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GESCHICHTE
DER
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VON
FRANZ KUGLER.
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FÜNFTER BAND.
ZWEITE HÄLFTE.
3MIT 130 ILLUSTRATIONKN-
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STUTTGART,
VERLAG VON EBNER & SEÜBERT.
187d.
GESCHICHTE
DER
DEUTSCHEN RENAISSANCE
VON
WILHELM LÜBKE,
•^x^^^'" % »-v-'^^^cx./^x -^ .■ \ \^v»\^
ZWEITE HÄLFTE,
MIX ISO ILLUSTRAXIONKN.
STUTTGART,
VERLAG VON EBNER & SEUBERT.
1873.
• N
Kap. XI. Baien). 515
XI. Kapitel
B a i e r B.
Den schärfsten Gegensatz zum fränkischen und schwäbischen
bildet das bairische Gebiet. Von den Firnen und Gletschern
der Alpen bis gegen die Donauniederung sich erstreckend, hat
es von jeher einen kräftigen tüchtigen Menschenschlag hervor-
gebracht, der indess mehr für ruhiges Beharren in altgewohnten
Zuständen und für unbekümmerten sinnlichen Gcnuss, als für
rastloses geistiges Arbeiten und Fortschreiten angelegt zu sein
scheint Bis in die neueste Zeit hinein hat hier deutsches
Geistesleben keine tiefere Förderung erfahren. Vergebens schauen
wir uns nach jenen mächtigen freien Städten um, die in Schwaben
und Franken wie im ganzen übrigen Deutschland schon früh der
Sitz eines mannhaften selbständigen Bürgerthums, der Hort einer
kräftigen Kulturentfaltung waren. Hier ist von jeher die Kirche,
geschützt durch die mit ihr verbundene Fürstenmacht, die Len-
kerin des Lebens gewesen. Aber auch diese hat sich in ihren
glanzvollsten Zeiten weit nicht so schöpferisch erwiesen wie in
den meisten übrigen Gauen Deutschlands. Wenn wir auch nicht
verkennen wollen, was Tegernsee, Freising und andere geistliche
Sitze für die Kultur des Mittelalters geleistet haben, so weist
doch das ganze Land weder in der romanischen noch in der
gothischen £poche Monumente ersten Ranges auf, .und erst im
Ausgang des Mittelalters gelingt es den Bürgerschaften von Lands-
hut, München, Ingolstadt, in gewaltigen, wenn auch keineswegs
edel durchgebildeten Bauwerken Zeugnisse eines energischeren
Strebens hinzustellen.
Diese Verhältnisse ändern sich selbst nicht mit dem Eintritt
in die neue Zeit Wohl erfasst auch hier der gewaltige Drang
nach Umgestaltung des geistigen Lebens, nach Vertiefung der
religiösen Anschauungen die Massen; Arsazius Seehofer, ein Schü-
ler Luthers, weiss selbst in München der neuen Lehre zahlreiche
Anhänger zu gewinnen. Aber eine Beihe strenggläubiger Fürsten
unterdrückt mit Gewalt diese Regungen. Herzog Wilhelm IV,
bis 1534 mit seinem Bruder Ludwig, dann bis 1550 allein regie-
rend, erliess die strengsten Religionsmandate. ^) Ein widerwärtiges
^) H. Zschokke, Baierische Geschichten III, 49 ff. Buchner, Gesch.
von Bayern VII, 46.
33^.
516 ni. Buch. Renaissance in Deutschland.
System von Ueberwachung und Angeberei riss beim geringsten
Verdacht ruhige Bürger aus den Armen ihrer Familie, um sie
in's Gefängniss zu werfen. Selbst die Bischöfe waren dem Her-
zog zu mild; auf dem Scheiterhaufen mussten Manche ihren
Glaubensmuth büssen, und durch Einführung der Jesuiten legte
er den Grund zu jener pf&ffischen Knechtung der Geister, welche
bis jetzt noch ihre verderblichen Wirkungen geübt hat Die Uni-
versität Ingolstadt wurde der Hauptsitz des Ordens, und das
bairische Land blieb fortan, die Hauptstadt München an der
Spitze, der Mittelpunkt des weithin gesponnenen Netzes. Wil-
helms Nachfolger Albrecht V (1550 — 1579) steigerte noch die
Bestrebungen seines Vorgängers und gründete den Jesuiten jenes
gewaltige Collegium mit der Kirche des h. Michael in seiner
Residenzstadt, welches zum Bollwerk der Gegenreformation wer-
den sollte. In kluger Berechnung wusste der Orden durch prunk-
volle Schauspiele den Sinn der Menge zu erhitzen und zu be-
täuben. Mit nie gesehener Pracht wurde die Einweihung seiner
Kirche gefeiert, und in einem barock phantastischen Singspiel
unter freiem Himmel sah die staunende Bevölkerung den Erz-
engel Michael seinen siegreichen Kampf gegen dreihundert Teufel
ausfechten. Nicht minder pomphaft wurde die Frohnleichnams-
prozession in Scene gesetzt, und glanzvolle BühnendarsteUungen
aus der heiligen Geschichte des alten und neuen Testamentes
thaten mit ihrer rohen Pracht das Uebrige. Da zeigten sich in
den Festzügen alle Heiligen des alten und neuen Bundes; Adam
und Eva scheinbar nackt; sechszehn Marien, deren letzte und
schönste im Gewölk einherfiihr; Gott Vater selbst, „soll eine
lange, gerade, starke, wohlformirte Person sein", wie es in der
Vorschrift heisst; „die unter dem Angesicht schöne reslete Färb
hat und nit gelb, kupferfarb oder finnig aussieht; soll auch fein
einen steten Gang an sich nemen, wenig umbsehen und nit
sauer auch nit lächerlich, sondern fein sittsam aussehen.'' Wäh-
rend man so den Sinn des Volkes betäubte, musste der Bauer
sich's gefallen lassen, dass die härtesten Wildgesetze ihn schutz-
los gegen die Verwüstungen seiner Saaten machten; gegen die
Feldmäuse aber wurden auf herzoglichen Befehl Kirchengebete
angeordnet Die höchste Begierungssorge jedoch blieb, das Land
vor der Berührung mit Luthers Lehre zu sichern.*) Die Voll-
endung dieser Bestrebungen vollzog sich in der Regierung Wil-
helms V (1579 — 1598) und mehr noch durch seinen Sohn Maxi-
milian I, das Haupt der katholischen Liga, der für seine Ver-
*) Vgl. die lebendigen Schilderungen im III Bd. von Zschokke.
Kap. XI. Baiern. 5^7
fechtung der kirchlichen Interessen den Besitz der Oberpfalz
sammt dem Eurhute davon trug.
Dass unter solchen Verhältnissen von einem selbständigen
Geistesleben nicht die Rede sein konnte, leuchtet ein. Nicht dass
es den bairischen Herzogen an Sinn ftr Höheres gefehlt hätte;
in ihrer Weise haben sie nach Kräften die Wissenschaft gepflegt,
nach Reform der Geistlichkeit und der Schulen gestrebt. Aber
weil sie Alles unter die Vormundschaft der Kirche stellten, blieb
jede freie Entwicklung fem; die Wissenschaft trocknete zu einer
neuen jesuitischen Scholastik ein, und die Volksseele blieb in
dumpfem Aberglauben befangen. Von jener Frische und Kraft
bürgerlichen Lebens, wie es sich im übrigen Deutschland aller
Orten in grossartigen Monumenten verkörpert hat, finden wir
keine Spur. Die ganze Bewegung der Renaissance liegt in den
Händen der Fürsten, die in ihren glänzenden Schlössern und in
opulenten kirchlichen Bauten ihrer Prachtliebe wie ihrer Bigotterie
ansehnliche Denkmäler errichtet haben. Schon Herzog Wilhelm IV
war einer der eifrigsten Förderer der Künste, sein Hof ein
Sammelplatz von Künstlern jeder Art. Er und sein Bruder Lud-
wig haben zuerst die italienische Renaissance beim Bau der
prachtvollen Residenz in Landshut nach Deutschland eingeführt
Aber indem sie eine ganze Kolonie italienischer Künstler zur
Errichtung und Ausschmückung des Baues beriefen, wurde die
selbständige Entwicklung einer deutschen Renaissance eher ver-
hindert als gefördert. Man verpflanzte die Wunderblüthe einer
fremden Kunst auf nordischen Boden, die hier vereinzelt und
wirkungslos bleiben musste. Noch höher steigert sich die Pracht-
liebe bei Albrecht V. üeberall entstanden neue Bauten oder Ver-
schönerungen der schon bestehenden; in den Schlössern zu Lands-
hut, Dachau, Isareck, Starenberg wurde unablässig gebaut Auf
dem Starenberger See schwamm eine Lustflotte mit einer präch-
tigen Gondel für den Herzog; seine Kapelle hatte ausgezeichnete
Sänger und Musiker, vor Allem Orlando di Lasso, dessen Buss-
psalmen in einem kostbaren Manuscript, geschmückt mit den
Miniaturen Hans Mielich's, man noch auf der Bibliothek in Mün-
chen bewahrt Kunstwerke aller Art, Statuen in Marmor und
Erz, geschnittene Steine und Münzen, Zeichnungen und Gemälde
wurden erworben, kostbare Bücher und Handschriften angekauft,
darunter die Sammlungen Hartmann Schedels und Hans Jacob
Foggers. Diese Bestrebungen setzte Herzog Wilhelm V fort; die
Hofkapelle wurde noch vermehrt ; für die Gemäldesammlung wur-
den jährlich feste Summen ausgesetzt, junge Künstler in's Aus-
land geschickt, berühmte Maler aus der Fremde berufen. Einen
518 ni. Bach. Renaissance in Deutschland.
neuen Palast, die später sogenannte Mazburg, erbaute sich der
Herzog in München; aber noch weit prachtvoller war die Kirche
und das Collegium, welche er daselbst den Jesuiten errichtete.
Ueppige Lebenslust brach yom Hofe aus sich in allen Ständen
Bahn, und es ist bezeichnend, wie der Rath zu München jedes
Jahr am Sonntag nach drei Königen eine Schlittenfahrt Yera,n-
stalten musste, zu welche der ganze Hof geladen wurde: ein
Gebrauch, auf dessen Einhaltung der Herzog streng bestand,
selbst wenn der Magistrat unterthänig erinnerte, es seien die
meisten Hausfrauen schwanger und die Gassen ohne Schnee;
worauf der Herzog befahl „herumzufahren, es schneie oder nif
Man sieht aus Allem, dass die verschwenderische Kunstpflege
hier nur eine äusserliche bleiben musste, die den Volksgeist
nicht zu eignen Schöpfungen zu befruchten vermochte. Wie man
die Jesuiten zur Befestigung der römischen Priesteiiierrschaft in's
Land rief, so liess man auch die Kunst durdi fremde Meister
einführen. Von der Besidenz in Landshut (1536) beginnt diese
Bichtung, die völlig mit den nordischen Gewohnheiten und den
Beminisoenzen des Mittelalters bricht; dort wie in allen folgenden
Bauten Baiems kommt nur die italienische Kunst zu Worte. Weil
nun diese Bewegung eine ausschliesslich von oben geförderte
war, die nicht aus dem Volksleben selbst mit Nothwendigkeit
hervordrang, ao gewinnt sie auch keiiien innerlich übereinstim-
menden Charakter. Es sind und bleiben vielmehr grossentheils
auswärtige Mei0ter, welche man für die Leitung der künstlerischen
Unternehmungen beruft; zuerst Italiener, dann italienisch gebil-
dete Niederländer. Was sieh von heimischen Kräften daneben
bewährt, gehört meistens dem Gebiete der Kleinkünste und des
Kunstgewerbes an. Was hierin gerade in Bdem von Einheimishen
geleistet worden, beweist dass es im Lande nicht an Talenten
fehlte. Auch die ersten Versuche, in der Architektur sich den
neuen Stil anzueignen, der auf den alten HandelsstraBsen unmerk-
lich über die Alpen gedrangen sein mochte, jene ersten Versuche
im Hofe der Besidenz zu Freising, im Vorderbau des Palastes
zu Landshut, in gewissen Grabmälera zu Freising und ander-
wärts beweisen, dass die wackren einheimischen Meister bereit
genug waren, das Neue sich aneueignen. Aber statt ihnen Ge-
legenheit zu bedeutenderen Schöpfungen zu geben, aus weldien
sich wie in Schwaben, Franken, der Pfalz und im übrigen
Deutschland eine nationale Benaiasance entwickelt hätte, zog
man es vor. Fremde herbeizurufen und den voll ausgebildeten
Stil Italiens aaeh dem Norden zu yerpiuixen. So ist «eine Reihe
gliuender Bauten von hoher künstlerischer Bedeutung, aber ohne
Kap. XI. Baiern. Freishig. 519
innereii ZuBammenhang mit dem Lieben des Volkea entstanden,
die wir nun einzeln zu betrachten, haben. Es ist nicht sowohl
dentsehe Benaissance, als vielmehr Renatssamce in Deutschland,
was wir in Baiem finden.
Freisinf.
Auf dem sonnigen Hügel, welcher die Stadt Freising ttber-
ragt, hat schon in ättei^tor Zeit die geistliohe Macht einen festen
Sitz aufgeschlagen. Die ansehnliche romanische Domkirche nnd
die benachbarte ehemalige fürstliche Residenz bilden mit den
dazu gehörigen Bauten gleichsam eine Stadt fttr sich. Wir haben
es hier zunächst mit dem Besidenzschloss zu thun, welches
in seinen Alteren Theilen, namentlich dem nördlichen Flügel, zu
den frühesten, noch unklar schwankenden Benaissancewerken in
Deutschland gehört Bischof Philipp liess im Jahre 1520 den
Bau ausführen. Von aussen ist das Schloss völlig einfach, nur
gegen die Johanneskirche ragt eia Thurm empor, der oben acht-
eckig und mit einem Kuppeldach geschlossen ist Gegen die
Stadt hin an der Nordseite ist ein einfach rechtwinkliger Erker
aufi^baut An der ostwärts schauenden Hanptfa^ade sieht man
Spuren einer kräftigen Bemalung, imitirtes Quaderwerk in grau
und grauen Tönen, unter den Fenstern barock gestaltete Schilde,
über denselben mannigfach variirte Erönunge& von Blattwerk
und Masken, Voluten und Muscheln in grosser Abwechselung.
Dies Alles spätere Zusätze vom Ende de^ Epoche. Auch das
I^ertsd, das sich im gedrückten Rundbogen öfhet, ist mit g«nal-
ten Bändern und Rose^n geschmeckt An der Südseite zieht
sich eine geschlossene Terrasse hin, die in ihrer hohen Lage am
stdlidlien Kamm des Hügels einen herrlichen Blick über die
grünen von der bar durchzogenen Wiesengründe gewtlhrt Am
HeliBont gewahrt man die Thünne Münchens, und dahinter die
gresssrtigen Linien der Alpefnkette, die das schöne Bild ab-
schliessen. "^
Das Hauptportal führt zu efttem Thorweg, der in eihiem
ungefllhr quadratiBcben Hof VH)n massiger Ausdehnung tttudet
Den beidm vorderen Flügeln des Baues an der Bingang«seite
«nd zur ReehAen) also dem östtchen und nördlichen siftd Aifta-
den auf eehwei^en Pfieileni vorgelegt, mit weit gespannten BögM,
in wdchen Mittelalter ted BmaissaBoe wund^ch sich mischen.
Drei Treffpen in rechtwittUig gebrochener Anlage und mit Po-
desten ftihren aus der unteren Halle hinauf, die erste gtei<b
520 m. Bach. Benaiflsance in Deutschland.
*
beim Eingänge und die dritte in der Mitte des Nordfltigels in
das HauptgeschosSy die zweite in der einspringenden Ecke der
beiden Flügel zu einem hohen Erdgeschoss. Das Merkwürdigste
ist indess nicht sowohl diese Anordnung, als yielmehr der selt-
same Stil der den zweiten Stock begleitenden Galerie. Hier
bilden sich nämlich abwechselnd auf kurzen Säulchen oder Pfei-
lern am östlichen wie am nördlichen Flügel je fünf Arkaden mit
Stichbögen, deren Profil in mittelalterlicher Weise aus Kehle und
Bundstab besteht. Sämmtliche Pfeiler und Säulen, mit einer ge-
wissen Opulenz aus rothem Marmor gebildet, zeigen verschiedene
Behandlung, die zwischen Gothik und Benaissance schwankt, und
den letzteren Stil offenbar nur aus dunklen Quellen kennt Man
sieht die wunderlichsten Spielereien, in welchen missverstandene
antike Formen mit mittelalterlichen Gewohnheiten um die Herr-
schaft ringen. Die Pilaster oder Pfeiler haben an den Schäften
hübsche Flachomamente im Stil der Benaissance. Das Alles
zeugt von einem provinzialen Meister, der seine ganze Stilkennt-
niss etwa aus Burgkmaierschen Holzschnitten geschöpft hat Sein
Steinmetzzeichen und das Monogramm A P hat er an einem
Pfeiler eingegraben. Eingefasst wird die obere Galerie durch
eine derbe Balustrade, ebenfalls von rothem Marmor. Im nörd-
lichen Flügel haben die oberen Arkaden elegant profilirte gothische
Bippengewölbe.
Im Innern sind zwei schöne Säle im Erdgeschoss des Süd-
flügels bemerkenswerth, wegen der trefflichen Ausbildung ihrer
Gewölbe, die ganz in Stuck in ausgebildeten Benaissanceformen
einer bereits yorgeschrittenen Epoche decorirt sind. Ein reiches
Stuckgesimse umzieht in der Kämpferhöhe den ganzen Baum mit
Einschluss der tiefen Fensternischen. Beiche mit Engelköpfchen
geschmückte Gonsolen bilden sodann die Ausgangspunkte der
Gewölbrippen, welche sehr elegant profilirt und mit Perlschnur,
Eierstab und ähnlichen Formen geschmückt sind. Die Grundform
der Decke bildet das Kreuzgewölbe, in der Mitte ein vollstän-
diges, an beiden Seiten ein halbirtes. Die einzelnen Kappen sind
durch schön profilirte Bahmen in Form verschiedenartiger Me-
daillons geschmückt, die kleineren davon mit geflügelten Engel-
köpfchen ausgefüllt. Trotz der dicken Uebertünchung, welche
die Feinheit der Glieder nur schwer errathen lässt, ist der
Eindruck des Baumes bei 20 Fuss Breite und 40 Fuss
Länge ein sehr harmonischer. Ein zweiter Saal von denselben
Dimensionen zeigt ein Gewölbe von ähnlicher Behandlung aber
andrer Eintheilung, etwas weniger reich aber nicht minder an-
sprechend.
Kap. XI. Baiern. Freiring. 521
Im HauptgeschoBS liegt sodann auf der nordöstlichen Ecke,
von dem bereits erwähnten Thurm überragt,' die Kapelle. Es
ist ein quadratischer Raum, hoch und schlank durch kannelirte
Pilaster gegliedert, dazwischen Bogennischen mit Muschelfüllung.
Darüber steigt eine schlanke Kuppel auf, mit den Stuckrelief-
bildem der Evangelisten, und in der Mitte dem des Salvators
decorirt Die architektonischen Details sind etwas zu gross und
derb für den kleinen Baum, aber die Gurtbögen und die übrigen
Gewölbflächen haben leichte, elegant componirte Banken in Stuck.
Der prachtvolle Altar, offenbar gleichzeitig mit der übrigen De-
coration, datirt von 1621.
Einige Ausbeute gewährt ausserdem der Dom. Schon die
gesammte Anlage ist von einer bis jetzt nicht genug gswürdigten
Bedeutung. Die stattliche romanische Basilika mit ihrer gross-
artigen Krypta steht nämlich westlich mit der alten Taufkirche
St Johannes durch spätere Arkaden in Verbindung — wie es in
verwandter aber alterthümlicherer Weise die Stiftskirche zu Essen
zeigt; andrerseits sind von der Johanniskirche auch Arkaden
nach der noch weiter westlich liegenden Residenz hingeführt An
der Ostseite aber wird der Dom ähnlich wie der Hildesheimer
durch einen Kreuzgang umfasst, der freilich modemisirt ist, aber
durch zahlreiche Grabdenkmale Interesse gewährt. Das östliche
Ende dieses Kreuzganges wieder bildet der sogenannte alte Dom,
eine kleine in gothischer Zeit umgebaute Basilika mit polygonem
ChorscUuss. Der Eingang der Kapelle wird durch ein Eisöngitter
aus der Renaissancezeit geschlossen. Mehrere Grabsteine sind
nicht eben durch künstlerische Bedeutung, wohl aber durch das
frühe Auftreten des Renaissancestiles von Interesse. Die ersten
noch schüchternen Spuren des neuen Stiles zeigen sich am Grab-
stein des Kanonikus Kaspar Marolt (f 1513). Die Nischen rund-
bogig, die Pilaster im Charakter der Renaissance, obwohl die
Füllungen ein ganz verwildertes gothisches Laubwerk haben.
Plumpen Renaissancerahmen mit geschweiften Kandelabersäulchen
findet man daneben an dem kleinen Grabstein des Petrus Kalbs-
ohr vom Jahr 1521. Das Monogramm A P deutet offenbar auf
den Meister der Arkaden des Residenzhofes. Aus demselben
Jahre der Grabstein des Paulus Lang mit Putten und Delphinen
ganz im Renaissancegeschmack, aber plump und schwer, wohl
von der Hand desselben Meisters. Im Dome sodann haben
sämmtliche Seitenkapellen Eisengitter der Hochrenaissance von
einer Schönheit und Phantasiefülle, wie sie nicht leicht ander-
wärts gefunden wird. Der Hochaltar ist ein Prachtstück
des beginnenden Barockstils. Ebenso die Kanzel, reich ge-
522 ni. Buch. Renaissance in Deatschland.
Bchnitet und vergoldet, mit hohem phantasievoll componirtem
Schalldeckel.
LancLBhut.
*
Die Stadt Landshnt hat schon frtth durch die Residenz der
bairischen Herzoge eine gewisse Bedeutung gewonnen. Bereits
im 13. Jahrhundert wird die Trausnitz auf dem steil die Stadt
ttberragenden Hügel zu einer mächtigen Burganlage ausgebildet,
von deren künstlerischer Entwicklung später die Rede sein wird.
Unten in der Stadt erbauten sich aber zur Zeit der aufblühenden
Renaissanoe seit 1536 die Herzoge Wilhelm IV, Ludwig und Ernst
eine prachtvolle Residenz, welche schon 1543 vollendet war.
Es ist eins der merkwürdigsten, frühesten und vollkommensten
Monumente der Renaissance in Deutschland, von deutechen Mei-
stern in einem noch schwankenden Stil begonnen, dann aber von
herbeigerufenen Italienern im ausgebildeten Stil ihrer Heimath
vollendet Wenn man in der Hauptstrasse der malerischen alten
Stadt an der nüchternen aus späterer Zeit herrührenden Fa$ade
vorbeigeht, kann man nicht ahnen, welche Pracht dahinter sich
birgt. Aber ein alter Stich ^) zeigt uns die ursprüngliche Be-
schaffenheit der Fa^ade. Es war über einem hohen mit kleinen
Fenstern und drei Portalen durchbrochenen Erdgeschoss ein drei-
stöckiger Bau, in der Mitte noch durch einen höheren Aufbau
thurmartig überragt Die Fenster mit ihren verschiedenen Be-
krOnungen, der r<^che Fries des Kranzgesimses, die Rahmen-
püagter an den Ecken, endlich die seltsamen mehrfach gegürteten
Rundsäulen und der Flachbogen des Hauptportals geben den Ein-
druck einer spielenden Frührenaissance. Tritt man durch das
jetzige Portal ein, so befindet man sich in einem Vestibül (A in
Fig. 132),^) aus welchem zu beiden Seiten ziemlich steil auf-
steigende schmale Treppen in's obere Geschoss führen.. Das
Vestibül erweitert eich dann zu dner statflichen Halle B, deren
Kreuzgewölbe auf rotken Marmorsäulen ruhen. Dieser ganoe
Vord^au moss das Werk eines deutschen Meisters seift, der
hier seine zsemlieh unUaren Vorstellungen von Renaissance ver-
werthet hat In der That erfahren wir^') dass diese Thefle von
den Meistern Nikku Ueberreikr und Bert^uxrd Z^izel^ einem
0 In Mich. Wening historico-topogr. descript. etc. MDCCXXm. —
^ Die Abbildungen verdanke ich gütiger Hittheihing des Herrn Hof-Bau-
rath Itiedel hi München. — ") SMghart, Bayr. Ennstgesch. S. 682.
Kap. XI. Baiern. Undahnt 523
Schttler doB B. Engribei^r von Aogsbui^, heirtthren. Die Slolen
■zeigen eine nuTerstandene Art run Composita-Kapitftl and eben
BO wHnderiiche runde Sockel, woeo dann noch die mittolatterticli
profiUrten Gewdlbrippen kommen. Tritt man nun aber in den
groHen ungefähr quadratischen Hof C, bo ändert sich sofort der
Eindruck und man glaubt sich in einen der mächtigsten Palast-
Fl|. in. Enliaielw« dar BMldan ID lAndibnt.
hSfe Italieag versetzt Auf drei Seiten fassen gewaltige Hauen
DFG TOD doritohen Harmor-Säulen den Hof ein, rechts und
liaks mit Kreuzgewölben gedeckt, ui der Rückseite mit borb-
fönügem Tonnengewölbe, in welches Stichkappen einsehnciden.
IMeae letztere Halle ist von besonders atattlieber Anlage, an bei-
den Enden mit Halbkreisniaehen gescblosBen, die G«wdlbe mit
fieüen I^vfilen in Stuok gegliedert und dureh grossere und kleinere
524 m* Bach. RenaiBBunce in Deutschland.
Gemälde mythologischen Inhalts geschmückt, die Halbkuppela
der Nischen in Bautenform getheilt, in den Feldern feine Belief-
figürchen antiker Götter, thonfarbig hell auf braunem Grunde,
das Ganze Ton heiterster Wirkung. Die Oberwände der Hof-
fanden sind durch schlanke korinthische Pilaster von grossem
Maassstabe eingetheilt, welche das Hauptgeschoss mit seinen
hohen Fenstern und ein kleines Halbgeschoss darüber zusammen-
fassen. (Vgl. den Durchschnitt Fig. 133.) Die Fenster haben die
streng klassische Bildung der italienischen Hochrenaissance mit
abwechselnd geraden und gebogenen Giebeln. Das Ganze zeugt
unverkennbar von der Hand eines italienischen Architekten der
schon etwas strengen, ja trocknen Bichtung, welcher die Palladio,
Yignola und Serlio angehören. Der Contrast mit dem Vorderhaus
könnte nicht grösser sein. Wirklich wurden während des Baues
neue Meister, Sigmund WaJch und Antofielli, zur Fortführung des
Angefangenen herbeigezogen, und diese beriefen noch andere
Meister aus Mantua, aus der Schule des Giulio Bomano: Bario-
lommeo, Francesco und Benedetio mit 27 Maurern, während bereits
die Steinmetzen Nicola Beora, Bemardin, Caesar, Samarina^ Victor
und Zemin, sämmtlich aus Italien, verwendet waren. Es ist also
eine ganze Colonie von Italienern, von welchen hier die Benais-
sance ausgeht. In welchem Verhältniss die Fremden zu den
Einheimischen standen, erkennt man daraus, dass der deutsche
Steinmetz wöchentlich einen, der Italiener monatlich 10 Gulden
erhielt Trotz der Niedrigkeit der Löhne kam der Bau doch auf
52,635 fl. zu stehen. 1)
Das ganze Innere des Baues, der völlig im Charakter ita-
lienischer Stadtpaläste durchgeführt ist, zeigt dieselbe Behandlung,
und zwar die Hand durchweg sehr tüchtiger Künstler. In der
Hauptaxe liegt eine Durchfahrt E, welche auf eine der Haupt-
strasse parallel laufende Gasse führt Sie ist mit einem Tonnen-
gewölbe bedeckt, welches durch achteckige Kassetten gegliedert
wird. Das Erdgeschoss hat eine Anzahl ansehnlicher Zimmer,
sämmtlich gewölbt und mit Malerei und Stuckatur verziert. Aber
weit grösser ist die Pracht und der künstlerische Aufwand in den
Bäumen des oberen Hauptgeschosses. Man gelangt dahin ent-
weder über die beiden Treppen des Vorderhauses oder auf einer
breiten in Backstein mit sehr niedrigen Stufen aufgemauerten
Treppe, welche aus der hinteren Halle rechts emporführt Ich
kann nicht in alle Einzelnheiten eingehen; nur soviel sei bemerkt,
dass es sich hier um eine Schöpfung handelt, die, wenn sie jen-
>) Geschichte Landshats von Mehreren. Landshut 1835. S. 156 Note.
Kap. XI. Baiern. Landshut 527
seits der Alpen läge, von allen Ettnetlem und Architekten auf-
gesucht, studirt und bewundert sein würde, während sie in
Deutschland fast unbekannt und verschollen ist Nur dies uQch:
alle oberen Gemächer sind gewölbt, die Decken in mannigfacher
Weise getheilt, mit den elegantesten Ornamenten in Stuck ge-
gliedert, die Felder in Fresko ausgemalt, das Ganze im klassi-
schen Stil der italienischen Hochrenaissance, eine ktlnstliche Stld-
frucht auf nordischem Boden. Ich will nur die kleine quadratische
Kapelle im linken Flügel erwähnen, mit kuppelartigem Gewölbe,
die Wände mit einer Composita- Ordnung von Säulen und Pilastern
elegant gegliedert, die Friese und Deckenfläohen mit trefflicher
Stuckdecoration. Namentlich der Haüptfries mit Akanthusranken,
in welchen Engel spielen, ist von schöner Erfindung und Aus-
führung. Das Prachtstück ist aber der grosse Saal an der Rück-
seite des Hofes, von vornehmen Verhältnissen, etwa 27 Fuss breit
und doppelt so lang. Die Wände sind mit ionischen Pilastern,
-deren Kapitale sparsame Vergoldung zeigen, gegliedert Zwischen
ihnen sind Medaillons mit feinen mythologischen Reliefs, Thaten
des Herakles und Anderes darstellend, angeordnet Die Wände
sind jetzt leider weiss getüncht, aber der grosse Fries sowie das
Gewölbe zeigen die ursprüngliche Ausstattung. Und von welcher
Schönheit!
Namentlich der Fries gehört ohne Frage zu den köstlichsten
Schöpfungen der Renaissance. Man liest an ihm in grossen gol-
denen Buchstaben den bekannten Satz: „Concordia parvae res
crescunt, discordia maximae dilabuntur." Aber diese Buchstaben
werden in entzückendem Spiel von muthwilligen gemalten Putten
gehalten, das Ganze in einem Reichthum der Erfindung, einer
Fülle des Humors, dass wohl nie ein anmuthigerer Kinderfries
gemalt worden ist Darüber spannt sich in gedrücktem Rund-
bogen das Gewölbe mit ausgezeichnet schöner Eintheilung. In
den grossen achteckigen Hauptfeldern sieht man die berühmtesten
Männer des klassischen Alterthums von Homer an in Fresko ; an
den beiden Schildwänden des Saales sind die Künstler Zeuxis,
Phidias und Praxiteles dargestellt, zu denen sich noeh Archi-
medes gesellt In den kleineren Feldern der Decke sind Grau
in Grau friesartige Scenen aus dem klassischen Alterthum gemalt,
als Einrahmung dient ein blauer Grund mit goldenen Bändern
und Schleifen durchzogen, darin auf kleinen Medaillons weisse
Gemmen nachgeahmt sind. Die innere Umrahmung der Haupt-
felder endlich besteht aus vergoldeten Ornamenten und Glie-
derungen. Die Wirkung des Ganzen ist unvergleichlich schön
und gehört zum Trefflichsten seiner Art An der einen Thür des
528 ni. Buch. Renaissance in Deutschland.
Saales liest man die Eünstlermonogramme P.VS, darunter das
F (wohl „fecit"); sodann LH.
Bezweckt die Decoration dieses Saales eine Verherrlichung
des klassischen Alterthums, so klingt der hier angeschlagene
Grundakkord in der Ausstattung der übrigen Räume nach. So
sieht man ein kleines quadratisches Badezimmer, dessen GewOlb-
maierei der Aphrodite und den ilur verwandten Gestalten gewidmet
ist; in den Lttnetten sind kleine antike Scenen auf landschaft-
lichem Grunde gemalt, in den Stichkappen schwebende Liebes-
götter, mit Benutzung der rafiTaelischen Fresken in der Famesina,
Alles im heitersten Stile; die Wände endlich mit prächtigen
Blumenteppichen bedeckt Die Gemälde zeugen hier von etwas
geringerer Hand, alle aber tragen gleich denen des Saales das
Gepräge der Nachfolger Baffael's.
Dieser reichen Ausstattung, die sich durch eine Reihe grösserer
Zimmer fortsetzt, entspricht alles Uebrige. Die Kamine der Zimmer
und die Thürgewände sind aus rothem Marmor in klassischen
Formen gebildet Auffallend ist die Kleinheit sämmtlicher Thüren,
auch derjenigen des Saales. Von grösster Schönheit sind die
ThürflUgel selbst, sämmtlieh mit Intarsien geschmückt, deren
Ranken zum Geistreichsten und Feinsten dieser Gattung gehören.
Sie gehen aber aus Mangel an Pflege zu Grunde, weil man nicht
einmal so viel darauf gewandt hat, sie bisweilen mit Oel einzu-
reiben.
Etwas abweichenden Charakter zeigt die Decoration der
oberen Halle, welche im linken Flügel den Zugang zur Kapelle
und die Verbindung zwischen Vorder- und Hinterhaus vermittelt
Ihre gemalte Decoration entspricht zwar dem Uebrigen, aber die
ebenfalls gemalten Fürstenbilder an den Wänden, wie das Ganze
flott und keck hingesetzt, zeugen yon der Hand eines in der
venetianischen Schule gebildeten Künstlers. Das Datum ist hier
1536, während man im grossen Saal 1542 liest Wir wissen,
dass Hans Boxberger aus Salzburg von 1542—55 in der Residenz
gearbeitet, namentlich den Gang sammt der Kapelle, femer zwei
Säle, die Kanzlei und den Thurm ausgemalt hat Den Hauptsaal
dagegen malten zwei Künstler aus Mantua, darunter jener oben
erwähnte Antonelli. Auch Ludwiff Rospinger aus Mtlnchen wird
unter den Malern genannt
Abweichend von allen diesen Arbeiten ist endlich der im
zweiten Geschoss des Vorderhauses liegende geräumige Saal,
denn er ist niedrig nach nordischer Weise und mit einer Holz-
decke versehen, die für sich allein ein Kunstwerk ersten Ranges
bildet Abwechselnd auf grösseren und kleineren Gonsolen ruhend,
Kap. XI. Baienl. IVauBnitz.
531
die als prächtiges Gesims den Saal umzieheii, ist die Decke in
sehr feinem flachem Profil gehalten, um nicht zu schwer auf dem
niedrigen Saume zu lasten. In vierzig grosse quadratische Felder,
acht der Länge, fünf der Breite nach getheilt, welche durch
schmale län^iche Felder getrennt werden, haben sämmtliche
Flächen herrliche Intarsien, helle Zeichnung auf dunklem Grunde,
jedes Feld in abweichender Komposition, voll Phantasie und un-
erschöpflicher Erfindung. Muschel- und Yolutenwerk mischt sich
mit Bosetten, Bankenge winden und anderem Blattomament Der
Charakter deutet auf den Ausgang des 16. Jahrhunderts. Am
schönsten sind die Pflanzenomamente der schmalen länglichen
Felder.
Endlich ist noch der Fa^ade zu gedenken, welche die Bttck-
seite des Palastes bildet (Fig. 134). Sie zeigt mit der schlichten
Bustica des Erdgeschosses und den hohen, zum Theil gekuppelten
dorisehen Pilastem, welche in ihre grosse Ordnung die beiden
oberen Stockwerke einschliessen, den Eindruck derselben schon
stark zum Nttchtemen neigenden Behandlung, in welche die ita-
lienische Hochrenaissance so bald ausklingt, und die auch in den
Hoffa^den yertreten ist Der ganze Bau ist in Stuck ausgeführt.
Im Uebrigen hat die Stadt nicht viel Bemerkenswerthes aus
dieser Epoche. Das Bezirksamt neben der Mai-tinskirche ist
mit seinen schweren Arkaden auf stämmigen selbander durch
Architrave verbundenen Pfeilern, seinen mit Giebeln bekrönten
Fenstern, seinem grossen gewölbten Vestibül und Treppenhaus
ein Bau von ähnlicher streng klassischer Bichtung. Dagegen ver-
tritt das gegenüber liegende ehemalige Landschaftshaus, jetzige
Postgebäude, mit den prachtvollen. Fresken den heiteren Charakter
jener oberdeutschen Fa^aden, welche ihren Schmuck ausschliess-
lich durch die Malerei erhielten. Die architektonischen Glieder
in den derben Formen der späten Benaissance sind hell gehalten;
in drei Beihen zwischen den Fenstern vollfarbig gemalte Statuen
bairischer Fürsten in dunkelbraunen Nischen ; unter den Fenstern
bronzefarbige Medaillons mit römischen Eaiserbüsten ; über den
Fenstern Gestalten von Tugenden: das Ganze reich und harmo-
nisch. Als „Visirer" des Landschaftsgebäudes wird 1597 H. Pack-
tuayr genannt; die Herzogsbilder der Fa^ade malte 1599 H. G.
Khnauft Dies Alles aber überragt weit an Wichtigkeit die
Transnitz.
Die alte Yeste erhebt sieh auf einem steil an der Südseite
der Stadt Landshut aufsteigenden Hügel. Zu ihren Füssen breitet
34*
532 111. Buch. Renaissance in Dentschland.
sich nordwärts die Stadt, deren riesiger Hauptthtirm St Wartin
mit der Hölie der Burg -wetteifern zu wollen scheint, während
Blldwärts der Bliek Ober das lachend grüne Isarthal bis zu den
Firnen der bairisehen Alpenkette schweift. Die Anlage der
TrauHuitz reicht bis in's frühe Mittelalter zurück. Spuren dee
spatromanischen Stils erkennt man anssen an den durchschnei-
deoden Bogenfriesen der beiden Rundthttnne, welche den Ein-
gang flankiren, sowie drinnen an der Kapelle mit ihren treff-
lichen Skulpturen aus dem Anfange des 13. Jahrhunderts. Der
ganze Bau mit seiner unregelmässigen Form datirt offenbar aus
den verschiedensten Zeiten. Nicht blos alle Epochen des Uittel-
alters, sondern auch der Renaissance haben an ihm gearbeitet.
Kommt man lon der Stadt auf steil ansteigendem gewun-
denem Fusspfade zur Burg hinauf, so bietet sich in A (Fig. 135)
der ron zwei vorspringenden balbruaden ThOrmen llankirte Haunt-
eingang.O Dies sind wahrscheinlich Theile des Baues von 1204
als man die einfache Warte Trausnitz in eine eigentliche Burg
') Beide Grundrisse verdanke ich gütiger Hittheilung des Herrn Bau-
raths Schmidtner iu Landsbnt.
Kap. XI. Buern. Trausnitz. 533
umwandelte, in welcher in demselben Jahre Herzog Ludwig seine
Vermählung feierte. Die Burg folgt in ihrer unregelmäseigen
Anlage dem Eammo der steil gegen die Stadt abfallenden HUgel-
kuppe. Die vordere Ecke bildet der mächtige Witteisbacher
Thurm C, welcher. den Aufgang zur Burg beherrscht. Tritt man
durch die mit gothischen Stemgewülben bedeckte Eingangshalle
in den grossen unregelmässigen Hof B, so hat man Tor sich die
beiden Hauptfitigel des Schlosses, welche ursprünglich schon die
Wohn- und Festräume enthielten. Hier finden sich vor Allen die
jetzt als Archiv dienenden ßäume H und I, ursprünglich wahr-
scheinlich ein einziger Saal, die sogenannte TUrnitz, deren Decke
auf achteckigen Pfeilern mit gothischen Spitzbogen ruht. Nach
der Südseite gewähren zahlreiche Fenster und zwei vorgebaute
Erker einen prächtigen Blick weit über das Land. Davor legt
sich der später hinzugefügte sogenannte italienische Bau K mit
der berühmten Narrentreppe L. Nach dem Hofe dagegen sind
mehrere Nebenräume, auf der Ecke die Wendeltreppe Q angelegt
und ein direkter Zugang zum Saale wird durch eine Yorhalle
vermittelt Eine ähnliche Vorhalle N führt zu der alten Schloss-
534 III Bucb. Renaissance in Deutschland.
kapelle. 0 mit ihrem präehtigen Altar und Lettnerbaa und der
Empore für die Herrschaft, ^e durch eine kleine Wendeltreppe
zugänglich ist In P liegt die alte Sakristei. An die Kapelle
stösst sodann der mächtige Saal M mit gewaltigen spitzbogigen
Kreuzgewölben, deren breite Gurten und Bippen auf achteckigen
Pfeilern ruhen. Die übrigen Bäume sind für Dienstzwecke er-
richtet; in E ist die Kttche, durch den Gang C mit dem Haupt-
bau verbunden. In D sind Wohnungen für Bedienstete, in F ist
das Brunnenhaus mit dem bis auf die Thalsohle reichenden Zieh-
brunnen. Die beiden oberen Geschosse des Hauptbaues sind in
beiden Flügeln mit offnen Arkaden umzogen, deren gedrückte
Bögen auf Pfeilern ruhen, die mit dorischen Pilastem decorirt
sind. Dieser Vorbau sammt dem Treppenhaus, welches in B auf
unserm Grundriss angedeutet ist, vnirde seit 1578 hinzugefügt
Obwohl die Formen von geringem Werth und ohne besondere
Feinheit nur in Stuck ausgeführt sind, macht das Ganze doch
mit dem ofinen Stiegenhaus und den weitgespannten Bögen der
Galerieen einen malerischen und stattlichen Eindruck, wie unsere
Fig. 136 zeigt
Das obere Hauptgeschoss, dessen Grundriss Fig. 137 dar-
steDt, hat über der Tümitz die Haupträume, in E und F die
Zimmer der Herzogin, besonders das erstere durch den Erker
einen herrlichen Blick auf die Landschaft bis zu den fernen
Alpen gewährend, in D den grossen Audienzsaal, dessen Decke
durch zwei hölzerne Stützen getragen wird. Von da gelangt man
durch den Verbindungsraum G in den Thronsaal H und das
Nebenzimmer I, welches wieder direkt und durch das Vorzimmer
M mit dem italienischen Anbau K und der Narrentreppe L zu-
sammenhängt Durch den Verbindungsgang N communiciren diese
herrschaftlichen Wohnräume mit der Fürstenempore in der Kapelle
0. Durch die offne Galerie A gelangt man sodann in den Speise-
saal P, an welchen wieder mehrere Wohnräume, das mittlere mit
einem Erker nach aussen, sich schliessen. Von der Galerie B,
welche als Vorhalle zu den herrschaftlichen Wohnräumen führt,
ist erst in späterer Zeit der Baum C abgetrennt worden. Ein
besonderer Aufgang zu den Zimmern der Herzogin war aber
durch die Wendeltreppe Q hergestellt Alle übrigen Bäume von
B bis Z waren wieder für Dienstzwecke vorbehalten. Der zweite
Stock wiederholt im Wesentlichen die Eintheilung des ersten, nur
ist er minder reich geschmückt
Dass die künstlerische Ausstattung der Burg verschiedenen
Zeiten angehört, erkennt man nicht blos aus dem Charakter ihrer
Kunstwerke, sondern auch aus einer Reihe von Inschriften. Die
Kap. XI. Baiern. Trausnitz.
535
Jahrzahl 1529 trftgt der kolossale eiserne Ofen in der Tttmitz,
der den Namenszug Herzog Ludwig's zeigt und in den Ornamen-
ten noch zwischen Mittelalter und Kenaissance schwankt. Die
volle Frtthrenaissance mit ihren zierlichen Formen tritt sodann
an dem Kamin des Tumiersaales im oberen Stockwerk hervor,
der die Jahrzahl 1535 bietet. Dann folgt in der Reihe ein zier-
liches Werk des Erzgusses, der Eimer in dem Ziehbrunnen des
Hofes mit eleganten Ornamenten, Masken und Rankenwerk ge-
schmückt. Man liest auf ihm: Lienhardi Peringer goss mich zu
Fig. 187. Traii«nitz. OrnndrUiB doi ersten Stockes.
Landshut als man zalt 1558 Jar. A. H. J. P. (Albrecht Herzog
in Paiem). Der Haupttheil der malerischen Ausstattung gehört
aber den Jahren 1576 bis 1580 an, denn diese Zahl liest man
wiederholt in den Sälen des Hauptgeschosses. Es sind also die
Regierungen Albrechts V und Wilhelms V, die sich hier vorzugs-
weise verewigt haben. Die Galerie mit dem Treppenhaus ist um
dieselbe Zeit, 1578, entstanden. Einiges, durchweg gröber und
kunstloser ausgeführt, datirt erst von 1675, aus den Zeiten des
Kurfürsten Ferdinand Maria.
536 ^' Buch. SenaiBsance in Deutschland.
Ich gehe hier nur auf die Arbeiten aus den siebziger Jahren
des sechzehnten Jahrhunderts ein, die den Kern der künstlerischen
Ausstattung bilden. Dieselbe beschränkt sich auf die Zimmer des
Hauptgeschosses, zu jener Zeit offenbar die Wohn- und Empfangs-
räume der Herzöge. Während die Gemächer des darüber liegen-
den Stockwerks ganz mit Holz verkleidet sind, sowohl getäfelte
Wände, als auch hölzerne Decken zeigen, letztere mit trefflicher
Eintheilung und markiger Profilirung, sind die Säle des Haupt-
geschosses vollständig auf Malerei angelegt, so dass nicht bloss
die Wände ganz mit Gemälden überzogen sind, sondern auch
die flach gehaltenen Decken eine farbige Dekoration tragen. Üie
Gemälde sind aber auf Leinwand ausgeführt, welche ^eppichartig
die Wände bekleidet, leider jetzt grossentheils im Zustande grau-
samer Zerstörung. Wir haben hier also 6in drittes System von
Ausstattung der Räume: in der Residenz zu Landshut gewölbte
Decken mit Stuckatur und Fresken, die Wände ebenfalls zwischen
plastischer und malerischer Ausstattung getheilt; in der Münchener
Residenz (um dies hier vorauszunehmen) die Wände auf Teppiche
berechnet, die Decken mit Oelgemälden in vergoldeten Rahmen,
dazu plastische Dekoration an den verbindenden Friesen und
Wölbungen; endlich in der Trausnitz, abgesehen von den voll-
ständig auf Holztäfelung berechneten Räumen, eine Ausstattung
der Hauptgemächer, bei welcher die Plastik völlig leer ausgeht
und Alles in die Hände der Malerei gelegt ist Der Charakter
derselben trägt im Ganzen das Gepräge des gleichzeitigen italieni-
schen Manierismus, wie denn die ausführenden Künstler offenbar
in Italien ihre Studien gemacht haben. Soweit geht die Allein-
herrschaft der Malerei, dass sogar die Thüren und ihr Rahmen-
werk, mit Ausschluss jeder plastischen Gliederung, nur mit male-
rischer Dekoration versehen sind; höchstens hier und da an den
Decken die kleinen Rosetten (wo nicht etwa auch die Decken
Bildschmuck zeigen) bieten mit ihrer Vergoldung einen Ruhe-
punkt. Dies ist aber des Guten zu viel, und das Auge sucht
vergeblich nach jenen kräftigeren Formen rhythmischer Theilungeü,
welche jeden Raum gliedern müssen, um ihn unsrer Empfindung
nahe zu bringen. Von dem Charakter der Dekoration wird am
besten die beigeftigte Abbildung (Fig. 138) eine Anschauung
geben. Sie ist nach einer Photographie durch die geschickte
Hand Baldinger's auf den Holzstock gezeichnet Jm Allgemeinen
bewegt sich die Malerei in hellen heiteren Tönen, die grossen
Hauptbilder werden durch gemalte Streifen und Friese eingefasst,
welche meistens auf hellem Grunde leichte Ornamente im Stil
antiker Wanddekoration zeigen. Zum Besten gehört das Audienz-
Fii. las. Klmmcr ani dar TnnnlU
Kap. XI. Baiern. Trausnltz. 539
m
Zimmer, dessen Decke auf zwei Holzsäalen ruht. Zwar sind die
grossen geschichtliehen Bilder an den Wänden, abgesehen Ton
üirer starken Zerstörung, nicht grade vorzttglich; aber die Wand-
streifen enthalten auf weissem Grunde geistreich ausgeführte Or-
namente, und noch glänzender sind die einfassenden Glieder der
Decke, welche zwischen den neun grossen Bildern abwechselnd
auf leuchtend rothem und weissem Grunde köstliche Ornamente
zeigen. Da aber die Malerei sich unaufhaltsam vom Fussboden
bis zur Decke und selbst über die letztere hin erstreckt, so fehlt
jene planvoUe Abstufung und Gliederung, welche in sämmtlichen
antiken Wsnddekoratioiien, namentlich den pompejanischen, das
Ganze bei allem Seichthum so maassvoll und ruhig erscheinen
lässt. Im Einzelnen wird man indess auch auf der Trausnitz
vieles Anziehende, ja Vortreffliche finden. Wie übrigens die
italienischen Anschauungen eingewirkt haben, erkennt man an
manchen Stellen, so besonders in jenem Zimmer, an dessen Decke
man die vier Jahreszeiten in gut ausgeführten grossen Bildern
sieht Die obere Einfassung besteht hier aus einem kleinen
Fries, winzige Figürchen auf weissem Grund enthaltend, Phan-
tastisches sowie allerlei Kamevalscenen und Haskenscherze in
geistreichster Leichtigkeit der Darstellung. Man sieht, es war die
Zeit, da die vornehme Welt Europa's nach Venedig und Bom
pilgerte, um den Karneval in seiner ausgelassensten Blüthe mit
zu machen.
In ähnlicher Weise bietet die sogenannte Narrentreppe in
ihren meisterhaft ausgeführten, leider unbarmherzig beschädigten
Fresken die weltbekannten Scenen der italienischen Komödie in
fast lebensgrossen Gestalten voll Laune und Uebermuth. Diese
Treppe, die vom Erdgeschoss bis in's oberste Stockwerk hinauf
führt und von unten bis oben mit Fresken bedeckt ist, gehört zu
einem besonderen Theile der Burg, der als italienischer Anbau
bezeichnet wird. (L K in unsrem Grundriss.) Derselbe enthält
nnr wenige kleine Zimmer, deren künstlerische Behandlung sich
völlig von der in den übrigen Räumlichkeiten herrschenden unter-
scheidet. Hier ist nämlich die Malerei ausgeschlossen, mit Aus-
nahme der eben erwähnten Treppe, alles dagegen in plastischer
Gliederung mit wenigen Farbentönen auf weissem Grunde durch-
geführt Damit hängt zusammen, dass die Bäume sämmtlich mit
Gewölben von mannigfaltiger Form und Eintheilung versehen
sind. In einem Vorzimmer mit einfachem Tonnengewölbe be-
schränkt sich die Farbe in den Gliedei-ungen auf ein kräftiges
Blan, das mit Weiss wechselt In dem Hauptgemach, einem
Kabinet von rechtwinkliger Form, das Spiegelgewölbe mit Stich-
540 I^I* Buch. Renaissance in Deutschland.
kappen hat, ist nicht blos die Eintheilung, sondern auch die
GliederuDg und die Ornamentik überaus fein und schön, dabei
mit grossem Geschick ausgeführt, wie denn zierliche Frucht-
schnüre frei schwebend die Hauptlinien markiren. Die Ornamente,
sind hier in tiefem Blau und Gold auf weissem Grund. Schliess-
lich ist noch zu erwähnen, dass im Hauptgeschoss des ganzen
Baues grosse grün glasirte Kachelöfen, deren Einsatzstücke blaue
Ornamente auf weissem Grund zeigen, aufgestellt sind. Wahre
Prachtstücke der süddeutschen Thonplastik.
Als Urheber der reichen malerischen Dekoration wird uns
zunächst der Niederländer Friedrich Sustris genannt, der 1579 und
1580 in der Trausnitz malte; sodann Alexander Siebenbürger , der
schon 1564 — 78 an der Schneckenstiege und der Bathsstube be-
schäftigt war, also jedenfalls die flotten Eomödienscenen an der
sogenannten Narrentreppe ausführte. Leider sind sämmtliche
Theile dieser kostbaren Dekoration durch eine fast beispiellose
Vernachlässigung, die bis in die jüngste Epoche gedauert hat —
König Ludwig hasste bekanntlich als Kind seiner Zeit die ganze
„Zopf"-Kunst — schmachvoll verwüstet worden. Erst jetzt, da
König Ludwig II der Ti'ausnitz seine Aufmerksamkeit zuwendet,
wird vielleicht für die Erhaltung der noch vorhandenen Reste
gesorgt werden.
München.
Dass eine so lebensvolle, von Kraft und Frische strotzende
Stadt wie München in der Renaissancezeit keine bürgerliche
Baukunst gehabt hat, die sich entfernt mit den Denkmälern auch
nur der Reichsstädte zweiten Ranges messen könnte, liegt in den
bereits geschilderten Verhältnissen begründet. In der That waren
es hier ausschliesslich die Fürsten, welche die Kunst gepflegt
und ansehnliche Bauten errichtet haben. Eins der charaktervoll-
sten Werke ist der alte Münzhof, von dessen energisch behan-
delten Arkaden Fig. 139 eine Anschauung giebt. Es sind in der
Länge neun, in der Breite drei Arkaden in derber Rustika, weit
gespannte gedrückte Bögen, in zwei Geschossen auf kurzen stäm-
migen Säulen ruhend, während das oberste, schlankere Stockwerk
dürftige dorische Säulen zeigt. Im Erdgeschoss haben die Säulen
ionische Kapitale mit kannelirtem Halse, im ersten Stock korin-
thisirende. Mit Ausnahme des zweiten Stockes ist die Behand-
lung eine ungemein kraftvolle und originelle in gediegenem Quader-
bau. Die Säulen des obersten Stocks bestehen aus rothem Marmon
Kap. XI. Bsiern. HUnchen. 541
Sodann gehört za den grosBartigsten Schöpfungen der Zeit
die dnrch Wilhelm V für die Jeadten von 1582 bis 1597 erbaute
S. HicbaeUkirehe, ohne Frage die gewaltigste kirchliche Schö-
pfung der deutschen RenaiaBance. Der Bau kostete nur in den
letzten zehn Jahren seit 15S7 die für damalige Zeit betrSchtllche
Summe von 131,344 fl. Ob ein Mitglied des Jesuitenordens bei
Herstellung des Plans mitgewirkt, wie man wohl gemeint hat,
Flc 1S9. UUDitadf In HUnchen.
mu8B mehr als fraglich erscheinen. Die Leiatung ist in technisch
conatructirem Sinne so eminent, daas nur ein praktischer Archi-
tekt auf eine solche Conception fallen konnte; aber auch die
kflnstlerische Behandlung ist von einer Feinheit, hält sich so fem
von den berüchtigten Ueberladungen andrer Jesuitenkirchen, daas
man auch daraus eher gegen ala für Betheiligung eiuee Ordena-
mitgliedes beim Bau schliessen muss. AIb Meister wird der Stein-
me^ Wolfgang Mutier genannt, geboren 1537. Das Gewölbe voll-
'
549 ^^' ^<^- BenaisBance in Deatgchland.
endete er 1 589 und erhielt daftir eine Belohnung von 50 Gulden,
was aber nicht hinderte, dass er wegen Einsturz des Thurmes
acht Tage bei Wasser und Brod in den Falkenthurm musste.
Neben ihm wird Friedrich Sustris genannt, der nach dem Ein-
sturz des Thurmes da« Schiff yerlängerte, den Chor arhöhte und
ausbaute. Sodann Wilheltn Eggl^ 1585 entlassen, WmdelDieirich
von Augsburg, der in demselben Jahre Yorkommt, und der Ita-
liener Antonio VaHento. Bei der Ausschmückung des Baues wer-
den unter andern der berühmte Bildgiesser Hubert Gerhard, Peter
Candida Hans IFänher der Maler und der Bildhauer Hans Krumper
genannt
Das Innere (Fig. 140) ist von ausserordentlicher Schönheit
und Grossartigkeit der Verhältnisse, dabei von einer maassYoUen
Einfachheit der Dekoration, welche die BaumschOnheit noch er-
höht, so dass kein gleichzeitiger Bau in Italien sich damit mes-
sen kann. Es ist ein einschiffiges Langhaus, mit einem kolossa-
len Tonnengewölbe überdeckt, von Seitenkapellen begleitet, welche
zwischen die Pfeiler eingebaut sind und über sich Emporen haben.
Ein Querschiff in der Höhe und Tiefe der letztem legt sich vor
den Chor. Dieser wieder verengt sich gegen die Kirche, ist um
mehrere Stufen erhöht und schliesst mit einer Absis. Mit grosser
Meisterschaft ist die Beleuchtung so vertheilt, dass das haupt-
sächlich aus den Emporen und dem Querschiff einfallende Licht
reiche Abwechslung ergiebt Was aber dem Innern vor allen
andern gleichzeitigen Kirchenbauten Italiens und der übrigen Welt
einen hohen künstlerischen Vorzug verschafft, ist die ungewöhn-
liche Feinheit der Dekoration. Statt des beliebten Fortissimo's,
in welchem die damalige Architektur mit den stärksten Mitteln,
den schärfsten Contrasten, den überladensten Formen ihre Blech-
musik zusammensetzt, sind hier selbst für die Hauptglieder nur
die bescheidensten Ausdrucksmittel gewählt, gedoppelte Pilaster
zwischen den Kapellen und den Emporen, die Flächen mit Statuen-
nischen angemessen belebt, die Gesimse bescheiden profilirt, die
ganze Dekoration in weissem Stuck bei sparsamer Anwendung
von Gold. Vor Allem aber hat das gewaltige Tonnengewölbe
eine unvergleichliche Leichtigkeit freien Schwebens, denn statt
der schweren Kasetten, die man den Gewölben damals zu geben
liebte, ist es durch leichtes Rahmenwerk in verschiedene grössere
und kleinere Felder getheilt und durch die von den Pilastem
aufsteigenden Gurten rhythmisch gegliedert Die Mitte der grös-
seren Felder wird durch schöne Rosetten bezeichnet, dazu kom-
men an passenden Stellen zarte Fruchtschnüre, endlich in dem
ganzen Räume eine figürliche Dekoration, die in allen Abstufun-
Kap. XI. Baiern. Mttncheo. 545
gen das Motiv Ton geflügetten Engelköpfen und sinhwebenden Engel-
gestalten Tariirt Den Glanzpunkt bildet in der Axe des Quer-
sehiffes der herrliche Kranz anbetender Engd, die hier gleichsam
die Schwelle des Heiligthnms bewachen. Endlich ist zu bemerken,
dass alle Glieder in feinster Charakteristik durch Perlschnur, Eier-
stab, Herzblatt, Welle und ähnliche antike Formen aufs Edelste
belebt sind. Alle Hauptpilaster haben Basen von rothem Marmor
auf Untersätzen eines schönen grauen Marmors. Die Gitter vor
den Kapellen sind sämmtlich in Schmiedearbeit mannigfaltig und
schon durchgeführt Zwei elegante Bronzekandelaber stehen am
Eingang des Chores. Der Hochaltar ist ein in drei Stockwerken
mit gekuppelten Säulen pomphaft aufgebautes Werk. Von maass-
Toller Pracht sind dagegen die Chorstühle, big auf die spätere
Rococobekrönung. Die vasenartigen Armlehnen mit Masken, die
feinen korinthischen Pilaster, am üntertheil der Schäfte rdch
omamentirt, mit Engelköpfen, Laub- und Blumengewinden, da-
neben die innere Umrahmung der Felder mit Flechtbändem, die
Flächen selbst mit Engelköpfen und Fruchtgehängen; darunter
die Predellen gleich den oberen Friesen mit Engelköpfen und
Cartoucheschilden, endlich als Abschluss die Muschelnischen, das
ist ein Ganzes, wie man es von solcher Schönheit in dieser Spät-
zeit nur selten findet ^)
Die Fa^ade entspricht in ihrer kolossalen Massenhaftigkeit
dem einfach grossartigen Charakter des Innern, ohne jedoch
dessen Feinheit und Anmuth zu erreichen. Es ist ein Hochbau
mit riesenhaftem Giebel, eben so originell und selbständig wie
die Anordnung des Innern. Auf die conventionelle Gliederung
durch die in Italien gebräuchlichen Elemente der antiken Archi-
tektur hat der Heister verzichtet. Nur durch mehrere Reihen von
Nischen mit Statuen von bairischen Fürsten und deutschen Kaisern
werden die ungeheuren Flächen belebt Zwei mächtige Portale
von rothem Marmor in derben etwas barocken Formen bilden den
Eingang. Ueber ihnen in einer Nische die kolossale Bronzefigur
des h. Michael mit dem Drachen.
Das anstossende Jesuitencollegium, jetzt Akademie der
Künste, ist eine ausgedehnte aber schlicht behandelte Anlage mit
mehreren Höfen; der erste Hof mit dorischen Halbsäulen und
Bögen^ welche die Fenster im Erdgeschoss einrahmen; die Fa^ade
nach der Strasse einfach in Stuck ausgeführt, im Erdgeschoss
0 Eine architektonische Aufnahme dieses herrlichen Gestühls wäre
sehr wünschenswerth.
Kngler, Gesch. d. Baakanst. V. 35
546 m- BucL Benaissance in Deutschland.
Rustika und Portale mit dorischen Pilastern, die Fenster in den
drei oberen Stockwerken ebenfalls schlicbt umrahmt, nur im ober-
sten Geschoss mit durchbrochenen und geschweiften Bekrönungen.
Eine nüchterne, aber imposante Kaserne für die Mitglieder der
soldatisch organisirten Gesellschaft Jesu.
Ein überaus einfacher Bau ist sodann die ebenfalls unter
Wilhelm V seit 1578 ausgeführte Wilhelmsburg, jetzt unter dem
Namen Maxburg bekannt, weil Kurfürst Maximilian sie bis zur
Vollendung seiner neuen Residenz bewohnt hat Hier sind die
Formen auf das Aeusserste von Schmucklosigkeit zurückgeführt;
die ganze Dekoration der Fa^ade beschränkt sich auf eine Ab-
wechselung von drei verschiedenen Tönen, welche eine gute und
lebendige Wirkung machen. Die beigegebene Fig. 141 wird dies
näher veranschaulichen. Nur die Einfassungen der Fenster sind
von Stein, alles Uebrige von StucL
Das grossartigste Fttrstenschloss der Renaissance erbaute
erst Maximilian I, indem er eine frühere Burg der Herzoge in
München zu dem glänzenden Residenzbau umgestaltete, der
noch jetzt in seinen wichtigsten Theilen erhalten ist Das älteste
der fürstlichen Schlösser in München ist die Ludwigsburg oder
der Alte Hof, von Ludwig dem Strengen 1253 erbaut und von
Kaiser Ludwig nach dem grossen Brande der Stadt 1327 wieder
hergestellt Em Theil der Hoffagade mit dem malerischen Erker
reicht noch in jene Zeit zurück-, im Innern sind die trefiTlichen
Balkendecken des Flurs im oberen Stock und die auf die Wand
gemalten Fürstenbildnisse noch Reste der gothischen Epoche. Im
Gegensatze zu dieser ältesten Burg errichtete Albrecbt lY seit
1460 die sogenannte Neue Y est e, welche er mit Wällen, Gräben
und Thttrmen versah. Zum Zeichen seines Kunstsinnes legte er
in ihr bereits eine Gemäldesammlung an. Da der Bau 1579
durch Brand zerstört wurde, errichtete Wilhelm Y die oben be-
sprochene Wilhelmsburg, bis Maximilian um 1600 den Beschluss
fasste, an Stelle der halb abgebrannten Yeste die noch jetzt vor-
handene prachtvolle Residenz aufzuführen. Nach den Plänen und
unter Oberleitung von Peter Candid wurde der Bau durch die Werk-
meister Hemrich Schön und Hans Reifenstuel von 1600—1616 er-
richtet Die Erzarbeiten goss, wohl grösstentheils nach Candidas
Entwürfen Hans Krumper; Itir die malerische Ausschmückung wur-
den Christoph Schwarz^ Ulrich Loth und andere Künstler heran-
gezogeu.*) Ich gebe in Fig. 142 den Grundriss des Erdgeschos-
>) München von R. un d G. Marggraff. S. 273 ff.
Kap. XI. Baiern. Mttnchen. 549
ses,*) zu dessen Erklärung fQr die Hauptpunkte der Anlage einige
Andeutungen genügen mögen.
Die HauptfaQade, nach Westen gekehrt, wird durch die
beiden Prachtportale bei A und B hinreichend als solche bezeich-
net Ein drittes Hauptportal liegt an der Nordseite bei G, im
Aeussem einfach behandelt und bei Weitem nicht so prachtvoll
ausgestattet wie jene, aber auf das grossartige Kaiservestibttl und
die Kaisertreppe E f&hrend, wodurch die unmittelbare Verbindung
mit den Wohn- und Prachträumen bewirkt ist Die Art wie der
Architekt mit Bücksicht auf die damals noch vorhandenen Theile
der älteren Burg (bei R im nordöstlichen Flügel) den Bau an-
gelegt und durchgeführt hat, verdient Bewunderung. Grade diese
Theile sind durch die Neubauten unter König Ludwig unter
Klenze umgestaltet worden, und es ist jene kolossale aber nüch-
terne Nordfa^ade gegen den Hofgarten entstanden, welche dem
Hofe Q einen rechtwinkligen Abschluss gebracht hat Ebenso ist
der südliche Theil, welcher an die alten Höfe L und T stösst,
durch die Fa^ade gegen den Max-Josephplatz umgestaltet worden.
Diese neueren Veränderungen sind in unserem Grundriss un-
beachtet geblieben, während dagegen in S das schöne aus der
Rococozeit stammende Theater Aufnahme gefunden hat
Die Kardinalpunkte der alten Anlage sind die sechs grösse-
ren und reicher ausgestatteten Höfe, in deren Form, künstleri-
scher Ausschmückung und wechselseitiger Verbindung der Archi-
tekt eine Leistung ersten Banges geschaffen hat Alle Feinheiten
durchgebildeter Planconception sind in diesem meisterhaften Grund-
riss zur Geltung gekommen. Ich hebe nur einige der wichtigsten
Punkte hervor. Der grosse quadratische Kaiserhof D. steht mit
dem Kaiservestibül G und der Nordfa^ade einerseits, mit der
Westfa^ade und dem Hauptportal B und seiner dreischiffigen
Eingangshalle andrerseits in unmittelbarer Verbindung. Weiter
ist ein Durchgang zu dem grossen östlichen Küchen -Hofe A ge-
geben, in F aber eine Verbindung mit dem schmalen lang ge-
streckten Kapellen «Hofe G. Dieser ist seiner ganzen Anlage nach
nur ein verlängertes Vestibül und setzt das Hauptportal A und
seine dreischiffige Eingangshalle mit der ähnlichen Halle H und
durch diese mit dem schönen Brunnenhofe N in Beziehung. Einer
der genialsten Gedanken war, diesen Hof diagonal zu stellen und
durch polygonen Abschluss seiner beiden Enden nicht blos eine
reichere Form, sondern auch die ungezwungensten Uebergänge
^) Ich verdanke denselben gütiger Mittheilung des Herrn Hofbanrath
Riedel in München«
550 ^I- Bach. Renaissance in Deutschland.
in die Hauptaxen des Baues za gewinnen. Denn der Halle H
mit ihren drei Portalen, neben welcher sich ein Glockenthnrm
erhebt, entspricht die ähnlich ausgebildete Halle P, welche die
Verbindung mit dem grossen nordöstlichen Hofe herstellt. Zwi-
schen beiden liegt aber das Vestibül Q, das in seiner polygonen
Form die Gestalt des Brunnenhofes im Kleinen wiederholt und
den Aufgang zu einer der Haupttreppen des Baues gewährt. An
der entgegengesetzten Seite des Brunnenhofes ist eben so origi-
nell ein dreiseitiges Vestibül ausgebildet, das zu den dort an-
stossenden Räumen führt
Nicht minder geistvoll ist sodann die Anlage des Antiqua-
riums M bewirkt, welches den Brunnenhof in seiner ganzen Länge
einfasst und am südöstlichen Ende in einen achteckigen Kuppel-
saal ausläuft, der mit grossem Geschick wieder in die anstossen-
den Bäumlichkeiten eingefügt ist. Am nordwestlichen Ende springt
die Ecke des Antiquariums in den dort angelegten Grottenhof 1
vor. Der Architekt hat dies Motiv benutzt und zu einem poly-
gonen regelmässigen Vorsprung ausgebildet, in der Mitte eine
Brunnennische angebracht und so den schönen Abschluss jenes
lauschig poetischen Grottenhofs geschaffen, der jedem Besucher
der Residenz in frischer Erinnerung steht. Dieser köstliche kleine
Hof sowie die benachbarte Kapelle K gehören gleichsam zu den
mehr privaten Theilen der Anlage und sind durch kleine Seiten-
pforten zugänglich. Ich will nur noch hinzufügen, dass im Erd-
geschoss wie im oberen Stockwerk lange gewölbte Corridore von
prachtvoller Ausstattung sich an den Haupträumen hinziehen.
Soviel wird schon aus dieser Betrachtung erhellen , dass die letz-
ten Reminiscenzen des Mittelalters hier verklungen sind, dass
Wendeltreppen, Erker, Thünhe und andere Vorsprünge zu Gun-
sten der Principien des modernen Palastbaues beseitigt wurden,
diese aber sich mehr in der Mannigfaltigkeit und Schönheit der
innem Raumgestaltung als in der malerischen Gruppirung des
Aeusseren geltend machte.
Die künstlerische Ausstattung des ungeBeuren Ganzen be-
schränkte sich ursprünglich auch im Aeussem nicht blos auf die
beiden Prachtportale und die Nische mit dem Madonnenbilde an
der FaQade, sondern fand ihre Ergänzung in einem System grau
in grau ausgeführter Fresken. Das fast vollständige Verschwin-
den dieser aus blossen Malereien bestehenden Dekoration sowohl
der Aussenfafaden als auch der Höfe liess bisher das Ganze in
seinem traurig verwahrlosten Zustande weder erkennen noch wür-
digen. Sucht man sich, auf die Darstellungen alter Stiche ge-
stützt, aus den halb erloschenen Spuren die ursprüngliche grau
Kap. XI. Baiern. München. 553
in grau gemalte Dekoration der Wandflächen zu ergänzen, 00 erhält
man ein Bild reicher lebensvoller Pracht Vom Flilchensehmack
des Eaiserhofes füge ich in Fig. 143 eine Abbildung bei, die ich
der zuvorkommenden Güte des mit der Bestauration betrauten
Hofbauraths Riedel verdanke. Derselbe hat kürzlich versuchs-
weise den Anfang mit Wiederherstellung der alten Bemalung
machen lassen.
Die gesammte Münchener Architektur jener Zeit war bei dem
Mangel von Hausteinen zur Anwendung des Backsteins gezwun-
gen, den sie aber nicht nach dem Beispiel des Mittelalters oder
der oberitalienischen Renaissance künstlerisch durchbildete, son-
dern durch einen Putzüberzug verhüllte. Diesen Stuck charakte-
risirte sie als blosses Bekleidungsmaterial durch aufgemalte Deko-
ration. Von den stolzen Paraden Augsburgs mit den reichen
farbigen Gemälden, Resten jener heiteren Pracht, welche gegen
Ende des 16. Jahrhunderts noch einen weitgereisten Mann wie
Michel de Montaigne zur Bewunderung hinriss, ist oben an seiner
Stelle geredet worden. In München scheint überwiegend eine
einfachere Dekoration, Grau in Grau, beliebt gewesen zu sein,
und von dieser Art war auch die Facadenmalerei der Residenz.
Im Eaiserhofe ist es ein System gekuppelter dorischer Pilaster
fbr das Erdgeschoss und darüber ein korinthisches für das obere
Stockwerk. Zwischen den Pilastern sind die Wandfelder durch
Nischen mit figürlichem Schmuck belebt, in den grösseren- Wand-
flächen dagegen die paarweise angeordneten Fenster von einem
grossen Rundbogen umrahmt, alle Gliederungen und Felder mit
Masken, FruchtschnUren, Voluten und anderen dekorativen For-
men geschmückt. Die grossen Verhältnisse, die glückliche und
klare Eintheilung, die reiche und doch nicht überladene Deko-
ration verleihen dem Ganzen den Eindruck vornehmer Würde bei
einfachsten Mitteln. Erst im Zusammenhange mit solcher Deko-
ration erhalten die Prachtportale der Aussenseite ihre volle Wir-
kung, die hoffentlich durch eine umsichtige Restauration wieder
zu Tage treten wird.
Diese beiden Portale, von denen ich das eine in Fig. 144
mittheile, sind in einem gemässigten Barockstil in jener strengen
dorischen Rustica erbaut, welche damals als Ausdruck fürstlicher
Hoheit und Gravität beliebt war. In rothem Marmor ausgeführt,
überraschen sie durch die Feinheit ihrer Gliederungen, die offen-
bar mit Rücksicht auf die gemalten Decorationen der anstossen-
den Wandflächen so behandelt sind, lieber den Seitenpforten
halten Löwen das bairische. Greife das lothringische Wappen,
letzteres mit Bezug auf Maximilians erste Gemalin Elisabeth von
554 in. Bach. Rcnaiiunco in DeatachUnd.
Lothringen. Die Terschlungenen NainenszUge Beider in einem
gekrönten Wappeascbildo bilden die Spitze des ganzen Aufbaues.
Mit grossem Geschick ist nun ein Fenster des oberen Gesebosses
in die Compositioo des Fortales hineingezogen, so dasa es mit
Kap. XI. Baiern. München. 555
seiner reichen etwa49 barocken Umrahmung sich zwischen den
beiden abgeschnittenen Giebelstücken des Oberbaues erhebt Letz-
tere sind mit den liegenden Statuen der Regenten-Tugenden, zwei
an jedem Portale, geschmückt. Alles Figürliche ist von Bronze,
auch die beiden prachtvollen Löwen, welche vor jedem Portale
Wacht halten und ein Wappen mit allegorischer Devise neben
sich haben. Diese Bronzewerke wie die im Innern der Höfe sind
yon dem geschickten Hans Krumper meisterlich gegossen.
Der ernsten Pracht dieser Portale entspricht die grossartige
Marmomische, welche in Mitten der Fagade die Erzfigur der
Madonna als der Schutzpatronin Baiems enthält (Fig. 145). Hier
ist besonders das Decorative von hoher Feinheit, namentlich die
köstliche Bronzelateme am Unterbau und die aus Engelköpfchen
mit Laubgewinden originell und geistvoll componirten Kapitale
der Pilaster. Man fühlt sich Überrascht, in dieser Epoche noch
80 viel Sinn für liebevolle Durchbildung des Einzelnen anzutref-
fen. Noch umfangreicher wurde die Plastik bei dem glänzenden
Springbrunnen des Brunnenhofes verwendet, der eins der präch-
tigsten Werke der Zeit ist, ebenso reich in der Anlage und dem
Aufbau wie gediegen in der Durchbildung. Alle drei Künste
endlich wirkten bei dem kleinen Grottenhofe zusammen, der
mit seiner kühlen Grotte, mit den Muschel- Incrustationen der
Wände und den Gemälden der gewölbten Decke, mit der oiBfnen
Säulenhalle,, welche die ' Hauptseite einschliesst, mit dem von
Statuen belebten Basen und Gebüsch, endlich der wohlabgewoge-
nen fein abgestuften Architektur seiner Umfassungswände ein
wahres Juwel künstlerischer Conception und poetischer Wir-
kung ist
Die Absicht des Architekten bei dem gi-ossartigen Bau ist
aber offenbar dahin gegangen, die Hauptwirkungen sich für das
Innere zu versparen. Zunächst ist schon das Kaiservestibül,
in welches man vom Hofgarten aus freien Zutritt hat, eben so
vornehm in der Anlage, wie schön in der Ausschmückung. Der
imposante Baum von etwa 50 Fuss Breite bei circa 68 Fuss Tiefe
wird von neun Kreuzgewölben bedeckt, die auf vier gewaltigen
dorischen Säulen von rothem Marmor ruhen. Die hohen Gewölbe
zeigen geistreich gemalte Ornamente auf weissem Grunde im
Charakter der bekannten antiken Wandmalerei. Das leichte Phan-
tasiegerüst der Architektur ist in der Mitte durchbrochen, so dass
sich ein Blick in den blauen Aether zu öffnen scheint Das mitt-
lere Gewölbe hat eine reichere perspektivisch gemalte Architek-
tur, die in den Ecken von bronzefarbenen Hermen aufsteigt
Wendet man sich von diesem im köstliclisten Geiste des klassi-
■^en Alterthnnu behandelten
Räume zur Linken, so ^langt
man zur K&iaertreppe, die in
einfachem, dureh mehrere Po-
deste ^hrochenen Lauf, aber
in gToisartigen' DimenBionra
zum HauptgeechoBB empor-
fflhrt Das aufsteigende Ge-
wölbe der Treppe ist in feiner
Weise mit gtuckomamenten
gegliedert, die Felder aber
mitFreBkobildem belebt, leicht
und reich zugleich. Auf den
Podeeten der Treppe enth<
die Hauptwand eine prächtige
Nische in weissem Stuck mit
Überlebensgrossen Statuen
bairiscber FUrsten, das Gänse
Ton wahrhaft m^estätischer
Wirkung. Alle anderen Trep-
pen des Palastes, obwohl im
Maaesstabe beeeheidener, sind
in Ahulicher Weise mit Stuck
und zum Theil mit Fresken
geschmückt. Um von dem
Charakter dieser Ornamentik
eine Anschauung zu geben,
habe ich in Fig. 45 auf S. 179
ein Stück von der OewÖlb-
verzierung der Treppe bei-
gefügt, welche zu den Wohn-
zimmern des Kurfürsten führ-
te.') Den Grundriss dieser
Treppe und ihres grossartigen
Podestes giebt Fig. 146. In
derselben Art sind nicht bloss
die verschiedenen Treppen-
') Ich ferdftnke diese Abbil-
dung der xuTürkommenden Güte
, des k. Bftnbeamten Herrn Seidel
. %u Hünclien, der eise auf aoig-
ßiltigen AofnaluneD beruhende
Verüflfentlichiuiy der Residenz
bcabsicbtiKt.
Fit. 1*>- HRnetin.
K>p. XI. Bkiera. »Uoi^en. 557
Unser und VeafibtUe, sondern namestlieh auch die grosBen Ga-
lerien g^eschmOckt, welche in bedeatender lAage die ganze Flueht
der dnzelneo Schloiwflligel begleiten, indem sie sich als Verbin-
dnngsgftnge ror den Woharinmen hinziehen. Ueberall bei diesen
Decoradonm sind die arebhektoniechen Hauptlinien als Gnrnd-
mottr betont, bei den Galerien sind es die Kuiten der Stich-
kappen, welche in die Tonnengewölbe einschneiden. Dadnr^
ergieht eich ein klarer ttbenichtlicber Rhythmus, der bei dlem
Reichthum der Ornamente beruhigend wirkt In der Decoration
selbst herrscht dn fein gezeichnetes Rankenwerk vor, mit man-
cherlei phantastiseheD Masken weehselnd, in schöne Rosetten
anslsnfend. Dazwischen Genien mit allerlei Emblemen in krAftig
eingerahmten Feldern, die Rahmen mit Perlecbnur und Henblatf
gegliedert Die gr&sseren Flächen sind in der Regel Freskobil-
dern vorbehalten, die sich meist in Allegorie bewegen. Ihre
ttf- Ui. MBiush«. BMidnu. Onndrlu ^ott Tnppe.
klare lichte Ffirbung contrastirt wirksam gegen den weiss gebaU
tenen Stuck, dessen Behandlung sich durch Feinheit und Schärfe
anszeichnet Wenn man die ansserordentliche Menge der noch
jetzt vorhandenen Decorationen betrachtet, so mnss man Ober
den Reichthum und die strömende Leichtigkeit der Phantasie er-
staunen. Aber auch selbst die Reinheit des Stils erregt in der
Zeit des beginnenden Barocco mit Recht Bewunderung, denn
wenn sich manche barooke Elemente freilich einmischen, so
stehen doch diese Arbeiten im Vergleich mit den gleichzeitigen
italienischen und mit dem überladenen Schwulst der zum Theil
noch frnheren in Fontainebleau fast classisch da.
Die Wohnräume, welche sich noch aus der Zeit KurfOrst
Maximilians I erhalten haben, gruppiren sich hauptsächlich um
die Kaisertreppe. Der grosse Saal, 52 F. breit, 118 F. lang, ist
zwar durch Klenze's Umbau ganz verdorben, aber eine Anzahl
558 ^* Buch. Benaissance in Deutschland.
von Zimmern ist noch im Wesentlichen unberührt geblieben. Die
Wände waren auf Teppiche berechnet, deren man in München
noch immer eine grosse Anzahl besitzt Die Decken werden
durch Holzgetäfel gebildet, dessen Gliederung mit bescheidenem
Relief und sparsamer Vergoldung den eingelassenen Oelgemälden
als Rahmen dient. Hier herrscht also die in Venedig ausgebildete
Behandlungsweise und auf Meister der yenetianischen Schule
deutet auch das Kolorit der BUder. Die Vermittlung zwischen
Wand und Decke gewährt eine grosse gewölbte Hohlkehle mit
einem breiten Fries voll trefflicher Stuckornamente. . Die Ein*
fassung der Thüren ist in kräftigen dorischen Formen aus Stuck-
marmor gebildet Ebenso sind die Kainine behandelt, doch konmien
auch prächtigere von weissem Marmor mit köstlichen Skulpturen
vor. Der ganzen edlen Pracht entspricht endlich, was die Kunst-
schreinerei der Zeit hinzugefügt hat, seien es geschnitzte Tische,
oder die nicht minder stilyoll behandelten Flügelthüren mit schön
profilirten Rahmen und feinen Intarsien. Selbst die Eisenwerke
an Schlössern, Haspen und Angeln bekunden den hohen Stand
des damaligen Kunsthandwerks durch die schönen in Gold ein-
gelegten Ornamente ihrer Tauschir- Arbeit 0
Man liest in den Zimmern meistens die Jahreszahlen 1612
und 1617. Wahrlich, wenn man die harmonische bis in die
kleinsten NebendiDge in ihrer Feinheit sich gleichbleibende Durch-
führung dieser Räume mit der Oede der unter Ellenze erbauten
Theile vergleicht, wo vor Allem der Mangel jedes feineren Kunst-
handwerks empfindlich berührt, so muss man gestehen, dass wir
von jener als barock verschrieenen Zeit sehr viel lernen können.
Von den derselben Epoche angehörenden Räumen erwähne
ich nur noch den riesigen „Schwarzen Saal'^ für die Wachen,
und die alte Schlosskapelle mit ihren prächtigen Stuckaturen,
besonders aber das Antiquarium mit seinen trefflichen Fresken
im Stil antiker Wanddecoration, ein wahres Muster für einen der-
artigen Sammlungsraum.
Der schwarze Saal, von dem Brunnenhof direkt durch eine
stattliche Treppe zugänglich, hat ganz mächtige Dimensionen, an
der gewölbten Decke in riesigem Ma^sstab perspektivisch ge-
malte Hallen auf Säulen. Die Thüren und Kamine von schwarzem
Stuckmarmor, der Fussboden von weissen und rothen Marmor-
0 Eine genaue Beschreibung alles Einzelnen in I trionfi deir architet-
tura nella sontuosa residenza di Monaco , dal Marchese Ranuccio Pallavicino.
In Augusta 1680. 4^ Dabei auch ein Stich, welcher das Aeussere des
Baues mit seinen Wandmalereien veranschaulicht.
m
Kap. XI. Baiern. Mttnchen.' 56]
platten. Die Kapelle ist ein reich mit Stuckreliefs geschmflckter
Hochbau, in drei Geschossen von Emporen umgeben, welche für
die Herrschaft und die verschiedenen Abstufungen der Hofleute
bestimmt waren. Von ganz besonderer Schönheit des Baumes
und der Decoration ist aber das Antiquarium, am oberen Ende
in eine erhöhte Estrade auslaufend, während am andern der
achteckige Saal denAbschluss bildet Das lange Tonnengewölbe
mit seinen Stiehkappen ist mit einer decorirenden Malerei im
Stil antiker Wandgemälde geschm tickt Geschnitzte Kasten , zur
Aufnahme der kleineren Kunstwerke bestimmt, umziehen die
Wände, und in den Fensternischen sind Marmorbüsten aufgestellt
Eine andere Reihe von Zimmern, aus der Zeit des Kurfürsten
Ferdinand Maria, zeigt schon mehr barocke Decoration und weit
grössere Pracht, namentlich stärkere Ueberladung mit Gold. Be-
sonders die sogenannten päpstlichen Zimmer zeichnen sich durch
ihren Glanz und ihre Ueppigkeit aus. Aber auch das Bococo
findet seine Vertretung in den sogenannten reichen Gemächern
aus der Zeit Karls YU. Wer das köstliche, glücklich wieder her-
gestellte kleine Besidenztheater kennt, kann sich von dem gra-
ziösen Beiz dieser Bäume eine Vorstellung machen. Hier ist die
Decoration dem Stil entsprechend ausschliesslich Goldomament
auf weissem Grunde. Das Schlafzimmer mit dem kolossalen
Frachtbett erregt allgemeine Bewunderung; feiner aber ist das
japanesische Vasenzimmer, dessen Wände ganz mit kleinen Por-
zellanvasen auf vergoldeten Gonsolen geschmückt sind; ferner
das Zimmer, welches mit lauter kleinen Pastellbildchen in zier-
lichsten Goldrahmen tapezirt ist; endlich das Zimmer mit gestickten
seidenen Tapeten von chinesischer Arbeit, Scenen des dortigen
Lebens auf schwarzem Grunde darstellend.
Von dem trotz aller Zerstörungen noch immer prachtvollen
Ganzen habe ich hier nur das Wesentlichste kurz berührt Sucht
man mit der Phantasie das Ursprüngliche wieder herzustelleui
fügt man den Schmuck der durchweg gemalten Fa^aden hinzu,
erwägt man die Pracht der Ausstattung, die Fülle an Kostbar-
keiten und Kunstschätzen jeder Art, welche der stolze Bau um-
schloss, so begreift man die Bewunderung der Zeitgenossen und
der nachfolgenden Geschlechter, welche den Bau das achte Wunder
der Welt nannten (Pallavicino z. B. p. 1); begreift auch, dass
Gujstav Adolph bedauert haben soll, den Palast nicht auf Walzen
nach Stockholm führen zu können. Aber nicht minder zutreffend
ist jener andere Ausspruch des grossen Schwedenkönigs, in
welchem er München einen goldnen Sattel auf magerem Gaule
nennt —
Kngler, Gesch. d. Bankanst. V. 36
562 m* Bach. Benaissanee in Deutschland.
Mit einem Werke der Devotion besehliesst Kurflirst Maximilian
seine Münchener Bauthätigkeit und damit zugleich die Schöpfungen
dieser Epoche. Es ist die Mariensäule, im Jahre 1638 zu Folge
eines Gelöbnisses wegen der siegreichen Schlacht am Weissen
Berge bei Prag auf dem Schrannenplatz zu Ehren der Schutz*
patronin Baierns errichtet (Fig. 147). Ein Werk von trefflichen
Verhältnissen, kraftroll in den Formen und glQcklich im Aufbau.
Auf den Ecken der marmornen Balustrade vier schöne Bronze-
latemen; auf den Ecken des Sockels himmlische Eriegerknaben
in lebhaftem Kampf mit Drachen, Schlangen und ähnlichen Un-
gethümen. Auf der Krönung des Postaments als Vermittlung mit
der Basis der Säule geflügelte Engelköpfchen aus Bronze, von
lebendiger Bewegung und schönem Umriss. Auch die Statue der
Madonna gehört zu den besten der Zeit Sie ist von Homs Krumper
gegossen; das Monument idelbst nach einer Zeichnung Candidas
durch Peier König ausgeftlhrt.
Von der reichen Farbenlust der Epoche an den Fagaden der
Häuser scheint nichts erhalten. Nur an der Fleischhalle sieht
man, wohl schon aus der Spätzeit des 17. Jahrhunderts, eine
derbe, heitere Freskodecoration. Besonders gut sind die grau
gemalten Trophäen, aus einem OchseuTiertel, Schlächterbeil und
ähnlichen Elementen zusammengesetzt
Was in dem oberbairischen Gebiet, etwa in Wasserburg,
Burghausen, Braunau, Laufen und andern Orten an Resten aus
jener Zeit vorhanden sein mag, weiss ich nicht anzugeben. Da-
gegen ist mir in Berchtesgaden eine kleine bemalte Hausfa^ade
aufgefallen, nicht eben von künstlerischem Werth, aber bezeich-
nend fllr das Kulturleben der Epoche. Gemalte korinthische Säu-
len fassen die Ecken ein; die Fenster sind in beiden Geschossen
mit grau in grau ausgeführten Gartouchen und Voluten eingefasst^
zwischen welchen Fruchtgehänge sich hinziehen, die auch von
einem Fenster zum andern ausgespannt sind. An dem unteren
Fenster sind Trophäen von Schinken, Würsten, Enten, Fischen
und dergleichen zierlich aufgehängt. In den Fensterbekrönungen
sieht man humoristische Scenen, worin Affen das menschliche
Treiben parodiren, z. B. ein Tanz, wobei die Tanzenden wie die
Musikanten Affen in Menschenkostüm sind; ein grosses Orchester,
in welchem der Kapellmeister an der Orgel, der Bass, die Kla-
Kap. Xn. Die ÖBterreidüsohen Länder. 5^3
rinette imd die flbrigen Instnimeiite sftmmilich Affen sind; dann
ein Baechuszng, wo der Gott des Weins auf seinem Wagen von
Affen gezogen wird; weiter unten der Affe als Geldwechsler;
zwei Affen beim Schachspiel; endlieh in der Mitte Affen in dar
Tracht eleganter Cayaliere auf der Jagd, im Vordergrund der
Hase yon einem weissen Hühnerhund gestellt, im Hinjergrund
Hirsche und auf den Bergspitzen Gemsen; dabei der Vers: ^Duck
dich Hasl lass ybergahn, denn Gwalt will Recht han.^ Solche
heitre und originelle Werke lassen den Untergang vieler fthn-
lieber Schöpfungen doppelt bedauern.
XII. Kapitel.
Die Ssterreichischen Länder.
Die bisherige Betrachtung der süddeutschen Gebiete hat uns
gezeigt, dass die selbständige Ausbildung der Renaissance Hand
in Hand geht mit der allgemeinen Erneuerung des geistigen
Lebens, und dass sie vorzugsweise da in Deutschland zu einem
eigenartigen Gepräge durchdringt, wo jene Erneuerung sich voll-
zieht, wo also die Reformation und mit ihr ein freier Aufschwung
des wissenschaftlichen und literarischen Schaffens zum Durchbruch
kommt Die protestantischen Reichsstädte und im Wetteifer mit
ihnen die der Reformation ergebenen Fttrstenhöfe von Baden,
Würtemberg, Brandenburg und der Pfalz sind die eifrigen Pfleger
und Förderer "Dessen, was wir deutsche Renaissance nennen.
Der katholische Hof der Witteisbacher dagegen steht zwar an
Eifer der Eunstpflege keinem andern nach, aber er bethätigt die-
selbe in den monumentalen Schöpfungen nicht durch Förderung
einer national deutschen Renaissance, sondern durch strikte Ein-
führung einer fremden Kunst, der italienischen, die mit dem
deutschen Leben ebensowenig zusammenhängt, wie der von den-
selben Fürsten eingefllBrte Jesuitenorden. Unter den damaligen
Römlingen Deutschlands, die mit allen Mitteln der Gewalt die
Herrschaft des Papstes wiederherzustellen suchten, scheint gleich-
sam instin ctmässig auch das Anlehnen an die römische Kunst zum
Gtesetz geworden zu sein. Nur Bischof Julius von Würzburg macht
eine Ausnahme, da in seinen zahlreichen Bauten mit voller Ent-
36*
V
>
564 m* Bach. BenaiSBanee in Deatschknd.
scbiedenheit die zur reifen Entwicklung gelangte deutsche £e*
naissanee zur Geltung kommt. Aber er ist, wie gesagt, ein
weisser Babe, der die allgemeine Thatsache nicht umstossen kann,
dass die deutsche Renaissance mit dem übrigen Kulturleben, na-
mentlich mit der Entwicklung der fieformation innig zusammen-
hängt. Auch in Norddeutschland werden wir dasselbe Verhältniss
erkennen.
In den österreichischen Ländern, von denen wir nur die
cisleithanischen in unsere Betrachtung aufnehmen, treten uns
wieder ganz andere hocheigenthttmliche Kulturbedingungen e;nt-
gegen, die eine ganz besondere Stellung zur Renaissance im
Gefolge haben. Die Länder der deutschen Ostmark, mit allen
Reizen und Reichthümem der Natur gesegnet, markiren sich in
jeder Hinsicht als Grenzländer, als Vorposten deutscher Kultur
gegen den slavisch- magyarischen Osten, als Veimittler der hoch
entwickelten Civilisation Italiens gegen Süden. Die deutschen
Stämme Oesterreichs, in körperlichen und geistigen Anlagen
keinem der übrigen Stämme nachstehend, empfingen durch die
eigenthümlichen Bedingungen ihrer geographischen Lage eine
Steigerung ihrer natürlichen Begabung, die sich besonders als
rege Phantasie und elastischer Lebenssinn zu erkennen giebt
Wie diese Naturanlage sich auf künstlerischem Gebiet yomehm-
lieh ins Reich der Musik ergossen und von Haydn und Mozart
bis Schubert eine Welt der köstlichsten Tongebilde geschaffen
hat, weiss Jedermann. Aber ' auch eine freudige Lust an der
Welt bewegter Erscheinungen, am Reiz anmuthiger Formen ist
die unmittelbare Folge jener Verhältnisse. In fortwährender Be-
rührung mit mannigfach verschiedenen Stämmen, mit slavischen,
magyarischen und romanischen, erhielt das germanische Volks-
thum hier mancherlei Mischung mit fremdem Blute, nicht stark
genug, um die eigene Art auszulöschen, aber hinreichend um
einen rascheren Pulsschlag zu erzeugen und bis in unsere Tage
den Deutsch-Oesterreichern den Hauch einer jugendlichen Frische
zu verleihen. Zugleich ergab sich aus der geographischen Lage
die doppelte Thätigkeit des Gebens und Empfangens, des Zurück-
weisens und Entgegenkommens. Nach Osten Bevölkerungen einer
niedrigeren Kulturstufe gegenüber, wurden sie die Träger und
Verbreiter europäischer Gesittung, deutscher Bildung, deren Pal-
ladium sie oft genug in heissen Kämpfen gegen die Horden des
Orients zu vertheidigen hatten. Nach Süden dagegen, der alt-
begründeten Kultur Italiens gegenüber, waren sie in erster
Linie berufen dieselbe in sich aufzunehmen und weiter zu
verbreiten.
Kap. XII. Die österreichischen LSnder. 565
Diese Verhältnisse erkennt man schon in den mittelalterlichen
Monumenten des Landes. Mit grosser Kraft wird gegen Ausgang
der romanischen Epoche dieser Stil im Wesentlichen so wie er
in den mittleren und südlichen Gegenden Deutschlands sich aus-
gebildet hatte herüber genommen und bis nach Ungarn und
Siebenbürgen hinein in glänzenden Denkmalen zur Anwendung
gebracht. Allerdings wird weder in den räumlichen Combi-
nationen, noch in der Gliederung und Gruppirung des Aufbaues,
noch endlich in den constructiven Grundzügen Neues hervor-
gebracht. In all diesen Punkten empfängt Oesterreich einfach
das fertig Ausgeprägte, um es weiteren Kreisen zu überliefern.
Wohl aber bringt jene hifer im Volksgeist liegende Freude am
heiter Schönen eine Reihe von dekorativen Werken ersten Banges
hervor, wie die Portale zu St. Jak, Trebitsch und Tischnowitz,
die Riesenpforte von St Stephan zu Wien, die herrlichen Kreuz-
gänge von Zwetl, Lilienfeld, Heiligenkreuz. Daneben aber dringt
von Süden schon damals vielfach die Kunst Italiens ein, wie
besonders die Löwenportale von Bozen, Graz, Salzburg, die
hundertsäulige Krypta von Gurk u. A. beweisen. Dies reiche
Kulturleben hätte in der gothischen Epoche seine höchste Blüthe
erreichen müssen, wenn die Entwicklung des BUrgerthums, bei
uns der mächtigste Träger der Gothik, mit derjenigen im übrigen
Deutschland gleichen Schritt gehalten hätte. Aber ähnlich wie
wir es in Baiern fanden bleibt auch in Oesterreich die Entfaltung
des Städtewesens seit dem 14. Jahrhundert merklich zurück. Nur
in Böhmen erlebt die Gothik unter dem kunstliebenden Karl IV
eine bedeutende Blüthe, und nur der Stephansdom in Wien,
dieser freilich mit seinem unvergleichlichen Thurm ein Monument
allerersten Ranges, bezeugt auch hier die grossartige Lebenskraft
deutschen Bürgerthums. Aber dies sind Ausnahmen; im Uebrigen
hat die Gothik trotz mancher originellen Schöpfung im ganzen
Lande keine Denkmale höchster Bedeutung aufzuweisen.
Neben dieser immerhin durch Intensität hervorragenden
Glanzepocbe des Mittelalters hat die Monumentalkunst in Oester-
reich sich nur noch in einer zweiten grossen Periode machtvoll
offenbart: in der Zeit des späten Barockstils, vom Ausgang des
17. bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts. Nachdem die Re-
formation niedergeworfen, ja mit Stumpf und Stiel ausgerottet
war, gab der Klerus in Oesterreich sich jener üppigen Weltlust
hin, welche sich noch jetzt in den gewaltigen Anlagen prunk-
voller Abteien herausfordernd manifestirt; mit dem Prälaten-
hochmuth aber wetteifert der Stolz der Aristokratie in Aus-
führung jener Paläste, die vor Allem Wien und Prag ihre archi-^
566 ni. Bach. Benaisaance in Dentsehland.
tektonigche Signatur aufgedruckt haben. Man darf sagen, dass
in den pompösen, oft majestätisch angelegten und mit allen
Mitteln ausgelassener Dekoration schwelgenden Bauten jener
Epoche der Sieg über den Protestantismus sich mit heraus-
forderndem Selbstgefühl breit macht
Was zwischen jenen beiden Epochen, zwischen Mittelalter
und Barockzeit liegt, die eigentliche Periode unserer Renaissance,
ist trotz mancher vorzüglicher Schöpfungen, ja einzelner Haupt-
werke seltenen künstlerischen Werthes, doch gegenüber den
Leistungen andrer deutscher Provinzen kaum in Anschlag zu
bringen. Vergleicht man vollends den grossen Umfang und den
Beichthum dieser Länder, die hohe bildnerische Begabung ihrer
Volksstämme, den von Alters her regen Sinn für künstlerisches
Schaffen und heitere Pracht des Daseins, so wird man mit
Erstaunen und Widerstreben eine Thatsache aufnehmen, die mit
alledem so scharf contrastirt und doch auf Schritt und Tritt dem
Forscher sich aufdrängt. In der That, trotz so mancher glänzen-
der Einzelschöpfung muss es ausgesprochen werden, dass die
Benaissanee auf diesem Boden mehr wie eine durch die Gunst
der Grossen hieher verpflanzte, als wie eine vom ganzen Volke
gehegte und gepflegte, mit dem eigenen Herzblut genährte
Schöpfung sich zu erkennen giebt.
Dies ist um so merkwürdiger, als in keiner deutschen Provinz
die Formen der Benaissanee so früh zu monumentaler Verwen-
dung gelangen, wie gerade in Oesterreich. Wir treffen sie hier
vereinzelt, was sonst kaum irgend in Deutschland vorkommt, schon
im Ausgang des 15. Jahrhunderts. Vom Jahre 1497 datirt ein
kleines Portal mit dem Wappen der Familie Edelsperger im
Timaschen Haus, auch Federlhof genannt, zu Wien.^) Im
Wladislawsaal des Hradschin zu Prag kommt an den ausgebil-
deten Benaissancefenstem sogar die Jahrzahl 1493 vor.^) Das
prächtige Portal der Artilleriekaseme in Wienemeustadt datirt
von 1524, die Jagellonische Kapelle im Dom zu Erakau von
1520,^) ein Benaissanceportal in der Kirche zu Klausenburg hat
die Jahrzahl 1528.^) Alle diese Denkmale, selbst den frühesten
im übrigen Deutschland in der Zeit vorausgehend, beweisen, dass
die Benaissanee Italiens an den verschiedensten Orten in Oester-
reich schon früh zur Anwendung gekommen war. Wie ist es nun
*) Abb. in den Mitth. der Centr.-Comm. 1868. p. CXI. Fig. 7 nach
dem Jahrb. des Wiener Alterth.-Ver. — *) F. Mertens, Prag und seine
Baukunst in Förster*s Allg. Bauzeit. 1845. p. 15 ff. mit Abb. — ') Essen-
wein, Erakau, Taf. XXI. — *) Mitth. d. Centr.-Comm. 1865.
Kap. Xn. Die tfaterreichifchen Lfinder. 567
aii erklären, dasa diese lebeiufrohe Kunst dennoch grade hier
in ihren Seböpfhngen vereinzelt bleibt, statt wie anderwärts das
Leben ganz zu durchdringen und ihm zu yollendetem Ausdruck
zu gereichen?
Diese Frage lässt sich nur durch einen Blick auf die all-
gemeinen geschichtlichen und Kulturrerhältnisse beantworten.^)
Obwohl dem Centrum der deutschen Geistesströmung weit abseits
gelegen nimmt Oesterreich dennoch die geistige Bewegung der
Zeit, deren Gipfelpunkt in Deutschland die Reformation bildet,
gleich anfangs mit allem Eifer auf. Die Sache Luthers fand
besonders beim Adel und in den Städten, bald aber auch unter
dem Landvolk überall im Erzherzogthum Oesterreich lebendigen
Anklang, und schon um 1522 konnte Paul Speratus, der Dichter
des Liedes: „Es ist das Heil uns kommen her,*^ die neue Lehre
im Stephansdom zu Wien verkündigen. Gleichzeitig predigten
Philipp Turriano, sowie die beiden Cisterziensermönche Jacob
und Theobald wider Ablassverkauf und Bilderdienst. Der in
Spanien erzogene Ferdinand I eiferte anfangs heftig wider die neue
Lehre; der Stadtrath Caspar Tauber stirbt 1523 auf dem Scheiter-
haufen ; andre Opfer folgen ; Balthasar Hubmayer wird 1 528 ver-
brannt und seine nicht minder standhafte Ehefrau in der Donau
ersäuft.^) Aber seit seiner Erhebung zum deutschen Kaiser zieht
Ferdinand gelindere Saiten auf; die beständige Türkengefahr
zwingt ihn bei den Landständen um Beisteuera zur Yertheidigung
nachzusuchen, für deren Gewährung er dann freie Beligionsübung
gestatten muss.^) Unter seinem Nachfolger Maximilian II, dessen
Indifferenz den Protestanten noch mehr Freiheit liess, vollzieht
sich das Werk der Reformation in Oesterreich so vollständig,
dass fast das ganze Land bis nach Steiermark und Kämthen
hinein, bis ins Salzkammergut und Tirol der neuen Lehre er-
geben war. Erst mit Rudolph II um 1578 erhob sich die Gregen-
reformation, welche durch die unheilvolle Regierung Ferdinands II,
der bei den Jesuiten in Ingolstadt mit seinem Vetter Maximilian
von Baiem erzogen worden war, zum Abschluss kam. Damals
begann jene verderbliche Aera, welche die reiche Blüthe deutschen
Geisteslebens in Oesterreich auf Jahrhunderte erstickte und das
*) Ueber das Geschichtl. vgl. Wiens Gesch. von F. Frhr. v. Hor-
majr; Gesch. der Stadt Wien von Fr. Tschischka; Gesch. des Landes
ob der £nns von Fr. Xav. Pritz; Gesch. der Regier. Ferdinands I. von
F. B. v. Bnchholtz; Rudolf II und seine Zeit von A. Gindely; Handb.
der Gesch. des Herzogth. Kärnten von H. Hermann; Gesch. von BOhmen
von Fr. Palacky, u. a. m. — ») Tschischka, a. a. 0. p. 2Sö fg. — 3)F.B,
V. Buchholtz a. a. 0. VIII, 123 ff.
568 ^- Buch. Renaissance in Deutschland.
hochbegabte Volk der römischen Fremdherrschaft und der geister-
mordenden Disciplin der Jesuiten ttberlieferte. In dem Wahne
nur durch innige Verbindung mit der Kirche ihre Hausmacht zu
stärken und die Herrschaft über das lose yerbundene Völker-
aggregat zu befestigen, opferten die Habsburger das geistige
Leben und die materielle Blüthe ihres Volkes. An der Spitze
von Dragonerabtheilungen rtLckten die bischöflichen Gommissare
in die einzelnen Oii»chaften ein, die Bevölkerungen gewaltsam
in den Schoos der Kirche zurttckzuf Uhren. Mit Kämthen, Steier-
mark und Krain wurde der Anfang gemacht; Böhmen und Oester-
reich folgten. Die protestantischen Prediger wurden yertrieben,
die ketzerischen Bücher verbrannt, die lutherischen Kirchen und
Pfarrhäuser niedergerissen, selbst ihre Friedhöfe vandalisch ver-
wüstet Verbannung und Konfiskation traf die, welche sich nicht
fügten. So kam die katholische Kirche wieder zur Alleinherr-
schaft, aber die blühenden Länder waren verödet Aus Böhmen
allein wanderten an 36,000 Familien, darunter 1088 aus dem
Herrn- und Ritterstande, auch zahlreiche Künstler, Kaufleute und
Handwerker ^us und Hessen sich in Sachsen, Brandenburg und
andern protestantischen Ländern nieder.
Die Heftigkeit dieser Verfolgungen bezeugt vor Allem den
gewaltigen reformatorischen Umschwung, welchen damals ganz
Oesterreich genommen hatte. Wenn man den heutigen Zustand
dieser Länder betrachtet, so kann man sich nicht genug ver-
wundem, wie allgemein damals der Protestantismus dort ver-
breitet war. Wurde 1543 noch ein Edikt veröffentlicht, welches
alle Buchdrucker und Buchhändler, die ketzerische Bücher ver-
breiteten, zu ersäufen, die Bücher aber zu verbrennen befahl;^)
ernannte man schon vorher ein Ketzergericht aus zwölf Mit-
gliedern der Hochschule, an deren Spitze der Bischof Johann von
Bevellis stand, so hatte doch bald darauf in Wien und dem Übrigen
Oesterreich die Sache der Reformation solche Kraft erlangt, dass
man den Lutheranern die Minoriten- Kirche und die Landhaus-
kapelle in der Hauptstadt einräumen musste.^) Ja als in Kämthen
1596 die seit dreissig Jahren unterbliebene Frohnleichnamspro-
cession zuerst in St Veit wieder abgehalten wurde, entstand in
dem protestantisch gewordenem Volke ein Auflauf, vor welchem
der Priester mit dem Venerabile sich nur mit Mühe retten konnte. 0
Ebenso erging es in Villach 1594 dem Patriarchen von Aquileja,
als er den Katholizismus wiederherzusteUen versuchte.*) Hier
«) Tflchigchka, a. a. 0. S. 311. — ») Ebenda S. 312. — 3) H. Hermann,
a. a. 0. II, 209. — *) Ebenda II, 210.
Kap. XII. Die öaterreioliischen Länder. 569
war die Stadtpfarrkirche in den Händen der Protestanten, in
KlagenAirt aber hatten sie sogar zwei Kirchen inne. Die Ke-
formation hatte also mindestens ein Menschenalter lang sich un-
gehemmt in den österreichischen Landen ausgebreitet, und es
war gewiss nicht Mangel geistiger Begsamkeit, wenn ihr keine
ebenbürtige künstlerische Entwicklung zur Seite ging. Wohl aber
scheinen die Erschütterungen, welche das gewaltsame Eingreifen
in das religiöse Leben mit sich brachte und die auf lange Zeit
selbst den Buin des Wohlstandes herbeiführten, Buhe, Mittel und
Stimmung zu architektonischen Schöpfungen ausgelöscht zu haben.
Vergessen wir nicht, dass abgesehen von einzelnen früheren Ver-
suchen, die Benaissance in den deutschen Gebieten ihre Blüthezeit
etwa seit den sechziger, siebziger Jahren des 16. Jahrhunderts
beginnt. Gerade dies war aber der Wendepunkt, wo in Oester-
reich Kirche und Staatsgewalt den Vertilgungskrieg gegen den
Protestantismus ins Werk setzte. So mussten wohl alle Keime
friedlicher Kultur auf lauge hinaus zertreten werden.
Aber in kaum geringerem Grade scheinen auch die politischen
Verhältnisse ein reicheres Kulturleben yerhindert zu haben, so
dass trotz der Kunstliebe von Kaisern wie Maximilian I, Fer-
dinand I und Budolph II sich keine stetige Blüthe entfalten wollte.
Vergegenwärtigen wir uns, dass mit Kaiser Friedrichs Tode eine
traurige Epoche für Oesterreich kaum ihr Ende erreicht hatte. <)
Eine lange Beihe von Kämpfen gegen auswärtige Feinde und
aufständische Unterthanen, Fehden zwischen raubsüchtigen Bittern,
Dezennien des wildesten Faustrechtes hatten das Land weithin
verwtLstet und ausgeplündert. Die Kultur des Bodens war zer-
stört, Handel und Verkehr zerrüttet, die Städte ohne Kraft und
Blüthe, Hunderte von Höfen lagen in Trümmern, Tiele Kirchen
waren in Flammen aufgegangen, die Bewohner- des Landes ver-
wildert Mit Maximilians I Begierungsantritt erholten sich die
Länder allmählich von den ausgestandenen Drangsalen, aber die
Kraft des Bttrgerthums vermochte sich während der ganzen Epoche
nicht zu so machtvollen städtischen Gemeinwesen zusammen-
zuschliessen wie sie das südliche, mittlere und nördliche Deutsch-
land in zahlreichen freien Beichsstädten aufweisen. Die Städte
sind aber seit der gothisehen Epoche in Deutschland der Haupt-
herd des KunsÜebens gewesen. Sie bleiben es, wie wir gesehen
haben, auch in der Epoche der Benaissance, jedoch so, dass
neben ihnen die neuen Fürstensitze eine selbständige Blüthe ent-
falten. Diese zieht indess ihren künstlerischen Nahrungsstoflf wieder
0 Fr. Xav. Pritz a. a. 0. H, 181.
570 ^- Bii^* BenftiflMBee in Dentschlaad.
auB den bürgerlichen Kreisen der St&dte, in welchen damak
alles Kulturleben seinen Mittelpunkt fand. Die kunsfliebenden
Herrscher aus dem Habsburgischen Stamme rufen frtthzeitig
Meister der Renaissance aus Nürnberg und Augsburg in ihre
Dienste. Maximilian I bedarf zu seinen literarischen und kffnst-
lerisohen Unternehmungen^) der Thfttigkeit eines Dflrer, Burgk-
maier u. A. Für sein Grabmal in Innsbruck, dessen Grund-
gedanke durchaus auf den Ideen der Renaissance beruht, ver-
wendet er nicht blos einen Meister wie Peter Yischer, sondern
auch Augsburger und Innabnicker Künstler. Wo aber in dieser
frühen Zeit Bauwerke in dem neuen Stile zu errichten waren,
musste man fast ausschliesslich mit Italienern sich begnügen. Die
Portale, mit welchen Ferdinand I 1524 sein Arsenal in Wiener-
neustadt schmückte, verrathen die Hand italienischer Steinmetzen.
Dasselbe ist der Fall mit der wahrscheinlich 1515 errichteten
Prachtpforte der Salvatorkapelle in Wien. In Krakau wird schon
1512 ein Meister Franciscus aus Italien erwähnt, der beim Neubau
des Schlosses yerwendet wird, ja 1520 ist es abermals ein Italiener,
Bariholomeus von Florenz, der die Jagellonische Kapelle am Dom
daselbst erbaut und 1536 das abgebrannte Schloss wierderher-
stellt Eine ganze Architektenfamilie aus Italien lernen wir unter
Ferdinand I in Wien und Prag kennen:^) 1532 Jacopo de i^aziOy
1542 Anthoni de SpaziOy der an dem Neubau der Burg in der
Neustadt beschäftigt war und ffans de Spazio, der nebst Zoan
Maria (also dem Namen nach wohl ein Venetianer) unter Paul
della Stella seit 1536 am Belvedere auf dem Hradschin zu Prag
betheiligt war.^) Noch 1568 wird ein Italiener ContineUi als Hof-
baumeister Maximilians II aufgeführt.^)
Eine solche Kette italienischer Architekten lässt sich damals
in Deutschland nur noch bei den bairischen Herzogen nachweisen.
Wie dort begründet sie auch hier das Ueberwiegen fremden Ein-
flusses, der die Entwicklung einer selbständigen deutschen Re-
naissance zurückdrängen musste. Dass es Ferdinand I nicht an
Liebe und Yerständniss für Kunst fehlte, würde allein schon der
unvergleichliche Bau des Belvedere in Prag bezeugen. Von seinem
Yerständniss der Architektur legte er eine Probe ab, als er 1563
auf der Reise nach Frankfurt die neue Befestigung der Plassen-
burg besichtigte und dem Markgrafen Georg Friedrich in den
*) lieber Maximilian vgl Herberger, K. Peutinger etc. und den Auf-
satz von Horawitz in der Oesterr. Wochenschr. IST 2. I Bd. 18. Heft.
Dazu Hormayr's Taschenbuch 1821 u. ff. passim. — ^) Jos. Feil in den Ber.
des Wiener Alterth. Ver. HI, 229. — ^) Förster's ADg. Bauzeit 1838.
S. 345 ff. — -») Jos. Feil a. a. 0.
Kap. XU. Die dstonreicIiiBclieii Länder. 571
aDge&ngenen Werken etliche Fehler nachwies, welche dem Bau-
meister selbst entgangen waren. ^) Besonders aber theilte er die
damals herrschende Vorliebe für antike Mttnzen, deren er eine
bedeutende Sammlung angelegt hatte.*) Von der Eunstliebe
seines gleichnamigen Sohnes, welcher 1557 Philippine Welser
zu seiner Gemahlin machte, legen die Ueberreste im Schloss
Ambras und mehr noch die Schätze der Ambraser Sammlung in
Wien Zeugniss ab. Im Ganzen beschränkte sich jedoch der
Kunstsinn der habsburgischen Ftkrsten auf Bewährung eines regen
Sammeltriebes und diesem yor Allem sind die kostbaren Schätze
alter und neuer Kunst zu verdanken, welche noch jetzt Wien zu
einer der reichsten Fundgruben für künstlerische Studien machen.
Aber diese ästhetische Gesinnung, so hoch immer sie angeschlagen
werden muss, war nicht durchgreifend genug, um monumentale
Werke yon höherer Bedeutung in grösserer Anzahl zu schaffen.
Die Aufgaben, welche die unruhigen Zeiten grade diesen Herr-
schern stellten, waren zu complicirter Natur, um Müsse und
Stimmung für künstlerische Schöpfungen aufkommen zu lassen.
Das Streben, ihre Hausmacht zu befestigen und zu yergrössem,
die Erwerbung und Sicherung Ungarns, die stete Gefahr der
türkischen Einfälle, die Schwierigkeiten, welche die Behandlung
der deutschen Beichszustände boten. Alles dies noch verstärkt
durch die unheilvolle Feindseligkeit gegen die Sache der Be-
formation, deren Förderung allein den Habsburgern die Ueber-
einstimmung mit dem Streben ihrer Völker und dadurch eine
unbezwingliche Macht und siegreiche BeheiTSchung aller Ver-
hältnisse gegeben hätte, dies zusammen musste für das öster-
reichische Kulturleben beeinträchtigend wirken. Der letzte Habs-
burger dieser Epoche, der durch Gemüthsanlage und Erziehung
gleich unglückliche Budolph U, suchte durch Vernachlässigung
seiner Herrscherpflichten sich die Freiheit für allerlei private
Liebhabereien zu verschaffen, und der Glanzpunkt in seinem
sonst so verdüsterten Leben ist ohne Frage seine Liebe zu den
Künsten. Aber auch bei ihm äusserte sich dieselbe weniger
durch Hervorrufen monumentaler Schöpfungen, als durch An-
sammlung kostbarer Gemälde, Statuen, Juwelen, Schmucksachen,
Mosaikarbeiten und Curiositäten ^). Erst neuerdings haben wir
durch urkundliche Mittheilungen ein Bild von der Lebendigkeit
und dem Umfange dieser Liebhaberei empfangen.^) Rudolph
hatte die für jene Zeit bedeutende Anzahl von 413 Gemälden
0 V. Bttchholtz a. a. 0. VIII, 770. — *) Ebenda, VIÜ, 694. — ») Gindely,
a. a. 0. I, 29. — *) ürlichß in der Zeitachr. f. bild. Kunst V, 47 ff.
572 ni. Buch. Benaissance in Deutschland.
zusammengebracht, darunter einen grossen Theil jener Meister-
werke, welche jetzt noch den Grundstock der Belvederegalerie
bilden. In Italien und Spanien hatte er Unterhändler, welche
für ihn den Ankauf von Kunstwerken betreiben mussten. Nicht
oberflächlich muss die Art seiner Eunstliebe gewesen sein, sonst
hätte er nicht mit solchem Eifer überall den Werken Dürer's
nachgestrebt, von denen er eine Anzahl der bedeutendsten sich
zu verschaffen wusste. Daneben sammelte er Sculpturen in
Marmor und Bronze, antike wie Nachbildungen, rohe und ver-
arbeitete Edelsteine, eingelegte Tischplatten von Pietra dura und
ttberseeische Guriositäten aller Art Auch manche Eflnstler wusste
er heranzuziehen und zu beschäftigen, aber trotz alledem kam es
auch unter ihm nicht zur Entwicklung einer monumentalen Kunst,
einer national-deutschen Renaissance.
Ueberblicken wir die Bauwerke, welche die Renaissance
während der langen Dauer dieser Epoche in dem weiten Umfange
der österreichischen Länder hervorgebracht hat, so finden wir fast
nur fürstliche Bauten und Schlösser des hohen Adels, aber auch
diese in solcher Vereinzelung über das Land verstreut, dass sie
nicht den Eindruck einer intensiven einheimischen Schule, sondern
vielmehr der sporadischen Thätigkeit fremder Künstler ergeben.
Italienische Formen sowohl in der Composition des Ganzen, als
in der Behandlung des Einzelnen herrschen hier während der
ganzen Epoche. Das Unregelmässige in der Anlage nordischer
Bauten tritt zurück; die Thürme, die Wendeltreppen werden fast
völlig zu Gunsten einfacherer, klarerer Grundrissbildung beseitigt
Auch die Erker, die hohen Dächer mit ihren schmuckreichen
Giebeln, der Stolz der deutschen Renaissance, spielen hier keine
hervorragende Rolle. Begreiflich ist es daher auch, dass in den
architektonischen Werken jene naive Mischung gothischer Elemente
mit Motiven der Renaissance, mit welcher der neue Stil fast über-
all in Deutachland auiftritt, hier so gut wie gar nicht vorkommt
Eine Ausnahme machen nur gelegentlich kleinere dekorative
Werke wie ein Flttgelaltar in der Kirche zu So ding in Steier-
mark. Dagegen wirkt überall Italien direkt ein, so dass nament-
lich die Hofe mit Vorliebe nach südlicher Weise durch Arkaden-
gänge, sei es auf Pfeilern, sei es auf Säulen, ausgestattet werden.
Damit hängt zusammen, dass der in Deutschland sonst überall
beliebte Holzbau fast durchgängig dem italienischen Steinbau
weicht, mit Ausnahme der Gebirgsgegenden, welche an ihrem
lokal ausgebildeten Holzbau festhalten. Besonders charakteristisch
ist noch, dass jene geometrische Ornamentik, welche die Motive
der Lederarbeit und des Schlosserstiles in Stein überträgt, eine
Kap. XII. Die «Bteneichiachen Lfinder. 573
da- auBj^bildeten deutschen Renaissance anhaftende Form, in
Oesterreich kaum angetroffen wird. Dagegen erhäU sich kraft
des italienischen Einflasses lange Zeit hindurch eine überaus edle
^
ililiUt
Behandlung des Ornamentes, von welcher wir in Fig. 148—151
einige Proben geben.')
574 in. Bnch. Benaiuanee in DeutKUmnd.
Von den atädtiscben Bauten sind znnfichBt die sogenannten
LandbSnser, d. h. die ftlr ständische Versammlnngen errichteten
Gebäude, ausmscheiden, denn sie verdanken ebenfalls den pri-
Tilegirten Ständen ihre Entstehung und tragen dasselbe kfinst-
leriscfae Gepräge, d. h. das itatieniBche. Wa« sonst in den Städten
Oesterreiebs etwa an bargerlicben Bauten vorkommt, ist an Zahl
und Bedeutung gering. Die spätere Uebersicht wird zeigen, wie
unbedeutend die Zahl der borgerlichen Wohnhäuser aus dieser
Epoche ist An RathhäuBem oder sonstigen Werken der städtischen
Profanbankunst scheint selbst in den mächtigsten und reichsten
' Städten des Eaiserstaates nichts vorhanden zu sein. Wohl mag
die kfinstlerisebe Dekoration sich Überwiegend auf den Fresken-
schmuck der Fa^aden oder wenigstens auf Sgrafßto beschränkt
haben. Aber auch davon sind nur geringe Spuren erhalten.
Dagegen findet man im ganzen Lande, namentlich im Erc-
herzogthum Oesterreich, in Tirol und dem Salzburgischen, wie
in Kämthen und Steiermark noch zahlreiche Schöpfungen der
Schlosser- und Schmiedekunst, die nirgends herrlichere Werke
hervorgebracht hat als gerade hier. Wir geben vorgreifend einige
Beispiele, denen später andere folgen werden: Fig. 152 von einem
Brunnengitter am Franz-Joacpbs-Kai in Salzburg, Fig. 153 ein
Grabkreuz vom Friedhof bei S, Sebastian daselbst, Fig. 154 eine
Hausglocke vom Gasthof zur Post in Hallstadt: zum Beweis,
wie damals das Streben nach künstlerischer Verklärang der
Kap. XII. Die OaterreiehiKheii LKnder. 575
Formea sieh Ober alle Gebiete dee Lebern nnd aelbst des a\i-
tS^HcheH BedOrfniBses erstreckte.*)
Etwas ^nstiger stellt es sich in Bdbmen und Mähren. Hier
war schon anter der Herrschaft Karls IV in der Eweitea Hftifte
des 14. Jahrhunderts eine hohe EulturblOthe herrorgerafen worden.
Durch die Hiusitenkriege wurde zwar Vieles zentSrt, über der
hnssitische und protestantische Geist hatte so mSchtig in dem
Lande sich ausgebreitet, daea er eine hohe geistige Kultur her-
vorrief. Diesem Umstand wird es zuzuschreiben sein, dass das
Land eine grössere FUlIe Ton Monumenten bürgerlicher Baukunst
auch aus dieser Epoche aufweist, und dass der kUnstleriscbe
■) Diese Illnstr. sind einem ÄQ^tie von Riewel in den Hitth. der
Centr.'Conini. 1870 eattebut. Ich verdanke dieselben der gütigen Vemiitt-
Inng des Herrn Dr. K. Lind.
576 in. Baeh. Renaiflsance in Deutschland.
Charakter derselben, abgesehen von einzelnen italienischen Werken
der Frühzeit, weit mehr Selbständigkeit und mancherlei Ueber-
einstimmung mit der deutschen Architektur verräth. Alles dies
haben wir nun durch gesonderte Betrachtung der verschiedenen
Länder näher zu erörtern, i)
Erzherzogthnm Oesterreich.
Die Dürftigkeit einer so mächtigen Stadt wie Wien an
Denkmälern der Renaissance wird immer von Neuem das Stau-
nen des Forschers erregen. Habeu wir es doch mit einer Stadt
zu thun, die schon im Mittelalter sich einer glänzenden Blüthe
rühmen konnte. Freilich lag der Grund zum Gedeihen Wiens
weit weniger in selbständiger Pflege von Kunst und Gewerbe
als vielmehr in dem lebhaften Durchzugs- und Zwischenhandel,
den die günstige Lage der Stadt mit sich brachte.^) An den
Grenzen deutschen Landes gelegen, wurde Wien der wichtigste
Platz des Austausches zwischen dem Westen und dem Osten und
zugleich durch seine Verbindungen mit Italien ein Stapelplatz
für den Handel mit dem Süden und der Levante. Welchen Reich-
thum die Stadt im 15. Jahrhundert erlangt hatte, erkennen wir
noch aus den lebendigen Schilderungen des Aeneas Sylvius. 3)
Er rühmt nicht blos die glänzenden Kirchen, sondern auch die
stattlichen Bürgerhäuser mit ihren reich gemalten Fagaden, den
weiten Höfen, dem prächtigen Hausrath. Besonders fallen ihm
als Zeichen des Luxus die Glasscheiben der Fenster und die
schönen Eisenbeschläge der Thüren auf. Von alledem ist kaum
noch eine Spur vorhanden. Und doch hat schon im früheren
Mittelalter die Stadt eine selbständige künstlerische Entwicklung
erlebt. Die ältesten Theile von St. Stephan, der Kern der Mi-
chaelskirche zeugen, wenn auch nicht von grossartiger, so doch
von feiner Ausbildung des romanischen Stiles. In der gothischen
Epoche kamen dazu reichlichere Werke des Kirchenbaues, aber
erst mit dem Stephansdom erhob sich die Baukunst hier zu einer
der grossen Meisterschöpfungen der Zeit.
0 WerthvoUe Beiträge in AufnahmeD und Notizen verdanke ich den
Herren Prof. H. Ferstel und Dombaumeister Schmidt, Dr. Karl Lind,
Dr. Albert Hg und Architekt Riewel. Eine genauere Durchforschung des
weitgestreckten Grebietes wird mit erschöpfendem Erfolg nur von lokalen
Forschem zu erwarten sein. — ') v. Hormayr, a. a. 0. IV, 120. — ^) Aen.
Sylv. opera (Basil. 1571.) Epist. CLXV p. 718 sq.
Kftp. Xn. Die tfBterreioluBcheii Linder. 577
Um 80 anffalleDder sticht dagegen die Aermlichkeit der Be-
naissanoemonumente ab. Wohl waren es Zeiten, die anch fttr
Wien mancherlei Unruhe nnd Gefahr im Sohoosse trugea Nach
« Maximilians I Tode betheiligte sich die Stadt lebhaft an ' der Em-
pörung gegen die Regierung seines Nachfolgers ; doch wurde der
Aufstand schon 1522 durch Gefangennahme und Hinrichtung der
Rädelsführer niedergeschlagen. ^) Gleich darauf führte die Hin-
neigung zur Reformation zu jenen Verfolgungen und Ketzer-
verbrennungen, von denen schon oben die Rede war. Anderer-
seits drohten wiederholt die Einfälle der Türken, die 1529 durch
Zapolya's Verratfa nach Ungarn gelockt, Oesterreich und Steier-
mark Aberzogen, aber durch den Heldenmuth der kleinen Be-
satzung von Wien zurückgetrieben wurden. Die tapferen Bewoh-
ner hatten damals ihre Vorstädte selbst zerstört und mit deren
Holzwerk die Basteien befestigt Die neue Türkengefahr 1532
wurde zwar durch Pfälzgraf Friedrich rasch zurückgeschlagen;
aber 1541 rafite die Pest den dritten Theil der Einwohner hin.')
Zugleich steigerte sich der Kampf gegen die Anhänger der Re-
formation, ja 1551 wurden die ersten Jesuiten nach Wien berufen,
um der allgemeinen Bewegung nachdrücklicher entgegenzutreten.
Zur selben Zeit ward die menschenfreundliche Verordnung erlassen,
dass alle Juden zur Unterscheidung einen gelben Tuchlappen am
Oberkleid auf der linken Brust tragen sollten.*) Wenige Jahre
später suchte man sie gänzlich zu yertreiben, ohne jedoch damit
völlig durchzudringen. Mildere Zeiten kamen erst seit 1556; aber
bald darauf drohte dnrch Suleiman gewaltiger als je zuvor ein
neuer Einfall der Türken, durch Zrin/s Heldentod aufgehalten,
und durch des Grossherm Fall vor Szigeth vereitelt Endlich ist
1570 das abermalige Auftreten der Pest, 1596 wiederum ein
drohender Türkeneinfall zu verzeichnen. Aber alle diese Gefah-
ren und Unruhen sind doch nicht ausreichend, um den Mangel
an Denkmälern dieser Epoche zu erklären. Wohl mag die letzte
Türkenbelagerung vom Jahre 1683 in den Vorstädten manches
Werthvolle zerstört haben; namentlich werden die Häuser und
Gärten des Adels, von denen noch Merian uns Abbildungen über-
liefert hat,^) damals zu Grunde gegangen sein; dass aber in der
inneren Stadt so Weniges erhalten ist, wird man grösstentheils
aus der gewaltigen Bauthätigkeit zu erklären haben, welche seit
dem Ausgang des 17. Jahrhunderts ganz Wien umzugestalten
begann.
>) TBcbischka, a. a. 0. S. 284. — *) Ebenda S. 299. — >) Ebenda S. 311.
— ^) Topogr. German. Tom. X.
Kogler, Oetch. d. Bank. V. 37
578 ^- Bueh. Benaifleanoe in DentachUiid.
Das erste Auftreten der Renaissance hat man wahrseheinlich
in dem ttberans eleganten iPortal der SaIyator4capelle zu
erkennen. Die Entstehiraig dess^elben wird mit A^m Breye Papst
Leo's XO vom 10.' Juni 1515 zusammenhängen, welches y^rordnete,
dass die Kapsle des Rathhauses kttnftig den Namen St Salva-
töris fuhren solle. Dies gab d^em Stadtratfa Veranlassung, die
eüsten Salyatorsmedaillen ausprägen zu lassen, wahrsohldinUch
auch data Portal zu errichten, welches nicht blos in seiner Oom-
positioli, sondern auch in der Ausführung auf die Hand ober-
italieniseher Künstler hinweist Das Portal') wird yon reich
dekorirten Pilastem eingerahmt, yor welche Säulen mit ffei be-
handelten GonLpositakapitälen treten, die Schäfte am Fubs über-
trieben stakk eingezogen, zum Theil kannelirt, zum Theil mit
kriegeiischen Emblemen bedeckt, ganz im Stil der spielenden
Fftthrenaissance Oberitaliens. Ueberaus elegaüt sind die yon
Si^nzgestalten auslaufenden Akanthusranken des Frieses, die
Zahnschnitte, Perlschnttre, Blattkymatien des Hauptgesimses und
der andern Glieder. Die Bekrönung bildet ein Halbkreis mit
cassettirter Laibung, in welchem die Halbfiguren Christi Und der
Madonna als Hochrelief erscheinen, während auf den Ecken zwei
kleinere Kriegergestalten offenbar an die Stifter der Kapelle, die
ritterlichen Brüder Otto und Haymo, erinnern tioUen. Das Ganze
in seiner Zierlichkeit athmet den Geist echt italienischer Frtth-
renaissanee.
Weiter sind hier mehrere Grabdenkmäler anzureihen. Zu-
nächst in St Stephan am westlichen. Ende des nördlichen
Seitenschiffes das Epitaphium des 1529 yerstorbenen Doctor Jo-
hannes Guspis mit seinen beiden Frauen, aus rothem Marmor
gearbeitet, in sehr schlichter derber Kenaissanceform, die Nische
mit den Brustbildern yon Pilastem eingefasst, der Bogen mit
einer Muschelfüllung, im unteren Felde die Angehörigen in einer
durch dorisirende Säulchen getheilten Halle knieend. Reicher
und grösser im nördlichen Kreuzarm das Epitaph des Domherrn
und ehemaligen Kaplans Kaiser Max I, Nicolaus Engelhardt
(t 1559), auch dies noch im Stil zierlicher Frührenaissanoe. Ein
Hauptdenkmal ist das grosse Bildwerk yon 1540, welches am
Aeusseren der südlichen Chorseite angebracht, in der Mitte Maria
und Christus, umgeben yon Relief darstellungen der sieben Schmer-
zen Maria enthält Eingefasst yon sehr eleganten Pilastern mit
korinthisirenden Kapitalen, die Flächen zwischen den Bildfeldern
') Tacbiflchka, S. 221. — *) Eine treflfliche Abbildung desselben hat
H. Riewel yeröffentlicht.
Kap. XII. Die österreichiBchen LSnder. 581
mit schönem Blattwerk von leichtestem Flusse, mit spielenden
Genien, phantastischen Drachen u. dgl. ausgefbllt, Alles noch
entschieden im Charakter der Frührenaissance, fein und elegant
Erkennt man hier die Hand eines vorzüglichen Meisters, so sind
dagegen die einfassenden Pilaster, welche die zehn Passionsbilder
an der südöstlichen Ecke dös kleinen Choranbaues umfassen,
von sehr geringem Verständniss der neuen Formen, wunderlich
und primitiv behandelt, in seltsamem Contrast mit der grossen
Freiheit und Lebendigkeit der figtlrlichen Scenen, die einen dem
Adam Erafil ebenbürtigen Meister verrathen. — Ein Senaissance-
grab von 1524 sieht man sodann in der Deutschordenskirche,
ein sehr elegantes vom Jahre 1548 in der Michaelskirche. Es
ist das grosse am südwestlichen Pfeiler des Ereuzschiffes an-
gebrachte rothmarmome Epitaph des Georg von Liechtenstein,
mit fein dekorirten korinthisirenden* Pilastem eingefasst, eben-
falls noch im Geiste der Frtthrenaissance. Wie dasselbe Motiv
kurze Zeit darauf schon trocken und nüchtern umgestaltet wird,
erkennt man in derselben Kirche an dem Grabmal im nördlichen
Seitenchor vom Jahr 1561.
