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Full text of "Geschichte der dramatischen Literatur und Kunst in Spanien"

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Geſchichte 


der 


dramatiſchen Literatur und Aunſt 


in Spanien. 


Dritter Band. 























Geſchichte 


der 





dramatiſchen Fiteratur und Aumfl 


in Spanien. 


Bon 


Adolph Zriedrih von Schal. 


— — 


Dritter Band. 


m 


Berlin. 
Berlag von Dunder und Humblot. 
1846. 





Vorrende 


Der vorliegende dritte Band ver Gefchichte ber 
dramatifchen Literatur und Kunft in Spanien follte nad; 
der anfänglichen Berechnung zu gleicher Zeit mit Den 
beiden erften ausgegeben werben, und nur zufällige, von 
meinem Willen unabhängige, Umftände haben beffen 
Erfcheinen um faft ein Jahr verzögert. 

Menn Die meitfchichtige Arbeit, deren Schluß ich hier⸗ 
mit der Deffentlichfeit übergebe, dazu beitrüge, vie feit 
lange entfcehlummerte Neigung für die fpanifche Poefie von 
Neuem zu erweden und die nähere Kenntniß berfelben 
zu befördern, fo würde mir dies freilich ſchon allein 
eine Befriedigung gewähren; aber wie Bonterwef in 
feiner Vorrede fagte, nur dann würde erglauben, fein 
Geſchichtswerk nicht umſonſt gejchrieben zu haben, wenn 
dasfelbe durch die fchönen Töne von Süden her Den 
deutichen Geift zu neuer Selbftthätigfeit belebte, fo will 
auch ich nicht verfchmeigen, daß mich nod) andere Hoff- 
nungen und Wünfche bei dem Unternehmen befeelt und 


mir die Luft und Ausdauer bei der Ausführung des⸗ 





felben wach erhalten haben. Diefe Hoffnungen waren 
auf einen, wenn aud nur indirecten, Einfluß gerichtet, 
den die Kenntniß der dramatifchen Literatur ber Spa= 
nier auf die Negeneration der deutſchen Bühne ausüben 
könnte. Es Tiegt außerhalb des Kreifes Titerar-hiftorifcher 
MWerfe, unmittelbar in das Leben und Schaffen ber 
Poeſie einzugreifen: aber Den Dichterifchen Kräften bie 
Richtungen zeigen, in welchen fie Erfolge zu fuchen 
haben, ihren Gefichtöfreiß erweitern, fie mit neuen An= 
ibauungen bereichern — Dag vermögen fie. Welche 
große Lehre nun aus der Gefihichte des fpanifchen Thea⸗ 
- ter8 in feiner Blüthe und in feinem Verfall zu ziehen 
fet, wie dad Drama ein volfäthinmliches fein, wie es 
die gefammten Elemente einer Nation befriedigen und 
deren höchſte und heiligfte Intereſſen in feinen Kreis 
ziehen möüfje, wie das Gelbftändige, auf einheimifche 
Bedingungen Gegründete in Geift und Form feinen 
Grund und Boben bilde, — darüber hat fi) das Werf 
jelbft zur Genüge ausgefprochen. Durch dieſe Erfennt- 
nig aber ift weber die Schule, die wir in Den fremden 
Literaturen machen fónnen, nod) Die freie und felbft- 
thätige Aneignung des Ausländifchen verdammt. Der 
Befanntfchaft mit Shaffpeare vernanfen wir fo ziemlich 
Alles, was in ber pramatifchen Production Deutſchlands 
gehaltvoll ift; die nähere Kenntniß der Spanier fónnte 
und in gleicher Weife die fruchtbringendften Anregungen 
geben und eine neue era des Deutichen Theater her= 





— nn 


— VI — 


beiführen helfen. Wenn es unferer Schaufpielpvefle bet 
dem unfáglid engen Kreife, in Dem fie fich bewegt, 
beſonders wünfchenöwerth fein muß, neuer Ideen unb 
Stoffe theilhaftig zu werben, welche unerfchöpfliche Fund» 
grube von Motiven und Erfindungen bietet ihr vie 
fpanifche Bühne bar! In noch viel höherem Maaße 
aber verdienen Galberon, Lope und die Anberen ihrer 
Zeit in Bezug auf die Kunft Der dramatifchen Geftal- 
tung und auf die Verbindung von feenifcher Wirkſam⸗ 
feit mit poetijcher Kraft in ihren Stüden ftudirt zu 
werden. Es ift wahr, ſchon einmal hat das veutfche 


-Drama aus dem fpanifchen Nahrung gezogen, und es 


mag zugegeben werben, dag die Ernte nur Fläglich aus= 
gefallen ift: aber es märe traurig, wenn Der erfte, durch 
die Schuld derer, die ihn anftellten, mißglüdte Verſuch 
von neuen und wiederholten abjchreden follte. — Denn 
tie find biäher die Spanier nachgeahmt worden! Statt 
fih an das Wefentlihe und Ewige in ihren Werfen zu 
halten, hat man nur bie äußere Form berfelben in's 
Auge gefaßt und diefe auf die ungefchictefte Art nach- 
gebildet vder vielmehr parodirt, In der That, mas 
haben vie deutſchen Dramen im fogenannten fpanifchen 
Style, ich fage nicht mit Salberon, fonvern nur mit 
fchlechten Galverond-Überfegungen. gemein, al8 die wech— 
jelnden Neimarten und Affonanzen, die überall bas 
Mühfelige und Qualvolle der Arbeit zur Schau tragen 
und bet allen Anfprüden auf Kunftfertigfeit in einer 





— VII — 


Metfe gehandhabt find, al8 enn das metrifhe Schema 
das allein Wichtige wäre, Die Rohheit und Ungefchlacht- 
heit der Sprache aber, die hineingezmängt wird, nicht 
meiter in Betracht fime?. Dem Gehalte nach kann nichts 
verjchievener fein; ftatt Der Lebendigkeit und finnlichen 
Klarheit, mit weldyer die Spanier felbft das Geheim- 
nigvollfte Darzuftellen wußten, finden wir bei ihren 
deutichen Nachahmern einen nebelgrauen Wirrmarr er- 
fünftelter Empfindungen , eine füßlidhe durchaus anwi— 
dernde Srömmelei; ftatt der hochaudgebildeten Dramati> 
chen Kunftform eine fo gänzlihe Abweſenheit aller 
Gompofition, dag man fich zu den erften Anfängen 
des Theaters zurüdverfegt glaubt. Faßt man gar bie 
Dramen der Schiefjaldpoeten in’8 Auge, Die fih auf 
Galderon zu ftügen wähnten, fo finden fich in ihnen bie 
Spanischen Formen auf's Aergfte mißhandelt, infofern 
an die Stelle der in ſtrenger Gefegmäßigfeit und fos 
norer Anmuth Hingleitenden Redonvillen und Romans 
zen jene „mwiderfinnigen hiatusreichen Halbtrochäen tre=. 
ten, in denen bald ein Reim fich findet, bald aud) 
wieder nicht," an die Stelle der aus dichteriſcher An⸗ 
ſchauung hervorgeblühten Bilverpracht Hoble und bes 
deutungsloſe Phrafen, die fih zu jener verhalten 
mögen, wie Leierkaſtenſtücke zu einer Beethoven’fchen 
Symphonie; von Geift und Gehalt kann bei biefen 
Machwerfen ohnedies nicht die Rede fein. — Es wäre 
Beleidigung, wenn man die umfangreichen Dramatifchen 


Gemálbde eined großen und verehrten deutſchen Meiftera, 
die, wie der Verfaffer felbft fagt, durch Die „reiche und 
entzückende Ausficht in bie fpanifche Poefie“ angeregt 
worben find, mit den biäher genannten Schaufpielen 
irgend zufammenftellen wollte; zu beflagen ift nur, daß 
der Dichter fih fo fchranfenlos in bie Breite ausge⸗ 
dehnt und dadurch abfichtlich den Gewinn anullirt hat, 
den die Bühne aus feinen Werfen hätte ziehen fónren. 
Gerade auf der Seite mun, welche biöher faft ganz uns 
berüdffichtigt geblieben tft, in Bezug auf die Verbindung 
des poetifchen Geifted mit jener Goncentration des Stof- 
fed, welche der Bühne nöthig tft, müßte das fpanifche 
Drama, um wahrhaft belebend auf dal unfere zu wir» 
fen, der Lehrer der jüngeren Generation fein. Die me- 
triſche Form Dichterifcher Werfe tft bei den verſchiedenen 
Nationen nad) den Bedingungen einer jeden Sprade 
verfehteven, aber dramatiſches Leben und poetifcher Ge⸗ 
halt find überall, bet ven Griechen wie bei den Eng⸗ 
ändern, bei den Spantern wie bei den Deutjchen das⸗ 
felbe, und wo fich nicht beide vereinigen, da farm von 
einem wahren Schaufpiel nicht die Rede fein; ein bras 
matifche8 Gedicht, dal fich nicht aufführen läßt, tft eben 
jo viel, wie eine Partitur, die nicht gefpielt werben 
kann; ein Bühnenftüd aber, welches in trodenen Um- 
rifjen nur Vorfälle Der gemeinen Wirklichkeit ſchildert, 
ohne ben Stoff durch ideelle Auffaffuug und poe= 
tifches Golorit zu abeln, entweiht Die Bretter eben fo 


— 11 — 


ſehr, wie es Seilſpringer und tanzende Hunde thun. 
Wie und nun für die Tragödie und das hiſtoriſche 
Drama vorzúglid bie Engländer ftet8 als Teuchtenve 
Sterne werben vorfchmeben müſſen (obgleich auch hier 
von bem fühfichen Volfe unenplich viel zu lernen wäre), 
jo dürften und für das Luftfpiel in jener höheren Ge— 
ftalt, in welcher es allein zur Literatur gerechnet wer- 
den darf, befonverd bie Spanier ald Vorbild dienen. 
Will man Beispiele, wie ein begabter Geiſt aus dem 
Duell fremder Dichtung fehöpfen und fid) in jelbftän- 
diger Weife Die Vorzüge berfelben zu eigen madern 
fónne, fo nenne id) unferen herrlichen Platen; Diefer 
fannte und fludirte die Spanier, und man erfennt in 
feinem /Schatz des Rhampſinit⸗ und gläfernen Pan- 
toffel« die Anregung, welche er von Diefer Seite zu 
dem Verſuche einer Miederbelebung des höheren Luft- 
jpield empfing: aber er hielt fich nicht ſelaviſch an das 
Formelle, er juchte in freier Weife den Geift der fpa= 
nischen Comödie zu reprobuciren und bereicherte fo un- 
fere an Erzeugniffen der komiſchen Mufe fo arme Bühne 
mit einigen wahrhaft trefflichen Werfen diefer Gattung. 
Daß aber Diefe Stüde, fo wie noch einige andere un» 
fever befferen Dramatiker, 3. Y. von Immermann, nicht 
aufgeführt werben, ift ein fehmerlaftender Vorwurf für 
unfere Bühnendirectionen, welche durch die ftete Vor= 
führung gehaltlofen augs und inländiſchen Plunders 
recht foftematifch auf den Ruin des guten Gefchmads 


— ⸗ xi — 


und auf die Abtoͤdtung alles poetiſchen Sinnes auszu⸗ 
gehen ſcheinen. 

Und dies führt mich denn noch auf einen anderen 
Punkt. Der immer tiefer einreißende ſchmachvolle Ver⸗ 
fall unſeres Theaters, der den gebildeten Deutſchen mit 
Schmerz und Unwillen erfüllen muß, macht wohl jedem 
Denkenden die Nothwendigkeit klar, dag man auf Mit⸗ 
tel ſinne, die Bühne aus dieſer Erniedrigung zu erhe⸗ 
ben. Alle Klagen und Declamationen aber helfen nichts, 
fo lange man den Repertoires nicht eine reichliche Zahl 
von Schaufpielen empfehlen farm, welche bramatifche 
und wahrhaft poetifche Kraft mit einander verbinden. 
Dad Verlangen des Publikums nah Mannichfal- 
tigfeit de3 Genuſſes ¡ft ein gegründeted, und überall, 
wo das Theater wahrhaft geblüht hat, tt dieſes Der 
langen durch zahlreiche und verfchievenartige Werke be- 
friedigt worden; man Tann e8 daher eben fo wenig 
den Zuſchauern verargen, wenn fie über die wenigen 
aufführbaren Dramen unferer elaſſiſchen Dichter hinaus 
noch andere zu ſehen begehren, wie den Directionen, 
wenn fie biefen Trieb zu befriedigen trachten. Der Feh⸗ 
ler tft nur, daß die legteren, ftatt Die Liden ihrer 
Mepertoired auf múrbige Art zu ergänzen, dem Hange 
eined gedankenloſen Pöbeld zu nichtswürdigem Zeitver- 
treibe durch die feichteften und elendeften Novitáten fröh- 
nen. Es Hilft nichts, daß die Vertheidiger des heutigen 
Bühnenweſens einwenden, der Gefchmad ves Publikums 


— 1 — 


ſel einmal fo geartet, ihm müffe man willfahren: netn, 
die Bühnenvorfteher felbft find e8, welche Diefen Ge- 
ſchmack durch die fchale Koft, Die fie ihm unermüdlich 
vorgefeßt, fo tief herabgezogen haben, und in ihrer 
Macht liegt es auch, ihm wieder zu heben. Das Volk, 
unter welchem Begriffe wir doch nicht gerade Die une 
terfte Hefe des Pöbels verftehen, bewahrt trot aller 
Beftrebungen, feinen Geift zu verwirren, Empfänglich- 
teit für das Höhere und Poetiſche; feine Sinne find 
nod) nicht fo verdumpft, daß ein mächtiger Blüthen- 
duft ber PBorfte nicht das beſſere Selbft aus feiner 
Betäubung ermeden follte; in feiner Seele find jene 
Saiten nicht zerriffen, welche harmoniſch exflingen, wenn 
ein Dichter der entweihten Leter einen volleren und 
ftärferen Klang entlodt; dad Herz vermag ihm nod) 
zu ſchlagen für bas Gemaltige und Herrliche in Vor- 
zeit und Gegenwart ; die Sehfraft für die luftigen 
Zraumgebilde ber Phantafte ift ihm nicht erlofchen, 
_ feinem Auge fehlt die Thraͤne nicht fir die im riefl- 
gen Kampf mit dem unerbittlichen Schieffal hinfinfende 
Heldengröße, und feiner Lippe nicht das Lächeln für den 
Scherz, der fid auf bem Blumenkelche der Anmuth 
Ichaufelt. In befonders glüdlichen Zeiträumen wird Der 
Beifall der Nation von felbft nur dem Schönen zu 
Theil, und die Bühne fchafft und wirft im unmittel- 
baren Einklang mit dem Volf8geifte dad Rechte und 
Große: in Perioden der Zerfahrenheit und Verwirrung 


— 1 — 


aber ift es die Sache Derer, melde von ber Bühne 
herab auf die Nation wirken fónmen, Die von böfen 
Schichten umlagerten Elemente des Belleren in ihr zu 
entbinden; und toer den Einfluß fennt, den das Thea⸗ 
ter auf Oeift und Sitte eines Volkes üben farm, dem 
wird Dieje Sache als eine wichtige und heilige erſchei⸗ 
nen. Von dort her, von wo ſich jegt eine geifttdbtende 
Lethargie oder ein fittenververbliches Gift durch Die 
Adern der Geſellſchaft ergieft, fónnte fich eine auf das 
ganze Leben ver Nation zurückwirkende Bildung des 
Schönheitöfinned, ja eine Heilige Begeifterung für Die 
höchften Intereffen des Dafeind verbreiten; denn das 
Drama ift unter allen Formen der Dichtfunft Die bes 
redtefte und aufregendfte, es ift Die einzige, welche in 
unferer Zeit, wo bie übrigen Gattungen der Poefie in 
die Salond der vornehmen Welt verbanut find, nod 
unmittelbar auf dag Volk und felbft auf Diejenigen 
einwirken Farm, die nie ein Buch in die Hand nehmen. 
Hoffen wir nun, daß Die Leitung ber Bühnen, tie dies 
ſchon hier und da der Fall tft, aus den Händen von Igno⸗ 
ranten mehr und mehr in die von intelligenten Maͤn⸗ 
nern übergehe, welche die Reform des Theaterweſens 
ernſtlich beabfichtigen: fo entfteht die Frage, aus was 
für Stüden dad Repertoire zufammenzufeßen fei? Es 
unterliegt Teinem Zweifel, daß fich in unferer eigenen 
Literatur nod) mande, durch ven gewöhnlichen Schlen- 
brian von den Brettern auögefchloffene Dramen finden 


a . XIV — 


lafjen, welche wohl verbienen, aufgeführt zu werben; 
lebende Talente werben, wenn fie die Bühne eier eble= 
ren Richtung geöffnet fehen und ihren poetiſchen Sinn 
wie ihre Kenntniß Der theatralifchen Erfordernifie durch 
die Anſchauung guter Schaufpiele ausbilden Fönnen, 
nicht fáumen, mit achtbaren PBroductionen hervorzutre= 
ten: aber dies Alles wird nicht ausreihen, um und 
fofort ein werthvolles Nepertotre von ber erforderlichen 
Reichhaltigkeit zu geben. Bevor wir eine originale und 
mannichfaltige dramatifche Literatur befigen, müflen wir 
daher. unftreitig unfere Zuflucht zu dem Auslande neh⸗ 
men, — nur um des Himmeld Willen nicht zu den 
Schaufpielfabrifaten jener Matton, von welcher Leffing 
fagte, fte Habe nie ein Drama gehabt, und welche wahr- 
lid) feitbem Feines gemonnen hat! Die englifche Bühne 
bietet Dagegen eine treffliche Funbgrube dar, und man- 
ches Stüf von Fletcher oder Maffinger würde, bei ge- 
höriger Säuberung, des Erfolges nicht verfehlen: wo 
aber flöfle ein fo unverfiegbar reicher Quell der aller- 
vortrefflichſten, zugleich poetiſch werthvollen und allen 
feenifchen Anforderungen entſprechenden Dramen, wie 
in Spanien? Sich dieſe Schaͤtze entgehen zu laſſen und 
auf den bildenden Einfluß zu verzichten, ben die An- 
jhauung fo großer, ſaͤmmtlich zunaͤchſt auf die Dar- 
ftellung, nicht für Die Lectüre, berechneter Bühnenmwerfe 
auf. die Beflerung des Theatergefchmads üben fónnte, 
wuͤrde ein unverzeihliches DVerfehen fein. Id) weiß, wie 


vielen Widerſpruch man biergegen erheben wird, ich 
weiß, daß ed gegenwärtig Mode ft, bie Dichtungen 
Calderon's und Lope's al8 Euriofitäten anzufehen, venen 
zwar nicht aller Werth abzufprechen, aber feine Be- 
deutung mehr für unfere Zeit beizulegen fei. Da man 
gerne Autoritäten hört, fo will ich Ddiefer Meinung 
entgegenhalten, daß Göthe bald nad bem Erfcheinen 
der Schlegelfchen Ueberfegung den »ftanphaften Bringen” 
zur Aufführung gebracht und dabei geäußert bat, 
„durch Galberon werde der deutjchen Bühne ein ganz 
neueg Terrain erobert;” Dag Immermann vdenfelben 
Spanier al8 ben „Theaterdichter par excellence,” als 
denjerigen Dramatifer bezeichnet hat, welcher unter 
Allen die höchfte poetifche Kraft mit der größten tech« 
nischen Fertigkeit und vollfommenften Búbnenprari8 
vereinigt habe. Zur faktifchen Miderlegung jener Anficht 
dient ferner, Dag mehrere fpanifhe Dramen va, too 
man fie zur Darftellung gebracht, ihren Eindruck nicht 
verfehlt haben. Der „ſtandhafte Prinz” erregte in Weimar 
jo allgemeinen Enthuſiasmus, daß, tie ein Augenzeuge 
berichtet, das Publifum fih an ihm nicht fatt jehen 
fonnte ; mit dem „munderthätigen Magus” brachte Im— 
mermann, wie man infeinen Memorabilien Tefen Fann, 
in Düfleldorf bie ungemeinfte Wirkung felbft auf die 
Menge hervor; „pie Tochter der Luft” fand auf derjelben 
Bühne in ihrer urfprünglichen Geftalt Beifall, und 
anderöwo tft ihr ein folcher felbft in einer mißlungenen 


— XVI — 


modernen Bearbeitung zu Theil geworden; Donna 
Diana, der Arzt ſeiner Ehre, das laute Geheimniß, das 
Leben ein Traum, der Stern von Sevilla waren eine 
Zeit lang Lieblingsſtücke des deutſchen Publikums und 
find noch an einigen Orten Lichtſtrahlen, welche hier 
und da die Jammerwelt des Theaters erhellen. Zahl⸗ 
loſe andere Schauſpiele, welche Den genannten in kei— 
ner Art nachſtehen, vielmehr zum Theil eine noch wir 
kungsreichere Darftellung verfprechen, find in der dra⸗ 
matifchen Literatur der Spanter vorhanden, und felbft 
die bisher iberfegten Dramen caftilianifcher Dichter 
bieten in Diefer Hinficht eine reiche Ernte dar. Moreto'8 
„ritterlicher Richter“ und „Außer meinem König — 
Niemand‘ von Rojad (zwei von Dobrn meifterhaft 
verbeutjchte Stüde) werben fett zwei Jahrhunderten. in 
Spanten alljährlich vor vollen Käufern und bei ges 
fpanntefter Theilnahme des Publifuma aufgeführt; ich 
habe dieſelben verjchiedentlich fpielen fehen, und immer 
zeugte bei den ergreifenden Wendepunkten der tragtichen 
Aktion, namentlich bei der ungeheuren Schlußfcene des 
Del Rey abajo ninguno, die athemlofe Stille und . 
hinterher der donnernd hervorbrechende Applaus von Der 
hingeriffenen Bewunderung und bem erfehütterten Her 
zen der Zufchauer ; follten folche Vorgänge dieſen Stücken 
nicht analoge Erfolge in Deutjchland verheißen? Alar- 
con3 „Weber von Segovia” verfpricht nicht minberen 
Sueceg und hat im vorigen Sahre in Paris feine 





— vi — 


eminente Wirkſamkeit auf der Bühne bewährt. Unter 
den Werfen Calderon's Fönnten beſonders der „Maler 
feiner Schande» (iberfegt von Bärmann), eine der 
. Serrlichften Dichtungen, Die ed irgend gibt, dann bie 
„drei Vergeltungen in einer” ımd, wenn bie deutſche 
Praderie mit ihrem flußerhaften Zartgefühl nicht hin⸗ 
bernd in den Weg tráte, der „Schultheiß von Zala- 
mea” für die Darftellung empfohlen werben. „Der 
Verſteckte und die Verfapbte”, ein fo feines und vols 
lendetes Intriguenfptel, daß ihm Feine andere Nation 
Aehnliches zur Seite ftellen farm, tft durchaus geeignet, 
mit Glück auf die Bretter gebracht zu werben. Zahl- 
reiche andere Stüde von Lope de Vega, Tirfo de Mo» 
Tina (deffen Lufifpiele in Spanien noch immer zu ben 
beliebteften gehören), Guevara, Alarcon, Rojas und 
Anderen harren nur bes Ueberſetzers oder geſchickten 
Bearbeiter, um ber deutichen Bühne angeeignet zu 
werben. Sch bin nicht der Meinung, daß man Diefe 
Dramen ganz unverfürzt geben dürfte; jene langen 
Reden, wie fle namentlich im Galveron vorkommen, 
erfordern eine Weiſe des Vortrags, welche ver ſpaniſche 
Schaufpieler inne hat, ber ventfche fich aber nur fehwer 
wird aneignen koͤnnen, und ohne welche fie ſchleppend 
werden; biefe Smphafe müßte man Hier und va bes 
ſchneiden, eine Arbeit, Die freilich nicht den gewoͤhnli⸗ 
den Regiffeurd zu tiberlaffen wäre; daß im Uebrigen 
der Organismus der Dramen ungerftört bleiben müßte 


Geſch. d. Lit, in Spanien. III. Br. 


—  — 


fehr, tie e8 Seilfpringer und tanzende Hunde thun. 
Tie und mun für die Tragödie und bas hHiftorifche 
Drama vorzüglih Die Engländer ftet8 als leuchtende 
Sterne werben vorſchweben müflen (obgleich auch hier 
von dem ſüdlichen Volfe unendlich viel zu lernen wäre), 
jo dürften und für das Luftfpiel in jener höheren Ge— 
ftalt, in welcher es allein zur Literatur gerechnet wer- 
den darf, befonverd bie Spanier ald Vorbild dienen. 
Will man Beifpiele, wie ein begabter Getft aus dem 
Duell fremder Dichtung fehöpfen und fid) in felbftan- 
Diger Weife bie Vorzüge berfelben zu eigen machen 
fónne, fo nenne ich unferen herrlichen Platen; Diefer 
fannte und fiudirte Die Spanier, und man erfennt in 
feinem /Schatz des Rhampfinit« und gläfernen Pan⸗ 
toffel« die Anregung, welche er von Diefer Geite zu 
dem Verſuche einer Miederbelebung des höheren Luft- 
ſpiels empfing: aber er hielt fich nicht ſelaviſch an das 
Formelle, er juchte in freier Weife den Geift der fpa= 
niichen Comödie zu reproduciren und bereicherte fo un- 
jere an Erzeugniffen Der Fomifchen Mufe fo arme Bühne 
mit einigen wahrhaft trefflichen Werfen viefer Gattung. 
Daß aber bieje Stüde, fo wie noch einige andere uns 
fever befferen Dramatifer, 3. Y. von Immermann, nicht 
anfgeführt werben, ift ein fchmwerlaitender Vorwurf für 
unfere Bühnendirectionen, welche durch Die ftete Vor= 
führung gehaltlofen aus⸗ und inländifchen Plunders 
recht foftematifch auf ben Ruin des guten Gefchmads 


— ⸗ XI — 


und auf die Abtoͤdtung alles poetiſchen Sinnes auszu⸗ 
gehen ſcheinen. 

Und dies führt mich denn noch auf einen anderen 
Punkt. Der immer tiefer einreißende ſchmachvolle Ver⸗ 
fall unſeres Theaters, der den gebildeten Deutſchen mit 
Schmerz und Unwillen erfüllen muß, macht wohl jedem 
Denkenden die Nothwendigkeit klar, daß man auf Mit 
tel firme, die Bühne aus dieſer Erniedrigung zu erhe⸗ 
ben. Alle Klagen und Declamationen aber helfen nichts, 
fo lange man den Nepertoires nicht eine reichliche Zahl 
von Schauſpielen empfehlen farm, welche vramatifche 
und wahrhaft poetifche Kraft mit einander verbinden. 
Dad Verlangen ves Publikums nah Mammichfal⸗ 
tigkeit des Genuſſes tft ein gegründeted, und überall, 
wo das Theater wahrhaft geblúbt hat, tt dieſes Der 
langen durch zahlreiche und verfchiedenartige Werfe be= 
friedigt worden; man fann es daher eben fo wenig 
ven Zufchauern verargen, wenn fie über Die wenigen 
aufführbaren Dramen unjerer claffifchen Dichter hinaus 
nod) andere zu jehen begehren, wie ven Directionen, 
wenn fie Diefen Trieb ‚zu befrievigen trachten. Der Feh⸗ 
fer ift nur, daß die legteren, ftatt die Liden ihrer 
Repertoire auf würdige Art zu ergänzen, bem Hange 
eined gedanfenlojen Pöbeld zu nichtswürdigem Zeitver- 
treibe Durch die feichteften und elendeflen Novitáten fröh- 
nen. Es Hilft nichts, daß Die Vertheidiger des heutigen 
Bühnenweſens einwenden, der Gejchmad des Publifums 





fet einmal fo geartet, ihm müſſe man willfahren: nein, 
die Bühnenvorfteher felbft find es, telde viefen Ges 
ſchmack durch die fchale Koft, Die fie ihm unermüdlich 
vorgefeßt, fo tief herabgezogen haben, und in ihrer 
Macht liegt es auch, ihn wieder zu heben. Das Volk, 
unter welchem Begriffe wir body nicht gerade Die un= 
terfte Hefe bes Poͤbels verfteben, bewahrt troß aller 
Beftrebungen, feinen Geift zu verwirren, Empfänglich- 
teit für Das Höhere und Poetifche; feine Sinne find 
noch nicht fo verdumpft, daß ein mächtiger Blüthen- 
duft der Poefie nicht dal befiere Selbft aus feiner 
Betäubung ermeden follte; in feiner Seele find jene 
Saiten nicht zerrifien, welche harmoniſch erflingen, wenn 
em Dichter ber entweihten Leier einen volleren und 
ſtaͤrkeren Klang entlodt; das Herz vermag ihm nod; 
zu fólagen für bas Gewaltige und Herrliche in Vor- 
zeit und Gegenwart ; die Sehfraft für Die Tuftigen 
Traumgebilde der Phantafte ift ihm nicht erlofchen, 
feinem Auge fehlt die Thraͤne nicht für die im riefl- 
gen Kampf mit dem unerbittlichen Schieffal Hinfinfende 
Helvengröße, und feiner Lippe nicht das Lächeln für den 
Scherz, der fid auf dem Blumenkelche der Anmuth 
ſchaukelt. In befonder3 glücklichen Zeiträumen wird der 
Beifall ber Nation von felbft nur dem Schönen zu 
heil, und bie Bühne fchafft und wirft im unmittel- 
baren Einklang mit bem Volf8geifte dad Rechte unb 
Große: in Perioden ber Zerfahrenheit und Verwirrung 


— iM — 


aber tft es die Sache derer, welche von ber Bühne 


‚herab auf bie Nation wirken Tönnen, Die von böfen 


Schichten umlagerten Elemente des Befjeren in ihr zu 
entbinden; und wer den Einfluß Eennt, den das Thea⸗ 
ter auf Geift und Sitte eines Volkes üben Fann, dem 
wird dieſe Sache ald eine wichtige und heilige erſchei⸗ 
nen. Von dort her, von wo fich jegt eine geifttöbtende 
Lethargie oder ein fittenverberbliches Gift durch bie 
Adern der Gefellfchaft ergießt, fónnte fich eine auf Das 
ganze Leben ber Nation zurückwirkende Bildung des 
Schoͤnheitsſinnes, ja eine Heilige Begeifterung für Die 
höchften Intereſſen des Daſeins verbreiten; denn bas 
Drama ift unter allen Formen der Dichtfunft die ber 
redtefte und aufregenbfte, es tft Die einzige, welche in 
unferer Zeit, wo bie übrigen Gattungen der Poefie in 
die Salond der vornehmen Welt verbannt find, nod) 
unmittelbar auf dad Volf und felbft auf biejenigen 
einwirken Tann, bie nie ein Buch in bie Sand nehmen. 
Hoffen wir nun, daß Die Leitung ber Bühnen, wie dies 
ſchon hier und da der Fall ifl, aus den Händen von Igno⸗ 
ranten mehr und mehr in bie von intelligenten Maͤn⸗ 
nern übergehe, welche die Reform des Theaterweſens 
ernftlich beabfichtigen: fo entfteht die Frage, aus was 
für Stüden dad Repertoire zufammenzufegen fer? Es 
unterliegt feinem Zmeifel, daß fih in unſerer eigenen 
Literatur noch manche, durd) den gewöhnlichen Schlen- 
drian von den Brettern audgefchloflene Dramen finden 


a . XIV — 


laſſen, welche wohl verbienen, aufgeführt zu werben; 
lebende Talente werben, wenn fie die Bühne einer eble= 
ren Richtung geöffnet fehen und ihren poetifchen Sinn 
wie Ihre Kenntnis ver theatralifchen Erforberniffe durch 
die Anſchauung guter Schaufpiele ausbilden Fönnen, 
nicht fámmen, mit achtbaren Productionen hervorzutre= 
ten: aber dies Alles wird nicht ausreichen, um und 
fofort ein werthvolles Repertoire von ver erforderlichen 
Reichhaltigkeit zu geben. Bevor wir eine originale und 
mannichfaltige dramatifche Literatur befifen, müflen wir 
daher unftreitig unfere Zuflucht zu dem Auslande neh» 
men, — nur um des Qimmela Willen nicht zu ben 
Schaufpielfabrifaten jener Nation, von welcher Leffing 
fagte, fie Habe nie ein Drama gehabt, und welche wahr- 
lid) feitvem Feines gewonnen hat! Die englifche Bühne 
bietet dagegen eine treffliche Yundgrube dar, und mans 
ches Stúd von Fletcher over Maflinger würde, bei ge= 
höriger Säuberung, des Erfolges nicht verfehlen: wo 
aber flöſſe ein fo unverfiegbar reicher Quell ver aller- 
portrefflichften,, zugleich poetifch werthvollen und allen 
feentfchen Anforderungen entſprechenden Dramen, iie 
in Spanien? Sid) diefe Schäbe entgehen zu laſſen und 
auf den bildenden Einfluß zu verzichten, ven die An= 
fhauung fo großer, fämmtlich zunächft auf die Dar- 
ftellung, nicht für die Lectítre, berechneter Bühnenmwerfe 
auf die Befferung bes Theatergeſchmacks üben fónnte, 
würde cin unverzeiblides Verſehen fein. Ich weiß, mie 


vielen Biderfprud man hiergegen erheben wird, ich 
weiß, daß es gegenwärtig Mode ift, bie Dichtungen 
Calderon's und Lope's als Euriofitäten anzufehen, denen 
zwar nicht aller Werth abzufprechen, aber Teine Be 
deutung mehr für unfere Zeit beizulegen fei. Da man 
gerne Autoritäten hört, fo will ich Diefer Meinung 
entgegenhalten, daß Obthe bald nad) ven Erfcheinen 
der Schlegelfchen Ueberfegung den /ſtandhaften Prinzen” 
zur Aufführung gebracht und babel geäußert bat, 
„durch Galberon werde der deutſchen Bühne ein ganz 
neued Terrain erobert;” daß Immermann venfelben 
Spanier al8 ben „Tiheaterdichter par excellence,” als 
denjenigen Dramatifer bezeichnet hat, welcher unter 
Allen die höchfte poetifche Kraft mit der größten ted)= 
nischen Fertigkeit und vollfommenften Bühnenpraris 
vereinigt habe. Zur faktiſchen Widerlegung jener Anftcht 
dient ferner, daß mehrere ſpaniſche Dramen Da, wo 
man fie zur Darftellung gebracht, ihren Einprud nicht 
verfehlt haben. Der „ſtandhafte Prinz” erregte in Weimar 
fo allgemeinen Enthufiasmus, daß, mie ein Augenzeuge 
berichtet, vag Publifum fih an ihm nicht fatt jehen 
fonnte ; mit dem „wunderthätigen Magus” brachte Im⸗ 
mermann, wie man in feinen Memorabilten lefen farm, 
in Düffelvorf bie ungemeinfte Wirkung felbft auf Die 
Menge hervor; „vie Tochter der Luft” fand auf derjelben 
Bühne in ihrer urfprünglichen Oeftalt Beifall, und 
anbergwo tft ihr ein folder felbft in einer mißlungenen 





— XVI — 


mobernen Bearbeitung zu Theil geworden; Donna 
Diana, der Arzt feiner Ehre, das laute Geheimniß, das 
Leben ein Iraum, der Stern von Sevilla waren eine 
Zeit lang Lieblingsſtücke des veutichen Publifumd und 
find noch an einigen. Orten Lichtfirahlen, welche hier 
und da die Sammermelt des Theater3 erhellen. Zahle 
Lofe andere Schaufpiele, welche Den genannten in kei— 
ner Art nachftehen, vielmehr zum Theil eine noch wir« 
kungsreichere Darftellung verfprechen, find in ver dra⸗ 
matifchen Literatur der Spanter vorhanden, und ſelbſt 
die bisher úberfegten Dramen caftilianifcher Dichter 
bieten in Diefer Hinficht eine reiche Ernte dar. Moreto'3 
„Titterliher Richter“ und „Außer meinem König — 
Niemand‘ von Rojad (zwei von Dobrn .meifterhaft 
verdeutichte Stúde) werben feit zwei Jahrhunderten in 
Spanten alljährlih vor vollen Käufern und bei ges 
fpanntefter Icheilnahme des Publifumd aufgeführt; ich 
habe viejelben verfchieventlich fpielen fehen, und immer 
zeugte bei den ergreifenden Wendepunkten der tragifchen 
Aktion, namentlich bet der ungeheuren Schlußfeene des 


Del Rey abajo ninguno, die athemlofe Stille und 


hinterher der. donnernd hervorbrechende Applaus von Der 
hingeriffenen Bewunderung und bem erfehütterten Her⸗ 
zen der Zufchauer ; follten folche Vorgänge dieſen Stiidfen 
nicht analoge Erfolge in Deutjchland verheißen? Alar- 
con’d „Weber von Segovia” verfpricht nicht minberen 
Sueceß und hat im vorigen Jahre in Paria feine 


eminente Wirffamfelt auf der Bühne bewährt. Unter 
den Werfen Galveron’8 Fönnten beſonders ber „Maler 
feiner Schande» (iberfegt von Bármann), eine ber 
berrlichften Dichtungen, die ed irgend gibt, dann die 
„drei Vergeltungen in einer” mb, wenn die beutfche 
Prüverte mit ihrem flugerhaften SZartgefühl nicht hin⸗ 
dernd in den Weg tráte, der „Schultheiß von Balas 
mea” für bite Darftellung empfohlen werden. "Der 
Verſteckte und vie Verfappte”, ein fo feines amb vols 
lendetes Intriguenfpiel, daß ihm feine andere Nation 
Hehnliched zur Seite ftellen fann, tft durchaus geeignet, 
mit Glück auf die Bretter gebracht zu werben. Zahl 
reiche andere Stüde von Lope de Vega, Tirfo de Mos 
lina (deſſen Luftfpiele in Spanien noch immer zu ben 
beliebteften gehören), Guevara, Alarcon, Rojas und 
Anderen harren mur bes Ueberſetzers oder geſchickten 
Bearbeiterd, um der deutſchen Bühne angeeignet zu 
werden. Sch bin nicht ber Meinung, daß man biefe 
Dramen ganz unverfítezt geben dürfte; jene langen 
Meven, wie file namentlich im Calderon vorfommen, 
erfordern eine Weiſe des Vortrags, welche der fpanifche 
Schauſpieler inne hat, der dentíche ſich aber mur ſchwer 
wird aneignen Fönnen, und ohne telde fie fchleppend 
werden; dieje Emphafe müßte man bier und da be= 
fchneiden, eine Arbeit, Die freilich nicht den gemöhnli- 
hen Regiffeurd zu überlaflen wäre; daß im Uebrigen 
der Organismus der Dramen ungerftdet bleiben müßte 


Geſch. d. Lit. in Spanien. III. Br. 


— XV — 


und daß feine fo willführliche Veränderungen, wie Weſt 
mit dem „Arzt feiner Ehre” vorgenommen bat, flatt- 
haft wären, verfteht fich von ſelbſt. 

Unberechenbar würde der Einfluß fein, den die fin= 
nig und verfländig angeordnete Darftelung der fpant- 
fchen Meifterwerfe auf die Befferung des Gefhmads zu 
üben vermöchte, und felbft eine Rüdwirfung auf die 
Production unferer Dichter, eine Anregung ſchlummern⸗ 
der Talente Fönnte nicht ausbleiben. Iſt eS nun erlaubt, 
ſich einen Augenblid ver Hoffnung hinzugeben, daß früher 
oder fpáter eine deutfche Theaterdireftion mit Ernft und 
feftem Willen auf eine Umgeftaltung ver Bühne hinar- 
beiten werde, fo wird aud noch folgende Betrachtung 
verftattet fein. Ganz vergeblich müfjen alle Verfuche, 
eine Wendung der Dinge zum Beffern herbeizuführen, 
ausfallen, fo fange man nicht von bem Srundfag aus: 
geht, alle feichten Trivialitáten, allen ganz gebaltlofen 
Plunder von dem Repertoire zu ftreichen. Es hilft zu 
gar nichts, hier und da einmal ein gutes Stüd aufzufüh- 
ren und dann wieder die Erbärmlichkeiten des Tages; 
an einem Abend etwa den „König Lear” und am fol: 
genden ein den gefunden Sinn anefelndes Schaugericht, 
erfunden von der Füchenfundigen Bremer und für die 
Scene appretirt von der Bird - Pfeiffer, oder die nod) 
viel verachtungsmertheren Dramatifirungen der fehlech- 
teften franzöfifchen Romane, welche gegenwärtig, zur 
Schmach deutſchen Geiftes, unfere Bühnen fchänden; 


- Mx — 


die fegensreiche Wirkung der erfleren wird doppelt und 
dreifach durch bie nachtheilige der letzteren anullirt. 
Nein, ehe man große Dichterwerke dadurch entweiht, daß 
man fie in demfelben Theater vor leeren Bänken auf 
führt, in welchem am vorhergehenden Tage eine finnver- 
wirrte Menge den Ausgeburten der mobernften Ylachheit 
Beifall zugejauchzt bat, ehe man Produetionen, die fic) 
wie feindliche Pole gegenüberfichen, zufammenloppelt, 
verbanne man lieber alles Gehaltvolle und erkläre, daß 
die Bühne fortan nichts mehr mit dramatiſcher Kunft 
und Poefie zu febaffen habe, daß fie nur für den Zeitver- 
treib des großen Haufens beftimmt fei, wie die Buden 
der Gaufler und Tafıhenfvieler auf den Meffen! Hat 
man dagegen ben feften Willen, das Theater wieder zu 
dem zu machen, was es einft war und mas es fein follte, 
fo ftelle man die Marime auf, mur gute und bichterifch 
grbalivolle oder Doch wenigſtens ſolche Stüde zu fpielen, 
welche Anlage und ein Streben nad) dem Höheren zeigen; 
eine ununterbrochene Folge von ſolchen Darftellungen 
muß das Publikum bilden und ihm. jede Gelegenheit ent- 
ziehen, in Die angewöhnten corrupten Neigungen zurüd- 
jufallen; hat dasfelbe erft eine Zeit lang ſolchen Auffüh- 
ungen beigewohnt, fo wird es (wie bei-anbaltennem 
ſchoͤnen Frühlingsmetter auch die dickſte Eisrinde thaut) 
aus feiner Starrheit erwachen und den ungeheuren Lon: 
traſt zwiſchen den ihm nun liebgewordenen Dichtungen 
und der bisher bewunderten Waare einſehen. Hiermit iſt 


+. 





— YX — 


den beiden früheren; es iſt diejenige, welche mir nad 
reiflicher Prüfung als bie angemeſſenſte erſchien. Gewiß 
wird man mit mir einverſtanden ſein, daß jeder neue 
Vorwurf dem Geſchichtſchreiber der Literatur auch eine 
neue Art der Bearbeitung vorſchreibe, und daß es weder 
moͤglich, noch — die Moͤglichkeit einmal vorausgeſetzt — 
zweckmaͤßig ſei, bei einem bisher noch nie in ſeinem gan⸗ 
zen Umfange behandelten Gegenſtande gleich das erſte 
Mal dasſelbe Verfahren anzuwenden, wie bei ſolchen, 
die ſchon mehrfach und in ihrer vollen Ausdehnung bear⸗ 
beitet worden ſind. Vergleichen wir in dieſer Hinſicht 
zwei bekannte und ausgezeichnete Werke — die Geſchichte 
der poetiſchen Nationalliteratur der Deutſchen von Ger⸗ 
vinus, und Hammer's Geſchichte der perfifchen Poeſie! 
Der Verfaſſer Des erſten hatte ein ſchon vielfach cultivir⸗ 
tes Feld vor ſich, er konnte die Bekanntſchaft mit dem 
literar⸗hiſtoriſchen Stoffe bei ſeinen Leſern vorausſetzen, 
oder ſich doch auf allgemein zugaͤngliche Bücher beziehen, 
aus denen ſich eine ſolche Bekanntſchaft erwerben ließ; — 
er handelte daher ganz richtig, indem er ſich nicht mit An⸗ 
gabe des Inhalts der einzelnen Dichtungen aufhielt, ſon⸗ 
dern ſich vornaͤmlich der Zeitgeſchichte zuwandte, um aus 
ihr ein neues Licht auf die Literatur zu verbreiten. In wie 
ganz verſchiedenem Falle befand ſich dagegen Hammer! 
Die perſiſche Poeſie war, als der große Orientaliſt es 
unternahm, ſie hiſtoriſch darzuſtellen, in ganz Europa ſo 
ziemlich eine Terra incognita, ihre Werke waren nur 





— xm — 


wenigen Gelehrten vom Fach verſtaͤndlich, und ſelbſt dieſen 
wegen der Seltenheit der Manuferipte nur ſchwer er- 
reichbar; dem Gefchichtfehreiber verfelben alfo lag es 
ob, den Lefern jenes, bis dahin mit fieben Riegeln 
verfchloffene, Gebiet möglichft zu unmittelbarer An- 
ſchauung zu erdffimen, fie durch Analyfen der größeren, 
durch Ueberfegungen der Heineren Gedichte in bie Rennt: 
niß deffelben einzuführen. Bevor diefe Hauptbedingung 
‚erfüllt war, mußten alle Raifonnements und Reflerio: 
nen am unrechten Orte fein. In ähnlichen, wenn aud) 
nicht. durchaus gleichem Falle ſchien mir derjenige zu 
fein, welcher die Gefchichte des fpanifchen Theaters 
ſchreiben wollte; er fand allerdings mehr Vorarbeiten, 
als der legtgenannte Literarhiftorifer, allein er konnte 
fih auf Fein Werk beziehen, in dem der Gegenftand 
fhon irgend erfhöpfend behandelt gervefen wäre; er 
durfte bei den Lefern Feine umfaffende Kenntnig ber 
Productionen fpanifcher Dramatifer annehmen, ja er 
fonnte fie — wegen der großen Seltenheit alt-fpani- 
nifcher Bücher — nicht auf die: Driginalmerfe ver: 
weisen, um die mangelnde FenntniB aus ihnen zu er- 
gänzen. Seine wichtigfte Aufgabe war daher, dem Lefer 
einen möglihft lebendigen Blick in das Innere ber 
Bühnenpoefie zu gewähren, und für diefen Zwed waren 
Inhaltsanzeigen von ben hervorftechenpften Erzeugniffen 
derfelben unerläßlich. Wenn folche fon durch die an- 
gedeuteten äußeren Umitánde bedingt wurden, fo durf- 





— XXIV — 


ten fie auch in anderer Rückſicht nicht mangeln; nur 
fie fonnten eine Anſchauung von einer der weſentlich⸗ 
fien Eigenthümlichfeiten des fpanifchen Theaters geben, 
von jenem Reichthum der Erfindung nämlich, von jener 
erftaunlichen Menge und Mannichfaltigfeit ver Sajets, 
welche ausfoplieglid ihm gehören und durch welche es, 
wie Riccobont ſchon vor hundert Jahren fagte, das 
große Meufter aller Bühnen von Europa geworben 
iſt. Wie fehr nun dieſe bald ausführlicheren, bald kür⸗ 
zeren Inbaltsanzeigen, als Grundlage des Verſtaͤnd⸗ 
niffes, nöthig fehienen, fo ergab ſich doch von felbft, 
daß eine bloße Ancinanderreibung berfelben nicht ges 
nügte, daß eine Darlegung des Zufammenhanges ber 
verſchiedenen Erfcheinungen unter fic), daß Erörterun- 
gen, Charakteriftifen der einzelnen Dichter aus ihren 
Merken, Hindeutungen auf die Wechfelbeziehungen zwi⸗ 
fhen Bühne und Publifum und auf die Verhältniffe 
der Dichtungen zu der Zeit und Nation, aus welcher 
fie hervorgegangen, dem Ganzen Leben und Bewegung 
leihen mußten; eben wegen biefer Fülle der Elemente 
aber, welche zufammenfommen mußten, um die Ges 
fchichte der fpanifhen Bühne zu geftalten, warb es 
nöthig, jedem einzelnen berfelben eine gewiſſe Gränze 
zu ziehen; wie die Inhaltsangaben fich gegenfeitig in 
der Ausdehnung befehränken und mehr anbeutenb als 
ausführen verfahren mußten, fo durften ſich auch Die 
Betrachtungen nicht in bie Breite verlieren und bie 


— ‚XV zu. 


Hindeutungen auf die Jeitgeſchichte nicht über das bin: 
ausgehen, was in näcfter Beziehung zur Literatuy 
ſteht. Wer an eine Arbeit über die dramatiſche Lite 
ratır und Runft in Spanien, wenigftens an die evfte 
biefer Art, das Anfinnen ftellt, fie folle auch auf ent: 
legnere Puntie Nüdficht nehmen und ausführlich auf 
die übrige Zeitgefchichte eingeben, ver bat ſchwerlich 
irgend einen. Begriff weder von dem, worauf es bier 
vornämlih anfam, nod) von den ungebeuren Maffen 
entlegenen und gänzlich ungelannten Materials, bas 
zunächft zu ‚bewältigen. und dem Leſer zur Anfchanung 
zu bringen war; er überträgt eine aus irgend einem 
Lieblingswerk des Tages abflrahirte Anſicht von lite 
varhiftgrifcher Behandlungsweife auf ein Gebiet, das 
eine folhe Behandlung noch durchaus nicht verträgt 
jedenfalls war fo viel Har, daß. ein Werf, welches 
eine Erpofition des beinahe unermeßlichen Stoffes foz 
gleich mit einer nad) allen Seiten bin ergründenden 
Betrachtung verbinden mollte, von Anfang an flat 
auf drei Bände etwa auf zehn angelegt werben mußte. 

Dag die vorliegende, in ber bargelegten Weife 
bearbeitete Gefchichte der ſpaniſchen Bühne keineswegs 
meine, den Stoff fogleich vollftándig erſchöpft zu haben, 
braucht dem Obigen nicht: hinzugefügt zu werden: Nur 
die Anfprüde, welche an eine erſte, auf fpärliche Vor: 
arbeiten geftüßte Arbeit viefer Art gemacht werden 
durften, glaubt fie befriedigt zu haben, 


Die äfthetifchen Gefichtspunfte, von denen aus 
ih mein Urtheil fállte, find biejenigen, welche ſich mir 
durch vielfades und mit immer neuem Kntzüden wie 
derholtes Studium der größten Dichter alter und neuer 
Zeit, fo wie durch das der Schriften Schlegel’ s, Tiecks 
und anderer Meifter des Kunſturtheils feftgeftellt haben. 
Jedenfalls hat diefe Art der Betrachtung den Vortheil, 
auch außerhalb Deutſchlands und in fremden Sprachen 
verfländlich zu fein. Was jene Beurtheilungsmweife an⸗ 
langt, welche fich excluſiv ben ſchönklingenden Namen 
der philofophifchen beilegt und die Aefthetif als einen 
Theil der abfoluten Reallogif anfieht, fo wurde dies 
felbe ſchon durch den Umftand ausgefchloffen, dag ich 
mein: Werk, obgleich zunächſt für Deutfche, Doch aud, 
wie fchon bie Vorrede zum erften Bande zeigt, nicht 
ohne Rüdfiht auf das ſpaniſche Publikum ſchrieb. Wie 
Klar und volllommen faßlich vie Philofophie der Iden⸗ 
dentität des Unterfchiedes mit ihren „lebendigen inne= 
ren Widerſprüchen“, ‚ihrer negativen Einheit des Außer- 
fihfeing, melde, indem fie ift, nicht tft, und indem fe 
nicht iſt, iſt — mit ihrer unfinnlichen Sinnlichkeit und 
der reinen Negativitát ihrer felbft”.*) auch in unferem 
fpeculativen Vaterlande fein mag, fo fonnte fie fid 
doch in Spanien, das fih vermuthlich erft nad Jahr⸗ 
hunderten auf den abfoluten Standpunkt. erheben wird, 
durchaus Fein Verſtaͤndniß verfprechen. 

*) Hegel's Encyfl. 258 und 260. *: 


— xxvu — 


Der anfänglichen Abfiht gemäß, tft Die zweite 
Hälfte der Blithenperiode bes foanifchen Theaters in 
diefem Bande noch mit Ausführlichfeit behandelt wor- 
den; indeffen nicht jedem aus der ungebeuren Menge 
von Dichtern, die fic) um Calderon zufammendrängen, 
fonnte das Maaß von Aufmerffamteit gefchentt wer⸗ 
den, welches ihm vielleicht an fidh gebühren mag; nur 
auf die berühmteren, oder nach meinem Urtheil aus: 
gezeichnetfien ward näher eingegangen, die übrigen 
aber wurden in kürzeren Andeutungen, zum Theil nur 
mit Nennung der Namen vorübergeführt. Mas viefe 
Berzeichniffe von bloßen Namen betrifft, fo gehören 
vergleichen freilich, fireng genommen, nicht in ein Bes 
ſchichtswerk, allein ihre Stellung bier möchte ſich doch 
rechtfertigen 'laffen; fie geben einmal einen Begriff, 
wenn auch nicht von bem qualitativen, fo Doch von 
dem quantitativen Reichthum des fpanifchen Theaters, 
und fie vindiciren ferner den Dichtern eine gewiffe 
Bedeutung, infofern fie diefelben als Mitglieder einer 
großen Schule beglaubigen und für fie die Präfums 
tion begründen, daß ihren Erzeugniffen diefe oder jene 
Vorzüge, welche den Produkten einer bedeutenden Lis 
teraturperiode nicht Teicht entgehen, innewohnen wer- 
den. — Der Theil des Werkes, welcher die Gefchichte 
der fpanifhen Bühne von ihrer Blüthezeit abwärts 
bis auf unfere Tage führt, zeichnet den Verfall nur 
in den hervorſtechendſten Zügen und zieht fodann Die 





neneften Beftrebungen der Spanier zu einer Regene- 
yation ihres MNattonaltbeaters in ‚ven Kreis der Vea 
trachtung. Der Anhang liefert ein den Viteraturfreuns 
den unftreitig. willfommenes Inhaltsverzeichniß Der fo 
böchft feltenen, auf Feiner Bibliothek in Europa voll. 
fländigen, allgemeinen. Sammlung fpantfher Comö- 
dien, welche für Das reichhaltigfte Repertorium ber 
caftilianifchen Bühnenliteratur gelten Tann, An dieſes 
Verzeichniß fopliegt fih ein anderes ber wichtigeren 
unter den mir befannten Schriften über das Ganze 
oder über einzelne Theile der Dramatifchen Poeſie und, 
Kunft in Spanien; auf diefe Art gewinnt ber Lefer 
einen Meberblid über die Literatur dieſes Gebiets und 
zugleich über die Vorarbeiten, auf bie fih Das vor: 
liegende Werk flügen konnte; natürlich aber find in, 
jene Lifte nur foldhe Schriften aufgenommen worden, 
welche in irgend einer Art Neues und Selbfländiges ent 
halten, nicht Diejenigen, welche, rie z. B. die von Garcia 
de Villanueva, Hallam's Literature of Europe un® 
Flügel's Gefchichte der Fomifchen Literatur, im Faktifchen 
wie im Urtheil nur das Befannte wiederholen; auch 
nicht folche, welche fid nur auf dieſe oder jene Specia⸗ 
fität beziehen. Signorelli's Storia critica dei Teatri 
in der zweiten vermehrten Ausgabe, Neapel 1813 (bis- 
ber fannte ich nur den Deutfchen fummarifchen Auszug) 
babe ich leider erft erhalten, als ber größere Theil 
biefes dritten Bandes bereits gedrudt war; wäre fie 


— XxXIx — 


mir eber befannt geworben, fo hätte ich Thon früher auf 
fie Rüdficht genommen und fie in der Vorrede zum erften 
Bande alg eines der ausführlichften unter ven Werfen 
genannt, die ſich über das fpanifche Theater verbreiten. 
Nicht frei von vielfachen Irrthümern, enthält fie doch 
einzelnes Schäßenswerthe und geht auf mehrere Did: 
ter näher ein, als ſelbſt Bouterwek. Signorell's Stand- 
punkt im Urtheil ift zwar im Allgemeinen der befangene 
feiner Zeit und feiner Nation, aber deſſen unerachtet 
bat er einige Vorzüge der fpanifchen Dramatiker fchön 
und richtig gewürdigt und Teinenfall8 verdiente er jene 
höhnifche Verachtung, mit welcher er von La Huerta 
behandelt worden tft. — Von einer im Laufe des vort: 
gen Jabres in Madrid erfepienenen Arbeit über die fpa= 
nifhe Bühne, von Lombia, babe ich nur durch einen 
Artifel der Zeitung EI Espanol Notiz befommen; aus 
diefem geht hervor, Daß biefelbe den Gegenſtand nur 
febr in der Kürze behandelt. — Vielleicht tft in dem 
Berzeichniß Durch Bergeffenheit irgend eine Schrift 
übergangen worden, welche eigentlich hätte genannt 
werben múfien; befonders muß ich hier noch einige, auf 
das Theaterweſen Bezug habende fliegende Blätter 
des fiebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts anführen, 
welche mir in Spanien mitgetheilt worden und mir zur 
Heftftellung einzelner Punkte vienlich geweſen find, 

Schließlich entledige ich mich einer angenehmen 
Pflicht, indem ich den Herren Tied in Berlin, Henri 


— XXX — 


Zernaur= Compans in Paris und Ludwig Lemde in 
Braunſchweig für die ungemeine Liberalitát, mit welcher 
fie mir die Schäge ihrer ausgezeichneten Bibliotheken 
geöffnet haben, meinen verbinplichfien Dank fage. 


Frankfurt a. M., im Januar 1846. 


Der Verfaffer. 








7 


— Mn — 


mir eber befannt geworben, fo hätte ich ſchon früher auf 
fie Rüdfiht genommen und fie in der VMorrede zum erften 
Bande als eines der ausführlichften urtter ven Werfen 
genannt, die ſich über das fpanifche Theater verbreiten. 
Nicht frei von vielfachen Irrthümern, enthält fie Doch 
einzelnes Schäßenswerthe und geht auf mehrere Dich- 
ter näher ein, als felbft Bouterwek. Signorelli’s Stand: 
puntt im Urtheil ift zwar im Allgemeinen der befangene 
feiner Zeit und feiner Nation, aber deffen unerachtet 
bat er einige Vorzüge der fpanifchen Dramatiker ſchön 
und richtig gewürdigt und keinenfalls verdiente er jene 
höhniſche Verachtung, mit welcher er von La Huerta 
behandelt worden iſt. — Von einer im Laufe des vori- 
gen Jahres in Mabrid erfchienenen Arbeit über die ſpa⸗ 
nifche Bühne, von Lombia, habe ich nur durch einen 
Artifel der Zeitung EI Espanol Notiz befommen; aus 
diefem geht hervor, daß Ddiefelbe ben Gegenſtand nur 
febr in der Kürze behandelt. — Vielleicht ift in dem 
Verzeichnig durch Vergeffenbeit irgend eine Schrift 
übergangen worden, welche eigentlich hätte genannt 
werden múfien; befonders muß ich hier nod) einige, auf 
das Theaterweſen Bezug habende fliegende Blätter 
des fiebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts anführen, 
welche mir in Spanien mitgetheilt worden und mir zur 
Seftftellung einzelner Punkte dienlich gervefen fino, 

Schließlich entledige ich mich einer angenehmen 
Pflicht, indem ich den Herren Tie in Berlin, Henrt 


— xxx — 


Zernaurs&ompans in Paris und Ludwig Lemde in 
Braunfchweig für die ungemeine Liberalitát, mit welcher 
fie mir die Schäge ihrer ausgezeichneten Bibliothelen 
geöffnet haben, meinen verbinplichften Dank fage. 


Sranffurta. M., im Januar 1846. 


Der Verfaffer. 


Drittes Bach. 


Die Blüthenperiode des ſpaniſchen Theaters. 


Iweite Abtbeilung. 
Das ſpaniſche Theater zur Zeit des Balderon. 


b 


mw 


Nach dem am 31ften März 1621 erfolgten Tode Phi: 
lipps III. mußten die Theater von Madrid, höherem Befehle zu 
Folge, für die Dauer von vier Monaten gefchloffen bleiben. 
Biel günftiger, als. zuvor, waren die Aufpicten, als, fie am 
28ften Jult mit Lope'8 Diös hizo los Reyes y los hom- 
bres las leyes wieder geöffnet wurden. Denn hatten bisher 
die Bühnendarftellungen vielfach mít der Ungunft der Regíes 
rung zu fámpfen gehabt und ihre einzige Stüge in ber Zus 
neígung des Publifums gefunden, fo ftand jest ein Monarch, 
welcher der dramatiſchen Runft mit Leidenſchaft zugethan war 
und ihr jede Art von Protection angeveihen ließ, an ber 
Spige deS Staates. Unftreitig nimmt Philipp IV. einen ber 
vorderften Pláge in der Reihe jener Fürften ein, welche fic 
durch Begünftigung von Künftfern und Dichtern geehrt haben; 
und diefer Ruhm muß ihm bleiben, wie mannichfaltigen Tadel 
auch feine Regterungshanbkingen unterliegen mögen und wie 
fepr er feine Schuld an bem immer mehr zunehmenden Vers 
fall der politiihen Größe Spaniens tragen mag. Sein Name 
ift unauflöslich mit dem aller der großen Künftfer und Dich: 
ter verfnüpft, welche feine Regierung verherrlicht Haben. Auf 
feinen Auf traten die vorzüglichften Maler des Landes, unter 

"dem Borfig des Velasquez, in Madrid zu einer Schule zuſam⸗ 

men, welche fid) den erften irgend eines Volkes zur Seite 

ftcllen darf. Die oberften Chargen feines Hofes waren faft 
1* 


— 4 — 


ſämmtlich geiſtvollen Männern anvertraut, welche Kunſt und 
Poeſie zu würdigen wußten, wo nicht, wie die Grafen 
von Lemos und Villamediana, ſich ſelbſt darin per: 
vorthaten 1). Eine Lieblings-Erholung des Könige nad) ben 
Regierungsgeſchäften, die er freilich etwas leichtfertig betreiben 
mochte, war, ſich an Improviſationen und poetiſchen Spielen zu 
vergnügen. Den eigentlichen Mittelpunkt ſeiner Ergötzungen 
aber bildete das Theater. Jeder Dramatiker von Talent konnte 
ſich ſeiner Gunſt gewärtigen. Der Ruf behauptet ſogar, er 
habe ſelbſt zahlreiche Comödien verfaßt, und nennt darunter 
namentlich die Stücke Dar la vida por su Dama o el Con- 
de de Sex und Lo que pasa en un torno de monjas ; 
ja man ift fo weit gegangen, ihm alle die Schaufpiele zuzu- 
fhreiben, welche auf dem Titel al8 de un ingenio de esta 
corte bezeichnet find. Das Legtere beruht auf einem offens 
baren Irrthum, und für die erftere Annahme find wenigſtens 
feine hiſtoriſchen Beweiſe vorhanden; gewiß aber ift es, daß 
er es liebte, einen Kreis begabter Dichter um ſich zu ver: 
fanmeln und mit ihnen GCombbienpláne zu entwerfen. Aud) 


1 Moreto entwirft in ber erften Scene feines No puede ser el 
guardar una muger ein glänzendes Bild von Philipp’s IV. Kunftfinn 
und Freigebigfeit gegen Dichter. „Welches Talent — fagt er, — ift von 
unferem Könige nicht unterftügt worden? Welche Feder hat nicht im Dienfte 
feiner Liberalitát geflanden? Hat er nicht großfinnig den Hector von 
BillasHermofa, Gongora, Mefa, Encifo, Mendoza und viele Andere zu 
feinen Lieblingen erforen?« Weiter fährt er fort, die erfreuliche Erſchei⸗ 
nung hervorzuheben, daß viele Reiche und Vornehme feiner Zeit zugleich 
Gönner und Pfleger ber Dichtfunft feien: » Hat es bei ung nicht viele 
hochftehende Männer gegeben, die fich in der Puefie hervorgethban? Mar 
ber Graf von Billamediana nicht reich und angefehen? Wird nicht na- 
mentlich heute einer Der vornehmſten Herren wegen feiner Tieblichen Berfe 
allgemein bewunbert?= u. f. w. 





— 5 — 


pflegte er ſelbſt in engeren Hofcirkeln in improviſirten Schau⸗ 
ſpielen Rollen zu übernehmen ?). 

Die Hofetikette hatte bisher den Königen den Beſuch der 
Schauſpielhäuſer unterfagt und Philipp IV. wagte fid) nicht 
anders über diefe Sitte hinwegzuſetzen, al8 indem er die Theas 
ter de la Cruz und del Principe incognito befudte. Um 
fi) feiner Lieblingsunterhaltung ungeftörter hingeben zu fón: 
nen und den Darftellungen ¿ugleid) ein würdigeres Local zu 
verleihen, errichtete er fon im Anfange feiner Regierung In 
dem Palafte von Buen Retiro vor ben Thoren von Dubrid 
ein Theater, welches ausſchließlich als Hofbühne dienen und 
nur den Perfonen offen ftehen follte, weiche vom Hofe die 
Einladung dazu erhielten. Diefeg Theater übertraf In ber 
Eleganz feiner Einrichtungen, in ber Vollfommenheit des De: 
rorationd- und Mafchinenweiend die Corraled ber Stadt bel 
weiten, folgte auch in feiner Conftruction einem ganz ande: 
ren Princip, indem es mit einem Dade verfehen und von. 
allen Seiten geichloffen war. Der Saal oder ber für die Zw 
fhauer beſtimmte Theil hatte freilich nur geringen Umfang, 
Dafür aber war die Bühne befto geráumiger und fo einge: 
richtet, Daß fie aud für die complicirteften Zurüftungen 
Raum verftattete. Der Hintergrund berfelben fonnte nach dem 
Garten hin geöffnet werden, ein für feenifche Effefte befon- 
ders günftiger Umftand, indem fi auf diefe Art die Ausficht 


2) Hierher gehört folgende Anekdote. Als einft mehrere Dichter im 
Palafte verfammelt waren, fchlug ber König die Improvifativn einer 
Comödie über die Schöpfung der Welt vor uud übertrug dem Calderon 
die Rolle bes Adam, während er felbft fich Die des Schoͤpfers vurbebielt. 
Adam fehilderte in einer langen Rede die Schönheiten des Barabiefes 
bemerfte aber, bag Gott Zeichen der Ungeduld gab und fragte, was ihm 
wäre. — »Was foll mir fein? — erwiderte ber König — id) berene, 
einen fo rebfeeligen Adam gefchaffen zu haben... 


— 6 — 


in's Unüberſehbare vergrößern ließ und man Raum für die 
Aufſtellung ganzer Truppencorps gewann. 

Laſſen wir uns durch dieſelben franzöſiſchen Reiſenden 
des ſiebzehnten Jahrhunderts, welche und früher die Gor: 
rales de da Cruz und del Principe geſchildert haben, nun 
auch in dies Hoftheater führen. Der Begleiter des Marſchalls 
von Grammont, der fm Jahre 1659 als außerordentlicher Ges 
ſandter Ludwigs XIV. an den ſpaniſchen Hof geſchickt wurde, 
berichtet in einem Briefe an ſeine Schweſter von einem Feſte, 
das zu Ehren des Geſandten im Palaſte von Buen Retiro 
gegeben wurde ?), 

„Das Befte von Allen — fchreibt er — und was id 
deshalb als ben ſchmackhafteſten Biffen bis zulegt aufipare, 
ift die Sombbie, welche geftern Nacht aufgeführt wurde. Der 
Saal war nur von ſechs Fackeln oder vielmehr großen weißen 
Wachslichtern erleuchtet, die auf filbernen Leuchtern von wahre 
haft riefenbafter Größe ftanden. Zu beiden Seiten des Saale 
befanden fich zwei, einander gegenüber liegende und mit 
Gittern verfchloffene Niſchen oder Eftraden. In der einen 


faßen die Infanten und einige Hofleute, in ber anderen der 


Marſchall. Länge bicfer beiden Seiten flanden zwei Reihen 
Bänke, melche mit perfifhen Teppichen bedeckt waren und 
auf welchen etwa zwölf Damen P ag nahmen, bie fid) ein- 
ander gegenüber festen und fic) mit dem Rüden an bie hin 
ter ihnen ftepende Banf Iehnten. Weiter unten nad den 
Schaufpielern zu ftanden einige Herren; neben dem Oítter 
des Marfchalls Grammont hatte nur ein Grande feinen Plag. 
Wir andern Frangofen fanden hinter ber Banf, an welche 
fi) die Damen Iehnten. — Darauf traten der König, bie 


3) Journal du voyage d'Espagne. Paris 1669. 


_ 17 — 


Königin und die Infantin*) ein. Ihnen vorauf ging eine 
Hofdame mit einer Wachskerze. Der König ¿og beim Ein 
treten den Hut vor den Damen ab und nahm dann in einer 
Loge Platz, indem die Königin fid) links von ihm, die In 
fantin linf8 von der Königin niederlich. Der König faß wäh. 
rend ber ganzen Comödie unbeweglich da, ausgenommen daß 
er einmal ein Wort zu ber Königin fagte und bisweilen mit 
den Augen rechtd- oder Iinfshin blickte. Neben ihm ftand ein 
Zwerg. — Alé die Comödie zu Ende war, erhoben ſich ſämmt⸗ 
liche Damen und verließen Eine nad) der Anderen ihre Plige, 
worauf fie in der Mitte zuſammen traten, ganz wie die Ea: 
nonici nach) beendigtem Gottesdienft zu thun pflegen. Dann 
drüdten fie fih die Hände und machten ihre Verbeugung, 
was etwa eine halbe Biertelftunde dauerte, weil Jede das Com: 
plíment einzeln machte. Während deffen fland der König mit 
dem Hute in der Hand daz dann brad er gleichfalld auf 
und verneigte fid) vor der Königin, wie biefe vor der Infan⸗ 
tin, worauf fich alle drei die Hände reichten und fortgingen. 
Das Schaufpiel, welches aufgeführt wurde, war fpaßbaft, 
denn als Galan agirte darin ein Erzbifchof von Toledo, wel⸗ 
cher ein Heer anführte; und damit man nicht an feinem 
Charakter zweifelhaft würde, erfchien er immer im Chorhemd, 
aber dabei mit Waffengehäng, Schwert, Ritterftiefeln und 
Spornen?). 

Die Gräfin D'Aunoy fagt in einem Briefe, datirt Madrid 
den 29ten Mat 1689, Folgentes : 

"Buen Retiro ift ein Föniglicher Palaft vor einem Der 
Thore der Stadt. Bier Hauptgebäude und vier große Seitens 


2) Diefe Infantin war Maria Therefa, die VBerlvbte Ludwigs XIV. 
5) Diefe Comödie war allem Anfchein nach Lope's Conquista de 
Oran por el Cardinal Cisneros, Arzobisg9 de Toledo. 


— 8 — 


flügel bilden ein vollkommenes Viereck. In der Mitte befindet 
fih ein Blumengarten und eine Fontaine mit einer Statue, 
welche Waffer ausftrömt und, wenn es erfordert wird, bie 
Blumen und bie Alleen, welche von einem Hauptgebäude zum 
anderen führen, begieft. Das Gebäude hat ven Fehler, daß 


eS zu niedrig tft, aber Die Gemächer darin find geräumig, 


prächtig, voll fchöner Gemälde und glänzen von Gold und 
lebhaften Farben, mit denen bie Plafonds und bas Getäfel 
gefehmüct find. Der Part hat mehr als eine ftarfe Lieue im 
Umfang und enthält mehrere einzelne fehr hübſche Pavillons, 
auch befindet fid darin ein viereckiges Waſſerbehältniß, auf 
welchem kleine gemalte und vergoldete Gondeln ſchwim—⸗ 
men. Der König nimmt hier während der Sommerpige fets 
nen Aufenthalt, weil die Fontaínen , bie Bäume und Die 
Wiefen diefem Orte befondere Frifche und Annehmlichkeit vers 
leihen.“ 

„Der Schaufpielfaal tft von fehöner Form, fehr groß und 
reih mit Bildhauerarbeit und Bergoldung geziert. In jeder 
Loge haben fünfzehn Perfonen bequem Platz; alle biefe Logen 
find mit Gittern verfehen und die des Königs ift ftarf ver: 
goldet. Ein Orchefter und Amphitheater find nicht vorhanden; 
im Parterre fegt man fi auf Bänfe Man pflegte früher 
allerhand Leuten, trog ber Gegenwart des Könige, den Eins 
tritt in den Schaufpielfaal zu geftattenz dieſe Gewohnheit iſt 
aber jest abgefchafft und um Zutritt zu erhalten, muß 


man ein Herr von hohem Range fein, wenigſtens eine höhere - 


Würde befleiden, oder zu einem der dret milttärifchen Ritter: 
orden gehören. Diefer Saal ift unftreitig fehr ſchön; er ift 
ganz gemalt und vergoldet und die Logen find, wie in unferm 
Dpernhaufe, mit Zaloufien verfeben, aber fie reichen von oben 
bi8 nad) unten, fo daß man fie für Zimmer halten fónnte. 


- 9 _ 


Der Theil, too der König feinen Platz bat, iſt pradjt: 
voll *). « 

Der Hang zu Prunf und Glanz, welchen Philipp in 
feinem Hofftaate entfaltete, beflimmte ihn, auch auf der Bühne 
großes Gewicht auf Pracht der Darftellung zu Tegen. Hätte 
er fi begnügt, für die würdige äußere Erfcheinung bes 
Drama’s zu forgen, das Coftüme dem Charafter der handeln: 
den Perfonen angemeffener, die Decorationen illuſoriſcher zu 
machen, fo würde bie Kunft nur dadurch gervonnen haben; 
allein er blieb nicht hierbei ftehen; er fand an Couliſſenpomp 
und biendenden feenifchen Effecten an ſich Gefallen und ver: 
anlaßte die Dichter, die er tn feinen Sold genommen hatte, 
oder bie ſich willig finden lichen, feinen Wünſchen nachzu⸗ 
fommen, Schaufpiele von opernartiger, auf alle Art von Büh— 
nenfpeftafel berechneter, Eompofition zu verfaffen. Hier Tiegt 
die Beranlaffung, weshalb wir in viefer Periode eine fo grofie 
Anzahl von Stüden zu Tage fommen fehen, weldye augen- 
fheinlich darauf angelegt find, die Kımft ves Mafchinenmeifters 
und Decorateurs in glänzendem Lichte zu zeigen und bald das 
Auge durch Flugwerke und Fenerregen, durch pomphafte Auf: 
züge und vorbeimarfchirende Heere zu ergügen, bald das Ohr 
dur Paufen und Trompeten, Erdbeben und Donnerfchläge 
zu betäuben. Wo immer das Theater zu einiger Ausbildung 
gelangt ift, wird wohl bie Forderung des großen Publifumg, 
welches viel zu fehen verlangt, einige Berüdfichtigung finden; 
und fo hatten die fpanifchen Theater auch fon früher die 
Reize, welche aus einer tie Sinne feffelnden Darftellung 
fließen, nicht gering geachtet. Namentlich bei den Heiligen: 
Comödien war feit lange ein bedeutender feenifcher Apparat 


6) Relation du Voyage d’Espagne de la Comtesse d’Aulnoy. 
Troisiéme Edition. A La Haye 1693, pag. 6 u. 20. 


— 10 — 


zur Anwenbung gefommen, was bei ihnen, wie bei ben mytho- 
Iogifchen und den Schaufpielen, deren Stoff aus der romans 
tifchen Sagenwelt des Mittelalters und den Ritterromanen 
entlehnt war, mehr oder minder durch den Gegenftand bedingt 
wurde. Allein die Mittel ver nur von ber Unterftiigung des 
Publifums Tebenden Bühnen waren im Vergleich mit denen, 
die nun aus ber Föniglichen Caffe floffen, nur gering geweſen. 
Aus biefen erhöhten Mitteln und aus den Aufforderungen, 
welche Philipp an die Dichter ergehen ließ, tft es denn pers 
zuleiten, dafí die Stüde ber bezeichneten Art befonders am 
Hofe von Buen Retiro in Aufnahme famen. Ihre Aufführung 
fand vorzugsweife bei feftlichen ©elegenheiten, Vermählungs⸗ 
feierlichfeiten u. f. vo. Statt und bie dabei entfaltete Pracht 
war wahrhaft Föniglid. Zur Erfindung und Anordnung der 
Decorationen hatte König Philipp IV. den geſchickten italicnis 
fhen Mafchinendauer Cogme Loti in feine Dienfte genom- 
men und nach den auf ung gefommenen ausführlichen Nach⸗ 
richten unterliegt es feinem Zweifel, daß diefer feine Kunſt 
auf einen Höhenpunft getrieben hatte, welcher kaum von ben 
Opernmaſchiniſten unferer Zeit übertroffen werden möchte. Er 
wußte nicht allein feuerfpeiende Berge und Erdbeben, das 
Meer mit umhergefchleuderten Schiffen, Paläfle von reichfter 
und funfivolliter Architektur, den Olymp mit der Götterver⸗ 
ſammlung auf feinem Gipfel und den Tartarus mit den Höllen- 
ftrafen in der Tiefe bewunderungswürdig darzuftellen, fondern 
auch Schlöſſer, die ſich plóglid auf den Winf eines Zauber- 
ftabes erhoben; Phaétfon, wie er ben Sonnenivagen Ienft und 
dann in die Tiefe gefhleudert wird; Perfeus, der auf bem Pes 
gafus durch die Lufte reitet; Venus, die auf einem Wolfen- 
wagen von Schwänen durch die Luft gezogen wird u. f. yo. 
Freilich ſcheute man aud) bie größten Koften nicht, um ber: 


— 1 — 


gleichen Scenen mit allem Olanze auszuftatien, und traf nös 
thigen Falls fetbft bie befcehwerlichften, die ganze Einrichtung 
des Theaterd umivandelnden Vorbereitungen, wie benn 5.2. 
in Galderong8 Tres mayores prodigios die Bühne in drei 
gejonderte Brettergerüfte abgetheilt wurbe, deren jedes ben 
complicirteften Apparat enthielt und auf denen die drei Acte 
von drei verfhhiedenen Truppen gefpielt wurden. 

Die Barftellung folder. Feftfpiele fand nicht allein auf 
der Bühne von Buen Retiro, fondern nicht felten aud) in ben 
Gärten des Palaſtes und dann oft mit ben Tunftwollften 
Vorrichtungen Statt. So Iefen wir unter Anderem: „In ber 
St. Johannisnacht des Jahres 1640 wurde über dem großen 
Teiche von Buen Netíro eine Bühne errichtet, um darauf ein 
Schaufpiel aufzuführen. Das Bühnengerüft rubte auf Barfen 
und bie Zahl der Lichter, Vorhänge, Mafchinen, Conliffen und 
Decorationen, welche dabei zur Anwendung famen, war uns 
ermeßlih. Die Roften gingen in's Ungeheure aber bic Vers 
lufte waren beinahe noch beträchtlicher; denn während bas 
Spiel feinen beften Fortgang hatte, erhob fid ein Gewitter 
mit heftigem Sturm, zerftörte in einem Augenblid die Mas 
Ihinen, rif die Pfeller aus, führte die Vorhänge mit fich fort 
. und brachte die Zufchauer in die größte Gefahr 7). 

ES iſt uns über diefe Darftellung nod) eine andere aus⸗ 
führlichere Relation aufbehalten, und ein gebrángter Auszug 
aus biefer möge einen anfchaulicheren Begriff von dem Here 
gange bei folchen Pompftüden geben. Die aufgeführte Comö— 
die war Circe. Aus der Mitte des Teiches ragte eine Infel 
empor, die fich fieben Fuß über bie Oberfläche des Waſſers 
erhob, mit Korallen, Sremufcheln und dergleichen gefhmüdt 


*7) Ortiz, Compendio Cronológico de la Historia de España, 
Tom. IV. pag. 401. 


— 1 — 


war und von welcher Waſſerfälle niederſtürzten. Auf der Inſel 
befand ſich ein hoher bewaldeter Berg. In der Loa ſah man 
ein ſilberglänzendes Boot, das von zwei großen Fiſchen heran⸗ 
gezogen wurde und von Tritonen und Nereĩden umgeben war, 
welche auf der Oberfläche des Waſſers ſingend einen Reigen 
aufführten. In dem Boote thronte die Göttin des Meeres 
mit einer waſſerſprudelnden Urne und in weitem faltigem Ge⸗ 
wande, aus bem ſich nach allen Seiten hin Waſſekſtrahlen ers 
goſſen. Im Beginne der Comödie ſelbſt erſchien ein großes, 
vergoldetes, mit Wimpeln und Fahnen geſchmücktes Schiff, 
das des Ulyſſes und ſeiner Gefährten. Eine Schaluppe wird 
ausgeſetzt, um Einige der Reiſegeſellſchaft zur Erforſchung der 
Inſel an die Küſte zu bringen. Löwen, Tiger, Bären und 
andere wilde Thiere umringen die Ankömmlinge und aus den 
Bäumen, den durch Circe's Zauberkunſt verwandelten früheren 
Beſuchern bes Eilandes, erſchallt traurige Muſik. Dann plög- 
lich Donner und Erdbeben. Ein Blitz zuckt auf die Spitze des 
Berges nieder; dieſer verſinkt und ſtatt ſeiner erblickt man 
einen prachtvollen, von Gold und Edelſteinen ſchimmernden 
Palaſt mit kryſtallenen Säulen und goldenen Capitälen, in 
ben Niſchen Marmorſtatuen und ringsumher zauberiſche Gär- 
ten. In der Säulenhalle vor dem Schloſſe thront Circe, um- 
geben von ihren Dienerinnen, welche die Gefährten des Ulyſſes 
perbeibolen. Auf Circe's Winf erhebt fid eine reichbefegte 
Tafel aus der Erde; die Anfómmlinge trinfen aus den ihnen 
bargereichten Bechern, und ihre Verwandlung geht vor fi; 
nur Einer entfommt zum Ulyffes und bringt ihm Kunde von 
dem Geſchehenen. Der Legtere naht felbft, um die Zauberei 
zu vernichten; die Stimme cines Baumes warnt ihn vor den 
Künften des liftigen Weibes, aber Mercur fchmebt vom. 
- Himmel herab und reicht ihm eine Blume, telde alle Magie 


— 13 — 


vernichten foll. Mit biefer tritt er nun vor Circe hin; aber 
die Schmeicheleien der Zauberin bethören ihn, fo daß er fi 
ihren Umarmungen bingibt. Auf einen Winf ber Gebieterin 
fhwimmen ſechs von Amoretten geführte Rachen herbei, in 
deren vorderftem bas liebende Paar feinen Plag nimmt; in 
den übrigen fchaufeln ſich die Mädchen von Circe's Gefolge. 
Um ven Baft zu ergößen, werden die Ungeheuer der Meeres 
tiefe beſchworen, fid) auf der Oberfläche des Waſſers zu zeigen; 
MWallfifhe und Delphine tauchen auf und werfen Strahlen 
wohlriechenden Waſſers in die Höhe, welche die Zufchauer 
beiprengen; Sirenen und Tritonen fchlingen einen Reigen um 
den Nachen, in bem bie Liebenden ruhen. Unter den Geftalten, 
die füch wechſelsweiſe erheben, ift aber aud) die Tugend, welche 
den Ulyſſes den Armen ber Verfithrerín zu entwinden fuchtz 
Circe ftellt neue Befchwörungen an und läßt furdhtbare Schred- 
gebilde erfcheinen, um bie Feindin zu verfcheuchen; aber bie 
Tugend fiegt, und mie Ulyffes in ihre Arme finft, ¡ft Das ganze 
Zauberfpiel zerflört, das Schloß mit feinen Bewohnerinnen 
verfinft unter Erdbeben und die Verrvandelten fichen wieder 
in Menfchengeftalt da. 

Ein anderer Schauplag, auf welchem hier und da Hofs 
feftfpiele aufgeführt wurden, war der Garten von Aranjuez. 
Ueber eine befonders glänzende Darftellung, welche hier im 
Sabre 1623 zur Feier von Philipp’ IV. Geburtstag Statt 
fand, ift und gleichfalls ein umftändlicher Bericht zugefommen. 
Die Einrichtung ver Bühne war bem italienifhen Baumel- 
fter Sáfar Fontana Übertragen. Diefelbe hatte 115 Fuß in 
die Länge und 78 in die Breite; an jeder Seite waren fieben 
Bogen mit Gefimfen, Pilaftern und goldenen Gapitálen ans 
gebracht, und darüber Galerien mit goldenen und filbernen 
Baluftraden, welche fiebzig Armleuchter mit Wacheferzen 

e 


— 14 — 


trugen. Oben war ein Zelt ausgefpannt, das ben Sternen: 
himmel nachahmte und mit unzähligen Teuchtenden Punkten 
tiberfáet war. Auf der Bühne felbft befand ſich ein hoher 
Berg, welder achtzig Fuß im Umkreis hielt und ſich in der 
Mitte öffnen ließ. Die Handlung des aufgeführten Stüdes 
war aus bem Amadis entlepnt; in die Rollen Hatten fich die 
vornehmften Herren und Damen bes Hofes getheiltz felbft 
die Königin fpielte mit. Sobald der König eintrat und feinen 
vor der Bühne aufgefchlagenen Thron beftieg, wurde er mit 
lautfehallender Mufif begrüßt. Dann eröffnete ein von ben 
fhönften Damen ausgeführter Tanz die Darftellung. Unter 
einem der Bogen eríchien ein Wagen von Cryſtall, auf dem, 
von vielen Nymphen und Najaden umgeben, der Flußgott 
Tajo rubte. Ein zweiter Wagen trug den Monat April, ges 
führt von bem Sternbilde des Stierd. Nachdem beide Figu- 
ren den König begrüßt hatten und abgetreten waren, ſchwebte 
das Menfchenalter auf einem goldenen Abler über die Bühne 
und brachte feinen Glückwunſch zu dem Geburtstage; dann 
öffneten fi drei Bäume und liefen Nymphen erbliden, bie 
ihrerfeit8 in Oratulationen nicht zurüdblieben. In dem Schaus 
ſpiele ferbft, das hierauf feinen Anfang nahın, ward ein un- 
gemeiner Aufwand von glänzenden Coftüme’8 und prachtvollen 
Decorationen gemacht. Man fah unter Anderem bie Aurora 
in einer glänzenden Wolfe am Himmel emporfteigen, feuer: 
fpetende Drachen ſich befämpfen, ven Berg, welder ſich auf 
der Mitte der Bühne befand, fich öffnen und einen bezauber- 
ten, von vier Riefen bewachten Palaft zeigen, dann biefen 
Palaſt unter Erbbeben verfinfen und an feiner Stelle einen 
prachtvollen Garten erjcheinen u. f. 1.5). 

8) Obras liricas y comicas de D. Antonio de Mendoza. Se- 


gunda impresion. Madrid 1728. pag. 145. 
o 


— 15 — 


Sn faft allen biefen Seftfpielen, welche den Hof Philipp's 
IV. verfchönerten, waren Tanz und Gefang mefentliche Ins 
gredienzien, und bier und ba traten dieſe Beftandtheile fo 
überwiegend hervor, daß die Fiestas In eigentliche Opern übers 
- gingen. Von Calderon's Purpura de la Rosa, einem Stüde 
welches die Gefchichte Des Adonis behandelt und zur Feler 
des pyrenäifchen Friedens und der Vermáblung der Infantin 
María Therefa mit Ludwig XIV. aufgeführt wurde, wird bes 
richtet, es fet das erfte Drama In Spanien geweſen, in wel; 
hem Alles gefungen worden fet. 

Wenn man durch das bisher Gefagte zu dem Glauben 
verleitet werten fónnte, auf ber Bühne von Buen Retiro 
feien einzig nur ſolche pompbaften Feſtſpiele aufgeführt wors 
ben, fo müffen wir diefe Meinung berichtigen. Diefer Schaus 
ſpielſaal ftand zugleich allen anderen Gattungen von Stüden 
offen, mithin auch den Comedias de capa y espada, in 
denen fid) gar fein Decorationsprumf anbringen Tieß. 

Iſt das Ueberhandnehmen der äußeren feenifhen Pracht 
ein characteriftifehes Merkmal, welches die zweite Hälfte ber 
. Blüthenperiode des ſpaniſchen Theaters von ber erften ſchei⸗ 
bet, fo laͤßt fid wohl nicht verfennen, daß fich hierin ſchon 
der herannahende Berfall der Bühne fund gibt. So lange 
große Dichter, wie Galderon, fid der Gattung annahmen, 
wurde ¿rar der Glanz der Darftellung durch einen eben fo 
blendenden Glanz der Poefte gehoben; allein auch von Ihnen 
läßt fich nicht behaupten, Dag fie da, wo fie fid) den Anfor= 
derungen des Hofes bienftbar machten, ſtets auf berfelben 
Höhe geblieben wären, wie da, too fie allein ihrer eigenen 
Eingebung folgen fonnten; und wenn endlich die Bearbeitung 
diefes Feldes in die Hände geringerer Comödienfchreiber fiel, 
fo mußte die dramatiſche Kunft in leerem Schaugepränge unter 

e 


— 16 — 


geben. Der nachtheilige Einfluß, welchen ver Bühnenlurus 
auf Publifun und Schaufpieler ausübte, läßt fic) vollends gar 
nicht berechnen, infofern das erftere fih an eine rohe Schau⸗ 
luft gewöhnte, welche den Sinn von dem eigentlichen Gehalte 
der Runft abzog, die legteren aber verführt wurden, die Mir: 
fung nicht im Wefentlichen, in ber geiftigen Durdbringung 
der Rolle, fonbern in bem äußeren Effeft zu fuen, es fid 
im Bertrauen auf die glänzenden Zuthaten bequem zu machen 
und ihre Schwächen damit zu verdeden. 

Glücklicher Weife find jene Hoffehaufpiele nicht das Ein- 
zige, toodurd) der Name Philipp’s IV. mit der Gefchichte des 
fpanifhen Drama’! zufammenhängt. An ber ádten Liebe 
diefes Monarchen für die Kunft, fo wie an feinem wahren 
Verdienft um diefelbe fann fein Zmeifel fein. Schon der 
Scharfblif, mit welchem er aus der Menge der Dichter, 
welche um feine Gunft buplten, die begabteften und würdig. 
ften zu wählen wußte, um fie in feine unmittelbare Nähe zu 
ziehen, bürgt dafür. Von ihm in eine forgenfrete Sage ver: 
fegt, brauchten fih die Dramatiker nicht mehr von den For- 


derungen der Theaterdireftoren abhängig zu machen, um durch 


raftlofe und übereilte Production eine fpärliche Eriftenz zu 
gewinnen; fondern fte fonnten ihre Werfe reiflic austragen 
und mit jener Sorgfalt pflegen, ohne welche feine Kunſtvol⸗ 
lendung möglich ift. Hier, wenn irgendwo, liegt denn aud) 
das chararteriftifche Merkmal, welches die vorliegende Epoche 
der dramatifchen Kunſt von der vorhergehenden unterſcheidet 
und fie alg den ®ipfelpunft der ganzen fpanifchen Schaufpiel- 
poefie erfcheinen läßt. Schon durch Lope be Vega und feine 
Zeitgenoffen waren alle Triebe wucheriſch und in üppigem 
Wachsthum aufgefhoffen, und wenn man nur die Fülle der 
Phantafie, den Reichtum der Erfindung in's Auge faßt, fo 
o 


— 17 — 


fann man zweifeln, ob man nicht ber früferen Dichter- 
gruppe den Vorrang vor ber fpäteren einräumen folle; auch 
die feine Ausbildung, die befonnene Leitung des Plans, bie 
Präciſion der Ausführung fann jenen Aclteren in den Werfen, 
die fie in befonders glüdlichen Momenten hervorbrachten, nicht 
abgefprochen werden; allein diefen vollendeteren Werfen ftehen 
gewiß mindeftens eben fo viele gegenüber, an denen wir die 
gegentheiligen Eigenſchaften, die gröbſten Verſtöße gegen die 
Regeln der dramatifhen Compofition, Mangel an Zufammen- 
hang und gehöriger Durcharbeitung, beklagen müffen. Und wie 
fonnte eS bei ber profufen Fruchtbarkeit, in welder Lope be 
Vega den Ton angab und zu welder er bie Mehrzahl feiner 
Zeitgenoffen mit fortriß, anders fein! Hier num ſchlug bie 
jüngere Generation von Dramatifern einen neuen Weg ein; 
es genügte ihr nicht, fid) planlog dem gährenden Produetiong- 
triebe zu überlaffen, fie machte mit mehr Scheu vor dem 
Publifum, mit mehr Achtung vor den ewigen Gefeßen ber 
Kunft die vollendete Formung, die innere fymmetrifhe Durch⸗ 
bildung des Drama’d zu ihrem Princip. Daß wenigftens dies 
Princip die bedeutendflen Dichter, welche als Hauptvertreter 
der neuen Epoche anzujehen find, Teitete, wird im Folgenden 
flar werden, und die Wahrnehmung, daß aud noch in diefer 
Zeit ungefüge und regellofe Werfe untergeorbneter Dramati- 
fer zum Vorſchein famen, daß audy die bedeutenden ihrem 
Grundfag hin und wieder untreu wurden, Tann unfere Ves 
hauptung nicht umftoßen. 

Mag man nun von dem unerfhöpflichen Erfindungsreich⸗ 
tum, von dem immer fprudelnden Duell genialer Conceptionen, 
furz von der vielleicht nie wieder in gleichem Maße dagewe⸗ 
fenen Fülle dichterifcher Elemente, welche die vorhergehende Epoche 
des fpanifchen Drama’s charafterifirt, fo zur Bewunderung 

Geſch. d. Lit. in Spanien, III. BH. 2 


— 18 — 


bingeriffen werden, daß man fich fchwer von jenem Blüthen- 
labyrinth trennt, um in den mehr geregelten Reichthum eines 
Kunftgartend einzutreten; mag ¿ugeftanden werden, daß bie 
genannten Cigenfchaften in der fpäteren Phafe der Bühnen- 
poefie nicht in gleichem Ueberfluffe vorhanden find, — fo tft es 
doch feinem Zweifel unterworfen, daß diefe an Kunſtvollen⸗ 
dung über jener flieht. Wie aber dieſe Kunfivollendung unftreitig 
der Mafiftab ift, welchen Theorie und äftbetifche Kritif anle- 
gen müffen, fobalb es ſich um die Beſtimmung des abfoluten 
Gehalts eines Dichtwerks handelt, fo wird auch bie Periode, 
in welcher die größere Zahl ber Productionen biefem Mafs 
ftabe entipricht, auf die höhere Stufe zu ftellen fein. Doc 
wir greifen durch dieſe Bemerfungen, welche erft durch die 
genauere Betrachtung der einzelnen Dichter ihre Begründung 
erhalten fónnen, dem Gange unferer Gefchichte vor, und fehren 
deshalb zunächft zu den mehr äußeren Schidfalen des ſpani⸗ 
fchen Theaters feit der Thronbefteigung Philipp’s TV: zurüd. 

War fchon feit dem Beginne des fiebzehnten Jahrhun⸗ 
derts das Schaufpiel der Mittelpunft der fpanifchen Poefie 


geworden, fo mußte die erklärte Neigung des jungen Königs 


für diefen Zweig der Literatur alle Dichter noch um fo mehr 
zum Wetteifer in der dramatifchen Poefle anfpornen. Die 
Anzahl der Comödien, die während feiner Regierung über bie 
Bretter gingen, war daher, wenn nicht größer, doch minde- 
ftens eben fo groß, als die ſchon unüberfehbare Menge derer, 
welche unter feinen beiden Vorgängern aufgeführt worden 
waren. Denn wenn auch die ungeheure Polygraphie aufhörte, 
mit welcher Lope be Vega anderthalbtaufend, Tirfo de Molina 
dreihundert Comödien hervorbrachte, wenn auch die forgfälti- 
gere Pflege, welche die Dramatifer nunmehr ihren Werfen 
widmeten, es ihnen unmöglich machte, die Fruchtbarkeit ihrer 


— 419 — 


Vorgänger zu erreichen, fo blieb doch, wie auf dem ſüdlichen 
Boden der Pflanzenwuchs in üppigerer Fille emporfchießt, 
thre Productivitát, im Verhaͤltniß zu den Schaufpielvichtern 
anderer Nationen, noch immer bedeutend, und dann ging Die 
Zahl derer, welche für das Theater fehrieben, nod) weit über 
das bisherige Maß hinaus. 

Um die Mitte des fiebzehnten Jahrhunderts Tamen ver: 
fhiedene Gattung8namen von fpanifchen Theaterftüden in Be: 
brauch, welche zur Zeit des Lope de Vega noch nicht üblich, 
gervefen waren; nämlich: 

Comedias de Figuron, ein Ausdrud für Comöbien, in 
denen eine alg Zerrbild gehaltene Tächerlihe Figur, meiftens 
ein eingebildeter und prablerifeper Narr, vorfam. Moreto, 
Rojas und einige Andere haben vortrefflihe Stüde dieſer 
* Gattung gefchrieben, aber fpáter arteten diefelben in's Poffen- 
artige und Pobelbafte aus. 

Saynetes, im Grunde nur ein neuer Name für das, 
was früher Entremes hie; indeffen waren Die Saynetes ge- 
wohnlich von etwas ausgedehnterer Handlung. Sie wurden, 
wie die Entremefeg, zwiſchen den Jornadas ber größeren Stüde 
gefptelt. 

Mogigangas, fleine, den Saynetes ähnliche, burlesfe 
Stüde, in denen Mummercien und Masferaden vorfamen. 
Häuftger wurden die Mogigangas erft fin achtzehnten Jahrhun⸗ 
dert, inbeffen werden in ben Berzeichniffen einige Stüde von 
Calderon und Moreto unter diefer Benennung aufgeführt. 

Zarzuelas, Operetten oder fleine Singfpiele. Unter ben 
Werfen des Calveron ift La purpura de la rosa eine ſolche 
Zarzuela. Den Namen erhielten diefe Fleinen Stüde von bem 
föniglichen, unweit Madrid gelegenen Luſtſchloſſe Zarzuela. 

Daß die Loas in diefer Zeit nicht mehr fo nothwendig, 

q% 


— 20 — 


wie früher, zu den Ingredienzien einer jeden Darſtellung ge⸗ 
hörten, und daß fie nur bet den Autos durchgängig beibehal- 
. ten wurden, haben wir fchon früher gefagt. Aud die Frobn- 
leichnamsfpiefe fcheinen feit der Mitte des fiebzehnten Jahrhun⸗ 
derts nicht mehr fo beliebt geblieben zu fein, wie früher; denn 
Vera Taffis in der Biographie des Calderon fagt, in Sevilla, 
Granada und Toledo habe man gegen das Ende von Calde- 
ron's Lebenszeit aufgehört, Autos Sacramentales zu fpiclen. 
In Madrid jedoch fuhr man fort, das Feft des Corpus mit 
allem Pomp und in der alten Weife zu feiern. Die Oráfin 
d'Aunoy gibt in einem Briefe vom 27ften Juni 1679 eine 
Befchreibung diefes Heftes, welche hier al8 Ergänzung zu der 
früher gegebenen Schilderung eines anderen Reiſenden einge- 
haltet werden mag. 

„Sch habe das Feſt des heiligen Sarraments gefehen, 
welches hier fehr feierlich begangen wird. (ES findet dabei 
eine große Proceffion Statt, bei welcher alle Kirchipiele und 
alle hier fo zahlreiche Geiftliche thätig find. Man ſchmügkt die 
Straßen, durch welche der Zug geht, mit den ſchönſten Tep⸗ 
pichen der Welt; alle Balkone ſind dann ohne Jalouſien, mit 
Teppichen behängt und von Baldachinen bedeckt; von einer 
Seite der Straße zur anderen werden Zelte von Zwillich aus⸗ 
geſpannt, welche gegen die” Sonne ſchützen; dieſe Zelte bes 
ſprengt man mit Waſſer; die Straßen ſind mit angefeuchtetem 
Sande und mit ſo vielen Blumen beſtreut, daß man den 
Fuß nicht niederſetzen kann, ohne auf welche zu treten; die 
Ruhe⸗Altäre ſind außerordentlich groß und mit der höchſten 
Pracht geſchmückt. — Der ganze Hof ohne Ausnahme folgte 
dem heiligen Sacrament; die Räthe gingen ohne beſtimmte 
Reihenfolge, wie ſie ſich fanden, und Alle trugen weiße Wachs⸗ 
kerzen; auch ber König trug eine ſolche und ging zunächſt 


— 21 — 


hinter dem Tabernakel, in dem ſich das Corpus befand. Ge⸗ 
wiß iſt dies eine der ſchönſten Ceremonien, die man ſehen 
kann. Es war faſt zwei Uhr Nachmittags und doch war die 
Proceſſion nod) nicht zu Ende; als fie am Palaſt vorüberkam, 
wurden Böller und viele Raketen abgebrannt. Der König 
hatte ſich der Proceſſion bei Santa Maria, einer Kirche nahe 
am Palaſt, angeſchloſſen. Alle Damen legen an dieſem Tage 
ihre Sommerkleider an und zeigen ſich im höchſten Schmuck 
auf ihren Balkonen, indem ſie Körbchen oder Fläſchchen in 
den Händen halten, aus denen fie, wenn die Proceſſion vor⸗ 
überzieht, Blumen ſtreuen oder wohlriechendes Waſſer hinab⸗ 
gießen. Wenn das heilige Sacrament wieder in die Kirche 
zurückgebracht iſt, geht Jeder nach Hauſe, um zu Mittag zu 
eſſen und ſich nachher wieder zu den Autos einzufinden. Man 
nennt ſo eine Art von Schauſpielen über religiöſe Gegenſtände, 
welche in der Ausführung ſehr bizarr ſind. Sie werden in 
den Höfen ober auf den Straßen der verſchiedenen Rathe- 
präftdenten gefpielt; der König pflegt dabei zugegen zu fein, 
und alle Perfonen von Rang erhalten fhon am Abend zuvor 
Billet8; fo wurden denn auch wir eingeladen, und es übers 
rafchte mich, daß man eine große Dienge Fadeln dabei ans 
zündete, während doc die Sonne den Comödianten gerade 
auf den Kopf fchien und das Wachs von ber Hige ſchmolz. 
Das Stück, welches aufgeführt wurde, war das unfinnigfte, 
das ich in meinem Leben gefehen habe. Der inhalt davon 
war, wie folgt. Die Ritter von St. Jago find verfammelt; 
unfer Heiland tritt zu ihnen und bittet fie, fín in ihren Ors 
den aufzunehmen; Einige find bereit dazu, aber bie Aelteren 
ftellen den Anderen vor, daß es Unrecht fein würde, einen 
Mann von ntederer Herfunft, deffen Vater ein Zimmermann 
gewefen, unter fich zu dulden. Der Heiland wartet mit Un: 


a 


_ 22 — 


geduld auf den Entſchluß, den fie faffen werben ; man beſchließt 
zuerft, ihn zurüczumeifen, dann aber findet man die Augfunft, 
einen eigenen Orben, nämlich ben portugiefiichen des Chriftus, 
für ihn zu fliften. — Uebrigens denfen fie hier zu Lande bei 
foihen Dingen nicht im mindeften an Profanation, denn fte 
würden lieber fterben, als die Achtung gegen die Religion im 
mindeften aus ben Augen fegen. Die Autos werben einen 
ganzen Monat lang aufgeführt, und ich bin fo müde, hinzus 
gehen, daß ich mich fo oft wie irgend möglich dispenfire... 

Man hat fih Mühe gegeben, genau zu berechnen, wie 
hoch fid) die Anzahl ſämmtlicher Schaufpiele aus der Blüthen⸗ 
periode des fpanifchen Theaters belaufez — eine unfrudhtbare 
Arbeit, die Feine Waprfcheinlichfeit eines glüdlichen Erfolges 
für fic hat, da hierüber gar Feine zuverläffige Angaben auf 
uns gefommen find. Denn telde Thorheit, die im achtzehn: 
ten Jahrhundert herausgegebenen Cataloge fpanifeyer Dramen 
auch nur für annäherungsweife vollftindig zu halten! Diefe 
Cataloge fonnten nur nad) den im Drud erfchienenen Stüden 
oder folden, die ben Herausgebern zufällig im Manufeript 
vorlagen, angefertigt werden. Wenn nun aber felbft von den 
Werfen der berühmteften Dichter nur der Fleinere Theil 
auf uns gefommen íft, wenn wir von Lope's Stüden faum 
nod ein Drittel, von denen des Tirfo de Molina nur ein 
Fünftel befigen, wie viel größer muß erft die Zahl ber ver: 
loren gegangenen Arbeiten minder gefeierter Autoren fein °)! 


9% In der Cosaria Catalana von Matus Fragofo tritt eine Schau: 
fpielertruppe auf, welche in Maurifche Gefangenfchaft gerathen ift. Der 
Director wird befragt, was für Comödien er bei fich führe, und ant: 


wortet darauf: 
Famosas 


De las plumas milagrosas 
De España. Si escuchar quieres 


— 3 — 
So fpringt denn der Irrthum derer in die Augen, welche 
meinen, daß mit den breitaufend achthundert und zweiundfünfzig 
Comodien, bie La Huerta verzeichnet hat, der ganze Reidy- 
thum ber fpanifchen Bühnenliteratur erfchöpft fei. Hält es 
doch nicht ſchwer, fon durch Zufammenzählung der Werfe 
von etwa zehn der befannteflen Dramatifer eine gleich große 
Summe zu erhalten. Man nebme die 1500 Combbien bes 
Lope de Vega, die 400 des Luis Velez de Guevera, die 300 
des Tirfo be Molina, die mehr als hundert des Calderon und 
Alvaro Cubillo de Aragon, die nicht genau anzugebende, aber 
fehr beträchtliche Menge der Dramen des Doctor'8 Ramon, 
des Montalvan, bes Mira de Mefena, des Matos Fragofo 
u. ſ. w., und bie von La Huerta angegebene Zahl wird bald 
erreicht fein. Denft man nun weiter an die faft zahlloſe Menge 
von dramatifhen Dichtern, von denen nur die Namen auf 
ung gefommen find, an den Inhalt der großen Sammlungen 
fpanifcher Theaterftüde, fo wie an die vielfältigen Comödien, 
welche ohne Angabe ihrer Verfaffer auf die Bühne famen, fo 


Los titulos estos son: 

La vizarra Arsinda, que es 

Del Ingenioso Cervantes, 

Los dos confusos Amantes, 

El Conde Partinuples, 

La Española de Cepeda, 

Un ingenio Sevillano, 

El Secreto, el Cortesano, 

La melancólica Alfreda, 

Leandro, la Renegada 

De Valladolid, 
Bon allen diefen Stücken finden fid) nur bie Bizarra Arsinda, El Conde 
Partinuples und bie Renegada de Valladolid in dem Gatalog bes 
Hnerta. 


— A — 


wird man zugeben, daß man jene Zahl dreift verzehnfachen 
fónne ohne in Uebertreibung zu verfallen. Erzählt doch Riceos 
boní (Reflexions sur les differens théatres de PEurope, * 
Amsterdam 1740, pag. 57) die in feiner Art unmwahrfcheins 
liche Anefoote, ein Buchhändler in Madrid habe fid eine - 
Sammlung von fpanifepen Comödien anonymer Berfaffer ans 
gelegt und binnen furzer Zeit viertaufend achthundert folder 
Comedias de un, dos, tres Ingenios de esta Corte zus - 
fammengebracht. 

Sn gleihem Maße, wie die Zahl der Dichter, vermehrte 
fih unter Philipp's IV. Regterung aud) die der Bühnen und 
Schaufpieler. Selbft die geringfügigften Städtchen und Weiler 
wollten bier und da den Genuß dramatifcher Darftellungen 
haben. Died Ueberhandnehmen der Hiftrionenbanden und mans 
cher dadurch herbeigeführte Unfug ¿og verfchiedentlich Die Augen 
der Regierung auf fih und fie that Schritte, demfelben zu 
fleuern; allein diefe waren nicht energifch genug, um durch⸗ 
dringen zu fönnen, und die befchränfenden Verfügungen, welche 
hier und ba erlaffen wurden, waren immer bald wieder über 
ſchritten. Sehr deutlich geht Died aus einem Memorial pers 
vor, welches der Schaufpieler Ehriftobal Santiago Ortiz um 
das Jahr 1647 an den König richtete, um ihn auf die Auf: 
rechthaltung der Ordnung in dem Schaufpielwefen aufmerkſam 
zu maden. Hier erficht man, daß der Rath von Caftilien die 
Zahl der Schaufpielertruppen urfprünglich auf ſechs befchränft 
und fid) die Ernennung der Direftoren vorbehalten hatte, daß 
aber bald die Zahl diefer conceffionirten Gefellfchaften bis 
auf zwölf angewachſen war. Auf bie Ueberfchreitung Diefer 
Zahl waren ſchwere Strafen gefeßt worden, aber troß bem 
gab es zur Zeit des Bittftellerd vierzig Truppen, welche ¿us 
fammen an taufend Mitgliever zählten und unter denen fid 


— 25 — 


Berbrecher, entflohene Mönche und abtrünnige Geiſtliche bes 
fanden, die ſich ſo unter dem Deckmankel der Schauſpielerzunft 
und durch das Umherziehen von Ort zu Ort der Juſtiz ent⸗ 
zogen. „Der Scandal und unordentliche Lebenswandel, den 
dieſe Leute führen — ſagt der genannte Schriftſteller — iſt 
groß, und da ihr luſtiges Handwerk überall beliebt iſt, ſo 
finden ſie an jedem Ort, wohin ſie kommen, junge Leute, 
welche fich zu ihren Beſchützern aufwerfen; ja ſie wiſſen die 
Juſtiz ſelbſt zur Nachſicht zu ſtimmen, indem ſie gemeiniglich 
die Weiber, die ſie mit ſich führen, zu ihren Fürſprecherinnen 
machen. Die Habgier, mit welcher die Eigenthümer von Schau⸗ 
ſpiellocalen dieſe beſtändig zu vermiethen trachten und ſich Da: 
bei des Vorwandes bedienen, daß bie Hospitäler font Mangel 
leiden müßten, tft die Haupturfache diefes Unfugs, denn man 
hat feit zwanzig Sabren fo viele Schaufpielhäufer erbaut, daf 
es nur wenig Städte, ja ganz imbedeutende Flecken gibt, in 
denen fid) nicht eines fände. Da nun alle biefe Häufer be: 
ftändig vermiethet werden follen, fo gibt dies Anlaf zu dem 
Entftehen fo vieler" Landftreicherbanden, indem die Bermiether 
felbft ihnen mit Geldoorfchüffen zu Hülfe fommen.” 

Die Theater de la Cruz und del Principe zu Madrid 
blieben nad wie vor in bemfelben Verhältniß zu ben Hofpi- 
tälern, das wir früher fennen gelernt haben. In Bezug auf 
ihre innere Einrichtung haben wir einen Ausdruck zu erflären, 
welcher gegen die Mitte des ficbzchnten Jahrhunderts auffam 
und feit diefer Zeit in den Bühnenfchriften häufig vorkommt, 
nämlich den Namen Tertulia. Man nannte fo die Logen ber 
oberen Reihe, welche früher Desvanes geheißen hatten und 
in denen vorzugsweiſe das gebildete Publifum und die Geiſt⸗ 
lichen ihre Pläpe nahmen. ES war damals Mode, den Ter- 
tullian zu fludieren und namentlich Hatten die Priefter die 


— 26 — 


Gewohnheit, ihre: Predigten durch Citate aus feinen Werfen 
zu zieren, weshalb man fie feherzweife Tertullianten und 
ihren Plag die Tertullía nannte. Aus diefen Logen, Denen 
man fchon früher ben Chrentitel „gelehrte Desvanesa ges 
liehen hatte, famen die Urtheile, auf welche bie Dichter, 
alg auf die von Kennern, das meifte Gewicht legten. Sm 
Uebrigen ging mit der Einrichtung der genannten Corrales 
feine Veränderung vor und fie blieben, während die Bühne: 
von Buen Retiro einen bisher ungefehenen Lurus entfaltete, 
im Mafchinismus und Decorationswefen ziemlich auf derfelben. 
Stufe ftehen, auf der fie fi gegen Ende des fechszehnten Jahr⸗ 
hunderts befunden Hatte. Indeß in bem Hoftheater nur eine 
auserlefene, aus den durch Rang over Geiſt ausgezeichnetiten 
Herfonen beftehende Gefellfehaft Zutritt fand, ftrómte die große 
Menge des Volks mit unerfättlicher Begierde in die Comödiens 
häuſer der Stadt, und die Mosqueteros gaben ihr Fritifches 
Botum nod immer in derfelben lármenden Weife ab, wie 
früher; ja die Macht, welche fle durd ihre tobenden Aeufe- 
rungen des Beifalls oder Mißfallens ausübten, foll in ber 
Mitte des fiebzehnten Jahrhunderts ihren höchften Gipfelpunft ers 
reicht Haben. Nach Caramuel hatte ſich zwifchen 1650 und 1660 
einer dieſer Musfetiere, ein Schubflider Namens Sanchez, zum 
Ariftarchen der Bühne aufgeſchwungen und übte einen foldjen 
Einfluß, daß die günftige over ungünftige Aufnahme eines 
Stüdes beinahe allein von ihm abhing und angehende Dramati⸗ 
fer fich vor der Aufführung ihrer Schaufpiele feines Wohlwollens 
zu verfichern fuchten. Der genannte Schriftfteller erzählt hier⸗ 
von folgende Anefoote. Ein talentuoller Dichter hatte eine 
Comödie gefcirieben, welche zur Darftellung angenommen wor: 
den war und von ben vorzüglichften Schaufpielern aufgeführt 
werden follte; bennod) war er wegen des Erfolges zweifelhaft 


— 7 — 


und beſchloß, aus Furcht vor ber Inſolenz des Patio, bem 
Señor Sanchez einen Befuch zu maden, um ihn günftig für 
fi zu flimmen. Er wandte fi Deshalb an einen Freund, 
der mit bem gefürchteten Schuhflider befannt war, Tieß ſich 
durd) ihn bei dem Legteren einführen und trug in fchüchterner 
Weife und mit zitternder Stimme feine Sade vor, mie jene 
Comödie die Erftlingsfrucht feiner Mufe fei und wie von ihr 
fein fimftiger Ruhm und feine Achtung unter den Menfchen 
abhänge. Der Schufter hörte die demüthige Rede mit gravis 
tätifcher Miene und grrunzelter Stirn an und verabſchiedete 
am Schluffe den Dichter mit den abgemeffenen Worten: „Seien 
Sie nur getroft, Herr Poet, Ihr Stúd wird die Aufnahme 
finden, bie tbm nad Recht und Berdienft zufommt 9). — 

Auf diefe Herrichaft des Pöbels in den Schuufpielhäufern 
fpielt auch ein fatirifcher Dichter diefer Zeit an, indem er 
jagt: „Nun fehren die Schufter zu ihren Leiften zurüd und 
man erfennt in ihnen faum die hochfahrenden und ftolzen 
Musketiere wieder, welche Poet und Schaufpieler durch flehende 
Bitte, durch heitere oder trübe Mienen nicht ermweichen konn⸗ 
ten. Am nádften Abend aber wirft der Schubflider feine 
Etiefelfohlen wieder bei Seite, Täßt fein donnerndes Geſchütz 
log und verwandelt fid in einen Blig, ber die fchlechten 
Poeten zu Boden fchmettert ).“ 

Die Furcht vor den Pfeifen der Mosqueteros war es, 
was viele Dichter beftimmte, ihre Comödien anonym auf 
die Bühne zu bringen, und da, wie gefagt, die Tyrannet 
diefes Fritifchen Pobels gegen die Mitte des fiebzehnten Jahr⸗ 
hunderts höher flieg, als je zuvor, fo begegnen wir in biefer 


19) Caramuel, Primus Calamus, T. I. p. 690. 
Pellicer L, p. 216. 


— 28 — 


Zeit ſolchen Comödien ungenannter Verfaſſer in größerer Zahl, 
als früher. Das gewöhnliche Aushängeſchild der Stücke war 
in dieſem Falle de un Ingenio, wozu, wenn der Verfaſſer 
in Madrid wohnte, ber Beiſatz de esta Corte Wigefügt wurde. 
Unter den mit diefer Bezeichnung verfehenen Schaufpiele mögen 
fih, wie die Trabition behauptet, auch einige befinden, an 
deren Abfaffung Philipp IV. Theil genommen hat, aber, wie 
ſchon gefagt, ein handgreiflicher Irrthum, der nur durch eine ſehr 
oberflächliche Renntnif der fpanifchen Literatur veranlaßt wer: 
ben fonnte, ift es, fie fämmtlich diefem Könige zuzufchreiben. 
Die Anzahl der noch heute vorhandenen Comedias de un 
Ingenio ift außerordentlich groß, aud hat ınan deren, 


die von mehreren Dichtern in Gemeinfchaft verfaßt find und,  * 


je nad der Menge der Mitarbeiter, die Ueberfehriften „von 
zwei, drei Ingenios u. f. w. führen; ja cs gibt fogar Bets 
fpiele, daß fech8 Dramatifer zu einem Werke zufammentraten‘?). 
Die purd die Vereinigung Mehrerer entftandenen Komödien 
gehören größtenteils zu ben ſchwächſten Erzeugniffen der fpas 
nifchen Bühnenpoefie, was wohl fon durch den Entftehungs- 
procef bedingt wurde. (ES ift faum benfbar, daß fid ¿wet 
Geifter von hinlänglich gleichartiger Organifation finden foll- 
ten, um ein Werf wie aus Einem Sinne fehaffen zu fónnen; 
wie viel weniger aber wird dies erft hei ſechs Mitarbeitern 
möglich fein! Daß eine folche Betheiligung verfchiedener Dra⸗ 
matifer bei bemfelben Werfe zur Zeit des Calderon mehr und 


MN Man Hat fehr Unrecht, zu glauben, daß burd) dieſe Benennung 
eine nähere Beziehung zum Hofe angedeutet werde, denn unter la Corte 
warb ganz allgemein nur Die Nefidenz verftanden. 

15) &. 3 Y. das Stüd Vida y Muerte de San Cayetano, de 
seis Ingenios de esta Corte, im 38ften Bande der großen Sammlung 
von Comedia nuevas escogidas. 


— 9 — 


mehr überhand nahın, gehört daher nicht eben zu ben Glanz» 
feiten diefer Epoche; Indeffen wurde der Gebrauch fo allgemein, 
daß fogar die vorzüglichften Dichter, Calderon felbft, Rojas 
und Moreto, bier und da mit Anderen in Gemeinſchaft ar: 
beiteten. 

Bei dem im Sahre 1644 erfolgten Ableben ber Königin 
Sfabelle, der erften Gemahlin Philipp'S IV., wurden, wie es bei 
Todesfällen in der Föniglichen Famílie gewöhnlich war, bie 
Bühnen von Madrid gefchloffen, und theologifche Zeloten bes 
nugten diefen Anlaß, um die alten, feit lange nicht zur Sprache 
gefommenen Scrupel über die Zuläffigfeit dramatiſ her Vorftelluns 
gen wieder in Anregung zu bringen. Philipp IV., bald darauf 
auch nod) durch den Tod bes Rronprinzen Balthafar nieper- 
gebeugt, war gerade um biefe Zeit in der Stimmung, um 
auf die vorgebrachten Bedenflichfeiten einzugehen, und fo 
wurde dem Rath von Gaftilien aufgegeben, die Einfchränfungen 
feftzuftellen, denen die Theater zu unterwerfen fein möchten. 
Der von diefer Corporation vorgelegte Entwurf zu einem, 
in folhem Sinne zu erlaffenden, Gefege Tautete in feinen 
Hauptpunften,, wie folgt: Es follten 1) nur ſechs oder acht 
Schaufpieler-Gefellfchaften geduldet, die in den Feineren Ort 
Ihaften umberziehenden Truppen dagegen verboten werden; 
2) die Comödien follten fih auf Darftellung ber Lebensläufe ber 
Heiligen und edler Thaten aus ber Gefhichte befchränfen, 
Liebſchaften aber gänzlich ausgefchloffen werden und hiernad) 
die Mehrzahl der bisher aufgeführten Schaufpiele und nament- 
lid) die bes Lope de Vega, die den Sitten fo viel gefchabet, 
von den Brettern verbannt fein; 3) in einer Woche follte nicht 
mehr alg eine neue Comödie aufgeführt werden bürfenz 
4) der Kleiderluxus der Schaufpieler, namentlich das Tragen von 
Bold, follte aufhören und das Coftiime während einer Darftel- 


$ 


— 30 — 


lung nicht gewwechfelt werden, außer wenn das Stüd es un: 
umgánglid) nöthig machte; 5) alle anftößigen und provocativen 
Geſänge und Tänze follten unterfagt fein, aud) nur verhetrathete 
Frauen die Bretter betreten dürfen; 6) follte gu den Anfleive- 
zimmern nur den Schaufpielern felbft und ben zu der Truppe 
gehörigen Perfonen ber Zutritt geftattet fein; 7) dürfte bie 
Borftellung nicht fpäter, al8 im Winter um 2, im Sommer 
um 3 Uhr Nachmittags anfangen; 8) follte jede Comödie vor 
der Aufführımg einer Prüfung durch eine, ſpeciell dazu ein 
gefegte, Behörde unterliegen, jede Darftellung von einem AE 
calben beauffichtigt werden und die Juſtiz die Schaufpieler 
unter ihre fpecielle Obhut nehmen, fie in ihren Häufern be 
auffihtigen und die Müßiggänger, welche fih „zum großen 
Spandal des Hofes" unter fie mengten, aus ihrem Kreiſe ver- 
bannen, und endlich 9) follte die Aufführung von Comödien 
in Privathäufern nicht anders verftattet werden, als unter. 
fpecieller Aufficht des Práfidenten von Caftilien. 

Das gänzliche Gefchloffenfein ber fyanifhen Bühnen 
dauerte von 1644 big 1649. In legterem Jahre begann man 
zuerft in Mabrid die Aufführungen von Comödien wieder zu 
geftatten, und die übrigen Städte bes Königreichs folgten bald 
nad; doch wurde die Wiedereröffnung ber Theater überall 
nur unter der Bedingung erlaubt, daß man fid) ben oben 
erwähnten Einfchränfungen umterwerfe. Wären dieſe Gefete 
nun in aller Strenge aufrecht erhalten worden, fo hätten fie 
den Theatern und der Bühnenpoefte unfehlbar dauernden (Ein: 
trag thun müſſen; allein es fcheint, daf man fie, eben fo 
wie alle früheren ähnlichen Verordnungen, bald wieder aufer 
Acht gelaffen habe; denn fon wenige Sabre fpáter Tag 
der rigoriftifche Erzbifchof von Sevilla dem Beichtvater Phi⸗ 
lipp's IV. an, dem Könige bas Verbot ber Schaufpiele zur 


— 1 — 


Bewiffenspflicht zu machen, und vrüdte fi in ſeinem hierauf 
zielenden Schreiben folgender Maßen aus: „Die Comödian⸗ 
ten Fleiven fic) mit dem größten Lurus, unb in jedem Ort 
gibt es ein Schaufpielhans, ja in den grófieren finden fogar 
zwei bis drei Borftellungen mit höchſt Foftbaren Decorationen 
Statt, während es dem Königreich und ber Fatholifchen Reli- 
gion an Mitteln fehlt, fic) gegen Feinde und Keger zu ver- 
theidigen. Bedenken Sie doch, Hochwürdigſter, daß bas Ver: 
bot der Comödien in den Jahren 1644—1649 keineswegs zum 
Nachtheil des Staates gereichte u. |. 1w.**).1 Eben diefer Zelot 
ging, nad) bem Bericht deS Gaspar de Villaroel, Erzbiſchofs 
von Lima, in feinem heiligen Eifer fo meit, baf er in Bezug 
auf Lope de Bega, beffen Comödien wieder Eingang auf den 
Bühnen fanden, zu fagen pflegte, „ein einziger Priefter habe 
taufend Comödien verfaßt, durch welche er mehr Sünden in 
die Welt gebracht habe, als taufend Teufel *3).” 

Da eben der Darftellung von Comödien in Privathäufern 
Erwähnung geichah, fo ift es nöthig, hier cin Wort über dies 
felben zu fagen. Die vornehmen Familien pflegten Schau- 
fpieler in ihre Wohnungen zu beftellen und fid) von ihnen 
Entremefed oder Comödien aufführen zu laffen**.) Diefelbe 


14) Vida del Ilustrisimo Sr, D. Fr. Pedro de Tapia, par Fr. 
Antonio de Lorea, p. 253. ) 

15) „Mille Comedias fertur composuisse Unus, quibus plura 
peccata invexit in orbem quam mille Daemones.« El Gobierno 
Eclesiastico Pacifico y Union de los dos Cuchillos Pontificio y 
Regio, por D. Gaspar de Villaroel. Parte I. p, 858. 

258) So erzählt bie Gräfin dAunoy bei Gelegenheit eines Beſuchs, 
den fie bei dem Cardinal Portocarrerv in Toledo machte: „Als wir in 
die Wohnung des Kardinal zurüdfehrten, wurden wir in einen geräu⸗ 
migen Saal geführt, in welchem fich auf Der einen Seite viele Gavaliere 
und auf ber anderen viele Damen befanden und wo ein Theater aufges 


— 32 — 


Gewohnheit herrfähte in den Klöftern, mo dann die Sacriftet 
zum Theater umgewandelt wurde, und fie fand trog der Rüge 
des Raths von Caftilién an dem genannten Billarvel einen 
Bertheidiger. Diefe Apologíe lautet, wie folgt: „Man hat 
die Frage aufgeworfen, ob die Mönche dadurch, daß fie der 
Darftellung von Comödien beimohnen, Anftoß erregen? Mir 
nun fcheint es allerdings anftößig, daß Klofterbrüder die öffent- 
lichen Schaufpielhäufer befuchen. Aber wie ? follen wir auch 
das ausgezeichnete und heilige Klofter San Felipe zu Madrid, 
fo wie andere der geachtetften Klöfter verdammen, meil dort 
in der Sacriftei Schaufpiele aufgeführt werden? Wenn es 
an fich fündhaft wäre, Comödien zu fehen, würde Dann dieſes 
fo fehr religiöfe Haus, würden bie anderen Orbengconvente 
der Reſidenz, welche ihm hierin folgen, eine ſolche Unfitte 
dulden? Man fann mir einwenden, der König habe jegt dies 
fen Brauch adgefhafft und ohne ausdrückliche Erlaubnif des 
Práfiventen von Gaftilien fet die Aufführung von Comödien 
in den Klöftern nicht mehr geftattet. Daß diefe Verortnung 


in Kraft ift, fann ich aus eigener Erfahrung bezeugen; denn 


als ich Oberfter des Klofterd wurde, wollte ich den Mönchen, 
als meinen Brüdern und Wohlthätern, eine Ergögung berei- 
ten und beftellte drei Comödien, indem ich das Geld im Bors 
aus bezahlte. Die Schaufpieler nahmen die Summe in Ems 
pfang und fehwiegen über das noch obraltende Hindernif. 


fchlagen war. Auffallend war es mir, daß bie Herren und bie Damen 
durch einen Borhang, der in der Mitte bes Saales bis an Das Theater 
hinan hing, von einander gefihieden waren und fich daher nicht fehen 
fonnten. Vian hatte nur auf uns gewartet, um die Gumóbie »Pyramus 
und Thisbe« anzufangen. Das Stüd war neu und fhlechter, als irgend 
eines von denen, die ich noch in Spanien gefehen. Sulegt führten bie 
Gomödianten einen fehr hübfchen Tanz auf, und die ganze Ergógung war 
um zwei Uhr noch nicht zu Ende.« Relation etc. T. Ill. p. 171. 


-— — 


— 33 — 


Als nun die ganze Brüderſchaft in der Sacriſtei verſammelt 
war, machten fie uns auf dic nod fehlende Erlaubniß auf: 
merkſam, indem fie jedoch fagten, daß der Präſident von Ca⸗ 
ſtilien dieſelbe auf die mindeſte Sollicitation zu ertheilen pflege. 
Sd fam daher um die erforderliche Permiſſion ein; aber ber 
Präſident verweigerte fie fo entſchieden, daß aus unſerer Eo: 
mödie nichts ward, obgleich nachher drei in drei verſchiedenen 
Gärten aufgeführt wurden. Inveffen diefe Verweigerung be: 
rubte auf einem befonderen Grunde. ES pflegten nämlich bei 
den Aufführungen von Comödien in den Klöftern fich Teicht- 
fertige Herren und junge Leute einzufchleichen, in die Anfleive- 
zimmer zu dringen und mit den Bortheilen, welche Jugend 
und Einfluß gewähren, frandalófe Auftritte herbeizuführen, 
von denen das Gerücht bis zu den Ohren bes Königs ges 
langte *9).4' , | | 

Sp lange Philipp IV. auf bem Throne blieb, erhielt fi 
das fpanifche Theater an Anfehen und innerem Gehalt ziem- 
lich auf berfelben Höhe, zu welcher es durch den neuen Auf: 
fhwung, ben es beim Negierungsantritt dieſes Monarchen 
genommen hatte, emporgehoben worden war. Bei Philipp’s 
Tode im September 1665 aber trat wieder eine Krijis 
für baffelbe ein, indem während der Trauerzeit die Auf- 
führung von Schaufpielen im ganzen Königreiche unterfagt 
wurde. Diefes Verbot ward zwar im folgenden Sabre wieder 
außer Wirkung gefegt und die theatralifhen Borftellungen 


. famen von Neuem in Gang; allein den früheren Glanz ver: 


mochten Bühne und dramatifche Dichtfunft nicht wieder zu 
gewinnen. Sn der Zeit der Minderjábrigteit Karl's IL zeigte 


ſich plöglich der erflaunliche Verfall der ſpaniſchen Monarchie, 


16) Ib. Parte I, quaest. 3, Art. VI. No, 13. 
Geſch. d. Lit. in Spanien. Bo. IH. 3 


Y 


_ 34 — 


ber bisher noch durch äußeren Schein verdedt worden war, 
in feiner ganzen Nadtheit. Denn wo war für den immer 
tiefer finfenden Staat ein Halt zu finden, al8 ein ſchwaches, 
von Sintriguanten beherrichtes Weib, Maria Anna von Defter- 
reich, die Zügel des Reiches, deren Führung fchon für Phi- 
lipp MI und IV. zu ſchwer geweſen war, in ihre Hände be: 
fam? Die Schulvenlaft des Landes war In Folge der unauf 
hörlichen Kriege in ungeheuerm Maafe gewachfen, fo daf nur 
die Entvölferung deffelben mit ihr etwa gleichen Schritt hielt; 
eS bedurfte ber reichhaltigften Hülfgquellen, um fie nur eini- 
ger Maafen zu beden; aber ſolche Húlféquellen floffen nir- 
gends. Die Befigungen Spaniens in den Niederlanden waren 
auf einen fehr geringen Reft zuſammengeſchrumpft, und bie 
für ihre Berwaltung und Behauptung erforderlichen Summen 
beliefen fich höher als bie, welche fie einbrachten; bie uner- 
meßlichen Provinzen in der neuen Welt beftraplten bie Rro: 
nen von Gaftilien zwar nod) immer mit einem Schimmer 
von Macht, aber ihr reeller Ertrag, der in Folge einer grunbs 
verfehrten Organifation ſchon von jeher hauptfächlich in die 
Hände von Abenteurern und treulofen Verwaltern -gefloffen 
war, wurde burd) den foftematifchen Krieg, welchen Englän- 
der, Holländer und Franzofen in ben amerifanifchen Meeren 
gegen die fpanifche Macht führten, vollends abforbirt. Schon 
unter Philipp IV. war diefe Zerrüttung allerdings in viel 
fahen Symptomen fenntlid) geworden, und was die Afte ber 
Politif anlangt, fo fann feine Herrfchaft gewiß nicht für glor: 
reich gehalten werden; allein die vielen glänzenden Eigenfchafe 
ten diefes Fúrften und feine ruhmmwürdigen Beftrebungen auf 
anderen Gebieten Hatten immer nod) einen Nimbus um fein 
Haupt gebreitet, welcher auf die ganze Monarchie zurückfiel 
und über die ficigende Corruption des ganzen Staatsförpers 


— 35 _ 


täufchen konnte. Das Nationalgefühl, die Duelle alles Großen 
in der ſpaniſchen Literatur, war daher auch noch durchaus 
nicht irre geworden und ſah Spanien noch immer auf jener 
Höhe von Macht und Glanz, auf welcher es unter Karl V. 
geſtanden hatte. Wie ſehr mußte ſich nun dies Alles ändern, 
als das gewaltige Reich, außen von Feinden bedrängt, im 
Innern der äußerſten Erſchöpfung nahe, in einem ſchwäch⸗ 
lichen, nod) unter mütterliher Vormundſchaft ſtehenden Kna⸗ 
ben feine einzige Stütze fandl als es den Hof, von welchem 
bie energiſchſten Maaßregeln hätten ausgehen follen, zum 
Sig der Indölenz und zum Tummelplag nichtswürdiger Ins 
triguen umgewandelt fah! Die Hoffnung, ver wirkliche Negies 
rungsantritt Karl’ IL werde eine Wendung der Dinge zum 
Beſſeren herbeiführen, erwies fih als vergeblih, und in der 
That hatten ſich die DeifteSgaben des legten Sprößlings ber 
Habsburgiſchen Dynaftie von früh an ale fo gering -anges 
kündigt, daß faum irgend Jemand ſich einer foldhen Hoffnung 
bingegeben hatte. Tráge und fraftlos, unfähig, ſich zu geiftt 
ger Thätigfeit, wie zu geiftigen Genüffen zu erheben, faß 
biefer Schattenfünig auf dem Throne, der, umleudtet von den 
Slammen des legten Auto da Fé, unter ihm zufammenbrad), 
während eine ber fpanifshen Provinzen nach der andern in 
fremde Hände überging und die Bourbontfchen wie die Hab$- 
burgiſchen Vettern begierig lauerten, das erledigte Erbe anzus 
treten. Unter diefen Umftänden mußte denn wohl das Reid), 
das lange als bie erfte politifhe Macht in Europa dageftan: 
‚den hatte, tief und tiefer in der allgemeinen Achtung finfen 
und felbft ber hochfahrendſte Spanier fonnte ſich nicht mehr 
länger über die Herabgefunfenheit feines Landes täufchen. Daß 
fi) diefer allgemeinen Ebbe ber fpanifchen Dinge aud die 
Literatur anfchloß, war nicht anders zu erwarten. 
3* 


ll 

Das Theater hatte fi) allerdings noch eine Zeit lang der 
koͤniglichen Gunft zu erfreuen. Wir werben im Leben des Cal: 
deron fehen, daß biefer mit ber Abfaffung verfchiedener Feſt⸗ 
fpiele für den Hof Karl’ II. beauftragt wurde; auch Tefen 
wir von einzelnen Vorftellungen, welche dem Volte öffentlich 
auf Fönigliche Koften gegeben tourten'**); allein es fcheint 
daß biefe einzelnen Gunftbezeigungen gegen die dramatifche 
Kunſt mehr eine Folge der Gewohnheit oder Prunkſucht, als 
einer wahren Neigung für diefelbe gervefen feien; und wären 
die Unterftügungen vom Throne herab auch Fräftiger gewefen, 
als fie es in Wahrheit waren, fie hätten nicht verhindern fóns 
nen, daß die Sıhaufpielpoefie in den allgemeinen Verfall des 
Landes und feines geiftigen Lebens mit berabgezogen würbe. 
Mie fehr unter den ungünftigen äußern Umftänden die Liebe 
und Achtung des Publifums für die Bühnenliteratur und das 
mit zugleich die Thätigfeit der Theaterbichter ermattete, geht 
recht deutlich aus einer Stelle in Moreto's Luftipiel La oca- 
sion hace al ladron hervor '”), Hier findet ſich folgende 


168) So erzählt die Gráfin d'Aumoy (in ihren Mémoires de la Cour 
d’Espagne, deutfch als: Spanifche Stantsgefchichte, Leipzig 1703. ©. 
289: „Die Königin Mutter hielt fih (1680) zu Buen Retiro auf, unb 
weil fie fic) funberlid) bemühte, die Gunft des gemeinen Volkes zu ges 
winnen, fo ließ fie drei Comödien mit untermengter Mufif auf öffentli- 
chem Marftplag in Madrid fpielen, damit eine große Menge Volfes dies 
felben umfonft mit anfehen Fönnte. Die Gomödianten fpielten drei Tage 
nach einander und war ber Zulauf und das Gedränge fo groß, daß etliche 
Perfonen darüber erdrücdt wurden. (Es fchien auch das gemeine Volt an 
biefen Spielen ein großes Vergnügen zu haben, wie man fie denn in 
Spanien mehr als irgendwo auf der Welt liebt. 


