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Full text of "Geschichte der Baukunst"

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GESCHICHTE 


DER 


B AUKUN  S  T 


VON 


FRANZ     KUGLER. 


^N^V^^*    *»^    \^S*-^rX'>'        N    ' 


FÜNFTER  BAND. 


ZWEITE  HÄLFTE. 

3MIT      130     ILLUSTRATIONKN- 


-»oo^o^»^-- 


STUTTGART, 
VERLAG   VON   EBNER   &   SEÜBERT. 

187d. 


GESCHICHTE 


DER 


DEUTSCHEN  RENAISSANCE 


VON 


WILHELM  LÜBKE, 


•^x^^^'"     % »-v-'^^^cx./^x -^  .■  \    \^v»\^ 


ZWEITE  HÄLFTE, 

MIX     ISO     ILLUSTRAXIONKN. 


STUTTGART, 
VERLAG    VON   EBNER   &   SEUBERT. 

1873. 


•  N 


Kap.  XI.    Baien).  515 


XI.  Kapitel 
B  a  i  e  r  B. 


Den  schärfsten  Gegensatz  zum  fränkischen  und  schwäbischen 
bildet  das  bairische  Gebiet.  Von  den  Firnen  und  Gletschern 
der  Alpen  bis  gegen  die  Donauniederung  sich  erstreckend,  hat 
es  von  jeher  einen  kräftigen  tüchtigen  Menschenschlag  hervor- 
gebracht, der  indess  mehr  für  ruhiges  Beharren  in  altgewohnten 
Zuständen  und  für  unbekümmerten  sinnlichen  Gcnuss,  als  für 
rastloses  geistiges  Arbeiten  und  Fortschreiten  angelegt  zu  sein 
scheint  Bis  in  die  neueste  Zeit  hinein  hat  hier  deutsches 
Geistesleben  keine  tiefere  Förderung  erfahren.  Vergebens  schauen 
wir  uns  nach  jenen  mächtigen  freien  Städten  um,  die  in  Schwaben 
und  Franken  wie  im  ganzen  übrigen  Deutschland  schon  früh  der 
Sitz  eines  mannhaften  selbständigen  Bürgerthums,  der  Hort  einer 
kräftigen  Kulturentfaltung  waren.  Hier  ist  von  jeher  die  Kirche, 
geschützt  durch  die  mit  ihr  verbundene  Fürstenmacht,  die  Len- 
kerin des  Lebens  gewesen.  Aber  auch  diese  hat  sich  in  ihren 
glanzvollsten  Zeiten  weit  nicht  so  schöpferisch  erwiesen  wie  in 
den  meisten  übrigen  Gauen  Deutschlands.  Wenn  wir  auch  nicht 
verkennen  wollen,  was  Tegernsee,  Freising  und  andere  geistliche 
Sitze  für  die  Kultur  des  Mittelalters  geleistet  haben,  so  weist 
doch  das  ganze  Land  weder  in  der  romanischen  noch  in  der 
gothischen  £poche  Monumente  ersten  Ranges  auf,  .und  erst  im 
Ausgang  des  Mittelalters  gelingt  es  den  Bürgerschaften  von  Lands- 
hut, München,  Ingolstadt,  in  gewaltigen,  wenn  auch  keineswegs 
edel  durchgebildeten  Bauwerken  Zeugnisse  eines  energischeren 
Strebens  hinzustellen. 

Diese  Verhältnisse  ändern  sich  selbst  nicht  mit  dem  Eintritt 
in  die  neue  Zeit  Wohl  erfasst  auch  hier  der  gewaltige  Drang 
nach  Umgestaltung  des  geistigen  Lebens,  nach  Vertiefung  der 
religiösen  Anschauungen  die  Massen;  Arsazius  Seehofer,  ein  Schü- 
ler Luthers,  weiss  selbst  in  München  der  neuen  Lehre  zahlreiche 
Anhänger  zu  gewinnen.  Aber  eine  Beihe  strenggläubiger  Fürsten 
unterdrückt  mit  Gewalt  diese  Regungen.  Herzog  Wilhelm  IV, 
bis  1534  mit  seinem  Bruder  Ludwig,  dann  bis  1550  allein  regie- 
rend, erliess  die  strengsten  Religionsmandate.  ^)  Ein  widerwärtiges 

^)  H.  Zschokke,  Baierische  Geschichten  III,  49  ff.    Buchner,  Gesch. 
von  Bayern  VII,  46. 

33^. 


516  ni.  Buch.    Renaissance  in  Deutschland. 

System  von  Ueberwachung  und  Angeberei  riss  beim  geringsten 
Verdacht  ruhige  Bürger  aus  den  Armen  ihrer  Familie,  um  sie 
in's  Gefängniss  zu  werfen.  Selbst  die  Bischöfe  waren  dem  Her- 
zog zu  mild;  auf  dem  Scheiterhaufen  mussten  Manche  ihren 
Glaubensmuth  büssen,  und  durch  Einführung  der  Jesuiten  legte 
er  den  Grund  zu  jener  pf&ffischen  Knechtung  der  Geister,  welche 
bis  jetzt  noch  ihre  verderblichen  Wirkungen  geübt  hat  Die  Uni- 
versität Ingolstadt  wurde  der  Hauptsitz  des  Ordens,  und  das 
bairische  Land  blieb  fortan,  die  Hauptstadt  München  an  der 
Spitze,  der  Mittelpunkt  des  weithin  gesponnenen  Netzes.  Wil- 
helms Nachfolger  Albrecht  V  (1550 — 1579)  steigerte  noch  die 
Bestrebungen  seines  Vorgängers  und  gründete  den  Jesuiten  jenes 
gewaltige  Collegium  mit  der  Kirche  des  h.  Michael  in  seiner 
Residenzstadt,  welches  zum  Bollwerk  der  Gegenreformation  wer- 
den sollte.  In  kluger  Berechnung  wusste  der  Orden  durch  prunk- 
volle Schauspiele  den  Sinn  der  Menge  zu  erhitzen  und  zu  be- 
täuben. Mit  nie  gesehener  Pracht  wurde  die  Einweihung  seiner 
Kirche  gefeiert,  und  in  einem  barock  phantastischen  Singspiel 
unter  freiem  Himmel  sah  die  staunende  Bevölkerung  den  Erz- 
engel Michael  seinen  siegreichen  Kampf  gegen  dreihundert  Teufel 
ausfechten.  Nicht  minder  pomphaft  wurde  die  Frohnleichnams- 
prozession  in  Scene  gesetzt,  und  glanzvolle  BühnendarsteUungen 
aus  der  heiligen  Geschichte  des  alten  und  neuen  Testamentes 
thaten  mit  ihrer  rohen  Pracht  das  Uebrige.  Da  zeigten  sich  in 
den  Festzügen  alle  Heiligen  des  alten  und  neuen  Bundes;  Adam 
und  Eva  scheinbar  nackt;  sechszehn  Marien,  deren  letzte  und 
schönste  im  Gewölk  einherfiihr;  Gott  Vater  selbst,  „soll  eine 
lange,  gerade,  starke,  wohlformirte  Person  sein",  wie  es  in  der 
Vorschrift  heisst;  „die  unter  dem  Angesicht  schöne  reslete  Färb 
hat  und  nit  gelb,  kupferfarb  oder  finnig  aussieht;  soll  auch  fein 
einen  steten  Gang  an  sich  nemen,  wenig  umbsehen  und  nit 
sauer  auch  nit  lächerlich,  sondern  fein  sittsam  aussehen.''  Wäh- 
rend man  so  den  Sinn  des  Volkes  betäubte,  musste  der  Bauer 
sich's  gefallen  lassen,  dass  die  härtesten  Wildgesetze  ihn  schutz- 
los gegen  die  Verwüstungen  seiner  Saaten  machten;  gegen  die 
Feldmäuse  aber  wurden  auf  herzoglichen  Befehl  Kirchengebete 
angeordnet  Die  höchste  Begierungssorge  jedoch  blieb,  das  Land 
vor  der  Berührung  mit  Luthers  Lehre  zu  sichern.*)  Die  Voll- 
endung dieser  Bestrebungen  vollzog  sich  in  der  Regierung  Wil- 
helms V  (1579  —  1598)  und  mehr  noch  durch  seinen  Sohn  Maxi- 
milian I,  das  Haupt  der  katholischen  Liga,  der  für  seine  Ver- 

*)  Vgl.  die  lebendigen  Schilderungen  im  III  Bd.  von  Zschokke. 


Kap.  XI.    Baiern.  5^7 

fechtung   der   kirchlichen  Interessen    den  Besitz   der  Oberpfalz 
sammt  dem  Eurhute  davon  trug. 

Dass  unter  solchen  Verhältnissen  von  einem  selbständigen 
Geistesleben  nicht  die  Rede  sein  konnte,  leuchtet  ein.  Nicht  dass 
es  den  bairischen  Herzogen  an  Sinn  ftr  Höheres  gefehlt  hätte; 
in  ihrer  Weise  haben  sie  nach  Kräften  die  Wissenschaft  gepflegt, 
nach  Reform  der  Geistlichkeit  und  der  Schulen  gestrebt.    Aber 
weil  sie  Alles  unter  die  Vormundschaft  der  Kirche  stellten,  blieb 
jede  freie  Entwicklung  fem;  die  Wissenschaft  trocknete  zu  einer 
neuen  jesuitischen  Scholastik  ein,  und  die  Volksseele  blieb  in 
dumpfem  Aberglauben  befangen.    Von  jener  Frische  und  Kraft 
bürgerlichen  Lebens,  wie  es  sich  im  übrigen  Deutschland  aller 
Orten  in  grossartigen  Monumenten  verkörpert    hat,   finden  wir 
keine  Spur.    Die  ganze  Bewegung  der  Renaissance  liegt  in  den 
Händen  der  Fürsten,  die  in  ihren  glänzenden  Schlössern  und  in 
opulenten  kirchlichen  Bauten  ihrer  Prachtliebe  wie  ihrer  Bigotterie 
ansehnliche  Denkmäler  errichtet  haben.   Schon  Herzog  Wilhelm  IV 
war    einer    der  eifrigsten  Förderer  der   Künste,    sein  Hof    ein 
Sammelplatz  von  Künstlern  jeder  Art.    Er  und  sein  Bruder  Lud- 
wig  haben   zuerst  die   italienische  Renaissance  beim  Bau  der 
prachtvollen  Residenz  in  Landshut  nach  Deutschland  eingeführt 
Aber  indem  sie   eine  ganze  Kolonie  italienischer  Künstler   zur 
Errichtung  und  Ausschmückung  des  Baues  beriefen,   wurde  die 
selbständige  Entwicklung  einer  deutschen  Renaissance  eher  ver- 
hindert als  gefördert.    Man  verpflanzte  die  Wunderblüthe  einer 
fremden  Kunst  auf  nordischen  Boden,  die  hier  vereinzelt  und 
wirkungslos  bleiben  musste.    Noch  höher  steigert  sich  die  Pracht- 
liebe bei  Albrecht  V.    üeberall  entstanden  neue  Bauten  oder  Ver- 
schönerungen der  schon  bestehenden;  in  den  Schlössern  zu  Lands- 
hut, Dachau,  Isareck,  Starenberg  wurde  unablässig  gebaut    Auf 
dem  Starenberger  See  schwamm  eine  Lustflotte  mit  einer  präch- 
tigen Gondel  für  den  Herzog;  seine  Kapelle  hatte  ausgezeichnete 
Sänger  und  Musiker,  vor  Allem  Orlando  di  Lasso,  dessen  Buss- 
psalmen in   einem  kostbaren  Manuscript,    geschmückt  mit  den 
Miniaturen  Hans  Mielich's,  man  noch  auf  der  Bibliothek  in  Mün- 
chen bewahrt    Kunstwerke  aller  Art,   Statuen  in  Marmor  und 
Erz,  geschnittene  Steine  und  Münzen,  Zeichnungen  und  Gemälde 
wurden  erworben,  kostbare  Bücher  und  Handschriften  angekauft, 
darunter  die  Sammlungen  Hartmann  Schedels  und  Hans  Jacob 
Foggers.    Diese  Bestrebungen  setzte  Herzog  Wilhelm  V  fort;  die 
Hofkapelle  wurde  noch  vermehrt ;  für  die  Gemäldesammlung  wur- 
den jährlich  feste  Summen  ausgesetzt,  junge  Künstler  in's  Aus- 
land geschickt,  berühmte  Maler  aus  der  Fremde  berufen.    Einen 


518  ni.  Bach.    Renaissance  in  Deutschland. 

neuen  Palast,  die  später  sogenannte  Mazburg,  erbaute  sich  der 
Herzog  in  München;  aber  noch  weit  prachtvoller  war  die  Kirche 
und  das  Collegium,  welche  er  daselbst  den  Jesuiten  errichtete. 
Ueppige  Lebenslust  brach  yom  Hofe  aus  sich  in  allen  Ständen 
Bahn,  und  es  ist  bezeichnend,  wie  der  Rath  zu  München  jedes 
Jahr  am  Sonntag  nach  drei  Königen  eine  Schlittenfahrt  Yera,n- 
stalten  musste,  zu  welche  der  ganze  Hof  geladen  wurde:  ein 
Gebrauch,   auf   dessen  Einhaltung   der  Herzog  streng  bestand, 
selbst  wenn  der  Magistrat  unterthänig  erinnerte,  es  seien  die 
meisten  Hausfrauen  schwanger  und  die  Gassen   ohne  Schnee; 
worauf  der  Herzog  befahl  „herumzufahren,  es  schneie  oder  nif 
Man  sieht  aus  Allem,  dass  die  verschwenderische  Kunstpflege 
hier  nur  eine  äusserliche  bleiben   musste,   die    den  Volksgeist 
nicht  zu  eignen  Schöpfungen  zu  befruchten  vermochte.  Wie  man 
die  Jesuiten  zur  Befestigung  der  römischen  Priesteiiierrschaft  in's 
Land  rief,  so  liess   man  auch  die  Kunst  durdi  fremde  Meister 
einführen.    Von  der  Besidenz  in  Landshut  (1536)  beginnt  diese 
Bichtung,  die  völlig  mit  den  nordischen  Gewohnheiten  und  den 
Beminisoenzen  des  Mittelalters  bricht;  dort  wie  in  allen  folgenden 
Bauten  Baiems  kommt  nur  die  italienische  Kunst  zu  Worte.  Weil 
nun  diese  Bewegung  eine  ausschliesslich  von  oben  geförderte 
war,  die  nicht  aus  dem  Volksleben  selbst  mit  Nothwendigkeit 
hervordrang,  ao  gewinnt  sie  auch  keiiien  innerlich  übereinstim- 
menden Charakter.    Es  sind  und  bleiben  vielmehr  grossentheils 
auswärtige  Mei0ter,  welche  man  für  die  Leitung  der  künstlerischen 
Unternehmungen  beruft;  zuerst  Italiener,  dann  italienisch  gebil- 
dete Niederländer.    Was  sieh  von  heimischen  Kräften  daneben 
bewährt,  gehört  meistens  dem  Gebiete  der  Kleinkünste  und  des 
Kunstgewerbes  an.  Was  hierin  gerade  in  Bdem  von  Einheimishen 
geleistet  worden,  beweist  dass  es  im  Lande  nicht  an  Talenten 
fehlte.    Auch  die  ersten  Versuche,  in  der  Architektur  sich  den 
neuen  Stil  anzueignen,  der  auf  den  alten  HandelsstraBsen  unmerk- 
lich über  die  Alpen  gedrangen  sein  mochte,  jene  ersten  Versuche 
im  Hofe  der  Besidenz  zu  Freising,  im  Vorderbau  des  Palastes 
zu  Landshut,  in  gewissen  Grabmälera  zu  Freising  und  ander- 
wärts beweisen,  dass  die  wackren  einheimischen  Meister  bereit 
genug  waren,  das  Neue  sich  aneueignen.    Aber  statt  ihnen  Ge- 
legenheit zu  bedeutenderen  Schöpfungen  zu  geben,  aus  weldien 
sich   wie   in  Schwaben,    Franken,    der  Pfalz   und  im    übrigen 
Deutschland  eine  nationale  Benaiasance   entwickelt   hätte,   zog 
man  es  vor.  Fremde  herbeizurufen  und  den  voll  ausgebildeten 
Stil  Italiens  aaeh  dem  Norden  zu  yerpiuixen.   So  ist  «eine  Reihe 
gliuender  Bauten  von  hoher  künstlerischer  Bedeutung,  aber  ohne 


Kap.  XI.    Baiern.    Freishig.  519 

innereii  ZuBammenhang  mit  dem  Lieben  des  Volkea  entstanden, 
die  wir  nun  einzeln  zu  betrachten,  haben.  Es  ist  nicht  sowohl 
dentsehe  Benaissance,  als  vielmehr  Renatssamce  in  Deutschland, 
was  wir  in  Baiem  finden. 


Freisinf. 

Auf  dem  sonnigen  Hügel,  welcher  die  Stadt  Freising  ttber- 
ragt,  hat  schon  in  ättei^tor  Zeit  die  geistliohe  Macht  einen  festen 
Sitz  aufgeschlagen.  Die  ansehnliche  romanische  Domkirche  nnd 
die  benachbarte  ehemalige  fürstliche  Residenz  bilden  mit  den 
dazu  gehörigen  Bauten  gleichsam  eine  Stadt  fttr  sich.  Wir  haben 
es  hier  zunächst  mit  dem  Besidenzschloss  zu  thun,  welches 
in  seinen  Alteren  Theilen,  namentlich  dem  nördlichen  Flügel,  zu 
den  frühesten,  noch  unklar  schwankenden  Benaissancewerken  in 
Deutschland  gehört  Bischof  Philipp  liess  im  Jahre  1520  den 
Bau  ausführen.  Von  aussen  ist  das  Schloss  völlig  einfach,  nur 
gegen  die  Johanneskirche  ragt  eia  Thurm  empor,  der  oben  acht- 
eckig und  mit  einem  Kuppeldach  geschlossen  ist  Gegen  die 
Stadt  hin  an  der  Nordseite  ist  ein  einfach  rechtwinkliger  Erker 
aufi^baut  An  der  ostwärts  schauenden  Hanptfa^ade  sieht  man 
Spuren  einer  kräftigen  Bemalung,  imitirtes  Quaderwerk  in  grau 
und  grauen  Tönen,  unter  den  Fenstern  barock  gestaltete  Schilde, 
über  denselben  mannigfach  variirte  Erönunge&  von  Blattwerk 
und  Masken,  Voluten  und  Muscheln  in  grosser  Abwechselung. 
Dies  Alles  spätere  Zusätze  vom  Ende  de^  Epoche.  Auch  das 
I^ertsd,  das  sich  im  gedrückten  Rundbogen  öfhet,  ist  mit  g«nal- 
ten  Bändern  und  Rose^n  geschmeckt  An  der  Südseite  zieht 
sich  eine  geschlossene  Terrasse  hin,  die  in  ihrer  hohen  Lage  am 
stdlidlien  Kamm  des  Hügels  einen  herrlichen  Blick  über  die 
grünen  von  der  bar  durchzogenen  Wiesengründe  gewtlhrt  Am 
HeliBont  gewahrt  man  die  Thünne  Münchens,  und  dahinter  die 
gresssrtigen  Linien  der  Alpefnkette,  die  das  schöne  Bild  ab- 
schliessen.      "^ 

Das  Hauptportal  führt  zu  efttem  Thorweg,  der  in  eihiem 
ungefllhr  quadratiBcben  Hof  VH)n  massiger  Ausdehnung  tttudet 
Den  beidm  vorderen  Flügeln  des  Baues  an  der  Bingang«seite 
«nd  zur  ReehAen)  also  dem  östtchen  und  nördlichen  siftd  Aifta- 
den  auf  eehwei^en  Pfieileni  vorgelegt,  mit  weit  gespannten  BögM, 
in  wdchen  Mittelalter  ted  BmaissaBoe  wund^ch  sich  mischen. 
Drei  Treffpen  in  rechtwittUig  gebrochener  Anlage  und  mit  Po- 
desten ftihren  aus  der  unteren  Halle  hinauf,   die  erste  gtei<b 


520  m.  Bach.    Benaiflsance  in  Deutschland. 

* 

beim  Eingänge  und  die  dritte  in  der  Mitte  des  Nordfltigels  in 
das  HauptgeschosSy  die  zweite  in  der  einspringenden  Ecke  der 
beiden  Flügel  zu  einem  hohen  Erdgeschoss.  Das  Merkwürdigste 
ist  indess  nicht  sowohl  diese  Anordnung,  als  yielmehr  der  selt- 
same Stil  der  den  zweiten  Stock  begleitenden  Galerie.  Hier 
bilden  sich  nämlich  abwechselnd  auf  kurzen  Säulchen  oder  Pfei- 
lern am  östlichen  wie  am  nördlichen  Flügel  je  fünf  Arkaden  mit 
Stichbögen,  deren  Profil  in  mittelalterlicher  Weise  aus  Kehle  und 
Bundstab  besteht.  Sämmtliche  Pfeiler  und  Säulen,  mit  einer  ge- 
wissen Opulenz  aus  rothem  Marmor  gebildet,  zeigen  verschiedene 
Behandlung,  die  zwischen  Gothik  und  Benaissance  schwankt,  und 
den  letzteren  Stil  offenbar  nur  aus  dunklen  Quellen  kennt  Man 
sieht  die  wunderlichsten  Spielereien,  in  welchen  missverstandene 
antike  Formen  mit  mittelalterlichen  Gewohnheiten  um  die  Herr- 
schaft ringen.  Die  Pilaster  oder  Pfeiler  haben  an  den  Schäften 
hübsche  Flachomamente  im  Stil  der  Benaissance.  Das  Alles 
zeugt  von  einem  provinzialen  Meister,  der  seine  ganze  Stilkennt- 
niss  etwa  aus  Burgkmaierschen  Holzschnitten  geschöpft  hat  Sein 
Steinmetzzeichen  und  das  Monogramm  A  P  hat  er  an  einem 
Pfeiler  eingegraben.  Eingefasst  wird  die  obere  Galerie  durch 
eine  derbe  Balustrade,  ebenfalls  von  rothem  Marmor.  Im  nörd- 
lichen Flügel  haben  die  oberen  Arkaden  elegant  profilirte  gothische 
Bippengewölbe. 

Im  Innern  sind  zwei  schöne  Säle  im  Erdgeschoss  des  Süd- 
flügels bemerkenswerth,  wegen  der  trefflichen  Ausbildung  ihrer 
Gewölbe,  die  ganz  in  Stuck  in  ausgebildeten  Benaissanceformen 
einer  bereits  yorgeschrittenen  Epoche  decorirt  sind.  Ein  reiches 
Stuckgesimse  umzieht  in  der  Kämpferhöhe  den  ganzen  Baum  mit 
Einschluss  der  tiefen  Fensternischen.  Beiche  mit  Engelköpfchen 
geschmückte  Gonsolen  bilden  sodann  die  Ausgangspunkte  der 
Gewölbrippen,  welche  sehr  elegant  profilirt  und  mit  Perlschnur, 
Eierstab  und  ähnlichen  Formen  geschmückt  sind.  Die  Grundform 
der  Decke  bildet  das  Kreuzgewölbe,  in  der  Mitte  ein  vollstän- 
diges, an  beiden  Seiten  ein  halbirtes.  Die  einzelnen  Kappen  sind 
durch  schön  profilirte  Bahmen  in  Form  verschiedenartiger  Me- 
daillons geschmückt,  die  kleineren  davon  mit  geflügelten  Engel- 
köpfchen ausgefüllt.  Trotz  der  dicken  Uebertünchung,  welche 
die  Feinheit  der  Glieder  nur  schwer  errathen  lässt,  ist  der 
Eindruck  des  Baumes  bei  20  Fuss  Breite  und  40  Fuss 
Länge  ein  sehr  harmonischer.  Ein  zweiter  Saal  von  denselben 
Dimensionen  zeigt  ein  Gewölbe  von  ähnlicher  Behandlung  aber 
andrer  Eintheilung,  etwas  weniger  reich  aber  nicht  minder  an- 
sprechend. 


Kap.  XI.    Baiern.    Freiring.  521 

Im  HauptgeschoBS  liegt  sodann  auf  der  nordöstlichen  Ecke, 
von  dem  bereits  erwähnten  Thurm  überragt,'  die  Kapelle.  Es 
ist  ein  quadratischer  Raum,  hoch  und  schlank  durch  kannelirte 
Pilaster  gegliedert,  dazwischen  Bogennischen  mit  Muschelfüllung. 
Darüber  steigt  eine  schlanke  Kuppel  auf,  mit  den  Stuckrelief- 
bildem  der  Evangelisten,  und  in  der  Mitte  dem  des  Salvators 
decorirt  Die  architektonischen  Details  sind  etwas  zu  gross  und 
derb  für  den  kleinen  Baum,  aber  die  Gurtbögen  und  die  übrigen 
Gewölbflächen  haben  leichte,  elegant  componirte  Banken  in  Stuck. 
Der  prachtvolle  Altar,  offenbar  gleichzeitig  mit  der  übrigen  De- 
coration, datirt  von  1621. 

Einige  Ausbeute  gewährt  ausserdem  der  Dom.  Schon  die 
gesammte  Anlage  ist  von  einer  bis  jetzt  nicht  genug  gswürdigten 
Bedeutung.  Die  stattliche  romanische  Basilika  mit  ihrer  gross- 
artigen Krypta  steht  nämlich  westlich  mit  der  alten  Taufkirche 
St  Johannes  durch  spätere  Arkaden  in  Verbindung  —  wie  es  in 
verwandter  aber  alterthümlicherer  Weise  die  Stiftskirche  zu  Essen 
zeigt;  andrerseits  sind  von  der  Johanniskirche  auch  Arkaden 
nach  der  noch  weiter  westlich  liegenden  Residenz  hingeführt  An 
der  Ostseite  aber  wird  der  Dom  ähnlich  wie  der  Hildesheimer 
durch  einen  Kreuzgang  umfasst,  der  freilich  modemisirt  ist,  aber 
durch  zahlreiche  Grabdenkmale  Interesse  gewährt.  Das  östliche 
Ende  dieses  Kreuzganges  wieder  bildet  der  sogenannte  alte  Dom, 
eine  kleine  in  gothischer  Zeit  umgebaute  Basilika  mit  polygonem 
ChorscUuss.  Der  Eingang  der  Kapelle  wird  durch  ein  Eisöngitter 
aus  der  Renaissancezeit  geschlossen.  Mehrere  Grabsteine  sind 
nicht  eben  durch  künstlerische  Bedeutung,  wohl  aber  durch  das 
frühe  Auftreten  des  Renaissancestiles  von  Interesse.  Die  ersten 
noch  schüchternen  Spuren  des  neuen  Stiles  zeigen  sich  am  Grab- 
stein des  Kanonikus  Kaspar  Marolt  (f  1513).  Die  Nischen  rund- 
bogig,  die  Pilaster  im  Charakter  der  Renaissance,  obwohl  die 
Füllungen  ein  ganz  verwildertes  gothisches  Laubwerk  haben. 
Plumpen  Renaissancerahmen  mit  geschweiften  Kandelabersäulchen 
findet  man  daneben  an  dem  kleinen  Grabstein  des  Petrus  Kalbs- 
ohr vom  Jahr  1521.  Das  Monogramm  A  P  deutet  offenbar  auf 
den  Meister  der  Arkaden  des  Residenzhofes.  Aus  demselben 
Jahre  der  Grabstein  des  Paulus  Lang  mit  Putten  und  Delphinen 
ganz  im  Renaissancegeschmack,  aber  plump  und  schwer,  wohl 
von  der  Hand  desselben  Meisters.  Im  Dome  sodann  haben 
sämmtliche  Seitenkapellen  Eisengitter  der  Hochrenaissance  von 
einer  Schönheit  und  Phantasiefülle,  wie  sie  nicht  leicht  ander- 
wärts gefunden  wird.  Der  Hochaltar  ist  ein  Prachtstück 
des    beginnenden   Barockstils.     Ebenso    die    Kanzel,    reich    ge- 


522  ni.  Buch.    Renaissance  in  Deatschland. 

Bchnitet    und   vergoldet,   mit   hohem  phantasievoll  componirtem 
Schalldeckel. 


LancLBhut. 

* 

Die  Stadt  Landshnt  hat  schon  frtth  durch  die  Residenz  der 
bairischen  Herzoge  eine  gewisse  Bedeutung  gewonnen.  Bereits 
im  13.  Jahrhundert  wird  die  Trausnitz  auf  dem  steil  die  Stadt 
ttberragenden  Hügel  zu  einer  mächtigen  Burganlage  ausgebildet, 
von  deren  künstlerischer  Entwicklung  später  die  Rede  sein  wird. 
Unten  in  der  Stadt  erbauten  sich  aber  zur  Zeit  der  aufblühenden 
Renaissanoe  seit  1536  die  Herzoge  Wilhelm  IV,  Ludwig  und  Ernst 
eine  prachtvolle  Residenz,  welche  schon  1543  vollendet  war. 
Es  ist  eins  der  merkwürdigsten,  frühesten  und  vollkommensten 
Monumente  der  Renaissance  in  Deutschland,  von  deutechen  Mei- 
stern in  einem  noch  schwankenden  Stil  begonnen,  dann  aber  von 
herbeigerufenen  Italienern  im  ausgebildeten  Stil  ihrer  Heimath 
vollendet  Wenn  man  in  der  Hauptstrasse  der  malerischen  alten 
Stadt  an  der  nüchternen  aus  späterer  Zeit  herrührenden  Fa$ade 
vorbeigeht,  kann  man  nicht  ahnen,  welche  Pracht  dahinter  sich 
birgt.  Aber  ein  alter  Stich  ^)  zeigt  uns  die  ursprüngliche  Be- 
schaffenheit der  Fa^ade.  Es  war  über  einem  hohen  mit  kleinen 
Fenstern  und  drei  Portalen  durchbrochenen  Erdgeschoss  ein  drei- 
stöckiger Bau,  in  der  Mitte  noch  durch  einen  höheren  Aufbau 
thurmartig  überragt  Die  Fenster  mit  ihren  verschiedenen  Be- 
krOnungen,  der  r<^che  Fries  des  Kranzgesimses,  die  Rahmen- 
püagter  an  den  Ecken,  endlich  die  seltsamen  mehrfach  gegürteten 
Rundsäulen  und  der  Flachbogen  des  Hauptportals  geben  den  Ein- 
druck einer  spielenden  Frührenaissance.  Tritt  man  durch  das 
jetzige  Portal  ein,  so  befindet  man  sich  in  einem  Vestibül  (A  in 
Fig.  132),^)  aus  welchem  zu  beiden  Seiten  ziemlich  steil  auf- 
steigende schmale  Treppen  in's  obere  Geschoss  führen..  Das 
Vestibül  erweitert  eich  dann  zu  dner  statflichen  Halle  B,  deren 
Kreuzgewölbe  auf  rotken  Marmorsäulen  ruhen.  Dieser  ganoe 
Vord^au  moss  das  Werk  eines  deutschen  Meisters  seift,  der 
hier  seine  zsemlieh  unUaren  Vorstellungen  von  Renaissance  ver- 
werthet  hat  In  der  That  erfahren  wir^')  dass  diese  Thefle  von 
den   Meistern   Nikku   Ueberreikr   und   Bert^uxrd  Z^izel^   einem 


0  In  Mich.  Wening  historico-topogr.  descript.  etc.  MDCCXXm.  — 
^  Die  Abbildungen  verdanke  ich  gütiger  Hittheihing  des  Herrn  Hof-Bau- 
rath  Itiedel  hi  München.  —  ")  SMghart,  Bayr.  Ennstgesch.  S.  682. 


Kap.  XI.    Baiern.    Undahnt  523 

Schttler  doB  B.  Engribei^r  von  Aogsbui^,  heirtthren.  Die  Slolen 
■zeigen  eine  nuTerstandene  Art  run  Composita-Kapitftl  and  eben 
BO  wHnderiiche  runde  Sockel,  woeo  dann  noch  die  mittolatterticli 
profiUrten  Gewdlbrippen  kommen.  Tritt  man  nun  aber  in  den 
groHen  ungefähr  quadratischen  Hof  C,  bo  ändert  sich  sofort  der 
Eindruck  und  man  glaubt  sich  in  einen  der  mächtigsten  Palast- 


Fl|.  in.    Enliaielw«  dar  BMldan  ID  lAndibnt. 

hSfe  Italieag  versetzt  Auf  drei  Seiten  fassen  gewaltige  Hauen 
DFG  TOD  doritohen  Harmor-Säulen  den  Hof  ein,  rechts  und 
liaks  mit  Kreuzgewölben  gedeckt,  ui  der  Rückseite  mit  borb- 
fönügem  Tonnengewölbe,  in  welches  Stichkappen  einsehnciden. 
IMeae  letztere  Halle  ist  von  besonders  atattlieber  Anlage,  an  bei- 
den Enden  mit  Halbkreisniaehen  gescblosBen,  die  G«wdlbe  mit 
fieüen  I^vfilen  in  Stuok  gegliedert  und  dureh  grossere  und  kleinere 


524  m*  Bach.    RenaiBBunce  in  Deutschland. 

Gemälde  mythologischen  Inhalts  geschmückt,  die  Halbkuppela 
der  Nischen  in  Bautenform  getheilt,  in  den  Feldern  feine  Belief- 
figürchen  antiker  Götter,  thonfarbig  hell  auf  braunem  Grunde, 
das  Ganze  Ton  heiterster  Wirkung.  Die  Oberwände  der  Hof- 
fanden  sind  durch  schlanke  korinthische  Pilaster  von  grossem 
Maassstabe  eingetheilt,  welche  das  Hauptgeschoss  mit  seinen 
hohen  Fenstern  und  ein  kleines  Halbgeschoss  darüber  zusammen- 
fassen. (Vgl.  den  Durchschnitt  Fig.  133.)  Die  Fenster  haben  die 
streng  klassische  Bildung  der  italienischen  Hochrenaissance  mit 
abwechselnd  geraden  und  gebogenen  Giebeln.  Das  Ganze  zeugt 
unverkennbar  von  der  Hand  eines  italienischen  Architekten  der 
schon  etwas  strengen,  ja  trocknen  Bichtung,  welcher  die  Palladio, 
Yignola  und  Serlio  angehören.  Der  Contrast  mit  dem  Vorderhaus 
könnte  nicht  grösser  sein.  Wirklich  wurden  während  des  Baues 
neue  Meister,  Sigmund  WaJch  und  Antofielli,  zur  Fortführung  des 
Angefangenen  herbeigezogen,  und  diese  beriefen  noch  andere 
Meister  aus  Mantua,  aus  der  Schule  des  Giulio  Bomano:  Bario- 
lommeo,  Francesco  und  Benedetio  mit  27  Maurern,  während  bereits 
die  Steinmetzen  Nicola  Beora,  Bemardin,  Caesar,  Samarina^  Victor 
und  Zemin,  sämmtlich  aus  Italien,  verwendet  waren.  Es  ist  also 
eine  ganze  Colonie  von  Italienern,  von  welchen  hier  die  Benais- 
sance  ausgeht.  In  welchem  Verhältniss  die  Fremden  zu  den 
Einheimischen  standen,  erkennt  man  daraus,  dass  der  deutsche 
Steinmetz  wöchentlich  einen,  der  Italiener  monatlich  10  Gulden 
erhielt  Trotz  der  Niedrigkeit  der  Löhne  kam  der  Bau  doch  auf 
52,635  fl.  zu  stehen.  1) 

Das  ganze  Innere  des  Baues,  der  völlig  im  Charakter  ita- 
lienischer Stadtpaläste  durchgeführt  ist,  zeigt  dieselbe  Behandlung, 
und  zwar  die  Hand  durchweg  sehr  tüchtiger  Künstler.  In  der 
Hauptaxe  liegt  eine  Durchfahrt  E,  welche  auf  eine  der  Haupt- 
strasse parallel  laufende  Gasse  führt  Sie  ist  mit  einem  Tonnen- 
gewölbe bedeckt,  welches  durch  achteckige  Kassetten  gegliedert 
wird.  Das  Erdgeschoss  hat  eine  Anzahl  ansehnlicher  Zimmer, 
sämmtlich  gewölbt  und  mit  Malerei  und  Stuckatur  verziert.  Aber 
weit  grösser  ist  die  Pracht  und  der  künstlerische  Aufwand  in  den 
Bäumen  des  oberen  Hauptgeschosses.  Man  gelangt  dahin  ent- 
weder über  die  beiden  Treppen  des  Vorderhauses  oder  auf  einer 
breiten  in  Backstein  mit  sehr  niedrigen  Stufen  aufgemauerten 
Treppe,  welche  aus  der  hinteren  Halle  rechts  emporführt  Ich 
kann  nicht  in  alle  Einzelnheiten  eingehen;  nur  soviel  sei  bemerkt, 
dass  es  sich  hier  um  eine  Schöpfung  handelt,  die,  wenn  sie  jen- 


>)  Geschichte  Landshats  von  Mehreren.    Landshut  1835.    S.  156    Note. 


Kap.  XI.    Baiern.    Landshut  527 

seits  der  Alpen  läge,  von  allen  Ettnetlem  und  Architekten  auf- 
gesucht, studirt  und  bewundert  sein  würde,  während  sie  in 
Deutschland  fast  unbekannt  und  verschollen  ist  Nur  dies  uQch: 
alle  oberen  Gemächer  sind  gewölbt,  die  Decken  in  mannigfacher 
Weise  getheilt,  mit  den  elegantesten  Ornamenten  in  Stuck  ge- 
gliedert, die  Felder  in  Fresko  ausgemalt,  das  Ganze  im  klassi- 
schen Stil  der  italienischen  Hochrenaissance,  eine  ktlnstliche  Stld- 
frucht  auf  nordischem  Boden.  Ich  will  nur  die  kleine  quadratische 
Kapelle  im  linken  Flügel  erwähnen,  mit  kuppelartigem  Gewölbe, 
die  Wände  mit  einer  Composita- Ordnung  von  Säulen  und  Pilastern 
elegant  gegliedert,  die  Friese  und  Deckenfläohen  mit  trefflicher 
Stuckdecoration.  Namentlich  der  Haüptfries  mit  Akanthusranken, 
in  welchen  Engel  spielen,  ist  von  schöner  Erfindung  und  Aus- 
führung. Das  Prachtstück  ist  aber  der  grosse  Saal  an  der  Rück- 
seite des  Hofes,  von  vornehmen  Verhältnissen,  etwa  27  Fuss  breit 
und  doppelt  so  lang.  Die  Wände  sind  mit  ionischen  Pilastern, 
-deren  Kapitale  sparsame  Vergoldung  zeigen,  gegliedert  Zwischen 
ihnen  sind  Medaillons  mit  feinen  mythologischen  Reliefs,  Thaten 
des  Herakles  und  Anderes  darstellend,  angeordnet  Die  Wände 
sind  jetzt  leider  weiss  getüncht,  aber  der  grosse  Fries  sowie  das 
Gewölbe  zeigen  die  ursprüngliche  Ausstattung.  Und  von  welcher 
Schönheit! 

Namentlich  der  Fries  gehört  ohne  Frage  zu  den  köstlichsten 
Schöpfungen  der  Renaissance.  Man  liest  an  ihm  in  grossen  gol- 
denen Buchstaben  den  bekannten  Satz:  „Concordia  parvae  res 
crescunt,  discordia  maximae  dilabuntur."  Aber  diese  Buchstaben 
werden  in  entzückendem  Spiel  von  muthwilligen  gemalten  Putten 
gehalten,  das  Ganze  in  einem  Reichthum  der  Erfindung,  einer 
Fülle  des  Humors,  dass  wohl  nie  ein  anmuthigerer  Kinderfries 
gemalt  worden  ist  Darüber  spannt  sich  in  gedrücktem  Rund- 
bogen das  Gewölbe  mit  ausgezeichnet  schöner  Eintheilung.  In 
den  grossen  achteckigen  Hauptfeldern  sieht  man  die  berühmtesten 
Männer  des  klassischen  Alterthums  von  Homer  an  in  Fresko ;  an 
den  beiden  Schildwänden  des  Saales  sind  die  Künstler  Zeuxis, 
Phidias  und  Praxiteles  dargestellt,  zu  denen  sich  noeh  Archi- 
medes  gesellt  In  den  kleineren  Feldern  der  Decke  sind  Grau 
in  Grau  friesartige  Scenen  aus  dem  klassischen  Alterthum  gemalt, 
als  Einrahmung  dient  ein  blauer  Grund  mit  goldenen  Bändern 
und  Schleifen  durchzogen,  darin  auf  kleinen  Medaillons  weisse 
Gemmen  nachgeahmt  sind.  Die  innere  Umrahmung  der  Haupt- 
felder endlich  besteht  aus  vergoldeten  Ornamenten  und  Glie- 
derungen. Die  Wirkung  des  Ganzen  ist  unvergleichlich  schön 
und  gehört  zum  Trefflichsten  seiner  Art  An  der  einen  Thür  des 


528  ni.  Buch.    Renaissance  in  Deutschland. 

Saales  liest  man  die  Eünstlermonogramme  P.VS,  darunter  das 
F  (wohl  „fecit");  sodann  LH. 

Bezweckt  die  Decoration  dieses  Saales  eine  Verherrlichung 
des  klassischen  Alterthums,  so  klingt  der  hier  angeschlagene 
Grundakkord  in  der  Ausstattung  der  übrigen  Räume  nach.  So 
sieht  man  ein  kleines  quadratisches  Badezimmer,  dessen  GewOlb- 
maierei  der  Aphrodite  und  den  ilur  verwandten  Gestalten  gewidmet 
ist;  in  den  Lttnetten  sind  kleine  antike  Scenen  auf  landschaft- 
lichem Grunde  gemalt,  in  den  Stichkappen  schwebende  Liebes- 
götter, mit  Benutzung  der  rafiTaelischen  Fresken  in  der  Famesina, 
Alles  im  heitersten  Stile;  die  Wände  endlich  mit  prächtigen 
Blumenteppichen  bedeckt  Die  Gemälde  zeugen  hier  von  etwas 
geringerer  Hand,  alle  aber  tragen  gleich  denen  des  Saales  das 
Gepräge  der  Nachfolger  Baffael's. 

Dieser  reichen  Ausstattung,  die  sich  durch  eine  Reihe  grösserer 
Zimmer  fortsetzt,  entspricht  alles  Uebrige.  Die  Kamine  der  Zimmer 
und  die  Thürgewände  sind  aus  rothem  Marmor  in  klassischen 
Formen  gebildet  Auffallend  ist  die  Kleinheit  sämmtlicher  Thüren, 
auch  derjenigen  des  Saales.  Von  grösster  Schönheit  sind  die 
ThürflUgel  selbst,  sämmtlieh  mit  Intarsien  geschmückt,  deren 
Ranken  zum  Geistreichsten  und  Feinsten  dieser  Gattung  gehören. 
Sie  gehen  aber  aus  Mangel  an  Pflege  zu  Grunde,  weil  man  nicht 
einmal  so  viel  darauf  gewandt  hat,  sie  bisweilen  mit  Oel  einzu- 
reiben. 

Etwas  abweichenden  Charakter  zeigt  die  Decoration  der 
oberen  Halle,  welche  im  linken  Flügel  den  Zugang  zur  Kapelle 
und  die  Verbindung  zwischen  Vorder-  und  Hinterhaus  vermittelt 
Ihre  gemalte  Decoration  entspricht  zwar  dem  Uebrigen,  aber  die 
ebenfalls  gemalten  Fürstenbilder  an  den  Wänden,  wie  das  Ganze 
flott  und  keck  hingesetzt,  zeugen  yon  der  Hand  eines  in  der 
venetianischen  Schule  gebildeten  Künstlers.  Das  Datum  ist  hier 
1536,  während  man  im  grossen  Saal  1542  liest  Wir  wissen, 
dass  Hans  Boxberger  aus  Salzburg  von  1542—55  in  der  Residenz 
gearbeitet,  namentlich  den  Gang  sammt  der  Kapelle,  femer  zwei 
Säle,  die  Kanzlei  und  den  Thurm  ausgemalt  hat  Den  Hauptsaal 
dagegen  malten  zwei  Künstler  aus  Mantua,  darunter  jener  oben 
erwähnte  Antonelli.  Auch  Ludwiff  Rospinger  aus  Mtlnchen  wird 
unter  den  Malern  genannt 

Abweichend  von  allen  diesen  Arbeiten  ist  endlich  der  im 
zweiten  Geschoss  des  Vorderhauses  liegende  geräumige  Saal, 
denn  er  ist  niedrig  nach  nordischer  Weise  und  mit  einer  Holz- 
decke versehen,  die  für  sich  allein  ein  Kunstwerk  ersten  Ranges 
bildet  Abwechselnd  auf  grösseren  und  kleineren  Gonsolen  ruhend, 


Kap.  XI.    Baienl.    IVauBnitz. 


531 


die  als  prächtiges  Gesims  den  Saal  umzieheii,  ist  die  Decke  in 
sehr  feinem  flachem  Profil  gehalten,  um  nicht  zu  schwer  auf  dem 
niedrigen  Saume  zu  lasten.  In  vierzig  grosse  quadratische  Felder, 
acht  der  Länge,  fünf  der  Breite  nach  getheilt,  welche  durch 
schmale  län^iche  Felder  getrennt  werden,  haben  sämmtliche 
Flächen  herrliche  Intarsien,  helle  Zeichnung  auf  dunklem  Grunde, 
jedes  Feld  in  abweichender  Komposition,  voll  Phantasie  und  un- 
erschöpflicher Erfindung.  Muschel-  und  Yolutenwerk  mischt  sich 
mit  Bosetten,  Bankenge  winden  und  anderem  Blattomament  Der 
Charakter  deutet  auf  den  Ausgang  des  16.  Jahrhunderts.  Am 
schönsten  sind  die  Pflanzenomamente  der  schmalen  länglichen 
Felder. 

Endlich  ist  noch  der  Fa^ade  zu  gedenken,  welche  die  Bttck- 
seite  des  Palastes  bildet  (Fig.  134).  Sie  zeigt  mit  der  schlichten 
Bustica  des  Erdgeschosses  und  den  hohen,  zum  Theil  gekuppelten 
dorisehen  Pilastem,  welche  in  ihre  grosse  Ordnung  die  beiden 
oberen  Stockwerke  einschliessen,  den  Eindruck  derselben  schon 
stark  zum  Nttchtemen  neigenden  Behandlung,  in  welche  die  ita- 
lienische Hochrenaissance  so  bald  ausklingt,  und  die  auch  in  den 
Hoffa^den  yertreten  ist  Der  ganze  Bau  ist  in  Stuck  ausgeführt. 

Im  Uebrigen  hat  die  Stadt  nicht  viel  Bemerkenswerthes  aus 
dieser  Epoche.  Das  Bezirksamt  neben  der  Mai-tinskirche  ist 
mit  seinen  schweren  Arkaden  auf  stämmigen  selbander  durch 
Architrave  verbundenen  Pfeilern,  seinen  mit  Giebeln  bekrönten 
Fenstern,  seinem  grossen  gewölbten  Vestibül  und  Treppenhaus 
ein  Bau  von  ähnlicher  streng  klassischer  Bichtung.  Dagegen  ver- 
tritt das  gegenüber  liegende  ehemalige  Landschaftshaus,  jetzige 
Postgebäude,  mit  den  prachtvollen.  Fresken  den  heiteren  Charakter 
jener  oberdeutschen  Fa^aden,  welche  ihren  Schmuck  ausschliess- 
lich durch  die  Malerei  erhielten.  Die  architektonischen  Glieder 
in  den  derben  Formen  der  späten  Benaissance  sind  hell  gehalten; 
in  drei  Beihen  zwischen  den  Fenstern  vollfarbig  gemalte  Statuen 
bairischer  Fürsten  in  dunkelbraunen  Nischen ;  unter  den  Fenstern 
bronzefarbige  Medaillons  mit  römischen  Eaiserbüsten ;  über  den 
Fenstern  Gestalten  von  Tugenden:  das  Ganze  reich  und  harmo- 
nisch. Als  „Visirer"  des  Landschaftsgebäudes  wird  1597  H.  Pack- 
tuayr  genannt;  die  Herzogsbilder  der  Fa^ade  malte  1599  H.  G. 
Khnauft    Dies  Alles  aber  überragt  weit  an  Wichtigkeit  die 

Transnitz. 

Die  alte  Yeste  erhebt  sieh  auf  einem  steil  an  der  Südseite 
der  Stadt  Landshut  aufsteigenden  Hügel.  Zu  ihren  Füssen  breitet 

34* 


532  111.  Buch.    Renaissance  in  Dentschland. 

sich  nordwärts  die  Stadt,  deren  riesiger  Hauptthtirm  St  Wartin 
mit  der  Hölie  der  Burg  -wetteifern  zu  wollen  scheint,  während 
Blldwärts  der  Bliek  Ober  das  lachend  grüne  Isarthal  bis  zu  den 
Firnen  der  bairisehen  Alpenkette  schweift.  Die  Anlage  der 
TrauHuitz  reicht  bis  in's  frühe  Mittelalter  zurück.  Spuren  dee 
spatromanischen  Stils  erkennt  man  anssen  an  den  durchschnei- 
deoden  Bogenfriesen  der  beiden  Rundthttnne,  welche  den  Ein- 
gang flankiren,  sowie  drinnen  an  der  Kapelle  mit  ihren  treff- 
lichen Skulpturen  aus  dem  Anfange  des  13.  Jahrhunderts.    Der 


ganze  Bau  mit  seiner  unregelmässigen  Form  datirt  offenbar  aus 
den  verschiedensten  Zeiten.  Nicht  blos  alle  Epochen  des  Uittel- 
alters,  sondern  auch  der  Renaissance  haben  an  ihm  gearbeitet. 

Kommt  man  lon  der  Stadt  auf  steil  ansteigendem  gewun- 
denem Fusspfade  zur  Burg  hinauf,  so  bietet  sich  in  A  (Fig.  135) 
der  ron  zwei  vorspringenden  balbruaden  ThOrmen  llankirte  Haunt- 
eingang.O  Dies  sind  wahrscheinlich  Theile  des  Baues  von  1204 
als  man  die  einfache  Warte  Trausnitz  in  eine  eigentliche  Burg 

')  Beide  Grundrisse  verdanke  ich  gütiger  Hittheilung  des  Herrn  Bau- 
raths  Schmidtner  iu  Landsbnt. 


Kap.  XI.    Buern.    Trausnitz.  533 

umwandelte,  in  welcher  in  demselben  Jahre  Herzog  Ludwig  seine 
Vermählung  feierte.  Die  Burg  folgt  in  ihrer  unregelmäseigen 
Anlage  dem  Eammo  der  steil  gegen  die  Stadt  abfallenden  HUgel- 
kuppe.  Die  vordere  Ecke  bildet  der  mächtige  Witteisbacher 
Thurm  C,  welcher. den  Aufgang  zur  Burg  beherrscht.  Tritt  man 
durch  die  mit  gothischen  Stemgewülben  bedeckte  Eingangshalle 
in  den  grossen  unregelmässigen  Hof  B,  so  hat  man  Tor  sich  die 
beiden  Hauptfitigel  des  Schlosses,  welche  ursprünglich  schon  die 
Wohn-  und  Festräume  enthielten.  Hier  finden  sich  vor  Allen  die 


jetzt  als  Archiv  dienenden  ßäume  H  und  I,  ursprünglich  wahr- 
scheinlich ein  einziger  Saal,  die  sogenannte  TUrnitz,  deren  Decke 
auf  achteckigen  Pfeilern  mit  gothischen  Spitzbogen  ruht.  Nach 
der  Südseite  gewähren  zahlreiche  Fenster  und  zwei  vorgebaute 
Erker  einen  prächtigen  Blick  weit  über  das  Land.  Davor  legt 
sich  der  später  hinzugefügte  sogenannte  italienische  Bau  K  mit 
der  berühmten  Narrentreppe  L.  Nach  dem  Hofe  dagegen  sind 
mehrere  Nebenräume,  auf  der  Ecke  die  Wendeltreppe  Q  angelegt 
und  ein  direkter  Zugang  zum  Saale  wird  durch  eine  Yorhalle 
vermittelt    Eine  ähnliche  Vorhalle  N  führt  zu  der  alten  Schloss- 


534  III  Bucb.    Renaissance  in  Deutschland. 

kapelle.  0  mit  ihrem  präehtigen  Altar  und  Lettnerbaa  und  der 
Empore  für  die  Herrschaft,  ^e  durch  eine  kleine  Wendeltreppe 
zugänglich  ist  In  P  liegt  die  alte  Sakristei.  An  die  Kapelle 
stösst  sodann  der  mächtige  Saal  M  mit  gewaltigen  spitzbogigen 
Kreuzgewölben,  deren  breite  Gurten  und  Bippen  auf  achteckigen 
Pfeilern  ruhen.  Die  übrigen  Bäume  sind  für  Dienstzwecke  er- 
richtet; in  E  ist  die  Kttche,  durch  den  Gang  C  mit  dem  Haupt- 
bau verbunden.  In  D  sind  Wohnungen  für  Bedienstete,  in  F  ist 
das  Brunnenhaus  mit  dem  bis  auf  die  Thalsohle  reichenden  Zieh- 
brunnen. Die  beiden  oberen  Geschosse  des  Hauptbaues  sind  in 
beiden  Flügeln  mit  offnen  Arkaden  umzogen,  deren  gedrückte 
Bögen  auf  Pfeilern  ruhen,  die  mit  dorischen  Pilastem  decorirt 
sind.  Dieser  Vorbau  sammt  dem  Treppenhaus,  welches  in  B  auf 
unserm  Grundriss  angedeutet  ist,  vnirde  seit  1578  hinzugefügt 
Obwohl  die  Formen  von  geringem  Werth  und  ohne  besondere 
Feinheit  nur  in  Stuck  ausgeführt  sind,  macht  das  Ganze  doch 
mit  dem  ofinen  Stiegenhaus  und  den  weitgespannten  Bögen  der 
Galerieen  einen  malerischen  und  stattlichen  Eindruck,  wie  unsere 
Fig.  136  zeigt 

Das  obere  Hauptgeschoss,  dessen  Grundriss  Fig.  137  dar- 
steDt,  hat  über  der  Tümitz  die  Haupträume,  in  E  und  F  die 
Zimmer  der  Herzogin,  besonders  das  erstere  durch  den  Erker 
einen  herrlichen  Blick  auf  die  Landschaft  bis  zu  den  fernen 
Alpen  gewährend,  in  D  den  grossen  Audienzsaal,  dessen  Decke 
durch  zwei  hölzerne  Stützen  getragen  wird.  Von  da  gelangt  man 
durch  den  Verbindungsraum  G  in  den  Thronsaal  H  und  das 
Nebenzimmer  I,  welches  wieder  direkt  und  durch  das  Vorzimmer 
M  mit  dem  italienischen  Anbau  K  und  der  Narrentreppe  L  zu- 
sammenhängt Durch  den  Verbindungsgang  N  communiciren  diese 
herrschaftlichen  Wohnräume  mit  der  Fürstenempore  in  der  Kapelle 
0.  Durch  die  offne  Galerie  A  gelangt  man  sodann  in  den  Speise- 
saal P,  an  welchen  wieder  mehrere  Wohnräume,  das  mittlere  mit 
einem  Erker  nach  aussen,  sich  schliessen.  Von  der  Galerie  B, 
welche  als  Vorhalle  zu  den  herrschaftlichen  Wohnräumen  führt, 
ist  erst  in  späterer  Zeit  der  Baum  C  abgetrennt  worden.  Ein 
besonderer  Aufgang  zu  den  Zimmern  der  Herzogin  war  aber 
durch  die  Wendeltreppe  Q  hergestellt  Alle  übrigen  Bäume  von 
B  bis  Z  waren  wieder  für  Dienstzwecke  vorbehalten.  Der  zweite 
Stock  wiederholt  im  Wesentlichen  die  Eintheilung  des  ersten,  nur 
ist  er  minder  reich  geschmückt 

Dass  die  künstlerische  Ausstattung  der  Burg  verschiedenen 
Zeiten  angehört,  erkennt  man  nicht  blos  aus  dem  Charakter  ihrer 
Kunstwerke,  sondern  auch  aus  einer  Reihe  von  Inschriften.   Die 


Kap.  XI.    Baiern.    Trausnitz. 


535 


Jahrzahl  1529  trftgt  der  kolossale  eiserne  Ofen  in  der  Tttmitz, 
der  den  Namenszug  Herzog  Ludwig's  zeigt  und  in  den  Ornamen- 
ten noch  zwischen  Mittelalter  und  Kenaissance  schwankt.  Die 
volle  Frtthrenaissance  mit  ihren  zierlichen  Formen  tritt  sodann 
an  dem  Kamin  des  Tumiersaales  im  oberen  Stockwerk  hervor, 
der  die  Jahrzahl  1535  bietet.  Dann  folgt  in  der  Reihe  ein  zier- 
liches Werk  des  Erzgusses,  der  Eimer  in  dem  Ziehbrunnen  des 
Hofes  mit  eleganten  Ornamenten,  Masken  und  Rankenwerk  ge- 
schmückt.   Man  liest  auf  ihm:  Lienhardi  Peringer  goss  mich  zu 


Fig.  187.    Traii«nitz.    OrnndrUiB  doi  ersten  Stockes. 


Landshut  als  man  zalt  1558  Jar.  A.  H.  J.  P.  (Albrecht  Herzog 
in  Paiem).  Der  Haupttheil  der  malerischen  Ausstattung  gehört 
aber  den  Jahren  1576  bis  1580  an,  denn  diese  Zahl  liest  man 
wiederholt  in  den  Sälen  des  Hauptgeschosses.  Es  sind  also  die 
Regierungen  Albrechts  V  und  Wilhelms  V,  die  sich  hier  vorzugs- 
weise verewigt  haben.  Die  Galerie  mit  dem  Treppenhaus  ist  um 
dieselbe  Zeit,  1578,  entstanden.  Einiges,  durchweg  gröber  und 
kunstloser  ausgeführt,  datirt  erst  von  1675,  aus  den  Zeiten  des 
Kurfürsten  Ferdinand  Maria. 


536  ^'  Buch.    SenaiBsance  in  Deutschland. 

Ich  gehe  hier  nur  auf  die  Arbeiten  aus  den  siebziger  Jahren 
des  sechzehnten  Jahrhunderts  ein,  die  den  Kern  der  künstlerischen 
Ausstattung  bilden.  Dieselbe  beschränkt  sich  auf  die  Zimmer  des 
Hauptgeschosses,  zu  jener  Zeit  offenbar  die  Wohn-  und  Empfangs- 
räume der  Herzöge.  Während  die  Gemächer  des  darüber  liegen- 
den Stockwerks  ganz  mit  Holz  verkleidet  sind,  sowohl  getäfelte 
Wände,  als  auch  hölzerne  Decken  zeigen,  letztere  mit  trefflicher 
Eintheilung  und  markiger  Profilirung,  sind  die  Säle  des  Haupt- 
geschosses  vollständig  auf  Malerei  angelegt,  so  dass  nicht  bloss 
die  Wände  ganz  mit  Gemälden  überzogen  sind,  sondern  auch 
die  flach  gehaltenen  Decken  eine  farbige  Dekoration  tragen.  Üie 
Gemälde  sind  aber  auf  Leinwand  ausgeführt,  welche  ^eppichartig 
die  Wände  bekleidet,  leider  jetzt  grossentheils  im  Zustande  grau- 
samer Zerstörung.  Wir  haben  hier  also  6in  drittes  System  von 
Ausstattung  der  Räume:  in  der  Residenz  zu  Landshut  gewölbte 
Decken  mit  Stuckatur  und  Fresken,  die  Wände  ebenfalls  zwischen 
plastischer  und  malerischer  Ausstattung  getheilt;  in  der  Münchener 
Residenz  (um  dies  hier  vorauszunehmen)  die  Wände  auf  Teppiche 
berechnet,  die  Decken  mit  Oelgemälden  in  vergoldeten  Rahmen, 
dazu  plastische  Dekoration  an  den  verbindenden  Friesen  und 
Wölbungen;  endlich  in  der  Trausnitz,  abgesehen  von  den  voll- 
ständig auf  Holztäfelung  berechneten  Räumen,  eine  Ausstattung 
der  Hauptgemächer,  bei  welcher  die  Plastik  völlig  leer  ausgeht 
und  Alles  in  die  Hände  der  Malerei  gelegt  ist  Der  Charakter 
derselben  trägt  im  Ganzen  das  Gepräge  des  gleichzeitigen  italieni- 
schen Manierismus,  wie  denn  die  ausführenden  Künstler  offenbar 
in  Italien  ihre  Studien  gemacht  haben.  Soweit  geht  die  Allein- 
herrschaft der  Malerei,  dass  sogar  die  Thüren  und  ihr  Rahmen- 
werk, mit  Ausschluss  jeder  plastischen  Gliederung,  nur  mit  male- 
rischer Dekoration  versehen  sind;  höchstens  hier  und  da  an  den 
Decken  die  kleinen  Rosetten  (wo  nicht  etwa  auch  die  Decken 
Bildschmuck  zeigen)  bieten  mit  ihrer  Vergoldung  einen  Ruhe- 
punkt. Dies  ist  aber  des  Guten  zu  viel,  und  das  Auge  sucht 
vergeblich  nach  jenen  kräftigeren  Formen  rhythmischer  Theilungeü, 
welche  jeden  Raum  gliedern  müssen,  um  ihn  unsrer  Empfindung 
nahe  zu  bringen.  Von  dem  Charakter  der  Dekoration  wird  am 
besten  die  beigeftigte  Abbildung  (Fig.  138)  eine  Anschauung 
geben.  Sie  ist  nach  einer  Photographie  durch  die  geschickte 
Hand  Baldinger's  auf  den  Holzstock  gezeichnet  Jm  Allgemeinen 
bewegt  sich  die  Malerei  in  hellen  heiteren  Tönen,  die  grossen 
Hauptbilder  werden  durch  gemalte  Streifen  und  Friese  eingefasst, 
welche  meistens  auf  hellem  Grunde  leichte  Ornamente  im  Stil 
antiker  Wanddekoration  zeigen.  Zum  Besten  gehört  das  Audienz- 


Fii.  las.    Klmmcr  ani  dar  TnnnlU 


Kap.  XI.    Baiern.    Trausnltz.  539 

m 

Zimmer,  dessen  Decke  auf  zwei  Holzsäalen  ruht.  Zwar  sind  die 
grossen  geschichtliehen  Bilder  an  den  Wänden,  abgesehen  Ton 
üirer  starken  Zerstörung,  nicht  grade  vorzttglich;  aber  die  Wand- 
streifen  enthalten  auf  weissem  Grunde  geistreich  ausgeführte  Or- 
namente, und  noch  glänzender  sind  die  einfassenden  Glieder  der 
Decke,  welche  zwischen  den  neun  grossen  Bildern  abwechselnd 
auf  leuchtend  rothem  und  weissem  Grunde  köstliche  Ornamente 
zeigen.  Da  aber  die  Malerei  sich  unaufhaltsam  vom  Fussboden 
bis  zur  Decke  und  selbst  über  die  letztere  hin  erstreckt,  so  fehlt 
jene  planvoUe  Abstufung  und  Gliederung,  welche  in  sämmtlichen 
antiken  Wsnddekoratioiien,  namentlich  den  pompejanischen,  das 
Ganze  bei  allem  Seichthum  so  maassvoll  und  ruhig  erscheinen 
lässt.  Im  Einzelnen  wird  man  indess  auch  auf  der  Trausnitz 
vieles  Anziehende,  ja  Vortreffliche  finden.  Wie  übrigens  die 
italienischen  Anschauungen  eingewirkt  haben,  erkennt  man  an 
manchen  Stellen,  so  besonders  in  jenem  Zimmer,  an  dessen  Decke 
man  die  vier  Jahreszeiten  in  gut  ausgeführten  grossen  Bildern 
sieht  Die  obere  Einfassung  besteht  hier  aus  einem  kleinen 
Fries,  winzige  Figürchen  auf  weissem  Grund  enthaltend,  Phan- 
tastisches sowie  allerlei  Kamevalscenen  und  Haskenscherze  in 
geistreichster  Leichtigkeit  der  Darstellung.  Man  sieht,  es  war  die 
Zeit,  da  die  vornehme  Welt  Europa's  nach  Venedig  und  Bom 
pilgerte,  um  den  Karneval  in  seiner  ausgelassensten  Blüthe  mit 
zu  machen. 

In  ähnlicher  Weise  bietet  die  sogenannte  Narrentreppe  in 
ihren  meisterhaft  ausgeführten,  leider  unbarmherzig  beschädigten 
Fresken  die  weltbekannten  Scenen  der  italienischen  Komödie  in 
fast  lebensgrossen  Gestalten  voll  Laune  und  Uebermuth.  Diese 
Treppe,  die  vom  Erdgeschoss  bis  in's  oberste  Stockwerk  hinauf 
führt  und  von  unten  bis  oben  mit  Fresken  bedeckt  ist,  gehört  zu 
einem  besonderen  Theile  der  Burg,  der  als  italienischer  Anbau 
bezeichnet  wird.  (L  K  in  unsrem  Grundriss.)  Derselbe  enthält 
nnr  wenige  kleine  Zimmer,  deren  künstlerische  Behandlung  sich 
völlig  von  der  in  den  übrigen  Räumlichkeiten  herrschenden  unter- 
scheidet. Hier  ist  nämlich  die  Malerei  ausgeschlossen,  mit  Aus- 
nahme der  eben  erwähnten  Treppe,  alles  dagegen  in  plastischer 
Gliederung  mit  wenigen  Farbentönen  auf  weissem  Grunde  durch- 
geführt Damit  hängt  zusammen,  dass  die  Bäume  sämmtlich  mit 
Gewölben  von  mannigfaltiger  Form  und  Eintheilung  versehen 
sind.  In  einem  Vorzimmer  mit  einfachem  Tonnengewölbe  be- 
schränkt sich  die  Farbe  in  den  Gliedei-ungen  auf  ein  kräftiges 
Blan,  das  mit  Weiss  wechselt  In  dem  Hauptgemach,  einem 
Kabinet  von  rechtwinkliger  Form,  das  Spiegelgewölbe  mit  Stich- 


540  I^I*  Buch.    Renaissance  in  Deutschland. 

kappen  hat,  ist  nicht  blos  die  Eintheilung,  sondern  auch  die 
GliederuDg  und  die  Ornamentik  überaus  fein  und  schön,  dabei 
mit  grossem  Geschick  ausgeführt,  wie  denn  zierliche  Frucht- 
schnüre frei  schwebend  die  Hauptlinien  markiren.  Die  Ornamente, 
sind  hier  in  tiefem  Blau  und  Gold  auf  weissem  Grund.  Schliess- 
lich ist  noch  zu  erwähnen,  dass  im  Hauptgeschoss  des  ganzen 
Baues  grosse  grün  glasirte  Kachelöfen,  deren  Einsatzstücke  blaue 
Ornamente  auf  weissem  Grund  zeigen,  aufgestellt  sind.  Wahre 
Prachtstücke  der  süddeutschen  Thonplastik. 

Als  Urheber  der  reichen  malerischen  Dekoration  wird  uns 
zunächst  der  Niederländer  Friedrich  Sustris  genannt,  der  1579  und 
1580  in  der  Trausnitz  malte;  sodann  Alexander  Siebenbürger ,  der 
schon  1564 — 78  an  der  Schneckenstiege  und  der  Bathsstube  be- 
schäftigt war,  also  jedenfalls  die  flotten  Eomödienscenen  an  der 
sogenannten  Narrentreppe  ausführte.  Leider  sind  sämmtliche 
Theile  dieser  kostbaren  Dekoration  durch  eine  fast  beispiellose 
Vernachlässigung,  die  bis  in  die  jüngste  Epoche  gedauert  hat  — 
König  Ludwig  hasste  bekanntlich  als  Kind  seiner  Zeit  die  ganze 
„Zopf"-Kunst  —  schmachvoll  verwüstet  worden.  Erst  jetzt,  da 
König  Ludwig  II  der  Ti'ausnitz  seine  Aufmerksamkeit  zuwendet, 
wird  vielleicht  für  die  Erhaltung  der  noch  vorhandenen  Reste 
gesorgt  werden. 


München. 

Dass  eine  so  lebensvolle,  von  Kraft  und  Frische  strotzende 
Stadt  wie  München  in  der  Renaissancezeit  keine  bürgerliche 
Baukunst  gehabt  hat,  die  sich  entfernt  mit  den  Denkmälern  auch 
nur  der  Reichsstädte  zweiten  Ranges  messen  könnte,  liegt  in  den 
bereits  geschilderten  Verhältnissen  begründet.  In  der  That  waren 
es  hier  ausschliesslich  die  Fürsten,  welche  die  Kunst  gepflegt 
und  ansehnliche  Bauten  errichtet  haben.  Eins  der  charaktervoll- 
sten  Werke  ist  der  alte  Münzhof,  von  dessen  energisch  behan- 
delten Arkaden  Fig.  139  eine  Anschauung  giebt.  Es  sind  in  der 
Länge  neun,  in  der  Breite  drei  Arkaden  in  derber  Rustika,  weit 
gespannte  gedrückte  Bögen,  in  zwei  Geschossen  auf  kurzen  stäm- 
migen Säulen  ruhend,  während  das  oberste,  schlankere  Stockwerk 
dürftige  dorische  Säulen  zeigt.  Im  Erdgeschoss  haben  die  Säulen 
ionische  Kapitale  mit  kannelirtem  Halse,  im  ersten  Stock  korin- 
thisirende.  Mit  Ausnahme  des  zweiten  Stockes  ist  die  Behand- 
lung eine  ungemein  kraftvolle  und  originelle  in  gediegenem  Quader- 
bau. Die  Säulen  des  obersten  Stocks  bestehen  aus  rothem  Marmon 


Kap.  XI.    Bsiern.    HUnchen.  541 

Sodann  gehört  za  den  grosBartigsten  Schöpfungen  der  Zeit 
die  dnrch  Wilhelm  V  für  die  Jeadten  von  1582  bis  1597  erbaute 
S.  HicbaeUkirehe,  ohne  Frage  die  gewaltigste  kirchliche  Schö- 
pfung der  deutschen  RenaiaBance.  Der  Bau  kostete  nur  in  den 
letzten  zehn  Jahren  seit  15S7  die  für  damalige  Zeit  betrSchtllche 
Summe  von  131,344  fl.  Ob  ein  Mitglied  des  Jesuitenordens  bei 
Herstellung  des  Plans  mitgewirkt,  wie  man  wohl  gemeint  hat, 


Flc  1S9.     UUDitadf  In  HUnchen. 

mu8B  mehr  als  fraglich  erscheinen.  Die  Leiatung  ist  in  technisch 
conatructirem  Sinne  so  eminent,  daas  nur  ein  praktischer  Archi- 
tekt auf  eine  solche  Conception  fallen  konnte;  aber  auch  die 
kflnstlerische  Behandlung  ist  von  einer  Feinheit,  hält  sich  so  fem 
von  den  berüchtigten  Ueberladungen  andrer  Jesuitenkirchen,  daas 
man  auch  daraus  eher  gegen  ala  für  Betheiligung  eiuee  Ordena- 
mitgliedes  beim  Bau  schliessen  muss.  AIb  Meister  wird  der  Stein- 
me^  Wolfgang  Mutier  genannt,  geboren  1537.  Das  Gewölbe  voll- 


' 


549  ^^'  ^<^-    BenaisBance  in  Deatgchland. 

endete  er  1 589  und  erhielt  daftir  eine  Belohnung  von  50  Gulden, 
was  aber  nicht  hinderte,  dass  er  wegen  Einsturz  des  Thurmes 
acht  Tage  bei  Wasser  und  Brod  in  den  Falkenthurm  musste. 
Neben  ihm  wird  Friedrich  Sustris  genannt,  der  nach  dem  Ein- 
sturz des  Thurmes  da«  Schiff  yerlängerte,  den  Chor  arhöhte  und 
ausbaute.  Sodann  Wilheltn  Eggl^  1585  entlassen,  WmdelDieirich 
von  Augsburg,  der  in  demselben  Jahre  Yorkommt,  und  der  Ita- 
liener Antonio  VaHento.  Bei  der  Ausschmückung  des  Baues  wer- 
den unter  andern  der  berühmte  Bildgiesser  Hubert  Gerhard,  Peter 
Candida  Hans  IFänher  der  Maler  und  der  Bildhauer  Hans  Krumper 
genannt 

Das  Innere  (Fig.  140)  ist  von  ausserordentlicher  Schönheit 
und  Grossartigkeit  der  Verhältnisse,  dabei  von  einer  maassYoUen 
Einfachheit  der  Dekoration,  welche  die  BaumschOnheit  noch  er- 
höht, so  dass  kein  gleichzeitiger  Bau  in  Italien  sich  damit  mes- 
sen kann.  Es  ist  ein  einschiffiges  Langhaus,  mit  einem  kolossa- 
len Tonnengewölbe  überdeckt,  von  Seitenkapellen  begleitet,  welche 
zwischen  die  Pfeiler  eingebaut  sind  und  über  sich  Emporen  haben. 
Ein  Querschiff  in  der  Höhe  und  Tiefe  der  letztem  legt  sich  vor 
den  Chor.  Dieser  wieder  verengt  sich  gegen  die  Kirche,  ist  um 
mehrere  Stufen  erhöht  und  schliesst  mit  einer  Absis.  Mit  grosser 
Meisterschaft  ist  die  Beleuchtung  so  vertheilt,  dass  das  haupt- 
sächlich aus  den  Emporen  und  dem  Querschiff  einfallende  Licht 
reiche  Abwechslung  ergiebt  Was  aber  dem  Innern  vor  allen 
andern  gleichzeitigen  Kirchenbauten  Italiens  und  der  übrigen  Welt 
einen  hohen  künstlerischen  Vorzug  verschafft,  ist  die  ungewöhn- 
liche Feinheit  der  Dekoration.  Statt  des  beliebten  Fortissimo's, 
in  welchem  die  damalige  Architektur  mit  den  stärksten  Mitteln, 
den  schärfsten  Contrasten,  den  überladensten  Formen  ihre  Blech- 
musik zusammensetzt,  sind  hier  selbst  für  die  Hauptglieder  nur 
die  bescheidensten  Ausdrucksmittel  gewählt,  gedoppelte  Pilaster 
zwischen  den  Kapellen  und  den  Emporen,  die  Flächen  mit  Statuen- 
nischen angemessen  belebt,  die  Gesimse  bescheiden  profilirt,  die 
ganze  Dekoration  in  weissem  Stuck  bei  sparsamer  Anwendung 
von  Gold.  Vor  Allem  aber  hat  das  gewaltige  Tonnengewölbe 
eine  unvergleichliche  Leichtigkeit  freien  Schwebens,  denn  statt 
der  schweren  Kasetten,  die  man  den  Gewölben  damals  zu  geben 
liebte,  ist  es  durch  leichtes  Rahmenwerk  in  verschiedene  grössere 
und  kleinere  Felder  getheilt  und  durch  die  von  den  Pilastem 
aufsteigenden  Gurten  rhythmisch  gegliedert  Die  Mitte  der  grös- 
seren Felder  wird  durch  schöne  Rosetten  bezeichnet,  dazu  kom- 
men an  passenden  Stellen  zarte  Fruchtschnüre,  endlich  in  dem 
ganzen  Räume  eine  figürliche  Dekoration,  die  in  allen  Abstufun- 


Kap.  XI.    Baiern.    Mttncheo.  545 

gen  das  Motiv  Ton  geflügetten  Engelköpfen  und  sinhwebenden  Engel- 
gestalten  Tariirt  Den  Glanzpunkt  bildet  in  der  Axe  des  Quer- 
sehiffes  der  herrliche  Kranz  anbetender  Engd,  die  hier  gleichsam 
die  Schwelle  des  Heiligthnms  bewachen.  Endlich  ist  zu  bemerken, 
dass  alle  Glieder  in  feinster  Charakteristik  durch  Perlschnur,  Eier- 
stab, Herzblatt,  Welle  und  ähnliche  antike  Formen  aufs  Edelste 
belebt  sind.  Alle  Hauptpilaster  haben  Basen  von  rothem  Marmor 
auf  Untersätzen  eines  schönen  grauen  Marmors.  Die  Gitter  vor 
den  Kapellen  sind  sämmtlich  in  Schmiedearbeit  mannigfaltig  und 
schon  durchgeführt  Zwei  elegante  Bronzekandelaber  stehen  am 
Eingang  des  Chores.  Der  Hochaltar  ist  ein  in  drei  Stockwerken 
mit  gekuppelten  Säulen  pomphaft  aufgebautes  Werk.  Von  maass- 
Toller  Pracht  sind  dagegen  die  Chorstühle,  big  auf  die  spätere 
Rococobekrönung.  Die  vasenartigen  Armlehnen  mit  Masken,  die 
feinen  korinthischen  Pilaster,  am  üntertheil  der  Schäfte  rdch 
omamentirt,  mit  Engelköpfen,  Laub-  und  Blumengewinden,  da- 
neben die  innere  Umrahmung  der  Felder  mit  Flechtbändem,  die 
Flächen  selbst  mit  Engelköpfen  und  Fruchtgehängen;  darunter 
die  Predellen  gleich  den  oberen  Friesen  mit  Engelköpfen  und 
Cartoucheschilden,  endlich  als  Abschluss  die  Muschelnischen,  das 
ist  ein  Ganzes,  wie  man  es  von  solcher  Schönheit  in  dieser  Spät- 
zeit nur  selten  findet  ^) 

Die  Fa^ade  entspricht  in  ihrer  kolossalen  Massenhaftigkeit 
dem  einfach  grossartigen  Charakter  des  Innern,  ohne  jedoch 
dessen  Feinheit  und  Anmuth  zu  erreichen.  Es  ist  ein  Hochbau 
mit  riesenhaftem  Giebel,  eben  so  originell  und  selbständig  wie 
die  Anordnung  des  Innern.  Auf  die  conventionelle  Gliederung 
durch  die  in  Italien  gebräuchlichen  Elemente  der  antiken  Archi- 
tektur hat  der  Heister  verzichtet.  Nur  durch  mehrere  Reihen  von 
Nischen  mit  Statuen  von  bairischen  Fürsten  und  deutschen  Kaisern 
werden  die  ungeheuren  Flächen  belebt  Zwei  mächtige  Portale 
von  rothem  Marmor  in  derben  etwas  barocken  Formen  bilden  den 
Eingang.  Ueber  ihnen  in  einer  Nische  die  kolossale  Bronzefigur 
des  h.  Michael  mit  dem  Drachen. 

Das  anstossende  Jesuitencollegium,  jetzt  Akademie  der 
Künste,  ist  eine  ausgedehnte  aber  schlicht  behandelte  Anlage  mit 
mehreren  Höfen;  der  erste  Hof  mit  dorischen  Halbsäulen  und 
Bögen^  welche  die  Fenster  im  Erdgeschoss  einrahmen;  die  Fa^ade 
nach  der  Strasse  einfach  in  Stuck  ausgeführt,  im  Erdgeschoss 


0  Eine  architektonische  Aufnahme  dieses  herrlichen  Gestühls  wäre 
sehr  wünschenswerth. 

Kngler,  Gesch.  d.  Baakanst.  V.  35 


546  m-  BucL    Benaissance  in  Deutschland. 

Rustika  und  Portale  mit  dorischen  Pilastern,  die  Fenster  in  den 
drei  oberen  Stockwerken  ebenfalls  schlicbt  umrahmt,  nur  im  ober- 
sten Geschoss  mit  durchbrochenen  und  geschweiften  Bekrönungen. 
Eine  nüchterne,  aber  imposante  Kaserne  für  die  Mitglieder  der 
soldatisch  organisirten  Gesellschaft  Jesu. 

Ein  überaus  einfacher  Bau  ist  sodann  die  ebenfalls  unter 
Wilhelm  V  seit  1578  ausgeführte  Wilhelmsburg,  jetzt  unter  dem 
Namen  Maxburg  bekannt,  weil  Kurfürst  Maximilian  sie  bis  zur 
Vollendung  seiner  neuen  Residenz  bewohnt  hat  Hier  sind  die 
Formen  auf  das  Aeusserste  von  Schmucklosigkeit  zurückgeführt; 
die  ganze  Dekoration  der  Fa^ade  beschränkt  sich  auf  eine  Ab- 
wechselung von  drei  verschiedenen  Tönen,  welche  eine  gute  und 
lebendige  Wirkung  machen.  Die  beigegebene  Fig.  141  wird  dies 
näher  veranschaulichen.  Nur  die  Einfassungen  der  Fenster  sind 
von  Stein,  alles  Uebrige  von  StucL 

Das  grossartigste  Fttrstenschloss  der  Renaissance  erbaute 
erst  Maximilian  I,  indem  er  eine  frühere  Burg  der  Herzoge  in 
München  zu  dem  glänzenden  Residenzbau  umgestaltete,  der 
noch  jetzt  in  seinen  wichtigsten  Theilen  erhalten  ist  Das  älteste 
der  fürstlichen  Schlösser  in  München  ist  die  Ludwigsburg  oder 
der  Alte  Hof,  von  Ludwig  dem  Strengen  1253  erbaut  und  von 
Kaiser  Ludwig  nach  dem  grossen  Brande  der  Stadt  1327  wieder 
hergestellt  Em  Theil  der  Hoffagade  mit  dem  malerischen  Erker 
reicht  noch  in  jene  Zeit  zurück-,  im  Innern  sind  die  trefiTlichen 
Balkendecken  des  Flurs  im  oberen  Stock  und  die  auf  die  Wand 
gemalten  Fürstenbildnisse  noch  Reste  der  gothischen  Epoche.  Im 
Gegensatze  zu  dieser  ältesten  Burg  errichtete  Albrecbt  lY  seit 
1460  die  sogenannte  Neue  Y est e,  welche  er  mit  Wällen,  Gräben 
und  Thttrmen  versah.  Zum  Zeichen  seines  Kunstsinnes  legte  er 
in  ihr  bereits  eine  Gemäldesammlung  an.  Da  der  Bau  1579 
durch  Brand  zerstört  wurde,  errichtete  Wilhelm  Y  die  oben  be- 
sprochene Wilhelmsburg,  bis  Maximilian  um  1600  den  Beschluss 
fasste,  an  Stelle  der  halb  abgebrannten  Yeste  die  noch  jetzt  vor- 
handene prachtvolle  Residenz  aufzuführen.  Nach  den  Plänen  und 
unter  Oberleitung  von  Peter  Candid  wurde  der  Bau  durch  die  Werk- 
meister Hemrich  Schön  und  Hans  Reifenstuel  von  1600—1616  er- 
richtet Die  Erzarbeiten  goss,  wohl  grösstentheils  nach  Candidas 
Entwürfen  Hans  Krumper;  Itir  die  malerische  Ausschmückung  wur- 
den Christoph  Schwarz^  Ulrich  Loth  und  andere  Künstler  heran- 
gezogeu.*)    Ich  gebe  in  Fig.  142  den  Grundriss  des  Erdgeschos- 


>)  München  von  R.  un  d  G.  Marggraff.    S.  273  ff. 


Kap.  XI.    Baiern.    Mttnchen.  549 

ses,*)  zu  dessen  Erklärung  fQr  die  Hauptpunkte  der  Anlage  einige 
Andeutungen  genügen  mögen. 

Die  HauptfaQade,  nach  Westen  gekehrt,  wird  durch  die 
beiden  Prachtportale  bei  A  und  B  hinreichend  als  solche  bezeich- 
net Ein  drittes  Hauptportal  liegt  an  der  Nordseite  bei  G,  im 
Aeussem  einfach  behandelt  und  bei  Weitem  nicht  so  prachtvoll 
ausgestattet  wie  jene,  aber  auf  das  grossartige  Kaiservestibttl  und 
die  Kaisertreppe  E  f&hrend,  wodurch  die  unmittelbare  Verbindung 
mit  den  Wohn-  und  Prachträumen  bewirkt  ist  Die  Art  wie  der 
Architekt  mit  Bücksicht  auf  die  damals  noch  vorhandenen  Theile 
der  älteren  Burg  (bei  R  im  nordöstlichen  Flügel)  den  Bau  an- 
gelegt und  durchgeführt  hat,  verdient  Bewunderung.  Grade  diese 
Theile  sind  durch  die  Neubauten  unter  König  Ludwig  unter 
Klenze  umgestaltet  worden,  und  es  ist  jene  kolossale  aber  nüch- 
terne Nordfa^ade  gegen  den  Hofgarten  entstanden,  welche  dem 
Hofe  Q  einen  rechtwinkligen  Abschluss  gebracht  hat  Ebenso  ist 
der  südliche  Theil,  welcher  an  die  alten  Höfe  L  und  T  stösst, 
durch  die  Fa^ade  gegen  den  Max-Josephplatz  umgestaltet  worden. 
Diese  neueren  Veränderungen  sind  in  unserem  Grundriss  un- 
beachtet geblieben,  während  dagegen  in  S  das  schöne  aus  der 
Rococozeit  stammende  Theater  Aufnahme  gefunden  hat 

Die  Kardinalpunkte  der  alten  Anlage  sind  die  sechs  grösse- 
ren und  reicher  ausgestatteten  Höfe,  in  deren  Form,  künstleri- 
scher Ausschmückung  und  wechselseitiger  Verbindung  der  Archi- 
tekt eine  Leistung  ersten  Banges  geschaffen  hat  Alle  Feinheiten 
durchgebildeter  Planconception  sind  in  diesem  meisterhaften  Grund- 
riss  zur  Geltung  gekommen.  Ich  hebe  nur  einige  der  wichtigsten 
Punkte  hervor.  Der  grosse  quadratische  Kaiserhof  D.  steht  mit 
dem  Kaiservestibül  G  und  der  Nordfa^ade  einerseits,  mit  der 
Westfa^ade  und  dem  Hauptportal  B  und  seiner  dreischiffigen 
Eingangshalle  andrerseits  in  unmittelbarer  Verbindung.  Weiter 
ist  ein  Durchgang  zu  dem  grossen  östlichen  Küchen -Hofe  A  ge- 
geben, in  F  aber  eine  Verbindung  mit  dem  schmalen  lang  ge- 
streckten Kapellen  «Hofe  G.  Dieser  ist  seiner  ganzen  Anlage  nach 
nur  ein  verlängertes  Vestibül  und  setzt  das  Hauptportal  A  und 
seine  dreischiffige  Eingangshalle  mit  der  ähnlichen  Halle  H  und 
durch  diese  mit  dem  schönen  Brunnenhofe  N  in  Beziehung.  Einer 
der  genialsten  Gedanken  war,  diesen  Hof  diagonal  zu  stellen  und 
durch  polygonen  Abschluss  seiner  beiden  Enden  nicht  blos  eine 
reichere  Form,  sondern  auch  die  ungezwungensten  Uebergänge 


^)  Ich  verdanke  denselben  gütiger  Mittheilung  des  Herrn  Hofbanrath 
Riedel  in  München« 


550  ^I-  Bach.    Renaissance  in  Deutschland. 

in  die  Hauptaxen  des  Baues  za  gewinnen.  Denn  der  Halle  H 
mit  ihren  drei  Portalen,  neben  welcher  sich  ein  Glockenthnrm 
erhebt,  entspricht  die  ähnlich  ausgebildete  Halle  P,  welche  die 
Verbindung  mit  dem  grossen  nordöstlichen  Hofe  herstellt.  Zwi- 
schen beiden  liegt  aber  das  Vestibül  Q,  das  in  seiner  polygonen 
Form  die  Gestalt  des  Brunnenhofes  im  Kleinen  wiederholt  und 
den  Aufgang  zu  einer  der  Haupttreppen  des  Baues  gewährt.  An 
der  entgegengesetzten  Seite  des  Brunnenhofes  ist  eben  so  origi- 
nell ein  dreiseitiges  Vestibül  ausgebildet,  das  zu  den  dort  an- 
stossenden  Räumen  führt 

Nicht  minder  geistvoll  ist  sodann  die  Anlage  des  Antiqua- 
riums  M  bewirkt,  welches  den  Brunnenhof  in  seiner  ganzen  Länge 
einfasst  und  am  südöstlichen  Ende  in  einen  achteckigen  Kuppel- 
saal ausläuft,  der  mit  grossem  Geschick  wieder  in  die  anstossen- 
den  Bäumlichkeiten  eingefügt  ist.  Am  nordwestlichen  Ende  springt 
die  Ecke  des  Antiquariums  in  den  dort  angelegten  Grottenhof  1 
vor.  Der  Architekt  hat  dies  Motiv  benutzt  und  zu  einem  poly- 
gonen regelmässigen  Vorsprung  ausgebildet,  in  der  Mitte  eine 
Brunnennische  angebracht  und  so  den  schönen  Abschluss  jenes 
lauschig  poetischen  Grottenhofs  geschaffen,  der  jedem  Besucher 
der  Residenz  in  frischer  Erinnerung  steht.  Dieser  köstliche  kleine 
Hof  sowie  die  benachbarte  Kapelle  K  gehören  gleichsam  zu  den 
mehr  privaten  Theilen  der  Anlage  und  sind  durch  kleine  Seiten- 
pforten zugänglich.  Ich  will  nur  noch  hinzufügen,  dass  im  Erd- 
geschoss  wie  im  oberen  Stockwerk  lange  gewölbte  Corridore  von 
prachtvoller  Ausstattung  sich  an  den  Haupträumen  hinziehen. 
Soviel  wird  schon  aus  dieser  Betrachtung  erhellen ,  dass  die  letz- 
ten Reminiscenzen  des  Mittelalters  hier  verklungen  sind,  dass 
Wendeltreppen,  Erker,  Thünhe  und  andere  Vorsprünge  zu  Gun- 
sten der  Principien  des  modernen  Palastbaues  beseitigt  wurden, 
diese  aber  sich  mehr  in  der  Mannigfaltigkeit  und  Schönheit  der 
innem  Raumgestaltung  als  in  der  malerischen  Gruppirung  des 
Aeusseren  geltend  machte. 

Die  künstlerische  Ausstattung  des  ungeBeuren  Ganzen  be- 
schränkte sich  ursprünglich  auch  im  Aeussem  nicht  blos  auf  die 
beiden  Prachtportale  und  die  Nische  mit  dem  Madonnenbilde  an 
der  FaQade,  sondern  fand  ihre  Ergänzung  in  einem  System  grau 
in  grau  ausgeführter  Fresken.  Das  fast  vollständige  Verschwin- 
den dieser  aus  blossen  Malereien  bestehenden  Dekoration  sowohl 
der  Aussenfafaden  als  auch  der  Höfe  liess  bisher  das  Ganze  in 
seinem  traurig  verwahrlosten  Zustande  weder  erkennen  noch  wür- 
digen. Sucht  man  sich,  auf  die  Darstellungen  alter  Stiche  ge- 
stützt, aus  den  halb  erloschenen  Spuren  die  ursprüngliche  grau 


Kap.  XI.    Baiern.    München.  553 

in  grau  gemalte  Dekoration  der  Wandflächen  zu  ergänzen,  00  erhält 
man  ein  Bild  reicher  lebensvoller  Pracht  Vom  Flilchensehmack 
des  Eaiserhofes  füge  ich  in  Fig.  143  eine  Abbildung  bei,  die  ich 
der  zuvorkommenden  Güte  des  mit  der  Bestauration  betrauten 
Hofbauraths  Riedel  verdanke.  Derselbe  hat  kürzlich  versuchs- 
weise den  Anfang  mit  Wiederherstellung  der  alten  Bemalung 
machen  lassen. 

Die  gesammte  Münchener  Architektur  jener  Zeit  war  bei  dem 
Mangel  von  Hausteinen  zur  Anwendung  des  Backsteins  gezwun- 
gen, den  sie  aber  nicht  nach  dem  Beispiel  des  Mittelalters  oder 
der  oberitalienischen  Renaissance  künstlerisch  durchbildete,  son- 
dern durch  einen  Putzüberzug  verhüllte.  Diesen  Stuck  charakte- 
risirte  sie  als  blosses  Bekleidungsmaterial  durch  aufgemalte  Deko- 
ration. Von  den  stolzen  Paraden  Augsburgs  mit  den  reichen 
farbigen  Gemälden,  Resten  jener  heiteren  Pracht,  welche  gegen 
Ende  des  16.  Jahrhunderts  noch  einen  weitgereisten  Mann  wie 
Michel  de  Montaigne  zur  Bewunderung  hinriss,  ist  oben  an  seiner 
Stelle  geredet  worden.  In  München  scheint  überwiegend  eine 
einfachere  Dekoration,  Grau  in  Grau,  beliebt  gewesen  zu  sein, 
und  von  dieser  Art  war  auch  die  Facadenmalerei  der  Residenz. 
Im  Eaiserhofe  ist  es  ein  System  gekuppelter  dorischer  Pilaster 
fbr  das  Erdgeschoss  und  darüber  ein  korinthisches  für  das  obere 
Stockwerk.  Zwischen  den  Pilastern  sind  die  Wandfelder  durch 
Nischen  mit  figürlichem  Schmuck  belebt,  in  den  grösseren- Wand- 
flächen dagegen  die  paarweise  angeordneten  Fenster  von  einem 
grossen  Rundbogen  umrahmt,  alle  Gliederungen  und  Felder  mit 
Masken,  FruchtschnUren,  Voluten  und  anderen  dekorativen  For- 
men geschmückt.  Die  grossen  Verhältnisse,  die  glückliche  und 
klare  Eintheilung,  die  reiche  und  doch  nicht  überladene  Deko- 
ration verleihen  dem  Ganzen  den  Eindruck  vornehmer  Würde  bei 
einfachsten  Mitteln.  Erst  im  Zusammenhange  mit  solcher  Deko- 
ration erhalten  die  Prachtportale  der  Aussenseite  ihre  volle  Wir- 
kung, die  hoffentlich  durch  eine  umsichtige  Restauration  wieder 
zu  Tage  treten  wird. 

Diese  beiden  Portale,  von  denen  ich  das  eine  in  Fig.  144 
mittheile,  sind  in  einem  gemässigten  Barockstil  in  jener  strengen 
dorischen  Rustica  erbaut,  welche  damals  als  Ausdruck  fürstlicher 
Hoheit  und  Gravität  beliebt  war.  In  rothem  Marmor  ausgeführt, 
überraschen  sie  durch  die  Feinheit  ihrer  Gliederungen,  die  offen- 
bar mit  Rücksicht  auf  die  gemalten  Decorationen  der  anstossen- 
den  Wandflächen  so  behandelt  sind,  lieber  den  Seitenpforten 
halten  Löwen  das  bairische.  Greife  das  lothringische  Wappen, 
letzteres  mit  Bezug  auf  Maximilians  erste  Gemalin  Elisabeth  von 


554  in.  Bach.    Rcnaiiunco  in  DeatachUnd. 

Lothringen.     Die  Terschlungenen  NainenszUge  Beider  in  einem 
gekrönten  Wappeascbildo  bilden  die  Spitze  des  ganzen  Aufbaues. 


Mit  grossem  Geschick  ist  nun  ein  Fenster  des  oberen  Gesebosses 
in  die  Compositioo  des  Fortales  hineingezogen,  so  dasa  es  mit 


Kap.  XI.    Baiern.    München.  555 

seiner  reichen  etwa49  barocken  Umrahmung  sich  zwischen  den 
beiden  abgeschnittenen  Giebelstücken  des  Oberbaues  erhebt  Letz- 
tere sind  mit  den  liegenden  Statuen  der  Regenten-Tugenden,  zwei 
an  jedem  Portale,  geschmückt.  Alles  Figürliche  ist  von  Bronze, 
auch  die  beiden  prachtvollen  Löwen,  welche  vor  jedem  Portale 
Wacht  halten  und  ein  Wappen  mit  allegorischer  Devise  neben 
sich  haben.  Diese  Bronzewerke  wie  die  im  Innern  der  Höfe  sind 
yon  dem  geschickten  Hans  Krumper  meisterlich  gegossen. 

Der  ernsten  Pracht  dieser  Portale  entspricht  die  grossartige 
Marmomische,  welche  in  Mitten  der  Fagade  die  Erzfigur  der 
Madonna  als  der  Schutzpatronin  Baiems  enthält  (Fig.  145).  Hier 
ist  besonders  das  Decorative  von  hoher  Feinheit,  namentlich  die 
köstliche  Bronzelateme  am  Unterbau  und  die  aus  Engelköpfchen 
mit  Laubgewinden  originell  und  geistvoll  componirten  Kapitale 
der  Pilaster.  Man  fühlt  sich  Überrascht,  in  dieser  Epoche  noch 
80  viel  Sinn  für  liebevolle  Durchbildung  des  Einzelnen  anzutref- 
fen. Noch  umfangreicher  wurde  die  Plastik  bei  dem  glänzenden 
Springbrunnen  des  Brunnenhofes  verwendet,  der  eins  der  präch- 
tigsten Werke  der  Zeit  ist,  ebenso  reich  in  der  Anlage  und  dem 
Aufbau  wie  gediegen  in  der  Durchbildung.  Alle  drei  Künste 
endlich  wirkten  bei  dem  kleinen  Grottenhofe  zusammen,  der 
mit  seiner  kühlen  Grotte,  mit  den  Muschel- Incrustationen  der 
Wände  und  den  Gemälden  der  gewölbten  Decke,  mit  der  oiBfnen 
Säulenhalle,,  welche  die '  Hauptseite  einschliesst,  mit  dem  von 
Statuen  belebten  Basen  und  Gebüsch,  endlich  der  wohlabgewoge- 
nen fein  abgestuften  Architektur  seiner  Umfassungswände  ein 
wahres  Juwel  künstlerischer  Conception  und  poetischer  Wir- 
kung ist 

Die  Absicht  des  Architekten  bei  dem  gi-ossartigen  Bau  ist 
aber  offenbar  dahin  gegangen,  die  Hauptwirkungen  sich  für  das 
Innere  zu  versparen.  Zunächst  ist  schon  das  Kaiservestibül, 
in  welches  man  vom  Hofgarten  aus  freien  Zutritt  hat,  eben  so 
vornehm  in  der  Anlage,  wie  schön  in  der  Ausschmückung.  Der 
imposante  Baum  von  etwa  50  Fuss  Breite  bei  circa  68  Fuss  Tiefe 
wird  von  neun  Kreuzgewölben  bedeckt,  die  auf  vier  gewaltigen 
dorischen  Säulen  von  rothem  Marmor  ruhen.  Die  hohen  Gewölbe 
zeigen  geistreich  gemalte  Ornamente  auf  weissem  Grunde  im 
Charakter  der  bekannten  antiken  Wandmalerei.  Das  leichte  Phan- 
tasiegerüst der  Architektur  ist  in  der  Mitte  durchbrochen,  so  dass 
sich  ein  Blick  in  den  blauen  Aether  zu  öffnen  scheint  Das  mitt- 
lere Gewölbe  hat  eine  reichere  perspektivisch  gemalte  Architek- 
tur, die  in  den  Ecken  von  bronzefarbenen  Hermen  aufsteigt 
Wendet  man  sich  von  diesem  im  köstliclisten  Geiste  des  klassi- 


■^en  Alterthnnu  behandelten 

Räume  zur  Linken,  so  ^langt 
man  zur  K&iaertreppe,  die  in 
einfachem,  dureh  mehrere  Po- 
deste ^hrochenen  Lauf,  aber 
in  gToisartigen'  DimenBionra 
zum  HauptgeechoBB  empor- 
fflhrt  Das  aufsteigende  Ge- 
wölbe der  Treppe  ist  in  feiner 
Weise  mit  gtuckomamenten 
gegliedert,  die  Felder  aber 
mitFreBkobildem  belebt,  leicht 
und  reich  zugleich.  Auf  den 
Podeeten  der  Treppe  enth&lt 
die  Hauptwand  eine  prächtige 
Nische  in  weissem  Stuck  mit 
Überlebensgrossen  Statuen 
bairiscber  FUrsten,  das  Gänse 
Ton  wahrhaft  m^estätischer 
Wirkung.  Alle  anderen  Trep- 
pen des  Palastes,  obwohl  im 
Maaesstabe  beeeheidener,  sind 
in  Ahulicher  Weise  mit  Stuck 
und  zum  Theil  mit  Fresken 
geschmückt.  Um  von  dem 
Charakter  dieser  Ornamentik 
eine  Anschauung  zu  geben, 
habe  ich  in  Fig.  45  auf  S.  179 
ein  Stück  von  der  OewÖlb- 
verzierung  der  Treppe  bei- 
gefügt, welche  zu  den  Wohn- 
zimmern des  Kurfürsten  führ- 
te.') Den  Grundriss  dieser 
Treppe  und  ihres  grossartigen 
Podestes  giebt  Fig.  146.  In 
derselben  Art  sind  nicht  bloss 
die    verschiedenen  Treppen- 

')  Ich  ferdftnke  diese  Abbil- 
dung der  xuTürkommenden  Güte 
,  des  k.  Bftnbeamten  Herrn  Seidel 
.  %u  Hünclien,  der  eise  auf  aoig- 
ßiltigen  AofnaluneD  beruhende 
Verüflfentlichiuiy  der  Residenz 
bcabsicbtiKt. 


Fit.  1*>-    HRnetin. 


K>p.  XI.    Bkiera.    »Uoi^en.  557 

Unser  und  VeafibtUe,  sondern  namestlieh  auch  die  grosBen  Ga- 
lerien g^eschmOckt,  welche  in  bedeatender  lAage  die  ganze  Flueht 
der  dnzelneo  Schloiwflligel  begleiten,  indem  sie  sich  als  Verbin- 
dnngsgftnge  ror  den  Woharinmen  hinziehen.  Ueberall  bei  diesen 
Decoradonm  sind  die  arebhektoniechen  Hauptlinien  als  Gnrnd- 
mottr  betont,  bei  den  Galerien  sind  es  die  Kuiten  der  Stich- 
kappen, welche  in  die  Tonnengewölbe  einschneiden.  Dadnr^ 
ergieht  eich  ein  klarer  ttbenichtlicber  Rhythmus,  der  bei  dlem 
Reichthum  der  Ornamente  beruhigend  wirkt  In  der  Decoration 
selbst  herrscht  dn  fein  gezeichnetes  Rankenwerk  vor,  mit  man- 
cherlei phantastiseheD  Masken  weehselnd,  in  schöne  Rosetten 
anslsnfend.  Dazwischen  Genien  mit  allerlei  Emblemen  in  krAftig 
eingerahmten  Feldern,  die  Rahmen  mit  Perlecbnur  und  Henblatf 
gegliedert  Die  gr&sseren  Flächen  sind  in  der  Regel  Freskobil- 
dern  vorbehalten,    die  sich  meist  in  Allegorie  bewegen.     Ihre 


ttf-  Ui.    MBiush«.    BMidnu.    Onndrlu  ^ott  Tnppe. 

klare  lichte  Ffirbung  contrastirt  wirksam  gegen  den  weiss  gebaU 
tenen  Stuck,  dessen  Behandlung  sich  durch  Feinheit  und  Schärfe 
anszeichnet  Wenn  man  die  ansserordentliche  Menge  der  noch 
jetzt  vorhandenen  Decorationen  betrachtet,  so  mnss  man  Ober 
den  Reichthum  und  die  strömende  Leichtigkeit  der  Phantasie  er- 
staunen. Aber  auch  selbst  die  Reinheit  des  Stils  erregt  in  der 
Zeit  des  beginnenden  Barocco  mit  Recht  Bewunderung,  denn 
wenn  sich  manche  barooke  Elemente  freilich  einmischen,  so 
stehen  doch  diese  Arbeiten  im  Vergleich  mit  den  gleichzeitigen 
italienischen  und  mit  dem  überladenen  Schwulst  der  zum  Theil 
noch  frnheren  in  Fontainebleau  fast  classisch  da. 

Die  Wohnräume,  welche  sich  noch  aus  der  Zeit  KurfOrst 
Maximilians  I  erhalten  haben,  gruppiren  sich  hauptsächlich  um 
die  Kaisertreppe.  Der  grosse  Saal,  52  F.  breit,  118  F.  lang,  ist 
zwar  durch  Klenze's  Umbau  ganz  verdorben,  aber  eine  Anzahl 


558  ^*  Buch.    Benaissance  in  Deutschland. 

von  Zimmern  ist  noch  im  Wesentlichen  unberührt  geblieben.  Die 
Wände  waren  auf  Teppiche  berechnet,  deren  man  in  München 
noch  immer  eine  grosse  Anzahl  besitzt  Die  Decken  werden 
durch  Holzgetäfel  gebildet,  dessen  Gliederung  mit  bescheidenem 
Relief  und  sparsamer  Vergoldung  den  eingelassenen  Oelgemälden 
als  Rahmen  dient.  Hier  herrscht  also  die  in  Venedig  ausgebildete 
Behandlungsweise  und  auf  Meister  der  yenetianischen  Schule 
deutet  auch  das  Kolorit  der  BUder.  Die  Vermittlung  zwischen 
Wand  und  Decke  gewährt  eine  grosse  gewölbte  Hohlkehle  mit 
einem  breiten  Fries  voll  trefflicher  Stuckornamente. .  Die  Ein* 
fassung  der  Thüren  ist  in  kräftigen  dorischen  Formen  aus  Stuck- 
marmor gebildet  Ebenso  sind  die  Kainine  behandelt,  doch  konmien 
auch  prächtigere  von  weissem  Marmor  mit  köstlichen  Skulpturen 
vor.  Der  ganzen  edlen  Pracht  entspricht  endlich,  was  die  Kunst- 
schreinerei der  Zeit  hinzugefügt  hat,  seien  es  geschnitzte  Tische, 
oder  die  nicht  minder  stilyoll  behandelten  Flügelthüren  mit  schön 
profilirten  Rahmen  und  feinen  Intarsien.  Selbst  die  Eisenwerke 
an  Schlössern,  Haspen  und  Angeln  bekunden  den  hohen  Stand 
des  damaligen  Kunsthandwerks  durch  die  schönen  in  Gold  ein- 
gelegten Ornamente  ihrer  Tauschir- Arbeit  0 

Man  liest  in  den  Zimmern  meistens  die  Jahreszahlen  1612 
und  1617.  Wahrlich,  wenn  man  die  harmonische  bis  in  die 
kleinsten  NebendiDge  in  ihrer  Feinheit  sich  gleichbleibende  Durch- 
führung dieser  Räume  mit  der  Oede  der  unter  Ellenze  erbauten 
Theile  vergleicht,  wo  vor  Allem  der  Mangel  jedes  feineren  Kunst- 
handwerks empfindlich  berührt,  so  muss  man  gestehen,  dass  wir 
von  jener  als  barock  verschrieenen  Zeit  sehr  viel  lernen  können. 

Von  den  derselben  Epoche  angehörenden  Räumen  erwähne 
ich  nur  noch  den  riesigen  „Schwarzen  Saal'^  für  die  Wachen, 
und  die  alte  Schlosskapelle  mit  ihren  prächtigen  Stuckaturen, 
besonders  aber  das  Antiquarium  mit  seinen  trefflichen  Fresken 
im  Stil  antiker  Wanddecoration,  ein  wahres  Muster  für  einen  der- 
artigen Sammlungsraum. 

Der  schwarze  Saal,  von  dem  Brunnenhof  direkt  durch  eine 
stattliche  Treppe  zugänglich,  hat  ganz  mächtige  Dimensionen,  an 
der  gewölbten  Decke  in  riesigem  Ma^sstab  perspektivisch  ge- 
malte Hallen  auf  Säulen.  Die  Thüren  und  Kamine  von  schwarzem 
Stuckmarmor,  der  Fussboden  von  weissen  und  rothen  Marmor- 


0  Eine  genaue  Beschreibung  alles  Einzelnen  in  I  trionfi  deir  architet- 
tura  nella  sontuosa  residenza  di  Monaco ,  dal  Marchese  Ranuccio  Pallavicino. 
In  Augusta  1680.  4^  Dabei  auch  ein  Stich,  welcher  das  Aeussere  des 
Baues  mit  seinen  Wandmalereien  veranschaulicht. 


m 

Kap.  XI.    Baiern.    Mttnchen.'  56] 

platten.  Die  Kapelle  ist  ein  reich  mit  Stuckreliefs  geschmflckter 
Hochbau,  in  drei  Geschossen  von  Emporen  umgeben,  welche  für 
die  Herrschaft  und  die  verschiedenen  Abstufungen  der  Hofleute 
bestimmt  waren.  Von  ganz  besonderer  Schönheit  des  Baumes 
und  der  Decoration  ist  aber  das  Antiquarium,  am  oberen  Ende 
in  eine  erhöhte  Estrade  auslaufend,  während  am  andern  der 
achteckige  Saal  denAbschluss  bildet  Das  lange  Tonnengewölbe 
mit  seinen  Stiehkappen  ist  mit  einer  decorirenden  Malerei  im 
Stil  antiker  Wandgemälde  geschm tickt  Geschnitzte  Kasten ,  zur 
Aufnahme  der  kleineren  Kunstwerke  bestimmt,  umziehen  die 
Wände,  und  in  den  Fensternischen  sind  Marmorbüsten  aufgestellt 

Eine  andere  Reihe  von  Zimmern,  aus  der  Zeit  des  Kurfürsten 
Ferdinand  Maria,  zeigt  schon  mehr  barocke  Decoration  und  weit 
grössere  Pracht,  namentlich  stärkere  Ueberladung  mit  Gold.  Be- 
sonders die  sogenannten  päpstlichen  Zimmer  zeichnen  sich  durch 
ihren  Glanz  und  ihre  Ueppigkeit  aus.  Aber  auch  das  Bococo 
findet  seine  Vertretung  in  den  sogenannten  reichen  Gemächern 
aus  der  Zeit  Karls  YU.  Wer  das  köstliche,  glücklich  wieder  her- 
gestellte kleine  Besidenztheater  kennt,  kann  sich  von  dem  gra- 
ziösen Beiz  dieser  Bäume  eine  Vorstellung  machen.  Hier  ist  die 
Decoration  dem  Stil  entsprechend  ausschliesslich  Goldomament 
auf  weissem  Grunde.  Das  Schlafzimmer  mit  dem  kolossalen 
Frachtbett  erregt  allgemeine  Bewunderung;  feiner  aber  ist  das 
japanesische  Vasenzimmer,  dessen  Wände  ganz  mit  kleinen  Por- 
zellanvasen auf  vergoldeten  Gonsolen  geschmückt  sind;  ferner 
das  Zimmer,  welches  mit  lauter  kleinen  Pastellbildchen  in  zier- 
lichsten Goldrahmen  tapezirt  ist;  endlich  das  Zimmer  mit  gestickten 
seidenen  Tapeten  von  chinesischer  Arbeit,  Scenen  des  dortigen 
Lebens  auf  schwarzem  Grunde  darstellend. 

Von  dem  trotz  aller  Zerstörungen  noch  immer  prachtvollen 
Ganzen  habe  ich  hier  nur  das  Wesentlichste  kurz  berührt  Sucht 
man  mit  der  Phantasie  das  Ursprüngliche  wieder  herzustelleui 
fügt  man  den  Schmuck  der  durchweg  gemalten  Fa^aden  hinzu, 
erwägt  man  die  Pracht  der  Ausstattung,  die  Fülle  an  Kostbar- 
keiten und  Kunstschätzen  jeder  Art,  welche  der  stolze  Bau  um- 
schloss,  so  begreift  man  die  Bewunderung  der  Zeitgenossen  und 
der  nachfolgenden  Geschlechter,  welche  den  Bau  das  achte  Wunder 
der  Welt  nannten  (Pallavicino  z.  B.  p.  1);  begreift  auch,  dass 
Gujstav  Adolph  bedauert  haben  soll,  den  Palast  nicht  auf  Walzen 
nach  Stockholm  führen  zu  können.  Aber  nicht  minder  zutreffend 
ist  jener  andere  Ausspruch  des  grossen  Schwedenkönigs,  in 
welchem  er  München  einen  goldnen  Sattel  auf  magerem  Gaule 
nennt  — 

Kngler,  Gesch.  d.  Bankanst.  V.  36 


562  m*  Bach.    Benaissanee  in  Deutschland. 

Mit  einem  Werke  der  Devotion  besehliesst  Kurflirst  Maximilian 
seine  Münchener  Bauthätigkeit  und  damit  zugleich  die  Schöpfungen 
dieser  Epoche.  Es  ist  die  Mariensäule,  im  Jahre  1638  zu  Folge 
eines  Gelöbnisses  wegen  der  siegreichen  Schlacht  am  Weissen 
Berge  bei  Prag  auf  dem  Schrannenplatz  zu  Ehren  der  Schutz* 
patronin  Baierns  errichtet  (Fig.  147).  Ein  Werk  von  trefflichen 
Verhältnissen,  kraftroll  in  den  Formen  und  glQcklich  im  Aufbau. 
Auf  den  Ecken  der  marmornen  Balustrade  vier  schöne  Bronze- 
latemen;  auf  den  Ecken  des  Sockels  himmlische  Eriegerknaben 
in  lebhaftem  Kampf  mit  Drachen,  Schlangen  und  ähnlichen  Un- 
gethümen.  Auf  der  Krönung  des  Postaments  als  Vermittlung  mit 
der  Basis  der  Säule  geflügelte  Engelköpfchen  aus  Bronze,  von 
lebendiger  Bewegung  und  schönem  Umriss.  Auch  die  Statue  der 
Madonna  gehört  zu  den  besten  der  Zeit  Sie  ist  von  Homs  Krumper 
gegossen;  das  Monument  idelbst  nach  einer  Zeichnung  Candidas 
durch  Peier  König  ausgeftlhrt. 

Von  der  reichen  Farbenlust  der  Epoche  an  den  Fagaden  der 
Häuser  scheint  nichts  erhalten.  Nur  an  der  Fleischhalle  sieht 
man,  wohl  schon  aus  der  Spätzeit  des  17.  Jahrhunderts,  eine 
derbe,  heitere  Freskodecoration.  Besonders  gut  sind  die  grau 
gemalten  Trophäen,  aus  einem  OchseuTiertel,  Schlächterbeil  und 
ähnlichen  Elementen  zusammengesetzt 


Was  in  dem  oberbairischen  Gebiet,  etwa  in  Wasserburg, 
Burghausen,  Braunau,  Laufen  und  andern  Orten  an  Resten  aus 
jener  Zeit  vorhanden  sein  mag,  weiss  ich  nicht  anzugeben.  Da- 
gegen ist  mir  in  Berchtesgaden  eine  kleine  bemalte  Hausfa^ade 
aufgefallen,  nicht  eben  von  künstlerischem  Werth,  aber  bezeich- 
nend fllr  das  Kulturleben  der  Epoche.  Gemalte  korinthische  Säu- 
len fassen  die  Ecken  ein;  die  Fenster  sind  in  beiden  Geschossen 
mit  grau  in  grau  ausgeführten  Gartouchen  und  Voluten  eingefasst^ 
zwischen  welchen  Fruchtgehänge  sich  hinziehen,  die  auch  von 
einem  Fenster  zum  andern  ausgespannt  sind.  An  dem  unteren 
Fenster  sind  Trophäen  von  Schinken,  Würsten,  Enten,  Fischen 
und  dergleichen  zierlich  aufgehängt.  In  den  Fensterbekrönungen 
sieht  man  humoristische  Scenen,  worin  Affen  das  menschliche 
Treiben  parodiren,  z.  B.  ein  Tanz,  wobei  die  Tanzenden  wie  die 
Musikanten  Affen  in  Menschenkostüm  sind;  ein  grosses  Orchester, 
in  welchem  der  Kapellmeister  an  der  Orgel,  der  Bass,  die  Kla- 


Kap.  Xn.    Die  ÖBterreidüsohen  Länder.  5^3 

rinette  imd  die  flbrigen  Instnimeiite  sftmmilich  Affen  sind;  dann 
ein  Baechuszng,  wo  der  Gott  des  Weins  auf  seinem  Wagen  von 
Affen  gezogen  wird;  weiter  unten  der  Affe  als  Geldwechsler; 
zwei  Affen  beim  Schachspiel;  endlieh  in  der  Mitte  Affen  in  dar 
Tracht  eleganter  Cayaliere  auf  der  Jagd,  im  Vordergrund  der 
Hase  yon  einem  weissen  Hühnerhund  gestellt,  im  Hinjergrund 
Hirsche  und  auf  den  Bergspitzen  Gemsen;  dabei  der  Vers:  ^Duck 
dich  Hasl  lass  ybergahn,  denn  Gwalt  will  Recht  han.^  Solche 
heitre  und  originelle  Werke  lassen  den  Untergang  vieler  fthn- 
lieber  Schöpfungen  doppelt  bedauern. 


XII.  Kapitel. 
Die  Ssterreichischen  Länder. 


Die  bisherige  Betrachtung  der  süddeutschen  Gebiete  hat  uns 
gezeigt,  dass  die  selbständige  Ausbildung  der  Renaissance  Hand 
in  Hand  geht  mit  der  allgemeinen  Erneuerung  des  geistigen 
Lebens,  und  dass  sie  vorzugsweise  da  in  Deutschland  zu  einem 
eigenartigen  Gepräge  durchdringt,  wo  jene  Erneuerung  sich  voll- 
zieht, wo  also  die  Reformation  und  mit  ihr  ein  freier  Aufschwung 
des  wissenschaftlichen  und  literarischen  Schaffens  zum  Durchbruch 
kommt  Die  protestantischen  Reichsstädte  und  im  Wetteifer  mit 
ihnen  die  der  Reformation  ergebenen  Fttrstenhöfe  von  Baden, 
Würtemberg,  Brandenburg  und  der  Pfalz  sind  die  eifrigen  Pfleger 
und  Förderer  "Dessen,  was  wir  deutsche  Renaissance  nennen. 
Der  katholische  Hof  der  Witteisbacher  dagegen  steht  zwar  an 
Eifer  der  Eunstpflege  keinem  andern  nach,  aber  er  bethätigt  die- 
selbe in  den  monumentalen  Schöpfungen  nicht  durch  Förderung 
einer  national  deutschen  Renaissance,  sondern  durch  strikte  Ein- 
führung einer  fremden  Kunst,  der  italienischen,  die  mit  dem 
deutschen  Leben  ebensowenig  zusammenhängt,  wie  der  von  den- 
selben Fürsten  eingefllBrte  Jesuitenorden.  Unter  den  damaligen 
Römlingen  Deutschlands,  die  mit  allen  Mitteln  der  Gewalt  die 
Herrschaft  des  Papstes  wiederherzustellen  suchten,  scheint  gleich- 
sam instin ctmässig  auch  das  Anlehnen  an  die  römische  Kunst  zum 
Gtesetz  geworden  zu  sein.  Nur  Bischof  Julius  von  Würzburg  macht 
eine  Ausnahme,  da  in  seinen  zahlreichen  Bauten  mit  voller  Ent- 

36* 


V 

> 


564  m*  Bach.    BenaiSBanee  in  Deatschknd. 

scbiedenheit  die  zur  reifen  Entwicklung  gelangte  deutsche  £e* 
naissanee  zur  Geltung  kommt.  Aber  er  ist,  wie  gesagt,  ein 
weisser  Babe,  der  die  allgemeine  Thatsache  nicht  umstossen  kann, 
dass  die  deutsche  Renaissance  mit  dem  übrigen  Kulturleben,  na- 
mentlich mit  der  Entwicklung  der  fieformation  innig  zusammen- 
hängt. Auch  in  Norddeutschland  werden  wir  dasselbe  Verhältniss 
erkennen. 

In  den  österreichischen  Ländern,  von  denen  wir  nur  die 
cisleithanischen  in  unsere  Betrachtung  aufnehmen,  treten  uns 
wieder  ganz  andere  hocheigenthttmliche  Kulturbedingungen  e;nt- 
gegen,  die  eine  ganz  besondere  Stellung  zur  Renaissance  im 
Gefolge  haben.  Die  Länder  der  deutschen  Ostmark,  mit  allen 
Reizen  und  Reichthümem  der  Natur  gesegnet,  markiren  sich  in 
jeder  Hinsicht  als  Grenzländer,  als  Vorposten  deutscher  Kultur 
gegen  den  slavisch- magyarischen  Osten,  als  Veimittler  der  hoch 
entwickelten  Civilisation  Italiens  gegen  Süden.  Die  deutschen 
Stämme  Oesterreichs,  in  körperlichen  und  geistigen  Anlagen 
keinem  der  übrigen  Stämme  nachstehend,  empfingen  durch  die 
eigenthümlichen  Bedingungen  ihrer  geographischen  Lage  eine 
Steigerung  ihrer  natürlichen  Begabung,  die  sich  besonders  als 
rege  Phantasie  und  elastischer  Lebenssinn  zu  erkennen  giebt 
Wie  diese  Naturanlage  sich  auf  künstlerischem  Gebiet  yomehm- 
lieh  ins  Reich  der  Musik  ergossen  und  von  Haydn  und  Mozart 
bis  Schubert  eine  Welt  der  köstlichsten  Tongebilde  geschaffen 
hat,  weiss  Jedermann.  Aber '  auch  eine  freudige  Lust  an  der 
Welt  bewegter  Erscheinungen,  am  Reiz  anmuthiger  Formen  ist 
die  unmittelbare  Folge  jener  Verhältnisse.  In  fortwährender  Be- 
rührung mit  mannigfach  verschiedenen  Stämmen,  mit  slavischen, 
magyarischen  und  romanischen,  erhielt  das  germanische  Volks- 
thum  hier  mancherlei  Mischung  mit  fremdem  Blute,  nicht  stark 
genug,  um  die  eigene  Art  auszulöschen,  aber  hinreichend  um 
einen  rascheren  Pulsschlag  zu  erzeugen  und  bis  in  unsere  Tage 
den  Deutsch-Oesterreichern  den  Hauch  einer  jugendlichen  Frische 
zu  verleihen.  Zugleich  ergab  sich  aus  der  geographischen  Lage 
die  doppelte  Thätigkeit  des  Gebens  und  Empfangens,  des  Zurück- 
weisens  und  Entgegenkommens.  Nach  Osten  Bevölkerungen  einer 
niedrigeren  Kulturstufe  gegenüber,  wurden  sie  die  Träger  und 
Verbreiter  europäischer  Gesittung,  deutscher  Bildung,  deren  Pal- 
ladium sie  oft  genug  in  heissen  Kämpfen  gegen  die  Horden  des 
Orients  zu  vertheidigen  hatten.  Nach  Süden  dagegen,  der  alt- 
begründeten Kultur  Italiens  gegenüber,  waren  sie  in  erster 
Linie  berufen  dieselbe  in  sich  aufzunehmen  und  weiter  zu 
verbreiten. 


Kap.  XII.    Die  österreichischen  LSnder.  565 

Diese  Verhältnisse  erkennt  man  schon  in  den  mittelalterlichen 
Monumenten  des  Landes.  Mit  grosser  Kraft  wird  gegen  Ausgang 
der  romanischen  Epoche  dieser  Stil  im  Wesentlichen  so  wie  er 
in  den  mittleren  und  südlichen  Gegenden  Deutschlands  sich  aus- 
gebildet hatte  herüber  genommen  und  bis  nach  Ungarn  und 
Siebenbürgen  hinein  in  glänzenden  Denkmalen  zur  Anwendung 
gebracht.  Allerdings  wird  weder  in  den  räumlichen  Combi- 
nationen,  noch  in  der  Gliederung  und  Gruppirung  des  Aufbaues, 
noch  endlich  in  den  constructiven  Grundzügen  Neues  hervor- 
gebracht. In  all  diesen  Punkten  empfängt  Oesterreich  einfach 
das  fertig  Ausgeprägte,  um  es  weiteren  Kreisen  zu  überliefern. 
Wohl  aber  bringt  jene  hifer  im  Volksgeist  liegende  Freude  am 
heiter  Schönen  eine  Reihe  von  dekorativen  Werken  ersten  Banges 
hervor,  wie  die  Portale  zu  St.  Jak,  Trebitsch  und  Tischnowitz, 
die  Riesenpforte  von  St  Stephan  zu  Wien,  die  herrlichen  Kreuz- 
gänge von  Zwetl,  Lilienfeld,  Heiligenkreuz.  Daneben  aber  dringt 
von  Süden  schon  damals  vielfach  die  Kunst  Italiens  ein,  wie 
besonders  die  Löwenportale  von  Bozen,  Graz,  Salzburg,  die 
hundertsäulige  Krypta  von  Gurk  u.  A.  beweisen.  Dies  reiche 
Kulturleben  hätte  in  der  gothischen  Epoche  seine  höchste  Blüthe 
erreichen  müssen,  wenn  die  Entwicklung  des  BUrgerthums,  bei 
uns  der  mächtigste  Träger  der  Gothik,  mit  derjenigen  im  übrigen 
Deutschland  gleichen  Schritt  gehalten  hätte.  Aber  ähnlich  wie 
wir  es  in  Baiern  fanden  bleibt  auch  in  Oesterreich  die  Entfaltung 
des  Städtewesens  seit  dem  14.  Jahrhundert  merklich  zurück.  Nur 
in  Böhmen  erlebt  die  Gothik  unter  dem  kunstliebenden  Karl  IV 
eine  bedeutende  Blüthe,  und  nur  der  Stephansdom  in  Wien, 
dieser  freilich  mit  seinem  unvergleichlichen  Thurm  ein  Monument 
allerersten  Ranges,  bezeugt  auch  hier  die  grossartige  Lebenskraft 
deutschen  Bürgerthums.  Aber  dies  sind  Ausnahmen;  im  Uebrigen 
hat  die  Gothik  trotz  mancher  originellen  Schöpfung  im  ganzen 
Lande  keine  Denkmale  höchster  Bedeutung  aufzuweisen. 

Neben  dieser  immerhin  durch  Intensität  hervorragenden 
Glanzepocbe  des  Mittelalters  hat  die  Monumentalkunst  in  Oester- 
reich sich  nur  noch  in  einer  zweiten  grossen  Periode  machtvoll 
offenbart:  in  der  Zeit  des  späten  Barockstils,  vom  Ausgang  des 
17.  bis  in  die  Mitte  des  18.  Jahrhunderts.  Nachdem  die  Re- 
formation niedergeworfen,  ja  mit  Stumpf  und  Stiel  ausgerottet 
war,  gab  der  Klerus  in  Oesterreich  sich  jener  üppigen  Weltlust 
hin,  welche  sich  noch  jetzt  in  den  gewaltigen  Anlagen  prunk- 
voller Abteien  herausfordernd  manifestirt;  mit  dem  Prälaten- 
hochmuth  aber  wetteifert  der  Stolz  der  Aristokratie  in  Aus- 
führung jener  Paläste,  die  vor  Allem  Wien  und  Prag  ihre  archi-^ 


566  ni.  Bach.    Benaisaance  in  Dentsehland. 

tektonigche  Signatur  aufgedruckt  haben.  Man  darf  sagen,  dass 
in  den  pompösen,  oft  majestätisch  angelegten  und  mit  allen 
Mitteln  ausgelassener  Dekoration  schwelgenden  Bauten  jener 
Epoche  der  Sieg  über  den  Protestantismus  sich  mit  heraus- 
forderndem Selbstgefühl  breit  macht 

Was  zwischen  jenen  beiden  Epochen,  zwischen  Mittelalter 
und  Barockzeit  liegt,  die  eigentliche  Periode  unserer  Renaissance, 
ist  trotz  mancher  vorzüglicher  Schöpfungen,  ja  einzelner  Haupt- 
werke seltenen  künstlerischen  Werthes,  doch  gegenüber  den 
Leistungen  andrer  deutscher  Provinzen  kaum  in  Anschlag  zu 
bringen.  Vergleicht  man  vollends  den  grossen  Umfang  und  den 
Beichthum  dieser  Länder,  die  hohe  bildnerische  Begabung  ihrer 
Volksstämme,  den  von  Alters  her  regen  Sinn  für  künstlerisches 
Schaffen  und  heitere  Pracht  des  Daseins,  so  wird  man  mit 
Erstaunen  und  Widerstreben  eine  Thatsache  aufnehmen,  die  mit 
alledem  so  scharf  contrastirt  und  doch  auf  Schritt  und  Tritt  dem 
Forscher  sich  aufdrängt.  In  der  That,  trotz  so  mancher  glänzen- 
der Einzelschöpfung  muss  es  ausgesprochen  werden,  dass  die 
Benaissanee  auf  diesem  Boden  mehr  wie  eine  durch  die  Gunst 
der  Grossen  hieher  verpflanzte,  als  wie  eine  vom  ganzen  Volke 
gehegte  und  gepflegte,  mit  dem  eigenen  Herzblut  genährte 
Schöpfung  sich  zu  erkennen  giebt. 

Dies  ist  um  so  merkwürdiger,  als  in  keiner  deutschen  Provinz 
die  Formen  der  Benaissanee  so  früh  zu  monumentaler  Verwen- 
dung gelangen,  wie  gerade  in  Oesterreich.  Wir  treffen  sie  hier 
vereinzelt,  was  sonst  kaum  irgend  in  Deutschland  vorkommt,  schon 
im  Ausgang  des  15.  Jahrhunderts.  Vom  Jahre  1497  datirt  ein 
kleines  Portal  mit  dem  Wappen  der  Familie  Edelsperger  im 
Timaschen  Haus,  auch  Federlhof  genannt,  zu  Wien.^)  Im 
Wladislawsaal  des  Hradschin  zu  Prag  kommt  an  den  ausgebil- 
deten Benaissancefenstem  sogar  die  Jahrzahl  1493  vor.^)  Das 
prächtige  Portal  der  Artilleriekaseme  in  Wienemeustadt  datirt 
von  1524,  die  Jagellonische  Kapelle  im  Dom  zu  Erakau  von 
1520,^)  ein  Benaissanceportal  in  der  Kirche  zu  Klausenburg  hat 
die  Jahrzahl  1528.^)  Alle  diese  Denkmale,  selbst  den  frühesten 
im  übrigen  Deutschland  in  der  Zeit  vorausgehend,  beweisen,  dass 
die  Benaissanee  Italiens  an  den  verschiedensten  Orten  in  Oester- 
reich schon  früh  zur  Anwendung  gekommen  war.    Wie  ist  es  nun 


*)  Abb.  in  den  Mitth.  der  Centr.-Comm.  1868.  p.  CXI.  Fig.  7  nach 
dem  Jahrb.  des  Wiener  Alterth.-Ver.  —  *)  F.  Mertens,  Prag  und  seine 
Baukunst  in  Förster*s  Allg.  Bauzeit.  1845.  p.  15  ff.  mit  Abb.  —  ')  Essen- 
wein, Erakau,  Taf.  XXI.  —  *)  Mitth.  d.  Centr.-Comm.    1865. 


Kap.  Xn.    Die  tfaterreichifchen  Lfinder.  567 

aii  erklären,  dasa  diese  lebeiufrohe  Kunst  dennoch  grade  hier 
in  ihren  Seböpfhngen  vereinzelt  bleibt,  statt  wie  anderwärts  das 
Leben  ganz  zu  durchdringen  und  ihm  zu  yollendetem  Ausdruck 
zu  gereichen? 

Diese  Frage  lässt  sich  nur  durch  einen  Blick  auf  die  all- 
gemeinen geschichtlichen  und  Kulturrerhältnisse  beantworten.^) 
Obwohl  dem  Centrum  der  deutschen  Geistesströmung  weit  abseits 
gelegen  nimmt  Oesterreich  dennoch  die  geistige  Bewegung  der 
Zeit,  deren  Gipfelpunkt  in  Deutschland  die  Reformation  bildet, 
gleich  anfangs  mit  allem  Eifer  auf.  Die  Sache  Luthers  fand 
besonders  beim  Adel  und  in  den  Städten,  bald  aber  auch  unter 
dem  Landvolk  überall  im  Erzherzogthum  Oesterreich  lebendigen 
Anklang,  und  schon  um  1522  konnte  Paul  Speratus,  der  Dichter 
des  Liedes:  „Es  ist  das  Heil  uns  kommen  her,*^  die  neue  Lehre 
im  Stephansdom  zu  Wien  verkündigen.  Gleichzeitig  predigten 
Philipp  Turriano,  sowie  die  beiden  Cisterziensermönche  Jacob 
und  Theobald  wider  Ablassverkauf  und  Bilderdienst.  Der  in 
Spanien  erzogene  Ferdinand  I  eiferte  anfangs  heftig  wider  die  neue 
Lehre;  der  Stadtrath  Caspar  Tauber  stirbt  1523  auf  dem  Scheiter- 
haufen ;  andre  Opfer  folgen ;  Balthasar  Hubmayer  wird  1 528  ver- 
brannt und  seine  nicht  minder  standhafte  Ehefrau  in  der  Donau 
ersäuft.^)  Aber  seit  seiner  Erhebung  zum  deutschen  Kaiser  zieht 
Ferdinand  gelindere  Saiten  auf;  die  beständige  Türkengefahr 
zwingt  ihn  bei  den  Landständen  um  Beisteuera  zur  Yertheidigung 
nachzusuchen,  für  deren  Gewährung  er  dann  freie  Beligionsübung 
gestatten  muss.^)  Unter  seinem  Nachfolger  Maximilian  II,  dessen 
Indifferenz  den  Protestanten  noch  mehr  Freiheit  liess,  vollzieht 
sich  das  Werk  der  Reformation  in  Oesterreich  so  vollständig, 
dass  fast  das  ganze  Land  bis  nach  Steiermark  und  Kämthen 
hinein,  bis  ins  Salzkammergut  und  Tirol  der  neuen  Lehre  er- 
geben war.  Erst  mit  Rudolph  II  um  1578  erhob  sich  die  Gregen- 
reformation,  welche  durch  die  unheilvolle  Regierung  Ferdinands  II, 
der  bei  den  Jesuiten  in  Ingolstadt  mit  seinem  Vetter  Maximilian 
von  Baiem  erzogen  worden  war,  zum  Abschluss  kam.  Damals 
begann  jene  verderbliche  Aera,  welche  die  reiche  Blüthe  deutschen 
Geisteslebens  in  Oesterreich  auf  Jahrhunderte  erstickte  und  das 


*)  Ueber  das  Geschichtl.  vgl.  Wiens  Gesch.  von  F.  Frhr.  v.  Hor- 
majr;  Gesch.  der  Stadt  Wien  von  Fr.  Tschischka;  Gesch.  des  Landes 
ob  der  £nns  von  Fr.  Xav.  Pritz;  Gesch.  der  Regier.  Ferdinands  I.  von 
F.  B.  v.  Bnchholtz;  Rudolf  II  und  seine  Zeit  von  A.  Gindely;  Handb. 
der  Gesch.  des  Herzogth.  Kärnten  von  H.  Hermann;  Gesch.  von  BOhmen 
von  Fr.  Palacky,  u.  a.  m.  —  »)  Tschischka,  a.  a.  0.  p.  2Sö  fg.  —  3)F.B, 
V.  Buchholtz  a.  a.  0.  VIII,  123  ff. 


568  ^-  Buch.    Renaissance  in  Deutschland. 

hochbegabte  Volk  der  römischen  Fremdherrschaft  und  der  geister- 
mordenden Disciplin  der  Jesuiten  ttberlieferte.  In  dem  Wahne 
nur  durch  innige  Verbindung  mit  der  Kirche  ihre  Hausmacht  zu 
stärken  und  die  Herrschaft  über  das  lose  yerbundene  Völker- 
aggregat  zu  befestigen,  opferten  die  Habsburger  das  geistige 
Leben  und  die  materielle  Blüthe  ihres  Volkes.  An  der  Spitze 
von  Dragonerabtheilungen  rtLckten  die  bischöflichen  Gommissare 
in  die  einzelnen  Oii»chaften  ein,  die  Bevölkerungen  gewaltsam 
in  den  Schoos  der  Kirche  zurttckzuf Uhren.  Mit  Kämthen,  Steier- 
mark und  Krain  wurde  der  Anfang  gemacht;  Böhmen  und  Oester- 
reich  folgten.  Die  protestantischen  Prediger  wurden  yertrieben, 
die  ketzerischen  Bücher  verbrannt,  die  lutherischen  Kirchen  und 
Pfarrhäuser  niedergerissen,  selbst  ihre  Friedhöfe  vandalisch  ver- 
wüstet Verbannung  und  Konfiskation  traf  die,  welche  sich  nicht 
fügten.  So  kam  die  katholische  Kirche  wieder  zur  Alleinherr- 
schaft, aber  die  blühenden  Länder  waren  verödet  Aus  Böhmen 
allein  wanderten  an  36,000  Familien,  darunter  1088  aus  dem 
Herrn-  und  Ritterstande,  auch  zahlreiche  Künstler,  Kaufleute  und 
Handwerker  ^us  und  Hessen  sich  in  Sachsen,  Brandenburg  und 
andern  protestantischen  Ländern  nieder. 

Die  Heftigkeit  dieser  Verfolgungen  bezeugt  vor  Allem  den 
gewaltigen  reformatorischen  Umschwung,  welchen  damals  ganz 
Oesterreich  genommen  hatte.  Wenn  man  den  heutigen  Zustand 
dieser  Länder  betrachtet,  so  kann  man  sich  nicht  genug  ver- 
wundem, wie  allgemein  damals  der  Protestantismus  dort  ver- 
breitet war.  Wurde  1543  noch  ein  Edikt  veröffentlicht,  welches 
alle  Buchdrucker  und  Buchhändler,  die  ketzerische  Bücher  ver- 
breiteten, zu  ersäufen,  die  Bücher  aber  zu  verbrennen  befahl;^) 
ernannte  man  schon  vorher  ein  Ketzergericht  aus  zwölf  Mit- 
gliedern der  Hochschule,  an  deren  Spitze  der  Bischof  Johann  von 
Bevellis  stand,  so  hatte  doch  bald  darauf  in  Wien  und  dem  Übrigen 
Oesterreich  die  Sache  der  Reformation  solche  Kraft  erlangt,  dass 
man  den  Lutheranern  die  Minoriten- Kirche  und  die  Landhaus- 
kapelle in  der  Hauptstadt  einräumen  musste.^)  Ja  als  in  Kämthen 
1596  die  seit  dreissig  Jahren  unterbliebene  Frohnleichnamspro- 
cession  zuerst  in  St  Veit  wieder  abgehalten  wurde,  entstand  in 
dem  protestantisch  gewordenem  Volke  ein  Auflauf,  vor  welchem 
der  Priester  mit  dem  Venerabile  sich  nur  mit  Mühe  retten  konnte.  0 
Ebenso  erging  es  in  Villach  1594  dem  Patriarchen  von  Aquileja, 
als   er  den  Katholizismus  wiederherzusteUen  versuchte.*)     Hier 


«)  Tflchigchka,  a.  a.  0.  S.  311.  —  »)  Ebenda  S.  312.  —  3)  H.  Hermann, 
a.  a.  0.  II,  209.  —  *)  Ebenda  II,  210. 


Kap.  XII.    Die  öaterreioliischen  Länder.  569 

war  die  Stadtpfarrkirche  in  den  Händen  der  Protestanten,  in 
KlagenAirt  aber  hatten  sie  sogar  zwei  Kirchen  inne.  Die  Ke- 
formation  hatte  also  mindestens  ein  Menschenalter  lang  sich  un- 
gehemmt in  den  österreichischen  Landen  ausgebreitet,  und  es 
war  gewiss  nicht  Mangel  geistiger  Begsamkeit,  wenn  ihr  keine 
ebenbürtige  künstlerische  Entwicklung  zur  Seite  ging.  Wohl  aber 
scheinen  die  Erschütterungen,  welche  das  gewaltsame  Eingreifen 
in  das  religiöse  Leben  mit  sich  brachte  und  die  auf  lange  Zeit 
selbst  den  Buin  des  Wohlstandes  herbeiführten,  Buhe,  Mittel  und 
Stimmung  zu  architektonischen  Schöpfungen  ausgelöscht  zu  haben. 
Vergessen  wir  nicht,  dass  abgesehen  von  einzelnen  früheren  Ver- 
suchen, die  Benaissance  in  den  deutschen  Gebieten  ihre  Blüthezeit 
etwa  seit  den  sechziger,  siebziger  Jahren  des  16.  Jahrhunderts 
beginnt.  Gerade  dies  war  aber  der  Wendepunkt,  wo  in  Oester- 
reich  Kirche  und  Staatsgewalt  den  Vertilgungskrieg  gegen  den 
Protestantismus  ins  Werk  setzte.  So  mussten  wohl  alle  Keime 
friedlicher  Kultur  auf  lauge  hinaus  zertreten  werden. 

Aber  in  kaum  geringerem  Grade  scheinen  auch  die  politischen 
Verhältnisse  ein  reicheres  Kulturleben  yerhindert  zu  haben,  so 
dass  trotz  der  Kunstliebe  von  Kaisern  wie  Maximilian  I,  Fer- 
dinand I  und  Budolph  II  sich  keine  stetige  Blüthe  entfalten  wollte. 
Vergegenwärtigen  wir  uns,  dass  mit  Kaiser  Friedrichs  Tode  eine 
traurige  Epoche  für  Oesterreich  kaum  ihr  Ende  erreicht  hatte.  <) 
Eine  lange  Beihe  von  Kämpfen  gegen  auswärtige  Feinde  und 
aufständische  Unterthanen,  Fehden  zwischen  raubsüchtigen  Bittern, 
Dezennien  des  wildesten  Faustrechtes  hatten  das  Land  weithin 
verwtLstet  und  ausgeplündert.  Die  Kultur  des  Bodens  war  zer- 
stört, Handel  und  Verkehr  zerrüttet,  die  Städte  ohne  Kraft  und 
Blüthe,  Hunderte  von  Höfen  lagen  in  Trümmern,  Tiele  Kirchen 
waren  in  Flammen  aufgegangen,  die  Bewohner-  des  Landes  ver- 
wildert Mit  Maximilians  I  Begierungsantritt  erholten  sich  die 
Länder  allmählich  von  den  ausgestandenen  Drangsalen,  aber  die 
Kraft  des  Bttrgerthums  vermochte  sich  während  der  ganzen  Epoche 
nicht  zu  so  machtvollen  städtischen  Gemeinwesen  zusammen- 
zuschliessen  wie  sie  das  südliche,  mittlere  und  nördliche  Deutsch- 
land in  zahlreichen  freien  Beichsstädten  aufweisen.  Die  Städte 
sind  aber  seit  der  gothisehen  Epoche  in  Deutschland  der  Haupt- 
herd des  KunsÜebens  gewesen.  Sie  bleiben  es,  wie  wir  gesehen 
haben,  auch  in  der  Epoche  der  Benaissance,  jedoch  so,  dass 
neben  ihnen  die  neuen  Fürstensitze  eine  selbständige  Blüthe  ent- 
falten. Diese  zieht  indess  ihren  künstlerischen  Nahrungsstoflf  wieder 


0  Fr.  Xav.  Pritz  a.  a.  0.  H,  181. 


570  ^-  Bii^*    BenftiflMBee  in  Dentschlaad. 

auB  den  bürgerlichen  Kreisen  der  St&dte,  in  welchen  damak 
alles  Kulturleben  seinen  Mittelpunkt  fand.  Die  kunsfliebenden 
Herrscher  aus  dem  Habsburgischen  Stamme  rufen  frtthzeitig 
Meister  der  Renaissance  aus  Nürnberg  und  Augsburg  in  ihre 
Dienste.  Maximilian  I  bedarf  zu  seinen  literarischen  und  kffnst- 
lerisohen  Unternehmungen^)  der  Thfttigkeit  eines  Dflrer,  Burgk- 
maier  u.  A.  Für  sein  Grabmal  in  Innsbruck,  dessen  Grund- 
gedanke durchaus  auf  den  Ideen  der  Renaissance  beruht,  ver- 
wendet er  nicht  blos  einen  Meister  wie  Peter  Yischer,  sondern 
auch  Augsburger  und  Innabnicker  Künstler.  Wo  aber  in  dieser 
frühen  Zeit  Bauwerke  in  dem  neuen  Stile  zu  errichten  waren, 
musste  man  fast  ausschliesslich  mit  Italienern  sich  begnügen.  Die 
Portale,  mit  welchen  Ferdinand  I  1524  sein  Arsenal  in  Wiener- 
neustadt schmückte,  verrathen  die  Hand  italienischer  Steinmetzen. 
Dasselbe  ist  der  Fall  mit  der  wahrscheinlich  1515  errichteten 
Prachtpforte  der  Salvatorkapelle  in  Wien.  In  Krakau  wird  schon 
1512  ein  Meister  Franciscus  aus  Italien  erwähnt,  der  beim  Neubau 
des  Schlosses  yerwendet  wird,  ja  1520  ist  es  abermals  ein  Italiener, 
Bariholomeus  von  Florenz,  der  die  Jagellonische  Kapelle  am  Dom 
daselbst  erbaut  und  1536  das  abgebrannte  Schloss  wierderher- 
stellt  Eine  ganze  Architektenfamilie  aus  Italien  lernen  wir  unter 
Ferdinand  I  in  Wien  und  Prag  kennen:^)  1532  Jacopo  de  i^aziOy 
1542  Anthoni  de  SpaziOy  der  an  dem  Neubau  der  Burg  in  der 
Neustadt  beschäftigt  war  und  ffans  de  Spazio,  der  nebst  Zoan 
Maria  (also  dem  Namen  nach  wohl  ein  Venetianer)  unter  Paul 
della  Stella  seit  1536  am  Belvedere  auf  dem  Hradschin  zu  Prag 
betheiligt  war.^)  Noch  1568  wird  ein  Italiener  ContineUi  als  Hof- 
baumeister Maximilians  II  aufgeführt.^) 

Eine  solche  Kette  italienischer  Architekten  lässt  sich  damals 
in  Deutschland  nur  noch  bei  den  bairischen  Herzogen  nachweisen. 
Wie  dort  begründet  sie  auch  hier  das  Ueberwiegen  fremden  Ein- 
flusses, der  die  Entwicklung  einer  selbständigen  deutschen  Re- 
naissance zurückdrängen  musste.  Dass  es  Ferdinand  I  nicht  an 
Liebe  und  Yerständniss  für  Kunst  fehlte,  würde  allein  schon  der 
unvergleichliche  Bau  des  Belvedere  in  Prag  bezeugen.  Von  seinem 
Yerständniss  der  Architektur  legte  er  eine  Probe  ab,  als  er  1563 
auf  der  Reise  nach  Frankfurt  die  neue  Befestigung  der  Plassen- 
burg  besichtigte  und  dem  Markgrafen  Georg  Friedrich  in  den 

*)  lieber  Maximilian  vgl  Herberger,  K.  Peutinger  etc.  und  den  Auf- 
satz von  Horawitz  in  der  Oesterr.  Wochenschr.  IST 2.  I  Bd.  18.  Heft. 
Dazu  Hormayr's  Taschenbuch  1821  u.  ff.  passim.  —  ^)  Jos.  Feil  in  den  Ber. 
des  Wiener  Alterth.  Ver.  HI,  229.  —  ^)  Förster's  ADg.  Bauzeit  1838. 
S.  345  ff.  —  -»)  Jos.  Feil  a.  a.  0. 


Kap.  XU.    Die  dstonreicIiiBclieii  Länder.  571 

aDge&ngenen  Werken  etliche  Fehler  nachwies,  welche  dem  Bau- 
meister selbst  entgangen  waren.  ^)  Besonders  aber  theilte  er  die 
damals  herrschende  Vorliebe  für  antike  Mttnzen,  deren  er  eine 
bedeutende  Sammlung  angelegt  hatte.*)  Von  der  Eunstliebe 
seines  gleichnamigen  Sohnes,  welcher  1557  Philippine  Welser 
zu  seiner  Gemahlin  machte,  legen  die  Ueberreste  im  Schloss 
Ambras  und  mehr  noch  die  Schätze  der  Ambraser  Sammlung  in 
Wien  Zeugniss  ab.  Im  Ganzen  beschränkte  sich  jedoch  der 
Kunstsinn  der  habsburgischen  Ftkrsten  auf  Bewährung  eines  regen 
Sammeltriebes  und  diesem  yor  Allem  sind  die  kostbaren  Schätze 
alter  und  neuer  Kunst  zu  verdanken,  welche  noch  jetzt  Wien  zu 
einer  der  reichsten  Fundgruben  für  künstlerische  Studien  machen. 
Aber  diese  ästhetische  Gesinnung,  so  hoch  immer  sie  angeschlagen 
werden  muss,  war  nicht  durchgreifend  genug,  um  monumentale 
Werke  yon  höherer  Bedeutung  in  grösserer  Anzahl  zu  schaffen. 
Die  Aufgaben,  welche  die  unruhigen  Zeiten  grade  diesen  Herr- 
schern stellten,  waren  zu  complicirter  Natur,  um  Müsse  und 
Stimmung  für  künstlerische  Schöpfungen  aufkommen  zu  lassen. 
Das  Streben,  ihre  Hausmacht  zu  befestigen  und  zu  yergrössem, 
die  Erwerbung  und  Sicherung  Ungarns,  die  stete  Gefahr  der 
türkischen  Einfälle,  die  Schwierigkeiten,  welche  die  Behandlung 
der  deutschen  Beichszustände  boten.  Alles  dies  noch  verstärkt 
durch  die  unheilvolle  Feindseligkeit  gegen  die  Sache  der  Be- 
formation,  deren  Förderung  allein  den  Habsburgern  die  Ueber- 
einstimmung  mit  dem  Streben  ihrer  Völker  und  dadurch  eine 
unbezwingliche  Macht  und  siegreiche  BeheiTSchung  aller  Ver- 
hältnisse gegeben  hätte,  dies  zusammen  musste  für  das  öster- 
reichische Kulturleben  beeinträchtigend  wirken.  Der  letzte  Habs- 
burger dieser  Epoche,  der  durch  Gemüthsanlage  und  Erziehung 
gleich  unglückliche  Budolph  U,  suchte  durch  Vernachlässigung 
seiner  Herrscherpflichten  sich  die  Freiheit  für  allerlei  private 
Liebhabereien  zu  verschaffen,  und  der  Glanzpunkt  in  seinem 
sonst  so  verdüsterten  Leben  ist  ohne  Frage  seine  Liebe  zu  den 
Künsten.  Aber  auch  bei  ihm  äusserte  sich  dieselbe  weniger 
durch  Hervorrufen  monumentaler  Schöpfungen,  als  durch  An- 
sammlung kostbarer  Gemälde,  Statuen,  Juwelen,  Schmucksachen, 
Mosaikarbeiten  und  Curiositäten  ^).  Erst  neuerdings  haben  wir 
durch  urkundliche  Mittheilungen  ein  Bild  von  der  Lebendigkeit 
und  dem  Umfange  dieser  Liebhaberei  empfangen.^)  Rudolph 
hatte  die  für  jene  Zeit  bedeutende  Anzahl  von  413  Gemälden 


0  V.  Bttchholtz  a.  a.  0.  VIII,  770.  —  *)  Ebenda,  VIÜ,  694.  —  »)  Gindely, 
a.  a.  0.  I,  29.  —  *)  ürlichß  in  der  Zeitachr.  f.  bild.  Kunst  V,  47  ff. 


572  ni.  Buch.    Benaissance  in  Deutschland. 

zusammengebracht,  darunter  einen  grossen  Theil  jener  Meister- 
werke, welche  jetzt  noch  den  Grundstock  der  Belvederegalerie 
bilden.  In  Italien  und  Spanien  hatte  er  Unterhändler,  welche 
für  ihn  den  Ankauf  von  Kunstwerken  betreiben  mussten.  Nicht 
oberflächlich  muss  die  Art  seiner  Eunstliebe  gewesen  sein,  sonst 
hätte  er  nicht  mit  solchem  Eifer  überall  den  Werken  Dürer's 
nachgestrebt,  von  denen  er  eine  Anzahl  der  bedeutendsten  sich 
zu  verschaffen  wusste.  Daneben  sammelte  er  Sculpturen  in 
Marmor  und  Bronze,  antike  wie  Nachbildungen,  rohe  und  ver- 
arbeitete Edelsteine,  eingelegte  Tischplatten  von  Pietra  dura  und 
ttberseeische  Guriositäten  aller  Art  Auch  manche  Eflnstler  wusste 
er  heranzuziehen  und  zu  beschäftigen,  aber  trotz  alledem  kam  es 
auch  unter  ihm  nicht  zur  Entwicklung  einer  monumentalen  Kunst, 
einer  national-deutschen  Renaissance. 

Ueberblicken  wir  die  Bauwerke,  welche  die  Renaissance 
während  der  langen  Dauer  dieser  Epoche  in  dem  weiten  Umfange 
der  österreichischen  Länder  hervorgebracht  hat,  so  finden  wir  fast 
nur  fürstliche  Bauten  und  Schlösser  des  hohen  Adels,  aber  auch 
diese  in  solcher  Vereinzelung  über  das  Land  verstreut,  dass  sie 
nicht  den  Eindruck  einer  intensiven  einheimischen  Schule,  sondern 
vielmehr  der  sporadischen  Thätigkeit  fremder  Künstler  ergeben. 
Italienische  Formen  sowohl  in  der  Composition  des  Ganzen,  als 
in  der  Behandlung  des  Einzelnen  herrschen  hier  während  der 
ganzen  Epoche.  Das  Unregelmässige  in  der  Anlage  nordischer 
Bauten  tritt  zurück;  die  Thürme,  die  Wendeltreppen  werden  fast 
völlig  zu  Gunsten  einfacherer,  klarerer  Grundrissbildung  beseitigt 
Auch  die  Erker,  die  hohen  Dächer  mit  ihren  schmuckreichen 
Giebeln,  der  Stolz  der  deutschen  Renaissance,  spielen  hier  keine 
hervorragende  Rolle.  Begreiflich  ist  es  daher  auch,  dass  in  den 
architektonischen  Werken  jene  naive  Mischung  gothischer  Elemente 
mit  Motiven  der  Renaissance,  mit  welcher  der  neue  Stil  fast  über- 
all in  Deutachland  auiftritt,  hier  so  gut  wie  gar  nicht  vorkommt 
Eine  Ausnahme  machen  nur  gelegentlich  kleinere  dekorative 
Werke  wie  ein  Flttgelaltar  in  der  Kirche  zu  So  ding  in  Steier- 
mark. Dagegen  wirkt  überall  Italien  direkt  ein,  so  dass  nament- 
lich die  Hofe  mit  Vorliebe  nach  südlicher  Weise  durch  Arkaden- 
gänge, sei  es  auf  Pfeilern,  sei  es  auf  Säulen,  ausgestattet  werden. 
Damit  hängt  zusammen,  dass  der  in  Deutschland  sonst  überall 
beliebte  Holzbau  fast  durchgängig  dem  italienischen  Steinbau 
weicht,  mit  Ausnahme  der  Gebirgsgegenden,  welche  an  ihrem 
lokal  ausgebildeten  Holzbau  festhalten.  Besonders  charakteristisch 
ist  noch,  dass  jene  geometrische  Ornamentik,  welche  die  Motive 
der  Lederarbeit  und  des  Schlosserstiles  in  Stein  überträgt,  eine 


Kap.  XII.    Die  «Bteneichiachen  Lfinder.  573 

da-  auBj^bildeten  deutschen  Renaissance  anhaftende  Form,  in 
Oesterreich  kaum  angetroffen  wird.  Dagegen  erhäU  sich  kraft 
des  italienischen  Einflasses  lange  Zeit  hindurch  eine  überaus  edle 


^ 


ililiUt 


Behandlung  des  Ornamentes,  von  welcher  wir  in  Fig.  148—151 
einige  Proben  geben.') 


574  in.  Bnch.    Benaiuanee  in  DeutKUmnd. 

Von  den  atädtiscben  Bauten  sind  znnfichBt  die  sogenannten 
LandbSnser,  d.  h.  die  ftlr  ständische  Versammlnngen  errichteten 
Gebäude,  ausmscheiden,  denn  sie  verdanken  ebenfalls  den  pri- 
Tilegirten  Ständen  ihre  Entstehung  und  tragen  dasselbe  kfinst- 
leriscfae  Gepräge,  d.  h.  das  itatieniBche.  Wa«  sonst  in  den  Städten 
Oesterreiebs  etwa  an  bargerlicben  Bauten  vorkommt,  ist  an  Zahl 
und  Bedeutung  gering.  Die  spätere  Uebersicht  wird  zeigen,  wie 
unbedeutend  die  Zahl  der  borgerlichen  Wohnhäuser  aus  dieser 
Epoche  ist  An  RathhäuBem  oder  sonstigen  Werken  der  städtischen 
Profanbankunst  scheint  selbst  in  den  mächtigsten  und  reichsten 
'  Städten  des  Eaiserstaates  nichts  vorhanden  zu  sein.  Wohl  mag 
die  kfinstlerisebe  Dekoration  sich  Überwiegend  auf  den  Fresken- 


schmuck  der  Fa^aden  oder  wenigstens  auf  Sgrafßto  beschränkt 
haben.    Aber  auch  davon  sind  nur  geringe  Spuren  erhalten. 

Dagegen  findet  man  im  ganzen  Lande,  namentlich  im  Erc- 
herzogthum  Oesterreich,  in  Tirol  und  dem  Salzburgischen,  wie 
in  Kämthen  und  Steiermark  noch  zahlreiche  Schöpfungen  der 
Schlosser-  und  Schmiedekunst,  die  nirgends  herrlichere  Werke 
hervorgebracht  hat  als  gerade  hier.  Wir  geben  vorgreifend  einige 
Beispiele,  denen  später  andere  folgen  werden:  Fig.  152  von  einem 
Brunnengitter  am  Franz-Joacpbs-Kai  in  Salzburg,  Fig.  153  ein 
Grabkreuz  vom  Friedhof  bei  S,  Sebastian  daselbst,  Fig.  154  eine 
Hausglocke  vom  Gasthof  zur  Post  in  Hallstadt:  zum  Beweis, 
wie    damals    das   Streben  nach    künstlerischer  Verklärang    der 


Kap.  XII.    Die  OaterreiehiKheii  LKnder.  575 

Formea  sieh  Ober  alle  Gebiete  dee  Lebern  nnd  aelbst  des  a\i- 
tS^HcheH  BedOrfniBses  erstreckte.*) 

Etwas  ^nstiger  stellt  es  sich  in  Bdbmen  und  Mähren.  Hier 
war  schon  anter  der  Herrschaft  Karls  IV  in  der  Eweitea  Hftifte 
des  14.  Jahrhunderts  eine  hohe  EulturblOthe  herrorgerafen  worden. 
Durch  die  Hiusitenkriege  wurde  zwar  Vieles  zentSrt,  über  der 
hnssitische  und  protestantische  Geist  hatte  so  mSchtig  in  dem 


Lande  sich  ausgebreitet,  daea  er  eine  hohe  geistige  Kultur  her- 
vorrief. Diesem  Umstand  wird  es  zuzuschreiben  sein,  dass  das 
Land  eine  grössere  FUlIe  Ton  Monumenten  bürgerlicher  Baukunst 
auch  aus  dieser  Epoche  aufweist,  und  dass  der  kUnstleriscbe 

■)  Diese  Illnstr.  sind  einem  ÄQ^tie  von  Riewel  in  den  Hitth.  der 
Centr.'Conini.  1870  eattebut.  Ich  verdanke  dieselben  der  gütigen  Vemiitt- 
Inng  des  Herrn  Dr.  K.  Lind. 


576  in.  Baeh.    Renaiflsance  in  Deutschland. 

Charakter  derselben,  abgesehen  von  einzelnen  italienischen  Werken 
der  Frühzeit,  weit  mehr  Selbständigkeit  und  mancherlei  Ueber- 
einstimmung  mit  der  deutschen  Architektur  verräth.  Alles  dies 
haben  wir  nun  durch  gesonderte  Betrachtung  der  verschiedenen 
Länder  näher  zu  erörtern,  i) 


Erzherzogthnm  Oesterreich. 

Die  Dürftigkeit  einer  so  mächtigen  Stadt  wie  Wien  an 
Denkmälern  der  Renaissance  wird  immer  von  Neuem  das  Stau- 
nen des  Forschers  erregen.  Habeu  wir  es  doch  mit  einer  Stadt 
zu  thun,  die  schon  im  Mittelalter  sich  einer  glänzenden  Blüthe 
rühmen  konnte.  Freilich  lag  der  Grund  zum  Gedeihen  Wiens 
weit  weniger  in  selbständiger  Pflege  von  Kunst  und  Gewerbe 
als  vielmehr  in  dem  lebhaften  Durchzugs-  und  Zwischenhandel, 
den  die  günstige  Lage  der  Stadt  mit  sich  brachte.^)  An  den 
Grenzen  deutschen  Landes  gelegen,  wurde  Wien  der  wichtigste 
Platz  des  Austausches  zwischen  dem  Westen  und  dem  Osten  und 
zugleich  durch  seine  Verbindungen  mit  Italien  ein  Stapelplatz 
für  den  Handel  mit  dem  Süden  und  der  Levante.  Welchen  Reich- 
thum  die  Stadt  im  15.  Jahrhundert  erlangt  hatte,  erkennen  wir 
noch  aus  den  lebendigen  Schilderungen  des  Aeneas  Sylvius.  3) 
Er  rühmt  nicht  blos  die  glänzenden  Kirchen,  sondern  auch  die 
stattlichen  Bürgerhäuser  mit  ihren  reich  gemalten  Fagaden,  den 
weiten  Höfen,  dem  prächtigen  Hausrath.  Besonders  fallen  ihm 
als  Zeichen  des  Luxus  die  Glasscheiben  der  Fenster  und  die 
schönen  Eisenbeschläge  der  Thüren  auf.  Von  alledem  ist  kaum 
noch  eine  Spur  vorhanden.  Und  doch  hat  schon  im  früheren 
Mittelalter  die  Stadt  eine  selbständige  künstlerische  Entwicklung 
erlebt.  Die  ältesten  Theile  von  St.  Stephan,  der  Kern  der  Mi- 
chaelskirche zeugen,  wenn  auch  nicht  von  grossartiger,  so  doch 
von  feiner  Ausbildung  des  romanischen  Stiles.  In  der  gothischen 
Epoche  kamen  dazu  reichlichere  Werke  des  Kirchenbaues,  aber 
erst  mit  dem  Stephansdom  erhob  sich  die  Baukunst  hier  zu  einer 
der  grossen  Meisterschöpfungen  der  Zeit. 

0  WerthvoUe  Beiträge  in  AufnahmeD  und  Notizen  verdanke  ich  den 
Herren  Prof.  H.  Ferstel  und  Dombaumeister  Schmidt,  Dr.  Karl  Lind, 
Dr.  Albert  Hg  und  Architekt  Riewel.  Eine  genauere  Durchforschung  des 
weitgestreckten  Grebietes  wird  mit  erschöpfendem  Erfolg  nur  von  lokalen 
Forschem  zu  erwarten  sein.  —  ')  v.  Hormayr,  a.  a.  0.  IV,  120.  —  ^)  Aen. 
Sylv.  opera  (Basil.  1571.)  Epist.  CLXV  p.  718  sq. 


Kftp.  Xn.    Die  tfBterreioluBcheii  Linder.  577 

Um  80  anffalleDder  sticht  dagegen  die  Aermlichkeit  der  Be- 
naissanoemonumente  ab.  Wohl  waren  es  Zeiten,  die  anch  fttr 
Wien  mancherlei  Unruhe  nnd  Gefahr  im  Sohoosse  trugea  Nach 
« Maximilians  I  Tode  betheiligte  sich  die  Stadt  lebhaft  an '  der  Em- 
pörung gegen  die  Regierung  seines  Nachfolgers ;  doch  wurde  der 
Aufstand  schon  1522  durch  Gefangennahme  und  Hinrichtung  der 
Rädelsführer  niedergeschlagen.  ^)  Gleich  darauf  führte  die  Hin- 
neigung zur  Reformation  zu  jenen  Verfolgungen  und  Ketzer- 
verbrennungen, von  denen  schon  oben  die  Rede  war.  Anderer- 
seits drohten  wiederholt  die  Einfälle  der  Türken,  die  1529  durch 
Zapolya's  Verratfa  nach  Ungarn  gelockt,  Oesterreich  und  Steier- 
mark Aberzogen,  aber  durch  den  Heldenmuth  der  kleinen  Be- 
satzung von  Wien  zurückgetrieben  wurden.  Die  tapferen  Bewoh- 
ner hatten  damals  ihre  Vorstädte  selbst  zerstört  und  mit  deren 
Holzwerk  die  Basteien  befestigt  Die  neue  Türkengefahr  1532 
wurde  zwar  durch  Pfälzgraf  Friedrich  rasch  zurückgeschlagen; 
aber  1541  rafite  die  Pest  den  dritten  Theil  der  Einwohner  hin.') 
Zugleich  steigerte  sich  der  Kampf  gegen  die  Anhänger  der  Re- 
formation, ja  1551  wurden  die  ersten  Jesuiten  nach  Wien  berufen, 
um  der  allgemeinen  Bewegung  nachdrücklicher  entgegenzutreten. 
Zur  selben  Zeit  ward  die  menschenfreundliche  Verordnung  erlassen, 
dass  alle  Juden  zur  Unterscheidung  einen  gelben  Tuchlappen  am 
Oberkleid  auf  der  linken  Brust  tragen  sollten.*)  Wenige  Jahre 
später  suchte  man  sie  gänzlich  zu  yertreiben,  ohne  jedoch  damit 
völlig  durchzudringen.  Mildere  Zeiten  kamen  erst  seit  1556;  aber 
bald  darauf  drohte  dnrch  Suleiman  gewaltiger  als  je  zuvor  ein 
neuer  Einfall  der  Türken,  durch  Zrin/s  Heldentod  aufgehalten, 
und  durch  des  Grossherm  Fall  vor  Szigeth  vereitelt  Endlich  ist 
1570  das  abermalige  Auftreten  der  Pest,  1596  wiederum  ein 
drohender  Türkeneinfall  zu  verzeichnen.  Aber  alle  diese  Gefah- 
ren und  Unruhen  sind  doch  nicht  ausreichend,  um  den  Mangel 
an  Denkmälern  dieser  Epoche  zu  erklären.  Wohl  mag  die  letzte 
Türkenbelagerung  vom  Jahre  1683  in  den  Vorstädten  manches 
Werthvolle  zerstört  haben;  namentlich  werden  die  Häuser  und 
Gärten  des  Adels,  von  denen  noch  Merian  uns  Abbildungen  über- 
liefert hat,^)  damals  zu  Grunde  gegangen  sein;  dass  aber  in  der 
inneren  Stadt  so  Weniges  erhalten  ist,  wird  man  grösstentheils 
aus  der  gewaltigen  Bauthätigkeit  zu  erklären  haben,  welche  seit 
dem  Ausgang  des  17.  Jahrhunderts  ganz  Wien  umzugestalten 
begann. 


>)  TBcbischka,  a.  a.  0.  S.  284.  —  *)  Ebenda  S.  299.  —  >)  Ebenda  S.  311. 
—  ^)  Topogr.  German.  Tom.  X. 

Kogler,  Oetch.  d.  Bank.  V.  37 


578  ^-  Bueh.    Benaifleanoe  in  DentachUiid. 

Das  erste  Auftreten  der  Renaissance  hat  man  wahrseheinlich 
in  dem  ttberans  eleganten  iPortal  der  SaIyator4capelle  zu 
erkennen.  Die  Entstehiraig  dess^elben  wird  mit  A^m  Breye  Papst 
Leo's  XO  vom  10.' Juni  1515  zusammenhängen,  welches  y^rordnete, 
dass  die  Kapsle  des  Rathhauses  kttnftig  den  Namen  St  Salva- 
töris  fuhren  solle.  Dies  gab  d^em  Stadtratfa  Veranlassung,  die 
eüsten  Salyatorsmedaillen  ausprägen  zu  lassen,  wahrsohldinUch 
auch  data  Portal  zu  errichten,  welches  nicht  blos  in  seiner  Oom- 
positioli,  sondern  auch  in  der  Ausführung  auf  die  Hand  ober- 
italieniseher  Künstler  hinweist  Das  Portal')  wird  yon  reich 
dekorirten  Pilastem  eingerahmt,  yor  welche  Säulen  mit  ffei  be- 
handelten GonLpositakapitälen  treten,  die  Schäfte  am  Fubs  über- 
trieben stakk  eingezogen,  zum  Theil  kannelirt,  zum  Theil  mit 
kriegeiischen  Emblemen  bedeckt,  ganz  im  Stil  der  spielenden 
Fftthrenaissance  Oberitaliens.  Ueberaus  elegaüt  sind  die  yon 
Si^nzgestalten  auslaufenden  Akanthusranken  des  Frieses,  die 
Zahnschnitte,  Perlschnttre,  Blattkymatien  des  Hauptgesimses  und 
der  andern  Glieder.  Die  Bekrönung  bildet  ein  Halbkreis  mit 
cassettirter  Laibung,  in  welchem  die  Halbfiguren  Christi  Und  der 
Madonna  als  Hochrelief  erscheinen,  während  auf  den  Ecken  zwei 
kleinere  Kriegergestalten  offenbar  an  die  Stifter  der  Kapelle,  die 
ritterlichen  Brüder  Otto  und  Haymo,  erinnern  tioUen.  Das  Ganze 
in  seiner  Zierlichkeit  athmet  den  Geist  echt  italienischer  Frtth- 
renaissanee. 