Die Bürgerhäuser aus jener Zeit haben wahrscheinlich ihren
künstlerischen Schmuck hauptsächlich durch Fresken empfangen,
nach deren vollständigem Verschwinden — denn es scheint keine
Spur davon mehr vorhanden zu sein — die Fa^aden ohne alles
Interesse sind. Wohl tritt hie und da noch ein Erker auf, aber
ebenfalls ohne charakteristische Ausbildung. Bedeutender ist
wahrscheinlich die Architektur der Höfe gewesen, deren Statt-
lichkeit und Weite schon Aeneas Sylvius auffiel Diese grossen
Höfe, oft zu mehreren an einander gereiht, so dass daraus
'Durchgänge von der einen Strasse in die andre entstehen, ge-
hören zu den Eigenthümlichkeiten der inneren Stadt Aber von
künstlerischem Gepräge ist nur ein einziger aus jener Zeit er-
halten, in dem Hause am Graben No. 14 (Fig. 155). In stattlicher
Anlage^) wird derselbe auf drei Seiten von Arkaden umzogen,
welche ausser dem Erdgeschoss die drei oberen Stockwerke um-
ziehen. Die Arbeit ist nicht gerade von besonderer Feinheit, aber
kräftig und charaktervoll in den ausgebildeten Formen der Be-
naissanee, wie sie etwa um die Mitte des 16. Jahrhunderts zur
Verwendung kamen. Im Erdgeschoss ruhen die Bögen auf tos-
*) Die Abbild, verdanke ich der gütigen Verwendung des Herrn Dr.
Karl Lind, durch welche mir von diesem und mehreren anderen Holz-
schnitten aus den Mitth. der C. Comm. und dem Jahrb. des Wiener Alterth.
Vereins Clichö's bewilligt wurden.
582 in. Buch. BenaiBsaiioe in DeatBchkad.
kamflchen Säulen, darflber folgen stelenajrtig verjüngte Pfeiler,
dann ionisehe Sftulen mit dem hohen Hals der Benaissaneeeeit
und mit verschiedenartig gewundenen Schäften; endlich im ober-
sten Stock korinthisirende Säulen^ abwechselnd mit gegürteten
und unten kannelirten Schäften; sämmtliche Stützen im Anschluss
an die niedrigen Stockwerke von sehr kurzen Verhältnissen. Die
Kreuzgewölbe der Arkaden ruhen in den Wänden auf Consol^a;
die Balustraden der einzehien Arkadenreihen sind geschlossen
und mit einem Bahmenprofil versehen. Zwei Wendeltreppen, eine
untergeordnete links, die Haupttreppe dagegen rechts, sind in
den vorderen Ecken des Hofes angebracht Die Haupttreppe,
auf unserer Abbildung sichtbar, empfängt durch Pilaster, welche
in eigenthümlicher Weise mit Gonsolen verbunden sind, sodann
durch zierliche gothische Maasswerkbrüstungen eine angemessene
Qliederung. Die Anlage dieser Treppe ist weit und stattlich, die
Spindel zeigt in ihren Profilen mittelalterliche Formen; von be-
sonders schöner Wirkung ist aber das Netzwerk verschlungener
Stäbe, welches mit Bosetten und kleinen Köpfen geschmüdLt die
ganze Unterseite der Wendeltreppe bedeckt Es ist dieselbe Be-
handlung wie an der schönen Treppe im alten Schloss zu Stutt-
gart Den oberen Abschluss des Treppenhauses bildet hier wie
dort ein elegantes gothisches Sterngewölbe. Wie einfach aber
diese Häuser ihre Strassenfagade bildeten, und wie sehr sie auf
farbige Dekoration rechneten, sieht man auch hier, da selbst das
Portal die grösste Schlichtheit zeigt
Wie diese Hofanlagen später in's Nüchterne übersetzt wur-
den, erkennt man u. A. an dem Hause No. 6 am Bauernmarkt,
wo die gedrückten Arkaden des Hofes in allen Geschossen auf
trocknen toskanischen Säulen ruhen^ Das Haus trägt freilich die
späte Jahrzahl 1662.
Fast noch unbedeutender ist, waa die Benaissanoe au der
Kaiserlichen Burg hinterlassen hat Die umfangreichen Gre-
bäude bilden ein Gonglomerat aus sehr verschiedenen Zeiten*
Ursprünglich von Leopold dem Glorreichen erbaut, war sie 12f75
durch einen Brand verheert, aber unter Albrecht I von einen
Meister MarHn Bmchperger von Osnabrück wieder hergesteUt.
worden. ^) Eine Kapelle wurde 1 298 erbaut, die jetzt vorhandene
aber Hess Friedrich IV 1440 erriohten. Umfassendere Umg^atid-
tungen scheinen unter Ferdinand I stattgefunden zu haben. Der
aus seiner Zeit herrührende Kern des Baues besteht aus drei
Flügeln, welche den ungefähr qiaadratischen Schweizerhof ein-
>) Tschischka a. a. 0. S. 221.
Fl(. IH. SablOMhof in BctMlahDrs.
Kap. Xn. Die dsterreichischen LSnder. 5g5
fassen. Den alten Zustand erkennt man auf dem 1547 von
Bomfams Wohmiei entworfenen Plan der Stadt und auf der von
1552 datirenden Abbildung von Harn Sebaid Lautensack, auf wel-
cher man das in demselben Jahr errichtete Portal mit dem Namen
und den Titeln Ferdinands sieht Der Durchgangsbogen dieses Por-
tals enthält den einzigen Best der künstlerischen Aussmückung
jener Zeit Das flache Spiegelgewdibe desselben ist in trefTlicher
Eintheilung mit hübschen Fresken bedeckt Die blauen Haupt-
felder enthalten Wappen zwischen Goldomamenten ; mit ihnen
wechseln weisse Felder mit vielfarbigen Arabesken im phan-
tastischen Stil üppig entwickelter Renaissance, nicht gerade von
besonderer Feinheit, aber lebensvoll und von harmonischer Wir-
kung. Die Spiegelfläche schmückt das österreichische Wappen
auf blauem Grund. Gemalte Bronzehermen, in grauen Feldern
in den vier Ecken angebracht, scheinen das Mittelfeld zu halten.
Der Name des Malers, der sich dabei selbst conterfeit hat, heisst
Batäsia Parti. Das ist alles was hier von Benaissance vorhan-
den. Die 1559 für Maximilian II erbaute^) sogenannte Stall-
burg zeigt nichts Bemerkenswerthes.
Eben so wenig ist im Landhaus etwas aus dieser Zeit er-
halten. Die Dekoration des . grossen Saales datirt aus späterer
Zeit. Wie sehr es übrigens während der ganzen Epoche in Wien
gebräuchlich blieb, italienische Künstler heranzuziehen, sieht man
daraus, dass als 1542 bis 1561 die Stadt neu befestigt und mit
Basteien umgeben wurde, neben den deutschen Architekten
Hermes Schallantzer^ Oberbaumeister der Stadt, Augustin Hirsch-
vogel und Bordfacms Wolmuet auch die Italiener Francesco de Poco
von Mailand und Domenico Illaiio aus Eärnthen zur Verwendung
kamen. ^) —
Ein Prachtstück italienischer Benaissance besitzt Wiener-
Neustadt in dem Hauptportal der jetzigen Artilleriekaserne,
laut der schönen lateinischen Inschrift 1524 durch Ferdinand I
als Zeughaus erbaut Das Portal nimmt die Mitte des östlichen
Flügels an dem sonst unscheinbaren Bau ein, gegenüber dem
alten Schloss, dessen Kapelle ein reiches Werk spätgothischer
Zeit Die Benaissance hat hier dem Mittelalter gegenüber ihr
Bestes versucht und ein kleines Meisterstück geschaffen. Elegante
Bahmenpilaster mit antikisirenden Eaiserköpfen in Medaillons
bilden die Einfassung. Die Kapitale, frei korinthisirend mit
Akanthus, Greifen und Genien, gehören zum Besten der Be-
naissance. Die Bogenlaibung zeigt Engelköpfchen in flachen
0 TscfaiBchkii a. a. 0. S. 313. — >) Ebenda S. 301 ff.
586 ^* Buch. Benaiasance in Deatschland.
Gassetten, In den Bogenzwickeln bilden die Fttlluiig sohöBo
Brustbilder, ein männlichefl und ein weibliche», eingefasst in
Kränze mit flatternden Bändern. Darüber ein krönendes Giebel«'
feld mit dem grossen reichbemalten Wappen, das voa zwei Grei-
fen bewacht wird. Die Gomposition des Ganzen, die Feinheit
der Ausführung, die Eleganz der architektonischen Glieder, das
Alle» zeugt ftlr einen italienischen Meister. An der Bflckseite
der. Kaserne ein kleineres Portal aus derselben Zeit mit gleich^
lautender Inschrift, in Anlage und Ausstattung einfacher. Am
Gebälk halten zwei etwas steife Genien das ebenfalls bemalte
Wappen. —
In den übrigen Theilen des Erzherzogthums sind allem An-
scheine nach ein Paar Schlossbauten das WerthvoUere aus dieser
Epoche« Zunächst das Schloss Schalaburg bei Molk, zwischen
1530 und 1601 hauptsächlich unter Johann Wilhelm Ritter von
Losenstein errichtet Da dasselbe durch die Aufnahmen der
Wiener Bauschule veröffentlicht ist, kann ich mich auf einige
Andeutungen beschränken. Die ältesten Partien scheinen bis in's
13. oder gar in's 12. Jahrhundert hinaufzureichen. Den kttnst*
lerischen Kern der Anlage bildet jedoch der Hof mit seinen
prächtigen Arkaden, von denen ich unter Fig. 156 nach einer
Photographie mit Zuziehung jener Aufnahme eine Anschauung
gebe« Auf drei Seiten umgiebt den Hof ein Bogengang auf
Säulen, darüber eine Galerie auf Pfeilern im ersten Stock, zu
welcher zwei mit zierlichen Eisengittem eingefasste Tropen
hinaufführen. Hier herrscht die höchste Opulenz der Ausstattung:
die Säulen bestehen aus. rothem Marmor; die Stylobate d^
oberen Pfeiler sind mit Reliefdarstellungen der Thaten des He*
rakles in zierlichen Nischen geschmückt; dazu kommen phan«
tastisch behandelte . l^ermenaxtige Figuren, als Bekleidung der
Pilasterflächen; ferner an den Bogenzwickeln die Wappen der
Familie Losenstein und ihrer Verwandten und endlich zahlreiche
Portraitbüsten am oberen Fries. Die Innenwand der Galerie ist
mit grossen Medaillons römischer Kaiser geschmückt Wunder-
lich, fast im Charakter mittelalterlich- romanischer Bauten sind
die ionischen Halbsänlchen vor den Pilaßtem des oberen Bogen-
feldes, wie denn überhaupt die Gomposition nichts weniger aU
correct, vielmehr sehr willkürlich sich ausweist Muss msai dann
wohl das Walten eipheimischer Künstler erkennen, so zeugen
dagegen die herrlichen ornamentalen Reliefs, welche die 3eitHir
fläche^ der oberen Pfeiler bedecken, bei reichster Erfindungs«
gäbe Ton italienischer Anmuth. Noch merkwürdiger, dass- diese
köstlichen Reliefs sämmtlich aus gebranntem Thon bestehen. Die
K>p. XU. Die OitenäohiacheD LSoder. 5S7
Proben, w^che ieh nosh den Auftiahmea der Wiener BaoBehulfl
onter Figg. 148— 151 gab, zeigen eine- Beh&odluDg des Orna-
ment», die italienisobe Kunst veirftth, fa es scheint unzweifelhaft,
dau man die Model zu diesen im ganzen Bildlichen Deutschland
nnb^annten DekoratianMi aus Oberitalien bezogen bat Es
herrscht in ihnen jene stilrolle Behandlung des Laubomaments,
die in Deutachland sehr bald durch lineare Formspiele verdrAngt
wurde. Ausserdem kommen hier holzgesohnitzte Flächendeto-
Flfg- U7— IW. HoliainMatiila lu SduUbDr«.
rationen vor, die aus einer auegesparten Zeichnung auf leise ver-
tieftem Grunde besteben. Von ihnen fUgea wir in Fig. 157 u. 158
eine Probe bei. Die Aufnahmen, denen wir dieselben verdanken,
geben eine hohe Vorstellung von dem geschmackvollen Reich-
thum des Ganzen.
Höchst groBsartig scheint sodann die unfern von Eggenburg
gelegene Roseuburg, 1593 durch Sebastian Grabner zu Rosen-
berg und Pottenbrunn errichtet. Es ist nach den Schilderungen*)
■> ÜMb gcf; MltthsflODfen des Harro Dr. K. Lind.
588 ^- Bach. Renaissance in Deutschland.
eine bedeutende, im Wesentlichen noch mittelalterliche Anlage,
auf steiler Felskuppe malerisch entwickelt, aber mit einem Be-
naissancehofe und italienischen Loggien geschmückt Ausser der
eigentlichen Burg umfassen die mächtigen Ringmauern einen sanft
ansteigenden Hofraum von 123 Schritt Länge bei 60 Schritt
Breite, noch heute in seinem Namen ^ Turnierplatz*' die ehe-
malige Bestimmung andeutend. Ihn umgeben rings Arkaden.
Wände und Pfeiler waren bemalt. An der Burgseite schliesst
den Platz eine etwas niedrige Mauer mit 14 Nischen, in denen
Statuen von Helden der römischen Geschichte aufgestellt waren.
Ein Triumphbogen mit Pyramiden und Löwen geziert führt zur
Brücke über den inneren Burggraben und zur Burg, die man
durch einen massiven Thorthurm mit zwei zierlichen Galerien
betritt Man kömmt nun in den ersten Burghof, links der grosse
Saalbau, rückwärts zur Bechten ein mächtiger Thurm. Zwischen
diesem und einem dahinter liegenden ebenfalls ein Viereck bilden-
den Bau zieht sich ein Graben, lieber eine Zugbrücke gelangt
man in diesen Theil des Schlosses, der 1614 durch den damali-
gen Schlossherrn Yincenz Muthinger von Gumpendorf erbaut
worden ist Hier fällt vor allem eine schöne Freitreppe von
breiten Quadern auf; um den ganzen 'Hof herum waren unter
dem Gesimse Standbilder von gebranntem Thon angebracht, von
denen bereits etliche fehlen. Was die zahlreichen Gemächer
selbst betrifft, so sind sie meistens sehr einfach ausgestattet
Bemerkenswerth ist indess das Holzgetäfel am Plafond des Prunk-
saales, der farbig glasirte Estrich einiger Gemächer, sowie die
reichen Stuccodecken und zierlichen Oefen. Die Kapelle aus der
Grabner'schen Zeit hat noch gothische Beminiscenzen. Diese
grossartige Burg, durch mehr als ein halbes Jahrhundert unbe-
wohnt und dem Verfalle anheimgegeben, wird gegenwärtig durch
die Sorgfalt des jetzigen Besitzers stylgemäss hergestellt
Unweit von dort liegt das Schloss von Göllersdorf, mit
Wassergraben umgeben, erbaut um 1545 bis 1596, leider stark
verwahrlost und theilweise modemisirt Das Hauptthor mit dem
gräflich Suchheim'schen Wappen und der Jahreszahl 1551, ist
eine ebenso nüchterne als lahme Composition. In der Capelle,
einem Bau aus dem Ende des 15. Jahrhunderts, herrliche Holz-
verkleidung und Stühle (1611). Im ersten Stockwerke gegen den
Hof eine offene Galerie, zwar in gedrückten Spitzbogen errich-
tet, sonst aber völlig im Charakter der Renaissance. Im Thurm-
gemache ein sehr schöner Kamin mit vielen Figuren und der
Jahreszahl 1615. Die Schneckenstiege, höchst merkwürdig, bis
auf den Dachboden fUhrend, hat sicher nicht ihres Gleichen im
Küp. XII. Die OfterreichiBchen Länder. 589
ganzen Lande. An der Unterseite sind Reliefomamente aller Art
angebracht, Thiere, Jagdscenen, Büsten etc. und die Jahrzahl
1555. — Ein sehr schöner Renaissancebau von 1650 ist die Burg
Sehleinitz bei Eggenburg, leider bereits sehr verfallen. Der
mit Mannorplatten belegte grosse Saal im zweiten Stockwerk
bat einen vorzüglichen Stuccoplafond. Sodann das nordöstlich
von Wiener -Neustadt gelegene Schloss von Ebreichsdorf, eine
ehemalige Wasserveste, im Viereck erbaut mit mächtigem Thurm
an einer Ecke, leider stark restaurirt; sehr interessant die Wappen-
reihe über den Bogen des Erdgeschosses der Hofseite, um 1560.
Am Friedhofe daselbst steht eine Tumba, als Bekrönung des
Gmfthügels, in dessen Gewölbe sich das Erbgrabmal der Familie
Beck V. Leopoldsdorf befindet Die Tumba, im Stile der reinsten
Renaissance gebildet und mit vielen Wappen geziert, gehört in
die letzten Jahre des 16. Jahrhunderts. In Gaming zfthlen von
den noch bestehenden Gebäudetheilen der ehemaligen Earthause
die Praelatur mit dem prachtvollen Bibliotheksaal, ferner der
zweite Elosterhof mit den offenen Galerien, endlich und zwar
insbesondere das herrliche Kirchenportal noch zur guten Re-
naissance. Sie entstanden 1609 unter Prior Hilarion. — In
Klosterneuburg ist das ältere Gonventgebäude, ein Bau aus
dem Ende des 16. Jahrhunderts, namentlich aber der Priester-
gang als Werk der Renaissance sehr beachtenswerth. Ein ande-
rer ebenfalls als bedeutend geschilderter Bau ist endlich das
Schloss von Michelstätten. Es stammt aus der Zeit um 1600
und gehört seinen Formen nach den letzten Jahren der schönen
Renaissance an. Vor allem wird es dadurch merkwürdig, dass,
während damals die feudalen Grossgrundbesitzer auf den neu
entstandenen Landsitzen die Wehranlagen auf ein Minimum be-
schränkten, um eine reiche Entfaltung des Bauwerks nach Aussen
möglich zu machen, bei diesem Gebäude das Gegentheil befolgt
wurde. Nach Aussen wehrhaft, düster, schmucklos angelegt, er-
hielt das Schloss im Innern eine Doppelreihe rundbogiger auf
Säulen ruhender Arkaden, wodurch offene Hallen, Galerien, ge-
räumige Vorplätze und Communicationen ermöglicht wurden. Im
Grundrisse bildet das Gebäude ein Sechzehneck, das nach Aussen
nur die mit kleinen Fenstern versehenen Feuermauem und an
den Ecken Strebepfeiler zeigt; das Dach hat nur eine Ab-
schrägung und zwar gegen Innen, ist somit an der Aussenseite
nicht sichtbar. In Mitte des Hofes ein mächtiger, prachtvoller
Renaissance-Brunnen, die untere Schale ein Sechseck, die obere
muschelförmige Schale rund; die untere mit Wappen. Das Ganze
mit wasserspeienden Genien, Larven, Trophäen und Blumen-
590 III- Buch. RenalsBSDoe in Deatschland.
festons geBcbmtlekt — Ob Ton den bei Merian dargestellten SehlSs-
sero Wiadhag, das !d mehreren Prospekten ausftlhrlioh ror-
gtifUbrt ist, Prag:tlial und 2eilern in Unterösterreich noch
etwas verbanden ist, Terma; ich nicht za sagen.
An bürgerlichen Bauten ist ttberall, auch in den andern
Städten des Eraberzogtbums, grosser Mangel Bezeichnend ist,
p](, IM. Altt Qati^dstaiiUa In 8tel«.
dass z. B. Orte wie Linz, die herTlicb gelegene Hauptstadt von
OberOsterreicb, keine Spur von Renaissancebauten zeigen. Nur
von der BlUthe des Eunstbandwerks dieser Epoche, die auch
hier vorhanden gewesen, geben mehrere Reste von gemalten
Fajenceöfen im Museum dieser Stadt Zeugniss. Mehrere inter-
essante Kacheln mit Reliefs bibliseher Geschichten in reicher
Polycbromie zeigen noch die Formen der Frtlhrenaissance, dUrf-
Eap. XII. Die {fBterrfllchfBcheii Länder. 591
tmaho der Mitte des tS. Jahrhunderts angeh£)rai. Ein grosser
piAcbtig gemalter and rOllig erhaltener Ofen, von Wildshat
et«in«Dd, gehOrt dem Schlüsse dieser Epoche an. Blau, 'weiss
and gelb sind die TortaetTBcbenden Töne; gelbe und 'weisse
Fmefatgewinde fassen die Felder mit den Beiterbildern der sieben
EarfOntra, des Kaisers Leopold, und des Grafen von Stahrem-
berg tm. Auf den Ecken bilden römische Krieger als Hermen
den Abseblnss.
Zu den alterthllmlichsten und anziefaendsten BtSdten des
Landes gebort Steier. Aber obwohl eine charaktervoHe Gothik
hier nicht blos in kirchlieben, sondern selbst in ProfanbitUten
vertreten ist, geht die Renaissance wieder fast leer aus. Nur
das Eornba.u8 mit seiner SgrafBtofa^adc ist ein origineller Bau
vom Ende der Epoche, Wir geben in Fig. 159 nach den Auf-
nahmen der Wiener Bauschule die einfach und doch reizvoll be-
handelte Fagade, die besonders durch den doppelten Giebel eine
markante Physiognomie erhält Der Charakter der Sgraffiten,
die sich in richtiger Auffassung der Aufgabe auf blosses Um-
rahmen der OefFnungen beschränken, wird durch Fig. 160 deut-
licher veranschaulicht.
Die meisten Hpuren der Renaissance scheinen die Gegenden
nördlich der Donau, welche an Böhmen und Mähren grenzen,
592 ni. BnciL RenaiBsance in Deatsohland.
namentlich das Viertel unter dem Manhardsberg, wohin auoh die
Rosenburg und Sehloss OöUersdorf gehd^n, zu enthalten. Hier
ist auoh am ersten von einer eigentlich deutschen Benaissanoe
zu reden. In Znaim soll das Bathhaus Renaissanceformen zei-
gen, in Krems wird ein Privathaus mit zierlichem poljgonem
Erker, daran Reliefs von Landsknechtscenen, höchlich gerOhmt
Besonders anziehend aber scheint Eggenburg, ein kleines, sehr
interessantes Städtchen mit einer lärche theils romanisch, theils
goihisch, — und mit einer vollständig erhaltenen Stadtbefestigung
aus dem 16. Jahrhundert. Bemerkenswerth vor Allem das sog.
gemalte Haus, mit braunen Sgraffitozeiehnungen an der ganzen
Aussenseite überzogen. Wir finden Soenen der biblischen Ge-
schichte mit riesigen Figuren, etliche mythologische Darstellungen
und statt der Gesimsleisten Spruchbänder mit Inschriften theils
religiösen, theils heiteren Inhalts. Als Anfertigungszeit ist der
Mai des Jahres MDXLVII auf einem Schriftbande angegeben.
Das Haus selbst zeigt in den Thorbögen, Fensterrahmen und
Thttren den Charakter der Renaissance, die unteren Räume sind
stumpfspitzbogig überwölbt, gegen den Hofraum theilweise eine
rundbogige Arcatur. Der Erker hat noch den Charakter der
Spätgothik.
Steiermark und Kärnthen.
Auch in Steiermark wurde die Renaissance durch die Kunst*
liebe der Fürsten und des Adels eingeführt ; aber auch hier blieb
sie wesentlich das Erzeugniss fremder Künstler. Die bedeuten-
deren Bauten des Landes scheinen in der That italienischen
Ursprunges. Der künstlerischen Entwickelung gereichte es zu
besonderer Förderung, dass die Landeshauptstadt eine Zeit lang
Sitz einer selbständigen fürstlichen Seitenlinie war. Unter Erz-
herzog Karl II begann die Renaissance sich zu entfalten-, auch
Erzherzog Ernst und im Ausgang der Epoche Erzherzog Ferdi-
nand, als Ferdinand H nachmals deutscher Kaiser, wandten dem
künstlerischen Schaffen ihre Theilnahme zu.
Das Selbständigste und Bedeutendste indess, was das Land
in dieser Epoche hervorbrachte, waren die Schöpfungen der
Kleinkünste und Kunstgewerbe. Zunächst sind die Arbeiten der
Töpfer hervorzuheben, von denen mehrfach in den prächtigen
Oefen der Schlösser ansehnliche Proben vorliegen. So in der
Burg zu Graz, in den Schlössern Murau, Riegersburg,
Hollenegg und Schrattenberg. Vor Allem aber zeichnet sieh
Kap. XII. Die ÖBterreichisciieii Lttnder. 595
die Steiermark seit alten Zeiten durch ihre Eisenindustrie aus,
die im Mittelalter und mehr noch in der Epoche der Benaissance
zu einer wahrhaft kfinsüerischen Durchbildung der Schlosser-
und Schmiedearbeit geführt hat. Noch jetzt trifft man im ganzen
Lande I nicht bloss in den Städten, sondern auch an schlichten
Bauerhäusem zahlreiche Beste dieser charakteryoUen Werke.
Auch über die benachbarten Gebiete von Salzburg, Tirol und
Oeeterreich erstrecken sich diese schönen Arbeiten. Ein treff*-
liches Beispiel bietet der in Fig. 161 abgebildete Brunnen in
Brück an der Mur. Trotz des späten Datums 1626 ist er in
technischer Ausftihrung und stÜYoller Behandlung den Werken
der besten Zeit ebenbürtig. Man liest an ihm den Spruch:
Ich Hans Prasser
Trink lieber Wein als Wasser.
TrSnk ich das Wasser so gern ab Wein,
So könnt ich ein reicher Prasser sein.
Mit diesem humoristischen Spruch hat wahrscheiolich der kunst-
reiche Meister seinen Namen rerewigen wollen.
Mit dieser Blüthe des Kunsthandwerks contrastirt auch hier
in auffallender Weise die Dürftigkeit der architektonischen Pro-
duktion. Nur die Landeshauptstadt Graz scheint durch ansehn-
lichere Werke der Benaissance sich auszuzeichnen. Der wich-
tigste und an sich sehr bedeutende Bau ist das Landhaus, mit
welchem Namen man in Oesterreich die für die ständische Ver-
tretung errichteteu Gebäude bezeichnet Aber auch dieses Monu-
ment trägt so entschieden das Gepräge italienischer Kunst, dass
man es als Werk fremder und zwar oberitalienischer Meister
bezeichnen muss. Die sehr ausgedehnte Fagade, die über dem
Dach von einem unbedeutenden Glockenthurm überragt wird, ist
im Erdgeschoss von einer Beihe thorartiger Oeffhungen durch-
brochen, die wohl für Kaufläden bestimmt waren« Die beiden
Hauptgeschosse haben gekuppelte Bogenfenster, paarweise durch
antikisirendes Gebälk und Gesimse abgeschlossen. Dies ist völlig
im Charakter der Paläste von Venedig und Verona, üeber dem
Hauptportal bildet sich eine selbdritt zusammengeschlossene
Gruppe, die im zweiten Stock, wieder in venetianischer Weise,
mit einem auf kräftigen Consolen ruhenden Balkon verbunden
ist Das oberste Geschoss hat kleine Mezzaninfenster. Im Uebri-
gen ist die Fagade ohne Gliederung, die Flächen verputzt, aber
wohl ursprünglich bemalt Das Hauptportal , von stark veijüngten
kannelirten toskanischen Pilastem eingefasst und von kräftigem
Consolensims bekrönt, zeigt in den Bogenzwickeln das Wappen-
thier Steiermarks, den feuerspeienden Panther. Die Fagade so-
38*
596 UI. Buch. BeniUBsance in Deutschland.
^ie der ganze Kern des Baues ist im Charakter itaUenischer
Hochrenaissance durchgeführt, edel und klar, eben so frei von
der spielenden Dekoration der Frühzeit wie von den entarteten
Formen des Barocco. Nur an dem zweiten etwas einfacheren
Bogenportal, an der linken südlichen Seite, sieht man gebrochene
Giebel als Bekrönung. Ein weiterer Zusatz, von 1644 datirend,
enthält ein prächtiges Portal in kräftig entwickelten Formen,
flankirt von Nischen mit etwas manierirt bewegten Statuen.
Prachtvolle Thttrbeschläge und Klopfer, sowie schön componirte
Gitter an den Fenstern zeugen yon der Tüchtigkeit der kunst-
reicben Schlosser und Schmiede. Am Fries über dem Portal
sind die Wappen Yon fünf steirischen Adelsfamilien angebracht
Das Hauptstück des ganzen Baues ist aber der grosse Hof
mit seinen edel durchgebildeten Pfeilerhallen, von denen Fig. 162
eine Anschauung giebt Durch einen grossen Flur mit Tonnen-
gewölbe und Stichkappen auf dorischen Pilastem gelangt man
in diesen Hof, der ein mächtiges Rechteck bildet, an der öst-
lichen Frontseite von zehn Arkaden, an der nördlichen Ton
fünfen eingefasst In der nordwestlichen Ecke ist die Freitreppe
angelegt, die in steigenden Arkaden zum Hauptgeschoss auf-
wärts führt Der westliche Flügel ist ein brillanter Rococobau,
der den Ständesaal enthält In der einspringenden Ecke an der
Treppe liegt die Kapelle, ebenfalls ein späterer Kuppelbau. Der
südliehe Flügel endlich ist ein charakterloser modemer Zusatz.
Der Hof erhält durch die in einfach edlem Dorismus italienischer
Hochrenaissance durchgeführten Arkaden den Eindruck vorneh-
mer Gediegenheit, die durch die Ausführung in trefflichem Qua-
derbau gesteigert wird. Die Wasserspeier mit ihren Tragstangen
sind kunstreich durchgeführt (vgl. Fig. 163). Auch die Wetter-
fahne des Uhrthurms mit dem feuerspeienden Panther zeigt cha-
raktervolle Behandlung. Die Haupttreppe zum Vorderbau führt
im östlichen Flügel mit gerade gebrochenen Läufen ins obere
Geschoss,'wo sie auf kraftvoll behandelte Bogenportale mündet
Alles dies ist im Geist italienischer Kunst durchgeführt
Der sogenannte Rittersaal, der sich im westlichen Flügel
neben dem Ständesaal hinzieht, ist ohne architektonische Bedeu-
tung. Aus dem vorderen Hofe führt ein gewölbter Durchgang
an der Westseite in einen einfacheren Nebenhof, dessen vier-
eckige Fenster jedoch eine feine Einfassung im Charakter edler
Hochrenaissance zeigen. Von hier gelangt man zur Rückseite
des Gebäudes durch ein einfacheres, aber ebenfalls charaktervoll
entwickeltes Bogenportal. Einen besondern Schmuck erhält der
Haupthof durch den prächtigen Ziehbrunnen, eine der reichsten
Eftp. Xn. Die Srteirdohlaohen LBitder. 599
und originellBten ftletallarbeiteif der Renaisaanee, ganz aas Bronze
mit fDnf dekorirten Sftalchen erriclitet, die in einen prächtig
omamentirten Oberban Übergehen. Banken nud Blumen rerbin-
den sich darin mitFigOrlichem zu reizToUer Wirkung (vgl Fig. 164).
Dicht bei dem Brunnen erinnert eine Tafel daran, dasa der grosse
Kepler ron 1594 bis 1600 hier gelebt hat
Erwähnt man noch die jetzt zerstörten Theile der Burg und
das kaum noch dieser Epoche angehörende Mausoleum Kaiser
Ferdinands 11, einen italienischen Kuppelbau in Barockformen,
so hat man das Bemerkenswertheste der Renaissance in Graz
erschöpft. Auch hier trifft man dieselben architektonischen Zflge,
Flg. Itt. WuHnpelar Tom Lndhiu 1b Gm.
ivelche fast allen Städten Oesterreichs gemeinsam sind: eine auf-
fallende Aermlichkeit, soweit das Mittelalter oder die Renaissaoee
in Frage kommen; erst in der späteren Barock- und Rocooozeit
eine reichere Entfaltung. So fehlt es auch hier nicht an statt-
lichen palastartigen Gebäuden im italienischen Barockstil. In
der älteren Zeit wird man auch hier sich meist ioit Bemalung
der Fa^aden befaolfen haben. Eine flott behandelte Fa9ade, frei-
lich erst aus dem 18. Jahrhundert, sieht man noch in der Herren-
gasse, dem Landhause schräg gegenüber. Mehrfach kommen
polygone Erker an den Ecken vor, aber ohne arcfaitektoniüche
Ansbildung. Neben dem Landhaus zeigt eine Fa^ade ein schlich-
tes, aber charakterroUes RenaisaanceportaL Der Hof dieses
600 ni- Bni^ Benuiunoe in DeutictaUnd.
Hauses, zn dem man durch eineu gewälbten Flur ^lan^, bat
in drei Geschossen Arkaden von giedrtlckten Verhältnissen auf
einfachen toskanischen SAulen. Mehrfach findet man namentlich
in der Bttrgergasse ähnlich behandelte Höfe ; aber alles das ist
Ton geringer Bedeutung.
Pl(. IM. Tom Bnnnsii km Ludhkiu la Oru.
Weiter südlich werden die Städte nur noch charakterloser
und armseliger. So z. B. Marburg, dessen Profanbau ohne alle
Bedeutung ist Das Rathhaus hat zwar Aber dem Eingang
einen Balkon mit Loggia Tom Jahre 1565; aber die dflnnen
ionischen Säulchen sind wie das Ganze schw&cfalieh und gering-
Kap. Xn. Die ÖBterreichischen Länder. 601
fttgig. Der Hof hat ebenfalls unbedeutende Arkaden auf toaka-
nischen Säulen. Dies Alles, sowie die Oliederung der in Stuck
ausgeftthrten Fa^ade, besonders auch die Einfassung der Fenster
yerräth den Einfluss Yon Graz, namentlich vom Landhause, aber
auf einer provinziell verkümmerten, degradirten Stufe. Es scheint,
dass in diesen Gegenden, wo man nicht im Stande war, ita-
lienische Künstler herbeizuziehen, die eigne Schöpferkraft nicht
ausreichte, bedeutendere Werke zu schaffen. Ein Portal an einem
Hause der Postgasse, vom Jahre 1609, trägt denselben dürftigen
Charakter, mag aber wegen seiner Inschrift hier eine Stelle
finden, da der Bauherr sich darin verewigt hat: ^Urban Munnich
bin ich genant, in hohen teutschen Landen wol bekant, in der
Schlesie bin ich geboren, zu Marburk hab' ich mein Bhausung
erkoren, daselbs zu bleiben bis in mein tot, dazu helf mir der
ewige Gott"
Höhere künstlerische Ausbildung scheinen auch hier nur die
Schlossbauten aufzuweisen. So namentlich die umfangreiche
Riegersburg, welche die Gräfin Galler nicht blos als befestigte
Burg, sondern auch als einen mit aller Pracht ausgestatteten
Herrensitz durchführen Hess. In ähnlicher Weise erbauten die
Fürsten von Eggenburg ihr gleichnamiges Schloss bei Graz.
Einzelne Theile aus dieser Zeit sollen noch an andern Herren-
sitzen des Landes erhalten sein; so in Schrattenberg (Fresken
und Oefen), Murau, Trautenfels, Negau und an der zum Ab-
bruch bestimmten Burg Thalberg. Hier stammt ein Gebäude-
flügel mit prächtigem Saal und Treppenhaus angeblich aus der
Zeit des berühmten Siegmund von Dietrichstein, eines Freundes
von Kaiser Maxi. Dagegen scheint das kleine Schloss Felsen-
berg in der Nähe des Lavanter Tobel bei Graz schon stark
mit Barockformen gemischt zu sein.
Was von kirchlichen Bauten dieser Zeit angehört, trägt durch-
aus, wie das schon erwähnte Mausoleum in Graz, den Stempel
italienischer Kunst. So die Kuppelkirchen des ehemaligen Chor-
herrenstiftes Pöllau und des Benedictinerstiftes Oberburg, letz-
tere auf den Substructionen der alten romanischen Basilika er-
baut So auch das Mausoleum Erzherzog Karls II in S eck au,
ein verschwenderisch ausgestattetes Werk vom Jahre 1588, als
dessen Künstler inschriftlich Theodorus Gysim und Alexander de
Verdetz sich nennen. Ersterer offenbar ein Italiener.
Noch mehr vereinzelt als in den übrigen Provinzen scheinen
die Spuren der Renaissance in Kärnthen. Doch hat die Kunst-
002 IQ- Buch. BenkiBsanoe in DeatscbUnd.
liebe der AdelBg^chleohter, namentlich der DietrichBtein, KhereD-
hiller, Orteuburg- Salamanea eich in manchen noch Torhandenen
Denkmälern rerewigt Namentlich in den prächtigen Orabdenk-
mälem der Stadtpfarrkirche zu Villach, besonders beachtens-
werth das des eehon oben genannten Siegmnnd von DietrichBtein
und das prächtige Denkmtd Gteorg'B Ton Ehevenhiller, der mit
^g. lU, Vom BrDDDCDiItlci in Kligsnnirt.
Beinen beiden Frauen, zwei Söhnen und fUnf Töchtern vor einem
Crucifix kniet, 1580 von Ulrich Vogekang aue rotbem Marmor
gearbeitet. Auch die marmorne Kanzel in derselben Kirche, 1555
vom Vicedom Georg Ulrich von Kjrneberg gestiftet, und der
ebenfalls aus weissem Marmor gearbeitete Taufstein, nicht min-
der die Grabdenkmale in den Kirchen zu Wolfsberg, St Leon-
hard, Eberndorf, MilUtadt und Friesach zeugen von einem
Kap. XII. Die österreiehischeii LKnder. 603
lebhaften Betrieb der Bildhauerei Eins der merkwUrdigsten
Werke der plastischen Kunst vom Ende dieser Epoche ist der
grosse Brunnen auf dem Hauptplatz zu Klagenfurt, ein Her-
kules mit der Keule, in einem grossen länglichen Bassin stehend
und die Keule gegen einen riesigen wohl 24 Fuss langen Lind-
wurm schwingend, der mit grosser Mühe aus einem einzigen
Granitblock gehauen ist. Als das Werk vollendet war, wurde
es Yon dreihundert Knaben, wie die Chroniken erzählen,^) wie
ein Palladium über die Villacherthorbrücke festlich geschmückt
auf Walzen in die Stadt gezogen (1634). Von dem prächtigen
Eisengitter, das die riesige Brunnenschaale einfasst, geben wir
in Fig. 165 eine Probe.
Neben der Blüthe der Kleinkünste und des Kunstgewerbes
tritt auch hier die Architektur nur in vereinzelten Leistungen
auf. Gleich zu Anfang der Epoche beginnt sie freilich mit einer
der edelsten Schöpfungen, welche die Renaissance auf deutschem
Boden aufzuweisen hat; aber es ist durchaus in Anlage und
Durchführung das Werk italienischer Künstler und scheint im
ganzen Lande vereinzelt geblieben zu sein. Ich meine das pracht-
volle Schloss des Fürsten Porzia in Spital an der Drau, nach
dem Zeugniss des Wappens am Portal ursprünglich von einem
Grafen Ortenburg erbaut Es gehört zu den grössten Ueberrasch-
ungen, am Ausgang des unscheinbaren bedeutungslosen Fleckens
ein solches Prachtwerk edelster Frührenaissance zu finden. Das
Schloss, ganz im Charakter italienischer Stadtpaläste angelegt, richtet
seine nördliche Hauptfront gegen die Strasse und ist nach Westen
und Süden von einem grossen parkartigen Garten umschlossen,
der den Blick in die herriichste Alpenlandschaft mit ihren weit-
hingedehnten grünen Matten und den gewaltigen Gebirgslinien
frei giebt Inmitten dieser echt deutschen Hochgebirgslandschaft,
in der man eher eine malerische mittelalterliche Burg erwarten
sollte, wird man doppelt überrascht, eine völlig regelmässige ita-
lienische Palastanlage zu finden. Nur an der nordwestlichen Ecke
der runde Thurm, sowie ein ähnlicher an der südöstlichen Ecke
gegen den Garten hin, der jedoch ein späterer Zusatz scheint, ver-
treten nordische Anschauungen. Die Behandlung des Aeussem ist
übrigens ziemlich einfach und prunklos, selbst an der Hauptfa^ade
sind die Gliederungen und dekorativen Formen sparsam angewendet,
die Flächen sogar durchweg verputzt, nur die architektonischen
Glieder, die Pilaster sowie die Einfassungen der Fenster und Thüren
aus dem feinen marmorartigen Kalkstein gebildet, der in der Gegend
>) Vgl. H. Hermann a. a. 0. II, 321.
604 ni. BacL RenaisuDCe in Dentschland.
bricht Die Composition der Fa^ade ist nach italieniacher Weise
TQllig: symmetrisch, nur mit Ausnahme des an der nordwestlichen
Ecke Torsprin^nden Thurmes ; die Fenster im Erdgeschoss wie in
den beiden oberen Stockwerken einzeln in so weiten Abständen
vertheilt, dass die grossen Mauerflilchen sie ungewöhnlich klein
erscheinen lassen. Nar Aber dem in der Mitte ang:ebrachten
Hanptportal schliessen sich die Fenster sclbdritt loggienartig mit
Flg. ISO. Spitil. Feniur Tom PaliuM PonU.
Balkon zu einer Gruppe zusammen, wie es Fig. 166 zeigt >)
Diese Anordnung, welche wir schon am Landhaus zu Graz fan-
den, weist deutlich auf venezianische Vorbilder. Kurze Rahmen-
pilaster mit feinen Kapitalen geben den einzelnen Stockwerken
') Ich verdanke diese Abb. sowie die GrundriBse der Güte des Herrn
Prof. H. von Perstel, der den Bau durch die Architektnracliule dw
Polytechn. bat anfnebmen lasaen.
Kap. XII. Die österreichiachen L&nder. 605
eine Gliederung und an den Eoken eine krftftige Umrahmung.
Beicher-en Schmuck hat nur das Portal erhalten, das von köst-
lichen Ornamenten im Stile der feinsten venezianischen Früh-
renaissance förmlich bedeckt ist Die einfassenden vortretenden
S&ulen sind in spielender Weise nach unten korbartig ausge-
baucht und mit Flechtwerk umwunden, eine kindliche Art von
Charakteristik, deren erste Spuren in der Renaissance sich an
Alberti's Meisterbau, S. Francesco zu Bimini nachweisen lassen.
Das Wappen des Erbauers, von ttppiger Ornamentik umgeben,
krönt diesen prächtigen Portalbau.
Die übrigen Theile des Aeussem sind ganz schlicht behan-
delt An der westlichen Seite tritt nur ein kleiner Eundthurm
vor-, die Südseite hat dagegen in der Mitte ein zierliches Portal,
das in den Garten führt. Elegante korinthische Pilaster fassen
es ein, an den Postamenten mit Flachreliefs geschmückt, Her-
kules im Kampf mit dem Nemäischen Löwen, andrerseits mit
Antftus darstellend. Auch diese Arbeiten, sowie in den Bogen-
zwickein die schwebenden Figuren mit Füllhörnern verrathen die
Hand von Künstlern der lombardischen Schule, welche seit dem
15. Jahrhundert die ganze Bildhauerei Oberitaliens bis nach Ve-
nedig hinein beherrschten und hier wohl ihre nördlichste Ver-
zweigung getrieben haben.
Ein entschieden späterer Anbau ist das grosse Portal, wel-
ches in derber dorischer Bustika neben der Ostseite des Palastes
von aussen den Zugang zum Garten vermittelt, von einem
schmalen Pförtchen begleitet. Eine prunkvolle Inschrift nennt
Graf Johann von Oi-tenburg als Erbauer desselben.
Tritt man durch das Hauptportal in's Innere des Schlosses,
80 enthüllt sich erst die ganze Bedeutsamkeit der Anlage. Man
befindet sich in einem grossen von Arkaden umschlossenen Hofe,
der den reichsten Palasthöfen Italiens nichts nachgiebt, ja durch
die Anlage der Treppe und ihre Verbindung mit den Bogen-
hallen an malerischem Beiz den meisten überlegen ist Unsere
Abbildung Fig. 167, nach einer Photographie ausgeführt, giebt
die nordwestliche Ecke dieses schönen Hofes. Frei behandelte
ionische Säulen nehmen im Erdgeschoss die Arkaden auf, wäh-
rend korinthisirende kurzstämmige Stützen das Treppenhaus und
die obern Arkaden tragen. Elegant durchbrochene Balustraden,
von reichen Pfeilern rhythmisch getheilt, dienen der Treppe wie
den oberen Arkadengängen als Einfassung. Ueberall in den Bogen-
zwickeln, den Pilasterflächen, den Postamenten und Brüstungs-
feldem ist zierliches Ornament in Banken und Laubwerk, aber
auch in figürlichen Beliefs, besonders in Medaillons mit Brust-
606 Hl. Bnch. Ben&lssanoe in DentBehland.
bildern reichlich ang^ebracht. Oiebt sieb hier doroh^ii^^ die
Feinheit italienischer Meisselfthrung und das volle VerHtändniss
der Renaiesanceformea zu erkennen, so fehlt es doch aaeh nicht
an einzelnen provinziellen Wunderlichkeiten, wie z. B. die am
Eckpfeiler der Eingangsballe als Kampfergesima dorcbgefahrte
Volute des ionischen SäulenkapitAIg. Doch beeinträchtigen solche
Einzelheiten nicht den Werth der im Uebrigen vortreffUchen Be-
handlung. Znm höchsten Werth steigert sich diese an den zahl-
reichen ThHrgewänden, die bei den Haapträumen durchgUngig
aus weissem Marmor gearbeitet sind. Hier ist ein Reichthum der
Erfindung, eine Schönheit der AuefUhrung, eine Anmuth in der
Zeichnung der Blätter, Blumen und Ranken wie in den reichlieh
eingestreuten figürlichen Gebilden, dass man an die besten veno-
zianisebeo Omamentisten erinnert wird.
Kftp. XII. Die OBterrdehkchen LSnder. 607
Die ABordnong der Bftame im Huptgeachoss {vergl. die
GmndiisB« Fig. 168—169) folgt ebenfalls italieniBcher Tradition,
wie ja BohoD die Anlage der Treppe und der Arkaden auf Ein-
flBBse des Südens deutet Den Hanptraam bildet der grosse
Un^Uehe Saal über der Eingangshalle des fkdgesohoeiies, zu
beiden Seiten stossen andere stattliche S&ume an, wShrend die
priratoi Wohn- und Schlafgem&cher den westliohen und sDd-
tichen Fltlgel, also die Gartenseite mit den herrlichen Auablicken
in's Gebirge einnehmen. Alles ist klar und flbersichtlich im
Sinne italienischer Palastanlagen. Die Ausstattung der Kfiume,
rniifniir
zwar wtirdig, ist jOngeren Datums. Von der ursprünglichen scheint
nichts mehr vorhanden.
Die Entstehnng dieses edten Baues darf mit aller Wahr-
scheinlichkeit in die ersten Decennien des 16. Jahrhunderts
gesetzt werden. Zwar habe ich keine Spur einer Jahreszahl an
ihm entdecken können, aber die ganze Kunstweise deutet auf
diese Zeit hin. Es ist offenbar eine der letzten BlQthen der FrQh-
renaissance Oberitaliens. Eine Bestätigung erhält diese Datirnng
durch ein der Haaptfront des Schlosses in einiger Entfernimg
gegenüberliegendes Gebäude, jetzt als Bezirksamt dienend,
offenbar Ton derselben Herrschaft und zwar wahrscheinlich zu
608 ^I- Bach. BeBaiBaance in DeutBchland.
■
ähnlichem Zwecke erbaut Es ist im Ganzen ein geringes Werk,
nur an der einen Ecke durch einen polygonen Erkerthurm aus-
gezeichnet, im Innern ohne alle Bedeutung, merkwürdigerweise
aber durch ein köstliches Portal von weissem Marmor geschmückt,
von dem man fast glauben möchte^ es habe sich beim Schloss-
bau als überflüssig herausgestellt und hier eine nachträgliche
Verwendung gefunden, lieber dem Portal sieht man das Wappen
des Erbauers und die Jahrzahl MDXXXYII. Es wird wohl keinem
Zweifel unterliegen, dass dies Nebengebäude erst nach dem Haupt-
bau ausgeführt worden ist Die architektonische Composition des
letzteren klingt besonders darin an, dass in beiden oberen Ge-
schossen die Hauptaxe über dem Portal durch paarweis gekuppelte
Fenster markirt wird.
Dass jener vornehme Prachtbau nicht umhin konnte, in
seiner Umgebung einen gewissen Einfluss zu üben, erkennt man
deutlich an mehreren Arkadenhöfen, freilich yon sehr geringer
Beschaffenheit, die sich in den besseren Häusern des Ortes
befinden.
Mit diesem einzelnen Meisterstück scheint die Frührenaissanoe
in Kämthen zu verstummen. Es kamen auch hier die Zeiten
tiefer En*egung des religiösen Lebens. Das ganze Land, der
Adel an der Spitze, warf sich der reformatorischen Bewegung in
die Arme. Wir haben oben Beispiele davon gegeben, wie über-
all auch hier in den Städten der Protestantismus zur Macht, ja
fast zur Alleinherrschaft gelangt war. Ohne Zweifel hätte diese
geistige Erneuerung umgestaltend auf das ganze Leben gewirkt
und auch die Kunst verjüngt. Aber nachdem noch der Statt-
halter Johann Friedrich Hofmann, Freiherr auf Grünbüchel und
Strechau, seit 1578 die neue Lehre aufs Kräftigste gefördert
hatte, kam mit dem Begierungsantritt des Fürstbischofs Ernst
von Mangersdorf 1 583 die Reaction zur Herrschaft, und in kurzer
Frist wurde auch in Kärnthen der Katholicismus mit Gewalt der
Waffen wiederhergestellt^) Wenn man auch zuerst gegen die
Stände schonend verfuhr, so wurden doch auch diese endlich
gezwungen katholisch zu werden, oder auszuwandern und ihre
Güter confisciren zu lassen. Manche zogen, um ihrer Ueber-
zeugung treu zu bleiben, letzteres vor, wie denn zwei Kheven-
biller ihr Heimathland verliessen und in schwedische Dienste
traten. Unter diesen Verhältnissen konnte die Kunst unmöglich
gedeihen, und wir werden uns nicht wundem, dass selbst die
Landeshauptstadt Klagenfurt in architektonischer Hinsicht einen
0 Genaueres bei H. Hermann a. a. 0. II, 20S ff.
Kap. XII. Die österreichischen LSnder. god
kläglich niehtssagendeii Eindruck macht Kein einziges Ge-
bäude zeugt hier yon höherer kttnstlerischer Bedeutung. Das
Landhaus, wo man noch am meisten erwarten sollte, ist ein
später Bau mit charakterloser Fa^ade. Nur der Hof zeigt eine
gewisse Stattlichkeit der Anlage. Er ist hufeisenförmig mit zwei
den Yorderban flankirenden, nach rückwärts yorspringen4en
Flügeln angelegt Jeder derselben endet in einem hohen Thurm
mit oberer Galerie und Zopfhaube. Offne Arkaden auf tos-
kanischen Säulen von rothem Marmor bilden in dem obem Stock-
werk «eine Galerie, zu welcher in beiden Flügeln Freitreppen
unter ähnlichen Arkaden hinaufführen. Der Zugang zu den
Treppen liegt in den Thürmen, deren Erdgeschoss deshalb eine
offene Halle auf Pfeilern bildet So originell und malerisch diese
Anlage ist, so unbedeutend und gering erscheint die Formen-
sprache, in welcher sie sich ausdrückt Die Balustrade an der
Treppe und der oberen Galerie zeigt übrigens dieselbe italienische
Form, wie im Schloss zu Spital, nur ohne feinere Durchbildung.
Der Hauptraum im oberen Stock ist ein grosser Prachtsaal,
mit marmornem Fussboden und Kamin, an den Wänden sämmt-
liche Wappen des kämthischen Adels gemalt An der Decke
ein grosses Freskobild, auf welchem in einer perspectivisch
gemalten Halle Kaiser Karl VI die Huldigung empfängt Aehn-
lich ist die Ausstattung des ^Kleinen Wappensaales", dessen
Decke tüchtige allegorische Fresken zeigt Die ganze malerische
Ausstattung hat laut inschriftlichem Zeugniss Joseph Ferdinand
Fromler 1740 ausgeführt. Von den Gemälden, mit welchen
ein Meister Plumthai 1580 das Landhaus schmückte,^) ist nichts
erhalten.
Schwache Versuche, die Sprache der Renaissance zu reden,
findet man sodann am Bathhause. Die FaQade indess ist auch
hier dürftig, nur das Portal zeigt die Motive der gleichzeitigen
Bauten von Graz. Es ist sogar mit Halbsäulen eingefasst, die
gern korinthisiren möchten, aber es nicht ganz dazu bringen.
Doch sind die Löwenköpfe an den Postamenten, das Blattwerk
in den Bogenzwickeln, das Bahmenprofil der Pilaster und der
Archirolte mit den runden Schilden bei aller Dürftigkeit charakte-
ristische Zeugnisse der Epoche. Im Innern führt ein gewölbter
Flur zu einem quadratischen Hofe, der mit seinen Arkaden einen
ganz italienischen Eindruck macht Im Erdgeschoss ruhen die
Bögen auf weit gestellten toskanischen Säulen; in den oberen
beiden Stockwerken ist eine doppelte Anzahl von Arkaden durch
*) Vgl. Hermann a. a. 0.
Kuffler,Gescb. d. Baokiiiiit.y. 39
ßlO m. Bach, fienaissance in Deutschland.
Anordnung von Säulen in den Intercalumnien eiTeicht Aber die
Formen sind hier ganz kunstlos, die Behandlung, ohne Kenntniss
bestimmter Ordnungen, TÖlHg roh. Man sieht wieder wie
gering in diesen Gegenden, sobald man auf italienische Künst-
ler verzichten musste, die selbständigen Leistungen anfallen.
Auch die mehrfach an PriTathäusem, z. B. in der Burgstrasse,
Yorkommenden Arkadenhöfe verrathen dieselbe kunstlose Be-
schaffenheit
Um so auffallender ist ein yereinzeltes Bruchstttck, das sich
in einem Privatgarten der St Veiter Vorstadt, im ehemalige)^
Ebner'schen, jetzt Woodley'schen Garten vorfindet Man hat das-
selbe als antiken . Cippus betrachtet und unter die römischen
Alterthttmer Kämthens aufnehmen zu dürfen geglaubt. ^) Es zeigt
in der That auf den vier Seiten Thaten des Herakles in flachem
ttelief, auf gekörntem Grunde, in einer Behandlung, die sich
namentlich durch den Wurf der Gewänder, durch die conven-
tionelle perttckenartige Darstellung * der zweimal vorkommenden
Löwenmähne, endlich durch die ganze Auffassung der mensch-
lichen Gestalt deutlich als Werk oberitalienischer Bildhauer der
Frtthrenaissanjee verräth. Der Kenner jener Kunstrichtung kann
keinen Augenblick in Zweifel sein, hier Geistesverwandte jener
Sculpturen vor sich zu haben, mit welchen die italienische Plastik
gern das Aeussere ihrer Gebäude geschmückt hat Die nächste
Analogie bieten gewisse Reliefs an der Fagade der Capeila Col-
leoni zu Bergamo.^) Könnte aber noch fein Zweifel bleiben, so
würden die architektonischen Formen denselben zum Schweigen
bringen, denn das krönende Gesims mit dem Kamies, welches
den Stein umzieht, gehört der Renaissance; noch mehr aber die
Reliefnachahmung einer Geländerdocke, wie sie nur an den
Balustraden der Renaissance vorkommt Man sieht dieselbe an
der einen Seite ^ wo Herkules seinen Arm um sie legt; ein un-
widersprechlicher Beweis, dass wir es hier mit dem Theil des
Geländers einer Treppe oder Galerie zu thun haben, wie sie
genau in derselben Form im Schlosse zu Spital vorkommen.
Da nun vollends dort am Portal der Gartenseite die Postamente
der Pilaster gleichfalls mit Herkulesdarstellungen in demselben
Stile geschmückt sind, so liegt die Vermuthung nah, dass das
Fragment in Klagenfurt ursprünglich ebenso zur Ausstattung
jenes Schlosses bestimmt gewesen, dann aber irgendwie hieher
verschleppt worden sei.
1) Mich. F. V. Jabornegg- Altenfels, Kärnten^s röm. Altertbümer. p. 145
u. Tat CCCLXIX. — «) Vgl. darüber W. Ltibke, Gesch. der Plastik,
n. Aufl. p. 574.
Kap. Xn. Die ÖBterreiohischen Lfinder. QU
Erinnern wir nun noch an den oben bereits erwähnten
Brunnen auf dem Hauptplatz, bo ist die spärliche Auslese er-
sehöpft Nur eines stattlichen, reich durchgeführten Brunnens
in Friesach hätten wir etwa noch Erwähnung zu thun; doeh
ist derselbe in Nachahmung italienischer Werke mehr plastisch
als architektonisch bedeutend. Ein achteckiges Becken bildet
den Wasserbehälter, an den Flächen mit mythologischen Beliefs,
an den einfassenden Pilastem mit Renaissance -Ornamenten ge-
schmflokt Aus der Mitte des Beckens erhebt sich ein mit bärtigen
Atlanten dekorirter Pfeiler, welcher eine schön profilirte Schaale
trägt; dann folgt ein zweiter, mit spielenden Putten dekorirter
Pfeiler, auf welchem die obere Schaale ruht Diese endlich wird
von einer zierlichen Bronzegruppe bekrönt. Das Ganze eine
opulente Arbeit, die indess wohl nicht ohne italienischen Beistand
hergestdlt worden ist.
Tirol und Salzburg.
Tirol ist von allen deutschen Ländern vielleicht dasjenige,
welches von jeher in nächster und lebendigster Verbindung mit
Italien gestanden hat. Hier ist das deutsche Yolksthum über
den höchsten Kamm der Gebirge wie ein Keil weit südwärts
in's Wälsche vorgedrungen. Eine der lebhaftesten Handels-
Strassen zog seit alten 2ieiten über die tirolischen Gebirgspässe,
namentlich den Brenner, nach dem Sttden, um die Verbindung
mit Venedig aufzusuchen und dadurch den ganzen Handels*
verkehr mit der Levante dem deutschen Binnenlande zu ver-
mittehL Im künstlerischen Leben hat sich durch diese Ver-
hältnisse ein Hin- und Herwogen des deutschen und des
italienischen Einflusses herausgebildet Jenseits des Brenner
kann mau diesem interessanten Prozess auf Schritt und Tritt
nachgehen« Wie mannichfach sind in Brixen und Bozen die
itaUenisehen Motive mit den deutschen gekreuzt 1 Genau so wie
in den Bergformen und der Vegetation deutsches Alpengebiet
sich mit dem Charakter, den Formen und den Produkten des
Südens mischt Erst in Trient hat dann Italien völlig den Sieg
davon getragen, und Land und Leute, Sprache und Gesittung,
Kunst und Kultur gestalten sich völlig im Sinne des Südens. ,
Der Ort, wo jene Kreuzung und Mischung der beiden Kul-
turen am lebhaftesten zu Tage tritt, ist Bozen. Unverkennbar
spricht sieh dies in dem monumentalen Hauptbau der Stadt noeh
am Ende des Mittelalters aus. Die Pfarrkirche zeigt sdbon in
39*
612 UI. Buch Die BenftiBsance in Deutschland.
dem grossen lastenden Dach, das die drei gleich hohen Schiffe,
offenbar nach dem Vorbilde von Sanct Stephan in Wien, bedeckt,
noch mehr aber in der durchbrochenen Spitze ihres Glocken*
thurmes die deutsche Tendenz; ebenso ist der polygone Chor
mit dem Umgang ein nordischer Gedanke. Aber die isolirte
Stellung des Thurmes, die breite Form jenes Umganges, dem-
jenigen am Dom zu Mailand nicht unähnlich, noch mehr das
Hauptportal mit dem Vorbau auf marmornen Löwen, im Innern
femer die weite quadratische Stellung der Pfeiler und die dem
Romanischen verwandte Bildung der Stützen sowie der Gewölb-
gurte, das Alles sind Umgestaltungen in italienischem Sinn.
Kein Wunder, dass hier die ausgebildete Benaissance sehr zeitig,
und zwar in der Form venezianischer Kunst auftritt Dies ge-
schieht an dem schönen Marmore pitaph des Ambrosius Wirsung
vom Jahre 1513, welches man aussen an der Nordseite der Kirche
sieht. Der knieende Verstorbene, der durch die Madonna dem
mit Domenkrone und Buthe dastehenden Erlöser empfohlen wird,
darüber im Bogenfelde der segnende Gottvater, ist nach Com-
position und Formgebung ein in Stein übersetzter Giovanni
Bellini. Ist hier ohne Zweifel die .Hand eines italienischen
Meisters zu erkennen, so zeugen dagegen die Flachreliefs der
Thürflügel des Hauptportals vom Jahre 1521 in ihren schweren
ungeschickten Formen wahrscheinlich die Hand eines deutschen
Bildschnitzers, der in Italien die Benaissanee kennen gelemt hatte.
Der Privatbau der Stadt bietet nichts künstlerisch Hervor-
ragendes; aber die Anlage der Häuser ist im Allgemeinen be^
achtenswerth, weil man demselben Gompromiss zwischen nor-
discher und südlicher Sitte begegnet Die häufig angebrachten
polygonen Erker, einfach oder doppelt die Fagade belebend oder
an den Ecken hervortretend, zeugen von deutscher Gewohnheit;
wie aber das Klima in dem eng umschlossenen Bergkessel schon
südlich ist, so gehören die schmalen Strassen , die Arkadenreihen,
die überhängenden Dächer italienischem Brauche an. Vorzüglich
charakteristisch sind die engen völlig gewölbten Flure und die
schmalen Lichthöfe, in welchen die steinerne Treppe angelegt
ist In den stattlicheren Häusem bilden sich diese Lichthöfe zu
grossen reich erleuchteten Hallen aus, an deren Umfassungs-
wänden die steinemen Treppen freitragend emporgeftlhrt sind«
Nach aussen markiren sich diese Mittelpunkte der Hausanlage
durch hohe Dachhauben, die das unmittelbare Aufprallen der
Sonne aufhalten und doch durch grosse Seitenfenster Licht und
Luft zur Genüge einlassen. Eins der stattlichsten Beispiele bietet
der Gasthof für Kaiserkrone. Die Anlage ist in der That aus
Fli. 110. Wobohaa) In Brlnn. (WefiMT.)
Kap. Xn. Die OBterreiobischen Länder. 615
den lokalen klimatischen Verhältnissen mit Nothwendig^eit her-
voi^egangen.
Zeigt Bozen in seinen belebten engen Gassen und dieht ge-
drängten Häusern die Handelsstadt, so prägt sich die geistliche
Residenz in dem stillen, yon Klöstern und Kirchen erfüllten
Brixen ans. Der Privatbau ist im Ganzen ohne feinere Durch-
bildung. An der hohen Fa^ade yertreten die häufig yorkommen-
den Polygonen Erker deutsche Sitte; aber die überhängenden
Dächer, die Balkone yor den Fenstern und mehr noch die viel-
fach angewendeten steil aufsteigenden Zinnenkrönungen — an
die kastellartigen Adelspaläste Yerona's und andrer italienischer
Städte erinnernd — gehören dem Süden. Vielfach müssen auch
Malereien, ebenfalls nach dem Vorbilde der benachbarten Städte
Oberitaliens, ursprünglich die Faf aden belebt haben. Ein hübsches
Beispiel yom J. 1642, graue decoratiye Fresken, Putti mit Guir-
landen, musicirende Kinder, Festons mit lustig flatternden Bändern,
sieht man an einem Hause auf dem linken Flussufer bei der
Brücke. Auch die Schmiedekunst hat sich in den Eisengittem
der Balkone mannichfach erprobt Künstlerisch durchgebildet
findet man den Typus dieses Priyatbauee an einem stattlichen,
der Nordseite der Pfarrkirche gegenüberliegenden Priyathaus
(Fig. 170). Die yerputzten Flächen zeigen mehrfach Spuren
grauer dekoratiyer Malereien, Fruchtschnüre mit flatternden Kin-
dern. Mit ihnen muss der rothe Stein der Pfeiler, Gesimse und
Fenstereinfassungen trefflich contrastirt haben. Im Innern bildet
sich ein grosser Flur, dessen Kreuzgewölbe auf mittelalterlichen
Säulen mit schlanken Blattkapitälen ruhen. Von hier steigt die
ebenfalls gewölbte steinerne Treppe mit kräftiger Balustrade
empor. Neben ihr bleibt ein schmaler Gang frei, der zu dem
überaus engen Hofe führt, dieser auf der einen Seite durch eine
yorgekragte Galerie, die oben yon rohen Säulen aufgenommen
wird, noch mehr eingeengt Es ist die Anlage, welche fast über-
all Uer wiederkehrt
Der geistliche Charakter der bischöflichen Residenz spricht
sich yor Allem in den zahlreichen Kirchen aus. Der Dom mit
seinem Zubehör bildet ein ganzes Conglomerat kirchlicher Ge-
bäude, künstlerisch nicht eben erheblich, fbr unsre Betrachtung
ohne Werth. Doch mag daran erinnert werden, dass der über-
aus reiche Freskensehmuok der romanischen Kreuzgänge wieder
auf südliche Einflüsse deutet Die Architektur dagegen scheint
hier in keiner Epoche höhere künstlerische Durchbildung er-
fahren zu haben. Dies gilt auch yon dem stattlichsten Gebäude,
dem südwestlich yom Dom liegenden Bischöflichen Palast
616 ^* Bach. BenaiBsance in Deatschland.
Es ist ein grosses Viereck, von einem tiefen breiten Graben nm-
zogen, an der südöstlichen und südwestlichen Ecke thurmartig
erhöht. Im Innern gruppirt sich das Ganze um einen mächtigen
Arkadenhof, dessen Pfeiler und Bögen ohne feinere Ausbildung
doch durch die stattlichen Verhältnisse imponirend wirken. Dazu
kommt noch in den Nischen der breiten Pfeiler der Schmuck
zahlreicher Statuen von Kaisern, Bittern und Bischöfen in be-
wegter Haltung, stark an die Standbilder der Innsbrucker Hof-
kirche erinnernd, aber nicht in Metall sondern in trefflichen
Terracotten ausgeführt Die Zeit der Entstehung wird durch die
Jahreszahl 1645, die man in einer Platte des Fussbodens liest,
bezeichnet. Die Stuckdekoration des hintern Flügels aber und
der dort aufgesetzte kleine Thurm sowie das Portal daselbst wird
durch die Jahrzahl 1707 einer späteren Zeit zugewiesen.
Diesseits des Brenner ist Innsbruck schon früh der Sitz
eines regen künstlerischen Lebens und ein Ausgangspunkt der
Renaissance gewesen. Wie Kaiser Maximilian durch seine künst-
lerischen Unternehmungen, vor Allem durch sein Grabmal und
die damit zusammenhängenden Werke die Kunst gefördert hat,
ist anderwärts genügend erörtert worden. Seine Giesserei in
Mühlau hat Werke von hoher technischer Vollendung geschaffen,
und seine Harnischmacher waren weithin berühmt, so dass sie
selbst an den prachtliebenden französischen Hof berufen wurden.
Wie früh hier die Renaissance zur Aufnahme kam, erkennt man
auch an der Altartafel Meister Sebastian Scheets^ die aus' der
Schlosskapelle von Annaberg im Vintschgau kürzlich in das Mu-
seum yon Innsbruck gelangt ist^)
Die Architektur der Epoche hat zunächst in der Francis-
kaner- oder Hofkirche ein würdiges Gehäuse für das Grab-
denkmal des kunstliebenden Kaisers geschaffen. Laut der Bau-
inschrift von Maximilian gegründet, wurde sie von Ferdinand I
errichtet und von Leopold I weiter ausgeschmückt Schlanke
Säulen einer reich verzierten ionischen Ordnung mit omamen-
tirtem Hals tragen kühn und leicht die gleich hohen Gewölbe der
drei Schiffe. Die Struktur deutet auf die Zeit Ferdinands I, nur
die barocken Stuckomamente der Gewölbe sammt andren ähn-
lichen Dekorationen gehören der späteren Zeit Zum Schönsten
seiner Art muss man das ganz prachtvolle, reichvergoldete in
Blumen und Figuren auslaufende Eisengitter rechnen, welches
das Kenotaphium des Kaisers umgiebt Nicht minder werthvoU
') Ueber alles Dies haben die archivalischen Forschung^ii Dr. Schön-
herr'8 omfassende AufschlÜBse gebracht.
Kap. Xn. Die (österreichischen Länder. 517
igt das ähnlich behandelte Gitter an der zur silbernen Kapelle
führenden Treppe. Am Denkmal selbst fallen die schwarzen
Harmorpilaster mit dem eleganten frei im Stil der Frtthrenaissance
gebildeten Yolutenkapitäle und Rahmenschäften auf. Die Inschrift-
Schilde zeigen Ein&ssungen von aufgerollten Voluten und anderen
Formen des beginnenden Barocco. Das Portal der Kirche mit
seiner Vorhalle tiägt das Gepräge der Frtthrenaissance. Der
links anstossende Kreuzgang mit seinen schlichten dorisirenden
Pfeilern von rothem Marmor, den Wandpilastem und mehreren
einfach behandelten Portalen gehört der ausgebildeten Renais-
sance an.
Im Uebrigen bietet die Stadt nicht viel fUr unsre Betrachtung.
Das Postgebäude mit seinen ungemein grotesken, hochoriginellen
Masken im Hauptgesims ist ein Bau des reich ausgeprägten
Barockstils. Dasselbe gilt von dem Landschaftshaus, das
mit den gewaltigen elephantenmässigen verjüngten Pilastern am
Portal, ttber welchen sich der Balkon aufbaut, eine imposante
Wirkung macht
Reichere Spuren der Kunstpflege dieser Zeit bewahrt die
berühmte Burg Ambras, die so herrlich von ihrer Felsenhühe
auf das grossartige Gebirgsthal niederschaut. Als Kaiser Fer-
dinand I 1563 längere Zeit in Innsbruck verweilte, schenkte er
wahrscheinlich damals seinem gleichnamigen Sohne Schloss und
Herrschaft Ambras, welche dieser dann im folgenden Jahre seiner
geliebten Gemahlin Philippine Welser übertrug.^) Das war die
Glanzepoche der Burg. Damals wurde sie aus einer mittelalter-
lichen Veste zu einem glänzenden Fürstensitze umgeschaffen und
sah jene herrlichen Sammlungen in ihren Räumen entstehen und
sich mehren, von denen jetzt nach ihrer Uebertragung in die
Hauptstadt des Reiches nur noch geringe Ueberbleibsel auf ur-
sprünglicher Stelle zeugen. Der ai'chitektonische Charakter der
vorhandenen Gebäude beweist, dass damals eine durchgreifende
Umgestaltung vorgenommen wurde. Schon in der Vorburg zeigt
der Hof Arkaden auf toskanischen Säulen, welche dieser Zeit
angehören. Im innem Burghofe wird, statt einer reicheren archi-
tektonischen Ausbildung, durch grau in grau gemalte Fresken
ein heiteres Bild entfaltet Unten sieht man facettirte Quadern,
oben gemalte Nischen mit Figuren von Tugenden, dann den
Triumph des Reichthums, Judiths Sieg über Holofemes, sowie
die Scene aus den Gesta Romanorum, wie die Söhne nach der
Leiche des Vaters schiessen. Die Arbeiten sind von mittlerem
>) Bnchholtz, Ferdin. I. Bd. VIU. S. 725.
61g III. Buch. Benaissance in DeatschUnd.
Werth aber von guter GeBammtwirkung. Von den inneren Bäumen
ist die Kapelle noefa gothisch mit Sterngewölbe, die Empore fttr
die Herrschaft auf st&mmiger MittelsAule ruhend, die Apsis poly-
gen, das Ganze renovirt. Die alte Orgel zdgt prächtig eingdegte
Arbeit und Malereien. Gegenttber der Kapelle liegt das Bad mit
einem htlbschen Vorzimmer, dessen reich profilirte Decke gleich
dem untern Theil der Wände aus Holzgetäfel besteht. Die oberen
Wandflächen waren mit arg zerstörten Fresken geschmückt, welche
heitere Badescenen enthielten. Ueber der Thür die Jahrzahl 1567,
die wohl ffir die ganze Ausstattung maassgebend ist
In den oberen Bäumen sind sowohl im ersten wie im zweiten
Stock die Zimmer grossentheils noch mit ihrem Täfelwerk an
den Decken und mehrfach an den Wänden Tcrsehen. Diese
Arbeiten siud einfach und gut, aber nicht sehr reich oder kraft-
voll. Nur ein Schlafzimmer zeigt eine ungemein reichgeschnitzte
und eingelegte Decke. Auch der Speisesaal hat eine durch ihre
perspektivische Eintbeilung interessante Täfelung. Von der Aus-
stattung sind manche tüchtig gearbeitete Schränke, Schreibtische,
Kunstschreine, Schmuckkästen u. dergL erhalten; Manches aber
ist auch erst neuerdings dazu gefügt worden. Das Wichtigste
ist eine ganze Beihe alter glasirter Oefen, zum Theil mit
plastischem Schmuck, von grossem Beichthum, durchweg iudess
schon in den derben fiarockformen des 17. Jahrhunderts aus-
geführt Auch ein gusseisemer Ofen derselben Zeit mit biblischen
Beliefdarstellungen ist erhalten. Diese Arbeiten, die wohl sicher
im Lande entstanden sind, zeugen von der langandauecnden"
Blüthe und künstlerischen Ausbildung des Handwerks.
Von den zahlreichfin Schlössern des Landes^) ist Manches
zerstört, das Meiste übrigens in Anlage und Ausführung mittel-
alterlich. Charakteristisch ist bei diesen Werken die höbe Vor-
liebe filr Freskodekoration. So in umfassendster Weise die be-
rühmten Wandgemälde auf . Schloss Bunkelstein bei Bozen,
femer im Schloss Beifenstein bei Sterzing, im SchloBS Brück
bei lienz, im alten Schloss Meran u. s. w. Aus der Zeit der
Benaissanee enthielt Sehlofls Marien bürg bei VöUau bis vor
Kurzem mehrere mythologische Darstellungen. Beich ausgestattet
und mit werthvoUen Schätzen des Altertiiums geschmückt kt
Sehloss Traizb^rg, durch .seinen knnstsioiiigen Besitiar würdig
beKgestellt Em välUg «rbaltenes Prachtwerk der Benaissance
iflt Schloss Welthur&s bei (Brisen, das ¥on 1580 bis U87 v^em
') Manche werthvolle Notizen in zwei Aufsätzen der Beil. zur Allg.
Ztg. 1868. Nr. 305 u. 331.
Kap. Xn. Die öftterreiefaischeii LSnder. 619
Fflrstbischof Freiherrn Ton Spaur als Sommerresidenz erbaut
wurde. Die prächtigen T&felangen des Fürstensaales fM>llen zu
den schönsten in Deutschland zählen. Fresken und Sgraffiten sind
ttberall im Lande noch in zahlreichen Besten Torhanden/ Unter
vielen anderen ist Schloss Ehrenburg unterhalb Brunecken ein
Beispiel reicher Sgraffitodekoration.
Kaum eine andere Stadt diesseits der Alpen giebt sich so
bestimmt und machtvoll als geistliche Besidenz zu erkennen, wie
Salzburg. Zugleich machen die hohen Häuser mit ihren kahlen
Fa^aden, den flachen oder wenig geneigten Dächern, die engen
Strassen, die weiten Plätze mit ihren pomphaften Brunnen und
Monumenten einen so völlig südlichen Eindruck, als sei ein Stück
Italien in Deutschland zur Erde gefallen. Alle Kunstübung ist
hier von jeher eine geistliche gewesen. Von der Thätigkeit im
frühen Mittelalter zeugen noch trotz mancher Zerstörungen die
Kreuzgänge auf dem Nonnberge mit ihren Wandgemälden, die
Kirchen zu St Peter und zu den Franziskanern. Die Gothik
dagegen hat auch hier kdne erhebliche Blüthe getrieben und die
Benaissance geht fast leer aus. Der Dom ist eine mächtige aber
doch schon nüchterne Nachbildung der Peterskirehe zu Bom;
die anstossenden Paläste sind vollends trotz ihrer Grösse ohne
Interesse. Malerisch zeigt sich die Anlage des Kirchhofs bei
Si Peter, eins der wenigen in Deutschland vorhandenen Beispiele
eines von Arkaden umschlossenen Friedhofes, wie Italien sie liebt
Die Bögen ruhen auf toskanischen Säulen, zwischen welchen
Bustikapfeiler eingeschoben sind, die einzelnen Arkaden durch
eiserne Gitter zu besonderen Kapellen abgeschlossen, die archi-
tektonischen Formen indess nüchtern und ohne Feinheit Aehn-
lich der Kirchhof bei S. Sebastian, von welchem wir oben unter
Fig. 153 ein Grabkreuz mittheilten.
Das Werthvollste sind einige treffliche Eisenarbeiten, na-
mentlich das schöne Gitter im Hauptportal der Besidenz ; mehrere
treffliche Eisengitter in der Franziskanerkirche, das schönste
rechts vom Eingang an der Kapelle des h. Antonius von Padua.
Auch die Einfassung des Brunnens auf dem Marktplatze ist
beachtenswerth (Fig. 171).
Das Merkwürdigste bleibt immei* der gewaltige Bau der
Yeste Höhen-Salzburg, die schon von fem mit ihren horizon-
talen, terrassenförmig aufgethürmten Massen der Landschaft eine
grandiose Krönung und zugleich ein südliches Gepräge verleiht
Aber der ganze Bau sammt der imoier noch reichen plastischen
Ausstattung, den getäfelten Zimmerdecken und verachlungenen
620 Dl- Buch. RenaiBMDce in DeutechUnd.
Netzgewölben, obwohl er im Wesentlichen dem Anfang des 16.
Jahrhunderts gehört, ist noch -völlig mittelalterlich in gothischem
Stile durchgeführt. Erzbiechof Leonhard hat gegen Ausgang des
15. Jahrhundert« ihn begonnen, und in energischer Baufuhrung
zu Ende gebracht Ich wUsste keinen zweiten Bau in ganz
Kap. Xn. Die österreichischen Länder. 621
Deutschland, der mit solcher Pfinktlichkeit durch zahlreiche aus-
f&hrliche Inschriften — ich habe deren gegen ein Dutzend yer-
zeichnet — Aber den Fortgang der Bauführung Bericht gäbe.
Das früheste Datum ist 1496, das späteste an dem colossalen
Grabstein des Erzbischofs an der Südseite der Kapelle 1515.
Aber auch hier sind alle Formen noch gothisch, und das Figür-
liche zeugt von deutschen Künstlerhänden. Auch der unvergleich-
liche vielfarbig glasirte Ofen im Speisesaal, eins der grössten
und schönsten Prachtstücke seiner Art, zugleich der früheste mir
bekannte, da er die Jahrzahl 1501 b'ägt, ist im Aufbau, den
Ornamenten und den figürlichen Reliefs noch völlig mittelalterlich.
Man sieht also, dass hier die italienische Kenaissance, die damals
überall in Oesterreich schon einzudringen begann, noch völlig
unbekannt war. Eine selbständige Blttthe scheint ihr überhaupt
in Salzburg auch später nicht zu Theil geworden zu sein.
Böhmen nnd Mähren.
Von allen übrigen Oesterreichischen Ländern unterscheidet
sich im Verlauf der künstlerischen Entwicklung das Königreich
Böhmen. Schon früh nimmt es auch politisch eine gesonderte
Stellung ein und weiss seine Selbständigkeit am längsten zu
behaupten. Durch vielfache Beziehungen zu den benachbarten
deutschen Gebieten gewinnt seine Kultur bereits im Mittelalter
manch kräftigen Impuls, am wirksamsten unter Karl IV (1346
bis 1378) durch die Verbindung mit der Lausitz, der Oberpfalz
und den Brandenburgischen Marken. Die Hussitische Bewegung
liefert den Beweis wie früh der Volksgeist hier zur kirchlichen
Beform und Vertiefung des religiösen Lebens drängte; aber der
durch Kaiser Sigismunds schroffe Maassregeln herbeigeführte
Hussitenkrieg (1419 bis 1435) knickt die Blüthe des Landes und
legt einen grossen Tbeil prächtiger Denkmäler in Asche. Dennoch
ist genug übrig geblieben um zu beweisen, dass das Land während
der letzten Zeiten des Mittelalters die durch französische und
deutsche Meister hereingetragene gothische Kunst mit lebendiger
Theilnahme aufgenommen und selbständig ausgebildet hat. Wenn
auch nicht grade durch besondere Feinheit und harmonische Durch-
bildung, zeichnen sich doch die Werke der böhmischen Gothik
durch manchen originellen Zug, durch kühne Gonstructionen, wie
an der Karlskirche zu Prag, durch üppige Dekorationslust, wie
an den Chören des Domes zu Prag und der Kirche zu Kutten-
berg, endlich durch eine gewisse malerische Phantastik, wie an
622 ni. Bach. Renakeance in Deatschland.
den zahlreichen kirehlichen und profanen Thurmbauten mit ihren
Spitzen ans. Unter Georg Podiebrad (1458 bis 1471) erholte sich
das Land allm&hlich ron seinen Leiden, und sein Nachfolger
Wladislay, mit dem Beinamen der Gute (1471 bis 1516) weiss
die öfter ausbrechenden Unruhen mit glttcklicher Hand zu dämpfen
und dem Lande dauernde Ruhe zurück zu geben. Obwohl er
auch die ungarische Krone erlangte und dadurch veranlasst wurde
seine Residenz nach Ofen zu verlegen, unterliess er doch nicht
in Böhmen zahlreiche Bauten auszuführen, wie sie durch den
Zustand des Landes erfordert wurden. Denn noch lagen nicht
blos die meisten Kirchen, Klöster und Burgen, sondern selbst
ganze Städte wie Kuttenberg, Beneschau, Aussig, Prachatiz in
Ruinen, so dass eine Fülle von Aufgaben der Wiederherstellung
und des Neubaues sich drängten. So begann eine rege Bau-
thätigkeit, bei welcher ein einheimischer Meister Benediki (BenieschJ
von Laun die rechte Hand des Königs gewesen zu sein scheint ^)
Benedikt war offenbar ein begabter vielerfahrener Künstler.
Noch in gothiseher Schule aufgewachsen, handhabt er nicht blos
in seinen zahlreichen Ejrchenbauten den spätgothischen Stil mit
Freiheit und Anmuth, sondern legt ihn auch seinen Profanwerken
zu Grunde, nicht ohne gewisse Formen der Renaissance ein-
zumischen. Solche finden sich am Krönungssaal des Hradsehin,
und wie es scheint auch im Rittersaal der Burg Pürglitz bei
Rakonitz, welche ebenfalls unter Wladislav erbaut wurde. Durch
Meister Benedikts Vorgang wird also die Renaissance in Böhmen
eingeführt, und zwar in jener naiven Mischung mit den Formen
des Mittelalters, wie sie die meisten Provinzen Deutschlands
zeigen, während die österreichischen Gebiete sie kaum anderswo,
kennen.
In der Selbständigkeit, mit welcher hier die verschiedenen
künstlerischen Elemente der Zeit einander zu einem eigenthflm-
liehen Stile durchdringen, dürfen wir wohl eine Einwirkung des
durch den Hussitismus gesteigerten geistigen Lebens erkennen.
Als unter Ferdinand I Böhmen und Ungarn mit Oesterreich ver^
bunden wurden, begann für diese Länder die gleiche Reihen-
folge schwerer Verhängnisse, welche im gesammten Habsburgi-
schen Länderbesitz alles höhere geistige Leben erstickten. Wie
nach der Schlacht am Weissen Berge grade in Böhmen die
Freiheit des religiösen Bekenntnisses in Strömen Bluts ersäuft
und durch das liebevolle Bttndniss von Staat und Kirche, von
0 lieber diesen Meister vgl. den Aufsatz von B. Grueber in der
Zeitschr. des Böhm. Archit-Yereins.
Kap. XII. Die österreichischen Lfinder. ^ 623
Dragonern und Jesuiten das Papstthum wieder hergestellt wurde,
ist bekannt genug. Für das ktlnstlerische Leben ist bei ober-
flAehlicher Betracfatung dies furchtbare Schicksal hier minder
störend gewesen; hat doch sogar Hertens in einem übrigens
geistvoll geschriebenen Aufsatz über Prag und seine Baukunst^)
die spfttere Zeit des 17. Jahrhunderts als solche gertlhmt, »wo
das monarchische System seine grössten Segnungen entwickelte^,
während die Zeiten des Hussitismus und Protestantismus nach
seiner Ansicht „weit zurück stehen gegen diejenigen, zu denen
das Kestitutionsedikt hinführte.'' Ich vermag diese Ansicht nicht
zu theilen. Ich lasse mich durch die gewaltigen Prachtbauten,
mit welchen die Barockzeit grade Prag so imposant geschmückt
bat, nicht blenden. So grosse künstlerische Kräfte hier thätig
waren, so kommt in diesen Werken doch nichts Anderes zu
Tage als die schwere und doch freudlose Pracht jenes späten
Barockstils, der gleichsam auf den Fittichen des Jesuitismus von
Born aus die ganze katholische Welt eroberte und den geistlichen
und weltlichen Palästen jener Zeit dasselbe Gepräge einer frem-
den Kunst aufdrückte, die nicht mehr von' den frischen Quellen
des Yolksgeistes get'änkt wird. Grade Böhmen zeigt trotz so
vieler Zerstörung noch jetzt eine bedeutende Zahl von Denk-
mälern der Renaissance, die in den Tagen des Hussitismus ent-
standen sind. In ihnen erkennen wir denselben Prozess der An-
eignung, Umbildung und Verschmelzung der fremden . Formen,
den wir in den meisten Gebieten Deutschlands, namentlich den
protestantischen antreffen. Auch hier das Anschmiegen an heimische
Sitte und Ueberlieferung, das naive Vermischen antiker Formen
mit denen des Mittelalters, kurz überall die Frische eines selb-
ständigen Bingens und Schaffens. Daraus entwickelt sich dann
in den späteren Decennien des 16. Jahrhunderts eine ähnlieh
kräftige, wenn auch schon vom Barockstil angehauchte Benais-
sance wie in Deutschland. Ganz unvermittelt stehen daneben
einige künstlerische Untemehm9ngen der Habsbuiigischen Herr-
seher des Landes. Vor Allem das Belvedere Ferdinands I und
die künstlerischen Schöpfungen Rudolphs IL Zu diesen werden
fremde Meister, namentlich Italiener berufen, die in der That
einige Musterwerke edelster Renaissance, vor Allem jenes kost-
liehe Juwel des Belvedere, hinstellen. Aber es sind fremde
Enelaven, Blüthen einer ausländischen Kunst, die keinen £in-
floss auf das Schaffen der heimischen Meister gewinnen.
') In FOrster'B Allg. Bauzeit. 1845. p. 15 ff.
624 ni. Bach. Renaissance in Deutschland.
Prag.
Die alte stolze Hauptstadt Böhmens in ihrer herrliehen Lage
und der Fülle von Monumenten bietet eins der grossartigsten
Smdtebilder der» Welt. i) Auf Schritt und Tritt bedeutende histori-
sche Erinnerungen weckend, prägt sie ihre wechselnden Geschicke
in Monumenten aus. Die erste künstlerische Gestalt wurde ihr
Yon Karl IV gegeben. Er begann den Dom auf der Höhe des
Hradschin, erbaute die Moldaubrücke, die Earlshoferkirche mit
ihrem kühnen Gewölbe, die Emmauskirche, die Hungermauer,
die mit ihren gi'ossen Linien noch jetzt so wirksam herrortritt
Er gründete endlich die Neustadt mit dem grossen Viehmarkte,
als erstes Beispiel einer planvoll regelmässigen Stadtanlage des
Mittelalters. Dem wissenschaftlichen Leben wurde durch die
Stiftung der Universität ein bedeutender Mittelpunkt gegeben.
Georg Podiebrad yervollständigte die Befestigungen, indem er
den Altstädter Brückenthurm und den Pulvertburm errichtete.
Zum Andenken an seine erste Gemahlin baute er in der Nähe
das Jagdschloss zum Stern, das noch jetzt vorhanden ist. Die
mittelalterlichen Monumente 'der Stadt geben in ihrer Mannig-
faltigkeit ein lebendiges Bild von dem reichen künstlerischen
Leben, das hier geblüht und das in Architektur, Skulptur und
Malerei wetteifernd eine solche Fülle von kirchlichen und Pro-
fanwerken hervorgebracht, wie keine andere Stadt in den öster-
reichischen Landen aufzuweisen vermag.
Die Einführung der Renaissance vollzieht sich unter Wladislay.
Zwar sind auch seine Bauten im Wesentlichen noch mittelalter-
lich, in Anlage, Construction und Detail bildung noch überwiegend
gothisch; ja in kirchlichen Bauten, und selbst in gewissen Pro-
fanwerken, wie dem altern Belvedere im Baumgarten, das seit
1484 errichtet wurde, lässt sich keinerlei Abweichung von der
gothischen Tradition bemerken. Wohl aber treten Elemente der
Renaissance, freilich noch vereinzelt in den Bauten auf, welche
bald darauf durch Meister Benedikt van Laun an der Königlichen
Burg zur Ausführung kamen. Den wichtigsten Theil bildet der
gewaltige Krönungssaal (Fig. 172), ein Raum von 170 Fuss Länge
bei 54 Fuss Breite und 45 Fuss Höhe. Schon in den Reise-
beschreibungen des 16. Jahrhunderts wird diese herrliche ge-
wölbte Halle bewundert und gepriesen. In der That ist sie von
grossartiger Wirkung, namentlich das in ganzer Breite ohne
Stützen ausgespannte Netzgewölbe mit seinen .verschlungenen
*) Vgl. den oben citirten Aufsatz von Mertens.
Eftp. XII. Die OiterrelchiBoben Lfinder. 625
BippeD, iD ftlnf Jochen den Raom bedeckend, reich und kobn.
Man siebt daran die Vorliebe des Arcbitekten fflr kanstreiche
Combinationen, in denen die sp&t^thischen Heister zu wett-
eifern Buehten. Eine ^wisse Schwerfälligkeit der Detailbildong
hftlt man gern zu Gute, und die bescbrtlnkte Höbenentwicklung
lftS0t man als gemeinsamen Zug der damaligen Baukunst des
Nordens sieb gefallen. Am Aeussem treten an der Nordseite
ungemein elegante Strebepfeiler, an der SOdseite Säulen hervor.
Fl(. 171. WladUlHiMl in d*T Barf n Png.
Am merkwtlrdigsten sind die Fenster, paarweise mit Püastem
einer korintbiairenden Ordnung und mit eatsprecbendem Gebälk
umrahmt Man würde sie für spätere Zusätze halten, wenn man
niebt am ArchitraT die Jabrzabl 1 493 und die Inschrift Wladislar
rex Ungarie Bohenüe läse, wodurch sie als gleichzeitig verbürgt
sind. Der Saal muss also als das frflheBte datirte Bauwerk mit
Renaissanceformen diesseits der Alpen bezeichnet werden. Daea
man darum doch nicht auf zwei rerechiedeue Heister zu gchliessen
braucht, liegt auf der Hand, Wir haben vielmehr in Heister
626 ^I* Bu<^^- BeBsisBance in DeutBChUnd.
Benedikt yon Laun einen jener Ettnstler, welche neben der
gothiflohen Ueberlieferung, in der sie aufgewachsen waren, sich
die £enntniss der italienischen Renaissanceformen zu verschaffen
gewusst^) In den anstossenden, aus derselben Zeit herrühren-
den Gemächern sieht man ähnliche Netzgewölbe, dagegen fehlt
der ttbrige Theil der ursprünglichen Ausstattung. Aus diesem
Flügel des Palastes wurde ein Bogengang in das südliche Neben-
schiff des Domes geführt, wo Wladislav sich durch denselben
Meister ein Oratorium herstellen Hess, dessen Stirnseite mit reich
yerschlungenem Astwerk In spätgothischem Stil geschmückt ist
Man sieht also, dass bei Meister Benedikt trotz einzelner Be-
naissancemotiye die gothische Kunst noch vorherrscht
Die volle italienische Benaissance tritt erst in dem Belvedere
Ferdinands I, hier aber freilich mit einem Werk ersten Banges
auf. Ferdinand I begann 1534 mit dem Bau einer Brücke über
den Hirschgraben ^) und der Anlage eines Lustgartens auf der
weithinschauenden Hohe, welche sich nördlich vom Hradschin
erstreckt. Unvergleichlich herrlich ist von hier aus der Blick
auf den tiefen von der Moldau durchströmten Thalkessel, welcher
bis auf die umgebenden Höbbn von der gewaltigen Stadt mit
ihren Palästen, Kirchen, Kuppeln und Thürmen erfbUt wird.
Seit 1536 wurde hier das Belvedere erbaut, nach den Plänen
des aus Italien herbeigerufenen Paul della Stella, der beim Kaiser
in hoher Gunst stand und die Leitung des G-anzen hatte. Unter
ihm finden wir die Italiener Hans de Spatio und Zoan Marias sowie
einen Deutschen Hans Trost, der ohne Zweifel in Italien sich
mit der Benaissance vertraut gemacht hatte.') Wöchentlich wurden
250 Bheinische Gulden auf den Bau verwendet, der namentlich
im Jahre 153$ energisch geführt und bis zur Einwölbung des
Erdgeschosses gebracht wurde. Dann trat eine Ebbe in der
Kasse ein; die italienischen Arbeiter wurden widerspänstig und
Hans de Spatio drohte sogar nach Italien zurükzukehren. Mit
Mühe wurden sie zufrieden gestellt, so dass der Bau fortgeführt
werden konnte und wahrscheinlich 1539 die Einwölbung beendigt
0 Dem g^egenüber muss ich freilich bemerken, dass Grueber auf
Grund genauer Untersuchungen die Gleichzeitigkeit der Fenster mit der
übrigen Composition in Abrede stellt. Sollte sich diese Annahme bestä-
tigen, — wobei freilich die Inschrift immer schweren Anstoss geben wird
— so wäre doch spätestens an die Zeit Ferdinands I zu denken, unter
welchem Herstellungsbauten an der Burg stattfanden. — ') Vgl. den Auf-
satz in Förster's Allg. Bauz. 1838. S. 345 flf. u. die Taff. CCXXXU— CCXXXV.
— *) Wie es sich mit dem bei Dlabacz, Künstler-Lex., als Erbauer des
Belvedere genannten „Ferrabosco von Lagno" verhält, weiss ich nicht
anzugeben.
Kap. Xn. Die österreichischen LKnder. 629
war. Als 1541 ein Brand die Stadt verheerte, musste man die
Meister zur Herstellung der Burg und der Schlosskirche verwenden.
Damals mögen gewisse Renaissaneedetails am Hradschin, nament-
lich auch am Wladislavsaal ausgeführt worden sein. Nur Stella
führte mit zwei Gehülfen die Arheit an den Reliefs fort, für
deren jedes er zehn Kronen begehrte, was dem Kaiser zu viel
erschien, so dass ein Urtheil von Sachverständigen erfordert
wurde. Stella setzte sodann den Bau allein fort, der indess
1546 wegen Geldmangels und dringender anderer Arbeiten ein-
gestellt werden musste. 1556 wird die Arbeit wieder auf-
genommen, wobei auch die Kupferbedachung zur Ausführung
kommt; aber erst 1558 wird die Eindeckung des bis dahin offen-
gestandenen Gebäu^ps vollendet. Hans Haidler aus Iglau führte
das Dach aus. 1560 arbeitet man an der Pflasterung des Gor-
ridors, aber erst unter Kudolph II wird die innere Ausstattung
vollendet, 1589 z. B. der Fussboden der Säle mit Regensburger
Marmor belegt
Das Gebäude (vgl. Fig. 1 73) war nur als ein Lusthaus, als Garten-
pavillon angelegt, die Morgenseite gegen die Stadt, die Abend-
seite gegen den Garten gerichtet, um die herrlichen Blicke auf
die Stadt zu gemessen und in reiner Luft, von Gartenanlagen
mit Springbrunnen umgeben, sich an schönen sommerlichen
Abenden der Kühle zu erfreuen. Deshalb umziehen Arkaden
auf luftigen Säulen das Erdgeschoss, das im Innern kühle Räume
mit Spiegelgewölben und die Treppe zum oberen Stock enthält
Von der ursprünglichen Ausstattung des Innern ist keine Spur
erhalten, die Treppenanlage durch modernen Umbau verändert
Das obere Stockwerk, welches zwar erst ziemlich spät aus-
geftlhrt, aber im ursprünglichen Plane begründet ist, besteht
aus einem Festsaal, rings von einem freien Umgang, der über
den Arkaden des Erdgeschosses sich hinzieht, umgeben. Der
Bau hat in der Bestimmung und der Anlage Verwandtschaft mit
dem um einige Decennien jüngeren ehemaligen Lusthause in
Stuttgart, nur dass dort der untere Raum als Bassinhalle aus-
gebildet war. Im Uebrigen ist es von Interesse zu vergleichen,
wie weit in der künstlerischen Auffassung die Renaissance ge-
schulter Italiener von derjenigen eines deutschen Meisters jener
Zeit abweicht Statt der malerischen Mannigfaltigkeit in der
Anlage des Stuttgarter Lusthauses mit seinen Freitreppen uüd
Erkern, seinen Thürmen und hohen schmuckreichen Giebeln,
die den Arkaden bei kleinem Massstab nur eine untergeordnete
Bedeutung lassen, beherrscht bei dem Prager Belvedere die gross-
artige Säulenhalle mit ihren vornehmen Verhältnissen den Ein-
630 m* Buch. BenaiflBance in Deatschlftnd.
druck des Ganzen und verleiht demselben das Gepräge klassisoher
Buhe. Auch darin zeigt sich ein durchgreifender Unterschied^
dass in Stuttgart die Aufgänge zum oberen Gescfaoss als Frei-
treppen aussen angebracht waren, wodurch der ganze obere
Baum als grossartiger Saal sich gestaltete, während beim Bei-
yedere die Treppe (die übrigens in neuerer Zeit umgestaltet
worden) im Innern angebracht war und zwar so, dass auf der
einen Seite ein gesondertes Gemach, auf der andern der grössere
Saal angeordnet wurde. Dadurch musste letzterer in seiner Längen-
ausdehnung beträchtlich eingeschränkt werden.
Die Formen sind am ganzen Bau von einer Durchbildung,
die Verhältnisse von einer Anmuth, wie sie nur die italienische
Benaissance in ihren vollendetsten Schöpfungen' erreicht Die
umgebende Halle bildet eine Art Peripteros von 6 zu 14 schlanken
Säulen einer reichen ionischen Ordnung, an deren Kapitalen die
Emblen^e des goldenen Vliesses zu geistvoller Verwendung ge-
kommen sind. Auch die Stylobate der Säulen haben Beliefs,
welche mit einer ferneren Anspielung auf jenes Ordensemblem
ihre Gegenstände der Argonautensage entlehnen. Eine geschlossene
Brüstungsmauer, nur vor den Eingängen durchbrochen, verbindet
dieselben, in der Mitte jedes Intercolumniums durch einen mit
Putten geschmückten Pilaster getheilt. Auch in den Bogenzwickeln
sind antike Beliefscenen dargestellt, im Fries endlich die herr-
lichsten Akanthusranken angebracht Dies Alles ist in fein-
kömigem Sandstein mit einer Zartheit und Vollendung aus-
gearbeitet, wie man sie sonst nur in den Marmorbauten Italiens
findet Dazu kommt, dass alle architektonischen Glieder im
Geist der edelsten italienischen Hochrenaissance wie von Bra-
mante oder Peruzzi durchgebildet sind. Das gilt namentlich
auch von den eleganten Consolen, auf welchen die Gesimse der
Fenster und Thüren ruhen, sowie von dem durchbrochenen Gitter
der oberen Terrasse, einem Virtuosenstück des Meisseis. Im
Uebrigen ist das obere Geschoss einfacher behandelt, was nicht
einer späteren Entstehung, wie man wohl geglaubt hat, zu-
geschrieben, sondern als wohlberechtigte künstlerische Absicht
erkannt werden muss, da die Säulenhalle des unteren Geschosses
den ganzen Nachdruck der architektonischen Conception erschöpft,
und die mit schlichten Fenstern und Nischen in dorischem Stil
bdebte Oberwand sich dem Auge fast völlig entzieht Interessant
sind als Werke deutscher Kunst die Schönen Eisenarbeiten der
Wasserspeier. Im Innern zeigen die unteren Säle flache Spiegel-
gewölbe, deren Zwickel auf äusserst eleganten Consolen ruhen.
Der Saal des oberen Geschosses hat dagegen ein Tonnengewölbe
Kap. XU. Die Ogterreichischen Länder. 633
mit leichten Bippen, das auch nach aussen mit seiner charakte-
ristischen Form und der Eupferbedeckung sich geltend macht
Ohne Frage haben dabei die grossen Säle der Basiliken von
Padua und Vicenza als Muster Vorgeschwebt Wie sehr die-
selben die damaligen Architekten interessirt haben, erfuhren wir
schon durch die Aufzeichnungen Schickhardts. Die Wände des
oberen Saales werden durch Rahmenpilaster getheilt, deren zart
gebildete, frei korinthisirende Laubkapitäle das Gebälk tragen,
an dessen Fries der Doppeladler als Ornament wiederkehrt Im
Uebrigen ist von der ursprünglichen Ausstattung des Innern nichts
mehr erhalten; die modernen Fresken vermögen dieselbe nicht
zu ersetzen.
Von ebenbürtigem Adel der Formen ist der Springbrunnen,
welcher der Gartenfront dieses Lusthauses gegenüber errichtet
wurde. Dies geschah freilich erst 1565,^) ein Jahr nach Fer-
dinand's Tode, und zwar wird als Yerfertiger ein einheimischer
Künstler, der kaiserliche Büchsenmeister Thoman Jarosch genannt;
die Figuren goss der von den Arbeiten in Innsbruck her bekannte
Gregor Löffler, *) Es wird wohl weitaus der edelste Renaissance-
brunnen diesseits der Alpen sein (Fig. 174). Auf prächtig phan-
tastischen Figuren ruht die schön geriefte Schaale, mit einem
Relieffries von Masken und Palmetten gerändert Aus ihr erhebt
sich ein kraftvoller Ständer, nach der Sitte der Zeit mit Figuren
umkleidet, deren Bewegui^g stark ins Malerische fällt Der obere
Theil des Ständers, durch edle Gliederung und anmuthige Orna-
mente ausgezeichnet, trägt die obere Schaale, die wieder mit
überaus elegantem Reliefschmuck bedeckt ist. Die Krönung des
Ganzen bildet ein Putto, der auf einem Jagdhorn bläst Reich-
thum der Ausstattung verbindet sich mit rhythmisch bewegtem
Aufbau und edler Gliederung zu trefflichster Wirkung. Bezeich-
nend, dasd es einheimische Künstler waren, die ein so edles
Werk im Geiste echter Renaissance zu schaffen vermochten.^)
Um dieselbe Zeit liess Ferdinand I am Jagdschloss zum
Stern durch zwei italienische Steinmetzen gewisse Arbeiten vor-
nehmen. Georg Podiebrad hatte 1459 das Schloss im Thiergarten
bei Prag, etwa. eine Stunde westlich von der Stadt, am nord-
westlichen Abhänge des Weissen Berges, erbauen lassen, wobei
er demselben, zur Erinnerung an seine erste Gemahlin Kunigunde
0 Die histor. Daten in Förter's Banzeit. a. a. 0. und dazu eine Abb.
Eine neuere treffliche Aufnahme in den Blättern der Wiener Bauschule. —
^) So wird wohl zu lesen sein und nicht Georg, wie unsere Quelle angiebt.
— ') Unsere Abb. ist nach der von der Wiener Bauschule veröffentlichten,
schönen Aufnahme angefertigt.
g34 UI* Buch. RenaiBsance in Deutschland.
von Stemberg, die aufTallende Fonn eines gechsstrahUgen Sternes
geben liesa Ferdinand I legte hier einen Thiergarten an und
umfriedete denselben mit einer hohen Mauer. Im Innern des
Schlosses liess er reiche Stuckdekorationen ausfbbren, zu denen
er die uns schon bekannten Italiener Paul deüa Stella^ Harn de
Spatio und dazu angeblich einen Meister Ferräbosco dt Lagno ver-
wandte. Zugleich wurden mehrere einheimische Maler beauftragt,
die Sääle mit Gemälden zu schmücken. Das obere Stockwerk er-
hielt damals Fussböden von glasirten Backsteinen, und das Gebäude
wurde mit einem Eupferdach gedeckt, an welchem man noch 1565
zu arbeiten hatte. Auch Rudolph II sorgte für weitere YervoU*
ständigung des künstlerischen Schmuckes. Wiederholt wurden
in dem glänzend hergerichteten Lustschloss FesÜichkeiten ver-
anstaltet, namentlich Bankete bei Anwesenheit fremder fürstlicher
Gäste abgehalten. Im Stern war es auch, wo der unglückliche
Winterkönig am 31. October 1619 feierlich von den Vornehmen
des Landes empfangen wurde, und von wo er seinen Einzug in
die Königsstadt hielt. Während des dreissigjährigen Krieges
hatte das Schloss viel zu leiden, und bttsste u. a. sein ganzes
Kupferdach ein; aber unter Ferdinand III wurde eine aber-
malige Renovation vorgenommen, und Leopold I liess das Innere
neuerdings mit Gemälden schmücken. Aber unter Joseph II ward
der Prachtbau zum Pulvermagazin herabgewürdigt, welcher Be-
stimmung er jetzt noch dient Nur 1866 während der preussischen
Invasion erlebte der Bau für kurze Zeit bessere Tage, denn beim
schleunigen Zurückweichen der Truppen nahm die Stadtgemeinde
das Schloss in Beschlag und entfernte daraus die zum Hohn auf
seine künstlerische Bedeutung und zu beständig drohender (Gefahr
fhr die ganze Umgebung darin niedergelegten Pulvermassen. Da-
mals strömte Alt und Jung herbei, um sich an den immer noch
reichen Ueberresten ehemaliger Pracht im Innern zu erfreuen,
und ein kunstsinniger Architekt benutzte die nur zu kurze Frist,
um von den Stuckreliefs Zeichnungen und Abgüsse herzustellen. ^)
Sogleich mit dem Frieden nahm die Militärverwaltung das Gre-
bäude wieder in ihre Hand und gab es seiner unwürdigen und
gefährlichen Bestimmung zurück. Vergeblich sind bis jetzt alle
Vorstellungen von Freunden der Kunst und des Alterthums ge-
wesen,, dies hochoriginale Bauwerk, ein Unicum seltenster Art,
0 Herr Emil Hofmeister in Prag hat sich in anerkennenswerther
Weise dieser Mühe unterzogen. Ihm verdanke ich nicht bloss Abgüsse
der Reliefs, sondern anch die hier mitg^etheilten Grundrisse und einen mit
Sachkenntniss geschriebenen Aufsatz, auf welohon meine Darstelinng be-
ruht. Vgl dazu Centr. Comm. Mitth. 1867 u. iS68.
Kkp. XII. Die OsteTr^hieohen LBnder. 635
Beiner schmachTollen VernngliiopfuD^ zu entreissen. Dennocb
nrnsa unabläHig; diese Forderung wiederholt werden, am ein
peBcliichtlich und künstlerisch bedeutsames Monument zd retten.
Die Anlage des merkwOrdigeu Baues ist aus den beigefBgten
Grundrissen Fig. 175. 176 leicht zu TCrstehcn. Hier nur einige
DOthwendige ErlfinteruDgen. Der Äussere Eindruck ist gegen-
wärtig nach allen Beranbungen und Verunstaltungen ein wttster,
Fl^. m. BcUou Stani bei P»g. ErJ(HclioM.
abstossender, höchstens durch die bizarre Form die Aufmerk-
samkeit erregend. Die kahlen hohen Mauern, welche in sechs
scharfen Kanten zusamiaen stossen, lassen jede Vemerung und
Gliederung, ja sogar die Gesimse vermissen. Dies war freilieh
die ursprüngliche Absieht des Baumeisters; aber die ehemaligen
Fenster, die jetzt bis auf schmale doppelt vergitterte Oeffbungen
vermauert sind, müssen doch einen freundlicheren Anblick ge-
währt haben. Auch war ohne Frage das ursprüngliche Kupfer-
g36 ni. Buch. Benaissance in Deatschland.
dach ansprechender als das jetzige schwere Ziegeldach, mit der
Unzahl von Blitzableitern. Indess lag von Anbeginn der Nach-
druck auf der kttnstlerischen Ausstattung des Innern. Höchst
originell ist wie man sieht die Anordnung des Grundrisses,
lieber einem Kellergeschoss erheben sich drei obere Stockwerke,
von denen das erste als Hauptgeschoss behandelt und dekorirt
ist Man kann sich die Grundform des Gebäudes aus zwei gleich-
seitigen einander durchdringenden Dreiecken entstanden denken.
Der Durchmesser beträgt von Spitze zu Spitze 124 Fuss, und
die Entfernung je zwei benachbarter Spitzen von einander ent-
spricht dem halben Durchmesser. Im Kellergeschoss, Fig. 175,
bildet den Mittelpunkt ein kreisförmiger Raum mit niedrigem
Kuppelgewölbe, die Wandflächen von sechs einfachen kleineren
Nischen und sechs radialen Durchgängen belebt, welche die Ver-
bindung mit dem ringförmigen Umgang vermitteln. In den Spitzen
des Sternes sind kleinere Bäume angebracht, die durch Ab-
schneiden der Dreieckspitzen die Form eines ungleichseitigen
Sechsecks erhalten haben. Diese Räume stehen ebenfalls mit
dem ringförmigen Gange in Verbindung. Sie empfingen ehemals
durch zwei Fenster ein genügendes Licht; dagegen erhielt der
centrale Kuppelraum nur durch die vier Fenster des äusseren
Ganges, und zwar mittelst der in die Axe desselben gestellten
Eingänge ein secundäres Lieht. In einer der sechs Stemspitzen
ist das sehr primitive Treppenhaus angelegt. Die Höhe der
durchgängig gewölbten Räume beträgt 12 Fuss. In höchst be-
merkenswerther Weise unterscheidet sich das obere Geschoss
(Fig. 176). Sein Treppenhaus umschliesst in dem inneren Kern
eine kleinere Wendelstiege, und ist überhaupt geräumiger und
stattlicher angelegt. Der Unterschied des ganzen Grundplans
von dem des unteren Geschosses beruht aber darauf, dass ein
mittlerer hochgewölbter zwölfeckiger Kuppelraum von 24 Fuss
Durchmesser und 18 Fuss Scheitelhöhe strahlenförmig sechs breite
Corridore von sich ausgehen lässt, die in der Umfassungsmauer
auf Fenster mttnden und dadurch dem Centralraume ein freilich
gedämpftes secundäres Licht zuführen. Zwischen diesen Corri-
doren bilden sich in den Sternspitzen rautenförmige Säle, welche
durch Abschneiden der beiden spitzen Winkel ein ungleichseiti-
ges Sechseck werden. Sie stehen durch weite ThüröfTnungen
mittelst der Corridore unter einander und mit dem Hauptsaale
in Verbindung. In den abgestumpften Ecken sind diese Säle,
deren Längendurcbmesser 33 Fuss bei 23 Fuss Breite enthält,
mit kleinen Wandnischen ausgestattet, die mit polirten Marmor-
platten bekleidet sind und ohne Zweiifel für Büsten oder Statuen
K4p. XIL Die ÖBteireichiBchen Linder. 637
bestimmt waren. Vod den HarmorpUtten dea Fj^Bsbodeos sind
nur geringe Reste erhalten; TölÜg yenchwanden ist die klLnst-
lerische Bekleidiuig der W&nde ; dagegen sind sAmmtliche Stuck-
dekorationen der gewttibten Decken im Mittelraum, den Gorri-
doren und den fUnf Ecksfilen noch vollatftndig erhalten. Durch
die wahrhaft geniale Eintheiluog, die in jedem Räume neue Mo-
tive anwendet, gich airgenda wiederholt, mit dem feinsten Zug
la aurn b«l P»(.
architektonischer Linien unerachöpflichen Reichthnm der Phautasie
und meiaterhafte technische AusfUhrung Terbindet, gehören diese
Weike nobedingt zu den grösaten Schätzen der Renaisgance-
dekoration diesseits der Alpen. Nur bei den Corridoren herrscht
in der Eintheilung der Felder daa Gesetz rbythmiacher Wieder-
kehr, so dasB der zweite dem vierten und sechsten entspricht
der dritte dem fünften und nur der erste als Eiogang eine ge-
sonderte Behandlung zeigt. In die zart umrahmten und geglie-
638 ^^' Bach. Renaissance in Deutschland.
derten Felder sind Rosetten, Laubwerk und Masken geschickt
vertheilt; den Mittelpunkt der Dekoration jedes Raumes bildet
aber eine mythologische Figur, die jedesmal in einem «H^nisehen
Zusammenhange mit der übrigen Dekoration steht und dieselbe
in sinnvoller Weise beherrscht In der Ausführung dieser Werke
waltet jene geniale Leichtigkeit' des Skizzirens aus freier Hand,
wie wir sie in antiken Dekorationen und dann wieder in den
besten Werken der italienischen Renaissance finden. Es wird
wohl keinem Zweifel unterliegen, dass diese Arbeiten auf Italiener
zurückzuführen sind. Wenn man ohne Weiteres annimmt, dass
dieselben aus der Zeit Ferdinands I stammen, so kann ich weder
unbedingt bejahen noch verneinen, da die jetzige Verwendung
des Gebäudes eine Untersuchung unmöglich macht. Bemerken
muss ich jedoch, dass die Proben, welche ich in Abgüssen ge-
sehen habe, eher auf die Zeit Rudolphs II zu deuten schienen.
Dass neben diesen kaiserlichen Bauten bald auch der hohe
Adel zu künstlerischen Unternehmungen schritt, erkennt man an
dem stattlichen Palast Schwarzenberg auf dem Hradschin,
einem Bau vom Jahre 1545. Zwei im rechten Winkel zusammen-
stossende Flügel bilden den Hauptbau. Die hohen Giebel sind
derb und breit geschweift, die Gesimslinie des Daches wird durch
eine Reihe kleinerer vorgesetzter Giebel in Volutenform bekrönt
Dies ist ein den slavischen Gegenden eigenthümliches Motiv, das
sich z. B. am Rathhause zu Brüx und der Tuchhalle zu Kr a kau
wiederfindet. Die ganzen Flächen des Palastes sind übrigens
verputzt und mit Sgraf fiten, meist facettirten Quadern, aber auch
freiem Ornament dekorirt Schon hier also ist keine Einwirkung
der italienischen Arbeiten vom Belvedere zu spüren.
Aber auch an städtischen Bauten kommt die Renaissance
bald zur Verwendung. So sieht man am Altstädtischen Rath-
haus, einem im Wesentlichen gothischen Bau, über dem rund-
bogigen Doppelportal eine Fenstergruppe selbdritt mit höherem
und breiterem Mittelfenster, in zierlicher Frührenaissance deko-
rirt. Eannelirte Pilaster mit Füllhörnern in den frei korinthisiren-
den Kapitalen bilden die Einfassung, dies Alles in etwas scharfer
und trockner Behandlung, aber mit einem schönen Bandfries
verbunden. Darüber in der Mitte ein Rundbogenfeld mit elegant
antikisir ender Gliederung, welche das Wappen umschliesst Im
Fries liest man: Praga caput regni. Ueber den Seitenfenstem
dagegen sind wunderlich gothisirende Aufsätze fialenartig ange-
bracht So wächst also hier wie in den meisten Gegenden
Deutschlands die Renaissance noch mit der Gothik zusammen.
Das Eisengitter ist aus späterer Zeit, dagegen sieht man ein
Kap. XU. Die GsterreiehiBchen Länder. 641
schönes Gitter yon 1560 an dem Ziehbrunnen auf dem Kleinen
Ring. Aus den trefflich gearbeiteten Schnörkeln entwickeln sich
Eichblätter und Eicheln, sowie vergoldete Figttrchen. Auch in
der Thür eines Privathauses an demselben Platze ein schönes
Eisengitter. Zum Herrlichsten gehört aber das Gitter, welches
im Dom das Grabmal Karls IV umgiebt *) Im Uebrigen hat die
gute Renaissancezeit in Prag wenig Spuren hinterlassen. Nur
auf dem Rossmarkt 'ist mir ein hohes Giebelhaus, jedoch ohne
feinere Durchbildung, aufgefallen.
Dagegen steht am Ausgang der Epoche der Palast Wald-
stein, 1629 von dem grossen Wallenstein erbaut Die Fa^ade
zeigt den etwas trocknen italienischen Palaststil der Zeit, mit
einigen barocken Elementen, besonders in geschweiften Voluten
versetzt Der ungefähr quadratische Hof ist ähnlich behandelt;
an der Eingangsseite und dem gegenüberliegenden Flügel mit
drei Reihen von Halbsäulen dekorirt, und zwar in dorischer,
toskanischer und ionischer Ordnung. An den beiden andern Sei-
ten fehlen diese Ordnungen in wohlberechneter Absicht, um eine
Steigerung für die Hauptfa^aden zu ermöglichen. Sämmtliche
Fenster sind im Rundbogen geschlossen, die Bögen von Gesim-
sen begleitet, welche an den Seiten mit verkröpften Rahmen ver-
bunden sind. Nur im Erdgeschoss zeigen die Fenster geraden
Sturz und schöne Eisengitter. Im Innern ist der grosse Saal
bemerkenswerth, der im Vorderhause zwei Geschosse einnimmt,
von einem Spiegelgewölbe mit Stichkappen bedeckt Die Deko-
ration, unter welcher ein grosser Kamin hervorragt, ist in derbem
Barockstil gehalten. Neben der sehr bequem ansteigenden Treppe
fehlt nicht die Palastkapelle, sehr klein aber ungemein hoch, mit
einer Empore und reicher Dekoration in Stuck und Malerei.
Alles dies ist künstleriscji keineswegs hervorragend. Dagegen
gehört die gigantische Halle (Fig. 177), welche an der Rück-
seite des Palastes sich gegen den Garten mit seinen herrlichen
Laubmassen und Baumgruppen öffnet, zu den gewaltigsten Schö-
pfungen der Zeit; ja ich wüsste weder diesseits noch jenseits
der Alpen, wenn man etwa die in ganz anderem Sinn und in
anderer Zeit errichtete Loggia de' Lanzi ausnimmt, eine andere
Halle, die an vornehmer Majestät sich mit diesem Werke messen
könnte. Der Bau kommt der Höhe des ganzen Palastes gleich,
ist an den Seiten mit Mauern und kräftigen Stimpfeilem ein-
geschlossen und öflftiet sich nach vorn auf gekuppelten Säulen
mit Bögen von gewaltiger Höhe und Weite. Die Dekoration ist
») Mitth. d. Centr. Comm. XV. 1870. p. 60.
Kngl^r, Getcb. d. Bauknntt. V. 41
642 ni. Bmch. BenaiMuuse in Dentsehknd.
aUerding^s schon stark barock, aber durch Yerbindung von Malerei
und Reliefs ron reicher Wirkung. Inmitten der heissen lärmen-
den Stadt ist hier in freier Qartenumgebung ein Raum geschaffen,
der den Genuss köstlicher Stille und Zurtlckgezogenheit bietet.
An die eine Seite stosst ein Badecabinet, als Tropfsteingrotte
charakterisirt, an die andere ein kleines Zimmer mit Tonnen-
gewölbe, reicher Barockdekoration und gemalten Scenen der an-
tiken Heldensage. Die Fenster sind mit schönen Eisengittern
verwahrt An diesen Flttgel schliesst sich eine Tropfsteingrotte,
die als Vogelhaus angelegt ist Mit diesem mächtigen Bau
ist die äusserste Grenze der Renaissance in Prag erreicht, ja
zum Theil schon flberschritten. —
In den übrigen Theilen Böhmens werden zahlreiche Werke
der Renaissance angeführt, ttber deren Mehrzahl ich indess nicht
aus eigner Anschauung berichten kann« Nach den zuTcrlässigen
Notizen eines sachkundigen Freundes >) bewegt sich im Allgemei-
nen die Renaissance Böhmens in ähnlichen Bahnen, wie die der
meisten deutschen Länder. Auch hier scheint der fremde Stil,
abgesehen von jenen einzelnen glanzvollen Leistungen fremder
Künstler, von denen wir schon sprachen, mit einer gewissen
Energie von d^n einheimischen Meistern ergriffen, umgestaltet
und mit den Traditionen der Gothik verschmolzen worden zu
sein. Künstler in der Richtung des schon genannten Benesch
von Laun hat es offenbar mehrfach im Lande gegeben. So ent-
stand denn auch hier zunächst ein Misch- und Uebergangsstil,
der noch jetzt in manchen Werken sich erkennen lässt Bemer-
kenswerth als Symptom von der geistigen Selbständigkeit des
Landes ist sodann, dass neben den Schlössern der Fürsten und
des Adels auch das Bttrgerthum in den Städten durch den Bau
von Rathhäusem und Wohngebäuden sich an der künstlerischen
Bewegung der Zeit betheiligt
Um zunächst mit diesen zu beginnen, so bietet das schon
erwähnte Rathhaus zu Brüx vom J. 1560 bei geringem Werth
der künstierischen Ausführung doch durch seine Anlage ein
Ganzes von originellem Eindruck. Seine langgestreckte Fa^ade,
die Westseite des Marktes begränzend, öffnet sich mit theils rund-
bogigen, theils spitzbogigen Arkaden. An der südlichen Ecke
springt ein viereckiger Thurm mit einem in Böhmen beliebten
0 Prof. B. Grneber hat die Güte gehabt, mich aas seiner reichen
KenntnisB des Landes mit Nachrichten zn unterstützen. Da wir von ihm
demnächst eine ansftihrliche Geschichte der Renaissance in Böhmen zm er*
warten haben, so mögen bis dahin die nachfolgenden kurzen Bemerkungen
genügen.
K^». Xn. Die (teterrdohiicheik Under. ^3
Sehweifdaehe vor, im ErdgeBchoBS ebenfsUs eine SpitzbogenhaUe
bildend. Vor Bämmtliche Arkadenstfltzen sind derbe Strebepfeiler
gelegt, die mit geschweiften Giebeln abschliesBen. Dies Alles so-
wie der reiche Freskenschmack der Fa$ade, die freilich spätere
Erneuerungen verrftth, giebt dem Ganzen eine pikante Wirkung
trotz des geringen Materials und der flüchtigen, fast rohen Aus-
führung in verputztem Backstein. Das Bogenportal, an den
Seiten mit Sitznischen, hat in der Archiyolte und den Zwickeln
hflbsches, wenn auch nicht eben feines Laubwerk; in der Mitte
das Brustbild des Baumeisters. Im Innern fflhrt eine geradläufige
Treppe mit Podest, deren Geländer gothisches Maasswerk mit
eleganten Benaissance-Bosetten zeigt, zu einem stattlichen Vor-
saal, dessen Sjreuzgewölbe auf einer Reihe tüchtig behandelter
toskanischer Säulen ruhen. An den Gewölben sind in Stuck alleiv
lei Ornamente, Sterne, Rauten, Kreuze n. dgL ausgeführt
lieber die Bauten der anderen Landestheile stelle ich einige
Notizen zusammen, die der weiteren Ausführung bedürfen. Ein
besonders früher Bau (1539) ist das Bathhaus zu Leitmeritz.
Wie weit derselbe schon die Renaissanceformen auMmmt, ver-
mag ich nicht anzugeben. Der spätesten Entwicklung des Stiles
gehören die Rathhäuser von Reichenberg (1600) und Wessely
(1614) an. In Olmütz vertritt das Rathhaus seinem grösseren
Theile nach die Renaissance. Im Ganzen scheinen aber die
Rathhäuser in Böhmen und Mähren nicht die hervorragendste
Partie der Entwicklung zu bilden. Auch der bürgerliche Privat-
bau hat nnr Einiges von Bedeutung aufzuweisen. Zwei schöne
Häuser am Marktplatz zu Pilsen, mehrere Fa^aden in Kutten-
borg, das durch die Fülle seiner gothischen Denkmäler sich den
wichtigsten Architekturstätten des Landes anreiht — Mehrere
Privathäuser in Wittingau, das eine von 1544, zeichnen sich
durch Rundbogen- Arkaden auf abgefasten Pfeilern aus. Der ab-
getreppte Giebel ist entweder mit Zinnen bekrönt, zwischen wel-
chen Rundthürmchen, ebenfalls mit Zinnen endigend, aufsteigen,
oder die einzelnen Absätze haben ein Halbkreisfeld alsAbschluss.^)
Mehrere Fa^aden in Budweis sind ähnlich behandelt^) In
Mähren besitzen Brunn und Olmütz einige Renaissancehäuser.
Der Schwerpunkt liegt auch hier im Schlossbau. lieber alle
Theile des Landes ist eine ansehnliche Zahl von Bauten des
hohen Adels versti-eut, die zuerst noch jenen mit gothischen Ele-
menten versetzten Mischstil zeigen, in den letzten Decennien des
«) MItth. der Centr. Conan. 1868. p. XCVI mit Abb. — «) Ebenda,
mit Abbild.
41*
g'44 ' I^I- Buch. Renatesance in Deutschland.
16. Jahrb. aber die Formen der ausgebildeten nordischen Renais-
sance vertreten. Dabin gehören das nur tbeilweise erhaltene
Scblösscben Ben^sen unweit Bodenbacb; das Scbloss zu Wit-
tingau; der grösste Theil des Scblosses Erumau, diese beiden
mit eleganten Säulenarkaden im Hofe; das als sehr bemerkens-
wertb bezeichnete Sohloss Schwarz-Kosteletz von 1570, unweit
der Station Böhmischbrod. Sodann die Schlösser zu Wittingau,
zu Neuhaus und zu Friedland; das der spätesten Zeit ange-
hörende Scbloss Blatna (1612); endlich das Scbloss zu Bischof-
Teinitz an der bairischen Gränze; Scbloss Smetschna und der
Thurm des Schlosses Kost. Vom Waldsteinschloss in Gitschin
ist nur ein Theil erhalten; in Mähren dagegen bietet das Scbloss
zu Nikölsburg eine bedeutende Anlage der späteren Zeit.
. In einigen Theilen des Landes, namentlich im Nordosten,
kommt der im ganzen slavlschen Gebiet einheimische Holzbau
vielfach zur Verwendung und erhält manchmal kflnstlerische Ge-
stalt Es ist Blockwandbau, wie ihn z. B. das Ratbhaus in Se-
^mil in origineller Behandlung zeigt Eine Laube auf hölzernen
Säulen ist vorgebaut; die Spitze des Giebels krönt ein Glocken-
thürmchen. Wie lange dieser naturwüchsige Stil hier geherrscht
hat, erkennt man an einigen Häusern in Hohenelbe, welche
erst um 1730 entstanden sind.^) Sie zeigen die Elemente der
Holzconstruction auf kräftig originelle Weise in die Formen der
Spätrenaissance tibersetzt
Xm. Kapitel.
Die nordSstlichen Binnenländer.
Früher als irgend eine andere Provinz Deutschlands hat
Schlesien die Renaissance aufgenommen und in monumentalen
Werken angewendet 3) Das erste Auftauchen der neuen Formen
bemerken wir hier an einem Grabmal der Elisabethkirche zu
Breslau, das bald nach 1488 entstanden sein muss. Es ist, so
weit wir wissen, das früheste Datum eines Renaissancewerkes im
ganzen Norden. Als sodann Bischof Johannes Thurso die alte
0 MitiL der Centr. Ck)mm. 1870. p. LXH mit Abb. — >) Schätzbare
.Notizen in der fleissigen Arbeit von A. Schultz, Schlesiens Kunstleben
im 15. bis 18. Jahrh. Breslau 1872. 4. Mit Abbild.
Kap. Xin. Die nordtMlicheB ^iDnenlünder.
Rnr; Eallenatein, zwischen Neisse uod Glatz, abtragen tmd das
neue Schloss Jobanniaberg emohten lioBs,*} bracbte er 1509
bei Vollendimg des Baues sein Wappen an, das mit den beglei-
tenden Sirenen, den aus gothiscliem Laubwerk und ionischen
Kapitalen selteam gemischten Sfiulen, den als Bögen verwendeten
Delphinen eine wenn auch noch phantastisch confuse Renaissance
zeigt.*) (Fig. 178.) Dagegen tritt der neue Stil mit grosser
Sicherheit und Opulenz schon 1517 am Portal zur Sakristei im
Dom zu Breslau auf. Gemischt mit gothischen Elementen findet
man ihn 1527 am Kapitelhause daselbst Um diese Zeit scheint
hier der Sieg der neuen Kunstweise entschieden. Nicht bloss
von geistlichen Bauherren, auch
in bürgerlichen Kreisen, die ander-
wärts so lange widerstanden und
so zähe am Ueberlieferten fest-
hielten, wird, wenn auch bis-
weilen noch mit Keminiscenzen
an die heimische Kunst des
Mittelalters , die Renaissance
energisch aufgenommen. Wir be-
gegnen ihr 1521, mit spfitgothi-
sehen Elementen versetzt, am
Stadthause zu Breslau; I52B an
dem prächtigen Portal im Erd-
geecboss des Rathbauses; endlich
in demselben Jahre bereits an
einem mächtigen Bflrgerhause
„zur Krone" auf dem Ringe.
Solch frohes, einmtlthiges Hin-
geben an den neuen Stil finden wir nirgend sonstwo in Deatsoh-
land. Suchen wir den Grund dieser Erscheinung zu erkennen.
Wir haben es mit einem Gräuzlande zu tban, wo seit dem
12. Jahrhundert durch deutsche Ansiedler inmitten slariscber
Bevölkerungen deutsche Sitte und Bildung verbreitet worden war.*)
■} Nie. Pol, Jahrb. der Stadt Breslan, heraasgeg. v. BttBching (Bieslaa
1BI3. 4). II, 1S&. — ■) Die Abb. nach einer Photographie, die ich der
Gute des um die Scblesiache KnDBtgeBcbichte hochverdienten Herrn Dr.
Luchs verdanke Die InBchrift ist nicht minder boBeichnend ; .Johannes V
epiacopn^ VratiaL hanc arcem divo Johanni Bapt. aacravit et ereiit.* —
*) üeber das Geschichtl. vgl. hee. Sonunersberg, Scriptt. rer. SileBiac. and
SteDEel'a Samml. unter dema. Titel; Stenzel'a nnd TzBchoppe'e "Orkunden-
aammlung; Menzel, Geacb. SchlcBiena-, Stenzel, Geach. von Schlesien a. a. m.
646 IQ* Buch. BeftaiBsance in Dentsehland.
Allein zwischen den beiden mächtigen Königreiolien Polen nnd
Böhmen g;elegen, wurde Schlesien^ das mit dem deutschen Reiche
nicht in politischer Verbindung stand, lange Zeit zum Spielball
und Zankapfel seiner Nachbarn, bis es sich unter die Oberhoheit
der Krone Böhmen stellte und durch Karl IV dauernd mit die-
sem Lande rereinigt wurde. Das 15. Jahrh. brach unheilyoU
ttber Schlesien herein; durch die verheerenden Zttge der Hussiten-
schaaren, durch die Kämpfe gegen Georg Podiebrad Wurde das
Land zerrtfttet und verwflstet Erst durch den Schutz des mäch-
tigen Matthias Gorvinus (1469) kehrte Ruhe und Frieden zurück.
Handel und Veriiehr hob sich und dehnte sich nach allen Seiten
aus; mit dem Anbruch des 16. Jahrhunderts gehörte Schlesien
zu den blühendsten und wohlhabendsten Proyinzen Deutschlands.
Besonders war es die glückliche Lage Breslaues, welche die
ausgedehntesten kaufmännischen Unternehmungen begünstigte.