7) Daß diefes Stüd der hier in Nebe ſtehenden fpäteren Pertobe 
angehört, geht aus folgenden Worten hervor: 


— sn — 


Klage: „Man fieht heut zu Tage wenige neue Comödien und 
nur von Zeit zu Zeit die eine oder die andere von einen 
Dichter, der auf höhere Weifung für den Hof fehreibt. Diefer 
freilich — ich meine Calderon — dichtet mit ſolchem Gefchid und 
folder Originalität, daß er ſtets fich felbft zu übertreffen 
ſcheint; aber im Allgemeinen fteht die dramatifche Kunſt nicht, 
mehr in der Achtung wie früher und daher widmet fih auch 
Niemand mehr mit dem gehörigen Fleiße einer fo edlen Aufgabe. 
Mit wie vielen Lorbeeren belohnte nicht das Altertum Män⸗ 
ner von Talent, und daher Fam eS, daß damals fo viele hers 
vorragende Dichter blühten; aber o Wechfel der Zeiten! Las 
einft hochgehalten und göttlich genarint wurde, tft jegt beinahe 
zu einer Schmach geworden !« ‘ 

Obgleich fih nun der Verfall der dramatifchen Literatur 
und Kunft unter der Regierung Karl’d II. nicht verfennen 
läßt, fo tft doch biefer Zeitraum der Theatergefchichte durch 
fo viele Umſtände mit bem vorigen verfnüpft, daß eS unmbgs 


Del Imperio 
Es ya nuestra Infanta Aurora, 
Cuyo divino portento 
Las. aguilas la juraron 
Por su Emperatriz: muy presto 
Por Francia hará su jornada, 
Dando á Paris rayos bellos, 
Porque su hermana y su tia, 
Christianisimos luceros 
Del orbe, esmalten sus luces 
Con tan glorioso trofeo. 


Dies geht offenbar auf Philipp’s IV., zweite Tochter Margarethe, welche 
auf der Reife zu ihrem Gemahl, Kaifer Xeopold L, zuerft einen Befud) 
bei ihrer Schweiter, der Königin von Frankreich, machte; Hiernach iſt das 
Drama in das Jahr 1665 vber 1666 zu feßen. 


— 38" — 


lich ift, ihn von demfelben abzutrennen. Calderon, Rofas und 
mehrere andere bedeutende Dichter fuhren fort, für die Bühne 
zu fehreiben, und wenn aud die Werfe ihrer fpäteren Zeit 
nicht mehr ben früheren glei) fommen, fo haben doch felbft 
die ſchwächeren Productionen diefer Meifter noch immer Ans 
‚fprüde, zur Blüthenperiode des fpanifchen Theaters gerechnet 
zu werben. Von den in biefer Zeit neu auftretenden Dramas 
tifern darf freilich Keiner gleihen Rang mit’ Cope, Tirfo, 
Alarcon, Calderon, Nofas und Morcto prätendiren, und über- 
Haupt zeichnet fih Reiner von ihnen durch befondere Drigina- 
Iität aus; indeffen darf man fich auf der andern Seite ihre 
Leiſtungen auch nicht al8 zu unbedeutend vorftellen. Die Mit: 
tagshöhe des fpanifchen Drama's war vorüber, aber die Sonne 
warf auch noch im Sinfen einzelne helle Strahlen. Erft mit dem 
achtzehnten Sahrhundert und bem Succeffiondfriege erlifcht 
auch bas Teste Licht, das mit felbftcigener Kraft Teuchtete, 
und e8 beginnt ein neuer Abdfchnitt, von dem man mit Be: 
flimmtheit behaupten fann, er gehöre nicht mehr zur Blüthen- 
periode bes ſpaniſchen Theaters. 


Calderon 


Die fhwülftige Tobreve auf Calderon von Vera: Taffis 
tft faft die einzige Duelle für die Lebensgefchichte diefes feltnen 
Mannes. Der Freund und crfte Herausgeber des großen 
Dichterd würde fid) größern Danf bei ber Nachwelt verdient 
haben, wenner den Raum, den er zu gefchraubten und pomp- 
haften Eulogien verwendet, mit ausführlichern biographifchen 
Nachrichten ausgefüllt hätte. Mas er von Ießterer Art mit: 
theilt, tft im Wefentlichen FJolgendes ; 


— 39 — 


Don Pedro Calderon be la Barca warb am erften Tage 
des Jahrs 1601 zu Madrid geboren. Er ftammte väterlicher 
Seitd von einem adligen Gelchlecht, das den Rang alter 
Hijosdalgo in dem Thal Garricdo, unter den Gebirgen von 
Burgos, genof. Man erinnere fi an die Abfunft des Lope 
de Vega, und man wird bemerfenswerth finden, daß die beiden 
berühinteften Dramatifer Spaniens ihren Urfprung aus dem⸗ 
felben fleinen und abgelegenen Thale herleiten. Die Familie 
des Calderon fol übrigens urfprünglih in Toledo anfáffig 
geweſen und fpäter wegen dortiger innerer Spaltungen in ben 
genannten Theil des nördlichen Spaniens ausgewandert fein. 
Der Name feines Baterd war Diego Calderon de la Barca 
Barreda. Diefer vermáblte fih mit Doña Anna Maria be 
Henao y Riaño, der Abfómmiingin eines flandrifchen, nad) 
Gaftilien verpflanzten Rittergefchlecht8 und Verwandtin ber 
Kiafios, Infanzonen von Aragon. Sprößling diefer Ehe war 
unfer Don Pedro. Er empfing den erften Unterricht im großen 
Collegium ber Compañía (einer Sefuitenfchule zu Madrid), 
und bezog hierauf fehr jung die Univerfität Salamanca, wo 
er fid) mit ausdauerndem Eifer den Studien widmete. Al 
bie Wiffenfchaften, denen er befonders cifrig oblag, werden 
Mathematif, Philofophie, Civil» und kanoniſches Recht ges 
nannt. Sein poetifches Talent muß fich früh entwidelt haben; 
wenig mehr als dreizehn Sabre alt, foll er fein erftes Schau- 
fpiel, El carro del Cielo gefchrieben haben und Vera-Taffis 
verfichert, er habe ſchon vor Vollendung feines neunzehnten - 
Jahres durch feine Comödien auf den fpanifchen Bühnen Epoche 
gemacht. Sn den Sabren 1620 und 1622 nahm er an bem 
bei der Beatífication und Canonifation des Iſidro gehaltenen 
poetiichen Wettkampf Theil **). 

15) Drei von ihm bei Diefer Gelegenheit verfaßte Gedichte ſtehen in den 
Obras sueltas bes Zope de Vega. T. XI. p. 432 u. 491, u. T. XIIp. 181, 


— 40 — 


Als neunzehnjähriger Jüngling verließ er die Univerfität 
und begab fi) nad Madrid, wo ihm mehrere Große ihre 
Gunft fchenften; im fünf und zwanzigften Sahre aber trat er 
aus Neigung in den GSoldatenftand und diente in Mailand, 
fpäter in Flandern. Höchſt wahrfcheinlich fchrieb er in Diefer 
Zeit das Schaufpiel El Sitio de Breda, welches nicht lange 
nach der Einnahme der Feftung Breda (2. Juni 1625) auf 
die Bühne von Madrid gekommen zu fein ſcheint. Wie lange 
fein Kriegsichen gedauert hat, wird nicht angegeben. Wir wif- 
fen nur, daß Rönig Philipp IV. ihn aus dem Felde an ben 
Hof berief, um für feine Lieblingsergögung, das Theater, 
thátig zu fein; namentlih ward ihm die Compofition und 
Leitung ber Feftfpiele aufgetragen, die mit großer Pracht, meift 
im Palaft von Buen-Retiro, aufgeführt wurden. Schon im 
Schr 1630 war fein Dichterruf fo begründet, daß Lope ve 
Bega, feinen ebenbürtigen Nachfolger in ihm erfennend, tm 
Laurel de Apolo von ihm fagte: 


En estilo poetico y dulzura 
Sube del monte a la suprema altura. 


Zur Belohnung feiner Dienfte ward bem Dichter 1637 das 
Ritterkleid von Santiago verliehen. Als 1640 die Ritterorden 
ausrückten, enthob ihn ter König feiner Kriegspflicht, und gab 
ihm Auftrag, das Feftfpiel Certamen de Amor y Zelos zu 
fhretben; allein Calderon wollte beiden Pflichten Genüge lei⸗ 
ften, vollendete bas Schaufpiel In Fürzefter Frift, und batte 
nod Zeit, den Truppen nad) Catalonien zu folgen, wo er in 
der Compagnie des Herzogs von Olivarez diente, bis ber 
Friede gefchloffen wurde. Er kehrte hierauf an den Hof zurüd 
und war nach wie vor mit befonderem Eifer für die Bühne 
thätig. Gm Sahr 1649 erhielt er den Auftrag, die Triumph 
bogen für den Einzug der María Anna von Defterreid zu 


.—] — — — 
LA 


— 41 — 


entwerfen und zu beſchreiben. Zwei Jahre ſpäter trat er in 
den Prieſterſtand, ohne deshalb ſeiner bisherigen Beſchäftigung 
als Theaterdichter zu entſagen; der König verlieh ihm eine 
Kapellanſtelle zu Toledo, von welcher er ben 19ten Juni 1653 
Befig nahm, fügte aber 1663, um ben Dichter in feiner uns 
mittelbaren Nähe zu haben, eine Stelle bei der Föniglichen 
Kapelle Hinzu, deren Einkünfte er nod) durch eine Pfründe in 
Gicilien vermehrte. 

So fonnte Calberon ſich mit umgeftörter Mufe feinen 
dichterifchen Werfen widmen. Während eines Zeitraums von 
fieben und dreißig Jahren verfafite er die Autos sacramen- 
tales für die Feier des Frohnleichnamfeſtes in Madrid , eine 
Zeit lang. aud) die Autos für Toledo, Sevilla und Granada, 
bis, wie Bera-Taffis fagt, diefe Art von Feftlichfeiten in ben 
legtgenannten Städten aufhörte. Wenn dieſe Dichtungsart feis 
nem tief-religtófen Sinne befonders zufagte und mit feinem 
geiftlihen Stande in Einklang ftand, fo blieb er doch bis in's 
hohe Alter in der Compofition weltlicher Schaufpiele und fon: 
ftiger Poefien nicht minder thätig. Sein Biograph gibt die 
Zahl feiner Autos auf.mehr al8 hundert, die der Comödien auf 
mehr alg bundert und zwanzig an; er fpricht ferner von zwei⸗ 
hundert Loas, geiftlichen und weltlichen Anhalts, Hundert Says 
neted und einer unzähligen Menge von Canzonen , Sonetten, 
Romanzen und andern Gedichten über verfchietene Gegen 
ftände, und nennt endlich noch eine Befchreibung ves Einzugs 
der Königin Mutter, ein Gedicht über die vier legten Dinge 
in Dttaverime, einen Tractat über den Adel der Malerei und 
einen andern zur Vertheidigung des Schaufpield. Die Richtig- 
feit diefer Angaben, in fo fern fie fih auf die dramatifchen 
Werfe beziehen, zu prüfen, werden wir fpáter Gelegenpeit 


finden. Von Calderon's Comödien waren fon früh ver: 


— 49 — 


fhiedene in einzelnen Druden erfchtenen; gefammelt famen 
zuerft ¿wolf im Jahr 1635, dann andere zwölf 1637 heraus 9; 
eben diefe Stüde wurden wieder gebrudt in ber Ausgabe 
Comedias de D. Pedro Calderon de la Barca, recogi- 
das pór D. Josef Calderon y hermano, Parte I. su II, 
Madrid 1640. Ein dritter und vierter Band erfchienen 1664 
und 1672. Von den Autos wurde die erfte (unvollftändige) 
Ausgabe in Madrid 1677 veranftaltet. Der größere Theil 
yon Calderons Werfen war dem Iefenden Publifum noch un- 
zugänglich, und was gedrudt, war zum Theil auf's kläglichſte 
nad) den Bebürfniffen der Buchhändler verftümmielt; auch hatte 
man Bieles fälfchlih auf feinen Namen gefchrieben. Der 
Wunſch, eine vollftändigere Ausgabe zu befigen, veranlaßte 
einen bochgeftellten Freund der Poeſie, den Herzog von Bes 
ragua, Vicefónig von Valencia, fidy an den Dichter felbft zu 
wenden, um ihn zur Veranftaltung einer folchen und zu einem 
Verzeichniß der wirffih von ihm herrührenden Schaufpiele 
aufzufordern. Diefer Brief ſowohl alg die Antwort find ſchon 
an fich febr intereffant, dann aber als ficherfte Grundlage für 
die Berechnung der Zahl von Calderon's Werfen äußerſt wid- 
tig, und wir werden fie in bem Anhange diejes Artifels, ber 
fih außerdem nod) mit der Chronologie der Caldtron' (en 
Schaufpiele zu befchäftigen hat, mittheilen. 

Ueber das fpätere Leben des Calderon finden fid) nur 
fehr Tpärlihe Nachrichten, eben weil es frei von äußeren 
Wechfelfällen, ganz dem Dienft der Srömmigfeit und der Mu: 
fen gewidmet war. In Ermangelung intereffanterer und ein 
dringenderer Schilderungen, twie man fie von großen Männern 
fo gerne befigen möchte, wird man vielleicht folgende Stelle 


9) So berichtet Vera - Taffis; die Ausgabe muß von ber höchften 
Seltenheit fein, und ich habe fie nie gefeben. 


J — 43 — 
eines alten franzöſiſchen Reiſewerkes 2%) als Curioſität will⸗ 
kommen heißen: 

„Abends (erzählt der Reiſende) kamen der Marques von 
Eliche, älteſter Sohn des D. Luis de Haro, und Monſieur 
de Barriére zu mir und führten mich in's Theater. Die 
Comödie, welche ſchon früher aufgeführt, aber jetzt neu ein- 
ſtudirt worden war, taugte nichts, obgleich ſie Don Pedro 
Calderon zum Verfaſſer hatte. Später machte ich auch einen 
Befud bei diefem Calderon, welcher für den größten Dichter 
und das ausgezeichnetfte Gente im heutigen Spanien gilt. Er 
{ft Ritter deS Ordens von St. Gago und Rapellan an ber 
Kapelle der Königin zu Toledo; aber aus feiner Unterhaltung 
entnahm ich, daß es um feine Kenntniſſe fchlecht beftellt war. 
Mir diSputirten eine Zeit lang über bie Regeln des Schau- 
fpiel8 , welche man in diefem Lande nicht Fennt und welde 
die Spanier verhöhnen.“ 

Calderon wurde im Jahr 1663 in die Congregation von 
San Pedro aufgenommen; er war diefem Sriefterverein be: 
fonder8 zugethan und feste ihn in feinem Teftament zum 
Univerfalerben feines beträchtlichen Vermögens ein, Der Tod 
Philipp’s IV., der ihm nicht allein feinen eifrigften Gönner, 
fondern faft einen Freund raubte, mußte ein harter Schlag 
für ihn fein; doch dauerte fein Verhältniß zum Hofe fort und 
er wurde nad) wie vor zur Abfaffung der Seftfpiele, die hier 
und da bei feierlichen Gelegenheiten aufgeführt wurden, in 
Anſpruch genommen. Das legte feiner Dramen war Hado y 
Divisa. Er ftarb den 25ften Mat 1681 9). Seine trbifchen 
Refte wurden in ber Kapelle San Salvador beigefegt. 

20) Boisel, Journal du voyage d’Espagne. Paris 1669, p. 298. 


22) Dies ift Die richtige Angabe des Vera-Taſſis; Dieze und bie ihm 
nachgefchrieben Haben, laſſen Galderon noch fieben Jahre Länger leben. 


o A4 — ¿e 


Welche überfchwängliche Bewunderung feiner Zeitgenoffen 
den Calderon zu Grabe geleitete, geht aus folgenden zwar 
pomphaften, aber doch einen tiefen Sinn bergenden Morten hervor, 
mit denen BerasTaffis die Lubrede auf feinen Freund beſchließt: 

„Das war das Drafel unferes Hofes und ter Neid ber 
Fremden, der Vater der Mufen, der Luchs der Gelehrſamkeit, 
das Lit der Bühnen, die Bewunderung ter Menfchen, er, 
der ftetS mit den feltenften Tugenden gefchmüdt, deffen Haus 
der allgemeine Zufluhtsort der Bedirftigen , deſſen Art 
und Wefen bas verftändigfte, deffen Demuth die ticffte, deffen 
Beicheidenheit bie erpabenfte , deffen Höflichkeit die aufınerk- 
famfte, deffen Umgang ter zuverläfiigfte und belehrendfte, 
deſſen Sprache die harınlofefte, Jedem feine Ehre ermeifenve, 
deffen nie mit beifenden Bloffen ben Ruhm irgend Eines 
verwundende Feder die feinfte feines Sahrhunderts war, ber 
die Läfterzungen weber mit Libellen befledte, noch fein Ohr 
den boshaften Verfleinerungen des Neides lieh. Das endlich 
war der Fürft der caftilianifchen Dichter, welcher Griechen 
und Römer in feiner gemweihten Poeſie wieder aufleben ließ; 
denn er war im Herotfchen gebildet und erhaben, im Dora: 
liſchen gelehrt und fpruchreih, im Lyrifchen anmuthig und 
beredt, im Heiligen göttlich und finnvoll, im Liebevollen edel 
und fchonend, im Scerzhaften wigig und lebendíg, im Ros 
mifchen fein und angemeffen. Er war fanft und wohlflingend 
in Ders, groß und zierlich in der Sprache, gelehrt und feurig 
im Ausdruck, ernft und gewählt in ber Sentenz, gemäßigt 
und eigenthümlich in der Metapher, feharffinnig und vollendet 
in den Bildern, kühn und überzeugend in der Erfindung, ein: 
zig und ewig im Ruhm.“ 

Als Probe einer zeitgenöffifhen enfomiaftifchen Kritif 

möge bier nod) folgende Stelle aus einer im Jahr 1682 ge 


— 4 — 


drudten und von dem Doftor Manuel verfaßten Schrift zu 
Bunften der Comödien fteben: 

„Wer hat, wie Calderon, die zartefte Anlage mit ber 
Wahrfcheinlichfeit ver Begebenheiten verfnüpft? ES gibt ein 
fo feines Gewebe, daß es zerreißt, indem man es bereitet; 
denn das Gefährliche bes fehr Subtilen ift die Unwahrſchein⸗ 
lichkeit. Blide das bervundernde Auge auf alle feine Stoffe, 
und eS wird fie fo cbenmäßig behandelt fehen, daß alle Fäden 
mit einander wetteifern. Seine heiligen Comöbdien find Bei: 
fpiel, feine gefchichtlihen Wahrheit, feine zärtlichen ſchuldloſe 
Ergógung ohne Gefährde. Die Dajeftát ber Gefühle, die 
Rlarbeít der Gedanken, die Reinheit der Reden unterhält er 
fo in einem Fluſſe, daß auch der leichte Wit und die Grazie 
fih darin bewegen fónnen. Nie gleitet er in's Kindifche, nie 
fällt er in Gemeinheit der Gefinnung. Er behauptet eine hohe 
Würde in dem Vorwurf, den er verfolgt; denn ift biefer ein 
heiliger, fo erhöht er die Tugenden, tft eS ein fürftlicher, fo 
entzündet er zu den heldenmüthigften Thaten, ift es ein bürger- 
licher, fo reinigt er die Leidenfchaften. In feinen religiöfen 
Gedichten verflärt er das Königthum, die Fúrften begeiftert 
er zum Großen, den Anderen läutert er das Herz. Diefer aufers 
ordentliche Geift hat in feinen Schaufpielen faft das Unmög—⸗ 
liche geleiftet. Man fehe, wie viel. Er vermählte durch den 
füßeften Runftzauber das Wahrfcheinlihe mit der Täufchung, 
das Mögliche mit dem Fabelhaften, das Zärtliche mit dem 
Anftändigen, das Majeftätifche mit bem ©efchmeidigen, das 
Heroifche mit dem Berftändlichen, das Sententiöfe mit bem 
Geläufigen, das Sinnreihe mit dem Klaren, die Gelehrfamfeit 
mit Geſchmack, die Moralität mit ber Anmuth, die Grazie 
mit dem Verftande, Ermahnung mit Mäßigung. Sein Tadel 
Íft nicht Bitter, fein Rath nicht láftig und feine Belehrung 


— 486 — 


nicht ſchwerfällig; ja, die Wahrheiten, bie er fagt, find fo 
treffend, und die Streiche, die er verfegt, fo gemíildert, bag 
nur fein Geiſt alle dieſe Schwierigfeiten zu überwinden fábig 
war. Was ich am meiften an ihm bewundere, iſt, daß er Nie- 
manden nachahıntez er wurde zum Meifter, nicht zum Schüler 
geboren, brad) eine neue Bahn zum Parnaf und erflomm deffen 
Gipfel ohne Führer. Dies erfüllt mich mit ber gerechteften 
Verehrung, denn die Gelehrten wiffen es wohl, wie felten zu 
allen Zeiten die Erfinder waren. Er befchaute die Laufbahn 
der Alten, nicht um fie zu betreten, fondern um fie zu über: 
flügeln. Wie Macedo vom Taffo, fann man von ihm fagen: 
er fehlte nur darin, daß er Feinen Fehler beging, oder wie 
pon feinem vergótterten Camoens: daß er mit feinen verzeihe 
lichen Sünden fogar Freude machte. Die leichten und gerings 
fügigen Fehler, welche die gewiffenhafte Melancholie, der Kri- 
tifer an ihm finden mag, find fo kunſtvoll, daß ich glauben 
muß, er habe fie nur zur größeren Schönheit eingeflocdhten 
und die Kraft feines Genies aud) bei Schwächen bewähren 
wollen. 

„Für alle menſchlichen Begebniffe haben Don Pedro's 
Schaufpiele Mufter, und die Arzenei tft fo Aug gemiſcht, daf 
die Wunde begierig wird, fie zu fehlürfen. Möchte diefer Um⸗ 
rif feiner Werfe feiner gefegneten Afche zur Freude und Ehre 
gereichen und er ewig im Gemüth der Lernbegierigen als 
lebendige Anfchauung finniger Kunſt fortleben lu 


Mie verfehleden von den an Abenteuern und Wechfelfällen 
reichen Lebensläufen bes Cervantes und Lope de Vega, wie 
ftill und wie arm an erheblichen Ereigniffen erſcheint nad) 
dem oben Erzählten der unferes Dichters! Oper hätte man 


— 41 — 


nur, in beflagenswerther Nachläffigfeit, verfäumt, uns über 
dergleichen auf ihn Bezug habende Begebenheiten Nachricht zu 
geben? An dem glänzendften Hofe im damaligen Europa, tn 
der unmittelbaren Umgebung eines geiftvollen Königs, inmitten 
gebildeter Weltleute, galanter Ritter und reizender Damen 
follte Galderon ein Einfiedlerleben geführt, er follte nie ein 
romantifches Abenteuer, nie einen Zweifampf beftanden haben Y 
Die Seligfeit der beglüdten, die Pein ber verfchmähten Liebe, 
die Dualen ber Eiferfucht, alle diefe Gefühle, die er mit fo 
hinreifender Wahrheit zu fehildern weiß, follten ihm nur aus 
dichteriſcher Intuition, nicht aus eigener Erfahrung befannt 
gervefen fein? (ES geziemt uns nicht, auf diefe Frage Antwort 
zugeben, oder Erlebniffe, über die es an Kunde gebricht, aus 
unferer Phantaſie zu ergänzen. Deffen ungeachtet hoffen wir, 
aus den Werfen bes Dichters die Züge herausiefen zu fónnen, 
aus denen ein Bild feiner Perfönlichfeit hervorgeht. Für's 
Erfte fei nur im Allgemeinen hervorgehoben, daß ber” feine 
und gebildete Hof Philipp's IV., mit dem er in fteter Berübs 
rung war, einen unverfennbar großen Einfluß auf die Form 
und den Geift feiner Werke geübt hat. 

Galderon ift unter allen fpanifchen Dramatifern ber bes 
fanntefte und gefetertfte. Man bat ihn aus der Reihe feiner 
Vorgänger und Zeitgenoffen Iosgeriffen und ifolirt hingeftellt, 
um ihn in exftatifchen Phrafen alg das Göttlichſte anzupreifen, 
Was die fpanifche Literatur hervorgebracht bat, ja nad) ben 
beredten Enfomien feiner begeiftertften Verehrer frheint es 
beinahe, alg fet e8 faum ber Mühe werth, nod) einen anderen 
caftilianifchen Bühnendichter außer dieſem Auserwählten fennen 
gu lernen. Das Urtheil eines bedeutenden Mannes, bes nicht 
nur um die beutíche, fondern um bie europätfche Literatur hoch- 
verdienten Schlegel, ift fo einflußreich geworden, daß, wenn 


— 48 — 


es einerfeitS bie Aufmerkfamfeit zuerft wieder auf die foanifche 
Literatur binlenfte, e8 auf der andern diefe Aufmerkfamfeit 
zugleich in einen fer engen Rrei8 bannte. AIS Schlegel feine 
unvergleichlich fchöne vierzehnte Vorlefung fehrieb, welche, wie 
fie vielfach anregend wirfte, fo and) den Verfaffer des vor- 
liegenden Werfes zuerft mit Liebe zu den caftilianishen Mufen 
erfüllt hat, war die fpanifche Literatur feit Lange auf's Aeußerfte 
vernachläffigt worden, und zu ihren dramatiſchen Werfen na-= 
mentlich Tieß fid), außer zu ben häufiger gedrudten bes Gal: 
deron, faum anders Zutritt erlangen, al8 burd bas Medium 
der fpärlichen, nicht eben von poetiſchem Sinne ¿cugenben 
Auswahl des La Huerta. Schlegel hatte daher, feiner eigenen 
Ausfage nach, von den Schaufpielen des Lope de Vega nur 
eine fehr unzureichende, von denen bes Tirfo de Molina, 
Alarcon, Guevara und vieler Anderen gar Feine Kenntniß; 
bie Stüde des Solid und La Hoz. die er bei La Huerta fand, ers 
fannte er mit feinem cinbringendem Urtheil fogleich als ſchwä— 
bere Productionen; Moreto und Rojas aber vermochte er 
durch die wenigen Sntriguenftüde in jener Sammlung nicht 
genügend fennen zu lernen; wie fonnte e8 daher anders fein, 
als daß fich feine ganze Bewunderung auf Ealberon concen- 
trirte ? Wir theilen diefe Bewunderung im Allgemeinen voll 
fommen, und glauben, daß fie nicht Teicht übertrieben werden 
könne; nur {ft gegen’ die Art, wie fie ausgefprochen und nadh- 
ber hundertfach wiederholt wurde, Verſchiedenes einzumenden. 
Der Eine Lieblingspichter wurde nämlich fo Dargeftellt, als ob 
er die ganze dramatiſche Poefle ber Spanter repräfentirte, oder 
wenigſtens die übrigen Dramatiker diefes Landes fo unermefs 
lich überragte, daß es ſich faum Iohnte, von biefer Höhe aus 
einen Blid auf jene untergeorbneten Talente zu werfen. Wenn 
nun biefe ungebührliche Hervorhebung einerfeits ein durchaus 


— 499 — 


falíches Licht auf das Ganze bes ſpaniſchen Theaters warf 
und viele “grofe Dichter in unverdiente Mißachtung brachte, 
fo mußte fie nothwendig zugleich der richtigen Würdigung und 
gründlicheren Erfenntniß des Einen Gefeierten Eintrag thun. 
Denn Calderon fleht nicht, wie er in dieſen Schilderungen 
erfcheint, einzeln und ifolirt da, er ift nur Glied einer großen 
Kette, ein hervorragender Punkt in einer langen Reihe; man 
darf es feinen begeifterten Verehrern zugeben, Daß das ſpani⸗ 
fhe Drama in ihn culminire, aber man fann nicht zu einer 
richtigen Schägung feiner Verdienfte gelangen, ohne ihn im 
Zufammenhange mit feinen Vorgängern betrachtet zu haben. 
Erft aus diefer Betrachtung ergibt ſich fein eigenthümlicher 
Ebarafter ald Dramatifer, läßt fid) das innere Lebensprincip 
feiner Werfe erklären. Indem wir nun ben Verfud machen, 
die Süden darzulegen, durch welche der berühmtefte fpanifche 
Dichter mit der grofien Reihe der caftiliantfhen Dramatifer 
zufammenhängt, müffen wir darauf verzichten, im Schwunge 
glänzender Beredtfamfeit mit unferem Vorgänger zu mwetteifern, 
ja wir fürchten beinahe, denen, welche noch von früheren Apos 
theofen berauſcht find, falt und abgemeffen zu erfcheinen. Wenn 
aber auf der einen Seite der Nimbus ber Göttlichfeit, welcher 
bisher Calderon's Haupt umftrahlte, in etwas zerflört wird, 
fo hoffen wir auf der anderen, feinen Fünftlerifchen Charakter 
in ein hefleres Lit zu ftellen. Zugleih möge folgende Ers 
wägung voralsgefchickt werden. Wenn die Analyfe deifen, was 
der große Mann feinen Vorgängern verdankt, noch eine große 
Anzahl von Vorzügen übrig läßt, welche bem Gepriefenen 
ansfchließlih und als Eigenthum gehören, fo wird auch fie 
eine Berherrlichung des Dichters fein, der mit Recht ein Lieb⸗ 
ling von Europa geworben ift, und zwar eine folde, welche 
die Wahrheit auf ihrer Seite und um fo höheren Werth hat, 
Geſch. d. ei i in Spanien. UI, Bb. 


— 50 — 


da ſie Calderon's dramatiſche Kunſt als ein Entwickelungs⸗ 
ſtadium in dem Organismus der ganzen ſpaniſchen Poeſie 
darſtellt. 

Als Calderon begann, ſich der Bühnendichtung zu wid⸗ 
men, lag ihm nicht etwa, wie dem Lope de Vega bei'm An⸗ 
tritt ſeiner Laufbahn, ein Gewirr von mehr oder minder form⸗ 
loſen Anfängen, von chaotiſch durch einander liegenden Elemen⸗ 
ten der Kunſt vor, welche ſeiner ordnenden Schöpferkraft geharrt 
hätten, um zu Form und Geſtaltung zu gelangen; er betrat viel⸗ 
mehr ein ſchon vielfach und nach allen Richtungen hin bearbeite⸗ 
tes Feld und fand eine hochgebildete, durch die vereinten Kräfte 
vieler ausgezeichneten Geiſter zu ſeltenem Glanz gediehene 
Schauſpielpoeſie auf den ſpaniſchen Theatern heimiſch; ja er traf 
nicht nur im Allgemeinen Form und Charakter des Drama's ſehr 
beſtimmt ausgeprägt, ſondern auch im Einzelnen bei den verſchiede⸗ 
nen Gattungen von Theaterftüden die Gränze gezogen, innerhalb 
beren fich der ſpaniſche Gefchmad mit befonderer Vorliebe bewegte. 
Sn der Anfhauung und vertsauten Befanntfdaft mit dem 
Theile der dramatifchen Literatur, welcher im zweiten Bande 
des vorliegenden Werfes ausführlich gefchildert worden tft, 
war unfer Dichter erwachfen. Er hatte mit jener Erregbarteit, 
welche dichtertfchen Gemüthern eigenthümlich tft, ftaunend und 
bervunbernd den herrlichen Schöpfungen bes großen Lope be 
Bega ?”) zugefehen, hatte entzüdt die poetifche Zauberwelt 

22) Balderon hat feine Berebrung für Lope de Vega in folgenden 
Morten ausgefprochen: 
Aunque la persccucion 
De la envidia teme el sabio, 
No reciba de ella agravio 
Que es de serlo aprobacion: 
Los que mas presumen son, 
Lope, á los que envidias das, 


XA — — — —⸗ — —— — — — 


— 51 — 


des Tirſo de Molina an ſich vorüberziehen laſſen und war 
auch mit den Werken der minder bedeutenden Dichter innig 
befreundet. Dieſe genaue Bekanntſchaft Calderon's mit den 
Dramatikern, welche während ſeiner Jugendjahre auf den 
ſpaniſchen Bühnen glänzten, iſt keineswegs bloß ſupponirt, 
ſondern hat ſich in den deutlichſten Spuren in ſeinen Werken 
abgedrückt, worauf wir zurückkommen werden. Als der junge 
Dichter, ſich ſeines Berufes zum Dramatiker bewußt werdend, 
für das Theater zu ſchreiben begann, ſchwebten ihm alle jene poe⸗ 
tiſchen Gebilde vor, welche ihn, wie das ganze Publikum ſeiner 
Zeit, entzückt hatten, und es konnte nicht fehlen, daß ſie befruchtend 
auf feine Phantaſie fortwirkten. Indeſſen war fein Geiſt totes 
der zu ſtrebſam und ſelbſtſtändig, alg daß cs ihm hätte genüs 
gen können, nur den empfangenen Eindrücken zu folgen und 
mit dem Strome fortzuſchwimmen; er begann daher über die 
Aufgabe nachzudenken, welche ihm geſtellt war, wenn er ſich 
nicht nur ein eigenthümliches Feld in der Dramatik erobern, 
fondern die letzte auch wo möglich zum Abſchluß und zur 
Vollendung bringen wollte. Eine völlige Umwälzung des herr⸗ 
ſchenden Syſtems und der einmal adoptirten Schauſpielformen, 
das mußte ihm einleuchten, konnte nicht geſchehen ohne eine 
Tabula rasa zu machen und ſich zugleich mit allen Sympa⸗ 
thien ber Nation in offenen Zwieſpalt zu ſetzen; auch war 
feine eigene Neigung für diefes Syſtem und feine Weberzeus 
gung von deffen Trefflichfeit viel zu flarf, als daf es ihm irgend 


Y en su presuncion veräs 
Lo que tus glorias merecen, 
Pues los que mas te engrandecen 
Son los que te envidian mas. 
(S. die Obras sueltas bes Lope de Vega 
= T. XII, pag. XV.) 
4% 


— 52 — 


hätte einfallen ſollen, an den Grundfeſten deſſelben zu rütteln. 
Es kam daher nur darauf an, noch einen Giebel auf das 
ſchon errichtete und wohlgefügte Gebäude zu ſetzen und dadurch 
den Schlußſtein an das Ganze zu legen. 

Wie aber war dies zu bewerkſtelligen? Den Lope de 
Vega an Reichthum der Erfindung zu übertreffen, oder nur 
darin mit ihm zu wetteifern, durfte Calderon eben ſo wenig, 
wie irgend ein anderer Sterblicher, hoffen; auch die übrigen 
hervorragendſten Dramatiker ſtanden, jeder in ſeiner Art, ſo 
einzig da, daß es unmöglich ſchien, in dem Punkte, der ihre 
Größe ausmachte, über ſie hinauszugehen. Aber Calderon mit 
ſeinem ſcharf analyſirenden Verſtande erkannte auch, eben ſo 
wie die unübertrefflichen Vorzüge feiner Vorgänger, die Ge: 
brechen, an denen fie offenbar Titten; er erfannte, wie bie 
höchfte Vollendung und feinfte Ausbildung der: dramatifchen 
Kunft wohl bier und ba unter befonders günftigen Sternen 
erreicht worden war, aber wie fie bisher nie irgend- einem 
Dichter durchgehende alg Princip vorgeleuchtet hatte, vielmehr 
die herrlichiten Anlagen und gentalften Conceptionen oft Durch 
Mangel an Sorgfalt und durch Uebereilung der Dichter ver: 
unftaltet worden waren. Wollte er nun das Schaufpiel zu 
einer höheren Stufe emporführen, fo mußte er nicht allein die 
Uebelftände vermeiden, welche fid im Gefolge einer flüchtigen 
Eompofitionsweife in die Werke der früheren Dichter einge- 
[Hlihen hatten, fondern aud) die befonnene Erwägung und 


confequente Durchführung des Plans , fo wie die emfige Aus- - 


arbeitung des Detail recht eigentlid) zu feinem leitenden 
Grundfag machen. Erft hier haben wir den Schlüffel, welcher 
und das Berftándnif des Eigenthümlichen in Calderon's Poe: 
fie erfchließt. Der Weg, den er im Einzelnen verfolgte, war 
nun folgender. Er ftellte fid) auf die Schultern fener Vor: 


_ 8 — 


gänger; er übernahm das fpanifche Schaufpiel fo, wie er es 
überfommen Hatte, in allen feinen Mobificattonen und mit 
allen feinen Gattungen, ohne an den Grundlagen des herr 
fehenden Syſtems zu rütteln; aber er fuchte alle Keime des 
Guten, die er vorfand, durch forgfältige Pflege zur höchſten 
Blüthe zu zeitigen, alle unentwidelten Anlagen auszubilden, 
das Edige abzufchleifen und das Lücken⸗- und Sprunghafte zu 
innerem organifchem Zufammenhange zu führen. Er fchloß ſich 
oft aufs engfte an feine Vorgänger an, borgte fogar bie 
Gerüfte ihrer Stüde, ihre Erfindungen und Pläne, entlehnte 
ihnen einzelne Scenen und behielt bei, was ihnen fon ges 
ungen war, aber verarbeitete nun das fremde Gut mit fo 
feinem fünftlerifchen Sinne, bildete es fo glücklich um und 
fort, machte fo viele und fo treffliche eigene Zufäße, daf er 
das Ganze mit vollem Rechte als fein Eigenthum anfprechen 
fonnte. Seine Sorgfalt richtete fich nicht allein auf bie Ans 
ordnung des Plans, ben er gleihfam mit dem Winfelmaße 
auf's genauefte abzirkelte, nicht allein auf das richtige Ver: 
hältniß aller Theile zu einander und zum Ganzen, nicht bloß 
darauf, daß der dramatiſche Gehalt eines jeden Stüdes aufs 
reinfte herausgearbeitet würde, fondern fie verbreitete fid) auch) 
mit ganz befonterem Fleiße auf alle Detail8, auf den Styl 
und auf den Versbau. Faffen wir das Gefagte zufummen, fo 
ift Calderon's dramatiſche Runft aus einer tief eingehenden 
fritifchen Prüfung ber früheren fpanifhen Schaufpielpoefte 
hervorgegangen ; fie hat fid an Vorhandenes gelehnt, aber 
die gegebenen Elemente auf'8 Funftoolifte in andere und beffere 
Orbnung geftellt, das Vercinzelte gefammelt, dem Jerftreuten 
feinen richtigen Plag angeriefen, und endlich alles Unfichere 
und Schwanfende zu Ruhe und Stätigfeit gebracht. 

Disfe Auffaffungsweife weicht fehr von Allem ab, was 


— 54 — 


bisher über Calderon geſchrieben worden iſt; fie kann hier 
einſtweilen nur als eine Theſis ſtehen, deren volle Richtigkeit 
ſich hoffentlich im Folgenden bewahrheiten wird; doch dürfen 
wir nicht unterlaſſen, ſchon jetzt Einiges zur Apologie unſerer 
Anſicht vorzubringen. 

Man hat Calderon einen Originaldichter in ſo vorzüg⸗ 
lichem Sinne genannt, daß er Alles nur ſich ſelbſt zu ver⸗ 
danken und nie bei einem Anderen geborgt habe. Es wird 
daher in hohem Grade auffallen, daß wir ſagen, er habe die 
Arbeiten Anderer mannigfaltig benutzt und nicht nur die Idee 
zu einzelnen Scenen aus früheren Dramen geſchöpft, ſondern 
auch die Umriſſe zu ganzen Stücken von älteren Dichtern ent: 
lehnt. Dennoch verhält es ſich hiermit in Wahrheit fo, und 
ein Paar Beiſpiele mögen es nachweiſen. Vorangeſchickt muß 
werden, daß der Dichter ſelbſt gar nicht um Verheimlichung 
der Quellen, aus denen er ſchöpfte, bemüht geweſen zu ſein 
ſcheint, da er z. B. in den Worten 


La dama duende será 
Que bolver á vivir quiere 
(Casa con des puertas) 

allem Anfchein nach ferbft anbeutet, dafi er in feiner Dama 
duende ein älteres Stüd ähnlichen Inhalts vor Augen ges 
habt habe. — Die Autoren, deren Werfe er vorzugsweiſe 
benugt bat, find Tirfo de Molina und Mira de Mefcua. 
Sein Encanto sin encanto ift in einem großen Theil feí 
neg Planes auf Tirſo's reizendes Luftfpiel Amor por señas 
gegründet?*). Gn La devocion de la Cruz erfennt man ſowohl 
dem Ganzen der Handlung, als in vielen Einzelheiten in eine 


2°) S. dieſe Gefchichte, Band II. S. 579. 


— 55 — 


Nachahmung von Mira ve Meſeua's Esclavo del Demonio *?), 
und ſchon Tieck hat bemerflich gemacht, wie fid) im Calderon 
einige Stellen faft wörtlich wiederfinden, bie Mefcua früher 
ſchrieb. Aus eben diefem Stüde tft die Scene im Magico 
prodigioso, two Cyprian die Geftalt der Geliebten zu befigen 
glaubt, aber dann entdedt, daß er ftatt ihrer ein Tobtenges 
rippe in den Armen halte; und in Mefcua'8 Ermitaño ga- 
lan findet fid) das Mufter zu der langen Erzählung ves Dis 
mon's im zweiten Afte dieſer Calderon'ſchen Tragödie. Die 
Erene in El mayor monstruo los zelos, wo Herodes feine 
Gemahlin ermorden will, aber durch deren herabfallendes Bild 
niß daran verhindert wird, hat zwei andere in früheren Dras 
men zu Vorgángerinnen: die ältefte in La próspera fortuna 
de Ruy Lopez de Avalos von Damtan Saluftrio del Poyo, 
bie andere in Tirſo's Prudencia en la muger **). Daffelbe 
Drama hat außerdem mandyerlei Züge aus Tirfo'8 Vida de 
Herodes entlehnt. Die Idee von El secreto á voces ſcheint 
aus Tirfo'8 Amor por arte mayor. Viele Analogien finden 
fi) ferner zwifhen En esta vida todo es verdad y todo 
mentira und Meſcua's Rueda de la Fortuna, zwifchen 
Los Cabellos de Absalon und Tirfo’8 Venganza de Ta- 
mar, zwiſchen El monstruo de los jardines und beffelben 
Dichters Aquiles; und zwar find diefe Aehnlichfeiten nicht 
etwa bloß von der Art, wie fie von felbft entftehen müffen, 
jobald zwei Autoren denfelben Stoff behandeln, nein, es iſt 
— wie ſich dies im Einzelnen genau nachweiſen Tiefe — 
eine ganz fpecielle Rückweiſung ber fpáteren Stüde auf bie 
früheren vorhanden, welche ſich durchaus nicht anders erfláren 
läßt, al8 dadurch, daß Calderon bie legteren vor Augen ge: 
habt habe. Peor está que estava fft Scene für Scene aus 


2) S, Band II. ©. 462. *) ©. YB. IL ©. 494. 


— 586 — 


einem älteren, im Jahre 1630 gebrudten gleichnamigen Stüde 
von Luis Alvarez, und nur einiges Unpaffende tft entfernt, 
fo wie ber Worttert verändert worden. Man hat nun zwar 
die Bermuthung aufgeftellt, Calderon fet aud Verfaffer der 
älteren Comödie und habe fid) aus irgend einem Grunde bes 
togen gefunden, einen falfchen Namen anzunehmen, und wir 
wollen dies nicht für unmöglich erflären, da ein Luis Alvarez 
fonft als Comödiendichter nicht genannt wird; allen am 
Schluffe des älteren Peor está heißt e8, daß fein erfter Vas 
ter e8 Todo sucede al revés genannt babe, und fomit kün⸗ 
Digt fi) auch dieſes Stück wieder als Umarbeitung eines 
früheren an. — Die erfte Scene von El Escondido y la 
Tapada hat eine auffallende Aehnlichfeit mit Tirfo'8 Por el 
sótano y por el torno. Dafi der Medico de su honra tn 
Plan, Motiven und Charafteren eine große Berwandtfchaft 
mit der Tragúble Casarse por vengarse von Rojas habe, 
ift ſchon von Tieck bemerft worden; hier aber bleibt es zwei⸗ 
felbaft, welches ber beiden Stüde, das 1636 (tm 20ften 
Bande ber Comedias de diferentes Autores) gebrudte bes 
Rofas, oder das 1637 gedrudte des Calderon, früher gefchries 
ben ſei; gewiß dagegen tft, daß die Anfangsfcene dieſes 
Drama’s eine Reminifcenz aus der Guarda cuidadosa von 
Miguel Sandez barbietet, und daß mehrere Details des⸗ 
felben, namentlid) der Monolog Don Gutierre's im zweiten 
Aft aus Tirſo's Celoso prudente nachgeahmt find **) — 
Bei No hay burlas con el amor hat offenbar eine Erin: 
nerung an “ope'8 Melindres de Belisa vorgefdjwebt, und 
in El Maestro de danzar ift eine von dem nämlichen Did» 


25) In diefem Monolog erinnern nicht allein die Gedanken, fondern 
auch die Form, daß die trochäifchen Verfe von Zeit zu Zeit durch einen 
jambifchen unterbrochen worden, an Tirſo's Stück. 





_ 57 — 


ter in einem gleichnamigen Stücke durchgeführte Idee benutzt. 
Zu La niña de Gomez Arias hat bas gleichnamige Stück 
des Guevara Vieles hergeliehen; in El gran principe de Fez 
Haben wir Reminifcenzen an das ebenjo betitelte Stüd . des 
Lopez Calderon's Auto Psiquis y Cupido bietet viele Anas 
Iogien zu dem gleichnamigen des Sofef de Valdiviefo dar, und 
wir fónnten die angeführten Beifpiele in der That noch durd) 
viele andere vermehren; Doch mögen bie bisherigen einftweis 
len genügen, um unfere Behauptung im Allgemeinen zu rechts 
fertigen. Sogleih aber müffen wir hinzufegen, daß unfer 
Dichter in faft allen diefen Stüden bie ihm überlieferten 
Materialien genugfan umgewandelt hat, um für ihren zwei⸗ 
ten Erfinder gelten zu fónnen, daß er dag, was bei feinen 
Vorgängern nur als Anlage erjcheint, mit bewundernswerther 
Kunft ausgebildet, das Rohe verfeinert und überhaupt die 
noch unreifen Knospen zur höchften Entfaltung gezeitigt hat. 

Schon aus dem Gefagten geht wohl zur Genüge hervor, 
daf wir weit entfernt find, dem Calderon aus feinen Ents 
lehnungen einen Vorwurf zu machen. ES ift ein großer, aber, 
fo viel wir wiffen, noch nigends gründlich berichtigter Sres 
tfum der neueren unpoetifchen Sahrhunderte, von ben Dichtern 
in der Art. Originalität zu verlangen, daß fie fih der Bes 
nugung fremder Erfindungen und Gedanken enthalten follen. - 
Sn unferer Zeit, wo die Kunft aus ihrem organischen Zuſam⸗ 
menbange geriffen tft, wo die Dichter ifolirt und ohne lebens 
dige Wechfelmirfung daftehen, betrachtet man Dasjenige unter 
den Geſichtspunkt bes Plagíaté, was fid) in allen wahrhaft 
großen Perioden ber Poefie als allgemeiner Brauch nad) 
weifen läßt. Durd die Sfolirung von den Quellen, welche in 
den Werfen. Anderer fließen, wird dem Dichter ber Zuſam⸗ 
menhang mit den Wurzeln abgejchnitten, aus denen er reichen 


— 538 — 


und geſunden Nahrungsſtoff ziehen kann; er wird auf eine 
affectirte Eigenthümlichkeit, auf das Haſchen nach Neuem und 
Originalem hingeführt, und gewiß haben wir hier, neben an⸗ 
deren mitwirkenden Urſachen, einen Grund für die betrübende 
Erſcheinung, daß die Literaturen der Jetztzeit ſo ganz ohne 
innere Einheit und organiſche Fortbildung daſtehen. Für den 
Kenner der Poeſie braucht es nicht erſt ausgeführt zu werden, 
daß die ganze neuere Dichtkunſt gar nicht die Geſtalt gewon- 
nen haben könnte, an welcher wir uns erfreuen, wenn die 
heute adoptirten Orundfáge über dieſen Punkt auch in frühe⸗ 
ren Zeiten obgewaltet hätten. Um dies an einigen Beiſpielen 
zu begründen und mit der mittelalterlichen Literatur zu bes 
ginnen, ſo ſind wir über die Wanderungen, welche bretoniſche, 
franzöſiſche und provenzaliſche Erfindungen durch die Ritter⸗ 
dichtungen von ganz Europa gemacht haben, über die Ver⸗ 
zweigung der Gesta Romanorum und ber Disciplina cle- 
ricalis in die Fabliaur und in die fpäteren Novellen, fo wie 
über ben vielfachen Zufammenhang ber legteren unter ein- 
ander durch neuere Forſchungen, namentlich von Val. Schmibt 
und J. Th. Grüße hinlänglich aufgeflárt, und man weiß, daß 
ebenfo bie gefeiertften beutfchen Heldengedichte des Mittel: 
alters, wie die Erzählungen des Boccaz zum großen Theil 
Umarbeitungen franzöftfcher Originale find. Von der älteren 
italienifchen Lyrik ift es befannt, wie unendlich viel fle fich 
von den Provenzalen angeeignet und ber Abbe de Sabe hat 
fih bie Mühe genommen, ein ganzes Verzeichniß von Gedan⸗ 
fen, Werfen und Wendungen zu liefern, welche Petrarca ben 
Troubadours entlehnt hat, oder welche unbewußt alg Reminis- 
cengen in feine Werke gefloffen find; man fann es aber nur 
thöriche nennen, wenn einige Kritifer den großen Dichter des- 
halb ber Geiſtesarmuth gezicehen und ihm die Aufnahme frems 


— — ⸗—— J — 


—onmm ni en — 


— 59 — 


der Gedanken zum Vorwurf gemacht haben. Wie? Gedichten, 
die ſeit nunmehr fünf Jahrhunderten ganz Europa entzücken, 
ſollte durch die Erkenntniß, daß Einiges in ihnen aus frem⸗ 
den Quellen gefloſſen iſt, nur irgend ein Theil unſerer Be⸗ 
wunderung entzogen werden? Ein Tadel fónnte ſolche Ent⸗ 
lehnungen, wie ſie ſich in den Werken der größten Dichter 
aller Zeiten und Nationen nachweiſen laſſen, nur dann treffen, 
wenn. fie ſich als aus bem Mangel an eigenen Gedanken 
hervorgegangen zeigten, wenn der Autor ſie nicht organiſch 
in ſeine eigene Schöpfung zu verſchmelzen gewußt hätte. Vers 
folgen wir jene große Periode der europäiſchen Poeſie, welche 
ſich mit dem ſiebzehnten Jahrhundert abſchließt, weiter, ſo ſehen 
wir den Strom italieniſcher Dichtkunſt nach Spanien hinüber⸗ 
fließen und Boscan, Garcilaſo recht gefliſſentlich den Petrarca 
nicht allein in der Form ſeiner Canzonen und Sonette nach⸗ 
ahmen, ſondern viele Gedanken und ganze Verſe von ihm re⸗ 
produciren. Die Lyrik dieſer Männer, wie noch die des Her⸗ 
rera und Luis de Leon, iſt — man erwäge dies wohl — min⸗ 
deſtens zur Hälfte aus den Werfen ber Alten und der Ita⸗ 
liener gefloffen; aber freilich fann man breíft behaupten, daß 
fie das aus fremden Quellen Gefchöpfte in neuer Schönheit 
wiebergeboren haben; und will man fi nun den Genuß diefer 
fhönen Poefie durch den Gedanken vergállen, daß Manches 
darin nicht urfprüngliches Eigenthum ber Verfaffer ſei?7) 


37) (Es ift, um dies hier beiläufig zu fagen, eine gewiß dankens⸗ 
werthe Mühe ber Literarhiftorifer gewefen, uns (wie z. B. Der treffliche 
neuere Herausgeber des Garcilafo) auf die parallelen Stellen zu den von 
ihnen commentirten aufmerffam zu machen; denn unfere Einfiht fann 
hierdurch nur gewinnen. Etwas ganz Anderes aber ift es mit jenen mo: 
dernen Krittlern, welche mit hämifcher Schadenfreude den Dichtern auf: 
lauern, vb fie ihnen nicht einen Gedanken, eine Wendung oder einen 


— 60 — 


Um zu ben Stalienern zurüdzufehren, fo war Taſſo fo weit 
entfernt, fich feiner Entlehnungen und Nachahmungen aus an⸗ 
deren Dichtern zu ſchämen, daß er fich in dem Commentar über 
feine Rime alle Mühe gibt, viefelben hervorzuheben -und fich 
ihrer rühmt. Ein Blid auf das englifche Theater zur Zeit der 
Elifabeth zeigt uns Far, wie viel Die damaligen Dramatifer : 
fid) gegenfeitig zu verdanten haben, wie felbft der größte unter 
ihnen es nicht verfchmähte, von den Geringeren zu borgen; 
man weiß, wie mannigfach Shaffpeare fi der Pläne feiner 
Borgänger bemeiftert, ja ganze Stüde derfelben nur umge⸗ 
arbeitet hat, wie die Herenfcene im Macbeth zum Theil fogar 
mit Beibehaltung der Worte aus Middleton's Witch entlehnt 
ift. Von den Franzofen haben wir ſchon gefehen, in wie aus- 
gedebntem Maafe fie ſich fremde Ideen, namentlich die ber 
Spanier, angeeignet haben, und unfer Tadel traf nicht dies 
Verfahren an ſich (wir glaubten 3.3. dem Rotreu unfer Lob 
nicht verfagen zu dürfen), fondern nur ben Umfland, daß die 


Ausdrud nachweifen fónnen, den fie von Anderen entlehnt haben, ganz 
uneingedenf, daß fie bei den großen Dichtern der früheren Zeit eine viel 
reichere Ausbeute machen Fönnten, und baß dergleichen von bem Weſen 
aller Poeſie unzertrennlich ift. Man erinnert fich, wie vielfach Lord By— 
ron von ben Reviewers feiner Tage mit dem Vorwurf von Plagiaten 
heimgefucht wurde; es läßt fich auch gar nicht láugnen, daß er fich nicht 
allein einzelne Gedanfen und Bilder, fondern ganze Paflagen, Scenen 
und Situationen aus anderen Werfen angeeignet hat (die auffallendften 
Beweife hiervon zeigt ein Dergleich zwifchen Gafti’s Novelle galanti 
und dem Don Juan); aber denjenigen, welche dies ausbeuteten, um Den 
Ruhm bes herrlichen Mannes zu verkleinern, entgegnete Walter Scott: 
„Es ift eine Lieblingsanfgabe ber pebantifchen Dummheit, dergleichen 
Reminifcenzen hervorzuheben, weil folche Wahrnehmungen ben höheren 
Genius in das Bereich der gemeinen Sterblichkeit herabzuziehen und ben 
Autor in Diefelbe Kategorie mit feinen Kritikern zu ftellen fcheinen.« 


— —— — — — — — - 


— 6 — 


meiften jener Dichter aus offenbarer Armuth an etgner Eros 
findung zur fremden ihre Zuflucht genommen, daß fie das 
Entlehnte nicht poetifch durchdrungen und umgefchaffen haben, 
und daß ihre Nachbildungen tief unter den Originalen ger 
blieben find. Auch in Spanien — um und dorthin zurückzuwen⸗ 
ben — hatten die Dramatifer von jeher Fein Bedenken getragen, 
von einander zu borgenz um dies an einzelnen Beifpielen zu 
zeigen, fo findet fi bas erfte berfelben in den Werfen bes 
Gil Vicente, der mehrere Scenen aus Yuan del Encina ge: 
nommen bat ?°); Oil Vicente's portugfefifches Auto de mo- 
ralidade wurde bald nachher in Spanien in ber Tragico- 
media alegórica del infierno y del paraiso nadjgebildet; 
und wenn aud) Lope te Vega faft immer nur feiner eigenen 
Erfindung gefolgt fein mag, fo war es body auch zu feiner 
Zeit — und wir haben davon verfchiedene Beifpiele gefehen, 
keinesweges verpönt, fremde Sbeen und Pläne aufzunehmen 
und weiter auszubilden *9), x 
Um durch Analogien aus bem Gebiete der bilbenden 
Kunft über diefen Gegenftand Licht zu verbreiten, fo weiß 
man, daß Michel Angelo in feinem jüngften Gericht nicht nur 
einzelne Motive, fondern ganze Figuren aus dein großen Wand» 
gemälde des Luca Signorelli zu Orvieto genommen hat; man 
weiß, wie Raphael’8 erftes Elternpaar in ben Loggien nad) 
bem berühmten Frescobilde des Maſaccio copirt, wie ber 
25) ©. den Artikel Gil Vicente im Unbange zu biefem Bande. 
2%) Als wahre und tabelnswerthe Blagiate müflen wir es freilich 
bezeichnen, wenn Einzelne ganze Comödien Anderer mit Beibehaltung des 
geößten Theils ihrer Verfe und ohne wefentliche Umbildung unter ande- 
rem Titel für ihr Gigenthum ausgaben, wie Dies 3. D. Felipe Godinez 
mit Tirfo’s Venganza de Tamar that, die er, nur wenig verändert, als 
fein Eigenthum auf Die Bretter brachte. Achnlichen Fällen werden wir 
in dem Artilel Moreto begegnen. 


— 62 — 


Paulus in den Tapeten demſelben alten Florentiner entnommen 
iſt und wie vieles Andere dieſer größte der Maler noch 
außerdem von ſeinen Vorgängern und Zeitgenoſſen genommen 
hat, und zwar aus allgemein bekannten Werken derſelben, ſo 
daß er in keiner Art glauben konnte, die Entlehnung werde 
unbemerkt bleiben. Jene einſichtsvolle Zeit nun, welche wohl 
wußte, daß der große Künſtler nicht durch eigene Armuth zu 
dieſem Verfahren gezwungen werde, aber auch zugleich, daß 
fein Geiſt, auch der größte und göttlichſte, Alles aus ſich felbft 
ſchöpfe, nahm hieran keinen Anſtoß; vielmehr konnte, wie die 
Betrachtung einer größeren Anzahl von Gemälden aus jener 
Zeit unläugbar zeigt, jeder Maler, ohne Furcht vor Tadel, 
Motive und Gedanken Anderer benutzen und nach ſeiner Art 
verarbeiten, und gewiß wurde gerade durch dieſen lebendigen 
Wechſelverkehr, durch dieſen Austauſch bes Eigenen gegen 
Fremdes, die Kunſt zu jener Höhe emporgehoben, welche der 
Kraft des Einzelnen unerreichbar iſt. 

Das Angeführte genügt wohl, um als eine unwiderleg⸗ 
bare Wahrheit herauszuſtellen, daß viele der bedeutendſten 
Meiſterwerke der Poefie und Kunſt gar. nicht hätten producirt 
werben können, wenn ihre Urheber den heut zu Tage abop: 
tirten falfchen Ideen von Driginalität ‚gefolgt wären. Dürfen 
wir nun an die hiftorifche Nachweifung, daß das Verfahren 
Calderon's während des alánzendften Zeitraums ber europätfchen 
Poeſie allgemein für gerechtfertigt angefehen wurde, noch eine 
allgemeine apologetifche Bemerfung Tnüpfen, fo möchten wir 
fagen, daß bie Poeſie zwar fehafft, aber doch nicht aus dem 
Nichts, fondern aus fehon exiftirenden Materialien, und daf 
zu diefen Materialien, ebenfo wie die Natur mit allen ihren 
Erfcheinungen, auch ble Schöpfungen früherer Dichter gehören. 

Iſt das vorhin Gefagte feine bloße Suppofition, fondern 


—— — — 


— 63 — 


ein Ergebniß, zu welchem die genaue Betrachtung von Cal⸗ 
deron's Werken in Verbindung mit der Kenntniß der früheren 
ſpaniſchen Literatur führen muß, ſo dürfen wir unſern Dichter 
einem Architekten vergleichen, der mit geſchickter Hand auf 
ſchon gelegtem Fundament und freilich größtentheils aus eige⸗ 
nen Stoffen baut, aber auch das von Anderen bereitete Ma⸗ 
terial nicht verſchmäht und es nur in allen ſeinen Einzelheiten 
auszubilden, fo wie das noch Iſolirte und Unverbundene künſt⸗ 
lerifcy zu verfnüpfen fucht. Gewiß fann dieſer Standpunft, 
den wir dem Calderon anweifen, feinen Ruhm in feiner Art 
beeinträchtigen, ihn vielmehr nur erhöhen, da feine Kunft auf 
Diefe Art nit als bloße SImprovifatton eines bevorzugten 
Genie's, fonbern alg im organifchen Zuſammenhange mit bem 
Ganzen bes fpanifchen Drama'8 ermwachfen erſcheint. Alles 
Höchſte, was ein einzelner Geift auf irgend einem Gebiete 
geichaffen, ift nur in einer foldhen Verbindung mit früher 
Oeleiftetem entftanden ; oder läßt es fid) denken, daß Raphael's 
Kunft ohne das, was er feinen Vorgängern verdanfte, zu dem 
Gipfel gelangt wäre, den fie wirklich erreicht hat? 

Gehen wir, nachdem wir Calderon's Stellung in der 
fpaniichen Bühnenposfie und bas Princip, von bem er geleitet 
wurde, im Allgemeinen beftimmt, zur Darlegung ber Weife 
über, in welcher er dies Princip im Einzelnen verwirklicht 
hat! Das Meifte hiervon wird fic) von felbft bei der fperiellen 
Betrachtung feiner Werfe ergeben, und wir haben nur Weni⸗ 
ges vorauszuſchicken. 

Hatte Calderon ſich die Aufgabe gefelt, das von ſeinen 
Vorgängern begonnene Werk dadurch zu vollenden, daß er das 
ſpaniſche Drama zur möglichſten Höhe der Kunſtausbildung 
führte, ſo mußte er ſeine Aufmerkſamkeit vor” allen Dingen 
auf die ſorgfältige und durchdringende Berechnung des Planes 


— 4 — 


richten. Gerade hier hatten die bisherigen Dramatifer, wie 
glücklich fie auch in einzelnen ihrer Werfe ſchon bis zu einer 
sollfommen befriedigenden Compofition Hindurchgedrungen wa⸗ 
ren, ihre mangelbaftefte Seite gehabt, die denn aud) von viel- 
fältigem Tadel getroffen worden war. Unfer Dichter überlegte 
daher feinen Stoff bi8 in die feinften Einzelheiten hinein, 
bisponirte feine Entwürfe auf'8 genauefte und hatte fid ohne 
Zweifel noch bevor er an die Ausführung eines Stüdes ging, 
von jeder bevorftehenden Wendung ber Action, von jeber 
Scene und ihrer Stellung und Bedeutung Rechenfchaft ges 
geben. Er ftellte feine reichlich fprudelnde Phantafie und Er: 
findungégabe unter die Controlle des fchärfften Verftandes 
und buldete in feinen Stüden nichts, al8 was er nach) ben 
geläutertften Anfichten von Fünftlerifcher Compofition rechtfer- 
tigen fonnte; hiernach mußten alle Theile nicht allein in engem 
Zufammenhange mit der Haupthandlung ftehen, fondern auch 
eine fyınmetrifche Stellung zu: efnander und zum Ganzen ers 
halten, und jenes Berfahren, intereffante Srenen um ihrer 
ſelbſt willen ohne Rüdficht auf die Organifation des Stücks 
herbeizuführen (ein Mißbrauch, den fid Lope nicht felten, 
Tirfo de Molina noch häufiger zu Schulden Fommen Tief) 
durfte nicht geftattet werden. In der dramatifchen Sompofition 
wie er fie aufgefaßt hatte, mußte daher eine ftete innerliche 
Bewegung, ein wirffames Eingreifen jeder Scene in ben Gang 
der Hauptaction Statt finden; aus einer Entwidelung mußte 
fich ftetó bie andere entfpinnen, in dem Früheren immer fchon 
die Andeutung des Folgenden liegen und alles Einzelne ſich 
in nothivendiger Verfnüpfung zu einem harmoniſchen Ganzen 
zufammenfügen. Calderon hat in diefer Kunſt, welche unftreitig 
die höchfte Vollendungsftufe der dramatifchen Poeſie ausmacht, 
eine Meifterfchaft bewährt, in welcher es ihn Fein anderer 





— 5 — 


Dichter feiner Nation nur von ferne gleich thut. Wie eine 
Lawine, die mit immer wachfendem Umfang und fleigenver 
Schnelle den Felébang hinunterſtürzt, bis fie donnernd bie 
Tiefe erreicht, fo brauft die Handlung feiner Stüde in flürs 
mifchem und unaufhaltíamem Gange vorwärts, und raftet nicht, 
bis fie an'8 Endziel gelangt; Alles, was den rafchen Fort: 
ſchritt ſtören fónute, wird von dem getwaltigen Drange mit 
fortgeriffen. So erreichte Calderon jene große Einheit, jenes 
mächtige Intereffe, welches uns in ben beften feiner Stüde 
fo unwiderſtehlich mit fi fortreißt, daß ein Wiverftreben 
eben fo frudhtlos fein würde, wie das eines Sommerfadens 
gegen ben Sturm. Aber biefe Kunft in ber Compofition {fl 
noch größer, als fie auf ben erften Blick erfcheinen mag; um 
fie in ihrem ganzen Umfange fennen zu lernen, muß man bie 
Stüde betrachten, in denen unfer Dichter recht abfichtlich und 
um feine Virtuofitát zu zeigen, taufendfältige Fäden anfnüpft 
und fie aufs gefchictefte in der Art zu einem Gewebe ¿ufams 
menfügt, daß fie ſich vielfach freuzen und doch gegenfeitig 
tragen, mannigfad) in einander laufen und doch alle in bas 
beftimmte Ziel ausmünden. Bei der größten Complication ber 
Handlung nun fft doch der ganze Bau Ddiefer Stüde von der 
durchſichtigſten Klarheit, fo daß man alle feine Theile und 
deren ardhiteftonifche Beftiimmung genau überfehen fann. Bleiben 
wir bei dem Gleichniſſe der Architectur ftehen, fo ſcheinen die 
Werfe des Lope und der Früheren noch jenem Style anzus 
gehören, welcher ber vollendeten Ausbildung des germanifchen 
voraufging; es finden fich noch überflüffige und auswüchſige 
Details, unharmonifche Verhältniffe und viele Beftandtheile, 
welche an fi das Auge erfreuen mögen, aber feine weſent⸗ 
lichen Ingredienzen des Ganzen bilden. Bei Calderon dagegen 
haben wir das gothifche Syſtem in feiner höchften Ausbildung, 
Geſch. d. Lit. in Spanien. III. Br. 5 


— 6 — 


wie in jenen Wunderwerken ber Baufunft, in welchen Alles 
organifó ¿um himmelhohen Dache emporwächſt und felbft die 
geringfügigften Theile fo nothwendig zum Ganzen gebören, 
daß diefes nicht ohne jene beftehen fónnte. Aber auch biefes 
Gleichniß wird ſchwerlich außreichen, um das Kunftvolle im 
der Compofitionsweife dieſes Dichterd und bie Transparenz, 
in welcher fid alle Glieder feiner Werfe darftellen, völlig 
adäquat zu ſchildern; man muß die Feenpaláfte der Mauren 
mit ihren vielfach gewundenen und fich fchlängelnden Zier— 
rathen, mit ihren bunt verfchlungenen Arabesfen zu Hülfe 
rufen und fid) dann die Klarheit des füdlichen Himmels pins 
zudenfen, in welcher alle Umriffe auf’8 fchärffte herwortreten, 
fo bag das Auge ohne Mühe felbft den Tabyrinthifcheften 
Schlangenwindungen folgt. 

Diefelbe fünftliche Berechnung, die ſich in der Dispofition 
des Mans fund gibt, erſtreckt ſich nicht allein auf alle Neben 
partien der Handlung, fondern aud) ganz vorzugsweiſe auf 
die Metrif, welche nicht blof mit höchfter Zierlichfeit und 


Eleganz behandelt, fondern durchaus nad) beftinnmten Prin- 


eipien geregelt ung mit ben verfchiedenen Momenten der Hands 
lung in Einflang gebracht ift. Der Vers in den mannigfaltige 
ſten und gewählteften Formen erfcheint recht eigentlich als 


Abbild und Träger der ganzen Compofition, fo wie bas 


Schnitz- und Bildwerf, wie die Fähnchen und Thürmchen 
eines Domes im Kleinen die Structur des Ganzen wieder: 
holen; in der jedegmaligen Geftalt, die ihm Calderon in 
diefem oder jenem Gtúde, in der einen oder ber anderen 
Scene gibt, ſchmiegt er ſich jeder einzelnen Wendung bes 
Drama’s in vielfachen Falten und Brechungen an, und wenn 
es bei den früheren Dichtern oft nicht recht klar ift, weshalb 
in einem beftimmten ¿alte die Octave ober die Lira, die Ro: 


Ma — 


— 


— 6 — 


manze ober bie Redondille gebraucht wird, fo fann bei Cal⸗ 
deron ein folder Zweifel nirgends eintreten. Auf ganz wuns 
derbare Weiſe vereinigt ſich nun mit diefer verftándigen Dies 
pofition bie höchfte Pracht und poetiſche Fülle bes Ausdrucks. 
Jn üppigem Karbenreichthum ergicht ſich Calderon's bichterifche 
Durftellimg, Vergleiche an Vergleiche drängend; alle Erſchei⸗ 
nungen der Welt, daB Kleinſte wie das Größte, das Leblofe 
wie das Unbelebte, das Ferne wie bas Nahe, werden von 
der heiligen Begeifterung des Dichters, welche in der Natur 
das Abbild und ben Schatten eines höheren Deiftes feiert, 
zu einem Blumenfchmud, verfammelt, in beffen Thauperlen fich 
die ewige Schönheit des Senfeits fpiegelt. Mit ſchwärmeriſchem 
Naturgefühle wandelt Calderon umher in dem bunten Zaubers 
garten der Schöpfung, wo ihn jede Blüthe, die ihren Kelch 
ſehnſüchtig bem Lichte auffchließt, der Gefang jedes Vogels, 
das Raufchen jedes Blattes das ewige Myſterium ber Liebe 
verfündigt. Und jo verfegt uns feine Dichterfprache mit bem 
Schmelz; und ber Weichheit und zugleich der von innerer 
Gluth Teuchtenden Kraft ihrer Bilder in eine fúblide Land» 
haft, unter Palmens und Eypreffenhaine, überwölbt von dem 
tiefen Blau eines ewig reinen Himmels; Tauben von Rofen 
und Sasmin prangen im erften heiligen Schmude des Frühe 
lings, aus dem dunklen Grün glänzen goldene Früchte hervor, 
im Hintergrunde aber wogt das umendlihe Meer und wiegt 
mit dem Steigen und Fallen feiner Wellen ben Geift in ſehn⸗ 
ſüchtige Träume ein. 

Aus dem, was über Calderon's Compoſitionsweiſe gefant 
worden iſt, läßt ſich ſchließen, daß er in der eigentlidy braftis 
ſchen Wirkfamfeit feiner Stüde, im theatralifchen und feeni- 
(hen Effeft , befonders groß fein müffe. Die genaue und 
funftoolle Berechnung des Plans, die Sorge, einen firengen 

5* 


— 68 — 


und inneren Zufammenhang durch das ganze Stúd hindurch. 
zuführen und alle einzelnen Scenen hiernach zu gliedern, Teis 
tete von felbft zu diefem Ziele hin, nad) welchem Calderon 
denn auch überdies fehr abfichtlih trachtete. Zwar fann man 
bie Verbindung von tieferem: poetifchen Gehalt mit ver Be: 
rechnung auf theatraliiche Wirfung alg einen ziemlich) allge 
meinen Vorzug der fpanifchen Dramatifer rühmen und aud) 
die Stüde des Lope de Vega waren, wie ihre ungeheuren 
Erfolge bewiefen hatten, unftreitig fehr brettergerecht geweſen; 
allein nicht in gleichem Grade, wie denen unferes Dichters, 
läßt fich ihnen eine Vertheilung und Ausfparung der wirfen- 
ven Mittel zufchreiben. Wir fanden darunter oft Schauſpiele, 
welche in einzelnen Scenen die Theilnahine in überwältigen- 
der Weiſe in Anſpruch nahmen, aber im Ganzen nur falt 
Iaffen fonnten. Bei Calderon dagegen arbeitet jeder beſondere 
Hebel des Intereffes auf die Totalwirfung des Drama? hin, 
jede einzelne Scene, wie fpannend und feffelnd fie auch ſchon 
an fid fein möge, erhält ihre wahre Bedeutung doch erft, 
infofern fie in Verbindung mit den anderen flieht und im Ber- 
ein mit jedem Theile ber Handlung zum Gefammtziele der 
legteren fortftrebt. Sn diefer Beziehung, in Betracht der 
Meifterichaft im Theatralifchen,, hat unfer Caftilianer unter 
allen Bühnendichtern aller Nationen vielleicht keinen Neben- 
buhler, und infofern Brettergerechtigfeit, neben anderen höhe⸗ 
ren Erforderniffen, unftreitig ein wefentlicher Beftandtheil der 
dramatifchen Runft fft, dürfte den Calderon'ſchen Comödien 
ſchon deshalb, weil fie biefe Eigenfhaft in fo eminentem 
Grabe befigen, ein hoher Rang angemiefen werden. Am über- 
rafchendften zeigt fi dieſe Runft (von ber wir behaupten 
bürfen, daß fie fid), wenn aud bald in höherem, bald in 
geringerem Grade, in allen Werfen des Dichters finde) be: 


— 69 — 


fonders in zwei Gattungen feiner Stúde. Erfteng in benjes 
nigen, wo er eine unendliche Fülle von Motiven, eine übers 


u ſchwängliche Mannichfaltigfeit von Handlungen und Theater: 


effeften zufammendrängt, aber die Zügel der ganzen Action fo 
firaff und mit fo fráftiger Hand führt, daß fid alle verſchie⸗ 
denen Momente zur Einheit zufammenfügen und mit ſicherem 
Schritte auf vorgefchriebenen Bahnen zu dem heftimmten Aus: 
gange hineilen; jeber einzelne Effekt erfcheint hier nur als eine 
Vorbereitung für die Wirfung der ganzen Compofltion, und 
die verfchiedenen Situationen gehen dergeftalt in ber Verbin 
dung aller Scenen auf, daß fie alle vereinigt nur Einen 
großen und gefleigerten Zotafeffeft pervorbringen. Die zweite 
Gattung, die wir in diefer Hinficht hervorheben müſſen, be: 
greift folde Dramen , deren Gntereffe fi) vorzugsweife um 
innerlihe Motive dreht. und auf bie Ddetaillirte Schilterung 
von Ecelenzuftánten gegründet iſt, die alfo gerade für äufiere 
feenifhe Wirfung den wenigften Anlaß gaben. Gerade hier 
nun zeigt der Dichter befonders glänzend, wie genau er alle 
Erforderniffe der Bühne fennt und mit wie unvergleichlichem 
Talente er ihnen zu entiprechen weiß. Ohne der Tiefe bes 
Oebanfenlebeng Eintrag zu thun, ohne die pſychologiſche Ana- 
Iyfe zu verfürzen, nein, diefe vielmehr in allen ihren Fafern 
verfolgend, weiß er das Oeiftige ganz zu verförpern und in 
der lebendigften Action aufgehen zu laffen, fo baf das Gee: 
lenleben tn feinen hervorſtechendſten Momenten gleichſam felbft 
fihtbar wird. Wie Hoch ftehen feine verartigen Werfe, 3. B. 
Las cadenas del demonio und El magico prodigioso 
nicht in dieſer Beziehung über vielen gepriefenen Meifterftüden 
der neueren Poefte! 

Es mag nicht überflüffig fein, bei diefer Gelegenheit die 
folgende Bemerkung einzufchalten. Wir haben bie feenifchen 


— 70 — 


Effekte des Calderon gerühmt; aber wir verwahren uns gegen 
die Deutung, als wenn hierunter rohe Theatercoups verſtan⸗ 


den ſein ſollten, grelle Pinſelſtriche, welche, unverſchmolzen mit 


dem Ton des ganzen Gemäldes und mit Beeinträchtigung 
von deſſen innerer Harmonie nur auf den Beifall det unge⸗ 
bildeten Menge ausgehen und in aller Kunſt unbedingt ver: 
werflich find. Dergleichen Theaterſtreiche und Knalleffekte pat 
unſer Autor immer verſchmäht; wohl aber ſuchte er, der als 
eben ſo großer Bühnenkenner wie Dichter die Mittel kannte, 
durch welche ein poetiſches Werk zum dramatiſchen erhoben 
wird und allein von ben Brettern herab einen geiftigen- Eins 
brud hervorbringen fann, die Handlung fo zu leiten, daf fie 
fid an einzelnen Stellen zu einer fhlagartigen Wirfung cons 
centrirte, zu befonders prágnanten, die Schönheit der Poefte 
und den Gehalt des Ganzen nicht flörenden, fondern unters 
ftügennden Momenten eınporhob. Diefe Art der Compofition 
nun, wo fid das Intcreffe der Fabel, das freilich ſtromweiſe 
und mit fteter Schnellfraft das ganze Stück durchfluthen fol, 
doch ganz befonders um einzelne beftimmte Mittelpunfte ¿us 
fammendrángt, um fin eleftrifhen Schlägen hervorzubrechen, 
fcheint ung einem vollfommenen Drama wefentlid zu fein, 
und in biefer Hinficht, wie überhaupt in Bezug auf die Defos 
nomie, die geſchickte Anoronung der einzelnen Partien und die 
präcife Handhabung der dramatiſchen Form follten die Büh⸗ 
nendichter anderer Länder bei dem Spanier in die Schule 
geben. 

Eine harafteriftifhe Eigenthümlichkeit in der Conftrufs 
tion von Calderon's Dramen find die Gegenfäge, durd) welche 
er die Handlung hindurdhguführen liebt, indem er feine Aigus 
ren in einander widerfprechende Situationen verfegt und bie 
Eharaftere burd) die Gegenüberſtellung wohlberechneter Cons 


— 1 — 


traſte zu heben ſucht. (ES iſt ein ſteter Wechſel von Zuſtänden, 
„die ſich gegenſeitig aufheben, von Lagen, die mit einander in 
Eonflict ftehen, von Stimmungen und Leidenſchaften, die fi 
in 3wiefpalt befinden. Diefe, bem Intereffe fo ungemein för 
derliche, poetiſche Figur kehrt in faft allen Werfen unferes 
Dichters wieder, und fie trägt nicht wenig dazu bei, denfelben 
jenes mächtige innere Leben zu verleihen, welches ben Zus 
fihauer in athemloſer Haft durd die verfchiedenen Gruppen 
und Maffen der Handlung fortreißt. 
| In Abficht anf die Erfindung fónnte man auf ben erften 
l Blick geneigt fein, dem Calderon einen minder großen Reich 
thum zuzufchreiben, alg bem Lope de Vega. ES ift wahr, 
| unfer Dichter hat feine Invention nicht gleich verſchwenderiſch 
| ausgeftreut, wie fein Vorgänger; er fuchte feine Stoffe mehr 
gu ergründen und ihnen ihren vollen @ehalt abzugeminnen, 
| aus jeder Handlung den ganzen Ertrag zu ziehen, welcher 
| 
| 


— — — nn 


der Anlage nach möglich war, und aus dieſem Grunde wurde 
er genöthigt, ſeiner Einbildungskraft ein weniger ſchrankenloſes 
velo einzuräumen; aber deſſenungeachtet zeigt ein Ueberblick 
ſeiner Leiſtungen eine Fülle der genialſten Erfindungen, welche 
vielleicht nur deshalb bei anfänglicher Betrachtung minder 
| überrafcht , well bier ein wohlgeordneter und audgefparter 
' Reichthum vorliegt. Auch nad Erkenntniß des Gebrauchs, den 
| Calderon von fremden Gedanfen gemadt hat, müffen wir 
noch den unverfiegbaren Strom feiner eigenen Imagination 
bewundern. Welche Menge genial erfundener, aus dem inner 
ften Born eines fchöpferifchen Deiftes entfprungener Hands 
Tungen und Situationen in jedem einzelnen feiner Werfe! Um 
aber dieſe Fruchtbarfeit der Calderon'ſchen Phantafte völlig 
einzufehen und fie als ber bes Lope ebenbürtig zu erkennen, 
wird eine tiefer eindringende Betrachtung feiner Werte erfor 


—- N 


— 19 — 


dert; denn bie Gebilde, die aug ihr hervorgegangen, flehen 
nicht, wie fo oft bei dem früheren Dichter, ifolirt und aus 


ihren Umgebungen hervorragend ba, find daher auch der flüch⸗ e 


tigen Betrachtung weniger erfenmbar; vielmehr find fie eng 
in ſich verbunden, die Fleíneren Partien hängen mit ben grö- 
Beren in ſymmetriſcher Art und durch taufend Fäden zufam- 
men, und vereinigen fich bergeftalt zum Ganzen, daß man nur 
Eine untrennbare Schönheit vor fidy hat. 

Was die Eompofition von Calderon's Dramen betrifft, 
fo laffen ſich bie legteren in zwei weſentlich verſchiedene, ob» 
gleich hier und da durch feine Uebergänge mit einander ver 
mittelte Claſſen ſche iden. Wir haben erftlich folhe Dramen, 
in welchen das Hauptgewicht auf der Dargeftellten Begebenheit 
als folder ruht, indem bie feltfamen und überrafchenden Gol: 
fifionen der Berhältniffe ben Mittelpunkt ausmachen, und bas 
Intereffe der Zufchauer einzig für die äußere Handlung, bie 
Berwidelung und Auflöfung des Anotens, in Anfprud) neh⸗ 
men. Gn den hierher gehörenden Stüden fteben die Perfonen 
an und für fich zurüd und feffeln vie Theilnahme hauptſäch⸗ 
lid) nur, infofern fie bie Spielbälle objektiver Mächte find. 
Als folhe Maͤchte erfcheinen in den mythologiſchen Schaufpfes 
len die Götter, in den Ritterſtücken die Riefen und Zauberer, 
in den Darftellungen aus bem Leben der Gegenwart das 
Schickſal und der Zufall in ihren verfchledenartigen Fügungen ; 
diefe Potenzen find bie eigentlichen Factoren der Handlung, 
und in der Geftaltung, welche das Leben von ihnen empfängt, 
liegt die Bedeutung des Ganzen. — Die zweite Elaffe wird 
aus ſolchen Schaufpielen gebildet, in welchen ber faktifche Ins 
halt nur dazu dient, eine der Dichtung zu Grunde liegende 
Idee zu veranichaulichen, fi mithin an das Aeußerliche und 
Augenfällige- eine höhere Bedeutung fnüpft. Freilich haben wir 


4 


— — 


— 73 — 


hier in ber äußeren Erſcheinung oft eine ganz ähnliche und 
auf benfelben Motiven, wie in ber erften Claſſe, berubende 
Verwidelung; aber der Unterfchied (ft, daß jedes Moment 
der legteren erft durch feine Beziehung auf bie ausgedrückte 
Idee feinen wahren Sinn erhält. Unter den in dieſe Katego- 
rie fallenden Scaufpielen beben fih nun wieder zwei Dat: 
tungen hervor. Zuerft nämlich finden fid Stüde von typiſchem 
Gepräge, das heifit ſolche, deren Grundidee ſich nicht unmits 
telbar in ber Handlung verkörpert, fondern im Hintergrunde 
liegt, indem ber Inhalt des Stücks zu einem Symbol jenee 
metaphofifchen oder ethifchen Grundgedankens wird. Man 
bezeichnet diefe Dramen am füglichiten als ſymboliſche. Die 
zweite hier zu unterfcheidende Gattung von Schaufpielen bes 
greift diejenigen, deren Handlung zwar gleichfall8 über ihre 
nächfte Unmittelbarfeit hinaus auf Höheres hinmweift, in denen 
aber die dargeftellte Begebenheit burd) die Runft der Compo⸗ 
fition eine ſolche Bedeutfamfeit erhält, daß die Idee unmits 
telbar in ihr zur Erfcheinung fommt und es nicht erft ber 
Symbolik bedarf, um fie hervortreten zu Taffen. 

Sm genauften Zufammenbange hiermit ſtehen bie Eis 
genthümlichfeiten in ber Charafterzeihnung unferes Dich 
ters. (Calderon hat in diefem Punft diefelben Vorwürfe er- 
fahren, wie die übrigen fpantfchen Dramatiker, und man 
geftebt ihm in der Regel nur eine feinere Ausbildung der 
allgemeinen Gharafterformen zu, welche, wie man fagt, auf 
bem fpanifchen Theater nun einmal die Stelle der Individua⸗ 
lität vertreten mußten. Allein wir müffen, um nicht ein im 
Allgemeinen ungerechted Urtheil zu unterſchreiben, eine Unter 
fpeidung machen. Sn den Stüden, in welden nur die Aeuf- 
ferlichfeit des Lebens in ihrer Abhängigkeit vom Zufall und 
von anderen Mächten vorgeführt wird, find allerdings bie 


— 74 — 


Züge individueller Charakteriſtik gewöhnlich nur ſparſam ver: 
theilt, die Perfönlichfeiten nur in allgemeinen und nebelhuften 
Unriffen gezeichnet, da eine fchärfere Hervorhebung derfelben 
dem bezweckten Eindrud nur binderlich gervefen wäre. Al: 
leín fon in diefer Glaffe finden wir, je nachdem bie Sn: 
tention mehr in die Tiefe geht und auch anderen Elementen, 
- als den bezeichneten, einen höheren oder geringeren Einfluß 
auf die Oeftaltung des Stoffes einräumt, eine auffteigende 
Reihe der Charaftere, von abftraften und fchattenartigen Ger 
bilden an bis zur entfchiedenen und Iebenvollen Individualität. 
Geben wir zu den Schaufpielen über, welche wir alg fyınbos 
liche bezeichnet haben, fo zeigt fich bier eine ganz befondere 
Art der Eharatteriftit. Den Charafteren werden nämlid) ges 
wiſſe geiftige Potenzen zu Grunde gelegt, welche fehr marfirt 
hervortreten. Dies kann im Allgemeinen durchaus fein Tadel 


fein, denn ein abftrafter Begriff kann durch bie fhöpferifhe 


Kraft des Dichters völlig verfórpert werden und in einer 
felbfiftiindigen Perfönlichfeit aufgehen, und wir haben dies 
wirflid) an vielen Geftalten Calderon’s, neben anderen, die 
noch freier al8 lebendige Individualitáten daftehen, zu rúbmen; 
allein hier und da finden wir freilich auch in feinen Derartís 
gen Werfen den Accent fo fehr auf jene allgemeinen geiftigen 
Gewalten gelegt, daf die Figuren eigentlich nur al8 Träger 
perfelben, als Perfonificationen von Tugenden oder Laftern erfchets 
nen. Daß dies die Wahrheit und Beſtimmtheit der Geltalten- 
zeichnung in einigen Calderon'ſchen Dramen beeinträdhtige, 
fann fchmwerlich geläugnet werden. Doch wir werden auf diefen 
Punft zurüdfommen; wenden wir und zunächft zu der großen 
Zuhl ver Schaufpiele, in melden die dargeſtellte Idee ohne 
Peibülfe der Allegorie in den mannichfaltigen Wendungen und 
Momenten des Lebens unmittelbar hervortritt, fo fann man 


— — — — — 


— — — — 


— 75 — 


die Fülle plaſtiſch geſtalteter, aus einem inneren Lebensprincip 
heraus geſchaffener Charaktere, die aus ihnen hervorleuchtet, 
nicht verkennen. In dieſen Werken, die wir ſeine vollendetſten 
nennen müſſen, geſchieht denn dem faftiichen Inhalt, der alle 
gemeingúltigen Idee und der Charafteriftif ein ganz gleiches 
Recht; weder das Eine nod) das Andere überwiegt, vielmehr 
vereinigt fid Alles zum harmoniſchen Ganzen. Um Betfpiele 
zu nennen, fo genügt es, auf ven Alcalde de Zalamea und 
die Tres justicias en una zu verweilen; in biejen Stüden 
find alle Figuren bis auf bie Nebenperfonen berab fo Icharf 
von einander gefondert und mit fo lebendiger Individualitát 
ausgeftattet, daß fie einen unmiverleglichen Beweis für die 
feltene und hohe Meifterfchaft unferes Dichters im Zeichnen 
ber Charaftere liefern. 

Schon bie beiden zulegt genannten, aber zugleich nod) 
viele andere Werfe Calderon's zeigen, daß er feine Figuren, 
wie er fie in beveutungsonflen Zügen aufzufaffen und mit 
eigenthümlichem Dafeín auszurüften, wußte, ebenfo aud) ¿us 
fammenzuftellen und anzuordnen verftand. Mit einer Kımfl, 
wie fie nur bem. vollendeten Meifter eigen iſt, pat er jedem 
einzelnen Charakter durch genaues Berechnen und Meffen der 
Entfernung die Pofition angemiefen, welche für die Geſammt⸗ 
wirfung des Ganzen die erfprichlichfte tft und in welcher die 
Nebengeftalten am beften zur Hebung der Hauptgruppe dienen. 
Auf diefe Art hat er es erreicht, daß feine Dichtungen großen 
bewegten Gemälden gleichen, in denen bie einzelnen Figuren, 
jede mit ihrer eigenen Organifation, und doch in übereinftims 
mender rhythmiſcher Bewegung aufleuchtend und fid) wieder 
verdumfelnd fommen und fliehen; und in der Totalitát aller 
diefer Erfeheinimgen bildet fic) denn die geſammte Menfchheit 
ab; das Höchfte wie das Niedrigfte, das Befonderfte wie das 


— 7 — 


Allgemeinſte, mit jedem dazwiſchen liegenden Uebergange, 
zeichnet ſich in klaren Umriſſen; aus der Zuſammenſtimmung 
aller dieſer verſchiedenartigen Maſſen aber geht eine große 
Harmonie hervor, welche das Unwandelbare in der flüchtigen 
Erſcheinung des Lebens, die ewige Ordnung in dem raſtlos 
brauſenden Getriebe der Welt verkündigt. 

Bis hierher haben wir Calderon vornämlich in ſeinen 
glänzendſten Eigenſchaften und ſo geſchildert, wie er in ſeinen 
vollendetſten Werken erſcheint. Bei der ferneren Betrachtung 
ſeiner dichteriſchen Eigenthümlichkeit nun können wir nicht 
unbin, zugleich feine Schattenſeiten und diejenigen Punkte 
hervorzuheben, in welchen er hinter ſeinen Vorgängern zurück⸗ 
ſteht, oder wenigſtens die von dieſen gepflegten Anlagen 
nicht zur vollen Ausbildung gebracht hat. Und ſo ſtellen wir 
denn gleich einen Satz an die Spitze, der hoffentlich in der 
weiteren Ausführung ſeine nähere Begründung erhalten wird. 
Calderon hat dem ſpaniſchen Drama allerdings 
ſeine höchſte Entwickelung gegeben, allein nur in 
einer einſeitigen Richtungzer hat es in gewiſſem 
Sinne auf die fteilfte und fhwindelerregenpfte 
Höhegeführt,über weldhe fein Hinausgehen mehr 
möglid war, allein Daraus folgt nod) gar nit, 
daf er feinen Vorgängern aud in jeder Hinfidt 
überlegen fei und das fpanifhe Schaufpiel in 
allen, von ihnen fhon mit Erfolg eingefplagenen 
Richtungen weiter ausgebildet habe. Die Mangel- 
haftigfeiten biefes großen Dichters find freilich mit feinen 
Borzügen fo innig verwachfen, fie find theild fo ganz Auges 
flüffe feiner Individualität, theils fo nothwendige Refultate 
der Verhältniffe und Zeitumftände, unter denen er ſchrieb, 
daf man fic ihm in feiner Art ¿un Vorwurfe machen fama; 


“m A v 


_ 77 — 


aber deffenuneradhtet dürfen wir nicht unterlaffen, fie her: 
vorzubeben; nicht allein der Beruf, die cindringenbe und gründ⸗ 
liche Erfenntnif unferes Autors zu befördern, Iegt uns biefe 
Prliht auf, fondern auch die Gerechtigkeit gegen das Ganze 
der fpanifchen dramatifchen Literatur, welche nicht bulbet, Daß 
man den Calderon einzig und ausfhlichlich alg das Größte 
anftaune, was biefe Literatur hervorgebracht hat. Unfere An- 
ficht über diefen Punkt wird fih nun im Folgenden aus: 
fpredhen; nicht gefonbert jedoch werden die minder glänzenden 
Seiten des Dichters hervorgehoben werden, fondern in Ver: 
bindung mit dem, toas wir nod) weiter beizubringen haben, 
am feinen Charafter ald Dramatifer zu beflimmen. 

Suben wir einen Theil von Galderon’s Fünftlerifchen 
Cigenthümlichfeiten aus der Umgebung und den Berhältniffen, 


in denen er fich befand, zu erklären (denn aud der unab- 


hängigfte Geift bleibt von folden Einflüffen nicht frei), fo 
wird ung die Einwirfung, telde der Hof Philipp’s IV. auf 
feine Berfe gehabt hat, nicht entgehen. Mit biefem Hofe 
ftand er in beftándiger nächfter Verbindung, für bie Ritter 
und Damen beffelben, nicht, wie Lope, für ein großes und 
gemifchtes Publifum, fehrieb er ben grófiten Theil feiner 
Schauſpiele. Wie nun in biefem ſchimmernden und eleganten 


Kreiſe, trog mander Formen des Meittelalters, die ſich in 


ibm erhalten hatten, eine höchft verfeinerte, beinahe an Ueber⸗ 
cultur ftreifende Bildung berrfchte, fo übertrug fid ein ähne 
licher Farbenton aud auf Calderon's poetifche Gemälde, in 
welchen ein Abbild des glänzenden Cirfeld, zu deſſen (Er: 
gögung fie beftimmt waren, aufgeftellt wurde. Seine Dar: 
fiellungsweife erlangte eine Urbanitát, feinen Pinfelftrichen 
ward eine Delicateffe und Seinhrit eigen, wie man fie bis: 
ber nicht gefannt hatte; aber feine Sprache nahm auch Theil 


— 78 — 


an ber Ziererei jener Phraſen, welche die Cavaliere im Saale 
pon Buen Retiro ihren Damen zuflüfterten; die Figuren, ja 
der Scenengang feiner Stüde mußten ſich nicht felten in bte 
Hofetifette ſchmiegen, und ftatt einer umfasfenden Darftellung 
der Menfchheit in ihrer unendlichen Bielfeitigfeit gab er oft 
nur die Schilderung eines fehr Fleinen Theiles Dderfelben, 
nämlich deffen, unter dem er lebte unb für welchen er fhrieb. 
Dies Alles wird fi im Folgenden, wo aud. die übrigen, 
nach demfelben Ziele hin wirffamen Factoren zur Sprade 
fommen müffen, veutlicher herausftellen; vorwegzunehmen tft 
nur, daß die nadhtheiligen Einflüffe, welche Calderon's Stel- 
lung al8 Hofdichter auf feine Productionen übte, ſich ganz 
befonders in den Dramen bemerfli machen, die er al8 Ge⸗ 
legenheitögebichte auf höheren Befehl fchrich. 

Wir Haben fon den immenfen berechnenden Berftand 
hervorgehoben, den Calderon in der Anlage und Durchfüh⸗ 
rung des Plans feiner Stüde offenbart. In einem großen 
Theile feiner Werfe, und zwar in denen, auf telde fid) 
unfere Bewunderung vorzugsweiſe concentrirt, erfcheint Ddiefer 
Berftand nur al8 Ordner unb Leiter der eigentlich produce 
tiven Thätigfeit; er zügelt und regelt die Flüge ber Phan- 
tafte, ohne dem urſprünglichen Hauche der Poefie oder ber 
Zreiheit und Bemeglichfeit des dramatifchen Lebens Eintrag 
zu thun; in anderen und nicht wenigen Dramen. dagegen 
nehmen wir mit Bedauern die nachtbeiligen Folgen einer all 
zu vorherrfchenden Reflerion und Berechnung wahr, ja mande 
Cigenthümlichfeiten vder, befjer gefagt, minder rühmenswerthe 
Eigenfhaften von Calderon's geſammter Poefte möchten über- 
haupt als ein Ausfluß diefer allzuwirkſamen Berftandesthätig- 
feit erfcheinen. Nicht felten finden wir bei Calderon die Fünfts 
lihe Dispofition des Plans fo weit getrieben, daß Die ganze 


En 


— 79 — 


Handlung des Stücks wie ein Rechenexempel vorliegt, aus dem 
der Dichter das Facit zieht; alle Theile des Ganzen ſind wie 
abgezirkelt und gemahnen uns wie die einzelnen Sätze einer 
Disputation, welche in ſchulgerechter Weiſe verfochten werden, 
um eine beſtimmte Theſis zu rechtfertigen; die verſchiedenen 
Scenen find ſo genau in mathematiſchen Proportionen, in 
Symmetrie und Parallelismus vertheilt, daß man an die zwar 
wohlberechneten, aber ſteifen Figurengruppen auf Decorations⸗ 
malereien erinnert wird; und die Perſonen gehen und kom⸗ 
men in einem gewiſſen Parademarſch, wie auf Commando 
des Autors. Einzelne Spuren dieſer Manier, welche ſehr ges 
gen die freie und ungebundene Natürlichkeit Lope's, Tirſo's 
und Alarcon's abſticht, möchten ſelbſt in den beſten Werken 
Calderon's vorkommen, nur. daß bier die urſprüngliche Dich⸗ 
terfraft fo glänzend vorwaltet, daß fie jenes verftändige Ele⸗ 
ment in den Hintergrund drängt. — Eine ähnliche und aus 
demſelben Grunde abzuleitende Erſcheinung, wie in jener 
überkünſtlichen Compoſitionsweiſe, tritt uns bald mehr, bald 
minder in der dieſem Dichter eigenen Art der fprachlichen 
Darftellung entgegen. In ihr gewahrt man bei genauerer 
Analyfe, neben bem beraufchenden Schwunge einer überfpru= 
delnden - Phantafie, auch eben fo oft die erfältenden Einflüffe 
des reflectirenden Berftandes, welcher fich mit jener in Zwie⸗ 
fpalt befindet. Wir find gewiß weit entfernt, Die wunder⸗ 
baren Schönheiten von Calderon's Diction irgend herabfegen 
zu wollen; in Reichtum und Kühnheit, im unerfchöpflichen 
Borrath genialer Bilder und treffender Bergleichungen, und 
ebenfo in der Culture bes Verſes übertrifft fie ohne Zweifel 
Alles, was bis dahin auf der fpanifchen Bühne gehört wor⸗ 
den war; allein fie verbindet hiermit andere Eigenfchaften, 
welche es und unmöglich machen, in ihr den „reinen und 


. — 80 — 


edelften Styl des Romantifdjen “ zu erfennen, ja welde fos 
gar einen Vergleich zwifchen ihr und der Schreibweife an- 
derer fpanifcher Dramatifer zu ihrem Nachtheil ausfallen lafs 
fen. Sie hat nicht jene Friſche, jened unmittelbar aus der 
Seele Auffprudelnde und zur Seele Dringende, wie bie 
Sprache Lope's und Tirfo’s, oder eine foldhe fchlagartige 
Wirfung bricht fid Doch nur felten durch die vorherrfchende 
Reflerion Bahn, weldye beftändig der Phantafie und bem 
Gefühl zur Seite fteht und deren Ausftrömungen controllirt. 
Aud) bei Lope, wie bei allen bisher betrachteten Dichtern 
bemerften wir freilich Seltfamfeiten und Gefuchtheiten des 
Ausdruds und eine metaphorifche Redeweiſe, welche wir mit 
unferen Begriffen von Schönheit nicht immer vereinigen Tonns 
ten; aber wie weit hierüber hinaus gehen bie ewig wieder: 
tebrenden Eoncettí und Hyperbeln, die Raffinerien und bas 
Antithefenfpiel, der Iururiöfe und gefchraubte Phrafenpomp 
Calderon's, namentlid) in den Werfen feiner Jugend und 
feiner fpäteften Lebensjahre! Den wunderlichſten und dem ger 
läuterten Gefchmade widerftrebendften Charakter erhält viefer 
Marinismus oder, wenn man will, Gongorismus burd) Die 
Geuauigfeit, mit welcher der Berftand des Dichters denfelben 
disponirt und. ihn uns recht abfihtlih in allen feinen Eins 
zelnheiten vor Augen hält. Da wird feves Bild (und das 
Zufammenpaffen der Objefte tft hierbei Nebenfache) fo Tange 
gebegt, als fi nur irgend ein Vergleichungspunft auffinden 
läßt; ja es werden Bilder in Menge berbeigeholt und, wie 
in philofophifchen Abhandlungen, förmlich regiftrirt; es wers 
den Erörterungen von einer Spigfindigleit und Subtilität 
angeftellt, daß fie einem Scholaftifer Ehre machen mwürben. 
Daß bier Unnatur herrſcht, daß bier Vieles zu Tage fommt, 
was dem reinen Style der Poefte zumiderläuft, fann felbft 


— — — — — — — — — — — no 


— 81 — 


bie ausſchweifendſte Bewunderung des Calderon nicht in Abs 
rede ſtellen, und es hilft nichts, daß man uns fagt, biefe 
Ausdrucksweiſe habe zu Calderon's Zeit zum guten Tone ges 
hört und fei in der caftilianifchen Poeſie von jeher einheis 
miſch geweſen; denn erfteng verbeffert das Kingeftänpnift, 
Calderon habe ven Fehlern feiner Zeit gehulbigt, die Sade 
in nichts; zweitens aber iſt es unmahr, daß diefe Fehler je 
alfgemein in Spanien geherrſcht hätten; Lope und bie Dramas 
tifer feiner Zeit. waren viel freier davon geweſen ?°), ja hats 
ten gegen ben Gongorismus recht foftematifh Oppofition ges 
macht; Calderon Dagegen treibt diefe verwerfliche Redeweiſe 
auf die Spitze; er vereinigt die metaphyſiſchen Schnörfel und 
berzlofen Grübeleien, welche in ben Liedern ber alten Gans 
cioneros bas wahre Gefühl faum auffommen Taffen, mit ben 
raffinirten Gedanken, bem Bilderwuft und der Antithefenfucht 
der Mariniften, amb fügt noch den hochtönenden Bombaf 


22) In ber 1633 gebrudten Nueva idea de la Tragedia von 
Gonzalez de Salas findet fich folgende bemerfenswerthe Stelle: »Die 
Spanier befigen einen erhabenen und die größten Unternehmungen nicht 
fheuenden Geiſt; fie find glücklich in der Erfindung, blühend im Styl 
amd haben einen natitrlidjen Hang, bie Sprache mit reichem Schmuck zu 
verfehen und durch Amplificationen auszudehnen; aber ein úbles Geſtirn 
hat in den lebten Jahren des gegenwärtigen Zeitalters ihre guten Ei⸗ 
genfchaften zu verbunfeln und zu verderben angefangen, fu daß viele der 
Erzeugniffe ihres Geiftes Fehlgeburten find und es nöthig wird, zum 
Verſtaͤndniß derfelben die Orakel zu befragen, als wären es fibyllinifche 
Bücher. Diefer böfe Einfluß beginnt unfere Lyrifer fo zu entftellen, bag 
man bald nichts mehr von ihrer früheren Schönheit und Eleganz erken⸗ 
nen wird, Die Enmödiendichter find bis auf den heutigen 
Zag vor dieſer peftilenzialifchen Influenz mehr bewahrt 
geblieben; möchte ein gúnftiges Schickſal fie vor ber Anfiectung be- 
wahren, ba fle die Comoödie zu einer Höhe empurgehuben haben, an 
weiche Die der Alten in Feiner Weife hinanreicht!⸗ 


Geſch. d. Lit. in Spanien. HI. Br. 6 


— 82 — 


und die NAffeftirtheit des Estilo culto hinzu. Mit allen Zu 
geftändniffen, bie wir ber poetifhen Dietion im Allgemeinen 
machen, mit Allem, was wir einer allgemeinen Neigung der 
ſpaniſchen Sprache und Poeſie nachfehen wollen, können wir 
diefen Styl unmöglich gut heißen oder und an ihm erfreuen. 
Aber diefe Manier Calderon's erftredt fi über das unmit- 
telbar Sprachliche hinaus und giebt fih in einer Stellung 
der Rebetheile, einer Periodenverbindung und einer Beife 
des Dialogs Fund, welche aller, felbft der poetifchen Natür- 
lichfeit widerfirebt und bis dahin auf der fpanifhen Bühne 
unerhört gerefen war. Wir haben bier etwas Opern= oder 
vielmehr Ballethaftes, was uns jeden Augenblid erinnert, 
daß wir fein poetifches Abbild ber Natur, fondern eine ab: 
fihtlihe und auf unfern Applaus angelegte Schauftellung vor 
uns fehen; unter ſolchen Berhältniffen ift an jene freie Bes 
wegung und Ungebundenheit, welche in jedem poetiſchen Werfe 
die Intention bes Dichters verbergen muß, nicht zu denfen, 
und man glaubt jeden Augenblid ben Autor zu hören, wie 
er feinen Figuren die zu fagenden Worte ald Souffleur ein- 
flüftert. > 

Es that Noth, das Fehlerhafte in Ealderon’s Styl fcharf 
hervorzuheben, weil die Frembartigfcit und bie vielen blen⸗ 
denden Eigenfchaften dieſes Style Manchen verleiten fónnten, 
die Gebrechen für Schönheiten zu halten. Um inbeffen ben 
unbedingten Bemwunderern diefer Darftellungsweife nicht allzu 
heftigen Anftoß zu geben, räumen wir fogleih ein, daf 
eine beträchtliche Anzahl von Calderon's Stüden (auf die wir 
bald fommen werden) ungleich weniger mit dieſen Eigenfchafe 
ten behaftet, wenn auch nicht ganz von benfelben frei fei, und 
dann, daß der Genius des Dichters felbft unter jenen Fehlern 
oft auf's herrlichfte hervorbreche und fic) in der Pracht wun- 


- e. — — — — 


derbar großer und tiefſinniger Bilder offenbare. In der That 
ſcheint Calderon — wie ein geiſtvoller Kenner der Literatur*o) 
bemerkt hat „bald mit ber füßen Schwaͤrmerei eines behags 
Ih träumenden, bald mit dem erbabenen Ernfte eines tief 
finnenden Mannes oder Greifes biefe glühende Pradt bes 
Lag: und Nachthimmels, wo die Sterne unverwelflide Blu: 
men find, biefe von Farbe brennenden, von Duft beraufchen- 
den Blüthen, bie vergänglichen Sterne der Erde, die in Purpur 
getauchten Buchten, diefe furchtbarsfchönen Stürme zu belächeln 
oder alg Offenbarungen des Höchften zu belaufchen;« und fo 
bieten denn felbft die Auswüchſe feiner überladenen Bilder: 
fprache, zwifchen vielem leerem Wortpomp, eine Fülle hoch⸗ 
poetifcher Anfchauungen dar. Unfere Bewunderung für viefe 
ift ſchon oben dargelegt worden, und es tft daher nicht nöthig, 
fie hier nod) weiter zu documentiren; faffen wir aber die 
Etyl-Mängel und Schönheiten des Dichters zufammen, fo 
dürfen wir Calderon nad) einem von ihm felbft häufig ge: 
brauchten Bilde mit einem Vulfan vergleichen, der neben 
glänzenden Slammenfánlen aud) dicte und qualmende Rauch 
twolfen ausftößt. 

Sn Bezug auf Compofition fowohl ald Sprache Taffen 
fi) Calberon's Werfe nad) den verſchiedenen Lebensaltern des 
Dichters, welche ihnen ihre Entftehung gaben, in drei vers 
ſchiedene Elaffen theilen, die freilich nicht ganz genau, fondern 
nur durch allgemeine Umriffe von einander abgegránzt werden 
fónnen und zu beren Auffindung uns bie, in dem Anhange 
dieſes Artifel8 angegebenen chronologiſchen Daten behülflich 
fein müffen. Sn die erfte Elaffe fallen die früheren Werte 
des Dichters von feinen erften Sugenbproductionen an bis 


20) Friedrih Zimmermann. 
gr 


— 8 — 


zur Erreichung des reifen Mannesalterd, oder, wenn wir was 
gen Dürfen, genauer zu fein, des mezzo del cammin di nostra 
vita (3öften Jahres). Bas die Sprade anlangt, fo leiten 
bie hierher gehörenden Stücke ganz befonder8 an Ueberfluß 


von Metaphern und lecren Wortſchmuck, an gefuchten und > 


buperbelreihen Bergleihungen, an Antithefenfpielen und ¿us 
gefpigten Gedanfen, an falfcher Emphafe und gongoriftifchen 
Wendungen, furz an den Unnatürlichfeiten des Estilo culto. 
Mir haben unter diefer Rubrif alle Stüde des erften und 
zweiten Theiles zu nennen, und nod) einige andere Taffen ſich 
wegen ihrer inneren Berwandtfchaft mit Sicherheit hierher 
rechnen; als Beifpiele, welche die bezeichneten Eigenheiten bes 
fonders deutlich befunden, türfen Lances de amor y fortuna, 
Casa con dos puertas, La puente de Mantible bezeichnet 
werden. Hier ſchwelgt der Dichter recht in Bilverfeligfeit und 
fehüttet hei jeder Gelegenheit Morgen und Abendröthen, Pers 
len und Diamanten, Blige und Sonnenftrahlen wie aus einem 
übervollen Füllhorn; bald ift der Barten ein Meer von Blüs 
then, bald das Meer ein Garten von Schäumen; die fturms 
o bewegte See gleicht „einem Nímrod der Winde, der Berge 
auf Berge und Städte auf Städte thürmt,“ und ein gezüdtes 
Schwert wird ein irrender Komet genannt, der die Sphären 
der Luft Durdbrauft. Sede Anrede eines Liebenden an feine 
Dame ift vol von Blumen und Sternen; die Sonne würde 
buntel fein, wenn fte nicht das Licht aus ihren Augen borgte; 
ihre Wangen werden immer mit Auroren verglichen, thre 
Haare find immer Gofonege, in denen fic) Die Herzen fangen. 
Der Conception unfers Dichters fcheint fon früh jene ganze 
Gluth und Fülle eigen gewefen zu fein, die wir überhaupt 
an ihm bewundern; wenigftens gchören einige von ben frühe- 
ren Werfen in dieſer Hinficht zu feinen großartigften, wie 


— UH — 


namentlid) El principe constante und La vida es sueño; 
auch in der Feinheit und Kunft der Intrígue hat er in feinem 
feiner fpäteren Werfe eine höhere Stufe erreicht, alg in Peor 
estä que estaba, Casa con dos puertas und La dama 
duende. Dagegen in ber Zeichnung der Charaftere oder we⸗ 
nigfteng in der Kunft, neben den Hauptfiguren auch die Nebens 
perfonen felbfiftändig und mit individuellen Leben hinzu 
ftellen, und in bem Gleichmaß aller Theile ber Compofition 
follte er fpáter nod zu größerer Meifterfchaft gelangen. — 
Der zweiten Claſſe gehören die Werfe von Calderon's reiferen 
Munnesjahren (nad) einer ungefábren Zeitbeftimmung von 


1635—1660) an. Hier hat er die auffallendſten Fehler und 


Mebertreibungen des Cultus⸗Styls abgelegt; er fpricht in ber 
Comõdie Cual es mayor perfeccion durd die Worte: 

De essos hyperboles, llenos 

De crepusculos y albores 

El mundo cansado está : 

No los descaremos ya 

Siquiera por hoy, señores? 
felbft feine Mifbilligung ber Rebeweife aus, mit ber er fo 
vielen Mißbrauch getrieben Hatte; und wenn fih aud nicht 
fügen läßt, daß er fid) durchgehende von ber ihm einmal zur 
Natur gewordenen Art des Ausdrucks freigehalten habe, fo 
verſchwendet er doch bier feinen blumenreichen Phraſenſchmuck 
nicht, wie anderer Orten, fondern weiß ihn für bie geeigneten 
Momente aufzufparen. Bemerfenswerth ift noch, daß Calderon 
einige diefer Stüde mit Rollen ausgeftattet hat, in denen, 
wie es fcheint, der gefünftelte Styl der Bongoriften fürmlid) 
perfifflirt wird. Rollen diefer Art find 3. B. die Beatriz 
und der Moscatel in No hay burlas con el amor. Sn ben 
Dramen dieſer zweiten Klaffe bat neben der Sprade aud 


— 86 — 


die Kraft des Dichters im Schaffen und Oruppiren der Ehas 
raftere, fo wie feine Kunſt der Compofition ihren Culminations⸗ 
punft erreicht. Für hervorſtehende Beifpiele der hierher gehö- 
renden Werke Tünnen El magico prodigioso, El postrer 
duelo de España und El secreto a voces gelten. — In 
den Schaufpielen, welche der Dichter im höheren Alter pers 
vorgebracht hat und die wir unter ber dritten Klafje begreifen, 
fehren dann die Fehler feiner Jugend wieder und nod dazu 
ohne jene Frifche und Gentalitát, welche uns in den früheren 
Werfen über diefelben pinwegbliden laffen. Man findet hier 
außer dem gehäuften Blüthenfchmud und dem überfluthenden 
Wortſchwall noch eine befonders fteife und geſpreizte Sas 
bildung mit Parenthefen, die wiederum Parenthefen einſchlie⸗ 
fen, mit Tangathmigen Perioden und wunderlicher Stellung 
der Theile des Dialogs. Ueberhaupt zeigt biefe Elaffe von 
Dramen eine gewiffe Kälte und Mattigfeit in Vergleich mit 
dem jugendlichen Feuer ver erften, mit der gebiegenen Kraft 
der zweiten; vornämlich gehören dahin viele mythologiſche 
Feftfpiele und andere Pomp» und Gelegenheitsftüde, wié 3. D. 
Duelos de Amor y Lealtad, El Conde Lucanor u.a. ın. 
2 An Bezug auf den Vers haben wir als ein allgemeines Unter⸗ 
ſcheidungszeichen Calderon's von feinen Vorgängern anzuführen, 
daß er die Buntheit und Vielfältigfeit der Metren und Reims 
formen vereinfacht hat. Der reimlofe Sambe fommt bei ihm 
nie vor, und eben fo wenig der Verso de arte mayor, deffen 
Gebraud freilich von jeher fehr eingefchränft geweien war; 
auch ttalienifche Canzonenformen trifft man bei ihm nicht mehr 
an und Liras und Endechas nur fehr felten. Dagegen hat er 
der Romanze eine ungleich größere Ausdehnung gegeben, als 
fie bisher gehabt hatte, und ihr ſowohl im Dialog als für 
bie Erzählung eine vorherrfchende Geltung eingeräumt, fo daß 


— 


— 8397 — 


die übrigen Versbildungen mit dem Reim für die prágnantes 
ren Momente ber Handlung aufgefpart blieben. In Rüdficht 
anf diefe Metren und auf die Veranlaffungen, bei denen fie 
befonder8 gebraucht werden, müflen wir auf das Band II. 
Seite 84 und 86 Gefagte zurüdwelfen ; doch iſt das Syftem 
unferes Dichters, infofern es von dem früher herrfchenten abs 
weicht, noch näher zu betrachten. Als eine charafteriftifche, den 
Calderon vor allen älteren Dramatifern feines Landes auss 
zeichnende Eigenthümlichfeit haben wir zunächſt feine Vorliebe 
für lange Erzählungen in Romanzenform anzuführen; ein 
ſolcher Ianger Bericht fommt in der Mehrzahl feiner Stüde 
gleih in ben erften Scenen vor, und hiermit hängt zufammen, 
daß er die Erxpofition nicht, wie Lope und die Früheren zu 
thun pflegen, in Handlung fegt, fondern fie meifteng in Form 
einer Erzählung gibt. Wenn ber Dichter diefe ſogleich im Bes 
ginn eintreten ließe, fo würde man ihm ohne Zweifel Mangel 
an Kunſtgefühl vorwerfen fünnen, infofern die Aufınerffamfeit 
der Zufchauer mit Recht nicht eher für einen foldhen Bericht in 
Anfpruch genommen werden darf, als bis die Theilnahme an der 
vorgehenden Action in einigem Muafie erregt worden fft; aber 
Ealderon hat biefen Febler, deffen man ihn befchuldigt, in ber 
That fehr funftreid) vermieden. Er beginnt immer mit einer 
Situation, welche das Intereffe feffelt, die Erwartung erregt 
und in Spannung erhält; erft dann folgt die Erzählung, welche 
über bie vorausgegangenen Umſtände Aufflärung bringt und 
die Mißbegier der Zufchauer inſoweit befriedigt, daß fie ben 
Schlüffel für das Verſtändniß des Folgenden erhalten. Iſt 
nun auf diefe Weife Einiges erflärt, fo bleibt doch noch Vieles 
unflar, ja ed werden in ber Erzählung felbft wieder neue 
Fäden angefnüpft und der Erwartung neue Motive unter: 
geſchoben. Unläugbar erlangte Calderon burd) eine derartige 


— 88 — 


Expoſition einen bedeutenden Vorzug vor Lope de Vega; denn 
es wurde durch diefe Figur. die finntiche Lebendigkeit und Ener; 
gie, welche die Anfänge von Lope's Stüden auszeichnet, mit 
ungleich größerer Klarheit und Einfachheit verbunden. 

Die Erzählungen in Romanzenform haben bei Calderon 
eine weit beveutendere Länge, ald bei den früheren Dichtern 22), 
bei denen fie ſich jüberhaupt viel feltener und vorzugsweife 
nur bei ſolchen Gelegenheiten finden, too die gefchilderte Bes 
gebenheit mit den in den alten Volf8romanzen bargeftellten 
Verwandtſchaft hat. Calderon's Wortreichthum und ſich ber: 
nahe nicht erſchöpfende Eloquenz in dieſen Reden hat für uns 
etwas Befremdendes, und es läßt ſich nicht läugnen, daß hier 
manche Weitſchweifigkeit wegzuwünſchen wäre; indeſſen möge 
man ſich an das erinnern, was wir ſchon gelegentlich über 
die Art, wie dieſe Erzählungen von den ſpaniſchen Schau⸗ 
ſpielern recitirt werden, geſagt haben. Vergegenwärtigt man 
ſich einen ſolchen rapiden und doch zugleich klaren Vortrag, 
fo wird man nicht ‚är unmöglich halten, daß Mauches, was 
bei'm Leſen müſſig ſheint, bei der Darſtellung wahre red⸗ 
neriſche Schönheit gewinnen könne. ES iſt nun beachtens⸗ 
werth, wie das Drama in ſeiner ausgebildetſten Kunſtform 
bei Calderon der Romanze, als der Wurzel aller ſpaniſchen 
Dichtung, größeren und ſelbſtändigeren Raum verſtattet, als 
dies in ſeinen früheren Stadien der Fall geweſen war. Es 
iſt, als wollte das ſpaniſche Schauſpiel auf ſeiner höchſten 
Höhe noch einmal den Tribut der Dankbarkeit an die Volks⸗ 
poeſie, aus der es hervorgegangen, entrichten und den Zu⸗ 


22) Als Ausnahmen, wo ſchon früher Aehnliches vorkam, können 
einige Stücke des Tirſo de Molina, z. B. Escarmientos para el Cuerdo, 
und einige Der ſpaͤteſten des Lope de Vega, z. B. Las Bizarrias de 
Belisa, angeführt werben. 


—— 


— — — —— — - 


— so — 


ſammenhang mit ihr recht deutlich zur Schau tragen. Um 
das hierin ſtark hervortretende epiſche Element, welches dem 
eigentlich dramatiſchen Tone allerdings hier und da Eintrag 
thut, richtig zu würdigen, darf man nun auch nicht verſäu⸗ 
men, ſich auf den Standpunkt der ſpaniſchen Zuhörer zu ver⸗ 
ſetzen; dieſe hingen mit Leidenſchaft an ihrer nationalen Poeſie, 
und es war ihnen eine Freude, die geliebten Klänge des 
Volksliedes auch im Drama erſchallen zu hören, und wir 
Tönnen, auch ohne daß ein beſtimmtes Zeugniß darüber vors 
lige, ficher annehmen, daß die in den Scmufpielen vor: 
Iommenden Romanzen immer befonders günftig aufgenommen 
worden feien. 

Mud für den Dialog, wo er nur die Handlung fort 
führen fol, braucht Calderon die Romanzenforın häufiger, 
als feine Vorgänger. Neben diefer bringt er am meiften Res 
bondillen, Suintillen, Decimen, Detaven, Silvas und das 
Gonett zur Anwendung. Terzinen fommen bei ihm, fo viel 
ung befannt, nur ein einziges Mal vod, nämlich im Anfang 
des „ſtandhaften Prinzen.” We3 der-Mebraud aller biefer 
Maafe betrifft, fo fann man im’ ugemeinen fagen, daß 
wenn bie Romanze für die fehlicht erzählenden und nur bie 
Action fördernden Partien beftimmt tft, jene anderen Vergés 
arten für bie mehr emphatifchen Stellen aufbehalten find; 
und zwar treten im Iyrifchen und höher geſchmückten Dialog 
gewöhnlich die Herfchiedenen Arten gereimter Trochäen, bei 
leivenichaftlichen und mächtig bewegten Neben oder Wechfel- 
reden die Silvas, in pomphaften Schilderungen und Mo: 
nologen die Octaven, endlich bei antithefenreichen und fcharfs 
fimigen Vergleichungen oder aud bei concertirenden Doppel- 
reden die Gonette ein. Nur ald Ausnahmen und febr felten 
vorfommend haben wir noch folgende von Calderon gebrauchte 


— 90 — 


Formen anzuführen: Decimen, in denen der fünfte und fic 
bente oder achte Vers ein gebrochener tft, d. 5. nur zwei 
Füße hat (4.3. El mayor monstruo los zelos, Jorn. 11.); 
ferner ſechszeilige jambiſche Reimftrophen, der Lira verwandt, 
aber fi} darin von ihr unterfcheidend, daß bie fünf erften 
Zeilen fänmtlich dreifüßig find und dann ein fünffüfiger Vers 
die Strophe fhließt (3. D. Nadie fie su seereto, Jorn. ME); 
enblih bie Anafreontifhen Verfe mit Afonanzen (3 DB. in 
der Gran Zenobia, Jorn. 11.). Ä 

Wenn bei Calderon dadurch, daf er der Romanze eine 
überwiegende Geltung einräumte und mande früher übliche 
Bersbildungen aus dem Drama verbannte, eine minder große 
metrifhe Mannichfaltigfeit herrfcht, alé bei ben älteren Dich- 
tern, fo bat er auf der anderen Seite höchſt Fünftliche und 
und vor ihm nicht übliche Saßverbindungen und Worteoms 
binationen angewandt, auf bie wir, weil fie ganz beſonders 
zu ben Cigenthümlichfeiten dieſes Dichters gehören, nod) 
etwas näher eingehen müffen. Hierher gehört erftens eine 
wunderliche und überfünftlichde Vertheilung ber Rede auf die 
verſchiedenen Spredhenden, wonach fid die Süße der Re: 
denden beftändig unterbrechen und nad) ber Unterbrehung 
wieder fortfegen , oder tn einem Unifono ¿ufammenftimmen 3?) 


32) Su haben wir 3. B. folgendes Duett: 

Adolfo. De parte de la nobleza 

Yo.... 

Celio, Y yo de parte del pueblo .... 

Adolfo. Vengo á saber de los dos . . 

Celio. Saber de los dos pretendo ..... 

Los dos. En qué os habeis convenido. 

(Muger llora y vencerás, Jorn. II.) 
Im Folgenden ift bie Rebe in ähnlicher Manier gar auf vier Pers 
fonen vertheilt: 


Ben 2 _ lada mn u 





— 1 — 


In ähnlicher Weiſe werden hier und da zwei Monologe mit 
einander verflochten, indem jede der redenden Perſonen ein 
Selbſtgeſpräch hält und die Reden Beider doch mit eingnder 
concertiren; die Künftlichfeit erreicht den höchften Grad, wenn, 
wie dies bisweilen vorfommt, die beiden Monologe in ihrer 
Verbindung eine Gloffe bilden, in welcher das Thema unter 
die beiden Sprechenden vertheilt ift und nachher auch die Um⸗ 
fpreibung des Tertes mit den wieder eingeflochtenen Worten 


Rey. Hombre, aborto de la espuma, 

Que esa maritima bestia 

Sorbi6 sin duda en el mar 

Para escupirte en la tierra ,,.. 
Licanor. Parto de aquesas montañas, 

Que, equivocando las señas, 

Para ser fiera eres hombre , 

Para ser hombre eres fiera .... 
Ceusis. Racional nube, que el viento 

Para rayo suyo engendra, 

Pues el trueno de tu voz 

Espeluza y amedentra .. 
Irene. Prodigio, ilusion y asombro, 

Que ha bosquejado la idea 

De algun informe concepto 

De soñadas apariencias .... 
Rey. Qué mal ententido rumbo .... 
Licanor. Qué derrotada tormenta .... 
Ceusis. Qué deshecho terremoto ...., 
Irene. Qué fantastica quimera . . 


Rey. A estos puertos ... 

Licanor. A estos montes .... 
Ceusis. Te trae? 

Irene. - Te arroja? 

Rey. Te echa ? 


(Cadenas del Demonio, Jornada 1.) 


— 9 — 


der Letra in ſymmetriſcher Weiſe wechſelnd von dem Einen 
und bem Anderen recitirt werden ). Bei dieſer Gelegenheit 
iſt weiter der eigenthümlichen Art zu gedenken, wie Calderon 
häufig die Muſik anwendet, ſo nämlich, daß ein hinter der 
Scene erſchallender Geſang den Sprechenden antwortet, oder 
ihre Rede fortſetzt, indem er ihre noch nicht ausgeſprochenen 
geheimen Gedanken zu Tage bringt °*). Findet ſich nun ſchon 


53) Diefe Art der Rede ift zu feltfam und ungewöhnlich, als bag 
wir fle nicht durch ein Beifpiel deutlich machen follten. Wir wählen ein 
folches aus der dritten Sornaba von Amar despues de la muerte, 
Don Alvaro und Clara reden, wohlgemerkt, jeder für fio: 

Clara. No es menester, que digais 
Cuyas sois, mis alegrias, 
Alvaro, Que bien se vé que sois mias ' 
En lo poco que durais, 
Clara. Alegrias mal logradas, _ 
Antes muertas que nacidas, 
Alvaro. Rosas sin tiempo cogidas , 
Flores sin sazon cortadas, 
Clara. Si rendidas, si postradas 
A un ligero soplo estais, 
Alvaro. No digais que el bien gozais, 
Clara. Pues siendo para perder, 
Que sintais es menester, 
Alvaro. No es menester, que digais, 
So fpinnt fich Diefer Doppelmonolog noch durch drei weitere ¡Decimen 
fort, indem am Ende einer jeden ein Ders der Letra wörtlich wieberfehrt. 
Wohl zu beachten ift dabei, daß der Dichter Hier nach bem Zufammen- 
hange des Stüds nicht etwa eine verabredete Declamation, fondern einen 
freien Erguß ber Seele fchildern will. 


12) 3. Y. in Muger llora y vencerás, Jorn, IL: 
Madama. Quién se atreverá á decir 
En lo que llega á oir y ver, 
Si tengo que agradecer, 


o es — — 


in den bisher -angeführten Beifpielen von tibertrieben künſt⸗ 
licher Diction etwas Conventionelles und Opernartiges, was 
ber freien Bewegung ber Poeſie Eintrag thut, fo fteigert 
ſich dieſe Wahrnehmung noch in manden declamatorifchen 
Stellen, die ganz wie rhetorifche Kunſtſtücke angelegt find; 
die Manier, welche wir bier meinen, gibt fid tn vielfach 
verfchtedenen Nüancen fund; beifpielsweife fet ein Paſſus aus 
Amor, honor y poder angeführt, wo eine lange Romanze 
reeitirt wird, in welcher immer bie vierte Zeile einen burdy 
die Häufung von vier Subftantiven gebildeten Klimar ents 
halt; gegen ben Schluß fteigert fid) dann biefer Klimar, fo 
daf nicht bloß ber vierte, fondern faft alle Verfe aus folchen 
gehäuften Worten beftepen °°). 


O si tengo que sentir? 

Porque si tengo que inferir 

Quien es dueño de un temor... 
Musica(dentro). Es el engaño traidor. 


Madama. Y quien de un ansia mortal .... 
Musica. | El desengaño leal. 
Madama. Quien con tal eco sonora 


Ha aumentado mi dolor? 

Cuando entre uno y otro horror 

Son para mi en pena igual ..... 
Musica. El uno dolor sin mal, 

Y el otro mal sin dolor, 

Es el engaño traidor 

Y el desengaño leal. 