Weiter  sind  hier  mehrere  Grabdenkmäler  anzureihen.  Zu- 
nächst in  St  Stephan  am  westlichen.  Ende  des  nördlichen 
Seitenschiffes  das  Epitaphium  des  1529  yerstorbenen  Doctor  Jo- 
hannes Guspis  mit  seinen  beiden  Frauen,  aus  rothem  Marmor 
gearbeitet,  in  sehr  schlichter  derber  Kenaissanceform,  die  Nische 
mit  den  Brustbildern  yon  Pilastem  eingefasst,  der  Bogen  mit 
einer  Muschelfüllung,  im  unteren  Felde  die  Angehörigen  in  einer 
durch  dorisirende  Säulchen  getheilten  Halle  knieend.  Reicher 
und  grösser  im  nördlichen  Kreuzarm  das  Epitaph  des  Domherrn 
und  ehemaligen  Kaplans  Kaiser  Max  I,  Nicolaus  Engelhardt 
(t  1559),  auch  dies  noch  im  Stil  zierlicher  Frührenaissanoe.  Ein 
Hauptdenkmal  ist  das  grosse  Bildwerk  yon  1540,  welches  am 
Aeusseren  der  südlichen  Chorseite  angebracht,  in  der  Mitte  Maria 
und  Christus,  umgeben  yon  Relief darstellungen  der  sieben  Schmer- 
zen Maria  enthält  Eingefasst  yon  sehr  eleganten  Pilastern  mit 
korinthisirenden  Kapitalen,  die  Flächen  zwischen  den  Bildfeldern 

')  Tacbiflchka,  S.  221.  —  *)  Eine  treflfliche  Abbildung  desselben  hat 
H.  Riewel  yeröffentlicht. 


Kap.  XII.    Die  österreichiBchen  LSnder.  581 

mit  schönem  Blattwerk  von  leichtestem  Flusse,  mit  spielenden 
Genien,  phantastischen  Drachen  u.  dgl.  ausgefbllt,  Alles  noch 
entschieden  im  Charakter  der  Frührenaissance,  fein  und  elegant 
Erkennt  man  hier  die  Hand  eines  vorzüglichen  Meisters,  so  sind 
dagegen  die  einfassenden  Pilaster,  welche  die  zehn  Passionsbilder 
an  der  südöstlichen  Ecke  dös  kleinen  Choranbaues  umfassen, 
von  sehr  geringem  Verständniss  der  neuen  Formen,  wunderlich 
und  primitiv  behandelt,  in  seltsamem  Contrast  mit  der  grossen 
Freiheit  und  Lebendigkeit  der  figtlrlichen  Scenen,  die  einen  dem 
Adam  Erafil  ebenbürtigen  Meister  verrathen.  —  Ein  Senaissance- 
grab  von  1524  sieht  man  sodann  in  der  Deutschordenskirche, 
ein  sehr  elegantes  vom  Jahre  1548  in  der  Michaelskirche.  Es 
ist  das  grosse  am  südwestlichen  Pfeiler  des  Ereuzschiffes  an- 
gebrachte rothmarmome  Epitaph  des  Georg  von  Liechtenstein, 
mit  fein  dekorirten  korinthisirenden*  Pilastem  eingefasst,  eben- 
falls noch  im  Geiste  der  Frtthrenaissance.  Wie  dasselbe  Motiv 
kurze  Zeit  darauf  schon  trocken  und  nüchtern  umgestaltet  wird, 
erkennt  man  in  derselben  Kirche  an  dem  Grabmal  im  nördlichen 
Seitenchor  vom  Jahr  1561. 

Die  Bürgerhäuser  aus  jener  Zeit  haben  wahrscheinlich  ihren 
künstlerischen  Schmuck  hauptsächlich  durch  Fresken  empfangen, 
nach  deren  vollständigem  Verschwinden  —  denn  es  scheint  keine 
Spur  davon  mehr  vorhanden  zu  sein  —  die  Fa^aden  ohne  alles 
Interesse  sind.  Wohl  tritt  hie  und  da  noch  ein  Erker  auf,  aber 
ebenfalls  ohne  charakteristische  Ausbildung.  Bedeutender  ist 
wahrscheinlich  die  Architektur  der  Höfe  gewesen,  deren  Statt- 
lichkeit und  Weite  schon  Aeneas  Sylvius  auffiel  Diese  grossen 
Höfe,  oft  zu  mehreren  an  einander  gereiht,  so  dass  daraus 
'Durchgänge  von  der  einen  Strasse  in  die  andre  entstehen,  ge- 
hören zu  den  Eigenthümlichkeiten  der  inneren  Stadt  Aber  von 
künstlerischem  Gepräge  ist  nur  ein  einziger  aus  jener  Zeit  er- 
halten, in  dem  Hause  am  Graben  No.  14  (Fig.  155).  In  stattlicher 
Anlage^)  wird  derselbe  auf  drei  Seiten  von  Arkaden  umzogen, 
welche  ausser  dem  Erdgeschoss  die  drei  oberen  Stockwerke  um- 
ziehen. Die  Arbeit  ist  nicht  gerade  von  besonderer  Feinheit,  aber 
kräftig  und  charaktervoll  in  den  ausgebildeten  Formen  der  Be- 
naissanee,  wie  sie  etwa  um  die  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  zur 
Verwendung  kamen.    Im  Erdgeschoss  ruhen  die  Bögen  auf  tos- 


*)  Die  Abbild,  verdanke  ich  der  gütigen  Verwendung  des  Herrn  Dr. 
Karl  Lind,  durch  welche  mir  von  diesem  und  mehreren  anderen  Holz- 
schnitten aus  den  Mitth.  der  C.  Comm.  und  dem  Jahrb.  des  Wiener  Alterth. 
Vereins  Clichö's  bewilligt  wurden. 


582  in.  Buch.  BenaiBsaiioe  in  DeatBchkad. 

kamflchen  Säulen,  darflber  folgen  stelenajrtig  verjüngte  Pfeiler, 
dann  ionisehe  Sftulen  mit  dem  hohen  Hals  der  Benaissaneeeeit 
und  mit  verschiedenartig  gewundenen  Schäften;  endlich  im  ober- 
sten Stock  korinthisirende  Säulen^  abwechselnd  mit  gegürteten 
und  unten  kannelirten  Schäften;  sämmtliche  Stützen  im  Anschluss 
an  die  niedrigen  Stockwerke  von  sehr  kurzen  Verhältnissen.  Die 
Kreuzgewölbe  der  Arkaden  ruhen  in  den  Wänden  auf  Consol^a; 
die  Balustraden  der  einzehien  Arkadenreihen  sind  geschlossen 
und  mit  einem  Bahmenprofil  versehen.  Zwei  Wendeltreppen,  eine 
untergeordnete  links,  die  Haupttreppe  dagegen  rechts,  sind  in 
den  vorderen  Ecken  des  Hofes  angebracht  Die  Haupttreppe, 
auf  unserer  Abbildung  sichtbar,  empfängt  durch  Pilaster,  welche 
in  eigenthümlicher  Weise  mit  Gonsolen  verbunden  sind,  sodann 
durch  zierliche  gothische  Maasswerkbrüstungen  eine  angemessene 
Qliederung.  Die  Anlage  dieser  Treppe  ist  weit  und  stattlich,  die 
Spindel  zeigt  in  ihren  Profilen  mittelalterliche  Formen;  von  be- 
sonders schöner  Wirkung  ist  aber  das  Netzwerk  verschlungener 
Stäbe,  welches  mit  Bosetten  und  kleinen  Köpfen  geschmüdLt  die 
ganze  Unterseite  der  Wendeltreppe  bedeckt  Es  ist  dieselbe  Be- 
handlung wie  an  der  schönen  Treppe  im  alten  Schloss  zu  Stutt- 
gart Den  oberen  Abschluss  des  Treppenhauses  bildet  hier  wie 
dort  ein  elegantes  gothisches  Sterngewölbe.  Wie  einfach  aber 
diese  Häuser  ihre  Strassenfagade  bildeten,  und  wie  sehr  sie  auf 
farbige  Dekoration  rechneten,  sieht  man  auch  hier,  da  selbst  das 
Portal  die  grösste  Schlichtheit  zeigt 

Wie  diese  Hofanlagen  später  in's  Nüchterne  übersetzt  wur- 
den, erkennt  man  u.  A.  an  dem  Hause  No.  6  am  Bauernmarkt, 
wo  die  gedrückten  Arkaden  des  Hofes  in  allen  Geschossen  auf 
trocknen  toskanischen  Säulen  ruhen^  Das  Haus  trägt  freilich  die 
späte  Jahrzahl  1662. 

Fast  noch  unbedeutender  ist,  waa  die  Benaissanoe  au  der 
Kaiserlichen  Burg  hinterlassen  hat  Die  umfangreichen  Gre- 
bäude  bilden  ein  Gonglomerat  aus  sehr  verschiedenen  Zeiten* 
Ursprünglich  von  Leopold  dem  Glorreichen  erbaut,  war  sie  12f75 
durch  einen  Brand  verheert,  aber  unter  Albrecht  I  von  einen 
Meister  MarHn  Bmchperger  von  Osnabrück  wieder  hergesteUt. 
worden.  ^)  Eine  Kapelle  wurde  1 298  erbaut,  die  jetzt  vorhandene 
aber  Hess  Friedrich  IV  1440  erriohten.  Umfassendere  Umg^atid- 
tungen  scheinen  unter  Ferdinand  I  stattgefunden  zu  haben.  Der 
aus  seiner  Zeit  herrührende  Kern  des  Baues  besteht  aus  drei 
Flügeln,  welche  den  ungefähr  qiaadratischen  Schweizerhof  ein- 


>)  Tschischka  a.  a.  0.  S.  221. 


Fl(.  IH.    SablOMhof  in  BctMlahDrs. 


Kap.  Xn.    Die  dsterreichischen  LSnder.  5g5 

fassen.  Den  alten  Zustand  erkennt  man  auf  dem  1547  von 
Bomfams  Wohmiei  entworfenen  Plan  der  Stadt  und  auf  der  von 
1552  datirenden  Abbildung  von  Harn  Sebaid  Lautensack,  auf  wel- 
cher man  das  in  demselben  Jahr  errichtete  Portal  mit  dem  Namen 
und  den  Titeln  Ferdinands  sieht  Der  Durchgangsbogen  dieses  Por- 
tals enthält  den  einzigen  Best  der  künstlerischen  Aussmückung 
jener  Zeit  Das  flache  Spiegelgewdibe  desselben  ist  in  trefTlicher 
Eintheilung  mit  hübschen  Fresken  bedeckt  Die  blauen  Haupt- 
felder enthalten  Wappen  zwischen  Goldomamenten ;  mit  ihnen 
wechseln  weisse  Felder  mit  vielfarbigen  Arabesken  im  phan- 
tastischen Stil  üppig  entwickelter  Renaissance,  nicht  gerade  von 
besonderer  Feinheit,  aber  lebensvoll  und  von  harmonischer  Wir- 
kung. Die  Spiegelfläche  schmückt  das  österreichische  Wappen 
auf  blauem  Grund.  Gemalte  Bronzehermen,  in  grauen  Feldern 
in  den  vier  Ecken  angebracht,  scheinen  das  Mittelfeld  zu  halten. 
Der  Name  des  Malers,  der  sich  dabei  selbst  conterfeit  hat,  heisst 
Batäsia  Parti.  Das  ist  alles  was  hier  von  Benaissance  vorhan- 
den. Die  1559  für  Maximilian  II  erbaute^)  sogenannte  Stall- 
burg zeigt  nichts  Bemerkenswerthes. 

Eben  so  wenig  ist  im  Landhaus  etwas  aus  dieser  Zeit  er- 
halten. Die  Dekoration  des .  grossen  Saales  datirt  aus  späterer 
Zeit.  Wie  sehr  es  übrigens  während  der  ganzen  Epoche  in  Wien 
gebräuchlich  blieb,  italienische  Künstler  heranzuziehen,  sieht  man 
daraus,  dass  als  1542  bis  1561  die  Stadt  neu  befestigt  und  mit 
Basteien  umgeben  wurde,  neben  den  deutschen  Architekten 
Hermes  Schallantzer^  Oberbaumeister  der  Stadt,  Augustin  Hirsch- 
vogel und  Bordfacms  Wolmuet  auch  die  Italiener  Francesco  de  Poco 
von  Mailand  und  Domenico  Illaiio  aus  Eärnthen  zur  Verwendung 
kamen.  ^)  — 

Ein  Prachtstück  italienischer  Benaissance  besitzt  Wiener- 
Neustadt  in  dem  Hauptportal  der  jetzigen  Artilleriekaserne, 
laut  der  schönen  lateinischen  Inschrift  1524  durch  Ferdinand  I 
als  Zeughaus  erbaut  Das  Portal  nimmt  die  Mitte  des  östlichen 
Flügels  an  dem  sonst  unscheinbaren  Bau  ein,  gegenüber  dem 
alten  Schloss,  dessen  Kapelle  ein  reiches  Werk  spätgothischer 
Zeit  Die  Benaissance  hat  hier  dem  Mittelalter  gegenüber  ihr 
Bestes  versucht  und  ein  kleines  Meisterstück  geschaffen.  Elegante 
Bahmenpilaster  mit  antikisirenden  Eaiserköpfen  in  Medaillons 
bilden  die  Einfassung.  Die  Kapitale,  frei  korinthisirend  mit 
Akanthus,  Greifen  und  Genien,  gehören  zum  Besten  der  Be- 
naissance.    Die   Bogenlaibung    zeigt  Engelköpfchen   in    flachen 


0  TscfaiBchkii  a.  a.  0.  S.  313.  —  >)  Ebenda  S.  301  ff. 


586  ^*  Buch.    Benaiasance  in  Deatschland. 

Gassetten,  In  den  Bogenzwickeln  bilden  die  Fttlluiig  sohöBo 
Brustbilder,  ein  männlichefl  und  ein  weibliche»,  eingefasst  in 
Kränze  mit  flatternden  Bändern.  Darüber  ein  krönendes  Giebel«' 
feld  mit  dem  grossen  reichbemalten  Wappen,  das  voa  zwei  Grei- 
fen bewacht  wird.  Die  Gomposition  des  Ganzen,  die  Feinheit 
der  Ausführung,  die  Eleganz  der  architektonischen  Glieder,  das 
Alle»  zeugt  ftlr  einen  italienischen  Meister.  An  der  Bflckseite 
der.  Kaserne  ein  kleineres  Portal  aus  derselben  Zeit  mit  gleich^ 
lautender  Inschrift,  in  Anlage  und  Ausstattung  einfacher.  Am 
Gebälk  halten  zwei  etwas  steife  Genien  das  ebenfalls  bemalte 
Wappen.  — 

In  den  übrigen  Theilen  des  Erzherzogthums  sind  allem  An- 
scheine nach  ein  Paar  Schlossbauten  das  WerthvoUere  aus  dieser 
Epoche«  Zunächst  das  Schloss  Schalaburg  bei  Molk,  zwischen 
1530  und  1601  hauptsächlich  unter  Johann  Wilhelm  Ritter  von 
Losenstein  errichtet  Da  dasselbe  durch  die  Aufnahmen  der 
Wiener  Bauschule  veröffentlicht  ist,  kann  ich  mich  auf  einige 
Andeutungen  beschränken.  Die  ältesten  Partien  scheinen  bis  in's 
13.  oder  gar  in's  12.  Jahrhundert  hinaufzureichen.  Den  kttnst* 
lerischen  Kern  der  Anlage  bildet  jedoch  der  Hof  mit  seinen 
prächtigen  Arkaden,  von  denen  ich  unter  Fig.  156  nach  einer 
Photographie  mit  Zuziehung  jener  Aufnahme  eine  Anschauung 
gebe«  Auf  drei  Seiten  umgiebt  den  Hof  ein  Bogengang  auf 
Säulen,  darüber  eine  Galerie  auf  Pfeilern  im  ersten  Stock,  zu 
welcher  zwei  mit  zierlichen  Eisengittem  eingefasste  Tropen 
hinaufführen.  Hier  herrscht  die  höchste  Opulenz  der  Ausstattung: 
die  Säulen  bestehen  aus.  rothem  Marmor;  die  Stylobate  d^ 
oberen  Pfeiler  sind  mit  Reliefdarstellungen  der  Thaten  des  He* 
rakles  in  zierlichen  Nischen  geschmückt;  dazu  kommen  phan« 
tastisch  behandelte  .  l^ermenaxtige  Figuren,  als  Bekleidung  der 
Pilasterflächen;  ferner  an  den  Bogenzwickeln  die  Wappen  der 
Familie  Losenstein  und  ihrer  Verwandten  und  endlich  zahlreiche 
Portraitbüsten  am  oberen  Fries.  Die  Innenwand  der  Galerie  ist 
mit  grossen  Medaillons  römischer  Kaiser  geschmückt  Wunder- 
lich, fast  im  Charakter  mittelalterlich- romanischer  Bauten  sind 
die  ionischen  Halbsänlchen  vor  den  Pilaßtem  des  oberen  Bogen- 
feldes,  wie  denn  überhaupt  die  Gomposition  nichts  weniger  aU 
correct,  vielmehr  sehr  willkürlich  sich  ausweist  Muss  msai  dann 
wohl  das  Walten  eipheimischer  Künstler  erkennen,  so  zeugen 
dagegen  die  herrlichen  ornamentalen  Reliefs,  welche  die  3eitHir 
fläche^  der  oberen  Pfeiler  bedecken,  bei  reichster  Erfindungs« 
gäbe  Ton  italienischer  Anmuth.  Noch  merkwürdiger,  dass-  diese 
köstlichen  Reliefs  sämmtlich  aus  gebranntem  Thon  bestehen.  Die 


K>p.  XU.    Die  OitenäohiacheD  LSoder.  5S7 

Proben,  w^che  ieh  nosh  den  Auftiahmea  der  Wiener  BaoBehulfl 
onter  Figg.  148— 151  gab,  zeigen  eine-  Beh&odluDg  des  Orna- 
ment», die  italienisobe  Kunst  veirftth,  fa  es  scheint  unzweifelhaft, 
dau  man  die  Model  zu  diesen  im  ganzen  Bildlichen  Deutschland 
nnb^annten  DekoratianMi  aus  Oberitalien  bezogen  bat  Es 
herrscht  in  ihnen  jene  stilrolle  Behandlung  des  Laubomaments, 
die  in  Deutachland  sehr  bald  durch  lineare  Formspiele  verdrAngt 
wurde.    Ausserdem   kommen   hier  holzgesohnitzte   Flächendeto- 


Flfg-  U7— IW.    HoliainMatiila  lu  SduUbDr«. 

rationen  vor,  die  aus  einer  auegesparten  Zeichnung  auf  leise  ver- 
tieftem Grunde  besteben.  Von  ihnen  fUgea  wir  in  Fig.  157  u.  158 
eine  Probe  bei.  Die  Aufnahmen,  denen  wir  dieselben  verdanken, 
geben  eine  hohe  Vorstellung  von  dem  geschmackvollen  Reich- 
thum  des  Ganzen. 

Höchst  groBsartig  scheint  sodann  die  unfern  von  Eggenburg 
gelegene  Roseuburg,  1593  durch  Sebastian  Grabner  zu  Rosen- 
berg und  Pottenbrunn  errichtet.   Es  ist  nach  den  Schilderungen*) 

■>  ÜMb  gcf;  MltthsflODfen  des  Harro  Dr.  K.  Lind. 


588  ^-  Bach.    Renaissance  in  Deutschland. 

eine  bedeutende,  im  Wesentlichen  noch  mittelalterliche  Anlage, 
auf  steiler  Felskuppe  malerisch  entwickelt,  aber  mit  einem  Be- 
naissancehofe  und  italienischen  Loggien  geschmückt  Ausser  der 
eigentlichen  Burg  umfassen  die  mächtigen  Ringmauern  einen  sanft 
ansteigenden  Hofraum  von  123  Schritt  Länge  bei  60  Schritt 
Breite,  noch  heute  in  seinem  Namen  ^ Turnierplatz*'  die  ehe- 
malige Bestimmung  andeutend.  Ihn  umgeben  rings  Arkaden. 
Wände  und  Pfeiler  waren  bemalt.  An  der  Burgseite  schliesst 
den  Platz  eine  etwas  niedrige  Mauer  mit  14  Nischen,  in  denen 
Statuen  von  Helden  der  römischen  Geschichte  aufgestellt  waren. 
Ein  Triumphbogen  mit  Pyramiden  und  Löwen  geziert  führt  zur 
Brücke  über  den  inneren  Burggraben  und  zur  Burg,  die  man 
durch  einen  massiven  Thorthurm  mit  zwei  zierlichen  Galerien 
betritt  Man  kömmt  nun  in  den  ersten  Burghof,  links  der  grosse 
Saalbau,  rückwärts  zur  Bechten  ein  mächtiger  Thurm.  Zwischen 
diesem  und  einem  dahinter  liegenden  ebenfalls  ein  Viereck  bilden- 
den Bau  zieht  sich  ein  Graben,  lieber  eine  Zugbrücke  gelangt 
man  in  diesen  Theil  des  Schlosses,  der  1614  durch  den  damali- 
gen Schlossherrn  Yincenz  Muthinger  von  Gumpendorf  erbaut 
worden  ist  Hier  fällt  vor  allem  eine  schöne  Freitreppe  von 
breiten  Quadern  auf;  um  den  ganzen  'Hof  herum  waren  unter 
dem  Gesimse  Standbilder  von  gebranntem  Thon  angebracht,  von 
denen  bereits  etliche  fehlen.  Was  die  zahlreichen  Gemächer 
selbst  betrifft,  so  sind  sie  meistens  sehr  einfach  ausgestattet 
Bemerkenswerth  ist  indess  das  Holzgetäfel  am  Plafond  des  Prunk- 
saales, der  farbig  glasirte  Estrich  einiger  Gemächer,  sowie  die 
reichen  Stuccodecken  und  zierlichen  Oefen.  Die  Kapelle  aus  der 
Grabner'schen  Zeit  hat  noch  gothische  Beminiscenzen.  Diese 
grossartige  Burg,  durch  mehr  als  ein  halbes  Jahrhundert  unbe- 
wohnt und  dem  Verfalle  anheimgegeben,  wird  gegenwärtig  durch 
die  Sorgfalt  des  jetzigen  Besitzers  stylgemäss  hergestellt 

Unweit  von  dort  liegt  das  Schloss  von  Göllersdorf,  mit 
Wassergraben  umgeben,  erbaut  um  1545  bis  1596,  leider  stark 
verwahrlost  und  theilweise  modemisirt  Das  Hauptthor  mit  dem 
gräflich  Suchheim'schen  Wappen  und  der  Jahreszahl  1551,  ist 
eine  ebenso  nüchterne  als  lahme  Composition.  In  der  Capelle, 
einem  Bau  aus  dem  Ende  des  15.  Jahrhunderts,  herrliche  Holz- 
verkleidung und  Stühle  (1611).  Im  ersten  Stockwerke  gegen  den 
Hof  eine  offene  Galerie,  zwar  in  gedrückten  Spitzbogen  errich- 
tet, sonst  aber  völlig  im  Charakter  der  Renaissance.  Im  Thurm- 
gemache  ein  sehr  schöner  Kamin  mit  vielen  Figuren  und  der 
Jahreszahl  1615.  Die  Schneckenstiege,  höchst  merkwürdig,  bis 
auf  den  Dachboden  fUhrend,  hat  sicher  nicht  ihres  Gleichen  im 


Küp.  XII.    Die  OfterreichiBchen  Länder.  589 

ganzen  Lande.  An  der  Unterseite  sind  Reliefomamente  aller  Art 
angebracht,  Thiere,  Jagdscenen,  Büsten  etc.  und  die  Jahrzahl 
1555.  —  Ein  sehr  schöner  Renaissancebau  von  1650  ist  die  Burg 
Sehleinitz  bei  Eggenburg,  leider  bereits  sehr  verfallen.  Der 
mit  Mannorplatten  belegte  grosse  Saal  im  zweiten  Stockwerk 
bat  einen  vorzüglichen  Stuccoplafond.  Sodann  das  nordöstlich 
von  Wiener -Neustadt  gelegene  Schloss  von  Ebreichsdorf,  eine 
ehemalige  Wasserveste,  im  Viereck  erbaut  mit  mächtigem  Thurm 
an  einer  Ecke,  leider  stark  restaurirt;  sehr  interessant  die  Wappen- 
reihe über  den  Bogen  des  Erdgeschosses  der  Hofseite,  um  1560. 
Am  Friedhofe  daselbst  steht  eine  Tumba,  als  Bekrönung  des 
Gmfthügels,  in  dessen  Gewölbe  sich  das  Erbgrabmal  der  Familie 
Beck  V.  Leopoldsdorf  befindet  Die  Tumba,  im  Stile  der  reinsten 
Renaissance  gebildet  und  mit  vielen  Wappen  geziert,  gehört  in 
die  letzten  Jahre  des  16.  Jahrhunderts.  In  Gaming  zfthlen  von 
den  noch  bestehenden  Gebäudetheilen  der  ehemaligen  Earthause 
die  Praelatur  mit  dem  prachtvollen  Bibliotheksaal,  ferner  der 
zweite  Elosterhof  mit  den  offenen  Galerien,  endlich  und  zwar 
insbesondere  das  herrliche  Kirchenportal  noch  zur  guten  Re- 
naissance. Sie  entstanden  1609  unter  Prior  Hilarion.  —  In 
Klosterneuburg  ist  das  ältere  Gonventgebäude,  ein  Bau  aus 
dem  Ende  des  16.  Jahrhunderts,  namentlich  aber  der  Priester- 
gang als  Werk  der  Renaissance  sehr  beachtenswerth.  Ein  ande- 
rer ebenfalls  als  bedeutend  geschilderter  Bau  ist  endlich  das 
Schloss  von  Michelstätten.  Es  stammt  aus  der  Zeit  um  1600 
und  gehört  seinen  Formen  nach  den  letzten  Jahren  der  schönen 
Renaissance  an.  Vor  allem  wird  es  dadurch  merkwürdig,  dass, 
während  damals  die  feudalen  Grossgrundbesitzer  auf  den  neu 
entstandenen  Landsitzen  die  Wehranlagen  auf  ein  Minimum  be- 
schränkten, um  eine  reiche  Entfaltung  des  Bauwerks  nach  Aussen 
möglich  zu  machen,  bei  diesem  Gebäude  das  Gegentheil  befolgt 
wurde.  Nach  Aussen  wehrhaft,  düster,  schmucklos  angelegt,  er- 
hielt das  Schloss  im  Innern  eine  Doppelreihe  rundbogiger  auf 
Säulen  ruhender  Arkaden,  wodurch  offene  Hallen,  Galerien,  ge- 
räumige Vorplätze  und  Communicationen  ermöglicht  wurden.  Im 
Grundrisse  bildet  das  Gebäude  ein  Sechzehneck,  das  nach  Aussen 
nur  die  mit  kleinen  Fenstern  versehenen  Feuermauem  und  an 
den  Ecken  Strebepfeiler  zeigt;  das  Dach  hat  nur  eine  Ab- 
schrägung und  zwar  gegen  Innen,  ist  somit  an  der  Aussenseite 
nicht  sichtbar.  In  Mitte  des  Hofes  ein  mächtiger,  prachtvoller 
Renaissance-Brunnen,  die  untere  Schale  ein  Sechseck,  die  obere 
muschelförmige  Schale  rund;  die  untere  mit  Wappen.  Das  Ganze 
mit  wasserspeienden  Genien,   Larven,   Trophäen   und   Blumen- 


590  III-  Buch.  RenalsBSDoe  in  Deatschland. 

festons  geBcbmtlekt  —  Ob  Ton  den  bei  Merian  dargestellten  SehlSs- 
sero  Wiadhag,  das  !d  mehreren  Prospekten  ausftlhrlioh  ror- 
gtifUbrt  ist,  Prag:tlial  und  2eilern  in  Unterösterreich  noch 
etwas  verbanden  ist,  Terma;  ich  nicht  za  sagen. 

An  bürgerlichen  Bauten  ist  ttberall,   auch    in   den  andern 
Städten  des  Eraberzogtbums,  grosser  Mangel    Bezeichnend  ist, 


p](,  IM.    Altt  Qati^dstaiiUa  In  8tel«. 

dass  z.  B.  Orte  wie  Linz,  die  herTlicb  gelegene  Hauptstadt  von 
OberOsterreicb,  keine  Spur  von  Renaissancebauten  zeigen.  Nur 
von  der  BlUthe  des  Eunstbandwerks  dieser  Epoche,  die  auch 
hier  vorhanden  gewesen,  geben  mehrere  Reste  von  gemalten 
Fajenceöfen  im  Museum  dieser  Stadt  Zeugniss.  Mehrere  inter- 
essante Kacheln  mit  Reliefs  bibliseher  Geschichten  in  reicher 
Polycbromie  zeigen  noch  die  Formen  der  Frtlhrenaissance,  dUrf- 


Eap.  XII.    Die  {fBterrfllchfBcheii  Länder.  591 

tmaho  der  Mitte  des  tS.  Jahrhunderts  angeh£)rai.  Ein  grosser 
piAcbtig  gemalter  and  rOllig  erhaltener  Ofen,  von  Wildshat 
et«in«Dd,  gehOrt  dem  Schlüsse  dieser  Epoche  an.  Blau,  'weiss 
and  gelb  sind  die  TortaetTBcbenden  Töne;  gelbe  und  'weisse 
Fmefatgewinde  fassen  die  Felder  mit  den  Beiterbildern  der  sieben 
EarfOntra,  des  Kaisers  Leopold,  und  des  Grafen  von  Stahrem- 
berg  tm.  Auf  den  Ecken  bilden  römische  Krieger  als  Hermen 
den  Abseblnss. 

Zu  den  alterthllmlichsten  und  anziefaendsten  BtSdten  des 
Landes  gebort  Steier.  Aber  obwohl  eine  charaktervoHe  Gothik 
hier  nicht  blos  in  kirchlieben,  sondern  selbst  in  ProfanbitUten 


vertreten  ist,  geht  die  Renaissance  wieder  fast  leer  aus.  Nur 
das  Eornba.u8  mit  seiner  SgrafBtofa^adc  ist  ein  origineller  Bau 
vom  Ende  der  Epoche,  Wir  geben  in  Fig.  159  nach  den  Auf- 
nahmen der  Wiener  Bauschule  die  einfach  und  doch  reizvoll  be- 
handelte Fagade,  die  besonders  durch  den  doppelten  Giebel  eine 
markante  Physiognomie  erhält  Der  Charakter  der  Sgraffiten, 
die  sich  in  richtiger  Auffassung  der  Aufgabe  auf  blosses  Um- 
rahmen der  OefFnungen  beschränken,  wird  durch  Fig.  160  deut- 
licher veranschaulicht. 

Die  meisten  Hpuren  der  Renaissance  scheinen  die  Gegenden 
nördlich  der  Donau,  welche  an  Böhmen  und  Mähren  grenzen, 


592  ni.  BnciL    RenaiBsance  in  Deatsohland. 

namentlich  das  Viertel  unter  dem  Manhardsberg,  wohin  auoh  die 
Rosenburg  und  Sehloss  OöUersdorf  gehd^n,  zu  enthalten.  Hier 
ist  auoh  am  ersten  von  einer  eigentlich  deutschen  Benaissanoe 
zu  reden.  In  Znaim  soll  das  Bathhaus  Renaissanceformen  zei- 
gen, in  Krems  wird  ein  Privathaus  mit  zierlichem  poljgonem 
Erker,  daran  Reliefs  von  Landsknechtscenen,  höchlich  gerOhmt 
Besonders  anziehend  aber  scheint  Eggenburg,  ein  kleines,  sehr 
interessantes  Städtchen  mit  einer  lärche  theils  romanisch,  theils 
goihisch,  —  und  mit  einer  vollständig  erhaltenen  Stadtbefestigung 
aus  dem  16.  Jahrhundert.  Bemerkenswerth  vor  Allem  das  sog. 
gemalte  Haus,  mit  braunen  Sgraffitozeiehnungen  an  der  ganzen 
Aussenseite  überzogen.  Wir  finden  Soenen  der  biblischen  Ge- 
schichte mit  riesigen  Figuren,  etliche  mythologische  Darstellungen 
und  statt  der  Gesimsleisten  Spruchbänder  mit  Inschriften  theils 
religiösen,  theils  heiteren  Inhalts.  Als  Anfertigungszeit  ist  der 
Mai  des  Jahres  MDXLVII  auf  einem  Schriftbande  angegeben. 
Das  Haus  selbst  zeigt  in  den  Thorbögen,  Fensterrahmen  und 
Thttren  den  Charakter  der  Renaissance,  die  unteren  Räume  sind 
stumpfspitzbogig  überwölbt,  gegen  den  Hofraum  theilweise  eine 
rundbogige  Arcatur.  Der  Erker  hat  noch  den  Charakter  der 
Spätgothik. 


Steiermark  und  Kärnthen. 

Auch  in  Steiermark  wurde  die  Renaissance  durch  die  Kunst* 
liebe  der  Fürsten  und  des  Adels  eingeführt ;  aber  auch  hier  blieb 
sie  wesentlich  das  Erzeugniss  fremder  Künstler.  Die  bedeuten- 
deren Bauten  des  Landes  scheinen  in  der  That  italienischen 
Ursprunges.  Der  künstlerischen  Entwickelung  gereichte  es  zu 
besonderer  Förderung,  dass  die  Landeshauptstadt  eine  Zeit  lang 
Sitz  einer  selbständigen  fürstlichen  Seitenlinie  war.  Unter  Erz- 
herzog Karl  II  begann  die  Renaissance  sich  zu  entfalten-,  auch 
Erzherzog  Ernst  und  im  Ausgang  der  Epoche  Erzherzog  Ferdi- 
nand, als  Ferdinand  H  nachmals  deutscher  Kaiser,  wandten  dem 
künstlerischen  Schaffen  ihre  Theilnahme  zu. 

Das  Selbständigste  und  Bedeutendste  indess,  was  das  Land 
in  dieser  Epoche  hervorbrachte,  waren  die  Schöpfungen  der 
Kleinkünste  und  Kunstgewerbe.  Zunächst  sind  die  Arbeiten  der 
Töpfer  hervorzuheben,  von  denen  mehrfach  in  den  prächtigen 
Oefen  der  Schlösser  ansehnliche  Proben  vorliegen.  So  in  der 
Burg  zu  Graz,  in  den  Schlössern  Murau,  Riegersburg, 
Hollenegg  und  Schrattenberg.    Vor  Allem  aber  zeichnet  sieh 


Kap.  XII.    Die  ÖBterreichisciieii  Lttnder.  595 

die  Steiermark  seit  alten  Zeiten  durch  ihre  Eisenindustrie  aus, 
die  im  Mittelalter  und  mehr  noch  in  der  Epoche  der  Benaissance 
zu  einer  wahrhaft  kfinsüerischen  Durchbildung  der  Schlosser- 
und  Schmiedearbeit  geführt  hat.  Noch  jetzt  trifft  man  im  ganzen 
Lande I  nicht  bloss  in  den  Städten,  sondern  auch  an  schlichten 
Bauerhäusem  zahlreiche  Beste  dieser  charakteryoUen  Werke. 
Auch  über  die  benachbarten  Gebiete  von  Salzburg,  Tirol  und 
Oeeterreich  erstrecken  sich  diese  schönen  Arbeiten.  Ein  treff*- 
liches  Beispiel  bietet  der  in  Fig.  161  abgebildete  Brunnen  in 
Brück  an  der  Mur.  Trotz  des  späten  Datums  1626  ist  er  in 
technischer  Ausftihrung  und  stÜYoller  Behandlung  den  Werken 
der  besten  Zeit  ebenbürtig.    Man  liest  an  ihm  den  Spruch: 

Ich  Hans  Prasser 

Trink  lieber  Wein  als  Wasser. 

TrSnk  ich  das  Wasser  so  gern  ab  Wein, 

So  könnt  ich  ein  reicher  Prasser  sein. 

Mit  diesem  humoristischen  Spruch  hat  wahrscheiolich  der  kunst- 
reiche Meister  seinen  Namen  rerewigen  wollen. 

Mit  dieser  Blüthe  des  Kunsthandwerks  contrastirt  auch  hier 
in  auffallender  Weise  die  Dürftigkeit  der  architektonischen  Pro- 
duktion. Nur  die  Landeshauptstadt  Graz  scheint  durch  ansehn- 
lichere Werke  der  Benaissance  sich  auszuzeichnen.  Der  wich- 
tigste und  an  sich  sehr  bedeutende  Bau  ist  das  Landhaus,  mit 
welchem  Namen  man  in  Oesterreich  die  für  die  ständische  Ver- 
tretung errichteteu  Gebäude  bezeichnet  Aber  auch  dieses  Monu- 
ment trägt  so  entschieden  das  Gepräge  italienischer  Kunst,  dass 
man  es  als  Werk  fremder  und  zwar  oberitalienischer  Meister 
bezeichnen  muss.  Die  sehr  ausgedehnte  Fagade,  die  über  dem 
Dach  von  einem  unbedeutenden  Glockenthurm  überragt  wird,  ist 
im  Erdgeschoss  von  einer  Beihe  thorartiger  Oeffhungen  durch- 
brochen, die  wohl  für  Kaufläden  bestimmt  waren«  Die  beiden 
Hauptgeschosse  haben  gekuppelte  Bogenfenster,  paarweise  durch 
antikisirendes  Gebälk  und  Gesimse  abgeschlossen.  Dies  ist  völlig 
im  Charakter  der  Paläste  von  Venedig  und  Verona,  üeber  dem 
Hauptportal  bildet  sich  eine  selbdritt  zusammengeschlossene 
Gruppe,  die  im  zweiten  Stock,  wieder  in  venetianischer  Weise, 
mit  einem  auf  kräftigen  Consolen  ruhenden  Balkon  verbunden 
ist  Das  oberste  Geschoss  hat  kleine  Mezzaninfenster.  Im  Uebri- 
gen  ist  die  Fagade  ohne  Gliederung,  die  Flächen  verputzt,  aber 
wohl  ursprünglich  bemalt  Das  Hauptportal ,  von  stark  veijüngten 
kannelirten  toskanischen  Pilastem  eingefasst  und  von  kräftigem 
Consolensims  bekrönt,  zeigt  in  den  Bogenzwickeln  das  Wappen- 
thier  Steiermarks,  den  feuerspeienden  Panther.    Die  Fagade  so- 

38* 


596  UI.  Buch.    BeniUBsance  in  Deutschland. 

^ie  der  ganze  Kern  des  Baues  ist  im  Charakter  itaUenischer 
Hochrenaissance  durchgeführt,  edel  und  klar,  eben  so  frei  von 
der  spielenden  Dekoration  der  Frühzeit  wie  von  den  entarteten 
Formen  des  Barocco.  Nur  an  dem  zweiten  etwas  einfacheren 
Bogenportal,  an  der  linken  südlichen  Seite,  sieht  man  gebrochene 
Giebel  als  Bekrönung.  Ein  weiterer  Zusatz,  von  1644  datirend, 
enthält  ein  prächtiges  Portal  in  kräftig  entwickelten  Formen, 
flankirt  von  Nischen  mit  etwas  manierirt  bewegten  Statuen. 
Prachtvolle  Thttrbeschläge  und  Klopfer,  sowie  schön  componirte 
Gitter  an  den  Fenstern  zeugen  yon  der  Tüchtigkeit  der  kunst- 
reicben  Schlosser  und  Schmiede.  Am  Fries  über  dem  Portal 
sind  die  Wappen  Yon  fünf  steirischen  Adelsfamilien  angebracht 

Das  Hauptstück  des  ganzen  Baues  ist  aber  der  grosse  Hof 
mit  seinen  edel  durchgebildeten  Pfeilerhallen,  von  denen  Fig.  162 
eine  Anschauung  giebt  Durch  einen  grossen  Flur  mit  Tonnen- 
gewölbe und  Stichkappen  auf  dorischen  Pilastem  gelangt  man 
in  diesen  Hof,  der  ein  mächtiges  Rechteck  bildet,  an  der  öst- 
lichen Frontseite  von  zehn  Arkaden,  an  der  nördlichen  Ton 
fünfen  eingefasst  In  der  nordwestlichen  Ecke  ist  die  Freitreppe 
angelegt,  die  in  steigenden  Arkaden  zum  Hauptgeschoss  auf- 
wärts führt  Der  westliche  Flügel  ist  ein  brillanter  Rococobau, 
der  den  Ständesaal  enthält  In  der  einspringenden  Ecke  an  der 
Treppe  liegt  die  Kapelle,  ebenfalls  ein  späterer  Kuppelbau.  Der 
südliehe  Flügel  endlich  ist  ein  charakterloser  modemer  Zusatz. 
Der  Hof  erhält  durch  die  in  einfach  edlem  Dorismus  italienischer 
Hochrenaissance  durchgeführten  Arkaden  den  Eindruck  vorneh- 
mer Gediegenheit,  die  durch  die  Ausführung  in  trefflichem  Qua- 
derbau gesteigert  wird.  Die  Wasserspeier  mit  ihren  Tragstangen 
sind  kunstreich  durchgeführt  (vgl.  Fig.  163).  Auch  die  Wetter- 
fahne des  Uhrthurms  mit  dem  feuerspeienden  Panther  zeigt  cha- 
raktervolle Behandlung.  Die  Haupttreppe  zum  Vorderbau  führt 
im  östlichen  Flügel  mit  gerade  gebrochenen  Läufen  ins  obere 
Geschoss,'wo  sie  auf  kraftvoll  behandelte  Bogenportale  mündet 
Alles  dies  ist  im  Geist  italienischer  Kunst  durchgeführt 

Der  sogenannte  Rittersaal,  der  sich  im  westlichen  Flügel 
neben  dem  Ständesaal  hinzieht,  ist  ohne  architektonische  Bedeu- 
tung. Aus  dem  vorderen  Hofe  führt  ein  gewölbter  Durchgang 
an  der  Westseite  in  einen  einfacheren  Nebenhof,  dessen  vier- 
eckige Fenster  jedoch  eine  feine  Einfassung  im  Charakter  edler 
Hochrenaissance  zeigen.  Von  hier  gelangt  man  zur  Rückseite 
des  Gebäudes  durch  ein  einfacheres,  aber  ebenfalls  charaktervoll 
entwickeltes  Bogenportal.  Einen  besondern  Schmuck  erhält  der 
Haupthof  durch  den  prächtigen  Ziehbrunnen,  eine  der  reichsten 


Eftp.  Xn.    Die  Srteirdohlaohen  LBitder.  599 

und  originellBten  ftletallarbeiteif  der  Renaisaanee,  ganz  aas  Bronze 
mit  fDnf  dekorirten  Sftalchen  erriclitet,  die  in  einen  prächtig 
omamentirten  Oberban  Übergehen.  Banken  nud  Blumen  rerbin- 
den  sich  darin  mitFigOrlichem  zu  reizToUer  Wirkung  (vgl  Fig.  164). 
Dicht  bei  dem  Brunnen  erinnert  eine  Tafel  daran,  dasa  der  grosse 
Kepler  ron  1594  bis  1600  hier  gelebt  hat 

Erwähnt  man  noch  die  jetzt  zerstörten  Theile  der  Burg  und 
das  kaum  noch  dieser  Epoche  angehörende  Mausoleum  Kaiser 
Ferdinands  11,  einen  italienischen  Kuppelbau  in  Barockformen, 
so  hat  man  das  Bemerkenswertheste  der  Renaissance  in  Graz 
erschöpft.   Auch  hier  trifft  man  dieselben  architektonischen  Zflge, 


Flg.  Itt.    WuHnpelar  Tom  Lndhiu  1b  Gm. 

ivelche  fast  allen  Städten  Oesterreichs  gemeinsam  sind:  eine  auf- 
fallende Aermlichkeit,  soweit  das  Mittelalter  oder  die  Renaissaoee 
in  Frage  kommen;  erst  in  der  späteren  Barock-  und  Rocooozeit 
eine  reichere  Entfaltung.  So  fehlt  es  auch  hier  nicht  an  statt- 
lichen palastartigen  Gebäuden  im  italienischen  Barockstil.  In 
der  älteren  Zeit  wird  man  auch  hier  sich  meist  ioit  Bemalung 
der  Fa^aden  befaolfen  haben.  Eine  flott  behandelte  Fa9ade,  frei- 
lich erst  aus  dem  18.  Jahrhundert,  sieht  man  noch  in  der  Herren- 
gasse,  dem  Landhause  schräg  gegenüber.  Mehrfach  kommen 
polygone  Erker  an  den  Ecken  vor,  aber  ohne  arcfaitektoniüche 
Ansbildung.  Neben  dem  Landhaus  zeigt  eine  Fa^ade  ein  schlich- 
tes,   aber    charakterroUes    RenaisaanceportaL     Der    Hof   dieses 


600  ni-  Bni^    Benuiunoe  in  DeutictaUnd. 

Hauses,  zn  dem  man  durch  eineu  gewälbten  Flur  ^lan^,  bat 
in  drei  Geschossen  Arkaden  von  giedrtlckten  Verhältnissen  auf 
einfachen  toskanischen  SAulen.  Mehrfach  findet  man  namentlich 
in  der  Bttrgergasse  ähnlich  behandelte  Höfe ;  aber  alles  das  ist 
Ton  geringer  Bedeutung. 


Pl(.  IM.    Tom  Bnnnsii  km  Ludhkiu  la  Oru. 

Weiter  südlich  werden  die  Städte  nur  noch  charakterloser 
und  armseliger.  So  z.  B.  Marburg,  dessen  Profanbau  ohne  alle 
Bedeutung  ist  Das  Rathhaus  hat  zwar  Aber  dem  Eingang 
einen  Balkon  mit  Loggia  Tom  Jahre  1565;  aber  die  dflnnen 
ionischen  Säulchen  sind  wie  das  Ganze  schw&cfalieh  und  gering- 


Kap.  Xn.    Die  ÖBterreichischen  Länder.  601 

fttgig.  Der  Hof  hat  ebenfalls  unbedeutende  Arkaden  auf  toaka- 
nischen  Säulen.  Dies  Alles,  sowie  die  Oliederung  der  in  Stuck 
ausgeftthrten  Fa^ade,  besonders  auch  die  Einfassung  der  Fenster 
yerräth  den  Einfluss  Yon  Graz,  namentlich  vom  Landhause,  aber 
auf  einer  provinziell  verkümmerten,  degradirten  Stufe.  Es  scheint, 
dass  in  diesen  Gegenden,  wo  man  nicht  im  Stande  war,  ita- 
lienische Künstler  herbeizuziehen,  die  eigne  Schöpferkraft  nicht 
ausreichte,  bedeutendere  Werke  zu  schaffen.  Ein  Portal  an  einem 
Hause  der  Postgasse,  vom  Jahre  1609,  trägt  denselben  dürftigen 
Charakter,  mag  aber  wegen  seiner  Inschrift  hier  eine  Stelle 
finden,  da  der  Bauherr  sich  darin  verewigt  hat:  ^Urban  Munnich 
bin  ich  genant,  in  hohen  teutschen  Landen  wol  bekant,  in  der 
Schlesie  bin  ich  geboren,  zu  Marburk  hab'  ich  mein  Bhausung 
erkoren,  daselbs  zu  bleiben  bis  in  mein  tot,  dazu  helf  mir  der 
ewige  Gott" 

Höhere  künstlerische  Ausbildung  scheinen  auch  hier  nur  die 
Schlossbauten  aufzuweisen.  So  namentlich  die  umfangreiche 
Riegersburg,  welche  die  Gräfin  Galler  nicht  blos  als  befestigte 
Burg,  sondern  auch  als  einen  mit  aller  Pracht  ausgestatteten 
Herrensitz  durchführen  Hess.  In  ähnlicher  Weise  erbauten  die 
Fürsten  von  Eggenburg  ihr  gleichnamiges  Schloss  bei  Graz. 
Einzelne  Theile  aus  dieser  Zeit  sollen  noch  an  andern  Herren- 
sitzen des  Landes  erhalten  sein;  so  in  Schrattenberg  (Fresken 
und  Oefen),  Murau,  Trautenfels,  Negau  und  an  der  zum  Ab- 
bruch bestimmten  Burg  Thalberg.  Hier  stammt  ein  Gebäude- 
flügel mit  prächtigem  Saal  und  Treppenhaus  angeblich  aus  der 
Zeit  des  berühmten  Siegmund  von  Dietrichstein,  eines  Freundes 
von  Kaiser  Maxi.  Dagegen  scheint  das  kleine  Schloss  Felsen- 
berg in  der  Nähe  des  Lavanter  Tobel  bei  Graz  schon  stark 
mit  Barockformen  gemischt  zu  sein. 

Was  von  kirchlichen  Bauten  dieser  Zeit  angehört,  trägt  durch- 
aus, wie  das  schon  erwähnte  Mausoleum  in  Graz,  den  Stempel 
italienischer  Kunst.  So  die  Kuppelkirchen  des  ehemaligen  Chor- 
herrenstiftes Pöllau  und  des  Benedictinerstiftes  Oberburg,  letz- 
tere auf  den  Substructionen  der  alten  romanischen  Basilika  er- 
baut So  auch  das  Mausoleum  Erzherzog  Karls  II  in  S  eck  au, 
ein  verschwenderisch  ausgestattetes  Werk  vom  Jahre  1588,  als 
dessen  Künstler  inschriftlich  Theodorus  Gysim  und  Alexander  de 
Verdetz  sich  nennen.    Ersterer  offenbar  ein  Italiener. 


Noch  mehr  vereinzelt  als  in  den  übrigen  Provinzen  scheinen 
die  Spuren  der  Renaissance  in  Kärnthen.    Doch  hat  die  Kunst- 


002  IQ-  Buch.    BenkiBsanoe  in  DeatscbUnd. 

liebe  der  AdelBg^chleohter,  namentlich  der  DietrichBtein,  KhereD- 
hiller,  Orteuburg- Salamanea  eich  in  manchen  noch  Torhandenen 
Denkmälern  rerewigt  Namentlich  in  den  prächtigen  Orabdenk- 
mälem  der  Stadtpfarrkirche  zu  Villach,  besonders  beachtens- 
werth  das  des  eehon  oben  genannten  Siegmnnd  von  DietrichBtein 
und  das  prächtige  Denkmtd  Gteorg'B  Ton  Ehevenhiller,  der  mit 


^g.  lU,    Vom  BrDDDCDiItlci  in  Kligsnnirt. 

Beinen  beiden  Frauen,  zwei  Söhnen  und  fUnf  Töchtern  vor  einem 
Crucifix  kniet,  1580  von  Ulrich  Vogekang  aue  rotbem  Marmor 
gearbeitet.  Auch  die  marmorne  Kanzel  in  derselben  Kirche,  1555 
vom  Vicedom  Georg  Ulrich  von  Kjrneberg  gestiftet,  und  der 
ebenfalls  aus  weissem  Marmor  gearbeitete  Taufstein,  nicht  min- 
der die  Grabdenkmale  in  den  Kirchen  zu  Wolfsberg,  St  Leon- 
hard,  Eberndorf,  MilUtadt  und  Friesach  zeugen  von  einem 


Kap.  XII.    Die  österreiehischeii  LKnder.  603 

lebhaften  Betrieb  der  Bildhauerei  Eins  der  merkwUrdigsten 
Werke  der  plastischen  Kunst  vom  Ende  dieser  Epoche  ist  der 
grosse  Brunnen  auf  dem  Hauptplatz  zu  Klagenfurt,  ein  Her- 
kules mit  der  Keule,  in  einem  grossen  länglichen  Bassin  stehend 
und  die  Keule  gegen  einen  riesigen  wohl  24  Fuss  langen  Lind- 
wurm schwingend,  der  mit  grosser  Mühe  aus  einem  einzigen 
Granitblock  gehauen  ist.  Als  das  Werk  vollendet  war,  wurde 
es  Yon  dreihundert  Knaben,  wie  die  Chroniken  erzählen,^)  wie 
ein  Palladium  über  die  Villacherthorbrücke  festlich  geschmückt 
auf  Walzen  in  die  Stadt  gezogen  (1634).  Von  dem  prächtigen 
Eisengitter,  das  die  riesige  Brunnenschaale  einfasst,  geben  wir 
in  Fig.  165  eine  Probe. 

Neben  der  Blüthe  der  Kleinkünste  und  des  Kunstgewerbes 
tritt  auch  hier  die  Architektur  nur  in  vereinzelten  Leistungen 
auf.  Gleich  zu  Anfang  der  Epoche  beginnt  sie  freilich  mit  einer 
der  edelsten  Schöpfungen,  welche  die  Renaissance  auf  deutschem 
Boden  aufzuweisen  hat;  aber  es  ist  durchaus  in  Anlage  und 
Durchführung  das  Werk  italienischer  Künstler  und  scheint  im 
ganzen  Lande  vereinzelt  geblieben  zu  sein.  Ich  meine  das  pracht- 
volle Schloss  des  Fürsten  Porzia  in  Spital  an  der  Drau,  nach 
dem  Zeugniss  des  Wappens  am  Portal  ursprünglich  von  einem 
Grafen  Ortenburg  erbaut  Es  gehört  zu  den  grössten  Ueberrasch- 
ungen,  am  Ausgang  des  unscheinbaren  bedeutungslosen  Fleckens 
ein  solches  Prachtwerk  edelster  Frührenaissance  zu  finden.  Das 
Schloss,  ganz  im  Charakter  italienischer  Stadtpaläste  angelegt,  richtet 
seine  nördliche  Hauptfront  gegen  die  Strasse  und  ist  nach  Westen 
und  Süden  von  einem  grossen  parkartigen  Garten  umschlossen, 
der  den  Blick  in  die  herriichste  Alpenlandschaft  mit  ihren  weit- 
hingedehnten grünen  Matten  und  den  gewaltigen  Gebirgslinien 
frei  giebt  Inmitten  dieser  echt  deutschen  Hochgebirgslandschaft, 
in  der  man  eher  eine  malerische  mittelalterliche  Burg  erwarten 
sollte,  wird  man  doppelt  überrascht,  eine  völlig  regelmässige  ita- 
lienische Palastanlage  zu  finden.  Nur  an  der  nordwestlichen  Ecke 
der  runde  Thurm,  sowie  ein  ähnlicher  an  der  südöstlichen  Ecke 
gegen  den  Garten  hin,  der  jedoch  ein  späterer  Zusatz  scheint,  ver- 
treten nordische  Anschauungen.  Die  Behandlung  des  Aeussem  ist 
übrigens  ziemlich  einfach  und  prunklos,  selbst  an  der  Hauptfa^ade 
sind  die  Gliederungen  und  dekorativen  Formen  sparsam  angewendet, 
die  Flächen  sogar  durchweg  verputzt,  nur  die  architektonischen 
Glieder,  die  Pilaster  sowie  die  Einfassungen  der  Fenster  und  Thüren 
aus  dem  feinen  marmorartigen  Kalkstein  gebildet,  der  in  der  Gegend 


>)  Vgl.  H.  Hermann  a.  a.  0.  II,  321. 


604  ni.  BacL    RenaisuDCe  in  Dentschland. 

bricht  Die  Composition  der  Fa^ade  ist  nach  italieniacher  Weise 
TQllig:  symmetrisch,  nur  mit  Ausnahme  des  an  der  nordwestlichen 
Ecke  Torsprin^nden  Thurmes ;  die  Fenster  im  Erdgeschoss  wie  in 
den  beiden  oberen  Stockwerken  einzeln  in  so  weiten  Abständen 
vertheilt,  dass  die  grossen  Mauerflilchen  sie  ungewöhnlich  klein 
erscheinen  lassen.  Nar  Aber  dem  in  der  Mitte  ang:ebrachten 
Hanptportal  schliessen  sich  die  Fenster  sclbdritt  loggienartig  mit 


Flg.  ISO.    Spitil.     Feniur  Tom  PaliuM  PonU. 

Balkon  zu  einer  Gruppe  zusammen,  wie  es  Fig.  166  zeigt  >) 
Diese  Anordnung,  welche  wir  schon  am  Landhaus  zu  Graz  fan- 
den, weist  deutlich  auf  venezianische  Vorbilder.  Kurze  Rahmen- 
pilaster  mit  feinen  Kapitalen  geben  den  einzelnen  Stockwerken 

')  Ich  verdanke  diese  Abb.  sowie  die  GrundriBse  der  Güte  des  Herrn 
Prof.  H.  von  Perstel,  der  den  Bau  durch  die  Architektnracliule  dw 
Polytechn.  bat  anfnebmen  lasaen. 


Kap.  XII.    Die  österreichiachen  L&nder.  605 

eine  Gliederung  und  an  den  Eoken  eine  krftftige  Umrahmung. 
Beicher-en  Schmuck  hat  nur  das  Portal  erhalten,  das  von  köst- 
lichen Ornamenten  im  Stile  der  feinsten  venezianischen  Früh- 
renaissance förmlich  bedeckt  ist  Die  einfassenden  vortretenden 
S&ulen  sind  in  spielender  Weise  nach  unten  korbartig  ausge- 
baucht und  mit  Flechtwerk  umwunden,  eine  kindliche  Art  von 
Charakteristik,  deren  erste  Spuren  in  der  Renaissance  sich  an 
Alberti's  Meisterbau,  S.  Francesco  zu  Bimini  nachweisen  lassen. 
Das  Wappen  des  Erbauers,  von  ttppiger  Ornamentik  umgeben, 
krönt  diesen  prächtigen  Portalbau. 

Die  übrigen  Theile  des  Aeussem  sind  ganz  schlicht  behan- 
delt An  der  westlichen  Seite  tritt  nur  ein  kleiner  Eundthurm 
vor-,  die  Südseite  hat  dagegen  in  der  Mitte  ein  zierliches  Portal, 
das  in  den  Garten  führt.  Elegante  korinthische  Pilaster  fassen 
es  ein,  an  den  Postamenten  mit  Flachreliefs  geschmückt,  Her- 
kules im  Kampf  mit  dem  Nemäischen  Löwen,  andrerseits  mit 
Antftus  darstellend.  Auch  diese  Arbeiten,  sowie  in  den  Bogen- 
zwickein  die  schwebenden  Figuren  mit  Füllhörnern  verrathen  die 
Hand  von  Künstlern  der  lombardischen  Schule,  welche  seit  dem 
15.  Jahrhundert  die  ganze  Bildhauerei  Oberitaliens  bis  nach  Ve- 
nedig hinein  beherrschten  und  hier  wohl  ihre  nördlichste  Ver- 
zweigung getrieben  haben. 

Ein  entschieden  späterer  Anbau  ist  das  grosse  Portal,  wel- 
ches in  derber  dorischer  Bustika  neben  der  Ostseite  des  Palastes 
von  aussen  den  Zugang  zum  Garten  vermittelt,  von  einem 
schmalen  Pförtchen  begleitet.  Eine  prunkvolle  Inschrift  nennt 
Graf  Johann  von  Oi-tenburg  als  Erbauer  desselben. 

Tritt  man  durch  das  Hauptportal  in's  Innere  des  Schlosses, 
80  enthüllt  sich  erst  die  ganze  Bedeutsamkeit  der  Anlage.  Man 
befindet  sich  in  einem  grossen  von  Arkaden  umschlossenen  Hofe, 
der  den  reichsten  Palasthöfen  Italiens  nichts  nachgiebt,  ja  durch 
die  Anlage  der  Treppe  und  ihre  Verbindung  mit  den  Bogen- 
hallen an  malerischem  Beiz  den  meisten  überlegen  ist  Unsere 
Abbildung  Fig.  167,  nach  einer  Photographie  ausgeführt,  giebt 
die  nordwestliche  Ecke  dieses  schönen  Hofes.  Frei  behandelte 
ionische  Säulen  nehmen  im  Erdgeschoss  die  Arkaden  auf,  wäh- 
rend korinthisirende  kurzstämmige  Stützen  das  Treppenhaus  und 
die  obern  Arkaden  tragen.  Elegant  durchbrochene  Balustraden, 
von  reichen  Pfeilern  rhythmisch  getheilt,  dienen  der  Treppe  wie 
den  oberen  Arkadengängen  als  Einfassung.  Ueberall  in  den  Bogen- 
zwickeln,  den  Pilasterflächen,  den  Postamenten  und  Brüstungs- 
feldem  ist  zierliches  Ornament  in  Banken  und  Laubwerk,  aber 
auch  in  figürlichen  Beliefs,  besonders  in  Medaillons  mit  Brust- 


606  Hl.  Bnch.    Ben&lssanoe  in  DentBehland. 

bildern  reichlich  ang^ebracht.  Oiebt  sieb  hier  doroh^ii^^  die 
Feinheit  italienischer  Meisselfthrung  und  das  volle  VerHtändniss 
der  Renaiesanceformea  zu  erkennen,  so  fehlt  es  doch  aaeh  nicht 
an  einzelnen  provinziellen  Wunderlichkeiten,  wie  z.  B.  die  am 
Eckpfeiler  der  Eingangsballe  als  Kampfergesima  dorcbgefahrte 
Volute  des  ionischen  SäulenkapitAIg.  Doch  beeinträchtigen  solche 
Einzelheiten  nicht  den  Werth  der  im  Uebrigen  vortreffUchen  Be- 


handlung. Znm  höchsten  Werth  steigert  sich  diese  an  den  zahl- 
reichen ThHrgewänden,  die  bei  den  Haapträumen  durchgUngig 
aus  weissem  Marmor  gearbeitet  sind.  Hier  ist  ein  Reichthum  der 
Erfindung,  eine  Schönheit  der  AuefUhrung,  eine  Anmuth  in  der 
Zeichnung  der  Blätter,  Blumen  und  Ranken  wie  in  den  reichlieh 
eingestreuten  figürlichen  Gebilden,  dass  man  an  die  besten  veno- 
zianisebeo  Omamentisten  erinnert  wird. 


Kftp.  XII.    Die  OBterrdehkchen  LSnder.  607 

Die  ABordnong  der  Bftame  im  Huptgeachoss  {vergl.  die 
GmndiisB«  Fig.  168—169)  folgt  ebenfalls  italieniBcher  Tradition, 
wie  ja  BohoD  die  Anlage  der  Treppe  und  der  Arkaden  auf  Ein- 
flBBse  des  Südens  deutet  Den  Hanptraam  bildet  der  grosse 
Un^Uehe  Saal  über  der  Eingangshalle  des  fkdgesohoeiies,  zu 
beiden  Seiten  stossen  andere  stattliche  S&ume  an,  wShrend  die 
priratoi  Wohn-  und  Schlafgem&cher  den  westliohen  und  sDd- 
tichen  Fltlgel,  also  die  Gartenseite  mit  den  herrlichen  Auablicken 
in's  Gebirge  einnehmen.  Alles  ist  klar  und  flbersichtlich  im 
Sinne  italienischer  Palastanlagen.    Die  Ausstattung  der  Kfiume, 


rniifniir 


zwar  wtirdig,  ist  jOngeren  Datums.    Von  der  ursprünglichen  scheint 
nichts  mehr  vorhanden. 

Die  Entstehnng  dieses  edten  Baues  darf  mit  aller  Wahr- 
scheinlichkeit in  die  ersten  Decennien  des  16.  Jahrhunderts 
gesetzt  werden.  Zwar  habe  ich  keine  Spur  einer  Jahreszahl  an 
ihm  entdecken  können,  aber  die  ganze  Kunstweise  deutet  auf 
diese  Zeit  hin.  Es  ist  offenbar  eine  der  letzten  BlQthen  der  FrQh- 
renaissance  Oberitaliens.  Eine  Bestätigung  erhält  diese  Datirnng 
durch  ein  der  Haaptfront  des  Schlosses  in  einiger  Entfernimg 
gegenüberliegendes  Gebäude,  jetzt  als  Bezirksamt  dienend, 
offenbar  Ton  derselben  Herrschaft  und  zwar  wahrscheinlich  zu 


608  ^I-  Bach.    BeBaiBaance  in  DeutBchland. 

■ 

ähnlichem  Zwecke  erbaut  Es  ist  im  Ganzen  ein  geringes  Werk, 
nur  an  der  einen  Ecke  durch  einen  polygonen  Erkerthurm  aus- 
gezeichnet, im  Innern  ohne  alle  Bedeutung,  merkwürdigerweise 
aber  durch  ein  köstliches  Portal  von  weissem  Marmor  geschmückt, 
von  dem  man  fast  glauben  möchte^  es  habe  sich  beim  Schloss- 
bau als  überflüssig  herausgestellt  und  hier  eine  nachträgliche 
Verwendung  gefunden,  lieber  dem  Portal  sieht  man  das  Wappen 
des  Erbauers  und  die  Jahrzahl  MDXXXYII.  Es  wird  wohl  keinem 
Zweifel  unterliegen,  dass  dies  Nebengebäude  erst  nach  dem  Haupt- 
bau ausgeführt  worden  ist  Die  architektonische  Composition  des 
letzteren  klingt  besonders  darin  an,  dass  in  beiden  oberen  Ge- 
schossen die  Hauptaxe  über  dem  Portal  durch  paarweis  gekuppelte 
Fenster  markirt  wird. 

Dass  jener  vornehme  Prachtbau  nicht  umhin  konnte,  in 
seiner  Umgebung  einen  gewissen  Einfluss  zu  üben,  erkennt  man 
deutlich  an  mehreren  Arkadenhöfen,  freilich  yon  sehr  geringer 
Beschaffenheit,  die  sich  in  den  besseren  Häusern  des  Ortes 
befinden. 

Mit  diesem  einzelnen  Meisterstück  scheint  die  Frührenaissanoe 
in  Kämthen  zu  verstummen.  Es  kamen  auch  hier  die  Zeiten 
tiefer  En*egung  des  religiösen  Lebens.  Das  ganze  Land,  der 
Adel  an  der  Spitze,  warf  sich  der  reformatorischen  Bewegung  in 
die  Arme.  Wir  haben  oben  Beispiele  davon  gegeben,  wie  über- 
all auch  hier  in  den  Städten  der  Protestantismus  zur  Macht,  ja 
fast  zur  Alleinherrschaft  gelangt  war.  Ohne  Zweifel  hätte  diese 
geistige  Erneuerung  umgestaltend  auf  das  ganze  Leben  gewirkt 
und  auch  die  Kunst  verjüngt.  Aber  nachdem  noch  der  Statt- 
halter Johann  Friedrich  Hofmann,  Freiherr  auf  Grünbüchel  und 
Strechau,  seit  1578  die  neue  Lehre  aufs  Kräftigste  gefördert 
hatte,  kam  mit  dem  Begierungsantritt  des  Fürstbischofs  Ernst 
von  Mangersdorf  1 583  die  Reaction  zur  Herrschaft,  und  in  kurzer 
Frist  wurde  auch  in  Kärnthen  der  Katholicismus  mit  Gewalt  der 
Waffen  wiederhergestellt^)  Wenn  man  auch  zuerst  gegen  die 
Stände  schonend  verfuhr,  so  wurden  doch  auch  diese  endlich 
gezwungen  katholisch  zu  werden,  oder  auszuwandern  und  ihre 
Güter  confisciren  zu  lassen.  Manche  zogen,  um  ihrer  Ueber- 
zeugung  treu  zu  bleiben,  letzteres  vor,  wie  denn  zwei  Kheven- 
biller  ihr  Heimathland  verliessen  und  in  schwedische  Dienste 
traten.  Unter  diesen  Verhältnissen  konnte  die  Kunst  unmöglich 
gedeihen,  und  wir  werden  uns  nicht  wundem,  dass  selbst  die 
Landeshauptstadt  Klagenfurt  in  architektonischer  Hinsicht  einen 


0  Genaueres  bei  H.  Hermann  a.  a.  0.  II,  20S  ff. 


Kap.  XII.    Die  österreichischen  LSnder.  god 

kläglich  niehtssagendeii  Eindruck  macht  Kein  einziges  Ge- 
bäude zeugt  hier  yon  höherer  kttnstlerischer  Bedeutung.  Das 
Landhaus,  wo  man  noch  am  meisten  erwarten  sollte,  ist  ein 
später  Bau  mit  charakterloser  Fa^ade.  Nur  der  Hof  zeigt  eine 
gewisse  Stattlichkeit  der  Anlage.  Er  ist  hufeisenförmig  mit  zwei 
den  Yorderban  flankirenden,  nach  rückwärts  yorspringen4en 
Flügeln  angelegt  Jeder  derselben  endet  in  einem  hohen  Thurm 
mit  oberer  Galerie  und  Zopfhaube.  Offne  Arkaden  auf  tos- 
kanischen  Säulen  von  rothem  Marmor  bilden  in  dem  obem  Stock- 
werk «eine  Galerie,  zu  welcher  in  beiden  Flügeln  Freitreppen 
unter  ähnlichen  Arkaden  hinaufführen.  Der  Zugang  zu  den 
Treppen  liegt  in  den  Thürmen,  deren  Erdgeschoss  deshalb  eine 
offene  Halle  auf  Pfeilern  bildet  So  originell  und  malerisch  diese 
Anlage  ist,  so  unbedeutend  und  gering  erscheint  die  Formen- 
sprache, in  welcher  sie  sich  ausdrückt  Die  Balustrade  an  der 
Treppe  und  der  oberen  Galerie  zeigt  übrigens  dieselbe  italienische 
Form,  wie  im  Schloss  zu  Spital,  nur  ohne  feinere  Durchbildung. 
Der  Hauptraum  im  oberen  Stock  ist  ein  grosser  Prachtsaal, 
mit  marmornem  Fussboden  und  Kamin,  an  den  Wänden  sämmt- 
liche  Wappen  des  kämthischen  Adels  gemalt  An  der  Decke 
ein  grosses  Freskobild,  auf  welchem  in  einer  perspectivisch 
gemalten  Halle  Kaiser  Karl  VI  die  Huldigung  empfängt  Aehn- 
lich  ist  die  Ausstattung  des  ^Kleinen  Wappensaales",  dessen 
Decke  tüchtige  allegorische  Fresken  zeigt  Die  ganze  malerische 
Ausstattung  hat  laut  inschriftlichem  Zeugniss  Joseph  Ferdinand 
Fromler  1740  ausgeführt.  Von  den  Gemälden,  mit  welchen 
ein  Meister  Plumthai  1580  das  Landhaus  schmückte,^)  ist  nichts 
erhalten. 

Schwache  Versuche,  die  Sprache  der  Renaissance  zu  reden, 
findet  man  sodann  am  Bathhause.  Die  FaQade  indess  ist  auch 
hier  dürftig,  nur  das  Portal  zeigt  die  Motive  der  gleichzeitigen 
Bauten  von  Graz.  Es  ist  sogar  mit  Halbsäulen  eingefasst,  die 
gern  korinthisiren  möchten,  aber  es  nicht  ganz  dazu  bringen. 
Doch  sind  die  Löwenköpfe  an  den  Postamenten,  das  Blattwerk 
in  den  Bogenzwickeln,  das  Bahmenprofil  der  Pilaster  und  der 
Archirolte  mit  den  runden  Schilden  bei  aller  Dürftigkeit  charakte- 
ristische Zeugnisse  der  Epoche.  Im  Innern  führt  ein  gewölbter 
Flur  zu  einem  quadratischen  Hofe,  der  mit  seinen  Arkaden  einen 
ganz  italienischen  Eindruck  macht  Im  Erdgeschoss  ruhen  die 
Bögen  auf  weit  gestellten  toskanischen  Säulen;  in  den  oberen 
beiden  Stockwerken  ist  eine  doppelte  Anzahl  von  Arkaden  durch 


*)  Vgl.  Hermann  a.  a.  0. 

Kuffler,Gescb.  d.  Baokiiiiit.y.  39 


ßlO  m.  Bach,    fienaissance  in  Deutschland. 

Anordnung  von  Säulen  in  den  Intercalumnien  eiTeicht  Aber  die 
Formen  sind  hier  ganz  kunstlos,  die  Behandlung,  ohne  Kenntniss 
bestimmter  Ordnungen,  TÖlHg  roh.  Man  sieht  wieder  wie 
gering  in  diesen  Gegenden,  sobald  man  auf  italienische  Künst- 
ler verzichten  musste,  die  selbständigen  Leistungen  anfallen. 
Auch  die  mehrfach  an  PriTathäusem,  z.  B.  in  der  Burgstrasse, 
Yorkommenden  Arkadenhöfe  verrathen  dieselbe  kunstlose  Be- 
schaffenheit 

Um  so  auffallender  ist  ein  yereinzeltes  Bruchstttck,  das  sich 
in  einem  Privatgarten  der  St  Veiter  Vorstadt,  im  ehemalige)^ 
Ebner'schen,  jetzt  Woodley'schen  Garten  vorfindet  Man  hat  das- 
selbe als  antiken .  Cippus  betrachtet  und  unter  die  römischen 
Alterthttmer  Kämthens  aufnehmen  zu  dürfen  geglaubt.  ^)  Es  zeigt 
in  der  That  auf  den  vier  Seiten  Thaten  des  Herakles  in  flachem 
ttelief,  auf  gekörntem  Grunde,  in  einer  Behandlung,  die  sich 
namentlich  durch  den  Wurf  der  Gewänder,  durch  die  conven- 
tionelle  perttckenartige  Darstellung  *  der  zweimal  vorkommenden 
Löwenmähne,  endlich  durch  die  ganze  Auffassung  der  mensch- 
lichen Gestalt  deutlich  als  Werk  oberitalienischer  Bildhauer  der 
Frtthrenaissanjee  verräth.  Der  Kenner  jener  Kunstrichtung  kann 
keinen  Augenblick  in  Zweifel  sein,  hier  Geistesverwandte  jener 
Sculpturen  vor  sich  zu  haben,  mit  welchen  die  italienische  Plastik 
gern  das  Aeussere  ihrer  Gebäude  geschmückt  hat  Die  nächste 
Analogie  bieten  gewisse  Reliefs  an  der  Fagade  der  Capeila  Col- 
leoni  zu  Bergamo.^)  Könnte  aber  noch  fein  Zweifel  bleiben,  so 
würden  die  architektonischen  Formen  denselben  zum  Schweigen 
bringen,  denn  das  krönende  Gesims  mit  dem  Kamies,  welches 
den  Stein  umzieht,  gehört  der  Renaissance;  noch  mehr  aber  die 
Reliefnachahmung  einer  Geländerdocke,  wie  sie  nur  an  den 
Balustraden  der  Renaissance  vorkommt  Man  sieht  dieselbe  an 
der  einen  Seite ^  wo  Herkules  seinen  Arm  um  sie  legt;  ein  un- 
widersprechlicher  Beweis,  dass  wir  es  hier  mit  dem  Theil  des 
Geländers  einer  Treppe  oder  Galerie  zu  thun  haben,  wie  sie 
genau  in  derselben  Form  im  Schlosse  zu  Spital  vorkommen. 
Da  nun  vollends  dort  am  Portal  der  Gartenseite  die  Postamente 
der  Pilaster  gleichfalls  mit  Herkulesdarstellungen  in  demselben 
Stile  geschmückt  sind,  so  liegt  die  Vermuthung  nah,  dass  das 
Fragment  in  Klagenfurt  ursprünglich  ebenso  zur  Ausstattung 
jenes  Schlosses  bestimmt  gewesen,  dann  aber  irgendwie  hieher 
verschleppt  worden  sei. 

1)  Mich.  F.  V.  Jabornegg- Altenfels,  Kärnten^s  röm.  Altertbümer.  p.  145 
u.  Tat  CCCLXIX.  —  «)  Vgl.  darüber  W.  Ltibke,  Gesch.  der  Plastik, 
n.  Aufl.    p.  574. 


Kap.  Xn.    Die  ÖBterreiohischen  Lfinder.  QU 

Erinnern  wir  nun  noch  an  den  oben  bereits  erwähnten 
Brunnen  auf  dem  Hauptplatz,  bo  ist  die  spärliche  Auslese  er- 
sehöpft  Nur  eines  stattlichen,  reich  durchgeführten  Brunnens 
in  Friesach  hätten  wir  etwa  noch  Erwähnung  zu  thun;  doeh 
ist  derselbe  in  Nachahmung  italienischer  Werke  mehr  plastisch 
als  architektonisch  bedeutend.  Ein  achteckiges  Becken  bildet 
den  Wasserbehälter,  an  den  Flächen  mit  mythologischen  Beliefs, 
an  den  einfassenden  Pilastem  mit  Renaissance -Ornamenten  ge- 
schmflokt  Aus  der  Mitte  des  Beckens  erhebt  sich  ein  mit  bärtigen 
Atlanten  dekorirter  Pfeiler,  welcher  eine  schön  profilirte  Schaale 
trägt;  dann  folgt  ein  zweiter,  mit  spielenden  Putten  dekorirter 
Pfeiler,  auf  welchem  die  obere  Schaale  ruht  Diese  endlich  wird 
von  einer  zierlichen  Bronzegruppe  bekrönt.  Das  Ganze  eine 
opulente  Arbeit,  die  indess  wohl  nicht  ohne  italienischen  Beistand 
hergestdlt  worden  ist. 


Tirol  und  Salzburg. 

Tirol  ist  von  allen  deutschen  Ländern  vielleicht  dasjenige, 
welches  von  jeher  in  nächster  und  lebendigster  Verbindung  mit 
Italien  gestanden  hat.  Hier  ist  das  deutsche  Yolksthum  über 
den  höchsten  Kamm  der  Gebirge  wie  ein  Keil  weit  südwärts 
in's  Wälsche  vorgedrungen.  Eine  der  lebhaftesten  Handels- 
Strassen  zog  seit  alten  2ieiten  über  die  tirolischen  Gebirgspässe, 
namentlich  den  Brenner,  nach  dem  Sttden,  um  die  Verbindung 
mit  Venedig  aufzusuchen  und  dadurch  den  ganzen  Handels* 
verkehr  mit  der  Levante  dem  deutschen  Binnenlande  zu  ver- 
mittehL  Im  künstlerischen  Leben  hat  sich  durch  diese  Ver- 
hältnisse ein  Hin-  und  Herwogen  des  deutschen  und  des 
italienischen  Einflusses  herausgebildet  Jenseits  des  Brenner 
kann  mau  diesem  interessanten  Prozess  auf  Schritt  und  Tritt 
nachgehen«  Wie  mannichfach  sind  in  Brixen  und  Bozen  die 
itaUenisehen  Motive  mit  den  deutschen  gekreuzt  1  Genau  so  wie 
in  den  Bergformen  und  der  Vegetation  deutsches  Alpengebiet 
sich  mit  dem  Charakter,  den  Formen  und  den  Produkten  des 
Südens  mischt  Erst  in  Trient  hat  dann  Italien  völlig  den  Sieg 
davon  getragen,  und  Land  und  Leute,  Sprache  und  Gesittung, 
Kunst  und  Kultur  gestalten  sich  völlig  im  Sinne  des  Südens.    , 

Der  Ort,  wo  jene  Kreuzung  und  Mischung  der  beiden  Kul- 
turen am  lebhaftesten  zu  Tage  tritt,  ist  Bozen.  Unverkennbar 
spricht  sieh  dies  in  dem  monumentalen  Hauptbau  der  Stadt  noeh 
am  Ende  des  Mittelalters  aus.    Die  Pfarrkirche  zeigt  sdbon  in 

39* 


612  UI.  Buch  Die  BenftiBsance  in  Deutschland. 

dem  grossen  lastenden  Dach,  das  die  drei  gleich  hohen  Schiffe, 
offenbar  nach  dem  Vorbilde  von  Sanct  Stephan  in  Wien,  bedeckt, 
noch  mehr  aber  in  der  durchbrochenen  Spitze  ihres  Glocken* 
thurmes  die  deutsche  Tendenz;  ebenso  ist  der  polygone  Chor 
mit  dem  Umgang  ein  nordischer  Gedanke.  Aber  die  isolirte 
Stellung  des  Thurmes,  die  breite  Form  jenes  Umganges,  dem- 
jenigen am  Dom  zu  Mailand  nicht  unähnlich,  noch  mehr  das 
Hauptportal  mit  dem  Vorbau  auf  marmornen  Löwen,  im  Innern 
femer  die  weite  quadratische  Stellung  der  Pfeiler  und  die  dem 
Romanischen  verwandte  Bildung  der  Stützen  sowie  der  Gewölb- 
gurte, das  Alles  sind  Umgestaltungen  in  italienischem  Sinn. 
Kein  Wunder,  dass  hier  die  ausgebildete  Benaissance  sehr  zeitig, 
und  zwar  in  der  Form  venezianischer  Kunst  auftritt  Dies  ge- 
schieht an  dem  schönen  Marmore pitaph  des  Ambrosius  Wirsung 
vom  Jahre  1513,  welches  man  aussen  an  der  Nordseite  der  Kirche 
sieht.  Der  knieende  Verstorbene,  der  durch  die  Madonna  dem 
mit  Domenkrone  und  Buthe  dastehenden  Erlöser  empfohlen  wird, 
darüber  im  Bogenfelde  der  segnende  Gottvater,  ist  nach  Com- 
position  und  Formgebung  ein  in  Stein  übersetzter  Giovanni 
Bellini.  Ist  hier  ohne  Zweifel  die  .Hand  eines  italienischen 
Meisters  zu  erkennen,  so  zeugen  dagegen  die  Flachreliefs  der 
Thürflügel  des  Hauptportals  vom  Jahre  1521  in  ihren  schweren 
ungeschickten  Formen  wahrscheinlich  die  Hand  eines  deutschen 
Bildschnitzers,  der  in  Italien  die  Benaissanee  kennen  gelemt  hatte. 
Der  Privatbau  der  Stadt  bietet  nichts  künstlerisch  Hervor- 
ragendes; aber  die  Anlage  der  Häuser  ist  im  Allgemeinen  be^ 
achtenswerth,  weil  man  demselben  Gompromiss  zwischen  nor- 
discher und  südlicher  Sitte  begegnet  Die  häufig  angebrachten 
polygonen  Erker,  einfach  oder  doppelt  die  Fagade  belebend  oder 
an  den  Ecken  hervortretend,  zeugen  von  deutscher  Gewohnheit; 
wie  aber  das  Klima  in  dem  eng  umschlossenen  Bergkessel  schon 
südlich  ist,  so  gehören  die  schmalen  Strassen ,  die  Arkadenreihen, 
die  überhängenden  Dächer  italienischem  Brauche  an.  Vorzüglich 
charakteristisch  sind  die  engen  völlig  gewölbten  Flure  und  die 
schmalen  Lichthöfe,  in  welchen  die  steinerne  Treppe  angelegt 
ist  In  den  stattlicheren  Häusem  bilden  sich  diese  Lichthöfe  zu 
grossen  reich  erleuchteten  Hallen  aus,  an  deren  Umfassungs- 
wänden die  steinemen  Treppen  freitragend  emporgeftlhrt  sind« 
Nach  aussen  markiren  sich  diese  Mittelpunkte  der  Hausanlage 
durch  hohe  Dachhauben,  die  das  unmittelbare  Aufprallen  der 
Sonne  aufhalten  und  doch  durch  grosse  Seitenfenster  Licht  und 
Luft  zur  Genüge  einlassen.  Eins  der  stattlichsten  Beispiele  bietet 
der  Gasthof  für  Kaiserkrone.    Die  Anlage  ist  in  der  That  aus 


Fli.  110.    Wobohaa)  In  Brlnn.    (WefiMT.) 


Kap.  Xn.    Die  OBterreiobischen  Länder.  615 

den  lokalen  klimatischen  Verhältnissen  mit  Nothwendig^eit  her- 
voi^egangen. 

Zeigt  Bozen  in  seinen  belebten  engen  Gassen  und  dieht  ge- 
drängten Häusern  die  Handelsstadt,  so  prägt  sich  die  geistliche 
Residenz  in  dem  stillen,  yon  Klöstern  und  Kirchen  erfüllten 
Brixen  ans.  Der  Privatbau  ist  im  Ganzen  ohne  feinere  Durch- 
bildung. An  der  hohen  Fa^ade  yertreten  die  häufig  yorkommen- 
den  Polygonen  Erker  deutsche  Sitte;  aber  die  überhängenden 
Dächer,  die  Balkone  yor  den  Fenstern  und  mehr  noch  die  viel- 
fach angewendeten  steil  aufsteigenden  Zinnenkrönungen  —  an 
die  kastellartigen  Adelspaläste  Yerona's  und  andrer  italienischer 
Städte  erinnernd  —  gehören  dem  Süden.  Vielfach  müssen  auch 
Malereien,  ebenfalls  nach  dem  Vorbilde  der  benachbarten  Städte 
Oberitaliens,  ursprünglich  die  Faf  aden  belebt  haben.  Ein  hübsches 
Beispiel  yom  J.  1642,  graue  decoratiye  Fresken,  Putti  mit  Guir- 
landen,  musicirende  Kinder,  Festons  mit  lustig  flatternden  Bändern, 
sieht  man  an  einem  Hause  auf  dem  linken  Flussufer  bei  der 
Brücke.  Auch  die  Schmiedekunst  hat  sich  in  den  Eisengittem 
der  Balkone  mannichfach  erprobt  Künstlerisch  durchgebildet 
findet  man  den  Typus  dieses  Priyatbauee  an  einem  stattlichen, 
der  Nordseite  der  Pfarrkirche  gegenüberliegenden  Priyathaus 
(Fig.  170).  Die  yerputzten  Flächen  zeigen  mehrfach  Spuren 
grauer  dekoratiyer  Malereien,  Fruchtschnüre  mit  flatternden  Kin- 
dern. Mit  ihnen  muss  der  rothe  Stein  der  Pfeiler,  Gesimse  und 
Fenstereinfassungen  trefflich  contrastirt  haben.  Im  Innern  bildet 
sich  ein  grosser  Flur,  dessen  Kreuzgewölbe  auf  mittelalterlichen 
Säulen  mit  schlanken  Blattkapitälen  ruhen.  Von  hier  steigt  die 
ebenfalls  gewölbte  steinerne  Treppe  mit  kräftiger  Balustrade 
empor.  Neben  ihr  bleibt  ein  schmaler  Gang  frei,  der  zu  dem 
überaus  engen  Hofe  führt,  dieser  auf  der  einen  Seite  durch  eine 
yorgekragte  Galerie,  die  oben  yon  rohen  Säulen  aufgenommen 
wird,  noch  mehr  eingeengt  Es  ist  die  Anlage,  welche  fast  über- 
all Uer  wiederkehrt 

Der  geistliche  Charakter  der  bischöflichen  Residenz  spricht 
sich  yor  Allem  in  den  zahlreichen  Kirchen  aus.  Der  Dom  mit 
seinem  Zubehör  bildet  ein  ganzes  Conglomerat  kirchlicher  Ge- 
bäude, künstlerisch  nicht  eben  erheblich,  fbr  unsre  Betrachtung 
ohne  Werth.  Doch  mag  daran  erinnert  werden,  dass  der  über- 
aus reiche  Freskensehmuok  der  romanischen  Kreuzgänge  wieder 
auf  südliche  Einflüsse  deutet  Die  Architektur  dagegen  scheint 
hier  in  keiner  Epoche  höhere  künstlerische  Durchbildung  er- 
fahren zu  haben.  Dies  gilt  auch  yon  dem  stattlichsten  Gebäude, 
dem  südwestlich  yom  Dom  liegenden  Bischöflichen  Palast 


616  ^*  Bach.    BenaiBsance  in  Deatschland. 

Es  ist  ein  grosses  Viereck,  von  einem  tiefen  breiten  Graben  nm- 
zogen,  an  der  südöstlichen  und  südwestlichen  Ecke  thurmartig 
erhöht.  Im  Innern  gruppirt  sich  das  Ganze  um  einen  mächtigen 
Arkadenhof,  dessen  Pfeiler  und  Bögen  ohne  feinere  Ausbildung 
doch  durch  die  stattlichen  Verhältnisse  imponirend  wirken.  Dazu 
kommt  noch  in  den  Nischen  der  breiten  Pfeiler  der  Schmuck 
zahlreicher  Statuen  von  Kaisern,  Bittern  und  Bischöfen  in  be- 
wegter Haltung,  stark  an  die  Standbilder  der  Innsbrucker  Hof- 
kirche erinnernd,  aber  nicht  in  Metall  sondern  in  trefflichen 
Terracotten  ausgeführt  Die  Zeit  der  Entstehung  wird  durch  die 
Jahreszahl  1645,  die  man  in  einer  Platte  des  Fussbodens  liest, 
bezeichnet.  Die  Stuckdekoration  des  hintern  Flügels  aber  und 
der  dort  aufgesetzte  kleine  Thurm  sowie  das  Portal  daselbst  wird 
durch  die  Jahrzahl  1707  einer  späteren  Zeit  zugewiesen. 

Diesseits  des  Brenner  ist  Innsbruck  schon  früh  der  Sitz 
eines  regen  künstlerischen  Lebens  und  ein  Ausgangspunkt  der 
Renaissance  gewesen.  Wie  Kaiser  Maximilian  durch  seine  künst- 
lerischen Unternehmungen,  vor  Allem  durch  sein  Grabmal  und 
die  damit  zusammenhängenden  Werke  die  Kunst  gefördert  hat, 
ist  anderwärts  genügend  erörtert  worden.  Seine  Giesserei  in 
Mühlau  hat  Werke  von  hoher  technischer  Vollendung  geschaffen, 
und  seine  Harnischmacher  waren  weithin  berühmt,  so  dass  sie 
selbst  an  den  prachtliebenden  französischen  Hof  berufen  wurden. 
Wie  früh  hier  die  Renaissance  zur  Aufnahme  kam,  erkennt  man 
auch  an  der  Altartafel  Meister  Sebastian  Scheets^  die  aus'  der 
Schlosskapelle  von  Annaberg  im  Vintschgau  kürzlich  in  das  Mu- 
seum yon  Innsbruck  gelangt  ist^) 

Die  Architektur  der  Epoche  hat  zunächst  in  der  Francis- 
kaner-  oder  Hofkirche  ein  würdiges  Gehäuse  für  das  Grab- 
denkmal des  kunstliebenden  Kaisers  geschaffen.  Laut  der  Bau- 
inschrift von  Maximilian  gegründet,  wurde  sie  von  Ferdinand  I 
errichtet  und  von  Leopold  I  weiter  ausgeschmückt  Schlanke 
Säulen  einer  reich  verzierten  ionischen  Ordnung  mit  omamen- 
tirtem  Hals  tragen  kühn  und  leicht  die  gleich  hohen  Gewölbe  der 
drei  Schiffe.  Die  Struktur  deutet  auf  die  Zeit  Ferdinands  I,  nur 
die  barocken  Stuckomamente  der  Gewölbe  sammt  andren  ähn- 
lichen Dekorationen  gehören  der  späteren  Zeit  Zum  Schönsten 
seiner  Art  muss  man  das  ganz  prachtvolle,  reichvergoldete  in 
Blumen  und  Figuren  auslaufende  Eisengitter  rechnen,  welches 
das  Kenotaphium  des  Kaisers  umgiebt    Nicht  minder  werthvoU 


')  Ueber  alles  Dies  haben  die  archivalischen  Forschung^ii  Dr.  Schön- 
herr'8  omfassende  AufschlÜBse  gebracht. 


Kap.  Xn.    Die  (österreichischen  Länder.  517 

igt  das  ähnlich  behandelte  Gitter  an  der  zur  silbernen  Kapelle 
führenden  Treppe.  Am  Denkmal  selbst  fallen  die  schwarzen 
Harmorpilaster  mit  dem  eleganten  frei  im  Stil  der  Frtthrenaissance 
gebildeten  Yolutenkapitäle  und  Rahmenschäften  auf.  Die  Inschrift- 
Schilde  zeigen  Ein&ssungen  von  aufgerollten  Voluten  und  anderen 
Formen  des  beginnenden  Barocco.  Das  Portal  der  Kirche  mit 
seiner  Vorhalle  tiägt  das  Gepräge  der  Frtthrenaissance.  Der 
links  anstossende  Kreuzgang  mit  seinen  schlichten  dorisirenden 
Pfeilern  von  rothem  Marmor,  den  Wandpilastem  und  mehreren 
einfach  behandelten  Portalen  gehört  der  ausgebildeten  Renais- 
sance an. 

Im  Uebrigen  bietet  die  Stadt  nicht  viel  fUr  unsre  Betrachtung. 
Das  Postgebäude  mit  seinen  ungemein  grotesken,  hochoriginellen 
Masken  im  Hauptgesims  ist  ein  Bau  des  reich  ausgeprägten 
Barockstils.  Dasselbe  gilt  von  dem  Landschaftshaus,  das 
mit  den  gewaltigen  elephantenmässigen  verjüngten  Pilastern  am 
Portal,  ttber  welchen  sich  der  Balkon  aufbaut,  eine  imposante 
Wirkung  macht 

Reichere  Spuren  der  Kunstpflege  dieser  Zeit  bewahrt  die 
berühmte  Burg  Ambras,  die  so  herrlich  von  ihrer  Felsenhühe 
auf  das  grossartige  Gebirgsthal  niederschaut.  Als  Kaiser  Fer- 
dinand I  1563  längere  Zeit  in  Innsbruck  verweilte,  schenkte  er 
wahrscheinlich  damals  seinem  gleichnamigen  Sohne  Schloss  und 
Herrschaft  Ambras,  welche  dieser  dann  im  folgenden  Jahre  seiner 
geliebten  Gemahlin  Philippine  Welser  übertrug.^)  Das  war  die 
Glanzepoche  der  Burg.  Damals  wurde  sie  aus  einer  mittelalter- 
lichen Veste  zu  einem  glänzenden  Fürstensitze  umgeschaffen  und 
sah  jene  herrlichen  Sammlungen  in  ihren  Räumen  entstehen  und 
sich  mehren,  von  denen  jetzt  nach  ihrer  Uebertragung  in  die 
Hauptstadt  des  Reiches  nur  noch  geringe  Ueberbleibsel  auf  ur- 
sprünglicher Stelle  zeugen.  Der  ai'chitektonische  Charakter  der 
vorhandenen  Gebäude  beweist,  dass  damals  eine  durchgreifende 
Umgestaltung  vorgenommen  wurde.  Schon  in  der  Vorburg  zeigt 
der  Hof  Arkaden  auf  toskanischen  Säulen,  welche  dieser  Zeit 
angehören.  Im  innem  Burghofe  wird,  statt  einer  reicheren  archi- 
tektonischen Ausbildung,  durch  grau  in  grau  gemalte  Fresken 
ein  heiteres  Bild  entfaltet  Unten  sieht  man  facettirte  Quadern, 
oben  gemalte  Nischen  mit  Figuren  von  Tugenden,  dann  den 
Triumph  des  Reichthums,  Judiths  Sieg  über  Holofemes,  sowie 
die  Scene  aus  den  Gesta  Romanorum,  wie  die  Söhne  nach  der 
Leiche  des  Vaters  schiessen.    Die  Arbeiten  sind  von  mittlerem 


>)  Bnchholtz,  Ferdin.  I.  Bd.  VIU.  S.  725. 


61g  III.  Buch.    Benaissance  in  DeatschUnd. 

Werth  aber  von  guter  GeBammtwirkung.  Von  den  inneren  Bäumen 
ist  die  Kapelle  noefa  gothisch  mit  Sterngewölbe,  die  Empore  fttr 
die  Herrschaft  auf  st&mmiger  MittelsAule  ruhend,  die  Apsis  poly- 
gen, das  Ganze  renovirt.  Die  alte  Orgel  zdgt  prächtig  eingdegte 
Arbeit  und  Malereien.  Gegenttber  der  Kapelle  liegt  das  Bad  mit 
einem  htlbschen  Vorzimmer,  dessen  reich  profilirte  Decke  gleich 
dem  untern  Theil  der  Wände  aus  Holzgetäfel  besteht.  Die  oberen 
Wandflächen  waren  mit  arg  zerstörten  Fresken  geschmückt,  welche 
heitere  Badescenen  enthielten.  Ueber  der  Thür  die  Jahrzahl  1567, 
die  wohl  ffir  die  ganze  Ausstattung  maassgebend  ist 

In  den  oberen  Bäumen  sind  sowohl  im  ersten  wie  im  zweiten 
Stock  die  Zimmer  grossentheils  noch  mit  ihrem  Täfelwerk  an 
den  Decken  und  mehrfach  an  den  Wänden  Tcrsehen.  Diese 
Arbeiten  siud  einfach  und  gut,  aber  nicht  sehr  reich  oder  kraft- 
voll. Nur  ein  Schlafzimmer  zeigt  eine  ungemein  reichgeschnitzte 
und  eingelegte  Decke.  Auch  der  Speisesaal  hat  eine  durch  ihre 
perspektivische  Eintbeilung  interessante  Täfelung.  Von  der  Aus- 
stattung sind  manche  tüchtig  gearbeitete  Schränke,  Schreibtische, 
Kunstschreine,  Schmuckkästen  u.  dergL  erhalten;  Manches  aber 
ist  auch  erst  neuerdings  dazu  gefügt  worden.  Das  Wichtigste 
ist  eine  ganze  Beihe  alter  glasirter  Oefen,  zum  Theil  mit 
plastischem  Schmuck,  von  grossem  Beichthum,  durchweg  iudess 
schon  in  den  derben  fiarockformen  des  17.  Jahrhunderts  aus- 
geführt Auch  ein  gusseisemer  Ofen  derselben  Zeit  mit  biblischen 
Beliefdarstellungen  ist  erhalten.  Diese  Arbeiten,  die  wohl  sicher 
im  Lande  entstanden  sind,  zeugen  von  der  langandauecnden" 
Blüthe  und  künstlerischen  Ausbildung  des  Handwerks. 

Von  den  zahlreichfin  Schlössern  des  Landes^)  ist  Manches 
zerstört,  das  Meiste  übrigens  in  Anlage  und  Ausführung  mittel- 
alterlich. Charakteristisch  ist  bei  diesen  Werken  die  höbe  Vor- 
liebe filr  Freskodekoration.  So  in  umfassendster  Weise  die  be- 
rühmten Wandgemälde  auf .  Schloss  Bunkelstein  bei  Bozen, 
femer  im  Schloss  Beifenstein  bei  Sterzing,  im  SchloBS  Brück 
bei  lienz,  im  alten  Schloss  Meran  u.  s.  w.  Aus  der  Zeit  der 
Benaissanee  enthielt  Sehlofls  Marien  bürg  bei  VöUau  bis  vor 
Kurzem  mehrere  mythologische  Darstellungen.  Beich  ausgestattet 
und  mit  werthvoUen  Schätzen  des  Altertiiums  geschmückt  kt 
Sehloss  Traizb^rg,  durch  .seinen  knnstsioiiigen  Besitiar  würdig 
beKgestellt  Em  välUg  «rbaltenes  Prachtwerk  der  Benaissance 
iflt  Schloss  Welthur&s  bei  (Brisen,  das  ¥on  1580  bis  U87  v^em 


')  Manche  werthvolle  Notizen  in  zwei  Aufsätzen  der  Beil.  zur  Allg. 
Ztg.    1868.    Nr.  305  u.  331. 


Kap.  Xn.    Die  öftterreiefaischeii  LSnder.  619 

Fflrstbischof  Freiherrn  Ton  Spaur  als  Sommerresidenz  erbaut 
wurde.  Die  prächtigen  T&felangen  des  Fürstensaales  fM>llen  zu 
den  schönsten  in  Deutschland  zählen.  Fresken  und  Sgraffiten  sind 
ttberall  im  Lande  noch  in  zahlreichen  Besten  Torhanden/  Unter 
vielen  anderen  ist  Schloss  Ehrenburg  unterhalb  Brunecken  ein 
Beispiel  reicher  Sgraffitodekoration. 

Kaum  eine  andere  Stadt  diesseits  der  Alpen  giebt  sich  so 
bestimmt  und  machtvoll  als  geistliche  Besidenz  zu  erkennen,  wie 
Salzburg.  Zugleich  machen  die  hohen  Häuser  mit  ihren  kahlen 
Fa^aden,  den  flachen  oder  wenig  geneigten  Dächern,  die  engen 
Strassen,  die  weiten  Plätze  mit  ihren  pomphaften  Brunnen  und 
Monumenten  einen  so  völlig  südlichen  Eindruck,  als  sei  ein  Stück 
Italien  in  Deutschland  zur  Erde  gefallen.  Alle  Kunstübung  ist 
hier  von  jeher  eine  geistliche  gewesen.  Von  der  Thätigkeit  im 
frühen  Mittelalter  zeugen  noch  trotz  mancher  Zerstörungen  die 
Kreuzgänge  auf  dem  Nonnberge  mit  ihren  Wandgemälden,  die 
Kirchen  zu  St  Peter  und  zu  den  Franziskanern.  Die  Gothik 
dagegen  hat  auch  hier  kdne  erhebliche  Blüthe  getrieben  und  die 
Benaissance  geht  fast  leer  aus.  Der  Dom  ist  eine  mächtige  aber 
doch  schon  nüchterne  Nachbildung  der  Peterskirehe  zu  Bom; 
die  anstossenden  Paläste  sind  vollends  trotz  ihrer  Grösse  ohne 
Interesse.  Malerisch  zeigt  sich  die  Anlage  des  Kirchhofs  bei 
Si  Peter,  eins  der  wenigen  in  Deutschland  vorhandenen  Beispiele 
eines  von  Arkaden  umschlossenen  Friedhofes,  wie  Italien  sie  liebt 
Die  Bögen  ruhen  auf  toskanischen  Säulen,  zwischen  welchen 
Bustikapfeiler  eingeschoben  sind,  die  einzelnen  Arkaden  durch 
eiserne  Gitter  zu  besonderen  Kapellen  abgeschlossen,  die  archi- 
tektonischen Formen  indess  nüchtern  und  ohne  Feinheit  Aehn- 
lich  der  Kirchhof  bei  S.  Sebastian,  von  welchem  wir  oben  unter 
Fig.  153  ein  Grabkreuz  mittheilten. 

Das  Werthvollste  sind  einige  treffliche  Eisenarbeiten,  na- 
mentlich das  schöne  Gitter  im  Hauptportal  der  Besidenz ;  mehrere 
treffliche  Eisengitter  in  der  Franziskanerkirche,  das  schönste 
rechts  vom  Eingang  an  der  Kapelle  des  h.  Antonius  von  Padua. 
Auch  die  Einfassung  des  Brunnens  auf  dem  Marktplatze  ist 
beachtenswerth  (Fig.  171). 

Das  Merkwürdigste  bleibt  immei*  der  gewaltige  Bau  der 
Yeste  Höhen-Salzburg,  die  schon  von  fem  mit  ihren  horizon- 
talen,  terrassenförmig  aufgethürmten  Massen  der  Landschaft  eine 
grandiose  Krönung  und  zugleich  ein  südliches  Gepräge  verleiht 
Aber  der  ganze  Bau  sammt  der  imoier  noch  reichen  plastischen 
Ausstattung,  den  getäfelten  Zimmerdecken  und  verachlungenen 


620  Dl-  Buch.    RenaiBMDce  in  DeutechUnd. 

Netzgewölben,  obwohl  er  im  Wesentlichen  dem  Anfang  des   16. 
Jahrhunderts  gehört,  ist  noch  -völlig  mittelalterlich  in  gothischem 


Stile  durchgeführt.  Erzbiechof  Leonhard  hat  gegen  Ausgang  des 
15.  Jahrhundert«  ihn  begonnen,  und  in  energischer  Baufuhrung 
zu  Ende    gebracht     Ich    wUsste    keinen  zweiten  Bau  in  ganz 


Kap.  Xn.    Die  österreichischen  Länder.  621 

Deutschland,  der  mit  solcher  Pfinktlichkeit  durch  zahlreiche  aus- 
f&hrliche  Inschriften  —  ich  habe  deren  gegen  ein  Dutzend  yer- 
zeichnet  —  Aber  den  Fortgang  der  Bauführung  Bericht  gäbe. 
Das  früheste  Datum  ist  1496,  das  späteste  an  dem  colossalen 
Grabstein  des  Erzbischofs  an  der  Südseite  der  Kapelle  1515. 
Aber  auch  hier  sind  alle  Formen  noch  gothisch,  und  das  Figür- 
liche zeugt  von  deutschen  Künstlerhänden.  Auch  der  unvergleich- 
liche vielfarbig  glasirte  Ofen  im  Speisesaal,  eins  der  grössten 
und  schönsten  Prachtstücke  seiner  Art,  zugleich  der  früheste  mir 
bekannte,  da  er  die  Jahrzahl  1501  b'ägt,  ist  im  Aufbau,  den 
Ornamenten  und  den  figürlichen  Reliefs  noch  völlig  mittelalterlich. 
Man  sieht  also,  dass  hier  die  italienische  Kenaissance,  die  damals 
überall  in  Oesterreich  schon  einzudringen  begann,  noch  völlig 
unbekannt  war.  Eine  selbständige  Blttthe  scheint  ihr  überhaupt 
in  Salzburg  auch  später  nicht  zu  Theil  geworden  zu  sein. 


Böhmen  nnd  Mähren. 

Von  allen  übrigen  Oesterreichischen  Ländern  unterscheidet 
sich  im  Verlauf  der  künstlerischen  Entwicklung  das  Königreich 
Böhmen.  Schon  früh  nimmt  es  auch  politisch  eine  gesonderte 
Stellung  ein  und  weiss  seine  Selbständigkeit  am  längsten  zu 
behaupten.  Durch  vielfache  Beziehungen  zu  den  benachbarten 
deutschen  Gebieten  gewinnt  seine  Kultur  bereits  im  Mittelalter 
manch  kräftigen  Impuls,  am  wirksamsten  unter  Karl  IV  (1346 
bis  1378)  durch  die  Verbindung  mit  der  Lausitz,  der  Oberpfalz 
und  den  Brandenburgischen  Marken.  Die  Hussitische  Bewegung 
liefert  den  Beweis  wie  früh  der  Volksgeist  hier  zur  kirchlichen 
Beform  und  Vertiefung  des  religiösen  Lebens  drängte;  aber  der 
durch  Kaiser  Sigismunds  schroffe  Maassregeln  herbeigeführte 
Hussitenkrieg  (1419  bis  1435)  knickt  die  Blüthe  des  Landes  und 
legt  einen  grossen  Tbeil  prächtiger  Denkmäler  in  Asche.  Dennoch 
ist  genug  übrig  geblieben  um  zu  beweisen,  dass  das  Land  während 
der  letzten  Zeiten  des  Mittelalters  die  durch  französische  und 
deutsche  Meister  hereingetragene  gothische  Kunst  mit  lebendiger 
Theilnahme  aufgenommen  und  selbständig  ausgebildet  hat.  Wenn 
auch  nicht  grade  durch  besondere  Feinheit  und  harmonische  Durch- 
bildung, zeichnen  sich  doch  die  Werke  der  böhmischen  Gothik 
durch  manchen  originellen  Zug,  durch  kühne  Gonstructionen,  wie 
an  der  Karlskirche  zu  Prag,  durch  üppige  Dekorationslust,  wie 
an  den  Chören  des  Domes  zu  Prag  und  der  Kirche  zu  Kutten- 
berg, endlich  durch  eine  gewisse  malerische  Phantastik,  wie  an 


622  ni.  Bach.    Renakeance  in  Deatschland. 

den  zahlreichen  kirehlichen  und  profanen  Thurmbauten  mit  ihren 
Spitzen  ans.  Unter  Georg  Podiebrad  (1458  bis  1471)  erholte  sich 
das  Land  allm&hlich  ron  seinen  Leiden,  und  sein  Nachfolger 
Wladislay,  mit  dem  Beinamen  der  Gute  (1471  bis  1516)  weiss 
die  öfter  ausbrechenden  Unruhen  mit  glttcklicher  Hand  zu  dämpfen 
und  dem  Lande  dauernde  Ruhe  zurück  zu  geben.  Obwohl  er 
auch  die  ungarische  Krone  erlangte  und  dadurch  veranlasst  wurde 
seine  Residenz  nach  Ofen  zu  verlegen,  unterliess  er  doch  nicht 
in  Böhmen  zahlreiche  Bauten  auszuführen,  wie  sie  durch  den 
Zustand  des  Landes  erfordert  wurden.  Denn  noch  lagen  nicht 
blos  die  meisten  Kirchen,  Klöster  und  Burgen,  sondern  selbst 
ganze  Städte  wie  Kuttenberg,  Beneschau,  Aussig,  Prachatiz  in 
Ruinen,  so  dass  eine  Fülle  von  Aufgaben  der  Wiederherstellung 
und  des  Neubaues  sich  drängten.  So  begann  eine  rege  Bau- 
thätigkeit,  bei  welcher  ein  einheimischer  Meister  Benediki  (BenieschJ 
von  Laun  die  rechte  Hand  des  Königs  gewesen  zu  sein  scheint  ^) 
Benedikt  war  offenbar  ein  begabter  vielerfahrener  Künstler. 
Noch  in  gothiseher  Schule  aufgewachsen,  handhabt  er  nicht  blos 
in  seinen  zahlreichen  Ejrchenbauten  den  spätgothischen  Stil  mit 
Freiheit  und  Anmuth,  sondern  legt  ihn  auch  seinen  Profanwerken 
zu  Grunde,  nicht  ohne  gewisse  Formen  der  Renaissance  ein- 
zumischen. Solche  finden  sich  am  Krönungssaal  des  Hradsehin, 
und  wie  es  scheint  auch  im  Rittersaal  der  Burg  Pürglitz  bei 
Rakonitz,  welche  ebenfalls  unter  Wladislav  erbaut  wurde.  Durch 
Meister  Benedikts  Vorgang  wird  also  die  Renaissance  in  Böhmen 
eingeführt,  und  zwar  in  jener  naiven  Mischung  mit  den  Formen 
des  Mittelalters,  wie  sie  die  meisten  Provinzen  Deutschlands 
zeigen,  während  die  österreichischen  Gebiete  sie  kaum  anderswo, 
kennen. 

In  der  Selbständigkeit,  mit  welcher  hier  die  verschiedenen 
künstlerischen  Elemente  der  Zeit  einander  zu  einem  eigenthflm- 
liehen  Stile  durchdringen,  dürfen  wir  wohl  eine  Einwirkung  des 
durch  den  Hussitismus  gesteigerten  geistigen  Lebens  erkennen. 
Als  unter  Ferdinand  I  Böhmen  und  Ungarn  mit  Oesterreich  ver^ 
bunden  wurden,  begann  für  diese  Länder  die  gleiche  Reihen- 
folge schwerer  Verhängnisse,  welche  im  gesammten  Habsburgi- 
schen Länderbesitz  alles  höhere  geistige  Leben  erstickten.  Wie 
nach  der  Schlacht  am  Weissen  Berge  grade  in  Böhmen  die 
Freiheit  des  religiösen  Bekenntnisses  in  Strömen  Bluts  ersäuft 
und  durch  das  liebevolle  Bttndniss  von  Staat  und  Kirche,  von 


0  lieber  diesen  Meister  vgl.  den  Aufsatz  von  B.  Grueber  in  der 
Zeitschr.  des  Böhm.  Archit-Yereins. 


Kap.  XII.    Die  österreichischen  Lfinder.    ^  623 

Dragonern  und  Jesuiten  das  Papstthum  wieder  hergestellt  wurde, 
ist  bekannt  genug.  Für  das  ktlnstlerische  Leben  ist  bei  ober- 
flAehlicher  Betracfatung  dies  furchtbare  Schicksal  hier  minder 
störend  gewesen;  hat  doch  sogar  Hertens  in  einem  übrigens 
geistvoll  geschriebenen  Aufsatz  über  Prag  und  seine  Baukunst^) 
die  spfttere  Zeit  des  17.  Jahrhunderts  als  solche  gertlhmt,  »wo 
das  monarchische  System  seine  grössten  Segnungen  entwickelte^, 
während  die  Zeiten  des  Hussitismus  und  Protestantismus  nach 
seiner  Ansicht  „weit  zurück  stehen  gegen  diejenigen,  zu  denen 
das  Kestitutionsedikt  hinführte.''  Ich  vermag  diese  Ansicht  nicht 
zu  theilen.  Ich  lasse  mich  durch  die  gewaltigen  Prachtbauten, 
mit  welchen  die  Barockzeit  grade  Prag  so  imposant  geschmückt 
bat,  nicht  blenden.  So  grosse  künstlerische  Kräfte  hier  thätig 
waren,  so  kommt  in  diesen  Werken  doch  nichts  Anderes  zu 
Tage  als  die  schwere  und  doch  freudlose  Pracht  jenes  späten 
Barockstils,  der  gleichsam  auf  den  Fittichen  des  Jesuitismus  von 
Born  aus  die  ganze  katholische  Welt  eroberte  und  den  geistlichen 
und  weltlichen  Palästen  jener  Zeit  dasselbe  Gepräge  einer  frem- 
den Kunst  aufdrückte,  die  nicht  mehr  von'  den  frischen  Quellen 
des  Yolksgeistes  get'änkt  wird.  Grade  Böhmen  zeigt  trotz  so 
vieler  Zerstörung  noch  jetzt  eine  bedeutende  Zahl  von  Denk- 
mälern der  Renaissance,  die  in  den  Tagen  des  Hussitismus  ent- 
standen sind.  In  ihnen  erkennen  wir  denselben  Prozess  der  An- 
eignung, Umbildung  und  Verschmelzung  der  fremden .  Formen, 
den  wir  in  den  meisten  Gebieten  Deutschlands,  namentlich  den 
protestantischen  antreffen.  Auch  hier  das  Anschmiegen  an  heimische 
Sitte  und  Ueberlieferung,  das  naive  Vermischen  antiker  Formen 
mit  denen  des  Mittelalters,  kurz  überall  die  Frische  eines  selb- 
ständigen Bingens  und  Schaffens.  Daraus  entwickelt  sich  dann 
in  den  späteren  Decennien  des  16.  Jahrhunderts  eine  ähnlieh 
kräftige,  wenn  auch  schon  vom  Barockstil  angehauchte  Benais- 
sance  wie  in  Deutschland.  Ganz  unvermittelt  stehen  daneben 
einige  künstlerische  Untemehm9ngen  der  Habsbuiigischen  Herr- 
seher des  Landes.  Vor  Allem  das  Belvedere  Ferdinands  I  und 
die  künstlerischen  Schöpfungen  Rudolphs  IL  Zu  diesen  werden 
fremde  Meister,  namentlich  Italiener  berufen,  die  in  der  That 
einige  Musterwerke  edelster  Renaissance,  vor  Allem  jenes  kost- 
liehe  Juwel  des  Belvedere,  hinstellen.  Aber  es  sind  fremde 
Enelaven,  Blüthen  einer  ausländischen  Kunst,  die  keinen  £in- 
floss  auf  das  Schaffen  der  heimischen  Meister  gewinnen. 


')  In  FOrster'B  Allg.  Bauzeit.  1845.    p.  15  ff. 


624  ni.  Bach.    Renaissance  in  Deutschland. 

Prag. 

Die  alte  stolze  Hauptstadt  Böhmens  in  ihrer  herrliehen  Lage 
und  der  Fülle  von  Monumenten  bietet  eins  der  grossartigsten 
Smdtebilder  der» Welt. i)  Auf  Schritt  und  Tritt  bedeutende  histori- 
sche Erinnerungen  weckend,  prägt  sie  ihre  wechselnden  Geschicke 
in  Monumenten  aus.  Die  erste  künstlerische  Gestalt  wurde  ihr 
Yon  Karl  IV  gegeben.  Er  begann  den  Dom  auf  der  Höhe  des 
Hradschin,  erbaute  die  Moldaubrücke,  die  Earlshoferkirche  mit 
ihrem  kühnen  Gewölbe,  die  Emmauskirche,  die  Hungermauer, 
die  mit  ihren  gi'ossen  Linien  noch  jetzt  so  wirksam  herrortritt 
Er  gründete  endlich  die  Neustadt  mit  dem  grossen  Viehmarkte, 
als  erstes  Beispiel  einer  planvoll  regelmässigen  Stadtanlage  des 
Mittelalters.  Dem  wissenschaftlichen  Leben  wurde  durch  die 
Stiftung  der  Universität  ein  bedeutender  Mittelpunkt  gegeben. 
Georg  Podiebrad  yervollständigte  die  Befestigungen,  indem  er 
den  Altstädter  Brückenthurm  und  den  Pulvertburm  errichtete. 
Zum  Andenken  an  seine  erste  Gemahlin  baute  er  in  der  Nähe 
das  Jagdschloss  zum  Stern,  das  noch  jetzt  vorhanden  ist.  Die 
mittelalterlichen  Monumente  'der  Stadt  geben  in  ihrer  Mannig- 
faltigkeit ein  lebendiges  Bild  von  dem  reichen  künstlerischen 
Leben,  das  hier  geblüht  und  das  in  Architektur,  Skulptur  und 
Malerei  wetteifernd  eine  solche  Fülle  von  kirchlichen  und  Pro- 
fanwerken hervorgebracht,  wie  keine  andere  Stadt  in  den  öster- 
reichischen Landen  aufzuweisen  vermag. 

Die  Einführung  der  Renaissance  vollzieht  sich  unter  Wladislay. 
Zwar  sind  auch  seine  Bauten  im  Wesentlichen  noch  mittelalter- 
lich, in  Anlage,  Construction  und  Detail bildung  noch  überwiegend 
gothisch;  ja  in  kirchlichen  Bauten,  und  selbst  in  gewissen  Pro- 
fanwerken, wie  dem  altern  Belvedere  im  Baumgarten,  das  seit 
1484  errichtet  wurde,  lässt  sich  keinerlei  Abweichung  von  der 
gothischen  Tradition  bemerken.  Wohl  aber  treten  Elemente  der 
Renaissance,  freilich  noch  vereinzelt  in  den  Bauten  auf,  welche 
bald  darauf  durch  Meister  Benedikt  van  Laun  an  der  Königlichen 
Burg  zur  Ausführung  kamen.  Den  wichtigsten  Theil  bildet  der 
gewaltige  Krönungssaal  (Fig.  172),  ein  Raum  von  170  Fuss  Länge 
bei  54  Fuss  Breite  und  45  Fuss  Höhe.  Schon  in  den  Reise- 
beschreibungen des  16.  Jahrhunderts  wird  diese  herrliche  ge- 
wölbte Halle  bewundert  und  gepriesen.  In  der  That  ist  sie  von 
grossartiger  Wirkung,  namentlich  das  in  ganzer  Breite  ohne 
Stützen    ausgespannte  Netzgewölbe    mit    seinen  .verschlungenen 

*)  Vgl.  den  oben  citirten  Aufsatz  von  Mertens. 


Eftp.  XII.    Die  OiterrelchiBoben  Lfinder.  625 

BippeD,  iD  ftlnf  Jochen  den  Raom  bedeckend,  reich  und  kobn. 
Man  siebt  daran  die  Vorliebe  des  Arcbitekten  fflr  kanstreiche 
Combinationen,  in  denen  die  sp&t^thischen  Heister  zu  wett- 
eifern Buehten.  Eine  ^wisse  Schwerfälligkeit  der  Detailbildong 
hftlt  man  gern  zu  Gute,  und  die  bescbrtlnkte  Höbenentwicklung 
lftS0t  man  als  gemeinsamen  Zug  der  damaligen  Baukunst  des 
Nordens  sieb  gefallen.  Am  Aeussem  treten  an  der  Nordseite 
ungemein  elegante  Strebepfeiler,  an  der  SOdseite  Säulen  hervor. 


Fl(.  171.    WladUlHiMl  in  d*T  Barf  n  Png. 

Am  merkwtlrdigsten  sind  die  Fenster,  paarweise  mit  Püastem 
einer  korintbiairenden  Ordnung  und  mit  eatsprecbendem  Gebälk 
umrahmt  Man  würde  sie  für  spätere  Zusätze  halten,  wenn  man 
niebt  am  ArchitraT  die  Jabrzabl  1 493  und  die  Inschrift  Wladislar 
rex  Ungarie  Bohenüe  läse,  wodurch  sie  als  gleichzeitig  verbürgt 
sind.  Der  Saal  muss  also  als  das  frflheBte  datirte  Bauwerk  mit 
Renaissanceformen  diesseits  der  Alpen  bezeichnet  werden.  Daea 
man  darum  doch  nicht  auf  zwei  rerechiedeue  Heister  zu  gchliessen 
braucht,   liegt  auf  der  Hand,    Wir  haben  vielmehr  in  Heister 


626  ^I*  Bu<^^-    BeBsisBance  in  DeutBChUnd. 

Benedikt  yon  Laun  einen  jener  Ettnstler,  welche  neben  der 
gothiflohen  Ueberlieferung,  in  der  sie  aufgewachsen  waren,  sich 
die  £enntniss  der  italienischen  Renaissanceformen  zu  verschaffen 
gewusst^)  In  den  anstossenden,  aus  derselben  Zeit  herrühren- 
den Gemächern  sieht  man  ähnliche  Netzgewölbe,  dagegen  fehlt 
der  ttbrige  Theil  der  ursprünglichen  Ausstattung.  Aus  diesem 
Flügel  des  Palastes  wurde  ein  Bogengang  in  das  südliche  Neben- 
schiff des  Domes  geführt,  wo  Wladislav  sich  durch  denselben 
Meister  ein  Oratorium  herstellen  Hess,  dessen  Stirnseite  mit  reich 
yerschlungenem  Astwerk  In  spätgothischem  Stil  geschmückt  ist 
Man  sieht  also,  dass  bei  Meister  Benedikt  trotz  einzelner  Be- 
naissancemotiye  die  gothische  Kunst  noch  vorherrscht 

Die  volle  italienische  Benaissance  tritt  erst  in  dem  Belvedere 
Ferdinands  I,  hier  aber  freilich  mit  einem  Werk  ersten  Banges 
auf.  Ferdinand  I  begann  1534  mit  dem  Bau  einer  Brücke  über 
den  Hirschgraben  ^)  und  der  Anlage  eines  Lustgartens  auf  der 
weithinschauenden  Hohe,  welche  sich  nördlich  vom  Hradschin 
erstreckt.  Unvergleichlich  herrlich  ist  von  hier  aus  der  Blick 
auf  den  tiefen  von  der  Moldau  durchströmten  Thalkessel,  welcher 
bis  auf  die  umgebenden  Höbbn  von  der  gewaltigen  Stadt  mit 
ihren  Palästen,  Kirchen,  Kuppeln  und  Thürmen  erfbUt  wird. 
Seit  1536  wurde  hier  das  Belvedere  erbaut,  nach  den  Plänen 
des  aus  Italien  herbeigerufenen  Paul  della  Stella,  der  beim  Kaiser 
in  hoher  Gunst  stand  und  die  Leitung  des  G-anzen  hatte.  Unter 
ihm  finden  wir  die  Italiener  Hans  de  Spatio  und  Zoan  Marias  sowie 
einen  Deutschen  Hans  Trost,  der  ohne  Zweifel  in  Italien  sich 
mit  der  Benaissance  vertraut  gemacht  hatte.')  Wöchentlich  wurden 
250  Bheinische  Gulden  auf  den  Bau  verwendet,  der  namentlich 
im  Jahre  153$  energisch  geführt  und  bis  zur  Einwölbung  des 
Erdgeschosses  gebracht  wurde.  Dann  trat  eine  Ebbe  in  der 
Kasse  ein;  die  italienischen  Arbeiter  wurden  widerspänstig  und 
Hans  de  Spatio  drohte  sogar  nach  Italien  zurükzukehren.  Mit 
Mühe  wurden  sie  zufrieden  gestellt,  so  dass  der  Bau  fortgeführt 
werden  konnte  und  wahrscheinlich  1539  die  Einwölbung  beendigt 

0  Dem  g^egenüber  muss  ich  freilich  bemerken,  dass  Grueber  auf 
Grund  genauer  Untersuchungen  die  Gleichzeitigkeit  der  Fenster  mit  der 
übrigen  Composition  in  Abrede  stellt.  Sollte  sich  diese  Annahme  bestä- 
tigen, —  wobei  freilich  die  Inschrift  immer  schweren  Anstoss  geben  wird 

—  so  wäre  doch  spätestens  an  die  Zeit  Ferdinands  I  zu  denken,  unter 
welchem  Herstellungsbauten  an  der  Burg  stattfanden.  —  ')  Vgl.  den  Auf- 
satz in  Förster's  Allg.  Bauz.  1838.  S.  345  flf.  u.  die  Taff.  CCXXXU— CCXXXV. 

—  *)  Wie  es  sich  mit  dem  bei  Dlabacz,  Künstler-Lex.,  als  Erbauer  des 
Belvedere  genannten  „Ferrabosco  von  Lagno"  verhält,  weiss  ich  nicht 
anzugeben. 


Kap.  Xn.    Die  österreichischen  LKnder.  629 

war.  Als  1541  ein  Brand  die  Stadt  verheerte,  musste  man  die 
Meister  zur  Herstellung  der  Burg  und  der  Schlosskirche  verwenden. 
Damals  mögen  gewisse  Renaissaneedetails  am  Hradschin,  nament- 
lich auch  am  Wladislavsaal  ausgeführt  worden  sein.  Nur  Stella 
führte  mit  zwei  Gehülfen  die  Arheit  an  den  Reliefs  fort,  für 
deren  jedes  er  zehn  Kronen  begehrte,  was  dem  Kaiser  zu  viel 
erschien,  so  dass  ein  Urtheil  von  Sachverständigen  erfordert 
wurde.  Stella  setzte  sodann  den  Bau  allein  fort,  der  indess 
1546  wegen  Geldmangels  und  dringender  anderer  Arbeiten  ein- 
gestellt werden  musste.  1556  wird  die  Arbeit  wieder  auf- 
genommen, wobei  auch  die  Kupferbedachung  zur  Ausführung 
kommt;  aber  erst  1558  wird  die  Eindeckung  des  bis  dahin  offen- 
gestandenen  Gebäu^ps  vollendet.  Hans  Haidler  aus  Iglau  führte 
das  Dach  aus.  1560  arbeitet  man  an  der  Pflasterung  des  Gor- 
ridors,  aber  erst  unter  Kudolph  II  wird  die  innere  Ausstattung 
vollendet,  1589  z.  B.  der  Fussboden  der  Säle  mit  Regensburger 
Marmor  belegt 

Das  Gebäude  (vgl.  Fig.  1 73)  war  nur  als  ein  Lusthaus,  als  Garten- 
pavillon angelegt,  die  Morgenseite  gegen  die  Stadt,  die  Abend- 
seite gegen  den  Garten  gerichtet,  um  die  herrlichen  Blicke  auf 
die  Stadt  zu  gemessen  und  in  reiner  Luft,  von  Gartenanlagen 
mit  Springbrunnen  umgeben,  sich  an  schönen  sommerlichen 
Abenden  der  Kühle  zu  erfreuen.  Deshalb  umziehen  Arkaden 
auf  luftigen  Säulen  das  Erdgeschoss,  das  im  Innern  kühle  Räume 
mit  Spiegelgewölben  und  die  Treppe  zum  oberen  Stock  enthält 
Von  der  ursprünglichen  Ausstattung  des  Innern  ist  keine  Spur 
erhalten,  die  Treppenanlage  durch  modernen  Umbau  verändert 
Das  obere  Stockwerk,  welches  zwar  erst  ziemlich  spät  aus- 
geftlhrt,  aber  im  ursprünglichen  Plane  begründet  ist,  besteht 
aus  einem  Festsaal,  rings  von  einem  freien  Umgang,  der  über 
den  Arkaden  des  Erdgeschosses  sich  hinzieht,  umgeben.  Der 
Bau  hat  in  der  Bestimmung  und  der  Anlage  Verwandtschaft  mit 
dem  um  einige  Decennien  jüngeren  ehemaligen  Lusthause  in 
Stuttgart,  nur  dass  dort  der  untere  Raum  als  Bassinhalle  aus- 
gebildet war.  Im  Uebrigen  ist  es  von  Interesse  zu  vergleichen, 
wie  weit  in  der  künstlerischen  Auffassung  die  Renaissance  ge- 
schulter Italiener  von  derjenigen  eines  deutschen  Meisters  jener 
Zeit  abweicht  Statt  der  malerischen  Mannigfaltigkeit  in  der 
Anlage  des  Stuttgarter  Lusthauses  mit  seinen  Freitreppen  uüd 
Erkern,  seinen  Thürmen  und  hohen  schmuckreichen  Giebeln, 
die  den  Arkaden  bei  kleinem  Massstab  nur  eine  untergeordnete 
Bedeutung  lassen,  beherrscht  bei  dem  Prager  Belvedere  die  gross- 
artige Säulenhalle  mit  ihren  vornehmen  Verhältnissen  den  Ein- 


630  m*  Buch.    BenaiflBance  in  Deatschlftnd. 

druck  des  Ganzen  und  verleiht  demselben  das  Gepräge  klassisoher 
Buhe.  Auch  darin  zeigt  sich  ein  durchgreifender  Unterschied^ 
dass  in  Stuttgart  die  Aufgänge  zum  oberen  Gescfaoss  als  Frei- 
treppen aussen  angebracht  waren,  wodurch  der  ganze  obere 
Baum  als  grossartiger  Saal  sich  gestaltete,  während  beim  Bei- 
yedere  die  Treppe  (die  übrigens  in  neuerer  Zeit  umgestaltet 
worden)  im  Innern  angebracht  war  und  zwar  so,  dass  auf  der 
einen  Seite  ein  gesondertes  Gemach,  auf  der  andern  der  grössere 
Saal  angeordnet  wurde.  Dadurch  musste  letzterer  in  seiner  Längen- 
ausdehnung beträchtlich  eingeschränkt  werden. 

Die  Formen  sind  am  ganzen  Bau  von  einer  Durchbildung, 
die  Verhältnisse  von  einer  Anmuth,  wie  sie  nur  die  italienische 
Benaissance  in  ihren  vollendetsten  Schöpfungen'  erreicht  Die 
umgebende  Halle  bildet  eine  Art  Peripteros  von  6  zu  14  schlanken 
Säulen  einer  reichen  ionischen  Ordnung,  an  deren  Kapitalen  die 
Emblen^e  des  goldenen  Vliesses  zu  geistvoller  Verwendung  ge- 
kommen sind.  Auch  die  Stylobate  der  Säulen  haben  Beliefs, 
welche  mit  einer  ferneren  Anspielung  auf  jenes  Ordensemblem 
ihre  Gegenstände  der  Argonautensage  entlehnen.  Eine  geschlossene 
Brüstungsmauer,  nur  vor  den  Eingängen  durchbrochen,  verbindet 
dieselben,  in  der  Mitte  jedes  Intercolumniums  durch  einen  mit 
Putten  geschmückten  Pilaster  getheilt.  Auch  in  den  Bogenzwickeln 
sind  antike  Beliefscenen  dargestellt,  im  Fries  endlich  die  herr- 
lichsten Akanthusranken  angebracht  Dies  Alles  ist  in  fein- 
kömigem  Sandstein  mit  einer  Zartheit  und  Vollendung  aus- 
gearbeitet, wie  man  sie  sonst  nur  in  den  Marmorbauten  Italiens 
findet  Dazu  kommt,  dass  alle  architektonischen  Glieder  im 
Geist  der  edelsten  italienischen  Hochrenaissance  wie  von  Bra- 
mante  oder  Peruzzi  durchgebildet  sind.  Das  gilt  namentlich 
auch  von  den  eleganten  Consolen,  auf  welchen  die  Gesimse  der 
Fenster  und  Thüren  ruhen,  sowie  von  dem  durchbrochenen  Gitter 
der  oberen  Terrasse,  einem  Virtuosenstück  des  Meisseis.  Im 
Uebrigen  ist  das  obere  Geschoss  einfacher  behandelt,  was  nicht 
einer  späteren  Entstehung,  wie  man  wohl  geglaubt  hat,  zu- 
geschrieben, sondern  als  wohlberechtigte  künstlerische  Absicht 
erkannt  werden  muss,  da  die  Säulenhalle  des  unteren  Geschosses 
den  ganzen  Nachdruck  der  architektonischen  Conception  erschöpft, 
und  die  mit  schlichten  Fenstern  und  Nischen  in  dorischem  Stil 
bdebte  Oberwand  sich  dem  Auge  fast  völlig  entzieht  Interessant 
sind  als  Werke  deutscher  Kunst  die  Schönen  Eisenarbeiten  der 
Wasserspeier.  Im  Innern  zeigen  die  unteren  Säle  flache  Spiegel- 
gewölbe, deren  Zwickel  auf  äusserst  eleganten  Consolen  ruhen. 
Der  Saal  des  oberen  Geschosses  hat  dagegen  ein  Tonnengewölbe 


Kap.  XU.    Die  Ogterreichischen  Länder.  633 

mit  leichten  Bippen,  das  auch  nach  aussen  mit  seiner  charakte- 
ristischen Form  und  der  Eupferbedeckung  sich  geltend  macht 
Ohne  Frage  haben  dabei  die  grossen  Säle  der  Basiliken  von 
Padua  und  Vicenza  als  Muster  Vorgeschwebt  Wie  sehr  die- 
selben die  damaligen  Architekten  interessirt  haben,  erfuhren  wir 
schon  durch  die  Aufzeichnungen  Schickhardts.  Die  Wände  des 
oberen  Saales  werden  durch  Rahmenpilaster  getheilt,  deren  zart 
gebildete,  frei  korinthisirende  Laubkapitäle  das  Gebälk  tragen, 
an  dessen  Fries  der  Doppeladler  als  Ornament  wiederkehrt  Im 
Uebrigen  ist  von  der  ursprünglichen  Ausstattung  des  Innern  nichts 
mehr  erhalten;  die  modernen  Fresken  vermögen  dieselbe  nicht 
zu  ersetzen. 

Von  ebenbürtigem  Adel  der  Formen  ist  der  Springbrunnen, 
welcher  der  Gartenfront  dieses  Lusthauses  gegenüber  errichtet 
wurde.  Dies  geschah  freilich  erst  1565,^)  ein  Jahr  nach  Fer- 
dinand's  Tode,  und  zwar  wird  als  Yerfertiger  ein  einheimischer 
Künstler,  der  kaiserliche  Büchsenmeister  Thoman  Jarosch  genannt; 
die  Figuren  goss  der  von  den  Arbeiten  in  Innsbruck  her  bekannte 
Gregor  Löffler,  *)  Es  wird  wohl  weitaus  der  edelste  Renaissance- 
brunnen diesseits  der  Alpen  sein  (Fig.  174).  Auf  prächtig  phan- 
tastischen Figuren  ruht  die  schön  geriefte  Schaale,  mit  einem 
Relieffries  von  Masken  und  Palmetten  gerändert  Aus  ihr  erhebt 
sich  ein  kraftvoller  Ständer,  nach  der  Sitte  der  Zeit  mit  Figuren 
umkleidet,  deren  Bewegui^g  stark  ins  Malerische  fällt  Der  obere 
Theil  des  Ständers,  durch  edle  Gliederung  und  anmuthige  Orna- 
mente ausgezeichnet,  trägt  die  obere  Schaale,  die  wieder  mit 
überaus  elegantem  Reliefschmuck  bedeckt  ist.  Die  Krönung  des 
Ganzen  bildet  ein  Putto,  der  auf  einem  Jagdhorn  bläst  Reich- 
thum  der  Ausstattung  verbindet  sich  mit  rhythmisch  bewegtem 
Aufbau  und  edler  Gliederung  zu  trefflichster  Wirkung.  Bezeich- 
nend, dasd  es  einheimische  Künstler  waren,  die  ein  so  edles 
Werk  im  Geiste  echter  Renaissance  zu  schaffen  vermochten.^) 

Um  dieselbe  Zeit  liess  Ferdinand  I  am  Jagdschloss  zum 
Stern  durch  zwei  italienische  Steinmetzen  gewisse  Arbeiten  vor- 
nehmen. Georg  Podiebrad  hatte  1459  das  Schloss  im  Thiergarten 
bei  Prag,  etwa. eine  Stunde  westlich  von  der  Stadt,  am  nord- 
westlichen Abhänge  des  Weissen  Berges,  erbauen  lassen,  wobei 
er  demselben,  zur  Erinnerung  an  seine  erste  Gemahlin  Kunigunde 


0  Die  histor.  Daten  in  Förter's  Banzeit.  a.  a.  0.  und  dazu  eine  Abb. 
Eine  neuere  treffliche  Aufnahme  in  den  Blättern  der  Wiener  Bauschule.  — 
^)  So  wird  wohl  zu  lesen  sein  und  nicht  Georg,  wie  unsere  Quelle  angiebt. 
—  ')  Unsere  Abb.  ist  nach  der  von  der  Wiener  Bauschule  veröffentlichten, 
schönen  Aufnahme  angefertigt. 


g34  UI*  Buch.    RenaiBsance  in  Deutschland. 

von  Stemberg,  die  aufTallende  Fonn  eines  gechsstrahUgen  Sternes 
geben  liesa  Ferdinand  I  legte  hier  einen  Thiergarten  an  und 
umfriedete  denselben  mit  einer  hohen  Mauer.  Im  Innern  des 
Schlosses  liess  er  reiche  Stuckdekorationen  ausfbbren,  zu  denen 
er  die  uns  schon  bekannten  Italiener  Paul  deüa  Stella^  Harn  de 
Spatio  und  dazu  angeblich  einen  Meister  Ferräbosco  dt  Lagno  ver- 
wandte. Zugleich  wurden  mehrere  einheimische  Maler  beauftragt, 
die  Sääle  mit  Gemälden  zu  schmücken.  Das  obere  Stockwerk  er- 
hielt damals  Fussböden  von  glasirten  Backsteinen,  und  das  Gebäude 
wurde  mit  einem  Eupferdach  gedeckt,  an  welchem  man  noch  1565 
zu  arbeiten  hatte.  Auch  Rudolph  II  sorgte  für  weitere  YervoU* 
ständigung  des  künstlerischen  Schmuckes.  Wiederholt  wurden 
in  dem  glänzend  hergerichteten  Lustschloss  FesÜichkeiten  ver- 
anstaltet, namentlich  Bankete  bei  Anwesenheit  fremder  fürstlicher 
Gäste  abgehalten.  Im  Stern  war  es  auch,  wo  der  unglückliche 
Winterkönig  am  31.  October  1619  feierlich  von  den  Vornehmen 
des  Landes  empfangen  wurde,  und  von  wo  er  seinen  Einzug  in 
die  Königsstadt  hielt.  Während  des  dreissigjährigen  Krieges 
hatte  das  Schloss  viel  zu  leiden,  und  bttsste  u.  a.  sein  ganzes 
Kupferdach  ein;  aber  unter  Ferdinand  III  wurde  eine  aber- 
malige Renovation  vorgenommen,  und  Leopold  I  liess  das  Innere 
neuerdings  mit  Gemälden  schmücken.  Aber  unter  Joseph  II  ward 
der  Prachtbau  zum  Pulvermagazin  herabgewürdigt,  welcher  Be- 
stimmung er  jetzt  noch  dient  Nur  1866  während  der  preussischen 
Invasion  erlebte  der  Bau  für  kurze  Zeit  bessere  Tage,  denn  beim 
schleunigen  Zurückweichen  der  Truppen  nahm  die  Stadtgemeinde 
das  Schloss  in  Beschlag  und  entfernte  daraus  die  zum  Hohn  auf 
seine  künstlerische  Bedeutung  und  zu  beständig  drohender  (Gefahr 
fhr  die  ganze  Umgebung  darin  niedergelegten  Pulvermassen.  Da- 
mals strömte  Alt  und  Jung  herbei,  um  sich  an  den  immer  noch 
reichen  Ueberresten  ehemaliger  Pracht  im  Innern  zu  erfreuen, 
und  ein  kunstsinniger  Architekt  benutzte  die  nur  zu  kurze  Frist, 
um  von  den  Stuckreliefs  Zeichnungen  und  Abgüsse  herzustellen.  ^) 
Sogleich  mit  dem  Frieden  nahm  die  Militärverwaltung  das  Gre- 
bäude  wieder  in  ihre  Hand  und  gab  es  seiner  unwürdigen  und 
gefährlichen  Bestimmung  zurück.  Vergeblich  sind  bis  jetzt  alle 
Vorstellungen  von  Freunden  der  Kunst  und  des  Alterthums  ge- 
wesen,, dies  hochoriginale  Bauwerk,  ein  Unicum  seltenster  Art, 


0  Herr  Emil  Hofmeister  in  Prag  hat  sich  in  anerkennenswerther 
Weise  dieser  Mühe  unterzogen.  Ihm  verdanke  ich  nicht  bloss  Abgüsse 
der  Reliefs,  sondern  anch  die  hier  mitg^etheilten  Grundrisse  und  einen  mit 
Sachkenntniss  geschriebenen  Aufsatz,  auf  welohon  meine  Darstelinng  be- 
ruht.   Vgl  dazu  Centr.  Comm.  Mitth.  1867  u.  iS68. 


Kkp.  XII.    Die  OsteTr^hieohen  LBnder.  635 

Beiner  schmachTollen  VernngliiopfuD^  zu  entreissen.  Dennocb 
nrnsa  unabläHig;  diese  Forderung  wiederholt  werden,  am  ein 
peBcliichtlich  und  künstlerisch  bedeutsames  Monument  zd  retten. 
Die  Anlage  des  merkwOrdigeu  Baues  ist  aus  den  beigefBgten 
Grundrissen  Fig.  175.  176  leicht  zu  TCrstehcn.  Hier  nur  einige 
DOthwendige  ErlfinteruDgen.  Der  Äussere  Eindruck  ist  gegen- 
wärtig nach  allen  Beranbungen  und  Verunstaltungen  ein  wttster, 


Fl^.  m.    BcUou  Stani  bei  P»g.    ErJ(HclioM. 

abstossender,  höchstens  durch  die  bizarre  Form  die  Aufmerk- 
samkeit erregend.  Die  kahlen  hohen  Mauern,  welche  in  sechs 
scharfen  Kanten  zusamiaen  stossen,  lassen  jede  Vemerung  und 
Gliederung,  ja  sogar  die  Gesimse  vermissen.  Dies  war  freilieh 
die  ursprüngliche  Absieht  des  Baumeisters;  aber  die  ehemaligen 
Fenster,  die  jetzt  bis  auf  schmale  doppelt  vergitterte  Oeffbungen 
vermauert  sind,  müssen  doch  einen  freundlicheren  Anblick  ge- 
währt haben.    Auch  war  ohne  Frage  das  ursprüngliche  Kupfer- 


g36  ni.  Buch.    Benaissance  in  Deatschland. 

dach  ansprechender  als  das  jetzige  schwere  Ziegeldach,  mit  der 
Unzahl  von  Blitzableitern.  Indess  lag  von  Anbeginn  der  Nach- 
druck auf  der  kttnstlerischen  Ausstattung  des  Innern.  Höchst 
originell  ist  wie  man  sieht  die  Anordnung  des  Grundrisses, 
lieber  einem  Kellergeschoss  erheben  sich  drei  obere  Stockwerke, 
von  denen  das  erste  als  Hauptgeschoss  behandelt  und  dekorirt 
ist  Man  kann  sich  die  Grundform  des  Gebäudes  aus  zwei  gleich- 
seitigen einander  durchdringenden  Dreiecken  entstanden  denken. 
Der  Durchmesser  beträgt  von  Spitze  zu  Spitze  124  Fuss,  und 
die  Entfernung  je  zwei  benachbarter  Spitzen  von  einander  ent- 
spricht dem  halben  Durchmesser.  Im  Kellergeschoss,  Fig.  175, 
bildet  den  Mittelpunkt  ein  kreisförmiger  Raum  mit  niedrigem 
Kuppelgewölbe,  die  Wandflächen  von  sechs  einfachen  kleineren 
Nischen  und  sechs  radialen  Durchgängen  belebt,  welche  die  Ver- 
bindung mit  dem  ringförmigen  Umgang  vermitteln.  In  den  Spitzen 
des  Sternes  sind  kleinere  Bäume  angebracht,  die  durch  Ab- 
schneiden der  Dreieckspitzen  die  Form  eines  ungleichseitigen 
Sechsecks  erhalten  haben.  Diese  Räume  stehen  ebenfalls  mit 
dem  ringförmigen  Gange  in  Verbindung.  Sie  empfingen  ehemals 
durch  zwei  Fenster  ein  genügendes  Licht;  dagegen  erhielt  der 
centrale  Kuppelraum  nur  durch  die  vier  Fenster  des  äusseren 
Ganges,  und  zwar  mittelst  der  in  die  Axe  desselben  gestellten 
Eingänge  ein  secundäres  Lieht.  In  einer  der  sechs  Stemspitzen 
ist  das  sehr  primitive  Treppenhaus  angelegt.  Die  Höhe  der 
durchgängig  gewölbten  Räume  beträgt  12  Fuss.  In  höchst  be- 
merkenswerther  Weise  unterscheidet  sich  das  obere  Geschoss 
(Fig.  176).  Sein  Treppenhaus  umschliesst  in  dem  inneren  Kern 
eine  kleinere  Wendelstiege,  und  ist  überhaupt  geräumiger  und 
stattlicher  angelegt.  Der  Unterschied  des  ganzen  Grundplans 
von  dem  des  unteren  Geschosses  beruht  aber  darauf,  dass  ein 
mittlerer  hochgewölbter  zwölfeckiger  Kuppelraum  von  24  Fuss 
Durchmesser  und  18  Fuss  Scheitelhöhe  strahlenförmig  sechs  breite 
Corridore  von  sich  ausgehen  lässt,  die  in  der  Umfassungsmauer 
auf  Fenster  mttnden  und  dadurch  dem  Centralraume  ein  freilich 
gedämpftes  secundäres  Licht  zuführen.  Zwischen  diesen  Corri- 
doren  bilden  sich  in  den  Sternspitzen  rautenförmige  Säle,  welche 
durch  Abschneiden  der  beiden  spitzen  Winkel  ein  ungleichseiti- 
ges Sechseck  werden.  Sie  stehen  durch  weite  ThüröfTnungen 
mittelst  der  Corridore  unter  einander  und  mit  dem  Hauptsaale 
in  Verbindung.  In  den  abgestumpften  Ecken  sind  diese  Säle, 
deren  Längendurcbmesser  33  Fuss  bei  23  Fuss  Breite  enthält, 
mit  kleinen  Wandnischen  ausgestattet,  die  mit  polirten  Marmor- 
platten bekleidet  sind  und  ohne  Zweiifel  für  Büsten  oder  Statuen 


K4p.  XIL    Die  ÖBteireichiBchen  Linder.  637 

bestimmt  waren.  Vod  den  HarmorpUtten  dea  Fj^Bsbodeos  sind 
nur  geringe  Reste  erhalten;  TölÜg  yenchwanden  ist  die  klLnst- 
lerische  Bekleidiuig  der  W&nde ;  dagegen  sind  sAmmtliche  Stuck- 
dekorationen der  gewttibten  Decken  im  Mittelraum,  den  Gorri- 
doren  und  den  fUnf  Ecksfilen  noch  vollatftndig  erhalten.  Durch 
die  wahrhaft  geniale  Eintheiluog,  die  in  jedem  Räume  neue  Mo- 
tive  anwendet,   gich  airgenda  wiederholt,   mit  dem  feinsten  Zug 


la  aurn  b«l  P»(. 


architektonischer  Linien  unerachöpflichen  Reichthnm  der  Phautasie 
und  meiaterhafte  technische  AusfUhrung  Terbindet,  gehören  diese 
Weike  nobedingt  zu  den  grösaten  Schätzen  der  Renaisgance- 
dekoration  diesseits  der  Alpen.  Nur  bei  den  Corridoren  herrscht 
in  der  Eintheilung  der  Felder  daa  Gesetz  rbythmiacher  Wieder- 
kehr, so  dasB  der  zweite  dem  vierten  und  sechsten  entspricht 
der  dritte  dem  fünften  und  nur  der  erste  als  Eiogang  eine  ge- 
sonderte Behandlung  zeigt.    In  die  zart  umrahmten  und  geglie- 


638  ^^'  Bach.    Renaissance  in  Deutschland. 

derten  Felder  sind  Rosetten,  Laubwerk  und  Masken  geschickt 
vertheilt;  den  Mittelpunkt  der  Dekoration  jedes  Raumes  bildet 
aber  eine  mythologische  Figur,  die  jedesmal  in  einem  «H^nisehen 
Zusammenhange  mit  der  übrigen  Dekoration  steht  und  dieselbe 
in  sinnvoller  Weise  beherrscht  In  der  Ausführung  dieser  Werke 
waltet  jene  geniale  Leichtigkeit'  des  Skizzirens  aus  freier  Hand, 
wie  wir  sie  in  antiken  Dekorationen  und  dann  wieder  in  den 
besten  Werken  der  italienischen  Renaissance  finden.  Es  wird 
wohl  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  diese  Arbeiten  auf  Italiener 
zurückzuführen  sind.  Wenn  man  ohne  Weiteres  annimmt,  dass 
dieselben  aus  der  Zeit  Ferdinands  I  stammen,  so  kann  ich  weder 
unbedingt  bejahen  noch  verneinen,  da  die  jetzige  Verwendung 
des  Gebäudes  eine  Untersuchung  unmöglich  macht.  Bemerken 
muss  ich  jedoch,  dass  die  Proben,  welche  ich  in  Abgüssen  ge- 
sehen habe,  eher  auf  die  Zeit  Rudolphs  II  zu  deuten  schienen. 

Dass  neben  diesen  kaiserlichen  Bauten  bald  auch  der  hohe 
Adel  zu  künstlerischen  Unternehmungen  schritt,  erkennt  man  an 
dem  stattlichen  Palast  Schwarzenberg  auf  dem  Hradschin, 
einem  Bau  vom  Jahre  1545.  Zwei  im  rechten  Winkel  zusammen- 
stossende  Flügel  bilden  den  Hauptbau.  Die  hohen  Giebel  sind 
derb  und  breit  geschweift,  die  Gesimslinie  des  Daches  wird  durch 
eine  Reihe  kleinerer  vorgesetzter  Giebel  in  Volutenform  bekrönt 
Dies  ist  ein  den  slavischen  Gegenden  eigenthümliches  Motiv,  das 
sich  z.  B.  am  Rathhause  zu  Brüx  und  der  Tuchhalle  zu  Kr a kau 
wiederfindet.  Die  ganzen  Flächen  des  Palastes  sind  übrigens 
verputzt  und  mit  Sgraf fiten,  meist  facettirten  Quadern,  aber  auch 
freiem  Ornament  dekorirt  Schon  hier  also  ist  keine  Einwirkung 
der  italienischen  Arbeiten  vom  Belvedere  zu  spüren. 

Aber  auch  an  städtischen  Bauten  kommt  die  Renaissance 
bald  zur  Verwendung.  So  sieht  man  am  Altstädtischen  Rath- 
haus,  einem  im  Wesentlichen  gothischen  Bau,  über  dem  rund- 
bogigen  Doppelportal  eine  Fenstergruppe  selbdritt  mit  höherem 
und  breiterem  Mittelfenster,  in  zierlicher  Frührenaissance  deko- 
rirt. Eannelirte  Pilaster  mit  Füllhörnern  in  den  frei  korinthisiren- 
den  Kapitalen  bilden  die  Einfassung,  dies  Alles  in  etwas  scharfer 
und  trockner  Behandlung,  aber  mit  einem  schönen  Bandfries 
verbunden.  Darüber  in  der  Mitte  ein  Rundbogenfeld  mit  elegant 
antikisir ender  Gliederung,  welche  das  Wappen  umschliesst  Im 
Fries  liest  man:  Praga  caput  regni.  Ueber  den  Seitenfenstem 
dagegen  sind  wunderlich  gothisirende  Aufsätze  fialenartig  ange- 
bracht So  wächst  also  hier  wie  in  den  meisten  Gegenden 
Deutschlands  die  Renaissance  noch  mit  der  Gothik  zusammen. 
Das  Eisengitter  ist  aus   späterer  Zeit,  dagegen  sieht  man  ein 


Kap.  XU.    Die  GsterreiehiBchen  Länder.  641 

schönes  Gitter  yon  1560  an  dem  Ziehbrunnen  auf  dem  Kleinen 
Ring.  Aus  den  trefflich  gearbeiteten  Schnörkeln  entwickeln  sich 
Eichblätter  und  Eicheln,  sowie  vergoldete  Figttrchen.  Auch  in 
der  Thür  eines  Privathauses  an  demselben  Platze  ein  schönes 
Eisengitter.  Zum  Herrlichsten  gehört  aber  das  Gitter,  welches 
im  Dom  das  Grabmal  Karls  IV  umgiebt  *)  Im  Uebrigen  hat  die 
gute  Renaissancezeit  in  Prag  wenig  Spuren  hinterlassen.  Nur 
auf  dem  Rossmarkt 'ist  mir  ein  hohes  Giebelhaus,  jedoch  ohne 
feinere  Durchbildung,  aufgefallen. 

Dagegen  steht  am  Ausgang  der  Epoche  der  Palast  Wald- 
stein, 1629  von  dem  grossen  Wallenstein  erbaut  Die  Fa^ade 
zeigt  den  etwas  trocknen  italienischen  Palaststil  der  Zeit,  mit 
einigen  barocken  Elementen,  besonders  in  geschweiften  Voluten 
versetzt  Der  ungefähr  quadratische  Hof  ist  ähnlich  behandelt; 
an  der  Eingangsseite  und  dem  gegenüberliegenden  Flügel  mit 
drei  Reihen  von  Halbsäulen  dekorirt,  und  zwar  in  dorischer, 
toskanischer  und  ionischer  Ordnung.  An  den  beiden  andern  Sei- 
ten fehlen  diese  Ordnungen  in  wohlberechneter  Absicht,  um  eine 
Steigerung  für  die  Hauptfa^aden  zu  ermöglichen.  Sämmtliche 
Fenster  sind  im  Rundbogen  geschlossen,  die  Bögen  von  Gesim- 
sen begleitet,  welche  an  den  Seiten  mit  verkröpften  Rahmen  ver- 
bunden sind.  Nur  im  Erdgeschoss  zeigen  die  Fenster  geraden 
Sturz  und  schöne  Eisengitter.  Im  Innern  ist  der  grosse  Saal 
bemerkenswerth,  der  im  Vorderhause  zwei  Geschosse  einnimmt, 
von  einem  Spiegelgewölbe  mit  Stichkappen  bedeckt  Die  Deko- 
ration, unter  welcher  ein  grosser  Kamin  hervorragt,  ist  in  derbem 
Barockstil  gehalten.  Neben  der  sehr  bequem  ansteigenden  Treppe 
fehlt  nicht  die  Palastkapelle,  sehr  klein  aber  ungemein  hoch,  mit 
einer  Empore  und  reicher  Dekoration  in  Stuck  und  Malerei. 

Alles  dies  ist  künstleriscji  keineswegs  hervorragend.  Dagegen 
gehört  die  gigantische  Halle  (Fig.  177),  welche  an  der  Rück- 
seite des  Palastes  sich  gegen  den  Garten  mit  seinen  herrlichen 
Laubmassen  und  Baumgruppen  öffnet,  zu  den  gewaltigsten  Schö- 
pfungen der  Zeit;  ja  ich  wüsste  weder  diesseits  noch  jenseits 
der  Alpen,  wenn  man  etwa  die  in  ganz  anderem  Sinn  und  in 
anderer  Zeit  errichtete  Loggia  de'  Lanzi  ausnimmt,  eine  andere 
Halle,  die  an  vornehmer  Majestät  sich  mit  diesem  Werke  messen 
könnte.  Der  Bau  kommt  der  Höhe  des  ganzen  Palastes  gleich, 
ist  an  den  Seiten  mit  Mauern  und  kräftigen  Stimpfeilem  ein- 
geschlossen und  öflftiet  sich  nach  vorn  auf  gekuppelten  Säulen 
mit  Bögen  von  gewaltiger  Höhe  und  Weite.    Die  Dekoration  ist 


»)  Mitth.  d.  Centr.  Comm.  XV.  1870.  p.  60. 

Kngl^r,  Getcb.  d.  Bauknntt.    V.  41 


642  ni.  Bmch.    BenaiMuuse  in  Dentsehknd. 

aUerding^s  schon  stark  barock,  aber  durch  Yerbindung  von  Malerei 
und  Reliefs  ron  reicher  Wirkung.  Inmitten  der  heissen  lärmen- 
den Stadt  ist  hier  in  freier  Qartenumgebung  ein  Raum  geschaffen, 
der  den  Genuss  köstlicher  Stille  und  Zurtlckgezogenheit  bietet. 
An  die  eine  Seite  stosst  ein  Badecabinet,  als  Tropfsteingrotte 
charakterisirt,  an  die  andere  ein  kleines  Zimmer  mit  Tonnen- 
gewölbe, reicher  Barockdekoration  und  gemalten  Scenen  der  an- 
tiken Heldensage.  Die  Fenster  sind  mit  schönen  Eisengittern 
verwahrt  An  diesen  Flttgel  schliesst  sich  eine  Tropfsteingrotte, 
die  als  Vogelhaus  angelegt  ist  Mit  diesem  mächtigen  Bau 
ist  die  äusserste  Grenze  der  Renaissance  in  Prag  erreicht,  ja 
zum  Theil  schon  flberschritten.  — 

In  den  übrigen  Theilen  Böhmens  werden  zahlreiche  Werke 
der  Renaissance  angeführt,  ttber  deren  Mehrzahl  ich  indess  nicht 
aus  eigner  Anschauung  berichten  kann«  Nach  den  zuTcrlässigen 
Notizen  eines  sachkundigen  Freundes  >)  bewegt  sich  im  Allgemei- 
nen die  Renaissance  Böhmens  in  ähnlichen  Bahnen,  wie  die  der 
meisten  deutschen  Länder.  Auch  hier  scheint  der  fremde  Stil, 
abgesehen  von  jenen  einzelnen  glanzvollen  Leistungen  fremder 
Künstler,  von  denen  wir  schon  sprachen,  mit  einer  gewissen 
Energie  von  d^n  einheimischen  Meistern  ergriffen,  umgestaltet 
und  mit  den  Traditionen  der  Gothik  verschmolzen  worden  zu 
sein.  Künstler  in  der  Richtung  des  schon  genannten  Benesch 
von  Laun  hat  es  offenbar  mehrfach  im  Lande  gegeben.  So  ent- 
stand denn  auch  hier  zunächst  ein  Misch-  und  Uebergangsstil, 
der  noch  jetzt  in  manchen  Werken  sich  erkennen  lässt  Bemer- 
kenswerth  als  Symptom  von  der  geistigen  Selbständigkeit  des 
Landes  ist  sodann,  dass  neben  den  Schlössern  der  Fürsten  und 
des  Adels  auch  das  Bttrgerthum  in  den  Städten  durch  den  Bau 
von  Rathhäusem  und  Wohngebäuden  sich  an  der  künstlerischen 
Bewegung  der  Zeit  betheiligt 

Um  zunächst  mit  diesen  zu  beginnen,  so  bietet  das  schon 
erwähnte  Rathhaus  zu  Brüx  vom  J.  1560  bei  geringem  Werth 
der  künstierischen  Ausführung  doch  durch  seine  Anlage  ein 
Ganzes  von  originellem  Eindruck.  Seine  langgestreckte  Fa^ade, 
die  Westseite  des  Marktes  begränzend,  öffnet  sich  mit  theils  rund- 
bogigen,  theils  spitzbogigen  Arkaden.  An  der  südlichen  Ecke 
springt  ein  viereckiger  Thurm  mit  einem  in  Böhmen  beliebten 


0  Prof.  B.  Grneber  hat  die  Güte  gehabt,  mich  aas  seiner  reichen 
KenntnisB  des  Landes  mit  Nachrichten  zn  unterstützen.  Da  wir  von  ihm 
demnächst  eine  ansftihrliche  Geschichte  der  Renaissance  in  Böhmen  zm  er* 
warten  haben,  so  mögen  bis  dahin  die  nachfolgenden  kurzen  Bemerkungen 
genügen. 


K^».  Xn.    Die  (teterrdohiicheik  Under.  ^3 

Sehweifdaehe  vor,  im  ErdgeBchoBS  ebenfsUs  eine  SpitzbogenhaUe 
bildend.  Vor  Bämmtliche  Arkadenstfltzen  sind  derbe  Strebepfeiler 
gelegt,  die  mit  geschweiften  Giebeln  abschliesBen.  Dies  Alles  so- 
wie der  reiche  Freskenschmack  der  Fa$ade,  die  freilich  spätere 
Erneuerungen  verrftth,  giebt  dem  Ganzen  eine  pikante  Wirkung 
trotz  des  geringen  Materials  und  der  flüchtigen,  fast  rohen  Aus- 
führung in  verputztem  Backstein.  Das  Bogenportal,  an  den 
Seiten  mit  Sitznischen,  hat  in  der  Archiyolte  und  den  Zwickeln 
hflbsches,  wenn  auch  nicht  eben  feines  Laubwerk;  in  der  Mitte 
das  Brustbild  des  Baumeisters.  Im  Innern  fflhrt  eine  geradläufige 
Treppe  mit  Podest,  deren  Geländer  gothisches  Maasswerk  mit 
eleganten  Benaissance-Bosetten  zeigt,  zu  einem  stattlichen  Vor- 
saal,  dessen  Sjreuzgewölbe  auf  einer  Reihe  tüchtig  behandelter 
toskanischer  Säulen  ruhen.  An  den  Gewölben  sind  in  Stuck  alleiv 
lei  Ornamente,  Sterne,  Rauten,  Kreuze  n.  dgL  ausgeführt 

lieber  die  Bauten  der  anderen  Landestheile  stelle  ich  einige 
Notizen  zusammen,  die  der  weiteren  Ausführung  bedürfen.  Ein 
besonders  früher  Bau  (1539)  ist  das  Bathhaus  zu  Leitmeritz. 
Wie  weit  derselbe  schon  die  Renaissanceformen  auMmmt,  ver- 
mag ich  nicht  anzugeben.  Der  spätesten  Entwicklung  des  Stiles 
gehören  die  Rathhäuser  von  Reichenberg  (1600)  und  Wessely 
(1614)  an.  In  Olmütz  vertritt  das  Rathhaus  seinem  grösseren 
Theile  nach  die  Renaissance.  Im  Ganzen  scheinen  aber  die 
Rathhäuser  in  Böhmen  und  Mähren  nicht  die  hervorragendste 
Partie  der  Entwicklung  zu  bilden.  Auch  der  bürgerliche  Privat- 
bau hat  nnr  Einiges  von  Bedeutung  aufzuweisen.  Zwei  schöne 
Häuser  am  Marktplatz  zu  Pilsen,  mehrere  Fa^aden  in  Kutten- 
borg,  das  durch  die  Fülle  seiner  gothischen  Denkmäler  sich  den 
wichtigsten  Architekturstätten  des  Landes  anreiht  —  Mehrere 
Privathäuser  in  Wittingau,  das  eine  von  1544,  zeichnen  sich 
durch  Rundbogen- Arkaden  auf  abgefasten  Pfeilern  aus.  Der  ab- 
getreppte Giebel  ist  entweder  mit  Zinnen  bekrönt,  zwischen  wel- 
chen Rundthürmchen,  ebenfalls  mit  Zinnen  endigend,  aufsteigen, 
oder  die  einzelnen  Absätze  haben  ein  Halbkreisfeld  alsAbschluss.^) 
Mehrere  Fa^aden  in  Budweis  sind  ähnlich  behandelt^)  In 
Mähren  besitzen  Brunn  und  Olmütz  einige  Renaissancehäuser. 

Der  Schwerpunkt  liegt  auch  hier  im  Schlossbau.  lieber  alle 
Theile  des  Landes  ist  eine  ansehnliche  Zahl  von  Bauten  des 
hohen  Adels  versti-eut,  die  zuerst  noch  jenen  mit  gothischen  Ele- 
menten versetzten  Mischstil  zeigen,  in  den  letzten  Decennien  des 


«)  MItth.  der  Centr.  Conan.  1868.    p.  XCVI  mit  Abb.  —  «)  Ebenda, 
mit  Abbild. 

41* 


g'44  '  I^I-  Buch.    Renatesance  in  Deutschland. 

16.  Jahrb.  aber  die  Formen  der  ausgebildeten  nordischen  Renais- 
sance vertreten.  Dabin  gehören  das  nur  tbeilweise  erhaltene 
Scblösscben  Ben^sen  unweit  Bodenbacb;  das  Scbloss  zu  Wit- 
tingau;  der  grösste  Theil  des  Scblosses  Erumau,  diese  beiden 
mit  eleganten  Säulenarkaden  im  Hofe;  das  als  sehr  bemerkens- 
wertb  bezeichnete  Sohloss  Schwarz-Kosteletz  von  1570,  unweit 
der  Station  Böhmischbrod.  Sodann  die  Schlösser  zu  Wittingau, 
zu  Neuhaus  und  zu  Friedland;  das  der  spätesten  Zeit  ange- 
hörende Scbloss  Blatna  (1612);  endlich  das  Scbloss  zu  Bischof- 
Teinitz  an  der  bairischen  Gränze;  Scbloss  Smetschna  und  der 
Thurm  des  Schlosses  Kost.  Vom  Waldsteinschloss  in  Gitschin 
ist  nur  ein  Theil  erhalten;  in  Mähren  dagegen  bietet  das  Scbloss 
zu  Nikölsburg  eine  bedeutende  Anlage  der  späteren  Zeit. 

.  In  einigen  Theilen  des  Landes,  namentlich  im  Nordosten, 
kommt  der  im  ganzen  slavlschen  Gebiet  einheimische  Holzbau 
vielfach  zur  Verwendung  und  erhält  manchmal  kflnstlerische  Ge- 
stalt Es  ist  Blockwandbau,  wie  ihn  z.  B.  das  Ratbhaus  in  Se- 
^mil  in  origineller  Behandlung  zeigt  Eine  Laube  auf  hölzernen 
Säulen  ist  vorgebaut;  die  Spitze  des  Giebels  krönt  ein  Glocken- 
thürmchen.  Wie  lange  dieser  naturwüchsige  Stil  hier  geherrscht 
hat,  erkennt  man  an  einigen  Häusern  in  Hohenelbe,  welche 
erst  um  1730  entstanden  sind.^)  Sie  zeigen  die  Elemente  der 
Holzconstruction  auf  kräftig  originelle  Weise  in  die  Formen  der 
Spätrenaissance  tibersetzt 


Xm.  Kapitel. 
Die  nordSstlichen  Binnenländer. 


Früher  als  irgend  eine  andere  Provinz  Deutschlands  hat 
Schlesien  die  Renaissance  aufgenommen  und  in  monumentalen 
Werken  angewendet  3)  Das  erste  Auftauchen  der  neuen  Formen 
bemerken  wir  hier  an  einem  Grabmal  der  Elisabethkirche  zu 
Breslau,  das  bald  nach  1488  entstanden  sein  muss.  Es  ist,  so 
weit  wir  wissen,  das  früheste  Datum  eines  Renaissancewerkes  im 
ganzen  Norden.    Als  sodann  Bischof  Johannes  Thurso  die  alte 


0  MitiL  der  Centr.  Ck)mm.  1870.  p.  LXH  mit  Abb.  —  >)  Schätzbare 
.Notizen  in  der  fleissigen  Arbeit  von  A.  Schultz,  Schlesiens  Kunstleben 
im  15.  bis  18.  Jahrh.    Breslau  1872.    4.    Mit  Abbild. 


Kap.  Xin.    Die  nordtMlicheB  ^iDnenlünder. 


Rnr;  Eallenatein,  zwischen  Neisse  uod  Glatz,  abtragen  tmd  das 
neue  Schloss  Jobanniaberg  emohten  lioBs,*}  bracbte  er  1509 
bei  Vollendimg  des  Baues  sein  Wappen  an,  das  mit  den  beglei- 
tenden Sirenen,  den  aus  gothiscliem  Laubwerk  und  ionischen 
Kapitalen  selteam  gemischten  Sfiulen,  den  als  Bögen  verwendeten 
Delphinen  eine  wenn  auch  noch  phantastisch  confuse  Renaissance 
zeigt.*)  (Fig.  178.)  Dagegen  tritt  der  neue  Stil  mit  grosser 
Sicherheit  und  Opulenz  schon  1517  am  Portal  zur  Sakristei  im 
Dom  zu  Breslau  auf.  Gemischt  mit  gothischen  Elementen  findet 
man  ihn  1527  am  Kapitelhause  daselbst  Um  diese  Zeit  scheint 
hier  der  Sieg  der  neuen  Kunstweise  entschieden.  Nicht  bloss 
von  geistlichen  Bauherren,  auch 
in  bürgerlichen  Kreisen,  die  ander- 
wärts so  lange  widerstanden  und 
so  zähe  am  Ueberlieferten  fest- 
hielten, wird,  wenn  auch  bis- 
weilen noch  mit  Keminiscenzen 
an  die  heimische  Kunst  des 
Mittelalters ,  die  Renaissance 
energisch  aufgenommen.  Wir  be- 
gegnen ihr  1521,  mit  spfitgothi- 
sehen  Elementen  versetzt,  am 
Stadthause  zu  Breslau;  I52B  an 
dem  prächtigen  Portal  im  Erd- 
geecboss  des  Rathbauses;  endlich 
in  demselben  Jahre  bereits  an 
einem  mächtigen  Bflrgerhause 
„zur  Krone"  auf  dem  Ringe. 
Solch  frohes,  einmtlthiges  Hin- 
geben an  den  neuen  Stil  finden  wir  nirgend  sonstwo  in  Deatsoh- 
land.  Suchen  wir  den  Grund  dieser  Erscheinung  zu  erkennen. 
Wir  haben  es  mit  einem  Gräuzlande  zu  tban,  wo  seit  dem 
12.  Jahrhundert  durch  deutsche  Ansiedler  inmitten  slariscber 
Bevölkerungen  deutsche  Sitte  und  Bildung  verbreitet  worden  war.*) 


■}  Nie.  Pol,  Jahrb.  der  Stadt  Breslan,  heraasgeg.  v.  BttBching  (Bieslaa 
1BI3.  4).  II,  1S&.  —  ■)  Die  Abb.  nach  einer  Photographie,  die  ich  der 
Gute  des  um  die  Scblesiache  KnDBtgeBcbichte  hochverdienten  Herrn  Dr. 
Luchs  verdanke  Die  InBchrift  ist  nicht  minder  boBeichnend ;  .Johannes  V 
epiacopn^  VratiaL  hanc  arcem  divo  Johanni  Bapt.  aacravit  et  ereiit.*  — 
*)  üeber  das  Geschichtl.  vgl.  hee.  Sonunersberg,  Scriptt.  rer.  SileBiac.  and 
SteDEel'a  Samml.  unter  dema.  Titel;  Stenzel'a  nnd  TzBchoppe'e "Orkunden- 
aammlung;  Menzel,  Geacb.  SchlcBiena-,  Stenzel,  Geach.  von  Schlesien  a.  a.  m. 