Wenifer durch eigenen Oewerbfleiss als durch den lebhaft und
mit umsichtiger Kühnheit betriebenen Handel that die schon da«
mals mächtig« Stadt sich hervor. Auf der Gränze zwischen Süd-
und Norddeutsehland gelegen, zugleich gegen den slavischen Osten
als äusserster Punkt germanischer Kultur vorgeschoben , wurde
sie ein wichtiges Emporium für den Verkehr zwischen Osten und
Westen, Sudan und Norden. Nicht bloss Augsburger und Nüm-*
berger, selbst Venezianer Häuser hatten ihre Niederlassungen in
Breslau; umgekehrt gründen die Breslauer ihre Filialen in den
Städten Sflddeutsehlands, Flanderns und Italiens. Der Verkehr
erstreckte sich bis Venedig im Süden, bis Brabant und England
im Nordwesten, ostwärts bis Preussen und Russland, Ungarn und
die Walachei. Ja über Polen suchten die muthigen Kaufleute
den Weg bis in den fernsten Osten, ohne sich durch barbarische
Gesetze abschrecken zu lassen, wie jenes in der polnischen Stadt
Plotzko, welches den Breslauer Bürger Hans Bindfleisch, der in
der Herberge dort von seinem Wirthe bestohlen worden war,
zwang den Dieb selbst an den Galgen zu hängen, wenn er nicht
von ihm aufgeknüpft werden wollte.^) Eingeführt wurden namen^
lieh niederländische und englische Tuche, Gewürze, Salz und Wein,
Häringe, Aale und Lachse ; die Ausfuhr erstreckte sich auf Wolle,
Eisen, Steine, Getreide, Wein und Bier. Obwohl 1506 schon ge-
klagt ward, der Handel mit Polen und Russland habe sich nach
Posen hingezogen, kann man im Gedeihen der Stadt keine Ab-
nahme bemerken. Vielmehr steht die Macht der schlesischen
Städte auf ihrem Höhepunkt, und wo etwa adlige Sehnapphähne
^) Klose, Breslau in Stenzel, scriptt. III, 59.
Kap. Xm. Die nordOgtUchen BianenlXiider. 647
den Verkehr zu stören wagen, macht man mit ihnen kurzen
ProzeMy wie mit dem berttchtigten Schwarzen Christoph von Bej-
eewitz, der 1513 zu Liegnitz an den Galgen gehenkt wurde.
Aber es bleibt nicht bloss bei solchem kräftigen Verfolgen
materieller Interesse. Der schlesische Volksstamm, als ftusser-
ster Vorposten gegen den kulturlosen slavisehen Osten gestellt,
wahrt mit hoher geistiger Regsamkeit sein Vorrecht, an den
Grftnzmarken deutsche Sitte und Bildung auszubreiten. Breslau
Tersucht 1505 wiederholt, jedoch yergebens, Tom p&pstlichen
Stahl die Erlaubniss zur Gründung einer Universität zu erlangen.
Dasselbe ist bei Liegnitz der Fall. Luthers Lehre wird im gan-
zen Lande schnell und freudig aufgenommen, die Reformation
gelangt ohne Kampf, fast ohne Widerspruch zur Durchf&hrung.
Nicht bloss die Fttrstengeschlechter des Landes neigen sieh ihr
zu, auch die Städte wetteifern in ihrer Förderung. In Breslau
f&hrt Johann Hess aus Nürnberg, der 1522 als Pfarrer an die
Magdalenenkirche berufen wird, schon 1525 die neue Lehre voll-
ständig durch. Zwar bleiben der Bischof sammt dem Domkapitel,
den Stiftern und SSöstem der alten Kirche treu; aber fast das
ganze Land wendet sich von ihr ab. Damit geht ein frisches
Aufblühen der Wissenschaften Hand in Hand. Gelehrte Schulen
werden in Breslau, Brieg und Goldberg gestiftet; namentlich die
letztere erlangt unter Valentin von Trotzendorf weitverbreiteten
Ruf, so daos nicht bloss aus Deutschland, Böhmen und Polen,
sondern selbst aus Ungarn, Litthauen und Siebenbtbrgen Schaaren
von Lernbegierigen, namentlich aus dem Adel, ihr zuströmen.
Thomas von Rhediger bringt auf langjährigen Reisen einen Schatz
von Handschriften, Büchern und Kunstsachen zusammen, die er
1575 seiner Vaterstadt Breslau vermacht und damit den Grund
zur Elisabethbibliothek legt Erst mit Kaiser Rudolph H beginnt,
wie in den übrigen österreichischen Provinzen, auch in Schlesien
die Verfolgung und Unterdrückung des Protestantismus. Die
Jesuiten vollführen auch hier ihr Werk der Geisterknechtung, und
für Schlesien hebt jene unselige Epoche an, welche erst mit der
preussisehen Besitzergreifung ein Ende nimmt Dennoch lässt
sich der elastische Geist dieses begabten Volksstammes nicht
ganz unterdrücken, und die Erneuerung der deutschen Poesie
findet hier ihren Ausgangspunkt
Kein Wunder, dass unter solchen Verhältnissen die Kunst
der Renaissance rasche Aufnahme fand. Wieder bestätigt sich
die Wahrnehmung, dass die der geistigen Bewegung der Refor-
mation zugethanen Volksstänune Deutschlands auch für die Er-
neuerung der Kunst das Meiste gewirkt haben. Noch ein Umstand
648 ^21- BncL Reniussance in Deutschland.
— und zwar ein negativer — kam diesem Streben zu Statten»
In Städten, wo wie in Nürnberg eine mächtig ausgebreitete und
tief gewui'zelte Kunst seit Jahrhunderten blühte, haftete die Mehr-
zahl der Meister so fest an den Traditionen des Mittelalters, dass
sie nur schwer und langsam (mit Ausnahme etwa eines Peter
Vischer und Dürer) sich einer völlig neuen Kunst zuwandten.
Anders in Schlesien. Hier hat zwar das ganze Mittelalter zahl-
reiche Werke der Kirchenbaukunst hervorgebracht und dieselben
mit bildnerischem Schmuck aller Art ausgestattet; aber kein Werk
ersten Banges und höchster künstlerischer Bedeutung, keine wahr-
haft originale Leistung ist darunter anzutreffen. Die einzige
eminent grossartige Schöpfung jener Zeit ist hier — bedeutsam
genug — ein Profanbau: das mächtige Breslauer Rathhaus. Wir
finden sogar, dass wo man etwas Ausgezeichnetes verlangte, aus-
wärtige Künstler herbeigezogen wurden. So fertigte Peter Vischer
1496 das Grabmal Bischof Johanns IV, das man noch jetzt im
Dom sieht Ein anderer NiLmberger Meister Hans Pleydenwurff
muss eine Tafel für den Hochaltar der Elisabethkirche machen« 0
Ein andres Mal beruft man einen Meister Benedict, Maurer zu
Krakau, weil es »grosse Nothbaue'' zu Breslau gebe.^) Dieser
Benedict kommt in dei; That 151 S als Stadtbaumeister vor. 3)
Dagegen wird ein Breslauer Künstler Jost Tauchen vom Erzbischof
Johann von Gnesen beauftragt, ihm sein Grabdenkmal mit eher-
nem Bildniss auszuführen.^) Genug: wenn auch Schlesien sich
lebhaft am' künstlerischen Schaffen der Zeit betheiligte, so befin-
den wir uns hier doch nicht in einem der Mittelpunkte, sondern
an der äussersten Peripherie deutscher Kunst; desshalb mochte
um so leichter ein fremder Stil sich Eingang verschaffen, zumal
der Sinn des Volkes hier durch angeborne geistige B^samkeit
und durch den freien Weltblick, welchen der Handel gewährte,
allem Neuen offen stand. Dazu kam die Verbindung mit Oester-^
reich, wo wir ebenfalls eine frühzeitige Aufnahme der Benaissance
fanden.
Aber mehr als in den übrigen österreichischen Ländern be-
mächtigte man sich hier mit eigener schöpferischer Kraft der
neuen Formen. Schlesien gehört noch jetzt zu den wichtigsten
und reichsten Gebieten deutscher Benaissance. Die hohe Geist-
lichkeit und das Bürgerthum der Städte, die zahlreichen Fürsten-
geschlechter und der begüterte Adel wetteifern in glänzenden
Werken des neuen Stiles. Da derselbe so früh aufgenommen
») Stenzel, Scriptt. III, 133. — ») Ebenda HI, 185. — «) A. Schulta,
a. a. O. S. 19, Anm. - V Ebenda III, 133.
Kap. XIIL Die nordtfstlifihen Binnenländer. 649
wird, 80 hat er gut ein Jahrhundert hindurch Zeit sich zu ent-
falten. Wir finden ihn denn auch in allen Schattirungen von
den ersten noch unklaren Versuchen, den einzelnen direkt
italienischen Arbeiten, der durch diese xherbeigefllhrten selbstän-
digen Ausbildung biji zu den späten schon stark barocken Formen.
Wir finden eine Anzahl von Prachtwerken in Portalen und Epi-
taphien von ausgesuchter Schönheit, welche die Anmuth der
Frtthrenaissance spiegeln. Dann haben wir Schlösser, welche
nicht bloss durch einzelne Prunkstücke (Liegnitz), sondern durch
grossartige Anordnung und edle Ausbildung, sei es im Geist
italienischer Kunst (Brieg), sei es in charaktervoller nordischer
Umgestaltung (Oels) hervorragen. Daneben feiert das Bürger-
thum nicht und bietet in der Entfaltung einer acht deutschen
Renaissance an zahlreichen Privathäusem in Breslau, Brieg, Lieg-
nitz, Neisse Musterwerke dieses Stiles. Besonders die allmählich
zu immer grösserer Sicherheit fortschreitende Gestaltung der Gie-
belfa$ade lässt sich durch eine Reihe von Beispielen darl^en.
Nur der Erker hat in Schlesien so gut wie gar keine Verwen-
dung im Privatbau gefunden. Endlich fehlt es auch nicht an
Rathhäusem, die durch wirksame Gruppirung und kräftige Glie-
derung den mittelalterlichen an malerischem Reiz kaum nachstehen.
Als Material wird überall der Haustein verwendet und von dem
gothischen Backsteinbau mit um so grösserer Berechtigung abge-
standen, als derselbe in Schlesien fast ausnahmslos über eine
ziemlich derbe und selbst rohe Form nicht hinausgekommen war.
Wo die Flächen, wie dies hier häufig geschieht, verputzt werden,
da hat man stets malerischen Schmuck in. vollfarbigen Fresken
oder wenigstens in Sgraffito zu Hülfe genommen. In wie fem
italienische Künstler direkt bei Einführung der Renaissance be-
theiligt sind, wird später zu erörtern sein.
Breslau.
Die Hauptstadt Schlesiens nimmt unter den monumentalen
Vororten Deutschlands eine weit bedeutendere Stelle ein als man
gemeinhin weiss. Schon die Gesammtanlage der Stadt hat einen
so grossartigen Zug, wie wenige von unseren mittelalterlichen
Städten ihn zeigen. Die imposante Gestalt des ^Ringes*' mit dem
herrlichen Rathhause, die klare, übersichtliche Anordnung der
wichtigsten Strassen findet in Deutschland nur etwa in Danzig
und Nürnberg ihres Gleichen. Dies wahrhaft grossstädtische Ge-
präge verdankt Breslau, das schon um das Jahr 1000 als an-
650 ni. Bueh. BenakMaee in Deutsehlaiid.
sehnliohe Stadt erwähnt wird, Karl dem lY, der nach den ver^
heerenden Feuersbrflnsten yon 1342 und 1344 cde neu auflführta
Wie in der Folge die Stadt sich durch rege Handelsthätigkeit zu
Macht und Blfithe aufschwang, ist oben schon erwähnt worden.
Mit zunehmendem Beiohthum stieg den Bttrgem die Lust, durch
kttnstleri&iche Werke ihre Stadt zu sohmflcken. Nicht wenig trug
zur Förderung dieses Strebens der Wetteifer mit der Geistlichkeit
bei, die im Domkapitel sowie in mehreren Stiftern und Klöstern
ihren Sitz hatte. Ausser Köln hat wohl keine Stadt in Deutsch-
land noch jetzt solche Zahl mittelalterlicher Kirchen und Kunst-
werke aufzuweisen wie Breslau. Nur dass hier das Meiste den
späteren Epochen des Mittelalters angehört und fast ausschliess-
lich die jttngeren Entwicklungen des gothischen Stiles und der
begleitenden bildenden Kttnste vertritt, und dass an Werken
höchsten künstlerischen Banges hier kaum Etwas zu finden ist
In die neue Zeit tritt die auf dem Gipfel ihrer Macht stehende
Stadt mit dem vollen Bewusstsein und dem regsten Antheil an
der geistigen Wiedergeburt des Lebens. Wie sie die Reformation
schnell aufnahm und ^entschieden durchf&hrte, wie sie selbst eine
Universität zu gründen bemüht war, haben wir schon* erzählt
Ein nicht Geringerer als Melanchthon giebt ihr das ehrendste
Zeugniss. „Keine deutsche Nation, sagt er in einem Briefe an
Herzog Heinrich von Liegnitz, hat mehr gelehrte Männer in der
gesammten Philosophie ; die Stadt Breslau hat nicht nur fleissige
Künstler und geistreiche Bürger, sondern auch einen Senat, der
Künste und Wissenschaften freigebig unterstützt. In keinem
Theile Deutschlands beschäftigen sich so viele aus dem gemeinen
Volke mit den Wissenschaften.^ Dagegen vrill es nicht schwer
wiegen, wenn Joseph Scaliger in einer etwas wunderlichen
Aeusserung sagt: „Die Schlesier sind Barbaren; sie wohnen am
Ende der Christenheit. Welcher von ihnen nicht Barbar ist,
der ist gemeiniglich ein sehr guter Kopf. Sie sind nahe an
Slavonien und haben beinahe dieselbe Sprache.''*)
Der Bestand der literarischen und künstlerischen Denkmäler
bestätigt Melanchthon's Auffassung. Ein reger Wetteifer macht
sich mit dem Beginn des 16. Jahrhunderts im monumentalen
Schaffen geltend. Bischof Johann IV (f 1506) erbaut an Stelle
des früher aus Lehm errichteten Bischofshofes einen steinernen
Palast 9 mit zwei weiten Sälen, einer grossen Stube, mit feinem
Malwerk, geziert mit den Bildnissen der Könige von Böhmen
>) Beide Stellen citirt in Menzel'i Geaeh. SoUesienB. p. 331.
Kap. Xm. Die nordOstliehen BfamenUtnder. 651
and der Bisehöfe von Breslau, dazu eine herrliche Bibliothek.^ ^)
In der Bürgerschaft bemerkt man zunächst eine stei^nde Für-
sorge für Reinlichkeit der Strassen und PUtee; 1513 befiehlt eine
Verordnung,*) dass Jeder den Dünger vor seiner Thür ausführen;
dass Niemand fortan Kehricht oder andern Unrath auf den Ring,
der Salzmarkt, den Neumarkt und die Gassen schütten; dass
Koiner die Schweine auf dem Ring oder den Strassen herum-
laufen lasse, ^Yornehmlich an den Tagen, da man mit dem heil.
Leichnam umgehet oder die Kreuze herumträgt" Eine gleich-
zeitige Aufzeichnung zählt auf dem Ring sechzig Häuser, einige
bemalt, sämmtlich drei, yier, auch fünf Gaden (Stockwerke) hoch.
Auch die Vorderseite dps Rathhauses hat Gemälde; die Stadt
besitzt im Ganzen vierzig Kirchen Und elf Klöster, die Stadt-
mauer ist mit fünfzig Thürmen besetzt.') Breslau hat damals,
namentlich am Ring und den Hauptstrassen, einen gewiss noch
imposanteren Eindruck gemacht als jetzt. '
Von dem lebendigen Kunstsinn und der Empfkngliohkeit,
welche die Stadt auszeichneten, giebt noch jetzt die merkwürdig
frühe Aufnahme der Renaissance unyerkennbares Zeugniss. Wäh-
rend in dem hoch entwickelten Nürnberg ein Meister wie Peter
Vischer noch 1496 (an dem Grabmal im Dom) den Formen der
Gothik treu bleibt, hat ein allem Anscheine nach in Breslau hei-
mischer Künstler schon 1488 oder doch nicht viel später^) ein
Werk im Renaissancestil, so gut er ihn yerstand, ausgeführt
Es ist das schon erwähnte Grabmal des 1488 yerstorbenen Peter
Jenkwitz und seiner 1483 ihm yorausgegangenen Ehefrau, wel-
ches man aussen an der Elisabethkirche, und zwar an der
östlichen Ecke der Nordseite sieht. ^) Die anspruchslose aus
Sandstein gearbeitete Tafel enthält die Reliefdarstellung des Ge-
kreuzigten mit Maria und Johannes, darunter yier Wappen, das
Ganze eingefasst yon Renaissancepilastern , deren monoton yrieder-
holtes Laubwerk in der Füllung des Schaftee noch das schlaffe
•) Kiß. Pol, Jahrbücher der Stadt Breslau. II, 186. — •) Klose bei
Stonsel, seriptt. m, 214. — ») Ebenda III, 248. — «) So auffallend dks
Mhe I)atim 10t, so liegt doch kein Grund yor, es anzuzweifeln. Wenn,
wie es doch wahrscheinlich, der Sohn des Verstorbenen das Grabmal er-
richten liess, so darf man wohl daran erinnern, dass derselbe yon 1499
bis 1503 das kanonische Recht in Born studirte (Klose, Breslau, pag. 38C)
wo er wohl die Renaissance kennen lernen konnte. Selbst wenn er erst
nach seiner Hefankditr das Denkmal hütte ansführen lassen, wäre es immer
noch das früheste im Norden. Doch ist dies anzunehmen nicht einmal
nöthig. — ') Vgl. Dr. Luchs, die Denkmäler der St. Elisabeth-fiarche zu
Bre8*lau. Nr. 370. Bei A. Schultz a. a. 0. liest man Seite 14 durch einen
Druckfehler 1438, während auf Seite 6 die richtige Jahrzahl steht
652 UI. Bach. Renaissance in Deutschland.
Lappenblatt gothischer Farren zeigt Dasselbe Laub bekleidet
die Kapitale, welche keiner ausgeprägten Benaissance-Ordnnng
angehören.* Es ist also offenbar ein heimischer Bildhauer, der
den neuen Stil nur von ungefähr aus Zeichnungen oder Holz-
schnitten kennen mochte. Ebenso vereinzelt tritt ein Benaissance-
motiv, aber mehr ein bildnerisches als architektonisches, an einem
andren Denkmal derselben Kirche auf: dem an der Sttdseite be-
findlichen Epitaph des Hans Scholtz, f 1505.^) Das recht gute
Kelief der Verkündigung sowie die gothische Einfassung verrathen
einen Künstler, der in den Geleisen der heimischen Tradition
wandelt: aber die beiden Engelknaben in dem Schweifbogen ^
schmecken nach Einflüssen der Renaissance. Das nächste Datum,
das uns begegnet, ist das oben mitgetheilte Wappen aus Johannis-
berg von 1509: auch hier noch ein Gemisch beider Stile, aber
doch ein viel stärkeres Anklingen der neuen Kunstweise.
Aus dem folgenden Jahr 1510 datirt ein grosses treffliches
Epitaph an der Südseite der Magdalenenkirche, welches
Christus am Kreuz mit Maria und Johannes, S. Andreas und
Barbara, darunter eine zahlreiche Familie knieend darstellt Die
Eiinfassung wird durch kandelaberartige Säulchen gebildet, welche
noch unsicher die Sprache der Renaissance zu reden versuchen.
Auch die beiden Engelputti in den Bogenzwickeln gehören der
neuen Auffassung ap. Ebenso unklar und spielend ist der italie-
nische Stil mit gothischem Laubwerk gemischt an dem kolossalen
Zinnkrug von 1511 im Alterthums-Museum, welcher sammt
dem älteren gothischen, von A. Schultz veröffentlichten, zu den
grössten Prachtstücken dieser Art zählt Dies interessante Werk
beweist, dass auch das Kunstgewerbe, gegen seine sonstige Ge-
wohnheit des zähen Haftens am Ueberlieferten, merkwürdig früh
hier die neue Richtung einzuschlagen versuchte.
Alle diese Werke sind sichtlich Schöpfungen deutscher, wahr-
scheinlich in Breslau ansässiger Künstler. Die Einfllhrung der
Renaissance in Schlesien ist also einheimischen Meistern zu ver-
danken. Aber so unklar tastend, so schwankend und gemischt
der Stil hier auftrat, vermpchte er unmöglich die Herrschaft zu
ero^bem. Dazu gehörten vollendetere, aus tieferer Kenntniss der
neuen Bauweise hervorgegangene Leistungen. Eine solche tritt
uns hier zuerst in dem Portal entgegen, welches aus dem süd-
liehen Chorumgang des Domes in die Sakristei führt und die
Jahreszahl 1517 trägt. Nach dem Muster oberitalieniseber Por-
0 Dr. Luchs, a. a. 0. Nr. 339.
Kap. Xm. Die nordOBtlichen Binnenländer. 653
tale der FrtthrenidsBance bilden ornamenttrte Pilaster, die dn
reich geBchmttcktes Gebälk tragen, die Einfassung, während ein
Halbkreisfeld mit der Reliefdarstellung der Enthauptung Johannes
des Täufers das Ganze abschliesst Die volle dekorative Pracht
italienischer Frührenaissance, ursprünglich durch Bemalung noch
gesteigert, ist hier entfaltet ; auch lässt das Belief des Bogenfeldes
in seiner freien lebensvollen Behandlung, in der kflhn bewegten
Stellung des Henkers, der Verkürzung des Leichnams vielleicht
auf einen Italiener schliessen, obwohl die weibliche Gestalt in
Gesichtszügen, Tracht, Kopfhaube eher auf einen Deutschen deutet.
Auch der seltsam geformte Eierstab des Frieses, die wenig ver-
standene Behandlung des korinthischen Kapitals, selbst das Laub-
werk der PilasterfttUungen, das Alles will mir mehr deutsch als
italienisch erscheinen. Es ist daher recht wohl möglich, dass
vnr es mit einem heimischen Künstler zu thun haben, der in
Oberitalien seine Schule gemacht
Gleich vom folgenden Jahre 1518 datirt das schöne Bronze-
Epitaph der Margarethe Irmisch an der Nordseite der Magda-
lenenkirche: Christi Begegnung mit Maria im Beisein der
Apostel, unten die Familie der Verstorbenen, eine lebensvolle
meisterliche Arbeit, von schlichtem Renaissancebogen umrahmt,
der durch Kymatienblätter und Zahnschnitte elegant gegliedert
ist Auch die schöne Blumenguirlande gehört zu den ächten
Merkmalen der Renaissance. Aber auch diese Arbeit weist, und
zwar noch bestiml&ter, auf deutsche Hand.
Während hier kein Nachklang mehr an den gothischen Stil
zu finden ist, treten solche Reminiscenzen noch einmal an den
Arbeiten auf, welche 1521 am Leinwandhaus, (jetzt am Stadt-
haus) ausgeführt wurden. Den wichtigsten' Rest derselben sieht
man in der Elisabethstrasse an dem Portal, das mit dem darüber
angeordneten Fenster eine ebenso originelle als reizvolle Compo-
sition ausmacht Die feinen RahmenpUaster mit eingelassenen
Schilden, die Säulchen mit den frei korinthisirenden Kapitalen,
die Gesimse und die Gonsolen erinnern an Venezianische Muster;
aber das Eichengeäst, welches über den Gonsolen sich zum Bo-
gen verschlingt, ist ein Rückfall in spätgothischen Naturalismus.
Das wäre einem Italiener nicht begegnet; also haben wir hier
wohl mit Sicherheit einen heimischen Meister zu vermuthen. Die
übrigen Reste dieses Baues verstecken sich im Kaffgesimse der
Fenster an der südlichen und westlichen Seite des in moderner
Berliner Gothik ausgeführten Neubaues. Es sind Relieffriese voll
köstlichen Humors, überwiegend noch den burlesken Spässen des
Mittelalters angehörend^ dazu Genrescenen in frischem Naturalis-
654 ni. Baoh. BeoAlnuuiee in Dentsdüand*
mus; auf Anftchaaungen der fienabtanee deutet aber aueh hier
der allerliebste Fries mit tanzenden Kindern.
Das nAchste Werk fällt volle sechs Jahre spftter: es ist das
EapitelhauB beim Dom, an welchem man das Datum 1527
liest In die Backsteinfa^ade wurde damals ein Sandsteinportal
in Benaissanoeformen eingesetzt; rechtwinklig geschlossen, der
Böhmen mit Eierstab, das deckende Gesims in reicher Weise
mit Zahnsohnitt, Eierstab und Eymation belebt, dies Alles aber
in derber, wenig verstandener Weise. Völlig mittelalterlich ist
die Art, wie der äussere Stab des Portalrahmens sich an den
Ecken durchschneidet; ein Motiv, das sich an den Übrigen Oeff-
nungen, namentlich den schrägen Fenstern des Treppenhauses
wiederholt Das kleine innere Portal hat ebenüftlls einen Eier-
stab als Ein&ssung und ist mit Zahnschnittgesimse und Eymation
bekrönt; die Spindel der Wendeltreppe hat aber einen schräg
gerieften gothischen Fuss. So mischen sich auch hier wieder die
Benaissanceformen mit den Elementen mittelalterlicher Eunst: ein
Beweis, dass wir es mit der Arbeit einheimischer Werkleute zu
thun haben. Von allen diesen bis jetzt erwähnten Schöpfungen
kann also höchstens die Sakristeithür im Dom als Leistung eines
Italieners bezeichnet werden; denn sie ist das einzige Werk, an
welchem keine Spur gothischer Eunstweise sich findet. Bei der
steten Verbindung der Geistlichkeit mit Italien liesse sich die
Verwendung eines fremden Meisters hier am ersten erklären.
Nun folgt das mächtige Eckhaus am Bing No. 29 „zur
Erone.^ A. Schultz^) will auf einer alten Zeichnung desselben
die Jahrzahl 1523 gelesen haben; es nimmt mich Wunder, dass
er das deutlich auf einem Täfelchen am Pilaster des Portals an-
gebrachte Datum 1528 nicht gesehen hat Beide Fa^aden sind
schlicht, ohne Gliederung, mit Stuck Aberzogen, auf welchem ge-
wiss ursprünglich Malereien oder Sgraffiten waren. Die Fenster,
dnzeln, zu zweien oder zu dreien gruppirt, haben antikisirende
Bahmen und Deckgesimse. Am aufUIendsten sind die bogen-
förmig gezackten Zinnen, welche das flache Terrassendach ein-
fassen und der Fa^ade ein italienisches Gepräge verleihen. In
der Ohlauerstrasse hat später eine Verlängerung des Hauses stat^
gefunden, die sich schon durch verminderte Höhe und einen
Wechsel in Behandlung der Fenster kund giebt Die prachtv<dle
grosse Mmrmorinschrift enthält das Jahr 1544 und fügt den Spruch
hinzu QVAEVIS TEBBA PATBIA, was wohl eher auf einen frem-
den Besitzer als auf einen auswärtigen Baumeister deuten durfte.
<) In der fleissigen, oben mehr&ch erwähnten Monographie, S. t3.
K«pw xm. Die nordöstlicliMi BimieiüäAder. 655
Indesd mögen die Zinnen nnd das flache Dach als Anzeichen
itaUenischer Ennst aufgefasst werden; damit stimmt das einzige
Pntnkstflck der Fa^ade, das reich mit Ornamenten bedeckte Portal^
das mit seinen dekorirten Pilastem, den Delphinen in den Bogen-
zwickefai^ dem Eierstab und Zahnsehnittfries, kurz mit seiner
ganzen Anordnung und Ausschmückung der Renaissance ange-
hört Aber die schwerfällig ausgebauchten korinthischen Kapitale
zeugen nicht von italienischer Feinheit; noch mehr deutet die
Inschrift ^Das Haus steht in Gotes Handt, zur gülden Krone ist
es genant'^ auf deutsehe Arbeit Ebenso scheint das Steinmetz^
zeichen^) einen deutschen Meister zu yerrathen. Dies Urtheil
findet weitere Bekräftigung im Innern. Zwar der Flur, jetzt
flaehgedeckt, yerräth in seiner Dekoration eine spätere Umge-
staltung; aber der auf den Hof mündende Thorbogen ist mit sei-
ner einfachen Behandlung dem vorderen Portal gleichzeitig. Der
Hof selbst, lang und schmal, ist an der einen Langseite in drd
Geschossen mit Galerieen eingefasst, welche auf stark Torge-
kmglen Consolen mittelst Flachbögen aufsetzen. An der Keller-
thflr verräth sieh nun wieder der deutsche Meister, welcher von
den Traditionen des Mittelalters noch nicht ablassen kann: die
Einfassung wird durch gekreuzte Stäbe in spätgothischer Art ge-
bildet, obwohl das Deckgesims die Formen der Benaissance
zeigt Völlig gothisch mit reich durchschneidendem Stabwerk ist
aber die Umrahmung des Pf Örtchens, welches im ersten Stock
auf die Galerie mündet Dass italienische Kttnstier noch 1528
an mittelalterlichen Formen festgehalten hätten, ist undenkbar;
daher werden wir auch für diesen Bau einen deutochen Meister
annehmen müssen.
Das Märchen vom Uebertragen der Benaissance durch italie-
nische Künstler ist also hier ebenso hinfällig wie es sich in
Frankreich als unbegründet erwiesen hat Damit fallen auch
die Yermutfaungen zusammen, welche A. Schultz >) über den Yer-
lanf der fienaissaneebewegung in Deutschland aufstellt Nur aus
dem Ueberblick über das ganze Material, das uns jetzt zu Gebote
steht, lässt sich diese Frage beantworten. Demnach sind wohl
etnzebie Bauwerke im Norden von Italienern ausgeführt worden:
so in Wiener-Neustadt, in Krakau, Prag, Landshut Für Schle-
sien werden wir in Brieg ein Denkmal italienischer Kunst fin-
den. Daraus aber zu folgern, die Benaissance habe zuerst in
0 Abgeb. bei Luchs, Bildende Ktinstier in Schlesien (Abdr. ans der
Zeitschrift f. G. u. Alterth.) Seite 13. — *) In der mehr erwähnten Mono-
graphie Seite 15.
656 ni. Bach. Benaissance in Dentschland.
Polen, Schlesien, Böhmen, Baiern Fuss gefasst und von da aus
sich allmählich über ganz Deutschland verbreitet", ist voreilig.
Die Renaissance hat sich vielmehr in den meisten deutschen
Landschaften selbständig entwickelt. Vor allen Dingen aus An-
schauung oberitalienischer Denkmale und einzelner nach dem
Norden gelangter Kunstwerke sog sie ihre Nahrung. Es ist
durch Nichts erwiesen, dass italienische Künstler persönlich den
neuen Stil in Deutschland eingeführt hätten. Unsere Dürer,
Burgkmaier, Holbein, Peter Vischer und andere Meister verwen-
deten in ihren Zeichnungen, Gemälden, Holzschnitten, plastischen
Werken die Renaissanceformen, ehe noch irgend eins jener no-
torisch von Italienern ausgeführten Denkmale entstanden war. Die
mit grossem Fleiss in dankenswerther Weise aus archivalischen
Quellen geschöpften Ermittlungen über das Auf Ixeten italienischer
Maurer in Schlesien,^) für die Kulturgeschichte des Landes von
hoher Bedeutung, beweisen für das Auftreten der Renaissance
gar Nichts. Der Meister Vinceniius de Parmentana, der 1518 in
Breslau Bürger wurde, steht allem Anscheine nach ganz verein-
«zelt da. Wohl mag er für die Einbürgerung der neuen Formen
thätig gewesen sein, aber es fehlt an jedem sicheren An-
haltspunkte zur Begründung dieser Vermuthung. Wenn aber
auch — wie es ja wahrscheinlich — von ihm Bauten in Breslau
ausgeführt worden sind, die dann zweifellos den Renaissance-
stil zeigten, so haben wir die neuen Formen seit 1488 dort in
einer Reihe von fest datirten Werken ersichtlich deutschen Ur-
sprungs nachgewiesen. Die Einführung des Stiles ist hier also
nicht durch Italiener erfolgt Dass sodann seit 1 543 eine grössere
Anzahl italienischer Bauleute bis in die siebenziger Jahre nach-
gewiesen wird, hat für unsere Frage ebenfalls keine Bedeutung.
Denn seit 1 540 verstanden die einheimischen Meister überall den
Stil selbständig anzuwenden und bedurften keiner fremden Lehr-
meister. Die n ganzen Schaaren'' von Italienern, welche die Re-
naissance in Deutschland eingeführt haben sollen^), schwinden
also dahin. —
Gleichzeitig mit dem Hause zur Krone entstand nun daa
. mit 1528 bezeichnete Portal, welches im Erdgeschoss desRath-
h aus es zum Rathhaussaal führt Das Gebäude selbst^), im
14. Jahrhundert begonnen, war erst seit 1471 eifriger gefördert
worden und erhielt in dieser Schlussepoche der Gothik die
0 Die wälschen Maurer in Breslau, von Dr. A. Schultz in der Zeitachr.
des V. f. Gesch. u. Altth. IX, Heft I, S. 144 ff. — ») Schultz, a. a. 0. p. 16.
— ^) Lüdecke und Schultz, das Rathhaus zu Breslau. Br. 1868.
Kap. XIII. Die nordöstlichen Binnenl&nder. 057
groBsartige Ausstattung mit drei Erkerthürmen und im Innern
den imposanten Flur und den Fflrstensaal, welche gemeinsam es
zu einem der ansehnlichsten und reichsten Rathhftuser Deutsch-
lands stempeln, ein wttrdiges Zeugniss von der Macht und dem
Kunstsinn der damaligen Stadt. Sollte die neuerdings reröffent-
lichte^) Estrade im mittleren Erker wirklich von 1480 datiren, so
hätten wir hier das früheste Auftreten von Renaissanceformen,
wenn auch noch stark versetzt, ja überwuchert von spfttgothischen
Elementen, denn die Kassettendecke ist schon völlig im Stil
der Renaissance, obgleich die metallnen Rosetten noch krauses
gothisches Laubwerk zeigen. Auch die Einfassung der mit
gothischem Maasswerk durchbrochenen Balustrade trägt die Form
des neuen Stils. Ich glaube daher diese Theile zu den späteren
Ausstattungen rechnen zu müssen, welche seit Vollendung des
westlichen Erkers (1504) noch hinzugekommen sind. Die voll aus-
gebildete Renaissance finden wir sodann 1528L an dem schon er-
wähnten Portale des Rathssaales. Die reiche Behandlung, welche
die Pilaster und alle übrigen Flächen mit Laubwerk und Früchten,
mit spidenden Putten, mit Sirenen in üppigen Ranken, mit Tro-
phäen und Emblemen verschiedener Art dekorirt hat (leider jetzt
mit Oelfarbe dick verschmiert, ursprünglich aber gewiss poly-
chromirt), erinnert genau an den Stil des Portales an der Krone.
Selbst die bauchige Kapitälbildung finden wir wieder, so dass auf
die gleiche Hand geschlossen werden darf>). An einen Italiener
werden wir um so weniger zu denken haben, als archivalische
Untersuchungen ergeben, dass damals' die Stadtbaumeister in
Breslau stets Einheimische waren 0- ' Die innere Seite des Ein-
gangs wird durch ein ähnliches nicht minder reiches Portal ge-
schmückt Im Jahre 1548 wurde sodann der Erker im Hofe auf
wuchtigen, mit elegantem Akanthuslaub geschmückten Consolen
ausgeführt. Seine Rundbogenfenster werden von kannelirten Pi-
lastem, der mittlere mit ionischen, die beiden andern mit tos-
kanischen Kapitalen eingefasst. Dieser Bau ist im Geiste strenger
Hochrenaissance durchgeführt und dürfte am ersten einem Ita-
liener zuzuschreiben sein. Von der weiteren Ausstattung des
Innern kommt sodann besonders die herrliche Holzbekleidung
der Wände des Rathssaales in Betracht, 1563 bezeichnet Die
mit Vorliebe angewandte Intarsia, die im Architektonischen und
Omamentalen die höchste Feinheit zeigt, dürfte wohl italienisch
*) Bei Schultz a. a. 0. Tat. 1. nach einer trefflichen Zeichnung von
Lüdecke. — ^ Den Namenszug des Meisters H. R. giebt Luchs in s.
büd. Künstl. in Schlesien S. 13. — >) Schultz, Schles. Knnstleben S. 18.
Kngler, Oeach. d. Bankonst. V. 42
658 m« Bach. Renaissance in Deutschland.
sein. Merkwürdig, dass die in demselben Stil behandelte Thttr,
welche in das anstossende Gemach fährt, ein volles Jahrhundert
später, 1664, entstanden ist, wenn hier nicht ein Schreibfehler vor-
liegt Auch der kolossale, schwarz glasirte Kachelofen aus dem
17. Jahrhundert, prächtig mit Muschelomamenten geschmückt, an
den Ecken mit gelb glasirten Löwenköpfen, verdient Erwähnung.
Ein tüchtig behandeltes Eisengitter aus derselben Zeit fasst als
Bogen den Aufgang zur Treppe ein. Der seit 1558 aufgeführte
Bathhausthurm von Andreas StelUmf ist eine etwas nüchterne Con-
ception.
Zu den vollendetsten Werken der Renaissance in Breslau
gehören zwei Grabmäler, die wohl sicher von italienischer Hand
herrühren. Das grössere und prachtvollere sieht man im süd-
lichen Seitenchor der Elisabethkirche. Der kaiserliche Sath
und Rentmeister von Schlesien, Heinrich Bybisch (f 1544), liess
es sich bei Lebzeiten 1534, so liest man, errichten^). Die Voll-
endung scheint erst 1539 erfolgt zu sein, denn dieses Datum
trägt einer der Pilaster. Es ist ein Wandgrab von grossartigem
Maassstab, aus Tiroler Marmor errichtet, von drei stark vor-
tretenden Säulen mit reichem Gebälk eingefasst (Fig. 179)^). Die
Schäfte sind von buntem, die elegant gezeichneten Kapitale
scheinen von weissem Marmor, lieber den Arkaden bildet sich
ein feines Zahnschnittgesims, als KrOnung darüber dient eine
Akanthusranke mit Delphinen, in der Mitte das Wappen des Ver-
storbenen. Hinter den Säulen gliedern elegante Pilaster die
Wandfläohe. Die schöne Laubfüllung ist an beiden Schäften
dieselbe, ein in dieser Zeit auffallendes Verfahren. Man bemerkt
jedoch bald, dass die Behandlung des rechts (westlich) befind-
lichen Pilasters von geringerer Feinheit ist, so dass hier die
Hand eines Gehülfen vennuthet werden muss. Ueber einer
kleineren durch Eandelabersäulen gebildeten Wandarkade, welche
zwei Wappen und im Mittelfelde das trefflich gearbeitete Brust-
bild des Entschlafenen enthält, ist dieser selbst in ganzer Gestalt
liegend dargestellt, wie in Nachsinnen versunken, auf einen
Globus gestützt, in der Hand ein Buch haltend. Die Schönheit
der Anordnung, die Feinheit der Ausführung, der Adel der Or-
namente, die überall in passender Weise ausgetheilt sind, die
zierliehen Laubgewinde namentlich, welche jedes Feld schmücken.
<) Vgl. H. Luchs, die Denkmäler der Elisabetbkirche Nr. 25. — >) Die
Abbildung nach einer Skizze A. von Heyden^s unter Zuhilfenahme von
Detailzeichnungen C. Lüdecke's durch Baidinger auf Holz übertragen.
, Onbiul K/biieh, EUicMUiUrclH In Bndaa.
Kap. Xni. Die nordöstlichen Binnenländer. 661
die köstlichen kleinen Brustbilder in den Zwickeln der Bögen,
das Alles scheint auf italienische Hände zu deuten. Doch muss
auch hier ausdrücklich hervorgehoben werden, dass der Gedanke
an irgend einen ausgezeichneten einheimischen, aber in Italien
gebildeten Meister nicht ausgeschlossen ist ^). Als auffallend haben
wir noch die seltsam hohe mit Blattwerk dekorirte Basis der
Säulen zu bezeichnen.
Dieselbe Hand erkennt man in dem kleineren, jedoch kaum
minder anziehenden Grabmal, welches Stanislaus Sauer sich 1533
im südlichen Querflügel der Ereuzkirche errichten liess. Es
erscheint wie der bescheidene Vorläufer jenes prachtvolleren
Denkmals. Gleich jenem als Wandgrab angelegt zeigt es eine
in den Maassen und der Ausstattung reduzirte Form. Von zwei
kannelirten Säulen, aus welchen ein Löwenkopf herauswächst,
wird es umrahmt. Wie dort überschneiden auch hier die Säulen
die mit Medaillons geschmückten Pilaster der Wandfläche. Die
Rückwand wird in völlig verwandter Weise durch Arkaden mit
Candelabersäulchen gegliedert, aus welchen Lorberguirlanden
mit Inschrifttafeln herabhängen. Das Mittelfeld zeigt ein etwas
härter gearbeitetes Brustbild des Verstorbenen. Darüber, in den
Bogenzwickeln, zwei treffliche antike Köpfe. In den Ecken des
Frieses, der die lateinische Inschrift enthält. Köpfe, die als
Alexander Magnus und Augustus Caesar bezeichnet werden; im
Giebelfeld, von geschweiften Kanneluren umgeben, ein höchst
grossartig aufgefasster Kopf des Königs Matthias von Ungarn,
gleich den übrigen mit Lorber bekränzt. In verschiedenfarbigem
Marmor ausgeführt, durch fein abgewogene Vergoldung noch ge-
hoben, gehört dies Monument gleich dem oben besprochenen zu
den edelsten Schöpfungen der Renaissance auf deutschem Boden.
Obwohl das Ornament nicht die volle Feinheit hat, vielmehr ein-
facher, breiter und derber gezeichnet ist als bei jenem, muss
man doch auf denselben Meister schliessen. Auch die eigen-
thümliche Form der Säulenbasis spricht dafür.
Offenbar derselbe Künstler ist es, der sich an einem dritten
Denkmal bethätigt hat: an der Fagade des Privathauses Junker-
strasse 2, von jenem Heinrich Rybisch 1540 erbaut Nur der
untere Theil der FaQade ist unversehrt erhalten, dieser freilich
ohne Frage an Reichthum und Schönheit ** unter allen gleich-
zeitigen bürgerlichen Privatbauten Deutschlands ohne Gleichen.
Die beiden Pilaster, welche die Thür umfassen, zeigen in ihrem
0 Den NamenBzug des Verfertigers M. F. giebt Luchs in seinen Bild.
Künstlern p. 15.
662 m* Buch. Renaissance in Deutschland.
Ornament eine etwas überladene Compositiön, aber sprudelnd von
Geist und Leben. Merkwürdig ist darin die miniaturhaft ausge-
führte Darstellung einer geburtshülfliehen Seene; noch merk-
würdiger aber, dass dieselbe mit der ganzen übrigen Ornamentik
in beiden Pilastem gleichlautend sich wiederholt. Aber die Aus-
führung des einen, und zwar des links befindlichen, ist ähnlich
wie an dem Grabmal des Hausherrn von geringerer Gehülfen-
hand. Diese Pilasterstellung ist nun an der FaQade fortgesetzt,
die Schäfte jedoch sind kürzer gehalten, kannelirt und auf hohe
Sockel gestellt. Zwischen Fenster und Thür enthält eine Nische
mit schöner Muschelwölbung einen Löwen mit dem Wappen des
Hausherrn. Die sichere Meisterschaft der Gomposition, die gut
vertheilten und fein ausgeführten Ornamente, die köstlichen, reich
variirten Kapitale, namentlich das mit den Sirenen, die Akanthus-
ranke im Fries, das Alles darf man wohl für italienische Arbeit
ansprechen. Weder das reiche Doppelportal im Rathhaus noch
dasjenige der Krone kann sich entfernt mit diesem messen.
Von Bürgerhäusern ist hier der Zeit nach das 1532 er-
baute zum Goldenen Baum, in der Oderstrasse 17, anzuschliessen.
Doch hat sich von der alten Ausstattung nur ein zierliches Bogen-
relief im Hofe erhalten, in welchem eine hübsche Frauengestalt
zwei Wappen hält. Den Hintergrund schmückt eine elegante
Blumenguirlande; die Einfassung wird durch Zahnschnitt und
Eierstab gebildet Wie damals die Giebelfa^aden behandelt
wurden, sieht man in einem besonders interessanten Beispiel an
dem Hause No. 23 am Ring mit der Jahrzahl 154 t und dem
bekannten evangelischen Spruch: V. D. M. L E. (verbum domini
manet in etemum). Die Behandlung ist einfach, aber stilvoll;
das Portal, durch späteren Zopfaufsatz verändert, hatte ursprüng-
lich gleich den Fenstern der drei oberen Geschosse ein schlichtes
Bahmenprofil, welches gleich den Gesimsen und den übrigen ein-
rahmenden Gliedern durch eingekerbte Kanneluren wirksam be-
lebt wird. Die Flächen sind durch Pilaster gegliedert, die Staf-
feln des Giebels eigenthümlicher Weise durch liegende Voluten
bekrönt 0 (Fig. 180). Eine etwas andere Behandlung sieht man
an der kleinen Fa^ade Schweidnitzer Strasse No. 48. Auch hier
gliedern Pilaster die Flächen, und die Fenster haben antikisirende
Rahmen; die Absätze des Giebels dagegen sind mit Halbkreisen,
wie die Frührenaissance sie liebt, gekrönt.
0 Die Mittheilung der -Zeichnung verdanke ich der Güte des Herrn
Stadtbaurath C. Lüdecke, der meine Studien in zuvorkommender Weise
unermüdlich gefordert hat.
Kap. Xm. Die nordSstücheii BiDneullüider. ggj
Unabsehbar reich ist Breslau an Epitaphien aus dieser
mittlereo Zeit In keiner deutschen Stadt igt nur annähernd eine
solche Falle von MonumeoteD des kanstliebenden Btlrgeithums
dieaer Epoche zu finden. Hier wfiren ^r die nachbildende Kanst
groBBC Schätze zu heben, wfire es auch nor durch photographiecfae
Aufnahme, welche bis jetzt die Breslauer Monumente schmach-
Toll vernachlässigt hat Ich deute nur auf einige der früheren
664 ni. Buch. Benaisaance in Deutschland.
Werke hin. An der Sttdseite der Magdalenenkirche fftllt das
Epitaph des Doetor Hirsch von 1535 durch die dürftige Behand-
lung der Eenaissanceformen auf, während ebendort an der Nord-
seite fast gleichzeitig (1534) die unyergleichlich elegante kleine
Bronzetafel entstand, welche nur eine Inschrift enth<, aber ein-
gefasst von einer Umrahmung, die zu den schönsten dekorativen
Arbeiten der Zeit gehört. Ebenso verzichtet Niklas Schebitz in
seiner Denktafel von 1549 an der Ostseite der Kirche auf jeden
bildnerischen Schmuck, aber die Inschrift, die beiden Wappen
und die fein omamentirten Pilaster des Rahmens machen ein
Ganzes von hohem künstlerischem Beiz. Sehr zierlich ist auch
ebendort die kleine Tafel Abraham Hornigk's vom Jahre 1551,
welche den Gekreuzigten, von dem Verstorbenen und seiner
Gattin verehrt, enthält Noch manche andere aus der Mitte des
Jahrhunderts bis zum Anfang des folgenden geben werthvolle
Aufschlüsse über die Entwicklung der Formen. Nur beispiels-
weise wiU ich auf das Epitaph des Valentin Nitius von 1557
hinweisen, wo das Ornament mit einer für die späte Zeit auf-
fallenden Dürftigkeit und Steifheit behandelt ist. Sehr elegant
dagegen ebendort das grosse reiche Epitaph mit der Aufer-
stehung Christi, von vierfachen zierlichen PUastem eingefasst
Prächtig, aber schon stark barock, das Epitaph von Christoph
Sachs (1595) mit der Darstellung Christi am Oelberg. Eine un-
gewöhnlich elegante Arbeit ist auch das südliche Seitenportal der
Kirche vom Jahre 1578.
An der Elisabethkirche erscheint zunächst von Bedeutung
die Bronzetafel von 1534, dem Landeshauptmann Sebastian Monau
errichtet, vielleicht von dem Meister des gleichzeitigen Denkmals
an der Magdalenenkirche. Christus am Kreuz, von dem Ver-
storbenen, seiner Frau und Tochter verehrt, in landschaftlichem
Hintergrund, eingerahmt von zierlichen Pilastern. Aus dem
folgenden Jahre 1535 datirt das Denkmal des Peter Bindfleisch
an der Nordseite der Kirche, ebenfalls ein tüchtiges Werk der
Frtthrenaissance. Weit unbehülflicher in Composition und Aus-
führung ist ebendort das Epitaph des 1557 verstorbenen Stenzel
Monau, wahrscheinlich erst nach dem 1572 erfolgten Tode seiner
Gattin ausgeführt Denn stilistisch entspricht es dem an der
Südseite befindlichen Grabmal des Hans Hertwig vom Jahre
1575. Auch hier fällt die primitive und trockene Behandlung
eines offenbar zurückgebliebenen Meisters auf. Zum Opulentesten
in seiner Art gehört dagegen das im nördlichen Seitenschiff be-
findliche grosse Wandgrab des 1561 gestorbenen Ulrich von
Schafgotsdi. Es beweist neben vielen anderen Monumenten wie
Kap. XHL Die norcUtetlichen Binneiü&nder. ~ 665
lange hier die spielende Dekoration der Frührenaissance sich im
Gebranch erhalten hat
Die letzten Zeiten der Renaissance haben in Breslau haupt-
sächlich eine Anzahl von Faf aden hervorgebracht, welchen trotz
grosser Mannigfaltigkeit im Aufbau und der Dekoration gewisse
Grondzftge eigen sind. Meistens schmal auf eingeengtem Grund-
plan angelegt, suchen sie in bedeutender Höhenentwicklung sich
Baum zu schaffen. Daher die vielen überaus hohen Giebel,
welche dem Bing und den Hauptstrassen noch jetzt ein so im-
posantes Gepräge geben. Eine feinere Ausbildung des Einzelnen
tritt dagegen immer mehr zurück; selbst auf reichere Gliederung
oder Ausstattung wird in der Begel verzicbtet Nur an den Por-
talen stellt sich zuweilen eine derbe, aber oft schon barocke
Ausschmückung ein. Am auffallendsten ist, wie wenig diese
Fa^aden von plastischer Gliederung der Flächen Gebrauch
machen. Die sonst in der Benaissance beliebte verticale Theilung
durch Pilaster verschwindet seit der Mitte des Jahrhunderts fast
gänzlich; nur die Horizontalgesimse zwischen den Stockwerken
werden beibehalten. Ja die Abneigung gegen plastische Aus-
bildung geht so weit, dass selbst der Erker, sonst im Norden so
beliebt, im Privatbau gar nicht vorkommt. Dagegen war man
ohne Zweifel darauf bedacht, die Fa^aden durch farbigen Schmuck
oder wenigstens durch Sgraffiten zu beleben. Ein ausgezeich-
netes, wenn auch aus späterer Zeit stammendes Beispiel solcher
gemalter Fa^aden bietet das Haus am Bing No. 8, das bei
seiner ungewöhnlichen Breite dem Maler um so willkommner sein
musste. Das Hauptmotiv bilden, noch im Sinn der Benaissance,
gemalte Säulen von rothem Marmor mit goldenen Kapitalen; da-
zwischen Nischen mit Eaiserbildnissen; an den Fensterbrttstungen
figürliche Reliefs. Das Ganze von vorzüglicher Wirkung, neuer-
dings durch die anerkennenswerthe Sorgfalt des Besitzers treff-
lich wieder hergestellt Daneben werden dann die hohen Giebel
durch die mannigfaltigste Silhouette charakteristisch unterschieden.
In diesem bewegten Umriss der kühn aufragenden Hochbauten,
welchen die Gothik bereits anstrebte, hat die Benaissance eine
eigenthümliche und selbständige Schönheit erreicht Die Haus-
flure sind ursprünglich überall gewölbt gewesen, theils mit Kreuz-
gewölben, theils mit Tonnengewölben und Stiebkappen. Sie ent-
halten den oft stattlich gehaltenen Aufgang zur Treppe. In den
Höfen kommen bisweilen Galerieen auf Kragsteinen vor, wie an
der „Krone*", bisweilen aber auch Holzgalerieen, wie z. B. in dem
Haus Tannengasse 3. Doch ist bei der Schmalheit des Grund-
risses gewöhnlich diese Anordnung nur an einer Seite durchgeführt
666 ni. Buch. BenaiBsance in DeutacfaUmd.
Zu den reicher durchgebildeten Fafaden gehört die in der
Kleinen Groschengasse 15. Bei massigen Verhältnissen zeichnet
sie sich vor den meisten andern durch edle plastische Gliederung
aus, die im Erdgeschoss kannelirte Pilaster, im ersten Stock reich
omamentirte ionische Halbsäulen auf stark herausgebogenen Con-
solen, im zweiten stelenartige Pfeiler zeigt. Alle Glieder sind
im Stil des Friedrichsbaues zu Heidelberg mit Flächenomamenten
bedeckt, das Ganze wirkt reich und elegant Eine Anzahl in-
teressanter Häuser findet man am Ring. No. 39 hat ein kleines
Portal mit prächtigen Fruchtschnüren an der Archivolte, mit Me-
tallomamenten an der Laibung, Schilde mit aufgerollten £ahmen
in den Zwickeln. Der Flur ist mit einem herrlichen gothischen
Stemgewölbe bedeckt, die Thüren zeigen mittelalterliche Rahmen
mit gekreuzten Stäben, alles dies offenbar vom Anfang des
16. Jahrhunderts. Dieselbe Behandlung haben die Fenster und
Thüren des Hofes, der gegen Ausgang der Epoche an einer
Seite eine kräftige Holzgalerie erhalten hat Ein prächtiges Portal
in derber Rustika, mit dorischen Pilastem eingefasst, in den Me-
topen des Frieses Stierschädel und Löwenköpfe, sieht man an
No. 52. Im Uebrigen ist diese Fagade im 18. Jahrhundert flau
überarbeitet worden, aber drei kleine Volutengiebel geben ihr einen
heiteren Abschluss. Im Hof vermittelt eine Arkade auf dorischer
Säule den Aufgang zur Treppe. Eine imposante Fa^ade aus der-
selben Zeit bietet No. 2, das Portal etwas zahmer, aber reich
und lebendig, die ganze Tiefe der Laibung mit Metallomamenten
bedeckt. Alles Ton feiner Ausführung. Die Fa^ade hat durch
Modemisirung gelitten, aber der gewaltige Giebel ohne alle Pi-
lastergliederung wirkt originell durch die phantastische Silhouette,
die zum Theil in die Figuren eines aufrecht schreitenden Löwen
und eines geflügelten Greifen, der Wappenthiere Breslaues, aus-
läuft Im Hof dieselbe Treppenanlage wie in No. 52, dabei aus
früherer Zeit zwei hübsche Wappen in einer zierlichen ionischen
Pilasterstellung. Das Nebenhaus No. 3 hat einen minder gross-
artigen Giebel, der aber durch Pilaster und Gesimse wirksam
gegliedert und mit maassvoU behandelten Voluten bekrönt ist
Im Flur sieht man ein Tonnengewölbe mit Stichkappen, elegant
mit flachen Stuckomamenten dekorirt. Am Treppenaufgang er-
hebt sich eine prächtige dorische Säule. Einen der kolossalsten
Giebel bietet No. 27: die mächtigen Flächen nur durch Gesimse
abgetheilt, die Giebellinie durch die seltsamsten Voluten, Schweife
und Schnörkel phantastisch belebt Von demselben Baumeister
rührt No. 28 mit etwas kleinerem aber ganz ähnlichem Giebel
Originell ist auch No. 21, eine schmale, hohe Fa^ade, der Giebel
Kap. XIU. Die nordöstlichen Binnenländer. 667
darch einfache Pilaster getheilt und wirksam silhouettirt, ausser-
dem durch einige Masken geschmückt Einen hohen, geschweiften
Giebel zeigt sodann No. 9, blos durch Gesimse eingetheilt, die
Fenster mit eingekerbten Rahmen, wie sie hier öfter vor-
kommen.
Eine etwas abweichende, vereinzelt stehende Behandlung,
hat der sehr derb, geschweifte Giebel Junkemstrasse 4. Die
Formen des Metallstils sind hier im Grossen zur Anwendung ge-
kommen, wie man sie sonst vorzugsweise an der Ostseekttste
durch Einfluss niederländischer Meister antrifft. In der That
kommt ein holländischer Meister im Dienste der Stadt vor, Hein-
rieh Muntig von Groningen, der 1583 das Neue Thor bei dem
Fischerpförtlein baute ^). Auch andere niederländische Maurer
und Bildhauer finden sich ein. Ebenso trat 1591 der Danziger
Meister Hans Schneider von Lindau in den Dienst der Stadt und
errichtete in der Art des von ihm dort erbauten Hohen Thores
das Sandthor, welches 1816 abgetragen wurde ^). Er brachte
eine starke Vorliebe ftir Rustika mit und liebte es die Quader
mit sternförmigen Mustern zu schmücken. Das Haus an der
Sandkirche No. 2 besitzt ein originelles Portal dieser Art, in
kräftigster Rustika durchgeführt, die Quaderflächen abwechselnd
glatt oder mit jenem Sternmuster belebt. Ein ähnliches Portal,
nur etwas unbedeutender, Schuhbrücke 32; ein anderes Goldene
Radegasse 15, ein viertes, vom Jahre 1592, am Ring 58. Ganz
abweichend ist das Haus Hintermarkt 5, in strenger Hochrenais*
sance durchgeführt, in der Auffassung der Form und der Gom-
position nicht unähnlich dem sogenannten Hause Ducerceau's in
Orleans. Ein einfaches, frühes Portal vom Jahre 1559 sieht man
am Neumarkt No. 45; dagegen finden sich in der Domstrasse
mehrere effectvoU durchgeführte Portale der Schlussepoche, welche
.sämmtlich eine derbe Rustika zeigen, die indess mannichfach
modificirt wird. An No. 3, vom Jahre 1599, tritt sie in Verbindung
mit römischen Pilastem und energischen Masken auf; an No. 19,
von 1606, sind die Quader abwechselnd glatt gelassen und mit
flachen Metallornamenten dekorirt; No. 5 zeigt ganz ähnliche
Behandlung, wahrscheinlich von demselben Meister.
Von Kirchthürmen der Epoche ist zunächst der elegant mit
doppelter Laterne entwickelte der Elisabethkirche als ein tüch-
tiges Werk von schönen Verhältnissen zu erwähnen. Seine Spitze
wurde an Stelle des 1529 eingestürzten schlanken gothischen
') Nie. Pol, Jahrb. IV, 113, vgl. Luchs, bildende Künstler 33 und A.
Schnitz, Scbles. Kunstleben 19. — ^) Schultz, a. a. 0. 19.
668 ni. Buch. Benaissance in Deutschland.
Helmes 1535 errichtet Minder günstig wirken die Thurmhelme der
Magdalenenkirche von 1565, deren Profil freier geschwungen
sein könnte. Vom Rathhausthurme war schon die ßede.
ScUiesslich sei noch auf einige im Museum vorhandene
Werke der dekorativen Kunst hingewiesen. Ausser manchen treff-
lichen, im besten Benaissancestil durchgeführten Waffen, nennen
wir den prächtigen grossen kupfernen Krug von Bartholomäus
von Bosenberg (1595), mit köstlichen Flächenomamenten bedeckt,
unter welchen nur das Figürliche etwas schwächer ist Sodann
einen reich mit Silberfiligran, mit getriebenen und gravirten Ver-
zierungen geschmückten Pokal, allerdings keine einheimische,
sondern eine Augsburger Arbeit vom Ende des 16. Jahrhunderts.
Endlich aus derselben Zeit ein Tisch mit eingelegter Arbeit von
grösster Schönheit, namentlich herrliche Blumenstücke von guter
architektonischer Anordnung, auch der Tischfuss von klarem
Aufbau. —
Liegnitz.
In den übrigen Städten Schlesiens wird die Renaissance
durch die Fürsten eingeführt Zuerst geschieht dies in Liegnitz.
Wenn man vo4 der Nordseite die Stadt betritt, hat man sogleich
zur Bechten das prachtvolle Werk, mit welchem der neue Stil
hier beginnt Es ist das in Fig. 181 abgebildete mit der Jahr-
zahl 1533 bezeichnete Hauptportal des Schlosses. Nach der
Sitte der Zeit aus einem grossen Thorweg für Fuhrwerke und
einem kleineren Pf Örtchen für Fussgänger bestehend, tritt es in
einer Formbehandlung auf, die weder deutsch noch italienisch
ist Die mehrfach gegürteten Säulen mit dem ausgebauchten
unteren Theil der Schäfte, den runden Fussgestellen , der seit-,
samen Ornamentik, die gewaltigen Gonsolen des Frieses, die
energische Behandlung der Kapitale, endlich die rosetten-
förmigen Ornamente der Attika zeigen eine Behandlung, die
am ersten .an burgundisch - brabantische Werke erinnert und
ihre Analogie an dem Hofe des Bischofspalastes zu Lüttich Qetzt
Justizpalast) findet Die reiche Ornamentik ist ohne eigentliche
Feinheit, die Formen weichlich und breit gedrückt, besonders
das Blattwerk an den ausgebauchten Theilen der Säulenschäfte
und die Blumengewinde an den oberen Partieen der Säulen, die
an Ketten aufgehängt erscheinen. Ungleich besser und elastischer
erscheinen die Akanthusblätter an den freicomponirten Kapitalen
und den Gonsolen. Ein bezeichnendes Motiv sind auch die mehr-
Kap. XUI. Die nordDatUofaen BinnenUnder. 669
fach verwendeten Kanneluren, die nicht bloB am Stylobat und
dem mittleren Theile des Sftulenschaftes vorkommen, aondern
auch den hohen Fries zwischen den Kapitalen sohmtlcken. Wie
der Architekt mit der Unregelmässigkeit der Fortalanlage ge-
kämpft hat und darch ein Kapital über dem SohluBSstein des
groBaen Thorbogeus sich sinnreich genug zu helfen suchte, er-
kennt man aus der Abbildung. In der Attika aber kommt das
UnsymmetriBche der Anlage in der Anordnung des Wappens und
der beiden Brustbilder empfindlich zu Taga Diese Theile sind
übrigens vortrefflich ausgefllhrt, namentlich die Brustbilder des
Erbaaers Friedrich's II (1488 — 1547) und seiner zweiten Ge-
mahlin äopbia von Brandenburg'), trotz starker Zerstörung von
anziehender Lebenefrische.
Wir haben hier also eine Sehdpfung jenes ausgezeichneten
Fürsten, der za den edelsten Fdrderem der Geisteskultnr in
Schlesien gehört Noch ehe er zur Regierung kam, bezeugte er
durch die in seinem zwanzigsten Lebensjahr angetretene aus
n sonderbarer Innigkeit " unternommene Pilgerfahrt nach dem
heiligen Lande einen regen Sinn für ideale Interessen. Sp&ter
an der Spitze eines schlesischen StAdtebnndes wusste er das
Land von den Raubrittern zu s&abem, und sodann wfihrend
seiner Begierungszeit sein Gebiet nicht blos zu vergrösaem und
durch einsichtsvolle Verwaltung zu hoher BlOthe zu bringen,
') Abgeb. in Lucbs Scblea. FUrBtenbilder, Taf. 19 a nod b.
670 ni. Bach. Benaisaance in DeutBChland.
sondern auch das geistige Leben kräftig zu fordern. Er war es,
der als der erste evangelische Fürst Schlesiens die Reformation
einfllhrte, die kirchlichen Verhältnisse in milder, weitherziger
Weise ordnete und fttr die Hebung des Schulwesens ansehnliche
Opfer brachte. Zwar scheiterte die von ihm energisch aufge-
nommene Idee der Gründung einer Universität, aber die unter
Trotzendorf blühende Schule zu Goldberg förderte er in nach-
drücklicher Weise. Ein Werk dieses edlen Fürsten war der
Neubau und die Befestigung seines Schlosses, zunächst unter dem
Eindruck der Türkengefahr, vielleicht schon 1527, jedenfalls
1529^) begonnen. Der Bau war so bedeutend, dass er erst nach
dem Tode des Herzogs zum Abschluss kam.
Dass schon im Anfang des 13. Jahrhunderts hier ein Sehloss
vorhanden war, geht aus mehreren urkundlichen Aufzeichnungen
hervor. Eine , bedeutendere Bauthätigkeit wird von Ludwig II
bezeugt, der 1415 den grossen Thurm erbaute, welcher jetzt den
Namen des Hedwigthurmes führt. Es war wohl derselbe, dessen
Gesimse mit dem Zinnenkranz durch einen französischen Meister
errichtet wurde, welchen der Herzog auf einer Reise in Frank-
reich in St. Denis kennen gelernt und nach Liegnitz geschickt
hatte. Dieser Thurm ist noch jetzt ein wohl erhaltener Theil
der mittelalterlichen Anlage, rund, von Backsteinen aufgeführt,
mit schönem auf Gonsolen ruhendem Umgang, der noch jetzt die
Geschicklichkeit des französischen Meisters bezeugt Ein acht-
eckiger Spitzhelm bildet den Abschluss. Eine weitere Bau-
thätigkeit beginnt dann seit 1470 unter Herzog Friedrich I.
Dieser gehört wahrscheinlich der südliche Flügel, an welchem
man mehrere Thüren und Fenster aus spätgothischer Zeit mit
fein profilirten, an den Ecken durchschneidenden Stäben bemerkt
Die Renaissance führte dann, wie wir sahen, Friedrich II schon
zeitig im Schlosse ein.
Betrachten wir den Bau nun im Zusammenhange, so bietet
er mit Ausnahme des schon erwähnten Hauptportals für uns
wenig Interesse. Das Portal selbst, in gelblichem Sandstein aus-
geführt, während die übrigen Theile den Backstein zeigen, steht
für sich vereinzelt da. Ob die im Eingangsbogen zu lesenden
Buchstaben I. V. E. F. und S. P. G. T. sich auf die Baumeister
beziehen, muss dahingestellt bleiben. Ueberraschend ist aber eine
alte Nachricht^), nach welcher der Herzog die Baumeister zum
Schlosse aus Brabant berufen hätte, was mit dem Stile des Por-
») Vgl J. P. Wahrendorflf, Liegnitzische Merkwürdigkeiten, S. 88. —
^) Lucae*s Chronik, p. t295.
Kap. XIII. Die nordöstüchen BinnenlSnder. 071
talbaues völlig übereinstimmt. Die mit einem Tonnengewölbe
bedeckte langgestreckte Durchfahrt öffnet sich mit einem schweren,
spftter ausgeführten Eustikaportal auf den gewaltig grossen Haupt-
hof, der auf drei Seiten von zweistöckigen Gebäuden in Back-
stein umschlossen wird. Hinter dem Hauptportal erhebt sich ein
achteckiger gothischer Thurm: der im 15. Jahrhundert aufge-
führte Petersthurm. Alle diese Gebäude sind nach dem neuesten
Brande des Schlosses erst in unserer Zeit hergestellt und nichts
weniger als glücklich modernisirt worden. Die Fenster in diesem
vorderen Hofe, meist zu zweien gruppirt, haben grösstentheils
spätere Umrahmung; nur einige im Südflügel, mit ionischen Fi-
lästern eingefasst, dürften mit dem Portal gleichzeitig sein. Von
den spätgothischen Formen dieses Theils war schon die Rede.
Die westlichen Partieen der Seitenflügel haben an den Fenster-
rahmen die Flachomamente im Metallstil der Barockzeit. Diese
Theile gehören ohne Zweifel zu den Umbauten, mit welchen
Herzog Georg Rudolph, angeblich durch italienische Baumeister,
um 1614 das Schloss schmückte, nachdem er seine ^aus he-
roischem Gemüthe" angetretene Reise durch Deutschland, Italien,
die Schweiz, Frankreich und die Niederlande beendet und die
Regierung angetreten hatte ^). Einer noch späteren Zeit gehört
das reich dekorirte Bogenportal der Kapelle, inschriftlich 1658
durch Herzog Ludwig errichtet. Aus der früheren Epoche
stammt nur noch der polygone Treppenthurm in der südöstlichen
Ecke des Hofes. Dagegen ist von der steinernen Galerie, welche
sich im Erdgeschoss an der Südseite hinzog, ebenso wenig er-
halten, wie von der prächtigen Ausstattung des Innern, besonders
des Speisesaales und des grossen Festsaales, welche noch im
vorigen Jahrhundert gepriesen wurden^). Die Westseite schliesst
ein modemer einstöckiger Bau, mit einer ungeschickten auf Con-
solen gestellten Säulenreihe dekorirt Ein viereckiger Thurm er-
hebt sich daraus. Hier findet die Verbindung mit dem zweiten
Hofe statt, der 'unregelmässig und von untergeordneten Gebäuden
umgeben ist Interesse bietet nur der schon erwähnte an der
Südwestecke stehende Hedwigsthurm. Wenn wir schliesslich
noch ein phantastisch barockes Portal an der Aussenseite des
Nordflügels erwähnen, welches mit den unter Georg Rudolph er-
bauten Theilen des inneren Hofes gleichzeitig ist, so haben wir
das Wesentliche berührt
Eine gesteigerte Bauthätigkeit finden wir nun auch in bürger-
0 Lucaes's Chronik, S. 1306. — '^) Ebend. S. 121t.
672 in« Bach. Benaiflsance in Deutschland.
liehen Ereigen als anmittelbare Einwirkung der umfangreiehen
SehloBsbauten; aber die späteren Zeiten hab^n gerade hier die
ursprüngliche Eunstform der Fa^en meistens verwischt, so
dass fast nur die Portale ihren alten Charakter bewahren. Die
durch eine klare und stattliche Anlage ihres Ringes und der
Hauptstrassen imponirende Stadt hat dadurch viel von ihrem
früheren Gepräge eingebüsst Auch die Sgraffiten, welche hier
vielfach vorhanden waren, sind fast spurlos verschwunden. Ganz
besonders auffallend ist aber, dass, vielleicht mit Ausnahme eines
einzigen schon stark barocken Beispiels, in Liegnitz die Giebel-
fa^aden völlig fehlen. Die Hausflure sind wie in Breslau durch-
gängig gewölbt und zwar mit Ereuzgewölben. Eine Ausbildung
des Holzbaues scheint hier noch weniger als dort versucht worden
zu sein.
Von Werken der Frührenaissance ist das Bedeutendste die
Fa^ade am Bing No. 16; im Erdgeschoss völlig mit Pilastem de-
korirt, alle Flächen mit Ornament überzogen, der Portalbogen
mit Zahnschnitt und Eierstab gegliedert, die Zwickel mit Brust-
bildern belebt, der Fries mit reichen Laubranken geschmückt,
das rein Omamentale von grosser Mannigfaltigkeit der Erfindung
und Frische der Ausführung, das Figürliche von kindischer Un-
behülflichkeit Das Werk wird um 1550 entstanden sein. Von
1556 datirt das Portal am Ring No. 13, ebenfalls Frührenaissance,
mit korinthisirenden Pilastem eingefasst, der Bogen mit männ-
lichen und weiblichen antikisirenden Bmstbildem geschmückt,
die Pilaster selbst mit hübschen Reliefmedaillons und gutem
Laubomament Um so ungeschickter sind in den Bogenzwickeln
Adam und Eva; vollends unglaublich schlecht die wilden Männer,
welche über dem Portal das Wappen halten. Sehr dürftig und
kümmerlich tritt die Renaissance noch 1544 an dem kleinen
Portal Frauenstrasse No. 9 auf.
Die zweite Hälfte des Jahrhunderts war für Liegnitz wenig
erfreulicL Nach dem Tode des trefflichen Herzogs Friedrichs II
wurde schon durch seinen Sohn und Nachfolger, Friedrich III
das Land in Zerrüttung gestürzt, die dann unter Herzog Hein-
rich XI, wie wir schon durch Schweinichen wissen, nur noch zu-
nahm. Erst gegen Ausgang der Epoche finden wir in Liegnitz
wieder Spuren einer zunehmenden Eunstblüthe. Zunächst ist von
1581 das Gymnasium zu erwähnen, das wenigstens durch ein-
fach kräftiges Portal und wirksam umrahmte Fenster einen ge-
wissen monumentalen Charakter zeigt. Mit dem Anfang des
17. Jahrhunderts beginnt eine Nachblüthe der Architektur, welche
mehrere Werke von ungewöhnlicher Feinheit hervorbringt So
Kap. XHL Die nordOttfieben Biiuienlllnder. 673
'das kleine (iber sehr ele^ote Portal SohlosBatraue 15, mit treff-
lich behandeltem Laubwerk vom Jahre 1613. Das Meütersttlck
and Oberhaupt eine der schönsten Schöpfungen dieser Zeit iat
aber das Portal am Eckhaoae der Frauenstruse gegen den Ring
PIC ISl. Uwntti. Fsitil abiM PrlTUh4iuw.
(Fig. 182). Schon seiner Composition nach gehOrt es zu den besten
Arbeiten unserer BenaiBBance; aber die geniale Leichtigkeit und
Feinheit der AoBfDhmng, die wunderroll frei geschwungenen
Akanthusranken, die geistreich behandelten Köpfe und Masken,
KBglar, QMab. d. Bankmut. V. 43
674 ni. Bach. BenaiBsanee in Deutschland.
die geflügelten Karyatiden der Einfassung, das Alles ist von einer
in ganz Deutschland wohl nirgends wieder vorkommenden Schön-
heit. Dass von solchen Werken keine Abbildungen, nicht ein-
mal Photographieen existiren, ist ein Beweis wie weit wir noch
im Rückstand sind^). Auch die Verwendung eines sehr feinen
Flachomaments im Charakter gepressten Jj^ders an den inneren
Flächen zeugt von einem bedeutenden Meister. Eine Anzahl
kleinerer Werke derselben Zeit und ähnlicher Bichtung, wenn auch
von minderer Bedeutung, findet sich flberall in den Strassen
zerstreut. So Schlossstrasse 25 ein derberes Bogenportal mit
stärkerer Anwendung von Flachomamenten im Metallstil jener
Epoche. Von ähnlicher Behandlung Frauenstrasse 35 ein kleines
Portal von 1610, im Schlussstein ein hübsches weibliches Köpfchen.
In derselben Strasse No. 21 ein zierliches Portal mit reich ge-
gliedertem Bogen, im Schlussstein eine groteske Maske. Am
Bing 27 ein ähnliches mit prächtigem Löwenkopf als Schluss-
stein, welches fast ebenso, ofifenbar von derselben Hand, Burg-
strasse 8 wiederkehlt- In derselben Strasse 13 und 26, hier vom
Jahre 1608, dieselbe Composition. Endlich ein etwas stattlicheres
Werk Schlossstrasse 5, wo zugleich die trefflich geschnitzte
Hausthttr mit ihren Eisenbeschlägen und dem Klopfer ein cha-
rakteristisches Ganzes ausmacht —
Brieg.
Das Hauptwerk der Benaissance in Schlesien ist ohne Frage
das Brieger Piastenschloss, selbst in seiner verstümmelten
und misshandelten Gestalt noch immer eine der edelsten und
grossartigsten Schöpfungen dieser Epoche in Deutschland. Und
wiederum ist es das Werk eines der besten Fürsten des Landes.
Georg II, der Sohn eines ebenso trefflichen Vaters, Friedrich's II
von Liegnitz, welchem Brieg als Erbtheil zufiel, hat in seiner
segensreichen fast vierzigjährigen Begierung (1547 — 1586) sein
Herzogthum Brieg in einen Stand gepetzt, dass man, wie ein
Zeitgenosse sagt, das alte Land nicht mehr erkannte und das
neue 'nicht ohne Bewunderung ansehen konnte. Als Zeugniss
seines hohen Kunstsinnes steht noch jetzt das von ihm erbaute
Schloss da. Noch unter Friedrich II, 1547, begann der Bau,
*) Fig. 182 ist nach einer geistreichen Reiseskizze G. Lüdecke's ent-
worfen.
Kap. XHL Die norclöstlidiMi BinnenlSnder. 675
der sich an der Stelle emea firftheren Tom Jahre 1369, ebenfaUs
sehen in Stein ausgefüUrten, in der ganzen Pracht des Bennais-
sancestila erheben BoUte. Wie aber sein Vater fttr das Liegnitzer
Schloss niederländische Meister berufen hatte, so zog Georg für
seinen Bau italienische Künstler in's Land. Wir sind durch ur-
kundliche Ueberliefemngen genauer über dieselben unterrichtet^).
Am frühesten tritt Meister Jacob Bahr oder Ba/vor aus Mailand
als Schlossbaumeister in Brieg auf. Mit Meister Antonius von
Theodor^) erbaut er zugleich die Stadtschule und vollendet 1553
das imposante Portal des Schlosses. Als sich gegen ihn und
seine welschen Maurer der Neid der einheimischen regte, nahm
der Herzog ihn durch einen Erlass vom 26. October 1564, in
welchem er ihm das beste Lob ertheilt, in Schutz. Ein Italiener
war auch ffans Vorrah j der 1562 am Schlossbau thfttig ist Ob
Meister Caspar^ der 1568 erwähnt wird, ebenfalls ein Ausländer
war, wissen wir nicht Er muss aber ein angesehener Meister
gewesen sein, da er 1568 berufen wird für den Kanzler von
Pemstein zu Prosznitz in Mähren ein Haus zu bauen und 1572
auf Ersuchen Joachim Emst's von Anhalt sogar nach Dessau ge-
schickt wird. Später ist Meister Bernhard^ ebenfalls ein Italiener,
beim Schlossbau in Brieg beschäftigt und auch nach Breslau
1576 zur Erbauung des Ohlauer Thores berufen. Noch ein
Italiener, Meister Lugann ^ ist 1585 mit Erbauung des Schlosses
zu Nimptsch betraut Interessant ist bei Gelegenheit dieses Baues
ein aus Prag aus jenem Jahre datirter Brief des Herzogs, welcher
die dort vielfach vorkommenden unter dem Dach hinlaufenden
Balkone'^) an seinem Schloss nachzuahmen anempfiehlt •
Das Brieger Schloss, welches wir nunmehr betrachten^), ist
also ein Werk italienischer Meister. Vergleichen wir es aber
mit der um dieselbe Zeit von Italienern erbauten Residenz in
Landshut, welche den strengsten römischen Palaststil der Hoch-
renaissance darstellt, so erkennen wir, dass in Brieg die fremden
Meister sich weit mehr den deutschen Sitten anbequemt haben.
Das zeigt schon die Fagade mit dem Prachtbau des Portals, auf
Seite 173 unter Fig. 40 abgebildet^) Es ist ein durchaus in
Sandstein mit grösster Sorgfalt ausgeführter Bau, an allen Flächen
und architektonischen Gliedern mit jener Fülle von Ornamenten
0 H. Luchs hat dss Yerdienst in seinen bild. Kttnstl. aus SchleBien
£L 15 ff. dieselben veröffentlicht zu haben. — ^) Wahrscheinlich Antonio di
Teodoro, d. h. des Theodor Sohn. — ') Jetzt z. B noch am Palast Schwarzen-
berg erhalten, vgl. oben S. 638. — ^) Eine Beschreibung, mit Bezug auf
eine ältere Abbildung, giebt H. Luchs in Sohles. Vorzeit in Bild und Schrift
n, S. 32 ff. — «) Neuere photolithogr. Abbild, bei A. Schultz a. a. 0.
43*
676
m. Buch. ReDBiBBance in Dentschland.
bedeckt, welche in diesem BeichthDin nur in der Frttbrenaissance
Oberitaliens Torkommt Um bo wirksamer hebt sich der Beiz
dieser Dekoration herror, als der Hintergmnd aus einer Quader-
maoer mit stark betonten Fugen besteht Die Composition des
Portales beruht auf der im Norden allgemein herrschenden Sitte,
Pl(. ist.
fieUoH In Bri*c- Onmdr. und Dsniuohn. (F. Wolff.)
einen grossen Thorweg and daneben ein kleineres Pitfrtchen an-
zuordnen. Die Symmetrie wird dadurch aufgehoben, aber die
italienischen Eflnatler haben diese Schwierigkeiten doch glück-
licher Überwunden als die niederländischen am Portal zu Lieg-
nitz. Dennoch blieb Air die Atdka nichts übrig, als zu einer
rein symmetrischen Anordnung überzugehen. Sie ist demnach mit
drei prachtroll ausgeführten Wappen geschmückt, von welchen
Kap. XIII. Die nordöstlichen Binnenländer. 679
die beiden seitlichen von Gewappneten gehalten werden. Zwischen
ihnen, auf den Vorsprttngen des Gesimses, sieht man die trefflich
gearbeiteten fast lebensgrossen Gestalten des Erbauers und seiner
Gemahlin Barbara von Brandenburg. Dann folgt das Hauptge-
schoss mit drei grossen Fenstern von schönen Verhältnissen und
endlich ein niedrigeres zweites Stockwerk, beide durch eine
Doppehreihe von Brustbildern fürstlicher Ahnen getrennt Die
Fortale und sflmmtliche Fenster werden durch ein Doppelsystem
von Pilastem der feinsten korinthisehen Ordnung umrahmt, von
denen die grösseren die vertikale Gliederung der Fa^ade be-
wken. Die Fttlle des Ornaments, welche alle Flächen, die Pi-
laster, Friese, Bogenfelder, Postamente bedeckt, ist unerschöpf-
lich. Die Ausführung derselben zeugt von verschiedenen Händen.
Bei geistreicher Erfindung und grosser Mannigfaltigkeit der Phan-
tasie ist die technische Behandlung meist etwas stumpf. Von
hoher Schönheit sind die Akanthusgewinde der beiden Posta-
mente an den Ecken der Attika; flau dagegen das Rankenwerk
über dem kleinen Portal. Die Kapitale zeigen sämmtlich die
durchgebildete korinthische Form. Die Archivolten sind mit ele-
ganten Bosetten dekorirt. Trefflich sind die vielen Portraitbilder
ausgeführt, sehr lebensvoll die beiden Hauptgestalten, nur die
Dame durch gar zu ängstliche Ausführung des Zeitkostttms etwas
beeinträchtigt Am obersten Fries liest man die Sinnsprüche:
„Verbum domini manet in aetemum. — Si deus pro nobis Quis
contra nos. — Justitia stabit thronus. "* Auch sonst bei den zahl-
reichen Bildnissen eine Menge von Beischriften, so dass auch
nach dieser Seite der Bau zu den reichsten seiner Art gehört
Eine weite, mit Tonnengewölbe bedeckte Einfahrtshalle (A in
Fig. 184) führt nach dem grossen Hofe B, wo sich dieselbe in
einem gewaltigen, etwas zugespitzten Bogen von 30 Fuss Span-
nung öfihet Auch dieser Bogen ist wieder ein Prachtstück der
Dekoration, an den einfassenden Pfeilern mit korinthischen Pi-
lastem dekorirt, die mit Trophäen und Emblemen aller Art in
etwas zu grossem Maassstabe geschmückt sind. Die Archivolte
selbst ist in origineller Weise als mächtiger, von Bändern um-
wundener Eichenkranz charakterisirt, so dass man den Eindruck
einer Triumphpforte bekommt In den Zwickeln sind die Wappen
des Herzogs sowie des ihm verschwägerten Joachim von Branden-
burg angebracht, dabei die Jahrzahl MDLI, während am äusseren
Portal 1552 steht An einer kleinen Nebenpforte liest man:
„Vortruen darff aufschauen*'. Die Eingänge in den Keller sind
in derber Grottenrustika gehalten, am glatten Kämpfer aber ein
schöner Meereswellenfries.
680
III. BucL BenaiBsance in Deutochland.
Der Hof muss in seiner ursprünglichen Vollendung einen
unvergleichlichen Eindruck gemacht haben. Nicht blos der Reich-
thum der durch zwei Geschosse führenden ionischen Säulenhallen
(Fig. 185), die zierlich umrahmten zahlreichen Fenster und Por-
tale der oberen Stockwerke, die originellen frei und phantastisch
antikisirenden Portraitmedaillons in den Bogenzwickeln, sondern
mehr noch die ungemeine Grösse der Verhältnisse stempelten
ihn zu einem Bauwerke ersten Hanges. Die mächtigen Axen der
Säulenstellungen von 16 Fuss finden an deutschen Bauten der
Zeit kaum irgendwo ihres Gleichen; dazu kommt eine Stockwerk-
hohe von 18 bis 20 Fuss, die ebenfalls für nordische Verhältnisse
beträchtlich erscheint Das Alles ist jetzt grOsstentheils im Zu-
Flg. 187. GrnndrbM du SchloBshofei la Brleg.
Stande grauenhafter Zerstörung. Nur wenige Säulen stehen noch
aufrecht; im östlichen Hauptbau und in dem lang hingestreckten
nördlichen Flügel lassen sich die ehemaligen Säulenstellungen so
weit verfolgen wie unsere Skizze Fig. 187 andeutet Hier ist
auch in der Ecke bei D die diagonale Stellung der Säulen und
die damit verbundene Treppenanlage bemerkenswerth. Der Haupt-
eingang lag wie man sieht nicht in der Mitte des östlichen
Flügels, sondern weit nach Süden vorgerückt, wo eine zweite
Treppe (vgl. Fig. 184) in der Ecke gegen den fast ganz zer-
störten südlichen Flügel sich findet Beide Treppen sind in ein-
fachem, rechtwinklig gebrochenem Lauf mit Podesten angelegt
Auf die sonst in der deutschen Renaissance so beliebten Wendel-
stiegen hat man verzichtet Westlich wird der Hof durch dürf-
tige spätere Nebenbauten abgeschlossen. Ein Best der mittel-
alterlichen Anlage dagegen ist noch jetzt in der Kapelle erhalten,
Kap. XIII. Die norddstlieheii Binnenläiider. 683
deren ChorscMnss sttdlieh neben dem Hanptportal nach auBsen
Yorapring^ Von der reichen Ansstattnng des Innern, von welcher
berichtet wird, ist keine Spur mehr vorhanden. Der Prachtbau
iBt seit der gewaltsamen Zerstörung im vorigen Jahrhundert eine
täglich mehr verfallende Buine.
Von den öffentlichen Gebäuden der Stadt ist zunächst das
Gymnasium zu nennen, welches Herzog (reorg durch denselben
Meister Jacob Bahr bis 1564 errichten liess. Ein schlichter Bau,
der von seiner ursprünglichen reichen Ausstattung wenig auf-
weist Augenscheinlich war die Ausführung hier in geringere
Hände, vielleicht von deutschen Steinmetzen gelegt; wenigstens
ist das Portal mit dem kleinen Pförtchen daneben eine unge-
schickte Arbeit, von missverstandenen ionischen Halbsäulen um-
fasst, in den Zwickeln schlecht gezeichnete Figuren der Beligion
und der Gerechtigkeit lieber dem Portal zwei reich gemalte
Wappen, von' plumpen Engelknaben gehalten. Bei dem kleinen
Pf Örtchen ist es auffallend, dass kein Schlussstein, sondern eine
Fuge in den Scheitel des Bogens trifft
Weit ansehnlicher ist das Bathhaus, zwar gering und
flüchtig in der Behandlung der Formen, aber durch malerische
Gruppirung anziehend (Fig. 188). Die beiden Thürme, welche
die Fa^ade flankiren, schliessen eine auf drei dorischen Säulen
ruhende Vorhalle ein, über welcher eine auf Holzpfeilem ruhende
obere Halle die Verbindung im Hauptgeschoss bildet Die Haupt-
treppe, rechtwinklig mit vier Podesten um den mittleren qua-
dratischen Mauerkem emporsteigend, liegt in dem links befind-
lichen Thurm, eine untergeordnete hölzerne in dem andern. Die
obere Vorhalle mündet auf ein schlicht aber elegant behandeltes
Portal, mit schönen Fruchtschnttren und Löwenköpfen dekorirt;
in den Bogenzwickeln zwei weibliche Figuren. Im Innern haben
die Thüren einfache aber schön componirte Benaissancerahmen.
Die Ausführung könnte wohl von Italienern herrühren. Seine
Bedeutung hat indess der Bau, wie gesagt, weniger durch die
Einzelformen als durch die treffliche Gruppirung des Aeusseren.
Die Treppenthürme mit der Vorhalle, das hohe Dach mit seinen
Giebehi, das Alles überragt von dem mächtigen Hauptthurm,
macht dies Bathhaus zu einem der malerischsten in Deutschland.
Der bürgerliehe Privatbau in Brieg gehört meist der
Schlussepoche an. Von Werken der Frührenaissance habe ich
nur die köstliche kleine Fa^ade Burgstrasse No. 6 zu verzeichnen.
Zwar das Bogenportal mit seiner Bustika, auf jedem Quader ein
Kopf oder eine Bosette, ist von geringerer Hand; aber die io-
nischen Pilaster, welche das Erdgeschoss gliedern, mit ihren
6g4 ni. Buch. Bensiauno» in DeDtBchluid.
prächtigen Arabesken, namentlich aber der Friea mit Beinen
Pntten, die ein Wappeneohild halten, mit Seepferden spielen und
andern Huthwillen treiben, ^horen in der geistreichen Erfindung,
dem freien Schwung der aus dem Grund sich fast völlig lösenden
Arbeit zum Trefflichsten, das wir in dieser Art besitzen. Im
oberen Geschoss gliedern' vier kleinere ionische Pilaster, eben-
falls reich omamentirt, die Flächen, Den Abschluss bilden
spatere zopfige Vasen. Auch Sber der Thtrr ist eine ähnliche
Verballhomung eingetreten. Die oberen Theile der Fa^ade, die
Flg. ISe. Brter. Dappelgl«lHl. (C LBdtekt.)
jedenfalls ursprunglich gleichmässig durchgefDhrt waren, sind jetzt
ganz nOchtem modemisirt Leider sind auch die schönen Or-
namente durch dicke TUnche entstellt Ob das G. M. Über dem
Fortal auf den Baumeister zu deuten ist, muss dahingestellt
bleiben.
Die Übrigen Privathauten der Stadt gehören der letzten Epoche
der Renaisuance. Sie zeigen fast sämmtlich den Giebelbau in
mannigfaltigster Weise entwickelt, und zwar sehr verschieden
von der in Breslau herrschenden Ausprägang. War dort die
plastiBobe Gliederung zu Gunsten eines mehr malerischen Prin-
K»p. ZUL Die nordtfitllclien BinnenlXiider. 685
cips TernacblAssigi, so tritt hier die erstere in ihr toIIcb Recht.
Nicht bloB daBB krSftige Pilaster und SfiuleoateUun^n mit reich
durchgeftlhTten Gesimsen die Flftchen rhythmlBcb beleben, auch
ein reicherer Omamentalscfamuck tritt in Flachreliefs, meist in
Stack ausgeführt, hinzu. Aber noch interessanter werden diese
Fa^aden dadurch, dass sie häufig in -zwei Giebel zeriegt sind,
oder gar in der Mitte einen rollstfindigen Giebel zeigen, der TOn
zwei halbirten begleitet wird. Die erstere Form kommt in sehr
eleganter Weise an einer kleinen Fa^ade der Wagnerstrasae
No. 4 zur Erscheinung (Fig. 189). Hier gliedern eingeblendete
ioniscbe Sftulen in wirksamer Weise die Flächen, auf kräftige
Flg. IM. Brle(. OltlHtfifad*. <C. LlldMk«.)
Voluten gestellt, die einen vollständigen Fries bilden. Die Fenster
sind mit geränderten nnd facettirten Quadern eingefasst, die
grosseren Fläeben durch Metallomamente belebt, die Silhouette
aoBserdem durch kraftvolle Voluten bereichert Die unteren Theile
der Fa^ade sind mit Einschlnss des Portals ganz einfach. Aehn-
lichen Doppelgiebel zeigt das Haus Burgstrasse No. % mit derben
Pilastem und einfachen Voluten ausgestattet; das Portal in
reicherer Weise mit httbsebem Laubomament, welches die ko-
rinthisirenden Pilaster und die Archivolte bedeckt, während der
Fries Ketallomamente zeigt Die andere, f^ Brieg besonders
charakteristische Auffassung mit einem g:anzen und zwei halbirten
Giebeln siebt man in zierlicher Weise durcbgeftthrt an dem
ßgß in. Bueh. BenaiBUuiee in DentachUnd.
Hause Burgstrasse No. 22 Tom Jahre 1614. Auch hier (ygL
Fig. 190) kommen die eingeblendeten Säulchen vor, zwischen
welchen eine Muschelnische einen hockenden, wappenhaltenden
Löwen aufnimmt Besonders elegant sind die aus Eisenblech
geschnittenen Windfahnen. Zur höchsten Pracht ist dies Fa^aden-
motiv am Bing Ko. 29 entwickelt Oben am Fries liest man:
Fidus in perpetuum benedicitur. 1621. Auch hier treffen wir die ein-
geblendeten Säulchen; aber alle Flächen sind mit Metallomamenten
übersponnen, wie ich kein zweites Beispiel kenne, Alles in kräf-
tigem Belief, als wäre die ganze Fa^ade mit kunstvollen Eisen-
beschlägen bedeckt Bein malerische Behandlung zeigt endlich
das Eckhaus der Wagnerstrasse und des Binges, nach dem Platze
mit Doppelgiebel vortretend, in allen Flächen mit hellen Blumen-
ranken auf dunklem Grunde geschmückt, allerdings erst aus dem
18. Jahrhundert, aber in guter Tradition einer früheren Zeit, da-
bei von prachtvollster Wirkung.
N e 1 8 8 e.
Hier hatten die Bischöfe von Breslau seit früher Zeit ein
Schloss, welches Jacob von Salza nach einem Brande 1523 wieder
aufbaute. Von diesem Werke ist aber Nichts mehr erhalten^),
da an seiner Stelle im vorigen Jahrhundert der noch jetzt vor-
handene nüchterne Bau aufgefühii; wurde. Wohl aber bewahrt
die Pfarrkirche, eine mächtig hohe, gothische Hallenanlage,
im nördlichen Theile des Chorumgangs das Grabmal dieses 1539
verstorbenen Bischofs. Es ist ein Freigrab in Form einer Tumba,
auf welcher die Gestalt des Verstorbenen ausgestreckt liegt
Feines Laubwerk im Stil der Benaissance bildet die Einfassung,
und in den einzelnen Feldern sind als Ausdruck der hu-
manistischen Strömung jener Zeit, welche die christlichen An-
schauungen völlig zurückgedrängt hatte, vier antike Heldenköpfe
in schönen Lorberkränzen angebracht An der einen Schmal-
seite das treffliche Brustbild des Verstorbenen, auf der anderen
ein possirlicher kleiner Knabe mit Weihbecken und Weihrauch-
fasB, während zwei nackte Genien die Inschrifttafel ' halten. Es
ist ein feines Werk der Frührenaissance. Prachtvoller in einer
Kapelle der Südseite das Grabmal des Bischofs Promnitz (f 1562),
0 Damit ist die bei Dr. Alwin Schultz, Schlesiens Kunstleben, S. 15,
gestellte Frage erledigt.
Kftp. XIII. Die nardlfftbchfln Biiin«iiUiider. 687
ein groBsartiger, auf drei eUmmi^u Säalen und ebeo so vielen
Halbsftalen an der Wand ruhender Baldachin, darunter auf seinem
Sarkophag ausgestreckt die Grestalt des Entschlafenen, der den
Kopf auf den Arm stfltzt Die Einwirkung des Brealaaer Ry-
bischdenkmals ist unverkennbar; das feine Laubwerk, welches
die Bogen und ihre Zwickel sowie die Wandfelder schmnckt, gut
behandelt, die Figur selbst jedoch, abgesehen von dem tüchtig
anfgefassten Kopfe, von massiger Arbeit
Unter den zahlreichen bflrgerlichen Bauten der malerischen
Stadt nimmt das Rathhaus den ersten Rang ein. Ea ist eine
im Kern noch aus dem Mittelalter herrührende Anlage, durch
einen hoben gotbischen Thurm mit schlanker Pyramide und ge-
sebweiflen Bogenfenstern ausgezeichnet In der Spfitzeit der Re-
naissance erhielt der Bau bedeutende Umgestaltungen, kräftige
RuBtikaportale, vor Allem den bis in die Kitte des Platzes vor-
springenden Flügel der Stadtwaage vom Jghre 1604, welchen
unsere Abbildung Fig. 191 veranschaulicht. Es ist eine der
688 UI. Buch. Benaissance in Deutschland.
best componirten Fa^aden dieser Epoche, durch die imposante
Vorhalle auf Bustikapfeilem, die gruppirten Fenster, das m&chtige
Eranzgesimse, vor Allem aber den grossartig aufgebauten Giebel
prachtvoll wirkend. Bemerkenswerth ist namentlich der reiche
statuarische Schmuck, der mit einer Justitia in der Nische des
Hauptgeschosses beginnt und auf der Spitze des Giebels mit
einer Figur der Beligion endet.
Die Wohnhaus fagaden von Neisse haben einen Gesammt-
charakter, der sich ebensowohl von dem Breslauer wie von dem
Brieger unterscheidet und den erfreulichen Beweis liefert, dass
wir es in allen diesen Städten mit selbständigen Bauschulen
zu thun haben. Die Neisser Fa^aden sind weit kräftiger profi-
lirt als die Breslauer und selbst als die Brieger. Sie gehen in
der plastischen Durchbildung noch einen Schritt über die letzteren
hinaus; wo jene eingeblendete Säulchen anzuwenden Heben, findet
man hier markige Pilaster, meistens wie am Bathhause stelen-
artig nach unten verjüngt Dazu kommen in der Regel energisch
ausgebildete Voluten am Giebelrand. Mehrfach findet man aber
ein Giebelmotiv, das von dieser reicheren Silhouette Abstand
nimmt und die steile Dachlinie nur durch kleine mit einem
Giebeldach herausspringende Baldachine für die einzelnen Stock-
werke unterbricht Diese ruhen dann auf Pilastem, welche an
der Giebelwand fortgeführt werden. So zeigt es ein einfaches
Haus in der Bischofstrasse No. 72, woran sich aber der Archi-
tekt durch ein prächtiges Portal schadlos gehalten hat Die do-
rischen Pilaster und der abschliessende Giebel, der in der Mitte
das bischöfliche Wappen trägt, sind mit Metallomamenten und
facettirten Quadern dekorirt, die Bogenzwickel mit hübsch ge-
arbeiteten Wappen gefüllt, die Seiten wände nach einem in der
deutschen Renaissance beliebten Motiv als Nischen ausgebildet
Man liest 1592 und den Spruch: Benedi c domine domum
istam et omnes habitantes in ea. Dieselbe Giebelform findet sich,
aber ohne reichere Zuthaten, am Bing No. 27 und noch an vier
anderen Häusern des Hauptplatzes. Mit gekuppelten Pilastem
nnd schwerbauchigen Voluten ist das Haus am Bing No. 6 de-
korirt Besonders reich gegliedert, mit derben Gesimsen und
scharf markirten Voluten sowie energischen Pilastem, ist die
Fagade am Bing No. 36. Ein schlichtes Bogenportal mit facet-
tirten Quadern zeigt No. 42 daselbst Ein ähnliches Breslauer-
strasse No. 3 im derbsten Stil mit Metallomamenten und Rustika-
quadem. Dieselbe Behandlung, zum höchsten Beichthum ge-
steigert, finden wir an dem hohen Giebel Breslauerstrasse No. 16,
mit ganz barock geschwungenem Profil und stelenartigen Pi-
Eip. Xm. Die nordöstliehen BinnenlSnder. 689
lästern, alle Glieder mit den beliebten Metallomanienten wirksam
liberzogen. Eine der grössten, derbsten und effectrollsten Fa-
(aden, in derselben Strasse No. 23, wendet an sftmmtlicben Pi-
lastem die Bustika an und fflgt zwei grosse Lilien als Akroterien
hinzu* Auch der kleinere Oiebel No. 18, ebenda, ist in fthnlich
ausdrueksYoller Weise behandelt Eine Breitfa^ade sieht man
dagegen am Bing No. 32, mit zwei einfachen Bustikaportalen,
der grosse Flur mit Gewölben auf Bustikapfeilem, die Bippen
und die Gewölbflächen sehr schön eingetheilt und mit Stuckor-
namenten geschmttcki Es ist aber ein später Nachzügler, denn
am Portal liest .man 1675. Beiläufig mache ich noch auf das
goihische Portal Bing No. 35 aufmerksam, das zu einem Haus-
flur mit feinen gothischen Bippengewölben führt. An der Wand
im Flur die interess^ante Darstellung eines jüngsten Gerichts.
Von der lebhaften Bauthätigkeit, welche gegen Ausgang
unserer Epoche hier geherrscht, zeugt auch das Breslauer
Thor, dessen yiereckiger gothischer Thurm durch phantastisch
barocke Giebel auf allen Seiten, und dazwischen durch halbrunde
Aufsätze mit Zinnen in höchst malerischer Weise geschmückt ist
Ein Prachtstück kunstvoller Eisenarbeit endlich ist der völlig mit
schmiedeeisernem Gehäuse auf rundem, steinernem Unterbau um-
schlossene Ziehbrunnen der Breslauer Strasse. Man liest daran :
Aus Belieben eines loblichen Magistrats machte mich Wilhelm
BeUewegj Zeugwarter, anno 1686'.). Trotz dieses späten Datums
herrscht hier noch eine meisterliche Technik, die sich mit Beich-
thum der Phantasie in dem trefflichen Bankengeflecht und phan-
tastisch-figürlichen Elementen verbindet Das Werk wird durch
Vergoldung noch gehoben. Ein recht tüchtiges Gitter vom Jahre
1627, freilich bei Weitem nicht von diesem Beichthum, umgiebt
in der Pfarrkirche den Taufstein. Auch mehrere Kapellen
sind mit guten Eisengittem dieser Zeit geschlossen«
Oels.
Während von den bedeutendsten Bauwerken der Frührenais-
sanee in Sohlesien, den Schlössern zu Liegnitz und Brieg, nur
Bruchstücke auf uns gekommen sind, hat sich das ansehnliche
Sehloss in Oels, gewisse Umgestaltungen abgerechnet, als das
hervorragendste Denkmal der folgenden Epoche unberührt er-
halten. Im Wesentlichen verdankt es seine Entstehung der
0 Abbild, in H. Luchs, Sohlesiens Vorzeit U, TafeL 1.
Kngler» Gesch. d. Bftakiinit. V. 44
690 ni. BQoh. BenaisBUice in DentaohUnd.
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Das innere Haaptthor wurde
laut InBcbrift durch Herzog Johann von Hflnaterberg-Oela (f 1565)
im Jahre 1559 begonnen und 1562 vollendet; der weitere Aus-
bau deB SchloBsee rUhrt vom Herzoge Karl II, der bis 1616 es
Tollendete.
Nähert man aich ron der afldöstlichen Seite, so gelangt man
Ober den alten breiten Schlossgraben zu dem äusseren Pracht-
portale (Fig. 192), welches mit 1603 bezeichnet ist, also zu den
Flf. 191. Oell. Hchloupoml.
durch Karl II hinzugeftlgten Theilen geholt. Ea ist ein kraft-
voll und reich ausgeftthrtos Rnstikawerk, an dessen Quadern
die effectrollen Stemmuster auftreten, welche wir schon in Breslan
mehrfach fanden. Vielleicht alBo eine Arbeit jenes ßreslauer
Heisters. Prunkvoll barock ist der krönende Aufsatz, in welchem
zwei schreitende Löwen drei elegant behandelte Wappen halten.
Dazwischen schlingen sich FruchtschnOre, wechselnd mit Masketi,
S^p. Xm. Die nordöstlichen BinnenlSnder.
69t
Löwenköpfen, Schnörkelwerk and begleitet von aufgesetzten Py*
ramiden. Das Ganze eine im Sinne jener Zeit meisterliche Com*
Position Yon trefflicher Ausführung. Im Friese der Spruch: Wo
6ot nicht selbst behut das haus, so ists mit unsrem Wachen. aus.
Der hinter diesem Vorbau aufragende Theil des Schlosses wird
an der Ecke zur Rechten mit einem runden Erkerthurm, der
durch alle Geschosse reicht und mit Bogenfenstern durchbrochen
ist, abgeschlossen. Zur Linken springt ein rechtwinkliger Erker
Flg. 19S. SohloM la Oel«. Zweltei Stockwerk.
vor. Durch den Thorweg eintretend, wo man 1563 und die Buch-
staben A. G. D. E. liest, gelangt man zu einem zweiten Portal,
das aus einem Thorbogen und einem rechteckigen Seitenpförtchen
besteht Dies ist das frühere, unter Herzog Johann sammt Wall
und Graben von 1559 bis 1562 ausgeführte Werk. Der Bogen
besteht aus Bustikaquadem, aber die Zwickel sind mit schön ge-
schwungenem Laubwerk ausgefüllt Auf dem Gesimse steht eine
Bitterfigur. Ein Durchgang, mit Tonnengewölbe und Stichkappen
bedeckt (auf unserer Fig. 193 unter dem bei A gezeichneten Ge-
mach), führt sodann in den äusseren Schlosshof, wo man gleich
zur Bechten bei B einen thurmartig vorspringenden Bau mit ge-
44*
692 ni. Bacb. ReMiBnaDOo In Dentschlmnd.
achweiftem Bocbgiebel und kleioem Bo^nportal eieht')- Man
liest an demselben, dasa Herzog Karl 1616 am 23. April „diese
Fis. IM. OOi- Schloukoi
■) Den Grundriis Fig. 192 verduke ioh gütiger Hittheilnng des (UnÜ.
BanmeiBters Herrn Oppermann zu Oels.
Kap. Xin. Die nordöstlichen Binnenländer. 693
neu erbaute Stiege Bammt den Gängen*' vollendete. Es ist ein
kleines^ aber in ausgesuchter Eleganz durchgeführtes Werk. Im
Innern zieht sich um einen quadratischen Kern die Treppe mit
rechtwinklig gebrochenem Lauf empor. Die Verbindung mit
dem Hauptgebäude yermittelt ein gewOIbter Gang. Sämmtliche
Gebäude zeigen reiche Spuren von Sgraffiten in Quadrirungen
und bunten Linienspielen. Von hier führt zur Linken ein ge-
wölbter Thorweg bis in den grossen Haupthof, der ein fast quad-
ratisches Viereck von imposanter Ausdehnung bildet, an der
schmälsten Stelle noch über 100 Fuss breit Zur Linken tritt ein
gewaltiger runder Hauptthurm D, an dessen Galerie die Jahrzahl
1608, in den Schlosshof vor.
Das Interessanteste der durch Grösse und malerische Ab-
wechselung ungemein anziehenden Baugruppe sind die Ver-
bindungsgänge, welche als offene Galerieen den Bau begleiten
(vgl. Fig. 194). Zur Linken laufen auf mächtigen Steinconsolen
in beiden oberen Geschossen solche Gänge hin, der obere durch
ein auf Holzsäulen ruhendes Dach geschützt Beide setzen sich
um den runden Thurm fort, und der des ersten Stockes zieht
sich dann am vorderen Flügel H als Holzgalerie hin, die auf dem
vortretenden Mauerwerk des Erdgeschosses ruht Eine Freitreppe
führt bei E zum Hauptportal des hohen Erdgeschosses und zu-
gleich auf einen offenen terrassenförmigen Gang, der sich an dem
Flügel F hinzieht und auch hier durch eine Treppe zugänglich
ist Am Ende dieses Flügels tritt ein viereckiger thurmartiger
Vorbau in den Hof vor. t Von diesem zieht sich wieder eine ge-
mauerte Terrasse im Erdgeschoss an dem Flügel G hin, die dann
in der Ecke durch eine offene Ti-eppe mit der Galerie des ersten
Stockes zusammenhängt So sind in wohlberechneter Weise die
einzelnen Theile der ausgedehnten Anlage mit einander in Ver-
bindung gesetzt.
Der ganze Bau, in Backstein mit Verputzung ausgeführt,
wurde ehemals durch Sgraffiten überall belebt Die architek-
tonischen Formen sind durchweg schlicht, aber mit sicherer
Meisterhand ausgcfführt, die Bahmen der Fenster und Portale
derb quadrirt, auch das Hauptportal ntir in einfacher Bustika mit
dorischen Pilastem un4 Triglyphenfries behandelt Das Metall-
omament der Zeit ist sparsam verwendet Eine kleine Pforte
am Thurm mit gothischem Stabwerk zeugt ftlr das höhere Alter
dieses Theiles. Oberhalb entwickelt sich der Thurm achteckig
mit kräftiger Galerie, über welcher die Spitze mit ihrer doppelten
Ausbauchung und Laterne aufsteigt Stattlich wirken die hohen
Dachgiebel an deh beiden Hauptflügeln, und noch reicher muss
694 ni. BncL BenaiBsance in DentsdüancL
ursprttngUch der Anblick gewesen sein, als der Flflgel F seine
beiden oberen Galerieen noch bes^s. Die vorgesetzten Dach-
giebel ziehen sich auch am Aeusseren des linken Flügels hin.
Im Inneren ist Nichts von der alten Ausstattung erhalten, und
nur der grosse Bibliotheksaal bemerkenswerth. Die breiten Gräben,
welche das ganze Schloss umziehen, sind ausgefüllt, und ein
wohlgepflegter Park umgiebt den malerischen Bau. Die Ver-
bindung mit der Schloss- und Pfarrkirche wird durch einen
Bogengang hergestellt.
In der Pfarrkirche sind zwei Grabdenkmüler der Zeit be-
merkenswerth. Das einfachere, aus einer blossen Belie^latte be-
stehend, liess 1554 Herzog Johann seinem ein Jahr vorher ver-
storbenen Bruder Georg errichten. Es ist eine fleissige, aber be-
sonders im Figürlichen handwerksmässige Arbeit; der Rahmen
der Platte, welche die etwas gespreizte Relief gestalt des Ver-
storbenen trägt, wird durch reiche Renaissance-PUaster mit frei
componirten ionischen Kapitalen gebildet 0- Prächtiger ist das
Doppelgrab des baulustigen Herzogs Johann (f 1565) und seiner
1556 ihm vorausgegangenen Gemahlin Christina, welches der
Fürst selbst wahrscheinlich noch bei seinen Lebzeiten hat er-
richten lassen^). £r berief dazu einen fremden Künstler, Johannes
Oslew von Würzburg, der sich durch eine ausführliche Inschrift
am Monument verewigt hat ^). Die Figuren sind steif und geist-
los, aber die Pilaster, welche den Sarkophag auf allen Seiten ein-
fassen, haben zierlich behandelte Ornamente, in welchen phan-
tastisch Figürliches mit Rankenwerk sich mischt
Was sonst noch von Renaissancewerken in Schlesien sich
findet, muss ich der Lokalforschung überlassen. Für die allge-
meine Stellung Schlesiens zur Renaissance wird das Beigebrachte
genügen und ich habe mich damit zu bescheiden*). Das interes-
sante Portal des 1580 erbauten Schlosses zu Guhlau beiNimptsch,
welches* in Abbildung vorliegt^), ist besonders durch seine voll-
ständige Bemalung werthvolL In Composition und plastischer
<) Abbildung bei Lachs, Schles. Fttrstenbilder Taf. 226. *) Abbild,
ebenda. Taff. 22 a. 1. 2. 3. >) Lnchs a. a. 0. Bog. 22 a. S. 4 giebt die
Inschrift nicht ganz fehlerfrei. Alwin Schnitz, SoUes. Kunstleben S. 25
rückt ihm dies vor und druckt die Inschrift nut zwei neuen Fehlem ab.
Sie lautet: Kec dvo Manumenta duos daboravit Joäea OsUto Wircsburgefi
Franeo. Das letzte, die Nationalität des Künstlers bezeichnende Wort
ist beiden Forschem entgangen. *) Dies um so mehr als selbst euoiem so
fleissigeii Specialforscher wie A. Schultz die Autopsie der Denkmäler seiner
eigenen Heimath nur sehr vereinzelt zu Gebote steht. *) Bei Luchs,
Schles. Vorzeit II , Taf. 29.
Ktp. Xm. Die nordÖBtücheii Binnenlfoder. 695
Ausstattung allem Anscheine nach von geringerer Bedeutung,
wird es wohl ein Werk provinzieller deutscher Steinmetzen sein. —
Görlitz.
Vielfach verwandt mit Schlesien in politischen Schicksalen
und Kulturentfaltung erscheint die Lausitz. Namentlich in der
hier zu betrachtenden Epoche finden wir sie (seit dem 14. Jahr-
hundert) bei der Krone Böhmen, der sie auch während der Hus-
sitenkriege treu blieb, obwohl sie dafflr die Verheerungen der
wilden hussitischen Schaaren auf sich zog. Spftter, 1467, ergab
sie sich freiwillig dem mächtigen Schutze des Königs Matthias
von Ungarn, erneuerte aber z^ugleich den alten Bund der Sechs-
städte, die durch festes Zusammenschliessen mächtig und bltthend
dastanden und sich grosse Freiheiten zu erringen wussten. Nach
Matthias Tode, 1490, blieben die beiden Markgrafschaften der
Ober- und Niederlausitz bei Böhmen und theilten während der
schicksalschweren Zeiten des 16. und 17. Jahrhunderts das Loos
der übrigen deutschen Gebiete Oesterreichs. Die hohe Blttthe
des materiellen Lebens, welche die durch Handel und Gewerbe
mächtigen Städte erreicht hatten, wirkte zugleich günstig auf die
geistigen Bestrebungen ein. Die Städte der Lausitz treten früh
und entschieden der Beformation bei und haben dafür von den
Habsburgem schwere Drangsale zu bestehen. Nicht minder früh
nehmen sie die neue Kunstweise der Senaissance auf und prägen
dieselbe in einer Anzahl von Denkmalen ' aus. Namentlich gilt
dies von Görlitz, dessen Denkmäler für die Geschichte der Re-
naissance in Deutschland hervorragenden Werth haben. Schon
früher wusste die Stadt durch charaktervolle Monumente ein
Zeugniss von einer gewissen Grossartigkeit monumentaler Ge-
sinnung hinzustellen. Wenn man den gewaltigen Kaisertrutz,
die fttnfschiffige Feterskirche mit ihrer herrlichen Raumwirkung
und so manches andere Denkmal des Mittelalters sieht, so er-
kennt man die frühe Bedeutung der mächtigen Stadt Erst durch
den unglücklichen Ausgiang des schmalkaldischen Krieges, an
welchem sie sich mannhaft betheiligte, wurde ihre Kraft gebrochen.
Sie verlor 25 Dorfschaften, musste ihr ganzes Kriegsmaterial aus-
liefern und eine bedeutende Summe zahlen.
Eine der edelsten Blüthen der Renaissance in Deutschland
sind diejenigen Theile, welche die Stadt in dieser Epoche ihrem
mittelalterlichen Rathhaus hinzufügen liess. Noch in gothischer
Bauführung hatte man von 1512—1519 den Thurm errichtet, als
dessen Erbauer der Steinmetzmeister Albrecht und Stadtzimmer-
696 I^ Bneh. Beiudflsftnee in Deutaebland.
meister Jobsten genannt werden. Als sich Tadel wegen Fahr-
IftSBigkeit beim Bau erhob, berief man Peier van Pirna („Birne*'),
des Herzogs Georg von Sachsen Baumeister, aus Dresden zur Be-
gutachtung. Nach 1519 werden wieder Arbeiten am Thurm und
den anstossenden Theilen vorgenommen, wobei Wendel Bosskopf
als Maurer und Steinmetzmeister beschäftigt ist. Beim Umbau
der Nicolaikirche, welchen er ebenfalls leitete, wird yon ihm ge-
sagt, er habe den Bau nach dem Bathe des Meisters Benedix zu
Böhmen, obersten Werkmeisters des Schlossbaues zu Prag, seines
Lehrmeisters, ausgeführt^). Ohne Frage ist dies Benedict von
Liaun, Ton dessen Wirken S. 622 u. 624 die Bede war: ein werth-
YoUes Zeugniss von dem Einfluss, welchen die böhmische Bau-
schule damals auf die benachbarten Gebiete ausgeübt hat In
die einspringende Ecke zwischen dem Thurm und dem an-
stossenden Seitenflügel wurde nun beinahe zwanzig Jahre später
(1537) eine Freitreppe gelegt, die mit geschickter Ausnutzung
des engen Baumes in gewundenem Laufe zum Hauptportal em-
porfOhrt Vor dem Eingange mündet sie zur Linken auf einen
Balkon, der zur Verkündigung Von Sentenzen und Verordnungen
bestimmt war. Die Bedeutung des Gebäudes aber spricht auf
schlanker Säule am Aufgange der Treppe eine Justitia mit Waage
' und Schwert aus. (Fig. 195.) Die ganze Gomposition, zu welcher
noch als Abschluss das Fenster über dem Fortal gehört, findet
in Schönheit der Ausführung und Anmuth der Ornamentik unter
den gleichzeitigen Denkmalen Deutschlands kaum ihres Gleichen.
An der Brüstung des Balkons, der auf einer originellen Stütze
ruht, sind Sirenen gemeisselt Nicht minder anmuthig ist die
Säule der Justitia mit einer Harpyie und einer nach Dürer aus-
geführten Fortuna sowie mit Fruchtschnüren geschmückt, während
das E^^itäl köstliche Masken zeigt Ueberall ist das Ornament,
sind die feinen Gliederungen ebenso schicklich vertheilt wie yoU-
endet ausgeführt Man wird wohl an einen Italiener denken
müssen, wenn nicht, was freilich nicht ausgeschlossen, an einen
in Italien gebildeten deutschen Meister. An der Brüstung liest
man die Jahrzahl 1537. Es ist ein Ganzes von unübertroffener
Pracht, Originalität und Frische der Gonception. An ober-
italienische Weise erinnern namentlich auch die runden in die
Pilaster eingelegten Marmorscheiben. Aus derselben Zeit datirt
der kleine Hof im Innern des Bathhauses, auf einer Seite mit
einer Bogengalerie auf Pfeilern, darüber eine Theilnng durch Pi-
*) Obige Notizen verdanke ich gütiger Mittheilong des Herrn Baoraths
Marx in Görfitz.
Pl(. U(. Du BitUiM« n OUrllU. (Bkldiot« DUh PbotoEiO
EAp. Xm. Die nordOBtlichen Binnenländer. 699
laster mit hübschen Ornamentbändeni, Blumen und dergleichen,
bezeichnet 1534. Dagegen gehört der ebendort befindliche Erker
anf zwei kolossalen, kurzen achteckigen Pfeilern mit seltsam ge-
bildetem ionischem Kapital einer derberen Behandlungsweise an,
die sich auch in dem flbeitrieben kräftigen Eierstab zu erkennen
giebt Eannelirte korinthisirende Pilaster sftnmen die Ecken,
kleinere ionische Pilasterstellungen rahmen die Fenster ein. Man
liest die Jahrzahl 1564. Im Innern hat der Erker ein spät-
gothisches RippengewOlbe. Hier sass ehemals das Blutgericht
und verkündete dem Verurtheilten, der rechts die enge Treppe
hinabgeführt wurde, seinen Spruch, der dann im Hofe selbst voll-
streckt wurde. Es ist ein unheimliches Lokal, durch die ver-
gitterten Eerkerfenster ringsum noch düsterer. Derselben Zeit
gehören noch andere Theile der inneren Ausstattung: zunächst
in einem Zimmer eine herrliche Holzdecke von 1568, von der
schönsten Theilung und Gliederung, das Schnitzwerk von ge-
ringerem Werth, aber die eingelegten Ornamente köstlich. Dies
Prachtstück wurde erst 1872 bei der durch Baurath Marx ge-
leiteten Restauration wieder entdeckt. Von 1566 datirt sodann
der Magistratssaal, ebenfalls mit trefflicher, obwohl einfacherer
Holzdecke, reicher Thür- und Wandbekleidung. Die zweite Thür
hat eine steinerne Einfassung aus spätgothischer Zeit, mit einem
Christuskopf und kleinen Engehu Erwähnen wir noch ein kleines
Steinportal im Innern, das im Charakter des äusseren Haupt-
portals, aber einfacher durchgefürt ist, so haben wir das Wesent-
lichste berührt.
Aber viel früher noch als am Rathhause tritt die Renaissance
hier an Privatbauten auf. Das erste Beispiel bietet das Haus
Brttderstrasse No. 8, welches mit einer vorspringenden Ecke sich
gegen den üntermarkt fortsetzt Wie mit Nachdruck hat der
Meister, als wäre er sich der Bedeutung dieses frühen Datums be-
wusst, zweimal daran die Jahrzahl 1526 angebracht. Die ganz oben
hinzugefügte Zahl 1617 kann sich nur auf einzelne spätere Zu-
sätze im Obergeschoss beziehen. Dieses Haus sowie die ganze
damit zusammenhängende Gruppe, welche den Markt und die
anstossenden Strassen umzieht, verdankt ihre Entstehung einem
verheerenden Brande, welcher 1525 diese Stadttheile einäscherte.
Auffallend ist und bleibt aber, dass dabei so früh und in solchem
Umfange die Renaissanceformen zur Verwendung kommen. Denn
allem Anscheine nach tritt an der Fa^ade dieses Hauses zum
ersten Male die Behandlung ein, welche dann an einer grossen
Anzahl anderer Häuser im Wesentlichen gleichlautend wiederholt
wurde. Die in Höhe und Breite unregelmässigen Fenster, zu
700 I^- BncL BenaiBsance in Deatschland. '
zweien und dreien gruppirt, erhalten nämlich die charakteristischen
rechtwinklig verkröpften Bahmen der Renaissance; zugleich aber
werden sie in ein System von Pilastem eiDgefÜgt, welche die
ganzen Fagaden in ebenso klarer als lebensvoller Weise gliedern.
Es tritt also hier eine ungewöhnlich starke Aneignung italienischer
Renaissanceformen frühzeitig ein und fahrt zu einer klasgi-
cistischen Behandlungs weise, die indess noch nichts von der
schulmässigen Nttchtemheit der späteren Zeit hat Damit hängt
zusammen, dass die Reminiscenzen an die Gothik schon früh fast
völlig beseitigt werden. Das rundbogige Portal bildet seine ab-
geschrägten Seitenpfeiler zu Ecknischen mit Muschelwölbung aus
und ist in allen Theilen reich und zierlich omamentirt Das
Datum 1617 ist mit seinem kleinen Schilde ein späterer Zusatz.
Die Pilaster der Fa^ade haben kannelirte Schäfte und theils io-
nische, theils varürte Gomposita- Kapitale. An der Ecke gegen
den Markt springt ein diagonal gestellter Erker vor, dessen Krag-
stein mit Zahnschnitten und schlecht verstandenen Eierstäben de-
korirt ist
Derselben Zeit wird das Haus Brüderstrasse No. 11 ange-
hören. Es zeigt ein ähnlich componirtes Portal, an welchem der
flache Stichbogen als Entlastungsbogen über dem Halbkreis des
Eingangs hübsch motivirt ist Die reiche Ornamentik, Rosetten,
Akanthus und anderes Laub gehören dem fliessenden Stil der
Frührenaissance. Die Fenster im Erdgeschoss und den beiden
oberen Stockwerken sind in ein System kannelirter ionischer Pi-
laster eingefügt Im Rahmenwerk der Fenster erkennt man nur
noch schwache Spuren mittelalterlicher ProfiUrung. Ganz dieselbe
Behandlungsweise zeigt am Untermarkt der Gasthof zum gol-
denen Baum vom Jahre 1538: die zu zweien gruppirten Fenster
mit demselben Rahmenprofil und den gleichen ionischen Pilastem.
Da das Haus gleich der ganzen Häuserreihe am Markt Arkaden
besass, so hat der Architekt den Spitzbogen derselben sich da-
durch schmackhaft gemacht^ dass er in wunderlicher Weise ihn
in gewissen Abständen mit kleinen Voluten, die als ELrÖnung ein
ionisches Kapital haben, unterbrach. Mit der stark italienisirenden
und antikisirenden Richtung hängt es vielleicht zusammen, dass
die Görlitzer Fagaden, ähnlich den Liegnitzem, fast niemals den
Giebel nach der Strasse kehren. Eine der seltenen Ausnahmen
sieht man am Untermarkt No. 23, wo die Fenster der beiden
Hauptgeschosse wieder jene streng ionisirenden Pilaster als Um-
rahmung haben, während schwache Voluten den Giebel beleben.
Alle diese Fa^aden wiederholen mit geringen Varianten die-
selben Grundzüge. Man erkennt eine architektonische Thäügkeit,
Kap. Xm Die nordöstlichen BinnenlKnder. 701
die innerhalb weniger Deeennien, beherrscht von einem tonan-
gebenden Muster, den alten Theilen der Stadt ihr gemeinsames
Gepräge gegeben hat. Der individuellen Entfaltung ist dabei
wenig Spielraum gelassen. Auch die innere Anordnung der
Häuser wiederholt dasselbe Motiv: einen grossen Flur mit mäch-
tigen Kreuzgewölben, der offenbar der gemeinsame Sitz des
Lebens und Verkehrs' im Hause war. Bisweilen zieht sich eine
Holzgalerie vor dem oberen Geschoss hin, zu welcher im Flur
die Treppe emporführt Dagegen sind die Höfe meist eng und
ohne Bedeutung. An den Eckhäusern wird mit Vorliebe ein
diagonal gestellter Erker angebracht, der an der Gliederung der
Fa^ade Theil nimmt: ein Motiv, welches wir in Schlesien nirgend
fanden, das aber im mittleren und südlichen Deutschland sehr
beliebt ist
Eine etwas abweichende Behandlung zeigt das Haus am
Untermarkt No. 24. Es ist ein Eckhaus mit schräg gestelltem
Erker; die ehemalige Hausthür hat ungemein reich dekorirte ko-
rinthische Pilaster und hübschen Akanthusfries. Die Gliederung
der Fagade bietet die Variante, dass nicht die Fenster, sondern die
Wandfelder mit ionischen Halbsäulen (statt der sonst herrschenden
PUaster) gegliedert sind. Allein die. gar zu lang gestreckten
schmächtigen Schäfte geben dem an sich werthvollen Motiv eine
verkümmerte Erscheinung. Am Erker, wo toskanische Halbsäulen
auf Untersätzen angebracht sind, ist das Verhältniss zusagender.
Solche Halbsäulen komnien dann noch einmal Petersstrasse No. 17
vor, jedoch in günstigerer Anordnung als Einfassung der Fenster-
reihen in den drei oberen Geschossen.
Mehrfach finden sich recht zierlich gearbeitete Fortale, die
das Motiv der Seitennischen in mannichfacher Weise aufgefasst
und verarbeitet zeigen. Ein sehr elegantes Petersstrasse No. 10
mit reicher Ornamentik : Blattranken, Bosetten, Köpfe und anderes
Figürliche. Im Flur dieses Hauses ruhen die Kreuzgewölbe auf
eleganter korinthischer Säule. In derselben Strasse No. 9 ein
kleines Portal, in schlichter, aber kraftvoller Behandlung. Ein
überaus elegantes, reich dekorirtes ebenda No. 8 vom Jahre 1528,
also wieder zu den frühesten Werken gehörend. Es wird von
einem Architrav bekrönt, der die hier an allen Portalleibungen
mit Vorliebe verwendeten Bosetten an der Unterseite hat und
ausserdem durch Zahnschnitt, Eierstab und Herzblattfries fein
gegliedert wird. Darüber erhebt sich ein halbrundes Bogenfeld
mit Muschelkannelirung ; in den Bogenzwickeln Laubomament,
nicht gerade fein, aber lebendig. Die Fenster haben hier nicht
blos eine Umrahmung von korinthischen Pilastenii sondern eine
702 ni. Buch. Benaiflsance in Deutschland.
kleine ionische Pilasterstellung dient den paarweise yerbundenen
zu einer weiteren Theilung; — ein ungemein elegantes Motiy.
Die Ecke des Hauses ist merkwürdiger Weise mit schräg ge*
stellten Pilastem, in eigenthümlicher perspektivischer Berechnung,
dekorirt In derselben Stracfse No. 7 ist das Portalmotiv noch
einmal variirt und mit einem Giebel in Verbindung gebracht,
alle Flächen reich mit Laubwerk geschmückt Die Jahrzahl
scheint hier 1534 zu lauten. Vom Jahre 1556 datirt eine schöne
Fafade am Untermarkt No. 8, jetzt zum Bathhause gehörig. Sie
ist weit reicher behandelt als die übrigen, deren Motiv sie in's
Zierlichere zu übersetzen sucht Das Fortal mit seinen elegant
dekorirten Pfeilern wird von frei vortretenden, aber etwas müh-
samen korinthischen Säulen eingerahmt Sie stehen auf hohen
laubgeschmückten Sockeln und tragen ein stark vorspringendes
Gebälk, das an der Unterseite mit Akanthuskonsolen und Rosetten
prächtig dekorirt ist, am Fries zierliche aber etwas dünne Sanken
mit Masken hat, in der Mitte mit einem weit vortretenden Krieger-
kopf prunkt Ein kleines Consolengesims bildet den Abschluss;
in den Zwickeln schweben komisch genug Adam und Eva ein-
ander entgegen. Die ganze Fa^ade ist ausserdem im Erdge-
schoss und den beiden oberen Stockwerken mit Pilastem ge-
gliedert, und die Fenster haben abermals Pilaster als Einfassung.
Alles Andere überragt aber weit die prachtvolle Fa^ade der
Neiss-Strasse No. 29. Hier sind alle drei Geschosse gegliedert mit
korinthischen Pilastem der feinsten Durchbildung, ganz mit Or-
namenten übersät; dazu kommen an sämmtlichen Fensterbrüs-
tungen Beliefscenen aus dem alten und neuen Testament in ma-
lerischer Auffassung auf landschaftlichen Gründen, so dass keine
Fläche unverziert geblieben ist Die ursprüngliche Hausthttr
öffnet sich mit einem grossen Bogen, der von eleganten ko-
rinthischen Säulen mit reich omamentirtem Schaft eingefasst
wird. Selbst die Sockel sind reich geschmückt, am Fries aber
zieht sich die herrlichste Akanthusranke hin. Die ganze Fagade
gehört zu den höchsten Prachtstücken unserer Renaissance, um
so werthvoller, da sie sich von allen barocken Elementen fem
hält Im Fries glaubte ich 1571 zu lesen; man sollte das Werk
aber für beträchtlich früher halten.
Wie sehr die Pilasterarchitektur hier beliebt war, sieht man
auch an dem grossen Bogen, der hinter der Klosterkirche die
Strasse überwölbt An der Nordseite ist sein Oberbau mit fein
decorirten, frei korinthisiienden Pilasterstellungen geschmückt
Von ausgebildeten Hofanlagen habe ich nur ein Beispiel ge-
funden. Es ist in dem Hause Petersstrasse No. 4, hinter dessen
m. IM. it«tbh*iii II
Kap. Xin. Die nordöstüohen Binnenländer. 705
modernisirter Fa^ade man niehts Interessantes yermuthet Der
schmale, lange Hof ist auf drei Seiten mit Galerieen in zwei
Stockwerken (an der linken nur im Hauptgescboss) umzogen, die
mittelst flacher Stichbögen auf kolossalen Oranitkonsolen ruhen.
Der Anblick ist höchst malerisch und erinnert an den Hof des
Hauses zur Krone in Breslau.
Was den Renaissancebauten in Görlitz ihren besonderen
Werth Tcrleiht, ist dass sie ohne Ausnahme den Charakter der
Frfll|zeit tragen und fast keine Spur der späteren barocken
Formen zeigen. Keine Stadt Deutschlands kann sich darin mit
Görlitz messen, keine vermag eine solche Reihe einfach edel be-
handelter Fayaden der Frflhrenaissance aufzuweisen, die sich ge-
legentlich auch zu reichster Pracht entfalten. Wenn wir oben
gesehen, dass die Blttthe der Stadt durch den Schmalkaldischen
Krieg geknickt wurde, so wird uns dies durch die Monumente
bestätigt Sie gehören fast sämmtlich der ersten Hälfte des
16. Jahrhunderts an. —
Von den übrigen Städten der Lausitz, die vielleicht manchen
Beitrag -zur Renaissance liefern könnten, weiss ich Nichts zu
melden. Weiter östlich sodann ist mir nur das Rathhaus zu
Posen bekannt, von welchem Fig. 196 nach einer Photographie^)
eine Ansicht giebt Die prächtige Doppelhalle wurde 1550 durch
einen Italiener, Gio. BatL de Quadro aus Lugano erbaut^). Der
Thnrm ist mit Ausnahme der phantastisch hohen Spitze wohl
auch italienisch, jedenfalls ein von nordischen Thurmanlagen
völlig abweichender Bau.
In die Brandenburgischen Marken scheint die Renais-
sance nur spärlich eingedrungen zu sein, ohne festen Fuss zu
fassen. Eine höhere Kultur hatte gerade in diesen Landen an
dem rohen raublustigen Adel ein unübersteiglicbes Hindemiss,
und noch bis in den Ausgang des 15. Jahrhunderts fanden die
Kurfttrsten genug mit Niederwerfung des ttbermttthigen Junker-
ihums und Zerstörung der Raubnester zu thun. Erst seit Johann
Cicero, der zuerst seinen bleibenden Wohnsitz in den Marken
aufsohlug und sich mit den Städten zur Ausrottung des Raub-
adels verband, kehrte dauernde Ordnung im Lande ein, die
durch den energischen Joachim I (1499—1535) eine festere Be-
gründung erhielt. Die Stiftung der Universität Frankfurt, die
Einsetzung des Kammergerichts zu Berlin zeugen von der um-
0 Ich verdanke dieselbe der gütigen Mittheilung des Herrn Dr. Alwin
Schultz. — >) Notiz von Alwin Schultz, Schles. Kunstleben S. 16.
Kogler, Owoh. d. Baakuait. V. 45
706 in. BugIl BeiwisMiiee in DeatacUaad.