35) Eduardo generoso, 
Tercero de Inglaterra, 
De los tres brillantes rosas 
Lua, norte, amparo, defensa : 
Tú que en alas de la fama 
Siempre celebrado buelas, 


— MM — 


Bei einem Rüdblide auf die Versbildung in’ Calderon'8 
Dramen fünnen wir nicht umbin, hier einmal, trog ber ein: 
zelnen Feblerbaftigfeiten, bie nicht wegzuläugnen waren, auf 
die unermefilichen Vorzüge aufmerffam zu madjen, telde bie 
metrifche Technik der Spanier ſchon im Allgemeinen, nament- 
lid) aber in ber Ausbildung, in der fte fih bei unferm Dich⸗ 
ter findet, vor ber auf unjeren Bühnen heimiſchen Diction 
behauptet. Auch weſſen Stun nod fo wenig mufifalifch ges 
fiimmt ift, bem muß doch bei ben zuuberifchen Klängen der 
fúdlicpen Dramatifer flar werden, daß fo ziemlich alle deut⸗ 
fhen Schaufpiele, felbft unferer gepriefenften Dichter, im 


Der Schluß if: 


Ocupando en tus memorias 

Voz, aplauso, trompa y lengua: 
Yo soy Estela infelize 

Y de Salveric Condesa, 

Por heredar de mi casa 
Nombre, honor, lustre y nobleza. 
En Salveric retirada 

Vivi, donde la aspereza 

En la soledad me dieron 
Prados, montes, valles, selvas. 


Porque en poblado los hombres, 
Porque en el monte las fieras , 
Porque en el aire las aves, 
Cielo, Sol, Luna y Estrellas, 
Aves, peces, brutos, plantas, 
Astros, signos y planetas 
Digan, vean y publiquen, 
Oigan, miren, noten, sepan, 
Que ay honor contra el poder, 
Que ay industria contra fuerza, 
Y que ay en mugeres nobles 
Vida, honor, lauro y defensa. 





— 9% — 

Vergleich mit der hochgebilveten Runft Gener, in diefer Be: 
ziehung nur Schülerwerfe find. Welcher Abftand zwiſchen dem 
anmuthigen Wechſel ſchönklingender Maaße bei Jenen und 
der Einförmigkeit Dieſer! zwiſchen der leichten Lebendigkeit 
dort und der plumpen Schwerfälligkeit hier! zwiſchen den 
verſchiedenartigen und doch harmoniſch verbundenen Rhythmen 
"mit ihrem nie verſiegenden Farbenreichthum des Ausdrucks, 
ihren bedeutungsvollen echogleihen Ans und Cinflängen, 
ihrem bald verweilenden, bald fliehenden Splbentanz, und 
auf der anderen Seite jener unleivlihen Monotonie, jenem 
ungehobelten,, aller feineren Bildung baaren Sprachwuſt, der 
auf unfern Theatern das Gehör martert! Befonvers nun 
mag nod hervorgehoben werben, welche außerorbentlichen 
Bortheile Diefe reiche Pracht der Sprache dem ſpaniſchen 
Schauſpiel da darbot, wo eS Stoffe aus dem gewöhnlichen 
Leben behandelte; denn bier gab die poetifche Diction ſchon 
allein dem Drama einen Aufſchwung, der es über das Oe: 
meine und Alltägliche hinausrig und die Dichter nöthigte, 
das wirkliche Leben nicht in den harten und trodnen Umriffen 
feiner unmittelbaren Erſcheinung, fondern in einem tdealeren 
Lichte darzuftellen, nicht auf dem Befangenen und Beſchränk⸗ 
ten, fondern auf ben höheren Lebensregungen der Menfchen 
zu verweilen, Nach unferer Einficht tft poetifhe Form bem 
Luſtſpiel burdaus weſentlich, und es erfcheint und als eine 
der größten Verirrungen der fpäteren Zeit, daß fie auf dies 
fem Gebiete faft allgemein dem Verfe entfagt hat; denn indem 
fie diefen aufgab,-öffnete fie der Trivialität und bem Pros 
faismus Thür und Thor. 

Kehren wir auf Calderon's überwiegenden Hang zur 
Reflerion, der uns den Schlüffel zu verfihiedenen Eigenheiten 
feiner Dichtweife Tieh, zurüd, fo finden wir, daß eben biefe 


TATTOO —ñ7 


— 98 — 


Neigung noch andere charakteriſtiſche Züge in ſeine dramati⸗ 
ſche Kunſt eingeführt hat. Sein Verſtand bildete ſich ein förm⸗ 
liches Syſtem von” allgemeinen Begriffen, bas er ſeinen 
Stücken unterſchob, indem er mit grübelndem Scharfſinne 
die vielfältigen Colliſionen zwiſchen denſelben berechnete und 
die Verwickelung und Löſung ihres Conflicts zur Grundlage 
ſeiner Dramen machte. Die hauptſächlichſten dieſer Begriffe 
waren Glaube, Liebe, Ehre und Loyalität. Wie eS Sinnes- 
art und Leben der ſpaniſchen Nation, welche ſo ſehr von 
dieſen Mächten beherrſcht wurden, mit ſich brachten, hatten 
dieſelben Potenzen freilich auch ſchon in den Werken der 
früheren Dichter eine beträchtliche Rolle geſpielt; allein kei⸗ 
neswegs waren ſie ſo in den Vordergrund getreten, noch 
hatten fie einen fo bedeutenden Einfluß auf die Action ers 
langt. Aus ber großen Geltung, welche Begriffe bei Cals 
deron behaupten, entfpringen nun zwei, in vielen feiner 
Dramen bervortretende Cigenthümlichfeiten. Erftens werden, 
wie fon gefagt, bie angeführten geiftigen Mächte, an weldye 
fih in verfchiedenen Stufenfolgen und in minder durchgrei⸗ 
fender Bedeutung nod) andere fehließen, oft fo entichieden 
und in fo fcharfen Umriffen den Charakteren zu Grunde ges 
Tegt, daß die Indivibualitát daneben verſchwindet. Eine ſolche 
Abfiraction, Fraft welcher die Perfonen ohne felbftánbige Züge 
bloß alg Repráfentanten allgemeiner Seelenfräfte auftreten, 
muß natürlich der Wahrheit und Lebendigfeit Eintrag thun, 
in welcher bie Figuren erfcheinen müßten, um bie dee des 
Drama’s vollfommen zu verfinnlichen. 

CEalderon'8 Geift hatte fih — um ben zweiten, nod 
wichtigeren hierher gehörenden Punkt hervorzuheben — fo 
fehr an jene allgemeinen Begriffe gebannt, daß er fi mit 
nie ermübender Vorliebe in den Rreifen bewegte, wo feine 


— YN — | 
eigenthümliche Weltanficht ihre volle Geltung batte, ober, 
wenn er fih auf ein anderes Gebiet begab, Dies ſogleich 
mit ben Adern feiner befonberen Anſchauungsweiſe durchzog. 
- Hieraus entipringt denn eine Eintönigkeit, eine gewiffe Wies 
derholung ber nämlichen Motive in feinen Dramen, welche 
gegen die unendliche Manntgfalttgkeit der Lope'ſchen fehr abs 
ftibt. — Zu einem eigentlich gefchichtlihen Schaufpiel, wie 
mir es bei Lope de Vega, vielleicht noch nicht in ber hödhs 
ften Ausbildung, aber in vielverfprechennfter Anlage erblid- 
ten, konnte unfer Dichter unter biefen Umfländen wenig 
Neigung haben, da er fi ungern aus dem Geiftesleben feiner 
Zeit herausreißen und in die Zuflände vergangener Sabrhuns 
berte vertiefen mochte. So finden fid) denn unter feinen Dra» 
men faum andere wahrhaft hiſtoriſche Eompofitionen, al8 
foihe, deren Action, wie bie von El sitio de Breda, in 
feine eigene Lebenszeit fällt. Von den Stüden, deren Stoff 
der alten Geſchichte entnommen tft, fann bier gar nicht bie 
Rede fein; diefe Begebenheiten in biftorifhem Sinne aufzus 
faffen, hatte noch Fein Spanier fid) beftrebt, Calderon aber 
ging in der willführlichen Behandlungsweiſe berfelben noch 
weit über die früheren Dichter hinaus; eben fo wenig fann 
bier auf die aus ber. Helligengeichichte und aus ben Trabís 
tionen der dhriftlichen Kirche geichöpften Stoffe Bezug ges 
nommen werben, denn biefe find immer durchaus Tegenden- 
artig aufgefaßt und hierin trifft unfer Dichter mit feinen Vor⸗ 
gängern zufammen: aber auch Gemälde aus ber fpanifdjen 
Vergangenheit in hiftorifcher Wahrheit binzuftellen, hat Cal⸗ 
deron faum ben Verſuch gemadyt. Wenn er aud die Hand- 
hmg feiner nationalen Schaufpiele in ältere Zeiten verlegt, 
fo ftetlt er doch Feine treuen Bilder des Geiſtes und Sein’s 
der frúberen Epochen auf; er trägt die Vor ſellungeweiſen 

Geſch. d. Lit. in Spanten. III. Br. 


— 98 — 


und Anfichten feiner Tage in bie Bergangenpeit hinein; wir 
erhalten zwar im Allgemeinen ein lebendiges Gemälde fpa- 
nifcher Sitte und Sinnesart, aber im Grunde find es doch 
immer Sitten und Dentweife bes fiebzehnten Jahrhunderts 
nicht die der Periode, in welcher die Handlung vorgeht; aud 
fallen die von ihm bargeftellten Thaten und Ereígniffe felten 
mit großen welthiftorifchen Momenten zufammen, es find 
eigentlich immer nur Privatbegebenbeíten, die weder weſent⸗ 
lid mit der Gefchichte der Zeit zufammenhängen, noch in 
denen der Geift der Vergangenheit ſich deutlich abfpiegelt; die 
biftorifchen Figuren treten nur beiläufig auf und find nicht 
weſentlich bei der Action betheiligt, während Lope die Kö⸗ 
nige Spaniens, von Pelayo herab bis auf Philipp IL. in 
den Akten ihrer Regierung malt und mit Abſichtlichkeit Ge⸗ 
málbe der vergangenen Jahrhunderte in ihren hervorftechendften 
Ereigniffen und figuren aufftellt. Hier müffen wir alfo bes 
dauern , dag Calderon auf einem reichen Ertrag verheißenden 
Gaatfelde, das er fon wohlbeftellt vorfand, feine weitere 
Ernte gehalten habe. 

Nachdem wir oben Galderon’d Talent zum Zeichnen 
mannichfaltiger Charaktere, zu einer umfaffenden Welt- und 
Lebensdarftellung gepriefen, müffen wir nun endlich bod) 
beflagen, daß er durch bie bezeichnete Richtung feines" Geiftes 
beftimmt worden tft, von dieſem Talent allzu felten Gebraudy 


zu maden und fid oft willfürlih auf ein eng begrángtes. 


Feld einzufhränfen. Daß ihm wirklich jene gerühmte Gabe 
in eminentem Grabe verliehen war, fann für den, ber 3. 2. 
den Alcalde de Zalamea fennt, feinem Zweifel unterworfen 
fein; aber eben fo wenig läßt fic) Täugnen, daf die Vorliebe 
für die angedeuteten Motive ihn verleitet bat, ſich vorzugs- 
weile der Schilverung folder Claſſen ber Gefellfchaft zuzu⸗ 





— Y — 


wenden, bei welchen er bie feiner Perſoͤnlichkeit entſprechende 
Gefinnung vorausfegen fonnte. In vielen, ja den meiften feiner 
Werke fehen wir nicht, wie bei Lope, die Menfchheit in allen 
ihren Repräfentanten und durch alle Abftufungen hindurch, 
fondern hauptfächlich eine gewiffe und von gewiffen Meinuns 
gen beherrſchte Gattung von Menfchen, das heißt Fúrften, 
Edelleute und Ritter mit ven Marimen des fpanifchen Adels 
feiner Zeit; und auch wenn die Handlung außerhalb Spaniens 
fpielt, wird ein analoger Kreis von Perfonen mit entfprechen- 
der Sinnesart. gebildet. Hieraus erwächſt neben einer ermús 
benden Wiederfehr berfelben Figuren auch Monotonie der Dar- 
ftellung und Sprache, indem die Ausdrucksweiſe immer die 
alleredelfte und gewähltefte ift — ein Styl, welcher in durch⸗ 
gängiger Anwendung ber Lebendigkeit des Drama’s Eintrag 
thun muß. Mehrentheils ift es allein ber Gracioſo, welcher 
den gravitätifchen, feierlihen Ton bes Ganzen durch feine 
Scherze unterbridt. Man fann nicht fagen,, daß Calderon 
eine fprudelnbe Fülle bes Witzes befeffen hätte; er fleht in 
diefer Rückſicht nicht allein hinter Tirfo de Molina (dem größe 
ten Humoriften unter den Spantern), fondern fogar hinter an: 
deren Dramatifern des zweiten und dritten Ranges zurüd. 
Dagegen bemühte er ſich, in Einklang mit feinem allgemeinen 
Streben nach funfivoller Dispofition bes Plans, nad Har- 
monie und Symmetrie aller Theile feiner Dichtungen, den 
ſcherzhaften "Partien eine möglichft effectoolle Stellung zu den 
ernften zu geben und biefe durch jene zu heben; und in foldhem 
Betracht müffen wir einräumen, daß es ihm oft gelungen if, 
durch die Zufammenftellung des Komifchen mit bem Tragifchen 
Wirkungen hervorzubringen, weldye bis dahin unbelannt ges 
wefen waren. So machen wir, mit V. Schmidt, darauf aufs 
merffam, wie die erhabenften und riiprenbfien Reden in La 
ya 


— 100 — 


niña de Gomez Arias, Primero soy yo, Mejor está. que 
estava, Ántes que todo es mi dama auf bie barofíte 
Weiſe von den Braciofos perfifflirt, ganze Verſe wiedergefagt, 
aber darin bie Worte bergeftalt zerftüdelt werben, daß bie 
eine Hälfte eines Worted in ben einen Vers fommt und die 
andere in ben anderen, wodurch die Affonanzen und Reime 
ein wunderbar komiſches Anfehen erhalten, aber das Pathos 
der Situation nur erhöht wird. 

Daß man die Urfache der füngftbezeichneten Eigenheiten 
Calderon's, der nicht felten bemerfbar werdenden Belchräns 
fung feines poetiſchen Gefichtöfreifes, zum Theil in feinen 
äufieren Lebesverhältniffen und in feiner Stellung als Hofoichter 
zu fuchen babe, ift ſchon angedeutet worden. In ber That, 
wenn unfer Dichter fon burd) einen. angeborenen Hang feis 
nes Geiftes zur Schilderung ritterlicher Geſinmmg und abes 
liger- Sitte bingezogen wurbe, wenn fein reflectirender Vers 
ftand in dem Ebrenfoftem des fpantfchen Adels und in beffen 
Conflict mit anderen Pflichten eine Lieblingsnahrung fand, 
fo trug nod) der Umftand, daß er größtentheils für einen ges 
wählten, aus ben vberften Schichten der Gefellfchaft beftehen> 
den Cirkel fohrieb, nicht wenig dazu bet, ihn an biefen Kreis 
von Verfonen und Vorftellungen zu feffeln. 

Beyor wir von biefen Bemerfungen zu einer fummari: 
ſchen Mufterung der einzelnen Dramen Calderon's übergehen, 
fet e8 aus innerfter Ueberzeugung gefagt, Daf bei einem all 
gemeinen Blick auf die Wunderwelt der Poefte, die in dieſen 
Werfen erfchloffen ift, alle einzelnen Schwächen des Autors, 
welche die Kritik nicht verichweigen darf, in ber Herrlich 
felt des Dichterifchen Oeiftes verfchmwinden , der in feinen 
Schöpfungen waltet, und daß Fein anderes Gefühl übrig bleibt, 
als bas des Danfd und der Verehrung gegen ben göttlichen. 


— 10t — 


Meifter für die Fülle von Genäffen, die er uns bereitet hat. 
Wie man an einem Freunde fogar die ſchwächeren Seiten 
tiebt, fo werden uns bei näherer Befanntíchaft mit dieſem 
Dichter felbft feine frembartigen Eigenthümlichkeiten theuer, fo 
dag wir fie nicht miffen möchten. Die Verfchiedenartigfeit der 
Elemente, welche in Calderon's Werfen verfchmolzen fino, 
bilden eben einen nothwendigen Beftanptheil feiner Individua⸗ 
lítát; wie wir in ihnen auf ber einen Seite orientaliſche 
Gluth und Ueberfülle der Phantafle neben der Belonnenheit 
und dem grübelnden Gedanfenteben des Abendlandes erbliden, 


‚offenen Sinn für die Erfcheinungen der gemeinften Wirklich⸗ 


teít neben einem mächtigen Zuge nad) dem Leberfinnlichen und 
rein Geiftigen, durchdringende Erfenntniß der Weltverhältniffe 
neben bem Berfunfenfein in die Labyrinthe des Menſchenherzens, 
ben brennenden Glaubenseifer des damaligen Katholicismus 
neben ber Milde acht chriftlicher Andacht, die blendende Pracht 
irdiſcher Herrlichfeit neben asretifhem und weltverachtendem 
Sinne, Hingebung an die Hleinften Intereſſen des Lebens neben 
Sehnſucht nad) himmliſcher Wahrheit: fo fteht auf der anderen 
Seite Sophiftif und dialektiſche Spipfinvigfeit dicht neben einfacher 
und ungefchminfter Sprache der Natur, Nachgiebigfeit gegen 
momentane Richtungen der Zeit neben urfprünglichfter und ſich 
fre eigenen Bahnen brechender Begeifterung, Anbequemung 
on bie Begriffe und die Vorftellungsweife einer beftimmten 
Menfchenclaffe neben mweltumfaffender dichteriſcher Anfchauung ; 
dies Alles aber ift fo organifch verſchmolzen, daß man nicht 
daran mäfeln oder dies und jenes ausfcheiden farm, ohne das 
Ganze zu zerftören. 

Nicht überflüfftg mag es fein, nod ein Paar Worte über 
ben Stand ber gelehrten Bildung unferes Dichterd zu fagen. 
Es hatt nicht fehmer, in ben Werfen des Spaniers eben fo 


— 10 — 


viele Anachronismen und geographiſche Verſehen aufzufinden, 
wie in benen des großen Dritten. Sn En esta vida todo 
es verdad y todo es mentira íft zur Zeit des Byzantínis 
ſchen Kaiſers Phofas (Ttes Jahrhundert) von Schießpulver 
die Rebe: | 

Ultima razon de Reyes 

Son la pólvora y las balas. 

Sn der Virgen del Sagrario fagt ein Biſchof des fie- 

benten Sahrhunderts: 

Africa, America y Asia 

Son las tres de que no tengo 

Necesidad : Erodoto 

Las descrive con su ingenio, 
wonad) alfo Herobot eine Beſchreibung won Amerifa verfaßt 
haben foll. In bemfelben Stüde iſt von Conftantinopel in ber 
Art die Rede, al8 vb diefe Stadt fehon zur Zeit ber Erobes 
rung Spaniens durch die Araber in den Händen der Ungláu- 
bigen gervefen fei. Manches Derartige ift — da man bem 
Galberon feine grobe Unkenntniß von ſchon zu feiner Zeit alle 
gemein befannten Dingen zutrauen wird — ohne Zweifel 
Ueberellung oder Gedachtnißfehler; fehr häufig aber haben wir 
die Verſtöße gegen die hiftorifche und gengraphifche Genauigs 
feit ohne Zweifel ebenfo zu erflären, wie es in ähnlichen 
Fällen von neueren geiftreichen Eommentatoren des Shaffpeare 
gefchehen tft. Unfer Spanter ftand in Bezug auf fein Publikum 
ganz in demfelben Verhältniß, wie der Engländer; er hatte 
eine Zuhörerfchaft vor fich, die zwar bie gebilbetften Deänner 
ihrer Zeit zu ihren Mitgliedern zählte, aber keineswegs in 
jedem Augenblid mit ihrer Erubition bei ber Hand war, um : 
bie Poefle mit dem Maßftabe Fritifcher und gelehrter Genauig⸗ 
. Yeít zu meffen. Das Publikum jener Tage befand in ver That 


— 103 — 


e 


nit aus Tauter Agnoranten, aber grofientheil8 aus Solden, 
deren Bildung ohne die gelehrten Hülfsmittel unferer Tage 
von. Statten gegangen war. Calderon's Zuhörer entbehrten 
mancher Kenntniffe, die wir jet ſchon in der Schule lernen, 
aber fie befafien was ung fehlt, wahres Gefühl für die Poeſie 
und die Gabe, das Wefentliche von dem Unmefentlichen in der 
Kunft zu unterfcheiden. Ste verlangten von dem Dichter nicht 
bíe ordináre, compacte Wirflichfeit, fondern folgten ihm willig 
in das freie wunderbare Reid) der Phantafie und faben bie 
Farta al8 untergeordnete Beftandtheile der Dichtung an, ‚als 
Materialien, die der Künſtler ganz nad) feinen Zweden hands 
haben fónne. Von biefer entgegenfommenden Stimmung bes 
Publifums nun machten die Dramatifer Gebrauch; ſie ſtellten 
ihre eigene Kenntniß bei Seite, fobald die Führung ihrer Pläne 
ein Abweichen von ber hiſtoriſchen Wahrheit erheifchte, und 
brauchten nicht zu fürchten, daß ein Pedant fie deshalb ver 
Unwiffenheit zeihe. Wenn fie Gefchichten des Alterthums be: 
hanvelten, fo thaten fie es in ber Weife, welche fid) am meiften 
Berftändniß und Sympathie verfprechen fonnte, und flochten 
mit Rückſicht auf die Gegenwart, zu der fie redeten, abficht- 
lich mande Anachronismen und dem ftreng gelehrten Coſtüm 
zumivderlaufende Anfpietungen ein. Bei Darftellung von Be: 
gebenheiten ber neueren Zeit glaubten fie ſich eben fo wenig 
an topographifche oder fonftige Genaufgfeit binden zu müffen. 
Bei dem großen Haufen der Theaterbefucher durften fie auf 
bie Unmiffenheit, bei: den Gebildeten und auf gleicher Höhe 
mit dem Verfaffer Stehenden auf die Beratung von Mifro: 
Iogien und auf das feine Verſtändniß der Poefte und ihrer 
Dorrechte rechnen. Nichts ift daher Tächerlicher, als die Ver: 
legungen des Coſtüms oder fonftige Unrichtigfeiten, die bet 
Calderon und den Anderen feiner Zeit vorfommen, von bem 





— 14 — 


Standpunft unferer heutigen gelehrten Bildung ans zu beur⸗ 
theilen. (ES ift wahr, wir wiffen manche geringfügige Dinge 
auf'S genauefte, welchen die Spanier bes flehzehnten Sabes 
hunderts wenig Aufmerffamfeit zuwandten, aber wir haben 
zugleich ben natürlichen und damals allgemein verbreiteten 
Sinn für vieles Große und Schöne vorloren und find burd 
die Fortichritte ber gelehrten Kenntniffe um manden Genuß 
ärmer geworden. Die Zeitgenoffen des Calderon hatten Achtung 
vor dem großen Dichter, bem fie fo viel Herrliches verdankten, 
fie gaben ihr Wiffen und ihre. Gelehrfamfeit unter feine Kunft 
gefangen und mußten, daß biefe nichts mit ben harten Formen 
der gemeinen Wirflichfeit zu thun babe, fondern jenſeits ber 
Alltagsnatur in einem Zauberlande der Einbildungsfraft wirte 
und fchaffe. Wenn nun Calderon Parma zum Site einer fous 
veränen Fürftin machte, hätte da das Publifum erft überlegen 
follen, ob dies nach bem ſaliſchen Oefege zuläffig fet? Oper 
wenn er in die Kabeln ber alten Mythologie Züge aus bem 
caftilianifchen Liebes⸗ und Ebrenfyftem bineintrug, fonnte es 
wohl feinen Hörern einfallen, darüber mit ihm zu rechten $ 

Rad) Obigem wird fo mane, für unfer Eritifches Jahre 
hundert befrembende Unrichtigfeit in Zeitrechnung und That⸗ 
fachen bei'm Calderon in einem andern Lichte und viel mehr 
aus Fünftlerifhen Abfichten, al8 aus Unwiſſenheit gefloffen er- 
fheinen. Einen augenfälligen Beweis, daß ber Grund der 
Verſtöße gegen Chronologie u. f. tv. feineswegs immer in 
einem Verſehen zu fuchen fet, liefern einzelne Stellen in ben 
komiſchen Partien, 3. B. folgende Worte aus Los dos amantes 
del Cielo: 

Un Fraile . .. . Mas no es bueno 
Porque aun no hay en Roma Frailes. 
Deffenunerachtet wollen wir nicht in lbrede ftellen, 


— + — 


nn 


— 105 — 


daß einzelne Verfehen der bezeichneten Art wirflich bald aus 
Unkunde, bald aus Nachläffigfeit entftanden fein mögen. Das, 
was heut zu Lage im engeren Sinne Gelehrfamfeit genannt 
wird, war dem Salberon fremd, und er fonnte daher rre 
thümern in Kleinigkeiten nicht entgehen, wozu nod) erwogen 
werben muß, daß die Gefchichte, namentlich des Alterthumg, 
wie die Gengraphie ferner Länder zu feiner Zeit noch Teineds 
wegs mit der Genauigkeit erforfcht worden war, wie gegens 
wärtig 99). Calderon's Kenntniß fremder Sprachen befchränfte 
fih auf die des Lateinifchen und Italieniſchen Ob und wie 
viel Griechiſch er verftanden habe, muß babingeftellt bleiben; 
aber baf feine DBelefenheit in fpanifchen, italienifchen und 
Iateinifchen Schriftfiellern, namentlich in Bezug auf Alles, was 
ibn für feine dichterifche Tchätigfett nüglich fein fonnte, fehr 
groß gewefen fet, zeigt jede Seite feiner Werke. Bor Allem 
befaß er eine fehr genaue Kenntniß von der Gefchichte der 
ehriftlichen Kirche und allen Damit aufammenhängenden Leber 
lieferungen; eine eben fo umfaffende von der fpanifchen Hi⸗ 
ftorte und Sagez dann eine große Bervanbertheít in ber alten 
Mythologie und eine ausgedehnte Belanntfchaft mit den ros 
mantifchen Heldengebichten und der Novellenpoefle ber Stas 
líener. Aus wie entlegenen Quellen er oft gefchöpft, wird 
bei Erwähnung feiner einzelnen Stüde deutlich werden; wir 
bevorworten aber dabei, daß Feineswegs behauptet werben 
fol, Ealberon habe den citirten Text jedesmal im Original 
vor ſich gehabt; es follen nur die Urquellen, aus denen feine 


36) Auf ber Lonja und in der Columbinifchen Biblivthek zu Se: 
villa befinden ſich Weltcharten aus der Mitte des fiebzehnten Jahrhun⸗ 
berts, aus welchen hervorgeht, welche ungenauen, ja fabelhaften Borftel- 
Iungen von den Dertlichkeiten ferner Gegenden, namentlich des Nordens, 
damals noch in Spanien herrfchten. 


— 106 — 


Stoffe gefloffen, angebeutet werden; die Wege, auf welchen 
fie zu ihm gelangt find, Laffen fid) nicht immer verfolgen. 

Bei dem Ueberblid. über Calderon's einzelne Dramen, den 
wir nun zu geben verfuchen, feien Bier eligiöfen Schaufptele 
vorangeftellt. Wir faffen unter diefer Benennung nicht allein dies 
jenigen Stüde zufamınen, welche nad) der fpanifchen Nomenclas 
tur Comedias divinas heißen mochten, fondern überhaupt alle, 
bie ein vorberrfchend religiöfes Motiv haben. Wohl in Feiner 
anderen Gattung feiner Stüde erfcheint die Ueberlegenbeit 
Calderon's über feine Vorgänger fo groß, tn Feiner offen- 
bart fid die Tiefe und Herrlichkeit feiner Poefic glánzender, 
als hier. Aud) das Großartigfte, was frühere Dichter auf diefem 
Gebiete gefchaffen hatten, Lope's Fianza satis'echa und Tirſo's 
Condenado por Desconfiado, fann weder an Tieffinn ber 
Eompofition, nod) an berauſchtem Schwunge der Phantafie 
mit den vorzüglichiten bierher gehörigen Werfen Calderon’s 
wetteifern. Aber um den Flügen des Dichters folgen zu kön⸗ 
nen, um von der Ercentricitát feiner Darftellungen nicht bes 
frembet zu werden, miffen wir uns, wie bei ähnlicher Ges 
legenbeít ſchon mehrfach bemerft wurde, durchaus in ben 
Geiſt des ſpaniſchen Katholicismus verfegen, aus dem Diefe 
Poeſie geboren worden tft. Ein foldes Vertiefen in die Glau⸗ 
bensweife einer vergangenen Zeit wurde ſchon für bie riche 
tige Auffaffung der früher betrachteten geiftlihden Comödien 
empfohlen, bei Galderon wird es in noch höherem Grade 
erfordert ; denn er hat jene und fremdartigen Elemente des 
religiöfen Lebens feiner Tage zwar in höherer Weife poetifch 
ausgebildet, fo daß fie uns nicht mehr in jener Eruditát 
entgegentreten, die uns bei feinen Vorgángern oft verlegte; 
allein auf der anderen Seite macht gerade die höhere funft= 
mäßige Geftaltung und Flarere Durchführung der zu Grunde 


— — — — — — — 


a — 


— 107 — 


liegenden Motive, daß die belebende Seele des Ganzen, die 
dem Spanier des ſiebzehnten Jahrhunderts eigene Anſchau⸗ 
ungsweiſe des Heiligen, noch deutlicher zu Tage kommt. Cal⸗ 
deron war in ſeiner religiöſen Weltanſicht durchaus der Mann 
ſeines Volkes und ſeiner Zeit; ja, er kann recht eigentlich 
für den vollendeten Repräſentanten jener wunderbaren und 
eigenthümlichen Geſtalt gelten ‚welche ber katholiſche Glaube 
in Spanien annahm. Es tritt uns in ſeinen Werken dieſelbe, 
aus der glühenden Phantaſie des Südländers hervorgegangene 
Wunderwelt entgegen, die ſich auf andere Weiſe und mit 
gleich brennenden Karben in den Gemälden des Murillo offen⸗ 
bart; wir befinden uns in einer „Traum⸗ und Zauberſphäre“ 
unter Viſionen und exſtatiſchen Zuſtänden der Verzückung, 
kurz inmitten der excentriſchen Geſtaltungen der Religion, 
welche auf der einen Seite in dem Fanatismus der Autos 
da Fe ihre wildeſten Ausgeburten erzeugten, auf der anderen 
den heiligen Johannes vom Kreuz in ſeinen wunderherrlichen, 
an Tiefe und Schwung mit den heiligen Sängern des alten 
Teſtamentes wetteifernden Dichtungen zu einer Höhe empor⸗ 
hoben, wie ſie Andacht und begeiſterte Liebe nur ſelten erflogen 
haben. Eben dieſe Schatten = und Lichtſeite findet ſich denn auch in 
Calderon; wenn einerfeitS bie Tendenzen der „Andacht zum 
Kreuz“ und des „Purgatorio de San Patricio,” den treff- 
lihen, wenn auch etwas nüchternen Sismondi zu dem Aus⸗ 
ſpruch, „Salderon fet der Dichter der Inquiſition,“ verleiten 
fonnten, fo durften Andere mit Rüdfiht auf Dramen, wie 
der ftandhafte Prinz und Chryfanthus und Daría ihn einen heis 
líg gefchonten, kindlichen Menfchen nennen, welcher, nie ent 
weißt durch ben Frevel der trennenden Zeit, alle Blüthen 
der höchſten, zarteften Bildung in fich vereinigt und aus feis 
ner reinen Seele die ewige Liebe deS Gemüths und der Re: 


— 108 — 


ligion offenbart habe ?”. Man Hat gefagt, die Religion fet 
das Herz von Calderon's Herzen geweſen, für fie hab” er die 
erfhütterndften, DIS in die innerfte Seele dringenden Niy. ungen 
erregt. Und es ift wahr, die vollendetften feiner religiöfen 
Dichtungen athmen eine heilige Begeifterung, wie fie nur 
aus bem tiefften und lebendigften Gefühle für das Ewige 
bervorblühen fonnte. In ihnen fehen wir einen gottgeweihten 
Geift, der, vom Sonnenglanze einer höheren Weisheit um- 
firablt, ſich mit heiligem Triebe über die Grenzen der Zeit 
lichkeit hinausſchwingt in die Welt ber wandellofen Schön= 
beit, wo Religion und Poefie, wie Memnonsfäulen, jener 
Morgenröthe entgegentónen, die den anbrechenden Zag ber 
Ewigfeit verfimbiget. Und ber Dichter, mit hohem, glaubens 
vollem Herzen und toeltumfaffenber Liebe, reißt den Vorhang 
ab, der das Reid) Gottes dem fterblichen Auge verbirgt; der 
Himmel poll wallender Lichtgewölke und ftrahlender Engels: 
gefichter thut fid) auf und eine heilige Verklärung fallt zurüd 
auf das Menfchenfein bis tief in den düfterften Abgrund bes 
Endlichen, fo daß aller Sammer der Erde vor dem Glanze 
ber göttlichen Sonne vergeht. 

Wohl nie find . einem Dichter tiefere Rührungen und 
mächtigere Erfhütterungen gelungen, al8 dem Calderon in 
biefen religiöfen Tragóbien, und nirgends findet fi) eine bün⸗ 
digere Widerlegung des Glaubens, ein Märtyrer tauge nicht 
für ein Trauerfpiel. Nicht freventlich fuchen feine Helden ven 
Tod, nein, von den lauterften Berveggrúnden getrieben, gehen 
fie ihm entgegen; nicht mit Unempfindlichfeit, nein, hoffend 
‚und fürdtend, aber im Herzen bie allmächtige Liebe und das 
nicht wanfeude Vertrauen auf die waltende Gottheit, fchreiten 
fie durd das Gewühl der raftlos Tämpfenden Menſchheit, 

37 3. Schulze, über den ſtandhaften Prinzen. 


— — —— — — — — 


— 109 — 


über dle Leichenhügel und Schlachtfelder der Erbe; ſchwer 
== "” hangen bie Wetterwolken herab, und nicht ohne 
Kampf ringt ſich Ihr Ewiges von bem Zeitlichen los; aber 
der Glaube zieht ihnen voran mit der leuchtenden Fackel; 
ſtark durch die Gotteskraft der Religion leeren ſie den bitteren 
Kelch ohne Murren; emporgehoben durch das Gefühl ihrer 
Einheit mit dem Ewigen, ſehen ſie die Leiden und Freuden 
der Erde wie bleiche Schattenbilder unter ſich zerſtäuben; 
por ben ſtets mächtiger hereinfallenden Strahlen des Gött⸗ 
lichen bricht ihre Sterblichkeit zuſammen, und glorreich, auf 
dem Haupte den Kranz von weißen Roſen, ziehen ſie ein in 
das Triumphthor des Todes, durch deſſen offene Pforten 
ihnen die Seligen die Siegerpalme entgegenreichen. 

Kehren wir von dieſer Erwähnung einer einzelnen Klaſſe 
von Calderon's geiſtlichen Dramen zu den letzteren im All⸗ 
gemeinen zurück, ſo haben wir anzuführen, daß das Ueber⸗ 
gewicht derſelben über die verwandten Werke der früheren 
Dichter freilich nicht durchgehends in jener hohen Reinheit 
der Religioſität beſteht, in welcher das Aecht-Katholiſche mit 
dem Aecht-Chriſtlichen zuſammenfällt (nein, unfer Dichter 
hat oft gerade bie finſterſten Dogmen feiner Kirche recht ſorg⸗ 
fältig gepflegt), daß fie aber alle Durch die vollendete Plaftif, 
mit welcher der Stoff funftmäßig ausgebildet und harmoniſch 


“in ſich abgefchloffen tft, durch die Ertiefung des Inhalts und 


durch den romantiſchen Zauber, der die dargeftellten Wunder- 
gefehichten gleich jener Olorie in Murillo's Bifton des beis 
gen Antonius umfließt, fo einzig daſtehen, daß die fpantfche 
titeratur in ihrem ganzen Gebiete faum bas eine oder andere 
Werk ihnen zur Seite ftellen Tann. 

Da man uns vorwerfen möchte, parteiifch für biefe res 
Iigiöfen Dichtungen eingenommen zu fein Cobgleidy wir viel= 


— 110 — 


fach auf bie einzelnen Ercrefcenzen berfelben aufmerffam maz 
chen), fo führen wir nod) das Urtheil eines competenteren 
Richters an. „In den geiftlihen Dramen Calderon's — fagt 
der trefflihe Karl Rofenfranz — herrfcht die größte Mannich- 
faltigfeit, und in ihnen hat ber Dichter fein Innerftes ers 
fchloffen. Alles, was groß iſt im Katholicismus, ift hier in 
der glänzendften Geftalt, im Zauber einer überſchwänglich 
reichen Phantafte, in der Würde ber edelften Gefinnung vers 
fammelt. Der Glaube, al8 die unzweifelhafte Gewißheit von 
Gott, hat bier Alles in ſich aufgezehrt, was feinem Inte⸗ 
reffe, fich zu erhalten, nicht gemäß tft, und fo Liegt auf dies 
fen Dichtungen ein duftiger Schimmer des Wunderbaren, in 
das hinüber die Welt fih wie in eine jenfeitige felige Ferne 
verflüchtigt. ” 

Die einzelnen hierher gehörigen Werfe find: 

El principe constante. Die gefchichtliche Bes 
gebenheit, welche bier benugt ift, findet fih nach den Quellen 
erzählt in de la Clede, Histoire du Portugal, Paris 1735, 
T. 1. und in ber fleínen vortreffliden Schrift: Leben des 
ftandhaften Prinzen, nad) der Chronif feines Geheimfchreibers 
Soam Alvared und anderen Nachrichten, Berlin 1827 °°). 

38) Der Infant D. Fernando von Portugal (geb. 1402) ftarb im 
Sabr 1443 nach unfäglichen Leiden in Maurifcher Gefangenfchaft, in 
welcher er faft ſechs Jahre gefchmachtet hatte. Seine im Jahr 1473 
duch König Alphons V. nah Portugal zurüdgebrachten Gebeine ruhen 
in ber Klofterfirche von Batalha. Neben dem Grabe wurde ein Altar 
unferer Lieben Frau, der er fich in feinem Leben als frommer Ritter zu 
eigen gegeben, eingeweiht und auf demfelben auch das Bilbnif des Se⸗ 
ligen, wie es fein Bruder D. Enrique von geſchickter Hand hatte malen 
lafíen, aufgeftellt. In einem Briefe der Mönche von Batalha an Fr. 
Francisco da Cruz wird Folgendes gefagt: Juxta memoratum sepul- 
crum parvum sacellum est, cum lignea tabella altari superimposita 
et in extremis deaurata ornatum; qua in tabella antiquo et ele- 


— — 


— — — 


— 111 — 


Eine Durchſicht dieſer Werke zeigt, daß Calderon in den Haupt⸗ 
punkten ſeiner Dichtung die Geſchichte befolgt und nur einiges 


ganti penicillo descripta reperitur infantis vitae series: illius 
statua marmorea super altari collocata cernitur, sed quae ad vi- 
vum exprimat amictum vilem, lugubrem faciem, promissam bar- 
bam, impexos crines, manicas denique catenas et compedes eam- 
que formam quam creditur habuisse mancipatus captivitati. Unter 
dem Bildniſſe fteht: 
Sanctus princeps Ferdinandus 
Infans Lusitaniae 
obiit Fessae apud Mauros obses 
A, D. MCCCCXLMU Y. Jonii. 
Rings um das Mittelbild ftehen (oder ftanben wenigftens bis zur robe: 
rung Portugals Durch bie Franzofen) neun, die Leidensgefchtchte des In⸗ 
fanten Darftellende Bildchen mit ben Unterfchriften: 
Compedibus et catenis constringitur. 
Infimae servituti Sanctus adjudicatur. 
Regium equile mandare cogitur. 
Opus facit in hortis regiis. 
De lytro frustra agitur cum Mauro. 
Coelesti visa ad mortem confirmatur Sanctus. 
Pie moritur sanctus Infans, 
Sanctum corpus exenteratur. 
De muro urbis corpus suspenditur. 
Die von Papft Paul IL (im I. 1470) erlaſſene Bulle zur Stiftung eis 
ner Gebächtnißfeier für den Infanten fchildert Die Leidensgefchichte deſſel⸗ 
ben furz in folgendem fchlechten Latein: Ferdinandus Infans Portuga- 
liae —— — qui ad expugnationem Infidelium in Africam trans- 
fretavit et pro liberatione Christianorum in illis partibus tunc 
existentium, ac inde aliter liberari non valentium in manibus 
eorundem infidelium sponte obsidem se tradidit; ac per ipsos 
infideles diris carceribus mancipatus et tormentis affectus', per 
plures annos exstitit, ac in fide catholica viriliter persistens, ut 
athleta fortis post plurima supplicia, aegritudines et labores in 
eorundem infidelium partibus et captivitate constitutus, Christo 
redemptori suo animam reddidit. — 


A 


— 112 — 


Beiwerk, dem Geiſte des Ganzen angemeffen, hinzugefügt hat. 
— Suchen wir die Handlung in Ihren Hauptpunkten darzu⸗ 
legen! Der portugiefifche Infant Fernando, Orofimeifter des 
Ordens von Avis, Iandet mit feinem Bruder Enrique und 
einer Armee an der Afrifanifchen Küfte. Eine Prophezeihung, 
diefer Zug werde Unheil über Portugal bringen, und andere 
böfe Vorzeichen haben das Heer mit bangen Ahnungen erfüllt; 
aber Fernando zeigt fogleich feine hohe, ganz von Gottver⸗ 
trauen erfüllte Seele, orbnet die Seinen zum Rampfe gegen 
die Ungläubigen und nimmt ben feindlichen Feldherren Muley 
gefangen. Gn dem Benehmen gegen den Gefangenen, ben er, 
da deffen Roß getódtet tft, zu fich auf das feine nimmt, bes 
Fundet er fein Zartgefühl und feinen ächt ritterlihen Sinn. — 
Muley wird hierdurch ermuthigt, ihm fein Herz auszufchüt 
ten und zu erzählen, er liebe die Tochter des König von 
Marocco, die Schöne Phönix, und fürchte nun, Diefe möge 
während feiner Gefangenfchaft von ihrem Vater gezwungen 
werden, ihre Hand einem Anderen zu reichen. Fernando fchenft 
feinem Gegner, ald er deffen Bericht vernommen, ſogleich bie 
Freiheit, und biefer fprengt, dem großmüthigen Feinde Dank 
fagend, freudig davon; eine herrliche Scene, ganz im Geifte 
jenes romantifchen Ritterthum$ ausgeführt, welches in ben 
„Dürgerfriegen von Granada“ gefchilvert iſt; fogar in ben 


Die Tugenden des Infanten hatten bie Bewunderung ber Feinde, 
aber Feine Milderung feines Schidfals erregt. Als Larache (Lazurac), 
König von Bez, feinen Tod hörte, rief er voll Schmerz: »Diefer Prinz 
Hätte verdient, das Geſetz unferes heiligen Propheten zu Eennen!« Er 
ertrug feine Gefangenfchaft mit fo viel Geduld und Demuth, daß bie 
Mauren ihn höchlich bewunderten. — La Glébe, Histoire du Portugal. 
Vergl. auch H. Schulze, über den Handhaften Prinzen bes Galderon, 
Meimar 1811. . 


= 


— 113 — 


Worten fpürt man einen Hauch der Mauriſchen Romanzen. 
Die Ungláubigen ziehen nun mit vermehrten Streitfräften 
beran, und das chriftliche Heer wird gänzlich beflegt. Fernando 
muß fi, nachdem er tapfer gekämpft, ergeben, und wird als 
Beißel nach Fez gefhleppt, indem ber König erflärt, ihn nur 
gegen die Rüdgabe von Ceuta freilaffen zu wollen und ben 
Enrique nad) Portugal fendet, um deshalb zu unterhandeln. 
Sernando erflárt fogleih, daß er um dieſen Preis nicht bes 
freit fein wolle, und fehärft feinem Bruder nod) bei'm Abſchiede 
ein, nicht zu vergeffen, was ihm als Ebriften gezieme. Nun be⸗ 
ginnt für den Gefangenen die Reihe der Prüfungen, doch wird er 
im Anfange vom Könige nod mit Achtung behandelt. Der 
durd Danfbarfeít ihm verbundene Muley, beffen Liebe zur 
Prinzeffin Phönix noch weiter in die Handlung verflochten ift, 
verſucht Alles zu feiner Befreiung, aber vergebene. Da end- 
lid langt die Botfchaft an, der König Eduard von Portugal 
babe auf feinem Tobtenbetre befohlen, fogleih Ceuta zu übers 
geben, um ben Infanten aus der Haft zu retten. Enrique 
überbringt bie Darüber ausgeftellte Vollmacht. Aber Fernando, 
flatt Freude über feine Befreiung zu empfinden, fpricht ſich tu 
einer feurigen, vom Schwunge der höchften Begeifterung getra: 
genen Rede dahin aus, daß er Fieber in ſchmachvoller Gefangen- 
fhaft frerben, als die Uebergabe einer chriftlichen Stadt an 
die Ungläubigen dulden werde. Der bochherzige Prinz zer- 
reißt die Vollmacht, der König von Fez aber geht nun zur 
ánferften Strenge über und befiehlt, daß Fernando mit Ket- 
ten beladen werden und, gleich dem geringften Sclaven, bie 
fhwerften Arbeiten verrichten folle. Im Folgenden ftrahlt die 
Seelengröße des Dulbers, der ohne Murren die ſchwerſten 
leiden erträgt, im reinften Olanze. Bon unvergleichlicher 
Schönheit ift die Scene, two er, in ben Föniglihen Gärten 
Geſch. d. Lit. in Spanien. ILL Dr. 8 


— 114 — 


Schavendienfte verrichtend, der Prinzeffin Phöntr Blumen brin- 
gen muß und Beide in einem Zwiegefpräch voll zarter Schwär- 
mereí unter dem Symbol der Sterne und Blumen bie Un⸗ 
endlichfeit mit der Slüchtigfeit der Erfcheinungswelt contraftt- 
ren; eine Scene, die, wie Y. Schulze fagt, „uns von ber 
Scholle Iosreift, indem fte allem Irdiſchen einen Todtenkranz 
windet und uns von dem weiten gräherreichen Kirchhof dev 
Erde auf die unvergängliche Helmath der Seelen hinweiſt.“« 
Unter den gehäuften Leiden bricht endlich die Natur des Prins 
zen zuſammen; wir fehen ihn auf der unterften Stufe Der 
Erntebrigung; Majeftät und felbft Geiſteshoheit fiheinen ers 
Tofchen zu fein, aber die Stanphaftigfeit dauert fort. Der 
Dichter fheut in der Ausmalung von Fernando's Elend ſelbſt 
das Widrige und Gräfliche nicht, aber gerabe indem er auf 
diefe Art das Bild gefunfener Herrlichkeit in ben ſtaͤrkſten 
Farben ausmalt, zeigt er ſich ald Achten Rúnftler. Der König 
fommt dur die Strafe, mo Fernando Itegt und die Vor⸗ 
übergehenden anbettelt. Der Tyrann felbft kann ſich des Mit⸗ 
lefos nicht erwehren, al8 er bas Opfer feiner Mißhandlungen 
in diefem Zuftande erblidt, als der Infant fogar feine könig⸗ 
liche Herkunft vergeffen zu haben feheint und auf den Anruf 
nicht hört. Plöglich aber Teuchtet die Seele des Pringen nod) 
einmal in ihrer ganzen Reinheit und Herrlichfeit empor; fein 
Geiſt hat die Bande Der Sterblichkeit ſchon halb abgeftreift 
und der Tode legt Worte von zermalmender Kraft auf feine 
Zunge, Worte, die, wie aus dem Reiche ber Ewigfelt er 
fhallend, die ewige Wahrheit verfünden. „Wie — fagt 3. 
Schulze — follen wir Ausdrücke finden, um den Dichter ges 
nugfam zu preifen, ber es verflanden bat, die innere Gött⸗ 
lichkeit feines Helden gerabe aus der tieffien Schmah am 
hellſten emporglänzen zu laffen, fo daß das Sternbild biefes 


— 113 — 


himmliſchen Dienfchen in ber diifterften Nacht am herrlichſten 
firabltliu Diefe Scene gehört zu dem Höchften, was die Poes 
fie je erreicht hat; denn fie zeigt, was nie in irgend äßnlicher 
Weiſe Dargeftellt worden, bie geiftige und fittliche Größe, wie 
alle Ärdifche vor ihr zu Staube wird; fie enthüllt in der höch⸗ 
fien Erhebung des menfchlichen Geiſtes die Offenbarung bes 
göttlichen. — Nachdem Fernando ſich fo noch einmal in ber 
ganzen Größe eines gottgeweihten Ritters aufgerichtet, fühlt 
er feine irdiſche Natur zuſammenbrechen; er Tann das Brob, 
das ihm einer feiner Leidensgefährten reicht, nicht mehr über 
die Lippen bringen und wird Binmeggetragen, nachdem er 
nod) zuvor den Wunfch ausgefprochen, in feinem Ordenskleide 
begraben zu werben. ALS ein Portugiefifches Heer vor den 
Mauern von Fez anlangt um den Infanten zu befreien, hat 
diefer das Irdiſche fon überwunden. Die Schranfen ber 
Envlichfeit brechen zufammen, aber das Ewige bleibt unbe- 
fiegt. Fernando erhebt ſich, ein verffärter Geift, aus dem 
Grabe, erfcheint den chriſtlichen Streitern, eine Fadel in ber 
Hand tragend, und führt fie zum Siege. Eine Geiftererfchet- 
nung von gleich erhabener Wirkung tft nie auf der Bühne 
gefehen worden; und fo umfeuchtet diefer herrliche Schluß 
die ganze wunderbare Tragödie wie mit einem Hetligenfchein, 
daß ſie für alle Zeiten al8 das Höchfte daftehe, was die chrift- 
liche Poefíe erreicht hat. Wenn irgend ein Werf würdig ift, 
im innerften Heiligthum der Kunſt aufbewahrt zu werben, 
fo if es der flanphafte Prinz; denn die Dichtkunſt hat hier 
alle ihre Reize in überfhwänglicher Fülle ausgefchüttet und 
alle ihre Kräfte vereinigt, um ein Meifterftüd von einziger 
| und unerreichbarer Vollendung Hervorzubringen; zugleich aber 
ſchweben die Andacht und der Glaube wie ein feierliher Or⸗ 
glilang über bem Ganzen und geben ihn eine göttliche 
8% 
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— 116 — 


Weihe, in welcher bas Erdenfein die höchſte Verflárung feiert 
und Leid und Klage fi, gleich der Hymne auf ber Lippe 
des fterbenden Märtprers, in anbetenden Jubel auflöft.”°) 

Nicht anders als mit ſolchem Ausdruck erregten Gefühles 
durften wir von bem großen Werfe eines her größten Did 
ter aller Zeiten reden; aber es fällt uns ſchwer, fogleid) wie- 
der jene Ruhe zu gewinnen, welche zur befonnenen Prüfung 
feiner übrigen Schöpfungen erfordert wird. 

El Josef da la mugeres*”). Dieſes große Drama tft 


39) „Welch eine Dichtung! Man wird nicht müde, fie zu betrachten 
und zu bewundern! In biefem einzigen Werfe hat fich der große katho⸗ 
life Dichter in eine Sphäre gefchwungen, wohin der Britte mit feinen 
unermeßlichen Kräften Doch nicht reicht. Denn nicht um das Gefchid ei: 
ner großen Natur durch Schuld und Leidenfchaft handelt es ſich barin, 
fondern um das Höchfte, was es überhaupt gibt, um die Läuterung eines 
reinen Menfchen in das Neinfte, in die Seligteit. Diefe Aufgabe ift nur 
einmal gelungen, und weber vor noch nach Galderon hat fich auch nur von 
fern eine Production Diefer Tragödie annähern fónnen.« K. Immermann. 

Noch fei es erlaubt, die folgenden Worte aus I. Schulze’s, mit 
fpecieller Rüdficht auf die Darftellung in Weimar verfaßter Schrift 
über den flandhaften Prinzen hervorzuheben: »Diefes. mit vollfommener 
Meifterfchaft ausgeführte Trauerfpiel ſcheint vornämlich beftimmt zu fein, 
den chriftlichen Sinn, deſſen Verlangen nach ber Heimath felbft durch 
ein anf's reichte ausgeftattetes Leben wohl auf Augenblicte zum Schwei- 
gen gebracht, aber nie ganz befriedigt wird, Durch des Prinzen Fernando 
Heldenmuth zu enthüllen und den Triumph des Chriften über die Gewalt 
der Erbe auf's würdigfte in feinem Märtyrertode zu feiern. — »Der 
beutfchen Mufe ward es noch nicht vergónnt, ein chriftliches Drama von 
hoher Vollendung, das auf vaterländifchem Boden entfproffen, voll dank⸗ 
barer Demuth auf dem Gochaltare der Religion dem Ewigen weihen zu 
fónnen, und darum wollen wir uns liebevoll und freudig das Auslánbi- 
jche aneignen, wie es dem mütterlichen Sinne des deutfchen Volks geziemt.« 

10) Die Legende von der gelehrten Eugenia, ihrer Vefehrung, Berfuchung 
und ihrem Maͤrtyrthum, finbet fic) nach dem Bericht des Simeun Metaphras 


ha E A e — ——— — INTA 


— 17 — 


durch die Stärfe der Eonception und bie Fülle des Gedanfen- 
lebeng nicht minder ausgezeichnet, al8 durch die Vollfommens 
heit feiner äußeren, auf die mächtigfte Bühnenwirkung beredy 
neten Seftaltung. In der erften Scene erbliden wir Euges 
nía, öffentliche Lehrerin der Philoſophie zu Aleranbria, .an 
ihrem Stubirpulte, wo fie über die Worte der Pauliniſchen 
Epiftel: Nihil est idolum in mundo, quia nullus deus 
est nisi unus nachſinnt. Die gelehrte Heidin vermag ben 
Sinn jener Worte nicht zu erfaffen und ſchwankt zwiſchen 
der Anhänglichfeit an den angeftammten Glauben und Dem 
geheimnißvollen Zuge ihres Herzens, welcher fie treibt, einen 
tieferen zu fuden. ES erfcheinen ihr zwei Oeftalten, deren 
eine, die des Chriftengreifes Helenus, fie für die neue Lehre 
zu gewinnen fucht, die andere, der Dämon, ihr bicfelbe als 
Zrugwert vorftellt. Ein Geräufch hinter der Scene verfcheucht 
bie beiden Gebilde. Filippo, Eugenia's Vater, tritt auf, nimmt 
wahr, daß feine Tochter ein chriftliches Glaubengbud in Händen 
hält, unb geräth darüber in höchſte Entrúftung, denn er vers 
folgt die neue Sekte mit glühendem Eifer. Gleich darauf er: 


fies in Surii Probata Sanctorum acta zum 25ften December; vergl. 
damit das Gedicht des Alcimus Avitus de consolatoria castitatis. 
aude; Fabric. Bibliotheca Graeca T. VI. p. 524; Baronii Annales 
ad annum 188, und Tillemont Mém. ecclésiast. T. IV. p. 12. Die 
Bunderthaten bes Helenus, die Calderon in fein Stud verfluchten bat, 
find erzählt in Petrus de Natalibus, Catalogus Sanctorum L. IV. 
cap. 59. In Bezug auf die von unferm Dichter Höchft genial durchge⸗ 
führte Idee, daß ein Teufel in ben Körper eines Verflorbenen fährt, um 
Unheil zu ftiften, vgl. Dante's Inferno (XXXIU. v. 129 ff) — Sos 
wohl diefe Anführung, als bie Angabe ber Quellen von vielen ber úbri: 
gen Stücke Galberon's und einzelne fonftige Andeutungen verdanfe ich 
Val. Schmidts „Weberficht und Anordnung der Dramen bes Galberon 
de la Barca⸗, im Anzeigeblatt ber Wiener Jahrbücher, Jahrgang 1822. 


— 18 — 


feheint der funge Aurelio, der fi) um die Liche Eugenia's bes 
wirbt und eben von einem Zuge zurüdfehrt, den er zur Aus⸗ 
rottung der Ehriften und in ber Hoffmung, fi dadurch bei 
dem Vater der Geliebten in Gunft zu feben, unternommen 
hat. Eugenta, ganz in ihr Nachdenken über die gehabte Er⸗ 
ſcheinung verfentt, wird weder von bem Zorn ihres Vaters 
febr berührt, nach fchenft fie den Bewerbungen ihres Liebs 
habers große Aufmertfamteit. Richt lange nachher verfammelt 
fih in Filippo’ Wohnung eine Zahl von Sünglingen und 
Mädchen zu einem ¿efte oder zu einer Art von poetlfcher 
Afabemte, telde zu Ehren bes Prinzen Cefarino, Sohnes 
des Kaiſers, Statt hat. Aud) diefer bewirbt fi um die Gunft 
der Eugenta, und es entfteht zwiſchen ihm und feinem Neben; 
bubler Aurelio ein Zweifampf, in welchem der Legtere bleibt. 
Kaum tft der Ermorbete hingefunfen, fo erfcheint der Teufel 
und fährt in bie Reiche, fo daß fie fich belebt wieber aufridh- 
tet; in biefer Geftalt glaubt er am beften Eugenieng Verz 
fucher fein und ihre Seele verderben zu fónnen. — Im zwei⸗ 
ten Aft hat fih Engenta, dem Zuge ihres Geiftes folgend, 
in die Thebatfche Wüſte begeben, um fid) von den bort eis 
lenden Einſiedlern weiter in ben Lehren des Ebriftenthuma 
unterweifen zu Taffen; Aurelto, oder vielmehr ber Teufel in 
diefer Geftalt, tft ihr nachgefolgt und ftrebt erft, fie burd) 
Schmeicheleien zu verführen, dann, ihr Gewalt anzuthun; 
allein der mit der Kraft bes Wunderthuns begabte Helenus 
entreißt fie ihm und führt fie im Fluge davon. Die nächſten 
Srenen zeigen fle num völlig dem Chriftenthum zugewandt 
und in Einſiedlertracht; Filippo naht fi) mit einem Heerzuge, 
den er zur Bertilgung des Chriftenthbums ausgerüftet pat, 
und führt unter anderen Anhängern der ihm verhaften Lehre 
die Tochter, die er nicht erfennt, gefangen mit fid) fort. In 


— 119 — 


diefer Gefangenfchaft hat fie bie ſchwerſten Prüfungen zu ers 
bulden, aber fie erträgt fie alle mit einer Geduld und wider⸗ 
fteht allen Anfechtungen, mit denen fie auf Veranftaltung 
des Dämon's heimgefucht wird, mit einer Stanthaftigfeit, 
welche ihr den Namen des „Sofeph’s unter den Weibern“ 
zuführt. Niemand ahnt, daß fie Eugenia fey, welche wegen 
ihres plöglichen Verſchwindens allgemein todt geglaubt wird 
und welcher auf Beranftaltung des Prinzen Cefarino, wie 
einem göttlichen Weſen, ein Tempel errichtet werben fol. Auch 
zu biefem Plane bat der Teufel den Anlaß gegeben, indem er 
hofft, das von ihm erforene, aber bisher immer ftandhaft ges 
bliebene Dpfer werde endlich dem doppelten Einflürmen ber 
Schmach auf der einen, der Eitelfeit auf der anderen Seite 
erliegen; aber gerade der Moment feines gebofften Trium⸗ 
phes wird ber feiner Demüthigung und Niederlage. Das Feft 
ift angeorbnet, die Menge im Tempel verfammelt und das 
Bildniß der vermeintlich Geftorbenen aufgeftellt; da enthüllt 
fh Eugenta, nicht um bie Verehrung, die ihrem Bilde ges 
zollt wird, felbft zu empfangen, ſondern um offen, aber in 
Demuth, den Glauben des Hellandes zu befennen; nicht um 
der irdifehen Herrlichkeit zu genießen, die ihr Ceſarino in 
feinen Armen bietet, fondern um den Märtyrertod zu erleiden. 
Bei ihrem Bekenntniß verfinft der heidnifche Altar; der Teu- 
fel verläßt den Leib Aurelio's, welcher num wieder leblos zu 
Boden fintt; die Schergen des erzürnten Filippo, fo mie bes 
über die Verfchmähung feiner Liebe rafenden Ceſarino aber 
bemächtigten füh Eugenia’s, wie der übrigen Ebriften, um fie 
sum Blutgerüſte zu führen, und am Schfuffe erblidt man die 
neue Hetlige in der Glorie. 

El Magico prodigioso *'). (Eine von Calderon's herr- 

*!) Die Legende, bie ber Didjter hier aufs genialfie benupt hat, 


— 120 — 


Iichften Dichtungen und wohl zu ben größten Meiſterwerken 
der Poeſie überhaupt gehörend. — Epprianus, über die Natur 
des Göttlichen brütend und vom Heidenthum nicht befriedigt, 
fubt in ahmungsvoller Ungewißheit den wahren Glauben. 
Um ihn vom Wege des Helles abzulenken, tritt der Satan 
in Geftalt eines Cavalierd zu tbm und fucht ihm die Zweifel 
an der Wahrheit der Götterlehre zu beſchwichtigen. Der Ver: 
fucher muß ben fiegenden Beweisgründen des Cyprian weichen, 
und -entiwirft nun ben Plan, feinen Gegner durch finnliche 
Begíerben zu. verführen. Juſtina, die Tochter einer chriftlichen 
Märtyrin, foll als Mittel dazu dienen und zugleich alg zwei⸗ 
te8 Opfer ber böllifchen Arglift fallen. Die Berfuhung wird 
bald eingeleitet. Florus und Lálius, zwei Jünglinge, welche 
in unerwiederter Liebe für Juſtina glühen, fprechen die Ver: 
mittlung bes Epprianus an. Diefer verheifit diefelbe, wird 
aber nun alsbald feloft in bie rafendfte Leidenſchaft für Die 
fhöne Chriftin geftürzt. Während die beiden ¿Freunde vor 
Juſtina's Haufe auf die von ihm zu bringende Entſcheidung 
barren, fteigt der Teufel vom Balkon des Haufes herab, um 


beruht auf dem Bußbefenntniß des heiligen Eyprianus (in Caecilii Cy- 
priani Episcopi Carthaginiensis Opera ed. Baluz., Anhang, p. 294, 
und im Thesaurus novus Anecdotorum von Martene und Durand, 
Lutet. Paris, 1717. T. II. p. 1629). Die nächfte Quelle alderon’s aber 
ift wahrfcheinlich bei Surius: De probatis Sanctorum Actis, T. V. 
p. 351 (Coloniae Agr. 1578), Vita et Martyrium S. Cypriani et 
Justinae, autore Simeone Metaphras te. Ueber den Cyprianus vergl. 
uy) Gregorii Naz. Opera ed. Colon. 1690, Fol. P, I. p. 274 unb 
bie Acta Sanctorum Sept. T. VIL p. 195 ff. Antverp. 1760, unb 
über den Zufammenhang unferes Drama’s mit der Fauftfage: Koberftein, 
über das wahrfcheinliche Alter und die Bedeutung des Debichtes vom 
Wartburger Kriege. Naumburg 1823, S. 55 — 58, und Rofenfranz, über 
Galderon'8 Tragödie vom wunderthätigen Magus, Halle 1829, 


— — — — > —- 


— 12 — 


Suftina'3 Ruf zu fehänden, und wirklich gelingt ihm Dies, 
infofern Florus und Lälius Verdacht gegen ihren Wandel 
fhöpfen umd fidh von ihr abwenden. — Cyprianus, von ber 
Chriftin zurüdigewiefen, zieht fid) in Verzweiflung in eine Ode 
Gegend am Meeresgeftade zurüd; wie in ihm die Leidenfchaft, 
fo toben außen die Elemente; er erblidt auf dem brandenben 
Meere ein Schiff, das an einem Felſen zerfchellt, und einen 
Menfchen, ver fic) ſchwimmend an's Ufer rettet. (Es tft ber 
Dümon in abermaliger Verkleidung. Diefer erzählt unter einem 
Sleichniffe die Geſchichte jeiner Empörung gegen Gott und 
feines Sturzes, weiß liftig feine Macht über die Natur zu 
keichreiben und fo den von Begier nad) Stillung feiner Luft 
brennenden Eyprianus in fein Neg zu Ioden. Nun folgt die 
Seelenverſchreibung mit Blut und dafür bie Zufiherung von 
Juſtinen's Befig. Aber ber Teufel weiß, daß feine Runft 
nichts über einen freien Willen vermöge, und beginnt daher 
zunächft vie Verführung Zuftina’s. Aus dem Abgrunte der Hölle 
beſchwört er die Menge feiner geilen Geiſter, um fie mit ſchänd⸗ 
lichen Phantomen zu verloden, aber wie wollüftig auch der Ge⸗ 
fang der luftigen Stimmen fie umgaufele, er vermag nichts 
über fie, und der Satan muß beichämt abziehen. Epprianus 
verfucht nun bie erlernte Zauberfunftz es erfcheint ihm eine 
Geftalt mit Zuftina’d Zügen, aber der Teufel vermag ihm 
nur ein Scheinbilb zu fendenz er eilt bem Phantom nad, 
entreißt ihm ben Schleier und erblickt cin Todtengerippe, wel- 
des ihm die Vergänglichfeit alles Irdiſchen predigt. Entfegt, 
vernichtet, erfennt er nun, daf er, in feinem Streben nat 
weltlichem Genuſſe, nur nad) dem Tode gerungen und erflärt 
dem Satan, der Vertrag fei nichtig, da Sener fein Verfpres 


Gen nicht gehalten. Zitternd gefteht der Böfe, dag Juftina in 


e id 


der Obhut eines Höheren ftehe, und auf weiteres eindringliches 


, — 12 — 

ragen, daß diefer Höhere der Bott der Ehriften fei. Ju der 
höchften Roth ruft nm Epprian diefen Gott an, und diefer 
Anruf vernichtet die Macht, die ber Satan über ihn ges 
wonnen. Der Böfe entweicht, Eyprianus aber eilt in's Gebirge, 
um fid von einem chriftfichen Eremiten taufen zu laffenz 
dann erfcheint er, nad) dem Märtyrthum verlangend, ale Tauter 
Befenner der erkannten Wahrheit in Antiochia, und wird zum 
Tode verurtheilt. Juftina ift fon früher als Chriflin einge 
zogen worben. Auf dem Wege zur Hinrichtung begegnen fid) 
Beide; fie gibt ihm in begeifterungsvoller Rede vie Leber: 
zeugung, daß er burd feinen Märtgrertod den früheren Paft 
mit bem Böfen vernichte und fi der unendlichen Gnade 
Gottes verfichere, und fo gehen fie vereint, ihr Leben für die 
unendliche Wahrheit opfernd, ¿um Schaffot. Ueber den ent 
baupteten Blutzeugen erfcheint Darm ber Satan, auf einer 
Schlange reítend, und verfündet, von bem höheren Beifte ges 
zwingen, feine Niederlage und mit ihr die Rechtfertigung 
Juſtina's und Eyprian’s *?). 

Los dos Amantes del Cielo läßt die fanfte Rührung 
vorwalten, wie bie vorhergehenden die mächtige Erſchütterung. 
Die himmliſche Milde und Reinheit der Empfindung, bie über 
biefes Drama ausgegoffen ift, zeigt uns die Frömmigkeit des 


22) „In bem wunderthätigen Magus hat Calderon fich die ſchwere 
Aufgabe geftellt, ein Heidnifches, durch das Philofophiren in feinem Glan: 
ben wankend geworbenes Selbftbewußtfein Durch alle Momente dieſer geis 
fligen Umwandlung in das chriſtliche Bewußtfein hinüberzuführen, ohne 
def weber das kirchliche Syflem flörend durchblickte, noch irgendwie eine 
leere Reflexion und nur äußere Bewegung vorhanden wäre. Alles athmet 
ben Hauch bes Lebens. Das an und für fich feiende Böfe hat Calderon 
im Dämon vortrefflich Dargeftellt, vorzüglich in der Hinficht, daß er den: 
feiben in biefer Beftimmtheit dem Cyprianus erft nach und nad enthüllt 
werden läßt.e KR. Rofenfranz. 





— 18 — 


edlen Dichters im fehönften Lichte. — Die Legende von Chrys 
fanthbus und Daría erzählt Surius de prob. Sanctorum 
Historiis T. V. p. 948 ed. Colon. 1578. 6. aud) Gre- 
gorius Turonensis, Gloria beatorum martyrum, Cap. 38, 
und Les Vies des Saints, T. VH. p. 385. (Paris 1739), 
Das Weſentlichſte der Sage ift Folgendes: Chryſanthus, Sohn 
des römifchen Senator Polemius, gab fid mit Vorliebe 
philofopifchen Studien Binz durch einen Zufall famen ihm bie 
Evangelien in bic Hände, und er wurde davon fo ergriffen, 
daf er ín eine Art von Melancholie verfiel. Um Lófung der 
Zweifel, welche ihn beftürmten, zu erhalten, wandte er ſich 
an ben chrifilichen Presbyter Rarpophorus; dieſer untermies 
ibn in ber neuen Lehre, taufte ihn, und Chryfanthus trat 
nun öffentlich zum Chriftenthum über. Der Vater, ein eifriger 
Anhänger ber alten Götter, ließ ihn in Feffeln legen; doch 
vergebens. Dann wurden, auf den Rath eines Freundes, ans 
dere Mittel mit ihm verfucht. Man veranftaltete ein prächtiges 
Feſt, bei dem Ehryfanthus in Gefellfchaft Teichtfertiger Máde 
hen gebracht wurde; der von Gott beſeelte Züngling erlangte 
jedoch durch eifriges Gebet, daß die Verfiibrerinnen in tiefen 
Schlaf fielen. Endlih warb eine Feufche Pricfterin der Mi: 
nerva, Namens Daría, herbeigeführt; Chryſanthus befehrte 
fie zum Chriftentfum und fie gaben ſich öffentlich für verhei- 
rathet aus, lebten jedoch keuſch mit einander. Da Beide fich 
angelegentlid) bemühten, die neue Lehre zu verbreiten, fo 
fhöpften die Heiden Verdacht. Der Tribun Claudius führte 
den Chryſanthus in einen Tempel des Herkules, um dort zu 
opfern. Der Chrift verweigerte dies, und wurde nun den ent: 
feglichften Martern unterworfen; allein ein Wunder bewirtte, 
daf fein Körper von allen Peinigungen unverfehrt blieb, und | 
dies Wunder machte auf Claudius und bie Soldaten einen 


— 1% — 


ſolchen Eindruck, daß fie fih taufen ließen. Nun miſchte fic 
ber Kaiſer felbft in die Sache; Chryſanthus ward in einen 
Kerfer geworfen und Daría in ein Bordell gefperrt. Hier 
fam ihr ein Löwe zu Hülfe, um fie gegen ihre Berführer zu 
fhügen. Zulegt Tief der Prátor die beiden Liebenden in eine 
Grube außerhalb der Stadt werfen und die Deffnung mit 
Erde und Steinen verfchütten. — Ueber die unendliche Kunft, 
mit welcher unfer Dichter diefe Legende behandelt hat, kann 
nur Eine Stimme fein; fein Drama gehört zu dem Bollens 
detften, was je in diefer Gattung gedichtet worden tft. 

El Purgatorio de San Patricio **) gehört zu den Jugend» 
werfen Calderon's und trägt in manden Auswüchſen, fo wie 
in dem luxuriöſen Styl die Spuren diefer frühen Entftehung 
zur Schau. Ohne Zweifel ift diefes Stúd manchen gerechten 
Ausftellungen unterworfen; es tft nicht allein ganz aus dem 
Geifte bes monftröfen Glaubens geboren, welcher bie Zeit 
unfered Dichters beherrfchte, und bietet daher ber von dem 
- Stanbpuntt der Moral ausgehenden Kritik mande Blófen 
dar, fonbern fann aud) von Seiten der Compoſition nicht voll: 
kommen tadelfrei geheißen werden; allein wenn wir bie bizarre 
See auch nur mit Befremden betrachten fónnen, wenn aud) 


*5 Am vollftánbigften find die Legenden von dem Fegefener des Y. Patri⸗ 
cius gefammelt in Th. Wright, St. Patricks Purgatory, an essay on the 
legends of Hell and Paradise current during the middle ages. London 
1844. - S. aud) Les Vies des Saints, Paris 1739. T. 111. p 216; die Acta 
Sanctorum (Mart. T. IL p. 588); das altfranzoͤſiſche Gedicht Le pur- 
gatoire de Saint-Patrice in les Poésies de Marie de France, pu- 
bliées par Rocquefort, T. II, p. 411, und den italienifchen Roman 
Guerrino Meschino, Cap. 162 (f. Dunlop History of fiction, V. IH. 
p. 38). In Spanien war die Sage populär geworden durch bie beiden 
Schriften: La cueva de San Patricio. Leon 1506, und Vida y pur- 
gatorio de S. Patricio, Madrid 1627 von Montalvan. 


—— —î — — —— — m 


— 135 — 


Manches in der Ausführung unferen Runftfinn verlegt, fo 
fpriht doch aus ber ganzen Eonception, fo wie aus vielen 
Detall8 eine Fülle von Oentalitát, der wir unfere Bewunde⸗ 
rung nicht entziehen fónnen. Die beiden Helden bes Stücks, 
St. Patricio und Ludovico Ennio, leiden an den Küften von 
Irland Schiffbruch; Patricio rettet ben Lubovico und ſchwimmt 
mit ihm an'é Land, wo fid gerade Egerio, der König von 
Irland, mit feinem Gefolge befindet. Die beiden Schiffbrüchigen 
erzählen ihre Lebensgefchichten in ¿wei langen Neben von 
jener Art, wie Calderon fie ganz befonders im Anfange feiner 
Gtúde anzubringen liebt. Patricio berichtet, wie er Sohn 
eines irländifchen Ritters und einer franzöfifchen Dame feb 
und daß feine Eltern ſich, bald nachdem fie ihm bas Leben 
gegeben, in ein Kloſter zurüdgezogen hätten ; er felbft, in Tröms 
migfeit aufgezogen, ift fon früh mit ber Gabe des Wunder⸗ 
thung begnadigt worden, und nod) kürzlich, da er von See 
räubern gefangen worven, hat ihm ber Himmel durch jenen 
Sturm, in welchem das Schiff untergegangen , Beiftand ges 
leiftet. En Bezug auf Ludovico, den er gerettet, äußert er: 
„Sch weiß nicht, welches geheime Band mic) an diefen Jing. 
ling feffelt und mir verfündigt, daß er mir den Dienft, ben 
ih ihm geleiftet, einft reichlich vergelten voerbe.« — Die nun 
folgende Rede Ludovico's malt in fehr grellen Farben jene 
für uns fo befrembende und doch nad ſpaniſch-katholiſchen 
Begriffen keineswegs unnatürlihe, Erſcheinung aus, daß ein 
Böfewicht mit vollem Bewußtfein in den ungeheuerften Vers 
brechen beharrt und Doch zugleich mit inniger Verehrung an bem 
Glauben der Kirche hängt. Ludovico erzählt eine ganze Reihe 
von ihm verübter Schandthaten; für die ärgfte derfelben ers 
Härt er folgende: er hat eine Nonne verführt, geraubt und 


geheirathet, fich mit ihr nad) Valencia begeben und dort, nach⸗ 


— 11 — 


dem er fein ganzes Bermögen verſchwendet, ben Verſuch ges 
macht, durd) ihre Unebre Geld zu gewinnen; fie jedoch Hat 
fich geweigert und iſt in das Klofter zurüdgeflohen. Auf feinen 
weiteren Abenteurerzügen mm fft er ben Seeräubern in bie 
Hände gefallen, aus denen ihn Patricio befreit fat. — Der 
heidnifche König vergibt dem Lubovico wegen feiner Schand- 
thaten das Verbrechen, ein Chrift zu fein, ladet dagegen das 
ganze Gewicht feines Haffes auf Patricio. Im Verlaufe des 
Stüdes nun häuft Ludovico Frevel auf Frevel, fichert fich aber 
burd) feinen Glauben mehr und mehr den Schub des Patricio. 
Er verführt die Tochter des Könige, Polonia, verwidelt fid 
in einen Zweifampf mit dem Feldherrn Filippo, wird gefane 
gen genommen und zum Tode verurtheilt, aber von Polonia 
befreit. Die Beiden entfliehen zufammen; aber Ludovico hat 
nte in Wahrheit gelícbt, und er befchlieft daher, feine Retterin, 
bie ihm bei ber weiteren Flucht hinderlich fcheint, umzubringen ; 
wirklich vollführt er diefe That in einem vüfteren Walde, durch 
welchen ber Weg führt, und zieht dann mit einem Bauern, 
ber fich zu ihm gefellt, weiter in bie Welt hinaus. Unterveffen 
erwedt Patricio die Polonia vom Tode; Egerio, hierüber ers 
ftaunt, begehrt von dem Wunderthäter, daß er ihm das Feges 
feuer zeige; Patricio entipricht dieſem Verlangen, führt ven 
König zu einer Höhle, aus welcher man unmittelbar in das 
Tegefeuer hinabblidt, und flürzt ihn von hier in die Hölle 
hinab, was denn vie Belehrung bes Hofes und von ganz 
Srland nad) fic) zieht. — Ju. Anfang des-dritten Alts ficht 
man Ludovico von langen Reifen durch ganz Europa nad) 
Srland zurüdfehren, um ben Feldherrn Filippo, an bem er 
feine volle Rache nicht Hat fättigen fónnen, umzubringen. 
Während “er Nachts feinen Gegner erwartet, erfcheint ihm ein 
vermummter Ritter und fordert ihn zum Zweifampf; Lubovico 


— 117 — 


beginnt das Gefecht, aber feine Hiebe treffen nur bie Luft. 
Da enthüllt ſich der Ritter ale ein Todtengerippe und ruft: 
„Erfenne dich ſelbſt! fiehe, in bin Ludovico Enniol« Dur) 
tiefe Erfcheinung wird denn ber Sünder befehrt; er flürzt finns 
beraubt zu Boden und ruft hierauf aus: „Durch weldhe Ges 
nugthuung fónnen die Vergehen eines fo fündigen Lebens ges 
tilgt werden fa Mufif vom Himmel antwortet: „Durch das 
degefeuer!a Er begibt fi nun, um bas Fegefeuer aufzufuchen, 
in die Begend jener Höhle, wohin Patricio den König geführt 
batte. Dort findet er Polonia als Einfledlerin lebend; fie 
zeigt ihm ben weiteren Weg; er begibt ſich in die Höhle und 
tritt nach einigen Tagen geheiligt unb verflärt wieder aus 
derfelben hervor. Eine lange Rede, in welcher er die Wunder 
beichreibt, die er im Fegefeuer des St. Patricto gefehen, bildet 
den Schluß des Schauſpiels **). 

Las Cadenas del Demonio eröffnen fi mit einer dem 
Beginn von La vida es sueño und von la hija del aire 
verwandten Scene. Swene, Tochter des Königs von Arme: 
nien, tft feit ber Geburt in einem búfteren Rerfer gefangen 
gehalten worden, weil die Aftrologen prophezeiht haben, fte 
terbe, wenn frei, alles mögliche Unheil über das Land brin- 
gen. Verzweifelnd ruft. fie den Teufel um Hülfe an und 
erlangt von ihm, gegen Berfchreibung ihrer Seele, Befreiung 
aus ber Haft. Die Reden des Apofteld Bartholomäus, wel- 
her bald darauf in das Land kommt und einen Theil des⸗ 
felben zum Chriftenthum befehrt, machen einen ſolchen Eins 


u Bald mit Blik bewehrt, durchleuchtet 
Als ein Aar die Luft der Glaube, 
Und bald ruht er, eine Taube, - 
Die am Bad) die Flügel feuchtet. 
Slaten. 


— 18 — 


brut auf fie, daß fie, im Bervufitfeín ihrer Schuld, in ein 
Seelenleiden und ¿ulegt in Raferei verfällt. Die Schilderung 
ihres Wahnſinnes gehört unftreitig zu dem Meifterbafteften, 
was gedichtet worden ift; enblid) ringt fih ihre Seele aus 
diefer Zerrüttung empor, fie befennt Chriftum und erlangt 
dur) den Apoftel, der am Schluffe des Stüds den Märty- 
rertob ftirbt, Vernichtung des Partums mit bem Böfen *°). 

La Exaltacion de la Cruz *°). Der Anhalt diefes wun⸗ 
derherrlihen Drama's tft die Rettung des heiligen Kreuzes 
aus der Haft des perfifchen Königs Chosroẽs und deſſen Wie⸗ 
deraufrichtung in dem Tempel von Serufalem; aber der Dich 
ter hat diefe Kreuzerhöhung zugleich ſymboliſch als die Bere 
perrlichung des Chriſtenthums gemeint. Vortrefflid) ift in bie 


*5) Meber die Quellen biefes Schaufpiels iſt Folgendes zu bemer- 
fen: Die Todesart des Bartholomäus ift aus dem Breviarium Roma- 
num, 24fter Auguft, der größte Theil ber übrigen Hanblung aus ben 
Actis fabulosis des Pfeudo-Abdias in den Actis Sanctorum Au- 
gusti, T. V. p. 32 (Venetiis 1754). Hier findet fich die Krankheit ber 
beiden Prinzen, das plößliche Erfcheinen des Bartholomäus bei dem Kö⸗— 
nige, während die Thüren verfchloffen find, und endlich auch der Wahn 
finn der Irene, über den Abdias folgende Worte hat: »Da Bolymius 
eine wahnfinnige Tochter hatte, erhielt er von diefem Dämon-Anstreiber 
Bericht, und fandte zu ihm und bat ihn mit den Worten: „Meine Toch- 
ter wirb ſchrecklich gepeinigte u. f. w. J 


1 Ueber das Geſchichtliche ſ. Eutychius Annal. Tom. II. p. 240 
— 248, Baronius Annal. Eccles. A. D. 628, No. 1—4, Nicephorus 
Brev. p. 15, Theophanes Chronograph. p. 265 ff., bag Chronicon 
Paschale, p. 398 ff., d’Herbelot Bibliothéque orientale, p. 789, As- 
semanni Bibliotheca orientalis, Tom. MI. p. 415 — 420, le Beau 
histoire du Bas-Empire, T. XII., Gibbon decline and fall, Cap. 46, 
Der Raifer Heraclius war ſchon im zwölften Jahrhundert durch ein Dent: 
ſches und ein franzöftfches Gedicht (jenes von Otte, dieſes von Gautier 
von Arras) verherrlicht wurden. 


— 19 — 


Haupthandlung die Legende vom Heiligen Anaftafins (Acta 
Sanctorum Bollandi, Januar. T. Il. pag. 422, Antverp, 
1643) verſchmolzen. Diefer, zuerfi ein Magier und Zauber« 
fünftler, zeigt ben Söhnen des Chosroẽs auf ihr Begehren 
in einem Zauberfpiegel ben Einzug ihres Vaters in Serus 
falem; aber ber Anblid des Kreuzes macht feine Kunft zu 
nichte und legt in ihm den erften Grund zu Zweifeln an ber 
Wahrheit feines Glaubens. Chosroẽs febrt im Triumpbe in 
feine Hauptftadt zurüd, pflanzt das geraubte Kreuz bes Ers 
lofer$ in bem Tempel des Jupiter auf und übergibt ben ges 
fangenen Patriarchen von Serufalem, Zacharias, als Sklaven 
an Anaftafius, damit diefer ihn feinem Glauben abwendig 
mache. Inzwiſchen pat der griechifche Ratfer Heraclius dur 
bie vertriebene Königin von Gaza, Eblodomira, welche hülfes 
flepend vor ihm erfcheint, Kunde von der Einnahme erufas 
fems und von der Fortführung des heiligen Kreuzes erhalten; 
wenn er bisher in weltlicher Liebe zu feiner Braut geglüht 
hatte, fo reißt er nun Diefe aus bem Herzen und richtet alle 
feine Gedanfen auf das hohe Unternehmen, das Symbol des 
Ebriftenthums zu befreien. Chlodomira ſchließt fih in Rrtes 
geriracht dem Zuge nad Verfíen an. Nicht fogleich jedoch 
verleiht der Herr feinen Steitern den Sieg; Prüfungen und 
Drangfale mandjer Art find ihnen aufbewahrt; fie werben 
von den Perfern gefchlagen und in einer unwegfamen Ges 
birgegegend bem Untergange nahe gebracht; aber fie bleiben 
treu im Glauben und in der Hoffnung, und endlich ftept 
Ihnen der Himmel bet; Engel ſchwingen ihre Flammenſchwer⸗ 
ter ımd zerfirenen bie Schaaren der fie umzingelnden Feinde. 
Unterbeffen tft in ber perfifhen Königsfamilie, zu welcher 
Eblodomira als Gefangene geführt worden, Zwiſt ausgebro- 
den; ein Sohn des Chosroẽs, von bem Vater tödtlich bes 
Geſch. d. Lit, in Spanien. IL Bo, 9 


— 19 — 


leidigt, flieht mit Eplobomira zu Heraclius, und mit feiner 
Hilfe gelingt die Einnahme ber perfifchen Hauptftadt, fo wie 
bie Wiedereroberung bes geweihten Holzes. Anaftafius, ber 
pon feinem Sklaven Zacharias zum Chriftentbum befehrt und 
wegen des neuen Glaubens, den er offen befennt, von Chos⸗ 
ro&s mit jeder Art von Schmach und Leiden belegt worden 
ift, wird befreit und Zacharias zu feinem Bifhofsamte nad) 
Serufalem zurüdgeführt. Am Schluffe des Stüdes haben wir 
ein Gegendbild der erften Scene; wie Anaftafius dort burd) 
magifche Kunft die perfifchen Prinzen den Raub des Kreuzes 
erbliden ließ, fo wird ihn nun von Engeln gezeigt, wie He⸗ 
raclius, in: härenem Gewande und das Haupt mit Dornen 
umflochten, das heilige Holz auf eigenen Edhultern in ben 
Tempel von Serufalem trägt und auf dem Altare aufpflangt. 

La devocion de la Cruz. Ein Merf, das als Ausbrud 
bes Geiſtes einer untergegangenen Zeit, wie durch poetifchen 
Werth gleich bedeutend if. Die phantaftifche Grundidee ift 
in großartigen Zügen durdigeführt; allein die Religioſität 
des Dichters, die fih in anderen Werfen als fo lauter und 
ächt chriftlich zeigt, erfcheint hier auf's feltfamfte durch Aber: 
glauben und Fanatimus getrübt. Die Lehre, daß ein Menſch 
Frevel aller Art begeben und doch wegen feiner Verehrung 
für den kirchlichen Glauben und beffen Symbole des endlichen 
Heiles verfichert fein fónne, wird hier aufs nachdrücklichſte 
ausgefprochen, und die buchitäblihe Ayslegung der Fabel ganz 
hinter eine ſymboliſche verfteden, heißt offenbar dem Dichter 
eme Idee unterfchieben, an die er nicht gedacht hat. Ein von. 
dem Gatten auf rohe Art mißhandeltes Weib wird am Fuß 
eines Kreuzes in der Einöde von Mutterwehen befallen und 
ruft in diefer bangen Stunde das Kreuz um Hülfe an. Die- 
Zwillingsfinder, von denen fie entbunden wird, tragen das 


— 134 — 


Zeichen ber Gnade in der Geſtalt eines rothen Kreuzes auf 
ver Brut. Von diefen Kindern läßt ber Mater die Tochter, 
Julia, bei ſich erziehen, der Sohn aber wächft in der Fremde 
und ihm unbefannt auf und fchlieft fpäter ein Liebesbündniß 
mit Julien, ohne die Schwefter in ihr zu erfennen. Ein ans 
berevr Bruder Julieng fordert ben Verfitprer und fällt fm 
Zweikampf. Sulia wird nun von ihrem Vater in’s Klofter 
verftofen, der Sohn aber geht unter eine Ráuberbande und 
bäuft Verbrechen auf Verbrechen. Die alte Liebe Iebt in ihm 
fort, und er beichließt, Julien aus dem Klofter zu entführen; 
als fie aber im Begriffe ift, fih ihm zu ergeben, fehaudert 
er zurüd, denn er hat auf ihrem Vufen das Zeichen des 
Kreuzes erblidt. Julia, jegt ihrerfeitS von frevelbaften Ges 
lüften ergriffen, entflieht ben heiligen Mauern und eilt ihm 
nah. Die Wunder, welche das Kreuz an feinen beiden Vers 
ehrern vollbringt, bilden nun den eigentlichen Kern des Stüf- 
kes; das Leben, wie drohend es auch mit Schuld und Uns 
glüd auf fie eindringt, tft für die beiden Erwählten doch nur 
der dunfle Pfad zu dem Sonnenglanze bes ewigen Heils, 
das ihnen von ber Wiege an entgegenftrahlte; umfonft fuchen 
die böfen Mächte fie in den Abgrund des Verderbens zu reis 
fen, fie bleiben dem Kreuze treu, und das Wahrzeichen des 
Heild rettet fie aus Sünde und Tod. Der Dichter hat Dies 
mit mächtiger Phantafie ausgemalt; aber bei aller Gewalt 
feiner Darftellung vermag bie Einbildungsfraft, wenigftens 
der heutigen Zeit, fi) ber Defrembung nicht zu ermehren, 
wenn fie jenes äußere Zeichen nicht Bloß als Symbol, fon- 
dern alg rettendes Werkzeug ber göttlichen Gnade aufgefafit 
fieht, indeß doch bie Seelen der Geretteten mit klarſtem Bervufts 
fein in der Schuld beharren. Während Sohn und Tochter 
fig Miffethaten und Ausfchweifungen aller Art überlaffen, 
. g* 


— 132 — 


rüdt der Vater gegen die Räuber in'8 Feld; der Sohn bleibt 
im Gefecht; abersauf feinen Anruf des Kreuzes erfheint ein 
frommer Bifchof und nimmt ihm die Beichte ab, ein befannt- 
lid nad katholiſchen Begriffen weſentliches Erforderniß zu 
einem feligen Ende. Julia, gleichfalls verfolgt und ihren Tod 
gor Augen fehend, umflammert ein Kreuz umd ſchwebt mit 
biefem , ihren Verfolgern entgehend, in die Luft empor.*”) 
Del Origen, Perdida y Restauracion de la virgen 
del Sagrario**). Die Handlung zerfällt in drei Theile, deren 


7) Eine Apologie biefes fo vielfältig angefochtenen Drama’s hat 
Rofentranz in folgenden Worten zu geben verfucht: „Nur für den, ber 
fid) nicht auf den eigenthúmiichen Boden des ſpaniſch-kirchlichen Rathos 
liciemus zu verfegen weiß, Tann bie ber Andacht zum Kreuz zu Grunde 
liegende Idee anftößig fein, dem Fatholifchen, mit ber Neliquie und ber 
Kraft heiliger Zeichen vertrauten Bewußtſein gewiß nicht. Nur das um 
endbliche Vertrauen des Glaubens an Gott, ber fid) in ewiger Liebe für 
uns an das Kreuz dahingegeben, rechtfertigt die Sündigen, und fo nur 
werben beide, zur reuevollen Erfenntniß ihres Böfen gefommene Geſchwi⸗ 
ler durch Anerkennung des Kreuzes mit Bott in Onaden verfühnt. Die 
noch etwa eine Zeit lang durchlebte moralifche Befferung u. f. w. ift für 
das Bewuftfein nicht in Anfprud) zu nehmen, für welches Momente durch 
ihren Inbalt die Schwere ganzer Jahre haben.« 


“°) Biele von den in Diefem Drama benutzten hiftvrifchen Umftäns 
den find erzählt in der zum Bolfsbuch gewordenen Historia de la per 
dida y restauracion de España por D, Pelayo y D. Garcia Xime- 
nez de Aragon, welche wahrfcheinlich Calderon’s nächfte Quelle war. 
Aber noch außerdem hat ber Dichter Volksromanzen und Firchliche Tras 
ditionen vielfach ausgebeutet, Vgl. zu Akt I: die alte Romanze Don 
Rodrigo rey de España n. f. w., in Ochoa's Tesoro de los Romance- 
ros, Paris 1838, S. 81; bie Legende von ber heiligen Leocabía, in ber 
España sagrada, T. V. p. 485 (Madrid 1763) , bei Surius de probatis 
Sanctorum Historiis T. VII. p. 1007 (Colon. Agr. 1581) und in 
les Vies des Saints, T. VII. p. 453 (Paris 1739). Su Aft II: 
Coronica del Rey D. Rodrigo, con la destruycion de España, 


— 13 — 


jeder in einem verſchiedenen Jahrhundert fpielt, der erfte im 
fiebenten, unter ber ‚Regierung des Weftgothenlönige Recis“ 
fund, der zweite im achten, zur Zeit der Eroberung Spaniens 
durch Tarif, der britte im eilften, zur Zeit ber Wiedereins 
nahme von Toledo. Den Mittelpunkt des Ganzen bildet das 
wunberthätige Muttergottesbild in feiner Entftehung, Verfens 
fung und Erlöfung, und in der Beziehung aller Scenen auf 
dieſes Centrum tft die Einheit der Compofition zu fuden. 
La cisma de Inglaterra *). Der Vorwurf diefer 
Tragödie trifft in vielen Punkten nit dem von Shafs 
fpeares Heinrih VII. zufammen. Man begreift, wie unges 
heuer die Berfchiedenheit der beiden Werfe fein muß. Wenn 
das englifhe Drama auf die Verherrlichung der Elifabeth 
abzielt, fo zicht fich durch das ſpaniſche offenbar die Tendenz, 
der Fegerifchen Königin den Makel ver unehelihen Geburt 
anzubeften. Die unglückliche Anna Boleyn, die Mutter der 
Elifabeth, wird alg ein mwollüftiges, allen Laftern ergebenes 
Weib gefchildert, und neben ihr erfcheint in gleich gehäſſigem 
Lichte ber hochfahrende Cardinal Wolfey; dagegen find bie 
fotholifche Daría und die fpanifche Prinzeffin Katharina (ble 
verftoßene Gemahlin Heinrich's VIIL) mit den ſchönſten Tus 


Valladolid 1527, die Romanzen bei Ochoa, S. 81 — 90, und Mariana 
de rebus Hispaniae, L. VI. Cap. 22. 3u Aft III: die Memorias 
de la Iglesia de Toledo vom Erzbifchuf Rodrigo, und Ferreras Be: 
fegichte von Spanten (franz. Ueberfegung von d’Hermilly, Paris 1751, 
Tom. Ill. p. 436). 

N Das Hiftorifche tt allem Anfchein nach aus dem alten fpanifchen 
Bolfsbuch Historia del Gran Cisma de Inglaterra con sus factores 
Enrico VI. y la impia Isabela, welches feinerfeits gegründet if au 
Nicolai Sanderi de Origine ac progressu schismatis Anglicani 
(Olivae 1690). — Ueber unfer Drama vgl. D. Schmidt’s fleine 
Schrift: Die Kirchentrennung von England, Berlin 1819. 


— 134 — 


genden der Meiblichfeit ausgeftattet. Vortreffli ift die Chas 
rafterzeichnung des ſchwachen und eitlen Königs, in dem doch 
ein Reim des Guten lebt, welcher nur immer von neuem 
erftidt wird. Doch genug diefer allgemeinen Bemerkungen; 
das Drama ift in vieler Hinficht zu intereffant, als daß fein 
Inhalt nicht ausführlicher dargelegt werden follte *%). — 
Erfter AF. Heinrich der Achte fehlummernd in feinem Gas 
binet. Bor ihm Tiegt ein Manufeript, woran er gearbeitet 
hat, die Abhandlung de septem sacramentis. Er träumt, 
ſchreibt und fpridht im Traum; neben ihn ftebt des Traums 
gebilde der Anna Boleyn, welche er bis dahin nod nie 
gefehen hat, und verwilcht mit der linfen Hand, was er mit 
der rechten gefchrieben. — In her Ferne hört man die Tritte 
des Cardinal Wolſey, das Geficht verſchwindet, Heinrich 
erwacht, aber die Begter nach dem reizenden Wefen iſt in 
feiner Bruft geblieben. Wolfey nähert fi); er bringt einen 
Brief des Papſtes Leo des Zehnten und ein neues Bud Lu- 
ther's. Der König will die Schrift Lutber”s vor feine Süße 
werfen und‘ den Brief des Papftes auf feinen Kopf legen; 
aber zerftreut burd den Gedanfen an Anna, verwechfelt er 
beide, wirft das päpftliche Schreiben zu Boben und erhebt 
das Luther he Werk. Vergeblich fucht er das böfe Vorzeichen 
durd) erzivungene Anslegung zum Guten umaudeuten. Der 
Cardinal bleibt allein und zeigt in einem Monolog feinen 
unerfättlichen Ehrgeiz. Carlos, franzöfifcher Gefandter, bittet 
zur Audienz bei Heinrich zugelaffen zu werden; der übermüs 
thige Cardinal aber weiſt ihn ſtolz zurüd. — Carlos, mit 
einem Freunde allein, entvedt dieſem, daß das Hinderniß, 


50) Der folgenden Inhaltsanzeige ift die von VB. Schmidt, a. a. O., 
gelieferte zu Grunde gelegt. 


— 135 — 


wodurch feine Rüdretfe nad) Frankreich verzögert wird, ihm höchſt 
erwünscht ift; denn glühende Liebe zu Anna Boleyn hält ihn 
feft umſtrickt. Das Fräulein tft früher in Frankreich gewefen, 
dort hat er fie ¿uerft beim Tanz gefehen und geliebt, und 
fie hat fih ihm ganz ergeben. — (ES treten auf von der 
einen Seite: die Königin Katharina, deren Tochter Ma s 
ría und ihr Hoffräulein Margaretha Pool; von ber 
anderen Seite führt Thomas Boleyn feine Tochter Anna 
zur Königin und ftellt fie ihr vor. Anna ftammelt Schmeis 
heleien gegen die Füritin und verfluht dabei in Gedanfen 
ihre untergeordnete Lage, welche fie zwingt, zu fnteen. Katha⸗ 
rina aber gebietet ihr aufzuftehen, denn foldhe Ehrenbezeugung 
gebühre nur Bott; dann will fie, die Königin, zu ihrem 
Gemahl; Wolſey ftellt fih vor die Thür des Cabinets und 


weiſt fie zurúd. Die Königin, entrúftet, zeigt ihm, daß fie 


ihn durchſchaut, daß fie feine ftolze Seele in dem erheuchelten 
Gewande der Demuth erkennt. Der Entlarote ſchwört, ſchwere 
Rache zu nehmen; überdies hat ihn fein Lehrer, ein Stern- 
beuter, gefagt, ein Weib werde fein Unglüdf machen; wer 
fonft fónnte bies fein, alg Katharina? — Anna mit ihrem 
Vater allein. Sie erhält von ibm wohlgemeinte Lehren, wie 
fie fi) zu benehmen habe, und antroortet falt und veráchtlid, 
denn fie ſchämt fid) ihrer Abfunft. — Carlos mit Anna. 
Taufend Schwüre befiegeln auf's neue ben Bund; Beide reis 
hen fid) die Hand zur heimlichen Vermählung. — Von ber 
einen Seite König Heinrich mit Wolfey, von der anderen Ras 
tharina mit ihrem Gefolge. Kaum erblidt ber König das 
Sräulein, fo erfennt er in ihr jene. Traumgeftalt, welche ihm 
feine Tatbolifchen Lehren ausgelöſcht hat. Entzüdt, verwirrt 
naht er ihr und ſchlau⸗demüthige Reden umſtricken ihn nod) 
fefter. Der arglíftige Carbinal beobachtet feinen Herrn und 


— 138 — 
bas Fräulein. Er lieſt in Beider Herzen, bier teufliſchen Hoch⸗ 


muth, dort ſinnverwirrende Liebe, und ſo freut er ſich der 


nahen Rache. 
Zweiter Akt. Heinrich in ſeinem Cabinet, in troſtloſer 


Sehnſucht nach Anna. Nur der Cardinal und ber Gracioſo 


Pasquín find um ibn, aber zerftreuen bie tiefe Schwermuth 
feiner Seele nicht. Die Königin mit ihrem Gefolge fommt, 
den geliebten Gemahl zu erheitern. Weil Anna bet ihr ift, 
nimmt er fie an. Mufit, Defang und Tanz follen den ums 
mer zertheilen. Wolfey muß fid auf Katharina's Befehl ents 
fernen. Ein zärtliches Thema (letra) wird gefungen, und die 
Königin felbft fügt eine Gloſſe hinzu. Heinrich fieht nur nad 
Anna. Vergeblich raufchen die Klänge an feinen Ohren vors 
über. Jegt tanzt Anna und fällt, wie zufällig, hin zu ben 
Süßen bes Tiebetrunfenen Fúrften. — Nun läßt fid Carlos 
melden und wird angenommen. Er hält im Namen des 
Herzogs von Orleans an um bie Prinzeffin Marla. Heinrich 
befcheidet ihn auf ein ander Mal. — Wolfey allein. Alle 
Qualen gedemüthigter Eiferfucht zerreißen fein Herz. Nach 
Leo des Zehnten Tode hat Kaiſer Karl der Fünfte feinem 
Lehrer Adrian zum päpftlichen Stuhl verholfen, eine Würde, 
auf welche Wolfey gerechnet hatte. Dem Katfer fann er nicht 
beikommen, aber beffen Tante, die unſchuldige Königin Ras 
tharina, fol feine Rache fühlen. Zu -ihm tritt Anna. Beide 
haben fic) erfannt; Beide treibt diefelbe Gefinnung. Sie ſchwört, 
nur feinen Bortheil vor Augen zu haben, wenn er ihr zum 
Thron verhilft, verflucht fich felbft zum fchimpflichen Tode 
durch Henters Hand, wenn fie je die Pflicht der Dankbarkeit 
verlegen fullte. Anna bleibt allein; der König, von Leidens 
fhaft befiegt, wirbt um das reizende Mädchen. Unenpliche 
Liebe, verfichert fie, treibt fie zu ihm; mit füßfchmeichelnden 


A — — — 


— 1387 — 


Morten und Blicken feffelt fie ihn noch mehr, und laͤßt fo 
den bethörten Dann ftehen. Da fchleicht Wolſey heran und 
fpricht zu ihm: „Deine Ehe mit Katharina tft verboten und 
nichtig; Du fannft, Du mußt Dich von ihr fcheiden!« Die 
Einficht wiverftrebt, aber ber ungebändigte Wille billigt den 
Vorſchlag. Der Cardinal muß ſchleunig die Staatsräthe zu 
einem Parlament zufammenberufen. — Parlaments Situng. 
Auf einem Thron Heinrich und Katharina, mit Krone und 
Scepter; neben ber Königin figt die Prinzeffin Marla, und hinter 
dem König ſteht Wolfey. Heinrich erflärt feierlich, feine Ehe 
mit Katharina fei ungültig, indeß fei feine Tochter María 
rechtmäßige Thronerbin von England. Zum Schluß bemerkt 
er, daß demjenigen, welcher die Gründe der Scheidung nicht 
zureichend finde, der Kopf augenblicklich abgefchlagen werden 
folle. Die Königin antwortet hierauf in einer langen Rede 
vol Liebe, Ergebung und Bitten an ihren Gemahl, daf er 
nicht aus Rüdfichten irgend einer Art das Heil feiner Seele 
auf bas Spiel fegen möge; ber Fürſt aber dreht ihr den 
Rüden und entfernt fid) langíam ohne Antwort. Carlos eilt 
entfegt mit biefer Nachricht an den franzöftichen Hof; Molfey 
rächt fid) für Die Huldigungen, welche er früher gezwungen 
war, feiner Königin zu leiften, indem er mit Hohn bie Prins 
zeffin Maria den Armen der Mutter entreißt; jegt wendet 
fih bie Königin an Anna und bittet um ihre Hiúrfprade; 
ſchweigend, mit verhehlter Freude, wendet diefe fi) weg, und 
nur Margaretha harrt liebeno bel ter Verftoßenen aus. 
Dritter Aft. Lange Zeit ift verfloffen, Anna mit Heinrich ver- 
mählt; da der Papft nicht in die Scheidung hat willigen 
wollen, fo Hat fidy Heinrich von ber fatholifchen Kirche los: 
gefagt und vie Möfter und geiftlichen Güter eingezogen. Ras 
thaͤrina lebt in einer ärmlichen Wohnung bei London. Carlos ift 





— 138 — 


aus Frankreich abermals nad) England gereift, um feine ges 
liebte Anna zu ehelichen, und findet fie jegt als Königin; nur 
nod Ein Mal will er fie fehen und ihr die Pfänder vos 
riger Liebe zurüdgeben. Nach ihm tritt Wolfey auf; ihm 
folgen mehrere arme verrmundete Soldaten, welche ihm Bitts 
fohriften überreichen. Diefe wirft er zur Thüre hinaus. 
Dann ift er allein mit ber neuen Königin Anna. Er bit 
tet fie, ihm bei feinem Geſuch um die Präfiventfchaft des 
Reichs zu unterftitgenz allein fie hat biefe Stelle fon an 
ihren Vater vergeben, und das ohne Wiffen bes Cardi⸗ 
nald. Wüthend droht ihr der Priefter, fie in bas Nichte 
zurück zu fchleudern, aus dem er fie gezogen, und fie bes 
ſchließt, ihre Gewalt und Lift als Frau den Ränfen des Pfafa 
fen entgegen zu ftellen. — Heinrich mit Anna. Er zeigt fet: 
nem geliebten Weibe einen Brief voll leerer Trofigründe an 
die verftofene Katharina; Anna erbittet ſich benfelben zur 
Durdficht, mit dem geheimen Vorfag, Gift hinein zu thun. 
Dann beffagt fie ſich über den frechen Hochmuth und die Bes 
leidigungen des Cardinals Wolſey, und flebt ſchmeichelnd um 
Rache. So bricht fie den Eid, den fie ihrem DBefórderer ge: 
feiftet hatte, wie früher ben, wodurd fie dem Carlos auf 
ewig verbunden war, und Wolfey wird in der falfchen Aus⸗ 
legung jener Prophezeiung gefangen: „ein Weib werde ihn 
ſtürzen.“ Indem er dies auf Katharina gedeutet hatte, hat er 
ſich felbft feine Feindin groß gezogen. Heinrich verjagt ihn 
fchimpflih vom Hofe und gibt ben von ihm gemißhandelten 
Kriegern feine Schäge und Güter preis. — Landfig ber 
verftofienen Königin Katharina. Gn gottergebener Traurigs 
feit wandelt fie mit Margaretha unter Feldblumen auf eins 
famer Flur. Da naht Wolfey, dürftig, flüchtig, hungrig, und 
flieht um ein Almofen. Die Königin hatte fich verhält, um 


- — 


— 139 — 


ihn nicht zu befchämen, und ihm ihr letztes Geſchmeide ges 
reicht. Jetzt entfchleiert fie ſich auf fein Bitten; verzweifelt 
danft er ihr. ES kommen Diener des Könige; er glaubt, daß 
fie ihn verfolgen, wirft fid) in blinder Wuth von einem Fels 
fen hinab und ftirbt. Die Diener bringen jenen vergifteten 
Brief, welchen die Fúrftin freudig und ergeben von ihrem 
Herrn und Gemahl annimmt. — London. Schloß. Der Rós 
nig, argwöhniſch durch bofes Gewiſſen, horcht in bem Zim⸗ 
mer feiner Gemahlin. Sie entfernt ihre Hoftamen und glaubt 
jegt mit Carlos allein zu fein. Diefer überreicht der treulofen 
Gattín bie Pfänder früherer Lebe. Sie verfichert, nur ihn 
liebe fie, Heinrich's Krone fel ihr werth, aber nicht er felbft. 


"Aber Carlos wirft die zärtlichen Briefe der Königin von fid) 


auf ben Boden und entfernt fid voll Unmillen und Verach⸗ 
tung. Dem König ift die Binde von den Augen genommen; 
er ergreift einen Brief und fiept ben Verrath beftätigt. Er 
läßt Anna durch ihren eignen Vater gefangen nehmen; Alles 
hat Heinrich ber Liebe für fie geopfert, gegen fein eigenes, 
befferes Gefühl, und fieht ſich jest eben hierin verrathen. 
Wohin foll er fih wenden, al8 zur verftoßenen Katharina ? 
Er will fie wieder annehmen; da erfcheint feine und ihre 
Tochter Maria. in Trauerffeivern, und meldet den früßzeitigen 
Tod der geduldigen Kürftin. Heinrich, in tiefem Schmerz, beugt 
fein Haupt, und Magt fich felbft der Sünde an. Um gut zu 
machen, was noch möglich tft, verfpricht er der María, fie 
mit Philipp dem Zeiten von Spanien zu vermählen. Dann 
läßt er das Parlament verfammeln und ihr alg Thronerbin 
von den Ständen huldigen. Ste figt auf bem Thron, zu ihren 
Füßen liegt ber Leichnam der Anna Bolegn. Als ctfrige Ras . 
tholifin willigt fie nicht in Beibehaltung der Glaubensfreiheit, 
nod) in die Veräußerung ber kirchlichen Güter. Heinrich räth 


— 140 — 


br, ihre Geffnnungen bis auf gelegnere Zeit zu verbergen. 
Dag Volf huldigt und ein Hauptmann fchlieft mit ben 
Worten: „Hier endet das Schaufpiel vom gelehrten Igno- 
ranten Heinrich und vom Tode ber Anna Boleyn.” 

La Aurora en Copacavana°!). Sn diefem Drama, 
deffen Titel die über Peru aufgehbende Sonne des driftlichen 
Heiles bedeutet, hat der Dichter feine reiche Phantafie befonders 
glänzend entfaltet. Der Anfang, welcher die Fefte Der Indianer 
in dem Sonnentempel von Copacavana darſtellt, tft prachtvoll. 
Die Hymnen der Gößendiener werden durch Kanonenfchüffe 
unterbrochen, welde die Anfunft von Pizarro's Flotte vers 
fündigen. Der Anblid der Schiffe und der Donner des Ge⸗ 
[hüßes verbreiten allgemeines Entfegen; bie erzürnten Götter 
verlangen ein Menfchenopfer, und zwar die Priefterin Gua⸗ 
colda, die fowohl von dem Snfa, al8 von bem Helden Jus 
pangui geliebt wird. Der Infa, von Der alg wirkliches Wefen 
vorgeführten Idolatrie bethört, gibt feine Zuftimmung zu der 
Dpferung, Supangui aber entreißt die Geliebte ihren bluts 
ditritigen Verfolgern. — Der zweite Aft zeigt die nun ges 
landeten Spanier im Kampfe mit ben Indianern. In einer 
der glänzendſten Scenen tft das shriftliche Heer in ber ers 
oberten Stadt Cuzko eingefchloffen, deren hölzerne Häufer 
von den Indianern in Brand geftedt find, um ihre Feinde 
zu erftiden; aber die Jungfrau María, von Pizarro anges 


$1) Weber das Hiftorifche f. Garcilaso de la Vega Comentarios 
reales que tratan del origen de los Incas. Lisboa 1609 fol., unb 
id. Historia de las guerras civiles de los españoles en las Indias. 
Francisco Xeres, Verdadera Relacion de la conquista del Peru 
y Provincia de Cuzco. Salamanca 1547. Agustin de Zarate. Hi- 
storia del descubrimiento y Conquista de la provincia del Peru 
(bei Barcia, Hist. prim. Tom. I). 


—— 


— 141 — 


rufen, eilt ihren Bekemmern zu Hülfe, zeigt ſich inmitten einer 
Engelglorie über der brennenden Stadt und löſcht ble Feuers⸗ 
brunft. Daffelde Deficht erfheint dem Jupangui, der die In⸗ 
bianer anführt, und erfüllt ihn mit einem bisher unbefannten 
Gefühl von Andacht; ald er bald darauf den Zufluchtsort 
feiner Guacolda eutdeckt fieht, ruft er die himmliſche Erfchei- 
nung an und wird, nebft der Geliebten, durd fie feinen 
Seinden entrüdt. — Im dritten Aft fehen wir ganz Peru 
den Spaniern unterworfen und zum Chriftenthfum befehrt, 
und diefe Verrvandblung des Sonnenbienftes in die Ber: 
ehrung der wahren Heilsfonne wird befonderd in Jupangui 
dargeftellt. Ganz erfüllt von der Bifion der heiligen Jungfrau, 
hat diefer Feinen anderen Gedanken, als diefelbe fo, wie fie 
feiner Seele vorfehwebt, in Form einer Statue abzubilden; 
aber mit feinen roben Werkzeugen will ihm dies nicht ges 
lingen, und er fieht fich dem Epott feiner Landsleute ausges 
fest. Endlich fendet bie Sungfrau ihm, gerührt durd feinen 
Glauben, zwei Engel, die das Bild vollenden müffen. Mit 
einem Feft zu Ehren Diefes Wunders fehlieft das Drama. 
— Diefer Schuttenriß der Handlung zeigt, mit wie reichem 
md glänzendem Leben das Schaufpiel die Bühne erfüllt; den 
ſchimmernden Farbenfhmud der Poefie mag man fi hinzu 
denfen. In Bezug auf den Zabel, der den Mangel eines 
firengen inneren Jufammenbanges ber Action, fo wie nod) 
einiges Andere treffen Fünnte, machen wir mit Malsburg dar: 
anf aufmerffam, wie ber Hauptgedanfe des Ganzen in ber 
Berflärung des Sonnencultus zum Chriftentfum liegt, und 
wie weife der Dichter, umi bas Abftofiende der gemwaltfamen 
Bekehrung eines befiegten Volkes durch die Sieger zu heben, 
ein bei ben Peruanern vorhandenes, nur noch fchlummerndeg 
Chriſtenthum, welches durch die Landung der Europäer ges 


— 142 — 


weckt wird, angenommen hat. — Zu bemerfen tft die Figur der 
Gbolatria, da Calberon in feinen Comödien felten allegorifche 
Perfonen angewandt hatz allein Die Annahme Schlegel’s, der 
Dichter habe hierbei die Numantia des Cervantes vor Augen 
gehabt, ift ohne Grund; denn zahllofe Comödien Lope's und 
Anderer, der Autos gar nicht zu gedenken, fonnten ihm eben 
fo gut zum Vorbilde dienen. 

El gran Principe de Fez”) Ein Maurifcher 
Fürft wird durd einen Vers des Koran zu einem höheren, 
aber noch unbeftimmten, religiöfen Triebe angeregt, und vers 
läßt, um in einer Pilgerfahrt nad Mekka bie Befriedigung 
deffelben zu fuchen, fein Weib und fein Baterland. Unters 
wegs geräth er in chriftliche Gefangenſchaft, und nun wird 
ihn Har, was ihn bisher ale geheimnißvoller Zug geleitet; 
er befennt das Ebriftenthum und wird ¿ulegt Verbreiter des 
Evangeliums unter den Heiden. — Aud) in diefem Drama, 
das unter den religiöfen Dichtungen Calderon's nur eine un: 
tergeordnnete Stelle einnimmt, tritt eine allegorifche Figur, die 
Religion, auf. 

San Francisco de Borja. Dies in den Gefammtausgaben 
des Galvderon fehlende Stüd gehört allem Anfchein nad) den 
fpäteren Lebensjahren des Berfafferd an. Der Stoff firáubte 
fic) zu fehr gegen puetifche Behandlung, ald daß ber Dichter, 
felbft in der Zeit feiner beften Kraft, ihn zu einem gelungenen 
Drama hätte geftalten tónnen. Ueber das Leben des in Spas 
nien fo gefeierten Borja f. Tanner Societas Jesu p., 121, 
Prdgae 1694. 


52) Die der Handlung zu Grunde liegende DBegebenheit fcheint fic) 
zu Calderon's Lebzeiten zugetragen zu haben; bafür fpricht die Erwäh- 
nung des Bapftes Innocenz X. (1644—1655) und des Jeſuiten⸗Generals 
Giovanni Paolo Oliva (f 1681). 


— 143 — 


La Sibila del Oriente. Fúr die Aufführung am Feſte 
der Rreuztragung gefehrieben. Der Stoff fft aus bem zweiten 
Bud Samuelis, dem erften der Könige, den beiden Büchern 
der Chronica und Josephi Antiquitates Judaicae J. Bud 7 
u. 8, Cap. 6. Der Charafter der Königin von Saba weift 
auf die Sibyllen der mittelalterlichen Legende zurüd, bie das 
Amt hatten, ben Heiden die Zufunft des Erlóferé zu vers 
fündigen. Unſer Drama wird von Calderon in dem Verzeich⸗ 
niffe feiner Schaufpiele, welches er 1680 für den Herzog 
von Veragua entwarf, nicht genannt; man hat baraus ge: 
fehloffen,. es müffe eines der fpáteften, wo nicht das allerlegte 
feiner Dramen fein; allein ba jener Catalog nod) mehrere 
andere unzweifelhaft ächte Werke übergeht, fo fann auf diefen 
Umftand nit viel Gewicht gelegt werden, wenngleich die 
innere Befchaffenheit des Gedichtes die Vermuthung zu uns 
terftügen feheint. Der Dichter hat die ganze Fülle feiner An: 
dat in Dies wunderbare Werk ergoffen und bie ganze Er⸗ 
habenpeit der altteftamentlichen Poeſie in Daffelbe aufgenommen. 
„Wenn im Allgemeinen — fagt v. d. Malsburg — das Ge⸗ 
fühl der Anbetung eines Höheren die erfte Duelle aller Poefíe 
it, fo ift diefem Gefühl wohl von feinem Dichter ein erha- 
beneres Denfmal gefegt worden, alg von Calderon in feiner 
„Seherin des Morgens”, welche er wahrfcheinlich fm hohen 
Alter ſchrieb, als feine Seele ganz und einzig von den hehren 
Wundern der Religion erfüllt war. Wie im alten Teftamente 
alle Wurzeln des neuen liegen, tft hier auf das herrliche 
entwickelt, und das ift eine der wunderbaren Schönheiten die- 
ſes Schaufpiels, daß die Handlung felbft, ble wir fehen, big 
in alle Einzelnheiten immer zu einer höheren Bedeutung er: 
hoben if. Dem Bilde glei, das ein tiefes Geheimniß in 
ſich ſchließt, ift fie nur eine Verfünderin jenes heilig Vers 


— 144 — 


borgenften, das wir dadurch im Geiſte zugleich mit erleben 
und wovon wir uns ergriffen und burdbrungen fühlen. Mit 
bem Auge des Sehers bewaffnet, erbliden wir das ganze 
erpabene Werf der Welterlöfung des Hetlandes, und wie wir 
den Tempelbau Salomonis emporfteigen und fich vollenden fehen, 
fo fehen wir zugleid) in flaunender Ueberrafhung die Kirche 
Ehrifti fi im Geifte auferbauen; hier ift der Dichter zum 
Propheten, die Dichtung zur Offenbarung geworden, unb 
Alles, was beide an glänzendem Zauber befißen, erfennt man 
wieder, ganz in Demuth und GSelbitvernichtung hinggegeben 
dem Dienfte des Höchften und der Verfündigung jener nod) 
in Worten unausfprehbaren Miyfterien. Wie der Dichter Das 
Göttliche erhoben, tft er von ihm wieder verflárt worben, 
und auf folhe Weife hat er ſich übertroffen, ift aber felbft 
darin unübertreffbar geblieben.” 

An die bisher aufgezählten Dramen, Die wegen deS vor» 
herrſchenden religiöfen Intereffes am füglichften als geiftliche 
bezeichnet wurden, ſchließen fich, zwei, die den äußerlichen Ums 
riffen nad) zwar fon ganz außerhalb dieſes Gebietes fallen, 
aber wegen des religiöfen Gedankens, der im Hintergrunde 
* ber ftarf hervortretenden Spmbolif Tiegt, am paffenpften ben 
obigen angereiht werden. ES find die folgenden: 

La estatua de Prometeo, eine tieffinnige Bearbeitung 
der Mythe vom Prometheus, welche bier nach chriftlichen 
Speen behandelt ift. Prometheus formt ein Abbild der Mis 
nerva, der ewigen Vernunft, und wird von der Göttin im 
Fluge durd) bie Himmelsräume zum Palaft des Sonnengot- 
tes geführt, dem er einen Strahl raubt, mit deffen Hülfe 
die Natur belebt wird; aber bie in's Leben getretene Vers 
nunft entzúmbet neben dem Lichte aud) bie Zwietracht, und 
aus der von ihr geöffneten Urne verbreiten fih Haß und 


— — — —. - 


ep AAA ——— — — —s — — 


m — — 


— 145 — 


Feindſchaft, wie ein verdunkelnder Rauch, über das Men⸗ 
ſchengeſchlecht; die Brüder Prometheus und Epimetheus be⸗ 
kriegen ſich nun, und der Krieg verwüſtet die junge Erde. Endlich 
jedoch läßt ſich Apollo durch die Bitten der Minerva zur Gnade 
ftimmen , verwandelt ben Rauch in Lichtftrahlen und führt 
Liebe und Verſöhnung auf bie Erde zurüd. 

La vida es sueño. Alles Wefentlihe im Plan dieſer 
vielleicht gefeiertſten von Calderon's Dichtungen ſcheint eigene 
Erfindung des Spaniers zu ſein. Nur zu den äußeren Um⸗ 
riſſen der Begebenheit, welche die Traumähnlichkeit des menſch⸗ 
lichen Lebens ſymboliſch darſtellen ſoll, mag eine Erzählung 
in Marco Polo de Consuetudinibus et Conditionibus 
Orientalium Regionum Lib., II. cap. 28 Beranlaffung ges 
geben haben. Nah verwandt hiermit tft das morgenländifche Märs 
hen vom erwachten Schläfer, welches vielleicht durch Tradition 
fhon früh nad Europa fam. Gn den abendländifchen Novel 
len fommen verwandte Erfindungen mehrfad vor, 3. BD. Des 
cameron, Tag 3, Nov. 8; Grazzíni (Londoner Ausgabe von 
1793) T. IL pag 117. Aus diefen Quellen tft die Einfaf: 
fung von Shakſpear's Taming of the shrew und ein nod) 
älteres englifches in den six old plays abgebrudtes Luftfpiel 
gefloffen; ebenfo Holberg’8 Jeppe paa Bierge. Calderon aber 
hat die Erfindung, die in den genannten Stüden alg fomi: 
fches Motiv gebraucht worden tft, von ber ernften Seite ge: 
faßt und zur Darftellung der Idee von der Nichtigfeit bes 
Menfchenlebens in feiner flüchtigen Erſcheinung benupt. Bes 
trachten wir dies Stüd in feinen äußeren Umriffen, fo fällt 
ed ganz in die fchon vor Calderon auf der fpanifchen Bühne 
heimiſche Elaffe von Dramen, welche von abenteuerlichen 
und phantaftifchen Begebenheiten wimmeln und, um einen freieren 
Spielraum für die Phantafie zu gewinnen, ſich ein fabelhaftes 
ef. d. Lit. in Spanien, II. Br. 10 


Wunderland erfchaffen, in bem bie menſchliche Natur anderen 
Gefegen, al8 denen ber Wirklichkeit, unterworfen zu fein 
ſcheint; aber weld ein Unterfchted zwifchen den früheren, meift 
rohen Speftafelftüden Diefer Gattung und dem Oedantenges 
halt. des alderon’fhen Dramas, teles bem Geifte wie 
eine Offenbarung aus bem Senfeitd entgegen tritt und das 
Entliche gleichſam vernichtet, um die Ewigkeit alg das allein 
Bültige hinzuftellen! — Unfer Dichter fcheint an der Schil⸗ 
derung, wie ein menfchliches Wefen in tiefiter Abgefchieden- 
heit von ben übrigen Sterblichen auferzogen wird, großes 
Gefallen gefunden zu haben, denn noch in vielen anderen 
Stüden wiederholt er Nehnliches, 3. BD. in Las cadenas del 
Demonio, Apolo y Climene, La hija del aire, Leonido 
y Marfisa, El monstruo de los jardines und Eco y Nar- 
ciso. Die Idee hierzu hat ihm wahrfcheinlich ber geiftliche 
Roman Barlaam und Joſaphat gegeben, wo erzählt wird, 
ein Prinz fet wegen eines ihm fonft drohenden Unglüds bis 
zu feinem zehnten Sabre in einer bunflen Höhle verfchloffen 
gehalten und erft nah Ablauf diefer Zeit bet einem Hoffefte 
an’d Tageslicht geführt worden, wo er fid mit Erftaunen 
von vielen Rofibarfciten und ſchön geſchmückten Herren unb 
Frauen umgeben gefunden habe. Dies Legtere hat dem Cals 
deron wohl in der Anfanasfcene des zweiten Aftes vorgeichwebt. 

Wir wenden und zu den Schaufpielen Calderon's, deren 
Stoff entweder unmittelbar ber Gefhhichte entnommen ober, 
wenn erfunden, doch in hiftortiche Umgebungen verlegt if. Zus 
nächft ziehen Diejenigen, welche auf fpanifchem Boden fpielen, - 
unfere Aufmerffamfeit auf fih. Es ward fon gefagt, daß 
unfer Dichter ſich felten, wie Lope be Vega, in den Geiſt der 
Vergangenheit vertieft, daß er vielmehr gewöhnlich feine Zeit 
zum Typus ber vergangenen gemacht und deshalb nicht in 


- — — — — — — — — — 


— 147 — 


wahrhaft hiſtoriſchem Sinne gedichtet hat. Wenn nun bles als 
ein Uebelſtand erfcheint, fo muß doch hinzugefügt werben, daß 
Calderon ſich nicht, wie fein Borgänger, in fehr frühe Perioden 
der fpanifchen Gefchichte, nie in das frühere Mittelalter oder 
in bie Zeit des Wtederauflebens ber chriftlichen Reiche vers 
fteigt, fondern nur bis zu den nächftvergangenen Jahrhunder⸗ 
ten binaufgeht, und fi daher in einem Rreife bewegt, in 
welchen fein Verfahren wenigſtens Feine groben Unwahrfchein- 
licgfeiten und Berlegungen der hiftorifchen Wahrheit nach fich 
sicht. Dies vorausgeſchickt, müffen wir Calderon's Werfen aus 
ber fpanifchen Geſchichte oder Sage außer ihrem Fünftlerifchen 
Werth, der fie in die vorberfte Reihe feiner Hervorbringungen 
ſtellt, auch noch das ganz befondere Intereffe zugeftehen, daß 
fie uns überrafchende Blide in ben Geift und das innerfte 
Leben ber fpantfchen Nation im fiebzehnten Jahrhundert thun 
laſſen und uns vielleicht beffer, als die gefchichtlichen Urkunden, 
mit ber Sinnesart und Sitte berfelben- befannt machen. Heben 
wir in dieſer Beziehung nur Einiges hervor. Beſonders eigen; 
thůmlich tritt und aus ihnen die Verherrlihung der Königs: 
gewalt entgegen, bie früher nie bis zu biefer Spiße getrieben 
worden war. Die älteren Dichter hatten fid) nie gefcheut, die 
Könige ganz in dem Lichte der gewöhnlichen Sterblichen und 
oft als mit den fchliinmften Eigenfchaften behaftet zu zeigen, 
fie hatten fein Bebenfen getragen, dem Bafallen eine edle 
und freie Sprache gegen ben Tyrannen In den Mund zu legen. 
Wie fibn und felbftftändig tritt Guillen de Caſtro's Cid dem 
König Sano gegenüber auf! Wie trogig und übermüthig 
geberdet ſich Lopes Bernardo del Carpio gegen Alfons ben 
Keufchen! Gn wie vielen Stüden fahen wir bie Fönigliche 
Macht wegen ber Berfchuldungen ihrer Träger gedemüthigt 
werden ! Calderon's Könige dagegen feheinen einer anderen 
10* 


— 148 — 


Weltordnung anzugehören, alg die gemeinen Sterbliden; fie 
fiheinen von den Banden und Gefegen der übrigen Menfchen 
frei zu fein; fogar ihre Fehler und Schwächen werden in 
einem verfdhönernden Lichte dargeftellt. Die Verehrung des 
Dichters für die abfolute Macht war fo groß, daß er glaubte, 
die Repräfentanten berfelben nur in einer gewiſſen Entfernumg 
zeigen zu dürfen, und fie deshalb auch nicht in ihren Private 
verhältniffen oter Staatshandlungen, fondern gleichſam ale 
höhere Mächte gefchildert hat, welche wie eine Providenz über 
die Schickfale der Welt fehalten. So übermächtig tft nach ihm 
die Pflicht der Unterwürfigfeit gegen den angeſtammten Herr- 
her; daß biefer felbft die Defege ber Ehre zum Opfer ges 
bracht werden. Dies ift um fo merfwürbiger, alg Calderon 
im Uebrigen die Reizbarfeit des Ehrgefühls bis zu einem 
Grade der Eraltation gefteigert zeigt, wie fein Dichter vor 
ihm, und gerade einige feiner hiftorifchen Schaufpiele hiervon 
die auffallendften Beifpiele darbieten. Ueberhaupt enthüllt uns 
diefe Elaffe von Calderon's Dramen nod) mehr, ald irgend 
eine andere berfelben, bie Extravaganz und Uebertreibungsfucht, 
bie von jeher einen Grundzug im Oeífte der Spanier gebildet 
pat. ES lohnt wohl der Mühe, bei diefem Zuge, ohne deffen 
Kenntniß uns Manches in diefen Schaufpielen befrembend fein 
muß, einen Augenblid zu verweilen, um ble feltfamen, unferen 
Begriffen oft fo fehr widerſtrebenden, moraliſchen Grundfäge, 
bie das Leben fm bamaligen Spanien beftimmten, hervorzuheben. 
Der Eharafter der Spanier hatte, wie dies ſchon die Anfänge 
ihrer Gefchichte darthun, von jeher eine eherne Feftigfeit und 
Beharrlichkeit gezeigt; aber nicht allein nad) der guten Seite 
hin wandte er diefe Eigenfchaft, nein, er erfchöpfte aud das 
Vorurtheil ſchonungslos und unerbittlih bis zur áuferften 
Confequenz. Durch eine feft geſchmiedete Kette von Scylüffen 





— — —— — — — — 4 — — 
v 


er 


— 149 — 


bifdete fich fo ein Sittengefep, welches der wahren Moral oft 
aufs grellfte widerſprach, indem es die Rüdficht auf zufällige 
äußere Berhältniffe zur Bafls des Handelns machte. Auf biefe 
Art galt es nicht allein für Recht, fondern für Pflicht, die 
Sade eines Freundes oder Verwandten, mochte fie aud) nod) 
fo ungerecht fein, gegen Jedermann mit Blut und Leben zu 
vertheivigen; fo fonnte man bie Berwerflichfeit einer That 
einfehen und war nad fpaniichen Begriffen doch verpflichtet, 
fie auszuführen, ſobald der König fie verlangte, und fo heiligte 
bie allgemeine Anficht nicht allein bie Blutrache, nein, fie ftellte 
fogar das Geſetz auf, jede Kränfung, ja jeden Schein von 
Beleidigung in Blut zu tilgen. Der bier berührte Punkt if 
fchon früher verfchiedentlich zur Sprache gefommen, aber wir 
müffen hier austrüdlih darauf zurüdfommen, weil verfchiedene 


der folgenden Schaufpiele Calderon's nicht anders in ihrem 


rechten Lichte aufgefaßt werden fónnen, als wenn man weiß, 
was die Ehre nad) fpaniichen Begriffen war und welche Fors 
derungen fie an den Einzelnen ftellte. Die Wahrnehmung oder 
der bloße Verdacht, daß eine. Dame mit einem Fremden ges 
fprodjen Habe, daß ein folder in ihr Haus eingedrungen fet, 
oder daß fie eine Neigung zu ihm fühle, führten die fefte 
Ueberzeugung von einer ftrafbaren Verbindung mit ſich, und 
legten dem Bater, Bruder oder Gatten die Pflicht auf, ihrer 
befchiinpften Ehre Genugthuung zu verfchaffen. Die allgemeine 
Sitte verlangte dies fo unbedingt, daß fein Einzelner fic) der 


"Forderung entziehen fonnte. Der Mord fland daher immer im 


Hintergrunde ber Liebe; felbft ber Teifeften Kränfung mußte 
ein blutiges Opfer fallen, und es genügte nidyt, daß der Des 
leivigte fiel; die Tochter, Schwefter oder Frau, modyte fie 
auch ganz unfchuldig fein, wurde in ben Untergang mit hinab 
gezogen. Die Leivenfchaftlichfeit des Sudländers mußte nun 


Eu. o 


— 150 — 


das durch die Macht der öffentlichen Meinung angeregte Bes 
dürfniß der Rache nod) fleigern, und fo rechtfertigte man ſelbſt 
bie graufamften Mittel, die gehäffigften und verrätherifchften 
Wege, um dies Ziel zu erreichen. Ganz in diefem Sinne brins 
gen denn die dramatifchen Dichter die entfeglichften Rache⸗ 
thaten auf die Scene, ja laffen diefelben von ihren Lieblinge- 
beiden vollbringen. Sie ſchildern zwar die Kämpfe des fubs 
jettiven Gefühle gegen die Macht der allgemeinen Sitte, fie 
taffen ung Klagen hören, in denen bie Beleidigten ihre Uchers 
zeugung von ber Nichtigfeit des Ehrengeſetzes ausfprechen, 
und fon Lope de Vega legt einem feiner Helden die folgen= 
den Worte In ben Mund: „Verflucht fei'ft du, o Ehrel vers 
ruchte Erfindung der Menfchen, welche die Defege der Natur 
umftößt! Wehe über den, der did) erfunden hat!” Aber dies find 
nur augenblidliche Ergüffe der Empfindung, denen fein Gehör - 
gegeben werden fann, und fie bienen nad) der Abficht ber 
Dichter nur dazu, die Willengfeftigfeit ihrer Helden, die troß 
des witerftrebenden Gefühles die verhaftte That doch vollbrins 
gen, in heiferes Licht zu ftellen. — Dies glaubten wir für 
die richtige Auffaffung einiger Der folgenden Dramen voraus⸗ 
ſchicken zu müffen. Unter den Echaufpielen aus der fpanifchen 
Geſchichte begreifen wir füglich fogleich auch die aus der por: 
tugiefifhen, in deren Ton und Farbe fich Feine Berfchiedenheit 
yon den erfteren bemerklich macht. 