646  IQ*  Buch.    BeftaiBsance  in  Dentsehland. 

Allein  zwischen  den  beiden  mächtigen  Königreiolien  Polen  nnd 
Böhmen  g;elegen,  wurde  Schlesien^  das  mit  dem  deutschen  Reiche 
nicht  in  politischer  Verbindung  stand,  lange  Zeit  zum  Spielball 
und  Zankapfel  seiner  Nachbarn,  bis  es  sich  unter  die  Oberhoheit 
der  Krone  Böhmen  stellte  und  durch  Karl  IV  dauernd  mit  die- 
sem Lande  rereinigt  wurde.  Das  15.  Jahrh.  brach  unheilyoU 
ttber  Schlesien  herein;  durch  die  verheerenden  Zttge  der  Hussiten- 
schaaren,  durch  die  Kämpfe  gegen  Georg  Podiebrad  Wurde  das 
Land  zerrtfttet  und  verwflstet  Erst  durch  den  Schutz  des  mäch- 
tigen Matthias  Gorvinus  (1469)  kehrte  Ruhe  und  Frieden  zurück. 
Handel  und  Veriiehr  hob  sich  und  dehnte  sich  nach  allen  Seiten 
aus;  mit  dem  Anbruch  des  16.  Jahrhunderts  gehörte  Schlesien 
zu  den  blühendsten  und  wohlhabendsten  Proyinzen  Deutschlands. 
Besonders  war  es  die  glückliche  Lage  Breslaues,  welche  die 
ausgedehntesten  kaufmännischen  Unternehmungen  begünstigte. 
Wenifer  durch  eigenen  Oewerbfleiss  als  durch  den  lebhaft  und 
mit  umsichtiger  Kühnheit  betriebenen  Handel  that  die  schon  da« 
mals  mächtig«  Stadt  sich  hervor.  Auf  der  Gränze  zwischen  Süd- 
und  Norddeutsehland  gelegen,  zugleich  gegen  den  slavischen  Osten 
als  äusserster  Punkt  germanischer  Kultur  vorgeschoben ,  wurde 
sie  ein  wichtiges  Emporium  für  den  Verkehr  zwischen  Osten  und 
Westen,  Sudan  und  Norden.  Nicht  bloss  Augsburger  und  Nüm-* 
berger,  selbst  Venezianer  Häuser  hatten  ihre  Niederlassungen  in 
Breslau;  umgekehrt  gründen  die  Breslauer  ihre  Filialen  in  den 
Städten  Sflddeutsehlands,  Flanderns  und  Italiens.  Der  Verkehr 
erstreckte  sich  bis  Venedig  im  Süden,  bis  Brabant  und  England 
im  Nordwesten,  ostwärts  bis  Preussen  und  Russland,  Ungarn  und 
die  Walachei.  Ja  über  Polen  suchten  die  muthigen  Kaufleute 
den  Weg  bis  in  den  fernsten  Osten,  ohne  sich  durch  barbarische 
Gesetze  abschrecken  zu  lassen,  wie  jenes  in  der  polnischen  Stadt 
Plotzko,  welches  den  Breslauer  Bürger  Hans  Bindfleisch,  der  in 
der  Herberge  dort  von  seinem  Wirthe  bestohlen  worden  war, 
zwang  den  Dieb  selbst  an  den  Galgen  zu  hängen,  wenn  er  nicht 
von  ihm  aufgeknüpft  werden  wollte.^)  Eingeführt  wurden  namen^ 
lieh  niederländische  und  englische  Tuche,  Gewürze,  Salz  und  Wein, 
Häringe,  Aale  und  Lachse ;  die  Ausfuhr  erstreckte  sich  auf  Wolle, 
Eisen,  Steine,  Getreide,  Wein  und  Bier.  Obwohl  1506  schon  ge- 
klagt ward,  der  Handel  mit  Polen  und  Russland  habe  sich  nach 
Posen  hingezogen,  kann  man  im  Gedeihen  der  Stadt  keine  Ab- 
nahme bemerken.  Vielmehr  steht  die  Macht  der  schlesischen 
Städte  auf  ihrem  Höhepunkt,  und  wo  etwa  adlige  Sehnapphähne 


^)  Klose,  Breslau  in  Stenzel,  scriptt.  III,  59. 


Kap.  Xm.   Die  nordOgtUchen  BianenlXiider.  647 

den  Verkehr  zu  stören  wagen,  macht  man  mit  ihnen  kurzen 
ProzeMy  wie  mit  dem  berttchtigten  Schwarzen  Christoph  von  Bej- 
eewitz,  der  1513  zu  Liegnitz  an  den  Galgen  gehenkt  wurde. 

Aber  es  bleibt  nicht  bloss  bei  solchem  kräftigen  Verfolgen 
materieller  Interesse.  Der  schlesische  Volksstamm,  als  ftusser- 
ster  Vorposten  gegen  den  kulturlosen  slavisehen  Osten  gestellt, 
wahrt  mit  hoher  geistiger  Regsamkeit  sein  Vorrecht,  an  den 
Grftnzmarken  deutsche  Sitte  und  Bildung  auszubreiten.  Breslau 
Tersucht  1505  wiederholt,  jedoch  yergebens,  Tom  p&pstlichen 
Stahl  die  Erlaubniss  zur  Gründung  einer  Universität  zu  erlangen. 
Dasselbe  ist  bei  Liegnitz  der  Fall.  Luthers  Lehre  wird  im  gan- 
zen Lande  schnell  und  freudig  aufgenommen,  die  Reformation 
gelangt  ohne  Kampf,  fast  ohne  Widerspruch  zur  Durchf&hrung. 
Nicht  bloss  die  Fttrstengeschlechter  des  Landes  neigen  sieh  ihr 
zu,  auch  die  Städte  wetteifern  in  ihrer  Förderung.  In  Breslau 
f&hrt  Johann  Hess  aus  Nürnberg,  der  1522  als  Pfarrer  an  die 
Magdalenenkirche  berufen  wird,  schon  1525  die  neue  Lehre  voll- 
ständig durch.  Zwar  bleiben  der  Bischof  sammt  dem  Domkapitel, 
den  Stiftern  und  SSöstem  der  alten  Kirche  treu;  aber  fast  das 
ganze  Land  wendet  sich  von  ihr  ab.  Damit  geht  ein  frisches 
Aufblühen  der  Wissenschaften  Hand  in  Hand.  Gelehrte  Schulen 
werden  in  Breslau,  Brieg  und  Goldberg  gestiftet;  namentlich  die 
letztere  erlangt  unter  Valentin  von  Trotzendorf  weitverbreiteten 
Ruf,  so  daos  nicht  bloss  aus  Deutschland,  Böhmen  und  Polen, 
sondern  selbst  aus  Ungarn,  Litthauen  und  Siebenbtbrgen  Schaaren 
von  Lernbegierigen,  namentlich  aus  dem  Adel,  ihr  zuströmen. 
Thomas  von  Rhediger  bringt  auf  langjährigen  Reisen  einen  Schatz 
von  Handschriften,  Büchern  und  Kunstsachen  zusammen,  die  er 
1575  seiner  Vaterstadt  Breslau  vermacht  und  damit  den  Grund 
zur  Elisabethbibliothek  legt  Erst  mit  Kaiser  Rudolph  H  beginnt, 
wie  in  den  übrigen  österreichischen  Provinzen,  auch  in  Schlesien 
die  Verfolgung  und  Unterdrückung  des  Protestantismus.  Die 
Jesuiten  vollführen  auch  hier  ihr  Werk  der  Geisterknechtung,  und 
für  Schlesien  hebt  jene  unselige  Epoche  an,  welche  erst  mit  der 
preussisehen  Besitzergreifung  ein  Ende  nimmt  Dennoch  lässt 
sich  der  elastische  Geist  dieses  begabten  Volksstammes  nicht 
ganz  unterdrücken,  und  die  Erneuerung  der  deutschen  Poesie 
findet  hier  ihren  Ausgangspunkt 

Kein  Wunder,  dass  unter  solchen  Verhältnissen  die  Kunst 
der  Renaissance  rasche  Aufnahme  fand.  Wieder  bestätigt  sich 
die  Wahrnehmung,  dass  die  der  geistigen  Bewegung  der  Refor- 
mation zugethanen  Volksstänune  Deutschlands  auch  für  die  Er- 
neuerung der  Kunst  das  Meiste  gewirkt  haben.   Noch  ein  Umstand 


648  ^21-  BncL    Reniussance  in  Deutschland. 

—  und  zwar  ein  negativer  —  kam  diesem  Streben  zu  Statten» 
In  Städten,  wo  wie  in  Nürnberg  eine  mächtig  ausgebreitete  und 
tief  gewui'zelte  Kunst  seit  Jahrhunderten  blühte,  haftete  die  Mehr- 
zahl der  Meister  so  fest  an  den  Traditionen  des  Mittelalters,  dass 
sie  nur  schwer  und  langsam  (mit  Ausnahme  etwa  eines  Peter 
Vischer  und  Dürer)  sich  einer  völlig  neuen  Kunst  zuwandten. 
Anders  in  Schlesien.  Hier  hat  zwar  das  ganze  Mittelalter  zahl- 
reiche Werke  der  Kirchenbaukunst  hervorgebracht  und  dieselben 
mit  bildnerischem  Schmuck  aller  Art  ausgestattet;  aber  kein  Werk 
ersten  Banges  und  höchster  künstlerischer  Bedeutung,  keine  wahr- 
haft originale  Leistung  ist  darunter  anzutreffen.  Die  einzige 
eminent  grossartige  Schöpfung  jener  Zeit  ist  hier  —  bedeutsam 
genug  —  ein  Profanbau:  das  mächtige  Breslauer  Rathhaus.  Wir 
finden  sogar,  dass  wo  man  etwas  Ausgezeichnetes  verlangte,  aus- 
wärtige Künstler  herbeigezogen  wurden.  So  fertigte  Peter  Vischer 
1496  das  Grabmal  Bischof  Johanns  IV,  das  man  noch  jetzt  im 
Dom  sieht  Ein  anderer  NiLmberger  Meister  Hans  Pleydenwurff 
muss  eine  Tafel  für  den  Hochaltar  der  Elisabethkirche  machen«  0 
Ein  andres  Mal  beruft  man  einen  Meister  Benedict,  Maurer  zu 
Krakau,  weil  es  »grosse  Nothbaue''  zu  Breslau  gebe.^)  Dieser 
Benedict  kommt  in  dei;  That  151 S  als  Stadtbaumeister  vor.  3) 
Dagegen  wird  ein  Breslauer  Künstler  Jost  Tauchen  vom  Erzbischof 
Johann  von  Gnesen  beauftragt,  ihm  sein  Grabdenkmal  mit  eher- 
nem Bildniss  auszuführen.^)  Genug:  wenn  auch  Schlesien  sich 
lebhaft  am'  künstlerischen  Schaffen  der  Zeit  betheiligte,  so  befin- 
den wir  uns  hier  doch  nicht  in  einem  der  Mittelpunkte,  sondern 
an  der  äussersten  Peripherie  deutscher  Kunst;  desshalb  mochte 
um  so  leichter  ein  fremder  Stil  sich  Eingang  verschaffen,  zumal 
der  Sinn  des  Volkes  hier  durch  angeborne  geistige  B^samkeit 
und  durch  den  freien  Weltblick,  welchen  der  Handel  gewährte, 
allem  Neuen  offen  stand.  Dazu  kam  die  Verbindung  mit  Oester-^ 
reich,  wo  wir  ebenfalls  eine  frühzeitige  Aufnahme  der  Benaissance 
fanden. 

Aber  mehr  als  in  den  übrigen  österreichischen  Ländern  be- 
mächtigte man  sich  hier  mit  eigener  schöpferischer  Kraft  der 
neuen  Formen.  Schlesien  gehört  noch  jetzt  zu  den  wichtigsten 
und  reichsten  Gebieten  deutscher  Benaissance.  Die  hohe  Geist- 
lichkeit und  das  Bürgerthum  der  Städte,  die  zahlreichen  Fürsten- 
geschlechter und  der  begüterte  Adel  wetteifern  in  glänzenden 
Werken  des  neuen  Stiles.    Da  derselbe  so  früh  aufgenommen 


»)  Stenzel,  Scriptt.  III,  133.  —  »)  Ebenda  HI,  185.  —  «)  A.  Schulta, 
a.  a.  O.  S.  19,  Anm.  -  V  Ebenda  III,  133. 


Kap.  XIIL    Die  nordtfstlifihen  Binnenländer.  649 

wird,  80  hat  er  gut  ein  Jahrhundert  hindurch  Zeit  sich  zu  ent- 
falten. Wir  finden  ihn  denn  auch  in  allen  Schattirungen  von 
den  ersten  noch  unklaren  Versuchen,  den  einzelnen  direkt 
italienischen  Arbeiten,  der  durch  diese  xherbeigefllhrten  selbstän- 
digen Ausbildung  biji  zu  den  späten  schon  stark  barocken  Formen. 
Wir  finden  eine  Anzahl  von  Prachtwerken  in  Portalen  und  Epi- 
taphien von  ausgesuchter  Schönheit,  welche  die  Anmuth  der 
Frtthrenaissance  spiegeln.  Dann  haben  wir  Schlösser,  welche 
nicht  bloss  durch  einzelne  Prunkstücke  (Liegnitz),  sondern  durch 
grossartige  Anordnung  und  edle  Ausbildung,  sei  es  im  Geist 
italienischer  Kunst  (Brieg),  sei  es  in  charaktervoller  nordischer 
Umgestaltung  (Oels)  hervorragen.  Daneben  feiert  das  Bürger- 
thum  nicht  und  bietet  in  der  Entfaltung  einer  acht  deutschen 
Renaissance  an  zahlreichen  Privathäusem  in  Breslau,  Brieg,  Lieg- 
nitz, Neisse  Musterwerke  dieses  Stiles.  Besonders  die  allmählich 
zu  immer  grösserer  Sicherheit  fortschreitende  Gestaltung  der  Gie- 
belfa$ade  lässt  sich  durch  eine  Reihe  von  Beispielen  darl^en. 
Nur  der  Erker  hat  in  Schlesien  so  gut  wie  gar  keine  Verwen- 
dung im  Privatbau  gefunden.  Endlich  fehlt  es  auch  nicht  an 
Rathhäusem,  die  durch  wirksame  Gruppirung  und  kräftige  Glie- 
derung den  mittelalterlichen  an  malerischem  Reiz  kaum  nachstehen. 
Als  Material  wird  überall  der  Haustein  verwendet  und  von  dem 
gothischen  Backsteinbau  mit  um  so  grösserer  Berechtigung  abge- 
standen, als  derselbe  in  Schlesien  fast  ausnahmslos  über  eine 
ziemlich  derbe  und  selbst  rohe  Form  nicht  hinausgekommen  war. 
Wo  die  Flächen,  wie  dies  hier  häufig  geschieht,  verputzt  werden, 
da  hat  man  stets  malerischen  Schmuck  in.  vollfarbigen  Fresken 
oder  wenigstens  in  Sgraffito  zu  Hülfe  genommen.  In  wie  fem 
italienische  Künstler  direkt  bei  Einführung  der  Renaissance  be- 
theiligt sind,  wird  später  zu  erörtern  sein. 


Breslau. 

Die  Hauptstadt  Schlesiens  nimmt  unter  den  monumentalen 
Vororten  Deutschlands  eine  weit  bedeutendere  Stelle  ein  als  man 
gemeinhin  weiss.  Schon  die  Gesammtanlage  der  Stadt  hat  einen 
so  grossartigen  Zug,  wie  wenige  von  unseren  mittelalterlichen 
Städten  ihn  zeigen.  Die  imposante  Gestalt  des  ^Ringes*'  mit  dem 
herrlichen  Rathhause,  die  klare,  übersichtliche  Anordnung  der 
wichtigsten  Strassen  findet  in  Deutschland  nur  etwa  in  Danzig 
und  Nürnberg  ihres  Gleichen.  Dies  wahrhaft  grossstädtische  Ge- 
präge verdankt  Breslau,  das  schon  um  das  Jahr  1000  als  an- 


650  ni.  Bueh.    BenakMaee  in  Deutsehlaiid. 

sehnliohe  Stadt  erwähnt  wird,  Karl  dem  lY,  der  nach  den  ver^ 
heerenden  Feuersbrflnsten  yon  1342  und  1344  cde  neu  auflführta 
Wie  in  der  Folge  die  Stadt  sich  durch  rege  Handelsthätigkeit  zu 
Macht  und  Blfithe  aufschwang,  ist  oben  schon  erwähnt  worden. 
Mit  zunehmendem  Beiohthum  stieg  den  Bttrgem  die  Lust,  durch 
kttnstleri&iche  Werke  ihre  Stadt  zu  sohmflcken.  Nicht  wenig  trug 
zur  Förderung  dieses  Strebens  der  Wetteifer  mit  der  Geistlichkeit 
bei,  die  im  Domkapitel  sowie  in  mehreren  Stiftern  und  Klöstern 
ihren  Sitz  hatte.  Ausser  Köln  hat  wohl  keine  Stadt  in  Deutsch- 
land noch  jetzt  solche  Zahl  mittelalterlicher  Kirchen  und  Kunst- 
werke aufzuweisen  wie  Breslau.  Nur  dass  hier  das  Meiste  den 
späteren  Epochen  des  Mittelalters  angehört  und  fast  ausschliess- 
lich die  jttngeren  Entwicklungen  des  gothischen  Stiles  und  der 
begleitenden  bildenden  Kttnste  vertritt,  und  dass  an  Werken 
höchsten  künstlerischen  Banges  hier  kaum  Etwas  zu  finden  ist 

In  die  neue  Zeit  tritt  die  auf  dem  Gipfel  ihrer  Macht  stehende 
Stadt  mit  dem  vollen  Bewusstsein  und  dem  regsten  Antheil  an 
der  geistigen  Wiedergeburt  des  Lebens.  Wie  sie  die  Reformation 
schnell  aufnahm  und  ^entschieden  durchf&hrte,  wie  sie  selbst  eine 
Universität  zu  gründen  bemüht  war,  haben  wir  schon*  erzählt 
Ein  nicht  Geringerer  als  Melanchthon  giebt  ihr  das  ehrendste 
Zeugniss.  „Keine  deutsche  Nation,  sagt  er  in  einem  Briefe  an 
Herzog  Heinrich  von  Liegnitz,  hat  mehr  gelehrte  Männer  in  der 
gesammten  Philosophie ;  die  Stadt  Breslau  hat  nicht  nur  fleissige 
Künstler  und  geistreiche  Bürger,  sondern  auch  einen  Senat,  der 
Künste  und  Wissenschaften  freigebig  unterstützt.  In  keinem 
Theile  Deutschlands  beschäftigen  sich  so  viele  aus  dem  gemeinen 
Volke  mit  den  Wissenschaften.^  Dagegen  vrill  es  nicht  schwer 
wiegen,  wenn  Joseph  Scaliger  in  einer  etwas  wunderlichen 
Aeusserung  sagt:  „Die  Schlesier  sind  Barbaren;  sie  wohnen  am 
Ende  der  Christenheit.  Welcher  von  ihnen  nicht  Barbar  ist, 
der  ist  gemeiniglich  ein  sehr  guter  Kopf.  Sie  sind  nahe  an 
Slavonien  und  haben  beinahe  dieselbe  Sprache.''*) 

Der  Bestand  der  literarischen  und  künstlerischen  Denkmäler 
bestätigt  Melanchthon's  Auffassung.  Ein  reger  Wetteifer  macht 
sich  mit  dem  Beginn  des  16.  Jahrhunderts  im  monumentalen 
Schaffen  geltend.  Bischof  Johann  IV  (f  1506)  erbaut  an  Stelle 
des  früher  aus  Lehm  errichteten  Bischofshofes  einen  steinernen 
Palast  9 mit  zwei  weiten  Sälen,  einer  grossen  Stube,  mit  feinem 
Malwerk,  geziert  mit  den  Bildnissen  der  Könige  von  Böhmen 


>)  Beide  Stellen  citirt  in  Menzel'i  Geaeh.  SoUesienB.    p.  331. 


Kap.  Xm.    Die  nordOstliehen  BfamenUtnder.  651 

and  der  Bisehöfe  von  Breslau,  dazu  eine  herrliche  Bibliothek.^  ^) 
In  der  Bürgerschaft  bemerkt  man  zunächst  eine  stei^nde  Für- 
sorge für  Reinlichkeit  der  Strassen  und  PUtee;  1513  befiehlt  eine 
Verordnung,*)  dass  Jeder  den  Dünger  vor  seiner  Thür  ausführen; 
dass  Niemand  fortan  Kehricht  oder  andern  Unrath  auf  den  Ring, 
der  Salzmarkt,  den  Neumarkt  und  die  Gassen  schütten;  dass 
Koiner  die  Schweine  auf  dem  Ring  oder  den  Strassen  herum- 
laufen lasse,  ^Yornehmlich  an  den  Tagen,  da  man  mit  dem  heil. 
Leichnam  umgehet  oder  die  Kreuze  herumträgt"  Eine  gleich- 
zeitige Aufzeichnung  zählt  auf  dem  Ring  sechzig  Häuser,  einige 
bemalt,  sämmtlich  drei,  yier,  auch  fünf  Gaden  (Stockwerke)  hoch. 
Auch  die  Vorderseite  dps  Rathhauses  hat  Gemälde;  die  Stadt 
besitzt  im  Ganzen  vierzig  Kirchen  Und  elf  Klöster,  die  Stadt- 
mauer ist  mit  fünfzig  Thürmen  besetzt.')  Breslau  hat  damals, 
namentlich  am  Ring  und  den  Hauptstrassen,  einen  gewiss  noch 
imposanteren  Eindruck  gemacht  als  jetzt.  ' 

Von  dem  lebendigen  Kunstsinn  und  der  Empfkngliohkeit, 
welche  die  Stadt  auszeichneten,  giebt  noch  jetzt  die  merkwürdig 
frühe  Aufnahme  der  Renaissance  unyerkennbares  Zeugniss.  Wäh- 
rend in  dem  hoch  entwickelten  Nürnberg  ein  Meister  wie  Peter 
Vischer  noch  1496  (an  dem  Grabmal  im  Dom)  den  Formen  der 
Gothik  treu  bleibt,  hat  ein  allem  Anscheine  nach  in  Breslau  hei- 
mischer Künstler  schon  1488  oder  doch  nicht  viel  später^)  ein 
Werk  im  Renaissancestil,  so  gut  er  ihn  yerstand,  ausgeführt 
Es  ist  das  schon  erwähnte  Grabmal  des  1488  yerstorbenen  Peter 
Jenkwitz  und  seiner  1483  ihm  yorausgegangenen  Ehefrau,  wel- 
ches man  aussen  an  der  Elisabethkirche,  und  zwar  an  der 
östlichen  Ecke  der  Nordseite  sieht.  ^)  Die  anspruchslose  aus 
Sandstein  gearbeitete  Tafel  enthält  die  Reliefdarstellung  des  Ge- 
kreuzigten mit  Maria  und  Johannes,  darunter  yier  Wappen,  das 
Ganze  eingefasst  yon  Renaissancepilastern ,  deren  monoton  yrieder- 
holtes  Laubwerk  in  der  Füllung  des  Schaftee  noch  das  schlaffe 


•)  Kiß.  Pol,  Jahrbücher  der  Stadt  Breslau.  II,  186.  —  •)  Klose  bei 
Stonsel,  seriptt.  m,  214.  —  »)  Ebenda  III,  248.  —  «)  So  auffallend  dks 
Mhe  I)atim  10t,  so  liegt  doch  kein  Grund  yor,  es  anzuzweifeln.  Wenn, 
wie  es  doch  wahrscheinlich,  der  Sohn  des  Verstorbenen  das  Grabmal  er- 
richten liess,  so  darf  man  wohl  daran  erinnern,  dass  derselbe  yon  1499 
bis  1503  das  kanonische  Recht  in  Born  studirte  (Klose,  Breslau,  pag.  38C) 
wo  er  wohl  die  Renaissance  kennen  lernen  konnte.  Selbst  wenn  er  erst 
nach  seiner  Hefankditr  das  Denkmal  hütte  ansführen  lassen,  wäre  es  immer 
noch  das  früheste  im  Norden.  Doch  ist  dies  anzunehmen  nicht  einmal 
nöthig.  —  ')  Vgl.  Dr.  Luchs,  die  Denkmäler  der  St.  Elisabeth-fiarche  zu 
Bre8*lau.  Nr.  370.  Bei  A.  Schultz  a.  a.  0.  liest  man  Seite  14  durch  einen 
Druckfehler  1438,  während  auf  Seite  6  die  richtige  Jahrzahl  steht 


652  UI.  Bach.    Renaissance  in  Deutschland. 

Lappenblatt  gothischer  Farren  zeigt  Dasselbe  Laub  bekleidet 
die  Kapitale,  welche  keiner  ausgeprägten  Benaissance-Ordnnng 
angehören.*  Es  ist  also  offenbar  ein  heimischer  Bildhauer,  der 
den  neuen  Stil  nur  von  ungefähr  aus  Zeichnungen  oder  Holz- 
schnitten kennen  mochte.  Ebenso  vereinzelt  tritt  ein  Benaissance- 
motiv,  aber  mehr  ein  bildnerisches  als  architektonisches,  an  einem 
andren  Denkmal  derselben  Kirche  auf:  dem  an  der  Sttdseite  be- 
findlichen Epitaph  des  Hans  Scholtz,  f  1505.^)  Das  recht  gute 
Kelief  der  Verkündigung  sowie  die  gothische  Einfassung  verrathen 
einen  Künstler,  der  in  den  Geleisen  der  heimischen  Tradition 
wandelt:  aber  die  beiden  Engelknaben  in  dem  Schweifbogen ^ 
schmecken  nach  Einflüssen  der  Renaissance.  Das  nächste  Datum, 
das  uns  begegnet,  ist  das  oben  mitgetheilte  Wappen  aus  Johannis- 
berg  von  1509:  auch  hier  noch  ein  Gemisch  beider  Stile,  aber 
doch  ein  viel  stärkeres  Anklingen  der  neuen  Kunstweise. 

Aus  dem  folgenden  Jahr  1510  datirt  ein  grosses  treffliches 
Epitaph  an  der  Südseite  der  Magdalenenkirche,  welches 
Christus  am  Kreuz  mit  Maria  und  Johannes,  S.  Andreas  und 
Barbara,  darunter  eine  zahlreiche  Familie  knieend  darstellt  Die 
Eiinfassung  wird  durch  kandelaberartige  Säulchen  gebildet,  welche 
noch  unsicher  die  Sprache  der  Renaissance  zu  reden  versuchen. 
Auch  die  beiden  Engelputti  in  den  Bogenzwickeln  gehören  der 
neuen  Auffassung  ap.  Ebenso  unklar  und  spielend  ist  der  italie- 
nische  Stil  mit  gothischem  Laubwerk  gemischt  an  dem  kolossalen 
Zinnkrug  von  1511  im  Alterthums-Museum,  welcher  sammt 
dem  älteren  gothischen,  von  A.  Schultz  veröffentlichten,  zu  den 
grössten  Prachtstücken  dieser  Art  zählt  Dies  interessante  Werk 
beweist,  dass  auch  das  Kunstgewerbe,  gegen  seine  sonstige  Ge- 
wohnheit des  zähen  Haftens  am  Ueberlieferten,  merkwürdig  früh 
hier  die  neue  Richtung  einzuschlagen  versuchte. 

Alle  diese  Werke  sind  sichtlich  Schöpfungen  deutscher,  wahr- 
scheinlich in  Breslau  ansässiger  Künstler.  Die  Einfllhrung  der 
Renaissance  in  Schlesien  ist  also  einheimischen  Meistern  zu  ver- 
danken. Aber  so  unklar  tastend,  so  schwankend  und  gemischt 
der  Stil  hier  auftrat,  vermpchte  er  unmöglich  die  Herrschaft  zu 
ero^bem.  Dazu  gehörten  vollendetere,  aus  tieferer  Kenntniss  der 
neuen  Bauweise  hervorgegangene  Leistungen.  Eine  solche  tritt 
uns  hier  zuerst  in  dem  Portal  entgegen,  welches  aus  dem  süd- 
liehen Chorumgang  des  Domes  in  die  Sakristei  führt  und  die 
Jahreszahl  1517  trägt.    Nach  dem  Muster  oberitalieniseber  Por- 


0  Dr.  Luchs,  a.  a.  0.    Nr.  339. 


Kap.  Xm.    Die  nordOBtlichen  Binnenländer.  653 

tale  der  FrtthrenidsBance  bilden  ornamenttrte  Pilaster,  die  dn 
reich  geBchmttcktes  Gebälk  tragen,  die  Einfassung,  während  ein 
Halbkreisfeld  mit  der  Reliefdarstellung  der  Enthauptung  Johannes 
des  Täufers  das  Ganze  abschliesst  Die  volle  dekorative  Pracht 
italienischer  Frührenaissance,  ursprünglich  durch  Bemalung  noch 
gesteigert,  ist  hier  entfaltet ;  auch  lässt  das  Belief  des  Bogenfeldes 
in  seiner  freien  lebensvollen  Behandlung,  in  der  kflhn  bewegten 
Stellung  des  Henkers,  der  Verkürzung  des  Leichnams  vielleicht 
auf  einen  Italiener  schliessen,  obwohl  die  weibliche  Gestalt  in 
Gesichtszügen,  Tracht,  Kopfhaube  eher  auf  einen  Deutschen  deutet. 
Auch  der  seltsam  geformte  Eierstab  des  Frieses,  die  wenig  ver- 
standene Behandlung  des  korinthischen  Kapitals,  selbst  das  Laub- 
werk der  PilasterfttUungen,  das  Alles  will  mir  mehr  deutsch  als 
italienisch  erscheinen.  Es  ist  daher  recht  wohl  möglich,  dass 
vnr  es  mit  einem  heimischen  Künstler  zu  thun  haben,  der  in 
Oberitalien  seine  Schule  gemacht 

Gleich  vom  folgenden  Jahre  1518  datirt  das  schöne  Bronze- 
Epitaph  der  Margarethe  Irmisch  an  der  Nordseite  der  Magda- 
lenenkirche:  Christi  Begegnung  mit  Maria  im  Beisein  der 
Apostel,  unten  die  Familie  der  Verstorbenen,  eine  lebensvolle 
meisterliche  Arbeit,  von  schlichtem  Renaissancebogen  umrahmt, 
der  durch  Kymatienblätter  und  Zahnschnitte  elegant  gegliedert 
ist  Auch  die  schöne  Blumenguirlande  gehört  zu  den  ächten 
Merkmalen  der  Renaissance.  Aber  auch  diese  Arbeit  weist,  und 
zwar  noch  bestiml&ter,  auf  deutsche  Hand. 

Während  hier  kein  Nachklang  mehr  an  den  gothischen  Stil 
zu  finden  ist,  treten  solche  Reminiscenzen  noch  einmal  an  den 
Arbeiten  auf,  welche  1521  am  Leinwandhaus,  (jetzt  am  Stadt- 
haus) ausgeführt  wurden.  Den  wichtigsten' Rest  derselben  sieht 
man  in  der  Elisabethstrasse  an  dem  Portal,  das  mit  dem  darüber 
angeordneten  Fenster  eine  ebenso  originelle  als  reizvolle  Compo- 
sition  ausmacht  Die  feinen  RahmenpUaster  mit  eingelassenen 
Schilden,  die  Säulchen  mit  den  frei  korinthisirenden  Kapitalen, 
die  Gesimse  und  die  Gonsolen  erinnern  an  Venezianische  Muster; 
aber  das  Eichengeäst,  welches  über  den  Gonsolen  sich  zum  Bo- 
gen verschlingt,  ist  ein  Rückfall  in  spätgothischen  Naturalismus. 
Das  wäre  einem  Italiener  nicht  begegnet;  also  haben  wir  hier 
wohl  mit  Sicherheit  einen  heimischen  Meister  zu  vermuthen.  Die 
übrigen  Reste  dieses  Baues  verstecken  sich  im  Kaffgesimse  der 
Fenster  an  der  südlichen  und  westlichen  Seite  des  in  moderner 
Berliner  Gothik  ausgeführten  Neubaues.  Es  sind  Relieffriese  voll 
köstlichen  Humors,  überwiegend  noch  den  burlesken  Spässen  des 
Mittelalters  angehörend^  dazu  Genrescenen  in  frischem  Naturalis- 


654  ni.  Baoh.    BeoAlnuuiee  in  Dentsdüand* 

mus;  auf  Anftchaaungen  der  fienabtanee  deutet  aber  aueh  hier 
der  allerliebste  Fries  mit  tanzenden  Kindern. 

Das  nAchste  Werk  fällt  volle  sechs  Jahre  spftter:  es  ist  das 
EapitelhauB  beim  Dom,  an  welchem  man  das  Datum  1527 
liest  In  die  Backsteinfa^ade  wurde  damals  ein  Sandsteinportal 
in  Benaissanoeformen  eingesetzt;  rechtwinklig  geschlossen,  der 
Böhmen  mit  Eierstab,  das  deckende  Gesims  in  reicher  Weise 
mit  Zahnsohnitt,  Eierstab  und  Eymation  belebt,  dies  Alles  aber 
in  derber,  wenig  verstandener  Weise.  Völlig  mittelalterlich  ist 
die  Art,  wie  der  äussere  Stab  des  Portalrahmens  sich  an  den 
Ecken  durchschneidet;  ein  Motiv,  das  sich  an  den  Übrigen  Oeff- 
nungen,  namentlich  den  schrägen  Fenstern  des  Treppenhauses 
wiederholt  Das  kleine  innere  Portal  hat  ebenüftlls  einen  Eier- 
stab als  Ein&ssung  und  ist  mit  Zahnschnittgesimse  und  Eymation 
bekrönt;  die  Spindel  der  Wendeltreppe  hat  aber  einen  schräg 
gerieften  gothischen  Fuss.  So  mischen  sich  auch  hier  wieder  die 
Benaissanceformen  mit  den  Elementen  mittelalterlicher  Eunst:  ein 
Beweis,  dass  wir  es  mit  der  Arbeit  einheimischer  Werkleute  zu 
thun  haben.  Von  allen  diesen  bis  jetzt  erwähnten  Schöpfungen 
kann  also  höchstens  die  Sakristeithür  im  Dom  als  Leistung  eines 
Italieners  bezeichnet  werden;  denn  sie  ist  das  einzige  Werk,  an 
welchem  keine  Spur  gothischer  Eunstweise  sich  findet.  Bei  der 
steten  Verbindung  der  Geistlichkeit  mit  Italien  liesse  sich  die 
Verwendung  eines  fremden  Meisters  hier  am  ersten  erklären. 

Nun  folgt  das  mächtige  Eckhaus  am  Bing  No.  29  „zur 
Erone.^  A.  Schultz^)  will  auf  einer  alten  Zeichnung  desselben 
die  Jahrzahl  1523  gelesen  haben;  es  nimmt  mich  Wunder,  dass 
er  das  deutlich  auf  einem  Täfelchen  am  Pilaster  des  Portals  an- 
gebrachte Datum  1528  nicht  gesehen  hat  Beide  Fa^aden  sind 
schlicht,  ohne  Gliederung,  mit  Stuck  Aberzogen,  auf  welchem  ge- 
wiss ursprünglich  Malereien  oder  Sgraffiten  waren.  Die  Fenster, 
dnzeln,  zu  zweien  oder  zu  dreien  gruppirt,  haben  antikisirende 
Bahmen  und  Deckgesimse.  Am  aufUIendsten  sind  die  bogen- 
förmig gezackten  Zinnen,  welche  das  flache  Terrassendach  ein- 
fassen und  der  Fa^ade  ein  italienisches  Gepräge  verleihen.  In 
der  Ohlauerstrasse  hat  später  eine  Verlängerung  des  Hauses  stat^ 
gefunden,  die  sich  schon  durch  verminderte  Höhe  und  einen 
Wechsel  in  Behandlung  der  Fenster  kund  giebt  Die  prachtv<dle 
grosse  Mmrmorinschrift  enthält  das  Jahr  1544  und  fügt  den  Spruch 
hinzu  QVAEVIS  TEBBA  PATBIA,  was  wohl  eher  auf  einen  frem- 
den Besitzer  als  auf  einen  auswärtigen  Baumeister  deuten  durfte. 


<)  In  der  fleissigen,  oben  mehr&ch  erwähnten  Monographie,  S.  t3. 


K«pw  xm.    Die  nordöstlicliMi  BimieiüäAder.  655 

Indesd  mögen  die  Zinnen  nnd  das  flache  Dach  als  Anzeichen 
itaUenischer  Ennst  aufgefasst  werden;  damit  stimmt  das  einzige 
Pntnkstflck  der  Fa^ade,  das  reich  mit  Ornamenten  bedeckte  Portal^ 
das  mit  seinen  dekorirten  Pilastem,  den  Delphinen  in  den  Bogen- 
zwickefai^  dem  Eierstab  und  Zahnsehnittfries,  kurz  mit  seiner 
ganzen  Anordnung  und  Ausschmückung  der  Renaissance  ange- 
hört Aber  die  schwerfällig  ausgebauchten  korinthischen  Kapitale 
zeugen  nicht  von  italienischer  Feinheit;  noch  mehr  deutet  die 
Inschrift  ^Das  Haus  steht  in  Gotes  Handt,  zur  gülden  Krone  ist 
es  genant'^  auf  deutsehe  Arbeit  Ebenso  scheint  das  Steinmetz^ 
zeichen^)  einen  deutschen  Meister  zu  yerrathen.  Dies  Urtheil 
findet  weitere  Bekräftigung  im  Innern.  Zwar  der  Flur,  jetzt 
flaehgedeckt,  yerräth  in  seiner  Dekoration  eine  spätere  Umge- 
staltung; aber  der  auf  den  Hof  mündende  Thorbogen  ist  mit  sei- 
ner einfachen  Behandlung  dem  vorderen  Portal  gleichzeitig.  Der 
Hof  selbst,  lang  und  schmal,  ist  an  der  einen  Langseite  in  drd 
Geschossen  mit  Galerieen  eingefasst,  welche  auf  stark  Torge- 
kmglen  Consolen  mittelst  Flachbögen  aufsetzen.  An  der  Keller- 
thflr  verräth  sieh  nun  wieder  der  deutsche  Meister,  welcher  von 
den  Traditionen  des  Mittelalters  noch  nicht  ablassen  kann:  die 
Einfassung  wird  durch  gekreuzte  Stäbe  in  spätgothischer  Art  ge- 
bildet, obwohl  das  Deckgesims  die  Formen  der  Benaissance 
zeigt  Völlig  gothisch  mit  reich  durchschneidendem  Stabwerk  ist 
aber  die  Umrahmung  des  Pf  Örtchens,  welches  im  ersten  Stock 
auf  die  Galerie  mündet  Dass  italienische  Kttnstier  noch  1528 
an  mittelalterlichen  Formen  festgehalten  hätten,  ist  undenkbar; 
daher  werden  wir  auch  für  diesen  Bau  einen  deutochen  Meister 
annehmen  müssen. 

Das  Märchen  vom  Uebertragen  der  Benaissance  durch  italie- 
nische Künstler  ist  also  hier  ebenso  hinfällig  wie  es  sich  in 
Frankreich  als  unbegründet  erwiesen  hat  Damit  fallen  auch 
die  Yermutfaungen  zusammen,  welche  A.  Schultz  >)  über  den  Yer- 
lanf  der  fienaissaneebewegung  in  Deutschland  aufstellt  Nur  aus 
dem  Ueberblick  über  das  ganze  Material,  das  uns  jetzt  zu  Gebote 
steht,  lässt  sich  diese  Frage  beantworten.  Demnach  sind  wohl 
etnzebie  Bauwerke  im  Norden  von  Italienern  ausgeführt  worden: 
so  in  Wiener-Neustadt,  in  Krakau,  Prag,  Landshut  Für  Schle- 
sien werden  wir  in  Brieg  ein  Denkmal  italienischer  Kunst  fin- 
den.   Daraus  aber  zu  folgern,  die  Benaissance  habe  zuerst  in 


0  Abgeb.  bei  Luchs,  Bildende  Ktinstier  in  Schlesien  (Abdr.  ans  der 
Zeitschrift  f.  G.  u.  Alterth.)  Seite  13.  —  *)  In  der  mehr  erwähnten  Mono- 
graphie Seite  15. 


656  ni.  Bach.    Benaissance  in  Dentschland. 

Polen,  Schlesien,  Böhmen,  Baiern  Fuss  gefasst  und  von  da  aus 
sich  allmählich  über  ganz  Deutschland  verbreitet",  ist  voreilig. 
Die  Renaissance  hat  sich  vielmehr  in  den  meisten  deutschen 
Landschaften  selbständig  entwickelt.  Vor  allen  Dingen  aus  An- 
schauung oberitalienischer  Denkmale  und  einzelner  nach  dem 
Norden  gelangter  Kunstwerke  sog  sie  ihre  Nahrung.  Es  ist 
durch  Nichts  erwiesen,  dass  italienische  Künstler  persönlich  den 
neuen  Stil  in  Deutschland  eingeführt  hätten.  Unsere  Dürer, 
Burgkmaier,  Holbein,  Peter  Vischer  und  andere  Meister  verwen- 
deten in  ihren  Zeichnungen,  Gemälden,  Holzschnitten,  plastischen 
Werken  die  Renaissanceformen,  ehe  noch  irgend  eins  jener  no- 
torisch von  Italienern  ausgeführten  Denkmale  entstanden  war.  Die 
mit  grossem  Fleiss  in  dankenswerther  Weise  aus  archivalischen 
Quellen  geschöpften  Ermittlungen  über  das  Auf Ixeten  italienischer 
Maurer  in  Schlesien,^)  für  die  Kulturgeschichte  des  Landes  von 
hoher  Bedeutung,  beweisen  für  das  Auftreten  der  Renaissance 
gar  Nichts.  Der  Meister  Vinceniius  de  Parmentana,  der  1518  in 
Breslau  Bürger  wurde,  steht  allem  Anscheine  nach  ganz  verein- 
«zelt  da.  Wohl  mag  er  für  die  Einbürgerung  der  neuen  Formen 
thätig  gewesen  sein,  aber  es  fehlt  an  jedem  sicheren  An- 
haltspunkte zur  Begründung  dieser  Vermuthung.  Wenn  aber 
auch  —  wie  es  ja  wahrscheinlich  —  von  ihm  Bauten  in  Breslau 
ausgeführt  worden  sind,  die  dann  zweifellos  den  Renaissance- 
stil zeigten,  so  haben  wir  die  neuen  Formen  seit  1488  dort  in 
einer  Reihe  von  fest  datirten  Werken  ersichtlich  deutschen  Ur- 
sprungs nachgewiesen.  Die  Einführung  des  Stiles  ist  hier  also 
nicht  durch  Italiener  erfolgt  Dass  sodann  seit  1 543  eine  grössere 
Anzahl  italienischer  Bauleute  bis  in  die  siebenziger  Jahre  nach- 
gewiesen wird,  hat  für  unsere  Frage  ebenfalls  keine  Bedeutung. 
Denn  seit  1 540  verstanden  die  einheimischen  Meister  überall  den 
Stil  selbständig  anzuwenden  und  bedurften  keiner  fremden  Lehr- 
meister. Die  n ganzen  Schaaren''  von  Italienern,  welche  die  Re- 
naissance in  Deutschland  eingeführt  haben  sollen^),  schwinden 
also  dahin.  — 

Gleichzeitig  mit  dem  Hause  zur  Krone  entstand  nun  daa 

.   mit  1528  bezeichnete  Portal,  welches  im  Erdgeschoss  desRath- 

h  aus  es    zum   Rathhaussaal    führt    Das   Gebäude    selbst^),   im 

14.  Jahrhundert  begonnen,  war  erst  seit  1471  eifriger  gefördert 

worden    und    erhielt   in    dieser  Schlussepoche  der  Gothik  die 


0  Die  wälschen  Maurer  in  Breslau,  von  Dr.  A.  Schultz  in  der  Zeitachr. 
des  V.  f.  Gesch.  u.  Altth.  IX,  Heft  I,  S.  144  ff.  —  »)  Schultz,  a.  a.  0.  p.  16. 
—  ^)  Lüdecke  und  Schultz,  das  Rathhaus  zu  Breslau.    Br.  1868. 


Kap.  XIII.    Die  nordöstlichen  Binnenl&nder.  057 

groBsartige  Ausstattung  mit  drei  Erkerthürmen  und  im  Innern 
den  imposanten  Flur  und  den  Fflrstensaal,  welche  gemeinsam  es 
zu  einem  der  ansehnlichsten  und  reichsten  Rathhftuser  Deutsch- 
lands stempeln,  ein  wttrdiges  Zeugniss  von  der  Macht  und  dem 
Kunstsinn  der  damaligen  Stadt.  Sollte  die  neuerdings  reröffent- 
lichte^)  Estrade  im  mittleren  Erker  wirklich  von  1480  datiren,  so 
hätten  wir  hier  das  früheste  Auftreten  von  Renaissanceformen, 
wenn  auch  noch  stark  versetzt,  ja  überwuchert  von  spfttgothischen 
Elementen,  denn  die  Kassettendecke  ist  schon  völlig  im  Stil 
der  Renaissance,  obgleich  die  metallnen  Rosetten  noch  krauses 
gothisches  Laubwerk  zeigen.  Auch  die  Einfassung  der  mit 
gothischem  Maasswerk  durchbrochenen  Balustrade  trägt  die  Form 
des  neuen  Stils.  Ich  glaube  daher  diese  Theile  zu  den  späteren 
Ausstattungen  rechnen  zu  müssen,  welche  seit  Vollendung  des 
westlichen  Erkers  (1504)  noch  hinzugekommen  sind.  Die  voll  aus- 
gebildete Renaissance  finden  wir  sodann  1528L  an  dem  schon  er- 
wähnten Portale  des  Rathssaales.  Die  reiche  Behandlung,  welche 
die  Pilaster  und  alle  übrigen  Flächen  mit  Laubwerk  und  Früchten, 
mit  spidenden  Putten,  mit  Sirenen  in  üppigen  Ranken,  mit  Tro- 
phäen und  Emblemen  verschiedener  Art  dekorirt  hat  (leider  jetzt 
mit  Oelfarbe  dick  verschmiert,  ursprünglich  aber  gewiss  poly- 
chromirt),  erinnert  genau  an  den  Stil  des  Portales  an  der  Krone. 
Selbst  die  bauchige  Kapitälbildung  finden  wir  wieder,  so  dass  auf 
die  gleiche  Hand  geschlossen  werden  darf>).  An  einen  Italiener 
werden  wir  um  so  weniger  zu  denken  haben,  als  archivalische 
Untersuchungen  ergeben,  dass  damals'  die  Stadtbaumeister  in 
Breslau  stets  Einheimische  waren  0- '  Die  innere  Seite  des  Ein- 
gangs wird  durch  ein  ähnliches  nicht  minder  reiches  Portal  ge- 
schmückt Im  Jahre  1548  wurde  sodann  der  Erker  im  Hofe  auf 
wuchtigen,  mit  elegantem  Akanthuslaub  geschmückten  Consolen 
ausgeführt.  Seine  Rundbogenfenster  werden  von  kannelirten  Pi- 
lastem,  der  mittlere  mit  ionischen,  die  beiden  andern  mit  tos- 
kanischen  Kapitalen  eingefasst.  Dieser  Bau  ist  im  Geiste  strenger 
Hochrenaissance  durchgeführt  und  dürfte  am  ersten  einem  Ita- 
liener zuzuschreiben  sein.  Von  der  weiteren  Ausstattung  des 
Innern  kommt  sodann  besonders  die  herrliche  Holzbekleidung 
der  Wände  des  Rathssaales  in  Betracht,  1563  bezeichnet  Die 
mit  Vorliebe  angewandte  Intarsia,  die  im  Architektonischen  und 
Omamentalen  die  höchste  Feinheit  zeigt,  dürfte  wohl  italienisch 


*)  Bei  Schultz  a.  a.  0.  Tat.  1.  nach  einer  trefflichen  Zeichnung  von 
Lüdecke.  —  ^  Den  Namenszug  des  Meisters  H.  R.  giebt  Luchs  in  s. 
büd.  Künstl.  in  Schlesien  S.  13.  —  >)  Schultz,  Schles.  Knnstleben  S.  18. 

Kngler,  Oeach.  d.  Bankonst.  V.  42 


658  m«  Bach.    Renaissance  in  Deutschland. 

sein.  Merkwürdig,  dass  die  in  demselben  Stil  behandelte  Thttr, 
welche  in  das  anstossende  Gemach  fährt,  ein  volles  Jahrhundert 
später,  1664,  entstanden  ist,  wenn  hier  nicht  ein  Schreibfehler  vor- 
liegt Auch  der  kolossale,  schwarz  glasirte  Kachelofen  aus  dem 
17.  Jahrhundert,  prächtig  mit  Muschelomamenten  geschmückt,  an 
den  Ecken  mit  gelb  glasirten  Löwenköpfen,  verdient  Erwähnung. 
Ein  tüchtig  behandeltes  Eisengitter  aus  derselben  Zeit  fasst  als 
Bogen  den  Aufgang  zur  Treppe  ein.  Der  seit  1558  aufgeführte 
Bathhausthurm  von  Andreas  StelUmf  ist  eine  etwas  nüchterne  Con- 
ception. 

Zu  den  vollendetsten  Werken  der  Renaissance  in  Breslau 
gehören  zwei  Grabmäler,  die  wohl  sicher  von  italienischer  Hand 
herrühren.  Das  grössere  und  prachtvollere  sieht  man  im  süd- 
lichen Seitenchor  der  Elisabethkirche.  Der  kaiserliche  Sath 
und  Rentmeister  von  Schlesien,  Heinrich  Bybisch  (f  1544),  liess 
es  sich  bei  Lebzeiten  1534,  so  liest  man,  errichten^).  Die  Voll- 
endung scheint  erst  1539  erfolgt  zu  sein,  denn  dieses  Datum 
trägt  einer  der  Pilaster.  Es  ist  ein  Wandgrab  von  grossartigem 
Maassstab,  aus  Tiroler  Marmor  errichtet,  von  drei  stark  vor- 
tretenden Säulen  mit  reichem  Gebälk  eingefasst  (Fig.  179)^).  Die 
Schäfte  sind  von  buntem,  die  elegant  gezeichneten  Kapitale 
scheinen  von  weissem  Marmor,  lieber  den  Arkaden  bildet  sich 
ein  feines  Zahnschnittgesims,  als  KrOnung  darüber  dient  eine 
Akanthusranke  mit  Delphinen,  in  der  Mitte  das  Wappen  des  Ver- 
storbenen. Hinter  den  Säulen  gliedern  elegante  Pilaster  die 
Wandfläohe.  Die  schöne  Laubfüllung  ist  an  beiden  Schäften 
dieselbe,  ein  in  dieser  Zeit  auffallendes  Verfahren.  Man  bemerkt 
jedoch  bald,  dass  die  Behandlung  des  rechts  (westlich)  befind- 
lichen Pilasters  von  geringerer  Feinheit  ist,  so  dass  hier  die 
Hand  eines  Gehülfen  vennuthet  werden  muss.  Ueber  einer 
kleineren  durch  Eandelabersäulen  gebildeten  Wandarkade,  welche 
zwei  Wappen  und  im  Mittelfelde  das  trefflich  gearbeitete  Brust- 
bild des  Entschlafenen  enthält,  ist  dieser  selbst  in  ganzer  Gestalt 
liegend  dargestellt,  wie  in  Nachsinnen  versunken,  auf  einen 
Globus  gestützt,  in  der  Hand  ein  Buch  haltend.  Die  Schönheit 
der  Anordnung,  die  Feinheit  der  Ausführung,  der  Adel  der  Or- 
namente, die  überall  in  passender  Weise  ausgetheilt  sind,  die 
zierliehen  Laubgewinde  namentlich,  welche  jedes  Feld  schmücken. 


<)  Vgl.  H.  Luchs,  die  Denkmäler  der  Elisabetbkirche  Nr.  25.  —  >)  Die 
Abbildung  nach  einer  Skizze  A.  von  Heyden^s  unter  Zuhilfenahme  von 
Detailzeichnungen  C.  Lüdecke's  durch  Baidinger  auf  Holz  übertragen. 


,    Onbiul  K/biieh,  EUicMUiUrclH  In  Bndaa. 


Kap.  Xni.    Die  nordöstlichen  Binnenländer.  661 

die  köstlichen  kleinen  Brustbilder  in  den  Zwickeln  der  Bögen, 
das  Alles  scheint  auf  italienische  Hände  zu  deuten.  Doch  muss 
auch  hier  ausdrücklich  hervorgehoben  werden,  dass  der  Gedanke 
an  irgend  einen  ausgezeichneten  einheimischen,  aber  in  Italien 
gebildeten  Meister  nicht  ausgeschlossen  ist  ^).  Als  auffallend  haben 
wir  noch  die  seltsam  hohe  mit  Blattwerk  dekorirte  Basis  der 
Säulen  zu  bezeichnen. 

Dieselbe  Hand  erkennt  man  in  dem  kleineren,  jedoch  kaum 
minder  anziehenden  Grabmal,  welches  Stanislaus  Sauer  sich  1533 
im  südlichen  Querflügel  der  Ereuzkirche  errichten  liess.  Es 
erscheint  wie  der  bescheidene  Vorläufer  jenes  prachtvolleren 
Denkmals.  Gleich  jenem  als  Wandgrab  angelegt  zeigt  es  eine 
in  den  Maassen  und  der  Ausstattung  reduzirte  Form.  Von  zwei 
kannelirten  Säulen,  aus  welchen  ein  Löwenkopf  herauswächst, 
wird  es  umrahmt.  Wie  dort  überschneiden  auch  hier  die  Säulen 
die  mit  Medaillons  geschmückten  Pilaster  der  Wandfläche.  Die 
Rückwand  wird  in  völlig  verwandter  Weise  durch  Arkaden  mit 
Candelabersäulchen  gegliedert,  aus  welchen  Lorberguirlanden 
mit  Inschrifttafeln  herabhängen.  Das  Mittelfeld  zeigt  ein  etwas 
härter  gearbeitetes  Brustbild  des  Verstorbenen.  Darüber,  in  den 
Bogenzwickeln,  zwei  treffliche  antike  Köpfe.  In  den  Ecken  des 
Frieses,  der  die  lateinische  Inschrift  enthält.  Köpfe,  die  als 
Alexander  Magnus  und  Augustus  Caesar  bezeichnet  werden;  im 
Giebelfeld,  von  geschweiften  Kanneluren  umgeben,  ein  höchst 
grossartig  aufgefasster  Kopf  des  Königs  Matthias  von  Ungarn, 
gleich  den  übrigen  mit  Lorber  bekränzt.  In  verschiedenfarbigem 
Marmor  ausgeführt,  durch  fein  abgewogene  Vergoldung  noch  ge- 
hoben, gehört  dies  Monument  gleich  dem  oben  besprochenen  zu 
den  edelsten  Schöpfungen  der  Renaissance  auf  deutschem  Boden. 
Obwohl  das  Ornament  nicht  die  volle  Feinheit  hat,  vielmehr  ein- 
facher, breiter  und  derber  gezeichnet  ist  als  bei  jenem,  muss 
man  doch  auf  denselben  Meister  schliessen.  Auch  die  eigen- 
thümliche  Form  der  Säulenbasis  spricht  dafür. 

Offenbar  derselbe  Künstler  ist  es,  der  sich  an  einem  dritten 
Denkmal  bethätigt  hat:  an  der  Fagade  des  Privathauses  Junker- 
strasse 2,  von  jenem  Heinrich  Rybisch  1540  erbaut  Nur  der 
untere  Theil  der  FaQade  ist  unversehrt  erhalten,  dieser  freilich 
ohne  Frage  an  Reichthum  und  Schönheit  **  unter  allen  gleich- 
zeitigen bürgerlichen  Privatbauten  Deutschlands  ohne  Gleichen. 
Die  beiden  Pilaster,  welche  die  Thür  umfassen,  zeigen  in  ihrem 


0  Den  NamenBzug  des  Verfertigers  M.  F.  giebt  Luchs  in  seinen  Bild. 
Künstlern  p.  15. 


662  m*  Buch.    Renaissance  in  Deutschland. 

Ornament  eine  etwas  überladene  Compositiön,  aber  sprudelnd  von 
Geist  und  Leben.  Merkwürdig  ist  darin  die  miniaturhaft  ausge- 
führte Darstellung  einer  geburtshülfliehen  Seene;  noch  merk- 
würdiger aber,  dass  dieselbe  mit  der  ganzen  übrigen  Ornamentik 
in  beiden  Pilastem  gleichlautend  sich  wiederholt.  Aber  die  Aus- 
führung des  einen,  und  zwar  des  links  befindlichen,  ist  ähnlich 
wie  an  dem  Grabmal  des  Hausherrn  von  geringerer  Gehülfen- 
hand.  Diese  Pilasterstellung  ist  nun  an  der  FaQade  fortgesetzt, 
die  Schäfte  jedoch  sind  kürzer  gehalten,  kannelirt  und  auf  hohe 
Sockel  gestellt.  Zwischen  Fenster  und  Thür  enthält  eine  Nische 
mit  schöner  Muschelwölbung  einen  Löwen  mit  dem  Wappen  des 
Hausherrn.  Die  sichere  Meisterschaft  der  Gomposition,  die  gut 
vertheilten  und  fein  ausgeführten  Ornamente,  die  köstlichen,  reich 
variirten  Kapitale,  namentlich  das  mit  den  Sirenen,  die  Akanthus- 
ranke  im  Fries,  das  Alles  darf  man  wohl  für  italienische  Arbeit 
ansprechen.  Weder  das  reiche  Doppelportal  im  Rathhaus  noch 
dasjenige  der  Krone  kann  sich  entfernt  mit  diesem  messen. 

Von  Bürgerhäusern  ist  hier  der  Zeit  nach  das  1532  er- 
baute zum  Goldenen  Baum,  in  der  Oderstrasse  17,  anzuschliessen. 
Doch  hat  sich  von  der  alten  Ausstattung  nur  ein  zierliches  Bogen- 
relief  im  Hofe  erhalten,  in  welchem  eine  hübsche  Frauengestalt 
zwei  Wappen  hält.  Den  Hintergrund  schmückt  eine  elegante 
Blumenguirlande;  die  Einfassung  wird  durch  Zahnschnitt  und 
Eierstab  gebildet  Wie  damals  die  Giebelfa^aden  behandelt 
wurden,  sieht  man  in  einem  besonders  interessanten  Beispiel  an 
dem  Hause  No.  23  am  Ring  mit  der  Jahrzahl  154  t  und  dem 
bekannten  evangelischen  Spruch:  V.  D.  M.  L  E.  (verbum  domini 
manet  in  etemum).  Die  Behandlung  ist  einfach,  aber  stilvoll; 
das  Portal,  durch  späteren  Zopfaufsatz  verändert,  hatte  ursprüng- 
lich gleich  den  Fenstern  der  drei  oberen  Geschosse  ein  schlichtes 
Bahmenprofil,  welches  gleich  den  Gesimsen  und  den  übrigen  ein- 
rahmenden Gliedern  durch  eingekerbte  Kanneluren  wirksam  be- 
lebt wird.  Die  Flächen  sind  durch  Pilaster  gegliedert,  die  Staf- 
feln des  Giebels  eigenthümlicher  Weise  durch  liegende  Voluten 
bekrönt  0  (Fig.  180).  Eine  etwas  andere  Behandlung  sieht  man 
an  der  kleinen  Fa^ade  Schweidnitzer  Strasse  No.  48.  Auch  hier 
gliedern  Pilaster  die  Flächen,  und  die  Fenster  haben  antikisirende 
Rahmen;  die  Absätze  des  Giebels  dagegen  sind  mit  Halbkreisen, 
wie  die  Frührenaissance  sie  liebt,  gekrönt. 

0  Die  Mittheilung  der  -Zeichnung  verdanke  ich  der  Güte  des  Herrn 
Stadtbaurath  C.  Lüdecke,  der  meine  Studien  in  zuvorkommender  Weise 
unermüdlich  gefordert  hat. 


Kap.  Xm.    Die  nordSstücheii  BiDneullüider.  ggj 

Unabsehbar  reich  ist  Breslau  an  Epitaphien  aus  dieser 
mittlereo  Zeit  In  keiner  deutschen  Stadt  igt  nur  annähernd  eine 
solche  Falle   von  MonumeoteD  des  kanstliebenden  Btlrgeithums 


dieaer  Epoche  zu  finden.  Hier  wfiren  ^r  die  nachbildende  Kanst 
groBBC  Schätze  zu  heben,  wfire  es  auch  nor  durch  photographiecfae 
Aufnahme,  welche  bis  jetzt  die  Breslauer  Monumente  schmach- 
Toll  vernachlässigt  hat    Ich  deute  nur  auf  einige  der  früheren 


664  ni.  Buch.    Benaisaance  in  Deutschland. 

Werke  hin.  An  der  Sttdseite  der  Magdalenenkirche  fftllt  das 
Epitaph  des  Doetor  Hirsch  von  1535  durch  die  dürftige  Behand- 
lung der  Eenaissanceformen  auf,  während  ebendort  an  der  Nord- 
seite fast  gleichzeitig  (1534)  die  unyergleichlich  elegante  kleine 
Bronzetafel  entstand,  welche  nur  eine  Inschrift  enth&lt,  aber  ein- 
gefasst  von  einer  Umrahmung,  die  zu  den  schönsten  dekorativen 
Arbeiten  der  Zeit  gehört.  Ebenso  verzichtet  Niklas  Schebitz  in 
seiner  Denktafel  von  1549  an  der  Ostseite  der  Kirche  auf  jeden 
bildnerischen  Schmuck,  aber  die  Inschrift,  die  beiden  Wappen 
und  die  fein  omamentirten  Pilaster  des  Rahmens  machen  ein 
Ganzes  von  hohem  künstlerischem  Beiz.  Sehr  zierlich  ist  auch 
ebendort  die  kleine  Tafel  Abraham  Hornigk's  vom  Jahre  1551, 
welche  den  Gekreuzigten,  von  dem  Verstorbenen  und  seiner 
Gattin  verehrt,  enthält  Noch  manche  andere  aus  der  Mitte  des 
Jahrhunderts  bis  zum  Anfang  des  folgenden  geben  werthvolle 
Aufschlüsse  über  die  Entwicklung  der  Formen.  Nur  beispiels- 
weise wiU  ich  auf  das  Epitaph  des  Valentin  Nitius  von  1557 
hinweisen,  wo  das  Ornament  mit  einer  für  die  späte  Zeit  auf- 
fallenden Dürftigkeit  und  Steifheit  behandelt  ist.  Sehr  elegant 
dagegen  ebendort  das  grosse  reiche  Epitaph  mit  der  Aufer- 
stehung Christi,  von  vierfachen  zierlichen  PUastem  eingefasst 
Prächtig,  aber  schon  stark  barock,  das  Epitaph  von  Christoph 
Sachs  (1595)  mit  der  Darstellung  Christi  am  Oelberg.  Eine  un- 
gewöhnlich elegante  Arbeit  ist  auch  das  südliche  Seitenportal  der 
Kirche  vom  Jahre  1578. 

An  der  Elisabethkirche  erscheint  zunächst  von  Bedeutung 
die  Bronzetafel  von  1534,  dem  Landeshauptmann  Sebastian  Monau 
errichtet,  vielleicht  von  dem  Meister  des  gleichzeitigen  Denkmals 
an  der  Magdalenenkirche.  Christus  am  Kreuz,  von  dem  Ver- 
storbenen, seiner  Frau  und  Tochter  verehrt,  in  landschaftlichem 
Hintergrund,  eingerahmt  von  zierlichen  Pilastern.  Aus  dem 
folgenden  Jahre  1535  datirt  das  Denkmal  des  Peter  Bindfleisch 
an  der  Nordseite  der  Kirche,  ebenfalls  ein  tüchtiges  Werk  der 
Frtthrenaissance.  Weit  unbehülflicher  in  Composition  und  Aus- 
führung ist  ebendort  das  Epitaph  des  1557  verstorbenen  Stenzel 
Monau,  wahrscheinlich  erst  nach  dem  1572  erfolgten  Tode  seiner 
Gattin  ausgeführt  Denn  stilistisch  entspricht  es  dem  an  der 
Südseite  befindlichen  Grabmal  des  Hans  Hertwig  vom  Jahre 
1575.  Auch  hier  fällt  die  primitive  und  trockene  Behandlung 
eines  offenbar  zurückgebliebenen  Meisters  auf.  Zum  Opulentesten 
in  seiner  Art  gehört  dagegen  das  im  nördlichen  Seitenschiff  be- 
findliche grosse  Wandgrab  des  1561  gestorbenen  Ulrich  von 
Schafgotsdi.    Es  beweist  neben  vielen  anderen  Monumenten  wie 


Kap.  XHL    Die  norcUtetlichen  Binneiü&nder.  ~  665 

lange  hier  die  spielende  Dekoration  der  Frührenaissance  sich  im 
Gebranch  erhalten  hat 

Die  letzten  Zeiten  der  Renaissance  haben  in  Breslau  haupt- 
sächlich eine  Anzahl  von  Faf  aden  hervorgebracht,  welchen  trotz 
grosser  Mannigfaltigkeit  im  Aufbau  und  der  Dekoration  gewisse 
Grondzftge  eigen  sind.  Meistens  schmal  auf  eingeengtem  Grund- 
plan angelegt,  suchen  sie  in  bedeutender  Höhenentwicklung  sich 
Baum  zu  schaffen.  Daher  die  vielen  überaus  hohen  Giebel, 
welche  dem  Bing  und  den  Hauptstrassen  noch  jetzt  ein  so  im- 
posantes Gepräge  geben.  Eine  feinere  Ausbildung  des  Einzelnen 
tritt  dagegen  immer  mehr  zurück;  selbst  auf  reichere  Gliederung 
oder  Ausstattung  wird  in  der  Begel  verzicbtet  Nur  an  den  Por- 
talen stellt  sich  zuweilen  eine  derbe,  aber  oft  schon  barocke 
Ausschmückung  ein.  Am  auffallendsten  ist,  wie  wenig  diese 
Fa^aden  von  plastischer  Gliederung  der  Flächen  Gebrauch 
machen.  Die  sonst  in  der  Benaissance  beliebte  verticale  Theilung 
durch  Pilaster  verschwindet  seit  der  Mitte  des  Jahrhunderts  fast 
gänzlich;  nur  die  Horizontalgesimse  zwischen  den  Stockwerken 
werden  beibehalten.  Ja  die  Abneigung  gegen  plastische  Aus- 
bildung geht  so  weit,  dass  selbst  der  Erker,  sonst  im  Norden  so 
beliebt,  im  Privatbau  gar  nicht  vorkommt.  Dagegen  war  man 
ohne  Zweifel  darauf  bedacht,  die  Fa^aden  durch  farbigen  Schmuck 
oder  wenigstens  durch  Sgraffiten  zu  beleben.  Ein  ausgezeich- 
netes, wenn  auch  aus  späterer  Zeit  stammendes  Beispiel  solcher 
gemalter  Fa^aden  bietet  das  Haus  am  Bing  No.  8,  das  bei 
seiner  ungewöhnlichen  Breite  dem  Maler  um  so  willkommner  sein 
musste.  Das  Hauptmotiv  bilden,  noch  im  Sinn  der  Benaissance, 
gemalte  Säulen  von  rothem  Marmor  mit  goldenen  Kapitalen;  da- 
zwischen Nischen  mit  Eaiserbildnissen;  an  den  Fensterbrttstungen 
figürliche  Reliefs.  Das  Ganze  von  vorzüglicher  Wirkung,  neuer- 
dings durch  die  anerkennenswerthe  Sorgfalt  des  Besitzers  treff- 
lich wieder  hergestellt  Daneben  werden  dann  die  hohen  Giebel 
durch  die  mannigfaltigste  Silhouette  charakteristisch  unterschieden. 
In  diesem  bewegten  Umriss  der  kühn  aufragenden  Hochbauten, 
welchen  die  Gothik  bereits  anstrebte,  hat  die  Benaissance  eine 
eigenthümliche  und  selbständige  Schönheit  erreicht  Die  Haus- 
flure sind  ursprünglich  überall  gewölbt  gewesen,  theils  mit  Kreuz- 
gewölben, theils  mit  Tonnengewölben  und  Stiebkappen.  Sie  ent- 
halten den  oft  stattlich  gehaltenen  Aufgang  zur  Treppe.  In  den 
Höfen  kommen  bisweilen  Galerieen  auf  Kragsteinen  vor,  wie  an 
der  „Krone*",  bisweilen  aber  auch  Holzgalerieen,  wie  z.  B.  in  dem 
Haus  Tannengasse  3.  Doch  ist  bei  der  Schmalheit  des  Grund- 
risses gewöhnlich  diese  Anordnung  nur  an  einer  Seite  durchgeführt 


666  ni.  Buch.    BenaiBsance  in  DeutacfaUmd. 

Zu  den  reicher  durchgebildeten  Fafaden  gehört  die  in  der 
Kleinen  Groschengasse  15.  Bei  massigen  Verhältnissen  zeichnet 
sie  sich  vor  den  meisten  andern  durch  edle  plastische  Gliederung 
aus,  die  im  Erdgeschoss  kannelirte  Pilaster,  im  ersten  Stock  reich 
omamentirte  ionische  Halbsäulen  auf  stark  herausgebogenen  Con- 
solen,  im  zweiten  stelenartige  Pfeiler  zeigt.  Alle  Glieder  sind 
im  Stil  des  Friedrichsbaues  zu  Heidelberg  mit  Flächenomamenten 
bedeckt,  das  Ganze  wirkt  reich  und  elegant  Eine  Anzahl  in- 
teressanter Häuser  findet  man  am  Ring.  No.  39  hat  ein  kleines 
Portal  mit  prächtigen  Fruchtschnüren  an  der  Archivolte,  mit  Me- 
tallomamenten  an  der  Laibung,  Schilde  mit  aufgerollten  £ahmen 
in  den  Zwickeln.  Der  Flur  ist  mit  einem  herrlichen  gothischen 
Stemgewölbe  bedeckt,  die  Thüren  zeigen  mittelalterliche  Rahmen 
mit  gekreuzten  Stäben,  alles  dies  offenbar  vom  Anfang  des 
16.  Jahrhunderts.  Dieselbe  Behandlung  haben  die  Fenster  und 
Thüren  des  Hofes,  der  gegen  Ausgang  der  Epoche  an  einer 
Seite  eine  kräftige  Holzgalerie  erhalten  hat  Ein  prächtiges  Portal 
in  derber  Rustika,  mit  dorischen  Pilastem  eingefasst,  in  den  Me- 
topen  des  Frieses  Stierschädel  und  Löwenköpfe,  sieht  man  an 
No.  52.  Im  Uebrigen  ist  diese  Fagade  im  18.  Jahrhundert  flau 
überarbeitet  worden,  aber  drei  kleine  Volutengiebel  geben  ihr  einen 
heiteren  Abschluss.  Im  Hof  vermittelt  eine  Arkade  auf  dorischer 
Säule  den  Aufgang  zur  Treppe.  Eine  imposante  Fa^ade  aus  der- 
selben Zeit  bietet  No.  2,  das  Portal  etwas  zahmer,  aber  reich 
und  lebendig,  die  ganze  Tiefe  der  Laibung  mit  Metallomamenten 
bedeckt.  Alles  Ton  feiner  Ausführung.  Die  Fa^ade  hat  durch 
Modemisirung  gelitten,  aber  der  gewaltige  Giebel  ohne  alle  Pi- 
lastergliederung  wirkt  originell  durch  die  phantastische  Silhouette, 
die  zum  Theil  in  die  Figuren  eines  aufrecht  schreitenden  Löwen 
und  eines  geflügelten  Greifen,  der  Wappenthiere  Breslaues,  aus- 
läuft Im  Hof  dieselbe  Treppenanlage  wie  in  No.  52,  dabei  aus 
früherer  Zeit  zwei  hübsche  Wappen  in  einer  zierlichen  ionischen 
Pilasterstellung.  Das  Nebenhaus  No.  3  hat  einen  minder  gross- 
artigen Giebel,  der  aber  durch  Pilaster  und  Gesimse  wirksam 
gegliedert  und  mit  maassvoU  behandelten  Voluten  bekrönt  ist 
Im  Flur  sieht  man  ein  Tonnengewölbe  mit  Stichkappen,  elegant 
mit  flachen  Stuckomamenten  dekorirt.  Am  Treppenaufgang  er- 
hebt sich  eine  prächtige  dorische  Säule.  Einen  der  kolossalsten 
Giebel  bietet  No.  27:  die  mächtigen  Flächen  nur  durch  Gesimse 
abgetheilt,  die  Giebellinie  durch  die  seltsamsten  Voluten,  Schweife 
und  Schnörkel  phantastisch  belebt  Von  demselben  Baumeister 
rührt  No.  28  mit  etwas  kleinerem  aber  ganz  ähnlichem  Giebel 
Originell  ist  auch  No.  21,  eine  schmale,  hohe  Fa^ade,  der  Giebel 


Kap.  XIU.    Die  nordöstlichen  Binnenländer.  667 

darch  einfache  Pilaster  getheilt  und  wirksam  silhouettirt,  ausser- 
dem durch  einige  Masken  geschmückt  Einen  hohen,  geschweiften 
Giebel  zeigt  sodann  No.  9,  blos  durch  Gesimse  eingetheilt,  die 
Fenster  mit  eingekerbten  Rahmen,  wie  sie  hier  öfter  vor- 
kommen. 

Eine  etwas  abweichende,  vereinzelt  stehende  Behandlung, 
hat  der  sehr  derb,  geschweifte  Giebel  Junkemstrasse  4.  Die 
Formen  des  Metallstils  sind  hier  im  Grossen  zur  Anwendung  ge- 
kommen, wie  man  sie  sonst  vorzugsweise  an  der  Ostseekttste 
durch  Einfluss  niederländischer  Meister  antrifft.  In  der  That 
kommt  ein  holländischer  Meister  im  Dienste  der  Stadt  vor,  Hein- 
rieh  Muntig  von  Groningen,  der  1583  das  Neue  Thor  bei  dem 
Fischerpförtlein  baute  ^).  Auch  andere  niederländische  Maurer 
und  Bildhauer  finden  sich  ein.  Ebenso  trat  1591  der  Danziger 
Meister  Hans  Schneider  von  Lindau  in  den  Dienst  der  Stadt  und 
errichtete  in  der  Art  des  von  ihm  dort  erbauten  Hohen  Thores 
das  Sandthor,  welches  1816  abgetragen  wurde  ^).  Er  brachte 
eine  starke  Vorliebe  ftir  Rustika  mit  und  liebte  es  die  Quader 
mit  sternförmigen  Mustern  zu  schmücken.  Das  Haus  an  der 
Sandkirche  No.  2  besitzt  ein  originelles  Portal  dieser  Art,  in 
kräftigster  Rustika  durchgeführt,  die  Quaderflächen  abwechselnd 
glatt  oder  mit  jenem  Sternmuster  belebt.  Ein  ähnliches  Portal, 
nur  etwas  unbedeutender,  Schuhbrücke  32;  ein  anderes  Goldene 
Radegasse  15,  ein  viertes,  vom  Jahre  1592,  am  Ring  58.  Ganz 
abweichend  ist  das  Haus  Hintermarkt  5,  in  strenger  Hochrenais* 
sance  durchgeführt,  in  der  Auffassung  der  Form  und  der  Gom- 
position  nicht  unähnlich  dem  sogenannten  Hause  Ducerceau's  in 
Orleans.  Ein  einfaches,  frühes  Portal  vom  Jahre  1559  sieht  man 
am  Neumarkt  No.  45;  dagegen  finden  sich  in  der  Domstrasse 
mehrere  effectvoU  durchgeführte  Portale  der  Schlussepoche,  welche 
.sämmtlich  eine  derbe  Rustika  zeigen,  die  indess  mannichfach 
modificirt  wird.  An  No.  3,  vom  Jahre  1599,  tritt  sie  in  Verbindung 
mit  römischen  Pilastem  und  energischen  Masken  auf;  an  No.  19, 
von  1606,  sind  die  Quader  abwechselnd  glatt  gelassen  und  mit 
flachen  Metallornamenten  dekorirt;  No.  5  zeigt  ganz  ähnliche 
Behandlung,  wahrscheinlich  von  demselben  Meister. 

Von  Kirchthürmen  der  Epoche  ist  zunächst  der  elegant  mit 
doppelter  Laterne  entwickelte  der  Elisabethkirche  als  ein  tüch- 
tiges Werk  von  schönen  Verhältnissen  zu  erwähnen.  Seine  Spitze 
wurde  an  Stelle  des   1529   eingestürzten   schlanken  gothischen 


')  Nie.  Pol,  Jahrb.  IV,  113,  vgl.  Luchs,  bildende  Künstler  33  und  A. 
Schnitz,  Scbles.  Kunstleben  19.  —  ^)  Schultz,  a.  a.  0.  19. 


668  ni.  Buch.    Benaissance  in  Deutschland. 

Helmes  1535  errichtet  Minder  günstig  wirken  die  Thurmhelme  der 
Magdalenenkirche  von  1565,  deren  Profil  freier  geschwungen 
sein  könnte.    Vom  Rathhausthurme  war  schon  die  ßede. 

ScUiesslich  sei  noch  auf  einige  im  Museum  vorhandene 
Werke  der  dekorativen  Kunst  hingewiesen.  Ausser  manchen  treff- 
lichen, im  besten  Benaissancestil  durchgeführten  Waffen,  nennen 
wir  den  prächtigen  grossen  kupfernen  Krug  von  Bartholomäus 
von  Bosenberg  (1595),  mit  köstlichen  Flächenomamenten  bedeckt, 
unter  welchen  nur  das  Figürliche  etwas  schwächer  ist  Sodann 
einen  reich  mit  Silberfiligran,  mit  getriebenen  und  gravirten  Ver- 
zierungen geschmückten  Pokal,  allerdings  keine  einheimische, 
sondern  eine  Augsburger  Arbeit  vom  Ende  des  16.  Jahrhunderts. 
Endlich  aus  derselben  Zeit  ein  Tisch  mit  eingelegter  Arbeit  von 
grösster  Schönheit,  namentlich  herrliche  Blumenstücke  von  guter 
architektonischer  Anordnung,  auch  der  Tischfuss  von  klarem 
Aufbau.  — 


Liegnitz. 

In  den  übrigen  Städten  Schlesiens  wird  die  Renaissance 
durch  die  Fürsten  eingeführt  Zuerst  geschieht  dies  in  Liegnitz. 
Wenn  man  vo4  der  Nordseite  die  Stadt  betritt,  hat  man  sogleich 
zur  Bechten  das  prachtvolle  Werk,  mit  welchem  der  neue  Stil 
hier  beginnt  Es  ist  das  in  Fig.  181  abgebildete  mit  der  Jahr- 
zahl 1533  bezeichnete  Hauptportal  des  Schlosses.  Nach  der 
Sitte  der  Zeit  aus  einem  grossen  Thorweg  für  Fuhrwerke  und 
einem  kleineren  Pf  Örtchen  für  Fussgänger  bestehend,  tritt  es  in 
einer  Formbehandlung  auf,  die  weder  deutsch  noch  italienisch 
ist  Die  mehrfach  gegürteten  Säulen  mit  dem  ausgebauchten 
unteren  Theil  der  Schäfte,  den  runden  Fussgestellen ,  der  seit-, 
samen  Ornamentik,  die  gewaltigen  Gonsolen  des  Frieses,  die 
energische  Behandlung  der  Kapitale,  endlich  die  rosetten- 
förmigen  Ornamente  der  Attika  zeigen  eine  Behandlung,  die 
am  ersten  .an  burgundisch  -  brabantische  Werke  erinnert  und 
ihre  Analogie  an  dem  Hofe  des  Bischofspalastes  zu  Lüttich  Qetzt 
Justizpalast)  findet  Die  reiche  Ornamentik  ist  ohne  eigentliche 
Feinheit,  die  Formen  weichlich  und  breit  gedrückt,  besonders 
das  Blattwerk  an  den  ausgebauchten  Theilen  der  Säulenschäfte 
und  die  Blumengewinde  an  den  oberen  Partieen  der  Säulen,  die 
an  Ketten  aufgehängt  erscheinen.  Ungleich  besser  und  elastischer 
erscheinen  die  Akanthusblätter  an  den  freicomponirten  Kapitalen 
und  den  Gonsolen.  Ein  bezeichnendes  Motiv  sind  auch  die  mehr- 


Kap.  XUI.    Die  nordDatUofaen  BinnenUnder.  669 

fach  verwendeten  Kanneluren,  die  nicht  bloB  am  Stylobat  und 
dem  mittleren  Theile  des  Sftulenschaftes  vorkommen,  aondern 
auch  den  hohen  Fries  zwischen  den  Kapitalen  sohmtlcken.  Wie 
der  Architekt  mit  der  Unregelmässigkeit  der  Fortalanlage  ge- 
kämpft hat  und  darch  ein  Kapital  über  dem  SohluBSstein  des 
groBaen  Thorbogeus  sich  sinnreich  genug  zu  helfen  suchte,  er- 
kennt man  aus  der  Abbildung.    In  der  Attika  aber  kommt  das 


UnsymmetriBche  der  Anlage  in  der  Anordnung  des  Wappens  und 
der  beiden  Brustbilder  empfindlich  zu  Taga  Diese  Theile  sind 
übrigens  vortrefflich  ausgefllhrt,  namentlich  die  Brustbilder  des 
Erbaaers  Friedrich's  II  (1488  — 1547)  und  seiner  zweiten  Ge- 
mahlin äopbia  von  Brandenburg'),  trotz  starker  Zerstörung  von 
anziehender  Lebenefrische. 

Wir  haben  hier  also  eine  Sehdpfung  jenes  ausgezeichneten 
Fürsten,  der  za  den  edelsten  Fdrderem  der  Geisteskultnr  in 
Schlesien  gehört  Noch  ehe  er  zur  Regierung  kam,  bezeugte  er 
durch  die  in  seinem  zwanzigsten  Lebensjahr  angetretene  aus 
n  sonderbarer  Innigkeit "  unternommene  Pilgerfahrt  nach  dem 
heiligen  Lande  einen  regen  Sinn  für  ideale  Interessen.  Sp&ter 
an  der  Spitze  eines  schlesischen  StAdtebnndes  wusste  er  das 
Land  von  den  Raubrittern  zu  s&abem,  und  sodann  wfihrend 
seiner  Begierungszeit  sein  Gebiet  nicht  blos  zu  vergrösaem  und 
durch    einsichtsvolle  Verwaltung    zu    hoher  BlOthe   zu  bringen, 


')  Abgeb.  in  Lucbs  Scblea.  FUrBtenbilder,  Taf.  19  a  nod  b. 


670  ni.  Bach.    Benaisaance  in  DeutBChland. 

sondern  auch  das  geistige  Leben  kräftig  zu  fordern.  Er  war  es, 
der  als  der  erste  evangelische  Fürst  Schlesiens  die  Reformation 
einfllhrte,  die  kirchlichen  Verhältnisse  in  milder,  weitherziger 
Weise  ordnete  und  fttr  die  Hebung  des  Schulwesens  ansehnliche 
Opfer  brachte.  Zwar  scheiterte  die  von  ihm  energisch  aufge- 
nommene Idee  der  Gründung  einer  Universität,  aber  die  unter 
Trotzendorf  blühende  Schule  zu  Goldberg  förderte  er  in  nach- 
drücklicher Weise.  Ein  Werk  dieses  edlen  Fürsten  war  der 
Neubau  und  die  Befestigung  seines  Schlosses,  zunächst  unter  dem 
Eindruck  der  Türkengefahr,  vielleicht  schon  1527,  jedenfalls 
1529^)  begonnen.  Der  Bau  war  so  bedeutend,  dass  er  erst  nach 
dem  Tode  des  Herzogs  zum  Abschluss  kam. 

Dass  schon  im  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  hier  ein  Sehloss 
vorhanden  war,  geht  aus  mehreren  urkundlichen  Aufzeichnungen 
hervor.  Eine ,  bedeutendere  Bauthätigkeit  wird  von  Ludwig  II 
bezeugt,  der  1415  den  grossen  Thurm  erbaute,  welcher  jetzt  den 
Namen  des  Hedwigthurmes  führt.  Es  war  wohl  derselbe,  dessen 
Gesimse  mit  dem  Zinnenkranz  durch  einen  französischen  Meister 
errichtet  wurde,  welchen  der  Herzog  auf  einer  Reise  in  Frank- 
reich in  St.  Denis  kennen  gelernt  und  nach  Liegnitz  geschickt 
hatte.  Dieser  Thurm  ist  noch  jetzt  ein  wohl  erhaltener  Theil 
der  mittelalterlichen  Anlage,  rund,  von  Backsteinen  aufgeführt, 
mit  schönem  auf  Gonsolen  ruhendem  Umgang,  der  noch  jetzt  die 
Geschicklichkeit  des  französischen  Meisters  bezeugt  Ein  acht- 
eckiger Spitzhelm  bildet  den  Abschluss.  Eine  weitere  Bau- 
thätigkeit beginnt  dann  seit  1470  unter  Herzog  Friedrich  I. 
Dieser  gehört  wahrscheinlich  der  südliche  Flügel,  an  welchem 
man  mehrere  Thüren  und  Fenster  aus  spätgothischer  Zeit  mit 
fein  profilirten,  an  den  Ecken  durchschneidenden  Stäben  bemerkt 
Die  Renaissance  führte  dann,  wie  wir  sahen,  Friedrich  II  schon 
zeitig  im  Schlosse  ein. 

Betrachten  wir  den  Bau  nun  im  Zusammenhange,  so  bietet 
er  mit  Ausnahme  des  schon  erwähnten  Hauptportals  für  uns 
wenig  Interesse.  Das  Portal  selbst,  in  gelblichem  Sandstein  aus- 
geführt, während  die  übrigen  Theile  den  Backstein  zeigen,  steht 
für  sich  vereinzelt  da.  Ob  die  im  Eingangsbogen  zu  lesenden 
Buchstaben  I.  V.  E.  F.  und  S.  P.  G.  T.  sich  auf  die  Baumeister 
beziehen,  muss  dahingestellt  bleiben.  Ueberraschend  ist  aber  eine 
alte  Nachricht^),  nach  welcher  der  Herzog  die  Baumeister  zum 
Schlosse  aus  Brabant  berufen  hätte,  was  mit  dem  Stile  des  Por- 

»)  Vgl  J.  P.  Wahrendorflf,  Liegnitzische  Merkwürdigkeiten,  S.  88.  — 
^)  Lucae*s  Chronik,  p.  t295. 


Kap.  XIII.    Die  nordöstüchen  BinnenlSnder.  071 

talbaues  völlig  übereinstimmt.  Die  mit  einem  Tonnengewölbe 
bedeckte  langgestreckte  Durchfahrt  öffnet  sich  mit  einem  schweren, 
spftter  ausgeführten  Eustikaportal  auf  den  gewaltig  grossen  Haupt- 
hof, der  auf  drei  Seiten  von  zweistöckigen  Gebäuden  in  Back- 
stein umschlossen  wird.  Hinter  dem  Hauptportal  erhebt  sich  ein 
achteckiger  gothischer  Thurm:  der  im  15.  Jahrhundert  aufge- 
führte Petersthurm.  Alle  diese  Gebäude  sind  nach  dem  neuesten 
Brande  des  Schlosses  erst  in  unserer  Zeit  hergestellt  und  nichts 
weniger  als  glücklich  modernisirt  worden.  Die  Fenster  in  diesem 
vorderen  Hofe,  meist  zu  zweien  gruppirt,  haben  grösstentheils 
spätere  Umrahmung;  nur  einige  im  Südflügel,  mit  ionischen  Fi- 
lästern  eingefasst,  dürften  mit  dem  Portal  gleichzeitig  sein.  Von 
den  spätgothischen  Formen  dieses  Theils  war  schon  die  Rede. 
Die  westlichen  Partieen  der  Seitenflügel  haben  an  den  Fenster- 
rahmen die  Flachomamente  im  Metallstil  der  Barockzeit.  Diese 
Theile  gehören  ohne  Zweifel  zu  den  Umbauten,  mit  welchen 
Herzog  Georg  Rudolph,  angeblich  durch  italienische  Baumeister, 
um  1614  das  Schloss  schmückte,  nachdem  er  seine  ^aus  he- 
roischem Gemüthe"  angetretene  Reise  durch  Deutschland,  Italien, 
die  Schweiz,  Frankreich  und  die  Niederlande  beendet  und  die 
Regierung  angetreten  hatte  ^).  Einer  noch  späteren  Zeit  gehört 
das  reich  dekorirte  Bogenportal  der  Kapelle,  inschriftlich  1658 
durch  Herzog  Ludwig  errichtet.  Aus  der  früheren  Epoche 
stammt  nur  noch  der  polygone  Treppenthurm  in  der  südöstlichen 
Ecke  des  Hofes.  Dagegen  ist  von  der  steinernen  Galerie,  welche 
sich  im  Erdgeschoss  an  der  Südseite  hinzog,  ebenso  wenig  er- 
halten, wie  von  der  prächtigen  Ausstattung  des  Innern,  besonders 
des  Speisesaales  und  des  grossen  Festsaales,  welche  noch  im 
vorigen  Jahrhundert  gepriesen  wurden^).  Die  Westseite  schliesst 
ein  modemer  einstöckiger  Bau,  mit  einer  ungeschickten  auf  Con- 
solen  gestellten  Säulenreihe  dekorirt  Ein  viereckiger  Thurm  er- 
hebt sich  daraus.  Hier  findet  die  Verbindung  mit  dem  zweiten 
Hofe  statt,  der  'unregelmässig  und  von  untergeordneten  Gebäuden 
umgeben  ist  Interesse  bietet  nur  der  schon  erwähnte  an  der 
Südwestecke  stehende  Hedwigsthurm.  Wenn  wir  schliesslich 
noch  ein  phantastisch  barockes  Portal  an  der  Aussenseite  des 
Nordflügels  erwähnen,  welches  mit  den  unter  Georg  Rudolph  er- 
bauten Theilen  des  inneren  Hofes  gleichzeitig  ist,  so  haben  wir 
das  Wesentliche  berührt 

Eine  gesteigerte  Bauthätigkeit  finden  wir  nun  auch  in  bürger- 


0  Lucaes's  Chronik,  S.  1306.  —  '^)  Ebend.  S.  121t. 


672  in«  Bach.    Benaiflsance  in  Deutschland. 

liehen  Ereigen  als  anmittelbare  Einwirkung  der  umfangreiehen 
SehloBsbauten;  aber  die  späteren  Zeiten  hab^n  gerade  hier  die 
ursprüngliche  Eunstform  der  Fa^en  meistens  verwischt,  so 
dass  fast  nur  die  Portale  ihren  alten  Charakter  bewahren.  Die 
durch  eine  klare  und  stattliche  Anlage  ihres  Ringes  und  der 
Hauptstrassen  imponirende  Stadt  hat  dadurch  viel  von  ihrem 
früheren  Gepräge  eingebüsst  Auch  die  Sgraffiten,  welche  hier 
vielfach  vorhanden  waren,  sind  fast  spurlos  verschwunden.  Ganz 
besonders  auffallend  ist  aber,  dass,  vielleicht  mit  Ausnahme  eines 
einzigen  schon  stark  barocken  Beispiels,  in  Liegnitz  die  Giebel- 
fa^aden  völlig  fehlen.  Die  Hausflure  sind  wie  in  Breslau  durch- 
gängig gewölbt  und  zwar  mit  Ereuzgewölben.  Eine  Ausbildung 
des  Holzbaues  scheint  hier  noch  weniger  als  dort  versucht  worden 
zu  sein. 

Von  Werken  der  Frührenaissance  ist  das  Bedeutendste  die 
Fa^ade  am  Bing  No.  16;  im  Erdgeschoss  völlig  mit  Pilastem  de- 
korirt,  alle  Flächen  mit  Ornament  überzogen,  der  Portalbogen 
mit  Zahnschnitt  und  Eierstab  gegliedert,  die  Zwickel  mit  Brust- 
bildern belebt,  der  Fries  mit  reichen  Laubranken  geschmückt, 
das  rein  Omamentale  von  grosser  Mannigfaltigkeit  der  Erfindung 
und  Frische  der  Ausführung,  das  Figürliche  von  kindischer  Un- 
behülflichkeit  Das  Werk  wird  um  1550  entstanden  sein.  Von 
1556  datirt  das  Portal  am  Ring  No.  13,  ebenfalls  Frührenaissance, 
mit  korinthisirenden  Pilastem  eingefasst,  der  Bogen  mit  männ- 
lichen und  weiblichen  antikisirenden  Bmstbildem  geschmückt, 
die  Pilaster  selbst  mit  hübschen  Reliefmedaillons  und  gutem 
Laubomament  Um  so  ungeschickter  sind  in  den  Bogenzwickeln 
Adam  und  Eva;  vollends  unglaublich  schlecht  die  wilden  Männer, 
welche  über  dem  Portal  das  Wappen  halten.  Sehr  dürftig  und 
kümmerlich  tritt  die  Renaissance  noch  1544  an  dem  kleinen 
Portal  Frauenstrasse  No.  9  auf. 

Die  zweite  Hälfte  des  Jahrhunderts  war  für  Liegnitz  wenig 
erfreulicL  Nach  dem  Tode  des  trefflichen  Herzogs  Friedrichs  II 
wurde  schon  durch  seinen  Sohn  und  Nachfolger,  Friedrich  III 
das  Land  in  Zerrüttung  gestürzt,  die  dann  unter  Herzog  Hein- 
rich XI,  wie  wir  schon  durch  Schweinichen  wissen,  nur  noch  zu- 
nahm. Erst  gegen  Ausgang  der  Epoche  finden  wir  in  Liegnitz 
wieder  Spuren  einer  zunehmenden  Eunstblüthe.  Zunächst  ist  von 
1581  das  Gymnasium  zu  erwähnen,  das  wenigstens  durch  ein- 
fach kräftiges  Portal  und  wirksam  umrahmte  Fenster  einen  ge- 
wissen monumentalen  Charakter  zeigt.  Mit  dem  Anfang  des 
17.  Jahrhunderts  beginnt  eine  Nachblüthe  der  Architektur,  welche 
mehrere  Werke  von  ungewöhnlicher  Feinheit  hervorbringt    So 


Kap.  XHL    Die  nordOttfieben  Biiuienlllnder.  673 

'das  kleine  (iber  sehr  ele^ote  Portal  SohlosBatraue  15,  mit  treff- 
lich behandeltem  Laubwerk  vom  Jahre  1613.  Das  Meütersttlck 
and  Oberhaupt  eine  der  schönsten  Schöpfungen  dieser  Zeit  iat 
aber  das  Portal  am  Eckhaoae  der  Frauenstruse  gegen  den  Ring 


PIC  ISl.    Uwntti.  Fsitil  abiM  PrlTUh4iuw. 

(Fig.  182).  Schon  seiner  Composition  nach  gehOrt  es  zu  den  besten 
Arbeiten  unserer  BenaiBBance;  aber  die  geniale  Leichtigkeit  und 
Feinheit  der  AoBfDhmng,  die  wunderroll  frei  geschwungenen 
Akanthusranken,   die  geistreich  behandelten  Köpfe  und  Masken, 

KBglar,  QMab.  d.  Bankmut.  V.  43 


674  ni.  Bach.    BenaiBsanee  in  Deutschland. 

die  geflügelten  Karyatiden  der  Einfassung,  das  Alles  ist  von  einer 
in  ganz  Deutschland  wohl  nirgends  wieder  vorkommenden  Schön- 
heit. Dass  von  solchen  Werken  keine  Abbildungen,  nicht  ein- 
mal Photographieen  existiren,  ist  ein  Beweis  wie  weit  wir  noch 
im  Rückstand  sind^).  Auch  die  Verwendung  eines  sehr  feinen 
Flachomaments  im  Charakter  gepressten  Jj^ders  an  den  inneren 
Flächen  zeugt  von  einem  bedeutenden  Meister.  Eine  Anzahl 
kleinerer  Werke  derselben  Zeit  und  ähnlicher  Bichtung,  wenn  auch 
von  minderer  Bedeutung,  findet  sich  flberall  in  den  Strassen 
zerstreut.  So  Schlossstrasse  25  ein  derberes  Bogenportal  mit 
stärkerer  Anwendung  von  Flachomamenten  im  Metallstil  jener 
Epoche.  Von  ähnlicher  Behandlung  Frauenstrasse  35  ein  kleines 
Portal  von  1610,  im  Schlussstein  ein  hübsches  weibliches  Köpfchen. 
In  derselben  Strasse  No.  21  ein  zierliches  Portal  mit  reich  ge- 
gliedertem Bogen,  im  Schlussstein  eine  groteske  Maske.  Am 
Bing  27  ein  ähnliches  mit  prächtigem  Löwenkopf  als  Schluss- 
stein, welches  fast  ebenso,  ofifenbar  von  derselben  Hand,  Burg- 
strasse 8  wiederkehlt-  In  derselben  Strasse  13  und  26,  hier  vom 
Jahre  1608,  dieselbe  Composition.  Endlich  ein  etwas  stattlicheres 
Werk  Schlossstrasse  5,  wo  zugleich  die  trefflich  geschnitzte 
Hausthttr  mit  ihren  Eisenbeschlägen  und  dem  Klopfer  ein  cha- 
rakteristisches Ganzes  ausmacht  — 


Brieg. 

Das  Hauptwerk  der  Benaissance  in  Schlesien  ist  ohne  Frage 
das  Brieger  Piastenschloss,  selbst  in  seiner  verstümmelten 
und  misshandelten  Gestalt  noch  immer  eine  der  edelsten  und 
grossartigsten  Schöpfungen  dieser  Epoche  in  Deutschland.  Und 
wiederum  ist  es  das  Werk  eines  der  besten  Fürsten  des  Landes. 
Georg  II,  der  Sohn  eines  ebenso  trefflichen  Vaters,  Friedrich's  II 
von  Liegnitz,  welchem  Brieg  als  Erbtheil  zufiel,  hat  in  seiner 
segensreichen  fast  vierzigjährigen  Begierung  (1547 — 1586)  sein 
Herzogthum  Brieg  in  einen  Stand  gepetzt,  dass  man,  wie  ein 
Zeitgenosse  sagt,  das  alte  Land  nicht  mehr  erkannte  und  das 
neue  'nicht  ohne  Bewunderung  ansehen  konnte.  Als  Zeugniss 
seines  hohen  Kunstsinnes  steht  noch  jetzt  das  von  ihm  erbaute 
Schloss  da.     Noch   unter  Friedrich  II,  1547,  begann  der  Bau, 


*)  Fig.  182  ist  nach  einer  geistreichen  Reiseskizze  G.  Lüdecke's  ent- 
worfen. 


Kap.  XHL    Die  norclöstlidiMi  BinnenlSnder.  675 

der  sich  an  der  Stelle  emea  firftheren  Tom  Jahre  1369,  ebenfaUs 
sehen  in  Stein  ausgefüUrten,  in  der  ganzen  Pracht  des  Bennais- 
sancestila  erheben  BoUte.  Wie  aber  sein  Vater  fttr  das  Liegnitzer 
Schloss  niederländische  Meister  berufen  hatte,  so  zog  Georg  für 
seinen  Bau  italienische  Künstler  in's  Land.  Wir  sind  durch  ur- 
kundliche Ueberliefemngen  genauer  über  dieselben  unterrichtet^). 
Am  frühesten  tritt  Meister  Jacob  Bahr  oder  Ba/vor  aus  Mailand 
als  Schlossbaumeister  in  Brieg  auf.  Mit  Meister  Antonius  von 
Theodor^)  erbaut  er  zugleich  die  Stadtschule  und  vollendet  1553 
das  imposante  Portal  des  Schlosses.  Als  sich  gegen  ihn  und 
seine  welschen  Maurer  der  Neid  der  einheimischen  regte,  nahm 
der  Herzog  ihn  durch  einen  Erlass  vom  26.  October  1564,  in 
welchem  er  ihm  das  beste  Lob  ertheilt,  in  Schutz.  Ein  Italiener 
war  auch  ffans  Vorrah  j  der  1562  am  Schlossbau  thfttig  ist  Ob 
Meister  Caspar^  der  1568  erwähnt  wird,  ebenfalls  ein  Ausländer 
war,  wissen  wir  nicht  Er  muss  aber  ein  angesehener  Meister 
gewesen  sein,  da  er  1568  berufen  wird  für  den  Kanzler  von 
Pemstein  zu  Prosznitz  in  Mähren  ein  Haus  zu  bauen  und  1572 
auf  Ersuchen  Joachim  Emst's  von  Anhalt  sogar  nach  Dessau  ge- 
schickt wird.  Später  ist  Meister  Bernhard^  ebenfalls  ein  Italiener, 
beim  Schlossbau  in  Brieg  beschäftigt  und  auch  nach  Breslau 
1576  zur  Erbauung  des  Ohlauer  Thores  berufen.  Noch  ein 
Italiener,  Meister  Lugann ^  ist  1585  mit  Erbauung  des  Schlosses 
zu  Nimptsch  betraut  Interessant  ist  bei  Gelegenheit  dieses  Baues 
ein  aus  Prag  aus  jenem  Jahre  datirter  Brief  des  Herzogs,  welcher 
die  dort  vielfach  vorkommenden  unter  dem  Dach  hinlaufenden 
Balkone'^)  an  seinem  Schloss  nachzuahmen  anempfiehlt     • 

Das  Brieger  Schloss,  welches  wir  nunmehr  betrachten^),  ist 
also  ein  Werk  italienischer  Meister.  Vergleichen  wir  es  aber 
mit  der  um  dieselbe  Zeit  von  Italienern  erbauten  Residenz  in 
Landshut,  welche  den  strengsten  römischen  Palaststil  der  Hoch- 
renaissance darstellt,  so  erkennen  wir,  dass  in  Brieg  die  fremden 
Meister  sich  weit  mehr  den  deutschen  Sitten  anbequemt  haben. 
Das  zeigt  schon  die  Fagade  mit  dem  Prachtbau  des  Portals,  auf 
Seite  173  unter  Fig.  40  abgebildet^)  Es  ist  ein  durchaus  in 
Sandstein  mit  grösster  Sorgfalt  ausgeführter  Bau,  an  allen  Flächen 
und  architektonischen  Gliedern  mit  jener  Fülle  von  Ornamenten 


0  H.  Luchs  hat  dss  Yerdienst  in  seinen  bild.  Kttnstl.  aus  SchleBien 
£L  15  ff.  dieselben  veröffentlicht  zu  haben.  —  ^)  Wahrscheinlich  Antonio  di 
Teodoro,  d.  h.  des  Theodor  Sohn.  —  ')  Jetzt  z.  B  noch  am  Palast  Schwarzen- 
berg  erhalten,  vgl.  oben  S.  638.  —  ^)  Eine  Beschreibung,  mit  Bezug  auf 
eine  ältere  Abbildung,  giebt  H.  Luchs  in  Sohles.  Vorzeit  in  Bild  und  Schrift 
n,  S.  32  ff.  —  «)  Neuere  photolithogr.  Abbild,  bei  A.  Schultz  a.  a.  0. 

43* 


676 


m.  Buch.    ReDBiBBance  in  Dentschland. 


bedeckt,  welche  in  diesem  BeichthDin  nur  in  der  Frttbrenaissance 
Oberitaliens  Torkommt  Um  bo  wirksamer  hebt  sich  der  Beiz 
dieser  Dekoration  herror,  als  der  Hintergmnd  aus  einer  Quader- 
maoer  mit  stark  betonten  Fugen  besteht  Die  Composition  des 
Portales  beruht  auf  der  im  Norden  allgemein  herrschenden  Sitte, 
Pl(.  ist. 


fieUoH  In  Bri*c-    Onmdr.  und  Dsniuohn.    (F.  Wolff.) 

einen  grossen  Thorweg  and  daneben  ein  kleineres  Pitfrtchen  an- 
zuordnen. Die  Symmetrie  wird  dadurch  aufgehoben,  aber  die 
italienischen  Eflnatler  haben  diese  Schwierigkeiten  doch  glück- 
licher Überwunden  als  die  niederländischen  am  Portal  zu  Lieg- 
nitz.  Dennoch  blieb  Air  die  Atdka  nichts  übrig,  als  zu  einer 
rein  symmetrischen  Anordnung  überzugehen.  Sie  ist  demnach  mit 
drei  prachtroll  ausgeführten  Wappen  geschmückt,  von  welchen 


Kap.  XIII.    Die  nordöstlichen  Binnenländer.  679 

die  beiden  seitlichen  von  Gewappneten  gehalten  werden.  Zwischen 
ihnen,  auf  den  Vorsprttngen  des  Gesimses,  sieht  man  die  trefflich 
gearbeiteten  fast  lebensgrossen  Gestalten  des  Erbauers  und  seiner 
Gemahlin  Barbara  von  Brandenburg.  Dann  folgt  das  Hauptge- 
schoss  mit  drei  grossen  Fenstern  von  schönen  Verhältnissen  und 
endlich  ein  niedrigeres  zweites  Stockwerk,  beide  durch  eine 
Doppehreihe  von  Brustbildern  fürstlicher  Ahnen  getrennt  Die 
Fortale  und  sflmmtliche  Fenster  werden  durch  ein  Doppelsystem 
von  Pilastem  der  feinsten  korinthisehen  Ordnung  umrahmt,  von 
denen  die  grösseren  die  vertikale  Gliederung  der  Fa^ade  be- 
wken.  Die  Fttlle  des  Ornaments,  welche  alle  Flächen,  die  Pi- 
laster,  Friese,  Bogenfelder,  Postamente  bedeckt,  ist  unerschöpf- 
lich. Die  Ausführung  derselben  zeugt  von  verschiedenen  Händen. 
Bei  geistreicher  Erfindung  und  grosser  Mannigfaltigkeit  der  Phan- 
tasie ist  die  technische  Behandlung  meist  etwas  stumpf.  Von 
hoher  Schönheit  sind  die  Akanthusgewinde  der  beiden  Posta- 
mente an  den  Ecken  der  Attika;  flau  dagegen  das  Rankenwerk 
über  dem  kleinen  Portal.  Die  Kapitale  zeigen  sämmtlich  die 
durchgebildete  korinthische  Form.  Die  Archivolten  sind  mit  ele- 
ganten Bosetten  dekorirt.  Trefflich  sind  die  vielen  Portraitbilder 
ausgeführt,  sehr  lebensvoll  die  beiden  Hauptgestalten,  nur  die 
Dame  durch  gar  zu  ängstliche  Ausführung  des  Zeitkostttms  etwas 
beeinträchtigt  Am  obersten  Fries  liest  man  die  Sinnsprüche: 
„Verbum  domini  manet  in  aetemum.  —  Si  deus  pro  nobis  Quis 
contra  nos.  —  Justitia  stabit  thronus.  "*  Auch  sonst  bei  den  zahl- 
reichen Bildnissen  eine  Menge  von  Beischriften,  so  dass  auch 
nach  dieser  Seite  der  Bau  zu  den  reichsten  seiner  Art  gehört 
Eine  weite,  mit  Tonnengewölbe  bedeckte  Einfahrtshalle  (A  in 
Fig.  184)  führt  nach  dem  grossen  Hofe  B,  wo  sich  dieselbe  in 
einem  gewaltigen,  etwas  zugespitzten  Bogen  von  30  Fuss  Span- 
nung öfihet  Auch  dieser  Bogen  ist  wieder  ein  Prachtstück  der 
Dekoration,  an  den  einfassenden  Pfeilern  mit  korinthischen  Pi- 
lastem dekorirt,  die  mit  Trophäen  und  Emblemen  aller  Art  in 
etwas  zu  grossem  Maassstabe  geschmückt  sind.  Die  Archivolte 
selbst  ist  in  origineller  Weise  als  mächtiger,  von  Bändern  um- 
wundener Eichenkranz  charakterisirt,  so  dass  man  den  Eindruck 
einer  Triumphpforte  bekommt  In  den  Zwickeln  sind  die  Wappen 
des  Herzogs  sowie  des  ihm  verschwägerten  Joachim  von  Branden- 
burg angebracht,  dabei  die  Jahrzahl  MDLI,  während  am  äusseren 
Portal  1552  steht  An  einer  kleinen  Nebenpforte  liest  man: 
„Vortruen  darff  aufschauen*'.  Die  Eingänge  in  den  Keller  sind 
in  derber  Grottenrustika  gehalten,  am  glatten  Kämpfer  aber  ein 

schöner  Meereswellenfries. 


680 


III.  BucL    BenaiBsance  in  Deutochland. 


Der  Hof  muss  in  seiner  ursprünglichen  Vollendung  einen 
unvergleichlichen  Eindruck  gemacht  haben.  Nicht  blos  der  Reich- 
thum  der  durch  zwei  Geschosse  führenden  ionischen  Säulenhallen 
(Fig.  185),  die  zierlich  umrahmten  zahlreichen  Fenster  und  Por- 
tale der  oberen  Stockwerke,  die  originellen  frei  und  phantastisch 
antikisirenden  Portraitmedaillons  in  den  Bogenzwickeln,  sondern 
mehr  noch  die  ungemeine  Grösse  der  Verhältnisse  stempelten 
ihn  zu  einem  Bauwerke  ersten  Hanges.  Die  mächtigen  Axen  der 
Säulenstellungen  von  16  Fuss  finden  an  deutschen  Bauten  der 
Zeit  kaum  irgendwo  ihres  Gleichen;  dazu  kommt  eine  Stockwerk- 
hohe  von  18  bis  20  Fuss,  die  ebenfalls  für  nordische  Verhältnisse 
beträchtlich  erscheint    Das  Alles  ist  jetzt  grOsstentheils  im  Zu- 


Flg.  187.    GrnndrbM  du  SchloBshofei  la  Brleg. 


Stande  grauenhafter  Zerstörung.  Nur  wenige  Säulen  stehen  noch 
aufrecht;  im  östlichen  Hauptbau  und  in  dem  lang  hingestreckten 
nördlichen  Flügel  lassen  sich  die  ehemaligen  Säulenstellungen  so 
weit  verfolgen  wie  unsere  Skizze  Fig.  187  andeutet  Hier  ist 
auch  in  der  Ecke  bei  D  die  diagonale  Stellung  der  Säulen  und 
die  damit  verbundene  Treppenanlage  bemerkenswerth.  Der  Haupt- 
eingang lag  wie  man  sieht  nicht  in  der  Mitte  des  östlichen 
Flügels,  sondern  weit  nach  Süden  vorgerückt,  wo  eine  zweite 
Treppe  (vgl.  Fig.  184)  in  der  Ecke  gegen  den  fast  ganz  zer- 
störten südlichen  Flügel  sich  findet  Beide  Treppen  sind  in  ein- 
fachem, rechtwinklig  gebrochenem  Lauf  mit  Podesten  angelegt 
Auf  die  sonst  in  der  deutschen  Renaissance  so  beliebten  Wendel- 
stiegen hat  man  verzichtet  Westlich  wird  der  Hof  durch  dürf- 
tige spätere  Nebenbauten  abgeschlossen.  Ein  Best  der  mittel- 
alterlichen Anlage  dagegen  ist  noch  jetzt  in  der  Kapelle  erhalten, 


Kap.  XIII.    Die  norddstlieheii  Binnenläiider.  683 

deren  ChorscMnss  sttdlieh  neben  dem  Hanptportal  nach  auBsen 
Yorapring^  Von  der  reichen  Ansstattnng  des  Innern,  von  welcher 
berichtet  wird,  ist  keine  Spur  mehr  vorhanden.  Der  Prachtbau 
iBt  seit  der  gewaltsamen  Zerstörung  im  vorigen  Jahrhundert  eine 
täglich  mehr  verfallende  Buine. 

Von  den  öffentlichen  Gebäuden  der  Stadt  ist  zunächst  das 
Gymnasium  zu  nennen,  welches  Herzog  (reorg  durch  denselben 
Meister  Jacob  Bahr  bis  1564  errichten  liess.  Ein  schlichter  Bau, 
der  von  seiner  ursprünglichen  reichen  Ausstattung  wenig  auf- 
weist Augenscheinlich  war  die  Ausführung  hier  in  geringere 
Hände,  vielleicht  von  deutschen  Steinmetzen  gelegt;  wenigstens 
ist  das  Portal  mit  dem  kleinen  Pförtchen  daneben  eine  unge- 
schickte Arbeit,  von  missverstandenen  ionischen  Halbsäulen  um- 
fasst,  in  den  Zwickeln  schlecht  gezeichnete  Figuren  der  Beligion 
und  der  Gerechtigkeit  lieber  dem  Portal  zwei  reich  gemalte 
Wappen,  von' plumpen  Engelknaben  gehalten.  Bei  dem  kleinen 
Pf  Örtchen  ist  es  auffallend,  dass  kein  Schlussstein,  sondern  eine 
Fuge  in  den  Scheitel  des  Bogens  trifft 

Weit  ansehnlicher  ist  das  Bathhaus,  zwar  gering  und 
flüchtig  in  der  Behandlung  der  Formen,  aber  durch  malerische 
Gruppirung  anziehend  (Fig.  188).  Die  beiden  Thürme,  welche 
die  Fa^ade  flankiren,  schliessen  eine  auf  drei  dorischen  Säulen 
ruhende  Vorhalle  ein,  über  welcher  eine  auf  Holzpfeilem  ruhende 
obere  Halle  die  Verbindung  im  Hauptgeschoss  bildet  Die  Haupt- 
treppe, rechtwinklig  mit  vier  Podesten  um  den  mittleren  qua- 
dratischen Mauerkem  emporsteigend,  liegt  in  dem  links  befind- 
lichen Thurm,  eine  untergeordnete  hölzerne  in  dem  andern.  Die 
obere  Vorhalle  mündet  auf  ein  schlicht  aber  elegant  behandeltes 
Portal,  mit  schönen  Fruchtschnttren  und  Löwenköpfen  dekorirt; 
in  den  Bogenzwickeln  zwei  weibliche  Figuren.  Im  Innern  haben 
die  Thüren  einfache  aber  schön  componirte  Benaissancerahmen. 
Die  Ausführung  könnte  wohl  von  Italienern  herrühren.  Seine 
Bedeutung  hat  indess  der  Bau,  wie  gesagt,  weniger  durch  die 
Einzelformen  als  durch  die  treffliche  Gruppirung  des  Aeusseren. 
Die  Treppenthürme  mit  der  Vorhalle,  das  hohe  Dach  mit  seinen 
Giebehi,  das  Alles  überragt  von  dem  mächtigen  Hauptthurm, 
macht  dies  Bathhaus  zu  einem  der  malerischsten  in  Deutschland. 

Der  bürgerliehe  Privatbau  in  Brieg  gehört  meist  der 
Schlussepoche  an.  Von  Werken  der  Frührenaissance  habe  ich 
nur  die  köstliche  kleine  Fa^ade  Burgstrasse  No.  6  zu  verzeichnen. 
Zwar  das  Bogenportal  mit  seiner  Bustika,  auf  jedem  Quader  ein 
Kopf  oder  eine  Bosette,  ist  von  geringerer  Hand;  aber  die  io- 
nischen Pilaster,  welche    das  Erdgeschoss  gliedern,  mit  ihren 


6g4  ni.  Buch.    Bensiauno»  in  DeDtBchluid. 

prächtigen  Arabesken,  namentlich  aber  der  Friea  mit  Beinen 
Pntten,  die  ein  Wappeneohild  halten,  mit  Seepferden  spielen  und 
andern  Huthwillen  treiben,  ^horen  in  der  geistreichen  Erfindung, 
dem  freien  Schwung  der  aus  dem  Grund  sich  fast  völlig  lösenden 
Arbeit  zum  Trefflichsten,  das  wir  in  dieser  Art  besitzen.  Im 
oberen  Geschoss  gliedern'  vier  kleinere  ionische  Pilaster,  eben- 
falls reich  omamentirt,  die  Flächen,  Den  Abschluss  bilden 
spatere  zopfige  Vasen.  Auch  Sber  der  Thtrr  ist  eine  ähnliche 
Verballhomung  eingetreten.    Die  oberen  Theile  der  Fa^ade,  die 


Flg.  ISe.    Brter.    Dappelgl«lHl.    (C  LBdtekt.) 

jedenfalls  ursprunglich  gleichmässig  durchgefDhrt  waren,  sind  jetzt 
ganz  nOchtem  modemisirt  Leider  sind  auch  die  schönen  Or- 
namente durch  dicke  TUnche  entstellt  Ob  das  G.  M.  Über  dem 
Fortal  auf  den  Baumeister  zu  deuten  ist,  muss  dahingestellt 
bleiben. 

Die  Übrigen  Privathauten  der  Stadt  gehören  der  letzten  Epoche 
der  Renaisuance.  Sie  zeigen  fast  sämmtlich  den  Giebelbau  in 
mannigfaltigster  Weise  entwickelt,  und  zwar  sehr  verschieden 
von  der  in  Breslau  herrschenden  Ausprägang.  War  dort  die 
plastiBobe  Gliederung  zu  Gunsten  eines  mehr  malerischen  Prin- 


K»p.  ZUL    Die  nordtfitllclien  BinnenlXiider.  685 

cips  TernacblAssigi,  so  tritt  hier  die  erstere  in  ihr  toIIcb  Recht. 
Nicht  bloB  daBB  krSftige  Pilaster  und  SfiuleoateUun^n  mit  reich 
durchgeftlhTten  Gesimsen  die  Flftchen  rhythmlBcb  beleben,  auch 
ein  reicherer  Omamentalscfamuck  tritt  in  Flachreliefs,  meist  in 
Stack  ausgeführt,  hinzu.  Aber  noch  interessanter  werden  diese 
Fa^aden  dadurch,  dass  sie  häufig  in -zwei  Giebel  zeriegt  sind, 
oder  gar  in  der  Mitte  einen  rollstfindigen  Giebel  zeigen,  der  TOn 
zwei  halbirten  begleitet  wird.  Die  erstere  Form  kommt  in  sehr 
eleganter  Weise  an  einer  kleinen  Fa^ade  der  Wagnerstrasae 
No.  4  zur  Erscheinung  (Fig.  189).  Hier  gliedern  eingeblendete 
ioniscbe  Sftulen  in  wirksamer  Weise  die  Flächen,  auf  kräftige 


Flg.  IM.    Brle(.    OltlHtfifad*.    <C.  LlldMk«.) 

Voluten  gestellt,  die  einen  vollständigen  Fries  bilden.  Die  Fenster 
sind  mit  geränderten  nnd  facettirten  Quadern  eingefasst,  die 
grosseren  Fläeben  durch  Metallomamente  belebt,  die  Silhouette 
aoBserdem  durch  kraftvolle  Voluten  bereichert  Die  unteren  Theile 
der  Fa^ade  sind  mit  Einschlnss  des  Portals  ganz  einfach.  Aehn- 
lichen  Doppelgiebel  zeigt  das  Haus  Burgstrasse  No.  %  mit  derben 
Pilastem  und  einfachen  Voluten  ausgestattet;  das  Portal  in 
reicherer  Weise  mit  httbsebem  Laubomament,  welches  die  ko- 
rinthisirenden  Pilaster  und  die  Archivolte  bedeckt,  während  der 
Fries  Ketallomamente  zeigt  Die  andere,  f^  Brieg  besonders 
charakteristische  Auffassung  mit  einem  g:anzen  und  zwei  halbirten 
Giebeln   siebt  man   in  zierlicher    Weise  durcbgeftthrt   an    dem 


ßgß  in.  Bueh.    BenaiBUuiee  in  DentachUnd. 

Hause  Burgstrasse  No.  22  Tom  Jahre  1614.  Auch  hier  (ygL 
Fig.  190)  kommen  die  eingeblendeten  Säulchen  vor,  zwischen 
welchen  eine  Muschelnische  einen  hockenden,  wappenhaltenden 
Löwen  aufnimmt  Besonders  elegant  sind  die  aus  Eisenblech 
geschnittenen  Windfahnen.  Zur  höchsten  Pracht  ist  dies  Fa^aden- 
motiv  am  Bing  Ko.  29  entwickelt  Oben  am  Fries  liest  man: 
Fidus  in  perpetuum  benedicitur.  1621.  Auch  hier  treffen  wir  die  ein- 
geblendeten Säulchen;  aber  alle  Flächen  sind  mit  Metallomamenten 
übersponnen,  wie  ich  kein  zweites  Beispiel  kenne,  Alles  in  kräf- 
tigem Belief,  als  wäre  die  ganze  Fa^ade  mit  kunstvollen  Eisen- 
beschlägen bedeckt  Bein  malerische  Behandlung  zeigt  endlich 
das  Eckhaus  der  Wagnerstrasse  und  des  Binges,  nach  dem  Platze 
mit  Doppelgiebel  vortretend,  in  allen  Flächen  mit  hellen  Blumen- 
ranken auf  dunklem  Grunde  geschmückt,  allerdings  erst  aus  dem 
18.  Jahrhundert,  aber  in  guter  Tradition  einer  früheren  Zeit,  da- 
bei von  prachtvollster  Wirkung. 


N  e  1 8  8  e. 

Hier  hatten  die  Bischöfe  von  Breslau  seit  früher  Zeit  ein 
Schloss,  welches  Jacob  von  Salza  nach  einem  Brande  1523  wieder 
aufbaute.  Von  diesem  Werke  ist  aber  Nichts  mehr  erhalten^), 
da  an  seiner  Stelle  im  vorigen  Jahrhundert  der  noch  jetzt  vor- 
handene nüchterne  Bau  aufgefühii;  wurde.  Wohl  aber  bewahrt 
die  Pfarrkirche,  eine  mächtig  hohe,  gothische  Hallenanlage, 
im  nördlichen  Theile  des  Chorumgangs  das  Grabmal  dieses  1539 
verstorbenen  Bischofs.  Es  ist  ein  Freigrab  in  Form  einer  Tumba, 
auf  welcher  die  Gestalt  des  Verstorbenen  ausgestreckt  liegt 
Feines  Laubwerk  im  Stil  der  Benaissance  bildet  die  Einfassung, 
und  in  den  einzelnen  Feldern  sind  als  Ausdruck  der  hu- 
manistischen Strömung  jener  Zeit,  welche  die  christlichen  An- 
schauungen völlig  zurückgedrängt  hatte,  vier  antike  Heldenköpfe 
in  schönen  Lorberkränzen  angebracht  An  der  einen  Schmal- 
seite das  treffliche  Brustbild  des  Verstorbenen,  auf  der  anderen 
ein  possirlicher  kleiner  Knabe  mit  Weihbecken  und  Weihrauch- 
fasB,  während  zwei  nackte  Genien  die  Inschrifttafel '  halten.  Es 
ist  ein  feines  Werk  der  Frührenaissance.  Prachtvoller  in  einer 
Kapelle  der  Südseite  das  Grabmal  des  Bischofs  Promnitz  (f  1562), 


0  Damit  ist  die  bei  Dr.  Alwin  Schultz,  Schlesiens  Kunstleben,  S.  15, 
gestellte  Frage  erledigt. 


Kftp.  XIII.    Die  nardlfftbchfln  Biiin«iiUiider.  687 

ein  groBsartiger,  auf  drei  eUmmi^u  Säalen  und  ebeo  so  vielen 
Halbsftalen  an  der  Wand  ruhender  Baldachin,  darunter  auf  seinem 
Sarkophag  ausgestreckt  die  Grestalt  des  Entschlafenen,  der  den 
Kopf  auf  den  Arm  stfltzt  Die  Einwirkung  des  Brealaaer  Ry- 
bischdenkmals  ist  unverkennbar;  das  feine  Laubwerk,  welches 
die  Bogen  und  ihre  Zwickel  sowie  die  Wandfelder  schmnckt,  gut 
behandelt,  die  Figur  selbst  jedoch,  abgesehen  von  dem  tüchtig 
anfgefassten  Kopfe,  von  massiger  Arbeit 


Unter  den  zahlreichen  bflrgerlichen  Bauten  der  malerischen 
Stadt  nimmt  das  Rathhaus  den  ersten  Rang  ein.  Ea  ist  eine 
im  Kern  noch  aus  dem  Mittelalter  herrührende  Anlage,  durch 
einen  hoben  gotbischen  Thurm  mit  schlanker  Pyramide  und  ge- 
sebweiflen  Bogenfenstern  ausgezeichnet  In  der  Spfitzeit  der  Re- 
naissance erhielt  der  Bau  bedeutende  Umgestaltungen,  kräftige 
RuBtikaportale,  vor  Allem  den  bis  in  die  Kitte  des  Platzes  vor- 
springenden Flügel  der  Stadtwaage  vom  Jghre  1604,  welchen 
unsere   Abbildung   Fig.   191    veranschaulicht.     Es  ist  eine  der 


688  UI.  Buch.    Benaissance  in  Deutschland. 

best  componirten  Fa^aden  dieser  Epoche,  durch  die  imposante 
Vorhalle  auf  Bustikapfeilem,  die  gruppirten  Fenster,  das  m&chtige 
Eranzgesimse,  vor  Allem  aber  den  grossartig  aufgebauten  Giebel 
prachtvoll  wirkend.  Bemerkenswerth  ist  namentlich  der  reiche 
statuarische  Schmuck,  der  mit  einer  Justitia  in  der  Nische  des 
Hauptgeschosses  beginnt  und  auf  der  Spitze  des  Giebels  mit 
einer  Figur  der  Beligion  endet. 

Die  Wohnhaus fagaden  von  Neisse  haben  einen  Gesammt- 
charakter,  der  sich  ebensowohl  von  dem  Breslauer  wie  von  dem 
Brieger  unterscheidet  und  den  erfreulichen  Beweis  liefert,  dass 
wir  es  in  allen  diesen  Städten  mit  selbständigen  Bauschulen 
zu  thun  haben.  Die  Neisser  Fa^aden  sind  weit  kräftiger  profi- 
lirt  als  die  Breslauer  und  selbst  als  die  Brieger.  Sie  gehen  in 
der  plastischen  Durchbildung  noch  einen  Schritt  über  die  letzteren 
hinaus;  wo  jene  eingeblendete  Säulchen  anzuwenden  Heben,  findet 
man  hier  markige  Pilaster,  meistens  wie  am  Bathhause  stelen- 
artig nach  unten  verjüngt  Dazu  kommen  in  der  Regel  energisch 
ausgebildete  Voluten  am  Giebelrand.  Mehrfach  findet  man  aber 
ein  Giebelmotiv,  das  von  dieser  reicheren  Silhouette  Abstand 
nimmt  und  die  steile  Dachlinie  nur  durch  kleine  mit  einem 
Giebeldach  herausspringende  Baldachine  für  die  einzelnen  Stock- 
werke unterbricht  Diese  ruhen  dann  auf  Pilastem,  welche  an 
der  Giebelwand  fortgeführt  werden.  So  zeigt  es  ein  einfaches 
Haus  in  der  Bischofstrasse  No.  72,  woran  sich  aber  der  Archi- 
tekt durch  ein  prächtiges  Portal  schadlos  gehalten  hat  Die  do- 
rischen Pilaster  und  der  abschliessende  Giebel,  der  in  der  Mitte 
das  bischöfliche  Wappen  trägt,  sind  mit  Metallomamenten  und 
facettirten  Quadern  dekorirt,  die  Bogenzwickel  mit  hübsch  ge- 
arbeiteten Wappen  gefüllt,  die  Seiten  wände  nach  einem  in  der 
deutschen  Renaissance  beliebten  Motiv  als  Nischen  ausgebildet 
Man  liest  1592  und  den  Spruch:  Benedi c  domine  domum 
istam  et  omnes  habitantes  in  ea.  Dieselbe  Giebelform  findet  sich, 
aber  ohne  reichere  Zuthaten,  am  Bing  No.  27  und  noch  an  vier 
anderen  Häusern  des  Hauptplatzes.  Mit  gekuppelten  Pilastem 
nnd  schwerbauchigen  Voluten  ist  das  Haus  am  Bing  No.  6  de- 
korirt Besonders  reich  gegliedert,  mit  derben  Gesimsen  und 
scharf  markirten  Voluten  sowie  energischen  Pilastem,  ist  die 
Fagade  am  Bing  No.  36.  Ein  schlichtes  Bogenportal  mit  facet- 
tirten Quadern  zeigt  No.  42  daselbst  Ein  ähnliches  Breslauer- 
strasse No.  3  im  derbsten  Stil  mit  Metallomamenten  und  Rustika- 
quadem.  Dieselbe  Behandlung,  zum  höchsten  Beichthum  ge- 
steigert, finden  wir  an  dem  hohen  Giebel  Breslauerstrasse  No.  16, 
mit  ganz  barock  geschwungenem   Profil   und  stelenartigen  Pi- 


Eip.  Xm.    Die  nordöstliehen  BinnenlSnder.  689 

lästern,  alle  Glieder  mit  den  beliebten  Metallomanienten  wirksam 
liberzogen.  Eine  der  grössten,  derbsten  und  effectrollsten  Fa- 
(aden,  in  derselben  Strasse  No.  23,  wendet  an  sftmmtlicben  Pi- 
lastem  die  Bustika  an  und  fflgt  zwei  grosse  Lilien  als  Akroterien 
hinzu*  Auch  der  kleinere  Oiebel  No.  18,  ebenda,  ist  in  fthnlich 
ausdrueksYoller  Weise  behandelt  Eine  Breitfa^ade  sieht  man 
dagegen  am  Bing  No.  32,  mit  zwei  einfachen  Bustikaportalen, 
der  grosse  Flur  mit  Gewölben  auf  Bustikapfeilem,  die  Bippen 
und  die  Gewölbflächen  sehr  schön  eingetheilt  und  mit  Stuckor- 
namenten geschmttcki  Es  ist  aber  ein  später  Nachzügler,  denn 
am  Portal  liest  .man  1675.  Beiläufig  mache  ich  noch  auf  das 
goihische  Portal  Bing  No.  35  aufmerksam,  das  zu  einem  Haus- 
flur mit  feinen  gothischen  Bippengewölben  führt.  An  der  Wand 
im  Flur  die  interess^ante  Darstellung  eines  jüngsten  Gerichts. 

Von  der  lebhaften  Bauthätigkeit,  welche  gegen  Ausgang 
unserer  Epoche  hier  geherrscht,  zeugt  auch  das  Breslauer 
Thor,  dessen  yiereckiger  gothischer  Thurm  durch  phantastisch 
barocke  Giebel  auf  allen  Seiten,  und  dazwischen  durch  halbrunde 
Aufsätze  mit  Zinnen  in  höchst  malerischer  Weise  geschmückt  ist 
Ein  Prachtstück  kunstvoller  Eisenarbeit  endlich  ist  der  völlig  mit 
schmiedeeisernem  Gehäuse  auf  rundem,  steinernem  Unterbau  um- 
schlossene Ziehbrunnen  der  Breslauer  Strasse.  Man  liest  daran : 
Aus  Belieben  eines  loblichen  Magistrats  machte  mich  Wilhelm 
BeUewegj  Zeugwarter,  anno  1686'.).  Trotz  dieses  späten  Datums 
herrscht  hier  noch  eine  meisterliche  Technik,  die  sich  mit  Beich- 
thum  der  Phantasie  in  dem  trefflichen  Bankengeflecht  und  phan- 
tastisch-figürlichen Elementen  verbindet  Das  Werk  wird  durch 
Vergoldung  noch  gehoben.  Ein  recht  tüchtiges  Gitter  vom  Jahre 
1627,  freilich  bei  Weitem  nicht  von  diesem  Beichthum,  umgiebt 
in  der  Pfarrkirche  den  Taufstein.  Auch  mehrere  Kapellen 
sind  mit  guten  Eisengittem  dieser  Zeit  geschlossen« 


Oels. 

Während  von  den  bedeutendsten  Bauwerken  der  Frührenais- 
sanee  in  Sohlesien,  den  Schlössern  zu  Liegnitz  und  Brieg,  nur 
Bruchstücke  auf  uns  gekommen  sind,  hat  sich  das  ansehnliche 
Sehloss  in  Oels,  gewisse  Umgestaltungen  abgerechnet,  als  das 
hervorragendste  Denkmal  der  folgenden  Epoche  unberührt  er- 
halten.    Im   Wesentlichen   verdankt   es   seine  Entstehung   der 


0  Abbild,  in  H.  Luchs,  Sohlesiens  Vorzeit  U,  TafeL  1. 

Kngler»  Gesch.  d.  Bftakiinit.  V.  44 


690  ni.  BQoh.    BenaisBUice  in  DentaohUnd. 

zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts.  Das  innere  Haaptthor  wurde 
laut  InBcbrift  durch  Herzog  Johann  von  Hflnaterberg-Oela  (f  1565) 
im  Jahre  1559  begonnen  und  1562  vollendet;  der  weitere  Aus- 
bau deB  SchloBsee  rUhrt  vom  Herzoge  Karl  II,  der  bis  1616  es 
Tollendete. 

Nähert  man  aich  ron  der  afldöstlichen  Seite,  so  gelangt  man 
Ober  den  alten  breiten  Schlossgraben  zu  dem  äusseren  Pracht- 
portale  (Fig.  192),  welches  mit  1603  bezeichnet  ist,  also  zu  den 


Flf.  191.    Oell.  Hchloupoml. 

durch  Karl  II  hinzugeftlgten  Theilen  geholt.  Ea  ist  ein  kraft- 
voll und  reich  ausgeftthrtos  Rnstikawerk,  an  dessen  Quadern 
die  effectrollen  Stemmuster  auftreten,  welche  wir  schon  in  Breslan 
mehrfach  fanden.  Vielleicht  alBo  eine  Arbeit  jenes  ßreslauer 
Heisters.  Prunkvoll  barock  ist  der  krönende  Aufsatz,  in  welchem 
zwei  schreitende  Löwen  drei  elegant  behandelte  Wappen  halten. 
Dazwischen  schlingen  sich  FruchtschnOre,  wechselnd  mit  Masketi, 


S^p.  Xm.    Die  nordöstlichen  BinnenlSnder. 


69t 


Löwenköpfen,  Schnörkelwerk  and  begleitet  von  aufgesetzten  Py* 
ramiden.  Das  Ganze  eine  im  Sinne  jener  Zeit  meisterliche  Com* 
Position  Yon  trefflicher  Ausführung.  Im  Friese  der  Spruch:  Wo 
6ot  nicht  selbst  behut  das  haus,  so  ists  mit  unsrem  Wachen. aus. 
Der  hinter  diesem  Vorbau  aufragende  Theil  des  Schlosses  wird 
an  der  Ecke  zur  Rechten  mit  einem  runden  Erkerthurm,  der 
durch  alle  Geschosse  reicht  und  mit  Bogenfenstern  durchbrochen 
ist,  abgeschlossen.    Zur  Linken  springt  ein  rechtwinkliger  Erker 


Flg.  19S.    SohloM  la  Oel«.    Zweltei  Stockwerk. 


vor.  Durch  den  Thorweg  eintretend,  wo  man  1563  und  die  Buch- 
staben A.  G.  D.  E.  liest,  gelangt  man  zu  einem  zweiten  Portal, 
das  aus  einem  Thorbogen  und  einem  rechteckigen  Seitenpförtchen 
besteht  Dies  ist  das  frühere,  unter  Herzog  Johann  sammt  Wall 
und  Graben  von  1559  bis  1562  ausgeführte  Werk.  Der  Bogen 
besteht  aus  Bustikaquadem,  aber  die  Zwickel  sind  mit  schön  ge- 
schwungenem Laubwerk  ausgefüllt  Auf  dem  Gesimse  steht  eine 
Bitterfigur.  Ein  Durchgang,  mit  Tonnengewölbe  und  Stichkappen 
bedeckt  (auf  unserer  Fig.  193  unter  dem  bei  A  gezeichneten  Ge- 
mach), führt  sodann  in  den  äusseren  Schlosshof,  wo  man  gleich 
zur  Bechten  bei  B  einen  thurmartig  vorspringenden  Bau  mit  ge- 

44* 


692  ni.  Bacb.    ReMiBnaDOo  In  Dentschlmnd. 

achweiftem  Bocbgiebel  und  kleioem  Bo^nportal   eieht')-     Man 
liest  an  demselben,   dasa  Herzog  Karl  1616  am  23.  April  „diese 


Fis.  IM.    OOi-    Schloukoi 


■)  Den  Grundriis  Fig.  192  verduke  ioh  gütiger  Hittheilnng  des  (UnÜ. 
BanmeiBters  Herrn  Oppermann  zu  Oels. 


Kap.  Xin.    Die  nordöstlichen  Binnenländer.  693 

neu  erbaute  Stiege  Bammt  den  Gängen*'  vollendete.  Es  ist  ein 
kleines^  aber  in  ausgesuchter  Eleganz  durchgeführtes  Werk.  Im 
Innern  zieht  sich  um  einen  quadratischen  Kern  die  Treppe  mit 
rechtwinklig  gebrochenem  Lauf  empor.  Die  Verbindung  mit 
dem  Hauptgebäude  yermittelt  ein  gewOIbter  Gang.  Sämmtliche 
Gebäude  zeigen  reiche  Spuren  von  Sgraffiten  in  Quadrirungen 
und  bunten  Linienspielen.  Von  hier  führt  zur  Linken  ein  ge- 
wölbter Thorweg  bis  in  den  grossen  Haupthof,  der  ein  fast  quad- 
ratisches Viereck  von  imposanter  Ausdehnung  bildet,  an  der 
schmälsten  Stelle  noch  über  100  Fuss  breit  Zur  Linken  tritt  ein 
gewaltiger  runder  Hauptthurm  D,  an  dessen  Galerie  die  Jahrzahl 
1608,  in  den  Schlosshof  vor. 

Das  Interessanteste  der  durch  Grösse  und  malerische  Ab- 
wechselung ungemein  anziehenden  Baugruppe  sind  die  Ver- 
bindungsgänge, welche  als  offene  Galerieen  den  Bau  begleiten 
(vgl.  Fig.  194).  Zur  Linken  laufen  auf  mächtigen  Steinconsolen 
in  beiden  oberen  Geschossen  solche  Gänge  hin,  der  obere  durch 
ein  auf  Holzsäulen  ruhendes  Dach  geschützt  Beide  setzen  sich 
um  den  runden  Thurm  fort,  und  der  des  ersten  Stockes  zieht 
sich  dann  am  vorderen  Flügel  H  als  Holzgalerie  hin,  die  auf  dem 
vortretenden  Mauerwerk  des  Erdgeschosses  ruht  Eine  Freitreppe 
führt  bei  E  zum  Hauptportal  des  hohen  Erdgeschosses  und  zu- 
gleich auf  einen  offenen  terrassenförmigen  Gang,  der  sich  an  dem 
Flügel  F  hinzieht  und  auch  hier  durch  eine  Treppe  zugänglich 
ist  Am  Ende  dieses  Flügels  tritt  ein  viereckiger  thurmartiger 
Vorbau  in  den  Hof  vor.  t  Von  diesem  zieht  sich  wieder  eine  ge- 
mauerte Terrasse  im  Erdgeschoss  an  dem  Flügel  G  hin,  die  dann 
in  der  Ecke  durch  eine  offene  Ti-eppe  mit  der  Galerie  des  ersten 
Stockes  zusammenhängt  So  sind  in  wohlberechneter  Weise  die 
einzelnen  Theile  der  ausgedehnten  Anlage  mit  einander  in  Ver- 
bindung gesetzt. 

Der  ganze  Bau,  in  Backstein  mit  Verputzung  ausgeführt, 
wurde  ehemals  durch  Sgraffiten  überall  belebt  Die  architek- 
tonischen Formen  sind  durchweg  schlicht,  aber  mit  sicherer 
Meisterhand  ausgcfführt,  die  Bahmen  der  Fenster  und  Portale 
derb  quadrirt,  auch  das  Hauptportal  ntir  in  einfacher  Bustika  mit 
dorischen  Pilastem  un4  Triglyphenfries  behandelt  Das  Metall- 
omament  der  Zeit  ist  sparsam  verwendet  Eine  kleine  Pforte 
am  Thurm  mit  gothischem  Stabwerk  zeugt  ftlr  das  höhere  Alter 
dieses  Theiles.  Oberhalb  entwickelt  sich  der  Thurm  achteckig 
mit  kräftiger  Galerie,  über  welcher  die  Spitze  mit  ihrer  doppelten 
Ausbauchung  und  Laterne  aufsteigt  Stattlich  wirken  die  hohen 
Dachgiebel  an  deh  beiden  Hauptflügeln,  und  noch  reicher  muss 


694  ni.  BncL    BenaiBsance  in  DentsdüancL 

ursprttngUch  der  Anblick  gewesen  sein,  als  der  Flflgel  F  seine 
beiden  oberen  Galerieen  noch  bes^s.  Die  vorgesetzten  Dach- 
giebel ziehen  sich  auch  am  Aeusseren  des  linken  Flügels  hin. 
Im  Inneren  ist  Nichts  von  der  alten  Ausstattung  erhalten,  und 
nur  der  grosse  Bibliotheksaal  bemerkenswerth.  Die  breiten  Gräben, 
welche  das  ganze  Schloss  umziehen,  sind  ausgefüllt,  und  ein 
wohlgepflegter  Park  umgiebt  den  malerischen  Bau.  Die  Ver- 
bindung mit  der  Schloss-  und  Pfarrkirche  wird  durch  einen 
Bogengang  hergestellt. 

In  der  Pfarrkirche  sind  zwei  Grabdenkmüler  der  Zeit  be- 
merkenswerth. Das  einfachere,  aus  einer  blossen  Belie^latte  be- 
stehend, liess  1554  Herzog  Johann  seinem  ein  Jahr  vorher  ver- 
storbenen Bruder  Georg  errichten.  Es  ist  eine  fleissige,  aber  be- 
sonders im  Figürlichen  handwerksmässige  Arbeit;  der  Rahmen 
der  Platte,  welche  die  etwas  gespreizte  Relief gestalt  des  Ver- 
storbenen trägt,  wird  durch  reiche  Renaissance-PUaster  mit  frei 
componirten  ionischen  Kapitalen  gebildet  0-  Prächtiger  ist  das 
Doppelgrab  des  baulustigen  Herzogs  Johann  (f  1565)  und  seiner 
1556  ihm  vorausgegangenen  Gemahlin  Christina,  welches  der 
Fürst  selbst  wahrscheinlich  noch  bei  seinen  Lebzeiten  hat  er- 
richten lassen^).  £r  berief  dazu  einen  fremden  Künstler,  Johannes 
Oslew  von  Würzburg,  der  sich  durch  eine  ausführliche  Inschrift 
am  Monument  verewigt  hat  ^).  Die  Figuren  sind  steif  und  geist- 
los, aber  die  Pilaster,  welche  den  Sarkophag  auf  allen  Seiten  ein- 
fassen, haben  zierlich  behandelte  Ornamente,  in  welchen  phan- 
tastisch Figürliches  mit  Rankenwerk  sich  mischt 

Was  sonst  noch  von  Renaissancewerken  in  Schlesien  sich 
findet,  muss  ich  der  Lokalforschung  überlassen.  Für  die  allge- 
meine Stellung  Schlesiens  zur  Renaissance  wird  das  Beigebrachte 
genügen  und  ich  habe  mich  damit  zu  bescheiden*).  Das  interes- 
sante Portal  des  1580  erbauten  Schlosses  zu  Guhlau  beiNimptsch, 
welches*  in  Abbildung  vorliegt^),  ist  besonders  durch  seine  voll- 
ständige Bemalung  werthvolL     In  Composition  und  plastischer 


<)  Abbildung  bei  Lachs,  Schles.  Fttrstenbilder  Taf.  226.  *)  Abbild, 
ebenda.  Taff.  22  a.  1.  2.  3.  >)  Lnchs  a.  a.  0.  Bog.  22  a.  S.  4  giebt  die 
Inschrift  nicht  ganz  fehlerfrei.  Alwin  Schnitz,  SoUes.  Kunstleben  S.  25 
rückt  ihm  dies  vor  und  druckt  die  Inschrift  nut  zwei  neuen  Fehlem  ab. 
Sie  lautet:  Kec  dvo  Manumenta  duos  daboravit  Joäea  OsUto  Wircsburgefi 
Franeo.  Das  letzte,  die  Nationalität  des  Künstlers  bezeichnende  Wort 
ist  beiden  Forschem  entgangen.  *)  Dies  um  so  mehr  als  selbst  euoiem  so 
fleissigeii  Specialforscher  wie  A.  Schultz  die  Autopsie  der  Denkmäler  seiner 
eigenen  Heimath  nur  sehr  vereinzelt  zu  Gebote  steht.  *)  Bei  Luchs, 
Schles.  Vorzeit  II ,  Taf.  29. 


Ktp.  Xm.    Die  nordÖBtücheii  Binnenlfoder.  695 

Ausstattung   allem  Anscheine   nach   von  geringerer  Bedeutung, 
wird  es  wohl  ein  Werk  provinzieller  deutscher  Steinmetzen  sein.  — 

Görlitz. 

Vielfach  verwandt  mit  Schlesien  in  politischen  Schicksalen 
und  Kulturentfaltung  erscheint  die  Lausitz.  Namentlich  in  der 
hier  zu  betrachtenden  Epoche  finden  wir  sie  (seit  dem  14.  Jahr- 
hundert) bei  der  Krone  Böhmen,  der  sie  auch  während  der  Hus- 
sitenkriege treu  blieb,  obwohl  sie  dafflr  die  Verheerungen  der 
wilden  hussitischen  Schaaren  auf  sich  zog.  Spftter,  1467,  ergab 
sie  sich  freiwillig  dem  mächtigen  Schutze  des  Königs  Matthias 
von  Ungarn,  erneuerte  aber  z^ugleich  den  alten  Bund  der  Sechs- 
städte, die  durch  festes  Zusammenschliessen  mächtig  und  bltthend 
dastanden  und  sich  grosse  Freiheiten  zu  erringen  wussten.  Nach 
Matthias  Tode,  1490,  blieben  die  beiden  Markgrafschaften  der 
Ober-  und  Niederlausitz  bei  Böhmen  und  theilten  während  der 
schicksalschweren  Zeiten  des  16.  und  17.  Jahrhunderts  das  Loos 
der  übrigen  deutschen  Gebiete  Oesterreichs.  Die  hohe  Blttthe 
des  materiellen  Lebens,  welche  die  durch  Handel  und  Gewerbe 
mächtigen  Städte  erreicht  hatten,  wirkte  zugleich  günstig  auf  die 
geistigen  Bestrebungen  ein.  Die  Städte  der  Lausitz  treten  früh 
und  entschieden  der  Beformation  bei  und  haben  dafür  von  den 
Habsburgem  schwere  Drangsale  zu  bestehen.  Nicht  minder  früh 
nehmen  sie  die  neue  Kunstweise  der  Senaissance  auf  und  prägen 
dieselbe  in  einer  Anzahl  von  Denkmalen '  aus.  Namentlich  gilt 
dies  von  Görlitz,  dessen  Denkmäler  für  die  Geschichte  der  Re- 
naissance in  Deutschland  hervorragenden  Werth  haben.  Schon 
früher  wusste  die  Stadt  durch  charaktervolle  Monumente  ein 
Zeugniss  von  einer  gewissen  Grossartigkeit  monumentaler  Ge- 
sinnung hinzustellen.  Wenn  man  den  gewaltigen  Kaisertrutz, 
die  fttnfschiffige  Feterskirche  mit  ihrer  herrlichen  Raumwirkung 
und  so  manches  andere  Denkmal  des  Mittelalters  sieht,  so  er- 
kennt man  die  frühe  Bedeutung  der  mächtigen  Stadt  Erst  durch 
den  unglücklichen  Ausgiang  des  schmalkaldischen  Krieges,  an 
welchem  sie  sich  mannhaft  betheiligte,  wurde  ihre  Kraft  gebrochen. 
Sie  verlor  25  Dorfschaften,  musste  ihr  ganzes  Kriegsmaterial  aus- 
liefern und  eine  bedeutende  Summe  zahlen. 

Eine  der  edelsten  Blüthen  der  Renaissance  in  Deutschland 
sind  diejenigen  Theile,  welche  die  Stadt  in  dieser  Epoche  ihrem 
mittelalterlichen  Rathhaus  hinzufügen  liess.  Noch  in  gothischer 
Bauführung  hatte  man  von  1512—1519  den  Thurm  errichtet,  als 
dessen  Erbauer  der  Steinmetzmeister  Albrecht  und  Stadtzimmer- 


696  I^  Bneh.   Beiudflsftnee  in  Deutaebland. 

meister  Jobsten  genannt  werden.    Als  sich  Tadel  wegen  Fahr- 
IftSBigkeit  beim  Bau  erhob,  berief  man  Peier  van  Pirna  („Birne*'), 
des  Herzogs  Georg  von  Sachsen  Baumeister,  aus  Dresden  zur  Be- 
gutachtung.   Nach  1519  werden  wieder  Arbeiten  am  Thurm  und 
den  anstossenden  Theilen  vorgenommen,  wobei  Wendel  Bosskopf 
als  Maurer  und  Steinmetzmeister  beschäftigt  ist.    Beim  Umbau 
der  Nicolaikirche,  welchen  er  ebenfalls  leitete,  wird  yon  ihm  ge- 
sagt, er  habe  den  Bau  nach  dem  Bathe  des  Meisters  Benedix  zu 
Böhmen,  obersten  Werkmeisters  des  Schlossbaues  zu  Prag,  seines 
Lehrmeisters,  ausgeführt^).    Ohne  Frage  ist  dies  Benedict  von 
Liaun,  Ton  dessen  Wirken  S.  622  u.  624  die  Bede  war:  ein  werth- 
YoUes  Zeugniss  von  dem  Einfluss,  welchen  die  böhmische  Bau- 
schule damals  auf  die  benachbarten  Gebiete  ausgeübt  hat    In 
die   einspringende  Ecke   zwischen  dem  Thurm    und   dem   an- 
stossenden Seitenflügel  wurde  nun  beinahe  zwanzig  Jahre  später 
(1537)  eine  Freitreppe  gelegt,  die  mit  geschickter  Ausnutzung 
des  engen  Baumes  in  gewundenem  Laufe  zum  Hauptportal  em- 
porfOhrt    Vor  dem  Eingange  mündet  sie  zur  Linken  auf  einen 
Balkon,  der  zur  Verkündigung  Von  Sentenzen  und  Verordnungen 
bestimmt  war.    Die  Bedeutung  des  Gebäudes  aber  spricht  auf 
schlanker  Säule  am  Aufgange  der  Treppe  eine  Justitia  mit  Waage 
'  und  Schwert  aus.  (Fig.  195.)  Die  ganze  Gomposition,  zu  welcher 
noch  als  Abschluss  das  Fenster  über  dem  Fortal  gehört,  findet 
in  Schönheit  der  Ausführung  und  Anmuth  der  Ornamentik  unter 
den  gleichzeitigen  Denkmalen  Deutschlands  kaum  ihres  Gleichen. 
An  der  Brüstung  des  Balkons,  der  auf  einer  originellen  Stütze 
ruht,  sind  Sirenen  gemeisselt    Nicht  minder  anmuthig  ist  die 
Säule  der  Justitia  mit  einer  Harpyie  und  einer  nach  Dürer  aus- 
geführten Fortuna  sowie  mit  Fruchtschnüren  geschmückt,  während 
das  E^^itäl  köstliche  Masken  zeigt    Ueberall  ist  das  Ornament, 
sind  die  feinen  Gliederungen  ebenso  schicklich  vertheilt  wie  yoU- 
endet  ausgeführt     Man  wird  wohl  an  einen  Italiener  denken 
müssen,  wenn  nicht,  was  freilich  nicht  ausgeschlossen,  an  einen 
in  Italien  gebildeten  deutschen  Meister.    An  der  Brüstung  liest 
man  die  Jahrzahl  1537.    Es  ist  ein  Ganzes  von  unübertroffener 
Pracht,    Originalität   und    Frische   der   Gonception.     An    ober- 
italienische  Weise  erinnern  namentlich  auch  die  runden  in  die 
Pilaster  eingelegten  Marmorscheiben.    Aus  derselben  Zeit  datirt 
der  kleine  Hof  im  Innern  des  Bathhauses,  auf  einer  Seite  mit 
einer  Bogengalerie  auf  Pfeilern,  darüber  eine  Theilnng  durch  Pi- 


*)  Obige  Notizen  verdanke  ich  gütiger  Mittheilong  des  Herrn  Baoraths 
Marx  in  Görfitz. 


Pl(.  U(.    Du  BitUiM«  n  OUrllU.     (Bkldiot«  DUh  PbotoEiO 


EAp.  Xm.    Die  nordOBtlichen  Binnenländer.  699 

laster  mit  hübschen  Ornamentbändeni,  Blumen  und  dergleichen, 
bezeichnet  1534.  Dagegen  gehört  der  ebendort  befindliche  Erker 
anf  zwei  kolossalen,  kurzen  achteckigen  Pfeilern  mit  seltsam  ge- 
bildetem ionischem  Kapital  einer  derberen  Behandlungsweise  an, 
die  sich  auch  in  dem  flbeitrieben  kräftigen  Eierstab  zu  erkennen 
giebt  Eannelirte  korinthisirende  Pilaster  sftnmen  die  Ecken, 
kleinere  ionische  Pilasterstellungen  rahmen  die  Fenster  ein.  Man 
liest  die  Jahrzahl  1564.  Im  Innern  hat  der  Erker  ein  spät- 
gothisches  RippengewOlbe.  Hier  sass  ehemals  das  Blutgericht 
und  verkündete  dem  Verurtheilten,  der  rechts  die  enge  Treppe 
hinabgeführt  wurde,  seinen  Spruch,  der  dann  im  Hofe  selbst  voll- 
streckt wurde.  Es  ist  ein  unheimliches  Lokal,  durch  die  ver- 
gitterten Eerkerfenster  ringsum  noch  düsterer.  Derselben  Zeit 
gehören  noch  andere  Theile  der  inneren  Ausstattung:  zunächst 
in  einem  Zimmer  eine  herrliche  Holzdecke  von  1568,  von  der 
schönsten  Theilung  und  Gliederung,  das  Schnitzwerk  von  ge- 
ringerem Werth,  aber  die  eingelegten  Ornamente  köstlich.  Dies 
Prachtstück  wurde  erst  1872  bei  der  durch  Baurath  Marx  ge- 
leiteten Restauration  wieder  entdeckt.  Von  1566  datirt  sodann 
der  Magistratssaal,  ebenfalls  mit  trefflicher,  obwohl  einfacherer 
Holzdecke,  reicher  Thür-  und  Wandbekleidung.  Die  zweite  Thür 
hat  eine  steinerne  Einfassung  aus  spätgothischer  Zeit,  mit  einem 
Christuskopf  und  kleinen  Engehu  Erwähnen  wir  noch  ein  kleines 
Steinportal  im  Innern,  das  im  Charakter  des  äusseren  Haupt- 
portals, aber  einfacher  durchgefürt  ist,  so  haben  wir  das  Wesent- 
lichste berührt. 

Aber  viel  früher  noch  als  am  Rathhause  tritt  die  Renaissance 
hier  an  Privatbauten  auf.  Das  erste  Beispiel  bietet  das  Haus 
Brttderstrasse  No.  8,  welches  mit  einer  vorspringenden  Ecke  sich 
gegen  den  üntermarkt  fortsetzt  Wie  mit  Nachdruck  hat  der 
Meister,  als  wäre  er  sich  der  Bedeutung  dieses  frühen  Datums  be- 
wusst,  zweimal  daran  die  Jahrzahl  1526  angebracht.  Die  ganz  oben 
hinzugefügte  Zahl  1617  kann  sich  nur  auf  einzelne  spätere  Zu- 
sätze im  Obergeschoss  beziehen.  Dieses  Haus  sowie  die  ganze 
damit  zusammenhängende  Gruppe,  welche  den  Markt  und  die 
anstossenden  Strassen  umzieht,  verdankt  ihre  Entstehung  einem 
verheerenden  Brande,  welcher  1525  diese  Stadttheile  einäscherte. 
Auffallend  ist  und  bleibt  aber,  dass  dabei  so  früh  und  in  solchem 
Umfange  die  Renaissanceformen  zur  Verwendung  kommen.  Denn 
allem  Anscheine  nach  tritt  an  der  Fa^ade  dieses  Hauses  zum 
ersten  Male  die  Behandlung  ein,  welche  dann  an  einer  grossen 
Anzahl  anderer  Häuser  im  Wesentlichen  gleichlautend  wiederholt 
wurde.    Die  in  Höhe  und  Breite  unregelmässigen  Fenster,  zu 


700  I^-  BncL    BenaiBsance  in  Deatschland.  ' 

zweien  und  dreien  gruppirt,  erhalten  nämlich  die  charakteristischen 
rechtwinklig  verkröpften  Bahmen  der  Renaissance;  zugleich  aber 
werden  sie  in  ein  System  von  Pilastem  eiDgefÜgt,  welche  die 
ganzen  Fagaden  in  ebenso  klarer  als  lebensvoller  Weise  gliedern. 
Es  tritt  also  hier  eine  ungewöhnlich  starke  Aneignung  italienischer 
Renaissanceformen  frühzeitig  ein  und  fahrt  zu  einer  klasgi- 
cistischen  Behandlungs weise,  die  indess  noch  nichts  von  der 
schulmässigen  Nttchtemheit  der  späteren  Zeit  hat  Damit  hängt 
zusammen,  dass  die  Reminiscenzen  an  die  Gothik  schon  früh  fast 
völlig  beseitigt  werden.  Das  rundbogige  Portal  bildet  seine  ab- 
geschrägten Seitenpfeiler  zu  Ecknischen  mit  Muschelwölbung  aus 
und  ist  in  allen  Theilen  reich  und  zierlich  omamentirt  Das 
Datum  1617  ist  mit  seinem  kleinen  Schilde  ein  späterer  Zusatz. 
Die  Pilaster  der  Fa^ade  haben  kannelirte  Schäfte  und  theils  io- 
nische, theils  varürte  Gomposita- Kapitale.  An  der  Ecke  gegen 
den  Markt  springt  ein  diagonal  gestellter  Erker  vor,  dessen  Krag- 
stein mit  Zahnschnitten  und  schlecht  verstandenen  Eierstäben  de- 
korirt  ist 

Derselben  Zeit  wird  das  Haus  Brüderstrasse  No.  11  ange- 
hören. Es  zeigt  ein  ähnlich  componirtes  Portal,  an  welchem  der 
flache  Stichbogen  als  Entlastungsbogen  über  dem  Halbkreis  des 
Eingangs  hübsch  motivirt  ist  Die  reiche  Ornamentik,  Rosetten, 
Akanthus  und  anderes  Laub  gehören  dem  fliessenden  Stil  der 
Frührenaissance.  Die  Fenster  im  Erdgeschoss  und  den  beiden 
oberen  Stockwerken  sind  in  ein  System  kannelirter  ionischer  Pi- 
laster eingefügt  Im  Rahmenwerk  der  Fenster  erkennt  man  nur 
noch  schwache  Spuren  mittelalterlicher  ProfiUrung.  Ganz  dieselbe 
Behandlungsweise  zeigt  am  Untermarkt  der  Gasthof  zum  gol- 
denen Baum  vom  Jahre  1538:  die  zu  zweien  gruppirten  Fenster 
mit  demselben  Rahmenprofil  und  den  gleichen  ionischen  Pilastem. 
Da  das  Haus  gleich  der  ganzen  Häuserreihe  am  Markt  Arkaden 
besass,  so  hat  der  Architekt  den  Spitzbogen  derselben  sich  da- 
durch schmackhaft  gemacht^  dass  er  in  wunderlicher  Weise  ihn 
in  gewissen  Abständen  mit  kleinen  Voluten,  die  als  ELrÖnung  ein 
ionisches  Kapital  haben,  unterbrach.  Mit  der  stark  italienisirenden 
und  antikisirenden  Richtung  hängt  es  vielleicht  zusammen,  dass 
die  Görlitzer  Fagaden,  ähnlich  den  Liegnitzem,  fast  niemals  den 
Giebel  nach  der  Strasse  kehren.  Eine  der  seltenen  Ausnahmen 
sieht  man  am  Untermarkt  No.  23,  wo  die  Fenster  der  beiden 
Hauptgeschosse  wieder  jene  streng  ionisirenden  Pilaster  als  Um- 
rahmung haben,  während  schwache  Voluten  den  Giebel  beleben. 

Alle  diese  Fa^aden  wiederholen  mit  geringen  Varianten  die- 
selben Grundzüge.  Man  erkennt  eine  architektonische  Thäügkeit, 


Kap.  Xm    Die  nordöstlichen  BinnenlKnder.  701 

die  innerhalb  weniger  Deeennien,  beherrscht  von  einem  tonan- 
gebenden Muster,  den  alten  Theilen  der  Stadt  ihr  gemeinsames 
Gepräge  gegeben  hat.  Der  individuellen  Entfaltung  ist  dabei 
wenig  Spielraum  gelassen.  Auch  die  innere  Anordnung  der 
Häuser  wiederholt  dasselbe  Motiv:  einen  grossen  Flur  mit  mäch- 
tigen Kreuzgewölben,  der  offenbar  der  gemeinsame  Sitz  des 
Lebens  und  Verkehrs'  im  Hause  war.  Bisweilen  zieht  sich  eine 
Holzgalerie  vor  dem  oberen  Geschoss  hin,  zu  welcher  im  Flur 
die  Treppe  emporführt  Dagegen  sind  die  Höfe  meist  eng  und 
ohne  Bedeutung.  An  den  Eckhäusern  wird  mit  Vorliebe  ein 
diagonal  gestellter  Erker  angebracht,  der  an  der  Gliederung  der 
Fa^ade  Theil  nimmt:  ein  Motiv,  welches  wir  in  Schlesien  nirgend 
fanden,  das  aber  im  mittleren  und  südlichen  Deutschland  sehr 
beliebt  ist 

Eine  etwas  abweichende  Behandlung  zeigt  das  Haus  am 
Untermarkt  No.  24.  Es  ist  ein  Eckhaus  mit  schräg  gestelltem 
Erker;  die  ehemalige  Hausthür  hat  ungemein  reich  dekorirte  ko- 
rinthische Pilaster  und  hübschen  Akanthusfries.  Die  Gliederung 
der  Fagade  bietet  die  Variante,  dass  nicht  die  Fenster,  sondern  die 
Wandfelder  mit  ionischen  Halbsäulen  (statt  der  sonst  herrschenden 
PUaster)  gegliedert  sind.  Allein  die.  gar  zu  lang  gestreckten 
schmächtigen  Schäfte  geben  dem  an  sich  werthvollen  Motiv  eine 
verkümmerte  Erscheinung.  Am  Erker,  wo  toskanische  Halbsäulen 
auf  Untersätzen  angebracht  sind,  ist  das  Verhältniss  zusagender. 
Solche  Halbsäulen  komnien  dann  noch  einmal  Petersstrasse  No.  17 
vor,  jedoch  in  günstigerer  Anordnung  als  Einfassung  der  Fenster- 
reihen in  den  drei  oberen  Geschossen. 

Mehrfach  finden  sich  recht  zierlich  gearbeitete  Fortale,  die 
das  Motiv  der  Seitennischen  in  mannichfacher  Weise  aufgefasst 
und  verarbeitet  zeigen.  Ein  sehr  elegantes  Petersstrasse  No.  10 
mit  reicher  Ornamentik :  Blattranken,  Bosetten,  Köpfe  und  anderes 
Figürliche.  Im  Flur  dieses  Hauses  ruhen  die  Kreuzgewölbe  auf 
eleganter  korinthischer  Säule.  In  derselben  Strasse  No.  9  ein 
kleines  Portal,  in  schlichter,  aber  kraftvoller  Behandlung.  Ein 
überaus  elegantes,  reich  dekorirtes  ebenda  No.  8  vom  Jahre  1528, 
also  wieder  zu  den  frühesten  Werken  gehörend.  Es  wird  von 
einem  Architrav  bekrönt,  der  die  hier  an  allen  Portalleibungen 
mit  Vorliebe  verwendeten  Bosetten  an  der  Unterseite  hat  und 
ausserdem  durch  Zahnschnitt,  Eierstab  und  Herzblattfries  fein 
gegliedert  wird.  Darüber  erhebt  sich  ein  halbrundes  Bogenfeld 
mit  Muschelkannelirung ;  in  den  Bogenzwickeln  Laubomament, 
nicht  gerade  fein,  aber  lebendig.  Die  Fenster  haben  hier  nicht 
blos  eine  Umrahmung  von  korinthischen  Pilastenii  sondern  eine 


702  ni.  Buch.    Benaiflsance  in  Deutschland. 

kleine  ionische  Pilasterstellung  dient  den  paarweise  yerbundenen 
zu  einer  weiteren  Theilung;  —  ein  ungemein  elegantes  Motiy. 
Die  Ecke  des  Hauses  ist  merkwürdiger  Weise  mit  schräg  ge* 
stellten  Pilastem,  in  eigenthümlicher  perspektivischer  Berechnung, 
dekorirt  In  derselben  Stracfse  No.  7  ist  das  Portalmotiv  noch 
einmal  variirt  und  mit  einem  Giebel  in  Verbindung  gebracht, 
alle  Flächen  reich  mit  Laubwerk  geschmückt  Die  Jahrzahl 
scheint  hier  1534  zu  lauten.  Vom  Jahre  1556  datirt  eine  schöne 
Fafade  am  Untermarkt  No.  8,  jetzt  zum  Bathhause  gehörig.  Sie 
ist  weit  reicher  behandelt  als  die  übrigen,  deren  Motiv  sie  in's 
Zierlichere  zu  übersetzen  sucht  Das  Fortal  mit  seinen  elegant 
dekorirten  Pfeilern  wird  von  frei  vortretenden,  aber  etwas  müh- 
samen korinthischen  Säulen  eingerahmt  Sie  stehen  auf  hohen 
laubgeschmückten  Sockeln  und  tragen  ein  stark  vorspringendes 
Gebälk,  das  an  der  Unterseite  mit  Akanthuskonsolen  und  Rosetten 
prächtig  dekorirt  ist,  am  Fries  zierliche  aber  etwas  dünne  Sanken 
mit  Masken  hat,  in  der  Mitte  mit  einem  weit  vortretenden  Krieger- 
kopf prunkt  Ein  kleines  Consolengesims  bildet  den  Abschluss; 
in  den  Zwickeln  schweben  komisch  genug  Adam  und  Eva  ein- 
ander entgegen.  Die  ganze  Fa^ade  ist  ausserdem  im  Erdge- 
schoss  und  den  beiden  oberen  Stockwerken  mit  Pilastem  ge- 
gliedert, und  die  Fenster  haben  abermals  Pilaster  als  Einfassung. 

Alles  Andere  überragt  aber  weit  die  prachtvolle  Fa^ade  der 
Neiss-Strasse  No.  29.  Hier  sind  alle  drei  Geschosse  gegliedert  mit 
korinthischen  Pilastem  der  feinsten  Durchbildung,  ganz  mit  Or- 
namenten übersät;  dazu  kommen  an  sämmtlichen  Fensterbrüs- 
tungen Beliefscenen  aus  dem  alten  und  neuen  Testament  in  ma- 
lerischer Auffassung  auf  landschaftlichen  Gründen,  so  dass  keine 
Fläche  unverziert  geblieben  ist  Die  ursprüngliche  Hausthttr 
öffnet  sich  mit  einem  grossen  Bogen,  der  von  eleganten  ko- 
rinthischen Säulen  mit  reich  omamentirtem  Schaft  eingefasst 
wird.  Selbst  die  Sockel  sind  reich  geschmückt,  am  Fries  aber 
zieht  sich  die  herrlichste  Akanthusranke  hin.  Die  ganze  Fagade 
gehört  zu  den  höchsten  Prachtstücken  unserer  Renaissance,  um 
so  werthvoller,  da  sie  sich  von  allen  barocken  Elementen  fem 
hält  Im  Fries  glaubte  ich  1571  zu  lesen;  man  sollte  das  Werk 
aber  für  beträchtlich  früher  halten. 

Wie  sehr  die  Pilasterarchitektur  hier  beliebt  war,  sieht  man 
auch  an  dem  grossen  Bogen,  der  hinter  der  Klosterkirche  die 
Strasse  überwölbt  An  der  Nordseite  ist  sein  Oberbau  mit  fein 
decorirten,  frei  korinthisiienden  Pilasterstellungen  geschmückt 

Von  ausgebildeten  Hofanlagen  habe  ich  nur  ein  Beispiel  ge- 
funden.   Es  ist  in  dem  Hause  Petersstrasse  No.  4,  hinter  dessen 


m.  IM.  it«tbh*iii  II 


Kap.  Xin.    Die  nordöstüohen  Binnenländer.  705 

modernisirter  Fa^ade  man  niehts  Interessantes  yermuthet  Der 
schmale,  lange  Hof  ist  auf  drei  Seiten  mit  Galerieen  in  zwei 
Stockwerken  (an  der  linken  nur  im  Hauptgescboss)  umzogen,  die 
mittelst  flacher  Stichbögen  auf  kolossalen  Oranitkonsolen  ruhen. 
Der  Anblick  ist  höchst  malerisch  und  erinnert  an  den  Hof  des 
Hauses  zur  Krone  in  Breslau. 