«
siehtigm Fflraorge des Fttrsten, die jedoeh in Beiner Feindselig-
keit geg;en die Reformation eine Schranke fand Dagegen ge-
bahrt seinem Sohn und Nachfolger, Joachim II (1535 — 1571),
der Kahm, in verständigem Eingehen auf die Bedürfnisse der
Zdt und des Volkes die Reformation zur Durchftthrung gebracht
zu haben« Auch hier geht die kirchliche Erneuerung des Lebens
mit dem Umschwung der Kunst Hand in Hand: Joachim ist es,
der an seinen Bauten die Renaissance einführt und darin seiner
Prachtliebe einen Ausdruck schafft- Sein Sohn Johann Georg I
(1571 — 1598) hat zu viel zu thun, die durch seinen verschwen-
derischen Vater zerrtttteten Finanzen wieder herzustellen, als dass
man von ihm eine nachdrückliche Förderung der Eunstth&tigkeit
erwarten dürfte; aber indem er den wegen ihres Glaubens ver-
folgten Niederländern ein Asyl in seinem Lande eröffnet, bricht
er dem Einfluss jener in aller Kulturthätigkeit vorgeschrittenen
Nation Bahn, so dass von da ab auch in der Architektur und
den bildenden Künsten diese Einwirkung zu spüren ist Jedoch
ein krttftigeres Aufblühen dieser Länder, eine selbständige Be-
theiligung am deutschen Kulturleben sollte erst nach den für die
Marken so tief verheerenden Stürmen des dreissigjährigen Krieges
mit dem Regierungsantritt des grossen Kurfürsten erfolgen.
Die ersten Spuren der Renaissance finden wir am König-
lichen Schlosse zu Berlin, obwohl dieselben später durch
den grossartigen Neubau Schlüters auf ein Minimum redudrt
worden sind*). Die Residenz der Hohenzollem befand sieh zu-
erst seit 1357 in der Klosterstrasse, an der Stelle des jetzigen
Lagerhauses. Hier liess sich der Kurfbrst Friedrich lim Jahre
1415 huldigen. Friedrich U erhielt 1442 von den Bürgern den
Platz auf der kölnischen Seite der Spree hinter dem Prediger-
kloster geschenkt, um sich dort ein neues Schloss zu bauen.
Dasselbe war 1451 soweit vorgerückt, dass der Kurfürst darin
seine Wohnung aufschlagen konnte. Von dieser ersten Burg
stammt noch die alte Kapelle und der runde Thurm, welcher
sich ihr nördlich anschliesst und von seiner Bedachung den
Namen des grünen Hutes erhalten hat Joachim II Hess seit
1538 die alte Burg, die seiner Prachtliebe und den gesteigerten
Anforderungen der Zeit nicht mehr genügte, abreissen und durch
seinen Baumeister Caspar Thäss ein neues Schloss errichten. Die
Fafade dieses Baues ist auf einem seltenen, 1592 bei Oelegen-
heit eines Feuerwerks gestochenen Blatte zu sehen. Die Durch-
') Das G^chichtliche in Nicolai, Beschreib, von Berlin und Potsdam
1786 I. 81 ff.
Kap. XHL Die iioidffsttietien BiancnMiiider. 707
zeichniuKg eines alten Gemftldes, weldies ebenfall» den ursprfln];^
liehen Zustand darstellt ^ befindet sieh im Hofbaubtlreau. Man
sieht die südliche Hanptfagade gegen den Sehlossplats, auf beiden
Seiten von runden Erkern abgeschlossen, von denen der öst-
liche gegen den Fluss hin in dem späteren Umbau erhalten ist|
während der westliche der Yerlfingerung des Flügels weichen
musste. Die Mitte der Fagade schmückte ein Balkon auf stark
geschwellten Säulen, an der Brüstung mit Wappen gegiert Auob
die £rker waren mit offenen Galerieen bekrönt, deren Kuppel-
dach auf ähnlichen Säulen ruhte, Sämmtliche Fenster zeigen den
spätgothischen Yorhangbogen, den bei uns die Frührenaissance
festhalt Grosse 6iebel| mit kleineren wechselnd, durch Pilaster,
Nischen, Medaillons und reiche Friese belebt, durch Voluten und
freisitzende Figuren silhouettirt, krönten den Bau, der nach alle-
dem ein sehr prächtiges Werk gewesen sein muss. Vor das
Ganze legte sich eine Golonnade mit offenen Bögen auf dorischen
Pfeilern, die den Schlossplatz einfassten und zu Kaufläden be-
stimmt waren. Doch muss dies ein späterer Zusatz aus der
zweiten Hälfte des Jahrhunderts gewesen sein.
Nur geringe schwer aufzufindende Beste haben sieh von dem
Bau Joadüms erhalten. Zunächst gehören dahin die oberen
Theile des runden Thurmes, der einerseits yon der Kapelle,
andererseits von einem später vorgelegten Bau mit polygonen
Eckthttrmen eingeschlossen und fast völlig verdeckt wird. An dem
kleinen frei liegenden Theile bemerkt man von einem Fenster
des angrenzenden Eckthurmes aus fein gezeichnetes Blattwerk an
den Fenstereinfassungen, Balustersäulen und reiche Brüstungen,
Alles im Stil der Frtthrenaissanoe. £ine zweite Säule siebt man
im Innern des anstossenden Zimmers und zwei ähnliche in dem
benachbarten Kapellenhofe, so dass man daraus das ursprüng-
liche dekorative System dieser interessanten Theile herstellen
könnte. Gleichzeitig ist an der thurmartig hohen Ostwand der
Kapelle ein prächtiger Balkon ausgeführt worden. Endlich ge-
hört derselben Zeit die innere Architektur des im Aeusseren um-
gestalteten Erkers der südöstlichen Ecke gegen die Kurfürsten-
brücka Das Eckzimmer öffnet sich gegen den Erker mit einem
grossen Rundbogen, kassettirt und mit Rosetten geschmückt, die
Zwickel und Pilaster mit hübschen Pflanzenomamenten und mit
Brustbildern, darunter Joachim II und seine Gemahlin; Alles ur^
sprünglich prächtig vergoldet auf azurblauem Grunde^). Das
>) £m Bericht über die Auffindung dieses Bogens in v. Ledebar*s
Archiv Vm, 58 ff.
45*
708 ÖL Buch. BenaiaMnee in Detttachland.
sind die wenigen Ueb^rreste eines Banes, der die Verrierangs-
ladt der Zeit und die Prachtliebe seines Besitzers zum Ausdmck
brachte. Der grosse Prachtsaal nahm die ganze Länge der
Vorderseite ein und mag in seiner Ausstattang, wenn auch nicht
in seiner Grösse mit dem gleichzeitigen von Torgau gewetteifert
haben. Vor demselben auf einem steinernen Gange innerhalb
des Sehlosshofes waren die bemalten steinernen Brustbilder der
Kurfürsten aufgestellt Der ganze Bau in seiner Anlage und
kttnstlerischen Ausstattang bekundet den Einfluss der sächsischen
Schlösser zu Dresden und Torgau. Als Joachim II 1572 starb, war
der Bau noch nicht ganz yollendet
Sein Nachfolger Johann Georg liess das Nöthigste durch
Hans Eäspell vollenden, namentlich die Giebel nach der Wasser-
seite ausführen, den Thurm über der Kapelle ausbessern und aus-
bauen. Seit 1578 liess er dann durch den Grafen Rochus von
Lifnar, einen vornehmen Baumeister von italienischer Abkunft,
weitere Bauten ausführen. Ein vierter Stock wurde nach der
Wasserseite aufgesetzt, besonders aber seit 1579 ein heuer Flügel
begonnen, der den Schlosshof nach der Westseite gegen die
Schlossfreiheit hin abgrenzen sollte. Von Pirna wurden be-
deutende Sandsteinsendungen verschrieben und zugleich 30 säch-
sische Maurer berufen, die wöchentlich 26 bis 30 Silbergroschen
erhielten« 1585 schickt August von Sachsen seinen Maurermeister
Peter Kummer. Dieser bringt eine Visirung mit, welche dann,
durch den Grafen Lynar verbessert, der Ausführung zu Grunde
gelegt wird. Später tritt Peter Niuron in die Bauführung ein,
upd der neue Flügel wird 1594 vollendet In den oberen Zim-
mern führte Meister Hieronymus Malereien aus. Dieser Flügel ist
der jetzt noch vorhandene westliche Querbau, welcher die beiden
grossen Schlosshöfe von einander trennt Im Gegensatze zu den
reich dekorirten Prachtbauten Joachims sind diese Theile schlicht
und sparsam, aber in kraftvollen Formen ausgeführt. Namentlich
gilt dies von der Galerie im dritten Stock, welche mit Stichbögen
auf schön profilirten Steinconsolen eines ausgebildeten Renais-
sancestils ruht Der vierte Stock ist später aufgesetzt Die Fenster,
meist zu zweien gruppirt, haben eine Umrahmung von Bund-
stäben und Hohlkehlen. Der nördliche Theil dieses Flügels hat
über dem Erdgeschoss, das den Durchgang enthält, nur ein ein-
ziges, aber sehr hohes Obergeschoss mit mächtigen gekuppelten
Fenstern. Er enthält einen ehemals zu Theatervorstellungen be-
stimmten SaaL
Zu derselben Zeit wurde im Schlosshof an dem östlichen
Flügel Joachims II eine grosse Doppeltreppe angelegt, die eine
Kap. ZUL Pie noidOstUehen BfamenKnäer. 709
als Rampe zum Hinaufreiten, die andere mit Stufen. Dies gross-
aitige Treppenhaua war in einem offenen, auf Sftnien ruhenden
aehteekigen Thurm angebracht. Ebenso erbaute man seit 1590
den nach Norden yorspringenden FlQgel, die jetzige Schlosä-
apotheke,' welche, nachdem 1596 Lynar gestorben war, unter
Niuron vollendet wurde. Wieder wurden im Jahre 1604 aus
Meissen Maurer verschrieben. Das obere Gesohoss, mit lasirten
Steinen belegt, diente wahrscheinlich als Sommersaal. Gegen
Ende der Regierung Johann Georg's wurde dann auch an
der Wasserseite der Flttgel mit den beiden polygonw Eck-
thttnnen gebaut, welcher damals das Haus der Herzogin hiess,
also . vielleicht ftlr die Herzogin Hedwig errichtet worden war.
Balthasar Benzelt aus Dresden scheint diesen Bau geleitet zu
haben. Eine alte Abbildung^) giebt eine perspektivische Dar-
stellung des Schlosses, die den Hof mit seinen beiden polygoneii
Treppenthttrmen, der grossen Doppeltreppe und den ehemaligen
offenen Arkaden. des Erdgeschosses anschaulich macht
Am besten erhalten ist von den alten Anlagen noch der
Apotbekenflflgel : ein schlichter Backsteinbau mit verputzteu
Flächen, gruppirten Fenstern, deren Rahmen aus zierlichen Stäb-
chen und Hohlkehlen zusammengesetzt sind, und mit drei statt*
liehen Giebeln von massig barocker Behandlang. Dieselben Giebel
finden sich dann auch an der Wasserseite. Die Gesimse und
Einfassungen sind solid aus Sandstein hergesteUt Die Verbin-
dung des Apothekenflflgels mit dem Schlosse bewirkt ein hoher
thurmartiger Bau mit einfacher Wendeltreppe und mittelalterlich
profilirten Fenstern.
In der zwanzigjährigen unglttcklic^en Regierung Georg Wil-
helms schien der Bau mit dem ganzen Staate der Hohenzollem
unaufhaltsam seinem Ruin entgegen zu gehen. Alles wurde bau-
ftllig, musste gestützt werden, so dass die Zeitgenossen klagten,
„man müsse sich vor den Fremden schämen, die dieses kurftrst*
liehe Residenzschloss sähen ^. Erst der Grosse Kurfürst wandte
dem Bau durch Menmharät wieder seine Sorg< zu, und der
erste König Preussens Hess durch Schläter'B Genius hier das
grossartigste Fttrstenschloss Deutschlands erstehen. Von den
alten Theilen zeugt nur noch die dem Flüss zugekehrte ösir
liehe Seite.
Ein Bau aus der Schlussepoche der Renaissance ist in dem
Königlichen Marstall in der Breiten Strasse erhalten. Er be-
0 In Joh. Chr. Müller and G. Gottfir. Küster, altes und neues Berlin
1737 L Th.
710 in. Bttoh. ResBisMtiee in Dentseldaiid.
steht ans zwei arsprflDgKGh getrennten TheSen, dem 1624 von
Hans Georg von Ribbeck erbauten Hause und dem nach 1593
vom Oberkämmerer Hieronymus von Schlick errichteten Bau,
welcher später in kurfttrstlichen Besitz flber^ng ^). Der südliche,
Ribbeck'sche Theil ist durch vier malerische Barockgiebel und ein
kleines reiches Portal ausgezeichnet Der nördliche hat drei
ähnliche Giebel erhalten und ist durch ein barockes Portal ge-
scbmtlckt Den mittleren Theil der Fa^ade aber krönt ein mit
grossem Relief ausgefüllter Tempelgiebel, von dem 1665 durch
SnUd ausgeführten Neubau herrtlhrend.
Andere Bauten dieser Epoche hat Berlin nicht aufzuweisen.
Von den zahlreichen Schlossbauten des Caspar Theiss in den
Marken ist nur wenig erhalten und das Wenige stark umge-
staltet Das Jagdschloss Grunewald bei Berlin ist nach Anlage
und Ausftlhrung höchst einfach. Mehrere dieser Schlösser*)
wiederholen denselben aus Venedig stammenden Grundriss: ein
grosser Mittelsaal, durch die ganze Tiefe des Gebäudes gehend,
tu beiden Seiten mit zwei kleineren Sälen verbunden. Es ist die
auch am Rathhaus zu Augsburg vorkommende Anlage. An der
Fagade ist dann nach nordischer Sitte ein runder Treppenthurm
vorgebaut Dicke Mauern, Gewölbe, meist in drei Geschossen,
aber ohne jegliche Kunstform. So die Schlösser von Eönigs-
wusterhausen und Lichterfelde bei Neustadt -Eberswalde,
beide angeblich von einem Venezianer CMaramelia erbaut Aehn-
lich Schloss Orangen bei Schlawe in Hinterpommem, das noch
mit runden Eckthttrmen versehen ist Von verwandter Anlage
Schloss Letzlingen, rings von einem Wassergraben umgeben,
an dessen vier Ecken Rundthfirme mit begleitenden Treppen-
thflrmchen angebracht sind. Was sonst noch in den Marken an
Schlössern etwa vorhanden ist, vermag ich nicht anzugeben. Das
Rohr'sche Haus in Freienstein soll interessante Renaissance-
theile besitzen. Ebenso das Schloss der Mtlnchhausen zu
Leitzkau.
Dagegen zeugt von der Eunstliebe der Hohenzollem manch
schönes Stück in den Schlössern und Sammlungen Berlin's.
Vor Allem jener prachtvolle, grosse vergoldete Silberpokal im
Königlichen Schlosse, den man dort für einen Benvenuto Cellini
ausgiebt Es ist aber, wie aus dem ganzen Aufbau, dem Cha-
rakter der Figuren und dem zum Theil noch gothischen Laub-
werk erhellt, ein Meisterstück deutscher, und zwar wahrschein-
0 Nicolai a. &. 0. I, 117. — >) Nach gefälligen Notizen des Herrn Geh.
Beg.-Bathfl von Quast
ELap. UV. Die norddeutwdien SitotMi^biete. 711
tteh Nfimberger GoMschmiedearbeit^ etwa um 1560 auagefUirt
Dentsohe Arbeit, weimgleieh von geringerer Art, ist auch das
Karschwert des Hauses Brandmburg, dessen vergoldete Silber-
scheide ein brdtes, schweres, durchbrochen gearbeitetes Renais-
sancelaub zeigt Auch das Beichssohwert des Hauses Hohen-
zoUem mit seinen zierlichen gravirten Darstellungen weist auf
einen süddeutschen Meister hin.
XIY« KapUeL
Die norddeutsehen Kfistengebiete.
Schon im Mittelalter haben die Länder der norddeutschen
Tiefebene ein gemeinsames Eulturgebiet dargestellt Es sind die
Gegenden jenes energischen, nflchtemen, verständigen und wil-
lensstarken Geschlechtes, das schon im 13. Jahrhundert den bald
so gewaltigen Bund der Hansa stiftete, der mit den Königreichen
des Nordens Krieg fahrte und die Macht der grossen Handels-
städte zu einer flberall gefllrchteten Weltstellung erhob. Die
Kunst dieser Gegenden erreicht, im Einklang mit den politischen
Verhältnissen, in der gothischen Epoche ihren Höhepunkt Jene
gewaltigen Backsteinkirchen, die noch jetzt mit ihren dunklen
Massen über die hohen Giebelhäuser emporragen, sind in ihrer
derben trotzigen Kraft, in ihrem nüchternen Ernst ein treues Bild
des Bürgerthums, welches sie aufgethürmt hat Schmucklos nach
aussen, nur etwa in riesigen Thürmen ihre Macht verrathend,
sind sie im Innern noch jetzt angeftkUt mit den reichen Kunst-
schätzen, welche das Mittelalter zu ihrer Ausstattung geliefert
hat: mit Schnitzaltären, Chorstühlen, Kanzeln, Lettnern und
Orgeln, mit Gemälden und Sculpturen, mit kunstvoll gegossenen
Broncewerken, Kronleuchtern, Taufbecken, Grabplatten, so dass
Gotteshäuser wie die grossen Marienkirchen von Danzig und
Lübeck an Reichthum und malerischem Beiz des Innern weithin
ihres Gleichen suchen. Da alle diese Städte früh den Protestan-
tismus annahmen, aber sich meist von der wüsten Bilderstttrmerei
frei hielten, so hat eine schone Pietät jene alten Schätze überall
sorglich bewahrt Auch jene Barockschöpfungen, durch welche
in anderen Gegenden der Alteweibersommer des jesuitisch wieder-
hergestellten Katholicismus so manche alte Kurche um ihre
712 ' in* BQAh. BenAiflMiiee in Deutedüand.
früheren ^EuiiBtwerke gebracht hat, konnten hier nur mtesig sieb
einnisten, so dass der Eindruck bei allem Beiohthum und grosser
Mannichfaltigkeit ein harmonischer ist
Die Renaissance kommt in diesen Gebieten merkwürdiger
Weise erst sehr spät zum Durchbruch. Lagen sie Italien zu
fern ? war die nordisch ernste Weise der anmuthig heiteren Kunst
verschlossen? blieb man lieber in treuem Festhalten bei der
gothischen Kunst der Väter stehen, oder wirkten alle diese Um-
stände zusammen? Genug, es wird sich vor 1550 kaum ein nen-
nenswerthes Werk der Benaissancekunst aufweisen lassen. Um
diese Zeit aber beginnt auch hier die neue Kunst einzudringen.
Es sind hauptsächlich die durch nahen Handelsverkehr ver-
bundenen Niederlande, durch welche allem Anscheine nach die
Benaissance hier eindringt Plastische Werke, namentlich Bronce-
arbeiten, werden um diese Zeit mehrfach von dort bezogen oder
von niederländischen Künstlern ausgeführt Die Architektur folgte,
und ahmte den Niederlanden jenen schon stark barocken und
dabei trocken ernsthaften Stil nach, der sich alsbald über das
ganze Küstengebiet bis nach den fernsten Punkten der Ostsee-
provinzen verbreitete. Der Backstein wird festgehalten, aber in
allen constructiven Theilen, den Fenster- und Thüreinfassungen,
den Gesimsen, Pilastem, Giebeln und Krönungen mit Haustein
verbunden. So entsteht jener malerisch wirkende Stil, den wir
schon oben (S. 1 89 ff.) kurz charakterisirten und dessen Einwirkung
in manchen Gegenden ziemlich tief landeinwärts sich ver-
folgen lässt
Der Mehrzahl nach handelt es sich in diesem Gebiet um
städtische Bauten, Bathhäuser, Gildenhallen, Zeug- und Kauf-
häuser, Stadtthore und Befestigungen, um bürgerliche Wohnhäuser
sodann, die besonders im Innern den ganzen Beichthum damaliger
Ausstattung empfangen. Ein besonderer Einfluss niederländischer
Sitte giebt sich in den bedeutenden Stock werkshöhen zu er-'
kennen, welche namentlich den Bathssälen, aber auch im bürger-
liehen Wohnhause den Haupträumen und dem grossen Flur ge-
geben werden, der den Charakter einer hohen luftigen Halle
gewinnt
Die fürstliche Macht spielt in diesen Gegenden nur eine
zweite Bolle. Doch kommt sie im Gebiete der Herzoge von
Pommern, mehr noch in den Mecklenburgischen Landen in einigen
grossartigen und reich ausgeführten Bauten zum Ausdruck. In
Mecklenburg bildet sich sogar eine besondere Behandlung der
Benaissance aus, die auf künstlerischer Durohbildung des Back-
stw^baues beruht und in zierlich ausgeführten Terrakottenrelieis
Kap. XIV. Die norddeutBohen KflBtengeUete. 713
an Q^edmsen) Einfassangen, Friesen, Portalen und Fenstern den
Fa^aden ein überaus anmuthiges Gepräge verleiht Wir wenden
uns nun zur Betrachtung des Einzelnen.
Dan zig.
Mit dem äussersten Nordosten haben wir zu beginnen, mit
dem einst mächtigen Freistaat Dan zig, der seine Unabhängig-
keit durch die mannigfaltigsten Geschicke zu behaupten wusste
und als eine der vier Quartierstädte der Hansa hohes Ansehen
genoss. Durfte doch ein Danziger Bürgermeister einst wagen,
dem König von Dänemark den Krieg zu erklären!
Die ältesten Zeugen künstlerischen Schaffens in Danzig sind
die kirchlichen Gebäude. Doch reicht keines derselben über das
14. Jahrhundert hinauf, ja die hauptsächlichste Thätigkeit auf
diesem Gebiete fällt bereits in die letzten Epochen mittelalter-
licher Kunstrichtung. Dies waren auch die Zeiten, in welchen
die Stadt voll kräftigen Selbstgefühles mächtig aufblühte. Ihre
Anfänge sind in Dunkel gehüllt 0 Zwar wird der Name schon
im 9. Jahrhundert durch den Biographen des heiligen Adalbert, des
Apostels der heidnischen Freussen, erwähnt, allein von einer festen
Stadt konnte damals in diesen Gegenden noch nicht die Rede
sein. Im 1 1. Jahrhundert kam sie unter die Herrschaft der Polen
und wurde die Besidenz eines Fürsten von Pommerellen, der als
Vi^iall der polnischen Krone die Burg von Danzig inne hatte.
Diese lag in dem Winkel, den die Badaune bei ihrem Einfluss
in die Mottlau bildet, wo noch jetzt in den Namen der Burg-
strasse und der Bittergasse ihr Andenken fortlebt An diesen
festen Punkt lehnte sich westwärts der älteste Theil der Stadt,
die Altstadt Hier finden sich noch jetzt die Katharinen- und
Brigittenkirche, weiterhin die Bartholomäus- und die Jakobikirche,
das altstädtische Bathhaus, jetzt in ein Kreisgerichtsgebäude um-
gewandelt, und endlich in dessen Nähe die Elisabeth- und Kar-
meliterkirche. Als darauf im Anfange des 14. Jahrhunderts die
Ritter des deutschen Ordens die Stadt erobert und sich auf der
Burg festgesetzt hatten, veranlassten die neuen Herrscher im
Jahre 1311 die Gründung einer neuen Stadt, der sogenannten
Rechtstadt, neben welcher jedoch die Altstadt zunächst ihre
Selbständigkeit in eigener Verwaltung und Gerichtsbarkeit be-
hielt Allmählich jedoch schwang sich die Rechtstadt zur
0 Vergl. über das Geschicbtliohe G. Löschin, Gesch. Danzigs. 2 Bde.
714 UI. Bitch. BenaiBMtiee in Deatsohbuid.
grösseren Bedentnng empor, wie sie denn auch nodi jetet den
glänzenden Mittelpnnkt bildet. Hier erhebt sieh der kolossale
Bau der Hauptpfarrkirehe su St Marien, einer der grösseren
Kirchen Europa's, hier liegen die Johannes-, die Dominikaner-,
die h. Geistkirche; hier sind die schönsten Strassen mit den
prachtvollsten Häusern, hier ist vor Allem der Lange Markt mit
dem Artushof und dem imposanten Bechtstädtischen Bathhans.
Unter der klugen Herrschaft der Ritter entwickelte sich in andert-
halb Jahrhunderten die Blüthe der Stadt, die durch ihre Lage in
fruchtreicher üppiger Gegend und besonders in der Nähe der
Weichsel, mit der sie durch die selbst fUr grössere Schiffe fahr-
bare Mottlau in unmittelbarer Verbindung steht, sich bald zum
wichtigen Handelsemporium, zu einem der vier Vororte der Hansa
und zur Kornkammer des Nordens aufschwang. Nachdem sie
im Jahre 1454, zu gesteigertem Selbstgefühl erstarkt, die drückende
Herrschaft des Ordens abgeschüttelt hatte, kehrte sie unter die
Oberhoheit der polnischen Krone zurück, jedoch mit so bedeutenden
Privilegien, dass sie für sich einen kleinen, aber mächtigen Frei-
staat bildete. In diese Zeit fallen wiederum bedeutende Baa-
untemehmungen, namentlich der Umbau und die Erweiterung der
Marienkirche zu ihren jetzigen grandiosen Dimensionen. Dass
auch in den folgenden Jahrhunderten diese Blüthe noch im Zu-
nehmen begriffen gewesen, erkennt man an der prachtvollen
Entwicklung, welche in diesen Zeiten der Privatbau erfuhr, an
der reichen Ausschmückung und Vollendung der öffentlichen
städtischen Gebäude und der Kirchen. Im siebzehnten Jahr-
hundert scheint die Bevölkerung der Stadt bis auf 80,000 Ein-
wohner gestiegen zu sein, eine Höhe, welche sie erst seit Kurzem
wieder erreicht, ja überschritten hat
Diesem Entwickelungsgange entsprechend hat sich auch die
Physiognomie der Denkmäler gestaltet*). Mit der Anlage der
Bechtstadt im 14. Jahrhundert begann wohl erst eine bedeutendere
Entfaltung des Kirchenbaues; mit zunehmender Bevölkerung
musste durch Neubau und Vergrösserung der Körper der kirch*-
liehen Gebäude verändert werden, bis endlich den nachfolgenden
Geschlechtem nur noch übrig blieb, durch kostbare Ausrüstung
und Verzierung auch ihrem frommen Eifer zu genügen. Es ist
nun bezeichnend, wie die Kirchen in ihrer Gesammthaltung merk-
*) lieber keine deutsche Stadt besitzen wir ein auch nur annähernd
80 schönes und bedeutendes Werk wie über Danzig in den Radirungen
von Prof. Schultz. Dazu kommen neuerdings zahlreiche photographische
Aufnahmen der Herren Ballerstfidt und Radtke in Danzig^ i
Kap. XIV. IHe norddeutselieii Kflstengrebfete. ' 715
wttrdl^ von dem kflnstleriBeheii Charakter der Profan- ufid Pri*
vatarehitektar abweichen. Während diese überwiegend eine 11p*
pige Renaissance zeigen, erheben sieh jene in ernsten, schweren
Hassen eines gotbischen Backsteinbaues, und selbst das Material
l^ildet einen unterschied, da die Privathäuser grOsstentheils ans
Hausteinen, und nur einige grössere öffentliche Gebäude aus einer
Mischung dieses Materials mit dem Backstein aufgeftlhrt sind.
Dagegen hat aber spätere Geschmacksrichtung sich nicht blos an
den mannigfaltigen Gegenständen der inneren Ausrüstung schad-
los gehalten, sondern consequenter Weise fast jedem der zahl-
reichen Kirchthürme der Stadt seine wunderlich schnörkelhaften
Hauben aufgezwängt.
Betritt man zum ersten Mal die Strassen Danzigs, so ist man
überrascht von der hohen malerischen Schönheit dieser Anlage,
der seltenen Grossartigkeit, der üppigen Pracht, die sich überall
kund giebt Vor Allem bestimmend für den Eindruck der Stadt
sind die sogenannten ^ Beischläge^, die leider seit einiger Zeit
dem modernen Verkehrsbedürfniss immer mehr zum Opfer fallen.
Nur wer diese noch in ganzer Vollständigkeit gesehen, weiss was
das alte Danzig gewesen. Diese „Beischläge" sind für die
Strassen Danzigs das eigentlich Charakteristische. Auch in andern
alten Städten finden sie sich, aber nirgends so grossartig ange-
legt, nirgends so stattlich architektonisch ausgeprägt, nirgends
(wenigstens bis vor Kurzem) so zahlreich erhalten wie hier. Sie
wurden in den meisten mittelalterlichen Städten durch die Be-
schaffenheit der Häuser und die Sitte der Bürger hervorgerufen.
In jener Zeit waren die Wohnungen selbst des reicheren Privat-
mannes eng, niedrig, beschränkt Es galt auf möglichst kleinem,
fest umgürteten Bezirk eine möglichst grosse Menge zu Schutz
und Trutz Verbundener zusammenzudrängen. Der enge Hausraum
wurde daher fast gänzlich von den für die geschäftliche Thätig-
keit des Besitzers nothwendigen Lokalitäten in Anspruch ge-
nommen. Aber am Abend, nach vollbrachtem Tagewerke, wollte
man gern einen freieren Platz zur Hand haben, auf dem die
Familie im traulichen Beisammensein sich von der Arbeit erholen
konnte. Aus diesem Bedttrfniss entstanden gewisse breite, mit
mehreren Stufen über das Niveau der Strasse sich erhebende,
die ganze Front des Hauses begleitende Vorplätze, die man mit
steinernen Balustraden und eisernen messingverzierten Geländern
umgränzte und mit Bänken ausstattete. Diese Vorbauten nennt
man „Beischläge^. G^enwärtig hat zwar seit geraumer Zeit das
Familienleben sich von den Beischlägen in's Innere der Häuser
zurückgezogen. Der Bürger des neunzehnten Jahrhunderts ist
716 HL Bach. Benaissaaee in DentBeUimd.
niaht so streng in die Bingmanern seiner Stadt geschlossen, wie
der des fünfzehnten und sechszehnten es war. Er kann um so
leichter daher die Beischläge entbehren, zumal da heutzutage an
die Stelle des öffentlich gemeinsamen Lebens, welches ehedem
die Btlrger einer Stadt so zu sagen zu einer einzigen Familie
yerband, ein zurückgezogenes Wesen getreten ist
Was an Danzig vorzugsweise fesselt, sind nicht sowohl die
kirchlichen Denkmftler, obschon auch deren einige beachtena-
werthe sich finden, sondern die bauliche Gesammtanlage der Stadt,
und die Art, wie städtische Macht und bürgerlicher Beichthum
sich hier architektonisch verkörpert haben. Leicht erkennt man
aus dem Complex verschiedener jüngerer Zusätze die Bestand-
theile der eigentlichen alten Stadt heraus. Sie schliesst sieh an
die Motüau, welche die natürliche Grenze nach Osten bildete,
während nördlich die in jene sich ergiessende Badaune den Ab-
schluss gab. Hier liegt die Altstadt, hier die alte Bechtstadt mit
ihrem Bathhause, dem Artushof und den meisten Kirchen. Noch
ist die alte Stadtmauer mit zahlreichen malerischen mittelalter-
lichen Thoren an der Mottlau entlang erhalten, eine Stadt in der
Stadt umzirkend. Denn zunächst schliesst sich die durch einen
anderen Ann des Flusses begränzte Speicherinsel an, die mit
ihren langen Beihen hoher backsteinemer Speicher einen nicht
minder eigenthümlichen Charakter bildet. Dann erst folgen die
neuen, fbr uns uninteressanten Stadttheile, Langgarten und
Niederstadt
In den älteren Stadttheilen laufen alle Hauptstrassen so
ziemlich von Osten nach Westen bis zum Fluss hinab. Unter
ihnen dominirt durch stattliche breite Anlage und hervorragende
Bauwerke die Lange Gasse, die sich am Bathhause plötzlich
zum Langen Markt erweitert. Sie beginnt landwärts mit dem
Hohen Thor und öflnet sich gegen das Wasser mit dem Grünen
Thor. Der Blick von letzterem gegen das Bathhaus hin, das mit
seinen gewaltigen Mauermassen wie eine trotzige Wehr vor-
springt und den Markt abschliesst, gehört zu den schönsten
städtischen Architekturprospekten die ich kenne. Die hohen,
reich verzierten Giebelhäuser, die bei den sanft geschlängelten
Windungen der Strasse dem Auge das Bild mannichfacher Ver*
Schiebungen darbieten, vollenden das wirksam Charakteristische
der Strassenphysiognomie. Merkwürdig ist, dass manche Haupt-
strassen noch eine .parallel mit ihnen laufende Hintergasse haben,
welche den Wagen zum Anfahren diente. Diese Einrichtung
wurde durch die ganze Anlage der Häuser herbeigeführt. Da
nämlich die ganze Vorderseite des Hauses durch den Beischlag
Kap. XIY. Die norddeutschen Küstengebiete.
717
eiHgenommen wird, so bleibt dort kein Platz fdr eine Anfahrt
flbrig. Von dem erhöhten Beischlage (A in Fig. 197) betritt man
sofort durch die Hansthttr den Flur B, der hoch und breit ange-
legt igt und nur an der einen Seite bisweilen ein niedriges Zimmer,
Oomptoirstube des Besitzers, hat<). Diesen hellen geräumigen Flur
hat man sich als den Mittelpunkt zu denken,
in welchem ehemals das ganze yielfiUtige Leben
des Hauses seine Fäden vereinigte. Hier war
das Centrum der gemeinsamen Thätigkeit Von
Mer fahrte eine mächtige Treppe von Eichen-
holz in die oberen Stockwerke; von hier er-
streckte sich häufig ein Corridor nach den
Hintergebäuden und Hof räumen; von hier ge-
langte man auch in das saalartige, nach dem
Hofe D gelegene Zimmer G, welches flberall
mit Vorliebe ausgeschmückt erscheint und offen-
bar die Familie an Sonntagen und sonst wohl
bei festlichen Gelegenheiten zu abgeschlossener
Gemeinsamkeit beim frohen Mahle vereinigte.
Diese Hauptdisposition findet sich in den
meisten Häusern, so weit sie den alterthttm-
liehen Zuschnitt noch bewahren, durchweg
festgehalten. Dabei haben die Häuser nach
mittelalterlicher Art in der Begel nur eine
Breite von drei Fenstern, während sie eine
enorme Tiefe besitzen. In Folge dieser An-
lage sind allerdings Licht und Luft, wo man i a
nicht neuerdings restaurirt hat, ein wenig karg
zugemessen. Ein geräumiges Hinterhaus £,
welches die Verbindung mit einer schmalen, p,^.ij>7D.„i^^p,i^^jh.„.
der Hauptstrasse parallel laufenden Gasse ver- (B«rsaa).
mitteh, bildet den Abschluss des Ganzen.
Mit Ausnahme einiger unbedeutenden gothischen Giebelhäuser
von Backsteinen, die in den engen Gassen bei der Marienkirche
und an der alten Stadtmauer vorkommen, gehören die Danziger
Häuser einer späteren Epoche an, wo Reichthum und Wohlleben
sich auch in der inneren Ausstattung der Räume geltend machte
und dem prunkvollen Aeusseren ein nicht minder schmuckes
Inneres entsprach. Die Renaissance hat ihre Formenfülle her-
leihen müssen, um den Fagaden wie den Zimmerdekorationen ein
glänzendes Leben zu verleihen. Aber aus der seltsamen Ver-
-JO
xo
0 Den Grnndrisß Fig. 197 verdanke ich Herrn Prof. R. Bergan.
718 ini Bnoh. Benaissmice in DentscUsnd.
bindoogy welche die Formen der antiken Kunst mit den mittel-
alterliohen Verhältnissen des Grundrisses und Aufbaues eingehen
mussten, ist auch hier ein merkwürdiger Mischlingsstil henroige-
gangen. Dennoch wirken diese Fa^aden, blos malerisch be-
trachtet, höchst bedeutend, wozu die reiche Fülle des Ornaments
und die Gediegenheit des Materials — ein trefflicher Haustein,
ja selbst Marmor scheint vorzukommen — das Ihrige beitragen.
So finden sich an einem Hause der Langgasse, welches mit 1567
bezeichnet ist, Triglypbenfriese mit Schilden und Thierköpfen,
darunter Maskenkonsolen und reizende Arabesken; oben ge-
schweifter Giebel mit grossen Reliefmedaillons. Meistens werden
die Systeme der antiken Baukunst in kräftigen Pilasterstellungen
den schmalen, aber hohen Fa^aden yorgesetzt; oft auch erhält
dann das Ganze als Abschluss eine Balustrade mit Statueu,
welche den abgewalmten Giebel zu verdecken hat So in dem
reich bebandelten Hause der Langgasse, welches wir unter
Fig. 198 beifügen. Manche Beispiele dieser prächtigen Fa^aden
mit ihren Beischlägen finden sich in dem schönen Werke von
Schultz; eine noch grössere Anzahl liegt in Photographien vor,
welche nach Prof. Bergau's Anweisungen gefertigt sind. Es ge-
nügt hier, auf diese Publicationen zu verweisen. Ein stattliches
Hausportal ist oben unter Fig. 31 auf S. 161 abgebildet
Gelegentlich führte die Verbindung der antiken Formen mit
den mittelalterlichen selbst in der Construction zu seltsamen
Formspielen. So ist in einem anderen Hause der Langgasse,
welches einer Buchhandlung gehört, der vordere Saum eine grosse
Halle, deren reiche Sterngewölbe auf toskanischen Säulen ruhen.
Diese Gewölbe sind aber ohne Bippen aufgeführt und dürften in
constructiver Hinsicht nur die Bedeutung von Tonnengewölben
haben. Der nach dem Hofe liegende Saal ist dagegen flach be-
deckt, die Decke prächtig in Holz geschnitzt mit zierlich ausge-
bildeten Zapfen und farbig eingelegten Figttrchen. In einem
schönen Hause derselben Gegend sieht man einen Saal mit nicht
minder trefflich geschnitzter Holzdecke, deren Eintheilung in
glücklichem Yerhältniss zur Grösse des Baumes steht, und deren
Felder mit gemalten Darstellungen versehen sind^).
Unter den städtischen Profanbauten tritt das Kecht-
städtische Bathhaus vor Allem bedeutsam hervor 3). Seinem
Hauptkörper nach stammt es noch aus gothischer Zeit, aus der
*) Die Darstellungen von Prof. Schultz, a. a. 0. I, 8. H, 12 und a.
ergeben vorzügliche Bilder dieser prachtvollen Innenränme. — *} VergL
Hoburg, Qesch. des Rathh. der Bechtstedt D. 1867.
SLap. XIY. Die norddeatsohen Küstengebiete. 721
Epoche, wo die junge Kecbtstadt in mächtigem Emporbltthen des
Handels und Wohlstandes ihrem höchsten Glänze entgegen ging.
Charakteristisch ist nun an diesem Bau, dass er ganz aus Quadern
aufgeführt ist, da doch sämmtliche Kirchen und Privathäuser der
mittelalterlichen Epoche Backsteinbauten sind. Späterhin scheint
sogar der gebrannte Stein fast das ausschliessliche Material für
kirchliche Bauten zu werden, während an den Bürgerhäusern und
den stattlichen Frofangebäuden der Renaissancezeit man sich über-
wiegend dem Hausteine zuwandte, oder aus ihm wenigstens die
wichtigsten architektonischen Theile, Gesimse, Einfassungen und
Ornamente bildete. Das Bathhaus hat durch die altergeschwärzten
Quadern, durch das trotzige Vorspringen in die Strassenlinie,
durch den horizontalen Abschluss der compacten Massen etwas
Imponirendes, einen Ausdruck von Macht und Herrschaft erhalten.
Grosse viereckige Fenster, durch steinerne Stäbe getheilt, durch-
brechen die Flächen. Auch der Thurm ist in seinen unteren
Theilen noch gothisch, 1465 aufgefbhrt, nur die schlanke zier-
liche Spitze datirt von einer Restauration aus den Jahren
1559—1561. Diese Spitze ist die feinste Blüthe jener üppigen,
schnörkelhaften schon in's Barocke auslaufenden Spätrenaissance,
ein Wunder in ihrer Art Der Barockstil scheint hier einen Wett-
kampf mit der luftig aufstrebenden Gothik versucht zu haben, so
leicht, elegant und zierlich in der Verjüngung, so mannichfaltig und
reich in ihrem Umriss steigt diese Spitze in die Luft Aller-
dings von dem strengen geometrischen Formalismus, dem orga-
nischen Aufwachsen einer gothischen Thurmpyramide ist nicht
die Rede; aber um so bemerkenswerther, ja in malerischer Hin-
sicht den gothischen Thürmen wohl noch überlegen, ist dies
krause Spiel von rundlichen Formen, die eigentlich dem Princip
des* luftigen Aufstrebens fremd, doch aufs Schönste zu ver-
wandter Wirkung benutzt sind. Die ganze Spitze ist vergoldet
und mit einer ebenfalls vergoldeten gehamischten Figur bekrönt,
so dass im hellen Sonnenschein der Eindruck noch glänzender,
ätherischer wird.
Auf einer prächtigen, bequemen, aus Eichenholz geschnitzten
Wendeltreppe^) gelangt man im Innern zum Hauptgeschoss und
zunächst in die Sommerrathsstube, die in reichster Pracht der
Renaissancezeit mit ihrer brillant vergoldeten und gemalten Decke,
von welcher durchbrochene, äusserst reich und zierlich gearbeitete
Zapfen niederhängen, ein Bild stolzen, üppigen Wohlstandes ist 3).
>) Abbild, bei Schultz Nr. 11. — «) VergL Schultz Nr. 12.
Kttf ler, GMch. d. Baukunst. V. 46
722 ni. Buch. BenaisBance in Deatschland.
Sie wurde bis 1596 durcli einen holländischen Kttnstler, Vrede-
man de Vries aus Leuwarden ausgeführt Die Schnitzwerke
arbeitete Simon Herle, wahrscheinlich ein einheimischer Künstler,
und der Kamin wurde durch Wilhelm Barlh in Stein gehauen,
aber durch Vredeman bemalt und vergoldet Bios für die Decken
zahlte die Stadt in zwei Jahren 2645 Thaler. Besonders graziös
und durch feine polychrome Behandlung ausgezeichnet ist die
Winterrathsstube, welche wiederum die Vermischung gothischer
Gewölbe mit antikisirenden Formen an Konsolen und dergleichen
zeigt ^). Ein anderes Gemach, der Weisse Saal, ist erst in
jüngster Zeit mit Sterngewölben auf schlanker Granitsäule ver-
sehen worden. Dagegen gewährt die Kämmereikasse*) mit ihrer
feinen einfachen Holzdecke, dem schönen Wandgetäfel, der reich
geschnitzten Thttre von 1607 und dem bemalten und vergoldeten
Kamin von 1594 ein ebenso harmonisches als prächtiges Bild.
Auch die gleichzeitig erbaute Depositalkasse ^), ein kleines ge-
wölbtes Gemach, erhält durch die reiche Wandbekleidung einen
ansprechenden Schmuck.
Um dieselbe Zeit erbaute die Stadt (1588) das Hohe Thor*),
wahrscheinlich nach den Plänen und unter Leitung des Anthony
von Ohhergen aus Mecheln, der damals in Danzig Stadtbaumeister
war.^) Es ist ein machtvoller aus Sandsteinen aufgeführter Bau,
in strenger Rustika mit dorischen Pilasteiii, sämmtliche Steine
mit gemeisseltem Laubwerk bedeckt Die Anlage folgt den drei-
thorigen römischen Triumphpforten; kräftige Consolen tragen das
Gebälk, über welchem eine hohe Attika mit den Wappen des
Königreichs Polen, der Stadt Danzig und der Provinz West-
preussen, ersteres von Engeln, das zweite von Löwen, das dritte
von Einhörnern gehalten. Es ist ohne Frage das grossartigste
Thor, welches die Renaissance irgendwo hervorgebraciit hat
Wahrscheinlich durch denselben Meister liess die Stadt im Jahre
1587 das Altstädtische Rathhaus erbauen. Wir haben auf
S. 205 eine Abbildung desselben gegeben, die den einfachen
Ziegelbau mit seinen kräftigen Hausteineinfassungen, den grossen
Verhältnissen, den malerischen, durch eine Balustrade verbundenen
Eckthürmchen und dem pikant silhouettirten Hauptthurme als ein
Werk niederländischen Einflusses bezeichnet Endlich errichtete
die Stadt in derselben Epoche (1605) ihr Zeughaus, das den-
selben Stil, aber in ungleich reicherer Ausbildung zeigt Von den
V Abbild, bei Schultz, Nr. 6. — ») Ebenda H, 16. — ») Ebenda II, 17.
— *) Ebenda, Dedicationsblatt. — *) Nach anderen Nachrichten (vergl.
oben S. 667) war Hans Schneider von Lindau der Baumeister.
ICap. XlV. iMe noiddeutsclieD Eauengrebiete. 723
derbea Baroc^giebeln und den kraftvollen Portalen, mit welchen
Duulc, Zsnghau. Vordere Fi9Ula.
selbst die hintere Fa^ade ausgestattet ist, giebt unsere Abbildung
724 ni. Bach. Beiuüssuice in DentsohUnd.
auf S. 190 eiB Bild. Un^leicli Üppiger gestaltet sich mit zwei
Torspringenden Treppenthttrmea und einem Tor der Mitte der
Fa^ade sich erhebenden Brunnen die Hauptfront (Fig. 199). An
allen diesen Gebäuden sind die zahlreichen Skulpturen und Or-
namente noch durch Vergoldung hervorgehoben. Die beiden
Treppen in den Eckthttrmen sind in kunstreicher Weise als Wen-
delatiegen, die eine mit einer Spindel ausgeführt Das Innere des
Baues bildet eine gewaltige vierschiffige Halle, deren 24 Erens-
gewölbe auf 15 freistehenden Pfeilern ruhen.
FIK. H». Duils. MBUargawarkhaDi.
Geben alle diese Werke von der damaligen Macht und dem
hohen Monumentalsinne der Stadt ein bedeutsames Zeugniss, so
mag als letzter Nachklang einer malerischen und eigenartigen
Architektur das Mttllergewerkhaus (Fig. 200) hier seine Stelle
finden. Es ist ein charakteristischeB Beispiel des bis in diese
Gegenden reichenden deutschen Fachwerkbaues, durch die hClzeme
Freitreppe und die zierlich gedeckte Laube des oberen Geschosses
von anziehender Wirkung. Der Dachgiebel mit dem an kräftigem
Querbalken herausgehängten hübsch geschnitzten Gewerkschild
erhöht die Wirkung des kleinen Baues.
Kap. XIV. Die norddeutsehen Klistengebiete. 725
Pommern.
Der Boden von Pommern scheint für die Renaissance wenig
ergiebig gewesen zn sein. Die mächtigen Städte Stralsund, Greifs-
wald, Stargard u. a. haben ihre entscheidende Bolle ausgespielt
und lassen in ihren mittelalterlichen Monumenten Zeugen ihrer
früheren Blüthe schauen. Mit der neuen Zeit beginnt auch hier
das Fflrstenthum sich zu erheben. Schon Herzog Bogislaw X
(f 1523) sucht die fürstliche Macht zu organisiren und fester zu
begründen. Er beruft Doctoren des römischen Rechts in's Land,
um die neue Ordnung durchzuführen^). Unter seinen Söhnen
Georg und Barnim X setzt sich in den Städten die Reformation
gegen den Willen der Fürsten durch. Nach Georgs Tode (1531)
theilt Philipp I mit Barnim die Regierung, bis erster er 1560 stirbt
und letzterer 1569 entsagt Barnim, eine friedliche, den Künsten
ergebene Natur (der übermüthige Adel verspottete ihn oft wegen
seiner „Spillendreherei", d. h. Liebe zum Drechseln und Bild-
schnitzen), ist uns besonders durch bauliche Unternehmungen be-
deutsam. Sodann aber tritt der hochsinnige, prachtliebende und
gebildete Johann Friedrich (1570—1600) als Förderer der Künste
auf. Maler, Formschneider und Kupferstecher finden Beschäf-
tigung; Johann BapHsta^ „fürstlich pommerischer Contrefaitmaler^,
wahrscheinlich ein Italiener, galt als der beste Künstler in Nord-
deutschland. An Stelle des durch Brand zerstörten Schlosses zu
Stettin liess Johann Friedrich durch einen wälschen Meister seit
1575 einen ansehnlichen Neubau aufführen, der zwar im October
des folgenden Jahres wieder durch Feuer beschädigt . wurde, aber
1577 schon seine Vollendung erhielt Auch das Jagdschloss
Friedrichswalde, tief im Forste unweit der Ihna, erbaute er, und die
verfallenen Schlösser in Stolp, Lauenburg u. a. stellte er wieder her.
Noch eifrigere Förderung von Kunst und Wissenschaft finden
wir sodann bei dem edlen, sinnigen Philipp II, (gest 1618), den
seine religiösen Grübeleien nicht abhielten, mit warmem Antheil
den Schöpfungen der Kunst zu folgen, Münzen, Gemälde, Minia-
turen und andere Kostbarkeiten zu sammeln und fbr sein reiches
Kunstkabinet einen besonderen Flügel dem Schloss in Stettin
anzubauen. Von der feinen Sitte, welche an seinem Hofe herrschte,
Ton der acht humanen Gesinnung und der für jene Zeit selten
hohen Bildung giebt uns Philipp Hainhof er's Reisetagebuch ^) an-
ziehenden Bericht Noch ist (im Museum zu Berlin, vgL oben
0 Barthold, Geschichte von Bügen und Pommern IV, 2 S. 4 ff.
^ Herausgegeben in den Baltischen Stildien. 11. Bd. Stettin 1836.
726 ^' Buch. Renaissance in Deutschland.
S. 98 fg.) der berühmte pommerische Eunstgehrank erhalten,
welchen der Augsburger Patricier im Auftrage des Fürsten hatte
arbeiten lassen und den er, zugleich mit einem zweiten ähnlichen
Prachtwerk, dem jetzt verschollenen sogenannten Meierhof, selbst
nach Stettin überbrachte.
Der ansehnlichste Rest von den architektonischen Schöpfungen
der pommerschen Herzoge, wenn auch in seiner jetzigen Gestalt
künstlerisch nicht eben bedeutend, ist das Schloss zu Stettin.
' Seine Front mit dem Hauptportal, das übrigens einer späteren
Zeit angehört,, liegt gegen Süden. Neben dem Portal, zur Hechten
des Eintretenden, erhebt sich, aus dem Mauerkörper yorspriDgend,
ein viereckiger Thurm, der oben in's Achteck übergeht Dieser
Flügel ist eben in einem völligen Umbau begriffen, wobei eine
schöne alte Holzdecke wieder zur Verwendung kommen soll*).
Tritt man durch das Hauptportal ein, so befindet man sich
in einem grossen viereckigen Schlosshofe von ziemlich regel-
mässiger Anlage, der wieder durch zwei viereckige Thtirme
ein stattliches Gepräge erhält Der eine, am westlichen Flügel
vorspringend, enthält den Aufgang zu den dortigen Räumen; der
andere, oben in's Achteck übergehend, dient als Uhrthurm. Im
Uebrigen ist der ganze Bau von grösster Einfachheit, die Flächen
verputzt, die architektonischen Glieder aber von Stein. Die
Fonn durchweg die einer schlichten classicistischen Renaissance,
die Fenster mit antikem Rahmenprofil und Deckgesims, im öst-
lichen und dem anstossenden Theil des nördlichen Flügels, die
eine besondere Bauführung zeigen, zu zweien gruppirt Die Ab-
wesenheit aller mittelalterlichen Reminiscenzen, noch mehr aber
die Bekrönung des Ganzen mit einer hohen Attika, deren Ge-
simse durch liegende Voluten abgeschlossen wird und blos dazu
dient das Dach zu maskiren, deutet auf italienische Hand ^). Ein
schlichter Erker ist am nördlichen Ende des Westflügels, ein
ebenfalls einfach behandeltes Doppelportal, darüber eine kleine
Loggia mit kannelirten dorischen Pilastern, im nördlichen Haupt-
flügel angeordnet Auch die Treppe, die hier in geradem Laufe
aufsteigt, zeigt italienische Anlage. An diesen beiden Flügeln
0 Ich habe die Decke we^en des eben begonnenen Umbaues nicht zu
sehen bekommen. Kugler, der über dieselbe (Pomm. Kunstgesch., in den
El. Sehr. I, S. 774) berichtet, hat sie anfangs dem durch Hersog Bogislav
X seit 1503 ausgeführten Bau zuschreiben wollen ; nachher aber (ebendort,
Note 2) spricht er Bedenken aus und meint sie doch der zweiten Hälfte
des Jahrhunderts zuschreiben zu sollen. — *) Damit stimmt denn auch die
oben gegebene historische Notiz.
Kap. Xiy. Die norddeatechen Eüsteagebiete. ^ 727
liest man zweimal die Jahreszahl 1577. Es sind also die Theile,
welche seit 1575 unter Herzog Johann Friedrich „durch einen
wälschen Maurer, Antonius Wilhehn'^^ aufgeführt wurden. Andeu-
tungen einer reicheren ehemaligen Gliederung sind in einigen Pi-
lastersjstemen am Westflttgel erhalten. Ebenso glaubt man am
östlichen Ende des Hauptbaues Spuren einer ehemaligen Arkade
zu bemerken. Im Innern ist die gleichzeitig erbaute Schlosskirche
der wichtigste Saum: ein Rechteck mit Spiegelgewölbe, in drei
Geschossen von Arkaden mit Emporen umzogen. Im unteren
standen nach Hainhofer's Bericht „die Diener und Stadileute, im
mittleren die Fürsten, ßäthe, Junker und Pagen, im oberen die
Fürstinnen, Frauenzimmer und Mägde. ^ Von einem früheren
Baue dagegen stammt offenbai* das am östlichen Flügel einge-
setzte Wappen mit dem Namen Herzog Barnims X vom Jahre
1538. Es ist in primitiven, wenig verstandenen Benaissanceformen
ausgeführt Ob die Bautheile, an welchen es sich befindet, noch
jenem früheren Bau angehören, ist weder mit Bestimmtheit zu
bejahen noch zu verneinen. Gewisse Umgestaltungen und Zu-
sätze abgerechnet (namentlich die Attika) ist es wohl möglich,
dass der östliche Flügel im Wesentlichen noch aus Barnims Zeiten
herrührt.
Wenn man im westlichen Flügel einen offenen Durchgang
passirt, so gelangt man in einen zweiten kleineren Hof, der sich
in derselben Tiefe, aber nur in geringerer Breite parallel mit dem
ersten erstreckt Ein vierter stattlicher Thurm schliesst ihn an
der Nordostecke ab und beherrscht hier die Verbindung nach
aussen, während an der Südseite ein zweites Thor auf die Strasse
mündet Auch hier herrscht grosse Einfachheit, aber eine hübsche
Tafel mit den Brustbildern Philipps II und Franz I meldet, dass
diese Fürsten den Bau 1619 als „musarum et artium conditorium^
ausgeführt haben. Es war also der für die Bibliothek und die
Kunstsammlungen des Herzogs bestimmte Bau, von welchem auch
Hainhofer berichtet Damit schliesst hier die Bauthätigkeit unserer
Epoche ab.
Die Stadt selbst zeigt keinerlei Spuren von irgend welcher
Kunstblüthe während der Renaissancezeit
Die übrigen Renaissancebauten Pommerns gehören über-
wiegend der späteren Zeit an^). So das Schloss zu Pansin bei
Stargard, das Schloss Pudagla auf der Insel Usedom vom Jahre
1574, das Schloss Mellenthin vom Jahre 1575, mit schönen
>) Pia Notizen bei Kugler a. a. 0. S. 776 ff.
728 ^- BaoL Benaissuiee in Dentsehlaad.
Gewölben im Inneren, das Schloss von Plathe in den wenigen
noch erhaltenen Theilen; endlich das stattliche Schloss zn Bfl-
tow, 1623 durch Bogislaw XIV erbaut AQe diese Werke sind,
bei oft stattlicher Anlage, doch yon geringer künstlerischer Be-
deutung. Höheren Werth erhielten sie jedenfalls nur durch die
nicht mehr vorhandene innere Ausstattung.
Von bürgerlicher Architektur dieser Zeit ist in Pommern
nicht viel zu melden. Die mächtigen St&dte hatten hier mit dem
15. Jahrhundert ihren Glanzpunkt überschritten. Nur ein statt-
liches Hausportal zu Stettin in der Grossen Oderstrasse No. 72,
""und ein anderes zu Stralsund in der Battinmacherstrasse^ vom
Jahre 1568, ist zu erwähnen.
Mdklenbnrg.
•
Aehnliche Verhältnisse wie in Pommern begegnen uns in
Heklenburg. Auch hier hatte im Mittelalter die geistliche Macht
und mehr noch die Kraft des Bürgerthums in den gewaltigen
Backsteinkirchen von Dobberan und Schwerin, von Rostock und
Wismar sich bedeutende Monumente gesetzt. In der Renaissance-
zeit tritt das Bürgerthum hier ganz vom Schauplatz zurück, aber
die lebensfrohen und baulustigen Ftlrsten des Landes errichten
eine Reihe von Schlössern^ welche zu den reichsten Denkmälern
der deutschen Renaissance gehören und namentlich durch die
Ausbildung eines edel gegliederten Backsteinbaues eine hohe und
selbständige Bedeutung erhalten.
Es ist vornehmlich der treffliche Herzog Johann Albreoht I,
sodann neben ihm sein Bruder und Mitregent Herzog Ulrich,
welche als eifrige Förderer der Kunst auftreten und die Renais-
sance durch eine Reihe glänzender Schöpfungen in Meklenbnrg
einführen. Auch hier treffen diese Bestrebungen mit einer all-
gemeinen Steigerung des geistigen Lebens, namentlich mit der
reformatorischen Thätigkeit zusammen. Besonders tritt uns in
Johann Albrecht I (f 1576) die anziehende Gestalt eines durch
hochherzige Gesinnung, edle Geistesbildung und schöpferische
Thatkraft hervorragenden fürstlichen Mannes entgegen*). Nicht
blos führte er in seiner fast dreissigjährigen Regierung die Re-
formation in seinem Lande durch, sorgte für eine neue Kirchen-
verfassung, .erneuerte und verjüngte die Hochschule des Landes
>) C. von Ltitzow, Versuch einer pragmst Gesch. von Meklenburg,
m, S. 119.
Kap. XIV. Die norddeotschen Kttstengebiete. 729
zu Rostock) wies das Vermögen der aufgehobenen Klöster milden
Stiftungen und yor Allem den neu begründeten Schulen zu,
sondern schuf in Rechtspflege, Verwaltung und Polizei, im Münz-
wesen, in Einrichtungen für Handel und Verkehr die Grundztige
eines neuen auf die allgemeine Wohlfahrt abzielenden Staats-
lebens. Nach dem Tode des treffliehen Fürsten trat Herzog Ul-
rich als Gebieter des gesammten Landes mit Kraft und Ernst in
die Fusstapfen seines Bruders und brachte das von diesem An-
gebahnte zur vollen Durchfthrung. Diesen beiden Fürsten ver-
dankt Meklenburg nun eine thätige Aufnahme der Renaissance,
die sich noch jetzt in glänzenden Zeugnissen erhalten hat
Das Hauptwerk im Lande ist der Fürstenhof zu Wismar.
Die Geschichte dieser Residenz der Meklenburgischen Fürsten
wirft grelle Schlaglichter auf das Verhalten der mittelalterlichen
Städte, auf ihren Trotz und ihren stolzen Unabhängigkeitssinn ^).
Seit 1256 hatten die Herzöge von Meklenburg in der Stadt eine
von Johann I erbaute Burg, die jedoch, als die übermttthigen
Bürger 1276 ihre Stadt mit einer Mauer umzogen, aus dem
städtischen Mauerring ausgeschlossen wurde. Nach einem Brande
des Jahres 1283 wurde die Burg zwar wiederhergestellt, aber
schon 1300 sah sich der alternde Fürst Heinrich der Pilger ver-
anlasst, um den Hauptgrund der fortwährenden Zwistigkeiten mit
den Bürgern zu beseitigen, die Burg abzubrechen und in der
Stadt auf einem ihm dafür eingeräumten Platze einen Hof zu
errichten. Dieser wurde 1310 in einer neuen Fehde mit der
Stadt zerstört, allein Heinrich H, der Löwe, des Pilgers Sohn,
setzte gegen den Willen der hartnäckig widerstrebenden Bürger-
schaft den Bau einer befestigten Burg innerhalb der Ringmauern
an anderer Stelle durch. Gleich nach dem Tode des kräftigen
Fürsten wussten jedoch die Bürger es dahin zu bringen, dass die
Vormünder seines noch minderjährigen Nachfolgers ihnen die
Burg sammt ihren Festungswerken verkauften, wogegen indess
den Herzogen gestattet wurde, einen anderen Hof in der Nähe
der Georgenkirche femer zu bewohnen. Dies ist der noch jetzt
vorhandene Fürstenhof. Von den um 1430 darin aufgeflihrten
Gebäuden ist schwerlich noch etwas erhalten, es sei denn dass
in dem schräg hinter den Hauptgebäuden sich hinziehenden Stall
noch ein Rest der alten Anlage stecke. Der Hauptbau besteht
aus zwei Flügeln, welche rechtwinklig zusammenstossen und mit
dem Stall einen dreieckigen Hof umschUessen. Der von Süd
0 Vergl. die verdienstliche Arbeit von Dr. Lisch in dessen Jahrbach
V, S. 5 ff.
730 ni. Buch. RenaiBsance in Deutschland.
nach Nord laufende „alte Hof" wurde 1512—1513 zur Feier der
Vermählung Herzog Heinrichs des Friedfertigen mit der Prin-
zessin Helene von der Pfalz errichtet Der neue Baumeister hiess
Georg^ der Maurermeister Erimar oder Eriman Boih. Das Gebäude
wird im Jahre 1576 als zwei Stockwerk hoch geschildert Im
Hauptgeschoss war links die grosse Hofstube (Hofdornitz^), rechts
die Küche, beide Räume wie noch heut gewölbt und mit rund-
bogigen Portalen versehen. Die Gewölbe ruhen auf derben kurzen
Säulen von schmuckloser Art Gegen den Schlosshof hatte das
Haus drei Erker und an der Fa^ade nach der Kirche fünf in
Holz errichtete Giebel. Auf dem Hofe war eine Wendeltreppe
angebracht Ein im Jahre 1516 erbauter Gang stellte eine un-
mittelbare Verbindung mit der benachbarten Kirche her.
An diesen im Laufe des 16. Jahrhunderts stark verfallenen
und nachmals in der schwedischen Zeit durch einen Brand zum
Theil verwüsteten Theil fügte Herzog Johann Albrecht I seit
1553 den stattlichen Bau des neuen Hofes, indem er denselben
im rechten Winkel an den alten Flügel seines Oheims Heinrich
anschloss. Der Bau wurde durch Meister Gabriel van Aken im
Sommer 1553 begonnen, neben ihm war ein anderer Meister, Va-
lentin von Lira dabei beschäftigt, und als Gabriel von Aken schon
Ende November desselben Jahres wegen Misshelligkeiten mit
seinem CoUegen plötzlich den fürstlichen Dienst verliess und nach
Lübeck zog, von wo er dem Herzoge einen Absagebrief schrieb,
wurde Valentin von Lira mit der Fortsetzung des Baues beauf-
tragt^). Allein der Herzog muss der Geschicklichkeit dieses
Mannes nicht unbedingt vertraut haben, denn sogleich nach dem
Abgange Gabriels von Aken wandte er sich an den Kurfürsten
August von Sachsen mit der Bitte, ihm seinen Oberzeug- und
Baumeister Caspar Vogt zu senden, um ihm „zu seinen vor-
habenden Gebäuden räthlich zu sein". Da dieser aber mit dem
Festungsbau von Dresden beschäftigt war und den Auftrag er-
halten hatte, das Fundament zum neuen Schlosse zu Leipzig, der
Pleissenburg, abzustecken, um den Beginn des Baues vorzube-
reiten, so verweigerte der Kurfürst die Erfüllung der wiederholt
ausgesprochenen Bitte. Noch um Weihnachten 1554 schickte der
Herzog sodann seinen Maurer nach Weimar an Johann Friedrich
den Aelteren, um dessen Schloss Grimmenstein bei Gotha, na-
mentlich die Schliessung der Gewölbe unter dem Walle zu be-
*) In den süddeutschen Schlössern als »Tümitz'* bekannt. *) S&nmit-
liche Nachrichten über die Künstler verdanken wir den werthyoUen Vit*
theilnngen von Lisch im Jahrb. V, S. 20 ff.
FI«. Hn. FUntaabor in Wltmu.
Kap. XIV. Die norddeutschen Kttstengebiete. 733
sichtigeiL Von dort nahm der Meister einen Polirer mit nach
Meklenburg zur Vollendung der angefangenen Bauten, und am
24. Februar 1555 konnte Johann Albrecht seine Yermählungsfeier
mit der Prinzessin Anna Sophie von Preussen in dem neuen
Fflrstenhof feiern.
Der Bau gehört durch Grossartigkeit der Verhältnisse und
edle Pracht der Ausstattung zu den hervorragendsten Werken der
deutschen JRenaissance. Um von seiner Anordnung eine An-
schauung zu geben,. ftlgen wir zu der Aussenansicht auf S. 187
noch eine Darstellung der Hofseite unter Fig. 201 bei. Das
Ganze besteht, wie man sieht, aus einem Erdgeschoss und zwei
oberen Stockwerken. Die Verhältnisse sind grossartig, das Erd-
geschoss hat gegen 22 Fuss Hohe, das erste Stockwerk etwa
20 und das zweite gegen 1 4 Fuss. Dazu kommen die ungemein
weiten Axen, die etwa 18 Fuss messen. Die Fa9ade hat sieben
Fenster Front, aber die sämmtlich dreitheiligen Fenster sind von
solcher Breite, dass die Länge gegen 130 Fuss betragen mag.
Das ganze Mauerwerk besteht mit Ausnahme der aus Dänemark
herbeigeholten Quadern für die Fundamente aus Backsteinen.
Nur die Hauptportale und der prachtvolle Selieffries, der das
Erdgeschoss an beiden Fa^aden abschliesst, sind in Sandstein
ausgeführt. Die Flächen des Mauerwerks jedoch hatten ursprüng-
lich, wie es scheint durchgängig, einen Ueberzug in Putz, der
an der Aussenseite im Erdgeschoss durch horizontale breite Fugen
gegliedert ist Mit feiner Berechnung hat der Künstler der Archi-
tektur des Aeussem und der des Hofes einen wesentlich ver«
schiedenen Charakter verliehen, indem er nach aussen den Por-
talen und Fenstern reichere Einfassungen durch Hermen, den
Fenstern im Erdgeschoss und im ersten Stock zierlich dekorirte
Giebel gegeben hat Dafür aber stattete er die Hofseite in den
beiden oberen Geschossen mit fein geschmückten Pilastem aus, die
am Treppenhause sogar bis in's Erdgeschoss durchgeführt sind.
Für die Fenster selbst wählte er consequent die Dreitheilung,
und zwar im Erdgeschoss mit Bogenabschlüssen, in den oberen
Stockwerken dagegen mit gradlinigem Sturz. Das ganze Bahmen-
und Pfeilerwerk der Fenster ist mit Ornamenten von Laub-
und Fruchtschnüren bedeckt Den Abschluss dieser reichen Or-
namentik, die durchgängig in gebrannten Steinen ausgeführt ist,
bilden die beiden prachtvollen Friese, welche am Aeussem und
Innern die Stockwerke trennen, der obere wieder aus Terra-
cotten und zwar einer Reihenfolge von Portraitmedaillons zusam-
mengesetzt, der untere in Sandstein ausgeführt, allem Anscheine
nach in seinen zahlreichen bewegten Figurengruppen irgend eine
734 HL BiuA. Reiifti06Mie6 in DentscUand.
antike Begebenheit darstellend. Derselbe Beichthum von Deko-
ration sehmttckt auch die zahlreichen Portale, von denen die
kleineren im Hofe mit ihren halbkreisförmigen Abschlflssen, den
eleganten Laubornamenten, den feinen Kapitalen und den in den
Zwickeln und Friesen angebrachten Portraitmedaillons wahre
Meisterwerke der Dekoration sind. Dagegen erkennt man in den
zahlreichen Hermen und Karyatiden der Fenster und der beiden
Hauptportale eine weit gröbere Hand und eine starke Hinneigung
zum Barocken. Trotzdem gehört der Bau, eben wegen dieser
durchgebildeten Thonplastik, zu den merkwürdigsten Denkmalen
unserer Renaissance, und es ist für uns von hohem Werth zu
erfahren, dass seit der zweiten H&lfte des Jahres 1552 der Stein-
brenner SicUitis von Düren diese Ornamente aus gebranntem Thon
gefertigt hat Noch 1557 stand er in herzoglichen Diensten und
lieferte auch für Herzog Ulrich verschiedene thöneme Werkstücke,
wobei ibm für ein ,,grotes Stück Biltwerk*' fünf, für ein kleines
zwei Schillinge bezahlt wurden. Später liess er sich in Lübeck
nieder, wo wir ähnliche Arbeiten finden werden. Neben ihm
war zu Schwerin noch ein alter Ziegelbrenner thätig, zu Dömitz
aber wurden holländische Ziegelbrenner beschäftigt. Statins' Her-
kunft von Düren weist nun freilich auch auf die an Holland
grenzende Gegend des Niederrheins, und es läge also die Ver-
suchung nahe diesen Stil von dort herzuleiten. Allein da wir
in jenen Gegenden nichts Derartiges kennen, so haben wir wohl
diese anderwärts in Deutschland und überhaupt im Norden nirgends
vorkommende Ausbildung des Terracottastils unsrer Epoche als
eine ausgezeichnete Eigenschaft der Meklenburgischen Gebiete
zu betrachten. Dass die Kenntniss der oberitalienischen Backstein-
bauten dabei den ersten Anstoss gegeben habe, dürfen wir wohl
vermuthen.
Von der alten Einrichtung ist nichts mehr erhalten. Links
von dem gewölbten Eingange, der als Durchfahrt zum Hof diente,
war die Hofstube, rechts die Wohnung des Pförtners und anderer
Diener. Im ersten Stock war der grosse Tanzsaal, der die ganze
Länge des Flügels umfasste; im dritten Stock, der eine anmuthige
Aussicht gewährt, befand sich der Speisesaal, daneben der Her-
zogin Gemach, und die Bathsstube. Den Zugang zu den oberen
Stockwerken vermittelte die am östlichen Ende in einem vier-
eckigen Treppenhaus angebaute Wendelstiege. Das Dach hatte
ursprünglich Giebelerker mit Gemächern, die aber 1574 abge-
tragen wurden, weil von ihrer Last das Gebäude gesunken war.
Die Deckenverzierungen ftlr die Säle des Fürstenhofes sowie des
Schlosses zu Schwerin malte 1554 Meister Jakob Strauss zu Berlin.
Kap. XIY. Die norddeutsohen Küstengebiete. 735
Sie bestanden aus vergoldeten Rosetten, welche in Berlin auf
Leinwand gemalt und dann an Ort und Stelle befestigt wurden.
Der Fürstenhof war nicht der einzige Bau, welchen Johann
Albrecht ausführte. Als er den Thron bestieg, fand er sämmt-
liehe fürstliche Schlösser klein, unwohnlich und durch lange Ver-
wahrlosung yerfallen. Schon 1550 stellte er seinem alternden
Oheim Herzog Heinrich die Nothwendigkeit von Neubauten vor,
^damit es nicht so gar schimpflich stehe und ihnen zum Spott
gereiche.'' Der alte Herzog meinte aber, er habe sich bei seinem
Beilager mit den vorhandenen Gebäuden beholfen und könne,
namentlich bei bevorstehender Erndte, sich auf nichts weiter ein-
lassen. Kaum hatte daher Johann Albrecht den Fürstenhof in
Wismar prachtvoll erneuert, so begann er mit seinem Bruder
Ulrich weitere Neubauten der Schlösser von Schwerin, Dömitz
und Güstrow, mit welchen zugleich umfassende Befestigungs-
werke verbunden waren. Zu den umfangreichsten Werken gehörte
vor seiner neuesten Umgestaltuüg das Schloss von Schwerin,
schon durch die unvergleichliche Lage auf einer Halbinsel des
anmuthigen, von Laubwald eingefassten Schweriner Sees, von
unvergleichlicher Wirkung. Das alte Schloss, jetzt durch einen
von Demmler im Stil Franz' I begonnenen, durch Stüler und
Strack im modernen Berliner Geschmack vollendeten Neubau
verdrängt, bestand seinen wichtigsten Theilen nach aus Bauten
des 16. Jahrhunderts, unter denen die von Johann Albrecht I
hinzugefügten die meiste künstlerische Bedeutung hatten.^) Der
kunstliebende Herzog liess hier dieselben Ornamente von gebrann-
tem Thon anwenden, welche sich schon am Fürstenhof zu Wismar
bewährt hatten. Seit 1555 wurde das Hauptportal mit der doppel-
ten Wendeltreppe errichtet, und von 1560 die Schlosskirche aus-
geführt, welche nach Anlage und Durchbildung von hervorragen-
der Bedeutung war. Als Baumeister wird Johann BapHsta Parr
genannt, der Bruder des Franziskus Parr^ welcher für Herzog
Ulrich gleichzeitig das Schloss zu Güstrow baute und öfter auch
beim Schlossbau in Schwerin zu Käthe gezogen wurde. Ein
dritter Bruder Christoph Parr war ebenfalls an beiden Schloss-
bauten beschäftigt, und errichtete 1572 ausserdem den Fürsten-
stuhl im Dom zu Schwerin. Ueber die Herkunft dieser Brüder
Parr ist leider aus den Urkunden nichts zu ermitteln. Dass sie
keine Norddeutsche waren, geht schon aus ihren Hochdeutsch
0 Das Geschichtliche bei Lisch, Jahrb. V, S. 32 ff. mit Abbildangen
des Grundrisses. Vergl. das Prachtwerk über das neue Schloss.
736 HI. Bneh. Bautiiisiie« in DentBehland.
abg^fassten Sehriftstttcken hetror; ob sie aber AasiSnder waren
oder ans Oberdeutschland stammten, miuB dahin j^tellt bleiben,
obwohl der Tauhame Johann Baptista auf italieniacbe Abstam-
mung zu deuten scheint. *) Dasa Johann Albrecht gleichzeitig
auch italienische EUnsUer berief, ist mehrfach bezeugt Schon
1557 empfahl Hercules Ton Ferrara dem Herzoge einen Bau-
meister Francesco a Bomo von Bresoia,^) welcher alsbald. in
Dienst genommen wurde und mit einer Anzahl welscher Maurer-
gesellen aus Trient und einem itiUienisohen Ziegler nach Mehlen-
Fli. 301. Bcblou n GBitrov. VordarHlU.
bürg kam. Damals "hatte jedoch schon ein andrer welscher Bau-
meister Paul dort Vorarbeiten begonnen. Selbst des Kurfflrsteu
von Brandeoburg itaMeniechen Baumeister Francisco Ckiarametta
*) Sollte eine Verwandtschaft mit Jacob Bahr, den wir in Brie^ kennen
lernten, vorliegen? Die Uxe Ortho^aphie jener Zeit schlieHst die IdentitUt
der Namen nicht aus, lumal die Parr aucb .Fahr* geechriebeD werden.
*) Ueber alle diese KUnstler vergl. Liach, a. a. 0. 9. 22 ff.
Kap. XIV. Die iiorddeiitBchen Kttatengebiete. 737
Ten Venedig entbot der Herzog zu «ich, um von ihm Bath und
Pläne zu erhahen. Bei diesen Italienern handelte es sich um die
Befestigungen zu Dömitz und Schwerin, denn die Italiener stan-
den damals, wie bald darauf die Niederländer im Festungsbau
in hohem Ansehn. Von der ehemaligen Pracht der Ausstattung
des Sehlosses gabto zuletzt nur noch die zahlreichen Terracotten,
welehe man zur Ausstattung der gegen den Garten gelegenen *^
grossartigen Grotte verwendet hat, Zeugniss. Es sind meisten-
theils männliche und weibliche Portraits fürstlicher Persönlich-
keiten, wozu jedoch noch Medaillons mit antiken Bildnissen kom-
men, die in Wismar fehlen. Auch Löwen, Doppeladler und
andere Thiere, trefflich stilisirt und gleich den Medaillons in
Lorbeerkränze gefasst, sind eingestreut
Das dritte dieser grossartigen Schlösser, das zu Güstrow,
ist, obwohl jetzt zur Strafanstalt degradirt, im Wesentlichen noch
wohl erhalten. Es wurde nach einem Brande 1558 von Herzog
Ulrich durch den Baumeister Franciscus Parr neu aufgeführt und
bis 1565 vollendet Der nördliche Flügel brannte 15S6 ab, worauf
bis zum Jahre 1594 eine durchgreifende Wiederherstellung erfolgte.
Am südlichen Ende der sauberen, freundlichen Stadt ^hebt sich
mit imposanten Massen, auf den Ecken und in der Mitte durch
hohe Pavillons mit flankirenden Thürmen malerisch gruppirt, der
sehr ansehnliche Bau (Fig. 202). Die Architektur desjselben, voll-
ständig in Stuck durchgeführt mit Nachahmung mannigfaltigen
Quaderwerks, weicht von dem Terracottastil der meii^en übrigen
meklenburgischen Schlösser in auffallender Weise ab, und er-
innert durch ihre Formen und besonders durch die Pavillons mit
ihren steilen Dächern und die zahlreichen Schornsteine an fran-
zösische Kenaissance, während der deutschen Sitte wieder durch
hohe, kräftig gegliederte Giebel Bechnung getragen wird. Man
nähert sich dem Schlosse von der Westseite, wo der tiefe Graben
überbrückt ist und durch einen späteren von Herzog Gustav Adolf
ausgeführten Vorbau beherrscht wird. Der grosse Thorweg liegt
nicht in der Mitte, sondern etwas seitwärts geschoben im west-
lichen Hauptflügel, der sich in einer Länge von 192 Fuss bei
80 Fuss Höhe erstreckt Er enthält auf jeder Seite des Thor-
weges (vergL Fig. 204) zwei grosse beinahe quadratische Zimmer
von 25 Fuss Tiefe, zu welchen an der längeren Südseite noch
ein Ecksaal von 30 zu 34 Fuss hinzukommt Beide Eckräume
erhalten eine Erweiterung durch polygone ErkerthtLrme, deren
Fenster köstliche Ausblicke auf die umgebende liebliche Land-
schaft mit ihren saftigen Wiesengrttnden, Baumgruppen und
klären Seespiegeln gewähren. Vom Hauptbau zieht sich ein süd-
Kof ler, Getoh. d. Baakwut. V. 47
Heber breiterer, und ein n(b^dm, minder ttefw flSgsl im
Bechteok ostw&rts Iiin. Audi die SttM^erkliflbc weiokt im nOtd-
Q
§
Uelieii Flügel ron der im weatlieheo und sfldlicheD Baa ab ; denn
wAfarend das Erd^scbou hier 20, der ente Stock 19, der zweite
Kap. Ziy. Die norddeatschea Küstengebiete. 739
16 Fu88 miggty betrai^xi die Höhen im Nordfliigel nur 11 Fuss
im ersten, 13 Fusb im zweiten Stock. Der südliche ist ausserdem
durch eine mächtige Säulengalerie im Erdgeschoss und den oberen
Stockwerken zur Verbindung der Bäume ausgezeichnet. Sie
schliesst östlich mit einem grossen ovalen Treppenthurm, der die
breite, sanft ansteigende Hauptstiege enthält Am nördlichen
Flügel aber ist nur im Hauptgeschoss eine kleinere Galerie von
geringerer Tiefe angebracht. Dagegen erkennt man, dass am
Vorderbau ehemals auf mächtigen Kragsteinen eine Galerie das
Hauptgeschoss gleichfalls begleitete. Diese Galerien bildeten wie
immer bei den Bauten jener Zeit die einzige Verbindung der
Bäume, da diese stets die ganze Tiefe der Flügel einnehmen.
In wie grossartigem Sinn auch die Eintheilung der oberen Ge-
schosse sich auf eine Anzahl durchweg sehr geräumiger Zimmer
und Säle beschränkt, zeigt unser Grundriss des Hauptgeschosses
Fig. 203.1) Die beiden Säle des südlichen Flügels haben bei
einer Tiefe von 37 Fuss eine Länge von 53, resp. 58 Fuss. Zu-
gleich erkennt man aus derselben Figur die zahlreichen, meist
in den Mauern versteckt . liegenden Wendeltreppen, welche fast
für jeden Baum eine selbständige Verbindung nach aussen ermög-
lichen. Es ist das eine besonders in den französischen Schlössern
der Zeit mit feiner Berechnung durchgeführte Anlage.
Dass der Bau nicht vollständig erhalten ist, erkennt man
unschwer am östlichen Ende des Südfiügels, wo der Treppen-
thunn in seiner Anlage auf eine ehemalige Fortsetzung des Baues
hinweist. In der That ist eine solche auf einer alten Abbildung ^
vorhanden, doch so, dass der erste Stock mit einer von Balu-
straden umgebenen Plattform abschloss. Da diese Theile durch
Wallenstein während seiner kurzen Herrschaft vollendet worden
waren, liess Herzog Gustav Adolf sie abbrechen, „ne indigna W.
memoria exstaref Diesem Theil entsprach im nördlichen Flügel,
der jetzt mit einem viereckigen Thurm schliesst, eine ähnliche
Verlängerung, welche an ihrem östlichen Ende die Kapelle ent-
hielt und dort zugleich durch einen hohen runden Thurm ausge-
zeichnet war. Den Abschluss des Hofes bildete ein östlicher
Flügel, der 1795 für baufällig erklärt und abgerissen wurde. 3)
Die noch immer bedeutende Wirkung des Hofes muss ursprüng-
*) Die Mittheilung der Grundrisse verdanke ich der zuvorkommenden
Güte des Directors der Anstalt, Herrn von Sprewitz. — *) Ich verdanke
dieselbe gütiger Hittheilung des Herrn Hofbaurath Demmler zu Schwerin.
— ' ') Das Geschichtliehe in Besser, Beiträge zur Geschichte der Vorder-
stadt Güstrow, S. 363 ff.
47*
740 Ol- Buch. Benainuiic« in DeatschUnd.
lieh eine wahrhaft grossartige gewesen aein. Ein wichtiges Ele-
ment in diesem Eindruck bildet die herrliche Säulenhalle des
Slldflflgels (Fig. 205). Im Erdgeschoss sind es vier Bogen auf
ionischen S&ulen von Granit, kraftvoll und mSchtig in Axen von
15 FuBB Weite, die Halle selbst gegen 10 Fuss tief, ÄUea freilich
durch eiserne Anker, die Sfiulenschäfte selbst durch eiserne Bänder
gehalten. Im oberen Geschoss eine ähnliche Halle auf koriii-
FlE. IM. achlouhoi
thiachen Säulen, und darüber im zweiten Stock eine Loggia mit
doppelter Anzahl ron Säulen, welche das Gehälk und den Fries
aufnehmen.
Der ganze Bau ist wie schon bemerkt in Stack durchgefßhrt,
dessen Behandlung von grosser Sorgfalt zeugt Das Erdgeschoaa
bat eine kraftrolle Rustika, die in mancherlei Variationen der
Qnaderbildung sich gefällt. Im ersten Stock stuft sich die Bustika
feiner ab und ist gleiehmässiger durchgeführt, im oberen OeachoBs
endlich ist bei glatt rerputztea Flächen durch Blendnisohen und
Kap. XIY. Die norddeutschen Küstengebiete. 741
Säulenstelliiiigen eine reichere Gliederung bewirkt, die an den
hohen Giebeln des Aensseren durch Häufung der Säulenstellungen
etwas phantastisch Unruhiges erhält Das Hauptgesims mit seinen
frei gruppirten Consolen giebt einen wirksamen Abschluss. Sämmt-
liehe Fenster sind im Stichbogen gewölbt und erhöhen bei grossen
Verhältnissen und bedeutenden Axen den wahrhaft *yomehmen
Charakter des Baues. Mit Becht aber hat der Architekt an der
Südseite die zahlreicheren Fenster dicht zusammengedrängt, um
von der entzückenden Aussicht in die Landschaft möglichsten
Vortheil zu ziehen. Die dort liegenden grossen Säle gehören
durch Stattlichkeit des Baums, Fülle des Lichts, Freiheit der
Lage zu den schönsten ihrer Art Was den Haupträumen des
Schlosses noch einen besonderen Beiz verleiht, sind die zahl-
reichen tiefen Nischen und Erker mit ihren freien Ausblicken,
die auch das Aeussere mannigfach beleben. Die Lust an der
Dekoration ist bis zu den Schornsteinen des Daches gedrungen,
die mit Voluten und andern Ornamenten reich geschmückt sind«
Auch die zahlreichen Wetterfahnen auf den Dächern zeigen
lustigen figürlichen Schmuck. An dem östlichen thurmartigen
Vorsprung des Nordflügels ist im zweiten Stock ein Balkon
herausgebaut, welcher mit hübschem Wappen und einer Inschrift
geschmückt ist Diese besagt, dass Herzog Ulrich, nachdem
1586 das alte Haus abgebrannt, dasselbe in den beiden folgenden
Jahren wieder erbaut habe. Die Jahrzahl 1589 liest man an
einem Giebel desselben Flügels. Die Einzelheiten dieses Her-
stellungsbaues zeichnen sich durch eine strengere Behandlung
mittelst antikisirender Pilasterstellungen aus.
Was endlich diesem majestätischen Bau seine besondere
Bedeutung yerleiht, ist, dass er die umfangreichste, schönste
und merkwürdigste Stuckdekoration besitzt, welche irgendwo in
Deutschland aus jener Epoche anzutreffen ist Schon die reiche
Stuckbekleidung des Aeussem, durch eigends geformte Back-
steine vorgemauert, zeigt in der wohlberechneten mannigfaltigen
Gliederung und Abstufung eine wahre Eünstlerhand. Am Unter-
bau z. B. sind dunkelgefärbte horizontale Bündstäbe als Einlagen
verwendet und eingerahmt Gradezu unvergleichlich ist aber die
Ausstattung des Innern. Die Decken und Gewölbe sämmtlicher
Säle und Gemächer, zum Theil auf Säulen ruhend, haben eine
Stuckdekoration, welche eben sowohl durch die Mannigfaltigkeit
der Eintheüungen wie durch die Schönheit des Einzelnen be-
wundernswürdig ist In den reich variirten Formen der Decken,
Kreuzgewölbe, Flachdecken und Spiegelgewölbe bot sich die
willkommenste Gelegenheit stets neue Motive der Eintheilung und
742 HI. Buch. Renaissance in Deutschland.
Gliederung anzuwenden. Die Rippen sind z. B. als Blattkränze
charakterisirt, durchweg aber ist bei allem Reichthum das edelste
Maasshalten zu erkennen und dabei ein musterhafter Takt in der
Abstufung vom Einfachsten zum Prachtvollsten. Besonders schön
sind die Decken der Erker ausgeführt, aber auch das südwest-
liche Eckgemach im Erdgeschoss ist überaus prächtig. Selbst
in den Hallen und Bogengängen und der Einfahrt ist Alles in
ähnlicher , wenn auch schlichterer Weise mit Stuck dekorirt Man
kann nicht genug beklagen, dass solche Schätze bis jetzt in
Deutschland so gut wie unbekannt waren, während sie in vollem
Maasse eine sorgfältige Aufnahme verdienten.
Das Gttstrower Schloss steht in seiner Anlage und Aus-
schmückung unter den meklenburgischen Bauten jener Zeit ver-
einzelt da, Zeuge eines fremden Einflusses, der auf die Persön-
lichkeit seines Baumeisters zurückzuführen ist. Weitere Spuren
fremder Kunstrichtung finden wir im Dom zu Güstrow in den
Prachtgräbem der meklenburgischen Fürsten, welche die Nord-
wand des Chores einnehmen. Sie wurden im Auftrage des Her-
zogs Ulrich durch einen niederländischen Meister Philipp Brandin
von Utrecht von 1576 bis 1586 ausgeführt Derselbe Meister
hatte schon früher zugleich mit einem anderen Steinhauer Conrad
Floris^ offenbar ebenfalls einem Niederländer, mehreres für Her-
zog Johann Albrecht in Schwerin gearbeitet Es handelt sich in
Güstrow zunächst um ein prachtvolles marmornes Epitaphium
des Herzogs Ulrich und seiner Gemahlinnen Elisabeth und Anna.
Die Gestalten, aus weissem Marmor gearbeitet, knieen hinter-
einander an reichen Betpulten, in vergoldeten Prachtkostümen,
in einer gewissen Steifheit der Haltung, doch nicht ohne Lebens-
frische aufgefasst. Wahrheit und Glaube als Karyatiden bilden
die architektonische Einfassung und tragen das phantastisch ge-
krönte Gesimse, an welchem weitere Figuren von Tugenden an-
gebracht sind. Dazu prächtige Wappen und ein ganzer Stamm-
baum, dies Alles auf schwarzem Marmorgrund mit zahlreichen
goldnen Inschriften und Emblemen. Am Fries obendrein Reliefs,
das Ganze von höchster Opulenz. Vdn derselben Hand ist oflFen-
bar das kleinere Epitaph der Herzogin Sophia (f 1575). Sie
liegt betend auf einem Sarkophag, toskanische Säulen bilden die
Einfassung und tragen ein barockes Gesimse , in dessen Krönung
Christus als Salvator erscheint Daneben reiht sich östlich das
dritte grosse Werk an, mit 1574 bezeichnet, ein riesiger Stamm-
baum der meklenburgischen Fürsten, freilich nur aus Sandstein,
aber reich vergoldet Prachtvolle korinthische Säulen fassen das
Ganze ein und tragen das Gebälk. Auch diese bedeutende
ElAp. XIV. Die norddeutschen KttBtengebiete. 743
Arbeit seift die eleganten Barockformen der damaligen nieder-
Ündisehen Eanet, SAmmfliche drei Epitaphien werden von einem
trefflichen schmiedeeisern«! Gitter umschlossen. Minder bedeutend,
aber ans derselben Epoche und Richtung ist die in Sandstein
aosgefthrte Kanzel. — Auch in der Pfarrkirche stammt die
Kansel, die Empore und das Stuhl werk aus derselben Zeit, wenn
auch von geringeren Hftnden.
Neben solehen Schöpfungen fremder Kunst begegnet uns
gegen Ausgang der Epoche noch einmal ein Werk der ein-
heimischen aerlichen Backsteinbaukunst im Schloss zu Gade-
husch bei Schwerin. ^) Es ist die Schöpfung Herzog Christoph'Sy
der im Jahre 1569 nach vielen Leiden dem erzbischöf liehen
Stuhle Lievlands entsagt hatte und in sein Bisthum Ratzeburg
znrflckgekehrt war. Mit gebildetem Geiste und mildem Sinne
wandte er sich wissenschaftlichen und kflnsflerischen Bestrebungen
zu. Diesen verdankt man den Bau des Schlosses, welcher 1570
begann und im folgenden Jahre vollendet wurde. Als Baumeister
wird Christoph Maubitz genannt, welcher seit 1549 bei den Bauten
des Herzogs Johann Albrecht als Maurermeister gedient hatte
und nach dem Abgange der Brüder Parr (1572) zum Baumeister
desselben ernannt wurde. Dieser alte einheimische Meister griff
KU dem früheren StUe zurück und führte ein Werk auf, das in
seinem Haupttheil noch wohl erhalten dasteht Auf einem durch
kflnslliohe Untermauerungen gestützten Hügel erhebt sich das
Schloss als einflügliger Bau in einem langgestreckten Rechteck
von ansehnlichen Yerhftltnissen. Ein vortretendes quadratisches
Treppenhaus enthält das Portal und den Aufgang zu den beiden
oberen Stockwerken. Das Aeussere ist in seinen Mauerflächen
verputzt, aber in Friesen,. Gesimsen und Pilastem ganz mit Terra-
cotten geschmückt Die Friese enthalten wie an. den Schlössern
von Wismar und Schwerin hauptsächlich MedaiUons mit männ-
lichen und weiblichen Brustbildern fürstlicher Persönlichkeiten,
auch römische Imperatoren in Lorbeerki^änzen wie zu Schwerin,
Alles gut durchgebildet, wenn auch im Figürlichen nicht beson-
ders fein. Die Gesammtwirkung ist wieder eine reiche und
prächtiga An beiden Portalen, von denen das eine zum Treppen-
aufgang führt, sind, wohl mit Bezug auf den geistlichen Charakter
des Erbauers, in Thonrelie& der Sündenfall und die Erlösung
durch Christi Kreuzestod und Auferstehung dargestellt
Im Innern rind zunächst die mächtigen Tonnengewölbe des
Kellers beachtenswerth, zu welchem eine Thür gleich neben dem
') Das Historiflciie bei Lisch. Jahrb. V, S. 61 C
744 ni. Buch. Renaissance in Beatscbhiiid.
I
Hauptportal hinabführt. Die Treppe zum oberen Gesehosa hat
hübsche Kreuzgewölbe mit elegant profilirten Bippeou Sie mündet
oben auf einen grossen Vorplatz, von wo zwei zierliche mit
Terracotten dekorirte Portale in die Gemächer führen. Groase
gebrannte Platten mit Delphinen und anderen Thieren bilden die
Pilaster, welche auf frei behandelten Kapitalen einen Bankeur
fries mit tanzenden Putten tragen. Im Erdgeschoaa hat die Kflehe
ein reiches Portal mit Medaillonköpfen. In den Gemächern neben
der Küche sieht man schön profilirte Unterzugsbalken, welehe
auf abgefasten Ständern die Decke tragen. Auch ein schlichter
alter Kachelofen mit schwarzer Glasur, auf eisernem Unterbau
ruhend, ist noch yorhanden.
Noch verdient das Kathhaus als kräftig barocker Bau von
1618 mit einer Loggia auf Pfeilern und mit Busticafenstem Er*
wähnung. Er ist ein weiterer Beweis, wie bald hier überall der
Terracottenstil yerlassen wurde.
Welchen Charakter die Schlossbauten zu Dargun haben,
yermag ich aus eigener Anschauung nicht zu sagen. Mit Be-
nutzung yon Theilen des ehemaligen Cistercienaerklosters 0 wurde
durch Herzog Ulrich, den Erbauer des Güstrower Schlosses, schon
seit 1560 hier ein fürstliches Jagdschloss aufgeführt, und 1590
war das , lange Haus"" vollständig eingerichtet Die Jahrzahl
1586 liest man an einem der Gebäude, aber das- Ganze wurde,
wie es scheint, erst im 17. Jahrhundert vollendet Er bildet ein
grosses Viereck mit einem Hofe von circa 130 Fuss im Quadrat,
der im Hauptgeschoss von Galerieen umzogen ist Der ansehn-
liche Bau lehnt sich mit seinem Ostlichen Flügel an das nördliche
Querschiff der Kirche und drängt sich mit dem südlichen und
dem Ende des westlichen Flügels in das ehemalige Langhaus
derselben hinein. Der Haupteingang liegt in der Mitte des öst-
lichen, ein anderer in der des westlichen Flügels. Drei grosse
runde Thürme flankiren das Schloss auf den freiliegenden Ecken ;
nur wo das Querschiff der Kirche anstösst, hat man auf den
Thurm verzichtet und sich mit einem Treppenthürmchen begnügt
Der Hauptaufgang zu den oberen Gemächern befindet sich aber
als Wendeltreppe in einem Treppenthurm, der die nordöstliche
Ecke des Hofes einnimmt Ueber die künstlerische Ausstattung
des Baues weiss ich nicht zu berichten; doch lässt sich so
viel aus den mir vorliegenden Zeichnungen^) vermuthen, dass
der östliche Flügel der älteste noch von Herzog Ulrich erbaute
>) Das Geschichtliche bei Lisch, Jahrb. K, 169 ff. — ») Die Zeicb-
nungen verdanke ich gütiger Mittheilang des Herrn Hof baurath Demmler.
Ksp. XIY. Die Dorddeotschen Kttstenicebi^le. 745
Tliefl «ein wird. Er zeigt nämlich im Erdgeschoss und dem
ersten Stook Arkaden auf weit gestellten Säulen, im zweiten da-
gegen eine Galerie mit doppelter Anzahl yon Säulen, welche
das Dachgesims aufnehmen. Dies ist genau die am Sttdflttgel
zu Ollstrow Yorkömmende Form. Die andern Theile des Baues
mit ihren schweren massiven Pfeilerhallen im Erdgeschoss und
im ersten Stock gehAren wohl dem 17. Jahrhundert an.
Lübeck.
Im Gegensatz zu den meklenburgischen Landen, wo die
ganze Bauthätigkeit auf den Fflrsten beruhte, zeigt uns der alte
mächtige Vorort der Hansa, Lflbeck, die Kunst eines btirger-
Hehen Gemeinwesens. Aber man erkennt bald, schon beim Heran-
nahen an die vielthttrmige Stadt, mehr noch beim Durchwandern
ihrer Strassen, dass ihre grOssten Tage doch in die Zeiten des
Mittelalters fallen. So grossartige Denkmale wie die Marienkirche
und der Dom mit ihren gewaltigen Thurmpaaren, wie die übrigen
noch zahlreich erhaltenen gothischen Kirchen hat keine Stadt
des Norddeutschen Kflstenlandes, mit alleiniger Ausnahme von
Danzig, aus jener Epoche noch aufzuweisen. Dazu kommt, dass
Lflbeck's Kirchen einen höheren Grad von künstlerischer Durch-
bildung zeigen als die Danziger, und dass sie mit einem noch
reicheren Schmuck yon kirchlichen Denkmälern aller Art ausge-
stattet sind. Wer von Weitem herannahend, die Stadt, umgeben
▼on Wiesengrttnden, Laubgruppen und Wasserspiegeln, mit ihren
sieben gewaltigen Kirchthfirmen und zahlreichen kleineren Spitzen
sieht, der ahnt etwas von der ehemaligen Macht jenes Frei-
staates, der an der Spitze der Hansa mit seinen Flotten die
Ostsee beherrschte, Dänemark bezwang und in den nordischen
Angelegenheiten den Ausschlag gab. Die Anlage der Stadt,
wenige Meilen von der Ostsee, an der selbst flir Seeschiffe zu-
gänglichen Trave bot die günstigsten Verhältnisse. Der Platz
ist mit besonderer Umsicht gewählt, denn er hat die Gestalt
einer Halbinsel, die nur nach Norden durch eine schmale Zunge
mit dem Lande zusammenhängt, östiich yon der Wakenitz, west-
lich yon der Traye umschlossen, auf einem hügelartig ansteigen-
den Terrain, das seine Vertheidigung durch das Wasser erhielt
An dem einzigen zugänglichen Punkte, der Nordspitze dieses
oyalen Stadtplanes, schloss eine feste Burg und das noch yor-
handene Burgthor die Stadt ab. Von dort ziehen die Hauptstrassen
in zwei parallelen Zügen, der Breiten- und der Königstrasse, in
748 ni. B«eh. BenaimaM in DeutschlAiid.
leiehter westlieher Abweiehung bis nach dem Slldendei wo rfn
an dem Dom und der dazu gehörigen Baugrappe ihren AbsohliUNi
finden. Zahlreiche Querstrassen schneiden sich mit diesen Hanpt-
adem im rechten Winkel, sftmmflich von kurzer Entwicklung, da
die grösste ft'cite der Stadt ungeffthr die BAlfie ihrer UUsgen-
ausdehnung betrilgi Das gewaltige, noch wohlerhaltene Holsten-
thor mit seinen beiden Thflrmen bezeichnet hier die Hauptstrasse,
welche nach Westen auf das angrenzende holsteinische Gebiet
und gegen Hamburg ffthrt Wo diese Strasse sich mit der grossen
Längenpulsader der Breitenstrasse schneidet, breitet sich das weite
Rechteck des Marktes aus, auf zwei Seiten, der nördlichen und
der östlichen von den ausgedehnten Oebäuden des Sathhauses
eingefasst Hier ist das Hera der Stadt, hier erhebt sieh auch
die Hauptkirche zu St. Marien, die mit ihren dunklen Backstein*
massen und den beiden riesigen Thurmhelmen hoch ttber die
mittelalterlichen Giebel des Bathhauses emporragt An der andern
Seite des Marktes erhebt sich die Petrikirche, etwas weiter öst-
lich St Aegidien und im nördlichen Theile der Stadt die wiederum
sehr ansehnliche Jacobikirche, dabei das Spital zum Heiligen
Geist Damit sind die Hauptpunkte in der Pbinanlage der Stadt
gezeichnet Ein grossartiger Zug voll Freiheit und Eliurheit spricht
sich in ihr aus.
Das Gepräge der wichtigsten Denkmäler gehört überwiegend
dem Mittelalter und verräth unverkennbar, dass das 13. und 14,
Jahrhundert den Höhepunkt in der Machtentwicklung Lttbeok's
bezeichnen. Schon das 15. Jahrhundert steht darin zurück; man
spürt ein Nachlassen in der monumentalen Entwicklung oder
vielmehr ein Umwenden vom kirchlichen zum Profanbau; denn
das Holstenthor und das Burgthor, sowie ausgedehnte Theile des
Rathhauses gehören dieser Zeit an. Mit dem Anfang des 16.
Jahrhunderts finden wir Lübeck von einem engherzigen Patriziat
beherrscht,^) welches der Strömung der Zeit sich feindlich ent-
gegenstellt Die Reformation, die in der Bürgerschaft allgemein
Anklang gefunden, wird vom Rathe mit eiserner Hand unterdrückt
Bürger, welche nach Oldesloe gehen, um den dort eingesetzten
evangelischen Prediger zu hören, werden mit Landesverweisung,
Gefftngniss oder Geldbusse gestraft. Der Prediger Johann Ossen-
brttgge, der heimlich in die Stadt gekommen war, um in einem
Privathause lutiierischen Gottesdienst zu halten, wird in's Gelang«
niss geworfen, und als er endlich auf Andringen der Bürger*
Schaft befreit wird, muss er froh sein, zu Schiffe nach Reval m
>) Vergl. J. R. Becker, Gesch. der freyen Stadt Lübeck H, S. 3 £
Kap. XTV. Die norddentBcheii Kttstenn^biete. ' 747
0
entkommen, wodureb er den Mönchen die Freude macht aue-
sprengen zu können, der Teufel habe ihn geholt Ein blinder
Beider wird aus der Stadt gewiesen, weil er auf der Strasse ein
lutherisches Lied gesungen ; ein Buchbinder, der des Reformators
Schriften verkauft, wird in den Thurm geworfen; ja noch 1528
werden Luthers Bflcher durch den Büttel auf offenem Markte rer- ^
bräunt In der Bflrgerschaft war aber der Drang zum Byange-
Uum so stark geworden, dass einst beim Gottesdienst in der
Jacobikirche, während der katholische Priester predigte, zwei
Knaben den Choral Luthers „Ach €k>tt yom Himmel sieh darein^
anstimmten, die ganze Gemeinde mit einfiel und den Prediger
zwang, die Kanzel zu yerlassen. Erst als der Rath von der
Bürgerschaft eine ausserordentliche Steuer verlangte, erzwang
diese durch ihre standhafte Opposition, dass die evangelische
Lehre endlich frei gegeben und bald darauf die Reformation
völlig durchgeführt wurde. Aber die Starrheit der Aristokratie
ist damit ' nicht bezwungen. Der kühne Versuch Wullenwebers
eine Yolksherrschaft anzurichten und Lübeck's Macht noch ein-
mal aufs Höchste zu steigern, misslingt, und fortan ist woU
noch eine Zeit lang von materiellem Gedeihen, aber nicht mehr
von politischer Machtstellung zu reden. In jenen Kämpfen haben
wir wohl den Grund zu suchen, warum noch 1518 die Marien-
kirche in einem durch die Gegensätze geschärften Eifdr mit
reichster Ausstattung in gothischen Formen geschmückt wurde.
Zugleich aber hängt damit zusammen, dass die Renaissance hier
erst spät auftritt und keine hervorragende Rolle spielt Doch
sind einige prächtige Werke aus ihrer spätem Entwicklung
erhalten.
Der wichtigste Bau ist das Rathhaus. Der älteste Theil
desselben ist das grosse Rechteck, 150 Fuss breit und 120 Fuss
tief, welches den Markt an der Nordseite begränzt und mit seiner
Südseite an den Marienkirchhof stösst Hier ist der Rathskeller
mit seinen gewaltigen Gewölben ; der Bau selbst aber wird durch
drei colossale Satteldächer bedeckt, die mit ihren riesenhohen
Backsteingiebeln über alle spätere Bauten hinausragen. Vor diese
Fa^ade, die nach Süden schaut, wurde seit 1570 die Renaissance-
halle gesetzt, von der wir noch zu sprechen haben. In dem
gegen die Breitestrasse liegenden östlichen Theil dieses Baues
befand sich ehemals der grosse Hansasaal, die ganze Tiefe des
Baues von 120 Fuss bei einer Breite von 30 Fuss einnehmend.
An diesen Hauptbau wurde noch im Mittelalter ein die Ostseite
des Marktes abschliessender Flügel gesetzt, im Erdgeschoss eine
langgestreckte zweischifBge Halle auf Granitpfeilem bildend,
748 I in. Bach. Benaissance in Deutschland.
%
ehemals bis 1868 zum Theil als Arbeitsstellen fflr die Gold-
schmiede benutzt, neuerdings zum grossen Yortheil fOr die G^-
sammtwirkung geöfihet und sorgfältig wieder hergestellt Zwei
gewölbte Durchgänge stellen die Verbindung mit der Breiten-
strasse her. Der südliche Theil enthielt ehemals die Bathswaage,
und an ihn wurde gegen Ende des 16. Jahrhunderts nach der
^Strassenseite die prächtige Freitreppe gebaut, die ein Hauptstfick
der Renaissance ist Im oberen Stock befand sich ehemals der
Löwensaal, 90 Fuss lang und 24 Fuss breit, daneben ein Vorplatz
und die sogenannte Eriegsstube, 36 Fuss breit und 48 Fusa lang.
Der ganze Flügel aber erstreckt sich zu einer Länge von 150Fuss«0
Für unsere Betrachtung ist zunächst von Wichtigkeit der
prächtige Vorbau, welcher 1570 der Südseite vorgelegt wurde
(Fig. 206). Die zierlichen Hallen, auf zwölf Pfeilern mit kräf-
tigen etwas gedrückten Bögen sich öffnend, werden nach oben
durch drei Giebel abgeschlossen, von denen der mittlere als
dominirender Theil höher emporragt Die Composition ist vor-
trefflich, die Gliederung reich und doch klar, aber das Figürliche
zeugt von schwachen Händen, und das ganze Werk, so ansehn-
lich es auch ist und so bestechend das schöne Sandsteinmaterial
wirkt, gehört doch nicht zu den vorzüglichsten Schöpfungen der
Zeit, ist z. B. dem Bremer Rathhaus keineswegs ebenbürtig.
Vom Jahre 1594 datirt sodann die prächtige Freitreppe, welche
an der Breitenstrasse auf vier Pfeilern angelegt ist, eine Überaus
malerische Gonception, in kräftigen und reichen Formen durch-
geführt, namentlich die einzelnen Quadern mit jenen Stemmustem
geschmückt, welche in dieser Spätzeit allgemein beliebt waren.
Weiter nordwärts aus derselben Epoche ein prächtiger Erker in
ähnlichen Formen. Auch das Innere des Baues wurde damals
reich geschmückt, besonders die Eriegsstube zeigt noch jetzt die
prachtvolle Ausstattung jener Epoche. An dem Marmorkamin, der
neuerdings barbarischer Weise mit dunkler Oelfarbe überschmiert
war,') liest man die Jahrzahl 1595. Zum Schönsten in dieser
Art gehört die Wandvertäfelung, bei welcher Schnitzwerk und
eingelegte Arbeit zusammenwirken. Auch das Portal zum Raths-
saale ist eine trefflicihe Schnitzarbeit Sie datirt von 1573, hängt
also mit dem Bau der südlichen Arkadenfront zusammen.
Von den städtischen Bauten ist sodann noch das ehemalige
Zeughaus beim Dom vom Jahre 1594 zu nennen. Es ist ein
*) WerthvoUe Notizen verdanke ich der Güte des Herrn Stadtbau-
direktora Krieg. — *) Seit Kurzem durch die Sorgfalt des Herrn Krieg
gereinigt. Trefflich photogr. Aufnahme von Nöhring.
Kap. XIV. Die norddentsclieii Kfistengreblete.
mSchti^r, aber einfacher Backsteinbaa mit Sandsteingliederungen
in dem aus den Niederlanden stammenden MiBchstil, wohl an
OrOase, aber bei Weitem nicht an kUnstlerisoher Behandlung mit
dem Danziger Zeughans za vergleiohen.
Auch der Privatban der Stadt steht an Reichthnm der Dureh-
bOduDg dem Ton Danzig weit nach; allein in der Anlage der
750 ni. Bnob. BiOüwmme% in Dentsolilmiid.
Häuser erkeimt man dieselben GrundzAge. Das ErdgesohQss
bildet unten auch hier eine weite und hohe Halle, die ihr Licht
aus mächtigen Fenstern vom Hofe her erhält und ihren Zugang
Yon der Strasse in einem riesig hohen Portale besitzt Ueber
der Hausthttr ist jetzt oft eine kleine Kammer angebracht, die
aus dem mit dem Portal verbundenen Oberfenster ihr Licht er-
hält Eine kleine Gomtoirstube ist stets von) Flur abgetrennt
Im Hintergründe fllhrt eine oft reich geschnitzte Treppe zu einer
Galerie, welche den Zugang zu den niedern Schlafkammem und
den oberen Geschossen vermittelt Die Fa^aden der Häuser
zeigen fast ohne Ausnahme den schlichtesten Backsteinbau, neuer-
dings fast immer mit Oelfarbe aberstrichen. Einfache Staffel-
giebel, durch Lisenen und Mauerblenden gegliedert, bilden den
Absehluss. Voi^ der reichen Ausstattung mit den Formen der
Renaissance bei überwiegender Anwendung von Sandstein, wie
wir es in Danzig fanden, ist hier nirgends die Bede. Den Erker
hat man hier wie in Danzig und den andern niederdeutschen
Seestädten vermieden. Nur indem man zahlreichen Häusern
prachtvolle Portale im beginnenden Barockstil vorsetzte, suchte
man der allgemeinen Zeitrichtung Bechnung zu tragen. Karyatiden
und Hermen, Statuen von Tugenden, Masken und Fruchtschnttre
spielen dabei eine grosse Bolle. Ein Prachtstttck dieser Art vom
Jahre 1587 sieht man Schlässelbuden No. 190, mit zwei gewal-
tigen Hermen, darüber in einer Nische eine weibliche Figur, von
zwei liegenden Gestalten eingeschlossen, sämmtlich sehr lang-
beinig und manierirt Ein hübsches Portal ebenda No. 196,
gleichfalls mit Figuren geschmückt und sämmtliche Flächen mit
Metallomamenten* dekorirt Ein prächtiges Portal ebenda No. 195,
mit Kriegerfiguren und allegorischen Darstellungen, auch hier
das Figürliche unerträglich manierirt Auf solchen Sehmuck ver-
zichtet das Portal an No. 194, erholt sich dagegen an reichen
Fruehtgehängen und Masken. Mehreres von ähnlichem Charakter
in der Fischstrasse. Eins der üppigsten schon stark überladenen
und geschweiften an No. 85; ein ganz kleines, blos mitBosetten
und Köpfen dekorirt an No. 96; facettirte Quadern mit Stem-
mustem an No. 104, wo ausnahmsweise auch der Hausgiebel
mit Voluten geziert ist Die sehr langen Figuren findet man
wieder an No. 106. Ueberaus reich mit Festons und Hermen ist
No. 107 dekorirt, wo auch die oberen Theile der Fa^ade ähn-
lichen Schmuck erhalten haben, und in der Mitte eine Abundantia
in einer Nische aufgestellt ist £in£ftcher in Anlage und Be-
handlung No. 105. Mehreres auch in der Breitenstrasse. Phan-
tastisch reich mit Masken geschmückt No* 785. Noch statüiober
Kap. XIY. Die noiddeataohMi KUften^biete. 751
mit zvrei kannelirteii ionitelieii Säulen, deren unterer TbeQ reich
dekorirt, dasu Aber dem Gebälk zwei liegende Figuren an No. 819.
Dagegen No. 799 zierliche Metallomaniente an den Flächen^ fein
kannelirte korinthische Pilasier, yon Quaderbändem durchbrochen,
ab Einfiuisnng.
Ganz abweichend ist die grosse Fafade in der Holstensftrasse
No. 276. Das Portal gehört zwar derselben Gattung an, wird
durch ktiegerische Aflanten eingeiasst und von den Figuren des
Glaubens und der Liebe bekrönt Dabei der Spruch : Sperantem
in domino misericordia circumdabit Dies Alles wie gewöhnlich
in Sandstein. Die Fa^ade selbst ist aber ein Prachtstttck yon
Renaissancedekoration in Terracotta, offenbar um einige Dezennien
früher als das Portal, vieUeieht das Werk des Gabriel p. Jken
und Staüus v. Düren^ die sich wie wir wissen in Lflbeck nieder-
gelassen hatten. Doppelte Lisenen, aus gerippten Bundstäben be-
stehend, auf Maskenkonsolen ruhend, theilen den hohen Giebel,
und ähnliche Rundstäbe fassen sämmtliche Fenster ein. Die ein-
zelnen Stockwerke aber werden bis oben hinauf von Medaillonfriesen
in Terracotten gegliedert, welche den Arbeiten in Wismar, Schwe-
rin und Gadebusch verwandt sind. LiCider hat ein späterer Zopf-
zusatz die ursprflngliche Reinheit getrübt; jedenfalls ist aber die
Fa^^e sehr interessant wegen der Anwendung eines durchgebil-
deten Terracottenstils. Aehnliche Werke kommen noch ein paar
Mal in der Wahmstrasse vor.
Von dem Reichthum der Ausstattung, welche ehemals die
Patrizierhäuser auszeichnete, geben noch einzelne Ueberreste
Zeugniss; am prachtvollsten der Saal im Hause der Kauf-
leute (Fredenhagen'sches Zimmer), dessen Getäfel in Eichen-,
Linden-, Nussbaum- und Ulmenholz zu den edelsten der Zeit
gehört Gekuppelte korinthische Halbsäulen mit reich geschnitzten
Schäften tragen ein Gebälk mit elegantem Rankenwerk am Ge-
simse, und darüber eine Doppelstellung von Atlanten und Karya-
tiden, die mit einem zweiten nicht minder reich dekorirten
Gesimse abschliessen. Die Wandfeldw zeigen unten eine Nach-
bildung kräftiger Steinarkaden und darin tabemakelartige Auf-
sätze, darflber eingelassene Alabasterreliefs, sicherlich niedei^
ländische Arbeiten, Alles aufs Reichste plastisch dekorirt Den
oberen Theil der Wände schmflcken Gemälde in Goldrahmen.
Die Decke zeigt ein reich cassettirtes Balkenwerk, kraftvoll ge-
gMedert und elegant geschnitzt^)
>) Vergl. die Notiz von A. Meier im Dresdsner Oorr. BL 1653, Dsc. No. %.
752 HL Baoh. BenALuanoe ia Deutsdiland.
Emige werihvolle Werke finden sich sodann in den rer^
schiedenen Kirchen der Stadt Bemerkenswerth zunächst in der
Marienkirche die grossartige Ausstattung mit Messinggittem,
welche den ganzen Chor und die zahlreichen iCapellen, ebenso
auch das Taufbecken umgebeir. Sie datiren sämmtlich von 1518 und
zeigen im Wesentlichen zwar noch die Elemente des gottuschen
Stiles y aber doch in einer Umbildung, welche nicht ohne Ein-
wirkung der Kenaissance zu denken ist Diese selbst mit ihren
zierlichen Formen findet man sodann, freilich ganz vereinzelt, an
der schönen Grabplatte des in demselben Jahre 1518 verstorbenen
Gothard Wigerinck, ebenfalls ein Bronzewerk. Weit geringer
war um dieselbe Zeit hier die Steinarbeit, z. B. an dem Grab-
stein des Christoph und Johann Tidemann im Chorumgang des
Doms, stumpfe Gestalten in schlichter Einfassung von korin-
thischen Halbsäulen, die Schäfte oben kannelirt, unten mit Orna-
menten geschmttckt, sicher erst nach der Mitte des Jahrhunderts
gearbeitet. Holzschnitzerei und Metallguss sind und bleiben die
hier bevorzugten Ettnste. Erstere ist besonders an der pracht-
vollen Orgel der Aegidienkirche, sowie an dem 1587 ausge-
führten Lettner y dessen gewundene Treppe auf Atlanten ruht,
nicht minder an dem meisterhaften Uhrwerk der Marienkirche
vom Jahr 1562 vertreten. Dagegen ist die Orgel in derselben
Kirche ein ebenso prächtiges« Werk der spätgothischen Epoche,
gleichzeitig mit der Übrigen Ausstattung der Kirche 1516—1518
von Meister Barihold Hering ausgeführt Auch das Stuhlwerk der
Kirche zeigt «eine bewundernswürdig reiche und edle Ausbildung,
die Füllungen namentlich mit Arabesken vom feinsten Geschmack
und voll Phantasie. Zwei reich geschnitzte Orgeln hat auch die
Jacobikirche, und zwar die eine von 1504, die andere von
1637, aber auch diese noch mit überwiegend gothischen Formen.
Was an Bronzewerken in Lübeck's Kirchen vorhanden, über-
steigt jede Vorstellung. Von der unvergleichlichen Pracht der
zahlreichen Gitter in der Marienkirche, die freilich überwiegend
noch der Gothik angehören, war schon die Bede. Von andern
Werken der früheren gothischen Epoche habe ich hier nicht zu
berichten; wohl aber von dem herrlichen Bronzegitter der Bremer-
kapelle vom Jahr 1636, mit Säulen, Hermen und Karyatiden ge-
gliedert, schon sehr barock, aber höchst geistreich und elegant,
dabei von meisterhafter Technik. Prachtvolle Kronleuchter finden
sich in der Jacobikirche, noch glänzender aber sind die Kron-
leuchter, Wandleuchter und Gitter in St Peter, datirt von 1621,
1639, 1644, voll Phantasie und Anmuth, mit kletternden und
spielenden Putten dekorirt Auch die Aegidienkirche und der
Kap. XIV. Die norddeutaolien Küstengebiete. 758
Dom sind mit fthnlieben Kronleuchtern ausgestattet loh hebe
hier nur das Wichtigste heraus ; die Fülle des noch Vorhandenen
verdiente in einer statistischen Darstellung der Benaissancewerke
Deutschlands eingehendere Beachtung.
Lüneburg.
Lüneburg ist eine Wiederholung Lttbeck's im kleineren Maass-
stabe; zugleich hat die Stadt Bedeutung , weil sie die südliche
Grenze des niederdeutschen Backsteinbaues bezeichnet. Schon
in Celle hört derselbe auf und macht dem mitteldeutschen Fach-
werkbau der Harzgegenden Platz. In der mittelalterlichen Epoche
und noch in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts beherrscht
der derbe niederdeutsche Backsteinbau hier die ganze Profan-
architektur. Die Bürgerhäuser sind schmal und hoch mit ein-
fachen Staffelgiebeln. Der Erker kommt hier so wenig vor wie
in Lübeck oder Danzig, nur ein paar Mal finden sich ganz be-
deutungslose Fachwerk -Erker dem Erdgeschoss und ersten Stock
vorgesetzt: ein von den Hannoverschen Städten ausgehender Ein-
fluss. Mit dem 16. Jahrhundert bürgert sich an diesen Bauten
die Benaissance ein, doch in etwas verschiedener Art als zu
Lübeck.^) Wie dort nämlich werden zwar die Fafaden durch
jene schräg gerippten Eundstäbe gegliedert, die Fensternischen
und die Lisenen damit eingefasst, und ebenso die Friese und
die Medaillons, welche die Stockwerke trennen, eingerahmt Die
Friese sollten nun Füllungen von Terracottareliefs erhalten, welche
indess in den meisten Fällen nicht ausgeführt sind. Dagegen
trifft man häufig in den Medaillons zeitgenössische Bildnisse,
Wappen u. dergl. in farbig glasirten Ten-acotten. Denkt man
sich die ganzen Friese in dieser Weise geschmückt, so müssen
die Fa$aden, die jetzt durch den dunklen Ton des Backsteins
etwas Düsteres haben, von prächtiger Wirkung gewesen sein.
Das Hauptbeispiel dieser Art ist der grosse Giebel, welcher die
lange Perspektive der Hauptstrasse Am Sand dominirend ab-
schliesst, bezeichnet 1548. Die einfassenden Rundstäbe mit ihrem
schrägen Bippenwerk machen fast den Eindruck von Laub-
kränzen, welche die Glieder umrahmen. Die dekorirenden Me-
daiUonköpfe, Wappen und figürliche Darstellungen, Knaben auf
Delphinen, Simson mit dem Löwen, mit den Thoren von Gaza
u. dergl. sind lebensvoll behandelt Auch der kleinen daneben-
*) Einige Abbildungen in den Pnbl. des Lüneb. Altherth. Yer.
Kngler, Oeieh. d. Baukanst. V. 48
754 nL Buch. ' Benaüsronce in Deatschbiid.
stehenden Fa^e hat man denselben Schmnek ^geben. Ein
anderes noch etwas früheres Beispiel yom Jahr 1543 bietet die
Fafade an der Münze No. 9. Die farbig glasirten Reliefmedaillons
mit den zeitgenössischen Portraitköpfen sind derb nnd lebendig
ausgeführt.
Etwas später tritt eine Veränderung im Stil dieser Terra-
cotten auf. Statt des farbig geschmückten Flachreliefs stellen
sich im kräftigsten Hochrelief weit vorspringende Köpfe ein, die
nun keine Glasur mehr erhalten. Der malerische Stil macht
einem mehr plastischen Platz. Ein charakteristisches Beispiel
dieser Art gewährt ein Haus von 1559 in der Bardowiker Strasse
No. 30, mit sehr gut behandelten Belief köpfen ; vom Jahre 1560
das Haus am Markte No. 1 , wo aber diese Köpfe und die Wappen
in Sandstein eingesetzt sind. In der Mitte ein hübsches Barock-
schild, von Engeln gehalten. Um diese Zeit dringt also der
Hausteinbau ein und findet namentlich an einzelnen Pracht-
portalen, offenbar nach dem Vorgange von Lübeck, seine Ver-
wendung. So an dem Hause Neue Sülze No. 27. Ein anderes
In der Grossen Bäckerstrasse No. 30, mit korinthischen Säulen
eingefasst, deren Schaft am untern Theil mit Metallomamenten
bedeckt ist Das Prachtstück aber in derselben Strasse No. 9,
die Rathsapotheke, wo das Portal mit Hermen eingefasst ist,
welche medizinische Gefässe. halten und an den Schäften reich
dekorirt sind, darüber ein Bogen mit Masken und Festons, in den
Zwickeln zwei sitzende weibliche Figuren. Das Portal ist nach
dem Vorbilde der Lübecker von ungewöhnlicher Höhe.
In charaktervoller Weise haben die verschiedenen Kunst-
epochen sich am Rathhause ausgesprochen. Es ist gleich dem
von Lübeck ein Conglomerat, in mehreren Perioden allmälig
durch neue Ansätze vergrössert Im Wesentlichen aus verschie-
denen Epochen des Mittelalters stammend, ist es äusserlich ohne
grossartigere Gesammtwirkung, und die Hauptfa^ade am Markt
mit ihren Bogenhallen und den mit Figurennischen dekorirten
Pfeilern trägt den Charakter einer späten Restauration. Man liest :
Exstructum 1720, renovatum 1763. Interessanter ist das Innere,
welches in verschiedenen Epochen eine zum Theil prachtvolle
Ausstattung erhalten hat Noch völlig gothisch ist der mit höl-
zernem Tonnengewölbe überdeckte Saal, der durch seine Glas-
gemälde, seine schönen Bodenfliesen, in welchen man vor den
Sitzen der Rathsherren noch die Oeffnungen der Luftheizungs-
röhren mit ihren Metallverschlüssen sieht, mit seiner polychromen
Deckenmalerei und der völlig erhaltenen Wandvertäfelung mit
ihren Schranken und den Sitzen für die Rathsherren einen unver-
Kap. XIV. Die norddeutschen Elbtengebiete. .755
gleichlich harmonischen Eindruck macht Letztere gehören der
Benaiasance an und sind mit ihren eingelegten Holzmosaiken
1 d94 ausgeführt Die Gemilde der Decke sind im Qeist und den
Formen der Eranach'schen Sdiule behandelt Am Eingang des
Saales bilden zwei ungleiche Flachbögen auf kräftiger Bundsäule
eine Art Vorhalle. Im Flur ist ein prachtvolles Eisengitter von
Hans Rage 1576 ausgeführt, ohne aUes phantastische Element,
nur mit schön stilisirten Blumen geschmückt Das Zimmer rechts
vom Eingange im Erdgeschoss zeigt eine gute Holztäfelung vom
Jahre 1604.
Den Stolz des Bathhauses bildet aber der Bathssaal, 1566
bis 1578 durch Albert von Soest mit einer künstlerischen Aus-
stattung versehen, welche alles überbietet, was jemals deutsche
Schnitzkunst hervorgebracht Man liest daran: Albertus Suza-
tiensis fecit Zunächst sind die Schranken mit den Sitzen für die
Bathsherm aufs Beichste mit zierlich ausgeführten Beliefs der
biblischen Geschichte dekorirt Man sieht das Urtheil Salomon's,
das jüngste Gericht, Moses das Volk strafend, dazu die Statuetten
von Moses, Aron und Josua, Alles in kleinstem Maassstabe mit
hoher technischer Meisterschaft durchgeführt Einfacher ist die
Bekleidung der Wände, sowie die cassettiiiie Decke mit ihren
vergoldeten Bosetten. Der Künstler hat sich die Hauptwirkung
für die architektonisch hervorragenden Theile aufgespart Schon
die Friese mit den herrlichen kleinen Köpfchen, die aus den
Banken hervorragen,. gehören zum Köstlichsten ihrer Art Aber
die grösste Pracht entfaltet sich an den vier Thüren. Die beiden
ersten, einfacheren sind mit Hermen und Karyatiden eingefasst
und mit figurenreichen Beliefscenen bekrönt Eine dritte Thür
hat ebenfalls Karyatiden und ähnlichen Beliefschmuck. Alles wird
aber überboten durch die vierte Thür, vor welche als Stützen
des Gebälks völlig durchbrochen gearbeitete Pfeiler treten, die
in unglaublichem Beichthum mit Voluten, Masken und Hermen
sich aufbauen, in der Mitte Nischen mit Kriegerstatuetten ent-
halten, diese wieder eingerahmt von Pfeilern, die wiederum auf
Postamenten mit spielenden Putten kleinere Statuetten der Tugen-
den zeigen unter Baldachinen, die von Genien gehalten werden.
Darüber thünpt sich nach Art mittelalterlicher Baldachine und mit
reichlicher Anwendung von durchbrochenen gothischen Fenstern,
Strebepfeilern und Fialen ein Oberbau auf, der wieder mit den
vrinzigsten Figürchen und allen erdenklichen Elementen der Be-
naissance- Ornamentik ausgestattet ist Das Ganze bietet den
Eindruck höchster Ueppigkeit, voll jener bewundernswürdigen
Phantastik, die auch im Sebaldusgrabe Peter Vischer's waltet,
48*
756 ro* Bach. Benaissance in Deutschland.
nur ist Alles hier überladener und von einem minder reinen Form-
geftthl beherrscht, jedenfalls aber in staunenswerther Technik mit
miniaturartiger Feinheit durchgebildet Dazu kommen über den
Portalen grosse Reliefs aus der biblischen und römischen Ge-
schichte, die mit einer Darstellung des jüngsten Gerichtes ab-
schliessen.
Noch wäre der ungemein grosse Fürstensaal zu nennen, an
den Wänden mit Bildnissen von Fürsten und Fürstinnen im
Charakter des 15. Jahrhunderts bemalt, auch an der Balkendecke
Gemälde, Brustbilder in Medaillons und Ornamente aus der Spät-
zeit der Renaissance. Fünf mittelalterliche Kronleuchter mit figür-
lichem Sehmuck und ein sechster in streng gothischem Stil er-
leuchten den Saal.
Zu den grOssten Schätzen gehört sodann die Silberkammer
des Rathhauses, eine, vielleicht unvergleichliche Sammlung von
Prachtgeräthen aus den verschiedenen Epochen der Gothik und
der Renaissance. Für unsre Betrachtung sind von besonderer
Bedeutung die herrlichen Pokale, welche die ganze Mannigfaltig-
keit der Renaissance im Aufbau, den dekorativen Formen und
dem figürlichen Schmuck verrathen. Der Münzpokal vom Jahre
1536, der eine Elle hohe vergoldete Pokal von 1538, ein anderer
von 1562, wieder ein anderer, über 2 Fuss hoch, von 1560, ein
kleinerer von 1586 und ein ganz grosser von 1600 mögen hier
als die wichtigsten kurz erwähnt werden. Zu den edelsten Wer-
ken gehören aber die beiden silbernen Schüsseln mit dem Stadt-
wappen, in der Mitte und am Rande mit Laubfriesen und kleinen
Portraitmedaillons geschmückt, endlich die grosse Waschschüssel
von 2 Fuss im Durchmesser, vom Jahre 1536.
Einiges ist noch aus der Johanniskirche nachzutragen.
Vom Jahre 1537 das bemalte Epitaph eines Herrn v. Dassel, mit
reichem krautartig behandeltem Pflanze'nornament, das Ganze
noch etwas unreif in den Formen und bezeichnend für das erste
Auftreten der Renaissance in diesen Gegenden. Von elegant aus-
gebildeter Renaissance sind die ühorstühle, deren Laubfriese mit
den Reliefköpfchen an die Arbeiten im Rathhaus erinnern, wenn
sie auch nicht von derselben Vollendung sind. Doch erscheint
die Arbeit voll Geist; nur die Karyatiden und Atlaitfen zeigen den
schlottrigen Stil der Epoche. Auch die Brüstung einer Empore
ist in ähnlichem Schnitzwerk um dieselbe Zeit ausgeführt
Noch ist der Springbrunnen auf dem Markt vor dem
Rathhaus, ein Metallbecken mit kleinen figürlichen Darstellungen^
hier zu nennen als ein Werk der Frührenaissance. Nur das
untere gusseiseme Becken gehört modemer Reparatur. Auf der
Kap. XIY. Die norddeutschen KÜBtengebiete. 757
Säule eine winzig kleine hoehdrollige Diana mit Bogen und Pfeil
* in einer an Dürer erinnernden stark gespreizten Stellung. Die
Jahrzahl 1530 bat nichts Unwahrscheinliches.
Von Hamburg hat der verheerende Brand des Jahres 1842
nicht Tiel Alterthümliches übrig gelassen, so malerisch auch die
inneren Theile der Stadt mit ihren an Holland erinnernden hoch-
giebligen Häusern sind. Als eins der wenigen noch vorhandenen
Beispiele des energisch ausgebildeten Profanbaues der Renaissance
geben wir unter Fig. 207 ein Giebelhaus der 6r. Reichenstrasse,^)
eine jener Fagaden, die in ihren Flächen, wie in sämmilichen
Gliederungen an Fenstern und Portalen, Gesimsen und Pilaster-
Stellungen aus Sandstein bestehen. Die niedrigen Verhältnisse
der Stockwerke geben den Pilasterstellungen etwas Verkrüppeltes,
aber die derben Formen, die klare Eintheilung und Gliederung
und die lebensvolle Ausbildung des Giebels mit seinen kräftig
wirkenden Nischen, seinen barocken Schweifvoluten und aufge-
setzten Pyramiden (letztere in der Zeichnung ergänzt) machen
einen tüchtigen Eindruck. Ein stattlicher Giebelbau von ähn-
licher Anlage ist der sogenannte Kaiserhof vom Jahre 1619, eben-
falls mit energischen antikisirenden Säulenstellungen, dazu in
Bogenzwickeln und andern Flächen mit flott behandeltem Bild-
werk dekorirt^) Eine andre, jetzt nicht mehr vorhandene Fa$ade
von reicher Durchbildung ist wenigstens in Abbildung erhalten. ^)
Von den eleganten steinernen Waschbecken, welche auf den
Fluren ansehnlicher Häuser nicht zu fehlen pflegten, sind noch
zwei zu sehen. ^) Endlich muss der Thurm der Katharinen-
kirche wegen der Schönheit der Verhältnisse und der Anmuth
seiner feingeschwungenen Umrisse erwähnt werden.
Bremen«
Ungleich reicher ist die Ausbeute in Bremen. Die Ent-
wicklung der IStadt bietet manche Verwandtschaft mit Lübeck.
Wie dort finden wir auch hier, und "zwar schon seit Karls des
*) Die Abbildung verdanke ich Herrn A. Schröder , ABßistent am Poly-
teehnicum zu Hannover. — *) Abbildungen in der Schrift: Hamburg, bist,
topogr. und baugeschichtl. Mittheil. 1869. — ») Samml. des Ver. für Hamb.
Gesch. — *) Abbildungen ebenda.
758 ^' Bach. Benaissanee in DentsclilaBd.