La niña de Gomez Arias behandelt eine Begebenpeit, 
die fih zur Zeit Ferdinand'S und der Sfabella, während bes 
erften Aufftandes der Mauren in ben Alpufarras zugetragen 
haben muß. Man wird fih in Mendoza und Marmol Care 
vajal »vergebeng nad) einer hiſtoriſchen Nachricht über biefelbe 
umfehen. Die rührende Gefchichte hatte zu einer Bolf8romanze 
Anlaß gegeben, die, wie man aus vielfachen Anfpielungen 


— — A — — 


— 15 — 


bei ſpaniſchen Dichtern ſieht, ſehr verbreitet war (ſ. z. B. 
Cervantes Ocho Comedias, Ausgabe von 1742, Tom. II. 
p. 317). Der Erſte, der den Gegenſtand dramatiſch behandelte, 
war Luis Velez de Guevara. Sein ſehr vorzügliches Schau⸗ 
ſpiel Hat denſelben Titel, wie das des Calderon. Man faun 
dem Lebtern den Ruhm nicht abfprechen, feinen Vorgänger 
ín jeder Hinficht noch übertroffen zu haben. Der Held unferes 
Drama’s, Gomez Artas, ift ein Wüftling, ungefähr wie Tirſo's 
Don Juan. Die junge, unfchuldige Dorothea fällt feinen Ver. 
führungsfünften zum Opfer und läfit fi von ihm aus dem 
päterlichen Haufe entführen. Shrer ſchon überdrüſſig, verláfit 
er fie, während fie fchläft, in einer wilden Gegend ber Alpu⸗ 
jarras, wo fi), nach der Einnahme von Granada, nod) einige 
Mauren in Unabhängigfeit gegen die hriftlichen Waffen bes 
paupten. Erwachend ſucht Dorothea ihren Geliebten, erblidt 
aber flatt feiner maurifche Krieger, welche fid) ihrer bemáds 
tigen und fie gefangen fortichleppen. Nicht lange nachher wird 
fie von dhriftlichen Soldaten befreit und nach Guadix in ein 
Haus geführt, wo fie wieder mit Gomez Arias zufanmentrifft. 
Diefer geht bier damit um, ein anderes Mädchen zu entfüh- 
ren, fchleppt aber bei Nacht durch Irrthum Dorothea mit jich 
fort. Bei Tagesanbruch erfennt er fie. Sie befinden fih an 
demfelben Orte, wo er fie das erfte Mal verlich, am Fuße 
der maurifchen Feftung Benamert. Außer fich über feine Täu⸗ 
fhung, mißhandelt er die Unglüdliche und geht damit um, 
fie von Neuem zu verlaffen. Dorothea jammert und fleht um 
Mitleid; aber der Erbarmungslofe faßt einen nod) abfcheu- 
liberen Entfchluß, und ruft die Mauren herbei, um bie beis 
fpiellos Betrogene an fie zu verhandeln Die Rede, in 
welcher das troftlofe Mädchen ben Unbarmberzigen befchwört, 
fie nicht zu verlaffen, tft ein Oipfelpuntt von Calderon's 


— 152 — 


Poefiez gewaltig und flürmifch im Ausdruck der Verzweiflung, 
vol! tieffter und innigfter Rührung in bem der bittenden Hülfs 
Iofigfeit, wälzt fie fid) gleich einem reißenden Strome fort, und 
mit unvergleihliher Wirkung find dabei die Worte der alten 
Romanze benugt. Aber ber flarre Sinti des Gomez Artas 
wird nicht bewegt; der Unmenfchliche läßt die Verzweifelnde 
in den Händen ber Mauren. Bald rüdt die Königin Zfabelle 
mit einem Heerzug heran und nimmt die Feftung ein, wo fie 
aus dem Munde ber Gefangenen die granfe, an ihr verúbte 
Miffethat erfährt; fie läßt ben Frevler verhaften, zwingt ihn, 
Dorotheen durch Darreihung feiner Hand die Ehre wieder 
zugeben, und läßt dann fein Haupt auf bem Schaffot fallen. — 
Bon der hinreifienden Wirfung diefes Stüds auf der Bühne 
erzählt La Huerta ein bemerfenswerthes Beifpiel. Die Alcals 
des be Corte, tweldjen bie Aufficht über das Theater oblag, 
hatten ihren Platz auf der Bühne, und tvaren von einigen 
Alguacil8 begleitet. In der Scene num, mo Gomez Arias das 
unglüdliche Mädchen, das er verführt hat, an bie Mohren 
verfaufen will, wurbe einer der Afguacild fo von der Leben: 
Digfeit und Naturwahrheit der Darftellung hingeriffen, daß er 
mit gezogenem Schwert auf den Schaufpieler Iosging, der bie 
Rolle des Gomez fpielte, und ihn zur Flucht zwang. 

El postrer duelo de España °°), Man muß fi wun- 


$3) Die Cataftrophe des Schaufpiels ift aus Heuter Delff's Befchrei- 
bung des Zweikampfs, fo um 11 Uhr Vormittags am 29ften Dec. 1522 
zu Valladolid gehalten. (Abgedruckt in Leben, Regierung und Abfterben 
der Könige von Hispanien. Nürnberg 1684. S. 491.) Die Beranlaffung 
diefes Duelle ſcheint Erfindung bes Dichters zu fein, wenn nicht eine 
Bolksfage zu Grunde lag. Auf dem Tridentinifchen Council wurden bie 
Öffentlichen Zweifämpfe oder Gottesgerichte verboten (Synod. Trid., Sess, 
25 cap. 19), und hiernach mag jenes Duell wirflid), wie der Titel fagt, 
das lebte in Spanien gewefen fein. - 


— — — 


— 1583 — 


dern, daß die beutfchen Veberfeger des Calderon dieſes grofis 
artige Gedicht unberüdfichtigt gelaffen haben. ES gehört in 
jeder Hinficht zu den meifterbafteften feíner Werfe und vers 
einigt die tieffinnigfte Runft der Compofition mit bem ges 
waltigften theatralifchen Leben; aud) der Styl tft faft durch⸗ 
aus vortrefflic. Vielleicht in feinem andern Drama felbft 
unferes Dichters ift der Begriff ber Ehre, al8 ber das ganze 
Leben beherrfchenden Macht, fo tief aufgefaßt, und der Cons 
flift zmoifchen ihr und dem fubfeftiven Bewußtfein zu einer 
fo erfehätternden Wirfung benugt worden. Der Verlauf der 
Handlung ift in ber Kürze, wie folgt. Zwei befreundete fpas 
nifhe Ritter, Don Geronimo und Don Pedro, treffen fid) 
nach langer Trennung zu Zaragoza, wo eben zur Feier ber 


Rúdfunft Kaifer’s Karl V. nad) Spanien Spiele und Fefts 


lichkeiten veranftaltet. werden. Geronimo vertraut dem Freunde, 
wie eine Dame, Doña Violante, fein Herz zur höchften Leis 
denfchaft entflammt habe, wie er aber von Etferfudt gequält 
werde, weil er aus verſchiedenen Anzeigen ſchließen müffe, 
daß er einen Nebenbubler bei der Geliebten habe; zugleich 
bittet er Don Pedro, ihm zur Entbedung biefes Rivalen be: 
hülflich zu fein. Pedro fpridt in einem Seldftgefpräche ben 
Kampf aus, welchen entgegengefegte Gefühle in feiner Seele 
ſtreiten; er felbft nämlich ift Violanten'3 Geliebter, und wenn 
nun auf der einen Seite die Pflicht gegen ben Freund von 
ibm verlangt, daß er dies offen geftehe, fo hat er auf der 
anderen Seite Vivlanten das tieffte Schweigen über ihr Lies 
besverhältniß angelobt; zugleich vermag er bei dem Geftänd- 
nig Geronimo’d eine Anwandlung von Eiferſucht nicht zu 
unterbrüden, und er beſchließt deßhalb, die Geliebte genau 
zu beobachten, ob er eine Treulofigteít bei ihr zu entoeden 
vermóge. Nicht lange darauf, als er fich des Abends bei ihr 


— 151 — 


befindet, hört er vor ihrem Fenfter eine Serenade, macht ir 
darüber Vorwürfe, geräth in einen lebhaften Wortwechſel 
mit ihr und Hält fid nun in der Aufivallung für berechtigt, 
dem Geronimo gegenüber das Schweigen zu brechen. Er ftellt 
bem Freunde vor, wie er ber früher Berechtigte fel ; allein 
die Aufregung der Leidenfchaft auf beiden Seiten führt zu 
bigigen Worten, und die Unterredung endigt mit der Feſt—⸗ 
flellung der Zeit und des Drtes für einen 3meifampf. AUS 
ebro eben an dem Plage anlangt, wo der Kampf gehalten 
werben foll, wird er durch einen Sturz mit dem Pferde am 
Arme beſchaͤdigt. Geronimo will nicht dulden, daß das Duck 
unter biefen Umftänden Statt habe, aber Pedro beharrt auf 
ber fofortigen Ausfechtung des Streites. Kaum tft der Kampf 
begonnen, fo entfinft bem erfchöpften Don Pebro das Schwert; 
fein Gegner will von dem ihm bierdurd dargebotenen Vor⸗ 
theil feinen Gebrauch machen, diefer Evelmuth führt die Ver: 
fühnung ber beiden Streitenden herbei, und Geronimo gelobt 
mit feierlihem Eide, nie gegen irgend Jemand etwas über den, 
nad) ſpaniſchen Ehrenbegriffen für Pedro vemüthigenden Ausgang 
des Duelld verlauten zu laffen. Serafina, eine von Pedro für 
Violante verfhmähte Dame, Hat, im Gebüfche verftedt, dicfen 
Auftritt belaufcht, und befchließt, dies zu benugen, um ſich 
an ihrem früheren Liebhaber zu rächen. Die Gelegenheit hierzu 
findet fi bald. Als Peoro fid nicht lange darauf in ¿úrts 
lihem Zwiegeſpräch bet Biolanten befindet, tritt Serafina ein 
und erzählt in höhniſcher Weife den Vorgang, deffen Augen- 
zeugin fte gervefen ift, was denn feinen Eindruck auf Bivs 
lante nicht verfehlt, fo daß biefe ihren Liebhaber verabſchiedet 
und ihm auferlegt, nicht wieder vor ihr zu erfcheinen, bevor 
er den Sleden getilgt habe, der auf feiner Ehre ruhe. Pedro 
ift wie zernichtet, und brennt vor Begier, fi an Geronimo 


| 
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— 155 — 


zu rächen, von bem er glaubt, daß er das ihm angelobte 
Geheimniß verlegt habe. Als er in's Freie tritt, hört er die 
Bauern ein Spottlied fingen, in welchem ber Hergang bet 
jenem unfeligen. Duell in burlester Weiſe erzählt wird; fo 
weltfundig ift feine Schmach fon geworden! Er ftellt fih 
mun vor dem Kaiſer bar und verlangt von ihm die Anords 
nung eines Gottesgerichts, in weldem er die Reinheit feines 
Namens herftellen und die Wortbrüchigkeit feines Gegnerd 
zächtigen will. Der Raifer willigt ein und beflimmt Zeit und 
Ort für ben feierlichen Zweikampf. Die Tegte Scene bes 
Stüdes zeigt uns die Plaza mayor von Valladolid und ben 
Kaifer mit feinem Hofflaat, fo wie die verfammelte Volf8s 
menge, welche fih um die Schranfen drängt. Der Kampf 
wird eröffnet, und die beiden Gegner ftreiten mit folder pels 
denmáfigen Tapferkeit, daß der Kaifer dazwiſchen tritt und 
fie von einander zu trennen befieplt, weil Beide des Sieges⸗ 
rupmes würdig feien und Keiner als ſchuldig angenoms 
men werden fönne. Da tritt Serafina auf und erklärt, daf 
fie felbft nad) ihrer eigenen Wahrnehmung geſprochen und 
Geronimo das von ihm beſchworene Geheimniß nicht verrathen 
habe. So finfen fidy denn die Freunde verfóbnt in die Arme 
und Pedro reicht der Violante feine Hand. Daß au Ges 
tonimo, feine frühere Neigung vergeffend, der Serafina einen 
Antrag macht, fft eine Huldigung an bie auf der fpanifepen 
Bühne beinahe zum Gefeß gewordene Gewohnheit, daf am 
Schluſſe einer Comödie fih mehrere Paare zufammenfinden 
múfien. 

El medico de su honra **). Eine furchtbare Tragödie, 


5) In ben beiden Hanptwerfen über die Gefchichte Peters des Grau⸗ 
famen, der Historia del rey D. Pedro y su descendencia por Gra- 
tia Dei und ber Chronica del rey D. Pedro von Lopez de Ayala fin: 


— 156 — 


herb und verlegend nach unfern Begriffen, und durchaus nad) 
den fittlichen Grundfügen des damaligen Spaniens, wo fid) 
das Zartgefühl im Punft der Ehre bi8 zum Fanatismus ges 
fteigert hatte, zu beurtheilen. Wenn man ſich einmal auf dies 
fen Standpunkt geftellt hat und ben unfer Gefühl beleidi- 
genden Mord ber ſchuldloſen Mencía nad) den in Spanien 
berrfchenden Anfichten beurteilt, fo wird man nit umbin 
fónmen  biefes Drama für eine der toundervollften Schöpfuns 
gen fm ganzen Reiche ber Poefle zu erflären. Den Inhalt, 
und fomit aud die durchgängige Meifterfchaft der Compoſi⸗ 
tion als befannt vorausfegend, wollen wir nur — mit Das 
mas-Hinard, ber feiner franzöfifchen Ueberſetzung treffliche 
Bemerfungen über das Stüd vorangeftellt hat — einige Eins 
zelheiten als befonders bemerfenswerth hervorheben. Als folche 
ericheinen fm erften Afte die trefflihe und fo oft nachge- 
ahmte Erpofition; im zweiten die Scene, wo Don Quíterre 
fein Haus burdfudt, um den dort verborgenen Liebhaber feís 
ner Frau zu entdeden, aber nur den Gracioſo ertappt, wels 
cher ein lautes Gefchrei erhebt, während Mencia voll Ent: 
fegen wähnt, daß ihr Liebhaber entvedt feiz; dann ber Mo: 
nolog, wo Don Gutierre ſich bemüht, die Umftände, welche 
feine Eiferfucht erregt haben, fo günftig wie möglich auszus 
legen; darauf Die nächtliche Unterredung zwifchen Guiterre 
und feiner Gattin, wo die legtere, in dem Glauben, mit 
Don Enrique zu reden, den Argwobn ihres Gatten bes 
ftätigt; endlid) der ganze dritte Aft, ein vollendetes Meifter- 
ſtück, in dem felbft ber Fältefte Zufchauer mit -athemlofer Aufs 
regung dem flürmenden Drange ber Begebenheiten folgen 
bet fich nichts, was über bie hiftorifche Veranlaffung des Drama’s Auf: 


ſchluß gäbe. Ayala erwähnt nur Enrique's ausfchweifende Neigung zum 
weiblichen Geſchlecht. . 


— 157 — 


muß und wo eine intereffante Scene die andere bis zu jener 
bindrángt, welche das Stüd fo erichütternd und energiſch bes 
ſchließt. Wie poetifh und zugleich dramatiſch wirffam ift furz 
vor der Rataftrophe die Erfindung, daß man auf der Straße 
von einer geheimnißvollen Stimme eine Romanze über die 
Abreífe des Infanten fingen hört! Auch die Charafterzeichnung 
bat eminentes Verdienftz alg Beleg für die Keinheit, mit 
welcher das Bild Gutierre’d entworfen ift, ſei nur ber Zug 
angeführt, daß er (wie der Dichter abfichtlidh hervorhebt) 
trog feiner fonftigen Pflichttreue, auf einen leichten Verdacht 
hin das Weib, bem er die Hand verfprochen hatte, verlaffen - 
bat. Die Figur Pedro's, des Rechtspflegers, ift, wie bei faft 
allen fpanifhen Dramatifern, in edlerer Weiſe aufgefaßt, als 
fie in den Darftellungen der Geſchichtſchreiber erfcheint. 

A secreto agravio secreta venganza. Am 
Schluffe der Tragödie wird gefagt, fie berube auf einem wah⸗ 
ren Ercigniffe. Die Hiftorifer berichten nichts über daffelbe, 
wohl aber läßt fih die Zeit angeben, in"weldhe es fallen 
muß. Die beiden erften Jornadas fpielen, wie aus bem 
Stüde felbft hervorgeht, im Juni 1578, die dritte in ber 
Nacht vor der Einfchiffung des Könige Sebaftian von Pors 
tugal nad Afrifa, oder in ber vom 23. auf ben 24. beffel: 
ben Monats. — Diefes Drama zeigt in vielleicht nod) grelleren 
Zügen, alé ber Medico de su honra, die Reizbarfeit des 
ſüdlichen VolfeS in Bezug auf den Ehrenpunft und Die furdhts 
baren Thaten, die dadurch herbeigeführt wurden. Ein portus 
giefifcher Ritter, Don Lope be Almeyda, der fidy bei ben 
glorreichen Unternehmungen feines Bolfes in Indien fehr 
bervorgethan hat, vermählt fid zu Liffabon mit der Spas 
nierin Doña Leonor. Selbft ſchon bejahrt, ift er fehr zum Args 
wohn gegen feine junge Gattin aufgelegt. Bald bemerft er, 


— 158 — 


dafí em ſpaniſcher Nitter Abends oft feine Wohnmg um- 
fchleicht; ein zmeiter Umftand, der ihm Verdacht erregt, iſt, 
daß Leonor, alg er mit ihr über feine Kriegspläne fpricht, 
ihm räth, fi bem Zuge des Königs nad) Afrika anzufchließen. Da 
er eines Abends nad) Haufe febrt, findet er einen Fremden in dem 
Gemach feiner Gemahlin verftedt; es ift ein früherer Liebhaber 
Leonor's, den diefe tobt geglaubt und ben fie mun , da er ihr wie 
der lebend vor's Geficht tritt, auf ein einziges Mal zum ewigen 
Abſchiede zu ſich gelaben hat. Der beleídígte Gatte fingirt, 
nichts bemerft zu haben, Damit feine Chre in ber öffentlichen 
Meinung von feinem Flecken betroffen werde, und befchliefit, 
bie geheime Kränfung eben fo geheim zu rächen. Die Geles 
genheit zur Ausführung feines Plans findet fid) bald. Bei 
den Feften , die vor der Abfahrt des Königs Sebaftian Statt 
finden, lot er feinen vermeintlichen Nebenbuhler in ein Boot, 
mit bem Berfprechen, ihn über den Tajo zu fegen; in ber - 
Mitte des Fluffes flürzt er dann den Unglüdlichen in die 
Mellen und läßt'ihn ertrinken, verfenft bas Boot und rettet 
ſich felbft durch Schwimmen. An'8 Land gelangt, gibt er 
vor, das Fahrzeug fei durch einen Windftoß umgeſtürzt wor: 
den. Sodann begibt er fid) zu Leonor, erzählt ihr mit gleich- 
gültiger Miene ven Zodesfall, alg ob berfelbe fie gar nidt 
angehe, und ftößt ihr nach beendigter Erzählung einen Dold) 
in die Bruft. Hferauf ſteckt er fein Haus in Flammen, und 
als die Leiche ganz verzehrt tft, erzählt er feinen Bekannten, 
daß er feine Gattin troß aller Bemiibimgen nit aus der 
Feuersbrunſt habe retten Tónnen. Der König Sebaftian ift 
durch einen Freund Lope'S, der den wahren Hergang durch⸗ 
febaut hat, von der ganzen Sade unterrichtet und läßt ben 
Helden, als er vor ihm erjcheint, um mit nach Afrifa zu zichen, 
nicht allein ungeftraft, fondern belobt ihn fogar wegen feiner 
fühnen und Fugen That. 


+= — 


— — — 


— 159 — 


Las tres jusitcias en una *5). Ein tiefsernftes, auf 
eine erfehütternde Wirfung, wie nur wenige andere, berech⸗ 
netes Drama. Man fieht im Beginn eine wilde Gebirgsge⸗ 
gend und hört Slintenfchüffe hinter der Scene. Don Mendo 
und feine Tochter Violante treten auf, von Räubern verfolgt; 
eben follen fte nievergeftoßen werden, alg Don Lope, gleich. 
falls in DBanditentradht und Anführer der Bande, erfcheint. 
Mendo wirft fih, um Erbarmen flehend, vor ihn nieder, und 
Lope richtet ihn, plöglich zur Milde geftimmt, mit ben Lor: 
ten auf: „Set ruhig, du bift der erfte Menſch, der mich zum 
Mitleid bewegt hat.” Aud) Violante wird von bem fo un: 
gewohnte Milde zeigenden Räuber getrófter. Mendo nennt 
nun feinen Namen und erzählt, wie er im Auftrage bes Kö⸗ 
nigs Pedro von Aragon eine Gefchäftsreife unternommen 
babe, nun aber nad) Zaragoza zurüdfehre, wo er hoffe, für 
feinen großmüthigen Retter die Verzeihung bes Könige aus: 
¿uwirfen. Lope eriviedert, er wage Died wegen ber fchweren, 
von ihm verübten Verbrechen nicht zu hoffen. Mendo fucht 
fín zu tróften, und bittet ihn, ihm feine Gefchichte zu ere 
zählen, indem er nochmals verfpricyt, Alles aufzubieten, um 


55) Bal. Schmidt, a. a. D., fagt, der in dieſem Schaufpiel vorfum: 
mende König Pedro von Aragon, mit dem Beinamen der Graufame, fet 
eine fagenhafte, aus dem Caftilifchen Pebro erwachſene Figur; aber fol: 
gende Stelle aus dem Schaufpiel Tambien la afrenta es veneno von 
Guevara beweift, daß der König von Aragon wirklich gleidyfalle mit dem 
Beinamen el Cruel belegt worben ift: 

Tres Pedros 
Huvo en Portugal, Castilla 
Y Aragon & un mismo tiempo, 
Todos tres primos hermanos 
Y á todos tres nombres dieron 
De crueles, 





— 160 — 


ben König zu feinen Gunften zu ſtimmen. Lope heißt bie 
Räuber fid) entfernen und berichtet nun, wie fein Vater Don 
Lope be Urrea fet, der als Greis fid) mit der fünfzehnjähri⸗ 
gen Blanca vermählt habe. Bei diefen Worten unterbricht 
ihn Mendo: „Ich weiß, ich weiß, und wollte Gott, ich wüßte 
e8 nicht! Hinweg, ihr Gedanken, was wollt ihr mir?” — 
Lope fährt fort, zu erzählen, wie Blanca nur gezwungen in 
die Heirath gewilligt habe und wie er felbft, bas Kind diefer 
Zwangsehe, die Folgen der unnatürlichen Verbindung in feis 
ner Erziehung erfahren habe. Bon ber Mutter geliebt, dem 
Vater aber verhaßt, babe er die erftere nie anders als heim⸗ 
lich fehen dürfen; fpáter als Süngling bat er fi, um bas 
häusliche Elend zu vergeffen, wilden Ausfchweifungen übers 
laffen, cin Mäpchen verführt, deren Bruder umgebracht, und 
ift in Folge diefer That gezwungen worden, zu entfliehen. 
Als er fo weit erzählt hat, wird er durch Tumult hinter der 
Scene unterbrochen. ES find bie Diener ber Gerechtigfeit, 
welche den Ráubern auf die Spur gefommen. Lope eilt, fic 
zu verbergen. Mendo wiederholt ihm bei'm Abfchiede das 
frühere Berfprechen und bittet ihn um irgend ein Pfand, durch das 
der von ihm zu fendende Bote ſich kenntlich machen könne. 
Lope gibt ihm einen Dolch, verrvundet ſich aber damit bei’m 
Ueberreichen deſſelben 99), und wird, ql8 er ihn in Mendo'8 
Händen erblidt, von einer bangen Ahnung befallen, die ihn 
in Berwirrung bringt. Bei'm Abyehen gibt Violante ben 
Einbrud fund, welchen der gegen fic fo mitleidige Räuber 
auf fie gemacht hat. So tft die Handlung auf's trefflichfte 
eingeleitet und die Spannung auf das Folgende Tebhaft ers 


6) Dies ift ein traditioneller und fchon von mehreren Dramatifern 
vor Calderon angewandter Zug; etwas Aehnliches fommt ¿. Y. in Tirs 
ſo's Escarmientos para el Cuerde vor. 


— 161 — 


regt. Im weiteren Verlaufe bes Stúdes erflebt mun, auf 
Mendo's Anregung und mit beffen Unterftigung, ber alte 
Lope die Begnadigung feines Sohnes. Diefer fehrt tn bas 
Baterhaus zurüd, und zwifchen ihm und Biolanten entfpinnt 
fih bald ein ¿ártlides Verhältniß. Aber die Wildheit des 
jungen Lope tft nicht gezähmt; fie bricht bald wieder hervor 
und gibt fich in Ausfchweifungen und Raufereien fund. Bet 
einem nächtlichen Streite auf der Straße, über den fein Bas 
ter zufommt, vergißt er fi fo weit gegen Leßteren, daß er 
fid) thätlich an ihm vergreift. Nun ift das Maaß feiner Schuld 
gefüllt und ber Vater Flagt felbft den pflichtvergeffenen Sohn 
vor bem Richterftupl des Königs an. Mendo tofrb mit ber 
Beftrafung bes Schulbigen beauftragt, aber die Danfbarteit 
gegen feinen Cebengretter beftimmt ihn, vielmehr auf beffen 
Rettung bedacht zu fein. Der König gewahrt dies und 
übernimmt nun die Ahndung felbft; aber ber Frevel fcheint 
tm fo ungeheuer, daß er bem Zweifel Raum gibt, ob 
Lope auch wirfiihd Sohn des von ihn gefchändeten Lope 
de Urrea fet; er begibt fi, um Gewißheit zu erlangen, zu 
Blanca und erfährt von ihr ein Geheimniß, das fie tief in 
iprem Buſen verborgen gehalten hat. Lope ft nicht Sohn 
defien, der für feinen Bater gegulten, fondern Sproffe 
einer Nothzucht, welche Mendo an Blanca'8 Schweſter ver: 


übt Hatz um die Ehre der Schwefter zu retten, hat Blanca 


das Kind von der Wiege an für ihr eigenes ausgegeben. 
Rad) dieſer Aufflärung, welche auf einmal ein wunderbares 
Licht auf die vorhergehende Handlung wirft, folgt eine Ra: 
tafiropbe von wahrhaft überwältigender Wirfung. Mendo und 
Violante fuchen in Lope’s Rerter zu dringen, um ihn zu bes 
freien; die Legtere hat eben aus bem Munde ihres Waters 
vernommen, daß der Gelichte ihr Bruder fel, und Dies, wenn 
Geſch. d. Lit, in Spanien. III. Bo, 11 





— 162 — 


e8 auf ber einen Seite fie mit Entfegen erfüllt, fteigert auf 
der anderen noch ihr Verlangen, den Gefangenen zu retten. 
Auch Blanca und ber alte Lope be Urrea eilen herbei; da 
dringen bumpfe Rlagetóne aus bem Rerfer, die Thüren öffe - 
nen fih und man erblidt Lope erdroſſelt, in feiner Hand 
em Papier mit bem Richterfpruche: „Wer den, der ihm Vater 
geroefen, fhändet, ber foll fterben; und trauernder Zeuge fet 
nes Todes foll fein, wer ein reines Blut verunebrt und wer 
Trug übt; fo find bier in Einer Strafe drei Vergeltungen 
für drei Vergehen verbunden.” — Wunderbar ſchön und groß 
ft in biefem Drama, einem ber herrlichſten unferes Dichters, 
die Darftellung ber geheimnißvollen Wege, welche Die gött- 
liche Gerechtigfeit wandelt, um die Simde zu rächen, und 
gleich vortrefflich bie Schifverung ber geheimen Macht des 
Blutes, welche die ſchon erhobene Hand des entarteten Soh> 
nes zurüdhält, als fein wahrer Vater vor ihm fteht, wáb: 
rend er den vermeintlichen mifhandelt. 

El Alcalde de Zalamea*”). Obgleich dieſes Stüd 

57) In der Anrede an das Publitum am Schluffe des Stüds ver: 
fichert der Dichter, Daffelbe beruhe auf einer wahren Begebenheit. Diefe 
muß, dem Inhalt zu Folge, im Frühjahr 1581, als fi Philipp 11. auf 
dem Wege nach Liſſabon befand, um fich dort Frönen zu laſſen, vorges 
- fallen fein; Luis Cabrera in feiner Vida de Felipe II, Leti und Matfon 
jedoch berichten nichts davon. Evangelista Ortense in den successi 
della guerra di Portogallo, Venet. 1582 fchreibt befonders ben Ita⸗ 
liemern und Deutfchen Antheil an den auf dem Zuge vorgefallenen Un- 
ruben bei, berichtet aber zugleich von einem Galeerenhauptmann und an: 
deren Dffizieren, Die wegen Verlegung eines portugiefifchen Kloſters 
geköpft und gerábert worden feien. ©. bie Notizen von Malsburg vor 
feiner Meberjeßung. Ueber den Zope be Figueroa, einen ber berühmteften 
Kriegshelden in den Heeren Philipp’s IT. fann man nachfehen Suarez, 


Hist. de Guadix E. H. cap. IH. und Escalante, Diálogos Milit. 
dial. III. Fol. 41 ff. 


ö— — » — ED — — — — 


— 163 — 


zweimal in's Deutſche überſetzt worden tft, bat es doc, fo 
viel wir wiſſen, noch nicht die gebührende Beachtung gefuns 
den; wir wollen deshalb ſuchen, durch die folgende Inhalts⸗ 
überſicht einige Theilnahme für daſſelbe zu erregen. Pedro 
Crespo, ein reicher Bauer in dem Eſtremaduriſchen Flecken 
Zalamea, hat eine Tochter von ſeltener Schönheit. Bei der 
Ankunft eines unter dem Oberbefehl des Lope de Figueroa 
ſtehenden und nad) Portugal beſtimmten Trupps Soldaten 
gebraucht er die Vorſicht, die reizende Iſabella in einem ent⸗ 
legenen Gemach verborgen zu halten; aber einer der anges 
langten Officiere, der Hauptmamn Alvaro de Atayde, weiß 
es deſſen unerachtet dahin zu bringen, daß er fie erblidt, und 
eilt, ſich um ihre Gunft zu bewerben. Der geringe Erfolg, 
der ihm zu Theil wird, ſchreckt ihm nicht von weiteren Des 
mibungen ab. Seine Verſuche, bei Ifabellen einzudringen, 
und eine Serenade, die er ihr bringt, verfegen Crespo und 
befien Sohn in Iebhafte Unruhe, und die Dreiftigfeit des 
Hauptmanns ſteigert fic) bald fo fehr, daß fürmliche Zwiſtig⸗ 
feiten zwifchen ben Bauern und den Soldaten dadurch hers 
beigeführt worden, indem jene für Erespo, biefe für Alvaro 
Partei nehmen. Lope de Figueroa hält es unter biefen Um- 
ſtaͤnden für das Befte, die Truppen fofort abmarfchiren zu 
laſſen; er nimmt von feinem Wirthe Erespo, mit bem er 
während der Zeit ihres Zuſammenlebens Freundſchaft gefchlof- 
fen hat, Abſchied, hinterläßt Sfabellen zum Andenken ein bias 
mantenes Kreuz und nimmt deren Bruder, der große Neigung 
für den Solbatenftand fühlt, unter feinem Schuge mit fi 
fort. Schon haben die Truppen das Dorf verlaffen. Ifabella, 
froh, aus ihrer Haft erlóft zu fein, ergeht fic) in ber Abenb: 
fühle vor ihrem Haufe, alg plötzlich Alvaro, der feine Leiden⸗ 
fhaft um jeden Preis befriedigen will und fich heimlich nad) 
11* 





— 16 — 


Zalamea zurücgefchlichen hat, fie mit einer Schaar Solbaten 
überfällt und in ein nabes Holz fortfchleppt. Crespo, der 
auf ihr Angftgefchrei herbeieilt, fucht vergebens, fie zu bes 
freien; Alvaro's Helfershelfer entwaffnen ihn und binden ihn 
mit Striden an einen Baum, von dem er fi vergebens los⸗ 
zumachen fucht; fein Sohm eben im Begriff, den Truppen zu 
folgen, eilt den Räubern gleichfalls nad); als er fie bei 
Tagesanbrud) erreicht, tft es zu fpát, um die Ehre der un: 
glückſeligen Schweſter zu retten, und er fann nur mod) daran 
denfen, fie zu rächen. Während er müthend auf den Haupts 
mann zuſtürzt und ihn mit einem Schwertftoße burchbohrt, 
entflieht Ifabella dem Räuber ihrer Ehre. Der Zufall führt 
fie an bie Etelle, wo ihr Vater den Abend vorher angebun: 
den worden tft. Hier beginnt eine eben fo kühne als originale 
Scene, die ihrer ganzen Anlage nad) auf bie tiefite Erſchüt⸗ 
terung berechnet fft; nur vermißt man in der Rede der fam: 
mernden und in Thränen vor ihrem Vater Fnieenden Ifabella 
die Natürlichfett und Einfachheit des Ausdrucks, welche durch 
die . Situation geboten war; ihre Erzählung wimmelt von 
rhetorifchen Ausſchmückungen, Metaphern und Antithefen. Edler 
und angemeffener find die Worte, durch welche Erespo fie 
zu tröften fucht. „Steh auf, fteh auf, meine Sfabella! — fagt 
er — toenn der Himmel uns nicht diefe Prüfungen hätte 
auferlegen wollen, wozu hätte er ung die Kraft gegeben, fte 
zu ertragen? Sn folder Lage müffen wir unferen Muth er- 
proben. Laß uns nad) Haufe gehen und lieber an deinen Bru⸗ 
ber denfen! Durch feinen Angriff gegen ben Hauptmann bat 
er fih einer großen Gefahr ausgefegt, welcher wir ihn zu 
entreißen fuchen müflen . . . . .. “ In dieſem Augenblid er: 
fcheint eine Deputation ver Bewohner von Zalamea, um Crespo 
anzufündigen, daß er zu ihrem Alcalden gewählt worden fet. 


— 165 — 


Zugleich melden fie ihm, König Philipp twerbe noch denfelben 
Zag in 3alamea eintreffen, und der Hauptmann Alvaro ſei 
verwundet in den Ort zurüdgebracdht worden. Grespo eilt, 
fein neues Amt anzutreten, und die erfte Handlung, die er als 
Alcalde vornimmt, ift die Verhaftung des Hauptmanncs, def: 
fen Verwundung fi als nicht fo gefährlich herausftellt, wie 
man geglaubt hatte. Alyaro proteftirt gegen die Anwendung 
der Giviljuftiz bei einem Officier; Crespo aber befichlt allen 
Anwefenden, fich zurüdzuziehen, er babe allein mit dem Haupts 
mann zu fprechen. Hier folgt denn eine bewundernswürdige 
Scene. Der Alcalde ftellt dem Schänder feiner Tochter in 
eindringlichen Worten die Ruchlofigfeit feines Benehmens vor, 
burd) die er Schmach über eine feit Sahrhunderten mafellvfe 
Familie gebracht habe; er fucht ihm begreiflih zu maden, 
wie er nach göttlichen und menfchlichen Gefegen gebunden 
fet, Sfabellen bie geraubte Ehre zurüdzugeben, und dies fónne 
nicht anders gefchehen, alg indem er ihr die Hand reiche; 
er bietet ihm an, fein ganzes Vermögen und alle feine Ber 
figungen an ifn abzutreten, und beugt zulegt ein Knie vor 
ihn, ihn bei allen Heiligen beſchwörend, die gerechte Forde⸗ 
rung nicht zu verweigern. Aber der fühllofe Hauptmann weift 
mit faltem Hohngelächter das „wahnfinnige Begehren ves 
einfältigen Oreifesa zurüd, und nun richtet ſich Crespo plógs 
lich, den Alcaldenftab erhebend, auf und befiehlt den herbeis 
eilenden Bauern, den Frevler zu verbaften. Alvaro ftráubt 
fid), muß fi) aber gefangen geben. Crespo fchreitet nun fo: 
fort zur Einleitung der Unterfuchung, verhört die mitverhafe 
teten Soldaten, bringt fie zum Geftändniß der Schandthat 
und zwingt feine Tochter, felbft Zeugniß über den an ihr ges 
übten Srevel abzulegen. Nachdem dies gefchehen, verhaftet er 
feinen Sohn, der angeflagt ift, das Schwert wider feinen 


rg 


— 166 — 


militärtichen Oberen gezogen zu haben, und alg man fi 
fiber diefe Strenge wundert, antwortet er: , 3d) würde gegen 
meinen eigenen Vater ebenfo hanveln, wenn das Geſetz es 
forderte.” Unterdeffen hat ein entflohener Soldat bem Lope 
de Figueroa Nachricht von den Vorgängen in Zalamea ges 
bracht. Diefer, entrüftet, daß ein Schultheif gewagt habe, die 
Privilegien des Eoldatenftandes anzutaften ımd Hand an einen 
Officier zu legen, eilt herbei, und es beginnt eine heftige Cons 
teftation zmwifchen ihm und Crespo. Er verlangt die Ausltefe- 
rung des Hauptinannd, indem er fid) erbictet, felbft in firengs 
fter Form Gericht zu halten; der Alcalbe aber verweigert dies 
beharrlih und fagt, über feine Ehre dürfe nur er ſelbſt 
Nichter fein. Lope will den Gefangenen durch Gewalt in 
feine Hände zu befommen fuchen, aber Erespo kündigt ihm 
an, der Rerter fer mit Schügen umitellt, und ber Erfte, der 
fich ihm nahe, werbe niedergefchoffen werden. Schon beginnen die 
Soldaten mit den Bauern handgemein zu werben und ers 
greifen Fudeln, um bas Dorf in Brand zu ftefen; Da 
wird die Ankunft des Königs gemeldet. Diefer erfunbigt fich fos 
gleih nach der Urfache des Tumults, und Don Lope ants 
wortet ihm, berfelbe fet der unglaublichen Frechheit des Al: 
calden zuzufchreiben, welcher einen Hauptmann verhaftet habe 
und ſich meigere, ihn herauszugeben. Grespo tritt nun vor 
den König hin, rechtfertigt fein Verfahren durch die Außer⸗ 
ordentlichfeit des Falles, und fügt Hinzu, bie Gerechtigfeit 
habe den Schuldigen fchon ereilt. Die Thüren öffnen fid) und 
man erblidt den erdroffelten Hauptmann. Der König, von 
dem ganzen Hergang unterrichtet, erfennt an, daf ber Ber: 
brecher den Tod verdient habe, rügt zwar die Ucherfpringung 
ber regelmäßigen Form in Crespo's Verfahren, vergibt ihm 
jedoch diefe Unregelmäßigfeit in Betracht feiner gerechten Zorn⸗ 


— 167 — . 


aufwallung über Alvaro’d unerhörtes Attentat, und beftátigt 
ibn für Lebenszeit in der Würde eines Alcalden von alas 
mea. Ifabelle wird beſtimmt, in ein Klofter zu geben, deren 
Bruder aber, aus gleichen Gründen, wie der Vater, freiyes 
fproden. — Bon Seiten der Compofition, Die von Scene zu 
Scene zu einer erfehütternden tragifchen Wirkung fortfchreitet, 
jo wie. in der marfirten und Tebendigen Charafteritif möchte 
fein Calderon'ſches Drama vorzüglicher fein. Der alte, durch 
ein langes Kriegsleben geftählte und rauh gewordene, aber 
in Grunde gutherzige Lope de Figueroa; dann der wackere 
Pedro Crespo, der vollendete Reprifentant eines ſpaniſchen 
Bauern in feinen ebelften Zügen, treu feinem König und 
feiner Pfliht und von unbeugfamer Charafterfeftigfeit; Der 
wüfte und hochfahrende Hauptmann; die muntere Marfetens 
derin Chispa; bie reizendfrifhen und anmutbigen Geftalten 
des Juan und der Ifabella ; endlich die verfchiedenen fittenlofen und 
graufamen, aber zugleich braven Soldaten — wir haben bier 
eine Gallerie der mannichfaltigften, in lebendigſter Wahrheit 
gezeichneten Figuren, welche wohl an den großen brittiichen 
Charaftermaler erinnern darf. — Nod) mögen hier folgende 
Worte ftehen, welche der geiftvolle Kenner ber ſpaniſchen Li 
teratur, Louis Viel-Saftel, bei Gelegenheit einer ausführlichen 
Analyfe biefeg Stüds (in der Revue des deux mondes) 
gefprochen hat. „Beſonders beivundernswerth erfcheint die Steis 
gerung des Intereffes bis zu der furchtbaren Kataſtrophe und 
die Kunft, mit welcher diefe felbft vorbereitet und behandelt 
ft. Die Handlungswelfe CErespo's, wie gewaltthitig fie 
auch ift, bat duch nichts Empörendeg, nein, fie rechtfertigt fi 
vor unferem Gefühl; das an feiner Tochter verübte Ver: 
brechen tft fo furdtbar, die Strafe an fic) felbft fu gerecht 
und die MWahrfcheinlichfeit, daß der Schuldige in jedem andes 





. — 168 — 


ren Falle entronnen fein würde, fo groß; Crespo enblich hans 
delt Anfangs, als er nod) eine gütlihe Genugthuung hofft, 
mit folder Mäßigung, und dann mit folder Feftigfett und 
Energie, daß alle Theilnahme fid) der von ihm verübten Rache 
zuwendet unb biefes Gefühl und mit dem Blutigen und Graus 
famen, was die That an fih hat, vollfommen verſöhnt.“ 
Amar despues de la muerte.’®) Ein überaus gláns 
zendes und Tebenvolles Gemälde des Aufftandes der Moristen 
in den Alpujarras vom Sahre 1570, dem Entwurf nad cine 
der trefflichften Compofitivnen des Dichters, aber im Styl 
nicht durdgängig zu Ioben. Gn den erfhütterndften Seenen, 
wo man die ungefchminfte Sprache der Empfindung erwartet, 
ftórt oft Gefuchtheit des Auspruds. Sehr bemerkenswerth ift, 
daß CEalberon, ben fonft ber Eifer für den Katholicismus 
meifteng gegen alle Gegner beffelben blenbet, hier. die Moris⸗ 
fet mit allen Tugenden des cdelften Hervismus ausftattet, 
fo daf ſich die Theilnahme mehr den Unterlicgenden alg ben 
Giegern zuwendet. Die erſte Scene fpielt im Haufe des Gabi 
zu Granada, wo die Mohren im Geheimen ihren Fetertag 
begehen. Möglich wird an die Thür gepodt, und D. Yuan 
de Maler, ein Abkömmling der alten Könige von Granada, 
der, den Oefegen Philipp’s II. gehorfam, zum Chriftenthum 
übergetreten und dafür mit einer Stelle im Rathe der Stadt 
belohnt worden tft, begehrt Einlaf. Er erzählt, wie er eben 
aus biefem Nathe komme und wie dort eine königliche Ber: 
oronung verlefen worden fet, durch welche bie Moristen neuen 
Bebriifungen preisgegeben würden. Malec, alg ber ältefte 


5 Einzelne hiftorifche Züge, Die der Dichter benubt hat, findet man 
in Vanderhämen, Hist, de D, J. de Austria, Lib, 11.; Marmól Car- 
‘ vajal, Hist. de la rebelion y castigo de los moriscos del reino 
de Granada. 


” 


— 169 — 


unter den Ráthen, hatte zuerft feine Mißbilligung dieſer Maaß⸗ 
regeln ausgevrüdt, D. Juan be Mendoza aber war ihm in's 
Wort gefallen, ihm erwidernd, er fei ein Maure und fuche 
deshalb feine Slaubensgenoffen der gerechten Strafe zu 
entziehen. Der Streit hatte ſich mehr und mehr erhigt und 
endlich damit geendigt, bag Mendoza dem Maler einen Bats 
Fenftreih gab. Der fo Beſchimpfte Flagt, daß er feinen 
Sohn habe, feine Schmad zu rächen, fondern nur eine 
Tochter, welche in ſolchem Unglück eine Dual mehr für ihn 
fet; dann ftellt er ben verfammelten Mauren vor, tvíe man 
darauf ausgehe, fie fämmtlih zu Sclaven zu maden, und 
fordert fie auf, die erfahrene "Beleidigung, welche fie alle 
treffe, zu rächen. Wirklich leiftet die ganze Verfammiung einen 
folhen Racheſchwur. Die folgende Scene zeigt und Malec'8 
Tochter in Verzweiflung über ben ihrem Vater wiberfahre- 
nen Schimpf; zur Erhöhung ihres Grames dient der Gedanke, 
daß ihr Oeliebter, Don Alvaro Tuzant, nun nad) der Schmadh, 
welche ihr Haus erlitten, fie feiner unwürdig finden werde. 
Da tritt Tuzaní auf und bewirbt fih um ihre Hand, um 
als Sohn des Beleidigten bie Rache übernehmen zu fónnen. 
Clara ftráubt fic), denn fie will den Geliebten nicht zum Ge⸗ 
noffen ihrer Schande machen. Unterdeffen treten der Corregi⸗ 
dor 3uftiga und D. Fernando de Valor, ein anderer, gleich 
falls Ehrift gervorbener Abfümmling der Granabinifchen Könige, 
bei Malec ein, um ihm bis zur Schlichtung des Streites Vers 
haft in feinem Haufe anzufündigen. Valor fehlägt vor, Mas 
lee's Tochter folle bem Mendoza ihre Hand reichen; Tuzant, 
um dieſem Ausfunftsinittel zuvorzukommen, eilt zu Mendzoa 
und fordert ihn zum Zweikampf; allein biefer Kampf wird 
unterbrochen, da Valor und Zuñiga bei Mendoza eintreten, 
um ihm die Vermáblung vorzujchlagen, welde dem Streit 


— 170 — 


ein Ende machen fol. Menboza verwirft ben Vorſchlag 
mit Beratung, unter Schmähworten gegen die Mauren, 
und Tuzani, Valor und Maler, fic felbft in ihrem Volfe 
gefränft fühlend, entfernen fi mit dem Entfchluffe, den Aufs 
ftand zu beginnen. — Im zweiten Afte, welcher drei: Sabre 
fpäter fpielt, fehen wir die Empörung ſchon ausgebrodjen und 
D. Juan von Defterreid) beauftragt, Diefelbe zu dämpfen. 
Fernando Balor ift zum König ausgerufen worden und hat 
fih mit der fchönen Sfabella Tuzaní vermáblt; in feiner 
Wohnung wird eben die Hochzeit von Tuzani und Clara 
gefeiert, als plötzlich Trommelſchall den Anzug bes dhrifts 
lichen Heeres verfündigt. Valor entfendet Malec und Tus 
zant auf ihre Poften, und Legterer gelobt feiner Braut, daß 
er jede Nacht fommen werde, fie zu feben. Eine der fols 
genden Scenen zeigt uns diefe Zufammenfunft, welche aber 
durch das Anrüden D. Juan's von Defterreih unterbrochen 
wird. Im dritten Akt hat fid Tuzant von Neuem an ben 
Wall der Feftung, in welcher feine Geliebte weilt, hinange- 
fehlichen; aber die Feinde haben den Felfen, auf welchem Die 
Stadt gebaut if, unterminirt und mit Pulver gefüllt; eine 
furchtbare Explofion zerfprengt die Wälle und öffnet den 
Spaniern den Eingang in bie Stadt. Tuzani ſtürzt mitten 
. dur die Flammen auf Clara's Wohnung zu, aber er findet 
die Geliebte im Sterben; fie ift von einem Soldaten nieder: 
geftoßen worden. Tuzani, nad Rache dúrftend, eilt in bas 
hriftliche Lager; er ftebt in den Händen eines Soldaten ein Hals: 
band, welches er als das feiner todten Geliebten erfennt, fchließt 
hieraus, daß diefer Soldat Clara's Mörder fei, und ftößt ihn 
nieder. Auf das Gefchrei des Sterbenden eilt die Menge ber: 
bei, und D. Juan von Defterreid), Lope de Figueroa, fowie 
andere der fpanifchen Heerführer drängen ſich um ben Ber- 


— _—_——— a — — — — — 


— 171 — 


wegenen, der ganz allein in's ſpaniſche Lager gedrungen iſt, 
mn ben Tod feiner Geliebten an deren Mörder zu rächen; 
Tuzani aber babnt fid) mit feinem Schwerte einen Weg durch 
die ihn umringenden Schaaren und rettet fich in Die unzu⸗ 
gänglichen Schluchten des Alpujarragebirges. Die Mauren, 
in der Eroberung jener Feftung ihres beften Haltes beraubt, 
firecten endlid) die Waffen und nehmen ben ihnen von Phis 
lipp angebotenen Pardon an. 

Luis Perez el Gallego. ®ir haben hier fein Drama 
im eigentlihen Sinn, fondern aneinandergereihte Situationen 
aus dem Leben des Luis Perez, cines edlen Baliciers, den 
der Drang ber Umſtände zum Räuber macht. Die Idee hat 
viel Verwandtfchaft mit der des Tejedor de Segovia von 
Alcaron, ohne daß diefes unvergleichlihe Drama ganz erreicht 
würde. Charafteriftif und Situationsmalerei find übrigens von 
großer Lebendigfeit. Das Hauptmotiv, welches den Helden 
big zur Ergreifung bes Räuberhandwerks treibt, iſt eine zu 
ftarre Rigorofität im Ebrenpunft nad fpanifchen Begriffen. 
Luis Perez will einen Diener, der feiner Schwefter einen 
Brief überbringt und ben er für ben Agenten einer verbotenen 
Intrigue hält, umbringen, und wiberfeßt fich der Juſtiz, als 
fie die Auslieferung eines zu ihm geflüchteten Portugiefen, der 
feinen Nebenbubler ermordet hat, verlangt. Gezwungen, Die 
Flucht zu ergreifen, hat er hierauf mancherlei Abenteuer zu 
beftehen, und fehrt zulegt, ſich wieder fiher glaubend, nad) 
Haufe zurück; al8 er aber bier erfährt, er fei zum Tode ver 
nrtheilt, begibt er fich zu dem Richter, ftellt feinen Bedienten 
als Wächter an der Thür auf, Täßt ſich die Alten bes Pro: 
zeffes geben, zerreißt fie und entflieht mit feinem Bebienten. 
Man verfolgt ihn, und er zieht fic) in einen Wald zurüd, wo 
er fid mit feinen Freunden gegen bie Diener der Gerechtigkeit 


— 172 — 


vertheidigt. Zuletzt wird er Durch einen Flintenſchuß hingeſtreckt 
und gefangen fortgeführt, aber man befreit ihn, und fo endet 
der erfte Theil „der denkwürdigen Thaten bes Galliciers Luis 
Perez.“ Der vorhandene zweite Theil ift nicht von Calderon's 
Hand. . 
El sitio de Breda, ein Feftfpiel zur Verherrlichung ber 
Einnahme von Breda burd) die Spanier. Das Ganze trägt 
fichtbar ven Eharafter eines Gelegenheitögedichtes. An Schwung 
und Feuer fehlt es nicht; der Haß gegen die Feinde des 
Glaubens fpricht fid mit furchtbarer Energie aus; einzelne 
Schönheiten, Iprifcher und epiſcher Art, finden fi in Menge, 
allein die kriegeriſchen Ercigniffe find ziemlich planlos an ein= 
ander gereiht, ohne fic) zum Drama abzurunden. 

Gustos y disgustos son no mas que imaginacion *?). 
Wir haben bier eine der feinften und vollendetiten Dichtungen 


5% Der Stoff ift aus Zurita, Anales de la Corona de Aragon, 
Zaragoza 1610. T. 1, 93, 6 — 99. Die Novelle des Bandellv (11.483), 
bie denfelben Stoff behandelt, feheint ohne Einfluß anf das Drama geblie- 
ben zu fein. Die von Zurita erzählte Anekdote ¡ft folgende: Die Bewohner 
von Montpellier, welche Stadt als Heirathsgut der Gräftn Marie au 
Bedro Il. von Aragon gefommen war, ſahen mit Kummer die Gleich⸗ 
gültigfeit des Königs gegen feine Gemahlin, weil fie dadurch der Hoff: 
nung beraubt wurden, ihre Firftin mit einem Sohne befchentt zu fehen. 
Als nun Pedro, welcher ein ausfchweifendes Leben führte, einft um bie 
Liebe einer jungen, eben fo fehönen als klugen Mittwe buhlte, beftimm: 
ten die Conjuln von Montpellier diefe, fich zu ftellen, als wolle fie den 
Wünſchen des Königs nachgeben, in Wahrheit aber mußte bie Königin 
ihr Bett einnehmen. Pedro, der den gemachten Bedingungen gemäß ohne 
Licht Tommen mußte, bemerkte ben Betrug erft am folgenden Morgen 
war anfänglich etwas betreten über bie Entdeckung, ſcherzte aber nachher 
felbft über Die wohlgemeinte Lift der guten Leute, und fand auch, nachdem 
er einmal in den Armen der Gemahlin gerubt hatte, diefe fo liebens: 
würdig, baß er ihr fortan treu blieb. 


— — — ——— — —— — — 


— 173 — 


Galderon’s, ebenfo ausgezeichnet durch die Tiefe ber Pſycho⸗ 
logie und bie fcharfe Analyfe des menfchlihen Herzens, als 
feffefnd durch die glückliche Combination des Plans und ben 


Reichthum an fpannenden und anzfependen Situationen. Ein 


Vergleich mit der hiftorifhen Grundlage, auf welche das 
Stúd gebaut ift, zeigt vecht deutlich die unvergleichliche Kunft, 
mit welcher unfer Dichter eine magere und geringfügige Anek⸗ 
dote, die noch dazu von Anftöfigfeit nicht frei war, umzuge⸗ 
ftalten und zu verfeinern gewußt hat. Die Hauptaction if, 
daß ber König von Aragon die Liche feiner Gemahlin ver: 
ſchmäht, fid) dagegen um die Neigung ihrer Hofpame, Dofta 
Biolante, bewirbt. ES trifft fich zufällig, daß die Königin fidy 
Nachts in Violante's Gemach am Fenfter befindet, alg ber 


‚König fi) ihr, im Wahne, es fei feine Angebetete, mit Liebes⸗ 


worten naht; die Fluge Frau ftellt ſich, als fet fie die Gefuchte, 
geht auf feine zärtlidhe Sprache ein und ermuthigt ihn zu 


ferneren Befuchen. Bet diefen widerholten Zufammenfünften 


am Oitterfenfter nun gewinnt die Königin das Herz bes Treu⸗ 
lofen bergeftalt, daß, als ble Aufflärung Statt hat, er reutg 
und beſchämt in ihre Arme zurüdkehrt. Dod) dieS nur bas 
Sfelett einer mit vielen anderen Zwifchenfällen vermebten 
Handlung. | 

Saber del mal y del bien. Einfacher gegliedert und 
von minder reihem Inhalt, alg bie metften Werke unferes 
Dichters, aber in den Seelenſchilderungen vorzüglich. Die edle 
und unerfchütterliche Freundſchaft in ven großen Seelen Des 
Pedro und Alvaro erinnert an Alarcong herrliches Ganar 
amigos. — Die gefchichtlichen Umftände, an welche das Drama 
gefnüpft ift, find mit großer Freiheit behandelt. Alvaro ift der 
Son bes Alvares d'Almada, Grafen von Abrandhes, beffen 
Geſchichte de la Cléde in feiner Histoire du Portugal ers 


— 114 — 


zählt, und die traurige Begebenheit, die Alvaro dem Pebro De 
Lara berichtet, tft die Sataftrophe bes Infanten Pedro von 
Portugal, aber bie Namen find verändert. Nod) willfürlicher 
verfährt Calderon mit ber fpanifchen Gefchichte,, indem er 
einen Alphonfo zum König von Saftilien und Aragon mat. 
Kir fommen zu den Comödien, deren Stoff aus den Ges 
ſchichten des Alterthums oder aus denen der fremden Völfer 
neuerer Zeit entlebnt ift. Dan begegnet in dieſer Claffe einigen ber 
trefflichften Dichtungen des Salderon, aber freilich aud) mehreren 
der ſchwächſten. Die erfteren werden, wie billig, vorangeftellt. 
En esta vida todo es verdad y todo es men- - 
tira. Die untenftependen Citate mögen auf die auferor: 
dentlihe Willkür aufmertíam machen, mit welcher Calveron 
das Geſchichtliche behandelt pat“. Daß er den Heraflius zu 
einem Sohne des Mauritius macht, daf-er zur Zeit des Teßte- 
ren eine Königin von Sicilien und einen Herzog von Calabrien 
alg Bafallen des byzantinifchen Reiches aufführt, dies Alles zeigt, 
wie weit er von ber hiftsriihen Wahrheit abgerwichen. Was 
übrigens die Grundlage feiner Dichtung betrifft, fo iſt bier 
ein von Baronius (Annales ecclesiast.) berichtetes Factum 
benubt. Rad) Diefem machte, al8 Phofas die Söhne des Kaiſers 
Mauritius vor den Augen bes Vaters hinrichten ließ, vie 
Amme der Prinzen den Verfud), ihren eigenen Sohn unterzus 
ſchieben und fo einen Sproffen von königlichem Blute am 
Leben zu erhalten, ber Verſuch aber fcheiterte. Calderon 
fegt nun voraus, ein Sohn des Mauriting, Heraklius, fet 


6°) Theophylactus Simocatta Historia imperatoris Mauritii., 
L. VEIT. c.7 — 12, das Chronicon Paschale pag. 379 ff., Theophanes 
Chronograph. p. 238 ff, Zonaras T. II. lib, XIV. p. 77 ff, Du 
Cange Familiae Byzantinae p. 106 ff, le Beau Histoire du Bas- 
Empire, Paris 1768. T. XII pag. 143, 





— 15 — 


wirffi der Hinfchlachtung feiner ganzen Familie entgangen und 
der Uſurpator Phofas glaube fich nicht cher ficher, als big er 
ihn aufgefunden und gleichfall8 bes Lebens beraubt habe. Der 
Tyrann findet am Ende zwei, von einem alten Diener des 
Mauritius in der Wildniß auferzogene Sünglinge, deren einer 
der Sohn feines ermordeten Vorgängers, der andere fein eiges 
ner, ihm in früher Rintbeit geraubter Sohn ift. Die Unges 
wißheit des Phokas, welcher von den Beiden Heraflius fet, 
und die Unmöglichfeit, es zu ergründen, fein Hin- und Hers 
fhwanfen zwifchen Haß und väterlicher Liebe, fein Verlangen, 
den rechtmäßigen Thronerben aus dem Wege zu räumen, und 
doch dabei die Furcht, fein eigenes Kind umpzubringen, bilden 
nun den Hauptfnoten des Stücks, und alle Scenen, welche 
unmittelbaren Bezug auf diefes Motiv haben, find burdaus 
vortreffliih. Man fann nichts Poetifcheres denken, als bie 
Schilderung der in der Wildniß auferzogenen und mit ihrer 
eigenen Herfunft unbefannten Prinzen, die bei der erften Ge⸗ 
Tegenbeit ihre angeborene Heldennatur entfalten. Von wie hin- 
reißenvder Schönheit tft die Scene, wo Phofas die beiden 
Súnglinge , Heraflius und Leonido, vor ihrer Höhle im Ger 
birge antrifft und fie zuerft erfahren, daß einer von Ihnen 
von königlichen Blute fet! (ES fei vergónnt, eine Stelle aus 
Diefer Scene hier einzufchalten. Aftolf, der alte Diener bes 
Mauritius, hat dem Phofas das Geheimniß enthüllt, führt 
ihm die beiden Sünglinge zu und fpricht zu ihm: „So weißt 
du denn nun, daß ber Eine von ihnen dein Sohn iſt! Wohl: 
an, tödte die Beiden !“ 

Phofas. O Himmel, was hör’ ih? Da ich ven Spröß- 
ling meines Feindes auffuche, ben ich meiner Nube toegen 
niht am Leben laffen darf, finde ich zugleich mein eígnes 
Kind, obne es zu erkennen, imd fo fängt der Schild der Liebe 


— 176 — 


die Pfeile des Haffes auf! Aber du, Alter, follft mir befen- 
nen, weldyer von den Beiden der Sohn des Mauritius if. 

Aftolfo. Nein, dein Kind fol bem meines Herrn und 
Raifers zum Schutze dienen. 

Phokas. So zwingft du mid denn, bir den Tob zu 
geben, wenn du mir nicht fagft, wer fie find. 

Aftolfo. So wird das Geheimniß um fo mehr verbor: 
gen bleiben, denn du weißt, daß die Todten ſchweigſam find, 

Phokas. Wohlen denn, Thor, Verräther, nicht tödten 
will ich dich, fondern bid) Tebend in einem fo graufen Kerker 
ſchmachten laffen, daß diefer langfame Tod dir das Geheim⸗ 
niß entreißen fol. (Er wirft den Aftolfo zu Boden, Die beiden 
Sünglinge richten ihn wieder auf.) 

Heraflius und Leonido. Halt ein! Bergreife did) 
nicht an ihm! 

Phokas. Wie, ihr beichüst ihn ? 

Die Beiden. Da er unfer Leben gerettet hat, tft es 
nicht unfere erfte Pflicht, das feine zu ſchützen ? 

Phokas. So reizt der Gedanke, daß einer von Euch 
mein Sohn ift, Euren Ehrgeiz nicht ? 

Heraflius. Den meinen nicht; ich will lieber als recht: 
mäßiger Sohn des erhabenen Raiferg qualvoll fterben, denn 
als Baſtard des Phokas und einer Bäurin leben. 

Leonido. Und ich, wär’ ich auch dein Sohn, will doch 
nicht weniger ale Heraflius fein. 

Phofas. So ift Herafliug mehr als Phokas? 

Beide. Ja! 


Phokas. O glüdlicher Mauritius! O unglüdlicher Pho- . 


fas, daß nicht Einer mein Sohn fein will, um zu berrfchen, 
und Daß zwei bie deinen fein wollen, um zu fterben !« 
Märe alles Uebrige in gleichem Sinne ausgeführt, fo 


mim mm m gm. —⸗ — - 


— 117 — 


würde dieſes Drama zu ben vorzüglichfien des Calderon ges 
hören; aber der Dichter hat in der Mitte bes Werkes vie 
Handlung in eine phantaftifche Traummelt verfegt, welche die 
Idee verfinnlichen fol, „daß in biefem Leben Alles eben ſowohl 
Lüge rote Wahrheit fei,” und wie viel Kühnes und Hochpoeti⸗ 
ſches man auch in biefem Theile bewundern muß, fo fann 
man doch nur die Willkür beflagen, mit welcher der grofs 
artigen und wahrhaft tragifchen Anlage eine opernhafte Wen- 
dung gegeben worden tft. — Man hätte nun erwarten follen, 
daß Gorneille, ber in feinem Heraflius bas fpanifche Stüd 
vor Augen hatte °'), die Anlage bes Calderon in reinerer 
Eonfequenz durchführen würde; aber weit entfernt hiervon, 
hat der Sranzofe alles Ergreifende, was ihm ſchon von dem 
Spanier überliefert worden, entftellt und in ber That nichts 


61) Es fann hieran gar fein Zweifel fein, wenn man bedenkt, daß bie 
Grundlage der Handlung, die in Diefer Art von der Gefchichte nicht ges 
Tiefert wurde, in beiden Stüden ganz bie nämliche ift, und wenn man 
einzelne Verfe vergleicht, 3. D. Die folgenden: _ 

Galberon: Ha, venturoso Mauricio! 

Ha infeliz Focas! Quien vió, 

Que, para reinar, no quiera 

Ser hijo de mi valor 

Uno, y que quieran del tuyo 

Serlo, para morir, dos ? 
Eorneifíle: O malheureux Phocas! ö trop heureux Maurice! 

Tu recouvres deux fils pour mourir aprés toi, 

Et je wen puis trouver pour régner aprés moi! 
Man hat in Frankreich diefe Uebercinftimmung zwifchen Den beiden Stüden 
wahrgenommen, aber umgekehrt behauptet, Galberon habe aus Eorneille 
gefchöpft; dieſe Annahme, die wohl fchon an fid) die Wahrfcheinlich- 
Eeit nicht eben auf ihrer Seite hat, wird ganz einfach durch das Fac: 
tum widerlegt, daß Galderon’s Drama ſchon 1637 gedrudt ift, Der Her 
raflius aber erft im Jahre 1647 auf die Bühne Lam. 


Geſch. d. Lit. in Spanien. UL Bd. 12 


— 178 — 


weiter geliefert, als ein orbinäre® und nod) dazu ziemlich vere 
worrenes Antriguenftüd. Lieber die Berfehltheit dieſer Tragödie 
ift feloft in Sranfreich von jeher nur Eine Stimme gewefen. 

El mayor monstruo les zelos°?). Mir haben hier 
eine ächte Schickſalstragödie und wohl ben erften Keim jener 
wüſten Gebilde, welche, aus einer impotenten und doch nad) 
bein Außerorbentlichen ringenden Phantaſie hervorgegangen, 
in Folge der erften Befanntfchaft mit Calderon die beutiche 
Bühne überſchwemmten. Aber wie tief und geiftooll iſt von 
unferem Dichter das Verhängniß aufgefaßt, fo daß es eigent- 
lid) nur als eine Vorahnung der mit ängftlichem Bli in bie 
Zufunft fehauenden Seele erfcheint ! Mariamne erzählt ihrem 
fie zärtlich licbenden Herodes, wie ihr ein Aftrolog geweiffugt 
babe, fie werde ein Opfer bes größten Scheufald ber Welt 
werden, ihr Gemahl aber werde mit feinem Dolce das, mas 
ihm auf Erden das Liebfte fet, umbringen. Der Tetrarch fucht 
die Battin zu beruhigen und fehleudert, um die Weiffagung 
fiher zu vereíteln, den Dolch in's Meer. Sn diefem Augen- 
bli erfchallt ein Weheruf hinter der Scene; ein gewiffer 
Ptolemäus, von der herabflürzenden Waffe getroffen, tritt, 
blutend und den Dolch noch in der Wunde, auf, und fo fehrt 
das verhängnißvolle Inftrument in bie Hände feines Beſitzers 
zurüd; Mariamne ſchaudert, als fie es erblidt, aber neu ein 
tretende Ereigniffe drängen bie Aufmerffamfeit auf jene Weil 
fagung in den Hintergrund. Antonius und Eleopatra find von 


2) Der Stoff ift aus Josephi Antiquit. Jud, 15, 2—7, de 
bello Judaico 1, 17 — 223; Galderon’s nádyfte Quelle war aber wohl 
ein vor mir liegendes altes Volksbuch, Historia de Herodes, Madrid, 
ohne Jahreszahl. Die Weiffagungen, das Gemälde, Die Liebe des Octas 
vian, der unwillführliche Mord durch ben Dolch und Anderes bat der 
Dichter Hinzuerfunden. 


um A — 


— 17% — 


Drtavian befiegt worden und ber Tetrard, ver gemeinfchafts 
liche Sade mit ihnen gemacht, wird nah Beflegung von 
Maríamneng Bruder Ariftobulus, den er gegen Octavían 
ms Feld gefchidt Hatte, gefangen vor den Sieger geführt. 
Hier fiept er in Detaviand Händen ein Bildniß ber Mas 
riamne, welches Diefer dem Artfiobulus abgenommen, und bald 
darauf noch ein größeres mit benfelben Zügen, weldes ber, 
burd) ben bloßen Anblid von Liebe entflammte Feldherr 
nad) bem Eeineren bat copiren [affen. Herobes, von wüthen⸗ 
ber Eiferfucht erfúlt, will den Octavian in bem Augenblick, 
da er in das Zelt eintritt, tödten; aber in demfelben Moment 
flürzt Mariamnens Bildniß zwifchen dem Eintretenden amb 
bem Mörver herab und wird von dem Dolche durdbobrt. 
Man berunbere, mit welcher Kunft der Dichter die Ahnung 
der Zuſchauer von Mariamnens endlihem Loofe durch viel 
fache Vorbedeutungen beftändig rege erhält! Der Dolch bleibt 
nun in ben Händen des Octavian, und ber Tetrard wird 
in einen Kerfer geworfen. Zum Tode verurtheilt, fendet er 
einen Boten an den Ptolemäus, mit einem geheimen Briefe, 
in dem er ihm.aufträgt, fogleih nad) erhaltener Kunde von 
feinem Tope Mariamnen umzubringen. Aber diefer Brief fällt 
in Maríamneng eigene Hände; wegen des unmwürbigen Vers 
dates ihres Batten auf's Aeußerfte erzürnt, bitter fie zuerft 
zwar den Octavían um Onabe für ihn und erlangt diefelbe, zieht 
fid) aber dann in ihre tunerften Gemächer zurüd, indem fe 
bem Herodes fagen läßt, fie werde ihn in Zufunft nie wicber 
feben. . Diefer, dem Ptolemáus wegen des verrathenen Ges 
heimniffes zürnend, will Legteren umbringen; Ptolemáus flicht 
zum Octavian und führt denfelben, um ſich an Herodes zu 
rächen, bei Nat in Mariamnen's Gemächer. Mariamne 
verweigert dem Zubringlichen Gehör; als er nicht von Ihr 
12* 


— 190 — 


ablaffen will, entreißt fie igm ben Dolch, um ihre Ehre zu 
ſchützen; aber darin jene verhängnißvolle Waffe ihres Gemahls 
erfennend, fehleudert fie ben Dold zu Boden und entflicht. 
Octavian folgt ihr. Dann tritt der Tetrard auf, erfährt von 
ben Dienern bie vorgefallene Scene, glaubt feine Ehre ges 
fhänbet, erhebt den Dolch und fucht den Octavian, um ihn 
umzubringen; ber Nächfte, der Ihn entgegentritt, finft, von 
feinem Stoße getóbtet, zu Boden; aber, von bem nächtlichen 
Dunfel getäufcht, hat er die eigene Gattin durchbohrt. Nach⸗ 
dem er feinen Srrthun erfahren, ſtürzt er fich verzweifelnd 
in's Meer. Seine legten Worte find: „Nicht ich habe fie ges 
tódtet, fondern ihr Schickſal war es; denn durch meine Eifers 
fucht, den blutigen Henfer, fallend, ift fte ein Opfer des größ- 
ten Scheufald der Welt geworden !” 


Los cabellos de Absalon*). Diefer großartigen 
Tragödie gebührt einer ber vorberften Pláge unter den Werfen 
unferes Dichters; fie hat bei dem gervaltigften inneren Leben 
eine feierliche und impofante Bewegung, bei der Fülle bald 
glänzender und anmuthiger, bald herber und erfchütternver 
Details ein mit feínftem Kunftgefühle burchgeführtes Eben⸗ 
maß aller Theile, und weiß bie wildeften Verirrungen ber 
Leidenſchaft mit höchſter Naturwahrheit zu fchildern, ohne 
dag die Nube und ideale Schönheit des ganzen Gemäldes ges 
flört würde. Die Kämpfe der ungehorfamen und entarteten 
Söhne des alten David gegen ihren greifen Vater, die Milde 
und Langmuth, die Legterer ihren Freveln entgegenftellt, aber 
ble durch biefe Milde nur nod) mehr angefachte Wuth ber 
Feindſchaft, wie bie eben fo ¿erftórende Liebe unter ihnen — 


e) Das Gefchichtliche ift aus 2. Samuelis 13— 18 und Josephus 
Antiq.: Jud. 7, 8—10. 





— 181 — 


a 


bas find de Grundlagen, auf denen die hinreißend fchöne 
Dichtung ruht. Von der prachtvollen Eröffnungsfcene an, in 
welcher man über dem Bepränge des Triumphzuges ſchon das 
fünftige Unheil wie eine Wetterwolke emporfteigen fieht, ers 
gießt fich Die Handlung mit unmiverftehlicher Gewalt, in ihrem 
Sortgange immer bunfler und reißender werbend, bis fie in 
bem von Anmon an Thamar verübten Inceft ein Bette ers 
langt, in bem fie nun in nod zufammengebrängterer Strós 
mung dem dúfteren Abgrunde entgegenrollt. Gene Incefts Scene 
tft furchtbar -fchön und zeugt von ber gewaltigen Runft des 
Dichters, welche einen Aft der äußerſten moralifhen Vers 
worfenheit fo zu behandeln wußte, daß er feinen wibrigen 
Eindrud, fondern nur ein ideales Graufen hervorbringt. Nicht 
minder bewunderungswürdig und im Glanze der erhabenften 
Poeſie ftrahlend tft bie Scene von Abfalon’d Tode. Dod) 
was heben wir Einzelheiten hervor, da das Drama in dem 
fiheren Gleichgewicht aller feiner ſchönen Beftandtheile als 
Ein vollendetes Ganze dafteht! 

Bon unendlich geringerem Werthe tft der Judas Maca- 
beo °*), welcher auf zwei Theile berecinet war, aber nur 
zur Hälfte vollendet toorben ift. Ihn ſowohl, als bie nun 
zunächit zu nennenden Schaufpiele müffen wir zu ben ſchwä—⸗ 
cheren Productionen unferes Dichters rechnen. Daß ber hiftes 
rifche Stoff in romantifcher Verkleidung erfcheint, iſt freilich 
in Uebereinftimmung mit ber bei allen ſpaniſchen Dichtern 
bergebrachten Sitte, und fann an ſich nicht getadelt werben; 


) Zudas Mafabáus war durch das Volksbuch Historia de Judas 
Macabeo y sus esforzados hermanos gleihfam zum fpanifchen Na: 
tionalhelden geworben. Die urfprünglichen Quellen, das erfte Buch Der 
Mattabáer Sap. 2— 7 und Jofephus Antiquitates Jud. 12, 6— 10 
find bekannt. 


— 182 — 


aber Cafberon Hat bie antife Geſchichte denn Doch oft gar zu 
abenteuerlih und ohne Zweck entítellt, und mehr nod muß 
häufig die durch poble und prahleriiche Redensarten ſchlecht 
verdedte Leerheit und Schwächlichfeit der Geftalten, welche 


„für griechifche und römiſche Helden gelten follen, befrembden. 


Schlegel's Bemerkung von ber Auffaffung der römifdhen Ges 
fchichte als einer mafeftätifchen Hyperbel ſcheint in ber That 
nicht ganz gegründet zu fein. 

Las armas de la Hermosura (die Gefchichte bes Eos 


riolan). Eins der miflungenften Werfe des Calderon. Der 


römifche Held ift hier Feldberr unter Romulus, und doch find ' 
Spanien und Afrifa ſchon unterjocht, und Mom wird die Herrs 
fherin ber Welt, die Nebenbuhlerin Jeruſalems genannt. Co⸗ 
riofan erfcheint ganz alg Galan des flebzehnten Jahrhunderts, 
mit Mantel und Degen, tft fehr feinfühlend Im Ehrenpunft 
und puldigt fleißig den Damen; er hat unter dem Volfe einen 
Aufruhr erregt, weil der Senat ein Oefeg erlaffen hat, wel 
ches ben Frauen verbietet, fi) zu fehminfen und Edelſteine zu 
tragen; bei diefem Tumult ift ein Senator umgebracht worden, 
und der Anftifter wird deshalb in vie Verbannung gefdidt. 
Die Sprade ift voll gefchnörfelter Emphafe und die Figuren 
verlieren fi) in ihre eigene anfgeblafene Hohlheit. Nad) eis 
nigen Taunigen Stellen, 3. D. den Bitten des Oraciofo an 
den Souffleur, ihn nicht fteden zu laſſen, fónnte man vers 
muthen, der Dichter habe den Gegenſtand überhaupt ironisch 
behandelt; allein jedenfalls ift flar, daß bie Sronie "nicht 
gleichmäßig die ganze Compofition durchdringt. Aus welchen 

hiftorifchen Quellen Calderon gefchöpft hat, mag der Himmel 
wiffen; die ächten Nachrichten über Coriolan bei Plutard) und . 
Livius (I, 34—40) muf er nicht gefannt haben. Eine Zuſam⸗ 
menftellung mit Shafipear’s Coriolan verdient das Stüd nicht. 


— 


— 183 — 


Darlo todo y no dar nada ſcheint gleichfalls ble Frucht 
einer nur matten Begeifterung zu fein, und ift allein in ben 
komiſchen Partien des großen Dichters würdig. Es behandelt 
die Befchichte des Apelles und der Campaspe nad) Plinius 
Hist. Nat. 35, 36. | 

El secundo Scipion. Das Gecſchichtliche tft aus Lis 
vius XXVI 28-50, aber fehr entítellt. Der jüngere Scipto 
muß fid bequemen, ein Abbild des jämmerlichften aller fpas 
nifhen Könige, Karl's II, zu geben. 

Duelos de amor y lealtad. Die Schmeichelei, durch 
welche der thaten= und fraftlofe Karl IT. mit Alexander dem 
Grofen, der gegen den Cyrus in's Feld zieht, in Parallele 
gebracht wird, ift denn doch etwas allzu plump. Der Styl if 
geſchraubt, vol Schwulft und Bombaſt. Bei der Schilderung 
der Eroberung von Tyrus ſcheint die Beſchreibung Diefer 
Stadt bei Curtius, L. IV. c. 4, benußt zu fein **). 


La gran Zenobia*°). Um aud) diefe Elaffe nicht zu 
befchließen, ohne den Calderon in feinen glänzenden Eigen» 
fhaften zu zeigen, haben wir die Erwähnung diefes Druma’s 
bis zulcgt verfehoben. Hier bilden tas gewaltige Reich des -Abend- 
landes und der zaubervolle Orient, die fehleunige Erhebung 
und ber jähe Full bes Aurelian, der Untergang der großen 
Königin von Palmyra und die Gegenjüge diefer beiden wun⸗ 
derbaren, fid) wechlelfeitig vernichtenden Naturen cin Oe: 
málbe von brennendem Farbenglanz, deffen Pracht nod durd) 


és) Bal. über die legtgenannten Stüde B. Schmidt, a. a. O. 


66) Das Hiftorifche ift aus Vopiscus (Historia August. p. 217 ff.) 
und Trebellius Pollio Triginta Tyranni (Historia August. p. 200) 
Bal. Zosimus L. I. p. 36 ff, Zonaras L. XII. p. 633 ff, Eutrop. 
L. IX. c. 13 und Gibbon Cap. 11. 


— 18 — 


bie dem Gegenſtande angemeffene, fühne Bilderſprache des 
Orients erhöht wird. 

In die Mitte zwiſchen die hiftorifchen und mythologi⸗ 
fen Schaufpiele wird fiiglid La Hija del Aire geftellt. 
Die fagenhaften Berichte der Alten über die Semíramis °7) 
find in den beiden Theilen biefer Tragödie auf's genialfte 
zu einem glanzreichen Bilde benugt, das eben fo fehr durch 
fein prangendes Colorit entzüdt, alg wegen ber Fünftlerifchen 
Meifterfchaft Bewunderung verdient, mit welcher die großen 
Maſſen der überſchwänglich reihen Eompofition geordnet und 
zu einem runden, in allen feinen Berhältniffen barmonifchen 
Ganzen verarbeitet find. — Semíramis , die wunderbar ers 
zeugte Tochter einer Dianenpriefterin, von Venus befchüßt, 
von Dianen verfolgt, wird von frühefter Jugend an in öder 
Gebigswilänifi gefangen gehalten, weil cin Götterſpruch vers 
fündet hat, fie werde Schreden und Unheil über den Erd 
frei verbreiten, einen Fúrften ¿un Tyrannen machen und 
endlich felbft von fchmwindliger Höhe nicderftürzen. Doch die 
Vorforge der Menfchen fann die Erfüllung des Orafels nicht 
hindern. Menon, ber fiegreiche Feltherr bes Ninus, fommt 
auf einem Heerzuge in die Gegend ber Höhle, telde bie 
wunderfame Schönheit umfchließt, und zieht fie, der warnen⸗ 
den Stimmen, welche ihn davon abmahnen, nicht achtend, 
an's Tageslicht. Der Priefter, dem ihre Bewahrung obliegt, 
gibt fih, da er ihre Feffeln gefprengt und nun bas prophes 
zeite Unheil über bie Welt hereinbrechen fieht, felbft ben 


*) &, Diodorus Siculas Jl. 4, Aelian. , Var. Hist. VII, 1., 
Justin. 1, 2, Valerius Maxim. IX. 3 und 4. — Bon dem Schau: 
iviel des Virues, das dem Calderon, aber freilich nur in ganz rohen 
Linien, die Umriffe des feinigen geliefert hat, tt Band I. ©. 296 gehan⸗ 
belt worden. 





— 18 — 


Tod. Bald beginnt die Verfündigung wahr zu mwerben. Das 
bämonifche Weib ¡ft faum dem Denon als Gattin verbunden, 
als fie durch ihre magifchen Reize bas Auge des Könige auf 
ſich zicht; von einer inneren Macht, bie fie der Erfüllung 
des Schickſalsſpruches entgegenführt, getrieben, wirft fie fich 
dem Herrfcher in bic Arme und theilt den Thron mit ihm. 
So fällt denn Menon als ihr erftes Opfer; er wirb von 
Ninus, der den Nebenbubler unfchäpli machen will, ges 
blendet, und fpricht, während Semíramis alg Königin bes 
Weltreichs ausgerufen wird, feinen Fluch über ihr Haupt 
aus. Mit Sturm und Donnerfchlägen ſtimmt ber Himmel in 
feine Berwünfcdhungen ein. Aber auch Ninus unterliegt dem 
„ſchönen Drachen, der durch Anfchauen töbtet.” Semiramis 
fhreitet über feine Leiche hinweg zur Alleinherrfchaft. Ihren 
Sohn Ninyas laͤßt fie einferfern, und fo fteht fie dba, als all 
mächtige Gebieterin endlofer Linderftreden. Benachbarte Vol: 
fer befriegen fie, aber fie blickt lächelnd hinab auf bie Ohn⸗ 
mächtigen, jchwelgt, während Dienerinnen fie mit foftbaren 
Gemwändern befleiden und ihre Toden ordnen, in den Klängen 
lieblicher Lieder ‚rüdt dann in bie Schlacht, erficht den Sieg, 
al$ wäre ed ein Kinderſpiel, und febrt aus bem Kampfe an 
den Pustifch zurüd. Aber ber Uebermuth ber Königin hat 
tas Volf gereizt. Aufrührer ziehen den Ninyas aus feiner 
Berborgenheit hervor und rufen ihn zum Könige aus. Die 
gefränfte Semíramis zieht fi in bie geheimften Gemächer 
ves Palaftes zurüd, der junge König aber läßt alle Günft- 
linge feiner Mutter und namentlid) den einflußreichiten, den 
Admiral Phryrus, in Ungnabe fallen, während er feine Ans 
hänger zu den. höchften Würden erhebt. Unterveffen bat Se: 
miramis in ihrer Einfamfeit den verwegenften Plan erfonnen, 
um wieder zur Herrichaft zu gelangen. Ninyas ift ihr an 


— 18 — 


Deftalt mb Geſichtszügen fo ähnlich, dafi fie in männlicher 
Tracht mit ihm verroechfelt werden kann; fie dringt defibalb 
mit Beihülfe des Phryrus Nachts in das Schlafgemach des 
Sohnes, entführt ihn, verfhließt tbn in einem entlegenen 
Theil der Königsburg, legt feine Kleider an und herricht, von 
Niemand, aufer von Phryrus erfannt, als Ninyas. Nun 
werden die Regierungshandlungen des bisherigen Königs großen» 
theils rüdgängig gemacht, die früheren Günftlinge geflürzt, 
ja der falíde Ninyas tritt Die angebetete Braut des wahren 
an Pryrus ab, der um fie wirbt; die Verwirrung ift allges 
mein, die Geſetze des menfchlichen Geiſtes, welche fonft die 
Welt Ieiten, feheinen umgeftoßen zu fein, und Niemand als 
Phryrus durchſchaut bas Labyrinth, in bem ber ganze Hof 
umbertaumelt 49), Enblid) bricht denn neuer Krieg zwilchen Das 
bylon und den Nachbarländern aus und Semiramis fällt im 
Kampfe. Das Reich tft in äußerfter Gefahr; das Volf wábnt, 
nur feine große Königin fünne es erretten, und dringt in bas 
Gemach, in bem es fie verborgen glaubt; aber ftatt ihrer 
tritt zu Aller Berwunderung der todtgeglaubte Ninyas herz 
vor. So ift der Orufelfpruch zur Wahrheit geworden; bas 
glänzende Oeftirn, das, wie ein Komet, Unheil verbreitend, 
aber lichtſtrahlend über die Erve bingefchweift, ift erlofchen, 
und der Gang der Dinge tritt wieder in fein gewöhnliches 
@eleije 49). 


e) Bei diefen Verwictelungen mögen dem Calderon bie ähnlichen in 
Lope's Palacio confuso, weldye aber hier noch weit überboten find, 
vorgefchwebt haben. 

69%, „In der Tochter der Luft find mande Seltfamteiten gehäuft; 
um einen Gegenftand des graueften Alterthums lagern fich die fonderbars 
ften, Fünftlichften Intriguen, die Emphafe der Schilderungen und Erzäh⸗ 
lungen geht in’6 Ungehenerliche, das mobernfte Romifepe begleitet das 





— — ——— 


— A ·— — 


— 187 — 


Die mythologiſchen Schauſpiele des Calderon wur⸗ 
den faſt ſämmtlich auf königlichen Befehl oder ſonſtige höhere 
Veranlaſſung geſchrieben, und waren beſtimmt, bei feierlichen 
Gelegenheiten, Vermählungen und dergleichen am Hofe aufs 
geführt zu werden. Sie fallen in dieſer Hinſicht unter die 
Rubrik der fiestas, wohin außerdem (um cine ſchon gelegent⸗ 
lich gemachte Bemerkung zu wiederholen) noch verſchiedene 
der hiſtoriſchen ſo wie der aus den Ritterromanen entlehnten 
Comödien gehören. Beſonders auf dieſe Feſtſpiele beziehen ſich 
die folgenden trefflichen Worte von Jovellanos: „In dem 


ganze weitſchichtige Gedicht hindurch die mythiſche Handlung; aber es 
läßt fich behaupten, daß dieſe Dinge, welche in allen Stücken von Cal⸗ 
deron vorkommen, gerade in dieſem am meiſten durch den Stoff geboten 
ſein und deshalb auch hier zu der relativ höchſten Harmonie verſchmol⸗ 
zen erſcheinen möchten. Denn eine Wunderfabel hat er behandelt, und den 
Mittelpunkt derſelben bildet ein Charakter, mit dem die Vorſtellung das 
Abenteuerlichſte und Fremdeſte verknüpft. Iſt aber in dieſem Gebiete des 
Excentriſchen noch eine Steigerung möglich, fo wird fie durch ble Scene 
der Handlung hervorgebracht. Zu Ninive und Babylon geht fie vor, an 
Drten, wo bie Sinbildungstraft ihr ausfchweifendfles Feft feiert. Gerade 
einem folchen Stoffe find alfo tolle Willführlichfeiten, grelle Contrafte, 
auffallende Berwicelungen gemäß.» — »Su viele Schönheiten ber erfte 
Theil hat, fo übertifft ihm doch Der zweite bei weitem an tragifcher Sons 
centration, Neuheit der Erfindung und unverbraudhten Reizen. Die erften 
Scenen Des legteren, wo Semiramis in der Fülle ihrer Herrlichkeit ers 
feheint, haben an Kühnheit, Pracht und Glanz nicht ihres Gleichen. Was 
die Rollenvertaufchung zwifchen der Königin und Ninyas und das darauf 
gegründete bunte Verirfpiel mit feinen Täufchungen und Attrappen bes 
trifft, fo fann man biefe Auftritte comödienhaft nennen, wenn man nur 
zugibt, daß es bie finnreichiten Comödienſcenen find, die je gefchrieben 
wurden, und daß fid) in den Schickſalen biefer Bittſteller, Dankenden, 
Ginftlinge Die reiffte Beobachtung und bie ſchalkhafteſte Weisheit offen» 
bart.» 8. Immermann. 


— 188 — 


Theater von Buen Retiro öffnete Philipp IV. allen Talens 
ten feiner Zeit eine glorreiche Paláftra, und alle Künfte brach⸗ 
ten woetteifernd ihre Gaben in dieſem Tempel ber Illuſion 
und füßer Freuden dar. Die Mufif, früher auf die Guitarre 
und den einfachen Gefang befchränkt, erhob fid) zu der höhe⸗ 
‚ ren Runft der Harmonie, indem ſchon brei= und vierftimmig 
gefungen wurde; der Tanz fügte feine gemeffenen und auss 
drucksvollen Bewegungen hinzu, um die Illuſion und den Reiz 
ber Augen zu erhöhen und die Malerei vermehrte die Gegens 
fände diefer Slufion, indem fie den durch die Mechanik ers 
fundenen Mafchinen und Decorationen anmuthige und bes 
deutungsvolle Formen Tich und Alles mit der Magie ihrer 
Farben beliebte; die Poeſie endlich, von den verſchwiſterten 
Künften gehoben, entfaltete ihre Kräfte und breitete ihre Flügel 
aus, und indem fie durch alle Zeiten und Regionen ſchweifte, 
war in der Gefchichte und in ber Zabel, in ber Natur und 
in der Politif Feine That und Fein Ereignif, das fte nicht 
nachgeahmt und auf die Scene gebracht hätte. So beeiferten 
fih denn alle Talente, in diefer Bahn Beifall oder Vortheil 
zu erringen; weder Amt nod Stellung nod Stand hielten 
irgend Einen von dem eröffneten Pfade des Ruhmes zurüd, 
und indem Alle durch Protection und Belohnung ermuthigt 
wurben, fah man, wie hoch fid) das Talent, wenn von Macht 
und Achtung gehoben, aufſchwingen fónne. Bon den zahllofen 
Dramen, welche durch biefen Wettlampf hervorgerufen wur⸗ 
den, hören wir einige noch immer mit Vergnügen auf unferer 
Srene; aber die von Galberon und Moreto, welche damals 
den erften Preis gewannen, find auch heute noch vor allen 
anderen unfer Entzüden, und werden es bleiben, fo lange mir 
unfer Ohr nicht der Tieblichen Stimme der Muſen verſchließen.“ 

Dem Zwede, die Hoffefte zu verherrlichen, entfprechend, 


— 189 — 


find die hier in Rede flehenden Dramen faft ſämmtlich auf 
theatraltfche Pracht berechnet, und Göttererfcheinungen, Erd- 
beben, Fenerregen werden von dem Dichter fehr abfichtlih 
herbeigeführt, um dem Mafchinijten und Decorateur von Buen 
Retiro zur Entfaltung feiner Rünfte Gelegenheit zu geben. 
Sehr häufig find aud Geſangſtücke eingelegt, und dieſe, verbuns 
den mit ber übrigen bunten feenifchen Erfcheinung, führen einen 
opernartigen Charakter herbei; indeffen geht die Poefie nicht 
in der Mufif unter, die Schwefterfunft wird nur zu Hülfe 
gerufen, um auf ihre Art den Gehalt der Dichtung zu vers 
dollmetfchen. Nur von einem diefer Schaufpiele, La purpura 
de la Rosa, wird berichtet, es fei ganz gefungen worden. 
Was den dichterifchen Werth anlangt, fo gehören einige zu 
den vortrefflichften Werfen Calderon'8 und tragen die antifen 
Mythen auf die finnigfte Meife im Style der Romantif por; 
der dichteriſche Beftandtheil bleibt hier immer die Hauptfache 
und braucht die äußere Pracht nur als ein reizendes Gewand. 
Gn anderen diefer fiestas dagegen bemerft man nur allzu ſehr, 
daß der Dichter mehr auf Beftellung arbeitete, als dem drángens 
den inneren Impulſe folgte; der überwiegende feentfche Pomp, 
der die hier and da aufleuchtenden poetifchen Funken erftictt, 
kündigt den Verfall der Bühne an und fcheint ben Dichter 
in diefen Verfall mit binabzureißen. Daß übrigens fpantiche 
Motive, Figuren und Situationen, daß caftilianifche Eifer 
füht und Rache in die alte Fabelwelt Hirieingetragen find, 
und moderne Namen fi) unter die griechifchen mifchen, wird 
Niemand befremden, indem in allen diefen Dichtungen die 
Mythologie durchaus wie etwa eine phantaftifche Sage aus 
dem Kreife von Karl dem Großen behandelt tft. 

Da das Wefentliche des Inhalts der mythologifchen Schaus 
fpiele fchon durch den Titel angegeben wirb, eine genauere 


— 1% — 


Anſchauung von Calderon's Behandlungsweife bes Stoffes 
aber nur durch fehr weitläuftige, uns hier nicht verftattete. 
Beiprechungen gegeben werden fönnte, fo begnügen wir und 
in Bezug auf die folgenden Stüde mit einigen Andeutungen. 

El mayor encanto Amor, Die Homerifdhe Circe 
hatte, bevor fie zu unferem Dichter gelangte, vielfache Wanderuns 
gen durch die Werfe der romantifchen Dichter gemacht; wir ers 
innern nur an die Morgana im Lanzelot und bei Bojarvo, 
an Arioſt's Alcina und Taffo'8 Armida. Calderon hat in 
einer Dichtung, deren Grundlage Odyſſee X. 135 — 574 
und XIL 8 — 141 if, einige Züge aus jenen romanti- 
fihen Umbildungen der alten Sage, namentli aus dem bes 
freiten Serufalem, Gef. 16., und bem Orlando furioso, ©. 
6. aufgenommen. — Ganz wiedergeboren mit allen ihren 
Netzen iſt die alte Fabel in biefem Drama, aber in durchaus 
neuer, überall das Gepräge des Romantifchen tragender Ges 
ftalt. Wie die Gefährten des Ulyß beftridt tourben von der 
Schönheit der Circe und ihres paradieſiſchen Aufenthalts, fo 
fühlt fi aud) der Lefer angebaut vom Säufeln der Wols 
Iuft, und glaubt fid) auf ein Zauberciland verfegt, von bem 
er binabblidt auf das blauende Meer, auf die himmliſchen 
Küften, die fih ſchmachtend an feinen Bujen ſchmiegen und 
auf die fanft gefchwungenen, wie von Liebesluft feprvellenden 
Hügel. a 

El Golfo de las Sirenas, eine Fifcher-Efloge (Egloga 
Piscatoria), 1ft ene Fortfegung des vorigen Stüds, und ftetle 
die Berfolgungen dar, bie Odyſſeus vom Zorn der Circe 
und der Venus zu erleiden hat. In Seylla und Charpybdis 
find die Verführungen der Vernunft durch die Sinnenreize 
allegorifirt. 

El monstruo de los jardines. Der alte Mpthus, der 


| 


in biefem Drama behandelt tft, wird aus ceykliſchen Dichtern 
erzählt im Scholtum zur Ilias XIX. 332; Calderon aber fhöpfte 
wohl zunächſt aus Ovid Metamorph. XIII. 162 und Arsamat. 
1. 689. Achill, von feiner befurgten Mutter in Waldeinfams 
feit und aller Welt verborgen auferzogen, vermag, zum Jüngs 
ling aufgewachien, der Sehnſucht nad) dem Leben nicht Länger 
zu widerftehen und entflieht feiner Klaufe. Von ben Netzen 


der Deivamta gefeffelt, hüllt er fih in Weibertracht und Tebt, 


yon Niemand erkannt, in ftiller Tiebestrunfenheit am Hofe 
der ſchönen Fürftin, bis der Ruf des Krieges in dies arfas 
diſche Leben dringt und feine Seele aus dem Laumel geiftigs 
finnlicher Trunfenbeit zu den höheren Pflichten des Mannes 
wet. Das üppigsweiche Licht, das über diefem Gemälde Tiegt, 
der fanfte Schwung der Lyrik, der eS durchhaucht, die lieb⸗ 


lichen Schilderungen der zarteften Liebesſchwärmerei, die 


Pracht und der Glanz in den Feften am Künigshofe von 
Sfyros und im Hintergrunde das Kriegsgetümmel der grie- 
chiſchen Helden, — dies Alles vereinigt fih, um Hörer oder 
Lefer in einen Rauſch ves Entzückens zu verfegen. 

Eco y Narciso, ein Gegenftüd zu dem vorigen und 
tbm in Feiner Hinjicht untergeordnet, tft nad) der befannten 
Fabel in Ovid's Metamorphofen II. 359 — 510. (ES wurde 
nach der Anbeutung am Schluſſe auf höheren Befehl gefchrie- 
ben und. zum erften Mal vor dem König und der Königin 
auf der Bühne von Buen Retiro aufgeführt. „Wie auflöfend 
in Wohllaut — fagt Malsburg — ift dies arkadiſche Gedicht 
pom Narciß! Eine Oper in Worten! Hier wird ung ber 
muſikaliſche Genuß auch ohne begfeitende Mufif Far. Auf 
das höchſt Ergreifende und Auffallende iſt e8 hier minder abs 
gefebenz es ift ein ſüßes Spiel in dem grüngoldigen Arfas 
bien mit feinem reinsblauen Himmel; alles Tragiſche darin 


— 19 — 


darf auch nur fptelend berühren und zerfließt zauberiſch zum 
fanften Gefange melandholifch ſchwingender Saiten. Das ganze 
Gedicht ift Ton und Blume, und trog bes Gewitterſturms 
umfpielt und die reizende Rataftrophe wie ein fanftes fernes 
Hirtenlico ’°).” 

Ni Amor se libra de Amor behandelt das Tiebliche 
Märchen von Amor und Pfoche, deffen Duelle Apulejus tft, 
auf fo vorzüglihe Art, daß man diefem Drama einen ber 
erften Pläße unter den Calderon'ſchen Stüden diefer Gattung 
anmwelfen muß. Von ben übrigen mythologiſchen Schauſpie⸗ 
len unterfcheivet es ſich durch die unverfennbar hervortretende 
Symbolif. Der legte Theil der Apulejiſchen Erzählung, die 
Reue und Strafe der Pſyche, tft fehr abgekürzt. — Schon 
Lope de Vega hatte ein Drama Psiquis y Cupido geſchrie⸗ 
ben (f. Vorrede zum Peregrino), bas aber nicht mehr vors 
handen zu fein fcheint. 

Zelos aun del aire matan. Mit der Fabel von Cepha⸗ 
lus und Proeris aus Ovid Metam. VIE 794, ift Heroftrat, 
. der den Tempel der Diana in Brand ftedt, fehr kunſtreich in 
Berbindung gebracht. Andy dieſes Drama gehört zu ben vorzüg⸗ 
lichſten der vorliegenden Claſſe und enthält wahrhaft ges 
niale Partien. 

El Faetonte oder el hijo del Sol Faeton. Ein Fefts 
fpiel, in dem Calderon die befannte Mythe aus Ovid's Me: 
tam. I. 748 ff. und IL 1. ff. mit großer Freiheit bepanbelt 
und nad vielen felbft erfundenen Motiven verändert pat. 


19) Welche Zauberwildniß 
Feſſelt Ohr und Blick? 
Blume jedes Bildniß, 
Jedes Wort Mufif! 

| Blaten. 


— 13 — 


Phaethon und Peleus find beide in die Thetis verliebt und 
der Erftere verliert bei'm Lenfen des Sonnenwagens die Be: 
finmung, weil er fieht, wie Peleus die Thetí8 mit Gewalt 
entführt. 

Apolo y Climene fann als erfter Theil des Faetonte 
angefehen werden. Elymene, Tochter des Admet, wird aus 
Furcht vor einem Orakel in einer Wildniß erzogen. Sn biefe 
wird dann Apollo von Jupiter hinabgefchleudert. Hiermit tft 
die Liebe der Elytie zu Apoll aus Ovid Metam. IV. 256 
und der Umgang des Zephyrus mit Flora aus Ovid Fasti 
V. 195 in Berbindung gebracht. Das Drama trägt trog 
vortrefflicher Einzelheiten (wohin namentlih bie nächtliche 
Gartenfcene mit dem Hafch- und Berftedfpiel zwtfchen den 
verſchiedenen Liebespaaren gehört) eine gewiffe innere Leere 
und Hohlheit zur Schau, welche hier, wie noch in mehreren 
anderen Stüden diefer Gattung beweift, daß das Dichterfeuer 
nicht immer emporlodert, wenn ein König es befiehlt. 

Los tres mayores Prodigios. Der Ort der Auffüh- 
rung war wahrfcheinlich der Garten von Buen Retiro. Die 
Bühne hatte drei Abtheilungen neben einander, auf denen die 
drei Afte von drei verfchledenen Truppen gefpielt wurden. 
Dies Feftfpiel ift eine der ſchwächſten Productionen unferes 
Dichters. 

Fortunas de Andromeda y Ferseo. Der Inhalt dies 
fe, mit viel Muſik und Decorationsweien, aber zugleich aud) 
mit reicher Poefte prangenden Drama's iſt aus Ovid Me: 
tam. IV. 609 ff., die Grotte der Morpheus aus Metam. XI. 
592, und die Darftellung des Tartarus aus Metam IV., 432. 

La fiera, el rayo y la púrpura. Ein opernhaftes Stüd 
Handlung von höchft buntem Inhalt und reichlich mit Wun⸗ 
dererfcheinungen, Defingen und Tánzen aufgepußt. Der poes 

Geſch. d. Lit. in Spanien. IT. Bb, 13 


— 11 — 


tifche Gehalt wiegt nicht eben fehwer. Die Mythen von Anara= 
rete und von Pygmalion (aus Ovid's Metamorphofen XIV. 
698 und X. 243) find mit einer dritten Zabel von eigener 
Erfindung des Dichters verbunden. 

El Laurel de Apolo, nad) des Dichters eigenen Wor- 
ten „feine Comödie, fondern nur eine Fleine Babel, in wel⸗ 
her, wie bei den Stalienern, abwechfelnd gefungen und ge- 
fprochen werde.” Der Stoff, die Verwandlung der Daphne 
in einen Lorbeer, Apollo’8 Sieg über Python und fein Streit 
mit Cupido, ift aus Ovid Metam. 1. 438 ff. Am Schluß 
wird dem König der Lorbeer überreicht. 

La Purpura de la Rosa behanvelt die reizende Mythe 
von Venus und Adonis nad Ovio Met. X. 503 in fehr 
zterlicher Weife. Auch die Loa mit allegorifhen Figuren hat 
fi erhalten. Das Stüd felbft beiteht nur aus einem Aft 
und ff nad) der fpanifchen Terminologie feine Comedia, fons 

dern eine Zarzuela, wie es aud) in den alten Editionen ge- 
nannt wird. Die neueren Ausgaben des Calderon haben Un- 
recht, die genaueren Bezeichnungen in den Ueberſchriften der 
Schauſpiele wegzulaſſen. 

Amado y aborrecdo. Nur die Namen find aus ber 
Mythologie, die finnvolle Erfindung gehört ganz dem Ealbde: 
ron. ES ift ein Streit zwifchen Venus und Diana, vb Haß 
oder Liebe ftärfer ſei; fte erproben dies an einem Sterblichen; 
die Mage ſchwangt lange, aber endlich fiegt Die Liebe. 

Fineza contra fineza, im inhalt dem vorigen vers 
wandt und gleich diefem von felbfterfundenem, nur an die My⸗ 
thologie gefnüpften Plan. Weder Erfindung nod Ausführung 
erheben fic) über bie Mittelmäßigfeit. Beim dritten Aft mag 
dem Dichter die Gefchichte von Olinth und Sophronia im 
Taſſo vorgeſchwebt haben. 


— 19% — 


Fieras afemina Amor behandelt die Thaten bes Hers 
cules. Das Maſchinenweſen, das dabei zur Anwendung Fam, 
muf höchſt complicirt gerefen fein, denn faft alle bem Her: 
culcg zugefchriebenen Heldenthaten gehen hier auf der Bühne 
vor fih. Unter Anderem erflimmt er den Gipfel des Pare 
naffus, fchwingt ſich dort auf den Pegafus und reitet dann 
durch die Lüfte Davon, um ben Drachen, der bie Aepfel der 
Hesperiven bewacht, zu befämpfen. Sn der Loa find der öfts 
reichiſche Doppeladler, der Phönir, der Pfau, die zwölf Mos 
nate und die zwölf Zeichen bes Thierfreifes die handelnden 
Perfonen. — Den Werth des Ganzen fónnen wir nicht eben 
hoch anſchlagen. 

Von ſehr ähnlicher Compoſition, wie die mythologiſchen, 
und gleichfalls auf Feſſelung der Sinne durch ſceniſchen Pomp 
und häufigen Decorationswechſel berechnet, ſind die meiſten 
derjenigen Schauſpiele, deren Inhalt Calderon aus älteren 
Romanen und Gedichten geſchöpft hat. Nach den Worten im 
Maestro de danzur 


Las locuras 
De Esplandian y Belianis, 
Amadis y Beltenebros 
A pesar de Don Quijote 
Hoy à vivir han vuelto 


kann man ſich wundern, daß der Dichter die abenteuerlichen 
Erfindungen der Ritterbücher auf die Bühne gebracht habe, 
und es iſt in dieſer Hinſicht ſpöttiſch bemerkt worden, die 
Recken, Rieſen und bezauberten Fräulein des Amadis und 
Esplandian hätten ſich, nachdem Don Quijote ſie aus den 
Büchern vertrieben, auf vas Theater geflüchtet; allein Nies 
mand wird Iäugnen, bag Calderon die wüfte Phantaftif jener 
13* 


— 1986 — 


alten Romane veredelt und in das Bereich ber höheren Poeſie 
erhoben babe. Freilich tft die Handlung eher epiſch und ber 
Stoff fonnte feiner Natur nad) faum zu einer ächt-dramati- 
ſchen Compofition geftaltet werden; allein trog dieſes Des 
brechens, an dem bie hierher gehörigen Stüde Calderon's 
leiven, wer vermag den Reizen dieſer romantifchen Zauber. 
welt, wie fie hier mit allen Gaben der Dichtkunſt audge- 
fhmüdt und in’s Gewand der blühendften Sprache gefleidet 
Íft, zu widerſtehen? Der Glanz der Feerei, auf deren Winf 
fi prachtvolle Schlöffer inmitten von Wüſten erheben, uns 
ſichtbare Chöre füße Gefänge anftimmen und wollüftige Nym⸗ 
phen ben Krieger nach feiner Mühfal in ihre Arme ſchließen; 
die Pracht der Scenerie, die uns bald in duftende Lufthaine, 
unter den Schatten von Myrthen⸗ und Orangenbäumen, bald 
in golofuntcinde Paläfte, bald auf bezauberte Eilande verfegt; 
die Fülle romantifcher Abenteuer in einem : Wunderlande, wo 
fi) jeder Traum der Phantafie verförpert, dies Alles in ete 
ner Darftellung, welche burd) die reichfte Kunft des Pinfels 
taufendfahe Schönheit gewinnt, umgaufelt den Geift mit ben 
lieblichften Bildern und lullt ihn in eine ſüße Bergeffenheit 
der Wirklichkeit. ES ift in diefen Dramen auf einen anderen 
Gebiete der Dichtung Aehnliches geleiftet, wie in ben Des 
fängen des Arioft. 

La puente de Mantible”'). Eine Dichtung, welche recht 


15 Der Stoff ift gefchöpft aus der Historia del Emperador Carlo 
Magno y de los doce Pares de Francia y de la batalla que hubo 
Oliveros con Fierabras, Rey de Alexandria. Sevilla 1528. Folio, 
Aus biefer Befchichte nahm aud Don Quijote das Recept zu feinem 
unvergleichlichen Balfam, und ihre Glaubwürdigkeit vertheidigt er (I. 49) 
mit den Worten: »Welcher Scharfflun vermöchte Andere zu überreden, 
baß die Befchichte der Infantin Floripes, des Sui von Bourgogne, oder 


_—— — — — — — — — — AAA 


— 197 — 


in dem ertravaganteſten Wunderbaren ſchwelgt. Der Krieg 
zug Karl's des Großen gegen den Saraceniſchen Rieſen Fie— 
rabras, die raſtloſen Kämpfe zwiſchen den mauriſchen und 
den chriſtlichen Rittern, das feenhafte Local mit bem grünen 
Fluß, der entſtehenden und verſchwindenden Zauberbrücke und 
dem magiſchen Schloß, das auf den Kopf eines bronzenen 
Zwerges gegründet iſt, — dies bietet den Rahmen zu der Lies 
besgefchichte des Guido von Burgund und der Floripes bar. 
Erfterer ift nebft anderen fränfiichen Ríttern von Fierabras 
gefangen und in das verzauberte Caftell gefperrt worden, um 
am nächften Morgen getöbtet zu werben. Floripes Die Schweſter 
des Fierabras, dringt in den Rerfer des Geliebten und er 
morbet die Wächter deffelben; aber Fierabras eilt herbei und 
belagert bas Caſtell, um feine Schwefter, fo wie bie chrifts 
lichen Ritter durch Hunger zur Uebergabe zu zwingen. Bet 
einem Ansfalle wird Guido gefangen genommen, und cben 
fol er, trog der Bitten der Floripes, hingerichtet werden, 
al8 er durch feine Rampfgenoffen wieder befreit wird und ſich 
nun durd das Heer des Kierabras ſchlägt, um Ratfer Karl 
Nachricht von der hülflofen Lage feiner Pairs zu bringen. 
Der Raifet tft von dem Sararenenreiche durch einen furcht⸗ 
bar tofenden Fluß getrennt, über welchen nur die Brüde 


die des Fierabras mit der Brüde von Mantible erlogen fei? Das Alles, 
behaupt’ ich, ift fo wahr, wie baf es jebt Tag ift.a — Die áltefte Bes 
handlung ber Sage von Fierabras ift wohl das provenzalifche Gedicht, 
das Immanuel Beder 1830 nach bem Manufeript herausgegeben hat. 
Die frühefte Bearbeitung in Profa fcheint der Roman de 'Fierabras le 
Géant, Genéve 1478. Fol. (auf der Barifer Biblivthef) zu fein, und 
aus Diefer ift wahrfcheinlich der oben angeführte fpanifche Roman ber: 
vorgegangen. ©. Büfching’8 und von der Hagen's Buch der Liebe, Der: 
lin 1809. ©. XXXVI. ff. wofelbft auch ©. 143 die alte deutſche Ver: 
flon zu finden iſt. | 


— 198 — 


von Mantible führt, die von dem Riefen Galafre bewacht 


wird; Guido aber flürzt ſich mit feinem Roffe in die Wellen 
und gelangt fo zu feinem Gebieter. Fierabras, von der Flucht 
des Ritters unterrichtet, eilt nach der Brüde und bietet dort 
mit feinen Riefen auf ber einen Seite dem Raífer und dem 
andringenden Chriftenheere, auf der anderen ben aus - bem 
Caſtell unter Anführung feiner Schweſter Floripes perbeicís 
lenden Nittern Trog. Aber der Sieg entfcheidet ſich für die 
Chriften, die Brúde wird von ihnen geſtürmt, Fierabras 
flürzt von berfelben herab zu den Füßen des Raifers bin, 
nod) im Untergange feinem Ueberwinder drohend; Karl aber 
gibt Befehl, ihn milde zu behandeln, und Floripes reicht dem 
Guido ihre Hand. 

El Jardin de Falerina behandelt bie and Bofardo ?*) 
befannte Heldenthat des Roland, wie er die Zauberfunft ber 
gee Falerina befiegt und die in ihrem magifchen Garten ges 
fangenen riftlichen Ritter und Damen befreit. Auch biefes 
Drama ftrahlt in bem vollften Olanze der romantifchen Ritters 
dichtung und fpricht durch den Adel und die Zartheit der Ges 
finnung, durch ben ächten Geift der Chevalerie, den eS ath⸗ 
met, ebenfo die Seele an, wie ed durch bie Pracht der 
Mafchinerie die Phantafte entzüdt. 

El castillo de Lindabridis. Ein von Wunderbegeben⸗ 
heiten, unglaublichen Vorfállen und Thaten, furz von ben 
magnanime menzogne des phantaftif en Ritterthums ftrogen: 

12) Der Orlando inamorato des Bojardo war ſchon früh durch 
zwei Ueberfegungen in Spanien heimifch geworben. Die áltefte in Profa 
führt den Titel: Espejo de Cavallerias. Sevilla 1535 y 1536; bie 
folgende ift von Franc. Garrido de Villena, Alcalá 1577 und Toledo 
1581. Aus einer biefer Meberfeßungen hatte wohl Lupe de Vega feinen 


Jardin de Falerina gefchöpft, den er in der Vorrede zum Peregrino 
nennt. Die Dichtung ft bei Bojardo C. II, C.3, 66 ff. und Canto 5, 18, 


—— — — 


— 19 — 


des, aber überaus anmuthiges Gedicht, das ſeinen Stoff aus dem 
berühmten Roman Cavallero del Febo, Espejo de Princi- 
pes y Caballeros, entlehnt 79). Die Tartarifche Prinzeiftn 
Lindabridis ift durch ihren Bruder vom Throne verdringt 
worden, und biefer will ihr nicht anders ben geraubten Plag 
wicder einräumen, al8 wenn fie einen Gemahl findet, der 
ibn felbft an Tapferfeit und Weisheit übertrifft. Nun durch 
reift fie in einem durch Zauberfunft gebauten Palafte bie 
Lüfte und fehweift von Land zu Land, um den Gatten, deffen 
fie bedarf, ausfindig zu machen. Die Zahl derer, welche, von 
ihren Reizen und der glänzenden Ausficht gelockt, ſich als die 
Würdigen zu ‚bewähren hoffen, ift fehr groß. Die Kämpfe 
der Nebenbuhler und verfchiedene, mit der Haupthandlung ver: 
flochtene Abenteuer des Nitters Phöbus und des Prinzen Nos 
fifler erfüllen nun das Stúd, das mit dem großen entíchets 
denden Turnier und mit ber Bermählung von Rofifler und 
Lindabridis fchließt. 

Hado y divisa de Leonido y Marfisa 7%). Nach Vera 


75) Biblivgraphifche Nachweifungen über diefen einft fo berühmten 
und in faft alle europäiſche Sprachen überfegten Roman, welcher »Die 
unſterblichen Thaten des Sonnenritters und bes Prinzen Roſikler, ber 
beiden Söhne des großen Raifers von Trebacio, fo wie nicht minder bie 
wunderfamen Liebfchaften der höchft fehönen und vortrefflichen Prinzeffin 
Glaridiana« enthält, gibt am genaueften und volljtändigften Gräße in dem 
Lehrbuch der Literärgefchichte Band 11, Abth. III, erfte Hälfte S. 315 
und 411. . 

73 ) Der Inhalt tft im wefentlichften aus Bujardo Orlando inamorato, 
T.II. ©. 1, 70 ff, und Arioft 36, 26 — 28 und 59 ff., doch mit vielfachen 
Beránderungen, welche wahrscheinlich machen, daß Balderon nicht unmittelbar 
aus den genannten Quellen, fondern aus fpanifchen Romanen fchöpfte, welche 
bie urfprüngliche Sage ſchon umgeftaltet hatten. Die Gefchichte der Marfifa, 
ber Friegerifchen Schwefter des Rüdiger (welchen Legtern Calderon Lco- 
nido nennt) findet fich fchon im Afpramonte, bem ungedruckten 7ten Buch 


Taffi8 das letzte Werk des Calderon, im einundachtzigften 
Sabre des Dichters gefchrieben. Gleichwohl haben. wir hier 
die Olut einer Jünglingsphantafle und nur wenige von ben 
Schwächen, welche den übrigen Schaufpielen aus der fpütes 
ren Lebenszeit unferes Autors eigen find; wie V. Schmibt 
richtig bemerkt , fcheint das Licht vor dem Erlöfchen nod) eins 
mal heil und ftarf aufgelodert zu fein. Die Handlung mit 
dem reichen Wechfel ihrer verfchledenartigen Bilder und Sis 
tuationen, mit ihren, fidy in Liebe und Kampf fo fühn ums 
bertummelnden Rittern und ihren amazonenhaften Frauen, 
zieht wie ein Tichlicher Traum an bem Geiſte vorüber, eine 
fanfte Liebesſchwärmerei durchathmet die Empfindungsgemälbe, 
und die bald erhabene und Fühne, bald anmuthige und holbe 
Sprache trägt den reichften Schmuck hinzu, um ben Reiz 
des Ganzen zu erhöhen. ES Iohnt daher wohl der Mühe, 
den Inhalt ber Dichtung hier näher anzugeben. Armins 
da, Fürſtin von Trinafrien, und ihre beiden Anbeter, die 
Sürften von Rußland und von Schwaben, verfolgen ben 
Leonido mit gezüdten Waffen, und biefer hat nur eben noch 
Zeit, fid) mit einem treuen Gefährten in eine Barfe zu wers 
fen und ſchnell rudernd feinen Berfolgern zu entgehen. Der 
Slüchtling hat unerfannt bei einem Turnier Arminda’d Bris 
der getöbtet, weil biefer geprablt, feine‘ Braut Mitilene fei 
die fchönfte Dame auf Erden. Arminda verfpricdht deinjenigen 
ihre Hand, der ifr den Mörder todt oder lebembig ausliefern 
werde, und die Fürften elfen davon, um den ſüßen Kohn zu 


der Reali di Francia und war einzeln behandelt in La Marfisa di P. 
Aretino, 8. I. e, a.; Marfisa Bizarra di Giov. Battista Dragoncino 
da Fano, Venezia 1531, 4to; und Amor di Marfisa del Danese 
Cataneo, Venezia 1562, — ©. B. Schmidt über bie italienifchen Hel⸗ 
bengedichte aus dem Sagenkreife Karl’s des Großen, S. 277. 


— X — 


erringen. — Die Scene wird von Trinafrien nad Mitilene 
verlegt. Lconito Tandet mit bem Gefährten, wirft Rúftung 
und Schild in eine am Strande befindliche Grotte und eilt, 
ein Obdach fuchend, weiter. Marfifa, in Felle gehüllt, tritt 
aus der Grotte, findet die Waffen und wird von einem als 
nungsvoll fehnfüchtigen Gefühl ergriffen; ver alte Zauberer 
Argante aber führt fie mit Gewalt in bie Höhle zurüd. Jetzt 
tritt die Fürftin Mitílene mit glänzendem Gefolge, unter 
Muftf und Gefang auf; fie will aus Neugier Marfifa raus 
ben, umd die Mufif fol ihr bazu behülflih fein, da Hirten, 
welche die wunderbare Bewohnerin ber Grotte oft in ber 
Ferne gefepen, ihr berichtet haben, diefelbe werde von ben 
, Klängen der Mufif unwiderſtehlich angezogen. Neue Vorfälle 
jedoch hindern dieſen Vorfag; Leonido, fih für einen ſchiff⸗ 
brüchigen Kaufmann ausgebend, wirft ſich hülfeflehend zu Mis 
tilenens Küßen nieder, und gleich darauf Tangt die Nachricht 
an,ihr Bräutigam fei von Leonido getóbtet. Die Fürftin ges 
lobt Rache und eilt davon, indem fie verfündigt, das Erfs 
recht auf ven Thron von Trinafrien fei burd) jenen Tod ihr 
zugefallen. Leonibo, froh daß man feiner nicht weiter achtet, 
bleibt allein zurüd; da tritt ihm Darfifa entgegen und Beide 
werden gleich bei'm erften Anblick von zärtlidhen Gefühlen 
für einander ergriffen. Der Züngling will die Schöne ihrem 
finfteren Aufenthalt entführen, da ftürzt die Furie Megára, 
von - Argante aus ber Hölle befchworen, hervor und fliegt 
unter Sturm und Erbeben mit Marfifa durd die Lüfte das 
von. — Sm zweiten Aft ift Alles wieder rubig; Leonivo 
naht fich von neuen, um feine Waffen zu holen und Mars 
fifa zu feben, wälzt das Yelsftüd von ber Grotte zurüd und 
erblidt die Jungfrau in einer Halle von Kryftall inmitten 
holder Nymphen, vie fie fhmüden und ihr Ohr durch lieb⸗ 


— mM — 


Tiche Befänge erfreuen. Der Zauberer Argante hat feine Pflege⸗ 
tochter mit biefen Herrlichfeiten umgeben, um fie mehr an 
bie Grotte zu felfeln; ein Schickſalsſpruch nämlich bedroht fie 
mit der Gefahr, den, welchen fie am meiften liebt, zu tödten 
oder von feiner Hand zu fterben. Leonido tritt zu Marftfen 
und erzählt ihr feine Lebensgeſchichte, wie er alg ausgefegter 
Säugling von dem Herzog von Toscana gefunden worden 
fei und fpäter, zum Nitter auferzogen, aus Liebe für Arz. 
minda beim Turnier deren Bruder getöbtet habe. Marfifa 
zeigt ihm in einem Zauberfpiegel die Geliebte, wie fie, uns 
terftugt von den beiden Fúrften, nad bem Mörder ihres 
Bruders fpäht. Die Liebe treibt den Leonído trog ber ihm 
drohenden Gefahr von dannenz vor ber Trennung von ber 
Grottenbewohnerin aber taufhen Beide noch zwei Kleinode 
aus, welche fie feit ihrer Jugend tragen und welche fie zu 
threm Erftaunen fih ganz Gbnlid finden. — Die nádite 
Scene (ft wieder In Trimafrien; Mitilene landet mit gewal- 
tigem Decre, um die Infel zu erobern, und fchon fteht Ars 
minda ihr mit ben Shrigen Fampfgerüftet gegenüber, da ents 
fteigt Megära dem Krater des Aetna, Feuer- und Lavaftróme 
ergiegen fid) nad) allen Seiten und Mitilene flieht auf ihre 
Schiffe. Arminda ſchwebt in Gefahr, in ihrem Zelte zu vers 
brennen, Leonido aber, in gemeine Kriegertracht gehüllt, ret: 
tet fie von bem Flammentode. — Im dritten Aft find wir 
in Arminda’s Palaft. Caſimiro, Oheim ber beiten ſich bes 
friegenden Kürftinnen, tft gefommen, um ihren Streit beizus 
legen; der Anblid Leonido's, welcher alg Netter Arminda'S 
freien Zutritt im Palafte hat, erfüllt ihn mit einem feltfamen 
Gefühl. Arminda (welche ben Mörder ihres Bruders nicht 
von Angeficht gefehen hat, nur weiß, daß er Leonido heifit, 
und daher auch) ihren Lebensretter, ber einen falfchen Namen 


— Y — 
angenommen, nicht alg folchen erfennt) trägt bem Leonido, 
zu dem fie eine fanfte Neigung blicken läßt, auf, den Mör- 


" der zum Zweifampf auf Tob und Leben zu fordern; ihre 


Hand foll der Lohn bes Siegers fein. Leonivo bleibt beftürzt 
zurück, fein ¿Freund aber reißt ihn aus der Verwirrung und 
erbietet fich, feine Waffen zu holen, fie anzulegen und fi 
dann alg Leonido ihm gegenüber zu ftellen. — Wieder fieht 
man die Grotte auf Mitilene; der Freund tritt auf, die Wafs 
fen zu holen, aus dem Hinterhalt aber erfchießt ihn der Fürft 
von Schwaben, in tem Glauben, Leonido vor fich zu haben. 
Aud Marfifa glaubt, ihr Freund fet geblichen, hüllt ſich, 
da fie von ber Herausforterng hört, um die Sdjmad) bes 
feigen Ausbleibens von ihm zu wálzen, in feine Rüftung und 
eilt, Argante's Zaubergeräth zerbrechend, nad Trinafrien, — 
Sn ber lebten Scene find die Turnier-Schranfen vor Armin⸗ 
daré” Palaft errichtet. Marfifa und Leonido fichen fic) zum 
Rampfe gegenüber; fie erfennen fid) und fámpfen baber nur 
mit Zagen. Caſimiro trennt fie und fragt nad) ihrer Her: 
funft. An den Kleinoden, die-fie ihm überreichen, erfennt er 
fie al8 feine willingsfinder, ibm von Mathilde, Prinzeffín 
von Trinafrien, heimlich geboren. Die Geſchwiſter find von 
ihrer Mutter nach der Gchurt im Geheimen an Caflıniro ges 
fendet worden; bei einen Schiffbruch an der Toskaniſchen 
Küfte wurde dann bie Tochter von Argante geraubt, ber 
Sohn von einer Löwin gefäugt. Nach biefer Aurflärung reicht 
denn Leonido feine Hand an Arminda, der Fürft von Ruf: 
land die feine an Marfifa, und Mitilene vermiblt ſich mit 
dem Fürften von Schwaben. 

An andere Romane und Novellen lehnen fich folgenden 
Stüde: 

Los hijos de la Fortuna , Teagenes y Cariclea 


— 204 — 


Rad) bem berühmten Roman bes Heliobor”*), ben ſchon Cer⸗ 
vantes bei feinem Perfiles vor Augen hatte. Aus der Fille 
zum Theil abentenerlicher, zum Theil anziehender und interefs 
fanter Begebenheiten, welche in viefem Roman zufammens 
gedrängt find, durften nur einige der erheblichften für das 
Drama benugt werden. Aud) biefe find noch hinreichend, um 
daffelbe mit einer fehr bewegten äufieren Handlung auszus 
ftattenz ihren höheren Werth aber erhält vie Dichtung Cal⸗ 
deron'8 durch die fittlihe Schönheit und Reinheit, welche fe 
durdbringt, Durch die unvergleichliche Schilderung , wie bie 
zarte Sumgfräulichfeit der Heldin und bie reine adlige Define 
nung ihres Geliebten unter den Drangfalen und feindfeligen 
Berwidelungen des Lebens immer herrlicher ſtrahlt. 
Argenis y Poliarco. Mad dem Tateinifchen Roman 
Argenis von Sohn Barclay, welcher durch zwei Ueberſetzun⸗ 
gen von Jofef Pellicer de Salas und von Gabriel Correa 
(beive Madrid 1626) in Epanien befannt geworden war. 
Bekanntlich enthält biefer Roman eine Schilderung ber poli⸗ 
tifchen Gefchichte Frankreichs unter Heinrich III., und unter 
fingirten Namen die Darftellung ber berühmteften Männer 
jener Zeit, unter denen Philipp II. im gehäffigften Lichte ers 
fheint ”°); Calderon aber hat von allen biefen Beziehungen 
abftrapirt und fid) einzig an die Fabel alg ſolche gehalten. 


15) Die gelefenfte franzöfifche Ueberfegung ber Aethivpifa des He: 
livbor war Die vog Antot, bie ¿uerft in Paris 1549 erfcpien; aus biefer 
war die fpanifche von Fernando de Mena, Alcala de Henares 1587, 
gefloffen, welche bem Calderon vermuthlich als Quelle diente. 

76) In der Ausgabe Joannis Barclaii Argenis, nunc primum 
illastr. a Theandro Bugnotio, Lugd. Batav. 1664, 2 vol., findet man 
den Schlüflel zu den oft ſchwer verfländlichen Anfpielungen diefer feltfa- 
men Dichtung. 


— — — — — — 


— 205 — 


Amor, honor y poder íft nad) einer, übrigens auf 
biftorifchem Grunde ruhenden, Novelle des Bandello (II Nov. 
38). Die Hauptperfonen find Eduard IL, König von England, 
und Eftela von Salveríc (die Gräfin von Salisbury). Dies 
fann zu intereffanten Bergleihungen mit dem herrlichen alts 
englifchen Drama Edward the Third and the black prince 
Anlaß geben, das neuerdings mit vollem Rechte dem Shals 
fpeare vinbicirt worden if. Beide Stüde find unermeßlich 
veríchieven. Shuffpeare hat offenbar nicht nad) der Novelle, 
fontern nad) ber hiſtoriſchen Weberlieferung gearbeitet; bie 
Liebe Eduard's zu der fchönen Gräfin füllt bei ihm nue 
bie erften Afte; die energifche Frau weiß durch einen fráftigen 
Entfchluß ihre Tugend zu fehügen und den König auf bie 
Bahn der Helvengröße zurüdzuführen, und die Thaten, welche 
der Monard) nac) Ueberwintung feiner Leidenſchaft vollbringt, 
bilden den Inhalt ber zweiten Hälfte des Drama'S. In ber 
fpanifchen Comödie dagegen dreht ſich Alles um den Kampf 
zwiſchen Ehre, Macht und Liebe; Eduard, leidenſchaftlich in 
die fchöne Gräfin verliebt, will ihr, da er durch Ueberredung 
nicht zum Ziele fommen fann, Gewalt anthun; fie aber weiß 
ug alle feine Liften zu vereiten und ihm mit bem Abel 
ihrer Geſinnung bergeftalt zu imponiren, daß fich feine finns 
liche Liebe in Hochachtung und Verehrung verwandelt; dann, 
nachdem der Streit jener drei Mächte verföhnt ift, reicht fie 
ihm von freien Stüden ihre Hand. 

Zunächſt find nun verſchiedene Schaufpiele zu nennen, 
die, gleich einigen ber zulegt erwähnten, von phantaftifhem In⸗ 
halt und auf theatralifches Gepränge angelegt find, aber, 
wie es fcheint, ganz auf eigener Erfindung bes Dichters bes 
ruben. Könnte es unfere Abficht fein, den Calderon nur von 
feiner glänzenden Seite zu zeigen, fo dürften wir dieſe Pomp⸗ 


— %6 — 


ſtücke fiiglid übergehen; denn man gewahrt hier bei aller 
Buntheit und allem Reichthum des Inhalts eine gewiffe Mate 
tigfeit und innere Leerheit, welche durch bie Ueberfúlle des 
äußeren Schmuds nicht verbedt werden Fönnen. Das Pers 
fonal diefer Stüde befteht mehrentheild aus Prinzen und 
Prinzeffinnen, die von allen Enden Europa’s berbeifonmen 
und die Epielbälle ber feltfamften Begebenheiten. find, allein 
uns feine rechte Theilnahme abzunöthigen wiffen. An fonbers 
baren Abenteuern, an Zweifämpfen, an Serenaden bei'm Monds 
fhein, an geheimnißvollen Grotten, aus denen Orakelſprüche 
bervorfchallen, an alten Schlöffern inmitten einfamer Gärten 
ft freilich Fein Mangel; aber alle diefe Reizmittel der Ros 
mantif, wie mande an fich feffelnde Scene fle auch herbei 
führen, vermögen nicht fo viel, daß fie und den Mangel an 
innerem Runfigepalt überfehen Tiefen. Hierher gehört die Eos 
mödie Afectos de odio y amor, unter deren Heldin Chri- 
fterna alleın Anfchein nad) die Königin Chriftine von Schweden 
gemeint ift. Von ber fabelhaften Geographie in diefem Stüd 
fann man fid) einen Begriff machen, wenn man hört, bag 
hier gefagt wird, die Donau made die Gränze zwiſchen 
Schweden und Rußland; die Hauptperfonen außer der Köni⸗ 
gin find ber Herzog von Rußland und die Herzoge von Als 
banien und Gothien; einige Trefflichfeiten ber komiſchen Pars 
tien fónnen die Geiftlofigfeit der ernften nicht aufiviegen. Von 
ähnlicher Beichaffenheit und wahre Speftafelftüde find Auri- 
stela y Lisidante und Los tres afectos de Amor. Etwas 
höher fteht, obgleich aus benfelben Elementen zufammengefegt, 
el Conde Lucanor, ein phantaftifches Stúd, deffen Schaus 
plag zwiſchen Aegypterí und Toscana wechfelt und in bem 
ein Fürſt von Rußland und ein Prinz von Ungarn neben dem 
Herzog von Toscana, bem Sultan und einer ägyptifchen Zau⸗ 


— — — — —- — 000. 