Was  den  Renaissancebauten  in  Görlitz  ihren  besonderen 
Werth  Tcrleiht,  ist  dass  sie  ohne  Ausnahme  den  Charakter  der 
Frfll|zeit  tragen  und  fast  keine  Spur  der  späteren  barocken 
Formen  zeigen.  Keine  Stadt  Deutschlands  kann  sich  darin  mit 
Görlitz  messen,  keine  vermag  eine  solche  Reihe  einfach  edel  be- 
handelter Fayaden  der  Frflhrenaissance  aufzuweisen,  die  sich  ge- 
legentlich auch  zu  reichster  Pracht  entfalten.  Wenn  wir  oben 
gesehen,  dass  die  Blttthe  der  Stadt  durch  den  Schmalkaldischen 
Krieg  geknickt  wurde,  so  wird  uns  dies  durch  die  Monumente 
bestätigt  Sie  gehören  fast  sämmtlich  der  ersten  Hälfte  des 
16.  Jahrhunderts  an.  — 

Von  den  übrigen  Städten  der  Lausitz,  die  vielleicht  manchen 
Beitrag  -zur  Renaissance  liefern  könnten,  weiss  ich  Nichts  zu 
melden.  Weiter  östlich  sodann  ist  mir  nur  das  Rathhaus  zu 
Posen  bekannt,  von  welchem  Fig.  196  nach  einer  Photographie^) 
eine  Ansicht  giebt  Die  prächtige  Doppelhalle  wurde  1550  durch 
einen  Italiener,  Gio.  BatL  de  Quadro  aus  Lugano  erbaut^).  Der 
Thnrm  ist  mit  Ausnahme  der  phantastisch  hohen  Spitze  wohl 
auch  italienisch,  jedenfalls  ein  von  nordischen  Thurmanlagen 
völlig  abweichender  Bau. 


In  die  Brandenburgischen  Marken  scheint  die  Renais- 
sance nur  spärlich  eingedrungen  zu  sein,  ohne  festen  Fuss  zu 
fassen.  Eine  höhere  Kultur  hatte  gerade  in  diesen  Landen  an 
dem  rohen  raublustigen  Adel  ein  unübersteiglicbes  Hindemiss, 
und  noch  bis  in  den  Ausgang  des  15.  Jahrhunderts  fanden  die 
Kurfttrsten  genug  mit  Niederwerfung  des  ttbermttthigen  Junker- 
ihums  und  Zerstörung  der  Raubnester  zu  thun.  Erst  seit  Johann 
Cicero,  der  zuerst  seinen  bleibenden  Wohnsitz  in  den  Marken 
aufsohlug  und  sich  mit  den  Städten  zur  Ausrottung  des  Raub- 
adels verband,  kehrte  dauernde  Ordnung  im  Lande  ein,  die 
durch  den  energischen  Joachim  I  (1499—1535)  eine  festere  Be- 
gründung erhielt.  Die  Stiftung  der  Universität  Frankfurt,  die 
Einsetzung  des  Kammergerichts  zu  Berlin  zeugen  von  der  um- 


0  Ich  verdanke  dieselbe  der  gütigen  Mittheilung  des  Herrn  Dr.  Alwin 
Schultz.  —  >)  Notiz  von  Alwin  Schultz,  Schles.  Kunstleben  S.  16. 

Kogler,  Owoh.  d.  Baakuait.    V.  45 


706  in.  BugIl    BeiwisMiiee  in  DeatacUaad. 

« 
siehtigm  Fflraorge  des  Fttrsten,  die  jedoeh  in  Beiner  Feindselig- 
keit geg;en  die  Reformation  eine  Schranke  fand  Dagegen  ge- 
bahrt seinem  Sohn  und  Nachfolger,  Joachim  II  (1535 — 1571), 
der  Kahm,  in  verständigem  Eingehen  auf  die  Bedürfnisse  der 
Zdt  und  des  Volkes  die  Reformation  zur  Durchftthrung  gebracht 
zu  haben«  Auch  hier  geht  die  kirchliche  Erneuerung  des  Lebens 
mit  dem  Umschwung  der  Kunst  Hand  in  Hand:  Joachim  ist  es, 
der  an  seinen  Bauten  die  Renaissance  einführt  und  darin  seiner 
Prachtliebe  einen  Ausdruck  schafft-  Sein  Sohn  Johann  Georg  I 
(1571 — 1598)  hat  zu  viel  zu  thun,  die  durch  seinen  verschwen- 
derischen Vater  zerrtttteten  Finanzen  wieder  herzustellen,  als  dass 
man  von  ihm  eine  nachdrückliche  Förderung  der  Eunstth&tigkeit 
erwarten  dürfte;  aber  indem  er  den  wegen  ihres  Glaubens  ver- 
folgten Niederländern  ein  Asyl  in  seinem  Lande  eröffnet,  bricht 
er  dem  Einfluss  jener  in  aller  Kulturthätigkeit  vorgeschrittenen 
Nation  Bahn,  so  dass  von  da  ab  auch  in  der  Architektur  und 
den  bildenden  Künsten  diese  Einwirkung  zu  spüren  ist  Jedoch 
ein  krttftigeres  Aufblühen  dieser  Länder,  eine  selbständige  Be- 
theiligung am  deutschen  Kulturleben  sollte  erst  nach  den  für  die 
Marken  so  tief  verheerenden  Stürmen  des  dreissigjährigen  Krieges 
mit  dem  Regierungsantritt  des  grossen  Kurfürsten  erfolgen. 

Die  ersten  Spuren  der  Renaissance  finden  wir  am  König- 
lichen Schlosse  zu  Berlin,  obwohl  dieselben  später  durch 
den  grossartigen  Neubau  Schlüters  auf  ein  Minimum  redudrt 
worden  sind*).  Die  Residenz  der  Hohenzollem  befand  sieh  zu- 
erst seit  1357  in  der  Klosterstrasse,  an  der  Stelle  des  jetzigen 
Lagerhauses.  Hier  liess  sich  der  Kurfbrst  Friedrich  lim  Jahre 
1415  huldigen.  Friedrich  U  erhielt  1442  von  den  Bürgern  den 
Platz  auf  der  kölnischen  Seite  der  Spree  hinter  dem  Prediger- 
kloster geschenkt,  um  sich  dort  ein  neues  Schloss  zu  bauen. 
Dasselbe  war  1451  soweit  vorgerückt,  dass  der  Kurfürst  darin 
seine  Wohnung  aufschlagen  konnte.  Von  dieser  ersten  Burg 
stammt  noch  die  alte  Kapelle  und  der  runde  Thurm,  welcher 
sich  ihr  nördlich  anschliesst  und  von  seiner  Bedachung  den 
Namen  des  grünen  Hutes  erhalten  hat  Joachim  II  Hess  seit 
1538  die  alte  Burg,  die  seiner  Prachtliebe  und  den  gesteigerten 
Anforderungen  der  Zeit  nicht  mehr  genügte,  abreissen  und  durch 
seinen  Baumeister  Caspar  Thäss  ein  neues  Schloss  errichten.  Die 
Fafade  dieses  Baues  ist  auf  einem  seltenen,  1592  bei  Oelegen- 
heit  eines  Feuerwerks  gestochenen  Blatte  zu  sehen.    Die  Durch- 


')  Das  G^chichtliche  in  Nicolai,  Beschreib,  von  Berlin  und  Potsdam 
1786  I.  81  ff. 


Kap.  XHL   Die  iioidffsttietien  BiancnMiiider.  707 

zeichniuKg  eines  alten  Gemftldes,  weldies  ebenfall»  den  ursprfln];^ 
liehen  Zustand  darstellt ^  befindet  sieh  im  Hofbaubtlreau.  Man 
sieht  die  südliche  Hanptfagade  gegen  den  Sehlossplats,  auf  beiden 
Seiten  von  runden  Erkern  abgeschlossen,  von  denen  der  öst- 
liche gegen  den  Fluss  hin  in  dem  späteren  Umbau  erhalten  ist| 
während  der  westliche  der  Yerlfingerung  des  Flügels  weichen 
musste.  Die  Mitte  der  Fagade  schmückte  ein  Balkon  auf  stark 
geschwellten  Säulen,  an  der  Brüstung  mit  Wappen  gegiert  Auob 
die  £rker  waren  mit  offenen  Galerieen  bekrönt,  deren  Kuppel- 
dach auf  ähnlichen  Säulen  ruhte,  Sämmtliche  Fenster  zeigen  den 
spätgothischen  Yorhangbogen,  den  bei  uns  die  Frührenaissance 
festhalt  Grosse  6iebel|  mit  kleineren  wechselnd,  durch  Pilaster, 
Nischen,  Medaillons  und  reiche  Friese  belebt,  durch  Voluten  und 
freisitzende  Figuren  silhouettirt,  krönten  den  Bau,  der  nach  alle- 
dem ein  sehr  prächtiges  Werk  gewesen  sein  muss.  Vor  das 
Ganze  legte  sich  eine  Golonnade  mit  offenen  Bögen  auf  dorischen 
Pfeilern,  die  den  Schlossplatz  einfassten  und  zu  Kaufläden  be- 
stimmt waren.  Doch  muss  dies  ein  späterer  Zusatz  aus  der 
zweiten  Hälfte  des  Jahrhunderts  gewesen  sein. 

Nur  geringe  schwer  aufzufindende  Beste  haben  sieh  von  dem 
Bau  Joadüms  erhalten.  Zunächst  gehören  dahin  die  oberen 
Theile  des  runden  Thurmes,  der  einerseits  yon  der  Kapelle, 
andererseits  von  einem  später  vorgelegten  Bau  mit  polygonen 
Eckthttrmen  eingeschlossen  und  fast  völlig  verdeckt  wird.  An  dem 
kleinen  frei  liegenden  Theile  bemerkt  man  von  einem  Fenster 
des  angrenzenden  Eckthurmes  aus  fein  gezeichnetes  Blattwerk  an 
den  Fenstereinfassungen,  Balustersäulen  und  reiche  Brüstungen, 
Alles  im  Stil  der  Frtthrenaissanoe.  £ine  zweite  Säule  siebt  man 
im  Innern  des  anstossenden  Zimmers  und  zwei  ähnliche  in  dem 
benachbarten  Kapellenhofe,  so  dass  man  daraus  das  ursprüng- 
liche dekorative  System  dieser  interessanten  Theile  herstellen 
könnte.  Gleichzeitig  ist  an  der  thurmartig  hohen  Ostwand  der 
Kapelle  ein  prächtiger  Balkon  ausgeführt  worden.  Endlich  ge- 
hört derselben  Zeit  die  innere  Architektur  des  im  Aeusseren  um- 
gestalteten Erkers  der  südöstlichen  Ecke  gegen  die  Kurfürsten- 
brücka  Das  Eckzimmer  öffnet  sich  gegen  den  Erker  mit  einem 
grossen  Rundbogen,  kassettirt  und  mit  Rosetten  geschmückt,  die 
Zwickel  und  Pilaster  mit  hübschen  Pflanzenomamenten  und  mit 
Brustbildern,  darunter  Joachim  II  und  seine  Gemahlin;  Alles  ur^ 
sprünglich  prächtig  vergoldet   auf  azurblauem  Grunde^).     Das 


>)  £m  Bericht  über  die  Auffindung  dieses  Bogens  in  v.  Ledebar*s 
Archiv  Vm,  58  ff. 

45* 


708  ÖL  Buch.  BenaiaMnee  in  Detttachland. 

sind  die  wenigen  Ueb^rreste  eines  Banes,  der  die  Verrierangs- 
ladt  der  Zeit  und  die  Prachtliebe  seines  Besitzers  zum  Ausdmck 
brachte.  Der  grosse  Prachtsaal  nahm  die  ganze  Länge  der 
Vorderseite  ein  und  mag  in  seiner  Ausstattang,  wenn  auch  nicht 
in  seiner  Grösse  mit  dem  gleichzeitigen  von  Torgau  gewetteifert 
haben.  Vor  demselben  auf  einem  steinernen  Gange  innerhalb 
des  Sehlosshofes  waren  die  bemalten  steinernen  Brustbilder  der 
Kurfürsten  aufgestellt  Der  ganze  Bau  in  seiner  Anlage  und 
kttnstlerischen  Ausstattang  bekundet  den  Einfluss  der  sächsischen 
Schlösser  zu  Dresden  und  Torgau.  Als  Joachim  II 1572  starb,  war 
der  Bau  noch  nicht  ganz  yollendet 

Sein  Nachfolger  Johann  Georg  liess  das  Nöthigste  durch 
Hans  Eäspell  vollenden,  namentlich  die  Giebel  nach  der  Wasser- 
seite ausführen,  den  Thurm  über  der  Kapelle  ausbessern  und  aus- 
bauen. Seit  1578  liess  er  dann  durch  den  Grafen  Rochus  von 
Lifnar,  einen  vornehmen  Baumeister  von  italienischer  Abkunft, 
weitere  Bauten  ausführen.  Ein  vierter  Stock  wurde  nach  der 
Wasserseite  aufgesetzt,  besonders  aber  seit  1579  ein  heuer  Flügel 
begonnen,  der  den  Schlosshof  nach  der  Westseite  gegen  die 
Schlossfreiheit  hin  abgrenzen  sollte.  Von  Pirna  wurden  be- 
deutende Sandsteinsendungen  verschrieben  und  zugleich  30  säch- 
sische Maurer  berufen,  die  wöchentlich  26  bis  30  Silbergroschen 
erhielten«  1585  schickt  August  von  Sachsen  seinen  Maurermeister 
Peter  Kummer.  Dieser  bringt  eine  Visirung  mit,  welche  dann, 
durch  den  Grafen  Lynar  verbessert,  der  Ausführung  zu  Grunde 
gelegt  wird.  Später  tritt  Peter  Niuron  in  die  Bauführung  ein, 
upd  der  neue  Flügel  wird  1594  vollendet  In  den  oberen  Zim- 
mern führte  Meister  Hieronymus  Malereien  aus.  Dieser  Flügel  ist 
der  jetzt  noch  vorhandene  westliche  Querbau,  welcher  die  beiden 
grossen  Schlosshöfe  von  einander  trennt  Im  Gegensatze  zu  den 
reich  dekorirten  Prachtbauten  Joachims  sind  diese  Theile  schlicht 
und  sparsam,  aber  in  kraftvollen  Formen  ausgeführt.  Namentlich 
gilt  dies  von  der  Galerie  im  dritten  Stock,  welche  mit  Stichbögen 
auf  schön  profilirten  Steinconsolen  eines  ausgebildeten  Renais- 
sancestils ruht  Der  vierte  Stock  ist  später  aufgesetzt  Die  Fenster, 
meist  zu  zweien  gruppirt,  haben  eine  Umrahmung  von  Bund- 
stäben und  Hohlkehlen.  Der  nördliche  Theil  dieses  Flügels  hat 
über  dem  Erdgeschoss,  das  den  Durchgang  enthält,  nur  ein  ein- 
ziges, aber  sehr  hohes  Obergeschoss  mit  mächtigen  gekuppelten 
Fenstern.  Er  enthält  einen  ehemals  zu  Theatervorstellungen  be- 
stimmten SaaL 

Zu  derselben  Zeit  wurde  im  Schlosshof  an  dem  östlichen 
Flügel  Joachims  II  eine  grosse  Doppeltreppe  angelegt,  die  eine 


Kap.  ZUL   Pie  noidOstUehen  BfamenKnäer.  709 

als  Rampe  zum  Hinaufreiten,  die  andere  mit  Stufen.  Dies  gross- 
aitige  Treppenhaua  war  in  einem  offenen,  auf  Sftnien  ruhenden 
aehteekigen  Thurm  angebracht.  Ebenso  erbaute  man  seit  1590 
den  nach  Norden  yorspringenden  FlQgel,  die  jetzige  Schlosä- 
apotheke,'  welche,  nachdem  1596  Lynar  gestorben  war,  unter 
Niuron  vollendet  wurde.  Wieder  wurden  im  Jahre  1604  aus 
Meissen  Maurer  verschrieben.  Das  obere  Gesohoss,  mit  lasirten 
Steinen  belegt,  diente  wahrscheinlich  als  Sommersaal.  Gegen 
Ende  der  Regierung  Johann  Georg's  wurde  dann  auch  an 
der  Wasserseite  der  Flttgel  mit  den  beiden  polygonw  Eck- 
thttnnen  gebaut,  welcher  damals  das  Haus  der  Herzogin  hiess, 
also .  vielleicht  ftlr  die  Herzogin  Hedwig  errichtet  worden  war. 
Balthasar  Benzelt  aus  Dresden  scheint  diesen  Bau  geleitet  zu 
haben.  Eine  alte  Abbildung^)  giebt  eine  perspektivische  Dar- 
stellung des  Schlosses,  die  den  Hof  mit  seinen  beiden  polygoneii 
Treppenthttrmen,  der  grossen  Doppeltreppe  und  den  ehemaligen 
offenen  Arkaden. des  Erdgeschosses  anschaulich  macht 

Am  besten  erhalten  ist  von  den  alten  Anlagen  noch  der 
Apotbekenflflgel :  ein  schlichter  Backsteinbau  mit  verputzteu 
Flächen,  gruppirten  Fenstern,  deren  Rahmen  aus  zierlichen  Stäb- 
chen und  Hohlkehlen  zusammengesetzt  sind,  und  mit  drei  statt* 
liehen  Giebeln  von  massig  barocker  Behandlang.  Dieselben  Giebel 
finden  sich  dann  auch  an  der  Wasserseite.  Die  Gesimse  und 
Einfassungen  sind  solid  aus  Sandstein  hergesteUt  Die  Verbin- 
dung des  Apothekenflflgels  mit  dem  Schlosse  bewirkt  ein  hoher 
thurmartiger  Bau  mit  einfacher  Wendeltreppe  und  mittelalterlich 
profilirten  Fenstern. 

In  der  zwanzigjährigen  unglttcklic^en  Regierung  Georg  Wil- 
helms schien  der  Bau  mit  dem  ganzen  Staate  der  Hohenzollem 
unaufhaltsam  seinem  Ruin  entgegen  zu  gehen.  Alles  wurde  bau- 
ftllig,  musste  gestützt  werden,  so  dass  die  Zeitgenossen  klagten, 
„man  müsse  sich  vor  den  Fremden  schämen,  die  dieses  kurftrst* 
liehe  Residenzschloss  sähen  ^.  Erst  der  Grosse  Kurfürst  wandte 
dem  Bau  durch  Menmharät  wieder  seine  Sorg&lt  zu,  und  der 
erste  König  Preussens  Hess  durch  Schläter'B  Genius  hier  das 
grossartigste  Fttrstenschloss  Deutschlands  erstehen.  Von  den 
alten  Theilen  zeugt  nur  noch  die  dem  Flüss  zugekehrte  ösir 
liehe  Seite. 

Ein  Bau  aus  der  Schlussepoche  der  Renaissance  ist  in  dem 
Königlichen  Marstall  in  der  Breiten  Strasse  erhalten.    Er  be- 


0  In  Joh.  Chr.  Müller  and  G.  Gottfir.  Küster,  altes  und  neues  Berlin 
1737  L  Th. 


710  in.  Bttoh.    ResBisMtiee  in  Dentseldaiid. 

steht  ans  zwei  arsprflDgKGh  getrennten  TheSen,  dem  1624  von 
Hans  Georg  von  Ribbeck  erbauten  Hause  und  dem  nach  1593 
vom  Oberkämmerer  Hieronymus  von  Schlick  errichteten  Bau, 
welcher  später  in  kurfttrstlichen  Besitz  flber^ng  ^).  Der  südliche, 
Ribbeck'sche  Theil  ist  durch  vier  malerische  Barockgiebel  und  ein 
kleines  reiches  Portal  ausgezeichnet  Der  nördliche  hat  drei 
ähnliche  Giebel  erhalten  und  ist  durch  ein  barockes  Portal  ge- 
scbmtlckt  Den  mittleren  Theil  der  Fa^ade  aber  krönt  ein  mit 
grossem  Relief  ausgefüllter  Tempelgiebel,  von  dem  1665  durch 
SnUd  ausgeführten  Neubau  herrtlhrend. 

Andere  Bauten  dieser  Epoche  hat  Berlin  nicht  aufzuweisen. 
Von  den  zahlreichen  Schlossbauten  des  Caspar  Theiss  in  den 
Marken  ist  nur  wenig  erhalten  und  das  Wenige  stark  umge- 
staltet Das  Jagdschloss  Grunewald  bei  Berlin  ist  nach  Anlage 
und  Ausftlhrung  höchst  einfach.  Mehrere  dieser  Schlösser*) 
wiederholen  denselben  aus  Venedig  stammenden  Grundriss:  ein 
grosser  Mittelsaal,  durch  die  ganze  Tiefe  des  Gebäudes  gehend, 
tu  beiden  Seiten  mit  zwei  kleineren  Sälen  verbunden.  Es  ist  die 
auch  am  Rathhaus  zu  Augsburg  vorkommende  Anlage.  An  der 
Fagade  ist  dann  nach  nordischer  Sitte  ein  runder  Treppenthurm 
vorgebaut  Dicke  Mauern,  Gewölbe,  meist  in  drei  Geschossen, 
aber  ohne  jegliche  Kunstform.  So  die  Schlösser  von  Eönigs- 
wusterhausen  und  Lichterfelde  bei  Neustadt -Eberswalde, 
beide  angeblich  von  einem  Venezianer  CMaramelia  erbaut  Aehn- 
lich  Schloss  Orangen  bei  Schlawe  in  Hinterpommem,  das  noch 
mit  runden  Eckthttrmen  versehen  ist  Von  verwandter  Anlage 
Schloss  Letzlingen,  rings  von  einem  Wassergraben  umgeben, 
an  dessen  vier  Ecken  Rundthfirme  mit  begleitenden  Treppen- 
thflrmchen  angebracht  sind.  Was  sonst  noch  in  den  Marken  an 
Schlössern  etwa  vorhanden  ist,  vermag  ich  nicht  anzugeben.  Das 
Rohr'sche  Haus  in  Freienstein  soll  interessante  Renaissance- 
theile  besitzen.  Ebenso  das  Schloss  der  Mtlnchhausen  zu 
Leitzkau. 

Dagegen  zeugt  von  der  Eunstliebe  der  Hohenzollem  manch 
schönes  Stück  in  den  Schlössern  und  Sammlungen  Berlin's. 
Vor  Allem  jener  prachtvolle,  grosse  vergoldete  Silberpokal  im 
Königlichen  Schlosse,  den  man  dort  für  einen  Benvenuto  Cellini 
ausgiebt  Es  ist  aber,  wie  aus  dem  ganzen  Aufbau,  dem  Cha- 
rakter der  Figuren  und  dem  zum  Theil  noch  gothischen  Laub- 
werk erhellt,  ein  Meisterstück  deutscher,  und  zwar  wahrschein- 


0  Nicolai  a.  &.  0.  I,  117.  —  >)  Nach  gefälligen  Notizen  des  Herrn  Geh. 
Beg.-Bathfl  von  Quast 


ELap.  UV.    Die  norddeutwdien  SitotMi^biete.  711 

tteh  Nfimberger  GoMschmiedearbeit^  etwa  um  1560  auagefUirt 
Dentsohe  Arbeit,  weimgleieh  von  geringerer  Art,  ist  auch  das 
Karschwert  des  Hauses  Brandmburg,  dessen  vergoldete  Silber- 
scheide ein  brdtes,  schweres,  durchbrochen  gearbeitetes  Renais- 
sancelaub zeigt  Auch  das  Beichssohwert  des  Hauses  Hohen- 
zoUem  mit  seinen  zierlichen  gravirten  Darstellungen  weist  auf 
einen  süddeutschen  Meister  hin. 


XIY«  KapUeL 
Die  norddeutsehen  Kfistengebiete. 


Schon  im  Mittelalter  haben  die  Länder  der  norddeutschen 
Tiefebene  ein  gemeinsames  Eulturgebiet  dargestellt  Es  sind  die 
Gegenden  jenes  energischen,  nflchtemen,  verständigen  und  wil- 
lensstarken Geschlechtes,  das  schon  im  13.  Jahrhundert  den  bald 
so  gewaltigen  Bund  der  Hansa  stiftete,  der  mit  den  Königreichen 
des  Nordens  Krieg  fahrte  und  die  Macht  der  grossen  Handels- 
städte zu  einer  flberall  gefllrchteten  Weltstellung  erhob.  Die 
Kunst  dieser  Gegenden  erreicht,  im  Einklang  mit  den  politischen 
Verhältnissen,  in  der  gothischen  Epoche  ihren  Höhepunkt  Jene 
gewaltigen  Backsteinkirchen,  die  noch  jetzt  mit  ihren  dunklen 
Massen  über  die  hohen  Giebelhäuser  emporragen,  sind  in  ihrer 
derben  trotzigen  Kraft,  in  ihrem  nüchternen  Ernst  ein  treues  Bild 
des  Bürgerthums,  welches  sie  aufgethürmt  hat  Schmucklos  nach 
aussen,  nur  etwa  in  riesigen  Thürmen  ihre  Macht  verrathend, 
sind  sie  im  Innern  noch  jetzt  angeftkUt  mit  den  reichen  Kunst- 
schätzen, welche  das  Mittelalter  zu  ihrer  Ausstattung  geliefert 
hat:  mit  Schnitzaltären,  Chorstühlen,  Kanzeln,  Lettnern  und 
Orgeln,  mit  Gemälden  und  Sculpturen,  mit  kunstvoll  gegossenen 
Broncewerken,  Kronleuchtern,  Taufbecken,  Grabplatten,  so  dass 
Gotteshäuser  wie  die  grossen  Marienkirchen  von  Danzig  und 
Lübeck  an  Reichthum  und  malerischem  Beiz  des  Innern  weithin 
ihres  Gleichen  suchen.  Da  alle  diese  Städte  früh  den  Protestan- 
tismus annahmen,  aber  sich  meist  von  der  wüsten  Bilderstttrmerei 
frei  hielten,  so  hat  eine  schone  Pietät  jene  alten  Schätze  überall 
sorglich  bewahrt  Auch  jene  Barockschöpfungen,  durch  welche 
in  anderen  Gegenden  der  Alteweibersommer  des  jesuitisch  wieder- 
hergestellten  Katholicismus   so   manche    alte   Kurche   um   ihre 


712      '  in*  BQAh.    BenAiflMiiee  in  Deutedüand. 

früheren  ^EuiiBtwerke  gebracht  hat,  konnten  hier  nur  mtesig  sieb 
einnisten,  so  dass  der  Eindruck  bei  allem  Beiohthum  und  grosser 
Mannichfaltigkeit  ein  harmonischer  ist 

Die  Renaissance  kommt  in  diesen  Gebieten  merkwürdiger 
Weise  erst  sehr  spät  zum  Durchbruch.  Lagen  sie  Italien  zu 
fern  ?  war  die  nordisch  ernste  Weise  der  anmuthig  heiteren  Kunst 
verschlossen?  blieb  man  lieber  in  treuem  Festhalten  bei  der 
gothischen  Kunst  der  Väter  stehen,  oder  wirkten  alle  diese  Um- 
stände zusammen?  Genug,  es  wird  sich  vor  1550  kaum  ein  nen- 
nenswerthes  Werk  der  Benaissancekunst  aufweisen  lassen.  Um 
diese  Zeit  aber  beginnt  auch  hier  die  neue  Kunst  einzudringen. 
Es  sind  hauptsächlich  die  durch  nahen  Handelsverkehr  ver- 
bundenen Niederlande,  durch  welche  allem  Anscheine  nach  die 
Benaissance  hier  eindringt  Plastische  Werke,  namentlich  Bronce- 
arbeiten,  werden  um  diese  Zeit  mehrfach  von  dort  bezogen  oder 
von  niederländischen  Künstlern  ausgeführt  Die  Architektur  folgte, 
und  ahmte  den  Niederlanden  jenen  schon  stark  barocken  und 
dabei  trocken  ernsthaften  Stil  nach,  der  sich  alsbald  über  das 
ganze  Küstengebiet  bis  nach  den  fernsten  Punkten  der  Ostsee- 
provinzen verbreitete.  Der  Backstein  wird  festgehalten,  aber  in 
allen  constructiven  Theilen,  den  Fenster-  und  Thüreinfassungen, 
den  Gesimsen,  Pilastem,  Giebeln  und  Krönungen  mit  Haustein 
verbunden.  So  entsteht  jener  malerisch  wirkende  Stil,  den  wir 
schon  oben  (S.  1 89  ff.)  kurz  charakterisirten  und  dessen  Einwirkung 
in  manchen  Gegenden  ziemlich  tief  landeinwärts  sich  ver- 
folgen lässt 

Der  Mehrzahl  nach  handelt  es  sich  in  diesem  Gebiet  um 
städtische  Bauten,  Bathhäuser,  Gildenhallen,  Zeug-  und  Kauf- 
häuser, Stadtthore  und  Befestigungen,  um  bürgerliche  Wohnhäuser 
sodann,  die  besonders  im  Innern  den  ganzen  Beichthum  damaliger 
Ausstattung  empfangen.  Ein  besonderer  Einfluss  niederländischer 
Sitte  giebt  sich  in  den  bedeutenden  Stock werkshöhen  zu  er-' 
kennen,  welche  namentlich  den  Bathssälen,  aber  auch  im  bürger- 
liehen Wohnhause  den  Haupträumen  und  dem  grossen  Flur  ge- 
geben werden,  der  den  Charakter  einer  hohen  luftigen  Halle 
gewinnt 

Die  fürstliche  Macht  spielt  in  diesen  Gegenden  nur  eine 
zweite  Bolle.  Doch  kommt  sie  im  Gebiete  der  Herzoge  von 
Pommern,  mehr  noch  in  den  Mecklenburgischen  Landen  in  einigen 
grossartigen  und  reich  ausgeführten  Bauten  zum  Ausdruck.  In 
Mecklenburg  bildet  sich  sogar  eine  besondere  Behandlung  der 
Benaissance  aus,  die  auf  künstlerischer  Durohbildung  des  Back- 
stw^baues  beruht  und  in  zierlich  ausgeführten  Terrakottenrelieis 


Kap.  XIV.   Die  norddeutBohen  KflBtengeUete.  713 

an  Q^edmsen)  Einfassangen,  Friesen,  Portalen  und  Fenstern  den 
Fa^aden  ein  überaus  anmuthiges  Gepräge  verleiht  Wir  wenden 
uns  nun  zur  Betrachtung  des  Einzelnen. 


Dan  zig. 

Mit  dem  äussersten  Nordosten  haben  wir  zu  beginnen,  mit 
dem  einst  mächtigen  Freistaat  Dan  zig,  der  seine  Unabhängig- 
keit durch  die  mannigfaltigsten  Geschicke  zu  behaupten  wusste 
und  als  eine  der  vier  Quartierstädte  der  Hansa  hohes  Ansehen 
genoss.  Durfte  doch  ein  Danziger  Bürgermeister  einst  wagen, 
dem  König  von  Dänemark  den  Krieg  zu  erklären! 

Die  ältesten  Zeugen  künstlerischen  Schaffens  in  Danzig  sind 
die  kirchlichen  Gebäude.  Doch  reicht  keines  derselben  über  das 
14.  Jahrhundert  hinauf,  ja  die  hauptsächlichste  Thätigkeit  auf 
diesem  Gebiete  fällt  bereits  in  die  letzten  Epochen  mittelalter- 
licher Kunstrichtung.  Dies  waren  auch  die  Zeiten,  in  welchen 
die  Stadt  voll  kräftigen  Selbstgefühles  mächtig  aufblühte.  Ihre 
Anfänge  sind  in  Dunkel  gehüllt  0  Zwar  wird  der  Name  schon 
im  9.  Jahrhundert  durch  den  Biographen  des  heiligen  Adalbert,  des 
Apostels  der  heidnischen  Freussen,  erwähnt,  allein  von  einer  festen 
Stadt  konnte  damals  in  diesen  Gegenden  noch  nicht  die  Rede 
sein.  Im  1 1.  Jahrhundert  kam  sie  unter  die  Herrschaft  der  Polen 
und  wurde  die  Besidenz  eines  Fürsten  von  Pommerellen,  der  als 
Vi^iall  der  polnischen  Krone  die  Burg  von  Danzig  inne  hatte. 
Diese  lag  in  dem  Winkel,  den  die  Badaune  bei  ihrem  Einfluss 
in  die  Mottlau  bildet,  wo  noch  jetzt  in  den  Namen  der  Burg- 
strasse und  der  Bittergasse  ihr  Andenken  fortlebt  An  diesen 
festen  Punkt  lehnte  sich  westwärts  der  älteste  Theil  der  Stadt, 
die  Altstadt  Hier  finden  sich  noch  jetzt  die  Katharinen-  und 
Brigittenkirche,  weiterhin  die  Bartholomäus-  und  die  Jakobikirche, 
das  altstädtische  Bathhaus,  jetzt  in  ein  Kreisgerichtsgebäude  um- 
gewandelt, und  endlich  in  dessen  Nähe  die  Elisabeth-  und  Kar- 
meliterkirche. Als  darauf  im  Anfange  des  14.  Jahrhunderts  die 
Ritter  des  deutschen  Ordens  die  Stadt  erobert  und  sich  auf  der 
Burg  festgesetzt  hatten,  veranlassten  die  neuen  Herrscher  im 
Jahre  1311  die  Gründung  einer  neuen  Stadt,  der  sogenannten 
Rechtstadt,  neben  welcher  jedoch  die  Altstadt  zunächst  ihre 
Selbständigkeit  in  eigener  Verwaltung  und  Gerichtsbarkeit  be- 
hielt    Allmählich    jedoch    schwang    sich    die   Rechtstadt   zur 


0  Vergl.  über  das  Geschicbtliohe  G.  Löschin,  Gesch.  Danzigs.  2  Bde. 


714  UI.  Bitch.    BenaiBMtiee  in  Deatsohbuid. 

grösseren  Bedentnng  empor,  wie  sie  denn  auch  nodi  jetet  den 
glänzenden  Mittelpnnkt  bildet.  Hier  erhebt  sieh  der  kolossale 
Bau  der  Hauptpfarrkirehe  su  St  Marien,  einer  der  grösseren 
Kirchen  Europa's,  hier  liegen  die  Johannes-,  die  Dominikaner-, 
die  h.  Geistkirche;  hier  sind  die  schönsten  Strassen  mit  den 
prachtvollsten  Häusern,  hier  ist  vor  Allem  der  Lange  Markt  mit 
dem  Artushof  und  dem  imposanten  Bechtstädtischen  Bathhans. 
Unter  der  klugen  Herrschaft  der  Ritter  entwickelte  sich  in  andert- 
halb Jahrhunderten  die  Blüthe  der  Stadt,  die  durch  ihre  Lage  in 
fruchtreicher  üppiger  Gegend  und  besonders  in  der  Nähe  der 
Weichsel,  mit  der  sie  durch  die  selbst  fUr  grössere  Schiffe  fahr- 
bare Mottlau  in  unmittelbarer  Verbindung  steht,  sich  bald  zum 
wichtigen  Handelsemporium,  zu  einem  der  vier  Vororte  der  Hansa 
und  zur  Kornkammer  des  Nordens  aufschwang.  Nachdem  sie 
im  Jahre  1454,  zu  gesteigertem  Selbstgefühl  erstarkt,  die  drückende 
Herrschaft  des  Ordens  abgeschüttelt  hatte,  kehrte  sie  unter  die 
Oberhoheit  der  polnischen  Krone  zurück,  jedoch  mit  so  bedeutenden 
Privilegien,  dass  sie  für  sich  einen  kleinen,  aber  mächtigen  Frei- 
staat bildete.  In  diese  Zeit  fallen  wiederum  bedeutende  Baa- 
untemehmungen,  namentlich  der  Umbau  und  die  Erweiterung  der 
Marienkirche  zu  ihren  jetzigen  grandiosen  Dimensionen.  Dass 
auch  in  den  folgenden  Jahrhunderten  diese  Blüthe  noch  im  Zu- 
nehmen begriffen  gewesen,  erkennt  man  an  der  prachtvollen 
Entwicklung,  welche  in  diesen  Zeiten  der  Privatbau  erfuhr,  an 
der  reichen  Ausschmückung  und  Vollendung  der  öffentlichen 
städtischen  Gebäude  und  der  Kirchen.  Im  siebzehnten  Jahr- 
hundert scheint  die  Bevölkerung  der  Stadt  bis  auf  80,000  Ein- 
wohner gestiegen  zu  sein,  eine  Höhe,  welche  sie  erst  seit  Kurzem 
wieder  erreicht,  ja  überschritten  hat 

Diesem  Entwickelungsgange  entsprechend  hat  sich  auch  die 
Physiognomie  der  Denkmäler  gestaltet*).  Mit  der  Anlage  der 
Bechtstadt  im  14.  Jahrhundert  begann  wohl  erst  eine  bedeutendere 
Entfaltung  des  Kirchenbaues;  mit  zunehmender  Bevölkerung 
musste  durch  Neubau  und  Vergrösserung  der  Körper  der  kirch*- 
liehen  Gebäude  verändert  werden,  bis  endlich  den  nachfolgenden 
Geschlechtem  nur  noch  übrig  blieb,  durch  kostbare  Ausrüstung 
und  Verzierung  auch  ihrem  frommen  Eifer  zu  genügen.  Es  ist 
nun  bezeichnend,  wie  die  Kirchen  in  ihrer  Gesammthaltung  merk- 


*)  lieber  keine  deutsche  Stadt  besitzen  wir  ein  auch  nur  annähernd 
80  schönes  und  bedeutendes  Werk  wie  über  Danzig  in  den  Radirungen 
von  Prof.  Schultz.  Dazu  kommen  neuerdings  zahlreiche  photographische 
Aufnahmen  der  Herren  Ballerstfidt  und  Radtke  in  Danzig^  i 


Kap.  XIV.    IHe  norddeutselieii  Kflstengrebfete.  '   715 

wttrdl^  von  dem  kflnstleriBeheii  Charakter  der  Profan-  ufid  Pri* 
vatarehitektar  abweichen.  Während  diese  überwiegend  eine  11p* 
pige  Renaissance  zeigen,  erheben  sieh  jene  in  ernsten,  schweren 
Hassen  eines  gotbischen  Backsteinbaues,  und  selbst  das  Material 
l^ildet  einen  unterschied,  da  die  Privathäuser  grOsstentheils  ans 
Hausteinen,  und  nur  einige  grössere  öffentliche  Gebäude  aus  einer 
Mischung  dieses  Materials  mit  dem  Backstein  aufgeftlhrt  sind. 
Dagegen  hat  aber  spätere  Geschmacksrichtung  sich  nicht  blos  an 
den  mannigfaltigen  Gegenständen  der  inneren  Ausrüstung  schad- 
los gehalten,  sondern  consequenter  Weise  fast  jedem  der  zahl- 
reichen Kirchthürme  der  Stadt  seine  wunderlich  schnörkelhaften 
Hauben  aufgezwängt. 

Betritt  man  zum  ersten  Mal  die  Strassen  Danzigs,  so  ist  man 
überrascht  von  der  hohen  malerischen  Schönheit  dieser  Anlage, 
der  seltenen  Grossartigkeit,  der  üppigen  Pracht,  die  sich  überall 
kund  giebt  Vor  Allem  bestimmend  für  den  Eindruck  der  Stadt 
sind  die  sogenannten  ^ Beischläge^,  die  leider  seit  einiger  Zeit 
dem  modernen  Verkehrsbedürfniss  immer  mehr  zum  Opfer  fallen. 
Nur  wer  diese  noch  in  ganzer  Vollständigkeit  gesehen,  weiss  was 
das  alte  Danzig  gewesen.  Diese  „Beischläge"  sind  für  die 
Strassen  Danzigs  das  eigentlich  Charakteristische.  Auch  in  andern 
alten  Städten  finden  sie  sich,  aber  nirgends  so  grossartig  ange- 
legt, nirgends  so  stattlich  architektonisch  ausgeprägt,  nirgends 
(wenigstens  bis  vor  Kurzem)  so  zahlreich  erhalten  wie  hier.  Sie 
wurden  in  den  meisten  mittelalterlichen  Städten  durch  die  Be- 
schaffenheit der  Häuser  und  die  Sitte  der  Bürger  hervorgerufen. 
In  jener  Zeit  waren  die  Wohnungen  selbst  des  reicheren  Privat- 
mannes eng,  niedrig,  beschränkt  Es  galt  auf  möglichst  kleinem, 
fest  umgürteten  Bezirk  eine  möglichst  grosse  Menge  zu  Schutz 
und  Trutz  Verbundener  zusammenzudrängen.  Der  enge  Hausraum 
wurde  daher  fast  gänzlich  von  den  für  die  geschäftliche  Thätig- 
keit  des  Besitzers  nothwendigen  Lokalitäten  in  Anspruch  ge- 
nommen. Aber  am  Abend,  nach  vollbrachtem  Tagewerke,  wollte 
man  gern  einen  freieren  Platz  zur  Hand  haben,  auf  dem  die 
Familie  im  traulichen  Beisammensein  sich  von  der  Arbeit  erholen 
konnte.  Aus  diesem  Bedttrfniss  entstanden  gewisse  breite,  mit 
mehreren  Stufen  über  das  Niveau  der  Strasse  sich  erhebende, 
die  ganze  Front  des  Hauses  begleitende  Vorplätze,  die  man  mit 
steinernen  Balustraden  und  eisernen  messingverzierten  Geländern 
umgränzte  und  mit  Bänken  ausstattete.  Diese  Vorbauten  nennt 
man  „Beischläge^.  G^enwärtig  hat  zwar  seit  geraumer  Zeit  das 
Familienleben  sich  von  den  Beischlägen  in's  Innere  der  Häuser 
zurückgezogen.     Der  Bürger  des  neunzehnten  Jahrhunderts  ist 


716  HL  Bach.    Benaissaaee  in  DentBeUimd. 

niaht  so  streng  in  die  Bingmanern  seiner  Stadt  geschlossen,  wie 
der  des  fünfzehnten  und  sechszehnten  es  war.  Er  kann  um  so 
leichter  daher  die  Beischläge  entbehren,  zumal  da  heutzutage  an 
die  Stelle  des  öffentlich  gemeinsamen  Lebens,  welches  ehedem 
die  Btlrger  einer  Stadt  so  zu  sagen  zu  einer  einzigen  Familie 
yerband,  ein  zurückgezogenes  Wesen  getreten  ist 

Was  an  Danzig  vorzugsweise  fesselt,  sind  nicht  sowohl  die 
kirchlichen  Denkmftler,  obschon  auch  deren  einige  beachtena- 
werthe  sich  finden,  sondern  die  bauliche  Gesammtanlage  der  Stadt, 
und  die  Art,  wie  städtische  Macht  und  bürgerlicher  Beichthum 
sich  hier  architektonisch  verkörpert  haben.  Leicht  erkennt  man 
aus  dem  Complex  verschiedener  jüngerer  Zusätze  die  Bestand- 
theile  der  eigentlichen  alten  Stadt  heraus.  Sie  schliesst  sieh  an 
die  Motüau,  welche  die  natürliche  Grenze  nach  Osten  bildete, 
während  nördlich  die  in  jene  sich  ergiessende  Badaune  den  Ab- 
schluss  gab.  Hier  liegt  die  Altstadt,  hier  die  alte  Bechtstadt  mit 
ihrem  Bathhause,  dem  Artushof  und  den  meisten  Kirchen.  Noch 
ist  die  alte  Stadtmauer  mit  zahlreichen  malerischen  mittelalter- 
lichen Thoren  an  der  Mottlau  entlang  erhalten,  eine  Stadt  in  der 
Stadt  umzirkend.  Denn  zunächst  schliesst  sich  die  durch  einen 
anderen  Ann  des  Flusses  begränzte  Speicherinsel  an,  die  mit 
ihren  langen  Beihen  hoher  backsteinemer  Speicher  einen  nicht 
minder  eigenthümlichen  Charakter  bildet.  Dann  erst  folgen  die 
neuen,  fbr  uns  uninteressanten  Stadttheile,  Langgarten  und 
Niederstadt 

In  den  älteren  Stadttheilen  laufen  alle  Hauptstrassen  so 
ziemlich  von  Osten  nach  Westen  bis  zum  Fluss  hinab.  Unter 
ihnen  dominirt  durch  stattliche  breite  Anlage  und  hervorragende 
Bauwerke  die  Lange  Gasse,  die  sich  am  Bathhause  plötzlich 
zum  Langen  Markt  erweitert.  Sie  beginnt  landwärts  mit  dem 
Hohen  Thor  und  öflnet  sich  gegen  das  Wasser  mit  dem  Grünen 
Thor.  Der  Blick  von  letzterem  gegen  das  Bathhaus  hin,  das  mit 
seinen  gewaltigen  Mauermassen  wie  eine  trotzige  Wehr  vor- 
springt und  den  Markt  abschliesst,  gehört  zu  den  schönsten 
städtischen  Architekturprospekten  die  ich  kenne.  Die  hohen, 
reich  verzierten  Giebelhäuser,  die  bei  den  sanft  geschlängelten 
Windungen  der  Strasse  dem  Auge  das  Bild  mannichfacher  Ver* 
Schiebungen  darbieten,  vollenden  das  wirksam  Charakteristische 
der  Strassenphysiognomie.  Merkwürdig  ist,  dass  manche  Haupt- 
strassen noch  eine  .parallel  mit  ihnen  laufende  Hintergasse  haben, 
welche  den  Wagen  zum  Anfahren  diente.  Diese  Einrichtung 
wurde  durch  die  ganze  Anlage  der  Häuser  herbeigeführt.  Da 
nämlich  die  ganze  Vorderseite  des  Hauses  durch  den  Beischlag 


Kap.  XIY.    Die  norddeutschen  Küstengebiete. 


717 


eiHgenommen  wird,  so  bleibt  dort  kein  Platz  fdr  eine  Anfahrt 
flbrig.  Von  dem  erhöhten  Beischlage  (A  in  Fig.  197)  betritt  man 
sofort  durch  die  Hansthttr  den  Flur  B,  der  hoch  und  breit  ange- 
legt igt  und  nur  an  der  einen  Seite  bisweilen  ein  niedriges  Zimmer, 
Oomptoirstube  des  Besitzers,  hat<).  Diesen  hellen  geräumigen  Flur 
hat  man  sich  als  den  Mittelpunkt  zu  denken, 
in  welchem  ehemals  das  ganze  yielfiUtige  Leben 
des  Hauses  seine  Fäden  vereinigte.  Hier  war 
das  Centrum  der  gemeinsamen  Thätigkeit  Von 
Mer  fahrte  eine  mächtige  Treppe  von  Eichen- 
holz in  die  oberen  Stockwerke;  von  hier  er- 
streckte sich  häufig  ein  Corridor  nach  den 
Hintergebäuden  und  Hof  räumen;  von  hier  ge- 
langte man  auch  in  das  saalartige,  nach  dem 
Hofe  D  gelegene  Zimmer  G,  welches  flberall 
mit  Vorliebe  ausgeschmückt  erscheint  und  offen- 
bar die  Familie  an  Sonntagen  und  sonst  wohl 
bei  festlichen  Gelegenheiten  zu  abgeschlossener 
Gemeinsamkeit  beim  frohen  Mahle  vereinigte. 
Diese  Hauptdisposition  findet  sich  in  den 
meisten  Häusern,  so  weit  sie  den  alterthttm- 
liehen  Zuschnitt  noch  bewahren,  durchweg 
festgehalten.  Dabei  haben  die  Häuser  nach 
mittelalterlicher  Art  in  der  Begel  nur  eine 
Breite  von  drei  Fenstern,  während  sie  eine 
enorme  Tiefe  besitzen.  In  Folge  dieser  An- 
lage sind  allerdings  Licht  und  Luft,  wo  man  i  a 
nicht  neuerdings  restaurirt  hat,  ein  wenig  karg 
zugemessen.  Ein  geräumiges  Hinterhaus  £, 
welches  die  Verbindung  mit  einer  schmalen,  p,^.ij>7D.„i^^p,i^^jh.„. 
der  Hauptstrasse  parallel  laufenden  Gasse  ver-  (B«rsaa). 

mitteh,  bildet  den  Abschluss  des  Ganzen. 

Mit  Ausnahme  einiger  unbedeutenden  gothischen  Giebelhäuser 
von  Backsteinen,  die  in  den  engen  Gassen  bei  der  Marienkirche 
und  an  der  alten  Stadtmauer  vorkommen,  gehören  die  Danziger 
Häuser  einer  späteren  Epoche  an,  wo  Reichthum  und  Wohlleben 
sich  auch  in  der  inneren  Ausstattung  der  Räume  geltend  machte 
und  dem  prunkvollen  Aeusseren  ein  nicht  minder  schmuckes 
Inneres  entsprach.  Die  Renaissance  hat  ihre  Formenfülle  her- 
leihen müssen,  um  den  Fagaden  wie  den  Zimmerdekorationen  ein 
glänzendes  Leben  zu  verleihen.    Aber  aus  der  seltsamen  Ver- 


-JO 


xo 


0  Den  Grnndrisß  Fig.  197  verdanke  ich  Herrn  Prof.  R.  Bergan. 


718  ini  Bnoh.    Benaissmice  in  DentscUsnd. 

bindoogy  welche  die  Formen  der  antiken  Kunst  mit  den  mittel- 
alterliohen  Verhältnissen  des  Grundrisses  und  Aufbaues  eingehen 
mussten,  ist  auch  hier  ein  merkwürdiger  Mischlingsstil  henroige- 
gangen.  Dennoch  wirken  diese  Fa^aden,  blos  malerisch  be- 
trachtet,  höchst  bedeutend,  wozu  die  reiche  Fülle  des  Ornaments 
und  die  Gediegenheit  des  Materials  —  ein  trefflicher  Haustein, 
ja  selbst  Marmor  scheint  vorzukommen  —  das  Ihrige  beitragen. 
So  finden  sich  an  einem  Hause  der  Langgasse,  welches  mit  1567 
bezeichnet  ist,  Triglypbenfriese  mit  Schilden  und  Thierköpfen, 
darunter  Maskenkonsolen  und  reizende  Arabesken;  oben  ge- 
schweifter Giebel  mit  grossen  Reliefmedaillons.  Meistens  werden 
die  Systeme  der  antiken  Baukunst  in  kräftigen  Pilasterstellungen 
den  schmalen,  aber  hohen  Fa^aden  yorgesetzt;  oft  auch  erhält 
dann  das  Ganze  als  Abschluss  eine  Balustrade  mit  Statueu, 
welche  den  abgewalmten  Giebel  zu  verdecken  hat  So  in  dem 
reich  bebandelten  Hause  der  Langgasse,  welches  wir  unter 
Fig.  198  beifügen.  Manche  Beispiele  dieser  prächtigen  Fa^aden 
mit  ihren  Beischlägen  finden  sich  in  dem  schönen  Werke  von 
Schultz;  eine  noch  grössere  Anzahl  liegt  in  Photographien  vor, 
welche  nach  Prof.  Bergau's  Anweisungen  gefertigt  sind.  Es  ge- 
nügt hier,  auf  diese  Publicationen  zu  verweisen.  Ein  stattliches 
Hausportal  ist  oben  unter  Fig.  31  auf  S.  161  abgebildet 

Gelegentlich  führte  die  Verbindung  der  antiken  Formen  mit 
den  mittelalterlichen  selbst  in  der  Construction  zu  seltsamen 
Formspielen.  So  ist  in  einem  anderen  Hause  der  Langgasse, 
welches  einer  Buchhandlung  gehört,  der  vordere  Saum  eine  grosse 
Halle,  deren  reiche  Sterngewölbe  auf  toskanischen  Säulen  ruhen. 
Diese  Gewölbe  sind  aber  ohne  Bippen  aufgeführt  und  dürften  in 
constructiver  Hinsicht  nur  die  Bedeutung  von  Tonnengewölben 
haben.  Der  nach  dem  Hofe  liegende  Saal  ist  dagegen  flach  be- 
deckt, die  Decke  prächtig  in  Holz  geschnitzt  mit  zierlich  ausge- 
bildeten Zapfen  und  farbig  eingelegten  Figttrchen.  In  einem 
schönen  Hause  derselben  Gegend  sieht  man  einen  Saal  mit  nicht 
minder  trefflich  geschnitzter  Holzdecke,  deren  Eintheilung  in 
glücklichem  Yerhältniss  zur  Grösse  des  Baumes  steht,  und  deren 
Felder  mit  gemalten  Darstellungen  versehen  sind^). 

Unter  den  städtischen  Profanbauten  tritt  das  Kecht- 
städtische  Bathhaus  vor  Allem  bedeutsam  hervor 3).  Seinem 
Hauptkörper  nach  stammt  es  noch  aus  gothischer  Zeit,  aus  der 


*)  Die  Darstellungen  von  Prof.  Schultz,  a.  a.  0.  I,  8.  H,  12  und  a. 
ergeben  vorzügliche  Bilder  dieser  prachtvollen  Innenränme.  —  *}  VergL 
Hoburg,  Qesch.  des  Rathh.  der  Bechtstedt  D.  1867. 


SLap.  XIY.    Die  norddeatsohen  Küstengebiete.  721 

Epoche,  wo  die  junge  Kecbtstadt  in  mächtigem  Emporbltthen  des 
Handels  und  Wohlstandes  ihrem  höchsten  Glänze  entgegen  ging. 
Charakteristisch  ist  nun  an  diesem  Bau,  dass  er  ganz  aus  Quadern 
aufgeführt  ist,  da  doch  sämmtliche  Kirchen  und  Privathäuser  der 
mittelalterlichen  Epoche  Backsteinbauten  sind.  Späterhin  scheint 
sogar  der  gebrannte  Stein  fast  das  ausschliessliche  Material  für 
kirchliche  Bauten  zu  werden,  während  an  den  Bürgerhäusern  und 
den  stattlichen  Frofangebäuden  der  Renaissancezeit  man  sich  über- 
wiegend dem  Hausteine  zuwandte,  oder  aus  ihm  wenigstens  die 
wichtigsten  architektonischen  Theile,  Gesimse,  Einfassungen  und 
Ornamente  bildete.  Das  Bathhaus  hat  durch  die  altergeschwärzten 
Quadern,  durch  das  trotzige  Vorspringen  in  die  Strassenlinie, 
durch  den  horizontalen  Abschluss  der  compacten  Massen  etwas 
Imponirendes,  einen  Ausdruck  von  Macht  und  Herrschaft  erhalten. 
Grosse  viereckige  Fenster,  durch  steinerne  Stäbe  getheilt,  durch- 
brechen die  Flächen.  Auch  der  Thurm  ist  in  seinen  unteren 
Theilen  noch  gothisch,  1465  aufgefbhrt,  nur  die  schlanke  zier- 
liche Spitze  datirt  von  einer  Restauration  aus  den  Jahren 
1559—1561.  Diese  Spitze  ist  die  feinste  Blüthe  jener  üppigen, 
schnörkelhaften  schon  in's  Barocke  auslaufenden  Spätrenaissance, 
ein  Wunder  in  ihrer  Art  Der  Barockstil  scheint  hier  einen  Wett- 
kampf mit  der  luftig  aufstrebenden  Gothik  versucht  zu  haben,  so 
leicht,  elegant  und  zierlich  in  der  Verjüngung,  so  mannichfaltig  und 
reich  in  ihrem  Umriss  steigt  diese  Spitze  in  die  Luft  Aller- 
dings von  dem  strengen  geometrischen  Formalismus,  dem  orga- 
nischen Aufwachsen  einer  gothischen  Thurmpyramide  ist  nicht 
die  Rede;  aber  um  so  bemerkenswerther,  ja  in  malerischer  Hin- 
sicht den  gothischen  Thürmen  wohl  noch  überlegen,  ist  dies 
krause  Spiel  von  rundlichen  Formen,  die  eigentlich  dem  Princip 
des*  luftigen  Aufstrebens  fremd,  doch  aufs  Schönste  zu  ver- 
wandter Wirkung  benutzt  sind.  Die  ganze  Spitze  ist  vergoldet 
und  mit  einer  ebenfalls  vergoldeten  gehamischten  Figur  bekrönt, 
so  dass  im  hellen  Sonnenschein  der  Eindruck  noch  glänzender, 
ätherischer  wird. 

Auf  einer  prächtigen,  bequemen,  aus  Eichenholz  geschnitzten 
Wendeltreppe^)  gelangt  man  im  Innern  zum  Hauptgeschoss  und 
zunächst  in  die  Sommerrathsstube,  die  in  reichster  Pracht  der 
Renaissancezeit  mit  ihrer  brillant  vergoldeten  und  gemalten  Decke, 
von  welcher  durchbrochene,  äusserst  reich  und  zierlich  gearbeitete 
Zapfen  niederhängen,  ein  Bild  stolzen,  üppigen  Wohlstandes  ist  3). 


>)  Abbild,  bei  Schultz  Nr.  11.  —  «)  VergL  Schultz  Nr.  12. 

Kttf  ler,  GMch.  d.  Baukunst.  V.  46 


722  ni.  Buch.    BenaisBance  in  Deatschland. 

Sie  wurde  bis  1596  durcli  einen  holländischen  Kttnstler,  Vrede- 
man  de  Vries  aus  Leuwarden  ausgeführt  Die  Schnitzwerke 
arbeitete  Simon  Herle,  wahrscheinlich  ein  einheimischer  Künstler, 
und  der  Kamin  wurde  durch  Wilhelm  Barlh  in  Stein  gehauen, 
aber  durch  Vredeman  bemalt  und  vergoldet  Bios  für  die  Decken 
zahlte  die  Stadt  in  zwei  Jahren  2645  Thaler.  Besonders  graziös 
und  durch  feine  polychrome  Behandlung  ausgezeichnet  ist  die 
Winterrathsstube,  welche  wiederum  die  Vermischung  gothischer 
Gewölbe  mit  antikisirenden  Formen  an  Konsolen  und  dergleichen 
zeigt ^).  Ein  anderes  Gemach,  der  Weisse  Saal,  ist  erst  in 
jüngster  Zeit  mit  Sterngewölben  auf  schlanker  Granitsäule  ver- 
sehen worden.  Dagegen  gewährt  die  Kämmereikasse*)  mit  ihrer 
feinen  einfachen  Holzdecke,  dem  schönen  Wandgetäfel,  der  reich 
geschnitzten  Thttre  von  1607  und  dem  bemalten  und  vergoldeten 
Kamin  von  1594  ein  ebenso  harmonisches  als  prächtiges  Bild. 
Auch  die  gleichzeitig  erbaute  Depositalkasse  ^),  ein  kleines  ge- 
wölbtes Gemach,  erhält  durch  die  reiche  Wandbekleidung  einen 
ansprechenden  Schmuck. 

Um  dieselbe  Zeit  erbaute  die  Stadt  (1588)  das  Hohe  Thor*), 
wahrscheinlich  nach  den  Plänen  und  unter  Leitung  des  Anthony 
von  Ohhergen  aus  Mecheln,  der  damals  in  Danzig  Stadtbaumeister 
war.^)  Es  ist  ein  machtvoller  aus  Sandsteinen  aufgeführter  Bau, 
in  strenger  Rustika  mit  dorischen  Pilasteiii,  sämmtliche  Steine 
mit  gemeisseltem  Laubwerk  bedeckt  Die  Anlage  folgt  den  drei- 
thorigen  römischen  Triumphpforten;  kräftige  Consolen  tragen  das 
Gebälk,  über  welchem  eine  hohe  Attika  mit  den  Wappen  des 
Königreichs  Polen,  der  Stadt  Danzig  und  der  Provinz  West- 
preussen,  ersteres  von  Engeln,  das  zweite  von  Löwen,  das  dritte 
von  Einhörnern  gehalten.  Es  ist  ohne  Frage  das  grossartigste 
Thor,  welches  die  Renaissance  irgendwo  hervorgebraciit  hat 
Wahrscheinlich  durch  denselben  Meister  liess  die  Stadt  im  Jahre 
1587  das  Altstädtische  Rathhaus  erbauen.  Wir  haben  auf 
S.  205  eine  Abbildung  desselben  gegeben,  die  den  einfachen 
Ziegelbau  mit  seinen  kräftigen  Hausteineinfassungen,  den  grossen 
Verhältnissen,  den  malerischen,  durch  eine  Balustrade  verbundenen 
Eckthürmchen  und  dem  pikant  silhouettirten  Hauptthurme  als  ein 
Werk  niederländischen  Einflusses  bezeichnet  Endlich  errichtete 
die  Stadt  in  derselben  Epoche  (1605)  ihr  Zeughaus,  das  den- 
selben Stil,  aber  in  ungleich  reicherer  Ausbildung  zeigt  Von  den 


V  Abbild,  bei  Schultz,  Nr.  6.  —  »)  Ebenda  H,  16.  —  »)  Ebenda II,  17. 
—  *)  Ebenda,  Dedicationsblatt.  —  *)  Nach  anderen  Nachrichten  (vergl. 
oben  S.  667)  war  Hans  Schneider  von  Lindau  der  Baumeister. 


ICap.  XlV.    iMe  noiddeutsclieD  Eauengrebiete.  723 

derbea  Baroc^giebeln  und  den  kraftvollen  Portalen,  mit  welchen 


Duulc,  Zsnghau.    Vordere  Fi9Ula. 


selbst  die  hintere  Fa^ade  ausgestattet  ist,  giebt  unsere  Abbildung 


724  ni.  Bach.    Beiuüssuice  in  DentsohUnd. 

auf  S.  190  eiB  Bild.  Un^leicli  Üppiger  gestaltet  sich  mit  zwei 
Torspringenden  Treppenthttrmea  und  einem  Tor  der  Mitte  der 
Fa^ade  sich  erhebenden  Brunnen  die  Hauptfront  (Fig.  199).  An 
allen  diesen  Gebäuden  sind  die  zahlreichen  Skulpturen  und  Or- 
namente noch  durch  Vergoldung  hervorgehoben.  Die  beiden 
Treppen  in  den  Eckthttrmen  sind  in  kunstreicher  Weise  als  Wen- 
delatiegen, die  eine  mit  einer  Spindel  ausgeführt  Das  Innere  des 
Baues  bildet  eine  gewaltige  vierschiffige  Halle,  deren  24  Erens- 
gewölbe  auf  15  freistehenden  Pfeilern  ruhen. 


FIK.  H».     Duils.  MBUargawarkhaDi. 

Geben  alle  diese  Werke  von  der  damaligen  Macht  und  dem 
hohen  Monumentalsinne  der  Stadt  ein  bedeutsames  Zeugniss,  so 
mag  als  letzter  Nachklang  einer  malerischen  und  eigenartigen 
Architektur  das  Mttllergewerkhaus  (Fig.  200)  hier  seine  Stelle 
finden.  Es  ist  ein  charakteristischeB  Beispiel  des  bis  in  diese 
Gegenden  reichenden  deutschen  Fachwerkbaues,  durch  die  hClzeme 
Freitreppe  und  die  zierlich  gedeckte  Laube  des  oberen  Geschosses 
von  anziehender  Wirkung.  Der  Dachgiebel  mit  dem  an  kräftigem 
Querbalken  herausgehängten  hübsch  geschnitzten  Gewerkschild 
erhöht  die  Wirkung  des  kleinen  Baues. 


Kap.  XIV.    Die  norddeutsehen  Klistengebiete.  725 

Pommern. 

Der  Boden  von  Pommern  scheint  für  die  Renaissance  wenig 
ergiebig  gewesen  zn  sein.  Die  mächtigen  Städte  Stralsund,  Greifs- 
wald, Stargard  u.  a.  haben  ihre  entscheidende  Bolle  ausgespielt 
und  lassen  in  ihren  mittelalterlichen  Monumenten  Zeugen  ihrer 
früheren  Blüthe  schauen.    Mit  der  neuen  Zeit  beginnt  auch  hier 
das  Fflrstenthum  sich  zu  erheben.     Schon  Herzog  Bogislaw  X 
(f  1523)  sucht  die  fürstliche  Macht  zu  organisiren  und  fester  zu 
begründen.    Er  beruft  Doctoren  des  römischen  Rechts  in's  Land, 
um  die  neue  Ordnung  durchzuführen^).     Unter  seinen  Söhnen 
Georg  und  Barnim  X  setzt  sich  in  den  Städten  die  Reformation 
gegen  den  Willen  der  Fürsten  durch.    Nach  Georgs  Tode  (1531) 
theilt  Philipp  I  mit  Barnim  die  Regierung,  bis  erster  er  1560  stirbt 
und  letzterer  1569  entsagt    Barnim,  eine  friedliche,  den  Künsten 
ergebene  Natur  (der  übermüthige  Adel  verspottete  ihn  oft  wegen 
seiner  „Spillendreherei",  d.  h.  Liebe  zum  Drechseln  und  Bild- 
schnitzen), ist  uns  besonders  durch  bauliche  Unternehmungen  be- 
deutsam.   Sodann  aber  tritt  der  hochsinnige,  prachtliebende  und 
gebildete  Johann  Friedrich  (1570—1600)  als  Förderer  der  Künste 
auf.     Maler,  Formschneider  und  Kupferstecher  finden  Beschäf- 
tigung; Johann  BapHsta^  „fürstlich  pommerischer  Contrefaitmaler^, 
wahrscheinlich  ein  Italiener,  galt  als  der  beste  Künstler  in  Nord- 
deutschland.    An  Stelle  des  durch  Brand  zerstörten  Schlosses  zu 
Stettin  liess  Johann  Friedrich  durch  einen  wälschen  Meister  seit 
1575  einen  ansehnlichen  Neubau  aufführen,  der  zwar  im  October 
des  folgenden  Jahres  wieder  durch  Feuer  beschädigt .  wurde,  aber 
1577   schon   seine  Vollendung  erhielt     Auch    das   Jagdschloss 
Friedrichswalde,  tief  im  Forste  unweit  der  Ihna,  erbaute  er,  und  die 
verfallenen  Schlösser  in  Stolp,  Lauenburg  u.  a.  stellte  er  wieder  her. 
Noch   eifrigere  Förderung   von  Kunst  und  Wissenschaft  finden 
wir  sodann  bei  dem  edlen,  sinnigen  Philipp  II,  (gest  1618),  den 
seine  religiösen  Grübeleien  nicht  abhielten,  mit  warmem  Antheil 
den  Schöpfungen  der  Kunst  zu  folgen,  Münzen,  Gemälde,  Minia- 
turen und  andere  Kostbarkeiten  zu  sammeln  und  fbr  sein  reiches 
Kunstkabinet  einen  besonderen  Flügel  dem  Schloss  in  Stettin 
anzubauen.  Von  der  feinen  Sitte,  welche  an  seinem  Hofe  herrschte, 
Ton  der  acht  humanen  Gesinnung  und  der  für  jene  Zeit  selten 
hohen  Bildung  giebt  uns  Philipp  Hainhof er's  Reisetagebuch  ^)  an- 
ziehenden Bericht    Noch  ist  (im  Museum  zu  Berlin,  vgL  oben 


0  Barthold,  Geschichte  von  Bügen  und  Pommern  IV,  2  S.  4  ff. 
^  Herausgegeben  in  den  Baltischen  Stildien.  11.  Bd.  Stettin  1836. 


726  ^'  Buch.    Renaissance  in  Deutschland. 

S.  98  fg.)  der  berühmte  pommerische  Eunstgehrank  erhalten, 
welchen  der  Augsburger  Patricier  im  Auftrage  des  Fürsten  hatte 
arbeiten  lassen  und  den  er,  zugleich  mit  einem  zweiten  ähnlichen 
Prachtwerk,  dem  jetzt  verschollenen  sogenannten  Meierhof,  selbst 
nach  Stettin  überbrachte. 

Der  ansehnlichste  Rest  von  den  architektonischen  Schöpfungen 
der  pommerschen  Herzoge,  wenn  auch  in  seiner  jetzigen  Gestalt 
künstlerisch  nicht  eben  bedeutend,  ist  das  Schloss  zu  Stettin. 
'  Seine  Front  mit  dem  Hauptportal,  das  übrigens  einer  späteren 
Zeit  angehört,,  liegt  gegen  Süden.  Neben  dem  Portal,  zur  Hechten 
des  Eintretenden,  erhebt  sich,  aus  dem  Mauerkörper  yorspriDgend, 
ein  viereckiger  Thurm,  der  oben  in's  Achteck  übergeht  Dieser 
Flügel  ist  eben  in  einem  völligen  Umbau  begriffen,  wobei  eine 
schöne  alte  Holzdecke  wieder  zur  Verwendung  kommen  soll*). 
Tritt  man  durch  das  Hauptportal  ein,  so  befindet  man  sich 
in  einem  grossen  viereckigen  Schlosshofe  von  ziemlich  regel- 
mässiger Anlage,  der  wieder  durch  zwei  viereckige  Thtirme 
ein  stattliches  Gepräge  erhält  Der  eine,  am  westlichen  Flügel 
vorspringend,  enthält  den  Aufgang  zu  den  dortigen  Räumen;  der 
andere,  oben  in's  Achteck  übergehend,  dient  als  Uhrthurm.  Im 
Uebrigen  ist  der  ganze  Bau  von  grösster  Einfachheit,  die  Flächen 
verputzt,  die  architektonischen  Glieder  aber  von  Stein.  Die 
Fonn  durchweg  die  einer  schlichten  classicistischen  Renaissance, 
die  Fenster  mit  antikem  Rahmenprofil  und  Deckgesims,  im  öst- 
lichen und  dem  anstossenden  Theil  des  nördlichen  Flügels,  die 
eine  besondere  Bauführung  zeigen,  zu  zweien  gruppirt  Die  Ab- 
wesenheit aller  mittelalterlichen  Reminiscenzen,  noch  mehr  aber 
die  Bekrönung  des  Ganzen  mit  einer  hohen  Attika,  deren  Ge- 
simse durch  liegende  Voluten  abgeschlossen  wird  und  blos  dazu 
dient  das  Dach  zu  maskiren,  deutet  auf  italienische  Hand  ^).  Ein 
schlichter  Erker  ist  am  nördlichen  Ende  des  Westflügels,  ein 
ebenfalls  einfach  behandeltes  Doppelportal,  darüber  eine  kleine 
Loggia  mit  kannelirten  dorischen  Pilastern,  im  nördlichen  Haupt- 
flügel angeordnet  Auch  die  Treppe,  die  hier  in  geradem  Laufe 
aufsteigt,   zeigt  italienische  Anlage.    An  diesen  beiden  Flügeln 


0  Ich  habe  die  Decke  we^en  des  eben  begonnenen  Umbaues  nicht  zu 
sehen  bekommen.  Kugler,  der  über  dieselbe  (Pomm.  Kunstgesch.,  in  den 
El.  Sehr.  I,  S.  774)  berichtet,  hat  sie  anfangs  dem  durch  Hersog  Bogislav 
X  seit  1503  ausgeführten  Bau  zuschreiben  wollen ;  nachher  aber  (ebendort, 
Note  2)  spricht  er  Bedenken  aus  und  meint  sie  doch  der  zweiten  Hälfte 
des  Jahrhunderts  zuschreiben  zu  sollen.  —  *)  Damit  stimmt  denn  auch  die 
oben  gegebene  historische  Notiz. 


Kap.  Xiy.    Die  norddeatechen  Eüsteagebiete.  ^     727 

liest  man  zweimal  die  Jahreszahl  1577.  Es  sind  also  die  Theile, 
welche  seit  1575  unter  Herzog  Johann  Friedrich  „durch  einen 
wälschen  Maurer,  Antonius  Wilhehn'^^  aufgeführt  wurden.  Andeu- 
tungen einer  reicheren  ehemaligen  Gliederung  sind  in  einigen  Pi- 
lastersjstemen  am  Westflttgel  erhalten.  Ebenso  glaubt  man  am 
östlichen  Ende  des  Hauptbaues  Spuren  einer  ehemaligen  Arkade 
zu  bemerken.  Im  Innern  ist  die  gleichzeitig  erbaute  Schlosskirche 
der  wichtigste  Saum:  ein  Rechteck  mit  Spiegelgewölbe,  in  drei 
Geschossen  von  Arkaden  mit  Emporen  umzogen.  Im  unteren 
standen  nach  Hainhofer's  Bericht  „die  Diener  und  Stadileute,  im 
mittleren  die  Fürsten,  ßäthe,  Junker  und  Pagen,  im  oberen  die 
Fürstinnen,  Frauenzimmer  und  Mägde. ^  Von  einem  früheren 
Baue  dagegen  stammt  offenbai*  das  am  östlichen  Flügel  einge- 
setzte Wappen  mit  dem  Namen  Herzog  Barnims  X  vom  Jahre 
1538.  Es  ist  in  primitiven,  wenig  verstandenen  Benaissanceformen 
ausgeführt  Ob  die  Bautheile,  an  welchen  es  sich  befindet,  noch 
jenem  früheren  Bau  angehören,  ist  weder  mit  Bestimmtheit  zu 
bejahen  noch  zu  verneinen.  Gewisse  Umgestaltungen  und  Zu- 
sätze abgerechnet  (namentlich  die  Attika)  ist  es  wohl  möglich, 
dass  der  östliche  Flügel  im  Wesentlichen  noch  aus  Barnims  Zeiten 
herrührt. 

Wenn  man  im  westlichen  Flügel  einen  offenen  Durchgang 
passirt,  so  gelangt  man  in  einen  zweiten  kleineren  Hof,  der  sich 
in  derselben  Tiefe,  aber  nur  in  geringerer  Breite  parallel  mit  dem 
ersten  erstreckt  Ein  vierter  stattlicher  Thurm  schliesst  ihn  an 
der  Nordostecke  ab  und  beherrscht  hier  die  Verbindung  nach 
aussen,  während  an  der  Südseite  ein  zweites  Thor  auf  die  Strasse 
mündet  Auch  hier  herrscht  grosse  Einfachheit,  aber  eine  hübsche 
Tafel  mit  den  Brustbildern  Philipps  II  und  Franz  I  meldet,  dass 
diese  Fürsten  den  Bau  1619  als  „musarum  et  artium  conditorium^ 
ausgeführt  haben.  Es  war  also  der  für  die  Bibliothek  und  die 
Kunstsammlungen  des  Herzogs  bestimmte  Bau,  von  welchem  auch 
Hainhofer  berichtet  Damit  schliesst  hier  die  Bauthätigkeit  unserer 
Epoche  ab. 

Die  Stadt  selbst  zeigt  keinerlei  Spuren  von  irgend  welcher 
Kunstblüthe  während  der  Renaissancezeit 

Die  übrigen  Renaissancebauten  Pommerns  gehören  über- 
wiegend der  späteren  Zeit  an^).  So  das  Schloss  zu  Pansin  bei 
Stargard,  das  Schloss  Pudagla  auf  der  Insel  Usedom  vom  Jahre 
1574,  das  Schloss  Mellenthin  vom  Jahre  1575,  mit  schönen 


>)  Pia  Notizen  bei  Kugler  a.  a.  0.  S.  776  ff. 


728  ^-  BaoL    Benaissuiee  in  Dentsehlaad. 

Gewölben  im  Inneren,  das  Schloss  von  Plathe  in  den  wenigen 
noch  erhaltenen  Theilen;  endlich  das  stattliche  Schloss  zn  Bfl- 
tow,  1623  durch  Bogislaw  XIV  erbaut  AQe  diese  Werke  sind, 
bei  oft  stattlicher  Anlage,  doch  yon  geringer  künstlerischer  Be- 
deutung. Höheren  Werth  erhielten  sie  jedenfalls  nur  durch  die 
nicht  mehr  vorhandene  innere  Ausstattung. 

Von  bürgerlicher  Architektur  dieser  Zeit  ist  in  Pommern 
nicht  viel  zu  melden.  Die  mächtigen  St&dte  hatten  hier  mit  dem 
15.  Jahrhundert  ihren  Glanzpunkt  überschritten.  Nur  ein  statt- 
liches Hausportal  zu  Stettin  in  der  Grossen  Oderstrasse  No.  72, 
""und  ein  anderes  zu  Stralsund  in  der  Battinmacherstrasse^  vom 
Jahre  1568,  ist  zu  erwähnen. 


Mdklenbnrg. 

• 

Aehnliche  Verhältnisse  wie  in  Pommern  begegnen  uns  in 
Heklenburg.  Auch  hier  hatte  im  Mittelalter  die  geistliche  Macht 
und  mehr  noch  die  Kraft  des  Bürgerthums  in  den  gewaltigen 
Backsteinkirchen  von  Dobberan  und  Schwerin,  von  Rostock  und 
Wismar  sich  bedeutende  Monumente  gesetzt.  In  der  Renaissance- 
zeit tritt  das  Bürgerthum  hier  ganz  vom  Schauplatz  zurück,  aber 
die  lebensfrohen  und  baulustigen  Ftlrsten  des  Landes  errichten 
eine  Reihe  von  Schlössern^  welche  zu  den  reichsten  Denkmälern 
der  deutschen  Renaissance  gehören  und  namentlich  durch  die 
Ausbildung  eines  edel  gegliederten  Backsteinbaues  eine  hohe  und 
selbständige  Bedeutung  erhalten. 

Es  ist  vornehmlich  der  treffliche  Herzog  Johann  Albreoht  I, 
sodann  neben  ihm  sein  Bruder  und  Mitregent  Herzog  Ulrich, 
welche  als  eifrige  Förderer  der  Kunst  auftreten  und  die  Renais- 
sance durch  eine  Reihe  glänzender  Schöpfungen  in  Meklenbnrg 
einführen.  Auch  hier  treffen  diese  Bestrebungen  mit  einer  all- 
gemeinen Steigerung  des  geistigen  Lebens,  namentlich  mit  der 
reformatorischen  Thätigkeit  zusammen.  Besonders  tritt  uns  in 
Johann  Albrecht  I  (f  1576)  die  anziehende  Gestalt  eines  durch 
hochherzige  Gesinnung,  edle  Geistesbildung  und  schöpferische 
Thatkraft  hervorragenden  fürstlichen  Mannes  entgegen*).  Nicht 
blos  führte  er  in  seiner  fast  dreissigjährigen  Regierung  die  Re- 
formation in  seinem  Lande  durch,  sorgte  für  eine  neue  Kirchen- 
verfassung, .erneuerte  und  verjüngte  die  Hochschule  des  Landes 


>)  C.  von  Ltitzow,  Versuch   einer  pragmst  Gesch.  von  Meklenburg, 


m,  S.  119. 


Kap.  XIV.    Die  norddeotschen  Kttstengebiete.  729 

zu  Rostock)  wies  das  Vermögen  der  aufgehobenen  Klöster  milden 
Stiftungen  und  yor  Allem  den  neu  begründeten  Schulen  zu, 
sondern  schuf  in  Rechtspflege,  Verwaltung  und  Polizei,  im  Münz- 
wesen,  in  Einrichtungen  für  Handel  und  Verkehr  die  Grundztige 
eines  neuen  auf  die  allgemeine  Wohlfahrt  abzielenden  Staats- 
lebens. Nach  dem  Tode  des  treffliehen  Fürsten  trat  Herzog  Ul- 
rich als  Gebieter  des  gesammten  Landes  mit  Kraft  und  Ernst  in 
die  Fusstapfen  seines  Bruders  und  brachte  das  von  diesem  An- 
gebahnte zur  vollen  Durchfthrung.  Diesen  beiden  Fürsten  ver- 
dankt Meklenburg  nun  eine  thätige  Aufnahme  der  Renaissance, 
die  sich  noch  jetzt  in  glänzenden  Zeugnissen  erhalten  hat 

Das  Hauptwerk  im  Lande  ist  der  Fürstenhof  zu  Wismar. 
Die  Geschichte  dieser  Residenz  der  Meklenburgischen  Fürsten 
wirft  grelle  Schlaglichter  auf  das  Verhalten  der  mittelalterlichen 
Städte,  auf  ihren  Trotz  und  ihren  stolzen  Unabhängigkeitssinn  ^). 
Seit  1256  hatten  die  Herzöge  von  Meklenburg  in  der  Stadt  eine 
von  Johann  I  erbaute  Burg,  die  jedoch,  als  die  übermttthigen 
Bürger  1276  ihre  Stadt  mit  einer  Mauer  umzogen,  aus  dem 
städtischen  Mauerring  ausgeschlossen  wurde.  Nach  einem  Brande 
des  Jahres  1283  wurde  die  Burg  zwar  wiederhergestellt,  aber 
schon  1300  sah  sich  der  alternde  Fürst  Heinrich  der  Pilger  ver- 
anlasst, um  den  Hauptgrund  der  fortwährenden  Zwistigkeiten  mit 
den  Bürgern  zu  beseitigen,  die  Burg  abzubrechen  und  in  der 
Stadt  auf  einem  ihm  dafür  eingeräumten  Platze  einen  Hof  zu 
errichten.  Dieser  wurde  1310  in  einer  neuen  Fehde  mit  der 
Stadt  zerstört,  allein  Heinrich  H,  der  Löwe,  des  Pilgers  Sohn, 
setzte  gegen  den  Willen  der  hartnäckig  widerstrebenden  Bürger- 
schaft den  Bau  einer  befestigten  Burg  innerhalb  der  Ringmauern 
an  anderer  Stelle  durch.  Gleich  nach  dem  Tode  des  kräftigen 
Fürsten  wussten  jedoch  die  Bürger  es  dahin  zu  bringen,  dass  die 
Vormünder  seines  noch  minderjährigen  Nachfolgers  ihnen  die 
Burg  sammt  ihren  Festungswerken  verkauften,  wogegen  indess 
den  Herzogen  gestattet  wurde,  einen  anderen  Hof  in  der  Nähe 
der  Georgenkirche  femer  zu  bewohnen.  Dies  ist  der  noch  jetzt 
vorhandene  Fürstenhof.  Von  den  um  1430  darin  aufgeflihrten 
Gebäuden  ist  schwerlich  noch  etwas  erhalten,  es  sei  denn  dass 
in  dem  schräg  hinter  den  Hauptgebäuden  sich  hinziehenden  Stall 
noch  ein  Rest  der  alten  Anlage  stecke.  Der  Hauptbau  besteht 
aus  zwei  Flügeln,  welche  rechtwinklig  zusammenstossen  und  mit 
dem  Stall  einen  dreieckigen  Hof  umschUessen.    Der  von  Süd 


0  Vergl.  die  verdienstliche  Arbeit  von  Dr.  Lisch  in  dessen  Jahrbach 
V,  S.  5  ff. 


730  ni.  Buch.    RenaiBsance  in  Deutschland. 

nach  Nord  laufende  „alte  Hof"  wurde  1512—1513  zur  Feier  der 
Vermählung  Herzog  Heinrichs  des  Friedfertigen  mit  der  Prin- 
zessin Helene  von  der  Pfalz  errichtet  Der  neue  Baumeister  hiess 
Georg^  der  Maurermeister  Erimar  oder  Eriman  Boih.  Das  Gebäude 
wird  im  Jahre  1576  als  zwei  Stockwerk  hoch  geschildert  Im 
Hauptgeschoss  war  links  die  grosse  Hofstube  (Hofdornitz^),  rechts 
die  Küche,  beide  Räume  wie  noch  heut  gewölbt  und  mit  rund- 
bogigen  Portalen  versehen.  Die  Gewölbe  ruhen  auf  derben  kurzen 
Säulen  von  schmuckloser  Art  Gegen  den  Schlosshof  hatte  das 
Haus  drei  Erker  und  an  der  Fa^ade  nach  der  Kirche  fünf  in 
Holz  errichtete  Giebel.  Auf  dem  Hofe  war  eine  Wendeltreppe 
angebracht  Ein  im  Jahre  1516  erbauter  Gang  stellte  eine  un- 
mittelbare Verbindung  mit  der  benachbarten  Kirche  her. 

An  diesen  im  Laufe  des  16.  Jahrhunderts  stark  verfallenen 
und  nachmals  in  der  schwedischen  Zeit  durch  einen  Brand  zum 
Theil  verwüsteten  Theil  fügte  Herzog  Johann  Albrecht  I  seit 
1553  den  stattlichen  Bau  des  neuen  Hofes,  indem  er  denselben 
im  rechten  Winkel  an  den  alten  Flügel  seines  Oheims  Heinrich 
anschloss.  Der  Bau  wurde  durch  Meister  Gabriel  van  Aken  im 
Sommer  1553  begonnen,  neben  ihm  war  ein  anderer  Meister,  Va- 
lentin von  Lira  dabei  beschäftigt,  und  als  Gabriel  von  Aken  schon 
Ende  November  desselben  Jahres  wegen  Misshelligkeiten  mit 
seinem  CoUegen  plötzlich  den  fürstlichen  Dienst  verliess  und  nach 
Lübeck  zog,  von  wo  er  dem  Herzoge  einen  Absagebrief  schrieb, 
wurde  Valentin  von  Lira  mit  der  Fortsetzung  des  Baues  beauf- 
tragt^). Allein  der  Herzog  muss  der  Geschicklichkeit  dieses 
Mannes  nicht  unbedingt  vertraut  haben,  denn  sogleich  nach  dem 
Abgange  Gabriels  von  Aken  wandte  er  sich  an  den  Kurfürsten 
August  von  Sachsen  mit  der  Bitte,  ihm  seinen  Oberzeug-  und 
Baumeister  Caspar  Vogt  zu  senden,  um  ihm  „zu  seinen  vor- 
habenden Gebäuden  räthlich  zu  sein".  Da  dieser  aber  mit  dem 
Festungsbau  von  Dresden  beschäftigt  war  und  den  Auftrag  er- 
halten hatte,  das  Fundament  zum  neuen  Schlosse  zu  Leipzig,  der 
Pleissenburg,  abzustecken,  um  den  Beginn  des  Baues  vorzube- 
reiten, so  verweigerte  der  Kurfürst  die  Erfüllung  der  wiederholt 
ausgesprochenen  Bitte.  Noch  um  Weihnachten  1554  schickte  der 
Herzog  sodann  seinen  Maurer  nach  Weimar  an  Johann  Friedrich 
den  Aelteren,  um  dessen  Schloss  Grimmenstein  bei  Gotha,  na- 
mentlich die  Schliessung  der  Gewölbe  unter  dem  Walle  zu  be- 


*)  In  den  süddeutschen  Schlössern  als  »Tümitz'*  bekannt.  *)  S&nmit- 
liche  Nachrichten  über  die  Künstler  verdanken  wir  den  werthyoUen  Vit* 
theilnngen  von  Lisch  im  Jahrb.  V,  S.  20  ff. 


FI«.  Hn.    FUntaabor  in  Wltmu. 


Kap.  XIV.    Die  norddeutschen  Kttstengebiete.  733 

sichtigeiL  Von  dort  nahm  der  Meister  einen  Polirer  mit  nach 
Meklenburg  zur  Vollendung  der  angefangenen  Bauten,  und  am 
24.  Februar  1555  konnte  Johann  Albrecht  seine  Yermählungsfeier 
mit  der  Prinzessin  Anna  Sophie  von  Preussen  in  dem  neuen 
Fflrstenhof  feiern. 

Der  Bau  gehört  durch  Grossartigkeit  der  Verhältnisse  und 
edle  Pracht  der  Ausstattung  zu  den  hervorragendsten  Werken  der 
deutschen  JRenaissance.  Um  von  seiner  Anordnung  eine  An- 
schauung zu  geben,. ftlgen  wir  zu  der  Aussenansicht  auf  S.  187 
noch  eine  Darstellung  der  Hofseite  unter  Fig.  201  bei.  Das 
Ganze  besteht,  wie  man  sieht,  aus  einem  Erdgeschoss  und  zwei 
oberen  Stockwerken.  Die  Verhältnisse  sind  grossartig,  das  Erd- 
geschoss hat  gegen  22  Fuss  Hohe,  das  erste  Stockwerk  etwa 
20  und  das  zweite  gegen  1 4  Fuss.  Dazu  kommen  die  ungemein 
weiten  Axen,  die  etwa  18  Fuss  messen.  Die  Fa9ade  hat  sieben 
Fenster  Front,  aber  die  sämmtlich  dreitheiligen  Fenster  sind  von 
solcher  Breite,  dass  die  Länge  gegen  130  Fuss  betragen  mag. 
Das  ganze  Mauerwerk  besteht  mit  Ausnahme  der  aus  Dänemark 
herbeigeholten  Quadern  für  die  Fundamente  aus  Backsteinen. 
Nur  die  Hauptportale  und  der  prachtvolle  Selieffries,  der  das 
Erdgeschoss  an  beiden  Fa^aden  abschliesst,  sind  in  Sandstein 
ausgeführt.  Die  Flächen  des  Mauerwerks  jedoch  hatten  ursprüng- 
lich, wie  es  scheint  durchgängig,  einen  Ueberzug  in  Putz,  der 
an  der  Aussenseite  im  Erdgeschoss  durch  horizontale  breite  Fugen 
gegliedert  ist  Mit  feiner  Berechnung  hat  der  Künstler  der  Archi- 
tektur des  Aeussem  und  der  des  Hofes  einen  wesentlich  ver« 
schiedenen  Charakter  verliehen,  indem  er  nach  aussen  den  Por- 
talen und  Fenstern  reichere  Einfassungen  durch  Hermen,  den 
Fenstern  im  Erdgeschoss  und  im  ersten  Stock  zierlich  dekorirte 
Giebel  gegeben  hat  Dafür  aber  stattete  er  die  Hofseite  in  den 
beiden  oberen  Geschossen  mit  fein  geschmückten  Pilastem  aus,  die 
am  Treppenhause  sogar  bis  in's  Erdgeschoss  durchgeführt  sind. 
Für  die  Fenster  selbst  wählte  er  consequent  die  Dreitheilung, 
und  zwar  im  Erdgeschoss  mit  Bogenabschlüssen,  in  den  oberen 
Stockwerken  dagegen  mit  gradlinigem  Sturz.  Das  ganze  Bahmen- 
und  Pfeilerwerk  der  Fenster  ist  mit  Ornamenten  von  Laub- 
und Fruchtschnüren  bedeckt  Den  Abschluss  dieser  reichen  Or- 
namentik, die  durchgängig  in  gebrannten  Steinen  ausgeführt  ist, 
bilden  die  beiden  prachtvollen  Friese,  welche  am  Aeussem  und 
Innern  die  Stockwerke  trennen,  der  obere  wieder  aus  Terra- 
cotten  und  zwar  einer  Reihenfolge  von  Portraitmedaillons  zusam- 
mengesetzt, der  untere  in  Sandstein  ausgeführt,  allem  Anscheine 
nach  in  seinen  zahlreichen  bewegten  Figurengruppen  irgend  eine 


734  HL  BiuA.    Reiifti06Mie6  in  DentscUand. 

antike  Begebenheit  darstellend.  Derselbe  Beichthum  von  Deko- 
ration sehmttckt  auch  die  zahlreichen  Portale,  von  denen  die 
kleineren  im  Hofe  mit  ihren  halbkreisförmigen  Abschlflssen,  den 
eleganten  Laubornamenten,  den  feinen  Kapitalen  und  den  in  den 
Zwickeln  und  Friesen  angebrachten  Portraitmedaillons  wahre 
Meisterwerke  der  Dekoration  sind.  Dagegen  erkennt  man  in  den 
zahlreichen  Hermen  und  Karyatiden  der  Fenster  und  der  beiden 
Hauptportale  eine  weit  gröbere  Hand  und  eine  starke  Hinneigung 
zum  Barocken.  Trotzdem  gehört  der  Bau,  eben  wegen  dieser 
durchgebildeten  Thonplastik,  zu  den  merkwürdigsten  Denkmalen 
unserer  Renaissance,  und  es  ist  für  uns  von  hohem  Werth  zu 
erfahren,  dass  seit  der  zweiten  H&lfte  des  Jahres  1552  der  Stein- 
brenner SicUitis  von  Düren  diese  Ornamente  aus  gebranntem  Thon 
gefertigt  hat  Noch  1557  stand  er  in  herzoglichen  Diensten  und 
lieferte  auch  für  Herzog  Ulrich  verschiedene  thöneme  Werkstücke, 
wobei  ibm  für  ein  ,,grotes  Stück  Biltwerk*'  fünf,  für  ein  kleines 
zwei  Schillinge  bezahlt  wurden.  Später  liess  er  sich  in  Lübeck 
nieder,  wo  wir  ähnliche  Arbeiten  finden  werden.  Neben  ihm 
war  zu  Schwerin  noch  ein  alter  Ziegelbrenner  thätig,  zu  Dömitz 
aber  wurden  holländische  Ziegelbrenner  beschäftigt.  Statins'  Her- 
kunft von  Düren  weist  nun  freilich  auch  auf  die  an  Holland 
grenzende  Gegend  des  Niederrheins,  und  es  läge  also  die  Ver- 
suchung nahe  diesen  Stil  von  dort  herzuleiten.  Allein  da  wir 
in  jenen  Gegenden  nichts  Derartiges  kennen,  so  haben  wir  wohl 
diese  anderwärts  in  Deutschland  und  überhaupt  im  Norden  nirgends 
vorkommende  Ausbildung  des  Terracottastils  unsrer  Epoche  als 
eine  ausgezeichnete  Eigenschaft  der  Meklenburgischen  Gebiete 
zu  betrachten.  Dass  die  Kenntniss  der  oberitalienischen  Backstein- 
bauten dabei  den  ersten  Anstoss  gegeben  habe,  dürfen  wir  wohl 
vermuthen. 

Von  der  alten  Einrichtung  ist  nichts  mehr  erhalten.  Links 
von  dem  gewölbten  Eingange,  der  als  Durchfahrt  zum  Hof  diente, 
war  die  Hofstube,  rechts  die  Wohnung  des  Pförtners  und  anderer 
Diener.  Im  ersten  Stock  war  der  grosse  Tanzsaal,  der  die  ganze 
Länge  des  Flügels  umfasste;  im  dritten  Stock,  der  eine  anmuthige 
Aussicht  gewährt,  befand  sich  der  Speisesaal,  daneben  der  Her- 
zogin Gemach,  und  die  Bathsstube.  Den  Zugang  zu  den  oberen 
Stockwerken  vermittelte  die  am  östlichen  Ende  in  einem  vier- 
eckigen Treppenhaus  angebaute  Wendelstiege.  Das  Dach  hatte 
ursprünglich  Giebelerker  mit  Gemächern,  die  aber  1574  abge- 
tragen wurden,  weil  von  ihrer  Last  das  Gebäude  gesunken  war. 
Die  Deckenverzierungen  ftlr  die  Säle  des  Fürstenhofes  sowie  des 
Schlosses  zu  Schwerin  malte  1554  Meister  Jakob  Strauss  zu  Berlin. 


Kap.  XIY.    Die  norddeutsohen  Küstengebiete.  735 

Sie  bestanden  aus  vergoldeten  Rosetten,  welche  in  Berlin  auf 
Leinwand  gemalt  und  dann  an  Ort  und  Stelle  befestigt  wurden. 
Der  Fürstenhof  war  nicht  der  einzige  Bau,  welchen  Johann 
Albrecht  ausführte.  Als  er  den  Thron  bestieg,  fand  er  sämmt- 
liehe  fürstliche  Schlösser  klein,  unwohnlich  und  durch  lange  Ver- 
wahrlosung yerfallen.  Schon  1550  stellte  er  seinem  alternden 
Oheim  Herzog  Heinrich  die  Nothwendigkeit  von  Neubauten  vor, 
^damit  es  nicht  so  gar  schimpflich  stehe  und  ihnen  zum  Spott 
gereiche.''  Der  alte  Herzog  meinte  aber,  er  habe  sich  bei  seinem 
Beilager  mit  den  vorhandenen  Gebäuden  beholfen  und  könne, 
namentlich  bei  bevorstehender  Erndte,  sich  auf  nichts  weiter  ein- 
lassen. Kaum  hatte  daher  Johann  Albrecht  den  Fürstenhof  in 
Wismar  prachtvoll  erneuert,  so  begann  er  mit  seinem  Bruder 
Ulrich  weitere  Neubauten  der  Schlösser  von  Schwerin,  Dömitz 
und  Güstrow,  mit  welchen  zugleich  umfassende  Befestigungs- 
werke verbunden  waren.  Zu  den  umfangreichsten  Werken  gehörte 
vor  seiner  neuesten  Umgestaltuüg  das  Schloss  von  Schwerin, 
schon  durch  die  unvergleichliche  Lage  auf  einer  Halbinsel  des 
anmuthigen,  von  Laubwald  eingefassten  Schweriner  Sees,  von 
unvergleichlicher  Wirkung.  Das  alte  Schloss,  jetzt  durch  einen 
von  Demmler  im  Stil  Franz'  I  begonnenen,  durch  Stüler  und 
Strack  im  modernen  Berliner  Geschmack  vollendeten  Neubau 
verdrängt,  bestand  seinen  wichtigsten  Theilen  nach  aus  Bauten 
des  16.  Jahrhunderts,  unter  denen  die  von  Johann  Albrecht  I 
hinzugefügten  die  meiste  künstlerische  Bedeutung  hatten.^)  Der 
kunstliebende  Herzog  liess  hier  dieselben  Ornamente  von  gebrann- 
tem Thon  anwenden,  welche  sich  schon  am  Fürstenhof  zu  Wismar 
bewährt  hatten.  Seit  1555  wurde  das  Hauptportal  mit  der  doppel- 
ten Wendeltreppe  errichtet,  und  von  1560  die  Schlosskirche  aus- 
geführt, welche  nach  Anlage  und  Durchbildung  von  hervorragen- 
der Bedeutung  war.  Als  Baumeister  wird  Johann  BapHsta  Parr 
genannt,  der  Bruder  des  Franziskus  Parr^  welcher  für  Herzog 
Ulrich  gleichzeitig  das  Schloss  zu  Güstrow  baute  und  öfter  auch 
beim  Schlossbau  in  Schwerin  zu  Käthe  gezogen  wurde.  Ein 
dritter  Bruder  Christoph  Parr  war  ebenfalls  an  beiden  Schloss- 
bauten beschäftigt,  und  errichtete  1572  ausserdem  den  Fürsten- 
stuhl im  Dom  zu  Schwerin.  Ueber  die  Herkunft  dieser  Brüder 
Parr  ist  leider  aus  den  Urkunden  nichts  zu  ermitteln.  Dass  sie 
keine  Norddeutsche  waren,  geht  schon  aus  ihren  Hochdeutsch 


0  Das  Geschichtliche  bei  Lisch,  Jahrb.  V,  S.  32  ff.  mit  Abbildangen 
des  Grundrisses.    Vergl.  das  Prachtwerk  über  das  neue  Schloss. 


736  HI.  Bneh.    Bautiiisiie«  in  DentBehland. 

abg^fassten  Sehriftstttcken  hetror;  ob  sie  aber  AasiSnder  waren 
oder  ans  Oberdeutschland  stammten,  miuB  dahin  j^tellt  bleiben, 
obwohl  der  Tauhame  Johann  Baptista  auf  italieniacbe  Abstam- 
mung zu  deuten  scheint.  *)  Dasa  Johann  Albrecht  gleichzeitig 
auch  italienische  EUnsUer  berief,  ist  mehrfach  bezeugt  Schon 
1557  empfahl  Hercules  Ton  Ferrara  dem  Herzoge  einen  Bau- 
meister Francesco  a  Bomo  von  Bresoia,^)  welcher  alsbald. in 
Dienst  genommen  wurde  und  mit  einer  Anzahl  welscher  Maurer- 
gesellen aus  Trient  und  einem  itiUienisohen  Ziegler  nach  Mehlen- 


Fli.  301.    Bcblou  n  GBitrov.    VordarHlU. 

bürg  kam.  Damals  "hatte  jedoch  schon  ein  andrer  welscher  Bau- 
meister Paul  dort  Vorarbeiten  begonnen.  Selbst  des  Kurfflrsteu 
von   Brandeoburg  itaMeniechen  Baumeister  Francisco   Ckiarametta 

*)  Sollte  eine  Verwandtschaft  mit  Jacob  Bahr,  den  wir  in  Brie^  kennen 
lernten,  vorliegen?  Die  Uxe  Ortho^aphie  jener  Zeit  schlieHst  die  IdentitUt 
der  Namen  nicht  aus,  lumal  die  Parr  aucb  .Fahr*  geechriebeD  werden. 
*)  Ueber  alle  diese  KUnstler  vergl.  Liach,  a.  a.  0.  9.  22  ff. 


Kap.  XIV.    Die  iiorddeiitBchen  Kttatengebiete.  737 

Ten  Venedig  entbot  der  Herzog  zu  «ich,  um  von  ihm  Bath  und 
Pläne  zu  erhahen.  Bei  diesen  Italienern  handelte  es  sich  um  die 
Befestigungen  zu  Dömitz  und  Schwerin,  denn  die  Italiener  stan- 
den damals,  wie  bald  darauf  die  Niederländer  im  Festungsbau 
in  hohem  Ansehn.  Von  der  ehemaligen  Pracht  der  Ausstattung 
des  Sehlosses  gabto  zuletzt  nur  noch  die  zahlreichen  Terracotten, 
welehe  man  zur  Ausstattung  der  gegen  den  Garten  gelegenen  *^ 
grossartigen  Grotte  verwendet  hat,  Zeugniss.  Es  sind  meisten- 
theils  männliche  und  weibliche  Portraits  fürstlicher  Persönlich- 
keiten, wozu  jedoch  noch  Medaillons  mit  antiken  Bildnissen  kom- 
men, die  in  Wismar  fehlen.  Auch  Löwen,  Doppeladler  und 
andere  Thiere,  trefflich  stilisirt  und  gleich  den  Medaillons  in 
Lorbeerkränze  gefasst,  sind  eingestreut 

Das  dritte  dieser  grossartigen  Schlösser,  das  zu  Güstrow, 
ist,  obwohl  jetzt  zur  Strafanstalt  degradirt,  im  Wesentlichen  noch 
wohl  erhalten.  Es  wurde  nach  einem  Brande  1558  von  Herzog 
Ulrich  durch  den  Baumeister  Franciscus  Parr  neu  aufgeführt  und 
bis  1565  vollendet  Der  nördliche  Flügel  brannte  15S6  ab,  worauf 
bis  zum  Jahre  1594  eine  durchgreifende  Wiederherstellung  erfolgte. 
Am  südlichen  Ende  der  sauberen,  freundlichen  Stadt  ^hebt  sich 
mit  imposanten  Massen,  auf  den  Ecken  und  in  der  Mitte  durch 
hohe  Pavillons  mit  flankirenden  Thürmen  malerisch  gruppirt,  der 
sehr  ansehnliche  Bau  (Fig.  202).  Die  Architektur  desjselben,  voll- 
ständig in  Stuck  durchgeführt  mit  Nachahmung  mannigfaltigen 
Quaderwerks,  weicht  von  dem  Terracottastil  der  meii^en  übrigen 
meklenburgischen  Schlösser  in  auffallender  Weise  ab,  und  er- 
innert durch  ihre  Formen  und  besonders  durch  die  Pavillons  mit 
ihren  steilen  Dächern  und  die  zahlreichen  Schornsteine  an  fran- 
zösische Kenaissance,  während  der  deutschen  Sitte  wieder  durch 
hohe,  kräftig  gegliederte  Giebel  Bechnung  getragen  wird.  Man 
nähert  sich  dem  Schlosse  von  der  Westseite,  wo  der  tiefe  Graben 
überbrückt  ist  und  durch  einen  späteren  von  Herzog  Gustav  Adolf 
ausgeführten  Vorbau  beherrscht  wird.  Der  grosse  Thorweg  liegt 
nicht  in  der  Mitte,  sondern  etwas  seitwärts  geschoben  im  west- 
lichen Hauptflügel,  der  sich  in  einer  Länge  von  192  Fuss  bei 
80  Fuss  Höhe  erstreckt  Er  enthält  auf  jeder  Seite  des  Thor- 
weges (vergL  Fig.  204)  zwei  grosse  beinahe  quadratische  Zimmer 
von  25  Fuss  Tiefe,  zu  welchen  an  der  längeren  Südseite  noch 
ein  Ecksaal  von  30  zu  34  Fuss  hinzukommt  Beide  Eckräume 
erhalten  eine  Erweiterung  durch  polygone  ErkerthtLrme,  deren 
Fenster  köstliche  Ausblicke  auf  die  umgebende  liebliche  Land- 
schaft mit  ihren  saftigen  Wiesengrttnden,  Baumgruppen  und 
klären  Seespiegeln  gewähren.   Vom  Hauptbau  zieht  sich  ein  süd- 

Kof  ler,  Getoh.  d.  Baakwut.  V.  47 


Heber  breiterer,    und   ein  n(b^dm,    minder   ttefw  flSgsl  im 
Bechteok  ostw&rts  Iiin.    Audi  die  SttM^erkliflbc  weiokt  im  nOtd- 


Q 


§ 


Uelieii  Flügel  ron  der  im  weatlieheo  und  sfldlicheD  Baa  ab ;  denn 
wAfarend  das  Erd^scbou  hier  20,  der  ente  Stock  19,  der  zweite 


Kap.  Ziy.    Die  norddeatschea  Küstengebiete.  739 

16  Fu88  miggty  betrai^xi  die  Höhen  im  Nordfliigel  nur  11  Fuss 
im  ersten,  13  Fusb  im  zweiten  Stock.  Der  südliche  ist  ausserdem 
durch  eine  mächtige  Säulengalerie  im  Erdgeschoss  und  den  oberen 
Stockwerken  zur  Verbindung  der  Bäume  ausgezeichnet.  Sie 
schliesst  östlich  mit  einem  grossen  ovalen  Treppenthurm,  der  die 
breite,  sanft  ansteigende  Hauptstiege  enthält  Am  nördlichen 
Flügel  aber  ist  nur  im  Hauptgeschoss  eine  kleinere  Galerie  von 
geringerer  Tiefe  angebracht.  Dagegen  erkennt  man,  dass  am 
Vorderbau  ehemals  auf  mächtigen  Kragsteinen  eine  Galerie  das 
Hauptgeschoss  gleichfalls  begleitete.  Diese  Galerien  bildeten  wie 
immer  bei  den  Bauten  jener  Zeit  die  einzige  Verbindung  der 
Bäume,  da  diese  stets  die  ganze  Tiefe  der  Flügel  einnehmen. 
In  wie  grossartigem  Sinn  auch  die  Eintheilung  der  oberen  Ge- 
schosse sich  auf  eine  Anzahl  durchweg  sehr  geräumiger  Zimmer 
und  Säle  beschränkt,  zeigt  unser  Grundriss  des  Hauptgeschosses 
Fig.  203.1)  Die  beiden  Säle  des  südlichen  Flügels  haben  bei 
einer  Tiefe  von  37  Fuss  eine  Länge  von  53,  resp.  58  Fuss.  Zu- 
gleich erkennt  man  aus  derselben  Figur  die  zahlreichen,  meist 
in  den  Mauern  versteckt .  liegenden  Wendeltreppen,  welche  fast 
für  jeden  Baum  eine  selbständige  Verbindung  nach  aussen  ermög- 
lichen. Es  ist  das  eine  besonders  in  den  französischen  Schlössern 
der  Zeit  mit  feiner  Berechnung  durchgeführte  Anlage. 

Dass  der  Bau  nicht  vollständig  erhalten  ist,  erkennt  man 
unschwer  am  östlichen  Ende  des  Südfiügels,  wo  der  Treppen- 
thunn  in  seiner  Anlage  auf  eine  ehemalige  Fortsetzung  des  Baues 
hinweist.  In  der  That  ist  eine  solche  auf  einer  alten  Abbildung  ^ 
vorhanden,  doch  so,  dass  der  erste  Stock  mit  einer  von  Balu- 
straden umgebenen  Plattform  abschloss.  Da  diese  Theile  durch 
Wallenstein  während  seiner  kurzen  Herrschaft  vollendet  worden 
waren,  liess  Herzog  Gustav  Adolf  sie  abbrechen,  „ne  indigna  W. 
memoria  exstaref  Diesem  Theil  entsprach  im  nördlichen  Flügel, 
der  jetzt  mit  einem  viereckigen  Thurm  schliesst,  eine  ähnliche 
Verlängerung,  welche  an  ihrem  östlichen  Ende  die  Kapelle  ent- 
hielt und  dort  zugleich  durch  einen  hohen  runden  Thurm  ausge- 
zeichnet war.  Den  Abschluss  des  Hofes  bildete  ein  östlicher 
Flügel,  der  1795  für  baufällig  erklärt  und  abgerissen  wurde.  3) 
Die  noch  immer  bedeutende  Wirkung  des  Hofes  muss  ursprüng- 


*)  Die  Mittheilung  der  Grundrisse  verdanke  ich  der  zuvorkommenden 
Güte  des  Directors  der  Anstalt,  Herrn  von  Sprewitz.  —  *)  Ich  verdanke 
dieselbe  gütiger  Hittheilung  des  Herrn  Hofbaurath  Demmler  zu  Schwerin. 
— '  ')  Das  Geschichtliehe  in  Besser,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Vorder- 
stadt Güstrow,  S.  363  ff. 

47* 


740  Ol-  Buch.    Benainuiic«  in  DeatschUnd. 

lieh  eine  wahrhaft  grossartige  gewesen  aein.  Ein  wichtiges  Ele- 
ment in  diesem  Eindruck  bildet  die  herrliche  Säulenhalle  des 
Slldflflgels  (Fig.  205).  Im  Erdgeschoss  sind  es  vier  Bogen  auf 
ionischen  S&ulen  von  Granit,  kraftvoll  und  mSchtig  in  Axen  von 
15  FuBB  Weite,  die  Halle  selbst  gegen  10  Fuss  tief,  ÄUea  freilich 
durch  eiserne  Anker,  die  Sfiulenschäfte  selbst  durch  eiserne  Bänder 
gehalten.    Im  oberen  Geschoss  eine  ähnliche  Halle  auf  koriii- 


FlE.  IM.    achlouhoi 


thiachen  Säulen,  und  darüber  im  zweiten  Stock  eine  Loggia  mit 
doppelter  Anzahl  ron  Säulen,  welche  das  Gehälk  und  den  Fries 
aufnehmen. 

Der  ganze  Bau  ist  wie  schon  bemerkt  in  Stack  durchgefßhrt, 
dessen  Behandlung  von  grosser  Sorgfalt  zeugt  Das  Erdgeschoaa 
bat  eine  kraftrolle  Rustika,  die  in  mancherlei  Variationen  der 
Qnaderbildung  sich  gefällt.  Im  ersten  Stock  stuft  sich  die  Bustika 
feiner  ab  und  ist  gleiehmässiger  durchgeführt,  im  oberen  OeachoBs 
endlich  ist  bei  glatt  rerputztea  Flächen  durch  Blendnisohen  und 


Kap.  XIY.    Die  norddeutschen  Küstengebiete.  741 

Säulenstelliiiigen  eine  reichere  Gliederung  bewirkt,  die  an  den 
hohen  Giebeln  des  Aensseren  durch  Häufung  der  Säulenstellungen 
etwas  phantastisch  Unruhiges  erhält  Das  Hauptgesims  mit  seinen 
frei  gruppirten  Consolen  giebt  einen  wirksamen  Abschluss.  Sämmt- 
liehe  Fenster  sind  im  Stichbogen  gewölbt  und  erhöhen  bei  grossen 
Verhältnissen  und  bedeutenden  Axen  den  wahrhaft  *yomehmen 
Charakter  des  Baues.  Mit  Becht  aber  hat  der  Architekt  an  der 
Südseite  die  zahlreicheren  Fenster  dicht  zusammengedrängt,  um 
von  der  entzückenden  Aussicht  in  die  Landschaft  möglichsten 
Vortheil  zu  ziehen.  Die  dort  liegenden  grossen  Säle  gehören 
durch  Stattlichkeit  des  Baums,  Fülle  des  Lichts,  Freiheit  der 
Lage  zu  den  schönsten  ihrer  Art  Was  den  Haupträumen  des 
Schlosses  noch  einen  besonderen  Beiz  verleiht,  sind  die  zahl- 
reichen tiefen  Nischen  und  Erker  mit  ihren  freien  Ausblicken, 
die  auch  das  Aeussere  mannigfach  beleben.  Die  Lust  an  der 
Dekoration  ist  bis  zu  den  Schornsteinen  des  Daches  gedrungen, 
die  mit  Voluten  und  andern  Ornamenten  reich  geschmückt  sind« 
Auch  die  zahlreichen  Wetterfahnen  auf  den  Dächern  zeigen 
lustigen  figürlichen  Schmuck.  An  dem  östlichen  thurmartigen 
Vorsprung  des  Nordflügels  ist  im  zweiten  Stock  ein  Balkon 
herausgebaut,  welcher  mit  hübschem  Wappen  und  einer  Inschrift 
geschmückt  ist  Diese  besagt,  dass  Herzog  Ulrich,  nachdem 
1586  das  alte  Haus  abgebrannt,  dasselbe  in  den  beiden  folgenden 
Jahren  wieder  erbaut  habe.  Die  Jahrzahl  1589  liest  man  an 
einem  Giebel  desselben  Flügels.  Die  Einzelheiten  dieses  Her- 
stellungsbaues zeichnen  sich  durch  eine  strengere  Behandlung 
mittelst  antikisirender  Pilasterstellungen  aus. 

Was  endlich  diesem  majestätischen  Bau  seine  besondere 
Bedeutung  yerleiht,  ist,  dass  er  die  umfangreichste,  schönste 
und  merkwürdigste  Stuckdekoration  besitzt,  welche  irgendwo  in 
Deutschland  aus  jener  Epoche  anzutreffen  ist  Schon  die  reiche 
Stuckbekleidung  des  Aeussem,  durch  eigends  geformte  Back- 
steine vorgemauert,  zeigt  in  der  wohlberechneten  mannigfaltigen 
Gliederung  und  Abstufung  eine  wahre  Eünstlerhand.  Am  Unter- 
bau z.  B.  sind  dunkelgefärbte  horizontale  Bündstäbe  als  Einlagen 
verwendet  und  eingerahmt  Gradezu  unvergleichlich  ist  aber  die 
Ausstattung  des  Innern.  Die  Decken  und  Gewölbe  sämmtlicher 
Säle  und  Gemächer,  zum  Theil  auf  Säulen  ruhend,  haben  eine 
Stuckdekoration,  welche  eben  sowohl  durch  die  Mannigfaltigkeit 
der  Eintheüungen  wie  durch  die  Schönheit  des  Einzelnen  be- 
wundernswürdig ist  In  den  reich  variirten  Formen  der  Decken, 
Kreuzgewölbe,  Flachdecken  und  Spiegelgewölbe  bot  sich  die 
willkommenste  Gelegenheit  stets  neue  Motive  der  Eintheilung  und 


742  HI.  Buch.    Renaissance  in  Deutschland. 

Gliederung  anzuwenden.  Die  Rippen  sind  z.  B.  als  Blattkränze 
charakterisirt,  durchweg  aber  ist  bei  allem  Reichthum  das  edelste 
Maasshalten  zu  erkennen  und  dabei  ein  musterhafter  Takt  in  der 
Abstufung  vom  Einfachsten  zum  Prachtvollsten.  Besonders  schön 
sind  die  Decken  der  Erker  ausgeführt,  aber  auch  das  südwest- 
liche Eckgemach  im  Erdgeschoss  ist  überaus  prächtig.  Selbst 
in  den  Hallen  und  Bogengängen  und  der  Einfahrt  ist  Alles  in 
ähnlicher ,  wenn  auch  schlichterer  Weise  mit  Stuck  dekorirt  Man 
kann  nicht  genug  beklagen,  dass  solche  Schätze  bis  jetzt  in 
Deutschland  so  gut  wie  unbekannt  waren,  während  sie  in  vollem 
Maasse  eine  sorgfältige  Aufnahme  verdienten. 

Das  Gttstrower  Schloss  steht  in  seiner  Anlage  und  Aus- 
schmückung unter  den  meklenburgischen  Bauten  jener  Zeit  ver- 
einzelt da,  Zeuge  eines  fremden  Einflusses,  der  auf  die  Persön- 
lichkeit seines  Baumeisters  zurückzuführen  ist.  Weitere  Spuren 
fremder  Kunstrichtung  finden  wir  im  Dom  zu  Güstrow  in  den 
Prachtgräbem  der  meklenburgischen  Fürsten,  welche  die  Nord- 
wand des  Chores  einnehmen.  Sie  wurden  im  Auftrage  des  Her- 
zogs Ulrich  durch  einen  niederländischen  Meister  Philipp  Brandin 
von  Utrecht  von  1576  bis  1586  ausgeführt  Derselbe  Meister 
hatte  schon  früher  zugleich  mit  einem  anderen  Steinhauer  Conrad 
Floris^  offenbar  ebenfalls  einem  Niederländer,  mehreres  für  Her- 
zog Johann  Albrecht  in  Schwerin  gearbeitet  Es  handelt  sich  in 
Güstrow  zunächst  um  ein  prachtvolles  marmornes  Epitaphium 
des  Herzogs  Ulrich  und  seiner  Gemahlinnen  Elisabeth  und  Anna. 
Die  Gestalten,  aus  weissem  Marmor  gearbeitet,  knieen  hinter- 
einander an  reichen  Betpulten,  in  vergoldeten  Prachtkostümen, 
in  einer  gewissen  Steifheit  der  Haltung,  doch  nicht  ohne  Lebens- 
frische aufgefasst.  Wahrheit  und  Glaube  als  Karyatiden  bilden 
die  architektonische  Einfassung  und  tragen  das  phantastisch  ge- 
krönte Gesimse,  an  welchem  weitere  Figuren  von  Tugenden  an- 
gebracht sind.  Dazu  prächtige  Wappen  und  ein  ganzer  Stamm- 
baum, dies  Alles  auf  schwarzem  Marmorgrund  mit  zahlreichen 
goldnen  Inschriften  und  Emblemen.  Am  Fries  obendrein  Reliefs, 
das  Ganze  von  höchster  Opulenz.  Vdn  derselben  Hand  ist  oflFen- 
bar  das  kleinere  Epitaph  der  Herzogin  Sophia  (f  1575).  Sie 
liegt  betend  auf  einem  Sarkophag,  toskanische  Säulen  bilden  die 
Einfassung  und  tragen  ein  barockes  Gesimse ,  in  dessen  Krönung 
Christus  als  Salvator  erscheint  Daneben  reiht  sich  östlich  das 
dritte  grosse  Werk  an,  mit  1574  bezeichnet,  ein  riesiger  Stamm- 
baum der  meklenburgischen  Fürsten,  freilich  nur  aus  Sandstein, 
aber  reich  vergoldet  Prachtvolle  korinthische  Säulen  fassen  das 
Ganze  ein  und   tragen    das    Gebälk.     Auch    diese  bedeutende 


ElAp.  XIV.   Die  norddeutschen  KttBtengebiete.  743 

Arbeit  seift  die  eleganten  Barockformen  der  damaligen  nieder- 
Ündisehen  Eanet,  SAmmfliche  drei  Epitaphien  werden  von  einem 
trefflichen  schmiedeeisern«!  Gitter  umschlossen.  Minder  bedeutend, 
aber  ans  derselben  Epoche  und  Richtung  ist  die  in  Sandstein 
aosgefthrte  Kanzel.  —  Auch  in  der  Pfarrkirche  stammt  die 
Kansel,  die  Empore  und  das  Stuhl  werk  aus  derselben  Zeit,  wenn 
auch  von  geringeren  Hftnden. 

Neben  solehen  Schöpfungen  fremder  Kunst  begegnet  uns 
gegen  Ausgang  der  Epoche  noch  einmal  ein  Werk  der  ein- 
heimischen aerlichen  Backsteinbaukunst  im  Schloss  zu  Gade- 
husch  bei  Schwerin.  ^)  Es  ist  die  Schöpfung  Herzog  Christoph'Sy 
der  im  Jahre  1569  nach  vielen  Leiden  dem  erzbischöf liehen 
Stuhle  Lievlands  entsagt  hatte  und  in  sein  Bisthum  Ratzeburg 
znrflckgekehrt  war.  Mit  gebildetem  Geiste  und  mildem  Sinne 
wandte  er  sich  wissenschaftlichen  und  kflnsflerischen  Bestrebungen 
zu.  Diesen  verdankt  man  den  Bau  des  Schlosses,  welcher  1570 
begann  und  im  folgenden  Jahre  vollendet  wurde.  Als  Baumeister 
wird  Christoph  Maubitz  genannt,  welcher  seit  1549  bei  den  Bauten 
des  Herzogs  Johann  Albrecht  als  Maurermeister  gedient  hatte 
und  nach  dem  Abgange  der  Brüder  Parr  (1572)  zum  Baumeister 
desselben  ernannt  wurde.  Dieser  alte  einheimische  Meister  griff 
KU  dem  früheren  StUe  zurück  und  führte  ein  Werk  auf,  das  in 
seinem  Haupttheil  noch  wohl  erhalten  dasteht  Auf  einem  durch 
kflnslliohe  Untermauerungen  gestützten  Hügel  erhebt  sich  das 
Schloss  als  einflügliger  Bau  in  einem  langgestreckten  Rechteck 
von  ansehnlichen  Yerhftltnissen.  Ein  vortretendes  quadratisches 
Treppenhaus  enthält  das  Portal  und  den  Aufgang  zu  den  beiden 
oberen  Stockwerken.  Das  Aeussere  ist  in  seinen  Mauerflächen 
verputzt,  aber  in  Friesen,.  Gesimsen  und  Pilastem  ganz  mit  Terra- 
cotten  geschmückt  Die  Friese  enthalten  wie  an.  den  Schlössern 
von  Wismar  und  Schwerin  hauptsächlich  MedaiUons  mit  männ- 
lichen und  weiblichen  Brustbildern  fürstlicher  Persönlichkeiten, 
auch  römische  Imperatoren  in  Lorbeerki^änzen  wie  zu  Schwerin, 
Alles  gut  durchgebildet,  wenn  auch  im  Figürlichen  nicht  beson- 
ders fein.  Die  Gesammtwirkung  ist  wieder  eine  reiche  und 
prächtiga  An  beiden  Portalen,  von  denen  das  eine  zum  Treppen- 
aufgang führt,  sind,  wohl  mit  Bezug  auf  den  geistlichen  Charakter 
des  Erbauers,  in  Thonrelie&  der  Sündenfall  und  die  Erlösung 
durch  Christi  Kreuzestod  und  Auferstehung  dargestellt 

Im  Innern  rind  zunächst  die  mächtigen  Tonnengewölbe  des 
Kellers  beachtenswerth,  zu  welchem  eine  Thür  gleich  neben  dem 


')  Das  Historiflciie  bei  Lisch.  Jahrb.  V,  S.  61  C 


744  ni.  Buch.    Renaissance  in  Beatscbhiiid. 

I 

Hauptportal  hinabführt.  Die  Treppe  zum  oberen  Gesehosa  hat 
hübsche  Kreuzgewölbe  mit  elegant  profilirten  Bippeou  Sie  mündet 
oben  auf  einen  grossen  Vorplatz,  von  wo  zwei  zierliche  mit 
Terracotten  dekorirte  Portale  in  die  Gemächer  führen.  Groase 
gebrannte  Platten  mit  Delphinen  und  anderen  Thieren  bilden  die 
Pilaster,  welche  auf  frei  behandelten  Kapitalen  einen  Bankeur 
fries  mit  tanzenden  Putten  tragen.  Im  Erdgeschoaa  hat  die  Kflehe 
ein  reiches  Portal  mit  Medaillonköpfen.  In  den  Gemächern  neben 
der  Küche  sieht  man  schön  profilirte  Unterzugsbalken,  welehe 
auf  abgefasten  Ständern  die  Decke  tragen.  Auch  ein  schlichter 
alter  Kachelofen  mit  schwarzer  Glasur,  auf  eisernem  Unterbau 
ruhend,  ist  noch  yorhanden. 

Noch  verdient  das  Kathhaus  als  kräftig  barocker  Bau  von 
1618  mit  einer  Loggia  auf  Pfeilern  und  mit  Busticafenstem  Er* 
wähnung.  Er  ist  ein  weiterer  Beweis,  wie  bald  hier  überall  der 
Terracottenstil  yerlassen  wurde. 

Welchen  Charakter  die  Schlossbauten  zu  Dargun  haben, 
yermag  ich  aus  eigener  Anschauung  nicht  zu  sagen.  Mit  Be- 
nutzung yon  Theilen  des  ehemaligen  Cistercienaerklosters  0  wurde 
durch  Herzog  Ulrich,  den  Erbauer  des  Güstrower  Schlosses,  schon 
seit  1560  hier  ein  fürstliches  Jagdschloss  aufgeführt,  und  1590 
war  das  , lange  Haus""  vollständig  eingerichtet  Die  Jahrzahl 
1586  liest  man  an  einem  der  Gebäude,  aber  das-  Ganze  wurde, 
wie  es  scheint,  erst  im  17.  Jahrhundert  vollendet  Er  bildet  ein 
grosses  Viereck  mit  einem  Hofe  von  circa  130  Fuss  im  Quadrat, 
der  im  Hauptgeschoss  von  Galerieen  umzogen  ist  Der  ansehn- 
liche Bau  lehnt  sich  mit  seinem  Ostlichen  Flügel  an  das  nördliche 
Querschiff  der  Kirche  und  drängt  sich  mit  dem  südlichen  und 
dem  Ende  des  westlichen  Flügels  in  das  ehemalige  Langhaus 
derselben  hinein.  Der  Haupteingang  liegt  in  der  Mitte  des  öst- 
lichen, ein  anderer  in  der  des  westlichen  Flügels.  Drei  grosse 
runde  Thürme  flankiren  das  Schloss  auf  den  freiliegenden  Ecken ; 
nur  wo  das  Querschiff  der  Kirche  anstösst,  hat  man  auf  den 
Thurm  verzichtet  und  sich  mit  einem  Treppenthürmchen  begnügt 
Der  Hauptaufgang  zu  den  oberen  Gemächern  befindet  sich  aber 
als  Wendeltreppe  in  einem  Treppenthurm,  der  die  nordöstliche 
Ecke  des  Hofes  einnimmt  Ueber  die  künstlerische  Ausstattung 
des  Baues  weiss  ich  nicht  zu  berichten;  doch  lässt  sich  so 
viel  aus  den  mir  vorliegenden  Zeichnungen^)  vermuthen,  dass 
der  östliche  Flügel  der  älteste  noch  von  Herzog  Ulrich  erbaute 


>)  Das  Geschichtliche  bei  Lisch,  Jahrb.  K,  169  ff.  —  »)  Die  Zeicb- 
nungen  verdanke  ich  gütiger  Mittheilang  des  Herrn  Hof  baurath  Demmler. 


Ksp.  XIY.    Die  Dorddeotschen  Kttstenicebi^le.  745 

Tliefl  «ein  wird.  Er  zeigt  nämlich  im  Erdgeschoss  und  dem 
ersten  Stook  Arkaden  auf  weit  gestellten  Säulen,  im  zweiten  da- 
gegen eine  Galerie  mit  doppelter  Anzahl  yon  Säulen,  welche 
das  Dachgesims  aufnehmen.  Dies  ist  genau  die  am  Sttdflttgel 
zu  Ollstrow  Yorkömmende  Form.  Die  andern  Theile  des  Baues 
mit  ihren  schweren  massiven  Pfeilerhallen  im  Erdgeschoss  und 
im  ersten  Stock  gehAren  wohl  dem  17.  Jahrhundert  an. 


Lübeck. 

Im  Gegensatz   zu  den    meklenburgischen  Landen,  wo  die 
ganze  Bauthätigkeit  auf  den  Fflrsten  beruhte,  zeigt  uns  der  alte 
mächtige  Vorort  der  Hansa,  Lflbeck,  die  Kunst  eines  btirger- 
Hehen  Gemeinwesens.  Aber  man  erkennt  bald,  schon  beim  Heran- 
nahen an  die  vielthttrmige  Stadt,  mehr  noch  beim  Durchwandern 
ihrer  Strassen,  dass  ihre  grOssten  Tage  doch  in  die  Zeiten  des 
Mittelalters  fallen.    So  grossartige  Denkmale  wie  die  Marienkirche 
und  der  Dom  mit  ihren  gewaltigen  Thurmpaaren,  wie  die  übrigen 
noch  zahlreich   erhaltenen   gothischen  Kirchen  hat  keine  Stadt 
des  Norddeutschen  Kflstenlandes,  mit  alleiniger  Ausnahme  von 
Danzig,  aus  jener  Epoche  noch  aufzuweisen.    Dazu  kommt,  dass 
Lflbeck's  Kirchen  einen  höheren  Grad  von  künstlerischer  Durch- 
bildung zeigen  als  die  Danziger,  und  dass  sie  mit  einem  noch 
reicheren  Schmuck  yon  kirchlichen  Denkmälern  aller  Art  ausge- 
stattet sind.    Wer  von  Weitem  herannahend,  die  Stadt,  umgeben 
▼on  Wiesengrttnden,  Laubgruppen  und  Wasserspiegeln,  mit  ihren 
sieben  gewaltigen  Kirchthfirmen  und  zahlreichen  kleineren  Spitzen 
sieht,  der  ahnt  etwas  von  der  ehemaligen  Macht  jenes  Frei- 
staates, der  an  der  Spitze  der  Hansa  mit  seinen  Flotten  die 
Ostsee  beherrschte,  Dänemark  bezwang  und  in  den  nordischen 
Angelegenheiten   den   Ausschlag   gab.     Die   Anlage   der  Stadt, 
wenige  Meilen  von  der  Ostsee,  an  der  selbst  flir  Seeschiffe  zu- 
gänglichen Trave  bot  die  günstigsten  Verhältnisse.     Der  Platz 
ist  mit  besonderer  Umsicht  gewählt,  denn  er  hat  die  Gestalt 
einer  Halbinsel,  die  nur  nach  Norden  durch  eine  schmale  Zunge 
mit  dem  Lande  zusammenhängt,  östiich  yon  der  Wakenitz,  west- 
lich yon  der  Traye  umschlossen,  auf  einem  hügelartig  ansteigen- 
den Terrain,  das  seine  Vertheidigung  durch  das  Wasser  erhielt 
An  dem  einzigen   zugänglichen  Punkte,   der  Nordspitze  dieses 
oyalen  Stadtplanes,  schloss  eine  feste  Burg  und  das  noch  yor- 
handene  Burgthor  die  Stadt  ab.  Von  dort  ziehen  die  Hauptstrassen 
in  zwei  parallelen  Zügen,  der  Breiten-  und  der  Königstrasse,  in 


748  ni.  B«eh.    BenaimaM  in  DeutschlAiid. 

leiehter  westlieher  Abweiehung  bis  nach  dem  Slldendei  wo  rfn 
an  dem  Dom  und  der  dazu  gehörigen  Baugrappe  ihren  AbsohliUNi 
finden.  Zahlreiche  Querstrassen  schneiden  sich  mit  diesen  Hanpt- 
adem  im  rechten  Winkel,  sftmmflich  von  kurzer  Entwicklung,  da 
die  grösste  ft'cite  der  Stadt  ungeffthr  die  BAlfie  ihrer  UUsgen- 
ausdehnung  betrilgi  Das  gewaltige,  noch  wohlerhaltene  Holsten- 
thor  mit  seinen  beiden  Thflrmen  bezeichnet  hier  die  Hauptstrasse, 
welche  nach  Westen  auf  das  angrenzende  holsteinische  Gebiet 
und  gegen  Hamburg  ffthrt  Wo  diese  Strasse  sich  mit  der  grossen 
Längenpulsader  der  Breitenstrasse  schneidet,  breitet  sich  das  weite 
Rechteck  des  Marktes  aus,  auf  zwei  Seiten,  der  nördlichen  und 
der  östlichen  von  den  ausgedehnten  Oebäuden  des  Sathhauses 
eingefasst  Hier  ist  das  Hera  der  Stadt,  hier  erhebt  sieh  auch 
die  Hauptkirche  zu  St.  Marien,  die  mit  ihren  dunklen  Backstein* 
massen  und  den  beiden  riesigen  Thurmhelmen  hoch  ttber  die 
mittelalterlichen  Giebel  des  Bathhauses  emporragt  An  der  andern 
Seite  des  Marktes  erhebt  sich  die  Petrikirche,  etwas  weiter  öst- 
lich St  Aegidien  und  im  nördlichen  Theile  der  Stadt  die  wiederum 
sehr  ansehnliche  Jacobikirche,  dabei  das  Spital  zum  Heiligen 
Geist  Damit  sind  die  Hauptpunkte  in  der  Pbinanlage  der  Stadt 
gezeichnet  Ein  grossartiger  Zug  voll  Freiheit  und  Eliurheit  spricht 
sich  in  ihr  aus. 

Das  Gepräge  der  wichtigsten  Denkmäler  gehört  überwiegend 
dem  Mittelalter  und  verräth  unverkennbar,  dass  das  13.  und  14, 
Jahrhundert  den  Höhepunkt  in  der  Machtentwicklung  Lttbeok's 
bezeichnen.  Schon  das  15.  Jahrhundert  steht  darin  zurück;  man 
spürt  ein  Nachlassen  in  der  monumentalen  Entwicklung  oder 
vielmehr  ein  Umwenden  vom  kirchlichen  zum  Profanbau;  denn 
das  Holstenthor  und  das  Burgthor,  sowie  ausgedehnte  Theile  des 
Rathhauses  gehören  dieser  Zeit  an.  Mit  dem  Anfang  des  16. 
Jahrhunderts  finden  wir  Lübeck  von  einem  engherzigen  Patriziat 
beherrscht,^)  welches  der  Strömung  der  Zeit  sich  feindlich  ent- 
gegenstellt Die  Reformation,  die  in  der  Bürgerschaft  allgemein 
Anklang  gefunden,  wird  vom  Rathe  mit  eiserner  Hand  unterdrückt 
Bürger,  welche  nach  Oldesloe  gehen,  um  den  dort  eingesetzten 
evangelischen  Prediger  zu  hören,  werden  mit  Landesverweisung, 
Gefftngniss  oder  Geldbusse  gestraft.  Der  Prediger  Johann  Ossen- 
brttgge,  der  heimlich  in  die  Stadt  gekommen  war,  um  in  einem 
Privathause  lutiierischen  Gottesdienst  zu  halten,  wird  in's  Gelang« 
niss  geworfen,  und  als  er  endlich  auf  Andringen  der  Bürger* 
Schaft  befreit  wird,  muss  er  froh  sein,  zu  Schiffe  nach  Reval  m 


>)  Vergl.  J.  R.  Becker,  Gesch.  der  freyen  Stadt  Lübeck  H,  S.  3  £ 


Kap.  XTV.    Die  norddentBcheii  Kttstenn^biete.  '    747 


0 


entkommen,  wodureb  er  den  Mönchen  die  Freude  macht  aue- 
sprengen zu  können,  der  Teufel  habe  ihn  geholt  Ein  blinder 
Beider  wird  aus  der  Stadt  gewiesen,  weil  er  auf  der  Strasse  ein 
lutherisches  Lied  gesungen ;  ein  Buchbinder,  der  des  Reformators 
Schriften  verkauft,  wird  in  den  Thurm  geworfen;  ja  noch  1528 
werden  Luthers  Bflcher  durch  den  Büttel  auf  offenem  Markte  rer-  ^ 
bräunt  In  der  Bflrgerschaft  war  aber  der  Drang  zum  Byange- 
Uum  so  stark  geworden,  dass  einst  beim  Gottesdienst  in  der 
Jacobikirche,  während  der  katholische  Priester  predigte,  zwei 
Knaben  den  Choral  Luthers  „Ach  €k>tt  yom  Himmel  sieh  darein^ 
anstimmten,  die  ganze  Gemeinde  mit  einfiel  und  den  Prediger 
zwang,  die  Kanzel  zu  yerlassen.  Erst  als  der  Rath  von  der 
Bürgerschaft  eine  ausserordentliche  Steuer  verlangte,  erzwang 
diese  durch  ihre  standhafte  Opposition,  dass  die  evangelische 
Lehre  endlich  frei  gegeben  und  bald  darauf  die  Reformation 
völlig  durchgeführt  wurde.  Aber  die  Starrheit  der  Aristokratie 
ist  damit '  nicht  bezwungen.  Der  kühne  Versuch  Wullenwebers 
eine  Yolksherrschaft  anzurichten  und  Lübeck's  Macht  noch  ein- 
mal aufs  Höchste  zu  steigern,  misslingt,  und  fortan  ist  woU 
noch  eine  Zeit  lang  von  materiellem  Gedeihen,  aber  nicht  mehr 
von  politischer  Machtstellung  zu  reden.  In  jenen  Kämpfen  haben 
wir  wohl  den  Grund  zu  suchen,  warum  noch  1518  die  Marien- 
kirche in  einem  durch  die  Gegensätze  geschärften  Eifdr  mit 
reichster  Ausstattung  in  gothischen  Formen  geschmückt  wurde. 
Zugleich  aber  hängt  damit  zusammen,  dass  die  Renaissance  hier 
erst  spät  auftritt  und  keine  hervorragende  Rolle  spielt  Doch 
sind  einige  prächtige  Werke  aus  ihrer  spätem  Entwicklung 
erhalten. 

Der  wichtigste  Bau  ist  das  Rathhaus.  Der  älteste  Theil 
desselben  ist  das  grosse  Rechteck,  150  Fuss  breit  und  120  Fuss 
tief,  welches  den  Markt  an  der  Nordseite  begränzt  und  mit  seiner 
Südseite  an  den  Marienkirchhof  stösst  Hier  ist  der  Rathskeller 
mit  seinen  gewaltigen  Gewölben ;  der  Bau  selbst  aber  wird  durch 
drei  colossale  Satteldächer  bedeckt,  die  mit  ihren  riesenhohen 
Backsteingiebeln  über  alle  spätere  Bauten  hinausragen.  Vor  diese 
Fa^ade,  die  nach  Süden  schaut,  wurde  seit  1570  die  Renaissance- 
halle gesetzt,  von  der  wir  noch  zu  sprechen  haben.  In  dem 
gegen  die  Breitestrasse  liegenden  östlichen  Theil  dieses  Baues 
befand  sich  ehemals  der  grosse  Hansasaal,  die  ganze  Tiefe  des 
Baues  von  120  Fuss  bei  einer  Breite  von  30  Fuss  einnehmend. 
An  diesen  Hauptbau  wurde  noch  im  Mittelalter  ein  die  Ostseite 
des  Marktes  abschliessender  Flügel  gesetzt,  im  Erdgeschoss  eine 
langgestreckte   zweischifBge    Halle    auf   Granitpfeilem   bildend, 


748    I  in.  Bach.    Benaissance  in  Deutschland. 


% 


ehemals  bis  1868  zum  Theil  als  Arbeitsstellen  fflr  die  Gold- 
schmiede benutzt,  neuerdings  zum  grossen  Yortheil  fOr  die  G^- 
sammtwirkung  geöfihet  und  sorgfältig  wieder  hergestellt  Zwei 
gewölbte  Durchgänge  stellen  die  Verbindung  mit  der  Breiten- 
strasse her.  Der  südliche  Theil  enthielt  ehemals  die  Bathswaage, 
und  an  ihn  wurde  gegen  Ende  des  16.  Jahrhunderts  nach  der 
^Strassenseite  die  prächtige  Freitreppe  gebaut,  die  ein  Hauptstfick 
der  Renaissance  ist  Im  oberen  Stock  befand  sich  ehemals  der 
Löwensaal,  90  Fuss  lang  und  24  Fuss  breit,  daneben  ein  Vorplatz 
und  die  sogenannte  Eriegsstube,  36  Fuss  breit  und  48  Fusa  lang. 
Der  ganze  Flügel  aber  erstreckt  sich  zu  einer  Länge  von  150Fuss«0 
Für  unsere  Betrachtung  ist  zunächst  von  Wichtigkeit  der 
prächtige  Vorbau,  welcher  1570  der  Südseite  vorgelegt  wurde 
(Fig.  206).  Die  zierlichen  Hallen,  auf  zwölf  Pfeilern  mit  kräf- 
tigen etwas  gedrückten  Bögen  sich  öffnend,  werden  nach  oben 
durch  drei  Giebel  abgeschlossen,  von  denen  der  mittlere  als 
dominirender  Theil  höher  emporragt  Die  Composition  ist  vor- 
trefflich, die  Gliederung  reich  und  doch  klar,  aber  das  Figürliche 
zeugt  von  schwachen  Händen,  und  das  ganze  Werk,  so  ansehn- 
lich es  auch  ist  und  so  bestechend  das  schöne  Sandsteinmaterial 
wirkt,  gehört  doch  nicht  zu  den  vorzüglichsten  Schöpfungen  der 
Zeit,  ist  z.  B.  dem  Bremer  Rathhaus  keineswegs  ebenbürtig. 
Vom  Jahre  1594  datirt  sodann  die  prächtige  Freitreppe,  welche 
an  der  Breitenstrasse  auf  vier  Pfeilern  angelegt  ist,  eine  Überaus 
malerische  Gonception,  in  kräftigen  und  reichen  Formen  durch- 
geführt, namentlich  die  einzelnen  Quadern  mit  jenen  Stemmustem 
geschmückt,  welche  in  dieser  Spätzeit  allgemein  beliebt  waren. 
Weiter  nordwärts  aus  derselben  Epoche  ein  prächtiger  Erker  in 
ähnlichen  Formen.  Auch  das  Innere  des  Baues  wurde  damals 
reich  geschmückt,  besonders  die  Eriegsstube  zeigt  noch  jetzt  die 
prachtvolle  Ausstattung  jener  Epoche.  An  dem  Marmorkamin,  der 
neuerdings  barbarischer  Weise  mit  dunkler  Oelfarbe  überschmiert 
war,')  liest  man  die  Jahrzahl  1595.  Zum  Schönsten  in  dieser 
Art  gehört  die  Wandvertäfelung,  bei  welcher  Schnitzwerk  und 
eingelegte  Arbeit  zusammenwirken.  Auch  das  Portal  zum  Raths- 
saale  ist  eine  trefflicihe  Schnitzarbeit  Sie  datirt  von  1573,  hängt 
also  mit  dem  Bau  der  südlichen  Arkadenfront  zusammen. 

Von  den  städtischen  Bauten  ist  sodann  noch  das  ehemalige 
Zeughaus  beim  Dom  vom  Jahre  1594  zu  nennen.     Es  ist  ein 


*)  WerthvoUe  Notizen  verdanke  ich  der  Güte  des  Herrn  Stadtbau- 
direktora  Krieg.  —  *)  Seit  Kurzem  durch  die  Sorgfalt  des  Herrn  Krieg 
gereinigt.    Trefflich  photogr.  Aufnahme  von  Nöhring. 


Kap.  XIV.    Die  norddentsclieii  Kfistengreblete. 


mSchti^r,  aber  einfacher  Backsteinbaa  mit  Sandsteingliederungen 
in  dem  aus  den  Niederlanden  stammenden  MiBchstil,  wohl  an 


OrOase,  aber  bei  Weitem  nicht  an  kUnstlerisoher  Behandlung  mit 
dem  Danziger  Zeughans  za  vergleiohen. 

Auch  der  Privatban  der  Stadt  steht  an  Reichthnm  der  Dureh- 
bOduDg  dem  Ton  Danzig  weit  nach;  allein  in  der  Anlage  der 


750  ni.  Bnob.    BiOüwmme%  in  Dentsolilmiid. 

Häuser  erkeimt  man  dieselben  GrundzAge.     Das  ErdgesohQss 
bildet  unten  auch  hier  eine  weite  und  hohe  Halle,  die  ihr  Licht 
aus  mächtigen  Fenstern  vom  Hofe  her  erhält  und  ihren  Zugang 
Yon  der  Strasse  in  einem  riesig  hohen  Portale  besitzt    Ueber 
der  Hausthttr  ist  jetzt  oft  eine  kleine  Kammer  angebracht,  die 
aus  dem  mit  dem  Portal  verbundenen  Oberfenster  ihr  Licht  er- 
hält   Eine  kleine  Gomtoirstube  ist  stets  von)  Flur  abgetrennt 
Im  Hintergründe  fllhrt  eine  oft  reich  geschnitzte  Treppe  zu  einer 
Galerie,  welche  den  Zugang  zu  den  niedern  Schlafkammem  und 
den    oberen  Geschossen   vermittelt     Die  Fa^aden   der  Häuser 
zeigen  fast  ohne  Ausnahme  den  schlichtesten  Backsteinbau,  neuer- 
dings fast  immer  mit  Oelfarbe  aberstrichen.     Einfache  Staffel- 
giebel, durch  Lisenen  und  Mauerblenden  gegliedert,  bilden  den 
Absehluss.     Voi^  der  reichen  Ausstattung  mit  den  Formen  der 
Renaissance  bei  überwiegender  Anwendung  von  Sandstein,  wie 
wir  es  in  Danzig  fanden,  ist  hier  nirgends  die  Bede.   Den  Erker 
hat  man  hier  wie  in  Danzig  und  den  andern  niederdeutschen 
Seestädten   vermieden.     Nur   indem   man   zahlreichen  Häusern 
prachtvolle  Portale  im  beginnenden  Barockstil  vorsetzte,  suchte 
man  der  allgemeinen  Zeitrichtung  Bechnung  zu  tragen.  Karyatiden 
und  Hermen,  Statuen  von  Tugenden,  Masken  und  Fruchtschnttre 
spielen  dabei  eine  grosse  Bolle.   Ein  Prachtstttck  dieser  Art  vom 
Jahre  1587  sieht  man  Schlässelbuden  No.  190,  mit  zwei  gewal- 
tigen Hermen,  darüber  in  einer  Nische  eine  weibliche  Figur,  von 
zwei  liegenden  Gestalten  eingeschlossen,  sämmtlich  sehr  lang- 
beinig  und   manierirt     Ein  hübsches  Portal  ebenda  No.   196, 
gleichfalls  mit  Figuren  geschmückt  und  sämmtliche  Flächen  mit 
Metallomamenten*  dekorirt    Ein  prächtiges  Portal  ebenda  No.  195, 
mit  Kriegerfiguren  und  allegorischen  Darstellungen,   auch   hier 
das  Figürliche  unerträglich  manierirt    Auf  solchen  Sehmuck  ver- 
zichtet das  Portal  an  No.  194,  erholt  sich  dagegen  an  reichen 
Fruehtgehängen  und  Masken.    Mehreres  von  ähnlichem  Charakter 
in  der  Fischstrasse.   Eins  der  üppigsten  schon  stark  überladenen 
und  geschweiften  an  No.  85;  ein  ganz  kleines,  blos  mitBosetten 
und  Köpfen  dekorirt  an  No.  96;  facettirte   Quadern  mit  Stem- 
mustem  an  No.  104,  wo  ausnahmsweise  auch  der  Hausgiebel 
mit  Voluten  geziert  ist     Die  sehr  langen  Figuren  findet  man 
wieder  an  No.  106.    Ueberaus  reich  mit  Festons  und  Hermen  ist 
No.  107  dekorirt,  wo  auch  die  oberen  Theile  der  Fa^ade  ähn- 
lichen Schmuck  erhalten  haben,  und  in  der  Mitte  eine  Abundantia 
in  einer  Nische  aufgestellt  ist     £in£ftcher  in  Anlage  und  Be- 
handlung No.  105.    Mehreres  auch  in  der  Breitenstrasse.    Phan- 
tastisch reich  mit  Masken  geschmückt  No*  785.    Noch  statüiober 


Kap.  XIY.    Die  noiddeataohMi  KUften^biete.  751 

mit  zvrei  kannelirteii  ionitelieii  Säulen,  deren  unterer  TbeQ  reich 
dekorirt,  dasu  Aber  dem  Gebälk  zwei  liegende  Figuren  an  No.  819. 
Dagegen  No.  799  zierliche  Metallomaniente  an  den  Flächen^  fein 
kannelirte  korinthische  Pilasier,  yon  Quaderbändem  durchbrochen, 
ab  Einfiuisnng. 

Ganz  abweichend  ist  die  grosse  Fafade  in  der  Holstensftrasse 
No.  276.  Das  Portal  gehört  zwar  derselben  Gattung  an,  wird 
durch  ktiegerische  Aflanten  eingeiasst  und  von  den  Figuren  des 
Glaubens  und  der  Liebe  bekrönt  Dabei  der  Spruch :  Sperantem 
in  domino  misericordia  circumdabit  Dies  Alles  wie  gewöhnlich 
in  Sandstein.  Die  Fa^ade  selbst  ist  aber  ein  Prachtstttck  yon 
Renaissancedekoration  in  Terracotta,  offenbar  um  einige  Dezennien 
früher  als  das  Portal,  vieUeieht  das  Werk  des  Gabriel  p.  Jken 
und  Staüus  v.  Düren^  die  sich  wie  wir  wissen  in  Lflbeck  nieder- 
gelassen hatten.  Doppelte  Lisenen,  aus  gerippten  Bundstäben  be- 
stehend, auf  Maskenkonsolen  ruhend,  theilen  den  hohen  Giebel, 
und  ähnliche  Rundstäbe  fassen  sämmtliche  Fenster  ein.  Die  ein- 
zelnen Stockwerke  aber  werden  bis  oben  hinauf  von  Medaillonfriesen 
in  Terracotten  gegliedert,  welche  den  Arbeiten  in  Wismar,  Schwe- 
rin und  Gadebusch  verwandt  sind.  LiCider  hat  ein  späterer  Zopf- 
zusatz die  ursprflngliche  Reinheit  getrübt;  jedenfalls  ist  aber  die 
Fa^^e  sehr  interessant  wegen  der  Anwendung  eines  durchgebil- 
deten Terracottenstils.  Aehnliche  Werke  kommen  noch  ein  paar 
Mal  in  der  Wahmstrasse  vor. 

Von  dem  Reichthum  der  Ausstattung,  welche  ehemals  die 
Patrizierhäuser  auszeichnete,  geben  noch  einzelne  Ueberreste 
Zeugniss;  am  prachtvollsten  der  Saal  im  Hause  der  Kauf- 
leute  (Fredenhagen'sches  Zimmer),  dessen  Getäfel  in  Eichen-, 
Linden-,  Nussbaum-  und  Ulmenholz  zu  den  edelsten  der  Zeit 
gehört  Gekuppelte  korinthische  Halbsäulen  mit  reich  geschnitzten 
Schäften  tragen  ein  Gebälk  mit  elegantem  Rankenwerk  am  Ge- 
simse, und  darüber  eine  Doppelstellung  von  Atlanten  und  Karya- 
tiden, die  mit  einem  zweiten  nicht  minder  reich  dekorirten 
Gesimse  abschliessen.  Die  Wandfeldw  zeigen  unten  eine  Nach- 
bildung kräftiger  Steinarkaden  und  darin  tabemakelartige  Auf- 
sätze, darflber  eingelassene  Alabasterreliefs,  sicherlich  niedei^ 
ländische  Arbeiten,  Alles  aufs  Reichste  plastisch  dekorirt  Den 
oberen  Theil  der  Wände  schmflcken  Gemälde  in  Goldrahmen. 
Die  Decke  zeigt  ein  reich  cassettirtes  Balkenwerk,  kraftvoll  ge- 
gMedert  und  elegant  geschnitzt^) 


>)  Vergl.  die  Notiz  von  A.  Meier  im  Dresdsner  Oorr.  BL  1653,  Dsc.  No.  %. 


752  HL  Baoh.   BenALuanoe  ia  Deutsdiland. 

Emige  werihvolle  Werke  finden  sich  sodann  in  den  rer^ 
schiedenen  Kirchen  der  Stadt  Bemerkenswerth  zunächst  in  der 
Marienkirche  die  grossartige  Ausstattung  mit  Messinggittem, 
welche  den  ganzen  Chor  und  die  zahlreichen  iCapellen,  ebenso 
auch  das  Taufbecken  umgebeir.  Sie  datiren  sämmtlich  von  1518  und 
zeigen  im  Wesentlichen  zwar  noch  die  Elemente  des  gottuschen 
Stiles  y  aber  doch  in  einer  Umbildung,  welche  nicht  ohne  Ein- 
wirkung der  Kenaissance  zu  denken  ist  Diese  selbst  mit  ihren 
zierlichen  Formen  findet  man  sodann,  freilich  ganz  vereinzelt,  an 
der  schönen  Grabplatte  des  in  demselben  Jahre  1518  verstorbenen 
Gothard  Wigerinck,  ebenfalls  ein  Bronzewerk.  Weit  geringer 
war  um  dieselbe  Zeit  hier  die  Steinarbeit,  z.  B.  an  dem  Grab- 
stein des  Christoph  und  Johann  Tidemann  im  Chorumgang  des 
Doms,  stumpfe  Gestalten  in  schlichter  Einfassung  von  korin- 
thischen Halbsäulen,  die  Schäfte  oben  kannelirt,  unten  mit  Orna- 
menten geschmttckt,  sicher  erst  nach  der  Mitte  des  Jahrhunderts 
gearbeitet.  Holzschnitzerei  und  Metallguss  sind  und  bleiben  die 
hier  bevorzugten  Ettnste.  Erstere  ist  besonders  an  der  pracht- 
vollen Orgel  der  Aegidienkirche,  sowie  an  dem  1587  ausge- 
führten Lettner  y  dessen  gewundene  Treppe  auf  Atlanten  ruht, 
nicht  minder  an  dem  meisterhaften  Uhrwerk  der  Marienkirche 
vom  Jahr  1562  vertreten.  Dagegen  ist  die  Orgel  in  derselben 
Kirche  ein  ebenso  prächtiges«  Werk  der  spätgothischen  Epoche, 
gleichzeitig  mit  der  Übrigen  Ausstattung  der  Kirche  1516—1518 
von  Meister  Barihold  Hering  ausgeführt  Auch  das  Stuhlwerk  der 
Kirche  zeigt  «eine  bewundernswürdig  reiche  und  edle  Ausbildung, 
die  Füllungen  namentlich  mit  Arabesken  vom  feinsten  Geschmack 
und  voll  Phantasie.  Zwei  reich  geschnitzte  Orgeln  hat  auch  die 
Jacobikirche,  und  zwar  die  eine  von  1504,  die  andere  von 
1637,  aber  auch  diese  noch  mit  überwiegend  gothischen  Formen. 

Was  an  Bronzewerken  in  Lübeck's  Kirchen  vorhanden,  über- 
steigt jede  Vorstellung.  Von  der  unvergleichlichen  Pracht  der 
zahlreichen  Gitter  in  der  Marienkirche,  die  freilich  überwiegend 
noch  der  Gothik  angehören,  war  schon  die  Bede.  Von  andern 
Werken  der  früheren  gothischen  Epoche  habe  ich  hier  nicht  zu 
berichten;  wohl  aber  von  dem  herrlichen  Bronzegitter  der  Bremer- 
kapelle vom  Jahr  1636,  mit  Säulen,  Hermen  und  Karyatiden  ge- 
gliedert, schon  sehr  barock,  aber  höchst  geistreich  und  elegant, 
dabei  von  meisterhafter  Technik.  Prachtvolle  Kronleuchter  finden 
sich  in  der  Jacobikirche,  noch  glänzender  aber  sind  die  Kron- 
leuchter, Wandleuchter  und  Gitter  in  St  Peter,  datirt  von  1621, 
1639,  1644,  voll  Phantasie  und  Anmuth,  mit  kletternden  und 
spielenden  Putten  dekorirt    Auch  die  Aegidienkirche  und  der 


Kap.  XIV.    Die  norddeutaolien  Küstengebiete.  758 

Dom  sind  mit  fthnlieben  Kronleuchtern  ausgestattet  loh  hebe 
hier  nur  das  Wichtigste  heraus ;  die  Fülle  des  noch  Vorhandenen 
verdiente  in  einer  statistischen  Darstellung  der  Benaissancewerke 
Deutschlands  eingehendere  Beachtung. 


Lüneburg. 

Lüneburg  ist  eine  Wiederholung  Lttbeck's  im  kleineren  Maass- 
stabe; zugleich  hat  die  Stadt  Bedeutung ,  weil  sie  die  südliche 
Grenze  des  niederdeutschen  Backsteinbaues  bezeichnet.      Schon 
in  Celle  hört  derselbe  auf  und  macht  dem  mitteldeutschen  Fach- 
werkbau der  Harzgegenden  Platz.   In  der  mittelalterlichen  Epoche 
und  noch  in  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  beherrscht 
der  derbe  niederdeutsche  Backsteinbau  hier  die  ganze  Profan- 
architektur.   Die  Bürgerhäuser  sind  schmal  und  hoch  mit  ein- 
fachen Staffelgiebeln.     Der  Erker  kommt  hier  so  wenig  vor  wie 
in  Lübeck  oder  Danzig,  nur  ein  paar  Mal  finden  sich  ganz  be- 
deutungslose Fachwerk -Erker  dem  Erdgeschoss  und  ersten  Stock 
vorgesetzt:  ein  von  den  Hannoverschen  Städten  ausgehender  Ein- 
fluss.     Mit  dem  16.  Jahrhundert  bürgert  sich  an  diesen  Bauten 
die  Benaissance  ein,  doch  in  etwas  verschiedener  Art  als  zu 
Lübeck.^)    Wie  dort  nämlich  werden  zwar  die  Fafaden  durch 
jene  schräg  gerippten  Eundstäbe  gegliedert,  die  Fensternischen 
und  die  Lisenen  damit  eingefasst,  und  ebenso  die  Friese  und 
die  Medaillons,  welche  die  Stockwerke  trennen,  eingerahmt   Die 
Friese  sollten  nun  Füllungen  von  Terracottareliefs  erhalten,  welche 
indess  in  den  meisten  Fällen  nicht  ausgeführt  sind.    Dagegen 
trifft   man   häufig   in  den  Medaillons  zeitgenössische  Bildnisse, 
Wappen  u.  dergl.  in  farbig  glasirten  Ten-acotten.    Denkt  man 
sich  die  ganzen  Friese  in  dieser  Weise  geschmückt,  so  müssen 
die  Fa$aden,  die  jetzt  durch  den  dunklen  Ton  des  Backsteins 
etwas  Düsteres  haben,  von  prächtiger  Wirkung  gewesen  sein. 
Das  Hauptbeispiel  dieser  Art  ist  der  grosse  Giebel,  welcher  die 
lange  Perspektive  der  Hauptstrasse  Am  Sand  dominirend   ab- 
schliesst,  bezeichnet  1548.   Die  einfassenden  Rundstäbe  mit  ihrem 
schrägen   Bippenwerk    machen   fast   den   Eindruck   von  Laub- 
kränzen, welche  die  Glieder  umrahmen.    Die  dekorirenden  Me- 
daiUonköpfe,  Wappen  und  figürliche  Darstellungen,  Knaben  auf 
Delphinen,  Simson  mit  dem  Löwen,  mit  den  Thoren  von  Gaza 
u.  dergl.  sind  lebensvoll  behandelt     Auch  der  kleinen  daneben- 


*)  Einige  Abbildungen  in  den  Pnbl.  des  Lüneb.  Altherth.  Yer. 

Kngler,  Oeieh.  d.  Baukanst.  V.  48 


754  nL   Buch. '  Benaüsronce  in  Deatschbiid. 

stehenden  Fa^e  hat  man  denselben  Schmnek  ^geben.  Ein 
anderes  noch  etwas  früheres  Beispiel  yom  Jahr  1543  bietet  die 
Fafade  an  der  Münze  No.  9.  Die  farbig  glasirten  Reliefmedaillons 
mit  den  zeitgenössischen  Portraitköpfen  sind  derb  nnd  lebendig 
ausgeführt. 

Etwas  später  tritt  eine  Veränderung  im  Stil  dieser  Terra- 
cotten  auf.  Statt  des  farbig  geschmückten  Flachreliefs  stellen 
sich  im  kräftigsten  Hochrelief  weit  vorspringende  Köpfe  ein,  die 
nun  keine  Glasur  mehr  erhalten.  Der  malerische  Stil  macht 
einem  mehr  plastischen  Platz.  Ein  charakteristisches  Beispiel 
dieser  Art  gewährt  ein  Haus  von  1559  in  der  Bardowiker  Strasse 
No.  30,  mit  sehr  gut  behandelten  Belief  köpfen ;  vom  Jahre  1560 
das  Haus  am  Markte  No.  1 ,  wo  aber  diese  Köpfe  und  die  Wappen 
in  Sandstein  eingesetzt  sind.  In  der  Mitte  ein  hübsches  Barock- 
schild, von  Engeln  gehalten.  Um  diese  Zeit  dringt  also  der 
Hausteinbau  ein  und  findet  namentlich  an  einzelnen  Pracht- 
portalen, offenbar  nach  dem  Vorgange  von  Lübeck,  seine  Ver- 
wendung. So  an  dem  Hause  Neue  Sülze  No.  27.  Ein  anderes 
In  der  Grossen  Bäckerstrasse  No.  30,  mit  korinthischen  Säulen 
eingefasst,  deren  Schaft  am  untern  Theil  mit  Metallomamenten 
bedeckt  ist  Das  Prachtstück  aber  in  derselben  Strasse  No.  9, 
die  Rathsapotheke,  wo  das  Portal  mit  Hermen  eingefasst  ist, 
welche  medizinische  Gefässe.  halten  und  an  den  Schäften  reich 
dekorirt  sind,  darüber  ein  Bogen  mit  Masken  und  Festons,  in  den 
Zwickeln  zwei  sitzende  weibliche  Figuren.  Das  Portal  ist  nach 
dem  Vorbilde  der  Lübecker  von  ungewöhnlicher  Höhe. 

In  charaktervoller  Weise  haben  die  verschiedenen  Kunst- 
epochen sich  am  Rathhause  ausgesprochen.  Es  ist  gleich  dem 
von  Lübeck  ein  Conglomerat,  in  mehreren  Perioden  allmälig 
durch  neue  Ansätze  vergrössert  Im  Wesentlichen  aus  verschie- 
denen Epochen  des  Mittelalters  stammend,  ist  es  äusserlich  ohne 
grossartigere  Gesammtwirkung,  und  die  Hauptfa^ade  am  Markt 
mit  ihren  Bogenhallen  und  den  mit  Figurennischen  dekorirten 
Pfeilern  trägt  den  Charakter  einer  späten  Restauration.  Man  liest  : 
Exstructum  1720,  renovatum  1763.  Interessanter  ist  das  Innere, 
welches  in  verschiedenen  Epochen  eine  zum  Theil  prachtvolle 
Ausstattung  erhalten  hat  Noch  völlig  gothisch  ist  der  mit  höl- 
zernem Tonnengewölbe  überdeckte  Saal,  der  durch  seine  Glas- 
gemälde, seine  schönen  Bodenfliesen,  in  welchen  man  vor  den 
Sitzen  der  Rathsherren  noch  die  Oeffnungen  der  Luftheizungs- 
röhren mit  ihren  Metallverschlüssen  sieht,  mit  seiner  polychromen 
Deckenmalerei  und  der  völlig  erhaltenen  Wandvertäfelung  mit 
ihren  Schranken  und  den  Sitzen  für  die  Rathsherren  einen  unver- 


Kap.  XIV.    Die  norddeutschen  Elbtengebiete.  .755 

gleichlich  harmonischen  Eindruck  macht  Letztere  gehören  der 
Benaiasance  an  und  sind  mit  ihren  eingelegten  Holzmosaiken 
1  d94  ausgeführt  Die  Gemilde  der  Decke  sind  im  Qeist  und  den 
Formen  der  Eranach'schen  Sdiule  behandelt  Am  Eingang  des 
Saales  bilden  zwei  ungleiche  Flachbögen  auf  kräftiger  Bundsäule 
eine  Art  Vorhalle.  Im  Flur  ist  ein  prachtvolles  Eisengitter  von 
Hans  Rage  1576  ausgeführt,  ohne  aUes  phantastische  Element, 
nur  mit  schön  stilisirten  Blumen  geschmückt  Das  Zimmer  rechts 
vom  Eingange  im  Erdgeschoss  zeigt  eine  gute  Holztäfelung  vom 
Jahre  1604. 

Den  Stolz  des  Bathhauses  bildet  aber  der  Bathssaal,  1566 
bis  1578  durch  Albert  von  Soest  mit  einer  künstlerischen  Aus- 
stattung versehen,  welche  alles  überbietet,  was  jemals  deutsche 
Schnitzkunst  hervorgebracht  Man  liest  daran:  Albertus  Suza- 
tiensis  fecit  Zunächst  sind  die  Schranken  mit  den  Sitzen  für  die 
Bathsherm  aufs  Beichste  mit  zierlich  ausgeführten  Beliefs  der 
biblischen  Geschichte  dekorirt  Man  sieht  das  Urtheil  Salomon's, 
das  jüngste  Gericht,  Moses  das  Volk  strafend,  dazu  die  Statuetten 
von  Moses,  Aron  und  Josua,  Alles  in  kleinstem  Maassstabe  mit 
hoher  technischer  Meisterschaft  durchgeführt  Einfacher  ist  die 
Bekleidung  der  Wände,  sowie  die  cassettiiiie  Decke  mit  ihren 
vergoldeten  Bosetten.  Der  Künstler  hat  sich  die  Hauptwirkung 
für  die  architektonisch  hervorragenden  Theile  aufgespart  Schon 
die  Friese  mit  den  herrlichen  kleinen  Köpfchen,  die  aus  den 
Banken  hervorragen,. gehören  zum  Köstlichsten  ihrer  Art  Aber 
die  grösste  Pracht  entfaltet  sich  an  den  vier  Thüren.  Die  beiden 
ersten,  einfacheren  sind  mit  Hermen  und  Karyatiden  eingefasst 
und  mit  figurenreichen  Beliefscenen  bekrönt  Eine  dritte  Thür 
hat  ebenfalls  Karyatiden  und  ähnlichen  Beliefschmuck.  Alles  wird 
aber  überboten  durch  die  vierte  Thür,  vor  welche  als  Stützen 
des  Gebälks  völlig  durchbrochen  gearbeitete  Pfeiler  treten,  die 
in  unglaublichem  Beichthum  mit  Voluten,  Masken  und  Hermen 
sich  aufbauen,  in  der  Mitte  Nischen  mit  Kriegerstatuetten  ent- 
halten, diese  wieder  eingerahmt  von  Pfeilern,  die  wiederum  auf 
Postamenten  mit  spielenden  Putten  kleinere  Statuetten  der  Tugen- 
den zeigen  unter  Baldachinen,  die  von  Genien  gehalten  werden. 
Darüber  thünpt  sich  nach  Art  mittelalterlicher  Baldachine  und  mit 
reichlicher  Anwendung  von  durchbrochenen  gothischen  Fenstern, 
Strebepfeilern  und  Fialen  ein  Oberbau  auf,  der  wieder  mit  den 
vrinzigsten  Figürchen  und  allen  erdenklichen  Elementen  der  Be- 
naissance- Ornamentik  ausgestattet  ist  Das  Ganze  bietet  den 
Eindruck  höchster  Ueppigkeit,  voll  jener  bewundernswürdigen 
Phantastik,  die  auch  im  Sebaldusgrabe  Peter  Vischer's  waltet, 

48* 


756  ro*  Bach.    Benaissance  in  Deutschland. 

nur  ist  Alles  hier  überladener  und  von  einem  minder  reinen  Form- 
geftthl  beherrscht,  jedenfalls  aber  in  staunenswerther  Technik  mit 
miniaturartiger  Feinheit  durchgebildet  Dazu  kommen  über  den 
Portalen  grosse  Reliefs  aus  der  biblischen  und  römischen  Ge- 
schichte, die  mit  einer  Darstellung  des  jüngsten  Gerichtes  ab- 
schliessen. 

Noch  wäre  der  ungemein  grosse  Fürstensaal  zu  nennen,  an 
den  Wänden  mit  Bildnissen  von  Fürsten  und  Fürstinnen  im 
Charakter  des  15.  Jahrhunderts  bemalt,  auch  an  der  Balkendecke 
Gemälde,  Brustbilder  in  Medaillons  und  Ornamente  aus  der  Spät- 
zeit der  Renaissance.  Fünf  mittelalterliche  Kronleuchter  mit  figür- 
lichem Sehmuck  und  ein  sechster  in  streng  gothischem  Stil  er- 
leuchten den  Saal. 

Zu  den  grOssten  Schätzen  gehört  sodann  die  Silberkammer 
des  Rathhauses,  eine,  vielleicht  unvergleichliche  Sammlung  von 
Prachtgeräthen  aus  den  verschiedenen  Epochen  der  Gothik  und 
der  Renaissance.  Für  unsre  Betrachtung  sind  von  besonderer 
Bedeutung  die  herrlichen  Pokale,  welche  die  ganze  Mannigfaltig- 
keit der  Renaissance  im  Aufbau,  den  dekorativen  Formen  und 
dem  figürlichen  Schmuck  verrathen.  Der  Münzpokal  vom  Jahre 
1536,  der  eine  Elle  hohe  vergoldete  Pokal  von  1538,  ein  anderer 
von  1562,  wieder  ein  anderer,  über  2  Fuss  hoch,  von  1560,  ein 
kleinerer  von  1586  und  ein  ganz  grosser  von  1600  mögen  hier 
als  die  wichtigsten  kurz  erwähnt  werden.  Zu  den  edelsten  Wer- 
ken gehören  aber  die  beiden  silbernen  Schüsseln  mit  dem  Stadt- 
wappen, in  der  Mitte  und  am  Rande  mit  Laubfriesen  und  kleinen 
Portraitmedaillons  geschmückt,  endlich  die  grosse  Waschschüssel 
von  2  Fuss  im  Durchmesser,  vom  Jahre  1536. 