Grossen Zeiten, einen Bischofssitz, unter dessen Obhut die Stadt
im frtthen Mittelalter sich immer kräftiger entwickelte, bis sie im
Kampf mit ihren Bischöfen sich allmälig zur Unabhängigkeit
aufschwang und als Mitglied der Hansa immer machtvoller er-
blühte. Aber während im Anfang der neuen Zeit der reactionäre
Bath von Lübeck sich lange und hartnäckig gegen die Refor-
mation wehrte, gebührt Bremen der unvergängliche Buhm, unter
den niederdeutschen See* Städten zuerst Luthers Lehre mit Hin-
gebung erfasst und durch ihren Eifer im Schmalkaldischen Bunde,
durch hochherziges Standhalten nach der Schlacht von Mühlberg
zur Bettung des Protestantismus vor dem Untergange wesentlich
beigetragen zu haben. In der architektonischen Anlage der Stadt
spricht sich ähnlich wie in Lübeck ihr doppeltes Wesen aus;
aber während dort der Mittelpunkt der geistlichen Gewalt des
Mittelalters an dem einen Ende der Stadt eine isolirte Lage ein-
ninmit, steht hier der mächtige Bau des Domes im Herzen der
Stadt, gegenüber dem stolzen Bau des Bathhauses, und der Dom-
hof sammt dem Marktplatze geben in ihrer Verbindung einen
Prospekt von grossartiger Wirkung. Langgestreckt, ähnlich wie-
der vrie Lübeck, zieht sich die alte Stadt am rechten Ufer der
Weser hin, während erst später das linke Ufer mit der neuen
Stadt besetzt wurde.
Die Renaissance tritt auch hier erst spät auf, aber sie treibt
in dem grossartigen Bau des Bathhauses^) eine ihrer pracht-
vollsten Blttthen (Fig. 208). Der Bau ist seinem Kerne nach eine
Schöpfung des Mittelalters, 1405 bis 1410 errichtet: ein mächtiges
Bechteck, an der südlichen Schmalseite durch das Portal und drei
hohe Spitzbogenfenster belebt An diesen einfachen gothischen
Bau fügte man 1612 die prachtvolle Fa^ade der Ostseite mit
ihrer Bogenhalle, dem breit vorspringenden Erker- und Giebelbau
in der Mitte und den riesig hohen Fenstern des oberen Stock-
werks. Auf zwölf dorischen Säulen ruht die in der ganzen Länge
den Bau begleitende Halle, deren gothische Bippengewölbe in
der Wand auf reichen Gonsolen aufsetzen. Im ersten Stock bildet
sich über der Säulenhalle eine von durchbrochener Balustrade
abgeschlossene Altane, in der Mitte durch den vorgebauten Erker
unterbrochen, aber durch Thüren mit demselben verbunden. Die
ehemaligen, ohne Zweifel spitzbogigen Fenster des Obergeschosses
sind in sehr hohe rechtwinklige Fenster verwandelt und abwech-
selnd .mit gebogenen oder dreieckigen Giebeln gekrönt Den Ab-
schluss des Ganzen bildet ein elegant skulpirter Fries mit kraft-
1) Vergl. die Monogr. von MüUer, das Rathhans zu Bremen.
f ,
Kap. XIV. Die norddeutschen KÜBtengebiete. 761
voll ausgebildeten Gonsolen und darüber eine durchbrochene
Balustrade, mit kleinen Pyramiden und an den Ecken mit Sta-
tuen besetzt Darüber ragt dann in der Mitte der hohe Giebel
des Erkers und auf beiden Seiten ein kleinerer Dachgiebel auf.
Alle diese Zusfttze sind dem Backsteinkem des Baues in durch-
gebildetem Quaderbau angefügt
Muss scbon die Oomposition als ein Meisterwerk ersten Ranges
bezeichnet werden, so gehört vollends die Durchbildung zu dem
Vollendetsten, was wir in dieseni schon barock umgebildeten
Renaissancestil in Deutschland besitzen. Die Schönheit der Ver-
hftltnisse, die meisterhafte Behandlung der architektonischen Glie-
der, die Feinheit in der Ausbildung derselben übertrifft; z. B. weit
die Fafade des Lübecker Rathhauses, ja in schwungvoller An-
wendung bildnerischen Schmuckes muss selbst der Friedrichsbau
in Heidelberg zurückstehen. Alle Flächen sind mit Sculpturen
bedeckt, in den Zwickeln der Arkadenbögen sind es Figuren
antiker Gottheiten und allegorischer Personifikationen; meister-
haft aber vor Allem sind die grossen Friese prachtvoll bewegter
phantastischer Meeresgeschöpfe, Nachklänge jener berühmten an-
tiken Gestalten, deren Erfindung im letzten Grunde bis auf Skopas
zurückgeht Ein stürmisch bewegtes Leben spricht sich hier mit
Kraft und Kühnheit aus, als trefiTlichster Ausdruck fbr die in der
Nähe des Meeres gelegene Seestadt Dieser reiche Schmuck ge-
winnt an dem Erker und den Dachgiebeln erhöhten Glanz und
verbindet sich dort mit Säulenstellungen, Hermen und all den
phantastisch barocken Formen dieser üppigen Zeit Dazu kommt,
dass das Figürliche, welches hier in solchem Umfang zur An-
wendung gebracht ist, grösstentheils von sehr geschickten Händen
herrührt, so dass die Ausführung hinter der Absicht kaum zurück-
bleibt Nach alledem muss man den sonst unbekannten Meister
dieses Baues, Lüder von Bentheim, zu den hervorragendsten Künst-
lern unsrer Spätrenaissance zählen. Dagegen sind die zwischen
den Fenstern beibehaltenen aus dem Mittelalter herrührenden
Statuen ohne höheren Kunstwerth.
Im Innern besteht das Erdgeschoss aus einer Halle, deren
Decke auf einfachen Holzpfeilem ruht Nur ein Portal in kräftig
reicher Schnitzarbeit ist hier zu erwähnen. Auf einer elegant
in Holz geschnitzten Wendeltreppe gelangt man in den oberen
Saal, der die ganze Ausdehnung des Gebäudes, 140 Fuss bei
45 Fuss Breite und etwa 30 Fuss Höhe umfasst Er hat eine
in barocken Formen gemalte Holzdecke, rings an den Wänden
Tafelwerk, an der Fensterseite Bänke, welche die 5 Fuss tiefen
Fensternischen umziehen und mit hübsch geschnitzten Wangen
762 ni. Bach. Benaiasaiice in DentscUftiid.
und Seitenlehnen geziert sind. An der innem Langseite des
Saales sieht man eine Thflr zu einem angebauten Sitzungszimmer,
mit Putten und Akanthusranken in einfacher Frührenaissanoe
dekorirt, inschriftlich 1550 ausgeführt Daneben in derselben
Wand zwei reichere Barockportale. Die grösste Pracht entfaltet
sich aber an der hölzernen Wendeltreppe, welche zu dem im
Erkerbau angebrachten oberen Sitzungszimmer führt, mit 1616
bezeichnet Hier ist geradezu Alles in geschnitzte Ornamente
und in Figuren aufgelöst, namentlich das Portal aussen und
innen von der erdenklichsten Ueppigkeit, davor auf einer S&ule
die Figur eines Herkules. Es ist die Blechmusik des beginnen-
den Baroco in ihrem berauschendsten Fortissimo. Der kleine
Saal selbst hat treffliche Täfelung mit reichen Pilastem. Auch
das untere Sitzungszimmer zeigt eine prachtvoll geschnitzte ThOr.
Neben den Holzsculpturen im Kathhaus zu Lüneburg sind diese
Arbeiten die glanzvollsten , Schöpfungen der deutschen Schnitz-
kunst der Benaissancezeit —
Von den übrigen Gebäuden der Benaissance ist zunächst die
Schütting von 1537 zu nennen. Ein ganz aus Quadern errich-
teter Bau, der eine Giebel einfach abgetreppt, mit übereck ge-
stellten gothischen Fialen, der andere in guter Benaissance
durchgeführt, mit Pilastem und Bögen, darin Medaillons mit
Köpfen in Hochrelief; als Krönung Voluten, von denen die eine
in Löwenklauen endet, auf dem Giebel eine Statue. Diese Theile
wird man um 1560 setzen müssen. Die Fafade dagegen mit
ihren beiden riesig hohen Fensterreihen, dreitheilig in der Höhe
und zweitheilig in der Breite , mit gedrückten, spätgothischen
Schweif bögen wird der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ange-
hören. Eine Balustrade in eleganter Benaissanceform bildet den
AbschluBs; darüber in der Mitte ein Dacherker mit der Belief-
darstellung eines Schiffes. Im Uebrigen hat das Gebäude moderne
Umgestaltungen erfahren.
Ein stattlicher Bau von 1587 ist die Stadtwaage, ein hoher
Backsteingiebel, mit gekuppelten Rustikapilastem, Voluten und
Pyramiden in Sandstein gegliedert Auch die beiden Portale in
kräftiger Rustika, die Quader mit Stemoinamenten sind von
Sandstein, Die gekuppelten Fenster haben eine hübsche Muschel-
bekrönung. Das Ganze - ist einfach und tüchtig. Etwas reicher
wiederholt sich derselbe Stil an dem Kornhaus von 1591. Auch
hier ist Backstein und Haustein verbunden; die Fenster zeigen
dieselbe Behandlung, die Quader sind sämmtlich reich oma-
mentirt, der enorm hohe Giebel mit Voluten und Pyramiden
geschmückt
Flg. 108. Rithbitiu 11
^^■Mil
Kap. XIV. Die norddeatsehen KüBtengebiete. 765
Denselben Stil findet man an einem Hanse der Langen Strasse
No. 14; der Giebel ebenfalls baroek geschweift. Leider sind
diese Häuser meist mit Oelfarbe überstrichen, wodurch die reiche
farbige Wirkung im Gegensatz des Backsteins zu dem Sandstein
aufgehoben wird. So zeigt es z. B. auch das Haus am Markt
No. 9, besonders zierlich in den Verhältnissen, die Quader mit
den beliebten Stemomamenten, die krönenden Pyramiden auf
grotesken Masken. Ganz intakt dagegen ist ebendort No. 16,
wo trotz der späten Jahrzahl 1651 dieselben Elemente in Com-
Position und Ausschmückung festgehalten sind. Dazu kommt ein
Erker, der freilich später in Rococoformen iimgestaltet worden.
Die oberste Bekrönung des Giebels bildet eine schöne Blume
von Schmiedeeisen. Aehnliche findet man noch mehrfach in
gleicher Weise verwendet Eine stattliche Backsteinfa^ade, nur
mit Sandsteinumrahmung der Fenster und mit einem ebenfalls
in Quadern vorgebauten Erker, der jedoch blos das Erdgeschoss
und den ersten Stock begleitet, sieht man in der Langen Strasse
No. 127. Von derselben einfachen Art sind ebendort No. 124
und 126. Ein mächtiges Giebelhaus von Backstein, aber mit
Quadergliederungen, die durchweg reiche plastische Dekoration
zeigen, in derselben Strasse No. 112. Dasselbe gemischte System,
wenn auch nicht mit dem vollen plastischen Beichthum, ebendort
an No. 16. Vereinzelt kommen auch Fa^aden vor, welche ähn-
lich den Danziger Häusern ganz aus Quadern errichtet sind. So
das schmale hohe Giebelhaus der Langen Strasse No. 13, mit
zwei symmetrisch angebrachten Erkern, Alles in üppigen Barock-
formen ungemein energisch mit Säulen, Hennen, Muschelwerk
und stark geschweiften Voluten dekorirt Es trägt die Jahr-
zahl 1618.
Ziehen wir eine Parallele der drei grossen norddeutschen
Seestädte, deren Privatbau der Spätrenaissance angehört, so zeigt
Danzig die reichste Blüthe und die vollständigste Aufnahme des
durch die Renaissance eindringenden Hausteinbaues. Lübeck
dagegen beharrt bei seinen überlieferten Ziegelfagaden und be-
gnügt sich, denselben durch prachtvolle Portale in Sandstein
einen zeitgemässen Schmuck zu geben. Bremen endlich nimmt
eine mittlere Stellung ein, indem es drei verschiedene Systeme
in Anwendung bringt: die Backsteinfagade mit sparsamer Be-
nutzung von Haustein an den Gesimsen und Einfassungen der
Fenster; dieselbe Construktion mit vollständiger und zwar sehr
reicher Ausbildung sämmtlicher Glieder in Qnaderbau ; endlich in
einzelnen Beispielen reine Hausteinfa^aden. Ausserdem ist Bremen
die einzige von diesen Städten, welche an den Privatbauten zu-
i
766 m. Bach. BenaisMUiee in DentschUnd.
weilen den Erker anwendet Er kam ihr wahrscheinlich eben-
daher, wo sie auch den Sandstein zu ihren Bauten holte: aus
der oberen Wesergegend.
Dass man an den städtischen Bauten durchweg die Quader-
oonstruktion wählte, haben wir schon gesehen. Das glänzendste
Beispiel dieser Art ist das ehemalige Krameramthaus, jetzt
Gewerbehaus bei der Ansgarikirche. Es ist ein grossartiger
Frachtbau, dessen flppige Formen bereits das 17. Jahrhundert
yerrathen. Zwei colossale Giebel, durch eine Balustrade ver-
bunden, bauen sich an der breiten Fa^ade auf. In der Mitte
des hohen mit gewaltigen dreitheiligen Fenstern fast völlig durch-
brochenen Erdgeschosses ein Portal mit korinthischen Säulen,
reich mit Figuren geschmtlckt, Alles bemalt und vergoldet. Das
obere Geschoss hat fast eben so hohe Fenster von ähnlicher An-
ordnung, wie sie überall in unseren nordischen Städten aus den
Niederlanden eingeführt wurden. Zwei breite Friese, ganz mit
Masken, Voluten und figürlichem Bildwerk bedeckt, ebenfalls
bemalt und vergoldet, schliessen die beiden Stockwerke ab. Die
Giebel endlich erschöpfen mit ihren Nischen, Statuen, geschweiften
Voluten alle Formen dieses üppig barocken Stils. 'Die den ein-
zelnen Geschossen aufgesetzten schlanken Pyramiden sind sämmt-
lich mit vergoldeten schmiedeeisernen Blumen gekrönt Die phan-
tastische Pracht solcher Silhouetten überbietet selbst die reiclisten
Giebelcompositionen der gothrschen Epoche, wurzelt aber trotz
der Verschiedenheit der Formen in demselben ästhetischen Be-
dttrfniss. Auch der Giebel der Seitenfa^ade ist ähnlich behandelt
Der grossartige Bau hat im Aeussern und Innern eine sorgfältige
neuere Herstellung erfahren.
In Ostfriesland ist es namentlich Emden, welches für Be-
naissance werthvoUe Ausbeute bietet Der saubere Ort mit seinen
graden Strassen, den Backsteinhäusem, den zahlreichen Kanälen,
Brücken und Schleusen macht völlig den Eindruck einer hollän-
dischen Stadt Durch ihre günstige Lage schon früh reich und
blühend, errichtete sie 1574 bis 1576 ihr stattliches Rathhaus,
das ebenfalls den Einfluss der benachbarten Niederlande verräth.
(Fig. 209). An der Hauptfront ganz in Haustein ausgeführt, hat
es im Erdgeschoss und im oberen Stockwerk jene dichte Beihe
hoher, durch steinerne Stäbe getheilter Fenster, die aus Holland
stammen. Darüber erhebt sich ein Halbgeschoss mit einer auf
Gonsolen den ganzen Bau umziehenden Galerie, ein etwas später
^p. XIV. Tybi norddentsohen Kflstengebiete. 76$|
am Stadthaus zu Antwerpen sich wiederholendes if otiy. Mitten
durch den Bau ftthrt die Hauptstrasse, die deshalb sich mit einem
mächtigen, etwas vortretenden Bogenportal als Durchgang charak-
terisirt Dieser wird wirksam durch einen mit dem Hauptgeschoss
in Verbindung stehenden Balkon abgeschlossen. Ein reich mit
Wappen und Figuren geschmflckter Dachgiebel markirt auch
nach oben die Mitte der Fafade; darüber ragt aus dem rings
abgewalmten hohen Dach ein in Holz construirter viereckiger
Thurm auf, nach oben mit achteckigem Aufsatz und darflber
meder mit einem Glockenstuhl und schlanker Laterne bekrönt
Von den Galerieen des Thurmes geniesst man einen prächtigen
Blick über die weitgestreckten Marschlande und die Meeresbucht
des Dollart Der ganze ansehnliche Bau ist an der Fa^ade in
Quadern, an der Bttckseite in Backstein aufgeführt; nur die obere
Galerie, sowie der Uhr- und Glockenthurm sind in Holz con-
struirt Die feinen Ornamente und Skulpturen am mittleren
Dachgiebel zeugen von einer geschickten Hand. Auch hier spielen
die schmiedeeisernen Blumen als Krönungen eine RoUe.
Der Eingang zum oberen Gesohoss liegt in dem kleinen zier-
lichen Portal neben dem grossen Thorwege. Es hat eine kräftig
geschnitzte Thttr und einen Löwenkopf als Thttrklopfer. Die
Treppe zeigt Netzgewölbe ohne Bippen, aber getheilt durch Quer-
bögen, welche auf hübschen Senaissanceconsolen ruhen. Diesel,
so wie die Gurte und das Geländer schimmern von Gold und
Farben. In den Ecken des Treppenhauses ist zweimal auf einer
elegant durchgebildeten Gonsole ein Schränkchen mit Glasthür
als Lichtständer angebracht Der obere Yorsaal ist jetzt weiss
getüncht und hat nur einige alte Gemälde mit kräftig geschnitzten
Bahmen und einen zierlichen Messingleuchter als Ausschmückung.
Die Balken der rohen Bretterdecke ruhen auf hübsch dekorirten
Gonsolen. In dem anstossenden Vorzimmer sieht man einen fein
geschnitzten Schrank aus jener Zeit Der Sitzungssaal ist ganz
modemisirt, das Innere überhaupt nicht mehr von Bedeutung.
Sehenswerth sind aber mehrere ausgezeichnete silberne Bemds-
sancegefftsse : eine Fruchtschaale, Waschschüssel und Kanne, drei
prachtvolle Pokale und ein als Schiff gestalteter Becher. Eine
zuerst steinerne, dann hölzerne Wendeltreppe führt in das zweite
Geschoss, dessen ganzer Baum durch eine grosse Sammlung
alter, zum Theil künstlerisch werthvoller Waffen ausgefüllt mrd.
Ein gediegener Bau derselben Zeit ist die Brücke, welche
in der Axe des Bathhauses über den Fluss führt, mit fünf Bögen
in Backstein errichtet, aber mit reichem Sandsteinschmuck von
Wappen, Fruchtschnüren und Masken dekoiirt Auch die Neue
Kagler, OMOh. d. Baukvoat. V. 49
770 HL BueL Die lUaftlanBoa in DenttdÜMid.
Kirehe ist ein Bau denelbea Zeitj ebeaUÜB aus Baokrtaiii, die
GliedenmgeiL in Sandstdn, namentlich die hohen Bundbc^ien-
feaster^ welche gothisirendes Maasswerk zeigen. D^ Bau iat in
Erenzfonn angelegt, mit hohen einfachen Giebeln, alles ziemlich
nttchtenu
Ein merkwürdiges Benaissancewerk besitzt die an sich sehr
unbedeutende Grosse Kirche St Cosmas und Damianus.^) Es
ist das Denkmal des 1540 gestorbenen Grafen Enno 11 von Ost-
frieslandy 1548 — jedenfalls von Niederländischen Ettnstlttii —
ausgeführt Die Marmorfigur des YerstorbeDcn, auf dem Sarko-
phag liegend, ist schon sehr modern und wohl stark restaurirt;
aber überaus originell zdgt sieh die Einfassiuig der Kapelle,
läegante dorische Säulen wechseln mit phantastischen Hermen,
welche LöwenkSpfe haben, und deren Fflsse wie aus Futteralen
henrorragen: Formen, die in der franzdsisdien und niederlän-
dischen Renaissance öfter Torkonmien. Dazwischen sind kleinere
Theilungen durch Hermen und Karyatiden, abwechselnd mit den
elegantesten ionischen Säulchen hergestellt Die Postamente der
grossen Säulen und Hermen sind mit Trauergestalten dekorirt
Endlich sieht man oben in den ftnf Bogenfeldem und den Friesen
die ganze Leichenbestattung, die Zflge der Trauernden mit der
Bahre, den Leichenwagen und das Gefolge der Leidtragenden
in trefflich ausgeführten Belieb. Es ist als ob man die Be-
schreibung eines jener prunkvollen fürstlichen Begräbnisse der
Zeit lebendig werden säh& In der Mitte baut sich sodann auf
Pilastem ein Baldachin mit Tempelgiebeln auf. Nach innen sind
statt der Karyatiden nur ionische Säulenreihen in eleganter Canne-
lirung dem Bau vorgesetzt Der obere Baldachin stützt sich hier
auf zwei wachthaltende Krieger. Das Ganze trägt durchaus das
Gepräge französisch -niederländischer Kunst
Etwas weniger ausgiebig ist Oldenburg; doch bieten die
älteren Theile des Schlosses, am nordöstlichen Sockel mit 1607
bezeichnet, einen wenn auch nicht bedeutenden Best dieser Zeit,
welcher sich indess immerhin charaktervoll von den späteren
kasemenartigen Zusätzen unterscheidet Es sind zwei Stockwerke,
denen in der Mitte ein drittes Geschoss aufgesetzt ist Die breiten
dreüheiligen Fenster, mit gebrochenen Giebeln geschlossen, haben
eine Einfassung von Hennen und barockgeschweiften Rahmen.
0 AuMerdem eine MesBingplatte des Priesters Hermann Wessel aus
Rostock (t 1500) ein edles spfitgothlsches Werk, mit feinen gravirten Dar^
Btennngen, in der Mitte die grosse Gestalt Christi, rings von kleinen
Heiligenfigaren nmgelben.
Kap. XIV. Die norddeatsoheii KttateBgebfete. 771
Die Eeken des (^ebäades zeigen reich ornameBtirte Quader, den
oberen Abschluss bildet eine Balustrade, darflber ein wohl sp&ter
umgestaltetes Mansardendach, endlich ein Thurm mit kuppel-
artiger Spitze. Das Ganze nicht rein und nicht ausgezeichnet,
aber doch wirksam (bis auf die späte nttchteme grosse Pilaster-
Stellung in der Mitte). Alle diese Bauten haben doch etwas .
indi?iduell Lebensvolles, daher der firische anziehende Eindruck.
Der Bau wurde ^) durch Graf Anton Gftnther, der 1603 im Alter
Yon 23 Jahren zur Regierung kam, neu aufgeführt, als er 1606
von einer Beise nach dem kaiserlichen Hof zu Prag und Ton dort
durch Oesterreich und Oberitalien zurückkehrte und das alte
Schloss zu schlecht fand. Architekten waren ein Italiener Andrea
Speza de BaniOj der aber während des Baues davonlief, und ein
herzoglich meklenburgischer Baumeister Georg RemhardL Vollen-
det wurde der Bau 1616 und erhielt wegen der ,, vielen bequemen
mit künstlichen Gemälden verzierten Gemächer*" den Beifall der
Zeitgenossen. Im Archiv zu Oldenburg befindet sich eine Er-
klärung der „sinnreichen Embleme und allegorischen Figuren im
grossen Saale. ^ Von den Tugenden heisst es z. B.: ,,die Jungfer
auf der rechten Seite giesst aus einer Giesskanne in ein Becken :
also soll auch ein Fürst, dem Gott der Herr die Mittel gegeben,
Geld und Gut nicht schonen, sondern freiwillig dahingehen ....
Die gehamischte Jungfer mit dem blossen Sehwerdt und einer
brennenden Laterne, hinter sich eine Gans und auf dem Kopfe
einen Kranich, zeigt an, wenn gleich Hannibal ante portas und
itzt auf dem Kapitolio in Ihre hochgräfl. Gnaden Saal Mahlzeit
halten wollte, so sollen doch L Gn. stets munter und in Bereitr
Schaft gefunden werden.^ Von diesem Saale ist keine Spur
mehr vorhanden, und selbst in den Grundrissen bei Thura^) lässt
er sich nicht mehr nachweisen.
Derselben Zeit gehört des Bathhaus an, welches die Jahr-
zahl 1635 trägt Es ist ein bescheidener Bau, der jedoch in den
drei hohen Barockgiebeln der Fa$ade und den Seitengiebeln
sowie dem etwas kleinlich behandelten Portal, das mit Figuren
und einem vergoldeten und bemalten Wappen verziert ist, sich
anziehend wirksam darstellt Prächtig sind die phantastischen
Wasserspeier mit ihren Drachenleibem.
Den Beschluss möge eins der merkwürdigsten Denkmale
bilden, welche die deutsche Benaissance hervorgebracht hat, das
<} Das Gesohiobtl. m WinQkehnaan's Oldenb. Chronik. — >) Danske.
Vitruvius H, Taf. 158—160.
49«
772 ni Buch. Renaissance in Dentschland.
Grabmal des 1511 gestorbenen Edo Wiemken, von seiner Tochter
Maria 1561 bis 1564 in der Kirche zu Jever errichtet (Fig. 210).
Es war der letzte Häuptling der drei friesischen Landschaften,
welche den ersten gleichnamigen Herrn dieses Geschlechts um
die Mitte des 14. Jahrhunderts frei zu ihrem Herrscher gewählt
hatten. Das Denkmal, lange Zeit verwahrlost, sodann 1825 mit
Sorgfalt durch 0. Lasius wieder hergestellt,^) besteht in seinem
Kern aus einem mit feinen Arabesken geschmückten marmor-
nen Sarkophag, auf welchem der Verstorbene in voller Bttstung
mit gefalteten Händen liegend dargestellt ist Zu Häupten und
zu Fflssen stehen weibliche Figuren mit Schildern, deren eines
das Jever'sche Wappen, das andere die Inschrift trägt Das
Ganze erhebt sich auf einem sarkophagartigen hohen Unterbau
von Marmor, dessen schwarzmarmorne Deckplatte von sechs
Statuen christlicher Tugenden gestützt wird, vier davon neuer-
dihgs ergänzt Sechs weinende Eindergestalten mit umgekehrten
Fackeln sind zwischen ihnen etwas weiter rückwärts aufgestellt
Den untern Sarkophag schmückt ein Alabasterfries mit Dar-
stellungen aus dem Leben Christi, weiter unterhalb ein zweiter
Fries mit Scenen aus dem alten Testamente. Endlich sind auf
den unteren Marmorstufen sechs liegende kleine Löwen ange-
bracht Dies prachtvolle Denkmal wird nun von einem in Eichen-
holz luftig aufgeführten achteckigen Kuppelbau eingeschlossen,
der im (%ore der Kirche eine selbständige Grabkapelle bildet
Das untere Geschoss umgeben acht tiefe Bögen in Form von
cassettirten Tonnengewölben, welche aussen auf kurzen gegürteten
korinthischen Säulen, innen auf Pfeilern mit angelehnten Atlanten
ruhen. Durchbrochene Balustraden, die äusseren von zierlichen
Docken, die innem von Karyatiden gebildet, schliessen den Baum
ab. Durch die weiten Bögen ist der Blick auf das Denkmal von
allen Seiten frei gegeben, lieber den inneren Pfeilern steigen
acht weitere Stützen als oberes Geschoss auf, das wieder mit
acht weiten Bögen sich öffiiet und als Decke ein prachtvolles
Stemgewölbe hat, mit Laubwerk in Schnitzarbeit geschmückt
Wie ein luftiger. Baldachin, an den Ecken von Atlanten und
Karyatiden eingefasst und mit reichem Gonsolengesims abge^
schlössen, krönt es den ganzen Bau. An den vier Hanptseiten
trägt es barocke Giebelaufsätze, am vorderen das BQd des Ge-
*) Die Zeichnung rührt von einer Aufnahme des Hern Sonnekes in
Jever, mir durch Güte des Herrn Oberbandirektor Lasins in Oldenburg
sammt ausführlicher Beschreibung mitgetheilt.
Kap. XIV. Die norddentadwi EtUtengelitot«. 773.
kreuzigten, darflber Gottvater und die Taabe des h. Geistes, an
dea drei andern Hosea, Petrui und Faitlus. lat dies Alles aus
chriitHoher Amchaunn^ ^cböpft, so sind dagegen die Eck-
Flf. no. Jevar. Oiibmiü.
figoren am Baldaahin als Mereuriaa, Venus, Jupiter, Hlnerva,
SatnmQB, Fortitndo', Mars und Luna bezeiofanet Ni<^ niiitder
wunderilch werden die Eckfiguren des untenj GeaohoBses —
774 Ol' Buch. ReMtaaBee in Deutsdilftiid.
ebenfalls abwechselnd niSnnliehe und weiMiehe — als ffiietorika^
David, Dialektika, Salomon, Musika, Josias (?), Memoriii und
Saal bezeichnet. Sftmmtliclie Figuren und Säulen sind in weisser
Farbe gehalten. Die ArchitraVe ttber diesen Figuren zeigen Friese
mit Reliefs von höchst merkwürdigem Inhalt Sie beginnen wie
an dem Grabmal zu Emden mit der« Daxstellung des Leichen-
zuges, wobei unter dem Sarge der treue Hund als Leidtragender
mit geht ; dann kommen phantastische Zflge yon Kriegern, Faunen
und Satyrn, Kämpfe von Kittern, endlich allerlei Phantastisches,
Ungeheuer, Fratzen und dergleichen. Ausserdem sind sämmtliche
Deckenfelder der Wölbungen in ihren Gassetten mit Schnitz-
werken geschmückt, die einen unerschöpflich^i Beichthum von
Erfindung zeigen. Das ganze Werk, wohl sicher von Nieder-
ländern ausgeführt, ist eins der prachtvollsten und originellsten
seiner Zeit
Von ähnlichem Beichthum ist die gesohnitzte Holzdecke, welche
den Saal des Schlosses zu Jever sohmü6kt: ein weiterer Be-
weis, das» auch an diesen fernen Gestaden die Prachtliebe jener
Zeit nach künstlerischem Ausdruck verlangte.
XV. Kapjtel.
Obersaehsen«
In den obersächsischen Landen tritt uns die Benaissance
frühzeitig mit bedeutenden Schöpfungen entgegen. Und zwar ist
es hier fast ausschliesslich das Fürstenthum, welches dieselbe
fördert und einführt, während, was die grösserem Städte wie
Leipzig, Dresden, Altenburg, Halle, Erfurt an bürgerlichen Bauten
aufzuweisen haben, daneben von geringerem Belang ist Das
sächsische Kurhaus, an der Spitze der reformatorischen Bewegung,
war auch für die Entfaltung des gesammten Kulturlebens, nament-
lich der Bau- und Bildkunst von eingreifender Bedeutung. Was
die Höfe von Stuttgart und Heidelberg für Süddeutschland waren,
das wurde in noch höherem Maasse der sächsische Hof für Nord-
deutschland* Zwar waren bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts
die Kurfürsten in erster Linie durch die reformatorische Thätig-
keit in Anspruch genommen, aber ein reger Eifer fürj Erneuerung
KAp. XV. Otencbflen. 77$
im foUgiteeii Lebens und Pflege der WiMenseliaft ging bei
sett Flbstenbause mit einem höbeien Ennstainn Himd in Hand.
Wie die flAcbeiecken Ffiraten seit Friedrieb dem Weisen die nam-
baltesten Mdster DentseUands mit Anftrftgen betranten, wie ein
Dttrer, Cranacb, Peter nnd Hermann Yisober n. a. flbr sie be-
sdiftfügt waren, ist bekannt Die Denkmftler der Sobloeskirehe
in Wittenberg, Dflrers Marter der Zehntaasend, zahbretcbe GemAlde
CSranaehs geben davon Zeagniss. Weniger bat man bisher ihre
Baoten ins Ange gefassi leh kann hier nnr das Wieht^iste
berthren. Ein so gewaltiges Fttrstensehloss wie die Albrechts-
bmg^ in Meissen, ron dem Stifter der Albertinisehen Linie 1471
bis 1483 dnreh den westfillisehen Meister j4moU BestQrUng noeh
gau in goihischen Formen, aber in mftohtigster Baumentwioklnng
erbaut, hat das Mittelalter in Dentsdiland nirgends, nur etwa
mit Ausnahme der Marienburg, henrorgebraoht. In der Zeit der
Frflhrenaissanee stdit Johann Friedrieh der Orossmflfhige das
Sehless su Torgau seit 1532 als ein ebenbflrtiges Werk von nieht
minder grossartiger Anlage hin. Kurfürst Morits bewirkt dann
seit 1547 den ehemals prachtvollen Neubau des Sohlosses zu
Dresden, naehdem schon Georg der Bftrtige 1530 das elegante
Zierstttck des Georgenbaues errichtet hatte. Aber sehen vorher
war die Benaissance hier eingeführt worden, und swar durch
einen Augsburger Meister Adolph Dowher^ welcher 1519 den Haupt-
altar der Stadikirche zu Annaberg aus Solenhofer Kalkstein
auf einem Grunde von rothem Marmor arbeiteta ^ Aus derselben
Frfihzeit (1522) datirt ebendort die Thür der Sakristei, wahr*
scheinlich das Werk eines einheimischen Meisters, in einem Ge-
misch von gothigchen und Benaissanceformen ausgefnhrt') Den
neuen Stil soll auch ein Portal an der Burg Stolpen vom Jahre
1520 zeigen.*) — Die höchste Steigerung gewinnt aber auch hier
das künstlerische Leben, nachdem die Kämpfe um Beligionsfreiheit
zürn Abschluss gebracht sind und der kraftvolle, kluge, bei aUem
lutherischen Starrsinn kunstliebende und kulturfördemde Kurfürst
August in langer friedlicher Begierung (1553 bis 1586) Aber dem
Lande waltet Unter ihm wird das Scbloss zu Dresden vollendet
und prachtvoll ausgestattet
Die sächsischen Baumeister wmdeten seit 1530 den Benais«
sancestil an und erlangten bald weithin in Norddeutschland
0 VergL Waagen, Kunstw. nnd KtinstL in Dentschland I, 38 ff. —
*) Ebenda, 8. 86 fg. — *) Dr. Jnlitts Sehnddt im AreUv ftlr SSehs. Gesch.
XI, S. 167.
776 in. Buch. Benainaiiee in I)eiit8ohUmd.
solchen Buf, dass sie von Fürsten und Stftdten in schwierigem
Fällen um Bath gefragt wurden. So in Görlitz beim Bau des
Bathhauses, wo man im Jahr 1519 den herzoglich sächsischen
Baumeister von Dresden zur Entscheidung ttber eine angebliche
Fahrlässigkeit des ausführenden Meisters berief (vgl. oben S. 696).
Von Berlin wurden ebenfalls sächsische Meister wiederholt be-
rufen, und die Arbeiten des Caspar Theiss am Schlosse dort
legen die Vermuthung nah, dass derselbe an den Bauten in
Dresden und Torgau seine Ausbildung erhalten. Wenigstens sind
die runden, an den Ecken ausgekragten Erker, die offenen Gale-
rieen, selbst die Ornamente in ihrer Zeichnung und Ausführung
offenbar auf die sächsischen Vorbilder zurückzuführen. Später
(1585) schickt Kurfürst August seinen Maurermeister Peier Kummer
behufs des Schlossbaues dorthin (oben S. 708); 1604 werden
Maurer aus Meissen verschrieben, und um dieselbe Zeit baut
Balthasar Benzelt aus Dresden das Haus der Herzogin im Schlosse
(vgl S. 709). Ebenso haben wir erfahren, (S. 730), dass Johann
Albrecht I von Meklenburg 1554 vergeblich vom Kurfürsten August
seinen Baumeister Caspar Voigt erbat, der damals mit dem Festnngs-
bau von Dresden und den Fundamenten zur Pleissenburg be-
schäftigt war.
Italienische Künstler wurden schon früher, unter Kurfürst
Moritz, ins Land gerufen; aber es ist doch bezeichnend, dass
ein deutscher Meister Hans Dehn der Roihfclser die Obwleitung
des Schlossbaues zu Dresden in Händen hat, während unter ihm
welsche Estrichschläger, Steinmetzen, Maurer und Maler thätig
sind. In der späteren Zeit zog nun Kurfürst August fremde
Künstler in's Land, darunter namentlich Giav. Maria Nassem aus
Lugano (geb. 1544), der 1575 als kurfürstlicher Bildhauer und
Maler angestellt wird und bis zu seinem Tode 1620 grosse Ar-
beiten ausführt^) Schon vorher (1563) hatte der Kurfürst nach
Bissen der „welschen Musici und Maler** Gabriel und Benedict de
Tola aus Brescia, welche bei Ausschmückung des Schlosses in
Dresden beschäftigt waren, das prachtvolle Monument seines
Bruders Moritz für den Dom in Freiberg ausfuhren lassen. Ein
niederländischer Meister Anton von Seroen hatte es in Antwerpen
gearbeitet Die zehn Greifen, welche die obere Platte mit der
Statue des knieenden Fürsten tragen, mussten in Lübeck ger
gössen werden, da die marmornen Greifen nicht genügend waren
die Last zu tragen. Wolf Hilger in Freiberg goss das Krucifix,
*) VergL über Dies und das Folgende den werthvoUen Aufsatz von
Dr. Julius Schmidt im Archiv für Sachs. Gesch. XI. Hefl; 1 u. 2.
Kap. XV. ObenaohBon. 777
TOT wdehem der Betende kniet Eine ,,feine, kurze j tapfere
Grabsehrift^ zn bekommen, hielt besonders schwer, da Melanoh-
fhon, Ton dem der Kurfürst eine solche wünschte, darüber ge*
storben war. Nun beschloss der Kurfürst, den Chor des Domes
zu einer Grabkapelle der Fürsten seines Hauses gl&nzend umzu-
gestalten. Nosseni entwirft 1585 den ersten Plan zu diesem
grossartigen Werke, das die Formen der italienischen Hoch-
renaissance hier zum ersten Mal zur Geltung bringt Um das
Material für die Bauten herbeizuschaffen, muss der Künstler
überall im Lande nach Steinbrüchen yon Marmor, Alabaster, Gyps
und Kalk suchen; schon früher hatte der Kurfürst, stets eifrig
bemüht neue Erwerbsquellen seinem Lande zu erschliessen, unter
Zusicherung einer besonderen „Ergötzlichkeit^, zum Auffinden sol*
eher Steinlager seine Baumeister angefeuert. Zur Ausschmückung
seiner Schlösser berief er den Maler und Bildschnitzer Hans Schröer
aus Lüttich (dem Namen nach eher ein Niederdeutscher als ein
Niederlftnder), den er beim Landgrafen Wilhelm von Hessen in
Cassel kennen gelernt hatte. Dieser malte u. A. für das Schloss
Freudenstein bei Freiberg achtzehn Bilder aus der Geschichte
des Amadis von Gallien. Auch im Schloss zu Dresden war er
1575 beschäftigt Er wird als ein Künstler bezeichnet, der im
Malen, Giessen und „in der weissen Arbeit, so man Stuck nennt ^
erfahren sei. Den im Festungsbau gepriesenen Grafen Rochus
Ij^tOTj einen Italiener, der später in Brandenburgische Dienste
trat (siehe oben S. 708) berief August schon 1570, um durch ihn
Dresden befestigen und die Schlösser Annaberg, den Freuden-
stein bei Freiberg und die Augustusburg oben im Erzgebirge
erbauen zu lassen. Die Kunstkammer in Dresden war damals
schon wegen ihres Reichthums an Meisterwerken aller Art die
Bewunderung der Zeitgenossen.
Der baulustige Cihristian I (1586 bis 1591) setzt die von
seinem Vater angefangenen Unternehmungen nicht minder eifrig
fort. Nosseni reist 1588 nach Italien, gewinnt dort, durch Ver-
mittlung des Giovanni da Bologna, für die Bronzewerke des Frei-
berger Grabdenkmals den florentiner Erzgiesser Carlo de Cesare
und beruft noch andere welsche Künstler, versäumt auch nicht
in Murano 600 venezianische Kristallgläser für den Kurfürsten
zu kaufen. Während in Freiberg an der Grabkapelle fortgebaut
wird, beginnt man in Dresden auf der grossen Jungfembastei
an der Elbe ein Lusthaus zu errichten, wie es damals an allen
Höfen als Schauplatz für die prunkvollen Feste beliebt war. Der
Bau, an der herrlichen Stelle des jetzigen Belvedere gelegen, wo
die Aussicht über den Strom und die mit Wein bekränzten und
778 ni. Buch. BflBAiBttnce in Deutschland.
mit yülen übersäeten Htlgelzttge sich in yoller Lieblidikeit Mfhet,
wurde nach langer Unterbreehung erst t617 yon Nosseni wieder
aufgenommen und durch seinen Nachfolger Sebastian WaUker
▼ollendet Mit seinen vier ionischen Marmorportalen und den in
Alabaster, Marmor und Serpentin getäfelten Wftnden, den zahl-
rdchen Büsten, den von vergoldeten Blumengewinden eingerahm-
ten Freskogemälden der Decke war ar ein Wunderwerk der Zeit
Der Blitz, der 1747 in das unbegreif lieher Weise unter ihm an-
gebrachte Feuerwerklaboratorium schlug, zerstörte den reiohen
Bau. Die Grabkapelle in Freiberg wird 1593 vollendet und dem
ehrgeizigen Italiener gestattet, sein Verdienst um diese in einer
Marmorinschrift zu rühmen. Der Aufwand fflr den ganzen Bau
hatte sich auf 51,000 Meissner Gulden belaufen. Neben alledem
wird Nosseni vielfach nicht bloss vom Kurfürsten, sondern aueh
von den befreundeten Höfen veranlasst, fttr die glänzenden Fest-
liohkeiten die Dekorationen zu entwerfen und die ktbistlerisehen
Ideen anzugeben. So bürgert sich hauptsächlich dureh seine
Wirksamkeit die Benaissance naeh allen Seiten ein«
T4»rgaiL
Die Stadt Torgau, berühmt durch das 1526 hier geschlossene
Bündniss und die 1530 hier abgefassten Torgauer Artikel, die
Grundlage der Augsburgischen Confession, war im 14. Jahrhundert
die fiesidenz der Markgrafen von Meissen. Seit 1481 erbaute
Herzog Albrecht das steil über der Elbe aufragende Sehloss
Hartenfels, dessen älteste Theile noch aus dieser Zeit stammen.
Die Vollendung des ansehnlichen Werkes erfolgte dann unter
Johann Friedrich dem Grossmüthigen, mit dessen Begierungs-
antritt (1532) wir inschriftlich dort neue Bauthätigkeit nachweisen
können. Nächst der Plassenburg ist das Sohloss zu Torgau das
gewaltigste Denkmal der Benaissance in Deutschland. Auf einem
erhöhten steil abfallenden Hügel an der Elbe erhebt es sich und
kehrt seinen südöstlichen Hauptbau (H in Fig. 211) mit weit
vorspringendem thurmartigem Erker F dem Flusse zu. ^) Der Bau,
jetzt als Kaserne benutzt und dadurch vielen Umgestaltungen und
modernen Zusätzen anheimgefallen, ist eine unregelmässige An-
lage, deren Kern noch dem Ausgang des MitteliJters angehört
Johann Friedrich der Grossmüthige, der hier 1503 geboren wurde,
0 Der Orandriss ist mir auf gütige Vermittlang des Herrn Ferd. v. Quast
durch die K. Commandantor der Festung Torgan mitgetheüt worden.
Kapi XV. Oberaachsen,
779
hat das SehlosB in grossartigem Siime vollendet nnd darauB eins
der rdchsten Werke unserer FrtQurenaissance geschaffen. Der
Zugang liegt an der Westseite in der rechten Bcke des Flügels A.
Flg. 911. SeUoM an TorgM. QmiidrlM dei I. Stoeks.
Nach anssen zeigt der Bau hier kräftig barocke Giebel vom
Schluss der Renaissancezeii Derselben Epoche gehört . das in
derber Bostika durchgeführte Hauptportal, über welchem zwei
780 ni. Buch. BenaisBänce in Deutschland.
Löwen das praditvoU aasgefDhrte kurs&ehglsohe Wappen halten.
Aach der Hauptthurm hat seine Bekrönnng in derselben Spfttzeit
empfangen. Tritt man ein, so befindet man sich in jeinem un-
regelmässigen Hofe, dessen grösste Länge gegen 240 Fuss be-
trägt Die ältesten Theile liegen in dem südwestlichen Flttgel
zur Rechten des Eintretenden bei E, während an der anderen
Seite der übereck gestellte Thurm B, der ungeschickt in die
späteren Bauten hineingreift, den AbscUuss dieser ältesten Theile
bezeichnet Der.yon zwei Treppenthürmen flankirte südliche
Theil L scheint auch zeitlich die Fortsetzung der früheren An-
lage zu sein. An ihn stösst in der südöstlichen Ecke d^r Haupt-
thurm des Schlosses, an diesen aber legt sich der grosse östliche
Flügel H mit seinem gewaltigen Treppenhause G, dem praoht-
Tollsten, welches die Benaissance in Deutschland heryorgebracht
hat Zwei Freitreppen mit besonderer Yerdachung fbhren zum
Hauptgeschoss empor und münden dort auf eine freie Altane,
welche sich über dem viereckigen Unterbau um das halbrunde
Treppenhaus herumzieht (vergL Fig. 212). Diese Treppe selbst
ist in den grössten Dimensionen als Wendelstiege um eine Spindel
emporgeftthrt Das ganze Innere des Flügels scheint im Haupt-
geschoss nur einen einzigen Saal Ton circa 200, Fuss Länge bei
38 Fuss Breite gebildet zu haben. Auf beiden * äusseren Ecken
sind halbrunde Erker mit freiem Blick über den Fluss und die
weite Flachlandschaft angebracht In der Mitte springt thiirm-
artig bei F ein grosser Pavillon vor. Im zweiten Stockwerk zieht
sich auf gewölbter Auskragung (vergl. Fig. 212) eine Galerie
im Innern des Hofes vor diesem Haifptflügel hin, die Verbindung
mit den anstossenden Bauten vermittelnd. ^ Am Hauptthurm da-
gegen ist in beiden Obergeschossen die Verbindung durch eine
auf Säulen ruhende Galerie bewerkstelligt, die im zweiten Stock
ihre Fortsetzung am Flügel L bis zum benachbarten Treppen^
hause in einer offenen Galerie findet Fast im rechten Winkel
stösst sodann der nördliche Flügel an, mit dem Hauptbau durch
eine im Halbkreis geführte kleine Galerie verbunden. Nach Aussen
wird dieser Flügel durch die beiden grossen Bundthürme E und
D, nach innen gegen den Hof durch den prachtvollen auf S. 159
abgebildeten Erker J charakterisirt Der östliche Theil dieses
Flügels ist übrigens völlig bdeutungslos, der westliche aber ent-
hält ilie Schlosskapelle C, die gegen den Hof durch ein reich
dekorirtes Portal zugänglich ist Die früheste Jahreszahl 1532,
0 Die Abbildung des HofbB nach einer Photographie von Palmiö in
Torgan. . ^
Kmp. XY. Obenaoluen. 781
die ich am SoblosBe bemerkt habe, findet sich an dem OMlichen
HauptäOgel H und zwar Bildlich am zweiten Fenster des £rd-
gest^OBses. Der Scfaluasstein der grosaen Treppe enthält neben
Flg. 111. SchloMtior IB Torgw.
den Bniatbildern des ftrstliohen Erbauers und seiner Gemahlin
die Jahrzahl 1536. An dem prächtigen Erker des Nordflfigels
liest man 1544, und dieselbe JafarzabI trägt die Thflr der Kapelle.
Demnach sind diese Theile des SoblosBes von circa 1532 bis 1544
782 ni Buch. Die Benaissanoe in Dentsclilaiid.
ansgeftthrt worden. Zwei Jahre vor der unseligen Schlacht bei
Mühlberg yoUendete der edle Fürst sein Werk durch die schöne
Einweihungstafel in der Kapelle.
Der Grossartigkeit des Baues entspricht der Beichthnm des
plastischen Schmucks. Auch darin ist er nur mit der Plassen-
burg zu yergleichen, die er jedoch durch Feinheit der Ausbildung
weit übertrifii Am einfachsten sind die älteren südwestlichen
Theile. Sie haben gekuppelte Fenster mit spätgothischen Yorhang-
bögen, die auch in ihrer Oliederung noch mittelalterlich sind.
An den beiden Hauptflügeln, dem östlichen und nördlichen, haben
die Fenster zwar cUeselbe Form, aber weit grössere Yerhftltnisse
und sind in den Bogenzwickeln mit feinen Renaissance- Ornamen-
ten, Laubwerk, Festons, Delphinen und Putten schmückt Von
grösster Zierlichkeit sind die Sftulengalerien am Eckthurm, mit
Fürstenbildnissen und anderem Ornament überdeckt Noch grösser
aber ist die Pracht an dem östlichen Hauptflttgel, wo die Frei-
treppen, die Altane und das thurmartig vorragende mit gebogenem
Giebel abgeschlossene Treppenhaus an ihren Balustraden, Pi-
lästern und Gesimsen mit einer Ornamentik von unftbertroffenem
Reichthum prangen, die auch an der langen Galerie des zweiten
Geschosses durchgeführt ist Mit dem grossen Beichthum yer-
bindet sich ein seltener Geschmack in Feinheit der Abstufung, bei
einer durchweg im Flachrelief ausgeführten Zeichnung, welche
Vegetatives und Figürliches zu trefflicher Wirkung verbindet
Prächtig sind die Wappen behandelt, lebensvoll die Medaillons
mit fürstlichen Brustbildern. Das (Gewölbe der grossen Wendel-
treppe zeigt verschlungene gothische Netzgewölbe und mündet
mit dem ersten Podest auf einen elegant dekorirten Bogen und
sodann auf ein Portal mit Säulen und Ornamenten in demselben
Frührenaissancestil. Dies war der Eingang in den grossen Fest-
saaL An der Treppe ist nicht blos die Spindel, sondern jede
Stufe an der Unterseite mit Hohlkehlen und Bundstäben in mittel-
alterlicher Weise kraftvoll gegliedert Die Spindel endet mit
einem fein dekorirten Bundpfeiler, und das Treppenhaus schliesst
mit einem Netzgewölbe, dessen Schlussstein die Brustbilder Jo-
hann Friedrichs und seiner Gemahlin zeigt
Kehren wir zum Aeusseren zurück, so finden wir selbst die
Unterseite der langen Galerie mit schräg gekreuzten Eassettirungen
und mannigfaltigen Bosetten geschmückt Die höchste Pracht und
Feinheit erreicht die Dekoration an dem Erker des Nordflttgels
(vergl. Fig. 29). Die Säule, auf welcher er ruht, hat am Kapital
Sirenen von köstlicher Bewegung; ausserdem sieht man Dar-
stellungen der Judith, der Lukretia, Friese mit Kampfscenen, so
E»p. XV. ObeiflAcliaen. 783
dass jede Fläehe mit Ornament ttbersponnen ist Dagegen sind
an diesem Flügel die ornamentalen Füllungen der Fenster bei
Weitem nieht so fein und mannigfaltig wie am östlichen ELaupt-
ban. Von besonderer Anmuth ist dagegen das Portal zur Sohloss-
kapelle, dessen Bogen mit fiankenwerk ausgefüllt, in welehem
q>ielende Putten in kühner fast theatralischer Bewegung die
Marterwerkzeuge halten. Darüber als besondere Tafel, von ge-
sehweiften Saulchen eingefasst, ein Relief der Grablegung und
Beweinung GhristL Dabei die Inschrift:: Im 1544 Jar. angefangen
und Torbracht.
Im Innern zeigt die Earche sich als einfaches Bechteck mit
gothischen Netzgewölben, mit eingefügten schlichten Emporen.
Der gut aufgebaute Altar hat in dnem hübschen Rahmen von
korinthischen Säulen ein Alabasterrelief aus der Schlosskirche
zu Dresden, elegant ausgeftihrt und reich vergoldet Links neben
dem Altar ist eine grosse Bronzetafel in die Wand eingelassen,
welche die Dedikation enthält Sie berichtet, dass Johann Frie-
drich 1544 diesen Tempel erbaut habe. Der Rand zeigt pracht-
volles Ornament auf Goldgrund, das oben in eine Akanthusranke
ausläuft und ein Medaillon mit dem Brustbild des Kurfürsten um-
schliesst Diesem entspricht unten das Porträt Luthers, zu beiden
Seiten die jungen Prinzen Johann Wilhelm und der später so
unglückliche Johann FriedricL Unten und oben sind ausserdem
zwei Engel als Wappeuhalter angebracht; die Brustbilder und
Figuren sämmtlich bemalt, die Ornamente auf Goldgrund, das
Ganze von hohem dekorativem Werth, inschriftlich 1545 durch
Wolf und Oswald Hilger *) zu Freiberg gegossen.
Das Aeussere des Schlosses ist schlicht durchgeführt, nur von
den beiden runden Erkern des Saalbaues hat der nordöstliche
edle Gliederung und reichen Schmuck von Brustbildern, figür-
lichen Friesen und anderem Ornament in delikatester Behandlung.
Von der inneren Ausstattung scheint, da das Schloss seit langer
Zeit als Kaserne dient. Nichts mehr vorhanden. Dass es aufs
Reichste geschmückt war und namentlich durch die Hand Ludcas
Cranachs und seiner Gehilfen prächtige malerische Ausstattung
erhalten hatte, erfahren wir aus den noch vorhandenen Rech-
nungen. >) Im Saal waren Bildnisse von Fürsten und Kaisem,
dann Christi Himmelfahrt und des Papstes Höllenfahrt gemalt
0 Von Wolf Hilger in der Petrikirche zu Wolgast das Denkmal
Herzog Philipps I von Pommern; vergl. meine Gesch. der Plast. S. 748. —
*) Aus dem Gesammtarchiv zu Weimar mitgetheilt in Sohuchardfe Leben
Lucas Cranachs I, »3 iL, UI, 265 ff.
7S4 Uh Bndi. Die "Banrimui«« in DeDtMhUnd.
Wie der Untei^iig der Bilder bei der VerwUstun^ des Schlosses
durch die Spanier selbst von katholischen Zeitgenossen betrauert
wurde, haben wir aus der Zimmerischen Chronik (oben S. 86)
er&hren. Andrer Art war freilich die Ausschmflckang der „ Spiegel-
stube", wo mau „zwo Tafeln, daruff Bulschaften gemalt* sah.
Später (seit 1576) arbeitete Gio. Bau. Jfosseni^) Ar das Sehloss
&edenztische mit allerlei Prachtgefässen aus Alabaster, gesclinitzte
Sessel mit ^schliffeaen Steinen besetet, Btlsten rCmischer Kaiser
u. dergl mehr. Von alledem ist Niebts mehr vorhanden ; dsgegm
Flg. nt. TorgtB, HauperUI.
geben am Treppenhaus einige prächtig behandelte Eisengitter
Zeugniss von gediegener Schmiedekunst.
<) YtTgl Dr. JnlinB Schmidt im Arobiv fllr SKcIib. GeKh. XI. 3. 128.
Kap. Xy. OberMchten. 785
der grttssten Pracht der Omamentik, oben im Bogenfelde Adam
und Eva unter dem Baume sitzend (Fig. 213). Daneben ein ehe-
maliges Fenster, in derselben Weise behandelt, nur statt der
Sftulen mit reich dekorirten Pilastem eingefasst, darüber in einem
Giebelfelde Eains Brudermord; 1537 bezeichnet^) In derselben
Strasse No. 469 ein kleines Portal mit httbschem Doppelwappen.
Aehnliche elegant dekorirte Portale sieht man noch an mehreren
Stellen in der Ritterstrasse, der Schlossstrasse, der Fischerstrasse,
hier z. B. von 1571, ja sogar eins von 1624. Das Portal bildet
gewöhnlich einen kleinen Bogen, mit Zahnschnitten, Eierstab und
Perlschnur wirksam gegliedert, an den Seiten mit Nischen, welche
Sitzbftnke haben und mit feiner Muschelwölbung geschlossen sind
Auch einige kleine spätgothische Portale kommen vor; wie sehr
sind ihnen aber die Renaissanceportale an Beiz überlegen!
Endlich hat Torgau auch ein Rath haus von stattlicher An-
lage mit drei hohen Giebeln, neuerdings freilich stark modemisirt
An der südwestlichen Ecke baut sich ein runder Erker aus, nach
dem Vorbilde der beiden am Saalbau des Schlosses angelegt
und aufs Reichste plastisch geschmückt Er ruht auf zwei
Pilastem, über welchen consolenartig bärtige Mftnnergestalten an-
gebracht sind. Elegant dekorirte Pilaster und Friese gliedern die
Flächen, und an den Fensterbrüstungen sieht man ganz oben
Eaiserbilder, dann Figuren von Tugenden, endlich die Brustbilder
eines Fürsten mit seiner Gemahlin, yielleicht Johann Friedrichs
des Mittleren, denn das Werk scheint um 1560 entstanden.
Dresden.
Dresden ist recht eigentlich in Norddeutschland als die Stadt
der Renaissance zu bezeichnen. Die Denkmäler des Mittelalters
können weder an Zahl noch an Werth sich mit den späteren
Schöpfungen messen. Noch im Ausgang des Mittelalters steht
Meissen bedeutend voran, durch seinen Dom und die gewaltige
Albreohtsburg ausgezeichnet Erst mit dem 16. Jahrhundert erhält
Dresden als Hauptresidenz des kurfürstlichen Hofes höhere Be-
deutung und bleibt dann Jahrhunderte lang der Sitz einer glän-
zenden Kunstthätigkeit Das Hauptwerk der Frührenaissance ist
das Königliche Schloss.'
0 IMe Abbild, naob ^er Photographie von Palmin.
K agier, Gtsoh. d. Baakiuut V. 50
7S6 in. Bncb. Die B«iuiiBUiiee In Dentochlkod.
ScihoD im Mittelalter batte weiter alldlieh von d«D jetzigen
Schlosa eine Bai^ der M&rkgrafen von Ueieaen bestanden, die in-
desa baufällig geworden war, so dasa 1494 der an dersdben er-
Ksp. XV. OberBwsiiaeii. 7g7
riditete Tliiirm rom Stormwltide niedergeworfen werden konnte.^)
Inzwischen war bereits der Grund zu einem neuen Bau gelegt
worden, weiter abwärts an A&r nordwestlichen Ecke der Altstadt
g^en den Strom zu. Die nordwestlichen Theile des vorhandenen
Schlosses enthalten die Reste jener Anlage. An sie fügte seit 1530
Herzog Georg der Bflrtige den aus der Gesammtmasse nach Norden
gegen die Elbe vorspringenden GeorgenflügeL Zwanzig Jahre später
vollzog Kurfürst Moritz den durchgreifenden Umbau, welcher dem
Schlosse seine neue Gestalt geben soUte.
Der Kern der Anlage ^ gnippirt sich um einen grossen Hof
(B in Fig. 214.) Man gelangt dahin durch den Eingang A, welcher
in der nördlichen Hauptfa^ade unter dem grossen alten Thurme
sich befindet Diese I^^ade, gegen den Fluss gewendet, machte
ursprünglich einen anderen Eindruck, als sie noch ganz mit Fresken
dekorirt war und noch nicht durch die später vorgebaute katho-
lische Kirche verdeckt wurde. In diesem Nordflflgel bei E lag die
ehemalige Schlosskapelle, deren prachtvolles Portal später an die
Sophienkirche versetzt und erst ganz kttrzlich abgetragen wurde,
um in einem Schuppen der sicheren Zerstörung anheimzufallen.
Der westliche Flflgel, an welchem in der Nordwestecke ein kräf-
tiger Erker vorspringt, umschliesst die Schätze des sogenannten
Grflnen Gewölbes. Das ganze Erdgeschoss ist mit Kreuzgewölben
auf Pfeilern versehen. Der grosse Schlosshof, ehemals mit Fresken
ganz ausgemalt, enthält jetzt nur in den vier Treppenthflrmen und
der mittleren Loggia Reste der alten Pracht Die Anordnung ist
die, dass bei F und G in den vorderen Ecken die beiden Haupt-
treppen liegen, polygen vorgebaut mit kraftvollen ionischen Pi-
lastem gegliedert, die Portale mit Hennen, und Karyatiden ein-
gerahmt, die Flächen mit eleganten Ornamenten bedeckt (vgl Fig.
215). lieber dem sehr gedrtlckten Erdgeschoss hat die Treppe
einen Austritt auf eine von eleganten Eisengittem umschlosseno
Altane. Dartiber steigt das Treppenhaus mit schlanken frei korin-
thisirenden Pilastem weiter empor, und schliesst dann in der Höhe
des Hauptgesimses mit einer zweiten Altane^ ttber welcher der
obere Aufsatz sich als Bundbau mit Kuppeldach erhebt Die
Dekoration der unteren Theile ist nicht blos von grösster Pracht,
sondern auch in der Zeichnung und Ausführung der Arabesken,
Banken, Putten und anderer Figuren voll Freiheit und Leben, die
Kapiüile mit Fttllhömem und eleganten Sphinxgestalten, der obere
>) y^l. Weeck Beschreib- und Vorstellmig von Dresden (1680).-S. 24. —
*) Die lüttheilung des Onmdrisses verdanke ich der Güte des Herrn Hof-
banraths Krttger.
60*
788 IH- Bnclu BenaiManca in Deutschland.
FridB endlich mit Reiterkämpfen voll Oeist und Schönheit An
nordöstlichen Treppenhause liest man 1549, am nordwestlichen
1550. EU sind also Theile des von KurfUrst Moritz ausgef&hrteü
Banes, als deren Architekten wir Hams Dehn dm Ro^elser kennen
l^elemt haben. Die beiden andern Treppen bei H und J sind minder
stattlich angelegt und minder reich geschmtlckt, haben aber eben-
falls an den Ecken Pilaster mit eleganter Dekoration aus derselben
Zeit Dass die Ausfährung aller dieser Werke Ton welschen Stein-
metzen herrührt, haben wir bereits erfahren. Endlich gehört dahin
di6 Bogenhalle, welche sich an der Mitte des nördlichen Flügels
über dem Eingange erhebt, im Hauptgeschoss ehemals gleichfaHe
geöihet, die Bogen unten auf dorischen Sfiulen ruhend, in den
oberen Geschossen auf ionischen und korinthischen, während im
dritten Stock feine korinthische Säulen das Dachgesims aufnehmen.
In den oberen Hallen sieht m^n noch jetzt Reste farbiger Wand-
gemälde. An der Balustrade des ersten Stockes ist die Geschichte
JoBua's in wirksamen Reliefs dargestellt, in den Bogenzwickdn
Medaillonköpfe.
Ein späteres Portal bei G führt zu einem Durchgang, der links
auf eine ebenfalls spätere Treppe D, gradeaus aber auf den klei-
neren zweiten Hof E mündet. Von hier gelangt man durch die
grosse Einfahrt L auf die Schlossstrasse, welche den östlichen
Flügel des Baues begränzi Alle diese Theile sowie die weiter
südwestlich hinzugefügten Bauten sind späteren Ursprungs und
scheinen unter Christian I entstanden. Die ältere Markgrafenburg
war, wie aus einem alten 1622 angefertigten Modell hervorgeht,
ein weit kleinerer Bau, der den grossen Thurm A auf der nord-
westlichen Ecke hatte. Von hier zog sich «in Flügel südwärts
in der Richtung von B nach dem Flügel C hin, so dass das da-
malige Schloss ungefähr die Hälfte des jetzigen grossen Hofes ein-
nahm, i) Kurfürst Moritz verfuhr, als er 1547 zur Regierung kam,
mit diesem Bau grade so, wie Franz I um dieselbe Zeit es tnit
dem Louvre machte: er liess den westlichen Flügel abbrechen,
führte den nördlichen und den südlichen in westlicher Richtung
weiter fort und schloss dieselben dort rechtwinklig durch den heu-
tigen Westflttgel. In die Schlossstrasse sprang aber am östlichen
Flügel in der Gegend des Treppenhauses D ein alter runder Thurm
vor, dessen Spuren man jetzt noch auf dem Trottoir daselbst er-
kennt Er bildete damals die südöstliche Ecke des Schlosses und
findet sich noch auf dem Modell von 1622, welches den zweiten
kleineren Hof noch nicht enthält Dagegen gehört zu den älteren
0 Abbild, desselben bei Weeck Tai. 8. —
Flf, nt. Bntm. BotiloMbaf.
Kap. Xy. OberMohBon. 791
ThiBilen des SehloBses der an der nordOstÜehen Eeke gegen den
Fluss hinausgeschobene FIttgel, durch welchen noch jetzt der ganse
Verkehr aus der Schlossstrasse nach der Elbbrticke seinen Weg
nimmt. Er hat in der Mitte eine mit Kreuzgewölben versehene
Durchfahrt, an beiden Seiten Passagen für Fussgftnger, an der
inneren Stadtseite bei N im Erdgeschoss eine gewölbte Vorhalle
auf Pfeilern, die aber eui späterer Zusatz ist, da sie die reichen
Portale bis auf das zur linken und einen Theil des mittleren
Tcrdeckt hat. An dem ersteren liest man zweimal die Jahrzahl
1 530, dabei die lebendig ausgefOhrten Hedaillonportraits der Her-
zöge Georg des Bärtigen und seines Sohnes Johann. Die Orna-
mente sind hier noch sehr spielend und etwas flach gezeichnet,
aber r6ich und zierlich, die Profile der Glieder in mittelalterlicher
Weise aus Kehlen und Rundstäben zusammengesetzt Die ganze
Fafade, ehemals von der grössten Pracht,^) war mit figflrUchen
Friesen, Pilastem und Gesimsen glänzend dekorirt und mit einem
hohen Giebel abgeschlossen, auf dessen Stufen Drachen und Vo-
luten angebracht waren, während dieEcklisenen von Statuen bekrönt
wurden. In der Mitte der Fa^ade rankte sich ein doppelter ver-
schlungener Baumzweig empor, in den beiden Hauptgeschossen
die mittleren Fenster umrahmend, am Giebel dann sich vereinigend
und bis zum obersten Schlussfelde aufsteigend, wo Maria mit dem
Kinde auf ihm thronte, von Engeln umringt. Diese sowie sämmt-
liche übrige Bildwerke der Fa^de sammt zahlreichen SprOchen
entwickelten den Gedanken der Erlösung, bewegten sich also, den
klassischen Gewohnheiten der Zeit entgegen, in ausschliesslich
christlichem Ideenkreise. Bemalung und Vergoldung steigerte noch
die Pracht des Ganzen.
An der Aussenseite bei M ist das Mittelportal in derselben
spielenden Frührenaissance dekorirt, mit kandelaberartigen Säulen
eingefasst, die in ihren rundlichen Formen fast wie von Bronze
erscheinen. Alle Flächen, die Sockel, Pilaster, sind mit spielenden
Ornamenten völlig bedeckt. Am Schlussstein ist ein Todtenkopf
ausgemeisselt, über welchem die halb zerstörte Inschrift : Per invi-
diam diabgli mors intravit in orbem. Darüber sechs Wappen mit
der Jahrzahl 1534. Dies wird also die Vollendungsepoche sein.
Ehemals zog sich in der Höhe des zweiten Stockes das grosse
Relief eines Todtentanzes an der Fa^ade hin, welches später durch
den vorgebauten Balcon verdrängt, in die Mauer des Neustädter
Kirchhofs eingesetzt wurde. Es ist eine treffliche Arbeit voll Aus-
druck und Leben, etwa 3 F. hoch und gegen 40 F. lang.
0 Abbild, bei Weeck, Taf. 9.
792 ^- S^<^b- ^^ Benaiiaaae« iik Deutschland.
' Die Abbildung bei Weeck belehrt uns aber, das8 dies nieht
der einzige Schmuck der Fa^ade war. Sie hatte fiber dem Portal
einen Aufsatz mit der Reliefdarstellung yon Kains Brudermord,
zu beiden Seiten mit den Statuen Ton Adam und Eva bekrönt.
Dies im Zusammenhange mit dedi Todtentanz veranschaulicht also
den Gedanken, dass durch den Sttndenfall der Tod in die Welt
gekommen sei, während die andere Fagade mit Beziehung darauf
^e Versöhnung durch Christi Menschwerdung und Leiden aussprach.
Wer erkennt nicht in der Wahl dieser Gegenstände die Geistes-
art des edlen aber unglttcklichen Erbauers, der, obwohl von dem
Bedtlrfniss einer inneren Reform der Kirche tief durchdrungen)
doch, durch die stürmischen Bewegungen der Zeit erschreckt, sich
der Reformation abwendet, und im Zwiespalt mit seinem luthe-
risch gesinnten Volke 1539 starb! Aus dem Portal wuchs ein
stattlicher Baum mit der Schlange des Paradieses empor, und
über ihm trat ein mit fürstlichen Brustbildern und Wappen ge-
schmückter Erker in beiden oberen Geschossen heraus. Dieser
leider so schmählich verstümmelte und verdorbene Georgsbau geht
also dem von Moritz ausgettihrten Hofbau um fast zwanzig Jahre
voran, und da er selbst noch früher als der Schlossbau zu Torgau
ist, so haben wir ihn als das früheste bedeutendere Denkmal der
Renaissance in ganz Norddeutschland zu bezeichnen.
Das Portal der ehemaligen Schlosskapelle, jetzt wie gesagt
in unverantwortlicher Weise dem Verderben gewidmet, bezeichnet,
da es von 1555 datirt ist, den unter Kurfürst August bewirkten
Abschluss des von Moritz begonnenen glänzenden Werkes. Es
ist weitaus die edelste Portalcomposition der ganzen deutschen
Renaissance, in Schönheit der Verhältnisse, Klarheit der Compo-
sition, Anmuth der Ornamente und Feinheit der Gliederung den
Geist durchgebildeter Hochrenaissance verkündend. Vier cannelirte
korinthische Säulen von klassischer Form bilden die Einfassung
und tragen das stark vortretende Gebälk, an dessen Fries eine
herrliche Akanthusranke, wie nach den besten römischen Mustem
gearbeitet, sich hinzieht. Ein Gesims mit Zahnschnitt, Eierstab
und Consolen bildet den Abschluss. Darüber eine Attika mit
vier Pilastern, reich omamentirt, in den Seitenfeldem zwei Apostel*
figuren, in dem breiteren Mittcdfeld die Auferstehung Christi in
trefflichen Reliefs. Dazu kommen vier andere Heilige in eleganten
Nischen, welche zwischen den Säulen die Seitenfelder gliedern.
Von demselben Reichthum und von gleicher Schönheit ist das
Schnitzwerk der Thttr, sowohl im Ornamentalen als auch im Figür-
lichen von unübertroffenem Adel. Um so unverantwortlicher dass
man dies herrliche Werk, sicherlich eine Arbeit italienischer
KMp. XY. OberBMbBen. 793
Kflnsfleri stall es wieder an seine alte Stelle im SeUosshof zorflck-
zuversetsen, dem Untergang Preis giebt
Zusätze und Umgestaltungen von durchgreifender Art erfuhr
das Sebloss am Ende unserer Epoche. Zu diesen Arbeiten gehört
das in derber Rustika ausgeführte Hauptportal der Nordseite bei
A, mit Tier dorischen Rustikasäulen dekorirt und mit Trophäen
und Wappen reich geschmückt; das ähnlich behandelte Portal,
welches bei C in den zweiten Hof führt, femer die ganze einfach
derbe Architektur des Hofes E, mit den kräftigen Arkadengängen
an der östliehen und südlichen Seite, endlich das stattliche Haupt-
portal, welches den Eingang L nach der Schlossstrasse einfasst
und in einem mit Plattform abgeschlossenen Vorbau liegt Es ist
ein ungemein grandioses Werk, unter Christian I seit 1589 wohl
durch Nossem ausgeführt. Gekuppelte dorische Rustioasänlen
fassen den Bogen ein, in dessen Schlussstein eine trefflich ge-
arbeitete Gruppe des Pelikan, der fllr seine Jungen sich die Brost
öffiiet, nwodnroh dann die Affection eines guten Regenten gegen
seine getreue Untertfaanen angedeutet sein solL"" In den Metopen
des Frieses sind prächtige Löwenköpfe gemeisselt^)
Alle diese späteren Theile sind in einem grossartigen, aber
etwas freudlos strengen Stile behandelt. Femer gehören dieser
Spätzeit die hohen Dachgiebel, welche an einzelnen Theilen des
Baues, im grossen Haupüiofe und an der Aussenseite des West^
flügels sich finden. Ursprünglich war das Schloss, wie das Modell
im Historischen Museum und ein ebendort befindliches altes G^
mälde von Andreas Vogel beweisen, überall mit solchen Giebeln
geschmückt Dazu kam eine ToUständige Dekoration mit Fresken
an den Aussenwänden wie in den Höfen, meistens grau in grau, an
einzelnen Punkten, z. B. der obem Loggia des Hofes, in reicherer
Farbenpracht Das Erdgeschoss zeigt in der Abbildung facettirte
Quaderungen, darüber einen hohen Triglyphenfries. Die übrigen
Stockwerke werden durch breite Laubfriese getrennt, die Flächen
zwischen den Fenstern sind figürlichen DarsteUungen yorbe*
halten. Bis sur Spitze der zahlreichen hohen Giebel erstreckte
sich diese Deooration, die dem weitläufigen Bau einen Ausdruck
üppigen Reichthums verlieL*)
Die Fenster der späteren Theile sind zu zweien gruppirt und
mit Giebeln abgeschlossen, die älteren vom Bau des Kurfürsten
Moritz haben breite schräge Laibungen mit Rahmenprofil und
runden Schilden, bisweilen auch mit Kanneluren.
*) Abbild. d-Portalbanes mit der eleganten, das Ganze wirksam krönenden
KuppeLrotunde bei Weeck Taf. 11.— *) Vgl. bei Weeck die Taf. 12 n. 18.
;7S4 in. BQiÜL BienaiiMUUse in MfttschlancL
Von der diemaligen Pracht des InaerB ist faitt Ifiehto er-
halten. Nur im obersten Stock siebt man zwei Zinmier mit treffe
liehen Hblzdecken, sehön gegliedert imd gut eingetbeüt Der
Seichthom der Ausstattung, an welcher Welsche Eflnstler aller AH
betbeiligt waren, muss ausserordentlich gewesen sein. Das von
Moritz Begonnene wurde von seinen Nachfolgern mit noch grösserer
Pracht fortgeführt, so dass Nosseni in drei Jahren allein für Marmor-
arbeiten im Schloss 3881 Gulden, für solche im Lusthaus während
derselben Epoche 6540 fl. erhielt Die Gesammtkosten des Schloss-
baues wurden blos von 1548 bis 1554 auf 100,941 Meissner Gulden
berechnet^)
In Verbindung mit dem Schloss, an den östlich vorspringenden
Georgsbau anstossend, liess Christian I seit 1586 den StaUhof
erbauen, dessen Anfang auf unserer Fig. 214 bei 0 verzeichnet
ist Harn Irmisch wurde unter dem Zeugmeister Hans Büchner
mit der Bauftthrung betraut Von aussen wird das Ctobfiude durch
eine hohe kahle Mauer abgeschlossen, welche durch m&chtige
Portale im derben Spätrenaissancestil, denen des Schlosses ent-
sprechend, durchbrochen sind. Das obere Geschoss hat gekuppelte
Fenster mit Giebelkrönungen. Diese einfachen Formen erhielten
durch vollständige Bemalung der Fafaden ihre Belebung: im Erd-
geschoss facettirte Quaderungen, dazwischen Felder mit einzelnen
Kriegerfiguren; darüber ein mächtiger Fries mit Beiter- und
Wagenzttgen in der ganzen Länge des Gebäudes; endlich oben
zwischen den Fenstern wieder einzelne Gestalten. Wie beim Schloss
war also auch hier Alles auf prachtvolle malerische Ausstattung
angelegt >)
An dem vorderen Portal meldet eine Inschrift, Herzog Christian
habe den Bau „equorum stationi et militarium exercitationi'' er-
richtet Im Innern bietet das Gebäude einen schmalen lang-
gestreckten Hof, an der nordöstlichen Langseite durch zwanzig
Arkaden auf mächtigen dorischen Säulen eingefasst, ehemals offen,
jetzt bis auf den Thorweg vermauert Das Obergeschoss, welches
die Gewehrkammer* enthält, zeigt die gekuppelten Fenster mit
Giebeln wie am Äussern. Bei 0 ist eine Halle mit gothischen
Rippengewölben auf kurzen Rundpfeilem, welche ehemals, die
Verbindung mit dem Schloss vermittelte. In diesem schönen Hofe,
der ehemals nach dem Zeugniss alter Abbildungen^) aufs Reichste
bemalt war, namentlich zwischen den Fenstern die Thaten des Her-
kules enthielt, fanden die Ringelrennen statt, von welchen noch jetzt
^) Vgl den oben dtirten Anfisatz von Schmidt a. a. 0. S. 167. -« ^) Abb.
bei Weeck, Taf. 14. -^ *) Bei Weeck, Taf. 16.
Km». XY. OlmMchMi. 785
die beiden praebtToUen Bronzeskulen Zengniw ablegen. An den
PoBtamenten mit Tropbften, am untern Theil des Sebaftes mit
Arabesken, Waffen and Emblemen gescbmttokt, tragen sie anf den
eleganten korintbiscben Kapitalen ein yerkröpftes Gebälk und auf
diesem kleine Obelisken. Diese trefflich ausgeftthrten Arbeiten
sind Yon MarUn Hüger gegossen.*) An der andern Seite schliesst
sich dem Hofe eine geräumige Benüse an, dreischiffig mit schlich-
ten Kreuzgewölben auf 18 in zwei Reihen gestellten dorischen
Säulen, eine überaus grossardge Anlage. Dieser Theil des Ge-
bäudeis, der später umgebaut, im oberen Geschoss lange Zeit die
Gemäldegalerie beherbergte, zeigt an der Fa^ade noch jetzt zwei
grossartige Portale, den beiden andern sowie denen des Schlosses
entsprechend. Der ganze Bau in seiner ursprflnglichen Erscheinung
mit zahlreichen marmorgeschmflckten Sälen und Zimmern war
ein Prachtwerk, zu dessen Herstellung in fast sechs Jahren nicht
weniger als 200,000 Gulden aufgewendet worden waren.^) Man
hatte Nichts gespart, ihn von aussen wie von innen aufs Reichste
auszustatten. Nosseni bestellte für die Decoration desselben in
Modena 180 bemalte und yergoldete runde Schilder, Carlo de Cesare
gOBS 46 fttrstliche Bildnisse mit Postamenten und Wappenschildern
„für die Galerie hinter dem Stall** und 23 Bilder aus gebranntem
und glasirtem Thon.') An kostbaren Geräthen, geschnitzten Sesseln
mit eingelegten Steinen, marmornen Kredenzen, Kunstsachen aUer
Art fehlte es ebenfalls nichti so dass das Ganze ein Museum ge-
nannt werden konnte.^) Leider hat der ursprünglich so glänzende
Bau später dieselbe Verwahrlosung und Verunstaltung Aber sich
ergehen lassen müssen, die auch das Schloss jetzt so unscheinbar
macht
Der bürgerliche Privatbau in Dresden bietet grade nicht
Bedeutendes für unsre Epoche, aber immerhin doch einige an-
ziehende Werke. Das erste Stadium der Frührenaissance wird
namentlich durch einen reich decorirten Erker am Eckhaus von
Neumarkt und Frauengasse vertreten. Die runde Grundform, die
Art des Auskragens erinnert an die Erker am 6aalbau zu Torgau,
der Fries mit spielenden Putten zeigt Verwandtschaft mit dem
Georgsbau und mag von derselben Hand wie jener ausgeführt
sein. Ein ähnlicher Erker, aber in den kräftigeren Formen der
Spätzeit mit derb facettirten Quadern und einer Schlange als
Gonsole ist an einem Hause weiter abwärts in der Frauengasse.
*) Dr. J. Schmidt a. a. 0. S. 162. — >) Weeck, S. 55. — ') Dr. J. Schmidt,
a. a. 0. S. 137 u. 139. — ^ Die Abb. und Beschreib, bei Weeck S. 53 ff.
geben eine lebendige Anachaunng des vormaL ZaBtandea .
796 HL Bach. Benaüsuc« in Deatschland.
An mehreren Hfauiem der Schloaegasse and anderer StraBsen'sielrt
man hflbsche kleine Bogenportale, zu beiden Seiten UuBehehüaoben
mit Sitzen, die Archivolte kräftig and zierlich mit Zahnaehnitt,
Eieretab, Coneolen und ähnliohen Formen ges^liedert. Bezeichnend
ffir die meist schmalen aber sehr hohen Fa^aden ist die hAafige
Anwendung viereckiger Erker, flder dem Erdgeschoss anf Con-
aolen herausgebaut, mit Pilagtem deeorirt, oben mit einem ge-
BtAweiften Dach abaohliesaend, statt deseen man gpUer oft einen
offenen Balcoa angebracht hat Diese Erker, nicht selten paar-
, weise angeordnet, geben den Paeden vid
I Reiz und Leben. Ein Haas in der Wilsdraffer
' Gasse hat einen Erker mit naobgeabmter Hob-
[ webitektur; ebenso sind sSmmtliche Fenster
I deaselben mit einem barocken Kabmenwerk
r eingefasst, welches die Formen des Holzbaaes
imitirt und schon dem 17. Jahrhundert ange-
hört.*) Aus dem Anfange desaelben Jahrhun-
derts stammt das Haus Schlossgasse Ko. 19;
am Erker die angeschickt gemachten Brost-
bilder EurfSrst Christians II und seiner Oe-
mablin Hedwig von Dänemark, dabei das
sfichaische Herzogswappen, das korfOrstUche
und das dänische Wappen. Im Hansflur eine
hübsch omamentirte Thflr, welche zur Treppe
i^lhrL In derselben Strasse No 22 ein Haas,
Tig. si«. Ton dDam Portti ^^sscn tiefer schmaler Flur auf einen kleinen
n Dmden. Hof mündet, wo rechts die steinerne Treppe anf
Pfeilern angelegt ist, an der Rflckseite des Hofes Arkaden in drei Gre-
sobossen, je zwei weitgespannte Buiidbögen auf dorischer Mittelsäule.
Ein zierliches Portal der oben beschriebenen Art vom Jahr 1579 in
der Kleinen Kirchgasse, fein gegliedert and mit sinniger Inschrift:
.Einer Säule gleich bin ich,
Alle Lente husen mich,
Und klle die mich hassen,
Die mtlMen mich bleiben lassen;
Allen die mich kennen
Wünsche ich was sie mir gOnnen,
All mein Anfsng nnd Ende
Stehet in Gottes HKnden.*
Ahnliehe Fortale in der Weissen Gasse, wo noch ein anderes in
mehr mittelalterlicher Weise mit Hohlkehlen und Rundstäben geglie-
dert ist Ein äbnlichea in der Neustadt, an der MoissenerBtrasae.
') Abb. in Pattriob's Sachoen.
Kap. XT. Obenaduen. 797
Wieder ein anderes, mit facettirten Quadern, Zahnsohnitten, Eier*
Stab und Consolensims gegliedert, in der Pfarrgasse, mit httbseh
geschnitzter Thür und eisernem Klopfer.
Seitdem in Dresden die Renaissance zur Herrschaft gekommen
war und durch den glänzenden Hofhält der Fürsten die Stadt
sich mit Prachtbauten schmückte, begann ein durchgreifender
Einfluss sich auf die benachbarten Städte geltend zu machen.
InMeissen, diesem alten Sitz der Markgrafen, bietet zunächst der
Dom in mehreren Denkmalen sehr frühe Beispiele der Renaissance.
Unter den zahlreichen ehernen Grabplatten in der Begräbnisse
kapeUe der Fürsten zeigt die von 1510 datirte des deutschen
Ordens- Hochmeisters Friedrich von Sachsen Motive des neuen
Stils in den Ornamenten, am Rande Vasen mit Blumen, über dem
Kopfe zwei Putten in Laubgewinden. Es ist wohl eine Nürn-
berger Arbeit In der Georgenkapelle ist die Reliefplatte des
Herzogs Georg (f 1 539) und seiner Gemahlin mit hübschen Orna-
menten einer noch phantastisch spielenden Renaissance geschmückt,
denen am Georgsbau in Dresden verwandt.
Weiter sieht man an zahlreichen Bürgerhäusern der Stadt den
Einfluss eines kunstliebenden Hofes. Der Frühzeit gehört das
Haus an der Ecke der Eibgasse, mit hohem Giebel, der fast noch
in mittelaherliefaer Weise durch Lisenen gegliedert und in seinen
StaffehEi durch Halbkreise bekrönt ist. Ein grosser rechtwinkliger
Erker, auf der Ecke diagonal angeordnet, hat Wappen und Brust-
bilder sächsischer Fürsten in zwei Stockwerken, an den Pilastem
flache Ornamente im Stile des Georgsportals zu Dresden, aber
minder fein, bezeichnet 1533. Ein Portal von 1 536 in der Burgstrasse
'So. 61, an der Seite Sitznischen, der Bogen noch mittelalterlich
gegliedert und mit Rundbogenfries eingefasst, die Krönung mit
Voluten und Laubwerk von sehr unreifer Renaissance. Sehr
kindlich ist auch der neue Stil an einem Portal der Schnurren-
gasse vom Jahre 1538, mit geschweiftem gothischem Flachbogen
verbunden. Ebenso zeigt ein grösseres Bogenportal am Heinrichs-
platz vom Jahre 1540 ein mühsames, kümmerliches Laubwerk der
Frtthrenaissanea Um nichts besser ist das kleine Portal der Eibgasse
vom Jahre 1561, welches später erneuert wurde und in langer In-
schrift die Gräuel der SGhweden2eit schildert. Mit weit grösserem
Aufwand ist ein ansehnliches Giebelhaus hinter der Stadtkirche be-
handelt, am Portal 1 57 1 bezeichnet, mit einem ungeschickten Reliel^
welches Simson mit dem Löwen kämpfend darstellt Es ist die
798 ^ Buch. BeiukiBMUice in Dantsohland.
Arbeit eines wohlmeinenden aber Bchleebt geschalten Steinmetsen.
Der hohe Giebel ist mit Pilastem, Voluten, aufgesetzten Henkel-
yasen effectvoll gegliedert
Um den Beginn des 17. Jahrhunderts erhebt sich die bürger-
liche Architektur hier zu etwas reicheren und durchgebildeteren
Formen. Häufig findet man kleine Portale mit zierlicher Bogen-
gliederung nach Dresdner Muster. So in der Burgstrasse No.
108 Tom Jahre 1605, ein sehr hübsches am Gömischen Platz vom
Jahre 1603, mit Gonsolen, Eierstab, Zahnschnitt und facettlrteii
Quadern« Ein ähnliches, aber mit Karnies, Zahnschnitt und sehr
grossem Eierstab in der Gömischen Gasse, wieder ein anderes vom
Jahre 1600 in der Fleischergasse, der Bogen aber mehr mittehilter-
lieh gegliedert, in der Neugasse ein Portal yon 1606 mit hUbsehen
Flachomamenten, ein ganz vortreffliches reich gegliedertes von
1603 am Kleinen Markt und ebenda ein anderes von 1601, ähnlich
behandelt und mit dem Spruch: Herr nach deinem WUlen. AUe
diese Varianten kehren noch mehrmals wieder, namentlich am
Hahnemannsplatz und in der Baugasse. Ein phantastisch derbes
aber wirkungsvolles Barockportal mit Bustikapilastem , Voluten
und Obelisken vom Jahre 1614 bildet den Aufgang zum Kirdihofe.
Eine derbe und flotte Arbeit aus derselben Zeit ist das Portal am
Gasthof zum Hirsch, mit einer naiven Darstellung von Diana und
Actäon. Hohe malerische Dachgiebel auf beiden Seiten hat das
Eckhaus am Markt, jetzt Apotheke, in der Mitte mit einem Erker
auf Gonsolen und eleganter toskanischer Säule. Ein später Nach-
zflgler mit schon flau gewordenen Formen ist ein Haus am Kleinen
Markt mit einem Portal, in dessen Giebel Gottvater mit der Welt-
kugel sich zeigt Ein kleineres ebendort von ähnlicher Behand-
lung trägt die Jahrzahl 1675; ein Beweis wie lange hier diese
Formen nachgewirkt haben. —
Einiges findet sich sodann in Freiberg. Zum Frtihesten
gehört das Haus No. 266 ^m Marktplatz. Es hat ein sehr reiches
Portal der üppigsten Frflhrenaissance, mit dem weichen, lappigen,
krautartigen Laubwerk dieser Epoche ganz ttberzogen. Die. Pi-
laster, Archivolten und Zwickelfelder, welche ein männliches und
weibliches Medaillonbüdniss zeigen, völlig bemalt, das Ganze ein-
gefasst von jenen pfl^mzenartigen Säulen mit wulstiger Basis, wie
wir sie vom Georgenbau zu Dresden her kennen, der Schaft mit
Laubwerk bedeckt, die breiigedrUckten Kapitale mit Thier- und
Pflanzenomament, auf den Ecken vasenartige Aufsätze, dazwischen
ein grosser Giebel als Bekrönung, welcher in einem anziehenden
Belief die Arbeiten des Bergmanns enthält; wohl um 1540 ent-
standen. Daneben in No, 267, dem ehemaligen Kaufhaus, 1545
Kap. XV. Obenachsen. 7M
bezeichnet, ein Portal von anderer, einfacherer Gomposition, aber
nicht minder reich und gchwongvollomamentirt; die breiten FUchen
der Archivolten mit Akanthusranken, in den Zwickeln Medaillon-
bilder, oben als Krönung frei yerschlungenes Laubwerk von
schöner Zeichnung, dazwischen das Wappen der Stadt Im Innern
bewahrt das Hauptgeschoss ein Zimmer mit prachtvoller Holz*
balkendecke, die Balken tief ausgekehlt, in mittelalterlicher Be-
handlung, in der Mitte eine phantastisch geschnitzte Renaissance-
säule, über deren korinthisirendem Kapital die mächtigen Kopf-
bänder elegant in Rosetten auslaufen und an den Seiten mit Laub-
werk und Drachen dekorirt sind. Rings um die Wände zieht sich
auf halber Höhe ein (Gesims auf Gonsolen. Der Rahmen der Thttr
ist mit Blattranken im Stil der Frtihrenaissance geschmückt
Zahlreiche kleine Portale verrathen den Einfluss von Dresden,
sowohl in der Anlage wie in der zierlichen Ausbildung. Das
schönste dieser Art ist Rittergasse No. 519, mit geistvollen Arabes-
ken geschmttckt, offenbar vom Meister des Kaufhauses. Mehrere
den Dresdner Portalen verwandte, mit Sitznischen an den Seiten,
die Archivolten reich gegliedert, sieht man Kirchgasse 357 ; ganz
ähnlich Rittergasse 515; etwas reicher Kleine Rittergasse 689;
wieder abweichend, die Archivolten mit Laub und Früchten dekorirt,
Burgstrasse 628; mit feinen Arabesken, ähnlich wie 519, nur ein«
facher und mit kräftig geschnitzter Hausthttr am Marktplatz 286*
Unzählige Häuser zeigen noch die für das Auge so erfreuliche,
die Fagade wirksam belebende Profilirung der Fenster mit Hohl-
kehlen und Rundstäben, wie sie das Mittelalter ausgebildet hat
Giebel kommen nur ausnahmsweise vor ; ein riesig hoher in derben
Baroekf ormen Ecke der Burgstrasse und Weingasse mit diagonal
gestelltem Erker, der sehr energisch mit Pilastem und Metall«
Ornamenten dekorirt ist, die Fenster der Hauptfagade reich und
originell in diesem Stil umrahmt Gleich daneben in der Burgstrasse
zwei einfachere Erker, rechtwinklig in der Mitte der Fa^ade aus-
gebaut, den Dresdner Erkern verwandt
Das Rathh ausbist ein schlichter mittelalterlicher Bau von
1510 mit gothisch profilirten Fenstern. Ein viereckiger Thurm
tritt ungefähr in der Mitte der dem Markte zugekehrten Langseite
vor. Ein Erker von 1578 in derben Formen der Spätrenaissance
ist auf zwei klotzigen Kragsteinen vorgebaut die von Löwenköpfen
getragen werden. Im Giebel ein stark herausragender Kopf. Um
dieselbe Zeit hat wahrscheinlich das Rathhaus seine hohen kräftig
geschweiften Giebel mit aufgesetzten Pyramiden erhalten.
Von den prachtvollen Fürstengrähem im Chor des Doms ist
schon oben (S. 87) die Rede gewesen. Ein kraftvoll durchge^
800 ni. BaclL. Benaiflaiace in Denlschkiid.
fflhites, reich vergoldetes Eisengitter schliesst den Chor ab. Eine
der seiönsten und reichsten Arbeiten dieser Art, roll Schwung
der Phantasie und von grösster Mannigfaltigkeit ist das innere
Gitter des Chores. Diese Gitter sind von Harn Weber und Hcms
Kkncke^ Schlossermeistem in Dresden, fttr 325 Gulden gefertigt
und 1595 aufgestellt worden. *) Im Schiff der Sarche ist neben
der phantastischen als prachtvolle Blume durchgeführten frttheren
Eancel eine zweite in eleganten Renaissanceformen mit tüchtigen
Reliefs zu erwähnen. —
In Zwickau sind keine Bauten der Renaissance erhalten, aber
in da- stattlichen spfttgothischen Marienkirche zählt die S^anzel
vom Jahr 1538 zu den zierlichsten Werken der Frührenaissanoe.
Der Pfeiler, auf welchem sie ruht, zeigt nodi gothische Behand-
hiBg, aber die Thflr mit den httbschen Pilastem, die Brüstung
mit den geschweiften Säulchen, die reiche Ornamentik, noch dazn
bemalt und vergoldet, gehört dem neuen Stil. Ausser zwei kleinen
aber trefflich gearbeiteten Kronleuchtern von Messing und den sehr
eleganten einarmigen Wandleuchtem von demselben Metall sind
die RathshermstUhle unter der Orgel, 1617 von Paul Corbian ge-
arbeitet, mit ihren eleganten Figuren und Intarsien bemerkenswertfa.
Sodann am Begräbniss des Obersten Böse das 1678 gefertigte
prachtvolle Eisengitter, reich vergoldet und mit Masken, Blumen,
kleinen Gemälden ausgestattet
Leipsif.
Gegenäber den Städten, welche nur als Residenzen durch
fürstliche Macht ihre Bedeutung klangt haben, tritt Leipzig uns
ton Anfang als eine Stadt entg^en, die ihre Blttthe dem Btlrger-
thum verdankt Durch ihre centrale Lage schon früh ibr den
Handelsverkehr zwischen dem Norden und Sttden, dem Westen
und Osten von grosser Bedeutung, hatte die Stadt bereits seit dem
12. Jahrhundert in ihren von allen Seiten besuchten Messen
wichtige Mittelpunkte für den Welthandel gewonnen. Auf den
Höhepunkt ihres Ansehens gelangte sie, als während der Schreck-
nisse der Hussitenkriege» welche die meisten Städte der Umgegend
verwüsteten, sie sich hinter starken Festungswerken als sicherer
Schutz fttr Menschen und Güter erwies.^) Der unablässige Eifer ihrer
Bürger wiisste die Vortheile der Lage und dar Verhältnisse nach
<) Dr. J. Betunidt a. a. 0. S. 149 fg. — ^ K. Grosse, Gesch. der
Stadt Leipzig. L 372 ff.
Kap. XV. ObersachBen. gOl
Kräften auszubeuten und durch kaiserliche und fürstliche Privi-
legien ihre Stellung immer mehr zu befestigen und weithin zur
herrschenden zu machen. Zugleich aber war die seit 1409 be-
stehende Universität eine ttlehtige Pflegerin der wissenschaftlichen
Bestrebungen, obwohl sie sich der Beformation anfangs hartnäckig
widersetzte. , Minder ergiebig war die Thätigkeit der immer
kräftiger aufblühenden Stadt auf künstlerischem Gebiete. Es ist
auffallend, wie wenig das ganze Mittelalter hier in architektonischen
und plastischen Arbeiten geleistet hat. In der Malerei sind wenig-
stens die neuerdings mit Sorgfalt wiederhergestellten Wandbilder
des Pauliner-Ereuzganges ein umfangreiches Werk ; allein an künst-
lerisch hervorragenden Schöpfungen jener Epoche fehlt es durchaus.
Unter den öffentlichen Bauten der Stadt nehmen die Werke
des Mittelalters in der That nur geringe Bedeutung in Anspruch.
Dagegen verleiht die Renaissance den älteren Theilen ihr charakter-
volles Gepräge. Der Zug der Strassen mit den dicht gedrängten
hochragenden Bürgerhäusern verräth die Wichtigkeit, welche da-
mals schon Leipzig als Handelsstadt besass. Für die Anlage
der Häuser ist die Rücksicht auf die Messen und den Handels-
verkehr maassgebend gewesen. Das Erdgeschoss besteht immer
aus grossen Gewölben, die sich mit weiten Bogenstellungen gegen
die Strasse öffnen. Die Anordnung derselben ist jedoch überall
modemisirt, wird aber denen in Frankfurt a. M. ungefähr ent-
sprechend gewesen sein. Charakteristisch sind die weiten Höfe,
manchmal zwei hinter einander, durch Hintergebäude getrennt,
so dass die Anlage bis an die benachbarte Parallelstrasse reicht
und wie in Wien Hausflur und Höfe sich zu öffentlichen Durch-
gängen gestalten. In der Entwickelung der Fagaden ist ein Ein-
fluss von Dresden zu bemerken, doch herrscht hier durchweg
grössere Einfachheit Bemerkenswerth z. B. die beiden Portale
in der Kleinen Fleischergasse No. 8 und 19, den bekannten Dres-
dener Portalen entsprechend, aber weit hinter ihnen an Feinheit
der Ausbildung zurückstehend. Der Sandstein ist überhaupt hier
sparsamer verwendet, die zierlicheren Formen, Gliederungen, Or-
namente fehlen fast durchweg. Dagegen ist die Conceptiott im
Ganzen kräftig und gediegen, namentlich werden die Erker in
ähnlicher Weise wie in Dresden verwendet, und geben den
Strassen das lebensvolle und zugleich wohnliche Gepräge. Die
reicheren unter diesen Erkern gehören freilich erst der späteren
Zeit an und werden dann mit Vorliebe in Holz und zwar in
reichem Schnitzwerk ausgeführt Ein Prachtstück dieser Art z. B.
Petersstrasse No. 6, und eine überaus reiche Barockfa^ade im
üppigsten Zwingerstil ebendort No. 41.
Kngler, Geich. d. BAnkuiitt. V. 51
802 ni. Buch. Beiiaissance in Deatsohland.
Das interessanteste und firttheste Privathans ist Hainstrasse
No. 33, welches wir in Fig. 217 mittheilen. Das Haus wurde
1523 erbaut, und aus dieser Zeit stammt im Wesentlichen die
Fa^ade mit den tief eingekehlten Fensterrahmen und dem hübschen
Erker, dessen Auskragung ein gothisches SippengewMbe zeigt,
während in der Brüstung des Fensters der neue Stil sich mit tier-
lichen Balustersäulchen und Laubgewinden yersncht Auch die
Sänlchen, welche oben die kleine Loggia bilden und das ge-
schweifte Dach aufnehmen, gehören dieser Zeit Dagegen sind
die derben Voluten des Giebels, dessen Absätze ursprünglich
ohne Zweifel Pyramiden oder andere Aufsätze trugen, einer Restau-
ration des 17. Jahrhunderts zuzuschreiben, während das pikant
ausgebaute polygone Thürmchen, welches den Giebel abschliesst,
der ursprünglichen Anlage gehört Zahlreiche Inschriften sind in
den Hohlkehlen der Gesimse und Fensterrahmen sowie -an der
oberen Brüstung des Erkers angebracht
Wie die ausgebildete Renaissance sich hier gestaltet, erkennt
man an dem im Jahre 1556 von Hteronymus Loiier erbauten Rath-
hause. ^) Es ist ein ausgedehntes Rechtek, die östliche Langseite
des Marktes begrenzend, überaus einfach in verputzten Backsteinen
aufgeführt. An der südlichen Schmalseite ist ein kleiner Erker
ausgebaut; ebenso an der Nordseite. Die nach Westen gewendete
Hauptfront ist mit sieben unregelmässig angeordneten Giebeln
bekrönt, die über dem mit Zahnschnitten ausgestatteten Haupt-
gesimse aufsteigen. Derb und tüchtig behandelt, zeigen die Ein-
fassungen der Voluten ein Rustikaquaderwerk (Fig. 218). Ein
achteckiger nicht genau in der Mitte der Fa^ade ausgebauter
Thurm enthält das Hauptportal und die Wendeltreppe. Das Ganze
ist von malerischer Wirkung, aber ohne höheren Eunstwerth. Eine
im Jahre 1672 nothwendig gewordene Erneuerung hat sich mit
Verständniss dem Charakter des Ganzen angeschlossen.')
Die Fenster am ganzen Bau sind paarweise gruppirt, mit
durchschneidenden Stäben in spätgothischer Form eingefasst, jedes
schmückende Ornament ist yermieden, nur eine grosse Inschrift
in römischen Majuskeln umzieht als Fries den ganzen Bau. Das
Hauptportal, mit gekuppelten kannelirten ionischen Säulchen' ein-
gefasst, hat über sich auf kräftigen Consolen eine offene Altane
als Abschluss des viereckigen Thurmgeschosses. lieber dieser
geht der Thurm in's Achteck über und ist mit einem geschweiften
Dach geschlossen. Die östliche gegen den Naschmarkt gerichtete
Fafade entspricht in ihrer Behandlung der westlichen, nur dass
«) VogePs Leipz. Annalen S. 202. — *) Ebenda S. 745.
Kap. XV. OberBaehseii. g()5
der Thurm fehlt, im Inaem enthftlt das Haapt^escIioBB zunftohst
einen groHsen Voraaal, deaaen Decke auf acht gut and kräftig
behandelten Holzpfeilem ruht Drei stattliche Kamine aus Sand-
stein mit Atlanten und Karyatiden schmücken die innere Wand.
Daneben ein kleines Verbindungszimmer mit Kreuzgewölbe und
einem ftbnlichen Kamine. Der Rathssaal, ein quadratischer gegen
die Grimmaische Strasse gerichteter Kaum, hat eine flache Felder-
decke mit vergoldeten Rosetten und einen eisernen Ofen von ziem-
lich roher Arbeit, dagegen einen prächtigen Schrank mit schduen
Intar^en von Blumen und flachem Lederomament
In ähnlich schlichter Behandlnng ist das jetzige Polizeiamt
ansgefshrt, bei aller Einfachheit eines kräftig gegliederten Stuck-
baues doch von tüchtiger und anspreohender mrkung, besonders
in dem hohen geschweiften Giebel an der Beichsstraaae. Die
vordere Fa^ade am Nasehmarkt ist stark rerändert An einem
Fenster Im Hofe liest man die Jahrzahl 1578. Malerisch ist im<
ErdgesdioBB der Batfaakelier, dessen grosse Kreuzgewölbe auf
zwei mittleren Säulen mit originellen dorisirenden Kapitalen rubeai
Derselben Spätzeit gehört auch das Wenige an, was an der
Pleissenbarg sich tob kflnstlerisohea Formen findet. Doch
S0(> ni. Buch. Benaisünce in Deutschland.
bietet der Bau in seiner schlichten festongsartigen Behandlnng
einiges Interesse. Dass im Jahre 1554 der knrfllrstliehe Bau*
meister Caspar Voigt beauftragt vmrde, die Fundamente des Baues
zu graben, haben wir schon anderwärts (S. 730) erftthren; naeh
anderer Nachricht 0 wäre das Werk schon 1551 begonnen worden.
Der Bau bildet in seiner Grundform ein rechtwinkliges Dreieck,
welches seine Hypotenuse nordostwärts gegen die Stadt wendet,
während die beiden Katheten mit einem auf der Ecke vorge-
schobenen runden Thurm sich südwestlich nach aussen wenden.
Der Haupteingang liegt auf der Stadtseite in der Mitte der
Diagonale. Die Behandlung des Ganzen ist massenhaft, und alle
Einzelheiten tragen den derben festungsartigen Charakter. Eän
mächtiger Wulst trennt als Gesimse den Unterbau vom Haupt-
geschoss. Aehnlich sind die Fenster und die Portale eingefasst,
und rohe Lisenen gliedern an einzelnen Theilen das Haupt-
geschoss. An einzelnen Stellen ist eine Rustika -Behandlung
durchgeführt Gegenüber dem Haupteingang springt ein Vorbau
mit Erker in drei Geschossen aus dem Winkel des Dreiecks vor.
Hier befindet sich zur Rechten das einzige feiner behandelte Por-
tal, das zu einer Wendeltreppe führt Ein anderes, gleich den
übrigen TheiliBn sehr derb gehaltenes Portal im südlichen Flügel
mündet ebenfalls auf eine Wendeltreppe. Der grosse runde Thurm
an der Südspitze dient jetzt als Observatorium.
Im Gegensatze zu all diesen äusserst schlicht behandelten
Werken stellt sich das Fürstenhaus in der Grimmaischen Strasse
als das einzige Gebäude von feinerer Durchbildung dar. Seit
1575 durch Doctor Georg Rode erbaut,^) erhebt es sich mit
langer Front in zwei Stockwerken und einem durch Erker charak-
terisirten Dachgeschoss mit seiner Langseite an dieser Haupt-
strasse der Stadt, an beiden Enden mit runden ausgekragten
Erkern geschmückt (Fig. 219), die nicht blos die reichste archi-
tektonische Gliederung zeigen, sondern auch durch Brustbilder,
Laubwerk, Wappen und Inschrifttafeln geziert sind. Die facet-
tirten Quadern, die Anwendung von dorischen Pilastern und Tri-
glyphenfriesen, so wie das häufig vorkommende aufgerollte Band-
werk entsprechen dem Charakter dieser Spätzeit, während der
Beichihum der Behandlung und die Zierlichkeit des Details fast
den Eindruck von Frührenaissance machen. Die Composition
dieser Erker und ihre Art der Ausschmückung ist als spezifisches
Merkmal der Obersächsischen Schule aufzufassen; in Torgau und
Dresden haben wir Aehnliches gefunden. Während diese Theile
*) Vogel, a. a. 0. S. 190. — >) Ebenda S. S35.
Kap. Xy. Obersaehsen. 809
in Sandstein ausgeführt sind, zeigt die Fa^ade den Putzbau und
wird nur durch die paarweis gruppirten Fenster mit ihren kräf-
tigen i|n Charakter des Mittelalters gearbeiteten Rahmen belebt
£in zierliches Consolengesims bildet den Abschluss ; die Dachgiebel
sind ma^ssToU und fein mit Pilastem eingefasst und durch Zahn-
schnittgesimse gegliedert Ein schlichtes Bogenportal, darüber das
bemalte sächsische Wappen und eine Inschrifttafel, führt in den ge*
wölbten Flur, und yon dort gelangt man zu einer rechts in einem
runden Thurm gegön den Hof vorgebauten Wendeltreppe. Den oberen
Theil dieses Treppenthurmes erblickt man auf unsrer Abbildung. Am
westlichen Erker der Fa^ade bezeichnet ein Steinmetzzeichen nebst
den Buchstaben P W wahrscheinlich den Namen des Baumeisters.
Reichere Entfaltung gewinnt die Architektur in Leipzig erst
gegen Ausgang der Epoche um die Mitte des 17. Jahrhunderts.
Eine grössere Üppigkeit in der Dekoration macht sich an den
Fafaden geltend. Ein Prachtstück dieser Art ist das Haus in
der Nicolaistrasse No. 47, ein hoher Giebelbau, im Erdgeschoss
Rustika, die oberen Stockwerke mit schlanken dorischen und
ionischen Halbsäulen, darüber der Giebel mit ionischer und korinth-
ischer Ordnung, an den Seiten barock geschweift mit Voluten und
Schnörkeln. Die derben und schweren Ornamente an den Fenster-
brüstungen, die schwülstigen Rankenfriese und Fruchtschnüre
deuten schon auf sehr späte Zeit Über der Hausthür ein noch
gut stilisirtes Eisengitter. Wie man ein einfacheres Portal blos
durch facettirte Quaderungen an Pfeilern und Archivolten wirksam
ausbildete, zeigt die übrigens modemisirte Fagade Reichsstrasse
No. 44. In derselben Strasse No. 5 eins der wenigen Häuser mit
eleganter ausgebildeten Gliedern, die Fagade zwar einfach, aber
das breite rundbogige Portal mit hübschen Muschelnischen und
reich gegliederter Archivolte; darüber ein rechtwinkliger Erker^
dessen Auskragung prächtig decorirt ist, endlich als Abschluss
ein hoher Giebel mit zwei Ordnungen schlanker korinthischer Halb-
säulen, ausserdem mit barocken Voluten eingefasst Nicht minder
prächtig ein diagonal gestellter Erker in derselben Strasse an
dem Eckhaus No. 3, (Specks Hof). Dagegen ein polygoner Erker
mit prächtigem, aber schon krautartig breitem Akanthuslaub,
welches alle Flächen überzieht, an dem Hause Grimmaische Strasse
Ko. 35. Die Behandlung dieser Arbeiten ist nicht mehr die knappe,
scharfe der Steintechnik, sondern die weiche, breite der Holz-
schnitzerei. Eins der spätesten Beispiele endlich ist Haiustrasse
No. 4, wo ein prachtvoller Erker in drei Geschossen an allen
Flächen dies üppige Laubomament zeigt Damit ist aber die
Gränze unserer Epoche schon überschritten«
810 UL BnoL Renaiüanoe in Deutschland.
Altenbnrg.
Seit 1445 den EorfBrsten von Sacluien zogefheilt, die eine
Zeit lang dort residirten, entwickelte die Stadt Altenburg im
Lauf des 16. Jahrhunderts eine rege Bauth&tigkeit^ welche gehon
frfth zur Au&ahme der Benaigsance führte. Zuerst treten die
Formen des neuen Stils an dem grossen Hause der Sporergasse
No. 1 uns entgegen. Es hat ein Portal vom Jahre 1531 in
schlichten frtthen Benaissanceformen, die einrahmenden Pilaster
mit flachen Kugeln geschmttckt, ähnlich den älteren Fenstern
am Schloss zu Dresden, die Bekrönung ein Bogenfeld mit muschel-
artiger Dekoration, ebenfalls mit Kugeln besetzt An den Fenstern
und dem breiteren Thorwege zeigen sich noch die durch-
schneidenden Stäbe der GothiL EUn anderes ebenfalls unbedeu-
tendes Portal vom Jahr 1537 findet sich in derselben Strasse
No. 18. Es trägt die bekannte Inschrift: Yerbum domini manet in
aetemum. Dazu: Amen dico vobis ego sum ostium ovium. In
derselben Strasse No. 2 ein Portal des späteren Stiles mit Seiten-
nischen, 1569 erbaut, 1605 im Fries umgestaltet
Das Hauptwerk ist aber das Bathhaus. Es vnirde 1562
begonnen, im Frühling des folgenden Jahres unter Dach gebracht
und am 10. November 1564 äusserlich durch Aufsetzen des
Thurmknopfes voUendet Die Hauptleitung des Baues hatte der
als Erbauer des Schlosses zur fröhlichen Wiederkunft bekannte
fflrstUohe Baumeister Nicolaus Grohmann zu Weimar, von dem auch
der Entwurf herrührte. Die Bildhauerarbeiten wurden durch Hans
Werner und Caspar Böschel aus Chemnitz ausgeführt*) Es ist
ein stattlicher reich behandelter Bau von edlen Benaissanceformen,
(Fig. 220) mit gewaltigem rings abgewalmtem Dach bedeck^ an der
Vorderseite mit einem polygonen Treppenthurm ausgestattet, auf
beiden Ecken gegen den Markt mit den ausgekragten halbrunden
Erkern geschmückt, welche in ähnlicher Anlage und Dekoration
zuerst in Torgau vorkommen, und in ähnlicher Weise am Fürsten-
hause zu Leipzig auftreten. Das Untergeschoss des Thurmes ist
in der damals beliebten Weise rechtwinklig angelegt und mit
einer Altane geschlossen. Das Hauptportal sowie zwei andere
Portale sind mit ionischen Säulen eingefasst und mit zahlreichen
Insehriften geschmückt Auch der Unterbau hat eine Umrahmung
Yon sehr lang gezogenen kannelirten Säulen derselben Ordnung.
Die Fenster mit den eingekerbten Bahmen und einem Giebel mit
0 E. V. Braun, Gesch. des Bathh. zu Altenbnrg (1864) S. 12.
rii. no. AlUabiuni. Bathhuu.
Kap. XY. Obersaohsen. gl3
eingdassener Kugel, die Gesimse mit ihren kräftigen Consolen, die
£rker mit ihren Pilastem und Reliefs, rechts Fürstenportraits,
links die Geschichte des Sflndenfalles , endlich die maassvoU be-
handelten Giebel, welche dem Dache yorgesetzt sind und gemalte
Ornamente zeigen, das Alles zeugt von einer überwiegend klassi-
zistischen Behandlung, doch ohne Trockenheit An Feinheit der
Ausführung ist übrigens die Dekoration der Erker der am Fürsten-
hause zu Leipzig untergeordnet
Im Innern führt die breite Wendeltreppe zu einer herrlichen
grossen Halle mit reich gegliederter Balkendecke auf kannelirten
ionischen Holzsäulen. Auch die Kopfbänder sind als antikisirende
Consolen behandelt. Mehrere prächtig dekorirte Thüren, Kamine
und eine Tribüne für die Musiker schmücken diese ansehnliche
Halle, .lieber der Thüre zum Bathssaal liest man das bedeutsame
Motto: Blandis verbis et atrocibus poenis. Das Bathszimmer
selbst hat ähnlich reiche Decke wie der Vorsaal, die Fenster-
rahmen sind auf kraftvolle ionische Säulen gestützt, die Fortale
ungemein reich geschnitzt, mit Hermen und Karyatiden eingefasst,
über dem einen der thronende Weltrichter. Ein anstossendes
Gemach, das auf den Erker hinaus geht, zeigt einfachere Behand-
lung an Decke und Fensterui aber ähnliche Fortale.
Das Schloss, eine ausgedehnte Anlage, deren Entstehung in's
Mittelalter hinaufreicht, ist mit Ausnahme der reichen spät-
gothischen Kapelle ohne künstlerisches Interessa Nur im Innern
Schlosshof sieht man den Ansatz einer dreistöckigen Arkade, von
der jedoch nur zwei Systeme ausgeführt sind: im Erdgeschoss
Rustika mit übertrieben geschwellten dorischen Säulen, die beiden
oberen Stockwerke mit flachgedrückten Bögen, im ersten Stock
auf toskanischen Säulen, im zweiten auf Pfeilern, die mit ähnlichen
Halbsäulen bekleidet sind, eine Arbeit der Zeit um 1600 ohne be-
sondere Feinheit Auch der damit verbundene Treppenthurm und
das Portal desselben ist nur Mittelgut
Halle.
Unter den Städten dieses Gebiets, welche eine selbständige
Rolle spielen, ist vorzüglich Halle zu nennen« Schon seit dem
13. Jahrhundert hatte die Stadt durch ihre Salzwerke solche Be-
deutung erlangt, dass sie mit den Erzbischöfen von Magdeburg
hartnäckige Fehden durchfechten und sich 1435 gegen ein starkes
Heer des Erzbischofs Günther und des Kurfürsten von Sachsen
behaupten konnte. Ihr Wohlstand nahm im Laufe des 15 Jahr-
814 IIL Bueh. Benmisaance in Dentsehland.
huBderts durch den immer ausgedehnteren Handel stetig zn ; aber
die stets wachsende, durch die sächsischen Fürsten geforderte
Blttfhe Leipzigs, mehr noch innere Streifigkeiten zwischen Patridat
und Volkspartei zerrütteten bald ihre Machtstellung, so dass Erz-
bischof Ernst, im Bunde mit den Demokraten, sich 1478 der Stadt
bemächtigen und durch Anlegung der gewaltigen Moriteburg
(1484—1503) festen Fuss darin fassen konnte.^ Noch entscheiden-
der griff Erzbischof Albrecht von Brandenburg (1513 — 1545) in
die Geschicke der Stadt ein. Dieser weltlich gesinnte, aber nach
aUen Seiten unternehmende und rficksichtslos vorgehende Eirehen-
fttnrt,^) der seit 1514 die beiden mächtigen Erzbisthümer yon
Mainz und von Magdeburg besass, 1518 dazu die EardinalswUrde
erhielt, säumte nicht, in umfassender Weise die inneren und äusse-
ren Verhältnisse der Stadt umzugestalten. Ohne Pietät für das
Althergebrachte, seinem Hange zur Pracht und zu glänzenden
ktlnstlerischen Unternehmungen nachgebend, riss er alte Kirchen
ein, veränderte die Pfarrsprengel, gründete neue Stiftungen, fügte
ansehnliche Bauten hinzu und bürgerte den Stil der Renaissance
in Halle ein, wie er ihn bei dem schönen Brunnen auf dem Markt-
platz zu Mainz (oben S. 425) ebenfalls zur Geltung gebracht hatte.
Seine erste bedeutende Unternehmung in Halle ist die Domkirohe,
welche er mit Beibehaltung der mittelalterlichen Anlage seit 1520
zum CoUegiatstift umwandelte und glänzend ausstattete. Damit
verband er einen neuen Palast zwischen den Gebäuden am Dom
und dem Elausthor, die noch jetzt vorhandene Residenz (1529).
Noch gewaltsamer riss er die beiden alten Kirchen am Markte
nieder und erbaute seit 1529 die grossartige Marienkirche, noch
ganz in gothischem Stil, aber mit reicher Renaissancedecoration
des Innern. Schon vorher hatte er seinem Günstling Hans von
Schönitz mehrere Kapellen am Markte geschenkt, um aus deren
Steinen eine Reihe stattlicher Gebäude zu errichten. Die grandiose
Anlage des Marktplatzes, der kaum einem anderen in Deutschland
zu weichen braucht und den die gewaltigen zum Theil noch mittel-
alterlichen Thürme sammt den imposanten Massen der Marienkirche
überragen, ist Albrechts Werk. Noch verdienstlicher war es, dass
er den Rath bewog, die verderbliche alte Sitte des Beerdigens in
der Stadt aufzugeben und vor den Thoren jenen Friedhof anzu-
legen, dessen grossartige Gestalt und künstlerische Ausstattung in
<) Vgl. Dreyhaupt, Beschreib, des Saal-Creyses. 1755. 2 Bde. FoL,
sowie G. H. vom Hagen, die Stadt Halle. I. Bd. 1867. — *) CR. vom
Hagen, I, 52 ff. Dazu J. H. Hennes, Albrecht von Brandenburg. Mainz
18^8 und J. May, Albrecht I von Mainz und Magdeburg. I. Bd. 1865.
Kap. XV. Obenachaen. gl 5
Deutschland einzig dasteht Endlich wurde Albrecht gegen seine
eigne Absicht mittelbar Anlass zur Einführung der Reformation
in den Diöcesen Magdeburg und Halberstadt, da er 1539 den
versammelten Ständen gegen Bezahlung seiner ansehnliehen Schul-
denlast freie Seligionsttbung bewilligte.
In der Geschichte der Deutschen Renaissance gebflhrt diesem
Xirchenfllrsten eine hervorragende Stelle. Auf der Universität
zu Frankfurt an der Oder, wo er auch Ulrich von Hütten kennen
lernte, war er durch humanistische Studien in den Geist der neuen
Zeit eingeführt worden. Auf religiösem Gebiete zwar hielt er,
durch seine hohe kirchliche Stellung in eingewurzelten Vorurtheilen
festgebannt, streng am Althergebrachten ; aber um so rückhaltloser
gab er sich der Pflege des künstlerischen Lebens hin. Unter
allen gleichzeitigen Fürsten Deutschlands hat keiner in so nach-
drücklicher Weise die Künste gepflegt wie er. Was durch seine
Bestellungen Meister wie Dürer, Grünewald, Hans Sobald Beham,
Lucas Granach geschaffen haben, ist bekannt. Die Pinakothek
in München, die Galerien zu Aschaffenburg, Berlin, Darmstadt
und Mainz, die Gemäldesammlung des Louvre, die Kirchen zu
Halle und Aschaffenburg weisen eine reiche Zahl von Gemälden
auf, die durch ihn hervorgerufen wurden. In der Bibliothek zu
Aschaffenburg sieht man mehrere Missale's und Gebetbücher, die
durch Niklas Glockendon und Hans Sobald Beham mit pracht-
vollen Miniaturen aufs reichste geschmückt sind. Zweimal stach
Dürer sein Bildniss in Kupfer ; durch die vorzüglichsten Meister liess
er seine Siegel stechen, die zum künstlerisch Werthvollsten dieser
Gattung gehören. Peter Vischer musste ihm das ausgezeichnete
Grabdenkmal für die Stiftskirche zu Aschaffenburg arbeiten; von
Johann Vischer liess er dann ebendort das schöne Reliefbild der
Madonna setzen, und auch das in edlen Renaissanceformen durch-
geführte, jedenfalls aus der Vischerischen Werkstatt herrührende
Grabmal der h. Margaretha in derselben Kirche ist durch ihn her-
vorgerufen. Die von ihm neu gegründeten kirchlichen Stiftungen,
namentlich den Dom zu Halle stattete er mit prachtvollen Para-
menten, Reliquien und künstlerisch geschmückten heiligen Gefässen
aus. Die „Heiligthümer^ dieser Kirche musste dann Dürer in
einem eignen Werke in Kupfer stechen. Von den architektonischen
Schöpfungen des kunstliebenden Fürsten besitzt Halle noch eine
ansehnliche Zahl. Wie an jenem Brunnen zu Mainz, ja noch
einige Jahre früher tritt hier die Renaissance in dem vollen Zauber
ihrer spielenden Deeoration auf, so dass diese Arbeiten zu den
firtthesten gehören, welche der neue Stil in Deutsehland geschaf-
fen hat.
816
in. Bnch. BetuüsBance in DeutBohUnd.
In seinem Eifer fflr den katholischen Glauben wandte Albrecbt
haaptBfichllch der Augatattnng von Kirchen Beine AufmerkBamkeit
zu. Der Dom oder die Predigerkirehe ist keioeawegB, wie man
wohl gesa^ hat, von ihm erbaut worden; vielmehr zeigt der Chor
eine strenge frUhgothiache Composition in' edlen Formen vom
Anfang doB 14. Jahrhunderts, während das Schiff etwas später
entstanden zu sein scheint Als aber Albrecht das Collegiatstift
hier gründete, schmflckte er seit 1520 den Bau mit einer An-
zahl bedeutender Werke. Er wusste dafttr Ellnstler heran zu
ziehen, welche den neuen Stil in selbständiger, zum Theil meister-
hafter Weise zu behandeln Terstanden. Dieser Zeit gehört im
nördlichen Seitenschiff die elegant inFrUhrenaissanceformen behan-
delte Oedikationstafel vom Jahre 1523. Femer die Kanzel vom
Jahre 1526, eins der reichsten Skulpturwerke unsrer Renaissance
(Fig. 221). Völlig mit Laubwerk, spielenden Putten, reichen
Gliederungen und plastiBchen Darstellungen geschmfickt, Alles in
Sandstein mit grossem Geschick ausgeführt, bemalt und vergoldet,
hat das Werk den Ausdruck üppigster Lebensfrische, üeber dem
Aufgang ist ein Eccehomo, an der Treppenbrüstung sind die
Kirchenväter, an der oberen Einfassung die Apostel und die Evan-
gelisten dargestellt. Von derselben I^cht ist die Tbttr zur Sa>
Kap. Xy. Obersachsen. 817
kristei, fabelhaft reich dekorirt, mit zwei ganz in Bildwerk auf-
gelösten Säulen eingefasst Auch das kleine südliche Portal der
Kirche zeigt dieselbe spielende Eleganz. Endlich gehören in die-
selbe Zeit die Apostelstatuen an den Pfeilern des Schiffes, höchst
bedeutende Gestalten im grossartigsten Stil Dttrer'scher Kunst,
machtvoll in der Ausprägung der Charaktere, die Gewänder in
dem knittrigen Stil, der damals namentlich in Nürnberg herrschte.^)
Die reichen Baldachine, unter welchen sie stehen, sind im
Wesentlichen noch gothisch und nehmen kleine Gonsolen auf,
welche Statuetten yon Propheten tragen. Hier mischen sich
Formen der Benaissance ein, namentlich aber sind die grossen
Gonsolen der Hauptfiguren in elegantester Weise mit Voluten
und Ornamenten des neuen Stils dekorirt. Von dem Baue Albrechts
stammen endlich die Halbrundgiebel, welche die Kirche an der
Aussenseite bekrönen und ihr ein so seltsames Gepräge geben.
Hoch auf ziemlich steilem Ufer über der Saale aufragend, sieht
der Dom mehr einem weltlichen als einem kirchlichen Gebäude
gleich. Die beiden Thttrme, welche Albrecht an der Westseite
hinzufügte, waren in der Hast so unsolide ausgeführt, dass man
sie 1541 abtragen musste.^) Bald darauf (1529) führte der bau-
lustige Fürst die Alte Residenz neben dem Dome auf, die
freilich, jetzt arg verbaut und entstellt, wenig von ihrem ursprüng-
lichen Glänze bewahrt hat Man sieht zwei grosse Bogenportale,
jedes mit einem kleineren Pf Örtchen zur Seite, in einfachen
Frührenaissanceformen. Die *Bahmen der Pilaster und Bögen
haben eingelassene Schilde, die an dem einen Portal ungeschickter
Weise sogar über die Umfassung hinausgreifen. Der weite,
unregelmässige Schlosshof muss ehemals einen bedeutenden Ein-
druck gemacht haben. Im Erdgeschoss sind noch Theile des
Säulenganges erhalten, welcher mit weitgespannten gedrückten
Bögen von 16 F. Axe das Ergeschoss umzog. Die stark geschwell-
ten Säulen haben schlichte Frührenaissanceform.
Völlig mittelalterlich dagegen ist die gewaltige Ruine der
von Erzbischof Ernst (s. o.) erbauten Moritzburg, die am völlig
gothisch behandelten Wappen ') des Einganges die Jahrzahl 1517
*) Der Eindtuck dieser herrlichen Werke leidet empfindlich durch die
abscheuliche Zopfdecoration von Palmzweigen imd Draperien über den
Arkaden, welche die ganze Kirche verunstalten. — ^) Von der ursprüng-
lichen Pracht der Ausstattung dieser Kirche, die Albrecht mit Beliquien,
Prachtgefassen, flandrischen Teppichen und Kostbarkeiten jeder Art ver-
schwenderisch begabte, giebt das Gedicht des Sabinus (abgedr. bei May,
a. a. 0. Beil. XLVI) lebendige Anschauung. — ^) Nicht in Benaiasance-
formen, wie man wohl behauptet hat.
Kngler, Geaoh. d. Banknnit. V. 52
glg in. Bacb. Renaissance in Deutschland.
zeigt In der Ulrichskirche ist neben dem Altar ein Taber-
nakel, das sieh aus spätgothischem Astwerk aufbaut, dann mit
Gonsolen und Säulchen in die zierlichste Frlihrenaissance über-
geht, um zuletzt wieder mit naturalistisch verschlungenem Astwerk
zu enden. Es ist das seltsamste Gemisch, das von der künst-
lerischen Grährung jener Epoche lebendig^ Anschauung giebt In
derselben Kirche eine reich geschnitzte Kanzel yon 15S8 mit
biblischen Geschichten, in den Formen schon stark barock. Eine
ähnliche Kanzel, nicht minder reich, aber auch stark barock in
der Moritzkirche.
Ein höchst bedeutendes Werk ist aber die grossartige Aus-
schmückung, welche die Marienkirche (Markikirche) in allen
Theilen aufzuweisen hat. Der grossartige Bau des Langhauses»
eine hohe Hallenkirche von herrlicher Raumwirkung, ist eins der
spätesten Werke der Gothik in Deutschland, von 1530 -bis 1554
durch Meister Nikolaus Hoftnann ausgeführt An der südlichen
Empore steht: „Durch Gottes Httlf hab* ich Nickel Hofmann diesen
Bau in 1554 vollendet^ Das Merkwürdigste ist aber, dass der-
selbe Meister den ganzen gothisch construirten Bau in Benaissance-
formen decorirt hat. In den Seitenschiffen sind nämlich Emporen
auf gothischen Pfeilern und gerippten Kreuzgewölben angeordnet,
aber die ganzen Zwickelflächen in Sandstein mit Renaissance-
Ornamenten, Laub und- Rankenwerk, mit Figürlichem gemischt,
bedeckt Die Brüstung der Emporen ist mit Kandelabersäulchen
im Stil der Frührenaissance eingetheilt, aber mit gothischem
Maasswerk gegliedert Ebenso zeigt die obere Empore im nörd-
lichen Seitenschiff dieselben Formen in Holzschnitzerei. Hier sind
auch an den Pfeilern der oberen Empore zwei prächtige Palm-
bäume ausgeführt Dazu kommt nun, dass die ganze Kirche in
den Seitenschiffen unter den Emporen mit einem Stuhlwerk der
besten Renaissance versehen ist, die Rückwände mit feinen Pi-
lastern decorirt, Alles reich und mannigfaltig, sämmtliche freie
Flächen mit edlem Laubwerk bedeckt Ein dorischer Triglyphen-
fries mit einer trefflich stilisirten Bekrönung bildet den Abschluss.
Man liest wiederholt die Jahreszahlen 1562 bis 1566 und kann
das Fortschreiten der Arbeit bis in's Einzelne verfolgen. Dazu
kommen Chorsttthle vom Jahre 1575, endlich hinter dem Hoch-
altar die prachtvollsten Sedilia, in Schnitzarbeit von etwas
üppigeren Formen, vom Jahr 1595. Der Frührenaissance gehört
dagegen die Kanzel, bei welcher sogar in den Details noch über-
wiegend die Gothik herrscht; die Pilaster des Eingangs aber
zeigen die Renaissanceformen.
Die Profanbauten stehen hier hinter den Kirchen auffallend
Kap. XY. Obersachsen. 819
zurück. Das Bathhaus ist ein geringerer Bau spätgothischer
Zeit. Die Loggia des Mittelbaues errichtete 1558 der uns schon
bekannte Nikolaus Hofmann. Im Innern zeigt der obere Vorsaal
tüchtig gegliederte Balkendecken mit Eassettirungen, die Balken
in mittelalterlicher Weise ausgekehlt; ausserdem ein steinernes
Portal in FrOhrenaissanceform, einfach, mit Pilastem und muschel-
gefülltem Bogengiebel. Sodann ein schöner Schrank mit eingelegter
Arbeit, architektonische Prospekte darstellend. Wichtiger ist die
neben dem Kathhaus liegende Stadtwaage, jetzt als Schule dienend,
ein stattlicher Steinbau mit sehr reichem Portal aus guter Re-
naissancezeit, 1573 bis 1581 entstanden.^) In der Dekoration des
Portals, an den Schäften der dorischen Pilaster, an Bogenzwickeln,
dem Fries und Aufsatz herrscht ein schön gezeichnetes Laubwerk
Tor, namentlich im Fries Akanthusranken mit spielenden Putten,
an den Zwickeln zwei kräftige Köpfe in Hochrelief weit heraus-
schauend, die Archivolte selbst facettirt, endlich an den Posta-
menten Löwenköpfe. Ein kleines Pf Örtchen für Fussgänger
daneben hat Seitennischen mit Muschelwölbung. Ursprünglich
erhielt die Fa^ade ein reicheres Gepräge durch zwei im ersten
Stock Yorgekragte Erker, die man auf der Abbildung bei Dreyhaupt
noch sieht Im Innern führt ein mächtiger flachgedeckter Flur
zu einer schönen Wendeltreppe mit gekehlter Spindel, sodann zu
einem weiten Hofe, dessen rechter Flügel in charaktervollem
Fachwerk gebaut, mit tief gekehlten Balken und elegant ge-
schnitzten Gonsolen aufgeführt ist
Ein yereinzeltes Beispiel der Frührenaissance ist das Eckhaus
am Markt und der Eleinschmiedenstrasse, auf beiden Seiten mit
hohem Giebel, dessen Voluten sammt den Friesen blos durch
Einkerbungen wirksam belebt sind. Der Bau mag zu jener Gruppe
von Häusern gehören, welche Hans von Schönitz am Markt auf-
führen liess. Aus der mittleren Zeit stammt das Haus an der Ecke
der Grossen und Eleinen Steinstrasse, mit einem ausgekragten
runden Erker, der freilich jetzt halb verbaut ist, aber an der
BrfLstung noch elegantes Bankenwerk zeigt. Die übrigen Privat-
bauten gehören hier erst der Schlusszeit an und sind weder an
Zahl noch an künstlerischer Bedeutung hervorragend. Eine Aus-
nahme macht das grosse Prachtportal in der Leipzigerstrasse No. 6,
datirt vom Jahr 1600. Es hat auf den Seiten Sitznischen mit
Muschelwölbungen und öfifhet sich mit einem grossen reich und
derb omamentirten Bogen; darüber Hermen, die das Gesimse
tragen, in den Zwickeln die liegenden Gestalten von Sonne und
0 Dreyhaupt, I, 359.
52
820 ni. Buch. Renaissance in Deutschland.