— 207 — 


berin die Hauptrollen haben; es fehlt hier nicht an anmuthi⸗ 
gen und poetiſchen Details, aber die opernhafte Haltung des 
Ganzen und das oft Geſchraubte der Darſtellung drängen 
dieſe einzelnen Schönheiten wieder in den Hintergrund. Mit 
der berühmten gleichnamigen Novellenſammlung des Prinzen 
Juan Manuel hat dieſes Stück durchaus keine Gemeinſchaft. 

Die Aufzählung der Calderon'ſchen Werke führt jetzt zu 
einer Reihe von Dramen, welche nicht füglich anders bezeich⸗ 
net werden können, als mit dem freilich ſehr allgemeinen 
Namen „romantiſche Schauſpiele.“ Dieſe Stücke, die ſämmt⸗ 
lich ber freien Erfindung bes Dichters anzugehören ſcheinen 
und deshalb unter den obigen Rubriken keinen Platz finden 
konnten, bie aber im Inhalt zu ernſt find, als daß fie zu ben 
Luſtſpielen gezählt werden dürften, werden hier denn unter 
jener umfaffenden Benennung, unbefchadet der Verfchiedenartig- 
felt der in ihnen herrfchenden Elemente, zufammengeftellt. 

El pintor de su deshonra. Wenn irgend Jemand 
geneigt fein follte, an bem Genius unferes herrlichen Caſti⸗ 
lianers zu zweifeln, fo möchten wir ihm biefe wunderbare 
Tragödie vorhalten, die unftreitig zu bem Höchften gehört, 
was Calderon gefchaffen, und allen Zauber der romantifchen 
Poeſie mit ergreifender Tiefe der Seelenfhilderungen und einer 
erfhütternden tragifhen Wirkung verbindet. Der erfte Aft 
fpielt in ber Wohnung des Gouverneur's von Baéta, welcher 
Legtere in der Anfangéfcene feinen Freund, den Spanier Don 
Yuan Roca, mit deffen junger Gemahlin Seraphina bei fi 
willfommen heißt. Die Tochter des Gouverneur’s, Porcia, 
fließt bald Freundſchaft mit Seraphinen, und fie vertrauen 
fi) gegenfeitig die Geheimniffe ihrer Herzen. Sene erzählt, 
wie fie im Geheimen bie Liebesbewerbungen des Prinzen Urs 
fino empfange, biefe aber, wie fie mit- feuriger Leivenfchaft 


— 208 — 


von Porcia’8 Bruder, Don Alvaro, geliebt worden ſei und deffen 
Neigung eben fo lebhaft erwidert habe. Alvaro aber war 
zur See gegangen, und bald darauf hatte fie die Nachricht er⸗ 
halten, fein Schiff fet in einem Sturme verunglüdt und mit 
der ganzen Mannfchaft verfunfen. Durch diefe Nachricht in 
ihrem ganzen Sein zernichtet und zugleich von den dringenden 
Bitten Ihres Vaters beflürmt, hat fie ihre Einwilligung zur 
Bermählung mit Don Juan gegeben. Seraphina finft bei ber 
Erzählung ihres Schidfals, von Gefühl bewältigt, beſinnungslos 
zu Boden, und Porcía eilt von dannen, um Hülfe herbeizuholen. 
Sn diefem Augenblide tritt ein Fremder ein, erblidt vie Ohn⸗ 
mächtige und beugt fi) mit dem Ausdruck der lebhafteften 
Theilnahme über fie; Seraphina ſchlägt die Augen auf, finft 
aber mit bem Schrei: Alvaro! von Neuem ohnmächtig zu 
Boden. Wirflich if die Nachricht von dem Tode ihres Des 
ltebten unbegründet gewefen und er hat Mittel gefunden, ſich 
nad dem Schiffbru zu retten. Die Scene des Wiederſehens 
ber beiden Liebenden unter diefen Verhältniffen ift mit aller 
Zartheit und Bollendung gefchildert, deren Calderon's Pinfel 
fähig war, und rounberbar erfchütternd iſt das hier beginnende 
Gemälde des Kampfes zwifchen Pflicht und Liebe im Herzen 
der Seraphina. Die Unglüdlihe fudt wit aller Kraft ihrer 
Seele ihre Neigung zu bekämpfen, und erflärt dem Alvaro 
mit erzwungener Kälte, wie fie durch Pflicht und Herz an 
ihren Gemahl gebunden fei. Während biefer Unterredung er- 
tönt ein Kanonenſchuß; es tft Das Signal, weldes das Ab: 
ſegeln von Don Juan's Schiff verkündigt; Seraphina geht ab, 
um ihm in die Heimath zu folgen, und Don Alvaro bleibt in 
Hoffnungsloſigkeit zurück. — Der zweite Akt zeigt uns Don 
Juan in ſeiner Wohnung zu Barcelona, wie er, ein leiden⸗ 
ſchaftlicher Freund der Malerei, beſchaͤftigt iſt, ſeine Gattin 


Kr A 


— A — 


zu portraitiven. Friede und Glüd ſcheint bei bem Ehepaar zu 
wohnen und auch aus Seraphinen’s Herzen bie Erinnerung 
der Bergamgenheit gebannt zu fein. Ploͤtzlich, als Juan eben 
die Gattin allein gelaffen hat, tritt ein Mann in Matrofens 
tracht in bas Zimmer; es tft Alvaro, ber, die alte Liebe nicht 
vergeffen fónnend, fid) in biefer Verkleidung nach Barcelona 
begeben Pat; er beftiremt Seraphinen’s Herz mit neuen Bitten, 
allein fie ftellt ihm fo beredt und energiſch bas Vergeblidhe 
und Thörichte feiner Wünfche vor, daß auch er den Entſchluß 
faßt, feine Liebe zu befümpfen und den Frieden der Geliebten 
nicht weiter zu flören. Die folgenden Scenen fchildern in den 
reizenpften Farben bie Luftbarfeiten des Karneval am Meeres; 
ftrande bei Barcelona. Don Juan Hat mit feiner Frau die an 
der Küfte gelegene Billa eines Freundes bezogen, und miſcht 
ſich oft unter die Schaaren des Iuftig-fhrwärmenden Volkes; 
dort begenet ihnen aud) Alyaro, allein ohne ſich ihnen zu nas 
pen, und es ſcheint, als habe er feine Liebe befiegt. Eines 
Tages, alg eben bas fröhliche Getümmel am ausgelaffenften 
auf und nieder wogt, erfchallt der Ruf: „Feuer!«“ Die von 
Don Juan bewohnte Billa ftept in Flammen; die ohnmächtige 
Serapfina wird von ihrem Gatten herbeigetragen und ber 
Obhut Alvaro'3, den er nicht fennt, anvertraut; er felbft eilt 
yon dannen, um anderen Gefährdeten Hülfe zu letften, in 
Alvaro aber, bem die Geliebte auf diefe Art in die Arme 
geworfen wird, ſchlägt bie ſchon gebämpfte Leidenfchaft plöß- 
lid) wieder in hellen Flammen empor, bie Berfuchung tft ihm 
zu flarf, er trägt die fortwährend Ohnmächtige mit fich fort, 
befteigt haftig fein Schiff und fegelt mit feinem Opfer davon. 
Don Juan naht erft wieder, alg das Schiff eben bie Anfer 
lichtet, entdeckt, wie er betrogen worden, und flürzt fid) in bie 
Wellen, um bie Fliehenden zu erreichen. — Sm dritten Alte 
Geſch. d. Lit. in Spanien. III, Bb. 14 


— 10 — 


find wir wieder nad Gaéta verfegt. Don Yuan tritt als 
Maler verfícidet auf; er bat dieſe Tracht angenommen, um 
in ihr auf unbefangnere Weife Zutritt in Privathäufer erlangen 
und den Räuber feiner Gattin entveden zu fünnen, an wels 
chem er die Schmach feiner Ehre zu rächen brennt. Er wird 
bei'm Prinzen Urfino vorgeführt, und dieſer ertheilt ihm ben 
Auftrag, eine Schöne zu malen, bie er in einer nahen Yörfters 
wohnung fennen gelernt pat. Der Prinz nämlich befucht jenes 
Jägerhaus häufig, um bort heimliche Zuſammenkünfte mis 
feiner geliebten Porcia zu halten; eben borthin aber hat ſich 
aud) Alvaro mit Seraphinen geflüchtet, um vor dem Vater 
verborgen zu fein, und bie fehöne Dame hat die Augen bed 
Prinzen auf fid) gezogen. Don Juan begibt fid) an den ihm bes 
zeichneten Ort und fiplágt hinter einem Gitterfenfter, von 
wo er die Reizende unbemerft belaufchen fann, feine Staffelet 
auf. Wer ſchildert feine Gefühle, alg er Seraphinen erfennt ! 
Sie liegt fehlummernd da und ſpricht im Schlafe Worte, 
welche Bürgen für die Reinheit ihrer Seele find; aber ihre 
Unſchuld Tann fie nicht retten, fie muß ald Sühnungsopfer 
für die in ihr dem Gatten angethane Schmach fallen. Der 
Monolog, in welchem Don Juan ben Kampf feiner nod) im⸗ 
mer glühenden Liebe und feines Bewußtſeins von ber inneren 
Nichtigkeit des Eprengefeges gegen die Macht der allgemeinen 
Sitte, der er ſich fügen muß, fchilvert, if tief erfchütternd ; da tritt 
Alvaro auf und ſchließt die Schlummernde in feine Arme; in 
demfelben Augenblide fallen zwei Schüffe aus dem Hintergrunde, 
und ber Räuber wie die Geraubte finfen blutend zu Boden. 

Las manos blancas no ofenden. Eine der wunder 
vollíten und reichften Compoſitionen unter den Stüden bies 
fer Gattung, zugleich durdy die überaus funfivoll angelegte 
und durkhgeführte Intrigue anziehend und in den Tauterften 


— 21t — 


Glanz einer ätherifihen Poefie getaucht. Serafina, bie junge 


Fiürſtin von Urfino, fft an ihrem Hofe von mehreren 


Freiern umbrángt, unter denen fie ihrem Wetter Feberígo, 
der fie noch jüngft mit Lebensgefahr aus dem euer gerettet 
Bat, befondere Gunft ſchenkt. Diefer Federigo aber ift, über 
die neue Neigung, feiner früheren Geliebten Lifarda untreu 
geworben, und Ießtere begibt ſich (nad) jener von Tirfo be 
Molina fo vielfach ausgebeuteten bee) in Männerkleidung 
und unter dem Namen des Prinzen Cäfar von Orbitel an 
den Hof, um ben Plan bes Treulofen zu freuzen. Ju gleís 
cher Zeit hat ber Prinz Eáfar felbft, ein Jüngling von aufs 
fallender und beinahe weiblicher Schönheit, um feiner ihn 
mit ängftlicher Sorge hütenden Mutter zu entgehen, Weiber⸗ 
tracht angelegt und ſich in diefer Verkleidung auf den Weg 
nach Urſino begeben, wo er fid) unter die Schaar der Freier 
miſchen will; ein Zufall hindert ihn, feine Verkleidung zur 
rechten Zeit abzulegen, und fo fommt er in ber Frauentracht 
an den Hof der Serafina. Der neue Achill auf Skyros ers 
weckt nun in der Fürftin ein Gefühl der Liebe, das fie ſelbſt 
aur für Freundſchaft Hält. Welche köſtlichen Berwidelungen ber 
Dichter and diefen Fäden, zu denen nod) andere herangegogen 
werben, entipinnt, möge man ahnen; fie in diefem befchränften 
Raum darzulegen, ift nicht möglich. Daß Serafina, als ſich 
&äfar zulegt enthüllt, diefem, für welchen die Stimme ihres Her⸗ 
¿ens am lauteften ſprach, ihre Hand reicht, und daß Federígo 
von einer flüchtigen Aufrvallung der Leidenfchaft in die Arme 
feiner erflen Gelichten zurückkehrt, íft ber 3telpuntt ber 
Handlung. 

Un castigo en tres venganzas””). Zu den gentalften 

79) Seit Obiges gefhrieben wurde, babe ich eine Comödie ven 
Diamante, Cuanto mienten los indicios y ganapan de desdichas, 

14 * 


"y 





— 212 — 


Compofitionen Calderon's gehört biefes Stüd nicht, wenn⸗ 
gleich fidh ihm ein lebendiges Intereſſe nicht abiprechen läßt. 
Der Herzog von Burgund hat zuverläffige Nachricht, daß ein 
Ritter feines Hofes tm verrätherifchen Einverftändniffe mit 
feinen Feinden ftehe, weiß jedoch nicht, welcher von ihnen 
der Schuldige fei. Elotaldo, ein Günftling bes Herzogs, in 
dem der Zufchauer von Anfang an den Verbrecher erfennt, 
fucht den Verdacht auf einen gewiffen Federico zu wälzen; der 
Letztere zieht, voll Entrúftung und in Gegenwart des Herzogs, 
das Schwert, und wirb deshalb vom Hofe verbannt, worüber 
Elotaldo um fo mehr triumphirt, als er ſich hierburdy eines 
Nebenbuhlerse um die Gumft ber fehönen Doña Flor, ber 
Tochter des greifen Manfredo, entledigt. Federico muß, von 
der Geliebten und der Heimath feheidend, in’8 Eril wandern. 
Doña Flor, fon durch diefe Trennung in Kummer geftürzt, 
wird gleich darauf Durd ein anderes Ereigniß nod tiefer 
gebeugt. Eine ihrer Freundinnen bat den jungen Enrico, 
einen Neffen des Herzogs, zu einer geheimen Unterredung 
in ihre (Flor's) Wohnung befchieden; gerade befindet biefer 
fi) dort, al8 Clotaldo, der eine Zofe beftochen hat, eindringt; 
es entfteht ein Zweifampf zwifchen den beiden Rittern, Enrico 
finft tödtlidh verwundet zu Boden und Clotaldo eilt vermummt 
und ohne erkannt zu fein davon. Das Schwertergeflirr hat 
Manfrevo herbeigerufen. Flor wird neben der blutenden Leiche 
getroffen, und, um ihre Ehre zu retten, fagt fie aus, fie habe 
den Enrico, der ein Attentat auf fie gemacht, niebergeftoßen. 
Manfredo iſt in höchfter Verlegenheit, denn wenn ber Todte, 
ber Neffe des Herzogs, in feinem Haufe gefunden wird, fo 
gelefen; dieſe behandelt ganz benfelben Stoff, wie bie Ealderon’fche, und 


hiernach möchte Beiden entweder ein wahres Brian oder irgend eine 
Novelle zum Grunde Liegen. 


— 213 — 


droht feinem Leben Gefahr; er befchließt daher, bie Leiche 
heimlich zu entfernen. Inzwiſchen hat Federico den Herzog 
und deffen Günftling Elotaldo auf der Jagd im Gebirge ans 
getroffen; der Herzog hatte fid zum Schlafe hingeftredt und 
Elotalb war herangefchlichen, um, zur Vollendung feiner Ver⸗ 
rätherei, den Bebicter zu ermorden; da fprang Federico herz 
vor, entwand dem Verráther den Dolch und rettete dem Hers 
zog das Leben; biefer erwachte von dem Lärm, fogleid aber 
wußte der fehlaue Elotaldo die Sache fo barzuftellen, alg wäre 
er felbft der Retter, Federico Dagegen der Angreifer gewefen, 
und Tegterem wurde bei Todesftrafe unterfagt, fid im Ges 
biete des Herzogs bliden zu laffen. Bald darauf hat der Vers 
bannte durch feinen Diener Nachricht erhalten, daß man Nachts 
einen Vermummten vom Balcon ber Doña Flor habe herab- 
klettern fehen, und er tft hierdurch, in eiferſüchtigem Argwobn, 
zu dem Entfchluffe gekommen, verkleidet in die Stadt zurüd- 
zufehren. Er wählt die Tracht eines Laftträgers, kommt als 
folcher in Manfredo's Wohnung, und wird gebraucht, die Leiche 
Enrico's fortzufchaffen; nachher auf der Strafie ertappt, wird 
er für den Mörder gehalten, zum Tode verurtheilt und, zur 
Bollftredung des Spruches, an Manfredo überliefert. Unter: 
deffen hat Elotaldo einen neuen Plan entworfen, um zum 
Ziele feiner Verrätherei zu gelangen; er überfällt den Her: 


309, wird aber entwaffnet und tödtli verwundet, und befennt _ 


im Sterben feinen Berrath, den von ihm vollbradyten Mord 
Enrico'8 und feine Anfchläge auf Flor's Ehre. Der Herzog 
beklagt ſchon die allzu voreilig vollführte Hinrichtung Fede⸗ 

rico’8 und befucht reuevoll deffen Gruft; da ſchiebt Manfredo 
den Leichenftein zurüd, und Federico tritt lebend hervor; ein 
Schlaftrunk hatte ihm, der fo der Hinrichtung entzogen werben 
folíte, nur fcheinhar das Leben geraubt; er wird pon dem Herzog 


—-1Aa— __.._.__ 00 


— 214 — 


freudig umarmt und zum Erfag für die ihm widerfahrene Uns 
HU in das Amt des Clotaldo eingefegt, und, um fein Glück zu 
frönen, reicht ihm die nun treu erfunbene Doña Flor die Hand. 
Amigo, amante y” leal gründet fi) auf die fo viel⸗ 
fach behandelte Colliſion verſchiedener Pflichten. Der Helb 
wird von den Trieben der Liebe, Freundfchaft und Untertha⸗ 
nentreue in ſchwankende Bewegung gefept; er treibt die Aufs 
opferung gegen den Fürften und gegen ben Freund fo ieit, 
daß er ihnen die Geltebte abzutreten bereit tft; ein fcheinbar 
unentwirrbarer Knoten fehürzt fih aus diefen Fäden, aber fte 
alle führen ¿ulegt zu bem erfehnten Ziele, wo fi) der Wider⸗ 
fireit jener drei Mächte in den reinften Accord auflöfl. 
Muger llora y venceräs (ber Sdauplag tft 
Deutfchland und ber Plan un eine erdichtete Erbftreitigfeit zwi⸗ 
fhen der Erbtochter bes Landgrafen von Heffen und ihren Bettern, 
den Prinzen von Thüringen, gefniipft) bat eine höchſt geifts 
volle und feffelnde Anlage, zeigt aber in der Ausführung 
jene falte Berechnung und jenen Mangel an freier dichterifcher 
Bewegung, der mande fpätere Werfe des Dichters characterifirt. 
Lances de Amor y Fortuna. Der wunderliche 
Eigenwille bes Schickſals, welcher oft ben Unwürdigen mit 
Ehre und allen Gaben des Glücks ausrüftet, den Würdigen 
dagegen barben läßt, bildet hier den Vorwurf. Rugero rettet 
der von ihm geliebten Gräfin Aurora von Barcelona das 
Leben, und erfchöpft fi in heldenmäßigen Anftrengungen für 
ihre Sade; allein ein Gewebe von unglüdlihen Umftänden 
macht, daß der Ruhm aller von ihm vollbrachten Thaten feís 
nem Nebenbubler zufällt und felbft die Beliebte ihn verfennt, 
bis es ihm endlich gelingt, Aurorend Augen zu öffnen, deren 
Herz immer für ihn gefprochen batte. 
Agradecer y no amar. Eine Novelle in bramas 


— 25 — 


tifcher Form, die man in Erfindung und Ausführung nur 
mittelmäßig nennen fann. 

Para vencer á Amor querer vencerle. Sn 
Bezug auf die äußere Handlung dürftiger, alg die meiften 
Dramen des (Calderon, aber durch pſychologiſche Feinheit und 
durd) überrafchende Blide in bie Tiefe des Menfchenherzeng 
ausgezeichnet und in diefer Hinficht des größten Meifters 
würdig. Schon der Titel läßt erkennen, daß der Sieg der 
Bernunft und bes Willens über bie Leidenfchaft das Motiv 
des Stüdes bildet. Cáfar de Colonna, die ſchöne Margaretha 
leidenſchaftlich liebend, tft fon am Borabend der Vermáibs 
lung mit ihr, ald die Braut ihm bas Geſtändniß macht, daß 
fie ihn, obgleich er deſſen in jeder Hinficht würdig fet, doch 
nicht zu lieben vermöge und nur aus Nachgicbigfeit gegen 
die Eltern ihr Jawort gegeben habe. Sie bittet ihn, daß er 
fie nicht wider ihren Willen heimführen möge, und zugleich, 
Daß er tr geheimes Befenntnig dem Vater und dem Publi 
tum nicht entbede, fondern unter frgend einem erdichteten 
Vorwande von ber Vermáblung abſtehe. Cáfar tft im höchſten 
Grabe beftürzt, und ſchwankt in feinem Entfchluffe; als ihn aber 
die Geliebte bei der Liebe felbft, Die er ihr geweiht, um Gewäh” 
rung ihrer Bitte beſchwört, verfpricht er Alles, was fie von ihm 
verlangt. Unter dem Vorwande, er ſei Margarethens noch nicht 
würdig, verläßt er mit verzweifelndem Herzen fein Vaterland - 
und begibt fid) in den Krieg, hoffend, er werde entweder den 
Tod finden, oder endlich, indem er ſicheihrer würdig zeige, Mars 
garethens Herz gerwinnen. Bet dem deutfchen Kaiſer Friedrich IL. 
hoch in Gunſt geftiegen, hat er das Glück, Margarethen in einer 
wichtigen Angelegenheit große Dienfte zw leiſten; als Diefe 
nun aber doch noch falt gegen ihn bleibt, ruft er die Vers 
nunft und die Ehre zu Hülfe, und befiegt auf dieſe Art die 
Neigung feines Herzens. 


— 216 — 


De una causa dos efectos. Wir haben for 
früher auf die Verwandtſchaft biefer Comödie mit einem ber 
beften Luftfpiele Fletcher's, The elder brother, hingeveutet, 
und dabei die Vermuthung ausgefprochen, ber eine Dichter 
habe den anderen benutzt; biefe Tegtere Meinung muß jedod) 
berichtigt werben, denn das fbanifche Stück weift fih durch 
feinen Styl als eines der fpäteren Werfe des Calderon aus 
und fann feínenfalls vor dem Sabre 1625, in welchem Flet⸗ 
her flarb, gefchrieben fein; bag aber umgefehrt der Spanier 
den Engländer gefannt habe, fann in Feiner Hinſicht für 
wahrfcheinlih gelten. Die Aehnlichfeit beider Stüde ftammt 
daher vermuthli nur von dem gemeinfamen Anfchließen an 
die, von den älteren Novelliften mehrfach ‚behandelt bee, 
daß die Liebe die Dummen in Kluge vertvandele. (S. Bocs 
eaccio’8 Novelle von Cimon und Iphigenia, Decameron, Tag 
V. Nov. 1.) Galberon hat jener Wirkung der Liebe, die er 
an einem Sohne des Herzogs von Mantura zeigt, Die cons 
tráre in deffen Bruder gegengeüberftellt und biefen Gegenfaß 
höchſt finnvoll durchgeführt. 

Nadie fie su secreto hat mande Ucbereínftims 
mung mit einem Schaufpiel Yo me entiendo, welches balb 
mit dem Namen des Lope de Vega, bald mit bem des Cal⸗ 
beron bezeichnet gefunden wird, allen Kennzeichen nad aber 
dem Erfteren angehört (an Galberon wenigſtens ift in Feiner 
Art zu denken). Die beiden Stüden zu Grunde liegende 
Handlung tft der von Lope's Quinta de Florencia verwandt 
und wahrſcheinlich berfelben Novelle des Bandello entnom- 
men; Yo me entiendo aber fehlicßt fid) diefer Novelle näher 
an, während Nadie fie su secreto fie in ber freieren Ges 
ftaltung des Stoffes nur noch von fern erfennen läßt. Der 
Held bes Ealderon’fchen Drama’s ift der berühmte Aleran- 


— 297 — 


der Farnefe, Herzog von Parma, und ble Triebfeder ber Acs 
tion, daß der Fürft und fein Günftling Don Cäfar biefelbe 
Dame lieben, der Erftere ben Liebenden, von deren Geheim- 
niß unterrichtet, jede Gelegenheit, fih zu feben, zu rauben 
fucht und ihre beabfichtigte Flucht hintertreibt, dann aber nad) 
manchen Kämpfen die Geliebte dem Freunde aufopfert. Auf reiche 
und fpannende Handlung tft in diefem Schaufpiel weniger Werth 
gelegt, Dagegen der Eharafteriftif befondere Sorgfalt gewidmet. 

El Alcaide de si mismo. Galberon fcheint fi in 
dieſem anmuthigen Stüde feínes eigenthümlichen Styls entäus 
Bert zu haben und mehr der Manier des Lope de Vega gefolgt zu 
fein. Die Handlung tft, wie folgt: Der Prinz Friedrich von 
Sicilien hat in einem Turnier zu Neapel den Neffen des Rós 
nigs getödtet und darauf, um fid) der Verfolgung zu ents 
ziehen, die Flucht ergriffen. Wer der Mörder fei, ahnt Nies 
manb, denn ber Prinz ¡ft wegen einer zwifchen Neapel und Sici⸗ 
lien fett lange obwaltenden Feindſchaft nur incognito und 
mit gefchloffenem Bifir erfchtenen. Um ficherer zu entfommen, 
legt der Flüchtling in einem Walde feine fürftliche Kleidung 
ab und hüllt fid in die ärmlichfte Tracht, in welchen Auf: 
zuge er dann eine vornehme Dame, an deren Schloffe ihn 
fein Weg vorbeiführt, um ihre Hülfe anfpricht; er gibt vor, 
er fei ein Kaufmann und von Räubern ausgeplündert tor: 
ben, und die Mitleidige verheißt ihm nicht allein ihre Unters 
ſtützung, fondern zeigt großes Wohlgefallen an ihm und er: 
nennt ihn zum Befehlshaber ihres Schloffes. Mit Schreden - 
vernimmt er, daß feine Wohlthäterin die Prinzeffin Helena, 
die Schweiter deS von ihm Getödteten, fet und alle Mühe auf: 
wende, um des Mörders habhaft zu werben; für’s Erfte fcheint 
ihm aber Feine Entdeckung zu drohen, da Niemand in Nea- 
pel fein Geſicht erblidt hat, außer ver Infantín Margaretha, 


— 248 — 


Tochter des Königs, zwiſchen welcher und ihm fich bei einer 
durch den Zufall herbeigeführten Zuſammenkunft ein zärtliches 
Berhältniß entfponnen hat. Unterdeffen hat ein einfältiger, aber 
drolliger Bauer, Benito, bie abgelegte Rittertracht im Walde 
gefunden und fie angezogen, um fid) in biefem Schmud von 
feinen Cameraden bewundern zu laſſen; bie Häfcher, welche 
im Auftrag bes Königs von Neapel den Mörder auffpähen 
follen, ergreifen ihn und führen ihn als Gefangenen an den 
Hof; fein bäurifches Benehmen wird für Berftellung gebals 
ten, unb der König‘, im Glauben, ben flüchtigen Ritter in 
feiner Gewalt zu haben, überfendet ihn der Prinzeſſin Helena, 
damit fie ihn in ihrem Schloffe gefangen Halte. Diefe. übers 
“ gibt Ihn nun dem Prinzen Friedrich zur Bewachung, fo daß 
der Legtere zum Gefangenwärter feiner feloft wird. Die Gus 
fantin Margaretha weiß ſich Zutritt zu bem Schloffe zu vers 
fhaffen, um ben Geliebten dort zu fehen, und ber Kerfermeifter, 
davon benachrichtigt, fpielt dann bie Rolle des Gefangenen 3 
überhaupt mag man ahnen, welche interefianten Situationen 
der Dichter aus dem Duiproquo zu entfpinnen gewußt hat. 
Daß Margaretha in das Geheimniß eingeweiht wird und 
daß Beide die Täufchung fo lange fortführen, bis der Prinz 
der Vergebung und Beide der Einwilligung des Könige in 
ihre Vermählung ficher fein können, ergibt fid) von felbft, 

La Señora y la criada. Ein überaus reízendes Lufts 
fpiel?®), das durch feinen dichteriſchen Schwung unermeßlich 
hoch über die, gewöhnlich mit biefem Namen bezeichneten, 
Stüde emporragt und doch zugleich bas Talent Calderon's 


18) Mächtig flammt Cupido's Kerze, 
Durch Gefahr umfonft verbüftert, 
Und bie Liebestlage flüftert 
In das Echo leichter Scherze. Blaten. 





— 219 — 


zur eigentlichen Komik im glánzendften Lichte zeigt. Die Prinz 
zeffin Diana von Mantua iſt von ihrem Vater dem Herzog 
von Mailand zugefagt worden, liebt aber den Prinzen Elos 
taldo von Parma, der ihre Neigung auf's feurigfte eriwiedert, 
aber durch alte Feindſchaft, die zwiſchen den beiden Fúrftens 
häuſern herricht, an der Erreichung bes Zieles feiner MWünfche 
behindert wird. Als der Zeitpunft von Dianend Vermáblung 
mit dem verhaßten Herzog beranrüdt, fagt Clotaldo den Ent 
ſchluß, die Geliebte zu entführen, ein Zufall aber macht, daß 
er ftatt ihrer eine Bäuerin, welche fi) mit den Kleidern der 
Pringeffin geſchmückt hat, raubt; zur nämlichen Zeit ift Diana, 
wn der verhaßten Verbindung zu entgehen, in ländlicher Tracht 
vom Hofe des Vaters entflohen, und wird, da fie durch ein 
Berunglüden mit dem Wagen befehäbigt worden tft, an den 
Hof son Parma gebracht. Aus bem Umſtande nun, daß die 
entführte Bäuerin Allen, außer ben Eingeweihten, für bie 
Prinzeffin gilt, die Legtere aber in ihrer unfcheinbaren Klei⸗ 
dung unbeachtet bleibt, entfpinnt fid) eine höchſt glüdliche 
Sntrigue, welche ¿ulegt dahin geleitet wird, daß ber Herzog 
von Mailand, felbft die ihm zugedachte Braut ausfchlägt, Elos 
taldo aber feine geliebte Diana heimführt. 

Dicha y desdicha desdicha del nombre und 
La vanda y la flor. Zwei höchft feine Stüde voll com: 
plictrter Intrigue und bedeutfamer, wirkungsreicher Situa= 
tionen. Jn diefen Luftfpielen haben wir, fo wie in einigen 
der vorhergehenden und folgenden, im Grunde fehon ganz die 
nämlichen Elemente, wie in denen, die auf fpanifchem Boden ' 
fpielen, und nur das Perfonal von Fürften und Hofleuten, 
das in ihnen vorfommt, fo wie der dadurch bedingte feine 
Hofton, Teiht ihnen eine etwas verfchiedene Färbung. 

El galan fantasma. Eine glücklich erfonnene, vom 


— 220) — 


berechnendften Verftande angelegte und dann mit ber Liebe 
des Dichters‘ ausgebildete Fabel. Der junge Aftolfo “ftebt in 
einem Liebesverhältniffe mit der ſchönen Julia, und eben Dies 
fer Dame bringt aud) ber Herzog von Sadfen, von ihr une 
begünftigt, feine Huldigungen bar. Eines Abends befindet ſich 
Aftolfo bei: feiner Geliebten zum Befuche, al8 ber Herzog, 
der fih mit Gewalt Eingang verfchafft, darüber zufommt. 
ES entfteht ein Zweikampf zwilchen ben beiden Nebenbublern. 
Aftolfo fällt und bleibt für todt auf bem Plage liegen. Die 
Wunde tft jedoch nicht tödtlich geiwefen, er wird in das Haus 
eines Freundes getragen und bort auch nad) feiner Wieder: 
herſtellung, um vor der Rade des Herzogs gefichert zu fein, 
verborgen gehalten. Aus diefem Haufe führt ein unterirdifcher 
Gang in Julia's Garten, und Aftolfo benugt diefen Weg, um 
heimlich zu der Geliebten zu gelangen. Julia tft anfänglich über 
fein Erfcheinen erfchredt und hält ihn für ein Gefpenft, bi er 
ihr die Geſchichte feiner Rettung erzählt und nun felige Stunden 
in ihren Armen feiert; dem Herzog gegenüber Dagegen bleibt er 
ein Geftorbener und erfchredt ihn durch feine Erfeheinungen, 
bi8 durch andere Zwifchenfäden der Sntrigue die Sade fo 
weit gediehen ift, daß er ſich aud) diefem enthüllen und ber 
Einwilligung in die Bermählung mit Julien ficher fein Fann. 

Basta callar. Sn dieſem herrlichen Drama wetteifert 
die Grazie der reizendften Erfindung mit dem reichften Farben» 
fhmud der Dichtung, die Frifche mit der Gluth, die innere 
Feinheit der Anlage mit der Zartheit der Ausführung und mit 
dem Zauber der wohllautendften Sprade. Die Berwidelung 
tft fo finnreidh erdacht und fo complicirt, wie in den beiten 
der reinen Intriguenftücde; aber wir haben hier zugleich einen 
Duft und Glanz der Poefíe, wie er die Ießteren Werke nicht 
in gleicher Fülle durchzieht. Margarethe, Tochter des Herzogs 


— 21 — 


von Béarn und dem Wunſche ihres Vaters gemäß mit bem 
Grafen von Montpellier verlobt, hat auf ber Jagd im De: 
birge einen ſchwer verwundeten Ritter gefunden und ihn von 
dort, um ihn zu pflegen, an ben Hof ihres Vaters gebracht. 
Der Berwundete nennt fid Don Cäſar und gibt vor, von 
Räubern angefallen worden zu fein, iſt aber in Wahrheit ein 
Gavalier vom Gefolge des Grafen von Montpellier und auf 
Geheiß feines Herm überfallen worden; er hat námiid in 
einem Liebesverhältniffe mit der fhönen Doña Serafina ge: 
ftanden und den Grafen, ber eben diefe Dame liebte, einft, 
als ber Legtere in die Wohnung der Schönen zu dringen vers 
fuchte, mit dem Schwerte angegriffen; wegen diefes Attentats 
mufite er entfliehen, aber bie Rache des Grafen ereilte. ihn 
nod) auf der Subt. Am Hofe von Béarn, wo er alle diefe 
Borgänge verfchiweigt, wird er huldreih aufgenommen; der 
Herzog ernennt ihn nad) feiner Bicderberftellung zu feinem 
Secretair und die Prinzeffin hat eine heimliche Neigung für ihn 
gefaßt, die er felbft jedoch nicht erwiedert, ja, nod) ganz feiner 
früheren Liebe hingegeben, nicht einmal beachtet. Was ihn 
felbft in feiner Verbannung am meiften quält, ift die Unge: 
wißheit über Serafinen’d Treue. ES fügt fi nun, daf Ro: 
berto, Gerafinen'8 Vater, mit feiner Tochter an den Hof von 
Béarn fommt; in feinem Gefolge befindet ſich verfleivet ber 
Graf von Montpellier, angeblich, um feine Verlobte, Marga: 
rethe, unbefangener beobachten zu fónnen, tn Grunde aber, 
um in der Nähe ver geliebten Serafina zu fein. Serafina 
bat bald einen innigen Sreundfchaftsbund mit Dlargarethe ge: 
fhloffen, ihre Holdſeligkeit erweckt aber zugleich aud die Liebe 
des Herzogs. So hat denn der Dichter die mannichfaltigften 
Fäden der Veriwidelung in feiner Hand: die Nebenbuhlerfchaft 
des Grafen, des Herzogs und Cäſar's, die Beftrebungen ves 


— 929 — 


Lesteren, von bem Grafen, der ihn für todt hält, nicht erfannt 
zu werden, dann Margarethend Neigung zu Cáfar im Cors 
flitt mit ihrer Feundſchaft für Margarethe u. f. w.; aber dieſe 
Fäden find hier nicht etwa gebraucht, um, wie oft in ben 
Comedias de capa y espada, nur ein ergößliches und bie 
Aufmerkfamfeit feffelndes Imbroglio zu fpinnen, fonbern fie 
dienen dazu, die Herzen und Charaktere in allen ihren Falten 
auseinanberzulegen und ein Gemälde vor und aufzurollen, in 
welchem Liebe und Eiferfucht, Melancholie und Scherz, Schwär- 
meret und Lebensffugheit. durch die weichiten Tinten mit ein 
ander verfchmolzen find, — das ganze Gebilde aber ftrahlt in 
dem reinften Zauberlichte romantifcher Dichtung. Daß Margas 
rethe ihre Neigung Der Sreundin aufopfert und dem Wunſche 
bes Vaters gemäß dem Grafen ihre Hand reicht, unb daß 
aud) der Herzog und ber Graf in wahrhaft abliger Gefinnung 
ihre Leidenfchaft befämpfen und Serafinen's Hand in bie bes 
früher berechtigten Cäfar legen, bildet den Schluß der Handlung. 


El secreto á voces if ein Seitenftüd des vorigen * 


und ihm an Feinheit, Anmuth und Vollendung gleich. Das 
„laute Geheimniß⸗ oder die Chiffre, in welcher ſich die beiden 
Liebenden unterhalten, ohne daß Jemand fonft ben geheimen 
Sinn ihrer Worte verfteht, erinnert an einen ähnlichen Runft: 
griff in Tirſo's refzendem Luftfpfel Amar por arte mayor. 
Aber Tirfo’8 Erfindung iſt nod finnreicher, als die Calderon’s, 
und von merfwürdiger Subtilität. Hier haben zwei Liebende 
am Hofe von Leon, welche von allen. Seiten beargmwohnt 
werben, folgendes Geheimniß erfonnen, um fich ungeftört und 
unverdächtigt Mittheilungen machen zu fünmen. Die Hofdame 
Elvira wird von dem Könige geliebt, und hält es für Flug, 
biefer Neigung ſcheinbar nachzugeben; in Wahrheit aber Itebt 
. fie den Gecretaír des Königs, Don Lope. Um nun ben König 


— 


e.” 


y 


— 23 — 


¿ufrieven zu ftellen, richtet fie an ihn Beste, wie 3. D, 
ben folgenden : 

Celosa temo, caro dueño mio 

Que os venzan intereses de una infanta. 

Perdonad, que en efeto, en beldad tanta, 

Contra el amor no es valiente el albedrío. 

Causóos Don Lope el ciego desvario, 

Sin culpa, de sospechas y desvelos : 

Qué haré yo, combatida de mis celos, 

Si el temor me da causa de culpards ? 

Mariendo viviré con adoraros etc. 

Bugleíd) aber hat fie ihrem geliebten Lope, der, als Vera 
trauter des Königs, alle an diefen gerichteten Briefe in feine 
Hände befommt, gefagt, der Brief fet eigentlich für ihn be: 
ftimmt, er müffe nur die drei erften Sylben jedes Berfes abs 
fihneiden, wo er dann den eigentlihen Sinn des Schreiben 
auffinden werde. Nun Tauten denn die Verfe: 

Temo, caro duefio mio, 
Intereses de una infanta, 
Que en efeto en beldad tanta 
No es valiente el albedrio. 
Lope, el ciego desvario 

De sospechas y desvelos, 
Combatida de mis celos 

Me da causa de culparos: 
Viviré con adoraros etc. 

Wie finnreih nun aud Elvirens Plan iſt, fo übertrifft 
Lope fie Doch nod) in feinen Antworten. Er wird, außer von 
Elviren, aud nod) von der Königin Blanca und von einer 
anderen Hofdame, Sfabella, geliebt, und tft durch die Klugheit 
genöthigt, diefen beiven Legteren ſcheinbar nachzugeben, obgleich 


— Mm — 


er die erfünftelte Leidenfchaft für die Königin aus anderen Rück⸗ 
fihten nur im Geheimen ausſprechen darf. Er richtet nun öffents 
lich feine Huldigungen an Iſabella; 3. B. in folgenden Worten: 
Aunque amante me juzgueis 
De otro gusto, y como ingrato 
Me presumais todo olvido, 
Yo soy vuestro y no 08 agravio. 
El rey suspira, Isabela, 
Celoso como indignado, 
Pordle ignora que disculpa 
Mis desvelos amor casto. 
No os asombre vengativo 
(Cuando sepa que en su estado 
Don Ordoño favorece 
El amor nuestro) Don Sancho. 
Su poder, con el de Ordoño, 
Aunque temido, es muy flaco; 
Contra el amor, todo incendio, 
Es pequeño el de Alexandro. 
Que he de morir es sin duda, 
Si os perdiese mi cuidado: 
Blanca por vos se desvela, 
Será cierto el ampararnos. 
O ha de ser en yugo eterno 
Vuestra belleza el descanso 
De mi esperanza, 6 la muerte 
El remedio, aunque inhumano. 
De Don Lope, prenda mia, 
Estad segura entre tanto, 
Que será con fé invencible 
Bronce en quereros y amaros. 


$ 


— — — — 


— 


— 225 — 


Dofía Elvira, que os dió zelos, 
A Ordoño adora 6 su estado: 
Ni la quise en vuestra ofensa, 
Ni deseo, pues os amo. 

Nad diefen Worten hält ſich natürlich Ifabella für ble 
allein Begünftigte. Allein die Königin Pat zu denfelben fols 
genden Schlüffel: fie fol nur die erften Hälften ber Verje 
nehmen und biefe zufammenfügen. Auf diefe Weife gewinnen 
denn bie obigen Worte die folgende Geftalt, in welcher fie 
allein der Königin zu huldigen fcheinen: 

Aunque amante de otro gusto 
Me presumais, yo soy vuestro: 
El rey suspira celoso, 

Porque ignora mis desvelos. 
No os asombre cuaudo sepa 
Don Ordoño el amor nuestro; 

Su poder, aunque temido, 

Contra el de amor es pequeño. 

Que he de morir, si os perdiese, 

Blanca, por vos será cierto, 

O ha de ser vuestra belleza 

De mi esperanza el remedio. 

De Don Lope estad segura 

Que será bronce en quereros : 

Doña Elvira á Ordoño adora; 

Ni la quise, ni deseo. 
Aber auch die Königin wird getäufht, denn den wahren 
Schlüſſel befigt erft Elvira; Diefe weiß, daß fie immer von 
vier Zeilen die erfte Hälfte des erften Verſes abtrennen muß, 
und fo erhält fie aus ben obigen Worten folgende Berfiches 
rung von Lope's unmwandelbarer Liebe zu ihr: 

Geſch. d. Lit, in Spanien. III. Bo. 15 





— 2% — 


Aunque amante el rey suspira 
No os asombre su poder; 
Que hé de morir, ó ha de ser 
De Don Lope Doña Elvira. 


Man beachte in diefen Verfen die erftaunlide Sprach⸗ | 


funft, durch welche biefelben Worte, ohne in’d Gezwungene 
zu ‚verfallen, in ihrer. veränderten Stellung nicht allein einen 
wechfelnven und ganz flaren Sinn geben, fondern auch zuerft 
zwei verfchiedene Affonanzenreipen, nachher eine Redondilla 
bilden. — Wir haben dies hervorgehoben, um zu zeigen, wie 
Calderon oft da, two man tin am originalften glaubt, feinen 
Vorgängern verpflichtet ift. Uebrigens hat. er jenen ſcharfſin⸗ 
nigen Gedanfen Tirſo's fehr vereinfacht, indem bei- ihm nur 
die Abtrennung des erften Wortes in jedem Verfe und bie 
dann folgende 3ufaminenftellung dad Geheimniß bildet. Was 
den Inhalt unferes Drama’s betrifft, fo würde es überflüffig 
fein, ihn darzulegen, da das „laute Geheimniß“ in Ueber: 
fegungen und Nachahmungen auf faft alle Bühnen Europa’s 
übergegangen und fo zum vielleicht befannteften Werfe Calde- 
ron's geworben iſt. | - 

Die zulegt erwähnten Dramen haben ung allmählich zu 
ben Lufifpielen herabgeführt, welche das Leben und gefellige 
Treiben im damaltgen Spanien barftellen. Calderon's Stüde 
biefer Gattung haben von jeher einer befonderen Berühmtheit 
genoffen, und fie find dieſes Rufes in jeder Hinficht werth, 
obgleih man eingeftehen muß, daß fie ſich in einem engeren 
Kreife von Motiven und Situationen bewegen, als Die des 
Lope und Tirfoz fte find in ihrer Art das Vollendetfte, 
was die fpanifche Bühne befist, aber diefe Art leidet an einer 
gewiſſen Einförmigfeit. Man hat ſchon früher bemerft, daß 


TM 7 


N 


— MM — 


bie meiften in dieſes Bereich fallenden Werke Calderon's ben 
Titel „die Berwidlungen des Zufalls« führen fónnten, denn 
der Tegtere tft eS, ber faft überall den Knoten fchürzt. Will 
man an einem einzelnen Beifpiel ein ungefähres Bid von 
ber Beſchaffenheit diefer fimmilidjen Comödien gewinnen, fo 
laͤßt fidh kein befferes liefern, als Das folgende, welches 
fon anderswo aufgeftellt worden ift 7%): Ein junger, eben 
aus Flandern zurüdgefehrter Cavalier ſucht in den Straßen 
von Mabrib die Wohnung eines Freundes, bei dem er Tos 
giren fol; plöglich tritt Ihm eine verfchleierte Dame entgegen 
und bittet ihn um feinen Schuß; der Ritterpflicht getreu, darf 


er diefen ihr nicht verfagen, mb fo geleitet er fie in ihre 
Bohnung. Dann findet es fid), daß diefe Dame die Schwe: 


fer feines Freundes iſt; der Freund felbft aber liebt wieder 
eine andere mit feiner Schwefter befreundete Dame, welche 
dem neu angekommenen Cavalier zur Gattin beſtimmt war. 
Run iſt nod) ein dritter verſchmähter Liebhaber jener Dame, 
welhe man in ber erften Scene die Straßen von Madrid 
burdirren fah, vorhanden, und aus allen diefen fich Treus 
zenden Lebfchaften entfpringen alle möglichen Arten von Vors - 
fällen: zwei verfchleierte Damen werden mit einander vers 
wechſelt, und bie eine belaufcht hinter einer Seitenthüre bie 
Liebesworte, welche dur Srrtfum an ihre Nebenbuhlerin 
gerichtet werden; der Galan verbirgt ſich, weil er Geräuſch 
hört, der zweite entdeckt ihn, und es entfteht ein Zweikampf, 
der durch das Hinzukommen des Bruders unterbrochen wird; 
nad) gehörigen Vertvirrungen aller Art Töft fih denn der 
Knoten durch diefelben Fäden, welche ihn gefchlungen, wieder 


75 Damas - Hinard, Chefs-d'oeuvre du Theatre espagnol, In- 
troduction. 
15* 


— 228 — 


auf, und man hat am Schluffe zwei oder drei Heirathen, 
ohne die des Gracioſo mit der Zofe zu rechnen. 

Noch deutlicher kann man die von Calderon vorzugsweiſe 
benutzten Hebel der Intrigue in folgendem Schema überſehen: 
Liebe zweier Damen zu demſelben Cavalier, Bewerbung von 
mehreren Galanen um daſſelbe Mädchen, oder zweier Freunde 
um die Gunſt der nämlichen Schönen; Eiferſucht unter dem 
liebenden Paare; Kampf der Pflichten gegen den Freund und 
gegen die Geliebte; Verhüllung der Frauen durch den Schleier, 
Vermummung der Männer durch den Mantel, und daraus 
entſpringende Mißverſtändniſſe; nächtliche Huldigungen am 


Fenſter einer Dame und damit verbundene Täuſchungen, in⸗ 


dem ſich eine Andere. an die Stelle der Erwarteten begeben 
hat; Colliſion der Pflicht der Gaſtfreundſchaft und der Blut⸗ 
rache, Zweikämpfe, Häuſer mit doppelten Eingängen, Wohs 
nungs⸗ und Namensveränderungen, geheime Thüren, unter⸗ 
irdiſche Gänge u. ſ. w. Die überraſchenden Vorfälle, die an⸗ 
ziehenden und die Neugier ſpannenden Situationen, die der 
Dichter aus dieſen Motiven zu entſpinnen wußte, waren 
ſchon bei ſeinen Lebzeiten ſprichwörtlich geworden; man nannte 
fie Lances de Calderon, das heißt „Calderons-Streiche“, 
und es fehlte fon damals nicht an Solchen, welche die häus 
fige Wiederholung der nämlichen Triebfebern des Intereffes 
tadelten. Calderon felbft hat dergleichen Bemerkungen fehr 
gutwillig hingenommen , ja felbft in fcherzhafter Weife Aehns 
lides gefagt. In No ay burlas con el amor fagt Jemand, 
der fi verbergen muß: „Sa, dies ift eine Comödie von 
Don Pedro CGalberon, wo eS nothwendig immer einen vers 
ftedten Liebhaber und eine verfcleterte Frau geben muf.« 
In Bien vengas mal si vienes solo heißt es einmal: 
„Dies tft eine Comödie von Don Pedro Calderon, wo Bru- 





AM a — dl. 


— 229 — 


der oder Vater immer zur unrechten Zeit fommena*9), Da 
der Dichter hiernach felbft in foherzhafter Weife einräumte, 
was man ihm zum Vorwurf machen Fonnte, und doch auf 
bemfelben Wege aud nod fpäter fortfubr, fo ſtützte er fid) 
ohne Zweifel auf das Bewußtſein feines befonderen Talentes 
für diefe Art von Berwidelungsfpielen und auf bie nie vers 
fiegende Erfindungsgabe, mit welcher er den gleihförmigen 
Stoff immer neu zu geftalten und zu färben wußte; und fo 
ziemt eS denn auch ung, von der ©leichmäßigfeit in ben 
Motiven diefer Stüde abblidend, unfere Bewunderung ber 
unendlichen Kunft zuzumenden, mit welcher der Autor aus 
derfelben Grundlage und ben nämlichen Elementen eine fo 
überrafchende Berfchiebenartigfeit der Yefultate gewonnen hat. 
In der That hat Fein anderer Dichter in gleich hohem Grade, 
wie Calderon, die Fähigkeit befeffen, einfache und ſich häufig 
wiederholende Anläffe zu ſtets anderen Kombinationen zu bes 
nugen, in immer neuen Wendungen intereffante Situationen 
herbeizuführen, Weberrafgungen auf Ueberrafpungen zu häus 
fen und die Haupthandlung mit anderen parallel Taufenden 
zu verwideln, fo daß der Zufchauer in befländiger Aufregung 
die fid) durchſchneidenden Süden der Intrigue bis zu deren 
Auflöfung verfolgt. Aud ift Die Birtuofität unferes Dichters 
in diefem Fache von jeher am allgemeinften anerfannt wor⸗ 


80) Es comedia de Don Pedro 
Calderon, donde ha de aver 
Por fuerza amante escondido, 
O rebozada muger. 


Que debe de ser comedia 

Sin duda esta de Don Pedro 
Calderon, que hermano 6 padre 
Siempre vienen á mal tiempo. 


— Y — 


den, und fchon Linguet that zu einer Zeit, ald man die Vors 
züglichkeit der fpanifchen Schaufpiele, bie man praftifch durch 
zahlreiche Entlehnungen anerkannte, theoretifch nicht einräu⸗ 
men wollte, den Ausſpruch, daß Calberon in diefer Gattung 
yon Schönhetten es allen Dichtern ver Welt weit zuvorthue. 
Nehmen nun bie Comúbien diefer Gattung (denen wir füg« 
Hd) den Namen Comedias de capa y espada laffen tóna 
nen, da fic fämmtlih in dieſer Tracht gefpielt wurden) 
burd ihre angebeuteten Vorzüge, durch ihre, trog der Aehn⸗ 
lichkeit doch große Mannichfaltigfeit, burd ihren poetiſchen 
Gehalt, ihre Fülle und Bewegung das Intereffe lebhaft in 
Anſpruch, fo tritt nod) ein anderer Umftand hinzu, um fie 
beſonders anziehend zu machen; wir meinen die treue Sitten⸗ 
fehilderung,, die lebendige Darftellung bes Lebens und Treís 
beng im damaligen Madrid. Die romantifhen Abenteuer, die 
in diefer „Stadt der Serenaben« an-der Tagesordnung was 
ren, die feltíame Mifchung von beinahe überfeinerter Cultur 
und noch faft mittelalterlicher Rohheit der Sitten, die Das 
lantertefcenen im Prado, die nächtlichen Zwiegeſpräche am 
Oitterfenfter, bie blutigen Zweikämpfe unter den Cavalieren, 
die ſüdliche Olut, aber auch die Intriguenfucht und Verſchla⸗ 
genheit der Liebenden, der frohe, leichte Sinn, der fein Bags 
niß ſcheuende Unternehmungsgeift der Ritter, die hingebende 
Zärtlichfeit der Damen, aber auch ihre Rachſucht, ihr ſchnel⸗ 
leg Aufflammen bei jeder vermeinten Beleidigung, — dies 
Alles it hier mit fo frappanter Wahrheit geſchildert, daß 
man die Sitten ber alten Spanier vielleicht nirgends beffer 
fiubieren Tann. Heben wir einige der auffalfendften Züge aus 
diefem feltfamen Gemälde hervor! Der Argmohn und bie 
Strenge in Bezug auf die Ehre ift fo groß, daß, wenn ein 
Mann bei einer Dame gefunden wird, fofort auch fein Zwei 





a e nd m rn 


yr” 


— Yi — 


fel mehr über die zwilchen ihnen beſtehende verbrecherifche 
Liebe obiwaltet und Vater oder. Bruder bie Schuldige auf 
der Stelle umbringen zu müffen glauben. Die Pflicht ber 
Ritter zur Befhügung der Frauen geht fo weit, daß eine 
Dame von bem erften Cavalier, bem fie begegnet, fordern 
kann, fie mit Gefahr feines Lebens gegen Iedermann zu 
fhügen. Die Forderung ber Ausfchließlichleit in ber Liebe 
und bie Eiferfucht find fo gefteigert, dafi, wenn ein Galan 
mit einer Dame an ihrem Oitterfenfter fpricht, er von allen 
Vorübergehenden verlangt, außerhalb feines Bezirks zu bleis 
ben, und ben, ver feiner Warnung nicht Folge Ieiftet, tobt 
zu Boden ſtreckt; die Pflicht des gegenfeitigen Beiftandes 
unter ben Savalieren aber gibt wieder dem Mörder, wenn 
er von ber Juſtiz verfolgt wird, das Recht, ben erften beften 
Ritter um feinen Schuß anzufprechen, welchen diefer dann 
mit Hintanfegung .jever anderen Obliegenbeit gewähren muß. 

Alle diefe Punfte muß der heutige Lefer von Calderon's 
Mantel< und Degenftüden wohl fennen und als fefiftebend 
vorausſetzen, falld er diefe Dichtungen richtig, das heißt fo, 
wie fie von den Zuhörern ihrer Zeit hingenommen wurben, 
auffaffen will. Er muß aber ferner, gleih dem Publikum, 
für das die Stüde gefchrieben wurden, Morbthaten aus Eis 


ferfucht, Rache oder-fonftigen Veranlaffungen für alltägliche 


Vorfälle halten, die eben feinen fehr ergreifenden Eindrud 
bervorbringen und die Heiterkeit des Luſtſpiels nicht ftóren; 
denn febr häufig finden wir Die Pflicht, einen ermordeten 
Verwandten zu rächen, in ihrem Conflict mit anderen Vers 
báltniffen, den Berfte eines Duellanten, der feinen Gegner 
getóbtet hat, oder irgend ein anderes, nad) unferen Degriffen 
tragiſches Motiv als Hebel der Iuftigften Intrigue gebraudt; 
febr oft fehen wir inmitten von durchaus Fomifchen Scenen 


— 232 — 


Bater oder Bruder das Schwert ziehen, um die beargwohnte Toch⸗ 
ter oder Schwefter umzubringen, und machen ung mit ängftlicher 
Spannung auf einen tragifchen Ausgang gefaßt, während ber 
Spanier fid) dies nicht eben fehr zu Herzen nahm und fich durch 
dergleichen alltägliche Vorfälle in der Heiterkeit, die das Ganze 
peroorruft, nicht flören Tief. (ES ift endlich, um bas Auf: 
braufen der Affefte und ben plößlichen Gefinnungswechfel, 
dem wir in biefen Stüden jeden Augenblid begegnen, zu ver: 
fteben, nöthig, fi an die Beweglichkeit und Leivenfchaftlich- 
feit füplicher Naturen zu erinnern, und an bie Steigerung, 
welche die Affefte durch die Sitten im damaligen Spanien 
erhielten; natürlich mußte die firenge Bewachung, ber bie 
Frauen untersvorfen waren, die Schwierigfeit, mit ihnen zus 
fammenzufommen, die Eiferſucht und Verftellung, welche in 
Gegenwart eines Dritten nöthig war, das Ungeftim ber 
Liebenden erhöhen und ihre Begierden mächtiger entflammen. 
Wenn die Damen unferer Zeit fih über Die Lauheit und 
Kälte der Männer beklagen, fo haben fte den hauptfächlichiten 
Grund berfelben in der Freiheit zu ſuchen, deren fie felbft 
genießen, und das ficherfte Mittel, um feurigere Liebhaber zu 
erzielen, würde fein, fie febrten in ihre alte Sclaverei zurüd. 
Iſt eS nun nicht zu láugnen, daß die Sitten des fpas 
nifchen Adels, wie fie von Calderon gefchildert werben, fet: 
neswegs in jener abfoluten Reinheit glänzen, welche ihnen 
von mehr enthuftaftifchen als bedächtigen Kritifern zugefchrie- 
ben worden tft, fo wird man doch auf der anderen Seite 
bie vielen ſchönen und edlen Züge nicht verfennen wollen, 
burd die Calderon's Ritter und Frauen unfer Herz gewinnen, 
die feine Galanterie, die Neizbarfeit des Zartgefühls, welche 
auf ausfchliegliche Liebe dringt und felbft die minbefte Zwei⸗ 
deutigkeit des Benehmens verdammt, die ftrenge Beobachtung 


_ 93 — 


jeder Pflicht der Freundſchaft und Dankbarkeit, die bis zum 
Tode treue Anbánglidfeit an den angeftammten Herrſcher, 
die zarte Schonung gegen den überwunbenen Gegner und 
Die aufopfernde Hingebung des Herzend an ben einmal ge: 
wählten Gegenftand ber Liebe. 

Um ben Lefer nod) unmittelbarer in bie Mitte des fpas 
nifchen Lebens, das in diefen Stüden dargeftellt wird, eins 
zuführen und zugleich zu zeigen, wie treu bie Sittenſchilde— 
rungen in denfelben aus ber Wirfichfeit aufgegriffen find, 
fehalten wir hier einige Auszüge aus der fntereffanten , aber 
ganz in Vergeffenbeít gerathenen Reife der Gräfin d'Aunoy 
nad Spanien ein. Diefe fehreibt in zwei Briefen, batirt Ma⸗ 
drid den 27. Juni und den 25. Juli 1679, Folgendes: 

„Wenn id) dir alle die tragifchen Begebenheiten berich- 
ten wollte, von denen ich hier Tag für Tag höre, jo wür⸗ 
deft bu geftehen, daß Diefes Land ein Schauplag ber fürd)- 
terlichften Scenen der Welt ift. Die Liebe, fowohl der Drang, 
fie zu befriedigen, als ihre Beftrafung, gibt gemöhnlich bie 
Beranlaffung dazu. (ES gibt nichts, ras die Spanier nicht 
unternehmen follten, nichts, was ihrem Muthe und ihrer Zürt- 
lichkeit unmöglich wäre. Die Eiferſucht iſt ihre herrfchende 
Leivenfchaft, aber man behauptet, daß fie dabei weniger von 
Liebe, ald von Rachſucht und Sorge für die Unbefledtheit 
ihres Namens getrieben werden; daß fie nicht ertragen kön⸗ 
nen, einen Anderen fich vorgezogen zu fehen, und daß Alles, 
was einer Kränkung ähnlich fieht, fle zur Verzweiflung bringt; 
wie. fid) dies nun aber auch verhalten mag, es tft gewiß, 
Daß die ſpaniſche Nation in diefem Punfte wild und barbas 
riſch iſt. Die Frauen find von den Männern wie abgefperrt, 
aber fie verfteben es fehr gut, Einladungsbriefchen zu ben 
NRendezs Vous zu ſchreiben, die fie geben wollen; die Gefahr 


_ 3 — 


für fle, für den Liebhaber und für den Boten ift dabei groß, 
aber fie wiffen trog ver Gefahr durch ihren Geift und durd 
ihr Geld den feinften Argus zu betrügen. 

"Die unverheiratheten Männer fteigen Nachts, nachdem 
fie von der Promenade im Prabo zurüdgefehrt und eine leichte 
Mahlzeit eingenommen, zu Pferde und heißen ihren Diener 
hinten aufíígen; das Legtere geſchieht, um ihn nicht zu vers. 
lieren, denn da fie in ber dunfelften Nacht ſchnell durch die 
Strafen reiten, würde ber Diener unmöglich folgen können; 
fie fürchten aber zugleih, daß man fie von hinten angreife, 
und der Diener muß deshalb aufpaffen und auf die Verthets 
digung feines Herrn bedacht fein; gewöhnlich jedoch ergreifen 
die dienftbaren Geifter in folchen Fällen die Flucht, denn fte 
find nicht eben tapfer. Diefe nächtlichen Cavalcaden gefchehen 
zu Ehren der Damen, und bie fpanifchen Eavalicre würden 
diefe Stunde nicht um Alles in ber Welt verfehlen; fie reven 
mit ihren Geltebten durch das Sitterfenfter, dringen biswei⸗ 
len in den Garten ein und ficigen wo möglich in das Zim⸗ 
mer hinauf. Shre Leivenfchaft ift fo heftig, daß fie jever Ge⸗ 
fahr Trog bieten; fie wagen fid big in das Gemach, wo 
der Gemahl ihrer Angebeteten fchläft, und man hat mir ges 
fagt, daß fie fih in biefer Art oft Sabre lang fehen, ohne 
daß fie, aus Furcht gehört zu werden, ein Wort fpráden. 

„Man hat in Frankreich nte fo zu lieben gewußt, wie bie 
Spanier lieben; und was ich, abgefehen von der zürtlichen 
Sorgfalt, den Liebespienften und der Hingebung bis in den 
Tod (denn der Ehemann und die Verwandten geben feinen 
Parton), beſonders unvergfeichlich finde, dag if die Treue und 
die Berfehwiegenheit. Man wird rie hören, daß ein Cava⸗ 
lier fid) ber, ibm von einer Dame gefchenften Gunft rühmen 
follte; fie reben von ihrer Geliebten mit fo viel Hochachtung 


— 23% — 


und Unterwürfigfeit, alg wäre fie ihre Königin. Auch bie 


Damen tragen nie Verlangen, einem Anderen, als ihrem 
Geliebten, zu gefallen; ihre Seele ift ganz von ihm erfüllt, 
und obgleich fie ihn am Tage nicht ſehen, finden fte doch 
Mittel, fi) mehrere Stunden mit ihm zu beſchäftigen, fel es, 
daß fie an ihn fihreiben, oder mit einer vertrauten Freundin 
von ihm reden, oder einen ganzen Tag am Oitterfenfter ſtehen, 
un ihn vorübergehen zu fehen. Mit einem Worte, nad) Allen, 
mas ich bier gehört habe, möchte ich Spanien für das Ges 
burtsland der Liebe halten. — Während nun die Herren bei 
ihren Geliebten find, bleiben die Diener in einiger Entfers 
nung von dem Haufe bei den Pferden. — Außer den genanns 
ten Wegen, auf welchen die Liebenden zu ihren Damen ges 
langen, gibt es nod) andere; denn die Damen bejuchen fidy 
viel unter einander, und nichts tft ihnen Heichter, als einen 
Schleier überzumwerfen, ſich durch die Hinterthür fortzufchleichen, 
in eine Sänfte zu fleigen und fich, wohin fie wollen, tragen 
zu laffen. Befonders kommt ihnen hierbei zu Hülfe, daß alle 
rauen fid gegenfeitig unverletzliche Geheimhaltung gelobt has 
ben; welcher Streit auch unter ihnen vorfallen mag, jo Öffnen 
fie body) nie den Mund, um einander zu verrathen. Ihre Vers 
ſchwiegenheit fann nicht genug gerühmt werben; aber freilich 
würden aud die Folgen der Plauderei fehlimmer fein, als 
anderswo, da man bier auf den bioßen Verdacht Hin morbet. 
Die guten Spanierinnen haben vicl Berfchlagenheit und wiffen 
fie gut anzuwenden; denn da jedes Haus eine Hinterthür hat, 
fo fónnen fie ungefehen in’s Freie gelangen, und da nun oft. 
ein Bruder bei feiner Schwefter, ein Sohn bei feiner Muts 
ter, ein Neffe bei feiner Tante wohnt, fo gibt dies vielfache 
Gelegenheit, fih zu fehen. Die Liebe ift hier zu Lande finn- 
reich, man fpart fein Mittel, um feine Leidenfchaft zu befries 


— 238 — 


digen, und man bleibt ſeiner Geliebten treu. Es gibt Intri⸗ 
guen, welche das ganze Leben hindurch dauern, wenngleich 
man keine Stunde verloren hat, um ſie zum Schluſſe zu brin⸗ 
gen; man benutzt jeden Augenblick, und ſobald man ſich ſieht 
und gefällt, iſt die Sache richtig. — Es geſchieht bisweilen, 
dag eine Dame, in ihren Schleier gehüllt und, um nicht ers 
kannt zu werden, ſehr einfach gekleidet, ſich zu Fuß an den 
Ort des Stelldicheins begibt. Ein Cavalier verfolgt ſie und 
ſucht mit ihr zu ſprechen; durch dieſe Begleitung beläftigt, 
wendet fie fid) an einen anteren Borübergehenden unb fügt, 
ohne fid) weiter zu erfennen zu geben, zu ihm: ich beſchwöre 
Cub, Hindert biefen Zudringlichen, mid) weiter zu verfolgen! 
Diefe Bitte ¿ft dem galanten Spanier ein Befehl, er frägt 
den, über welchen fie ſich beflagt, warum er die Dame belás 
flige, räth ihm, fie in Ruhe gehen zu faffen, und muß, wenn 
der Gegner nicht weichen will, das Schwert ziehen; fo endet 
die Begegnung bisweilen mit Blutvergießen um eine Dame, 
die man nicht fennt. Unterdeffen macht fich die Schöne von 
dannen , läßt bie beiden Cavaliere mit einander flreiten und 
geht dahin, wo fie erwartet wird. Das Schönfte dabei aber 
it, daß oft der Mann over der Bruder felbft die Dame auf 
biefe Art vor den Nadftellungen eines Zudringlichen fchüßt, 
und ihr behülflich ift, ihrem Geliebten in die Arme zu eilen. 
— ES fommt aud) bieweilen vor, daß Jemand, wenn er feine 
©elichte auf der Straße trifft und fein eigenes Haus nicht 
in der Nähe ift, ohne Weiteres in das Huus eines Anderen 
tritt, den er vielleicht gar nicht fennt; er bittet den Haus⸗ 
herren, Doch gefälligft fein Zimmer zu verlaffen, well er ge: 
rade eine, vielleicht nie wiederkehrende Gelegenheit zum wie: 
geipräch mit einer Dame habe und wirflich entfernt fi dann 
der Eigenthúmer deS Haufes, um den Galan mit feiner Ge⸗ 





ido ed 


— 37 — 


liebten alleín- zu Taffen. Kurz, man unternimmt felbft das Ver: 
wegenfte, um ſich auch nur eine Biertelftunde fehen zu fónnen. 
— Ganz Madrid hat das Anfehen eines großen Küfiges, 
denn alle Häufer find von unten bis in's oberfte Stodwerf 
hinauf mit engen Gittern verfehen, und nicht blog die Zenfter, 
fondern auch die Balfone haben welche. Hinter benfelben fieht 
man immer die armen Frauen, die nad) den Vorübergehenden 
bliden und, wenn fie eS wagen, die Saloufien öffnen. Es 
vergeht Feine Nacht, daß nicht in allen Duartieren ber Stabt 
vier⸗ oder fünfhundert Concerte gehalten würden. Freilich finden 
diefe aber auch ihren Lohn denn, die ſchönſte Dame erhebt ſich 
und fühlt ſich glüdlih wie eine Königin, fobalo ein Galan 
vor ihrem Fenſter die Harfe oder Guitarre fptelt und mit 
heiferer Stimme dazu fingt.“ 

Dies fft, von dem treuen Pinfel einer Augenzeugin ent⸗ 
worfen, ein Bild des Lebens und der geſelligen Verhältniſſe, 
in deren Kreiſe ſich Calderon's Comedias de capa y espada 
bewegen. Eine deutlichere Anfchauung von bem Weſen biefer 
Stüde zu geben, möge nun hier zunächſt eine Inhaltsanzeige 
von Antes que todo es mi dama, einem der vorzüglichften 
derjelben, ftehen. Zwei, fchon von früher her durch innige 
Freundſchaft verbundene Ritter, Lifardo und Don Felix, treffen 
ſich nach Tanger Trennung unvermuthet in Madrid und theilen 
einander ihre jüngften Erlebniffe, vornämlidh ihre Herzens, 
angelegenheiten, mit. Don Felix erzählt, wie er in Granada 
einen Cavalier, welcher Streit mit ihn angefangen, im Zwei⸗ 
fampfe tödtlich verwundet habe und hierauf, den Bitten feiner 
Vertvandten entfprechend und um ber Juſtiz zu entgehen, nad) 
Madrid gereift fet; an legterem Drte habe er ein reizendes: 
Mädchen erblidtt, das feinen Huldigungen freundlich entgegen- 
fomme und deſſen Befig allein fein Lebensglüf begründen 


— 28 — 


fónne. Lifarbo vertraut dem Freunde ein ganz ähnliches Mebes« 
verhaͤltniß, in welchem er feit Kurzem mit einer anderen Dame: 
ftebe, und Beide gehen barm ab, Jeder feinem Glücke nad. — 
Mir werden zu Laura, der Geliebten des Don Fellx verfegt. 
Der Vater derfelben, Don Sitigo, wird eben durch einen Brief 
aus Granada überrafcht, in welchem tm Don Zelte von einem 
Sugendfreunbe auf's dringenbfle empfohlen wird; er eilt fort, 
um ben &mpfohlenen aufzuſuchen; Lanra aber empfängt durch 
einen Diener ein Geſchenk ihres Geliebten, eine Schärpe, welche 
er fie zu feinem Andenken zu tragen bittet; würde fie diefe 
Schärpe fogleih anlegen, fo fürdtet fie, die Aufmerffamfeit 
ihres Vaters zu erregen; fie fenbet biefelbe daher an ihre 
Freundin Klara, um fte fpäter fcheinbar von biefer ale Ges 
ſchenk annehmen zu fónmen. Clara nun fft die Gelichte des 
Sifardo und Legterer flieht fie mit der Schärpe geſchmückt, Die 
er früher in Händen bes Don Felix erblidt hat; fogleich ents 
bremnt feine Eiferfucht, er madjt der Gelichten den Vorwurf 
der Untreue und eilt zu Don Feltx, ihm mitzutheilen, daß fie 
Beide ihr Auge auf diefelbe Dame geworfen hätten. ES tritt 
eine peinliche Srrung ein; um fie zu Iöfen, fchlägt Felix vor, 
gemeinfchaftlich zu Elara zu geben; erft hier Töft fid) denn der 
Irrthum; Laura und Clara find gerade beifammen, jeder ber 
Freunde erfennt feine Geliebte und hört aus Ihrem Munde 
den Hergang mit der Schärpe; aber während fie fid noch 
der Enttäuſchung freuen, berichtet eine Dienerin, Elara'8 Bru. 
der lange eben aus Granada an; es hilft daher nichts, fie 
müſſen fih aus Rückſicht für bie Damen verfteden. — Im 
zweiten Aft erzählt Lifardo feinem Diener, dem Spafimadyer, 
wie fein Freund und er ber fritifchen Lage in ber verganges 
nen Nacht glücklich entkommen feien; während er hiervon rebet, 
tritt Laura'8 Vater ein unb fragt nad Don Felix; Lifardo 


— 239 — 


glanbt, fein Freund werde von bem Alten wegen der Befuche 
bei feiner Tochter zur Rede geftellt werben, will bemfelben 
biefen Berbruß erfparen, und gibt fid) deßhalb für Don Felix 
aus; aber Iñigo drüdt ihm auf's zärtlichfte die Hand, fagt, 
wie der Vater des Don Felix ihm aus Granada Sorge für 
ben Sohn anempfohlen habe, und bietet ihm feine Dienfte an. 
Lifardo fann nun nicht mehr zurück und muß in ber einmal 
angenommenen Rolle beharren. Nachdem ber Alte fich entfernt 
bat, tritt der wahre Don Felix auf; Lifardo erzählt fhm ben 
in befter Abficht gefpielten Betrug, aber der Freund hört wenig 
darauf, denn er hat eben ein Billet erhalten, worin ihn Laura 
zu einem heimlichen Befuche bei ihr auffordert; eine gleiche 
Einladung erhält Liſardo von Clara, und Beine benfen nun 
nur an ihr bevorfiehendes Glück. Gn der nächften Scene treten 
Clara und ihr aus Granada zurüdgefehrter Bruder Antonio 
anf. Antonio hat Laura erblictt und fogleich eine Tebhafte Neis 
gung zu ihr gefaßt; er erbittet fid) deshalb von der Schweiter 
einen Auftrag an die Freundin, um fo Gelegenheit zu erhals 
ten, Laura näher fennen zu lernen. Hierauf werden Die Zus 
ſchauer Zeugen des nächtlichen Zwiegeſprächs zwifchen Laura 
und Felix; Die Liebenden werden durch ben Eintritt des Don 
Antonio unterbrochen, weldyer den Auftrag feiner Schweſter 
überbringt; Selle muß fidh, auf den Wunſch ber Geliebten, 
verbergen; aus feinem Verſteck erfennt er, daß Don Antonio 
jener Ritter ift, den er in Granada im Zweilampfe vermuns 
det hat; wenn ſchon diefe Entdedung ihn aufregt, fo vermag 
er fic, alg er Zeuge der Zubringlichfeit des Beſuchers wird, 
nicht länger ‚zu mäßigen; er tritt mit gezüdtem Schwerte hers 
vor, und eben freuzen fich die Schwerter, alg Iñigo's Ankunft 
gemeldet wird. Felix muß ſich nun wieder verbergen, Antonio 
aber entſchuldigt feine Anweſenheit mit Clara's Anftrage und 


— MO — 


zieht fido zurück. Sfilgo erzählt feiner Todter, wie er die 
Befanntfchaft des Don Felix gemacht habe, wie fehr er von 
berfelben befriedigt fei und wie er die Abficht babe, ihm 
Wohnung in feinem Haufe anzubieten. Ploglid) hört man Ges 
räufch im Nebenzimmer; Der Alte will nachfehen mas es fei; 
Laura tft in tödtlicher Angft, fie denkt, Felix fei nod) dort vers 
borgen und erflärt dem Vater, um fid) aus der Verlegenbeit 
zu ziehen, fie fet im Geheimen mit diefem verlobt. Iñigo if 
zwar überrafcht, aber, weil er fid) feinen Tieberen Schwieger> 
fohn wünſcht, nicht erzürnt. Er holt daher den Berborgenen 
aus feinem Verſteck; aber wie groß tft Laura'$ Erftaunen ale 
fie Lifardo hervortreten fieht; Felix nämlich Hat fid mit Hülfe 
der Zofe durch eine Hinterthür entfernt, Lifardo aber, der bei 
Clara zum Befuche war, ¿ft von dort, wo ihn der rüdfehrende 
Don Antonio vertrieben, in Iñigo's Haus geflüchtet, wo er 
fid) an derfelben Stelle verborgen hat, an melder fi zuvor 
Felix befand. Laura ift natürlich im höchften Grade befrembet, 
noch mehr aber, al8 ihr Vater den Lifardo mit bem Namen 
Felix anredet und von ihm verlangt, er folle der Tochter augen» 
blicklich als Oatte bie Hand reichen. In biefem Moment hört 
man Schwertergeflivr auf der Straße und die Stimmen bes 
Don Antonio und des Don Felir, die im Gtreite begriffen 
find, dazwifchen erſchallt der Hülferuf Elara?'8 „man tóbtet 
meinen Bruder!“ Lifarbo zweifelt einen Augenblid, auf weffen 
Seite er fid ſchlagen folle, da ihn Freund und Geliebte zur 
felben Zeit rufen, ¿ulegt aber eilt er mit bem Rufe ab: „über 
Alles meine Dame!” — Gm dritten Aft fehen wir Lifardo 
und Felix in ihre Wohnung zurüdgefehrt; der nächtliche Zwei⸗ 
kampf iſt durch die Dazwifchenfunft Anderer unterbrochen 
worden, und fie berathen nun, was nach den Statt gehabten 
Vorgängen in ihrer Tage zu thun fei. Plöglih wird Don 


———— — 


— 241 — 


Sfiigo gemeldet; Liſardo, als ber angebliche Don Felix, muß 
fi) verbergen, und Don Felix empfängt den Alten, indem er 
vorgibt, fein Freund fei ausgegangen; Sítigo tft hierüber fehr 
befremdet und trägt dem Don Felix auf, feinem Freunde zu 
fagen, wie er fiher erwarte, daß er feiner Tochter fofort bie 
Hand reiche, wo nicht, fo fónne nur fein Blut ihm Genugs 
thuung verfchaffen. felix verfpricht, den Auftrag auszurichten, 
der Alte geht ab und die Freunde verabreden daß Li 
fardo fid) eine geheime Zufammenfunft mit Laura'8 Vater ers 
bitten und ihm die ganze Täuſchung entveden folle. Zftigo, 
argwöhniſch und fon auf einen Kampf gefaßt, findet ſich, 
in Geſellſchaft des Don Antonio, an ber beftimmten Stelle 
ein; Rifardo erzählt ihm nun, daß er nit Don Felix fei und 
unter welchen Umftänven er dazu gefommen, fich deffen Namen 
bejzulegen; er erzählt ferner‘, daß er fih bei Clara zum 
Befud) befunden habe und wie er von dort in Iñigo's Woh⸗ 
nung geflohen fei; aber der Alte brauft auf und findet in jener 
Täuſchung eine Beleidigung; aud) Antonio zieht fein Schwert, 
um Lifardo wegen bes heimlichen Befuches bei feiner Schwefter 
zu züchtigen; Felix, welcher im Verborgnen Zufchauer ber 
Scene gerejen ift, tritt hervor, um dem freunde beizufteben; 
ber fid) entipinnende Kampf wird aber durch das Hinzufom- 
men vieler Leute unterbrochen und die Rämpfenden werden 
auseinandergefprengt. Felix bleibt allein auf der Bühne; ein 
Diener berichtet ihm, Lilardo befinde fih im Rampfe mit 
Häſchern; Felíx will hinwegeilen, um bem Freunde beizu⸗ 
ftehen; in diefem Augenblid aber tritt Dofta Clara auf und 
bittet ihn um feinen Schuß, ihr Bruder drohe ihr wegen ber 
nädtlihen Zufammenfunft ınit Lifardo mit dem Tode; er 
ſchwankt zwifchen ber Pflicht gegen den Freund und gegen 
die Dame, ald Don Antonio auftritt und Elara'8 Schleier 
Geſch. d. Lit. in Spanien. III. Bo, 16 


— Al — 


zu lüften begehrt; Felix darf dies nad) dem Debote der Ritter 
pflicht nicht zugeben, und die Schwerter werden wieder ges 
zogen; ba aber vernimmt er aus Iñigo's Wohnung Hülfe 
rufe Laura'8, die von ihrem erzürnten Vater mit dem Dolce 
bedroht wird, und eilt hinweg, mit ven Worten: „Ich weiß 
wohl, fchöne Klara, daß es meine Pflicht if, Euch meinen 
Schuß zu verleihen; ich weiß wohl, Don Antonio, daß td 
gebunden bin, Eud in diefem Streite nicht den Rüden zu 
fehren; ich weiß wohl, Liſardo, daß bu mein Freund bift und 
daß ich dir beifteben muß; aber Freund, Feind und Schuß 
befoplene, Alle mögen mir verzeihen, denn äber Alles gebt 
meine Dame!” Nun eilt Lifardo herbei und nimmt bie bes 
drängte Elara in feinen Schug, indem er erflärt, er fei ihr 
Gatte. Gleich darauf führt Felix Laura heran; Zfiigo verfolgt 
fie mit gezüdtem Schwert, indem er ruft: „Niemand foll 
meine Tochter entführen, als ihr Gattel Wie, Lifardo, She 
fónnt ruhig ¿ufepen, daß ein Anderer mit ber Euch beftimm- 
ten Braut von dannen geht?” Liſardo. Sa, denn Don Felix 
iſt ihr Batte und mein Freund. Felix. Und er wirft fich hier 
zu Euren Süßen. Seid verfidhert, daß ich Don Felix bin und 
daß Laura die Urfache war, wegen deren Lifarbo meinen Nas 
men annahm. Jñigo. Aber fand id) ihn nicht in meinem 
Haufe? Felix. Wenn id) Laura's Gatte bin, fo geht bas 
Niemanden an, alg mid). Lifardo. Und nun, da Clara ihre 
Hand in meine legt, fehlt nichts mehr, als daß Felix und 
Antonio ſich verfühnen. " 


Die große Complication bes Plans in ben meiſten dies 
fer Stüde macht eS uns unmöglih, auf den Snhalt von 
mehreren derfelben näher einzugehen, da biefer nicht anders 
als durch ſehr weitläuftige Auseinanderfegungen deutlich ges 


— A3 — 


macht werden fam. Wir begnügen uns defhalb mit einigen 
Andeutungen: 
Die Luftfpiele Casa con dos puertas, la Dama duen- 
- de, el escondido y la tapada, el encanto sin encanto 
‘haben das gemeinfam, daß in ihnen eine ungewöhnliche mes 
chaniſche Vorrichtung, in dem erften ein doppelter Eingang, 
- tn dem zweiten eine geheime Thür, in den beiden anderen 
ein Berfchlag oder ein verborgenes Gemach als Urſache mans 
nichfaltiger Täuſchungen und alg Hebel ber überrafchenpften 
Situationen benugt ifl. Casa con dos puertas zeichnet ſich 
durd die unendlihe Gewandtheit aus, mit weldher aus einem 
einfachen Motive eine beinahe unentwirrbar fcheinende und 
dennod) flare Handlung entfpöonnen wird. La dama duende 
íft Durch die Feinheit und Stnnigfeit der Intrigue und bas 
neben durd) die hohe Anmuth, die jede Scene erfüllt, eins 
der beliebteften unter Calderon’d Werfen gervorden. In El es- 
condido y la tapada zeigt fic) das eminente Talent bes Vers 
faffers, die Handlung ftet8 neu zu wenden, das Intereſſe 
beftändig in Gährung zu erhalten und bem Zuſchauer derges 
ftalt voranzueilen, daß ihm der behendefte Scharffinn Faum 
zu folgen vermag, im glánzenbften Lichte; wollte man an 
einem Beifpiele zeigen, wie weit die fpanifche Comödie in ber 
Kunft der Verwvictelung Alles hinter ſich läßt, was von den 
Dichtern anderer Nationen in diefer Hinfiht geleiftet worden, 
fo dürfte ſich dieſes Stück vorzüglid dazu eignen. Sn El 
encanto sin encanto hat Calderon, wie fon gejagt, einen 
Plan des Tirfo de Molina benuge, aber wir müffen mit 
aller Achtung für den Namen des berühmteren Dichter be- 
fennen, daß er uns bier weit hinter feinem Vorbilde zus 
rüdgeblieben zu fein fcheint. — Peor está que estava tft 
Dagegen wiederum ein reizendes und trefflich componirtes Stüd; 
16* 


— 24 — 


wie ber Titel befagt, wirb die Lage ber handelnden Perfonen 
vom Beginn der Verividelung an immer verlegener und 
ſchlimmer, von ber erften Scene bis zur Auflöfung haben 
wir eine ununterbrochene Reihe von fpannenden und fteté 
verfchiedenen Situationen, und dabei iſt Alles DIS in die Fleins 
ften Einzelheiten hinein trefflid) motivirt. — Mejor está que 
estava, ein Gegenftüd des vorigen, in Bezug auf bie äußere 
Handlung minder reich bedacht, aber in den Empfindungen 
und Gedanken voll poetifcher Frifche und jugendlichen Feuers. 
— Los empeños de un acaso; bier wird, wie fchon ber 
Titel verheißt, der Zufall ret abfichtlich zum Hebel ber 
Action gemacht; die Combinationen, die Begebenheiten, die 
Refultate, die fih am ihn fniipfen, find fo mannidfaltig, fo 
finnreidh herbeigeführt und zu einem fo engen Knoten vers 
fihürzt, daß die Begier, zu fehen, wie der Dichter alle von 
ihm gehäuften Schwierigfeiten löfen werde, bem Lefer und 
Hörer fon allein hinreichende Befriedigung gewährt und 
feine Theilnahme feinen Augenblid ermatten láft. — Das» 
felbe gilt von Bien vengas mal si vienes solo, von weldem 
Stüde die Orándlage ber Intrígue mit wenigen Worten an 
gedeutet werden möge: D. Luis fommt cines Abends über 
einen Zweifampf zu, welcher vor feinem Haufe Statt hat und 
in welchem der Eine der beiden Streitenden tödtlich getroffen 
zu Boden flürzt. Der Sieger eilt mit ſchleunigen Schritten 
von dannen, und D. Luis fucht vergebens ihn einzuholen, ers 
tappt aber den Diener, von dem er das Geftänpniß erpreßt, 
der Entflobene fei ein gewilfer D. Juan, der in einem Lies 
besverfländnif mit Doña María, der Schwefter des D. Luis, 
ſtehe. Die nächſte Scene zeigt uns eine Doña Anna, welche 
mit einem Di Diego verlobt ift, aber auch von D. Luis ges 
Lebt wird und biefen nod) mit einigen Hoffnungen pinhält. 





— 245 — 


‚Zu ihre kommt María und überbringt ihr ein Bilonif D. 
Suan’s, mit der Bitte, daffelbe aufzubewahren, weit fie feloft 
bedacht fein müffe, es vor dem Argwohn ihres Bruders zu 
verbergen. D. Diego findet dies Bildniß bei feiner Verlobten 
und wird dadurch zu wüthender Eiferfucht erregt; Don Juan, 
von der Juftíz wegen des vollbrachten Mordes verfolgt, bittet 
Mariens Vater, der mit dem feinigen befreundet tft, ihm 
eine Freiftatt in feinem Haufe zu gewähren, und wird, um 
. befto ficherer unentbedt zu bleiben, in ein verborgenes Ges 
mad) verfiedt; nun iſt aber D. Diego ein Berwandter bed 
Ermorbeten und muß auf Rache an dem Mórber finnen; ale 
anderer Friedensftörer erfcheint dann noch D. Luis mit feiner 
Eiferfuht auf Diego und mit feinem Argmohn gegen feine 
Schweſter und auf D. Juan, — kurz, der ftreitenden Mächte, 
die fidh in bemfelben Haufe zufammen treffen, find fo viele, 
daf man faum hoffen fann, fie bewältigt zu fehen, aber ber 
Meifter in der Verwickelungskunſt weiß alle Fäden fo zu führen, 
daß fie fi) gerade da, wo fie zum vermorrenften Knduel vers 
ſchlungen zu fein fcheinen, plöglich auf8 ungesmungenfte und 
befriedigendfte auflöfen. 


Alle pie bisher genannten Comödien fónnen ale Intri⸗ 
guen= oder vielmehr Verwickelungsftücke im eminenteften Sinne 
angefeben werven,. bas heißt als foldhe, in welchen äußere 
ungewöhnliche Umflände und Situationen die Hauptfactoren 
find und aller Accent auf die Intereffante Handlung fällt, fo 
daß zu größerer Complication des Inhalts aud bem Zufall 
ein bedeutender Spielraum geftattet wird, die Entwickelung 
ber Charaktere dagegen ganz in ben Hintergrund mitt. Dies . 
felben Elemente haben wir noch ganz ungemifiht in Fuego 
de Dios en el querer bien, Cada uno para si, Con 





— 6 — 


quien vengo vengo, Tambien hay duelo en las damas, 
El maestro de danzar. 

MIS eigentliche Poffen find zu bezeichnen El Astrologo 
fingido und No hay burlas con el amor. jenes tft ein 
Scherzſpiel voll des foftlidften Spafes und ergöglicher Situa⸗ 
tionen; indeffen verdiente der Stoff wohl faum, zu einer 
breíaftigen Comödie ausgearbeitet zu werben und würbe ſich 
bei mehr concentrirter Komik beffer ale Entremes ausnehmen. 
In No hay burlas con el amor íft das Bild einer geziers 
ten und mit ihrer höheren Bildung prablenden Dame mit 
unvergleihliher Kraft der Komik ausgeführt, und ebenfo 
die Intrigue, wie ein junger Mann, der eigentlich ihre 
Schweſter Tiebt, aber die Gegenbeftrebungen ber eitlen Närrin 
zu fürchten pat, ſich nun in die Legtere verliebt ftellt, in ges 
ſchraubten Phrafen mit ihr redet und auf diefe Art feine 
wahre Neigung zum erwünfchten Ziele fördert. — Nahe Vers 
wandtſchaft mit den leptgenannten Stüden zeigt Hombre po- 
bre todo es trazas, ein Luftfpiel, welches B. Schmidt tref- 
fend dharacterifirt, inden er an den Lazaríllo de Tormes 
und Guzman de Alfarache erinnert; in der That hat der Held 
Manches mit jenen degenklirrenden und zwickelbartſtreichen⸗ 
den Induftrieríttern gemein, welche in ben genannten picarts 
fhen Romanen geſchildert werden; es muß jſedoch hinzugefügt 
werden, daß Calderon es verſchmäht, in ben Schlamm hinab» 
zufteigen, in dem Mendoza und Aleman fidh oft wohlbehäglich 
wälzen, und daß er Sitten und Charaktere durchgehends vers 
evelt hat. 

Sn Guardate del agua mansa fft nicht allein bie 
Intrigue mit unendlicher Kunft eingeleitet und entwidelt, fons 
dern aud die Charakterzeichnung von feltener Feinheit und 
Bortrefflichfeit. Don Alonzo Pat zwei Töchter, die feit dem 


— AU — 


Tode Ihrer Mutter in einem Rlofter erzogen worden find 
und ihren bisherigen Aufentbalt erft verlaffen, alg ihr Vater 
aus Merico nad Madrid zurüdfehrt. Clara, das ältefte der 
beiden Mädchen, trägt einen ruhigen und ftillen Charakter 
zur Schau, und fagt, fie fehne ſich in bie Stille des Klofters 
zurück; Eugenia, die jüngere, dagegen tft munter und ausge 
laffen und gefällt fih in ber großen Welt, weshalb der Vater 
befchließt, fie zuerft zu verbeiratben. ES finden fich verfchles 
bene Freier ein, unter anderen ein einfältiger und tölpelhufs 
ter Landjunter aus Afturten, Namens Torribio, welcher von 
beiden Mädchen beftändig gefoppt wird. Während Elara ihrer 
Schweſter Vorwürfe über deren Ausgelaffenheit macht, fpinnt 
fie felbft eine der fchlaueften Intriguen an, indem fie fido für 
Engenten ausgibt und den diefer beftimmten Mann in ihren 
NRegen fängt, ja ihre eigene Dueña betrügt und zur Mit 
helferin des Plans macht. Am Schluffe ſtellt fich denn heraus, 
daß die lebhafte und weltlih gefinnte Eugenia in ihren Lies 
besangelegenheiten nicht vorgerüdt tft, während die fille und 
verſchloſſene Elara ihr ihren Bewerber abfpenftig gemacht hat. 
Köſtlich und mit unvergleidlider komiſcher Kraft gezeichnet 
tft in dieſem Luftfpiel die Figur des ungefchlachten und bäus 
rifhen Torribio; das Stüd erhält durch dieſe Caricatur einige 
Verwandtſchaft mit den fogenannten Comedias de Figuron. 

Mañanas de Abril y de Mayo. Eine Comödie, welche 
in Geift und Ton ber vorhergehenden fehr ähnelt und ſich 
gleich ihr durch die ſcharfe Eonderung der Charaftere aus» 
zeichnet; das Gegenſtück zu Torribio fft hier der prahlerifche 
und eingebilbete Stuper Hyppolitoz doch iſt Calderon nte tn 
den rohen und poffenbaften Styl verfallen, der die Figurir⸗ 
ſtücke mancher anderen Dichter fo unleiblid) macht; aud find 
die caricaturartigen figuren bei ihm nie die Hauptträger 





— 248 — 


des ntereffe , fondern nur Bette fir andere eble Char 
raftere. 

No siempre lo peor es cierto wird feinem Perforal: 
mb feinen äußeren Umriffen nad zu den Comedias de capa 
y espada gerechnet worden fein, allein fein ernfterer, ſelbſt 
an’s Sentimentale ftreifender Ton und Inbalt heben es fehr 
mertlid) aus ben übrigen diefer Klaffe hervor. Don Carlos, 
Liebhaber ber Leonor be Para, hat bei Nacht im Zimmer 
feiner Geliebten einen Mann gefunden, ben er irriger Weiſe, 
aber unter fehr verdächtigen Umftänden, für feinen Nebenbubs 
ler hielt und nieverflich. Um Leonor’s Ehre zu retten, führt 
er fie mit fi fort und leiht ihr jeinen Schub, obgleich er 
fie für ſchuldig hält und den Betheuerungen ihrer Unſchuld 
fein Gehör fchenfen will. Ein Zufammentreffen vieler Um⸗ 
flände und eine mit großer Sunft in die Haupthandlung vers 
flochtene Nebenaction dient nun dazu, Carlos immer mehr 
in feinem Verdacht zu beftärfen und fogar die Zufchauer zwei⸗ 
felbaft zu machen, bis zulegt die Wahrheit an den Tag kommt 
und Carlos fich überzeugt, daß Leonor ihn immer treu geliebt 
pat. Wenn in diefem Drama fon bie mit erftaunlicher Feins 
heit angelegte Berwidelung zu bewundern tft, fo befteht ber 


Hauptgehalt deffelben doc in den mit großer Wärme aufges 


faßten und liebevoll ausgemalten Charafteren des D. Carlos 
und ber Leonor; Sener mit feinen edlen unb großberzigen 
Gefinnungen, und gerade burd) biefen Adel der Seele zu 
einem ungerechten Verdacht getrieben, Leonor aber mit ihrer 
Sanftınuth und wandellofen Anhänglichfeit an den, der fie 
fo fehr verfennt — Diele beiden Geftalten nehmen bie di 
nahme aufs lebhaftefte In Anfprud). 

Mañana será otro dia, ein Seitenftüdf ves vorigen. 
„Wenn jenes lehrt — fagt V. Schmidt — wie. die göttliche 


e 


— 29 — 


Natur des Weibes, von ungerechtem Verdacht gefränft, eben 
erft recht ihren Glanz erfcheinen Täßt, und deshalb dort Levs 
ñor fchon glei im Anfang als Tiebend und burdy die Liebe 
unglücklich auftritt, fo fehen wir bier dagegen die nod) uns 
reife Knospe, die vor unferen Augen fi entfaltet und in 
Duft und Farbenpradit vor der Sonne der Liebe ſchimmert. 
Zwifchen Schwertergeklirr und Schmach, ber der Tod auf 
der Stelle bei Calderon's edlen Spaniern folgen muß, waͤchft 
dieſe Föftliche Liebe ves Weibes, die nichts feheut, alg ben 
Verluſt des Geliebten, und deren dann ein gütiger Bott ſich 
mild erbarmt.“ Ä 

An die lebtgenamiten ſchließen ſich theils in bem vors 
waltenden Ernft des Tond und Snhalts, theils in ber bedeu⸗ 
tender hervortretenden Charakteriftit no: No hay cosa co- 
mo callar, Primero soy yo, Cual es mayor perfeccion, 
La desdicha de la voz, Dar tiempo al: tiempo. Diefe 
Comödien, welche fämmtlich den reiferen Jahren bes Did) 
ter8 angehören, haben durch die Reinheit des Styls und durd) 
die größere Sorgfalt, welche ber Geſtaltenzeichnung gewidmet 
ift, unftreitig einen Borzug vor feinen früheren Werfen diefer 
Gattung; dagegen erfcheint die jugendliche Friſche und Leben: 
digkeit jener, unſeres Bedünkens, hier etwas geſchwächt, 
und man könnte ſtellenweiſe fogar über eine gewiſſe Mattig⸗ 
keit und manierirte Wiederholung von ſchon vielfach abgenutz⸗ 
ten Motiven klagen. 

Sm Fade der Comedias burlescas hat Calderon nur 
ein einziges Stück gedichtet, námlid Céfalo y Procris, eine 
Parodie feined eigenen Zelos aun del aire matan. Diefe 
Burlesfe ift voll Föftlihen Humors, ein Timmelplag bes 
ausgelaffenften Scherzes und befonbers baburd) von umver- 
gleichlicher komiſcher Wirkung, daß der tollfte Spaß, ja das 


ed 


_ 250 — 


Abſurdeſte in einem feierlichen, pathetiſchen Tone und in den 
eleganteſten Verſen vorgetragen wird. ES tft bas einzige Lufts 
ſpiel Calderon's, in welchem er zur Verſtaͤrkung der Komik 
ſogar das Derbe und Gemeine nicht verſchmäbt; in übermü⸗ 
thiger Laune kehrt er das Unterſte nach oben und ſcheint ſich 
ſelbſt, die ganze Welt und ſein eigenes Werk zu verſpotten. 
Alle Augenblicke fallen die Schauſpieler aus den Rollen; eine 
griechiſche Dame z B. ſoll ihre Herkunft erzählen, aber fie 
vergißt ſich und ſagt: „Ich bin die Tochter des Luis Lopez 
und mein Name iſt Maria.“ Der Prinz Roſikler kommt auf 
einem Füllen herangeritten, einen ungeheuren Schuh in der 
Hand haltend, und durchirrt die Welt, um die Dame aufzu⸗ 
finden, welcher dieſer Schuh gehören mag. Von dem burles⸗ 
ken Ton der Sprache kann Folgendes einen Begriff geben. 
Der König redet ſeine verſammelten Vaſallen an: 

Vasallos, deudos y amigos, 

Cuya lealtad y virtud 

Canta el sol por fa, mi, re, 

La fama por ce, fa, ut; 

lustre nobleza y plebe, 

Que al brindis de mi salud 

Agotárades ahora 

Aun la cuba de Sahagun: 

Ya sabeis, que yo inclinado 

Fui desde mi juventud 

A las letras, estudiando 

Todo el ban, ben, bin, bon, buno, 

Hasta el arte de Nebrija 

Y las tablas del Talmud. 

Cephalus bricht, nachdem er feine geltebte Procri8 mit 

dem Jagdfpeer getödtet, in folgende Worte aus: 


— 


— 31 — 


Republica celestial, 

Aves, peces, fieras, hombres, 
Montes, riscos, pefias, mar, 
Plantas, flores, yerbas, prados, 
Venid todos á llorar! 

Coches, albardas, pollinos, 
Con todo vivo animal, 

Pavos, perdices, gallinas, 
Morcillas, manos, cuajar, 
Prócris murió! Decid pues: 
Su moño descanse en paz! 

Sm Obigen find, bald mit Ausführlichkeit, bald flüch⸗ 
tiger, ſämmtliche von Calderon herrührende Comödien erwähnt 
worden; in Bezug auf diejenigen, welche entſchieden fälſchlich 
auf feinen Ramen gefhrieben worden find, oder deren Aecht⸗ 
heit doch wenigſtens fehr problematifh erfcheint, fo wie in 
Bezug auf die Sainetes und Loas vermeifen wir auf 
den Anhang zu diefem Artikel. Hier ift zunächſt noch von 
Autos Sacramentales zu handeln. 

Calderon's Autos find nad dem Urtheil feiner Zeitge: 
noffen diejenigen Werfe, auf welche ſich fein höchfter Dich» 
terrufm gründet. „Wo — fagt ber ſchon angeführte Manuel 
Guerra — dieſer eminente Mann zum allgemeinen Erftaunen 
fic felbft übertroffen, das war in den Autos Sacramenta- 
les.. Die Andacht feines Geiſtes entzúndete ihm bas Gemüth, 
und bie Rede, entflammt im bingeriffenen Fluge, ſchwang 
fi) wie der Adler des Hefefiel über feine Genoffen und ihn 
felbft empor. Seine Erfindungen find fo göttlich, die Gedan- 
fen fo ſchön, die Ausfhmüdungen fo prächtig, bie Moralis 
täten fo verſchmolzen, die Lehrfäge fo geſchmackvoll, Vernunft 
und Glaube fo fanft verwoben, und das Nutzbare iſt dem 





— 25 — 


Schönen fo freundlich gefellt, daß zugleich ber Berfland in 
Bewunderung und bas Herz in Flammen gefegt wird. Die 
Seelen fehren vol Liebe und Andacht zuräd, erfreut und 
zerfnirfcht, ergäßt und befeuert, und indem er bem Ohre lieb» 
toft, flößt er heilige Ebrfurdt vor bem Saframente ein.” 
Die Nachwelt fann nicht umhin-, die Bewunderung des 
fiebzehnten Jahrhunderts für diefe Dichtungen zu theilen, fos 
bald fie nur Selbſtverläugnung genug befigt, um fih aus 
dem fo ganz verſchiedenen Speenfreife des Tages in bie Welts 
anſchauung und die Vorftellungéreifen zu verfegen, aus denen 
die ganze Gattung von Dramen hervorgegangen iſt. Der, 
welcher fih auf diefe Art in ben Beift eines vergangenen 
Jahrhunderts zu vertiefen vermag, wird die Wundergebilbe 
von Calberon'3 Autos etwa mit benfelben Empfindungen vor 
fih auffteigen fepen, mit denen ein Seher, dad Auge mit 
meittragendem Rohre bewaffnet, ferne Himmelsräume durchs 
fliegt, in denen fih bie Milchſtraßen zu Sonnen zertheilen 
und aus der Dámmernden Tiefe des AUS neue Welten von 
ungeabntem Glanze emportauchen. Oder wählen wir ein ans 
deres Sleichnif, fo mag ihm zu Sinne werben, wie dem 
Seefahrer, wenn er die weite Waſſerwüſte burchfchritten und 
nun ein neusd Erdreich betritt, das ihn mit unbefannten und 
wunderbaren Geftalten umgibt, in ben Braufen feiner Ries 
fenwälder und Ströme mit geheimnißvollen Rlángen zu ihm 
redet und wo in einer anderen Natur andere Gattungen von 
Weſen ihn mit fremden Blicken anfchauen. In der That, wie 
ein folches Reich der Wunder umfangen uns biefe Dichtungen. 
Ein Tempel thut fid) vor uns auf, in beffen Bau, wie in 
tem Gralstempel des Titurel, fid) Das ewige Wort finnbilds 
lich geftaltet hat. Bei'm Eintritt weht cg uns entgegen, wie 
ein Geiſterhauch der Ewigkeit, und eine heilige Mergenrótbe, 


— 9253 — 


wie vom Glanze der Gottheit, wallt durch ben hehren 
Raum. Im Mittelpunfte ragt, ald Centrum alles Seins unb 
aller Gefchichte, das Kreuz, an dem fi ber unendliche Geift 
feloft in unendlidher Huld für die Menfchheit geopfert hat. 
Am Fuße des hohen Symboles aber fteht der Dichter als 
Hierophant und Prophet und deutet die Bilder an den Wän- 
den und die ftumme Rede der Ranfen und Blüthen, die fid) 
an den Säulen emporfchlängeln, und die Töne, die flangs 
reich vom Gewölbe hernieverrinnen. Er ſchwingt ben Stab 
und die Hallen des Tempels dehnen fih aus in's Unermefs 
liche; ein Säulengang führt durch die Jahrhunderte und Jahr⸗ 
taufende hindurch bis zur bámmergrauen Vergangenheit, da 
zuerft der Duell bes Lebens aufraufchte und die Sonnen und 
Sterne, dem Schoofe des Nichts entftiegen, ihren Lauf be: 
gannen; und ber begeifterte Seher enthüllt das Geheimniß 
der Schöpfung und zeigt und ben Haud Oottes über dem 
Chaos hrütend, die Ervenfefte von den Gewäſſern trennend, 
- dem Monde und den Geſtirnen ihre Bahnen anmweifend und 
den Elementen befehfend, wie fie fid) fliehen und fuchen follen. 
Wir fühlen und umivallt von bem Flügelſchlage des Welts 
geifted und hören die Subelchöre Der neugebornen Sonnen, 

wie fie feiernd auf ihren Bahnen einherzicehen und den Ruhm 
des Ewigen verfünden. Von der Dämmernadt an, die ben 
Urfprung aller Dinge verhüllt, fehen wir dann den Zug ber 
Bölfer dur die aufblühenden und hinwelkenden Gefchlechter 
der Menfchen hindurch jenem Sterne folgen, ber die Weifen 
aus dem Morgenlande Teitete, und ber Stelle ber Verheißung 
entgegenpilgern; nad) vorwärts aber liegt, vom Olanze ber 
Erfófung und Berföhnung überftrahlt, die Zufunft mit ihren 
nod) ungeborenen Generationen. Und der heilige Dichter weift 





— 254 — 


rings umber in's Oránzentofe, burd) die Echranfen ber Zeit 
in bie Ewmigfeit hinaus, zeigt die Beziehungen alles Geſchaf⸗ 
fenen und Ungefchaffenen zu dem Symbol der Gnade und 
wie alle Bölfer andachtsvoll zu ihm emporſchauen; das Welt: 
all in feiner taufendfachen Erfcheinung wird mit bem Chore 
aller feiner Stimmen ein Palm zum reife des wunderbar 
Herrlihen ; Himmel und Erbe legen ihre Gaben vor ihm 
nieder, bie Sterne, „die nie welfenden Blumen des Himmels”, 
und die Blüthen, „die vergángliden Sterne ber Erde“, müfs 


fen ihm huldigen; ber Tag und vie Nacht, das Licht und. 


die Finfternif liegen anbetend vor ihm im Staube, und der 
Menfchengeift öffnet feine verborgenften Schadhten, um alle 
feine Gedanfen und Gefühle in ver Anfchauung des Unend⸗ 
lichen zu verflüren. 

Dies der Geift, der aus Calderon's Autos demjenigen 
entgegenweht, ber fie in dem Sinne aufzufaffen weiß, in 
welchem der Dichter fie gab. Aber auch der fáltere Kritifer 
wird in vielfacher Rückſicht feine Bewunderung nid)t verfagen 
fónnen. Er mag fih — und wir wollen es ihn nicht vers 
argen — von manchen allzu Fühnen Wagniffen befrembet fehen, 
er mag die ganze Gattung, zu welcher die Autos gehören, in 
ihrer feltfamen Miſchung von Dichtung, Scholaftif und Theo: 
fophie, für eine ercenteifepe Ausgeburt der Poefie halten, 
aber er wird der ımendlichen Kunft, mit welcher dieſe petes 
rogenen Elemente bewältigt und mit einander verſchmolzen 
find, feine Anerfennung ¿ollen müffen. Jn der That erfcheint 
die Meifterjchaft Calderon's in der Compofition bei ben Aus 
tog wegen ber ungleich größeren Schwierigfeit, die fid) hier 
darbot, nod unendlich bewundernswerther, alg bei den Cos 
mödien, und auch feine Dichtergabe zeigt ſich in nod) reis 
nerem Glanze, infofern die einzelnen leen, die feine 


= 255 — 
weltlichen Schaufpfele hier und da entftellen, die Ueberfülle 
und den Schwulft der Rede hier verfchwinden und einer ein 
fad)sflaren, der Erhabenheit bes Gegenftandes angemeffenen 
Darftellung weichen. Die Bilderpraht [ft mit Weisheit ges 
regelt und dem leitenden Gedanken untergeordnet und feín 
byperbolifcher Wortſchwall thut der Harmonie der Idee unb 
des Ausdruds Abbrud). Calberon'3 in Andacht dem Himmel 
zugewandter Geiſt fcheint alle feine Kräfte in einem Brenn 
punft concentrirt zu haben, um in den Autos das Höchfte zu 
geben, was er zu leiften vermochte. So erfcheint es denn 
bewundernswerth, wie in diefen Gedichten die ganze Er: 
f&heinungswelt verklärt und gleichfum transparent gemacht 
wird, damit fid aus allen ihren hundertfältigen- Geftalten 
der verborgene Strahl des Göttlihen entbinden fónne; die 
alte Geſchichte und Götterlehre, die fernfte Vergangenheit und 
die dämmernde Zufunft, die Schöpfung mit allen ihren Wun⸗ 
dern, die Pflanzen» und Thierwelt, die Höhen und Tiefen 
des Seind und alle Regungen des Menfchenherzendg und ber 
Menfchenfeele werden in ben wunderbarften und genialften 
Combinationen benugt, um das Chriftenthum in beffen heis 
Hoftem Symbole zu verherrlihen; und diefe Combinationen 
find, bei allem Geheimnißvollen, doch von einer Klarheit, die 
Erftaumen erregt. Der Dichter weiß, wie in einem magifchen 
Spiegel, felbft das Verborgenfte und Unfaßlichſte, die Schats 
tenbilder des Gedankens, in beftimmten Umriffen barzuftellen. 
Haben wir es nun auch mit Abftraetionen des Verftandes, 
mit metaphyfifchen Allgemeinbegriffen zu thun, fo verdient doch 
bie Geftaltungsfraft Bewunderung, mit welcher den weſen⸗ 
Iofen Gebilden alle Züge der Perſönlichkeit und individuellften 
Lebendigfeit geliehen werben; und nicht minder erftaunenés 
würdig iſt die Runft ber dramatifchen Compofition, welche 


— 256 — 


auf überirbifchen Boden und mit einem allegoriſchen unb 
fombolifchen Perfonal doch eine fireng ¿ufammenbángende, 
richt allein bas Intereffe, fonbern felbft die Neugier ſpannende 
Handlung hervorzubringen gewußt hat. 

Worin der Vorzug von Galderon’d Autos vor denen 
des Lope de Vega beftehe, erhellt ſchon aus bem Obigen: 
. er líegt in der ungleich größeren Crtiefung des Inhalts, 

in der unvergleihhar feineren Durchbildung der Allegorie, 
in der Grünblichfeit, mit welcher der Stoff in allen feinen 
Safern und bis in feine feinften Beziehungen hinein durch⸗ 
drungen tft. Wenn bie Meberlegenheit unferes Dichters über 
- feine Vorgänger im Allgemeinen auf der audgebildeteren Kunſt⸗ 
form feiner Dramen, auf der forgfältigeren Verarbeitung bes 
Materiald und ber geriffenbafteren Ergrinbung feiner Vors 
würfe beruht, fo zeigt fidy dies in ben Autos in nod) un: 
gleich höherem Maafe, als in den Komödien; fogar die vor⸗ 
züglichften Frohnleichnamsſpiele der früheren Zeit Fönnen mit 
den minbeft trefflichen ber feinen nicht in Die Schranken 
treten. 

Im Allgemeinen hat Calderon die ihm von Lope de 
Bega überlieferten Umriffe des Auto aboptirt, und wir müfe 
fen in diefer Beziehung auf das Band IL, Seite 393 ff. 
Gefagte zurüdweifen. Dort fann man auch ſchon das vom 
Dichter angewandte Perfonal, menigftend in feinen Haupts 
geftalten ; Tennen lernen. Daß die nämlichen Figuren häufig 
wieberfehren, daß fid) fogar gewijfe Wendungen und Gedan- 
fenverbindungen wiederholen, wurde durch die allen Autos 
facramentales gemeinfame Beftimmung ber Verherrlichung ber 
Transfubftantiation unvermeidlich herbeigeführt, denn dieſe 
Tendenz machte es zur Bedingung, daß in jedem Frohnleich⸗ 
namsfpiel Ddiefelbe Grundidee ausgefprochen würde. Hören 





— 257 — 


wir, was der Dichter ſelbſt in der Vorrede darüber ſagt: 
„Irgend ein ekler Leſer möchte es vielleicht tadeln wollen, 
daß in den meiſten dieſer Autos dieſelben Perſonen vorkom⸗ 
men, wie der Glaube, die Gnade, die Schuld, die Natur, 
das Judenthum, das Heidenthum u. ſ. w.; dies aber recht⸗ 
fertigt ſich dadurch: daß, da der Gegenſtand immer derſelbe 
iſt, die Stücke ſich auch derſelben Mittel zum Zwecke bedienen 


müſſen; noch mehr aber durch die Erwägung, daß dieſelben 


oft wiederholten Mittel doch jedes Mal auf anderen Wegen 
zu anderem Ziele gehen: auf dieſe Art wird ‚Senn, nach mei⸗ 
ner ſchwachen Einficht, diefer Tadel ſich vielmehr in Billie 
gung umwandeln müffen; denn die größte Runft ber Natur 
befteht darin, daß fie mit den nämlichen Grundzügen fo viele 
verfchiedene Gefichter hervorzubringen weiß, und nad) biefem 
Borbilte möge es denn, wenn auch nicht als eine Kunft 
angefehen, fo doch wenigſtens entſchuldigt werben, daß ich 
aus benfelben Perfonen fo viele verfchievene Autos zuſam⸗ 
mengefegt habe. — Mande Stellen werden einander ähnlich 
gefunden werden, aber aud die Natur bringt mande ábna 
liche Geftchter hervor, und wenn ſchon dies einen Zabel 
zurüdweilt, fo muß nod) hinzugefügt werben, daß dergleichen 
Stüde nur einmal im Jahre aufgeführt werden und daß 


— 


—N 


zwiſchen manchen von den in dieſem erſten Bande befind⸗ 


lichen Autos ein Zwiſchenraum von mehr als zwanzig Jah⸗ 
ren liegt; der Eindruck, den fie bei der durch fo lange Zeit⸗ 
räume getrennten Darſtellung hervorbrachten, war daher ein 
ganz anderer, als der, den ſie jetzt, in demſelben Bande 
vereinigt, bewirken fónnen. — Einige Stellen werden viel- 
leicht etwas matt erſcheinen, weil das Papier weder den 
Wohllaut der Muſik, noch den Pomp des Maſchinenweſens 


wiedergeben kann, und es iſt deshalb nöthig, daß der Le⸗ 


Geſch. d. Lit. in Spanien. MI. Dd. 17 


— 258 — 


fer fih mit feiner Einbildungskraft biefe Zuthaten hinzu⸗ 
dente.“ 

Calderon's Behandlungsweife bes Auto im Einzelnen 
wird man am Beften aus den fulgenden Inhaltsüberſichten 
von einigen berfelben erfehen. Die Long, welche laut der Ans 
gabe des Herausgeberd nur zum Theil von Calderon felbft 
berrühren und mehrentheil Feinen für das Verſtändniß noth« 
wendigen Zufammenhang mit dem folgenden Stüde haben, 
werden dabei füglich außer Acht gelaffen. 

El pintur de su deshonra. Ein Auto, das fido 


ſchon durch feinen Titel bem gleichnamigen Zraucrfpiel gegen= | 


überftellt und auch in feinem Inhalt viele Beziehungen zu 
demfelben darbietet. Das Stück wird burd) einen prachtvollen 
Monolog Kueifer’s eröffnet. Er fteigt durch den Schlund eines 
Draden8 empor und ruft die Schuld aus einer büfteren 
Selfenhöhle, welche fie bewohnt, hervor. Als bie Gerufene nad) 
feinem Begehren fragt, erzählt er die Gefchichte feines Stur- 
zes, wie er zur Strafe feines Hochmuthes in das Reid) ber 
ewigen Finfterniß verbannt worben fei. Er ſpricht in Bor: 
ten ber Berzweiflung von feinem Haß und feinem Neid 
gegen den Weltfchöpfer, der ihn fo tief gedemüthigt und den 
er unter dem Bilve eines großen Rünftlers und Werkmeiſters 
barftellt; weiter erzählt er, wie biefer Künftler damit umgehe, 
eine Geftalt und ein Antlig nad feinem Bilde zu malen, 
nachdem er ſchon fechd Tage lang an einem großen und wun⸗ 
dervollen Gemälde, der Schöpfung, gearbeitet habe, ber 
ftebente Zag folle nun das ganze Werk vollenden; bie 
Schuld möge ihm Hülfe leihen, damit das Bild zerflört 
werde und der Künftler ben Namen bes „Mulerd feiner 
Schande“ verdiene. Die Schuld verfpricht ihren Beiftand, und 
Beide fchleichen fih in die Werkſtatt. Staunend und trog 
ihres Haſſes doch mit Ehrfurcht betrachten fie das Gemälde; 


— 259 — 


das Bild ber Achre und ber Rebe, al8 Anbeutung des fünfs 
tigen Eacrament8, macht fie erbeben , und als fie Geräufih 
hören, verbergen fie ſich in den Blaͤttern eines Baumes. Der 
Maler erfcheint und beginnt die Arbeit, während die Unfchuld, 
die Weisheit und bie Onate Ihm die Farben reichen und 
einen Lobgefang anftimmen; alg das Werk, bas Ebenbild ves 
Meifters, vollendet ift, paudt er ihm Athem und Leben ein, 
und die neugefchaffene menſchliche Natur niet vor ihrem 
Schöpfer nieder. Diefer übergibt ihr die Hevsichaft über Die 
ganze Schöpfung und legt ihr nur ein Verbot auf ‚das, bie 
Frucht vom Baume der Erfenntnif zu genießen. Die junge 
Herrfcherin der Welt bleibt nun, umringt von ber Weisheit, 
der Unfchuld, der Gnade und dem freien Willen, zurüd und 
fhildert in einer herrlichen Rede die Wunder ber fie umges 
benden Schöpfung. Zu ihr treten in Verkleidung Lucifer und 
die Schuld, und fuchen fie, nachdem fie ¿zuerft ben freien 
Willen beftochen, durch ihre Reden zu bethörenz die Schuld 
holt die verbotene Frucht herbei und ber freie Wille reicht fie 
ber menfchlihen Natur zum Genuſſe; Weisheit, Unfhuld un 
Gnade thun Einfprache, aber die Schwache folgt ihrem Ges 
túfte; da verbunfelt ſich die Luft, die Erde zittert, Die Schön- 
beit des Paradiefes (ft entftellt, die göttlichen Geſpielen ents 
fliehen und die Gefallene wird von Lucifer alg feine Sclavin 
fortgefchleppt. Sp fieht denn der Maler das fchönfte Werk 
feiner Runft entftellt und befleckt, und ruft in Heiliger Trauer : 
„D du, die ich zu meiner Braut auserwählt, hätte ich did; 
nie fo ſchön gemalt, fo würde ich jegt nicht Maler ber eige- 
nen Schande heißen! Undanfbare, um meines größten Feín: 
des willen verläffeft bu mich * O fterblicher Menſch, fiel” an 
der Angft meiner Liebe, weldhen Kummer du mir bereiteft, 
wenn du did) von Bott entfernft; denn wenn Gott je weint, 
17* 


— 20 — 


fo (ft e8 aus Jammer um eine verlorene Seele! Aber was 
Flage ich, da meiner Ehre die Made obliegt? Treulofe, fo 
mögeft du denn Fein Waffer trinfen, als das deiner eigenen 
Zähren; fo mögeft du das Brod der Schmerzen effen und un- 
ter Schmerzen Rinder gebären! Die Welt, das Bett deines 
Ehebruches, will ich zerftören; die Wolfen mögen ihren Schooß 
aufthun dic Meere ihre Damme fprengen, um fie zu ver: 
nichten!« Man hört Erdbeben und Donnergeroll und bas 
Getöfe der herein brechenden Sünbfluth; zwiſchendrein ertónen 
die Sammerrufe der Erde: „Erbarmen, Herr, Erbarmen 14 
Die menfchliche Natur tritt, vor den flurmgepeitfchten Wellen 
fliehen, auf; bie Erbe bietet ihr auf ben höchften Spigen 
ihrer Berge einen Zufluchtsort, aber die Wogen fteigen höher 
und drohen fie unter bem Hohngelächter Lucifer's und ber 
Schuld zu verſchlingen. Da wirft der Schöpfer erbarmend 
ein Holz in die Fluth, „Bruchſtück einer wunderbaren Arde 
und Vorbild eines anderen Holzes, das einft die Welt retten 
wird; denn zwiſchen ber Ehre des Menfchen und der Gottes 
M der Unterſchied, daß die eine ſich rächt, Indem fie tötet, 
die andere, indem fie verzeiht.» Die Welt und die menichlidye 
Natur ſchwimmen, das, rettende Holz umflamnernd, an das 
Land, das wieder aus ben fid) verlaufenden Gewäſſern ber: 
vortritt. Ihnen folgt ble Schuld, aber fie bebt vor ber Kreu⸗ 
zesform des Holzes zurüd, und die menfchliche Natur fpricht 
zu ihr: „Ahnſt du in diefem Anblick jenen Friedensbogen, ber 
fih über Himmel und Erde ausfpannen wird, wenn die weiße 
Taube mit bem Olivenzweige erfcheint und den goldenen 
Tag nad fo fehmerzenreicher Nacht verfündfgt ? Schon, dünkt 
mid, höre ich dle Engel einen Jubelchor an diefe himmliſche 
Aurora fingen.“ Von oben erfepallt Befang von Engelftim- 
men: „Ruhm dem Herrn im Himmel und Friede den Mens 


| 


— 261 — 


fhen auf Erten!« Die menſchliche Natur ſtimmt, die 
Gnade bes Herrn anflehend, in ben Geſang ein, aber Lucifer 
und die Schuld fuchen fie fefter in ihre Bande zu fehlagen. 
Der göttlihe Maler tritt num, geführt von ber Liebe, und 
von den Bitten der Flehenden gelodt, auf, um die Geraubte 
zu ertófen und die Rade an ben Räubern zu vollbringen. 
Die Liebe trägt ein Kreuz herbei, ber Maler verbirgt fi 
hinter demfelßen und befreit die Gefangene, indem er Lucifer 
und die Schuld durch einen Schuß zu Boden firedt. „Sieh 
bier — ſpricht er, auf das Kreuz deutend, zu der Geretteten 
— tie viel.deine Thränen bei mir vermodt haben und wie 
ich nun dem Gemälde, welches mir der Dämon und die Sünde 
befledten, feinen erften Glanz wiebergebe, indem ich es in 
diefer Duelle waſche!“ Man erblidt eine Quelle mit fieben 
Strahlen (den fieben Wunden); an ihr fiehen die Gnade, bie 
Weisheit und bie Unſchuld und rufen der Erlöften zu: „Komm 
in unfere Arme zurück! Wir erwarten bid) an diefer Duelle !“ 
Obgleich zum Tode getroffen, flüftert die Schuld doc leife: 
„Mag die Erbfünde auch in diefem Babe getilgt werden, mjy 
bleibt doch noch Raum, did) zu befriegen3“ aber ber Maler 
erwiedert: „Auch dagegen ift ein Mittel! Seht hier das 
Sucrament, das Mofterium der Mofterien , das Wunder der 
Wunder !” Lucifer und die Schuld flöhnen im Tobdesframpf 
und die menfchliche Natur Iniet anbetend vor dem Allerhei- 
ligfien nteber. 

La Cena de Baltasar, nad Daniel 5, 5. Diefes 
wunderbar tieffinnige und Doch zugleich in feiner äußeren Erfcheis 
nung auf große theatralifche Wirkung berechnete Auto beginnt 
mit einer Unterredung zwiſchen Daniel, der das Gericht Got: 
tes repráfentirt, und bem Gedanken, der alg Narr und 
Poſſenreißer erfcheint. Daniel ſchildert Hagend und zürnend 


— A — 


die Schmach, die das Volk Gottes in der Babyloniſchen Ge⸗ 
fangenſchaft erdulde; ber Gedanke aber erzählt ihm, wie Bel- 
ſatzar ſich heute mit der großen Königin des Orients, der 
Idolatrie, vermähle. Trompetenſtöße. König Belſatzar tritt mit 
feiner Gattin, der Eitelkeit, auf und empfängt die zweite 
Gemahlin, die in pomphaftem Zuge erfcheint. Eitelkeit und 
Spolatrie ſchwören ihm Treue und fagen ihm ihre Hülfe zu, 
damit er fih über alle Könige der Erbe erheben und ben 
Bau des Thurms von Babel vollenden fónne. „Wer — ruft 
der von feiner Größe Trunfene — wird die Nebe fo füßer 
Umarmungen trennen, wer meinem Unternehmen Einhalt thun 2 
Da ruft Daniel mit Donnerftimme : „Die Hand Gottes 1 
Belfagar will den fredden Redner mit bem Schwerte zu Bos 
den firedfen, aber er vermag nichts gegen ben Geweihten des 
Herrn, und geht in ohnmächtigem Grimme ab. Daniel ruft 
aus: „Wer, o Schöpfer des Tages, wird deine Rache über- 
nehmen ?” Da erfcheint der Tod als jugendlicer Ritter in 
voller Rüftung mit dem Schwerte, und meldet fid) zum Voll⸗ 
fiaeder der Gerichte Gottes; aber Daniel trägt ihm auf, vor 
Ausführung bes Urtheils den König erft zur Buße zu mah- 
nen. Der Tod wendet fi) an den Gedanfen, und diefer führt 
ihn in einen Garten, wo Belfabar mit feinen beiven Gemah⸗ 
linnen ſchwelgt. ES folgt eine bemunderungswürdige Scene, 
in welcher der Tod, an der Hand des Gedankens, wie ein 
. Schatten hinter dem Könige einherfchleicht und ihm mahnende 
entjegenvolle Worte zuflüftert: „Du bit Staub und wirft 
zum Staube zurüdfchren!” Der Oedante umhüpft den Bel 
faßar und fucht ihn durch feine Poffen zu ¿erfireuen; aber 
felbft in feine Späße miſcht fid die fürchterlich mahnende 
Stimme. Um das Schredgebilde, das ihn quält, zu verfcheus 
hen, flüchtet der König in eine Rofenlaube ; die Soolatrie 





— 263 — 


wiegt ihn in ihren Armen, und die Eitelkeit fucht ihn Durch 
füße Oefánge zu erbeitern, bis der Ermiide te entfchläft. „So 
— fpridt Daniel — gibt fi) der Menſch forglos dem Schlum- : 
mer hin, ohne zu bebenten, daß er jeden Tag, wenn er fchläft 
und erwacht, ftirbt und wieder geboren wird, ohne zu erwä⸗ 
gen, daß ber Tod ihn in jedem Schlummer an den legten 
mahnt. Während des Schlafes fuen bie Spolatrie und bie 
Eitelfeit den König von neuem zu bethören, und es erfcheint 
auf ihr Geheiß eine eherne Statue Belfagar'3, die in einem 
Tempel verehrt wird; Daniel aber zwingt das Bild, mit 
Donnerftimme zu fprechens „Deine Gógen find von Mens 
fchenhand gebildet und ich foll dir das Gericht bes Einen, 
unendlihen Gottes verfünden, wenn du nicht Dufie thuft!* 
Dei diefen Worten verfintt das Traumgebild, und Belſatzar 
erwacht mit bewegter und zur Reue geftimmter Seele. Bald 
jedoch fällt er wieder in ben früheren Sinn zurück, und bie 
Idolatrie und die Eitelfeit ordnen ein glänzendes Gaſtmahl 
an, bei dem aus den heiligen Gefäßen des Jehovah⸗Tempels 
gezecht werden foll. Diefes Mahl wird mit den úppigften und 
reichtten Farben geſchildert. Während Belfagar mit feinen 
Genoffen und Genoffinnen ſchwelgt und feftliche Muſik er- 
ſchallt, mifcht ſich der Tod unter die Diener und fucht den 
König nochmals zur Befinnung zu bringen; aber feine Stimme 
verhallt in dem lauten Getöfe des Feftes. Nun tft die Friſt 
abgelaufen ; der Tod reiht dem Belfagar zu trinfen, ein 
Donnerfchlag erfehallt und eine riefige Hand ftredt fich hervor 
und fchreibt flanmende Worte in unbefannter Sprache an die 
Wand. Der König fragt nach ber Bedeutung der Zeichen, 
aber alle Zungen verftummen. Da tritt Daniel hervor und 
ſpricht: „Ich will dir den Sinn der Worte erklären; ſie 
heißen: deine Tage ſind gezählt, das Maaß deiner Schuld iſt 


— MM — 


voll, denn bu haft die Gefäße des Herrn, die für das pe = 
ligfte der Sacramente aufbewahrt find, mit freier Hand 
entmeiht; dein Reich wird flürzen, fo wie du.” Die Genofjen 
des Feſtes entfliehen, Belfagar finft vernichtet zu Boden und 
der Tod gibt ihm ben Neft, indem er ruft: „Solchen Tod 
ftirbt ber, der bas Mahl des Herren mit fündigem Herzen 
gentefit und fo das heilige Gefäß entweiht.« Am Schluffe 
tritt die Beziehung des Auto auf das Sacrament, wohin freis 
lid ſchon burd das ganze Stüd gezielt wurde, flar hervor. 
Idolatria: „Ich erwache wie aus ſchwerem Traume. O 
wer jenes heilige Licht des Gnadengeſetzes fehen dürfte la 
Daniel: „Wohlan denn, al8 Prophet zeig” ich dir diefen 
Tiſch in den heiligen, mit Brod und Wein befegten, Altar 
umgewandelt.“ Man erblidt Kelch und Hoftie, und die Ido⸗ 
Iatrie kniet an bem Altar nieder. 

El divino Orfeo. Der Fürft ber Finſterniß erfcheint 
al8 Gorfar auf einem ſchwarzen Schiffe, das von dem Neibe, 
alé Steuermann, durch die Wellen des Lethe, ves Fluffes, 
ber fich zwifchen bem Chaos und dem Abgrunde dehnt, gelenft 
wird. Sein Jwed tft, die menſchliche Natur, die noch 
nicht geboren ift, deren fünftige Geburt er aber vorausfieht, 
- in feine Gefangenfchaft zu bringen. Plöglich bricht von oben 
eine fanfte Mufif in das Reid) des Schredens hinein. Man 
erblidt eine Himmelsfugel und in ihrer Mitte den göttlichen 
Orpheus, eine eier in der Hand haltend, zu feinen Süßen 
die ficben Tage und die menſchliche Natur, in Schlaf 
verfunfen. Orpheus beginnt zu fingen und twedt durch feine 
Stimme die Schlummernden. Der erfte Tag erhebt fic), eine 
Tadel in ver Hand haltend und die Nacht erleuchtend, der 
zweite die Gewäfler von dem Feſtlande theilend, der dritte 
Diumenfränze und Früchte tragend. Zulegt ſchlägt bie menſch⸗ 


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— 265 — 


liche Natur die Augen auf und kniet dankend vor dem Schöpfer 
nieder, der fie aus dem Nichtfein in's Sein gerufen; ber 
göttliche Orpheus überträgt ihr die Herrfchaft der Erde und 
ergibt fid) dann in den Armen des fiebenten Tages der Ruhe, 
Die Himmelsfugel fchließt fi wieder. Der Fürft der Finſter⸗ 
niß hört in ohmmächtiger Wuth, wie die nengeborene Schöpfung 
die menfchliche Natur durch ein Loblied feiert, ruft ben Faͤhr⸗ 
mann Ebaron und überträgt ihm die Herrichaft über die ſchwar⸗ 
zen Gewäſſer, mit bem Befehl, Keinen binüberzulaffen, ohne 
ihn feiner Herrfchaft zu unterwerfen. Er felbft nimmt eine 
Verkleidung an, in welcher er die Menfchheit zu verführen 
hofft. Man wird in das Paradies verfegt, wo bie fieben Tage 
fid) unter Gefang und Tanz des neuen Seins erfreuen; die 
menſchliche Natur tritt Hinzu und ermahnt fie, ihres Schöpfers 
nicht zu vergeffen, worauf Alle eine Hymne zum Lobe bes 
Höchſten anftimmen, die an Schwung und Erhabenheit mit 
den fehönften ber Palmen wetteifert. Unter fie mifchen fich 
der Fürft der Finfterniß und der Neid in Gärtnertradht, und 
es gelingt ihnen, die menfchliche Natur zu bethóren; fie läßt 
fih von ihnen bei Seite führen und zum Genuffe des vers 
botenen Apfeld überreden. Raum hat fie Davon gefoftet, fo 
wird fie von namenlofen Schmerzen befallen, und flagt, daß 
die ganze Schöpfung vor ihr umgewandelt ſei; die Tage ziehen 
an ihr vorüber, aber der eine trägt ftatt der Fadel ein Flam⸗ 
menſchwert, der andere ftatt ber Blumen Difteln und Dornen, 
und hinter jevem folgt der Neid in vervielfältigter Geftalt 
und in bem ſchwarzen Mantel ber Nacht. Die menfchliche 
Natur finft, von Jammer übermwältigt, ohnmächtig zu Boden, 
und der Fürſt der Finfterniß bemächtigt ſich ihrer, fie in fein 
fiygifches Reich fortfchleppend. Da tritt der göttliche Orpheus 
auf, hört von ferne die Schmerzensrufe der Unglücklichen, und 


befchließt, fie zu befreien. Man fieht ihn in das Reid ber 
Finſterniß hinabfleigen, eine mit bem Kreuz geſchmückte Harfe 
tragend und füße Lieder fingend. Efaron verweigert ihm den 
Mebergang, der feinem Lebenden verflattet werde; Orpheus 
ruft: „So tödte mid), id) fterbe freiwillig!« und Charon gibt 
ihm den tödtlihen Streich, finft aber zugleidy felbft flerbend 
nieder, indem er ruft: „So liegt der Tod befiegt zu deinen 
Füßen; fchreite nun über meine Leiche hinweg in das finftere 
Reid)!” Der himmliſche Held Hagt: „Mein Gott, mein Gott, 
fo haft du mid) verlaffen !* während ihn der Todesnachen an's 
jenfeitige Ufer trägt. Donner, Blip und Erdbeben. Die Tage 
eilen jammernd herbei, indem fie ben fechften (den Freitag), 
der ohnmaͤchtig zu Boden gefunten iſt, umringen; ploglid) aber 
werden ihre Klagen durd) einen Freudenruf unterbrochen. 
Orpheus fommt in dem ſchwarzen Nachen, auf deſſen Mafte 
ein Kreuz ruht, zurüd und fingt: „Öffnet, ihr Aufenthalte ber 
Trauer, die Riegel und Schlöffer eures búfteren Kerfers !“ 
Zu feinen Füßen fehmiegt ſich der befiegte Tod, hinter ihm 
aber folgt Euribice, die befreite menſchliche Natur, in einem 
anderen Schiffe, auf welchem ber fünfte Tag (Donnerstag) 
das Sacrament fpenbet. Unter Freubengefángen ber Erlóften 
gleiten denn die beiden Fahrzeuge dem Aufenthalte des ewigen 
Friedens entgegen. 