Einiges  ist  noch  aus  der  Johanniskirche  nachzutragen. 
Vom  Jahre  1537  das  bemalte  Epitaph  eines  Herrn  v.  Dassel,  mit 
reichem  krautartig  behandeltem  Pflanze'nornament,  das  Ganze 
noch  etwas  unreif  in  den  Formen  und  bezeichnend  für  das  erste 
Auftreten  der  Renaissance  in  diesen  Gegenden.  Von  elegant  aus- 
gebildeter Renaissance  sind  die  ühorstühle,  deren  Laubfriese  mit 
den  Reliefköpfchen  an  die  Arbeiten  im  Rathhaus  erinnern,  wenn 
sie  auch  nicht  von  derselben  Vollendung  sind.  Doch  erscheint 
die  Arbeit  voll  Geist;  nur  die  Karyatiden  und  Atlaitfen  zeigen  den 
schlottrigen  Stil  der  Epoche.  Auch  die  Brüstung  einer  Empore 
ist  in  ähnlichem  Schnitzwerk  um  dieselbe  Zeit  ausgeführt 

Noch  ist  der  Springbrunnen  auf  dem  Markt  vor  dem 
Rathhaus,  ein  Metallbecken  mit  kleinen  figürlichen  Darstellungen^ 
hier  zu  nennen  als  ein  Werk  der  Frührenaissance.  Nur  das 
untere  gusseiseme  Becken  gehört  modemer  Reparatur.    Auf  der 


Kap.  XIY.    Die  norddeutschen  KÜBtengebiete.  757 

Säule  eine  winzig  kleine  hoehdrollige  Diana  mit  Bogen  und  Pfeil 
*  in  einer  an  Dürer  erinnernden  stark  gespreizten  Stellung.    Die 
Jahrzahl  1530  bat  nichts  Unwahrscheinliches. 


Von  Hamburg  hat  der  verheerende  Brand  des  Jahres  1842 
nicht  Tiel  Alterthümliches  übrig  gelassen,  so  malerisch  auch  die 
inneren  Theile  der  Stadt  mit  ihren  an  Holland  erinnernden  hoch- 
giebligen  Häusern  sind.  Als  eins  der  wenigen  noch  vorhandenen 
Beispiele  des  energisch  ausgebildeten  Profanbaues  der  Renaissance 
geben  wir  unter  Fig.  207  ein  Giebelhaus  der  6r.  Reichenstrasse,^) 
eine  jener  Fagaden,  die  in  ihren  Flächen,  wie  in  sämmilichen 
Gliederungen  an  Fenstern  und  Portalen,  Gesimsen  und  Pilaster- 
Stellungen  aus  Sandstein  bestehen.  Die  niedrigen  Verhältnisse 
der  Stockwerke  geben  den  Pilasterstellungen  etwas  Verkrüppeltes, 
aber  die  derben  Formen,  die  klare  Eintheilung  und  Gliederung 
und  die  lebensvolle  Ausbildung  des  Giebels  mit  seinen  kräftig 
wirkenden  Nischen,  seinen  barocken  Schweifvoluten  und  aufge- 
setzten Pyramiden  (letztere  in  der  Zeichnung  ergänzt)  machen 
einen  tüchtigen  Eindruck.  Ein  stattlicher  Giebelbau  von  ähn- 
licher Anlage  ist  der  sogenannte  Kaiserhof  vom  Jahre  1619,  eben- 
falls mit  energischen  antikisirenden  Säulenstellungen,  dazu  in 
Bogenzwickeln  und  andern  Flächen  mit  flott  behandeltem  Bild- 
werk dekorirt^)  Eine  andre,  jetzt  nicht  mehr  vorhandene  Fa$ade 
von  reicher  Durchbildung  ist  wenigstens  in  Abbildung  erhalten.  ^) 
Von  den  eleganten  steinernen  Waschbecken,  welche  auf  den 
Fluren  ansehnlicher  Häuser  nicht  zu  fehlen  pflegten,  sind  noch 
zwei  zu  sehen. ^)  Endlich  muss  der  Thurm  der  Katharinen- 
kirche  wegen  der  Schönheit  der  Verhältnisse  und  der  Anmuth 
seiner  feingeschwungenen  Umrisse  erwähnt  werden. 


Bremen« 

Ungleich  reicher  ist  die  Ausbeute  in  Bremen.  Die  Ent- 
wicklung der  IStadt  bietet  manche  Verwandtschaft  mit  Lübeck. 
Wie  dort  finden  wir  auch  hier,  und  "zwar  schon  seit  Karls  des 


*)  Die  Abbildung  verdanke  ich  Herrn  A.  Schröder ,  ABßistent  am  Poly- 
teehnicum  zu  Hannover.  —  *)  Abbildungen  in  der  Schrift:  Hamburg,  bist, 
topogr.  und  baugeschichtl.  Mittheil.  1869.  —  »)  Samml.  des  Ver.  für  Hamb. 
Gesch.  —  *)  Abbildungen  ebenda. 


758  ^'  Bach.    Benaissanee  in  DentsclilaBd. 

Grossen  Zeiten,  einen  Bischofssitz,  unter  dessen  Obhut  die  Stadt 
im  frtthen  Mittelalter  sich  immer  kräftiger  entwickelte,  bis  sie  im 
Kampf  mit  ihren  Bischöfen  sich  allmälig  zur  Unabhängigkeit 
aufschwang  und  als  Mitglied  der  Hansa  immer  machtvoller  er- 
blühte. Aber  während  im  Anfang  der  neuen  Zeit  der  reactionäre 
Bath  von  Lübeck  sich  lange  und  hartnäckig  gegen  die  Refor- 
mation wehrte,  gebührt  Bremen  der  unvergängliche  Buhm,  unter 
den  niederdeutschen  See*  Städten  zuerst  Luthers  Lehre  mit  Hin- 
gebung erfasst  und  durch  ihren  Eifer  im  Schmalkaldischen  Bunde, 
durch  hochherziges  Standhalten  nach  der  Schlacht  von  Mühlberg 
zur  Bettung  des  Protestantismus  vor  dem  Untergange  wesentlich 
beigetragen  zu  haben.  In  der  architektonischen  Anlage  der  Stadt 
spricht  sich  ähnlich  wie  in  Lübeck  ihr  doppeltes  Wesen  aus; 
aber  während  dort  der  Mittelpunkt  der  geistlichen  Gewalt  des 
Mittelalters  an  dem  einen  Ende  der  Stadt  eine  isolirte  Lage  ein- 
ninmit,  steht  hier  der  mächtige  Bau  des  Domes  im  Herzen  der 
Stadt,  gegenüber  dem  stolzen  Bau  des  Bathhauses,  und  der  Dom- 
hof sammt  dem  Marktplatze  geben  in  ihrer  Verbindung  einen 
Prospekt  von  grossartiger  Wirkung.  Langgestreckt,  ähnlich  wie- 
der vrie  Lübeck,  zieht  sich  die  alte  Stadt  am  rechten  Ufer  der 
Weser  hin,  während  erst  später  das  linke  Ufer  mit  der  neuen 
Stadt  besetzt  wurde. 

Die  Renaissance  tritt  auch  hier  erst  spät  auf,  aber  sie  treibt 
in  dem  grossartigen  Bau  des  Bathhauses^)  eine  ihrer  pracht- 
vollsten Blttthen  (Fig.  208).  Der  Bau  ist  seinem  Kerne  nach  eine 
Schöpfung  des  Mittelalters,  1405  bis  1410  errichtet:  ein  mächtiges 
Bechteck,  an  der  südlichen  Schmalseite  durch  das  Portal  und  drei 
hohe  Spitzbogenfenster  belebt  An  diesen  einfachen  gothischen 
Bau  fügte  man  1612  die  prachtvolle  Fa^ade  der  Ostseite  mit 
ihrer  Bogenhalle,  dem  breit  vorspringenden  Erker-  und  Giebelbau 
in  der  Mitte  und  den  riesig  hohen  Fenstern  des  oberen  Stock- 
werks. Auf  zwölf  dorischen  Säulen  ruht  die  in  der  ganzen  Länge 
den  Bau  begleitende  Halle,  deren  gothische  Bippengewölbe  in 
der  Wand  auf  reichen  Gonsolen  aufsetzen.  Im  ersten  Stock  bildet 
sich  über  der  Säulenhalle  eine  von  durchbrochener  Balustrade 
abgeschlossene  Altane,  in  der  Mitte  durch  den  vorgebauten  Erker 
unterbrochen,  aber  durch  Thüren  mit  demselben  verbunden.  Die 
ehemaligen,  ohne  Zweifel  spitzbogigen  Fenster  des  Obergeschosses 
sind  in  sehr  hohe  rechtwinklige  Fenster  verwandelt  und  abwech- 
selnd .mit  gebogenen  oder  dreieckigen  Giebeln  gekrönt  Den  Ab- 
schluss  des  Ganzen  bildet  ein  elegant  skulpirter  Fries  mit  kraft- 

1)  Vergl.  die  Monogr.  von  MüUer,  das  Rathhans  zu  Bremen. 


f  , 


Kap.  XIV.    Die  norddeutschen  KÜBtengebiete.  761 

voll  ausgebildeten  Gonsolen  und  darüber  eine  durchbrochene 
Balustrade,  mit  kleinen  Pyramiden  und  an  den  Ecken  mit  Sta- 
tuen besetzt  Darüber  ragt  dann  in  der  Mitte  der  hohe  Giebel 
des  Erkers  und  auf  beiden  Seiten  ein  kleinerer  Dachgiebel  auf. 
Alle  diese  Zusfttze  sind  dem  Backsteinkem  des  Baues  in  durch- 
gebildetem Quaderbau  angefügt 

Muss  scbon  die  Oomposition  als  ein  Meisterwerk  ersten  Ranges 
bezeichnet  werden,  so  gehört  vollends  die  Durchbildung  zu  dem 
Vollendetsten,  was  wir  in  dieseni  schon  barock  umgebildeten 
Renaissancestil  in  Deutschland  besitzen.  Die  Schönheit  der  Ver- 
hftltnisse,  die  meisterhafte  Behandlung  der  architektonischen  Glie- 
der, die  Feinheit  in  der  Ausbildung  derselben  übertrifft;  z.  B.  weit 
die  Fafade  des  Lübecker  Rathhauses,  ja  in  schwungvoller  An- 
wendung bildnerischen  Schmuckes  muss  selbst  der  Friedrichsbau 
in  Heidelberg  zurückstehen.  Alle  Flächen  sind  mit  Sculpturen 
bedeckt,  in  den  Zwickeln  der  Arkadenbögen  sind  es  Figuren 
antiker  Gottheiten  und  allegorischer  Personifikationen;  meister- 
haft aber  vor  Allem  sind  die  grossen  Friese  prachtvoll  bewegter 
phantastischer  Meeresgeschöpfe,  Nachklänge  jener  berühmten  an- 
tiken Gestalten,  deren  Erfindung  im  letzten  Grunde  bis  auf  Skopas 
zurückgeht  Ein  stürmisch  bewegtes  Leben  spricht  sich  hier  mit 
Kraft  und  Kühnheit  aus,  als  trefiTlichster  Ausdruck  fbr  die  in  der 
Nähe  des  Meeres  gelegene  Seestadt  Dieser  reiche  Schmuck  ge- 
winnt an  dem  Erker  und  den  Dachgiebeln  erhöhten  Glanz  und 
verbindet  sich  dort  mit  Säulenstellungen,  Hermen  und  all  den 
phantastisch  barocken  Formen  dieser  üppigen  Zeit  Dazu  kommt, 
dass  das  Figürliche,  welches  hier  in  solchem  Umfang  zur  An- 
wendung gebracht  ist,  grösstentheils  von  sehr  geschickten  Händen 
herrührt,  so  dass  die  Ausführung  hinter  der  Absicht  kaum  zurück- 
bleibt Nach  alledem  muss  man  den  sonst  unbekannten  Meister 
dieses  Baues,  Lüder  von  Bentheim,  zu  den  hervorragendsten  Künst- 
lern unsrer  Spätrenaissance  zählen.  Dagegen  sind  die  zwischen 
den  Fenstern  beibehaltenen  aus  dem  Mittelalter  herrührenden 
Statuen  ohne  höheren  Kunstwerth. 

Im  Innern  besteht  das  Erdgeschoss  aus  einer  Halle,  deren 
Decke  auf  einfachen  Holzpfeilem  ruht  Nur  ein  Portal  in  kräftig 
reicher  Schnitzarbeit  ist  hier  zu  erwähnen.  Auf  einer  elegant 
in  Holz  geschnitzten  Wendeltreppe  gelangt  man  in  den  oberen 
Saal,  der  die  ganze  Ausdehnung  des  Gebäudes,  140  Fuss  bei 
45  Fuss  Breite  und  etwa  30  Fuss  Höhe  umfasst  Er  hat  eine 
in  barocken  Formen  gemalte  Holzdecke,  rings  an  den  Wänden 
Tafelwerk,  an  der  Fensterseite  Bänke,  welche  die  5  Fuss  tiefen 
Fensternischen  umziehen  und  mit  hübsch  geschnitzten  Wangen 


762  ni.  Bach.    Benaiasaiice  in  DentscUftiid. 

und  Seitenlehnen  geziert  sind.  An  der  innem  Langseite  des 
Saales  sieht  man  eine  Thflr  zu  einem  angebauten  Sitzungszimmer, 
mit  Putten  und  Akanthusranken  in  einfacher  Frührenaissanoe 
dekorirt,  inschriftlich  1550  ausgeführt  Daneben  in  derselben 
Wand  zwei  reichere  Barockportale.  Die  grösste  Pracht  entfaltet 
sich  aber  an  der  hölzernen  Wendeltreppe,  welche  zu  dem  im 
Erkerbau  angebrachten  oberen  Sitzungszimmer  führt,  mit  1616 
bezeichnet  Hier  ist  geradezu  Alles  in  geschnitzte  Ornamente 
und  in  Figuren  aufgelöst,  namentlich  das  Portal  aussen  und 
innen  von  der  erdenklichsten  Ueppigkeit,  davor  auf  einer  S&ule 
die  Figur  eines  Herkules.  Es  ist  die  Blechmusik  des  beginnen- 
den Baroco  in  ihrem  berauschendsten  Fortissimo.  Der  kleine 
Saal  selbst  hat  treffliche  Täfelung  mit  reichen  Pilastem.  Auch 
das  untere  Sitzungszimmer  zeigt  eine  prachtvoll  geschnitzte  ThOr. 
Neben  den  Holzsculpturen  im  Kathhaus  zu  Lüneburg  sind  diese 
Arbeiten  die  glanzvollsten ,  Schöpfungen  der  deutschen  Schnitz- 
kunst der  Benaissancezeit  — 

Von  den  übrigen  Gebäuden  der  Benaissance  ist  zunächst  die 
Schütting  von  1537  zu  nennen.  Ein  ganz  aus  Quadern  errich- 
teter Bau,  der  eine  Giebel  einfach  abgetreppt,  mit  übereck  ge- 
stellten gothischen  Fialen,  der  andere  in  guter  Benaissance 
durchgeführt,  mit  Pilastem  und  Bögen,  darin  Medaillons  mit 
Köpfen  in  Hochrelief;  als  Krönung  Voluten,  von  denen  die  eine 
in  Löwenklauen  endet,  auf  dem  Giebel  eine  Statue.  Diese  Theile 
wird  man  um  1560  setzen  müssen.  Die  Fafade  dagegen  mit 
ihren  beiden  riesig  hohen  Fensterreihen,  dreitheilig  in  der  Höhe 
und  zweitheilig  in  der  Breite ,  mit  gedrückten,  spätgothischen 
Schweif  bögen  wird  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  ange- 
hören. Eine  Balustrade  in  eleganter  Benaissanceform  bildet  den 
AbschluBs;  darüber  in  der  Mitte  ein  Dacherker  mit  der  Belief- 
darstellung  eines  Schiffes.  Im  Uebrigen  hat  das  Gebäude  moderne 
Umgestaltungen  erfahren. 

Ein  stattlicher  Bau  von  1587  ist  die  Stadtwaage,  ein  hoher 
Backsteingiebel,  mit  gekuppelten  Rustikapilastem,  Voluten  und 
Pyramiden  in  Sandstein  gegliedert  Auch  die  beiden  Portale  in 
kräftiger  Rustika,  die  Quader  mit  Stemoinamenten  sind  von 
Sandstein,  Die  gekuppelten  Fenster  haben  eine  hübsche  Muschel- 
bekrönung.  Das  Ganze  -  ist  einfach  und  tüchtig.  Etwas  reicher 
wiederholt  sich  derselbe  Stil  an  dem  Kornhaus  von  1591.  Auch 
hier  ist  Backstein  und  Haustein  verbunden;  die  Fenster  zeigen 
dieselbe  Behandlung,  die  Quader  sind  sämmtlich  reich  oma- 
mentirt,  der  enorm  hohe  Giebel  mit  Voluten  und  Pyramiden 
geschmückt 


Flg.  108.    Rithbitiu  11 


^^■Mil 


Kap.  XIV.    Die  norddeatsehen  KüBtengebiete.  765 

Denselben  Stil  findet  man  an  einem  Hanse  der  Langen  Strasse 
No.  14;  der  Giebel  ebenfalls  baroek  geschweift.  Leider  sind 
diese  Häuser  meist  mit  Oelfarbe  überstrichen,  wodurch  die  reiche 
farbige  Wirkung  im  Gegensatz  des  Backsteins  zu  dem  Sandstein 
aufgehoben  wird.  So  zeigt  es  z.  B.  auch  das  Haus  am  Markt 
No.  9,  besonders  zierlich  in  den  Verhältnissen,  die  Quader  mit 
den  beliebten  Stemomamenten,  die  krönenden  Pyramiden  auf 
grotesken  Masken.  Ganz  intakt  dagegen  ist  ebendort  No.  16, 
wo  trotz  der  späten  Jahrzahl  1651  dieselben  Elemente  in  Com- 
Position  und  Ausschmückung  festgehalten  sind.  Dazu  kommt  ein 
Erker,  der  freilich  später  in  Rococoformen  iimgestaltet  worden. 
Die  oberste  Bekrönung  des  Giebels  bildet  eine  schöne  Blume 
von  Schmiedeeisen.  Aehnliche  findet  man  noch  mehrfach  in 
gleicher  Weise  verwendet  Eine  stattliche  Backsteinfa^ade,  nur 
mit  Sandsteinumrahmung  der  Fenster  und  mit  einem  ebenfalls 
in  Quadern  vorgebauten  Erker,  der  jedoch  blos  das  Erdgeschoss 
und  den  ersten  Stock  begleitet,  sieht  man  in  der  Langen  Strasse 
No.  127.  Von  derselben  einfachen  Art  sind  ebendort  No.  124 
und  126.  Ein  mächtiges  Giebelhaus  von  Backstein,  aber  mit 
Quadergliederungen,  die  durchweg  reiche  plastische  Dekoration 
zeigen,  in  derselben  Strasse  No.  112.  Dasselbe  gemischte  System, 
wenn  auch  nicht  mit  dem  vollen  plastischen  Beichthum,  ebendort 
an  No.  16.  Vereinzelt  kommen  auch  Fa^aden  vor,  welche  ähn- 
lich den  Danziger  Häusern  ganz  aus  Quadern  errichtet  sind.  So 
das  schmale  hohe  Giebelhaus  der  Langen  Strasse  No.  13,  mit 
zwei  symmetrisch  angebrachten  Erkern,  Alles  in  üppigen  Barock- 
formen ungemein  energisch  mit  Säulen,  Hennen,  Muschelwerk 
und  stark  geschweiften  Voluten  dekorirt  Es  trägt  die  Jahr- 
zahl 1618. 

Ziehen  wir  eine  Parallele  der  drei  grossen  norddeutschen 
Seestädte,  deren  Privatbau  der  Spätrenaissance  angehört,  so  zeigt 
Danzig  die  reichste  Blüthe  und  die  vollständigste  Aufnahme  des 
durch  die  Renaissance  eindringenden  Hausteinbaues.  Lübeck 
dagegen  beharrt  bei  seinen  überlieferten  Ziegelfagaden  und  be- 
gnügt sich,  denselben  durch  prachtvolle  Portale  in  Sandstein 
einen  zeitgemässen  Schmuck  zu  geben.  Bremen  endlich  nimmt 
eine  mittlere  Stellung  ein,  indem  es  drei  verschiedene  Systeme 
in  Anwendung  bringt:  die  Backsteinfagade  mit  sparsamer  Be- 
nutzung von  Haustein  an  den  Gesimsen  und  Einfassungen  der 
Fenster;  dieselbe  Construktion  mit  vollständiger  und  zwar  sehr 
reicher  Ausbildung  sämmtlicher  Glieder  in  Qnaderbau ;  endlich  in 
einzelnen  Beispielen  reine  Hausteinfa^aden.  Ausserdem  ist  Bremen 
die  einzige  von  diesen  Städten,  welche  an  den  Privatbauten  zu- 


i 


766  m.  Bach.    BenaisMUiee  in  DentschUnd. 

weilen  den  Erker  anwendet  Er  kam  ihr  wahrscheinlich  eben- 
daher, wo  sie  auch  den  Sandstein  zu  ihren  Bauten  holte:  aus 
der  oberen  Wesergegend. 

Dass  man  an  den  städtischen  Bauten  durchweg  die  Quader- 
oonstruktion  wählte,  haben  wir  schon  gesehen.  Das  glänzendste 
Beispiel  dieser  Art  ist  das  ehemalige  Krameramthaus,  jetzt 
Gewerbehaus  bei  der  Ansgarikirche.  Es  ist  ein  grossartiger 
Frachtbau,  dessen  flppige  Formen  bereits  das  17.  Jahrhundert 
yerrathen.  Zwei  colossale  Giebel,  durch  eine  Balustrade  ver- 
bunden, bauen  sich  an  der  breiten  Fa^ade  auf.  In  der  Mitte 
des  hohen  mit  gewaltigen  dreitheiligen  Fenstern  fast  völlig  durch- 
brochenen Erdgeschosses  ein  Portal  mit  korinthischen  Säulen, 
reich  mit  Figuren  geschmtlckt,  Alles  bemalt  und  vergoldet.  Das 
obere  Geschoss  hat  fast  eben  so  hohe  Fenster  von  ähnlicher  An- 
ordnung, wie  sie  überall  in  unseren  nordischen  Städten  aus  den 
Niederlanden  eingeführt  wurden.  Zwei  breite  Friese,  ganz  mit 
Masken,  Voluten  und  figürlichem  Bildwerk  bedeckt,  ebenfalls 
bemalt  und  vergoldet,  schliessen  die  beiden  Stockwerke  ab.  Die 
Giebel  endlich  erschöpfen  mit  ihren  Nischen,  Statuen,  geschweiften 
Voluten  alle  Formen  dieses  üppig  barocken  Stils.  'Die  den  ein- 
zelnen Geschossen  aufgesetzten  schlanken  Pyramiden  sind  sämmt- 
lich  mit  vergoldeten  schmiedeeisernen  Blumen  gekrönt  Die  phan- 
tastische Pracht  solcher  Silhouetten  überbietet  selbst  die  reiclisten 
Giebelcompositionen  der  gothrschen  Epoche,  wurzelt  aber  trotz 
der  Verschiedenheit  der  Formen  in  demselben  ästhetischen  Be- 
dttrfniss.  Auch  der  Giebel  der  Seitenfa^ade  ist  ähnlich  behandelt 
Der  grossartige  Bau  hat  im  Aeussern  und  Innern  eine  sorgfältige 
neuere  Herstellung  erfahren. 


In  Ostfriesland  ist  es  namentlich  Emden,  welches  für  Be- 
naissance  werthvoUe  Ausbeute  bietet  Der  saubere  Ort  mit  seinen 
graden  Strassen,  den  Backsteinhäusem,  den  zahlreichen  Kanälen, 
Brücken  und  Schleusen  macht  völlig  den  Eindruck  einer  hollän- 
dischen Stadt  Durch  ihre  günstige  Lage  schon  früh  reich  und 
blühend,  errichtete  sie  1574  bis  1576  ihr  stattliches  Rathhaus, 
das  ebenfalls  den  Einfluss  der  benachbarten  Niederlande  verräth. 
(Fig.  209).  An  der  Hauptfront  ganz  in  Haustein  ausgeführt,  hat 
es  im  Erdgeschoss  und  im  oberen  Stockwerk  jene  dichte  Beihe 
hoher,  durch  steinerne  Stäbe  getheilter  Fenster,  die  aus  Holland 
stammen.  Darüber  erhebt  sich  ein  Halbgeschoss  mit  einer  auf 
Gonsolen  den  ganzen  Bau  umziehenden  Galerie,  ein  etwas  später 


^p.  XIV.    Tybi  norddentsohen  Kflstengebiete.  76$| 

am  Stadthaus  zu  Antwerpen  sich  wiederholendes  if otiy.  Mitten 
durch  den  Bau  ftthrt  die  Hauptstrasse,  die  deshalb  sich  mit  einem 
mächtigen,  etwas  vortretenden  Bogenportal  als  Durchgang  charak- 
terisirt  Dieser  wird  wirksam  durch  einen  mit  dem  Hauptgeschoss 
in  Verbindung  stehenden  Balkon  abgeschlossen.  Ein  reich  mit 
Wappen  und  Figuren  geschmflckter  Dachgiebel  markirt  auch 
nach  oben  die  Mitte  der  Fafade;  darüber  ragt  aus  dem  rings 
abgewalmten  hohen  Dach  ein  in  Holz  construirter  viereckiger 
Thurm  auf,  nach  oben  mit  achteckigem  Aufsatz  und  darflber 
meder  mit  einem  Glockenstuhl  und  schlanker  Laterne  bekrönt 
Von  den  Galerieen  des  Thurmes  geniesst  man  einen  prächtigen 
Blick  über  die  weitgestreckten  Marschlande  und  die  Meeresbucht 
des  Dollart  Der  ganze  ansehnliche  Bau  ist  an  der  Fa^ade  in 
Quadern,  an  der  Bttckseite  in  Backstein  aufgeführt;  nur  die  obere 
Galerie,  sowie  der  Uhr-  und  Glockenthurm  sind  in  Holz  con- 
struirt  Die  feinen  Ornamente  und  Skulpturen  am  mittleren 
Dachgiebel  zeugen  von  einer  geschickten  Hand.  Auch  hier  spielen 
die  schmiedeeisernen  Blumen  als  Krönungen  eine  RoUe. 

Der  Eingang  zum  oberen  Gesohoss  liegt  in  dem  kleinen  zier- 
lichen Portal  neben  dem  grossen  Thorwege.  Es  hat  eine  kräftig 
geschnitzte  Thttr  und  einen  Löwenkopf  als  Thttrklopfer.  Die 
Treppe  zeigt  Netzgewölbe  ohne  Bippen,  aber  getheilt  durch  Quer- 
bögen, welche  auf  hübschen  Senaissanceconsolen  ruhen.  Diesel, 
so  wie  die  Gurte  und  das  Geländer  schimmern  von  Gold  und 
Farben.  In  den  Ecken  des  Treppenhauses  ist  zweimal  auf  einer 
elegant  durchgebildeten  Gonsole  ein  Schränkchen  mit  Glasthür 
als  Lichtständer  angebracht  Der  obere  Yorsaal  ist  jetzt  weiss 
getüncht  und  hat  nur  einige  alte  Gemälde  mit  kräftig  geschnitzten 
Bahmen  und  einen  zierlichen  Messingleuchter  als  Ausschmückung. 
Die  Balken  der  rohen  Bretterdecke  ruhen  auf  hübsch  dekorirten 
Gonsolen.  In  dem  anstossenden  Vorzimmer  sieht  man  einen  fein 
geschnitzten  Schrank  aus  jener  Zeit  Der  Sitzungssaal  ist  ganz 
modemisirt,  das  Innere  überhaupt  nicht  mehr  von  Bedeutung. 
Sehenswerth  sind  aber  mehrere  ausgezeichnete  silberne  Bemds- 
sancegefftsse :  eine  Fruchtschaale,  Waschschüssel  und  Kanne,  drei 
prachtvolle  Pokale  und  ein  als  Schiff  gestalteter  Becher.  Eine 
zuerst  steinerne,  dann  hölzerne  Wendeltreppe  führt  in  das  zweite 
Geschoss,  dessen  ganzer  Baum  durch  eine  grosse  Sammlung 
alter,  zum  Theil  künstlerisch  werthvoller  Waffen  ausgefüllt  mrd. 

Ein  gediegener  Bau  derselben  Zeit  ist  die  Brücke,  welche 
in  der  Axe  des  Bathhauses  über  den  Fluss  führt,  mit  fünf  Bögen 
in  Backstein  errichtet,  aber  mit  reichem  Sandsteinschmuck  von 
Wappen,  Fruchtschnüren  und  Masken  dekoiirt    Auch  die  Neue 

Kagler,  OMOh.  d.  Baukvoat.    V.  49 


770  HL  BueL   Die  lUaftlanBoa  in  DenttdÜMid. 


Kirehe  ist  ein  Bau  denelbea  Zeitj  ebeaUÜB  aus  Baokrtaiii,  die 
GliedenmgeiL  in  Sandstdn,  namentlich  die  hohen  Bundbc^ien- 
feaster^  welche  gothisirendes  Maasswerk  zeigen.  D^  Bau  iat  in 
Erenzfonn  angelegt,  mit  hohen  einfachen  Giebeln,  alles  ziemlich 
nttchtenu 

Ein  merkwürdiges  Benaissancewerk  besitzt  die  an  sich  sehr 
unbedeutende  Grosse  Kirche  St  Cosmas  und  Damianus.^)  Es 
ist  das  Denkmal  des  1540  gestorbenen  Grafen  Enno  11  von  Ost- 
frieslandy  1548  —  jedenfalls  von  Niederländischen  Ettnstlttii  — 
ausgeführt  Die  Marmorfigur  des  YerstorbeDcn,  auf  dem  Sarko- 
phag liegend,  ist  schon  sehr  modern  und  wohl  stark  restaurirt; 
aber  überaus  originell  zdgt  sieh  die  Einfassiuig  der  Kapelle, 
läegante  dorische  Säulen  wechseln  mit  phantastischen  Hermen, 
welche  LöwenkSpfe  haben,  und  deren  Fflsse  wie  aus  Futteralen 
henrorragen:  Formen,  die  in  der  franzdsisdien  und  niederlän- 
dischen Renaissance  öfter  Torkonmien.  Dazwischen  sind  kleinere 
Theilungen  durch  Hermen  und  Karyatiden,  abwechselnd  mit  den 
elegantesten  ionischen  Säulchen  hergestellt  Die  Postamente  der 
grossen  Säulen  und  Hermen  sind  mit  Trauergestalten  dekorirt 
Endlich  sieht  man  oben  in  den  ftnf  Bogenfeldem  und  den  Friesen 
die  ganze  Leichenbestattung,  die  Zflge  der  Trauernden  mit  der 
Bahre,  den  Leichenwagen  und  das  Gefolge  der  Leidtragenden 
in  trefflich  ausgeführten  Belieb.  Es  ist  als  ob  man  die  Be- 
schreibung eines  jener  prunkvollen  fürstlichen  Begräbnisse  der 
Zeit  lebendig  werden  säh&  In  der  Mitte  baut  sich  sodann  auf 
Pilastem  ein  Baldachin  mit  Tempelgiebeln  auf.  Nach  innen  sind 
statt  der  Karyatiden  nur  ionische  Säulenreihen  in  eleganter  Canne- 
lirung  dem  Bau  vorgesetzt  Der  obere  Baldachin  stützt  sich  hier 
auf  zwei  wachthaltende  Krieger.  Das  Ganze  trägt  durchaus  das 
Gepräge  französisch -niederländischer  Kunst 

Etwas  weniger  ausgiebig  ist  Oldenburg;  doch  bieten  die 
älteren  Theile  des  Schlosses,  am  nordöstlichen  Sockel  mit  1607 
bezeichnet,  einen  wenn  auch  nicht  bedeutenden  Best  dieser  Zeit, 
welcher  sich  indess  immerhin  charaktervoll  von  den  späteren 
kasemenartigen  Zusätzen  unterscheidet  Es  sind  zwei  Stockwerke, 
denen  in  der  Mitte  ein  drittes  Geschoss  aufgesetzt  ist  Die  breiten 
dreüheiligen  Fenster,  mit  gebrochenen  Giebeln  geschlossen,  haben 
eine  Einfassung  von  Hennen  und  barockgeschweiften  Rahmen. 


0  AuMerdem  eine  MesBingplatte  des  Priesters  Hermann  Wessel  aus 
Rostock  (t  1500)  ein  edles  spfitgothlsches  Werk,  mit  feinen  gravirten  Dar^ 
Btennngen,  in  der  Mitte  die  grosse  Gestalt  Christi,  rings  von  kleinen 
Heiligenfigaren  nmgelben. 


Kap.  XIV.    Die  norddeatsoheii  KttateBgebfete.  771 

Die  Eeken  des  (^ebäades  zeigen  reich  ornameBtirte  Quader,  den 
oberen  Abschluss  bildet  eine  Balustrade,  darflber  ein  wohl  sp&ter 
umgestaltetes  Mansardendach,  endlich  ein  Thurm  mit  kuppel- 
artiger Spitze.  Das  Ganze  nicht  rein  und  nicht  ausgezeichnet, 
aber  doch  wirksam  (bis  auf  die  späte  nttchteme  grosse  Pilaster- 
Stellung  in  der  Mitte).  Alle  diese  Bauten  haben  doch  etwas  . 
indi?iduell  Lebensvolles,  daher  der  firische  anziehende  Eindruck. 
Der  Bau  wurde  ^)  durch  Graf  Anton  Gftnther,  der  1603  im  Alter 
Yon  23  Jahren  zur  Regierung  kam,  neu  aufgeführt,  als  er  1606 
von  einer  Beise  nach  dem  kaiserlichen  Hof  zu  Prag  und  Ton  dort 
durch  Oesterreich  und  Oberitalien  zurückkehrte  und  das  alte 
Schloss  zu  schlecht  fand.  Architekten  waren  ein  Italiener  Andrea 
Speza  de  BaniOj  der  aber  während  des  Baues  davonlief,  und  ein 
herzoglich  meklenburgischer  Baumeister  Georg  RemhardL  Vollen- 
det wurde  der  Bau  1616  und  erhielt  wegen  der  ,,  vielen  bequemen 
mit  künstlichen  Gemälden  verzierten  Gemächer*"  den  Beifall  der 
Zeitgenossen.  Im  Archiv  zu  Oldenburg  befindet  sich  eine  Er- 
klärung der  „sinnreichen  Embleme  und  allegorischen  Figuren  im 
grossen  Saale.  ^  Von  den  Tugenden  heisst  es  z.  B.:  ,,die  Jungfer 
auf  der  rechten  Seite  giesst  aus  einer  Giesskanne  in  ein  Becken : 
also  soll  auch  ein  Fürst,  dem  Gott  der  Herr  die  Mittel  gegeben, 
Geld  und  Gut  nicht  schonen,  sondern  freiwillig  dahingehen .... 
Die  gehamischte  Jungfer  mit  dem  blossen  Sehwerdt  und  einer 
brennenden  Laterne,  hinter  sich  eine  Gans  und  auf  dem  Kopfe 
einen  Kranich,  zeigt  an,  wenn  gleich  Hannibal  ante  portas  und 
itzt  auf  dem  Kapitolio  in  Ihre  hochgräfl.  Gnaden  Saal  Mahlzeit 
halten  wollte,  so  sollen  doch  L  Gn.  stets  munter  und  in  Bereitr 
Schaft  gefunden  werden.^  Von  diesem  Saale  ist  keine  Spur 
mehr  vorhanden,  und  selbst  in  den  Grundrissen  bei  Thura^)  lässt 
er  sich  nicht  mehr  nachweisen. 

Derselben  Zeit  gehört  des  Bathhaus  an,  welches  die  Jahr- 
zahl 1635  trägt  Es  ist  ein  bescheidener  Bau,  der  jedoch  in  den 
drei  hohen  Barockgiebeln  der  Fa$ade  und  den  Seitengiebeln 
sowie  dem  etwas  kleinlich  behandelten  Portal,  das  mit  Figuren 
und  einem  vergoldeten  und  bemalten  Wappen  verziert  ist,  sich 
anziehend  wirksam  darstellt  Prächtig  sind  die  phantastischen 
Wasserspeier  mit  ihren  Drachenleibem. 

Den  Beschluss  möge  eins  der  merkwürdigsten  Denkmale 
bilden,  welche  die  deutsche  Benaissance  hervorgebracht  hat,  das 


<}  Das  Gesohiobtl.  m  WinQkehnaan's  Oldenb.  Chronik.  —  >)  Danske. 
Vitruvius  H,  Taf.  158—160. 

49« 


772  ni  Buch.    Renaissance  in  Dentschland. 

Grabmal  des  1511  gestorbenen  Edo  Wiemken,  von  seiner  Tochter 
Maria  1561  bis  1564  in  der  Kirche  zu  Jever  errichtet  (Fig.  210). 
Es  war  der  letzte  Häuptling  der  drei  friesischen  Landschaften, 
welche  den  ersten  gleichnamigen  Herrn  dieses  Geschlechts  um 
die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  frei  zu  ihrem  Herrscher  gewählt 
hatten.  Das  Denkmal,  lange  Zeit  verwahrlost,  sodann  1825  mit 
Sorgfalt  durch  0.  Lasius  wieder  hergestellt,^)  besteht  in  seinem 
Kern  aus  einem  mit  feinen  Arabesken  geschmückten  marmor- 
nen Sarkophag,  auf  welchem  der  Verstorbene  in  voller  Bttstung 
mit  gefalteten  Händen  liegend  dargestellt  ist  Zu  Häupten  und 
zu  Fflssen  stehen  weibliche  Figuren  mit  Schildern,  deren  eines 
das  Jever'sche  Wappen,  das  andere  die  Inschrift  trägt  Das 
Ganze  erhebt  sich  auf  einem  sarkophagartigen  hohen  Unterbau 
von  Marmor,  dessen  schwarzmarmorne  Deckplatte  von  sechs 
Statuen  christlicher  Tugenden  gestützt  wird,  vier  davon  neuer- 
dihgs  ergänzt  Sechs  weinende  Eindergestalten  mit  umgekehrten 
Fackeln  sind  zwischen  ihnen  etwas  weiter  rückwärts  aufgestellt 
Den  untern  Sarkophag  schmückt  ein  Alabasterfries  mit  Dar- 
stellungen aus  dem  Leben  Christi,  weiter  unterhalb  ein  zweiter 
Fries  mit  Scenen  aus  dem  alten  Testamente.  Endlich  sind  auf 
den  unteren  Marmorstufen  sechs  liegende  kleine  Löwen  ange- 
bracht Dies  prachtvolle  Denkmal  wird  nun  von  einem  in  Eichen- 
holz luftig  aufgeführten  achteckigen  Kuppelbau  eingeschlossen, 
der  im  (%ore  der  Kirche  eine  selbständige  Grabkapelle  bildet 
Das  untere  Geschoss  umgeben  acht  tiefe  Bögen  in  Form  von 
cassettirten  Tonnengewölben,  welche  aussen  auf  kurzen  gegürteten 
korinthischen  Säulen,  innen  auf  Pfeilern  mit  angelehnten  Atlanten 
ruhen.  Durchbrochene  Balustraden,  die  äusseren  von  zierlichen 
Docken,  die  innem  von  Karyatiden  gebildet,  schliessen  den  Baum 
ab.  Durch  die  weiten  Bögen  ist  der  Blick  auf  das  Denkmal  von 
allen  Seiten  frei  gegeben,  lieber  den  inneren  Pfeilern  steigen 
acht  weitere  Stützen  als  oberes  Geschoss  auf,  das  wieder  mit 
acht  weiten  Bögen  sich  öffiiet  und  als  Decke  ein  prachtvolles 
Stemgewölbe  hat,  mit  Laubwerk  in  Schnitzarbeit  geschmückt 
Wie  ein  luftiger.  Baldachin,  an  den  Ecken  von  Atlanten  und 
Karyatiden  eingefasst  und  mit  reichem  Gonsolengesims  abge^ 
schlössen,  krönt  es  den  ganzen  Bau.  An  den  vier  Hanptseiten 
trägt  es  barocke  Giebelaufsätze,  am  vorderen  das  BQd  des  Ge- 


*)  Die  Zeichnung  rührt  von  einer  Aufnahme  des  Hern  Sonnekes  in 
Jever,  mir  durch  Güte  des  Herrn  Oberbandirektor  Lasins  in  Oldenburg 
sammt  ausführlicher  Beschreibung  mitgetheilt. 


Kap.  XIV.    Die  norddentadwi  EtUtengelitot«.  773. 

kreuzigten,  darflber  Gottvater  und  die  Taabe  des  h.  Geistes,  an 
dea  drei  andern  Hosea,  Petrui  und  Faitlus.  lat  dies  Alles  aus 
chriitHoher  Amchaunn^  ^cböpft,    so   sind    dagegen  die  Eck- 


Flf.  no.    Jevar.    Oiibmiü. 


figoren  am  Baldaahin  als  Mereuriaa,  Venus,  Jupiter,  Hlnerva, 
SatnmQB,  Fortitndo',  Mars  und  Luna  bezeiofanet  Ni<^  niiitder 
wunderilch    werden    die  Eckfiguren  des  untenj  GeaohoBses   — 


774  Ol'  Buch.    ReMtaaBee  in  Deutsdilftiid. 

ebenfalls  abwechselnd  niSnnliehe  und  weiMiehe  —  als  ffiietorika^ 
David,  Dialektika,  Salomon,  Musika,  Josias  (?),  Memoriii  und 
Saal  bezeichnet.  Sftmmtliclie  Figuren  und  Säulen  sind  in  weisser 
Farbe  gehalten.  Die  ArchitraVe  ttber  diesen  Figuren  zeigen  Friese 
mit  Reliefs  von  höchst  merkwürdigem  Inhalt  Sie  beginnen  wie 
an  dem  Grabmal  zu  Emden  mit  der«  Daxstellung  des  Leichen- 
zuges, wobei  unter  dem  Sarge  der  treue  Hund  als  Leidtragender 
mit  geht ;  dann  kommen  phantastische  Zflge  yon  Kriegern,  Faunen 
und  Satyrn,  Kämpfe  von  Kittern,  endlich  allerlei  Phantastisches, 
Ungeheuer,  Fratzen  und  dergleichen.  Ausserdem  sind  sämmtliche 
Deckenfelder  der  Wölbungen  in  ihren  Gassetten  mit  Schnitz- 
werken geschmückt,  die  einen  unerschöpflich^i  Beichthum  von 
Erfindung  zeigen.  Das  ganze  Werk,  wohl  sicher  von  Nieder- 
ländern ausgeführt,  ist  eins  der  prachtvollsten  und  originellsten 
seiner  Zeit 

Von  ähnlichem  Beichthum  ist  die  gesohnitzte  Holzdecke,  welche 
den  Saal  des  Schlosses  zu  Jever  sohmü6kt:  ein  weiterer  Be- 
weis, das»  auch  an  diesen  fernen  Gestaden  die  Prachtliebe  jener 
Zeit  nach  künstlerischem  Ausdruck  verlangte. 


XV.  Kapjtel. 
Obersaehsen« 


In  den  obersächsischen  Landen  tritt  uns  die  Benaissance 
frühzeitig  mit  bedeutenden  Schöpfungen  entgegen.  Und  zwar  ist 
es  hier  fast  ausschliesslich  das  Fürstenthum,  welches  dieselbe 
fördert  und  einführt,  während,  was  die  grösserem  Städte  wie 
Leipzig,  Dresden,  Altenburg,  Halle,  Erfurt  an  bürgerlichen  Bauten 
aufzuweisen  haben,  daneben  von  geringerem  Belang  ist  Das 
sächsische  Kurhaus,  an  der  Spitze  der  reformatorischen  Bewegung, 
war  auch  für  die  Entfaltung  des  gesammten  Kulturlebens,  nament- 
lich der  Bau-  und  Bildkunst  von  eingreifender  Bedeutung.  Was 
die  Höfe  von  Stuttgart  und  Heidelberg  für  Süddeutschland  waren, 
das  wurde  in  noch  höherem  Maasse  der  sächsische  Hof  für  Nord- 
deutschland*  Zwar  waren  bis  in  die  Mitte  des  16.  Jahrhunderts 
die  Kurfürsten  in  erster  Linie  durch  die  reformatorische  Thätig- 
keit  in  Anspruch  genommen,  aber  ein  reger  Eifer  fürj Erneuerung 


KAp.  XV.   Otencbflen.  77$ 


im  foUgiteeii  Lebens  und  Pflege  der  WiMenseliaft  ging  bei 
sett  Flbstenbause  mit  einem  höbeien  Ennstainn  Himd  in  Hand. 
Wie  die  flAcbeiecken  Ffiraten  seit  Friedrieb  dem  Weisen  die  nam- 
baltesten  Mdster  DentseUands  mit  Anftrftgen  betranten,  wie  ein 
Dttrer,  Cranacb,  Peter  nnd  Hermann  Yisober  n.  a.  flbr  sie  be- 
sdiftfügt  waren,  ist  bekannt  Die  Denkmftler  der  Sobloeskirehe 
in  Wittenberg,  Dflrers  Marter  der  Zehntaasend,  zahbretcbe  GemAlde 
CSranaehs  geben  davon  Zeagniss.  Weniger  bat  man  bisher  ihre 
Baoten  ins  Ange  gefassi  leh  kann  hier  nnr  das  Wieht^iste 
berthren.  Ein  so  gewaltiges  Fttrstensehloss  wie  die  Albrechts- 
bmg^  in  Meissen,  ron  dem  Stifter  der  Albertinisehen  Linie  1471 
bis  1483  dnreh  den  westfillisehen  Meister  j4moU  BestQrUng  noeh 
gau  in  goihischen  Formen,  aber  in  mftohtigster  Baumentwioklnng 
erbaut,  hat  das  Mittelalter  in  Dentsdiland  nirgends,  nur  etwa 
mit  Ausnahme  der  Marienburg,  henrorgebraoht.  In  der  Zeit  der 
Frflhrenaissanee  stdit  Johann  Friedrieh  der  Orossmflfhige  das 
Sehless  su  Torgau  seit  1532  als  ein  ebenbflrtiges  Werk  von  nieht 
minder  grossartiger  Anlage  hin.  Kurfürst  Morits  bewirkt  dann 
seit  1547  den  ehemals  prachtvollen  Neubau  des  Sohlosses  zu 
Dresden,  naehdem  schon  Georg  der  Bftrtige  1530  das  elegante 
Zierstttck  des  Georgenbaues  errichtet  hatte.  Aber  sehen  vorher 
war  die  Benaissance  hier  eingeführt  worden,  und  swar  durch 
einen  Augsburger  Meister  Adolph  Dowher^  welcher  1519  den  Haupt- 
altar der  Stadikirche  zu  Annaberg  aus  Solenhofer  Kalkstein 
auf  einem  Grunde  von  rothem  Marmor  arbeiteta  ^  Aus  derselben 
Frfihzeit  (1522)  datirt  ebendort  die  Thür  der  Sakristei,  wahr* 
scheinlich  das  Werk  eines  einheimischen  Meisters,  in  einem  Ge- 
misch von  gothigchen  und  Benaissanceformen  ausgefnhrt')  Den 
neuen  Stil  soll  auch  ein  Portal  an  der  Burg  Stolpen  vom  Jahre 
1520  zeigen.*)  —  Die  höchste  Steigerung  gewinnt  aber  auch  hier 
das  künstlerische  Leben,  nachdem  die  Kämpfe  um  Beligionsfreiheit 
zürn  Abschluss  gebracht  sind  und  der  kraftvolle,  kluge,  bei  aUem 
lutherischen  Starrsinn  kunstliebende  und  kulturfördemde  Kurfürst 
August  in  langer  friedlicher  Begierung  (1553  bis  1586)  Aber  dem 
Lande  waltet  Unter  ihm  wird  das  Scbloss  zu  Dresden  vollendet 
und  prachtvoll  ausgestattet 

Die  sächsischen  Baumeister  wmdeten  seit  1530  den  Benais« 
sancestil  an  und   erlangten  bald   weithin   in  Norddeutschland 


0  VergL  Waagen,  Kunstw.  nnd  KtinstL  in  Dentschland  I,  38  ff.  — 
*)  Ebenda,  8.  86  fg.  —  *)  Dr.  Jnlitts  Sehnddt  im  AreUv  ftlr  SSehs.  Gesch. 
XI,  S.  167. 


776  in.  Buch.    Benainaiiee  in  I)eiit8ohUmd. 

solchen  Buf,  dass  sie  von  Fürsten  und  Stftdten  in  schwierigem 
Fällen  um  Bath  gefragt  wurden.  So  in  Görlitz  beim  Bau  des 
Bathhauses,  wo  man  im  Jahr  1519  den  herzoglich  sächsischen 
Baumeister  von  Dresden  zur  Entscheidung  ttber  eine  angebliche 
Fahrlässigkeit  des  ausführenden  Meisters  berief  (vgl.  oben  S.  696). 
Von  Berlin  wurden  ebenfalls  sächsische  Meister  wiederholt  be- 
rufen, und  die  Arbeiten  des  Caspar  Theiss  am  Schlosse  dort 
legen  die  Vermuthung  nah,  dass  derselbe  an  den  Bauten  in 
Dresden  und  Torgau  seine  Ausbildung  erhalten.  Wenigstens  sind 
die  runden,  an  den  Ecken  ausgekragten  Erker,  die  offenen  Gale- 
rieen,  selbst  die  Ornamente  in  ihrer  Zeichnung  und  Ausführung 
offenbar  auf  die  sächsischen  Vorbilder  zurückzuführen.  Später 
(1585)  schickt  Kurfürst  August  seinen  Maurermeister  Peier  Kummer 
behufs  des  Schlossbaues  dorthin  (oben  S.  708);  1604  werden 
Maurer  aus  Meissen  verschrieben,  und  um  dieselbe  Zeit  baut 
Balthasar  Benzelt  aus  Dresden  das  Haus  der  Herzogin  im  Schlosse 
(vgl  S.  709).  Ebenso  haben  wir  erfahren,  (S.  730),  dass  Johann 
Albrecht  I  von  Meklenburg  1554  vergeblich  vom  Kurfürsten  August 
seinen  Baumeister  Caspar  Voigt  erbat,  der  damals  mit  dem  Festnngs- 
bau  von  Dresden  und  den  Fundamenten  zur  Pleissenburg  be- 
schäftigt war. 

Italienische  Künstler  wurden  schon  früher,  unter  Kurfürst 
Moritz,  ins  Land  gerufen;  aber  es  ist  doch  bezeichnend,  dass 
ein  deutscher  Meister  Hans  Dehn  der  Roihfclser  die  Obwleitung 
des  Schlossbaues  zu  Dresden  in  Händen  hat,  während  unter  ihm 
welsche  Estrichschläger,  Steinmetzen,  Maurer  und  Maler  thätig 
sind.  In  der  späteren  Zeit  zog  nun  Kurfürst  August  fremde 
Künstler  in's  Land,  darunter  namentlich  Giav.  Maria  Nassem  aus 
Lugano  (geb.  1544),  der  1575  als  kurfürstlicher  Bildhauer  und 
Maler  angestellt  wird  und  bis  zu  seinem  Tode  1620  grosse  Ar- 
beiten ausführt^)  Schon  vorher  (1563)  hatte  der  Kurfürst  nach 
Bissen  der  „welschen  Musici  und  Maler**  Gabriel  und  Benedict  de 
Tola  aus  Brescia,  welche  bei  Ausschmückung  des  Schlosses  in 
Dresden  beschäftigt  waren,  das  prachtvolle  Monument  seines 
Bruders  Moritz  für  den  Dom  in  Freiberg  ausfuhren  lassen.  Ein 
niederländischer  Meister  Anton  von  Seroen  hatte  es  in  Antwerpen 
gearbeitet  Die  zehn  Greifen,  welche  die  obere  Platte  mit  der 
Statue  des  knieenden  Fürsten  tragen,  mussten  in  Lübeck  ger 
gössen  werden,  da  die  marmornen  Greifen  nicht  genügend  waren 
die  Last  zu  tragen.     Wolf  Hilger  in  Freiberg  goss  das  Krucifix, 


*)  VergL  über  Dies  und  das  Folgende  den  werthvoUen  Aufsatz  von 
Dr.  Julius  Schmidt  im  Archiv  für  Sachs.  Gesch.  XI.  Hefl;  1  u.  2. 


Kap.  XV.    ObenaohBon.  777 

TOT  wdehem  der  Betende  kniet  Eine  ,,feine,  kurze j  tapfere 
Grabsehrift^  zn  bekommen,  hielt  besonders  schwer,  da  Melanoh- 
fhon,  Ton  dem  der  Kurfürst  eine  solche  wünschte,  darüber  ge* 
storben  war.  Nun  beschloss  der  Kurfürst,  den  Chor  des  Domes 
zu  einer  Grabkapelle  der  Fürsten  seines  Hauses  gl&nzend  umzu- 
gestalten. Nosseni  entwirft  1585  den  ersten  Plan  zu  diesem 
grossartigen  Werke,  das  die  Formen  der  italienischen  Hoch- 
renaissance hier  zum  ersten  Mal  zur  Geltung  bringt  Um  das 
Material  für  die  Bauten  herbeizuschaffen,  muss  der  Künstler 
überall  im  Lande  nach  Steinbrüchen  yon  Marmor,  Alabaster,  Gyps 
und  Kalk  suchen;  schon  früher  hatte  der  Kurfürst,  stets  eifrig 
bemüht  neue  Erwerbsquellen  seinem  Lande  zu  erschliessen,  unter 
Zusicherung  einer  besonderen  „Ergötzlichkeit^,  zum  Auffinden  sol* 
eher  Steinlager  seine  Baumeister  angefeuert.  Zur  Ausschmückung 
seiner  Schlösser  berief  er  den  Maler  und  Bildschnitzer  Hans  Schröer 
aus  Lüttich  (dem  Namen  nach  eher  ein  Niederdeutscher  als  ein 
Niederlftnder),  den  er  beim  Landgrafen  Wilhelm  von  Hessen  in 
Cassel  kennen  gelernt  hatte.  Dieser  malte  u.  A.  für  das  Schloss 
Freudenstein  bei  Freiberg  achtzehn  Bilder  aus  der  Geschichte 
des  Amadis  von  Gallien.  Auch  im  Schloss  zu  Dresden  war  er 
1575  beschäftigt  Er  wird  als  ein  Künstler  bezeichnet,  der  im 
Malen,  Giessen  und  „in  der  weissen  Arbeit,  so  man  Stuck  nennt ^ 
erfahren  sei.  Den  im  Festungsbau  gepriesenen  Grafen  Rochus 
Ij^tOTj  einen  Italiener,  der  später  in  Brandenburgische  Dienste 
trat  (siehe  oben  S.  708)  berief  August  schon  1570,  um  durch  ihn 
Dresden  befestigen  und  die  Schlösser  Annaberg,  den  Freuden- 
stein bei  Freiberg  und  die  Augustusburg  oben  im  Erzgebirge 
erbauen  zu  lassen.  Die  Kunstkammer  in  Dresden  war  damals 
schon  wegen  ihres  Reichthums  an  Meisterwerken  aller  Art  die 
Bewunderung  der  Zeitgenossen. 

Der  baulustige  Cihristian  I  (1586  bis  1591)  setzt  die  von 
seinem  Vater  angefangenen  Unternehmungen  nicht  minder  eifrig 
fort.  Nosseni  reist  1588  nach  Italien,  gewinnt  dort,  durch  Ver- 
mittlung des  Giovanni  da  Bologna,  für  die  Bronzewerke  des  Frei- 
berger  Grabdenkmals  den  florentiner  Erzgiesser  Carlo  de  Cesare 
und  beruft  noch  andere  welsche  Künstler,  versäumt  auch  nicht 
in  Murano  600  venezianische  Kristallgläser  für  den  Kurfürsten 
zu  kaufen.  Während  in  Freiberg  an  der  Grabkapelle  fortgebaut 
wird,  beginnt  man  in  Dresden  auf  der  grossen  Jungfembastei 
an  der  Elbe  ein  Lusthaus  zu  errichten,  wie  es  damals  an  allen 
Höfen  als  Schauplatz  für  die  prunkvollen  Feste  beliebt  war.  Der 
Bau,  an  der  herrlichen  Stelle  des  jetzigen  Belvedere  gelegen,  wo 
die  Aussicht  über  den  Strom  und  die  mit  Wein  bekränzten  und 


778  ni.  Buch.    BflBAiBttnce  in  Deutschland. 

mit  yülen  übersäeten  Htlgelzttge  sich  in  yoller  Lieblidikeit  Mfhet, 
wurde  nach  langer  Unterbreehung  erst  t617  yon  Nosseni  wieder 
aufgenommen  und  durch  seinen  Nachfolger  Sebastian  WaUker 
▼ollendet  Mit  seinen  vier  ionischen  Marmorportalen  und  den  in 
Alabaster,  Marmor  und  Serpentin  getäfelten  Wftnden,  den  zahl- 
rdchen  Büsten,  den  von  vergoldeten  Blumengewinden  eingerahm- 
ten Freskogemälden  der  Decke  war  ar  ein  Wunderwerk  der  Zeit 
Der  Blitz,  der  1747  in  das  unbegreif lieher  Weise  unter  ihm  an- 
gebrachte Feuerwerklaboratorium  schlug,  zerstörte  den  reiohen 
Bau.  Die  Grabkapelle  in  Freiberg  wird  1593  vollendet  und  dem 
ehrgeizigen  Italiener  gestattet,  sein  Verdienst  um  diese  in  einer 
Marmorinschrift  zu  rühmen.  Der  Aufwand  fflr  den  ganzen  Bau 
hatte  sich  auf  51,000  Meissner  Gulden  belaufen.  Neben  alledem 
wird  Nosseni  vielfach  nicht  bloss  vom  Kurfürsten,  sondern  aueh 
von  den  befreundeten  Höfen  veranlasst,  fttr  die  glänzenden  Fest- 
liohkeiten  die  Dekorationen  zu  entwerfen  und  die  ktbistlerisehen 
Ideen  anzugeben.  So  bürgert  sich  hauptsächlich  dureh  seine 
Wirksamkeit  die  Benaissance  naeh  allen  Seiten  ein« 


T4»rgaiL 

Die  Stadt  Torgau,  berühmt  durch  das  1526  hier  geschlossene 
Bündniss  und  die  1530  hier  abgefassten  Torgauer  Artikel,  die 
Grundlage  der  Augsburgischen  Confession,  war  im  14.  Jahrhundert 
die  fiesidenz  der  Markgrafen  von  Meissen.  Seit  1481  erbaute 
Herzog  Albrecht  das  steil  über  der  Elbe  aufragende  Sehloss 
Hartenfels,  dessen  älteste  Theile  noch  aus  dieser  Zeit  stammen. 
Die  Vollendung  des  ansehnlichen  Werkes  erfolgte  dann  unter 
Johann  Friedrich  dem  Grossmüthigen,  mit  dessen  Begierungs- 
antritt (1532)  wir  inschriftlich  dort  neue  Bauthätigkeit  nachweisen 
können.  Nächst  der  Plassenburg  ist  das  Sohloss  zu  Torgau  das 
gewaltigste  Denkmal  der  Benaissance  in  Deutschland.  Auf  einem 
erhöhten  steil  abfallenden  Hügel  an  der  Elbe  erhebt  es  sich  und 
kehrt  seinen  südöstlichen  Hauptbau  (H  in  Fig.  211)  mit  weit 
vorspringendem  thurmartigem  Erker  F  dem  Flusse  zu.  ^)  Der  Bau, 
jetzt  als  Kaserne  benutzt  und  dadurch  vielen  Umgestaltungen  und 
modernen  Zusätzen  anheimgefallen,  ist  eine  unregelmässige  An- 
lage, deren  Kern  noch  dem  Ausgang  des  MitteliJters  angehört 
Johann  Friedrich  der  Grossmüthige,  der  hier  1503  geboren  wurde, 


0  Der  Orandriss  ist  mir  auf  gütige  Vermittlang  des  Herrn  Ferd.  v.  Quast 
durch  die  K.  Commandantor  der  Festung  Torgan  mitgetheüt  worden. 


Kapi  XV.    Oberaachsen, 


779 


hat  das  SehlosB  in  grossartigem  Siime  vollendet  nnd  darauB  eins 
der  rdchsten  Werke  unserer  FrtQurenaissance  geschaffen.  Der 
Zugang  liegt  an  der  Westseite  in  der  rechten  Bcke  des  Flügels  A. 


Flg.  911.    SeUoM  an  TorgM.    QmiidrlM  dei  I.  Stoeks. 

Nach  anssen  zeigt  der  Bau  hier  kräftig  barocke  Giebel  vom 
Schluss  der  Renaissancezeii  Derselben  Epoche  gehört .  das  in 
derber  Bostika  durchgeführte  Hauptportal,  über  welchem  zwei 


780  ni.  Buch.    BenaisBänce  in  Deutschland. 

Löwen  das  praditvoU  aasgefDhrte  kurs&ehglsohe  Wappen  halten. 
Aach  der  Hauptthurm  hat  seine  Bekrönnng  in  derselben  Spfttzeit 
empfangen.  Tritt  man  ein,  so  befindet  man  sich  in  jeinem  un- 
regelmässigen Hofe,  dessen  grösste  Länge  gegen  240  Fuss  be- 
trägt Die  ältesten  Theile  liegen  in  dem  südwestlichen  Flttgel 
zur  Rechten  des  Eintretenden  bei  E,  während  an  der  anderen 
Seite  der  übereck  gestellte  Thurm  B,  der  ungeschickt  in  die 
späteren  Bauten  hineingreift,  den  AbscUuss  dieser  ältesten  Theile 
bezeichnet  Der.yon  zwei  Treppenthürmen  flankirte  südliche 
Theil  L  scheint  auch  zeitlich  die  Fortsetzung  der  früheren  An- 
lage zu  sein.  An  ihn  stösst  in  der  südöstlichen  Ecke  d^r  Haupt- 
thurm des  Schlosses,  an  diesen  aber  legt  sich  der  grosse  östliche 
Flügel  H  mit  seinem  gewaltigen  Treppenhause  G,  dem  praoht- 
Tollsten,  welches  die  Benaissance  in  Deutschland  heryorgebracht 
hat  Zwei  Freitreppen  mit  besonderer  Yerdachung  fbhren  zum 
Hauptgeschoss  empor  und  münden  dort  auf  eine  freie  Altane, 
welche  sich  über  dem  viereckigen  Unterbau  um  das  halbrunde 
Treppenhaus  herumzieht  (vergL  Fig.  212).  Diese  Treppe  selbst 
ist  in  den  grössten  Dimensionen  als  Wendelstiege  um  eine  Spindel 
emporgeftthrt  Das  ganze  Innere  des  Flügels  scheint  im  Haupt- 
geschoss nur  einen  einzigen  Saal  Ton  circa  200, Fuss  Länge  bei 
38  Fuss  Breite  gebildet  zu  haben.  Auf  beiden  *  äusseren  Ecken 
sind  halbrunde  Erker  mit  freiem  Blick  über  den  Fluss  und  die 
weite  Flachlandschaft  angebracht  In  der  Mitte  springt  thiirm- 
artig  bei  F  ein  grosser  Pavillon  vor.  Im  zweiten  Stockwerk  zieht 
sich  auf  gewölbter  Auskragung  (vergl.  Fig.  212)  eine  Galerie 
im  Innern  des  Hofes  vor  diesem  Haifptflügel  hin,  die  Verbindung 
mit  den  anstossenden  Bauten  vermittelnd.  ^  Am  Hauptthurm  da- 
gegen ist  in  beiden  Obergeschossen  die  Verbindung  durch  eine 
auf  Säulen  ruhende  Galerie  bewerkstelligt,  die  im  zweiten  Stock 
ihre  Fortsetzung  am  Flügel  L  bis  zum  benachbarten  Treppen^ 
hause  in  einer  offenen  Galerie  findet  Fast  im  rechten  Winkel 
stösst  sodann  der  nördliche  Flügel  an,  mit  dem  Hauptbau  durch 
eine  im  Halbkreis  geführte  kleine  Galerie  verbunden.  Nach  Aussen 
wird  dieser  Flügel  durch  die  beiden  grossen  Bundthürme  E  und 
D,  nach  innen  gegen  den  Hof  durch  den  prachtvollen  auf  S.  159 
abgebildeten  Erker  J  charakterisirt  Der  östliche  Theil  dieses 
Flügels  ist  übrigens  völlig  bdeutungslos,  der  westliche  aber  ent- 
hält ilie  Schlosskapelle  C,  die  gegen  den  Hof  durch  ein  reich 
dekorirtes  Portal  zugänglich  ist     Die  früheste  Jahreszahl  1532, 


0  Die  Abbildung  des  HofbB  nach  einer  Photographie  von  Palmiö  in 
Torgan.  .  ^ 


Kmp.  XY.    Obenaoluen.  781 

die  ich  am  SoblosBe  bemerkt  habe,  findet  sich  an  dem  OMlichen 
HauptäOgel  H  und  zwar  Bildlich  am  zweiten  Fenster  des  £rd- 
gest^OBses.     Der  Scfaluasstein  der  grosaen  Treppe  enthält  neben 


Flg.  111.    SchloMtior  IB  Torgw. 

den  Bniatbildern  des  ftrstliohen  Erbauers  und  seiner  Gemahlin 
die  Jahrzahl  1536.  An  dem  prächtigen  Erker  des  Nordflfigels 
liest  man  1544,  und  dieselbe  JafarzabI  trägt  die  Thflr  der  Kapelle. 
Demnach  sind  diese  Theile  des  SoblosBes  von  circa  1532  bis  1544 


782  ni  Buch.    Die  Benaissanoe  in  Dentsclilaiid. 

ansgeftthrt  worden.  Zwei  Jahre  vor  der  unseligen  Schlacht  bei 
Mühlberg  yoUendete  der  edle  Fürst  sein  Werk  durch  die  schöne 
Einweihungstafel  in  der  Kapelle. 

Der  Grossartigkeit  des  Baues  entspricht  der  Beichthnm  des 
plastischen  Schmucks.  Auch  darin  ist  er  nur  mit  der  Plassen- 
burg  zu  yergleichen,  die  er  jedoch  durch  Feinheit  der  Ausbildung 
weit  übertrifii  Am  einfachsten  sind  die  älteren  südwestlichen 
Theile.  Sie  haben  gekuppelte  Fenster  mit  spätgothischen  Yorhang- 
bögen,  die  auch  in  ihrer  Oliederung  noch  mittelalterlich  sind. 
An  den  beiden  Hauptflügeln,  dem  östlichen  und  nördlichen,  haben 
die  Fenster  zwar  cUeselbe  Form,  aber  weit  grössere  Yerhftltnisse 
und  sind  in  den  Bogenzwickeln  mit  feinen  Renaissance- Ornamen- 
ten, Laubwerk,  Festons,  Delphinen  und  Putten  schmückt  Von 
grösster  Zierlichkeit  sind  die  Sftulengalerien  am  Eckthurm,  mit 
Fürstenbildnissen  und  anderem  Ornament  überdeckt  Noch  grösser 
aber  ist  die  Pracht  an  dem  östlichen  Hauptflttgel,  wo  die  Frei- 
treppen, die  Altane  und  das  thurmartig  vorragende  mit  gebogenem 
Giebel  abgeschlossene  Treppenhaus  an  ihren  Balustraden,  Pi- 
lästern  und  Gesimsen  mit  einer  Ornamentik  von  unftbertroffenem 
Reichthum  prangen,  die  auch  an  der  langen  Galerie  des  zweiten 
Geschosses  durchgeführt  ist  Mit  dem  grossen  Beichthum  yer- 
bindet  sich  ein  seltener  Geschmack  in  Feinheit  der  Abstufung,  bei 
einer  durchweg  im  Flachrelief  ausgeführten  Zeichnung,  welche 
Vegetatives  und  Figürliches  zu  trefflicher  Wirkung  verbindet 
Prächtig  sind  die  Wappen  behandelt,  lebensvoll  die  Medaillons 
mit  fürstlichen  Brustbildern.  Das  (Gewölbe  der  grossen  Wendel- 
treppe zeigt  verschlungene  gothische  Netzgewölbe  und  mündet 
mit  dem  ersten  Podest  auf  einen  elegant  dekorirten  Bogen  und 
sodann  auf  ein  Portal  mit  Säulen  und  Ornamenten  in  demselben 
Frührenaissancestil.  Dies  war  der  Eingang  in  den  grossen  Fest- 
saaL  An  der  Treppe  ist  nicht  blos  die  Spindel,  sondern  jede 
Stufe  an  der  Unterseite  mit  Hohlkehlen  und  Bundstäben  in  mittel- 
alterlicher Weise  kraftvoll  gegliedert  Die  Spindel  endet  mit 
einem  fein  dekorirten  Bundpfeiler,  und  das  Treppenhaus  schliesst 
mit  einem  Netzgewölbe,  dessen  Schlussstein  die  Brustbilder  Jo- 
hann Friedrichs  und  seiner  Gemahlin  zeigt 

Kehren  wir  zum  Aeusseren  zurück,  so  finden  wir  selbst  die 
Unterseite  der  langen  Galerie  mit  schräg  gekreuzten  Eassettirungen 
und  mannigfaltigen  Bosetten  geschmückt  Die  höchste  Pracht  und 
Feinheit  erreicht  die  Dekoration  an  dem  Erker  des  Nordflttgels 
(vergl.  Fig.  29).  Die  Säule,  auf  welcher  er  ruht,  hat  am  Kapital 
Sirenen  von  köstlicher  Bewegung;  ausserdem  sieht  man  Dar- 
stellungen der  Judith,  der  Lukretia,  Friese  mit  Kampfscenen,  so 


E»p.  XV.   ObeiflAcliaen.  783 

dass  jede  Fläehe  mit  Ornament  ttbersponnen  ist  Dagegen  sind 
an  diesem  Flügel  die  ornamentalen  Füllungen  der  Fenster  bei 
Weitem  nieht  so  fein  und  mannigfaltig  wie  am  östlichen  ELaupt- 
ban.  Von  besonderer  Anmuth  ist  dagegen  das  Portal  zur  Sohloss- 
kapelle,  dessen  Bogen  mit  fiankenwerk  ausgefüllt,  in  welehem 
q>ielende  Putten  in  kühner  fast  theatralischer  Bewegung  die 
Marterwerkzeuge  halten.  Darüber  als  besondere  Tafel,  von  ge- 
sehweiften Saulchen  eingefasst,  ein  Relief  der  Grablegung  und 
Beweinung  GhristL  Dabei  die  Inschrift::  Im  1544  Jar. angefangen 
und  Torbracht. 

Im  Innern  zeigt  die  Earche  sich  als  einfaches  Bechteck  mit 
gothischen  Netzgewölben,  mit  eingefügten  schlichten  Emporen. 
Der  gut  aufgebaute  Altar  hat  in  dnem  hübschen  Rahmen  von 
korinthischen  Säulen  ein  Alabasterrelief  aus  der  Schlosskirche 
zu  Dresden,  elegant  ausgeftihrt  und  reich  vergoldet  Links  neben 
dem  Altar  ist  eine  grosse  Bronzetafel  in  die  Wand  eingelassen, 
welche  die  Dedikation  enthält  Sie  berichtet,  dass  Johann  Frie- 
drich 1544  diesen  Tempel  erbaut  habe.  Der  Rand  zeigt  pracht- 
volles Ornament  auf  Goldgrund,  das  oben  in  eine  Akanthusranke 
ausläuft  und  ein  Medaillon  mit  dem  Brustbild  des  Kurfürsten  um- 
schliesst  Diesem  entspricht  unten  das  Porträt  Luthers,  zu  beiden 
Seiten  die  jungen  Prinzen  Johann  Wilhelm  und  der  später  so 
unglückliche  Johann  FriedricL  Unten  und  oben  sind  ausserdem 
zwei  Engel  als  Wappeuhalter  angebracht;  die  Brustbilder  und 
Figuren  sämmtlich  bemalt,  die  Ornamente  auf  Goldgrund,  das 
Ganze  von  hohem  dekorativem  Werth,  inschriftlich  1545  durch 
Wolf  und  Oswald  Hilger  *)  zu  Freiberg  gegossen. 

Das  Aeussere  des  Schlosses  ist  schlicht  durchgeführt,  nur  von 
den  beiden  runden  Erkern  des  Saalbaues  hat  der  nordöstliche 
edle  Gliederung  und  reichen  Schmuck  von  Brustbildern,  figür- 
lichen Friesen  und  anderem  Ornament  in  delikatester  Behandlung. 
Von  der  inneren  Ausstattung  scheint,  da  das  Schloss  seit  langer 
Zeit  als  Kaserne  dient.  Nichts  mehr  vorhanden.  Dass  es  aufs 
Reichste  geschmückt  war  und  namentlich  durch  die  Hand  Ludcas 
Cranachs  und  seiner  Gehilfen  prächtige  malerische  Ausstattung 
erhalten  hatte,  erfahren  wir  aus  den  noch  vorhandenen  Rech- 
nungen. >)  Im  Saal  waren  Bildnisse  von  Fürsten  und  Kaisem, 
dann  Christi  Himmelfahrt  und  des  Papstes  Höllenfahrt  gemalt 


0  Von  Wolf  Hilger  in  der  Petrikirche  zu  Wolgast  das  Denkmal 
Herzog  Philipps  I  von  Pommern;  vergl.  meine  Gesch.  der  Plast.  S.  748.  — 
*)  Aus  dem  Gesammtarchiv  zu  Weimar  mitgetheilt  in  Sohuchardfe  Leben 
Lucas  Cranachs  I,  »3  iL,  UI,  265  ff. 


7S4  Uh  Bndi.    Die  "Banrimui««  in  DeDtMhUnd. 

Wie  der  Untei^iig  der  Bilder  bei  der  VerwUstun^  des  Schlosses 
durch  die  Spanier  selbst  von  katholischen  Zeitgenossen  betrauert 
wurde,  haben  wir  aus  der  Zimmerischen  Chronik  (oben  S.  86) 
er&hren.  Andrer  Art  war  freilich  die  Ausschmflckang  der  „  Spiegel- 
stube",  wo  mau  „zwo  Tafeln,  daruff  Bulschaften  gemalt*  sah. 
Später  (seit  1576)  arbeitete  Gio.  Bau.  Jfosseni^)  Ar  das  Sehloss 
&edenztische  mit  allerlei  Prachtgefässen  aus  Alabaster,  gesclinitzte 
Sessel  mit  ^schliffeaen  Steinen  besetet,  Btlsten  rCmischer  Kaiser 
u.  dergl  mehr.    Von  alledem  ist  Niebts  mehr  vorhanden ;  dsgegm 


Flg.  nt.    TorgtB,  HauperUI. 


geben   am  Treppenhaus   einige  prächtig   behandelte  Eisengitter 
Zeugniss  von  gediegener  Schmiedekunst. 


<)  YtTgl  Dr.  JnlinB  Schmidt  im  Arobiv  fllr  SKcIib.  GeKh.  XI.  3.  128. 


Kap.  Xy.    OberMchten.  785 

der  grttssten  Pracht  der  Omamentik,  oben  im  Bogenfelde  Adam 
und  Eva  unter  dem  Baume  sitzend  (Fig.  213).  Daneben  ein  ehe- 
maliges Fenster,  in  derselben  Weise  behandelt,  nur  statt  der 
Sftulen  mit  reich  dekorirten  Pilastem  eingefasst,  darüber  in  einem 
Giebelfelde  Eains  Brudermord;  1537  bezeichnet^)  In  derselben 
Strasse  No.  469  ein  kleines  Portal  mit  httbschem  Doppelwappen. 
Aehnliche  elegant  dekorirte  Portale  sieht  man  noch  an  mehreren 
Stellen  in  der  Ritterstrasse,  der  Schlossstrasse,  der  Fischerstrasse, 
hier  z.  B.  von  1571,  ja  sogar  eins  von  1624.  Das  Portal  bildet 
gewöhnlich  einen  kleinen  Bogen,  mit  Zahnschnitten,  Eierstab  und 
Perlschnur  wirksam  gegliedert,  an  den  Seiten  mit  Nischen,  welche 
Sitzbftnke  haben  und  mit  feiner  Muschelwölbung  geschlossen  sind 
Auch  einige  kleine  spätgothische  Portale  kommen  vor;  wie  sehr 
sind  ihnen  aber  die  Renaissanceportale  an  Beiz  überlegen! 

Endlich  hat  Torgau  auch  ein  Rath haus  von  stattlicher  An- 
lage mit  drei  hohen  Giebeln,  neuerdings  freilich  stark  modemisirt 
An  der  südwestlichen  Ecke  baut  sich  ein  runder  Erker  aus,  nach 
dem  Vorbilde  der  beiden  am  Saalbau  des  Schlosses  angelegt 
und  aufs  Reichste  plastisch  geschmückt  Er  ruht  auf  zwei 
Pilastem,  über  welchen  consolenartig  bärtige  Mftnnergestalten  an- 
gebracht sind.  Elegant  dekorirte  Pilaster  und  Friese  gliedern  die 
Flächen,  und  an  den  Fensterbrüstungen  sieht  man  ganz  oben 
Eaiserbilder,  dann  Figuren  von  Tugenden,  endlich  die  Brustbilder 
eines  Fürsten  mit  seiner  Gemahlin,  yielleicht  Johann  Friedrichs 
des  Mittleren,  denn  das  Werk  scheint  um  1560  entstanden. 


Dresden. 

Dresden  ist  recht  eigentlich  in  Norddeutschland  als  die  Stadt 
der  Renaissance  zu  bezeichnen.  Die  Denkmäler  des  Mittelalters 
können  weder  an  Zahl  noch  an  Werth  sich  mit  den  späteren 
Schöpfungen  messen.  Noch  im  Ausgang  des  Mittelalters  steht 
Meissen  bedeutend  voran,  durch  seinen  Dom  und  die  gewaltige 
Albreohtsburg  ausgezeichnet  Erst  mit  dem  16.  Jahrhundert  erhält 
Dresden  als  Hauptresidenz  des  kurfürstlichen  Hofes  höhere  Be- 
deutung und  bleibt  dann  Jahrhunderte  lang  der  Sitz  einer  glän- 
zenden Kunstthätigkeit  Das  Hauptwerk  der  Frührenaissance  ist 
das  Königliche  Schloss.' 


0  IMe  Abbild,  naob  ^er  Photographie  von  Palmin. 

K agier,  Gtsoh.  d.  Baakiuut  V.  50 


7S6  in.  Bncb.    Die  B«iuiiBUiiee  In  Dentochlkod. 

ScihoD  im  Mittelalter  batte  weiter  alldlieh  von  d«D  jetzigen 


Schlosa  eine  Bai^  der  M&rkgrafen  von  Ueieaen  bestanden,  die  in- 
desa  baufällig  geworden  war,  so  dasa  1494  der  an  dersdben  er- 


Ksp.  XV.   OberBwsiiaeii.  7g7 

riditete  Tliiirm  rom  Stormwltide  niedergeworfen  werden  konnte.^) 
Inzwischen  war  bereits  der  Grund  zu  einem  neuen  Bau  gelegt 
worden,  weiter  abwärts  an  A&r  nordwestlichen  Ecke  der  Altstadt 
g^en  den  Strom  zu.  Die  nordwestlichen  Theile  des  vorhandenen 
Schlosses  enthalten  die  Reste  jener  Anlage.  An  sie  fügte  seit  1530 
Herzog  Georg  der  Bflrtige  den  aus  der  Gesammtmasse  nach  Norden 
gegen  die  Elbe  vorspringenden  GeorgenflügeL  Zwanzig  Jahre  später 
vollzog  Kurfürst  Moritz  den  durchgreifenden  Umbau,  welcher  dem 
Schlosse  seine  neue  Gestalt  geben  soUte. 

Der  Kern  der  Anlage  ^  gnippirt  sich  um  einen  grossen  Hof 
(B  in  Fig.  214.)  Man  gelangt  dahin  durch  den  Eingang  A,  welcher 
in  der  nördlichen  Hauptfa^ade  unter  dem  grossen  alten  Thurme 
sich  befindet  Diese  I^^ade,  gegen  den  Fluss  gewendet,  machte 
ursprünglich  einen  anderen  Eindruck,  als  sie  noch  ganz  mit  Fresken 
dekorirt  war  und  noch  nicht  durch  die  später  vorgebaute  katho- 
lische Kirche  verdeckt  wurde.  In  diesem  Nordflflgel  bei  E  lag  die 
ehemalige  Schlosskapelle,  deren  prachtvolles  Portal  später  an  die 
Sophienkirche  versetzt  und  erst  ganz  kttrzlich  abgetragen  wurde, 
um  in  einem  Schuppen  der  sicheren  Zerstörung  anheimzufallen. 
Der  westliche  Flflgel,  an  welchem  in  der  Nordwestecke  ein  kräf- 
tiger Erker  vorspringt,  umschliesst  die  Schätze  des  sogenannten 
Grflnen  Gewölbes.  Das  ganze  Erdgeschoss  ist  mit  Kreuzgewölben 
auf  Pfeilern  versehen.  Der  grosse  Schlosshof,  ehemals  mit  Fresken 
ganz  ausgemalt,  enthält  jetzt  nur  in  den  vier  Treppenthflrmen  und 
der  mittleren  Loggia  Reste  der  alten  Pracht  Die  Anordnung  ist 
die,  dass  bei  F  und  G  in  den  vorderen  Ecken  die  beiden  Haupt- 
treppen liegen,  polygen  vorgebaut  mit  kraftvollen  ionischen  Pi- 
lastem  gegliedert,  die  Portale  mit  Hennen,  und  Karyatiden  ein- 
gerahmt, die  Flächen  mit  eleganten  Ornamenten  bedeckt  (vgl  Fig. 
215).  lieber  dem  sehr  gedrtlckten  Erdgeschoss  hat  die  Treppe 
einen  Austritt  auf  eine  von  eleganten  Eisengittem  umschlosseno 
Altane.  Dartiber  steigt  das  Treppenhaus  mit  schlanken  frei  korin- 
thisirenden  Pilastem  weiter  empor,  und  schliesst  dann  in  der  Höhe 
des  Hauptgesimses  mit  einer  zweiten  Altane^  ttber  welcher  der 
obere  Aufsatz  sich  als  Bundbau  mit  Kuppeldach  erhebt  Die 
Dekoration  der  unteren  Theile  ist  nicht  blos  von  grösster  Pracht, 
sondern  auch  in  der  Zeichnung  und  Ausführung  der  Arabesken, 
Banken,  Putten  und  anderer  Figuren  voll  Freiheit  und  Leben,  die 
Kapiüile  mit  Fttllhömem  und  eleganten  Sphinxgestalten,  der  obere 


>)  y^l.  Weeck  Beschreib-  und  Vorstellmig  von  Dresden  (1680).-S.  24.  — 
*)  Die  lüttheilung  des  Onmdrisses  verdanke  ich  der  Güte  des  Herrn  Hof- 
banraths  Krttger. 

60* 


788  IH-  Bnclu    BenaiManca  in  Deutschland. 

FridB  endlich  mit  Reiterkämpfen  voll  Oeist  und  Schönheit  An 
nordöstlichen  Treppenhause  liest  man  1549,  am  nordwestlichen 
1550.  EU  sind  also  Theile  des  von  KurfUrst  Moritz  ausgef&hrteü 
Banes,  als  deren  Architekten  wir  Hams  Dehn  dm  Ro^elser  kennen 
l^elemt  haben.  Die  beiden  andern  Treppen  bei  H  und  J  sind  minder 
stattlich  angelegt  und  minder  reich  geschmtlckt,  haben  aber  eben- 
falls an  den  Ecken  Pilaster  mit  eleganter  Dekoration  aus  derselben 
Zeit  Dass  die  Ausfährung  aller  dieser  Werke  Ton  welschen  Stein- 
metzen herrührt,  haben  wir  bereits  erfahren.  Endlich  gehört  dahin 
di6  Bogenhalle,  welche  sich  an  der  Mitte  des  nördlichen  Flügels 
über  dem  Eingange  erhebt,  im  Hauptgeschoss  ehemals  gleichfaHe 
geöihet,  die  Bogen  unten  auf  dorischen  Sfiulen  ruhend,  in  den 
oberen  Geschossen  auf  ionischen  und  korinthischen,  während  im 
dritten  Stock  feine  korinthische  Säulen  das  Dachgesims  aufnehmen. 
In  den  oberen  Hallen  sieht  m^n  noch  jetzt  Reste  farbiger  Wand- 
gemälde. An  der  Balustrade  des  ersten  Stockes  ist  die  Geschichte 
JoBua's  in  wirksamen  Reliefs  dargestellt,  in  den  Bogenzwickdn 
Medaillonköpfe. 

Ein  späteres  Portal  bei  G  führt  zu  einem  Durchgang,  der  links 
auf  eine  ebenfalls  spätere  Treppe  D,  gradeaus  aber  auf  den  klei- 
neren zweiten  Hof  E  mündet.  Von  hier  gelangt  man  durch  die 
grosse  Einfahrt  L  auf  die  Schlossstrasse,  welche  den  östlichen 
Flügel  des  Baues  begränzi  Alle  diese  Theile  sowie  die  weiter 
südwestlich  hinzugefügten  Bauten  sind  späteren  Ursprungs  und 
scheinen  unter  Christian  I  entstanden.  Die  ältere  Markgrafenburg 
war,  wie  aus  einem  alten  1622  angefertigten  Modell  hervorgeht, 
ein  weit  kleinerer  Bau,  der  den  grossen  Thurm  A  auf  der  nord- 
westlichen Ecke  hatte.  Von  hier  zog  sich  «in  Flügel  südwärts 
in  der  Richtung  von  B  nach  dem  Flügel  C  hin,  so  dass  das  da- 
malige Schloss  ungefähr  die  Hälfte  des  jetzigen  grossen  Hofes  ein- 
nahm, i)  Kurfürst  Moritz  verfuhr,  als  er  1547  zur  Regierung  kam, 
mit  diesem  Bau  grade  so,  wie  Franz  I  um  dieselbe  Zeit  es  tnit 
dem  Louvre  machte:  er  liess  den  westlichen  Flügel  abbrechen, 
führte  den  nördlichen  und  den  südlichen  in  westlicher  Richtung 
weiter  fort  und  schloss  dieselben  dort  rechtwinklig  durch  den  heu- 
tigen Westflttgel.  In  die  Schlossstrasse  sprang  aber  am  östlichen 
Flügel  in  der  Gegend  des  Treppenhauses  D  ein  alter  runder  Thurm 
vor,  dessen  Spuren  man  jetzt  noch  auf  dem  Trottoir  daselbst  er- 
kennt Er  bildete  damals  die  südöstliche  Ecke  des  Schlosses  und 
findet  sich  noch  auf  dem  Modell  von  1622,  welches  den  zweiten 
kleineren  Hof  noch  nicht  enthält    Dagegen  gehört  zu  den  älteren 


0  Abbild,  desselben  bei  Weeck  Tai.  8.  — 


Flf,  nt.    Bntm.  BotiloMbaf. 


Kap.  Xy.    OberMohBon.  791 

ThiBilen  des  SehloBses  der  an  der  nordOstÜehen  Eeke  gegen  den 
Fluss  hinausgeschobene  FIttgel,  durch  welchen  noch  jetzt  der  ganse 
Verkehr  aus  der  Schlossstrasse  nach  der  Elbbrticke  seinen  Weg 
nimmt.  Er  hat  in  der  Mitte  eine  mit  Kreuzgewölben  versehene 
Durchfahrt,  an  beiden  Seiten  Passagen  für  Fussgftnger,  an  der 
inneren  Stadtseite  bei  N  im  Erdgeschoss  eine  gewölbte  Vorhalle 
auf  Pfeilern,  die  aber  eui  späterer  Zusatz  ist,  da  sie  die  reichen 
Portale  bis  auf  das  zur  linken  und  einen  Theil  des  mittleren 
Tcrdeckt  hat.  An  dem  ersteren  liest  man  zweimal  die  Jahrzahl 
1 530,  dabei  die  lebendig  ausgefOhrten  Hedaillonportraits  der  Her- 
zöge Georg  des  Bärtigen  und  seines  Sohnes  Johann.  Die  Orna- 
mente sind  hier  noch  sehr  spielend  und  etwas  flach  gezeichnet, 
aber  r6ich  und  zierlich,  die  Profile  der  Glieder  in  mittelalterlicher 
Weise  aus  Kehlen  und  Rundstäben  zusammengesetzt  Die  ganze 
Fafade,  ehemals  von  der  grössten  Pracht,^)  war  mit  figflrUchen 
Friesen,  Pilastem  und  Gesimsen  glänzend  dekorirt  und  mit  einem 
hohen  Giebel  abgeschlossen,  auf  dessen  Stufen  Drachen  und  Vo- 
luten angebracht  waren,  während  dieEcklisenen  von  Statuen  bekrönt 
wurden.  In  der  Mitte  der  Fa^ade  rankte  sich  ein  doppelter  ver- 
schlungener Baumzweig  empor,  in  den  beiden  Hauptgeschossen 
die  mittleren  Fenster  umrahmend,  am  Giebel  dann  sich  vereinigend 
und  bis  zum  obersten  Schlussfelde  aufsteigend,  wo  Maria  mit  dem 
Kinde  auf  ihm  thronte,  von  Engeln  umringt.  Diese  sowie  sämmt- 
liche  übrige  Bildwerke  der  Fa^de  sammt  zahlreichen  SprOchen 
entwickelten  den  Gedanken  der  Erlösung,  bewegten  sich  also,  den 
klassischen  Gewohnheiten  der  Zeit  entgegen,  in  ausschliesslich 
christlichem  Ideenkreise.  Bemalung  und  Vergoldung  steigerte  noch 
die  Pracht  des  Ganzen. 

An  der  Aussenseite  bei  M  ist  das  Mittelportal  in  derselben 
spielenden  Frührenaissance  dekorirt,  mit  kandelaberartigen  Säulen 
eingefasst,  die  in  ihren  rundlichen  Formen  fast  wie  von  Bronze 
erscheinen.  Alle  Flächen,  die  Sockel,  Pilaster,  sind  mit  spielenden 
Ornamenten  völlig  bedeckt.  Am  Schlussstein  ist  ein  Todtenkopf 
ausgemeisselt,  über  welchem  die  halb  zerstörte  Inschrift :  Per  invi- 
diam  diabgli  mors  intravit  in  orbem.  Darüber  sechs  Wappen  mit 
der  Jahrzahl  1534.  Dies  wird  also  die  Vollendungsepoche  sein. 
Ehemals  zog  sich  in  der  Höhe  des  zweiten  Stockes  das  grosse 
Relief  eines  Todtentanzes  an  der  Fa^ade  hin,  welches  später  durch 
den  vorgebauten  Balcon  verdrängt,  in  die  Mauer  des  Neustädter 
Kirchhofs  eingesetzt  wurde.  Es  ist  eine  treffliche  Arbeit  voll  Aus- 
druck und  Leben,  etwa  3  F.  hoch  und  gegen  40  F.  lang. 


0  Abbild,  bei  Weeck,  Taf.  9. 


792  ^-  S^<^b-   ^^  Benaiiaaae«  iik  Deutschland. 

'  Die  Abbildung  bei  Weeck  belehrt  uns  aber,  das8  dies  nieht 
der  einzige  Schmuck  der  Fa^ade  war.  Sie  hatte  fiber  dem  Portal 
einen  Aufsatz  mit  der  Reliefdarstellung  yon  Kains  Brudermord, 
zu  beiden  Seiten  mit  den  Statuen  Ton  Adam  und  Eva  bekrönt. 
Dies  im  Zusammenhange  mit  dedi  Todtentanz  veranschaulicht  also 
den  Gedanken,  dass  durch  den  Sttndenfall  der  Tod  in  die  Welt 
gekommen  sei,  während  die  andere  Fagade  mit  Beziehung  darauf 
^e  Versöhnung  durch  Christi  Menschwerdung  und  Leiden  aussprach. 
Wer  erkennt  nicht  in  der  Wahl  dieser  Gegenstände  die  Geistes- 
art  des  edlen  aber  unglttcklichen  Erbauers,  der,  obwohl  von  dem 
Bedtlrfniss  einer  inneren  Reform  der  Kirche  tief  durchdrungen) 
doch,  durch  die  stürmischen  Bewegungen  der  Zeit  erschreckt,  sich 
der  Reformation  abwendet,  und  im  Zwiespalt  mit  seinem  luthe- 
risch gesinnten  Volke  1539  starb!  Aus  dem  Portal  wuchs  ein 
stattlicher  Baum  mit  der  Schlange  des  Paradieses  empor,  und 
über  ihm  trat  ein  mit  fürstlichen  Brustbildern  und  Wappen  ge- 
schmückter Erker  in  beiden  oberen  Geschossen  heraus.  Dieser 
leider  so  schmählich  verstümmelte  und  verdorbene  Georgsbau  geht 
also  dem  von  Moritz  ausgettihrten  Hofbau  um  fast  zwanzig  Jahre 
voran,  und  da  er  selbst  noch  früher  als  der  Schlossbau  zu  Torgau 
ist,  so  haben  wir  ihn  als  das  früheste  bedeutendere  Denkmal  der 
Renaissance  in  ganz  Norddeutschland  zu  bezeichnen. 

Das  Portal  der  ehemaligen  Schlosskapelle,  jetzt  wie  gesagt 
in  unverantwortlicher  Weise  dem  Verderben  gewidmet,  bezeichnet, 
da  es  von  1555  datirt  ist,  den  unter  Kurfürst  August  bewirkten 
Abschluss  des  von  Moritz  begonnenen  glänzenden  Werkes.  Es 
ist  weitaus  die  edelste  Portalcomposition  der  ganzen  deutschen 
Renaissance,  in  Schönheit  der  Verhältnisse,  Klarheit  der  Compo- 
sition,  Anmuth  der  Ornamente  und  Feinheit  der  Gliederung  den 
Geist  durchgebildeter  Hochrenaissance  verkündend.  Vier  cannelirte 
korinthische  Säulen  von  klassischer  Form  bilden  die  Einfassung 
und  tragen  das  stark  vortretende  Gebälk,  an  dessen  Fries  eine 
herrliche  Akanthusranke,  wie  nach  den  besten  römischen  Mustem 
gearbeitet,  sich  hinzieht.  Ein  Gesims  mit  Zahnschnitt,  Eierstab 
und  Consolen  bildet  den  Abschluss.  Darüber  eine  Attika  mit 
vier  Pilastern,  reich  omamentirt,  in  den  Seitenfeldem  zwei  Apostel* 
figuren,  in  dem  breiteren  Mittcdfeld  die  Auferstehung  Christi  in 
trefflichen  Reliefs.  Dazu  kommen  vier  andere  Heilige  in  eleganten 
Nischen,  welche  zwischen  den  Säulen  die  Seitenfelder  gliedern. 
Von  demselben  Reichthum  und  von  gleicher  Schönheit  ist  das 
Schnitzwerk  der  Thttr,  sowohl  im  Ornamentalen  als  auch  im  Figür- 
lichen von  unübertroffenem  Adel.  Um  so  unverantwortlicher  dass 
man    dies  herrliche   Werk,   sicherlich   eine  Arbeit  italienischer 


KMp.  XY.   OberBMbBen.  793 

Kflnsfleri  stall  es  wieder  an  seine  alte  Stelle  im  SeUosshof  zorflck- 
zuversetsen,  dem  Untergang  Preis  giebt 

Zusätze  und  Umgestaltungen  von  durchgreifender  Art  erfuhr 
das  Sebloss  am  Ende  unserer  Epoche.  Zu  diesen  Arbeiten  gehört 
das  in  derber  Rustika  ausgeführte  Hauptportal  der  Nordseite  bei 
A,  mit  Tier  dorischen  Rustikasäulen  dekorirt  und  mit  Trophäen 
und  Wappen  reich  geschmückt;  das  ähnlich  behandelte  Portal, 
welches  bei  C  in  den  zweiten  Hof  führt,  femer  die  ganze  einfach 
derbe  Architektur  des  Hofes  E,  mit  den  kräftigen  Arkadengängen 
an  der  östliehen  und  südlichen  Seite,  endlich  das  stattliche  Haupt- 
portal,  welches  den  Eingang  L  nach  der  Schlossstrasse  einfasst 
und  in  einem  mit  Plattform  abgeschlossenen  Vorbau  liegt  Es  ist 
ein  ungemein  grandioses  Werk,  unter  Christian  I  seit  1589  wohl 
durch  Nossem  ausgeführt.  Gekuppelte  dorische  Rustioasänlen 
fassen  den  Bogen  ein,  in  dessen  Schlussstein  eine  trefflich  ge- 
arbeitete  Gruppe  des  Pelikan,  der  fllr  seine  Jungen  sich  die  Brost 
öffiiet,  nwodnroh  dann  die  Affection  eines  guten  Regenten  gegen 
seine  getreue  Untertfaanen  angedeutet  sein  solL""  In  den  Metopen 
des  Frieses  sind  prächtige  Löwenköpfe  gemeisselt^) 

Alle  diese  späteren  Theile  sind  in  einem  grossartigen,  aber 
etwas  freudlos  strengen  Stile  behandelt.  Femer  gehören  dieser 
Spätzeit  die  hohen  Dachgiebel,  welche  an  einzelnen  Theilen  des 
Baues,  im  grossen  Haupüiofe  und  an  der  Aussenseite  des  West^ 
flügels  sich  finden.  Ursprünglich  war  das  Schloss,  wie  das  Modell 
im  Historischen  Museum  und  ein  ebendort  befindliches  altes  G^ 
mälde  von  Andreas  Vogel  beweisen,  überall  mit  solchen  Giebeln 
geschmückt  Dazu  kam  eine  ToUständige  Dekoration  mit  Fresken 
an  den  Aussenwänden  wie  in  den  Höfen,  meistens  grau  in  grau,  an 
einzelnen  Punkten,  z.  B.  der  obem  Loggia  des  Hofes,  in  reicherer 
Farbenpracht  Das  Erdgeschoss  zeigt  in  der  Abbildung  facettirte 
Quaderungen,  darüber  einen  hohen  Triglyphenfries.  Die  übrigen 
Stockwerke  werden  durch  breite  Laubfriese  getrennt,  die  Flächen 
zwischen  den  Fenstern  sind  figürlichen  DarsteUungen  yorbe* 
halten.  Bis  sur  Spitze  der  zahlreichen  hohen  Giebel  erstreckte 
sich  diese  Deooration,  die  dem  weitläufigen  Bau  einen  Ausdruck 
üppigen  Reichthums  verlieL*) 

Die  Fenster  der  späteren  Theile  sind  zu  zweien  gruppirt  und 
mit  Giebeln  abgeschlossen,  die  älteren  vom  Bau  des  Kurfürsten 
Moritz  haben  breite  schräge  Laibungen  mit  Rahmenprofil  und 
runden  Schilden,  bisweilen  auch  mit  Kanneluren. 


*)  Abbild.  d-Portalbanes  mit  der  eleganten,  das  Ganze  wirksam  krönenden 
KuppeLrotunde  bei  Weeck  Taf.  11.—  *)  Vgl.  bei  Weeck  die  Taf.  12  n.  18. 


;7S4  in.  BQiÜL   BienaiiMUUse  in  MfttschlancL 

Von  der  diemaligen  Pracht  des  InaerB  ist  faitt  Ifiehto  er- 
halten. Nur  im  obersten  Stock  siebt  man  zwei  Zinmier  mit  treffe 
liehen  Hblzdecken,  sehön  gegliedert  imd  gut  eingetbeüt  Der 
Seichthom  der  Ausstattung,  an  welcher  Welsche  Eflnstler  aller  AH 
betbeiligt  waren,  muss  ausserordentlich  gewesen  sein.  Das  von 
Moritz  Begonnene  wurde  von  seinen  Nachfolgern  mit  noch  grösserer 
Pracht  fortgeführt,  so  dass  Nosseni  in  drei  Jahren  allein  für  Marmor- 
arbeiten im  Schloss  3881  Gulden,  für  solche  im  Lusthaus  während 
derselben  Epoche  6540  fl.  erhielt  Die  Gesammtkosten  des  Schloss- 
baues wurden  blos  von  1548  bis  1554  auf  100,941  Meissner  Gulden 
berechnet^) 

In  Verbindung  mit  dem  Schloss,  an  den  östlich  vorspringenden 
Georgsbau  anstossend,  liess  Christian  I  seit  1586  den  StaUhof 
erbauen,  dessen  Anfang  auf  unserer  Fig.  214  bei  0  verzeichnet 
ist  Harn  Irmisch  wurde  unter  dem  Zeugmeister  Hans  Büchner 
mit  der  Bauftthrung  betraut  Von  aussen  wird  das  Ctobfiude  durch 
eine  hohe  kahle  Mauer  abgeschlossen,  welche  durch  m&chtige 
Portale  im  derben  Spätrenaissancestil,  denen  des  Schlosses  ent- 
sprechend, durchbrochen  sind.  Das  obere  Geschoss  hat  gekuppelte 
Fenster  mit  Giebelkrönungen.  Diese  einfachen  Formen  erhielten 
durch  vollständige  Bemalung  der  Fafaden  ihre  Belebung:  im  Erd- 
geschoss  facettirte  Quaderungen,  dazwischen  Felder  mit  einzelnen 
Kriegerfiguren;  darüber  ein  mächtiger  Fries  mit  Beiter-  und 
Wagenzttgen  in  der  ganzen  Länge  des  Gebäudes;  endlich  oben 
zwischen  den  Fenstern  wieder  einzelne  Gestalten.  Wie  beim  Schloss 
war  also  auch  hier  Alles  auf  prachtvolle  malerische  Ausstattung 
angelegt  >) 

An  dem  vorderen  Portal  meldet  eine  Inschrift,  Herzog  Christian 
habe  den  Bau  „equorum  stationi  et  militarium  exercitationi''  er- 
richtet Im  Innern  bietet  das  Gebäude  einen  schmalen  lang- 
gestreckten Hof,  an  der  nordöstlichen  Langseite  durch  zwanzig 
Arkaden  auf  mächtigen  dorischen  Säulen  eingefasst,  ehemals  offen, 
jetzt  bis  auf  den  Thorweg  vermauert  Das  Obergeschoss,  welches 
die  Gewehrkammer*  enthält,  zeigt  die  gekuppelten  Fenster  mit 
Giebeln  wie  am  Äussern.  Bei  0  ist  eine  Halle  mit  gothischen 
Rippengewölben  auf  kurzen  Rundpfeilem,  welche  ehemals,  die 
Verbindung  mit  dem  Schloss  vermittelte.  In  diesem  schönen  Hofe, 
der  ehemals  nach  dem  Zeugniss  alter  Abbildungen^)  aufs  Reichste 
bemalt  war,  namentlich  zwischen  den  Fenstern  die  Thaten  des  Her- 
kules enthielt,  fanden  die  Ringelrennen  statt,  von  welchen  noch  jetzt 


^)  Vgl  den  oben  dtirten  Anfisatz  von  Schmidt  a.  a.  0.  S.  167.  -«  ^)  Abb. 
bei  Weeck,  Taf.  14.  -^  *)  Bei  Weeck,  Taf.  16. 


Km».  XY.   OlmMchMi.  785 

die  beiden  praebtToUen  Bronzeskulen  Zengniw  ablegen.  An  den 
PoBtamenten  mit  Tropbften,  am  untern  Theil  des  Sebaftes  mit 
Arabesken,  Waffen  and  Emblemen  gescbmttokt,  tragen  sie  anf  den 
eleganten  korintbiscben  Kapitalen  ein  yerkröpftes  Gebälk  und  auf 
diesem  kleine  Obelisken.  Diese  trefflich  ausgeftthrten  Arbeiten 
sind  Yon  MarUn  Hüger  gegossen.*)  An  der  andern  Seite  schliesst 
sich  dem  Hofe  eine  geräumige  Benüse  an,  dreischiffig  mit  schlich- 
ten Kreuzgewölben  auf  18  in  zwei  Reihen  gestellten  dorischen 
Säulen,  eine  überaus  grossardge  Anlage.  Dieser  Theil  des  Ge- 
bäudeis,  der  später  umgebaut,  im  oberen  Geschoss  lange  Zeit  die 
Gemäldegalerie  beherbergte,  zeigt  an  der  Fa^ade  noch  jetzt  zwei 
grossartige  Portale,  den  beiden  andern  sowie  denen  des  Schlosses 
entsprechend.  Der  ganze  Bau  in  seiner  ursprflnglichen  Erscheinung 
mit  zahlreichen  marmorgeschmflckten  Sälen  und  Zimmern  war 
ein  Prachtwerk,  zu  dessen  Herstellung  in  fast  sechs  Jahren  nicht 
weniger  als  200,000  Gulden  aufgewendet  worden  waren.^)  Man 
hatte  Nichts  gespart,  ihn  von  aussen  wie  von  innen  aufs  Reichste 
auszustatten.  Nosseni  bestellte  für  die  Decoration  desselben  in 
Modena  180  bemalte  und  yergoldete  runde  Schilder,  Carlo  de  Cesare 
gOBS  46  fttrstliche  Bildnisse  mit  Postamenten  und  Wappenschildern 
„für  die  Galerie  hinter  dem  Stall**  und  23  Bilder  aus  gebranntem 
und  glasirtem  Thon.')  An  kostbaren  Geräthen,  geschnitzten  Sesseln 
mit  eingelegten  Steinen,  marmornen  Kredenzen,  Kunstsachen  aUer 
Art  fehlte  es  ebenfalls  nichti  so  dass  das  Ganze  ein  Museum  ge- 
nannt werden  konnte.^)  Leider  hat  der  ursprünglich  so  glänzende 
Bau  später  dieselbe  Verwahrlosung  und  Verunstaltung  Aber  sich 
ergehen  lassen  müssen,  die  auch  das  Schloss  jetzt  so  unscheinbar 
macht 

Der  bürgerliche  Privatbau  in  Dresden  bietet  grade  nicht 
Bedeutendes  für  unsre  Epoche,  aber  immerhin  doch  einige  an- 
ziehende Werke.  Das  erste  Stadium  der  Frührenaissance  wird 
namentlich  durch  einen  reich  decorirten  Erker  am  Eckhaus  von 
Neumarkt  und  Frauengasse  vertreten.  Die  runde  Grundform,  die 
Art  des  Auskragens  erinnert  an  die  Erker  am  6aalbau  zu  Torgau, 
der  Fries  mit  spielenden  Putten  zeigt  Verwandtschaft  mit  dem 
Georgsbau  und  mag  von  derselben  Hand  wie  jener  ausgeführt 
sein.  Ein  ähnlicher  Erker,  aber  in  den  kräftigeren  Formen  der 
Spätzeit  mit  derb  facettirten  Quadern  und  einer  Schlange  als 
Gonsole  ist  an  einem  Hause  weiter  abwärts  in  der  Frauengasse. 


*)  Dr.  J.  Schmidt  a.  a.  0.  S.  162.  —  >)  Weeck,  S.  55.  —  ')  Dr.  J.  Schmidt, 
a.  a.  0.  S.  137  u.  139.  —  ^  Die  Abb.  und  Beschreib,  bei  Weeck  S.  53  ff. 
geben  eine  lebendige  Anachaunng  des  vormaL  ZaBtandea  . 


796  HL  Bach.    Benaüsuc«  in  Deatschland. 

An  mehreren  Hfauiem  der  Schloaegasse  and  anderer  StraBsen'sielrt 
man  hflbsche  kleine  Bogenportale,  zu  beiden  Seiten  UuBehehüaoben 
mit  Sitzen,  die  Archivolte  kräftig  and  zierlich  mit  Zahnaehnitt, 
Eieretab,  Coneolen  und  ähnliohen  Formen  ges^liedert.  Bezeichnend 
ffir  die  meist  schmalen  aber  sehr  hohen  Fa^aden  ist  die  hAafige 
Anwendung  viereckiger  Erker,  flder  dem  Erdgeschoss  anf  Con- 
aolen  herausgebaut,  mit  Pilagtem  deeorirt,  oben  mit  einem  ge- 
BtAweiften  Dach  abaohliesaend,  statt  deseen  man  gpUer  oft  einen 
offenen  Balcoa  angebracht  hat    Diese  Erker,  nicht  selten  paar- 
,  weise  angeordnet,  geben  den  Paeden  vid 
I  Reiz  und  Leben.  Ein  Haas  in  der  Wilsdraffer 
'  Gasse  hat  einen  Erker  mit  naobgeabmter  Hob- 
[  webitektur;  ebenso  sind  sSmmtliche  Fenster 
I  deaselben  mit  einem  barocken  Kabmenwerk 
r  eingefasst,  welches  die  Formen  des  Holzbaaes 
imitirt  und  schon  dem  17.  Jahrhundert  ange- 
hört.*) Aus  dem  Anfange  desaelben  Jahrhun- 
derts stammt  das  Haus  Schlossgasse  Ko.  19; 
am  Erker  die  angeschickt  gemachten  Brost- 
bilder  EurfSrst  Christians  II  und  seiner  Oe- 
mablin  Hedwig  von  Dänemark,  dabei    das 
sfichaische  Herzogswappen,  das  korfOrstUche 
und  das  dänische  Wappen.    Im  Hansflur  eine 
hübsch  omamentirte  Thflr,  welche  zur  Treppe 
i^lhrL    In  derselben  Strasse  No  22  ein  Haas, 
Tig.  si«.   Ton  dDam  Portti  ^^sscn  tiefer  schmaler  Flur  auf  einen  kleinen 
n  Dmden.  Hof  mündet,  wo  rechts  die  steinerne  Treppe  anf 

Pfeilern  angelegt  ist,  an  der  Rflckseite  des  Hofes  Arkaden  in  drei  Gre- 
sobossen,  je  zwei  weitgespannte  Buiidbögen  auf  dorischer  Mittelsäule. 
Ein  zierliches  Portal  der  oben  beschriebenen  Art  vom  Jahr  1579  in 
der  Kleinen  Kirchgasse,  fein  gegliedert  and  mit  sinniger  Inschrift: 
.Einer  Säule  gleich  bin  ich, 
Alle  Lente  husen  mich, 
Und  klle  die  mich  hassen, 
Die  mtlMen  mich  bleiben  lassen; 
Allen  die  mich  kennen 
Wünsche  ich  was  sie  mir  gOnnen, 
All  mein  Anfsng  nnd  Ende 
Stehet  in  Gottes  HKnden.* 
Ahnliehe  Fortale  in  der  Weissen  Gasse,  wo  noch  ein  anderes  in 
mehr  mittelalterlicher  Weise  mit  Hohlkehlen  und  Rundstäben  geglie- 
dert ist    Ein  äbnlichea  in  der  Neustadt,  an  der  MoissenerBtrasae. 

')  Abb.  in  Pattriob's  Sachoen. 


Kap.  XT.    Obenaduen.  797 

Wieder  ein  anderes,  mit  facettirten  Quadern,  Zahnsohnitten,  Eier* 
Stab  und  Consolensims  gegliedert,  in  der  Pfarrgasse,  mit  httbseh 
geschnitzter  Thür  und  eisernem  Klopfer. 


Seitdem  in  Dresden  die  Renaissance  zur  Herrschaft  gekommen 
war  und  durch  den  glänzenden  Hofhält  der  Fürsten  die  Stadt 
sich  mit  Prachtbauten  schmückte,  begann  ein  durchgreifender 
Einfluss  sich  auf  die  benachbarten  Städte  geltend  zu  machen. 
InMeissen,  diesem  alten  Sitz  der  Markgrafen,  bietet  zunächst  der 
Dom  in  mehreren  Denkmalen  sehr  frühe  Beispiele  der  Renaissance. 
Unter  den  zahlreichen  ehernen  Grabplatten  in  der  Begräbnisse 
kapeUe  der  Fürsten  zeigt  die  von  1510  datirte  des  deutschen 
Ordens- Hochmeisters  Friedrich  von  Sachsen  Motive  des  neuen 
Stils  in  den  Ornamenten,  am  Rande  Vasen  mit  Blumen,  über  dem 
Kopfe  zwei  Putten  in  Laubgewinden.  Es  ist  wohl  eine  Nürn- 
berger Arbeit  In  der  Georgenkapelle  ist  die  Reliefplatte  des 
Herzogs  Georg  (f  1 539)  und  seiner  Gemahlin  mit  hübschen  Orna- 
menten einer  noch  phantastisch  spielenden  Renaissance  geschmückt, 
denen  am  Georgsbau  in  Dresden  verwandt. 

Weiter  sieht  man  an  zahlreichen  Bürgerhäusern  der  Stadt  den 
Einfluss  eines  kunstliebenden  Hofes.  Der  Frühzeit  gehört  das 
Haus  an  der  Ecke  der  Eibgasse,  mit  hohem  Giebel,  der  fast  noch 
in  mittelaherliefaer  Weise  durch  Lisenen  gegliedert  und  in  seinen 
StaffehEi  durch  Halbkreise  bekrönt  ist.  Ein  grosser  rechtwinkliger 
Erker,  auf  der  Ecke  diagonal  angeordnet,  hat  Wappen  und  Brust- 
bilder sächsischer  Fürsten  in  zwei  Stockwerken,  an  den  Pilastem 
flache  Ornamente  im  Stile  des  Georgsportals  zu  Dresden,  aber 
minder  fein,  bezeichnet  1533.  Ein  Portal  von  1 536  in  der  Burgstrasse 
'So.  61,  an  der  Seite  Sitznischen,  der  Bogen  noch  mittelalterlich 
gegliedert  und  mit  Rundbogenfries  eingefasst,  die  Krönung  mit 
Voluten  und  Laubwerk  von  sehr  unreifer  Renaissance.  Sehr 
kindlich  ist  auch  der  neue  Stil  an  einem  Portal  der  Schnurren- 
gasse vom  Jahre  1538,  mit  geschweiftem  gothischem  Flachbogen 
verbunden.  Ebenso  zeigt  ein  grösseres  Bogenportal  am  Heinrichs- 
platz vom  Jahre  1540  ein  mühsames,  kümmerliches  Laubwerk  der 
Frtthrenaissanea  Um  nichts  besser  ist  das  kleine  Portal  der  Eibgasse 
vom  Jahre  1561,  welches  später  erneuert  wurde  und  in  langer  In- 
schrift die  Gräuel  der  SGhweden2eit  schildert.  Mit  weit  grösserem 
Aufwand  ist  ein  ansehnliches  Giebelhaus  hinter  der  Stadtkirche  be- 
handelt, am  Portal  1 57 1  bezeichnet,  mit  einem  ungeschickten  Reliel^ 
welches  Simson  mit  dem  Löwen  kämpfend  darstellt    Es  ist  die 


798  ^  Buch.    BeiukiBMUice  in  Dantsohland. 

Arbeit  eines  wohlmeinenden  aber  Bchleebt  geschalten  Steinmetsen. 
Der  hohe  Giebel  ist  mit  Pilastem,  Voluten,  aufgesetzten  Henkel- 
yasen  effectvoll  gegliedert 

Um  den  Beginn  des  17.  Jahrhunderts  erhebt  sich  die  bürger- 
liche Architektur  hier  zu  etwas  reicheren  und  durchgebildeteren 
Formen.  Häufig  findet  man  kleine  Portale  mit  zierlicher  Bogen- 
gliederung  nach  Dresdner  Muster.  So  in  der  Burgstrasse  No. 
108  Tom  Jahre  1605,  ein  sehr  hübsches  am  Gömischen  Platz  vom 
Jahre  1603,  mit  Gonsolen,  Eierstab,  Zahnschnitt  und  facettlrteii 
Quadern«  Ein  ähnliches,  aber  mit  Karnies,  Zahnschnitt  und  sehr 
grossem  Eierstab  in  der  Gömischen  Gasse,  wieder  ein  anderes  vom 
Jahre  1600  in  der  Fleischergasse,  der  Bogen  aber  mehr  mittehilter- 
lieh  gegliedert,  in  der  Neugasse  ein  Portal  yon  1606  mit  hUbsehen 
Flachomamenten,  ein  ganz  vortreffliches  reich  gegliedertes  von 
1603  am  Kleinen  Markt  und  ebenda  ein  anderes  von  1601,  ähnlich 
behandelt  und  mit  dem  Spruch:  Herr  nach  deinem  WUlen.  AUe 
diese  Varianten  kehren  noch  mehrmals  wieder,  namentlich  am 
Hahnemannsplatz  und  in  der  Baugasse.  Ein  phantastisch  derbes 
aber  wirkungsvolles  Barockportal  mit  Bustikapilastem ,  Voluten 
und  Obelisken  vom  Jahre  1614  bildet  den  Aufgang  zum  Kirdihofe. 
Eine  derbe  und  flotte  Arbeit  aus  derselben  Zeit  ist  das  Portal  am 
Gasthof  zum  Hirsch,  mit  einer  naiven  Darstellung  von  Diana  und 
Actäon.  Hohe  malerische  Dachgiebel  auf  beiden  Seiten  hat  das 
Eckhaus  am  Markt,  jetzt  Apotheke,  in  der  Mitte  mit  einem  Erker 
auf  Gonsolen  und  eleganter  toskanischer  Säule.  Ein  später  Nach- 
zflgler  mit  schon  flau  gewordenen  Formen  ist  ein  Haus  am  Kleinen 
Markt  mit  einem  Portal,  in  dessen  Giebel  Gottvater  mit  der  Welt- 
kugel sich  zeigt  Ein  kleineres  ebendort  von  ähnlicher  Behand- 
lung trägt  die  Jahrzahl  1675;  ein  Beweis  wie  lange  hier  diese 
Formen  nachgewirkt  haben.  — 

Einiges  findet  sich  sodann  in  Freiberg.  Zum  Frtihesten 
gehört  das  Haus  No.  266  ^m  Marktplatz.  Es  hat  ein  sehr  reiches 
Portal  der  üppigsten  Frflhrenaissance,  mit  dem  weichen,  lappigen, 
krautartigen  Laubwerk  dieser  Epoche  ganz  ttberzogen.  Die.  Pi- 
laster,  Archivolten  und  Zwickelfelder,  welche  ein  männliches  und 
weibliches  Medaillonbüdniss  zeigen,  völlig  bemalt,  das  Ganze  ein- 
gefasst  von  jenen  pfl^mzenartigen  Säulen  mit  wulstiger  Basis,  wie 
wir  sie  vom  Georgenbau  zu  Dresden  her  kennen,  der  Schaft  mit 
Laubwerk  bedeckt,  die  breiigedrUckten  Kapitale  mit  Thier-  und 
Pflanzenomament,  auf  den  Ecken  vasenartige  Aufsätze,  dazwischen 
ein  grosser  Giebel  als  Bekrönung,  welcher  in  einem  anziehenden 
Belief  die  Arbeiten  des  Bergmanns  enthält;  wohl  um  1540  ent- 
standen.   Daneben  in  No,  267,  dem  ehemaligen  Kaufhaus,  1545 


Kap.  XV.    Obenachsen.  7M 

bezeichnet,  ein  Portal  von  anderer,  einfacherer  Gomposition,  aber 
nicht  minder  reich  und  gchwongvollomamentirt;  die  breiten  FUchen 
der  Archivolten  mit  Akanthusranken,  in  den  Zwickeln  Medaillon- 
bilder,  oben  als  Krönung  frei  yerschlungenes  Laubwerk  von 
schöner  Zeichnung,  dazwischen  das  Wappen  der  Stadt  Im  Innern 
bewahrt  das  Hauptgeschoss  ein  Zimmer  mit  prachtvoller  Holz* 
balkendecke,  die  Balken  tief  ausgekehlt,  in  mittelalterlicher  Be- 
handlung, in  der  Mitte  eine  phantastisch  geschnitzte  Renaissance- 
säule, über  deren  korinthisirendem  Kapital  die  mächtigen  Kopf- 
bänder elegant  in  Rosetten  auslaufen  und  an  den  Seiten  mit  Laub- 
werk und  Drachen  dekorirt  sind.  Rings  um  die  Wände  zieht  sich 
auf  halber  Höhe  ein  (Gesims  auf  Gonsolen.  Der  Rahmen  der  Thttr 
ist  mit  Blattranken  im  Stil  der  Frtihrenaissance  geschmückt 

Zahlreiche  kleine  Portale  verrathen  den  Einfluss  von  Dresden, 
sowohl  in  der  Anlage  wie  in  der  zierlichen  Ausbildung.  Das 
schönste  dieser  Art  ist  Rittergasse  No.  519,  mit  geistvollen  Arabes- 
ken  geschmttckt,  offenbar  vom  Meister  des  Kaufhauses.  Mehrere 
den  Dresdner  Portalen  verwandte,  mit  Sitznischen  an  den  Seiten, 
die  Archivolten  reich  gegliedert,  sieht  man  Kirchgasse  357 ;  ganz 
ähnlich  Rittergasse  515;  etwas  reicher  Kleine  Rittergasse  689; 
wieder  abweichend,  die  Archivolten  mit  Laub  und  Früchten  dekorirt, 
Burgstrasse  628;  mit  feinen  Arabesken,  ähnlich  wie  519,  nur  ein« 
facher  und  mit  kräftig  geschnitzter  Hausthttr  am  Marktplatz  286* 
Unzählige  Häuser  zeigen  noch  die  für  das  Auge  so  erfreuliche, 
die  Fagade  wirksam  belebende  Profilirung  der  Fenster  mit  Hohl- 
kehlen und  Rundstäben,  wie  sie  das  Mittelalter  ausgebildet  hat 
Giebel  kommen  nur  ausnahmsweise  vor ;  ein  riesig  hoher  in  derben 
Baroekf ormen  Ecke  der  Burgstrasse  und  Weingasse  mit  diagonal 
gestelltem  Erker,  der  sehr  energisch  mit  Pilastem  und  Metall« 
Ornamenten  dekorirt  ist,  die  Fenster  der  Hauptfagade  reich  und 
originell  in  diesem  Stil  umrahmt  Gleich  daneben  in  der  Burgstrasse 
zwei  einfachere  Erker,  rechtwinklig  in  der  Mitte  der  Fa^ade  aus- 
gebaut, den  Dresdner  Erkern  verwandt 

Das  Rathh ausbist  ein  schlichter  mittelalterlicher  Bau  von 
1510  mit  gothisch  profilirten  Fenstern.  Ein  viereckiger  Thurm 
tritt  ungefähr  in  der  Mitte  der  dem  Markte  zugekehrten  Langseite 
vor.  Ein  Erker  von  1578  in  derben  Formen  der  Spätrenaissance 
ist  auf  zwei  klotzigen  Kragsteinen  vorgebaut  die  von  Löwenköpfen 
getragen  werden.  Im  Giebel  ein  stark  herausragender  Kopf.  Um 
dieselbe  Zeit  hat  wahrscheinlich  das  Rathhaus  seine  hohen  kräftig 
geschweiften  Giebel  mit  aufgesetzten  Pyramiden  erhalten. 

Von  den  prachtvollen  Fürstengrähem  im  Chor  des  Doms  ist 
schon  oben  (S.  87)  die  Rede  gewesen.     Ein  kraftvoll  durchge^ 


800  ni.  BaclL.  Benaiflaiace  in  Denlschkiid. 

fflhites,  reich  vergoldetes  Eisengitter  schliesst  den  Chor  ab.  Eine 
der  seiönsten  und  reichsten  Arbeiten  dieser  Art,  roll  Schwung 
der  Phantasie  und  von  grösster  Mannigfaltigkeit  ist  das  innere 
Gitter  des  Chores.  Diese  Gitter  sind  von  Harn  Weber  und  Hcms 
Kkncke^  Schlossermeistem  in  Dresden,  fttr  325  Gulden  gefertigt 
und  1595  aufgestellt  worden.  *)  Im  Schiff  der  Sarche  ist  neben 
der  phantastischen  als  prachtvolle  Blume  durchgeführten  frttheren 
Eancel  eine  zweite  in  eleganten  Renaissanceformen  mit  tüchtigen 
Reliefs  zu  erwähnen.  — 

In  Zwickau  sind  keine  Bauten  der  Renaissance  erhalten,  aber 
in  da-  stattlichen  spfttgothischen  Marienkirche  zählt  die  S^anzel 
vom  Jahr  1538  zu  den  zierlichsten  Werken  der  Frührenaissanoe. 
Der  Pfeiler,  auf  welchem  sie  ruht,  zeigt  nodi  gothische  Behand- 
hiBg,  aber  die  Thflr  mit  den  httbschen  Pilastem,  die  Brüstung 
mit  den  geschweiften  Säulchen,  die  reiche  Ornamentik,  noch  dazn 
bemalt  und  vergoldet,  gehört  dem  neuen  Stil.  Ausser  zwei  kleinen 
aber  trefflich  gearbeiteten  Kronleuchtern  von  Messing  und  den  sehr 
eleganten  einarmigen  Wandleuchtem  von  demselben  Metall  sind 
die  RathshermstUhle  unter  der  Orgel,  1617  von  Paul  Corbian  ge- 
arbeitet, mit  ihren  eleganten  Figuren  und  Intarsien  bemerkenswertfa. 
Sodann  am  Begräbniss  des  Obersten  Böse  das  1678  gefertigte 
prachtvolle  Eisengitter,  reich  vergoldet  und  mit  Masken,  Blumen, 
kleinen  Gemälden  ausgestattet 


Leipsif. 

Gegenäber  den  Städten,  welche  nur  als  Residenzen  durch 
fürstliche  Macht  ihre  Bedeutung  klangt  haben,  tritt  Leipzig  uns 
ton  Anfang  als  eine  Stadt  entg^en,  die  ihre  Blttthe  dem  Btlrger- 
thum  verdankt  Durch  ihre  centrale  Lage  schon  früh  ibr  den 
Handelsverkehr  zwischen  dem  Norden  und  Sttden,  dem  Westen 
und  Osten  von  grosser  Bedeutung,  hatte  die  Stadt  bereits  seit  dem 
12.  Jahrhundert  in  ihren  von  allen  Seiten  besuchten  Messen 
wichtige  Mittelpunkte  für  den  Welthandel  gewonnen.  Auf  den 
Höhepunkt  ihres  Ansehens  gelangte  sie,  als  während  der  Schreck- 
nisse der  Hussitenkriege»  welche  die  meisten  Städte  der  Umgegend 
verwüsteten,  sie  sich  hinter  starken  Festungswerken  als  sicherer 
Schutz  fttr  Menschen  und  Güter  erwies.^)  Der  unablässige  Eifer  ihrer 
Bürger  wiisste  die  Vortheile  der  Lage  und  dar  Verhältnisse  nach 


<)  Dr.  J.  Betunidt  a.  a.  0.  S.  149  fg.    —    ^  K.  Grosse,   Gesch.   der 
Stadt  Leipzig.    L  372  ff. 


Kap.  XV.    ObersachBen.  gOl 

Kräften  auszubeuten  und  durch  kaiserliche  und  fürstliche  Privi- 
legien ihre  Stellung  immer  mehr  zu  befestigen  und  weithin  zur 
herrschenden  zu  machen.  Zugleich  aber  war  die  seit  1409  be- 
stehende Universität  eine  ttlehtige  Pflegerin  der  wissenschaftlichen 
Bestrebungen,  obwohl  sie  sich  der  Beformation  anfangs  hartnäckig 
widersetzte. ,  Minder  ergiebig  war  die  Thätigkeit  der  immer 
kräftiger  aufblühenden  Stadt  auf  künstlerischem  Gebiete.  Es  ist 
auffallend,  wie  wenig  das  ganze  Mittelalter  hier  in  architektonischen 
und  plastischen  Arbeiten  geleistet  hat.  In  der  Malerei  sind  wenig- 
stens die  neuerdings  mit  Sorgfalt  wiederhergestellten  Wandbilder 
des  Pauliner-Ereuzganges  ein  umfangreiches  Werk ;  allein  an  künst- 
lerisch hervorragenden  Schöpfungen  jener  Epoche  fehlt  es  durchaus. 
Unter  den  öffentlichen  Bauten  der  Stadt  nehmen  die  Werke 
des  Mittelalters  in  der  That  nur  geringe  Bedeutung  in  Anspruch. 
Dagegen  verleiht  die  Renaissance  den  älteren  Theilen  ihr  charakter- 
volles Gepräge.  Der  Zug  der  Strassen  mit  den  dicht  gedrängten 
hochragenden  Bürgerhäusern  verräth  die  Wichtigkeit,  welche  da- 
mals schon  Leipzig  als  Handelsstadt  besass.  Für  die  Anlage 
der  Häuser  ist  die  Rücksicht  auf  die  Messen  und  den  Handels- 
verkehr maassgebend  gewesen.  Das  Erdgeschoss  besteht  immer 
aus  grossen  Gewölben,  die  sich  mit  weiten  Bogenstellungen  gegen 
die  Strasse  öffnen.  Die  Anordnung  derselben  ist  jedoch  überall 
modemisirt,  wird  aber  denen  in  Frankfurt  a.  M.  ungefähr  ent- 
sprechend gewesen  sein.  Charakteristisch  sind  die  weiten  Höfe, 
manchmal  zwei  hinter  einander,  durch  Hintergebäude  getrennt, 
so  dass  die  Anlage  bis  an  die  benachbarte  Parallelstrasse  reicht 
und  wie  in  Wien  Hausflur  und  Höfe  sich  zu  öffentlichen  Durch- 
gängen gestalten.  In  der  Entwickelung  der  Fagaden  ist  ein  Ein- 
fluss  von  Dresden  zu  bemerken,  doch  herrscht  hier  durchweg 
grössere  Einfachheit  Bemerkenswerth  z.  B.  die  beiden  Portale 
in  der  Kleinen  Fleischergasse  No.  8  und  19,  den  bekannten  Dres- 
dener Portalen  entsprechend,  aber  weit  hinter  ihnen  an  Feinheit 
der  Ausbildung  zurückstehend.  Der  Sandstein  ist  überhaupt  hier 
sparsamer  verwendet,  die  zierlicheren  Formen,  Gliederungen,  Or- 
namente fehlen  fast  durchweg.  Dagegen  ist  die  Conceptiott  im 
Ganzen  kräftig  und  gediegen,  namentlich  werden  die  Erker  in 
ähnlicher  Weise  wie  in  Dresden  verwendet,  und  geben  den 
Strassen  das  lebensvolle  und  zugleich  wohnliche  Gepräge.  Die 
reicheren  unter  diesen  Erkern  gehören  freilich  erst  der  späteren 
Zeit  an  und  werden  dann  mit  Vorliebe  in  Holz  und  zwar  in 
reichem  Schnitzwerk  ausgeführt  Ein  Prachtstück  dieser  Art  z.  B. 
Petersstrasse  No.  6,  und  eine  überaus  reiche  Barockfa^ade  im 
üppigsten  Zwingerstil  ebendort  No.  41. 

Kngler,  Geich.  d.  BAnkuiitt.  V.  51 


802  ni.  Buch.    Beiiaissance  in  Deatsohland. 

Das  interessanteste  und  firttheste  Privathans  ist  Hainstrasse 
No.  33,  welches  wir  in  Fig.  217  mittheilen.  Das  Haus  wurde 
1523  erbaut,  und  aus  dieser  Zeit  stammt  im  Wesentlichen  die 
Fa^ade  mit  den  tief  eingekehlten  Fensterrahmen  und  dem  hübschen 
Erker,  dessen  Auskragung  ein  gothisches  SippengewMbe  zeigt, 
während  in  der  Brüstung  des  Fensters  der  neue  Stil  sich  mit  tier- 
lichen Balustersäulchen  und  Laubgewinden  yersncht  Auch  die 
Sänlchen,  welche  oben  die  kleine  Loggia  bilden  und  das  ge- 
schweifte Dach  aufnehmen,  gehören  dieser  Zeit  Dagegen  sind 
die  derben  Voluten  des  Giebels,  dessen  Absätze  ursprünglich 
ohne  Zweifel  Pyramiden  oder  andere  Aufsätze  trugen,  einer  Restau- 
ration des  17.  Jahrhunderts  zuzuschreiben,  während  das  pikant 
ausgebaute  polygone  Thürmchen,  welches  den  Giebel  abschliesst, 
der  ursprünglichen  Anlage  gehört  Zahlreiche  Inschriften  sind  in 
den  Hohlkehlen  der  Gesimse  und  Fensterrahmen  sowie  -an  der 
oberen  Brüstung  des  Erkers  angebracht 

Wie  die  ausgebildete  Renaissance  sich  hier  gestaltet,  erkennt 
man  an  dem  im  Jahre  1556  von  Hteronymus  Loiier  erbauten  Rath- 
hause. ^)  Es  ist  ein  ausgedehntes  Rechtek,  die  östliche  Langseite 
des  Marktes  begrenzend,  überaus  einfach  in  verputzten  Backsteinen 
aufgeführt.  An  der  südlichen  Schmalseite  ist  ein  kleiner  Erker 
ausgebaut;  ebenso  an  der  Nordseite.  Die  nach  Westen  gewendete 
Hauptfront  ist  mit  sieben  unregelmässig  angeordneten  Giebeln 
bekrönt,  die  über  dem  mit  Zahnschnitten  ausgestatteten  Haupt- 
gesimse aufsteigen.  Derb  und  tüchtig  behandelt,  zeigen  die  Ein- 
fassungen der  Voluten  ein  Rustikaquaderwerk  (Fig.  218).  Ein 
achteckiger  nicht  genau  in  der  Mitte  der  Fa^ade  ausgebauter 
Thurm  enthält  das  Hauptportal  und  die  Wendeltreppe.  Das  Ganze 
ist  von  malerischer  Wirkung,  aber  ohne  höheren  Eunstwerth.  Eine 
im  Jahre  1672  nothwendig  gewordene  Erneuerung  hat  sich  mit 
Verständniss  dem  Charakter  des  Ganzen  angeschlossen.') 

Die  Fenster  am  ganzen  Bau  sind  paarweise  gruppirt,  mit 
durchschneidenden  Stäben  in  spätgothischer  Form  eingefasst,  jedes 
schmückende  Ornament  ist  yermieden,  nur  eine  grosse  Inschrift 
in  römischen  Majuskeln  umzieht  als  Fries  den  ganzen  Bau.  Das 
Hauptportal,  mit  gekuppelten  kannelirten  ionischen  Säulchen'  ein- 
gefasst, hat  über  sich  auf  kräftigen  Consolen  eine  offene  Altane 
als  Abschluss  des  viereckigen  Thurmgeschosses.  lieber  dieser 
geht  der  Thurm  in's  Achteck  über  und  ist  mit  einem  geschweiften 
Dach  geschlossen.  Die  östliche  gegen  den  Naschmarkt  gerichtete 
Fafade  entspricht  in  ihrer  Behandlung  der  westlichen,  nur  dass 


«)  VogePs  Leipz.  Annalen  S.  202.    —    *)  Ebenda  S.  745. 


Kap.  XV.    OberBaehseii.  g()5 

der  Thurm  fehlt,  im  Inaem  enthftlt  das  Haapt^escIioBB  zunftohst 
einen  groHsen  Voraaal,  deaaen  Decke  auf  acht  gut  and  kräftig 
behandelten  Holzpfeilem  ruht  Drei  stattliche  Kamine  aus  Sand- 
stein mit  Atlanten  und  Karyatiden  schmücken  die  innere  Wand. 
Daneben  ein  kleines  Verbindungszimmer  mit  Kreuzgewölbe  und 
einem  ftbnlichen  Kamine.  Der  Rathssaal,  ein  quadratischer  gegen 
die  Grimmaische  Strasse  gerichteter  Kaum,  hat  eine  flache  Felder- 
decke mit  vergoldeten  Rosetten  und  einen  eisernen  Ofen  von  ziem- 
lich roher  Arbeit,  dagegen  einen  prächtigen  Schrank  mit  schduen 
Intar^en  von  Blumen  und  flachem  Lederomament 


In  ähnlich  schlichter  Behandlnng  ist  das  jetzige  Polizeiamt 
ansgefshrt,  bei  aller  Einfachheit  eines  kräftig  gegliederten  Stuck- 
baues  doch  von  tüchtiger  und  anspreohender  mrkung,  besonders 
in  dem  hohen  geschweiften  Giebel  an  der  Beichsstraaae.  Die 
vordere  Fa^ade  am  Nasehmarkt  ist  stark  rerändert  An  einem 
Fenster  Im  Hofe  liest  man  die  Jahrzahl  1578.  Malerisch  ist  im< 
ErdgesdioBB  der  Batfaakelier,  dessen  grosse  Kreuzgewölbe  auf 
zwei  mittleren  Säulen  mit  originellen  dorisirenden  Kapitalen  rubeai 

Derselben  Spätzeit  gehört  auch  das  Wenige  an,  was  an  der 
Pleissenbarg  sich  tob  kflnstlerisohea  Formen  findet.     Doch 


S0(>  ni.  Buch.    Benaisünce  in  Deutschland. 

bietet  der  Bau  in  seiner  schlichten  festongsartigen  Behandlnng 
einiges  Interesse.  Dass  im  Jahre  1554  der  knrfllrstliehe  Bau* 
meister  Caspar  Voigt  beauftragt  vmrde,  die  Fundamente  des  Baues 
zu  graben,  haben  wir  schon  anderwärts  (S.  730)  erftthren;  naeh 
anderer  Nachricht  0  wäre  das  Werk  schon  1551  begonnen  worden. 
Der  Bau  bildet  in  seiner  Grundform  ein  rechtwinkliges  Dreieck, 
welches  seine  Hypotenuse  nordostwärts  gegen  die  Stadt  wendet, 
während  die  beiden  Katheten  mit  einem  auf  der  Ecke  vorge- 
schobenen runden  Thurm  sich  südwestlich  nach  aussen  wenden. 
Der  Haupteingang  liegt  auf  der  Stadtseite  in  der  Mitte  der 
Diagonale.  Die  Behandlung  des  Ganzen  ist  massenhaft,  und  alle 
Einzelheiten  tragen  den  derben  festungsartigen  Charakter.  Eän 
mächtiger  Wulst  trennt  als  Gesimse  den  Unterbau  vom  Haupt- 
geschoss.  Aehnlich  sind  die  Fenster  und  die  Portale  eingefasst, 
und  rohe  Lisenen  gliedern  an  einzelnen  Theilen  das  Haupt- 
geschoss.  An  einzelnen  Stellen  ist  eine  Rustika -Behandlung 
durchgeführt  Gegenüber  dem  Haupteingang  springt  ein  Vorbau 
mit  Erker  in  drei  Geschossen  aus  dem  Winkel  des  Dreiecks  vor. 
Hier  befindet  sich  zur  Rechten  das  einzige  feiner  behandelte  Por- 
tal, das  zu  einer  Wendeltreppe  führt  Ein  anderes,  gleich  den 
übrigen  TheiliBn  sehr  derb  gehaltenes  Portal  im  südlichen  Flügel 
mündet  ebenfalls  auf  eine  Wendeltreppe.  Der  grosse  runde  Thurm 
an  der  Südspitze  dient  jetzt  als  Observatorium. 

Im  Gegensatze  zu  all  diesen  äusserst  schlicht  behandelten 
Werken  stellt  sich  das  Fürstenhaus  in  der  Grimmaischen  Strasse 
als  das  einzige  Gebäude  von  feinerer  Durchbildung  dar.  Seit 
1575  durch  Doctor  Georg  Rode  erbaut,^)  erhebt  es  sich  mit 
langer  Front  in  zwei  Stockwerken  und  einem  durch  Erker  charak- 
terisirten  Dachgeschoss  mit  seiner  Langseite  an  dieser  Haupt- 
strasse der  Stadt,  an  beiden  Enden  mit  runden  ausgekragten 
Erkern  geschmückt  (Fig.  219),  die  nicht  blos  die  reichste  archi- 
tektonische Gliederung  zeigen,  sondern  auch  durch  Brustbilder, 
Laubwerk,  Wappen  und  Inschrifttafeln  geziert  sind.  Die  facet- 
tirten  Quadern,  die  Anwendung  von  dorischen  Pilastern  und  Tri- 
glyphenfriesen,  so  wie  das  häufig  vorkommende  aufgerollte  Band- 
werk entsprechen  dem  Charakter  dieser  Spätzeit,  während  der 
Beichihum  der  Behandlung  und  die  Zierlichkeit  des  Details  fast 
den  Eindruck  von  Frührenaissance  machen.  Die  Composition 
dieser  Erker  und  ihre  Art  der  Ausschmückung  ist  als  spezifisches 
Merkmal  der  Obersächsischen  Schule  aufzufassen;  in  Torgau  und 
Dresden  haben  wir  Aehnliches  gefunden.    Während  diese  Theile 


*)  Vogel,  a.  a.  0.  S.  190.   —    >)  Ebenda  S.  S35. 


Kap.  Xy.    Obersaehsen.  809 

in  Sandstein  ausgeführt  sind,  zeigt  die  Fa^ade  den  Putzbau  und 
wird  nur  durch  die  paarweis  gruppirten  Fenster  mit  ihren  kräf- 
tigen i|n  Charakter  des  Mittelalters  gearbeiteten  Rahmen  belebt 
£in  zierliches  Consolengesims  bildet  den  Abschluss ;  die  Dachgiebel 
sind  ma^ssToU  und  fein  mit  Pilastem  eingefasst  und  durch  Zahn- 
schnittgesimse gegliedert  Ein  schlichtes  Bogenportal,  darüber  das 
bemalte  sächsische  Wappen  und  eine  Inschrifttafel,  führt  in  den  ge* 
wölbten  Flur,  und  yon  dort  gelangt  man  zu  einer  rechts  in  einem 
runden  Thurm  gegön  den  Hof  vorgebauten  Wendeltreppe.  Den  oberen 
Theil  dieses  Treppenthurmes  erblickt  man  auf  unsrer  Abbildung.  Am 
westlichen  Erker  der  Fa^ade  bezeichnet  ein  Steinmetzzeichen  nebst 
den  Buchstaben  P  W  wahrscheinlich  den  Namen  des  Baumeisters. 
Reichere  Entfaltung  gewinnt  die  Architektur  in  Leipzig  erst 
gegen  Ausgang  der  Epoche  um  die  Mitte  des  17.  Jahrhunderts. 
Eine  grössere  Üppigkeit  in  der  Dekoration  macht  sich  an  den 
Fafaden  geltend.  Ein  Prachtstück  dieser  Art  ist  das  Haus  in 
der  Nicolaistrasse  No.  47,  ein  hoher  Giebelbau,  im  Erdgeschoss 
Rustika,  die  oberen  Stockwerke  mit  schlanken  dorischen  und 
ionischen  Halbsäulen,  darüber  der  Giebel  mit  ionischer  und  korinth- 
ischer Ordnung,  an  den  Seiten  barock  geschweift  mit  Voluten  und 
Schnörkeln.  Die  derben  und  schweren  Ornamente  an  den  Fenster- 
brüstungen, die  schwülstigen  Rankenfriese  und  Fruchtschnüre 
deuten  schon  auf  sehr  späte  Zeit  Über  der  Hausthür  ein  noch 
gut  stilisirtes  Eisengitter.  Wie  man  ein  einfacheres  Portal  blos 
durch  facettirte  Quaderungen  an  Pfeilern  und  Archivolten  wirksam 
ausbildete,  zeigt  die  übrigens  modemisirte  Fagade  Reichsstrasse 
No.  44.  In  derselben  Strasse  No.  5  eins  der  wenigen  Häuser  mit 
eleganter  ausgebildeten  Gliedern,  die  Fagade  zwar  einfach,  aber 
das  breite  rundbogige  Portal  mit  hübschen  Muschelnischen  und 
reich  gegliederter  Archivolte;  darüber  ein  rechtwinkliger  Erker^ 
dessen  Auskragung  prächtig  decorirt  ist,  endlich  als  Abschluss 
ein  hoher  Giebel  mit  zwei  Ordnungen  schlanker  korinthischer  Halb- 
säulen, ausserdem  mit  barocken  Voluten  eingefasst  Nicht  minder 
prächtig  ein  diagonal  gestellter  Erker  in  derselben  Strasse  an 
dem  Eckhaus  No.  3,  (Specks  Hof).  Dagegen  ein  polygoner  Erker 
mit  prächtigem,  aber  schon  krautartig  breitem  Akanthuslaub, 
welches  alle  Flächen  überzieht,  an  dem  Hause  Grimmaische  Strasse 
Ko.  35.  Die  Behandlung  dieser  Arbeiten  ist  nicht  mehr  die  knappe, 
scharfe  der  Steintechnik,  sondern  die  weiche,  breite  der  Holz- 
schnitzerei. Eins  der  spätesten  Beispiele  endlich  ist  Haiustrasse 
No.  4,  wo  ein  prachtvoller  Erker  in  drei  Geschossen  an  allen 
Flächen  dies  üppige  Laubomament  zeigt  Damit  ist  aber  die 
Gränze  unserer  Epoche  schon  überschritten« 


810  UL  BnoL    Renaiüanoe  in  Deutschland. 


Altenbnrg. 

Seit  1445  den  EorfBrsten  von  Sacluien  zogefheilt,  die  eine 
Zeit  lang  dort  residirten,  entwickelte  die  Stadt  Altenburg  im 
Lauf  des  16.  Jahrhunderts  eine  rege  Bauth&tigkeit^  welche  gehon 
frfth  zur  Au&ahme  der  Benaigsance  führte.  Zuerst  treten  die 
Formen  des  neuen  Stils  an  dem  grossen  Hause  der  Sporergasse 
No.  1  uns  entgegen.  Es  hat  ein  Portal  vom  Jahre  1531  in 
schlichten  frtthen  Benaissanceformen,  die  einrahmenden  Pilaster 
mit  flachen  Kugeln  geschmttckt,  ähnlich  den  älteren  Fenstern 
am  Schloss  zu  Dresden,  die  Bekrönung  ein  Bogenfeld  mit  muschel- 
artiger Dekoration,  ebenfalls  mit  Kugeln  besetzt  An  den  Fenstern 
und  dem  breiteren  Thorwege  zeigen  sich  noch  die  durch- 
schneidenden Stäbe  der  GothiL  EUn  anderes  ebenfalls  unbedeu- 
tendes Portal  vom  Jahr  1537  findet  sich  in  derselben  Strasse 
No.  18.  Es  trägt  die  bekannte  Inschrift:  Yerbum  domini  manet  in 
aetemum.  Dazu:  Amen  dico  vobis  ego  sum  ostium  ovium.  In 
derselben  Strasse  No.  2  ein  Portal  des  späteren  Stiles  mit  Seiten- 
nischen,  1569  erbaut,  1605  im  Fries  umgestaltet 

Das  Hauptwerk  ist  aber  das  Bathhaus.  Es  vnirde  1562 
begonnen,  im  Frühling  des  folgenden  Jahres  unter  Dach  gebracht 
und  am  10.  November  1564  äusserlich  durch  Aufsetzen  des 
Thurmknopfes  voUendet  Die  Hauptleitung  des  Baues  hatte  der 
als  Erbauer  des  Schlosses  zur  fröhlichen  Wiederkunft  bekannte 
fflrstUohe  Baumeister  Nicolaus  Grohmann  zu  Weimar,  von  dem  auch 
der  Entwurf  herrührte.  Die  Bildhauerarbeiten  wurden  durch  Hans 
Werner  und  Caspar  Böschel  aus  Chemnitz  ausgeführt*)  Es  ist 
ein  stattlicher  reich  behandelter  Bau  von  edlen  Benaissanceformen, 
(Fig.  220)  mit  gewaltigem  rings  abgewalmtem  Dach  bedeck^  an  der 
Vorderseite  mit  einem  polygonen  Treppenthurm  ausgestattet,  auf 
beiden  Ecken  gegen  den  Markt  mit  den  ausgekragten  halbrunden 
Erkern  geschmückt,  welche  in  ähnlicher  Anlage  und  Dekoration 
zuerst  in  Torgau  vorkommen,  und  in  ähnlicher  Weise  am  Fürsten- 
hause zu  Leipzig  auftreten.  Das  Untergeschoss  des  Thurmes  ist 
in  der  damals  beliebten  Weise  rechtwinklig  angelegt  und  mit 
einer  Altane  geschlossen.  Das  Hauptportal  sowie  zwei  andere 
Portale  sind  mit  ionischen  Säulen  eingefasst  und  mit  zahlreichen 
Insehriften  geschmückt  Auch  der  Unterbau  hat  eine  Umrahmung 
Yon  sehr  lang  gezogenen  kannelirten  Säulen  derselben  Ordnung. 
Die  Fenster  mit  den  eingekerbten  Bahmen  und  einem  Giebel  mit 


0  E.  V.  Braun,  Gesch.  des  Bathh.  zu  Altenbnrg  (1864)  S.  12. 


rii.  no.    AlUabiuni.  Bathhuu. 


Kap.  XY.    Obersaohsen.  gl3 

eingdassener  Kugel,  die  Gesimse  mit  ihren  kräftigen  Consolen,  die 
£rker  mit  ihren  Pilastem  und  Reliefs,  rechts  Fürstenportraits, 
links  die  Geschichte  des  Sflndenfalles ,  endlich  die  maassvoU  be- 
handelten Giebel,  welche  dem  Dache  yorgesetzt  sind  und  gemalte 
Ornamente  zeigen,  das  Alles  zeugt  von  einer  überwiegend  klassi- 
zistischen Behandlung,  doch  ohne  Trockenheit  An  Feinheit  der 
Ausführung  ist  übrigens  die  Dekoration  der  Erker  der  am  Fürsten- 
hause  zu  Leipzig  untergeordnet 

Im  Innern  führt  die  breite  Wendeltreppe  zu  einer  herrlichen 
grossen  Halle  mit  reich  gegliederter  Balkendecke  auf  kannelirten 
ionischen  Holzsäulen.  Auch  die  Kopfbänder  sind  als  antikisirende 
Consolen  behandelt.  Mehrere  prächtig  dekorirte  Thüren,  Kamine 
und  eine  Tribüne  für  die  Musiker  schmücken  diese  ansehnliche 
Halle,  .lieber  der  Thüre  zum  Bathssaal  liest  man  das  bedeutsame 
Motto:  Blandis  verbis  et  atrocibus  poenis.  Das  Bathszimmer 
selbst  hat  ähnlich  reiche  Decke  wie  der  Vorsaal,  die  Fenster- 
rahmen sind  auf  kraftvolle  ionische  Säulen  gestützt,  die  Fortale 
ungemein  reich  geschnitzt,  mit  Hermen  und  Karyatiden  eingefasst, 
über  dem  einen  der  thronende  Weltrichter.  Ein  anstossendes 
Gemach,  das  auf  den  Erker  hinaus  geht,  zeigt  einfachere  Behand- 
lung an  Decke  und  Fensterui  aber  ähnliche  Fortale. 

Das  Schloss,  eine  ausgedehnte  Anlage,  deren  Entstehung  in's 
Mittelalter  hinaufreicht,  ist  mit  Ausnahme  der  reichen  spät- 
gothischen  Kapelle  ohne  künstlerisches  Interessa  Nur  im  Innern 
Schlosshof  sieht  man  den  Ansatz  einer  dreistöckigen  Arkade,  von 
der  jedoch  nur  zwei  Systeme  ausgeführt  sind:  im  Erdgeschoss 
Rustika  mit  übertrieben  geschwellten  dorischen  Säulen,  die  beiden 
oberen  Stockwerke  mit  flachgedrückten  Bögen,  im  ersten  Stock 
auf  toskanischen  Säulen,  im  zweiten  auf  Pfeilern,  die  mit  ähnlichen 
Halbsäulen  bekleidet  sind,  eine  Arbeit  der  Zeit  um  1600  ohne  be- 
sondere Feinheit  Auch  der  damit  verbundene  Treppenthurm  und 
das  Portal  desselben  ist  nur  Mittelgut 


Halle. 

Unter  den  Städten  dieses  Gebiets,  welche  eine  selbständige 
Rolle  spielen,  ist  vorzüglich  Halle  zu  nennen«  Schon  seit  dem 
13.  Jahrhundert  hatte  die  Stadt  durch  ihre  Salzwerke  solche  Be- 
deutung erlangt,  dass  sie  mit  den  Erzbischöfen  von  Magdeburg 
hartnäckige  Fehden  durchfechten  und  sich  1435  gegen  ein  starkes 
Heer  des  Erzbischofs  Günther  und  des  Kurfürsten  von  Sachsen 
behaupten  konnte.    Ihr  Wohlstand  nahm  im  Laufe  des  15  Jahr- 


814  IIL  Bueh.    Benmisaance  in  Dentsehland. 

huBderts  durch  den  immer  ausgedehnteren  Handel  stetig  zn ;  aber 
die  stets  wachsende,  durch  die  sächsischen  Fürsten  geforderte 
Blttfhe  Leipzigs,  mehr  noch  innere  Streifigkeiten  zwischen  Patridat 
und  Volkspartei  zerrütteten  bald  ihre  Machtstellung,  so  dass  Erz- 
bischof Ernst,  im  Bunde  mit  den  Demokraten,  sich  1478  der  Stadt 
bemächtigen  und  durch  Anlegung  der  gewaltigen  Moriteburg 
(1484—1503)  festen  Fuss  darin  fassen  konnte.^  Noch  entscheiden- 
der griff  Erzbischof  Albrecht  von  Brandenburg  (1513 — 1545)  in 
die  Geschicke  der  Stadt  ein.  Dieser  weltlich  gesinnte,  aber  nach 
aUen  Seiten  unternehmende  und  rficksichtslos  vorgehende  Eirehen- 
fttnrt,^)  der  seit  1514  die  beiden  mächtigen  Erzbisthümer  yon 
Mainz  und  von  Magdeburg  besass,  1518  dazu  die  EardinalswUrde 
erhielt,  säumte  nicht,  in  umfassender  Weise  die  inneren  und  äusse- 
ren Verhältnisse  der  Stadt  umzugestalten.  Ohne  Pietät  für  das 
Althergebrachte,  seinem  Hange  zur  Pracht  und  zu  glänzenden 
ktlnstlerischen  Unternehmungen  nachgebend,  riss  er  alte  Kirchen 
ein,  veränderte  die  Pfarrsprengel,  gründete  neue  Stiftungen,  fügte 
ansehnliche  Bauten  hinzu  und  bürgerte  den  Stil  der  Renaissance 
in  Halle  ein,  wie  er  ihn  bei  dem  schönen  Brunnen  auf  dem  Markt- 
platz zu  Mainz  (oben  S.  425)  ebenfalls  zur  Geltung  gebracht  hatte. 
Seine  erste  bedeutende  Unternehmung  in  Halle  ist  die  Domkirohe, 
welche  er  mit  Beibehaltung  der  mittelalterlichen  Anlage  seit  1520 
zum  CoUegiatstift  umwandelte  und  glänzend  ausstattete.  Damit 
verband  er  einen  neuen  Palast  zwischen  den  Gebäuden  am  Dom 
und  dem  Elausthor,  die  noch  jetzt  vorhandene  Residenz  (1529). 
Noch  gewaltsamer  riss  er  die  beiden  alten  Kirchen  am  Markte 
nieder  und  erbaute  seit  1529  die  grossartige  Marienkirche,  noch 
ganz  in  gothischem  Stil,  aber  mit  reicher  Renaissancedecoration 
des  Innern.  Schon  vorher  hatte  er  seinem  Günstling  Hans  von 
Schönitz  mehrere  Kapellen  am  Markte  geschenkt,  um  aus  deren 
Steinen  eine  Reihe  stattlicher  Gebäude  zu  errichten.  Die  grandiose 
Anlage  des  Marktplatzes,  der  kaum  einem  anderen  in  Deutschland 
zu  weichen  braucht  und  den  die  gewaltigen  zum  Theil  noch  mittel- 
alterlichen Thürme  sammt  den  imposanten  Massen  der  Marienkirche 
überragen,  ist  Albrechts  Werk.  Noch  verdienstlicher  war  es,  dass 
er  den  Rath  bewog,  die  verderbliche  alte  Sitte  des  Beerdigens  in 
der  Stadt  aufzugeben  und  vor  den  Thoren  jenen  Friedhof  anzu- 
legen, dessen  grossartige  Gestalt  und  künstlerische  Ausstattung  in 


<)  Vgl.  Dreyhaupt,  Beschreib,  des  Saal-Creyses.  1755.  2  Bde.  FoL, 
sowie  G.  H.  vom  Hagen,  die  Stadt  Halle.  I.  Bd.  1867.  —  *)  CR.  vom 
Hagen,  I,  52  ff.  Dazu  J.  H.  Hennes,  Albrecht  von  Brandenburg.  Mainz 
18^8  und  J.  May,  Albrecht  I  von  Mainz  und  Magdeburg.    I.  Bd.  1865. 


Kap.  XV.    Obenachaen.  gl 5 

Deutschland  einzig  dasteht  Endlich  wurde  Albrecht  gegen  seine 
eigne  Absicht  mittelbar  Anlass  zur  Einführung  der  Reformation 
in  den  Diöcesen  Magdeburg  und  Halberstadt,  da  er  1539  den 
versammelten  Ständen  gegen  Bezahlung  seiner  ansehnliehen  Schul- 
denlast freie  Seligionsttbung  bewilligte. 

In  der  Geschichte  der  Deutschen  Renaissance  gebflhrt  diesem 
Xirchenfllrsten  eine  hervorragende  Stelle.  Auf  der  Universität 
zu  Frankfurt  an  der  Oder,  wo  er  auch  Ulrich  von  Hütten  kennen 
lernte,  war  er  durch  humanistische  Studien  in  den  Geist  der  neuen 
Zeit  eingeführt  worden.  Auf  religiösem  Gebiete  zwar  hielt  er, 
durch  seine  hohe  kirchliche  Stellung  in  eingewurzelten  Vorurtheilen 
festgebannt,  streng  am  Althergebrachten ;  aber  um  so  rückhaltloser 
gab  er  sich  der  Pflege  des  künstlerischen  Lebens  hin.  Unter 
allen  gleichzeitigen  Fürsten  Deutschlands  hat  keiner  in  so  nach- 
drücklicher Weise  die  Künste  gepflegt  wie  er.  Was  durch  seine 
Bestellungen  Meister  wie  Dürer,  Grünewald,  Hans  Sobald  Beham, 
Lucas  Granach  geschaffen  haben,  ist  bekannt.  Die  Pinakothek 
in  München,  die  Galerien  zu  Aschaffenburg,  Berlin,  Darmstadt 
und  Mainz,  die  Gemäldesammlung  des  Louvre,  die  Kirchen  zu 
Halle  und  Aschaffenburg  weisen  eine  reiche  Zahl  von  Gemälden 
auf,  die  durch  ihn  hervorgerufen  wurden.  In  der  Bibliothek  zu 
Aschaffenburg  sieht  man  mehrere  Missale's  und  Gebetbücher,  die 
durch  Niklas  Glockendon  und  Hans  Sobald  Beham  mit  pracht- 
vollen Miniaturen  aufs  reichste  geschmückt  sind.  Zweimal  stach 
Dürer  sein  Bildniss  in  Kupfer ;  durch  die  vorzüglichsten  Meister  liess 
er  seine  Siegel  stechen,  die  zum  künstlerisch  Werthvollsten  dieser 
Gattung  gehören.  Peter  Vischer  musste  ihm  das  ausgezeichnete 
Grabdenkmal  für  die  Stiftskirche  zu  Aschaffenburg  arbeiten;  von 
Johann  Vischer  liess  er  dann  ebendort  das  schöne  Reliefbild  der 
Madonna  setzen,  und  auch  das  in  edlen  Renaissanceformen  durch- 
geführte, jedenfalls  aus  der  Vischerischen  Werkstatt  herrührende 
Grabmal  der  h.  Margaretha  in  derselben  Kirche  ist  durch  ihn  her- 
vorgerufen. Die  von  ihm  neu  gegründeten  kirchlichen  Stiftungen, 
namentlich  den  Dom  zu  Halle  stattete  er  mit  prachtvollen  Para- 
menten,  Reliquien  und  künstlerisch  geschmückten  heiligen  Gefässen 
aus.  Die  „Heiligthümer^  dieser  Kirche  musste  dann  Dürer  in 
einem  eignen  Werke  in  Kupfer  stechen.  Von  den  architektonischen 
Schöpfungen  des  kunstliebenden  Fürsten  besitzt  Halle  noch  eine 
ansehnliche  Zahl.  Wie  an  jenem  Brunnen  zu  Mainz,  ja  noch 
einige  Jahre  früher  tritt  hier  die  Renaissance  in  dem  vollen  Zauber 
ihrer  spielenden  Deeoration  auf,  so  dass  diese  Arbeiten  zu  den 
firtthesten  gehören,  welche  der  neue  Stil  in  Deutsehland  geschaf- 
fen hat. 


816 


in.  Bnch.    BetuüsBance  in  DeutBohUnd. 


In  seinem  Eifer  fflr  den  katholischen  Glauben  wandte  Albrecbt 
haaptBfichllch  der  Augatattnng  von  Kirchen  Beine  AufmerkBamkeit 
zu.  Der  Dom  oder  die  Predigerkirehe  ist  keioeawegB,  wie  man 
wohl  gesa^  hat,  von  ihm  erbaut  worden;  vielmehr  zeigt  der  Chor 
eine  strenge  frUhgothiache  Composition  in'  edlen  Formen  vom 
Anfang  doB  14.  Jahrhunderts,  während  das  Schiff  etwas  später 
entstanden  zu  sein  scheint  Als  aber  Albrecht  das  Collegiatstift 
hier  gründete,  schmflckte  er  seit  1520  den  Bau  mit  einer  An- 
zahl bedeutender  Werke.    Er  wusste  dafttr  Ellnstler   heran   zu 


ziehen,  welche  den  neuen  Stil  in  selbständiger,  zum  Theil  meister- 
hafter Weise  zu  behandeln  Terstanden.  Dieser  Zeit  gehört  im 
nördlichen  Seitenschiff  die  elegant  inFrUhrenaissanceformen  behan- 
delte Oedikationstafel  vom  Jahre  1523.  Femer  die  Kanzel  vom 
Jahre  1526,  eins  der  reichsten  Skulpturwerke  unsrer  Renaissance 
(Fig.  221).  Völlig  mit  Laubwerk,  spielenden  Putten,  reichen 
Gliederungen  und  plastiBchen  Darstellungen  geschmfickt,  Alles  in 
Sandstein  mit  grossem  Geschick  ausgeführt,  bemalt  und  vergoldet, 
hat  das  Werk  den  Ausdruck  üppigster  Lebensfrische,  üeber  dem 
Aufgang  ist  ein  Eccehomo,  an  der  Treppenbrüstung  sind  die 
Kirchenväter,  an  der  oberen  Einfassung  die  Apostel  und  die  Evan- 
gelisten dargestellt.    Von  derselben  I^cht  ist  die  Tbttr  zur  Sa> 


Kap.  Xy.    Obersachsen.  817 

kristei,  fabelhaft  reich  dekorirt,  mit  zwei  ganz  in  Bildwerk  auf- 
gelösten Säulen  eingefasst  Auch  das  kleine  südliche  Portal  der 
Kirche  zeigt  dieselbe  spielende  Eleganz.  Endlich  gehören  in  die- 
selbe Zeit  die  Apostelstatuen  an  den  Pfeilern  des  Schiffes,  höchst 
bedeutende  Gestalten  im  grossartigsten  Stil  Dttrer'scher  Kunst, 
machtvoll  in  der  Ausprägung  der  Charaktere,  die  Gewänder  in 
dem  knittrigen  Stil,  der  damals  namentlich  in  Nürnberg  herrschte.^) 
Die  reichen  Baldachine,  unter  welchen  sie  stehen,  sind  im 
Wesentlichen  noch  gothisch  und  nehmen  kleine  Gonsolen  auf, 
welche  Statuetten  yon  Propheten  tragen.  Hier  mischen  sich 
Formen  der  Benaissance  ein,  namentlich  aber  sind  die  grossen 
Gonsolen  der  Hauptfiguren  in  elegantester  Weise  mit  Voluten 
und  Ornamenten  des  neuen  Stils  dekorirt.  Von  dem  Baue  Albrechts 
stammen  endlich  die  Halbrundgiebel,  welche  die  Kirche  an  der 
Aussenseite  bekrönen  und  ihr  ein  so  seltsames  Gepräge  geben. 
Hoch  auf  ziemlich  steilem  Ufer  über  der  Saale  aufragend,  sieht 
der  Dom  mehr  einem  weltlichen  als  einem  kirchlichen  Gebäude 
gleich.  Die  beiden  Thttrme,  welche  Albrecht  an  der  Westseite 
hinzufügte,  waren  in  der  Hast  so  unsolide  ausgeführt,  dass  man 
sie  1541  abtragen  musste.^)  Bald  darauf  (1529)  führte  der  bau- 
lustige Fürst  die  Alte  Residenz  neben  dem  Dome  auf,  die 
freilich,  jetzt  arg  verbaut  und  entstellt,  wenig  von  ihrem  ursprüng- 
lichen Glänze  bewahrt  hat  Man  sieht  zwei  grosse  Bogenportale, 
jedes  mit  einem  kleineren  Pf  Örtchen  zur  Seite,  in  einfachen 
Frührenaissanceformen.  Die  *Bahmen  der  Pilaster  und  Bögen 
haben  eingelassene  Schilde,  die  an  dem  einen  Portal  ungeschickter 
Weise  sogar  über  die  Umfassung  hinausgreifen.  Der  weite, 
unregelmässige  Schlosshof  muss  ehemals  einen  bedeutenden  Ein- 
druck gemacht  haben.  Im  Erdgeschoss  sind  noch  Theile  des 
Säulenganges  erhalten,  welcher  mit  weitgespannten  gedrückten 
Bögen  von  16  F.  Axe  das  Ergeschoss  umzog.  Die  stark  geschwell- 
ten Säulen  haben  schlichte  Frührenaissanceform. 

Völlig  mittelalterlich  dagegen  ist  die  gewaltige  Ruine  der 
von  Erzbischof  Ernst  (s.  o.)  erbauten  Moritzburg,  die  am  völlig 
gothisch  behandelten  Wappen ')  des  Einganges  die  Jahrzahl  1517 


*)  Der  Eindtuck  dieser  herrlichen  Werke  leidet  empfindlich  durch  die 
abscheuliche  Zopfdecoration  von  Palmzweigen  imd  Draperien  über  den 
Arkaden,  welche  die  ganze  Kirche  verunstalten.  —  ^)  Von  der  ursprüng- 
lichen Pracht  der  Ausstattung  dieser  Kirche,  die  Albrecht  mit  Beliquien, 
Prachtgefassen,  flandrischen  Teppichen  und  Kostbarkeiten  jeder  Art  ver- 
schwenderisch begabte,  giebt  das  Gedicht  des  Sabinus  (abgedr.  bei  May, 
a.  a.  0.  Beil.  XLVI)  lebendige  Anschauung.  —  ^)  Nicht  in  Benaiasance- 
formen,  wie  man  wohl  behauptet  hat. 

Kngler,  Geaoh.  d.  Banknnit.  V.  52 


glg  in.  Bacb.    Renaissance  in  Deutschland. 

zeigt  In  der  Ulrichskirche  ist  neben  dem  Altar  ein  Taber- 
nakel, das  sieh  aus  spätgothischem  Astwerk  aufbaut,  dann  mit 
Gonsolen  und  Säulchen  in  die  zierlichste  Frlihrenaissance  über- 
geht, um  zuletzt  wieder  mit  naturalistisch  verschlungenem  Astwerk 
zu  enden.  Es  ist  das  seltsamste  Gemisch,  das  von  der  künst- 
lerischen Grährung  jener  Epoche  lebendig^  Anschauung  giebt  In 
derselben  Kirche  eine  reich  geschnitzte  Kanzel  yon  15S8  mit 
biblischen  Geschichten,  in  den  Formen  schon  stark  barock.  Eine 
ähnliche  Kanzel,  nicht  minder  reich,  aber  auch  stark  barock  in 
der  Moritzkirche. 

Ein  höchst  bedeutendes  Werk  ist  aber  die  grossartige  Aus- 
schmückung, welche  die  Marienkirche  (Markikirche)  in  allen 
Theilen  aufzuweisen  hat.  Der  grossartige  Bau  des  Langhauses» 
eine  hohe  Hallenkirche  von  herrlicher  Raumwirkung,  ist  eins  der 
spätesten  Werke  der  Gothik  in  Deutschland,  von  1530  -bis  1554 
durch  Meister  Nikolaus  Hoftnann  ausgeführt  An  der  südlichen 
Empore  steht:  „Durch  Gottes  Httlf  hab*  ich  Nickel  Hofmann  diesen 
Bau  in  1554  vollendet^  Das  Merkwürdigste  ist  aber,  dass  der- 
selbe Meister  den  ganzen  gothisch  construirten  Bau  in  Benaissance- 
formen  decorirt  hat.  In  den  Seitenschiffen  sind  nämlich  Emporen 
auf  gothischen  Pfeilern  und  gerippten  Kreuzgewölben  angeordnet, 
aber  die  ganzen  Zwickelflächen  in  Sandstein  mit  Renaissance- 
Ornamenten,  Laub  und-  Rankenwerk,  mit  Figürlichem  gemischt, 
bedeckt  Die  Brüstung  der  Emporen  ist  mit  Kandelabersäulchen 
im  Stil  der  Frührenaissance  eingetheilt,  aber  mit  gothischem 
Maasswerk  gegliedert  Ebenso  zeigt  die  obere  Empore  im  nörd- 
lichen Seitenschiff  dieselben  Formen  in  Holzschnitzerei.  Hier  sind 
auch  an  den  Pfeilern  der  oberen  Empore  zwei  prächtige  Palm- 
bäume ausgeführt  Dazu  kommt  nun,  dass  die  ganze  Kirche  in 
den  Seitenschiffen  unter  den  Emporen  mit  einem  Stuhlwerk  der 
besten  Renaissance  versehen  ist,  die  Rückwände  mit  feinen  Pi- 
lastern  decorirt,  Alles  reich  und  mannigfaltig,  sämmtliche  freie 
Flächen  mit  edlem  Laubwerk  bedeckt  Ein  dorischer  Triglyphen- 
fries  mit  einer  trefflich  stilisirten  Bekrönung  bildet  den  Abschluss. 
Man  liest  wiederholt  die  Jahreszahlen  1562  bis  1566  und  kann 
das  Fortschreiten  der  Arbeit  bis  in's  Einzelne  verfolgen.  Dazu 
kommen  Chorsttthle  vom  Jahre  1575,  endlich  hinter  dem  Hoch- 
altar die  prachtvollsten  Sedilia,  in  Schnitzarbeit  von  etwas 
üppigeren  Formen,  vom  Jahr  1595.  Der  Frührenaissance  gehört 
dagegen  die  Kanzel,  bei  welcher  sogar  in  den  Details  noch  über- 
wiegend die  Gothik  herrscht;  die  Pilaster  des  Eingangs  aber 
zeigen  die  Renaissanceformen. 

