wohl und wehe thut, 

Darnach iſt's wider allen Braud zu fragen; 

Ein Wort faum heiſcht des Bauerfindes Blut, 

Das überfahren ächzt vom Herrſchaftswagen. 

Der Schlag, der eines Burſchen Auge traf, 

Gilt zehn Kopeken, ift der Burſch ein Sklav. 


Führmwahr, nad) Gleichheit wußt' ich nie zu jchrein, 
Ob rings erhigt auch taufend Stimmen riefen; 
“ Und Lug erfhien mir’s, jah ich überm Rhein 
Ein ewig Bruderthum dem Volk verbriefen. 
Geibel, Geſ. Werke. 1. 18 


N ya 


Auf Erden werden Herrn und Diener jein, 

So lang fih Berge thürmen, Thäler tiefen; 
Doch Eine Freiheit ift, die ich begehre, 

Daß man im Menjchen Gottes Bildniß ehre. 


ON 


Denn glänzt von diefer Stirn in reinerm Licht 
Die heil'ge Glut aud, die uns eingeboren, 

Indeß fie dort aus Hüllen trüb und dicht 

Nur jelten aufzüdt, balb in Qualm verloren; 

Sp gar verthiert fein menjhlih Angeſicht, 

Es zeigt: Hier ſchläft ein Geift zum Heil erloren, 
Ein ftummer Keim, berufen zur Vollendung, 

Und den zertreten ijt wie Tempelihändung. 


D Licht und Luft dem Keim, auf daß er frei 
Empor jein ringend Leben fünne ftreden! 
Das Meſſer an’3 Geſchwür der Sklaverei, 
Daran die Welt no krankt in allen Eden! 
Kein Purpur mag's, wie faiferlich er ſei, 
Kein Freijtaatsbanner, jternbefät, verdeden. 
O Licht und Luft, Deipoten, groß und Hein, 
Mögt ihr Fabrikherrn, Prlanzer, Fürſten jein! 


Fürwahr, Gewinn nit ſchafft ihr euch, ihr ſchafft 
Den Tod euch jelber over euern Erben, 
Macht ihr im Wald der Menſchheit, ver von Saft 


Nur grünt der Freiheit, Stamm an Stamm erjterben, 


Ein Blig dereinſt, und jählings riefenhaft 
Durchſauſt die Trodnik flammendes Verderben. 
Wie wollt ihr dann dem Ungeheuren wehren? 
Der Brand wird euch und euer Haus verzehren. 


Doch nihts von Zukunft. Unſer Held auch venft 
Nicht deß, was fommen wird. Im tiefiten Herzen 
Weil Worte fruchtlos, birgt er, was ihn kränkt, 


Und lernt die Kunft, bei wunder Bruft zu jcherzen. 


WIENER 


——— 


Doch ſtiehlt er oft, mit Bitterkeit getränkt, 
Sich haſtig fort von des Gelages Kerzen, 
Und jagt hinaus, als könnt' er in den Weiten 
Der dunkeln Wildniß ſeinem Weh entreiten. 


Oder in ſeines Zimmers Einſamkeit 

Auf's Lager wirft er ſich, und in die Kiſſen 
Das Antlitz drückend, ſchluchzt er aus ſein Leid. 
Da tauchen wie aus Nebelfinſterniſſen 

Ihm auf die Bilder ſeiner jungen Zeit, 

Die Schemen jenes Glücks, das ihm entriſſen, 
Und wie ſie licht, doch leer vorüberziehn, 
Kommt alle Qual des Heimwehs über ihn. 


So lebt Julian durch lange bange Tage 

Ein Leben, das er nur am Drucke fühlt, 

Dem Meerfiſch ähnlich, der vom Wogenſchlage 
Beim Sturm in ſüßes Waſſer ward geſpült. 
Einſylbig ſteht er, mit verhaltner Klage 

Im bunten Lärmen, der das Schloß durchwühlt, 
Ein Fremdling für den Ohm und für Baſil 
Ein Wunderthier und alles Spottes Ziel. 


Doch gibt's ein Weſen, das ſich ſonder Hehle 
Ihm anſchließt, und ihm dankbar Liebe zeigt, 
Sein Burſche: Sergej, deſſen muntre Seele, 

Was Ehr' iſt, ahnt und ſich der Güte neigt. 

Der taub oft war dem dräuendſten Befehle, 

Erräth den Wunſch jetzt, den ſein Herr verſchweigt; 
Auf's beſte ſorgt er ihm für Roß und Waffen, 
Und weiß ihm wohnlich ſein Gemach zu ſchaffen. 


Auch lehrt er unſern Freund den Falken ziehn, 
Den Wolf in Gruben fahn, den Fuchs im Eiſen; 
Und läßt des Abends jener am Kamin 

Zur theuern Ferne die Gedanken reiſen, 


— 276 — 


So fingt er feines Stammes Melodien 

Ihm ſacht zur Cither, ſchwermuthvolle Weiſen, 
Daraus des Volkes Seel' in Tönen klagt, 
Was ſie mit Worten nicht zu klagen wagt. 