La Vida es sueño, das Leben iſt Traum; ein: alle: 
goriich-religiöfes Gegenſtück zu ber gleichnamigen berühmten 
Comödie 1). Das Auto beginnt mit dem crften Moment des 
fid) entwidelnden Chaos. Die vier Elemente fireiten um die 
Krone der Weltherrſchaft; die Macht, die Weisheit und die 


2 Dergl. v. d. Malsburg's Borrede zu feiner Ueberfegung des 
Galderon. | 


— 267 — 


Liebe aber gebieten ihnen Ruhe, worauf fie fic) unterwerfen 
und einen Hymnus zum Lobe ber Gottheit anftimmen. Nad) 
beendigtem Gefange nimmt bas Feuer alg Sprecher der Uebris 
gen das Wort und bittet den Herrn, einen Herrfcher über 
fie zu beftellen. Da fagt die Macht: „Bernehmt, wie ich bes 
fchloffen habe, ein Ebenbild meiner, von meinem Geift ent: 
worfen, von der Erde geboren, aus dem verborgenen Kerfer 
des Nichtſeins in’d Sein zu rufen. Dies Weſen, der Menſch, 
fei euer Herr, und die Gnade foll feine Gattin fein; fo Tange 
er gütig und geredyt ift, dienet ihm; wird er hoffärtig und 
ungehorfam, fo verfaget Ihm ben Dienft; Gewinn und Berluft 
liegen alfo in feiner Hand; fo bat mir bie Liebe gerathen.“ 
Die Elemente geloben Gehorſam und ziehen, nochmals ben 
Lobgefang anftimmend, tm Gefolge der drei Eigenfchaften der 
Gottheit von dannen, um bei ber Schöpfung des Menfchen 
mitzuwirfen. Sodann erfcheint der Schatten, alg Symbol ber 
Sünde; er hört mit ohnmächtiger Wuth die aus der Ferne 
herüberhallende Hymne und befchwört bie Geifter der Hölle, 
fid) mit ihm zu verbinden, um der Herrfchaft ber Welt nicht 
auf ewig verluftig zu gehen. Nicht lange, fo fleigt auch der 
Zürft der Finfternig empor, voll Neid und Grimm auf ben 
Menfchen, ber zur Seligfeit berufen fein fol. Inzwiſchen wird 
eine Felfenhöhle fichtbar und in ihr der Menfd) mit Thiers 
fellen befleídet; vor ihm, alg Symbol der Gnade, das Licht, 
das ihn, eine Tadel in der Hand, erwedt und in's Leben 
einführt. Der Schatten und der Satan verſchwören fid, den 
Neugeborenen zu verderben, und verbergen fid alg Schlunge 
und Bafılisf in den Bäumen und Blumen des Paradiefes. 
Nun folgt eine Scene, jener in der Comödie, wo Sigismund 
die erften Huldigungen der Höflinge empfängt, nicht unähnlich, 
nur daß hier Alles ſymboliſch ift. Der Menſch, von fónigs 


— 68 — 


lihem Schhinmer umgeben, Täßt fi von den Elementen, feinen 
Bafallen, Huldigen; unter feinem Gefolge befinden fih au 
der Berftand als Greis und der Wille alg Oractofo, deren 
jener ihn belehrt, daß er Staub fet, diefer aber ihm nicht ge- 
nug von feiner Herrlichfeit zu erzählen weiß. Während er 
prächtig geſchmückt wird, fchleichen ſich Bafilis? und Schlange 
in den Garten ein, und bie legtere, in Geftalt einer Bárts 
nerin, fucht ihn zum Genuß eines goldglänzenden Apfels zu 
. verführen, durch ben fie ihm den Befig aller Erfenntniß und 
unbegränzter Macht verheißt. Der Verblendete will zugreifen; 
der Verftand wirft fich ihn zu Füßen, daß er die Frucht 
nicht berühren möge; aber der Menſch ruft den Willen zu feiner 
Hülfe herbei, und fehleudert, die Warnung der Elemente übers 
börend, den Verftand in einen Abgrund. Nun ift er die ver: 
botene Frucht; die Gebirge erbeben, die Sonne verbunfelt fi, 
der Schatten der Schuld Töfcht das Licht ber Gnade aus; ber 
Menſch bleibt in Finfternif zurüd. Er ruft vergebens die Erbe 
an, welche Hagt, daß ihre rothen Rofen zu blutigen Dornen 
geworden feien, vergebens Waffer, Luft und Feuer, die ihm 
nur zerftörende Fluthen, Windſtöße und Blige zu bieten haben. 
Zu bem Jammernden treten die Macht, die Weisheit und Die 
Liebe; fie berathen fic) über fein Schickſal, und kommen endlich das 
bin überein: „Wenn Ein Wille in Dreien ift, wenn die Macht 
ihr Gebot, die Weisheit ihren Fleiß und bie Liebe ihre T’hätig- 
feit verwendet, fo gibt es Eine Perfon, die das Unzureichende 
des Menfchen ergänzen und die unendliche Schuld unendlich 
fühnen fann.« Der Menſch ift vor Schmerz in Befinnungs- 
Iofigfeit verfunfen, aber tróftende Stimmen umfpfelen ihn im 
Schlafe. — Die nächſte Scene zeigt ihn von neuem gefeffelt 
und in Felle gehüllt. Erwachend flagt er, daß alle Herrlich⸗ 
feit, die er gelehen, nur ein Traum geweſen. Die Schuld 


— 269 — 


ftebt, ihn ängftigend, ihm zur Seite; mit Hülfe des wieder⸗ 
kehrenden Verftandes aber und bes Willens ermannt er fic, 
das verlorene Glück von neuem zu fuchen, worauf der Schatten 
entflieht, um mit bem Fürften der Finfterni neue Ränfe zu 
ſchmieden. Darauf fehrt die Weisheit als Pilger bem Mens 
ſchen ein; er Flagt ihr feinen Sammer und bittet um Bes 
freiung, damit er eine Heimath wieder fuchen könne, deren 
verlorene Seligfeit, obgleich wie ein Traum hinter ihm liegend, 
ihn doch wie Wahrheit quäle. Er wirb von ben Banden bes 
freit,.und flieht aus Furcht vor dem Schatten; die Weisheit 
aber legt feine Feffeln an, indem fie fagt, fie wolle fic biefe 
Banden fo zu eigen machen, daß die Sünde fie für ben 
Schuldigen halte, wenn fte zurückkehrend fie (die Weisheit) 
an des Menfchen Stelle mit grobem Stoff der menfchlichen 
Natur befleivet finde; und fo lege fie fih in der Höhle nieder. 
Der Fürſt der Finſterniß und ber Schatten fommen heran, 
um den Menfchen zu tödten; wie bie Frucht cines Baumes 
feine Vebertretung gewefen, fo follen Stamm und Zweige 
eines anderen Baumes feine Strafe fein. Sie fchlagen den 
himmliſchen Pilger an'8 Kreuz; faum aber ift diefer verfchies 
den, fo erbebt die Erde; Schatten und Sataır erfennen, wen 
fie getöbtet, und finfen tobt zu Boden. Menfch, Verftand und 
Wille eflen herbei und fehen die Weishelt am Kreuze bangen, 
die finfteren Geifter ihr zu Füßen. Der Pilger aber erftept 
vom Tode und fpricht, zum Menfchen gewendet: „Um bid zu 
erlöfen, Tieß ich mid) ftatt deiner tödten und gab Diefen den 
Tod; unendlicher Schuld hab’ ich fo unendliches Heil bereitet.“ 
Da erftepen auch die Höllenmächte von neuem: „Lebft du 
wieder auf, fo erwachen auch wir zu neuem Groll; denn wie 
fonnte der Menfdy in feiner Sünde Genugthuung geben 24 — 
„Er fonnte es in der Gnade, erwiedert dle Weisheit; gegen 


— 2710 — 


die allgemeine Mafel des traurigen Erbthelles wird es efn 
Element geben, durch welches er von der Echmwelle des Das 
feind an und das ganze Leben hindurch ter Gnade theilhaftig 
werden kann.“ Und nun naht auf den Ruf des Lichtes das 
Waffer mit einer Muſchelſchaale, um mit feinen fchönen Flus 
then die Sünde des Erbgeborenen zu tilgen; zugleih aber 
verheißt die Erde, in Aehren und Reben ein zweites Sarras 
ment darzubieten ; durch das unter dem Beiftande der Gnade 
die Befferung dauernd fei. Die Hölfengeifter entfliehen. „O! 
wenn auch biefes Traum ift, fo laßt mid) nie erwachen!“ 
ruft der befeligte Menfdy, und die Macht befchließt: „Da du 
träumft, fo lange du lebft — denn das Leben iſt Traum — 
fo büße nicht zum zweiten Male ein fo hohes Gut ein, fonft 
findeft du Did) in noch engerem Rerfer wieder, wenn du, mit 
Schuld beladen, vom legten Todesſchlaf erwachſt!“ Ein 
Triumphgeſang: „Ehre jei Gott im Himmel und Friede dem 
Menſchen auf Erden!“ Heichliefit das Auto. 

La Serpiente de Metal, gegründet aus das 4. 
Bud Mofe, Cap. 21. Die Hehräer feiern mit Gefang und 
Tanz ihre Befreiung aus dem Joch Aegyptens. Mofes ruft 
ihnen in einer eindringlichen Rede Alles in's Gedächtniß zurüd, 
was der Herr für fie gethban, und ermahnt fie, ftanphaft im 
Glauben an den Einen Gott zu beharren. Das Volf zerftreut 
ft); nod) hört man aus der Ferne die heiligen Gefänge; ba 
erfcheinen Belphegor und die Idolatrie, voll Wuth und 
Neid auf das auserwählte Volt, aus deffen Mitte, wie pros 
phezeiht ift, einft das Weib hervorgehen folle, das der Vers 
berberin des Menfchengefchlechtes, der Schlange, den Kopf 
zertreten und den Meſſias gebären werde. Beide ſchmieden 
einen Plan, bie Hebräer zu verderben, wonach Belphegor 
den Heidenfürften Amalek in Waffen wider fie rufen, die 


— MM — 


Idolatrie fie zum Abfall von Bott bereden follz und kaum 
haben fie fid) entfernt, fo vernimmt man hinter ber Scene 
Gemurr der Sfraeliten. Die fieben Affecte (Stolz, Geiz, 
Wolluſt, Zorn, Neid, Genußſucht und Trägheit) treten in 
Geftalt von Hebräern auf und hadern mit Moſes, baf er 
fie, ftatt in’8 Land der Verheißung, in die Wüftenei geführt. 
Kriegslärm; Sofua fommt mit der Soolatrie, die ihm ben 
bevorſtehenden Ueberfall des Amalef gemeldet hat; er zieht 
in den Kampf, Soolatria aber bittet heuchlerifch, in den Glau⸗ 
ben des Einen Gotted aufgenommen zu werden, was ihr von 
Mofes, unter dem Borbehalt, fie erft näher zu prüfen, zuge⸗ 
ftanden wird. Der Kampf beginnt; Mofes und Aaron flehen 
zum Herren ber Heerſchaaren um Sieg; Belphegor ftürzt 
fliebend herein und verfündet die Niederlage der Heiden, und 
bald erfcheint aud Joſua im Triumphzuge. Eine feurige 
Wolfe, aus deren Mitte Engelftimmen erfchallen, ftellt ſich 
an die Spige des Hreres und führt es durch die Wüſte wei⸗ 
ter; aus einer anderen wird von Engeln Manna geftreut. 
(Auf das Borbildliche in allem Diefem, wie unter den Sfraes 
titen das menſchliche Gefchlecht, unter der feurigen Wolfe die 
- göttliche Gnade, unter dem Danna das Sacrament des Al: 
targ gemeint ſei, braucht nicht aufmerffam gemadt zu wer: 
den.) Trog dieſer offenbaren Zeichen der göttlichen Huld aber 
laffen fi) Einzelne aus bem Volfe, und zuerft die fieben Af- 
fecte, durch die Idolatrie zum Abfall von dem wahren Gott 
verleiten, und verlangen von Aaron, daß er ihnen ein Gögen- 
bild made. Nicht lange, fo fteht das goldene Kalb fertig da, 
und die Bethörten verfammeln fid) tanzend und fingend um 
daffelbe. Zugleich erblidt man im Hintergrunde auf bem Gip⸗ 
fel eines Berges Mofes, die Gefegestafeln in der Hand; er 
fleigt herab, um fie dem Bolfe zu bringen, zerſchmettert aber, 


— Y — 


alg er wahrnimmt, was während feiner Abtvefenbeit vorge= 
gangen, im Grimm die eine der Tafeln, dringt mit Joſua 
und Aaron auf die gößendienerifche Notte ein und macht ihre 
Anführer nieder. Die Idolatrie und Delphegor fehen fich fos 
mit abermals befiegt, finnen auf neue Mittel, dic Iſraeliten 
zu verderben, und füllen die Wüfte mit feurigen Schlangen, 
deren Biſſe Krankheit und Tod erzeugen. Die Hebráer, unter 
ihnen die Affeete, ftitrzen einer nad) dem anderen verwundet 
und blutend herein, und flehen Gott um Barmherzigkeit an. 
Da erfcheint Mofes von neuem auf bem Gipfel des Berges, 
in der einen Hand die Gefegeötafeln, in der anderen das Bild 
der ehernen Schlange an einem Stabe, und ſpricht: „Segen 
über euch! Der Herr hat ſich eurer erbarmt und will eud) 
zeigen, daß feine Gnade größer ift, alg euer Undank. Er bes 
fiehlt mir, die Schlange, die an dieſem mpyfterienreichen und 
wunderbaren Holze hängt, dor euch aufzurichten, auf daß, wer 
fie. anblickt von den Biffen jener anderen Schlangen genefe. 
(4. DB. Mofes, 21 , Bers 9). — „Aber wie fann es fein, 
fragen Belphegor und Soolatrie, daß das Bild einer Schlange 
den Biß der wirklichen heile?“ „Die Sünde — erwiedert 
Mofes — ift ein Gift, das Herz und Seele verdirbt; wer 
aber ben von der Schlange Gebiffenen heilen will, muß, ohne 
felbft an der Sünde Theil zu haben, die Geftalt des Sün⸗ 
ders annehmen.” Und nun erjcheinen wieder die beiden Mol: 
fen von vorhin, deren eine bem Heere durd) die Wüſte vors 
anzog, die andere Manna regnete. „Ich — redet ber Engel 


aus der einen — will cud das Licht zeigen, das ich in ” 


meinem Schoofe barg und das Fünftigen Zeiten ftrahlen wird 
die heilige Speife, die der Seele ewiges Leben gewährt.“ 
„Und ih — tönt es aus der anderen — die Sonne, dieeinft 
aufgehen wird; feht fie Dort, jener Schlange entſprechend, an 


— 73 = 


nod) wunbervollerem Holze erhöht!” Der Gipfel des Berges, 
auf bem das goldene Kalb ftand, enthüllt ſich wieder, und 
zeigt ftatt des Götzen bas Bild bes Gefreuzigten. „Da feht 
den, der, die giftigen Biffe der erften Schlange heilend, 
ohne felbft Sünder zu fein, deffen Oeftalt annehmen wollte, 
um ihm durch feinen Tod zeitliche und erviges Leben 
zu fchenfen!« Die Feinde Gottes verftummen, und Mofes 
fchließt: „So laßt ung hoffend jener Zeit entgegenharren, tele 
ein fo unermeßliches Wunder fehen wird.“ 


Geſch. d. Lit. in Spanien. 11. Bo. 18 


Anhang. 


Meber die Zahl und Ehronologie von Calderon”s 
dramatiidben Werken. 


Dem Berfuche, die Anzahl von Calderon's Schauſpie⸗ 
len, fo wie deren Zeitiolge zu beflimmen, laffen wir ben, 
oben ©. 42 erwähnten Brief des Herzogs von Beragua, in 
welchem biefer den Dichter erfuchte, ihm ein Berzeichniß fei- 
ner Eomödien und Autos zu fenden, fo wie die Antwort auf 
denfelben auszugsweife vorausgeben *”). 

Der Herzog von Beragua an Don Pedro 

Calderon de la Barca 

„Da idy damit umging, alle Shre Schaufpiele zu fam: 
meln, babe ich bie Titel derfelben in folder Berwirrung und 
ihre Anzahl fo verringert gefunden, daß ich mid) entſchließen 
mußte, meine Zufluht zu Ihnen felbft zu nehmen, damit 
Sie mir meine Zweifel löſen möchten. Mein Glüd hat mid 
von früh an in Freundfchaft mit Shnen verbunden, darum 
nehmen fie es freundlih auf, wenn id Sie infländigfl er= 


2) Diefe beiden Documente wurden ¿uerft als Anhang zu einem 
Lobgedicht auf Balderon gebrudt, das Don Gaspar Aguftin de Lara 
1634 unter dem Titel Obelisco fúnebre befannt mate; hierauf hat 
fie la Querta in fein Theatro Hespañol, parte II. tomo IH. und von 
ber Malsburg, deſſen Ueberfegung wir hier, fo wie in den oben ©. 44 
ausgehobenen Stellen benupen, in die Vorrede zu feinem Calderon auf: 
genommen. 


— 75 — 


fuche,, mit aller Genaufgfeit anzugeben, welches Ihre fämmt- 
chen Schaufpiele find, und mir ein Verzeichniß ber Titel 
derfelben zufommen zu faffen damit ich fie nach dieſer Richt⸗ 
ſchnur auffuchen fónne. In diefer Abficht fchließe ich Ihnen 
die Lifte aller unter Ihrem Namen gehenden bramatifchen 
Dichtungen, welche ich bis jegt in fünf Theilen befige, bei, 
und bitte Sie, mir zu fagen, ob es deren mehr gibt, fobarn 
auch, wo ich die auf dem gleichfalls beigehenden gmeiten 
Berzeichniffe benannten, von mir bisher vermißten Stüde 
finden fann. 
„Nach Befeitigung biefes erften Punktes Taffen Sie uns 
zu einem zweiten übergehen, und erlauben Sie mir, daß id) 
damit anfange, Sie zu ſchmälen; denn Sie fcheinen allen 
‚Ruhm, den Sie in der Welt erworben haben, mit Gerings 
ſchätzung zu vergelten. Was foll es heißen, da Sie der Stolz 
unferer Nation find, daß Sie dieſen Ruhm fo unbefümmert 
hinnehmen, und ben Glanz, der aus Ihren Werfen auf alle 
Spanier übergeht, der Zufälligfeit und der Gefahr des Uns 
terganges Preis geben? Ganz vorzüglich betrifft dies die 
Autos, von welchen Sie, nachdem Sie die Geduld der Ges 
lehrten und die Neugier der Gebildeten viele Jahre hindurch 
auf die Probe geftellt haben, einen Band bruden laffen und 
dann die übrigen aufopfern, um die Ungerechtigkeit gegen 
biefelben nod) auffallender zu maden. Nein, Don Pedro, 
Sie find entweder überaus zufrieden mit fich felbft, oder 
überaus unzufrieden mit allen Andern, und beide Extreme 
fireiten fehr gegen die wahre Mäßigung. Mein Vorhaben hat 
mich in ben Fall gefept, das Organ der allgemeinen Erwars 
timg zu fein, und fo betheure ich Ihnen denn im Namen 
Aller, daß Ste durch diefes Benehmen ein großes Publifum 
und manche Ihnen entgegentommende Achtung fránfen. Id) 
| j 13 * 


— Mm — 


bitte Sie paher wiederholt angelegentlichft, die Herausgabe ihrer 
Autos fortzufegen, nein nicht fortzufegen, fondern zu beendigen, 
indem Sie alle, welche Sie gedichtet haben, auf einmal zum 
Drude fommen laffen; und wenn es Ihnen hierzu an ente 
fprehenden Mitteln fehlen follte, fo fagen Eie mir, welche 
Sie von mir angeboten wünfchen, damit ich die nöthigen 
Summen am gehörigen Ort niederlegen fónne; denn es tft 
ein fehr trauriges Zeichen unferer Zeit, daß, wer Alles vers 
dient hätte, fürchten darf, es fónne ihm an irgend etwas 
fehlen. Was Sie mir biefer Andeutung halber an Danf ers 
wiedern möchten, erwiedern Sie mir an Pünftlichfeit; nur 
diefe wird mid wahrhaft befriedigen. Und mährend ich diefer 
Genugtbuung von Ihnen entgegenfehe, erzeigen Sie mir 
die Gewogenheit, mir, neben bem Berzeidhniß der Schau- 
fpiele, aud) ein befonberes über Ihre ſämmtlichen Autos zu 
überſchicken. Seien Sie nur bedadt, mir weder das Eine, 
nod bas Andere zu verfagen. Gott erhalte Sie nod) viele 
Sabre. Königliher Palaft von Balencia, den 18ten Junius 
1680. Ihr wohlgeneigteffer Diener, ber Admiral und Herzog.“ 
Holgendes ift die Antwort des Calderon: 
„Derehrtefter Herr! 

Wohl bedurfte eS bes hohen Glüdes, im Gedächtniß 
Eurer Ercellenz zu leben, um mid für die Peinlichkeit zu 
tröften, in der ih mid) in Folge‘ eines leichten, durch Alter 
und Kränklichkeit ſchwer gemachten Falles befinde. Sch war 
dadurd auf einer Seite ganz gelähmt, und um E. E. nit 
durch fremde Hand zu fchreiben, verfchob ich es bis jet, wo 
ih, einigermaßen hergeftellt, mid) im Stande fühle, bie Feder 
zu ergreifen. Dod) habe ich darum bie Zeit nicht verloren, 
E. E. meinen Gehorfam zu beweifen, indem biefer Auffchub 
mir dazu gedient hat, auf Erfüllung deffen, was Sie mir bes 


— 211 — 


fohlen, und beffen, weshalb Ste mich gefchmält haben, in 
gehöriger Ordnung Bedacht zu nehinen, wobei ich jedoch einen 
höheren Werth auf bas Schmälen, ald auf den Befehl Tege. 
Sollten bie erwähnten Gründe zu meiner Rechtfertigung nicht 
binreidhen, fo möge das die Verzögerung meiner Antwort 
entfhuldigen, Daß es mir an Worten fehlte, die Hochſchätz⸗ 
ung, Ehrfurcht und Ergebenheit auszudrüden, wozu mich bie 
mir von E. E. erwiefene unverbiente Ehre auffordert. Doch 
biefer Entfchuldigungsgrund Hört auch jegt nicht auf; nachdem 
ich über den Ausdruck nachgedacht habe, fehlt er mir wie 
zuvor; ich muf meine Hoffnung darauf bauen, daß Ihr Wohls 
wollen mid) vertrete, denn hr hoher Sinn allein fann mir 
das Ausfprechen ver Danfbarfeit erlaffen; und fo darf ich zu 
der Pflicht, welche Ahr Befehl mir auflegt, übergehen. 
„Ich, gnädiger Herr, fühle mich belefdigt durch die mannich⸗ 
faltigen Kränfungen, welche mir die Buchhändler und Buds 
druder zugefügt haben. Nicht zufrieden, meine fchlecht ausges 
feilten , fehlerhaften Werfe ohne meinen Willen an's Licht zu 
ziehen, bürden fie mir auch noch die fremden auf, alg wenn 
ih an meinen eigenen Srrthümern nicht genug hätte, und 
felbft biefe geben fie fchlecht abgefchrieben, ſchlecht corrigirt, 
mangelhaft und unvollftändig, fo daß ih E. E. verficern 
fann, daß ich meine Schaufpiele, wiewohl fie mir nad) ihren 
Titeln befannt find, dem Contert nad nídt wieder erfenne. 
Einige von ihnen, welde wir zufällig zu Geficht gefommen 
find, waren, id ygeftepe es mein, doch ich Täugne, daß fie 
es noch feien, fo fid) felbft unähnlich haben fie die geftobles 
nen Copien einiger fleinen Diebe gemadt, die von Verkauf 
berfelben leben, weil es Andere gibt, die ſich von ihrem Ans 
fauf nábren, ohne daß ſich diefem Schaden Einhalt than 
ließe, wegen des geringen Werthes, den biejenigen auf dieſe 


N 


— N — 


Gattung des Diebftahls legen, welche, von ber Ungerebtig- 
feit defjelben in Senntnif gefegt, vafür halten, daß die Poefie 
mehr ein Fehler deſſen fei, der fie ausübt, alé ein Vergehen 
beffen begründe, der fie in üblen Ruf bringt. Diele Kedheit 
und Die wenige Beachtung, deren die Herrn Specialridter 
der Drudereien und Buchhandlungen meine verfchiedentlich 
geführte Klage gewürdigt, haben mir einen folden Wider⸗ 
willen beigebracht, daß id) fein anderes Mittel finde, als 
mid) auf ihre Seite zu ſtellen und gleichfalls Geringſchätz⸗ 
ung für mid) felbft zu tragen. Sn biefer Geſinnung dachte ich 
mid) zu erhalten, al8 das unverhoffte Glück, daf E. E. fi) 
meiner erinnern, mid) bergeftalt belebt, daß id) unter Ihrem 
Sube den Drud der Autos fortfegen will; denn biefe find 
das Einzige, was ich aufzufammeln bemüht gewefen bin, das 
mit fie nicht das widrige Schickſal der Schaufpiele erfahren 
möchten. Ich war bei einer fo geheiligten Materie in Sorgen, 
tenn ein Berjehen, fei es der Feder oder des Drudes, fann 
den Sinn einer Stelle der Gefahr der MiBbilligung ausfeßen. 
So überfende id) denn E. E. tas Verzeichniß der Autos, die ich in 
meiner Gewalt habe, und füge die Ueberſicht der Schaufpiele 
hinzu, die fowohl in verfdievenen Büchern zerftreut find, als 
bisher unverlegt im Dimfel aufbehalten worben, damit Sie 
über das Eine und das Antere verfügen. In Ihrem Namen 
werde ich bie Herausgabe ber Autos fortiegen, fobald . ich 
wieder hergeftellt bin, wovon ih E. E. benachrichtigen werde, 
indem ich mir das freigebige Anerbieten bis ¿un Augenblid, 
wo ih davon Oebraud) machen müßte, aufbehalte. Der Herr 
bewahre hr Leben mit allen Glücksgütern und Ehren, deren 
Sie würdig find und die id Ihnen wünſche. 
Madrid, den 24ften Julius 1680, 
E. E. ergebenfter Rapellan 
Don Pebro Galberon de la Barca.“ 


— — 


— 219. — 


Die Anzahl ber Komödien, welche Calderon in bem: 
Diefem Briefe angehängten Berzeichniffe felbft für ächt und 
von ihm verfaßt erflärt, beläuft fih auf hundert und 
eilf. Diefe Angabe, alg die authentifchfte, muß bei allen 
unferen Berechnungen zum Grunde gelegt werten. Allein es 
drängt fid fogleih auf, daf in biefem VBerzeichniffe, welches 
der Dichter wahrfcheinlich nur flüchtig hingeworfen bat, einige 
unzweifelhaft ächte Schaufpiele des Calderon fehlen, nämlich 
die folgenden ſechs: 

La Sefiora y la criada. 

- Nadie fie su secreto. 
Las tres justicias en una. 
Cefalo y Procris. 
La Sibila del Oriente. 
Las Cadenas del demonio. 


Außerdem bezeichnet Verra Taffi8 nod) vier andere Stüde 
als Acht, nämlich: 
La virgen de Madrid. 
El condenado de Amor. 
El sacrificio de Efigenia. 
Los desagravios de Maria. 


Hiernach beläuft ſich denn die Anzahl fämmtlicher Cal: 
deron’fchen Comödien, die wir mit gutem Grunde für wirflich 
von ihm verfaßt halten dürfen,auf Hundert und einund« 
zwanzig. Freilich find außerdem nod) fehr viele andere un» 
ter feinem Namen gedrudt, und eS wäre, da wir einmal die 
eigenen Angaben des Autors ald ungenau fennen gelernt has 
ben, nicht ganz unmöglich, daft fi nod) das eine vber das 
andere wirklich von ihm herrührende darunter befände, aber 
im Allgemeinen fpricht die Wahrſcheinlichkeit gegen die Accht- 


— 28) — 


heit aller diefer Stüde, die aud von Vera Taffis verworfen 
werben *), 

Nach der Herrfchenden Gewohnheit feiner Zeit vereinigte 
fih Calderon verſchiedene Male mit anderen Didtern zur 
gemeinfamen Abfaffung von Dramen. Nah feinem Freunde 
und erften Biographen foll auf dieſe Art von ihm geichrieben 
fein: 


Die 1fte Jornada von Enfermar con el remedio. 


„ " » El monstruo de la fortuna. 
Die 3te Jornada von La fingida Arcadia. 
"o 0 „ „ EI pastor fido. 


> Die Dreiftigfeit, mit welcher die Buchhändler Calderon's Na= 
men mißbrauchten, ging fo weit, daß fte allbefannte Werke anderer Dich: 
ter, 3. B. den Tejedor de Segovia von Alarcun und den Garcia del 
Castañar von Rojas, ja folche,, in denen ſich Der wahre Verfaffer am 
Schluſſe nennt, mit dem Aushängefhhild de D. Pedro Calderon be: 
zeichneten. Siniger Grund zu dem Glauben, die Bezeichnung Diefer, vom 
Dichter mit Stillfchweigen übergangenen und von Vera Taffis verworfenen 
Dramen fónne doch vielleicht richtig fein, tritt unferes Bedünkens bei 
den folgenden ein: j 

La Española en Florencia, nach derfelben Novelle, welche 
der Comedia de los Engaños von Lupe be Rueda und Shakſpeare's 
Twelfth-Night zu Grunde liegt, aber fich treuer an biefe anfchließend ; 
ein fehr lobenswerthes Stud, welches dem Namen Balderon’s Feinenfalls 
Unehre bringen fann. 

Los empeños de seis horas. Ein höchſt verwideltes 
Intriguenfpiel von geiftvoller und geſchickt durchgeführter Anlage, und ſehr 
in der Manier unſeres Dichters. 

El escandalo de Grecia contra las santas ima- 
genes. In den Schlußworten wird Calderon ausdrüdlich als ber Ver: 
faffer genannt, die innere Befchaffenheit des Stücks (weldes ber Re- 
pública al revés von Tirſo nadygebilbet ift, indeffen weit hinter berjel- 
ben zurüditeht) feheint freilich Diefes Zeugniß nicht fehr zu unterftigen. 


— — — — ([— 


— 281 — 


Die 3te Jornada von Circe y Polifemo. 


Pa” „ „ La Margarita preciosa. 
"y ” ” El mejor amigo el muerto. 
„mn u „ Elprivilegio de las mugeres °*). 


Die beiven Gefammtausgaben von Calderon's Combó: 
dien, deren erfte, von Vera Taffts beforgt, gleich nad) des 
Dichters Tode im Sabre 1684, bie ¿weite von Apontes im 
Sabre 1750 erfchien, enthalten nur 108 ber obgenannten 
Stüde. Vera Taffi8 hatte die Abficht, den neun Bänden fei- 
ner Ausgabe nod) einen zehnten hinzuzufügen, welcher bie 
folgenden Titel enthalten follte: 


La virgen de los remedios. 

La virgen de la Almudena 1* y 2 * parte. 
S. Francisco de Borja. 

Don Quijote de la Mancha. 

La Celestina. 

El acaso y el error. 


4) Nur einige von dieſen Comödien find mir befannt. El Monstruo 
de la Fortuna (im 24ften Bande der Comedias nuevas escogidas) 
mit Rojas und einem Ungenannten im Verein gefchrieben, behandelt bie 
Gefchichte der Neapolitanifchen Wäfcherin Felipa CGatanea , welche fich 
aus ihrem geringen Stande zur glänzenbften Höhe emporfchwang , dann 
aber alg Haupt ber Berfchwörung gegen den König Andreas gefangen 
genommen wurde und an den Folgen der ausgeftanbenen Folter ftarb 
(f. Histoire des Rois des deux Siciles de la maison de France, 
par d’Egly, Paris 1741, T. L p. 442 und zu Anfang des zweiten 
Theile, und Boccaccio, De Casibus virorum et feminarum illustrium, 
L. 9. Cap. 26). — El pastor fido (mit Antonio Coello) Tebnt fi 
ganz an Ouarint, Unter La fingida Arcadia ift wohl das Stúd ge: 
meint , welches fonft unter dem Namen bes Moreto geht. Ueber El 
mejor amigo el muerto ward fihon im vorigen Bande Seite 636 ge: 
ſprochen. 


— 22 — 


El carro del Cielo. 
Certamen de amor y zelos. 
La virgen de Madrid. 

El condenado de Amor. 
El sacrificio de Ifigenia. 
Desagravios de Maria. 


Diefer zehnte Band aber iſt niemals erfchienen, und bie 
Schaufpiele, welche für ihn beftimmt waren, fcheinen bis auf 
das, welches den Titel El Phenix de España San Francisco 
de Borja führt 95), verloren zu fein *e). — Diejenigen Stüde, 
an deren Abfaffung Calderon nur partiell Antheil hat, find 
in feíne der Gefammtausgaben übergegangen und nur in al: 
ten Einzeloruden (Suelta) vorhanden. 

Die Zahl von Ealveron’s Autos wird von Vera Taflis 
auf mehr alg hundert angegeben. Der Dichter felbft jedoch 
nennt in dem an den Herzog von Veragua gerichteten Ver⸗ 
zeichniffe nur acht und fechgzig. Wenn nun dieſes Verzeichniß, 
mie wir fchon an den Komödien faben, auch nicht ganz ge- 
nau fein mag, fo läßt fid doch nicht annehmen, daß ber 
Autor, der gerade auf diefe Gattung von Werfen ein befon- 
deres Gewicht legte, mehr als dreißig feiner Autos unerwähnt 


85) Es gibt drei Komödien biefes Titels, eine von Galleja, eine 
zweite von Fernandez de Leon, eine dritte mit ber Meberfchrift Por un 
ingenio de esta corte (gedrudt en Sevilla por Francisco de Leef- 
dael), und biefe leßtere ift, nad) allen inneren Kennzeichen, das Werk 
Galderon’s. 

e) Bera Taffis fagt, die Bibliothek des Colegio Mayor de Oviedo 
zu Salamanca bewahre bie Werke des Calderon auf; es wäre daher 
möglich, daß biefe verloren geglaubten Stücke fich dort noch fänden, und 
es iſt mir nicht befannt, ob man wegen Derfelben ſchon Nachforfcehungen 
angeftellt Hat. 





— A — 


gelaſſen habe, und wir müſſen demnach fene Zahlenanführung 
dem hyperboliſchen Style zu Gute halten, in welchem der 
ganze biographiſche Artikel geſchrieben iſt. Die vollſtaͤndigſte 
Sammlung ber Autos sacramentales de Don Pedro Cal- 
deron de la Barca, welde Apontes im Sabre 1760 zu 
Mabrid herausgab, enthält 72 Titel. 

Bon ben 200 Loas, von denen Vera Taflis fpricht, if 
nur ein fehr geringer Theil auf uns gefommen; denn diejes 
nigen, welche fid vor den Autos finden, rühren nad ber 
ausdrücklichen Erflärung bes SHerausgebers, zum Theil von 
anderen Berfaffern ber; unter ben Comödien aber find nur 
ein Paar der Feftípiele mit einem ſolchen Einleitungegebicht 
verfehen. Von ben hundert Saynetes, welche Calderon 
verfaßt haben ſoll, feheint bie bei weitem größere Zahl uns 
tergegangen zu feinz aud) die wenigen, welche nod) vorhans 
den fein mögen, find von höchfler Seltenheit, und id habe 
mid) vergebens bemüht, auch nur ein einziges derfelben auf: 
zutreiben. In dem höchſt unvollftändigen Verzeichniſſe fpani- 
ſcher Saynetes, welches La Huerta geliefert hat, prangen fols 
. gende Titel mit Calderon's Namen: 
| El Asturiano en el Retiro. Las Carnestolendas. 
El Dragoncillo. La muerte. La plazuela de Santa Cruz. 
- La Premática. La tarasca de Alcorcon. 

Die Comödien des Calberon find in fämmtlichen Aus: 
gaben ohne Rücficht auf die Zeit ihrer Entftchung bunt durch⸗ 
einander gemifcht, und feiner feiner Herausgeber hat daran 
gedacht, fie in chronologifche Ordnung zu bringen. Da nun 
die frühere Zeit, alg vergleichen Unterſuchungen noch, leicht 
‚ Waren, dies vernacdhläffigt hat, fo wirb es ber neueren, welche 
bem Hiterarifchen Leben jener Tage fo weit entrüdt ift, un: 
möglich, das Verfäumte in feinem ganzen Umfange nachzu- 


_ BB — 


holen. Einzelne Anhaltspunfte Taffen fido jedoch aud) jegt nod) 
auffinden, und bei dem hoben Sintereffe, welches es haben 
muß, die Entwidelungegefchichte des Dichters in feinen Wer 
fen felbft verfolgen zu fünnen, wird es Feine vergebliche Ars 
beit fein, diejenigen Comödien, von denen ſich die Entſteh⸗ 
ungszeit mit einiger Zuverfidht angeben läßt, in chronologt- 
fher Folge aneinander zu reihen. Die Haltpunfte, welche 
ung hierbei zu Gebote fteben, find einmal hiſtoriſche Anfpiel- 
ungen in ben Stüden felbft, nad) denen fid) die Zeit ber 
Abfaffung und Aufführung oft fehr genau feftitellen läßt, dann 
zweitens bie älteften Ausgaben von Calderon's Comödien, 
aus welchen fid) zwar feine aufs Jahr genaue Angaben, 
aber doch immer beadhtungswerthe ungeführe Beftimmungen 
der Entftehungszeit entnehmen Taffen. Wie ſchon erwähnt 
wurde, erfihlen der erfte Band von Calderon's Schaufpielen 
in áltefter Ausgabe im Jahre 1635, der zweite im Jahre 1637; 
bie vierundzwanzig in biefen beiden Bänden enthaltenen Eos 
mödien gehören daher der früheren Tebengzeit des Dichters 
an. Die zwölf des dritten Theils find zuerft gedrudt 1664, 
die ¿wolf des vierten 1672, und dies verdient immer feftge: 
halten zu werden, wenngleih man bier nicht ben Schluß 
ziehen darf, daß dieſe fämmtlich erſt fo fpät gefchrieben feien, 
da mandes weit früher verfafite und Aufgeführte Werk bis 
dahin nod) Manufeript getvefen fein kann. Die fpäteren Bände, 
welche fämmtlich erft nad dem Tode bes Verfaſſers erfchie 
nen, find zum Zmede der Chronglogie ganz unbrauchbar ; das 
gegen fommen uns die großen Sammlungen ſpaniſcher Eo: 
múbien von verfchiedenen Berfaffern zu Hülfe, in welchen 
viele Stüde Calderon'8 zum erften Mal im Drud erichienen 
find. Hat man nun einmal eine geriffe Anzahl von Cafes 
ron's Dramen der Zeitfolge nad) geordnet, fo wird man aud) 





— 285 — 


von den übrigen, beren Abfaffungszeit ſich nad) äußeren Das 
ten nicht beftimmen läßt, doch nad) inneren Merfmalen und 
namentlich nad) dem Styl mit einiger Sicherheit angeben fóns 
nen, 00 fie der früheren, mittleren oder fpäteren Periode des 
Dichters angehören. Wir begnügen uns jedoch, hier eine Zeit 
tafel der Stüde zu geben, deren Entſtehung ſich mit einiger 
Sicherheit in ein beftimmtes Jahr verlegen läßt; dazwiſchen 
werden Diejenigen eingefchoben, von denen fid) nur fügen läßt, 
daß fie nicht Später, ald in ben angegebenen Sabren, vers 
faßt fein können; und zulegt folgt ein Verzeichniß derer, für 
welche wir gar Feine dhronologifhen Haltpunfte ermittelt has 
ben und deren Entftehungszeit ſich daher nur durch eine, in's 
Einzelne gehende, bier zu weit führende Kritif feftftellen 
ließe 9”), 

El Carro delCielo. Das unzweifelhaft ältefte, aber 
jest vermuthlich nicht mehr vorhandene Drama bes Calderon, 
nad Vera Taffis um’s Jahr 1613 gefchrieben. 

El Sitio de Breda. Im abre 1625 oder doch fpás 
teftens im darauf folgenden verfaßt und aufgeführt; denn bie 
Einnahme von Breda durch die Spanier, welche in dem Stüde 
verberrlicht wird, fand am 2ten Juni 1625 Statt, das ganze 
Drama aber trägt den Charafter eines Gelegenheitsgevichtes 
und wurde, wie aus den Schlußworten hervorgeht, auf höhere 
Veranlaffung gefchrieben, alg die Nachricht von jenem Ereig- 
niffe in Madrid angelangt war. 

Casa con dos puertas mala es de guardar. 
Wahrfcheinlich im Jahre 1629 geſchrieben und zuerſt aufge⸗ 
führt; denn die Verſe 


) In Bezug auf die einzelnen, für das Folgende benutzten Daten 
iſt mir der ſchon mehrfach angeführte Aufſatz V. Schmidt's in den Mie: 
ner Jahrbüchern von großem Nutzen geweſen. 


— WW — 


La Reyna 

Que infinitos siglos viva, 

Para que Flores de Francia 

Nos den el fruto en Castilla 
deuten auf Philipp’s IV. erfte Gemahlin, Elifabeth von Franfreich, 
und die hier ausgefprochene Hoffnung bezieht ſich alleın Anfchein 
nad) auf bie bevorftebende Geburt des Kronprinzen Balthafar, 
welche im October 1629 Statt hatte. Eine weitere Unterflügung 
diefer Vermuthung [fegt in folgenden Worten unſeres Stüdes: 

La Dama duende serä 

Que bolver a vivir quiere. 

Es ſcheint, daß hiermit die bevorftehende Aufführung ber 
Dama duende angefündigt werde, und zwar daß es ein frühe. 
reg gleihnamiges, von Calderon nur umgearbeitetes Stüd 
gab. In ben erften Worten der Dama duende ift nun fo: 
gleih von der Geburt des Rronprinzen Balthafar die Rede, 
eine Erwähnung , die doch nur ntereffe haben fonnte, wenn 
dies Stúd bald nach dieſem Creigniffe auf bie Bühne fam. 
Hiernadh wurde denn, wie es feheint, La Casa con des 
puertas zum erften Mal im Sommer 1629, 

La Dama duende im Spätherbft over Winter 1629 
aufgeführt. 

Mejor estäqueestavä. Die Zeit der Abfaffung und 
Aufführung tft nach aller Wahrfcheinlichfeit das Jahr 1631, 
- denn die ausführliche, in das Stúd eingefchaltete Schilderung 
des feftlichen Empfangs der Infantin Maria in Deutichland 
würde fpáter fein Intereffe mehr gehabt haben- und übel an: 
gebracht gewefen fein; die Vermáblung diefer Infantin mit Ferdi⸗ 
nand, König von Ungarn, fand aber am 26ften Febr. 1631 Statt. 

La Vanda y la Flor muß noch im Sabre 1632 auf 
die Bühne gefommen fein; denn einmal wirb darin die Hul 


— 287 — 


digung bes Prinzen von Afturien, welche zu Anfang von 
1632 Statt hatte ( Ludolf8 Schaubühne, 11. 143), weitläuftig 
befchrieben, dann aber gefchleht der beiden Brüder Philipp's IV., 
der Infanten Ferdinand und Carlos, Erwähnung; da aber 
der Legtere gleichfalls im Sabre 1632 fon ftarb, fo würde 
feines Todes, wäre er bei der Abfafjung bes Stückes fchon 
erfolgt getvefen, ohne Zweifel mit einem klagenden Zufaß ges 
dacht worden fein. 

Los tres mayores prodigios. Zwiſchen den Sahren 
1629 und 1634 aufgeführt; denn es ift darin von dem Krons 
prinzen Balthafar die Rede, welcher 1629 geboren wurde; 
die Ueberfhrift des erften Aftes aber gibt an, das Stüd fet 
von der Truppe de Thomas Fernandez Cabredo gefpielt wor⸗ 
den, und diefer Schaufpielvireftor ftarb fon im Jahre 1634 
(Pellicer, Tratado histórico, T. 1. pag. 139). 

Mañana será otro dia. Jm Beginn dieſes Stúd8 
wird der Tod des Herzogs von Lerma, der im Sommer 1639 
bei der Belagerung von Maftricht blieb, mit dem Ausdrud 
lebhafter Theilnahme erwähnt, und diefer Umftand macht Die 
Annahme, das Drama fei bald nad) jenem Zeitpunft aufge: 
führt worden, febr wahrſcheinlich. (S. die Jortfegung bes 
Serreras, B. XII. pag. 194). 

La vida es sueño. 

El purgatorio de San Patricio. 
La gran Zenobia. 
La devocion de la Cruz. 

La puente de Mantible. 

Saber del mal y del bien. 

Lances de Amor y Fortuna. 

El principe constante. 

Peor está que estava. 


\ 


Zuerft gedruckt 
im Jahre 1635. 


— 28 — 


El escondido y la tapada. Bermuthlich im Sabre 

1637 zuerft aufgeführt. Die Verfe 

En Italia estaba, Celia, 

Cuando la loca arogancia 

Del Frances sobre Valencia 

Del Po etc. 
fpielen auf die Belagerung von Valenza am Po durch die 
Sranzofen an, telde am 28ften Oftober 1635 aufgegeben 
wurde (Fortfegung des Ferreras, B. XI. S. 230), und nur 
wenn das Stüd bald nad) biefem Zeitpunkt gefchrieben und 
gefpfelt wurde, Täft fid die Erwähnung diefes an fi nicht 
fehr wichtigen Bortheild erflären, welcher fpäter durch weit 
bedeutendere in DVergeffenheit gebracht wurbe. 


El mayor encanto amor. 

Argenis y Poliarco. 

El galan fantasma. 

Judas Macabeo. 

El Medico de su honra. 

La virgen del Sagrario. Zuerſt gedrudt 
El mayor monstruo del mundo **). im Jahr 1637. 
Hombre pobre todo es trazas. 

A secreto agravio secreta venganza. 

El astrólogo fingido. 

Amor Honor y Poder. 


22) Galberon ſcheint diefem Schaufpiel befondere Sorgfalt gewibmtet 
zu haben; die fpátere Necenfivn mit bem Titel: El mayor mónstruo 
los zelos ift eine völlige Umarbeitung ber älteren. Die Schlußworte 
des m. m.los zelos: „Wie es der Autor fchrieb, nicht wie es Der Dieb: 
ſtahl drudte,« gehen ohne Zweifel auf den alten Tert, Der zwar unver: 
fennbar von Calderon herrührt, aber, von ihm für unreif gehalten, wis 
der feinen Willen gedruckt worden war. 





— BB — 


No ay cosa como callar. Um 1638 gefchrieben, 
wie aus ber häufigen Erwähnung des Sieged ber Spanier 
bei Auentarabia, der in das Jahr 1638 fällt, hervorgeht. 

Certamen de amor y zelos. Diefes jest ans 
fcheinend nicht mehr vorhandene Feftfpiel ſchrieb Calderon nad) 
Vera Taffi8 im Jahre 1640 auf Befehl des Königs, 

Con quien vengo, vengo. Bermuthlich 1640 oder 
bald nachher verfaßt, da fpäter die eingeflochtene Befchreibung 
der Gefechte zwifchen Spaniern und Franzofen bei Eafale in 
Monferrat wenig Intereffe dargeboten haben würde. (Diefe 
Gefechte fielen 1640 vor; f. Ludolff's Schaubühne, IL 753). 

Mañanas de Abril y Mayo, jedenfalls vor bem 
Gten Oftober 1644 gefchrieben, indem die Königin Sfabelle, 
bie an biefem Tage ftarb, ald noch lebend genannt wird. 

Los empeños de un acaso. Späteftens im Jahre 
1646 verfaßt, indem Gorneille de l'Isle ſchon 1647 eine 
Nachahmung davon unter dem Titel Les Engagements du 
hasard auf die franzöfiihe Bühne brachte (S. H. Lucas, 
Histoire du Theatre francais, Paris 1843. pag. 393.) 

El gran Principe de Fez. Auf jeden Fall erft * 
nach dem Jahre 1644 gefchrieben, wie die Erwähnung des 
Papftes Innocenz X. (1644 — 1655) zeigt. 

En esta vida todo es verdad y todo es 
mentira. Oben (Seite 177) ward gefagt, diefes Stüd fet 
fhon 1637 gebrudt; wir hatten dabei den zweiten Band von 
Calderon's Comödien im Sinne, finden aber nun, daß dus 
Drama erft im britten ftebtz beffenuneradtet glauben wir 
(wegen ber .großen, ſchon von Voltaíre ¿ugegebenen Wahr: 
ſcheinlichkeit, daß Corneille'8 Heraclius bem fpanifchen nach» 
gebildet jei) einen Einzeldruck vor 1647 annehmen zu dürfen. 
Boltaire (veffen Angaben freilich nicht fepr ¿uvertáffig find) 

Gef. d. Lit. in Spanien. HI 8h. 19 


— 290 — 


fagt aud, Calderon's Schaufpiel werde fchon tn einer Nos 
manzenfammlung von 1641 genannt. 

' Guárdate del agua mansa. Bermuthlich zu Ende 
des Jahres 1649 oder zu Anfang des folgenden aufgeführt, 
alg die glänzende Schilderung des Empfanges ber: zweiten 
Gemahlin Ppilipp’s IV. (1Sten Nov. 1649) nod) befonderen 
Eindrud machen fonnte. 

No siempre lo peor es cierto., Iuerflgedrudti. 3.1652, 

La exaltacion de la cruz. in Der großen Sanımlung 
. der Comedias escogi- 

Luis Perez el Gallego. das, Band I. 9. 

El Alcaide de si mismo. Juerft gedrudt 1653 in 
El mejor de los mejores libros que han salido de Come- 
dias nuevas. Madrid, Maria de Quiñones. 

El Alcalde de Zalamea. Ebendafelbft in demfel- 
ben Sabre, jedoch unter dem Titel: El garrote mas: bien 
dado ¿uerft gedruckt. 

Amigo, amante y leal. Aeltefter Drud vom Jabre 
1653, im 4ten Bande der Comedias escogidas. 

Agradecer y no amar. Juerft gebrudt 1653, im 
Sten Bande berfelben Sammlung. 

Para vencer á Amor querer vencerle. Der 
áltefte Drud ift von 1654, im Tten Bande ber nämlichen 
Sammlung. Ä 


Darlo todo y no dar nada. |Suerft gebrudt im 
Gustos y disgustos son no Sabre 1657, im 
mas que imaginacion. Sten und 9ten Bde. 
Amado y aborrecido. der Comedias 
Las manos blancas no ofenden. | *5o8idas, 


% Unter biefem Titel führen wir immer die große Sammlung 
fpanifcher Comoͤdien verfchiedener Berfaffer an, deren Suhaltsverzeichnig 
ſich am Schluſſe dieſes Bandes befindet. 


— NN. AAN. .. GEBE eee e, e. 


— 29% — 


El Laurel de Apolo. Calderon bichtete anfänglich 
nur die Loa und ben erften Aft, und ließ fie am Geburtsfeſt 
des Prinzen Philipp Prospero (geboren ben 18ten Nov. 1657) 


aufführen. Später unter Karl IL arbeitete er bas Stúd um - 


und fügte einen zweiten Aft hinzu. 

La Fiera, el rayo y la piedra iſt zwifchen 
1651 und 1660 gefchrieben und aufgeführt worden, denn es 
tft darin von der Infantin Margarethe, der nachherigen Ges 
mahlin Raífers Leopold 1., die Rede; Diefe aber warb 1651 
geboren; und ferner wird angebeutet, das Stück feí auf Bes 
fehl der María Therefa verfaßt, alfo vor 1660, in welchem 
Jahre diefe Prinzeffin Spanien verließ, um fid) mit Ludwig 
XIV. zu vermáblen. 

El Golfo de las Sirenas. Auch diefes Stüd fällt 

in die Sabre zwifchen 1651 und 1659, denn es werden barlır 
biefelben Perfonen genannt, wie in dem vorigen. 
La Púrpura de la Rosa ward zur eier des Ph⸗ 
renäiſchen Friedens und der Vermählung der Infantin Maria 
Thereſa mit Ludwig XIV. alſo gegen Ende bes Jahres 1659 
aufgeführt. 

El encanto sin encanto iſt jedenfalls vor 1660 


gefehrieben, denn in biefem Jahre fam Lambert'3 Magie sans ' 


Magie, eine Nachahmung bes Calderon'ſchen Stüds, auf bie 

Parifer Bühne. (S.H. Lucas, Histoire du Theatre francais, 

pag. 395.) 

Los tres afectos de amor. 

Fuego deDios en el querer bien Comedias 

El Josef de las mugeres. escogidas. 
justici . | Der ältefle Drud J 1661 

Las tres justicias en una $ a Me —F bom aber 16 

El Conde Lucanor. escogidas. 

Cada uno para si. Zuerſt gedrudt 1661, in dem 
| 19* 


Buerft gebrudi 
1660, im Bd. XIII. 








— QQ — 


nämlichen Bande. Aus der Erwähnung der Einnahme von 
Barcelona durch Don Juan, den natürlichen Sohn Philipp's IV., 
leuchtet ein, bag das Drama früheftens 1652 gefchrieben ift, 
in welchem Sabre jenes Ereigniß Statt hatte. (S. Theatrum 
Europaeum 1656, T. VII. pag. 213). 
Dar tiempo al tiempo. Zuerfi gebrudt 1662, im 
Antes que todo es mi Dama. | Band XVII. ber Comedias 
Muger llora y vencerás. escogidas. 

Dicha y desdicha del nombre, áltefter Drud von 1662, 
in Band XVII. derfelben Sammlung. 

Zelos aun del aire matan. Zuerft gevrudt 1662, in 
Band XIX. berfelben Sammlung 
El Magico prodigioso. 
Auristela y Lisidante. 





S. Band XX. und XXI der 
námiidjen Saminlung, vom 





Cual es mayor perfeccion. Jahre 1663. 

El maestro de danzar. 

Los hijos de la fortuna. Zuerſt gebradt 1664, 
Afectos de odio y amor. in Band IH. ber 
La hija del Aire. Comedias de D. Pedro 


Ni amor se libra de amor. Calderon de la Barca. 


Tambien hay duelo en las damas. 

Fortunas de Andromeda y Perseo. Aeltefter 
Drud vom Jahre 1664, in Band XXI, der Comedias nue- 
vas escogidas. 

A mar despues de la muerte. Die Morte, mit 
welchen Philipp’s IV. natürliher Sohn, Don Juan, anges 
redet wird: 

Generoso Don Juan de Austria, 
. Hijo del Aguila famoso 
Que al Sol mira cara á cara, 
begründen den Schluß, daß das Stüf nad Philipp's Tode, 


— 298 — 


und zwar nicht vor 1667, bis zu welchem Sabre die Theater 
geichloffen blieben, aufgeführt worden fet. 

La Estatua de Prometeo. Aus mehreren Ans 
Deutungen in biefem Feſtſpiele geht hervor, daß es nach Phts 
Iipp’8 Tode am Geburtstage der Königin Mutter, Maria 
Anna, dargeftellt worden iſt, vielleicht aber nod) während ber 
Minderjährigfeit Karl’s 11. 

No ay burlas con el Amor iſt zwar nad allen 
inneren Merfmalen fchon weit früher gefchrieben, aus äußeren 
Umftänden aber läßt fi) nur beweifen, daß eS vor 1672 
entftanden fei. In diefem Sabre nämlih famen Molière's 
Femmes savantes, eine Nachahmung der Caldero en Eos 
mödie, auf die franzöfifche Bühne. 

El postrer duelo de España. 
Eco y Narciso. 


El monstruo de los jardines. Zuerſt gebrudt 1672, 
La niña de Gomez Arias. im vierten Bande ber 
El Hijo del Sol, Faeton. Comedias de D. Pedro 


La Aurora en Copacabana. Calderon de la Barca. 


Fineza contra fineza. 
Apolo y Climene. 

Fieras afemina Amor.Die Loa diefer Fieſta befagt, 
daß Karl IL biefelbe veranlaßt habe, um durch ihre Aufführung 
den Geburtstag feiner Mutter zu verherrlichen. Hiernad) tft das 
Stück wahrfcheinlidh erft nad) bem Gten Nov. 1675 gefchrichen, 
an welchem Tage der junge König für mündig erflärt wurde. 

El segundo Scipion. 

DuelosdeAmor yLealtad. Aud in biefen beiden 
Stüden deuten viele Anfpielungen auf Karl II, der darin mit 
Schmeicheleien überhäuft wird, auf die Entftepung nad) dem 
6ten Nov. 1675. 


— mM — 


Nod) einmal müffen wir hier des Conde Lucanor ges 
denfen. Diefes ES chaufpiel {ft námiid) in ber Geftalt, wie es 
fih bei Vera Taffis findet, eine Bearbeitung legter Hand 
des gleichnamigen Stüds von 1661. 

Hado y divisa deLeonido y Marfisa, nad 
Bera Taffis das letzte Schaufpiel des Calderon und in feinem 
Biften Jahre gebichtet. Da Daffelbe aber fon in bem von 
dem Dichter felbft entworfenen Berzeichniffe aufgezählt wird 
und Daher vor dem 24ten Juli 1680 entflanven fein mufi, Gals 
deron aber nod) bis zum 25ften Mai 1681 Iebte, fo fcheint 
die Vermuthung nicht unftatthaft, daß das eine oder andere 
von den Dramen, weldye in bem Verzeichniſſe fehlen, mod 
fpäter verfaßt fein möge. 

Die nod) übrigen Comödien Ealderon’s, über deren Ents 
ſtehungszeit fich Feine Angaben oder Andeutungen finden, find num: 

Los dos Amantes del Cielo. De una causa dos 
efectos. El Jardin de Falerina. Basta callar. La Sibila 
del Oriente. Primero soy yo. El Secreto á voces. La 
desdicha de la voz. El Pintor de su deshonra. La 
Cisma de Inglaterra. Los Cabellos de Absalon. Las 
Cadenas del Demonio. Las Armas de la Hermosura. 
La Señora y la Criada. Nadie fie su Secreto. Céfalo 
y Pócris. El Castillo de Lindabridis. San Francisco 
de Borja. Bien vengas mal si vienes solo. Un castigo 
en tres venganzas, und die ſchon oben S. 282 ald wahr 
fheinlich verloren bezeichneten. 





Sranscisco de Rojas. 


Die Angaben über ben Geburtsort dieſes eminenten Dras 
matiferd weichen fehr von einander ab. N. Antonio und La 
Huerta nennen das Städtchen San Estevan de Gormaz in 
Alt-Caftilien, Montalvan im Para todos dagegen Madrid; 
ber Herausgeber der Hijos ilustres de Madrid aber hat 
bargethan, daß beide Behauptungen unrichtig find; aus nod) 
vorhandenen Documenten geht nämlid hervor, daf Don 
Francisco de Rojas Jorrilla aus Toledo gebürtig und 
Sohn des Fähnrichs Francisco Perez de Rojas und der Dofía 
Mariana de Vega Jeballos war. Da er ſchon in Montals 
van's Para todos (Huesca 1633) alg berühmter Dichter 
genannt wird und fein Name auch in den Denkſchriften auf 
Lope’s Ton mehrfach vorfommt, fo muß gefchloffen werben, 
daß er nicht viel jünger als Galberon gervefen und um ben 
Begínn des Sahrhunderts zur Welt gefommen fet. Er wurde 
im Sabre 1641 zum Ritter des St. Jago⸗Ordens ernannt. 
Dies ift Alles, was man über fein Leben weiß, und aud das 
Jahr feines Todes ift unbefannt. Eine Sammlung feiner 
Comödien erfchien in zwei Bänden (Mabrid 1640 und 
1645); in der Vorrede zu dem zweiten wird noch ein dritter 
angefündigt, aber dieſer ſcheint nie erfchienen zu fein; viele 
andere, von Rojas fowohl allein, ald in Gemeinfchaft mit 
anderen Dichtern verfaßte Stüde find nod) in einzelnen Drufs 
fen vorhanden °). Rojas beflagt fih in dem Vorwort zu 


5) Die erwähnten beiden Bände find hoͤchſt felten, und ich habe fie 
nur auf der Bibliotheque de Arsenal in Paris gefehen. 


— %6 — 


dem zweiten Bande ſeiner Comödien, daß man in Sevilla 
die Schauſpiele weniger bekannter Autoren unter dem Namen 
bekannterer drucke, ſo habe er kürzlich eine Comödie „die 
Tollheiten ber Liebe” (los desatinos de Amor) mit feinem 
Namen bezeichnet gefeben, er habe aber genug an feinen eige- 
nen Tollheiten zu tragen und wolle ſich nicht nod) fremde 
aufbürden laffen. Wirklich fcheinen unter den mit feinem Nas 
men prangenden Stüden viele unächt zu fein **) und ein all 
gemeines Urtheil über unferen Dichter wird hierdurch fehr 
erfhwert’Y). Aber auch unter den Schaufpielen, rele uns 


Primera parte de las Comedias de D. Francisco de Rojas 
Zorrilla. Madrid 1640. - 

No ay amigo para amigo. Noay ser padre siendo rey. Donde 
ay agravios no ay zelos. Casarse por vengarse. Obligados y 
ofendidos. Persiles y Sigismunda. Peligrar en los Remedios. Los 
zelos de Rodamonte. Santa Isabel Reyna de Portugal. La traicion 
busca el castigo. El profeta falso Mahoma. Progne y Filomena. 

Segunda parte de las Comedias de D. Francisco de Rojas 
Zorrilla. Madrid 1645. 

Lo que son mugeres. Los bandos de Verona. Entre bobos 
anda el juego. Sin honra no ay amistad, Nuestra Señora de Atocha, 
Abrir el ojo. Los trabajos de Tobias. Los encantos de Medea. 
Los tres blasones de España. Los aspides de Cleopatra. Lo que 
queria ver el Marques de Villena, El mas impropio verdugo para 
la mas justa "venganza. 

2) Dahin gehört 3. B. bie Comödie Los Carboneros de Fran- 
cia, welche in ber vor mir liegenden Musgabe (Sevilla, imprenta de 
Josef Padrino) bie Ueberfchrift de D. Francisco de Rojas führt, aber 
unzweifelhaft aus früherer Zeit und wahrfcheinlich von Mira de Mefcua 
herrührt. 

23 Blankenburg in den Sufágen zu Sulzer ſagt (durch La Huerta's 
Gatalog verführt), es gebe zwei dDramatifche Dichter, Namens Frans 
cisco be Rojas; allein Dies fcheint ein Irrthum zu fein ; es gibt 
nah N. Antonio ( Bibl. Scr. H I. 353) noch vier Schriftiteller 





— 297 — 


zweifelhaft von ihm herrühren und in der von ihm feroft 
veranftalteten Ausgabe gebrudt find, macht fid) eine grofe 
Berfchiedenheit bemerflich. Rojas war von der Natur mit den 
feltenften Gaben ausgerúftet, mit einer mächtigen Einbildungs⸗ 
traft und fprudelnden Erfindungsgabe, mit Feuer und Schwung 
der Rede, mit ergreifendem Pathos im ZTragifchen, wie mit 
Fülle des Wiges und Humor’s für die Komik, und mit diez 
fen Eigenfhaften hat er Meifterwerfe hervorgebracht, bie fid) 
den größten des Calberon an bie Seite ftellen fónnen; allein 
um fich ftete auf biefer Höhe zu behaupten, fehlte es ihm an 
jener gehaltenen Kraft und jenem ernften Fünftlerifchen 
Sinn, welder dem Genius zur Seite fichen muß, Damit 
er nie ftürze. Unfer Dichter hatte neben feinen großen Eigen- 
ſchaften eine Sucht nad) dem Bizarren und Uebertriebenen, die 
fi bald im abenteuerlichen Plänen feiner Stüde, bald in 
den wunderlichften Seltfamfeiten der Ausführung fund gibt. 
Wenn er diefem Hange den Zügel ſchießen ließ, fo erzeugte er 
oft wahre Monftrofitäten, die an die Träume eines Fieber: 
franfen erinnern und die tollften Ertravaganzen in der Ers 
findung neben Unnatur und Geſchraubtheit in den Eharafteren 
und Affeften zeigen. Was namentlid) den Styl anbelangt, fo 
leidet eine Anzahl feiner Werke in hohem Grade am Gongo: 
riemus, an falſchem Prunf, affeetirter Dunfelheit, geſchmack⸗ 
lofen Gegenfägen und geziertem Wortpomp. Wie Rojas an 
dieſer Redeweiſe Gefallen finden fonnte, tft um fo unbegreifs 
licher, als er in verfchiedenen feiner Dramen, ja in anderen 


diefes Bor = und Zunamens, aber feiner von ihnen ift Dramatiker, und ich habe 
auch von feinem foldjen, außer dem unfrigen, irgend eine Spur gefunden, 
wohl aber werden ein Chriftoval de Rozas (bisweilen irrthümlich Roras 
gefchrieben) und ein Diego be Rojas y Argumedo als Schaufpieldichter 
genannt, 


— 78 — * 


Scenen der nämlidyen, welche mit ben bezeichneten Mängeln 
behaftet find, fih ale Meifter des natürlichften Ausdrucks, 
der einfachften unb naivſten Sprache zeigt, und überdies vers 
fchiedentlich fatirifche Ausfälle auf die Gongoriften macht. So 
heißt es in der Comödie Sin honra no hay amistad, um 
die Dunfelheit der Nadt zu ſchildern: 

Está hecho un Góngora el cielo 

Mas oscuro que su verso, 
und im erften Afte des Desden vengado fommen zwei Sos 
nette vor, die, wie es fdheint, ben Cultus⸗Styl abfichtlid) 
parodiren follen. 

Glücklicher Weife ift die Zahl ber Stüde von Rofas, 

welche durch Wiverfinnigfeiten bes Plans und durch die ftete 
Gefchraubtheit der Sprache ungeniefbar gemacht werden, nicht 


groß, und wir fónnen und mit freubiger Bewunderung einer . 


beträchtlichen Menge Comödien von ihm zumenben, welde, 
wenn auch nicht durchgängig tadellos, doch von fo genialer 
Erfindung und in Einzelheiten der Ausführung fo metfterhaft 
gelungen find, daß fie zu ben erften Zierden des fpanifchen 
Theaters gezählt werden müffen. Aud) in biefen Stüden 
fchweift der Hang des Dichters zum Wunderbaren und Aufers 
ordentlichen freilich bisweilen bis in's Ungebeure aus, aud) 
in ihnen ift die Sprache nicht durchgängig fret von einzelnen 
lecken, allein man müßte, am Geringfügigen lebend, feinen 
Sinn für die Kraft des Genie's haben, wenn man mehr 
auf jenen einzelnen Mifftänvden, alé auf der Trefflichfeit der 
ganzen Conception verweilen wollte. Ganz befonders bead)- 
tenswerth ift es, wie gefagt, daß Rojas neben ber überladenen 
Metaphernfprache, deren er fid) hier und da ſchuldig macht, 
doch zugleich in fo hohem Grabe, wie faum ein anderer fpa: 
nifcher Dichter, den ungefchminkteften Styl tn feiner Gewalt hat, 





— 299 — 


und daß er neben ber allzu gefparmten Phantafle, melche 
manche Auswüchſe und verfehlte Zurüftungen in feine Stüde 
brachte, einen männlichen Berftand befaß, der, »ſobald er 
wollte, jene controllirte. Wo nun das Leptere in burchgreis 
fender Weife der Fall war, mo feine Befonnenpeit dem Drange 
feiner Einbildungsfraft Das Gleichgewicht hielt, da Heferte er 
vortrefflihe Dichtungen vol inneren poctifchen Lebens bei 
höchſter Kraft ber Darftellung, vol Fülle und Reichthum 
der Erfindung bei firengem Zufammenhang aller Theile unter 
fid), voll kühner dichterifcher Gedanken und Anfchauungen 
bei claffiicher Präcifion des Ausdrucks. 

Bon vorne herein glauben wir den Irrthum berichtigen 
zu müffen, welcher unferen Autor zu einem Nadafmer des " 
Calderon macht; er darf in feiner Art fo genannt werben, 
und bie Betrachtung feiner einzelnen Werfe wird zeigen, daß 
er felbftftändige Geiftesfraft genug befaß, um im Tragifchen 
fowohl alg im Komifchen feinen eigenen Weg zu gehen. 

Dei weitem bas berühmtefte unter allen Dramen des 
Rojas und eines ber gefetertften ber fpantihen Bühne übers 
haupt ift Del rey abajo ninguno, oder, wie eg mit anderem 
Titel heißt, Garcia del Castafiar. „ Diefeg Drama — 
fagt Ochoa — íft in Spanien fo populair, daf es faum ets 
nen leidlich gebildeten Jüngling geben dürfte, der nicht Stel 
len daraus auswendig wüßte. Auf den Theatern der größeren 
Städte wird es beftändig aufgeführt, und felbft in ben Lambs 
ftädten und Dörfern tft eS wohlbefannt, da bie umberzichens 
den Schaufpielergefellfchaften gewöhnlich mit dieſem . Stüde 
debútiren. Man fann demnach fagen, daß biefe Comödie von 
dem ungebeuren dramatifchen Repertorium Spaniens bie bes 
fanntefte íft. Eine fo allgemeine und bauernde Berühmtheit 
muß fi) wohl auf ein außerorventliches Verdienſt gründen ; 


— 30 — 


und wirtlid) ift die Komödie fo bewundernswürdig, daß wir 
feine Ausdrüde finden fónnen, um ihren Werth nad Gebühr 
zu preifen. Wäre es durch ein unbegreifliches Verhängniß bes 
fhloffen, daß unfer ganzes altes Theater untergehen follte, 
und würde ed und nur erlaubt, einen fehr geringen Theil 
davon, vier Dramen, ald Reliquien fo großen Reichthums, 
zu retten, fo würben wir bei dem großen Werth, den wir 
auf bie Fiterarifchen Schäge unferer Nation legen, doch feinen 
Augenblid anftehen , aus biefem furdtbaren allgemeinen Schiffe 
bruche zu retten: den Tetrarca (El mayor monstruo los 
zelos) von Calberon, El desden con el desden von Mos 
reto, La verdad sospechosa von Alarcon und ben Garcia 
del Castañar von Rojas." — Schon diefe große Celebrität 
veranlaft uns, auf ben Inhalt dieſes Stüdes etwas näher 
einzugeben. Die Handlung fällt in bie Regierungszeit Alfons 
ſo's XI. Garcia ift der einzige Sohn eines mächtigen Gran⸗ 
den, welcher einen hohen Poften am Hofe befleivet hat, aber 
in die während der Minverjährigfeit des Königs ausgebrodjes 
nen Unruhen vermidelt gerveferr tft und fich der Anflage bes 
Hochverraths nur durch die Flucht entzogen hat. Der junge 
Garcia felbft hat fid, feine Herkunft verbergend, nahe bei 
Toledo im Gebirge niedergelaffen und mit dem Refte feines 
väterlichen Bermógens das Feine Landgut Caſtañar gefauft. 
Hier lebt er in tieffter Stille, aber in der Hoffnung, daf es 
dem Grafen Orgaz, einem freunde feines Vaters, der allein 
um feine Herkunft weiß, gelingen werde, den nod immer 
auf feiner Familie laftenden Verdacht zu tilgen und daß er 
dann den Glanz feines Namens werde wiederherftellen fón: 
nen. Der Graf, der faft Vaterftelle bei ihm vertritt, hat ihm 
auch eine junge Gattin zugeführt, deren Schickſal viele Aehn- 
lichfeit mit bem feinen hat; fie heißt Blanca de la Cerda 


— 301 — e 


und iſt Tochter eines Prinzen von Föniglichem Geblüt, welcher 
wegen Auflehnung gegen den rechtmäßigen Herrfcher in bie 
Berbannung geſchickt worden ift. In Tändlicher Stille aufers 
zogen, bat fie Feine Ahnung von ihrer Herfunft. Garcia ſelbſt 
weiß zwar, daß feine Gattin von edlem Stamme tft, nicht 
aber, daß fie bem Königshauſe von Caftilien angehört. Das 
häusliche Glück des jungen, durch gegenfeltige Liebe befeligs 
ten Ehepaar wird auf's reizendfte gefcpilbert, und dem Gons 
goríften muß es um fo höher angerechnet werben, daß er 
diejes Gemälde in fo naiver Anmuth auszuführen gewußt 
hat. Unterdeffen hat der König Alfonfo Anftalten zu einem Krieges 
zuge wider die Mauren getroffen. Unter ben Truppenfens 
dungen und fonftigen Hülfsleiftungen, welche von ben vers 
fohiedenen Vafallen einlaufen, befindet ſich auch eine fehr reich 
lihe Spende von Garcia. Der Köntg, erftaunt über biefe 
Sreigebigfeit,, erfundigt fic nad) bem Geber, und ber Graf 
von Orgaz ergreift begierig die Gelegenheit, feinen Schü» 
ling zu- empfehlen; ohne dem Könige die Herkunft Garcia’s 
zu enthüllen, rühmt er ihm feine Zapferfeit und Bravheit, 
fhilvert ihn aber zugleich ald einen ftoßzen und unabhängigen 
Charafter, der den Hof abfichtlich meide. Der König, blers 
durch neugierig gemacht, wünſcht den Sonderling fennen zu 
lernen %) und befteplt, daß eine Jagd in ber Umgegend von 
Zoledo angeordnet werde; er will ſich dann ftellen, alg ob 
er fi im Wulde verirrt habe, und mit einigen Begleítern, 


9% Mir haben hier wieder ein intereffantes Beifpiel, wie geiftreich 
bie fpanifchen Dichter fremde Gedanken zu benugen, neu zu wenden und 
zu anderen Zweden auszubeuten wußten. Offenbar hat dem Rojas hier‘ 
eine Erinnerung an Lope's Villano en su rincon vorgefchwebt. Außer: 
dem bietet Der Garcia hier und da Reminifcenzen aus Tirfu'8 Celoso 
prudente und aus Lope's Comendador de Ocaña bar. 


a. — . 3092 — 


ohne fich zu erfennen zu geben, in GEaftañtar um Herberge 
bitten. Der Graf, mit biefem Plane, an ben er freubige 
Hoffnungen fripft, wohl zufrieden, eilt, dem Garcia von dem 
bevorfichenden Beſuche Kunde zu geben, benachrichtigt ihn 
aber zugleich, er folle fich ftellen, als fet er von nichts uns 
terrichtet. Da Garcia ten König nie gefehen hat, fo madt 
ihn der Graf darauf aufmerffam, daß er ihn an dem großen 
rothen Drdensband, das er trage, erfennen fónne. Raum hat 
García den Brief empfangen, fo treten vier Unbefannte ein, 
weldye fich für Gavaliere des Hofes ausgeben und um gafts 
lihe Aufnahme bitten, weil fie auf ber Jagd verirrt feien. 
García bemerkt, daß einer von ihnen ein rothes Ordensband 
trägt, und hält natürlich diefen für ben König; zufällig aber 
hat Alfonfo dies Abzeichen nicht angelegt, während einer ber 
Höflinge, Don Mendo, bem der Orden erft fürzlich verlichen 
worden tft, fic) fogleich mit ben Infignien veffelben gefhmüdt 
hat. Es folgt eine Scene, in welcher der König, der von 
García nur für einen ber Höflinge gehalten wird, die Ges 
finnungen und den Charafter des Mannes zu erforfchen ftrebt, 
auf deſſen Bekanntſchaft ihn der Graf Orgaz fo begierig yes 
macht pat. Er fpricht von dem Mohlgefallen, mit bem Al: 
fonfo feine reichlichee Gabe aufgenommen habe, und wie ber 
König ihm gern eine glänzende Stelle in feiner Umgebung 
geben möchte; aber Garcia weiſt Died entſchieden zurüd, ſchil⸗ 
dert mit lebhaften Farben und nicht ohne Anfpielungen auf 
die Schickſale feines Vaters bie an den Höfen heimifche 
Falfchheit und Nänfefucht, und preift dagegen die Vorzüge 
feines unabhängigen Lebens auf dem Lande. Während ber 
König fo feinen Wirth fennen zu lernen fucht, hat Don 
Menbo, ber Cavalier mit dem rothen Bande, eine Únterres 
dung mit Blanca angefnüpft, aus welcher bald hervorgeht, 


— 308 — 


wie fehr ihn die Schönheit der jungen Frau feffelt, und wie 
er zugleich glaubt, daß es ein Leichtes fein werbe, fie durch 
fein gewandtes Wefen und durch feine Stellung zu bethören. 
Die Antworten, welde fie auf feine galanten Reden gibt, 
find voll von Naivetät und feiner Ironie, und fo treffend, 
daf er fich nicht verhehlen Fand, wie ihm hiernach wenig 
Ausfihten zur Erreihung feiner Wünfche offen fteben; dens 
noch fpridht er im Abgehen für fid) dic Abſicht aus, feine 
Pläne auf fie nicht aufzugeben. Nachdem fid die Befucher 
entfernt Haben, läßt Garcia, der Don Mendo's lebhafte Res 
den gehört pat, einige Unruhe bliden; allein ein Paar füße 
und zärtlihe Worte Blanca's vericheuchen fogleich alle feine 
Sorge. — Mendo, genöthigt, fi) mit dem Könige zu ents 
fernen, harrt indeffen auf eine Gelegenheit zur Ausführung 
feiner verbrecherifchen Anfchläge. Ein Knecht in Caſtañar, den 
er beftochen hat, gibt ihm am folgenden Tage die Nachricht, 
Garcia werde die Nacht aufier dem Haufe zubringen, um ein 
wildes Schwein, das feine Felder verwúfte, zu verfolgen. 
Der lúfterne Höfling eilt, diefen Umftand zu benugen, ent 
fernt fi) heimlich von Toledo und dringt um Mitternacht 
durh ein ihm von feinem Mitfchuldigen geöffnetes Fenfter 
in Garcia's Wohnung ein; zu feiner grofien Berlegenheit aber 
trifft er auf den Hausherren, der durch einen glüdlichen Zus 
fall vor ber beftiminten Zeit zurüdgefehrt tft. Garcia flürzt 
in höchfter Entrüftung auf den Vermummten ein und forbert 
ihn auf, fich zu enthüllen; biefer entfpricht der Aufforderung 
und ftept nun in feiner Hoftracht, mit dem rothen Ordens⸗ 
bante gefhmüdt, da. 

Garcia (indem er fein Schießgewehr fallen läßt.) Him- 
mel! es ift der König! Und er weiß, daß ich ihn fenne! Welch 
unglüdfelger Zwiefpalt zwilchen der Unterthanenpflit und 
der Ehre hemmt hier meine Rache! 


— 34 — 


Mendo. Das ift recht die Art ber Bauern! Mein Rang 
flößt ihm Furcht und Zagen ein. 

Garcia. Mir meine Ehre zu fteblen! Fürwahr, Ihr 
belohnt mich trefflich für die Baftfreundfchaft, die Blanca und 
Ih Euch erwiefen haben! Sehr verfchieven iſt Euer Berfah- 
ren von bem meinen: ich fahre, trog ber Beleidigung, fort, 
Euch) zu verehren; Ihr dagegen, bem ich Proben meiner Vas 
fallentreue gegeben, wollt mich zum Danfe entehren. 

Mendo (indem er die Büchfe ergreifen will). ES wäre 
Thorheit, dem gefränkten Bauern trauen zu wollen. Dies 
Gewehr mag mir zur Bertheivigung dienen! 

Garcia, Was beginnt Ihr? Laßt die Büchſe Tiegen! 
Wenn ich's Euch verwehre, fie zu ergreifen, fo ift eS nur, 
damit hr das Ende biefes Abenteuerd nicht dem Bortpeil, 
in bem Ihr Euch befändet, zufchreiben könnt! Das Ordenés 
band auf Eurer Bruft genügt allein um Euch zu fügen. 

Menbo. Alfo habt Ihr mich erfannt? 

Garcta. Mein Benehmen mag es Euch beweiſen. 

Mendo. Mein Rang verbietet mir, Euch Genugthuung 
zu geben. Bas follen wir thun ? 

Garcia. Geht von binnen! Bittet Gott, daß er Eure 
Leidenschaften zähmen möge und fehrt nie nad Caftañar ¿us 
rück! Mir ziemt es nicht, Euch für Euer unfeliges Verfah⸗ 
ren zu züchtigen. Möge die Race bem Himmel anheimge- 
ftellt fein] 

Mendo. García, ich werde nicht vergeffen, was id 
Euch ſchulde. 

Garcia. Ich begehre Euren Dank nicht. 

Mendo. Verſprecht mir, dem Grafen Orgaz nichts von 
dem Vorgefallenen zu ſagen. 

Garcia. Ich gelobe es. 


+; 


— 305 — 


Mendo. Eure Fran .... 

Garcia. Kein weiteres Wort! Id Fenne fie und weiß, 
daß Ihr allein ſchuldig feíd . .. . Wohin wollt pr * 

Mendo. Id fuche die Thür, 

Garcia. Welche Verblendung! Geht benfelben Wey, 
den Ihr gefommen! (Er deutet auf das Fenfter, durch wels 
es Mendo hereingeftiegen iſt). 

Mendo. Nod) einmal, fennt Ihr mid ? 

Garcia. Bei meiner Ehre, wüßte ich nicht, wer Ihr 
ſeid, ich hätte Euch häuptlings zu Boden gefchmettert! Doch 
jept nehmt diefe Büchſe, denn hier im Walde haufen Räuber, 
bie Teicht weniger Schonung mit Euch haben Fónnten, als 
ih. Raſch hinunter, denn id) wünfchte nicht, Daß Blanca ets 
was von bem Borfall erführe. 

Beſonders bemerfenswerth ift in diefer Scene, wegen 
feiner draftifchen Wirkung, der Doppelirrthum Garcia's und 
des Don Mendo, von denen der Eine, im Begriff, feinen 
Beleidiger niederzuftofen, plöglich die Waffe fallen läßt, weil 
er den König zu fehen glaubt und weil die VBafallenpflicht gebietet, 
fi) in feiner Art an dem Lehnsheren zu vergreifen, der An: 
bere aber nicht ahnt, Daß er für ben König gehalten werde, 
fondern die plöglihe Unterwürfigfeit Garcia's nur dem Res 
fpect zufchreibt, welcher einem Manne feined Ranges ges 
búpre. — Gareia überläßt fi, nachdem ihn ber frembe Eins 
dringling verlaffen, ber heftigften Verzweiflung. Er ſieht ¿us 
erft die Ermordung feiner geliebten und unfchuldigen Blanca 
al8 das einzige Mittel an, durch das er die Anfchläge des 
vermeinten Königs ficher vereiteln und feine Ehre retten fónne. 
Hierüber entfpinnt fid ein heftiger Kampf zwifchen Liebe 
und Eiferfucht in feiner Bruft. Blanca wird durch das vers 
änderte Befen, durch die dunkeln und geheimnißyollen Reden 

Geſch. d. Lit. in Spanien. III. Do. 20 


— 806 — 


ihres Gatten fo von Entfepen erfüllt, daß fie ans bem Haufe 
entflicht und in einem benacharten Walde einen Zufluchtsort 
fucht. Hier begegnet fie bem Grafen Orgaz, der fi) eben ¿u 
García begeben will, um ihm anzuzeigen, daß ber König 
tim ben Oberbefehl über eine wiver die Mauren zu führende 
Heerfchaar anvertraut babe. Sie erzählt ihm von der ©eiftes- 
zerrüttung ihres Mannes und von der Gefahr, in welcher 
fie ſchwebe, und er übergibt fie einem Diener, um fie zur 
Königin, weldhe von dem Geheimniß ihrer Geburt unter: 
richtet ft, zu führen. Garcia empfängt hierauf die Auffordes 
rung, fid an ben Hof zu begeben, um ſich dort an bie 
Spige der ihm zugedachten Truppenſchaar zu ftellen. Er tritt 
fogleih den Weg dahin an, weniger burd) bie ihm auferlegte 
Pflicht, al8 durch den Gedanken dazu vermocht, daß Blanca 
fi) dort befinde. Kaum ift er bei'm Könige, der ihn zu fpres 
hen begehrt, eingetreten, fo entdeckt er feinen Irrthum, daß 
nämlih Mendo, fein Beleidiger, nicht der König fet. 

Garcia Ceintretend). Juerft werf’ ich mich meinem Rós 
nig zu Füßen. (Er wendet ih an Don Mendo; diefer vers 
weil’t ihn auf den König.) 

Mendo. Der da ift der König! 

Garcia. Was hör! ih? O Ehre, meine arme Ehre, 
fo bift du getäufcht worden! (Zum König.) Edler Fürft! reicht 
mir Eure Hand zum Ruffe, wenn id) es verdiene] 

König. Was habt Ihr, daß Ihr plöglich erblaßt feld ? 

Garcia (für fid). Ein Edler hat Feine Farbe, wenn 
ihn die Ehre verlaffen hat. 

König. Hat Eud Jemand befehimpft % 

Garcta. Ich fenne den, der mid) beleidigt hat. 

König. Wer tft es? 

Oracía. Ich weiß feinen Namen nicht. 


— 307 — 


König. So bezeichnet ihn! 

Barcia. Wohlan! (Zu Don Mendo.) Lafit und in ben 
Vorſaal gehen, id habe Euch wichtige Dinge zu fagen, aber 
der König darf nicht dabei zugegen fein. 

König. Wohin geht Ihr, Garcia? 

Garecia (indem er mit Mendo abgeht). Euren Willen 
zu vollfireden. 

König. Sein Schmerz betrübt mich. Wer mag wohl 
fein Beleiviger fein? 

García (auf dem Vorplag). So löſ' ich meine Ehre 
ein. (Er durchbohrt Don Mendo mit dem Dolce.) 

Mendo. Ich fterbe! 

Garcia tritt mit bluttriefendem Dolche wieder ein, ente 
púllt dem König feine Herfunft, fo wie die Blanca’d und 
erzählt, welche Beleidigung ihn zu der vollbradhten Rache: 
that bervogen habe. „Sener Verráther — fprid)t er — war 
gaftfreundlih von mir aufgenommen worden und warf zum 
Danfe verbrecherifche Blide auf Blanca. Da ich durd ein 
Mißverſtändniß ihn für Euch, Señor, hielt, fo Tieß ich meis 
nen gerechten Zorn ber Pflicht des loyalen Vafallen weichen 
und vergriff mich nicht an ibm; als ich aber meine Täus 
ſchung erfannte, heifchte die Ehre gebieterifch von mir, mid) 
zu rächen; ich nahın meinen Dolch und ſtreckte meinen Be: 
leidiger zu Boden pin; — da febt ihn, er tft tobt! Als hr 
die Frage an mic richtetet, wer mid beichimpft habe, da 
würdet Shr mid für ebrios gehalten haben, wenn ich ión 
Euch anders als fterbend gezeigt hätte. Und wär’ er der Sohn 
der Sonne, einer der Großen des Staats, der Erfte in Eu 
rer Gunft, der Zweite in Eurem Königreich — Ihr wißt, 
wer ich bin und welche Rránfung mir wiverfahren tft; ba 
liegt ber fchuldige Beleidiger — hier ¿ft der Arm, ber ihn 

20% 


— 308 — 


zu Boden gefchmettert hat. Möge, wenn bas Defeg es will, 
diefer Arm vom Beil bes Henker fallen; aber, fo lange 
ich das Haupt nod) auf den Schultern trage, foll mid), außer 
meinem König, Niemand ungeftraft beleivigen. Der Rd: 
nig, mit diefer Rechtfertigung zufrieden, vertraut bem García 
den Oberbefehl über das gegen die Mauren ausrüdende Krieges 
beer an, und der neue Feldherr fchließt mit den Worten: 


Nun, fo laßt die Trommel fchmettern! 

Gleich dem Blige will ich wettern 

Auf die faracen’fhen Gauen! 

Bon des Blutes Purpurftrömen 

Sei die Kriegesfchaale vol, 

Und mit diefem Ende foll 

Dort mein Ruhın den Anfang nehmen ?%)1 

Schon diefe Skizze, ein wie blaffes Abbild des Origi⸗ 

nal8 fie aud) geben mag, muß doch das überwältigende Sn: 
tereffe der ganzen Compoſition, fo wie die dramatiſche Wirk: 
famfeit und erfchütternte tragifche Kraft der einzelnen Situ: 


ationen erfennen laffen. Fügen wir nun hinzu, daß die Dars 


ftellung überall durchaus angemeffen ift und fid) von dem 
Ton idylliſcher Anmuth, der in den erften Scenen vorherrfcht, 
von Stufe zu Stufe zur höchften Höhe eines energifchen Pas 
tho8 fteigert, fo wie daß die Charaktere, namentlich die Gar- 
cia’8, Blanca'8 und Mendo's, mit ſicheren Meifterzügen ges 
zeichnet find: fo fprechen wir hiermit aus, daß dieſem (Des 
dicht einer der erften Pláge unter ben trefflichftien Erzeugs 
niffen der dramatifchen Poefíe einzuräumen fet 95). . 

2) Nach der vortrefflichen und noch zu wenig befannten Heberfeßung 
von E, A, Dohrn, im vierten Bande feiner fpanifchen Dramen. Berlin 1844. 

28) Bgl. die ausführliche Analyfe des Del Rey abajo ninguno von 
£, Viel-Saftel in der Revue des deux Mondes 1841 


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— 309 — 


Bon ben üfrigen tragifhen Dramen bes Rojas möchte 
feines auf gleicher Höhe mit bem Garcia vel Caſtañar flehen. 
Indeſſen find noch verfchiedene darunter, die in mehrfacher 
Hinficht Aufmerkſamkeit verdienen. Eo namentlich das Schau: 
fpiel No hay padre siendo rey, bekanntlich das Vorbild 
von Rotrou's berühintefter Tragödie Venceslas. Da bie legs 
tere nad) unferer Anficht zu ben befferen Stüden ber franzós 
fiihen Bühne gehört (mie denn überhaupt ber wenig gelefene 
Rotrou mande feiner berühmteren Landesgenoſſen überragen 
möchte), fo wollen wir hier auf Original und Nachbildung 
etwas näher eingehen. In ber erften Jornada des Drama'8 
von Rojas fehen wir ben Rónig von Ungarn, wie er feinem 
Sobne, dem Prinzen Rugero, Vorwürfe über fein ausſchwei⸗ 
fendes Leben und über feinen fehrunfenlofen Ehrgeiz nacht. 
Der Prinz ſucht fid zu rechtfertigen, flagt aber feinerfeits 
den Infanten Alerandro und ben Herzog Federico an, und 
brüdt feinen Haß gegen Beide fehr lebhaft aus. Der König 
wird nun fanfter und fchließt den Prinzen in feine Arme, ine 
dem er hofft, ihn durd Güte zu befehren. Alerandro tritt auf 
und es entfteht ein Streit zwilchen ven beiden Brüdern, dem 
ber König nur mit Mühe Einhalt thun fann. Man erfährt, 
daß beide Prinzen die fchöne Caſſandra lieben, daß aber Ales 
randro im Geheimen und wider den Willen des Königs mit 
ihr vermählt if. Der Herzog Federico, der in dies Geheim⸗ 
niß eingeweiht ift, benachrichtigt Alerandro, daß fein Vater 
wegen des vorgefallenen Streite8 mit Rugero auf ihn ents 
rüftet fet, und räth ihn, fich für eine Zeit lang zu flüchten. 
Alerandro nimmt daher Abfchied von feiner Gattin und ents 
flieht von dem Hofe. Zweite Jornada. Prinz Rugero will 
den Herzog Federico umbringen, weil er ihn für feinen Nebens 
buhler um Caſſandra's Gunft hält und gehört hat, daß er 


— 340 — 


diefe bei Nacht zu befuchen pflege. Er befticht einen Diener, 
ibn heimlich in das Zimmer ber Geliebten einzulaffen. — 
Caffandra grämt fi unterbeffen über die Abweſenheit ihres 
Gatten und ¡E in Angft über bie zubringlichen Bewerbungen 
Nugero’s, dem fie das Geheimniß von ihrer Vermáblung nicht 
enthüllen will. Sie ſchreibt deshalb an den König, um ihn 
von den Anfchlägen bes Prinzen zu benachrichtigen. — ES 
iſt Nacht und Caſſandra's Gemach nicht mehr erleuchtet, als 
der beftochene Diener ben Prinzen einläßt; zur nämlichen Zeit 
tritt auch Alerandro ein, der feine Gattin durch einen heims 
lichen Befuch überrafchen will; die beiden Brüder treffen aufs 
einander, und gleich darauf erfcheint Caffandra mit Dienern, 
welche Fadeln tragen. Die Prinzen ziehen die Schwerter, 
Saffandra aber, ihre Vermáblung mit Alerandro verheimlichend, 
mat Beiden Vorwürfe über ihr nächtliches Eindringen, und 
Alerandro fagt, um ten Grimm des Bruders von ſich abzu⸗ 
Ienfen, Caffandra fei mit dem Herzog Federico vermáblt, und 
biefer habe ihm einen in feinem Haufe zu beforgenden Aufs 
trag gegeben. Plöglich wird die Anfunft des Königs gemeldet, 
und bie beiden Prinzen verbergen fidy in Folge von Cafs 
fandra’d Aufforderung. Der König gibt Befehl, das Haus 
zu durchfuchen und Alerandro ftellt fido freimillig vor ión, Ins 
dem er fih als Gatten Caffandra’8 befennt, aber bie Ans 
wefenheit feines Bruders, welche einen Schatten auf feine 
Ehre werfen Fönnte, verheimlicht. Nachdem fid Alle entfernt 
haben, tritt Rugero wieder aus feinem Berfte hervor, doch 
hat er das Geſtändniß feines Bruders nicht gehört. Dritte 
Jornada. Rugero, nod) immer in dem Wahn, Federico fei 
mit der Geliebten vermählt, dringt mit Hülfe von Nachſchlüſſeln 
bei Gaffandra ein, gelangt beim ſchwachen Schein einer Rampe 
an das Lager, wo bas fchöne Weib In Alerandro'8 Armen 


— 31 — 


rubt und ftößt ben Letzteren mit feinem Dolche nieter. In tem 
Angenblide, alg er fich wieder entfernen well, tritt ihm ber 
Köntg entgegen, fragt ihn nad der Urfache feiner Verwirrung 
und madt ihm Vorwürfe, daf er auf diefe Art in der Nacht 
umherſchweife. Der Prinz fucht ſich durch Ausflüchte zu ent» 
fehuldigen; al8 aber ber Rönig mehr in ihm bringt, gibt er 
zur Antwort‘, er habe ben Herzog Federico umgebracht. Gleich 
darauf tritt ber Legtere auf; höchſtes Erftaunen; dann naht 
fih Blanca in Tauerfleivern, um wegen des Mordes ihres * 
Gatten Klage zu führen, und der König laäͤßt ben Prinzen, 
al8 geftinbigen Tháter, verhaften. — Die nächfte Ecene zeigt 
einen Kerfer. Der König umarmt feinen gefangenen Sohn, 
fragt ihn, ob er Muth habe und fündigt ihm an, daß er zum 
Tode verurtheilt fet; er felbft fónne den Lauf ber Gerechtigs 
feit nicht heinmen, denn indem er König fet, dürfe er nicht 
Bater fein. Federico und Caſſandra felbft bitten um bie Bes 
gnadigung des Prinzen, aber der König beharrt bei feinem 
Entfchluffe; da bricht ein Volfsaufftand zu Gunften bes Ver: 
urtheilten aus, ber Póbel rottet ſich zuſammen, um bie Frei- 
laffung des Schuldigen zu verlangen, und ber König faßt nun 
den Entfchluß, zu Gunften feines Sohnes ber Herrfcherwürbe 
zu entfagen und nur nod) Water zu fein. Am Schluſſe richtet 
er folgende Worte an NRugero: „Bon heute an tft das Volf 
dein König und dein Vater; aber hüte dich, daf nicht ber 
Fall eintrete, wo es viel mehr bein König, als dein Vater fein 
möge; hüte dich, daß es, von bir gereizt, dir nicht einmal 
fage: Ich kann nicht Vater fein, weil ich König bin.” 

Schon diefe Anzeige des Inhalts (welcher fehr an Guillen 
de Gaftro’8 Justicia en la piedad, f. Band II. diefer De: 
ſchichte, Seite 448, erinnert) zeigt, daß das Stüd viele treff- 
fiche und auf ungemeine Wirfung berechnete Wenvepunfte der 


_ 342 — 


“ Action barbíetet; allein dic Ausführung Täßt Vieles zu miün- 
ſchen übrig und zeugt von großer Flüchtigkeit. Weder tft dem 
Stoffe der volle Gehalt abgervonnen, noch find die Charaktere 
ín feften und confequenten Umriffen hingeftellt. Werfen wir 
einen Blick auf Rotrou's Venceslas, fo finden wir bier ben 
Plan bes fpantfchen Drama’8 ziemlich genau befolgt und auch 
bie ergreifendften Situationen fämmtlih aus diefer Duelle 
geihöpft. Doch muß man dem franzöftfchen Dichter zugeftehen, 
dafi er die Mängel feines VorbildeS zum Theile richtig ers 
fannt und glücklich befeitigt und namentlich die Charafter- 
zeichnung vervollfommnet hat. Am deutlichften zeigt ſich Dies 
in der Figur des Prinzen Ladislaus (ber Rugero bes Rojas), 
welchen er als eine im Grunde eble, nur Teidenfchaftliche 
Natur fchildert und für den er auf diefe Art die Theilnahme 
des Publikums in Anfprud) zu nehmen weiß, während der 
Held des Rojas nur Widerwillen erregt. Wie genau übrigens 
Rotrou dem Spanier oft gefolgt ift, mögen bie untenftebens 
ten Beifpiele zeigen °°). 

96) Die Hauptfcene des erften Aftes ift ganz aus bem Spanifchen. 
Mir heben daraus folgende Worte hervor: 
Rojas: Como, les dixe, mi padre 
No sacude de los hombros 
El peso desta corona, 
Flaco Atlante a tanto globo! 
Ya la politica hé visto, 
Ya tengo previsto .el modo 
De saber regirse un rey. 
No es dificil: pues con solo 
Ser afable de ordinario 
Y a veces ser riguroso etc. 
R o trou. Comment, dis-je mon pere, accablé de tant d’äge, 
Et la force á présent servant mal son courage, 
Ne se decharge-t-il, avant qu’y succomber, 


— 313 — 


Auf einer höheren Stufe der poetifchen Ausbildung ſteht 


unbeftreitbar 


die Tragödie Casarse por vengarse, welche 


von Lefage in einer dem Gil Blas einverleibten Novelle 
proſaiſch umgearbeitet worden tft. Litte viefes Drama nicht 
in hohem Grabe an gongoriftiicher Geſchraubtheit des Styls, 
fo würde eS bem Abajo del rey ninguno an die Seite ges 


Rojas: 


Rotrou: 


D'un pénible fardeau qui le fera tomber? 

Et n’ai-je pas appris sous son gouvernement 
Assez de politique et de raisunnement 

Pour savoir á quels soins oblige un diadéme, 

Ce qu’un rei doit aux siens, á Pétat, á soi-méme! 
Ne sais-je pas qu’un roi qui veut qu'on le revere, 
Doit méler A propos l’affable et le sévere ? 

Decis que estoy ya muy viejo, 

(Decis muy bien) que fuera 

Razon que aquesta corona 

Pusiera en vuestra cabeza. 

Eso ha de salir de mi 

Que el govierno y la grandeza 

No consiste en procurarla 

Sino solo en merecerla. 

Sabeis a lo que se espone 

El que un imperio governa ? 

No hay cosa bien hecha en él, 

Que a los suyos les parezca. 

Je suis vieil, mais un fruit de ma vieille saison 
C'est d'en posséder mieux la parfaite raison; 
Regner est un secret dont la haute science 

Ne s'acquiert que par P'áge et par Pexpérience. 
Un roi vous semble heureux et sa condition 

Est douce au sentiment de votre ambition; 

Il dispose á son gré des fortunes humaines : 

Mais comme les douceurs, en savez-vous les peines ? 
A quelque heureuse fin que tendent ses projets, 
Jamais il ne fait bien au gré de ses sujets. 


— 314 — 


Rellt werben fónmen. Die Handlung íft ven hobem mb ers 
greifendem Sntereffe, der Plan zum größten Theile mit künſt⸗ 
lerifcher Weisheit disponirt. Enrique, Sohn des Königs von 
Sicilien, (ft tm Haufe des Roberto, eines Großen des Reiches, 
erzogen worden und hat bier eine Leidenfchaft für Blanca, 
die Tochter feines Pflegevaters, gefaßt. Die erfte Scene zeigt 
ung bie Liebenden in zärtlichem Geſpräch und macht ung zugleich 
mit einer von Ihnen erfonnenen Cinrichtung befannt, durch 
welche es Enrique möglich wird, zu jeder Stunde und von 
Anderen unbemerkt in Blanca'8 Zimmer zu gelangen. Sie 
haben nämlich ein Brett der Wand herausnehmen und dann 
wieder fo künſtlich einfegen laffen , daß Reiner die geheime 
Thür wahrnimmt. Zu den Liebenden tritt Roberto und meldet 
ben eben erfolgten Tod des Königs; der Prinz bezeugt zwar 
Trauer über das Hinfcheiden bes Vaters, richtet ſich aber bald 
durch die freubige Ausficht auf die nun durch Nichts gehin- 
berte Bermählung mit Blanca wieder auf. Dem Roberto über- 
reicht er, um ihm fein unbegrámtes Zutrauen zu beweifen, ein 
leeres, nur mit feiner Unterfchrift verfehenes Blatt, das er 
ſelbſt nad) Belieben ausfüllen fónne, und Roberto befchließt 
jogleih, feine Wünfche ald Vater hinter die Unterthanenpflicht 
zurüdzuftellen. — Wir werben an ben Hof verfegt und bes 
gegnen zuerft dem Connetable von Sieiften, ber in aufgereg> 
ten Reden zu erfennen gibt, daß er Blanca gefehen habe und 
von heftiger Liebe zu ihr entflammt fel. Ein feftlicher Zug 
tritt ein, voran ber König mit Roberto, von der anderen 
Seite die Prinzeſſin Rofaura. Roberto verlieft das Teftament 
des verftorbenen Königs, in welchem angeorbnet íft, daß Ens 
rique fih mit Rofaura vermáblen folle; veriweigere er dies, 
fo falle bie Krone an ben jüngeren Bruder. Enrique will 
Gegenvorftellungen machen, Roberto aber zeigt num jenes mit 


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— 318 — 


ber Ramensimterfchrift bes fungen Könige verfehene Blatt 
vor, weldyes er fo ausgefüllt hat, daß biefer in bie Forbes 
rung bes Verftorbenen einzumilligen verfpricht. Wirklich weicht 
nun der Prinz dem Drange ber Verbáltniffe und reicht Ros 
ſauren feine Hand; auch glaubt er, den Connetable als höchſt 
einflußreichen Dann aus Staatsflugheit freundlich aufnehmen 
zu müſſen unb ihm feine Einwilligung in bie Verbindung 
mit Blanca, um die er bittet, nicht verfagen zu dürfen. Nun 
tritt Blanca auf und wird Zeuge der Bermählung des fürft« 
lichen Paares; ihre verwirrten Reden kündigen die Verzweifs 
lung ihres Herzens an, aber fie nimmt ſich vor, fi an dem 
Treulofen dadurch zu rächen, daf fie dem Eonnetable bie Hand 
reiche. — Im zweiten Aft find die beiden Bermählungen ſchon 
vollzogen. Die Srene ift in Roberto’ Landhaufe. Der Connes 
table ftürzt Halb entfleivet und mit gezüdtem Schwerte aus 
feinem Schlafgemadhe, und erzählt bem Schwiegervater, wie 
er Blanca in der Nacht habe feufzen hören; hierauf fei e8 
ihm vorgefommen, als vernehme er eine fremde Stimme, er 
fi vom Lager aufgefprungen und auf einen Fremben geftos 
fen, der aber, ohne eine Spur zu binterlaffen, wieder vers 
ſchwunden fet. Roberto fucht ihn zu beruhigen, er fei von 
einem Traumgebilde genedt worben. Der Connetable beginnt 
ruhiger zu werben und bringt die Morgenftunden in ben Ars 
men feiner jungen Gattin hin. Plöglich tritt ber König ein 
und macht bem Sonnetable Vorwürfe, daß er fich wider feinen 
Willen vermäßlt habe. Diefer geht, um Roberto zu holen; 
der Letztere aber tritt bald darauf mit der Königin ein, bie 
ibm den Wunſch ausgedrückt pat, feine Wohnung zu befuchen. 
Enrique verfucht, fid zu verbergen, dody es ift zu ſpät; bie 
Königin macht ihn Vorwürfe, daß er ſich bei Nacht von ihr 
entfernt habe; er ſucht ſich burd) einige verwirrte Worte zu 


— 316 — 


entfchuldigen, und führt dann die Gemahlin von. bannen. Der 
Eonnetable beginnt nun vie Wahrheit zu ahnen und fpridht 
in einem leivenfchaftlichen Dronolog feinen Argwohn aus. Zn 
der folgenden Scene ift es wieder Nacht; Blanca empfängt 
einen abermaligen Befuch von Enrique, wirft ihm feine Uns 
treue vor und beſchwört Ihn, ihre Ruhe nicht wieder zu flören. 
Man vernimmt Geräufh und Enrique entfhlüpft durch die 
verbörgene Deffnung der Wand. Als hierauf ber Eonnetable 
im Finfteren auftritt, glaubt Blanca noch zu Enrique zu 
fprechen, redet noch von ihrer früheren Liebe und wirft fid) 
{hm zu Süßen, flepend, er möge fie für immer verlaffen. In 
bemfelben Augenblid tritt eine Dienerin mit Licht auf; Beide 
find in hohem Grabe beftiirzt, und während der Connetable 
geht, um nachzufehen, ob Alles verfchloffen fei, entflieht Blanca, 
die Rache des Gatten fürdhtend, burd die geheime Thür. — 
Dritter Att. Blanca tritt mit gelöftem Haare und ganz ver- 
ftört auf, und erzählt ihrem Vater unter Ausprüden ber befs 
tigften Angft und indem fie ihn um feinen Schuß anflebt, 
ihr erzürnter Gemahl habe fie um's Leben bringen wollen. 
Roberto dringt in fie, ihm ihr Vergehen, wenn fie ſich eines 
foldjen bewußt fet, zu geftehen, aber fie betheuert ihre Uns 
fhuld. Während Diefer Unterrebung tritt der König, durch 
Blanca's Hülferufe berbeigezogen, ein, und verfchlicht ſämmt⸗ 
lihe Thüren; glei darauf hört man ben Connetable, der 
gehört hat, daß Jemand ín'8 Haus gefommen feí, außen pochen; 
Ale find im höchſten Grabe beftürzt und der König wird 
durch Roberto's dringende Bitten beftimmt, fich zu verbergen. 
Der Connetable tritt nun auf und will das ganze Haus durch⸗ 
fuchen laffen, aber ver König fommt von freien Stüden aus 
feinem Berfted hervor und erflärt, er fei nur deshalb heim⸗ 
li) gefommen, weil er von verrätherifchen Planen, mit denen 


— 37 — 


der Connetable umgehe, gehört habe; er ſchenke zwar biefen 
Gerüchten einftweilen feinen Olauben, werde ihn jedoch, wenn 
fte fic) als wahr herausftellen follten, enthaupten Taffen. Nadys 
dem fid) der König und Roberto entfernt haben, ſpricht der 
Graf in leidenfchaftlichen Reden die verfchledenen Empfinduns 
gen aus, die ihn beftitrmen, und feine Verwirrung wird nod) 
gefteigert, als er ploglid fid den verborgenen Eingang in 
der Wand öffnen und eine Dienerin eintreten fiebt, welche 
einen Brief Blanca'8 an den König trägt. Er bemächtigt ſich 
des Briefes und lieſt darin, daß Blanca fih nur aus Rache 
vermählt habe. Von nun an reift fein Entihluß. Er unter 
fucht zunächft die Wand, läßt dann den Brief an den König 
abgeben, ftellt fich fo ruhig, als ob Nichts vorgefallen wäre, 
und richtet tröftende, aber doppelfinnige Reden an-feine Gattin. 
Blanca zieht fich in ihr Zimmer zurüd, um dem Vater zu 
jchreiben; ein Diener meldet, der König werde auf Verans 
laffung bes Briefes nächftend fommen. Der Connetable {ft 
dann wieder allein und blidt burd eine Spalte in Blanca's 
Gemach; er fieht, daß fie dicht unter der Fünftlich zugerichtes 
ten Wand fiBt, und reißt diefe plóglid mit aller Gewalt 
nieder, fo daß Blanca von ben einftürzenden Balfen ¿ers 
fhmettert werden muß. Man hört ihr Todesgefchrei, und ber 
Connetable vermiſcht feine Angftrufe mit den fhrigen. In 
diefem Moment treten Enrique und Roberto ein. Der Connes 
table ftellt fi, ald wäre er in Verzweiflung über das Uns 
glúd, das feine Gattin betroffen, und verwünſcht die Mauer, 
die ihm durch ihren Einfturz fein Liebftes geraubt habe. Ro: 
berto finft jammernd über die Leiche der Tochter hin; ber 
König aber, der den wahren Hergang durchſchaut, ſchweigt 
einftweilen aus Klugheit, fpricht aber für fid den Entſchluß 
aus, zu geeigneter Zeit fi) und die Gemordete an dem Connes 


— 318 — 


table zu rächen. — L. Tied (im der Vorrede zur Ueberfegung 
des Marcos de Obregon) ertheilt biefer Tagödie außerordent⸗ 
liche Lobſprüche und ftellt fie über den Arzt feiner Ehre; bei 
aller Achtung für bas Urtheil des großen Kritifer’s jedoch 
und trog aller Trefflichfeiten, die auch wir in dem Werke 
des Rojas erfennen, können wir nicht umbin, bem Calderon'⸗ 
ſchen entichteven ben Preis ¿uzuerfennen. 

Sn Los Vandos de Verona, einer Bearbeitung ber 
Erzählung von Romeo und Julte*”), erkennt man ben geifts 


7) B. IL S, 331 ift von Lope's Dramatifirung befielben Stoffes 
bie Rede gewefen. Die Dort citirte Novelle von Bandello ſcheint auch 
dem Schaufviel des Rojas zu Grunde zu liegen; baß übrigens Banbello 
in biefer Erzählung nicht original if, fondern den Mafjuccio und dew 
Luigi da Porta (defien Giulietta in der Bearbeitung von Arthur Brooke 
die Quelle Shaffyear's wurde) zu Vorgängern hat, ift fon von Dun: 
lop bemerkt worden (History of fiction, II. 339 — 841). 3d) erlaube 
mir, bei biefer Gelegenheit auf ein, fo viel mir befannt, noch von keinem 
der Commentatoren Shafípeare's hervorgebobenes Factum aufmerkfam zu 
machen. Es eriftirt ein altes italienifches Trauerfpiel von Luigi roto, 
deſſen Babel ganz nad) der Erzählung von Luigi da Porta tft, in welchem 
aber bie Namen der handelnden Perfunen verändert find. Diefe Tragödie 
führt den Titel Hadriana, und fcheint nach der Davor ftehenden Debica: 
tion (il di 29. di Novembre MDLXXVIID) im Jahr 1578 zuerft 
gedruckt zu fein. Die mir befannte Ausgabe ift von VBenedig 1612, ap- 
presso Ant, Turino. Einige Einzelheiten in diefer Hadriana erinnern 
tu fo überrafchender Meife an andere in Shaffpear’s Nomen und Julie, 
daß man fic) der Dermuthung kaum erwehren fann, der englifche Dich⸗ 
ter habe diefelben vor Augen gehabt. Das Lebtere foll freilich durchaus 
nicht mit Beflimmtheit behauptet werden; aber es lohnt fich wohl ber 
Mühe, eine Stelle anzuführen, deren auffallende Aehnlichkeit mit einer 
entfprechenden in Shaffpeare man nicht abläugnen wird. 


£atinus, ber Romeo bes Groto, nimmt bie Nacht vor feiner Abs 
reife von Hadriana Abfchieb: 


— 319 — 


vollen Verfaffer der bisher erwähnten Tragoödien nicht wieder. 
Schon Tied hat von diefem Stüd gefagt, man finde hier 


Latino. S’io non erro, & presso il far del giorno. 

Udite il rossignuol, che con noi desto, 
Con noi geme fra i spini, e la rugiada 
Col pianto nostro bagna l'herbe. Abi lasso, 
Rivolgete la faccia all’ oriente. 
Ecco incomincia:a spuntar Palba fuori, 
Portando un altro sol sopra la terra . 

- Hadriana. Ahimé, ch’io gelo. Ahimé, ch’io tremo tutta, 
Questa é quell’ hora, ch'ogni mia dolcezza 
Affatto stempra. Ahimé, quest’ & quell’ hora, 
Che m’insegna a saper che cosa & affanno. 
O del mio ben amica, avara notte, 
Perché si ratto corri, fuggi, voli, 
A sommerger te stessa e me nel mare? 

Hiermit vergleiche Shaffpeare: 

Juliet. Wilt thou be gone? It is not yet near day; 
It is the nightingale and not the lark, 
That pierc'd the fearful hollow of thine ear; 
Nightly she sings on yon pomegranate tree: 
Believe me, love, it was the nightingale. 
Romeo. It was the lark, the herald of the morn, 
No nightingale. Look, love, what envious streaks 
Do lace the severing clouds in yonder east; 
Night's candles are burnt out, and jocund day 
Stands tiptoe on the misty mountain’s tops, 
I must be gone and live, or stay and die. 

Es if zu bemerken, daß weder Maffuccio , noch da Porta, nod 
Brooke bei diefer Gelegenheit, wie Groto und Shaffpeare von der Nach- 
tigall reden. \ 

Mir empfehlen ferner bie Scene der italienifchen Tragödie, wo ber 
Priefter Hadrianen ben Schlaftrunf reicht, die, wo bie Lebtere die Bhivle 
leert und bie des Erwachens in der Gruft der vergleichenden Aufmerk⸗ 
famfeit künftiger Commentatoren des Shaffpeare. S. Walker's Histori- 
cal memoir on Italian tragedy, London 1799, pag. 49 fl. 


— 30 — 


Streit, Mißhelligkeit, Intrigue und Kampf, Intereffen , bie 
ſich durchkreuzen, Antithefen, die mit vielem Scharffinn ente 
widelt fcien, würde fih aber irren, wenn man nur einen 
Funken von der Liebesglut des Shaffpeare’fhen Trauerfpiels 
wiederzufinden erwartete. 

Sn El mas impropio Verduge para la mas justa 
venganza zeigt fid) die Energie des Rojas in einigen wahr- 
haft, großartigen Scenen von erfchütternder Wirfung; aber dies 
fes Stúd, wenngleich es Schönheiten aufzuweifen hat, wie 
fie nur dem Genie gelingen, fft in Plan und Ausführung 
doch verfehlt, und zeigt, wie noch mehrere andere Dramen 
des Rojas, ein verfehrtes Streben, das Tragifche und Furcht⸗ 
bare bis zum Zurüdftoßenden und Gräßlichen zu treiben. Ges 
wif fann die entfegliche Begebenheit, wie ein Vater die Vers 
kleidung des Henfers annimmt, um feinen entarteten Sohn 
feloft hinzurichten, ſchon an fich, nod) mehr aber in der Art, 
wie fie hier behandelt ift, ftatt zu erfipúttern, nur empören. 
Sn ähnlicher Weife, mit entfchiedener Vorliebe für das Schred- 
liche und Graufenhafte, tft in El Cain de Cataluña eine ſchau⸗ 
vervolle Mordgeſchichte dramatifirt; einen wunderliden Cha⸗ 
rafter erhält das Stüd nod) dadurd, daß die Feindfchaft ber 
beiden Söhne des Grafen von Barcelona und bie (Ermor: 
dung bes jiingeren zum Theil mit den nämlidhen Ausdrücken 
gefehilvert wird, wie der Tod Abel'S in der Bibel; übrigeng 
fann man auch diefem Drama, bei allem Widrigen und Hars 
ten, einzelne ergreifende und hoch  tragifche Momente nicht 
abfprechen. 

Die Dramen, telde Rojas auf die Mythologie oder 
Geſchichte der Alten gegründet hat, gehören zum Theil zu 
dem Beten, was die ſpaniſche Bühne in diefer Art befigt. 
So hat er die Fabeln von Medea und von Profne und Filomena 


— 321 — 


¿mar im herrſchenden Comödienſtyl feiner Zeit, aber mit 
einer Stärfe des Pathos dramatifirt, die, troß ber romans 
tifhen Umbildung des Ganzen, mwenigftens in einzelnen Eces 
nen an die tragifche Größe ber Alten erinnert.- Weniger ges 
langen unferem Dichter die geiftlihen Comödien. Die befte 
darunter möchte fein: Nuestra Señora de Atocha, in alts 
fpanifcher Sprade. Diefes, zur Verherrlidhung der Schuß» 
patronin von Madrid geichriebene Schaufpiel fhildert die 
enthuftaftifche Andacht und den aufopfernden Heldenmuth ber 
alten Gaftilianer fehr ſchön; das Hauprmotiv der Handlung 
it, Daß ein spanischer Ritter feine beiden Töchter, um fie 
vor den, Madrid belagernden, Mauren zu fehügen, in der Kirche 
unferer lieben Frau von Atocha ermordet, daß aber die heilige 
Yungfrau die beiden Mädchen auf wunverthätige Weife wies 
der in's Leben zurüdruft. Ein ganz voúftes und abenteuers 
lihes Stüd fft dagegen Los tres blasones de España, 
woran freilich, als hätte Rojas allein nicht fo vielen Unfinn 
zufammenbringen fónnen, nod Antonio Coello mitgears 
beitet hat. Der erfte Aft fpielt zur Zeit der Kämpfe des Pom⸗ 
pejus mit Spanien, der zweite in einer fpäteren Periode des 
römifchen Reichs, der dritte in der Zeit des Cid; der heis 
lige Caledonius und St. Emerentius werden darin vorgeführt, 
wie fie zuerft al8 Embryonen vor ihrer Geburt, dann wábs 
rend ihres Lebens und zulegt nad) ihrem Tode Spanien 
fhügen. — Freien Spielraum für feine zügellofe Phantafie 
fand unfer Dichter aud in Süjets wie Persiles y Sigis- 
munda (nad dem Roman des Cervantes), Los zelos de 
Rodamonte (nad) Bojardo und Aríoft), El falso Profeta 
Mahoma (nad) einem alten fpanifchen Volksbuch, in welchen 
das Leben des Mobammeb auf höchſt wunderliche Weiſe ents 
ſtellt (ft). | 


Geſch. d. Lit. in Spanien. III. Bd. 21 


— 322 — 


Die Luftfpiele des Rojas fanden bei feinen Zeitgenof- 
fen in befonberem Anfehen, und haben zum Theil His auf 
den heutigen Zag ihre Popularität behauptet. Sie zeugen von 
ungleich mehr komiſcher Kraft, als die des Calderon, und 
wenn man nur biefe energifche Komik und dabei die lebendige 
Naturwahrheit der Charaftere in's Auge faßt, fo darf man 
die beften berfelben in diefer Beziehung dreift an die Spitze 
aller fpanifchen Luftfpiele fegen. Die Erfindungen find 
finnreid) und voll Intereffe, die Handlung ſchreitet raſch und 
unaufhaltfam fort, und bewegt fid burd Situationen von uns 
gemeiner Wirkung; der Witz fprubelt in unerfehöpflicher Fülle, 
und der Dialog tft, wenn auch hier und ba in den Scenen, 
welche fich in die höhere Poefte verfteigen follen, nicht frei 
von Ziererei, fo doch mehrentheild von unverbefferlicher Leich- 
tigkeit. Die Figuren, obgleich bisweilen tm Garicaturfiyl ge: 
halten, fpringen in den fráftigften und lebenvollften Zügen 
hervor, und in komiſchen Verwicelungen haben wenige Dich- 
ter eine ſolche Erfindſamkeit gezeigt, wie Rojas. Um jene 
poetifche Verflárung, welche Calderon liebte, war es ihm 
freilich in dieſen Luftfpielen nicht zu tfunz; wenn Sener ſich 
mit Vorliebe ben edelften Zügen feiner Nation zumandte, fo 
faßte Rojas vielmehr vorzugsweife das Thörichte und Lächerliche 
feiner Zeit auf; aber mit welcher Derbheit die Verkehrtheiten 
des Lebens hier auch gegeifelt werden, wie Vieles auch wirf- 
lid) Zerrbild ift, fo fehlt es Doch durchaus nicht an poetifcher 
Haltung, und man fann dem Dichter Feineswegs vorwerfen, 
der fpäteren nüchteren Gattung bes Luftfpiels, welche ſich 
ganz von der Poefte Iosfagte, vorgearbeitet zu haben. 

Entre bobos anda el juego gehört zu den originelle 
ften Stüden der fpanifchen Bühne und ift voll feder Luſtig⸗ 
feit und übermüthiger Laune, eben fo trefflich durch die Sos 


— 3283 — 


»ialität in der Schilderung Tächerlicher Charaftere nad) dem 


Leben, ald durch die Situationen, welche den Effeft dieſer 
Charaktere beben. Die Figuren deS Don Lucas, cines eins 
gebildeten, prablbaften und pedantifhen Geden, und feiner 
Schwefter, der gezierten alten Jungfer Alfonfa, find im burs 
lesken Caricaturſtyl nicht leicht zu übertreffen; die nächtlichen 
Seenen in dem Wirthshauſe, wo ſich die verfdiedenen Pers 
fonen, dur die Dunfelheit getäufcht, bei ihren Redenz— 
Vous auf die feltfamfte Weiſe freuzen, fünnten wohl felbft 
den trübfinnigiten Hypochonder zum Laden bringen, und bie 
den noten ſchürzende Intrigue, wie D. Lucas, der fi in 
den Kopf gefegt hat, eine junge und ſchöne Dame zu heiras 
then, von dieſer umd von feinem eigenen Neffen an der Nafe 
berumgeführt wird, ift mit großer Feinbeit und Gefchidlich- 
feit durchgeführt. — Der jüngere Corneilfe, deffen D. Ber- 
trand de Cigarral diefem Luftfpiele nachgeahmt iſt, hat bem 
Original nichts hinzugefegt, was gelobt werben Fönnte, wohl 
aber die komiſche Kraft deffelben fehr geſchwächt °°). 


28) Um an einer Probe zu zeigen, wie genau ber Franzofe ſich oft 
an den Spanier gefchlofien hat, wählen wir bie Rede, in welcher ber 
gefoppte D. Lucas feinem Zorn gegen Die beiden Liebenden in höhniſcher 
Meife Luft macht: 

Rojas: Pues dadla la mano al punto, 
Que en esto me he de vengar: 
Ella muy pobre, vos pobre, 

No tendreis hora de paz. 

El Amor se acaba luego, 

Nunca la necesidad: 

Hoy con el pan de la boda 

No buscaréis otro pan. 

De mi os vengais esta noche, 

Y mañana, a mas tardar, 

Cuando almorceis »un requiebro« 
21* 


- A —_ 





— 324 — 


In der ganzen Anlage weniger funftreidh, aber voll von 
feiner Laune, Witz und Menfchenfenntniß und bei aller Schärfe 
der Satire dody immer von der harmlofen Heiterkeit der wah⸗ 
ren fomifchen Dichtung durchdrungen find die Luftfpiele: Lo 
que son mugeres und Abre el ojo 6 Aviso á les sol- 
teros. Aber der Triumph von Rojas? Leiftungen auf diefem 
Gebiete ift unftreitig die Comibie Donde hay agravio no 
bay zelos. Hier vereinigt fid) eine hochvortreffliche Erfin⸗ 


dung und Verwickelung ‚mit meifterbafter Wahrheit und Bes . 


ftimmtheit der Charafterzeichnung und höchſt glüdlicher Wahl 
der Situationen, um komiſche Effefte bervorzubringen, bie 
nicht leicht übertroffen werden fónnen. D. Yuan langt mit 


Y en la mesa, en vez de pan, 
Pongais »una fe« al comer 
Y ‚una constancia« al cenar, 
Y pongais en vez de gala 
"Un »buen amor« de Milan, 

’ Una tela de »mi vida,« 
Alorrada en »me querrás :. 
Echaréis los dos de ver, 
Cual se ha vengado de cual. 

&orneille: Mariez-vous sur l'heure et la prenez pour femme, 
C'est par oú je prétends me venger de vous deux, 
Elle, sans aucun bien: vous, passablement gueux, 
Allez, vous connaitrez plus tót qu'il vous ne semble 
Quel diable de rien c'est que deux riens mis ensemble. 
Dans la nécessitó, vous n'aurez point de paix, 
L'amour finit bientót, la pauvreté jamais. 

Afin que tout vous semble aujourd'hui lis et roses, 
J’aurai soin de la noce et patrai toutes choses: 
Mais vous verrez demain qu'on a peu de douceur 
A diner de ma vie, á souper de mon coeur, 
Et qu'on est mal vétu d'un drap de patience 
Doublé de foi partout et garni de constance. 


o E A 


Tr 


— 3% — 


feinem Diener Sancho in Madrid an, um fid) mit nes, der 
Tochter des Fernando de Rojas, zu vermählen. Al8 er am 
Abend eben in das Haus feines Schwiegervaters treten will, 
fieht er vom Balcon deffelben einen Unbefannten berabfteigen. 
Diefer Umftand flößt ihm Verdacht gegen die Braut ein, und 


er hält es für wünfchenswerth, fid) vor Eingebung der Ehe 


erft über die Urfachen jenes Ereigniffes zu vergewiffern. Da 
er nun bisher weder feinem Schwiegervater, noch der Braut, 
mit welcher er wegen Ramilienrüdfichten aus der Ferne vers 
Iobt worden, perfünlich befannt ift, fo fommt ihm bas Ges 
ſtändniß feines Dieners, er habe fein eigenes Bildniß ftatt 
des Portrait'8 des Don Juan an Ines gefandt, fehr gelegen. 
Er befichlt dem Sano, Rittertradht anzulegen und fidy für 
den erwarteten Bräutigam auszugeben; er felbft aber über- 
nimmt die Rolle des Dieners und denft auf diefe Art zu 
erforfchen, ob jener Unbefannte auch etwa ein Galan feiner 
Braut gewefen fei. Die Enthüllung läft nicht lange auf fid) 
warten; der nächtliche Eindringling in D. Fernando's Woh⸗ 
nung war D. Lope de Rojas, welcher eine Zeit lang in 
einem Liebesverhältniß mit D. Juan's Schweſter Anna ges 
ftanden und ihr heimliche Befuche gemacht hatte, dabei aber 
von D. Juan's Bruder überrafcht worden war und ihn in 
dem dadurch herbeigeführten Streite umgebracht hatte. D. 
Lope vergaß fpáter feine frühere Geliebte und warf fein Auge 
auf Ines. Ohne bei bicfer Gehör zu finden, beftad) er ihre 


Zofe Beatriz, und wurde fo in der Nacht, ald D. Juan in 


Madrid anfam, in das Haus eingrlaffen. — jeder fieht fos 
fort, wie unvergleichlich diefe Verwidelung eingeleitet tft und 
welche ergiebige Duelle für die allerfpannendften Situationen 
ebenfowopl wie für bie berrlichften komiſchen Contrafte fie 
darbot. Wir haben bier erftlih D. Juan in feiner Verklei⸗ 


— 326 — 


dung als Diener; dann ben Conflict zwifchen feiner Liebe zu 
Snes und feiner Eiferfucht auf viefelbe; hierauf feine Vers 
pflicdytung zur Rache an D. Lope, ald dem Verführer feiner 
Schwefter und Mörder feines Bruders; endlich den Bedien⸗ 
ten in feiner Verfleibung alg Cavalier und in ber feltfa- 
men Lage, in welche er hierdurch verfegt wird. Aber wollten. 
wir alle die ergöglichen Wendungen, alle die feffelnden Scez 
nen und anziebenden Momente, welche der Dichter aus Diefen 
Berhältniffen entfponnen hat, auch nur andeuten, fo würden 


wir über die Gebühr weitläuftig werden müffen. Die Figur - 


des ehrlichen Sancho, der ganz gegen feine plebejifche Natur 
mit einem Male feine Ritterehre vertheidigen foll, gehört zu 
den lächerlichften, die je auf der Bühne erfihienen find; und 
über die Scenen, in denen er, alg angeblicher Schwiegerfohn 
Fernando’, den Helden gegen den Mörder feines Bruders 
fpielen muß, über die Derzensergießungen, in denen er dann 
wieder feiner wahren Gefinnung Luft macht, ift ein Küllhorn 
von Jovtalitát und Humor ausgegoffen. — Aud diefes Luft 
jpiel hat in Sranfreich ſchon früh eine Bearbeitung gefunden; 
Scarron übernahm im Jahre 1645 diefes Gefchäft, aber man 
fann feinem Jodelet ou le Maitre valet ſchwerlich viel 
Gutes nachrühmen; die Berwidelung ift diefelbe geblieben, 
wie im Original, und durch fie behamptet bas franzöfiiche 
Stüd immer einen Vorzug vor vielen anderen; aber die Aus⸗ 
führung bleibt unermeßlic weit hinter der des Spaniers ¿us 
rid. Wo Rojas fühn und übermüthig tft, da wird Scarron 
plump, und die muthwillige Grazie bei Senem finden wir 
bei dicfem zur frafenbaften Poffe entftellt 29), 

2) Ein einziges Beifpiel möge Dies zeigen. Im Spanifchen gehört 
das berühmte Selbftgefpräch Sancho's über Die Ehre zu dem Herrlichiten, 
was die Mufe des Luftipiels je eingegeben hat; Diefen Monolog nun 
traveftirt Scarron in fulgender wahrhaft widerwärtiger Meife : . 