Die  Profanbauten  stehen  hier  hinter  den  Kirchen  auffallend 


Kap.  XY.    Obersachsen.  819 

zurück.  Das  Bathhaus  ist  ein  geringerer  Bau  spätgothischer 
Zeit.  Die  Loggia  des  Mittelbaues  errichtete  1558  der  uns  schon 
bekannte  Nikolaus  Hofmann.  Im  Innern  zeigt  der  obere  Vorsaal 
tüchtig  gegliederte  Balkendecken  mit  Eassettirungen,  die  Balken 
in  mittelalterlicher  Weise  ausgekehlt;  ausserdem  ein  steinernes 
Portal  in  FrOhrenaissanceform,  einfach,  mit  Pilastem  und  muschel- 
gefülltem Bogengiebel.  Sodann  ein  schöner  Schrank  mit  eingelegter 
Arbeit,  architektonische  Prospekte  darstellend.  Wichtiger  ist  die 
neben  dem  Kathhaus  liegende  Stadtwaage, jetzt  als  Schule  dienend, 
ein  stattlicher  Steinbau  mit  sehr  reichem  Portal  aus  guter  Re- 
naissancezeit, 1573  bis  1581  entstanden.^)  In  der  Dekoration  des 
Portals,  an  den  Schäften  der  dorischen  Pilaster,  an  Bogenzwickeln, 
dem  Fries  und  Aufsatz  herrscht  ein  schön  gezeichnetes  Laubwerk 
Tor,  namentlich  im  Fries  Akanthusranken  mit  spielenden  Putten, 
an  den  Zwickeln  zwei  kräftige  Köpfe  in  Hochrelief  weit  heraus- 
schauend, die  Archivolte  selbst  facettirt,  endlich  an  den  Posta- 
menten Löwenköpfe.  Ein  kleines  Pf  Örtchen  für  Fussgänger 
daneben  hat  Seitennischen  mit  Muschelwölbung.  Ursprünglich 
erhielt  die  Fa^ade  ein  reicheres  Gepräge  durch  zwei  im  ersten 
Stock  Yorgekragte  Erker,  die  man  auf  der  Abbildung  bei  Dreyhaupt 
noch  sieht  Im  Innern  führt  ein  mächtiger  flachgedeckter  Flur 
zu  einer  schönen  Wendeltreppe  mit  gekehlter  Spindel,  sodann  zu 
einem  weiten  Hofe,  dessen  rechter  Flügel  in  charaktervollem 
Fachwerk  gebaut,  mit  tief  gekehlten  Balken  und  elegant  ge- 
schnitzten Gonsolen  aufgeführt  ist 

Ein  yereinzeltes  Beispiel  der  Frührenaissance  ist  das  Eckhaus 
am  Markt  und  der  Eleinschmiedenstrasse,  auf  beiden  Seiten  mit 
hohem  Giebel,  dessen  Voluten  sammt  den  Friesen  blos  durch 
Einkerbungen  wirksam  belebt  sind.  Der  Bau  mag  zu  jener  Gruppe 
von  Häusern  gehören,  welche  Hans  von  Schönitz  am  Markt  auf- 
führen liess.  Aus  der  mittleren  Zeit  stammt  das  Haus  an  der  Ecke 
der  Grossen  und  Eleinen  Steinstrasse,  mit  einem  ausgekragten 
runden  Erker,  der  freilich  jetzt  halb  verbaut  ist,  aber  an  der 
BrfLstung  noch  elegantes  Bankenwerk  zeigt.  Die  übrigen  Privat- 
bauten gehören  hier  erst  der  Schlusszeit  an  und  sind  weder  an 
Zahl  noch  an  künstlerischer  Bedeutung  hervorragend.  Eine  Aus- 
nahme macht  das  grosse  Prachtportal  in  der  Leipzigerstrasse  No.  6, 
datirt  vom  Jahr  1600.  Es  hat  auf  den  Seiten  Sitznischen  mit 
Muschelwölbungen  und  öfifhet  sich  mit  einem  grossen  reich  und 
derb  omamentirten  Bogen;  darüber  Hermen,  die  das  Gesimse 
tragen,  in  den  Zwickeln  die  liegenden  Gestalten  von  Sonne  und 


0  Dreyhaupt,  I,  359. 

52 


820  ni.  Buch.    Renaissance  in  Deutschland. 

Mond;  auf  dem  Gesimse  Justitia,  Temperantia  und  Simson  mit 
dem  Löwen,  dazwischen  Insehriftschilde  von  Frnehtschntlren  ein- 
gefasst.  Das  Ganze  prachtvoll  barock,  von  grosser  decorativer 
Wirkung,  die  aber  in  Missverhältniss  steht  mit  der  zu  kleinen 
FaQade.  Der  mit  Kreuzgewölben  bedeckte  Flur  mündet  auf  einen 
Hof,  der  von  kräftigen  Fachwerkbauten  eingefasst  ist  Em  httb- 
sches  kleineres  Portal  mit  zierlicher  Gliederung  sieht  man  in  der 
Grossen  Moritzstrasse;  ein  kraftvoll  derbes  Barockportal  mit  tos- 
kanischen  Säulen  auf  hohen  Postamenten,  daneben  eine  kleine 
rechtwinklige  Pforte  in  der  Grossen  Steinstrasse  No.  71.  Wie 
lange  gelegentlich  die  frühere  Renaissanceform  hier  nachwirkt, 
sieht  man  an  dem  Portal  der  Kleinen  Klausstrasse  No.  6  vom 
Jahr  1658.  Einige  Male  kommen  reich  geschnitzte  Holzerker  vor, 
die  in  Anlage  und  Behandlung  den  späten  Leipziger  Erkern  ent- 
sprechen. So  an  dem  Haus  Kleinschmiedenstrasse  No.  2  ein  bis 
oben  hinauf  ganz  mit  Laubwerk  und  Fruchtschnüren  bedeckter. 
Aehnlich,  nur  nicht  ganz  so  reich,  Grosse  Märkerstrasse  No.  2. 

Ein  Werk  von  besonderer  Grossartigkeit,  meines  Wissens  in 
Deutschland  einzig  dastehend,  ist  der  alte  Friedhof.  Wenn  man 
an  der  Ostseite  der  Stadt  bei  den  neuen' Anlagen  sich  rechts 
wendet,  so  führt  zwischen  hohen  Mauern  der  sanft  ansteigende 
Weg  in  einigen  Minuten  nach  diesem  Gottesacker,  der  mit  seinen 
herrlichen  Baumgruppen  die  Höhe  beherrscht  und  einen  wunder- 
vollen Blick  auf  die  Stadt  mit  ihren  Thürmen  bis  in  das  Saale- 
thal gewährt  Ein  Thorweg,  über  welchem  sich  ein  Kuppelthurm 
aufbaut,  filhrt  in  ein  ungeheures  Viereck,  welches  rings  von  Ar- 
kaden, und  zwar  94  Bögen  von  etwa  16  Fuss  Spannung  eingefasst 
ist  Es  sind  Flachbögen,  auf  Bahmenpilastern  ruhend,  jeder  ein 
besonderes  Familienbegräbniss  einschliessend,  an  den  Archlvolten 
mit  Inschriften  bedeckt,  an  sämmtlichen  Pilastem  und  Zwickel- 
flächen mit  Ornamenten  der  besten  Renaissance  geschmückt 
lieber  dem  Eingangsportal  das  kräftig  behandelte  Brustbild  des 
Baumeisters  Mckel  Hofmann.  Aber  auch  ohne  dies  monumentale 
Zeugniss  würde  man  aus  der  Aehnlichkeit  mit  den  Formen  der 
Marktkirche  auf  denselben  Architekten  schliessen.  Ja  sogar  in 
denselben  Jahren,  als  das  umfangreiche  Stuhlwerk  jener  Kirche 
geschnitzt  wurde,  geschah  die  Ausführung  des  Friedhofs.  Man 
liest  wiederholt  die  Jahreszahlen  1563  bis  1565,  dazu  mehrmals 
die  Namenszüge  des  Meisters,  ausserdem  noch  die  Buchstaben  T.  fi, 
und  an  der  Ostseite  nennt  sich  einmal  Harn  Reuscher.  An  der 
Südseite  sind  eine  Anzahl  von  Bögen  in  einem  besonderen  Stil 
dekorirt,  so  dass  die  Ranken  des  Laubwerks  sich  wie  Weinranken 
in  wunderbar  reichem  Spiel  in  und  um  einander  verschUngen.    Im 


Kap.  XY.    Obersachsen.  §21 

Uebrigen  herrscht  grosse  Einheit  der  Dekoration,  und  es  ist  er- 
staunlich^ wie  an  einem  so  ausgedehnten  Werk  das  dekorative 
Talent  und  die  Erfindungsgabe  nimmer  erlahmt  Dass  man  die 
Ausführung  auf  verschiedene  Hände  vertheilen  musste,  ist  begreif- 
lich; manches  ist  von  vorzüglicher  Feinheit,  nur  das  Figürliche 
zum  Theil  von  geringerem  Werth.  Dass  aber  die  Stadt  neben 
den  grossartigen  Arbeiten  in  der  Marktkirche  noch  ein  solches 
Werk  zu  gleicher  Zeit  fördern  konnte,  ist  ein  schöner  Beweis  für 
ihren  Monumentalsinn  und  wohl  auch  für  ein  besonders  reges 
religiöses  Leben. 


Merseburg. 

Dieser  uralte  Bischofssitz  bewahrt  in  dem  mächtigen  Schloss 
ein  grossartiges  Zeugniss  der  Fürsten,  die  hier  residirt  Mit 
seinen  drei  Flügeln  umfasst  es  einen  weiten  viereckigen  Hofraum, 
dessen  vierte  nach  Süden  gelegene  Seite  der  Dom  begrenzt  und 
zwar  derart,  dass  die  westlichen  Fa^aden  des  Schlosses  und  des 
Domes  in  derselben  Flucht  liegen.^) 

Die  nordwestliche  Ecke  des  Schlosses  ist  von  einem  mit 
Bäumen  bepflanzten  Hof  umgeben,  um  den  sich  kleinere  Wirth- 
schaftsgebäude  gruppiren.  Man  betritt  diesen  Hof  vom  Domplatz 
aus  durch  ein  stattliches  Portal  in  kräftiger  Bossagenarchitektur 
mit  etwas  barockem  Aufsatz  (das  Merseburger  Wappen  von  Löwen 
gehalten).  Durch  einen  verhältnissmässig  kleinen  Durchgang  ge- 
langt man  von  da  in  den  imposanten  innem  Schlosshof.  Hier 
steht  auch  der  alte  schwarze  Käfig,  in  welchem  der  historische 
Merseburger  Rabe  gefüttert  wird. 

.  Vor  den  letzten  Giebel  der  Westfa^ade  legt  sich  ein  schlan- 
ker hoher  Treppenthurm,  dessgleichen  einer  vor  den  mittleren 
Giebel  der  Nordfagade.  Die  letztere  ist  gegen  den  Schlossgarten 
gerichtet,  in  dessen  Axe  ein  stattlicher  Colonnadenbau  aus  späterer 
Zeit  steht  Eine  bepflanzte  Terrasse  mit  prächtiger  Aussicht  liegt 
vor  der  nach  dem  anmuthigen  Saale -Thal  blickenden  Ostfa^ade, 
die  im  Verein  mit  den  schlanken  Thürmen  des  Schlosses  und  der 
mittelalterlichen  vierthürmigen  Domkirche  vom  jenseitigen  Fluss- 
ufer aus  ein  ungemein  malerisches  Bild  gewährt. 

Die  Architektur  des  Aeussem  wie  auch  des  innem  Schloss- 
hofes   ist  wesentlich   bedingt  durch   die  hohen  Giebel,  welche 


^)  Werthvolle  Notizen  über  das  Nachfolgende    verdanke  ich  Herrn 
Architekt  Ludwig  Neher.    Vgl  Seemann's  D.  Ren.  Heft  14. 


g22  in.  Buch.    Benaissance  in  Deutschland. 

sich  (am  Nordflttgel  in  weiteren,  am  Ost-  und  Westflttgel  in 
engem  Zwischenräumen)  fiber  dem  durchlaufenden  Hauptgesimse 
bis  zur  Firsthöhe  erheben,  in  drei  Stockwerke  getheilt,  deren 
Verjüngungen  durch  Voluten  und  Obelisken  vermittelt  sind,  oben 
mit  geradlinigem  Giebel  geschlossen. 

Die  Hauptstockwerke  zeigen  grosse  rechteckige  Fenster, 
durch  Steinkreuze  getheilt,  oder,  wie  hauptsächlich  im  Hof, 
Fenster  mit  yorhangartigem,  aus  drei  einwärts  gekrümmten  Seg- 
menten gebildetem  Abschluss.  Diese  in  den  sächsischen  Gregenden 
beliebte  Form  gehört  dem  Ausgang  des  Mittelalters  an.  In  der 
That  wurde  das  Schloss  grösstentheils  in  jener  Epoche  durch 
den  Bischof  Thilo  von  Trotha  (f  1514)  errichtet. 

Im  Uebrigen  sind  die  äussern  Fafaden  völlig  schmucklos. 
Um  so  reicher  gestaltet  sich  der  innere  Schlosshof.  Zu  den  in 
die  südwestliche  und  südöstliche  Ecke  sich  legenden  mittelalter- 
lichen Thürmen  der  Domkirche  gesellt  sich  in  der  nordöstlichen 
Ecke  ein  imposanter  Treppenthurm  mit  kräftigem  Consolengesimse 
und  stattlichem  Helm,  die  Fagade  fast  um  die  doppelte  Höhe 
überragend.  Ein  hübsches  Portal  (mit  einer  Umrahmung  korin- 
thischer Ordnung;  in  der  einfachen  mit  Voluten  geschmückten 
Attika  das  erste  schiefe  Treppenfenster)  führt  in  das  Innere  des 
'  Thurmes,  an  den  sich  längs  des  östlichen  Flügels  ein  von  üppigem 
Grün  überwachsener  terrassenartiger  Vorbau  lehnt  In  der  Mittel- 
axe des  folgenden  Giebels  springt  ein  durch  die  zwei  Hauptstock- 
werke und  das  erste  Giebelstockwerk  reichender  Erker  vor,  auf 
frei  hängenden  gothischen  Kippen  ruhend,  oben  durch  eine  Attika 
mit  Rundfenstern  und  Voluten  abgeschlossen.  In  der  südöstlichen 
Ecke  baut  sich  aus  dem  zweiten  Hauptstock  ein  langer  bedeckter 
hölzerner  Balkon  auf  Steinconsolen  heraus.  Die  zum  Theil  sehr 
grossen  Fenster  dieses  ganzen  Ostflügels  zeigen  fast  alle  stich- 
bogigen  Abschluss. 

Ein  reiches  Portal  bezeichnet  die  Mitte  des  nördlichen  Flügels, 
dessen  unterster  Stock  an  zwei  andern  Portalen  noch  mittelalter- 
lichen Einfluss  verräth.  Die  umrahmenden  dorischen  Säulen  auf 
Stylobaten  tragen  über  ihrem  Gebälk  die  Statuen  des  h.  Laurentius 
mit  dem  Kost  und  des  Evangelisten  Johannes,  zwischen  beiden 
als  krönenden  Abschluss  das  bischöfliche  Wappen,  kräftig  um- 
rahmt, von  Löwen  gehalten.  Alles  ist  reich  decorirt,  der  obere 
Theil  des  Säulenschaftes  cannelirt,  doch  sind  die  Details  etwas 
schwulstig;  das  Ganze  hat  sehr  gute  Verhältnisse.  In  ähnlichem 
Geschmack  ist  der  stattliche  Erker  dieses  Flügels  auf  reich  ge- 
schmückter Unterkragung,  im  ersten  Stock  rustik  mit  dorischer 
Ordnung,  im  zweiten  ionische  Pilaster  auf  stehenden  Consolen. 


Kap.  XV.    Oberoachsen.  g23 

Das  Ganze  durch  eine  Attika  mit  Bandfenster  und  Yolutenornament 
gekrönt 

In  ähnlicher  Weise  ist  auch  der  westliche  Flügel  geschmückt, 
namentlich  ziehen  hier  viele  steinerne  Wappen  das  Auge  auf 
sich. 

Die  Südseite  des  Schlosshofes  wird  nun  von  der  Domkirche 
mit  ihren  steilen  Giebeln  und  Thttrmen  eingenommen,  und  so  bil- 
det dieser  Hof  ein  Ganzes  von  grandiosen  Dimensionen  und  un- 
gemein malerischer  Wirkung.  Denkt  man  sich  dazu  die  ehemalijge 
Bemalung  (von  welcher  zahlreiche  Spuren  namentlich  am  Nord- 
flttgel  über  den  Fenstern  etc.  zeugen),  so  muss  dieser  Hof  ehedem 
einen  prachtvollen  Eindruck  gemacht  haben. 

Gegenwärtig  zeigt  das  Mauerwerk  überall  grosse  Einfachheit 
Nur  an  den  Portalen  und  den  Erkern  giebt  sich  die  reiche  Deko- 
rationsweise der  Spätrenaissance  mit  ihren  Metallornamenten  zu 
erkennen.  Diese  Theile  stammen  offenbar  vom  Ausgange  des  1 6. 
oder  Beginn  des  17.  Jahrhunderts.  Als  Architekt  nennt  sich 
Simon  Hofmann^  vielleicht  ein  Sohn  jenes  in  Halle  thätigen  Meisters. 
Das  Hauptstück  der  Dekoration  ist  im  Innern  die  prachtvolle,  in 
einem  polygonen  Treppenhaus  angelegte  Wendelstiege,  ähnlich 
der  schönen  Treppe  in  Göppingen  an  der  Unterseite  völlig  mit 
Banken,  Masken,  Wappen  und  allerlei  Figürlichem  in  fein  be-« 
handelten  Beliefs  bedeckt  Das  Treppenhaus  schliesst  mit  ele- 
gantem Stemgewölbe  in  spätgothischen  Formen,  daran  die  Inschrift: 
Herr  Johann  von  Eostitz  Domprobst  Eine  zweite  Treppe,  kaum 
minder  reich  geschmückt,  ist  an  der  Unterseite  völlig  mit  Orna- 
menten in  dem  bekannten  Charakter  von  Metallbeschlägen  bedeckt 

Zu  erwähnen  ist  noch  der  originelle,  dreiseitige  Ziehbrunnen. 
Auf  kräftiger  Brüstung  öffnet  sich  nach  drei  Seiten  je  ein  Bogen, 
von  dorischien  Säulen  mit  reichgeschmücktem  verkröpftem  Gebälk 
umrahmt;  drei  Bügel,  feurige  bewegte  Seepferde  tragend,  wölben 
sich  darüber  zusammen;  den  gemeinschaftlichen  ScUussstein 
krönt  ein  Neptun  mit  dem  Dreizack.  Zwischen  den  Seepferden 
über  den  Bogenaxen  ist  je  ein  Wappen  mit  reicher  Umrahmung. 
Bei  barockem  Detail  hat  das  Ganze  eine  ungemein  lebendige  Sil- 
houette und  trägt  den  Stempel  einer  üppigen  phantasievollen 
Epoche.  (Abgeb.  in  den  Studienbl.  des  Arch.  Yer.  am  Polyt  in 
Stuttgart) 

Im  Dom  bezeichnet  die  Kanzel  (c.  1526),  ein  im  Wesent- 
lichen spätgothisches  Werk,  reich  mit  Reliefs  in  Holz  geschnitzt, 
in  einzelnen  Benaissance- Elementen  den  Eintritt  des  neuen  Stils. 


824  ni  Bach.    BenaisBance  in  Deatschland. 


Thnringen. 

In  den  thüringischen  Landen  tritt,  mit  Ansnahme  von  Erfurt, 
kein  städtisches  Gemeinwesen  in  dieser  Epoche  selbstthätig  her- 
vor. Wohl  aber  ist  Manches  von  fürstlichen  Bauten  zu  melden, 
mit  welchen  die  s&chsischen  Herzoge  und  Kurfttrsten  ihre  zahl- 
reichen Residenzen  geschmückt  haben.  Doch  finden  wir  darunter 
keine  Schöpfung  ersten  Ranges.  Das  für  unsre  Betrachtung  Er- 
hebliche mag  kurz  erwähnt  werden. 

Von  dem  alten  Schloss  zu  Weimar  ist  zunächst  der  runde 
Thurm,  freilich  mit  späterem  Aufbau,  erhalten.  Mit  ihm  verbunden 
einige  ältere  Theile,  unregelmässig  und  unbedeutend,  mit  Ausnahme 
eines  ziemlich  ansehnlichen  Bogenportales,  dessen  schräge  Lai- 
bung  mit  Ornamenten  der  Frührenaissance  umfasst  wird;  (a  1530 
entstanden).  Ebenso  der  krönende  Aufsatz  mit  dem  Wappen,  zu 
dessen  Seiten  Delphine  angeordnet  sind.  Die  gewölbte  Eingangs- 
halle führt  zu  einer  ganz  schlichten  Wendeltreppe.  Die  Giebel 
dieses  Baues,  mit  einfachen  Bogenabschlüssen  und  dürftigen  Lise- 
nen  gegliedert,  gehören  derselben  Frühzeit.  Ein  Modell  auf  der 
grossherzoglichen  Bibliothek  giebt  eine  Anschauung  des  alten 
£aues  vor  dem  Brande  von  1618.  Herzog  Johann  Ernst  begann 
1619  den  Neubau,  welcher  dann  1790-1803  durch  den  modernen 
Umbau  grösstentheils  beseitigt  wurde.  Aus  diesen  Zeiten  stammt 
das  Rothe  Schloss,  welches  mit  seinen  Portalen  und  Giebeln  den 
beginnenden  Barockstil,  aber  ebenfalls  ohne  höheren  künstlerischen 
Werth  vertritt 

Auch  sonst  bietet  die  Stadt  für  Renaissance  nicht  viel  Be- 
deutendes. Am  Interessantesten  ist  das  Cranachhaus  am  Markte, 
um  1 526  entstanden  und  mit  dem  Wappen  des  Meisters  geschmückt 
Es  hat  im  Erdgeschoss  der  unregelmässigen  Fagade  ein  System 
von  grossen  Bogenöffnungen  im  Charakter  spielender  Frührenais- 
sance, mit  dünnen  kandelaberartigen  Säulchen,  üppigem  breit  ge- 
zeichnetem Laubwerk  und  mancherlei  figürlichen  Elementen  deko- 
rirt  Die  schrägen  Seitenwände  der  Bogenöffnungen  zeigen  die  be- 
liebten Muschelnischen  mit  Sitzsteinen.  Die  ebenfalls  abgeschrägten 
Archivolten,  die  Zwickelflächen  und  die  horizontal  abgestumpften 
krönenden  Giebel  haben  reiches  Laubwerk.  Mit  der  modernen 
Ladeneinrichtung  hat  eine  Restauration  dieser  Theile  stattgefunden, 
welche  sich  dem  Charakter  des  Ursprünglichen  gut  anschliesst 
Die  Fenster  der  Fagade,  unregelmässig  vertheilt,  zeigen  mittelalter- 
liche Eehlenprofile,  der  obere  Abschluss  wird  durch  zwei  aufge- 
setzte Giebel  bewirkt,   die  in   nüchterner  Weise  mit  dürftigen 


Kap.  XV.    Obersachsen.  825 

lisenen  gegliedert  und  mit  geschweiften  Bogenlinien  abgeschlos- 
sen sind. 

Die  ausgebildete  Renaissance  zeigt  sich  an  dem  einfach  derben 
Bau  des  städtischen  Brauhauses  Ton  1566.  Die  Fenster  sind  mit 
schweren  Giebeln  bekrönt,  haben  aber  trotzdem  gothische  Kehlen- 
profile. Das  Portal  schliesst  ein  ähnlicher  Giebel  ab,  der  auf 
kannelirten  toskanischen  Säulen  ruht.  An  den  Seiten  sieht  man 
wieder  die  Muschelnischen.  Der  ungemein  hohe  abgetreppte 
Giebel  wird  durch  Voluten  profilirt,  die  in  ttppiges  Laubwerk, 
am  obersten  Absatz  in  kolossale  Delphine  auslaufen,  und  die  Be- 
krönung  macht  die  Figur  eines  Gewafiheten.  Vom  Jahr  1568 
datirt  am  jetzigen  Kriminalgebäude  ein  elegant  gearbeitetes  Doppel- 
wappen in  einem  Bahmen  aufgerollter  und  zerschnittener  Bänder. 
Mehrere  kleine  Renaissanceportale  sieht  man  an  verschiedenen 
Häusern,  z.  B.  in  der  Breiten  Strasse. 

In  der  Stadtkirche  hat  das  herrliche  grosse  Altarbild  Yon 
Cranach  vom  J.  1 555  eine  frei  geschnitzte  Bekrönung  von  Wappen, 
Reiterfiguren  und  prachtvollem  Laubwerk,  das  theils  der  Renais- 
sance, theils  dem  spätgothischen  Naturalismus  angehört  Das 
Ganze  ist  völlig  bemalt  und  vergoldet^  von  hohem  künstlerischen 
Werthe.  Ausserdem  ist  das  Epitaph  Herzog  Johann  Wilhelms 
von  1576  eine  brillante  Marmorarbeit  von  virtuosenhafter  Aus- 
führung, wahrscheinlich  das  Werk  eines  italienisch  gebildeten 
Niederländers. 


Erfurt,  im  Mittelalter  eine  der  grössten  Städte  Deutschlands, 
bewahrt  noch  jetzt  in  seinen  Denkmalen  bedeutende  Zeugnisse 
ehemaliger  Macht  Sein  Dom  mit  der  gewaltigen  Freitreppe,  die 
auf  die  Höhe  fühi-t,  rechts  gegenüber  die  hohen  Hallen  der 
Severikirche,  bilden  den  monumentalen  Mittelpunkt,  eine  Art  Akro- 
polis  der  Stadt  Das  Bttrgerthum,  welches  durch  Handel  und 
regen  Austausch  zwischen  Süden  und  Norden,  sowie  durch  frühe 
Verbindung  mit  der  Hansa  mächtig  geworden  war,  hat  auch  an 
der  Bewegung  der  Renaissance  sich  kräftig  betheiligt 

Schon  zeitig  tritt  der  neue  StU  an  einzelnen  Privatbauten  auf. 
In  der  Allerheiligenstrasse  ist  der  ansehnliche  Bau  des  Gollegium 
Saxenicum,  inschriftlich  1521  gegründet,  mit  einem  Renaissance- 
wappen von  1542  geschmückt  Im  oberen  Geschoss  sind  gekup- 
pelte Fenster  angebracht,  in  sehr  wunderlicher  unbeholfener  Frtth- 
renaissance  von  Säulen  eingefasst,  mit  kräftigem  Gesims  ab- 
geschlossen und  darüber  Flaohbögen  mit  Muschelfüllung,  an  den 
Eeken  aufgesetzte  Kugeln.    Dieselben  Fenster,  offenbar  von  dem 


826  lil-  Bucb.    Rentiae&iice  in  Deutechland. 

gleichen  Heister,  sind  im  Erdgeaohoss  des  Hauses  No.  6  ebenda 
verwendet,  die  oberen  Fenster  dagegen  einfach  mit  mittelalterliohem 
Profil.  Dagegen  ist  die  prächtig  geschnitzte  Hausthtlr  mit  ihren 
korinthischen  Säulen  und  ornamentalen  FlachreliefB  von  schönem 
Schwang  der  Zeichnung  ein  Werk  des  vollendeten  Stiles.  In 
deraetben  Strasse  an  Mo.  8  herrscht  noch  1533  und  1537  aus- 
Bcbliesslicfa  die  Oothik.  Von  1549  datirt  sodann  ein  kleines 
Benaissanceportal  der  Michaelisstrasse  No.  48  mit  eigenthOmlich 
entwickelten  Ecknischen. 


Eine  stattliche  Gomposition  ist  das  Giebelhaus  Ko.  7  am 
Fischmarkt,  zum  rothen  Ochsen,  vom  J.  1562.  Das  Fortal  ist  mit 
facettirten  Quadern  eingefasst  und  hat  Seitennischen,  welche  statt 
der  anderwärts  Üblichen  Muschelwölbung  oben  durch  Voluten  ab- 
geschlossen sind:  eine  in  Erfurt  häufig  wiederkehrende  Form. 
Ueber  dem  Erdgeschoss  läuft  ein  Fries  mit  spielenden  Kindern 
bin.  Der  erste  Stock  wird  durch  kanuelirte  ionische  Pilaster  an- 
gemessen gegliedert,  die  Fenster  haben  Giebel  mit  plastischen 
Köpfen.  Der  zweite  Stock  ist  einfacher  behandelt,  ohne  Gliede- 
rung, die  Fenster  mittelalterlich  profilirt.  Feine  Zahnschnittfriese 
trennen  die  Geschosse.  Am  originellsten  ist  der  das  Satteldaoh 
verdeckende  Giebel  (Fig.  222)  mit  seinen  Filasterstellungen  und 


Kap.  XV.    OberMebBen. 


827 


krftftigeD   Fensterraliinea,   namentlich   aber   den    phantastisclien 
Figarengruppen,  welche  die  Ähsfitze  an  den  Ecken  verbinden. 

Aehnliche  Composition,  aber  in  reicherer  AtuführuDg  mit 
fitftrkerer  Anwendung  ron  plaatiBchem  Schmnck  und  entschiednerer 
Binneigong  zum  Barooco,  zeigt  an  demselben  Platze  die  praoht- 
ToUe  Fa^de  No.  13,  vom  J.  1584.  lieber  dem  ErdgesohosB  ziehen 
sich  malerisch  behandelte  Flachreliefs  hin,  durch  reiche  Consolen 
getrennt.  Phantastische  Hennen  gliedern  das  HauptgeschoBS, 
korinthieohe  PUaster  auf  kräftigen  Consolea  den  zweiten  Stock. 
Fein  omamentirte  Frieae  bilden  den  Abschloss  der  Stockwerke, 
and  ein  elegantes  Zahnschnittgesims  trennt  das  obere  Geichoaa 


Flg.  ta.    HuuporUl  Bu  ErfUt 


von  dem  Giebelanfsatz.  Die  Fenster  des  ersten  Stockes  haben 
reiche  barock  Terschlungene  Krönungen;  alle  übrigen,  aach  am 
Dacherker,  haben  Griebelaufsätze  mit  stark  vortretenden  Köpfen. 
Die  Silhouette  des  abgetreppten  Oberbaues  wird  wieder  durch  figtlr- 
Ucbe  Gruppen  belebt  Es  ist  eine  der  durcbgebildetsten  Fa^aden 
ansrer  Renaissance,  durch  treffliche  Verhältnisse  ausgezeichnet 
Im  Innern  ein  Flur  mit  schönen  gothischen  Netzgewölben,  der  zu 
einer  stattlichen  Wendeltreppe  fohrt.  Die  Spindel  ruht  auf  schlan- 
ken Säulen,  und  die  untere  Seite  der  Stufen  ist  aufs  Reichste 
mit  ornamentalen  Reliefs  dekorirt 

Beträchtlich  frllber,  feiner  und  schlichter  ist  das  Haus  am  Anger 
No.  37  V.  J.  1557.  Das  Portal  (Fig  223)  vertritt  in  anziehender 
Weise  die  hier  übliche  Form  der  Seitennisehen,  deren  Ausbildong 


828  ni.  Bach.    Benaisaance  in  Deutschland. 

beachtenswerth  ist  Die  Pilaster,  welche  das  Portal  einfassen, 
sind  wie  der  Fries  mit  hftbschen  Banken  geschmttckt ;  die  Zwickel- 
felder enthalten  die  Köpfe  von  Christus  und  Paulus  in  Medaillons. 
Die  übrigens  einfache  FaQade  erhftlt  durch  einen  polygonen  im  ersten 
Stock  ausgebauten  Erker  einige  Belebung.  Ein  schönes  Eisengitter 
füllt  das  Oberlicht  Aber  der  Thttr.  Im  Flur  sieht  man  zwei  praeht- 
Toll  gearbeitete  Säulen  aus  späterer  Zeit. 

Ein  zierliches  Werk  ist  der  am  Aeussem  der  Michaelis- 
kirche  angebrachte  Grabstein  des  Melchior  Sachse  und  seiner 
Frau,  durch  den  Sohn  wahrscheinlich  nach  dem  Tode  der  letztem 
(1553)  errichtet.  Die  Gestalten  der  Verstorbenen  werden  yon 
einem  eleganten  Benaissancerahmen  auf  kannelirten  toskanischen 
Pilastem  umschlossen.  Die  Arbeit  ist  in  sicherer  Meisterschaft 
durchgeführt.  Ganz  in  der  Nähe,  Michaelisstrasse  No.  38,  das 
ansehnliche  Haus  dieser  Familie,  vom  Jahr  1565.  Ein  Portal  mit 
Ecknischen,  von  ionischen  Halbsäulen  eingefasst,  die  Archiyolte 
mit  facettirten  Quadern  gegliedert,  in  den  Zwickelfeldem  zwei 
Medaillonköpfe,  ähnlich  wie  bei  dem  Haus  am  Anger,  im  Fries 
der  Spruch:  „Was  Gott  bescheert  bleibt  unerwert."  Darflber  ein 
Aufsatz  in  Form  einer  Aedicula,  von  korinthischen  Säulchen  ein- 
gefasst und  mit  Giebel  geschlossen,  darin  die  Wappen  von  Melchior 
Sachse  und  Elisabeth  Langen.  Zwei  riesige  geflügelte  Dephine 
bilden  auf  beiden  Seiten  eine  barocke  Einrahmung.  Die  Ecke 
des  Hauses  ist  originell  als  kräftige  Busticasäule  mit  toskanischem 
Kapital  behandelt  Die  Fenster  haben  noch  durchweg  das  mittel- 
alterliche Eehlenprofil.  Ein  kleines  Haus  neben  der  Michaelis- 
kirche besitzt  ein  stattliches  Portal  yon  1561,  gleich  den  übrigen 
mit  Seitennischen  und  fein  gegliederter  Archiyolte,  eingefasst  yon 
korinthischen  Säulen.  Am  Fries  die  Inschrift:  ^Gott  spricht  es, 
so  geschieht  es.  —  llgen  Milwicz,  Anna  Schwanflogelin.*'  Dabei  in 
den  Zwickelfeldem  trefliich  behandelte  Wappen.  Die  Fenster  des  Erd- 
geschosses haben  ebenfalls  korinthische  Säulchen  als  Einfassung, 
derb  facettirte  Quader  am  Fries  und  kleine  Giebel  als  Krönung. 

Den  Abschluss  der  Epoche  bildet  eins  der  reichsten  und 
elegantesten  Häuser  dieses  Stiles,  das  Haus  zum  Stockfisch  in  der 
Johannisstrasse,  yom  Jahr  1607.  Zwei  stattliche  Portale  (Fig. 
224)  in  kräftig  barocken  Formen  und  ein  Erker  schmücken  die 
ziemlich  breite  Fa^ade.  Die  Hausthür  zeigt  treffliches  Schnitz- 
werk, die  Einfassung  zu  beiden  Seiten  wieder  die  beliebten 
Nischen.  Ganz  prachtyoU  ist  aber  die  Belebung  der  Flächen 
durch  eine  Bustika,  deren  Quader  abwechselnd  glatt  oder  mit 
feinen  flachbehandelten  Bandomamenten  geschmückt  sind.  Im 
Hansflur  ein  kräftiges  yon  ionischen  Säulen  eingefasstes  Portal 


Fl(.  >M.    Erfnn,  Bui  nm  SwekflMtt. 


Kap.  XV.    Obersachsen  g31 

Einiges  findet  sich  auch  in  den  Kirchen.  Im  Dom  ein  grosses 
Wandepitaph  vom  Jahr  1576  im  südlichen  Seitenschiff,  altarartig 
aufgebaut,  im  Stil  schon  sehr  barock,  dabei  reich  polychromirt 
das  Monogramm  des  Meisters  £.  6.  Aus  derselben  Zeit  ein 
Doppelgrab,  ebendort,  bezeichnet  H.  F.  Sodann  noch  ein  Epitaph 
am  östlichen  Ende  desselben  Seitenschiffs,  Yon  ähnlicher  Compo- 
sition  und  Ausführung.  Weiter  gehört  hierher  der  Taufstein  von 
1587,  mit  Figuren  von  Tugenden  zwischen  phantastischen  Hermen 
und  Karyatiden,  ausserdem  sehr  reich  mit  Metallomamenten  ge- 
schmückt Um  den  Taufstein  erhebt  sich  auf  sechs  ionischen 
reich  dekorirten  Säulen  mit  Goldomamenten  auf  blauem  Grund 
ein  grosser  phantastischer  Baldachin,  über  dem  Gebälk  mit  hoher 
Kuppel  aus  durchbrochenen  Rippen  bekrönt,  auf  den  Ecken 
schlanke  Pyramiden,  in  der  Mitte  oben  ein  riesiger  Obelisk,  der 
his  än's  Gewölbe  reicht,  alles  dies  reich  dekorirt  und  bemalt, 
neuerdings  hergestellt,  von  phantastisch  barocker  Wirkung. 

Feiner  und  zierlicher  ist  die  Kanzel  in  der  Severikirche, 
ein  elegantes  Werk  von  1576. 

In  Jena^)  finden  sich  zwei  vollständige  Renaissancehäuser 
Yon  auffallend  strenger  Architektur.  Der  sogenannte  Burgkeller, 
dicht  neben  der  Stadtkirche  gelegen,  ist  ein  Giebelbau  von  be- 
scheidenen Dimensionen.  Etwas  seltsam  wirkt  der  zwiebeiförmige 
Abschluss  des  Hauptgiebels  wie  auch  des  Dacherkers  über  dem 
Pultdach  der  Nebenseite. 

Vor  die  etwas  in  die  Ecke  gedrückte  Hauptpforte  legt  sich 
eine  kleine  Freitreppe.  Die  Architektur  dieser  Pforte  zeigt  die 
in  Jena  wie  in  ganz  Thüringen  häufige  Form :  rundbogiges  Portal 
mit  abgeschrägter  Leibung,  in  deren  vertikaler  Fläche  meist  mit 
Muschelwölbung  geschmückte  Nischen  mit  runden  Steinsitzen 
angebracht  sind;  die  gebogene  Fläche  der  Leibung  ist  durch  reiche 
Profilirung  mit  Eierstab,  Zahnschnitt,  kleinen  Consolen  gegliedert 
(vgl.  oben  Fig.  216.)  Die  Fensteröffnungen  zeigen  hübsche  Detail« 
bildung,  sämmtlich  mit  geradlinigem  Giebelabschluss.  In  wohl- 
berechneter Steigerung  lichten  sich,  bei  stets  reicherer  Umrahmung 
der  Fenster,  die  Mauermassen.  Die  weiten  Oeffhungen  des  ober- 
sten Hauptstocks  werden  durch  schlanke  ionische  Säulchen  ge- 
theilt,  dessgleichen  die  Oeffnung  des  Dacherkers  auf  der  Neben- 
seite durch  eine  dorische  Zwergsäule. 

Das  zweite  Haus,  wenige  Häuser  in  der  nächsten  Gasse  ent- 
fernt, zeigt  eine  fast  italienische  Fa^adengliedernng.  Im  untern 
Stockwerk  zwei  stattliche  Bögen,  von  einer  toskanischen  Pila8tel^ 


*)  Dies  nach  Notizen  von  Herrn  Architekt  Ludwig  Naher. 


832  in.  Buch.    Benaissance  in  Deutschland. 

Ordnung  umrahmt;  dabei  ist  merkwürdigerweise  mittelst  Durch- 
führung des  Eämpfergesimses  die  Bogenöffiiung  als  Fenster  eines 
Mezzaninstockes  benützt.  Der  Fries  der  Hauptordnung  trägt  als 
Inschrift:  Gloria  in  excelsis  etc.  Das  Stockwerk  darüber  zeigt 
eine'  feine  Pilasterarchitektur  mit  verdoppelter  Axenzahl.  Die 
Fenster  sind  einfach  umrahmt  Die  weiteren  Stockwerke  scheinen 
später  hinzugefügt    Das  Innere  unbedeutend. 

Ausser  diesen  Häusern  findet  man  häufig  das  oben  be- 
schriebene Portal  wiederkehrend;  auch  der  Giebelabschluss  des 
Jenaer  Bathhauses  mit  kunstreicher  Uhr  gehört  in  die  Renais- 
sanceperiode. 


Das  Wenige,  was  Gotha  an  Renaissancebauten  besitzt,  zeugt 
nicht  gerade  von  einer  bedeutenden  künstlerischen  Thätigkeit, 
reiht  sich  indess  den  Arbeiten  der  benachbarten  Orte  an  und 
dient  zur  Vervollständigung  des  Bildes.  Das  Rathhaus  ist  ein 
langgestrecktes  Rechteck,  mit  hohem  Giebel  an  der  schmalen 
Nordseite  gegen  den  Markt,  mit  viereckigem  Treppenthurm  an 
der  Südseite.  Die  Fa^de  von  1 574  hat  später  eingreifende  Um- 
gestaltungen durch  vorgesetzte  Stuckpilaster  erfahren.  Das  Portal 
aber  mit  seinen  Seitennischen,  darüber  ein  Aufsatz  mit  dem 
Wappen,  zu  beiden  Seiten  unfönnliche  Delphine,  entspricht  der 
Behandlung,  wie  wir  sie  in  Erfurt  und  Weimar  fanden.  Auch 
der  hohe  Giebel  mit  seinen  barocken  Voluten  und  ihrem  phan- 
tastischen figürlichen  Schmuck  ähnelt  den  gleichzeitigen  Erinrter 
Bauten.  Den  Abschluss  bildet  ein  durchbrochener  Bogen  mit  der 
Uhrglocke,  darauf  als  Krönung  eine  kleine  Ritterfigur.  Schön  ist 
an  der  oberen  Galerie  des  Thurmes  das  zierliche  schmiedeeiserne 
Gitter ;  ausserdem  über  einem  modemisirten  Portal  der  westlichen 
Langseite  ein  fein  gearbeitetes  Wappen,  von  zwei  Löwen  gebalten. 
Eine  schlichte  Wendeltreppe  fuhrt  um  einen  achteckigen  Pfeiler 
im  Thurm  zum  oberen  Geschoss,  welches  eine  grosse  lange  Vor- 
halle enthält 

Ein  etwas  einfacheres  Portal  im  Charakter  des  Rathhauses, 
ebenfalls  mit  Nischen  und  Sitzsteinen,  hat  das  Gebäude  der  Post 
am  Markt  Mehrfach  finden  sich  noch  ähnliche  Pforten.  Etwas 
abweichend  ist  die  Behandlung  des  Portals  am  Eckhaus  der 
kleinen  Erfurter  Gasse  und  des  Marktes  von  Jahr  1563. 

Ueber  der  Stadt  erhebt  sich  an  der  Südseite  auf  weit  hin- 
schauendem Hügel  die  kolossale  aber  ziemlich  nüchterne  Anlage 
des  Schlosses  Friedenstein,  im  Wesentlichen  dem  1646  durch 
Ernst  den  Frommen  ausgeführten  Neubau  angehörig.    Bei  der 


*Kap.  xy.    Obenaebsen.  g33 

Exekution  gegen  Johann  Friedlich  den  Mittleren  (1567)  wurde 
dag  durch  ihn  erbaute  Schloss  Grimmenstein  eingenommen  und 
geschleift  und  an  seiner  Stelle  spftter  das  jetzt  Yorhandene  mit 
dem  Namen  Friedenstein  erbaut.  ^  Es  ist  ein  gewaltiges  Yiepeck, 
Tom  und  auf  beiden  Seiten  Ton  den  Hauptgebäuden  eingeschlossen, 
der  Hof  von  derben  Pfeilerarkaden  auf  allen  vier  Seiten  umzogen, 
die  an  der  Rflckseite  mit  einer  Plattform  abgeschlossen  und  in 
der  Mitte  mit  einem  Portal  durchbrochen  sind,  das  den  Blick  und 
den  Austritt  in  den  Park  frei  Iftsst.  Vom  alten  Grimmenstein 
stammt  nur  das  Portal  der  Kapelle,  unter  den  Arkaden  links  vom 
Eingang,  datirt  von  1553.  Es  hat  die  grOsste  Verwandtschaft  mit 
dem  Portal  der  Schlosskapelle  zu  Torgau,  fthnliches  Laubwerk 
im  frischen  Stil  der  Frtthrenaissance  und  in  den  Ranken  ebensolche 
Engelfiguren.  Die  Einfassung  mit  barocken  Voluten  gehört  dem 
Umbau  des  17.  Jahrhunderts. 

In  der  Eunstkammer,  bisher  im  Schloss  aufbewahrt,  ist 
Manches  an  werthyollen  Werken  der  deutschen  Kleinkunst:  zier- 
liche Trinkgefässe,  Becher  und  Pokale,  ein  Globus  mit  herrlichem 
Untersatz,  astronomische  Instrumente,  schöne  Uhren,  Glasgeftsse 
und  Schmelzarbeiten,  vor  Allem  aber  das  kleine  angebliche  Brevier, 
in  Wirklichkeit  aber  ein  fürstliches  Stammbuch  des  16.  Jahr- 
hunderts, eins  der  köstlichsten  Juwele  deutscher  Goldschmiede- 
kunst, dort  natürlich  dem  Benvenuto  Cellini  zugeschrieben,  in 
Wahrheit  aber,  wie  aus  der  Art  der  Technik  und  den  künst- 
lerischen Formen  hervorgeht,  das  Werk  eines  ausgezeichneten 
deutschen  Meisters.  Aus  massivem  Golde  ist  der  Deckel  gearbeitet, 
mit  Diamanten,  Rubinen,  Smaragden  und  Schmelzwerk  geschmückt, 
dazu  in  fein  getriebener  Arbeit  auf  der  Vorderseite  die  Anbetung 
der  Hirten  und  die  vier  Evangelisten,  auf  der  Hinterseite  die 
Auferstehung  und  die  vier  evangelischen  Frauen,  auf  dem  Rücken 
die  Erscha^ng  der  ersten  Menschen  und  der  SündenfalL  Das 
köstliche  kleine  Buch,  etwa  zwei  Zoll  breit  und  2V9  Zoll  hoch, 
ist  aus  dem  Besitze  der  Grossherzoge  von  Mecklenburg -Schwerin 
durch  Schenkung  nach  Gotha  gekommen  und  ftlr  das  Kunstkabinet 
erworben  worden. 


Weiter  nordwftrts  bis  gegen  den  Rand  des  Harzes  sind  nur 
unbedeutende  Arbeiten  der  Renaissance  zu  verzeichnen.  In 
Nordhausen  ist  das  Rathhaus  ein  ftusserst  schlichter  Bau  von 
1610,  die  Giebel  in  Fachwerk  ohne  künstlerischen  SchmucL  Die 
Fenster  und  die  grosse  Bogenhalle,  mit  welcher  sich  das  Erdge- 
schoss  gegen  den  Markt  öffiiet,  zeigen  das  mittalteriiche  Kehlen- 

Kaf  ler,  Ovob.  d.  Banknnit.    V.  53 


g34  ^'  Bach.    BenaiBsanoe  in  Deutschland. 

profiL  Vor  die  Mitte  der  Fa^e  legt  sieh  ein  Thurm  mit  statt- 
fich  breiter  Spindeltreppe,  die  auf  die  Bogenhalle  mündet  Der 
Vorsaal  im  Innern  ist  nicht  gross,  quadratisch ;  auf  derber  Mittel- 
säule, welcher  in  den  Wftnden  Halbsftulen  entsprechen,  ruhen  die 
Balken  der  Decke.  Die  Kapitale  sind  fast  romanisch,  auch  das 
Gebftlk  zeigt  mittelalterliche  Gliederung.  An  seinen  Eopfbändem 
liest  man:  Hans  Hacke  1609.  Ein  kleines  Portal  in  Sandstein 
hat  dürftige  trockene  Formen  der  späten  Renaissance.  Im  Vor- 
saal des  zweiten  Stockes  bietet  die  Mittelsäule  das  auffallendste 
Beispiel  Von  gründlichem  Missveratändniss  der  Benaissanceformen 
in  so  später  Zeit 

In  Eisleben  ist  mir  in  der  Andreaskirche  nur  ein  messinge- 
ner Kronleuchter  aufgefallen,  der  zu  den  schönsten  seiner  Art 
gehört,  mit  Weinranken,  Trauben  und  kleinen  Figiirchen  ge- 
schmückt. 


Ungleich  günstiger  und  reicher  gestaltet  sich  die  Benaissance 
in  den  südlichen  Ausläufern  unseres  Gebietes.  Zu  den  interes- 
santesten Werken  der  Zeit  gehört  zunächst  die  Heldburg,  ein 
auf  mittelalterlicher  Grundlage  durch  den  unglücklichen  Johann 
Friedrich  den  Mitfleren  seit  1558  ausgeführter  Prachtbau.^)  Die 
Burg  erhebt  sich  auf  einem  vier  Wegstunden  südlich  von  Hild- 
burghausen aufragenden  kegelförmigen  Basaltfelsen,  der  durch 
seine  malerische  Form  und  reiche  Bewaldung  schon  von  fem  das 
Auge  fesselt  Die  alte  Veste  ist  ein  ziemlich  unregelmässiger  6e- 
bäudecomplex  ebensowohl  in  Folge  beengender  Terrainverhält- 
nisse  als  ungleichzeitiger  Erbauung,    (vgl  Fig.  225.) 

An  dem  terrassenförmig  vortretenden,  auf  dem  Niveau  des 
innem  Schlosshofes  gelegenen  Ziergarten  Q  vorbei  gelangt  man  bei 
A  über  die  Zugbrücke  durch  ein  stattliches  Thor  in  den  zwinger- 
artigen äussern  Hof,  und  von  da,  immer  steigend,  einerseits  an 
der  Pferdeschwemme  N,  andrerseits  an  dem  Brunnenhaus  0  mit 
dem  bis  zur  Thalsohle  reichenden,  in  den  Basaltfelsen  gehauenen 
Ziehbrunnen  vorüber,  durch  die  Einfahrt  B  in  den  innem  Schloss- 
hof C.  Auch  von  der  entgegengesetzten  Seite  führt  eine  Einfahrt 
F  bei  der  ehemaligen  geräumigen  Stallung  G  ^)  in  den  Hof.  Von 
welcher  Seite  man  auch  eintritt,  stets  zieht  der  sogen,  französische 


*)  Das  Folgende  nach  Notizen  von  L.  Neher,  dem  ich  auch  die  Auf- 
nahme des  Erkers  Fig.  226  und  den  nnter  Fig.  225  mitgetheilten  alten 
Grundriss  der  Burg  verdanke.  Eine  malerische  Abbildung  des  Hofes  brachte 
die  Gartenlaube  1872  S.  133.  —  >)  Dieselbe  wurde  in  letzter  Zeit  als  Ka- 
pelle benutzt. 


Kap.  XV.    ObenachMQ.  835 

Bau  an  der  Sfldaeite  dm  Hofes  mit  den  reichgeschmtlckten  Erkern 
D,  E  nnd  dem  müden  Treppenthurm  den  Blick  auf  eloh.  Die 
Umralunungen  der  Fenster  und  des  hübschen  PfdrtohenB  aeigen 
Überfeine,  fast  magere  Profile.  Um  so  kräftigeres  Betief  hat  die 
Architektur  der  £rker  (Fig.  226)  und  des  schSneu  Portals  am 
Treppenthnrme.  Die  originelle  Galerie  des  letztem  (die  untere 
BaluBterreihe  ist  Stein,  die  obere  Holz)  gewährte  wahrsclieiDUcb 
Bber  die  niedrigem  Theile  Aussidit  ins  Thal  hinab;  der  obere 
erkerartige  Ausbau  soll  frtther  als  Uhrgehäuse  gedient  haben. 


Hf.  tu.    anudiiH  du  Heldbnr«. 

Ungeachtet  der  Volksmnnd  die  Theile  F  G  H  als  „alten 
Heidenbau"  bezeichnet,  scheint  von  den  jetzt  stehenden  Gebäuden 
die  älteste  Partie  in  dem  am  Haupteingang  B  liegenden  Gebäude 
zu  stecken.  Hier  ist  nämlich  sdion  am  Aeussem  dm%b  rund- 
bogige  Fenster  eine  frflh  mittelalteiüche  Kapelle  angedeutet ;  man 
findet  aber  auch  im  Innem  (freilich  nur  schwer  zugänglich  nnd 
spärlich  beleuchtet)  deutliche  Spuren  kirchlicher  Wandmalereien 
(Christus  am  Kreuz,  von  Haria  und  Johannes  beweint).  Spitz- 
bogige  Portale  kommen  allerdings  am  sogenannten  „Heidenbau", 
aber  auch  am  Commandantenbaa  L  H  vor,  obgleich  letzterer 

63* 


S36  Ol-  Buch.    Bemiflflance  in  Deatachknd. 

sonst,  namenüich  an  den  Rundthürmen,  (yon  denen  der  eine  flber 
der  Einfahrt  B,)  Einflüsse  der  Renaissance  zeigt  Der  Theil  J  E, 
welcher  ehedem  die  grossartigen  Eflchenrftume  enthielt,  ist  abge- 
rissen; seine  Grundmauern  dienen  jetzt  als  Terrasse,  von  wo  sich 
dne  anmuthige  Aussieht  bietet 

Der  interessanteste,  kttnsüeriseh  bedeutendste  Theil  ist  jener 
französische  Bau,  der  durch  seine  strenge  Fensterarchitektur  mit 
den  einfach  gegliederten  Giebeln  auch  dem  Aeussem  des  Schlossea 
ein  stattliehes  Ansehen  verleiht  Der  Charakter  der  Formen  er- 
innert in  der  That  an  französische  Bauten. 

lieber  die  Ornamentik  der  Erker,  die  von  sehr  verschiedenem 
Werth,  ist  noch  folgendes  zu  bemerken :  der  Erker  D  zeigt  ausser 
einem  schönen  Friesomament  mit  Vögeln  in  der  ionischen  Ord- 
nung des  ersten  Stocks  meist  Embleme  des  Kriegs,  der  Erker 
E  aber  'Embleme  der  Jagd,  des  Fischfangs  etc.,  wie  auch  bei 
D  trotzige  Kriegergestalten,  bei  £  Nixen  und  andere  weibliche 
Figuren  in  den  Omamentflächen  eine  Hauptrolle  spielen.  An  äem 
einen  Erker  liest  man  die  Jahrzahl  1562. 

Die  innem  Räume  enthalten  Weniges  von  künstlerischer  Be- 
deutung; die  Thfiren  haben  derbe,  nttchteme  Einfassungen;  in 
den  Zwickeln  sind  einige  gute  Medaillon  -  Porträtköpfe.  Die  noch 
vorhandenen  Kamine  sind  im  Yerhältniss  zum  Aeussem  roh  be- 
handelt; das  Deckgesimse  von  plumpen  Gonsolen  oder  Hermen 
getragen.    Im  übrigen  sind  die  Räume  verputzt  und  schmucklos. 

Eine  grossartige  Anlage  ist  die  Veste  zu  Coburg,  gegen 
Ende  des  1 5.  Jahrhunderts  begonnen,  grossentheils  noch  mit  reichen 
gothischen  Dekorationen,  im  Hof  ein  malerisches  offenes  Treppen- 
haus mit  drei  Stockwerken,  sehr  gut  in  Holz  geschnitzt  Ein 
Prachtstück  der  spätesten  Renaissance  ist  das  sogenannte  Hom- 
zimmer,  ein  ganz  mit  Täfelwerk  und  zwar  in  farbig  eingelegter 
Arbeit  geschmückter  SaaL  Zwischen  barocken  Pilastem  sieht 
man  reiche  figürliche  Darstellungen  an  den  Wänden.  Am  schönsten 
aber  ist  die  Decke  mit  ihren  kraftvoll  gegliederten  Balken  und 
Kassetten,  sämmtliche  Felder  mit  feinen  Ornamenten  dekorirt. 
Dies  Prachtzimmer  gehört  zu  den  durch  Johann  Casimir  (seit  1596) 
ausgeführten  Werken  0-  Derselbe  Fürst  hat  auch  die  Stadt  mit 
mehreren  ansehnlichen  Bauten  geschmückt  und  die  an  Stelle  des 
früheren  Barfüsserklosters  errichtete  Ehrenburg  1612  durch  den 
italienischen  Baumeister  Bonallino  umgestalten  lassen  (seit  1816 
modemisirt) 


>)  Abhiidungen  bei  Puttrich,  IL  Abth.  1.  Band. 


rif.  aa.    bUr  da  HtUboit  (L.  Heim.} 


Kap.  XV.    ObersachBen.  839 

Von  den  Bauten  Jobann  Casimir's  nenne  ich  zunächst  das 
RegierungBgehäude,  ein  im  Ganzen  unbedeutendes  Werk  vom 
Anfang  des  17.  Jahrhunderts,  nur  durch  zwei  hübsche  Erker  mit 
Fttrstenbildnissen  und  Consolenfriesen  ausgezeichnet.  Aehnlicher 
Art  das  Gymnasium,  1605  gestiftet,  und  das  Zeughaus,  immer- 
hin tüchtige  Bauten  der  Schlussepoche,  in  Sandstein  ausgeführt, 
doch  ohne  feineres  Gefühl  oder  höhere  architektonische  Gonception. 

In  der  Moritzkirche  sind  einige  Grabdenkmäler  zu  nennen. 
Zunächst  mehrere  Bronzeplatten,  darunter  die  sehr  gediegen  aus- 
geführten Johann  Friedrich's  des  Mittleren,  der  1595  in  der  Ge- 
fangenschaft zu  Steier  starb,  und  seiner  Gemahlin  Elisabeth,  die 
ihm  um  ein  Jahr  vorausging  und,  wie  die  Grabschrift  sagt,  in  ihres 
Herrn  Custodia  zu  Neustadt  in  Oesterreich  verschied.  Aehnlich,  aber 
viel  roher  die  Denkplatte  Johann  Gasimir's  (f  1633).  Das  grosse 
Epitaphium,  in  Alabaster  ausgeführt  und  völlig  bemalt,  ist  ein 
hoher  schon  sehr  barocker,  bunt  überladener  altarartiger  Bau. 


Anhalt. 

Die  anhaltinischen  Länder  gehören  durch  den  Charakter  ihrer 
Benaissancewerke  zur  obersächsischen  Gruppe,  obwohl  sie  zugleich 
gewisse  Einfltlsse  des  benachbarten  niedersächsischen  Gebietes 
empfangen.  Letztere  bestehen  namentlich  in  einzelnen  Beispielen 
jenes  künstlerisch  ausgebildeten  Holzbaues,  den  wir  in  den  Harz- 
gegenden antreffen  werden. 

Den  werthvoUsten  Rest  aus  unsrer  Epoche  besitzt  Dessau 
an  dem  westlichen  Flügel  des  herzoglichen  Schlosses.  Das  Ge- 
bäude umfasst  an  drei  Seiten  einen  rechtwinkligen  Hof»  hat  aber 
im  östlichen  und  südlichen  Flügel  eine  charakterlose  moderne 
Umgestaltung  in  den  Zeiten  des  nüchternen  Kasemenstils  erfahren. 
Neuerdings  wird  dem  Mittelbau  ein  grossartiges  Treppenhaus  in 
Formen  des  Friedrichsbaues  von  Heidelberg  vorgesötet  Dagegen 
ist  der  ganze  westliche  Flügel  ein  werthvolles  Werk  der  beginnen- 
den Benaissance,  zu  den  frühesten  in  Deutschland  gehörend ;  denn 
aii  der  Giebelseite,  die  mit  schweren  Frührenaissancebögen  ab- 
gestuft ist,  enthält  ein  Wappen  den  Doppeladler  und  die  Inschrift  : 
Carolus  Y.  Bomanorum  Imperator  1530.  Die  Pilaster,  welche  hier 
und  an  der  Hofseite  das  obere  Stockwerk  gliedern,  scheinen  einer 
modernen  Restauration  anzugehören.  In  der  Mitte  dieses  Flügels 
baut  sich  im  Hof  die  Bauptstiege  vor  (Fig.  227),  in  einem  polygonen 
Thurme  angelegt,  zu  welchem  von  beiden  Seiten  Freitreppen  empor- 
führen, deren  Podest  sich  als  rechtwinklige  Altane  um  das  Stiegen- 


840  IQ-  Bach.    BestUaance  in  DsDtoohluid. 

hau8  henunzieht  Die  Pilaster  der  BrOstung,  sehr  hflbsoh  mit 
Wappen  haltenden  Bftrea  bekrönt,  gehören  gleich  den  Baluster- 
BJtulchen  des  Geländers  der  FrDhrenaissanoe;  aber  die  M&asawerke 
der  einzelnen  Felder  und  die  Portale  der  Treppe  sowie  des  unteren 
zum  Keller  führenden  Einganges  mit  ihren  durobachDeidenden 
gothischen  Stäben  sind  mittelalterlich.  Ebenso  tlberaU  die  Um- 
rahmangen  der  Fenster.  Die  Wirkung  dieser  reichen  und  origi- 
nellen  Arbeit  wird  durch  völlige  Bemalong  und  Vergoldung  noch 
gesteigert    Die  Renaissanc«  tritt  sodann  in  einzelnen  OmamenteB 


der  Balustrade,  in  den  reichen  BckrÖnungen  der  Portale  anziehend 
auf.  Die  GompoBition  des  Treppenhauses  ist  dieselbe  wie  in 
Torgau,  aber  etwas  frtlber  und  von  einem  Meister,  der  zum  Theil 
noch  der  Gotbik  angehört  Am  Hanptportal  des  Thurmes  liest 
man,  dass  die  FflrBten  Jobann,  Georg  und  Joachim  gemeinsam 
den  Ban  1533  ausgeführt  haben.  Die  Jahrzabl  1531  glaubte  ich 
an  einem  kleinen  Täfelchen  zu  erkennen.  Dem  entsprechen  die 
historischen  Nachrichten,  welche  melden,  dass  Fttrst  Johann  B  im 
Verein  mit  seinen  Brfidem  Georg  und  Joachim  den  Neubau  des 
in  seinen  älteren  Theilen  von  den  Brildem  Albert  und  Woldemar 


Kap.  Xy.    Obersachsen.  841 

1341  emcbteten  Sehlosses  ausgeftthrt  habe*).  Wahrscheinlich  gab, 
wie  80  oft,  die  bevorstehende  Yennählang  des  Fürsten  (1533  mit 
Hargaretha,  der  Tochter  Joachims  I  von  Brandenburg,  Wittwe 
des  Herzogs  Georg  Ton  Pommern)  den  äussern  Anlass  zum  Neubau. 
Johann  war  ein  baulustiger  Herr,  munterte  auch  seine  Unterthanen 
zum  Bauen  auf  und  schenkte  ihnen  das  dazu  nöthige  Holz,')  indem 
er  sagte,  „er  sehe  lieber,  dass  ein  Mensch  neben  und  bei« ihm 
wohne,  sils  dass  das  Holz  im  Walde  stehe  und  darunter  Hirsche 
und  andre  wilde  Thiere  sich  aufhalten  sollten''.  Sein  Bruder 
Joachim,  der  bis  1531  am  Hofe  Herzog  Georgs  von  Sachsen  lebte 
und  zur  grossen  Bekttmmemiss  dieses  dem  alten  Glauben  treu  er* 
gebenen  Fürsten  sich  der  Keformation  anschloss,  setzte  seit  seines 
Bruders  Tode  (1551)  die  begonnenen  Bauten  fort  In  der  That 
sieht  man  an.  demselben  westlichen  Flügel  weiter  einwärts  eine 
ziemlich  primitive  Renaissancetafel,  welche  den  Namen  Joachim 
und  die  «Fahrzahl  1549  enthält 

Im  Innern  des  Stiegenhauses  ist  die  Treppenspindel  am  Fuss 
mit  eleganten  Renaissance  -  Ornamenten  geschmückt,  während 
die  kleinen  Fenster  des  Treppenhauses  gothische  Motive  zeigen. 
Am  oberen  Podest  der  Treppe  findet  sich  ein  Portal,  dessen  ge- 
brochener Spitzbogen  noch  dem  Mittelalter  angehört,  während  die 
einfassenden  Pilaster,  die  Füllungen  und  namentlich  die  wunder- 
lichen unsymmetrisch  am  Fries  angebrachten  Delphine  eine  un- 
geschickte Renaissance  verrathen.  Das  Portal  unter  der  Treppe 
führt  zu  einem  Raum,  dessen  schönes  gothisches  Sterngewölbe  auf 
einer  Mittelsäule  ruht  (Leider  jetzt  durch  eine  Wand  getheUt 
und  in  seiner  Wirkung  beeinträchtigt). 

Einer  späteren  Epoche  gehören  die  beiden  in  entwickeltem 
Renaissancestil  prachtvoll  durchgeführten  Portale,  welche  in  den 
Ecken  des  Hofes  angebracht  sind,  das  westliche  zu  einer  Treppe 
mit  rechtwinklig  gebrochenem  Lauf,  das  östliche  zu  der  in  einem 
polygonen  Thurme  angelegten  zweiten  Wendelstiege  führend. 
Dies  sind  Theile  des  grossartigen  Erweiterungsbaues,  welcher, 
die  jetzt  fast  ganz  erneuerten  östlichen  und  südlichen  Flügel  um- 
fassend, von  Joachim  Ernst  seit  1577  untemonmen  wurde. ^)  Es 
wäre  nicht  unmöglich,  dass  der  Meister  Caspar^  welcher  1572  von 
Brieg  nach  Dessau  geht,  um  diesem  Fürsten  seinen  Rath  zu  er- 
theilen,^)  mit  diesen  Arbeiten  irgendvne  in  Verbindung  stände. 
Aber  auch  Peter  Muron  aus  Lugano,  den  wir  beim  Schlossbau 


0  J.  Chr.  Beckmann,  Historia  des  Fürstenth.  Anhalt  (Zerbst  1690  Fol. 
m,  349  ff.  V,  175.  —  »)  Ebenda  V,  172.  —  3)  Beckmann,  ni,  350.  — 
^)  Luchs,  Schles.  Künstler  p.  19. 


g42  ni.  Buch.    BenaJBsance  m  Deutschland. 

in  Berlin  kennen  lernten,  wurde  wie  es  Bclieint  in  Dessan  beim 
Sohlossbau  verwendet  Kraftvolle  Nisehen  mit  Sitzsteinen  bilden 
die  Einfassung  beider  Portale;  energisch  vorspringendes  Geb&lk 
mit  Triglyphenfries  ruht  auf  Akanthusconsolen ;  der  Schlussstein 
des  Bogens  ist  mit  weit  vorragendem  Kopfe  geschmückt,  und  der 
elegante  attikenartige  Aufsatz,  von  einem  Giebel  bekrönt,  enthält 
die  fürstlichen  Wappen.  Es  sind  Arbeiten  einer  freien  vollendeten 
Meisterschaft,  leider  das  östliche  Portal  in  unbegreiflicher  Weise 
fast  vollständig  verwittert  Durch  den  nüchternen  Umbau,  welcher 
gerade  diese  Theile  fast  vollständig  getroffen  hat,  ist  Alles  be* 
seitigt  worden,  was  ehemals  diesem  Baue  sein  reiches  Gepräge 
gab;  namentlich  die  Bogengänge  und  Altane,  welche  zur  Ver- 
bindung der  einzelnen  Gemächer  angeordnet  waren  und  dem 
Hofe  ehemals  einen  ungemein  malerischen  Charakter  verliehen« 
Auch  die  prächtige  Ausstattung  des  Innern,  von  welcher  berichtet 
wird,^)  ist  fast  völlig  verschwunden.  Bemerkenswerth  scheint 
nur  ein  grosses  gewölbtes  Zimmer  im  Erdgeschoss  mit  kräftig 
barocker  Stuckdekoration.  In  den  Ecken  ruhen  die  Gewölbrippen 
auf  Gonsolen  in  Gestalt  fratzenhafter  hockender  Teufel  von  bur- 
lesker Phantastik. 

Die  Stadt  enthält  nicht  viel  Bemerkenswerthes  an  älteren 
Privatbauten.  In  der  Schlossstrasse  No.  1  sieht  man  ein  zier- 
liches Portal  mit  Seitennischen  und  reichgegliederter  Archivolte, 
nach  Art  der  Dresdner  Portale.  Aehnliche  noch  an  mehreren 
Häusern,  z.  B.  in  der  Schlossstrasse  und  der  Zerbsterstrasse 
No.  34.  Mehrere  Giebelhäuser  der  beginnenden  Barockzeit  in 
letztgenannter  Strasse  No.  41  und  42,  auch  einige  Fachwerkbauten, 
z.  B.  ebenda  No.  40,  aber  ohne  Bedeutung.  Ein  reicheres  Holz- 
haus in  der  Schlossstrasse  No.  12,  vom  Jahre  1671,  doch  auch 
dies  nicht  von  hervorragendem  Wertk 

Das  Bathhaus  von  1563  zeigt  einfache  Anlage  und  schlichte 
Ausführung,  an  der  Fagade  wie  zu  Leipzig  mit  poljgonem  Treppen- 
thurm  versehen  und  durch  zwei  hohe  schlichte  Giebel  mit  Pilas- 
tem  und  Voluten  charakterisirt  Rechts  vom  Treppenthurm  ein 
kräftig  gegliedertes  Portal  mit  Sitznischen  vom  Jahr  1601.  — 

In  Zerbst  tritt  die  Benaissance  in  früher  spielender  Form 
an  dem  Gebäude  der  Bürgerschule  auf.  Das  Hauptportal 
gegen  den  Markte  vom  Jahre  1537,  zeigt  eine  phantastische  Gom- 
position  ohne  organischen  Aufbau,  aber  mit  sehr  zierlicher  Deko- 
ration. Die  einfassenden  Säulchen  haben  noch  die  geschweifte 
Candelaberform,  das  Pflanzenwerk  zeigt  die  krautartig  krausen 


1)  Beckmann  lU,  350  ff. 


Kap.  Xy.    Obersachsen.  843 

Blfttter  der  Frühzeit  Die  beiden  Wappen  dea  Fflrstenthums  und 
der  Stadt  schmücken  die  Attika,  darüber  ein,  zweiter  Aufsatz  mit 
dem  Reichsadler  und  der  Kaiserkrone,  abgeschlossen  von  einem 
Giebel,  in  dessen  Feld  ein  Imperatorei^opf.  Die  flbrigen  Portale 
sowie  die  Fenster  des  ansehnlichen  Gebäudes  zeigen  die  spftt- 
gothisehe  Form. 

Das  Rathhaus  hat  1610  und  1611  an  der  langen,  dem 
Harkt  zugekehrten  Fagade  vier  stattliche  Giebel  mit  Pilastem 
und  derben  Voluten  erhalten,  zugleich  ein  Portal  in  kräftigen 
Barockformen.  Werthyoller  sind  die  beiden  hohen  Backstein- 
giebel der  Schmalseiten  in  reichen  gothischen  Formen  vom  Jahre 
1481.  Im  Innern  enthält  der  grosse  Yorsaal  des  oberen  Stock- 
werks, zu  welchem  auch  hier  eine  Wendeltreppe  führt,  an  der 
einen  Sehmalseite  eine  spätgothische  Holzvertäfelung,  darin  ein 
mittelmässiges  Portal  vom  Jahre  1611. 

In  der  Nikolaikirche  ist  das  Epitaphium  Johanns  II 
(t  1551)  eine  geringe  Steinmetzen -Arbeit  in  unreifen  Frührenais* 
sanceformen,  ursprünglich  völlig  bemalt  Das  Taufbecken,  ein 
Broncewerk  der  Spätrenaissance,  etwas  stumpf  im  Guss,  aber 
von  ansprechender  Composition,  namentlich  der  Deckel  reich 
mit  Engelfigttrchen,  Engelköpfen,  Masken  und  Volutenwerk  ge- 
schmückt. 

Unbedeutend  ist  der  Privatbau;  das  beste  ein  noch  gothisches 
Haus  am  Markt  vom  Ende  des  15.  Jahrhunderts,  in  kräftiger 
Holzschnitzerei  mit  Figürchen  von  Aposteln  und  andern  Heiligen 
an  den  Holzconsolen.  Hier  wie  in  Dessau  merkt  man  an  dem 
Fach  werkbau  die  Nähe  des.  Harzes  mit  seiner  reichen  Holzarchi- 
tektur. Die  Anhaltische  Gruppe  bildet  daher  den  Uebergang  zu 
Niedersachsen.  Zwei  Häuser  am  Markt  zeigen  den  Holzbau  in 
einfachen  Renaissanceformen.  Ein  kleines  Steinportal  der  üblichen 
Anordnung  mit  Seitennischen,  am  Markt  No.  25,  beweist  in  seiner 
Jahrzahl  1687  das  lange  Andauern  traditioneller  Gewohnheiten. 
Zwei  prächtige  Wasserspeier  mit  schönen  schmiedeeisernen 
Stangen,  ebenda  No.  24,  zeugen  von  der  Tüchtigkeit  des  Kunst- 
gewerbes. 

Am  dürftigsten  ist  die  Ausbeute  in  Cöthen.  Das  Schloss, 
von  weitem  durch  seine  Euppelthttrme  verlockend,  zeigt  sich  in 
der  Nähe  als  ein  armseliger  Putzbau,  der  in  drei  ausgedehnten 
Flügeln  einen  grossen  Hof  umgiebt.  Der  Eingang  liegt  in  dem 
westlichen  Hauptgebäude,  von  welchem  nördlich  und  südlich  die 
Seitenflügel  rückwärts  auslaufen,  jeder  mit  einem  polygonen 
TreppenÜlurm  ausgestattet  Alles  aber,  sowie  die  stark  zerstörten 
Poitale  ohne  erhebliche  Bedeutung.    Die  schönen  Banmgmppen, 


844  in.    Bueh.    Benaiasance  In  Deatschland. 

welche  den  Bau  umgeben,  sind. das  Beste.  Ausserdem  ist  mir 
nur  in  der  Schlossstrasse  No.  12  ein  kleines  bObsches  Fachwerk- 
haus mit  zierlichem  Steinportal  aufgefallen. 

Eine  umfangreiche,  aber  ebenfalls  kllnstlerisch  wenig  be- 
deutende Anlage  ist  das  Schloss  zu  Bernburg.  Auf  einer  ziem- 
lich steil  gegen  die  Saale  abfallenden  Höhe  gelegen,  macht  es 
?on  unten  gesehen  mit  seinen  gewaltigen  Massen,  den  zahlreichen 
Giebeln  und  Thttrmen  einen  imposanten  und  malerischen  Ein- 
druck. Der  Bau  reicht  zum  Theil  in's  Mittelalter  hinauf  und  ist 
dann  im  16.  und  17.  Jahrhundert  stark  verändert  und  erweitert 
worden.  Wenn  man  in  den  Schlosshof  tritt,  so  hat  man  zur 
Seite  rechts  einen  vorgeschobenen  Bau  mit  mächtigem  viereckigem 
Thurm,  der  im  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  aufgesetzte  Giebel 
erhalten  hat,  jedenfalls  aber  seinem  Kerne  nach  aus  dem  Mittel- 
alter stammt  Zur  Linken  liegt  die  alte  Schlosskapelle  mit  einem 
Portal  von  1565,  welches  trotz  dieses  späten  Datums  noch  halb 
gothisch  mit  durchschneidenden  Stäben  und  dabei  mit  dürftigen 
Benaissanceformen  ausgestattet  ist  Der  Hauptbau  zieht  sich  in 
beträchtlicher  Entfernung  nordwärts  hin,  in  zwei  Stockwerken 
mit  schlicht  behandelten  Fenstern  und  bekrOnt  mit  Giebeln, 
welche  die  Form  der  Frtthrenaissance  in  ziemlich  kunstloser 
Weise  und  in  geringem  Stuckmaterial  zeigen.  (Fig.  228).  Links 
springt  ein  Seitenflügel  vor,  im  17.  Jahrhundert  (1682)  mit  einer 
Freitreppe,  die  am  Hauptbau  angelegt  ist,  und  einer  oberen,  ehe- 
mals offenen  Loggia  auf  toskanischen  Säulen  ausgestattet  Dieser 
Flügel  endet  mit  einem  breiten  pavillonartigen  Bau,  der  durch 
aufgesetzte  Giebel  im  Charakter  des  Hauptbaues  sich  malerisch 
darstellt  Die  lange  Front  des  letzteren  wird  durch  zwei  Erker, 
der  eine  auf  Säulen,  der  andere  auf  Gonsolen  ruhend,  etwas  be- 
lebt Ungefähr  in  der  Mitte  führt  ein  Portal  zu  einer  Wendel- 
treppe, die  indess  nach  aussen  nicht  hervortritt  Alle  diese 
Theile  gehören,  sowie  die  oben  erwähnte  Kapelle  zu  den  um 
1567  durch  Fürst  Joachim  Ernst  ausgeführten  Bauten.  Während 
der  ganze  Bau  kunstlos  in  Backstein  mit  Stucküberzug  errichtet 
ist,  sind  die  Erker  in  rothem  Sandstein  mit  Laubomament,  Figuren 
von  Tugenden  und  kräftig  vorspringenden  Köpfen  in  guter,  wenn 
auch  keineswegs  hervorragender  Arbeit  geschmückt. 

Zur  Bechten  schliesst  sich  an  den  Hauptbau  eine  hölzerne 
Verbindungsbrücke  nach  dem  sogenannten  „  Eulenspiegel  %  dem 
ursprünglichen  Donjon  des  Schlosses.  Er  ist  rund,  in  primitiver 
Art  aus  Feldsteinen  aufgemauert,  mit  späteren  Giebelaufsätzen 
versehen.  An  diesen  schliesst  sich  rechts  eine  bis  zum  vorderen 
Eingang  laufende  Mauer,  die  den  äusseren  Vorhof  vom  iuneni 


K*p.  Xr.    OberNwhMU.  845 

ScbloflBhof  abgr&nzt.  Sie  tr&gt  die  Jahrzahl  1682,  gehört  also 
gammt  der  oben  erfffthoten  Freitreppe  und  Loggia  zu  dea  unter 
Ftlrat  Victor  Amadeus  hinzugefügten  Theilen.')  Die  Krönung  der 
Hauer  bilden  zinnenartig  angeordnete,  paarweis  gruppirte  liegende 
Voluten,  Diea  eigenthUmliehe  Motiv,  das  auch  am  Scbloeae  zu 
Stettin  vorkommt,  findet  aieh  in^einfacberer  Weise,  noch    im 


Charakter  dea  16.  Jahrhunderts,  an  dem  vorderen  Theil  der 
Hauer,  welche  rechts  vom  Eingang  in  halbrunder  Biegung  den 
innera  Hof  abschliesst.  So  gering  hier  im  Ganzen  die  kOnst- 
lerische  Ausbeute  ist,  so  reichlich  lohnt  von  oben  der  weite  Blick 
auf  die  tief  unten  vorttberfliessende  Saale  mit  den  herrlichen 
Baomgruppeu  ihres  Ufers  und  die  in  Duft  getauchten  Bergliuien 
des  Harzes. 

In  dei  Stadt  ist  mir  nur  ein  Hans  am  Markt  No.  15  aufge- 
fallen, das  mit  einem  steinernen  Erker  und  einem  kräftig  behan- 


')  Die  birtor.  Notiaen  bei  Beckmaiui,  >.  a.  0.  lU,  123  ff. 


g46  m.  Buch.    BenaiBBaace  in  DeatBChhind. 

delten  Portal  von  1562  sich  den  gleiehzeitig  entstandenen  Theilen 
des  Schlosses  anreiht  Auch  hier  lassen  die  Gliederungen  noch 
starke  Reminiscenzen  des  Hittelalters  erkennen.  Durchschneidende 
Stäbe  rahmen  die  im  gedrückten  Eorbbogen  ausgeführte  Wölbung 
ein,  und  zwei  Nischen  mit  Sitzsteinen  bilden  die  Seitenwand. 
Es  ist  ebenfalls  eine  Arbeit  von  geringer  Bedeutung. 


XVI.  Kapitel. 
Hiedersachsen« 


Die  niedersächsischen  Lande,  von  denen  ich  nur  die  mittleren 
Gebiete  zu  gemeinsamer  Betrachtung  zusammen  fasse,  da  die 
dazu  gehörigen  Ettstenstriche  schon  oben  dargestellt  worden  sind, 
bieten  mancherlei  Uebereinstimmendes  in  ihrer  Aufnahme  und 
Verarbeitung  der  Benaissance.  Es  handelt  sich  um  jene  acht 
deutschen  Provinzen,  deren  centraler  Gebirgsstock  der  waldreiche 
Harz  mit  seinen  nördlichen  und  westlichen  Ausläufern  ist  Nörd- 
lich breiten  sich  die  fruchtbaren,  von  sanften  Httgelzttgen  durch- 
setzten Niederungen  aus,  in  welchen  eine  Anzahl  kräftiger  Städte 
schon  seit  dem  frühen  Mittelalter  zu  selbständiger  Bedeutung 
emporblühten.  Westlich  setzt  der  Lauf  der  Weser  mit  ihren  an- 
muthigen,  yon  Wald  und  Wiesengründen  belebten  Ufern  unsrer 
Betrachtung  ihre  Gränze. 

Auf  diesem  Gebiete,  das  wir  im  engem  Sinne  als  Nieder- 
sachsen bezeichnen,  tritt  die  fürstliche  Macht  zur  Zeit  der  Benais- 
sance keineswegs  so  tonangebend  hervor  yne  in  Thüringen  und 
Obersachsen.  Nur  die  herzoglichen  Linien  von  Braunschweig 
machen  sich  durch  künstlerische  Unternehmungen  bemerklich; 
allein  ihre  vrichtigeren  Werke  (Gelle,  Wolfenbüttel,  Helmstädt) 
gehören  meistens  erst  in  die  Schlussepoche  des  Stils.  Etwas  er- 
heblicher kommt  die  geistliche  Fürstengewalt  hier  zur  Bethätigung; 
die  Bischofssitze  Halberstadt  und  Hildesheim  bezeugen  regen  Eifer 
in  Aufnahme  der  Benaissance.  Durchgreifender  und  entscheidender 
ist  Das,  was  die  bürgerliche  Baukunst  der  Städte  hervorbringt; 
ja  durch  kraftvolle  Ausbildung  des  altheimischen  Holzbaues  und 
lebensvolle  Umgestaltung  desselben  im  Sinn  des  neuen  Stiles 
prägen  sie  ein  echt  nationales,  volksthümliches  Element  der  Gon- 


Kap.  XVI.    Nledenachsen.  847 

fltructioii  zu  Schöpfungen  von  hohem  kttnsflerischen  Werihe  aus. 
Unyergleichlich  ist  noch  jetzt  die  Wirkung  dieser  Städte  mit  ihren 
in  ganzen  Seihen  erhaltenen  Fachwerkhäusern,  deren  Fa^aden 
durch  die  vorgekragten  Geschosse  mit  den  reichen  Schnitzereien 
und  den  kraftrollen  Profilirungen  einen  so  lebensvollen  Eindruck 
gewähren.  Wir  können  gerade  hier  die  Geschichte  dieser  acht 
deutschen  Bauweise  verfolgen;  wir  werden  sie  aus  den  mittel- 
alterlichen Formgebungen  sich  stufenweise  zu  den  reizvollen  Bil- 
dungen der  Senaissance  entfalten  sehen.  Braunschweig  mit 
seinen  grossartigen,  kraftvoll  entwickelten,  meist  noch  strengen 
Formen  bezeichnet  die  erste  Stufe.  Auf  die  Höhe  klassischer 
Vollendung  hebt  sich  dieser  Stil  in  den  Bauten  von  Halberstadt 
Zu  flppiger  Nachblttthe  in  verschwenderisch  angewandter  Bild- 
schnitzerei, nicht  ohne  deutliche  Spuren  eines  Einflusses  von 
Seiten  des  Steinbaues,  bringt  es  zuletzt  Hildesheim.^)  In  zweiter 
Linie  schliessen  sich  Städte  wie  Celle,  Wernigerode,  Goslar,  Stol- 
berg und  viele  andre  an. 

Gegenüber  diesem  charaktervollen  Holzbau  findet  die  Stein- 
architektur hauptsächlich  in  den  Bauten  der  Fürsten,  des  Adels 
und  der  Geistlichkeit  ihre  Anwendung,  von  da  aus  dann  auch 
mancherlei  Aufnahme  in  bürgerlichen  Kreisen,  wie  denn  in  firaun- 
schweig  dieses  Material  sich  neben  dem  des  Holzes  eindrängt, 
und  in  Hannover  sogar  die  Oberhand  gewinnt  Dieser  Steinbau 
aber  gehört  fast  ausnahmslos  der  letzten  Epoche  der  Entwickelung 
und  zeigt  in  seinen  üppigen,  aber  derben  Formen  überwiegend 
den  Eiiäuss  der  Niederlande  und  des  norddeutschen  Küstenge- 
bietes. Nur  dass  es  reiner  Hausteinbau  ist,  welchen  die  überall 
vorhandenen  Sandsteinbrüche  des  Landes  begünstigen.  So  schei- 
det sich  denn  unser  Gebiet  gegen  die  nördliche  Gruppe  der 
Backsteinbauten  scharf  ab.  Schon  oben  (S.753)  wurde  bemerkt, 
dass  die  Gränze  zwischen  Lüneburg  und  Celle  hinläuft 

Oelle. 

Beginnen  wir  mit  den  fürstlichen  Bauten,  so  hat  Celle  den 
Anspruch  an  der  Spitze  der  Betrachtung  zu  stehen.  Das' 
Sc  bloss  gilt  gewöhnlich  für  einen  spätgotiiischen  von  der  Her- 
zogin Anna  am  Ende  des  15.  Jahrhunderts  errichteten  Bau,  mit 


0  Womit  nicht  gesagt  gein  soll,  dass  nicht  in  jeder  dieser  Städte  auch 
einzelne  Beispiele  der  anderen  Entwickelongsstadien  sich  fanden.  Ich 
zeichne  hier  zonächst  nur  den  bis  jetzt  noch  nirgends  betonten  Ge- 
sammtcharakter  der  Architektur  jener  Hauptorte. 


§48  ni.  Bnoh.  BenAiMuice  in  DeuUäiUnd. 

angeblich  gleichzeitigen  RenaiBBanceformen.  Der  Thatbestand 
widerspricht  dieser  Vermntliung,  da  nur  die  noch  vOllig  gotiiisehe 
Schlosskapelle  (148&  von  Herzog  Heinrich  dem  Mittleren  von 
Braunschweig-LUneburg  gestiftet)  jener  Zeit  angehört,  die  Tor- 
kommeDden  Benaissaneefonnen  aber  den  von  Ernst  dem  Bekenner 
(seit  1532)  begonnenen  und  nach  seinem  Tode  (1546)  durch  Wil- 
helm den  Jüngeren  rollendeten  Neubauten  entstammen.    Ja  der 


rif.  m.    IcUoM  n  CeU«. 

grfisste  Theil  des  Baaes  ist  erst  unter  Georg  Wilhelm  Ton  1665 
bis  1670  durch  einen  italienischen  Architekten  Giacomo  Botagnae 
ausgeführt  worden. 

Am  BtldweBtlichen  Saume  der  Stadt  erhebt  sich  mit  seinen 
stattlichen  Massen  (Fig.  229)  der  ansefanliche  Bau,  als  ein  nach 
Süden  und  Norden  lan^estreektes  Rechteck,  das  mit  vier  FIflgeln 
den  geräumigen  Hofraum  umzieht  Die  Östliche  Langseite  wend^ 
sieh  als  Hauptfa^ade  der  Stadt  zu.  Ehemals  war  das  Ganze  von 
einem  tiefen  Waesergraben  umzogen,  der  jetzt  trocken  liegt  und 
mit  dem  prächtigen  Park  unmittelbar  verbunden  ist  Bevor  man 
zu  demselben  gelangte,  hatte  man  auf  beiden  Ecken  zwei  kleine 
pavillonartige  vorgeschobene  Bauten  zu  passiren,  von  denen  der 
zur  Rechten  (sfidlich)  befindliche  noch  erhalten  ist  Das  kleine 
einstöckige  Gebäude  mit  den  beiden  originellen  polygonen  Erker^ 


Kap.  X71.   NiedenaehBon.  g49 

ansbaaten,  die  Fenster  mit  dem  schrflgen  Sahmenprofil  und  den 
eingelassenen  Medaillons  der  Renaissance  bezeugen,  dass  wir  es 
hier  mit  einem  Theil  jener  Bauten  zu  thun  haben,  welche  durch 
Herzog  Ernst  den  Bekenner  errichtet  wurden. 

Das  Sehloss  selbst  enthält  in  seinem  östlichen  Flflgel  die 
ältesten  Theile.  Ueber  einem  unbedeutenden  Erdgeschoss  erheben 
sieh  zwei  hohe  Stockwerke  mit  unregelmässig  yertheOten  Fenstern, 
überragt  von  einem  Dachgeschoss  mit  sieben  Erkern,  deren  ein- 
fach behandelte  halbrund  abgestufte  Oiebel  den  Eindruck  der 
langgestreckten  Fa^ade  malerisch  beleben.  Die  ganze  Architektur 
ist  einfach  und  trägt  in  den  Bahmenprofilen  der  Fenster  das  Ge- 
präge der  Frflhrenaissance.  Ungefähr  in  der  Mitte  der  Fa^de 
ist  ein  runder,  oben  in's  Polygon  übergehender  und  mit  halb- 
runden Giebeln  abgeschlossener  Treppentiburm  yorgebaut  Hinter 
ihm  erhebt  sich,  wiederum  unregelmässig  angebracht,  ein  bedeu- 
tend höherer  Dacherker,  gleich  den  übrigen  abgetreppt  und  mit 
halbrunden  Abschlüssen  versehen.  Auf  beiden  Enden  wird  dieser 
Hauptflügel  durch  mächtige  polygone  Thurmbauten  eingefasst, 
der  rechts  befindliche  nördliche  in  der  Barockzeit  umgestaltet 
und  mit  einem  Zeltdach  yersehen,  der  südliche,  welcher  den  Chor 
der  Kapelle  enthält,  noch  in  ursprünglicher,  den  übrigen  Theilen 
der  Fafade  entsprechender  Architektur ;  an  den  halbrunden  Giebeln 
des  Kuppeldaches  mit  hübsch  gearbeiteten  fürstlichen  Bildnissen 
in  Medaillons  geschmückt  Zwei  stattliche  Bogenportale  dicht 
neben  diesen  Thürmen  führen  in's  Innere.  Sie  gehören  trotz  der 
Imitation  früherer  Benaissanceformen  in  ihrer  jetzigen  Gestalt 
den  später  hinzugefügten  Theilen  an.  Gleich  den  Einfassungen 
der  Fenster  sind  sie  in  Sandstein  ausgeführt,  während  alles, 
üebrige  einfacher  Putzbau  ist 

Der  grosse  Schlosshof  zeigt  nur  im  östlichen  Flügel  Spuren 
der  ursprünglichen  Architektur,  namentlich  an  den  beiden  Seiten- 
portalen, obwohl  man  auch  hier  spätere  Umgestaltungen  erkennt 
Ein  Vorbau,  ursprünglich  im  ersten  Stock  als  offener  Säulengang 
ausgebildet,  jetzt  aber  geschlossen,  zieht  sich  yor  ihm  hin.  In 
der  Mitte  tritt  ein  grosser  polygoner  Treppenthurm  yor,  der  eben- 
falls spätere  Umgestaltung  yerräth.  Die  drei  anderen  Flügel 
sind  unter  Georg  Wilhelm  in  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahr- 
hunderts in  einfach  derben  Barockformen  errichtet  worden.  In 
jedem  Flügel  befindet  sich  ein  Doppelportal,  ebenfalls  yon  schlich- 
ter Anlage,  nur  das  im  Westflügd  feiner  ausgebildet  Auf  den 
beiden  äusseren  Ecken  dieses  Flügels  wurden  in  Ueberein- 
stimmung  mit  der  Fa^ade  zwei  hohe  poljgone  Payillons  mit 
thurmartigem  Kuppeldach  ausgebaut    (ygl.  die  Fig.  229.) 

KngUr,  Gaieh.  d.  Bwik.  y.  54 


g50  in.  Bach.    RenaUuiaBce  in  Dontaehland. 

Im  Innern,  das  seit  1837  zu  einer  fiesidenz  der  EOnige  von 
Hannover  eingerichtet  und  sorgfältig  hergestellt  wurde,  ist  die 
Kapelle  eins  der  glanzvollsten  Prachtstücke  unsrer  Benaissanoe. 
Der  einschiffige  Bau  mit  seinen  gothischen  Kreuzgewölben  und 
polygonem  Chorschluss  gehört  noch  dem  Mittelalter,  aber  die  un- 
vergleichlich reiche  Ausstattung  und  Dekoration  wurde  um  1565 
durch  Herzog  Wilhelm  den  Jüngern,  den  Sohn  Emst's  des  Be- 
kenners,  hinzugefügt  Auf  kräftigen  Steinoonsolen  über  flachen 
Stichbögen  erhebt  sich  die  fürstliche  Empore,  mit  Fenstern  ver* 
gittert,  deren  runde  Scheiben  in  vergoldetes  Blei  gefasst  sind. 
An  der  Brüstung  der  Emporen  sieht  man  die  Halbfiguren  der 
Apoistel  in  bemalten  Steinreliefs,  zwischen  ihnen  an  den  Pilastem 
Engel  mit  Musikinstrumenten.  An  der  Südseite  ist  in  zierlichen 
Benaissanceformen  die  Kanzel  angebracht,  mit  bemalten  BeUeüs 
aus  der  biblischen  Geschichte  und  mit  einer  von  Gold  und  Farben 
glänzenden  Ornamentik  bedeckt  Der  zierliche  Baldachin  mit 
seinem  Netzgewölbe,  von  kleinen  muschelgeschmückten  Bund- 
giebeln bekrönt,  ruht  auf  schlanken  Kandelabersäulchen.  Am 
Eingang  die  Jahrzahl  1565.  An  der  westlichen  Seite  der  Kapelle 
sind  zwei  Emporen  auf  Bundsäulen  eingebaut,  gleich  dem  Übrigen 
reich  geschmückt  SämmÜiche  Gonsolen  an  den  Brüstungen  der 
Emporen  sind  mit  herrlich  gearbeiteten  Köpfen  von  Engelui  Frauen 
und  Männern  dekorirt  Sämmtliche  Betstühle  endlich  unter  den 
Emporen  und  im  Schiff  der  Kapelle  erhalten  durch  gold'ne  Orna- 
mente auf  blauem  Grund  eine  Theüung,  deren  grössere  Felder 
mit  Oelgemälden  aus  der  heiligen  Geschichte  gefüllt  sind.  Den- 
selben Schmuck  zeigt  der  Altar,  dessen  Hauptbild  eine  grosse 
Darstellung  der  Kreuzigung  enthält,  während  auf  den  Flügeln 
'Herzog  Wilhelm  und  seine  Gemahlin  im  Gebet  knieend  dargestellt 
sind.  Inschriftlich  wurde  dies  Werk  1569  durch  Martin  de  Vos 
aus  Antwerpen  ausgeführt  Die  Bilder,  in  ganzer  Farbenfrische 
wohlerhalten,  sind  tüchtige  Arbeiten  der  damaligen  flandrischen 
Schule.  Kicht  minder  ist  auch  die  Orgel  reich  omamentirt  und 
mit  innen  wie  aussen  bemalten  Flügeln  versehen.  Dazu  kömmt 
endlich  an  allen  Flächen,  den  Einrahmungen  der  Fenster  und 
der  Wendeltreppe  eine  Bemalung  von  Goldomamenten  auf  blauem 
Grunde,  so  dass  eine  unvergleichliche  Gesammtwirkung  dies 
Meisterstück  der  Pölychromie  auszeichnet  Auch  die  Gewölbe 
haben  goldene  äteme  auf  himmelblauem  Grunde,  und  von  den 
elegant  dekorirten  Schlusssteinen  mit  ihren  goldenen  Kronen  und 
Bosetten  hängen  vergoldete  Kugeln,  Täfelchen  und  Schilde  herab, 
die  den  Eindruck  dieser  Pracht  noch  steigern.  Auf  einem  dieser 
Täfelchen  die  Jahraafal  1570. 


Kap.  XYI.    Niedersachsen.  851 

In  den  neueren  Flügeln  des  SchloBses  sind  sämmtliche  Zimmer 
und  Säle  mit  den  prachtvollsten  Decken  in  meisterhaft  behandelten 
Stuckornamenten  geschmückt  Es  ist  ein  fabelhafter  Reiehthum, 
in  den  tippigsten  Formen  des  Barooco,  offenbar  von  Italienern 
ausgeführt  Alle  diese  Werke  verdienten  wohl  eine  genauere  Ver- 
öffentlichung. — 

Aus  derselben  Zeit  stammt  der  glänzende  innere  Umbau  der 
Stadtkirche,  einer  einfachen  gothischen  Anlage  mit  einem  Chor 
aus  dem  Zwolfeck,  die  aber  in  der  Spätzeit  des  1 7.  Jahrhunderts 
ein  Tonnengewölbe  und  eine  prachtvolle  Stuckdekoration  im  glän- 
zendsten Barockstil  erhalten  hat  Der  Chor  gestaltet  sich  durch 
seine  fürstlichen  Prachtgräber  zu  einem  vollständigen  Mausoleum. 
Im  Chorschluss  zunächst  das  überaus  elegante  Epitaph  Emst's 
des  Bekenners,  nach  seinem  Tode  (1546)  durch  seinen  Sohn  Herzog 
Wilhelm  errichtet  Der  Verstorbene  mit  seiner  Gemalin  Sophia 
(t  1541)  sind  knieend  in  etwas  steifer  Haltung  vor  einem  Crucifix 
dargestellt,  in  drei  mit  schwarzem  Marmor  bekleideten  Nischen. 
Die  Einfassung  derselben  wird  durch  korinthische  Säulen  gebildet, 
welche  gleich  dem  übrigen  Aufbau  in  weissem  Marmor  ausgefbhrt 
sind.  Das  Ganze  ist  vom  feinsten  omamentalen  fieiz,^  namentlich 
die  herrlichen  Akanthusfriese.  Die  Bekrönung  wird  in  der  Mitte 
durch  ein  Giebelfeld  mit  Gottvater,  zu  beiden  Seiten  durch  die 
Wappen  der  Verstorbenen  gebildet  Feine  Vergoldung  hebt  die 
Ornamentik  noch  mehr  hervor,  wie  denn  das  Werk  zu  den  ele- 
gantesten Schöpfungen  der  Zeit  gehört  Man  darf  wohl  auf  einen 
niederländischen  Künstler  schliessen. 

Noch  weit  prachtvoller,  aber  auch  überladener  und  später  ist 
ein  zweites,  reich  vergoldetes  Marmorepitaph,  das  in  die  nördliche 
Chorecke  eingebaut  ist  Es  enthält  wieder  in  drei  Nischen  zwischen 
korinthischen  Säulen  die  knieenden  Figuren  des  Herzogs  Ernst 
(t  1611),  Wilhelm  (f  1592)  sowie  seiner  Gemalin  Dorothea  (f  1617) 
und  ihres  Sohnes  Christian,  Bischofs  von  Minden.  Auf  den  Ecken 
sind  Tugenden  als  Karyatiden  angebracht,  oben  drei  tabemakel- 
artige  Aufsätze  mit  biblischen  Reliefs,  bekrönt  von  den  theo- 
logischen Tugenden.  Die  übrigen  Epitaphien,  namentlich  das 
ganz  pompöse  von  schwarzem  Marmor  an  der  Südseite,  gehören 
schon  dem  späten  Barockstil  an.  Sie  sind  den  Herzögen  Christian 
Ludwig,  Georg  und  Georg  Wilhelm  gewidmet  Köstliche  Schnitz- 
arbeiten sind  die  Sedilia  im  Chor-,  der  Hochaltar  endlich  mit  seinen 
Gemälden  und  Schnitzwerken,  die  Orgel  und  die  Kanzel,  sowie 
der  zierlich  aus  Marmor  gearbeitete  Taufstein  vervollständigen 
die  Ausstattung  der  Kirche. 

Von  den  städtischen  Bauten  verdient  zunächst  das  Sathhaus 

54* 


852  ^'  Buch.    Renaissance  in  Deutschland. 

Erwähnung.  Es  ist  ein  einfacher  Langbau,  in  der  Mitte  der  Fagade 
durch  eine  originelle  auf  zwei  stämmigen  ionischen  Säulen 
ruhende  Arkade  durchbrochen,  welche  die  Eingänge  enthält 
Links  im  Erdgeschoss  ein  vorgebauter  Erker,  rechts  ein  ähnlicher 
im  oberen  Stock,  auf  kraflrollen  Gonsolen  ruhend  und  in  einen 
Dacherker  auslaufend,  welcher  mit  zwei  andern  den  Bau  malerisch 
belebt.  Die  Seitenfagade  erhält  durch  einen  hohen  mit  Pilastem 
in  vier  Ordnungen  und  mit  barockgeschweiften  Voluten  sowie 
Obelisken  geschmückten  Giebel  Charakterrolle  Ausbildung.  Es 
ist  ein  trefflich  componirtes,  meisterlich  durchgeführtes  Werk  von 
prächtiger  Wirkung,  bezeichnet  1579. 

Die  bürgerlichen  Privath^user  machen  uns  hier  zuerst  mit 
dem  aus  den  benachbarten  Harzgegenden  herübergreifenden  Holz- 
bau bekannt.  Eine  stattliche  Anzahl  von  reich  und  mannigfach 
entwickelten  Beispielen  bietet  sich  dar.  Eins  der  frühesten  und 
zugleich  prächtigsten  Werke,  zweimal  mit  der  Jahrzahl  1532  be- 
zeichnet, sieht  man  in  der  Poststrasse,  Ecke  der  ßundstrasse. 
Die  Schwellen  sind  noch  in  mittelalterlicher  Weise  mit  einem 
spätgothischen,  um  einen  Stab  gewundenen  Laubwerk  von  zackiger 
Zeichnung  dekorirt.  Dazwischen  aber  flicht  sich  allerlei  Figürliches, 
burleske  Genrebilder,  Köpfe,  Delphine  und  andres,  zum  Theil  in 
entschiedenen  Renaissance -Motiven  ein.  Daneben  in  der  Post- 
strasse ein  Haus  vom  J.  1549  mit  flachem  Erker,  einfacher  be- 
handelt, die  Gebälke  rein  antikislrend  und  zwar  mit  eleganten  Zahn- 
schnitten und  Flechtbändern  über  hübsch  geschnitztem  Gonsolen- 
friese  geschmückt.  Die  Inschrift  lautet:  Dass  dieses  Haus  aus 
Noth  und  nicht  aus  Lust  gebauet,  weiss  der  so  voriges  hat  jemals 
angeschauet.  Dazu  fügte  man  1701:  „Non  tentatusnon  christianus." 

Die  Mehrzahl  der  Häuser  fällt  bereits  ins  17.  Jahrhundert 
So  ein  kleines  Haus  von  1617  in  der  Rundstrasse  mit  hübschem 
giebelgeschlossenem  Erker,  der  ein  Muster  zierlicher  Behandlung. 
Die  Ornamentik  durchweg  im  Flachstil  des  Barocco.  In  derselben 
Strasse  an  der  andern  Seite  ein  besonders  elegantes  Häuschen 
derselben  Zeit,  in  klassischem  Geschmack  mit  Zahnschnittfriesen 
sammt  Eierstab,  Gonsolen  und  Perlschnur  gegliedert  In  der  Mitte 
ein  Dacherker.  Ein  ähnliches  von  gleich  schöner  Wirkung  (vom 
J.  1640),  mit  zahlreichen  Sprüchen  bedeckt,  sieht  man  in  der 
Strasse  hinter  dem  Brauhause.  Wieder  ganz  anders  behandelt, 
sehr  energisch  dekorirt  zwei  Häuser  gegenüber  dem  Rathhause, 
das  eine  von  1617.  Endlich  ein  hübsch  mit  Consolenfriesen, 
Sprüchen  und  Flachornamenten  geschmücktes  an  der  Stechbahn. 


Kap.  XYI.    Niedersachsen.  g53 


Schlossbanten. 

Zanächst  sind  hier  einige  benachbarte  Schlösser  anzureihen. 
Eins  der  frühesten,  wie  es  schieint,  das  Schloss  zu  Gifhorn, 
welches  der  dritte  Sohn  Heinrichs  des  Mittleren  und  Bruder  Ernst 
des  Bekenners,  Herzog  Franz  seit  1525  erbaut  hatte.  Nachdem 
er  1539  mit  dem  Amte  Gifhom  abgefunden  war,  bezog  er  das 
Schloss,  wo  er  1549  starb  und  in  der  Kapelle  beigesetzt  wurde. 
Der  unregelmässig  angelegte  Bau,  den  ich  nicht  selbst  untersucht 
habe,  scheint  ziemlich  einfach,  in  den  Formen  noch  stark  mit  spät- 
gothischen  Elementen  gemischt  Die  Kapelle  ist  deijenigen  im 
Schloss  zu  Celle  verwandt.*) 

Sodann  das  Schloss  Wolfs  bürg,*)  zwischen  Fallersleben 
und  Vorsfelde  gelegen,  etwas  späteren  Datums  als  jenes,  auch 
durchweg  einfacher  gehalten,  dem  letzten  Viertel  des  16.  Jahrhun- 
derts zuzuschreiben.  Von  einem  herrlichen  Park  umgeben  und 
von  einem  Graben  umschlossen,  imponirt  der  Bau  durch  seine 
Grösse.  Er  besteht  aus  vier  Flügeln  von  ungleicher  Höhe  (zwei 
gleichhoch,  die  beiden  andern  niedriger),  die  einen  rechteckigen 
Hof  einfassen.  An  der  Hauptfa^ade  ein  stattliches  Portal  in 
späten  Formen,  von  zwei  Kriegerfiguren  flankirt,  darüber  ein 
Wappen.  Die  nicht  hohen  Fenster  an  den  beiden  Hauptflügeln 
in  vier  Geschossen  meist  zu  zweien  gekuppelt;  die  Dächer  von 
Giebeln  mit  barocken  Profilen  belebt 

Der  Hof  malerisch,  in  den  Ecken  mit  drei  Treppenthürmen 
versehen,  die  hoch  über  das  Dach  emporsteigen;  zwei  davon 
rechtwinklig,  der  dritte  polygen.  Der  letztere  sammt  dem  .damit 
zusammenhangenden  Theil  des  Baues  älter  als  das  Uebrige,  da 
neben  diesem  Thurm  ein  Ausbau  mit  spätgothischen  Fenstern 
sich  zeigt,  während  im  Uebrigen  nur  Renaissanceformen,  und  zwar 
in  schlichter  Behandlung,  vorkommen.  Prächtig  wirkt  der  uralte 
Epheu,  mit  welchem  innen  und  aussen  fast  alle  Wände  des  Schlos- 
ses bewachsen  sind. 

Ungemein  reich  entfaltet  sich  in  der  letzten  Epoche  der  Re- 
naissance der  Schlossbau  am  mittleren  Laufe  der  Weser.  Der 
Adel  wetteiferte  mit  den  Fürsten  in  Errichtung  stattlicher  Wohn- 
häuser, die  sich  meist  auf  ebenem  Terrain,  von  tiefen  Gräben 
umzogen,  als  Wasserburgen  darstellen.     Vielleicht  hat  kein  Ge- 


*)  Vgl.  den  Aufsatz  von  Mithoff  in  der  Zeitschr.  des  Hannov.  Arch. 
Ver.  Bd.  X  S.  68  fF.  mit  AbbUdungen  von  Celle  u.  Qifhorn.  —  ^  Nach  gef. 
ifotizen  des  Herrn  Oberbaarath  Mithoff  zu  Hannover. 


854  ni.  Buch.    BenaiflBance  in  Deutschland. 

biet  Deutschlands  eine  solche  Zahl  im  Ganzen  noch  wohlerhal- 
tener Renaissance- Schlösser  aufzuweisen  als  dies  anmuthige 
Flassthal.  Die  Bauten  sind  durchweg  regelmässig  angelegt,  ent- 
weder mit  vier  Flügeln  einen  rechteckigen  Hof  umgebend,  oder 
hufeisenförmig  einen  ähnlich  angeordneten  Hof  einfassend.  Trep- 
penthürme  mit  Wendelstiegen  erheben  sich  mit  ihren  Kuppel- 
dächern in  den  Ecken  des  Hofes ;  Erker  sind  vielfach  ansgebant, 
und  verleihen  mit  den  zahlreichen  Dachgiebeln  den  Bauten  ein 
malerisches  Gepräge.  Die  Formen  sind  überall  schon  die  der 
Spätzeit,  stark  barock  geschweift,  mit  mancherlei  geometrisch  spie- 
lenden Ornamenten,  wie  jene  Zeit  es  liebte.  Das  Alles  ist  aber 
mit  einer  Sicherheit  gehandhabt,  mit  einer  Virtuosität  des  Meissels 
in  dem  schönen  Sandstein  der  Gegend  vorgetragen,  dass  man  die 
ruhig  sich  entfaltende  Thätigkeit  einer  bedeutenden  Provinzial- 
schule  erkennt 

Ich  beginne  mit  dem  Prachtstück  dieser  Gruppe,  der  gross- 
artigen Hämelschenburg,  eine  Meile  südlich  von  Hameln  an 
einem  sanft  ansteigenden  schön  bewaldeten  Bergzuge  gelegen.*) 
Der  stattliche  ganz  in  Sandstein  aufgeführte  Bau  wurde  von  1588 
bis  1612  von  Georg  von  Klencke  errichtet,  dessen  Familie  bis  auf 
den  heutigen  Tag  im  Besitz  des  wohlerhaltenen  Herrenhauses 
geblieben  ist.  Das  Schloss  (Fig.  230)  gruppirt  sich  in  Hufeisen- 
form, zum  Theil  noch  von  dem  alten  Burggraben  umgeben,  um 
einen  Hof  von  137  Fuss  Länge  und  108  Fuss  Breite.  Der  Zu- 
gang liegt  an  der  östlichen  offenen  Seite  des  Hofes,  wo  eine 
feste  Steinbrücke,  vorn  mit  einem  prachtvollen  Portal  geschlossen, 
über  den  Graben  führt  Ein  zur  Rechten  sich  ausbreitender 
Teich  giebt  im  Verein  mit  reichen  Baumgruppen  dem  Ganzen 
eine  erhöhte  malerische  Wirkung.  An  der  offenen  östlichen 
Seite  Bchliesst  eine  mächtige  Futtermauer  mit  Strebepfeilern  den 
Hof  ein.  Links  von  der  Brücke  ist  das  erhöhte  Terrain  zu  einer 
Blumenterrasse  verwendet  Hat  man  die  Brücke  passirt,  so 
breitet  sich  dem  Eintretenden  gegenüber  der  langgestreckte  west- 
liche Flügel  mit  drei  hohen  Giebeln  aus,  von  welchem  südlich 
und  nördlich  im  rechten  Winkel  zwei  kürzere  Flügel  vorspringen. 
In  die  Ecken  sind  zwei  polygone  Treppenthürme  gelegt,  beide 
'  durch  reiche  Portale  ausgezeichnet,  der  südliche  etwas  grösser 
und  stattlicher.  Der  nördliche  Flügel  ist  der  ältere,  seine  Archi- 
tektur die  feinere  und  elegantere,  seine  Stockwerkhöhe  bedeutender. 


*)  Eine  Beschreib,  in  Mitboff  s  Kunstdenkm.  im  Hannov.  I  S.  39  ff. 
UmfaBsendere  Aufn.  in  den  Keiseskizzen  der  polyt.  Schule  zn  Hannover. 
1870  fol.    Nach  diesen  ist  unsre  Abb.  entworfen. 


Kftp.  XYL   Niedersachsen.  857 

die  Verliftitmsfle  deshalb  schlanker  und  ansprechender.  Bezeich- 
nend ist  namentlich  die  Architektur  der  Fenster,  welche  durch- 
weg gekuppelt  sind,  mit  Tortretenden  Sftulchen  eingefasst,  im 
hohen  Erc^schoss  schlanke  ionische,  im  oberen  Stockwerk  und 
den  Dacherkem  kürzere  korinthische.  Es  ist  die  an  den  meisten 
gleichzeitigen  Bauten  von  Hannover  (s.  unten)  herrschende  Be- 
handlung, und  wahrscheinlich  hat  man  yon  dort  einen  Meister  fbr 
diese  Theile  berufen. 

Die  übrigen  Theile  des  Schlosses  verrathen  eine  andere  Be- 
handlung, kürzere  Verhältnisse,  derbere  Formen,  aber  ungemein 
prachtvolle  Durchführung.  Alles  wird  von  energischen  Pilastem 
eingefasst;  diese  sowie  das  ganze  Mauerwerk  bis  zur  Spitze  der 
zahlreichen  hohen  Giebel  und  Dacherker  sind  mit  breiten  horizon- 
talen Bftndem  geschmückt,  welche  die  beliebten  Stemmuster 
und  andere  Ornamente  der  Spätzeit  in  glanzvoller  Ausführung 
zeigen.  Dadurch  bekommt  die  Architektur  den  Charakter  einer 
schweren  fast  festungsartigen  Derbheit,  der  sich  besonders  an 
der  Aussenwand  des  westlichen  Flügels  und  noch  mehr  an  der 
des  südlichen,  die  sich  über  einer  gewaltigen  Futtermauer  erhebt, 
ausspricht  Diese  Behandlungsweise,  die  wir  in  Breslau,  Danzig, 
Lübeck,  Bremen  in  ganz  verwandt^  Weise  fanden,  bildet  einen 
gemeinsamen  Zug  in  der  Spätrenaissance  des  nördlichen  Deutsch- 
lands. Dazu  kommen  zahhreiche  ähnlich  durchgeführte  Portale, 
mehrfache  Erker  an  den  äussern  und  innem  Fa^aden,  die  aber 
überall  nur  dem  hohen  Erdgeschoss  angehören  und  auch  dadurch 
diesem  seine  hervorragende  Bedeutung  sichern.  Die  zahlreichen 
hohen  Dachgiebel,  die  aufgesetzten  Kamine,  das  Alles  in  kräftigen 
Barockformen  dekorirt,  sodann  die  originellen  Wasserspeier  voll- 
enden den  malerischen  Eindruck  des  mächtigen  Baues. 

Einer  besonderen  Anlage  ist  noch  zu  gedenken,  die  nicht 
bloss  künstlerisch  anziehend  wirkt,  sondern  auch  einen  werth- 
vollen  Beitrag  zur  Kulturgeschichte  jener  Tage  gewährt  Links 
in  der  südwestlichen  Hofecke  neben  dem  Treppenthurm,  zugleich 
in  Verbindung  mit  den  Eingängen  zur  Küche  und  zum  Schloss- 
keller ist  die  sogenannte  Pilgerlaube  angebracht:  eine  offene 
reichgeschmückte  Halle,  in  welcher  die  Pilger  und  Armen  aus 
einer  direkt  auf  die  Küche  mündenden  Ausgabeöffhung  allzeit 
Speise  und  Trank  erhielten.  Unter  der  Oeffhung  zieht  sich  auf 
Consolen  tisehartig  eine  Steinplatte  hin,  und  Bänke  zum  Ausruhen 
sind  an  den  Seitenwänden  angebracht  Noch  jetzt  wird  von  der 
Schlossherrschaft  diese  alte  schöne  Sitte  geübt 

Das  Innere  des  Baues  hat  in  der  Eintheilung  und  Ausstattung 
vielfach  Veränderungen  erfahren;  nur  eine  Anzahl  von  Kaminen 


858  in.  BuoL    BenaiBsance  in  DeatachUnd. 

in  demselben  reichen  Barockstil  gehöreii  der  ursprttnglichen  Bau- 
zeit an. 

Eine  fthnliohe  Anlage,  nur  in  kleineren  Maassen  und  minder 
prfichtig  ausgeführt,  ist  das  Schloss  Schwdbber,  1574  von  Hihnar 
von  Münchhausen  begonnen^).  Auch  hier  ein  hufeisenförmiger 
Grundriss  mit  zwei  poIygonen  Treppenthürmen  in  den  Ecken. 
Der  ftlteste  ist  der  westliche  Flttge),  an  welchen  sich  dann  der 
1588  vollendete  Südflttgel  anschloss,  während  der  nördliche  erst 
1602  aufgeführt  wurde.  Auch  hier  die  hohen  Giebel,  die  auf 
Consolen  ausgebauten  Erker,  die  zahlreichen  Dacherker,  in  den 
Formen  besonders  am  jüngsten  Flügel  den  Arbeiten  von  Hilmel- 
schenburg  verwandt.  Der  ehemalige  Wassergraben  ist  zum  Theil 
erhalten  und  breitet  sich  an  der  Nordseite  zu  einem  Teich  aus, 
der  in  Verbindung  mit  den  prächtigen  alten  Linden,  aus  welchen 
die  zahlreichen  Giebel  hervorschauen,  den  malerischen  Reiz  des 
Ganzen  noch  erhöht  Auch  hier  finden  sich  im  Innern  zahlreiche 
tüchtig  gearbeitete  alte  Kamine. 

Weiter  ist  das  ebenfalls  als  Wasserburg  erbaute  Schlösschen 
Hülsede  bei  Lauenau  zu  nennen^),  das  indess  seinen  Haupt- 
theilen  nach  älter  ist,  da  es  1529  bis  1548  erbaut  wurde.  Während 
diese  Theile  noch  mittelalterliche  Formen  zeigen,  ist  der  in  der 
südöstlichen  Ecke  angelegte  Treppenthurm  sammt  der  reichen 
sich  an  ihn  schliessenden  offnen  Galerie  1580  von  Hermann  von 
Mengerssen  in  ausgebildeten  Renaissanoeformen  hinzugefügt  worden. 
Das  Schloss  weicht  von  den  oben  genannten  darin  ab,  dass  es 
sich  mit  vier  Flügeln  um  einen  geschlossenen  Hofraum  gmppirt 
Im  Innern  sind  auch  hier  noch  mehrere  alte  Kamine  erhalten. 

An  der  Weser  ist  sodann  noch  das  Schloss  Hehlen  zu  nennen. 
Wichtiger,  und  durch  eine  neuerdings  erschienene  Aufnahme*)  all- 
gemein bekannt  Schloss  Bevern,  eine  Stunde  von  Holzminden 
in  einem  schön  belaubten  Waldthal  gelegen.  Es  wurde  durch 
Statins  von  Münchhausen  seit  1603  in  neun  Jahren  mit  grossem 
Aufwand  ausgeführt  und  ist  als  eins  der  durchgebildetsten  Werke 
dieser  Spätzeit  zu  bezeichnen.  Rings  von  einem  tirfen  Graben 
umzogen  gruppirt  es  sich  mit  vier  Flügeln  um  einen  fast  quadra- 
tischen Hof  von  90  zu  96  Fuss  Ausdehnung.  In  der  Ecke  links 
vom  Eingang  erhebt  sich  ein  polygoner  Treppenthurm,  welchem 
in  der  diagonal  gegenüber  liegenden  Ecke  ein  Eweiter  entspricht 
Die  Architektur  hat  Verwandtschaft  mit  der  von  Hämelschenburg, 
besonders  in  der  Ausschmückung  der  zahlreichen  Portale  und 


»)  Mithoff,  a.  a.  0.  S.  167.  —  «)  Ebenda  S.  105.  —  «)  Seemann'»  deutsche 
RenaifiB.  7.  Lief.  Schloss  Bevern  von  B.  Lieb<Hd. 


Kap.  XVI.    NiederBachgen.  859 

den  barockgeschweiften  Oiebeln  der  Dächer  und  der  Dacherker. 
So  wenig  der  Stil  dieser  Werke  auf  Beinheit  Anspruch  machen 
kann,  so  bedeutend  wirken  sie  doch  durch  die  malerische  Gom- 
position,  den  Reichthum  und  die  Eleganz  der  Ausführung. 


Fürstliche  Bauten. 

Bedeutende  Werke  der  Benaissance  sind  nun  auch  von  den 
Herzogen  yon  Braunschweig- Wolf enbttttel  zu  verzeichnen.  Der 
wilde  Heinrich,  der  geschworene  Feind  der  Beformation,  war 
freilich  kein  Miann  der  friedlichen  Bestrebungen,  der  Förderung 
von  Kunst  und  Wissenschaft.  Aber  als  er  1568,  zuletzt  noch  zum 
Lutherthunt  ttbergetreten,  im  hohen  Alter  starb,  folgte  ihm  sein 
Sohn,  der  treffliche,  friedfertige  und  gelehrte  Herzog  Julius,  einer 
der  besten  Fürsten  der  Zeit,  gleich  dem  Herzog  Christoph  von 
Wtlrtemberg  in  der  Schule  der  Leiden  /aufgewachsen.  In  jeder 
Weise  bemüht  den  Wohlstand  seines  Landes  zu  fördern,  Handel 
und  Industrie  zu  heben,  zog  er  fremde  Handwerker  in's  Land, 
begabte  sie  mit  besonderen  Freiheiten,  vergrösserte  Wolfenbüttel 
durch  die  Anlage  einer  Juliusstadt,  baute  und  verbesserte  die 
Landstrassen,  machte  die  Flüsse  schiffbar  und  war  ein  so  guter 
Haushalter,  dass  er  bei  seinem  Tode  (1589)  vier  Millionen  im 
Staatsschatz  hinterliess.  Die  Wissenschaften  forderte  er  durch 
Gründung  der  Universität  Helmstädt  1576.  Sein  Sohn  Heinrich 
Julius  (1589  —  1613)  trat  in  die  Fusstapfen  seines  Vaters,  den 
er  in  gelehrter  Bildung  noch  übertraf.  Schon  im  zwölften  Lebens- 
jahre übernahm  er  das  Bectorat  der  Universität,  wobei  er  durch 
lateinische  Beden  aus  dem  Stegreif  seine  Zeitgenossen  in  Er- 
staunen setzte.  Das  römische  Becht  führte  er  im  Lande  ein,  die 
Wissenschaften  pflegte  er  eifrig,  besondre  Gunst  wandte  er  der 
Entwickelung  des  Schauspiels  zu,  wie  er  denn  bekanntlich  selbst 
eine  Anzahl  von  Tragödien  und  Komödien  geschrieben  hat^) 
Prachtliebend  und  baulustig  wandte  er  auch  den  bildenden  Kün- 
sten seine  Theilnahme  zu,  ja  zu  mehreren  von  ihm  aufgeführten 
Schlössern  soll  er  selbst  die  Zeichnungen  entworfen  haben. 

Unter  seiner  Begierung  (von  1593  bis  1612)  ist  der  gross- 
artige Bau  entstanden,  welcher  ehemals  in  Helmstädt  die  Uni- 
versität aufnahm  und  noch  jetzt  als  Juleum  bezeichnet  wird. 
Als  Architekt  ist  in  den  Akten  des  Landesarchivs  zu  Wolfenbttttel 
PaulFrancke  genannt,  der  schon  unter  Herzog  Julius  als  Baumeister 


0  Vgl  oben^S.  10. 


860  ^-  Buch.    Re&aiBBaiice  in  Deatschland. 

fungirte,  nachmals  die  ansehnliche  Marienkirche  zu  Wolfenbüttel 
begann  und  nach  seinen  Plänen  grossentheils  Tollendete.  Er  starb 
1615  im  Alter  von  77  Jahren  als  herzoglicher  Bau-Director.  Das» 
er  zu  den  hervorragendsten  Meistern  unserer  Renaissance  gehört, 
wird  die  Betrachtung  seiner  beiden  grossartigen  Schöpfungen . 
darthun. 

Das  Juleum  ist  ein  mächtiger  Bau,  etwa  130  Fuss  lang  bei 
40  Fuss  Breite,  durch  die  bedeutenden  Verhältnisse,  die  enormen 
Stockwerkhöhen,  die  reiche  Pracht  der  Ausführung  in  einem  noch 
massig  barocken  Renaissancestil  imposant  wirkend^).  Gewaltig 
hohe  mit  Säulenstellungen  und  Statuen  geschmückte  Giebel  zieren 
den  Bau  von  allen  Seiten  nach  aussen  gegen  die  Strasse,  (Fig.  231) 
an  beiden  schmalen  Enden  sowie  an  der  Innern  Hofseite.  Bei 
letzterer  wird  auflfallender  Weise  der  mittlere  Giebel  durch  den 
gleichzeitig  vorgelegten  polygonen  Treppenthurm  grösstentheils 
verdeckt.  Dem  ungewöhnlich  hohen  Erdgeschoss  entspricht  ein 
nicht  minder  bedeutendes  oberes  Stockwerk,  beide  durch  riesige 
Fenster  mit  steinernen  Stäberf,  unten  viertheilig,  oben  dreitheilig, 
erhellt.  Die  Behandlung  dieser  Fenster,  unten  mit  hineingezeich- 
neten Kreisen,  oben  mit  andern  willkürlicheren  Formen  lässt  eine 
dunkle  Reminiscenz  gothischer  Fensterbehandlung  erkennen.  Da- 
gegen ist  die  Composition  der  Portale  und  die  reiche  Gliederung 
der  Flächen  in  den  acht  hohen  Giebeln  des  Gebäudes  eine  völlig 
durchgebildete  Renaissance,  etwa  dem  Stil  des  Friedrichsbaues 
zu  Heidelberg  entsprechend.  Auf  den  Absätzen  der  Giebel  stehen 
kühn  bewegte  Figuren  von  Kriegern,  welche  mit  ihren  Hellebarden 
den  Umriss  prächtig  beleben.  Auf  dem  Gipfel  jedes  Giebels  sieht 
man  Statuen  von  Tugenden.  Sämmtliche  architektonische  Glieder 
und  Ornamente,  Gesimse,  Ecken  und  Einfassungen  sind  in  Sand- 
stein ausgeführt,  die  Flächen  dagegen  verputzt 

In  das  untere  Geschoss,  welches  zu  vier  Fünfteln  einen  ein- 
zigen grossen  Saal,  die  Aula,  ausmacht,  mündet  rechts  neben  dem 
Thurm  ein  überaus  reiches  triumphbogenartig  componirtes  Portal, 
mit  vier  ionischen  Säulen  eingefasst  und  von  einer  hohen  Attika 
bekrönt,  mit  Statuen  und  Reliefs  geschmückt.  Ein  kleineres,  aber 
nicht  minder  elegantes  Portal  führt  in  das  Stiegenhaus.  Der 
Thurm  erhält  durch  eine  auf  mächtigen  Consolen  ruhende  Galerie 
eine  wirksame  Bekrönung.  Darüber  steigt  das  geschweifte  Kuppel- 
dach auf,  und  eine  schlanke  Spitze  über  einer  Laterne  bildet  den 
Abschluss. 


*)  Die  historischen  Notizen  verdanke  ich  Herrn  Lehrer  Th.  Voges  in 
Wolfenbüttel. 


Fig.  i»l.     Helmilll 


Kap.  XVI.    Niedersachaen.  g63 

Im  Innern  wird  der  grosse  Saal  der  Aula  in  der  Mitte  durch 
Bogenstellangen  auf  drei  kräftigen  Pfeilern  getheilt,  die  bdehst 
originell  in  einer  derben  Rustika  mit  Rosetten  und  facöttirten 
Quadern  bebandelt  sind.  Die  Pfeiler  ruhen  auf  grossen  Löwen- 
krallen über  kraftvoll  bebandelten  Stylobaten.  Zwei  Riesenfenster 
an  der  westlichen  Schmalseite,  zwei  an  der  südlichen  und  vier 
an  der  nördlichen  Langseite  geben  dem  Raum  ein  reichliches 
Licht  An  der  östlichen  Schmalseite  führt  eine  Thür  in  einen 
kleineren  Nebenraum.  Die  Schlusssteine  der  korbartig  gedrückten 
Bögen,  auf  welchen  die  Balkendecke  ruht,  sind  in  meisterhafter 
Weise  durch  herabhängende  Zapfen  mit  Köpfchen,  Früchten  und 
anderem  Ornament  decorirt.  An  der  Westseite  des  Saales  auf 
einer  Estrade  von  drei  Stufen  erhebt  sich  das  Katheder,  freilich 
nicht  mehr  in  ursprünglicher  Form.  Die  Dimensionen  des  Saales 
sind  etwa  90  Fuss  Länge  bei  40  Fuss  Breite  und  c.  24  Fuss 
Höhe. 

Die  aussen  angebrachte  Wendeltreppe  führt  zu  dem  oberen 
GeschoBS  in  den  grossen  Bibliotheksaal,  welcher,  etwa  120  Fuss 
lang,  die  ganze  Breite  und  Länge  des  Gebäudes  einnimmt  Seine 
innere  Einrichtung  bewahrt  nichts  mehr  von  der  früheren  Anlaga 

Zwei  selbständige  Flügel,  in  einiger  Entfernung  von  dem 
Hauptbau  rechtwinklig  vorspringend,  scbliessen  den  südwärts  sich 
ausdehnenden  Qof  ein.  Sie  sind  beide  ganz  kunstlos,  im  obem 
Geschoss  nur  aus  Fachwerk  errichtet,  jeder  mit  einem  polygonen 
Treppenthurm,  der  östliche  mit  einem  Barockportal,  von  Greif 
und  Löwen  bewacht,  1695  restaurirt  Aus  derselben  Zeit  (1697) 
wird  am  Portal  des  Hauptbaues  ebenfaUs  eine  Restauration  be- 
zeugt Der  östliche  Flügelbau  hat  von  der  Strasse  aus  seinen 
Zugang  durch  ein  kräftig  behandeltes  Hauptportal,  von  Hermen 
eingefasst,  welche  Polster  statt  der  Kapitale  auf  dem  Kopfe  tragen. 
Die  ganze  Anlage  ist  eine  Composition  von  hohem  Werthe,  das 
Einzelne  am  Hauptgebäude  mit  voller  Meisterschaft  durchgebildet, 
fein  und  scharf  zu  energischer  Wirkung  gebracht 

Von  demselben  Meister  rührt  ein  zweiter  grossartiger  Bau, 
die  Marienkirche  in  Wolfenbüttel,  1604  unter  Herzog  Heinrich 
Julius  vorbereitet  und  seit  1608  begonnen,  sodann  unter  seinem 
Sohn  und  Nachfolger  Friedrich  Uhich  seit  1613  weitergeführt^) 
Jm  Jahre  1615  starb  Paul  Francke,  „dreier  Herzöge  zu  Braun- 
schweig gewesener  Baudirektor^  so  diese  Kirche  durch  seine  In- 


*)  Die  atufÜhrlicheii  gesch.  Notizen  verdanke  ich  der  Güte  des  Herrn 
Voges,  welcher  sie  dem  Corpus  bonorum  entnommen  hat. 


gg4  IH-  Budi.    BenaiBBance  in  Deutachland. 

vention  erbauet^^)  Bis  1613  war  der  Chor  vonendet,  bis  1616 
die  Sakristei  aufgeführt,  bis  1623  arbeitete  man  am  Eirehendach, 
nachdem  seit  1619  die  ersten  Giebel  an  der  Nordseite  aufgerich- 
tet worden  waren.  Zugleich  wurde  die  grosse  Orgel  erbaut  und 
1621  die  Kanzel  aufgestellt,  ein  Werk  des  Bildhauers  Georg  Fritzsch 
aus  Quedlinburg.  Der  Hauptaltar  ward  1623  durch  den  Bild- 
schnitzer Burckhard  Diedrich  aus  Freiberg  vollendet  Während 
der  Wirren  des  dreissigjährigen  Krieges  erlitt  der  Bau  eine  Unter- 
brechung, so  dass  erst  unter  Herzog  August  dem  Jüngeren  von 
1656  bis  1660  die  letzten  Giebel  an  der  Südseite  aufgerichtet 
wurden.  Die  jetzige  Thurmspitze,  ein  hdssliehes  Werk  von  abscheu- 
lichen Verhältnissen  und  Formen,  datirt  von  1750. 

Der  Bau  ist  ein  yoUständiges  Gompromiss  zwischen  Mittel- 
alter und  Renaissance:  gothisch  in  Grundriss,  Aufbau  und  Con- 
struktion,  in  der  Anlage  der  Pfeiler,  Gewölbe  und  Fenster,  wäh- 
rend die  künstlerische  Ausbildung  des  Einzelnen  mit  der  ge- 
sammten  Ornamentik  dem  neuen  Stil  angehört  Und  zwar  tritt 
derselbe  in  der  üppigen,  schon  stark  barocken  Umbildung  der 
Schlussepoche  auf.  Die  Planform  zeigt  eine  dreischiffige  Hallen- 
kirche von  breiter  Anlage,  das  36  Fuss  weite  Mittelschiff  durch 
6  achteckige  Pfeiler  von  den  22  Fuss  breiten  Seitenschiffen  ge- 
trennt, östlich  ein  Querschiff  yon  1 00  Fuss  Länge,  dann  ein  kurz 
vorgelegter  aus  dem  Achteck  geschlossener  Chor,  am  Westende 
ein  viereckiger  Thurm  in's  Mittelschiff  eingebaut,  die  gesammte 
innere  Länge  215  Fuss  im  Lichten. 

Am  frappantesten  wirkt  das  Aeussere.  Der  seltsame  Misch- 
stil erreicht  hier  eine  Pracht  der  Ausführung,  eine  Energie  der 
Behandlung,  welche  dem  Werke  den  Stempel  der  Meisterschaft 
aufprägen.  An  das  hohe  Dach  des  Mittelschiffs  stossen  im  rech- 
ten Winkel  die  fünf  Querdächer  jedes  Seitenschiffs  und  das 
höhere  und  breitere  Dach  der  Kreuzarme.  Diese  alle  mit  ihren 
hohen  reich  dekorirten  Giebeln,  welche  sich  über  dem  kräftigen 
durchlaufenden  Hauptgesimse  erheben,  den  Bau  zu  malerischer 
Wirkung  abschliessend.  Die  bunte  Phantastik  dieser  Giebel, 
ihre  reiche  Belebung  durch  ionische  und  korinthische  Säulen- 
stellungen mit  Gebälken  und  eingerahmten  Nischen,  die  bunte 
Silhouette  mit  ihren  phantastisch  geschweiften  Hörnern  und  Vo- 
luten, die  völlige  Belebung  der  Flächen  durch  Fruchtschnüre, 
Blumengewinde,  Masken  und  andern  figürlichen  Schmuck  stehen 
in  ihrer  barocken  Pracht  unübertroffen  da.  Kraftvoll  ist  auch 
die  Architektur  der  unteren  Theile.    Die  Wandflächen  sind  an 


0  Inschrift  auf  dem  Grabstein,  im  süd).  Seitensch.  der  Kirche. 


Kap.  XVL    NiederMchaen.  S65 

allen  Ecken  mit  derben  Quadern  eingefasst,  welche  durch  orna- 
mentale Linienspiele,  Drachen  und  andere  Thierfig:uren  völlig  be- 
deckt sind. 

In  derselben  Weise  hat  man  die  EinfaBsungen  der  Fenster 
ausgebildet.    Im  üebrigen  zeigen  die  Fenster  die  gothiscbe  Con- 
Btructioa  und  ziehen  sich,  durch  zwei  Stäbe  getheilt,  in  bedeu- 
tender Höhe  von  circa  40  Fuss  bis  dicht  unter  das  Dachgesimse 
hinauf,  wo  sie  im  Spitzbogen  schliessen.    Am  merkwürdigsten 
ist  aber  das  Maasswerk  behandelt:  (Fig.  232)  aus  den  korinthi- 
sirenden  Kapitalen  der  Theilungsstäbe 
schwingt  es  sich  in  freier  Bewegung, 
nach  Art  der  Kenaissance  aus  Lanb- 
btlscheln    zusammengesetzt    und    mit 
mancherlei    figürlichem  Schmuck    ver- 
sehen,  in  bizarrer  Phantastik  empor, 
eine  geniale  Travestie  des  gothischen 
Maasswerks.  Am  Querschiff  sind  kür- 
zere und  schmalere  Fenster,  je  zwei 
neben  und  über  einander  angebracht 
Auch  die  Strebepfeiler  sind  der  Gothik 
entnommen,   aber  in  der  Absicht,   sie 
ebenfalls  zn  antikisiron,  hat  der  Künst- 
ler   sie    zu    schwerfälligen  nach  oben 
verjtlngten    Pfeilern   umgestaltet,    die 
auf  dem  derben  Kranzgesimse  unor- 
ganisch   genug    Statuen    der   Apostel 
tragen  und  dem  Baue  willkariich  an- 
gelehnt erscheinen.    Verknüpft  werden 

sie  diesem  nur  durclf  das  kraftvolle  pu.  us.  r™t«  d»  kiki»  » 
Sockelgesims  and  ein  in  halber  Höhe  woifenwutei. 

umlaufendes   Friesband,  welches    mit 
Engelköpfen,  Frachten,  Blumen  und  Blättern  belebt  ist 

Die  beiden  Portale  an  der  Nord-  und  Südseite  sind  in 
Bustika  ausgeführt,  an  den  Seiten  mit  Sitznisehen  ausgestattet 
und  mit  UDkannelirten  ionischen  Säulen  eingefasst,  welche  das 
Gebälk  sammt  dem  Giebel  tragen.  Zur  höchsten  Pracht  entfaltet 
sich  das  Hauptportal  an  der  Westfront,  (Fig.  233)  triumphbogen- 
artig  mit  dreifach  gruppirten  korinthischen  Säulen  eingefasst, 
beiderseits  Nischen  mit  Statuen,  üeber  dem  mittleren  Bogen 
erhebt  sich  eine  hohe  Attika,  nach  Art  gothischer  Wimperge  das 
dahinter  liegende  Fenster  halb  verdeckend.  Die  Composition  des 
Ganzen,  obwohl  ziemlich  locker,  ist  energisch  und  nicht  ohne 
Reiz;    die    Einzelformen,    namentlich    die    zusammengedruckten 

Kof  ler,OeMli.il.B>iiknui.v.  Üb 


gg6  in.  Buch.    Benaissance  in  Deutschland. 

Voluten,  deuten  schon  auf  ziemlieh  späte  Zeit  des  17.  Jahr- 
hunderts. Wie  spät  hier  noch  gebaut  wurde,  beweisen  auch  die 
Jahrzahlen  1657  und  1658  an  den  Giebeln  der  Südseite.  Anstatt 
des  vorhandenen  abscheulichen  Thurmbaues  gebe  ich  nach  einer 
alten  Abbildung  das  ursprüngliche  Froject  des  Baumeisters,^) 
welches  uns  eine  der  elegantesten  Thurmcompositionen  der  Be- 
naissancezeit  vorführt 

Im  Innern  zeigt;  sich  ein  Hallenbau  von  lichter  Weite  und 
schönen  Verhältnissen,  durch  die  hohen  Fenster  reichlich  beleuch- 
tet Aber  auch  hier  sind  die  gothischen  Construktionen  in  Re- 
naissanceformen übersetzt.  Namentlich  gilt  das  von  den  acht- 
eckigen Pfeilern.  Sie  sind  auf  hohe  Sockel  gestellt  und  mit  zwei 
Bändern  gegürtet,  welche  Friese  von  Engelköpfen  und  Blumen 
enthalten.  Auf  originelle  Weise  (Fig.  234)  wird  am  oberen  Ende 
durch  vortretende  Gonsolen  der  Uebergang  in's  Viereck  und  in  die 
breiten  Gurtbögen  der  Gewölbe  vermittelt^)  Die  überaus  hohen 
Gesimse,  die  sich  hier  bilden,  erhalten  in  grosser  Mannigfaltigkeit 
reichen  Schmuck  durch  Blattwerk  im  Stil  des  beginnenden  Ba- 
rocco,  durch  ausgebogene  Schilder  im  bekannten  Leder-  und 
Metallstil,  durch  Früchte,  Engelköpfe  und  anderes  figürliche  Bei- 
werk in  grotesker  Ueberladung.  Auch  die  Gewölbrippen  sind, 
wie  man  aus  unserer  Abbildung  sieht,  durch  antike  Eierstäbe 
eingefasst  und  haben  in  der  Mitte  eine  vorgesetzte  Perlschnur. 
In  den  Wänden  der  Seitenschiffe  entsprechen  den  Pfeilern  grosse 
Consolen  von  ähnlich  reicher  Behandlung.  In  der  ThurmhaUe 
sieht  man  ein  gothisches  Netzgewölbe  mit  reich  ausgebildetem 
herabhängendem  Schlussstein  in  ähnlichen  Formen.  Noch  ist  zu 
bemerken,  dass  die  Seitenflügel  des  Querschiffes  rechts  als  fürst- 
liche Gruft  lii^t^s  als  Sakristei  vom  Hauptraum  abgetrennt  sind. 
Die  Wirkung  des  Innern  wird  durch  die  moderne  Tünche,  welche 
alle]  Theile  bedeckt,  etwas  beeinträchtigt.  Auch  die  Holzschnitz- 
werke, die  ursprünglich  bemalt  waren,  sind  jetzt  mit  Oelfarbe 
überstrichen.  Entstellend  wirken  femer  die  beiden  im  nördlichen 
Seitenschiff  über  einander  eingebauten  Emporen.  Dagegen  ge- 
höii;  die  Empore  im  südlichen  Schiff  mit  gemalter  Brüstung  auf 
korinthischen  Holzsäulen  zur  ursprünglichen  Einrichtung. 

Ein  stattliches  Werk  ist  der  Hochaltar,  freilich  schon  stark 
barock  und  in's  Malerische  übertrieben.  Doch  ist  als  bemerkens- 
werthe  Nachwirkung  mittelalterlicher  Sitte  die  durchgängige  An- 


*)  Ans  M.  Gosky,  Arbustum  Angustaeum,  wo  auch  das  Innere  der 
Kirche  in  ausgeführtem  Stich  dargestellt  ist.  —  ^)  Die  Abb.  nach  einer 
Zeichnung  des  Herrn  Yoges. 


Kap.  XVI.    NiederaachseD.  g69 

wenduDg  der  Holz8chiut/.eret  zu  bezeichnen.  In  der  Predella  das 
Abendmahl,  an  den  Seiten  Christus  in  Gethsemane  und  durch 
Pilatus  dem  Volke  vorgefubrt,  darttber  die  Kreuzabnahme  und 
endlich  ein  grosser  Crucifixus,  letzterer  ton  edlen  Formen  bei 
massvollem  Ausdruck,  wenn  auch  etwas  zu  gestreckt.    Zu  den 


Seiten  des  Altars  über  den  beiden  offenen  Durchgängen  zwei 
manierirte  Engel  mit  den  Leidenswerkzeugen.  Aus  früherer  Zeit 
stammt  das  Taufbecken,  ein  trefflicher  Messingguss,  inschriftlicb 
1571  auf  Befehl  des  Herzogs  Julius  von  Curl  Jtfenten  dem  Ael- 
teren  gegossen,  die  schöne  Gesammtform  noch  in  gotbiscber  Weise 


870  ni.  Buch.    BenuBsance  in  Deutschland. 

profilirt,  fein  gegliedert  nnd  mit  figttrliehem  Ornament  und  Reliefs 
bedeckt  Das  prächtige  Eisengitter  mit  schön  omamentirten  messin- 
genen Einsatzfeldem  und  Wappen  haltenden  Engeln  ist  von  1584. 
Ein  herrliches  Eisengitter  mit  vergoldeten  Rosetten  und  frei  be- 
handelten Blumen  findet  sich  auch  an  der  Treppe  zur  Fürsten- 
gruft  Reich  und  prächtig  in  kraftvollem  Barockstil  ist  die  Orgel 
geschnitzt  Ebenso  die  Orgelempore,  die  auf  Bögen  mit  skulptirten 
Quadern  ruht 

Im  Gegensatz  zu  der  reichen  Pracht  dieser  Kirche  ist  es  auf- 
fallend, wie  unbedeutend,  ja  armselig  das  herzogliche  Schloss 
ausgeführt  ist  Nur  etwa  der  stattliche  Thurm  von  1643  mit 
hübschen  aufgesetzten  Giebeln  und  prächtigem  Eisengeländer  an 
der  Galerie  ist  zu  bemerken.  Gleich  daneben  das  Zeughaus, 
jetzt  Kaserne,  vom  Jahre  1619,  ein  stattlicher  Bau,  220  Fuss  lang 
bei  70  F.  Breite,  mit  reich  geschmückten  Giebeln  und  einem  tüchtig 
behandelten  Portal  im  Stil  der  Marienkirche. 

Ein  gutes  Portal  derselben  Spätzeit  besitzt  sodann  noch  die 
alte  Apotheke  am  Markt. 

Die  Städte. 

Unter  den  Städten  dieses  Gebietes  nimmt  an  Bedeutung  und 
Macht  Braun  schweig  die  erste  Stelle  ein.  Aus  einem  Fürsten- 
sitze des  frühen  Mittelalters  hervorgegangen,  schon  durch  Heinrich 
den  Löwen  zu  ansehnlicher  Stellung  erhoben,  schwang  die  Stadt 
sich  früh  durch  Thätigkeit  und  Umsicht  ihrer  Bürger  zu  einem 
Gemeinwesen  von  selbständiger  Kraft  empor.  In  regem  Handels- 
verkehr nach  allen  Seiten  gewann  sie  durch  den  Beitritt  zur 
Hansa  zunehmende  Blüthe  und  erwarb  den  Ehrenplatz  einer  Quartier* 
Stadt  des  Bundes.  In  ihren  wiederholten  Kämpfen  um  völlige 
Unabhängigkeit  mit  den  Landesftlrsten,  in  dem  frühen  Uebertritt 
zur  Reformation  (1528),  in  ihrem  mannhaften  Festhalten  am 
Schmalkaldischen  Bunde  bekundete  sie  ihren  tüchtigen  Sinn.  Als 
Zeugnisse  einer  durch  Jahrhunderte  andauernden  stets  gesteigerten 
Blüthe  weist  sie  eine  Anzahl  hervorragender  Denkmäler  aus  allen 
Epochen  des  Mittelalters  auf,  grossaxtige  kirchliche  Bauten  der 
romanischen  und  gothischen  Epoche  und  eins  der  schönsten  Rath- 
häuser  des  Mittelalters.  Schon  im  15.  Jahrhundert  fällt  die 
monumentale  Pracht  imd  Grossartigkeit  der  Stadt  einem  Kenner 
wie  Aeneas   Sylvius  auf^).     In  unverkümmerter  Frische  nimmt 


0  Aen.  Sylv.  Piccol.  opp.  BasiL  1571.  p.  424:  „oppidum  tota  Germania 

memorabile    magnum   et  populosum magnificae  domus,  perpolitae 

plateae,  ampla  et  omatissima  templa.    Quinque  hie  fora.  .  .  .  .* 


Kap.  XVI.    Niedersachsen.  871 

sie  nun  auch  an  der  Entwicklung  der  Renaissance  ihren  Antheil 
und  bringt  eine  Beihe  von  stattlichen  Profanwerken  des  Stils 
hervor,  die  bis  hart  an  den  Beginn  des  dreissigjährigen  Krieges 
reichen,  der  auf  lange  Zeit  die  Blüthe  der  Stadt  vernichten  sollte. 

Gleichwohl  können  wir  hier  nicht  von  besonders  frühzeitiger 
Aufnahme  des  neuen  Stils  sprechen.  Die  Formen  desselben 
schleichen  sich  nur  langsam  und  fast  unvermerkt  ein,  und  erst 
spät  kommt  es  zu  bedeutenderen  Schöpfungen.  Dies  hängt  wohl 
damit  zusammen,  dass  fast  ausschliesslich  der  Holzbau  die  Profan- 
architektur hier  beherrschte,  wodurch  die  mittelalterliche  Tradition 
sich  lange  in  Kraft  erhielt  Man  kann  schrittweise  die  Entwicklung 
der  Formen  verfolgen:  wie  bis  ins  16.  Jahrhundert  die  gothische 
Behandlung  sich  ungetrübt  geltend  macht,  dann  gewisse  Motive 
der  Renaissance  sich  einschleichen,  bis  endlich,  durch  die  Richtung 
des  neuen  Stiles  begünstigt,  der  Steinbau  sich  einmischt,  zuerst 
in  Verbindung  mit  dem  Holzbau  etwa  an  den  Portalen  oder  dem 
Erdgeschoss  und  dem  ersten  Stock  Platz  greift,  endlich  aber  in 
einigen  vollständigen  Fafaden  sich  ausspricht 

Um  diesen  Prozess  im  Einzelnen  darzulegen,  beginnen  wir 
mit  der  Betrachtung  der  früheren  noch  völlig  in  mittelalterlichem 
Sinn  behandelten  Bauten.  Sie  zeigen  durchweg  noch  ein  strenges 
Anschliessen  der  Dekoration  an  die  Elemente  des  constructiven 
Gerüstes.  Die  Schwellbalken  und  die  Füllhölzer  erhalten  kräftige 
Auskehlung  und  Abfasung,  wodurch  die  horizontalen  Linien  der 
über  einander  vorkragenden  Stockwerke  wirksam  betont  werden. 
Ueberaus  beliebt  ist  die  Dekoration  mit  rechtwinklig  gebrochenen 
Linien,  die  man  als  mäanderartig  bezeichnen  kann.  Damit  wechselt 
aber  ein  anderes  Ornament,  das  seine  Motive  dem  Pflanzengebiet 
entlehnt,  aus  einer  Laubranke  bestehend,  welche  sich  um  einen 
horizontalen  Stab  windet  und  die  charakteristischen  Formen  des 
bekannten  spätgothischen  Blattwerks  zeigt.  Nicht  minder  reich 
werden  die  Balkenköpfe,  welche  consolenartig  die  vorkragenden 
Stockwerke  stützen,  behandelt  Sie  erhalten  nicht  blos  kräftig 
ausgekehlte  Profile,  sondern  bisweilen  in  Hochrelief  durchgeführte 
figürliche  Darstellungen,  Apostel  und  andre  Heilige,  aber  auch 
Genrehaftes  und  Burleskes. 

Was  die  Gesammtcomposition  der  Fagaden  betrifft,  so  kommt  in 
Braunschweig  die  schmale  hochgethürmte  Giebelfa; ade,  die  z.  B.  in 
Städten  wie  Lübeck,  Bremen,  Danzig  so  gut  wie  ausschliesslich 
herrscht,  nur  selten  vor.  Meistentheils  sind  die  Häuser  mit  der  Lang- 
seite gegen  die  Strasse  gekehrt,  erhalten  aber  durch  einen  oder  meh- 
rere Dacherker  mit  ihren  Giebeln  eine  nicht  minder  reiche  male- 
rische Belebung.  Dagegen  fehlt  der  Erker  diesen  Fa^aden  durchaus. 


g72  in.  Buch.    Renaissance  in  Deutschland. 

Ueberaus  gross  ist  die  Anzahl  der  oben  charakterisirten  Bauten 
der  ersten  Epoche.  Sie  sind  meistens  datirt  und  umfassen  die 
letzten  Decennien  des  15.  und  die  ersten  des  16.  Jahrhunderts. 
Eins  der  frühesten  dieser  Häuser  ist  das  kleine  in  der  Poststrasse 
No.  10  gelegene  vom  Jahre  1467.  Vom  Jahre  1469  datirt  ein  ähn- 
liches am  Südklint  No.  17,  oben  mit  hübschen  Heiligenfiguren  an 
den  Balkenköpfen.  Ein  anderes  am  Altstädter,  Markt  No.  3  trägt 
die  Jahrzahl  1470.  Aus  demselben  Jahre  eins  der  reichsten  Häuser 
Scharrnstrasse  No.  13,  aufs  üppigste  mit  Figuren  von  Heiligen, 
sowie  phantastischen  und  genrehaften  Bildwerken  deeorirt  In  den 
rund  abgefasten  tauförmig  gedrehten  Schwellbalken,  einer  sehr 
häufig  vorkommenden  Form,  darf  man  wohl  ein  noch  aus  roma- 
nischer Zeit  nachwirkendes  Motiv  erkennen.  Eine  ganze  Gruppe 
ähnlicher  Häuser  sieht  man  am  Kohlmarkt,  No.  11  z.  B.  ein  statt- 
liches vom  Jahre  1491.  Ein  etwas  reicher  dekorirtes  Schuhstrasse 
No.  20,  ein  anderes  mit  besonders  reichgeschnitzten  Eopfbändern 
Kleine  Burg  No.  13.  Ebenda  No.  15  eine  langgestreckte  kräftig 
behandelte  Fagade  von  1488.  TreflFlich  geschnitzte  gothische  Laub- 
friese Wendenstrasse  13  und  ebendort  No.  1  vom  Jahre  1529,  ferner 
No.  69  vom  Jahre  1533.  Das  Mäanderornament  findet  man  ebendort 
No.  2  vom  Jahre  1491,  verbunden  mit  reich  profilirten  Balkeh- 
köpfen.  (Das  steinerne  Portal  vom  Ende  des  16.  Jahrhunderts.) 
Dasselbe  Ornament  ebenda  No.  6  an  einem  stattlichen  Haus  von 
1512,  an  den  Kopfbändem  die  Madonna  und  andere  Heilige  ge- 
schnitzt Das  kräftig  behandelte  steinerne  Portal  ist  wieder  ein 
späterer  Zusatz.  Im  Innern  ist  die  alte  Einrichtung  des  riesig  hohen 
Hausflurs  mit  seiner  Balkendecke  und  Holztreppe  bemerkens- 
werth. 

Reich  und  hübsch  sieht  man  den  gothischen  Laubfries  an  einem 
kleinen  originellen  Hause  Hagenbrücke  No.  12,  dasselbe  Orna- 
ment ist  aber  auch  an  der  Brüstungswand  unter  den  Fenstern 
des  ersten  Stocks  ausgebreitet.  Ein  schönes  Beispiel  desselben 
Frieses  Schützenstrasse  No.  9  im  zweiten  Stockwerk,  dagegen 
im  ersten  ein  reicher  Figurenfries,  allerlei  Genrehaftes,  Derb- 
komisches, Thierfabeln  etc.  enthaltend.  In  derselben  Strasse  No.  2 
zeigt  ein  stattliches  Haus  von  1490  das  Mäandermotiv,  dabei  stark 
unterschnittene  und  ausgekehlte  Balkenköpfe.  Auch  hier  ein  derbes 
Steinportal  der  Spätrenaissance,  reich  mit  Karyatiden  und  Atlanten 
eingefasst,  aber  von  mittelmässiger  Ausführung. 

Noch  ganz  mittelalterlich  ist  das  kolossale  Eckhaus  vom  Jahre 
1524  am  Wollmarkt  No.  1,  derb  in  den  Formen,  fast  roh  geschnitten, 
mit  wenig  Detail,  aber  mit  kräftig  ausgekehlten  Schwellen  und 
von  imposanter  Wirkung.    Nicht  minder  machtvoll  das  grosse 


Kap.  XVI.    Niedersachsen.  873 

Haus  No.  14  hinter  der  alten  Waage  vom  Jahre  1526,  mit  dem 
Mäandermotir  und  reich  geschnitzten  Eopfbändern,  durch  zwei 
stattliche  Dacherker  malerisch  belebt.  Die  Alte  Waage  selbst  sodann, 
1534  errichtet,  ist  ein  Bau  von  riesiger  Anlage,  noch  ganz  mittel- 
alterlich mit  gothischen  Laubfriesen,  Drachen  und  andrem  Figür- 
lichen an  den  Balkenköpfen  und  Schwellhölzern  geschmückt;  neuer- 
dings trefflich jestaurirt  (Fig.  235).  Zu  den  frühesten  Bauten  dieser 
Gruppe  gehört  ein  andres  riesiges  Haus,  an  der  Ecke  der  Knochen- 
hauer- "Und  Petersilienstrasse  gelegen,  vom  Jahre  1 489 ;  ungemein 
reich  und  derb  in  der  Behandlung,  an  den  Balkenköpfen  allerlei 
Figürliches,  an  den  Schwellhölzern  das  Mäandermotiv.  Reicher 
Figurenfries,  Ernstes  und  Possenhaftes  vermischend,  Steinstrasse  3 
vom  Jahre  1512.  Aehnliche  Behandlung  an  dem  kleinen  Haus 
Gördelinger  Strasse  38,  wo  in  den  Flächen  der  Schwellhölzer 
Thierfigürchen,  an  den  Balkenköpfen  Humoristisches  und  Faro- 
distisches  aus  der  Thierwelt  vorkommt.  Ein  prachtvolles  Beispiel 
des  schön  behandelten  gothischen  Laubfrieses  Südklint  22  vom 
Jahre  1524.  Ebenda  No.  1  ein  grosses  Haus  mit  dem  Mäander- 
omament  vom  Jahre  1482.  In  derselben  Strasse  No.  11  eine 
BreitfaQade  mit  Dacherker,  die  Schwellhölzer  tief  ausgekehlt  und 
die  Kanten  mit  gewundenen  Tauen  decorirt.  Aehnlich  die  Kopf- 
bänder behandelt.  Sämmtliche  Fenster  mit  Yorhangbögen  und 
durchschneidenden  gothischen  Stäben. 

Die  Benaissance  bringt  in  dieser  Behandlung  zunächst  nur 
einige  Bereicherung  des  Omamentalen.  Eins  der  frühesten  Bei- 
spiele vom  Auftreten  der  neuen  Formen  sind  die  trefflichen 
Beste  von  einem  abgebrochenen  Kathsküchengebäude  von  1538, 
welche  man  in  der  Alterthümer- Sammlung  des  Neustädter  Rath- 
hauses  sieht*)  Candelaber  und  andere  Ornamente,  auch  Figür- 
liches im  Stil  der  Renaissance  verbindet  sich  noch  mit  allerlei 
mittelalterlichen  Spässen,  dem  Luderziehen  u.  a.  Noch  etwas  früher 
(1537)  ist  das  kleine  Haus  am  Papenstieg  No.  5,  ziemlich  schlicht 
behandelt,  aber  interessant,  weil  es  an  den  Fensterbrüstungen 
ein  charakteristisches  Motiv  des  neuen  Stils,  die  muschelartige 
oder  fächerförmige  Decoration,*)  in  breiter  Entfaltung,  wenn  auch 
noch  in  ziemlich  steifer  und  harter  Behandlung  zeigt.  Noch 
etwas  früher  (1536)  dasselbe  Ornament  an  ^inem  kleinen  Hause 
Wendenstrasse  No.  14.  Aus  demselben  Jahre  rührt  das  stattliche 
Haus  Langestrasse  No.  9,  das  sehr  reich  geschnitzt  ist  und  noch 


>)  Diese  interessante  Sammlung  verdankt  ihre  Entstehung  dem  uner- 
müdlichen Wirken  des  Dr.  C.  Schiller,  der  mich  durch  manche  werthvolle 
Notizen  und  Nachweise  unterstützt  hat.  —  '^)  Vgl.  die  Abbild.  Fig.  243. 


S74  HI.  Buch.    Kenusssnc«  in  Deutechland. 

starke  Anklinge  ans  Mittelalter,  z.  B.  in  den  Vorhangbogen  der 
Fenster  zeigt    Aber  daa  Pficberornament,  die  Candetaberaäulchen 


am  Fortal  und  die  Delphine  gehören  der  Renaissance.  lui  Innern  . 
ist  die  hohe  wohlerhaltene  Flurhalle  bemerkenswerth.  Dasselbe 
beliebte  Fächermotir,  aber  reicher  ausgebildet  und  mit  den  tief 
auagekeUten  und  abgefasten  Sohwellhdlzem  wiiksam  verbunden, 


Kap.  XVI.    NiederBachsen.  .   875 

siebt  man  am  Sack  No.  9.    Ebendort  No.  5  ist  dann  das  Pracbt- 

9 

stück  dieser  Decoration,  die  sich  an  allen  Fläcben,  unter  den 
Fenstern,  an  den  Eopfbändem  und  Füllbölzem,  den  Scbwellen, 
den  Fensterrahmen  und  sftmmtlicben  Pfosten  in  ttberscbwänglicbem 
Keicbthum  ausbreitet  Die  Elemente  der  Renaissance  in  Delphinen, 
Candelabern,  Putten,  Gottheiten  und  Helden  des  Altertfaums  sind 
noch  unbefangen  mit  allerlei  Mittelalterlichem,  mit  Genrescenen, 
Possenhaftem  und  Unfläthigem  gemischt  Es  ist  ein  wahrer 
Fasching  der  Phantasie.    (Ich  glaubte  die  Jahrzahl  1536  zu  lesen). 

Um  diese  Zeit  taucht  ein  neues  Motiv  fttr  die  Decoration 
der  Schwellhölzer  auf:  eine  Yerschlingung  von  Zweigen,  die  fast 
wie  Bänder  aussehen  und  friesartig  sich  ausbreiten.  So  zeigt  es 
in  der  Wendenstrasse  No.  49  ein  Haus  vom  Jahre  1545,  wo  zu- 
gleich die  Fensterpfosten  hübsch  mit  Ranken  geschmückt  sind. 
An  der  alten  Waage  (Fig.  235)  kommt  dies  Motiv  im  obersten . 
Stockwerk  vor.  Aehnlich,  nur  einfacher  die  kleinen  Häuser  am 
Werder  34  und  35.  Dasselbe  Motiv  am  Burgplatz  No.  2  vom 
Jahre  1573,  ferner  am  Papenstieg  No.  2  vom  Jahre  1581,  endlich 
in  besonders  schöner  Ausbildung  am  Wilhelmsplatz  No.  8  vom 
Jahre  1590,  mit  der  Inschrift:  „Was  menschlich  Vernunft  ftlr  un- 
möglich acht,  das  hat  Gott  in  seiner  Macht" 

Um  diese  Zeit  erfährt  der  Holzbau  seine  letzte  Umwandlung. 
Der  Steinbau  der  durchgebildeten  Renaissance  beginnt  auf  ihn  so 
stark  einzuwirken,  dass  die  Formen  desselben  fortan  einfach  in 
Holz  nachgeahmt  werden.  Bisher  waren  die  Glieder  duich  Ab- 
fasen  und  Einkerben,  durch  Auskehlen  und  Unterschneiden 
recht  im  Sinne  der  Holzconstruktion  ausgebildet  worden.  Diese 
Behandlungsweise  tritt  jetzt  zurück  und  macht  der  Nachahmung 
antiker  Bauglieder  Platz.  Die  Balkenköpfe  werden  mit  Vorliebe 
als  Consolen  mit  .elegant  geschwungenem  Profil  dargestellt,  die 
Schwellbalken  durch  Zahnschnitt,  Eierstab  und  Perlschnur  im 
Sinn  der  Antike  ausgebildet,  das  Ganze  freilich  nicht  mehr  im 
Sinn  einer  nach  mittelalterlichem  Prinzip  aus  der  Gonstruktion 
hervorgegangenen  Dekoration,  sondern  einer  freien  Ornamentik, 
die  den  Mangel  construktiver  Nothwendigkeit  durch  den  Reiz 
einer  edlen  Formenwelt  zu  ersetzen  sucht  Dazu  gesellt  sich  oft 
eine  weiter  gehende  Flftchendekoration,  die  ebenfalls  ihre  Motive 
aus  der  Ornamentik  des  Steinbaues  der  Spätrenaissance  schöpft 

Die  üppigste  Blüthe  dieser  letzten  Entwickelungsreihß  werden 
wir  in  Hildesheim  antreffen.  Braunschweig  besitzt  indess  einige 
charakteristische  Beispiele.  So  am  Bohlweg  No.  47  ein  Haus 
von  1608,  reich  mit  Flachomamenten  geschmückt,  selbst  die 
Unterseite  der  Schwellhölzer  mit  Metalldecoration  bedeckt,  auch 


876  UI.  Buch.    Renaissance  in  Deutschland. 

die  Pfosten  mit  linearen  und  figürlichen.  Ornamenten  geschmückt 
In  verwandter  Weise  ist  das  Haus  Küchenstrasse  No.  11  vona 
Jahre  1623  behandelt.  Am  Südklint  21  ein  schönes  Beispiel 
dieser  späteren  Behandlungsweise  mit  imitiiten  Arkaden  an  den 
Pfosten  und  hübschem  Rankenwerk  an  den  Fensterbrüstungen. 
Aehnlich  das  kleine  Haus  am  Bäckerklint  vom  Jahre  1630.  Eins 
der  spätesten  von  1642  ist  das  grosse  Haus  Schützenstrasse  34, 
an  allen  Flächen  mit  hübschen  Ranken  dekorirt,  die  in  Masken 
auslaufen. 

Der  reine  Holzbau  nimmt  aber  in  dieser  Zeit  überhaupt  auf- 
fallend ab  und  theilt  zunächst  die  Herrschaft  mit  dem  Steinbau 
und  zwar  in  der  Weise,  dass  die  Erdgeschosse  mit  ihren  Por- 
talen und  meist  auch  der  erste  Stock  diesem  anheim  fallen, 
während  die  oberen  Stockwerke  den  Holzbau  beibehalten.  Von 
solchen  prächtigen  Steinportalen  ist  schon  mehrfach  die  Rede  ge- 
wesen. Andere  Beispiele  dieses  gemischten  Stiles  haben  sich 
noch  mehrfach  erhalten.  Eins  der  prachtvollsten  ist  das  grosse 
Eckhaus  am  Hagenmarkt  20,  Erdgeschoss  und  erster  Stock  in 
Stein  ausgeführt,  mit  stattlichem  Barockportal,  das  an  den  Seiten 
Sitznischen  und  einfassende  Hermen  hat,  die  Fenster  noch  mit 
mittelalterlichen  Rahmen,  aber  zugleich  durch  Perlschnüre  ge- 
schmückt, der  obere  Stock  in  reichem  Holzbau  durchgeführt 
Ein  stattliches  Beispiel  derselben  Art  vom  Jahre  1591  am  SUd- 
klint  No.  15,  wiederum  beide  Untergeschosse  in  Stein,  mit  zwei 
Bogenportal6n,  davon  das  eine  facettirte  Quaderumfassung  mit 
Perlschnur  und  Herzblatt,  das  andere  die  reiche  Form  mit  Seiten- 
nischen, Hermen  und  Masken,  dabei  die  Inschrift:  ^Kisi  deus 
frustra/^  Aehnliche  Inschrift:  „Nisi  dominus  frustra^  kehrt  an 
einem  eleganten  Portal  vom  Jahre  1584  in  der  Gördelinger- 
strasse  No.  43  wieder,  wo  ebenfalls  noch  ein  zweites  einfacher 
behandeltes  Portal  für  die  Einfahrt  vorkommt;  wahrscheinlich 
von  demselben  Meister. 

Eins  der  grössten  Prachtstücke  ist  das  mächtige  Haus  am 
Bäckerklint  No.  4,  wiederum  in  beiden  unteren  Geschossen  aus 
Stein  mit  einem  üppigen  Barockportal,  mit  Masken,  Hermen  und 
schnörkelhaften  Voluten,  in  den  Zwickeln  ungeschickte  Victorien^ 
der  obere  Aufsatz  durch  einen  herausspringenden  Löwen  wunder- 
lich abgeschlossen.  Es  ist  eine  stillose  Gomposition,  überladen 
und  unklar.  Die  oberen  Holzgeschosse  üppig  dekorirt,  die  Ran- 
ken an  den  Schwellbalken  und  den  Fensterbrüstungen  in  barocke 
Masken  auslaufend.  Ein  derbes  Werk  derselben  Zeit  ist  am 
Eohlmarkt  No.  2,  Portal  und  Fenster  mit  Rustikaquadem  einge- 
fasst,  die  abwechselnd  das  Sternomament  zeigen.     Auch   das 


K^.  XVI.    Niedersachsen.  $77 

kleine  Hans  an  der  nordöatlicheD  Ecke  des  Burgplatzee,  deesen 
Fenster  den  Eierstab  als  Einfassung:  liaben,  gefaOrt  hierher. 