Doch ſpürt Julian, wie Mond an Mond ſich reiht, 
Daß Sergej, deſſen Sinn von tauſend Poſſen 

Zu Anfang ſprüht' in heller Munterkeit, 

Allmählich ſtumm wird, traurig und verdroſſen; 
Kein Zweifel, ihn bedrückt ein ernſthaft Leid, 

Doch hält er's ängſtlich im Gemüth verſchloſſen, 
Und weicht den Fragen aus; allein mit Schrecken 
Soll bald ſein trüb Geheimniß ſich entdecken. 


Zur Zeit, da unter'm Schnee der Steppe ſacht 
Des Frühjahrs erſte Triebe ſchon ſich rühren, 
Sitzt einſt Julian noch wach um Mitternacht 

Und lieſt am Feuer bei verſchloſſnen Thüren; 

Der ſpäten Stunde hat er heut nicht Acht, 

Weil Uhlands Lieder ihn nach Deutſchland führen. 
Da plötzlich weckt aus ſeiner Träumerei 

Vom Garten ſchallend ihn ein geller Schrei. 


Zum Fenſter ſtürzt er, beugt ſich draus hervor, 

Und ſpäht. Doch nichts vermag ſein Blick zu trennen 
Vom Schwarz der Nacht; nur kommt es an ſein Ohr 
Wie dumpfes Murmeln und verworrnes Rennen; 
Und jetzt am Teich ſprüht Fackelblitz empor 

Und läßt ein ſcheu Gewimmel ihn erkennen, 

Da ſchallt zum andernmal das Weherufen 

Und treibt auch ihn zum Park hinab die Stufen. 


Ein ſchaurig Bild iſt's, was ihn dort empfängt, 
Er ſieht, wie man um eines Mädchens Leiche 
Beim rothen Loderſchein ſich hülfreich drängt; 
Doch iſt's zu ſpät; längſt ſtarrt im Tod die bleiche 








a 


Gefniffne Lippe, wirr zerflutet hängt 

Das lange Haar, drin Nöhricht klebt vom Teiche; 
Das Auge ftiert verglajt, die Kleider triefen; 
Man zog fie eben aus ven eif’gen Tiefen. 


s' iſt Olga; Kar beim düjtern Fadelbrand 

Erkennt Julian den Falten Raub der Welle: 

Die Züge ſind's, drauf, ab, noch jüngſt nichts ftand, 
Als Hoffnung, Liebreiz, Jugend, Roſenhelle; 

Das alles löjchte nun des Todes Hand 

Und jegte wüſtes Graufen an die Stelle 

Und eiſ'gen Stilljtand, gleich al3 wollt! er zeigen, 
Ihm fei die Blüte wie die Frucht zu eigen. 


Noch graut's Julian, wie alles kam, zu fragen, 
Da fällt fein Blick auf Sergej. Bleifarb jteht, 
Verftört, die Wimper graß emporgejchlagen 

Der Burſche da; von feinen Lippen geht 
Zonloje Regung, doch du kannſt nicht jagen, 
Sind's, Flüche, was er murmelt, iſt's Gebet; 
Nur das ijt ar, er ftarrt der Welt vergeſſen 
In einen Abgrund, ven er zagt zu mejjen. 


Und wie Julian nun dem Verzweiflungsvollen 

Sanft naht, von banger Ahnung ihmwer das Herz, 
Und Worte Spricht, die forjchend tröften jollen, 

Zudt jener auf, als träf ihn jchneidend Erz. 

Ein Aechzen nur, aus tiefjter Seel’ entquollen, 

Iſt feine Antwort; fo im Todesjchmerz 

Aechzt wohl der Hirſch, durchbohrt vom Jagdgeſchoſſe. 
Da ftürmt auch Fürft Bafıl daher vom Schloſſe. 


Doh faum wird dieß Geficht der Burſch gewahr, 
Als flammend Roth ihm Schläf’ und Stirn umgieht; 
In feinem Blick entlovert tödtlich klar 

Das Feuer, das des Tigers Auge ſchießt, 


— Er 


Wenn Beut' er wittert und fein Rüdenhaar 
Gefträubt von Blutdurjt wild ſich aufwärts jpiekt. 
Das Mefjer reißt er am geſchnitzten Stiel 

Nom Gurt und wirft ſich ſchäumend auf Bafıl. 


„Verführer,“ ſchreit er — und zu heiſerm Kreiſchen 
Wird ihm_das Mort, indeß er blind vor Wuth 
Stoß führt um Stoß, den Gegner zu zerfleiihen — 
„Da fieh dein elend Opfer, wie's die Fluth 

Dir vor die Füße wirft, Gericht zu beifchen! 
Mohlan denn, Zahn um Zahn und Blut um Blut! 
Weit ift der Himmel, und der Zar ift weiter: 

Doch ib bin da! So ftirb, Vermaledeiter !” 


Und eb fih noch, den Angriff abzumeijen, 

Ein Arm dem Nafenden entgegenitemmt, 

Stürzt ſchon Baſil, indem in weiten Kreijen 

Sein rauchend Blut den Schneegrund überſchwemmt; 
Doh ward zum Glück das mörderiſche Eifen 

Dom falt’gen Pelz, ven jener trug, gehemmt; 

Gr lebt, und wie nun Alles um den Wunden 

Sich müht, iſt Sergej in ver Nacht verſchwunden. 











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3 Geibel, Emanuel 
1881 Gesammelte Werke 


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