Mond; auf dem Gesimse Justitia, Temperantia und Simson mit
dem Löwen, dazwischen Insehriftschilde von Frnehtschntlren ein-
gefasst. Das Ganze prachtvoll barock, von grosser decorativer
Wirkung, die aber in Missverhältniss steht mit der zu kleinen
FaQade. Der mit Kreuzgewölben bedeckte Flur mündet auf einen
Hof, der von kräftigen Fachwerkbauten eingefasst ist Em httb-
sches kleineres Portal mit zierlicher Gliederung sieht man in der
Grossen Moritzstrasse; ein kraftvoll derbes Barockportal mit tos-
kanischen Säulen auf hohen Postamenten, daneben eine kleine
rechtwinklige Pforte in der Grossen Steinstrasse No. 71. Wie
lange gelegentlich die frühere Renaissanceform hier nachwirkt,
sieht man an dem Portal der Kleinen Klausstrasse No. 6 vom
Jahr 1658. Einige Male kommen reich geschnitzte Holzerker vor,
die in Anlage und Behandlung den späten Leipziger Erkern ent-
sprechen. So an dem Haus Kleinschmiedenstrasse No. 2 ein bis
oben hinauf ganz mit Laubwerk und Fruchtschnüren bedeckter.
Aehnlich, nur nicht ganz so reich, Grosse Märkerstrasse No. 2.
Ein Werk von besonderer Grossartigkeit, meines Wissens in
Deutschland einzig dastehend, ist der alte Friedhof. Wenn man
an der Ostseite der Stadt bei den neuen' Anlagen sich rechts
wendet, so führt zwischen hohen Mauern der sanft ansteigende
Weg in einigen Minuten nach diesem Gottesacker, der mit seinen
herrlichen Baumgruppen die Höhe beherrscht und einen wunder-
vollen Blick auf die Stadt mit ihren Thürmen bis in das Saale-
thal gewährt Ein Thorweg, über welchem sich ein Kuppelthurm
aufbaut, filhrt in ein ungeheures Viereck, welches rings von Ar-
kaden, und zwar 94 Bögen von etwa 16 Fuss Spannung eingefasst
ist Es sind Flachbögen, auf Bahmenpilastern ruhend, jeder ein
besonderes Familienbegräbniss einschliessend, an den Archlvolten
mit Inschriften bedeckt, an sämmtlichen Pilastem und Zwickel-
flächen mit Ornamenten der besten Renaissance geschmückt
lieber dem Eingangsportal das kräftig behandelte Brustbild des
Baumeisters Mckel Hofmann. Aber auch ohne dies monumentale
Zeugniss würde man aus der Aehnlichkeit mit den Formen der
Marktkirche auf denselben Architekten schliessen. Ja sogar in
denselben Jahren, als das umfangreiche Stuhlwerk jener Kirche
geschnitzt wurde, geschah die Ausführung des Friedhofs. Man
liest wiederholt die Jahreszahlen 1563 bis 1565, dazu mehrmals
die Namenszüge des Meisters, ausserdem noch die Buchstaben T. fi,
und an der Ostseite nennt sich einmal Harn Reuscher. An der
Südseite sind eine Anzahl von Bögen in einem besonderen Stil
dekorirt, so dass die Ranken des Laubwerks sich wie Weinranken
in wunderbar reichem Spiel in und um einander verschUngen. Im
Kap. XY. Obersachsen. §21
Uebrigen herrscht grosse Einheit der Dekoration, und es ist er-
staunlich^ wie an einem so ausgedehnten Werk das dekorative
Talent und die Erfindungsgabe nimmer erlahmt Dass man die
Ausführung auf verschiedene Hände vertheilen musste, ist begreif-
lich; manches ist von vorzüglicher Feinheit, nur das Figürliche
zum Theil von geringerem Werth. Dass aber die Stadt neben
den grossartigen Arbeiten in der Marktkirche noch ein solches
Werk zu gleicher Zeit fördern konnte, ist ein schöner Beweis für
ihren Monumentalsinn und wohl auch für ein besonders reges
religiöses Leben.
Merseburg.
Dieser uralte Bischofssitz bewahrt in dem mächtigen Schloss
ein grossartiges Zeugniss der Fürsten, die hier residirt Mit
seinen drei Flügeln umfasst es einen weiten viereckigen Hofraum,
dessen vierte nach Süden gelegene Seite der Dom begrenzt und
zwar derart, dass die westlichen Fa^aden des Schlosses und des
Domes in derselben Flucht liegen.^)
Die nordwestliche Ecke des Schlosses ist von einem mit
Bäumen bepflanzten Hof umgeben, um den sich kleinere Wirth-
schaftsgebäude gruppiren. Man betritt diesen Hof vom Domplatz
aus durch ein stattliches Portal in kräftiger Bossagenarchitektur
mit etwas barockem Aufsatz (das Merseburger Wappen von Löwen
gehalten). Durch einen verhältnissmässig kleinen Durchgang ge-
langt man von da in den imposanten innem Schlosshof. Hier
steht auch der alte schwarze Käfig, in welchem der historische
Merseburger Rabe gefüttert wird.
. Vor den letzten Giebel der Westfa^ade legt sich ein schlan-
ker hoher Treppenthurm, dessgleichen einer vor den mittleren
Giebel der Nordfagade. Die letztere ist gegen den Schlossgarten
gerichtet, in dessen Axe ein stattlicher Colonnadenbau aus späterer
Zeit steht Eine bepflanzte Terrasse mit prächtiger Aussicht liegt
vor der nach dem anmuthigen Saale -Thal blickenden Ostfa^ade,
die im Verein mit den schlanken Thürmen des Schlosses und der
mittelalterlichen vierthürmigen Domkirche vom jenseitigen Fluss-
ufer aus ein ungemein malerisches Bild gewährt.
Die Architektur des Aeussem wie auch des innem Schloss-
hofes ist wesentlich bedingt durch die hohen Giebel, welche
^) Werthvolle Notizen über das Nachfolgende verdanke ich Herrn
Architekt Ludwig Neher. Vgl Seemann's D. Ren. Heft 14.
g22 in. Buch. Benaissance in Deutschland.
sich (am Nordflttgel in weiteren, am Ost- und Westflttgel in
engem Zwischenräumen) fiber dem durchlaufenden Hauptgesimse
bis zur Firsthöhe erheben, in drei Stockwerke getheilt, deren
Verjüngungen durch Voluten und Obelisken vermittelt sind, oben
mit geradlinigem Giebel geschlossen.
Die Hauptstockwerke zeigen grosse rechteckige Fenster,
durch Steinkreuze getheilt, oder, wie hauptsächlich im Hof,
Fenster mit yorhangartigem, aus drei einwärts gekrümmten Seg-
menten gebildetem Abschluss. Diese in den sächsischen Gregenden
beliebte Form gehört dem Ausgang des Mittelalters an. In der
That wurde das Schloss grösstentheils in jener Epoche durch
den Bischof Thilo von Trotha (f 1514) errichtet.
Im Uebrigen sind die äussern Fafaden völlig schmucklos.
Um so reicher gestaltet sich der innere Schlosshof. Zu den in
die südwestliche und südöstliche Ecke sich legenden mittelalter-
lichen Thürmen der Domkirche gesellt sich in der nordöstlichen
Ecke ein imposanter Treppenthurm mit kräftigem Consolengesimse
und stattlichem Helm, die Fagade fast um die doppelte Höhe
überragend. Ein hübsches Portal (mit einer Umrahmung korin-
thischer Ordnung; in der einfachen mit Voluten geschmückten
Attika das erste schiefe Treppenfenster) führt in das Innere des
' Thurmes, an den sich längs des östlichen Flügels ein von üppigem
Grün überwachsener terrassenartiger Vorbau lehnt In der Mittel-
axe des folgenden Giebels springt ein durch die zwei Hauptstock-
werke und das erste Giebelstockwerk reichender Erker vor, auf
frei hängenden gothischen Kippen ruhend, oben durch eine Attika
mit Rundfenstern und Voluten abgeschlossen. In der südöstlichen
Ecke baut sich aus dem zweiten Hauptstock ein langer bedeckter
hölzerner Balkon auf Steinconsolen heraus. Die zum Theil sehr
grossen Fenster dieses ganzen Ostflügels zeigen fast alle stich-
bogigen Abschluss.
Ein reiches Portal bezeichnet die Mitte des nördlichen Flügels,
dessen unterster Stock an zwei andern Portalen noch mittelalter-
lichen Einfluss verräth. Die umrahmenden dorischen Säulen auf
Stylobaten tragen über ihrem Gebälk die Statuen des h. Laurentius
mit dem Kost und des Evangelisten Johannes, zwischen beiden
als krönenden Abschluss das bischöfliche Wappen, kräftig um-
rahmt, von Löwen gehalten. Alles ist reich decorirt, der obere
Theil des Säulenschaftes cannelirt, doch sind die Details etwas
schwulstig; das Ganze hat sehr gute Verhältnisse. In ähnlichem
Geschmack ist der stattliche Erker dieses Flügels auf reich ge-
schmückter Unterkragung, im ersten Stock rustik mit dorischer
Ordnung, im zweiten ionische Pilaster auf stehenden Consolen.
Kap. XV. Oberoachsen. g23
Das Ganze durch eine Attika mit Bandfenster und Yolutenornament
gekrönt
In ähnlicher Weise ist auch der westliche Flügel geschmückt,
namentlich ziehen hier viele steinerne Wappen das Auge auf
sich.
Die Südseite des Schlosshofes wird nun von der Domkirche
mit ihren steilen Giebeln und Thttrmen eingenommen, und so bil-
det dieser Hof ein Ganzes von grandiosen Dimensionen und un-
gemein malerischer Wirkung. Denkt man sich dazu die ehemalijge
Bemalung (von welcher zahlreiche Spuren namentlich am Nord-
flttgel über den Fenstern etc. zeugen), so muss dieser Hof ehedem
einen prachtvollen Eindruck gemacht haben.
Gegenwärtig zeigt das Mauerwerk überall grosse Einfachheit
Nur an den Portalen und den Erkern giebt sich die reiche Deko-
rationsweise der Spätrenaissance mit ihren Metallornamenten zu
erkennen. Diese Theile stammen offenbar vom Ausgange des 1 6.
oder Beginn des 17. Jahrhunderts. Als Architekt nennt sich
Simon Hofmann^ vielleicht ein Sohn jenes in Halle thätigen Meisters.
Das Hauptstück der Dekoration ist im Innern die prachtvolle, in
einem polygonen Treppenhaus angelegte Wendelstiege, ähnlich
der schönen Treppe in Göppingen an der Unterseite völlig mit
Banken, Masken, Wappen und allerlei Figürlichem in fein be-«
handelten Beliefs bedeckt Das Treppenhaus schliesst mit ele-
gantem Stemgewölbe in spätgothischen Formen, daran die Inschrift:
Herr Johann von Eostitz Domprobst Eine zweite Treppe, kaum
minder reich geschmückt, ist an der Unterseite völlig mit Orna-
menten in dem bekannten Charakter von Metallbeschlägen bedeckt
Zu erwähnen ist noch der originelle, dreiseitige Ziehbrunnen.
Auf kräftiger Brüstung öffnet sich nach drei Seiten je ein Bogen,
von dorischien Säulen mit reichgeschmücktem verkröpftem Gebälk
umrahmt; drei Bügel, feurige bewegte Seepferde tragend, wölben
sich darüber zusammen; den gemeinschaftlichen ScUussstein
krönt ein Neptun mit dem Dreizack. Zwischen den Seepferden
über den Bogenaxen ist je ein Wappen mit reicher Umrahmung.
Bei barockem Detail hat das Ganze eine ungemein lebendige Sil-
houette und trägt den Stempel einer üppigen phantasievollen
Epoche. (Abgeb. in den Studienbl. des Arch. Yer. am Polyt in
Stuttgart)
Im Dom bezeichnet die Kanzel (c. 1526), ein im Wesent-
lichen spätgothisches Werk, reich mit Reliefs in Holz geschnitzt,
in einzelnen Benaissance- Elementen den Eintritt des neuen Stils.
824 ni Bach. BenaisBance in Deatschland.
Thnringen.
In den thüringischen Landen tritt, mit Ansnahme von Erfurt,
kein städtisches Gemeinwesen in dieser Epoche selbstthätig her-
vor. Wohl aber ist Manches von fürstlichen Bauten zu melden,
mit welchen die s&chsischen Herzoge und Kurfttrsten ihre zahl-
reichen Residenzen geschmückt haben. Doch finden wir darunter
keine Schöpfung ersten Ranges. Das für unsre Betrachtung Er-
hebliche mag kurz erwähnt werden.
Von dem alten Schloss zu Weimar ist zunächst der runde
Thurm, freilich mit späterem Aufbau, erhalten. Mit ihm verbunden
einige ältere Theile, unregelmässig und unbedeutend, mit Ausnahme
eines ziemlich ansehnlichen Bogenportales, dessen schräge Lai-
bung mit Ornamenten der Frührenaissance umfasst wird; (a 1530
entstanden). Ebenso der krönende Aufsatz mit dem Wappen, zu
dessen Seiten Delphine angeordnet sind. Die gewölbte Eingangs-
halle führt zu einer ganz schlichten Wendeltreppe. Die Giebel
dieses Baues, mit einfachen Bogenabschlüssen und dürftigen Lise-
nen gegliedert, gehören derselben Frühzeit. Ein Modell auf der
grossherzoglichen Bibliothek giebt eine Anschauung des alten
£aues vor dem Brande von 1618. Herzog Johann Ernst begann
1619 den Neubau, welcher dann 1790-1803 durch den modernen
Umbau grösstentheils beseitigt wurde. Aus diesen Zeiten stammt
das Rothe Schloss, welches mit seinen Portalen und Giebeln den
beginnenden Barockstil, aber ebenfalls ohne höheren künstlerischen
Werth vertritt
Auch sonst bietet die Stadt für Renaissance nicht viel Be-
deutendes. Am Interessantesten ist das Cranachhaus am Markte,
um 1 526 entstanden und mit dem Wappen des Meisters geschmückt
Es hat im Erdgeschoss der unregelmässigen Fagade ein System
von grossen Bogenöffnungen im Charakter spielender Frührenais-
sance, mit dünnen kandelaberartigen Säulchen, üppigem breit ge-
zeichnetem Laubwerk und mancherlei figürlichen Elementen deko-
rirt Die schrägen Seitenwände der Bogenöffnungen zeigen die be-
liebten Muschelnischen mit Sitzsteinen. Die ebenfalls abgeschrägten
Archivolten, die Zwickelflächen und die horizontal abgestumpften
krönenden Giebel haben reiches Laubwerk. Mit der modernen
Ladeneinrichtung hat eine Restauration dieser Theile stattgefunden,
welche sich dem Charakter des Ursprünglichen gut anschliesst
Die Fenster der Fagade, unregelmässig vertheilt, zeigen mittelalter-
liche Eehlenprofile, der obere Abschluss wird durch zwei aufge-
setzte Giebel bewirkt, die in nüchterner Weise mit dürftigen
Kap. XV. Obersachsen. 825
lisenen gegliedert und mit geschweiften Bogenlinien abgeschlos-
sen sind.
Die ausgebildete Renaissance zeigt sich an dem einfach derben
Bau des städtischen Brauhauses Ton 1566. Die Fenster sind mit
schweren Giebeln bekrönt, haben aber trotzdem gothische Kehlen-
profile. Das Portal schliesst ein ähnlicher Giebel ab, der auf
kannelirten toskanischen Säulen ruht. An den Seiten sieht man
wieder die Muschelnischen. Der ungemein hohe abgetreppte
Giebel wird durch Voluten profilirt, die in ttppiges Laubwerk,
am obersten Absatz in kolossale Delphine auslaufen, und die Be-
krönung macht die Figur eines Gewafiheten. Vom Jahr 1568
datirt am jetzigen Kriminalgebäude ein elegant gearbeitetes Doppel-
wappen in einem Bahmen aufgerollter und zerschnittener Bänder.
Mehrere kleine Renaissanceportale sieht man an verschiedenen
Häusern, z. B. in der Breiten Strasse.
In der Stadtkirche hat das herrliche grosse Altarbild Yon
Cranach vom J. 1 555 eine frei geschnitzte Bekrönung von Wappen,
Reiterfiguren und prachtvollem Laubwerk, das theils der Renais-
sance, theils dem spätgothischen Naturalismus angehört Das
Ganze ist völlig bemalt und vergoldet^ von hohem künstlerischen
Werthe. Ausserdem ist das Epitaph Herzog Johann Wilhelms
von 1576 eine brillante Marmorarbeit von virtuosenhafter Aus-
führung, wahrscheinlich das Werk eines italienisch gebildeten
Niederländers.
Erfurt, im Mittelalter eine der grössten Städte Deutschlands,
bewahrt noch jetzt in seinen Denkmalen bedeutende Zeugnisse
ehemaliger Macht Sein Dom mit der gewaltigen Freitreppe, die
auf die Höhe fühi-t, rechts gegenüber die hohen Hallen der
Severikirche, bilden den monumentalen Mittelpunkt, eine Art Akro-
polis der Stadt Das Bttrgerthum, welches durch Handel und
regen Austausch zwischen Süden und Norden, sowie durch frühe
Verbindung mit der Hansa mächtig geworden war, hat auch an
der Bewegung der Renaissance sich kräftig betheiligt
Schon zeitig tritt der neue StU an einzelnen Privatbauten auf.
In der Allerheiligenstrasse ist der ansehnliche Bau des Gollegium
Saxenicum, inschriftlich 1521 gegründet, mit einem Renaissance-
wappen von 1542 geschmückt Im oberen Geschoss sind gekup-
pelte Fenster angebracht, in sehr wunderlicher unbeholfener Frtth-
renaissance von Säulen eingefasst, mit kräftigem Gesims ab-
geschlossen und darüber Flaohbögen mit Muschelfüllung, an den
Eeken aufgesetzte Kugeln. Dieselben Fenster, offenbar von dem
826 lil- Bucb. Rentiae&iice in Deutechland.
gleichen Heister, sind im Erdgeaohoss des Hauses No. 6 ebenda
verwendet, die oberen Fenster dagegen einfach mit mittelalterliohem
Profil. Dagegen ist die prächtig geschnitzte Hausthtlr mit ihren
korinthischen Säulen und ornamentalen FlachreliefB von schönem
Schwang der Zeichnung ein Werk des vollendeten Stiles. In
deraetben Strasse an Mo. 8 herrscht noch 1533 und 1537 aus-
Bcbliesslicfa die Oothik. Von 1549 datirt sodann ein kleines
Benaissanceportal der Michaelisstrasse No. 48 mit eigenthOmlich
entwickelten Ecknischen.
Eine stattliche Gomposition ist das Giebelhaus Ko. 7 am
Fischmarkt, zum rothen Ochsen, vom J. 1562. Das Fortal ist mit
facettirten Quadern eingefasst und hat Seitennischen, welche statt
der anderwärts Üblichen Muschelwölbung oben durch Voluten ab-
geschlossen sind: eine in Erfurt häufig wiederkehrende Form.
Ueber dem Erdgeschoss läuft ein Fries mit spielenden Kindern
bin. Der erste Stock wird durch kanuelirte ionische Pilaster an-
gemessen gegliedert, die Fenster haben Giebel mit plastischen
Köpfen. Der zweite Stock ist einfacher behandelt, ohne Gliede-
rung, die Fenster mittelalterlich profilirt. Feine Zahnschnittfriese
trennen die Geschosse. Am originellsten ist der das Satteldaoh
verdeckende Giebel (Fig. 222) mit seinen Filasterstellungen und
Kap. XV. OberMebBen.
827
krftftigeD Fensterraliinea, namentlich aber den phantastisclien
Figarengruppen, welche die Ähsfitze an den Ecken verbinden.
Aehnliche Composition, aber in reicherer AtuführuDg mit
fitftrkerer Anwendung ron plaatiBchem Schmnck und entschiednerer
Binneigong zum Barooco, zeigt an demselben Platze die praoht-
ToUe Fa^de No. 13, vom J. 1584. lieber dem ErdgesohosB ziehen
sich malerisch behandelte Flachreliefs hin, durch reiche Consolen
getrennt. Phantastische Hennen gliedern das HauptgeschoBS,
korinthieohe PUaster auf kräftigen Consolea den zweiten Stock.
Fein omamentirte Frieae bilden den Abschloss der Stockwerke,
and ein elegantes Zahnschnittgesims trennt das obere Geichoaa
Flg. ta. HuuporUl Bu ErfUt
von dem Giebelanfsatz. Die Fenster des ersten Stockes haben
reiche barock Terschlungene Krönungen; alle übrigen, aach am
Dacherker, haben Griebelaufsätze mit stark vortretenden Köpfen.
Die Silhouette des abgetreppten Oberbaues wird wieder durch figtlr-
Ucbe Gruppen belebt Es ist eine der durcbgebildetsten Fa^aden
ansrer Renaissance, durch treffliche Verhältnisse ausgezeichnet
Im Innern ein Flur mit schönen gothischen Netzgewölben, der zu
einer stattlichen Wendeltreppe fohrt. Die Spindel ruht auf schlan-
ken Säulen, und die untere Seite der Stufen ist aufs Reichste
mit ornamentalen Reliefs dekorirt
Beträchtlich frllber, feiner und schlichter ist das Haus am Anger
No. 37 V. J. 1557. Das Portal (Fig 223) vertritt in anziehender
Weise die hier übliche Form der Seitennisehen, deren Ausbildong
828 ni. Bach. Benaisaance in Deutschland.
beachtenswerth ist Die Pilaster, welche das Portal einfassen,
sind wie der Fries mit hftbschen Banken geschmttckt ; die Zwickel-
felder enthalten die Köpfe von Christus und Paulus in Medaillons.
Die übrigens einfache FaQade erhftlt durch einen polygonen im ersten
Stock ausgebauten Erker einige Belebung. Ein schönes Eisengitter
füllt das Oberlicht Aber der Thttr. Im Flur sieht man zwei praeht-
Toll gearbeitete Säulen aus späterer Zeit.
Ein zierliches Werk ist der am Aeussem der Michaelis-
kirche angebrachte Grabstein des Melchior Sachse und seiner
Frau, durch den Sohn wahrscheinlich nach dem Tode der letztem
(1553) errichtet. Die Gestalten der Verstorbenen werden yon
einem eleganten Benaissancerahmen auf kannelirten toskanischen
Pilastem umschlossen. Die Arbeit ist in sicherer Meisterschaft
durchgeführt. Ganz in der Nähe, Michaelisstrasse No. 38, das
ansehnliche Haus dieser Familie, vom Jahr 1565. Ein Portal mit
Ecknischen, von ionischen Halbsäulen eingefasst, die Archiyolte
mit facettirten Quadern gegliedert, in den Zwickelfeldem zwei
Medaillonköpfe, ähnlich wie bei dem Haus am Anger, im Fries
der Spruch: „Was Gott bescheert bleibt unerwert." Darflber ein
Aufsatz in Form einer Aedicula, von korinthischen Säulchen ein-
gefasst und mit Giebel geschlossen, darin die Wappen von Melchior
Sachse und Elisabeth Langen. Zwei riesige geflügelte Dephine
bilden auf beiden Seiten eine barocke Einrahmung. Die Ecke
des Hauses ist originell als kräftige Busticasäule mit toskanischem
Kapital behandelt Die Fenster haben noch durchweg das mittel-
alterliche Eehlenprofil. Ein kleines Haus neben der Michaelis-
kirche besitzt ein stattliches Portal yon 1561, gleich den übrigen
mit Seitennischen und fein gegliederter Archiyolte, eingefasst yon
korinthischen Säulen. Am Fries die Inschrift: ^Gott spricht es,
so geschieht es. — llgen Milwicz, Anna Schwanflogelin.*' Dabei in
den Zwickelfeldem trefliich behandelte Wappen. Die Fenster des Erd-
geschosses haben ebenfalls korinthische Säulchen als Einfassung,
derb facettirte Quader am Fries und kleine Giebel als Krönung.
Den Abschluss der Epoche bildet eins der reichsten und
elegantesten Häuser dieses Stiles, das Haus zum Stockfisch in der
Johannisstrasse, yom Jahr 1607. Zwei stattliche Portale (Fig.
224) in kräftig barocken Formen und ein Erker schmücken die
ziemlich breite Fa^ade. Die Hausthür zeigt treffliches Schnitz-
werk, die Einfassung zu beiden Seiten wieder die beliebten
Nischen. Ganz prachtyoU ist aber die Belebung der Flächen
durch eine Bustika, deren Quader abwechselnd glatt oder mit
feinen flachbehandelten Bandomamenten geschmückt sind. Im
Hansflur ein kräftiges yon ionischen Säulen eingefasstes Portal
Fl(. >M. Erfnn, Bui nm SwekflMtt.
Kap. XV. Obersachsen g31
Einiges findet sich auch in den Kirchen. Im Dom ein grosses
Wandepitaph vom Jahr 1576 im südlichen Seitenschiff, altarartig
aufgebaut, im Stil schon sehr barock, dabei reich polychromirt
das Monogramm des Meisters £. 6. Aus derselben Zeit ein
Doppelgrab, ebendort, bezeichnet H. F. Sodann noch ein Epitaph
am östlichen Ende desselben Seitenschiffs, Yon ähnlicher Compo-
sition und Ausführung. Weiter gehört hierher der Taufstein von
1587, mit Figuren von Tugenden zwischen phantastischen Hermen
und Karyatiden, ausserdem sehr reich mit Metallomamenten ge-
schmückt Um den Taufstein erhebt sich auf sechs ionischen
reich dekorirten Säulen mit Goldomamenten auf blauem Grund
ein grosser phantastischer Baldachin, über dem Gebälk mit hoher
Kuppel aus durchbrochenen Rippen bekrönt, auf den Ecken
schlanke Pyramiden, in der Mitte oben ein riesiger Obelisk, der
his än's Gewölbe reicht, alles dies reich dekorirt und bemalt,
neuerdings hergestellt, von phantastisch barocker Wirkung.
Feiner und zierlicher ist die Kanzel in der Severikirche,
ein elegantes Werk von 1576.
In Jena^) finden sich zwei vollständige Renaissancehäuser
Yon auffallend strenger Architektur. Der sogenannte Burgkeller,
dicht neben der Stadtkirche gelegen, ist ein Giebelbau von be-
scheidenen Dimensionen. Etwas seltsam wirkt der zwiebeiförmige
Abschluss des Hauptgiebels wie auch des Dacherkers über dem
Pultdach der Nebenseite.
Vor die etwas in die Ecke gedrückte Hauptpforte legt sich
eine kleine Freitreppe. Die Architektur dieser Pforte zeigt die
in Jena wie in ganz Thüringen häufige Form : rundbogiges Portal
mit abgeschrägter Leibung, in deren vertikaler Fläche meist mit
Muschelwölbung geschmückte Nischen mit runden Steinsitzen
angebracht sind; die gebogene Fläche der Leibung ist durch reiche
Profilirung mit Eierstab, Zahnschnitt, kleinen Consolen gegliedert
(vgl. oben Fig. 216.) Die Fensteröffnungen zeigen hübsche Detail«
bildung, sämmtlich mit geradlinigem Giebelabschluss. In wohl-
berechneter Steigerung lichten sich, bei stets reicherer Umrahmung
der Fenster, die Mauermassen. Die weiten Oeffhungen des ober-
sten Hauptstocks werden durch schlanke ionische Säulchen ge-
theilt, dessgleichen die Oeffnung des Dacherkers auf der Neben-
seite durch eine dorische Zwergsäule.
Das zweite Haus, wenige Häuser in der nächsten Gasse ent-
fernt, zeigt eine fast italienische Fa^adengliedernng. Im untern
Stockwerk zwei stattliche Bögen, von einer toskanischen Pila8tel^
*) Dies nach Notizen von Herrn Architekt Ludwig Naher.
832 in. Buch. Benaissance in Deutschland.
Ordnung umrahmt; dabei ist merkwürdigerweise mittelst Durch-
führung des Eämpfergesimses die Bogenöffiiung als Fenster eines
Mezzaninstockes benützt. Der Fries der Hauptordnung trägt als
Inschrift: Gloria in excelsis etc. Das Stockwerk darüber zeigt
eine' feine Pilasterarchitektur mit verdoppelter Axenzahl. Die
Fenster sind einfach umrahmt Die weiteren Stockwerke scheinen
später hinzugefügt Das Innere unbedeutend.
Ausser diesen Häusern findet man häufig das oben be-
schriebene Portal wiederkehrend; auch der Giebelabschluss des
Jenaer Bathhauses mit kunstreicher Uhr gehört in die Renais-
sanceperiode.
Das Wenige, was Gotha an Renaissancebauten besitzt, zeugt
nicht gerade von einer bedeutenden künstlerischen Thätigkeit,
reiht sich indess den Arbeiten der benachbarten Orte an und
dient zur Vervollständigung des Bildes. Das Rathhaus ist ein
langgestrecktes Rechteck, mit hohem Giebel an der schmalen
Nordseite gegen den Markt, mit viereckigem Treppenthurm an
der Südseite. Die Fa^de von 1 574 hat später eingreifende Um-
gestaltungen durch vorgesetzte Stuckpilaster erfahren. Das Portal
aber mit seinen Seitennischen, darüber ein Aufsatz mit dem
Wappen, zu beiden Seiten unfönnliche Delphine, entspricht der
Behandlung, wie wir sie in Erfurt und Weimar fanden. Auch
der hohe Giebel mit seinen barocken Voluten und ihrem phan-
tastischen figürlichen Schmuck ähnelt den gleichzeitigen Erinrter
Bauten. Den Abschluss bildet ein durchbrochener Bogen mit der
Uhrglocke, darauf als Krönung eine kleine Ritterfigur. Schön ist
an der oberen Galerie des Thurmes das zierliche schmiedeeiserne
Gitter ; ausserdem über einem modemisirten Portal der westlichen
Langseite ein fein gearbeitetes Wappen, von zwei Löwen gebalten.
Eine schlichte Wendeltreppe fuhrt um einen achteckigen Pfeiler
im Thurm zum oberen Geschoss, welches eine grosse lange Vor-
halle enthält
Ein etwas einfacheres Portal im Charakter des Rathhauses,
ebenfalls mit Nischen und Sitzsteinen, hat das Gebäude der Post
am Markt Mehrfach finden sich noch ähnliche Pforten. Etwas
abweichend ist die Behandlung des Portals am Eckhaus der
kleinen Erfurter Gasse und des Marktes von Jahr 1563.
Ueber der Stadt erhebt sich an der Südseite auf weit hin-
schauendem Hügel die kolossale aber ziemlich nüchterne Anlage
des Schlosses Friedenstein, im Wesentlichen dem 1646 durch
Ernst den Frommen ausgeführten Neubau angehörig. Bei der
*Kap. xy. Obenaebsen. g33
Exekution gegen Johann Friedlich den Mittleren (1567) wurde
dag durch ihn erbaute Schloss Grimmenstein eingenommen und
geschleift und an seiner Stelle spftter das jetzt Yorhandene mit
dem Namen Friedenstein erbaut. ^ Es ist ein gewaltiges Yiepeck,
Tom und auf beiden Seiten Ton den Hauptgebäuden eingeschlossen,
der Hof von derben Pfeilerarkaden auf allen vier Seiten umzogen,
die an der Rflckseite mit einer Plattform abgeschlossen und in
der Mitte mit einem Portal durchbrochen sind, das den Blick und
den Austritt in den Park frei Iftsst. Vom alten Grimmenstein
stammt nur das Portal der Kapelle, unter den Arkaden links vom
Eingang, datirt von 1553. Es hat die grOsste Verwandtschaft mit
dem Portal der Schlosskapelle zu Torgau, fthnliches Laubwerk
im frischen Stil der Frtthrenaissance und in den Ranken ebensolche
Engelfiguren. Die Einfassung mit barocken Voluten gehört dem
Umbau des 17. Jahrhunderts.
In der Eunstkammer, bisher im Schloss aufbewahrt, ist
Manches an werthyollen Werken der deutschen Kleinkunst: zier-
liche Trinkgefässe, Becher und Pokale, ein Globus mit herrlichem
Untersatz, astronomische Instrumente, schöne Uhren, Glasgeftsse
und Schmelzarbeiten, vor Allem aber das kleine angebliche Brevier,
in Wirklichkeit aber ein fürstliches Stammbuch des 16. Jahr-
hunderts, eins der köstlichsten Juwele deutscher Goldschmiede-
kunst, dort natürlich dem Benvenuto Cellini zugeschrieben, in
Wahrheit aber, wie aus der Art der Technik und den künst-
lerischen Formen hervorgeht, das Werk eines ausgezeichneten
deutschen Meisters. Aus massivem Golde ist der Deckel gearbeitet,
mit Diamanten, Rubinen, Smaragden und Schmelzwerk geschmückt,
dazu in fein getriebener Arbeit auf der Vorderseite die Anbetung
der Hirten und die vier Evangelisten, auf der Hinterseite die
Auferstehung und die vier evangelischen Frauen, auf dem Rücken
die Erscha^ng der ersten Menschen und der SündenfalL Das
köstliche kleine Buch, etwa zwei Zoll breit und 2V9 Zoll hoch,
ist aus dem Besitze der Grossherzoge von Mecklenburg -Schwerin
durch Schenkung nach Gotha gekommen und ftlr das Kunstkabinet
erworben worden.
Weiter nordwftrts bis gegen den Rand des Harzes sind nur
unbedeutende Arbeiten der Renaissance zu verzeichnen. In
Nordhausen ist das Rathhaus ein ftusserst schlichter Bau von
1610, die Giebel in Fachwerk ohne künstlerischen SchmucL Die
Fenster und die grosse Bogenhalle, mit welcher sich das Erdge-
schoss gegen den Markt öffiiet, zeigen das mittalteriiche Kehlen-
Kaf ler, Ovob. d. Banknnit. V. 53
g34 ^' Bach. BenaiBsanoe in Deutschland.
profiL Vor die Mitte der Fa^e legt sieh ein Thurm mit statt-
fich breiter Spindeltreppe, die auf die Bogenhalle mündet Der
Vorsaal im Innern ist nicht gross, quadratisch ; auf derber Mittel-
säule, welcher in den Wftnden Halbsftulen entsprechen, ruhen die
Balken der Decke. Die Kapitale sind fast romanisch, auch das
Gebftlk zeigt mittelalterliche Gliederung. An seinen Eopfbändem
liest man: Hans Hacke 1609. Ein kleines Portal in Sandstein
hat dürftige trockene Formen der späten Renaissance. Im Vor-
saal des zweiten Stockes bietet die Mittelsäule das auffallendste
Beispiel Von gründlichem Missveratändniss der Benaissanceformen
in so später Zeit
In Eisleben ist mir in der Andreaskirche nur ein messinge-
ner Kronleuchter aufgefallen, der zu den schönsten seiner Art
gehört, mit Weinranken, Trauben und kleinen Figiirchen ge-
schmückt.
Ungleich günstiger und reicher gestaltet sich die Benaissance
in den südlichen Ausläufern unseres Gebietes. Zu den interes-
santesten Werken der Zeit gehört zunächst die Heldburg, ein
auf mittelalterlicher Grundlage durch den unglücklichen Johann
Friedrich den Mitfleren seit 1558 ausgeführter Prachtbau.^) Die
Burg erhebt sich auf einem vier Wegstunden südlich von Hild-
burghausen aufragenden kegelförmigen Basaltfelsen, der durch
seine malerische Form und reiche Bewaldung schon von fem das
Auge fesselt Die alte Veste ist ein ziemlich unregelmässiger 6e-
bäudecomplex ebensowohl in Folge beengender Terrainverhält-
nisse als ungleichzeitiger Erbauung, (vgl Fig. 225.)
An dem terrassenförmig vortretenden, auf dem Niveau des
innem Schlosshofes gelegenen Ziergarten Q vorbei gelangt man bei
A über die Zugbrücke durch ein stattliches Thor in den zwinger-
artigen äussern Hof, und von da, immer steigend, einerseits an
der Pferdeschwemme N, andrerseits an dem Brunnenhaus 0 mit
dem bis zur Thalsohle reichenden, in den Basaltfelsen gehauenen
Ziehbrunnen vorüber, durch die Einfahrt B in den innem Schloss-
hof C. Auch von der entgegengesetzten Seite führt eine Einfahrt
F bei der ehemaligen geräumigen Stallung G ^) in den Hof. Von
welcher Seite man auch eintritt, stets zieht der sogen, französische
*) Das Folgende nach Notizen von L. Neher, dem ich auch die Auf-
nahme des Erkers Fig. 226 und den nnter Fig. 225 mitgetheilten alten
Grundriss der Burg verdanke. Eine malerische Abbildung des Hofes brachte
die Gartenlaube 1872 S. 133. — >) Dieselbe wurde in letzter Zeit als Ka-
pelle benutzt.
Kap. XV. ObenachMQ. 835
Bau an der Sfldaeite dm Hofes mit den reichgeschmtlckten Erkern
D, E nnd dem müden Treppenthurm den Blick auf eloh. Die
Umralunungen der Fenster und des hübschen PfdrtohenB aeigen
Überfeine, fast magere Profile. Um so kräftigeres Betief hat die
Architektur der £rker (Fig. 226) und des schSneu Portals am
Treppenthnrme. Die originelle Galerie des letztem (die untere
BaluBterreihe ist Stein, die obere Holz) gewährte wahrsclieiDUcb
Bber die niedrigem Theile Aussidit ins Thal hinab; der obere
erkerartige Ausbau soll frtther als Uhrgehäuse gedient haben.
Hf. tu. anudiiH du Heldbnr«.
Ungeachtet der Volksmnnd die Theile F G H als „alten
Heidenbau" bezeichnet, scheint von den jetzt stehenden Gebäuden
die älteste Partie in dem am Haupteingang B liegenden Gebäude
zu stecken. Hier ist nämlich sdion am Aeussem dm%b rund-
bogige Fenster eine frflh mittelalteiüche Kapelle angedeutet ; man
findet aber auch im Innem (freilich nur schwer zugänglich nnd
spärlich beleuchtet) deutliche Spuren kirchlicher Wandmalereien
(Christus am Kreuz, von Haria und Johannes beweint). Spitz-
bogige Portale kommen allerdings am sogenannten „Heidenbau",
aber auch am Commandantenbaa L H vor, obgleich letzterer
63*
S36 Ol- Buch. Bemiflflance in Deatachknd.
sonst, namenüich an den Rundthürmen, (yon denen der eine flber
der Einfahrt B,) Einflüsse der Renaissance zeigt Der Theil J E,
welcher ehedem die grossartigen Eflchenrftume enthielt, ist abge-
rissen; seine Grundmauern dienen jetzt als Terrasse, von wo sich
dne anmuthige Aussieht bietet
Der interessanteste, kttnsüeriseh bedeutendste Theil ist jener
französische Bau, der durch seine strenge Fensterarchitektur mit
den einfach gegliederten Giebeln auch dem Aeussem des Schlossea
ein stattliehes Ansehen verleiht Der Charakter der Formen er-
innert in der That an französische Bauten.
lieber die Ornamentik der Erker, die von sehr verschiedenem
Werth, ist noch folgendes zu bemerken : der Erker D zeigt ausser
einem schönen Friesomament mit Vögeln in der ionischen Ord-
nung des ersten Stocks meist Embleme des Kriegs, der Erker
E aber 'Embleme der Jagd, des Fischfangs etc., wie auch bei
D trotzige Kriegergestalten, bei £ Nixen und andere weibliche
Figuren in den Omamentflächen eine Hauptrolle spielen. An äem
einen Erker liest man die Jahrzahl 1562.
Die innem Räume enthalten Weniges von künstlerischer Be-
deutung; die Thfiren haben derbe, nttchteme Einfassungen; in
den Zwickeln sind einige gute Medaillon - Porträtköpfe. Die noch
vorhandenen Kamine sind im Yerhältniss zum Aeussem roh be-
handelt; das Deckgesimse von plumpen Gonsolen oder Hermen
getragen. Im übrigen sind die Räume verputzt und schmucklos.
Eine grossartige Anlage ist die Veste zu Coburg, gegen
Ende des 1 5. Jahrhunderts begonnen, grossentheils noch mit reichen
gothischen Dekorationen, im Hof ein malerisches offenes Treppen-
haus mit drei Stockwerken, sehr gut in Holz geschnitzt Ein
Prachtstück der spätesten Renaissance ist das sogenannte Hom-
zimmer, ein ganz mit Täfelwerk und zwar in farbig eingelegter
Arbeit geschmückter SaaL Zwischen barocken Pilastem sieht
man reiche figürliche Darstellungen an den Wänden. Am schönsten
aber ist die Decke mit ihren kraftvoll gegliederten Balken und
Kassetten, sämmtliche Felder mit feinen Ornamenten dekorirt.
Dies Prachtzimmer gehört zu den durch Johann Casimir (seit 1596)
ausgeführten Werken 0- Derselbe Fürst hat auch die Stadt mit
mehreren ansehnlichen Bauten geschmückt und die an Stelle des
früheren Barfüsserklosters errichtete Ehrenburg 1612 durch den
italienischen Baumeister Bonallino umgestalten lassen (seit 1816
modemisirt)
>) Abhiidungen bei Puttrich, IL Abth. 1. Band.
rif. aa. bUr da HtUboit (L. Heim.}
Kap. XV. ObersachBen. 839
Von den Bauten Jobann Casimir's nenne ich zunächst das
RegierungBgehäude, ein im Ganzen unbedeutendes Werk vom
Anfang des 17. Jahrhunderts, nur durch zwei hübsche Erker mit
Fttrstenbildnissen und Consolenfriesen ausgezeichnet. Aehnlicher
Art das Gymnasium, 1605 gestiftet, und das Zeughaus, immer-
hin tüchtige Bauten der Schlussepoche, in Sandstein ausgeführt,
doch ohne feineres Gefühl oder höhere architektonische Gonception.
In der Moritzkirche sind einige Grabdenkmäler zu nennen.
Zunächst mehrere Bronzeplatten, darunter die sehr gediegen aus-
geführten Johann Friedrich's des Mittleren, der 1595 in der Ge-
fangenschaft zu Steier starb, und seiner Gemahlin Elisabeth, die
ihm um ein Jahr vorausging und, wie die Grabschrift sagt, in ihres
Herrn Custodia zu Neustadt in Oesterreich verschied. Aehnlich, aber
viel roher die Denkplatte Johann Gasimir's (f 1633). Das grosse
Epitaphium, in Alabaster ausgeführt und völlig bemalt, ist ein
hoher schon sehr barocker, bunt überladener altarartiger Bau.
Anhalt.
Die anhaltinischen Länder gehören durch den Charakter ihrer
Benaissancewerke zur obersächsischen Gruppe, obwohl sie zugleich
gewisse Einfltlsse des benachbarten niedersächsischen Gebietes
empfangen. Letztere bestehen namentlich in einzelnen Beispielen
jenes künstlerisch ausgebildeten Holzbaues, den wir in den Harz-
gegenden antreffen werden.
Den werthvoUsten Rest aus unsrer Epoche besitzt Dessau
an dem westlichen Flügel des herzoglichen Schlosses. Das Ge-
bäude umfasst an drei Seiten einen rechtwinkligen Hof» hat aber
im östlichen und südlichen Flügel eine charakterlose moderne
Umgestaltung in den Zeiten des nüchternen Kasemenstils erfahren.
Neuerdings wird dem Mittelbau ein grossartiges Treppenhaus in
Formen des Friedrichsbaues von Heidelberg vorgesötet Dagegen
ist der ganze westliche Flügel ein werthvolles Werk der beginnen-
den Benaissance, zu den frühesten in Deutschland gehörend ; denn
aii der Giebelseite, die mit schweren Frührenaissancebögen ab-
gestuft ist, enthält ein Wappen den Doppeladler und die Inschrift :
Carolus Y. Bomanorum Imperator 1530. Die Pilaster, welche hier
und an der Hofseite das obere Stockwerk gliedern, scheinen einer
modernen Restauration anzugehören. In der Mitte dieses Flügels
baut sich im Hof die Bauptstiege vor (Fig. 227), in einem polygonen
Thurme angelegt, zu welchem von beiden Seiten Freitreppen empor-
führen, deren Podest sich als rechtwinklige Altane um das Stiegen-
840 IQ- Bach. BestUaance in DsDtoohluid.
hau8 henunzieht Die Pilaster der BrOstung, sehr hflbsoh mit
Wappen haltenden Bftrea bekrönt, gehören gleich den Baluster-
BJtulchen des Geländers der FrDhrenaissanoe; aber die M&asawerke
der einzelnen Felder und die Portale der Treppe sowie des unteren
zum Keller führenden Einganges mit ihren durobachDeidenden
gothischen Stäben sind mittelalterlich. Ebenso tlberaU die Um-
rahmangen der Fenster. Die Wirkung dieser reichen und origi-
nellen Arbeit wird durch völlige Bemalong und Vergoldung noch
gesteigert Die Renaissanc« tritt sodann in einzelnen OmamenteB
der Balustrade, in den reichen BckrÖnungen der Portale anziehend
auf. Die GompoBition des Treppenhauses ist dieselbe wie in
Torgau, aber etwas frtlber und von einem Meister, der zum Theil
noch der Gotbik angehört Am Hanptportal des Thurmes liest
man, dass die FflrBten Jobann, Georg und Joachim gemeinsam
den Ban 1533 ausgeführt haben. Die Jahrzabl 1531 glaubte ich
an einem kleinen Täfelchen zu erkennen. Dem entsprechen die
historischen Nachrichten, welche melden, dass Fttrst Johann B im
Verein mit seinen Brfidem Georg und Joachim den Neubau des
in seinen älteren Theilen von den Brildem Albert und Woldemar
Kap. Xy. Obersachsen. 841
1341 emcbteten Sehlosses ausgeftthrt habe*). Wahrscheinlich gab,
wie 80 oft, die bevorstehende Yennählang des Fürsten (1533 mit
Hargaretha, der Tochter Joachims I von Brandenburg, Wittwe
des Herzogs Georg Ton Pommern) den äussern Anlass zum Neubau.
Johann war ein baulustiger Herr, munterte auch seine Unterthanen
zum Bauen auf und schenkte ihnen das dazu nöthige Holz,') indem
er sagte, „er sehe lieber, dass ein Mensch neben und bei« ihm
wohne, sils dass das Holz im Walde stehe und darunter Hirsche
und andre wilde Thiere sich aufhalten sollten''. Sein Bruder
Joachim, der bis 1531 am Hofe Herzog Georgs von Sachsen lebte
und zur grossen Bekttmmemiss dieses dem alten Glauben treu er*
gebenen Fürsten sich der Keformation anschloss, setzte seit seines
Bruders Tode (1551) die begonnenen Bauten fort In der That
sieht man an. demselben westlichen Flügel weiter einwärts eine
ziemlich primitive Renaissancetafel, welche den Namen Joachim
und die «Fahrzahl 1549 enthält
Im Innern des Stiegenhauses ist die Treppenspindel am Fuss
mit eleganten Renaissance - Ornamenten geschmückt, während
die kleinen Fenster des Treppenhauses gothische Motive zeigen.
Am oberen Podest der Treppe findet sich ein Portal, dessen ge-
brochener Spitzbogen noch dem Mittelalter angehört, während die
einfassenden Pilaster, die Füllungen und namentlich die wunder-
lichen unsymmetrisch am Fries angebrachten Delphine eine un-
geschickte Renaissance verrathen. Das Portal unter der Treppe
führt zu einem Raum, dessen schönes gothisches Sterngewölbe auf
einer Mittelsäule ruht (Leider jetzt durch eine Wand getheUt
und in seiner Wirkung beeinträchtigt).
Einer späteren Epoche gehören die beiden in entwickeltem
Renaissancestil prachtvoll durchgeführten Portale, welche in den
Ecken des Hofes angebracht sind, das westliche zu einer Treppe
mit rechtwinklig gebrochenem Lauf, das östliche zu der in einem
polygonen Thurme angelegten zweiten Wendelstiege führend.
Dies sind Theile des grossartigen Erweiterungsbaues, welcher,
die jetzt fast ganz erneuerten östlichen und südlichen Flügel um-
fassend, von Joachim Ernst seit 1577 untemonmen wurde. ^) Es
wäre nicht unmöglich, dass der Meister Caspar^ welcher 1572 von
Brieg nach Dessau geht, um diesem Fürsten seinen Rath zu er-
theilen,^) mit diesen Arbeiten irgendvne in Verbindung stände.
Aber auch Peter Muron aus Lugano, den wir beim Schlossbau
0 J. Chr. Beckmann, Historia des Fürstenth. Anhalt (Zerbst 1690 Fol.
m, 349 ff. V, 175. — ») Ebenda V, 172. — 3) Beckmann, ni, 350. —
^) Luchs, Schles. Künstler p. 19.
g42 ni. Buch. BenaJBsance m Deutschland.
in Berlin kennen lernten, wurde wie es Bclieint in Dessan beim
Sohlossbau verwendet Kraftvolle Nisehen mit Sitzsteinen bilden
die Einfassung beider Portale; energisch vorspringendes Geb&lk
mit Triglyphenfries ruht auf Akanthusconsolen ; der Schlussstein
des Bogens ist mit weit vorragendem Kopfe geschmückt, und der
elegante attikenartige Aufsatz, von einem Giebel bekrönt, enthält
die fürstlichen Wappen. Es sind Arbeiten einer freien vollendeten
Meisterschaft, leider das östliche Portal in unbegreiflicher Weise
fast vollständig verwittert Durch den nüchternen Umbau, welcher
gerade diese Theile fast vollständig getroffen hat, ist Alles be*
seitigt worden, was ehemals diesem Baue sein reiches Gepräge
gab; namentlich die Bogengänge und Altane, welche zur Ver-
bindung der einzelnen Gemächer angeordnet waren und dem
Hofe ehemals einen ungemein malerischen Charakter verliehen«
Auch die prächtige Ausstattung des Innern, von welcher berichtet
wird,^) ist fast völlig verschwunden. Bemerkenswerth scheint
nur ein grosses gewölbtes Zimmer im Erdgeschoss mit kräftig
barocker Stuckdekoration. In den Ecken ruhen die Gewölbrippen
auf Gonsolen in Gestalt fratzenhafter hockender Teufel von bur-
lesker Phantastik.
Die Stadt enthält nicht viel Bemerkenswerthes an älteren
Privatbauten. In der Schlossstrasse No. 1 sieht man ein zier-
liches Portal mit Seitennischen und reichgegliederter Archivolte,
nach Art der Dresdner Portale. Aehnliche noch an mehreren
Häusern, z. B. in der Schlossstrasse und der Zerbsterstrasse
No. 34. Mehrere Giebelhäuser der beginnenden Barockzeit in
letztgenannter Strasse No. 41 und 42, auch einige Fachwerkbauten,
z. B. ebenda No. 40, aber ohne Bedeutung. Ein reicheres Holz-
haus in der Schlossstrasse No. 12, vom Jahre 1671, doch auch
dies nicht von hervorragendem Wertk
Das Bathhaus von 1563 zeigt einfache Anlage und schlichte
Ausführung, an der Fagade wie zu Leipzig mit poljgonem Treppen-
thurm versehen und durch zwei hohe schlichte Giebel mit Pilas-
tem und Voluten charakterisirt Rechts vom Treppenthurm ein
kräftig gegliedertes Portal mit Sitznischen vom Jahr 1601. —
In Zerbst tritt die Benaissance in früher spielender Form
an dem Gebäude der Bürgerschule auf. Das Hauptportal
gegen den Markte vom Jahre 1537, zeigt eine phantastische Gom-
position ohne organischen Aufbau, aber mit sehr zierlicher Deko-
ration. Die einfassenden Säulchen haben noch die geschweifte
Candelaberform, das Pflanzenwerk zeigt die krautartig krausen
1) Beckmann lU, 350 ff.
Kap. Xy. Obersachsen. 843
Blfttter der Frühzeit Die beiden Wappen dea Fflrstenthums und
der Stadt schmücken die Attika, darüber ein, zweiter Aufsatz mit
dem Reichsadler und der Kaiserkrone, abgeschlossen von einem
Giebel, in dessen Feld ein Imperatorei^opf. Die flbrigen Portale
sowie die Fenster des ansehnlichen Gebäudes zeigen die spftt-
gothisehe Form.
Das Rathhaus hat 1610 und 1611 an der langen, dem
Harkt zugekehrten Fagade vier stattliche Giebel mit Pilastem
und derben Voluten erhalten, zugleich ein Portal in kräftigen
Barockformen. Werthyoller sind die beiden hohen Backstein-
giebel der Schmalseiten in reichen gothischen Formen vom Jahre
1481. Im Innern enthält der grosse Yorsaal des oberen Stock-
werks, zu welchem auch hier eine Wendeltreppe führt, an der
einen Sehmalseite eine spätgothische Holzvertäfelung, darin ein
mittelmässiges Portal vom Jahre 1611.
In der Nikolaikirche ist das Epitaphium Johanns II
(t 1551) eine geringe Steinmetzen -Arbeit in unreifen Frührenais*
sanceformen, ursprünglich völlig bemalt Das Taufbecken, ein
Broncewerk der Spätrenaissance, etwas stumpf im Guss, aber
von ansprechender Composition, namentlich der Deckel reich
mit Engelfigttrchen, Engelköpfen, Masken und Volutenwerk ge-
schmückt.
Unbedeutend ist der Privatbau; das beste ein noch gothisches
Haus am Markt vom Ende des 15. Jahrhunderts, in kräftiger
Holzschnitzerei mit Figürchen von Aposteln und andern Heiligen
an den Holzconsolen. Hier wie in Dessau merkt man an dem
Fach werkbau die Nähe des. Harzes mit seiner reichen Holzarchi-
tektur. Die Anhaltische Gruppe bildet daher den Uebergang zu
Niedersachsen. Zwei Häuser am Markt zeigen den Holzbau in
einfachen Renaissanceformen. Ein kleines Steinportal der üblichen
Anordnung mit Seitennischen, am Markt No. 25, beweist in seiner
Jahrzahl 1687 das lange Andauern traditioneller Gewohnheiten.
Zwei prächtige Wasserspeier mit schönen schmiedeeisernen
Stangen, ebenda No. 24, zeugen von der Tüchtigkeit des Kunst-
gewerbes.
Am dürftigsten ist die Ausbeute in Cöthen. Das Schloss,
von weitem durch seine Euppelthttrme verlockend, zeigt sich in
der Nähe als ein armseliger Putzbau, der in drei ausgedehnten
Flügeln einen grossen Hof umgiebt. Der Eingang liegt in dem
westlichen Hauptgebäude, von welchem nördlich und südlich die
Seitenflügel rückwärts auslaufen, jeder mit einem polygonen
TreppenÜlurm ausgestattet Alles aber, sowie die stark zerstörten
Poitale ohne erhebliche Bedeutung. Die schönen Banmgmppen,
844 in. Bueh. Benaiasance In Deatschland.
welche den Bau umgeben, sind. das Beste. Ausserdem ist mir
nur in der Schlossstrasse No. 12 ein kleines bObsches Fachwerk-
haus mit zierlichem Steinportal aufgefallen.
Eine umfangreiche, aber ebenfalls kllnstlerisch wenig be-
deutende Anlage ist das Schloss zu Bernburg. Auf einer ziem-
lich steil gegen die Saale abfallenden Höhe gelegen, macht es
?on unten gesehen mit seinen gewaltigen Massen, den zahlreichen
Giebeln und Thttrmen einen imposanten und malerischen Ein-
druck. Der Bau reicht zum Theil in's Mittelalter hinauf und ist
dann im 16. und 17. Jahrhundert stark verändert und erweitert
worden. Wenn man in den Schlosshof tritt, so hat man zur
Seite rechts einen vorgeschobenen Bau mit mächtigem viereckigem
Thurm, der im Anfang des 16. Jahrhunderts aufgesetzte Giebel
erhalten hat, jedenfalls aber seinem Kerne nach aus dem Mittel-
alter stammt Zur Linken liegt die alte Schlosskapelle mit einem
Portal von 1565, welches trotz dieses späten Datums noch halb
gothisch mit durchschneidenden Stäben und dabei mit dürftigen
Benaissanceformen ausgestattet ist Der Hauptbau zieht sich in
beträchtlicher Entfernung nordwärts hin, in zwei Stockwerken
mit schlicht behandelten Fenstern und bekrOnt mit Giebeln,
welche die Form der Frtthrenaissance in ziemlich kunstloser
Weise und in geringem Stuckmaterial zeigen. (Fig. 228). Links
springt ein Seitenflügel vor, im 17. Jahrhundert (1682) mit einer
Freitreppe, die am Hauptbau angelegt ist, und einer oberen, ehe-
mals offenen Loggia auf toskanischen Säulen ausgestattet Dieser
Flügel endet mit einem breiten pavillonartigen Bau, der durch
aufgesetzte Giebel im Charakter des Hauptbaues sich malerisch
darstellt Die lange Front des letzteren wird durch zwei Erker,
der eine auf Säulen, der andere auf Gonsolen ruhend, etwas be-
lebt Ungefähr in der Mitte führt ein Portal zu einer Wendel-
treppe, die indess nach aussen nicht hervortritt Alle diese
Theile gehören, sowie die oben erwähnte Kapelle zu den um
1567 durch Fürst Joachim Ernst ausgeführten Bauten. Während
der ganze Bau kunstlos in Backstein mit Stucküberzug errichtet
ist, sind die Erker in rothem Sandstein mit Laubomament, Figuren
von Tugenden und kräftig vorspringenden Köpfen in guter, wenn
auch keineswegs hervorragender Arbeit geschmückt.
Zur Bechten schliesst sich an den Hauptbau eine hölzerne
Verbindungsbrücke nach dem sogenannten „ Eulenspiegel % dem
ursprünglichen Donjon des Schlosses. Er ist rund, in primitiver
Art aus Feldsteinen aufgemauert, mit späteren Giebelaufsätzen
versehen. An diesen schliesst sich rechts eine bis zum vorderen
Eingang laufende Mauer, die den äusseren Vorhof vom iuneni
K*p. Xr. OberNwhMU. 845
ScbloflBhof abgr&nzt. Sie tr> die Jahrzahl 1682, gehört also
gammt der oben erfffthoten Freitreppe und Loggia zu dea unter
Ftlrat Victor Amadeus hinzugefügten Theilen.') Die Krönung der
Hauer bilden zinnenartig angeordnete, paarweis gruppirte liegende
Voluten, Diea eigenthUmliehe Motiv, das auch am Scbloeae zu
Stettin vorkommt, findet aieh in^einfacberer Weise, noch im
Charakter dea 16. Jahrhunderts, an dem vorderen Theil der
Hauer, welche rechts vom Eingang in halbrunder Biegung den
innera Hof abschliesst. So gering hier im Ganzen die kOnst-
lerische Ausbeute ist, so reichlich lohnt von oben der weite Blick
auf die tief unten vorttberfliessende Saale mit den herrlichen
Baomgruppeu ihres Ufers und die in Duft getauchten Bergliuien
des Harzes.
In dei Stadt ist mir nur ein Hans am Markt No. 15 aufge-
fallen, das mit einem steinernen Erker und einem kräftig behan-
') Die birtor. Notiaen bei Beckmaiui, >. a. 0. lU, 123 ff.
g46 m. Buch. BenaiBBaace in DeatBChhind.
delten Portal von 1562 sich den gleiehzeitig entstandenen Theilen
des Schlosses anreiht Auch hier lassen die Gliederungen noch
starke Reminiscenzen des Hittelalters erkennen. Durchschneidende
Stäbe rahmen die im gedrückten Eorbbogen ausgeführte Wölbung
ein, und zwei Nischen mit Sitzsteinen bilden die Seitenwand.
Es ist ebenfalls eine Arbeit von geringer Bedeutung.
XVI. Kapitel.
Hiedersachsen«
Die niedersächsischen Lande, von denen ich nur die mittleren
Gebiete zu gemeinsamer Betrachtung zusammen fasse, da die
dazu gehörigen Ettstenstriche schon oben dargestellt worden sind,
bieten mancherlei Uebereinstimmendes in ihrer Aufnahme und
Verarbeitung der Benaissance. Es handelt sich um jene acht
deutschen Provinzen, deren centraler Gebirgsstock der waldreiche
Harz mit seinen nördlichen und westlichen Ausläufern ist Nörd-
lich breiten sich die fruchtbaren, von sanften Httgelzttgen durch-
setzten Niederungen aus, in welchen eine Anzahl kräftiger Städte
schon seit dem frühen Mittelalter zu selbständiger Bedeutung
emporblühten. Westlich setzt der Lauf der Weser mit ihren an-
muthigen, yon Wald und Wiesengründen belebten Ufern unsrer
Betrachtung ihre Gränze.
Auf diesem Gebiete, das wir im engem Sinne als Nieder-
sachsen bezeichnen, tritt die fürstliche Macht zur Zeit der Benais-
sance keineswegs so tonangebend hervor yne in Thüringen und
Obersachsen. Nur die herzoglichen Linien von Braunschweig
machen sich durch künstlerische Unternehmungen bemerklich;
allein ihre vrichtigeren Werke (Gelle, Wolfenbüttel, Helmstädt)
gehören meistens erst in die Schlussepoche des Stils. Etwas er-
heblicher kommt die geistliche Fürstengewalt hier zur Bethätigung;
die Bischofssitze Halberstadt und Hildesheim bezeugen regen Eifer
in Aufnahme der Benaissance. Durchgreifender und entscheidender
ist Das, was die bürgerliche Baukunst der Städte hervorbringt;
ja durch kraftvolle Ausbildung des altheimischen Holzbaues und
lebensvolle Umgestaltung desselben im Sinn des neuen Stiles
prägen sie ein echt nationales, volksthümliches Element der Gon-
Kap. XVI. Nledenachsen. 847
fltructioii zu Schöpfungen von hohem kttnsflerischen Werihe aus.
Unyergleichlich ist noch jetzt die Wirkung dieser Städte mit ihren
in ganzen Seihen erhaltenen Fachwerkhäusern, deren Fa^aden
durch die vorgekragten Geschosse mit den reichen Schnitzereien
und den kraftrollen Profilirungen einen so lebensvollen Eindruck
gewähren. Wir können gerade hier die Geschichte dieser acht
deutschen Bauweise verfolgen; wir werden sie aus den mittel-
alterlichen Formgebungen sich stufenweise zu den reizvollen Bil-
dungen der Senaissance entfalten sehen. Braunschweig mit
seinen grossartigen, kraftvoll entwickelten, meist noch strengen
Formen bezeichnet die erste Stufe. Auf die Höhe klassischer
Vollendung hebt sich dieser Stil in den Bauten von Halberstadt
Zu flppiger Nachblttthe in verschwenderisch angewandter Bild-
schnitzerei, nicht ohne deutliche Spuren eines Einflusses von
Seiten des Steinbaues, bringt es zuletzt Hildesheim.^) In zweiter
Linie schliessen sich Städte wie Celle, Wernigerode, Goslar, Stol-
berg und viele andre an.
Gegenüber diesem charaktervollen Holzbau findet die Stein-
architektur hauptsächlich in den Bauten der Fürsten, des Adels
und der Geistlichkeit ihre Anwendung, von da aus dann auch
mancherlei Aufnahme in bürgerlichen Kreisen, wie denn in firaun-
schweig dieses Material sich neben dem des Holzes eindrängt,
und in Hannover sogar die Oberhand gewinnt Dieser Steinbau
aber gehört fast ausnahmslos der letzten Epoche der Entwickelung
und zeigt in seinen üppigen, aber derben Formen überwiegend
den Eiiäuss der Niederlande und des norddeutschen Küstenge-
bietes. Nur dass es reiner Hausteinbau ist, welchen die überall
vorhandenen Sandsteinbrüche des Landes begünstigen. So schei-
det sich denn unser Gebiet gegen die nördliche Gruppe der
Backsteinbauten scharf ab. Schon oben (S.753) wurde bemerkt,
dass die Gränze zwischen Lüneburg und Celle hinläuft
Oelle.
Beginnen wir mit den fürstlichen Bauten, so hat Celle den
Anspruch an der Spitze der Betrachtung zu stehen. Das'
Sc bloss gilt gewöhnlich für einen spätgotiiischen von der Her-
zogin Anna am Ende des 15. Jahrhunderts errichteten Bau, mit
0 Womit nicht gesagt gein soll, dass nicht in jeder dieser Städte auch
einzelne Beispiele der anderen Entwickelongsstadien sich fanden. Ich
zeichne hier zonächst nur den bis jetzt noch nirgends betonten Ge-
sammtcharakter der Architektur jener Hauptorte.
§48 ni. Bnoh. BenAiMuice in DeuUäiUnd.
angeblich gleichzeitigen RenaiBBanceformen. Der Thatbestand
widerspricht dieser Vermntliung, da nur die noch vOllig gotiiisehe
Schlosskapelle (148& von Herzog Heinrich dem Mittleren von
Braunschweig-LUneburg gestiftet) jener Zeit angehört, die Tor-
kommeDden Benaissaneefonnen aber den von Ernst dem Bekenner
(seit 1532) begonnenen und nach seinem Tode (1546) durch Wil-
helm den Jüngeren rollendeten Neubauten entstammen. Ja der
rif. m. IcUoM n CeU«.
grfisste Theil des Baaes ist erst unter Georg Wilhelm Ton 1665
bis 1670 durch einen italienischen Architekten Giacomo Botagnae
ausgeführt worden.
Am BtldweBtlichen Saume der Stadt erhebt sich mit seinen
stattlichen Massen (Fig. 229) der ansefanliche Bau, als ein nach
Süden und Norden lan^estreektes Rechteck, das mit vier FIflgeln
den geräumigen Hofraum umzieht Die Östliche Langseite wend^
sieh als Hauptfa^ade der Stadt zu. Ehemals war das Ganze von
einem tiefen Waesergraben umzogen, der jetzt trocken liegt und
mit dem prächtigen Park unmittelbar verbunden ist Bevor man
zu demselben gelangte, hatte man auf beiden Ecken zwei kleine
pavillonartige vorgeschobene Bauten zu passiren, von denen der
zur Rechten (sfidlich) befindliche noch erhalten ist Das kleine
einstöckige Gebäude mit den beiden originellen polygonen Erker^
Kap. X71. NiedenaehBon. g49
ansbaaten, die Fenster mit dem schrflgen Sahmenprofil und den
eingelassenen Medaillons der Renaissance bezeugen, dass wir es
hier mit einem Theil jener Bauten zu thun haben, welche durch
Herzog Ernst den Bekenner errichtet wurden.
Das Sehloss selbst enthält in seinem östlichen Flflgel die
ältesten Theile. Ueber einem unbedeutenden Erdgeschoss erheben
sieh zwei hohe Stockwerke mit unregelmässig yertheOten Fenstern,
überragt von einem Dachgeschoss mit sieben Erkern, deren ein-
fach behandelte halbrund abgestufte Oiebel den Eindruck der
langgestreckten Fa^ade malerisch beleben. Die ganze Architektur
ist einfach und trägt in den Bahmenprofilen der Fenster das Ge-
präge der Frflhrenaissance. Ungefähr in der Mitte der Fa^de
ist ein runder, oben in's Polygon übergehender und mit halb-
runden Giebeln abgeschlossener Treppentiburm yorgebaut Hinter
ihm erhebt sich, wiederum unregelmässig angebracht, ein bedeu-
tend höherer Dacherker, gleich den übrigen abgetreppt und mit
halbrunden Abschlüssen versehen. Auf beiden Enden wird dieser
Hauptflügel durch mächtige polygone Thurmbauten eingefasst,
der rechts befindliche nördliche in der Barockzeit umgestaltet
und mit einem Zeltdach yersehen, der südliche, welcher den Chor
der Kapelle enthält, noch in ursprünglicher, den übrigen Theilen
der Fafade entsprechender Architektur ; an den halbrunden Giebeln
des Kuppeldaches mit hübsch gearbeiteten fürstlichen Bildnissen
in Medaillons geschmückt Zwei stattliche Bogenportale dicht
neben diesen Thürmen führen in's Innere. Sie gehören trotz der
Imitation früherer Benaissanceformen in ihrer jetzigen Gestalt
den später hinzugefügten Theilen an. Gleich den Einfassungen
der Fenster sind sie in Sandstein ausgeführt, während alles,
üebrige einfacher Putzbau ist
Der grosse Schlosshof zeigt nur im östlichen Flügel Spuren
der ursprünglichen Architektur, namentlich an den beiden Seiten-
portalen, obwohl man auch hier spätere Umgestaltungen erkennt
Ein Vorbau, ursprünglich im ersten Stock als offener Säulengang
ausgebildet, jetzt aber geschlossen, zieht sich yor ihm hin. In
der Mitte tritt ein grosser polygoner Treppenthurm yor, der eben-
falls spätere Umgestaltung yerräth. Die drei anderen Flügel
sind unter Georg Wilhelm in der zweiten Hälfte des 17. Jahr-
hunderts in einfach derben Barockformen errichtet worden. In
jedem Flügel befindet sich ein Doppelportal, ebenfalls yon schlich-
ter Anlage, nur das im Westflügd feiner ausgebildet Auf den
beiden äusseren Ecken dieses Flügels wurden in Ueberein-
stimmung mit der Fa^ade zwei hohe poljgone Payillons mit
thurmartigem Kuppeldach ausgebaut (ygl. die Fig. 229.)
KngUr, Gaieh. d. Bwik. y. 54
g50 in. Bach. RenaUuiaBce in Dontaehland.
Im Innern, das seit 1837 zu einer fiesidenz der EOnige von
Hannover eingerichtet und sorgfältig hergestellt wurde, ist die
Kapelle eins der glanzvollsten Prachtstücke unsrer Benaissanoe.
Der einschiffige Bau mit seinen gothischen Kreuzgewölben und
polygonem Chorschluss gehört noch dem Mittelalter, aber die un-
vergleichlich reiche Ausstattung und Dekoration wurde um 1565
durch Herzog Wilhelm den Jüngern, den Sohn Emst's des Be-
kenners, hinzugefügt Auf kräftigen Steinoonsolen über flachen
Stichbögen erhebt sich die fürstliche Empore, mit Fenstern ver*
gittert, deren runde Scheiben in vergoldetes Blei gefasst sind.
An der Brüstung der Emporen sieht man die Halbfiguren der
Apoistel in bemalten Steinreliefs, zwischen ihnen an den Pilastem
Engel mit Musikinstrumenten. An der Südseite ist in zierlichen
Benaissanceformen die Kanzel angebracht, mit bemalten BeUeüs
aus der biblischen Geschichte und mit einer von Gold und Farben
glänzenden Ornamentik bedeckt Der zierliche Baldachin mit
seinem Netzgewölbe, von kleinen muschelgeschmückten Bund-
giebeln bekrönt, ruht auf schlanken Kandelabersäulchen. Am
Eingang die Jahrzahl 1565. An der westlichen Seite der Kapelle
sind zwei Emporen auf Bundsäulen eingebaut, gleich dem Übrigen
reich geschmückt SämmÜiche Gonsolen an den Brüstungen der
Emporen sind mit herrlich gearbeiteten Köpfen von Engelui Frauen
und Männern dekorirt Sämmtliche Betstühle endlich unter den
Emporen und im Schiff der Kapelle erhalten durch gold'ne Orna-
mente auf blauem Grund eine Theüung, deren grössere Felder
mit Oelgemälden aus der heiligen Geschichte gefüllt sind. Den-
selben Schmuck zeigt der Altar, dessen Hauptbild eine grosse
Darstellung der Kreuzigung enthält, während auf den Flügeln
'Herzog Wilhelm und seine Gemahlin im Gebet knieend dargestellt
sind. Inschriftlich wurde dies Werk 1569 durch Martin de Vos
aus Antwerpen ausgeführt Die Bilder, in ganzer Farbenfrische
wohlerhalten, sind tüchtige Arbeiten der damaligen flandrischen
Schule. Kicht minder ist auch die Orgel reich omamentirt und
mit innen wie aussen bemalten Flügeln versehen. Dazu kömmt
endlich an allen Flächen, den Einrahmungen der Fenster und
der Wendeltreppe eine Bemalung von Goldomamenten auf blauem
Grunde, so dass eine unvergleichliche Gesammtwirkung dies
Meisterstück der Pölychromie auszeichnet Auch die Gewölbe
haben goldene äteme auf himmelblauem Grunde, und von den
elegant dekorirten Schlusssteinen mit ihren goldenen Kronen und
Bosetten hängen vergoldete Kugeln, Täfelchen und Schilde herab,
die den Eindruck dieser Pracht noch steigern. Auf einem dieser
Täfelchen die Jahraafal 1570.
Kap. XYI. Niedersachsen. 851
In den neueren Flügeln des SchloBses sind sämmtliche Zimmer
und Säle mit den prachtvollsten Decken in meisterhaft behandelten
Stuckornamenten geschmückt Es ist ein fabelhafter Reiehthum,
in den tippigsten Formen des Barooco, offenbar von Italienern
ausgeführt Alle diese Werke verdienten wohl eine genauere Ver-
öffentlichung. —
Aus derselben Zeit stammt der glänzende innere Umbau der
Stadtkirche, einer einfachen gothischen Anlage mit einem Chor
aus dem Zwolfeck, die aber in der Spätzeit des 1 7. Jahrhunderts
ein Tonnengewölbe und eine prachtvolle Stuckdekoration im glän-
zendsten Barockstil erhalten hat Der Chor gestaltet sich durch
seine fürstlichen Prachtgräber zu einem vollständigen Mausoleum.
Im Chorschluss zunächst das überaus elegante Epitaph Emst's
des Bekenners, nach seinem Tode (1546) durch seinen Sohn Herzog
Wilhelm errichtet Der Verstorbene mit seiner Gemalin Sophia
(t 1541) sind knieend in etwas steifer Haltung vor einem Crucifix
dargestellt, in drei mit schwarzem Marmor bekleideten Nischen.
Die Einfassung derselben wird durch korinthische Säulen gebildet,
welche gleich dem übrigen Aufbau in weissem Marmor ausgefbhrt
sind. Das Ganze ist vom feinsten omamentalen fieiz,^ namentlich
die herrlichen Akanthusfriese. Die Bekrönung wird in der Mitte
durch ein Giebelfeld mit Gottvater, zu beiden Seiten durch die
Wappen der Verstorbenen gebildet Feine Vergoldung hebt die
Ornamentik noch mehr hervor, wie denn das Werk zu den ele-
gantesten Schöpfungen der Zeit gehört Man darf wohl auf einen
niederländischen Künstler schliessen.
Noch weit prachtvoller, aber auch überladener und später ist
ein zweites, reich vergoldetes Marmorepitaph, das in die nördliche
Chorecke eingebaut ist Es enthält wieder in drei Nischen zwischen
korinthischen Säulen die knieenden Figuren des Herzogs Ernst
(t 1611), Wilhelm (f 1592) sowie seiner Gemalin Dorothea (f 1617)
und ihres Sohnes Christian, Bischofs von Minden. Auf den Ecken
sind Tugenden als Karyatiden angebracht, oben drei tabemakel-
artige Aufsätze mit biblischen Reliefs, bekrönt von den theo-
logischen Tugenden. Die übrigen Epitaphien, namentlich das
ganz pompöse von schwarzem Marmor an der Südseite, gehören
schon dem späten Barockstil an. Sie sind den Herzögen Christian
Ludwig, Georg und Georg Wilhelm gewidmet Köstliche Schnitz-
arbeiten sind die Sedilia im Chor-, der Hochaltar endlich mit seinen
Gemälden und Schnitzwerken, die Orgel und die Kanzel, sowie
der zierlich aus Marmor gearbeitete Taufstein vervollständigen
die Ausstattung der Kirche.
Von den städtischen Bauten verdient zunächst das Sathhaus
54*
852 ^' Buch. Renaissance in Deutschland.
Erwähnung. Es ist ein einfacher Langbau, in der Mitte der Fagade
durch eine originelle auf zwei stämmigen ionischen Säulen
ruhende Arkade durchbrochen, welche die Eingänge enthält
Links im Erdgeschoss ein vorgebauter Erker, rechts ein ähnlicher
im oberen Stock, auf kraflrollen Gonsolen ruhend und in einen
Dacherker auslaufend, welcher mit zwei andern den Bau malerisch
belebt. Die Seitenfagade erhält durch einen hohen mit Pilastem
in vier Ordnungen und mit barockgeschweiften Voluten sowie
Obelisken geschmückten Giebel Charakterrolle Ausbildung. Es
ist ein trefflich componirtes, meisterlich durchgeführtes Werk von
prächtiger Wirkung, bezeichnet 1579.
Die bürgerlichen Privath^user machen uns hier zuerst mit
dem aus den benachbarten Harzgegenden herübergreifenden Holz-
bau bekannt. Eine stattliche Anzahl von reich und mannigfach
entwickelten Beispielen bietet sich dar. Eins der frühesten und
zugleich prächtigsten Werke, zweimal mit der Jahrzahl 1532 be-
zeichnet, sieht man in der Poststrasse, Ecke der ßundstrasse.
Die Schwellen sind noch in mittelalterlicher Weise mit einem
spätgothischen, um einen Stab gewundenen Laubwerk von zackiger
Zeichnung dekorirt. Dazwischen aber flicht sich allerlei Figürliches,
burleske Genrebilder, Köpfe, Delphine und andres, zum Theil in
entschiedenen Renaissance -Motiven ein. Daneben in der Post-
strasse ein Haus vom J. 1549 mit flachem Erker, einfacher be-
handelt, die Gebälke rein antikislrend und zwar mit eleganten Zahn-
schnitten und Flechtbändern über hübsch geschnitztem Gonsolen-
friese geschmückt. Die Inschrift lautet: Dass dieses Haus aus
Noth und nicht aus Lust gebauet, weiss der so voriges hat jemals
angeschauet. Dazu fügte man 1701: „Non tentatusnon christianus."
Die Mehrzahl der Häuser fällt bereits ins 17. Jahrhundert
So ein kleines Haus von 1617 in der Rundstrasse mit hübschem
giebelgeschlossenem Erker, der ein Muster zierlicher Behandlung.
Die Ornamentik durchweg im Flachstil des Barocco. In derselben
Strasse an der andern Seite ein besonders elegantes Häuschen
derselben Zeit, in klassischem Geschmack mit Zahnschnittfriesen
sammt Eierstab, Gonsolen und Perlschnur gegliedert In der Mitte
ein Dacherker. Ein ähnliches von gleich schöner Wirkung (vom
J. 1640), mit zahlreichen Sprüchen bedeckt, sieht man in der
Strasse hinter dem Brauhause. Wieder ganz anders behandelt,
sehr energisch dekorirt zwei Häuser gegenüber dem Rathhause,
das eine von 1617. Endlich ein hübsch mit Consolenfriesen,
Sprüchen und Flachornamenten geschmücktes an der Stechbahn.
Kap. XYI. Niedersachsen. g53
Schlossbanten.
Zanächst sind hier einige benachbarte Schlösser anzureihen.
Eins der frühesten, wie es schieint, das Schloss zu Gifhorn,
welches der dritte Sohn Heinrichs des Mittleren und Bruder Ernst
des Bekenners, Herzog Franz seit 1525 erbaut hatte. Nachdem
er 1539 mit dem Amte Gifhom abgefunden war, bezog er das
Schloss, wo er 1549 starb und in der Kapelle beigesetzt wurde.
Der unregelmässig angelegte Bau, den ich nicht selbst untersucht
habe, scheint ziemlich einfach, in den Formen noch stark mit spät-
gothischen Elementen gemischt Die Kapelle ist deijenigen im
Schloss zu Celle verwandt.*)
Sodann das Schloss Wolfs bürg,*) zwischen Fallersleben
und Vorsfelde gelegen, etwas späteren Datums als jenes, auch
durchweg einfacher gehalten, dem letzten Viertel des 16. Jahrhun-
derts zuzuschreiben. Von einem herrlichen Park umgeben und
von einem Graben umschlossen, imponirt der Bau durch seine
Grösse. Er besteht aus vier Flügeln von ungleicher Höhe (zwei
gleichhoch, die beiden andern niedriger), die einen rechteckigen
Hof einfassen. An der Hauptfa^ade ein stattliches Portal in
späten Formen, von zwei Kriegerfiguren flankirt, darüber ein
Wappen. Die nicht hohen Fenster an den beiden Hauptflügeln
in vier Geschossen meist zu zweien gekuppelt; die Dächer von
Giebeln mit barocken Profilen belebt
Der Hof malerisch, in den Ecken mit drei Treppenthürmen
versehen, die hoch über das Dach emporsteigen; zwei davon
rechtwinklig, der dritte polygen. Der letztere sammt dem .damit
zusammenhangenden Theil des Baues älter als das Uebrige, da
neben diesem Thurm ein Ausbau mit spätgothischen Fenstern
sich zeigt, während im Uebrigen nur Renaissanceformen, und zwar
in schlichter Behandlung, vorkommen. Prächtig wirkt der uralte
Epheu, mit welchem innen und aussen fast alle Wände des Schlos-
ses bewachsen sind.
Ungemein reich entfaltet sich in der letzten Epoche der Re-
naissance der Schlossbau am mittleren Laufe der Weser. Der
Adel wetteiferte mit den Fürsten in Errichtung stattlicher Wohn-
häuser, die sich meist auf ebenem Terrain, von tiefen Gräben
umzogen, als Wasserburgen darstellen. Vielleicht hat kein Ge-
*) Vgl. den Aufsatz von Mithoff in der Zeitschr. des Hannov. Arch.
Ver. Bd. X S. 68 fF. mit AbbUdungen von Celle u. Qifhorn. — ^ Nach gef.
ifotizen des Herrn Oberbaarath Mithoff zu Hannover.
854 ni. Buch. BenaiflBance in Deutschland.
biet Deutschlands eine solche Zahl im Ganzen noch wohlerhal-
tener Renaissance- Schlösser aufzuweisen als dies anmuthige
Flassthal. Die Bauten sind durchweg regelmässig angelegt, ent-
weder mit vier Flügeln einen rechteckigen Hof umgebend, oder
hufeisenförmig einen ähnlich angeordneten Hof einfassend. Trep-
penthürme mit Wendelstiegen erheben sich mit ihren Kuppel-
dächern in den Ecken des Hofes ; Erker sind vielfach ansgebant,
und verleihen mit den zahlreichen Dachgiebeln den Bauten ein
malerisches Gepräge. Die Formen sind überall schon die der
Spätzeit, stark barock geschweift, mit mancherlei geometrisch spie-
lenden Ornamenten, wie jene Zeit es liebte. Das Alles ist aber
mit einer Sicherheit gehandhabt, mit einer Virtuosität des Meissels
in dem schönen Sandstein der Gegend vorgetragen, dass man die
ruhig sich entfaltende Thätigkeit einer bedeutenden Provinzial-
schule erkennt
Ich beginne mit dem Prachtstück dieser Gruppe, der gross-
artigen Hämelschenburg, eine Meile südlich von Hameln an
einem sanft ansteigenden schön bewaldeten Bergzuge gelegen.*)
Der stattliche ganz in Sandstein aufgeführte Bau wurde von 1588
bis 1612 von Georg von Klencke errichtet, dessen Familie bis auf
den heutigen Tag im Besitz des wohlerhaltenen Herrenhauses
geblieben ist. Das Schloss (Fig. 230) gruppirt sich in Hufeisen-
form, zum Theil noch von dem alten Burggraben umgeben, um
einen Hof von 137 Fuss Länge und 108 Fuss Breite. Der Zu-
gang liegt an der östlichen offenen Seite des Hofes, wo eine
feste Steinbrücke, vorn mit einem prachtvollen Portal geschlossen,
über den Graben führt Ein zur Rechten sich ausbreitender
Teich giebt im Verein mit reichen Baumgruppen dem Ganzen
eine erhöhte malerische Wirkung. An der offenen östlichen
Seite Bchliesst eine mächtige Futtermauer mit Strebepfeilern den
Hof ein. Links von der Brücke ist das erhöhte Terrain zu einer
Blumenterrasse verwendet Hat man die Brücke passirt, so
breitet sich dem Eintretenden gegenüber der langgestreckte west-
liche Flügel mit drei hohen Giebeln aus, von welchem südlich
und nördlich im rechten Winkel zwei kürzere Flügel vorspringen.
In die Ecken sind zwei polygone Treppenthürme gelegt, beide
' durch reiche Portale ausgezeichnet, der südliche etwas grösser
und stattlicher. Der nördliche Flügel ist der ältere, seine Archi-
tektur die feinere und elegantere, seine Stockwerkhöhe bedeutender.
*) Eine Beschreib, in Mitboff s Kunstdenkm. im Hannov. I S. 39 ff.
UmfaBsendere Aufn. in den Keiseskizzen der polyt. Schule zn Hannover.
1870 fol. Nach diesen ist unsre Abb. entworfen.
Kftp. XYL Niedersachsen. 857
die Verliftitmsfle deshalb schlanker und ansprechender. Bezeich-
nend ist namentlich die Architektur der Fenster, welche durch-
weg gekuppelt sind, mit Tortretenden Sftulchen eingefasst, im
hohen Erc^schoss schlanke ionische, im oberen Stockwerk und
den Dacherkem kürzere korinthische. Es ist die an den meisten
gleichzeitigen Bauten von Hannover (s. unten) herrschende Be-
handlung, und wahrscheinlich hat man yon dort einen Meister fbr
diese Theile berufen.
Die übrigen Theile des Schlosses verrathen eine andere Be-
handlung, kürzere Verhältnisse, derbere Formen, aber ungemein
prachtvolle Durchführung. Alles wird von energischen Pilastem
eingefasst; diese sowie das ganze Mauerwerk bis zur Spitze der
zahlreichen hohen Giebel und Dacherker sind mit breiten horizon-
talen Bftndem geschmückt, welche die beliebten Stemmuster
und andere Ornamente der Spätzeit in glanzvoller Ausführung
zeigen. Dadurch bekommt die Architektur den Charakter einer
schweren fast festungsartigen Derbheit, der sich besonders an
der Aussenwand des westlichen Flügels und noch mehr an der
des südlichen, die sich über einer gewaltigen Futtermauer erhebt,
ausspricht Diese Behandlungsweise, die wir in Breslau, Danzig,
Lübeck, Bremen in ganz verwandt^ Weise fanden, bildet einen
gemeinsamen Zug in der Spätrenaissance des nördlichen Deutsch-
lands. Dazu kommen zahhreiche ähnlich durchgeführte Portale,
mehrfache Erker an den äussern und innem Fa^aden, die aber
überall nur dem hohen Erdgeschoss angehören und auch dadurch
diesem seine hervorragende Bedeutung sichern. Die zahlreichen
hohen Dachgiebel, die aufgesetzten Kamine, das Alles in kräftigen
Barockformen dekorirt, sodann die originellen Wasserspeier voll-
enden den malerischen Eindruck des mächtigen Baues.
Einer besonderen Anlage ist noch zu gedenken, die nicht
bloss künstlerisch anziehend wirkt, sondern auch einen werth-
vollen Beitrag zur Kulturgeschichte jener Tage gewährt Links
in der südwestlichen Hofecke neben dem Treppenthurm, zugleich
in Verbindung mit den Eingängen zur Küche und zum Schloss-
keller ist die sogenannte Pilgerlaube angebracht: eine offene
reichgeschmückte Halle, in welcher die Pilger und Armen aus
einer direkt auf die Küche mündenden Ausgabeöffhung allzeit
Speise und Trank erhielten. Unter der Oeffhung zieht sich auf
Consolen tisehartig eine Steinplatte hin, und Bänke zum Ausruhen
sind an den Seitenwänden angebracht Noch jetzt wird von der
Schlossherrschaft diese alte schöne Sitte geübt
Das Innere des Baues hat in der Eintheilung und Ausstattung
vielfach Veränderungen erfahren; nur eine Anzahl von Kaminen
858 in. BuoL BenaiBsance in DeatachUnd.
in demselben reichen Barockstil gehöreii der ursprttnglichen Bau-
zeit an.
Eine fthnliohe Anlage, nur in kleineren Maassen und minder
prfichtig ausgeführt, ist das Schloss Schwdbber, 1574 von Hihnar
von Münchhausen begonnen^). Auch hier ein hufeisenförmiger
Grundriss mit zwei poIygonen Treppenthürmen in den Ecken.
Der ftlteste ist der westliche Flttge), an welchen sich dann der
1588 vollendete Südflttgel anschloss, während der nördliche erst
1602 aufgeführt wurde. Auch hier die hohen Giebel, die auf
Consolen ausgebauten Erker, die zahlreichen Dacherker, in den
Formen besonders am jüngsten Flügel den Arbeiten von Hilmel-
schenburg verwandt. Der ehemalige Wassergraben ist zum Theil
erhalten und breitet sich an der Nordseite zu einem Teich aus,
der in Verbindung mit den prächtigen alten Linden, aus welchen
die zahlreichen Giebel hervorschauen, den malerischen Reiz des
Ganzen noch erhöht Auch hier finden sich im Innern zahlreiche
tüchtig gearbeitete alte Kamine.
Weiter ist das ebenfalls als Wasserburg erbaute Schlösschen
Hülsede bei Lauenau zu nennen^), das indess seinen Haupt-
theilen nach älter ist, da es 1529 bis 1548 erbaut wurde. Während
diese Theile noch mittelalterliche Formen zeigen, ist der in der
südöstlichen Ecke angelegte Treppenthurm sammt der reichen
sich an ihn schliessenden offnen Galerie 1580 von Hermann von
Mengerssen in ausgebildeten Renaissanoeformen hinzugefügt worden.
Das Schloss weicht von den oben genannten darin ab, dass es
sich mit vier Flügeln um einen geschlossenen Hofraum gmppirt
Im Innern sind auch hier noch mehrere alte Kamine erhalten.
An der Weser ist sodann noch das Schloss Hehlen zu nennen.
Wichtiger, und durch eine neuerdings erschienene Aufnahme*) all-
gemein bekannt Schloss Bevern, eine Stunde von Holzminden
in einem schön belaubten Waldthal gelegen. Es wurde durch
Statins von Münchhausen seit 1603 in neun Jahren mit grossem
Aufwand ausgeführt und ist als eins der durchgebildetsten Werke
dieser Spätzeit zu bezeichnen. Rings von einem tirfen Graben
umzogen gruppirt es sich mit vier Flügeln um einen fast quadra-
tischen Hof von 90 zu 96 Fuss Ausdehnung. In der Ecke links
vom Eingang erhebt sich ein polygoner Treppenthurm, welchem
in der diagonal gegenüber liegenden Ecke ein Eweiter entspricht
Die Architektur hat Verwandtschaft mit der von Hämelschenburg,
besonders in der Ausschmückung der zahlreichen Portale und
») Mithoff, a. a. 0. S. 167. — «) Ebenda S. 105. — «) Seemann'» deutsche
RenaifiB. 7. Lief. Schloss Bevern von B. Lieb<Hd.
Kap. XVI. NiederBachgen. 859
den barockgeschweiften Oiebeln der Dächer und der Dacherker.
So wenig der Stil dieser Werke auf Beinheit Anspruch machen
kann, so bedeutend wirken sie doch durch die malerische Gom-
position, den Reichthum und die Eleganz der Ausführung.
Fürstliche Bauten.
Bedeutende Werke der Benaissance sind nun auch von den
Herzogen yon Braunschweig- Wolf enbttttel zu verzeichnen. Der
wilde Heinrich, der geschworene Feind der Beformation, war
freilich kein Miann der friedlichen Bestrebungen, der Förderung
von Kunst und Wissenschaft. Aber als er 1568, zuletzt noch zum
Lutherthunt ttbergetreten, im hohen Alter starb, folgte ihm sein
Sohn, der treffliche, friedfertige und gelehrte Herzog Julius, einer
der besten Fürsten der Zeit, gleich dem Herzog Christoph von
Wtlrtemberg in der Schule der Leiden /aufgewachsen. In jeder
Weise bemüht den Wohlstand seines Landes zu fördern, Handel
und Industrie zu heben, zog er fremde Handwerker in's Land,
begabte sie mit besonderen Freiheiten, vergrösserte Wolfenbüttel
durch die Anlage einer Juliusstadt, baute und verbesserte die
Landstrassen, machte die Flüsse schiffbar und war ein so guter
Haushalter, dass er bei seinem Tode (1589) vier Millionen im
Staatsschatz hinterliess. Die Wissenschaften forderte er durch
Gründung der Universität Helmstädt 1576. Sein Sohn Heinrich
Julius (1589 — 1613) trat in die Fusstapfen seines Vaters, den
er in gelehrter Bildung noch übertraf. Schon im zwölften Lebens-
jahre übernahm er das Bectorat der Universität, wobei er durch
lateinische Beden aus dem Stegreif seine Zeitgenossen in Er-
staunen setzte. Das römische Becht führte er im Lande ein, die
Wissenschaften pflegte er eifrig, besondre Gunst wandte er der
Entwickelung des Schauspiels zu, wie er denn bekanntlich selbst
eine Anzahl von Tragödien und Komödien geschrieben hat^)
Prachtliebend und baulustig wandte er auch den bildenden Kün-
sten seine Theilnahme zu, ja zu mehreren von ihm aufgeführten
Schlössern soll er selbst die Zeichnungen entworfen haben.
Unter seiner Begierung (von 1593 bis 1612) ist der gross-
artige Bau entstanden, welcher ehemals in Helmstädt die Uni-
versität aufnahm und noch jetzt als Juleum bezeichnet wird.
Als Architekt ist in den Akten des Landesarchivs zu Wolfenbttttel
PaulFrancke genannt, der schon unter Herzog Julius als Baumeister
0 Vgl oben^S. 10.
860 ^- Buch. Re&aiBBaiice in Deatschland.
fungirte, nachmals die ansehnliche Marienkirche zu Wolfenbüttel
begann und nach seinen Plänen grossentheils Tollendete. Er starb
1615 im Alter von 77 Jahren als herzoglicher Bau-Director. Das»
er zu den hervorragendsten Meistern unserer Renaissance gehört,
wird die Betrachtung seiner beiden grossartigen Schöpfungen .
darthun.
Das Juleum ist ein mächtiger Bau, etwa 130 Fuss lang bei
40 Fuss Breite, durch die bedeutenden Verhältnisse, die enormen
Stockwerkhöhen, die reiche Pracht der Ausführung in einem noch
massig barocken Renaissancestil imposant wirkend^). Gewaltig
hohe mit Säulenstellungen und Statuen geschmückte Giebel zieren
den Bau von allen Seiten nach aussen gegen die Strasse, (Fig. 231)
an beiden schmalen Enden sowie an der Innern Hofseite. Bei
letzterer wird auflfallender Weise der mittlere Giebel durch den
gleichzeitig vorgelegten polygonen Treppenthurm grösstentheils
verdeckt. Dem ungewöhnlich hohen Erdgeschoss entspricht ein
nicht minder bedeutendes oberes Stockwerk, beide durch riesige
Fenster mit steinernen Stäberf, unten viertheilig, oben dreitheilig,
erhellt. Die Behandlung dieser Fenster, unten mit hineingezeich-
neten Kreisen, oben mit andern willkürlicheren Formen lässt eine
dunkle Reminiscenz gothischer Fensterbehandlung erkennen. Da-
gegen ist die Composition der Portale und die reiche Gliederung
der Flächen in den acht hohen Giebeln des Gebäudes eine völlig
durchgebildete Renaissance, etwa dem Stil des Friedrichsbaues
zu Heidelberg entsprechend. Auf den Absätzen der Giebel stehen
kühn bewegte Figuren von Kriegern, welche mit ihren Hellebarden
den Umriss prächtig beleben. Auf dem Gipfel jedes Giebels sieht
man Statuen von Tugenden. Sämmtliche architektonische Glieder
und Ornamente, Gesimse, Ecken und Einfassungen sind in Sand-
stein ausgeführt, die Flächen dagegen verputzt
In das untere Geschoss, welches zu vier Fünfteln einen ein-
zigen grossen Saal, die Aula, ausmacht, mündet rechts neben dem
Thurm ein überaus reiches triumphbogenartig componirtes Portal,
mit vier ionischen Säulen eingefasst und von einer hohen Attika
bekrönt, mit Statuen und Reliefs geschmückt. Ein kleineres, aber
nicht minder elegantes Portal führt in das Stiegenhaus. Der
Thurm erhält durch eine auf mächtigen Consolen ruhende Galerie
eine wirksame Bekrönung. Darüber steigt das geschweifte Kuppel-
dach auf, und eine schlanke Spitze über einer Laterne bildet den
Abschluss.
*) Die historischen Notizen verdanke ich Herrn Lehrer Th. Voges in
Wolfenbüttel.
Fig. i»l. Helmilll
Kap. XVI. Niedersachaen. g63
Im Innern wird der grosse Saal der Aula in der Mitte durch
Bogenstellangen auf drei kräftigen Pfeilern getheilt, die bdehst
originell in einer derben Rustika mit Rosetten und facöttirten
Quadern bebandelt sind. Die Pfeiler ruhen auf grossen Löwen-
krallen über kraftvoll bebandelten Stylobaten. Zwei Riesenfenster
an der westlichen Schmalseite, zwei an der südlichen und vier
an der nördlichen Langseite geben dem Raum ein reichliches
Licht An der östlichen Schmalseite führt eine Thür in einen
kleineren Nebenraum. Die Schlusssteine der korbartig gedrückten
Bögen, auf welchen die Balkendecke ruht, sind in meisterhafter
Weise durch herabhängende Zapfen mit Köpfchen, Früchten und
anderem Ornament decorirt. An der Westseite des Saales auf
einer Estrade von drei Stufen erhebt sich das Katheder, freilich
nicht mehr in ursprünglicher Form. Die Dimensionen des Saales
sind etwa 90 Fuss Länge bei 40 Fuss Breite und c. 24 Fuss
Höhe.
Die aussen angebrachte Wendeltreppe führt zu dem oberen
GeschoBS in den grossen Bibliotheksaal, welcher, etwa 120 Fuss
lang, die ganze Breite und Länge des Gebäudes einnimmt Seine
innere Einrichtung bewahrt nichts mehr von der früheren Anlaga
Zwei selbständige Flügel, in einiger Entfernung von dem
Hauptbau rechtwinklig vorspringend, scbliessen den südwärts sich
ausdehnenden Qof ein. Sie sind beide ganz kunstlos, im obem
Geschoss nur aus Fachwerk errichtet, jeder mit einem polygonen
Treppenthurm, der östliche mit einem Barockportal, von Greif
und Löwen bewacht, 1695 restaurirt Aus derselben Zeit (1697)
wird am Portal des Hauptbaues ebenfaUs eine Restauration be-
zeugt Der östliche Flügelbau hat von der Strasse aus seinen
Zugang durch ein kräftig behandeltes Hauptportal, von Hermen
eingefasst, welche Polster statt der Kapitale auf dem Kopfe tragen.
Die ganze Anlage ist eine Composition von hohem Werthe, das
Einzelne am Hauptgebäude mit voller Meisterschaft durchgebildet,
fein und scharf zu energischer Wirkung gebracht
Von demselben Meister rührt ein zweiter grossartiger Bau,
die Marienkirche in Wolfenbüttel, 1604 unter Herzog Heinrich
Julius vorbereitet und seit 1608 begonnen, sodann unter seinem
Sohn und Nachfolger Friedrich Uhich seit 1613 weitergeführt^)
Jm Jahre 1615 starb Paul Francke, „dreier Herzöge zu Braun-
schweig gewesener Baudirektor^ so diese Kirche durch seine In-
*) Die atufÜhrlicheii gesch. Notizen verdanke ich der Güte des Herrn
Voges, welcher sie dem Corpus bonorum entnommen hat.
gg4 IH- Budi. BenaiBBance in Deutachland.
vention erbauet^^) Bis 1613 war der Chor vonendet, bis 1616
die Sakristei aufgeführt, bis 1623 arbeitete man am Eirehendach,
nachdem seit 1619 die ersten Giebel an der Nordseite aufgerich-
tet worden waren. Zugleich wurde die grosse Orgel erbaut und
1621 die Kanzel aufgestellt, ein Werk des Bildhauers Georg Fritzsch
aus Quedlinburg. Der Hauptaltar ward 1623 durch den Bild-
schnitzer Burckhard Diedrich aus Freiberg vollendet Während
der Wirren des dreissigjährigen Krieges erlitt der Bau eine Unter-
brechung, so dass erst unter Herzog August dem Jüngeren von
1656 bis 1660 die letzten Giebel an der Südseite aufgerichtet
wurden. Die jetzige Thurmspitze, ein hdssliehes Werk von abscheu-
lichen Verhältnissen und Formen, datirt von 1750.
Der Bau ist ein yoUständiges Gompromiss zwischen Mittel-
alter und Renaissance: gothisch in Grundriss, Aufbau und Con-
struktion, in der Anlage der Pfeiler, Gewölbe und Fenster, wäh-
rend die künstlerische Ausbildung des Einzelnen mit der ge-
sammten Ornamentik dem neuen Stil angehört Und zwar tritt
derselbe in der üppigen, schon stark barocken Umbildung der
Schlussepoche auf. Die Planform zeigt eine dreischiffige Hallen-
kirche von breiter Anlage, das 36 Fuss weite Mittelschiff durch
6 achteckige Pfeiler von den 22 Fuss breiten Seitenschiffen ge-
trennt, östlich ein Querschiff yon 1 00 Fuss Länge, dann ein kurz
vorgelegter aus dem Achteck geschlossener Chor, am Westende
ein viereckiger Thurm in's Mittelschiff eingebaut, die gesammte
innere Länge 215 Fuss im Lichten.
Am frappantesten wirkt das Aeussere. Der seltsame Misch-
stil erreicht hier eine Pracht der Ausführung, eine Energie der
Behandlung, welche dem Werke den Stempel der Meisterschaft
aufprägen. An das hohe Dach des Mittelschiffs stossen im rech-
ten Winkel die fünf Querdächer jedes Seitenschiffs und das
höhere und breitere Dach der Kreuzarme. Diese alle mit ihren
hohen reich dekorirten Giebeln, welche sich über dem kräftigen
durchlaufenden Hauptgesimse erheben, den Bau zu malerischer
Wirkung abschliessend. Die bunte Phantastik dieser Giebel,
ihre reiche Belebung durch ionische und korinthische Säulen-
stellungen mit Gebälken und eingerahmten Nischen, die bunte
Silhouette mit ihren phantastisch geschweiften Hörnern und Vo-
luten, die völlige Belebung der Flächen durch Fruchtschnüre,
Blumengewinde, Masken und andern figürlichen Schmuck stehen
in ihrer barocken Pracht unübertroffen da. Kraftvoll ist auch
die Architektur der unteren Theile. Die Wandflächen sind an
0 Inschrift auf dem Grabstein, im süd). Seitensch. der Kirche.
Kap. XVL NiederMchaen. S65
allen Ecken mit derben Quadern eingefasst, welche durch orna-
mentale Linienspiele, Drachen und andere Thierfig:uren völlig be-
deckt sind.
In derselben Weise hat man die EinfaBsungen der Fenster
ausgebildet. Im üebrigen zeigen die Fenster die gothiscbe Con-
Btructioa und ziehen sich, durch zwei Stäbe getheilt, in bedeu-
tender Höhe von circa 40 Fuss bis dicht unter das Dachgesimse
hinauf, wo sie im Spitzbogen schliessen. Am merkwürdigsten
ist aber das Maasswerk behandelt: (Fig. 232) aus den korinthi-
sirenden Kapitalen der Theilungsstäbe
schwingt es sich in freier Bewegung,
nach Art der Kenaissance aus Lanb-
btlscheln zusammengesetzt und mit
mancherlei figürlichem Schmuck ver-
sehen, in bizarrer Phantastik empor,
eine geniale Travestie des gothischen
Maasswerks. Am Querschiff sind kür-
zere und schmalere Fenster, je zwei
neben und über einander angebracht
Auch die Strebepfeiler sind der Gothik
entnommen, aber in der Absicht, sie
ebenfalls zn antikisiron, hat der Künst-
ler sie zu schwerfälligen nach oben
verjtlngten Pfeilern umgestaltet, die
auf dem derben Kranzgesimse unor-
ganisch genug Statuen der Apostel
tragen und dem Baue willkariich an-
gelehnt erscheinen. Verknüpft werden
sie diesem nur durclf das kraftvolle pu. us. r™t« d» kiki» »
Sockelgesims and ein in halber Höhe woifenwutei.
umlaufendes Friesband, welches mit
Engelköpfen, Frachten, Blumen und Blättern belebt ist
Die beiden Portale an der Nord- und Südseite sind in
Bustika ausgeführt, an den Seiten mit Sitznisehen ausgestattet
und mit UDkannelirten ionischen Säulen eingefasst, welche das
Gebälk sammt dem Giebel tragen. Zur höchsten Pracht entfaltet
sich das Hauptportal an der Westfront, (Fig. 233) triumphbogen-
artig mit dreifach gruppirten korinthischen Säulen eingefasst,
beiderseits Nischen mit Statuen, üeber dem mittleren Bogen
erhebt sich eine hohe Attika, nach Art gothischer Wimperge das
dahinter liegende Fenster halb verdeckend. Die Composition des
Ganzen, obwohl ziemlich locker, ist energisch und nicht ohne
Reiz; die Einzelformen, namentlich die zusammengedruckten
Kof ler,OeMli.il.B>iiknui.v. Üb
gg6 in. Buch. Benaissance in Deutschland.
Voluten, deuten schon auf ziemlieh späte Zeit des 17. Jahr-
hunderts. Wie spät hier noch gebaut wurde, beweisen auch die
Jahrzahlen 1657 und 1658 an den Giebeln der Südseite. Anstatt
des vorhandenen abscheulichen Thurmbaues gebe ich nach einer
alten Abbildung das ursprüngliche Froject des Baumeisters,^)
welches uns eine der elegantesten Thurmcompositionen der Be-
naissancezeit vorführt
Im Innern zeigt; sich ein Hallenbau von lichter Weite und
schönen Verhältnissen, durch die hohen Fenster reichlich beleuch-
tet Aber auch hier sind die gothischen Construktionen in Re-
naissanceformen übersetzt. Namentlich gilt das von den acht-
eckigen Pfeilern. Sie sind auf hohe Sockel gestellt und mit zwei
Bändern gegürtet, welche Friese von Engelköpfen und Blumen
enthalten. Auf originelle Weise (Fig. 234) wird am oberen Ende
durch vortretende Gonsolen der Uebergang in's Viereck und in die
breiten Gurtbögen der Gewölbe vermittelt^) Die überaus hohen
Gesimse, die sich hier bilden, erhalten in grosser Mannigfaltigkeit
reichen Schmuck durch Blattwerk im Stil des beginnenden Ba-
rocco, durch ausgebogene Schilder im bekannten Leder- und
Metallstil, durch Früchte, Engelköpfe und anderes figürliche Bei-
werk in grotesker Ueberladung. Auch die Gewölbrippen sind,
wie man aus unserer Abbildung sieht, durch antike Eierstäbe
eingefasst und haben in der Mitte eine vorgesetzte Perlschnur.
In den Wänden der Seitenschiffe entsprechen den Pfeilern grosse
Consolen von ähnlich reicher Behandlung. In der ThurmhaUe
sieht man ein gothisches Netzgewölbe mit reich ausgebildetem
herabhängendem Schlussstein in ähnlichen Formen. Noch ist zu
bemerken, dass die Seitenflügel des Querschiffes rechts als fürst-
liche Gruft lii^t^s als Sakristei vom Hauptraum abgetrennt sind.
Die Wirkung des Innern wird durch die moderne Tünche, welche
alle] Theile bedeckt, etwas beeinträchtigt. Auch die Holzschnitz-
werke, die ursprünglich bemalt waren, sind jetzt mit Oelfarbe
überstrichen. Entstellend wirken femer die beiden im nördlichen
Seitenschiff über einander eingebauten Emporen. Dagegen ge-
höii; die Empore im südlichen Schiff mit gemalter Brüstung auf
korinthischen Holzsäulen zur ursprünglichen Einrichtung.
Ein stattliches Werk ist der Hochaltar, freilich schon stark
barock und in's Malerische übertrieben. Doch ist als bemerkens-
werthe Nachwirkung mittelalterlicher Sitte die durchgängige An-
*) Ans M. Gosky, Arbustum Angustaeum, wo auch das Innere der
Kirche in ausgeführtem Stich dargestellt ist. — ^) Die Abb. nach einer
Zeichnung des Herrn Yoges.
Kap. XVI. NiederaachseD. g69
wenduDg der Holz8chiut/.eret zu bezeichnen. In der Predella das
Abendmahl, an den Seiten Christus in Gethsemane und durch
Pilatus dem Volke vorgefubrt, darttber die Kreuzabnahme und
endlich ein grosser Crucifixus, letzterer ton edlen Formen bei
massvollem Ausdruck, wenn auch etwas zu gestreckt. Zu den
Seiten des Altars über den beiden offenen Durchgängen zwei
manierirte Engel mit den Leidenswerkzeugen. Aus früherer Zeit
stammt das Taufbecken, ein trefflicher Messingguss, inschriftlicb
1571 auf Befehl des Herzogs Julius von Curl Jtfenten dem Ael-
teren gegossen, die schöne Gesammtform noch in gotbiscber Weise
870 ni. Buch. BenuBsance in Deutschland.
profilirt, fein gegliedert nnd mit figttrliehem Ornament und Reliefs
bedeckt Das prächtige Eisengitter mit schön omamentirten messin-
genen Einsatzfeldem und Wappen haltenden Engeln ist von 1584.
Ein herrliches Eisengitter mit vergoldeten Rosetten und frei be-
handelten Blumen findet sich auch an der Treppe zur Fürsten-
gruft Reich und prächtig in kraftvollem Barockstil ist die Orgel
geschnitzt Ebenso die Orgelempore, die auf Bögen mit skulptirten
Quadern ruht
Im Gegensatz zu der reichen Pracht dieser Kirche ist es auf-
fallend, wie unbedeutend, ja armselig das herzogliche Schloss
ausgeführt ist Nur etwa der stattliche Thurm von 1643 mit
hübschen aufgesetzten Giebeln und prächtigem Eisengeländer an
der Galerie ist zu bemerken. Gleich daneben das Zeughaus,
jetzt Kaserne, vom Jahre 1619, ein stattlicher Bau, 220 Fuss lang
bei 70 F. Breite, mit reich geschmückten Giebeln und einem tüchtig
behandelten Portal im Stil der Marienkirche.
Ein gutes Portal derselben Spätzeit besitzt sodann noch die
alte Apotheke am Markt.
Die Städte.
Unter den Städten dieses Gebietes nimmt an Bedeutung und
Macht Braun schweig die erste Stelle ein. Aus einem Fürsten-
sitze des frühen Mittelalters hervorgegangen, schon durch Heinrich
den Löwen zu ansehnlicher Stellung erhoben, schwang die Stadt
sich früh durch Thätigkeit und Umsicht ihrer Bürger zu einem
Gemeinwesen von selbständiger Kraft empor. In regem Handels-
verkehr nach allen Seiten gewann sie durch den Beitritt zur
Hansa zunehmende Blüthe und erwarb den Ehrenplatz einer Quartier*
Stadt des Bundes. In ihren wiederholten Kämpfen um völlige
Unabhängigkeit mit den Landesftlrsten, in dem frühen Uebertritt
zur Reformation (1528), in ihrem mannhaften Festhalten am
Schmalkaldischen Bunde bekundete sie ihren tüchtigen Sinn. Als
Zeugnisse einer durch Jahrhunderte andauernden stets gesteigerten
Blüthe weist sie eine Anzahl hervorragender Denkmäler aus allen
Epochen des Mittelalters auf, grossaxtige kirchliche Bauten der
romanischen und gothischen Epoche und eins der schönsten Rath-
häuser des Mittelalters. Schon im 15. Jahrhundert fällt die
monumentale Pracht imd Grossartigkeit der Stadt einem Kenner
wie Aeneas Sylvius auf^). In unverkümmerter Frische nimmt
0 Aen. Sylv. Piccol. opp. BasiL 1571. p. 424: „oppidum tota Germania
memorabile magnum et populosum magnificae domus, perpolitae
plateae, ampla et omatissima templa. Quinque hie fora. . . . .*
Kap. XVI. Niedersachsen. 871
sie nun auch an der Entwicklung der Renaissance ihren Antheil
und bringt eine Beihe von stattlichen Profanwerken des Stils
hervor, die bis hart an den Beginn des dreissigjährigen Krieges
reichen, der auf lange Zeit die Blüthe der Stadt vernichten sollte.
Gleichwohl können wir hier nicht von besonders frühzeitiger
Aufnahme des neuen Stils sprechen. Die Formen desselben
schleichen sich nur langsam und fast unvermerkt ein, und erst
spät kommt es zu bedeutenderen Schöpfungen. Dies hängt wohl
damit zusammen, dass fast ausschliesslich der Holzbau die Profan-
architektur hier beherrschte, wodurch die mittelalterliche Tradition
sich lange in Kraft erhielt Man kann schrittweise die Entwicklung
der Formen verfolgen: wie bis ins 16. Jahrhundert die gothische
Behandlung sich ungetrübt geltend macht, dann gewisse Motive
der Renaissance sich einschleichen, bis endlich, durch die Richtung
des neuen Stiles begünstigt, der Steinbau sich einmischt, zuerst
in Verbindung mit dem Holzbau etwa an den Portalen oder dem
Erdgeschoss und dem ersten Stock Platz greift, endlich aber in
einigen vollständigen Fafaden sich ausspricht
Um diesen Prozess im Einzelnen darzulegen, beginnen wir
mit der Betrachtung der früheren noch völlig in mittelalterlichem
Sinn behandelten Bauten. Sie zeigen durchweg noch ein strenges
Anschliessen der Dekoration an die Elemente des constructiven
Gerüstes. Die Schwellbalken und die Füllhölzer erhalten kräftige
Auskehlung und Abfasung, wodurch die horizontalen Linien der
über einander vorkragenden Stockwerke wirksam betont werden.
Ueberaus beliebt ist die Dekoration mit rechtwinklig gebrochenen
Linien, die man als mäanderartig bezeichnen kann. Damit wechselt
aber ein anderes Ornament, das seine Motive dem Pflanzengebiet
entlehnt, aus einer Laubranke bestehend, welche sich um einen
horizontalen Stab windet und die charakteristischen Formen des
bekannten spätgothischen Blattwerks zeigt. Nicht minder reich
werden die Balkenköpfe, welche consolenartig die vorkragenden
Stockwerke stützen, behandelt Sie erhalten nicht blos kräftig
ausgekehlte Profile, sondern bisweilen in Hochrelief durchgeführte
figürliche Darstellungen, Apostel und andre Heilige, aber auch
Genrehaftes und Burleskes.
Was die Gesammtcomposition der Fagaden betrifft, so kommt in
Braunschweig die schmale hochgethürmte Giebelfa; ade, die z. B. in
Städten wie Lübeck, Bremen, Danzig so gut wie ausschliesslich
herrscht, nur selten vor. Meistentheils sind die Häuser mit der Lang-
seite gegen die Strasse gekehrt, erhalten aber durch einen oder meh-
rere Dacherker mit ihren Giebeln eine nicht minder reiche male-
rische Belebung. Dagegen fehlt der Erker diesen Fa^aden durchaus.
g72 in. Buch. Renaissance in Deutschland.
Ueberaus gross ist die Anzahl der oben charakterisirten Bauten
der ersten Epoche. Sie sind meistens datirt und umfassen die
letzten Decennien des 15. und die ersten des 16. Jahrhunderts.
Eins der frühesten dieser Häuser ist das kleine in der Poststrasse
No. 10 gelegene vom Jahre 1467. Vom Jahre 1469 datirt ein ähn-
liches am Südklint No. 17, oben mit hübschen Heiligenfiguren an
den Balkenköpfen. Ein anderes am Altstädter, Markt No. 3 trägt
die Jahrzahl 1470. Aus demselben Jahre eins der reichsten Häuser
Scharrnstrasse No. 13, aufs üppigste mit Figuren von Heiligen,
sowie phantastischen und genrehaften Bildwerken deeorirt In den
rund abgefasten tauförmig gedrehten Schwellbalken, einer sehr
häufig vorkommenden Form, darf man wohl ein noch aus roma-
nischer Zeit nachwirkendes Motiv erkennen. Eine ganze Gruppe
ähnlicher Häuser sieht man am Kohlmarkt, No. 11 z. B. ein statt-
liches vom Jahre 1491. Ein etwas reicher dekorirtes Schuhstrasse
No. 20, ein anderes mit besonders reichgeschnitzten Eopfbändern
Kleine Burg No. 13. Ebenda No. 15 eine langgestreckte kräftig
behandelte Fagade von 1488. TreflFlich geschnitzte gothische Laub-
friese Wendenstrasse 13 und ebendort No. 1 vom Jahre 1529, ferner
No. 69 vom Jahre 1533. Das Mäanderornament findet man ebendort
No. 2 vom Jahre 1491, verbunden mit reich profilirten Balkeh-
köpfen. (Das steinerne Portal vom Ende des 16. Jahrhunderts.)
Dasselbe Ornament ebenda No. 6 an einem stattlichen Haus von
1512, an den Kopfbändem die Madonna und andere Heilige ge-
schnitzt Das kräftig behandelte steinerne Portal ist wieder ein
späterer Zusatz. Im Innern ist die alte Einrichtung des riesig hohen
Hausflurs mit seiner Balkendecke und Holztreppe bemerkens-
werth.
Reich und hübsch sieht man den gothischen Laubfries an einem
kleinen originellen Hause Hagenbrücke No. 12, dasselbe Orna-
ment ist aber auch an der Brüstungswand unter den Fenstern
des ersten Stocks ausgebreitet. Ein schönes Beispiel desselben
Frieses Schützenstrasse No. 9 im zweiten Stockwerk, dagegen
im ersten ein reicher Figurenfries, allerlei Genrehaftes, Derb-
komisches, Thierfabeln etc. enthaltend. In derselben Strasse No. 2
zeigt ein stattliches Haus von 1490 das Mäandermotiv, dabei stark
unterschnittene und ausgekehlte Balkenköpfe. Auch hier ein derbes
Steinportal der Spätrenaissance, reich mit Karyatiden und Atlanten
eingefasst, aber von mittelmässiger Ausführung.
Noch ganz mittelalterlich ist das kolossale Eckhaus vom Jahre
1524 am Wollmarkt No. 1, derb in den Formen, fast roh geschnitten,
mit wenig Detail, aber mit kräftig ausgekehlten Schwellen und
von imposanter Wirkung. Nicht minder machtvoll das grosse
Kap. XVI. Niedersachsen. 873
Haus No. 14 hinter der alten Waage vom Jahre 1526, mit dem
Mäandermotir und reich geschnitzten Eopfbändern, durch zwei
stattliche Dacherker malerisch belebt. Die Alte Waage selbst sodann,
1534 errichtet, ist ein Bau von riesiger Anlage, noch ganz mittel-
alterlich mit gothischen Laubfriesen, Drachen und andrem Figür-
lichen an den Balkenköpfen und Schwellhölzern geschmückt; neuer-
dings trefflich jestaurirt (Fig. 235). Zu den frühesten Bauten dieser
Gruppe gehört ein andres riesiges Haus, an der Ecke der Knochen-
hauer- "Und Petersilienstrasse gelegen, vom Jahre 1 489 ; ungemein
reich und derb in der Behandlung, an den Balkenköpfen allerlei
Figürliches, an den Schwellhölzern das Mäandermotiv. Reicher
Figurenfries, Ernstes und Possenhaftes vermischend, Steinstrasse 3
vom Jahre 1512. Aehnliche Behandlung an dem kleinen Haus
Gördelinger Strasse 38, wo in den Flächen der Schwellhölzer
Thierfigürchen, an den Balkenköpfen Humoristisches und Faro-
distisches aus der Thierwelt vorkommt. Ein prachtvolles Beispiel
des schön behandelten gothischen Laubfrieses Südklint 22 vom
Jahre 1524. Ebenda No. 1 ein grosses Haus mit dem Mäander-
omament vom Jahre 1482. In derselben Strasse No. 11 eine
BreitfaQade mit Dacherker, die Schwellhölzer tief ausgekehlt und
die Kanten mit gewundenen Tauen decorirt. Aehnlich die Kopf-
bänder behandelt. Sämmtliche Fenster mit Yorhangbögen und
durchschneidenden gothischen Stäben.
Die Benaissance bringt in dieser Behandlung zunächst nur
einige Bereicherung des Omamentalen. Eins der frühesten Bei-
spiele vom Auftreten der neuen Formen sind die trefflichen
Beste von einem abgebrochenen Kathsküchengebäude von 1538,
welche man in der Alterthümer- Sammlung des Neustädter Rath-
hauses sieht*) Candelaber und andere Ornamente, auch Figür-
liches im Stil der Renaissance verbindet sich noch mit allerlei
mittelalterlichen Spässen, dem Luderziehen u. a. Noch etwas früher
(1537) ist das kleine Haus am Papenstieg No. 5, ziemlich schlicht
behandelt, aber interessant, weil es an den Fensterbrüstungen
ein charakteristisches Motiv des neuen Stils, die muschelartige
oder fächerförmige Decoration,*) in breiter Entfaltung, wenn auch
noch in ziemlich steifer und harter Behandlung zeigt. Noch
etwas früher (1536) dasselbe Ornament an ^inem kleinen Hause
Wendenstrasse No. 14. Aus demselben Jahre rührt das stattliche
Haus Langestrasse No. 9, das sehr reich geschnitzt ist und noch
>) Diese interessante Sammlung verdankt ihre Entstehung dem uner-
müdlichen Wirken des Dr. C. Schiller, der mich durch manche werthvolle
Notizen und Nachweise unterstützt hat. — '^) Vgl. die Abbild. Fig. 243.
S74 HI. Buch. Kenusssnc« in Deutechland.
starke Anklinge ans Mittelalter, z. B. in den Vorhangbogen der
Fenster zeigt Aber daa Pficberornament, die Candetaberaäulchen
am Fortal und die Delphine gehören der Renaissance. lui Innern .
ist die hohe wohlerhaltene Flurhalle bemerkenswerth. Dasselbe
beliebte Fächermotir, aber reicher ausgebildet und mit den tief
auagekeUten und abgefasten Sohwellhdlzem wiiksam verbunden,
Kap. XVI. NiederBachsen. . 875
siebt man am Sack No. 9. Ebendort No. 5 ist dann das Pracbt-
9
stück dieser Decoration, die sich an allen Fläcben, unter den
Fenstern, an den Eopfbändem und Füllbölzem, den Scbwellen,
den Fensterrahmen und sftmmtlicben Pfosten in ttberscbwänglicbem
Keicbthum ausbreitet Die Elemente der Renaissance in Delphinen,
Candelabern, Putten, Gottheiten und Helden des Altertfaums sind
noch unbefangen mit allerlei Mittelalterlichem, mit Genrescenen,
Possenhaftem und Unfläthigem gemischt Es ist ein wahrer
Fasching der Phantasie. (Ich glaubte die Jahrzahl 1536 zu lesen).
Um diese Zeit taucht ein neues Motiv fttr die Decoration
der Schwellhölzer auf: eine Yerschlingung von Zweigen, die fast
wie Bänder aussehen und friesartig sich ausbreiten. So zeigt es
in der Wendenstrasse No. 49 ein Haus vom Jahre 1545, wo zu-
gleich die Fensterpfosten hübsch mit Ranken geschmückt sind.
An der alten Waage (Fig. 235) kommt dies Motiv im obersten .
Stockwerk vor. Aehnlich, nur einfacher die kleinen Häuser am
Werder 34 und 35. Dasselbe Motiv am Burgplatz No. 2 vom
Jahre 1573, ferner am Papenstieg No. 2 vom Jahre 1581, endlich
in besonders schöner Ausbildung am Wilhelmsplatz No. 8 vom
Jahre 1590, mit der Inschrift: „Was menschlich Vernunft ftlr un-
möglich acht, das hat Gott in seiner Macht"
Um diese Zeit erfährt der Holzbau seine letzte Umwandlung.
Der Steinbau der durchgebildeten Renaissance beginnt auf ihn so
stark einzuwirken, dass die Formen desselben fortan einfach in
Holz nachgeahmt werden. Bisher waren die Glieder duich Ab-
fasen und Einkerben, durch Auskehlen und Unterschneiden
recht im Sinne der Holzconstruktion ausgebildet worden. Diese
Behandlungsweise tritt jetzt zurück und macht der Nachahmung
antiker Bauglieder Platz. Die Balkenköpfe werden mit Vorliebe
als Consolen mit .elegant geschwungenem Profil dargestellt, die
Schwellbalken durch Zahnschnitt, Eierstab und Perlschnur im
Sinn der Antike ausgebildet, das Ganze freilich nicht mehr im
Sinn einer nach mittelalterlichem Prinzip aus der Gonstruktion
hervorgegangenen Dekoration, sondern einer freien Ornamentik,
die den Mangel construktiver Nothwendigkeit durch den Reiz
einer edlen Formenwelt zu ersetzen sucht Dazu gesellt sich oft
eine weiter gehende Flftchendekoration, die ebenfalls ihre Motive
aus der Ornamentik des Steinbaues der Spätrenaissance schöpft
Die üppigste Blüthe dieser letzten Entwickelungsreihß werden
wir in Hildesheim antreffen. Braunschweig besitzt indess einige
charakteristische Beispiele. So am Bohlweg No. 47 ein Haus
von 1608, reich mit Flachomamenten geschmückt, selbst die
Unterseite der Schwellhölzer mit Metalldecoration bedeckt, auch
876 UI. Buch. Renaissance in Deutschland.
die Pfosten mit linearen und figürlichen. Ornamenten geschmückt
In verwandter Weise ist das Haus Küchenstrasse No. 11 vona
Jahre 1623 behandelt. Am Südklint 21 ein schönes Beispiel
dieser späteren Behandlungsweise mit imitiiten Arkaden an den
Pfosten und hübschem Rankenwerk an den Fensterbrüstungen.
Aehnlich das kleine Haus am Bäckerklint vom Jahre 1630. Eins
der spätesten von 1642 ist das grosse Haus Schützenstrasse 34,
an allen Flächen mit hübschen Ranken dekorirt, die in Masken
auslaufen.
Der reine Holzbau nimmt aber in dieser Zeit überhaupt auf-
fallend ab und theilt zunächst die Herrschaft mit dem Steinbau
und zwar in der Weise, dass die Erdgeschosse mit ihren Por-
talen und meist auch der erste Stock diesem anheim fallen,
während die oberen Stockwerke den Holzbau beibehalten. Von
solchen prächtigen Steinportalen ist schon mehrfach die Rede ge-
wesen. Andere Beispiele dieses gemischten Stiles haben sich
noch mehrfach erhalten. Eins der prachtvollsten ist das grosse
Eckhaus am Hagenmarkt 20, Erdgeschoss und erster Stock in
Stein ausgeführt, mit stattlichem Barockportal, das an den Seiten
Sitznischen und einfassende Hermen hat, die Fenster noch mit
mittelalterlichen Rahmen, aber zugleich durch Perlschnüre ge-
schmückt, der obere Stock in reichem Holzbau durchgeführt
Ein stattliches Beispiel derselben Art vom Jahre 1591 am SUd-
klint No. 15, wiederum beide Untergeschosse in Stein, mit zwei
Bogenportal6n, davon das eine facettirte Quaderumfassung mit
Perlschnur und Herzblatt, das andere die reiche Form mit Seiten-
nischen, Hermen und Masken, dabei die Inschrift: ^Kisi deus
frustra/^ Aehnliche Inschrift: „Nisi dominus frustra^ kehrt an
einem eleganten Portal vom Jahre 1584 in der Gördelinger-
strasse No. 43 wieder, wo ebenfalls noch ein zweites einfacher
behandeltes Portal für die Einfahrt vorkommt; wahrscheinlich
von demselben Meister.
Eins der grössten Prachtstücke ist das mächtige Haus am
Bäckerklint No. 4, wiederum in beiden unteren Geschossen aus
Stein mit einem üppigen Barockportal, mit Masken, Hermen und
schnörkelhaften Voluten, in den Zwickeln ungeschickte Victorien^
der obere Aufsatz durch einen herausspringenden Löwen wunder-
lich abgeschlossen. Es ist eine stillose Gomposition, überladen
und unklar. Die oberen Holzgeschosse üppig dekorirt, die Ran-
ken an den Schwellbalken und den Fensterbrüstungen in barocke
Masken auslaufend. Ein derbes Werk derselben Zeit ist am
Eohlmarkt No. 2, Portal und Fenster mit Rustikaquadem einge-
fasst, die abwechselnd das Sternomament zeigen. Auch das
K^. XVI. Niedersachsen. $77
kleine Hans an der nordöatlicheD Ecke des Burgplatzee, deesen
Fenster den Eierstab als Einfassung: liaben, gefaOrt hierher.
Hierao schliesst sich eine G-ruppe von Häusern, welche TttUig
auf den Holzbau verzichten und ausschliesBlich die Steincoa-
stroktion aufnehmen. Das schönste unter ihnen ist das ehemalige
G^nasium am Bankplatz vom Jahre 1592 (Fig. 236). Kis
878 ni. Buch. Die BenaiBsance in Deutschland.
stattlicher Quaderbau mit üppig barockem Portal, dnrch allerlei
Figuren Ton Tugenden, Reliefs, Masken, Blumen- und Fruchtge-
winde geschmückt Die beiden oberen Stockwerke haben ge-
kuppelte Fenster, die bei mittelalterlichem Rahmenprofil wieder
von kräftigem Eierstab umfasst werden. Diese Fensterform
kommt in Braunschweig in oftmaliger Wiederholung vor. Was
aber dieser Fa^ade besonderen Reiz giebt, sind die hübscilen
Nischen zwischen den Fenstern, welche mit freilich sehr manierir-
ten Figuren von Tugenden ausgefüllt sind. Die Flächen, welche
jetzt das rohe Bruchsteingemäuer zeigen, waren ursprünglich ohne
Zweifel verputzt und bemalt
Stattlich ist auch das Steinhaus an der Martinikirche No. 5,
im Ganzen zwar einfacher behandelt, aber mit einem der üppig-
sten Barokportale, eingefasst von vier Hermen und Karyatiden,
in der Bekrönung wieder aufrechtstehende Löwen, die ihren
y orderleib durch einen Ausschnitt der Gartouche stecken, ähnlich
wie am Bäckerklint No. 4.) Zu beiden Seiten zwei Ejrieger. Ein
stark barockes Portal ist auch an einem grossen Hause in der
Wilhelmstrasse vom Jahre 1619. Ebenso ein Portal an dem
prächtigen Hause Poststrasse 5, dessen Fenster wieder die ele-
gante Einfassung mit Eierstäben zeigen.
Eine andere Behandlung sieht man an dem stattlichen Eck-
haus des Altstädter Marktes, dessen Fenster breite flache Rahmen
haben , die oben in einen rosettengeschmückten Giebel auslaufen.
Das Portal gehört schon dem völligen Barocco an. Aehnliche
Fenster mit derselben Umrahmung sieht man auch an der Burg,
deren hintere Fa^ade barocke Volutengiebel zeigt Als vereinzeltes
Beispiel einer hohen Giebelfa^ade steht das Haus am Eohlmarkt
No. 1 da. Die Fenster sind noch mit durchschneidenden gothischen
Stäben eingefasst, der Giebel aber mit Voluten, geschweiften
Hörnern und Pyramiden dekorirt, doch ohne alle plastische Gliede-
rung der Flächen.
Während alle diese Werke nicht von hervorragendem Werth
in Gomposition und Ausführung sind, gehört der östliehe Giebel
des Gewandhauses, 1590 durch die Meister Magnus Klmge und
Balzer Kircher ausgeführt, zu den vollendetsten Meisterwerken der
Zeit In der Anordnung der Geschosse sah man sich durch die alte
Anlage des vorhandenen Baues, der noch in frühgothische Epoche
hinaufreicht, gebunden. Daher die niedrigen Stockwerke, welche
mit der gewaltigen Höhe des Baues wunderlich contrastiren. Es
ist ein riesiger Giebelbau, der seine hohen Stirnseiten westlich
gegen den Altstädtischen Markt, östUch gegen die Poststrasse
kehrt Die Ostfa^ade ist bei der niedrigen Stockwerkhöhe durch
Kap. XVI. NiederBachsen. 879
gekuppelte Fenster und sparsam ansgetheilte Säulenstellungen
mit feinem künstlerischem Takt rhythmisch belebt Im Erdgeschoss
ist auf Pfeilern mit gedrückten KorbbOgen eine Halle vorgelegt,
die mit gothischen Kreuzgewölben auf zierlichen Renaissance-
consolen eingedeckt ist. Dieselbe Bogenform kehrt an der kleinen
Loggia des ersten Stocks und an den mittleren Fensteröfifhungen
der übrigen Stockwerke wieder. Oothische Keminiscenzen finden
sich an der Masswerkbrttstung der Loggia und den Einfassungen
der Fenster, zu welchen in den oberen Geschossen jedoch noch
die hier beliebten* Eierstäbe kommen. Das Ganze ist trefflich in
Sandstein ausgeführt und durch reiche Vergoldung ausgezeichnet
Die klare Eintheilung, die volle Meisterschaft in Anwendung der
antiken Formen, die massvolle Beimischung barocker Elemente,
endlich die hohe Sicherheit in der Behandlung des Omamentalen
und Figürlichen geben dieser Fa^ade einen hervorragenden
Werth^). An der westlichen Fagade hat man sich begnügt, den
Giebel mit Voluten zu schmücken und die Bahmen der Fenster
und der Giebelkanten mit Quaderwerk in Stemmustem einfach ,
und wirksam zu gestalten.
Ein schönes Stück innerer Dekoration ist sodann noch in
,dem Sitzungssaal des Neustädtischen Rathhauses erhalten. Ein
reich dekorirter und bemalter Kamin vom J. 1571, von kannelirten
ionischen Säulen eingefasst, dazu eine prächtige Balkendecke, rings
an den Wänden treffliches Getäfel, an allen Flächen der Pilaster,
Friese und Bogenzwickel mit eingelegten Ornamenten auf dunklem
Grunde bedeckt
Der alte Bischofssitz Halberstadt, in anmuthiger Landschaft
an den nördlichen Ausläufern des Harzes gelegen, zeigt nicht
blos in bedeutenden kirchlichen Bauten, unter denen der gothische
Dom zu den Monumenten ersten Banges gehört, die Macht eines
geistlichen Fürstenthums des Mittelalters, sondern bietet daneben
auch in zahlreichen Profanwerken das Bild eines rüstig bewegten
kunstliebenden Bürgerthums. In dem breiten Zug der Strassen,
den zahlreichen freien Plätzen, die sich theils um den Mittelpunkt
bürgerlicher Macht, theils um die grossen kirchlichen Monumente
ausdehnen, spricht sich der Doppelcharakter der Stadt unverkenn-
bar aus.