— 3N — 


Die Sorge, nicht zu weitläuftig zu Werben, verhindert 
ung, nod) auf bie übrigen zahlreichen Luftfpiele des Nofas 
näher einzugehen, und wir begnügen und mit einigen Andeus 
tungen. Früher ift die Vermuthung ausgefprocdhen worden, 
bie unter dem Namen unferes Dichters gehende Comödie En 
Madrid y en una casa feí nicht von ihm, fondern von Tirfo 
de Molina. Diefe Vermutbung gründete ſich hauptſächlich auf 
ben Styl, der ſich fehr bem des lebtgenannten Dichters zu nähern 
ſchien; allein wir müffen jegt unfere Meinung ändern, benn 
bie nähere Belanntfchaft mit den Werfen des Rojas hat ung 
belehrt, daß noch verfchiedene berfelben, wie 3. BD. Lo que 


Jodelet, seul, en se curant les dents. 
Soyez nettes, mes dents ; 'honneur vous le commande, 
Perdre les dents est tout le mal que j'appréhende. 
L'ail, ma foi, vaut mieux qu'un oignon. 
Quand je trouve quelque mignon, 
Sitót qu'il sent Pail que je mange, 
Il fait une grimace étrangce, 
Et dit, la main sur le rognon: 
Fi! cela n'est point honorable. 
Que béni soyez-vous, seigneur, 
Qui m'avez fait un misérable 
Qui prefere Pail a l'honneur. 
Soyez nettes, mes dents, ete. 
Quand je me mets á discourir 
Que le corps enfin doit pourrir, 
Le corps humain, oü la prudence 
* Et 'honneur font leur résidence , 
Je m’afflige jusqu’au mourir. 
Quoi! cinq doigts mis sur une face 
Doivent-ils étre un affront tel 
Qu’il faille pour cela qu'on fasse 
Appeler un homme en duel? 
Soyez nettes, mes dents etc. 


son mugeres, D. Diego de noche, tn ábnlidjer, von der 
Zierrebnerei, die ſich in anderen findet, febr abweichender und 
eben fo frifher als ungebundener Sprachweiſe gefchrieben 
find?°°). Die genannte Comödie hat eine fo finnreidh angelegte 
und mit fo mit fo überlegener Kunſt durchgeführte Intrígue, 
daf man fie in diefer Beziehung den beften des Calderon an 
die Seite ftellen fann. Die Heldin fft eine junge Wittwe, eine 
Art von Dame Kobold, welche einen fremden Gavalter durch 
bie raffinirteften Runftgriffe in ihren Negen zu fangen fucht. 
— Durch eine nit minder glückliche Anlage zeichnet fich 
Don Diego de noche (wahrſcheinlich nach einem gleichna= 
migen Roman von Salas Barbadillo, Madrid 1623) aus; 
die Triebfever des Intrreffes tft bier die Liebe einer Dame 
zu einem Manne, ben fie nie gefehen, von dem der Ruf aber 
ihr fo viel Ausgezeichnetes hinterbracht hat, daß ihre Ein- 
bildungsfraft fid ihn als bas Bild aller Bollfommenheit aus: 
malt. — Unter ben uns weiter befannten Luftfpielen des 
Rojag möchten Obligados y ofendidos und No ay amigo 
para amigo die vorzüglichiten fein. 


Aguftin Moreto y Cabana. 


Ueber bas Leben biefes berühmten Dichters find faft 
gar Feine authentifchen Nachrichten auf ung gefommen. Man 
hat vermuthet, daf Valencia feine Geburtsftabt fei, weil dort 
Familien biefes Namens einheimifch fein follen; allein ber 


22%) En Madrid y en una casa ift, wie aus einer darin vorkom⸗ 
menden Stelle hervorgeht, furz nach dem Tode des Lope de Vega, alfo 
etwa im Jahre 1636 verfaßt. Vielleicht läßt fich hieraus fehließen, daß 
Rojas in feinen früheren Dramen der einfacheren Redeweife zugethan ge- 
wefen fei und fich erft fpäter den Estilo culto angeeignet habe. 


LI rn A nn it min — — ta. A. e — 


— 329 — 


limitand , baf die forgfältigen Verzeichniſſe Balencianifcher 
Schriftfteller in den großen Werfen von Limeno, Rodriguez 
und Fuſtér feiner feine Erwähnung thun, fcheint gegen dieſe 
Annahme zu fprechen. Da ſchon in Ealderon’s 1637 gebrud: 
tem Astrólogo fingido von feinem Lindo Don Diego als 
von einem berühmten Stüde die Rede ift, fo Takt fich feine 
Geburt Feinenfalls fpäter fegen, als in das erfte Viertel des 
fiebzebnten Jahrhunderts. Die frühere - Zeit feined Lebens 
fcheint er in Mabrid, die fpátere in Toledo zugebracht zu 
haben. Er trat, wie fo viele Dramatifer feiner Zeit, in reis 
feren jahren in ben geiftlidhen Stand, wurde Eapellan ves 
Cardinals Moscofo und von diefem zum Borfteher des Hué- 
pital8 del refugio ernannt, und widmete ſich mit foldjem 
Eifer dem geiftlichen Berufe, daß er, trog bes großen Bei⸗ 
falls, mit dem feine Stüde aufgenommen wurden, der Dicht: 
funft ganz entfagen zu müffen glaubte'°%. Von dem Tegten 
Stüde, welches er ſchrieb (Santa Rosa del Peru) vollen- 
dete er nur die beiden erften Aftez Der dritte wurde von Don 
Pedro Francisco Lanint y Sagredo hinzugefügt, mit bem er fon 
früher mehrere Stüde in Gemeinfchaft gefchrieben hatte!°?). 
Moreto ftarb zu Toledo am 28ften Oftober 1669 und ward 
im Kirchſpiel San Juan Bautifta begraben. In feinem Tes 
flament machte er die feltfame Rlaufel, fein Körper folle ein : 
unehrliches Begrábnif auf dem „Ader ber Erhenften“ ers 
halten. Wenn ſich hieraus auch ſchließen Täßt, irgend ein 
Schuldbewußtſein habe feine Seele geprüdt, fo fcheinen doc 
die Gründe, aus denen man hat beweifen wollen, er habe 


101) Antonio de Jesus Maria, Cronica del Cardenal D. Balta- 
sar Moscoso, Madrid 1680, $. 1657. 

"2 Parte XXXVI. de Comedias escritas por los mejores in- 
genios de España. Madrid 1671, pag. 1. 


— 380 — 


ben von Lope be Vega gefeierten Dichter Baltafar Elifio 
de Medinilla umgebracht, nur. ſchwach zu fein. 

Eine Sammlung von Moreto’d Comödien begann im 
Fabre 1654 zu erfcheinen: Primera parte de las Come- 
dias de D. Agustin Moreto y Cabaña, Madrid 1654. 
Diefer Band wurde fpäter wieder gedrudt, Valencia 1676, 
— Zweiter Band, ebendafelbft 1676. — Verdadera ter- 
cera parte, Valencia 1703. 

Moreto befag nicht jene Fülle von Phantafie une Ers 
findungsgabe, wie Lope, Calderon, Tirfo und Alarcon; es 
mangelte ihm an jener fid) nie erfchöpfenden Fruchtbarfeit ver 
Einbildungsfraft, welche die genannten Dichter in fo hohem 
Grade auszeichnet; dagegen war ihm ein fehr fharfer und 
eindringender Tünftlerifcher Verftand und mit ihm die Gabe 
verliehen, einen gegebenen Stoff auf’ feinfte zu verarbeiten. 
Diefe Mängel fowohl als Borzüge feiner Organifation ers 
fennend, verzichtete er auf den Ruhm einer durdhgängigen 
Originalität und bemächtigte fid ber dramatifhen Werfe an: 
berer Dichter, um fie umzuſchaffen und mehr auszubilden. 
Biele feiner beften Schaufpiele find Nachahmungen oder ges 
radezu Entlehnungen, der einzelnen Gedanken und Sceenen, 
bie er von Anderen geborgt hat, zu geſchweigen; man kann 
fie mit fauberen und gefchidten Moſaikarbeiten vergleichen. 
Bon der Freiheit, mit welcher er fi} frembes Gut zu eigen 
machte, zeigt Die Comödie La ocasion hace al ladron ein 
auffallendes Beifpiel, bier ift nicht etwa eine fremde Erfins 
dung nur benugt und in nener Weife behandelt, nein, es 
find minbefteng zwei Dritttheile von Tirſo's Villana de Bal- 
lecas beibehalten und nur ein anderes Drittel von Verfen 
ift hinzugefügt, fo wie Einiges im Scenengang verändert. 
Sn anderen Werfen hat Moreto, ohne fih im Einzelnen ges 





— 3391 — 


nauer an das Borbild anzufchließen, nur im Allgemeinen eine 
von früheren Dramatifern erfonnene Spree, oder einen von 
Anderen entworfenen Plan adoptirt, aber mit Fritifchem Scharfe 
blid nur das Gelungene in bem Vorgefunbenen aufgenoms 
men, die Gebrechen bagegen abgeftellt und die ganze Anlage 
in reinfter Confequenz zur Bollendung geführt. Hierher ges 
hören einige Meifterwerfe, die zu den vorzüglichften Schöp- 
fungen der dramatifchen Runft überhaupt gerechnet werben 
müſſenz man erfennt nod) die Keime, aus denen fie erwach⸗ 
fen; man muß zugeftehen, daß die Grundidee einer älteren 
Dichtung entnommen fet, allein die Haltung des Ganzen wie 
der Details. tft in den jüngeren Schaufpielen fo felbftftándig, 
die Compofition wie die Ausführung des Einzelnen fo durch⸗ 
dacht, fein und vollendet, daß es Pedanteret fein würde, dem 
Dichter aus feinen Entlehnungen einen Vorwurf zu machen. 
- Hätte Moreto nur immer in bicfer Weife gearbeitet, bie 
Zahl feiner guten Werke würde größer fein! Aber er ließ 
fid) von dem allgemeinen Hange ber fpanifchen Theaterbichter, 
viel und vielerlei Kiefern zu wollen, fortreißen, und förderte 
daher eine Anzahl von Productionen zu Tage, Die geradezu 
mittelmäßig und fchlecht genannt werden müffen und in denen 
man ben geiftreichen Verfaffer von El desden con el des- 
den und El valiente justiciero faum wiedererkennt. Man 
fann daher behaupten, daf uns in den Stüden ves Moreto 
zwei wefentlich verfchiedene Autoren entgegentreten: ein reich 
begabter und funftverfländiger, wenn auch nicht durchaus orts 
ginaler Dichter, und ein Schaufpielfabrifant, der fich in Nichts 
über das Geleiſe ber gewöhnlichen Bühnenfchreiber erhebt. 
ES iſt Dies eine Duplicitát, in welcher allerdings etwas Be: 
frembenbes liegt, die aber noch bei manchen anderen fpanis 
ſchen Theaterdichtern -gefunden werben fann und fid) nur aus 





— 33 — 


bem äußeren Umftanve erflären läßt, daß tie beftändige Nach⸗ 
frage der Schauſpieldirectoren felbft geiftoolle Männer bier 
und da verführte, die Kunft als Handwerk zu betreiben. 

Die Sprache des Moreto tft in feinen befferen Etüden 
reíd) und funfivol, entbehrt aber jener Arifche und Spon: 
taneitát, die wir an manden feiner Vorgänger und Jeitges 
noffen bewundern, und hält fid) nicht frei von Geziertheit. 
Sn feinen geringeren Arbeiten madt fid) oft, wie in ver 
Compofition und den Gedanken, fo auch in der Diction, eine 
bedeutende Schwäche und Mattigfeit fühlbar. 

Wie viel Moreto anderen Didtern verdante, läßt ſich 
fhwer im ganzen Umfange fagen. Wo er den ganzen Plan 
aus nod) vorhandenen und uns befannten älteren Stüden 


gezogen hat, da haben wir es angeführt; allein es darf, auf _ 


diefe Wahrnehmung bin, wohl die VBermuthung ausgefprochen 
werden, daß er auch noch außerdem manche jegt untergegangene 
oder fehr felten gewordene Schaufpiele benugt habe. 

Unter den tragifchen Dichtungen unferes Autors ift El 
valiente justieicro von jeher die gefeiertfte gewefen, und Dies 
fe8 Gtúd gehört zu den berühnteften ber fpanifchen Bühne 
überhaupt. In welchen Umfange der Dichter bier, feiner 
Gewohnheit gemäß, aus fremden Duellen gefchöpft habe, vers 
mögen wir nicht zu fagen. Eine Tradition behauptet, ber 
Justiciero fet genau dein Infanzon de lllescas des Lope de 
Vega nachgeahmt, einem Stüde, das ung nie zu Gefichte 
gefommen tft; aus eigenem Vergleiche dagegen fónnen unfere 
Lefer fehen, daß Moreto zu einer der Olanzfcenen feines 
Drama'8 in Lope'8 Novios de Hornachuelos (f. Band II. 
dieſer Gefchichte, S. 288) ein Vorbild finden Fonnte. Die 
Frage der Originalität bei Seite laffend, fónnen wir nicht 
umbin, dem Scaufpiele unferes Dichters wegen feiner ener: 





| 


— 333 — 


gifchen Charakterfchilderungen unb feiner Tebenvollen Darftels 
lung des fpanifchen Mittelalters unfere ganze Bewunderung 
zuzumenden. Wir glaubten eine ausführlichere InbaltSanzeige 
geben zu müffen. — D. Tello García, ein übermüthiger und 
tgrannifcher Ricohombre, hat die edle aber arme Doña Leos 
nor unter dem Berfprechen der Ehe verführt, fie aber nach 
ber, fo oft fie ihn an feine Zufage erinnerte, immer ſchnöde 
zurüdgemwiefen. In den erften Scenen des Drama'8 wohnen 
wir den Feftlidyfeiten bei, mit denen ein Unterſaſſe D. Tels 
lo's, D. Rodrigo, feine Vermáblung mit der fehönen Doña 
María feiert. D. Tello hat ſich als Gaft bei biefer Hochzeit 
eingefunden und auch Leonor aufgefordert, Dabei zugegen zu 
fein; während Alles in Sreude und Jubel ift und Rodrigo 
feinem hohen Saft für die ihm erwiefene Ehre dankt, brechen 
gewaffnete Diener Tello'S hervor und rauben die Braut. Der 
eben fo ausfchweifende als gewaltthätige Tello hat nämlich bei 
dem Beſuch feine andere Abficht gehabt, ald das Mädchen, 
auf das fein Auge ſchon feit lange gefallen ift, in feine Des 
twalt zu befommen. Rodrigo verfucht vergebens Widerftand, 
die Räuber entfernen fi) mit ihrem Opfer und der Beraubte 
bleibt in ohnmächtiger Wuth zurüd. Leonor fucht ihn zu trö- 
ften und verweift ihn auf den König Pebro, bei dem er Ge: 
rechtigfeit finden werde. In dieſem Augenblid fieht man eine 
Anzahl Reiter vorüberfprengen. Es tft der König felbft, der 
feinen Bruder Heinrih von Traftamare verfolgt; in bem 
Augenblid, wo er diefen erreicht hat, thut er einen Sturz 
mit dem Pferde. Rodrigo, der ihm nicht fennt, bemüht fich, 
ibm zu helfen, und bald entipinnt fic zwiſchen Beiden ein 
Geſprach. Der König fragt, auf weffen Befigungen er ſich 
befinde, und erfährt nun nicht nur den Namen Tello's, fonz 
bern fin weiterer Unterredung aud) beffen fogar der Krone 


” 


— — — — — — 


— 384 — 


trogenden Uebermuth und die an Rodrigo und Leonor verübte 
Unbill. Er verheißt Beiden Genugthuung, da feine Stellung 
Dei Pedro dem Rechtspfleger nicht ohne Einfluß fei. — Un: 
terdeffen haben Tello'S Leute die arme Marta in die Burg 


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| 


des tyrannifchen Ricopombre gebracht. Die Unglückliche ſtellt 


allen Berführungsverfuchen den Stolz der Unfchuld entgegen. 
Während Tello fid) bemüht, fie bald durd Bitten, bald durch 
Drohungen willfährig zu machen, wird ihm ein Reifender 
gemeldet, welcher Einlaß begehre. Der König tritt verfleivet 
ein, und nun folgt eine bewundernsiwürdige Scene, in welcher 
die Charaftere der beiden Hauptperfonen aufs prágnantefte 
bervortreten. Pedro wird felbft Zeuge von dem frechen Ueber- 
muth Zello'8, von dem Mangel an Ehrfurcht, mit dem er 
von dem Könige redet, und von dem falten Hohne, mit dem 
er die betrogene Leonor abfertigt. Doch unterbriidt er feinen 
Grimm und verabfchiedet fih, ohne fid zu erfennen gegeben 
zu haben. — Die erften Scenen des zweiten Aftes zeigen ben 
König mit diefen und jenen Regierungshandlungen befhäftigt 
und für die Rechtspflege forgend. Rodrigo tritt, um Dered- 
tigfeit flehend, ein; erflaunt und beftürzt erfennt er ben, ben 
er nur für einen königlichen Beamten gehalten hatte, als den 
König felbft. Pedro hört feine Klage von Neuem an, verheißt 
ihm Genugthuung, fpricht aber zugleich feine Verrvunderung 
aus, daß er fich nicht fogleich perfónlid) an dem Räuber fet: 
ner Braut gerádt habe. In gleicher Art wird Leonor 
vorgeführt und mit der Zuſicherung baldiger Gerechtigfeit 
entlaffen. Unterdeffen tft aud D. Tello mit zahlreihem Ges 
folge angelangt. An ber Thür des königlichen Gemaches er- 
Flárt man ihm, daß er nicht anders als allein eintreten dürfe, 
und er wird genöthigt, fein Gefolge zu entlaffen. Ein Höfling 
bedeutet ihn, zu warten, bis der König ermüßigt fet, ihn an: 


— 3835 — 


zunehmen. Unmuthig über einen ſolchen Empfang, will er 
fogleich umtebren, aber die Thüren find hinter ibm gefchlofe 
fen. Alle dieſe Umftände und dazu der Anblick Leonorens, die 
er aus bem Gemache des Königs hat treten fehen, erfchüttern 
feinen Muth und er fann feine Unruhe nur fehlecht hinter 
einer flolgen Sprache verbergen. Seine Beftürzung wird voll- 
fommen, alg er den König eintreten fteht und in ihm jenen 
Reifenden erkennt, bem er fo hochmüthig begegnet if. Pebro 
ftellt fic) zuerſt, als bemerfe er ihn nicht und durchlieft ruhig 
die Papiere, die man ihm eben überreicht hat. Der Ricos 
bombre naht ſich mit Zagen und will ſich ihm zu Füßen wers 
fen; der König wirft einen verächtlichen Bli auf ihn und. 
fährt fort zu Iefen. Tello ftammelt, er fei durch Föniglichen 
Befehl herbefchievden worden; Pebro fragt, wer er fei, hört 
aber nicht auf feine Antwort. Der Ricohombre macht nun 
einen neuen Verfud zur Flucht; da ruft ihm Pebro mit don: 
nernder Stimme ein: Bleibt! zu, und Sener ftammelt einige 
vertvirrie Worte der Entſchuldigung. 

König. Wie? Der, der fi) rühmte, feine Scheu vor 
mir zu haben, ift nun in meiner Gegenwart fo verzagt? 

Tello. Id verzagt? o nein! 

König. Wohlen, fo follt Ihr bald verzagen. Tretet 
näher ! 

Tello. Señor! febt mid zu Euren Füßen! Da fällt 
Euer Handſchuh. | 

König. Bas fagt Ihr? 

Tello. Daß ich gefommen bin . ... 

König. O id weiß fon! 

Tello. Wenn es eine Gunfibezeugung iſt, daß, br, 
während id) Euch die Hand zu füffen fomme, den Handſchuh 
fallen laft . .... 


— 336 — 


König. Run? weshalb reicht Ihr ihn mir nicht wieder? 

Tells. Da ift er. 

König. Seltfam, daß ein fo ftolzer Mann in folche 
Verwirrung gerathen fann! Was habt Zhr denn? 

Tello. Euer Handſchuh . . . Cer reicht ihm in der Ver- 
wirrung feinen Hut ftatt des Handſchuhs). 

König. Was foll mir diefer Hut? Ih will ihn nicht 
anders, als mit Eurem Kopf! Alfo Ihr feld jener Hoch⸗ 
müthige, der dem Könige felbft in feinem Schloſſe faum einen 
Gig anbietet? Ihr fein jener Micopombre von Alcalá, der 
mehr zu fein glaubt, alg ber König von Laftilien? Seid 
Ihr der, welcher fid mir in's Geſicht rühınte, daß er mein 
Srepter mit mir theile, daß meine Befehle in feinen Ges 
bieten nicht anders vollzogen würden, alg wenn er die (Er: 
laubnif dazu gäbe? Ihr der, welcher feinem anderen Geſetze 
geborcht, als feinem eigenen Belieben? Ihr der, vor bem 
feine Ehre, weder der Frauen, mod) der Gungfrauen ficher ift? 
Vernehmt denn von mir, daß der König ber perfönlichen 
Tapferfeit, wenn er fte auch befigt, nicht bedarf, um Eure 
Frevel zu züchtigen; denn das Schwert des Defeges führt die 
Streiche ftatt feiner, und Eure Frechheit vermag nichtd gegen 
die Gewalt ber Gerechtigkeit. Dem König gegenüber ift Nies 
mand mächtig, der Schlag feines Schwertes trifft, bevor man 
ihn nod) fallen gefeben. Wißt ferner, daß ich nicht blos Ks 
nig, fondern der König Don Pedro bin, und daß, wenn td) 
mid) der Majeftät entfleiven fónnte, welche Euch zu meinen 
Füßen binfchmettert, ih Euch durch meine perfünliche Kraft 
ebenfo úbermiltigen würde, wie nun durch mein fönigliches 
Anfehn. Aber da ih meiner Würde nicht entfagen, dá id 
Euch nicht als Dann dem Manne gegenüber ftehen darf, 
fondern Euch mit dem Arme des Defeges beftrafen muß, fo 





— 3387 — 


will id Euch ein ſolches Freundſchaftspfand hinterlaffen, daß Euch 
die Luft zum Kampfe vergehen foll. Da, nehmt als Vorſchmack 
Eurer Züchtigung diefe Stöße hin. (Er ftößt ihn mit bem Kopfe 
ein Paar Dal gegen die Wand und geht dann ab.) 

Wir find mehrmals in den ſpaniſchen Theatern Zeugen 
der ungeheuren Wirkung gewefen, welche dieſe Scene bei der 
Darftellung hervorbringt. — Tello bleibt, von Scham und Schreks ' 
ken vernichtet, zurüd. Zu ihm tritt D. Gutierre, ein Raths⸗ 
herr des Königs, in Begleitung von Leonor und Doña Mas 
ría, und fordert ihn auf, ſich gegen die Anflagen, welche diefe 
gegen ihn vorbringen, zu verantworten. Tello gefteht Alles 
ein, was man ihm vorwirft, meint aber, in feinen alten 
Hochmuth zurüdfallend, daß man einen Mann, wie ihn, für 
dergleichen Kleinigkeiten nicht firafen fónne. In dieſem Augen» * 
blick tritt Rodrigo ein, der feit feiner Unterredung mit dem 
Könige nur auf Made finntz er flürzt auf Tello zu und es 
beginnt ein Rampf; auf das Geräufch fommt Pebro aus feis 
nem Gabinet, und läßt Beide, weil fie in feinem Palaft bie 
Schwerter gezogen, als Majeſtätsverbrecher verhaften. Tello’s 
Stolz tft nun endlich gebeugt; den Tod vor Augen habend, 
läßt er Leonoren fagen, er fehe fein Unrecht gegen fie ein 
und fet bereit, eS wieder gut zu machen. Leonor und Maria 
werfen fih zu des Könige Fúfen, um die Begnadigung 
der beiden Berurtheilten zu erflepen, aber Pedro antwortet 
ihnen, der Spruch fei ſchon gefällt und unwiderruflich. Don 
Tello empfängt fein Todesurtheil; aber Pedro, nicht zufries 
den, ihn als König durd das Geſetz zu züchtigen, will ihm 
auch noch alg Mann und Ritter feine Ueberlegenbeit zeigen 
und läßt fid das Gefängniß öffnen, in welchem Tello bie 
Stunde feiner Hinrichtung erwartet. ES tft Nacht; der König 
tritt vermummt und feine Stimme verftellend zu bem Ges 

Geſch. d. Lit. in Spanien. IT. Bo. 23 


— 338 — 


fangenen ein und fagt ihm, er fel gefommen, ihm die Freiheit 
zu geben. Tello folgt, halb argmöhntich, halb freudig, ber 
Aufforderung ; ber König reicht ihm alg Schutzwaffe ein 
Schwert, und entfernt fid) dann mit. bem Verfprehen, gleid 
surüdzufommen. Bald nachher tritt er von einer anderen 
Seite wieder auf und richtet mit wiederum veränderter Stimme 
verlegende Worte an Tello, welcher feinen Defreier nicht er: 
fennt. Die Schwerter werben gezogen, der Sieg bleibt eine 
Zeit Tang unentfchieden, aber Tello wird ¿ulegt entwaffnet. 
Pedro fordert ihn auf, fein Schwert von Neuem zu ergreifen, 
allein ber Beficgte befennt, fein Arm fet gelähmt und er fei 
bem Gegner nicht gewachſen. In diefem Augenblid treten 
Diener mit Fadeln auf, und Tello erfennt den König, indem 
er ausruft: Himmel! was tft das! 

König. Der Ricohombre von Alcalá zu den Füßen des 
Könige Don Pedro! 

Tello. Wie! Ihr, Señor. 

König. Sa, Don Tello, Eure Wunſche ſind erfüllt, 
Ihr habt mir ale Mann bem Manne gegenübergeſtanden. 
Ihr wißt nun, daß ich als Ritter mit dem Schwerte zu 
vollbringen weiß, was ich als König durch meine Mäjeſtät 
und Würde erreiche. 

Tello. Id) bekenne es. 

König. Nun, nachdem ich Eud als Mann durch meine 
Tapferkeit, in Eurer Wohnung burd meine Befcheidenheit 
und in meinem Palaft durch meine Gerechtigfeit befiegt habe, 
entflicht! Ihr ſeid frei! Verlaßt meine Staaten, ohne einen 
Augenblid zu verlieren; denn wenn Ihr Euch wieder darin 
betreffen Taßt, fo tft Euer Tod gewiß. Hier, da ich für dem 
Kampf mit Eudy meine Mafeftät abgelegt babe, fann td) Euch 
vergeben, aber fobald ich wieder König und Berthelbiger der 


— 389 — 


Geſetze bin, tft es mir unmöglih . . . Ihr findet bier in 
in ver Nähe einen Menfchen, ber Euch mit einem Roffe und 
mit Geld zur Flucht bebülflich fein wird. Nun, Ahr zögert noch ? 

Zello eilt wirklich in die Verbannung, der König aber 
macht ſich auf den Weg, um feinen Palaft mod) vor Tagess 
anbruch zu erreichen. Der Dichter hat bier eine feltfame, aber 
ganz im Geiſte ber Weberlieferungen vom König Pedro ges 
baltene Scene eingefchaltet. Schen in einem ber früheren 
Auftritte ift der Leptere als von phantaftifchen Erfcheinungen 
verfolgt dargeftellt worden; im Augenblick, wo er an einer 
Kapelle des heiligen Dominifus voribergent , erfcheint ihm 
nun ein Phantom. 


Köntg. Schatten, Hirngefpinft! was willft Du von mir? 
Der Todte. Komm heran, wenn Du es wiſſen willſt. 
Hier neben dem Kirchlein, das ber heilige Dominifus mit 
Hülfe des verflärten St. Franciscus gebaut, Tönnen wir 
uns auf ben Rand des Brunnens nieberjegen. 

König. Der Tag beginnt fon zu grauen, ih darf 
. nicht mehr lánger fäumen. 

Der Todte. Setze dich, fonft halt’ ich dich für furchtſam. 

König. Ich ftrafe Di lügen, denn ſieh', ich fiße. 
Nun rede weiter. 

Der Todte. Kennft du mid? 

König. Du bift fo häßlich, daß ich did) für einen Dás 
mon halten möchte, der mich verfolgt. (Er will aufftehen.) 

Der Todte. Nein, bleib figen. Stolzer Tyrann! td) 
bin jener Priefter, den Du mit dem Dolche durchbohrt haft. 

- König. Ich? 
- Der Todte. Willſt Du es läugnen ? 
König. Dein Eifer mochte gerecht fein, aber Du warſt 
23% 


— BM — 


fredy und verwegen, mifchteft Did in fremde Dinge und 
ließeft die Achtung vor deinem Könige aus den Augen. 

Der Todte. Mag es fein, aber Gott bedroht Did 
mit demfelben Ende; denn mit biefem felben Dolche wird 
bereinft Dein Bruder Deine Gewaltthätigfeiten im Namen von 
ganz Caftilien an Dir rächen. 

König. Was fagft Du? mein Bruder? Lag den Dold) 
fahren! 

Der Tobte. Das fann gefchehen. (Er läfit den Dold) 
fallen, ber im Boden ftedien bleibt.) 

König. Könnt’ ich Dich zum zweiten Male tóbten, fo 
würde ih es thun. 

Der Todte. ES war ber Tage St. Dominicus, daß 
Du mid erſchlugſt. 

König. Was willſt Du damit fügen? 

Der Todte. Gott ertheilt Dir durd) mid den Ber 
fehl, an Diefer Stelle ein Klofter zu gründen und die Súne 
ben, bie Du wider ihn begangen, durch keuſche Sungfrauen 
zu tilgen, die Du feinem Dienfte weihſt. Gelobft Du mir dag? 

König. Ja. Verlangft Du noch mehr? 

Der Todte, Nein, dies genügt. Reich' mir die Hand 
al8 Unterpfand deines Verſprechens! 

König. Da nimm fiel... Himmel! lag fie los! 
{ch verbrenne. 

Der Tobte. Das tft das Feuer, in dem ich leiden muß; doch 
Du fannft mid) daraus erlöfen, wenn Du den Bau vollendeft. 

Das Phantom verſchwindet und der König geht ab, um 
in feinen Palaft zurüdzufehren: In diefem Augenblide tritt 
Heinrih von Traftamare auf, welchem Pebro Verzeihung 
angeboten hat und der fid nun, um bie Verföhnung voll» 
fommen zu maden, zu deſſen Füßen werfen will, Sein 


t 


— 34 — 


Auge fällt auf den Dolch, welcher in der Erbe ſteckt; er ers 
fennt bie Lieblingswaffe bes Bruders und freut fi, fie ihm 
überbringen zu fónnen, indem er ausruft: „So bin ich bes 
freundlichen Empfanges verfichert! Ich weiß nicht, welche ino. 
nere Stimme mir fagt, daß diefer Dolch mir Olúd bringen 
werde.“ Man erkennt die in diefen Worten Tiegende Hindeu⸗ 
tung auf Pebro'8 Tob von den Händen des Bruders. Die 
nun folgende Scene iſt faft ganz identiſch mit einer anderem 
in Galberon'8 Medico de su honra und, da ber Justiciero 
vermuthlich fpäter gefchrieben wurde, aus bem älteren Stüde 
entlehnt. Pedro empfindet, da er Enrique mit bem Dolce 
eintreten -fteht, einen Schreden, ven er vergebens zu verbergen 
fucht; er fällt in eine Art von Geiſtesabweſenheit, und ſpricht 
die furditbare Ahnung, die ihn erfüllt, in deutlichen Worten 
aus; dann aber, fid) fammelnd, erhebt er ben Bruder und 
ſchließt ihn in feine Arme. Unterdeffen tft der fliehende Tello 
dem Gefolge des Infanten in die Hände gefallen. Er wird 
vor den König gebracht, und dieſer beftehlt die Vollftredung 
des über ihn gefprochenen Todesurtheild; der Graf von Tras 
ftamare aber erwirft feine Begnabigung; bie des D. Ros 
drigo wird nod leichter ¿ugeftanden, er fchließt feine theure 
Maria in die Arme, und Tello vermählt fich mit Leonor. 
ES ift nach diefer Analyfe wohl unnöthig, die unvers 
gleihlichen Schönheiten des Gedichtes noch befonders hervor 
zuheben. Nur ber Schluß entläßt uns etwas unbefriedigt, 
und es will ung bebiinfen, al8 ob die Natur des Degenftans 
des ebenfo wie ber Charakter der handelnden Perfonen eigent- 
lich ein tragifches Ende bedingt hätten. Die glanzoolifte Seite 
des Stücks tft unftreitig die Figur des D. Pedro; wie oft 
und wie glüdlich biefe auch fon von anderen Dramatifern 
auf die Bühne gebracht worden war, fo hat Moreto in bers 


— YY — 


felben doch alle feine Vorgánger übertroffen. „Alle Einzel 
heiten diefer Role — fagt Y. Viel⸗Caſtel — find von einer 
Bollendung und Tiefe, die bei Tängerer Betrabtung immer 
beutlicher herwortritt. Moreto's Genie hat, um fo zu fagen, 
das hiſtoriſche Problem jener widerſprechenden Urtheile gelöft, 
welche von den Chroniften und den Dichtern über diefen Fürs 
fien gefälkt worben find; er läßt uns in bem unbeugfamen 
Mechtspeflger fchon den blutigen und unverföhnliden Tyrans 
nen vorausfehen. In dem Grimme, mit bem D. Pebro Die 
Empörungen feiner Brüder und des aufrührerifihen Adele 
verfolgt, in den Strafen, ble er bei jedem Anlaß bictírt, in 
ben despotiſchen Gelüften, die fi mit feiner Gerechtigkeits⸗ 
liebe verbinden, in ben heftigen Aufmwallungen, in weldye er 
bei jeder Gelegenheit geräth, in jener Wildheit und Rohheit, 
welche oft die Alffectatíon eines ritterlichen und galanten Des 
nehmens übermältigt, ahnt man ſchon, was er bereinft werden 
fan, wenn ihn neue Provocationen zum Aeußerflen bringen. 
Schon ift ihm fogar bas Verbrechen nicht fremd, fon hat 
er ſchuldloſes Blut vergoffen, und fihon verfolgen ihn abers 
gläubiſche Schreden, während feine ftolze Seele jeder anderen 
Furcht unzugänglid if. ES ift eine von jenen hochstragifchen 
Compofitionen, von jenen Conceptionen, welche an Sbhafs 
fpeare erinnern und welche in dem großen Dichter zugleich den 
Hiftorifer, den Moraliften und, ich möchte fagen, den Staats⸗ 
mann zeigen, als ob fid) auf einer gewiffen Höhe alle großen 
Fähigkeiten des Geiſtes berührten und mit einander vermengten.« 

Moreto fcheint feine ganze Kraft im ZTragifchen in dieſem 
einzigen Werfe erihöpft zu haben; wenigftens fónnen feine 
übrigen Dramen von ernfter Fárbung in feiner Art mit bems 
felben verglichen werden. Die meifte Aufmerffamfeit unter 
diefen verdient noch Como se vengan los nobles, eine 


— 343 — 


Umbildung von Lope'8 Testimonio vengado. Schon das 
Stüd bes Lope (auf eine Begebenheit aus der älteren Ges 
fhichte . des Königreichs Navarra, wie drei Prinzen aus Haß 
ihre Mutter des Ehebruchs anflagen, gegründet) enthält große 
Schönheiten und ercellirt in der Charakterfchilderung, aber es 
ift in ber Combination bes Plans fehr mangelhaft. Linfer 
Dichter nun hat mit dem ihm eigenen Scharflinn diefe Ses 
brechen abgeftefit und die Lüden in bem Werke feines Vors 
gängerd ausgefüllt, fo daß fein Drama erft alg die eigents 
liche Vollendung der Intention Lope's angefehen werden kann. . 
— Werfen wir einen Blid auf die übrigen hierher gehörigen 
Schaufpiele des Moreto, fo finden wir und mehrentheils in 
den hohen Erwartungen getäufcht, die der Name deſſen ers 
regt, welcher den Justiciero zu fchreiben vermochte. La negra 
por el honor fft eine abenteuerlihe, mit Unwahrſcheinlich⸗ 
feiten und Anftößigfeiten angefüllte Novelle, die man eher 
für eine Arbeit des Montalvan oder Mira de Mefcun halten 
witrde, wenn Moreto’8 Autorfchaft nicht hinlänglich verbürgt 
wäre; eine Dame wird von einem Ritter mit ehrenrührigen 
Anträgen verfolgt und gibt, um ſich defto ficherer zu fchügen, 
fheinbar nad, fihlebt aber an ihrer Stelle einen in Weiber⸗ 
tracht verfleideten Pagen unter, nimmt ſelbſt Männerkleidung 
an und fchwärzt fih bas Geſicht, um ald Neger zu erſchei⸗ 
nen und unerkannt bie Welt durchſtreifen zu können. Richt 
den gleichen Vorwurf farm man den Stúden Sin honra no 
hay valentia, El secreto entre dos amigos und La mis- 
ma conciencia acusa madjen; bier findet fid) mande glüds 
lich angelegte Situation; viele Scenen find mit großer Fein 
heit ausgeführt, aber die Anlage des Ganzen ragt kaum 
über das gewöhnliche Mittelgut der fpanifchen Bühne empor. 
Jn Las travesuras de Pantoja (wovon nur der erfte Theil 


1 


— 3141 — 


vorhanden it) find bie tollen Streiche cines übermüthigen 
Studenten zwar in ergöglicher Art, aber nur mit ganz lofer 
Berfnüpfung der einzelnen Scenen bargeftellt. In La Cena 
del Rey Baltasar findet fid) bie Erzählung aus dem Pros 
pheten Daniel, die von Calderon zu einem feiner herrlichſten 
Autos benugt wurde, in gemeiner Alltag8manier behandelt. 

Gn den geiftlihen Comödien fanf Moreto von der hohen 
Ausbildung, telde dieſe Gattung durch Calderon erhalten 
hatte, ganz zu der Unförmlichfeit zurüd, die wir in vielen 
derartigen Schaufpielen bes Lope de Vega, nod) mehr in 
denen ded Mira de Mefcua bemerften; und es tft merfwürdig, 
zu fchen, wie derfelbe Autor, der fid in anderen Werfen als 
ein fo feiner, cultivirter und die Bedingniffe feiner Runft fo 
wohl fennender Geift zeigt, uns hier fo rohe und ungefüge 
Materialien liefert, alg ob er gar feine Ahnung von Kunſt⸗ 
geftaltung hätte. Los siete durmientes und San Franco de 
Sena zeigen allein jene, alle Schranken ¡berfpringenbe 
Ertravaganz, jene Delirien, welche und in dergleichen Pros 
duften früherer Dichter ſchon verfchieventlich begegnet find, 
nicht aber die Genialität, die fonft bier und da felbft mit 
den ärgften Verírrungen verfühnen kann. Das erftere Drama 
behandelt die Geſchichte der Siebenfchläfer. Eine Heidin wird, 
während fie den Göttern opfert, durch eine Erfcheinung des 
ChHriftfindes ihrem Glauben abtrünnig gemacht und nimmt 
von dem göttlihen Knaben den Berlobungéring an. Später 
fofl fte fih auf Befehl des Kaifers Deciug mit dem Feld- 
herrn Dionyſius vermählen; aber fie erklärt offen, daß fie 
ion früher einen beiligeren Bund gefchloffen babe, der ben 
fpäteren unmöglich mache, und befehrt burd die Gewalt ihrer 
Beredtſamkeit aud) den Dionyfiv zum Chriftenthum, ver feis 
nerſeits wieder feine ſechs Brüder beftimmt, zu bem neuen 


—— — nn ren —— — 


— 345 — 


Glauben überzutreten. Der Kaiſer iſt außer ſich vor Wuth, 
und befiehlt, die ſieben abtrünnigen Brüder in eine Höhle 
zu verſchließen, wo ſie Hungers ſterben follen. Der letzte Aft 
ſpielt mehrere Jahrhunderte ſpaͤter; jene Höhle wird geöffnet, 
und die Brüder erwachen aus wunderfamem Schlafe, in wel- 
hem fie die lange Zeit vertráumt haben; fte febren nad) 
Epheſus zurück und finden dort ein anderes Geſchlecht von 
Menfchen und auf ben Tempeln der Götter das Kreuz auf 


gepflanzt. Gewiß fonnte diefer Stoff, wie fehr er ſich auch 


gegen eine dramatifche Bearbeitung fträuben mag, durd) phans 
taſievolle Behandlung eine erfreuliche Geftalt gewinnen; aber 
Moreto hat ihn in fehr nüchterner und ſchwungloſer Weiſe 
aufgefaßt. — Gn San Franco de Sena (oder das Stüd 


follte vielmehr St. Francus von Grotti heißen, denn bas 


Leben diefes Heiligen bildet ben Vorwurf; f. Speculum Car- 
melitan. p. Danielem a virgine Maria, Antverpiae 1680. 
T. II. P. 2 pag. 798 sqq.) haben wir eine fo wüfte und 
abenteuerliche Heiligeneomödie, wie nur je eine auf die Bret- 
ter gefommen. Wären wir nicht mit dem ganzen wunderlichen 
Zuftande der Eivilifation jener Zeit befannt, fo múfite e8 ung 
in der That unbegreiflich feheinen, wie das nämliche Publi: 
tum, das ein Organ für die Feinheit und Grazie des Des- 
den con el desden hatte, fo fraffe, ja eınpörende Sítuas 
tionen, wie fie bier vorgeführt werden, habe dulden fónnen; 
nod) mehr, wie der Verfaffer jenes ätherifchen Luftfpielg ſelbſt 
feinen Zufchauern ein fo robes Speftafel habe geben mögen. 
Das Seltfamfte aber tft, daß in der Zeit, wo das fpanifche 
Theater den höchften Grab der Ausbildung erhalten hatte, 
gerade in ben geiftlihen Schaufpielen bie gröbften Indecen⸗ 
zen ungefcheut und in den grellften Farben ausgemalt werden 
durften, wenn nur am Schluffe der Sieg des Glaubens über 


— 6 — 


die Sündhaftigkeit gefeiert wurde. Der Held unferes Stüdes 


ft ein Wüſtling, deffen Mund von Dottesláfterungen und 
Berwünfchungen über alles Heilige überfließt, der Tag und 
Radbt bei Spiel, Wein und Mädchen figt, oder mit verwor⸗ 
fenen Gefellen die Straßen von Siena durdhftreift, allen mög« 
lichen Unfug übend. Den Bräutigam eines Mädchens, auf 
das er ein Auge geworfen hat, ermordet er, und führt damn, 
fih dem Kriegszuge der Sanefen wider Orvicto anfchliefend, 
das nicht minder fittenlofe Weib mit fid) fort. In dem Krieges 
leben finden feine Ausichweifungen exft recht ein freies Feld; 
er treibt Ehebruch, Nothzucht und Frevel aller Art. Eines 
Nachts hat er berm Oelage nicht blof fein Geld, fondern 
fogar bie Kleider auf dem Leibe verfpielt; da ihm nichts mehr 
übrig bleibt, fo greift er wüthend nach feinen Augen und 
ruft: »Diefe Augen, die mir Gott gegeben, fege ich ihm zum 
Hohne ein!» In dicfem Augenblick empfindet er einen hefti⸗ 
gen Schmerz, er fühlt es fid wie Feuer in den Augäpfeln 
brennen, und Nacht umhüllt fein Geſicht, fo daß er feinen 
der Anmwefenden erfennt. Von diefem Moment an Datirt 
feine Befehrung; er hört eine himmliſche Stimme, bie ihn 
zur Buße ermahnt, und finft reuig und zerfnirfcht zu Boden 
bin. Im legten Afte erbliden wir ihn als Einſiedler in 
einer Wildniß, ganz ber Buße und frommen Uebungen hin⸗ 
gegeben. Seine frühere Geliebte, unzufrieden über die Sins 
nesänderung ihres Bublen, hat fi unter eine Räuberbande 
begeben und treibt in feiner Nähe ihren Unfug: Inbeffen ſteht 
auch ihre Befehrung bevor; ihr Schugengel mifcht fid, nad) 
einem feltfamen Einfall des Dichters, felbft in Räubertracht 
unter die Bande, und weiß ihr Herz allmälig zu erweichen, 
bis fie zulegt, reuig und zerfnicfcht, eine Büßerzelle neben 
der Franco's bezieht. — Noch in feinem lepten Werfe, Santa 


. 


— MI — 

Rosa de Peru (einer Dramatifirung ber tuunberbaren Lebens⸗ 
geſchichte ber heiligen Rofa von Lima, f. Vit. s. Rosae Vir- 
ginis Auct. Leon. Hansen, Act. Sanct. 26. Aug. pag. 
902 sqq.) begnügte ſich Moreto, mit einer unfünftlerifchen Zus 
fanmenftellung vieler profanen umd heiligen Facta, die feinen 
anderen Zufammenhang haben, alg die Iofe Verbindung mit 
dem Leben der Heiligen, zu deren Verberrlihung das Stüd 
beftimmt war. _ 

Einen ganz anderen Dichter lernt man fennen, wenn 
man fid) zu ben Lufifpielen des Moreto wendet. Für biefe 
war ber eigentliche Beruf des Autors, und auf diefe gründet 
ſich der größte Theil feines Ruhmes Hat er fido in der Mehr⸗ 
zahl feiner übrigen Stüde mehr in hergebrachten Weifen bes 
wegt, fo daß eS fehwer hält, feine Individbualitdt herauszus 
fennen, fo zeigt er im Lufifplel eine fehr bebeutfame und 
marfirte Phyſiognomie. Freilich machte er auch hier vielfach 
von den Werfen Anderer Debraud), aber er ſchuf fie mehren» 
theils fo gänzlich um, daß fie unter feinen Händen etwas 
durchaus Neues wurden. Was Ihn ganz befonderd vor ben 
übrigen Ruftfpielbichtern der Spanter auszeichnet, tft die Sorg- 
falt in ber Charafterzeichnung, die Wahrheit der Stttenjchils 
derungen , die Laune, mit welcher er die LTächerlichfeiten ber 
Menichen. zu geífeln verftebt, und die Kraft der Komik in der 
Darftellung Iuftiger Vorfälle und Situationen. Die Handlung 
iſt bei ihm meiſtens weniger complicirt, als bei Ealberon, und 
die Intrigue nicht aus fo vielfachen Fäden gefponnen; aber 
er weiß mit einfacheren Mitteln das Intereffe nicht minder 
von Anfang bis zu Ende zu feffeln. Sein Dialog iſt gelfts 
tel und mit ächt attiſchem Salze gewürzt; feine Figuren 
find zwar oft in earicaturartiger Manier gehalten, aber mit 
treffendſter Wahrheit unmittelbar nad) bem wirklichen Leben 


— 348 — 
aufgefaßt und bei aller Derbheit ber Pinfelftriche doch mit 
einer graziöfen Lane hingefteflt, fo daß ihnen felbft für den 
feinften Geſchmack nichts Biderfirebendes anflebt. 

El lindo Don Diego ift eine ber beften Comedias de 
figuron — eine Gattung von Stüden, welche in ber zweiten 
Hälfte des flehzehnten Jahrhunderts fehr in Aufnahme zu 
fommen begann. Don Diego, die Figur, welche dies Luſtſpiel 
in bie bezeichnete Claſſe ftellt, ift ein junger eleganter Herr, 
welcher aus der Provinz nad Madrid fommt, um fidy mit 
einer reichen Erbin zu vermählen. Geztert in feinem Weſen 
und voll Stolz auf feine eingebilvdete Schönheit und Lieben 
würbigfeit, macht er ſich nicht allein ber jungen Dame, auf 
deren Hand er fpeculirt und Die úberbief einer anderen Liebe 
nachhaͤngt, unerträglich, fondern verlegt auch feinen Schwieger⸗ 
vater, der übrigens aus Famtlienrüdfichten das zu Standes 
Kommen ber Heirath tebhaft wünfcht und diefe auch, troß feiner 
Erfenntniß von Diego's Lächerlichfeit und trog bes Wider: 
ſtrebens feiner Tochter, auf's eifrigfte betreibt. Die Ausfichten 
- bes Bewerberd werden endlich dadurch vereitelt, daß er fi 
durch feine Eitelfeit in eine Schlinge locken laͤßt, welche ihm 
der Bediente feines Nebenbuhlers geftellt hat. Diefer Bes 
diente, der Graciofo des Stücks, fpiegelt ihm nämlich vor, 
er habe einer vornehmen Dame eine heftige Leidenſchaft eins 
geflößt, und führt ihn in ein Haus, wo er von einer geziers 
ten und lächerlich gepugten Perfon, die nichts weiter if, als 
eine Allerweltspame, empfangen wird. Diefe Scene enthält 
“eine fehr ergögliche Satire auf ben úberbilbeten Modeſtyl. 
Dem Stußer wird durch feine neue Eroberung ber Kopf vols 
lends verdreht, und er fucht nicht einmal einen fcheinbaren 
Vorwand für den Bruch ber älteren Berbintung zu finden; 
ber Schwiegervater, hierüber entrüftet, willigt endlich ein, 


— ste 


— 839 — 


feine Tochter dem Rebenbubler Diego’d zu geben, und ber 
eitle Geck Tehrt am Schluffe, da er erfährt, welcher Streich 
ibm gefpielt worden, beſchaͤnt und mit vereitelten Plänen in 
die Provinz ¿urúd. 

Aud) das Luftíptel Trampa adelante tft von einer fehr 
beiteren und beluftigenden Intrigue belebt. Don Juan de 
Lara, ein vornehmer, aber in feinen Glüdsumftänden wenig 
begünftigter Cavalier, hat einer jungen reichen Wittwe eine 
lebhafte Leidenfchaft eingeflößt, welche jedod) von ihm, der 
eine andere Dame liebt, nicht erwidert wird. Don Juan'8 
Diener verfällt auf den Gedanfen, diefen Umftand zu benugen, 
um feinen Heren aus der bebrängten Lage zu reißen, in 
weiche ihn feine Armuth verfegt. Er betreibt feinen Plan in 
aller Stille, denn er fürchtet bas Widerſtreben feines Debies 
ters, weiß aber wirklich in fchlauer Weife die Wittwe glaus 
ben zu machen, daß ihre Neigung Eutgegnung finde. Die 
ltebende Dame laͤßt fi bereit finden, dle Summen herzus 
geben, damit Don Juan's Wohnung mit Bequemlichfeiten, fa 
mit Lurus ausgeftattet werben könne; bem Legteren wirb vors 
gefpiegelt, die Wucherer und Kaufleute hätten ihm Credit ers 
öffnet. Der fchlaue Diener hat nun feine ganze Lift anzu 
wenden, um die Entdedung feines Kunftgriffs zu vereiteln 
oder Doch hinauszuhalten; er fucht um jeden Preis cine us 
fammenfunft zwifchen feinem Herrn und deſſen Wohlthäterin 
zu hintertreiben, fptegelt der Wittwe, welche fich natürlich 
das Rüdhaltende in Don Juan'8 Benehmen nicht erflären 
tann, bald diefes, bald jenes Begegniß vor, das ihren Lieb⸗ 
haber bisher behindert habe, fie zu befuchen, fucht den Arg 
wohn der wahren Geliebten Don Juan's zu befchwichtigen 
und endlich den Legteren felbft über die Intrigue, in welcher 
er unwillkuürlich eine Rolle fpielt, zu täufchen. Diefer Bras 


— $5 — 


eiofo, eigentlich die Hauptfigur bes Stüdes, ¿ft einer ber ver: 
trefflichſten und beluftigendften unter ben Taufenden von ábns 
lichen Geftaften, weldye das fpantiche Theater aufzuweiſen 
bat, und ſämmtliche Scenen, in denen er auftritt, find von 


unvergleichlicher Komif. Das Ende der Intrigue, daß fid zum 


Eroft der betrogenen Wittwe ein früher verfchmähter Lieb 

paber einfindet und am Schluße Alle ihre Zufriedenheit er- 

Hären, wird man nad) dem Anfange vorausgefehen haben. 
Sn De fuera. vendrá quien de casa nos echará if 


der Anfang dem Acero de Madrid bes Lope be Vega, ble 
ganze Hanblung aber der Comödie De cuando acá nos vino | 


deffelben Dichter nachgeahmt. Zwei junge Cavaliere, die eben 
von einem Feldzuge in Flandern heimfehren, haben ihr ganzes 
Bermögen im Spiel verloren. In ihrer Berlegenheit kommt 
ihnen ein Empfehlungsbrief zu Statten, den ihnen ein Kriege 


famerad an feine Schwefter, eine reiche, in Madrid anfäffige 


Wittwe, gegeben hat. Sie vertaufchen diefen, nur ziemlich all: 
gemein gehaltenen Brief mit einem anderen fehr dringenden, 


den fte felbft fabriciren, und verfehlen nicht, ihn an feine 


Adreffe gelangen zu laffen. Die Wittwe, eine alte Kofette, 
nimmt fie äußerft huldreich auf und bietet ihnen während des 
Aufenthaltes in der Hauptftadt ihre Wohnung an, was fie 
denn auch mit Freuden annehmen. Raum haben die beiven 
freunbe ihr neued Duartier bezogen, fo knüpft ber eine von 
ihnen ein Liebesverhaͤltniß mit einer jungen Nichte an, welde 
von der Wittwe in firenger Hut gehalten wird. Aber ein uns 
erwarteter Schlag droht, fein &lüd zu ¿erftóren. Die alte 
Kofette feloft wirft ein Auge auf den jungen Mann und läßt 
ihn ihre Leidenfchaft deutlich merfen; aber er wagt nicht, ihr 


alle Hoffnung zu rauben, denn er fürchtet, fie werde ihn in _ 


ihren Zorne das Haus räumen beißen. Endlich fchlägt fie 


— 351 — 


ihm gar vor, fie zu heirathen. Um dies Anerbleten zurückzu⸗ 

weifen, ofne fie doch zu kraͤnken, entbedt er ihr, wie ein großes 
Gebeimniß, Daß er ihr Neffe, der Sproffe einer geheimen 
Verbindung ihre Bruberé mit einer flämifchen Dame, feb; 
fie aber, weit entfernt, deshalb ihren Plan aufzugeben, trifft 
fogleich Anftalt, die nöthige Dispenfation für die Heirath zu 
erlangen, und überhäuft inzwifchen ben fingirten Neffen mit 
ihren Liebfofungen. Der Unglüdtiche fteht nun zwiſchen zwei 
Feuern, der Zubringlichkeit der Tante und der Eiferfucht der 
Nichte. Vergebene fucht er durch allerhand Runftgriffe die bros 
hende Heirath hinauszuſchieben, vergebens fid) ber alten Närrin 
unerträglich zu machen, — ber verhängnißoolle Moment rüdt 
iminer näher. Die unerwartete Ankunft des BruderS Der 
Wittwe endigt endlich diefe Verlegenheit; der alte Rrieg8mann 
geräth, als er den gefpielten Streich entoedt, zuerft In Außerfte 
Wurh, läßt fich aber dann befänftigen und legt die Hand ber 
Nichte in die des Abenteurer, der fich auf fo feltfame Weiſe 
in fein Haus eingefchlichen pat. — Die Trefflichfeit diefes 
Luſtſpiels befteht weniger in ber Intrigue, alg in bes geiſt⸗ 
reihen Charafterzeichnung, bie freilidy bisweilen mehr, als eben 
nöthig wäre, ins Burlesfe und Earicaturartige übergeht. Nas 
mentlich find zwei Nebenfiguren, die eines pebantifchen Doctor 
Juris, der bei fever Gelegenheit feine lateiniſchen Gefegesftellen 
. eitirt, und die eines verliebten Rarren, der jeder Dame, die 
er erblidt, Anträge macht und ſich jedesmal einen Korb holt, 
mit unübertrefflicher komiſcher Kraft und mit ergöglichfter 
Lane geſchildert. Beachtenswerth und ganz befonders dharafs 
teriftifch fft auch nod bie Scene, wo ein Neutgfeitsfrämer 
oder vielmehr Befchichtenerzähler auf ben Stufen ber Kirche 
San Felipe eine Menge Neugteriger um fid) verfammelt hat, 


— 352 — 


und bie abfurbeften Kabeln, die er verträgt, wie Evangelien 
von ihnen aufgenommen werben. 

3n La.ocasion hace al ladron hat Moreto, wie ſchon 
gefagt, einen großen Theil von Tirfo’s Villana de Vallecas 
wörtlich beibehalten und das Stüd feines Vorgängers durch 
Hebung mehrerer Unwahrſcheinlichkeiten und durch Weglaffung 
einiger Längen zu verbeſſern geſucht; aber er that einen gro⸗ 
‘Sen Fehlgriff in der Hauptabänderung, daß er die Figur ber 
Baͤuerin wegfallen ließ. Er glaubte, das Luſtſpiel würde an 
Wahrſcheinlichkeit gewinnen, wenn Violante, um nicht von 
ihrem Bruder und Liebhaber erkannt zu werden, Studenten⸗ 
tracht annähme; auch hielt er es vermuthlich für unſchicklich, 
daß bie Valencianerin neben den Liebeserklärungen des Don 
Juan auch nod) welche von einem Bauerburſchen anhörte; 
allein er überſah, daß aus dieſen Gebrechen Schönheiten her⸗ 
vorgingen, für welche er nichts Aequivalentes zu ſubſtituiren 
hatte. In der That iſt die Villana de Vallecas bei allen 
ihren Fehlern im Plan und in ber Defonomie ein höchſt reis 
zendes Stüd voll idylliſcher Anmuth und zugleich kauſtiſcher 
Schärfe der Satire; die Ocasion hace al ladron dagegen fann 
mit aller ihrer Correetheit nur für eine Comödie von ziemlich 
gewöhnlichem Schlage gelten. 

Die Intrigue von No puede ser guardar una muger 
ift ganz nach Lope's Mayor imposible, nur daß hier vie 
Handlung nicht an einem Hofe, fondern ganz in bürgerlichen 
Berhältniffen fptelt. Da tm vorigen Bande der Inhalt von 
Lope's herrlichem Luftfpiel angegeben worden ift, fo brauden 
wir auf den von Moreto’d Nachahmung nicht näher einzus 
geben; diefelbe ſcheint uns an Anmuth und poetifyem Colorit 
weit hinter ihrem Borbilde zurüdzufteben. 


| 





— 333 — 


Sn El parecido en la corte hat Moreto offenbar bie 
Entretenida bes Cervantes vor Augen gehabt, aber hier 
müffen wir ihm das Verdienſt zuerfennen, fein Mufter in 
Plan und Ausführung übertroffen zu haben; übrigens ift in 
biefem Parecido nod) außerdem ber erfte Theil von Tirfo'8 
Castigo del Penséque ftarf benugt worden. — Don Fers 
nando de Ribera hat, in Folge eines Zweikampfes, plötzlich 
feine Vaterftadt Sevilla verlaffen und ſich nad Madrid flüdhs 
ten müffen, wo er fi denn für den Augenblid in großer 
Berlegenheit befindet. Zufällig ift er in den Geſichtszügen 
einem gewiffen Don Lope de Lujan, welcher feine Familie 
feit Tange verlaffen hat, täuſchend ähnlich. Der Vater diefes 
Don Lope begegnet dem Fernando, glaubt in ihm feinen Sohn 
zu erfennen, umarmt ihn mit lebhaften Freubenbezeugungen 
und theilt ihn fogleich die Nachricht von einer fehr reichen 
Erbfchaft mit, die ihm während feiner Abwefenheit zugefallen 
fei. Don. Fernando tft anfänglich in hohem Grabe erftaunt 
und will den Irrthum berichtigen, aber fein fchlauer Diener 
Zacon verfällt auf den Gedanfen, venfelben zu ihrem beider- 
feitigen Bortheil zu benugen, fucht feinen Herrn zum Schwei⸗ 
gen zu bringen und betheuert bem Vater, daß er wirflich 
feinen Sohn vor fich babe, welcher burd eine ſchwere Krank⸗ 
beit gänzlich des Gedächtniſſes beraubt fei und nur aus diefem 
Grunde feine Sbentitát ableugne. Der Teichtgläubige Vater 
fegt, im Rauſche der Freude über das Wiederfinden feines 
Sohnes, in diefe Erflärung feinen Zweifel. Von diefem Augen» 
blicke an vient Alles, was den Irrthum aufflären fónnte, nur 
zur Beflätigung des von bem Graciofo angeftifteten Detruges. 
Vergebens fährt Don Fernando fort, gegen die Lügen feines 
Dieners zu proteftiren; ber Alte fieht darin nur neue Beweiſe 
des traurigen Geifteszuftandes, in den ihn feine Krankheit vers 

Geſch. d. Lit. in Spanien. HI. Bd. 23 


— 354 — 


fept babe, und überhäuft ihn um fo mehr mit väterlicher 3árts 
lichkeit und forgfältiger Pflege. Bale fängt jedoch aud ers 
nando an, fih in jein Schickſal zu finten, benn er hut in 
feiner vorgeblichen Schwefter eine junge Dame erkannt, durd) 
deren Echönheit er fchon früher gefeffelt worden war, und 
von diefem Hugenblid an widerſtrebt ihm die fingirte Ber: 
wandtſchaft nicht mehr; indem er nun zu jeder Stunde Jus 
tritt zu Snes hat, welche ihn als ihren Bruder mit ihren 
Liebfofungen überhäuft, darf er zugleich unter dem Mantel 
feiner Geiſtesabweſenheit bas vertwandtichaftliche Berhältniß 
auf Augenblide vergeffen und ſich einer lebhafteren Zaͤrtlich⸗ 
feit hingeben. Diefe Situation tft ganz aus ber Entretenida, 
aber mit ungleich grófierer Kunft und wahrhaft bewunderns⸗ 
werther Feínbeit behandelt. Endlich kommt ber wirflidde Bru: 
ber an; er wird anfänglich für einen Betrüger gehalten, und 
hat Mühe, feine Spentität zu beweifen; als aber die letztere 
außer allen Zweifel geftellt wird, bequemt fid) der Vater, ben 
Don Fernando als feinen Schwiegerfohn willkommen zu heißen. 

Eine ádte Comedia de figuron, in welder ein im 
burlesteften Caricaturſtyl gezeichneter eingebilveter und praßl« 
hafter Narr ald Mittelpunft der Handlung baftebt, iſt El 
Marques del Cigarral. Der Held ift eine Art von Don 
Quijote oder vielmehr ein Don Ranudo de Collibrados, ver 
über das Leſen feiner AdelSbriefe und das Zählen feiner Ahnen 
den Verftand verloren hat. 

Einer anderen Sphäre, der des reinen Intriguenfpiels, 
gehören La confusion de un jardin und Los engafios de 
un engaño an. Hier war es bem Moreto darum zu thun, 
in Fünftlichen Verwickelungen mit Calderon zu wetteifern, und 
es tft ihm namentlich in bem erfien biefer Stüde gelungen, 
nad Allem, was fein grofier Vorgänger auf dieſem Gebiete 


J 





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— 355 — 


geleiftet, doch noch neu zu fein und ein aus ben gehäufte 
ften Zufällen geſchürztes Imbroglío in der alerüberrafchenpften 
Weiſe zu Tofen. \ 

Aber das Höchſte, was Moreto geleiftet, und ein Werk, 
das feinem Namen allein einen unvergánglicien Ruhm fichert, 
ift die Comödie El desden con el desden. Vir haben bier 
ein Luftfpiel von größter Seinheit und Vollendung, in welchem 
fido pſychologiſche Tiefe und Innige Wahrheit der Seelenfchils 
derung mit einer reichen und fparmenden Intrigue, die forgs 
fältigfte und liebevollſte Pflege des Detail mit einer wun⸗ 
derbar effeftreiden Combination zum Ganzen verbindet. Das 
zum Grunde ltegende Thema (die Bezwingung des Raltfinns 
in einem weiblichen Herzen dadurch, daf ber Llebende noch 
größere Kälte fingirt) war fchon mehrfach, namentlich von 
Lope im Los milagros del desprecio und La hermosa 
fea, behandelt worden, und es ift wohl feinem Zweifel unters 
worfen, daß Moreto bie erfte Idee zu feinem Gedichte aus 
diefen Stücken geichöpft habe (außerdem fcheint ihm nod; 
Tirfo'8 Zelos con zelos se curan gegenwärtig geweſen zu 
fein); allein diefer Vorwurf ift bier mit fo unvergleichlicher 
Ueberlegenheit durchgeführt, daß der fpäteren Bearbeitung ber 
Preis vor allen früheren zuerfannt werden muß. Den Inbalt 
des auf faft alle europäifche Bühnen übergegangenen Stüdes 
und namentlich das äußere Gerüft der Handlung alg befannt 
vorausfegend, wollen wir nur in einigen Andeutungen die 
Feinheit bemerfticd machen, die der Dichter in der Geſtaltung 
des Stoffes gezeigt bat. Er will uns ſchildern, wie ein kalt⸗ 
finniges und jeden Gedanken an Vermáblung zurüdweifenves 
Weib am beften dadurch umgeſtimmt und der Gewalt ber 
Liebe zugänglich gemacht werde, daf man ihren Stolz beuge, 
Zu biefem Zwecke zeigt er die Prinzeffin Diana von drei Bes 
. 23r 


— 356 — 


werbern umgeben; zwei von biefen bemühen fid) vergebeng, 
burd alle möglichen Huldigungen ihre Gunſt zu erlangen, 
ber dritte aber, Prinz Carlos, fchlägt ven richtigen Weg ein, 
indem er, auf den Rath feines ſchlauen Dieners Polilla, feine 
Liebe hinter dem Schein der Bleichgültigfeit verbirgt und ben 
Troß durch Trog zu bezwingen fucht. Diana fühlt fih durch 
bie Kälte des Prinzen fogleih in ihrer Eitelfeit verlegt und 
geht num darauf aus, ihn zur Lebe zu entflanmen, um ſich 
dann an dem Ueberwundenen durch Spott und Hohn rächen 
zu fónnen. Carlos ift in feiner Rolle nod) nicht ganz feft; er 
glaubt in der Verftellung der Prinzeffin wirkliche Neigung zu 
fehen, und befennt ihr feine Empfindung. Diana ergießt bie 
ganze Fülle ihres Spottes über ben Beſiegten; aber dieſer, 
feine Uebereilung erfennend, faßt fid auf ber Stelle wieder, 
und fagt, es fei der flugen Fürftin doch wohl nicht entgangen, 
daß er, eben fo mie fie, nur ein Tauniges Spiel mit einer 
feinem Herzen fremden Empfindung treibe. Durch diefe Er- 
färung wird Diana’s Stolz aufs empfindlichſte verlegt, und 
ihr Beftreben, fi den Prinzen unterwürfig zu machen, geht 
mehr und. mehr in wirkliche Leidenfchaft über. Sie wendet 
nach einander alle Mittel auf, von denen fie hoffen darf, daf 
fie Carlos verliebt machen werden; aber diefer behält mit Be- 
zwingung feines innerften Gefühle vie Maske der Gleichgül- 
tigkeit bei. Nachdem Diana alle Runfigriffe zur Beftürmung 
feines Herzens erfchöpft hat, verfucht fie es mit der Eiferfucht, 
und erflärt ihm, fie fet entichloffen, fich dem Wunſche ihres Vaters 
zu fügen und fich mit bem Prinzen von Bearn zu vermäßlen. 
Carlos, duch feinen Diener von dem eigentlichen Zwed diefer 
Worte unterrichtet, läßt ſich nicht aufer Faffung bringen, 
fondern entgegnet, er habe einen ähnlichen Entfchluß gefaßt, 


indem er beabfichtige, ihrer Hofdame, der fchönen Cynthia, 


— — x 


— 357 — 


ſeine Hand anzutragen. Durch dieſe Erklärung geräth Diana 
außer ſich; ihre Eiferſucht, ihr Unwille verrathen die immer 
mächtiger lodernde Flamme der Liebe in ihrem Herzen. Carlos 
glaubt nun, ſeines Sieges gewiß fein zu fónnen. Um Diana 
zur Erflárung zu bringen, theilt er bem Prinzen von Béarn 
mit, die Wahl der Prinzeffin fei auf ihn gefallen. Eben mels 
det der Beglüdte dem Vater Dianens den Entſchluß der Tochter, 
al8 die Legtere im Hintergrunde der Scene auftritt. Carlos, 
welcher allein die Lauſchende wahrnimmt, erflärt nun, daß, 
obzwar er ſich burd) den Befíg von Cynthia's Hand beglüdt 
fühlen würde, er bod) die höchfte Entfcheidung der Diana 
überlaffe. Diefe, hervortretend, fragt den Vater, vb er ihr die 
Wahl zwifchen ben drei Prinzen anheimftelle, und nachdem 
ihr, mit Einftimmung ber drei Freier, diefes Recht ¿ugeftans 
den íft, begrüßt fie denjenigen al8 Gemahl, der ihren Troß 
durch nod) größeren Trog befiegt hat. — Dies ber dem Drama 
zu Grunde liegende Ideengang und ein Schattenrifß des Bes 
mäldes, bei bem man fich die weichften und wärmſten Pinfel- 
ſtriche, die glänzendfte Farbengebung hinzudenken möge, um 
einen ungefähren Begriff von dem Original zu erhalten. Oe: 
danfengehalt und Leidenfchaft, Gemüth und Wis, Liebes 
ſchwärmerei und fehalfhafte Laune, die fehärffte Zerlegung des 
menfchlichen Herzens und poetiſcher Schwung find in biefem 
Gedichte zu einem fo herrlichen Ganzen verfehmofzen, daß die 
Literatur aller Völker nur wenige Perlen von gleicher Rein⸗ 
beit befigt. | 

In jener Gattung des Quftfpiels, welchem El desden 
con el desden angehört, und welche wir die höchfte nennen 
möchten, hat Moreto leider nichts weiter gefchrieben. Nur 
La aprehension de la voz fónnte nod) etwa hierher ge: 
rechnet werden; dieſes Stüd, das, wie Calderon's Desdicha 


il 


— 358 — 


de la voz, die Madjt bes Geſanges über bas menſchliche 
Herz ſchildert, zeigt, wenn aud) nicht Die ganze Fülle, fo doch 
einen Abglanz jenes romantifchen Jauberg, der in der „Doña 
Diana” weht. 


Matos Fragofo. 


Juan de Datos Fragofo war nah N. Antonio ein 
Portugiefe von Geburt 1”). Ein erfter Band feiner Comö« 
dien, dem feine weiteren gefolgt zu fein fcheinen, erichien zu 
Madrid im Sahre 1658 '%%); einzeln gedrudte Schaufpiele 
von ihm find aber noch an fünfzig vorhanden. 


Diefer Dichter war fein Genius in dem höheren Sinne, 
wie Lope de Vega und Ealberon, feiner von Jenen, die mit 
fiegender Beiftesfraft die Kunft auf noch unbetretene Pfade 
führen: aber er befafí eine ungemeine Beweglichfeit und Ges 
ſchmeidigkeit des Talents, um in den auf dem fpanilchen 
Theater einmal hergebrachten Weiſen fortzubichten. Große Dri 
ginalzüge darf man bei ihm nicht fuchen und überhaupt nur 
felten etwas von dem, was Die größte Höhe und Tiefe der 


0) N. Antonio fagt: Lusitanus ex oppido Alvito. Die Latinis 
firung Der ſpaniſchen Ortsnamen macht es oft fehr ſchwer, biefelben zu 
erkennen. Ift die Stadt Elvas in Alentejo gemeint ? 


10%) Primera parte de Comedias de Don Juan de Matos Fra- 


goso, Madrid 1658. Die darin befindlichen Stüde find: 
El hijo de la piedra. Amor, lealtad y ventura. El traidor 
contra su sangre. La devocion del Angel de la Guarda. La tia 


de la menor. El marido de su madre. Los indicios sin culpa. EI 


Genizaro de Ungria. Callar siempre es lo mejor. El yerro del 
entendido. Con amor no ay amistad El amor hace valientes. 


— 359 — 


funft ausmacht; aber feine Stüde find reih an allen den 


. Borzügen, die man als die mehr äußerlichen ver fpanifchen 


Eomödien bezeichnen kann; fie haben einen wohlberechneten 
Bau, complicirte und doch Flare Verwidelungen, viel Leben 
und Bewegung, Rraft und Würve, und glänzen durch eine 
eben fo reiche und elegante als edle Sprache, die ſich faft 
durchgängig von Schwulft und Ziererei frei hält. Mit diefen 
Eigenfchaften ausgerüftet, durften fie eines entſchiedenen Ers 
folges8 auf der Bühne ficher fein, und fie haben denfelben theils 
weile bis auf den heutigen Tag behauptet. 

In Abſicht auf die Benugung ber Arbeiten früherer 
Theaterdichter war Matos Fragofo eben fo wenig ferupulög, 
wie Moreto. Manche feiner Comödien find nur Nachahmun⸗ 
gen und Leberarbeitungen von älteren, zu feiner Zeit in Vers 
geffenheit gerathenen, und er hat in folchen Umpgeftaltungen 
ber Werfe anderer Autoren nicht felten viel Takt und Friti- 
Shen Scharffinn bewieſen. So liegt einem feiner berüßinteften 


- Gtiide, El villano en su rincon, ein gleichnamiges von Lupe 


de Vega zu Grunde, aus welchem ganze Scenen beibehalten 
worden find. Matos hat Alles, was feinem Vorgänger ges 
glúdt war, aufgenommen; allein das ältere Drama iſt eigent 
lich nur ein beiteres Lebensbild, in welchem die behagliche 
Selbftftännigfeit eines Landmannes dem Könige gegenüber in 
anmuthigen Farben ausgemalt wird, das eigentlich Drama: 
tifche fteht febr im Hintergrunde; in bem Villano unferes 
Dichters Dagegen tft die Friſche und anziehende Heiterfeit einer 
idylliſchen Schilderung beffelben Vorwurfes mit einem viel 
burdgreifenderen und alle Scenen eng verfnüpfenden Snte: 
veffe verbunden. Deuten wir vie Handlung furz an. Alphons 
der Weiſe ‚(denn biefen hat Matos flatt des Königs vpn 
Sranfreih fubftituirt) und fein Hofcavalier, Don Gutierre 


— 360 — 


haben Beide eine heftige Liebe für Beatriz, die fchöne Todjter 
des reichen Landmannes Yuan gefaßt, und begeben ſich, ohne 
Einer des Andern Neigung zu kennen, verfleivet auf vas 
Gehöft von deren Vater. Diefer nimmt feine Gäfte mit der 
zuvorfommendften Höflichkeit auf; ver König findet großes 
Gefallen an ihm, und deutet es ihm auch nicht übel, als er 
feine Unabhängigfeit über Alles preift, verſichernd, daß er 
fid) nie würde entichliegen fónnen, fie mit bem Olanze bes 
Hoflebend zu vertaufchen. Der in feiner Selbſtſtaͤndigkeit glüds 
liche Bauer fpricht übrigens, bei aller Geringſchätzung ver 
äußeren Größe, mit aufrichtiger Verehrung. von feinem Könige, 
und betheuert, daß er bemfelben nöthigen Falles fein ganzes 
Bermögen und felbft feine Kinder geben würde. In der Nacht 
treffen fih der König und Don Gutierre in dem Gemache 
der fchönen Beatríz, und entdecken fo gegenfeitig ihre Leiden⸗ 
fchaft; der Unterthan will bem Könige weichen, aber viefer 
tritt mit edlem Sinne zurüd, befämpft feine Neigung und 
überläßt Beatriz an Gutierre, indem er ihm jedoch einjchärft, 
nicht an der Achtung gegen die Tochter des braven Land⸗ 
mannes zu freveln; hierauf nimmt er, ohne daß er fich.zu 
erfennen gegeben, von Juan Abſchied. Gutierre, von der Leis 
denfchaft fortgeriffen, vergißt inbeffen bald die Mahnung des 
Königs und weifi Beatriz durdy ein falfches Eheverſprechen 
zur Gewährung ves legten Zieles feiner Wünfche zu beftíms 
men; nachdem er dieſes erreicht, verläßt er das unglüdliche 
Mädchen. Der König erfährt bie fchmählihe That und bes 
fchließt, die darin liegende Beleidigung gegen ihn und gegen 
feinen trefflihen Wirth zu rächen. Er fendet an Juan und 
verlangt zuerft, um feine Treue und die Aufrichtigfeit feiner 
Rede zu prüfen, daß er ihm eine beventende Summe Geldes 
ſchicke. Der Vaſall geborcht augenblicklich. Ein zweites Schreis 








— 31 — 


ben forbert bie Auslieferung feiner Kinder, fo wie daß er 
fic) fofort felbft an ben Hof begebe. Auch viefem Berlangen 
fügt ih Juan, wenn auch nicht ohne Unmuth. Der König, 
in welchem der Anfómmiing mit großem Erftaunen feinen 
früheren Gaft erfennt, empfängt und bewirthet ihn ganz in 
der nämlichen Weife, wie er von ihm behandelt worten if. 
ES werden drei Schüffeln herbeigebracdht, auf denen Seepter, 
Schwert und Spiegel Tiegen. „Das erfte — fpridt er — 
it Das Zeichen ver Macht, welche alle meine Untertfanen 
anerfennen müffen; der zweite bedeutet, daß der König ein 
Spiegel des. Adels ift, deffen Strahlen bis in die niedrigfte 
Hütte dringen; das Schwert aber, der Rächer alles Unrechts, 
fol einen Berräther treffen, der gewagt hat, Did) zu ent- 
ehren.” Gutierre wird hereingeführt und fein Haupt foll als 
Sühne des vollbradten Freveld fallen; die Fürbitten Juan's 
und der Beatriz aber befänftigen den Zorn des Königs; Gu⸗ 
tierre reicht ber Beatriz die Hand; Alfonfo gibt ber Tegteren 
eine Füniglihe Mitgift und erhebt Juan, alg ein Mufter von 
Loyalität und Ebelfinn, in den Ritterftand. 

Wenn Matos Fragofo fih nun mehrfach an die Arbets 
ten anderer Dichter angefchloffen hat (La venganza en el 
despeño 3. B. ift eine Umarbeitung von Lope's Principe 
despeñado; El Hijo de la piedra lehnt fih an Tirfo's 
Eleccion por la virtud), fo darf man ihm doc keineswegs 
Mangel an eigener Erfindungsfraft Schuld geben; denn es 
- finden fid) einige Stüde von ihn, die fich gerade in biefer 
Hinficht befonders auszeichnen und, wie es fdheint, durch⸗ 
aus Fein fremdes Vorbild haben. Vornámlid machen wir 
auf La Cosaria Catalana aufmerffam, eine in vielem Des 
tracht bewundernswürdige Dichtung vol wahrhaft genialer 
Züge. Die Helvin Leonarda, ein mit feltenen Gaben aller 





— 362 — 


Art ausgerüftetes, aber Teivenfchaftliched und ber Sinnenluft 
-ergebenes Weib, läßt fi) von einem fchlauen Berführer bes 
thören, ihren Eltern und ihrem Bräutigam zu entfliehen. 
Bald iſt ber Liftling des Opfers feiner falfchen Vorfpieges 
lungen überdrüffig, und bei ber Seereife, welche fie, feinen 
Verheißungen zu Folge, in feine Heimath Valencia bringen foll, 
fept er die Unglüdlihe, die er durd einen Schlaftrunf ber 
Sinne beraubt hat, auf einen öden Felfen aus. Erwacht, fieht 
fih Leonarda inmitten bes weiten Meeres allein, erkennt, 
wie fehr fie betrogen worden, und überläßt fidh einer rathle 
fen Verzweiflung. Eben will fie fih, um ihrem elenden Sein 
ein Ende zu machen, von einer Klippe herabftürzen, als eine 
Seeräuberfchaar fle zur Gefangenen madt. Der Anführer 
diefer Piraten, Arnaut Mami, von ihrer Schönheit binge: 
riffen, trägt ihr feine Hand an, und fie, deren Herz vor Wuth 
und Verzweiflung immer mehr verwildert, willigt ein. Nicht 
lange, fo wird Mami im Gefechte mit einem chriftlichen 
Schiffe an ihrer Seite getödtet, und fie felbft unternimmt 
nun an der Spige der Corfaren, um ihren Grimm gegen 
die ganze Menfchheit zu fättigen, Verwüftungszüge längs der 
Küften des mittelländifchen Meeres. Diefe Abenteuer, die fich 
freifich beffer für ein erzählendes Gedicht, alg für das Drama 
eigneten, wollen wir nicht weiter verfolgen, und es feí nur 
gelagt, daß der Dichter dabei eine reiche Phantafie und in 
der Art, wie er Leonarda wieder mit ihren Eltern, ihrem 


verlaffenen Bräutigam und dem treufofen Don Juan zufams . 


menführt, große Kunft gezeigt bat. Befonvers wollen wir 
nod) die Scene hervorheben, in welcher Leonarda's, ſchon 
durch andere Umftände vorbereitete, enplihe Reue und Be, 
februng herbeigeführt wird. Die Sinderin ruht Nadt8 in 
büfterem Sinnen auf ihrem Lager; hinter der Scene erfihallt 


— 363 — 


dırmpfer Befang von Belfterftimmen, welcher bie Vergángs 
lichfeit alles Irdiſchen fepilbgrt, und es erfcheint eine Geftalt 
mit langem weißem Haar und Bart, in der einen Hand einen 
Sarg, in der anderen Krone und Scepter, auf der Schulter 
aber einen Spaten tragend. 


Leonarda (entfegt). Wer bift Du, Schredigebilo? 

Viſion. Die Enttäufhung. Sagen es nicht alle die 
Zeichen, Die ih an mir trage? 

Leonarda. Wohin gehft Du? 

Bifion. In dag Meer der Vergeffenbeit, in den ervigen 
Schlund des Todes, jenen Hafen, wo das Schiff des Lebens 
nach jener anderen Hemifphäre unter Segel geht. Steh’ hier 
die Kronen und Scepter, die Lorbeeren, Mitren, Tiaren und 
Feldherrenſtäbe, die ich mitführe! Sieh’ hier den Spaten, mit 
dem ich die Pforten jenes bunflen Haufes öffne! (Die Des 
ftalt beginnt zu graben und faßt Leonarda bei der Hand, um 
fie mit hinabzuziehen.) 

feonarda. Laß mich los, entfegliche Vifion! Id) vers 
gebe in Froft und Glut. (Die Geftalt verſchwindet in der 
Deffnung und erfcheint dann wieder, indem fie ben Arnaut 
Mamt, blutig und entftellt, hervorzieht.) 


Arnaut. Erfennft Du mid? 

Leonarda. D nurzu wohl! Welch feltener Anlaß führt 
Did zu mir her? Aus welcher Region kommſt Du, graufes 
Bebilde von Eis und Blut? 

Arnaut. Ein hohes Geheimnig will, daß ich mid Dir 
nahe aus, jenem Lande, das nie vom Sonnenlicht beſchienen 
wird und die Strahlen der Hoffnung nicht fennt. 

Leonarda. Mas willt Du von mir? 

Arnaut. Dir zeigen, wohin mid) ber Pfad ver Frevel 





_ 864 — 


geführt hat, bem ich gefolgt bin; dazu nöthigt mid die himm⸗ 
liſche Gerechtigkeit. Aud Du bift, zum Sterben verdammt! 

Die Viſionen verſchwinden und Leonarda ruft voll Schrecken 
um Hülfe; aber die Erfcheinung, welche eigentlich nur bie 
in's Sichtbare getretene Regung ihrer Seele ift, hat ihren 
ganzen Sinn umgewandelt und ber reuigen Buße - zugefehrt. 
Bald darauf wird ihr Schiff von einem chriſtlichen geentert, 
und in dem Gefechte füllt fie von den Händen ihres Vaters, 
ber bas feindliche Fahrzeug befehligt. Erft nachdem er ben 
tödtlichen Streich geführt, erfennt diefer die verlorene Tochter, 
und während die Shrigen fie trauernd umftehen, ſpricht fie: 
„D etoíge Huld, die Du ben Sünder fuchft und den Reuigen 
liebſt! Wie der Hirſch nad) der Duelle, fo ſchmacht' ich nad; 
Dir! Komm, o Bräutigam, den ich beleidigt! Nimm biefe 
Sclavin auf, die vor Deiner Liebe floh, dieſes vertrrte Schaf, 
das voll Verlangen nad) Deiner Hürde bIöft! Ich glühe ganz 
in heiliger Liebe, bin ganz Glauben und Hoffnung! O Herr, 
Dein Erbarmen ift größer, al8 alle Sünden, wären fie aud) 
fo zabllo8 wie der Sand am Meere. Und Du, Vater, gib 
- mir Deinen Segen, denn mein ®atte wartet fon mit offenen 
Armen auf mid. Jefus! Jefus!” Mit diefen Worten haucht 
fie die Seele aus. 

Ein anderes Schaufptel von Matos Fragofo, welches 
in hohem Grade burd) die Erfindung und burd) viele Züge 
ächter Poeſie glänzt, ift EI imposible mas facil. Die 
ungemein große Zahl von anderen Dramatifern, welche nod) 
genannt werden müffen, verhindert uns leider, auf ben ns 
halt dieſes intereffanten Stüdes einzugehen. So müſſen wir 
e8 ung denn auch verfügen, ber übrigen zahlreichen Werfe 
des Matos nähere Erwähnung au tfun; nur auf zwei der: 
felben möge nod) hingebeutet werben: auf El marido de su 


— 365 — 


madre, al$ auf cine merfwürbige Bearbeitung der bei uns 
Durd) das Gedicht Hartmann'8 von der Aue befannten Les 
gende von Gregoríus auf dem Steine, und auf El yerro 
del ententido. Gn legterem Stüde fommt bie Erfindimg vor, 
daf ein Ritter, um die ihm obliegende Rache an einem fchlauen 
und ſchwer erreichbaren Feinde ausführen zu können, ſich wahn- 
finnig ftellt, alfo ein an ben Hamlet erinnerndes Motiv; 
dies ift aber freilich der einzige Vergleichungspunft, ben bas 
fpanifche Sntriguenfpiel mit ber englifchen Tragödie barbies 
tet. — Sn Allgemeinen fei noch gefagt, daß die Schaufpiele 
unferes Dichters, wenn auch ungleih an Werth, doch für 
faft alle auf bem ſpaniſchen Theater einheimifhe Gattungen 
einzelne mufterhafte Beifpiele enthalten, welche fich zwar in 
einigem Abftande, aber doch nicht unmwürdig an die Werfe 
der Meifter erften Ranges fehließen. 


Chriſtoval de Monroy. 


Meber die Lebensverhältniffe des Epriftoval de Monroy y 
Silva wiſſen wir nichts Anderes beizubringen, als daß er auf bem 
Titelblatt des von ihm im Jahre 1641 herausgegebenen Epi- 
tome de la historia de Troya als Befehlshaber der fünig- - 
lichen Feftung von Alcala de Guadaíra bezeichnet wird. Nad) 
der Vorliebe zu fchliegen mit welcher er in feinen Werfen bie 
Dertlichkeiten von Sevilla und überhaupt von Andaluften 
ichildert, feheint er in diefer Provinz zu Haufe gerefen zu 
fein. Sein Auftreten als Bühnendichter muß nod) in die Zeit 
bes Lope de Vega fallen, denn des Franzojen Mayret Ga- 
Janteries du Duc d'Ossune, welche eine Nachahmung fet: 
ner Mocedades del Duque de Ossuna zu fein fcheinen, 
famen fchon 1627 auf bie franzöfifhe Bühne CH. Lucas, 


— 366 — 


Histoire du Theatre francais, pag. 386). Seine Drama: 
tifchen Dichtungen thaten fi genugfam hervor, um felbft 
unter der ungeheuren Menge derartiger Productionen, welche 
die Bühne überſchwemmten, eine befondere Aufmerkfamfeit 
auf fich zu zichen 108), Sie zeigen große Verwandtſchaft mit 
benen des Rojas, denfelben Hang zu Uebertreibungen und 
phantaſtiſchen Seltſamkeiten, diefelbe Neigung, Natur und 
Wahrheit zu überbieten, und in der Sprache diefelbe Miſchung 
der ungefehminfteften Natürlichfeit mit ſchwülſtiger Sterereí, 
jedoch mit Uebergewicht Der leßteren. Bei biefer allgemeinen 
Charafterähnlichfeit fommen fie übrigens denen bes genannten 
trefflichen Autors nicht gleid); fie übertreiben deren Fehler⸗ 
baftigfeiten, ohne ihre Vorzüge in gleich hohem Grade zu bes 
figen. Monroy fucht faft immer nur das Ereentrifche, Wilde 
und Ungebeure, und in ziemlich allen feinen Stüden finden 
wir in ben Charafteren, wie in bem Augdrud ver Leiden⸗ 


205) Auf der Bolumbinifchen Biblivthet zu Sevilla fand ich einen 
alten Band, in welchem Die meiften Comödien des Monroy zufammenge- 
funden waren, und welcher fi, nach den handfchriftlichen Bemerkungen 
barin zu fehließen, früher im Beſitz bes Berfafiers felbft befunden Hatte. 
Die darin befindlichen Stüde waren: La Alameda de Sevilla y re- 
cato en el amor. Fuente Ovejuna. Lo que puede el desengaño y 
memoria de la muerte. La Sirena del Jordan, S. Juan Bautista. 
Las grandezas de Sevilla, auto sacramental. Todo es industria 
el amor, Escarmientos del pecado y fuerza del' desengaño. El 
encanto por los zelos y fuente de la Judia. Mudanzas de la For- 
tuna y firmezas del Amor. La batalla de Pavia, El Pastor mas 
perseguido. El robo de Elena. El caballero dama. Hector y Aqui- 
les. La destruccion de Troya. El ofensor de si mismo. Los zelos 
de San Josef. El gigante Cananeo, San Christoval. Los principes 
de la lglesia, S. Pedro y S. Pablo. El horror de las montañas y 
portento de San Pablo. Los tres Soles de Madrid. Las moceda- 
des del Daque de Ossuna. El mas valiente Andaluz. 


| 


— 397 — 


febaften das Stürmifche und Krampfhafte, in der Erfindung 
das Abenteuerliche und Bizarre vorherrichenn, ohne jenen 
verftándigen Sinn, ber in den befferen Werten des Rojas 
das Ausfchweifende zügelt, das Uebertriebene abelt. Diefer 
Mebelftand darf ung übrigen® nicht abhalten, unferem Dichter 
ein fehr bedeutendes Talent zuzugeftehen; die Kraft feiner 
Eonception, das Feuer und die Energie feiner Darftellung 
zeugen laut für das, was er hätte teíften fónnen, wenn ihm 
etwas mehr Weisheit zur Seite geftanden, wenn er feinem 
Hange zur Ertravaganz nicht allzu fehr nachgegeben hätte. 
Seine Dramen find Verirrungen, find Ausgeburten einer all 
zugefpannten Phantafie; aber man wird zugeben müffen, daß 
nur ein.fehr begabter Geift fo habe irren fónnen. 

Von feiner Neigung zu dem Aufßerordentlichen geleitet, 
hat Monroy fid mit Vorliebe ber Schilderung von wilden 
Leivenfchaften, von Ausbrüchen ber- frevelnden Begier zuge- 
wendet. Seine Schaufpiele bieten in dieſer Hinſicht ber Rri 
tif, welche vom Gefichtspuntte der Moral ausgeht, ſcheinbar 
große Blößen dar; wir fagen Scheinbar, denn nad) rid: 
tiger Anficht möchte die kühne Darftellung der finnlichen Aus: 
fchweifungen, wie fie ung hier in großartiger Nadtheit und 
ohne Lüfternheit entgegentritt, nur für eine verborbene Phan- 
tafte etwas Anftößiges haben. Wichtiger und vielleicht nicht 
ganz zu befeitigen tft der Vorwurf, daß er der den ſüdlichen 
Bölfern eigenen Rachfucht, welche noch heute in Stalien und 
Spanien die Morbibaten fo fehr vervielfältigt, gefchneichelt, 
daß er die Bewunderung der Zufchauer für glänzende Ta: 
pferfeit ohne Rüdficht auf deren Motive, für Verbrechen und 
blutige Thaten in Anſpruch genommen habe. Wir enthalten 
uns über diefen Punft weiterer Bemerfungen, und wollen bie 
hierher gehörigen Stüde des Monroy rein als poetifche Des 


— 368 — 


mälde von Leidenfchaften und Verirrungen, wie fie bei ben 
Südländern nicht felten find, anfehen. Bon diefem Stant» 
punfte aus fónnen wir unfere Bewunderung nicht zurückhal⸗ 
ten. Gn El mas valiente Andaluz wird die furdtbare Ein- 
famfeit ber Gebirge und in ihr bas blutige Treiben ber 
Ráuberbanden mit lebendigfter und entfeglider Wahrheit ge- 
ichilbert , und das Wiberftrebende, was in einem foldyen Vor: 
wurfe liegt, verfchwindet vor der Großartigfeit der Auffaffung, 
vermöge deren der Held bis zu einem gewiffen Grabe unfere 
Sympathie gewinnt; feine Tapferkeit und feine Seelengröße 
und dabei der Drang ber Umfiánde, welcher feine Waffen 
gegen die bürgerliche Gefellfehaft und die Obrigkeit Fehrt, find 
fo groß, daß man gezwungen wird, momentan für den De: 
ächteten Partei zu nehmen und bie Blutradhe, die er wegen 
feiner gemorveten Verwandten und Freunde nimmt, zu recht» 
fertigen. Und mit weldyer Meifterhand ift das‘ Leben der 
Banbiten, ift die an’d Wunderbare gränzende Tapferfeit, mit 
welcher fie ganzen Heeren von Häfchern wiverftehen,, geichils 
dert! Achnliches wiederholt fic in Lo que puede el desen- 
gaño; daß ber Held diefes Stücks zulegt durd eine Art 
von Wunder gerettet wird, indem Das vom Rumpfe getrennte 
Haupt eines von ihm Erimordeten mahnende Worte der Buße 
an ihn richtet, darf nicht befremden ; denn wir haben bier 
im Grunde nur eine äußerlich bargeftellte Entbindung dee 
guten Elementes, das, wie man von Anfang an fah, in 
feinem Charakter ſchlummerte. | 

Yn Las mocedades del Duque de Ossuna find bie 
ausſchweifenden Llebegabenteuer und fonftigen übermüthigen 
Streiche eines jungen fpanifhen Magnaten mit höchſter bras 
matifcher Lebendigkeit gefchildert. Wir wollen dieſes Stüd 
nicht gänzlich von dem Tadel einer übergroßen Licenz in fitte 





— 369 — 


Ticher Beziehung freifprechen, aber es iſt gewiß, daß dieſe 
Dinge in jener Zeit, wo man die Prüderie und bie convens 
tionelle Sitte der unferigen nicht fannte, mit unbefangenem 
Auge angefehen wurden; überdies verföhnen die vielen gláns 
zenden Eigenſchaften biefes Herzogs von Offuna und ber 
überall burdblidende edle Kern feiner Seele mit ben Aus: 
fihweifungen, zu denen ihn fein Temperament fortreißt; man 
fühlt überall, daß er nad Austobung feines Jugendüber⸗ 
mutheg eine Zierde feines Bolfes fein werde. ES feí vers 
gönnt, hier eine Scene dieſes Drama's, ihrer uriofität ves 
gen, einzufchalten. Der Herzog von Dffuna befindet fid) in 
Franfreih und verfpürt Luft, zu fehen, wie es denn mit dem 
franzöfifhen Theater befchaffen ſei. Er tritt in ein Schaus 
ſpielhaus und man erblidt ihn in einer Loge, wobei offenbar 
die. wirflichen Apofentos bes Corral's benußt wurden. 

Herzog (in der Loge). Wie viel Volk hier verfammelt 
iſt! Es muß eine berüfinte Comödie fein. 

Don Miguel. Was läßt ſich von franzöftfhen Comö⸗ 
bien erwarten, ble, wie ich höre, alle in Profa find! 

Carrillo. Ja, im füßen Style der Poefie fommt feine 
Nation ben Spantern gleich. 

Herzog. Allerliehfle Damen | 

Don Miguel. Das Schaufpiel wird glei anfangen; 
eben ift König Heinridy eingetreten. 

König (in einer anderen Loge). Auf folde Art zer- 
fireue ih mid) von den Sorgen der Regierung. 

(Auf der Bühne erfcheint ein Chor von franzdfifchen 
Mufifern. Der Gefang, welcher ihnen in den Mund gelegt 
wird, iſt in einem Kauderwelſch, in dem nur einige wirklich 
franzöftfche Worte vorfommen. Sodann treten zwei Franzofen, 
ein Herr und ein Diener, auf.) 

Geſch. d. Lit. in Spanien. III Do. 24 


— 310 — 


Diener (auf der Bühne). Alfo, Monfieur de Boli, 
Ihr wollt gegen den König von Spanien in's Feld rüden? 

Sranzofe. Sa, und den Tod meines Vaters rächen, 
der bei St. Duentin geblieben if. 

Diener. Die Spanier bilden fid) wegen ihres Indiens 
fehr viel ein. 

Sranzofe. Und doc haben fie nie eine ruhmvolle That 
vollbracht. 

Mehrere Spanier (in ben Logen). Sept Ihr, wie 
der Herzog plöglich blaf wird ? 

Einanderer Spanier. Gehtes und Allen nicht ebenſo 

Franzoſe. Der König von Spanien bildet ſich ein, 
der Erſte zu ſein; aber da täuſcht ihn ſein Dünkel, denn er 
verdient nicht einmal, Vaſall des Königs von Frankreich zu ſein. 

Herzog (in ber Loge). Du lügſt, Gavacho 1°), und 
alle Zuhörer lúgen, wenn fie Dir glauben. (Er ſtürzt auf bie 
Bühne und fällt über die Schaufpieler her, auch im Patio 
greifen bie dort anmwefenden Spanier die Franzofen an.) 

Herzog. Was kümmert's mid), ob der König zugegen 
ift! Kein Frangofe foll am Leben bleiben! 

König. Nein, das tft unerhört! 

Ein Spanier (im Patio). D’rauf, tapferer Jüngling! 
Mir wollen unterdeß bier im Parterre Rache für die Krän⸗ 
fung nehmen. 

Der Schaufpieler (hinter ber Scene). eh’ mir! er 
bringt mich um! 

Carillo. Alles geräth in Aufruhr! (Tumult im ‚ganzen 
Schauſpielhauſe.) 


»°°) Ein noch heut zu Tage in Spanien bekannter Schimpfname ber 
Franzoſen. 


— 371 — 


König. Sah man je foldhe Tapferfeit * 

Herzog. Elende, ich will Euch Refpeft vor dem König 
von Spanien beibringen! Kein Menſch in ganz Paris foll 
am Leben bleiben! 

König. He! Wachen, ergreift fiel (Die Spanter käm⸗ 
pfend ab.) Die Tapferfeit diefes kühnen Jünglings fest mich 
in Erftamen! Wie muthig und verwegen er ſich bei bem 
- Angriff zeigte! Wer felbft in ber Ferne die Ehre feines Rd: 
nigs fo vertheidigt, welche Wunder der Tapferfeit muf ber 
erft in deffen Gegenwart vollbringen ! 

Aud) die übrigen Schaufpfele dieſes Dichters wird man, 
wie wenig ihre dramatifche Geftaltung aud) ftrengen Kunſt⸗ 
forderungen Genüge Tetítet, doch wegen der vielen trefflicyen 
Züge und frappanten, wenn gleich nicht felten auf Roften 
der Wahrfcheinlichfeit herbeigeführten, Situationen nicht ohne 
Befriedigung lefen, In Los tres Soles de Madrid und El 
encanto por los zelos hat Monroy fid) in das Reid) des aus». 
ſchweifendſten Wunderbaren geftürzt; aber auch in den Luft 
fpielen aus bem Rreife des gewöhnlichen Lebens, wie 3. 8. 
La alameda de Sevilla, El ofensor de si mismo, liebt 
er das Phantaftifche und Seltfame. Ein befonderes Merfmal, 
an dem fie zu erfennen find, befigen feine Stüde der Teßteren 
Gattung noch in dem übertriebenen Ton der romantifchen 
Galanterte, der in ihnen vorherrſcht und auf ihr Geburts» 
land, Andalufien, zurädweift, wo fi, nad Alarcon, die 
8iebesfchwärmereien des Amadis am längften erhielten 121), 


103) Bien se vé que venis 


Al uso de Andalucia, 
Donde viven todavia 
Las finezas de Amadis. 
Comedias de Alarcon 1., pag. 115. 
24 * 


o” 


— 312 — 
Juan SBautifla Diamante, 


Ritter deS Ordens des heiligen Johannes von Serufalem, ein 
um die Mitte des fiebzehnten Sahrhunderts fehr beltchter 
Theaterdichter. Ein Theil feiner dramatifchen Werfe erfchien 
gejammelt zu Madrid in den Sahren 1670 und 1674). (Es 
finden fic) unter denfelben Schaufpiele von allen Gattungen, 
und, wenn auch vieles flüchtig Hingeworfene und Mittels 
mäßige, fo doch Einiges, was unfere Aufmerffamfeit in Ans 
ſpruch nehmen darf. Beſonders glüdlih war Diamante in 
Darftellungen aus der fpanifchen Gefchichte, und auf diefer Bahn 
find nur wenige Dichter mit gleichem Erfolge in die Fuß- 
ftapfen des Lope de Vega getreten. Bor allen häufig ift fein 
Eid, oder wie der fpanifche Comöbdientitel heißt, El Honra- 
dor de su padre, genannt worden, und auch in Frankreich 
hat man die auffallende Uebereinftimmung diefes Stüdes mit 
dem Eid bes Corneille bemerft'"”). Diefe Uebereinftimmung 
ift nicht allein in vielen einzelnen, durdy das Drama zerftreus 
ten Paffagen, fondern in ganzen Scenen, welche faft wörtliche 
Ueberfegung find, fo groß, daß die Entlehnung offen zu Tage 
liegt"". Wir müffen unfere früher ausgefprochene Meinung, 


208) Comedias de D. Juan Bautista Diamante, del Abito de 
San Juan, Prior y comendador de Moron. Madrid 1670 und 1674. 
Dos tomos. 

:22) Voltaire in feinem Commentar über Eorneille erwähnt zwar den 
Diamante, fehweigt aber über den hier in Nebe ftehenden Punkt; dage⸗ 
gen hat der Abbe Arnaud denfelben fchon im vorigen Jahrhundert im 
2ten Bande der Gazette littéraire de Paris in’s hellfte Licht gefebt. 

220) Es gebricht uns an Raum, dies hier in feiner ganzen Ausdeh⸗ 
nung nachzuweifen, und wir machen nur Beifpiels halber auf bie zweite 
Hälfte des erfien Aftes aufmerkſam; diefe, nämlich bie Scene zwifchen 
Diego und dem Grafen, die darauf folgende zwifchen Erſterem und feis 





— 1373 — 


daß in biefem einzigen Kalle ausnahmsweiſe ein Spanter 
einem Franzofen verpflichtet fein möge, hiermit zurüdnchmen. 
Diefe Meinung gründete fid auf den Umſtand, daß wir 
Feine Runde über Diamante aufzufinden vermochten, welche 
über die Mitte des fiebzehnten Jahrhunderts hinaufreichte""". 
Bei näherer Prüfung de8 Honrador de su padre hat fi 
uns aber mun die Meberzeugung aufgebrángt, daß diefes Stüd 
zu fehr die Züge eines Originalwerks trage und zu durch⸗ 
gebends im ſpaniſchen Nationalftp! gehalten fet, ald baf man 
an Nachahmung eines ausländifhen Vorbildes denken könnte; 
und diefer innere Grund erfheint alg genügend, um aud) 
ohne entfprechende äußere Daten die Abfaffung vor bas 
Sahr 1636, in welchem Corneille's Eid erfchien, zu fegen. 
Die franzöfifhe Tragödie ftellt ſich hiernach als eine Com⸗ 
pilation aus Diamante und Gutllen de Eaftro dar. Der Um⸗ 
ftand, daß Corneille feine Verpflichtung gegen unferen Dichter 
verfehweigt, beweift nichts gegen die obige Annahme; aud) 
das Geſtändniß, daß er den Guillen de Gaftro benugt habe, 
hatte er fich erft abnöthigen Taffen. — In Bezug auf ben 
Werth des Honrador de su padre müffen wir unfer frühes 
reg Urtheil, das aus flüchtigerer Betrachtung hervorgegangen 


nem Sohn, und endlich der Monolog Rodrigo's find in dem fpanifchen 
und franzöfifchen Stüde faft Wort für Wort identify ; dabet muß aus: 
drüclich bemerkt werben, daß biefe Achnlichkeit nicht etwa aus ber ges 
meinfamen Benugung des Guillen de Gaftro. herrühren fann, denn bei 
Legterem find die genannten Scenen ganz verſchieden. 

212) Da mir von ber großen älteren Sammlung fpanifcher Comöbdien, 
welche den Titel Comedias de diferentes Autores führt und von 
weicher fchun 1636 zu Balencia ein 20fter Theil erfchien, nicht die ganze 
Reihe, fondern nur einzelne Theile befannt find, fo bleibt noch die Vers 
muthung vffen, daß fich für Diamante’s früheres Auftreten auch ein 
äußeres Zeugniß finden werde. 


— 314 — 


war, gleichfalls mobificiren. Allerdings Hat biefes Drama 
nicht den zauberifchen Farbenſchimmer der Poefle, nicht jene 
jugendliche Frifhe und Gluth, wie die Mocedades del 
Cid, allein in bem lebendigen Organismus ber ganzen Com 
pofition, in der überdacht Funftvollen Anordnung des „Stoffe, 
wo nirgends eine müffige Einzelheit ben fchnellen Fortſchritt 
ſtört, befígt es einen Vorzug, deffen bas Drama des Guillen de 
Caſtro vielleicht nicht in gleich hohem Grade theilbaftig tft, und 
auf der anderen Seite wird doch auch ein eigenthümlich gläns 
zendes Colerit nicht vermift. — Als eine Furtfegung bed 
vorigen, welche die fpáteren Thaten des Cid barftefít und 
mehrfäh mit bem zweiten Theil der Mocedades correfpons 
dirt, tft El cerco de Zamora zu betrachten, Uebrigens muß 
‚bemerft werden, daß diefe Schaufpiele Die des Guillen de 
Gaftro nicht in den Hintergrund gedrängt, fondern daß viel 
mehr die legteren fi vorzugsweife auf der Bühne behaup- 
tet haben. u 

Sn El Hercules de Ocaña hat Diamante ben berühm⸗ 
ten Naufbold Cespedes, der durch feine beinahe unglaubliche 
Kraft und Tapferfeit ein Liebling der Spanier und gleidfam 
eine mythiſche Perfon ihrer Sage geworden war, zum Helden 
gewählt. Diefes Stüd zeigt nur eine lofe verfnüpfte Scenens 
folge ohne eigentlih dramatifhe Rundung, und der Dichter 
hat bier, wie noch in mehreren, Werfen, ¿. 3. in El valor 
no tiene edad und El defensor del pefion eine Art ber Coms 
pofítion wieder aufgenommen, wie bie verfeínerte Runft beó 
Calderon fie fid) nicht mehr geftattete. Wir wollen diefe Welle 
gegen die Angriffe einer rigoriftifchen Kritif nicht unbedingt 
vertheidigen, aber es fcheint uns, daß dieſelbe mit dem Geiſte 
des Volksſchauſpiels recht wohl harmonirt; jedenfalls wird 
man die genannten Schaufpiele wegen der Lebendigkeit, mit 


— 375 — 


welcher fie dad Sein und Treiben des ſpaniſchen Volks wähs 
rend feiner glorreichen Periode ſchildern, mit Theilnahme und 
Genuß leſen; vorzügli erfreut aud) die lebenvolle * Charak⸗ 
tertftif und die natürliche, ſich in zwangloſer Bewegung ergics 
Bende Sprache. 

Diamante'8 Judia de Toledo behandelt denfelben Stuff, 
ben wir ſchon aus Lope's Paces de los Reyes fennen, 
” Sede Primadonna des fpaniichen Theaters — fagt Signos 
reli — lernt, um ihr Talent glänzen zu laffen, die Rolle 
der Jüdin von Toledo in Diamante's Stúd diefed Namens. 
Die Handlung fällt in die Regierung Alfonfo's VII. von 
Saftilien, der fieben Gabre lang ein Viebesverhältnig mit einer 
Toledanifchen Jüdin unterhielt. Das Drama beginnt damit, 
bag Rahel ben König anflebt, ein Defret zurüdzunehmen, 
durch welches er die Verbannung der Suben aus Spanien 
angeordnet hat; dann fehildert es die entftehende und immer 
wachfende Liebe zwilchen den Beiden, und den Schluß bildet 
endlich der Tod Rabel8 durch bie Hand der aufrührerifchen 
Gaftilianer. Die Seltlamfeiten des Style, die Unregelmäßigs 
feit, die Bonffunerien inmitten der tragifchen Auftritte ver: 
mögen die Energie und Wahrheit in der Malerei ber Leidens 
haften und ber Eharaftere des von Liebe geblendeten Alfonfo 
‚und der eben fo ehrfücdhtigen alg verliebten Rahel nicht zu 
verdunteln.” 

ES tft unfere Abſicht, Fünftig nur felten ber geiftlichen 
Komödien Erwähnung zu thun, weil biefes Gebiet ſchon fo 
vielfach betrachtet worden iſt; dennoch fónmen wir nicht um: 
hin, auf Diamante'8 Magdalena de Roma aufınerffam zu 
madjen. Dem, deffen Sinn durdy die fogenannte Aufklärung 
unferer Tage gegen die Poefie des Katholieismus abgeftumpft 
ift, wollen wir es nicht an Sinnen fein, die: Vorzüge Dicfes 


m. 


— 376 — 


Stüdes anzuerfennen; aber wir empfehlen daffelbe allen Denen, 
welche wahre Dichtung auch nod unter fremdartiger Hülle 
zu würdigen wiffen. Mit allen feinen Auswüchſen und feís 
nem übertriebenen Biftonswefen zeigt dies Drama in höchft 
glänzender Weife, welche Mittel zu poetifchen Effeften den 
fpanifhen Dichtern burd) die, ihnen von: dem Glauben ge= 
ftattete und auf der Bühne tolerirte, Verbindung der gemei- 
nen Wirklichfeit mit ben erbabenften Wundern der Religion 
dargeboten waren. 


Antonio de Mendoza. 


Antonio Hurtado de Mendoza flammte von einer 
edlen, in den Gebirgen von Burgos einheimifchen Familie. 
Er that fich ſchon bei Lebzeiten des Lope de Vega alg bras 
inatifcher Dichter hervor ""2), und eins feiner vorzüglichften 


": In dem Laurel de Apolo wird ihm folgendes Lob geſpendet: 
La gran montafia, en quien guardada 
La fe, la sangre y la lealtad estuvo, 
Que limpia y no manchada ' 
Mas pura que su nieve la mantuvo, 
(Primera patria mia) 
A Don Antonio de Mendoza envia, 
Aquel famoso Hurtado 
De las Musas, que al monte de Helicona 
De las montañas trasladó el cuidado, 
Que tan vivos espiritus corona, 
A quien Apolo Delphico previene 
Tantos laureles como letras tiene 
Todo discurso, que su mano escribe, 
De las altas ideas que concibe. 
Bizarro ingenio dulcemente grave, 





— 8 — 


Stücke, El Galan sin dama, feheint ſchon um bas Jahr 1620 
gefchrieben worden zu fein; (es heißt darin nämlich: 

Es mas facil que se tope 

En el mundo & cada paso 

Un Plauto, un Virgilio, un Taso 

Que en muchos siglos un Lope! 

Avrä escrito novecientas 

Comedias — 
wir wiffen aber, daß die Zahl von Lope's Komödien ſich 
1620 ſchon auf mehr als neunhundert belief). Ohne Zweifel 
war es vornämlich das poetifche Talent bes Mendoza, wels 
ches bemfelben eine Stelle in ber unmittelbaren Umgebung 
Phijipp's IV. verfchaffte. Er wurde zum Privatfecretatr diefes 
Monardjen und zum Mitglieve tes oberften Rathes ber Ins 
quifition ernannt, und erhielt alg Zeichen ber Föniglichen Sunft 
die Comthurwürde von Zurita im Orden von Calatrava. Die 
Zahl feiner dramatifchen Werfe ift im Vergleich mit der Frucht⸗ 
barkeit anderer fpaniicher Theaterbichter nicht groß, und bes 
läuft fih, wie es fcheint, nur auf acht Eomöpdien ''2). 


» Raro maestro del hablar súave, 
Gallardo en prosa y verso, 
Conceptuoso, facil, puro y terso, 
Que con la vida de la Virgen bella 
Al lado de su Sol parece estrella, 


119) Sechs berfelben ſtehen in folgender Sammlung von Menbuza's 
Werfen: Obras liricas y comicas, divinas y humanas del canoro 
cisne, el mas pulido, mas asseado y el mas cortesano Cultor de 
las Musas castellanas D. Antonio Hurtado de Mendoza. Madrid 
1728. Es ift dies ein Miederabbrud einer ſchon im flebzehnten Jahrhun⸗ 
dert erfchienenen, aber mir unbefannt gebliebenen, Ausgabe. Die darin 
enthaltenen Schaufpiele find: Querer por solo querer. No ay amor 
donde ay agravio. El marido hace muger y el trato muda cos- 


— 3718 — 


Diefelben zeigen ein fehr gervanbtes und leicht bewegliches 
Talent, aber nicht ben Schwing des Gedankens und ber 
Phantafie, der dem großen Dichter eigen tft; fie ergögen, 
aber fie reißen nicht mit ſich fort. Seine größte Stärfe ent- 
faltet Menodza im Komifchen; in El Galan sin dama und 
Cada loco con su tema bat er Tächerlihe Charaktere in 
großer Wahrheit mit überall pervorfirablendem innerem Leben 
und mit einer Individualität gezeichnet, wie fie nur aus ber 
feinften Beobachtung hervorgehen fonnte. Dan kann dieſe 
Luftfpiele denen, welche den fpanifchen Comöpiendichtern Mens 
ſchenkenntniß und treffende Schilderung der menſchlichen Schwäs 
hen und Thorbeiten abfprechen, ale prägnante Beweiſe bes 
Gegentheils hinbalten; in der That wüßten wir nicht, daß 
die genannten Stúde in diefer Rüdficht hinter ben beften des 
Moliere zurüdftänden. Zugleich führt die Intrigue, welche 
den Charafteren zum Träger dient, die Iufligften Situationen 
berbei; ein fprudelnder Witz umgaufelt das Ganze und der 
Dialog ift von größter Behendigkeit. Mehr reine Intriguens 
fptele mit Hintanfegung der Charafteriftif fino Los riesgos 
que tiene un coche und El trato muda costumbre; aud) 
hier bewegt fi die Handlung mit großer Leichtigkeit und 
Anmuth, und die Dispofition des Plans läßt' in der funfts 
vollen Ineinanderfiigung der Scenen nichts zu wünſchen übrig. 
— Für das Tragifche reichten die Kräfte des Mendoza nicht 
aus, und das Bewußtſein hiervon hat ihn wohl beftimmt, es 
mit einem einzigen Verfudye darin bewenden zu laffen. Dies 
fer Berfudy tft No ay Amor donde ay agravio, ein Drama, 


tumbre. Los empeños del mentir. Mas merece quien mas ama 
Cada loco con su tema y el Montañes indiano. Entremes de 
Micer Palomo; es fehlen aber: El galan sin dama und Los riesgos 
que tiene un coche. 





— 39 — 


das in feiner Fabel viele Aehnlichkeit mit dem Arzt feiner 
Ehre bat, aber vielleicht früher gefchrieben iſt, al8 bie Cal⸗ 
deron’fche Tragödie. Ein Mädchen, das, während ihr Oes 
liebter abweſend tft, von einem zudringlichen Galan befucht 
wird, fieht fich, da ihr Vater darüber zufommt, von Legterem 
gezwungen, dem Beſucher ihre Hand zu reichen. Später, als 
ihr Geliebter zurückkehrt, erwacht die alte Neigung wieder in 
ihrer ganzen Stärfe. Schon iſt der Plan zum Flucht gefaßt, 
al8 der Ehemann, der Verdacht gefchöpft hat, das ebebreches 
rifche Paar überrafcht und feiner Rache opfert. An die Tiefe, 
mit welcher Calderon und aud Rojas ähnliche Stoffe aufs 
gefaßt haben, ift bier nicht zu denfen. — Mehrere andere 
Stüde des Mendoza find Feftfpiele für Das Buen-Retiro-Theas 
.ter und, wie es zu biefem Zwecke erwünſcht fein mußte, auf 
viel Theaterpracht berechnet. 


Alvaro Eubillo de Aragon. 


Nah Nicolas Antonio aus Granada gebürtig. Seine 
Geburt muß in, die erften Jahre des fiebzehnten Jahrhunderts, 
wenn nicht noch in die legten des vorhergehenden fallen, denn 
der genannte Biblivgraph führt ein Wert von ihn an (La 
Curia Leonina), deffen zweiter Theil ſchon 1625 zu Gra: 
nada erfchienen fein fol. Ueber Cubillo's Lebensverhältniſſe find 
wir von aller Runde entblößt. Seine Fruchtbarkeit im bras 
matifchen Fade feheint fehr groß geweſen zu fein. Ein Theil, 
feiner Schaufpiele wurde mit anderen Werfen von ihn ¿us 
fammen gebrudt unter bem Titel: El Enano de las Mu- 
Sas, Madrid 1654 '**), Gn der Dedieation biefes Bandes 

") Der vollſtändige Titel ift: El Enano de las Musas, Come- 
dias y obras diversas de Alvaro Cubillo de Aragon. Madrid 1654. 
Die darin enthaltenen Schaufpiele find folgende: 


— 3880 — 


fagt er, er habe mehr al8 hundert Combbien verfaßt, beflagt 
fih aber, daf viele derfelben von betrügerifchen Buchhändlern 
mit den Namen anderer Dichter bezeichnet worden feien; fo 
fei der Señor de noches buenas dem Antonio de Mendoza 
zugefchrieben worden, es zieme ſich aber nicht, Daß der Name 
eines großen Mannes, ber fo Ausgezeichnetes hervorgebracht, 
durd) bie Aufbürdung fremder Thorheiten in Mißfrebit ges 
bracht were. 

Die dramatifchen Werfe des Alvaro Eubillo offenbaren 
fein eminentes Genie, aber eine ſchöne Naturanlage, die ſich 
fleißig nach den beften Muftern ausgebildet hat; Feine über- 
ſchwänglich reihe Phantafte, aber doch eine Erfindungsgabe, 
welche ausreichte, um feine Compofitionen mit einer hinlaͤng⸗ 
lid) intereffanten Handlung zu verfehen. Wenn es ihnen an . 
hervorragender Originalität gebridt, fo erfreuen fie doch 
durch die geſchickte und Funftvolle Verarbeitung bes Stoffe, 
den wohl überdachten Plan und die große Cultur ber Dars 
ftellung; und fie haben überdies eine ganz befondere Eigens 
thümlichfeit, die fie inmitten der übrigen Bühnendichtungen 
der Spanier auszeichnet. ES ift dies eine gewiffe anziehenbe 
Weichheit und Milde des Gefühls, welche die edle Seite des 
Menfchenherzens mit großer Wärme aufzufaffen weiß. Alvaro 
Cubillo fcheint ein zartes, beinahe weibliches Gemüth befeffen 
zu haben, das vor der energifchen Darftellung der Leidenfchaften 
¿urúdbebte, dagegen die Seele, und namentlich die des Weibes, 
gerne in ihren fanften Regungen belaufchte und fic) mit bes 


La honestidad defendida de Elisa Dido. Los triunfos de San 
Miguel EI rayo de Andalucia. Los desagravios de Christo. EI 
invisible principe del baul. Los muñecas de Marcela. El Señor 
de noches buenas. El Amor como ha de ser. La tragedia del 
Duque de Verganza. 





— 38l — 


fonberer Neigung dem Anmuthigen und Lichlichen,. ber Schil« 
derung inniger, bingebender Liebe widmete. Diefem Rreife 
gehören feine beften Werke an, al8 weldhe nainentlih Las 
mufiecas de Marcela und La perfecta casada zu bezeichnen 
find. Sn dem erften diefer Stüde fft mit großer Feinheit bas 
erfte Auffeimen des Liebesgefühles in dem Herzen eines eben zur 
Sungfrau aufblühenden Kindes gefchildert, es Tiegt über dem Bilde 
dieſer Marcela der Hauch einer zarten fhwärmerifchen Sentimens 
talität, der doch wieder von frifcher Lebensfreude und Naive⸗ 
tät durchdrungen wird und eine ungemein anziehende Wirfung 
ausübt. Mit gleicher Holpfeligfeit ift die Heldin des zweiten 
der genannten Schaufpiele ausgeftattet; die göttliche Geſin— 
nung, dic Reinheit DES Herzens und der Sitte, die in Ver- 
fuhung, Erniedrigung und Verfennung immer beller ftrahlt, 
find vielleicht nte fo verherrlicht worden. Beiden Dichtungen 
den Stempel der Vollendung aufzudrüden, dient ber fchöne, 
flare Strom ber Sprache, die Lieblichkeit und gefállige Hars 
monie des Vergbaues. — Aud) wo pipchologifche Schilde: 
rungen nicht fo in den Vordergrund geftellt find, Ticht Alvaro 
Cubillo es, bie fittliche Stärfe, die ausharrende Geduld im 
Unglúd, die Treue und aufopfernde Hingebung in Liebe und 
Freundfchaft hervorzuheben, und er thut dies in einer Weife, 
bie ihm vor der Mehrzahl feiner Zeitgenoffen ganz vorzugs- 
weife angehört, indem er die unmittelbare Spradje der Ems 
pfindung redet und fo eine tiefere Núbrung erweckt, al8 wenn 
er, wie die metften anderen Spanier, das Gefühl erft durch 
den Verftand unb die Phantafie hindurchgehen liege. In diefer 
Beriehung fe noch auf das ſchöne unb ergreffende Drama 
El Amor como ha de ser vertviefen. — Unter den übrigen 
Schaufpielen unferes Dichter, in denen freilich bie hervor⸗ 
gehobene Eigenthümlichfeit weniger fihtbar ift und ble mehr 


— 3718 — 


Diefelben zeigen ein febr gervanbtes und leicht bewegliche® 
Talent, aber nicht den Schwing des Gebanfens und der 
Phantafie, der dem großen Dichter eigen tft; fie ergögen, 
aber fie reißen nicht mit ſich fort. Seine größte Stärfe ents 
faltet Denodza im Komifchen; in El Galan sin dama und 
Cada loco con su tema hat er lächerliche Ebaraftere in 
großer Wahrheit mit überall hervorfirahlendem innerem Leben 
und mit einer Individualität gezeichnet, wie fie nur aus ber 
feinften Beobachtung hervorgehen fonnte. Dian famm biefe 
Lufifpiele denen, welche ben fpanifchen Comödiendichtern Mens 
ſchenkenntniß und treffende Schilderung der menfchlichen Schwäs 
hen und Thorbeiten abfprechen, als prägnante Beweiſe des 
Begentheils hinhalten; in der That wüßten wir nicht, daß 
die genannten Stüde in diefer Rüdficht hinter den beften des 
Moliere ¿urúditánden. Zugleich führt die Intrigue, telde 
den Charakteren zum Träger dient, die luftigften Situationen 
berbei; ein fprudelnber Witz umgaufelt das Ganze und ber 
Dialog ift von größter Bebendigfeit. Mehr reine Intriguens 
fptele mit Hintanfegung der Charafteriftif find Los riesgos 
que tiene un coche und El trato muda costumbre; aud) 
hier bewegt fi die Handlung mit großer Leichtigfeft und 
Anmuth, und die Dispofition des Plans läßt' in der funfts 
vollen Sneinanderfügung der Scenen nichts zu wünfchen übrig. 
— Für das Tragifche reichten die Kräfte des Mendoza nicht 
aus, und das Bewußtfein hiervon hat ihn wohl beftimmt, es 
mit einem einzigen Verſuche darin bewenden zu laffen. Dies 
fer Verſuch tft No ay Amor donde ay agravio, ein Drama, 


tumbre. Los empeños del mentir. Mas merece quien mas ama 
Cada loco con su tema y el Montañes indiano. Entremes de 
Micer Palomo; es fehlen abex: El galan sin dama und Los riesgos 
que tiene un coche. 





— 379 — 


das in feiner Fabel viele Achnlichfeit mit dem Arzt feiner 
Ehre bat, aber vielleicht früher gefchrieben tft, ald die Cal⸗ 
deron’fhe Tragödie. Ein Mädchen, das, während ihr Ges 
liebter abweſend ift, von einem zudringlichen Galan befucht 
wird, fieht fih, da ihr Vater darüber zufommt, von Legterem 
gezwungen, dem Beſucher ihre Hand zu reichen. Später, als 
ihr Geliebter zurüdfehrt, erwacht die alte Neigung wieder in 
ihrer ganzen Stärke. Schon tft der Plan zur Flucht gefaßt, 
al8 der Ehemann, der Verdacht gefchöpft hat, das ehebreches 
rifhe Paar überrafcht und feiner Rache opfert. An die Tiefe, 
mit welcher Calderon und aud Rojas äfmliche Stoffe auf 
gefaßt haben, ift bier nicht zu benfen. — Mehrere andere 
Stüde des Mendoza find Seftfpiele für das Buen-Retiro-Theas 
. ter und, wie es zu biefem Zwecke erwünſcht fein mußte, auf 
viel Theaterpracht berechnet. 


Alvaro Cubillo de Aragon. 


Nah Nicolas Antonio aus Granada gebürtig. Seine 
Geburt muß in, die erften Jahre des fiebzebnten Sahrhundertg, 
wenn nicht noch in bie legten des vorhergehenden fallen, denn 
der genannte Bibliograph führt ein Werf von ihm an (La 
Curia Leonina), deffen zweiter Theil fc hon 1625 zu Ora: 
nada erfchienen fein fol. Ueber Eubillo’8 Lebensverhältniffe find 
wir von aller Runde entblößt. Seine Fruchtbarkeit im bras 
matifhen Fade ſcheint fehr groß gervefen zu fein. Ein Theil, 
feiner Schaufpiele wurde mit anderen Werfen von ihm ¿us 
fammen gedrudt unter bem Titel: El Enano de las Mu- 
sas, Madrid 1654 '**), In der Dediration dieſes Bandes 

1) Der vollfländige Titel ift: El Enano de las Musas, Come- 
dias y obras diversas de Alvaro Cubillo de Aragon. Madrid 1654. 
Die darin enthaltenen Schaufpiele find folgende: 


— 380 — 


fagt er, er habe mehr als hundert Comoödien verfaßt, beflagt 
fid) aber, daß viele berfelben von betrügerifchen Buchhändlern 
mit den Namen anderer Dichter bezeichnet worden feien; fo 
fri der Señor de noches buenas dem Antonio de Mendoza 
zugefehrieben worden, es zieme fid) aber nicht, daß der Name 
eines großen Mannes, der fo Ausgezeichnetes hervorgebracht, 
durd) die Aufbürdung fremder Thorheiten in Mißfredit ges 
bracht werde. 

Die dramatifchen Werte des Alvaro Eubillo offenbaren 
fein eminentes Genie, aber eine ſchöne Naturanlage, die fi) 
fleißig nad) den beiten Muftern ausgebildet hat; Teine über- 
fdwänglich reiche Phantafte, aber doch eine Erfindungsgabe, 
welche ausreichte, um feine Compofitionen mit einer pinlángs 
lich intereffanten Handlung zu verfehen. Wenn es ihnen am . 
hervorragender Originalität gebricht, fo erfreuen fie bod) 
durch bie geichicte und Funftvolle Verarbeitung des Stoffs, 
den wohl überdachten Plan und die große Cultur der Dars 
ftellung; und fie haben überdies eine ganz befondere Eigens 
thümlichfeit, die fie inmitten der übrigen Bühnendichtungen 
der Spanier auszeichnet. (ES ift dies eine gewiſſe anziehende 
MWeichheit und Milde des Gefühls, welche die edle Seite des 
Menfchenherzens mit großer Wärme aufzufaffen weiß. Alvaro 
Cubillo fheint ein zartes, beinahe weibliches Gemüth befeffen 
zu haben, das vor der energifchen Darftellung ber Leidenfchaften 
zurüdbebte, dagegen bie Seele, und namentlich bie des Weibes, 
gerne in ihren fanften Regungen belaufchte und fid mit be- 


La honestidad defendida de Elisa Dido. Los triunfos de San 
Miguel El rayo de Andalucia. Los desagravios de Christo. El 
invisible principe del baul. Los muñecas de Marcela. El Señor 
de noches buenas. El Amor como ha de ser. La tragedia del 
Duque de Verganza. 





— 381 — 


fonberer Neigung dem Anmuthigen und Lteblicen, der Schil⸗ 
derung inniger, hingebenber Liebe widmete. Diefem Rreife 
gehören feine beften Werke an, al8 welche namentlih Las 
muñecas de Marcela und La perfecta casada zu bezeichnen 
find. Sn bem erften diefer Stüde fft mit großer Feinheit das 
erfte Auffeimen bes Liebesgefühles in bem Herzen eines eben zur 
Jungfrau aufblühenden Kindes gefchilbert, eS Tiegt über dem Bilde 
Diefer Marcela der Haud) einer zarten ſchwärmeriſchen Sentimens 
talitát, der doch wieder von frifcher Lebensfreude und Naive⸗ 
tät durchdrungen wird und eine ungemein anzicehende Wirfung 
ausübt. Mit gleicher Holpfeligfeit ift die Heldin des zweiten 
der genannten Schaufpiele ausgeftattetz die göttliche Gefin- 
nung, die Reinheit des Herzens und der Sitte, die in Ver: 
fuchung, Erniedrigung und Verfennung immer heller ftrahlt, 
find vielleicht nie fo verherrlicht worden. Beiden Dichtungen 
den Stempel der Vollendung aufzudrüden, dient der ſchöne, 
flare Strom ber Sprache, die Lieblichfeit und gefállige Hars 
monie bes Versbaues. — Auch wo pipchologifche Schilde⸗ 
rungen nicht fo in den Vordergrund geftellt find, liebt Alvaro 
Cubillo es, die. fittlihe Stärfe, die ausharrende Geduld im 
Unglúd, die Treue und aufopfernde Hingebung in Liebe und 
Freundſchaft hervorzuheben, und er thut dies in einer Weife, 
die ihm vor der Mehrzahl feiner Zeitgenoffen ganz vorzugs- 
weife angehört, indem er die unmittelbare Spradhe ber Ema 
pfindung redet und fo eine tiefere Rührung erweckt, ald wenn 
er, wie die meiften anderen Spanier, das Gefühl erft durch 
den Verftand und die Phantafie hindurchgehen Tiefe. In diefer 
Beziehung fel noch auf das ſchöne und ergreifende Drama 
El Amor como ha de ser verwiefen. — Unter den übrigen 
Schauſpielen unferes Dichters, in denen freilich bie hervor: 
gehobene Eigenthümlichfeit weniger ſichtbar iſt und die mehr 


— 382 — 


in ben allgemeinen Charafter der fpanifchen Bühnenftüde über: 
geben, feien noch folgende genannt. El invisible principe 
del baul, ein geíftooll erfonnenes, wahrhaft humoriftifches 
Luftfpiel, das fich etrva bem Amar por señas des Tirfo de 
Molina vergleichen läßt. — El vencedor de si mismo, 
aus dem Sagenfreife Karl's ves Großen. — Los desagra- 
vios de Christo, die 3erftdrung von Jeruſalem burd Titus. 
— El Conde de Saldaña, zwei Theile; vielleicht bie befte 
Behandlung der Geſchichte des Bernardo de Carpio und bier 
jenige, welche fi am lángften auf der Bühne behauptet hat. 
— El Rayo de Andalucia; ber Held iſt der vielgefeierte 
Baftard Mubarra. 


Juan de la H03''°), 


Juan de la Hoz Mota, aus einer in Burgos anfäffigen 
Familie flammend, wurde im Sabre 1620 zu Madrid geboren, 
erhielt im Jahre 1653 das Ritterfleid von St. Gago, dann 
die Stelle eines Regidor's von Burgos und zulegt bie cines 
Práfidenten des Vermögensraths von Gaftilien. Er Tebte noch 
bis gegen bag Ende des fiebzehnten Jahrhunderts. Unter den 
vielfachen Sefchäften, welche ihm die hohen Aemter, die er 
befleivete, aufbürveten, fand er nod Mufe zu bichterifchen 
Arbeiten. Seine Dramen find jedoch nicht zahlreich. Vorzüge 
tien Ruhm hat ifm El castigo de la miseria erworben. 
Diefe Comödie wurde in der Zeit, al8 man treffende Geiße⸗ 
lung beftimmter Schwächen und Lafter für die wefentlichfte 
Eigenfchaft eines guten Luſtſpiels erflárte, als eins der beften 
Erzeugniffe der ſpaniſchen Bühne angepriefen; die Runftans 


) Hijos ilustres de Madrid por Baéna. 