Hierao  schliesst  sich  eine  G-ruppe  von  Häusern,  welche  TttUig 
auf  den  Holzbau  verzichten  und  ausschliesBlich  die  Steincoa- 
stroktion  aufnehmen.  Das  schönste  unter  ihnen  ist  das  ehemalige 
G^nasium    am  Bankplatz  vom  Jahre   1592    (Fig.  236).      Kis 


878  ni.  Buch.    Die  BenaiBsance  in  Deutschland. 

stattlicher  Quaderbau  mit  üppig  barockem  Portal,  dnrch  allerlei 
Figuren  Ton  Tugenden,  Reliefs,  Masken,  Blumen-  und  Fruchtge- 
winde geschmückt  Die  beiden  oberen  Stockwerke  haben  ge- 
kuppelte Fenster,  die  bei  mittelalterlichem  Rahmenprofil  wieder 
von  kräftigem  Eierstab  umfasst  werden.  Diese  Fensterform 
kommt  in  Braunschweig  in  oftmaliger  Wiederholung  vor.  Was 
aber  dieser  Fa^ade  besonderen  Reiz  giebt,  sind  die  hübscilen 
Nischen  zwischen  den  Fenstern,  welche  mit  freilich  sehr  manierir- 
ten  Figuren  von  Tugenden  ausgefüllt  sind.  Die  Flächen,  welche 
jetzt  das  rohe  Bruchsteingemäuer  zeigen,  waren  ursprünglich  ohne 
Zweifel  verputzt  und  bemalt 

Stattlich  ist  auch  das  Steinhaus  an  der  Martinikirche  No.  5, 
im  Ganzen  zwar  einfacher  behandelt,  aber  mit  einem  der  üppig- 
sten Barokportale,  eingefasst  von  vier  Hermen  und  Karyatiden, 
in  der  Bekrönung  wieder  aufrechtstehende  Löwen,  die  ihren 
y orderleib  durch  einen  Ausschnitt  der  Gartouche  stecken,  ähnlich 
wie  am  Bäckerklint  No.  4.)  Zu  beiden  Seiten  zwei  Ejrieger.  Ein 
stark  barockes  Portal  ist  auch  an  einem  grossen  Hause  in  der 
Wilhelmstrasse  vom  Jahre  1619.  Ebenso  ein  Portal  an  dem 
prächtigen  Hause  Poststrasse  5,  dessen  Fenster  wieder  die  ele- 
gante Einfassung  mit  Eierstäben  zeigen. 

Eine  andere  Behandlung  sieht  man  an  dem  stattlichen  Eck- 
haus des  Altstädter  Marktes,  dessen  Fenster  breite  flache  Rahmen 
haben ,  die  oben  in  einen  rosettengeschmückten  Giebel  auslaufen. 
Das  Portal  gehört  schon  dem  völligen  Barocco  an.  Aehnliche 
Fenster  mit  derselben  Umrahmung  sieht  man  auch  an  der  Burg, 
deren  hintere  Fa^ade  barocke  Volutengiebel  zeigt  Als  vereinzeltes 
Beispiel  einer  hohen  Giebelfa^ade  steht  das  Haus  am  Eohlmarkt 
No.  1  da.  Die  Fenster  sind  noch  mit  durchschneidenden  gothischen 
Stäben  eingefasst,  der  Giebel  aber  mit  Voluten,  geschweiften 
Hörnern  und  Pyramiden  dekorirt,  doch  ohne  alle  plastische  Gliede- 
rung der  Flächen. 

Während  alle  diese  Werke  nicht  von  hervorragendem  Werth 
in  Gomposition  und  Ausführung  sind,  gehört  der  östliehe  Giebel 
des  Gewandhauses,  1590  durch  die  Meister  Magnus  Klmge  und 
Balzer  Kircher  ausgeführt,  zu  den  vollendetsten  Meisterwerken  der 
Zeit  In  der  Anordnung  der  Geschosse  sah  man  sich  durch  die  alte 
Anlage  des  vorhandenen  Baues,  der  noch  in  frühgothische  Epoche 
hinaufreicht,  gebunden.  Daher  die  niedrigen  Stockwerke,  welche 
mit  der  gewaltigen  Höhe  des  Baues  wunderlich  contrastiren.  Es 
ist  ein  riesiger  Giebelbau,  der  seine  hohen  Stirnseiten  westlich 
gegen  den  Altstädtischen  Markt,  östUch  gegen  die  Poststrasse 
kehrt    Die  Ostfa^ade  ist  bei  der  niedrigen  Stockwerkhöhe  durch 


Kap.  XVI.    NiederBachsen.  879 

gekuppelte  Fenster  und  sparsam  ansgetheilte  Säulenstellungen 
mit  feinem  künstlerischem  Takt  rhythmisch  belebt  Im  Erdgeschoss 
ist  auf  Pfeilern  mit  gedrückten  KorbbOgen  eine  Halle  vorgelegt, 
die  mit  gothischen  Kreuzgewölben  auf  zierlichen  Renaissance- 
consolen  eingedeckt  ist.  Dieselbe  Bogenform  kehrt  an  der  kleinen 
Loggia  des  ersten  Stocks  und  an  den  mittleren  Fensteröfifhungen 
der  übrigen  Stockwerke  wieder.  Oothische  Keminiscenzen  finden 
sich  an  der  Masswerkbrttstung  der  Loggia  und  den  Einfassungen 
der  Fenster,  zu  welchen  in  den  oberen  Geschossen  jedoch  noch 
die  hier  beliebten*  Eierstäbe  kommen.  Das  Ganze  ist  trefflich  in 
Sandstein  ausgeführt  und  durch  reiche  Vergoldung  ausgezeichnet 
Die  klare  Eintheilung,  die  volle  Meisterschaft  in  Anwendung  der 
antiken  Formen,  die  massvolle  Beimischung  barocker  Elemente, 
endlich  die  hohe  Sicherheit  in  der  Behandlung  des  Omamentalen 
und  Figürlichen  geben  dieser  Fa^ade  einen  hervorragenden 
Werth^).  An  der  westlichen  Fagade  hat  man  sich  begnügt,  den 
Giebel  mit  Voluten  zu  schmücken  und  die  Bahmen  der  Fenster 
und  der  Giebelkanten  mit  Quaderwerk  in  Stemmustem  einfach , 
und  wirksam  zu  gestalten. 

Ein  schönes  Stück  innerer  Dekoration  ist  sodann  noch  in 
,dem  Sitzungssaal  des  Neustädtischen  Rathhauses  erhalten.  Ein 
reich  dekorirter  und  bemalter  Kamin  vom  J.  1571,  von  kannelirten 
ionischen  Säulen  eingefasst,  dazu  eine  prächtige  Balkendecke,  rings 
an  den  Wänden  treffliches  Getäfel,  an  allen  Flächen  der  Pilaster, 
Friese  und  Bogenzwickel  mit  eingelegten  Ornamenten  auf  dunklem 
Grunde  bedeckt 


Der  alte  Bischofssitz  Halberstadt,  in  anmuthiger  Landschaft 
an  den  nördlichen  Ausläufern  des  Harzes  gelegen,  zeigt  nicht 
blos  in  bedeutenden  kirchlichen  Bauten,  unter  denen  der  gothische 
Dom  zu  den  Monumenten  ersten  Banges  gehört,  die  Macht  eines 
geistlichen  Fürstenthums  des  Mittelalters,  sondern  bietet  daneben 
auch  in  zahlreichen  Profanwerken  das  Bild  eines  rüstig  bewegten 
kunstliebenden  Bürgerthums.  In  dem  breiten  Zug  der  Strassen, 
den  zahlreichen  freien  Plätzen,  die  sich  theils  um  den  Mittelpunkt 
bürgerlicher  Macht,  theils  um  die  grossen  kirchlichen  Monumente 
ausdehnen,  spricht  sich  der  Doppelcharakter  der  Stadt  unverkenn- 
bar aus. 

Wir  haben  es  bei  unsrer  Betrachtung  nur  mit  Werken  der 
Profanarchitektur  zu  thun,  und  zwar  steht  der  Hokbau  unbedingt 


^)  Eine  Abb.  dieser  Fa^ade  in  Rosengarten,  Archit  StUarten. 


880  ni.  Buch.    Die  Benaiflsance  in  Deatschland. 

in  erster  Linie.  Ausschliesslicher  als  in  Braunschweig  beherrscht 
er  die  bttrgerlichen  Wohnhäuser,  ohne  dem  Steinbau  Eingang  zu 
gestatten.  Deshalb  hat  er  sich  auch  reiner  entwickelt  und  gerade 
in  der  Epoche  der  besten  Renaissance  seine  feinste  Blüthe  entfaltet. 
Aus  der  letzten  Epoche  des  Mittelalters  zählt  er  auch  hier  eine 
Anzahl  charaktervoller  Werke,  die  sich  durch  besondren  Reichthum 
an  figürlicher  Plastik  auszeichnen.  Der  späte  Nachsommer  der 
Renaissance  kommt  hier  nicht  mehr  zum  Ausdruck;  dagegen  sind 
die  mittleren  Zeiten  des  Stils  durch  eine  ungemein  grosse  Zahl 
von  Bauten  vertreten,  welche  das  Gepräge  einer  geradezu  klas- 
sischen Anmuth  tragen.  Die  Formen  behalten  überwiegend  den 
Charakter  einer  aus  der  Construction  hervorgegangenen  Ornamen- 
tik bei ;  die  Balkenköpfe  sind  durch  Auskehlen  und  Unterschneiden 
mannichfach  gegliedert,  auf  den  Oberflächen  oft  elegant  geriefelt 
in  diagonaler  oder  vertikaler  Linienführung,  an  den  Seiten  manch- 
mal durch  Sterne,  Rosetten  und  andre  Muster  belebt  (vgl.  Fig.  54 
auf  S.  197.)  Die  Schwellhölzer  und  FttUbalken  sind  ausgekehlt 
und  abgefast,  meist  mit  ähnlichen  diagonalen  Riefelungen  plastisch 
dekorirt  Unter  den  Fenstern  findet  sich  entweder  das  Fächer- 
(Muschel)- Ornament,  oder  es  ist  in  Nachahmung  des  Steinbaues 
eine  Blendarkade  auf  kleinen  Pilastern  durchgeführt  (vgl.  oben  Fig. 
53  und  54)  *).  Auf  dieser  edelsten  Stufe  der  Ausbildung  verharrt 
der  Halberstadter  Fach  werkbau,  nur  im  Einzelnen  eine  Fülle 
anmuthiger  Flächendekoration  hinzufügend. 

Was  die  Gesammtanlage  der  Häuser  betrifft,  so  sind  sie 
grösstentheils  wie  in  Braunschweig  nicht  schmale  Hochbauten 
mit  der  Giebelwand  nach  der  Strasse,  sondern  breite  Langbauten, 
über  denen  in  der  Mitte  stets  ein  Dacherker  aufragt,  die  monotone 
Fläche  des  Satteldaches  wirksam  durchbrechend,  wie  Fig.  53  zeigt 
Doch  kommen  hier  seltener  jene  riesigen  Häuserkolosse  vor,  welche 
Braunschweigs  bürgerlichen  Bauten  einen  so  machtvoll  domi- 
nirenden  Charakter  verleihen.  Hier  ist  vielmehr  Alles  feiner,  zier- 
licher, anmuthiger  auch  in  den  Verhältnissen.  Sodann  aber  wird 
der  an  der  Fa^ade  ausgebaute  Erker,  den  man  in  Braunschweig 
vergeblich  sucht,  öfter  angewandt  Auch  dadurch  ist  der  malerische 
Reiz  dieser  Bauten  gesteigert. 

Zu  den  bedeutendsten  mittelalterlichen  Werken  gehört  der 
stattliche  Bau  des  Rathskellers  am  Holzmarkt  vom  J.  1461.  Die 
prachtvolle  Wirkung  beruht  hauptsächlich  auf  den  ungemein  stark 


0  Ich  bemerke  hier  schon  berichtigend,  dass  obige  beide  Abbild,  der 
geschickten  Hand  des  Herrn  Architekten  £.  Grisebach  in  Hannover  zu 
verdanken  sind. 


Kap.  XVI.   NiedersachBen.  881 

yorspringenden  Geschossen  mit  ihren  dreimal  wiederkehrenden 
effektvoll  geschnitzten  Balkenköpfen,  die  durch  zahlreiche  Heiligen- 
figürchen  consolenartig  ausgebildet  sind.  Auch  gothische  Mass- 
werke, Thierfriese  und  dgl.  kommen  vor.  Es  ist  eins  der  reichsten 
Beispiele  seiner  Art.  Von  ähnlicher  Behandlung  das  grossartige 
Eckhaus  am  Fischmarkt  No.  1,  in  vier  Geschossen  mit  herrlichen 
Friesen  geschmückt;  die  Schwellen  mit  dem  Mäandermotiv,  das 
wir  schon  in  Braunschweig  fanden ;  die  Balkenköpfe  stark  unter- 
schnitten und  gekehlt,  zugleich  mit  Mass  werken  dekorirt;  die  Ecke 
bis  oben  hinauf  durch  zahlreiche  Figuren  kraftvoll  geschmückt 
Ueberhaupt  herrscht  hier  an  den  mittelalterlichen  Bauten  das 
figürliche  Element  in  reicher  Ausbildung ;  so  bei  den  Häusern  am 
Fischmarkt  No.  11  und  12,  No.  10  von  1520,  No.  9  von  1529, 
No.  8  von  1519. 

Den  Uebergang  zur  Renaissance  bezeichnet  ein  Haus  vom 
Jahr  1532  am  Holzmarkt  No.  4;  die  Schwellen  doppelt  gekehlt, 
die  Balkenköpfe  kräftig  mit  Bundstab  und  Hohlkehle  gegliedert 
Ebendort  No.  5  dasselbe  Motiv,  aber  alles  zierlicher,  feiner,  schon 
mehr  im  Sinne  des  neuen  Stils  durchgebildet,  mit  flachen  Bosetten 
u.  dgl.;  an  den  Fensterbrüstungen  das  Fächerornament  Es  ist 
eins  der  seltenen  Giebelhäuser,  datirt  1552.  Aehnliche  Häuser 
Breiteweg  No.  39  vom  Jahr  1558  und  ebenda  No.  38  von  1559. 
Das  Motiv  der  Blendarkaden  unter  den  Fenstern  tritt  sodann  an 
dem  stattlichen  Haus  Ecke  der  Schmiedestrasse  und  des  Holz- 
marktes vom  Jahr  1576  auf;  feine  Zahnschnittfriese  begleiten  die 
Gesimse.  Ein  auf  einer  Holzsäule  ruhender  Erker,  das  Dach 
durchbrechend  und  bis  zur  Firsthöhe  desselben  emporgeführt,  be- 
lebt malerisch  die  Fa^ade.  Dasselbe  Motiv  findet  seine  glanz- 
vollste Ausbildung  an  dem  grossen  Prachtbau  des  Schuhhofes, 
jetzt  die  drei  Häuser  am  Breitenweg,  Ecke  der  Schuhstrasse  bildend, 
vom  Jahr  1579.  Die  vielfach  gekerbten,  gerieften  und  gemusterten 
Schwellbalken,  die  mit  Figürchen  und  Ornamenten  geschmückten 
Balkenköpfe  sammt  ihren  consolenartigen  Stützen,  die  mit  ge- 
schnitzten Wappen  ausgefüllten  Blendarkaden,  (im  oberen  Geschoss 
einfacher  behandelt),  endlich  die  feine  Ornamentik,  welche  die 
Pilaster,  die  Fensterrahmen,  die  Eckpfosten,  kurz  alle  Flächen 
belebt,  geben  diesem  Bau  einen  unübertroffenen  Ausdruck  von 
Eleganz  (Fig.  237).  Nur  die  nackten  Ziegelflächen,  ursprünglich 
zum  TheU  allerdings  durch  drei  vorgebaute  Erker  etwas  unter- 
brochen, wirken  störend. 

Ein  ähnliches,  wenn  auch  nicht  ganz  so  reiches  Beispiel 
bietet  ein  Haus  in  der  Göddenstrasse  von  1586  mit  einem  hüb- 
schen Erker.    Femer  eins  der  schöneren  und  reicheren  das  süd- 

Kugler,  Quctk.  d.  Bankiixiat  V.  56 


882  ni.  Bach.    Benaigsance  in  Deutschland. 

lieh  neben  dem  Dom  gelegene  Haus,  dessen  Blendarkaden  theils 
mit  Wappen,  theils  mit  schön  stilisirten  Ranken  geschmttekt  sind. 
Mit  einfacherer  Behandlung  der  Arkaden,  aber  trefiPlich  geglieder- 
ten Schwellen  ein  Haus  von  1584  in  der  Schmiedestrasse  No.  17, 
durch  die  consequente  zwar  einfache  aber  feine  Behandlang  bis 
hoch  in  den  aufgesetzten  Dachgiebel  anziehend.  Es  trftgt  die 
Inschrift:  „Mannicher  sorget  vor  mich;  wäre  besser  er  sorget  vor 
sich.""  Ein  kleineres  von  derselben  Art  Harsleberstrasse  No.  9, 
vom  Jahr  1604,  ebenfalls  mit  hübschem  Dacherker  und  der  In- 
schrift: „Wie  es  Gott  fügt,  also  mir  genügt^  Etwas  früher  (1589) 
das  grosse  Haus  in  derselben  Strasse  No.  6,  kräftiger  dekorirt, 
mit  mancherlei  geometrischen  Mustern  und  einem  Erker  auf  hübsch 
behandelter  Holzstütze.    Aehnlich  ebenda  No.  10  vom  Jahr  1618. 

Neben  dem  hier  so  sehr  beliebten  Motiv  der  Blendarkaden 
kommen  dann  auch  immer  noch  Beispiele  des  Fftcheromaments 
an  den  Fensterbrüstungen  vor.  So  Hoheweg  No.  1 6  in  besonders 
zierlicher  Ausbildung,  alles  mit  linearen  Ornamenten  durchsetzt, 
die  Fächer  z.  B.  gefiedert  Aehnlich  in  derselben  Strasse  No.  13 
an  den  Schwellen  mit  dem  in  Braunschweig  beliebten  Ornament 
der  Flechtbänder.  Ein  sehr  hübsches  Beispiel  Göddenstrasse  13 
mit  feinen  Fächern  und  reich  gegh'ederten  Schwellen.  Ebenso 
Harsleberstrasse  15,  wo  wieder  geometrische  linienspiele  zu 
reicher  Verwendung  gekommen  sind. 

Der  Steinbau  ist  nur  an  einigen  öffentlichen  Monumenten, 
und  an  keinem  in  hervorragender  Weise  zur  Entwickelung  ge- 
kommen. Das  früheste  Denkmal  der  Renaissance  scheint  der 
hübsche  Erker  an  der  Südseite  des  Rathhauses,  bezeichnet  1545. 
Er  ist  dem  noch  strenggothischen  Bau  in  einem  malerischen 
Mischstil  vorgesetzt,  wie  er  denn  auf  einem  reich  durchschneiden- 
den mittelalterlichen  Rippengewölbe  ruht,  aber  mit  Candelaber- 
säulchen  der  Frührenaissance  und  hübsch .  gearbeiteten  Wappen 
geziert  ist.  Auch  das  breite  dreitheilige  Fenster,  welches  neben 
ihm  die  Wand  im  Hauptgeschoss  durchbricht,  hat  die  spielenden 
Rahmenpilaster  der  Frühzeit  mit  den  eingelassenen  Medaillon^ 
Schilden  als  Umrahmung.  An  der  Rückseite  des  Baues  (gegen 
Osten)  sieht  man  einen  Erker  in  ähnlichem  Mischstil  der  frühen 
Renaissance.  Dagegen  wurde  an  der  Hauptfront  gegen  Süden  in 
der  Schlussepoche  eine  doppelte  Freitreppe  mit  off'ner  Bogenhalle 
auf  Pfeilern  vorgebaut,  die  im  ersten  Geschoss  als  selbständiger 
Erker  oder  Laube  sich  fortsetzt  und  mit  einem  reich  behandelten 
Giebel  schliesst  Die  reiche  omamentale  Belebung  aller  Flächen 
an  Brüstungen,  Pfeilern,  Stylobaten,  Bogenzwickeln  und  Fenster- 
rahmen macht  von  fem  den  Eindruck  der  Frührenaissance,  aber 


Kxp.  XVI.    Niedersachaen.  885 

bei  näherer  Betrachtung  erkennt  man  in  dem  flppigen  Schwulst 
der  Formen  und  in  der  stumpfen  Behandlung  eine  Arbeit  der 
Spätzeit,  die  durch  das  Datum  1663  bezeichnet  wird.  Trotz  der 
geringen  Ausführung  ist  aber  das  Ganze  von  hohem  malerischen 
Beiz.  Derselben  Zeit  gehört  wahrscheinlich  im  Innern  der  grosse 
Vorsaal,  dessen  schlichte  Holzdecke  auf  geschnitzten  Säulen  von 
spielender  spätbarocker  Form  ruht.  Zwei  hübsche  messingene 
Kronleuchter  schmücken  den  Baum. 

Ein  origineller,  bei  aller  Einfachheit  malerisch  wirkender 
Bau  der  Frührenaissance  ist  sodann  der  Petershof,  nördlich  von 
der  Liebfrauenkirche  gelegen.  Ungefähr  in  der  Mitte  des  langen 
Flügels  ein  viereckig  vorspringendes  Treppenhaus  mit  einem- 
Portal  von  1552,  erbaut  von  Sigismund  Erzbischof  von  Magdeburg, 
Administrator  von  Halberstadt,  Markgraf  von  Brandenburg  etc. 
wie  die  Inschrift  meldet  Die  Behandlung  der  Formen  schwankt 
noch  zwischen  Gothik  und  spielender  Frührenaissance.  Aehnlich 
der  links  daneben  von  unten  herausgebaute  Erker.  Auch  die 
Wendeltreppe  ist  mit  gothischen  Kehlen  und  Stäben  gegliedert. 
Aus  derselben  Zeit  im  Innern  des  Erdgeschosses,  das  durch  statt- 
liche Gewölbe  ausgezeichnet  ist,  im  Zimmer  zur  Linken  ein  Stein- 
portal derselben  Frühzeit  von  reicherer  omamentaler  Ausbildung. 
Auch  die  beiden  prachtvollen  Thürschlösser  sind  beachtenswerth. 

Dagegen  rührt  aus  der  Spätepoche  das  jetzige  Steueramt, 
gegenüber  dem  Bathhaus,  inschriftlich  von  Herzog  Julius  zu 
Braunschweig,  postulirtem  Bischof  von  Halberstadt  1596  erbaut 
Derb  und  schlicht,  mit  zwei  hohen  Stockwerken  über  dem  Erd- 
geschoss,  auf  beiden  Seiten  mit  kräftig  vorspringenden  Eckrisaliten 
eingefasst,  die  von  hohen  Giebeln  bekrönt  werden,  dazwischen 
am  Mittelbau  zwei  Dacherker,  sämmtliche  Giebel  mit  derben 
Bustikapilastem  und  barocken  Aufsätzen  dekorirt,  dazu  endlich 
ein  ähnlich  behandeltes  Portal  mit  Freitreppe,  von  zwei  Statuen 
in  Nischen  flankirt 

Endlich  ist  das  langgestreckte  einstöckige  Gebäude  am  Dom- 
platz als  ein  Werk  derselben  Spätzeit  hier  zu  erwähnen.  Im 
Erdgeschoss  eine  kraftvoll  behandelte  Bogenhalle  auf  Pfeilern, 
an  den  Bogenzwickeln  prächtige,  zum  Theil  schon  stark  überladene 
Wappen,  das  obere  Geschoss  in  einfach  aber  zierlich  behandeltem 
Holzbau. 


S86  ni.  Baeh.    ReoalsBance  in  Dentachland. 

9 

Wie  Halberstadt  ist  auch  Hildesheim  durch  doppelte  Be- 
deutung als  uralter  Bischofssitz  und  als  Mittelpunkt  eines  reg- 
samen, energisch  emporstrebenden  bürgerlichen  Gemeinwesens 
ausgezeichnet  Ja  noch  weit  nachdrücklicher  als  dort  hat  sich 
hier  schon  im  frühen  Mittelalter  die  kirchliche  Macht  in  gross- 
artigen Denkmälern  ausgesprochen.  Der  Dom,  die  Kirchen  von 
S.  Michael  und  Godehard,  zu  welchen  noch  die  kleine  auf  einem 
Hügel  vor  der  Stadt  gelegene  Moritzkirche  sich  gesellt,  gehören 
zu  den  ansehnlichsten  Bauten  des  romanischen  Stiles.  Aber  im 
Schatten  der  bischöflichen  Gewalt  blühte  ein  kraftvolles  Bürger- 
thum  empor,  bald  in  Kämpfen  mit  den  geistlichen  Oberherren 
seinen  Freiheitsdrang  bethätigend,  durch  Handel  und  Gewerbe 
immer  unabhängiger,  als  Mitglied  der  Hansa  geachtet  und  geftlrch- 
tet,  endlich  beim  Eintritt  in  die  neue  Zeit  durch  rasches  Hinneigen 
zur  Reformation  sich  auch  zu  kirchlicher  Freiheit  erhebend. 

Von  diesem  Bürgerthum  zeugen  in  erster  Linie  die  Denk- 
mäler, welche  unsre  Betrachtung  aufzusuchen  hat.^)  Es  ist  vor 
Allem  der  altsächsische  Holzbau,  der  auch  hier  fast  ausschliesslich 
den  Privatbau  beherrscht.  Aber  er  entwickelt  sich  in  ganz 
selbständiger  Weise.  Die  mittelalterliche  Form  kommt  nur  ver- 
einzelt vor;  häufiger  sind  schon  die  Werke,  in  welchen  die  Re- 
naissance ihren  Einfluss  bethätigt ;  allein  die  grosse  Mehrzahl  der 
Monumente  gehört  doch  erst  der  letzten  Epoche  des  Stils,  zeigt 
eine  völlige  Umbildung  des  Holzbaues  im  Sinn  der  Steinarchitek- 
tur und  verbindet  damit  eine  Pracht  und  Fülle  freier  figürlicher 
Ornamentik,  die  den  Hildesheimer  Bauten  ihr  hocheigenthümliches 
Gepräge  giebt 

Um  mit  den  nicht  eben  zahlreichen  Bauten  aus  der  Schluss* 
epoche  des  Mittelalters  zu  beginnen,  so  lassen  sie  die  auch  anders- 
wo beobachteten  Grundzüge  ziemlich  übereinstimmend  erkennen: 
kräiliges  Betonen  des  constructiven  Gerüstes,  energisches  Hand- 
haben einer  plastischen  Gliederbildung,  gelegentliches  Herbeiziehen 
figürlichen  Schmuckes.  So  ein  kleines  Haus  in  der  Eckemäker- 
strasse,  mit  hübschen  Heiligenstatuetten  an  den  Balkenköpfen,  die 
Flächen  der  Schwellen  mit  aufgemaltem  gothischen  Laubwerk. 
Aehnlich  zwei  alterthümliche  Häuser  bei  der  Andreaskirche,  die 
in  verwandter  Weise  behandelt  sind. 

Aber  schon  1529  tritt  in  diesen  Formenkreis  des  Mittelalters 
die  Renaissance  an  demjenigen  Gebäude,  welches  unter  allen 


0  Von  den  Hildesheimer  Bauten  liefen  treffliche  grosse  Photographieen 
von  G.  Koppmann  (Verlag  von  Gebr.  Gerstenberg  in  H.)  vor,  nach  wel- 
chen unsere  Abb.  gezeichnet  sind. 


Kap.  Xyi.    Niedersachsen.  887 

HolzhäuBern  DeutschlandB  wohl  unbestritten  als  das  grossartigste 
dasteht,  dem  Enochenhaueramthaus,  an  der  nordwestlichen  Ecke 
des  Marktes.  Es  ist  ein  riesig  aufgethürmter  Giebelbau,  im  Erd- 
geschoss  mit  zwei  kleinen  Erkern  ausgestattet,  darüber  die  Fen- 
ster eines  Halbgeschosses,  in  der  Mitte  ein  weites  Bogenportal, 
das  in  feiner  Einfassung  mit  geschnitzten  Candelabersäulchen, 
Putten  und  Festons  den  frühen  Eintritt  der  Renaissance  bezeichnet 
Darüber  erheben  sich,  mit  weit  vorgestreckten  Balkenköpfen 
herausgebaut,  vier  obere  Stockwerke,  von  denen  zwei  dem  Giebel 
angehören.  So  bewirken  illnf  Beihen  mächtiger  Consolen  mit 
ihrem  reichen  Schnitzwerk,  verbunden  mit  den  ebenso  verschwen- 
derisch dekorirten  Schwellbalken  einen  unvergleichlich  malerischen 
Eflfect  Die  Behandlung  der  Formen  weicht  aber  von  dem  in 
Braunschweig  und  Halberstadt  lieblichen  erheblich  ab  und  be- 
gründet die  später  an  allen  Hildesheimer  Bauten  wiederkehrende 
Auffassung.  Diese  besteht  darin,  dass  die  feine  durch  Auskehlen, 
Einkerben  und  Unterschneiden  gewonnene  plastische  Gliederung 
fortfällt,  und  an  ihrer  Statt  die  Schwellbalken  in  rechteckigem 
Durchschnitt  einen  ununterbrochenen  Friesstreifen  darstelleig  der 
mit  flachgeschnitzten  Ornamenten  ausgefüllt  wird.  Ebenso  erhält 
die  Unterseite  der  Hölzer  zwischen  den  Balkenköpfen  eine  Ver- 
schalung, auf  welcher  ornamentale  Muster  aufgemalt  werden. 
Einerseits  erkennt  man  in  dieser  Vereinfachung  der  Grundform 
die  Einwirkung  des  Steinstils,  andrerseits  in  dem  Zurückdrängen 
plastischer  Gliederung  das  Streben  nach  malerischer  Dekoration. 
Auch  die  Fensterbrüstungen  werden  durch  aufgemalte  Fächer- 
muster belebt.  (Das  Haus  ist  in  neuerer  Zeit  trefflich  restaurirt 
worden). 

Unerschöpflich  reich  ist  der  plastische  Schmuck  an  dieser 
grossartigen  Fa^ade.  An  den  Consolen  herrschen  mittelalterliche 
Elemente  vor,  in  derber  humoristischer  Auffassung;  in  den  Friesen 
dagegen  sind  die  Motive  der  Frührenaissance  in  musicirenden 
und  spielenden  Putten,  in  Blumen-  und  Fruchtschnüren,  in  Cande- 
labersäulchen u.  dgL  überwiegend.  An  der  Seitenfa^ade  dagegen 
sind  die  mittelalterUchen  Formen,  die  gothischen  Blattranken 
u.  dgl.  noch  in  Kraft  Die  Behandlung  des  Einzelnen  ist  von 
verschiedenem  Werthe,  die  Friese  der  Haupt&ont  von  grosser 
Tüchtigkeit 

Ausser  diesem  monumentalen  Prachtstück  giebt  es  nur 
wenige  Bauten  hier,  welche  den  Charakter  der  Frühzeit  tragen 
und  damit  noch  Elemente  der  Spätgothik  verbinden.  Ein  Haus 
der  Schelenstrasse  v.  J.  1540  zeigt  eine  grosse  Einfahrt,  geschmückt 
mit  Kenaissancesäulchen  und  phantastisch  verschlungenen  Drachen ; 


ggg  ni.  Buch.    Renaissance  in  Deutschland. 

letztere  noch  völlig  im  Charakter  des  Mittelalters.  Auch  die  Fenster 
zeigen  gothische  Details,  die  Consolen  kräftige  Köpfe,  die  Schwel- 
len gemalte  Ornamente.  Ueberwiegend  mittelalterlich  mit  spär- 
lichen Elementen  der  Renaissance  ist  auch  das  Haus  zum  Gol- 
denen Engel  in  der  Ereuzstrasse,  vom  Jahre  1548,  ausgezeichnet 
durch  doppelte  Erker,  zwischen  welchen  der  mittlere  Giebel  domi- 
nirend  emporsteigt.  Dieser  Mischstil  erhält  sich  hier  ungewöhn* 
lieh  lange,  so  an  einem  Hause  von  1557  in  der  Almstrasse  32, 
wo  die  Schwellbalken  den  gothischen  Vorhangbogen  zeigen  und 
an  den  Brtlstungen  ein  feines  Fächeromament  auftritt  Dasselbe 
wiederholt  sich,  wahrscheinlich  von  gleicher  Hand  ausgeführt, 
Schelenstrasse  286.  Ebenso  daselbst  No.  280  vom  Jahre  1560, 
wo  jedoch  im  oberen  Stock  der  bekannte  um  dnen  Stab  ge- 
wundene gothische  Laubfries  vorkommt.  Ueberwiegend  mittel- 
alterlich ist  sogar  noch  ein  Haus  im  Kurzen  Hagen  vom  Jahre 
t564.  Hier  findet  sich  auch  an  den  Consolen  ein  oft  vorkom- 
mendes sehr  einfaches  Ornament,  aus  mehrfach  wiederholten  ein- 
gekerbten Dreiecken  bestehend.  Dasselbe  auch  an  einem  grossen 
Hause  der  Jacobistrasse.  Ueberwiegend  gothisch  ist  selbst  noch 
ein  kleines  Haus  der  Eckemäkerstrasse  vom  Jahre  1566.  Da- 
gegen kommt  in  der  Schelenstrasse  No.  312  die  völlig  ausge- 
bildete Renaissance  mit  dem  Datum  1563  in  den  kräftigen  Voluten 
der  Consolen,  den  Pilastersystemen  der  Wände,  den  figürlichen 
Reliefs  des  Erkers  zur  Herrschaft. 

Mit  den  Achtziger  Jahren,  vielleicht  auch  schon  etwas  früher 
tritt  nun  der  ausgebildete  Stil  der  Spätrenaissance  auf,  der  dann 
bis  tief  in's  17.  Jahrhundert  hinein  die  bürgerliche  Baukunst  aus- 
schliesslich beherrscht.  Die  Fagaden  dieser  Art  sind  noch  jetzt 
so  zahlreich  vorhanden,  dass  sie  im  Wesentlichen  den  architek- 
tonischen Eindruck  der  Stadt  bestimmen.  Was  zunächst  ihre 
Composition  betrifift,  so  kommt  für  dieselbe  die  äusserst  häufige 
Verwendung  des  Erkers  wesentlich  in  Betracht.  Fast  jedes  Haus 
hat  wenigstens  einen  derartigen  Ausbau,  der  oft  schon  vom  Erd- 
geschoss,  bisweilen  mit  dem  ersten  Stock  beginnt,  die  ganze  Höhe 
der  Fa^de  einnimmt  und  mit  selbständigem  Giebel  abschliesst 
Am  schönsten  ist  aber  die  Gruppirung  da,  wo  zwei  Erker  in 
symmetrischer  Anlage  die  Fagade  einfassen.  Durch  ihre  Giebel- 
schlüsse, zwischen  welchen  dann  der  Hauptgiebel  höher  empor- 
steigt, wird  eine  rhythmische  Bewegung  und  eine  pyramidale 
Gipfelung  erreicht,  welche  diesen  Fagaden  (vergl.  Fig.  239)  einen 
hohen  architektonischen  Werth  verleiht 

In  der  Gliederung  und  Ausschmückung  herrscht  völlig  das 
Gesetz  der  Renaissance  und  zwar  die  Nachbildung  des  Stein- 


Ktp.  Xyi.    Niedenachaen.  gg9 

baoes  (Fig.  238).    Die  ganze  Fa^ade  wird  mit  Holz  verkleidet, 
Bo  dasB  alle  Theile  der  Gonstniction  bis  auf  die  als  kräftige  Gon- 
solen  entwickelten  Balkenköpfe  mit  ihren  Stutzen  TerhUllt  werden. 
Die  Schwellbalken   bilden   einen   dnrchlanfenden  Fries,   der   mit 
Ornamenten   bedeckt   ist.     Eine   consequente   vertikale   Theilung 
wird  durch  flacbgcBchnitzte  eingeblendete  Säulen,  Pilaster  oder 
Hermen    bewirkt.      Ihre    Fort- 
setznng  und  Verbindung  erhal- 
ten die  einzelnen  Systeme  durch 
die  pilasterartige  Eintheilung  der 
breiten  Friese,  welche  die  Fen- 
sterbrllBtungen    bedecken.      An 
diesen  entfaltet    sich   in    figür- 
lichen Reliefs    der  unerschöpf- 
liche Reicbthum  dieser  Schule. 
Antike  Mythologie  undGeschich- 
te,  altes  und  neues  Testament, 
Allegorie  und  Parabel  schütten 
hier  ihren  reichen  Inhalt  aus. 
Verbindet  man  damit  die  zahl- 
reichen meist  sententiösen  In- 
schriften, so   erhält   man   einen 
Blick  in  die  Anschauungen  jener 
Zeit,     der    wohl    einmal     vom 
Standpunkt  der  Kulturgeschichte 
ausführlichere  Darstellung    ver- 
diente.    Um   die  zierliche  An- 
muth  des  Ganzen  zu  vollenden, 
sind  alle  Hauptliuien  durch  die 
feinen    Glieder    antiker  Kunst, 

durch    Zahnschnitte,    Consolen,  ng.  au.  diuii  to»  «iiwiii  hum  » 

Perlsohnur  und  Eierstab  belebt.  Hiid.ih.ta. 

Eine    wahrhaft   classische    An- 

math  ist  tiber  diese  Werke  ausgegossen,  die  den  Mangel  eines 
constructiven  Grundprinzips  der  Ornamentik  übersehen  lässt,  and 
selbst  mit  dem  häufig  hervortretenden  Ungeschick  im  Figürlichen 
aussöhnt  Bei  alledem  kann  man  keinen  Augenblick  vergessen, 
dass  diese  unermeaslich  reiche  Schnitzkunst,  die  in  der  ganzen 
Bevölkerung  eine  allgemein  verbreitete  Lust  an  heiterem  Schmuck 
des  Lebens  voraussetzen  lAsst,  hier  durchaus  in  den  Dienst  eines 
malerischen  Prinzips  getreten  ist,  welches  in  dem  bescheidenen 
Relief  dieser  Flächendekoration  sein  Gesetz  offenbart 

leb  beginne  mit  dem  Musterbeispiel  dieses  Stiles,  dem  Wede- 


890  ni.  Bach.    BenaiBiuice  in  DentBcbUnd. 

kindschen  Hause  rom  J.  t59S  am  Markt,  das  neuerdings  doreh 
eorf^tige  Keitauration  seinen  uraprttnglichen  Glanz  wieder- 
g^ewonnen  bat  Der  grossartige  Aufbau  mit  zwei  Erkern,  deren 
Giebel  mit  dem  Mittelgiebel  einen  imposanten  Abscbluss  bilden, 
die  reiche  Dekoration,  welche  sich  Ober  alle  Theile  ausbreitet, 
ist  aus  nnsrer  Abbildung  Fig.  239  gentlgend  zu  entnehmen.  Ein- 
faeher  und  achlichter  ist  ein  Haus  ron  1585  in  der  Almsstraaee 


I,  WadcklniUchu  Hiu. 


28.  Ebendort  No.  20  ein  kleiner  Erker  von  1598,  ohne  figürlichen 
Schmuck,  aber  durch  ionische  Säulchen,  Voluten  und  Barook- 
rahmen  lebendig  gegliedert  Ebenda  No.  25  ein  ähnlicher  Erker, 
nur  flacher  behandelt  In  ähnlicher  Weise  zeigt  ein  Haus  im 
Langen  Hagen  vom  J.  1591  bei  ganz  schlichter  Ausführung  einen 
durch  kanoelirte  Pilaster  und  Rankenfriese  von  massigem  Werth 
geschmflckten  Erker.  Eins  der  reiohHten  und  präcbtigsteo  Häuser 
mit  der  Jahrzabl  1608  siebt  man  im  Hobenweg  No.  391,  ndt 
zwei  symmetrisch  angebrachten  Erkern  in  beiden  HauptgeschoBsen ; 
(vgL  Fig.  238.)  Die  Consolen  energisch  in  antiker  Form;  die 
Ecken  mit  Sfolen  eingefasst,  alle  Flächen  mit  Omameot  und 


Kap.  XVI.    NiedersachBen.  891 

Figürlichem,  den  Elementen,  Jahreszeiten,  Planeten,  Tugenden 
etc.  bedeckt.  Ebenda  394  ein  kleineres  Hans  mit  einem  durch 
korinthische  Säulen  und  barockes  Yolutenwerk  dekorirten  Erker. 
Dasselbe  Motiv,  aber  ohne  Erker,  an  dem  Hause  393.  Eine  ganz 
grosse  prachtvoll  ausgeführte  Fa^ade  in  derselben  Strasse  Ecke 
der  Stobengasse,  mit  kräftigen  Consolen,  Säulen  und,  barocken 
Atlanten,  an  den  Brüstungen  die  Thaten  des  Herkules,  die  Be- 
schäftigungen der  Monate  etc.  von  einer  geringeren  Hand  ge- 
schnitzt Ebendort,  Ecke  der  Marktstrasse,  ein  ähnliches  Haus, 
vielleicht  von  demselben  Meister. 

Ein  Haus  in  der  Marktstrasse  318  mit  zwei  Erkern,  datirt 
1611,  ist  ebenfalls  bis  in  die  Giebel  hinauf  mit  Ornamenten  und 
Figuren  bedeckt,  unter  denen  man  Chiron,  Apollo,  Aesculap  u.  s.  w. 
erkennt  Zwei  reiche  Erker  hat  auch  ebendort  No.  59  vom 
J.  1601,  doch  fehlt  hier  der  figürliche  Schmuck.  Dagegen  bietet 
No.  60  einen  mit  Reliefs  reich  dekorirten  kleinen  Erker.  Ein 
ebenfalls  reicher  Erker  ist  an  einem  Hause  der  Eckemäkerstrasse 
vom  J.  1608.  Ebenda  am  Ausgang  der  Strasse  gegen  die  Andreas- 
kirche ein  überaus  reiches  Haus  mit  Erker.  Gleich  daneben  ein 
anderes  von  1615,  zu  den  zierlichsten  dieser  Art  gehörend,  ausser- 
dem sehr  malerisch  um  die  stumpfe  Strassenecke  gebaut  mit 
zwei  in  den  Obergeschossen  vortretenden  Erkern.  Auch  in  der 
Altpetristrasse  siebt  man  ein  ähnliches  unregelmässig  angelegtes 
Haus  mit  derb  geschnittenen  Reliefs  aus  dem  alten  Testament, 
mit  barocken  Friesen  und  Laubgewinden.  Ein  sehr  stattliches 
Beispiel  ist  noch  in  der  Eckemäkerstrasse  das  Rolandshospital 
vom  J.  1611,  mit  einem  die  Hälfte  der  Fagade  einnehmenden 
Erker  und  Reliefs  aus  dem  alten  Testament  und  den  Beschäf- 
tigungen der  Jahreszeiten.  Ungemein  grossartig  ein  Eckhaus  an 
der  Osterstrasse  vom  J.  1604  mit  Einzelfiguren  von  Herrschern 
und  Tugenden  und  mit  riesig  hohen  Giebeln  am  Erker  und  der 
Fa9ade.  Eine  der  besten  Arbeiten  endlich  ist  ein  Haus  vom 
J.  1623  an  der  Andreaskirche,  im  Erdgeschoss  mit  einem  auf 
steinernen  Pfeilern  ruhenden  Durchgang,  das  Figürliche  und 
Ornamentale  sehr  gut  behandelt  — 

Der  Steinbau  ist  hier  nur  in  vereinzelten  Fällen  zur  An- 
wendung gekommen,  hat  aber  wenigstens  ein  Prachtstück  ersten 
Ranges  hervorgebracht:  das  sogenannte  Kaiserhaus  im  Langen 
Hagen  vom  J.  1587.  Unsre  Abbildung  (Fig.  240)  giebt  von  dem 
Reiehthum  der  Fagade  eine  Andeutung.  Schon  am  Sockel  beginnt 
die  Ornamentik  mit  Eaisermedaillons  und  Metallomamenten  alle 
Flächen  zu  überspinnen;  die  höchste  Steigerung  erreicht  sie  im 
Hauptgeschoss,  dessen  Fenster  mit  vortretenden  ionischen  Säulen 


892 


III.  Buch.    RenÜHsance  in  Deutschland. 


und  prächtigen  Friesen  eingefasst  Bind,  während  Statuen  römisober 
Kaiser  die  ZwiBchenräume  auafUllen.  Noch  Üppiger  wird  der 
Erker  durch  kraftvolle  ägUrlich  belebte  ConBolen,  Hermen,  Reliefs 
und  Figurenfriese  charakterisiri  Der  obere  Stock  hat  sich  dafllr 
mit  absoluter  Dürftigkeit  behelfen  rnttseen;  die  Mittel  haben. offen- 
bar zu  weiterer  Durohftthruug  nicht  ausgereicht    Dagegen  ist  die 


lange  Hoffagade,  welche  auch  den  Eingang  enthält,  in  ähnlichem 
Reichthum,  wenn  auch  in  minder  energischen  Formen,  mit  Metall- 
Ornamenten  bedeckt  und  durch  ein  kleineres  System  ionischer 
Pilaster  sammt  pbantastiBch  barocken  Hermen  gegliedert  Daa 
ganze  Werk  dQrfte  niederländischen  Ursprungs  sein.  Die  Figuren 
zeugen  von  grosser  Anstrengung,  aber  unbedeutender  Hand  — 

Ein  vereinzeltes  Werk  derselben  Spätzeit  ist  der  stattliche 
und  reich  ausgeführte  Erker,  welcher  1591  der  Fa^de  des  so- 
genannten Templerhauses  am  Markt,  einem  strengen  frOh- 
gothischen  Bau,  angefügt  wurde.    Er  zeigt  ähnliche  Pracht  der 


Kap.  XTI.    Niederaftchsen.  893 

Deooratioii,  die  im  Figürlichen  indess  nur  mittelmäesigeo  Werth 
behauptet 

Dagegen  gehört  der  mittleren  Renaisaancezeit  der  Bronneo 
auf  dem  Markt,  dessen  achtekiges  Becken  tod  Gandelabereftulchen 


Flf.  tu.    HildHhalm.  T«n  LMUiei  Im  Dom. 


tiogefaBSt  und  an  den  Flächen  mit  je  zwei  antikisirenden  Brust- 
bildern geschmQckt  ist.  In  der  Hitte  eine  elegante  Sftule,  von 
einer  lUtterfigur  bekrönt 

Ein  wahres  UeisterstUck  der  besten  Renaissance  ist  endlich 
der  steinerne  Lettner,  (Fig.  241)  welcher  den  Chor  im  Dom  ab- 
Bcbliesst,  mit  der  Jahrzahl  1546  auf  beiden  Seiten  bezeichnet: 


894  in.  Buch.  BenuBsanGe  in  Deuttchlaad. 

ein  Werk  nicht  bloss  höchster  decorativer  Pracht,  sondern  auoli 
edelster  künstlerischer  Anlage  und  Ausführung,  tu  feinkörnigem 
Sandstein  mit  grösster  Delicatesse  gearbeitet  schliesst  er  den 
Chor  in  ganzer  Breite  ab,  nur  von  zwei  Thüröffnungen  durdi- 
brechen,  die  ein  prächtig  stilisirtes  Gitter  von  Schmiedeisen  aus- 
füllt Dazwischen  baut  sich  eine  Kanzel  vor,  die  jetzt  als*  Altar 
benutzt  wird.  Fein  dekorirte  Pilaster  und  Friese  gliedern  den 
Aufbau  und  rahmen  kleinere  Felder  ein,  welche  mit  Reliefbildem 
aus  der  Passion  und  aus  dem  Leben  der  Madonna  geschmückt 
sind,  lieber  dem  Hauptgesimse,  das  durch  einen  herrlichen  Ban- 
kenfries vorbereitet  wird,  erhebt  sich  ein  attikenartiger  Aufsatz, 
von  fünf  nach  der  Mitte  aufsteigenden,  in  der  Höhe  abgestuften 
Halbkreisfeldern  abgeschlossen.  Auf  dem  mittleren  und  höchsten 
erhebt  sich  ein  grossartiges  Cruzifix  mit  edel  in  Holz  geschnitztem 
Christus;  auf  den  beiden  benachbarten  Bogengiebeln  Maria  und 
Johannes.  Die  Consolen,  auf  welchen  dieselben  ruhen,  werden 
von  Candelabersäulchen  unterstützt  Der  edle  Stil-  der  Sculpturen, 
welche  die  innere  und  äussere  Seite  des  reich  geschmückten 
Werkes  bedecken,  erinnert  etwa  an  Holbeinsche  Gestalten,  und 
auch  die  im  Charakter  zierlicher  Frührenaissance  durchgeführte 
Architektur,  die  im  Aufbau  und  den  Einzelheiten  noch  manche 
mittelalterliche  Beminiscenz  zeigt,  steht  in  Anmuth  und  freiem 
Schwung  den  Schöpfungen  jenes  Meisters  nahe.  Man  darf  nach 
Alledem  gewiss  nur  an  einen  deutschen  Künstler  denken,  der 
hier  in  Stein  ein  Werk  geschaffen  hat,  welches  hinter  dem  Meister- 
werk deutschen  Erzgusses,  dem  Sebaldusgrabe  Peter  Yischer's 
kaum  zurücksteht  Um  so  schwerer  empfindet  man  die  Unmög- 
lichkeit, Namen  und  Herkunft  eines  so  hervorragenden  Künstlers 
nachzuweisen.  Erkennen  wir  indess  mit  Freuden  an,  dass  die 
Geistliehkeit  in  Hildesheim  das  herrliche  Werk  zu  schätzen 
weiss.  Möchte  dasselbe  niemals  eine  Barbarei  zu  erfahren  haben, 
wie  der  grossartige  spätgothische  Lettner  des  Domes  zu  Münster, 
der  von  den  tonsurirten  Yandalen  vor  Kurzem  schmählich  be- 
seitigt worden  ist 


Eine  besondere  Bedeutung  nimmt  nun  auch  die  Stadt  Haor 
noverin  Anspruch.  Seit  dem  15.  Jahrhundert  de^  Hansa  ange- 
hörend, zeigt  die  Stadt  seit  jener  Zeit  in  ihren  Monumenten  deut- 
liche Spuren  wachsender  Macht  und  künstlerischen  Sinnes.  Nicht 
blos  in  kirchlichen  Werken,  sondern  auch  in  städtischen  Profanr 
bauten,  wie  dem  mächtigen  Bathhaus,  kommt  dies   schon  im 


Kap.  XYL    Niedenftchsen.  895 

Ausgang  des  Mittelalters  zur  Erscheinung.^)  Aber  auch  der 
bürgerliche  Wohnhausbau  bleibt  nicht  zurttck  und  erhebt  sich 
besonders  in  der  Epoche  der  fienaissance  zu  edler  Blttthe.  Drei 
verschiedenen  Systeme  begegnen  sich  hier:  der  norddeutsche 
Backsteinbau,  der  nicht  blos  in  den  Kirchen,  sondern  auch  in 
den  älteren  Theilen  des  Rathhauses  (1455  vollendet)  eine  glän- 
zende Anwendung  erfahren  hat;  der  mitteldeutsche  Fachwerkbau, 
welcher  u.  A.  in  dem  1844  abgebrochenen  Apothekenflügel  des 
Rathhauses  vom  Jahre  1566  sich  aussprach;  und  endlich  der 
durch  die  Benaissance  eingebürgerte  Quaderbau,  der  durch  die 
trefflichen  Sandsteinbrttche  des  benachbarten  Deistergebirges  ge- 
fördert wurde. 

Ich  beginne  mit  den  Steinbauten,  die  eine  besondere  Fein- 
heit in  der  Ausbildung  des  Renaissancestiles  bekunden.  Das 
Charakteristische  ist  hier,  dass  fast  ohne  Ausnahme  die  Häuser 
ihre  Giebelseite  nach  der  Strasse  kehren  und  dieselbe  nach  Hohe 
und  Breite  ungemein  imposant  entwickeln.  Die  Portale  sind  im 
Rundbogen  geschlossen  und  kräftig,  aber  ohne  Ueberladung  aus- 
gebildet Horizontale  Gliederungen  theilen  die  Stockwerke  und 
verbinden  die  Fensterbrüstungen.  Ebenso  sind  die  hohen  Giebel  ge- 
gliedert und  an  den  Kanten  durch  Voluten  und  pyramidale  Aufsätze 
belebt.  Dagegen  fehlt  diesen  Fagaden  die  vertikale  Theilung  durch 
Rlastersysteme.  Ihren  Hauptreiz  gewinnen  diese  Bauten  aber 
durch  die  elegante  Architektur  der  Fenster,  welche  stets  eine 
Einfassung  und  Theilung  durch  feine  Säulenstellungen  erhalten. 
Um  den  malerischen  Eindruck  zu  steigern,  wird  in  der  Regel  ein 
stattlicher  Erker,  rechtwinklig  vom  Erdgeschoss  anfangend,  vor- 
gelegt, bisweilen  auch  sind  in  symmetrischer  Anordnung  deren 
zwei  angebracht  Sie  erhalten  durch  gesteigerten  Reichthum  in 
Gliederung  und  Ausschmückung  den  Charakter  besonderer  Pracht- 
stücke. 

Das  Hauptwerk  dieser  Architektur  ist  das  Leibnitzhaus 
in  der  Schmiedestrasse,  welches  dem  grossen  Philosophen  als 
Wohnung  gedient  hat  Es  trägt  das  späte  Datum  1652*)  und 
verbindet  damit  den  stolzen  Zusatz:  MPosteritatL''  In  dem  macht- 
vollen Aufbau,  der  kräftigen  plastischen  Gliederung,  dem  r«khen 
figürlichen  Schmuck  am  Erker,  aus  Scenen  des  alten  und  neuen 
Testaments  bestehend,  gestaltet  sich  die  Fa^ade  zu  einer  hai^ 


^)  Reichhaltiges  Material  in  Aufnahmen  und  histor.  Darstelliing  in 
Mithof r 8  Archiv  für  Niedersächs.  Kanstgesch.  o.  in  deas.  Veit  Kunst- 
denkm.  im  Hannoverschen.  1.  Abth.  —  *)  Die  Angabe  1552  in  Mithoffs 
Kunstdenkm.  I,  88  beruht  auf  einem  Druckfehler 


896  ni.  Buch.    Benaiasance  in  Deutschland. 

vorragenden  Schöpfung  der  Zeit  (Fig.  242).  Gleich  daneben  zur 
Rechten  ein  Haas  von  ähnlicher  Anlage,  ebenfalls  mit  einem  Erker 
geschmückt,  die  Fenster  von  Säulen  eingefasst,  das  Ganze  schlicht 
und  anspruchslos,  aber  in  den  Formen  von  einer  Zartheit  und 
Delikatesse,  welche  ein  spezifisch  hannoverscher  Zug  ist  Am 
untern  Theil  der  Säulen  z.  B.  ganz  feine  lineare  Ornamente,  in  den 
einzelnen  Stockwerken  die  verschiedenen  Säulenordnungen  ver- 
wendet Etwas  später,  in  den  Formen  trockner,  die  Säulen  aus- 
schliesslich im  dorischen  Stil,  das  riesig  hohe  schräg  gegenüber^ 
liegende  Giebelhaus,  ebenfalls  mit  einem  Erker  versehen.  Die 
Fahne  auf  dem  Giebel  trägt  die  Jahrzahl  1658.  Genau  diesem 
Bau  entsprechend,  wahrscheinlich  von  demselben  Meister  ausge- 
führt, das  gewaltige  Haus  am  Markt  No.  16.  In  der  Schmiede- 
strasse No.  5  ein  ähnliches,  aber  ohne  Erker,  in  den  Friesen 
reiche  Metallornamente. 

Ein  üppiger  schon  stark  barocker  Giebelbau  mit  Masken 
und  andern  Ornamenten  Leinstrasse  3,  (der  untere  Theil  der 
Fa^ade  nüchtern  modernisirt).  Ebenda  No.  32  ein  stattliches 
etwas  trocken  behandeltes  Haus  mit  einem  eleganten  Erker  vom 
Jahre  1583.  Von  dem  Hause  derselben  Strasse  No.  25  sind  nur 
die  unteren  sehr  zierlichen  Säulen  des  Erkers  erhalten.  Am 
Markte  No.  6  eine  imposante  Fa^ade  von  1663,  dem  Leibnitz- 
haus  an  Reichthum  nahe  stehend,  doch  ohne  figürliche  Ornamentik. 

Alle  diese  Häuser  haben  sehr  stattliche  Verhältnisse  und 
ungewöhnlich  hohe  Stockwerke,  die  durch  ihre  Säulenstellungen 
ein  noch  vornehmeres  Gepräge  gewinnen.  Vergleicht  man  sie 
mit  den  durchweg  niedrigen  Geschossen  der  Holzhäuser,  so 
erkennt  man  auch  darin  leicht  die  Einwirkung  fremdländischer 
Sitte.  Eins  der  schönsten  Werke  vom  Jahre  1621,  Lange  Laube 
No.  1,  ist  in  neuerer  Zeit  abgebrochen,  aber  durch  Mithoff  für 
Professor  Oesterley  mit  Beibehaltung  aller  alten  Theile  sehr  ge- 
schickt in  einer  den  modernen  Anforderungen  entsprechenden 
Composition  wieder  aufgebaut  worden. 

Mehrmals  verbindet  sich  an  den  Fafaden,  ähnlich  wie  in 
dem  benachbarten  Braunschweig,  der  Steinbau  mit  dem  Holzbau, 
so  dass  Erdgeschoss  und  erster  Stock  dem  ersteren  gehören,  die 
oberen  Theile  in  Fachwerk  ausgeführt  sind.  So  in  ungemein 
reizvoller  Verbindung  an  einem  Hause  Bossmühle  No.  8,  wo  be- 
sonders der  Steinbau  zu  hoher  Eleganz  durchgebildet  ist  Aehn- 
lich  Köblingerstrasse  No.  9,  wo  auch  der  Fachwerkbau  zierlich 
entwickelt  ist,  und  die  unteren  Theile  die  hier  so  beliebte  Säulen- 
architektur der  Fenster  in  edelster  Behandlung  zeigen.  In  dersel- 
ben Weise   das  Haus  Burgstrasse  23  vom  Jahre   1620,  durch 


Knclar,  Oncb.  d.  Binl 


Kap.  ^VI.    Niedersachsen.  g99 

prächtigen  Erker  ausgezeiehnet  Ein  kleines  Haue  desseilben 
MischBtils  Knocbenhauerstrasse  61 ,  das  Erdgeschoss  modemisirt, 
das  TJebrige  fein  und  elegant.  In  derselben  Strasse  No.  7  zeigt 
ein  Haus  von  1594  einfache  Steinarchitektur,  aber  reich  und 
kraftvoll  entwickelten  Holzbau. 

Endlich  giebt  es  einige  reine  Fachwerkbauten  im  Renaissance- 
stil. Schmiedestrasse  No.  43  ein  Haus  von  1554,  nicht  eben 
bedeutend,  aber  die  Balkenköpfe  elegant  als  antikisirende  Con- 
solen  gestaltet  Eins  der  reichsten  und  grössten,  No.  15  am 
Markt,  ^  hat  an  den  Fensterbrüstungen  das  Muschel-  oder  Fächer- 
Ornament  in  besonders  schöner  Ausbildung.  Ein  anderes  Yon 
1585  neben  dem  Rathhaus  in  der  Eöblingerstrasse  57  zeigt  httbsch 
profilirte  Consolen.  Besonders  reich  dekorirt  ist  das  Haus  Burg- 
Btrasse  28,  an  den  Schwellen  mit  kräftig  gerippten  Rundstäben, 
an  den  Fensterbrttstungen  das  Ficheromament,  dazu  reicher 
Blumen-  und  Laubschmuck.  Einfacher  ist  das  Haus  Enochen- 
hauerstrasse  36,  aber  in  der  Mitte  durch  aufgesetzten  Dacherker, 
an  den  Seiten  durch  zwei  reich  dekorirte  symmetrisch  angebrachte 
Erker  belebt 


In  den  inittleren  Wesergegenden,  deren  reiche  Schlossbauten 
wir  schon  kennen  lernten,  gehört  zunächst  Hameln  zu  den  wich- 
tigeren Orten  der  norddeutschen  Renaissance.^)  Der  bürgerliche 
Privatbau  hat  hier  aus  der  Schlussepoche  der  Renaissance  mehrere 
grossartige  Monumente  hinterlassen,  die  von  dem  Reichthum  und 
der  Eunstliebe  des  damaligen  Bürgerthumes  glänzendes  Zeugniss 
geben.  Es  sind  fast  durchweg  Steinbauten,  nicht  von  der  Fein- 
heit der  Hannoverschen,  sondern  mehr  in  dem  kraftvoll  barocken 
Charakter  der  Hämelschenburg.  Meistens  sind  es  Giebelfa^aden, 
in  den  energischen  Formen  der  Spätzeit  dekorirt  und  mit  einem 
oder  auch  zwei  Erkern  ausgestattet  So  die  beiden  Häuser  der 
Osterstrasse  No.  9  mit  einem,  No.  12  mit  zwei  Erkern.  Das 
prachtvollste  ist  das  sogenannte  Rattenfängerhaus  vom  Jahr  1 602. 
In  seiner  derben  Ausstattung  mit  dekorirter  Rustika  und  ener- 
gischer durch  alle  Geschosse  reichenden  Pilasterarchitektur,  der 
kolossale  Giebel  mit  phantastisch  barocken  Schweifen  und  Voluten 
geschmückt,  im  Erdgeschoss  und  ersten  Stock  ein  reicher  Erker, 


*)  Vgl  Mithoff,  Konstdenkm.  I,  58  ff.  und  die  Aufh.  der  Architektar- 
schale za  Hannover. 

57* 


900  ni.  Buch.    RenaisBance  in  Dentachland. 

erinnert  diese  imposante  Fa^ade  an  die  späteren  Theile  der 
Hftmelschenburg  nnd  darf  wohl  als  Werk  desselben  Meisters  be- 
trachtet werden.  Von  demselben  Stil,  nur  in  etwas  einfacherer 
Behandlung,  welche  auf  die  i^ichen  Pilasterstellungen  yerzichtety 
der  gleichen  Hand  zuzuschreiben  ist  das  grandiose  Hochzeitshaus, 
welches  die  Stadt  mit  ungewöhnlichem  Aufwände  1610  errichten 
liess.  An  den  beiden  Schmalseiten  erheben  sich  kolossale  reich 
dekorirte  Giebel  und  an  der  langen  Strassenfront  sind  drei  Dach- 
erker mit  ähnlichen  Giebeln  ausgebaut  Das  Haus  war  nicht  bloB 
für  die  Hochzeitsfeste  der  Bürger,  sondern  auch  f)ir  andere  öffent- 
liche Zwecke  und  Versammlungen  bestimmt  Endlich  darf  man 
demselben  Meister  das  Haus  No.  7  am  Pferdemarkte  zuschreiben^ 
welches  der  Bürgermeister  der  Stadt  Tobias  von  Dempter  1607 
für  sich  erbauen  liess.  Die  unteren  Theile  sind  in  demselben 
Stil  von  Sandstein  ausgeftlhrt;  die  oberen  aber  in  reichgeschnitztem 
Fachwerkbau.  Ausserdem  kommen  auch  reine  Holzbauten  vor; 
so  das  schön  geschnitzte  Haus  No.  8  an  der  Osterstrasse. 

Weiter  südwärts  herrscht  in  den  Städten  dieses  Gebietes  der 
Holzbau  vor.  So  in  besonders  eleganter  Weise  in  Höxter,  über 
dessen  Bauten  ich  mich  hier  kurz  fassen  kann,  angesichts  der 
neuerdings  erfolgten  trefflichen  Publikation.  ^)  Die  Bauten  zeigen 
hier  theils  die  Giebelform,  theils  die  breitere  Anlage,  welche  dann 
durch  Dacherker  malerisch  belebt  wird.  In  der  eleganten  und 
kraftvollen  Durchbildung  der  Schwellhölzer,  der  Eopfbänder  und 
Consolen  sowie  der  Fensterbrttstungen  mit  ihren  vielfach  variir- 
ten  Muschel-  oder  Fächerformen  (Fig.  243)  gehören  sie  unbedingt 
zu  den  schönsten  Schöpfungen  dieses  Stils.  Musterhaft  ist  der- 
selbe entwickelt  an  der  Dechanei  vom  Jahr  1561,  durch  stattlichen 
poIygonen  Erker  ausgezeichnet;  noch  durchgebildeter  an  dem 
Hütteschen  Hause  vom  Jahr  1565,  wo.  namentlich  das  Bundbogen- 
portal  eine  herrliche  Einfassung  im  besten  Schnitzstil  zeigt  Ein- 
facher, mehr  durch  phantastisches  Rankenomament  belebt,  der 
Erker  am  Freise'schen  Hause  von  1 569.  An  den  späteren  Häusern 
geht  der  Holzbau  zu  einer  völligen  Nachahmung  der  Steinformen 
der  Benaissance  über.  So  an  dem  reich  behandelten  Vorbau  des 
Wilke'schen  Hauses  von  1642  und  an  dem  ungefähr  gleichzeitigen 
Erker  und  Thorweg  des  sogenannten  Tilli'schen  Hauses. 

Manches  Interessante  bietet  die  malerisch  am  Zuzammenfluss 
der  Werra  und  Fulda  gelegene  Stadt  Münden.  Zunächst  das 
ehemalige  herzogliche  Schloss,  ein  gewaltiger  aber  in  hohem  Grade 


0  Seemann's  Deutsche  Renaiss.  Heft  10  von  B.  Liebold,  welchem  unsere 
Abb.  entlehnt  ist 


Eftp.  XVI.    HiederuchBen.  901 

ruinJiser  Bau.  Die  gegen  den  FIosb  gerichtete  Nordfa<;ade  Ton 
koloBsaleT  Höhe  und  mächtiger  Ausdehnung  Iftsst  nur  noch  die 
Termauerten  Fester  der  drei  Hauptgeschosse  mit  ihren  steiner-. 
nen  Ereuzatäben  erkennen.  Seclia  Daeherker  in  später,  schon 
barocker  Form  erheben  aich  ttber  dem  Gesimae.  Den  westlichen 
AbschluBB  dieaes  FIttgels  bildet  ein  hoher  Giebel  mit  barocken 
Voluten  und  Figuren.     Am  östlichen  Ende  dagegen  sieht  man 


drei  hohe  Spitzbogenfenster  der  Kapelle,  gleich  dem  daneben 
ausgebauten  polygonen  Erker  von  einem  früheren  Bau  aus  dem 
Ende  des  Mittelalters  stammend.  Im  Hofe  gehört  zu  diesem  filteren 
Theil  der  polygone  Treppenthurm  in  der  Ecke  des  nördlichen 
and  östlichen  Flügela,  inachriftlich  durch  Herzog  Erich  den  Aelteren 
von  Braunschweig  1501  begonnen.  Am  eutgegeugeaetzten  Ende 
bemerkt  man  den  Ansatz  zu  einem  westlichen  FiQgel  mit  zwei 
Arkaden  in  beiden  Hauptgeachossen,  dekorirt  mit  dorischen  und 
ioniachen  Pilasteni,  bekrönt  mit  barocken  Giebeln,  dies  Alles  gleich 
dem  nördlichen  Fltlgel  ron  einem  seit  1&66  vorgenommenen  gross- 
artigen Neubau  herrührend.  Köstlich  ist  Ton  der  nördlichen  Fa- 
^de  d«r  Blick  auf  den  FIuss  and  die  gegenfiberliegenden  mit 
BuchenwSldem  belaubten  Höhen. 


902  in.  Buch.    ReoaiflMnce  in  Deutachland. 

In  der  Stadt  ist  das  RathhauB  ein  ansehnlicher  Bau  von 
1605.  In  grossartigen  Verhältnissen  erhebt  sich  die  Fa^ade,  Ton 
drei  m&chtigen  Giebeln  bekrönt,  im  Erdgeschoss  und  den  beiden 
oberen  Stockwerken  mit  gekuppelten  Fenstern  yon  mittelalter- 
lichem Rahmenprofil  durchbrochen.  An  der  rechten  Seite  baut 
sich,  vom  Erdgeschoss  beginnend,  ein  rechtwinkliger  Erker  heraus, 
mit  Hermen,  Fenstersftulen,  eleganten  Friesen  und  Brüstungen 
geschmückt  und  mit  einem  Barockgiebel  abgeschlossen.  Noch 
prächtiger  ist  in  der  Mitte  der  Fa^ade  das  grosse  Hauptportal. 
Von  beiden  Seiten  führt  eine  doppelte  Freitreppe  hinauf  und 
mündet  auf  einen  mit  reichem  Steingeländer  eingefassten  Vorplatz, 
der  durch  zwei  untergestellte  Säulen  sich  nach  vom  altanartig 
erweitert  Das  Portal  selbst,  im  Bundbogen  geschlossen,  von  ge- 
kuppelten ionischen  Säulen  eingefasst  und  von  einem  reichen  Auf- 
satz mit  dem  Wappen  der  Stadt  bekrönt,  hat  gleich  dem  Erker 
durch  Vergoldung  noch  mehr  Glanz  erhalten.  Durch  die  prächtig 
geschnitzte  und  mit  schönen  Eisenbeschlägen  ausgestattete  Thür 
gelangt  man  im  Innern  auf  einen  grossen  Vorsaal,  dessen  Balken 
auf  kräftigen  Holzsäulen  mit  reich  dekorirten  Kopfbändern  ruhen. 
Die  durchweg  gross  angelegten  jetzt  vielfach  verbauten  Räume 
verrathen  in  Portalen  und  mächtigen  Kaminen  noch  die  ursprüng- 
liche reiche  Ausstattung.  Im  oberen  Geschoss  ruhen  die  Balken 
der  Decke  auf  toskanischen  Säulen,  über  welchen  die  Kopfbänder 
in  Volutenform  vorspringen. 

Die  Bürgerhäuser  beherrscht  hier  ausschliesslich  der  Fach- 
werkbau, der  aber,  in  ebenso  mannigfaltiger  als  zierlicher  Weise 
durchgebildet,  den  Strassen  der  ireundlichen  Stadt  ein  anheimeln- 
des Gepräge  giebt  Die  Häuser  sind  in  der  Kegel  in  ihrer  Lang- 
seite der  Strasse  zugewendet  und  in  der  Mitte  durch  einen  hohen 
Dacherker  abgeschlossen.  Dieser  setzt  mit  seinem  Giebelbau  die 
Behandlung  der  Fagade  fort,  die  in  stark  herausgekragten  Stock- 
werken angelegt  ist  In  der  künstlerischen  Ausbildung  zeigen 
diese  Fa^aden  jede  Abstufung  vom  Einfachsten  bis  zum  Reich- 
sten. 

Die  älteste  noch  gothische  Form  ist  roh  construktiv  behan- 
delt, aber  mit  leicht  aufgeheftetem  Ornament  versehen.  So  das 
kleine  Häuschen  nordöstlich  der  Kirche  gegenüber,  an  den  Gon- 
solen  mit  Blumen  und  Thieren  geschmückt,  die  Schwellbalken 
ohne  alle  Gliederung  in  glatter  Fläche  als  Schriftbänder  behan- 
delt Man  Uest:  Benedic  et  sanctifica  domum  istam  in  sempiternum 
deus  israhel.  MCCCCLVU.  Hans  von  Fermeste  me  fecit  Oben: 
Henricus  Gobele.  Dann  kommen  die  tief  ausgekehlten  und  ab- 
gefasten  Schwellhölzer  (Fig.  244),  wie  an  dem  hübschen  Hause 


&qt.  XVI.    Niederatchaeii.  9(t3 

der  Lan^n  Straaee  mit  der  iDscbrift:  Aedes  Jodolpbus  Piscator 
condidit  istas  1548.  Ebenso  das  mächtige  EckbauH  der  Markt- 
nnd  Langenstrasse  vom  Jahre  1554,  an  der  einen  Seite  mit  einem 
Dacherker,  an  der  andern  mit  zwei  sonst  hier  nicht  vorkommenden 
Erkern  belebt. 

Bald  darauf  treten  die  reicheren  Formen  der  diagonal  ge- 
kerbten und  geripptfia  RundstSbe  an  den  Schwellhölzem  in  den 
schönsten  Mustern  auf,  fibnlich  den  Häusern  in  Höxter.    Endlich 
geht  Alles  in  antikisirende  Formen  Über,  die  Balkenkdpfe  werden 
als  Consolen    mit   geschwungenem 
Profil  und  httbseber  Ferlschnur  be- 
handelt,   die    Sehwellen    und    ihre 
FUllbalken    mit   feinen    classischen 
Gliederungen    und    zierliehen    Con- 
solen-   oder    ZahnscbnittfrieBen    ia 
mebrfacben  Reihen  dekorirt.    So  an 
einem  der  grÖSBten  und  schönsten 
Häuser,  der  SUdeeite  der  Kirche  ge- 
genüber; noch  zierlicher  antikiairend 
gleich  daneben  am  Pfarrhaus.  Genau 
dieselbe  Behandlung  an  einem  Hause 
der  Marktstrasse  mit   der  Inschrift: 
Psalm  6S.     Tu  recreae  bonitate  tua 
afflictum  deus.     Wilhelm  Spangen- 
berg anno  dni  MDLXXX.  X.  Juni,    rig-  m.  aui  iiiiiut*ii.  (f.  HoOniaDn,) 
In  beiden  Fällen  die  Hausthttr  durch 

antikisirende  Pilaster  oder  Säulen  im  Charakter  des  Steinhaues 
eingefasst  Ungemein  kraftvoll  behandelt,  aber  nicht  mehr  so  fein 
gegliedert  eins  der  spätesten  Häuser  vom  Jahre  1648  in  der  Kath- 
hausstrasse. 

Ein  vereinzeltes  Werk  edler  PrUhrenaissance  besitzt  die  Blasius- 
kirche  in  dem  Epitaph  Herzog  Erichs  (t  1540)  und  seiner  Ge- 
mahlinen Katharina  von  Sachsen  (f  1524),  und  Elisabeth  von  Bran- 
denburg, wohl  noch  zu  Lebzeiten  des  FUrsten  angefertigt  Es  ist 
eine  ganz  vorzügliche  Arbeit,  in  der  Architektur  noch  achlicht,im 
Figürlichen  voll  Lebenagefühl  und  Adel,  in  Solenhofer  Kalkstein 
wahrscheiDlieh  von  einem  süd-  oder  mitteldeutschen  Meister  aus- 
geführt 

Die  Orgel  in  derselben  Kirche  hat  ein  Gehäuse  von  1645,  in 
reichen  schon  ziemlich  barocken  Formen  geschnitzt,  in  Gold  und 
Weiss  decorirt. 


904  in.  Buoh.  BenaiBMnce  in  Deutschland. 


XVII.  Kapitel. 
Die  Bordwestlichen  Binnenländer. 


In  diese  Scblussgruppe  fasse  ich  Kurhessen,  Westfalen  und 
den  Niederrhein  zusammen.  Es  sind  Gebiete,  welche  fllr  die 
Entwicklung  der  Renaissance  keine  herFortretende  Bedeutung  be- 
sitzen, wenngleich  sie,  zumeist  aus  der  Spätzeit,  manches  werth- 
YoUe  Werk  des  Stiles  aufzuweisen  haben.  Wieder  spiegeln  sich 
auch  hier  in  den  Denkmalen  die  allgemeinen  Eulturverhältnisse. 
Das  weltliche  Fürstenthum,  ein  Hauptträger  der  Renaissancekunst, 
kommt  nur  in  den  östlichen  Theilen  dieses  Gebietes  zu  bedeu- 
tenderer Entfaltung:  es  sind  die  hessischen  Fürsten,  denen  einige 
ansehnliche  Monumente  verdankt  werden.  Weitaus  aber  herrscht 
das  geistliche  Element  Yor;  die  mächtigen  Diöcesen  Yon  Köln 
und  Trier,  die  kleineren  von  Mtlnster,  Osnabrück,  Minden  und 
Paderborn,  deren  Territorien  noch  jetzt  grösstentheils  dem  Katholi- 
cismus  angehören,  sind  keine  herYorragenden  Förderer  der  Re- 
naissancekultur. In  einzelnen  kirchlichen  Decorationswerken, 
Grabmälem,  Lettnern,  Altären  u.  dgl.  erscböpft  sich  hier  die  neue 
Kunst  Erst  im  Ausgang  der  Epoche  stellen  die  Jesuiten  mehrere 
grosse  kirchliche  Bauten  (Köln,  Goblenz)  als  Denkzeichen  der 
Gegenreformation  hin.  Dagegen  schlummert  fast  gänzlich  die  Kraft 
des  Bürgerthums.  Abgesehen  Yon  einzelnen  Prachtwerken  (Rath- 
haushalle  zu  Köln)  treibt  dasselbe  hier  bei  Weitem  nicht  jene 
unerschöpfliche  Fülle  Yon  ^Monumenten  hervor,  welche  an  andern 
Orten  die  Städte  erstehen  lassen.  Selbst  eine  Stadt  wie  Köln 
ist  arm  daran.  Nur  das  Wesergebiet,  soweit  es  in  diese  Gruppe 
gehört,  nimmt  Theil  an  jener  üppigen  Nacbblüthe  der  Schluss- 
epoche, deren  Spuren  wir  schon  im  Yorigen  Kapitel  begegneten. 
Neben  den  Steinbauten  prägt  sich  auch  hier  der  Holzstil  mannich- 
fach  und  anziehend  aus.  Und  zwar  in  zwei  gesonderten  Gruppen. 
Die  östliche,  dem  hessischen  Lande  und  den  angrenzenden  Theilen 
Westfalens  angehörend,  schliesst  sich  im  Charakter  der  Bauten 
dem  in  Niedersachsen  herrschenden  System  an.  Die  westliche, 
an  Rhein  und  Mosel  auftretend,  zeigt  ein  wesentlich  abweichendes 
Gepräge,  das  mit  dem  der  mittel-  und  Südwest -deutseben  Gruppe 
zusammenhängt,  diese  aber  zur  edelsten  und  feinsten  Entwicklung 
führt. 


Kap.  XVII.    Die  nordweBtlichen  Binnenlfinder.  905 


Niederhessen. 

Hier  ist  zunächst  'der  von  den  hessischen  Landgrafen  aus- 
geführten Bauten  zu  gedenken.  Die  vielbewegte,  durch  die  Stürme 
derBeformationszeit  erfüllte  Regierung  Philipps  des  Grossmüthigen 
war  einer  stetigen  Eunstpflege  nicht  günstig.  Dagegen  tritt  sein 
Sohn  und  Nachfolger,  Wilhelm  IV  der  Weise  (1567—1592)  als 
Freund  der  Wissenschaften  und  Förderer  der  Künste  auf.  Edlen 
Sinnes,  auch  in  religiösen  Angelegenheiten  sich  einer  milden  Auf- 
fassung zuneigend,  yielseitig  gebildet,  dabei  ein  ebenso  kraftvoller 
als  erleuchteter  Regent,  nimmt  er  unter  den  besten  Fürsten  jener 
Zeit  einen  Ehrenplatz  ein.  Seine  Lieblingsbeschäftigungen  richteten 
sich  auf  Astronomie  und  Mechanik;  besonders  aber  war  er  ein 
Freund  der  bildenden  Künste  und  begann  schon  1 557  noch  imter 
seines  Vaters  Regierung  den  Grundstein  zu  einem  neuen  Residenz- 
'schloss  in  Gassei  zu  legen,  .dessen  Goldner  Saal,  nach  der  Sitte 
der  Zeit  mit  fürstlichen  Bildnissen  geschmückt,  erst  1811  durch 
einen  Brand  zerstört  wurde.  Mit  dem  Schloss  war  auch  hier  ein 
Lustgarten  verbunden,  der  sich  auf  der  Höhe  in  der  Gegend  der 
jetzigen  Bellevue  ausdehnte  und  mit  seltnen  Pflanzen  aus  fernen 
Ländern,  mit  türkischen  Tulpen,  orientalischen  Hjacinthen  und 
dgl.  ausgestattet  war.  Für  die  Myrthen  und  Cypressen,  Granaten, 
Lorber-,  Citronen-  und  Feigenbäume  erbaute  er  ein  eigenes  Pome- 
ranzenhaus, in  dessen  offnem  Saale  ein  » Spritzbrunnen  ^  seinen 
Wasserstrahl  bis  zur  Decke  warf,  und  von  dessen  Galerieen  und 
Altanen  der  Blick  die  Gartenanlage  der  „An*^  beherrschte.  In 
seinem  daranstossenden  Obstgarten  pflegte  der  Fürst  trotz  seiner 
Gorpulenz  das  Geschäft  des  Pfropfens  und  Oculirens  als  guter 
Hausvater  und  Landwirth  selbst  zu  besorgen.  Seine  geliebte 
Gemahlin,  die  sanfte  Sabine  von  Würtemberg,  unterstützte  ihn  in 
solchen  friedlichen  Bestrebungen. 

Von  jenen  Prachtbauten  ist  keine  Spur  mehr  vorhanden; 
nur  die  untergeordneten  Bauten  des  Renthofes  und  des  Marstalls 
tragen  noch  das  Gepräge  jener  Zeit  Aber  in  der  ehemals  kur- 
hessischen, jetzt  preussischen  Enklave  Schmalkalden  zeugt  das 
stattliche  Schloss,  trotz  arger  Verwahrlosung  doch  in  seiner  ganzen 
Anlage  noch  vollständig  erhalten,  von  der  regen  Bauthätigkeit 
des  edlen  Fürsten.  Als  Schmalkalden  1583  nach  dem  Aussterben 
der  hennebergiscHen  Grafen  an  Hessen  fiel,  Hess  Wilhelm  IV 
sofort  die  alte  Burg  Walrab  niederreissen  und  an  ihrer  Stelle  das 
jetzige  Schloss,  die  Wilhelmsburg  errichten.  Von  der  mittelalter- 
lichen Burg  zeugt  nur  noch  an  der  Ostseite  ein  unregelmässig 


906  lU-  Bach.    Benaissance  in  Deatsehland. 

sechseckiger  Thurm  mit  angelehntem  runden  TreppenthurnL  Im 
Uebrigen  ist  das  Schloss  in  einem  Guss  entstanden;  1586  liest 
man  im  Hofe;  1590  wurde  die  Kapelle  geweiht  und  1610  in  der 
Ausstattung  vollendet. 

Das  Schloss  bietet  sich  von  aussen,  auf  sanft  ansteigender 
Höhe  über  der  Stadt  gelegen,  als  ein  schmuckloses,  massenhaft 
behandeltes  Viereck,  an  der  westlichen,  der  Stadt  zugekehrten 
Seite  mit  einem  Haupteingang  und  auf  dem  südlich  yorspringenden 
Flttgel  mit  einem  yiereckigen  Thurm  versehen,  der  mit  achteckigem 
Aufsatz  über  dem  Dache  emporragt.  Im  Innern  entfaltet  sich  in 
dem  grossen  viereckigen  Hof  ein  reicheres  architektonisches  Leben. 
In  der  Hauptaxe  liegen  die  beiden  dominirenden  Eingänge  mitten 
im  westlichen  und  östlichen  Flttgel,  der  letztere  mit  dem  Brust- 
bilde des  fürstlichen  Erbauers  geschmückt  In  den  Ecken  sind 
vier  polygone  Treppenthürme  angebracht,  mit  reich  behandelten 
Portalen.  Noch  drei  andere  Eingänge  liegen  im  Hofe,  so  dass 
dieser  im  Ganzen  mit  neun  Portalen  versehen  ist,  alle  verschieden 
behandelt,  sämmtlich  in  üppigem  schon  stark  barock  entwickeltem 
Stil,  mit  reicher  Anwendung  von  Metallornamenten  opulent  und 
gediegen  in  Sandstein  durchgeführt 

Im  südlichen  Flügel  führt  ein  Portal  in  die  Kapelle.  Es 
ist  ein  einfaches  Bechteck  etwa  50  F.  lang  und  40  F.  breit,  durch 
zwei  Reihen  von  Pfeilern  in  drei  Schiffe  getheilt,  mit  flachbogigen 
Kreuzgewölben  bedeckt  An  der  Westseite  erhebt  sich  der  Altar, 
über  ihm  an  der  Schlusswand  die  Kanzel  und  darüber  die  Orgel. 
An  den  drei  andern  Seiten  ziehen  sich  niedrige  Umgänge,  darüber 
zwei  Emporen  um  das  Mittelschiff.  Der  Zugang  zu  diesen  liegt 
am  Ostende  des  südlichen  Seitenschiffs  in  einer  Wendeltreppe, 
der  Zugang  zur  Kanzel  und  Orgel  in  dem  der  Westseite  vorge- 
bauten Thurm.  Der  Raum  empfängt  in  allen  Theilen  ein  reich- 
liches Licht  durch  gekuppelte  Fenster  mit  gothischem  Kehlenprofil. 
Die  Gewölbe  des  Mittelschiffs  werden  durch  dreifache  Zuganker 
zusammengehalten.  Die  obere  Reihe  derselben,  die  ursprüngliche, 
ist  in  der  Mitte  mit  hübsch  gemalten  Fruchtschnüren  geschmückt 

Einen  hervorragenden  Werth  darf  der  kleine  Raum  bean- 
spruchen durch  die  ebenso  massvolle  als  wirksame  Dekoration, 
die  in  solcher  Vollständigkeit  und  Erhaltung  kaum  anderswo 
sich  findet  Alle  Flächen  sind  aufs  Eleganteste  mit  Stuck  be- 
kleidet, an  den  Gewölbrippen  sieht  man  feine  Perlschnttre,  an  den 
Gewölben  der  Emporen  und  des  Mittelschiffes  entfaltet  sich  die 
reiche  Ornamentik  der  Zeit  mit  Masken,  I^cht-  und  Blumen- 
gewinden, Voluten  und  mannigfach  erfundenen  Metallornamenten. 
Die  letzteren  bekleiden  ausserdem  sämmtliche  Flächen  der  Pfeiler, 


Kap.  XYII.    Die  nordwefitlichen  Biimenläader.  907 

Bogenfelder  and  Friese.  Das  Alles  ist  auf  weissem  (rrundey  in 
den  Seitenschiffen  farblos,  im  Mittelraum  aber  mit  sparsamer  An- 
wendung Yon  Gold  und  Farbe  zu  einer  bewundemswtlrdig  ele- 
ganten Wirkung  gebracht.  Die  Ornamente  sind  in  einem  braunen 
Ton  contourirt,  mit  kräftigen  Schattenlinien  und  massvoller  An- 
wendung von  Gold ;  die  überall  als  Ausläufer  der  Form  sich  ent- 
wickelnden Masken  und  dgl.  sind  farbig  gehalten,  das  Gold  fUr 
die  Hauptlinien  aufgespart,  so  dass  die  Wirkung  höj^hst  delikat 
und  elegant  ist  Die  Brüstungen  der  Emporen,  durch  barocke 
Consolen  getheilt,  haben  die  für  sie  bestimmten  Reliefs,  welche 
durch  fortlaufende  Nummern  angedeutet  werden,  wohl  niemals 
erhalten  und  fallen  deshalb  aus  der  Gesammtwirkung  heraus. 
Dagegen  sind  yon  trefflichem  Effekt  die  zahlreichen  goldenen 
Schilde  an  den  Friesen,  welche  mit  Bibelsprüchen  in  dunkler 
Schrift  bedeckt  sind.  An  den  obersten  Schildbögen  sind  liegende 
Apostelgestalten  in  Stuck  ausgeführt.  Der  Altar  von  weissem 
Kalkstein  ruht  auf  den  Emblemen  der  Evangelisten.  Sehr  hübsch 
ist  über  ihm  auf  einer  Console  die  Kanzel  vorgebaut.  In  der 
ganzen  Deutschen  Renaissance  kenne  ich  keinen  Innenraum  von 
ähnlicher  Feinheit  der  Dekoration. 

Die  übrigen  Theile  des  Schlosses  befinden  sich  in  einem  Zu- 
stande schmachvoller  Verwahrlosung,  dem  die  preussische  Re- 
gierung hoffentlich  bald  ein  Ende  machen  wird.  Da  nämlich 
1813  das  Schloss  als  Lazareth  verwendet  wurde,  litt  die  innere 
Ausstattung  desselben  erheblich,  erfuhr  dann  aber  vollständige 
Verwüstung,  weil  in  Folge  des  ausgebrochenen  Lazarethfiebers 
alle  Gegenstande,  und  zwar  nicht  blos  die  vergoldeten  Leder- 
tapeten, sondern  auch  die  Fenster,  Thüren  und  Fussböden  heraus- 
gerissen wurden.  1)  Im  nördlichen  Flügel  enthält  das  obere  Stock- 
werk den  Riesehsaal,  welcher  bei  90  F.  Länge  und  45  F.  Breite 
die  geringe  Höhe  von  etwa  15  F.  misst.  Seine  langen  Deck- 
balken sind  in  der  Mitte  durch  drei  Holzsäulen,  an  den  Wänden 
durch  entsprechende  Steinpfeiler  gestützt,  die  sehr  originell  als 
barocke  Consolen  ausgebildet  sind.  Die  Decke  zeigt  noch  Reste 
von  Malereien,  ebenso  die  Wände.  Ein  Kamin  erhebt  sich  an  dem 
einen  Ende,  an  dem  andern  ein  grosser  Ofen,  der  untere  Tbeil 
von  Eisen,  1584  bezeichnet,  der  obere  Theil  von  schwarzglasirtem 
Thon  mit  Hermen  und  Karyatiden  dekorirt,  an  den  Feldern  Chris- 
tus am  Kreuze  und  andere  biblische  Darstellungen  in  etwas  stum- 
pfen Reliefs;    der  Abschluss  gegen   die  Wand   wird   in  phan- 


0  V.  Dehn-Rotfelfler  und  Lotz,  die  Baudenkm.  im  Reic* -Bezirk  Carael, 
S.  247. 


908  ni.    Bach.    Benaissance  in  Deutschland. 

taBÜscher  Weise  durch  eine  grosse  gewundene  Hermenfigur  ge- 
bildet. Noch  mehrere  anstossende  Zimmer  haben  reich,  aber 
barock  gemalte  Thttreinfassungen,  Reste  von  Wandgemälden,  gut- 
gegliederte Holzdecken  und  alte  Oefen.  Alles  aber  liegt  in  einem 
kläglichen  Zustande  von  Verödung. 

In  der  Stadtkirche  ist  einer  der  prachtvollsten  messingenen 
Kronleuchter  der  Benaissance,  zum  Theil  noch  mit  gothisirenden 
Blumen,  die  einzelnen  Arme  in  MännerkOpfe  auslaufend. 

Der  Hennebergerhof,  südlich  unter  dem  Schlossberg  gelegen, 
hat  zwei  Portale  in  später  Renaissance  und  an  der  langgestreck- 
ten nordöstlichen  Fa^ade  im  oberen  Stock  eine  Galerie  auf  tos- 
kanischen  Säulen.  —  Das  Gasthavls  zur  Krone,  in  welchem  1531 
der  schmalkaldische  Bund  geschlossen  wurde,  ist  ein  schlichter 
Fachwerkbau,  dessen  altes  Täfelwerk  im  Innern  durch  Tapeten 
yerkleidet  ist 

Wenig,  auch  dies  Wenige  ohne  sonderliche  Bedeutung,  ent- 
hält Gassei.  Von  den  fürstlichen  Bauten  ist  der  Marstall  zu 
erwähnen,  ein  ausgedehntes  Werk,  einfach  und  tttcbtig  mit  einer 
Anzahl  schwerer  Barockgiebel  decorirt,  deren  Form  auf  die  Re- 
gierungszeit des  baulustigen  Wilhelm  IV  deutet  Von  demselben 
Landgrafen  ynirde  seit  1581  der  Renthof  begonnen,  der  dann 
1618  vollendet  wurde.  Ebenfalls  ein  ziemlich  einfacher  Bau  mit 
Barockgiebeln  und  reich  behandeltem  Portal;  im  Hofe  ein  Brun- 
nen aus  derselben  Zeit  Ein  Prachtstück  dagegen  ist  das  gross- 
artige Grabmal  Philipps  des  Grossmüthigen  (f  1567)  im  Chor  der 
Martinskirche.  Es  wurde  von  einem  wahrscheinlich  in  den 
Niederlanden  gebildeten  Künstler,  Elias  Goäfro  aus  Emmerich  be- 
gonnen, der  aber  noch  vor  völliger  Beendigung  seiner  Arbeit 
starb.  Nach  Art  eines  Altars  aufgebaut,  aus  Marmor  und  Ala- 
baster, reich  mit  Sculpturen  geschmückt,  zeigt  es  die  prunkvoll 
überladenen  Formen  des  beginnenden  Barocco. 

In  den  Bürgerhäusern  herrscht  abwechselnd  Steinbau  und 
Fach  werk,  bisweilen  beides  verbunden;  aber  auch  darunter  ist 
nichts  von  hervorragendem  Werth.  Mehrfach  kommen  stattliche 
Doppelportale  vor,  aus  zwei  völlig  gleich  behandelten  Bogen, 
meist  in  kräftiger  Rustika  bestehend.  Das  schönste  Beispiel  am 
Markt  in  dem  Eckhaus  gegen  den  Renthof,  die  Pfeiler  mit  Nischen 
durchbrochen,  die  Fa^ade  ausserdem  durch  zwei  polygone  Erker 
an  den  Ecken  belebt  Ein  ähnliches  Portal  an  einem  Hause 
des  Altstädter  Marktes,  die  Fa$ade  mit  hohem,  breitem  Barock- 
giebel abgeschlossen.  Die  Erdgeschosse  sind  bei  diesen  Häusern 
stets  in  kräftiger  Rustika  mit  facettirten  Quadern  durchgeführt, 
alles  jedoch  weder  besonders  reich  noch  fein.    Mehrere  Häuser 


Kap.  XVII.    Die  nordweBtUcben  BiiineiiUnder.  909 

mit  kräftig  barockea  Giebeln  und  Portalen  in  der  Obersten  Gaase; 
ein  EckhaoB  daselbst  mit  Fachwerkbaa  in  den  oberen  Geschossen, 
die  Formen  antikisirend,  die  Schwellen  mit  ZahnschnittfrieBeii, 
bezeichnet  1651.  Mehrere  hübsche  HolzhJtuser  in  der  Oberen 
Marktgasae,  der  ß^ettengasse,  der  Oberen  Fuldagasse  und  hinter 
dem  Judenbronnen. 

In  Herafeld')  ist  vor  Allem  ein  stattliches  Rathhaus  zn  Ter- 
zeichnen,  das  bescheidnere  nnd  kleinere  Vorbild  des  Rathhauses 
zn  Mttnden,  mit  zwei  kraftvoll  barocken  Giebeln  an  der  Front 
nnd  je  einem  Ähnlichen  Giebel  an  den  beiden  SeitenfaQaden,  in  der 
Mitte  des  Baches  ein  hsizemes  Glockenthflnnchen  in  goÄischen 
Formen,  die  Fenster    auch  hier 
durchweg  paarweise  gnippirt,mit 
gotbischer  Umrahmung,  das  Portal 
mit  seiner  Freitreppe  ebenfalisein 
reducirteB  Vorbild  des  MQndener 
Portals.  Im  Innern  hat  der  Sitz- 
ungssaal  eingelegtes   Täfelwerk, 
jetzt  leider  mit  weisser  Oelfarhe 
angestrichen,  lieber  der  Eingangs- 
thtlrdieJahrzahll597,  fiber  einem 
Portal  im  Hofe  1612. 

Allendorf  ist  durch  einige 
reich  ausgebildete  Fachwerkbau-  n«.  m>.  a«  uimiori.  ir.  Hosnun.) 
tenbemerkenswertb,  welche  durch- 
weg den  entwickelten  Kenaissancestil  zeigen.  Namentlich  werden 
die  Balkenköpfe  als  elegante  Consolen  behandelt,  die  Schwellen 
sammt  den  Ffilibalken  mit  Zahnschnitten,  derben  Eierstäben  und 
Perlscbnur  geschmflckt.    {Fig.  245). 

In  Fritzlar  ist  das  seit  1580  erbaute  Hochzeitshaus,  jetzt 
Kaserne,  ein  Fachwerkbau  ttber  steinernem  Erdgescboss,  durch 
ein  reiches  Portal  und  einen  Erker,  sowie  im  Innern  durch  eine 
steinerne  Wendeltreppe  ausgezeichnet 

Etwas  mehr  bietet  Marburg.  Die  ehemalige  fBrstliche  Kanz- 
lei, jetzt  Regierungsgebfiude  ist  eine  achlichte  vierstöckige  Anlage 
vom  Jahr  1575  mit  Barockgiebeln,  in  der  Mitte  der  Fa^ade  ein 
viereckig  vorspringendes  Treppenhaus  mit  steinerner  Wendelstiege 
und  Renaissanceportal.  An  dem  gothischen  Rathhaus  ist  der 
Giebel  mit  der  Uhr  in  ähnlichen  Formen  1581  dem  Treppentburm 
aufgesetzt    Die  stattliche  Herrenmtlble,  1582  von  Meister  Eber- 


910  ni.  Buch.    Renaissance  in  Deutschland. 

hard  Baldervein  erbaut,  hat  ebenfalls  am  Mittelbau  einen  kräftig 
barocken  Giebel. 

Den  Benaissancestil  zeigt  auch  das  Eckhaus  am  Marktplatz 
No.  73,  in  den  oberen  Greschossen  Fachwerk  über  steinernem 
Unterbau,  durch  polygonen  thurmartigen  Erker  auf  steinerner 
Auskragung  ausgezeichnet.  Ein  stattlicher  Bau  der  Spätepoche 
ist  das  Eckhaus  an  der  Markt-  und  Wettergasse,  ebenfalls  aus 
Stein*  und  Holzbau  gemischt  und  durch  zwei  rechteckige  Erker 
belebt.  Ein  reiches  Portal  mit  Mvschelnischen  und  von  Doppel- 
säulen eingefasst,  ungefthr  aus  derselben  Zeit,  hat  das  Haus 
Ko.  408  am  Steinwege.  Auch  dieses  hat  über  zwei  massiven 
Geschossen  in  den  oberen  Theilen  Machwerk.  Ebenso  das  grosse 
Eckhaus  No.  207  an  der  Hofstatt,  mit  zierlich  ausgebildetem 
Holzbau.  Zu  den  reichsten  Fachwerkhäusern  gehört  No.  76  am 
Marktplatz,  an  der  Ecke  mit  dem  hier  sehr  beliebten  polygonen 
Erker  versehen. 

In  den  südlichsten  Theilen  des  Landes  sind  einige  Denkmale 
zu  verzeichnen,  welche  hauptsächlich  dem  Kunstsinne  der  Isen- 
burger  Grafen  ihre  Entstehung  verdanken.  Graf  Anton  (1526  — 
1560),  der  in  hoher  Gunst  bei  Karl  V  stand  und  lebhafte  Be- 
ziehungen zu  dem  künstlerisch  regsamen  Frankenlande  unter- 
hielt —  Qßin  Sohn  Georg  vermählte  sich  mit  einer  Tochter  aus 
dem  StoUberg'schen  Geschlechte  zu  Wertheim,  wo  er  in  der 
Kirche  sein  Grabmal  gefunden  hat  (vgl.  oben  S.  84)  —  führte 
ansehnliche  Neubauten  am  Schloss  zu  Ronneburg  in  der  Wet- 
terau  aus.  Der  gewaltige  noch  aus  dem  Mittelalter  stammende 
Rundthurm  erhielt  1533  den  orginellen  Aufsatz  mit  vier  ausge- 
kragten Erkern  und  einer  durchbrochenen  in  Renaissanceformen 
behandelten  Galerie^).  Auch  am  Schloss  zu  Wächters bach, 
das  Anton  später  häufig  bewohnte,  scheint  er  gebaut  zu  haben, 
denn  der  Hauptthurm  zeigt  eine  dem  Thurm  der  Ronneburg 
verwandte  Behandlung.  Sein  Sohn  Georg  baute  als  Wittwensitz 
seiner  Gemalin  1569  den  Oberhof  zu  Büdingen,  der  im  Wesent- 
lichen noch  wohl  erhalten  ist.  Der  einfach,  aber  tüchtig  behan- 
delte und  malerisch  gruppirte  Bau  besteht  aus  einem  Wohnhause 
und  verschiedenen  Wirthschaftsgebäuden,  welche  einen  nach  der 
Strasse  von  einer  Mauer  umschlossenen,  nach  Osten  sich  an  die 
Stadtmauer  lehnenden  Hof  umgeben.  Die  Ostseite  als  die  Haupt- 
front hat  das  hübsch  behandelte  Hauptportal,  neben  welchem  links 


^)  Die  g-eschichtlichen  Notizen  verdanke  ich  dem  Herrn  Prof.  Haupt  In 
Durlach,  die  von  Aufnahmen  unterstützte  Beschreibung  des  Schlosses  Herrn 
Archit.  A.  Haupt  daselbst. 


Kap.  XVII.    Die  nordweBtliohen  Binnenländer.  911 

ein  viereckiger  Treppenthurm,  rechts  ein  rechtwinkliger  von  unten 
auf  durch  alle  drei  Geschosse  reichender  Erker  aufsteigt  Die 
meist  dreifach  gruppirten  Fenster  zeigen  noch  mittelalterliche 
Umrahmung,  ihre  Brüstungen  am  Erker  spätgothisches  Mass- 
werk. Der  Giebel  nach  der  Strasse  ist  in  seinen  einzelnen  Ge- 
schossen einfach  mit  Kreissegmenten  abgeschlossen  und  durch 
Pilaster  gegliedert  An  der  Südseite,  wo  ebenfalls  ein  Erker 
vorgebaut  ist,  aber  erst  über  dem  Erdgeschoss  ausgekragt,  sind 
interessante  Spuren  einer  Grau  in  Grau  ausgeführten  Bemalung 
erhalten:  im  Erdgeschoss  facettirte  Quader,  in  den  oberen  Stock- 
werken Omamentales  und  zum  Theil  auch  Figürliches^- 

Auch  sonst  bietet  die  alterthümliche,  malerische  Stadt,  die 
ihren  Charakter  noch  fast  unberührt  bewahrt  hat,  einzelne  Be- 
naissancewerke  neben  manchem  Mittelalterlichen.  In  der  Stadt- 
kirche ist  das  Denkmal  des  Grafen  Anton,  1563  von  seinen 
Söhnen  errichtet,  ein  stattliches  Werk  mit  fein  und  reich  behan- 
delter Ornamentik. 


Westfalen. 

In  dem  weitgestreckten  westfälischen  Gebiet  zeigen  nur  die 
Wesergegenden  eine  lebhaftere  Aufnahme  der  Renaissance,  die 
dort  und  in  dem  dazu  gehörigen  Lippeschen  Lande  gegen  Ausgang 
der  Epoche  eine  Anzahl  glänzender  Bauten,  sowohl  in  Stein  wie 
in  Holz,  herrvorgebracht  hat.  Zunächst  sind  hier  mehrere  Schloss- 
bauten zu  nennen:  Thienhausen  bei  Steinheim,  Schloss  Yaren* 
holz  im  Lippeschen  (1595),  ein  umfangreicher  Bau,  aus  vier 
Flügeln  bestehend,  an  zwei  Ecken  mit  mächtigen  quadratischen, 
oben  ins  Polygone  übergehenden  Thttrmen  flankirt;  die  Fenster 
noch  mittelalterlich  mit  dem  Vorhangbogen;  im  Hof  ein  hübscher 
Renaissance -Erker.  Sodann  Haus  Assen  und  Schloss  Neuhaus. 
Eins  der  stattlichsten  ist  Schloss  Brake  bei  Lemgo,  dessen  Hof 
eine  elegant  behandelte  Galerie  auf  Consolen  im  ersten  Stock 
und  eine  ungewöhnlich  grossartig  ausgebildete  Fensterarchitektur 
im  Erdgeschoss  und  oberen  Stock  zeigt  (Fig.  246). 

Unter  den  Städten  nimmt  Lemgo  eine  hervorragende  Bedeu- 
tung in  Anspruch.  Das  stattliche  in  seinem  Kern  aus  gothischer 
Zeit  datirende  Rathhaus  erhielt  1589  eine  an  die  Nordseite  an- 
gebaute Vorhalle  (Laube)  mit  Freitreppe,  darüber  ein  erkerartiges 
Obergeschoss.    Es  ist  eine  Anlage  ähnlich  der  am  Rathhaus  zu 


*)  Zeichn.  und  Beschreibung  liegen  mir  von  Herrn  A.  Haupt  vor. 


in.  Bnob.    Renftiannoe  in  DenUchlaad. 


Halberstadt,  aber  in  edleren  Formen  durcbg:ebildeL    Im  Erdge- 
BchoBS  gliedern  breite  ioniscbe  Pilaater  mit  offnen  Arkaden  den 


Flf.  W.    Brik«,  SckloH 


Ban}  im  oberen  ist  er  ganz  Ton  Fenstern  durcbbrochen ;  die 
abwechselnd  durch  ionische  Säulen  und  feine  Pilaater  gegliedert 
werden.  Beicber  figürlicher  Schmuck  an  Stylobaten,  Friesen  und 
Fensterbrllstungen  erhöbt  die  Eleganz  des  zierlichen  Baues.    Noch 


Kap.  XVn.    Di»  nordwestlichen  Binnenländer.  913 

ttppiger,  mit  stärkerer  Anwendung  von  Barockformen  ist  der  zwei* 
stöckige  ebenfalls  ganz  mit  Fenstern  durchbrochene  erkerartige 
Vorbau  an  der  nördlichen  Ecke.  Die  Fenster  sind  hier  im  Erd- 
geschoss  und  im  obem  Stock  mit  ionischen  und  korinthischen 
Säulen  und  dazwischen  mit  fein  omamentirten  Pfeilern  gegliedert, 
die  Brüstung  im  oberen  Stock  mit  kräftigen  Bildnissen  ausgestattet, 
der  Giebel  mit  krausem  Bandwerk  des  Barockstils  völlig  bedeckt 
An  dem  entgegengesetzten  südlichen  Ende  der  langen  Westfia^ade 
ist  wiederum  ein  Erker  im  Hauptgeschoss  yorgebaut,  auf  zwei 
breit  gespannten  Flachbögen  mit  dorischen  Säulen  ruhend,  ähnlich 
behandelt,  wenn  auch  im  Ganzen  etwas  ntlchtemer,  die  Quader 
an  den  Bögen  und  den  Fensterpfosten  mit  Stemmustem  ge- 
schmückt, dazwischen  einzelne  Steine  mit  prächtigen  Löwenköpfen 
und  Masken,  am  untern  Theil  der  schlanken  Säulen  Belieffigflrchen 
von  Tugenden,  die  Giebel  etwas  trocken  mit  aufgerollten  Bändern 
eingefasst 

Ausserdem  ist  eine  grosse  Anzahl  von  Giebelhäusern,  theils 
in  Stein  theils  in  Holzbau,  meistens  aus  der  Epoche  der  Renais- 
sance in  den  Hauptstrassen  noch  vorhanden,  die  der  Stadt  ein 
ungemein  malerisches,  alterthümliches  Gepräge  verleihen,  wie  es 
wenige  deutsche  Städte  noch  so  unberührt  besitzen.  Unter  den 
Steinbauten  ragt  durch  Grossartigkeit  der  Anlage  und  gediegene 
Pracht  der  Ausführung  ein  Haus  der  Breiten  Strasse  vom  J.  1571 
hervor,  mit  fein  behandeltem  Bogenportal  und  zwei  prächtigen 
Erkern,  von  denen  der  eine  im  Hauptgeschoss  auf  Consolen  vor- 
gebaut ist,  während  der  andere  gleich  von  unten  emporsteigt 
(Fig.  247.)  Der  mächtige  Giebel  und  der  obere  Theil  der  Fa^ade 
erhält  durch  kannelirte  Halbsäulen  ionischer  und  korinthischer 
Ordnung  und  reich  gegliederte  Gesimse  eine  wirksame  Eintheilung. 
Auch  die  kraftvollen  Voluten  mit  ihren  Muschelfüllungen  ent- 
sprechen dem  Charakter  des  Uebrigen.  Im  ersten  Geschoss  erheben 
sich  über  dem  Portal  Adam  und  Eva,  und  zwischen  ihnen  der 
Baum  der  Erkenntniss.  An  den  Brüstungen  der  Erker  sieht  man 
links  zwei  wappenhaltende  Engel  und  die  Figuren  von  Glaube 
und  Hoffnung,  an  dem  kleineren  Erker  rechts  Liebe,  Tapferkeit 
und  Gerechtigkeit  Ueber  der  Thür  die  Inschrift :  In  Gades  Namen 
unde  Christus  Frede  heft  dyt  Hues  Herman  Eruwel  buet  an  dise 
Stede.  —  Weiter  besitzt  das  jetzige  Hauptsteueramt  an  der 
Fa;ade  des  sonst  unbedeutenden  Baues  einen  vielleicht  von  dem- 
selben Meister  errichteten  Erker,  mit  reichen  Wappen  in  den  Fenster- 
brüstungen und  mit  drei  halbrund  geschlossenen  Giebeln. 

Besonders  schön  ist  der  Fachwerkbau  entwickelt,  und  zwar 
in  jener  eleganten  Form,  die  wir  in  dem  benachbarten  Höxter 

Kngler,  GMch.  d.  Baakaoft.  V.  58 


914  in.  Bach.    RenaiBsance  in  Deutschland. 

kennen  lernten.  Unvergleichlich  kraftvoll  und  mannigfaltig  ist 
die  Dekoration  der  Schwellbalken  und  Füllhölzer  mit  Flechtwerk, 
gewundenen  Bändern,  eingekerbten  Rippen  und  dgl.  An  den 
FensterbrQstungen  spielt  das  Fächermotiv  in  grosser  Mannigfaltig- 
keit die  Hauptrolle.  Daneben  kommen  menschliche  Figuren, 
Genrescenen,  phantastische  Drachen  und  Thiere  vor,  und  endlich 
sind  auch  kraftvoll  geschnitzte  Banken  an  Pfosten  und  Friesen 
hinzugefügt  Eine  der  prächtigsten  dieser  Fagaden  in  der  Breiten 
Strasse,  bezeichnet  1598,  zeigt  unter  anderm  die  mehrfach  wieder- 
kehrende Darstellung  eines  Mannes  mit  dem  Splitter  und  eines 
andern  mit  dem  Balken  im  Auge. 

Auch  das  kleine  benachbarte  Salzuffeln  bewahrt  eine  Anzahl 
von  Stein-  und  Holzbauten  desselben  prächtigen  Stiles.  Beson- 
ders fein  und  wiederum  von  den  Bauten  zu  Lemgo  abweichend 
ist  der  Giebel  eines  steinernen  Wohnhauses,  der  in  fünf  Stock- 
werken durch  kleine  Bundbogenfenster,  eingerahmt  von  cannelirten 
Pilastem,  lebendig  gegliedert  wird.  Gleich  daneben  ein  anderer 
Giebel  von  schwereren  Formen  in  stark  ausgeprägtem  Barockstil. 
Vom  grössten  Werth  sind  die  Holzbauten,  aufs  Reichste  mit 
Schnitzwerken  im  Charakter  der  Bauten  von  Lemgo  geschmückt, 
ja  mit  Ornamenten  aller  Art  oft  förmlich  überladen. 

Zu  dieser  Gruppe  gehört  nun  auch  Herford,  das  nicht  blos 
durch  seine  allgemein  bekannten  grossartigen  kirchlichen  Denk- 
male des  Mittelalters,  sondern  auch  durch  ansehnliche  Monumente 
der  Renaissance  Beachtung  verdient  An  das  Rathhaus,  einen 
geringen  mittelalterlichen  Bau,  legte  man  im  Ausgang  der  Renais- 
sancezeit eine  jener  beliebten  Lauben,  im  Erdgeschoss  als  offne 
Halle  abwechselnd  auf  Pfeilern  und  .kraftvollen  Säulen  ruhend, 
mit  Kreuzgewölben  überdeckt,  darüber  ein  erkerartiger  Ausbau 
von  zwei  Barockgiebeln  bekrönt  Vortretende  schlanke  Säulchen 
gliedern  in  beiden  Stockwerken  die  Wände.  Den  Fenstern  des 
Hauptbaues  gab  man  zugleich  eine  Dekoration  von  Giebeln,  und 
dem  Portal,  zu  welchem  eine  doppelte  Freitreppe  emporführt, 
eine  Umrahmung  in  demselben  Stil.  Leider  ist  der  Bau  im  Zu- 
stand äusserster  Verwitterung  und  Vernachlässigung. 

Eine  hübsche  Anlage  derselben  Zeit,  datirt  1616,  ist  der 
kleine  Ziehbrunnen  am  Markte.  lieber  der  ovalen  Einfassung 
steigen  zwei  Pfeiler  mit  einem  Querbalken  für  den  Zieheimer  auf, 
von  einer  hübschen  Krönung  |in  .barocken  Volutenformen  ab- 
geschlossen. Etwas  früher  (1600)  datirt  die  grossartige  Fagade 
des  Neustädter  Kellers,  einer  der  imposantesten  Giebelbauten  der 
Zeit  lieber  zwei  hohen  unteren  Stockwerken,  durch  dreitheilige 
Fenster    belebt    und  mit  Rustikapilastern   eingefasst,  steigt  d6r 


Kap.  XVII.    Die  nordwestlichen  Binnenländer.  917 

Giebel,  durch  eine  kleinere  Etage  vorbereitet,  in  vier  Oeschocwen 
empor,  durch  kannelirte  korinthische  Säulen  auf  Stylobaten  und  durdi 
reich  dekorirte  Gesimse  abgetheilt,  an  den  Seiten  mit  phantastiseh 
barocken  Voluten  eingefasst  Dazu  gesellt  sich  ein  alle  Flächen 
flberspinnendes  Ornament  im  Metallstil  der  Zeit,  wie  es  so  reich 
mit  Ausnahme  jener  Fa^ade  in  Brieg  (S.  686)  nicht  wieder  vor- 
kommen dürfte. 

Etwas  massvoller  tritt  derselbe  Stil  an  der  Fa^ade  des  Löffel- 
mannschen  Hauses  am  Neustädter  Markt  vom  Jahr  1580  auf. 
Statt  der  Pilaster-  oder  Säulenstellungen  sind  verschränkte  Stab- 
und  Bandwerke  fUr  die  Dekoration  des  Giebels  verwendet,  die 
Fenster  aber  wie  im  Bathhaus  mit  dekorirten  Giebeln  bekrönt 
Ein  kleineres  Haus  daneben  zeigt  noch  zierlichere  Behandlung. 
Schwerfällig  und  offenbar  aus  etwas  früherer  Zeit  ist  die 
ungemein  breite  Fa^ade  am  Markt  No.  640,  der  Giebel  durch 
einfache  Voluten  mit  Muschelornament  eingefasst 

Auch  der  Holzbau  kommt  mehrfach  vor.  An  zwei  Häusern 
in  der  Brttderstrasse  von  1521  und  1522  noch  ganz  mittelalter- 
lich mit  rohen  Figttrchen  an  den  Consolen.  Die  feiner  durchge* 
bildete  Form  mit  der  Fächerdekoration  und  den  kraftvoll  geriefel- 
ten Schwellen  an  einem  Hause  dicht  am  Markt  vom  Jahr  1587. 
Beich  geschmückt  mit  den  Metallomamenten  der  Spätzeit  ein 
Haus  von  1638,  gegenüber  der  Badegundiskirche. 

Alle  diese  Orte  unterscheiden  sich  von  den  Niedersächsischen 
hauptsächlich  dadurch,  dass  fast  ohne  Ausnahme  die  Häuser  ihre 
Giebelfront  gegen  die  Strasse  kehren,  während  dort  (in  Münden, 
Braunschweig,  Celle,  Halberstadt,  Hildesheim)  meistens  die  Breit- 
seite, durch  einen  oder  mehrere  Dacherker  bekrönt,  die  Strassen- 
front  bildet 

Bielefeld  zeigt  in  den  nicht  gerade  bedeutenden  Bürger- 
häusern dieser  Epoche  dieselbe  Anlage  und  verwandte  Ausbildung. 
Eine  Steinfafade  von  ziemlich  früher  Zeit,  in  den  Formen  noch 
gothisirend,  in  den  Bogenschlüssen  des  Giebels  mit  Muscheloma- 
ment,  sieht  man  in  der  Niedemstrasse  No.  251.  Im  obersten 
Giebelfeld  die  Beliefdarstellung  eines  Schiffs.  Von  ähnlich  ein- 
facher Behandlung  das  grosse  Giebelhaus  No.  273,  während  eben- 
dort  No.  252  noch  gothisches  Maasswerk  zeigt  Der  stattliche 
Giebel  No.  265,  mit  verjüngten  Pilastem  und  barockgeschweiften 
Voluten,  datirt  dagegen  vom  Ausgang  der  Epoche.  Eine  ähnliche 
Fa^ade  vom  Jahr  1593  in  der  Obemstrasse.  Ebendort  noch  ein 
anderes  Beispiel  derselben  Gattung  und  ebenso  die  Fa^ade  am 
Markt  No.  61.  Von  Holzbauten  ist  namentlich  die  am  Gehrenberg 
No.  127,  sowie  das  Haus  an  der  Ecke  der  Niedem  und  Oberen 


918  m.  Buch.    BenaiBsance  in  Dentschland. 

Strasse  mit  gteinenieia  Unterbau  zu  beachten.  Ein  reicher  und  ori- 
gineller Steinbau  der  Spätrenaissance  war  der  ehemalige  Waisenho^ 
Yon  welchem  interessante  Thefle  bei  dem  neuen  Gymnasium  durch 
Baschdorffs  geschickte  Hand  zur  Verwendung  gekommen  sind. 

Etwas  reicher  ist  die  Ausbeute  in  Minden.  Die  prächtige 
Fagade  der  Hohenstrasse,  welche  in  der  Axe  der  Bftckerstrasse 
steht,  gehört  zu  den  schönsten  der  Zeit  Bis  zur  Spitze  des 
Giebels  in  sieben  Geschossen  mit  kannelirten  am  untern  Theil 
frei  dekorirten  korinthischen  S&ulen  gegliedert,  die  Voluten  des 
Giebels  mit  Männerfiguren  durchbrochen,  zeigt  sie  ein  reiches  pla- 
stisches Leben.  Die  Formen  deuten  auf  die  Zeit  tou  c.  1570. 
Neben  der  Fa^ade  führt  ein  Bogenportal  in  den  Hof,  wo  man 
zwei  yermauerte  Säulenordnungen  in  der  Seitenfafade  bemerkt 
Ueber  dem  Portal  sieht  man  in  reich  dekorirten  Nischen  sieben 
Statuetten,  bezeichnet  als  Alexander  Magnus,  Julius  Caesar,  Augustus 
Caesar,  Harminius  dux  Saxonum,  Carolus  Magnus,  WideUndus 
rex  Saxonum,  Hector  dux  Trojanorum. 

Von  ähnlicher  Art,  aber  etwas  später,  ist  die  stattliche,  breite 
und  hohe  Fa^ade  in  der  Bäckerstrasse  48,  auch  hier  der  mächtige 
Giebel  mit  Halbsäulen  in  drei  Geschossen  gegliedert,  dazwischen 
Flachnischen,  Alles  mit  Bändern  geschmückt,  die  ein  sternförmiges 
Ornament  zeigen.  Die  Voluten  des  Giebels  mit  durchbrochenen 
Gliedern  entwickelt,  in  welchen  männliche  Figuren  klettern.  Die 
beiden  Erker  des  Erdgeschosses  und  ersten  Stocks  sind  in  reichen 
Bococcoformen  umgearbeitet  In  derselben  Strasse  56  eine  schlich- 
tere Fa^ade  ohne  Verticalgliederung,  aber  mit  seltsam  barocken 
Voluten  am  Giebel.  Erker  kommen  öfter  vor  und  erinnern  in 
Anlage  und  Form  an  die  Hannoverschen.  Eine  der  späteren 
Fa^aden,  am  Markt  172,  vom  Jahr  1621  ist  an  Pfeilern  und  Frie- 
sen mit  Metallomament  reich  bedeckt ;  ebenso  an  dem  Bogenportal, 
dessen  Quader  mit  Stemmustem  geschmückt  sind ;  ein  durch  drei 
Geschosse  reichender  Erker  hat  als  Einfassung  elegante  Säulen. 
Einen  ähnlich  hübsch  decorirten  Erker  hat  auch  das  gothische 
Bathhaus  an  der  Bückseite,  während  die  Vorderseite  mit  trefiFlich 
wirkenden  frühgothischen  Arkaden  ausgestattet  ist  Ein  sehr  ele- 
gantes Barockportal  vom  Jahr  1639  zeigt  die  übrigens  modemi- 
sirte  Fa^ade  am  Poos  No.  90.  Ausserdem  kommen  noch  einige 
unbedeutende  Holzbauten  vor. 

In  Paderborn  ist  das  Bathhaus  ein  grossartiges  Werk  der 
Schlussepoche.  An  einen  aus  dem  13.  Jahrh.  rührenden  Bau 
legte  man  von  1612  —  1616^)  nach  Westen  einen  Neubau,  der 


1)  Die  hiBtor.  Notizen  verdanke  ich  Herrn  Professor  Giefers. 


Kkp.  XVII.    Die  nordwestlichen  Binnenlliider.  919 

mit  seinem  gewaltigen  Barocbgiebel  und  zwei  symmetrisch  ange- 
ordneten auf  kräftigen  dorischen  Säulen  ruhenden  und  mit  ähn- 


lieben Giebeln  gescbloasenen  Vorbauten  einen  ebenso  imposanten 
als  malerischen  Eindruck  macht  (Fig.  248).  Die  gruppirten,  durch 
ionische  Pilasterstellungen  eingerahmten  Fenster  beleben  den  Bau 
in  wirksamer  Weise;  die  Behandlung  trfigt  durchweg  das  Gepräge 
einer  sicheren  Meisterschaft 


920  ^-  Buch.    BenaiBWUtce  in  DeutschlancL 

Nur  Weniges  haben  wir  in  Osnabrück  zu  verzeichnen. 
Ein  Steinhaus  am  Markt  No.  18  mit  hohem,  auch  ziemlich  einfach 
decorirtem  Giebel  gehört  der  mittleren  Epoche  an.  Einige  hübsch 
geschnitzte  Holzhäuser  bewegen  sich  in  den  mehrfach  erwähnten 
Formen:  Fächer  und  Rosetten  an  den  Brüstungen,  gewundene 
und  gerippte  Bundstäbe  an  den  Schwellen.  So  das  elegant  durch- 
geführte Haus  Erahnstrasse  No.  7  vom  Jahre  1586.  Von  der- 
selben Hand  die  Fafade  No.  43  in  der  Dielinger  Strasse.  An 
beiden  in  der  Mitte  Adam  und  Eva  dargestellt 

Weit  ansehnlicher  kommt  die  Renaissance  in  Münster  zur 
Geltung.  Die  alterthümliche  Stadt  ist  nicht  blos  wegen  ihrer 
grossartigen  kirchlichen  Denkmäler  des  Mittelalters  von  Bedeu- 
tung, sondern  sie  steht  auch  in  erster  Linie  unter  deiyenigen 
deutschen  Städten,  welche  einen  reich  durchgebildeten  Profanbau 
aus  den  verschiedensten  Epochen  aufzuweisen  haben.  Das  edle 
gothische  Rathhaus,  dessen  Giebelfa^ade  eine  der  schönsten  Com- 
positionen  des  Mittelalters  zeigt,  wird  von  ganzen  Reihen  hoch- 
ragender Privatbauten  begleitet,  welche  wie  sonst  nirgendwo  in 
Deutschland  die  Hauptstrasse,  besonders  den  Principalmarkt  mit 
ihren  stattlichen  steinernen  Arkaden  einfassen  und  denselben 
einen  ungemein  grossartigen  monumentalen  Ausdruck  etwa  im 
Charakter  der  Strassen  von  Bologna,  Padua  und  andern  italie- 
nischen Städten  verleihen.  Die  Mehrzahl  dieser  Häuser  stammt 
noch  aus  dem  Mittelalter,  die  Arkaden  ruhen  nrit  schlanken 
Spitzbögen  auf  einfach  kräftigen  viereckigen  Pfeilern,  oder  auch 
auf  Rundsäulen,  und  die  Giebel  sind  abgestuft  und  auf  den 
einzelnen  Absätzen  mit  geschweiften  gothischen  Maasswerkfttl- 
lungen  versehen.  Alle  diese  Profanbauten  geben  ein  deutliches 
Zeugniss  von  der  frühen  Entwicklung  der  Stadt,  welche,  oft  im 
Gegensatz  zu  der  bischöflichen  Gewalt,  sich  zu  selbständiger  Be- 
deutung erhob  und  durch  ihre  Verbindung  mit  der  Hansa  zu 
hoher  Blüthe  gelangte.  Beim  Eintritt  in  die  neue  Zeit  schien  es 
sogar  einen  Augenblick,  als  ob  sie  sich  dem  Protestantismus 
zuwenden  würde,  und  selbst  der  Bischof  Friedrich  IH  (1532)  war, 
im  Gegensatz  zu  dem  heftigen  Widerstreben  des  Domkapitels, 
der  Einführung  der  Reformation  nicht  abgeneigt  Aber  durch  den 
Wahnwitz  der  Wiedertäuferei  wurde  die  ruhige  Bahn  der  Reform 
gekreuzt,  und  als  diese  wilde  Orgie  1536  blutig  erstickt  war, 
erhob  sich  als  natürliche  Folge  eine  kirchliche  und  staatliche  Re- 
action.  Dennoch  erstarkte^  der  trotzige  Unabhängigkeitssinn  der 
Bürger  bald  zu  neuer  Opposition  und  erst  dem  gewaltigen  Bischof 
Christoph  Bernhard  von  Galen  (1661)  gelang  es  dauernd  den 
stolzen  Sinn  der  Bürgerschaft  zu  brechen. 


Kap.  XVII.    Die  nordweBtlichan  Binnenländer.  921 

Eine  ansehnliche  Zahl  von  Profanbauten  der  Spätrenaissance 
giebt  von  dieser  letzten  Blüthe  bttrgerlicher  Selbständigkeit  Zeug- 
niss.  Eins  der  prachtyollsten  Werke  ist  der  neben  dem  Bathhaus 
Bich  erhebende  hohe  Giebelbau,  in  den  Formen  der  Spätzeit 
kräftig  durchgeführt,  mit  besonders  reichem  auf  Säulen  ruhendem 
Balkon  und  phantastisch  barock  geschweiftem  und  gekröntem 
Giebel  (Fig.  249).  Namentlich  der  Balkon  ist  ein  ausgezeich- 
netes Werk  von  grosser  Delikatesse  der  Ausführung.  Der  Kern 
des  Baues,  der  früher  als  Stadtweinhaus,  im  unteren  Geschoss  als 
Stadtwaage  diente,  stammt  aus  dem  Mittelalter  und  wurde  erst 
um  1615  mit  der  prächtigen  Fa^ade  geschmückt,  welche  als  eins 
der  glänzendsten  Werke  der  schon  stark  zum  Barockstil  gewen- 
deten Spätrenaissance  zu  betrachten  ist  Der  als  „  Sentenzbogen  ** 
bezeichnete  Vorbau  war  zur  Verkündigung  der  gerichtlichen  Ur- 
theilssprüche  bestimmt  Ergötzlich  klingt  eine  Urkunde  des  städ- 
tischen Archivs,  laut  welcher  zwei  Mitglieder  des  Steinhauer-  Amtes, 
weil  sie  die  Architektur  des  Baues  nicht  als  „opus  doricum" 
gelten  lassen  wollten,  vom  Magistrat  wegen  solcher  Missachtung 
seines  Baumeisters  zu  20  Thlrn.  Injurienstrafe  verurtheilt  wurden^). 
Man  hatte  also  damals  schon  verschiedene  Ansichten  über  dori- 
schen Stil! 

Zu  den  frühesten  Bauten  dagegen  gehört  das  Haus  am 
Prinzipalmarkt  No.  17  und  18  mit  einem  Doppelgiebel  vom  Jahre 
1571.  In  strenger  dassizistischer  Behandlung  wird  das  Erdge- 
schoss  von  dorischen,  der  erste  Stock  von  toskanischen,  der 
zweite  von  ionischen  Halbsäulen  gegliedert  Ein  hübscher  Erker, 
auf  eleganten  Gonsolen  ausgebaut,  hat  einen  antiken  Giebel  als 
Abschluss.  Die  ganze  Behandlung  ist  einfach,  aber  edeL  Die 
Fagade  in  der  Seitengasse  ist  schlicht  in  Backstein  ausgeftlhrt^ 
nur  die  Einrahmungen  der  Fenster  und  die  Gesimse  in  Sandstein. 
An  einem  polygonen  Treppenthurm  liest  man  die  Jahrzahl  1569. 
Von  ähnlicher  Einfachheit  ist  die*  grosse  Fagade  Sothenburg  No. 
167,  nur  noch  sparsamer  gegliedert,  mit  Fortlassung  der  ver- 
tikalen Theilung.  Auch  hier  ein  hübscher  Erker  auf  Gonsolen 
im  Hauptgeschoss,  mit  Lisenen  der  Frührenaissance  eingefasst 
Dies  Motiv  des  Erkers  kommt  in  späterer  Zeit  an  einem  Hause 
der  Bogenstrasse  No.  34  zu  einer  ebenso  reichen  als  eleganten 
Durchbildung  im  kraftvollsten  Stil  der  Spätzeit  Der  obere  Theil 
der  Fagade  leider  nüchtern  verzopft 

Die  Mehrzahl  der  Münsterschen  Fa^aden  gehört  derselben 
Spätzeit,  meist  schon  dem  17.  Jahrhundert    Es  sind  sämmtlich 


*}  Fr.  Tophoff,  Anfn.  in  der  Wiener  Allg.  Bauzeitun^  1S72. 


922  ni.  Buch.    BeBsiBsance  in  Deatachland. 

# 

hohe  Giebelbauten,  grösstentheÜB  im  Erdgesohoss  mit  Arkaden, 
welche  auf  kräftige  dorische  Säulen  gestellt  sind  und  bisweilen 
in  zierlicher  Renaissanceform  mit  Zahnschnittfriesen  und  dgL 
aiisgebildet  werden.  Recht  im  Gegensatz  zu  den  gothischen  Fa- 
gaden  verzichten  sie  auf  jede  vertikale  Gliederung  durch  Pilaster 
oder  Lisenen,  dagegen  wetteifern  sie  erfolgreich  mit  jenen  im 
Beiz  der  durchbrochenen  frei  aufgelösten  Silhouette.  Voluten 
und  Schnörkel  jeder  Art  bäumen  sich  in  krausem  Spiel  gegen- 
einander, und  mit  den  gothischen  Fialen  wetteifern  die  alla  Ru- 
stika gebänderten  Pyramiden  sammt  den  Kugeln  und  den  krö- 
nenden Eisenblumen.  Man  erkennt  hier  so  recht  wie  der  Barock- 
giebel durch  die  verschiedenen  Stadien  einer  noch  einfacheren 
Frtthrenaissance  sich  aus  der  gothischen  Form  entwickelt  hat  An 
Mannigfaltigkeit  und  Feinheit  in  der  Silhouette  sind  diese  späten 
Bauten  den  viel  gleichartigeren  des  Mittelalters  entschieden 
ttberlegen. 

Die  Hauptbeispiele  finden  sich  am  Frinzipalmarkt;  No.  32, 
33,  34,  35  (von  1612),  36  (von  1653),  37  (von  1657).  Aehnlich 
ebendort  No.  43,  44,  48  (von  1627),  die  Arkadenbögen  mit  hüb- 
schen Zahnschnitten  gesäumt,  ferner  Bogenstrasse  31  und  36 
(v.  J.  1617),  letztere  ohne  Arkaden.  Bei  allen  diesen  Fa^aden 
ist  es  auffallend,  wie  sehr  jede  plastische  Gliederung  der  Fläche 
bis  auf  die  durchlaufenden  Gesimse  vermieden  ist  und  vielmehr 
die  ganze  Kraft  der  Phantasie  sich  auf  die  Ausbildung  der  Sil- 
houette des  Giebels  concentriii. 

Am  Rathhaus  ist  die  Rückseite  in  Renaissanceformen  durch- 
geführt. Im  Innern  hat  der  !Friedenssaal,  sowie  der  Saal  des 
Erdgeschosses  reiche  Holzgetäfel  der  späten  Zeit  Auch  die  Bett- 
lade, angeblich  von  Johann  von  Leyden,  ist  beachtenswerth. 

Im  Dom  ist  ausser  einer  Anzahl  guter  Epitaphien  und  Altäre 
nichts  Bemerkenswerthes  aus  dieser  Zeit  Der  Eapitelsaal  zeigt 
eine  Holzvertäfelung  der  Frührenaissance. 

Der  aus  den  Niederlanden  eingedrungene  Mischstil  von  Hau- 
stein und  Ziegelbau  ist  an  dem  interessanten  Rathhaus  zu  Bocholt 
in  anziehender  Weise  vertreten. 

Wie  weit  dieser  Stil  landeinwärts  gedrungen  ist,  beweisen 
zwei  Privathäuser  in  Dortmund.  Das  eine  am  Ostenhell- 
weg No.  5,  ein  Eckhaus  mit  hohem  Seitengiebel  vom  Jahre  1607, 
mit  der  Inschrift:  Gandori  cedit  invidia.  Die  Fenster  haben 
Entlastungsbögen  in  Rustika,  die  einzelnen  Steine  mit  Köpfen 
geschmückt  Die  Flächen,  jetzt  getüncht,  sind  in  Backstein  aus- 
geführt. Ein  ähnliches  Haus  in  derselben  Strasse  No.  iVs)  vom 
Jahre  1619,  hat  noch  unverputzte  Flächen. 


Kap.  XVn.    Die  nordwestlichen  Binnenländer.  925 

In  der  Marienkirche  ist  die  reichgesehnitzte  Orgelempore 
ein  noch  völlig  gothisehes  Werk.  Die  geschuppten  ionischen 
und  die  kannelirten  dorischen  Pilaster  des  rechten  FlOgels  der 
Brüstung  gehören  offenbar  einer  späteren  Erneuerung  an. 

Bei  der  Keinoldikirche  ist  der  imposante  viereckige  Thurm 
der  Westfa^ade  wohl  als  das  beste  und  bedeutendste  derartige 
Werk  unsrer  Renaissance  zu  bezeichnen.  Die  lisenenartigen  Ver- 
stärkungen der  Ecken,  die  Profile  der  Fenster-  und  Bogennischen 
mit  ihren  Einkehlungen  erinnern  noch  an's  Mittelalter.  Die 
Galerie,  welche  den  hohen  viereckigen  Bau  abschliesst,  hat  ein 
schönes  Gitter  von  Schmiedeeisen  mit  prächtigen  Blumen  auf  den 
Ecken.  Der  achteckige  Aufsatz  mit  seinen  beiden  Kuppeln,  La- 
ternen und  der  schlanken  Spitze  hat  bei  trefflichen  Verhältnisaen 
einen  edlen  Umriss.  Die  Gesammthöhe  beträgt  254  Fuss.  Die 
Auffuhrung  des  Werkes  geschah,  nachdem  der  frühere  gothische 
Spitzthurm  in  Folge  des  Erdbebens  von  1640  im  Jahre  1659  ein- 
gesttlrzt  war,  erst  seit  1662  durch  die  Baumeister  Pistor  von 
Elberfeld  und  Johannes  Feldmann  von  Dortmund. 


£heinla-nd. 

Am  Niederrhein  sind  nur  vereinzelte  Werke  der  Renaissance 
zu  verzeichnen.^)  In  Emmerich  bewahrt  die  Kirche  einen 
messingenen  Taufkessel  in  den  Formen  der  Frtthrenaissance. 
Wesel  besitzt  am  Markt  ein  Giebelhaus  ganz  von  Hausteinen  in 
edlen  Renaissanceformen  durchgebildet.  In  Xanten  zeigt  der 
.  Kreuzgang  am  Münster  Gewölbe  mit  Renaissanceconsolen,  und 
das  Münster  selbst  schöne  Epitaphien.  In  Galcar  finden  sich 
mehrere  Holzschnitzaltäre,  theils  in  gothischen,  theils  in  Früh- 
renaissanceformen. In  Joch  mehrere  Steinbauten  mit  Erkern  und 
ein  Stadtthor  mit  runden  Thürmen.  In  der  Kirche  zu  Kempen 
ein  Orgelgehäuse  noch  aus  früher  Renaissancezeii  In  Düssel- 
dorf bewahrt  die  Stadtkirche  das  prächtige  Marmorgrab  Herzog 
Wilhelms  von  Jülich -Cleve- Berg  (f  1592),  wahrscheinlich  eine 
niederländische  Arbeit  Ein  originell  in  streng  dassicistischer 
Weise  durchgeführtes  Werk  ist  der  als  Archiv  dienende  Anbau 
am  Rathhaus  in  Jülich,  noch  in  guter  Renaissancezeit  errichtet 
Unsere  Abbildung  (Fig.  250)  giebt  über  das  Einzelne  Aufschluss. 


0  Werthvolle  Notizen,  unterBtUtzt  von  trefflichen  Zeichnungen  hat  Herr 
BaurathRaschdorff  mir  mitgetheilt,  dem  ich  für  seine  eifrige  Fördenmg 
meiner  Studien  dankbar  bin. 


926  UI.  Bnoh.    Renmiissitce  in  Dent«ch1and. 

Erst  iß  Köln')  finden  wir  etwas  reichere  AuBbeute,  aber 
aueh  bier  weitaog  nicht  im  Verhältnias  zur  Macht  und  GrBBse  der 
Stadt  Nach  Anlag^e  und  Umfang  sowie  nach  der  Ffllle  ehrwür- 
diger Denkmäler  von  der  RSmcrzeit  bis  znm  Ausgang  des  Mittel- 
alters gehdrt  die  Metropole  des  Rheinlandes  zu  den  g^ossartigsten 


Stfldten  Deutechlande.  Die  imposanten,  durch  Mannicbfaltigkeit 
der  Formeo  und  Beiehthum  der  Ausbildung  untlbertro9enen 
Kirchenbauten  der  romanischen  Epoche  finden  ihre  Krönung  in 
dem  inltehtigen  gothischen  Dome,  der  wieder  eine  Anzahl  andrer 
Kirchen  nach  sich  zog.  Spricht  eich  in  diesen  Monumenten  der 
stolze  erzbiscböfliche  Sitz  aus,  so  erkennt  man  in  den  Profan- 
bauten die  seit  dem  13.  Jahrhundert  unaufhaltsam  steigende  Macht 
des  Btlrgerthumea.  Die  günstige  Lage  am  Rhein,  verbunden  mit 
dem  frUh  errungenen  Stapelrechte,  die  Verbindung  mit  der  Hansa, 
machten  Köln  zum  Hauptstapelplatz  des  Handels  zwischen  Nieder- 


■)  Ueber  Kfiln  verdanke  ich  orientirenda  Nach  Weisungen,  die  meinen 
eignen  UnteraucbaDgen  als  Anhalt  dienten,  dem  mit  den  alten  DenkmXlem 
wohl  vettranten  und  eifrig  nm  sie  besorgten  Herrn  F.  Frantzen  daaelbat 


Kap.  XYII.    Die  nordwestlichen  Binnenländer.  927 

und  Oberrhein,  zwischen  Norddeutschland  und  Holland  und  den 
süddeutschen  Oebieten.  Noch  jetzt  erkennt  man  in  dem  gothischen 
Bathhaus  mit  seinem  prächtigen  Hansesaal,  in  dem  Gürzenich 
und  den  grandiosen  Befestigungen  mit  ihren  Mauern^  Thoren  und 
Thürmen  die  Macht  des  damaligen  Bürgerthums,  die  im  Kampfe 
mit  der  geistlichen  Gewalt  endlich  soweit  erstarkte,  dass  die 
Erzbischdfe  gezwungen  wurden  ihre  Residenz  nach  Bonn  zu  verlegen. 

Die  Renaissance  freilich  kommt  in  der  Stadt,  deren  monumentale 
Bedeutung  im  Mittelalter  wurzelt,  nur  in  bedingter  Weise  zur 
Geltung.  Der  bürgerliche  Privatbau  ist  auffallend  dürftig,  selbst 
im  Schluss  der  Epoche  noch  unscheinbar;  die  Rathhaushalle  ist 
der  einzige  profane  Prachtbau.  Etwas  günstiger  dagegen  stellt 
es  sich  in  Werken  kirchlicher  Art  Doch  auch  hierbei  handelt 
es  sich  mehr  um  einzelne  dekorative  Arbeiten  als  um  grosse 
Gesammtconceptionen.  Nur  die  Jesuitenkirche  am  Ausgang  der 
Epoche  macht  eine  Ausnahme. 

Bezeichnend  für  das  Verhalten  Kölns  zu  dem  neuen  Stile  ist 
der  Umstand,  dass  das  früheste  Werk,  mit  welchem  derselbe  hier 
auftritt,  sich  auf  den  ersten  Blick  als  eine  flandrische  Arbeit  zu 
erkennen  giebt.  Ich  meine  den  prächtigen,  jetzt  als  Orgelempore 
aufgestellten  Lettner  in  der  Gapitolskirche,  der  nachweislich  im 
Auitrage  des  kaiserlichen  Raths  und  Hofmeisters  Georg  Hackenay 
von  einem  Künstler  in  Mecheln  gearbeitet  und  1524  nach  Köln  ge- 
bracht wurde.  ^)  Die  reichgegliederte  Architektur  dieses  pracht- 
vollen aus  weissem  und  schwarzem  Marmor  errichteten  Werkes, 
namentlich  die  gebündelten  Pfeiler  mit  ihren  Laubkapitälen,  Gurten 
und  Basen,  auch  die  Nischen  der  Brüstung  mit  ihren  übers  chwänglich 
üppigen  Baldachinen  zeigen  ein  originelles  Gemisch  von  spät  mittel- 
alterlichen und  Frührenaissance -Formen.  Und  zwar  dies  Alles 
sowie  der  Stil  der  zahlreichen  figürlichen  Reliefs  und  Statuetten 
in  einer  Behandlungs weise,  die  sofort  an  flandrische  Arbeiten  jener 
Zeit  erinnert.  Die  neuerdings  veröffentlichten  urkundlichen  Nach- 
richten bestätigen  das  Urtheil,  welches  aus  dem  künstlerischen  Cha- 
rakter des  Werkes  sich  aufdrängt 

Es  dauert  nun  noch  eine  Weile,  ehe  bei  einheimischen  Meistern 
die  Renaissance  sich  einbürgert  Die  ersten  Spuren  fand  ich  bei 
einem  unscheinbaren  Wandepitaph  des  1539  verstorbenen  Anton 
Eeyfeld  im  nördlichen  Chommgang  des  Domes.  Das  kleine  Denk- 
mal, von  Gandelabersäulchen  mit  hübschen  Widderkopfkapitälen 
eingerahmt  und  von  einem  Giebel  bekrönt,  enthält  ein  gutes  Re- 
lief der  Auferstehung  Christi,  dabei  der  Verstorbene  im  Geleit 


>)ygl.  L.  Ennen  in  der  Zeitschr.  f.  bild.  Kunst  YII,  139  fg. 


928  HL  Buch.    KenaiBsance  in  Deutschland. 

seines  Schatzpatrons,  des  h.  Antonius.    Gleich  daneben  ein  andres 
I  kleines  Grabdenkmal  ähnlicher  Art,  reich  mit  Pflanzenomament 

in  den  Pilastem,  welche  die  Tafel  einfassen.  Als  Abschluss  ein 
Giebel  mit  Maschelfüllnng,  krönendes  Laubwerk  und  Engel  mit 
den  Marterwerkzeugen,  im  Hauptfelde  Christus  am  Oelberg  betend. 
Die  Ornamente  yergoldet  Dabei  Namenszug  und  Steinmetzzeichen 
des  Meisters.  ^)  Dieselbe  Hand,  obendrein  beglaubigt  durch  das  n&m- 
liehe  Monogramm,  findet  sich  am  südlichen  Ende  des  Umgangs 
in  dem  Denkmal  des  Hans  Scherrerbritzem.  Die  Behandlung  der 
Pilaster  ist  dieselbe,  nur  die  Kapit&le  zeigen  eine  Variation,  auch 
tragen  sie  hier  einen  Bogen  als  Abschluss,  der  mit  freiem  Orna- 
ment bekrönt  ist  Auf  der  Tafel  das  edel  behandelte  Belief  des 
Gekreuzigten,  der  von  den  heiligen  Frauen  und  Johannes  betrauert 
wird.    Die  Formen  deuten  auf  die  Zeit  um  1540. 

Interessant  ist  nun,  dass  man  demselben  Meister  mit  dem 
gleichen  Monogramm  an  dem  hübschen  kleinen  Epitaphium  begeg- 
net, welches  an  der  Südwand  in  der  Vorhalle  von  S.  Gereon  dem 
1547  gestorbenen  Grafen  Thomas  von  Bieneck  errichtet  wurde. 
Statt  des  figürlichen  Beliefs  enthält  die  Tafel  nur  eine  Inschrift, 
aber  eingerahmt  rings  Yon  zierlich  behandelten  Wappen;  darüber 
ein  Aufsatz  mit  einem  grösseren  Wappen,  wiederum  bekrönt  von 
einem  Giebel  mit  MuschelfUlung,  auf  welchem,  von  Laubwerk 
eingefasst,  ein  jetzt  zerstörter  Putto  zwei  kleinere  Wappen  h&lt 
Das  Ganze  polychromirt  und  von  decorativem  Beiz.  (Gegenüber, 
an  der  Nordwand,  dürftige  Beste  eines  ähnlich  behandelten  Epi- 
taphs, durch  eine  spätere  Inschrifttafel  verdrängt). 

Aus  gleicher  Epoche  rührt  im  Ereuzgang  des  Stadt.  Mu- 
seums das  herrliche  kleine  Grabmal  des  1551  verstorbenen  Dr. 
juris  Petrus  Glapis,  alias  Breitstein,  wie  die  Inschrift  ihn  nennt 
ein  Werk  von  delikatester  Ausführung,  mit  feinem  Banken-  und 
Laubomament  und  zwei  trefflich  gearbeiteten  Wappen  geschmückt 
Daneben  ein  andres  von  minder  zarter  Behandlung,  aber  unten 
mit  einem  Fries  von  Putten  decorirt,  die  in  schwellend  weichem 
Belief  ausgeführt  sind.  Einige  prachtvolle  Kamine  ebendort  ge- 
hören bereits  der  vorgeschrittenen  Epoche  an. 

Noch  einiges  aus  der  Frühzeit  in  S.  Georg.  Das  Portal  der 
Südseite  originell  componirt,  mit  Anschluss  an  romanische  Grund- 
formen (1536).  Besonders  aber  im  Chor  das  Sakramentsge- 
häuse vom  J.  1556,  in  schlankem  Aufbau  nut  dekorirten  Pilastem, 
Candelabersäulchen,  in  Friesen  und  allen  übrigen  Flächen  mit 

A^H 

0  Dieser  tüchtige  Künstler  bezeichnet  sich       vr 


Kap.  XVII.    Die  nordwestlichen  Binnenländer.  920 

zierlichem  Laubomament  bedeckt  Dazu  reiche  figttriiche  Reliefs: 
Abraham  und  Melehisedech,  die  Mannalese ,  der  Baum  des  Lebens, 
oben  das  Abendmahl,  dies  Alles  freilich  nur  Mittelgut 

In  S.  Gereon  besitzt  die  Krypta  einen  trefflichen  Altar,  der 
um  1550  entstanden  sein  mag.  Vier  reich  dekorirte  Pfeiler,  da- 
zwischen und  daneben  yier  Heiligenstatuen,  und  in  der  Mitte  ein 
Crudfixus ;  darüber  ein  ziemlich  kraus  eomponirter  Aufsatz,  eben- 
falls mit  feinen  Ornamenten  der  Frtthrenaissance  bedeckt  Das 
reich  polychromirte  Werk,  dessen  genauere  Untersuchung  die 
Dunkelheit  des  Ortes  sehr  erschwert,  ist  aus  einem  feinen  Tuff- 
stein, der  in  der  Eifel  bricht,  gearbeitet  Ein  treffliches  Schnitz- 
werk ungefähr  derselben  Epoche  ist  in  der  Oberkirche  das  schöne 
Orgelgehftuse  durch  feine  lisenenartige  PUaster  gegliedert  und 
mit  elegant  gezeichnetem  Laubwerk  geschmtlckt,  dabei  massvoU 
vergoldet  (Die  allerliebsten  musicirenden  Engel  wohl  ein  späte- 
rer Zusatz.)  Das  Ganze  gipfelt  hoch  oben  in  drei  luftig  durch- 
brochenen kuppelartigen  Tabernakeln.  Ein  ungemein  brillantes, 
reich  mit  figürlichen  Darstellungen  ausgestattetes  Werk  der 
Schlussepoche  dagegen  ist  das  Sakramentsgeh&use.  Es  trägt 
das  Monogramm  EH. 

Aus  derselben  Spätzeit  besitzt  Maria  Lyskirchen  eine 
prächtig  barocke  Orgel  und  am  Hauptportal  eine  tttchtig  ge- 
schnitzte Holzthttr  von  1614. 

Ein  Hauptwerk  Yom  Ausgang  unserer  Epoche  ist  aber  die 
grossartige  Jesuitenkirche,  von  1621-1629  erbaut,  in  der  Aus- 
stattung zum  Theil  noch  später  (1639.)  Trotz  des  späten  Datums  zeigt 
sie  die  so  oft  vorkommende  Verschmelzung  von  Gothik  und  Renais- 
sance, aber  in  ganz  andrem  Sinn  als  die  Kirche  zu  Wolfenbttttel. 
Hier  in  unmittelbarer  Nähe  des  Meisterwerkes  mittelalterlicher 
Construction  versteht  man  die  gothischen  Formen  noch  recht 
gut  und  baut  eine  dreischiffige  Kirche  mit  hohem  Mittelschiff  von 
ansehnlichen  Dimensionen.  Da  man  der  Predigt  wegen  viel 
Baum  bedarf,  so  giebt  man  den  Seitenschiffen  ein  vollständiges 
Obergeschoss,  unten  und  oben  mit  klar  entwickelten  Sterngewdlben. 
Diese  ruhen  auf  schlanken  Rundpfeilern  mit  antikisirenden  Kapi- 
talen, von  welchen  sich  aber  in  halber  Schafthöhe  die  unteren 
spitzbogigen  Arkaden  ohne  alle  Vermittlung  abzweigen.  Auch 
das  Mittelschiff  hat  Netzgewölbe  von  einfach  klarer  Gomposition. 
Die  Fenster  sind  durchweg  spitzbogig  mit  Masswerken,  die  frei- 
lich nicht  mehr  sehr  edel  und  organisch  sich  entfalten,  aber  doch 
immer  noch  gutes  Verständniss  im  Sinne  der  Spätgothik  bekunden. 
Dies  Alles  sowie  der  polygen  geschlossene  Chor  und  die  ebenfalls 
polygonen  Seitenchöre  muthet  noch  völlig  mittelalterlich  an. 

K  vgl  er,  Getch.  d.  Baukunst.  V.  59 


930  ^'  Bach.    Renaissance  in  Deutschland. 

So  hat  auch  die  Fa^ade  ein  hohes  Spitzbogenfenster,  an  den 
Seiten  kleinere,  sämmtlieh  mit  den  herkömmlichen  Masswerken. 
Aber  die  Fenster  sind  in  antikisirende  Rahmen  gefasst,  die  Strebe- 
pfeiler als  mächtige  dorische  Pilaster  entwickelt,  die  Portale 
vollends,  namentlich  das  mittlere,  in  den  flppigen  Formen  des 
Barocco  dnrchgefflhrt  Endlich  hat  man  die  Fafade  mit  einem 
Thnrmpaar  eingeschlossen,  dessen  Lichtöffhnngen  denen  der 
romanischen  Thurmbauten  nachgeahmt  sind,  nur  dass  die  kleinen 
Theilungssftulen  wieder  dorische  Kapitale  zeigen. 

Im  Innern  darf  die  Ausstattung  mit  Schnitzarbeiten  als  ein 
hochbedeutsames  Werk  bezeichnet  werden.  Die  Beichtstühle  in 
den  Seitenschiffen  bilden,  in  Verbindung  mit  der  zwischen  ihnen 
fortgeftthrten  WandvertAfelung  eine  unvergleichlich  wirkungsvolle, 
el^ante  Bekleidung.  Die  Formen  natürlich  schon  stark  barock, 
aber  mit  Feinheit  gehandhabt,  die  Gomposition  in  ihrer  Art  ein 
Musterstttck.  die  Ausführung  ebenso  gediegen  wie  prachtvoll 

Der  Kölner  Profanbau  dieser  Epoche  gipfelt  in  der  herrlichen 
Halle,  welche  man  1569  dem  mittelalterlichen  Rathhaus  vor- 
zubauen beschloss.  Die  älteren  gothischen  Theilcf  des  Gebäudes, 
im  Innern  besonders  durch  den  Hansasaal  mit  seinen  Malereien 
und  Sculpturen,  im  Aeusseren  durch  den  selbständig  hinzugefügten 
stattlichen  Thurm  ausgezeichnet,  sind  im  Uebrigen  nicht  von 
einem  der  hervorragenden  Stellung  der  Stadt  entsprechenden  Werthe. 
Im  Sinne  der  neuen  prunkliebenden  Zeit  sollte  nun  eine  jener 
malerischen  „Lauben*'  hinzugefügt  werden,  durch  welche  man 
damals  selbst  den  einfacheren  älteren  Rathhäusem  erhöhten  Glanz 
zu  geben  suchte.  Von  allen  derartigen  Rathhauslauben  der  Renais- 
sancezeit ist  ohne  Frage  die  Kölner  die  prachtvollste.  Sie  findet 
hauptsächlich  Analogieen  an  den  Rathhäusem  zu  Halberstadt, 
Lemgo,  Herford,  während  man  in  Lübeck  und  Bremen  weiter- 
gehend sich  zu  ganzen  neuen  Fa^aden  mit  Bogenhallen  entschloss. 
Diese  Lauben  bilden  im  Erdgeschoss  stets  eine  offne  Halle,  welche 
in  Köln  vor  ihrer  den  neueren  Bedürfnissen  entsprechenden  jüngsten 
Umgestaltung  zugleich  als  Stiegenhaus  die  in  doppelten  Läufen 
aufsteigende  Treppe  zum  Rathssaal  enthielt  Das  obere  Geschoss 
besteht  abermals  aus  einer  offnen  Halle  von  vornehmen  Verhält- 
nissen, gleich  dem  ganzen  Bau  stattlich  angelegt  und  reich  ge- 
schmückt (Fig.  251).  In  Gomposition,  Gliederung  und  Ornamentik 
spricht  sich  ein  classicistischer  Sinn  aus,  aber  keineswegs  in 
trookner,  schulmässiger  Weise,  sondern  noch  mit  dem  anziehen- 
den dekorativen  Spiel,  der  liebenswürdigen  Freiheit,  welche 
sonst  nur  die  Frührenaissance  kennt.  Dahin  gehört  auch  der  an  der 
oberen  Halle  zur  Verwendung  gekommene  Spitzbogen,  der  gleich- 


FlI.  m.    Buhbui  iB  KSIn. 


Kap.  XVn.    Die  nordwestlichen  Binnenländer.  933 

wohl  in  antiker  Form  gegliedert  und  eingerahmt  ist  Durch  ihn 
ist  eine  gewisse  Uebereiustimmung  mit  den  grossen  Spitzbogen- 
fenstem  des  anstossenden  älteren  Baues  bewirkt  worden.  Die 
auf  reich  dekorirte  Stjlobate  gestellten  korinthischen  Säulen  beider 
Geschosse  mit  den  stark  vorspringenden  verkröpften  Gebälken  und 
dem  mächtigen  Consolengesims,  die  prächtigen  stark  auskragenden 
Scblusssteine  unter  den  vortretenden  Theilen  des  Gebälks,  die 
Medaillonkopfe  in  den  unteren  Friesen  und  Zwickeln,  die  Yictorien 
in  den  oberen  Bogenfeldem,  endlich  die  abschliessende,  an  den 
vorspringenden  Theilen  geschlossene,  an  den  untergeordneten 
Zwischenfeldem  durchbrochene  Balustrade,  das  Alles  sind  Elemente 
jener  durchgebildeten  Renaissance  wie  sie  seit  Sansovino's  Biblio- 
thek als  Ausdruck  höchster  Pracht  sich  eingebürgert  hatte.  Da- 
gegen gehört  das  steile  Dach  mit  seinen  Lucamen  und  dem  in 
der  Mitte  der  Fa^ade  vorgesetzten  Dacherker,  der  in  seiner  Nische 
die  Statue  der  Justitia  trägt,  zu  den  Elementen  nordischer  Kunst 
Auch  die  Gewölbe  der  Halle,  deren  Rippen  aufs  Eleganteste  mit 
Perlschnttren,  deren  Schlusssteine  mit  Rosetten  und  Masken  de- 
corirt  sind,  zeigen  noch  gothische  Construction. 

Die  Anmuth,  die  leichte  Schlanckheit  der  Verhältnisse  in 
diesem  schönen  Bau  wird  durch  die  feinste  ornamentale  Aus- 
bildung bis  ins  Einzelne  noch  erhöht.  Selbst  die  Unterseite  der 
Archivolten,  welche  über  den  vortretenden  Säulen  ausgespannt  sind, 
zeigt  köstliche  Füllungen  graziös  sculpirter  Rosetten.  Die  Stylo- 
bate  haben  elegante  Masken,  die  in  ein  Rahmenwerk  von  aufge- 
rollten und  zertheilten  Bändern  eingelassen  sind.  Auch  die  Stei- 
gerung vom  Einfacheren  zum  Reicheren  ist  fein  beachtet:  so 
haben  die  unteren  Säulen  uncannelirte  Schäfte,  die  oberen  weit  schlan- 
keren gegürtete  Schäfte,  am  unteren  Theil  omamentirt,  am  oberen  mit 
Canneluren  versehen.  Am  Dacherker  bilden  endlich  hermenartige 
Karyatiden  die  Einfassung,  diese  freilich  nicht  eben  sehr  organisch 
verwendet  Zu  den  zahlreichen  Inschriften,  welche  den  ganzen 
Bau  verschwenderisch  schmücken,  kommen  an  den  Brüstungen 
der  oberen  Halle  noch  figürliche  Reliefs,  die  indess  gleich  dem 
übrigen  plastischen  Schmuck  keinen  hervorragenden  Werth  haben. 
Die  elegante  Wirkung  ist  nicht  wenig  durch  das  Material  bedingt 
welches  im  Erdgeschoss  aus  einem  schönen  schwärzlichen  mar- 
morartigen Stein  von  Namur,  im  oberen  Stock  aus  einem  leider 
stark  verwitterten  feinkörnigen  gelben  Sandstein  besteht  Fassen 
wir  Alles  zusammen,  so  haben  wir  es  init  einem  der  feinsten 
Werke  der  Renaissance  in  Deutschland  zu  thun. 

Als  Urheber  des  Baues  wird  man  jenen  Meister  zu  betrachten 
haben,  welcher  laut  RathsprotokoU  am  30.  März  1569  beauftragt 


934  m.  Bach.    Benaiflsance  in  Deutschland. 

worden  war,  für  das  neue  Portal  weinen  Patron  anzufertigen,^ 
nachdem  man  am  23.  Juli  1567  beschlossen  hatte  das  alte  bau- 
fälKge  Portal  zu  beseitigen  und  durch  ein  neues  zu  ersetzen.^) 
Der  untere  Theil  sollte  von  Namürer  Stein  gemacht  werden,  für 
das  Uebnge  bezog  man  die  Steine  von  Notteln  im  Mflnsteriande 
und  von  Weibern;  die  Treppenstufen  kamen  von  Andernach. 
Jener  Meister,  der  dann  auch  die  Ausßihmng  des  Baues  erhielt, 
wird  uns  als  WUhelm  Vemickel  aus  Köln  bezeichnet  Weitere 
Nachrichten  über  diesen  trefflichen  Kttnstler  seheinen  zu  fehlen. 
Im  Jahre  1573  stellt  der  fiath  unterm  4.  Mai  dem  Meister  das 
Zeogniss  aus,  dass  er  das  Portal  zur  Zufriedenheit  vollendet  habe. 
Ursprünglich  hatte  die  Halle  eine  flache  Decke,  die  erst  1617 
durch  ein  Gfewölbe  ersetzt  wurde.  Dass  Vemickel  unter  dem 
Einfluss  der  eleganten  Benaissance  des  benachbarten  Flanderns 
stand,  erkennt  man  aus  seinem  Werke  deutlich.  Um  so  werth- 
voUer,  dass  er  gegen  mehrere  niederländische  Künstler  siegreich 
auftrat,  die  offenbar  zu  einer  Concurrenz  veranlasst  worden  waren. 
Wenigstens  hatte  ein  Heinrich  van  Hmselt  schon  1562  einen  Plan 
eingereicht,  der  noch  vorhanden  ist.  Im  städtischen  Archiv  näm- 
lich bewahrt  man  mehrere  alte  Pläne,  welche  auf  den  Bau 
dieser  Halle  Bezug  haben.  Einige  rtlhren  von  Niederländern  her, 
beweisen  also  aufs  Neue,  (wie  schon  am  Lettner  der  Capitolskirche), 
dass  man  hier  bei  hervorragenden  Werken  sich  noch  nicht  un- 
bedingt auf  einheimische  Meister  verlassen  zu  dürfen  glaubte. 
Als  Zeugniss  der  verschiedenen  damals  sich  kreuzenden  künstle- 
rischen KichtuDgen  haben  diese  Blätter  ein  hervorragendes  Interesse. 
Einige  Bemerkungen  über  dieselben  sind  also  wohl  am  Platze.^) 
Der  erste  Plan,  mit  der  Feder  entworfen  und  in  Farbe  ge- 
setzt, ist  bezeichnet:  ^Lambertus  Sudermann  alias  Suavius  fecit 
anno  1562.^  Diese  Inschrift  beweist  beiläufig,  dass  Lambert  Suter- 
mamn  mit  L.  Suavius  (bei  Yasari  ^Lamberto  Suave  da  Liege^) 
identisch  ist.  Der  Entwurf  zeigt  einen  etwas  trocken  klassischen 
Bau;  unten  geschlossene  Wandflächen  mit  eingelegter  Marmor- 
fassung.  Darüber  in  den  Brüstungen  Reliefs  von  weissem  Marmor. 
Die  obere  offene  Halle  auf  gekuppelten  dorischen  Säulen,  deren 
Schäfte  von  Marmor,  die  Kapitale  und  Basen  von  Bronce.  Als 
Abschluss  eine  Attica  mit  ionischen  Pilastem,  die  aber  durch 
Marmortafeln  mit  Emblemen  und  Ornamenten  fast  ganz  verdeckt 
sind.    Die  BogenfüUungen  haben  Reliefs,  darüber  noch  liegende 


0  Die  histor.  Notizen  verdanke  ich  Herrn  Dr.  Ennen.  —  ')  Die  zuvor- 
kommende Güte  des  Stadtarchivars  Herrn  Dr.  Ennen  verschaffte  mir  die 
eigene  Anschauung  dieser  Blätter. 


Kap.  XVII.    fHe  nordwestlichen  Binnenl&nder.  935 

Zwickelfiguren.  In  der  Mitte  baut  sich  eine  Aedicula  auf  mit 
korinthischen  Säulen  und  einem  Giebe),  den  ein  Adler  krönt  Auf 
den  Seiten  sind  Statuen  aufgestellt,  deren  zwei  sieh  komisch 
genug  an  die  Aedicula  lehnen.  Das  Figdrlich^i  in  dem  allegorisch- 
sententiösen  Geschmack  der  Zeit  erfunden  und  mit  reichlichen 
Inschriften  erläutert,  ist  weder  in  Gedanken  noch  in  der  Zeichnung 
sonderlich  geistreich. 

Der  zweite  Plan  rtlhrt  inschriftlich  ebenfalls  von  einem  Nieder* 
länder  jenem  oben  erwähnten  Binrick  van  ffasselt.  Doppelhalie, 
unten  wie  oben  mit  flachgedrückten  korbartigen  Burgunderbogen 
sich  öffnend.  Unten  Bustica  mit  faeettirten  Quadern,  die  Pfeiler 
mit  vorgelegten  dorischen  Pilastern.  Oben  in  der  Mitte  ein  breiter 
Bogen  auf  ionischen  Pfeilern,  an  beiden  Seiten  die  OeffnuQgea 
getheilt,  durch  Pfeiler  mit  schwarz  gezeichneten  Flächenomamen- 
ten.  Die  obere  Ordnung  bekleidet  mit  ionischen  Pilastern,  welche 
in  wunderlich  verzierte  Hermen  und  Karyatiden  auslaufen.  Dann 
als  Abschluss  ein  breiter  Fries,  attikenartig,  in  der  Mitte  als  durch- 
brochene Balustrade  behandelt,  auf  deren  Eckpostamenten  eine 
weibliche  Figur  und  ein  Krieger  als  Wappenhalter.  Alle  Friese 
dekorirt  mit  Blumenranken,  dazwischen  Affen,  Vögel  und  andere 
Thiere.  Die  Schlusssteine  der  Bögen  phantastische  Köpfe,  Masken 
u.  dgl.  Ueber  den  Seitenarkaden  Schilder  mit  aufgerollten  Barock- 
rahmen. Das  Ganze  eine  reizlose  Mischung  heimischer  und  an- 
tiker Formen,  von  einem  mittelmässigen  Künstler  nicht  eben  ge- 
schickt mit  der  Feder  gezeichnet. 

Der  dritte,  nicht  mit  Namen  versehene  ist  ein  Palladianer  der 
strengen  Observanz.  Grosse  Zeichnung,  mit  Tusche  lavirt,  geo- 
metrischer Aufriss,  aber  mit  perspektivischer  Andeutung  der  Halles 
unten  nach  dem  Beispiel  mancher  palladianischer  Bauten  zu 
Vicenza  eine  dorische  Säulenhalle  ohne  Stylobate,  aber  mit  Tri- 
glyphenfries.  Dahinter  ein  Tonnengewölbe  mit  Gurten  auf  dorischen 
Wandpfeilern.  Oben  eine  streng  ionische  Säulenhalle  mit  weiten 
Intercolumnien,  die  durch  ein  Gebälk  verbunden  sind.  Die  Halle 
flach  gedeckt,  das  Gebälk  auf  ionischen  Pilastern  ruhend.  Eine 
durchbrochene  Balustrade  bildet  den  Abschluss,  in  der  Mitte  durch 
ein  kümmerlich  erfundenes  grosses  Kreisfeld  mit  dem  Wappen 
bekrönt,  beiderseits  von  einer  Sphinx  gehalten.  Der  Eindruck 
des  Ganzen  am  Meisten  dem  Palazzo  Chieregati  verwandt,  doch 
nüchtern  und  von  geringer  Erfindungskraft. 

Der  vierte  Plan  zeigt  eine  Variante  von  derselben  Hand^ 
die  hier  auf  reichere  Prachtentfaltung  abzielt  Die  untere  Bogen- 
halle ist  auf  Pfeiler  gestellt,  vor  welche  korinthische  Säulen  auf 
Stylobaten  ^treten.     Die    obere  Halle   hat  Compositasäulen,  am 


936  UI.  Bach.    BenaisBAnce  in  Deutachland. 

Mittelbau  zu  dreien  groppirt  Die  Bogenzwickel  haben  hier  Vie- 
tonen,  im  Uebrigen  mancherlei  Ornament  Den  Abschluss  bildet 
eine  Balustrade,  in  der  Mitte  mit  hflbscher  Akanthusranke  ge- 
füllt; darüber  derselbe  runde  Aufsatz,  wie  am  vorigen  Projekt 

Der  fünfte  Entwurf,  in  zwei  Varianten  vorhanden,  ist  der 
zur  Ausführung  angenommene.  Die  eine  zeigt  genau  die  An- 
ordnung des  wirklich  errichteten  Baues,  die  andere  wahrscheinlich 
zuerst  vorgelegte  mit  1571  bezeichnet^  bietet  mehrere  interessante 
Abweichungen.  Erstlich  hat  der  Entwurf  drei  Dacherker,  die 
seitlichen  rund,  der  mittlere  mit  Giebel  geschlossen.  Bei  der 
endgültigen  Kedaction  hat  man  die  seitlichen  Aufsätze  fortgelassen, 
die  Balustraden  und  ebenso  das  Consolengesims  kräftiger  ausge- 
bildet, die  oberen  Säulen  gegürtet  und  den  oberen  Scbafttheü 
kannelirt,  die  Bögen  oben  und  unten  abwechselnd  mit  eleganten 
Schlusssteinen  ausgestattet,  während  der  erste  Entwurf  dieselben 
unten  gar  nicht,  oben  dagegen  überall  zeigt  Auch  die  Anordnung 
der  Karyatiden  am  Dachgiebel  ist  abweichend,  und  jener  ursprüng- 
lich organischer. 

Im  Ganzen  wird  man  zugestehen  müssen,  dass  die  Kölner 
Stadtbehörde  in  der  Auswahl  richtiges  Yerständniss  und  glück- 
lichen Griff  bekundet  hat,  was  von  modernen  städtischen  CoUegien 
in  ähnlichen  Fällen  nicht  immer  behauptet  werden  kann. 