Wir haben es bei unsrer Betrachtung nur mit Werken der
Profanarchitektur zu thun, und zwar steht der Hokbau unbedingt
^) Eine Abb. dieser Fa^ade in Rosengarten, Archit StUarten.
880 ni. Buch. Die Benaiflsance in Deatschland.
in erster Linie. Ausschliesslicher als in Braunschweig beherrscht
er die bttrgerlichen Wohnhäuser, ohne dem Steinbau Eingang zu
gestatten. Deshalb hat er sich auch reiner entwickelt und gerade
in der Epoche der besten Renaissance seine feinste Blüthe entfaltet.
Aus der letzten Epoche des Mittelalters zählt er auch hier eine
Anzahl charaktervoller Werke, die sich durch besondren Reichthum
an figürlicher Plastik auszeichnen. Der späte Nachsommer der
Renaissance kommt hier nicht mehr zum Ausdruck; dagegen sind
die mittleren Zeiten des Stils durch eine ungemein grosse Zahl
von Bauten vertreten, welche das Gepräge einer geradezu klas-
sischen Anmuth tragen. Die Formen behalten überwiegend den
Charakter einer aus der Construction hervorgegangenen Ornamen-
tik bei ; die Balkenköpfe sind durch Auskehlen und Unterschneiden
mannichfach gegliedert, auf den Oberflächen oft elegant geriefelt
in diagonaler oder vertikaler Linienführung, an den Seiten manch-
mal durch Sterne, Rosetten und andre Muster belebt (vgl. Fig. 54
auf S. 197.) Die Schwellhölzer und FttUbalken sind ausgekehlt
und abgefast, meist mit ähnlichen diagonalen Riefelungen plastisch
dekorirt Unter den Fenstern findet sich entweder das Fächer-
(Muschel)- Ornament, oder es ist in Nachahmung des Steinbaues
eine Blendarkade auf kleinen Pilastern durchgeführt (vgl. oben Fig.
53 und 54) *). Auf dieser edelsten Stufe der Ausbildung verharrt
der Halberstadter Fach werkbau, nur im Einzelnen eine Fülle
anmuthiger Flächendekoration hinzufügend.
Was die Gesammtanlage der Häuser betrifft, so sind sie
grösstentheils wie in Braunschweig nicht schmale Hochbauten
mit der Giebelwand nach der Strasse, sondern breite Langbauten,
über denen in der Mitte stets ein Dacherker aufragt, die monotone
Fläche des Satteldaches wirksam durchbrechend, wie Fig. 53 zeigt
Doch kommen hier seltener jene riesigen Häuserkolosse vor, welche
Braunschweigs bürgerlichen Bauten einen so machtvoll domi-
nirenden Charakter verleihen. Hier ist vielmehr Alles feiner, zier-
licher, anmuthiger auch in den Verhältnissen. Sodann aber wird
der an der Fa^ade ausgebaute Erker, den man in Braunschweig
vergeblich sucht, öfter angewandt Auch dadurch ist der malerische
Reiz dieser Bauten gesteigert.
Zu den bedeutendsten mittelalterlichen Werken gehört der
stattliche Bau des Rathskellers am Holzmarkt vom J. 1461. Die
prachtvolle Wirkung beruht hauptsächlich auf den ungemein stark
0 Ich bemerke hier schon berichtigend, dass obige beide Abbild, der
geschickten Hand des Herrn Architekten £. Grisebach in Hannover zu
verdanken sind.
Kap. XVI. NiedersachBen. 881
yorspringenden Geschossen mit ihren dreimal wiederkehrenden
effektvoll geschnitzten Balkenköpfen, die durch zahlreiche Heiligen-
figürchen consolenartig ausgebildet sind. Auch gothische Mass-
werke, Thierfriese und dgl. kommen vor. Es ist eins der reichsten
Beispiele seiner Art. Von ähnlicher Behandlung das grossartige
Eckhaus am Fischmarkt No. 1, in vier Geschossen mit herrlichen
Friesen geschmückt; die Schwellen mit dem Mäandermotiv, das
wir schon in Braunschweig fanden ; die Balkenköpfe stark unter-
schnitten und gekehlt, zugleich mit Mass werken dekorirt; die Ecke
bis oben hinauf durch zahlreiche Figuren kraftvoll geschmückt
Ueberhaupt herrscht hier an den mittelalterlichen Bauten das
figürliche Element in reicher Ausbildung ; so bei den Häusern am
Fischmarkt No. 11 und 12, No. 10 von 1520, No. 9 von 1529,
No. 8 von 1519.
Den Uebergang zur Renaissance bezeichnet ein Haus vom
Jahr 1532 am Holzmarkt No. 4; die Schwellen doppelt gekehlt,
die Balkenköpfe kräftig mit Bundstab und Hohlkehle gegliedert
Ebendort No. 5 dasselbe Motiv, aber alles zierlicher, feiner, schon
mehr im Sinne des neuen Stils durchgebildet, mit flachen Bosetten
u. dgl.; an den Fensterbrüstungen das Fächerornament Es ist
eins der seltenen Giebelhäuser, datirt 1552. Aehnliche Häuser
Breiteweg No. 39 vom Jahr 1558 und ebenda No. 38 von 1559.
Das Motiv der Blendarkaden unter den Fenstern tritt sodann an
dem stattlichen Haus Ecke der Schmiedestrasse und des Holz-
marktes vom Jahr 1576 auf; feine Zahnschnittfriese begleiten die
Gesimse. Ein auf einer Holzsäule ruhender Erker, das Dach
durchbrechend und bis zur Firsthöhe desselben emporgeführt, be-
lebt malerisch die Fa^ade. Dasselbe Motiv findet seine glanz-
vollste Ausbildung an dem grossen Prachtbau des Schuhhofes,
jetzt die drei Häuser am Breitenweg, Ecke der Schuhstrasse bildend,
vom Jahr 1579. Die vielfach gekerbten, gerieften und gemusterten
Schwellbalken, die mit Figürchen und Ornamenten geschmückten
Balkenköpfe sammt ihren consolenartigen Stützen, die mit ge-
schnitzten Wappen ausgefüllten Blendarkaden, (im oberen Geschoss
einfacher behandelt), endlich die feine Ornamentik, welche die
Pilaster, die Fensterrahmen, die Eckpfosten, kurz alle Flächen
belebt, geben diesem Bau einen unübertroffenen Ausdruck von
Eleganz (Fig. 237). Nur die nackten Ziegelflächen, ursprünglich
zum TheU allerdings durch drei vorgebaute Erker etwas unter-
brochen, wirken störend.
Ein ähnliches, wenn auch nicht ganz so reiches Beispiel
bietet ein Haus in der Göddenstrasse von 1586 mit einem hüb-
schen Erker. Femer eins der schöneren und reicheren das süd-
Kugler, Quctk. d. Bankiixiat V. 56
882 ni. Bach. Benaigsance in Deutschland.
lieh neben dem Dom gelegene Haus, dessen Blendarkaden theils
mit Wappen, theils mit schön stilisirten Ranken geschmttekt sind.
Mit einfacherer Behandlung der Arkaden, aber trefiPlich geglieder-
ten Schwellen ein Haus von 1584 in der Schmiedestrasse No. 17,
durch die consequente zwar einfache aber feine Behandlang bis
hoch in den aufgesetzten Dachgiebel anziehend. Es trftgt die
Inschrift: „Mannicher sorget vor mich; wäre besser er sorget vor
sich."" Ein kleineres von derselben Art Harsleberstrasse No. 9,
vom Jahr 1604, ebenfalls mit hübschem Dacherker und der In-
schrift: „Wie es Gott fügt, also mir genügt^ Etwas früher (1589)
das grosse Haus in derselben Strasse No. 6, kräftiger dekorirt,
mit mancherlei geometrischen Mustern und einem Erker auf hübsch
behandelter Holzstütze. Aehnlich ebenda No. 10 vom Jahr 1618.
Neben dem hier so sehr beliebten Motiv der Blendarkaden
kommen dann auch immer noch Beispiele des Fftcheromaments
an den Fensterbrüstungen vor. So Hoheweg No. 1 6 in besonders
zierlicher Ausbildung, alles mit linearen Ornamenten durchsetzt,
die Fächer z. B. gefiedert Aehnlich in derselben Strasse No. 13
an den Schwellen mit dem in Braunschweig beliebten Ornament
der Flechtbänder. Ein sehr hübsches Beispiel Göddenstrasse 13
mit feinen Fächern und reich gegh'ederten Schwellen. Ebenso
Harsleberstrasse 15, wo wieder geometrische linienspiele zu
reicher Verwendung gekommen sind.
Der Steinbau ist nur an einigen öffentlichen Monumenten,
und an keinem in hervorragender Weise zur Entwickelung ge-
kommen. Das früheste Denkmal der Renaissance scheint der
hübsche Erker an der Südseite des Rathhauses, bezeichnet 1545.
Er ist dem noch strenggothischen Bau in einem malerischen
Mischstil vorgesetzt, wie er denn auf einem reich durchschneiden-
den mittelalterlichen Rippengewölbe ruht, aber mit Candelaber-
säulchen der Frührenaissance und hübsch . gearbeiteten Wappen
geziert ist. Auch das breite dreitheilige Fenster, welches neben
ihm die Wand im Hauptgeschoss durchbricht, hat die spielenden
Rahmenpilaster der Frühzeit mit den eingelassenen Medaillon^
Schilden als Umrahmung. An der Rückseite des Baues (gegen
Osten) sieht man einen Erker in ähnlichem Mischstil der frühen
Renaissance. Dagegen wurde an der Hauptfront gegen Süden in
der Schlussepoche eine doppelte Freitreppe mit off'ner Bogenhalle
auf Pfeilern vorgebaut, die im ersten Geschoss als selbständiger
Erker oder Laube sich fortsetzt und mit einem reich behandelten
Giebel schliesst Die reiche omamentale Belebung aller Flächen
an Brüstungen, Pfeilern, Stylobaten, Bogenzwickeln und Fenster-
rahmen macht von fem den Eindruck der Frührenaissance, aber
Kxp. XVI. Niedersachaen. 885
bei näherer Betrachtung erkennt man in dem flppigen Schwulst
der Formen und in der stumpfen Behandlung eine Arbeit der
Spätzeit, die durch das Datum 1663 bezeichnet wird. Trotz der
geringen Ausführung ist aber das Ganze von hohem malerischen
Beiz. Derselben Zeit gehört wahrscheinlich im Innern der grosse
Vorsaal, dessen schlichte Holzdecke auf geschnitzten Säulen von
spielender spätbarocker Form ruht. Zwei hübsche messingene
Kronleuchter schmücken den Baum.
Ein origineller, bei aller Einfachheit malerisch wirkender
Bau der Frührenaissance ist sodann der Petershof, nördlich von
der Liebfrauenkirche gelegen. Ungefähr in der Mitte des langen
Flügels ein viereckig vorspringendes Treppenhaus mit einem-
Portal von 1552, erbaut von Sigismund Erzbischof von Magdeburg,
Administrator von Halberstadt, Markgraf von Brandenburg etc.
wie die Inschrift meldet Die Behandlung der Formen schwankt
noch zwischen Gothik und spielender Frührenaissance. Aehnlich
der links daneben von unten herausgebaute Erker. Auch die
Wendeltreppe ist mit gothischen Kehlen und Stäben gegliedert.
Aus derselben Zeit im Innern des Erdgeschosses, das durch statt-
liche Gewölbe ausgezeichnet ist, im Zimmer zur Linken ein Stein-
portal derselben Frühzeit von reicherer omamentaler Ausbildung.
Auch die beiden prachtvollen Thürschlösser sind beachtenswerth.
Dagegen rührt aus der Spätepoche das jetzige Steueramt,
gegenüber dem Bathhaus, inschriftlich von Herzog Julius zu
Braunschweig, postulirtem Bischof von Halberstadt 1596 erbaut
Derb und schlicht, mit zwei hohen Stockwerken über dem Erd-
geschoss, auf beiden Seiten mit kräftig vorspringenden Eckrisaliten
eingefasst, die von hohen Giebeln bekrönt werden, dazwischen
am Mittelbau zwei Dacherker, sämmtliche Giebel mit derben
Bustikapilastem und barocken Aufsätzen dekorirt, dazu endlich
ein ähnlich behandeltes Portal mit Freitreppe, von zwei Statuen
in Nischen flankirt
Endlich ist das langgestreckte einstöckige Gebäude am Dom-
platz als ein Werk derselben Spätzeit hier zu erwähnen. Im
Erdgeschoss eine kraftvoll behandelte Bogenhalle auf Pfeilern,
an den Bogenzwickeln prächtige, zum Theil schon stark überladene
Wappen, das obere Geschoss in einfach aber zierlich behandeltem
Holzbau.
S86 ni. Baeh. ReoalsBance in Dentachland.
9
Wie Halberstadt ist auch Hildesheim durch doppelte Be-
deutung als uralter Bischofssitz und als Mittelpunkt eines reg-
samen, energisch emporstrebenden bürgerlichen Gemeinwesens
ausgezeichnet Ja noch weit nachdrücklicher als dort hat sich
hier schon im frühen Mittelalter die kirchliche Macht in gross-
artigen Denkmälern ausgesprochen. Der Dom, die Kirchen von
S. Michael und Godehard, zu welchen noch die kleine auf einem
Hügel vor der Stadt gelegene Moritzkirche sich gesellt, gehören
zu den ansehnlichsten Bauten des romanischen Stiles. Aber im
Schatten der bischöflichen Gewalt blühte ein kraftvolles Bürger-
thum empor, bald in Kämpfen mit den geistlichen Oberherren
seinen Freiheitsdrang bethätigend, durch Handel und Gewerbe
immer unabhängiger, als Mitglied der Hansa geachtet und geftlrch-
tet, endlich beim Eintritt in die neue Zeit durch rasches Hinneigen
zur Reformation sich auch zu kirchlicher Freiheit erhebend.
Von diesem Bürgerthum zeugen in erster Linie die Denk-
mäler, welche unsre Betrachtung aufzusuchen hat.^) Es ist vor
Allem der altsächsische Holzbau, der auch hier fast ausschliesslich
den Privatbau beherrscht. Aber er entwickelt sich in ganz
selbständiger Weise. Die mittelalterliche Form kommt nur ver-
einzelt vor; häufiger sind schon die Werke, in welchen die Re-
naissance ihren Einfluss bethätigt ; allein die grosse Mehrzahl der
Monumente gehört doch erst der letzten Epoche des Stils, zeigt
eine völlige Umbildung des Holzbaues im Sinn der Steinarchitek-
tur und verbindet damit eine Pracht und Fülle freier figürlicher
Ornamentik, die den Hildesheimer Bauten ihr hocheigenthümliches
Gepräge giebt
Um mit den nicht eben zahlreichen Bauten aus der Schluss*
epoche des Mittelalters zu beginnen, so lassen sie die auch anders-
wo beobachteten Grundzüge ziemlich übereinstimmend erkennen:
kräiliges Betonen des constructiven Gerüstes, energisches Hand-
haben einer plastischen Gliederbildung, gelegentliches Herbeiziehen
figürlichen Schmuckes. So ein kleines Haus in der Eckemäker-
strasse, mit hübschen Heiligenstatuetten an den Balkenköpfen, die
Flächen der Schwellen mit aufgemaltem gothischen Laubwerk.
Aehnlich zwei alterthümliche Häuser bei der Andreaskirche, die
in verwandter Weise behandelt sind.
Aber schon 1529 tritt in diesen Formenkreis des Mittelalters
die Renaissance an demjenigen Gebäude, welches unter allen
0 Von den Hildesheimer Bauten liefen treffliche grosse Photographieen
von G. Koppmann (Verlag von Gebr. Gerstenberg in H.) vor, nach wel-
chen unsere Abb. gezeichnet sind.
Kap. Xyi. Niedersachsen. 887
HolzhäuBern DeutschlandB wohl unbestritten als das grossartigste
dasteht, dem Enochenhaueramthaus, an der nordwestlichen Ecke
des Marktes. Es ist ein riesig aufgethürmter Giebelbau, im Erd-
geschoss mit zwei kleinen Erkern ausgestattet, darüber die Fen-
ster eines Halbgeschosses, in der Mitte ein weites Bogenportal,
das in feiner Einfassung mit geschnitzten Candelabersäulchen,
Putten und Festons den frühen Eintritt der Renaissance bezeichnet
Darüber erheben sich, mit weit vorgestreckten Balkenköpfen
herausgebaut, vier obere Stockwerke, von denen zwei dem Giebel
angehören. So bewirken illnf Beihen mächtiger Consolen mit
ihrem reichen Schnitzwerk, verbunden mit den ebenso verschwen-
derisch dekorirten Schwellbalken einen unvergleichlich malerischen
Eflfect Die Behandlung der Formen weicht aber von dem in
Braunschweig und Halberstadt lieblichen erheblich ab und be-
gründet die später an allen Hildesheimer Bauten wiederkehrende
Auffassung. Diese besteht darin, dass die feine durch Auskehlen,
Einkerben und Unterschneiden gewonnene plastische Gliederung
fortfällt, und an ihrer Statt die Schwellbalken in rechteckigem
Durchschnitt einen ununterbrochenen Friesstreifen darstelleig der
mit flachgeschnitzten Ornamenten ausgefüllt wird. Ebenso erhält
die Unterseite der Hölzer zwischen den Balkenköpfen eine Ver-
schalung, auf welcher ornamentale Muster aufgemalt werden.
Einerseits erkennt man in dieser Vereinfachung der Grundform
die Einwirkung des Steinstils, andrerseits in dem Zurückdrängen
plastischer Gliederung das Streben nach malerischer Dekoration.
Auch die Fensterbrüstungen werden durch aufgemalte Fächer-
muster belebt. (Das Haus ist in neuerer Zeit trefflich restaurirt
worden).
Unerschöpflich reich ist der plastische Schmuck an dieser
grossartigen Fa^ade. An den Consolen herrschen mittelalterliche
Elemente vor, in derber humoristischer Auffassung; in den Friesen
dagegen sind die Motive der Frührenaissance in musicirenden
und spielenden Putten, in Blumen- und Fruchtschnüren, in Cande-
labersäulchen u. dgL überwiegend. An der Seitenfa^ade dagegen
sind die mittelalterUchen Formen, die gothischen Blattranken
u. dgl. noch in Kraft Die Behandlung des Einzelnen ist von
verschiedenem Werthe, die Friese der Haupt&ont von grosser
Tüchtigkeit
Ausser diesem monumentalen Prachtstück giebt es nur
wenige Bauten hier, welche den Charakter der Frühzeit tragen
und damit noch Elemente der Spätgothik verbinden. Ein Haus
der Schelenstrasse v. J. 1540 zeigt eine grosse Einfahrt, geschmückt
mit Kenaissancesäulchen und phantastisch verschlungenen Drachen ;
ggg ni. Buch. Renaissance in Deutschland.
letztere noch völlig im Charakter des Mittelalters. Auch die Fenster
zeigen gothische Details, die Consolen kräftige Köpfe, die Schwel-
len gemalte Ornamente. Ueberwiegend mittelalterlich mit spär-
lichen Elementen der Renaissance ist auch das Haus zum Gol-
denen Engel in der Ereuzstrasse, vom Jahre 1548, ausgezeichnet
durch doppelte Erker, zwischen welchen der mittlere Giebel domi-
nirend emporsteigt. Dieser Mischstil erhält sich hier ungewöhn*
lieh lange, so an einem Hause von 1557 in der Almstrasse 32,
wo die Schwellbalken den gothischen Vorhangbogen zeigen und
an den Brtlstungen ein feines Fächeromament auftritt Dasselbe
wiederholt sich, wahrscheinlich von gleicher Hand ausgeführt,
Schelenstrasse 286. Ebenso daselbst No. 280 vom Jahre 1560,
wo jedoch im oberen Stock der bekannte um dnen Stab ge-
wundene gothische Laubfries vorkommt. Ueberwiegend mittel-
alterlich ist sogar noch ein Haus im Kurzen Hagen vom Jahre
t564. Hier findet sich auch an den Consolen ein oft vorkom-
mendes sehr einfaches Ornament, aus mehrfach wiederholten ein-
gekerbten Dreiecken bestehend. Dasselbe auch an einem grossen
Hause der Jacobistrasse. Ueberwiegend gothisch ist selbst noch
ein kleines Haus der Eckemäkerstrasse vom Jahre 1566. Da-
gegen kommt in der Schelenstrasse No. 312 die völlig ausge-
bildete Renaissance mit dem Datum 1563 in den kräftigen Voluten
der Consolen, den Pilastersystemen der Wände, den figürlichen
Reliefs des Erkers zur Herrschaft.
Mit den Achtziger Jahren, vielleicht auch schon etwas früher
tritt nun der ausgebildete Stil der Spätrenaissance auf, der dann
bis tief in's 17. Jahrhundert hinein die bürgerliche Baukunst aus-
schliesslich beherrscht. Die Fagaden dieser Art sind noch jetzt
so zahlreich vorhanden, dass sie im Wesentlichen den architek-
tonischen Eindruck der Stadt bestimmen. Was zunächst ihre
Composition betrifift, so kommt für dieselbe die äusserst häufige
Verwendung des Erkers wesentlich in Betracht. Fast jedes Haus
hat wenigstens einen derartigen Ausbau, der oft schon vom Erd-
geschoss, bisweilen mit dem ersten Stock beginnt, die ganze Höhe
der Fa^de einnimmt und mit selbständigem Giebel abschliesst
Am schönsten ist aber die Gruppirung da, wo zwei Erker in
symmetrischer Anlage die Fagade einfassen. Durch ihre Giebel-
schlüsse, zwischen welchen dann der Hauptgiebel höher empor-
steigt, wird eine rhythmische Bewegung und eine pyramidale
Gipfelung erreicht, welche diesen Fagaden (vergl. Fig. 239) einen
hohen architektonischen Werth verleiht
In der Gliederung und Ausschmückung herrscht völlig das
Gesetz der Renaissance und zwar die Nachbildung des Stein-
Ktp. Xyi. Niedenachaen. gg9
baoes (Fig. 238). Die ganze Fa^ade wird mit Holz verkleidet,
Bo dasB alle Theile der Gonstniction bis auf die als kräftige Gon-
solen entwickelten Balkenköpfe mit ihren Stutzen TerhUllt werden.
Die Schwellbalken bilden einen dnrchlanfenden Fries, der mit
Ornamenten bedeckt ist. Eine consequente vertikale Theilung
wird durch flacbgcBchnitzte eingeblendete Säulen, Pilaster oder
Hermen bewirkt. Ihre Fort-
setznng und Verbindung erhal-
ten die einzelnen Systeme durch
die pilasterartige Eintheilung der
breiten Friese, welche die Fen-
sterbrllBtungen bedecken. An
diesen entfaltet sich in figür-
lichen Reliefs der unerschöpf-
liche Reicbthum dieser Schule.
Antike Mythologie undGeschich-
te, altes und neues Testament,
Allegorie und Parabel schütten
hier ihren reichen Inhalt aus.
Verbindet man damit die zahl-
reichen meist sententiösen In-
schriften, so erhält man einen
Blick in die Anschauungen jener
Zeit, der wohl einmal vom
Standpunkt der Kulturgeschichte
ausführlichere Darstellung ver-
diente. Um die zierliche An-
muth des Ganzen zu vollenden,
sind alle Hauptliuien durch die
feinen Glieder antiker Kunst,
durch Zahnschnitte, Consolen, ng. au. diuii to» «iiwiii hum »
Perlsohnur und Eierstab belebt. Hiid.ih.ta.
Eine wahrhaft classische An-
math ist tiber diese Werke ausgegossen, die den Mangel eines
constructiven Grundprinzips der Ornamentik übersehen lässt, and
selbst mit dem häufig hervortretenden Ungeschick im Figürlichen
aussöhnt Bei alledem kann man keinen Augenblick vergessen,
dass diese unermeaslich reiche Schnitzkunst, die in der ganzen
Bevölkerung eine allgemein verbreitete Lust an heiterem Schmuck
des Lebens voraussetzen lAsst, hier durchaus in den Dienst eines
malerischen Prinzips getreten ist, welches in dem bescheidenen
Relief dieser Flächendekoration sein Gesetz offenbart
leb beginne mit dem Musterbeispiel dieses Stiles, dem Wede-
890 ni. Bach. BenaiBiuice in DentBcbUnd.
kindschen Hause rom J. t59S am Markt, das neuerdings doreh
eorf^tige Keitauration seinen uraprttnglichen Glanz wieder-
g^ewonnen bat Der grossartige Aufbau mit zwei Erkern, deren
Giebel mit dem Mittelgiebel einen imposanten Abscbluss bilden,
die reiche Dekoration, welche sich Ober alle Theile ausbreitet,
ist aus nnsrer Abbildung Fig. 239 gentlgend zu entnehmen. Ein-
faeher und achlichter ist ein Haus ron 1585 in der Almsstraaee
I, WadcklniUchu Hiu.
28. Ebendort No. 20 ein kleiner Erker von 1598, ohne figürlichen
Schmuck, aber durch ionische Säulchen, Voluten und Barook-
rahmen lebendig gegliedert Ebenda No. 25 ein ähnlicher Erker,
nur flacher behandelt In ähnlicher Weise zeigt ein Haus im
Langen Hagen vom J. 1591 bei ganz schlichter Ausführung einen
durch kanoelirte Pilaster und Rankenfriese von massigem Werth
geschmflckten Erker. Eins der reiohHten und präcbtigsteo Häuser
mit der Jahrzabl 1608 siebt man im Hobenweg No. 391, ndt
zwei symmetrisch angebrachten Erkern in beiden HauptgeschoBsen ;
(vgL Fig. 238.) Die Consolen energisch in antiker Form; die
Ecken mit Sfolen eingefasst, alle Flächen mit Omameot und
Kap. XVI. NiedersachBen. 891
Figürlichem, den Elementen, Jahreszeiten, Planeten, Tugenden
etc. bedeckt. Ebenda 394 ein kleineres Hans mit einem durch
korinthische Säulen und barockes Yolutenwerk dekorirten Erker.
Dasselbe Motiv, aber ohne Erker, an dem Hause 393. Eine ganz
grosse prachtvoll ausgeführte Fa^ade in derselben Strasse Ecke
der Stobengasse, mit kräftigen Consolen, Säulen und, barocken
Atlanten, an den Brüstungen die Thaten des Herkules, die Be-
schäftigungen der Monate etc. von einer geringeren Hand ge-
schnitzt Ebendort, Ecke der Marktstrasse, ein ähnliches Haus,
vielleicht von demselben Meister.
Ein Haus in der Marktstrasse 318 mit zwei Erkern, datirt
1611, ist ebenfalls bis in die Giebel hinauf mit Ornamenten und
Figuren bedeckt, unter denen man Chiron, Apollo, Aesculap u. s. w.
erkennt Zwei reiche Erker hat auch ebendort No. 59 vom
J. 1601, doch fehlt hier der figürliche Schmuck. Dagegen bietet
No. 60 einen mit Reliefs reich dekorirten kleinen Erker. Ein
ebenfalls reicher Erker ist an einem Hause der Eckemäkerstrasse
vom J. 1608. Ebenda am Ausgang der Strasse gegen die Andreas-
kirche ein überaus reiches Haus mit Erker. Gleich daneben ein
anderes von 1615, zu den zierlichsten dieser Art gehörend, ausser-
dem sehr malerisch um die stumpfe Strassenecke gebaut mit
zwei in den Obergeschossen vortretenden Erkern. Auch in der
Altpetristrasse siebt man ein ähnliches unregelmässig angelegtes
Haus mit derb geschnittenen Reliefs aus dem alten Testament,
mit barocken Friesen und Laubgewinden. Ein sehr stattliches
Beispiel ist noch in der Eckemäkerstrasse das Rolandshospital
vom J. 1611, mit einem die Hälfte der Fagade einnehmenden
Erker und Reliefs aus dem alten Testament und den Beschäf-
tigungen der Jahreszeiten. Ungemein grossartig ein Eckhaus an
der Osterstrasse vom J. 1604 mit Einzelfiguren von Herrschern
und Tugenden und mit riesig hohen Giebeln am Erker und der
Fa9ade. Eine der besten Arbeiten endlich ist ein Haus vom
J. 1623 an der Andreaskirche, im Erdgeschoss mit einem auf
steinernen Pfeilern ruhenden Durchgang, das Figürliche und
Ornamentale sehr gut behandelt —
Der Steinbau ist hier nur in vereinzelten Fällen zur An-
wendung gekommen, hat aber wenigstens ein Prachtstück ersten
Ranges hervorgebracht: das sogenannte Kaiserhaus im Langen
Hagen vom J. 1587. Unsre Abbildung (Fig. 240) giebt von dem
Reiehthum der Fagade eine Andeutung. Schon am Sockel beginnt
die Ornamentik mit Eaisermedaillons und Metallomamenten alle
Flächen zu überspinnen; die höchste Steigerung erreicht sie im
Hauptgeschoss, dessen Fenster mit vortretenden ionischen Säulen
892
III. Buch. RenÜHsance in Deutschland.
und prächtigen Friesen eingefasst Bind, während Statuen römisober
Kaiser die ZwiBchenräume auafUllen. Noch Üppiger wird der
Erker durch kraftvolle ägUrlich belebte ConBolen, Hermen, Reliefs
und Figurenfriese charakterisiri Der obere Stock hat sich dafllr
mit absoluter Dürftigkeit behelfen rnttseen; die Mittel haben. offen-
bar zu weiterer Durohftthruug nicht ausgereicht Dagegen ist die
lange Hoffagade, welche auch den Eingang enthält, in ähnlichem
Reichthum, wenn auch in minder energischen Formen, mit Metall-
Ornamenten bedeckt und durch ein kleineres System ionischer
Pilaster sammt pbantastiBch barocken Hermen gegliedert Daa
ganze Werk dQrfte niederländischen Ursprungs sein. Die Figuren
zeugen von grosser Anstrengung, aber unbedeutender Hand —
Ein vereinzeltes Werk derselben Spätzeit ist der stattliche
und reich ausgeführte Erker, welcher 1591 der Fa^de des so-
genannten Templerhauses am Markt, einem strengen frOh-
gothischen Bau, angefügt wurde. Er zeigt ähnliche Pracht der
Kap. XTI. Niederaftchsen. 893
Deooratioii, die im Figürlichen indess nur mittelmäesigeo Werth
behauptet
Dagegen gehört der mittleren Renaisaancezeit der Bronneo
auf dem Markt, dessen achtekiges Becken tod Gandelabereftulchen
Flf. tu. HildHhalm. T«n LMUiei Im Dom.
tiogefaBSt und an den Flächen mit je zwei antikisirenden Brust-
bildern geschmQckt ist. In der Hitte eine elegante Sftule, von
einer lUtterfigur bekrönt
Ein wahres UeisterstUck der besten Renaissance ist endlich
der steinerne Lettner, (Fig. 241) welcher den Chor im Dom ab-
Bcbliesst, mit der Jahrzahl 1546 auf beiden Seiten bezeichnet:
894 in. Buch. BenuBsanGe in Deuttchlaad.
ein Werk nicht bloss höchster decorativer Pracht, sondern auoli
edelster künstlerischer Anlage und Ausführung, tu feinkörnigem
Sandstein mit grösster Delicatesse gearbeitet schliesst er den
Chor in ganzer Breite ab, nur von zwei Thüröffnungen durdi-
brechen, die ein prächtig stilisirtes Gitter von Schmiedeisen aus-
füllt Dazwischen baut sich eine Kanzel vor, die jetzt als* Altar
benutzt wird. Fein dekorirte Pilaster und Friese gliedern den
Aufbau und rahmen kleinere Felder ein, welche mit Reliefbildem
aus der Passion und aus dem Leben der Madonna geschmückt
sind, lieber dem Hauptgesimse, das durch einen herrlichen Ban-
kenfries vorbereitet wird, erhebt sich ein attikenartiger Aufsatz,
von fünf nach der Mitte aufsteigenden, in der Höhe abgestuften
Halbkreisfeldern abgeschlossen. Auf dem mittleren und höchsten
erhebt sich ein grossartiges Cruzifix mit edel in Holz geschnitztem
Christus; auf den beiden benachbarten Bogengiebeln Maria und
Johannes. Die Consolen, auf welchen dieselben ruhen, werden
von Candelabersäulchen unterstützt Der edle Stil- der Sculpturen,
welche die innere und äussere Seite des reich geschmückten
Werkes bedecken, erinnert etwa an Holbeinsche Gestalten, und
auch die im Charakter zierlicher Frührenaissance durchgeführte
Architektur, die im Aufbau und den Einzelheiten noch manche
mittelalterliche Beminiscenz zeigt, steht in Anmuth und freiem
Schwung den Schöpfungen jenes Meisters nahe. Man darf nach
Alledem gewiss nur an einen deutschen Künstler denken, der
hier in Stein ein Werk geschaffen hat, welches hinter dem Meister-
werk deutschen Erzgusses, dem Sebaldusgrabe Peter Yischer's
kaum zurücksteht Um so schwerer empfindet man die Unmög-
lichkeit, Namen und Herkunft eines so hervorragenden Künstlers
nachzuweisen. Erkennen wir indess mit Freuden an, dass die
Geistliehkeit in Hildesheim das herrliche Werk zu schätzen
weiss. Möchte dasselbe niemals eine Barbarei zu erfahren haben,
wie der grossartige spätgothische Lettner des Domes zu Münster,
der von den tonsurirten Yandalen vor Kurzem schmählich be-
seitigt worden ist
Eine besondere Bedeutung nimmt nun auch die Stadt Haor
noverin Anspruch. Seit dem 15. Jahrhundert de^ Hansa ange-
hörend, zeigt die Stadt seit jener Zeit in ihren Monumenten deut-
liche Spuren wachsender Macht und künstlerischen Sinnes. Nicht
blos in kirchlichen Werken, sondern auch in städtischen Profanr
bauten, wie dem mächtigen Bathhaus, kommt dies schon im
Kap. XYL Niedenftchsen. 895
Ausgang des Mittelalters zur Erscheinung.^) Aber auch der
bürgerliche Wohnhausbau bleibt nicht zurttck und erhebt sich
besonders in der Epoche der fienaissance zu edler Blttthe. Drei
verschiedenen Systeme begegnen sich hier: der norddeutsche
Backsteinbau, der nicht blos in den Kirchen, sondern auch in
den älteren Theilen des Rathhauses (1455 vollendet) eine glän-
zende Anwendung erfahren hat; der mitteldeutsche Fachwerkbau,
welcher u. A. in dem 1844 abgebrochenen Apothekenflügel des
Rathhauses vom Jahre 1566 sich aussprach; und endlich der
durch die Benaissance eingebürgerte Quaderbau, der durch die
trefflichen Sandsteinbrttche des benachbarten Deistergebirges ge-
fördert wurde.
Ich beginne mit den Steinbauten, die eine besondere Fein-
heit in der Ausbildung des Renaissancestiles bekunden. Das
Charakteristische ist hier, dass fast ohne Ausnahme die Häuser
ihre Giebelseite nach der Strasse kehren und dieselbe nach Hohe
und Breite ungemein imposant entwickeln. Die Portale sind im
Rundbogen geschlossen und kräftig, aber ohne Ueberladung aus-
gebildet Horizontale Gliederungen theilen die Stockwerke und
verbinden die Fensterbrüstungen. Ebenso sind die hohen Giebel ge-
gliedert und an den Kanten durch Voluten und pyramidale Aufsätze
belebt. Dagegen fehlt diesen Fagaden die vertikale Theilung durch
Rlastersysteme. Ihren Hauptreiz gewinnen diese Bauten aber
durch die elegante Architektur der Fenster, welche stets eine
Einfassung und Theilung durch feine Säulenstellungen erhalten.
Um den malerischen Eindruck zu steigern, wird in der Regel ein
stattlicher Erker, rechtwinklig vom Erdgeschoss anfangend, vor-
gelegt, bisweilen auch sind in symmetrischer Anordnung deren
zwei angebracht Sie erhalten durch gesteigerten Reichthum in
Gliederung und Ausschmückung den Charakter besonderer Pracht-
stücke.
Das Hauptwerk dieser Architektur ist das Leibnitzhaus
in der Schmiedestrasse, welches dem grossen Philosophen als
Wohnung gedient hat Es trägt das späte Datum 1652*) und
verbindet damit den stolzen Zusatz: MPosteritatL'' In dem macht-
vollen Aufbau, der kräftigen plastischen Gliederung, dem r«khen
figürlichen Schmuck am Erker, aus Scenen des alten und neuen
Testaments bestehend, gestaltet sich die Fa^ade zu einer hai^
^) Reichhaltiges Material in Aufnahmen und histor. Darstelliing in
Mithof r 8 Archiv für Niedersächs. Kanstgesch. o. in deas. Veit Kunst-
denkm. im Hannoverschen. 1. Abth. — *) Die Angabe 1552 in Mithoffs
Kunstdenkm. I, 88 beruht auf einem Druckfehler
896 ni. Buch. Benaiasance in Deutschland.
vorragenden Schöpfung der Zeit (Fig. 242). Gleich daneben zur
Rechten ein Haas von ähnlicher Anlage, ebenfalls mit einem Erker
geschmückt, die Fenster von Säulen eingefasst, das Ganze schlicht
und anspruchslos, aber in den Formen von einer Zartheit und
Delikatesse, welche ein spezifisch hannoverscher Zug ist Am
untern Theil der Säulen z. B. ganz feine lineare Ornamente, in den
einzelnen Stockwerken die verschiedenen Säulenordnungen ver-
wendet Etwas später, in den Formen trockner, die Säulen aus-
schliesslich im dorischen Stil, das riesig hohe schräg gegenüber^
liegende Giebelhaus, ebenfalls mit einem Erker versehen. Die
Fahne auf dem Giebel trägt die Jahrzahl 1658. Genau diesem
Bau entsprechend, wahrscheinlich von demselben Meister ausge-
führt, das gewaltige Haus am Markt No. 16. In der Schmiede-
strasse No. 5 ein ähnliches, aber ohne Erker, in den Friesen
reiche Metallornamente.
Ein üppiger schon stark barocker Giebelbau mit Masken
und andern Ornamenten Leinstrasse 3, (der untere Theil der
Fa^ade nüchtern modernisirt). Ebenda No. 32 ein stattliches
etwas trocken behandeltes Haus mit einem eleganten Erker vom
Jahre 1583. Von dem Hause derselben Strasse No. 25 sind nur
die unteren sehr zierlichen Säulen des Erkers erhalten. Am
Markte No. 6 eine imposante Fa^ade von 1663, dem Leibnitz-
haus an Reichthum nahe stehend, doch ohne figürliche Ornamentik.
Alle diese Häuser haben sehr stattliche Verhältnisse und
ungewöhnlich hohe Stockwerke, die durch ihre Säulenstellungen
ein noch vornehmeres Gepräge gewinnen. Vergleicht man sie
mit den durchweg niedrigen Geschossen der Holzhäuser, so
erkennt man auch darin leicht die Einwirkung fremdländischer
Sitte. Eins der schönsten Werke vom Jahre 1621, Lange Laube
No. 1, ist in neuerer Zeit abgebrochen, aber durch Mithoff für
Professor Oesterley mit Beibehaltung aller alten Theile sehr ge-
schickt in einer den modernen Anforderungen entsprechenden
Composition wieder aufgebaut worden.
Mehrmals verbindet sich an den Fafaden, ähnlich wie in
dem benachbarten Braunschweig, der Steinbau mit dem Holzbau,
so dass Erdgeschoss und erster Stock dem ersteren gehören, die
oberen Theile in Fachwerk ausgeführt sind. So in ungemein
reizvoller Verbindung an einem Hause Bossmühle No. 8, wo be-
sonders der Steinbau zu hoher Eleganz durchgebildet ist Aehn-
lich Köblingerstrasse No. 9, wo auch der Fachwerkbau zierlich
entwickelt ist, und die unteren Theile die hier so beliebte Säulen-
architektur der Fenster in edelster Behandlung zeigen. In dersel-
ben Weise das Haus Burgstrasse 23 vom Jahre 1620, durch
Knclar, Oncb. d. Binl
Kap. ^VI. Niedersachsen. g99
prächtigen Erker ausgezeiehnet Ein kleines Haue desseilben
MischBtils Knocbenhauerstrasse 61 , das Erdgeschoss modemisirt,
das TJebrige fein und elegant. In derselben Strasse No. 7 zeigt
ein Haus von 1594 einfache Steinarchitektur, aber reich und
kraftvoll entwickelten Holzbau.
Endlich giebt es einige reine Fachwerkbauten im Renaissance-
stil. Schmiedestrasse No. 43 ein Haus von 1554, nicht eben
bedeutend, aber die Balkenköpfe elegant als antikisirende Con-
solen gestaltet Eins der reichsten und grössten, No. 15 am
Markt, ^ hat an den Fensterbrüstungen das Muschel- oder Fächer-
Ornament in besonders schöner Ausbildung. Ein anderes Yon
1585 neben dem Rathhaus in der Eöblingerstrasse 57 zeigt httbsch
profilirte Consolen. Besonders reich dekorirt ist das Haus Burg-
Btrasse 28, an den Schwellen mit kräftig gerippten Rundstäben,
an den Fensterbrttstungen das Ficheromament, dazu reicher
Blumen- und Laubschmuck. Einfacher ist das Haus Enochen-
hauerstrasse 36, aber in der Mitte durch aufgesetzten Dacherker,
an den Seiten durch zwei reich dekorirte symmetrisch angebrachte
Erker belebt
In den inittleren Wesergegenden, deren reiche Schlossbauten
wir schon kennen lernten, gehört zunächst Hameln zu den wich-
tigeren Orten der norddeutschen Renaissance.^) Der bürgerliche
Privatbau hat hier aus der Schlussepoche der Renaissance mehrere
grossartige Monumente hinterlassen, die von dem Reichthum und
der Eunstliebe des damaligen Bürgerthumes glänzendes Zeugniss
geben. Es sind fast durchweg Steinbauten, nicht von der Fein-
heit der Hannoverschen, sondern mehr in dem kraftvoll barocken
Charakter der Hämelschenburg. Meistens sind es Giebelfa^aden,
in den energischen Formen der Spätzeit dekorirt und mit einem
oder auch zwei Erkern ausgestattet So die beiden Häuser der
Osterstrasse No. 9 mit einem, No. 12 mit zwei Erkern. Das
prachtvollste ist das sogenannte Rattenfängerhaus vom Jahr 1 602.
In seiner derben Ausstattung mit dekorirter Rustika und ener-
gischer durch alle Geschosse reichenden Pilasterarchitektur, der
kolossale Giebel mit phantastisch barocken Schweifen und Voluten
geschmückt, im Erdgeschoss und ersten Stock ein reicher Erker,
*) Vgl Mithoff, Konstdenkm. I, 58 ff. und die Aufh. der Architektar-
schale za Hannover.
57*
900 ni. Buch. RenaisBance in Dentachland.
erinnert diese imposante Fa^ade an die späteren Theile der
Hftmelschenburg nnd darf wohl als Werk desselben Meisters be-
trachtet werden. Von demselben Stil, nur in etwas einfacherer
Behandlung, welche auf die i^ichen Pilasterstellungen yerzichtety
der gleichen Hand zuzuschreiben ist das grandiose Hochzeitshaus,
welches die Stadt mit ungewöhnlichem Aufwände 1610 errichten
liess. An den beiden Schmalseiten erheben sich kolossale reich
dekorirte Giebel und an der langen Strassenfront sind drei Dach-
erker mit ähnlichen Giebeln ausgebaut Das Haus war nicht bloB
für die Hochzeitsfeste der Bürger, sondern auch f)ir andere öffent-
liche Zwecke und Versammlungen bestimmt Endlich darf man
demselben Meister das Haus No. 7 am Pferdemarkte zuschreiben^
welches der Bürgermeister der Stadt Tobias von Dempter 1607
für sich erbauen liess. Die unteren Theile sind in demselben
Stil von Sandstein ausgeftlhrt; die oberen aber in reichgeschnitztem
Fachwerkbau. Ausserdem kommen auch reine Holzbauten vor;
so das schön geschnitzte Haus No. 8 an der Osterstrasse.
Weiter südwärts herrscht in den Städten dieses Gebietes der
Holzbau vor. So in besonders eleganter Weise in Höxter, über
dessen Bauten ich mich hier kurz fassen kann, angesichts der
neuerdings erfolgten trefflichen Publikation. ^) Die Bauten zeigen
hier theils die Giebelform, theils die breitere Anlage, welche dann
durch Dacherker malerisch belebt wird. In der eleganten und
kraftvollen Durchbildung der Schwellhölzer, der Eopfbänder und
Consolen sowie der Fensterbrttstungen mit ihren vielfach variir-
ten Muschel- oder Fächerformen (Fig. 243) gehören sie unbedingt
zu den schönsten Schöpfungen dieses Stils. Musterhaft ist der-
selbe entwickelt an der Dechanei vom Jahr 1561, durch stattlichen
poIygonen Erker ausgezeichnet; noch durchgebildeter an dem
Hütteschen Hause vom Jahr 1565, wo. namentlich das Bundbogen-
portal eine herrliche Einfassung im besten Schnitzstil zeigt Ein-
facher, mehr durch phantastisches Rankenomament belebt, der
Erker am Freise'schen Hause von 1 569. An den späteren Häusern
geht der Holzbau zu einer völligen Nachahmung der Steinformen
der Benaissance über. So an dem reich behandelten Vorbau des
Wilke'schen Hauses von 1642 und an dem ungefähr gleichzeitigen
Erker und Thorweg des sogenannten Tilli'schen Hauses.
Manches Interessante bietet die malerisch am Zuzammenfluss
der Werra und Fulda gelegene Stadt Münden. Zunächst das
ehemalige herzogliche Schloss, ein gewaltiger aber in hohem Grade
0 Seemann's Deutsche Renaiss. Heft 10 von B. Liebold, welchem unsere
Abb. entlehnt ist
Eftp. XVI. HiederuchBen. 901
ruinJiser Bau. Die gegen den FIosb gerichtete Nordfa<;ade Ton
koloBsaleT Höhe und mächtiger Ausdehnung Iftsst nur noch die
Termauerten Fester der drei Hauptgeschosse mit ihren steiner-.
nen Ereuzatäben erkennen. Seclia Daeherker in später, schon
barocker Form erheben aich ttber dem Gesimae. Den westlichen
AbschluBB dieaes FIttgels bildet ein hoher Giebel mit barocken
Voluten und Figuren. Am östlichen Ende dagegen sieht man
drei hohe Spitzbogenfenster der Kapelle, gleich dem daneben
ausgebauten polygonen Erker von einem früheren Bau aus dem
Ende des Mittelalters stammend. Im Hofe gehört zu diesem filteren
Theil der polygone Treppenthurm in der Ecke des nördlichen
and östlichen Flügela, inachriftlich durch Herzog Erich den Aelteren
von Braunschweig 1501 begonnen. Am eutgegeugeaetzten Ende
bemerkt man den Ansatz zu einem westlichen FiQgel mit zwei
Arkaden in beiden Hauptgeachossen, dekorirt mit dorischen und
ioniachen Pilasteni, bekrönt mit barocken Giebeln, dies Alles gleich
dem nördlichen Fltlgel ron einem seit 1&66 vorgenommenen gross-
artigen Neubau herrührend. Köstlich ist Ton der nördlichen Fa-
^de d«r Blick auf den FIuss and die gegenfiberliegenden mit
BuchenwSldem belaubten Höhen.
902 in. Buch. ReoaiflMnce in Deutachland.
In der Stadt ist das RathhauB ein ansehnlicher Bau von
1605. In grossartigen Verhältnissen erhebt sich die Fa^ade, Ton
drei m&chtigen Giebeln bekrönt, im Erdgeschoss und den beiden
oberen Stockwerken mit gekuppelten Fenstern yon mittelalter-
lichem Rahmenprofil durchbrochen. An der rechten Seite baut
sich, vom Erdgeschoss beginnend, ein rechtwinkliger Erker heraus,
mit Hermen, Fenstersftulen, eleganten Friesen und Brüstungen
geschmückt und mit einem Barockgiebel abgeschlossen. Noch
prächtiger ist in der Mitte der Fa^ade das grosse Hauptportal.
Von beiden Seiten führt eine doppelte Freitreppe hinauf und
mündet auf einen mit reichem Steingeländer eingefassten Vorplatz,
der durch zwei untergestellte Säulen sich nach vom altanartig
erweitert Das Portal selbst, im Bundbogen geschlossen, von ge-
kuppelten ionischen Säulen eingefasst und von einem reichen Auf-
satz mit dem Wappen der Stadt bekrönt, hat gleich dem Erker
durch Vergoldung noch mehr Glanz erhalten. Durch die prächtig
geschnitzte und mit schönen Eisenbeschlägen ausgestattete Thür
gelangt man im Innern auf einen grossen Vorsaal, dessen Balken
auf kräftigen Holzsäulen mit reich dekorirten Kopfbändern ruhen.
Die durchweg gross angelegten jetzt vielfach verbauten Räume
verrathen in Portalen und mächtigen Kaminen noch die ursprüng-
liche reiche Ausstattung. Im oberen Geschoss ruhen die Balken
der Decke auf toskanischen Säulen, über welchen die Kopfbänder
in Volutenform vorspringen.
Die Bürgerhäuser beherrscht hier ausschliesslich der Fach-
werkbau, der aber, in ebenso mannigfaltiger als zierlicher Weise
durchgebildet, den Strassen der ireundlichen Stadt ein anheimeln-
des Gepräge giebt Die Häuser sind in der Kegel in ihrer Lang-
seite der Strasse zugewendet und in der Mitte durch einen hohen
Dacherker abgeschlossen. Dieser setzt mit seinem Giebelbau die
Behandlung der Fagade fort, die in stark herausgekragten Stock-
werken angelegt ist In der künstlerischen Ausbildung zeigen
diese Fa^aden jede Abstufung vom Einfachsten bis zum Reich-
sten.
Die älteste noch gothische Form ist roh construktiv behan-
delt, aber mit leicht aufgeheftetem Ornament versehen. So das
kleine Häuschen nordöstlich der Kirche gegenüber, an den Gon-
solen mit Blumen und Thieren geschmückt, die Schwellbalken
ohne alle Gliederung in glatter Fläche als Schriftbänder behan-
delt Man Uest: Benedic et sanctifica domum istam in sempiternum
deus israhel. MCCCCLVU. Hans von Fermeste me fecit Oben:
Henricus Gobele. Dann kommen die tief ausgekehlten und ab-
gefasten Schwellhölzer (Fig. 244), wie an dem hübschen Hause
&qt. XVI. Niederatchaeii. 9(t3
der Lan^n Straaee mit der iDscbrift: Aedes Jodolpbus Piscator
condidit istas 1548. Ebenso das mächtige EckbauH der Markt-
nnd Langenstrasse vom Jahre 1554, an der einen Seite mit einem
Dacherker, an der andern mit zwei sonst hier nicht vorkommenden
Erkern belebt.
Bald darauf treten die reicheren Formen der diagonal ge-
kerbten und geripptfia RundstSbe an den Schwellhölzem in den
schönsten Mustern auf, fibnlich den Häusern in Höxter. Endlich
geht Alles in antikisirende Formen Über, die Balkenkdpfe werden
als Consolen mit geschwungenem
Profil und httbseber Ferlschnur be-
handelt, die Sehwellen und ihre
FUllbalken mit feinen classischen
Gliederungen und zierliehen Con-
solen- oder ZahnscbnittfrieBen ia
mebrfacben Reihen dekorirt. So an
einem der grÖSBten und schönsten
Häuser, der SUdeeite der Kirche ge-
genüber; noch zierlicher antikiairend
gleich daneben am Pfarrhaus. Genau
dieselbe Behandlung an einem Hause
der Marktstrasse mit der Inschrift:
Psalm 6S. Tu recreae bonitate tua
afflictum deus. Wilhelm Spangen-
berg anno dni MDLXXX. X. Juni, rig- m. aui iiiiiut*ii. (f. HoOniaDn,)
In beiden Fällen die Hausthttr durch
antikisirende Pilaster oder Säulen im Charakter des Steinhaues
eingefasst Ungemein kraftvoll behandelt, aber nicht mehr so fein
gegliedert eins der spätesten Häuser vom Jahre 1648 in der Kath-
hausstrasse.
Ein vereinzeltes Werk edler PrUhrenaissance besitzt die Blasius-
kirche in dem Epitaph Herzog Erichs (t 1540) und seiner Ge-
mahlinen Katharina von Sachsen (f 1524), und Elisabeth von Bran-
denburg, wohl noch zu Lebzeiten des FUrsten angefertigt Es ist
eine ganz vorzügliche Arbeit, in der Architektur noch achlicht,im
Figürlichen voll Lebenagefühl und Adel, in Solenhofer Kalkstein
wahrscheiDlieh von einem süd- oder mitteldeutschen Meister aus-
geführt
Die Orgel in derselben Kirche hat ein Gehäuse von 1645, in
reichen schon ziemlich barocken Formen geschnitzt, in Gold und
Weiss decorirt.
904 in. Buoh. BenaiBMnce in Deutschland.
XVII. Kapitel.
Die Bordwestlichen Binnenländer.
In diese Scblussgruppe fasse ich Kurhessen, Westfalen und
den Niederrhein zusammen. Es sind Gebiete, welche fllr die
Entwicklung der Renaissance keine herFortretende Bedeutung be-
sitzen, wenngleich sie, zumeist aus der Spätzeit, manches werth-
YoUe Werk des Stiles aufzuweisen haben. Wieder spiegeln sich
auch hier in den Denkmalen die allgemeinen Eulturverhältnisse.
Das weltliche Fürstenthum, ein Hauptträger der Renaissancekunst,
kommt nur in den östlichen Theilen dieses Gebietes zu bedeu-
tenderer Entfaltung: es sind die hessischen Fürsten, denen einige
ansehnliche Monumente verdankt werden. Weitaus aber herrscht
das geistliche Element Yor; die mächtigen Diöcesen Yon Köln
und Trier, die kleineren von Mtlnster, Osnabrück, Minden und
Paderborn, deren Territorien noch jetzt grösstentheils dem Katholi-
cismus angehören, sind keine herYorragenden Förderer der Re-
naissancekultur. In einzelnen kirchlichen Decorationswerken,
Grabmälem, Lettnern, Altären u. dgl. erscböpft sich hier die neue
Kunst Erst im Ausgang der Epoche stellen die Jesuiten mehrere
grosse kirchliche Bauten (Köln, Goblenz) als Denkzeichen der
Gegenreformation hin. Dagegen schlummert fast gänzlich die Kraft
des Bürgerthums. Abgesehen Yon einzelnen Prachtwerken (Rath-
haushalle zu Köln) treibt dasselbe hier bei Weitem nicht jene
unerschöpfliche Fülle Yon ^Monumenten hervor, welche an andern
Orten die Städte erstehen lassen. Selbst eine Stadt wie Köln
ist arm daran. Nur das Wesergebiet, soweit es in diese Gruppe
gehört, nimmt Theil an jener üppigen Nacbblüthe der Schluss-
epoche, deren Spuren wir schon im Yorigen Kapitel begegneten.
Neben den Steinbauten prägt sich auch hier der Holzstil mannich-
fach und anziehend aus. Und zwar in zwei gesonderten Gruppen.
Die östliche, dem hessischen Lande und den angrenzenden Theilen
Westfalens angehörend, schliesst sich im Charakter der Bauten
dem in Niedersachsen herrschenden System an. Die westliche,
an Rhein und Mosel auftretend, zeigt ein wesentlich abweichendes
Gepräge, das mit dem der mittel- und Südwest -deutseben Gruppe
zusammenhängt, diese aber zur edelsten und feinsten Entwicklung
führt.
Kap. XVII. Die nordweBtlichen Binnenlfinder. 905
Niederhessen.
Hier ist zunächst 'der von den hessischen Landgrafen aus-
geführten Bauten zu gedenken. Die vielbewegte, durch die Stürme
derBeformationszeit erfüllte Regierung Philipps des Grossmüthigen
war einer stetigen Eunstpflege nicht günstig. Dagegen tritt sein
Sohn und Nachfolger, Wilhelm IV der Weise (1567—1592) als
Freund der Wissenschaften und Förderer der Künste auf. Edlen
Sinnes, auch in religiösen Angelegenheiten sich einer milden Auf-
fassung zuneigend, yielseitig gebildet, dabei ein ebenso kraftvoller
als erleuchteter Regent, nimmt er unter den besten Fürsten jener
Zeit einen Ehrenplatz ein. Seine Lieblingsbeschäftigungen richteten
sich auf Astronomie und Mechanik; besonders aber war er ein
Freund der bildenden Künste und begann schon 1 557 noch imter
seines Vaters Regierung den Grundstein zu einem neuen Residenz-
'schloss in Gassei zu legen, .dessen Goldner Saal, nach der Sitte
der Zeit mit fürstlichen Bildnissen geschmückt, erst 1811 durch
einen Brand zerstört wurde. Mit dem Schloss war auch hier ein
Lustgarten verbunden, der sich auf der Höhe in der Gegend der
jetzigen Bellevue ausdehnte und mit seltnen Pflanzen aus fernen
Ländern, mit türkischen Tulpen, orientalischen Hjacinthen und
dgl. ausgestattet war. Für die Myrthen und Cypressen, Granaten,
Lorber-, Citronen- und Feigenbäume erbaute er ein eigenes Pome-
ranzenhaus, in dessen offnem Saale ein » Spritzbrunnen ^ seinen
Wasserstrahl bis zur Decke warf, und von dessen Galerieen und
Altanen der Blick die Gartenanlage der „An*^ beherrschte. In
seinem daranstossenden Obstgarten pflegte der Fürst trotz seiner
Gorpulenz das Geschäft des Pfropfens und Oculirens als guter
Hausvater und Landwirth selbst zu besorgen. Seine geliebte
Gemahlin, die sanfte Sabine von Würtemberg, unterstützte ihn in
solchen friedlichen Bestrebungen.
Von jenen Prachtbauten ist keine Spur mehr vorhanden;
nur die untergeordneten Bauten des Renthofes und des Marstalls
tragen noch das Gepräge jener Zeit Aber in der ehemals kur-
hessischen, jetzt preussischen Enklave Schmalkalden zeugt das
stattliche Schloss, trotz arger Verwahrlosung doch in seiner ganzen
Anlage noch vollständig erhalten, von der regen Bauthätigkeit
des edlen Fürsten. Als Schmalkalden 1583 nach dem Aussterben
der hennebergiscHen Grafen an Hessen fiel, Hess Wilhelm IV
sofort die alte Burg Walrab niederreissen und an ihrer Stelle das
jetzige Schloss, die Wilhelmsburg errichten. Von der mittelalter-
lichen Burg zeugt nur noch an der Ostseite ein unregelmässig
906 lU- Bach. Benaissance in Deatsehland.
sechseckiger Thurm mit angelehntem runden TreppenthurnL Im
Uebrigen ist das Schloss in einem Guss entstanden; 1586 liest
man im Hofe; 1590 wurde die Kapelle geweiht und 1610 in der
Ausstattung vollendet.
Das Schloss bietet sich von aussen, auf sanft ansteigender
Höhe über der Stadt gelegen, als ein schmuckloses, massenhaft
behandeltes Viereck, an der westlichen, der Stadt zugekehrten
Seite mit einem Haupteingang und auf dem südlich yorspringenden
Flttgel mit einem yiereckigen Thurm versehen, der mit achteckigem
Aufsatz über dem Dache emporragt. Im Innern entfaltet sich in
dem grossen viereckigen Hof ein reicheres architektonisches Leben.
In der Hauptaxe liegen die beiden dominirenden Eingänge mitten
im westlichen und östlichen Flttgel, der letztere mit dem Brust-
bilde des fürstlichen Erbauers geschmückt In den Ecken sind
vier polygone Treppenthürme angebracht, mit reich behandelten
Portalen. Noch drei andere Eingänge liegen im Hofe, so dass
dieser im Ganzen mit neun Portalen versehen ist, alle verschieden
behandelt, sämmtlich in üppigem schon stark barock entwickeltem
Stil, mit reicher Anwendung von Metallornamenten opulent und
gediegen in Sandstein durchgeführt
Im südlichen Flügel führt ein Portal in die Kapelle. Es
ist ein einfaches Bechteck etwa 50 F. lang und 40 F. breit, durch
zwei Reihen von Pfeilern in drei Schiffe getheilt, mit flachbogigen
Kreuzgewölben bedeckt An der Westseite erhebt sich der Altar,
über ihm an der Schlusswand die Kanzel und darüber die Orgel.
An den drei andern Seiten ziehen sich niedrige Umgänge, darüber
zwei Emporen um das Mittelschiff. Der Zugang zu diesen liegt
am Ostende des südlichen Seitenschiffs in einer Wendeltreppe,
der Zugang zur Kanzel und Orgel in dem der Westseite vorge-
bauten Thurm. Der Raum empfängt in allen Theilen ein reich-
liches Licht durch gekuppelte Fenster mit gothischem Kehlenprofil.
Die Gewölbe des Mittelschiffs werden durch dreifache Zuganker
zusammengehalten. Die obere Reihe derselben, die ursprüngliche,
ist in der Mitte mit hübsch gemalten Fruchtschnüren geschmückt
Einen hervorragenden Werth darf der kleine Raum bean-
spruchen durch die ebenso massvolle als wirksame Dekoration,
die in solcher Vollständigkeit und Erhaltung kaum anderswo
sich findet Alle Flächen sind aufs Eleganteste mit Stuck be-
kleidet, an den Gewölbrippen sieht man feine Perlschnttre, an den
Gewölben der Emporen und des Mittelschiffes entfaltet sich die
reiche Ornamentik der Zeit mit Masken, I^cht- und Blumen-
gewinden, Voluten und mannigfach erfundenen Metallornamenten.
Die letzteren bekleiden ausserdem sämmtliche Flächen der Pfeiler,
Kap. XYII. Die nordwefitlichen Biimenläader. 907
Bogenfelder and Friese. Das Alles ist auf weissem (rrundey in
den Seitenschiffen farblos, im Mittelraum aber mit sparsamer An-
wendung Yon Gold und Farbe zu einer bewundemswtlrdig ele-
ganten Wirkung gebracht. Die Ornamente sind in einem braunen
Ton contourirt, mit kräftigen Schattenlinien und massvoller An-
wendung von Gold ; die überall als Ausläufer der Form sich ent-
wickelnden Masken und dgl. sind farbig gehalten, das Gold fUr
die Hauptlinien aufgespart, so dass die Wirkung höj^hst delikat
und elegant ist Die Brüstungen der Emporen, durch barocke
Consolen getheilt, haben die für sie bestimmten Reliefs, welche
durch fortlaufende Nummern angedeutet werden, wohl niemals
erhalten und fallen deshalb aus der Gesammtwirkung heraus.
Dagegen sind yon trefflichem Effekt die zahlreichen goldenen
Schilde an den Friesen, welche mit Bibelsprüchen in dunkler
Schrift bedeckt sind. An den obersten Schildbögen sind liegende
Apostelgestalten in Stuck ausgeführt. Der Altar von weissem
Kalkstein ruht auf den Emblemen der Evangelisten. Sehr hübsch
ist über ihm auf einer Console die Kanzel vorgebaut. In der
ganzen Deutschen Renaissance kenne ich keinen Innenraum von
ähnlicher Feinheit der Dekoration.
Die übrigen Theile des Schlosses befinden sich in einem Zu-
stande schmachvoller Verwahrlosung, dem die preussische Re-
gierung hoffentlich bald ein Ende machen wird. Da nämlich
1813 das Schloss als Lazareth verwendet wurde, litt die innere
Ausstattung desselben erheblich, erfuhr dann aber vollständige
Verwüstung, weil in Folge des ausgebrochenen Lazarethfiebers
alle Gegenstande, und zwar nicht blos die vergoldeten Leder-
tapeten, sondern auch die Fenster, Thüren und Fussböden heraus-
gerissen wurden. 1) Im nördlichen Flügel enthält das obere Stock-
werk den Riesehsaal, welcher bei 90 F. Länge und 45 F. Breite
die geringe Höhe von etwa 15 F. misst. Seine langen Deck-
balken sind in der Mitte durch drei Holzsäulen, an den Wänden
durch entsprechende Steinpfeiler gestützt, die sehr originell als
barocke Consolen ausgebildet sind. Die Decke zeigt noch Reste
von Malereien, ebenso die Wände. Ein Kamin erhebt sich an dem
einen Ende, an dem andern ein grosser Ofen, der untere Tbeil
von Eisen, 1584 bezeichnet, der obere Theil von schwarzglasirtem
Thon mit Hermen und Karyatiden dekorirt, an den Feldern Chris-
tus am Kreuze und andere biblische Darstellungen in etwas stum-
pfen Reliefs; der Abschluss gegen die Wand wird in phan-
0 V. Dehn-Rotfelfler und Lotz, die Baudenkm. im Reic* -Bezirk Carael,
S. 247.
908 ni. Bach. Benaissance in Deutschland.
taBÜscher Weise durch eine grosse gewundene Hermenfigur ge-
bildet. Noch mehrere anstossende Zimmer haben reich, aber
barock gemalte Thttreinfassungen, Reste von Wandgemälden, gut-
gegliederte Holzdecken und alte Oefen. Alles aber liegt in einem
kläglichen Zustande von Verödung.
In der Stadtkirche ist einer der prachtvollsten messingenen
Kronleuchter der Benaissance, zum Theil noch mit gothisirenden
Blumen, die einzelnen Arme in MännerkOpfe auslaufend.
Der Hennebergerhof, südlich unter dem Schlossberg gelegen,
hat zwei Portale in später Renaissance und an der langgestreck-
ten nordöstlichen Fa^ade im oberen Stock eine Galerie auf tos-
kanischen Säulen. — Das Gasthavls zur Krone, in welchem 1531
der schmalkaldische Bund geschlossen wurde, ist ein schlichter
Fachwerkbau, dessen altes Täfelwerk im Innern durch Tapeten
yerkleidet ist
Wenig, auch dies Wenige ohne sonderliche Bedeutung, ent-
hält Gassei. Von den fürstlichen Bauten ist der Marstall zu
erwähnen, ein ausgedehntes Werk, einfach und tttcbtig mit einer
Anzahl schwerer Barockgiebel decorirt, deren Form auf die Re-
gierungszeit des baulustigen Wilhelm IV deutet Von demselben
Landgrafen ynirde seit 1581 der Renthof begonnen, der dann
1618 vollendet wurde. Ebenfalls ein ziemlich einfacher Bau mit
Barockgiebeln und reich behandeltem Portal; im Hofe ein Brun-
nen aus derselben Zeit Ein Prachtstück dagegen ist das gross-
artige Grabmal Philipps des Grossmüthigen (f 1567) im Chor der
Martinskirche. Es wurde von einem wahrscheinlich in den
Niederlanden gebildeten Künstler, Elias Goäfro aus Emmerich be-
gonnen, der aber noch vor völliger Beendigung seiner Arbeit
starb. Nach Art eines Altars aufgebaut, aus Marmor und Ala-
baster, reich mit Sculpturen geschmückt, zeigt es die prunkvoll
überladenen Formen des beginnenden Barocco.
In den Bürgerhäusern herrscht abwechselnd Steinbau und
Fach werk, bisweilen beides verbunden; aber auch darunter ist
nichts von hervorragendem Werth. Mehrfach kommen stattliche
Doppelportale vor, aus zwei völlig gleich behandelten Bogen,
meist in kräftiger Rustika bestehend. Das schönste Beispiel am
Markt in dem Eckhaus gegen den Renthof, die Pfeiler mit Nischen
durchbrochen, die Fa^ade ausserdem durch zwei polygone Erker
an den Ecken belebt Ein ähnliches Portal an einem Hause
des Altstädter Marktes, die Fa$ade mit hohem, breitem Barock-
giebel abgeschlossen. Die Erdgeschosse sind bei diesen Häusern
stets in kräftiger Rustika mit facettirten Quadern durchgeführt,
alles jedoch weder besonders reich noch fein. Mehrere Häuser
Kap. XVII. Die nordweBtUcben BiiineiiUnder. 909
mit kräftig barockea Giebeln und Portalen in der Obersten Gaase;
ein EckhaoB daselbst mit Fachwerkbaa in den oberen Geschossen,
die Formen antikisirend, die Schwellen mit ZahnschnittfrieBeii,
bezeichnet 1651. Mehrere hübsche HolzhJtuser in der Oberen
Marktgasae, der ß^ettengasse, der Oberen Fuldagasse und hinter
dem Judenbronnen.
In Herafeld') ist vor Allem ein stattliches Rathhaus zn Ter-
zeichnen, das bescheidnere nnd kleinere Vorbild des Rathhauses
zn Mttnden, mit zwei kraftvoll barocken Giebeln an der Front
nnd je einem Ähnlichen Giebel an den beiden SeitenfaQaden, in der
Mitte des Baches ein hsizemes Glockenthflnnchen in goÄischen
Formen, die Fenster auch hier
durchweg paarweise gnippirt,mit
gotbischer Umrahmung, das Portal
mit seiner Freitreppe ebenfalisein
reducirteB Vorbild des MQndener
Portals. Im Innern hat der Sitz-
ungssaal eingelegtes Täfelwerk,
jetzt leider mit weisser Oelfarhe
angestrichen, lieber der Eingangs-
thtlrdieJahrzahll597, fiber einem
Portal im Hofe 1612.
Allendorf ist durch einige
reich ausgebildete Fachwerkbau- n«. m>. a« uimiori. ir. Hosnun.)
tenbemerkenswertb, welche durch-
weg den entwickelten Kenaissancestil zeigen. Namentlich werden
die Balkenköpfe als elegante Consolen behandelt, die Schwellen
sammt den Ffilibalken mit Zahnschnitten, derben Eierstäben und
Perlscbnur geschmflckt. {Fig. 245).
In Fritzlar ist das seit 1580 erbaute Hochzeitshaus, jetzt
Kaserne, ein Fachwerkbau ttber steinernem Erdgescboss, durch
ein reiches Portal und einen Erker, sowie im Innern durch eine
steinerne Wendeltreppe ausgezeichnet
Etwas mehr bietet Marburg. Die ehemalige fBrstliche Kanz-
lei, jetzt Regierungsgebfiude ist eine achlichte vierstöckige Anlage
vom Jahr 1575 mit Barockgiebeln, in der Mitte der Fa^ade ein
viereckig vorspringendes Treppenhaus mit steinerner Wendelstiege
und Renaissanceportal. An dem gothischen Rathhaus ist der
Giebel mit der Uhr in ähnlichen Formen 1581 dem Treppentburm
aufgesetzt Die stattliche Herrenmtlble, 1582 von Meister Eber-
910 ni. Buch. Renaissance in Deutschland.
hard Baldervein erbaut, hat ebenfalls am Mittelbau einen kräftig
barocken Giebel.
Den Benaissancestil zeigt auch das Eckhaus am Marktplatz
No. 73, in den oberen Greschossen Fachwerk über steinernem
Unterbau, durch polygonen thurmartigen Erker auf steinerner
Auskragung ausgezeichnet. Ein stattlicher Bau der Spätepoche
ist das Eckhaus an der Markt- und Wettergasse, ebenfalls aus
Stein* und Holzbau gemischt und durch zwei rechteckige Erker
belebt. Ein reiches Portal mit Mvschelnischen und von Doppel-
säulen eingefasst, ungefthr aus derselben Zeit, hat das Haus
Ko. 408 am Steinwege. Auch dieses hat über zwei massiven
Geschossen in den oberen Theilen Machwerk. Ebenso das grosse
Eckhaus No. 207 an der Hofstatt, mit zierlich ausgebildetem
Holzbau. Zu den reichsten Fachwerkhäusern gehört No. 76 am
Marktplatz, an der Ecke mit dem hier sehr beliebten polygonen
Erker versehen.
In den südlichsten Theilen des Landes sind einige Denkmale
zu verzeichnen, welche hauptsächlich dem Kunstsinne der Isen-
burger Grafen ihre Entstehung verdanken. Graf Anton (1526 —
1560), der in hoher Gunst bei Karl V stand und lebhafte Be-
ziehungen zu dem künstlerisch regsamen Frankenlande unter-
hielt — Qßin Sohn Georg vermählte sich mit einer Tochter aus
dem StoUberg'schen Geschlechte zu Wertheim, wo er in der
Kirche sein Grabmal gefunden hat (vgl. oben S. 84) — führte
ansehnliche Neubauten am Schloss zu Ronneburg in der Wet-
terau aus. Der gewaltige noch aus dem Mittelalter stammende
Rundthurm erhielt 1533 den orginellen Aufsatz mit vier ausge-
kragten Erkern und einer durchbrochenen in Renaissanceformen
behandelten Galerie^). Auch am Schloss zu Wächters bach,
das Anton später häufig bewohnte, scheint er gebaut zu haben,
denn der Hauptthurm zeigt eine dem Thurm der Ronneburg
verwandte Behandlung. Sein Sohn Georg baute als Wittwensitz
seiner Gemalin 1569 den Oberhof zu Büdingen, der im Wesent-
lichen noch wohl erhalten ist. Der einfach, aber tüchtig behan-
delte und malerisch gruppirte Bau besteht aus einem Wohnhause
und verschiedenen Wirthschaftsgebäuden, welche einen nach der
Strasse von einer Mauer umschlossenen, nach Osten sich an die
Stadtmauer lehnenden Hof umgeben. Die Ostseite als die Haupt-
front hat das hübsch behandelte Hauptportal, neben welchem links
^) Die g-eschichtlichen Notizen verdanke ich dem Herrn Prof. Haupt In
Durlach, die von Aufnahmen unterstützte Beschreibung des Schlosses Herrn
Archit. A. Haupt daselbst.
Kap. XVII. Die nordweBtliohen Binnenländer. 911
ein viereckiger Treppenthurm, rechts ein rechtwinkliger von unten
auf durch alle drei Geschosse reichender Erker aufsteigt Die
meist dreifach gruppirten Fenster zeigen noch mittelalterliche
Umrahmung, ihre Brüstungen am Erker spätgothisches Mass-
werk. Der Giebel nach der Strasse ist in seinen einzelnen Ge-
schossen einfach mit Kreissegmenten abgeschlossen und durch
Pilaster gegliedert An der Südseite, wo ebenfalls ein Erker
vorgebaut ist, aber erst über dem Erdgeschoss ausgekragt, sind
interessante Spuren einer Grau in Grau ausgeführten Bemalung
erhalten: im Erdgeschoss facettirte Quader, in den oberen Stock-
werken Omamentales und zum Theil auch Figürliches^-
Auch sonst bietet die alterthümliche, malerische Stadt, die
ihren Charakter noch fast unberührt bewahrt hat, einzelne Be-
naissancewerke neben manchem Mittelalterlichen. In der Stadt-
kirche ist das Denkmal des Grafen Anton, 1563 von seinen
Söhnen errichtet, ein stattliches Werk mit fein und reich behan-
delter Ornamentik.
Westfalen.
In dem weitgestreckten westfälischen Gebiet zeigen nur die
Wesergegenden eine lebhaftere Aufnahme der Renaissance, die
dort und in dem dazu gehörigen Lippeschen Lande gegen Ausgang
der Epoche eine Anzahl glänzender Bauten, sowohl in Stein wie
in Holz, herrvorgebracht hat. Zunächst sind hier mehrere Schloss-
bauten zu nennen: Thienhausen bei Steinheim, Schloss Yaren*
holz im Lippeschen (1595), ein umfangreicher Bau, aus vier
Flügeln bestehend, an zwei Ecken mit mächtigen quadratischen,
oben ins Polygone übergehenden Thttrmen flankirt; die Fenster
noch mittelalterlich mit dem Vorhangbogen; im Hof ein hübscher
Renaissance -Erker. Sodann Haus Assen und Schloss Neuhaus.
Eins der stattlichsten ist Schloss Brake bei Lemgo, dessen Hof
eine elegant behandelte Galerie auf Consolen im ersten Stock
und eine ungewöhnlich grossartig ausgebildete Fensterarchitektur
im Erdgeschoss und oberen Stock zeigt (Fig. 246).
Unter den Städten nimmt Lemgo eine hervorragende Bedeu-
tung in Anspruch. Das stattliche in seinem Kern aus gothischer
Zeit datirende Rathhaus erhielt 1589 eine an die Nordseite an-
gebaute Vorhalle (Laube) mit Freitreppe, darüber ein erkerartiges
Obergeschoss. Es ist eine Anlage ähnlich der am Rathhaus zu
*) Zeichn. und Beschreibung liegen mir von Herrn A. Haupt vor.
in. Bnob. Renftiannoe in DenUchlaad.
Halberstadt, aber in edleren Formen durcbg:ebildeL Im Erdge-
BchoBS gliedern breite ioniscbe Pilaater mit offnen Arkaden den
Flf. W. Brik«, SckloH
Ban} im oberen ist er ganz Ton Fenstern durcbbrochen ; die
abwechselnd durch ionische Säulen und feine Pilaater gegliedert
werden. Beicber figürlicher Schmuck an Stylobaten, Friesen und
Fensterbrllstungen erhöbt die Eleganz des zierlichen Baues. Noch
Kap. XVn. Di» nordwestlichen Binnenländer. 913
ttppiger, mit stärkerer Anwendung von Barockformen ist der zwei*
stöckige ebenfalls ganz mit Fenstern durchbrochene erkerartige
Vorbau an der nördlichen Ecke. Die Fenster sind hier im Erd-
geschoss und im obem Stock mit ionischen und korinthischen
Säulen und dazwischen mit fein omamentirten Pfeilern gegliedert,
die Brüstung im oberen Stock mit kräftigen Bildnissen ausgestattet,
der Giebel mit krausem Bandwerk des Barockstils völlig bedeckt
An dem entgegengesetzten südlichen Ende der langen Westfia^ade
ist wiederum ein Erker im Hauptgeschoss yorgebaut, auf zwei
breit gespannten Flachbögen mit dorischen Säulen ruhend, ähnlich
behandelt, wenn auch im Ganzen etwas ntlchtemer, die Quader
an den Bögen und den Fensterpfosten mit Stemmustem ge-
schmückt, dazwischen einzelne Steine mit prächtigen Löwenköpfen
und Masken, am untern Theil der schlanken Säulen Belieffigflrchen
von Tugenden, die Giebel etwas trocken mit aufgerollten Bändern
eingefasst
Ausserdem ist eine grosse Anzahl von Giebelhäusern, theils
in Stein theils in Holzbau, meistens aus der Epoche der Renais-
sance in den Hauptstrassen noch vorhanden, die der Stadt ein
ungemein malerisches, alterthümliches Gepräge verleihen, wie es
wenige deutsche Städte noch so unberührt besitzen. Unter den
Steinbauten ragt durch Grossartigkeit der Anlage und gediegene
Pracht der Ausführung ein Haus der Breiten Strasse vom J. 1571
hervor, mit fein behandeltem Bogenportal und zwei prächtigen
Erkern, von denen der eine im Hauptgeschoss auf Consolen vor-
gebaut ist, während der andere gleich von unten emporsteigt
(Fig. 247.) Der mächtige Giebel und der obere Theil der Fa^ade
erhält durch kannelirte Halbsäulen ionischer und korinthischer
Ordnung und reich gegliederte Gesimse eine wirksame Eintheilung.
Auch die kraftvollen Voluten mit ihren Muschelfüllungen ent-
sprechen dem Charakter des Uebrigen. Im ersten Geschoss erheben
sich über dem Portal Adam und Eva, und zwischen ihnen der
Baum der Erkenntniss. An den Brüstungen der Erker sieht man
links zwei wappenhaltende Engel und die Figuren von Glaube
und Hoffnung, an dem kleineren Erker rechts Liebe, Tapferkeit
und Gerechtigkeit Ueber der Thür die Inschrift : In Gades Namen
unde Christus Frede heft dyt Hues Herman Eruwel buet an dise
Stede. — Weiter besitzt das jetzige Hauptsteueramt an der
Fa;ade des sonst unbedeutenden Baues einen vielleicht von dem-
selben Meister errichteten Erker, mit reichen Wappen in den Fenster-
brüstungen und mit drei halbrund geschlossenen Giebeln.
Besonders schön ist der Fachwerkbau entwickelt, und zwar
in jener eleganten Form, die wir in dem benachbarten Höxter
Kngler, GMch. d. Baakaoft. V. 58
914 in. Bach. RenaiBsance in Deutschland.
kennen lernten. Unvergleichlich kraftvoll und mannigfaltig ist
die Dekoration der Schwellbalken und Füllhölzer mit Flechtwerk,
gewundenen Bändern, eingekerbten Rippen und dgl. An den
FensterbrQstungen spielt das Fächermotiv in grosser Mannigfaltig-
keit die Hauptrolle. Daneben kommen menschliche Figuren,
Genrescenen, phantastische Drachen und Thiere vor, und endlich
sind auch kraftvoll geschnitzte Banken an Pfosten und Friesen
hinzugefügt Eine der prächtigsten dieser Fagaden in der Breiten
Strasse, bezeichnet 1598, zeigt unter anderm die mehrfach wieder-
kehrende Darstellung eines Mannes mit dem Splitter und eines
andern mit dem Balken im Auge.
Auch das kleine benachbarte Salzuffeln bewahrt eine Anzahl
von Stein- und Holzbauten desselben prächtigen Stiles. Beson-
ders fein und wiederum von den Bauten zu Lemgo abweichend
ist der Giebel eines steinernen Wohnhauses, der in fünf Stock-
werken durch kleine Bundbogenfenster, eingerahmt von cannelirten
Pilastem, lebendig gegliedert wird. Gleich daneben ein anderer
Giebel von schwereren Formen in stark ausgeprägtem Barockstil.
Vom grössten Werth sind die Holzbauten, aufs Reichste mit
Schnitzwerken im Charakter der Bauten von Lemgo geschmückt,
ja mit Ornamenten aller Art oft förmlich überladen.
Zu dieser Gruppe gehört nun auch Herford, das nicht blos
durch seine allgemein bekannten grossartigen kirchlichen Denk-
male des Mittelalters, sondern auch durch ansehnliche Monumente
der Renaissance Beachtung verdient An das Rathhaus, einen
geringen mittelalterlichen Bau, legte man im Ausgang der Renais-
sancezeit eine jener beliebten Lauben, im Erdgeschoss als offne
Halle abwechselnd auf Pfeilern und .kraftvollen Säulen ruhend,
mit Kreuzgewölben überdeckt, darüber ein erkerartiger Ausbau
von zwei Barockgiebeln bekrönt Vortretende schlanke Säulchen
gliedern in beiden Stockwerken die Wände. Den Fenstern des
Hauptbaues gab man zugleich eine Dekoration von Giebeln, und
dem Portal, zu welchem eine doppelte Freitreppe emporführt,
eine Umrahmung in demselben Stil. Leider ist der Bau im Zu-
stand äusserster Verwitterung und Vernachlässigung.
Eine hübsche Anlage derselben Zeit, datirt 1616, ist der
kleine Ziehbrunnen am Markte. lieber der ovalen Einfassung
steigen zwei Pfeiler mit einem Querbalken für den Zieheimer auf,
von einer hübschen Krönung |in .barocken Volutenformen ab-
geschlossen. Etwas früher (1600) datirt die grossartige Fagade
des Neustädter Kellers, einer der imposantesten Giebelbauten der
Zeit lieber zwei hohen unteren Stockwerken, durch dreitheilige
Fenster belebt und mit Rustikapilastern eingefasst, steigt d6r
Kap. XVII. Die nordwestlichen Binnenländer. 917
Giebel, durch eine kleinere Etage vorbereitet, in vier Oeschocwen
empor, durch kannelirte korinthische Säulen auf Stylobaten und durdi
reich dekorirte Gesimse abgetheilt, an den Seiten mit phantastiseh
barocken Voluten eingefasst Dazu gesellt sich ein alle Flächen
flberspinnendes Ornament im Metallstil der Zeit, wie es so reich
mit Ausnahme jener Fa^ade in Brieg (S. 686) nicht wieder vor-
kommen dürfte.
Etwas massvoller tritt derselbe Stil an der Fa^ade des Löffel-
mannschen Hauses am Neustädter Markt vom Jahr 1580 auf.
Statt der Pilaster- oder Säulenstellungen sind verschränkte Stab-
und Bandwerke fUr die Dekoration des Giebels verwendet, die
Fenster aber wie im Bathhaus mit dekorirten Giebeln bekrönt
Ein kleineres Haus daneben zeigt noch zierlichere Behandlung.
Schwerfällig und offenbar aus etwas früherer Zeit ist die
ungemein breite Fa^ade am Markt No. 640, der Giebel durch
einfache Voluten mit Muschelornament eingefasst
Auch der Holzbau kommt mehrfach vor. An zwei Häusern
in der Brttderstrasse von 1521 und 1522 noch ganz mittelalter-
lich mit rohen Figttrchen an den Consolen. Die feiner durchge*
bildete Form mit der Fächerdekoration und den kraftvoll geriefel-
ten Schwellen an einem Hause dicht am Markt vom Jahr 1587.
Beich geschmückt mit den Metallomamenten der Spätzeit ein
Haus von 1638, gegenüber der Badegundiskirche.
Alle diese Orte unterscheiden sich von den Niedersächsischen
hauptsächlich dadurch, dass fast ohne Ausnahme die Häuser ihre
Giebelfront gegen die Strasse kehren, während dort (in Münden,
Braunschweig, Celle, Halberstadt, Hildesheim) meistens die Breit-
seite, durch einen oder mehrere Dacherker bekrönt, die Strassen-
front bildet
Bielefeld zeigt in den nicht gerade bedeutenden Bürger-
häusern dieser Epoche dieselbe Anlage und verwandte Ausbildung.
Eine Steinfafade von ziemlich früher Zeit, in den Formen noch
gothisirend, in den Bogenschlüssen des Giebels mit Muscheloma-
ment, sieht man in der Niedemstrasse No. 251. Im obersten
Giebelfeld die Beliefdarstellung eines Schiffs. Von ähnlich ein-
facher Behandlung das grosse Giebelhaus No. 273, während eben-
dort No. 252 noch gothisches Maasswerk zeigt Der stattliche
Giebel No. 265, mit verjüngten Pilastem und barockgeschweiften
Voluten, datirt dagegen vom Ausgang der Epoche. Eine ähnliche
Fa^ade vom Jahr 1593 in der Obemstrasse. Ebendort noch ein
anderes Beispiel derselben Gattung und ebenso die Fa^ade am
Markt No. 61. Von Holzbauten ist namentlich die am Gehrenberg
No. 127, sowie das Haus an der Ecke der Niedem und Oberen
918 m. Buch. BenaiBsance in Dentschland.
Strasse mit gteinenieia Unterbau zu beachten. Ein reicher und ori-
gineller Steinbau der Spätrenaissance war der ehemalige Waisenho^
Yon welchem interessante Thefle bei dem neuen Gymnasium durch
Baschdorffs geschickte Hand zur Verwendung gekommen sind.
Etwas reicher ist die Ausbeute in Minden. Die prächtige
Fagade der Hohenstrasse, welche in der Axe der Bftckerstrasse
steht, gehört zu den schönsten der Zeit Bis zur Spitze des
Giebels in sieben Geschossen mit kannelirten am untern Theil
frei dekorirten korinthischen S&ulen gegliedert, die Voluten des
Giebels mit Männerfiguren durchbrochen, zeigt sie ein reiches pla-
stisches Leben. Die Formen deuten auf die Zeit tou c. 1570.
Neben der Fa^ade führt ein Bogenportal in den Hof, wo man
zwei yermauerte Säulenordnungen in der Seitenfafade bemerkt
Ueber dem Portal sieht man in reich dekorirten Nischen sieben
Statuetten, bezeichnet als Alexander Magnus, Julius Caesar, Augustus
Caesar, Harminius dux Saxonum, Carolus Magnus, WideUndus
rex Saxonum, Hector dux Trojanorum.
Von ähnlicher Art, aber etwas später, ist die stattliche, breite
und hohe Fa^ade in der Bäckerstrasse 48, auch hier der mächtige
Giebel mit Halbsäulen in drei Geschossen gegliedert, dazwischen
Flachnischen, Alles mit Bändern geschmückt, die ein sternförmiges
Ornament zeigen. Die Voluten des Giebels mit durchbrochenen
Gliedern entwickelt, in welchen männliche Figuren klettern. Die
beiden Erker des Erdgeschosses und ersten Stocks sind in reichen
Bococcoformen umgearbeitet In derselben Strasse 56 eine schlich-
tere Fa^ade ohne Verticalgliederung, aber mit seltsam barocken
Voluten am Giebel. Erker kommen öfter vor und erinnern in
Anlage und Form an die Hannoverschen. Eine der späteren
Fa^aden, am Markt 172, vom Jahr 1621 ist an Pfeilern und Frie-
sen mit Metallomament reich bedeckt ; ebenso an dem Bogenportal,
dessen Quader mit Stemmustem geschmückt sind ; ein durch drei
Geschosse reichender Erker hat als Einfassung elegante Säulen.
Einen ähnlich hübsch decorirten Erker hat auch das gothische
Bathhaus an der Bückseite, während die Vorderseite mit trefiFlich
wirkenden frühgothischen Arkaden ausgestattet ist Ein sehr ele-
gantes Barockportal vom Jahr 1639 zeigt die übrigens modemi-
sirte Fa^ade am Poos No. 90. Ausserdem kommen noch einige
unbedeutende Holzbauten vor.
In Paderborn ist das Bathhaus ein grossartiges Werk der
Schlussepoche. An einen aus dem 13. Jahrh. rührenden Bau
legte man von 1612 — 1616^) nach Westen einen Neubau, der
1) Die hiBtor. Notizen verdanke ich Herrn Professor Giefers.
Kkp. XVII. Die nordwestlichen Binnenlliider. 919
mit seinem gewaltigen Barocbgiebel und zwei symmetrisch ange-
ordneten auf kräftigen dorischen Säulen ruhenden und mit ähn-
lieben Giebeln gescbloasenen Vorbauten einen ebenso imposanten
als malerischen Eindruck macht (Fig. 248). Die gruppirten, durch
ionische Pilasterstellungen eingerahmten Fenster beleben den Bau
in wirksamer Weise; die Behandlung trfigt durchweg das Gepräge
einer sicheren Meisterschaft
920 ^- Buch. BenaiBWUtce in DeutschlancL
Nur Weniges haben wir in Osnabrück zu verzeichnen.
Ein Steinhaus am Markt No. 18 mit hohem, auch ziemlich einfach
decorirtem Giebel gehört der mittleren Epoche an. Einige hübsch
geschnitzte Holzhäuser bewegen sich in den mehrfach erwähnten
Formen: Fächer und Rosetten an den Brüstungen, gewundene
und gerippte Bundstäbe an den Schwellen. So das elegant durch-
geführte Haus Erahnstrasse No. 7 vom Jahre 1586. Von der-
selben Hand die Fafade No. 43 in der Dielinger Strasse. An
beiden in der Mitte Adam und Eva dargestellt
Weit ansehnlicher kommt die Renaissance in Münster zur
Geltung. Die alterthümliche Stadt ist nicht blos wegen ihrer
grossartigen kirchlichen Denkmäler des Mittelalters von Bedeu-
tung, sondern sie steht auch in erster Linie unter deiyenigen
deutschen Städten, welche einen reich durchgebildeten Profanbau
aus den verschiedensten Epochen aufzuweisen haben. Das edle
gothische Rathhaus, dessen Giebelfa^ade eine der schönsten Com-
positionen des Mittelalters zeigt, wird von ganzen Reihen hoch-
ragender Privatbauten begleitet, welche wie sonst nirgendwo in
Deutschland die Hauptstrasse, besonders den Principalmarkt mit
ihren stattlichen steinernen Arkaden einfassen und denselben
einen ungemein grossartigen monumentalen Ausdruck etwa im
Charakter der Strassen von Bologna, Padua und andern italie-
nischen Städten verleihen. Die Mehrzahl dieser Häuser stammt
noch aus dem Mittelalter, die Arkaden ruhen nrit schlanken
Spitzbögen auf einfach kräftigen viereckigen Pfeilern, oder auch
auf Rundsäulen, und die Giebel sind abgestuft und auf den
einzelnen Absätzen mit geschweiften gothischen Maasswerkfttl-
lungen versehen. Alle diese Profanbauten geben ein deutliches
Zeugniss von der frühen Entwicklung der Stadt, welche, oft im
Gegensatz zu der bischöflichen Gewalt, sich zu selbständiger Be-
deutung erhob und durch ihre Verbindung mit der Hansa zu
hoher Blüthe gelangte. Beim Eintritt in die neue Zeit schien es
sogar einen Augenblick, als ob sie sich dem Protestantismus
zuwenden würde, und selbst der Bischof Friedrich IH (1532) war,
im Gegensatz zu dem heftigen Widerstreben des Domkapitels,
der Einführung der Reformation nicht abgeneigt Aber durch den
Wahnwitz der Wiedertäuferei wurde die ruhige Bahn der Reform
gekreuzt, und als diese wilde Orgie 1536 blutig erstickt war,
erhob sich als natürliche Folge eine kirchliche und staatliche Re-
action. Dennoch erstarkte^ der trotzige Unabhängigkeitssinn der
Bürger bald zu neuer Opposition und erst dem gewaltigen Bischof
Christoph Bernhard von Galen (1661) gelang es dauernd den
stolzen Sinn der Bürgerschaft zu brechen.
Kap. XVII. Die nordweBtlichan Binnenländer. 921
Eine ansehnliche Zahl von Profanbauten der Spätrenaissance
giebt von dieser letzten Blüthe bttrgerlicher Selbständigkeit Zeug-
niss. Eins der prachtyollsten Werke ist der neben dem Bathhaus
Bich erhebende hohe Giebelbau, in den Formen der Spätzeit
kräftig durchgeführt, mit besonders reichem auf Säulen ruhendem
Balkon und phantastisch barock geschweiftem und gekröntem
Giebel (Fig. 249). Namentlich der Balkon ist ein ausgezeich-
netes Werk von grosser Delikatesse der Ausführung. Der Kern
des Baues, der früher als Stadtweinhaus, im unteren Geschoss als
Stadtwaage diente, stammt aus dem Mittelalter und wurde erst
um 1615 mit der prächtigen Fa^ade geschmückt, welche als eins
der glänzendsten Werke der schon stark zum Barockstil gewen-
deten Spätrenaissance zu betrachten ist Der als „ Sentenzbogen **
bezeichnete Vorbau war zur Verkündigung der gerichtlichen Ur-
theilssprüche bestimmt Ergötzlich klingt eine Urkunde des städ-
tischen Archivs, laut welcher zwei Mitglieder des Steinhauer- Amtes,
weil sie die Architektur des Baues nicht als „opus doricum"
gelten lassen wollten, vom Magistrat wegen solcher Missachtung
seines Baumeisters zu 20 Thlrn. Injurienstrafe verurtheilt wurden^).
Man hatte also damals schon verschiedene Ansichten über dori-
schen Stil!
Zu den frühesten Bauten dagegen gehört das Haus am
Prinzipalmarkt No. 17 und 18 mit einem Doppelgiebel vom Jahre
1571. In strenger dassizistischer Behandlung wird das Erdge-
schoss von dorischen, der erste Stock von toskanischen, der
zweite von ionischen Halbsäulen gegliedert Ein hübscher Erker,
auf eleganten Gonsolen ausgebaut, hat einen antiken Giebel als
Abschluss. Die ganze Behandlung ist einfach, aber edeL Die
Fagade in der Seitengasse ist schlicht in Backstein ausgeftlhrt^
nur die Einrahmungen der Fenster und die Gesimse in Sandstein.
An einem polygonen Treppenthurm liest man die Jahrzahl 1569.
Von ähnlicher Einfachheit ist die* grosse Fagade Sothenburg No.
167, nur noch sparsamer gegliedert, mit Fortlassung der ver-
tikalen Theilung. Auch hier ein hübscher Erker auf Gonsolen
im Hauptgeschoss, mit Lisenen der Frührenaissance eingefasst
Dies Motiv des Erkers kommt in späterer Zeit an einem Hause
der Bogenstrasse No. 34 zu einer ebenso reichen als eleganten
Durchbildung im kraftvollsten Stil der Spätzeit Der obere Theil
der Fagade leider nüchtern verzopft
Die Mehrzahl der Münsterschen Fa^aden gehört derselben
Spätzeit, meist schon dem 17. Jahrhundert Es sind sämmtlich
*} Fr. Tophoff, Anfn. in der Wiener Allg. Bauzeitun^ 1S72.
922 ni. Buch. BeBsiBsance in Deatachland.
#
hohe Giebelbauten, grösstentheÜB im Erdgesohoss mit Arkaden,
welche auf kräftige dorische Säulen gestellt sind und bisweilen
in zierlicher Renaissanceform mit Zahnschnittfriesen und dgL
aiisgebildet werden. Recht im Gegensatz zu den gothischen Fa-
gaden verzichten sie auf jede vertikale Gliederung durch Pilaster
oder Lisenen, dagegen wetteifern sie erfolgreich mit jenen im
Beiz der durchbrochenen frei aufgelösten Silhouette. Voluten
und Schnörkel jeder Art bäumen sich in krausem Spiel gegen-
einander, und mit den gothischen Fialen wetteifern die alla Ru-
stika gebänderten Pyramiden sammt den Kugeln und den krö-
nenden Eisenblumen. Man erkennt hier so recht wie der Barock-
giebel durch die verschiedenen Stadien einer noch einfacheren
Frtthrenaissance sich aus der gothischen Form entwickelt hat An
Mannigfaltigkeit und Feinheit in der Silhouette sind diese späten
Bauten den viel gleichartigeren des Mittelalters entschieden
ttberlegen.
Die Hauptbeispiele finden sich am Frinzipalmarkt; No. 32,
33, 34, 35 (von 1612), 36 (von 1653), 37 (von 1657). Aehnlich
ebendort No. 43, 44, 48 (von 1627), die Arkadenbögen mit hüb-
schen Zahnschnitten gesäumt, ferner Bogenstrasse 31 und 36
(v. J. 1617), letztere ohne Arkaden. Bei allen diesen Fa^aden
ist es auffallend, wie sehr jede plastische Gliederung der Fläche
bis auf die durchlaufenden Gesimse vermieden ist und vielmehr
die ganze Kraft der Phantasie sich auf die Ausbildung der Sil-
houette des Giebels concentriii.
Am Rathhaus ist die Rückseite in Renaissanceformen durch-
geführt. Im Innern hat der !Friedenssaal, sowie der Saal des
Erdgeschosses reiche Holzgetäfel der späten Zeit Auch die Bett-
lade, angeblich von Johann von Leyden, ist beachtenswerth.
Im Dom ist ausser einer Anzahl guter Epitaphien und Altäre
nichts Bemerkenswerthes aus dieser Zeit Der Eapitelsaal zeigt
eine Holzvertäfelung der Frührenaissance.
Der aus den Niederlanden eingedrungene Mischstil von Hau-
stein und Ziegelbau ist an dem interessanten Rathhaus zu Bocholt
in anziehender Weise vertreten.
Wie weit dieser Stil landeinwärts gedrungen ist, beweisen
zwei Privathäuser in Dortmund. Das eine am Ostenhell-
weg No. 5, ein Eckhaus mit hohem Seitengiebel vom Jahre 1607,
mit der Inschrift: Gandori cedit invidia. Die Fenster haben
Entlastungsbögen in Rustika, die einzelnen Steine mit Köpfen
geschmückt Die Flächen, jetzt getüncht, sind in Backstein aus-
geführt. Ein ähnliches Haus in derselben Strasse No. iVs) vom
Jahre 1619, hat noch unverputzte Flächen.
Kap. XVn. Die nordwestlichen Binnenländer. 925
In der Marienkirche ist die reichgesehnitzte Orgelempore
ein noch völlig gothisehes Werk. Die geschuppten ionischen
und die kannelirten dorischen Pilaster des rechten FlOgels der
Brüstung gehören offenbar einer späteren Erneuerung an.
Bei der Keinoldikirche ist der imposante viereckige Thurm
der Westfa^ade wohl als das beste und bedeutendste derartige
Werk unsrer Renaissance zu bezeichnen. Die lisenenartigen Ver-
stärkungen der Ecken, die Profile der Fenster- und Bogennischen
mit ihren Einkehlungen erinnern noch an's Mittelalter. Die
Galerie, welche den hohen viereckigen Bau abschliesst, hat ein
schönes Gitter von Schmiedeeisen mit prächtigen Blumen auf den
Ecken. Der achteckige Aufsatz mit seinen beiden Kuppeln, La-
ternen und der schlanken Spitze hat bei trefflichen Verhältnisaen
einen edlen Umriss. Die Gesammthöhe beträgt 254 Fuss. Die
Auffuhrung des Werkes geschah, nachdem der frühere gothische
Spitzthurm in Folge des Erdbebens von 1640 im Jahre 1659 ein-
gesttlrzt war, erst seit 1662 durch die Baumeister Pistor von
Elberfeld und Johannes Feldmann von Dortmund.
£heinla-nd.
Am Niederrhein sind nur vereinzelte Werke der Renaissance
zu verzeichnen.^) In Emmerich bewahrt die Kirche einen
messingenen Taufkessel in den Formen der Frtthrenaissance.
Wesel besitzt am Markt ein Giebelhaus ganz von Hausteinen in
edlen Renaissanceformen durchgebildet. In Xanten zeigt der
. Kreuzgang am Münster Gewölbe mit Renaissanceconsolen, und
das Münster selbst schöne Epitaphien. In Galcar finden sich
mehrere Holzschnitzaltäre, theils in gothischen, theils in Früh-
renaissanceformen. In Joch mehrere Steinbauten mit Erkern und
ein Stadtthor mit runden Thürmen. In der Kirche zu Kempen
ein Orgelgehäuse noch aus früher Renaissancezeii In Düssel-
dorf bewahrt die Stadtkirche das prächtige Marmorgrab Herzog
Wilhelms von Jülich -Cleve- Berg (f 1592), wahrscheinlich eine
niederländische Arbeit Ein originell in streng dassicistischer
Weise durchgeführtes Werk ist der als Archiv dienende Anbau
am Rathhaus in Jülich, noch in guter Renaissancezeit errichtet
Unsere Abbildung (Fig. 250) giebt über das Einzelne Aufschluss.
0 Werthvolle Notizen, unterBtUtzt von trefflichen Zeichnungen hat Herr
BaurathRaschdorff mir mitgetheilt, dem ich für seine eifrige Fördenmg
meiner Studien dankbar bin.
926 UI. Bnoh. Renmiissitce in Dent«ch1and.
Erst iß Köln') finden wir etwas reichere AuBbeute, aber
aueh bier weitaog nicht im Verhältnias zur Macht und GrBBse der
Stadt Nach Anlag^e und Umfang sowie nach der Ffllle ehrwür-
diger Denkmäler von der RSmcrzeit bis znm Ausgang des Mittel-
alters gehdrt die Metropole des Rheinlandes zu den g^ossartigsten
Stfldten Deutechlande. Die imposanten, durch Mannicbfaltigkeit
der Formeo und Beiehthum der Ausbildung untlbertro9enen
Kirchenbauten der romanischen Epoche finden ihre Krönung in
dem inltehtigen gothischen Dome, der wieder eine Anzahl andrer
Kirchen nach sich zog. Spricht eich in diesen Monumenten der
stolze erzbiscböfliche Sitz aus, so erkennt man in den Profan-
bauten die seit dem 13. Jahrhundert unaufhaltsam steigende Macht
des Btlrgerthumea. Die günstige Lage am Rhein, verbunden mit
dem frUh errungenen Stapelrechte, die Verbindung mit der Hansa,
machten Köln zum Hauptstapelplatz des Handels zwischen Nieder-
■) Ueber Kfiln verdanke ich orientirenda Nach Weisungen, die meinen
eignen UnteraucbaDgen als Anhalt dienten, dem mit den alten DenkmXlem
wohl vettranten und eifrig nm sie besorgten Herrn F. Frantzen daaelbat
Kap. XYII. Die nordwestlichen Binnenländer. 927
und Oberrhein, zwischen Norddeutschland und Holland und den
süddeutschen Oebieten. Noch jetzt erkennt man in dem gothischen
Bathhaus mit seinem prächtigen Hansesaal, in dem Gürzenich
und den grandiosen Befestigungen mit ihren Mauern^ Thoren und
Thürmen die Macht des damaligen Bürgerthums, die im Kampfe
mit der geistlichen Gewalt endlich soweit erstarkte, dass die
Erzbischdfe gezwungen wurden ihre Residenz nach Bonn zu verlegen.
Die Renaissance freilich kommt in der Stadt, deren monumentale
Bedeutung im Mittelalter wurzelt, nur in bedingter Weise zur
Geltung. Der bürgerliche Privatbau ist auffallend dürftig, selbst
im Schluss der Epoche noch unscheinbar; die Rathhaushalle ist
der einzige profane Prachtbau. Etwas günstiger dagegen stellt
es sich in Werken kirchlicher Art Doch auch hierbei handelt
es sich mehr um einzelne dekorative Arbeiten als um grosse
Gesammtconceptionen. Nur die Jesuitenkirche am Ausgang der
Epoche macht eine Ausnahme.
Bezeichnend für das Verhalten Kölns zu dem neuen Stile ist
der Umstand, dass das früheste Werk, mit welchem derselbe hier
auftritt, sich auf den ersten Blick als eine flandrische Arbeit zu
erkennen giebt. Ich meine den prächtigen, jetzt als Orgelempore
aufgestellten Lettner in der Gapitolskirche, der nachweislich im
Auitrage des kaiserlichen Raths und Hofmeisters Georg Hackenay
von einem Künstler in Mecheln gearbeitet und 1524 nach Köln ge-
bracht wurde. ^) Die reichgegliederte Architektur dieses pracht-
vollen aus weissem und schwarzem Marmor errichteten Werkes,
namentlich die gebündelten Pfeiler mit ihren Laubkapitälen, Gurten
und Basen, auch die Nischen der Brüstung mit ihren übers chwänglich
üppigen Baldachinen zeigen ein originelles Gemisch von spät mittel-
alterlichen und Frührenaissance -Formen. Und zwar dies Alles
sowie der Stil der zahlreichen figürlichen Reliefs und Statuetten
in einer Behandlungs weise, die sofort an flandrische Arbeiten jener
Zeit erinnert. Die neuerdings veröffentlichten urkundlichen Nach-
richten bestätigen das Urtheil, welches aus dem künstlerischen Cha-
rakter des Werkes sich aufdrängt
Es dauert nun noch eine Weile, ehe bei einheimischen Meistern
die Renaissance sich einbürgert Die ersten Spuren fand ich bei
einem unscheinbaren Wandepitaph des 1539 verstorbenen Anton
Eeyfeld im nördlichen Chommgang des Domes. Das kleine Denk-
mal, von Gandelabersäulchen mit hübschen Widderkopfkapitälen
eingerahmt und von einem Giebel bekrönt, enthält ein gutes Re-
lief der Auferstehung Christi, dabei der Verstorbene im Geleit
>)ygl. L. Ennen in der Zeitschr. f. bild. Kunst YII, 139 fg.
928 HL Buch. KenaiBsance in Deutschland.
seines Schatzpatrons, des h. Antonius. Gleich daneben ein andres
I kleines Grabdenkmal ähnlicher Art, reich mit Pflanzenomament
in den Pilastem, welche die Tafel einfassen. Als Abschluss ein
Giebel mit Maschelfüllnng, krönendes Laubwerk und Engel mit
den Marterwerkzeugen, im Hauptfelde Christus am Oelberg betend.
Die Ornamente yergoldet Dabei Namenszug und Steinmetzzeichen
des Meisters. ^) Dieselbe Hand, obendrein beglaubigt durch das n&m-
liehe Monogramm, findet sich am südlichen Ende des Umgangs
in dem Denkmal des Hans Scherrerbritzem. Die Behandlung der
Pilaster ist dieselbe, nur die Kapit&le zeigen eine Variation, auch
tragen sie hier einen Bogen als Abschluss, der mit freiem Orna-
ment bekrönt ist Auf der Tafel das edel behandelte Belief des
Gekreuzigten, der von den heiligen Frauen und Johannes betrauert
wird. Die Formen deuten auf die Zeit um 1540.
Interessant ist nun, dass man demselben Meister mit dem
gleichen Monogramm an dem hübschen kleinen Epitaphium begeg-
net, welches an der Südwand in der Vorhalle von S. Gereon dem
1547 gestorbenen Grafen Thomas von Bieneck errichtet wurde.
Statt des figürlichen Beliefs enthält die Tafel nur eine Inschrift,
aber eingerahmt rings Yon zierlich behandelten Wappen; darüber
ein Aufsatz mit einem grösseren Wappen, wiederum bekrönt von
einem Giebel mit MuschelfUlung, auf welchem, von Laubwerk
eingefasst, ein jetzt zerstörter Putto zwei kleinere Wappen h<
Das Ganze polychromirt und von decorativem Beiz. (Gegenüber,
an der Nordwand, dürftige Beste eines ähnlich behandelten Epi-
taphs, durch eine spätere Inschrifttafel verdrängt).
Aus gleicher Epoche rührt im Ereuzgang des Stadt. Mu-
seums das herrliche kleine Grabmal des 1551 verstorbenen Dr.
juris Petrus Glapis, alias Breitstein, wie die Inschrift ihn nennt
ein Werk von delikatester Ausführung, mit feinem Banken- und
Laubomament und zwei trefflich gearbeiteten Wappen geschmückt
Daneben ein andres von minder zarter Behandlung, aber unten
mit einem Fries von Putten decorirt, die in schwellend weichem
Belief ausgeführt sind. Einige prachtvolle Kamine ebendort ge-
hören bereits der vorgeschrittenen Epoche an.
Noch einiges aus der Frühzeit in S. Georg. Das Portal der
Südseite originell componirt, mit Anschluss an romanische Grund-
formen (1536). Besonders aber im Chor das Sakramentsge-
häuse vom J. 1556, in schlankem Aufbau nut dekorirten Pilastem,
Candelabersäulchen, in Friesen und allen übrigen Flächen mit
A^H
0 Dieser tüchtige Künstler bezeichnet sich vr
Kap. XVII. Die nordwestlichen Binnenländer. 920
zierlichem Laubomament bedeckt Dazu reiche figttriiche Reliefs:
Abraham und Melehisedech, die Mannalese , der Baum des Lebens,
oben das Abendmahl, dies Alles freilich nur Mittelgut
In S. Gereon besitzt die Krypta einen trefflichen Altar, der
um 1550 entstanden sein mag. Vier reich dekorirte Pfeiler, da-
zwischen und daneben yier Heiligenstatuen, und in der Mitte ein
Crudfixus ; darüber ein ziemlich kraus eomponirter Aufsatz, eben-
falls mit feinen Ornamenten der Frtthrenaissance bedeckt Das
reich polychromirte Werk, dessen genauere Untersuchung die
Dunkelheit des Ortes sehr erschwert, ist aus einem feinen Tuff-
stein, der in der Eifel bricht, gearbeitet Ein treffliches Schnitz-
werk ungefähr derselben Epoche ist in der Oberkirche das schöne
Orgelgehftuse durch feine lisenenartige PUaster gegliedert und
mit elegant gezeichnetem Laubwerk geschmtlckt, dabei massvoU
vergoldet (Die allerliebsten musicirenden Engel wohl ein späte-
rer Zusatz.) Das Ganze gipfelt hoch oben in drei luftig durch-
brochenen kuppelartigen Tabernakeln. Ein ungemein brillantes,
reich mit figürlichen Darstellungen ausgestattetes Werk der
Schlussepoche dagegen ist das Sakramentsgeh&use. Es trägt
das Monogramm EH.
Aus derselben Spätzeit besitzt Maria Lyskirchen eine
prächtig barocke Orgel und am Hauptportal eine tttchtig ge-
schnitzte Holzthttr von 1614.
Ein Hauptwerk Yom Ausgang unserer Epoche ist aber die
grossartige Jesuitenkirche, von 1621-1629 erbaut, in der Aus-
stattung zum Theil noch später (1639.) Trotz des späten Datums zeigt
sie die so oft vorkommende Verschmelzung von Gothik und Renais-
sance, aber in ganz andrem Sinn als die Kirche zu Wolfenbttttel.
Hier in unmittelbarer Nähe des Meisterwerkes mittelalterlicher
Construction versteht man die gothischen Formen noch recht
gut und baut eine dreischiffige Kirche mit hohem Mittelschiff von
ansehnlichen Dimensionen. Da man der Predigt wegen viel
Baum bedarf, so giebt man den Seitenschiffen ein vollständiges
Obergeschoss, unten und oben mit klar entwickelten Sterngewdlben.
Diese ruhen auf schlanken Rundpfeilern mit antikisirenden Kapi-
talen, von welchen sich aber in halber Schafthöhe die unteren
spitzbogigen Arkaden ohne alle Vermittlung abzweigen. Auch
das Mittelschiff hat Netzgewölbe von einfach klarer Gomposition.
Die Fenster sind durchweg spitzbogig mit Masswerken, die frei-
lich nicht mehr sehr edel und organisch sich entfalten, aber doch
immer noch gutes Verständniss im Sinne der Spätgothik bekunden.
Dies Alles sowie der polygen geschlossene Chor und die ebenfalls
polygonen Seitenchöre muthet noch völlig mittelalterlich an.
K vgl er, Getch. d. Baukunst. V. 59
930 ^' Bach. Renaissance in Deutschland.
So hat auch die Fa^ade ein hohes Spitzbogenfenster, an den
Seiten kleinere, sämmtlieh mit den herkömmlichen Masswerken.
Aber die Fenster sind in antikisirende Rahmen gefasst, die Strebe-
pfeiler als mächtige dorische Pilaster entwickelt, die Portale
vollends, namentlich das mittlere, in den flppigen Formen des
Barocco dnrchgefflhrt Endlich hat man die Fafade mit einem
Thnrmpaar eingeschlossen, dessen Lichtöffhnngen denen der
romanischen Thurmbauten nachgeahmt sind, nur dass die kleinen
Theilungssftulen wieder dorische Kapitale zeigen.
Im Innern darf die Ausstattung mit Schnitzarbeiten als ein
hochbedeutsames Werk bezeichnet werden. Die Beichtstühle in
den Seitenschiffen bilden, in Verbindung mit der zwischen ihnen
fortgeftthrten WandvertAfelung eine unvergleichlich wirkungsvolle,
el^ante Bekleidung. Die Formen natürlich schon stark barock,
aber mit Feinheit gehandhabt, die Gomposition in ihrer Art ein
Musterstttck. die Ausführung ebenso gediegen wie prachtvoll
Der Kölner Profanbau dieser Epoche gipfelt in der herrlichen
Halle, welche man 1569 dem mittelalterlichen Rathhaus vor-
zubauen beschloss. Die älteren gothischen Theilcf des Gebäudes,
im Innern besonders durch den Hansasaal mit seinen Malereien
und Sculpturen, im Aeusseren durch den selbständig hinzugefügten
stattlichen Thurm ausgezeichnet, sind im Uebrigen nicht von
einem der hervorragenden Stellung der Stadt entsprechenden Werthe.
Im Sinne der neuen prunkliebenden Zeit sollte nun eine jener
malerischen „Lauben*' hinzugefügt werden, durch welche man
damals selbst den einfacheren älteren Rathhäusem erhöhten Glanz
zu geben suchte. Von allen derartigen Rathhauslauben der Renais-
sancezeit ist ohne Frage die Kölner die prachtvollste. Sie findet
hauptsächlich Analogieen an den Rathhäusem zu Halberstadt,
Lemgo, Herford, während man in Lübeck und Bremen weiter-
gehend sich zu ganzen neuen Fa^aden mit Bogenhallen entschloss.
Diese Lauben bilden im Erdgeschoss stets eine offne Halle, welche
in Köln vor ihrer den neueren Bedürfnissen entsprechenden jüngsten
Umgestaltung zugleich als Stiegenhaus die in doppelten Läufen
aufsteigende Treppe zum Rathssaal enthielt Das obere Geschoss
besteht abermals aus einer offnen Halle von vornehmen Verhält-
nissen, gleich dem ganzen Bau stattlich angelegt und reich ge-
schmückt (Fig. 251). In Gomposition, Gliederung und Ornamentik
spricht sich ein classicistischer Sinn aus, aber keineswegs in
trookner, schulmässiger Weise, sondern noch mit dem anziehen-
den dekorativen Spiel, der liebenswürdigen Freiheit, welche
sonst nur die Frührenaissance kennt. Dahin gehört auch der an der
oberen Halle zur Verwendung gekommene Spitzbogen, der gleich-
FlI. m. Buhbui iB KSIn.
Kap. XVn. Die nordwestlichen Binnenländer. 933
wohl in antiker Form gegliedert und eingerahmt ist Durch ihn
ist eine gewisse Uebereiustimmung mit den grossen Spitzbogen-
fenstem des anstossenden älteren Baues bewirkt worden. Die
auf reich dekorirte Stjlobate gestellten korinthischen Säulen beider
Geschosse mit den stark vorspringenden verkröpften Gebälken und
dem mächtigen Consolengesims, die prächtigen stark auskragenden
Scblusssteine unter den vortretenden Theilen des Gebälks, die
Medaillonkopfe in den unteren Friesen und Zwickeln, die Yictorien
in den oberen Bogenfeldem, endlich die abschliessende, an den
vorspringenden Theilen geschlossene, an den untergeordneten
Zwischenfeldem durchbrochene Balustrade, das Alles sind Elemente
jener durchgebildeten Renaissance wie sie seit Sansovino's Biblio-
thek als Ausdruck höchster Pracht sich eingebürgert hatte. Da-
gegen gehört das steile Dach mit seinen Lucamen und dem in
der Mitte der Fa^ade vorgesetzten Dacherker, der in seiner Nische
die Statue der Justitia trägt, zu den Elementen nordischer Kunst
Auch die Gewölbe der Halle, deren Rippen aufs Eleganteste mit
Perlschnttren, deren Schlusssteine mit Rosetten und Masken de-
corirt sind, zeigen noch gothische Construction.
Die Anmuth, die leichte Schlanckheit der Verhältnisse in
diesem schönen Bau wird durch die feinste ornamentale Aus-
bildung bis ins Einzelne noch erhöht. Selbst die Unterseite der
Archivolten, welche über den vortretenden Säulen ausgespannt sind,
zeigt köstliche Füllungen graziös sculpirter Rosetten. Die Stylo-
bate haben elegante Masken, die in ein Rahmenwerk von aufge-
rollten und zertheilten Bändern eingelassen sind. Auch die Stei-
gerung vom Einfacheren zum Reicheren ist fein beachtet: so
haben die unteren Säulen uncannelirte Schäfte, die oberen weit schlan-
keren gegürtete Schäfte, am unteren Theil omamentirt, am oberen mit
Canneluren versehen. Am Dacherker bilden endlich hermenartige
Karyatiden die Einfassung, diese freilich nicht eben sehr organisch
verwendet Zu den zahlreichen Inschriften, welche den ganzen
Bau verschwenderisch schmücken, kommen an den Brüstungen
der oberen Halle noch figürliche Reliefs, die indess gleich dem
übrigen plastischen Schmuck keinen hervorragenden Werth haben.
Die elegante Wirkung ist nicht wenig durch das Material bedingt
welches im Erdgeschoss aus einem schönen schwärzlichen mar-
morartigen Stein von Namur, im oberen Stock aus einem leider
stark verwitterten feinkörnigen gelben Sandstein besteht Fassen
wir Alles zusammen, so haben wir es init einem der feinsten
Werke der Renaissance in Deutschland zu thun.
Als Urheber des Baues wird man jenen Meister zu betrachten
haben, welcher laut RathsprotokoU am 30. März 1569 beauftragt
934 m. Bach. Benaiflsance in Deutschland.
worden war, für das neue Portal weinen Patron anzufertigen,^
nachdem man am 23. Juli 1567 beschlossen hatte das alte bau-
fälKge Portal zu beseitigen und durch ein neues zu ersetzen.^)
Der untere Theil sollte von Namürer Stein gemacht werden, für
das Uebnge bezog man die Steine von Notteln im Mflnsteriande
und von Weibern; die Treppenstufen kamen von Andernach.
Jener Meister, der dann auch die Ausßihmng des Baues erhielt,
wird uns als WUhelm Vemickel aus Köln bezeichnet Weitere
Nachrichten über diesen trefflichen Kttnstler seheinen zu fehlen.
Im Jahre 1573 stellt der fiath unterm 4. Mai dem Meister das
Zeogniss aus, dass er das Portal zur Zufriedenheit vollendet habe.
Ursprünglich hatte die Halle eine flache Decke, die erst 1617
durch ein Gfewölbe ersetzt wurde. Dass Vemickel unter dem
Einfluss der eleganten Benaissance des benachbarten Flanderns
stand, erkennt man aus seinem Werke deutlich. Um so werth-
voUer, dass er gegen mehrere niederländische Künstler siegreich
auftrat, die offenbar zu einer Concurrenz veranlasst worden waren.
Wenigstens hatte ein Heinrich van Hmselt schon 1562 einen Plan
eingereicht, der noch vorhanden ist. Im städtischen Archiv näm-
lich bewahrt man mehrere alte Pläne, welche auf den Bau
dieser Halle Bezug haben. Einige rtlhren von Niederländern her,
beweisen also aufs Neue, (wie schon am Lettner der Capitolskirche),
dass man hier bei hervorragenden Werken sich noch nicht un-
bedingt auf einheimische Meister verlassen zu dürfen glaubte.
Als Zeugniss der verschiedenen damals sich kreuzenden künstle-
rischen KichtuDgen haben diese Blätter ein hervorragendes Interesse.
Einige Bemerkungen über dieselben sind also wohl am Platze.^)
Der erste Plan, mit der Feder entworfen und in Farbe ge-
setzt, ist bezeichnet: ^Lambertus Sudermann alias Suavius fecit
anno 1562.^ Diese Inschrift beweist beiläufig, dass Lambert Suter-
mamn mit L. Suavius (bei Yasari ^Lamberto Suave da Liege^)
identisch ist. Der Entwurf zeigt einen etwas trocken klassischen
Bau; unten geschlossene Wandflächen mit eingelegter Marmor-
fassung. Darüber in den Brüstungen Reliefs von weissem Marmor.
Die obere offene Halle auf gekuppelten dorischen Säulen, deren
Schäfte von Marmor, die Kapitale und Basen von Bronce. Als
Abschluss eine Attica mit ionischen Pilastem, die aber durch
Marmortafeln mit Emblemen und Ornamenten fast ganz verdeckt
sind. Die BogenfüUungen haben Reliefs, darüber noch liegende
0 Die histor. Notizen verdanke ich Herrn Dr. Ennen. — ') Die zuvor-
kommende Güte des Stadtarchivars Herrn Dr. Ennen verschaffte mir die
eigene Anschauung dieser Blätter.
Kap. XVII. fHe nordwestlichen Binnenl&nder. 935
Zwickelfiguren. In der Mitte baut sich eine Aedicula auf mit
korinthischen Säulen und einem Giebe), den ein Adler krönt Auf
den Seiten sind Statuen aufgestellt, deren zwei sieh komisch
genug an die Aedicula lehnen. Das Figdrlich^i in dem allegorisch-
sententiösen Geschmack der Zeit erfunden und mit reichlichen
Inschriften erläutert, ist weder in Gedanken noch in der Zeichnung
sonderlich geistreich.
Der zweite Plan rtlhrt inschriftlich ebenfalls von einem Nieder*
länder jenem oben erwähnten Binrick van ffasselt. Doppelhalie,
unten wie oben mit flachgedrückten korbartigen Burgunderbogen
sich öffnend. Unten Bustica mit faeettirten Quadern, die Pfeiler
mit vorgelegten dorischen Pilastern. Oben in der Mitte ein breiter
Bogen auf ionischen Pfeilern, an beiden Seiten die OeffnuQgea
getheilt, durch Pfeiler mit schwarz gezeichneten Flächenomamen-
ten. Die obere Ordnung bekleidet mit ionischen Pilastern, welche
in wunderlich verzierte Hermen und Karyatiden auslaufen. Dann
als Abschluss ein breiter Fries, attikenartig, in der Mitte als durch-
brochene Balustrade behandelt, auf deren Eckpostamenten eine
weibliche Figur und ein Krieger als Wappenhalter. Alle Friese
dekorirt mit Blumenranken, dazwischen Affen, Vögel und andere
Thiere. Die Schlusssteine der Bögen phantastische Köpfe, Masken
u. dgl. Ueber den Seitenarkaden Schilder mit aufgerollten Barock-
rahmen. Das Ganze eine reizlose Mischung heimischer und an-
tiker Formen, von einem mittelmässigen Künstler nicht eben ge-
schickt mit der Feder gezeichnet.
Der dritte, nicht mit Namen versehene ist ein Palladianer der
strengen Observanz. Grosse Zeichnung, mit Tusche lavirt, geo-
metrischer Aufriss, aber mit perspektivischer Andeutung der Halles
unten nach dem Beispiel mancher palladianischer Bauten zu
Vicenza eine dorische Säulenhalle ohne Stylobate, aber mit Tri-
glyphenfries. Dahinter ein Tonnengewölbe mit Gurten auf dorischen
Wandpfeilern. Oben eine streng ionische Säulenhalle mit weiten
Intercolumnien, die durch ein Gebälk verbunden sind. Die Halle
flach gedeckt, das Gebälk auf ionischen Pilastern ruhend. Eine
durchbrochene Balustrade bildet den Abschluss, in der Mitte durch
ein kümmerlich erfundenes grosses Kreisfeld mit dem Wappen
bekrönt, beiderseits von einer Sphinx gehalten. Der Eindruck
des Ganzen am Meisten dem Palazzo Chieregati verwandt, doch
nüchtern und von geringer Erfindungskraft.
Der vierte Plan zeigt eine Variante von derselben Hand^
die hier auf reichere Prachtentfaltung abzielt Die untere Bogen-
halle ist auf Pfeiler gestellt, vor welche korinthische Säulen auf
Stylobaten ^treten. Die obere Halle hat Compositasäulen, am
936 UI. Bach. BenaisBAnce in Deutachland.
Mittelbau zu dreien groppirt Die Bogenzwickel haben hier Vie-
tonen, im Uebrigen mancherlei Ornament Den Abschluss bildet
eine Balustrade, in der Mitte mit hflbscher Akanthusranke ge-
füllt; darüber derselbe runde Aufsatz, wie am vorigen Projekt
Der fünfte Entwurf, in zwei Varianten vorhanden, ist der
zur Ausführung angenommene. Die eine zeigt genau die An-
ordnung des wirklich errichteten Baues, die andere wahrscheinlich
zuerst vorgelegte mit 1571 bezeichnet^ bietet mehrere interessante
Abweichungen. Erstlich hat der Entwurf drei Dacherker, die
seitlichen rund, der mittlere mit Giebel geschlossen. Bei der
endgültigen Kedaction hat man die seitlichen Aufsätze fortgelassen,
die Balustraden und ebenso das Consolengesims kräftiger ausge-
bildet, die oberen Säulen gegürtet und den oberen Scbafttheü
kannelirt, die Bögen oben und unten abwechselnd mit eleganten
Schlusssteinen ausgestattet, während der erste Entwurf dieselben
unten gar nicht, oben dagegen überall zeigt Auch die Anordnung
der Karyatiden am Dachgiebel ist abweichend, und jener ursprüng-
lich organischer.
Im Ganzen wird man zugestehen müssen, dass die Kölner
Stadtbehörde in der Auswahl richtiges Yerständniss und glück-
lichen Griff bekundet hat, was von modernen städtischen CoUegien
in ähnlichen Fällen nicht immer behauptet werden kann.
Die übrigen Theile des Rathhauses, soweit sie' unsrer Betrach-
tung anheimfallen, sind nicht von gleicher Bedeutung. Doch be-
wahrt der grosse Saal herrliche Holzarbeiten mit schöner Intarsia,
1603 von Melchior Reidt hergestellt Besonders die Thtir ist ein
Prachtstück von Zeichnung und Ausführung, selbst die tiefe
Laibung der Nische ganz mit köstlich eingelegter Arbeit ge-
schmückt Auch die Decke zeigt treffliche Gliederung in Stuck,
mit eingesetzten Kaisermedaillons, zum Theil vergoldet und be-
malt Ebenso ist die Thür des Gonferenzzimmers, aus dem Zeug-
hause hierher versetzt, eins der elegantesten Werke der Intarsia,
aus derselben Zeit herrührend, die Ornamente im Blech- und
Schweifstil des beginnenden Barocco ausgeführt
Dieser Schlussepoche gehört nun auch der sogenannte ^ Spa-
nische Bau.^ Er liegt dem Hauptbau des Rathhauses mit der
nach Westen schauenden Halle gegenüber und schliesst mit ihm
den kleinen Platz ein, welcher sich als Mittelpunkt der ganzen
Anlage darstellt und auf der nördlichen wie südlichen Seite
durch kräftige Barockportale mit den benachbarten Strassen in
') Dies späte Datum ist, da damals der Bau schon in voller Ausfiih-
ruig war, auffallend.
Kap. XVII. Die Bordwestliohen Binnenländer. 937
Verbindung steht Diese Portale sammt dem Spanischen Bau
gehören derselben Epoche, etwa um 1600, an. Die niederländische
Spätrenaissance mit ihren Backsteinmassen und den hohen in
Sandstein ausgeführten Fenstern herrscht hier. Das Erdgeschoss
aber ist in kraftvoller Bustica aus Quadern mit horizontalen
Bändern errichtet. In der Mitte öfifnet sich die Fa^ade mit fänf
offenen Bögen, die in eine Halle mit gothischen Kreuzgewölben
führen. Ein Portal an der Seite zeigt ein prächtiges Gitter von
Schmiedeisen; auch die kraftvollen Eisengitter der Fenster an
der Südseite des Baues sind beachtenswerth. Die Mitte der
Fa^ade krönt ein hoher und breiter Barockgiebel mit Schweifen
und Voluten. Alles das ist derb, einfach, kraftvoll.
Im Innern enthält dieser Bau im Erdgeschoss ein Zimmer
mit elegant geschnitztem Wandgetäfel, durch kannelirte ionische
Pilaster gegliedert, und mit reich dekorirten Friesen abgeschlossen.
Die Decken sind überall durch gothische Kreuzgewölbe mit
schönen Schlusssteinen gebildet Eine Wendeltreppe führt ins
obere Geschoss, wo ein Saal mit einer eleganten Stuckdecke von
1644 geschmückt ist An der westlichen Bückseite des ausge-
dehnten Baues führt ein besondrer Eingang zu einer der pracht-
vollsten, ganz in Holz geschnitzten Wendeltreppen; vielleicht die
eleganteste von allen noch vorhandenen!
Von städtischen Monumenten ist ausserdem nur etwa noch
das Zeughaus zu nennen, ein schlichter Backsteinbau derselben
Epoche, durch zwei einfache Staffelgiebel und ein reiches schon
stark barockes Portal in Sandstein bemerkenswertL An der
Seitenfa^ade ein achteckiger Treppenthurm, oben mit hübschem
Wappen decorirt
Die Wohnhäuser unsrer Epoche stehen in Köln durchaus
nicht im Verhältniss zur Bedeutung des Bürgerthums der mäch-
tigen Stadt Das Wenige von früherem Datum ist ohne Schmuck
und künstlerische Eigenthümlichkeit; die spärlichen reicheren
Bauten gehören schon dem Barocco an. Zuerst behalten die
hohen Giebelfa^aden mit ihren von Fenstern ganz durchbrochenen
Geschossen noch den Charakter des Mittelalters, namentlich die
Fenster mit den steinernen Kreuzpfosten und die schlichten
Staffelgiebel, deren Absätze höchstens durch leichte Voluten- oder
Bogenabschlttsse bekrönt werden. So das hohe Eckhaus am
Heumarkt und dem Seidmachergässchen. Ein stattlicher Giebel
mit kräftig ausgebildeten Voluten Heumarkt No. 24. Reich ge-
schnitzt der Balken zum Aufwinden der Lasten in der oberen
Dachluke. Solche hübsch decorirte Balken finden sich noch an
manchen Häusern. Ausnahmsweise mit hübsch ornamentirten
938 I^« Bach. Beiuussasce in DentsehUmd.
Friesen das Haus No. 20 ebendort. Eine zierliche kleine Fa^ade
an demselben Platz No. 11 hat ein classicistisches Gepräge be-
sonders durch die Bogenfenster. Am Alten Markt 20 und 22
sodann das einfach behandelte Haus zur goldenen Bretzel mit
Doppelgiebel, die Voluten mit runden Scheiben geschmückt;
datirt 1580. Ein schlichtes Giebelbaus mit Voluten ohne feinere
Entwickelung Grosse Witschgasse No. 36 vom J. 1590. Auch
hier ein prächtig geschnitzter Balken in der Dachluke. An einer
sonst werthlosen Fafade ebenda No. 58 ein httbsch behandeltes
figürliches Belief, von zwei Putten gehalten. Eine der pracht-
vollsten Wendeltreppen findet sich in dem Hause No. 25 am
MinoritenplatZf in edlem Stil mit reichen Ornamenten und ele-
ganten Gliederungen durchgeführt. Diese holzgeschnitzten Trep-
pen, die nicht bloss an den Geländern und Brüstungen, sondern
oft auch an den Unterseiten der Stufen dekorirt sind, bilden eine
besondere Eigenthümlichkeit der Kölner Bürgerhäuser.
Schliesslich sind noch einige späte aber um so prächtigere
Nachzügler zu erwähnen. Eine stattliche Fagade am Filzengraben
No. 24, mit zwei besonders hohen Stockwerken über dem £rd-
geschoss; die Fenster mit steinernen Ereuzpfosten, aber im
Halbkreis geschlossen; der Giebel mit reich verschlungenen und
durchbrochenen Schweif bögen, auf den unteren Ecken zwei Bewaff-
nete mit Lanzen. Die Hofseite des ansehnlichen Baues ist durch
drei hohe Volutengiebel ausgezeichnet. Noch viel später, schon
aus voller Barockzeit, das Haus zur Glocke, am Hof No. 14
gelegen. Die Fagade mit ihrem einfachen Staffelgiebel mag
früherer Epoche angehören ; aber das mit derben FruchtschntLren,
Masken u. dgl. geschmückte Portal und die innere Ausstattung
lassen den späten Barockstil erkennen. Der breite und hohe
Flur mit seinen stuckirten Balken ist ein schönes Beispiel der
alten Kölner Hauseinrichtung. Nach der Rückseite schliesst sich
ein grosser, hoher, reichlich erleuchteter Saal an, dessen Decke
ungemein reiche Stuckdecoration zeigt, in der Mitte ein kraftvolles
Relief des Mutius Scaevola, der die Hand über das Feuerbecken
ausstreckt, datirt 1693. Eine gut geschnitzte Wendeltreppe führt
zum oberen Geschoss, wo ein ähnlicher Saal, nur minder üppig
geschmückt, sich findet.
Die reichste Fa^ade dieser Spätzeit, bezeichnet 1696, hat
das Haus an der Sandbahn No. 8. Das grosse Hauptportal
mit zwei kleineren zum Keller führenden Pforten verbunden, ist
eine wahrhaft originelle, acht künstlerische Conoeption in aus-
gebildetem Barockstil. Kannelirte korinthische Pilaster fassen
den Thorbogen ein; und ein ovales Fenster, über dem Portal
Kap. XVII. Die nordwestlichen Binnenländer. 939
Ton Patten gehalten , gehliesst die Composition sinnreich ab. Auch
die HausthUr ist durch treffliches Bchnitzwerk in ttppigen Formen
ausgezeiehnet Denselben Charakter hat im Hausflur die Wendel-
treppe, die an jeder Stufe mit Ornamenten bedeckt ^und am
Aufgangspfeiler mit einer kräftigen Figur des Atlas belebt ist.
Gewiss hat Vieles Ton solchen Werken innerer Ausstattung
im Lauf der Zeiten seinen Untergang gefunden. Um so werth-
Yoller sind die wenigen erhaltenen Beispielei denen sich vielleicht
noch andere, die mir entgangen sein mögen, anschliessen. —
In der Umgegend von Köln besitzt Brauweiler in seiner
Abteikirche zwei Seitenaltäre, der eine minder interessante vom
J. 1562; der andere von 1552^) ein werthvolles Werk, ungefähr
im Charakter jenes in der Krypta von S. Gereon, ebenfalls .in
Tuffstein ausgeführt und ursprünglich reich bemalt Der Aufbau
ftber der Mensa beginnt mit einer Predella, welche in Nischen
die Brustbilder von vier Heiligen zeigt Darüber erheben sich
vier reich dekorirte korinthische Pilaster, welche in der Mitte
eine grosse Nische mit der gegen 4 Fuss hohen Gestalt des
Antonius Eremita, an den Seiten je zwei kleinere Nischen über
einander mit halb so grossen Figuren weiblicher Heiligen ein-
schliessen. Ueber dem Gesims ist die Dedicationstafel als reich
eingefasster Aufsatz angebracht; die obere Krönung des Ganzen
bildet ein Kruzifixus. Alle Gliederungen sind mit eleganten Laub-
Ornamenten im zierlichen Stil der Frtthrenaissance bedeckt In
den oberen Theilen spielt eine Reminiscenz gothischer mit Ejrabben
besetzter Bögen hinein. Die Ausführung scheint durchweg von
grosser Feinheit Die Pilaster haben zart gezeichnetes Laubwerk,
Gold auf blauem Grunde. Die korinthischen Kapitale sind ganz
vergoldet; ebenso die Seitenverzierungen des Aufsatzes. Die
Figuren in den Nischen haben durchweg Bemalung und Vergol-
dung; die Nischen sind auf blauem Grund mit silbernen Orna-
menten bedeckt
Rheinaufwärts ist zunächst in Andernach der Leyische
Hof als ein Steinbau der Spätrenaissance mit prächtigem Barock-
portal bemerkenswerth. In Coblenz sind mehrere Erker, so die
an der Ecke der Kreuzstrasse, zu nennen. Wichtiger ist aber
die Jesuitenkirche, ein stattlicher Bau der Spätzeit, etwas früher
als die Kölner, von 1609 — 1617 aufgeführt, und wieder in anderer
Weise Mittelalter und Antike mischend. Die drei Schiffe werden
durch dorische Säulen mit Rundbogen-Arkaden getheilt ; auch die
0 Nach Notizen des Herrn F. Frantzen und .einer trefflichen Aufiiahme
des Herrn Architekten C. Lemmes in Köln.
940 in. Buch. Benaissance in Deutschland.
Emporen über den Seitenschiffen öffnen sieh in ähnlicher Bogenform
gegen das Mittelschiff. Dagegen zeigen sämmtliche Räume spät-
gothische Netzgewölbe; ebenso sind die Fenster spitzbogig mit Fisch-
blasen-lkfasswerk; auch eine statüiche Rose an der Fa^ade ist noch
in guter spätgothiseher Weise gegliedert Doch spielen bei der
Behandlung der Details Eierstab und Perlschnur eine grosse Rolle.
Die Fa^ade erhält nicht blos durch das Rosenfenster, sondern
auch durch ein lustig dekorirtes Portal mit Tier einfassenden
Säulen und nischenartigem Aufsatz in spielend reichen Frtlh-
barockformen lebendige Wirkung. Auch das anstossende Jesuiten-
coUegium zeigt eine tüchtige Behandlung im beginnenden Barocco,
der südliche Flügel 1588, der westliche 1592, der nördliche ein
Jahrhundert später erbaut.
Von den Grabdenkmälern in der Earmeliterkirche zu Bop-
pard, welche bereits S. 83 kurze Erwähnung fanden, theile ich
in Fig. 252 das prächtige Wandgrab des Johann von Eltz und
seiner Gemahlin vom J. 1548 mit^) Originell ist der Aufbau des
aus drei Flachnischen bestehenden Monumentes; reizvoll die feine
Dekoration der Pilaster, der Bogenfüllungen und der wie aus Gold-
schmiedewerk gearbeiteten Umsäumungen der Nischen. Im mitt-
leren Felde sieht man die Taufe Christi dargestellt, zu beiden
Seiten die knieenden Gestalten der Verstorbenen, bei denen selbst
die Kostüme aufs zierlichste durchgebildet sind. Es ist eine
Schöpfung von hohem decorativen Reiz.
Andere elegante Epitaphien sieht man in der Kirche zu
Meisenheim; doch haben dieselben bei Gelegenheit der fran-
zösischen Invasionen stark gelitten.
Besser ist es den anmuthigen Grabmälem in der Pfarrkirche
zu Simmern ergangen. Eine Seitenkapelle bildet dort ein
Mausoleum des ehemaligen Pfalzgräflichen Hauses. Zu den zier-
lichsten Denkmälern der Frührenaissance gehört das Epitaph der
Pfalzgräfin Johanna, gebomen Gräfin von Nassau und Saarbrück,
von welchem ich einen der eleganten Pilaster unter Fig. 253 mittheile.
Das Denkmal wurde wohl bald nach dem Tode der Dame (f 1513)
durch ihren Sohn Johann II errichtet Die Figur selbst nicht
von hervorragendem Werthe. Eine tüchtige decorative Arbeit
ist sodann das Doppelmonument des eben genannten Pfalzgrafen
Johann II (f 1557) und seiner ersten Gemahlin Beatrix von Baden,
wahrscheinlich bald nach ihrem 1535 erfolgten Tode ausgeführt
Für seine zweite Gemahlin Marie vonOettingen hat der Pfalzgraf
') Die Abb. nach einer Zeichnung meines Freundes, des Archit. W. Bogler
zu Wiesbaden.
Fit- >fi>< Vom Wiodcrilj dt> Jota, Elti, Id der KumtUtsrUreha lu Boppvd.
Kap XVII. Die DordwestUcheo Bionenlünder. 943
dann Ibbb ein selbständigeB kleineres Denkmal errichten laaaen,
du mederum die Reliefgestalt der Verstorbenen in einer über-
aus eleptnten Renaissance-
Nisobe enthält Johann II
zei^ sieb in diesen Denk-
mftlem als einer der kunst-
liebenden Fürsten seiner
Zeit, wie er auch zu den
gelehrtesten gehßrte. In
seinem Schlosse, das später
1689 durch die Mordbrenner-
banden Ludwigs XIV ein-
geäschert wurde, errichtete
er eine Drackerei, aus wel-
cher unter Leitung seines
Secretärs Hierouymus Rod-
ler eine Reihe künstlerisch
ausgestatteter Werke her-
vorging (Tgl. ober B. Kunst
des Messens S.139). Rodlers
Grabmal (t 1539) befindet
sich ebenfolls in der Kirche
zu Simmem, und ebendort
ein überaus elegantes Epi-
tbapb des Jobaun Stephan
Rodler (f 1574),wahrBeliein-
lich seines Sohnes. Noch
ein fein behandeltes Denk-
mal von 1554 an einem Pfei-
ler derselben Kirche verdient
wegen seiner edlen Einfach-
heit Erwähnung. Von dem
zierlichen Charakter der
dortigen Arbeiten geben wir
ein weiteres Zeugniss io
1,, ... m « n ^ . j ».. .. unsrer Fig. 254, welche das
Fl«, tu. SlBUBim. Vom Onbmal der PMt|TUii , t ■ ilr i
jotunu. (E«ichdor(r.) blosB duTch Wappen und
Inschrifltafel geschmückte
Epitaph der PfaUgräfin Alberta vom J. 1553 darstellt Dies
. Werk bewegt sich noch auBBcbliessIich in den Formen einer an-
mathigen FrUhrenaissance, ohne dass irgendwie barocke Elemente
sich einmischten. Das imposanteste aller dieser Denkmäler ist
das Doppelmonument, welches Richard, der letzte Pfalzgraf von
944 ni. Buch. Benaiauince in DentBchland.
Simmern, sich und seiner Gemahlin Juliane von Wied bald nach
deren Tode (f 1575) errichten liess. Es enthält die beiden
lebensgrossen Statuen des fürstlichen Ehepaares in einer prächtig
mit Yortretenden Säulen und biblischen Beliefs decorirten nischen-
artigen Halle und trägt die ttppigen, schon vielfach barock umge-
bildeten Formen der Spätrenaissance. Als Verfertiger darf man
Tielleicht den Meister Johann v<m Trarhach ansehen, der als Schult-
heiss und Bildhauer zu Simmem lebte, das oben S. 84 erwähnte
prächtige Epitaph des Orafen Michael in der Kirche zu Wert-
heim schuf und 1568 laut noch vorhandenem Contrakt das ähnlich
behandelte Grabmal des Grafen Ludwig Casimir von Hohenlohe
fttr die Kirche von Oehringen arbeitete.') —
Nur dfirftig ist es um die fienaissance in dem durch seine
gewaltigen ROmerwerke wie durch die grossartigen Denkmale des
Mittelalters hervorragenden Trier bestellt Die Stadt selbst trägt
weder in öffentlichen noch in bürgerlichen Privatbauten irgend-
wie ein bemerkenswerthes Ergreifen des neuen Stiles zur Schau.
Am meisten kommt derselbe auch hier, dem geistlichen Charakter
des Bischofsitzes entsprechend, in einigen kirchlichen Werken zur
Erscheinung.
In der Liebfrauenkirche sind in den dem Eingang benachbar-
ten beiden Polygonen die Balustraden an der hochliegendon
Wandgalerie im elegantesten Stil der Frtthrenaissance durchgefbhrt
Die t*ennenden Pilaster haben ein köstliches Laubomament in
zart behandeltem Relief.
An der Nordseite von S. Matthias sind einige Beste stark
zerstörter Epitaphien durch die Feinheit ihrer Arbeit bemerkens-
werth.
Das Bedeutendste besitzt der Dom in zwei bischöflichen
Grabmonumenten, welche ohne Frage zu den herrlichsten derartigen
Werken unsrer Renaissance gehören. Beides sind Wandgräber
von stattlicher, ja grossartiger Anordnung und überaus reicher De-
coration. Das frühere hat Erzbischof Richard von Greifenklau
(t 1531) sich noch bei Lebzeiten 1525 errichten lassen. Zwei lang-
gestreckte Pilaster umrahmen eine Nische, in welcher eine Relief-
darstellung des Gekreuzigten, von der b. Helena und Magdalena
sowie der herrlich ausdrucksvollen eines Holbein würdigen Gestalt
des Verstorbenen verehrt, welcher von S. Petrus empfohlen wird. Vor
die Pfeiler sind in etwas lockerer Composition unten und oben
kleinere Pilaster mit Heiligenfiguren gestellt, lieber dem elegant
decorirten Gesims bildet das prachtvoll ausgeführte Wappen des
0 Becker im Kunstbl 1838. No. 89: vergl. 1833 No. 29.
Kap. XVII. Die nordwestlichen Binnenländer. .947
Erzbisehofs, von zwei Greifen gehalten, den Absehlnss. Alle
Flächen sind mit kösthchen miniaturartig gearbeiteten Ornamen-
ten der feinsten Frtthrenaissance bedeki Besonders reizvoll der
untere Fries mit Rankenwerk und Figürliehem von geistreicher
Erfindung und Lebendigkeit. Das zweite Monument ist dem 1540
gestorbenen Erzbischof Johann von Metzenhausen gewidmet in
der grossen Mitteinisehe die lebensvolle, meisterlich behandelte
(jestalt des Verstorbenen ; in den kleineren Seitennisehen Petrus und
Paulus. In der oberen Krönung Delphine, welche in Ranken aus-
laufen, auf denen ttbermüthig spielende Putten reiten. Auf den
Ecken zwei ritterliehe Heilige, ganz oben Christus am Kreuz mit
Maria und Johannes. Auch hier das architektonische Oerltot aufs
Ueppigste mit Ornamenten bekleidet, die ein etwas derberes Relief,
nicht die volle minutiöse Feinheit des oben erwähnten Monuments
zeigen. Die Nischen sind in ähnlicher Weise goldsebmiedartig
gesäumt, wie jenes Denkmal in Boppard; aber das Figflrliche ist
hier dem dortigen weit überlegen. Wiederum später, dabei eins
der prächtigsten und reichsten Werke seiner Art, ist die Kanzel,
an welcher die ttberschwängliche DecorationsluBt des reif ausge-
bildeten, schon zum Barocken neigenden Stils zur Entfaltung
kommt
Der Erzbischöfliche Palast, der sich an die gewallige antike
Basilica lehnt, zeigt derbe Barockportale und im zweiten Hofe eine
einfach, aber stattlich angelegte Wendeltreppe auf dreifacher
Säulenstellung. Das Ganze nicht hervorragend. Ebenso wenig
können die Bürgerhäuser am Markt mit ihren Barockgiebeln
Anspruch auf Bedeutung machen. —
In Zell an der Mosel sieht man ein kleines malerisches Jagd-
schlösschen, 1542 von Ludwig von Hagen, Erzbischof von Trier, er-
baut, das durch seine runden Erkerthttrme und ein naives Gemisch
von gothisehen und Renaissanceformen anziehend wirkt Auch im
Innern zeigen die Wölbungen noch ein Zurflckgreifen zu mittelalter-
lichen Elementen. Zu Bittburg ist der Kobenhof ein zierlicher
Bau späterer Renaissance von 1576, doch nur theilweis erhalten.
Sobernheim besitzt ein stattliches sohlossartiges Gebäude des
ausgebildeten Stiles, durch kräftig facettirte Quader und malerischen
Erkerthurm bemerkenswerth.
Manches Andre mag noch in den Gegenden der Mosel und
des benachbarten Rheingebietes einer genauen Lokaluntersuolnu%
harren. WerthvoUe Notizen in den fleissigen Aufzeichnungen von
Kugler's Rheinreise ^), auf die ich hier nur hinweisen will Im
>) F. Kagler, Kleine Schriften IL
60'
948 ^* Buch. BenftiBSftnoe m Deutschland.
Ganzen sind aber auch in der Trierer Diöeese, ähnlich wie im
Kölnischen Sprengel, die kirchlichen Werke, die Grabmäler, Kan-
zeln u. dgL, welche mehr der Plastik und decorativen Kunst als
der eigenfliohen Architektur angehören, weitaus das WerthyoUste,
während der Profanbau, namentlich in bflrgerlichen Kreisen nur
karge Pflege erfährt
Anziehender und bedeutender ist der Holzbau dieser Gegen-
den, dem wir eine zusammenfassende Betrachtung widmen müssen,
um so mehr als derselbe sich von der niedersäehsischen Gruppe
wesentlich unterscheidet. Während dort nämlich die einzelnen
Stockwerke so weit wie möglich flbereinander vorgekragt werden
und dadurch jenes reiche plastische Leben, jene energische Glie-
derung erhalten, von welcher unsre Figg. 53, 235, 237, 238, 239,
243, 249 mannigfache Anschauung gewähren, sind die rheinischen
Holzbauten bei möglichst geringem Vorsprung der Stockwerke
minder kräftig entwickelt, minder plastisch durchgebildet und
suchen, was ihnen darin an Lebendigkeit abgeht, durch eine mehr
malerische Omamentirung der Flächen zu ersetzen. Es ist an
Stelle jenes kraftvollen Lebens der niedersächsischen Bauten ein
feinerer malerischer Beiz ihnen eigen. In schlichter fast kunst-
loser Weise tritt uns dieser Stil an dem unter Fig. 5 t auf S. 191
mitgetheilten Giebelhaus zu Eppingen entgegen. Dort sind alle
Elemente der Construction ohne dekorative YerhUllung und fast
ohne omamentale Ausbildung einfach zum Ausdruck gebracht
Etwas zierlicher und reicher stellt sich in Fig. 52 das kleine
Haus aus Gross -Heubach dar; doch zeigt es bereits kttnstlerisch
ausgebildete Eckpfosten und hübsche Muster in den Riegeln der
Fensterbrttstungen. In noch zierlicherer Weise ist dieselbe Art
der Dekoration an dem unter Fig. 82 abgebildeten Haus aus
Schwäbisch -Hall durchgeführt Man sieht «zugleich aus unsem
Beispielen, dass diese Behandlung des Holzbaues sich nicht blos
Aber den Oberrhein, sondern auch über die angrenzenden Gebiete
Schwabens und Frankens erstreckt
Ueberall beruht hier die Composition auf dem Prindp, die
construktiven Elemente möglichst unverhüllt darzulegen und zum
Ausgangspunkt für die Dekoration zu machen. Daher werden
die Pfosten besonders kräftig betont und nicht blos durch ge-
schnitztes Flachomament belebt, wie es unsre Fig. 255 rechts
zeigt, 0 sondern namentlich die Eckpfosten werden kräftiger in
0 Diese nnd die folgenden Abbildungen hat mir die zuvorkommende
Güte des Herrn Baurath Baschdorff in Köln aus seinen trefflichen Reise-
skizzen zur Verfilgung gestellt.
Kap. ZVn. THa nord:ir«>t1iclieii BiiiDeDl£ndet. 949
S&DlenforiD atisgebildet, wobei Caonelurea, GürtuDgen, BUttweA
imd anderes Ornament im Sinne der RenaisBance zur Verwendnng
kommt, wie dieielbe Figur an zwei Beiapielen weia't. Wihrend
diese Glieder die Veiticale betonen, wird die Horizontale durch
Ftf, tu. Boppird. Proiton Tan Holahlutni.
das tnSssige Vortreten der Schwellbalken nnr bescheiden ange-
deutet, so dasB einige ausgekehlte und abgefaste Glieder, bis-
weilen wohl als gewundenes Tau charakterisirt, genUgen. Nament-
lioh aber fallen die rortretenden BalkenkOpfe des niedersftcbsischen
Holzbaues vdllig fort
Im Uebrigen wird die Dekoration der Fairen dadurch be-
wirkt, dass die Riegel in mannigfaclien Fonnen ausgebildet werden,
950 I^ Buch. ReniiMuie« m D«uta))iUnd.
iad«m maa sie in TerBchiedenen Biegungen schweift and aos-
sohneidet Diese dem Holzstil durdiaas entsprechende Technik
bringt dann hflafig Combinationen herror, welche an die Gothik
(olnnern. Besonders reieh werden durch derartige Ornamente
die FensterbrttBtungen gescbmUckt (Fig. 256). Die Fenster selbst
sind nach der Sitte des Mittelalters in Gruppen angeordnet und
mit einem Rahmenwerk eingefasst, welches wie dieselbe Figur
zeigt bisweilen auf htibscben Consolen kräftig Torspringt. Die
piid. FtDiteilirfiiliiDge:
Pfosten und Rahmen werden abgefast und mit dekorirten Rund-
Stäben gegliedert, auch sonst durch elegantes Ornament von ver-
Bchlungenen Bandern, Schuppen, Blättern u. dgl. reich geschmückt.
Eine selbständige Verdachung, auf einem Zahnschnittgesims rufaend,
schliesst nach oben solche Fenstergruppe ab. So zeigt es in Fig. 257
ein hübsches Oiebeihaus vom J. 1606 za Traben an der MoseL
Es ist aber stete eine feine Anmuth, welche der Dekoration
ihr festes Maass anweist Mit Vorliebe fUgt man diesen Fa^aden
kräftig Torspringende Erker hinzu, sei es dass dieselben auf den
Ecken polygon ausgekragt sind, wie ein besonders originelles
Beispiel an einem Hause von 1572 in Rhense vorkommt, oder
'dass die Mitte der Fa^ade durch solchen Vorbau ausgezeichnet
wird wie an dem unter Fig. 258 mitgetheilten Hause zu Ober-
lahnstein vom J. 1663. Der Einfluss der Renaissance spricht
Kap. XVII. Die nordweatllcheD BionenUinder. 951
aich bei diesen Gebäuden -haapUftcblicb dorch lÜe Gliederung
der Schwellen, Pfosten and Rahmen, sowie dnrcb die Ausbildung
der Gesimse aas. Denn hierbei kommen die antiken Gliede-
rungen, die Carniese und andere wellenförmige Glieder, die Zahn-
Bchnitte, Perlsclmare, FlechtbSnder , Consolen il dergl. zu viel-
facher Verweadung,
Ohne hier auf Einzelnes zu weit einzugehen, mi^gen ausser
den Holzbauten in Rbense und Oberlabnstein diejenigen in
Boppard nnd Bacharach, sowie an der Mosel in Traben und
Bremmen besonders genannt werden. Es bedarf kaum der Be-
merkung, daes manches künstlerisch Werthvolle dieser Art aich
auch sonst vielfach in andern Orten dieses Gebietes findet
952 UI. Bach. Benussance in DeatschUmd.
Vachtrag und Haohwort.
Wenn ieh hiermit meinen Bericht über die Werke der
deutschen Renaissance besehliesse, so weiss ich sehr wohl, dass
mein Buch nicht den Anspruch machen kann das Thema er-
schöpfend behandelt zu haben. Was ein Einzelner bei dem
jetzigen Stande der Forschung zu bieten vermochte, glaube ich
erreicht zu haben. Man wird finden, dass ich eine vor Aller
Augen liegende und doch bis jetzt niemals in's Auge gefasste Er-
scheinung der Kunstgeschichte an's Licht gebracht und unter
wissenschaftlichem Gesichtspunkte dargestellt habe. Anderes, das
alle Welt zu kennen glaubte, habe ich hier zum ersten Hai nach
seinem inneren Werden dargelegt So namentlich die verschiedenen
Entwicklungsstadien unseres Holzbaues in seinen einzelnen Schu-
len. Es wird nun Aufgabe der Lokalforschung sein auf Grund-
lage der hier gebotenen wissenschaftlichen Darstellung überall
das Material weiter zu ermitteln, damit wir allmählich zu einer
Statistik der deutschen Renaissance gelangen. Einzelne Nachtrage
vermag ich schon hier beizubringen.
Das auf S. 233 besprochene jetzige Regierungsgebäude in
Luzern hat seitdem in Ortwein's Renaissance durch E. Berlepsch
in der 13. Lief, des Werkes eine genauere Aufnahme und Dar-
stellung gefunden. Ich entnehme daraus, dass der Bau für den
Schultheissen Lucas Ritter seit 1557 durch einen Meister Giovanni
Lynzo aus Pergine bei Trient begonnen und seit 1561 durch einen
andern wälschen Meister Peter weitergeführt, dann aber erst nach
abermaliger Unterbrechung später vollendet worden ist
lieber die Bauten im El sass liegen mir einige nachträgliche
Notizen von Professor Weltmann vor. Das schöne Land, welches
damals in erster Linie an dem Geistesleben der Zeit theilnahm,
bewährt diese Regsamkeit auch durch die frühe Einbürgerung
der Renaissance. In Ensisheim, das als Sitz der östereichischen
Herrschaft von Bedeutung war, ist das Rathhaus ein ansehnlicher
und malerischer Bau von 1535. Mit zwei rechtwinklig zusammen-
Btossenden Flügeln schliesst es die eine Ecke des Marktplatzes
ein, in dem einspringenden Winkel mit einem stattlich angelegten
Polygonen Treppenhause. Der längere der beiden Flügel ist im
Erdgeschoss als offene zweischiffige Halle auf kräftigen Pfeilern
angelegt, die sich mit einfach behandelten Spitzbögen und einem
einzelnen nach der Hauptstrasse gehenden Rundbogen öffnet.
Die Halle ist mit gothischen Netzgewölben überdeckt Ueber ihr
befindet sich im oberen Geschoss der grosse Saal. Die Gliederung
Flg. Wi. Hui in OMrllhaitaEn.
Nftchtrag and Nachwort. 955
der Fagaden geschieht durch einfoche Pilaster, die im oberen
Stock kannelirt sind und zwischen ihnen durch schlanke Cande-
labersilulen, welche über dem Scheitel der Arkadenbögen ange-
ordnet sind. Dreifach gruppirte Fenster in gothischer Profilirung,
das mittlere stets etwas höher hinaufgeführt, durchbrechen die
einzelnen Wandfelder. Es ist die am ObeiThein übliche Anordnung,
die wir auch in Mühlhausen und Basel fanden. An der Hauptfront
gegen die Strasse springt eine zierliche Altane in gothischen
Formen vor. Der Bau zeigt also durchweg noch die Vermischung
mittelalterlicher und modemer Elemente. Dem Rathhaus gegen*
über liegt der Gasthof zur Krone, ein elegant durchgeführter
Oiebelbau der Spätzeit, datirt 1610. Er ist oben auf S. 182 irr-
thflmlich als Privathaus aus Colmar abgebildet, und auf Seite 258
mit unrichtiger Angabe der Jahrzahl besprochen.
Ein interessantes Haus sieht man zu Schietstadt in der
Strassburgerstrasse No. 18, laut Zeugniss der lateinischen Inschrift
am Erker 1545 durch den damaligen Stadtbaumeister Stephan
Ziegler erbaut, oder vielmehr ^in meliorem faciem restitutum"*.
Auch hier tritt noch einiges gothische Detail auf, aber überwiegend
sind doch die Formen der Renaissance. Von der Begeisterung
für das classische Alterthum, die grade hier durch die damals
berühmte gelehrte Schule besonders kräftige Nahrung erhielt, zeugt
am Gesims des oberen Geschosses die Inschrift: ARGHITECTIS
VETERIBVS DICATVM. Die Pilaster enthielten nemlich die
leider zerstörten Medaillonköpfe antiker Architekten und Mathe-
matiker. Der Name Archimedes ist noch lesbar. Ein späterer
Giebelbau vom J. 1615 ist das zur protestantischen Kirche ge-
hörende Haus, ebenfalls mit zweistöckigem Erker ausgezeichnet
In Kaisersberg bemerkt man schüchterne Anfänge der Renais-
sance an einem grossen zweigiebligen Hause vom J. 1521. Ein
kleineres Haus mit barockem Giebel trägt das Datum 1616 und
den Namen des Baumeisters Johann Vohrhat. Ebendort manche
anziehende Fachwerkhäuser, darunter ein besonders interessantes
vom J. 1 594. Neben der Kirche ein stattliches Gebäude, ehemals
wohl Rathhaus mit zwei breiten Rundbogenportalen, einem Trep-
penthurm und einem Erker, bezeichnet 1604, dabei folgender Vers:
Dem heyligen Reich ist dises Haus
Zue Lob und Ehr gemachet ans
Darin die wahr Gerechtigkeit
Gehalten wirt zne jeder Zeit.
In Rappoltsweiler zeigt ein Brunnen vom J. 1536 in derben
Formen den neuen Stil noch gemischt mit der Gothik. Rufach.
hat unweit der Kirche einen Ziehbrunnen auf zwei stark verjüngten
956 ^- Buch. ' BenaisBance in Deutschland.
dorischen Pfeilern in ausgebildeter Benaissance, vom J. 1579.
Endlich in Weissenburg ein ungemein elegantes Fachwerkhaus^),
ttber steinernem Erdgeschoss der obere Stock aufs zierlichste
dekorirt, indem die einzelnen Fenster und der yorgekragte Erker
prachtvoll mit geschnitzten Rahmen und laubgeschmtlckten Cande-
labersäulen eingefasst sind. Der kleine Bau vom J. 1599 gehört
zu den elegantesten Beispielen der oberrheinischen Holzarchitektur.
Im badischen Lande ist Einiges aus Freiburg nachzutragen.
Die oben auf S. 278 erwähnte Vorhalle am südlichen Kreuz-
arm des Mtlnsters ist, wie ich bei neuerer Besichtigung erkannt,
erheblich später, schon mit starker Anwendung von Metallomamenten
ausgeführt. Sie trägt an der Ostseite das Datum 1620. Im
Innern des südlichen und nördlichen Querschiffs zeigen die Em-
poren mit ihren cannelirten korinthischen Säulen und der eleganten
Ornamentik den Stil derselben Zeit Die Balustrade hat gleich
der an der Vorhalle noch gothische Fischblasen. Ein ansehn-
licher Bau ist das jetzt als Post benutzte Haus in der Kaiser-
strasse, welches das Baseler Domkapitel 1 5S8 seinem wegen der
Reformation ausgewanderten Bischof errichten liess. Die Fagade
hat ein einfaches Portal mit ionischen Pilastern und barockem
Aufsatz, einen grösseren und einen kleineren Erker, sodann im
oberen Geschoss drei reiche Nischen mit den Statuen der
Madonna, Kaiser Heinrich's, und eines Bischofs St Pantalus.
Im Hofe links eine Wendeltreppe mit überaus zierlichem Portal,
am linken Flttgelbau sodann eine Inschrifttafel mit der Widmung.
Im Flur ist ein Seiteneingang mit schönem Eisengitter ' ver-
schlossen.
Sodann sei noch des hübschen Brunnens im Schlosshof zu
Ettlingen gedacht, der wie unsere Abbildung Fig. 259 beweist,
die Formen der Spätrenaissance geschmackvoll verwendet zeigt
In Oberschwaben enthält die ehemalige Karthäuserkirche zu
Buchslieim bei Memmingen herrlich geschnitzte Chorstühle,
den aus Danzig in Fig. 11 auf S. 89 dargestellten verwandt,
aber noch meisterlicher geschnitzt, noch üppiger decorirt.
Ausserdem ist der Hochaltar eins der prachtvollsten Werke des
beginnenden Barocco, den auf S. 220 erwähnten Altären in
Ueberlingen auffallend ähnlich.^) Die Entstehung der ganzen
Ausstattung dürfte um 1640 fallen.
Zu den frühesten datirten Werken unsrer Renaissance gehört
*) Notiz von Herrn Archit. Haupt in Darlach. — *) Dem Herrn Grafen
vonWaldbott-Buchsheim bin ich für Mittheilung von photogr. Aufnahmen
dieser Prachtwerke dankbar.
Nachtrag and Nadiwort. 957
die merkwürdige VotiTtafel vom J. 1526, welche man fiber dem
HaupteiDgang des fflrBtIicfa Holienzollemsolieii SchlosseB zu Sig-
maringen aielit £& ist eine Sandsteinplatte mit der scblicht und
empfindnngsvoll componirten Gruppe einer Madonna, welche den
Leichnam ihres Sohnes auf dem Schoosse hält; daneben kniet
Felii Graf zu Werdeaberg und zu dem Heiligenberge, welchem
damals Sigmaringen gefaiJrte. Zierlich dekorirte Kenaissance-
pilaster fassen das Bildfeld ein, und htlbsche Lorbeergewinde
hängen darüber auageepannL Die Zwickel des Flachbogens, wel-
cher das Feld abschlieest, eiad mit kleinen Draehenfiguren gefüllt
Dies ist die einzige mittelalterliche Beminiscenz; alles Uebrige
trägt den ausgeprägten Charakter der Renaissance. Man darf
958 ^- Buch. Die Beoaissance in DeatschlancL
vielleicht aaf einen oberrheinischen Meister aus Constanz oder
SchafiThausen sehliessen, wo damals in einzelnen FäUen die Re-
naissance schon rein zur Anwendung kam. So z. B. in Schaff-
hausen an den Gewölbender Johanniskirehe jene auf S. 240 bespro-
chenen Arbeiten. Die Bemalung, Gold auf blauem Grund an der
Einfassung, die Guirlande grün, ist neuerdings aufgefrischt worden.
Zu S. 431 ist zu bemerken, dass vom Bathhaus in Wies-
baden nur das Erdgeschoss mit der Freitreppe dem alten Bau
angehört, das Uebrige 1828 eine Restauration erfahren hat. Daraus
erklären sich denn auch die auffallenden Formen der oberen Theile.
Die geschnitzten, vergoldeten und bemalten Füllungen der Fenster
sind jetzt im Museum zu Wiesbaden aufbewahrt. Sie waren in
Strassburg durch Jacob Schätterlin gefertigt worden, während die
Steinmetzarbeit einem Mainzer Meister Cyriacus Flügel übertragen
war. Als Baumeister wird Valerius Btmssendorf genannt, als aus-
führender Werkmeister Anthorä Schöffer. (Bhein. Kurier 1873.
No. 108).
In Unterfranken ist das hohenlohesche Schloss Neuenstein
als bedeutender Bau der besten Renaissancezeit nachzutragen.
Es bildet ein mächtiges Viereck, rings von einem tiefen breiten
Graben umzogen, an drei Ecken mit vortretenden runden Erker-
thürmen, die einen polygonen Aufsatz haben, eingefasst, während
an der nordöstlichen Ecke ein offenbar älterer quadratischer
Thurm mit späterem zopfigem Aufbau dominirend emporsteigt. Die
Hauptfiront, nach Norden gewendet (Fig. 260) enthält in einem
vorgeschobenen Bau das von zwei Rundthürmen in mittelalter-
lichen Formen flankirte Portal. Die Brücke, welche hier über den
Graben führt, ist nach aussen durch einen originellen Triumph-
bogen in derber Renaissanceform abgeschlossen. Der viereckige
Hauptthurm scheint gleich dem Portalbau noch dem Mittelalter
anzugehören , wie denn diese Theile schon durch ihr vorzügliches
Quaderwerk sich von dem übrigen in Bruchstein ausgeführten
Bau auffallend unterscheiden. Das ganze Äussere ist im Uebrigen
schmucklos; die gekuppelten Fenster zeigen spätgothisches Rah-
menprofil. An der Westseite ist ein grosser halbrunder Vorbau
ausgeführt, der im Hauptgeschoss als Altane mit kräftiger Ba-
lustrade abgeschlossen wird. Die Jahrzahl 1564, welche man
sammt den Wappen des Grafen Ludwig Kasimir und seiner Ge-
malin von Solms am Hauptportal sieht, bezieht sich auf die Zu-
sätze und Umgestaltungen, welche diese Theile im Zusammen-
hang mit dem durchgreifenden Umbau des Schlosses unter jenem
Grafen erfahren haben. Das Originellste sind die pavillonartigen
Aufsätze der Thorthttrme. Acht kräftig profilirte korinthisirende
Nachtrag und Nkchwott. 959
Sftulen, anmittelbar auf der Daohsclirfig« der Thünne eich erbe-
bend und durch breite Spitzbogen verbunden, trag^en die gothisoh
profiUrten Rippengewölbe und das geschweifte Kuppeldach dieser
keeken Aufsätze.
Ein gewölbter Thorweg fA in Fig. 361}') führt in den
ecbmalen aber ziemlich tiefen Hof, der ohne reichere architek-
Fi(, W», Soblon ra KramUlii. (L. Nabu.)
tonische Ausbildung gleichwohl durch einige originell behandelte
Portale bemerkenswerth ist Zur Linken des Eintretenden bei
B sieht man eine kleine zu einer Wendeltreppe führende Pforte,
deren Säulen scbtlchtern und unsicher behandelte FrUhrenais-
sancekapitäle zeigen, während die Basis spätgothische Raaten-
muster hat Man wird diese Tbeile kaum später als 1530 setzen
dflrfen. Durch die Wappen Graf Albreohts III (f 1551) und
seiner Gemalin von HohenzoUem ist in der That die Erbauung
in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gesichert Alle andern
'] Den OnindriM vetduike ich gllti^r Mittbeilong B. DurcU. des Fttrsten
TOD Hohenlohe-WoIdeDbaTg.
960 m. Buch. Renaissance in DentscbUnd.
Formen trsgeo nbereinetimmend das Geprftge der aasgebildeten
Renaissance. So zunächst in der Ecke rechts Tom Eingang bei
C das polysone Stie^nhatiB mit vorgelegter Freitreppe, die za
ttt- Ml. Bc)il«M n HtaaBiteln. Onudrlia dta ErdsMohoHa,
. einem Fortal von derb facettirtem Qtiaderwerk fuhrt In dem
Halbkreiabogen, der dasselbe abschliesst, sieht man eine originelle
Darstellung des Glücksrades, auf welchem eine kleine Figur sieht,
während zwei andere sich daneben befinden. Die Spindel-
treppe, welche hier in die oberen Räume führt, ist an der Unter-
seite mit eingekerbten Profilen im Renaissancestil dekorirt. Das
Nachtrag und Nachwort. 961
Hauptportai aber ist in der südwestlichen Ecke des Hofes bei
D an der dort befindlichen Haupttreppe angebracht, die ebenfalls
in einem polygonen Stiegenhause liegt. Hier hat der Baumeister
an den schlanken einfassenden Sftulen und den breiten Pilastern,
vor welchen sich dieselben erheben, sowie an den Friesen reiches
Ornament von recht guter Erfindung und Ausführung rerwendet,
dessen MotiTe die bekannten Formen der ausgebildeten Benais-
sance verrathen. Darüber erhebt sich eine Attika mit den reich
behandelten Wappen des Erbauers Graf Ludwig Kasimir und
seiner Gemalin, eingefasst von einer männlichen und weiblichen
Figur. Dann kommt ein zweiter Fries, und darüber schliesst ein
Flachbogenfeld mit der ruhenden Figur eines Flussgottes
den schlanken Aufbau des Ganzen. Die Treppe, deren Spindel
auf drei feinen vierkantigen Stützen ruht, gehört durch ihre gross-
artige Anlage, die Meisterschaft der Gonstruction und Gediegen-
heit der technischen Ausführung zu den hervorragendsten ihrer Art.
An der Südseite des Hofes bei EE fallen zwei grosse Bogen-
nischen von beträchtlicher Tiefe auf, welche mit gothischen Netz-
gewDiben dekorirt sind. Sie standen ehemals durch breite fenster-
artige Oeffhungen mit der dahinter liegenden Küche G in Yer-
binduQg und sind ein weiteres Beispiel jener sinnigen Anlage
eines Dispensatoriums zur Austheilung der Speisen an Bedürftige,
wie wir sie im Schloss zu Baden (S. 271) und in der Pilgerlaube
zu Hämelschenburg (S. 857) angetroffen haben. Die Küche selbst,
zu welcher man durch den daneben liegenden Thorweg F gelangt,
ist ein grossartiger Bau, dessen Kreuzgewölbe auf gewaltigen
Bundsäulen von gothischer Form ruhen. Von den inneren Bäumen
des Erdgeschosses ist sodann an der Ostseite eine schöne Halle
H, deren Gewölbe auf einer schlanken Bundsäule ruhen, hervor
zu heben. Es war vielleicht ursprünglich die Schlosskapelle.
Ihre Verbindung mit den oberen Bäumen hat sie durch eine kleine
Wendeltreppe. Der glanzvollste Baum ist aber der Festsaal K,
welcher im westlichen Flügel die nördliche Ecke einnimmt Man
gelangt zu ihm durch einen unscheinbaren Zugang; aber auch
hier bildet eine kleine Wendeltreppe die Gommunikation mit den
oberen Geschossen, wie denn hier beim völligen Mangel innerer
Galerieen durch zahlreiche versteckt liegende Wendeltreppen
solche Verbindungen bewirkt sind. Der Saal, gegen 35 F. breit
bei 62 F. Länge, zeigt gleich den übrigen Bäumen mittelalterliche
Anlage und Construktion : gothisch profilirte Netzgewölbe auf
zwei mittleren Bundsäulen ruhend, die gekuppelten Fenster in
tiefen Wandnischen der gewaltig dicken Aussenmauem liegend.
An der Ecke giebt ein grosser kreuzförmig ausgebildeter, eben-
Kngler, Qetoh. d. Banknnit V. 61
. I
962 in. BnolL RenaisBance in Devtschland.
falls gewölbter Erker dem grossartigen Baam besonderen Reis.
In ähnlicher Weise sind an den anderen Ecken des Baues die
Torspringenden Rundthürme verwendet Der Saal, welcher gleich
den flbrigen Räumen des Schlosses wüst und öde liegt, bewahrt
mancherlei Spuren einer originellen Dekoration der schon barock
umgebildeten Spätrenaissance, ohne Zweifel unter Schickharäi
ausgefbhrt; denn in seinem handschriftlichen Inventarium sagt
er: „Newenstein, dem Herrn Gräften Grafen zu Hohenlo etis. ge-
hörig, da ich auch viel gebaut Man kann von dem inter-
essanten Werke nicht scheiden, ohne ihm eine yerständnissvolle
Wiederherstellung zu wünschen.
lieber den auf S. 776 als Baumeister des Schlosses zu
Dresden genannten Hans von Dehn- Rotfelser ersehe ich nach-
träglich aus Val. König, geneal. Adelshistorie I, S. 211, dass er
im J. 1500 geboren, in seiner Jugend auf Reisen in fremden
Ländern mancherlei Erfahrung und Geschicklichkeit erworben,
dann von Herzog Georg zum Ober- Rüst und Forstmeister be-
stelltwurde. Unter Kurfürst Moritz erbaute er das zuerst Schloss zu
Radeberg, dann das Jagdschloss Moritzburg, das Schloss Senften-
berg, sammt seinen Festungswerken, vor allem das Residenz-
schloss zu Dresden. Auch die Stadt selbst wurde durch ihn er-
weitert und mit Basteien versehen, weshalb sein lebensgrosses
Bild über dem von ihm erbauten Salomonsthore aufgerichtet ward.
Er starb 1561 als Oberbaumeister der Festung und des Schlosses
zu Dresden.
Zum Schluss fassen wir die wichtigsten historischen Daten
der deutschen Renaissance in kurzer Uebersicht zusammen, so-
weit es sich dabei um architektonische Denkmäler handelt
Das früheste Werk würde der Wladislavsaal auf dem Hrad-
schin zu Prag sein, wenn die schon ziemlich ausgebildete Re-
naissance der Fenster wirklich mit der Jahreszahl 1493 zu
reimen wäre. Bekanntlich ist dies jedoch nicht ohne gewichtige
Gründe bestritten worden. Dann folgt der Zeit nach das Haus-
portal des Federlhofs zu Wien vom J. 1497, ein allerdings noch
sehr schwächlicher Versuch in den Formen des neuen Stils.
Sehr naiv ist auch die Renaissance an dem von 1509 datirenden
Schloss Johannisberg in Schlesien. Ein Werk von bedeuten-
dem Aufwand dagegen ist derThurm der Kilianskirche za Heil-
bronn, 1513 begonnen und in einem seltsamen Gemisch von
Nachtrag und Nachwort. 903
Gothik und Renaissance, ja selbst noch von romanischen £le*
menten durchgeführt, das den deutlichsten Beweis von der kttnsir
lerischen Gährung jener Tage liefert
Zum ersten Male tritt in Deutschland der neue Stil in reinerer
Form am Portal der Salvatorkapelle zu Wien vom J. 1515 auf.
Gomposition und Ausführung weichen so auffallend von allem bis
dahin in Deutschland lieblichen ab, dass man wohl an Italiener
denken muss. Wenige Jahre später (1517) entstand das elegante
Portal der Domsakristei in Breslau, vielleicht ebenfalls noch
auf italienische Hände zurttckzuftlhren, obwohl auch für deutsehe
Entstehung sich Manches vorbringen lässt Mit voller Entschieden-
heit macht sich italienische Arbeit an der Jagelionischen Kapelle
zu Erakau vom J. 1520 geltend. Dagegen ist das Portal am
Stadthaus zu Breslau von 1521 durch die starke Mischung mit
spätgothischen Formen sicher als deutsches Werk bezeugt Vom
J. 1524 datirt das elegante Portal am Arsenal zu Wiener-Neu-
stadt, sicher von italienischen Händen ausgeführt
Fortan tritt der neue Stil in der zweiten Hälfte der zwanziger
Jahre so vielfach und an so verschiedenen Orten in Deutschland
hervor, dass eine allgemeinere Aufnahme desselben durch ein-
heimische Meister nicht mehr zu bezweifehi steht In Trier
bringt das Jahr 1525 das glänzende Denkmal des Erzbischofs
Bichard von Greifenklau, in Mainz errichtet Kardinal Albrecht
von Brandenburg 1526 den originellen Marktbrunnen; in dem-
selben Jahre stattet dieser kunstliebende Eirchenfürst den Dom
zu Halle mit der reich geschmückten Kanzel aus. Nun bemäch-
tigt sich auch das Bürgerthum der neuen Formen: in Görlitz
finden wir ein Privathaus im Stil der Renaissance von 1526.
Breslau schliesst sich unmittelbar mit mehreren Bauten an; das
Kapitelhaus des Doms trägt das Datum 1527; aus dem folgenden
Jahre 1528 stammt das zierliche Portal im Bathhaus und das
ähnliche an der Krone. Ein Kirchenportal aus demselben Jahre
finden wir sodann zu Klausenburg.
Mit diesen auf verschiedenen Punkten gleichzeitig zusammen-
treffenden Versuchen hat sich die Renaissance in Deutschland
zuerst eingebürgert Mit dem Beginn der dreissiger Jahre wagt
sie sich, genugsam erstarkt, an die Ausführung grosserer Werke.
Es ist vor Allem das deutsche Fürstenthum, welches nunmehr
mächtig in die Bewegung eingreift und ihr in prachtvollen Schloss-
bauten grössere Aufgaben stellt Das früheste Datum (1520)
trägt die Residenz zu Frisieng in ihrem arkadengeschmttckten
Hofe;^ aber der Stil hat noch das Gepräge unbeholfener provin-
zieller Befangenheit Sicherer und lebensvoller breitet er seine
61*
964 ni. Buch. RenaiBsance in Deutschland.
zierlichen Formen schon 1530 an dem Georgsbau des Schlosses
zu Dresden aus, wie denn vom sächsischen Fttrstenhofe nun-
mehr eine energische Förderung der Renaissance sich vorbereitet
Denn mit 1532 sind die frühesten Arbeiten an dem Schlosse zu
Torgau bezeichnet, und 1533 lesen wir an dem eleganten
Treppenbau zu Dessau. Von demselben Jahre datirt der ener-
gische Portalbau des Schlosses zu Liegnitz, der sich freilich
als Werk niederländischer Künstler zu erkennen giebt Der ein-
heimischen Schule dagegen gehören die freilich nur in spärlichen
Ueberresten erhaltenen Theile des seit 153& aufgeführten Schlosses
von Berlin.
Unterdess war man auch in Sfiddeutschland nicht müssig
gewesen, hatte aber mehr als im Norden sich noch auf italienische
Kräfte gestützt. Das elegante Schloss zu Spital in Kämthen,
das um 1530 entstanden sein wird, ist durchaus italienischen Ur-
sprungs. Dasselbe gilt vom Belvedere zu Prag, das seit 1536
errichtet wurde. Ebenso waren es italienische Künstler, welche
seit 1536 die Kesidenz in Landshut aufführten und mit Fresken
und Stuckaturen im Sinn der römischen Schule schmückten. Da-
gegen sind die freilich nicht so erheblichen Bauten am Schloss
zu Tübingen, vom J. 1537, von Einheimischen im völlig deutschen
Gepräge durchgeführt
Inzwischen treten auch die bürgerlichen Kreise der Renais-
sance näher. Besonders früh geschieht es im Elsass, wo das
Bathhaus zu Ober-Ehnheim mit 1523 bezeichnet ist, das von
Ensisheim die Jahrzahl 1 535, und ein freskengeschmücktes Haus in
GolmardasDlitum 1538 trägt In Nürnberg gehört das Tucherhaus
von 1533 zu den frühesten dieser Werke, in denen die Renais-
sance noch stark mit gothischen Reminiscenzen durchsetzt ist
Ein Meisterstück edler und verständnissvoller Auffassung des
neuen Stils bietet dagegen der Saal im Hirschvogelhause vom
J. 1534. Nicht minder vollendet ist der Vorbau mit Balkon und
Treppe, welchen die Stadt Görlitz 1537 ihrem Rathhause vor-
legen Hess.
Das folgende Decennium bringt uns nur wenige neue Daten;
aber es gehören dahin die Bauten, mit welchen Kurfürst Friedrich II
seit 1 545 das Schloss zu Heidelberg schmückt, sowie die gleichzeitig
unter Otto Heinrich ausgeführten Theile des Schlosses zu Neu-
burg. Sodann entsteht seit 1547 der grossartige innere Hof des
Schlosses zu Dresden mit seinen vier prachtvollen Stiegenhäusem
und seiner Loggia, von einem deutschen Meister, aber mit Bei-
hülfe italienischer Werkleute errichtet Eine völlig italienische
Arbeit ist das zu gleicher Zeit (1547) entstandene Piastenschloss
Nachtrag und Nachwort. 965
zu Brieg, an dessen Portalbau die spielende Ueppigkeit ober-
italienischer Dekoration ihren Triumph feiert. Italiener sind
es sodann auch, welche 1550 das Rathhaus zu Posen mit seiner
stattlichen Doppelhalle schmücken.
Die grössere Kraft liegt aber auch jetzt noch auf Seite der
fürstlichen Unternehmungen. Seit 1 553 erhebt sich mit den markigen
Arkadenhallen seines Hofes das Schloss zu Stuttgart In dem-
selben Jahre beginnt man in Wismar den originellen Backstein-
bau des Fttrstenhofes. In gleichem Material und Stil folgt 1555
das Schloss zuSchwerin. Inzwischen war im Süden seit 1553 das
zierliche Schlössohen Gottesau bei Carlsruhe entstanden,
und seit 1556 fügte Otto Heinrich dem Schloss zu Heidelberg
jene Theile hinzu, welche den Stolz der deutschen Renaissance
bilden« Im Norden ist es sodann das Schloss zu Güstrow,
welches seit 1558 unter entschiedener Einwirkung französischer
Auffassung errichtet wird. In demselben Jahre schmückt sich
die Heldburg mit ihren edel durchgebildeten Erkern, während
seit 1559 das Schloss zu Oels durchgreifenden Umbau erfährt
Die bürgerlichen Kreise folgen auch jetzt noch in zweiter Linie :
vom J. 1550 ist ein Haus in Weiss enburg, vom J. 1552 das
Rathhaus zu Mühlhausen zu verzeichnen; in Luzem entsteht
1557 von italienischer Hand der Prachtbau des Ritterschen Hauses.
Seit den sechziger Jahren gewinnt die Bewegung an Kraft
und Umfang besonders dadurch, dass fortan auch das Bürgerthum
sich mit grösserem Nachdruck dabei betheiligt' Mit 1560 ist
der Neubau des Schlosses zu Dargun bezeichnet; 1562 liest
man an der prachtvollen Treppe des Schlosses zu Göppingen;
seit 1564 erheben sich die reich geschmückten Arkaden des
Hofes der Plassenburg; mit demselben Datum (1564) sind die
schönen Portale zu Neuen stein bezeichnet; 1565 liest man
am Schlosse zu Bernburg, dasselbe Datum findet sich in der
prachtvoll decorirten Schlosskapelle zu Celle, und 1569 tritt
der omamentirte Backsteinbau noch einmal zu Gadebusch auf.
In demselben Jahre beginnt der Umbau des Schlosses von
Heiligenberg. Von städtischen Bauten ist zunächst das Rath-
haus zu Altenburg von 1563 zu nennen; gleich darauf folgt
die elegante Rathhaushalle zu Köln, während seit 1566 Lüne-
burg die reiche Ausschmückung seines Rathssaales beginnt,
Schwein fürt 1564 sein Mühlthor erbaut
Die siebziger Jahre bringen schon ein Ueberwiegen der städ-
tischen Unternehmungen, besonders in AufRLhrung oder reicherer
Ausstattung der Rathhäuser. Seit 1570 errichtet Lübeck den ele-
ganten Hallenbau seines Rathhauses; aus demselben Jahr datirt
966 ^^ Bach. Benaissance in Deutschland.
der Neubau zu Sehweinfurt Seit 1572 geht Rothenburg
an die Errichtung seines dem älteren gothischen Bau vorgelegten
Rathhauses, und fügt dazu seit 1576 umfangreiche Bauten am
Spital. Ebenso erhebt sich 1574 das ansehnliche Kathhaus zu
Emden. Das Hopfsche Haus in Rothenburg tiü.gt die Jahrzahl
1571, am Haus zum Ritter in Schaffhausen liest man 1570.
Der originelle Erker in der Martinskirche in Colmar ist mit 1575
bezeichnet, die Geltenzunft in B a s el mit 1578. An fflrstlichen Bauten
finden wir aus derselben Zeit nur das Schloss zu Offenbach
von 1572, den Schlosshof zu Stettin von 1575, die Bauten an
derTrausnitz von 1578 und aus demselben Jahr die Maxburg
in Mtlnchen.
Den spätem Verlauf weiter mit Daten zu belegen ist nicht
von Interesse. Die Bewegung wird immer breiter, zieht alle
Kreise zu wetteifernder Betheiligung heran ; aber selu* bald läuft
sie in den derben Schwulst des Barockstils aus.
Damit schliesse ich meine Arbeit, deren Mängel und Lücken
Niemand besser kennt als ich selbst Allein es war Zeit endlich
einmal diesen Gegenstand zu untersuchen und eine zusammen-
hängende Darstellung zu wagen, wenn uns nicht der Vorwurf
gemacht werden sollte eine der wichtigsten Epochen unsrer Ge-
schichte nur mangelhaft zu kennen, namentlich von der architek-
tonischen Ausprägung, welche sie gewonnen hat, keine Ahnung
zu besitzen. Selbst nach dem unvollständigen Material, das mir
zu Gebote stand und hier zur Verwerthung gekommen ist, muss
Jedermann den Eindruck einer ktintlerischen Bewegung von
seltener Kraft, Mannigfaltigkeit und Intensität bekommen haben.
Während der künstlerische Genius DeutscKlands nach dem Hin-
gange Dttrer's, Holbein's und der an ihnen herangebildeten Gene-
ration sich von der Malerei abgewendet, wirft er sich mit ganzer
Kraft auf das Gebiet der Architektur und der damit verbundenen
dekorativen Künste. Seit 1540, hie und da auch schon früher,
entsteht eine immer allgemeiner werdende Lust am Bauen und
Meissein, die zu einer originalen Umbildung der Architek-
tur führt
Diese interessante, bis jetzt noch nirgends in ihrer ganzen
Kraft und Tiefe erkannte Wandelung des künstlerischen Ver-
mögens der Nation hängt innig zusammen mit der einerseits
durch das klassische Alterthum, andrerseits durch die Reformation
herbeigefbhrten Umgestaltung der Lebensanschauungen, die zum
Nachtrag und Nachwort. 967
ersteimial im Norden das Aufbltthen einer eigentlichen Profanr
kunfit heryorrief. Dazu kommen fördernde Verhältnisse äusserer
Art: in den St&dten ein durch Handel und Oewerbthfttigkeit
reich gewordenes Bttrgerthum, das für seine gesteigerten und
verfeinerten Lebensbedürfnisse im Bau und der glänzenden Aus-
stattung prächtiger Wohnhäuser einen Ausdruck suchte, zugleich
kurz Yor dem Zusammensturz der alten reichsstädtischen Macht
und Herrlichkeit diese noch einmal in grossartigen Bathhäusem
und anderen öffentlichen Bauten verkörperte. Daneben das mo-
derne Fttrstenthum, damals eben zu selbständiger Bedeutung er-
starkt, voll Eifer nicht blos sein höfisches Leben der feiner ge-
wordenen Sitte und einer allgemeineren Bildung anzupassen,
sondern auch den Begriff der modernen Fürstengewalt in staat-
lichen Neugestaltungen, in Recht und Verwaltung, in Kirche und
Schule festzustellen und dies ganze vielseitige Streben durch An-
lage glänzender Schlösser, Lusthäuser und Gärten, aber auch
durch Gebäude ftlr die Verwaltung, für Schule und Kirche zum
kräftigen Ausdruck zu bringen. Im Verlaufe der Entwickelung
schliesst sich dann der Landadel diesen Bestrebungen wetteifernd
an und verwandelt seine mittelalterlichen Burgen in stattlich ge-
schmückte Herrensitze. Rechnen wir dazu die unabsehbare Zahl
von Grabdenkmälern jeglicher Art, welche der religiöse Sinn in
eigenthümlichem Bunde mit der gesteigerten Werthschätzung der
Persönlichkeit überall hervorbringt, endlich die nicht geringe Reihe
von Werken kirchlich dekorativer Kunst, von Kanzeln, Altären,
Lettnern, Sakramentsgehäusen, Orgeln u. dgL, welche immer noch
verlangt und ausgeführt wurden, so haben wir eine Erscheinung
von kaum übertroffener Mannigfaltigkeit. Erst indem wir diese
Welt von Schöpfungen erkennen und würdigen, bemächtigen wir
uns eines unentbehrlichen Materials für das Verständniss der
grossen Kulturbewegung des 16. Jahrhunderts.
Aber auch die rein ästhetische Seite des Gegenstandes darf
nicht unterschätzt werden. In unsrer schulmässigen Bildung sind
wir gar zu schnell geneigt, nach dem Gesichtspunkt sogenannter
Stilreinheit alle Schöpfungen zu beurtheilen. Wir merken nicht
dass es gar oft nur die künstlerische Impotenz ist, welche in
solcher formellen äussern Correctheit einen Deckmantel für ihre
Armuth sucht. Gorrekt sind nun die Werke unsrer deutschen
Renaissance noch weit weniger als die der französischen; auch
von Stilreinheit kann kaum die Rede sein, wo der ganze Verlauf
der Entwickelung darin besteht, dass sich die mittelalterliche
Tradition mit der antiken Formenwelt, dass sich die heimische
Sitte des Nordens mit der Kunst des Südens in Ausgleich setze.
968 in. Bach. Renaiasance in Deutachland.
Wer aber das Weaentliche in den künstlerischen Schöpfungen zu
erkennen weiss, der wird durch die Fülle von origineller Kraft,
ja durch die naive Genialität in dieser Welt von Kunstwerken
überrascht und lebhaft ergriffen sein. Da ist nirgends ein schab-
lonenhaftes Copiren, überall individuelle Freiheit, Frische der
Oonception, lebensvolle Kraft der Ausführung. Alles aber beruht
auf dem soliden Grunde eines gesund entwickelten, künstlerisch
inspirirten Handwerks, das bis in die letzten Theile der Ausstat-
tung sich in seiner ganzen Tüchtigkeit offenbart und den Werken
dieser Epoche einen beneidenswerthen Hauch von Ursprünglich-
keit und Anmuth verleiht Wo solche Vorzüge eine Welt von
Kunstschöpfungen auszeichnen, — mag sich auch das Form-
gepräge innerhalb einer durch die Schranken der Zeit und des
nationalen Bildungsstandes bedingten Auffassung bewegen, die
nicht mehr die unsrige sein kann, — da ziemt es sich für uns
wohl, den grossen wesentlichen Zügen einer solchen lebensvollen
Epoche in gebührender Selbstbescheidung gerecht zu werden.
Verzeichnisse zum fünften Bande.
(Geschichte der Benaissance. Drittes Bach: Deutschland.)
A. Ortsverzeichniss.
A.
Aartn.
Glasmalereien aus dem Kloster
Muri 127.
Allendorf.
Fachwerkbauten 909.
Altenbury.
Rathhaus 810.
Schloss 813.
Privatbau 810. •
AKorf.
Privathaus: Holzschnitzerei 95.
Zinmier- Einrichtung 244.
AHberjB.
Bezirksgericht 287.
Gebäude f. d. LandescoUegien 286.
Rathhaus 287.
Schloss CAppell-Gericht) 286.
Tanzhäuser 288.
Zeughaus 288.
Privatbau 287.
Anbras.
Burg 617. Oefen 618.
Andemaoh.
Der Leyische Hof 939.
Annaberg. (Sachsen).
Schloss 777.
Stadtkirche: Hauptaltar 775. Sa-
cristeithür 775.
Annaberg. (Vintschfau).
SchloBskapelle: Altartafel 616.
AsohalTenburg.
Schloss 204. 253. 446.
Stiftskirche: Grabmäler 81.
Aasen. (Westphalen).
Schloss 911.
Anflsbnrg.
Allgemeines 403 u. f.
St. Anna: Thurm 414.
Augustusbrunnen : Prachtgitter
111.
BarfÜsser-Kirche: Gestühle, Gitter
411.
BarfOsser-Brücke 415.
Beckenhaus 414.
Brunnen 212. 422.
Dom: £isengitt;er 111. Gitter und
Epitaphien 411.
Fagaden -Decoration 4L0.
Fa^en, gemalte 198. 200. 323. 409
u. f.
Fleischhalle 210.
Fuggerhaus: 404 u. f. Wandge-
mälde 200.
Gärten 215 u. f.
Gemälde-Galerie M. 52. (2.)
Giesdiaus 413.
Maximilians -Museum 406. Erker
186.
Rathhaus 207. 415 u. f. Intarsien
95. Oefen 120.
Schlachthaus 415.
Siegelhaus 414.
Spital, das neue 422.
St. Ulrich: Chorstühle, Beicht-
stühle, Schränke, Decoratioi^ etc.
411.
Weberhaus: Wandmalerei 200. 409.
Weiserhaus 408.
Zeughaus 210. 414. Geschützrohre
114.
Privatbau 408.
970
A. Ortoverzeichniss.
AugustHSburg.
Schloss 777.
Aulendorf.
Schlossgarten : Eisengitter 111. 388.
B.
Babenhausen.
Schloss (Kaserne) 445.
Privatbau 446.
Baobaraoh.
Holzbau 951.
Baden-Baden. 7
Schloss 264 u. f.
Balreirth.
Die alte Residenz 514.
Bamberg.
Dom: Grabmal 82.
Alte Bischöfliche Residenz 506.
Handelsschule 509.
Mauth- Gebäude 509.
Michaelskloster 509.
Neptunsbrnnnen 509.
Rathhaus 509.
Stift St. Gangolph 509.
Stift St. Jacob 509.
Stift St. Stephan 509.
Privatbau 509.
Basel.
Brunnen 163. 212. 228.
Gemalte Facaden 198.
Bärenfelser Hof: Holztäfelung 230.
Geltenzunfthaus 228. Fenster 176.
Museum: M. 59. 60. 69. 70. 71. 74.
Rathhaus 227. Glasgemälde 127.
227. Holztäfelung 227. Gross-
raths-Saal, M. 63.
Schützenhaus: Glasmalerei 127.
Spiesshof 230. Fenster 176. Holz-
täfelung, und Holzdecken 230.
Bebenbausen.
Kirche: Kanzel 324.
Fürstliche Bauten 324. Holztäfe-
lung, Holzdecken, Truhe 324.
Benaen (bei Bronnbach).
SchlöSBchen 644.
Borofatesgaden.
Gemalte Fa^ade 562.
Berlin.
Kön. Schloss 706 u. f. Silberpokal
710. Schwerter 711.
Kön. Marstall 709.
Kupferstich-Kabinet M. 63.
Museum : Pommerischer Kunst-
schrank 726.
Neues Museum : Knnstschränke 98.
Schinkel- Museum: Sc. 70.
Bemburg.
Schloss 844.
Bibliothek Sc. 69.
Privatbau 845.
Bevarn (bei Holzminden).
Schloss 858.
Biberaeb.
Privathaus: Portal 171. 388. Dec.
176.
Bielefeld.
Privatbau 917.
Birkenwald. (Elsass).
Schloss 262.
Biscbof-Telnitz.
Schloss 644.
Bittburg.
Kobenhof 947.
Blatna. (Böhmen).
Schloss 644.
Booholt
«Rathhaus 922.
Bolkoburp bei Bolkenhain. (Schlesien).
Sgrafnto- Decoration und farbige
Fresken 201.
Boppard.
Karmeliter -Kirche: Grabmäler 82.
83. 940.
Holzbau 949. 951.
Fensterbrüstungen 950.
Bozen.
Pfarrkirche 611. Epitaph 612.
Hauptportal 612.
Schloss Runkelsteln, siehe R.
Privatbau 612.
Brake bei Lemgdt
Schloss 9U.
Braunaobwelg.
Burg 878.
Gewandhaus: Giebel 184. 878.
Ehemal. Gymnasium 877.
Neustädter Rathhaus, Sitzungssaal
Dec. 879. Alterthttmer-Sammlung
873.
Die alte Waage 873.
Fachwerkbau 193.
Privatbau 871 u. f.
Brauweller.
Abteikirche: Altäre 939.
Bremen.
Komhaus 762.
. Krameramthaus (jetzt Gewerbe-
haus) 766.
Rathhaus 758.
Schütting 762.
Stadtwaage 762.
Privatbau 765.
Bremmen a. d. Mosel.
Holzbau 951.
Brealau.
Dom : Portal 645. 652. Grabmal 648.
Elisabethkirche : Thurm 667. Grab-
A. OrtsYerzeiehnias.
971
mSler und Denktafeln 644. 651.
652. 658. 664. Hochaltar 648.
Kreozkirche: Grabmal 661.
Magdalenen - Kirche : Thorm 668.
Denktafeln und Epitaphien 652.
653. 664. Portal 664.
Kapitelhaas 645. 654.
Alterthums-Mogeum Sc. 652. 668.
Ohlauer Thor 675.
BathhauB 645. 648. 653. 656.
Privatbaa 645. 649. 654. 661 n. f
665.
Brleg.
Piasten-SchloBB 649. 674. n. f.
Fenster 172. Portal 172. S&ulen-
arkaden 163. Sgraffito -Decorar
tion 201.
Rathhaus 683.
Gymnasium 683.
Stadtschule 675.
Privatbau 649. 683.
Brixea.
Dom 615.
Bischöfl. Palast 615.
Privatbau 615.
SchloBs Yelthuma, siehe V.
Bruchsal.
Privathaus: Portal 274.
Brock bei Lienz.
• Schloss M. 618.
Brück a. d. Mur.
Brunnen mit Eisengitter 111. 595.
Brfinn.
Privatbau 643.
Bribc.
Rathhaus 638. 642.
Bachsbelm.
KarthSuserkirche : Ghorstühle und
Hochaltar 956.
BMngea.
Stadtkirche: Grabmal 911.
Oberhof 910.
Privatbau 911.
Bttdwels.
Privatbau 643.
BiOach. (Schweiz).
Rathhaus: Einrichtung 249.
Bitow.
Schloss 728.
C.
Calcar.
Hobsschnitzaltäre 925.
Caimaiatt.
Kirche: Thurm 218. 343. 376.
Privatbau 183. 184. 377.
Cassel.
Martinskirche: Grabmal 908.
Marstall 908.
Renthof 908.
Schloss: Lustgarten 215.
Privatbau 908.
Celle.
Stadtkirche 851. Grabmäler 851.
Schloss 847. Kapelle 850.
Rathhaus 851.
Privatbau 852.
Coblenz.
Jesuitenkirche 939.
JesuitencoUegium 940.
Privatbau 939.
Coburg.
Moritzkirche: Grabmäler 839.
Ehrenburg 836.
Gymnasium 210. 839.
Regierungsgebfiude 210. 839.
Zeughaus 210. 389.
Die Veste 836. Intarsien 95. Ofen
119.
Colnar.
Privatbau 171. 183. 184. 186. 257
u. f. Gemalte Fanden 200.
Constanz.
Dom: Kapellengitter 111. 280.
Rathhaus 279. Fenster 176. Ein-
richtung 279. 280.
Privatbau 280.
Cöthen.
Schloss 843. Lustgarten 215.
Privatbau 844.
Craiiuen bei Schlawe.
Schloss 710.
Culmbaoh.
Stadtkirche 514.
Bezirksamt 514.
Plassenburg siehe P.
D.
Daobau.
Schloss: Holzplafond 95.
Dachsolder.
Schloss 286.
Danzig.
Klosterkirche: Holzsculptur 92.
Beischläge 715.
Das Englische Haus: Portal 162.
171.
Die Lange Gasse 716.
Altstädter Rathhaus 722. Thttrme
207. Gewölbe 208.
Rechtstädt. Rathhaus 718 u. f.
MttUergewerkhaus 724.
Thore 212. Das Hohe Thor 212.
722.
Zeughaus 193. 210. 722. Fenster
176.
972
A. OrtsyerzeichiiiBs.
Privatban 166. 223. 718. Holz-
schnltzwerk 95.
Dargoi.
Schlossbanten 189. 744.
Darnstadt
ßrossherzog^. Schloss 442 u. f.
RathhauB 444.
Privatban 445.
Deintoliwano.
Schloss 286.
DMtau.
Herzogl. Schloss S39.
Rathhaus 842.
Privatban 842.
Dettelbach.
Wallfahirtskirche 456.
Dinkelabähl.
Privatban 166. 198.
Donaiesohlmeii.
Fttrstl. Galerie H. 78.
DonaiwSrth.
Fnggerschloss : Holzdecke 95.
Dortnund.
Marienkirche: Orgelempore 925.
Rainoldikirche : Thnrm 925.
Privatban 922.
Dresden.
Kön. Schloss 156. 158. 160. 203.
775. 777. 785 n. f. Stallhof 794.
Bibliothek: Handzeichnungen etc.
75. 134.
Knnstkammer 777.
Kupferstich- Kabinet: Handzeich-
nnngen 150.
Lnsthans anf der Jungfembastei
777.
Historisches Museum: Waffen u.
KunstgewerbL (Gegenstände 99.
104. 105. 113.
Privatbau 795.
Düsseldorf.
Stadtkirche: Grabmal 925.
Ebemdorf.
Kirche: Grabmäler 602.
Ebretehsdorf bei Wiener Neustadt.
Schloss 589.
Friedhof: Grabmal. 589.
EiMbiirii bei Graz.
Schloss 601.
Privatbau 592.
Das gemalte Haus 592.
Kosenburg, siehe R.
Burg Schleinitz, siehe S.
Ebrenbury bei Brunecken.
Schloss: Sgraf&to-Decor. 619.
Eiobsttdt
Kirche des heil. Grabe84 21.
Schloss auf dem Trillibald8berg421.
Eislebeii.
Andreaskirche: Kronleuchter 834.
Bop bei Winterthnr.
Schloss: Einrichtung 125. 249..
Eltville. (Ellfeld).
Privathaus 428.
Eaden.
Die neue Kirche 770.
Grosse Kirche St. Cosmaa und
Damianus: Grabmal 770.
Brücke 769.
Rathhaus 766.
EaMsrieb.
Kirche: Taufkessel 925.
Ensisheiiii. (Elsass).
Rathhaus 952.
Privatbau 955.
EppfaiQeB.
Privathaus 193.
Erftirt
Dom: Epitaphien und Taufstein
831.
Michaelskirche» Grabstein 828.
Severikirche: Kanzel 831.
Privatbau 825 u. f.
Ettltaioeii.
Schloss: Brunnen 956. •
F.
Feisenbery bei Graz.
Schloss 601.
Frankftart a. M.
Brunnen 437.
Der Römer 432.
Privatbau: 183, 193. 197. 433 u. f.
Frelbery.
Dom : Grabmfiler 87. 776. 799. Chor-
gitter und Kanzel 800.
Rathhaus 799.
Privatbau 798.
Frelburg i. Br.
Münster: VorhaUe 278. 956.
Rathhaus 277.
Universit&t 277.
Privatbau 277. 956.
Frelenstein.
Rohr*sches Haus 710.
Frelsing.
Dom 521. Kapellengitter 111.
Residenz 156. 167. 519 u. f. Kapelle
521.
Freudenstadt
Kirche 127.. 136. 217. 218. 321.
333 u. f.
A. OrtsyeneichniM.
973
Stadt- Anlage 332.
Kaufhaiu (OberamtsgebSnde) 333.
Marktplatz 332.
Oeffentliche GebSude 321.
Rathhans 333.
Spital 333.
Thore 212.
FreMfenateiii bei Freiberg.
SchlosB 777.
Friadentteia bei Gotha, siehe Gotha.
Friedland.
SchloBS 644.
Friesaoli.
Kirche': Grabmfiler 602.
Brannen 611.
Fritzlar.
Kaserne 909.
Firatenrled.
Schlossgarten 216.
FlrtteDwald.
JagdschlosB 286.
G.
tedebMOb bei Schwerin.
Schloss 189. 743.
Bathhans 744.
8L Gallen.
£rker in Holz geschnitzt 249.
, Bei Herrn Kaomann Meyer: Glas-
malerei aus dem Kloster Bat-
haosen 127.
Gmlng.
Klostergebände 589.
Gemsbach.
Bathhans 176. 184. 186. 277.
GIfliom.
Schloss 853. •
Gitsobin.
Waldstein -Schloss 644.
Giribid. (Schwab. — }
Heil. Geist-Spital 384.
KomhauB 384.
Brunnen 163. 212. 387.
Privatban 384 387.
GSilersdorf.
Schloss 588.
GBppIngea.
Schloss 203. 321. 323.
GSrfltz.
Bathhaus 695 n. f. 776.
Privatban 699 n. f.
Goslar.
Fachwerkbau 193.
Gettuu
Kunstkammer: Werke der Klein-
kunst 833.
PostgebSude: Portal 832.
Rathhaus 832.
Schloss Friedenstein 832.
Privatban 832.
Gotteaan bei Carlsruhe.
Schloss 263.
Graz.
Burg 599. Oefen 592.
Lanahaus 595. Wasserspeier 112.
Ziehbrunnen 596.
Mausoleum Kaiser Ferdinands IL
599.
Privatbau 599.
Schloss Eggenburg, siehe E.
Schloss Felsenburg, siehe F.
Greifenatein, Burg. (Schlesien).
Sgraffito- Decoration 201.
Groaaheubacb bei Miltenberg.
Erker 197.
Groas-Steinbelm.
y. Hntten*sches Haus 431
Grinaa bei Neuburg a. D.
Jagdschloss 296.
Grunewald bei Berlin.
Jagdschloss 710.
GnMau bei Nimptsch.
Schloss: Portal 694.
auairow.
Dom : Prachtgitter 742. Kanzel 743.
Pfarrkirche: Kanzel, Empore und
Stuhlwerk 743
Schloss 737 u. f. Stuckdeooration
741.
H.
Halnbury bei Neumarkt.
Schloss 286.
Halberstadt
Petershof 885.
Rathhaus 882.
Bathskeller 880.
Schuhhof 881.
Steneramt 885.
Privatbau 197. 198. 880 u. f. 885.
Hall. (SchwSb. — )
Privatbau 197. 323.
Halle a. d. S.
Dom 817. Kanzel und Decor. 816.
Marienkirche (Marktkirche) Decor.
818.
Moritzkirche : Kanzel 81 8.
Ulrichskirche : Tabernakel und
Kanzel 818.
Friedhof 820.
Moritzburg 817.
Rathhaus 819.
Die alte Residenz 817.
Stadtwaage, (jetzt Schule) 819.
Privatbau 819.
974
A. Ortoveraeiohiiisfl.
Htllstadi
G^thof zur Poit: Hanaglocke
112. 574.
Hambury.
K&tharinenkirche: Thurm 757.
Privatbau 757.
NmMa.
HochzeitBhaas 184 900.
BattenfÜngerhaiu 184. 899.
Priyatbau 899.
mnelachenburg bei Hameln.
SchlofiS 854 o. f.
Haanover.
Leibnitehaofl 184. 186. 895.
Privatban 895. 899.
Heblen.
SchloM 858.
Heidelberg.
SchlosB 286. 297 u. f. Friedrichs-
ban 166. 175. 176. 177. 184. 312.
Kapelle 21 7. Otto - Heinrichabau
158. 164. 165. 166. 175 176. 302
u. f. 306. Bndolfsbau 300.
Rapprechtsbau 300. Der eag-
liBche Bau 316. Köni^^pMaal 300.
Terrasee 316. Gartenanlageii
215. 317.
Hana Bmn Bitter 184. 186. 318.
Privatban 319.
Kilianskirche 156. 218. 320. 377.
DeatschordenahaoB 383.
Fleischhalle 210. 381.
Katharinenspitai 166. 172. 184. 381.
Oberamtsgebäude 381.
Rathhaus 207. 378 u. f.
Privatban 383.
HelUgenbery.
SchlosB 95. 217. 281 n. f.
HeMbory bei Hildbnrghansen.
Schloss 834.
HelmatiUlt.
Ehemal. Universität (Jnlenm) 859.
Herford.
Nenstädter Keller 914.
Rathhaus 944.
Ziehbrunnen am Markt 914.
Privatban 917.
Hersfeld.
Rathhaus 909.
Hlldeshelm.
Dom : Lettner 893.
Brunnen am Markt 893.
Kaiserhaus 891.
Knochenhauer- Amtshaus 887.
Templerhaus 892.
Privatbau 193. 887. 889 u. f.
HIrsau.
Jagdschloss 321. 324.
Hb*achwald bei Amberg.
SchloBS 286.
Hohenelbe.
Privatbau 644.
Hollenefg. (Steiermark).
Schloss: Oefen 592.
HSxter.
Privatban 900.
HOlaede bei Lauenan.
Schloss 858.
Jena.
Burgkeller 831.
Privatbau 831.
Jever.
Kirche: Grabmal 772.
Schloss: Holzdecke 774.
lagolatadt.
Obere Pfarrkirche St. Maria: Glaa-
gemälde 128. Hochaltar 220.
Innabrvok.
Franziskaner -(Hof-) Kirehe 616.
Eisengitter 616. Denkmal Maxi-
milians 88. 617.
Landschaftshaus 617.
Museum: AHar^f«1616.
Postgebftude 617.
Schloss Ambras, siehe A
Joob. (Rheinland).
Stadtthor 925.
Privatbau 925.
Johanniaberg bei Neisse.
Schloss 645. 652.
Iscbl.
Hausgloden 112.
JOIIch.
Rathhaus 925.
K.
Kaiaersberg.
Privatbau 955.
Kempen a. Rh.
Kirche: Orgelgehäuse 925.
Kledriob.
Rathhaus 431.
KIrcbbauaen.
Schloss 445.
Kiaalegg.
Ofen 119. 388.
Klagenfbrt.
Brunnen 603. 611.
Landhaus 609.
Rathhaus 609.
Privatbau 610
A. OrtSTerseichnisB.
975
Klaiisenbory.
Kirche: Portal 566.
Klosterneobury.
Conventgebäude 589.
K5III.
Dom: Epitaph 927. Grabmal 928.
St Georg: Portal, Sakraments-
gehäuse 928.
St. Gereon : Epitaph 928. Inne-
res 929.
Jesnitenkirche 929.
Kapitolskirehe : Lettner 927.
Maria -LyBkirchen: Orgel, Holz-
thür 929.
StSdt. Museum: Grabmal, Kamine
928.
Rathhans 158. 171. 930. 936 u. f.
Zeughaus 937.
Privatbau 937.
KSnigawntterhaBaM.
Schloss 710.
KMi (Böhmen).
Schloss: Thnrm 644.
Krakan.
Dom: Jagellonische Kapelle 566.
570.
Schloss 570 (2).
Tuchhalle 638.
Sgraf&to- Reste 201.
Krems.
Privatbau 592.
Krumau.
(Böhmen). Schloss 644.
Kattenberg.
Privatbau 643.
Landsbut.
Bezirksamt 531.
Landsehaftshaus (jetzt Post) 531.
Residenz 157. 292. 522 u. f. Holz-
decke 95.
Trausnitz 531 u. f. Geschnitzte
Bilderrahmen 209. Oefen 119.
Pfeilerarkaden 167. Rittersaal
203.
Lautershofen.
Schlösschen 286.
Leipzig.
Fürstenhaus 184. 186. 806.
Pleissenburg 805.
Polizeiamt 805. Rathskeller 805.
Rathhaus 184. 802.
Privatbau 186. 801. 809.
LsHmeriti.
Rathhaus 643.
Leitzkao.
Schloss Mtinchhausen 710.
Lengo.
Hauptsteueramt 913.
Rathhaus 911.
Privatbau 913.
St. Leonbard.
Kirche: GrabmiUer 602.
Letziingen.
Schloss 710.
Liobtetfeide.
Schloss 710.
Liebenstein.
Schlosskapelle 165. 166. 172. 217.
218. 383.
Liegnitz.
Schloss 649. 668 u. f.
Gymnasium 672;
Privatbau 649. 672 u.f.
Sgrafifito-Dekoration 201.
Unz.
Museum: Gemalte Fayence-Oefen
590.
Lobr.
Bezirksamt (früh. Schloss) 451. 452.
Rathhaus 207. 209. (2) 450 u. f.
London.
British Museum : A. 64. Sc. 69. M.
70. 75. 134.
Kensington-Museum : Schild 106.
Loroh a. Rb.
Kirche: Grabmal 83.
Hilchenhaus 428.
USwenberg. (SchlesieB)
Sgraffito-Decoration 201.
Lübeck.
Dom : Grabmäler , Kronleuchter
752.
Aegidienkirche : Orgel, Lettner,
egi
Kronleuchter 752.
Bremer Kapelle: Bronzegitter 752.
Jacobikirche : Orgel, Kronleuchter
752.
Marienkirche: Inneres 752.
St. Peter: Kronleuchter, Gitter
752.
Haus der Kaufleute, Decor. 75t.
Rathhaus 747. 748.
Zeughaus (ehemal») 748.
Privatbau 95. 749 u. f.
Lüneburg.
Johanniskirche : Grabmal, Chor-
stüfale etc. 756.
Rathhaus 754 u. f. Silberkammer
756.
Rathsapotheke 754.
Springbrunnen 756.
Privatbau 753.
Lyz(Aii.
Antoniuskapelle 235.
Franziskanerkirche, Dec. 235.
976
A. OrtsverzeiebDiM.
Stiftskirche: Taufsteingitter 235.
Friedhof. : Arkaden 234.
Bathhaus 233.
Begiernnfsgebäude 233. 952.
Gemalte Facaden 198.
Privatban 58. 226. 230.
Magdeliiira.
Dom: Grabmal 78.
Mainz.
Dom: Chorstühle 92. 427. Grab-
mal 83.
Erzbischöfl. Schloss 425.
Gynmasiam 426.
Judenbrunnen 211. 425.
Ehemal. Universität (Kaserne) 426.
Privatbau 426. 427.
MarlNiro. (Hessen).
Herrenmühle 909.
Kathhaus 909.
Regierungsgebftude 909.
Privatbau 910.
Marbura. (Steiermark).
Kathhaus 600.
Privatbau 601. .
Riegersbnrg, siehe R.
Markgrilninoeii.
Brunnen 21t.
Markttreit.
Landgerichtsgebände 453.
Bathhaus 452.
MayeiilNirg bei Völlau.
Schloss 618.
Melsenheln.
Kirche: Epitaphien 940.
Meiiaen.
Dom: Grabplatten 797.
Albrechtsburg 775.
Privatbau 797.
Melleiitliin.
Schloss 727.
Heran.
Altes Schloss 618.
Mergentheim.
Schloss: Treppen 203.
Deutschordens -Schloss 468.
Merseburg.
Dom: Kanzel 823.
Schloss 821 u. f. Ziehbrunnen 823.
Metz.
Kathedrale 253.
Miohelatatten.
Schloss 589.
MMIstadt.
Kirche: Grabmäler 602. *
Minden.
Bathhaus 918.
Privatbau 918.
M8lk.
Schalaburg, siehe S.
Molshelm.
Fleischhalle 26t.
MSrsbnrg. (Schweiz).
Oefen 122. 249.
Mdskiroh.
Kirche: Grabplatte 82.
MOMhtusen. (Ebass).
Bathhaus 171. t76. 254 u. f. Ge-
malte Fa^ade 184. 200. 256 n. f.
Glas- und Wandgemlilde 257.
MOnohen.
Frauenkirche: Grabmonument 88.
Kapellengitter 111.
Michaels-Hofkirche 541 u. f. Chor-
stühle 92. Thurm 218.
Akademie der Künste (ehemal. Je-
suitencolleginm) 210. 545.
Fleischhalle: Prescomalerei 562.
Der alte Hof (Ludwigsburg) 546.
Kupferstich-E^binet: Entwürfe zu
Küstungen 106.
Mariensäule 163. 562.
Maxburg 546. gemalte Fa^ade 201.
Der alte Münzhof.. 163. 540.
Nationalmnseum: Kunstge-
werbl. Gegenstände, Waf^n,
Schmuck etc. 95 97. 98. 99. 103.
104. 106. 113. 119. 131. 132.
Pinakothek M. 57. 77. (2).
Beeiden z 546 u. f. 553. Details
172. 181. 209. Brunnen im Hof
212. Gemalte Facaden 201. Grar-
ten 216. Grottenhof 555. Kaiser-
vestibül 555.
Schloss kapeile 219. Glasge-
mälde 128.
Schatzkammer: Schmuck-
gegenstände 103.
Die sogen. Neue Veste 546.
Bei Herrn von Hefner-Alten-
eck: Entwürfe zu Schmuck-
gegenständen 103. 104.
Minden.
Blasiuskirche : Epitaph und Orgel
903.
Schloss 900.
Bathhaus 902.
Privatbau 902.
Münster.
Dom: Epitaphien, Altäre, Elapitel-
saal 922.
Bathhaus 922.
Stadtweinhaus (Stadtwaage) 921.
Privatbau 921.
Mnran. (Steyermark).
Schloss 601. Oefen 592.
B. Yerzeichnisa der Künstlernamen.
' 977
Kloster: Glasmalerei 127.
N.
Nabbnrg.
Bathhaus 288.
NSfels.
Gememdehai^s 247. Details der Ein-
richtung 95. 126. 226. 247.248.
Negau. (Steyermark).
Schloss 601.
Neisae.
Pfarrkirche: GrabmSler 686. Eisen-
gitter 689.
Rathhaus 687.
Stadtwaage 687.
Breslauer Thor 689.
Ziehbrunnen 689.
Privatban 649. 688.
Neuburg.
Schloss 290 u. f. Details der Ein-
richtung 294.
Nettenstein.
Schloss 958.
Neuham. (Böhmen).
Schloss 644.
Neuhaus. (Westphalen).
Schloss 911.
Neumarki
Schloss 285. 288.
NeuDkirchen. (Niederösterreich).
Ziehbrunnen- Gitter 111.
Neustadt am Waldnab.
Schloss 288.
Nikolsburg.
Schloss 644.
Nifliptsch.
Schloss 675.
Nordhausen.
Rathhaus 833.
NSrdlingen.
Rathhaus 387. Freitreppe 207.
Schulhaus 387.
Reimlinger Thor 387.
Nürnberg.
St. Sebald: Sebaldusgrab 78. 218.
Brunnen 212. 505.
Festungswerke 505.
Fleischbrticke 505.
Fleiscbhalle 210.
German. Museum: KunstgewerbK
GegenstSnde 102. 119. 120. 121.
Rathhaus 74. 82. 168. 207 (2). 208.
500 u. f. Brunnen 82. In der
Städtischen Sammlung: silberne
Becher 102.
Stadtmauern 212.
Kngler» Gesoh. d. Banknnit Y.
Thürme 212. 505.
Das alte Zeughans 505.
Privathäuser, Details und Ein-
richtung derselben 95. 119. 156.
166. 167. 172. 184. 186. 204. 486
bis 500.
Bei Herrn Merkel: Tafelaufsatz 102.
Bei Herrn Bürgermeister von Stro-
mer: Nachlass von W. I. Stro-
mer 222.
Bei Nürnberg:
Gleishammer 500.
Lichtenhof 500.
Schoppershof 500.
Nymphenourg.
Schlossgarten 216.
0.
Oberbnrg.
Kirche 601.
Oberebnbeim. (Elsass).
Brunnen 211. 261.
Die alte Komhalle 261.
Rathhaus 261.
Oberlabnstein.
Holzhaus 950.
Oberstrass (bei Zürich.)
Oefen 125.
Oberwesel.
Stiftskirche: Grabmal 83 (2).
Oohsenfiirt
Rathhaus 452.
Privatbau 452.
Oebringen.
Kirche, Grabmal 944.
Oels.
Pfarrkirche: GrabmSler 694.
Schloss 649. 689.
Offenbaoh.
Isenburg^sches Schlösschen 438.
Oldenburg.
Rathhaus 771.
Schloss 770.
Olmiiz.
Rathhaus 643.
Privatbau 643.
Osnabrfick.
Privatbau 920.
Oxford.
Bodleianische Bibliothek, M. 69.
P.
Paderborn.
Rathhaus 918.
Pansin bei Stargard.
Schloss 727.
62
978
A. Ortsverzeichniss.
Pforzheim.
Stiftskirche: GrabmSler 84.
Pfrelmdt
Franziskanerkirche 288.
Stadtkirche 288.
SohloBS 288.
Pilsen.
Privatbau 643.
Plassenbury.
Schloss 509 u. f. Details 167. 171.
203.
Plathe.
Schloss 728.
P5llau.
Kirche 601.
Poaen.
Rathhaus 705.
Prag.
Dom: Eisengitter 111. 641.
Belvedere^im Baumgarten 210. 624.
Belvedere Ferdinands 1. 626/Spiing-
brunnen 633.
Hradschin 624. Erönungssaal 622.
624. Wladislawsaal §66.
Altstädter Rathhaus 638.
Palast Schwarzenberg 638. Sgraf*
fito-Decor. 201.
Palast Waldstein 641. Halle 641.
Ziehbrunnen auf dem kleinen Ring:
Eisengitter 641.
Privatbau 641.
Bei Prag:
Jagdschloss zum Stern 633 u. f.
Pragflial. (Unteröstreich).
Schloss 590.
Pudaala a. d. Insel Usedom.
Schloss 727.
PurQlitz bei Rakonitz.
Burg: Rittersaal 622.
R.
RappoltaweHer.
Brunnen 955.
Ratbausen.
Kloster, Glasmalerei 127.
Ravensburg.
Eisenarbeit 112. 388.
Regensburg.
Dom: Kreuzgang 156. 289. Grab-
mal 81.
Dreifaltigkeitskirche 219. 290.
St. Emmeram: Glockenthurm 289.
Neue Pfarrkirche 156. 289.
Obermtlnster ( Altar 290.
Rathhaus 290. Modell der Neuen
Pfarrkirche 289.
Thon-Dittmer'sches Haus 204. 290.
Relobenberg. (Böhmen).
Rathhaus 643.
Reifenstein bei Sterzing.
Schloss 618.
Rbense.
Holzhaus 950.
Riegersbarg. (Steyermark).
Schloss 601. Oefen 592.
Ronneburg in der Wetterau.
Schloss 910.
Rorschaoh.
Privatbau 249.
Rosenberg bei Eggenburg.
Schloss 587.
Roth am Sand.
Schloss 470.
Rothenburg a. T.
Befestigungswerke 212. 477.
Brunnen 163. 178. 212. 478.
Gymnasium 210. 476.
Mauern und Thore 212.
Rathhaus 207. 472 u. f. Details 92.
164. 171. 17. 176. 183. 186. 208.
223.
Spital 210. 476.
Spital -Thor 212.^
Privatbau 478 u. f. Details 95. 112.
209. 479 u. f.
RottweH.
Brunnen 212. 388.
Privatbau 388.
Rufacb.
Ziehbrunnen 955.
Runkelstein.
Schloss 618.
Salzburg.
Dom 619.
Franziskanerkirche: Eisengitter
619.
Brunnengitter 574. 619.
Eisenarbeiten 619.
Friedhof St. Peter 619.
Friedhof St. Sebastian 619. Eiser-
nes Grabkreuz 574.
Residenz: Portalgitter 619.
Veste Hohen -Salzburg 619.
Salzuffeln.
Privatbau 914.
Schaffhausen.
Johanniskirche 240.
Munoth 243.
Privatbau 240.
Gemalte Facaden 198. 200. 240. 243.
Sohalaburg bei Molk.
Schloss 586.
A. Ortsverzeichniss.
979
Schlackenwerth. (Böhmen).
SchloBs: LuBtgarten 215.
Scbleiiiifo bei Eggenburg.
Burg 589.
Schlei88beiin.
Schlosse^arten 216.
Schletstaot.
Privatbau 955. *
Schmalkalden.
Stadtkirche: Kronleuchter 908.
Schloss (Wilhelmsburg) 905. Ka-
pelle 906.
Privatbau 908.
Sob9nfeld (in Franken).
SchlosB 42t.
Schrattenberg. (Steyermark).
Schloss 601. Oefen 592.
Scbwarz-Kosteletz (bei Böhmischbrod).
Schloss 644.
Sohweinfurt.
Gymnasium 210. 465.
Mühlthor 212. 465.
Rathhaus 207 j(2). 460 u. f Details
92. 209. 465.
Privatbau 465.
Scbwerln.
Schloss 189. 73l
Schwöbber.
Schloss 858.
Seokau.
Mausoleum Erzherzogs Karls II.
601.
Semil. (Böhmen).
Bathhaus 644.
Sigmaringen.
Schloss: Votivtafel 957.
Simmem.
Pfarrkirche: Grabmäler 940.
Smetoobna. (Böhmen).
Schloss 644.
Sobernbelm.
Schloss 947.
Södhig. (Steyermark).
Kirche: FlUgelaltar 572.
Spital a. d. Drau.
Schloss Porzia 603.
Bezirksamt 607.
Privatbau (Höfe) 608.
Stein am Rhein.
Genullte Fagaden 200. 235. 239.
Kloster (ehemaL) 235. Details 235.
236.
Schtitzenhaus: Glasmalerei 128. 240.
Zunfthaus zum Kleeblatt: Glas-
malerei 128. 239.
Privatbau, Details und Einrich-
tung 200. 237. 239.
Stettin.
Schloss 726.
Privatbau 728.
Steyer.
Kornhaus 591.
Hausglocke 112.
Stixensiein.
Ziehbrunnen: Gitter 111.
Stolpen.
Burg: Portal 775.
Stralsund. .
Privatbau 728.
Strasaburg.
Münster 253.
Frauenhaus beim Münster 260.
Postamt (ehemal. Rathhaus und
Börse) 260 (2).
Privatbau 261.
Stuttgart.
Stiftskirche: Grabmal 87.
Der neue Bau 321. 365.
K. öffentl. Bibliothek : Schickhards
Kachlass 222. 336 u. f.
Gymnasium 376.
Die alte Kanzlei 210. 320. 321. 370
u. f. Details 163. 164. 177.
Kupferstich- Kabinet, M. 73.
Landschaftshaus 321. 372.
Lustgarten 215. 216. 358. Lust-
grotte 321. 367.
Das Neue Lusthaus 210. 321. 322.
359 u. f. Details 171. 184.
Prinzenbau 321. 372.
Rathhaus 375.
Das alte Schloss 321 u. f. 348 u. f.
Details 112. 158. 162. 171. 172.
203. Kapelle 217.
Ständehaus 210.
Privatbau 162. 171. 177. !97. 343.
375.
Bei Herrn Oberbaurath v. Egle:
Kunst-Schrank 96.
T.
Tbalberg. (Steyermark).
Burg 601.
Thienhauaen bei Steinheim.
Schloss 911.
Thurnau.
Schloss Giech 514.
Torgau.
Schloss 775. 778 u. f. Kapelle 782.
Details 160. 172. 176. 186.
Rathhaus 785.
Privathau 784 u. f.
Toni.
Kathedrale 253.
Traben a. d. Mosel.
Holzbau 950. 951.
62*
980
A. OrtsverzeichniBs.
Tratzberg.
Schloss 618.
Traasnltz siehe bei Landshat.
Traiiteiifel8. (Steyermark).
Schloss 601.
Trier.
Dom: Grabmäler 83. 944. Kanzel
947.
liebfrauenkirche: Balustrade, Pi-
laster 944.
St. Matthias : Epitaphien 944.
Erzbischöfl. Palast 947.
Privatbau 947.
Tschocba bei Mark-Lissa, Lausitz.
Burg: Sgraffito-Beste und farbige
Fresken 201.
TObliigeii.
Stiftskirche: Grabmäler 84.
Kathol. Convict(Wilhelmsstift)210.
321. 328.
ßathhaus 328.
Schloss 320. 324 u. f. Details 162.
172. 321. 327. 328.
U.
Uaberiiiigeii.
Kirche: Altäre 178. 280. Taber-
nakel 220.
Münster: Altäre 220.
Kanzleigebäude 162. 171. 172. 176.
280.
Ulm.
Münster: Portale 397. Thttrflügel
397. Eisengitter 111. 397. Chor-
gestühl 82.
Dreifaltigkeitskirche 393. Inneres
394.
Spitaikirche: Chorstühle 92. 219.
Der neue Bau (jetzt Kameralamt)
392 u. f.
Brunnen 212. 394 (2).
Komhaus 210. 393.
Rathhaus 320. 389. Gemalte Facade
391.
Privatbau 204. 397 u. f. 401. Holz-
schnitzer^ 95.
Gemalte Fa^aden 198. 201. 323.
Urach.
Kirche: Betstuhl 320. 330.
Schloss 329. Details 82. 97. 329.
T.
Varenholz im Lippe'schen.
Schloss 911.
Veithanis bei Brixen.
Schloss 618.
Viliaoh.
Stadtpfarrkirche ; Einrichtiing 602.
W.
Wäclitersbacb.
Schloss 910.
Warta. (Schlesien).
Schloss: Sgraffito-Dekoration 201.
Weikerahelm.
Schloss 466. Kapelle 217. 468.
Garten 215. Details der Aub-
stattung 131. 467.
Weil (die Stadt).
Kirche: Tabernakel 88. 220.
Weimar.
Stadtkirche : Decoration. Epita- *
phium 825.
Das alte Schloss 824. Lustgarten
215. I
Das rothe Schloss 824.
Cranachhaus 824.
Das städtische Brauhans 825.
Kriminalgebäude: Wappen 825.
Privatbau 825. •
Weiasenburg. (Elsass).
Privatbau 262. 956.
Wertliein.
Kirche: Grabmäler 83 u. f. 448. 944.
Brunnen 211. 448.
Rathhaus 450.
Das Alte Schloss 448.
Privatbau 450.
Wesel.
Privatbau 925.
Weasely.
Rathhaus 643.
Wettinnen.
Klosterkirche: Chorstühle 92. Glas-
gemälde 127.
Wien.
St. Stefan : Grabmäler u. sonstige
Details 578.
Deutschordenskirche : Grabmal 581 .
Michaelskirche: Grabmal 581.
Salvatorkapelle : Prachtpforte 570:
578.
Albertina M. 74. 75.
Ambrasei: Sammlung M. 75. Waf-
fen- und Prachtrüstungen 104.
105.
Kaiserl. Burg 582. Schweizerhof
582. Stallung 585.
Hofbibliothek M. 74.
Landhaus 585.
Tirna*sches Haus (Federlhof): Por-
tal 566.
A. Ortsverzeichniss.
981
Privatbau 5$t.
Gärten 215.
Wiener-Neustadt
Arsenal 570.
Artillerie* Käsende 566. 585.
Wieebaden.
Mnfleum 958.
KathhatiB 431. 958.
Windhag. (Unterösterreich).
Schloes 590.
Wintertliur.
Oefen 125. 126. 249.
Wismar.
Fürstenhof 189. 729.
Wittenbera.
SchloBskirche. Grabmal 81.
Witfingau.
SchloBS 644 (2).
Privatbau 643.
WolfenbJittel.
Marienkirche 217. 863 u. f.
Eisengitter, Orgel 870.
Hochaltar 866.
Taufbecken 869.
Herzogl. Schloss 870.
Zeughaus (jetzt ELaseme) 870.
Apotheke am M)ftrkt 870.
St Wolfgang. (Oberüsterreich).
Kirche: Altargitter 111.
Wolfsberg.
Kirche: Grabmäler 602.
Wolfsburg bei Fallersleben.
Schloss 853.
Wiilflingen bei Winterthur.
Herrenhaus: Details der Einrieb'
tung 122. 249.
Wurzburg.
Dom: Grabmal 82.
üniversitätskirche 217 u. f.. 458.
B&sch(»fl. Palais 455.
Festungswerke 212.
Julius -Hospital 210. 460.
Rathhaus 111. 454.
Universitätsgebäude 210. 457.
Privatbau 204. 455 u. f.
Wyden bei Andelfingen. (Schweiz).
Schlösschen: Oefen 249.
X.
Xanten.
Münster: Kreuzgang 925.
Z.
Zabem. (Elsass).
Das alte Schloss: Portal 262.
Privatbau 262.
Zeltern. (Unterösterreich).
Schloss 590.
Zell a. d. Mosel.
Jagdschlösschen 947. ,
Zerbst.
Nicolaikirche: Epitaphium, Tauf-
becken 843.
Bürgerschule 842.
Rathhaus 843.
Privatbau 843.
Zittau.
Klosterkirche : farbige Fresken
201.
Znalm.
Rathhaus 592.
Züricb.
Brunnen 244.
Rathhaus 244. Oefen 126. 247.
Treppengitter 247.
StadtbU)Uothek: bemalter Tisch,
von Holbein 243.
Privatbau: Oefen, Decoration und
sonstige Einrichtung 95. 125.
126. 244. 247.
Bei Zürich:
Haus Bocken: Einrichtung 248.
Zwickau.
Marienkirche: Kanzel, Leuchter,
Stühle, Eisengitter 800.
A, •
I
»' I
/
B. Verzeichniss der Künstlernamen,
A.
Aberlin Tretsch 324. 348. 359. 511.
Aken, Gabriel van 730. 751.
Albert von Soest 755.
Albrecht ((Jörlitz.) 695.
Aldegrever 76.
Altdorfer 76 (2). 77. 409.
Angermaier , Christoph 98.
Annaberg, Hans von 471.
Anthony 311.
Antonelli 524. 528.
Antonias von Theodor 675. »
Antonius Wilhelm 727.
Attenstätter, David 98.
B.
Bahr, siehe Parr.
Bahr, Jacob (aus Mailand) 673. 675.
Bälde wein, Eberhard 910.
Balthasar von Darmstadt 325.
Baptista, Johann 725.
Barth, Wilhehn 722.
Bartholomens (von Florenz) 570.
Bartolommeo (aus Mantua) 524.
Baumann, Johann 150.
Baussendorf, Valerius 958.
Bawor, Jacob, siehe Bahr und Parr.
Beer, Georg 359 (2) (Behr?)
Behaim, Hans d. ä. 500.
Beham 76.
■— Barte] 78.
Hans Sebald 76.
Behr, Georg 328. (Beer?)
Benedetto (aus Mantua) 524.
Benedict von Laun, siehe Laun.
Benedict, Meister, (aus Krakau) 648.
(Laun?)
Benedix 696.
Benesch von Laun, siehe Laun.
Benzelt, Balthasar 709. 776.
Beora, Nicolo 524.
Beringer, W. 457.
Bernardin 524.
Bernhard, Meister (Brieg) 675.
Berwart, Blasius 348. 353. 511.
BestUrling, Arnold 775.
Bles, Harri de 77.
Bolofi^ese, Giacomo 848.
Bonallino, Francesco a 736.
Borno, Francesco a 736.
BOschel, Caspar 810.
Both, Ertmar (Ertman) 730.
Boxberger, Hans 528.
Brandin, Philipp 742.
Bruyn, Barthol. de 77,
Buchmüller, Georg 392. 393. 399.
Martin 393.
Buchner, Hans 794.
Bunz, Joh. Vitus 111. 397.
Burckh, Jörg 359.
Burgkmaier 570. 656.
Hans 52. 403. 409.
Busch, Peter 348.
Buschperger, Martin 582.
C.
Caesar 524.
Candid, Peter 542. 546.
Carmis, Jacob von 354.
Moritz von 357.
Caspar, Meister (Brieg) 675. 841.
Caus, Slalomon de 317. 370.
Cesare, Carlo de 777. 795.
Chiaramella 710. 736.
Christoph. Meister 83.
Colins, Alexander 310.
Colmann, Desiderius 105.
Colonia. Peter de 444.
Continelli 570.
Cranach 76.
Crenach, Ludwig 783.
Crispinus, Meister 471.
D.
Dehn, Hans (der Rothfelser) 776. 788.
962.
Dibold 281.
Diedrich, Burkhard 864.
!
B. V^rzeichnisB der KttnaÜernamen.
983
/
Diessart, Karl Philipp 514.
Dietrich, Wendel 542.
Dietterlein, Wendel 152. 153. 359. 364.
Dowher, Adolph 775.
Düren, Stotius von 730. 734. 751.
Dürer, Albr. 71. 100. 114. 132. 133.
4S6. 504. 570. 656.
E.
Eggl, Wilhelm 542.
Erhart 122.
Erschey, Jacob 414.
Ertmar 730.
Eyck, Hubert van 46.
F.
Feldmann, Johannes 925.
Ferrabosco di L&gno 634.
Fischer, Caspar 3 IQ.
Floris. Conrad 742.
Flügel, Cyriacas 958.
Fouqniers 316.
Francesco (ans Mantua) 524.
Franciscus (aus Italien) 570.
Francke, Paul 859. 863.
Friedrich, Lorenz 290.
Fritzsch, Georg 864.
Fromiler, Jos. Ferd. 609.
Furttenbach, Joseph 223.
0.
Gabriel van Aken 730. 751.
Georg (Baumeister, Wismar) 730.
Gerhard, Hubert 422. 542.
Giacomo Bolognese 848«
Giger, Mathias 227.
Gockel, Kilian 465.
Gotfro, Elias 908,
Götz, Sebastian 315.
Graf, Hans Heinrich 125.
Graf, Urs 63. 226. 227.
Grohmann. Nicolaus 810.
GyBius,.Tneodorus 601.
H.
Haas, rHaasen) Georg 152.
Habrecnt, Isaac 391.
Hacke, Hans 834.
Ha||^enau, Nicolaus von 471.
Haidern, Jacob 302.
Haidler, Hans 629.
Hainhofer, Philipp 99.
Hanitz, Joseph 4L4.
Hanns von I^hr 151.
Hans von Annaberg 471.
Haaselt, Heinrich van 934. 935.
Haubitz, Christoph 743.
Helleweg, Wilhelm 689.
Hering, Loyen 82.
Barthold 752.
Herle, Simon 722.
Hieber, Hans 289.
Hieronymus, Meister 708.
Hilger, Martin 795.
Oswald 783.
Wolf 776. 783.
Hirschvogel 150.
Augustin 150. 585.
Hoffinann (Hofmann) Nicolaus 460.
818. 819. 820.
— Simon 823.
Holbein 100. 656. .
- - Hans 57. 63. 126. 198. 226.
227. 230.
'— Hans d. S. 57 (2) 403.
Sigmund 57.
Holl, Elias 321. 412.
Hanns 412.
Sebastian 412 u. f.
Holzer, Johann -409.
Holzschuher, Eucharius Karl 503.
Hopfer, Daniel 71.
Hülst, Esaias van der 369.
I.
Jamnitzer 150.
Albrecht 103.
Wenzel 102. 103.
Jarosch, Thoman 633.
lUalio, Domenico 585.
Ingen, J. Karl 290.
JoDsten 696.
Johann Baptista 725.
Johann von Trarbach 84. 944.
Irmisch, Hans 794.
Kager, Matthias 409.
Kai, A. 457.
Kässmann, Rutger 151.
Kellerthaler 99.
Kern, Hans 504.
Kesselhut, Jacob 444.
Khnauft, H. G. 531.
Kircher, Balzer 878.
Klencke, Hans 800.
Klenze 549.
Klinge, Magnus 878.
König, Peter 562.
Korb, Hans 359.
Kömer, Stoffel 478.
Koster Müller 510.
Krafft, Adam 82. 486.
Kranmier, Gabriel 151.
Krumper, Hans 542. 546. 555. 562.
Kummer, Peter 708. 776.
.1
i
B. VeTzäohniBB der KttnBtlemamen.
otf, Pankiu 62. 503.
Fernboeoo di 634.
lieronymus 325.
Benedict von 633. 634.
ack, Hmb Sebald 585.
■, 150.
Jacob 310.
alestin von 130.
Gregor 633.
[anns von t51.
ririch 646.
HieronymDB 803.
lering 82.
761.
, Heister 675.
Hans von 324.
RochuB von 708. 777.
Giovanni 053.
, Jan V
1 77.
Niclas 63. 226. 227.
Eoan 570. 626.
Hans 444.
irdt, 709.
Curt 869.
Joachim 348.
löjg 88.
, Hans 103.
GüTg 88.
Umier 510.
Snnz 460.
fVolfgang 541.
r, Bernhard 131.
Heinrich 667.
B von Hagenau 471.
Peter 708. 841.
, Giov. Batt. 784.
Oiov. Maria 776. 793. 794.
0.
)D, Anthony von 722
Bernhard von 77.
icolaoB von 357.
Johannes 694.
rfer, Htchae] 289.
P.
fi, H. 531.
'ehe Bahr, Parr.
■ 228.
tana, Vinc. de 666.
Parr, Christoph 735,
FranciscuB 735. 737.
■ Job. Bapt. 735.
siehe auch Bahr.
Paul (BaomeiBter) 736.
Paumgartner, Ulrich 09.
Penoz 76.
Pfau, David 122. 135. 126.
Peringer, Lienhardt 535.
Peter, Meister 952.
de Colonia S44.
von Pirna 696.
Philippi, Gerhard 360.
Pirna, Peter von 696.
PiBtor (von Elberfeld) 925.
Pleidenwnrff^ Michael 48,
Pleydenwnrff, Hans 648.
Plumthal 609.
Poco, Francesco de 586.
Ponzano, Antonio 406. 409.
Pordenone d. j. 410.
Portj, Battista 585.
Quadro, Gio. Batt 705.
Bäepell, Hans 706.
Reiat, Melchior 936,
Bafenatuel, Hans 516.
Reinhardt, Georg 771.
Reuinann, Kaspar 460.
Reuscher, Hans 630.
Riedinger, Georg 353. 446.
Riemenschneider, Tilmann 82. 453.
RiviuB, Walther 139.
Rode, Georg 806.
Rodler, Hieronymus 138.
Ronio, H. Speza.
RoHtzer, Wolfeang 289.
Rospinger, Ludwig 528.
RoBS, Conrad 414.
RosBkopf, Wendel 696.
Rotenhammer 409.
Rothfelser, siehe Dehn.
Rüge, Hans 755.
Salzmann, Jacob 350.
Samarina 534.
Schallantzer, Eermee 585.
8ch8uffe1eio (SchänfFlein) Kana 76.
387.
Schede!, Eartmann 18.
Scheel, Sebastian 616.
Scheffelt, Peter 392. 399.
Schdnsbergor, Hans 478.
B. Verzeichmss der Künstlernamen.
985
Scbickhardt, Heinrich S36 u. f. 357.
365. 375.
Schieferstein, Hans 99.
Schitterlin, Jacob 958.
Schlüter 709.
Schneider, Hans 667.
Schöffer, Anthony 958.
Schön, Erhard 76. 150.
Heinrich 546.
Martin 253.
Schröer, Hans 777.
Schuster, Panl 113.
Schwabe, Caspar 223.
Schwarz, Christoph 546.
Schweiner, Hans 377.
Seroen, Anton von 776.
Seusenhofer, Jörff 106.
Siebenbürger, Alex. 540.
Sigmann, Georg 106.
Simon (von Bönnigheim) 328.
Smid 710.
Soest, Albert von 755.
Solizer 260.
Sommer, Job. Georg 478.
Spatio (Spazio) Anthoni de 570.
Hans de 570. 626. 634.
Jacopo de 570.
Speckle (Specklin) Daniel 1 50 260 (2).
Speza de Konio, Andrea 771.
Statins von Düren 730. 734. 751.
Stella, Panl della 570. 626. 634.
Stellauf, Andreas 658.
Stimmer, Tobias 200. 240. 273.
Stoer 150.
Stoss, Veit 82. 486.
Strauss, Jacob 734.
Stromer, Wolfgang Jacob 222. 505.
Sustris, Friedrich 540. 542.
Sutermann, Lambert 934.
Syrlin, Jörg 82.
T.
Tauchen, Jost 648.
Theiss, Kaspar 706. 776.
Theodor, Antonius von 675.
Tola, Gabriel de 776.
Benedict de 776.
Trarbach, Johann von 84. 944.
Tretsch, Aberlin 324. 348. 359. 511.
Trost, Hans 626.
rn
Ueberreiter, Niclas 522.
Unger, Georg 505.
Peter 505.
Urs Graf, siehe Graf
T.
Vacksterffer, Christian 254.
Valien to, Antonio 542.
Verdetz, Alexander de 601.
Vemickel, Wilhelm 934.
Vesst, Georg 119.
Victor 524.
Vischer, Hermann 81.
- - Kaspar 510.
Peter 78. 486. 504. 570. 648.
656.
Vogel, Andreas 793.
Matthes 449.
Vogelsang, Ulrich §02.
Vogt (Voigt), Kaspar 730. 776. 806.
Volchat, Johann 955.
Vorrah, Hans 675.
Vos, Martin de 850.
Vries, Adrian de 422.
Vredeman de 722.
W.
Walch, Sigmund 524.
Walther .Sebastian 778.
Weber, Hans 800.
Weinhart, Kaspar 268.
Weinher, Hans 542.
Wendel, Dietrich 542.
Werner, Hans 810.
Wilhelm, Antonius 727.
Wohlgemuth, Michael 48. 486.
Wolff (aus Nürnberg) 471. 472. 475.
477.
Wolmuet, Bonifacius 585 (2).
Wurzelbauer, Benedict 212. 505.
Z.
Zemin 524.
Ziegler, Stefan 955.
Zoan, Maria 570. 626.
Zuberlein, Jacob 336.
Zwitzel, Bernhard 522.
K^ -i^il-: ^.J" ■■■'
t» '■ •'
v'-'
f
C. Verzeichniss der Illustrationen,
Flg. Seite
1. Thron, nach einem Gemälde
von Hans Bargkmaier ,
Augsburg 53
2. Facadenzeichnung von H.
Holbein in Basel .... 59
3. Zeichnung z^u einem Glas-
femälde von H. Holbein,
erUn 61
4. Becher. Zeichnung von H.
Holbein, Basel 65
5. Pokal. Zeichnung von H.
Holbein, Basel 67
6. Dolchscbeide, 2ieichnung
von H. Holbein, Bernburg 70
7. Aus Dürer's Ehrenpforte
• des Kaisers Maximilian . . 73
8. Vom Sebaldusgrabe Peter
Vischers 79
9. Grabmal des Markgrafen
Karl, Pforzheim .... 85
10. Grabmal Eberhards des Mil-
den, aus der Stiftskirche
zu Stuttgart 87
11. Von den Chorstühlen der
Klosterkirche zu Danzig . 89
12. Zimmer in Altorf. Nach G.
Lasius 93
13. Kunstschrank 97
14. und 15. Pokale 100
16. Tafelaufsatz von W. Jam-
nitzer 101
17. Aus den Entwürfen zu
Prachtrüstungen, München 105
18. Dasselbe 107
19. Eingang in den Schloss^ar-
ten des Grafen von Königs-
Fig. Seite
egg zu Attlendorf, nach
Dollin^er 109
20. Von einem Schilde in Ra-
vensburg, nach DoUinger . 112
21. Glasirter Ejrug, nach Dol-
linger 115
22. Ofen aus Easslegg, nach
Dollinger 116
23. Ofen aus dem Rathhause zu
Augsburg 117
24. Ornament an einem Nürn-
berger Ofen 119
25. Ofenkachel, Nürnberg . . 120
26. Dasselbe 121
27. Ofen aus Oberstrass, nach
Lasius 122
28. Glasgemälde aus der Ka*
pelle der Residenz in Mün-
chen 129
29. Erker aus dem Schlosse zu
Torgau ........ 159
30. Portal aus der ' Kanzlei-
strasse zu Stuttgart ... 160
31. Vom englischen Hause zu
Danzig 161.
32. Säule aus dem Schlosshofe
zu Stuttgart 162
33. Aus dem alten Schlosshofe
zu Stuttgart ...... 163
34. Brunnen zu Gmünd (Dol-
linger) ........ 164
35. Brunnen zu Rothenburg
(Bäumer) 165
36. Kapital von der alten
Kanzlei zu Stuttgart (Dol-
linger) 166
C. VerzeichnisB der Illustrationen.
987
Fl«.
37. Portal aus Biberach (Dol-
linger)
38. Vom Kanzleigebäude zu
Ueberlingen, Portal, (Dol-
linger) .*......
39. Portal vom Kathhaas zu
Rottenburg
40. Vom Piastenschloss zu Brieg
(F. Wolff)
41. Fenster vom Otto-Heinrichs-
bau zu Heidelberg (Pfnor)
42. Fries vom Friedrichsbau in
Heidelberg (Pfnor) . .
43. Geländer einer Terrasse in
Stuttgart, nach Leibnitz
44. Säule an einem Altar zu
Ueberlingen
45. Treppengewölbe in der Re-
sidenz zu München . . .
46. Privathaus aus Colmar . .
47. Von einem Privathaus zu
Nürnberg, Giebel ....
48. Erker vom Tucher*schen
Landhaus in Nürnberg . .
49. Ftirstenhof zu Wismar . .
50. Danzig, Zeughaus, hintere
Fa^ade
51. Wohnhaus zu Eppingen,
nach Weysser
52. Erker aus Grossheubach
(Weisser) ........
53. Wohnhaus aus Halberstadt
(Scbröder) . • ' .
54. Balkenköpfe und Quer-
hölzer aus Halberstadt
(Schröder)
55. Fensterumrahmung aus
Holz , aus Dinkelsbühl
(Weysser)
56. Facadenzeichnung ^on H.
Holbein
57. Altstädtisches Rathhaus zu
Danzig
58. Decke des Rathhaussaales
zu Rothenburg (Bäumer) .
59. Bassinhalle im Lusthaus zu
Stuttgart
<»0. Ziehbrunnen aus Markgrö-
ningen (Weysser) . .
61. Brunnen in Rottweil (Weys-
ser)
62. Thunn der Kirche in Cann-
stadt
63. Brunnen in Basel ....
64. Basel, Geltenzunft . . .
65. Spiesshof zu Basel . . .
66. Rathhaus zu Luzem (G.
Lasius)
Seite
Flg
67.
167
68.
168
69.
70.
169
71.
72.
173
73.
74.
175
75.
177
76.
77.
177
78.
178
79.
179
182
80.
183
81.
185
82.
187
83.
190
84.
191
85.
194
86.
195
87.
88.
197
197
199
205
208
211
212
212
219
228
229
230
234
89.
90.
91.
92.
93.
94.
95.
96.
97.
98.
99.
Seite
Haus zum weissen Adler in
Stein 238
Zimmer im Seidenhof zu
Zürich 241
Rathhaus zu Zürich . . . 245
Rathhaus zu Mühlhausen . 251
Haus zu Cohnar .... 255
Erker aus Cohnar . . . 259
Schloss Gottesau .... 264
Das Schloss Baden. Erd-
geschoss 265
»asselbe. Obergeschoss . 270
Rathhaus zu Gernsbach . 275
Rathhaus zu Onstanz ,
Hofansicht 279
Schloss zu Heidelberg,
Grundriss 298
Facade vom Otto -Hein-
richsbau in Heidelberg . 303
Portal vom Otto -Hein-
richsbau zu Heidelberg . 307
Schloss zu Heidelberg ,
Friedrichsbau 3ia
Dacherker alis Schwab.
Hall. (Weysser) .... 322
GruncLriss eines Erkers im
Schloss zu Tübingen . . 327
Unterer Grundriss der
Kirche zu Freudepstadt . 333
Dasselbe, oberer Grundriss 334
Altes Scnloss in Stuttgart .
Südöstliche Ansicht ... 349
Dasselbe, Grundriss . . 352
Hof des alten Schlosses in
Stuttgart 355
Das ehemalige neue Lust-
haus in Stuttgart, nach
einem alten Sticn ...» 361
Dasselbe, Grundriss . . 363
Dasselbe, Querschnitt . . 364
Der ehemalige Neue Bau
in Stuttgart 366
Console auf der . Königs-
strasse zu Stuttgart (Dol-
.linger) 373
Haus in Cannstatt (Bal-
dinger) 376
Thurm der Kilianskirche
in Heilbronn . . . . / 379
Giebel vom ehemaligen
Katharinenspital in Heil-
bronn 382
Schlosskapelle zu Lieben-
stein (Baidinger) .... 385
Giebel vom Rathhaus in
Ulm ..... i .... 390
Ghorstuhl aus der Spital-
kirche in Ulm 394
1
,' 7
i
988
Flg.
too.
101.
102
104.
105.
106.
107.
106.
109:
110.
111.
112.
113.
114.
115.
116.
117.
118.
119.
120.
121.
122.
123.
124.
125.
126.
127.
128.
129.
130.
131.
132.
133.
134.
135.
C. Verzeicbniss der Illnstrfttionen.
Seite
GnmdiisB d«6 Erdge-
schosses des Sohadischeii
Hanses in Ulm .... 400
Erker yoin Maziimlians-
Museum in Augsbnrg- . . 407
nnd 103. Modelle zum
Au^sburger Rathhaus . . 417
RatnhauB zn Augsburg,
GrundrisB des Erdge-
Schosses 418
Dasselbe , Grundriss des
n. Stockes 419
Bathhaussaal zn Augsburg 420
HUchenhaus zu Lorch . . 429
Treppe im Hause Limburg
zu Frankfurt a. M. . . . 432
Salzhaus in Frankfurt . . 435
Schloss in Offenbach . . 439
Dasselbe, Grundriss . . 441
Schloss zu Aschaffenburg 447
Brunnen zu Wertheim
(Weysser) 449
Decken im Rathhaus zu
Lohr 451
Universitätskirche in
Würzburg 459
Rathhaus in Schweinfart . 461
Dasselbe , Grundriss des
Erdgeschosses 463
Dasselbe, Grundriss des
ersten Stockes 464
Wendeltreppe aus dem
Schloss zu Mergentheim . 469
Rathhaus zu Rothenburg 473
Dasselbe, Grundriss . . 474
Geiselbrecht'sches Haus in
Rothenburg, Grundrisse . 480
Zimmer im Hafiher'schen
Haus in Rothenburg . . 481
Facade des Peller -Hauses
in Nürnberg 487
Galerie aus dem Gessert*-
schen Hause in Nürnberg 488
Hof des Tucherhauses in
Nürnberg -490
Toplerhaus zu Nürnberg . 493
Hof im Funk*schen Hause
in Nürnberg 495
Hof im Pellerhaus zu Nüm-
ber« 497
Rathhaus zu Nürnberg . 501
Alte Residenz zu Bamberg 507
Residenz in Lande^ut,
Grundriss des Erdge-
schosses 523
Dasselbe, Durchschnitt . 525
Dasselbe, hintere Facade 529
Trausnitz bei Landsnut,
Fig. Seite
Grundriss des Erdge-
schosses ....... 532
136. Hof der Trausnitz (Bal-
dinger) 53.1
137. Trausnitz, Grundriss des
ersten Stockes 535
138. Zimmer aus der Trausnitz 537
139. Münzhof in München . . 541
140. Michaelskirche in München,
Inneres 543
141. Maxburg in München . . 547
142. Grundriss der Residenz zu
München 546
143. Kaiserhof in der Residenz
zu München 551
144. Portal der Residenz in
München ....... 554
145. Nische an der Residenz zu
München 556
146. Grundriss einer Treppe in
der Residenz zu München 557
147. Mariensäule in München . 559
148 bis 151. Terracotten aus
Schloss Schalaburg . . . 573
152. Von einem Brunnengitter
in Salzburg -(Franz - Jo-
sephs-Kai) 574
153. Grabkreuz vom Friedhof
S. Sebastian in Salzburg. 575
154. Hausglocke aus H-'llBtaLdt 575
155. Hof eines Hauses a i Gra-
ben in Wien 578
156. SchloBshof zu Schalaburg 582
157 und 158. Holzornamente
ans Schalaburg .... 587
159. Alte Getreidehailein Steier 590
160. Sgraffito-Detail am Kom-
hans zu Steier .... 591
161. Ziehbrunnen in Brück a. d.
Mur •. 593.
162. Hof des Landhauses in
Gratz 597
163. Wasserspeier vom Land-
haus zu Gratz 599
164. Vom Brunnen im Landhaus
zu Gratz 600
165. Vom Brunnen^tter in
Klagenfurt 602
166. Fenster von Palast Porzia
in Spital 604
167. Hof des Schlosses Porzia
in Spital 606
168 und 169. Dasselbe, Grund-
risse 607
170. Wohnhaus in Brixen
(Weysser) 613
171. Vom Marktbrunnen zn
Salzburg 620
C. VerzeichniBS der IlluatrationeiL
»89
Fig. Seite
172. Wladialavsaal in der Biur^
zu Prag ....... 625
173. Belvedere zu Prag . . , 027
174. Brunnen zu Prag . . . 631«
175. ScUoss Stern bei Prag . 635
176. Dasselbe, Grundriss des
ersten Stockes .... 637
177. Waldsteinhalle in Prag, •
nach Val. Teiricb ... 639
118. Wappen am Schloss Johan-
nisDerg 645
179. Grabmal Bybisch, in der
Elisabethkirche in Breslau 659
180. Haus am Bing zu Breslau 663
181. Schlossportal zu Liegnitz 669
182. Portal eines Privathauses
in Liegnitz ...... 673
183 bis 185. Grundrisse und
Durchschnitt des Schlosses
in Brieg (F. Wolff) ... 676
186. Dasselbe, Aufriss derHof-
Fagade 677
187. Grundriss des Schlosshofes
zu Brieg 680
188. Bathhaus zu Brieg, nach
LUdecke ....... 681
189. Doppelgiebel zu Brieg (C
Lüdecke) 684
190. Giebelfagade zu Brieg (Lü-
decke) 685
191. Bathhaus zu Neisse . . 687
192. Schlossportal zu Gels . . 690
193. Schloss zu Oels, Grundriss
des zweiten Stockwerkes 691
194. Hof des Schlosses zu Oels 692
195. Bathhaus zu Görlitz . . 697
196. Bathhaus zu Posen ... 703
197. Grundriss eines Privat-
hauses zu Danzig (Bernau) 717
198. Stephanshaus in Danzig . 718
199. Vordere Facade des Zeug-
hauses in Danzig. . . . 723
200. MüllergewerkhauB in Dan-
zig 724
201. Fürstenhof in Wismar , . 731
202. Vorderseite des Schlosses
zu Güstrow 736
203 und 204. Dasselbe, Grund-
risse 738
205. Schlosshof zu Güstrow . 740
206. Bathhaushalle zu Lübeck 749
207. Kranzhaus in Hamburg (A.
Schröder) 759
208. Bathhaus zu Bremen . . 763
209. Bathhaus zu Emden . . 767
210. Grabmal in Jever ... 773
211. Schloss zu Tocgau, Grund-
riss des I. Stockes ... 779
Piff. Seite
212. Dasselbe, Schlosshof . . 781
213. Hausportal zu Torgau. . 784
214. Schloss in Dresden, Grund-
riss des Erds^eschosses . . 7S6
215. Dasselbe, Scnlosshof . . 789
216. Von einem Portal zu Dres-
den 796
217. Haus in der Hainstrasse zu
Leipzig ., 803
218. Giebel vom Bathhaus zu
Leipzig 805
219. Fürstenhaus zu Leipzig . 807
220. Bathhaus zu Altenburg . 811
221. Kanzel im Dom zu Halle
a. d. Saale 816
222. Giebel am Hause zum
rothen Ochsen zu Erfurt . 826
223. Hausportal aus Erfurt . . 827
224. Haus zum Stockfisch in
Erfurt 829
225. Grundriss der Heldburg
bei Hildburghausen . . . 834
226. Dasselbe, Erker .... 837
227. Schlosshof zu Dessau,
Treppe 840
228. Vom Schloss zu Bemburg,
Facade 844
229. Schloss zu Celle .... 848
230. Schloss Hämelschenburg
bei Hameln 854
231. Universität zu Helmstedt 861
232. Fenster der Kirche zu
Wolfenbüttel 865
233. Marienkirche zu Wolfen-
büttel 866
234. Dasselbe, Pfeilerkapitäl . 869
235. Alte Waage zu %raun-
schweig 874
236. Gymnasium zu Braun-
8<»iweig 877
237. Schuhhof zu Halberstadt . 883
238. Detail an einem Holzhause
zu Hildesheim 889
239. Wedekind*Bches Haus zu
Hildesheim 890
240. Kaiserhaus zu Hildesheim 892
241. Lettner im Dom zu Hildes-
heim 893
242. LeibnitzhauB zu Hannover 897
243. Details vom Hüttischen
(Holz-) Haus in Höxter . 901
244. Details von einem Holzhaus
aus Münden .903
245. Details von einem Fach-
werkbau zu Allendorf {F.
Hoffmann) 909
246. SeUosshof zu Brake .912
247. WohnhauB zu Lemgo . . 915
990
C. Verzdchnim der lUoBtrationen.
^.-
Fig.
248. Rathhaus zu Paderborn
249. StadtweinhauB zu Münster
250. Rathhaus zu Jülich . . .
251. Rathhanshalle zu Köln .
252. Von einem Wandgrab in
der Karmeliterkirche zu
Boppard
253. Vom Grabmal der Pfalz-
fräfin Johanna in Simmem
pitaph der Pfalzgrfifin
Alberta in Simmem . .
Seite
Flg.
919
255.
923
926
256.
931
f
•
257.
258.
941
259.
943
260.
261.
945-
Seite
Pfosten von Holzhäusern
zu Boppard 949
Fensterorüstungen aus
Boppard 950
Holzhaus zu Traben . . 95 t
Haus in Oberlahnstein . . 953
Brunnen im Schlosshof zu
Ettlingen si57
Schloss zu Neuenstein . . 959
Dasselbe, Grundriss des
Erdgeschosses 960
Druck ron C. Orumbach in Leipzig.
IX
INHALTS -VERZEICHNISS.
DRITTES BUCH.
Die Renaissance in Deutschland.
A. Allgemeiner TheU.
Seite
Erstes Kapitel. Die Senaissance des deutschen Geistes . . 3—45
Zweites Kapitel. Anfänge der Renaissance bei Malern und
Bildhauern 46— 88
Drittes Kapitel. Die Renaissance in den Kunstgewerben . . 88—133
Viertes Kapitel. Die Theoretiker 133—154
Fünftes Kapitel. Gesammtbild der deutschen Renaissance . 155—224
B. Beschreibung der Bauwerke.
Sechstes Kapitel. Die deutsche Schweiz 225—250
Siebentes Kapitel. Die oberrheinischen Gebiete . . . . . 250—284
Achtes Kapitel. Die pfälzisclien Lande. . 285—319
Neuntes Kapitel. Schwaben 319—423
Zehntes Kapitel. Franken . 423—514
Elftes Kapitel. Baie^n 515—563
Zwölftes Kapitel. Die österreichischen Länder 563—644
Dreizehntes Kapitel. Die nordöstlichen Binnenländer . . . 644—711
Vierzehntes Kapitel. Die norddeutschen Küstengebiete . . 711—774
Fünfzehntes Kapitel. Obersachsen 746—846
Sechzehntes Kapitel. Niedersachsen 846—903
Siebzehntes Kapitel. Die nordwestlichen Binnenländer . . 904—951
Nachtrag und Nachwort 952—968
Berichtigangen.
Beito 183. Dl« Abbildung stellt den GMthof zur Krone in Enslsheim dar.
„ 105 Btott Sohrdder lies Gflsebaeh.
« 197 bei Flg. 54 stett Sehrtf der lies Qrlsebach.
„ „ Zeile 90 von oben statt Flg. 81 lies Fig. 82.
- 69 . n 70.
« 70 n , 71.
n M n »67.
•I "7 M « OO"
»» 06 „ n 95.
II 68 „ « 69.
« 88—90 He« Flg. 89—91.
1600 lies 1610.
Fig. 71 lies Flg. 73.
Bietenbach lies Bldenbach.
abgefasste » ab ge faste,
oben Ist 1658 an tilgen.
N 154#liinsiisafligen.
unten statt Welthnms lies Veltharns.
Marienbnrg » Mayenbarg.
. alten Sohloss lies RentamtsgebKude.
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