Die  übrigen  Theile  des  Rathhauses,  soweit  sie'  unsrer  Betrach- 
tung anheimfallen,  sind  nicht  von  gleicher  Bedeutung.  Doch  be- 
wahrt der  grosse  Saal  herrliche  Holzarbeiten  mit  schöner  Intarsia, 
1603  von  Melchior  Reidt  hergestellt  Besonders  die  Thtir  ist  ein 
Prachtstück  von  Zeichnung  und  Ausführung,  selbst  die  tiefe 
Laibung  der  Nische  ganz  mit  köstlich  eingelegter  Arbeit  ge- 
schmückt Auch  die  Decke  zeigt  treffliche  Gliederung  in  Stuck, 
mit  eingesetzten  Kaisermedaillons,  zum  Theil  vergoldet  und  be- 
malt Ebenso  ist  die  Thür  des  Gonferenzzimmers,  aus  dem  Zeug- 
hause hierher  versetzt,  eins  der  elegantesten  Werke  der  Intarsia, 
aus  derselben  Zeit  herrührend,  die  Ornamente  im  Blech-  und 
Schweifstil  des  beginnenden  Barocco  ausgeführt 

Dieser  Schlussepoche  gehört  nun  auch  der  sogenannte  ^  Spa- 
nische Bau.^  Er  liegt  dem  Hauptbau  des  Rathhauses  mit  der 
nach  Westen  schauenden  Halle  gegenüber  und  schliesst  mit  ihm 
den  kleinen  Platz  ein,  welcher  sich  als  Mittelpunkt  der  ganzen 
Anlage  darstellt  und  auf  der  nördlichen  wie  südlichen  Seite 
durch  kräftige  Barockportale  mit  den   benachbarten  Strassen  in 


')  Dies  späte  Datum  ist,    da  damals  der  Bau    schon  in  voller  Ausfiih- 
ruig  war,  auffallend. 


Kap.  XVII.    Die  Bordwestliohen  Binnenländer.  937 

Verbindung  steht  Diese  Portale  sammt  dem  Spanischen  Bau 
gehören  derselben  Epoche,  etwa  um  1600,  an.  Die  niederländische 
Spätrenaissance  mit  ihren  Backsteinmassen  und  den  hohen  in 
Sandstein  ausgeführten  Fenstern  herrscht  hier.  Das  Erdgeschoss 
aber  ist  in  kraftvoller  Bustica  aus  Quadern  mit  horizontalen 
Bändern  errichtet.  In  der  Mitte  öfifnet  sich  die  Fa^ade  mit  fänf 
offenen  Bögen,  die  in  eine  Halle  mit  gothischen  Kreuzgewölben 
führen.  Ein  Portal  an  der  Seite  zeigt  ein  prächtiges  Gitter  von 
Schmiedeisen;  auch  die  kraftvollen  Eisengitter  der  Fenster  an 
der  Südseite  des  Baues  sind  beachtenswerth.  Die  Mitte  der 
Fa^ade  krönt  ein  hoher  und  breiter  Barockgiebel  mit  Schweifen 
und  Voluten.    Alles  das  ist  derb,  einfach,  kraftvoll. 

Im  Innern  enthält  dieser  Bau  im  Erdgeschoss  ein  Zimmer 
mit  elegant  geschnitztem  Wandgetäfel,  durch  kannelirte  ionische 
Pilaster  gegliedert,  und  mit  reich  dekorirten  Friesen  abgeschlossen. 
Die  Decken  sind  überall  durch  gothische  Kreuzgewölbe  mit 
schönen  Schlusssteinen  gebildet  Eine  Wendeltreppe  führt  ins 
obere  Geschoss,  wo  ein  Saal  mit  einer  eleganten  Stuckdecke  von 
1644  geschmückt  ist  An  der  westlichen  Bückseite  des  ausge- 
dehnten Baues  führt  ein  besondrer  Eingang  zu  einer  der  pracht- 
vollsten, ganz  in  Holz  geschnitzten  Wendeltreppen;  vielleicht  die 
eleganteste  von  allen  noch  vorhandenen! 

Von  städtischen  Monumenten  ist  ausserdem  nur  etwa  noch 
das  Zeughaus  zu  nennen,  ein  schlichter  Backsteinbau  derselben 
Epoche,  durch  zwei  einfache  Staffelgiebel  und  ein  reiches  schon 
stark  barockes  Portal  in  Sandstein  bemerkenswertL  An  der 
Seitenfa^ade  ein  achteckiger  Treppenthurm,  oben  mit  hübschem 
Wappen  decorirt 

Die  Wohnhäuser  unsrer  Epoche  stehen  in  Köln  durchaus 
nicht  im  Verhältniss  zur  Bedeutung  des  Bürgerthums  der  mäch- 
tigen Stadt  Das  Wenige  von  früherem  Datum  ist  ohne  Schmuck 
und  künstlerische  Eigenthümlichkeit;  die  spärlichen  reicheren 
Bauten  gehören  schon  dem  Barocco  an.  Zuerst  behalten  die 
hohen  Giebelfa^aden  mit  ihren  von  Fenstern  ganz  durchbrochenen 
Geschossen  noch  den  Charakter  des  Mittelalters,  namentlich  die 
Fenster  mit  den  steinernen  Kreuzpfosten  und  die  schlichten 
Staffelgiebel,  deren  Absätze  höchstens  durch  leichte  Voluten-  oder 
Bogenabschlttsse  bekrönt  werden.  So  das  hohe  Eckhaus  am 
Heumarkt  und  dem  Seidmachergässchen.  Ein  stattlicher  Giebel 
mit  kräftig  ausgebildeten  Voluten  Heumarkt  No.  24.  Reich  ge- 
schnitzt der  Balken  zum  Aufwinden  der  Lasten  in  der  oberen 
Dachluke.  Solche  hübsch  decorirte  Balken  finden  sich  noch  an 
manchen  Häusern.    Ausnahmsweise   mit   hübsch    ornamentirten 


938  I^«  Bach.    Beiuussasce  in  DentsehUmd. 

Friesen  das  Haus  No.  20  ebendort.  Eine  zierliche  kleine  Fa^ade 
an  demselben  Platz  No.  11  hat  ein  classicistisches  Gepräge  be- 
sonders durch  die  Bogenfenster.  Am  Alten  Markt  20  und  22 
sodann  das  einfach  behandelte  Haus  zur  goldenen  Bretzel  mit 
Doppelgiebel,  die  Voluten  mit  runden  Scheiben  geschmückt; 
datirt  1580.  Ein  schlichtes  Giebelbaus  mit  Voluten  ohne  feinere 
Entwickelung  Grosse  Witschgasse  No.  36  vom  J.  1590.  Auch 
hier  ein  prächtig  geschnitzter  Balken  in  der  Dachluke.  An  einer 
sonst  werthlosen  Fafade  ebenda  No.  58  ein  httbsch  behandeltes 
figürliches  Belief,  von  zwei  Putten  gehalten.  Eine  der  pracht- 
vollsten Wendeltreppen  findet  sich  in  dem  Hause  No.  25  am 
MinoritenplatZf  in  edlem  Stil  mit  reichen  Ornamenten  und  ele- 
ganten Gliederungen  durchgeführt.  Diese  holzgeschnitzten  Trep- 
pen, die  nicht  bloss  an  den  Geländern  und  Brüstungen,  sondern 
oft  auch  an  den  Unterseiten  der  Stufen  dekorirt  sind,  bilden  eine 
besondere  Eigenthümlichkeit  der  Kölner  Bürgerhäuser. 

Schliesslich  sind  noch  einige  späte  aber  um  so  prächtigere 
Nachzügler  zu  erwähnen.  Eine  stattliche  Fagade  am  Filzengraben 
No.  24,  mit  zwei  besonders  hohen  Stockwerken  über  dem  £rd- 
geschoss;  die  Fenster  mit  steinernen  Ereuzpfosten,  aber  im 
Halbkreis  geschlossen;  der  Giebel  mit  reich  verschlungenen  und 
durchbrochenen  Schweif  bögen,  auf  den  unteren  Ecken  zwei  Bewaff- 
nete mit  Lanzen.  Die  Hofseite  des  ansehnlichen  Baues  ist  durch 
drei  hohe  Volutengiebel  ausgezeichnet.  Noch  viel  später,  schon 
aus  voller  Barockzeit,  das  Haus  zur  Glocke,  am  Hof  No.  14 
gelegen.  Die  Fagade  mit  ihrem  einfachen  Staffelgiebel  mag 
früherer  Epoche  angehören ;  aber  das  mit  derben  FruchtschntLren, 
Masken  u.  dgl.  geschmückte  Portal  und  die  innere  Ausstattung 
lassen  den  späten  Barockstil  erkennen.  Der  breite  und  hohe 
Flur  mit  seinen  stuckirten  Balken  ist  ein  schönes  Beispiel  der 
alten  Kölner  Hauseinrichtung.  Nach  der  Rückseite  schliesst  sich 
ein  grosser,  hoher,  reichlich  erleuchteter  Saal  an,  dessen  Decke 
ungemein  reiche  Stuckdecoration  zeigt,  in  der  Mitte  ein  kraftvolles 
Relief  des  Mutius  Scaevola,  der  die  Hand  über  das  Feuerbecken 
ausstreckt,  datirt  1693.  Eine  gut  geschnitzte  Wendeltreppe  führt 
zum  oberen  Geschoss,  wo  ein  ähnlicher  Saal,  nur  minder  üppig 
geschmückt,  sich  findet. 

Die  reichste  Fa^ade  dieser  Spätzeit,  bezeichnet  1696,  hat 
das  Haus  an  der  Sandbahn  No.  8.  Das  grosse  Hauptportal 
mit  zwei  kleineren  zum  Keller  führenden  Pforten  verbunden,  ist 
eine  wahrhaft  originelle,  acht  künstlerische  Conoeption  in  aus- 
gebildetem Barockstil.  Kannelirte  korinthische  Pilaster  fassen 
den  Thorbogen   ein;  und  ein  ovales  Fenster,  über  dem  Portal 


Kap.  XVII.    Die  nordwestlichen  Binnenländer.  939 

Ton  Patten  gehalten ,  gehliesst  die  Composition  sinnreich  ab.  Auch 
die  HausthUr  ist  durch  treffliches  Bchnitzwerk  in  ttppigen  Formen 
ausgezeiehnet  Denselben  Charakter  hat  im  Hausflur  die  Wendel- 
treppe, die  an  jeder  Stufe  mit  Ornamenten  bedeckt  ^und  am 
Aufgangspfeiler  mit  einer  kräftigen  Figur  des  Atlas  belebt  ist. 

Gewiss  hat  Vieles  Ton  solchen  Werken  innerer  Ausstattung 
im  Lauf  der  Zeiten  seinen  Untergang  gefunden.  Um  so  werth- 
Yoller  sind  die  wenigen  erhaltenen  Beispielei  denen  sich  vielleicht 
noch  andere,  die  mir  entgangen  sein  mögen,  anschliessen.  — 

In  der  Umgegend  von  Köln  besitzt  Brauweiler  in  seiner 
Abteikirche  zwei  Seitenaltäre,  der  eine  minder  interessante  vom 
J.  1562;  der  andere  von  1552^)  ein  werthvolles  Werk,  ungefähr 
im  Charakter  jenes  in  der  Krypta  von  S.  Gereon,  ebenfalls  .in 
Tuffstein  ausgeführt  und  ursprünglich  reich  bemalt  Der  Aufbau 
ftber  der  Mensa  beginnt  mit  einer  Predella,  welche  in  Nischen 
die  Brustbilder  von  vier  Heiligen  zeigt  Darüber  erheben  sich 
vier  reich  dekorirte  korinthische  Pilaster,  welche  in  der  Mitte 
eine  grosse  Nische  mit  der  gegen  4  Fuss  hohen  Gestalt  des 
Antonius  Eremita,  an  den  Seiten  je  zwei  kleinere  Nischen  über 
einander  mit  halb  so  grossen  Figuren  weiblicher  Heiligen  ein- 
schliessen.  Ueber  dem  Gesims  ist  die  Dedicationstafel  als  reich 
eingefasster  Aufsatz  angebracht;  die  obere  Krönung  des  Ganzen 
bildet  ein  Kruzifixus.  Alle  Gliederungen  sind  mit  eleganten  Laub- 
Ornamenten  im  zierlichen  Stil  der  Frtthrenaissance  bedeckt  In 
den  oberen  Theilen  spielt  eine  Reminiscenz  gothischer  mit  Ejrabben 
besetzter  Bögen  hinein.  Die  Ausführung  scheint  durchweg  von 
grosser  Feinheit  Die  Pilaster  haben  zart  gezeichnetes  Laubwerk, 
Gold  auf  blauem  Grunde.  Die  korinthischen  Kapitale  sind  ganz 
vergoldet;  ebenso  die  Seitenverzierungen  des  Aufsatzes.  Die 
Figuren  in  den  Nischen  haben  durchweg  Bemalung  und  Vergol- 
dung; die  Nischen  sind  auf  blauem  Grund  mit  silbernen  Orna- 
menten bedeckt 

Rheinaufwärts  ist  zunächst  in  Andernach  der  Leyische 
Hof  als  ein  Steinbau  der  Spätrenaissance  mit  prächtigem  Barock- 
portal bemerkenswerth.  In  Coblenz  sind  mehrere  Erker,  so  die 
an  der  Ecke  der  Kreuzstrasse,  zu  nennen.  Wichtiger  ist  aber 
die  Jesuitenkirche,  ein  stattlicher  Bau  der  Spätzeit,  etwas  früher 
als  die  Kölner,  von  1609 — 1617  aufgeführt,  und  wieder  in  anderer 
Weise  Mittelalter  und  Antike  mischend.  Die  drei  Schiffe  werden 
durch  dorische  Säulen  mit  Rundbogen-Arkaden  getheilt ;  auch  die 


0  Nach  Notizen  des  Herrn  F.  Frantzen  und  .einer  trefflichen  Aufiiahme 
des  Herrn  Architekten  C.  Lemmes  in  Köln. 


940  in.  Buch.    Benaissance  in  Deutschland. 

Emporen  über  den  Seitenschiffen  öffnen  sieh  in  ähnlicher  Bogenform 
gegen  das  Mittelschiff.  Dagegen  zeigen  sämmtliche  Räume  spät- 
gothische  Netzgewölbe;  ebenso  sind  die  Fenster  spitzbogig  mit  Fisch- 
blasen-lkfasswerk;  auch  eine  statüiche  Rose  an  der  Fa^ade  ist  noch 
in  guter  spätgothiseher  Weise  gegliedert  Doch  spielen  bei  der 
Behandlung  der  Details  Eierstab  und  Perlschnur  eine  grosse  Rolle. 
Die  Fa^ade  erhält  nicht  blos  durch  das  Rosenfenster,  sondern 
auch  durch  ein  lustig  dekorirtes  Portal  mit  Tier  einfassenden 
Säulen  und  nischenartigem  Aufsatz  in  spielend  reichen  Frtlh- 
barockformen  lebendige  Wirkung.  Auch  das  anstossende  Jesuiten- 
coUegium  zeigt  eine  tüchtige  Behandlung  im  beginnenden  Barocco, 
der  südliche  Flügel  1588,  der  westliche  1592,  der  nördliche  ein 
Jahrhundert  später  erbaut. 

Von  den  Grabdenkmälern  in  der  Earmeliterkirche  zu  Bop- 
pard,  welche  bereits  S.  83  kurze  Erwähnung  fanden,  theile  ich 
in  Fig.  252  das  prächtige  Wandgrab  des  Johann  von  Eltz  und 
seiner  Gemahlin  vom  J.  1548  mit^)  Originell  ist  der  Aufbau  des 
aus  drei  Flachnischen  bestehenden  Monumentes;  reizvoll  die  feine 
Dekoration  der  Pilaster,  der  Bogenfüllungen  und  der  wie  aus  Gold- 
schmiedewerk gearbeiteten  Umsäumungen  der  Nischen.  Im  mitt- 
leren Felde  sieht  man  die  Taufe  Christi  dargestellt,  zu  beiden 
Seiten  die  knieenden  Gestalten  der  Verstorbenen,  bei  denen  selbst 
die  Kostüme  aufs  zierlichste  durchgebildet  sind.  Es  ist  eine 
Schöpfung  von  hohem  decorativen  Reiz. 

Andere  elegante  Epitaphien  sieht  man  in  der  Kirche  zu 
Meisenheim;  doch  haben  dieselben  bei  Gelegenheit  der  fran- 
zösischen Invasionen  stark  gelitten. 

Besser  ist  es  den  anmuthigen  Grabmälem  in  der  Pfarrkirche 
zu  Simmern  ergangen.  Eine  Seitenkapelle  bildet  dort  ein 
Mausoleum  des  ehemaligen  Pfalzgräflichen  Hauses.  Zu  den  zier- 
lichsten Denkmälern  der  Frührenaissance  gehört  das  Epitaph  der 
Pfalzgräfin  Johanna,  gebomen  Gräfin  von  Nassau  und  Saarbrück, 
von  welchem  ich  einen  der  eleganten  Pilaster  unter  Fig.  253  mittheile. 
Das  Denkmal  wurde  wohl  bald  nach  dem  Tode  der  Dame  (f  1513) 
durch  ihren  Sohn  Johann  II  errichtet  Die  Figur  selbst  nicht 
von  hervorragendem  Werthe.  Eine  tüchtige  decorative  Arbeit 
ist  sodann  das  Doppelmonument  des  eben  genannten  Pfalzgrafen 
Johann  II  (f  1557)  und  seiner  ersten  Gemahlin  Beatrix  von  Baden, 
wahrscheinlich  bald  nach  ihrem  1535  erfolgten  Tode  ausgeführt 
Für  seine  zweite  Gemahlin  Marie  vonOettingen  hat  der  Pfalzgraf 


')  Die  Abb.  nach  einer  Zeichnung  meines  Freundes,  des  Archit.  W.  Bogler 
zu  Wiesbaden. 


Fit-  >fi><    Vom  Wiodcrilj  dt>  Jota,  Elti,  Id  der  KumtUtsrUreha  lu  Boppvd. 


Kap  XVII.    Die  DordwestUcheo  Bionenlünder.  943 

dann  Ibbb  ein  selbständigeB  kleineres  Denkmal  errichten  laaaen, 
du  mederum  die  Reliefgestalt  der  Verstorbenen  in  einer  über- 
aus eleptnten  Renaissance- 
Nisobe  enthält  Johann  II 
zei^  sieb  in  diesen  Denk- 
mftlem  als  einer  der  kunst- 
liebenden  Fürsten  seiner 
Zeit,  wie  er  auch  zu  den 
gelehrtesten  gehßrte.  In 
seinem  Schlosse,  das  später 
1689  durch  die  Mordbrenner- 
banden Ludwigs  XIV  ein- 
geäschert wurde,  errichtete 
er  eine  Drackerei,  aus  wel- 
cher unter  Leitung  seines 
Secretärs  Hierouymus  Rod- 
ler eine  Reihe  künstlerisch 
ausgestatteter  Werke  her- 
vorging (Tgl.  ober  B.  Kunst 
des  Messens  S.139).  Rodlers 
Grabmal  (t  1539)  befindet 
sich  ebenfolls  in  der  Kirche 
zu  Simmem,  und  ebendort 
ein  überaus  elegantes  Epi- 
tbapb  des  Jobaun  Stephan 
Rodler  (f  1574),wahrBeliein- 
lich  seines  Sohnes.  Noch 
ein  fein  behandeltes  Denk- 
mal von  1554  an  einem  Pfei- 
ler derselben  Kirche  verdient 
wegen  seiner  edlen  Einfach- 
heit Erwähnung.  Von  dem 
zierlichen  Charakter  der 
dortigen  Arbeiten  geben  wir 
ein  weiteres  Zeugniss  io 
1,,   ...  m  «     n  ^  .  j    »..    ..        unsrer  Fig.  254,  welche  das 

Fl«,  tu.  SlBUBim.     Vom  Onbmal  der  PMt|TUii  ,  t         ■      ilr  i 

jotunu.  (E«ichdor(r.)  blosB    duTch  Wappen    und 

Inschrifltafel  geschmückte 
Epitaph  der  PfaUgräfin  Alberta  vom  J.  1553  darstellt  Dies 
.  Werk  bewegt  sich  noch  auBBcbliessIich  in  den  Formen  einer  an- 
mathigen  FrUhrenaissance,  ohne  dass  irgendwie  barocke  Elemente 
sich  einmischten.  Das  imposanteste  aller  dieser  Denkmäler  ist 
das  Doppelmonument,  welches  Richard,  der  letzte  Pfalzgraf  von 


944  ni.  Buch.    Benaiauince  in  DentBchland. 

Simmern,  sich  und  seiner  Gemahlin  Juliane  von  Wied  bald  nach 
deren  Tode  (f  1575)  errichten  liess.  Es  enthält  die  beiden 
lebensgrossen  Statuen  des  fürstlichen  Ehepaares  in  einer  prächtig 
mit  Yortretenden  Säulen  und  biblischen  Beliefs  decorirten  nischen- 
artigen Halle  und  trägt  die  ttppigen,  schon  vielfach  barock  umge- 
bildeten Formen  der  Spätrenaissance.  Als  Verfertiger  darf  man 
Tielleicht  den  Meister  Johann  v<m  Trarhach  ansehen,  der  als  Schult- 
heiss  und  Bildhauer  zu  Simmem  lebte,  das  oben  S.  84  erwähnte 
prächtige  Epitaph  des  Orafen  Michael  in  der  Kirche  zu  Wert- 
heim schuf  und  1568  laut  noch  vorhandenem  Contrakt  das  ähnlich 
behandelte  Grabmal  des  Grafen  Ludwig  Casimir  von  Hohenlohe 
fttr  die  Kirche  von  Oehringen  arbeitete.')  — 

Nur  dfirftig  ist  es  um  die  fienaissance  in  dem  durch  seine 
gewaltigen  ROmerwerke  wie  durch  die  grossartigen  Denkmale  des 
Mittelalters  hervorragenden  Trier  bestellt  Die  Stadt  selbst  trägt 
weder  in  öffentlichen  noch  in  bürgerlichen  Privatbauten  irgend- 
wie ein  bemerkenswerthes  Ergreifen  des  neuen  Stiles  zur  Schau. 
Am  meisten  kommt  derselbe  auch  hier,  dem  geistlichen  Charakter 
des  Bischofsitzes  entsprechend,  in  einigen  kirchlichen  Werken  zur 
Erscheinung. 

In  der  Liebfrauenkirche  sind  in  den  dem  Eingang  benachbar- 
ten beiden  Polygonen  die  Balustraden  an  der  hochliegendon 
Wandgalerie  im  elegantesten  Stil  der  Frtthrenaissance  durchgefbhrt 
Die  t*ennenden  Pilaster  haben  ein  köstliches  Laubomament  in 
zart  behandeltem  Relief. 

An  der  Nordseite  von  S.  Matthias  sind  einige  Beste  stark 
zerstörter  Epitaphien  durch  die  Feinheit  ihrer  Arbeit  bemerkens- 
werth. 

Das  Bedeutendste  besitzt  der  Dom  in  zwei  bischöflichen 
Grabmonumenten,  welche  ohne  Frage  zu  den  herrlichsten  derartigen 
Werken  unsrer  Renaissance  gehören.  Beides  sind  Wandgräber 
von  stattlicher,  ja  grossartiger  Anordnung  und  überaus  reicher  De- 
coration. Das  frühere  hat  Erzbischof  Richard  von  Greifenklau 
(t  1531)  sich  noch  bei  Lebzeiten  1525  errichten  lassen.  Zwei  lang- 
gestreckte Pilaster  umrahmen  eine  Nische,  in  welcher  eine  Relief- 
darstellung des  Gekreuzigten,  von  der  b.  Helena  und  Magdalena 
sowie  der  herrlich  ausdrucksvollen  eines  Holbein  würdigen  Gestalt 
des  Verstorbenen  verehrt,  welcher  von  S.  Petrus  empfohlen  wird.  Vor 
die  Pfeiler  sind  in  etwas  lockerer  Composition  unten  und  oben 
kleinere  Pilaster  mit  Heiligenfiguren  gestellt,  lieber  dem  elegant 
decorirten  Gesims  bildet  das  prachtvoll  ausgeführte  Wappen  des 


0  Becker  im  Kunstbl  1838.  No.  89:  vergl.  1833  No.  29. 


Kap.  XVII.    Die  nordwestlichen  Binnenländer.  .947 

Erzbisehofs,  von  zwei  Greifen  gehalten,  den  Absehlnss.  Alle 
Flächen  sind  mit  kösthchen  miniaturartig  gearbeiteten  Ornamen- 
ten der  feinsten  Frtthrenaissance  bedeki  Besonders  reizvoll  der 
untere  Fries  mit  Rankenwerk  und  Figürliehem  von  geistreicher 
Erfindung  und  Lebendigkeit.  Das  zweite  Monument  ist  dem  1540 
gestorbenen  Erzbischof  Johann  von  Metzenhausen  gewidmet  in 
der  grossen  Mitteinisehe  die  lebensvolle,  meisterlich  behandelte 
(jestalt  des  Verstorbenen ;  in  den  kleineren  Seitennisehen  Petrus  und 
Paulus.  In  der  oberen  Krönung  Delphine,  welche  in  Ranken  aus- 
laufen, auf  denen  ttbermüthig  spielende  Putten  reiten.  Auf  den 
Ecken  zwei  ritterliehe  Heilige,  ganz  oben  Christus  am  Kreuz  mit 
Maria  und  Johannes.  Auch  hier  das  architektonische  Oerltot  aufs 
Ueppigste  mit  Ornamenten  bekleidet,  die  ein  etwas  derberes  Relief, 
nicht  die  volle  minutiöse  Feinheit  des  oben  erwähnten  Monuments 
zeigen.  Die  Nischen  sind  in  ähnlicher  Weise  goldsebmiedartig 
gesäumt,  wie  jenes  Denkmal  in  Boppard;  aber  das  Figflrliche  ist 
hier  dem  dortigen  weit  überlegen.  Wiederum  später,  dabei  eins 
der  prächtigsten  und  reichsten  Werke  seiner  Art,  ist  die  Kanzel, 
an  welcher  die  ttberschwängliche  DecorationsluBt  des  reif  ausge- 
bildeten, schon  zum  Barocken  neigenden  Stils  zur  Entfaltung 
kommt 

Der  Erzbischöfliche  Palast,  der  sich  an  die  gewallige  antike 
Basilica  lehnt,  zeigt  derbe  Barockportale  und  im  zweiten  Hofe  eine 
einfach,  aber  stattlich  angelegte  Wendeltreppe  auf  dreifacher 
Säulenstellung.  Das  Ganze  nicht  hervorragend.  Ebenso  wenig 
können  die  Bürgerhäuser  am  Markt  mit  ihren  Barockgiebeln 
Anspruch  auf  Bedeutung  machen.  — 

In  Zell  an  der  Mosel  sieht  man  ein  kleines  malerisches  Jagd- 
schlösschen, 1542  von  Ludwig  von  Hagen,  Erzbischof  von  Trier,  er- 
baut, das  durch  seine  runden  Erkerthttrme  und  ein  naives  Gemisch 
von  gothisehen  und  Renaissanceformen  anziehend  wirkt  Auch  im 
Innern  zeigen  die  Wölbungen  noch  ein  Zurflckgreifen  zu  mittelalter- 
lichen Elementen.  Zu  Bittburg  ist  der  Kobenhof  ein  zierlicher 
Bau  späterer  Renaissance  von  1576,  doch  nur  theilweis  erhalten. 
Sobernheim  besitzt  ein  stattliches  sohlossartiges  Gebäude  des 
ausgebildeten  Stiles,  durch  kräftig  facettirte  Quader  und  malerischen 
Erkerthurm  bemerkenswerth. 

Manches  Andre  mag  noch  in  den  Gegenden  der  Mosel  und 
des  benachbarten  Rheingebietes  einer  genauen  Lokaluntersuolnu% 
harren.  WerthvoUe  Notizen  in  den  fleissigen  Aufzeichnungen  von 
Kugler's  Rheinreise  ^),  auf  die  ich  hier  nur  hinweisen  will    Im 


>)  F.  Kagler,  Kleine  Schriften  IL 

60' 


948  ^*  Buch.    BenftiBSftnoe  m  Deutschland. 

Ganzen  sind  aber  auch  in  der  Trierer  Diöeese,  ähnlich  wie  im 
Kölnischen  Sprengel,  die  kirchlichen  Werke,  die  Grabmäler,  Kan- 
zeln u.  dgL,  welche  mehr  der  Plastik  und  decorativen  Kunst  als 
der  eigenfliohen  Architektur  angehören,  weitaus  das  WerthyoUste, 
während  der  Profanbau,  namentlich  in  bflrgerlichen  Kreisen  nur 
karge  Pflege  erfährt 

Anziehender  und  bedeutender  ist  der  Holzbau  dieser  Gegen- 
den, dem  wir  eine  zusammenfassende  Betrachtung  widmen  müssen, 
um  so  mehr  als  derselbe  sich  von  der  niedersäehsischen  Gruppe 
wesentlich  unterscheidet.  Während  dort  nämlich  die  einzelnen 
Stockwerke  so  weit  wie  möglich  flbereinander  vorgekragt  werden 
und  dadurch  jenes  reiche  plastische  Leben,  jene  energische  Glie- 
derung erhalten,  von  welcher  unsre  Figg.  53,  235,  237,  238,  239, 
243,  249  mannigfache  Anschauung  gewähren,  sind  die  rheinischen 
Holzbauten  bei  möglichst  geringem  Vorsprung  der  Stockwerke 
minder  kräftig  entwickelt,  minder  plastisch  durchgebildet  und 
suchen,  was  ihnen  darin  an  Lebendigkeit  abgeht,  durch  eine  mehr 
malerische  Omamentirung  der  Flächen  zu  ersetzen.  Es  ist  an 
Stelle  jenes  kraftvollen  Lebens  der  niedersächsischen  Bauten  ein 
feinerer  malerischer  Beiz  ihnen  eigen.  In  schlichter  fast  kunst- 
loser Weise  tritt  uns  dieser  Stil  an  dem  unter  Fig.  5  t  auf  S.  191 
mitgetheilten  Giebelhaus  zu  Eppingen  entgegen.  Dort  sind  alle 
Elemente  der  Construction  ohne  dekorative  YerhUllung  und  fast 
ohne  omamentale  Ausbildung  einfach  zum  Ausdruck  gebracht 
Etwas  zierlicher  und  reicher  stellt  sich  in  Fig.  52  das  kleine 
Haus  aus  Gross -Heubach  dar;  doch  zeigt  es  bereits  kttnstlerisch 
ausgebildete  Eckpfosten  und  hübsche  Muster  in  den  Riegeln  der 
Fensterbrttstungen.  In  noch  zierlicherer  Weise  ist  dieselbe  Art 
der  Dekoration  an  dem  unter  Fig.  82  abgebildeten  Haus  aus 
Schwäbisch -Hall  durchgeführt  Man  sieht  «zugleich  aus  unsem 
Beispielen,  dass  diese  Behandlung  des  Holzbaues  sich  nicht  blos 
Aber  den  Oberrhein,  sondern  auch  über  die  angrenzenden  Gebiete 
Schwabens  und  Frankens  erstreckt 

Ueberall  beruht  hier  die  Composition  auf  dem  Prindp,  die 
construktiven  Elemente  möglichst  unverhüllt  darzulegen  und  zum 
Ausgangspunkt  für  die  Dekoration  zu  machen.  Daher  werden 
die  Pfosten  besonders  kräftig  betont  und  nicht  blos  durch  ge- 
schnitztes Flachomament  belebt,  wie  es  unsre  Fig.  255  rechts 
zeigt,  0  sondern  namentlich  die  Eckpfosten  werden  kräftiger  in 


0  Diese  nnd  die  folgenden  Abbildungen  hat  mir  die  zuvorkommende 
Güte  des  Herrn  Baurath  Baschdorff  in  Köln  aus  seinen  trefflichen  Reise- 
skizzen zur  Verfilgung  gestellt. 


Kap.  ZVn.    THa  nord:ir«>t1iclieii  BiiiDeDl£ndet.  949 

S&DlenforiD  atisgebildet,  wobei  Caonelurea,  GürtuDgen,  BUttweA 
imd  anderes  Ornament  im  Sinne  der  RenaisBance  zur  Verwendnng 
kommt,  wie  dieielbe  Figur  an  zwei  Beiapielen  weia't.  Wihrend 
diese  Glieder  die  Veiticale  betonen,  wird  die  Horizontale  durch 


Ftf,  tu.    Boppird.  Proiton  Tan  Holahlutni. 

das  tnSssige  Vortreten  der  Schwellbalken  nnr  bescheiden  ange- 
deutet, so  dasB  einige  ausgekehlte  und  abgefaste  Glieder,  bis- 
weilen wohl  als  gewundenes  Tau  charakterisirt,  genUgen.  Nament- 
lioh  aber  fallen  die  rortretenden  BalkenkOpfe  des  niedersftcbsischen 
Holzbaues  vdllig  fort 

Im  Uebrigen  wird  die  Dekoration  der  Fairen  dadurch  be- 
wirkt, dass  die  Riegel  in  mannigfaclien  Fonnen  ausgebildet  werden, 


950  I^  Buch.    ReniiMuie«  m  D«uta))iUnd. 

iad«m  maa  sie  in  TerBchiedenen  Biegungen  schweift  and  aos- 
sohneidet  Diese  dem  Holzstil  durdiaas  entsprechende  Technik 
bringt  dann  hflafig  Combinationen  herror,  welche  an  die  Gothik 
(olnnern.  Besonders  reieh  werden  durch  derartige  Ornamente 
die  FensterbrttBtungen  gescbmUckt  (Fig.  256).  Die  Fenster  selbst 
sind  nach  der  Sitte  des  Mittelalters  in  Gruppen  angeordnet  und 
mit  einem  Rahmenwerk  eingefasst,  welches  wie  dieselbe  Figur 
zeigt  bisweilen  auf  htibscben  Consolen  kräftig  Torspringt.    Die 


piid.    FtDiteilirfiiliiDge: 


Pfosten  und  Rahmen  werden  abgefast  und  mit  dekorirten  Rund- 
Stäben  gegliedert,  auch  sonst  durch  elegantes  Ornament  von  ver- 
Bchlungenen  Bandern,  Schuppen,  Blättern  u.  dgl.  reich  geschmückt. 
Eine  selbständige  Verdachung,  auf  einem  Zahnschnittgesims  rufaend, 
schliesst  nach  oben  solche  Fenstergruppe  ab.  So  zeigt  es  in  Fig.  257 
ein  hübsches  Oiebeihaus  vom  J.  1606  za  Traben  an  der  MoseL 
Es  ist  aber  stete  eine  feine  Anmuth,  welche  der  Dekoration 
ihr  festes  Maass  anweist  Mit  Vorliebe  fUgt  man  diesen  Fa^aden 
kräftig  Torspringende  Erker  hinzu,  sei  es  dass  dieselben  auf  den 
Ecken  polygon  ausgekragt  sind,  wie  ein  besonders  originelles 
Beispiel  an  einem  Hause  von  1572  in  Rhense  vorkommt,  oder 
'dass  die  Mitte  der  Fa^ade  durch  solchen  Vorbau  ausgezeichnet 
wird  wie  an  dem  unter  Fig.  258  mitgetheilten  Hause  zu  Ober- 
lahnstein  vom  J.  1663.    Der  Einfluss  der  Renaissance  spricht 


Kap.  XVII.    Die  nordweatllcheD  BionenUinder.  951 

aich  bei  diesen  Gebäuden  -haapUftcblicb  dorch  lÜe  Gliederung 
der  Schwellen,  Pfosten  and  Rahmen,  sowie  dnrcb  die  Ausbildung 
der  Gesimse  aas.  Denn  hierbei  kommen  die  antiken  Gliede- 
rungen, die  Carniese  und  andere  wellenförmige  Glieder,  die  Zahn- 


Bchnitte,  Perlsclmare,  FlechtbSnder ,  Consolen  il  dergl.  zu  viel- 
facher Verweadung, 

Ohne  hier  auf  Einzelnes  zu  weit  einzugehen,  mi^gen  ausser 
den  Holzbauten  in  Rbense  und  Oberlabnstein  diejenigen  in 
Boppard  nnd  Bacharach,  sowie  an  der  Mosel  in  Traben  und 
Bremmen  besonders  genannt  werden.  Es  bedarf  kaum  der  Be- 
merkung, daes  manches  künstlerisch  Werthvolle  dieser  Art  aich 
auch  sonst  vielfach  in  andern  Orten  dieses  Gebietes  findet 


952  UI.  Bach.    Benussance  in  DeatschUmd. 


Vachtrag  und  Haohwort. 

Wenn  ieh  hiermit  meinen  Bericht  über  die  Werke  der 
deutschen  Renaissance  besehliesse,  so  weiss  ich  sehr  wohl,  dass 
mein  Buch  nicht  den  Anspruch  machen  kann  das  Thema  er- 
schöpfend behandelt  zu  haben.  Was  ein  Einzelner  bei  dem 
jetzigen  Stande  der  Forschung  zu  bieten  vermochte,  glaube  ich 
erreicht  zu  haben.  Man  wird  finden,  dass  ich  eine  vor  Aller 
Augen  liegende  und  doch  bis  jetzt  niemals  in's  Auge  gefasste  Er- 
scheinung der  Kunstgeschichte  an's  Licht  gebracht  und  unter 
wissenschaftlichem  Gesichtspunkte  dargestellt  habe.  Anderes,  das 
alle  Welt  zu  kennen  glaubte,  habe  ich  hier  zum  ersten  Hai  nach 
seinem  inneren  Werden  dargelegt  So  namentlich  die  verschiedenen 
Entwicklungsstadien  unseres  Holzbaues  in  seinen  einzelnen  Schu- 
len. Es  wird  nun  Aufgabe  der  Lokalforschung  sein  auf  Grund- 
lage der  hier  gebotenen  wissenschaftlichen  Darstellung  überall 
das  Material  weiter  zu  ermitteln,  damit  wir  allmählich  zu  einer 
Statistik  der  deutschen  Renaissance  gelangen.  Einzelne  Nachtrage 
vermag  ich  schon  hier  beizubringen. 

Das  auf  S.  233  besprochene  jetzige  Regierungsgebäude  in 
Luzern  hat  seitdem  in  Ortwein's  Renaissance  durch  E.  Berlepsch 
in  der  13.  Lief,  des  Werkes  eine  genauere  Aufnahme  und  Dar- 
stellung gefunden.  Ich  entnehme  daraus,  dass  der  Bau  für  den 
Schultheissen  Lucas  Ritter  seit  1557  durch  einen  Meister  Giovanni 
Lynzo  aus  Pergine  bei  Trient  begonnen  und  seit  1561  durch  einen 
andern  wälschen  Meister  Peter  weitergeführt,  dann  aber  erst  nach 
abermaliger  Unterbrechung  später  vollendet  worden  ist 

lieber  die  Bauten  im  El sass  liegen  mir  einige  nachträgliche 
Notizen  von  Professor  Weltmann  vor.  Das  schöne  Land,  welches 
damals  in  erster  Linie  an  dem  Geistesleben  der  Zeit  theilnahm, 
bewährt  diese  Regsamkeit  auch  durch  die  frühe  Einbürgerung 
der  Renaissance.  In  Ensisheim,  das  als  Sitz  der  östereichischen 
Herrschaft  von  Bedeutung  war,  ist  das  Rathhaus  ein  ansehnlicher 
und  malerischer  Bau  von  1535.  Mit  zwei  rechtwinklig  zusammen- 
Btossenden  Flügeln  schliesst  es  die  eine  Ecke  des  Marktplatzes 
ein,  in  dem  einspringenden  Winkel  mit  einem  stattlich  angelegten 
Polygonen  Treppenhause.  Der  längere  der  beiden  Flügel  ist  im 
Erdgeschoss  als  offene  zweischiffige  Halle  auf  kräftigen  Pfeilern 
angelegt,  die  sich  mit  einfach  behandelten  Spitzbögen  und  einem 
einzelnen  nach  der  Hauptstrasse  gehenden  Rundbogen  öffnet. 
Die  Halle  ist  mit  gothischen  Netzgewölben  überdeckt  Ueber  ihr 
befindet  sich  im  oberen  Geschoss  der  grosse  Saal.    Die  Gliederung 


Flg.  Wi.    Hui  in  OMrllhaitaEn. 


Nftchtrag  and  Nachwort.  955 

der  Fagaden  geschieht  durch  einfoche  Pilaster,  die  im  oberen 
Stock  kannelirt  sind  und  zwischen  ihnen  durch  schlanke  Cande- 
labersilulen,  welche  über  dem  Scheitel  der  Arkadenbögen  ange- 
ordnet sind.  Dreifach  gruppirte  Fenster  in  gothischer  Profilirung, 
das  mittlere  stets  etwas  höher  hinaufgeführt,  durchbrechen  die 
einzelnen  Wandfelder.  Es  ist  die  am  ObeiThein  übliche  Anordnung, 
die  wir  auch  in  Mühlhausen  und  Basel  fanden.  An  der  Hauptfront 
gegen  die  Strasse  springt  eine  zierliche  Altane  in  gothischen 
Formen  vor.  Der  Bau  zeigt  also  durchweg  noch  die  Vermischung 
mittelalterlicher  und  modemer  Elemente.  Dem  Rathhaus  gegen* 
über  liegt  der  Gasthof  zur  Krone,  ein  elegant  durchgeführter 
Oiebelbau  der  Spätzeit,  datirt  1610.  Er  ist  oben  auf  S.  182  irr- 
thflmlich  als  Privathaus  aus  Colmar  abgebildet,  und  auf  Seite  258 
mit  unrichtiger  Angabe  der  Jahrzahl  besprochen. 

Ein  interessantes  Haus  sieht  man  zu  Schietstadt  in  der 
Strassburgerstrasse  No.  18,  laut  Zeugniss  der  lateinischen  Inschrift 
am  Erker  1545  durch  den  damaligen  Stadtbaumeister  Stephan 
Ziegler  erbaut,  oder  vielmehr  ^in  meliorem  faciem  restitutum"*. 
Auch  hier  tritt  noch  einiges  gothische  Detail  auf,  aber  überwiegend 
sind  doch  die  Formen  der  Renaissance.  Von  der  Begeisterung 
für  das  classische  Alterthum,  die  grade  hier  durch  die  damals 
berühmte  gelehrte  Schule  besonders  kräftige  Nahrung  erhielt,  zeugt 
am  Gesims  des  oberen  Geschosses  die  Inschrift:  ARGHITECTIS 
VETERIBVS  DICATVM.  Die  Pilaster  enthielten  nemlich  die 
leider  zerstörten  Medaillonköpfe  antiker  Architekten  und  Mathe- 
matiker. Der  Name  Archimedes  ist  noch  lesbar.  Ein  späterer 
Giebelbau  vom  J.  1615  ist  das  zur  protestantischen  Kirche  ge- 
hörende Haus,  ebenfalls  mit  zweistöckigem  Erker  ausgezeichnet 
In  Kaisersberg  bemerkt  man  schüchterne  Anfänge  der  Renais- 
sance an  einem  grossen  zweigiebligen  Hause  vom  J.  1521.  Ein 
kleineres  Haus  mit  barockem  Giebel  trägt  das  Datum  1616  und 
den  Namen  des  Baumeisters  Johann  Vohrhat.  Ebendort  manche 
anziehende  Fachwerkhäuser,  darunter  ein  besonders  interessantes 
vom  J.  1 594.  Neben  der  Kirche  ein  stattliches  Gebäude,  ehemals 
wohl  Rathhaus  mit  zwei  breiten  Rundbogenportalen,  einem  Trep- 
penthurm  und  einem  Erker,  bezeichnet  1604,  dabei  folgender  Vers: 

Dem  heyligen  Reich  ist  dises  Haus 
Zue  Lob  und  Ehr  gemachet  ans 
Darin  die  wahr  Gerechtigkeit 
Gehalten  wirt  zne  jeder  Zeit. 

In  Rappoltsweiler  zeigt  ein  Brunnen  vom  J.  1536  in  derben 
Formen  den  neuen  Stil  noch  gemischt  mit  der  Gothik.  Rufach. 
hat  unweit  der  Kirche  einen  Ziehbrunnen  auf  zwei  stark  verjüngten 


956  ^-  Buch. '  BenaisBance  in  Deutschland. 

dorischen  Pfeilern  in  ausgebildeter  Benaissance,  vom  J.  1579. 
Endlich  in  Weissenburg  ein  ungemein  elegantes  Fachwerkhaus^), 
ttber  steinernem  Erdgeschoss  der  obere  Stock  aufs  zierlichste 
dekorirt,  indem  die  einzelnen  Fenster  und  der  yorgekragte  Erker 
prachtvoll  mit  geschnitzten  Rahmen  und  laubgeschmtlckten  Cande- 
labersäulen  eingefasst  sind.  Der  kleine  Bau  vom  J.  1599  gehört 
zu  den  elegantesten  Beispielen  der  oberrheinischen  Holzarchitektur. 

Im  badischen  Lande  ist  Einiges  aus  Freiburg  nachzutragen. 
Die  oben  auf  S.  278  erwähnte  Vorhalle  am  südlichen  Kreuz- 
arm des  Mtlnsters  ist,  wie  ich  bei  neuerer  Besichtigung  erkannt, 
erheblich  später,  schon  mit  starker  Anwendung  von  Metallomamenten 
ausgeführt.  Sie  trägt  an  der  Ostseite  das  Datum  1620.  Im 
Innern  des  südlichen  und  nördlichen  Querschiffs  zeigen  die  Em- 
poren mit  ihren  cannelirten  korinthischen  Säulen  und  der  eleganten 
Ornamentik  den  Stil  derselben  Zeit  Die  Balustrade  hat  gleich 
der  an  der  Vorhalle  noch  gothische  Fischblasen.  Ein  ansehn- 
licher Bau  ist  das  jetzt  als  Post  benutzte  Haus  in  der  Kaiser- 
strasse, welches  das  Baseler  Domkapitel  1 5S8  seinem  wegen  der 
Reformation  ausgewanderten  Bischof  errichten  liess.  Die  Fagade 
hat  ein  einfaches  Portal  mit  ionischen  Pilastern  und  barockem 
Aufsatz,  einen  grösseren  und  einen  kleineren  Erker,  sodann  im 
oberen  Geschoss  drei  reiche  Nischen  mit  den  Statuen  der 
Madonna,  Kaiser  Heinrich's,  und  eines  Bischofs  St  Pantalus. 
Im  Hofe  links  eine  Wendeltreppe  mit  überaus  zierlichem  Portal, 
am  linken  Flttgelbau  sodann  eine  Inschrifttafel  mit  der  Widmung. 
Im  Flur  ist  ein  Seiteneingang  mit  schönem  Eisengitter '  ver- 
schlossen. 

Sodann  sei  noch  des  hübschen  Brunnens  im  Schlosshof  zu 
Ettlingen  gedacht,  der  wie  unsere  Abbildung  Fig.  259  beweist, 
die  Formen  der  Spätrenaissance  geschmackvoll  verwendet  zeigt 

In  Oberschwaben  enthält  die  ehemalige  Karthäuserkirche  zu 
Buchslieim  bei  Memmingen  herrlich  geschnitzte  Chorstühle, 
den  aus  Danzig  in  Fig.  11  auf  S.  89  dargestellten  verwandt, 
aber  noch  meisterlicher  geschnitzt,  noch  üppiger  decorirt. 
Ausserdem  ist  der  Hochaltar  eins  der  prachtvollsten  Werke  des 
beginnenden  Barocco,  den  auf  S.  220  erwähnten  Altären  in 
Ueberlingen  auffallend  ähnlich.^)  Die  Entstehung  der  ganzen 
Ausstattung  dürfte  um  1640  fallen. 

Zu  den  frühesten  datirten  Werken  unsrer  Renaissance  gehört 


*)  Notiz  von  Herrn  Archit.  Haupt  in  Darlach.  —  *)  Dem  Herrn  Grafen 
vonWaldbott-Buchsheim  bin  ich  für  Mittheilung  von  photogr.  Aufnahmen 
dieser  Prachtwerke  dankbar. 


Nachtrag  and  Nadiwort.  957 

die  merkwürdige  VotiTtafel  vom  J.  1526,  welche  man  fiber  dem 
HaupteiDgang  des  fflrBtIicfa  Holienzollemsolieii  SchlosseB  zu  Sig- 
maringen  aielit  £&  ist  eine  Sandsteinplatte  mit  der  scblicht  und 
empfindnngsvoll  componirten  Gruppe  einer  Madonna,  welche  den 


Leichnam  ihres  Sohnes  auf  dem  Schoosse  hält;  daneben  kniet 
Felii  Graf  zu  Werdeaberg  und  zu  dem  Heiligenberge,  welchem 
damals  Sigmaringen  gefaiJrte.  Zierlich  dekorirte  Kenaissance- 
pilaster  fassen  das  Bildfeld  ein,  und  htlbsche  Lorbeergewinde 
hängen  darüber  auageepannL  Die  Zwickel  des  Flachbogens,  wel- 
cher das  Feld  abschlieest,  eiad  mit  kleinen  Draehenfiguren  gefüllt 
Dies  ist  die  einzige  mittelalterliche  Beminiscenz;  alles  Uebrige 
trägt  den  ausgeprägten  Charakter  der  Renaissance.    Man  darf 


958  ^-  Buch.  Die  Beoaissance  in  DeatschlancL 

vielleicht  aaf  einen  oberrheinischen  Meister  aus  Constanz  oder 
SchafiThausen  sehliessen,  wo  damals  in  einzelnen  FäUen  die  Re- 
naissance schon  rein  zur  Anwendung  kam.  So  z.  B.  in  Schaff- 
hausen an  den  Gewölbender  Johanniskirehe  jene  auf  S.  240  bespro- 
chenen Arbeiten.  Die  Bemalung,  Gold  auf  blauem  Grund  an  der 
Einfassung,  die  Guirlande  grün,  ist  neuerdings  aufgefrischt  worden. 

Zu  S.  431  ist  zu  bemerken,  dass  vom  Bathhaus  in  Wies- 
baden nur  das  Erdgeschoss  mit  der  Freitreppe  dem  alten  Bau 
angehört,  das  Uebrige  1828  eine  Restauration  erfahren  hat.  Daraus 
erklären  sich  denn  auch  die  auffallenden  Formen  der  oberen  Theile. 
Die  geschnitzten,  vergoldeten  und  bemalten  Füllungen  der  Fenster 
sind  jetzt  im  Museum  zu  Wiesbaden  aufbewahrt.  Sie  waren  in 
Strassburg  durch  Jacob  Schätterlin  gefertigt  worden,  während  die 
Steinmetzarbeit  einem  Mainzer  Meister  Cyriacus  Flügel  übertragen 
war.  Als  Baumeister  wird  Valerius  Btmssendorf  genannt,  als  aus- 
führender Werkmeister  Anthorä  Schöffer.  (Bhein.  Kurier  1873. 
No.  108). 

In  Unterfranken  ist  das  hohenlohesche  Schloss  Neuenstein 
als  bedeutender  Bau  der  besten  Renaissancezeit  nachzutragen. 
Es  bildet  ein  mächtiges  Viereck,  rings  von  einem  tiefen  breiten 
Graben  umzogen,  an  drei  Ecken  mit  vortretenden  runden  Erker- 
thürmen,  die  einen  polygonen  Aufsatz  haben,  eingefasst,  während 
an  der  nordöstlichen  Ecke  ein  offenbar  älterer  quadratischer 
Thurm  mit  späterem  zopfigem  Aufbau  dominirend  emporsteigt.  Die 
Hauptfiront,  nach  Norden  gewendet  (Fig.  260)  enthält  in  einem 
vorgeschobenen  Bau  das  von  zwei  Rundthürmen  in  mittelalter- 
lichen Formen  flankirte  Portal.  Die  Brücke,  welche  hier  über  den 
Graben  führt,  ist  nach  aussen  durch  einen  originellen  Triumph- 
bogen in  derber  Renaissanceform  abgeschlossen.  Der  viereckige 
Hauptthurm  scheint  gleich  dem  Portalbau  noch  dem  Mittelalter 
anzugehören ,  wie  denn  diese  Theile  schon  durch  ihr  vorzügliches 
Quaderwerk  sich  von  dem  übrigen  in  Bruchstein  ausgeführten 
Bau  auffallend  unterscheiden.  Das  ganze  Äussere  ist  im  Uebrigen 
schmucklos;  die  gekuppelten  Fenster  zeigen  spätgothisches  Rah- 
menprofil. An  der  Westseite  ist  ein  grosser  halbrunder  Vorbau 
ausgeführt,  der  im  Hauptgeschoss  als  Altane  mit  kräftiger  Ba- 
lustrade abgeschlossen  wird.  Die  Jahrzahl  1564,  welche  man 
sammt  den  Wappen  des  Grafen  Ludwig  Kasimir  und  seiner  Ge- 
malin  von  Solms  am  Hauptportal  sieht,  bezieht  sich  auf  die  Zu- 
sätze und  Umgestaltungen,  welche  diese  Theile  im  Zusammen- 
hang mit  dem  durchgreifenden  Umbau  des  Schlosses  unter  jenem 
Grafen  erfahren  haben.  Das  Originellste  sind  die  pavillonartigen 
Aufsätze  der  Thorthttrme.    Acht  kräftig  profilirte  korinthisirende 


Nachtrag  und  Nkchwott.  959 

Sftulen,  anmittelbar  auf  der  Daohsclirfig«  der  Thünne  eich  erbe- 
bend und  durch  breite  Spitzbogen  verbunden,  trag^en  die  gothisoh 
profiUrten  Rippengewölbe  und  das  geschweifte  Kuppeldach  dieser 
keeken  Aufsätze. 

Ein   gewölbter   Thorweg    fA   in   Fig.  361}')    führt   in   den 
ecbmalen  aber  ziemlich  tiefen  Hof,  der  ohne  reichere  architek- 


Fi(,  W»,    Soblon  ra  KramUlii.    (L.  Nabu.) 

tonische  Ausbildung  gleichwohl  durch  einige  originell  behandelte 
Portale  bemerkenswerth  ist  Zur  Linken  des  Eintretenden  bei 
B  sieht  man  eine  kleine  zu  einer  Wendeltreppe  führende  Pforte, 
deren  Säulen  scbtlchtern  und  unsicher  behandelte  FrUhrenais- 
sancekapitäle  zeigen,  während  die  Basis  spätgothische  Raaten- 
muster  hat  Man  wird  diese  Tbeile  kaum  später  als  1530  setzen 
dflrfen.  Durch  die  Wappen  Graf  Albreohts  III  (f  1551)  und 
seiner  Gemalin  von  HohenzoUem  ist  in  der  That  die  Erbauung 
in  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  gesichert    Alle  andern 


']  Den  OnindriM  vetduike  ich  gllti^r  Mittbeilong  B.  DurcU.  des  Fttrsten 
TOD  Hohenlohe-WoIdeDbaTg. 


960  m.  Buch.    Renaissance  in  DentscbUnd. 

Formen  trsgeo  nbereinetimmend  das  Geprftge  der  aasgebildeten 
Renaissance.  So  zunächst  in  der  Ecke  rechts  Tom  Eingang  bei 
C  das  polysone  Stie^nhatiB  mit  vorgelegter  Freitreppe,  die  za 


ttt-  Ml.    Bc)il«M  n  HtaaBiteln.  Onudrlia  dta  ErdsMohoHa, 

.  einem  Fortal  von  derb  facettirtem  Qtiaderwerk  fuhrt  In  dem 
Halbkreiabogen,  der  dasselbe  abschliesst,  sieht  man  eine  originelle 
Darstellung  des  Glücksrades,  auf  welchem  eine  kleine  Figur  sieht, 
während  zwei  andere  sich  daneben  befinden.  Die  Spindel- 
treppe, welche  hier  in  die  oberen  Räume  führt,  ist  an  der  Unter- 
seite mit  eingekerbten  Profilen  im  Renaissancestil  dekorirt.    Das 


Nachtrag  und  Nachwort.  961 

Hauptportai  aber  ist  in  der  südwestlichen  Ecke  des  Hofes  bei 
D  an  der  dort  befindlichen  Haupttreppe  angebracht,  die  ebenfalls 
in  einem  polygonen  Stiegenhause  liegt.  Hier  hat  der  Baumeister 
an  den  schlanken  einfassenden  Sftulen  und  den  breiten  Pilastern, 
vor  welchen  sich  dieselben  erheben,  sowie  an  den  Friesen  reiches 
Ornament  von  recht  guter  Erfindung  und  Ausführung  rerwendet, 
dessen  MotiTe  die  bekannten  Formen  der  ausgebildeten  Benais- 
sance  verrathen.  Darüber  erhebt  sich  eine  Attika  mit  den  reich 
behandelten  Wappen  des  Erbauers  Graf  Ludwig  Kasimir  und 
seiner  Gemalin,  eingefasst  von  einer  männlichen  und  weiblichen 
Figur.  Dann  kommt  ein  zweiter  Fries,  und  darüber  schliesst  ein 
Flachbogenfeld  mit  der  ruhenden  Figur  eines  Flussgottes 
den  schlanken  Aufbau  des  Ganzen.  Die  Treppe,  deren  Spindel 
auf  drei  feinen  vierkantigen  Stützen  ruht,  gehört  durch  ihre  gross- 
artige Anlage,  die  Meisterschaft  der  Gonstruction  und  Gediegen- 
heit der  technischen  Ausführung  zu  den  hervorragendsten  ihrer  Art. 
An  der  Südseite  des  Hofes  bei  EE  fallen  zwei  grosse  Bogen- 
nischen  von  beträchtlicher  Tiefe  auf,  welche  mit  gothischen  Netz- 
gewDiben  dekorirt  sind.  Sie  standen  ehemals  durch  breite  fenster- 
artige Oeffhungen  mit  der  dahinter  liegenden  Küche  G  in  Yer- 
binduQg  und  sind  ein  weiteres  Beispiel  jener  sinnigen  Anlage 
eines  Dispensatoriums  zur  Austheilung  der  Speisen  an  Bedürftige, 
wie  wir  sie  im  Schloss  zu  Baden  (S.  271)  und  in  der  Pilgerlaube 
zu  Hämelschenburg  (S.  857)  angetroffen  haben.  Die  Küche  selbst, 
zu  welcher  man  durch  den  daneben  liegenden  Thorweg  F  gelangt, 
ist  ein  grossartiger  Bau,  dessen  Kreuzgewölbe  auf  gewaltigen 
Bundsäulen  von  gothischer  Form  ruhen.  Von  den  inneren  Bäumen 
des  Erdgeschosses  ist  sodann  an  der  Ostseite  eine  schöne  Halle 
H,  deren  Gewölbe  auf  einer  schlanken  Bundsäule  ruhen,  hervor 
zu  heben.  Es  war  vielleicht  ursprünglich  die  Schlosskapelle. 
Ihre  Verbindung  mit  den  oberen  Bäumen  hat  sie  durch  eine  kleine 
Wendeltreppe.  Der  glanzvollste  Baum  ist  aber  der  Festsaal  K, 
welcher  im  westlichen  Flügel  die  nördliche  Ecke  einnimmt  Man 
gelangt  zu  ihm  durch  einen  unscheinbaren  Zugang;  aber  auch 
hier  bildet  eine  kleine  Wendeltreppe  die  Gommunikation  mit  den 
oberen  Geschossen,  wie  denn  hier  beim  völligen  Mangel  innerer 
Galerieen  durch  zahlreiche  versteckt  liegende  Wendeltreppen 
solche  Verbindungen  bewirkt  sind.  Der  Saal,  gegen  35  F.  breit 
bei  62  F.  Länge,  zeigt  gleich  den  übrigen  Bäumen  mittelalterliche 
Anlage  und  Construktion :  gothisch  profilirte  Netzgewölbe  auf 
zwei  mittleren  Bundsäulen  ruhend,  die  gekuppelten  Fenster  in 
tiefen  Wandnischen  der  gewaltig  dicken  Aussenmauem  liegend. 
An  der  Ecke  giebt  ein  grosser  kreuzförmig  ausgebildeter,  eben- 

Kngler,  Qetoh.  d.  Banknnit  V.  61 


.     I 


962  in.  BnolL    RenaisBance  in  Devtschland. 

falls  gewölbter  Erker  dem  grossartigen  Baam  besonderen  Reis. 
In  ähnlicher  Weise  sind  an  den  anderen  Ecken  des  Baues  die 
Torspringenden  Rundthürme  verwendet  Der  Saal,  welcher  gleich 
den  flbrigen  Räumen  des  Schlosses  wüst  und  öde  liegt,  bewahrt 
mancherlei  Spuren  einer  originellen  Dekoration  der  schon  barock 
umgebildeten  Spätrenaissance,  ohne  Zweifel  unter  Schickharäi 
ausgefbhrt;  denn  in  seinem  handschriftlichen  Inventarium  sagt 
er:  „Newenstein,  dem  Herrn  Gräften  Grafen  zu  Hohenlo  etis.  ge- 
hörig, da  ich  auch  viel  gebaut  Man  kann  von  dem  inter- 
essanten Werke  nicht  scheiden,  ohne  ihm  eine  yerständnissvolle 
Wiederherstellung  zu  wünschen. 


lieber  den  auf  S.  776  als  Baumeister  des  Schlosses  zu 
Dresden  genannten  Hans  von  Dehn- Rotfelser  ersehe  ich  nach- 
träglich aus  Val.  König,  geneal.  Adelshistorie  I,  S.  211,  dass  er 
im  J.  1500  geboren,  in  seiner  Jugend  auf  Reisen  in  fremden 
Ländern  mancherlei  Erfahrung  und  Geschicklichkeit  erworben, 
dann  von  Herzog  Georg  zum  Ober-  Rüst  und  Forstmeister  be- 
stelltwurde. Unter  Kurfürst  Moritz  erbaute  er  das  zuerst  Schloss  zu 
Radeberg,  dann  das  Jagdschloss  Moritzburg,  das  Schloss  Senften- 
berg,  sammt  seinen  Festungswerken,  vor  allem  das  Residenz- 
schloss  zu  Dresden.  Auch  die  Stadt  selbst  wurde  durch  ihn  er- 
weitert und  mit  Basteien  versehen,  weshalb  sein  lebensgrosses 
Bild  über  dem  von  ihm  erbauten  Salomonsthore  aufgerichtet  ward. 
Er  starb  1561  als  Oberbaumeister  der  Festung  und  des  Schlosses 
zu  Dresden. 


Zum  Schluss  fassen  wir  die  wichtigsten  historischen  Daten 
der  deutschen  Renaissance  in  kurzer  Uebersicht  zusammen,  so- 
weit es  sich  dabei  um  architektonische  Denkmäler  handelt 

Das  früheste  Werk  würde  der  Wladislavsaal  auf  dem  Hrad- 
schin  zu  Prag  sein,  wenn  die  schon  ziemlich  ausgebildete  Re- 
naissance der  Fenster  wirklich  mit  der  Jahreszahl  1493  zu 
reimen  wäre.  Bekanntlich  ist  dies  jedoch  nicht  ohne  gewichtige 
Gründe  bestritten  worden.  Dann  folgt  der  Zeit  nach  das  Haus- 
portal des  Federlhofs  zu  Wien  vom  J.  1497,  ein  allerdings  noch 
sehr  schwächlicher  Versuch  in  den  Formen  des  neuen  Stils. 
Sehr  naiv  ist  auch  die  Renaissance  an  dem  von  1509  datirenden 
Schloss  Johannisberg  in  Schlesien.  Ein  Werk  von  bedeuten- 
dem Aufwand  dagegen  ist  derThurm  der  Kilianskirche  za  Heil- 
bronn, 1513  begonnen  und  in  einem  seltsamen  Gemisch  von 


Nachtrag  und  Nachwort.  903 

Gothik  und  Renaissance,  ja  selbst  noch  von  romanischen  £le* 
menten  durchgeführt,  das  den  deutlichsten  Beweis  von  der  kttnsir 
lerischen  Gährung  jener  Tage  liefert 

Zum  ersten  Male  tritt  in  Deutschland  der  neue  Stil  in  reinerer 
Form  am  Portal  der  Salvatorkapelle  zu  Wien  vom  J.  1515  auf. 
Gomposition  und  Ausführung  weichen  so  auffallend  von  allem  bis 
dahin  in  Deutschland  lieblichen  ab,  dass  man  wohl  an  Italiener 
denken  muss.  Wenige  Jahre  später  (1517)  entstand  das  elegante 
Portal  der  Domsakristei  in  Breslau,  vielleicht  ebenfalls  noch 
auf  italienische  Hände  zurttckzuftlhren,  obwohl  auch  für  deutsehe 
Entstehung  sich  Manches  vorbringen  lässt  Mit  voller  Entschieden- 
heit macht  sich  italienische  Arbeit  an  der  Jagelionischen  Kapelle 
zu  Erakau  vom  J.  1520  geltend.  Dagegen  ist  das  Portal  am 
Stadthaus  zu  Breslau  von  1521  durch  die  starke  Mischung  mit 
spätgothischen  Formen  sicher  als  deutsches  Werk  bezeugt  Vom 
J.  1524  datirt  das  elegante  Portal  am  Arsenal  zu  Wiener-Neu- 
stadt, sicher  von  italienischen  Händen  ausgeführt 

Fortan  tritt  der  neue  Stil  in  der  zweiten  Hälfte  der  zwanziger 
Jahre  so  vielfach  und  an  so  verschiedenen  Orten  in  Deutschland 
hervor,  dass  eine  allgemeinere  Aufnahme  desselben  durch  ein- 
heimische Meister  nicht  mehr  zu  bezweifehi  steht  In  Trier 
bringt  das  Jahr  1525  das  glänzende  Denkmal  des  Erzbischofs 
Bichard  von  Greifenklau,  in  Mainz  errichtet  Kardinal  Albrecht 
von  Brandenburg  1526  den  originellen  Marktbrunnen;  in  dem- 
selben Jahre  stattet  dieser  kunstliebende  Eirchenfürst  den  Dom 
zu  Halle  mit  der  reich  geschmückten  Kanzel  aus.  Nun  bemäch- 
tigt sich  auch  das  Bürgerthum  der  neuen  Formen:  in  Görlitz 
finden  wir  ein  Privathaus  im  Stil  der  Renaissance  von  1526. 
Breslau  schliesst  sich  unmittelbar  mit  mehreren  Bauten  an;  das 
Kapitelhaus  des  Doms  trägt  das  Datum  1527;  aus  dem  folgenden 
Jahre  1528  stammt  das  zierliche  Portal  im  Bathhaus  und  das 
ähnliche  an  der  Krone.  Ein  Kirchenportal  aus  demselben  Jahre 
finden  wir  sodann  zu  Klausenburg. 

Mit  diesen  auf  verschiedenen  Punkten  gleichzeitig  zusammen- 
treffenden Versuchen  hat  sich  die  Renaissance  in  Deutschland 
zuerst  eingebürgert  Mit  dem  Beginn  der  dreissiger  Jahre  wagt 
sie  sich,  genugsam  erstarkt,  an  die  Ausführung  grosserer  Werke. 
Es  ist  vor  Allem  das  deutsche  Fürstenthum,  welches  nunmehr 
mächtig  in  die  Bewegung  eingreift  und  ihr  in  prachtvollen  Schloss- 
bauten grössere  Aufgaben  stellt  Das  früheste  Datum  (1520) 
trägt  die  Residenz  zu  Frisieng  in  ihrem  arkadengeschmttckten 
Hofe;^  aber  der  Stil  hat  noch  das  Gepräge  unbeholfener  provin- 
zieller Befangenheit    Sicherer  und  lebensvoller  breitet  er  seine 

61* 


964  ni.  Buch.    RenaiBsance  in  Deutschland. 

zierlichen  Formen  schon  1530  an  dem  Georgsbau  des  Schlosses 
zu  Dresden  aus,  wie  denn  vom  sächsischen  Fttrstenhofe  nun- 
mehr eine  energische  Förderung  der  Renaissance  sich  vorbereitet 
Denn  mit  1532  sind  die  frühesten  Arbeiten  an  dem  Schlosse  zu 
Torgau  bezeichnet,  und  1533  lesen  wir  an  dem  eleganten 
Treppenbau  zu  Dessau.  Von  demselben  Jahre  datirt  der  ener- 
gische Portalbau  des  Schlosses  zu  Liegnitz,  der  sich  freilich 
als  Werk  niederländischer  Künstler  zu  erkennen  giebt  Der  ein- 
heimischen Schule  dagegen  gehören  die  freilich  nur  in  spärlichen 
Ueberresten  erhaltenen  Theile  des  seit  153&  aufgeführten  Schlosses 
von  Berlin. 

Unterdess  war  man  auch  in  Sfiddeutschland  nicht  müssig 
gewesen,  hatte  aber  mehr  als  im  Norden  sich  noch  auf  italienische 
Kräfte  gestützt.  Das  elegante  Schloss  zu  Spital  in  Kämthen, 
das  um  1530  entstanden  sein  wird,  ist  durchaus  italienischen  Ur- 
sprungs. Dasselbe  gilt  vom  Belvedere  zu  Prag,  das  seit  1536 
errichtet  wurde.  Ebenso  waren  es  italienische  Künstler,  welche 
seit  1536  die  Kesidenz  in  Landshut  aufführten  und  mit  Fresken 
und  Stuckaturen  im  Sinn  der  römischen  Schule  schmückten.  Da- 
gegen sind  die  freilich  nicht  so  erheblichen  Bauten  am  Schloss 
zu  Tübingen,  vom  J.  1537,  von  Einheimischen  im  völlig  deutschen 
Gepräge  durchgeführt 

Inzwischen  treten  auch  die  bürgerlichen  Kreise  der  Renais- 
sance näher.  Besonders  früh  geschieht  es  im  Elsass,  wo  das 
Bathhaus  zu  Ober-Ehnheim  mit  1523  bezeichnet  ist,  das  von 
Ensisheim  die  Jahrzahl  1 535,  und  ein  freskengeschmücktes  Haus  in 
GolmardasDlitum  1538  trägt  In  Nürnberg  gehört  das  Tucherhaus 
von  1533  zu  den  frühesten  dieser  Werke,  in  denen  die  Renais- 
sance noch  stark  mit  gothischen  Reminiscenzen  durchsetzt  ist 
Ein  Meisterstück  edler  und  verständnissvoller  Auffassung  des 
neuen  Stils  bietet  dagegen  der  Saal  im  Hirschvogelhause  vom 
J.  1534.  Nicht  minder  vollendet  ist  der  Vorbau  mit  Balkon  und 
Treppe,  welchen  die  Stadt  Görlitz  1537  ihrem  Rathhause  vor- 
legen Hess. 

Das  folgende  Decennium  bringt  uns  nur  wenige  neue  Daten; 
aber  es  gehören  dahin  die  Bauten,  mit  welchen  Kurfürst  Friedrich  II 
seit  1 545  das  Schloss  zu  Heidelberg  schmückt,  sowie  die  gleichzeitig 
unter  Otto  Heinrich  ausgeführten  Theile  des  Schlosses  zu  Neu- 
burg. Sodann  entsteht  seit  1547  der  grossartige  innere  Hof  des 
Schlosses  zu  Dresden  mit  seinen  vier  prachtvollen  Stiegenhäusem 
und  seiner  Loggia,  von  einem  deutschen  Meister,  aber  mit  Bei- 
hülfe italienischer  Werkleute  errichtet  Eine  völlig  italienische 
Arbeit  ist  das  zu  gleicher  Zeit  (1547)  entstandene  Piastenschloss 


Nachtrag  und  Nachwort.  965 

zu  Brieg,  an  dessen  Portalbau  die  spielende  Ueppigkeit  ober- 
italienischer Dekoration  ihren  Triumph  feiert.  Italiener  sind 
es  sodann  auch,  welche  1550  das  Rathhaus  zu  Posen  mit  seiner 
stattlichen  Doppelhalle  schmücken. 

Die  grössere  Kraft  liegt  aber  auch  jetzt  noch  auf  Seite  der 
fürstlichen  Unternehmungen.  Seit  1 553  erhebt  sich  mit  den  markigen 
Arkadenhallen  seines  Hofes  das  Schloss  zu  Stuttgart  In  dem- 
selben Jahre  beginnt  man  in  Wismar  den  originellen  Backstein- 
bau des  Fttrstenhofes.  In  gleichem  Material  und  Stil  folgt  1555 
das  Schloss  zuSchwerin.  Inzwischen  war  im  Süden  seit  1553  das 
zierliche  Schlössohen  Gottesau  bei  Carlsruhe  entstanden, 
und  seit  1556  fügte  Otto  Heinrich  dem  Schloss  zu  Heidelberg 
jene  Theile  hinzu,  welche  den  Stolz  der  deutschen  Renaissance 
bilden«  Im  Norden  ist  es  sodann  das  Schloss  zu  Güstrow, 
welches  seit  1558  unter  entschiedener  Einwirkung  französischer 
Auffassung  errichtet  wird.  In  demselben  Jahre  schmückt  sich 
die  Heldburg  mit  ihren  edel  durchgebildeten  Erkern,  während 
seit  1559  das  Schloss  zu  Oels  durchgreifenden  Umbau  erfährt 
Die  bürgerlichen  Kreise  folgen  auch  jetzt  noch  in  zweiter  Linie : 
vom  J.  1550  ist  ein  Haus  in  Weiss enburg,  vom  J.  1552  das 
Rathhaus  zu  Mühlhausen  zu  verzeichnen;  in  Luzem  entsteht 
1557  von  italienischer  Hand  der  Prachtbau  des  Ritterschen  Hauses. 

Seit  den  sechziger  Jahren  gewinnt  die  Bewegung  an  Kraft 
und  Umfang  besonders  dadurch,  dass  fortan  auch  das  Bürgerthum 
sich  mit  grösserem  Nachdruck  dabei  betheiligt'  Mit  1560  ist 
der  Neubau  des  Schlosses  zu  Dargun  bezeichnet;  1562  liest 
man  an  der  prachtvollen  Treppe  des  Schlosses  zu  Göppingen; 
seit  1564  erheben  sich  die  reich  geschmückten  Arkaden  des 
Hofes  der  Plassenburg;  mit  demselben  Datum  (1564)  sind  die 
schönen  Portale  zu  Neuen  stein  bezeichnet;  1565  liest  man 
am  Schlosse  zu  Bernburg,  dasselbe  Datum  findet  sich  in  der 
prachtvoll  decorirten  Schlosskapelle  zu  Celle,  und  1569  tritt 
der  omamentirte  Backsteinbau  noch  einmal  zu  Gadebusch  auf. 
In  demselben  Jahre  beginnt  der  Umbau  des  Schlosses  von 
Heiligenberg.  Von  städtischen  Bauten  ist  zunächst  das  Rath- 
haus zu  Altenburg  von  1563  zu  nennen;  gleich  darauf  folgt 
die  elegante  Rathhaushalle  zu  Köln,  während  seit  1566  Lüne- 
burg die  reiche  Ausschmückung  seines  Rathssaales  beginnt, 
Schwein  fürt  1564  sein  Mühlthor  erbaut 

Die  siebziger  Jahre  bringen  schon  ein  Ueberwiegen  der  städ- 
tischen Unternehmungen,  besonders  in  AufRLhrung  oder  reicherer 
Ausstattung  der  Rathhäuser.  Seit  1570  errichtet  Lübeck  den  ele- 
ganten Hallenbau  seines  Rathhauses;  aus  demselben  Jahr  datirt 


966  ^^  Bach.    Benaissance  in  Deutschland. 

der  Neubau  zu  Sehweinfurt  Seit  1572  geht  Rothenburg 
an  die  Errichtung  seines  dem  älteren  gothischen  Bau  vorgelegten 
Rathhauses,  und  fügt  dazu  seit  1576  umfangreiche  Bauten  am 
Spital.  Ebenso  erhebt  sich  1574  das  ansehnliche  Kathhaus  zu 
Emden.  Das  Hopfsche  Haus  in  Rothenburg  tiü.gt  die  Jahrzahl 
1571,  am  Haus  zum  Ritter  in  Schaffhausen  liest  man  1570. 
Der  originelle  Erker  in  der  Martinskirche  in  Colmar  ist  mit  1575 
bezeichnet,  die  Geltenzunft  in  B a s  el  mit  1578.  An  fflrstlichen  Bauten 
finden  wir  aus  derselben  Zeit  nur  das  Schloss  zu  Offenbach 
von  1572,  den  Schlosshof  zu  Stettin  von  1575,  die  Bauten  an 
derTrausnitz  von  1578  und  aus  demselben  Jahr  die  Maxburg 
in  Mtlnchen. 

Den  spätem  Verlauf  weiter  mit  Daten  zu  belegen  ist  nicht 
von  Interesse.  Die  Bewegung  wird  immer  breiter,  zieht  alle 
Kreise  zu  wetteifernder  Betheiligung  heran ;  aber  selu*  bald  läuft 
sie  in  den  derben  Schwulst  des  Barockstils  aus. 


Damit  schliesse  ich  meine  Arbeit,  deren  Mängel  und  Lücken 
Niemand  besser  kennt  als  ich  selbst  Allein  es  war  Zeit  endlich 
einmal  diesen  Gegenstand  zu  untersuchen  und  eine  zusammen- 
hängende Darstellung  zu  wagen,  wenn  uns  nicht  der  Vorwurf 
gemacht  werden  sollte  eine  der  wichtigsten  Epochen  unsrer  Ge- 
schichte nur  mangelhaft  zu  kennen,  namentlich  von  der  architek- 
tonischen Ausprägung,  welche  sie  gewonnen  hat,  keine  Ahnung 
zu  besitzen.  Selbst  nach  dem  unvollständigen  Material,  das  mir 
zu  Gebote  stand  und  hier  zur  Verwerthung  gekommen  ist,  muss 
Jedermann  den  Eindruck  einer  ktintlerischen  Bewegung  von 
seltener  Kraft,  Mannigfaltigkeit  und  Intensität  bekommen  haben. 
Während  der  künstlerische  Genius  DeutscKlands  nach  dem  Hin- 
gange Dttrer's,  Holbein's  und  der  an  ihnen  herangebildeten  Gene- 
ration sich  von  der  Malerei  abgewendet,  wirft  er  sich  mit  ganzer 
Kraft  auf  das  Gebiet  der  Architektur  und  der  damit  verbundenen 
dekorativen  Künste.  Seit  1540,  hie  und  da  auch  schon  früher, 
entsteht  eine  immer  allgemeiner  werdende  Lust  am  Bauen  und 
Meissein,  die  zu  einer  originalen  Umbildung  der  Architek- 
tur führt 

Diese  interessante,  bis  jetzt  noch  nirgends  in  ihrer  ganzen 
Kraft  und  Tiefe  erkannte  Wandelung  des  künstlerischen  Ver- 
mögens der  Nation  hängt  innig  zusammen  mit  der  einerseits 
durch  das  klassische  Alterthum,  andrerseits  durch  die  Reformation 
herbeigefbhrten  Umgestaltung  der  Lebensanschauungen,  die  zum 


Nachtrag  und  Nachwort.  967 

ersteimial  im  Norden  das  Aufbltthen  einer  eigentlichen  Profanr 
kunfit  heryorrief.  Dazu  kommen  fördernde  Verhältnisse  äusserer 
Art:  in  den  St&dten  ein  durch  Handel  und  Oewerbthfttigkeit 
reich  gewordenes  Bttrgerthum,  das  für  seine  gesteigerten  und 
verfeinerten  Lebensbedürfnisse  im  Bau  und  der  glänzenden  Aus- 
stattung prächtiger  Wohnhäuser  einen  Ausdruck  suchte,  zugleich 
kurz  Yor  dem  Zusammensturz  der  alten  reichsstädtischen  Macht 
und  Herrlichkeit  diese  noch  einmal  in  grossartigen  Bathhäusem 
und  anderen  öffentlichen  Bauten  verkörperte.  Daneben  das  mo- 
derne Fttrstenthum,  damals  eben  zu  selbständiger  Bedeutung  er- 
starkt, voll  Eifer  nicht  blos  sein  höfisches  Leben  der  feiner  ge- 
wordenen Sitte  und  einer  allgemeineren  Bildung  anzupassen, 
sondern  auch  den  Begriff  der  modernen  Fürstengewalt  in  staat- 
lichen Neugestaltungen,  in  Recht  und  Verwaltung,  in  Kirche  und 
Schule  festzustellen  und  dies  ganze  vielseitige  Streben  durch  An- 
lage glänzender  Schlösser,  Lusthäuser  und  Gärten,  aber  auch 
durch  Gebäude  ftlr  die  Verwaltung,  für  Schule  und  Kirche  zum 
kräftigen  Ausdruck  zu  bringen.  Im  Verlaufe  der  Entwickelung 
schliesst  sich  dann  der  Landadel  diesen  Bestrebungen  wetteifernd 
an  und  verwandelt  seine  mittelalterlichen  Burgen  in  stattlich  ge- 
schmückte Herrensitze.  Rechnen  wir  dazu  die  unabsehbare  Zahl 
von  Grabdenkmälern  jeglicher  Art,  welche  der  religiöse  Sinn  in 
eigenthümlichem  Bunde  mit  der  gesteigerten  Werthschätzung  der 
Persönlichkeit  überall  hervorbringt,  endlich  die  nicht  geringe  Reihe 
von  Werken  kirchlich  dekorativer  Kunst,  von  Kanzeln,  Altären, 
Lettnern,  Sakramentsgehäusen,  Orgeln  u.  dgL,  welche  immer  noch 
verlangt  und  ausgeführt  wurden,  so  haben  wir  eine  Erscheinung 
von  kaum  übertroffener  Mannigfaltigkeit.  Erst  indem  wir  diese 
Welt  von  Schöpfungen  erkennen  und  würdigen,  bemächtigen  wir 
uns  eines  unentbehrlichen  Materials  für  das  Verständniss  der 
grossen  Kulturbewegung  des  16.  Jahrhunderts. 

Aber  auch  die  rein  ästhetische  Seite  des  Gegenstandes  darf 
nicht  unterschätzt  werden.  In  unsrer  schulmässigen  Bildung  sind 
wir  gar  zu  schnell  geneigt,  nach  dem  Gesichtspunkt  sogenannter 
Stilreinheit  alle  Schöpfungen  zu  beurtheilen.  Wir  merken  nicht 
dass  es  gar  oft  nur  die  künstlerische  Impotenz  ist,  welche  in 
solcher  formellen  äussern  Correctheit  einen  Deckmantel  für  ihre 
Armuth  sucht.  Gorrekt  sind  nun  die  Werke  unsrer  deutschen 
Renaissance  noch  weit  weniger  als  die  der  französischen;  auch 
von  Stilreinheit  kann  kaum  die  Rede  sein,  wo  der  ganze  Verlauf 
der  Entwickelung  darin  besteht,  dass  sich  die  mittelalterliche 
Tradition  mit  der  antiken  Formenwelt,  dass  sich  die  heimische 
Sitte  des  Nordens  mit  der  Kunst  des  Südens  in  Ausgleich  setze. 


968  in.  Bach.    Renaiasance  in  Deutachland. 

Wer  aber  das  Weaentliche  in  den  künstlerischen  Schöpfungen  zu 
erkennen  weiss,  der  wird  durch  die  Fülle  von  origineller  Kraft, 
ja  durch  die  naive  Genialität  in  dieser  Welt  von  Kunstwerken 
überrascht  und  lebhaft  ergriffen  sein.  Da  ist  nirgends  ein  schab- 
lonenhaftes Copiren,  überall  individuelle  Freiheit,  Frische  der 
Oonception,  lebensvolle  Kraft  der  Ausführung.  Alles  aber  beruht 
auf  dem  soliden  Grunde  eines  gesund  entwickelten,  künstlerisch 
inspirirten  Handwerks,  das  bis  in  die  letzten  Theile  der  Ausstat- 
tung sich  in  seiner  ganzen  Tüchtigkeit  offenbart  und  den  Werken 
dieser  Epoche  einen  beneidenswerthen  Hauch  von  Ursprünglich- 
keit  und  Anmuth  verleiht  Wo  solche  Vorzüge  eine  Welt  von 
Kunstschöpfungen  auszeichnen,  —  mag  sich  auch  das  Form- 
gepräge innerhalb  einer  durch  die  Schranken  der  Zeit  und  des 
nationalen  Bildungsstandes  bedingten  Auffassung  bewegen,  die 
nicht  mehr  die  unsrige  sein  kann,  —  da  ziemt  es  sich  für  uns 
wohl,  den  grossen  wesentlichen  Zügen  einer  solchen  lebensvollen 
Epoche  in  gebührender  Selbstbescheidung  gerecht  zu  werden. 


Verzeichnisse  zum  fünften  Bande. 

(Geschichte  der  Benaissance.    Drittes  Bach:  Deutschland.) 


A.   Ortsverzeichniss. 


A. 

Aartn. 

Glasmalereien    aus    dem    Kloster 
Muri  127. 
Allendorf. 

Fachwerkbauten  909. 
Altenbury. 

Rathhaus  810. 

Schloss  813. 

Privatbau  810.    • 
AKorf. 

Privathaus:     Holzschnitzerei     95. 
Zinmier- Einrichtung  244. 
AHberjB. 

Bezirksgericht  287. 

Gebäude  f.  d.  LandescoUegien  286. 

Rathhaus  287. 

Schloss  CAppell-Gericht)  286. 

Tanzhäuser  288. 

Zeughaus  288. 

Privatbau  287. 
Anbras. 

Burg  617.    Oefen  618. 
Andemaoh. 

Der  Leyische  Hof  939. 
Annaberg.    (Sachsen). 

Schloss  777. 

Stadtkirche:  Hauptaltar  775.    Sa- 
cristeithür  775. 
Annaberg.    (Vintschfau). 

SchloBskapelle:  Altartafel  616. 
AsohalTenburg. 

Schloss  204.  253.  446. 
Stiftskirche:  Grabmäler  81. 
Aasen.    (Westphalen). 
Schloss  911. 


Anflsbnrg. 

Allgemeines  403  u.  f. 

St.  Anna:  Thurm  414. 

Augustusbrunnen :  Prachtgitter 
111. 

BarfÜsser-Kirche:  Gestühle,  Gitter 
411. 

BarfOsser-Brücke  415. 

Beckenhaus  414. 

Brunnen  212.  422. 

Dom:  £isengitt;er  111.  Gitter  und 
Epitaphien  411. 

Fagaden -Decoration  4L0. 

Fa^en,  gemalte  198.  200.  323.  409 
u.  f. 

Fleischhalle  210. 

Fuggerhaus:  404  u.  f.  Wandge- 
mälde 200. 

Gärten  215  u.  f. 

Gemälde-Galerie  M.  52.  (2.) 

Giesdiaus  413. 

Maximilians -Museum  406.  Erker 
186. 

Rathhaus  207.  415  u.  f.  Intarsien 
95.    Oefen  120. 

Schlachthaus  415. 

Siegelhaus  414. 

Spital,  das  neue  422. 

St.  Ulrich:  Chorstühle,  Beicht- 
stühle, Schränke,  Decoratioi^  etc. 
411. 

Weberhaus:  Wandmalerei  200.  409. 

Weiserhaus  408. 

Zeughaus  210.  414.  Geschützrohre 
114. 

Privatbau  408. 


970 


A.    Ortoverzeichniss. 


AugustHSburg. 

Schloss  777. 
Aulendorf. 
Schlossgarten :  Eisengitter  111. 388. 

B. 

Babenhausen. 

Schloss  (Kaserne)  445. 

Privatbau  446. 
Baobaraoh. 

Holzbau  951. 
Baden-Baden.  7 

Schloss  264  u.  f. 
Balreirth. 

Die  alte  Residenz  514. 
Bamberg. 

Dom:  Grabmal  82. 

Alte  Bischöfliche  Residenz  506. 

Handelsschule  509. 

Mauth- Gebäude  509. 

Michaelskloster  509. 

Neptunsbrnnnen  509. 

Rathhaus  509. 

Stift  St.  Gangolph  509. 

Stift  St.  Jacob  509. 

Stift  St.  Stephan  509. 

Privatbau  509. 
Basel. 

Brunnen  163.  212.  228. 

Gemalte  Facaden  198. 

Bärenfelser  Hof:  Holztäfelung  230. 

Geltenzunfthaus  228.   Fenster  176. 

Museum:  M.  59.  60.  69.  70.  71.  74. 

Rathhaus  227.  Glasgemälde  127. 
227.  Holztäfelung  227.  Gross- 
raths-Saal,  M.  63. 

Schützenhaus:  Glasmalerei  127. 

Spiesshof  230.   Fenster  176.   Holz- 
täfelung, und  Holzdecken  230. 
Bebenbausen. 

Kirche:  Kanzel  324. 

Fürstliche  Bauten  324.    Holztäfe- 
lung, Holzdecken,  Truhe  324. 
Benaen  (bei  Bronnbach). 

SchlöSBchen  644. 
Borofatesgaden. 

Gemalte  Fa^ade  562. 
Berlin. 

Kön.  Schloss  706  u.  f.  Silberpokal 
710.    Schwerter  711. 

Kön.  Marstall  709. 

Kupferstich-Kabinet  M.  63. 

Museum :  Pommerischer  Kunst- 
schrank 726. 

Neues  Museum :  Knnstschränke  98. 

Schinkel- Museum:  Sc.  70. 
Bemburg. 

Schloss  844. 


Bibliothek  Sc.  69. 

Privatbau  845. 
Bevarn  (bei  Holzminden). 

Schloss  858. 
Biberaeb. 

Privathaus:  Portal  171.  388.  Dec. 
176. 
Bielefeld. 

Privatbau  917. 
Birkenwald.    (Elsass). 

Schloss  262. 
Biscbof-Telnitz. 

Schloss  644. 

Bittburg. 

Kobenhof  947. 

Blatna.    (Böhmen). 

Schloss  644. 
Booholt 

«Rathhaus  922. 
Bolkoburp  bei  Bolkenhain.  (Schlesien). 

Sgrafnto- Decoration  und  farbige 
Fresken  201. 
Boppard. 

Karmeliter -Kirche:  Grabmäler  82. 
83.  940. 

Holzbau  949.  951. 

Fensterbrüstungen  950. 
Bozen. 

Pfarrkirche  611.  Epitaph  612. 
Hauptportal  612. 

Schloss  Runkelsteln,  siehe  R. 

Privatbau  612. 
Brake  bei  Lemgdt 

Schloss  9U. 
Braunaobwelg. 

Burg  878. 

Gewandhaus:  Giebel  184.  878. 

Ehemal.  Gymnasium  877. 

Neustädter  Rathhaus,  Sitzungssaal 
Dec.  879.  Alterthttmer-Sammlung 
873. 

Die  alte  Waage  873. 

Fachwerkbau  193. 

Privatbau  871  u.  f. 
Brauweller. 

Abteikirche:  Altäre  939. 
Bremen. 

Komhaus  762. 
.  Krameramthaus    (jetzt    Gewerbe- 
haus) 766. 

Rathhaus  758. 

Schütting  762. 

Stadtwaage  762. 

Privatbau  765. 
Bremmen  a.  d.  Mosel. 

Holzbau  951. 
Brealau. 

Dom :  Portal  645. 652.  Grabmal  648. 

Elisabethkirche :  Thurm  667.  Grab- 


A.    OrtsYerzeiehnias. 


971 


mSler  und  Denktafeln  644.  651. 

652.  658.  664.    Hochaltar  648. 
Kreozkirche:  Grabmal  661. 
Magdalenen  -  Kirche :    Thorm   668. 

Denktafeln  und  Epitaphien  652. 

653.  664.    Portal  664. 
Kapitelhaas  645.  654. 
Alterthums-Mogeum  Sc.  652.  668. 
Ohlauer  Thor  675. 

BathhauB  645.  648.  653.  656. 
Privatbaa  645.  649.  654.  661  n.  f 
665. 

Brleg. 

Piasten-SchloBB  649.  674.  n.  f. 
Fenster  172.  Portal  172.  S&ulen- 
arkaden  163.  Sgraffito -Decorar 
tion  201. 

Rathhaus  683. 

Gymnasium  683. 

Stadtschule  675. 

Privatbau  649.  683. 
Brixea. 

Dom  615. 

Bischöfl.  Palast  615. 

Privatbau  615. 

SchloBs  Yelthuma,  siehe  V. 
Bruchsal. 

Privathaus:  Portal  274. 
Brock  bei  Lienz. 
•  Schloss  M.  618. 
Brück  a.  d.  Mur. 

Brunnen  mit  Eisengitter  111.  595. 
Brfinn. 

Privatbau  643. 
Bribc. 

Rathhaus  638.  642. 
Bachsbelm. 

KarthSuserkirche :  Ghorstühle  und 
Hochaltar  956. 
BMngea. 

Stadtkirche:  Grabmal  911. 

Oberhof  910. 

Privatbau  911. 
Bttdwels. 

Privatbau  643. 
BiOach.    (Schweiz). 

Rathhaus:  Einrichtung  249. 
Bitow. 

Schloss  728. 

C. 

Calcar. 

Hobsschnitzaltäre  925. 
Caimaiatt. 

Kirche:  Thurm  218.  343.  376. 

Privatbau  183.  184.  377. 
Cassel. 

Martinskirche:  Grabmal  908. 


Marstall  908. 

Renthof  908. 

Schloss:  Lustgarten  215. 

Privatbau  908. 
Celle. 

Stadtkirche  851.    Grabmäler    851. 

Schloss  847.    Kapelle  850. 

Rathhaus  851. 

Privatbau  852. 
Coblenz. 

Jesuitenkirche  939. 

JesuitencoUegium  940. 

Privatbau  939. 
Coburg. 

Moritzkirche:  Grabmäler  839. 

Ehrenburg  836. 

Gymnasium  210.  839. 

Regierungsgebfiude  210.  839. 

Zeughaus    210.  389. 

Die  Veste  836.   Intarsien  95.   Ofen 
119. 
Colnar. 

Privatbau  171.   183.  184.  186.  257 
u.  f.    Gemalte  Fanden  200. 
Constanz. 

Dom:  Kapellengitter  111.  280. 

Rathhaus  279.    Fenster  176.    Ein- 
richtung 279.  280. 

Privatbau  280. 
Cöthen. 

Schloss  843.    Lustgarten  215. 

Privatbau  844. 
Craiiuen  bei  Schlawe. 

Schloss  710. 
Culmbaoh. 

Stadtkirche  514. 

Bezirksamt  514. 

Plassenburg  siehe  P. 

D. 

Daobau. 

Schloss:  Holzplafond  95. 
Dachsolder. 

Schloss  286. 
Danzig. 
Klosterkirche:  Holzsculptur  92. 
Beischläge  715. 
Das  Englische  Haus:  Portal  162. 

171. 
Die  Lange  Gasse  716. 
Altstädter  Rathhaus  722.   Thttrme 

207.    Gewölbe  208. 
Rechtstädt.  Rathhaus  718  u.  f. 
MttUergewerkhaus  724. 
Thore  212.    Das  Hohe  Thor  212. 

722. 
Zeughaus  193.  210.  722.    Fenster 

176. 


972 


A.    OrtsyerzeichiiiBs. 


Privatban   166.   223.   718.      Holz- 
schnltzwerk  95. 
Dargoi. 

Schlossbanten  189.  744. 
Darnstadt 

ßrossherzog^.  Schloss  442  u.  f. 

RathhauB  444. 

Privatban  445. 
Deintoliwano. 

Schloss  286. 
DMtau. 

Herzogl.  Schloss  S39. 

Rathhaus  842. 

Privatban  842. 
Dettelbach. 

Wallfahirtskirche  456. 
Dinkelabähl. 

Privatban  166.  198. 
Donaiesohlmeii. 

Fttrstl.  Galerie  H.  78. 
DonaiwSrth. 

Fnggerschloss :  Holzdecke  95. 
Dortnund. 

Marienkirche:    Orgelempore  925. 

Rainoldikirche :  Thnrm  925. 

Privatban  922. 
Dresden. 

Kön.  Schloss  156.  158.  160.  203. 
775.  777.  785  n.  f.  Stallhof  794. 

Bibliothek:  Handzeichnungen  etc. 
75.  134. 

Knnstkammer  777. 

Kupferstich-  Kabinet:  Handzeich- 
nnngen   150. 

Lnsthans  anf  der  Jungfembastei 
777. 

Historisches  Museum:  Waffen  u. 
KunstgewerbL  (Gegenstände  99. 
104.  105.  113. 

Privatbau  795. 
Düsseldorf. 

Stadtkirche:  Grabmal  925. 


Ebemdorf. 

Kirche:  Grabmäler  602. 
Ebretehsdorf  bei  Wiener  Neustadt. 

Schloss  589. 

Friedhof:  Grabmal.  589. 
EiMbiirii  bei  Graz. 

Schloss   601. 

Privatbau  592. 

Das  gemalte  Haus  592. 

Kosenburg,  siehe  R. 

Burg    Schleinitz,  siehe  S. 
Ebrenbury  bei  Brunecken. 

Schloss:  Sgraf&to-Decor.  619. 


Eiobsttdt 

Kirche  des  heil.  Grabe84  21. 

Schloss  auf  dem  Trillibald8berg421. 
Eislebeii. 

Andreaskirche:  Kronleuchter  834. 
Bop  bei  Winterthnr. 

Schloss:  Einrichtung  125.  249.. 
Eltville.  (Ellfeld). 

Privathaus  428. 
Eaden. 

Die  neue  Kirche  770. 

Grosse    Kirche    St.   Cosmaa   und 
Damianus:  Grabmal  770. 

Brücke  769. 

Rathhaus  766. 
EaMsrieb. 

Kirche:  Taufkessel  925. 
Ensisheiiii.   (Elsass). 

Rathhaus   952. 

Privatbau  955. 
EppfaiQeB. 

Privathaus  193. 
Erftirt 

Dom:  Epitaphien   und    Taufstein 
831. 

Michaelskirche»  Grabstein  828. 

Severikirche:  Kanzel  831. 

Privatbau  825  u.  f. 
Ettltaioeii. 

Schloss:  Brunnen  956.  • 


F. 

Feisenbery  bei  Graz. 

Schloss  601. 
Frankftart  a.  M. 

Brunnen  437. 
Der  Römer  432. 

Privatbau:  183,  193.  197.  433  u.  f. 
Frelbery. 
Dom :  Grabmfiler  87.  776.  799.  Chor- 
gitter und  Kanzel  800. 
Rathhaus  799. 
Privatbau  798. 

Frelburg  i.  Br. 

Münster:  VorhaUe  278.  956. 

Rathhaus  277. 

Universit&t  277. 

Privatbau  277.  956. 
Frelenstein. 

Rohr*sches  Haus  710. 
Frelsing. 

Dom  521.    Kapellengitter  111. 

Residenz  156. 167.  519  u.  f.  Kapelle 
521. 
Freudenstadt 

Kirche    127..   136.   217.    218.    321. 
333  u.  f. 


A.    OrtsyeneichniM. 


973 


Stadt- Anlage  332. 

Kaufhaiu  (OberamtsgebSnde)  333. 

Marktplatz  332. 

Oeffentliche  GebSude  321. 

Rathhans  333. 

Spital  333. 

Thore  212. 
FreMfenateiii  bei  Freiberg. 

SchlosB  777. 
Friadentteia  bei  Gotha,  siehe  Gotha. 
Friedland. 

SchloBS  644. 
Friesaoli. 

Kirche':  Grabmfiler  602. 

Brannen  611. 
Fritzlar. 

Kaserne  909. 
Firatenrled. 

Schlossgarten  216. 
FlrtteDwald. 

JagdschlosB  286. 

G. 

tedebMOb  bei  Schwerin. 

Schloss  189.  743. 

Bathhans  744. 
8L  Gallen. 

£rker  in  Holz  geschnitzt  249. 
,  Bei  Herrn  Kaomann  Meyer:  Glas- 
malerei aus  dem  Kloster  Bat- 
haosen  127. 
Gmlng. 

Klostergebände  589. 
Gemsbach. 

Bathhans  176.   184.  186.  277. 
GIfliom. 

Schloss  853.  • 

Gitsobin. 

Waldstein -Schloss  644. 
Giribid.    (Schwab.  — } 

Heil.  Geist-Spital  384. 

KomhauB  384. 

Brunnen  163.  212.  387. 

Privatban  384  387. 
GSilersdorf. 

Schloss  588. 
GBppIngea. 

Schloss  203.  321.  323. 
GSrfltz. 

Bathhaus  695  n.  f.  776. 

Privatban  699  n.  f. 
Goslar. 

Fachwerkbau  193. 
Gettuu 

Kunstkammer:  Werke  der  Klein- 
kunst 833. 

PostgebSude:  Portal  832. 

Rathhaus  832. 


Schloss  Friedenstein  832. 

Privatban  832. 
Gotteaan  bei  Carlsruhe. 

Schloss  263. 
Graz. 

Burg  599.     Oefen  592. 

Lanahaus  595.    Wasserspeier  112. 
Ziehbrunnen  596. 

Mausoleum  Kaiser  Ferdinands  IL 
599. 

Privatbau  599. 

Schloss  Eggenburg,  siehe  E. 

Schloss  Felsenburg,  siehe  F. 
Greifenatein,  Burg.  (Schlesien). 

Sgraffito- Decoration  201. 
Groaaheubacb  bei  Miltenberg. 

Erker  197. 
Groas-Steinbelm. 

y.  Hntten*sches  Haus  431 
Grinaa  bei  Neuburg  a.  D. 

Jagdschloss  296. 
Grunewald  bei  Berlin. 

Jagdschloss  710. 
GnMau  bei  Nimptsch. 

Schloss:  Portal  694. 
auairow. 

Dom :  Prachtgitter  742.  Kanzel  743. 

Pfarrkirche:  Kanzel,  Empore  und 
Stuhlwerk  743 

Schloss  737  u.  f.  Stuckdeooration 
741. 


H. 

Halnbury  bei  Neumarkt. 

Schloss  286. 
Halberstadt 

Petershof  885. 

Rathhaus  882. 

Bathskeller  880. 

Schuhhof  881. 

Steneramt  885. 

Privatbau  197.  198.  880  u.  f.  885. 
Hall.  (SchwSb.  — ) 

Privatbau  197.  323. 
Halle  a.  d.  S. 

Dom  817.  Kanzel  und  Decor.  816. 

Marienkirche  (Marktkirche)  Decor. 
818. 

Moritzkirche :    Kanzel  81 8. 

Ulrichskirche :     Tabernakel     und 
Kanzel  818. 

Friedhof  820. 

Moritzburg  817. 

Rathhaus  819. 

Die  alte  Residenz  817. 

Stadtwaage,  (jetzt  Schule)  819. 

Privatbau  819. 


974 


A.    Ortoveraeiohiiisfl. 


Htllstadi 
G^thof    zur    Poit:    Hanaglocke 
112.  574. 
Hambury. 
K&tharinenkirche:  Thurm  757. 
Privatbau  757. 
NmMa. 
HochzeitBhaas    184  900. 
BattenfÜngerhaiu  184.  899. 
Priyatbau  899. 
mnelachenburg  bei  Hameln. 

SchlofiS  854  o.  f. 
Haanover. 
Leibnitehaofl  184.  186.  895. 
Privatban  895.  899. 
Heblen. 

SchloM  858. 
Heidelberg. 
SchlosB  286.  297  u.  f.    Friedrichs- 
ban  166.  175.  176.  177.  184.  312. 
Kapelle  21 7.    Otto  -  Heinrichabau 
158.    164.   165.  166.  175  176.  302 
u.     f.     306.      Bndolfsbau    300. 
Rapprechtsbau   300.    Der  eag- 
liBche  Bau  316.    Köni^^pMaal  300. 
Terrasee    316.      Gartenanlageii 
215.  317. 
Hana  Bmn  Bitter  184.  186.  318. 
Privatban  319. 

Kilianskirche  156.  218.  320.  377. 

DeatschordenahaoB  383. 

Fleischhalle  210.  381. 

Katharinenspitai  166.  172.  184.  381. 

Oberamtsgebäude  381. 

Rathhaus  207.  378  u.  f. 

Privatban  383. 
HelUgenbery. 

SchlosB  95.  217.  281  n.  f. 
HeMbory  bei  Hildbnrghansen. 

Schloss  834. 
HelmatiUlt. 

Ehemal.  Universität  (Jnlenm)  859. 
Herford. 

Nenstädter  Keller  914. 

Rathhaus  944. 

Ziehbrunnen  am  Markt  914. 

Privatban  917. 
Hersfeld. 

Rathhaus  909. 
Hlldeshelm. 

Dom :  Lettner  893. 

Brunnen  am  Markt  893. 

Kaiserhaus  891. 

Knochenhauer- Amtshaus  887. 

Templerhaus  892. 

Privatbau  193.  887.  889  u.  f. 
HIrsau. 

Jagdschloss  321.  324. 


Hb*achwald  bei  Amberg. 

SchloBS  286. 
Hohenelbe. 

Privatbau  644. 
Hollenefg.  (Steiermark). 

Schloss:  Oefen  592. 
HSxter. 

Privatban  900. 
HOlaede  bei  Lauenan. 

Schloss  858. 


Jena. 

Burgkeller  831. 

Privatbau  831. 
Jever. 

Kirche:  Grabmal  772. 

Schloss:  Holzdecke  774. 
lagolatadt. 

Obere  Pfarrkirche  St.  Maria:  Glaa- 
gemälde  128.    Hochaltar  220. 
Innabrvok. 

Franziskaner -(Hof-)  Kirehe  616. 
Eisengitter  616.  Denkmal  Maxi- 
milians 88.  617. 

Landschaftshaus  617. 

Museum:  AHar^f«1616. 

Postgebftude  617. 

Schloss  Ambras,  siehe  A 
Joob.  (Rheinland). 

Stadtthor  925. 

Privatbau  925. 
Johanniaberg  bei  Neisse. 

Schloss  645.  652. 
Iscbl. 

Hausgloden  112. 
JOIIch. 

Rathhaus  925. 


K. 

Kaiaersberg. 

Privatbau  955. 
Kempen  a.  Rh. 

Kirche:  Orgelgehäuse  925. 
Kledriob. 

Rathhaus  431. 
KIrcbbauaen. 

Schloss  445. 

Kiaalegg. 

Ofen  119.  388. 
Klagenfbrt. 
Brunnen  603.  611. 
Landhaus  609. 
Rathhaus  609. 
Privatbau  610 


A.    OrtSTerseichnisB. 


975 


Klaiisenbory. 

Kirche:  Portal  566. 
Klosterneobury. 

Conventgebäude  589. 
K5III. 

Dom:  Epitaph  927.    Grabmal  928. 

St    Georg:    Portal,   Sakraments- 
gehäuse   928. 

St.   Gereon :   Epitaph  928.     Inne- 
res  929. 

Jesnitenkirche  929. 

Kapitolskirehe :  Lettner  927. 

Maria -LyBkirchen:    Orgel,    Holz- 
thür  929. 

StSdt.  Museum:  Grabmal,  Kamine 
928. 

Rathhans  158.  171.  930.  936  u.  f. 

Zeughaus  937. 

Privatbau  937. 
KSnigawntterhaBaM. 

Schloss  710. 
KMi    (Böhmen). 

Schloss:  Thnrm  644. 
Krakan. 

Dom:  Jagellonische  Kapelle  566. 
570. 

Schloss  570  (2). 

Tuchhalle  638. 

Sgraf&to- Reste  201. 
Krems. 

Privatbau  592. 
Krumau. 

(Böhmen).  Schloss  644. 
Kattenberg. 

Privatbau  643. 


Landsbut. 

Bezirksamt   531. 

Landsehaftshaus  (jetzt  Post)  531. 

Residenz  157.  292.  522  u.  f.    Holz- 
decke  95. 

Trausnitz   531    u.   f.    Geschnitzte 
Bilderrahmen    209.    Oefen    119. 
Pfeilerarkaden    167.    Rittersaal 
203. 
Lautershofen. 

Schlösschen  286. 
Leipzig. 

Fürstenhaus  184.   186.  806. 

Pleissenburg  805. 

Polizeiamt  805.    Rathskeller  805. 

Rathhaus    184.  802. 

Privatbau  186.  801.  809. 
LsHmeriti. 

Rathhaus  643. 
Leitzkao. 

Schloss  Mtinchhausen  710. 


Lengo. 

Hauptsteueramt  913. 

Rathhaus  911. 

Privatbau  913. 
St.  Leonbard. 

Kirche:  GrabmiUer  602. 
Letziingen. 

Schloss  710. 
Liobtetfeide. 

Schloss  710. 
Liebenstein. 

Schlosskapelle  165.  166.   172.  217. 
218.  383. 
Liegnitz. 

Schloss  649.  668  u.  f. 

Gymnasium  672; 

Privatbau  649.  672  u.f. 

Sgrafifito-Dekoration  201. 
Unz. 

Museum:   Gemalte  Fayence-Oefen 
590. 
Lobr. 

Bezirksamt  (früh.  Schloss)  451.  452. 

Rathhaus  207.  209.  (2)  450  u.  f. 
London. 

British  Museum :  A.  64.  Sc.  69.  M. 
70.   75.    134. 

Kensington-Museum :  Schild  106. 
Loroh  a.  Rb. 

Kirche:   Grabmal  83. 

Hilchenhaus  428. 
USwenberg.    (SchlesieB) 

Sgraffito-Decoration  201. 
Lübeck. 

Dom :    Grabmäler ,    Kronleuchter 
752. 

Aegidienkirche :    Orgel,   Lettner, 


egi 
Kronleuchter  752. 


Bremer  Kapelle:  Bronzegitter  752. 
Jacobikirche :  Orgel,  Kronleuchter 

752. 
Marienkirche:    Inneres   752. 
St.   Peter:    Kronleuchter,    Gitter 

752. 
Haus  der  Kaufleute,  Decor.    75t. 
Rathhaus    747.   748. 
Zeughaus  (ehemal»)  748. 
Privatbau  95.  749  u.  f. 
Lüneburg. 
Johanniskirche :    Grabmal,    Chor- 

stüfale  etc.    756. 
Rathhaus  754  u.  f.    Silberkammer 

756. 
Rathsapotheke  754. 
Springbrunnen  756. 
Privatbau  753. 
Lyz(Aii. 
Antoniuskapelle  235. 
Franziskanerkirche,  Dec.  235. 


976 


A.    OrtsverzeiebDiM. 


Stiftskirche:  Taufsteingitter  235. 
Friedhof. :  Arkaden  234. 
Bathhaus  233. 

Begiernnfsgebäude  233.  952. 
Gemalte  Facaden  198. 
Privatban  58.  226.  230. 


Magdeliiira. 

Dom:  Grabmal  78. 
Mainz. 

Dom:   Chorstühle  92.  427.   Grab- 
mal  83. 

Erzbischöfl.  Schloss  425. 

Gynmasiam  426. 

Judenbrunnen  211.    425. 

Ehemal.  Universität  (Kaserne)  426. 

Privatbau  426.  427. 
MarlNiro.  (Hessen). 

Herrenmühle  909. 

Kathhaus  909. 

Regierungsgebftude  909. 

Privatbau  910. 
Marbura.    (Steiermark). 

Kathhaus  600. 

Privatbau  601.     . 

Riegersbnrg,  siehe  R. 
Markgrilninoeii. 

Brunnen  21t. 
Markttreit. 

Landgerichtsgebände  453. 

Bathhaus  452. 
MayeiilNirg  bei  Völlau. 

Schloss  618. 
Melsenheln. 

Kirche:  Epitaphien  940. 
Meiiaen. 

Dom:  Grabplatten  797. 

Albrechtsburg  775. 

Privatbau  797. 
Melleiitliin. 

Schloss  727. 
Heran. 

Altes  Schloss  618. 
Mergentheim. 

Schloss:  Treppen  203. 

Deutschordens -Schloss  468. 
Merseburg. 

Dom:  Kanzel  823. 

Schloss  821  u.  f.    Ziehbrunnen  823. 

Metz. 

Kathedrale  253. 
Miohelatatten. 

Schloss  589. 
MMIstadt. 

Kirche:  Grabmäler  602.  * 

Minden. 

Bathhaus  918. 


Privatbau  918. 
M8lk. 

Schalaburg,  siehe  S. 
Molshelm. 

Fleischhalle  26t. 
MSrsbnrg.    (Schweiz). 

Oefen  122.  249. 
Mdskiroh. 

Kirche:  Grabplatte  82. 
MOMhtusen.    (Ebass). 

Bathhaus  171.  t76.  254  u.  f.    Ge- 
malte  Fa^ade  184.  200.  256  n.  f. 
Glas-  und  Wandgemlilde  257. 
MOnohen. 

Frauenkirche:  Grabmonument  88. 
Kapellengitter  111. 

Michaels-Hofkirche  541  u.  f.  Chor- 
stühle 92.  Thurm  218. 

Akademie  der  Künste  (ehemal.  Je- 
suitencolleginm)  210.  545. 

Fleischhalle:  Prescomalerei  562. 

Der  alte  Hof  (Ludwigsburg)  546. 

Kupferstich-E^binet:  Entwürfe  zu 
Küstungen  106. 

Mariensäule    163.   562. 

Maxburg  546.  gemalte  Fa^ade  201. 

Der  alte  Münzhof..  163.  540. 

Nationalmnseum:  Kunstge- 
werbl.  Gegenstände,  Waf^n, 
Schmuck  etc.  95  97.  98.  99.  103. 
104.  106.  113.  119.  131.  132. 

Pinakothek  M.  57.  77.  (2). 

Beeiden  z  546  u.  f.  553.  Details 
172.  181.  209.  Brunnen  im  Hof 
212.  Gemalte  Facaden  201.  Grar- 
ten  216.  Grottenhof  555.  Kaiser- 
vestibül 555. 

Schloss  kapeile  219.    Glasge- 
mälde  128. 
Schatzkammer:       Schmuck- 
gegenstände 103. 

Die  sogen.  Neue  Veste  546. 

Bei  Herrn  von  Hefner-Alten- 
eck:   Entwürfe    zu    Schmuck- 
gegenständen 103.  104. 
Minden. 

Blasiuskirche :  Epitaph  und  Orgel 
903. 

Schloss  900. 

Bathhaus  902. 

Privatbau  902. 
Münster. 

Dom:  Epitaphien,  Altäre,  Elapitel- 
saal    922. 

Bathhaus   922. 

Stadtweinhaus   (Stadtwaage)   921. 

Privatbau  921. 
Mnran.    (Steyermark). 

Schloss   601.    Oefen  592. 


B.    Yerzeichnisa  der  Künstlernamen. 


'  977 


Kloster:  Glasmalerei  127. 


N. 

Nabbnrg. 

Bathhaus  288. 
NSfels. 

Gememdehai^s  247.  Details  der  Ein- 
richtung 95.  126.  226.  247.248. 
Negau.    (Steyermark). 

Schloss  601. 
Neisae. 

Pfarrkirche:  GrabmSler  686.  Eisen- 
gitter    689. 

Rathhaus    687. 

Stadtwaage  687. 

Breslauer  Thor  689. 

Ziehbrunnen  689. 

Privatban  649.  688. 
Neuburg. 

Schloss  290  u.  f.  Details  der  Ein- 
richtung 294. 
Nettenstein. 

Schloss  958. 
Neuham.    (Böhmen). 

Schloss  644. 
Neuhaus.    (Westphalen). 

Schloss  911. 
Neumarki 

Schloss  285.  288. 
NeuDkirchen.    (Niederösterreich). 

Ziehbrunnen- Gitter  111. 
Neustadt  am  Waldnab. 

Schloss  288. 
Nikolsburg. 

Schloss  644. 
Nifliptsch. 

Schloss  675. 
Nordhausen. 

Rathhaus  833. 
NSrdlingen. 

Rathhaus  387.  Freitreppe  207. 

Schulhaus  387. 

Reimlinger  Thor  387. 
Nürnberg. 

St.  Sebald:  Sebaldusgrab  78.  218. 

Brunnen  212.  505. 

Festungswerke  505. 

Fleischbrticke  505. 

Fleiscbhalle   210. 

German.  Museum:  KunstgewerbK 
GegenstSnde  102.   119.  120.  121. 

Rathhaus  74.  82.  168.  207  (2).  208. 
500  u.  f.  Brunnen  82.  In  der 
Städtischen  Sammlung:  silberne 
Becher  102. 

Stadtmauern  212. 

Kngler»  Gesoh.  d.  Banknnit  Y. 


Thürme  212.  505. 

Das  alte  Zeughans  505. 

Privathäuser,  Details  und  Ein- 
richtung derselben  95.  119.  156. 
166.  167.  172.  184.  186.  204.  486 
bis  500. 

Bei  Herrn  Merkel:  Tafelaufsatz  102. 

Bei  Herrn  Bürgermeister  von  Stro- 
mer: Nachlass  von  W.  I.  Stro- 
mer 222. 

Bei  Nürnberg: 

Gleishammer  500. 

Lichtenhof  500. 

Schoppershof  500. 
Nymphenourg. 

Schlossgarten  216. 


0. 

Oberbnrg. 

Kirche  601. 
Oberebnbeim.    (Elsass). 

Brunnen  211.  261. 

Die  alte  Komhalle  261. 

Rathhaus  261. 
Oberlabnstein. 

Holzhaus  950. 
Oberstrass  (bei  Zürich.) 

Oefen  125. 
Oberwesel. 

Stiftskirche:    Grabmal  83  (2). 
Oohsenfiirt 

Rathhaus  452. 

Privatbau  452. 
Oebringen. 

Kirche,  Grabmal  944. 
Oels. 

Pfarrkirche:   GrabmSler  694. 

Schloss  649.  689. 
Offenbaoh. 

Isenburg^sches   Schlösschen  438. 
Oldenburg. 

Rathhaus  771. 

Schloss    770. 
Olmiiz. 

Rathhaus  643. 

Privatbau  643. 
Osnabrfick. 

Privatbau  920. 
Oxford. 

Bodleianische    Bibliothek,  M.  69. 


P. 

Paderborn. 

Rathhaus  918. 
Pansin  bei  Stargard. 
Schloss  727. 

62 


978 


A.    Ortsverzeichniss. 


Pforzheim. 

Stiftskirche:  GrabmSler  84. 
Pfrelmdt 

Franziskanerkirche  288. 

Stadtkirche  288. 

SohloBS  288. 
Pilsen. 

Privatbau  643. 
Plassenbury. 

Schloss  509  u.  f.   Details  167.  171. 
203. 

Plathe. 

Schloss  728. 
P5llau. 

Kirche  601. 
Poaen. 

Rathhaus  705. 
Prag. 

Dom:  Eisengitter  111.  641. 

Belvedere^im  Baumgarten  210. 624. 

Belvedere  Ferdinands  1. 626/Spiing- 
brunnen    633. 

Hradschin  624.    Erönungssaal  622. 
624.    Wladislawsaal  §66. 

Altstädter  Rathhaus  638. 

Palast  Schwarzenberg  638.   Sgraf* 
fito-Decor.  201. 

Palast  Waldstein  641.    Halle  641. 

Ziehbrunnen  auf  dem  kleinen  Ring: 
Eisengitter  641. 

Privatbau  641. 

Bei  Prag: 

Jagdschloss  zum  Stern  633  u.  f. 
Pragflial.    (Unteröstreich). 

Schloss  590. 
Pudaala  a.  d.  Insel  Usedom. 

Schloss  727. 
PurQlitz  bei  Rakonitz. 

Burg:  Rittersaal  622. 


R. 

RappoltaweHer. 

Brunnen  955. 
Ratbausen. 

Kloster,  Glasmalerei  127. 
Ravensburg. 

Eisenarbeit  112.  388. 
Regensburg. 

Dom:  Kreuzgang  156.  289.    Grab- 
mal 81. 

Dreifaltigkeitskirche  219.  290. 

St.  Emmeram:  Glockenthurm  289. 

Neue  Pfarrkirche  156.  289. 

Obermtlnster  (  Altar  290. 

Rathhaus  290.   Modell   der  Neuen 
Pfarrkirche  289. 

Thon-Dittmer'sches  Haus  204.  290. 


Relobenberg.    (Böhmen). 

Rathhaus  643. 
Reifenstein  bei  Sterzing. 

Schloss  618. 
Rbense. 

Holzhaus  950. 
Riegersbarg.    (Steyermark). 

Schloss  601.    Oefen  592. 
Ronneburg  in  der  Wetterau. 

Schloss  910. 
Rorschaoh. 

Privatbau  249. 
Rosenberg  bei  Eggenburg. 

Schloss  587. 
Roth  am  Sand. 

Schloss  470. 
Rothenburg  a.  T. 

Befestigungswerke  212.  477. 

Brunnen  163.  178.  212.  478. 

Gymnasium  210.  476. 

Mauern  und  Thore  212. 

Rathhaus  207.  472  u.  f.  Details  92. 
164.  171.  17.  176.  183.  186.  208. 
223. 

Spital  210.  476. 

Spital -Thor  212.^ 

Privatbau  478  u.  f.  Details  95.  112. 
209.  479  u.  f. 

RottweH. 

Brunnen  212.  388. 

Privatbau  388. 
Rufacb. 

Ziehbrunnen  955. 
Runkelstein. 

Schloss  618. 


Salzburg. 

Dom  619. 

Franziskanerkirche:       Eisengitter 
619. 

Brunnengitter  574.  619. 

Eisenarbeiten  619. 

Friedhof  St.  Peter  619. 

Friedhof  St.  Sebastian  619.   Eiser- 
nes Grabkreuz  574. 

Residenz:  Portalgitter  619. 

Veste  Hohen -Salzburg  619. 
Salzuffeln. 

Privatbau  914. 
Schaffhausen. 

Johanniskirche  240. 

Munoth  243. 

Privatbau  240. 

Gemalte  Facaden  198.  200.  240. 243. 
Sohalaburg  bei  Molk. 

Schloss  586. 


A.    Ortsverzeichniss. 


979 


Schlackenwerth.    (Böhmen). 

SchloBs:  LuBtgarten  215. 
Scbleiiiifo  bei  Eggenburg. 

Burg  589. 

Schlei88beiin. 

Schlosse^arten  216. 
Schletstaot. 

Privatbau  955.  * 
Schmalkalden. 

Stadtkirche:  Kronleuchter  908. 

Schloss  (Wilhelmsburg)  905.    Ka- 
pelle 906. 

Privatbau  908. 
Sob9nfeld  (in  Franken). 

SchlosB  42t. 
Schrattenberg.    (Steyermark). 

Schloss  601.    Oefen  592. 
Scbwarz-Kosteletz  (bei  Böhmischbrod). 

Schloss  644. 
Sohweinfurt. 

Gymnasium  210.  465. 

Mühlthor  212.  465. 

Rathhaus  207  j(2).  460  u.  f   Details 
92.  209.  465. 

Privatbau  465. 
Scbwerln. 

Schloss  189.  73l 
Schwöbber. 

Schloss  858. 
Seokau. 

Mausoleum   Erzherzogs   Karls  II. 
601. 
Semil.    (Böhmen). 

Bathhaus  644. 
Sigmaringen. 

Schloss:  Votivtafel  957. 
Simmem. 

Pfarrkirche:  Grabmäler  940. 
Smetoobna.    (Böhmen). 

Schloss  644. 
Sobernbelm. 

Schloss  947. 
Södhig.    (Steyermark). 

Kirche:  FlUgelaltar  572. 
Spital  a.  d.  Drau. 

Schloss  Porzia  603. 

Bezirksamt  607. 

Privatbau  (Höfe)  608. 
Stein  am  Rhein. 

Genullte  Fagaden  200.  235.  239. 

Kloster  (ehemaL)  235.   Details  235. 
236. 

Schtitzenhaus:  Glasmalerei  128. 240. 

Zunfthaus   zum   Kleeblatt:    Glas- 
malerei 128.  239. 

Privatbau,    Details   und  Einrich- 
tung 200.  237.  239. 
Stettin. 

Schloss  726. 


Privatbau  728. 
Steyer. 
Kornhaus  591. 
Hausglocke  112. 
Stixensiein. 

Ziehbrunnen:  Gitter  111. 
Stolpen. 

Burg:  Portal  775. 
Stralsund.     . 

Privatbau  728. 
Strasaburg. 
Münster   253. 

Frauenhaus  beim  Münster  260. 
Postamt   (ehemal.    Rathhaus  und 

Börse)  260  (2). 
Privatbau  261. 
Stuttgart. 
Stiftskirche:  Grabmal  87. 
Der  neue  Bau  321.  365. 
K.  öffentl.  Bibliothek :  Schickhards 

Kachlass  222.  336  u.  f. 
Gymnasium  376. 
Die  alte  Kanzlei  210.  320.  321.  370 

u.  f.  Details  163.  164.  177. 
Kupferstich- Kabinet,  M.  73. 
Landschaftshaus  321.  372. 
Lustgarten    215.  216.    358.    Lust- 
grotte  321.    367. 
Das  Neue  Lusthaus  210.  321.  322. 

359  u.  f.  Details  171.  184. 
Prinzenbau  321.  372. 
Rathhaus  375. 

Das  alte  Schloss  321  u.  f.  348  u.  f. 
Details  112.  158.  162.  171.  172. 
203.  Kapelle  217. 
Ständehaus  210. 
Privatbau  162.  171.    177.   !97.  343. 

375. 
Bei  Herrn  Oberbaurath  v.  Egle: 
Kunst-Schrank  96. 


T. 

Tbalberg.    (Steyermark). 

Burg  601. 
Thienhauaen  bei  Steinheim. 

Schloss  911. 
Thurnau. 

Schloss  Giech  514. 
Torgau. 

Schloss  775.  778  u.  f.  Kapelle  782. 
Details   160.    172.    176.   186. 

Rathhaus  785. 

Privathau  784  u.  f. 
Toni. 

Kathedrale  253. 
Traben  a.  d.  Mosel. 

Holzbau  950.      951. 

62* 


980 


A.    OrtsverzeichniBs. 


Tratzberg. 

Schloss  618. 
Traasnltz  siehe  bei  Landshat. 
Traiiteiifel8.  (Steyermark). 

Schloss  601. 
Trier. 
Dom:   Grabmäler  83.  944.  Kanzel 

947. 
liebfrauenkirche:  Balustrade,  Pi- 

laster  944. 
St.  Matthias :  Epitaphien  944. 
Erzbischöfl.  Palast  947. 
Privatbau  947. 
Tschocba  bei  Mark-Lissa,  Lausitz. 
Burg:  Sgraffito-Beste  und  farbige 
Fresken  201. 
TObliigeii. 
Stiftskirche:  Grabmäler  84. 
Kathol.  Convict(Wilhelmsstift)210. 

321.  328. 
ßathhaus  328. 

Schloss  320.  324  u.  f.   Details  162. 
172.  321.  327.  328. 


U. 

Uaberiiiigeii. 

Kirche:  Altäre  178.  280.  Taber- 
nakel 220. 

Münster:  Altäre  220. 

Kanzleigebäude  162.  171. 172.  176. 
280. 
Ulm. 

Münster:  Portale  397.  Thttrflügel 
397.  Eisengitter  111.  397.  Chor- 
gestühl 82. 

Dreifaltigkeitskirche  393.  Inneres 
394. 

Spitaikirche:  Chorstühle  92.  219. 

Der  neue  Bau  (jetzt  Kameralamt) 
392  u.  f. 

Brunnen  212.  394  (2). 

Komhaus  210.  393. 

Rathhaus  320.  389.  Gemalte  Facade 
391. 

Privatbau  204.  397  u.  f.  401.  Holz- 
schnitzer^ 95. 

Gemalte  Fa^aden  198.  201.  323. 
Urach. 

Kirche:   Betstuhl    320.   330. 

Schloss  329.    Details  82.  97.  329. 


T. 

Varenholz  im  Lippe'schen. 

Schloss  911. 
Veithanis  bei  Brixen. 

Schloss  618. 


Viliaoh. 

Stadtpfarrkirche ;  Einrichtiing  602. 


W. 

Wäclitersbacb. 

Schloss  910. 
Warta.    (Schlesien). 

Schloss:  Sgraffito-Dekoration  201. 
Weikerahelm. 

Schloss    466.    Kapelle    217.    468. 
Garten  215.    Details  der    Aub- 
stattung  131.  467. 
Weil  (die  Stadt). 

Kirche:   Tabernakel  88.  220. 
Weimar. 

Stadtkirche :    Decoration.     Epita-  * 
phium  825. 

Das  alte  Schloss  824.  Lustgarten 
215.       I 

Das  rothe  Schloss  824. 

Cranachhaus  824. 

Das  städtische  Brauhans  825. 

Kriminalgebäude:  Wappen  825. 

Privatbau  825.  • 
Weiasenburg.  (Elsass). 

Privatbau  262.  956. 
Wertliein. 

Kirche:  Grabmäler  83  u.  f.  448.  944. 

Brunnen  211.  448. 

Rathhaus  450. 

Das  Alte  Schloss  448. 

Privatbau  450. 
Wesel. 

Privatbau  925. 
Weasely. 

Rathhaus  643. 
Wettinnen. 

Klosterkirche:  Chorstühle 92.  Glas- 
gemälde 127. 
Wien. 

St.  Stefan :  Grabmäler  u.  sonstige 

Details  578. 

Deutschordenskirche :  Grabmal  581 . 

Michaelskirche:  Grabmal  581. 

Salvatorkapelle :  Prachtpforte  570: 
578. 

Albertina  M.    74.   75. 

Ambrasei:  Sammlung  M.  75.  Waf- 
fen- und  Prachtrüstungen  104. 
105. 

Kaiserl.  Burg  582.  Schweizerhof 
582.  Stallung  585. 

Hofbibliothek  M.  74. 

Landhaus  585. 

Tirna*sches  Haus  (Federlhof):  Por- 
tal 566. 


A.    Ortsverzeichniss. 


981 


Privatbau  5$t. 

Gärten  215. 
Wiener-Neustadt 

Arsenal  570. 

Artillerie* Käsende  566.  585. 
Wieebaden. 

Mnfleum  958. 

KathhatiB  431.  958. 
Windhag.  (Unterösterreich). 

Schloes  590. 
Wintertliur. 

Oefen  125.  126.  249. 
Wismar. 

Fürstenhof  189.  729. 
Wittenbera. 

SchloBskirche.  Grabmal    81. 
Witfingau. 

SchloBS  644  (2). 

Privatbau  643. 
WolfenbJittel. 

Marienkirche  217.  863  u.  f. 

Eisengitter,  Orgel  870. 

Hochaltar  866. 

Taufbecken  869. 

Herzogl.  Schloss  870. 

Zeughaus  (jetzt  ELaseme)  870. 

Apotheke  am  M)ftrkt  870. 
St  Wolfgang.  (Oberüsterreich). 

Kirche:  Altargitter  111. 
Wolfsberg. 

Kirche:  Grabmäler  602. 
Wolfsburg  bei  Fallersleben. 

Schloss  853. 
Wiilflingen  bei  Winterthur. 

Herrenhaus:  Details  der  Einrieb' 
tung  122.  249. 
Wurzburg. 

Dom:  Grabmal  82. 

üniversitätskirche  217  u.  f.. 458. 

B&sch(»fl.  Palais  455. 

Festungswerke  212. 

Julius -Hospital  210.  460. 

Rathhaus  111.  454. 


Universitätsgebäude  210.  457. 
Privatbau  204.  455  u.  f. 
Wyden  bei  Andelfingen.  (Schweiz). 
Schlösschen:  Oefen  249. 

X. 

Xanten. 

Münster:  Kreuzgang  925. 

Z. 

Zabem.    (Elsass). 
Das  alte  Schloss:  Portal  262. 
Privatbau  262. 
Zeltern.  (Unterösterreich). 

Schloss  590. 
Zell  a.  d.  Mosel. 

Jagdschlösschen  947.  , 
Zerbst. 
Nicolaikirche:   Epitaphium,  Tauf- 
becken 843. 
Bürgerschule  842. 
Rathhaus  843. 
Privatbau  843. 
Zittau. 
Klosterkirche :     farbige    Fresken 
201. 
Znalm. 

Rathhaus  592. 
Züricb. 
Brunnen  244. 
Rathhaus    244.    Oefen    126.    247. 

Treppengitter  247. 
StadtbU)Uothek:    bemalter    Tisch, 

von  Holbein  243. 
Privatbau:  Oefen,  Decoration  und 
sonstige    Einrichtung    95.    125. 
126.  244.  247. 
Bei  Zürich: 

Haus  Bocken:  Einrichtung  248. 
Zwickau. 
Marienkirche:    Kanzel,   Leuchter, 
Stühle,  Eisengitter  800. 


A,    • 


I 

»'    I 


/ 


B.   Verzeichniss  der  Künstlernamen, 


A. 

Aberlin  Tretsch  324.  348.  359.  511. 
Aken,  Gabriel  van  730.  751. 
Albert  von  Soest  755. 
Albrecht  ((Jörlitz.)  695. 
Aldegrever  76. 
Altdorfer  76  (2).  77.  409. 
Angermaier ,  Christoph  98. 
Annaberg,  Hans  von  471. 
Anthony  311. 
Antonelli  524.  528. 
Antonias  von  Theodor  675.    » 
Antonius  Wilhelm  727. 
Attenstätter,  David  98. 

B. 

Bahr,  siehe  Parr. 

Bahr,  Jacob  (aus  Mailand)  673.  675. 
Bälde  wein,  Eberhard  910. 
Balthasar  von  Darmstadt  325. 
Baptista,  Johann  725. 
Barth,  Wilhehn  722. 
Bartholomens  (von  Florenz)  570. 
Bartolommeo  (aus  Mantua)  524. 
Baumann,  Johann  150. 
Baussendorf,  Valerius  958. 
Bawor,  Jacob,  siehe  Bahr  und  Parr. 
Beer,  Georg  359  (2)  (Behr?) 
Behaim,  Hans  d.  ä.  500. 
Beham  76. 

■—  Barte]  78. 

Hans  Sebald  76. 

Behr,  Georg  328.  (Beer?) 
Benedetto  (aus  Mantua)  524. 
Benedict  von  Laun,  siehe  Laun. 
Benedict,  Meister,  (aus  Krakau)  648. 

(Laun?) 
Benedix  696. 

Benesch  von  Laun,  siehe  Laun. 
Benzelt,  Balthasar  709.  776. 
Beora,  Nicolo  524. 
Beringer,  W.  457. 
Bernardin  524. 
Bernhard,  Meister  (Brieg)  675. 


Berwart,  Blasius  348.  353.  511. 
BestUrling,  Arnold  775. 
Bles,  Harri  de  77. 
Bolofi^ese,  Giacomo  848. 
Bonallino,  Francesco  a  736. 
Borno,  Francesco  a  736. 
BOschel,  Caspar  810. 
Both,  Ertmar  (Ertman)  730. 
Boxberger,  Hans  528. 
Brandin,  Philipp  742. 
Bruyn,  Barthol.  de  77, 
Buchmüller,  Georg  392.  393.  399. 

Martin  393. 

Buchner,  Hans  794. 
Bunz,  Joh.  Vitus  111.  397. 
Burckh,  Jörg  359. 
Burgkmaier  570.  656. 

Hans  52.  403.  409. 

Busch,  Peter  348. 
Buschperger,  Martin  582. 

C. 

Caesar  524. 

Candid,  Peter  542.  546. 

Carmis,  Jacob  von  354. 

Moritz  von  357. 

Caspar,  Meister  (Brieg)  675.  841. 
Caus,  Slalomon  de  317.  370. 
Cesare,  Carlo  de  777.  795. 
Chiaramella  710.  736. 
Christoph.  Meister  83. 
Colins,  Alexander  310. 
Colmann,  Desiderius  105. 
Colonia.  Peter  de  444. 
Continelli  570. 
Cranach  76. 
Crenach,  Ludwig  783. 
Crispinus,  Meister  471. 

D. 

Dehn,  Hans  (der  Rothfelser)  776. 788. 

962. 
Dibold  281. 
Diedrich,  Burkhard  864. 


! 


B.    V^rzeichnisB  der  KttnaÜernamen. 


983 


/ 


Diessart,  Karl  Philipp  514. 
Dietrich,  Wendel  542. 
Dietterlein,  Wendel  152. 153. 359. 364. 
Dowher,  Adolph  775. 
Düren,  Stotius  von  730.  734.  751. 
Dürer,  Albr.  71.  100.  114.  132.  133. 
4S6.  504.  570.  656. 

E. 

Eggl,  Wilhelm  542. 
Erhart  122. 
Erschey,  Jacob  414. 
Ertmar  730. 
Eyck,  Hubert  van  46. 

F. 

Feldmann,  Johannes  925. 
Ferrabosco  di  L&gno  634. 
Fischer,  Caspar  3 IQ. 
Floris.  Conrad  742. 
Flügel,  Cyriacas  958. 
Fouqniers  316. 
Francesco  (ans  Mantua)  524. 
Franciscus  (aus  Italien)  570. 
Francke,  Paul  859.  863. 
Friedrich,  Lorenz  290. 
Fritzsch,  Georg  864. 
Fromiler,  Jos.  Ferd.  609. 
Furttenbach,  Joseph  223. 

0. 

Gabriel  van  Aken  730.  751. 
Georg  (Baumeister,  Wismar)  730. 
Gerhard,  Hubert  422.  542. 
Giacomo  Bolognese  848« 
Giger,  Mathias  227. 
Gockel,  Kilian  465. 
Gotfro,  Elias  908, 
Götz,  Sebastian  315. 
Graf,  Hans  Heinrich  125. 
Graf,  Urs  63.  226.  227. 
Grohmann.  Nicolaus  810. 
GyBius,.Tneodorus  601. 

H. 

Haas,  rHaasen)  Georg  152. 
Habrecnt,  Isaac  391. 
Hacke,  Hans  834. 
Ha||^enau,  Nicolaus  von  471. 
Haidern,  Jacob  302. 
Haidler,  Hans  629. 
Hainhofer,  Philipp  99. 
Hanitz,  Joseph  4L4. 
Hanns  von  I^hr  151. 
Hans  von  Annaberg  471. 
Haaselt,  Heinrich  van  934.  935. 
Haubitz,  Christoph  743. 


Helleweg,  Wilhelm  689. 
Hering,  Loyen  82. 

Barthold  752. 

Herle,  Simon  722. 
Hieber,  Hans  289. 
Hieronymus,  Meister  708. 
Hilger,  Martin  795. 

Oswald  783. 

Wolf  776.  783. 

Hirschvogel  150. 

Augustin  150.  585. 

Hoffinann   (Hofmann)   Nicolaus  460. 

818.  819.  820. 

— Simon  823. 

Holbein  100.  656.    . 

-  -  Hans  57.  63.   126.    198.  226. 
227.  230. 

'—  Hans  d.  S.  57  (2)  403. 

Sigmund  57. 

Holl,  Elias  321.  412. 
Hanns  412. 

Sebastian  412  u.  f. 

Holzer,  Johann -409. 
Holzschuher,  Eucharius  Karl  503. 
Hopfer,  Daniel  71. 
Hülst,  Esaias  van  der  369. 

I. 

Jamnitzer  150. 
Albrecht  103. 

Wenzel  102.  103. 

Jarosch,  Thoman  633. 
lUalio,  Domenico  585. 
Ingen,  J.  Karl  290. 
JoDsten  696. 

Johann  Baptista  725. 
Johann  von  Trarbach  84.  944. 
Irmisch,  Hans  794. 

Kager,  Matthias  409. 

Kai,  A.  457. 

Kässmann,  Rutger  151. 

Kellerthaler  99. 

Kern,  Hans  504. 

Kesselhut,  Jacob  444. 

Khnauft,  H.  G.  531. 

Kircher,  Balzer  878. 

Klencke,  Hans  800. 

Klenze  549. 

Klinge,  Magnus  878. 

König,  Peter  562. 

Korb,  Hans  359. 

Kömer,  Stoffel  478. 

Koster  Müller  510. 

Krafft,  Adam  82.  486. 

Kranmier,  Gabriel  151. 

Krumper,  Hans  542.  546.  555.  562. 

Kummer,  Peter  708.  776. 


.1 


i 


B.    VeTzäohniBB  der  KttnBtlemamen. 


otf,  Pankiu  62.  503. 
Fernboeoo  di  634. 
lieronymus  325. 
Benedict  von  633.  634. 

ack,  Hmb  Sebald  585. 
■,  150. 

Jacob  310. 
alestin  von  130. 

Gregor  633. 
[anns  von  t51. 
ririch  646. 

HieronymDB  803. 

lering  82. 

761. 

,  Heister  675. 

Hans  von  324. 
RochuB  von  708.  777. 
Giovanni  053. 


,  Jan  V 


1  77. 


Niclas  63.  226.  227. 
Eoan  570.  626. 

Hans  444. 
irdt,  709. 

Curt  869. 
Joachim  348. 
löjg  88. 
,  Hans  103. 
GüTg  88. 
Umier  510. 
Snnz  460. 
fVolfgang  541. 
r,  Bernhard  131. 

Heinrich  667. 


B  von  Hagenau  471. 

Peter  708.  841. 
,  Giov.  Batt.  784. 

Oiov.   Maria  776.  793.  794. 


0. 

)D,  Anthony  von  722 
Bernhard  von  77. 
icolaoB  von  357. 
Johannes  694. 
rfer,  Htchae]  289. 

P. 

fi,  H.  531. 

'ehe  Bahr,  Parr. 

■  228. 

tana,  Vinc.  de  666. 


Parr,  Christoph  735, 

FranciscuB  735.  737. 

■  Job.  Bapt.  735. 

siehe  auch  Bahr. 

Paul  (BaomeiBter)  736. 
Paumgartner,  Ulrich  09. 
Penoz  76. 

Pfau,  David  122.  135.  126. 
Peringer,  Lienhardt  535. 
Peter,  Meister  952. 

de  Colonia  S44. 

von  Pirna  696. 

Philippi,  Gerhard  360. 
Pirna,  Peter  von  696. 
PiBtor  (von  Elberfeld)  925. 
Pleidenwnrff^  Michael  48, 
Pleydenwnrff,  Hans  648. 
Plumthal  609. 

Poco,  Francesco  de  586. 
Ponzano,  Antonio  406.  409. 
Pordenone  d.  j.  410. 
Portj,  Battista  585. 


Quadro,  Gio.  Batt  705. 


Bäepell,  Hans  706. 
Reiat,  Melchior  936, 
Bafenatuel,  Hans  516. 
Reinhardt,  Georg  771. 
Reuinann,  Kaspar  460. 
Reuscher,  Hans  630. 
Riedinger,  Georg  353.  446. 
Riemenschneider,  Tilmann  82.  453. 
RiviuB,  Walther  139. 
Rode,  Georg  806. 
Rodler,  Hieronymus  138. 
Ronio,  H.  Speza. 
RoHtzer,  Wolfeang  289. 
Rospinger,  Ludwig  528. 
RoBS,  Conrad  414. 
RosBkopf,  Wendel  696. 
Rotenhammer  409. 
Rothfelser,  siehe  Dehn. 
Rüge,  Hans  755. 


Salzmann,  Jacob  350. 
Samarina  534. 
Schallantzer,  Eermee  585. 
8ch8uffe1eio  (SchänfFlein)   Kana    76. 

387. 
Schede!,  Eartmann  18. 
Scheel,  Sebastian  616. 
Scheffelt,  Peter  392.  399. 
Schdnsbergor,  Hans  478. 


B.    Verzeichmss  der  Künstlernamen. 


985 


Scbickhardt,  Heinrich  S36  u.  f.  357. 

365.  375. 
Schieferstein,  Hans  99. 
Schitterlin,  Jacob  958. 
Schlüter  709. 
Schneider,  Hans  667. 
Schöffer,  Anthony  958. 
Schön,  Erhard  76.  150. 

Heinrich  546. 

Martin  253. 

Schröer,  Hans  777. 

Schuster,  Panl  113. 

Schwabe,  Caspar  223. 

Schwarz,  Christoph  546. 

Schweiner,  Hans  377. 

Seroen,  Anton  von  776. 

Seusenhofer,  Jörff  106. 

Siebenbürger,  Alex.  540. 

Sigmann,  Georg  106. 

Simon  (von  Bönnigheim)  328. 

Smid  710. 

Soest,  Albert  von  755. 

Solizer  260. 

Sommer,  Job.  Georg  478. 

Spatio  (Spazio)  Anthoni  de  570. 

Hans  de  570.  626.  634. 

Jacopo  de  570. 

Speckle  (Specklin)  Daniel  1 50  260  (2). 

Speza  de  Konio,  Andrea  771. 

Statins  von  Düren  730.  734.  751. 

Stella,  Panl  della  570.  626.  634. 

Stellauf,  Andreas  658. 

Stimmer,  Tobias  200.  240.  273. 

Stoer  150. 

Stoss,  Veit  82.  486. 

Strauss,  Jacob  734. 

Stromer,  Wolfgang  Jacob  222.  505. 

Sustris,  Friedrich  540.  542. 

Sutermann,  Lambert  934. 

Syrlin,  Jörg  82. 

T. 

Tauchen,  Jost  648. 
Theiss,  Kaspar  706.  776. 
Theodor,  Antonius  von  675. 
Tola,  Gabriel  de  776. 

Benedict  de  776. 

Trarbach,  Johann  von  84.  944. 
Tretsch,  Aberlin  324.  348.  359.  511. 
Trost,  Hans  626. 


rn 


Ueberreiter,  Niclas  522. 
Unger,  Georg  505. 

Peter  505. 

Urs  Graf,  siehe  Graf 

T. 

Vacksterffer,  Christian  254. 
Valien to,  Antonio  542. 
Verdetz,  Alexander  de  601. 
Vemickel,  Wilhelm  934. 
Vesst,  Georg  119. 
Victor  524. 
Vischer,  Hermann  81. 

-  -         Kaspar  510. 

Peter  78.  486.  504.  570.  648. 

656. 

Vogel,  Andreas  793. 

Matthes  449. 

Vogelsang,  Ulrich  §02. 

Vogt  (Voigt),  Kaspar  730.  776.  806. 
Volchat,  Johann  955. 
Vorrah,  Hans  675. 
Vos,  Martin  de  850. 
Vries,  Adrian  de  422. 

Vredeman  de  722. 

W. 

Walch,  Sigmund  524. 

Walther  .Sebastian  778. 

Weber,  Hans  800. 

Weinhart,  Kaspar  268. 

Weinher,  Hans  542. 

Wendel,  Dietrich  542. 

Werner,  Hans  810. 

Wilhelm,  Antonius  727. 

Wohlgemuth,  Michael  48.  486. 

Wolff  (aus  Nürnberg)  471.  472.  475. 

477. 
Wolmuet,  Bonifacius  585  (2). 
Wurzelbauer,  Benedict  212.  505. 

Z. 

Zemin  524. 
Ziegler,  Stefan  955. 
Zoan,  Maria  570.  626. 
Zuberlein,  Jacob  336. 
Zwitzel,  Bernhard  522. 


K^  -i^il-:    ^.J"  ■■■' 


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C.   Verzeichniss  der  Illustrationen, 


Flg.  Seite 

1.  Thron,  nach  einem  Gemälde 
von  Hans  Bargkmaier , 
Augsburg 53 

2.  Facadenzeichnung  von  H. 
Holbein  in  Basel    ....      59 

3.  Zeichnung   z^u  einem  Glas- 

femälde   von   H.  Holbein, 
erUn 61 

4.  Becher.  Zeichnung  von  H. 
Holbein,  Basel 65 

5.  Pokal.  Zeichnung  von  H. 
Holbein,  Basel 67 

6.  Dolchscbeide,  2ieichnung 
von  H.  Holbein,  Bernburg      70 

7.  Aus    Dürer's    Ehrenpforte 

•  des  Kaisers  Maximilian  .    .      73 

8.  Vom  Sebaldusgrabe  Peter 
Vischers 79 

9.  Grabmal  des  Markgrafen 
Karl,  Pforzheim     ....      85 

10.  Grabmal  Eberhards  des  Mil- 
den,   aus   der  Stiftskirche 

zu  Stuttgart 87 

11.  Von   den  Chorstühlen    der 
Klosterkirche  zu  Danzig    .      89 

12.  Zimmer  in  Altorf.  Nach  G. 
Lasius 93 

13.  Kunstschrank 97 

14.  und  15.  Pokale 100 

16.  Tafelaufsatz  von  W.   Jam- 
nitzer 101 

17.  Aus    den    Entwürfen     zu 
Prachtrüstungen,  München    105 

18.  Dasselbe 107 

19.  Eingang  in  den  Schloss^ar- 
ten  des  Grafen  von  Königs- 


Fig.  Seite 

egg    zu    Attlendorf,    nach 
Dollin^er 109 

20.  Von  einem  Schilde  in  Ra- 
vensburg, nach  DoUinger  .    112 

21.  Glasirter  Ejrug,  nach  Dol- 
linger 115 

22.  Ofen  aus  Easslegg,  nach 
Dollinger 116 

23.  Ofen  aus  dem  Rathhause  zu 
Augsburg 117 

24.  Ornament  an  einem  Nürn- 
berger Ofen 119 

25.  Ofenkachel,  Nürnberg    .    .    120 

26.  Dasselbe 121 

27.  Ofen  aus  Oberstrass,  nach 
Lasius 122 

28.  Glasgemälde  aus  der  Ka* 
pelle  der  Residenz  in  Mün- 
chen   129 

29.  Erker  aus  dem  Schlosse  zu 
Torgau  ........    159 

30.  Portal  aus  der  '  Kanzlei- 
strasse zu  Stuttgart  ...    160 

31.  Vom  englischen  Hause  zu 
Danzig 161. 

32.  Säule  aus  dem  Schlosshofe 

zu  Stuttgart 162 

33.  Aus  dem  alten  Schlosshofe 

zu  Stuttgart  ......    163 

34.  Brunnen  zu  Gmünd  (Dol- 
linger)   ........    164 

35.  Brunnen  zu  Rothenburg 
(Bäumer) 165 

36.  Kapital  von  der  alten 
Kanzlei  zu  Stuttgart  (Dol- 
linger)     166 


C.    VerzeichnisB  der  Illustrationen. 


987 


Fl«. 

37.  Portal  aus  Biberach  (Dol- 
linger) 

38.  Vom  Kanzleigebäude  zu 
Ueberlingen,  Portal,  (Dol- 
linger)    .*...... 

39.  Portal  vom  Kathhaas  zu 
Rottenburg 

40.  Vom  Piastenschloss  zu  Brieg 
(F.  Wolff) 

41.  Fenster  vom  Otto-Heinrichs- 
bau zu  Heidelberg  (Pfnor) 

42.  Fries  vom  Friedrichsbau  in 
Heidelberg  (Pfnor)     .    . 

43.  Geländer  einer  Terrasse  in 
Stuttgart,  nach  Leibnitz 

44.  Säule  an  einem  Altar  zu 
Ueberlingen 

45.  Treppengewölbe  in  der  Re- 
sidenz zu  München     .    .    . 

46.  Privathaus  aus  Colmar  .    . 

47.  Von  einem  Privathaus  zu 
Nürnberg,  Giebel  .... 

48.  Erker  vom  Tucher*schen 
Landhaus  in  Nürnberg  .    . 

49.  Ftirstenhof  zu  Wismar   .    . 

50.  Danzig,  Zeughaus,  hintere 
Fa^ade  

51.  Wohnhaus  zu  Eppingen, 
nach  Weysser 

52.  Erker  aus  Grossheubach 
(Weisser)    ........ 

53.  Wohnhaus  aus  Halberstadt 
(Scbröder) .  • '  . 

54.  Balkenköpfe  und  Quer- 
hölzer aus  Halberstadt 
(Schröder) 

55.  Fensterumrahmung  aus 
Holz ,  aus  Dinkelsbühl 
(Weysser) 

56.  Facadenzeichnung  ^on  H. 
Holbein 

57.  Altstädtisches  Rathhaus  zu 
Danzig 

58.  Decke  des  Rathhaussaales 
zu  Rothenburg  (Bäumer)    . 

59.  Bassinhalle  im  Lusthaus  zu 
Stuttgart 

<»0.  Ziehbrunnen  aus  Markgrö- 
ningen  (Weysser)  .    . 

61.  Brunnen  in  Rottweil  (Weys- 
ser)     

62.  Thunn  der  Kirche  in  Cann- 
stadt  

63.  Brunnen  in  Basel  .... 

64.  Basel,  Geltenzunft     .    .    . 

65.  Spiesshof  zu  Basel     .    .    . 

66.  Rathhaus  zu  Luzem  (G. 
Lasius) 


Seite 

Flg 

67. 

167 

68. 

168 

69. 

70. 

169 

71. 

72. 

173 

73. 

74. 

175 

75. 

177 

76. 

77. 

177 

78. 

178 

79. 

179 

182 

80. 

183 

81. 

185 

82. 

187 

83. 

190 

84. 

191 

85. 

194 

86. 

195 

87. 

88. 

197 

197 

199 

205 

208 

211 

212 

212 

219 
228 
229 
230 

234 


89. 


90. 
91. 
92. 

93. 


94. 
95. 
96. 

97. 
98. 
99. 


Seite 

Haus  zum  weissen  Adler  in 

Stein 238 

Zimmer   im   Seidenhof    zu 

Zürich 241 

Rathhaus  zu  Zürich  .  .  .  245 
Rathhaus  zu  Mühlhausen  .  251 
Haus  zu  Cohnar  ....  255 
Erker  aus  Cohnar  .  .  .  259 
Schloss  Gottesau  ....  264 
Das    Schloss  Baden.    Erd- 

geschoss 265 
»asselbe.  Obergeschoss  .  270 
Rathhaus  zu  Gernsbach  .  275 
Rathhaus     zu     Onstanz , 

Hofansicht 279 

Schloss      zu     Heidelberg, 

Grundriss       298 

Facade     vom     Otto -Hein- 
richsbau in  Heidelberg       .    303 
Portal     vom     Otto -Hein- 
richsbau zu  Heidelberg      .    307 
Schloss      zu     Heidelberg , 

Friedrichsbau         3ia 

Dacherker     alis     Schwab. 
Hall.  (Weysser)      ....    322 
GruncLriss  eines  Erkers  im 
Schloss  zu  Tübingen      .    .    327 
Unterer      Grundriss      der 
Kirche  zu  Freudepstadt     .    333 
Dasselbe,  oberer  Grundriss    334 
Altes  Scnloss  in  Stuttgart  . 
Südöstliche  Ansicht   ...    349 
Dasselbe,  Grundriss       .    .    352 
Hof  des  alten  Schlosses  in 

Stuttgart 355 

Das  ehemalige  neue  Lust- 
haus   in    Stuttgart,    nach 
einem  alten  Sticn  ...»    361 
Dasselbe,  Grundriss       .    .    363 
Dasselbe,  Querschnitt     .    .    364 
Der    ehemalige  Neue    Bau 

in  Stuttgart 366 

Console    auf    der  .  Königs- 
strasse  zu  Stuttgart  (Dol- 

.linger) 373 

Haus    in    Cannstatt    (Bal- 

dinger)       376 

Thurm    der    Kilianskirche 
in  Heilbronn      .    .    .    .    /    379 
Giebel     vom      ehemaligen 
Katharinenspital     in    Heil- 
bronn  382 

Schlosskapelle    zu    Lieben- 
stein (Baidinger)     ....    385 
Giebel    vom    Rathhaus    in 
Ulm    .....    i    ....    390 
Ghorstuhl   aus   der  Spital- 
kirche in  Ulm 394 


1 


,'    7 


i 


988 

Flg. 

too. 

101. 
102 
104. 

105. 

106. 
107. 
106. 

109: 
110. 
111. 
112. 
113. 

114. 

115. 

116. 
117. 

118. 

119. 

120. 
121. 
122. 

123. 

124. 

125. 

126. 

127. 
128. 

129. 

130. 
131. 
132. 


133. 
134. 
135. 


C.    Verzeicbniss  der  Illnstrfttionen. 


Seite 

GnmdiisB      d«6     Erdge- 
schosses  des  Sohadischeii 
Hanses  in  Ulm     ....    400 
Erker    yoin    Maziimlians- 
Museum  in  Augsbnrg-  .    .    407 
nnd     103.     Modelle     zum 
Au^sburger  Rathhaus .    .    417 
RatnhauB    zn    Augsburg, 
GrundrisB      des      Erdge- 

Schosses 418 

Dasselbe ,    Grundriss    des 

n.  Stockes 419 

Bathhaussaal  zn  Augsburg  420 
HUchenhaus  zu  Lorch  .  .  429 
Treppe  im  Hause  Limburg 
zu  Frankfurt  a.  M.  .  .  .  432 
Salzhaus  in  Frankfurt  .  .  435 
Schloss  in  Offenbach  .  .  439 
Dasselbe,  Grundriss  .  .  441 
Schloss  zu  Aschaffenburg  447 
Brunnen      zu     Wertheim 

(Weysser) 449 

Decken  im  Rathhaus  zu 

Lohr 451 

Universitätskirche  in 

Würzburg 459 

Rathhaus  in  Schweinfart .  461 
Dasselbe ,    Grundriss    des 

Erdgeschosses 463 

Dasselbe,    Grundriss    des 

ersten  Stockes 464 

Wendeltreppe     aus     dem 
Schloss  zu  Mergentheim   .    469 
Rathhaus  zu  Rothenburg    473 
Dasselbe,  Grundriss      .    .    474 
Geiselbrecht'sches  Haus  in 
Rothenburg,  Grundrisse  .    480 
Zimmer    im   Hafiher'schen 
Haus  in  Rothenburg     .    .    481 
Facade  des  Peller -Hauses 

in  Nürnberg 487 

Galerie  aus  dem  Gessert*- 
schen  Hause  in  Nürnberg    488 
Hof  des  Tucherhauses  in 

Nürnberg -490 

Toplerhaus  zu  Nürnberg  .  493 
Hof  im  Funk*schen  Hause 

in  Nürnberg 495 

Hof  im  Pellerhaus  zu  Nüm- 

ber« 497 

Rathhaus  zu  Nürnberg     .    501 
Alte  Residenz  zu  Bamberg    507 
Residenz     in     Lande^ut, 
Grundriss      des      Erdge- 
schosses     523 

Dasselbe,  Durchschnitt  .  525 
Dasselbe,  hintere  Facade  529 
Trausnitz    bei    Landsnut, 


Fig.  Seite 

Grundriss      des      Erdge- 
schosses   .......    532 

136.  Hof  der  Trausnitz  (Bal- 
dinger) 53.1 

137.  Trausnitz,  Grundriss  des 
ersten  Stockes 535 

138.  Zimmer  aus  der  Trausnitz    537 

139.  Münzhof  in  München     .    .    541 

140.  Michaelskirche  in  München, 
Inneres 543 

141.  Maxburg  in  München    .    .    547 

142.  Grundriss  der  Residenz  zu 
München 546 

143.  Kaiserhof  in  der  Residenz 

zu  München 551 

144.  Portal  der  Residenz  in 
München  .......    554 

145.  Nische  an  der  Residenz  zu 
München 556 

146.  Grundriss  einer  Treppe  in 
der  Residenz  zu  München    557 

147.  Mariensäule  in  München  .    559 
148   bis  151.    Terracotten  aus 

Schloss  Schalaburg  .    .    .    573 

152.  Von  einem  Brunnengitter 
in  Salzburg  -(Franz  -  Jo- 
sephs-Kai)   574 

153.  Grabkreuz  vom  Friedhof 

S.  Sebastian  in  Salzburg.  575 

154.  Hausglocke  aus  H-'llBtaLdt  575 

155.  Hof  eines  Hauses  a  i  Gra- 
ben in  Wien 578 

156.  SchloBshof  zu  Schalaburg    582 
157    und  158.    Holzornamente 

ans  Schalaburg    ....    587 

159.  Alte  Getreidehailein  Steier    590 

160.  Sgraffito-Detail  am  Kom- 
hans  zu  Steier     ....    591 

161.  Ziehbrunnen  in  Brück  a.  d. 

Mur     •. 593. 

162.  Hof  des  Landhauses  in 
Gratz 597 

163.  Wasserspeier  vom  Land- 
haus zu  Gratz 599 

164.  Vom  Brunnen  im  Landhaus 

zu  Gratz 600 

165.  Vom  Brunnen^tter  in 
Klagenfurt 602 

166.  Fenster  von  Palast  Porzia 

in  Spital 604 

167.  Hof  des  Schlosses  Porzia 

in  Spital 606 

168  und  169.  Dasselbe,  Grund- 
risse      607 

170.  Wohnhaus  in  Brixen 
(Weysser) 613 

171.  Vom  Marktbrunnen  zn 
Salzburg 620 


C.    VerzeichniBS  der  IlluatrationeiL 


»89 


Fig.  Seite 

172.  Wladialavsaal  in  der  Biur^ 

zu  Prag  .......  625 

173.  Belvedere  zu  Prag  .    .    ,  027 

174.  Brunnen  zu  Prag     .    .    .  631« 

175.  ScUoss  Stern  bei  Prag    .  635 

176.  Dasselbe,  Grundriss  des 
ersten  Stockes     ....  637 

177.  Waldsteinhalle    in    Prag,  • 
nach  Val.  Teiricb    ...  639 

118.  Wappen  am  Schloss  Johan- 

nisDerg 645 

179.  Grabmal  Bybisch,  in  der 
Elisabethkirche  in  Breslau    659 

180.  Haus  am  Bing  zu  Breslau    663 

181.  Schlossportal  zu  Liegnitz    669 

182.  Portal  eines  Privathauses 

in  Liegnitz  ......    673 

183  bis  185.  Grundrisse  und 
Durchschnitt  des  Schlosses 
in  Brieg  (F.  Wolff)  ...    676 

186.  Dasselbe,  Aufriss  derHof- 
Fagade 677 

187.  Grundriss  des  Schlosshofes 

zu  Brieg 680 

188.  Bathhaus  zu  Brieg,  nach 
LUdecke   .......    681 

189.  Doppelgiebel  zu  Brieg  (C 
Lüdecke) 684 

190.  Giebelfagade  zu  Brieg  (Lü- 
decke)   685 

191.  Bathhaus  zu  Neisse      .    .    687 

192.  Schlossportal  zu  Gels   .    .    690 

193.  Schloss  zu  Oels,  Grundriss 

des  zweiten  Stockwerkes  691 

194.  Hof  des  Schlosses  zu  Oels  692 

195.  Bathhaus  zu  Görlitz     .    .  697 

196.  Bathhaus  zu  Posen  ...  703 

197.  Grundriss  eines  Privat- 
hauses  zu  Danzig  (Bernau)  717 

198.  Stephanshaus  in  Danzig   .  718 

199.  Vordere  Facade  des  Zeug- 
hauses in  Danzig.    .    .    .  723 

200.  MüllergewerkhauB  in  Dan- 
zig    724 

201.  Fürstenhof  in  Wismar  ,    .  731 

202.  Vorderseite  des  Schlosses 

zu  Güstrow 736 

203  und  204.  Dasselbe,  Grund- 
risse       738 

205.  Schlosshof  zu  Güstrow     .  740 

206.  Bathhaushalle  zu  Lübeck  749 

207.  Kranzhaus  in  Hamburg  (A. 
Schröder) 759 

208.  Bathhaus  zu  Bremen    .    .  763 

209.  Bathhaus  zu  Emden     .    .  767 

210.  Grabmal  in  Jever     ...  773 

211.  Schloss  zu  Tocgau,  Grund- 
riss des  I.  Stockes    ...  779 


Piff.  Seite 

212.  Dasselbe,  Schlosshof    .    .    781 

213.  Hausportal  zu  Torgau.    .    784 

214.  Schloss  in  Dresden,  Grund- 
riss des  Erds^eschosses .    .    7S6 

215.  Dasselbe,  Scnlosshof    .    .    789 

216.  Von  einem  Portal  zu  Dres- 
den   796 

217.  Haus  in  der  Hainstrasse  zu 
Leipzig .,   803 

218.  Giebel  vom  Bathhaus  zu 
Leipzig 805 

219.  Fürstenhaus  zu  Leipzig    .    807 

220.  Bathhaus  zu  Altenburg   .    811 

221.  Kanzel  im  Dom  zu  Halle 

a.  d.  Saale 816 

222.  Giebel  am  Hause  zum 
rothen  Ochsen  zu  Erfurt  .    826 

223.  Hausportal  aus  Erfurt .    .    827 

224.  Haus  zum  Stockfisch  in 
Erfurt 829 

225.  Grundriss    der    Heldburg 

bei  Hildburghausen  .    .    .    834 

226.  Dasselbe,  Erker   ....    837 

227.  Schlosshof  zu  Dessau, 
Treppe 840 

228.  Vom  Schloss  zu  Bemburg, 
Facade 844 

229.  Schloss  zu  Celle  ....    848 

230.  Schloss     Hämelschenburg 

bei  Hameln 854 

231.  Universität   zu  Helmstedt    861 

232.  Fenster  der  Kirche  zu 
Wolfenbüttel 865 

233.  Marienkirche  zu  Wolfen- 
büttel   866 

234.  Dasselbe,  Pfeilerkapitäl    .    869 

235.  Alte  Waage  zu  %raun- 
schweig 874 

236.  Gymnasium  zu  Braun- 
8<»iweig 877 

237.  Schuhhof  zu  Halberstadt .    883 

238.  Detail  an  einem  Holzhause 

zu  Hildesheim 889 

239.  Wedekind*Bches  Haus  zu 
Hildesheim 890 

240.  Kaiserhaus  zu  Hildesheim  892 

241.  Lettner  im  Dom  zu  Hildes- 
heim       893 

242.  LeibnitzhauB  zu  Hannover  897 

243.  Details  vom  Hüttischen 
(Holz-)  Haus  in  Höxter    .    901 

244.  Details  von  einem  Holzhaus 

aus  Münden .903 

245.  Details  von  einem  Fach- 
werkbau zu  Allendorf  {F. 
Hoffmann) 909 

246.  SeUosshof  zu  Brake         .912 

247.  WohnhauB  zu  Lemgo    .    .    915 


990 


C.    Verzdchnim  der  lUoBtrationen. 


^.- 


Fig. 

248.  Rathhaus  zu  Paderborn 

249.  StadtweinhauB  zu  Münster 

250.  Rathhaus  zu  Jülich  .    .    . 

251.  Rathhanshalle  zu  Köln     . 

252.  Von  einem  Wandgrab  in 
der  Karmeliterkirche  zu 
Boppard 

253.  Vom  Grabmal  der  Pfalz- 

fräfin  Johanna  in  Simmem 
pitaph    der    Pfalzgrfifin 
Alberta  in  Simmem      .    . 


Seite 

Flg. 

919 

255. 

923 

926 

256. 

931 

f 

• 

257. 

258. 

941 

259. 

943 

260. 

261. 

945- 


Seite 
Pfosten  von  Holzhäusern 

zu  Boppard 949 

Fensterorüstungen        aus 

Boppard 950 

Holzhaus  zu  Traben     .    .  95  t 

Haus  in  Oberlahnstein  .    .  953 
Brunnen  im  Schlosshof  zu 

Ettlingen si57 

Schloss  zu  Neuenstein  .    .  959 
Dasselbe,    Grundriss    des 

Erdgeschosses 960 


Druck  ron  C.  Orumbach  in  Leipzig. 


IX 


INHALTS  -VERZEICHNISS. 

DRITTES  BUCH. 
Die  Renaissance  in  Deutschland. 


A.  Allgemeiner  TheU. 

Seite 

Erstes  Kapitel.    Die  Senaissance  des  deutschen  Geistes     .    .  3—45 
Zweites  Kapitel.    Anfänge  der  Renaissance  bei  Malern  und 

Bildhauern 46—  88 

Drittes  Kapitel.    Die  Renaissance  in  den  Kunstgewerben  .    .  88—133 

Viertes  Kapitel.    Die  Theoretiker 133—154 

Fünftes  Kapitel.    Gesammtbild  der  deutschen  Renaissance     .  155—224 

B.  Beschreibung  der  Bauwerke. 

Sechstes  Kapitel.    Die  deutsche  Schweiz 225—250 

Siebentes  Kapitel.    Die  oberrheinischen  Gebiete    .    .    .    .    .  250—284 

Achtes  Kapitel.    Die  pfälzisclien  Lande.    . 285—319 

Neuntes  Kapitel.    Schwaben 319—423 

Zehntes  Kapitel.    Franken .  423—514 

Elftes  Kapitel.    Baie^n 515—563 

Zwölftes  Kapitel.    Die  österreichischen  Länder 563—644 

Dreizehntes  Kapitel.    Die  nordöstlichen  Binnenländer  .    .    .  644—711 

Vierzehntes  Kapitel.    Die  norddeutschen  Küstengebiete  .    .  711—774 

Fünfzehntes  Kapitel.    Obersachsen 746—846 

Sechzehntes  Kapitel.    Niedersachsen 846—903 

Siebzehntes  Kapitel.    Die  nordwestlichen  Binnenländer     .    .  904—951 

Nachtrag  und  Nachwort 952—968 


Berichtigangen. 


Beito  183.    Dl«  Abbildung  stellt  den  GMthof  zur  Krone  in  Enslsheim  dar. 
„     105  Btott  Sohrdder  lies  Gflsebaeh. 
«     197  bei  Flg.  54  stett  Sehrtf  der  lies  Qrlsebach. 
„       „    Zeile  90  von  oben  statt  Flg.  81  lies  Fig.  82. 

-      69    .       n      70. 
«      70    n       ,      71. 

n        M      n  »67. 

•I       "7     M        «       OO" 
»»      06    „       n      95. 
II     68    „       «     69. 
«     88—90  He«  Flg.  89—91. 
1600  lies  1610. 
Fig.  71  lies  Flg.  73. 
Bietenbach  lies  Bldenbach. 
abgefasste     »    ab ge faste, 
oben  Ist  1658  an  tilgen. 

N    154#liinsiisafligen. 
unten  statt  Welthnms  lies  Veltharns. 
Marienbnrg    »    Mayenbarg. 
.     alten  Sohloss  lies  RentamtsgebKude. 


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