— 3888 — 


ficht ber Gegenwart, welche in diefer Hinſicht nod) andere 
Anforderungen ftellt, fann biefem Urtheil nicht beitreten und 
höchftens bie Luftigfeit einiger Situationen fo wie die Eler 
ganz ber Sprache rühmen; ber Eharafter des ſchmutzigen Geiz 
balfes Don Marcos, eines zehnfachen Harpagon, fann nur 
Widerwillen erregen, und die Antrigue, wie eine ſchlaue Abens 
teurerin ihn durdy dia Vorfpiegelung unermeßlicher Reichthü⸗ 
mer, die fie befige, in ihren Negen fängt, ift von ziemlich 
gewöhnlihem Schlage. Ein ungleíd) höher ftehendes Schau⸗ 
fpiel von La Hoz ift El Montañes Juan Pascual y pri- 
mer Asistente de Sevilla. Wir dürfen nicht verfäumen, 
den Inhalt diefes merfwürdigen Stüdes anzugeben. König 
Pedro der Rechtspfleger, oder nach bem befannteren Ausdruck 
der Graufame, hat fi auf der Jagd in der Umgegend von 
Sevilla verírrt. Ein Greis, bem er begegnet und bem er fi 
nicht zu erfenmen gibt, bietet ihm für bie Nacht ein Unters 
fommen in feinem Haufe an und führt ihn in eine einfache, 
aber geräumige und von Wohlhabenheit zeugende Wohnung. 
Bald entfpinnt ſich zwiſchen Beiden eine Iebhafte Unterhals 
tung, und ber Wirth, der ſich als einen zwar nicht adligen, aber 
aus altschriftlichem Geſchlechte entfproffenen Grundbefiger, Nas 
mens Juan Pascual, zu erfennen gibt, fpricht fi) mit größtem 
Freimuth ebenfo über die Fehler bes Königs, wie über bie 
Unruhen, die fein Reid) zerrütten, aus. Die Haupturfache 
diefer Zerrüttung fteht er in dem Mangel einer weile gebanbs 
habten Gerechtigkeit. „Eine Züchtigung, fagt er, erweckt eine 
heilfame Furcht, eine Hinrichtung iſt eine nützliche Lehre; aber 
wenn das Schwert immer erhoben und mit Blut befledt (ft, 
fo verwandelt fih der Zorn, ben man gegen die Schuldigen 
empfinden follte, in Mitleid, und daraus entftehen Unzufrie⸗ 
denbeit und Unruhen, Die Gerechtigkeit ift ein Attribut: der 


— 384 — 


Gottheit und, fo rte biefe, müffen diejenigen, welche fie aus⸗ 
üben, Achtung, aber feinen Abfcheu einflößen. Wenn der Rós 
nig einen Mann wie mich an feiner Seite hätte, um mit &ifer 
über feinen Ruhm und über das Wohl des Staates zu wachen, 
fo würde Sevilla bald beruhigt fein.” Pedro hat diefen Reden 
mit gefpannter Aufmerffamteit und mit Wohlgefallen zugebört. 
Das Eintreten einiger Rítter von feinem Gefolge läßt den 
Juan Pascual erkennen, wer der Saft ift, mit dem er fid 
fo vertraulich unterhalten hat. Der König aber fpricht den 
Wunſch aus, fein Wirth, deffen Weisheit und Charafter-Unab- 
hängigfeit ihm Achtung eingeflößt babe, möge die Stelle als 
Affiftente oder .erfie Magiftratsperfon von Sevilla annehmen. 
Juan Pascual macht anfänglich einige Schwierigkeiten wegen 
der Annahme des ihn angebotenen Poſtens, allein Pedro läßt 
nicht ab, in ihn zu dringen. 

Juan Pascual. Aber bedenkt wohl, Señor, ich bin 
hartnäckig, und einen Rechtsſpruch, den ich einmal gefällt habe, 
werde ich ſelbſt auf höheren Befehl nicht zurücknehmen. 

König. Alles, was Ihr anorbnet, werde ich gutheißen. 

Juan Pascual. Wilfet wohl: wen ich ſchuldig bes 
finde, den werde ich züchtigen und babei feine Ausnahme 
machen, noch erlauben, daß man die Strenge bes Defeges 
durd) irgend eine Ausflucht umgehe. 

König. Ihr braucht felbft mein eigenes Haus nicht zu 
verfehonen. Iſt eS genug? 

Juan Pascual. Nun wohl, wenn es nicht anders 
fein kann, fo nehme ich die Stelle an. 

In den ihm beftimmten Poften eingefebt, wird Juan 
Pascual durd die Energie feiner Juſtizverwaltung, durch vie 
Weisheit und Mäßigung feiner Gerechtigfeitspflege bald ber 
Schreden der Verbrecher‘ und die Hoffnung aller Wohlgeſinn⸗ 





— 385 — 


ten. Ganz Sevilla gewinnt ein anderes Anfehen; aber ber 
Affiftente pat nicht allein mit den Uebelthátern zu thun, auch 
der König felbft macht tbm zu fchaffen, denn Pedro erfchernt 
in Ddiefem Stüde nicht, wie bei Calderon und Moreto, vors 
zugsweiſe als Rechtöpfleger, fondern mehr mit ben büftern 
Zügen eines argwöhnifchen und launenhaften Tyrannen. Im⸗ 
mer glaubend, daß feine Gegner, ja feine Verwandten felbft 
mit verrätherifchen Plänen gegen ihn umgehen, will er fein 
Leben durch ihren Tod zu fichern fuchen; das Blut feiner 
Nebenbuhler foll ihm einen günftigeren Erfolg in feinen Pie- 
besintriguen verfchaffen; in anderen Augenbliden aber will 
er wieder Schuldige, die der Affiftente verdammt hat, befreien. 
Juan Pascual, immer pflidhtgetreu und gewiffenhaft, aber 
doch zugleich geſchmeidig, weiß inveffen den ungeftümen Tyran- 
nen, in welchem trog aller Wildheit feines Charakters nod) 
ein Reſt von Gerechtigkeit geblieben ift, gewöhnlich im Zaum 
zu halten und feiner befferen Einficht unterwürfig zu machen. 
Um diefes Motiv, um die Confliete zwifchen der Unterthanens 
pflicht und der Gerechtigfeit, in weldhe Juan Pascual geräth, 
und um bie Art, wie er fid burd Charakterfeftigfeit und 
Gewandtheit aus den unzähligen Schwierigfeiten feines Amtes 
zu ziehen weiß, dreht fi nun das Stüd, deffen faftifches 
Hauptintereffe fih an Folgendes Fnüpft. Don Pedro faßt, 
feiner Liebe für Marta Padilla vergeffend, eine Tebhafte Nei⸗ 
gung zu Juan Pascual’8 eigener Tochter, und macht den Ver: 
ſuch, ſich bei Nacht in die Wohnung ves Affiftenten einzus 
fehleichen. AIS ihm ein Diener den Eintritt wehren will, 
ftößt er diefen mit dem Dolche nieder, entrinnt aber, bevor 
die Nachbaren, durch den Lärm geweckt, herbeifommen. Nies 
mand weiß, wer der Moórber fei. Juan Pascal Täft alle 
Bewohner der Strafe, in welcher das Verbrechen begangen 
Geſch. d. Lit, in Spanien. III. Do, 25 


— — 


— 








— 388 — 


Mexifo. Auf dem Höhenpunfte feines Ruhmes als Staats» _ 
mann, Geichichtichreiber und Dichter, fußte Solis ploglid) 
ben Entfchluß, der Welt zu entfagen und in ben geiftlichen 
Stand zu treten. Er empfing, 57 Sabre alt, die Pricfter= 
weihe, entfernte fih von allen Geſchäften und entfagte der 
Dictfunft und dem Theater für immer. Ein begonnenes 
Schaufpiel Amor es arte de amar, ließ er unvollendet. Er 
ftarb am 19ten April 1686. Seine nicht fehr zahlreichen 
Scaufpiele erfchienen zufammen in einem Bande unter dem Titel 
Comedias de Don Antonio de Solis y Ribadeneyra zu 
Madrid 1687, und von neuem ebendafelbft 1716. Einige 
Load und Saynetes von ihm, fo wie das Fragment des un- 
vollendet gelaffenen Luftfpiel® Amor es arte de amar fin: 
ben fid) in den Varias Poesias sagradas y profanas que 
dexó escritas D. A. de Solis, recogidas por Don Juan 
de Goyeneche, Madrid 1692, 

Die Comödien biefes Dichterd haben in ber Zeit, als 
ſich patriotifhe Spanter ihres Nationaltheaters. gegen die An- 
feindungen ber Gallieiften annahmen, und, um ihren Geg⸗ 
nern nicht allzu heftigen Anftoß zu geben, befonderd die Stüde 
zu Begenftänden ihres Lobes wählten, welche am wenigften 
gegen die Boileau'ſchen Regeln verftießen, einen großen Ruf 
erlangt. Einige Comedias de capa y espada von Solís 
nämlich befigen die Eigenheit, daß ihre Handlung in viers 
undzwanzig Stunden verläuft; was Wunder, daß man fie 
den Anbetern ver Einheiten vorhielt, um ihnen zu zeigen, 
daß man aud in Spanien nit Immer ganz fo barbarifh 
gewefen fei, wie fie es behaupteten. Bei vielen Schriftftellern 
des vorigen Sahrhunderts figurirt daher Solís als einer der 
erften fpanifchen Theaterdichter und noch bei Bouterwef und 
Schlegel wird ihm, wenn aud nit aus biefem Grunde, 


— 389 — 


fo doch auf überlieferte Urthelle bin, ein unverhältnißmäßig 
hoher Rang angemwiefen. Aber nur in Rüdfiht auf die Ele 
ganz des Styls und die Glätte des Dialogs entfprecdhen feine 
Schaufpiele ihrem Rufe; es find niedliche Mintaturgemálbe, 
fauber und zierlih ausgeführt, aber wer nicht geneigt if, 
Seinheit und gebildete Technif ber Darftellung für bie vors 
züglichſten Qualitäten bichterifcher Werfe zu halten, wer zu’ 
deren Beurtheifung nod) höhere Anforderungen mitbringt, der 
wird fte ziemlich unbefriedigt aus der Hand legen. In Bes 
zug auf Erfindungsgabe und Einbildungskraft und überhaupt 
auf jenen inneren Kern, aus weldem die ächte Pocfie hers 
vorblüht, fann das Talent des Soli nur ein fehr unterges 
ordnete genannt werden, und wir glauben, daß man bie: 
fen Dichter felbft dann noch faft zu viel Ehre erweift, wenn 
man fín unter die Dramatifer vom zweiten Range, und fo: 
mit etwa mit Guevara und Matos Fragofo auf gleiche Linie 
ſtellt. 

Hiermit ſoll Solis nur von der hohen, von ihm uſur⸗ 
pirten Stellung auf ben beſcheideneren Platz, der ihm ges 
bührt, zurückgewieſen werben; feiner Geſchicklichkeit im /Er⸗ 
ſinnen und Anordnen eines Plans, der Lebhaftigkeit, mit 
welcher er Sitten und Charaktere aufzufaſſen und darzuſtellen 
weiß, der eleganten Präciſion ſeiner Sprache und der Fein⸗ 
heit feines Witzes ſoll das gebührende Lob nicht verſagt wer⸗ 
den. Bei der Nennung ſeiner einzelnen Dramen beginnen 
wir, wie billig, mit demjenigen, welches in Spanien von jeher 
am meiften gefchäßt worden ift, námlid) mit dem Alcazar 
del Secreto. Diefeg Stúd iſt dem Entwurfe nad höchſt 
geiftvoll und in der Ausführung, wiewohl man fie etwas 
weniger opernhaft wünſchen möchte, Far und verftändig. 
Der Schauplag ift die Infel Eppern, und ſchon viefes Local, 


— 390 — 


das von ben ſpaniſchen Dichtern häufig gewählt wird, wenn 
fie für phantaftifche Begebenheiten einen entfprechenden, von 
dem Nimbus des Wunderbaren umfloffenen Boden fuchen, 
deutet an, was wir hier zu erwarten haben. Sigismund, 
Prinz von Epirus, hat den Sohn des Fisberto, Königs von 
Cypern, im Zweikampfe getóbtet. Die Schwefter des Ermor⸗ 
beten, Diana, wird von ihrem Bater wegen einer Weiſſa⸗ 
gung, welche ihr verfünvet, daß fie fih in ihren ärgften 
Feind verlieben werde, in einem, von allen Seiten verfdlofs 
fenen Palafte gefangen gehalten, und zugleich demjenigen zur 
Ehe verfprochen,, der den Mörder ihred Bruders tödten werbe. 
Sigismund Tandet nun, durch einen Sturm verichlagen, an 
der Küfte von Cypern, wo er burd) einen unterirdifchen Gang 
Zutritt zu Dianen’s Palaft erhält, biefelbe fieht und ſich in 
fie verliebt; die von ihn früher verübte That aber und ber 
Unftand, daß Dianen'8 Hand der Preis feiner eigenen Ers 
mordung fein foll, nöthigen ihn, feinen Namen zu verbergen 
und fich für Rugero, Prinzen von Ereta, auszugeben. Man 
fiebt, daß ſchon in diefen Berhältniffen der Keim zu einer 
fehr intereffanten Bermwidelung liegt; fügen wir hinzu, daß 
ber Dichter nun auch nod) den wahren Rugero, der fic) in 
ein Bildniß von Sigismund's Schwefter verliebt hat, und 
ebenfo die Legtere nach Eypern führt, fo wie daß er zwiſchen 
den Liebespaaren eine, theild auf die Verwedfelung der Nas 
men gegründete, theild durch andere Umftände gerechtfertigte 
Eiferfucht entíteben Täßt und alle diefe verſchiedenen Fáben 
mit größter Ueberlegtheit zu leiten weiß: fo ift hiermit fon 
das Urtheil ausgefproden, daß die Vorzüge des finnreichen 
Gedichte dem großen Rufe deffelben nicht inadäquat feien. 
Von der Gitanilla de Madrid des Solis, welche, wie 
fhon der Titel anzeigt, auf die gleichnamige Novelle des Eer- 





— 39 — 


Vantes, aber aufierdem auf ein áltereg Drama von Mental: 
Han gegründet -ift, fagt Signorelli, ber fonft die Spanier 
sicht eben mit gúnftigen Blicken anſieht: „Diefes von Celano 
in's Stalienifche überjegte Stúd ift im Gaftilianifchen von 
höchſter Anmuth. Die gewöhnlichen Leidenfchaften, die Eifer: 
fucht, die Liebe, die Zwiftigfeiten und die Wiederausfühnung 
Haben darin ein graziöfes und neues Colorit. Die Dauer ber 
Dandlung geht nicht viel über vierundzrvanzig Stunden hin⸗ 
aus. Wegen der VBerwidelung und der Schilderung der all: 
gemeinen Leidenfchaften ift diefe Comödie aud) auf den italie⸗ 
niſchen Theatern mit Vergnügen gefehen worven; aber es iſt 
unmöglich, auferhalb Spanien’ die originellen Züge in dem 
Gemälde der Andalufifhen Zigeuner beizubehalten, welche 
durch die Darftellung von Eingeborenen nod höheren Reiz 
erhalten. Mehr als einmal habe ich bie Rolle ber Preeioſa 
pon der vortrefflihden Schaufpielerin Pepita Huerta, welche 
nun feit Jahren todt ift, und von der Carreras, die fich im 
Sahre 1783, ald ich Spanien verließ, fchon von ver Bühne 
zurüdgezogen hatte, fptelen fehen. Beide führten diefe Partie 
unter gleichem Beifall, aber in verfchievener Trefflichfeit, aus. 
Die Erfte ward wegen der natürlichen und edlen Grazie be 
wundert, welche fie inmitten der Zigeuner-Sprade und Sit- 
ten entfaltete; diefe fehöne Mifchung von Orazíe, Geift und 
Adel paßt vortrefflih für ein begabtes und Iebhaftes, aber 
fprödes und launiges Mädchen, von welchem fic) ¿ulegt ent 
det, daß es vie Tochter vornehmer Eltern ifl. Die Carre: 
vag dagegen war in ber treuen Nachahmung des Wefend und 
Seins jener Menfchenflaffe unverbefferlich ''?).” Dieje Reize, 


229) Signorelli, Storia critica de’ Teatri. Neue Ausgabe, Neapel 
1813. T. VII. pag. 107. 


— 392 — 


welche die Comödie durch die Darftellung erhalten fann, müf- 
fen wir uns binzudenfen, um ben Beifall zu begreifen, mit 
bem diefelbe in Spanien von jeher überfchüttet worben ift. 
Dem ruhigen Lefer erfcheint die Gitanilla als -ein ziemlich 
ordinäres Theaterftüd, welche die Reize der herrlichen No— 
velle des Cervantes nur in fehr verblaßten Farben wieder 
gibt. 

El Doctor Carlino lehnt fih an eine ältere, unvollens 
det gebliebene Comödie von Gongora. Der Held tft ein fchlechter 
Arzt, ungefähr wie jener, von dem Tirfo de Molina fagt: 
Er hat mehr Seelen in den Himmel fpedirt, als ein Calígula 
oder Nero; wenn er vorübergeht rufen Alle: da kommt bie 
legte Delung '?9. “ Diefer Hypofrates befchäftigt ſich zugleich 
mit der Kunft, jungen Leuten bei Liebesangelegenheiten bes 
búlflid zu jein, fieht fid) aber in feinen Bemühungen bes 
ftändig durch bie Dummheit und Schwaphaftigfeit feiner Frau 
gehindert, fo daß er neue Ránfe und Rügen aufbieten muß, 
um Die angefponnenen Sntríguen zum Ziele zu führen. Das 
hierdurch hervorgebrachte Imbroglio ift Iuftig, aber ein höhe- 
rer Werth gebt ber Poffe ab. — Sn Un Bobo hace ciento 
haben wir drei ſich freuzende Liebſchaften, Täuſchungen, Mifs 
verftändniffe, Eiferfucht, aber dies Alles in einer fo wenig 
neuen und finnvollen Weife behandelt, daß man die Berech—⸗ 
tigung des Autors, ein fo abgenuptes Thema abermald Hors 
zunehmen, nicht recht abſieht. — Weit rühmender dagegen 
dürfen wir von Amparar el enemigo und El Amor al 
uso reden; jenes ift eine fehr in Calderon's Manier gehal« 


120) Tiene mas almas en el cielo 
Que un Caligula 6 un Neron; 
Donde pasa todos gritan 
Allä va la estrema uncion. 





— 393 — 


tene Comödie, in welcher ein wunderbarer Zufall ein faft 
humoriſtiſches Spiel mit Lebensverhältniffen treibt, die an 
fih fon zu den complicirteften gehören; El Amor al Uso 
aber fipilvert-in anmutbig ſcherzender Weife das Icictfertige 
Treiben und die Slatterhaftigfeit zweier jungen Leute, welche 
fid gegenfeitig die glühendfte Leivenfchaft heucheln, von denen 
aber Jeder nebenher nod) andere Liebichaften hat. 


Salazar. 


Aguſtin de Salazar y Torres, aus vornehiner, 
mit den erften Häufern Spanien’d verwandter Famille ſtam⸗ 
mend und zu Soria in Gaftílien (in ber Gegend des alten 
Numantia) geboren, fiedelte in feinem fünften Sabre mit 
einem Oheim, der ſich feiner angenommen hatte, nad) Ames 
rifa über und erhielt feine erfte Erziehung in dem Sefuiten- 
eollegium zu Merxifo. In den Sünglingsfahren nad Spanien 
zurüdgefehrt, fand er am Hofe Philipp’s IV. eine freundliche 
"Aufnahme und erwarb fidy durch feine Gewichte und Schau⸗ 
fpiele den Beifall und die Freundichaft des Calderon. Später 
ging er im Gefolge des Herzogs von Albuquerque nad St 
cilien, wo: er die Stelle eines Capitan be Armas ber Pros 
vinz Girgentt erhielt. Nach feiner Wieverfehr in das Baters 
land lebte er von neuem am Hofe. Er flarb zu Madrid fm 
Sabre 1675. Seine gefammelten Werfe wurden von Vera 
Taſſis, den wir ſchon al8 Herausgeber des Calderon Fennen, 
in zwei Bänden zum Drud befördert """), ber zweite ents 
hält die Comödien. — 

121) Cythara de Apolo. Varias poesias divinas y humanas 


que escrivió D. Agustin de Salazar y Torres y saca a luz D, 
Juan de Vera Tasis y Villaroel, su mayor amigo, I» parte, Madrid 


— 396 — 


digpten, und über die Saminlungen fpanifcher Komödien eins 
gefchaltet worden. 

Die Partei der Gelchrten, welche zu Anfang des fieb* 
zehnten Jahrhunderts fo lebhaft gegen die Nationalform bes 
Schaufpiel® geeifert und bie NRüdfehr zu den Oefegen ber 
Alten, gepredigt hatte, verftummte ſchon gegen bas Ende von 
Lopes Lebenszeit faft gänzlih. Der legte Schriftfteller von 
Belang, ber eine Annäherung an das antife Drama als 
wünfcenswerth aufitellte, war Juſepe Gonzalez de 
Salas (geft. 1651). Die Auslegung der Ariftotelifhen Poe: 
tif, welche diefer gebildete und geiftvolle Dann im Fabre 1633 
unter dem Titel Nueva Idea de la Tragedia herausgab, 
beichäftigt fich in ben erften dreizehn Abfchnitten mit der Theo⸗ 
rie des Trauerfpield nad) den Regeln ves alten Philofophen 
wie aud mit ber äußeren Einrichtung ber griedhifchen Bühne 
den Schluß des Werfes bildet ein Auffag: El Theatro sce- 
nico a todos los hombres, eine Schutzrede für das Theater 
- im Allgemeinen. Seitenbemerfungen auf die fpanifche Bühne 
fommen nur wenige vor, und auch biefe wenigen find Feines- 
wegs von jener gehäffigen und vornehm abfprechenden Art, 
wie die in den früher erwähnten Werfen des Cäscales und 
Figuerva; der Autor wünfcht bem Drama feiner Nation mehr 
Regelmäßigfeit und firenge Form; aber er fieht daſſelbe troß 
dem in einem fo günftigen Lichte, daß er fagt, das fpanifche 
Luftfpiel ftehe auf einer Stufe, zu welcher das der Alten bei 
weitem nicht hinaufreiche. — Die im Sahre 1639 gebrudte 
Idea de la Comedia de Castilla von Joſeph Pellicer be 
Galas de Tovar íft mir nur dem Titel nad) befannt, ben 
Berfaffer aber fenne id) aus ben Denfichriften auf Lope als 
einen eifrigen Anhänger des Lebteren und ber nationalen 
Schaufpielform. — Aus dem ganzen weiteren Berlauf bes 





— 397 — 


fiebzehnten Jahrhunderts Táft fich Feine einzige dramaturgiſche 
Schrift von einiger Erheblichfeit anführen; die wenigen, welche 
oorfommen, find nichts alg Streitfchriften für und wider die 
politifhe und religtófe Erlaubtheit des Theaters; dahin gehört 
die Iateinifche Differtation De hodierna Hispana Comedia 
in des Juriften Ramos del Manzano Commentar über bie 
Lex Julia et Papia (1678); eben dahin aud) eine im Sabre 
1682 verfaßte Apologíe ber fpanifchen Comödien, und ng: 
beſondere der Ealderon’fchen, von dem Doft. Manuel Guerra!?®), 
Die fritifchen Urtheile, welche Nicolas Antonio in feiner Bi- 
bliotheca hispana (Rom 1672 ff.) über fpanifhe Dramatifer 
gibt, find (mas einem fo gelehrten Manne befonders hoch ans 
gerechnet werden muß) durchaus frei von dem Vorurtheil, 
weldyes allein in der befchränften Form des Alterthums Heil 
erblidt. N. Antonio geht fo weit, zu fagen, das ganze Alter: 
thum und aud) die neueren Sahrhunderte hätten Niemand, der 
den Lope de Vega gleichgeftellt zu werben verdiene; denn 
diefem verdante die fpanifche Komödie, welche nad Abredhs 
nung einiger geringfügiger Fehler gegen ihre größeren Bor: 
züge unftreitig für die vortrefflichfte der Welt zu erachten fei, 
ihren Urfprung. 

Zeigt das Obige, daß die bem romantifchen Schaufpiel 
feindliche Partei durch die allgemeine Stimme der Nation 
völlig vernichtet worden war, fo Tiefert die geringe Zahl und 
die kümmerliche Geftalt der in dieſer Periode noch verfuchten 
Dramen im antifen Styl benfelben Beweis in anderer Art, 
Sn der That fann hier faum ein anderes Stüd genannt wer- 
den, als der im Sahre 1651 gedrudte Hercules furente y 


122) (Es ift dies derſelbe Schriftfteller, welcher oben Seite 45 unrich- 
tig bloß Manuel genannt worden ift. 


— 398 — 


Oeteo von bem Lyrifer Francisco Lopez de Zarate. ES 
(ft klaͤglich, zu fehen, wie ber Dichter diefes g;:14 mißrathenen 
Trauerfpield (in welchem zwei Tragödien des Seneca übel 
verbunden find) mit ängftlichem Fleiße die Unnatur. ; ‚And den 
ESprachbombaſt des Lateiners nachgeahmt und bie matte Fabel 
durch endloſe Weitläuftigfeit der Rede nod) langweiliger ge 
macht hat. Dennoch ward dies erbärmliche Produkt eines geift- 
loſen, der herrlichen Zeit und Umgebung, in welcher er lebte, 
unwürdigen Pedanten von ben Oallíciften bes achtzehnita 
Jahrhunderts als eine Zierde der ſpaniſchen Literatur ge 
prieſen. — Die „Trojanerinnen“ des ſchon erwähnten Gon- 
zalez de Salas ſind nichts als eine Ueberſetzung ver gleich⸗ 
namigen Tragödie des Seneca. 

„Einem künftigen Geſchichtſchreiber des ſpaniſchen Thea⸗ 
ters — ſagt Boutwerek — wird es obliegen, bibliographiſche 
Nachrichten von den verſchiedenen und verſchiedenartigen S a mms 
lungen fpanifcher Schaufpiele von mehreren Verfaffern zu ges 
ben.“ Diefe Pflicht übernehmen wir hiermit. — Dem Be: 
triebsgeifte ver Buchhändler fonnte der Vortheil nicht entgehen, 
welchen die Vorliebe des Publifums für das Theater dem⸗ 
jenigen verhieß, der die zerftreuten Comödien fowohl befannter 
Dichter al8 auch impgenannter Verfaffer gefammelt in feine 
Hände brádte. Solchen Gollectionen konnte, wenn fie aud) 
nicht ben gleihmäßigen Werth befafien, wie die Gefammt- 
ausgaben der berühmteften Autoren, doch der Reiz der Mans 
nichfaltigfeit nicht entgehen. Eobald das fpantfche Theater in 
Blüthe fam, tauchten daher auch dergleihen Sammlungen auf, 
und wir haben fon im vorigen Bande einige derfelben, wie 
3. BD. die beiden Bände Comödien Balencianifcher Verfaffer 
fennen prlernt; auch der dritte und fünfte BVand des Lope de 
Vega yehört hierher. In viel größerer Zahl aber erfchienen 








— 39 — 


Ähnliche, zum Theil fehr bándereihe Werke in der fpäteren 
Lebenszeit Lope. und von da an bis zum Schluffe des fiebs 
zehnten Sahrhunderts. Die beiden größter Sammlungen diefer 
Ar fü, in folgende Titel: Comedias de diferentes Auto- 
res, gebrudt zu Valencia und zu Saragoffa, der grófierer 
Zahl ber Bände nad fchon in der erften Hälfte des ſiebzehn⸗ 
ten Sahrhunderts. Nicht Teicht möchte es eine größere biblio: 
araphiſche Seltenheit geben, als ein vollſtändiges Exemplar 
dieſes Werks; mir iſt ein ſolches nie vorgekommen, und nur 
einzelne Bände find mir bekannt, z. B. ein 29fter, Valencia 
1636, ein 32fter, Saragoffa 1640, ein 44fter, ebenbafelbft 
1652. Sie zweit⸗ greße Sammlung ſpaniſcher Comödien be: 
gann 1652 unter dem Titel: Comedias nuevas escogidas 
de los mejores ingenios de España in Madrid zu erfdyeis 
nen, und wurde an bemfelben Drudort bis zum 48ften Bande 
(erſchienen 1704) fortgefegt 122). Wohl zu bemerfen ift, daß 
nicht alle Bände benfelben Titel führen; fo heißt ¿. B. der 4te 
Laurel de Comedias, ber 14te Pensil de Apolo, ber 31fte 
Minerva comica, welcher Umſtand einige Citeratoren zu dem 
Srrifum verleitet hat, die Eriftenz von eben fo vielen befons 
deren Sammelwerfen anzunehmen, als jenes große einzelne 
Theile mit befonderen Titeln hat. — Eine minder umfaffende 
Auswahl von Comödien findet fid) in El mejor de los me- 
jores libros que han salido de Comedias nuevas, dado 
a luz por Thomas de Alfay, Madrid 1653 sqq., 10 Bánve, 
anderer fleínerer Colleetionen nicht zu gedenfen. Ale viefe 
Sammlungen (in denen es Regel wurde, daß ein Band: im- 
mer 12 Stüde enthielt) haben als reichhaltige Repertorien 


123) Siehe weiter unten bas vollftändige Snhalteverz “dig diefer 
Sanımlung. 





— 400 — 


ber fpanifchen Bipnenliteratur ihren entfchievenen Werth; aber 
wir glauben nicht, daß, wie Bouterwek meint, der Geſchicht⸗ 
fehreiber des ſpaniſchen Nationalgefhmads fie benugen fónne, 
um zu entdeden, welche Schaufpiele zu einer gewiffen Zeit 
in Spanien die beliebteften gewefen feien; benn alle find durch⸗ 
aus ohne Auswahl gemacht, enthalten Mittelmäßiged und 
Schlechtes neben dem Bortrefflihften, und geben kund, daß 
die Buchhändler ohne weitere Rüdficht auf Werth und Ruf 
bie Stüde gebrudt haben, welche ihnen gerade zur Hand 
waren. 


x 


Die Schaar ber Dichter, welche außer ben Genannten 
zur Zeit Philipp's IV. und Karl's IL für das Hoftheater fo: 
wohl als für die Volfsbühnen von Spanien arbeiteten, war 
außerordentlich groß. „Nie wohl — fagt Bouterwek — iſt ein 
dramatifcher Dichter auf einer fo langen Laufbahn von einer 
folden Anzahl von Nebenbuhlern, Freunden und Nachahınern 
begleitet worden, wie Galberon; genau das halbe Jahrhun⸗ 
‘ bert, während beffen er unermübdet für das Theater thätig 
war, brachte den größten "Theil der fpanifchen Schaufpiele 
hervor, deren Menge befannter, als ihr Verdienft if.” Schwer: 
lid) jedoch hatte unfer Literarbiftorifer einen vollfommen ¿us 
reichenden Begriff von dem quantitativen Reichthum des fpas 
nifchen Theaters, denn nur ein fehr geringer Theil felbft der 
berühmteften Dramatifer wird von ihm genannt, und zwar 
aud nur einfach genannt; und wenn er dann dieſe Wenigen, 
welche faum ben zwanzigften Theil ihrer nach bemfelben Ziele 
ftrebenden Zeitgenoffen ausmachen, in Bezug auf ihre Zapl 
und Productivität mit ben franzöftfchen und italienifchen Lufts 
fpieldichtern zufammenftellt, fo muß man biefen Vergleich ganz 





— 401 — 


umftatthaft nennen. Es iſt wahr, die Menge der Bühnen- 
fehriftfteller, welche. von "den Brüdern Parfaft und in ber 
Dramaturgie bes Lone Allaccí verzeichnet werden, iſt groß; 
aber fie fommt erftens ber der ſpaniſchen Dramatiker allein 
aus ber Zeit Philipp's IV. nicht gleich, unb zweitens wird 
fein einziger Branzofe oder Stalfener genannt, der fih an 
Fruchtbarkeit ben Spaniern aud nur angenähert hätte. Man 
Darf es daher als eine unbeftreitbare Wahrheit aussprechen, 
was fihon der Italiener Riccobont und nach ibm Dieze ges 
fagt hat, bag die Spanter mehr Comödien befigen, alg bie 
Staltener und Franzofen ¿ufammengenommen, ja daß man 
noch ein Paar Völker binzufegen fónnte, ohne in's Ueber: 
triebene zu fallen. Hiermit fol nur diefer Punft in das rechte 
Licht geftellt werben; wir find ‚dagegen weit entfernt, großes 
Gewicht auf denfelben zu legen, over ber fpanffchen Schau: 
(pielliteratur blog in Nücficht auf das Numerifche einen Vors 
zug vor denen der übrigen Nationen einzuräumen. ES fet 
gerne ¿ugeftanden, daß der Strom von Theaterftüden, der ſich 
zu Calderon'3 Zeit in immer größerer Breite ergoß, viele 
geringfügige und werthlofe Productionen mit ſich geführt habe. 
Gewiß ſchwellt mandyer feichte und mittelmäßige Kopf, der 
die dramatifche Laufbahn mehr aus Eitelkeit und Geminnfucht 
als aus Beruf betrat, das Berzeichniß der Bühnendichter an ; 
gewiß haben auch die Begabteren ihren dauernden Ruhm oft 
dem flüchtigen Beifall der Menge zum Opfer gebracht und 
durd die Eilfertigfeit, mit ver fie fhrieben, die Runft zum 
Handwerk erniedrigt. Eben fo unbeftreitbar aber fft, daß bie. 
hochausgebildete Technik, die beftimmte, unabänderlich feftfteh- 
ende und durch große Talente allfeitig geregelte Form ſelbſt 
den geringeren Werfen biefer Periode einzelne Vorzüge mit: 
theilte und daß ber individuellen Begabung oft aufs Glück⸗ 
Geſch. d. Lit. in Spanien. II. Bd. 26 


— 402 — 


lichſte durch den poetiſchen Sinn, ber einmal in dem gamen 
Bolte verbreitet war, nachgeholfen wurde. Der Einzelne wurde 
durch die Gefammtheit Aller gehoben, das fchwächere Talent 
entzündete fi an der Flamme ber großen Meifter und wurde, 
wenn es nicht mit eigenem Olanze zu leuchten vermochte, 
doch wenigſtens zum Spiegel, der diefen und jenen Strahl in 
ungetrübter Schönheit auffing. In diefer Rückſicht hat Schlegel 
ganz richtig gelagt, „daß Alles, was aus der Blüthenperiode 
des ſpaniſchen Theaters berrühre, ohne Ausnahme Aufmerfs 
ſamkeit verdiene.” Diefe Aufmerffamfeit mag hier und da auf 
ein ganz werthlofes Produft ftofen (denn zu Feiner Zeit wird 
es an folchen fehlen, bie fi auf ein Feld drängen, für das 
ihnen aller Beruf abgeht); eben fo oft wird fie aber auch da, 
wo fie es am allerwenigften erwartet, bei ganz umberühmten 
oder gar anonymen Autoren einzelnes höchſt Bemerfenswerthe 
finden. — Nach diefer Anbeutung verdienen denn ſämmtliche 
-Dramatífer aus der Zeit des Calderon unftreitig eine genaue 
Beachtung. Als wir eS unternahmen, dad Ganze der dramas 
tifchen Literatur der Spanter zu bearbeiten, mußten wir jedoch 
von vorn herein die Gränzen unferer Arbeit abfteden; nicht 
alle Dichter Fonnten mit der Ausführlichfeit, bie ihnen an fid) 
gebührt, betrachtet werden, nod) war eine Analyfe oder Jn: 
balt8angabe aud nur der bemerfenswertheften unter ihren 
zahlloſen Werfen ftatthaft, wofern biefe Gefchichte des fpani- 
fhen Theaters nicht über ales Maaß ausgedehnt werden 
follte. Bürchten wir doch fchon burd das Gegebene dem Sn: 
tereffe bes Publifums für ein fo entlegenes Gebiet allzu viel 
zugemuthet zu baben! Deffen eingedenf, führen wir von jegt 
an die noch nicht erwähnten Mitglieder der Schule, alg deren 
Hauptvertreter Calderon, Moreto und Rofas anzufehen find, 
in gedrängterer Kürze, und nur bier und da ein Verweilen 
geftattend, vorüber. 





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— 408 — 


Sn jeder Hinficht einer ber bedeutendſten unter ben nod) 
anguführenden Dichtern ft Francisco de Leyba aus ber 
oornehmen Familie der Ramirez de Arellano. Man muß ihn 
freilid) als einen Nachahmer des Calderon bezeichnen, Den er 
namentlih im Styl fehr genau copirte; allein dieſe Rad)” 
ahmung ift feine fflavifipe, fondern Die eines begabten und 
geiſtoollen Mannes, der fih viele Vorzüge feines Mufters 
wahrhaft anzueignen weiß. In faft allen Stüden des Leyba 
findet ſich Tüchtigfeit der Erfindung und kunſtvolle Vers 
Tchlingung wie Löfung ver Begebenheiten; faft überall ent- 
fpricht die Sorgfalt der Ausführung dem Retchthum der An- 
Sage. Gewiß dürften daher die Werfe dieſes Dichters eine 
nähere Prüfung fordern; nur die uns auferlegten Schran- 
fen verhindern uns, auf eine foldhe einzugehen. Leyba’s bes 
tanntefte Stüde find die Luftfpiele Cuando no se aguarda und 
La dama presidente, das erfte burdy reiche Laune und große 
Kraft der Komik, bas zweite durch die glückliche, immer ges 
fteigerte Berwidelung, welche die Erwartung des Zuſchauers 
aufs höchſte reizt, ausgezeichnet; allein es iſt nod Vieles 
von ihm vorhanden, was gleicher Aufmerffamfeit werth iſt, 
3. B. bas Intriguenfpiel El honor es lo primero, weldjes 
im Scharffinn bes Plans und der Durhführung mit ähn⸗ 
lichen von Calderon wetteifert; das wunderbare, von reicher 
Phantafie zeugende und einige Achnlichfeit mit dem „Leben ein 
Traum“ barbietende Drama Cueva y castillo del Amor, 
namentlich aber das mit wahrhaft. tragifchen Momenten aus: 
geftattete Schaufpiel Los hijos del dolor, weldyes die Bes 
fchichte des Johannes CEaftriot und feines Sohnes, des bes 
fannten Sfanberbeg, behandelt. 

Beſonders berühmt durch fein komiſches Talent und ben 
Reichthum feines Wiges machte fih Gerönimo Cancer, 
26 * 


— —— 


— 404 — 


ein am Hofe Philipp's IV. gern gefehener Mann. Seine 
Burlesfen Mocedades del Cid und La muerte de Bal- 
dovinos find von ausgelaffener Ruftigfeit und gehören zu dem 
Beften, was das fpanifche Theater in Diefer Art befist ). 
Wie fie fid) ſchon durch die Titel alg Parodien ernfter und 
heroiſcher Süjets anfündigen, fo erfiheinen in ihnen Die Hel⸗ 
den und Könige der Ritterfage durch Alles, was fie fprechen 
und thun, und burd) die Situationen, in welchen fte ſich bes 
finden, in Tächerlihem Lichte. Man fieht fi gleihfam in 
eine verkehrte Welt geführt, in welcher Alles, was man fonfl 
als groß und erhaben zu denfen gewohnt ift, zur Kleinigkeit 
und Thorheit wird. Burleske Vorfälle, niedrig-komiſche Res 
densarten, Sprichwörter und Der Dialekt der unterften Volfs- 
klaſſen werden aufgeboten, um bie Zufchauer in einem beftän- 


‚ digen Gelächter zu erhalten. Daß auch Poffenreißerei bei biefen 


feden Sprüngen des Witzes und des Muthwillens nicht aus- 
bleibt, läßt fid) denken; allein es tft wohl zu beachten, daß 
ber höchſt cultivirte Vers auch den derbften Spüßen eine ge- 
wife Grazie leíbt. So zeigt und denn der Dichter in 
biefen, in ihrer Art meifterhaft gelungenen Stüden mit ges 
níalem Uebermuthe bie Kehrfeite des Heroismus, und wir 
laffen es ung gerne gefallen, bie Helden, die wir fo oft im 
höchſten Pathos des Zragifchen gefehen, hier einmal in bem 
verzerrenden Spiegel des Grotesf-Romifchen zu erbliden. — 
Bon Cancer tft auch das, in Einzelheiten vortreffliche, Luft 
fpiel Dineros son calidad, welches bier und da dem Lope 
de Vega zugeichrieben wird; außerdem kommt fein Name nod) 
häufig auf den Titeln von Stüden vor, die er in Gemein- 


12) Sie ftehen in den Obras da D. Geronimo Cáncer, Madrid 
1651, wiebergebrudt Lisboa 1657. | 





— 405 — 


ſchaft mit anderen Dichtern verfaßt hat. So fehrieb er Im 
Bereín mit Moreto und Matos Fragofo die beiden Dramen 
El Bruto de Babylonia (die Gejchichte des Nebufadnezar ) 
und Hacer remedio el dolor. — Im Fade der Burlesfen zeich⸗ 
nete fid) ferner nod Francisco Feltr de Montefer aus, 
deffen Caballero del Olmedo mit Recht vorzüglich gefchägt 
wird. Ueberhaupt fei bei diefer Gelegenheit erwähnt, daß diefe 
Gattung von Stüden zur Zeit Philipp's IV. fehr belicht 
war und daß fi) in den Sammlungen fpanifcher Schaufpiele 
viele Comedias burlescas ungenannter Verfaffer finden, die 
an heiterer Laune und fherzender Komik nichts zu wünſchen 
übrig Taffen. 

Sleißig für die Bühne arbeiteten die Brüder Diego 
und Jofé de Figuerva y Córdoba, Ritter der Orden 
von Alcantara und Calatrava. Die meiften ihrer Schaw 
fpiele find von Beiden in Gemeinfchaft verfaßt. Sn denfel- 
ben verräth fih nur wenig Eigenthümlichfeit und felbftftän- 
diges Dichterifches Streben; bie Erfindung will mehrentheils 
nicht viel bedeuten, ber Reminifcenzen aus früheren Stüden 
fommen ſehr viele vor, und nur die Lebhaftigfeit und Eleganz 
der Ausführung verdient Lob. Wo diefe Dichter einen höheren 
Auffhwung in das Reich der Poefie nehmen wollen, da era 
weifen ſich ihre Kräfte als durchaus unzulánglid), aber in. 
- ber mittleren Region, auf welche ihr Talent hingewiefen war, 
haben fie Erfreufiches hervorgebracht, Mentir y mudarse á 
un tiempo ift eine glüdlihe Nachahmung von Alarcon's 
Verdad sospechosa, La hija del Mesonero wohl die befte 
Dramatifirung der Ilustre Fregona des Cervantes. Befon- 
deres Intereffe hat und La dama capitan eingeflößt,. die 
Geſchichte einer Nonne, welche aus Ueberbruf an bem ein- 
fórmigen Leben und aus Drang, die Welt zu fehen, ihrem 


— 406 — 


Klofter entflieht, Münnertracht annimmt, fid unter einem 
Truppencorp$ anwerben läßt, mit dieſem nad den Niederlan⸗ 
den geht und dort bi8 zum Hauptmann avancirt, bis fie der 
Macht der Liebe unterliegt und von der Gewalt berfelben 
gezwungen wird, bem Geliebten ihre weiblide Natur zu ent 
decken. Höchft wahrfcheinlich ltegt dem Stüde ein wahres Er⸗ 
nignif zum Grunde; daß dergleichen Begebenheiten, welche 
Manchen alg romanbafte Erfindungen gelten mögen, in Spas 
nien wirflich vorfielen, zeigt die neuerdings von Joaquin be 
Serrer herausgegebene Gefchichte ver Dorta Catalina de Eraufo 
oder der „Nonne Fähnrich” (Monja Alferez). 

Sehr beträchtlich ift die Anzahl von Schaufpielen, welche 
gernando de Zarate (nicht zu verwechieln, wie es ges 


ſchehen fft, mit dem Lyrifer Francisco Lopez de Zarate) den * 


Brettern gab. Diefelben zeugen mehr von Berftand und Ges 
ſchicklichkeit in Verarbeitung eines gegebenen Stoffes, ald von 
eigentlich dramatifhem Oente und von Phantafte. Wie reich 
fie auch an gelungenen Einzelheiten find, wie feinen Kunft- 
finn fie auch verrathen, fo hinterlaffen fie doch tm Ganzen 
einen unbefriedigenden Eindrud, und wir möchten ihnen fogar 
Nüchternheit und Monotonte vorwerfen. Am berühmteften und 
vorzüglichften darunter ift La Presumida y la Hermosa, 
und es ift wahr, diefes Stüd verbindet eine fehr beluftigende 
Intrigue mit der Icbendigen Charafterzeichnung zweier Schwer 
ftern, von denen die ältere eine anmaßende und gezierte Thö⸗ 
rin ift, die jüngere durch ihre natürliche Anmuth und Holds 
feligfeit jedes Herz gewinnt; allein wir vermiffen auch bier 
den dichterifchen Hauch, der die einzelnen wohlgetruffenen Züge 
erft verfehmelzt und ihnen wahrhaftes Leben gibt. Neben dem 
genannten haben unter Zarate’d Stüden Mudarse por me- 
jorarse und El maestro de Alejandro den meiften Ruf. 





— 407 — 


Antonio Coello oder Cuello ftand zuerft in Dienften 
des Herzogs von Albuquerque, ward dann Capitán der Ins 
fanterie und Ritter des St. Jago⸗Ordens, und ftarb im Jahre 
1652. Er ſchrieb mehrentheils im Vercín mit anderen Dichs 
tern, und die Zahl der Stüde, an denen er auf diefe Weife 
Theil hat, ift nicht unbeträchtlih. Ihm allein legen alte 
Sueltas die Comödie Dar la vida por su dama 6 el Conde 
de Sex bei, und dieſe Bezeichnung wird auch wohl die richtige 
fein, nicht jene neue, ganz willführlihe und auf gar feine 
Gründe geftüpte Annahme, welche fie Philipp dem BVierten 
zufchreibt. Das Stück hat mehr durch Zufall und wegen ber 
angebeuteten Suppofition, al8 durch irgend ein hervorſtechen⸗ 
des poetifches Verdienft, großen Auf erlangt; da Leffing in 
ber Dramaturgie eine weitläuftige Analyfe beffelben gegeben 
bat, fo wollen wir auf letztere vermeifen und lieber auf 
einige Dramen aufinerffam machen, die Eoello in Gemeins 
ſchaft mit Rofas und Luis Velez de Guevara verfaßt pat. 
Unter diefen ift Tambien la afrenta es veneno in feinen 
beiden eriten Aften meifterhaft, aud) der dritte hält fi) ans 
fänglich noch auf derfelben Höhe, aber der Schluß fällt zu 
ſehr in's Uebertriebene. El Catalan Serralonga enthält 
eine Iebendige Schilverung ber Parteifämpfe, welche Barces 
Tona im Mittelalter verheerten; der Held tft eine fehr ans 
¿ichende Figur, ein urfprünglich edler Menſch, der Durch den 
Drang der Verhältniffe zum Verbrechen getrieben wird und 
dann im zerftörenden Rampfe wider die ganze Menfchheit unter 
ber Laft der erften Schuld dem Abgrunde des Verderben$ entge- 
genwanft. Die Comóbie La Baltasara ift ſchon bei Gelegenheit 
der Schaufpielerin, von welcher fie den Titel führt, genannt 
worden. Mehr wegen ihrer Curiofítát, alg wegen des poes 
tifchen Werthes, der nur gering ift, fommen wir bier auf 


— 408 — 


biefelbe zurüd. Der Inhalt if, daß bie gefeterte Baltafara 
inmitten der Triumpbe, welche fie auf dem Theater feiert, 
plöglich den Entfchluß. faßt, fi von den Brettern zurückzu⸗ 
ziehen und als Einfieblerin ein gottgeweihtes Leben zu führen. 
Der erfte Aft hat wegen der lebendigen Schilderung bes 
foanifchen Bühnenweſens jener Zeit Intereffe. Die Schau⸗ 
fpielertruppe des Heredia fpielt in Valencia im Corral be la 
Dlivera. Juerft tritt ein Bedienter auf und Flebt. einen Ans 
fhlagzettel, der die Aufführung einer neuen Comödie ans 
fündigt, an die Straßenede. Dann erfcheint das Innere des 
Theaters, und man ficht im Patio die Verkäufer, wie fie 
Nüſſe, aragonifche Aepfel, Mandelfuchen u. f. w. anbieten; 

Laftträger bringen die Kleiverkoffer der Comöbdianten; Baltas 
ſara und die Graciofa finden ſich ein; die Zuſchauer verlangen 
ungebuldig den Anfang des Schaufpield und rufen: Salgan, 
salgan, empiezen! Baltafara erfcheint zu Pferde in ber 
Rolle einer Sultanin. Inmitten ihrer Rede geräth fie in 
Verwirrung und ftellt moralifche Betrachtungen an, melde 
nicht zu ihrer Rolle gehören. Endlich, von fronmer Begeiftes 
rung bingeriffen, bricht fie in die Worte aus: „Hinweg, ihr 
Zierden der Welt, hinweg thörichter Schmuck, der mir in dies 
fer trügerifchen Farce nur zum Zeugen des Verbrechens ges 
dient bat!“ wirft ihr Theaterfoftüm ab und eilt davon. Die 
Zuſchauer verlangen ihr Wiederauftreten; der Eine ruft aus 
den Apofentos, der Andere von den Gradas; der Oraciofo 
(ver Mann der Baltafara) und ber Director Heredia treten 
auf, um das Publiftum zu beruhigen, und fo endet der erfte 
Alt. Sm zweiten und dritten wird dann die Buße der Bal: 
tafara gejchildert, fo wie die Anfechtungen, mit welchen ber 
Teufel fie, obgleich vergebens, zum Rüdfall in ihr früheres Leben 
zu bewegen fucht. 





— 409 — 


Geronimo de Enellar ftand bet Philipp IV. hoch in 
Gunſt und ward 1650 mit bem Ritterfleibe von St. Fago 
begnadigt, fpáter zum Secretatr der militäiriſchen Orden er- 
nannt. Die Mehrzahl der Stúde von ihm madt fid chen 
Durch feine befonderen Trefflichfeiten bemerkbar; aber mit fets 
nem Namen haben wir in alten Druden El pastelero de 
Madrigal bezeichnet gefunden, ein höchſt originelles und in viel 
facher Hinficht bemunberungsmirdiges Schaufpiel, das eine 
nähere Betrachtung verdient. Nach dem Untergange des Rós 
nigs Sebaftian und der Unterwerfung von Portugal an Phi 
Tipp IL Hat der Prior von Derato, der nádfte Seitenvers 
wandte bes Verftorbenen, eine Intrigue angefpunnen , durch 
Die er auf den Thron zu gelangen hofft. Von einem feiner 
Agenten ift ein junger Paftetenbäder gefunden worden, der 
dem Sebaftian zum Verwechſeln ähnlich fieht. Auf dieſen 
Umftand wird der Plan gegründet. ES werden Gerüchte aus» 
gefprengt, der vielbetrauerte König fei in der Schlacht von 
Alcazar nur ſchwer verwundet worden, bann in ‚maurifche 
Gefangenſchaft gerathen und ¿ulegt nad Europa entflohen, er 
babe aber nicht fogleich gewagt, fofort unter feinen, von Spas 
nien aus argwöhniſch bewachten Unterthanen zu erfiheinen, 
fondern harre, in niedere Tracht verhüllt, auf den günftigen 
Augenblid, um fich wieder auf den Thron feiner Väter zu 
fegen. Wenn nun auf diefe Weife die Gemüther der Portu- 
giefen hinlänglich aufgeregt fein werden, foll der Pafteten= 
bäder al8 König Sebaftian hervortreten. Der junge Menfch, 
der Geift, Verſchlagenheit und Muth für die ihm ¿ugedadhte 
Rolle zu befigen feheint, geht auf ben Plan ein, von dem er 
glaubt, daß er ihn zum Throne führen werde, erfährt aber 
nicht, daß er bloß als Werkzeug gebraucht werden foll, um 

einen Volksaufſtand zu erregen, und dag man ihn fpäter füls 


— 410 — 


len laffen will, um ben Prior von Derato als König auss 
zurufen. Der Agent bes Priors unterrichtet den fungen Aben⸗ 
teurer in allen den Einzelheiten, welche er für Die beabfichtigte 
Täuſchung geeignet glaubt, und führt ihn einfimeilen nad) 
Madrigal, einer Heinen Caftilianifchen Stadt, wo eine Baje 
bes wahren Sebaftian, Anna von Deftereih, ald Nonne in 
einem Klofter lebt. Er ftellt ihn der Prinzeffin vor, und Diefe, 
durd) das Ausfehen und bie Reden ihres vorgeblidhen Vers 
wandten bethórt, geht vollfommen in die Schlinge, verfpricht 
ihre Beipúlfe zu dem entivorfenen Plane und ftellt fogleid) 
ihr ganzes Vermögen zur Verfiigung des Betrügers. Mit 
diefer mächtigen Hülfe hat der Plan ben beften Fortgang. 
Der falfhe Sebaftian tritt mit großer Behutfamfeit auf; 
vor einem Theil des Publikums ift er nichts als der Paftes 
tenbáder, aber indem er fein niedriged Gefchäft durch Diener 
ausüben läßt, fucht er ſich Durch freigebigfeit beliebt zu machen 
und zugleich durch ritterliche Mebungen, die fo wenig zu feinem 
Stande paffen, die Vermuthung zu erregen, daß er feinen 
wahren Stand nur verberge. Bor anderen Perfonen gibt er 
fih für einen Gaftiltanifchen Edelmann aus, und in Diefer 
Dualität verführt er eine junge und reiche Dame; in ben 
Augen verfchiedener, in Mabrigal wohnender Portugiefen, fo 
wie in denen der Prinzeffin endlid) ift er ver König Sebas 
ftian, welcher im Begriffe fteht, fein Königreich wieder zu 
erobern. Schon find geheime Emiffäre nad Portugal gefandt 
worden und haben ihn großen Anhang erworben; fon 
firómen zahlreiche Portugiefen nad Madrigal, um ihren wie- 
dererftandenen König zu begrüßen, und ber vorgebliche Mos 
nar empfängt fte in einem entlegenen Gemache, das für 
dieſen Zwed eigens mit aller Pracht ausgerüftet tft; dort 
erzählt ex ihnen feine wunderbaren Erlebniffe und ftellt ihnen 


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— 411 — 


eine Meine Tochter, die ihm von feiner Buhlerin geboren 
worden tft, alg feine Erbin vor. Die Aehnlichkeit des Betrús 
gers mit dem verftorbenen Sebaftían, und mehr nod) die uns. 
glaublihe Schlauheit und Sicherheit in feinem Benehmen, 
wachen, daß Alle auf feine Identität mit dem geliebten Lis 
nige ſchwören möchten, und‘ geloben, ihm mit Leib und Leben - 
beizuftehen. Aber bald verändert ſich die Sabe. Philipp IL, 
Der von ber angezettelten Verſchwörung Kunde erhalten bat, 
eilt, fie im Relm zu erftiden. Ein Alcalve ift im Geheimen 

in Mabrígal eingetroffen, um die Wahrheit zu erforfchen und 
die Schuldigen zu beftrafen. Gabriel (dies tft der wahre Name 
des falfchen Sebaftian) wird mit einer großen Anzahl feiner 
Anhänger verhaftet, al8 er gerade ein Feftmahl gibt, bei bem 
er feine Treuen noch mehr zum Eifer für feine Sade zu 
ermuthigen fucht. Die Unterfuhung beginnt fogleidh, und der 
Magiftrat bringt nad) einander alle Berhafteten zum Verhör. 
Alle betheuren einftimmig, der Abenteurer fei der König Ses 
baftlan, und die Verfuche des Alcalden, fie vom Oegentheik 
zu überzeugen, bleiben fruchtlos. Nur Gabriel felbft betheuert, 
er fei nichts als ein gewöhnlicher Paftetenbäder; aber ber 
Ton, in dem er dies fagt, fein würdevolles Benehinen und 
fein dringendes Begehren, vor Philipp IL, ben er zu fennen 
vorgibt, geführt zu werben, serwirren den Alcalden fo fehr, 
daß diefer num felbft nicht mehr glauben will, einen Menfchen von 

jo niederem Stande vor fich zu haben, fondern ihn, wenn nicht 
wirflih für den König Sebaftian, Doch für eine andere hobe 

und bedeutende Perfon hält. Nachdem diefe Verwirrung eine 

Zeit lang obgeſchwebt hat und während ber Alcalde nicht 

weiß, was er thun und laffen foll, gefteht ber Agent des 

Priors von Derato, in der Hoffnung, ſich fo der drohenden 

Strafe zu entziehen, plöglich Das ganze Dautelfpiel ein. Das 


— 412 — 


briel, obgleich auf diefe Art verrathen, fommt doch nicht aufer 
daffung; er befennt fcheinbar den Betrug, und ſchon glauben 
bie Richter, die Wahrheit ergründet zu haben, alg ber uner- 
ſchrockene Abenteurer fie ploglid durd feine Reden wieder 
trre macht, fo daß fie zweifeln, ob er nicht doch wirklich der 
König fei, und daß aud) feine Anhänger wieder glauben, er 
habe feinen wahren Charakter fälfchlih verläugnet. Diefe 
Zweifel find au, als er zum Schaffot geführt wirb, nod) 
nicht vollkommen beſchwichtigt, und feine eigene Faffung und 
Ruhe bei der Hinrichtung tft größer, alg bie ber Richter, 
welche ihn dazu verurtheilen. „Es tft wohl unnöthig, zu fagen, 
bemerkt 2. Biel=-Caftel 12%), wie viel Ergreifendes und tief 
Dramatifches in dieſer Sombination liegt. Der Charafter des 
Paftetenbäders von Mabrigal ift einer der merfwürbigften 
und originalften, die je auf die Bühne gebracht worden find. 
Die Runft, mit welcher der Dichter den Cffeft berechnet hat, 
tft fo groß, daß ber Zufchauer, namentlich wenn ‚Die Rolle 
gut gefpielt wird, zu Zeiten bie Zweifel des Alcalden theilen 
mufi, obgleich er von Anfang an von der wahren Bewandts 
niß unterrichtet ift. Verwundert muß man ſich fragen, wess 
halb der Verfaffer dieſes Drama's bas Intereffe einer fo 
durchaus neuen Conception nicht noch durd ein von Anfang 
über die Perfon des falíchen Sebaftian gebreitetes Geheimnig 
erhöht habe. Vielleicht fürchtete er, es könne fcheinen, als wolle 
er hierdurch die Rechtmäßigkeit der Anfprüde Philipp’s IL 
auf den fpanifchen Thron in Zweifel ziehen.“ 


125) ch habe biefes Schaufpiel in Spanien aufführen fehen, den: 
noch würde ich, da mir ein Druck befielben nicht zur Hand ift, Den In⸗ 
halt aus ber Erinnerung nicht mehr haben zufammenbringen fónnen, 
wenn mir nicht bie von dem genannten Schriftfteller herrührende Analyfe 
bes Stüds in ber Revue des deux Mondes zu Hülfe gefommen wäre. 


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— 4183 — 


Luis Duifiones de Benavente, aus Toledo ges 
bürtig, machte fi beſonders durch feine Entremejes beliebt. 
Manche derſelben verfaßte er mit fpecicller Rüdficht auf das 
Theater von Buen Retiro, und biefer Umfland mag wohl 
ver Grund fein, weshalb fie eine weniger ausgelaffene Luſtig⸗ 
feit verrathen, als bie mebrften übrigen Stüde diefer Bats 
tung, vielmehr größtentheild eine fehr urbane Sprache führen. 
Die Sammlung diefer Entremefes, in welcher ſich auch einige 
Loas, , Tanzliever und dergleichen Fleine ſcherzhafte Eompofís 
tionen finden, tft fihon im vorigen Bande S. 145 angeführt 
worden. 

Mehr durch feine Perfönlichfeit und durch die Ergießun⸗ 
gen ſeines Gefühls in lyriſchen Gedichten, als durch einige 
von ihm herrührende Comödien machte ſich der Graf von 
Villamediana, mit vollem Namen D. Juan de Tarſis 
p Peralta Graf von V., berühmt. Dieſer elegante und tas 
lentvolle, einem der angeſehenſten ſpaniſchen Geſchlechter an⸗ 
gehörende Cavalier, Oberpoſtmeiſter des Königreichs, galt für 
eine der vorzüglichſten Zierden von Philipp's IV. Hofe. Die 
Liebeslieder, die ibm fein für weibliche Schönheit ſehr empfaͤng⸗ 
liches Gemüth eingab gingen von Mund zu Munde. Zu ſei⸗ 
nem Ungfüd hatte er fein Auge aud auf die Königin gewors 
fen und feierte fie unter erbichteten Namen, aber mit nur zu 
deutlichen Anfpielungen in feinen Gedichten. Hiermit nicht 
zufrieden, wählte er bei einem Turnier ein mit Realen befegs 
tes Kleid zu feiner Tracht und führte dabei im Schilve das 
Motto: Mis amores son reales. Solche Kühnheit fonnte 
der König nicht ungeabnbet laffen. Der Graf wurde bald 
nad) jenem Turnier Nachts auf der Straße in feinem Wagen 
ermordet, und der allgemeine Verdacht fiel auf Philipp IV. 
alg den Anftifter diefer That. Das Jahr von Billamediana’s 





— 414 — 


Tode finden wir nirgends genau angegeben; es fcheint bald 
nach bem Sabre 1630 zu fallen. Eine erfte. Ausgabe feiner 
oft gedrudten Obras poetichs erſchien noch bei Lebzeiten des 
Berfaffers zu Madrid 1629, eine fpátere voflftándigere eben- 
dafelbft 1643. In diefem Bande finden fih aud die Dramas 
tiſchen Stüde. 

Juan de Zavaleta,. Chronift Philipp’s IV., erblindet 
1664, verfaßte, aufier manden Werfen in Profa (Obras en 
prosa, Madrid 1667, 4°), ſowohl allein, al8 im Vereín mit 
Anderen eine große Anzahl Comödien. Wer die Titel Der bes 
rühmteften berfelben wiffen will, ben verweilen wir auf das 
diefem Bande angehängte Inhaltsverzeichniß der großen Samm⸗ 
lung fpanifcher Schaufpiele. Dasfelbe fei mit Bezug. auf bie 
übrigen, bier zufammengeftellten Theaterdichter gefagt. 

Roman Montero de Espinofa, Hauptmann eines 
fpanifchen Truppencorps in Flandern, von 1656 an in er 
Combardeí, 1660 zum Ritter des Ordens von Alcantara 
ernannt. 

Ambrofío de Arce, oder wie fein vollſtändiger Name 
heißt, Ambrofio de los Reyes Arce, geftorben 1661 im bes 
ften Mannesalter. 

Gabriel Bocangol y Unzueta, gebürtig aus Mas 
drid, Bibliothekar des Infanten Ferdinand von Defterreich 
und Chronift von Caſtilien, geftorben 1658. 

Juan Velez de Guevara, Sohn bes im vorigen 
Bande befprochenen Luis Velez de Guevara, geboren 1611, 
geftorben 1675, zuerft in Dienften des Herzogs von Vera: 
gua, fpäter Beifiger des Gerichtshofes von Sevilla , betrat 
biefelbe Laufbahn wie fein Vater, jedoch mit geringerem Er» 
folge. Er gab außer verfchievenen Comödien einen Band 
Entremejes, Madriv 1664, heraus. 








— 45 — 


Bon Antonto Manuel del Campo ff} unter anderen 
El vencimiento de Turno, ein feltíames allegoriſches Drama, 
worin unter Aeneas Ehriftus, unter Turnus ber Teufel, un- 
ter Lavinia die Seele verftanden tft. Weit höher fleht ein 
anderes Schaufpiel desfelben Werfaffers, Los desdichados 
dichosos, eine mit tieffinniger Kunft in Calderons Geift 
behandelte Legende von ber Gründung des Klofterd von Mon⸗ 
ferrate , welche erzählt ift in folgendem alten Volksbuch: 
"Historia de Nuestra Señora de Monserrate y Condes 
de Barcelona con los sucesos de la Infanta Riquilda y 
el Ermitaño fray Juan Guarin. 

Einen zweiten Theil des legtgenannten Stüds unter bem 
Titel La Estrella de Monserrate fchrieb Ehriftoval de 
Morales, von dem man außerdem nod) verſchiedene, vors 
nämlich geiftliche Stüde pat. 

Surinto Cordero, gewöhnlidh der Fähnrich (Alferez) 
gubenannt, fhon im Beginn biefer Periode für. bie 
Bühne thätig 0% , und hätte vielleicht fon im 
vorigen Bande genannt werden müffen. Ein Band Combbien 
son ihm fol zu Batencia. erfchienen fein. Das einzige feiner 
Stüde, das uns befannt geworben iſt, El hijo de Jas ba- 
tallas, zeugt von wenig Fünftlerifher Bildung, aber von einer 
reichen, wenn auch wild umberfpringenden Phantafie. 

Bon Juan Bautifta Villegas Hat man unter ans 
deren das Schaufpiel El Sol a media noche y las estrel- 
las a medio dia, teles Pellicer feltfamer Weiſe jenem 
älteren Villegas, ber in ber „unterhaltenden Reife” des Agu- 
fin de Rojas genannt wird, zugefchrieben hat. Das Argus : 
ment des Stücks ¡ft aus den Evangelien, hebt mit der Vers 
fündigung der Marla an, und endigt mit der Anbetung der 
Könige. | 


— 416 — 


Unter ben Dramen, welhe Antonio Martinez fos 
wohl allein, als in Geſellſchaft Anberer fchrieb, fet beſonders 
El Arca de Noe hervorgehoben, weil eS bie ungeheure 
Kühnheit zeigt, mit welcher die Spanier felbft die widerſtre⸗ 
bendften Stoffe — hier die ganze Geſchichte der Sündfluth — 
zu Dramatifiren unternahmen. An legterem Stüde hat auch 

Pedro Rofete Niño, ein anderer fruchtbarer Thea⸗ 
terdichter diefer Zeit Theil. 


Eine beträchtliche Anzahl von Autos, namentlich Autos” 


al nacimiento , verfaßte der Licenciat Cosme Gomez 
Terada de lus Reyes. Ein Theil berfelben wurde ¿us 
fammengedrudt in bem Bande Noche buena, autos al na- 
cimiento del Hijo de Dios. Madrid 1661. | 

Bon Ebriftobal de Rozas, beffen Name aber auch 
bisweilen Roxas geſchrieben wird, hat man unter anderen 
eine Dramatiſirung ber Novelle von Romeo uno Julie, 
welche zu denen von Lope de Vega und Francisco de Roxas 
als dritte hinzukommt. 

Antonio Enriquez Gomez. Das erſte Schauſpiel, 
welches dieſer Dichter ſchrieb, war Engañar para reinar '?°); 
in dieſem mittelmäßigen Stück wird dargeſtellt, wie. ein Rós 
nig von Ungarn, der durch ſeinen Stiefbruder vom Throne 
geſtoßen worden iſt, ſich durch Verkleidungen und Betrüge⸗ 
reien aller Art wieder in Beſitz der Königswürde ſetzt; er 
ſcheut, um ſein Ziel zu erreichen, ſelbſt die ſchlechteſten Streiche 
nicht, ſo z. B. verſpricht er einer reichen Dame die Ehe, 
obgleich er im Geheimen ſchon vermählt iſt, Alles dies, weil 


126) Die Schlußworte lauten: 
Y aqui el Poeta da fin 
A su comedia, notando 
Ser la primera que ha hecho, 





| 


— 47 — 


eS erlaubt ſei, zu betrügen, um zu regieren. Weit beffer {fl 
die Prudente Avigail vesfelten Verfaffers, eine Dramatiff- 
rung ber altsteftamentlichen Gefchichte von David und Abi⸗ 
gatl; die erfte Scene enthält bas Zufammentreffen von Saul 
und David in der Höhle (1 Samuel 24, 4), die legte die Ver: 
lobung von David und Abigafl. (1 Samuel 25, 42). Eine befons 
dere Eigenthümlichkeit des Enriquez Gomez in der Form iſt es, 
daß er fi) fehr häufig der Endechas oder dreifüßigen Trodäen 
mit Affonanzen bedient. 

Pedro Francisco Lanini Sagredo, BVerfaffer 
von vielen, befonders hiftorifchen und geiftlichen Comödien. 
Ob diefer Dichter mit dem in den Sammlungen vorfommens 
den Pedro Francisco Lanini Balencia identiſch fet, vermag 
ich nicht zu fügen. 

Juan Coello Artas, Bruder des Antonio Coello, 
Ritter von St. Fago. 


Geronimo de Villaizan, getauft im Jabr 1604, 
Surift und Advocat in Madrid. 

Bartholome de Ancifo oder Enctfo, nicht zu vers 
wechfeln mit dem im vorigen Bande befprocdhenen Diego 
Ximenez de Encifo. 

Bon Juan Cabeza, einem Aragonefen, hat man einen 
erſten Theil Comödien, Zaragoza 1662. 

Von Francisco Bernardo de Duiros, beffen 
Schauſpiele auch in den allgemeinen Sammlungen nicht felten 
find, fteben einige Dramen in den Obras de D. F. B. de 
Quiros, Alguacil proprietario de la casa y corte de su 
magestad, Madrid 1656. 

Unter den Stüden des Francisco be la Torre 
macht fich beſonders La confesion con el demonio burd) 

Geſch. d. Lit. in Spanien, TIL Br. 21 





— 48 — 


den wild⸗phantaſtiſchen Ebarafter bemerflich. Die Heldin iR 
eine Rindesmörberin, welche bie entfeglicdhe That auf den Ans 
trieb ves Teufels begeht und nachher von biejem immer ties 
fer in ben Abgrund hinabgeriffen wird. 

Der allgemeine , beinahe epivemifche Drang biefer Zeit, 
Schauſpiele zu ſchreiben, veranlaßte auch Männer, deren Tas 
lente für andere Fächer waren, fih in dieſem zu verfuchen. 
So ſchrieb ver alg Maler, Lyrifer und Ueberfeber des Aminta 
mit Recht geihägte Juan de Jauregui (geftorben 1650) 
mehrere Somödien, weldye aber feinen Beifall fanden, und, 
wie es fcheint, nicht gedrudt worden find; als eine derſelben 
in Madrid aufgeführt aber ausgepfiffen wurde, rief ein 3us 
fhauer: „Wenn Sjauregui will, daß feine Combbien gefallen 
follen, fo muf er fie malen.» — So lich fid) aud der hoch⸗ 
geftellte Dichter und Fürſt Francisco de Borja y Esqui- 
lache, Bicefönig von Peru und Ritter des goldenen Bliefes 
(geftorben 1658) bewegen, zur Berherrlihung eines großen 
Hoffeftes ein Drama zu bidten; fo hat man von dem Pors 
tugiefen Francisco Manuel Mello (geb. zu Liffabon 
1611, geftorben ebendafelbft 1666), bem fehr fruchtbaren 
Berfaffer vieler theologifchen , Hiftorifchen und moralifchen 
Schriften, mehrere fpanifhe Schaufpiele, und ebenfo glaubte 
der, an Philipps IV. Hofe fehr belichte lyriſche Dichter 
Luis de ÚlToa in die Schranfen treten zu müffen, in denen 
nun einmal alle geiftvollen Köpfe jener Tage ihr Talent be 
währen wollten. 

Unter den Dramatifern ber Zeit Karl's II. ift auch Don 
Nernando de Valenzuela zu nennen, fener gervanbte Abenteus 
rer, der bei der Königin Mutter, María Anna von Defters 
reich, fo Hoch in Gunft fand. Die Gräfin d'Aunoy fagt von 
ihm (nad) der alten deutſchen Ueberfegung): „Er war von 





— 419 — 


Natur ein trefflicher Poet, wie denn feine Verſe vol artiger 
Affefte und viele davon burd den Drud herausgefommen, 
unter welchen Yornämlich die Komödien berühmt fini, die er 
damals, als er bet ber Füniglichen Frau Mutter in Gnade 
fam, zu ihrer Ergógung vorftellen laffen. — ES Tieß aud 
diefer Favorit unterfchledlihe von ihm felbft verfertigte Eo 
möbien aufführen, welche ein Feder umfonft mit anfehen durfte; 
und gewiß, es war nichts fo mächtig, der Spanter Herzen 
auf feine Seite zu bringen, als eben dieſes, indem fie unges 
meine Liebhaber von folchen Schaufpielen find, und eher das 
Geld an ihrem und ihrer armen Weib und Kinder Maul 
erfparen , damit fie hierin ihre Luft búfen und auf das Feſt 
einen theuren Plag miethen mögen» '?7), 

Aud) dramatiſche Dichterinnen haben wir anzuführen, 
namentlich die Andalufterín Anna Cars und die Merifas 
nerin Suana Inez de la Cruz, welde beide von ihren 
Berebrern „die zehnte Mufe” genannt wurden. Von der ers 
ften hat man unter anderen eine Dramatifirung bes Ritters 
romand vom Grafen Partinuples, welche von einem nicht 
gemeinen Auffhwunge der Phantafie zeugt. Die zweite, Nonne 
eines Rlofters in Mexico, fehrieb eine Reihe allegorifcher 
Loas und ein Auto facramental El divino Narciso '?®), 
Daß diefes Auto fhön und romantifh ausgeführt fei, geben 
wir Bouterwef, ber es befprochen Hat, zu, aber nicht fo rich⸗ 
tig ift feine Behauptung, daß es alle ähnlichen Werfe bes 
Lope be Vega übertreffe und bag eine fo gemwagte Umklei—⸗ 


12) Spaniſche Staatsgefchichte, befchrieben von der Oráfin d’Munoy, 
Leipzig 1703. ©. 51 und 62. 

128) Sie fiehen in ber Sammlung ihres Gedichte: Poemas de la 
unica Poetisa Americana, Soror Juana Inez de la Cruz, von wels 
cher die dritte Ausgabe in Barcelona 1691 erfchienen if. 

47° 


— 42% — 


dung der Fatholifchen Reltgionsiveen in bas Gewand der grics 
hifchen Mythologie bis dahin in Spanten nod nicht befamnt 
geweſen⸗ſei; denn in biefer Hinficht hat es nichts vor unzäßs 
figen anderen Stüden diefer Gattung voraus. 

Die Namen der übrigen am häufigften vorfommenden 
Schaufptelvichter aus der Zeit Philipp's IV. und Karl’s 1. 
find in folgendem PVerzeichniffe enthalten: 

Sebaftian de Villaviciofa. 
Francisco de Avellanaba. 
Fernando de Abila. 

Carlos ve Arellano. 

Suan de Apala. 

Manuel Freyre de Andrade. 
García Aznar Belez. 
Francisco Gonzalez de Buftos. 
Andres be Bacza. 

Joſef de Bolea. 

Salvador de la Eueba. 
Antonio de la Cueva. 

Suan de la Calle. 

Francisco Ximenez de Cisneros. 
Miguel Gonzalez de Cunedo. 
Geronimo de Cifuentes, 
Ambroſio de Cuenca y Arguello. 
Suan Hurtado Cisneros. 
Antonio Gartona. 

Diego Calleja. 

Geronimo Cru. 

Gabriel bel Corral. 

Suan Antonio Correa. 
Bartolomé Cortés. 


— — — 


— 491 — 


Pedro Correa. 

Francisco Cañizares. 
Antonio de Caſtro. 

Suan Delgado. 

Diego la Dueña. 

Pedro Deftenoz y Lodofa. 
Diego Enríquez. 

Rodrigo Enriquez. 

Andres Gil Enriquez. 

D. Antonio Francisco. 
Diego Gutierrez. 

Licenciado Manuel Gonzalez. 
Francisco Salado Garcés. 
Luis de Guzman. 

Juan de Horo3co. 

Sacínto Hurtado. 

Francisco de Llanos y Valdes. 
Maeftro Leon y Calleja. 
Gaspar Lozano Montefinos. 
Manuel Mordon, 

Geronimo Malo de Molina. 
Suan Maldonado. 

Doctor Francisco de Malafpina. 
Jacinto Hurtado de Mendoza. 
Jacinto Alonfo Maluendas. . 
Blas de Meia. 

Felipe de Milan y Aragon. 
Roman Montero. 

Antonio de Nanclares. 

D. Tomas Offorio. 
Sebaftian de Olivares. 


— 422 — 


Luis de Oviedo. 

Alonfo de Offuna. 

Marco Antonio Ortíz. 

D. Francisco Polo. 

Doctor Martin Pegion y Dueralt. 

Tomas Manuel de la Paz. 

Sofeph de Ribera. 

Juſepe Rojo. 

Joſeph Rulz. 

El maeftre Roo. 

Maeftro Gray Diego de Ribera. 

Bernardino Rodriguez. 

Felipe Sicarbo. 

Bartolome de Salazar y Luna. 

Vicente Suarez. 

Fernando de la Torre. 

Gonzalo de Ulloa y Sandoval. 

Manuel de Vargas. 

Pranciseo de Victoria. 

Francisco de Villegas. . 

Melchor de Valdes Baldivieffo. 

Fernando de Vera y Mendoza. 

Francisco Bances Candamo (geboren zu Gas 

bugo in Afturien 1662, geftorben 1709) befiplieft "nicht uns 
würdig bie Reihe der Dichter aus der Blüthenepoche des 
fpanifchen Theaters, in welche wir ihn (ba die Zeit feiner 
Wirkſamkeit ſchon mehr in bie folgende Periode bineinreicht) - 
mehr wegen des Gehalts feiner Werke, al8 nach chronologi- 
fer Genauigfeit ftellen. In der That erbliden wir in feinen 
Dramen, wenn aud feine großen eigenthümlichen Vorzüge, 
doc einen fhönen Abglanz von deuen des Calderon; fie zei- 





— 43 — 


gen, was felbft ein Didter von geringeren Mitteln Teíften 
fann, wenn er fih mit Liche und Hingebung nach einem 
großen Mufter bildet. Faft alle Schaufpiele des Candamo *?”) 
haben entſchiedenen Werth und verdienen eine nähere Betrach⸗ 
tung ‚aber der befchränfte Raum verftattet und nur, ein Paar 
berfelben zu erwähnen. Am vorzüglichtten möchte Por su rey 
y por su dama fein, zu weldem Stüde ein berühmtes Ers 
eigniß aus der Regierungszeit Philipp’s IL, die Einnahme von 
Amiens, den Stoff hergegeben hat. Candamo fingirt, ber 
tapfere Porto Carero fei in die Tochter des erften Civilbe⸗ 
amten von Amiens verliebt und diefe Leidenſchaft fporne ihn 
an, die Eroberung eines feften Plages von diefer Stärfe zu 
verfuchen. So vollbringt er denn, um feiner Qeltebten zu 
beweifen, daß Der Liebe nichts unmöglich fei, eine Reihe von 
Thaten, beren eine immer nod) fíbner, verwegener und ros 
manbafter, al8 die andere if. In der Scenenfolge, die- fic) 
aus dieſem Motiv entípinnt, wird nun die Theilnahme immer 
mächtiger gefpannt und das ganze Drama ift von einem los 
dernden euer der Friegerifchen Begeifterung durdhglüht, das 
auf der anderen Seite wieder durch den Ton der feinften 
Galanterie gedämpft wird und fid mit ihn zu einem höchſt 


129, Sie fiehen in der Sammlung: Poesias comicas, opras post 
humas de D. F, Bances Candamo. Madrid 1722. 

T. I. Quien es quien premia al amor. La restauracion de 
Buda. Duelos de ingenio y fortuna. La virgen de Guadalupe. La 
piedra filosofal. Qual es afecto mayor, lealtad o sangre o amor. 
Por su rey y por su dama. El vengador de los cielos, T. II. La 
Xarretiera de Inglaterra. El Austria en Jerusalem. El esclavo en 
grillos de oro El Sastre del Campillo. 

Mas vale el hombre que el nombre. El duelo contra su dama. 
S, Bernardo Abad. El Español mas amante y desgraciado Macias 
und mehre autos und Zwiſchenſpiele. 





e 
— 4% — Ä 


anziehenden Totaleffeft verſchmilzt. — Ald Ganzes weniger 
zu loben, wenn auch keineswegs ohne fihöne Einzelheiten, if 
El duelo contra su dama. @ine amuzonenhafte Dame 
läßt fih von ihrem Geliebten, über deffen Untreue fie fic) 
zu beflagen hat, ſchwören, daß er fie in einer Verfleíoung, 
welche anzunehmen fie geziwungen fei, nicht verrathen wolle. 
Hierauf begibt fte fih in der Tracht eines Prinzen an ben 
Hof ihrer Nebenbublerin und fordert ihren Geliebten zum 
Zweifampf. Diefer ficht fid) nun in der Lage, entweber: ges 
gen die Geliebte kämpfen zu müffen, oder als ein Feigling 
dDazuftehen, oder ben geleifteten Schwur zu brechen. Da ihm 
die Wahl der Waffen freiftebt, fo wählt er den Ausweg, fich 
ohne Schild und Rúftung und mit bloßer Bruft auf dem 
Kampfplag einzufinden. Durch biefen Kunftgriff wird Die 
rachbegíerige Schöne entwaffnetz zu gleicher Zeit hat ber Ge- 
liebte, welcher nur deshalb gegen jene lau geworben war, 
weil er jie treulos geglaubt hatte, fid) durd Thatfachen von 
der Srrigfeit feines Wahnes überzeugt, und reiht ihr als 
Gatte die Hand. — Befonderd dauernden und allgemeinen 
Beifall fheint unter den Dramen des Bances Cändamo El 
esclavo en grillos de oro erhalten zu haben. Die Zabel 
diefes eleganten und anmutbigen Stüdes läßt fid mit wer 
nigen Worten erzählen. Camillus, ein fich weiſe dünkender 
und yon den abftraften Lehren der Philoſophen verblendeter 
Römer, hat, unzufrieden mit ber Regierung des Trajan, 
eine Verſchwörung gegen diefen angezettelt. Der Raifer ente 
deckt den verrätherifchen Plan, Täßt den Senat zufammenbe- 
rufen und ben Verbrecher vorführen, um ihm das Urtheil 
zu fprechen; wie groß aber ift bas Erftaunen der verfams 
melten Menge, alg der Schuldige, flatt, wie man erwartete, 
zum Tode verdammt zu werden, von Trajan zu feinen Mit: 


ii — —— 


— 425 — 


regenten ernannt wird! Der weife und milde Smperator 
glaubt den Bethörten nicht beffer züchtigen zu fónmen, als 
auf diefe Art. Samillus wird durch feine neue Stellung ge- 
nöthigt, ftet8 nur der Regierungsforgen zu gedenfen, muß allen 
Freuden, deren Privatleute genießen, entfagen , fieht jede feiner 
Handlungen vielfachen Tadel unterliegen, muß befennen, daß 
er unfähig fei, Die ihn aufgebürdete Laft zu tragen und bittet zu- 
Icgt den Trajan, ihn von derfelben zu befreien. Der Raifer, 
zufrieden mit diefer Demüthigung des Empörers, verzeiht ihn. 

Nur mit einem Worte fei nun endlich noch der beinahe 
zahliufen Comödien anonymer Verfaffer gedacht, weche der 
Zeit des Calderon angehören und zum Theil auf uns gefom- 
men find. Meifterwerfe mögen fid) unter diefen Comedias 
de un ingenio wohl nicht viele finden, einzelne poetifche 
Funken, wie fie durd die Reibung fo vieler Kräfte erzeugt 
wurden, glänzen aber aud in ihnen, und fie legen Zeugniß ab 
pon dem allgemeinen dichterifchen Geifte, der im damaligen 
Spanien - waltete. Auf einzelne diefer Stüde einzugehen, tft 
ung, da felbft Hunderte yon namhaften Autoren herrührender 
Comödien unberüdfichtigt bleiben mußten, nicht verftattet. 

So, bald länger verweilend, bald flüchtiger vorüber- 
gehend, haben wir das beinahe unüberfehbare Gebiet der 
fpantichen Dramatif während ihrer Blüthenperiode durchwan⸗ 
dert. Möchte es uns gelungen fein, dem Xefer einen leben- 
digen Einblid in diefe bisher allzu wenig beachtete Region zu 
gewähren und die Aufmerffamfeit yon neuem auf ein reiche 
Ernte und vielfachen Genuß verfprechendes Feld der Poeſie 
binzulenfen! Hier, am Endpunfte der Epoche, welche den bei 
weitem wichtigften Theil unferer ganzen Aufgabe bildete, werde 
es ung denn auch vergónnt, noch einmal einen Rückblick auf die 
durchmeffene Strede zu werfen. 


12 


— 426 — 


Während cines Jahrhunderts — denn ungefähr dieſe 
Ausdehnung pat der Zeitraum vom Auftreten Des Lope be 
Vega bis zu den jüngeren Zeitgenoffen und unmittelbaren 
Nachfolgern des Calderon — befaßen die Spanier ein volks⸗ 
thümlich felbftftánbiges Drama, das ihnen im glänzenden 
Zauberbilde der Poefie alle großen Momente ihres National» 
ſeins, ihres geiftigen und weltlichen Lebens vorbielt. Aus 
der Wurzel der Volksdichtung hatte ſich biefes Drama als 
bie eigentliche Fortfegung derfelben erhoben; ein riefiger Baum. - 
ragte es durch die ganze Welt der Erſcheinung hindurch bis 
in den höchſten Himmel des Wunderbaren, feitwärts feine 
vielverzweigten Aefte ausbreitend über drei Generationen, Die 
fich in feinem Schatten Tabten ; ein prismatifcher Spiegel, fing es 
alle zerftreuten Strahlen, alle verhallenden Klänge der Dichtung 
auf, um fie in Bild und Wort Iebendig zu erhalten. In vol 
len Zügen aus dem Duell ber einheimifchen Tradition und 
Gefchichte ſchöpfend, machte es die thaten= und geftaltenreiche 
Borzeit zur Gegenwart und führte in lebendigfter Wirklich⸗ 
feit die Helden der Bergangenheit vor, die halbmpthifchen 
Kunden ber altergraueften Zeit wie die Thaten und Geſchicke. 
der fpäteren Jahrhunderte, bie mehr und mehr in ben Tag 
der Geſchichte treten; den ſchönen Sagen von ritterlichen 
Kämpfen und Abenteuern, von Liebe und Verrath, von Minnes 
dienft und Feindeshag lieh e8 neues, lebenvolles Sein; durch 
Bilder eherner, unzerbrechlicher Charaktere, gewaltiger, uns 
gebeurer Frevel und Tugenden, jáben Sturzes vom Gipfel 
der Macht und der Größe, erfihütterte und erhob es Die 
Hörer, indem es ihnen im rafchen Wechſel von Glück und 
Leid den furchtbar gerechten Donnergang des Schieffals zeigte. 
Mit wie viel höherer Begeifterung, ald dem Romanzenfánger, 
mußte der Spanier dem dramatifchen Dichter lauſchen, da 


— AN — 


diefer die Helden bes Epos von dem Hintergrunde ber Jets 
ten ablöfte und fie ihm, ben vollen, ftarfen Klang ber epifchen 
Leier mit bem füßen Ton ber Lprif verbindend, in ber voll 
enbetíten Form ber Poefie unmittelbar vor Augen bradhte. 
Aber auch das Leben der Gegenwart in allen feinen Bezie⸗ 
bungen, in der ganzen Mannichfaltigfeit feiner Verhältniſſe 
wußte diefes Drama in glanzvollen, farbenreichen, von dem 
Zauber der Dichtkunſt verflärten Gebilden darzuſtellen, ſo 
daß die Wirklichkeit, von den Zufälligkeiten ihrer unmittel⸗ 
baren Erfcheinung geläutert, zu höherer Bedeutſamkeit erhos 
ben wurde; und dann wieder flürgte es fich hinweg aus bem 
engen Jegt und Hier in die fernften Zonen und Zeiten, um 
in der Sage und Gedichte aller Völfer zu ſchwelgen, oder 


in das grángentofe, wunderbare Rei ber Phantafie, um 


„dem luftigen Nichts eine Wohnflätte und einen Namen zu 
geben ;“ oder es rif die Schranten des Enblichen ein, öffs 
nete die Pforten des Himmels und der Hölle, ließ die Engel 
und Hetligen, ja die felige Himmelsfönigin felbft perabfteis 
gen, rief bie düſteren Geiler des Abgrundes empor, und 
zeigte die Kämpfe der Menfchheit mit den Mächten der Fins 
fterniß, aber broben den waltenden Schub des göttlichen 
Geifted. Alle Gefühle, von dem höchſten Adel der Gefinnung 
und der fanfteften Zärtlichfeit an, bis herab zu ber verwil⸗ 
derten Leidenfchaft und dem bitterfien Haffe wußte es auf's 
überzeugendfte zu fehildern, alle Charaftere und Typen ber 
Menfchheit in úberzeugender Wahrheit hinzuftellen und fo ein 
umfaſſendes Bild der hervorragendften Erſcheinungen des Le: 
beng aufzuftellen. Das Dafein mit allen feinen Regungen, 
mit dem unendlihen Reichthum feiner Zuflände, das ges 
faminte Treiben der Gegenwart wie die ganze ungeheure Vers 
gangenheit in feinen Kreis ziehend, aber zugleich hinweiſend 


— — — — 


_ 498 — 


auf die Ewigfeit und hineinragend in die Zufunft, war bas 
fpanifche Schaufpiel ein univerfelles , nicht auf biefe oder jene 
Elaffe, nicht auf die Gelehrten oder fogenannten Gebildeten, 
oder Hinwieberum auf ben rohen Haufen, fondern auf bie 
Totalitát ber Nation berechnetes; und fo fympathifirte es 
mit dem Charakter, dem Glauben, der Denkweiſe, der Phans 
tafierichtung, der Sitte und dem Geſchmack der Nation, in- 
dem eS, zuerft das Produft aller biefer Elemente, nachher 
ihr zweiter Schöpfer und Bilbner wurde. „Unfer altes Drama 
— fagt ein patriotifher Spanier (Aguftin Duran) — war 
für uns, was die Bibel für die Hebräer, was die Iliade und 
die Odyſſee für die Griechen, das heißt ein Archiv des hiſto— 
rifchen, politifchen, religiöfen und moralifchen Wiffend der 
Nation, eine Uhr, deren Zeiger ihre wechfelnden Schidfale, 
ihren Ruhm und ihre Unglüdsfülle andeutete. In ihn vers 
einigten fih alle Töne und Abftufungen der Poeſie; eS vers 
ſchmolzen fih in ihm die Tragödie, das Luftfpiel, die bite: 
gerlihe und die novellenartige Comödie, ja die niedere Farce, 
indem alle Stände ber Gefellfchaft, vom höchſten bis zum 
geringften, Plab fanden, ohne bag deshalb ein Uebelftand 
oder ein Mifverhältniß in bie Theile. des Ganzen gefommen 
wäre.“ — Diefen Drama hatte eine Reihe von Sahrhun- 
derten auf dem Urboden aller Poefie, dem Geifte und Leben 
des Volkes, ein Fundament gelegt; auf ſolchem Grunde er: 
riptete bann Lope de Vega, unterflügt von einer Schaar 
rüftiger Gefellen, ein wohlgefügtes , innerlich gegltedertes und 
allen feindlichen Angriffen trogendes Gebäude; ihm nad) aber 
folgte eine jüngere Generation und thürmte in confequenter 
Durchführung des erften Planes einen neuen Bau auf den 
alten, daß er fi kühn und himmelftrebend , Kuppel auf Ruy: 
pel über jenem erhob. War nun Madrid, ale der Punft, wo 


— 429 — 


fih alle Macht und aller Glanz der Nation concentrirte, ber 
erfte und Hauptſchauplatz der dramatifchen Kunft, fo entitans 
den doch nad) allen Seiten hin Pflanzichulen, welche die von 
der Hauptftadt ausgegangenen Anregungen in eleftrifchen 
Schlägen weiter leiteten und die Schöpfungen der großen 
Dichter zum Gemeingut des ganzen Volkes machten. Von den 
andalufifchen Küften an bis zu dem Fufe der Pyrenäen, vom 
Mittelmeere, wo eS den ratalonifchen Strand befpült, bis an 
den weftlichen Drean faßen die Spanier mit Teuchtendem 
Blid und hochklopfendem Herzen vor Bühnen, auf denen fle 
ihr eigenftes Sein in tdealer Bollfommenheit und Energie 
erblidten, auf welchen ihnen in Fühnen Bildern die großen 
Thaten ihrer Bäter, die erhabenen Erinnerungen ihrer De: 
fchichte entgegen traten, und ebenfo auch die ganze Breite, 
der gegenwärtigen Wirklichfelt ale glänzendes Panorama vor 
ihnen aufgerollt ward; und nie läſſig waren fie, den Tribut 
ihres Danfes darzubringen an die Dichter, welche ihnen bald 
mächtige Aufregungen ber Phantafte barboten, bald ihren 
Geift mit Tieblichen Träumen umganfelten, fie bald auf bem 
Flügel der Andacht emporhoben in überirbifhe Regionen, 
bald in Humor und heiterem Scherz mit ihnen tändelten. 
Cine ganz andere und vollere Beifallsfpende war hier zu ers 
warten, al8 in unferen Tagen; nicht von verfchledenen Elaf: 
fen, nicht von den höheren Ständen oder bem Pöhel, von 
den Rritifern oder der ungelehrten Menge ging fie aus, nein, 
ein ganzes Volf ftimmte im Chore zufammen, um fie zu er- 
theilen; zwifchen Dichter und Zuhörern fand eine Tebenbige 
Mechfelbeziehung Statt, weldhe jenen befeuerte, während fie 
diefe hob; ein freier und frifcher, die gefunde, allfeitige Aus: 
bildung befördernder und franthaften Richtungen vorbeugen- 
"der Lebensathem durchzog die Dramatifche Runft; und fo ers 


— 48 — 


füllte das Theater feine höchfte Beſtimmung, — es ward eine 
Nationalanftalt, der Lehrer und Bildner des Volks, der Abs 
drud und zugleich das Vorbild der Nation, 

Nicht ohne Trauer werden wir nun dic Grenze übers 
fehreiten können, fenfeitd deren der Berfall bes ſpaniſchen 
Drama’s eintritt; benn die Wahrnehmung biefes Berfalls 
zeigt uns zugleich die Auflöfung des Volksgeiſtes, aus dem 
daffelbe hervorgeblüht war und feine Nahrung gezogen hatte. 
Mögen wir nun auch annehmen, (und die Betradjtimg kann 
allein Hierin einen Troft finden), daß der Geiſt einer Nation 
nach dem Abwerfen feiner bisherigen Geftalt einer höheren 
Entwidelung entgegengebe, fo tft es doch gewiß, daß zwiſchen 
der Auflöfung des früheren und der Bildung des neueren 
Zuftandeg ſtets cine Periode ber Unficherheit, des Schwan⸗ 
feng und ber Lethargie Tiegt, bei welcher ber Beobachter 
nicht mit Freude verweilen Tann. 


Wie im vorigen Bande Notizen über die berühmteſten 
Schauſpieler des dort behandelten Zeitabfchnitted gegeben wurden, 
fo tft dies nun für die zweite Hälfte der Blüthenperiode des 
fpanischen Theaters zu wiederholen. Um ben Lefer zunächſt noch 
einmal in die Mitte des fpanifchen Comödiantenlebens zu vers 
fegen, geben wir hier auszugsmweife ein um bas Jahr 1649 
gefchriebenes Gedicht von unbefanntem Verfaffer, welches von 
fatirtfhen Ausfällen auf das Schaufpielwefen diefer Zeit und 
namentlich auf. die Bühnenheldinnen und beren Teichtfertige 
Berehrer wimmelt 139), | 

„Die, weldhe jih bem Hfftrionenftande widmet und zu 


120) Pellicer, Tratado histórico etc., pag. 239. Wir geben bier 
nur bas Hervorflechendfte von dem Inhalte Diefer weitläuftigen Satire, 
ohne uns Schritt für Schritt an ben Tert zu halten. 


— 431 — 


fingen oder mit den Caſtagnetten zu flappern weiß, möge ſich, 
wenn fie nur beweglich wie Duedfilber ift und Tieblich zu 
lächeln oder durch anmuthige Geberven zu reizen weiß, für 
die Gebieterin biefer Welt halten. (ES iſt gar nicht nöthig, 
daß fie fehön feiz genug, daß fte cine Schaufpfelerin iſt; wer 
follte einer Schaufpielerin nicht zu Füßen fallen?" So fung 
der zweiföpfige Gott Janus, und kaum vernahm es Mens 
guilla, ein nievliches Mädchen, das beftimmt war, eine Dels 
lige zu werben, als fie ihr härenes Gewand bei Seite warf, 
wieder die Basquiña anlegte und unter eine Comödiantens 
Bande ging. Sogleid warb fie von der ganzen fauberen Sipp⸗ 
ſchaft umringt und, nadjbem man ein ftrenged Examen mit 
ihr angeftellt, für würdig proclamtrt, eine Waiwodin zu fein. 
Dann aber ftieg ein Oraciofo auf einen Koffer und hielt ihr 
folgende Anrede: ¡Señora Doña Menga, fei Sie uns will- 
fommen! Aber wenn Sie glaubt, hier bei und Rofen zu 
pflüden, weil Sie ung mit Flitterſtaat angethan fieht, fo irrt 
Sie ſich gewaltig; denn das Leben, das wir führen, iſt wahr- 
Baftig fein Leben zu nennen, das wird Sie gleich in der erften 
Mode an Ihrem Solbe, am Mittags» wie am Nachteffen 
fpüren. Früh Morgens wird Sie aufftehen und einen ganzen 
Stoß Rollen einftudieren müffen, und wenn es auch bei uns 
feine Klofter-Claufur gibt, fo darf Sie fih tod) nidt einbil- 
den, daß Sie deshalh freier fein werde; Stiyphus an feinem 
Felſen ift nicht gebunbener, al8 wir, denn nie haben wir an 
irgend einem Orte Ruhe, außer an. ben allerelenveften; oft 
múffen wir mit leerem Magen marfchiren, und felbft im fat: 
teften Winter gönnt man uns feine Raft. Aber freilich, das 
ift wahr, fobald wir in eine volfreihe Stadt fommen, flárt 
fi der Himmel auf; dort, holde Dora, werdet Ihr vor Ab: 
lauf des dritten Tages Liebeserflärungen in Profa und Vers 


— 432 — 


fen erhalten; vor Allem in Mabrib, diefer Stadt ber Fúrften, 
wird man Euch in Sílber faffen: glaubt jedoch nicht, daß 
Ihr deshalb in Luft und Behagen tverdet leben können; bas 
Spielen ift eine fo múblame Sade, daß uns nad) dreiſtündi⸗ 
ger Peín auf bem Theater bas Hirn fehwindelt; das Aus: 
wendiglernen nimmt und bie Morgen hin, zur Zeit der Siefta 
müffen wir uns fchminfen und zum Effen und Edplafen fürs 
den fi faum Augenblide. Auf dies Alles, mein Mädchen, 
mufit Du Dich gefaßt machen, wenn Du bei bem Entfchluffe, 
in unferen Stand zu treten, beharrft; und dabei habe ich noch 
nicht die Gänge in den Palaft und zu vornehmen Herrn ges 
zäblt, welche mehr läftig als einträglich find; welche Wein! 
wenn wir eben erft einen Kampf mit taufend wilden Beftien 
beftanden haben, fo ftebt uns ein neuer mit nod fchlimmeren 
bevor! Hieraus entnimm denn, mein Rind, wie wenig ädht 
das Gold ift, das deine Bliever umhüllt!- So ſprach Der 
Graciofo mit gemeffenem Ton, und die junge Schöne wech⸗ 
felte ihr Antlig nicht, vielmehr Flatfchte fie ihm mit ber übe 
rigen Schaufpielerverfammlung Beifall zu; als aber der Ap⸗ 
plaus verhallt war, fprad fie mit rebfeliger Zunge: „Herr 
Pater, ih weiß wohl, daß Ihr mid) in guter Abficht von 
diefem Pfade ablenken wollt; aber ich bin geharnifcht gegen 
alle Mühfal und vertraue auf meinen Liebreiz, der mir in 


meiner blühenden Jugend Ruhm eintragen und für fpäter 


eine glänzende Zufluchtsftätte bereiten foll, wenn es mir ges 
língt, mir einen Grafen zum Lebensgefährten zu fapern. Mein 
Geſicht — febt ber, es ift nicht gefchminft — verfpridht mir 
einen guten Ertrag, und das gefchicdte Saínete meiner Füße 
ift der ficherfte Liebespfeil; wenn ich aber erft die Eaftagnets 
ten zu filagen anfange, fo werde ich Stoff zu taufend Nos 
vellen geben, und felbft ein Karthäufer wird mir nicht wider⸗ 





— 433 — 


fteben. Boblan denn, meine Prinzeffinnen, da mid) das Schick⸗ 
fal zu Eurer Genoffin macht, fo gebt mir fogleich meine Rolle; 
ich fann den Augenblid des Auftretens nicht erwarten! Sos 
bald fid) mir die Schranfen öffnen, will ich das Theater zu 
einem Rampfplag machen, in welchen mir Feine Seele unge. 
troffen bleiben fol; und Euere Bühne foll Dinge frhauen, wie 
mon fie bis auf den heutigen Tag von Thule bis nach Baftra 
noch nicht erlebt hat. Man fordere, was und wen man fehen 
wolle, ich bin bereit, Alles, was irgend verlangt werben Tann, 
in glänzender Sprade, Handlung und Oeberbe zu zeigen! 
. Den Meder, den Perfer, den Macedonier und den Gothen 
findet man auf ver Bühne in befferer Geftalt, alg in ber 
Geſchichte; fie drängt in nicht einmal vier volle Stuns 
ven Begebenheiten zujammen, welche fonft lange Annalen 
füllen, und die Paufen ber Hebe werben noch von fonoren 
Harmonien erfüllt, welche bem Winde Wohllaut leihen. Bas 
alfo willft du, böswilliger Tadler, der du did) von fo vielem 
Entzüden abwendeſt? Sei überzeugt, wenn id als SInfantin 
geboren und nachher Schaufpielerin geworden wäre, 1d) würde 
glauben, meinen Stand gebeffert zu haben! Wie aber kann 
man erft an Ordensregel und Nonnenfchleier Gefallen finden! 
Dort ift man immer von Spähern umgeben, unb bas Sprach’ 
gitter läßt nicht die Eleinfte Aeußerung von Luft durchſchlüpfen; 
hier aber, ihr Blumen, fteht ihr im freien, und beftánbiger 
Thau ſchmückt euch mit frifchem Grim. Dies überlegend, ente 
ſchloß ich mich, meinen Wohnort zu verändern und die Wüfte 
mit dem frifehen Duell zu vertaufchen. Zwar weiß ich wohl, daß 
bies nicht der Weg zu dem Ziele ift, nad) bem wir fireben follen, 
daf er vielmehr zum Abgrunde führt: aber, Freundinnen, fo 
lange wir jung find, laßt uns lieben und leben; fpäter mag der 
Himmel es fügen, dafi wir dasfelbe werden, was bie Baltafara.* 
eich. d, Lit. in Spanien, M1. Bo. 23 


— 44 — 


Hiermit endigte Menguilla ihr Geſchwaͤtz, und die ganze Bande 
ftaunte erfreut und verwundert ihre Nede an; dann drängten 
fih Alle im Kreife um fie ber unb riefen fie zu ihrer Köni⸗ 
gin aus; vier Männer erhoben fie auf ihren Schultern und 
ftelíten fie unter Muftf und Gefang auf einen hohen Schranf; 
der Director der Truppe aber fprad), wie folgt: „Welcher 
Glücksfall, ihr Freunde, den ich mit meiner Beredtſamkeit nicht 
genugfam preifen fann! Sn fo zarten Jahren fo viel Berftand, 
und bei fo reifem Urtbeil fo grofie Schönheit! Eurer Ehre 
bin ich es fopuldig, daß ich dies Mädchen in Eure Mitte aufs 
nehme. Hunderttaufend Dinge fónnen wir mit ihr anfangen. 
Als Schaufpielerin kann fie agiren, und als Tänzerin, bie 
Daumen mit Caftagnetten bewaffnet, fid) in Millionen Wir: 
bein drehen; das wird die Theaterbefucher entzüden und bes 
ftimmen, nachher zu Taufenden wiederzufommen, und fo ter: 
den wir unfere Caffen füllen. a, ich bin ficher, daß unfere 
Kleine mit der Stimme, mit den Süßen und mit ven Ges 
berden Siege davontragen wird; dafür liefert ſchon die Probe, 
die fie ung heute gab, einen glänzenden Beweis, Wohlan denn, . 
Freunde, gebt ihr zu thun, daß fie mit Worten und Tánzen 
alle Schaufpielerinnen befiege. Für's Erfte fcheint es mir jegt 
am angemeffenften, daß wir, bevor wir die Rejidenz betreten, 
einen Durchzug durch das Königreich halten und die Stüde, 
welche unfere Kleine einftudirt, in den geringeren Ortfchaften 
aufführen; von dort aus wird dann ihr Ruhm fich weiter 
und weiter verbreiten, wie eine Blaſe, die unter dem Hauche 
der Rinder anfchmwillt, und fo werden wir endlich, wenn Alles 
nad Wunfd ausfällt, Gott den gelobten Danf abftatten und 
der Welt ein Schnippchen fchlagen, weil wir ihr bas Befte 
entführt haben.” " 

Mande ergögliche Züge aus ber fpanifchen Hiftrionen 


— 435 — 


welt ließen ſich noch aus den Load und Zwilchenfpielen bes 
fehon genannten Benavente fammeln. Sn einer Loa biefes 
Dichters z. B. läßt der Schaufpieldireftor Roque de Figueroa 
alle Mitglieder feiner Gefellfchaft nad) einander aufmarſchiren, 
indem er ein jedes beſonders charafterifirt; am Schluffe müfs 
fen auch der Souffleur , der GarderobesAuffeher, der Eaffen- 
einnehmer und die Theaterbedienten ericheinen, und enplich 
werden gar die Koffer und Kleider der ſämmtlichen Hiftrionen 
bervorgeholt, um dem Publifum ihre Reverenz zu machen. Sn 
einer anderen findet ſich folgende Anrede an die Zuhörerfchaft: 
„Senat, Auditorium, Hörer, Amphitheater, Coliſeum, Balane, 
Damen, Dienſtmädchen, Vornehme, Edle, Plebejer, Hauben, 
Kappen, Kaputzen, Musteten, nicht Musketiere, euch Alle bitten 
wir um Berzeihung *?!) lu Gn einer dritten fagt ein ¿aghafter 
Schaufpieler: „Ad! ich fterbe, meine Herren, denn ich fepe 
Bifionen, fehe fchon die Musfetiere, wie fie die Pfeifen an 
die Zungenfpite fepen ???),- 

Viele der Schaufpieler aus ber Zeit des Lope de Vega, 
bie fchon im vorigen Bande genannt worden find, lebten nod) 
bis fo tief in bas fiebzehnte Sahrhundert hinein, daß fie auch 


131) Senado, Auditorio, Oyentes , 
Amfiteatro, Colisco, 
Galanes, damas, fregonas, 
llustres, nobles, plebeyos , 
Tocas, Gorras, Caperuzas, 
Mosquetes, no mosqueteros, 
Todos pedimos perdon. 


137, Ay que me muero, señores 
Porque veo ya visiones, 
Veo á los Mosqueteros, 
Que en el pico de la lengua 
Tienen ya los silvos puestos, 


28 * 


— 436 — 


noch in ben Dramen bes Calderon und feiner Zeitgenoffen 
auftreten fonnten. Den früher verzeichneten Namen fónnte 
nun noch eine beträchtliche Lifte von folchen hinzugefügt wer- 
den, welche vorzugsweiſe oder ausfchließlich der Zeit Philipp's IV. 
und Karl's Tl. angehören; aber nur von den wenigften diefer 
Schauſpieler und Schaufpielerinnen find uns irgend erhebliche 
Nachrichten aufbewahrt worden, und das bloße Aufzáblen von 
Namen ermübdet; wir beichränfen ung daher im Folgenden 
auf Hervorhebung der allerberühmteften. 

‚ Sebaftian de Prado, eben fo wegen feines vortreff- 
lihen Spiel und feiner Körperfchönpeit auf den Brettern 
gerne gefeben, al8 auch wegen der Eleganz feiner Sitten und 
wegen feines edlen Charakters im Privatleben geachtet. Sein 
Rollenfady war das der Galane oder erften Liebhaber, und in 
dieſem fland er dem Alonfo de DImedo (dem Sohne des 
ſchon im vorigen Bande genannten Olmedo) alg Nebenbuhler 
gegenüber. Jm Sabre 1659 ging er mit Ludwig’ XIV. Ges 
mahlin Daría Terefa, der Tochter Philipp’s IV., als An⸗ 
führer eine Comödtantentruppe nad Paris und gab dafelbft 
längere Zeit hindurch Vorftellungen. Mit reihlicher Ernte von 
Geld und Beifall nad Spanien zurüdgefehrt und auch hier 
wieder mit Enthuflasmus begrüfit, faßte er doch ben Ent: 
ſchluß, den Schauplag feiner Triumpbe zu verlaffen, und wurde 
im Jahr 1675 Mönch in einem Madriver Klofter. Auf einer 
Reife nad) Rom, die er in Gefchäften feines Ordens unter: 
nahm, ftarb er zu Livorno 1685. 

Maria Calderon, die -berühintefte, durch ihre Ver⸗ 
bindung mit bem Könige felbft in ber politifchen Gefchichte 
Spaniens eine Rolle fpielende Actrice aus ber Zeit Philipp's 
IV. Es unterliegt feinem Zweifel, daß diefer Zürft ein Liebes⸗ 
verhältniß mit der fchönen, von vielen Berehrern umſchwärm⸗ 


— 4 — 


ten Maria unterhalten Bat; tn einem Spottverfe, ben bie 
Gräfin d'Aunoy mittheilt, heißt es fehr bitter: 

Un Fraile y una Corona, 

Un Duque y un Cartelista 

Anduvieron en la lista 

De la bella Calderona. 


Ein Sprößling diefer föniglichen Liebe war ber befannte, feis 
nem älteren Namensverwandten fo unähnliche, Don Juan von 
Defterreich, der fid) nach dem Tode feines Vaters in den Pas 
laft-3ntriguen zwifchen der Königin Mutter, dem Pater Netos 
hart, bem Admiral von Caftilien und. anderen Großen fo bes 
merflih madte. Maria Calderon trat bald nach der Geburt 
diefes Sohnes (1629), um bie Febltritte ihres früheren Lebens 
gut zu machen, in ein Nonnenflofter, welchem fie fpäter, all 
gemein geachtet, alg Aebtiffin vorftand. 

Barbara Coronel, gewöhnlih „die Amazonew ges 
nannt, weil fie, unzufrieden mit der Schwäcdhlichfeit ihres 
Geſchlechts, faft Immer Männerfleidung trug und felten ans 
vers, alg zu Pferde gefehen wurde. Beſonders zeichnete fie ſich 
in folhen Rollen aus, welche ihrem wilden und mannbaften 
Charafter zufagten. Sie ftarb 1691, nicht ohne den Verdadt 
mit in's Grab zu nehmen, daß fie ihren Mann vergiftet habe. 

Srancisca Bezon, cine der gefelertfien Künftferin- 
nen, welche je die fpanifchen Bretter betreten haben. Sie hieß 
mit wahrem Namen nicht Bezon, fondern war, nach dem 
Ehroniften der mehrgenannten Brüderſchaft, „die Tochter eines 
der berühmteften und ebelften unter den Dichtern, welche zur 
Zeit Philipps IV. die Theater mit Comödien verfahen 93), « 
und wurde im Geheimen von Juan Bezon, einem Schaus 


122) Dielleicht des Calderon? 





— 4338 — 


fpieler in ber Gefeflfchaft des Epriftoval de Avendaño, erzo- 
gen. Früh betrat fie die Bretter, und ſchon in fehr jungen 
Sahren galt fie in ben Rollen ber erften Mebhaberin für un- 
übertrefflih. Später ging fie mit der Truppe des Sebaftían 
de Prado nach Frankre ich und fplelte dafelbft etlf Jahre Tang 
- unter allgemeinem Beifall. 

Den folgenden Namen der gepriefenften und am häufigften 
genannten Comödianten und Comödiantinnen aus der Zeit Phi⸗ 
lipp's IV. und Karl's IL fónnen wir theils gar Feine, theilg nur 
wenige flüchtige Notizen hinzufügen; Vellicer, aus dem wir 
mit Hinzuziehung ber Zwifchenfpiele von Benavente fchöpfen, 
theilt zwar allerhand über biefelben mit, aber faum irgend 
Etwas, was von befonderem Intereffe wäre. 

Lorenzo Hurtado, nod einer von den Gründern 
der im vorigen Bande fo oft erwähnten Cofradie de Nue- 
stra Señora de la Novena, ber aber die übrigen Stifter 
diefer Briiderfchaft' um ein Langes überlebt zu haben ſcheint 
und auf dem Buen=NHetiros Theater eine bedeutende Rolle 
fpielte. — Anna, Feliciana und Micaela de Andrade, 
drei al8 Sängerinnen und Schaufpielerinnen berühmte Schwe⸗ 
ftern, denen von tiren Verehrern der Beiname Der drei Gra⸗ 
¿len gegeben wurde. — Vicente Domingo, ein beliebter 
Graciofo. Bon ihm erzählt man folgende Anefoote. Er’ hatte 
früher al8 Trompeter in dem fpanifchen Heere gedient und 
behielt die Liebe zu diefem Inftrumente bet; ald er nun einſt 
mit einer Hiftrionentruppe das Land durchzog, gewahrte er 
in der Ferne eine Räuberfchaar, forderte feine Begleiter auf, 
fih mit fammt ihren Pferden und Maulthieren in Reihe und 
Glied zu ftellen, und ſtieß auf militairifche Art in die Trompete; 
dies erfchredte denn die Banditen dergeftalt, daß fte die Flucht 
ergriffen. — Die Brüder Torrella, welche fid fo ähnlich 











— 439 — 


faben, daß man fie faum von einander unterfchefden fonnte, 
und durd) biefen Umftand das Publifum befonders bei ber 
Ausführung ber Rollen des Briiderpaars in Lope's Palacio 
confuso ergógten. Sie fpielten in ber Truppe des im vorigen 
Bande genannten Roque de Figueroa. — Bartolomé Ros 
mero. — Dierez. — Franci8co Lopez. — Pebro A8s 
canto. — Antonto de Prado. — Anna de Barrios, 
eine geborene Neapolitanerin. — Clara Camado, eine 
Balencianerin, von welcher erzählt wird, fie fet bei der Darftels 
lung eines Auto plöglih fo von Andacht ergriffen worden, 
daß fie befchloffen habe, der Welt zu entfagen. — Antonia 
Infante. — Eufrafia Maria de Reyna. — Joſefa 
Morales. — Ines Gallo. — Manuela de Acuña. 
— Manuela Escamilla, aus einer Familie, welche meh- 
rere ausgezeichnete Schaufpieler und Schaufpielerinnen her⸗ 
vorgebradht hat. — Marta de los Reyes. — Martana 
Romero. — Micaela Fernandez. 


Nod) haben wir Einiges über den Einfluß bes fpants 
ſchen Theaters auf die Bühnen des übrigen Europa zu fagen. 
Diefer Einfluß gab fid gegen die Mitte und von da abwärts 
bis an das Ende des fiebzebnten Jahrhunderts in nod) viel 
größerer Ausdehnung und Stärfe fund, alg während der im 
vorigen Bande unferer Gefchichte behandelten Periode; wir 
wollen uns jedoch nicht fireng an die Grängen des vorliegen- 
den Zeitabfchnittes binden, fonbern ſowohl Einiges, was bie- 
her übergangen wurde, nachholen, alg auch jogleich tn bas 
achtzehnte Jahrhundert mit hinübergretfen. 

Hören wir zunächſt, toas der mit dem Theaterweſen von 
ganz Europa fo genau befannte Riccobont ſchon vor mehr als 


- — — — — 


— 440 — 


hundert Jahren über dieſen Gegenſtand ſagte: „Das ſpaniſche 
Theater beſitzt eine unzählbare Menge von IntriguenStücken, 
aus denen die Dichter aller Nationen als aus unverfiegbaren 
Duellen fchöpfen fónnen. Die fpanifchen Dramen, welche durd) 
den Abel der darin vorfommenden Perfonen oder durch die 
Art der Verwidelung und Handlung einer höheren Gattung 
angehören, fünnen alg Mufter. der Tragícomobie und Tragós 
die bienen, und Staliener wie Franzofen” haben fie fehr bes 
nugt. Die fpanifche Bühne hat daher trog ihrer Regellofigs 
feit den Ruhm, fowohl durd die Originalität ihrer Ideen, 
alg burd) bie erftaunliche Anzahl und Mannichfaltigfeit der 
Süfets, welche ihr ausſchließlich angehören, die große Lehre 
rin aller Dichter und das große Mufter aller Theater von 
Europa gewefen zu fein. — Schon aus den Nachahmungen 
der fpanifchen Stüde erfennt man Teicht, wie eigenthümlich 
die Ideen in ihnen find und mit welcher Leichtigkeit Die fpas 
nischen Dichter Ihre Sújets erfinden. (ES iſt fehr felten, daß 
man unter der großen Zahl ihrer Comödien eine findet, deren 
Idee andersiwoher genommen wäre; im Gegentheil haben die 
Spanter alle Dichter von Europa mit ihren Erfindungen vers 
feben 134) 4 

Der Geſchmack an ſpaniſchen Schaufpfelen ward in Stas 
Hen fójon gegen den Ausgang des fechszehnten Jahrhunderts 
febr herrſchend. „Anfänglid — fagt Salfi — wurben bie 
fpantíchen Comödien vornämlich in ben italienifchen Provins 
zen geipielt, in welchen Spanten politifch wie Titerarifch Des 
fege gab; aber allnälig verfchaffte ihnen die Langeweile ber 
Staliener an dem Hergebrachten und die Sucht nad) bem 


3) Riccoboni, Réflexions sur les divers théatres de l'Enrope- 
pag. 65 et 58. 


— — — — _ 


— 3441 — 


Neuen ein breiteres Terrain, und fie begannen, dad romans 
tifche Spftem auf den Ruinen bes claffifchen aufzupflanzen. 
Um das Ende des fechszehnten Jahrhunderts erfchienen mit 
glücklichem Erfolg: La Donna Costante und L’amante fu- 
rioso von Naffaele Borghini, L’Erofilomachia, La pri- 
gione d’Amore und Imorti vivi!°®) yon Sforza d'Odi, fo 
wie nod) andere ähnliche Stüde. Sn biefen Comödien fah 
man bald ein verzweifelndes Mädchen, das ſich Ichendig bes 
graben láfit, um einer verhaßten Heirath zu entgehen, bald 
einen unglüdlichen Liebhaber, der fich ald Dieb zum Galgen 
führen läßt, weil er fein anderes Mittel weiß, um die Ehre 
feiner Dame zu retten 19%). Sm fiebzehnten Sahrhundert 
nahm diefe Richtung des Geſchmacks immer mehr überhand, 
und flatt regelmäßiger Tragödien und Comödien fah man in 
Italien nur nod) die Azioni, welche gewöhnlich reali, reali 
comiche oder tragiche-comiche genannt wurden und fámmts 
lid) knechtiſche Ueberfegungen over übertriebene Nachahmungen 
ſpaniſcher Schaufpiele waren 7).“ 

Gehen wir zu dem uns hier zunächft befchäftigenden Zeit: 
raume fort, fo könnten wir cine beträchtliche Lifte von italie- 
niſchen Dramen liefern, weldhe den Caſtilianiſchen Urfprung 
deutlich und unzweifelhaft verrathen; wir begnügen uns jedoch 
mit folgenden Anführungen. Die zwifchen 1652 und 1672 
erichtenenen Comödien des Neapolitaners Gtambattifta Pasca : 
Il Cavalier trascurato, La Taciturnitá loquace, Il Figlio 
della battaglia (nad) dem Hijo de las Batallas von as” 
cinto Gorbero), La falsa accusa data alla Duchessa di 


235) Nad Lope's Muertos vivos. 

226) Dies fpielt vermuthlich auf eine Nachahmung von Montalvan’s 
No hay vida como la honra an. 

2125 Salfı, Saggio Storico critico della Commedia italiana. 





— 42 — 


Sassonia (nad Guevara? Camplir dos obligaciones) find 
ſämmtlich Nachahmungen fpanifcher Originale; ebenfo bie 
gleichzeitigen Schaufpiele von Raffaele Tayro: Le ingelosite 
speranze, La Contessa di Barcellona (wohl nad More 
t0’8 Desden con el desden), Fingere per vincere, Isa- 
bella o la Donna piú costante, La falsa Astrologia (mad) 
Calderons Astrologo fingido). Lionardo de Lionardi$ gab 
1674 feinen Finto Incanto nad) dem Encanto sin encanto 
- des Calderon's. Der Ranonifus Carlo Celano (geb. zu Neapel 
1617 und geftorben 1693 (lteferte verſchiedene Bearbeitungen 
fpanifeper Comödien, wie: L’ardito Vergognoso, L’Infanta 
villana, Chi tutto vuol tutto perde (wohl nad Lope?s 
Quien todo lo quiere), La Forza del sangue (vermuthlich 
nad) Guillen de Gaftro), La Zingaretta de Madrid (nad) 
Montalvan oder Solí8), Proteggere Plnimico (nad Solis), 
11 Consigliere del suo male. Angela d'Orſo's Con chi 
vengo, vengo (Ferrara und Bologna 1669) tft eine Úcbers 
fegung von Calderon's Con quien vengo vengo, und Wu» 
felbe Stüd tft außerdem noch unter demfelben Titel von Mis 
dele della Marra (Napoli 1665) für die italieniſche Bühne 
bearbeitet. worden. Gleichfalls Ueberfegungen oder NRachahmun- 
gen ſpaniſcher Originale find die Mehrzahl der Schaufpiele 
bes Tosfaners Pifani, des Neapolitaners Ignazio Capaccio, 
des Eatanefen Pietro Eapaccio, des Amalfitaners Tommafo 
Saffl, des Onofrio di Caſtro und des Andrea Perrucci. Der 
Letztere úberfegte ihm Sabre 1678 den Burlador de Sevilla 
von Tirfo de Molina, ein Stüd, das übrigens ſchon früher 
in Stalien befannt gewefen fein muß, da es nah Riccobont 
(Hist. du theatre italien I. 85) zuerſt durch italienifche 
Scaufpieler nad Parts gebracht worden ift. Auch die im 
provifirenden Hiftrionen der Commedia del arte bemädhtig- 


— 443 — 


ten ſich der ſpaniſchen Schauſpielſtoffe und ſetzten ſie nach 
ihrer Weiſe in die Scene, fo daß, nad) Signorelli, ver Graf 
von Saldafa und Bernardo de Carpio zwiſchen Arlecchin 
und Pantalon fígurirten*??). Dieſe Vorliebe für die Erfin⸗ 
dungen der Spanter 309 fic in Stalien bis in's achtzehnte 
Jahrhundert hinüber, und nod) 1740 fügte ber mit ver Büh⸗ 
nenliteratur feines Landes fehr vertraute Riccoboni : „Seit 
Hundert und breißig Jahren find die Dramatifchen Werfe der 
Staliener faft nichts als Ueberfegungen ſpaniſcher Schaufpiele. 
Der Geſchmack an dem fpanifhen Theater, welches allerdings 
feine großen Vorzüge hat, iſt in Stalien biS zum äußerften 
Grade der Ertravaganz getrieben worden, und die Menge ber 
italieniſchen Schaufptele diefer Gattung tft unzählbar!?”).” Oft 
gingen fpanifche Stüde durch Vermittelung bes italieniſchen 
Theaters in Paris auf die franzöftfche Bühne über; ſo Cal⸗ 
deron’d „Leben ein Tramm”, das zuerft 1717 in einer Profas 
Ueberfegung von den Stalienern gefpielt, dann von Gueulette 
22 Sranzöfifche überfegt und 1732 von Boiffy in Aleran= 
Drinern verfificirt wurde 9, Der Alcalde de Zalamea 
wurde zur italieniſchen Oper verarbeitet un, die Casa con 
dos puertas al8 Impromptú auf die Parife. * italienifche 
Bühne gebracht +. Später drängten bie Luftfpiele „hlari’8 
und Goldon?’s die fpanifchen Comödien in den Hintergrund ; 
aber der größte bramatifche Dichter, den Italien je hervor⸗ 
gebracht, Carlo Gozzi, wußte die ſchon fo vielfach ausgebeu- 


135 Signorelli, Storia critica de’teatri, Napoli 1813, Tom. 
Vi. pag. 344 ff. 
139) Riccoboni, Réflexions historiques sur les divers théatres 
de l'Europe, pag. 20 unb 59. | 
40) Riecoboni, Histoire du Theatre italien, T. UL p. 507. 
142) id. Réflexions etc., pag. 64. 





— 44 — 


tete Fundgrube von nenem und nicht ohne Glück zu benuten; 
feine Due notte affanose find nad) Galberon'8 Gustos y 
disgustos son no mas que imaginacion; feín Pubblico 
secreto und fein Eco e Narcisso geben ſich ſchon burd) den 
Titel als Nachahmungen von Stüden beffelben Dichters Fund; 
feine Principessa filosofa ift nad Moreto’d Desden con 
el desden; auch von Tirſo's Zelos con zelos se curan 
gab er eine Bearbeitung. 

Waren fon Lope de Vega und beffen Zeitgenoffen in Franf- 
reich ſehr ftarf benugt worben, fo war der Gebrauch, ben man das 
felbft von Calderon und den Späteren machte, Doch nod) viel aus⸗ 
gedebnter. Die mehrften der Dichter, die fich auf dieſe Art jenfeits 
der Pyrenáen zu bereichern wußten, find fehon Im vorigen Banbe 
genannt worden; aber nod) viele Andere fchloffen fich an biefe an, 
und man fann ohne Uebertreíbung behaupten, daß nur wenige 
franzöfifhe Dramatifer des fiebzehnten Jahrhunderts fein 
möchten, die nicht aus jener Duelle gefchöpft hätten. Man 
hat gefagt, Ragine habe, ber einzige unter den älteren Schaus 
fpieldichtern Frankreichs, die Spanier gar nicht gefannt, wenige 
ftens gewiß feinen Einfluß von ihnen erfahren. Wir vermögen 
das Gegentheil, daß er unmittelbar aus bem Spanifchen ges 
fhöpft habe, nicht zu beweifen; allein es tft gewiß, daß er 
den Rotrou flarf benugt und die Motive zu ganzen Scenen 
aus ihm genommen bat; da mun Rotrou's Dramen faft ſämmt⸗ 
ih Bearbeitungen fpanifcher Stüde find, fo wird Ragçine 
hierdurch, wenigſtens mittelbar, den Spantern gleichfalls vers 
pflichtet'**). — In Bezug auf unferen Gegenftand im Allge- 


7), Da es hier nicht ber Ort if, durch Analyfe ganzer Scenen zu 
zeigen, in wie ausgebehntem Maaße Rotrvu bem Ragine zum Borbilbe 
gedient bat (f. Darüber Raynouard im Journal des Savans, 1823), fo 
mögen nur folgende einzelne Verfe, Die ber fpätere Dichter entiveder als 


— 45 — 


meinen faffen wir den fonft für feine Nation fo fehr einges 
nommenen Linguet reden. „Die Sranzofen — fagt er — vers 
danfen den Spantern hundertmal mehr, ald allen andern Euros 


Reminifcenzen oder abfihtlich von bem früheren aufgenommen hat, unfere 
Behauptung im Allgemeinen bewahrheiten: 
Rotrou: On ne repasse point le noir fleuve des morts. 
(L’heureux naufrage, acte Il, sc. 5.) 
Racine: On ne voit point deux fois le rivage des morts 
(Phédre, acte II, sc. 5.) 
Rotrou: D'éternel entretien á la race future. 
(L'innocente, infidélité, acte V., sc, 8.) 
Ragine: L'éternel entretien des siécles á venir. 
(Iphigénie, acte I, sc. 5.) 
Rotrou: Heureux qui satisfait d'une basse fortune. 
(Crisante, acte Il, sc. 1.) 
- Raqine: Heureux qui satisfait de son humble fortune. 
(Iphigénie, acte Il, sc. 1.) 
Rotrou: Sait trouver .. . . le chemin de ton coeur. 
(Agésilas de Colcos, acte V, sc. 8,) 
Racine: Aricie a trouvé le chemin de son coeur. 
(Phédre, acte IV, sc. 6.) 
Rotrou: Et vous pouvez avoir des passe-temps plus doux. 
(Célie, acte HL sc. 4.) 
Racine: Eh quoi! n'avez-vous pas des passe-temps plus doux? 
(Athalie, acte II, sc. 7.) 
Rotrou: S'il vous souvient pourtant que je suis la premiere 
Qui vous ait appel& de ce doux nom de pére. 
(Iphigenie, acte IV, sc, 4.) 
Racine: Fille d’Agamemnon, c'est moi que la premiere, 
Seigneur, vous appelai de ce doux nom de pere. 
(Iphigénie, acte IV, sc, 4.) 
Rotrou: C'est étre criminel que d'étre soupconné. 
(Bélisaire, acte V, sc. 6.) 
Racine: Des qu'on leur est suspect on n'est plus innocent. 
(Athalie, acte ll, sc. 5) 


Viertes Bud, 


Verfall des fpanifchen Theaters im achtzehnten Iahr- 
hundert. Einbrehen und Herrſchaft des franzöfifchen 
Geſchmacks. Menefte Beſtrebungen. 


Der ganzen Anlage dieſes Werfes nach fol ble Gefchichte 
bes Berfall8 der dramatifchen Literatur und Kunſt in Spanien 
bier mehr nur ffigzirt, al8 ausführlich erzählt werden; denn 
nur auf bem merbenden und waſſerreich in feinen Ufern ein 
berraufchenden, nicht auf bem verfiegenden Strome Tann der 
Dlid mit Freude ruhen. Was bie neueren Beftrebungen, dem 
Nationaltheater wieder zu Glanz und Anfepen zu verhelfen, 
betrifft, fo “tft bie Zeit zu einem abfchliegenden Endurtheil 
über diefe noch nicht gefommen, und wir müffen uns mit eini⸗ 
gen Andeutungen begnügen. 

ES ift Schon gefagt worben, daß der Zeitpunkt, mit wels 
Hem der Verfall der ſpaniſchen Bühne beginnt, ſich nicht mit 
chronologiſcher Genauigkeit beftimmen läßt und nur im Als 
gemeinen in die legten Sabre der Regierung Karl's II. vers 
fegt werben fann. — Sn ben zwei Sahrhunderten, ‚welche 
zwiſchen der Thronbefteigung Ferdinand's und ber Sfabelle 
und der des Tegten Monarchen aus dem öfterreichifchen Haufe 
liegen, hatte bie ſpaniſche Nation ihre Periode ver Unabhän- 
gigfeit, des Ruhms und der Iiterarifchen Größe durchlebt; 
bie Spannfraft des Geiftes, mit weldyer das Volf lange der 
ſeit Philipp II. eingeriffenen Willfür und Tyrannei der Nes 
gierung ein Gegengewicht gehalten hatte, begann nun zu ers 
lahmen, und ihre Erfhöpfung mußte in der Literatur einen 
Abruf finden. Die Gefühle, welche die Duelle der vorzüg⸗ 


— 460 — 


lichſten und eigenthümlichften Schönheiten ber caftilianifchen 
Poefie gerefen waren, der Delft des Ritterthums, bie Gluth 
der romantifchen Liebe, der Enthufiasmus für den Ruhm bes 
Baterlandes, für ven Glauben und die Ehre erfhöpften fi 
alímáblig, und wie ber belebende Funte erlofch, blieb bie 
früher jugendfriſche Deftalt nur noch eine Ruine ihrer felbft. 
Das berühmte Teftament Karl’s IL, welches einen frans 
zöftichen Prinzen auf ben fpanifchen Thron berief, befiegelte 
gleihfam die Todesalte der ſpaniſchen Nationalbühne; erſtlich 
indem es durch feine nächfte Folge, ben zwölfjährigen Suc: 
ceffionsfricg, dem Fortgebeihen ber Bühne unmittelbar und 
von außen ber hinderlich war, dann indem es im Gefolge 
der franzöftfchen Dynaſtie eine Fluth von neuen, dem fpanis 
fhen Charakter gänzlich fremden been und in deren Gefolge 
die verkehrten und proſaiſchen Kunftanfichten der Boileaufchen 
Schule über die Pyrenien brachte. Man fann vielleicht eins 
wenden, die fpantfche Poeſie habe ihre Bahn befchloffen ges 
habt, innerhalb des einmal gezogenen Kreifes fei feine weitere 
Varlation mehr móglid geweſen und bas in Sethargte ver⸗ 
funtene Bolf würde auch ofne das Hinzutreten jener ungüns 
ftigen Umftände außer Stande gewefen fein, eine neue Schöp- 
fung aus fi zu erzeugen. Wir geben die Nichtigfeit dieſes 
Einwandes zu; aber wenn das volksthümliche Drama fchon 
an fic) nur nod) als ſchwaches Flämmchen mit immer mattes 
rem Schein glänzte, mußte es nicht unter dem Tumult Der 
Waffen und dann in der Zugluft einer frembartigen Civili⸗ 
fation völlig erlöfhen? Ganz befonders fommt hier nod) ein 
anderer Punkt, der wohl erwogen fein will, in Betracht. Ein 
unſchaͤtzbarer Vorzug für die älteren Dichter war es gervefen 
(und ohne ihn hätte fi) die dramatiſche Poefle nie zu jener 
Höhe erheben können), daß fie eine Nation vor ſich hatten, 


— 461 — 


in welcher das Vol! und die höheren Stände im Wefentlichen 
der Anfichten und des Charakters, des Geiftes und der Sitte 
übereinftimmten, und in welcher daher Fein Zwieſpalt des Des 
ſchmackes entftehen, feine Berüdfichtigung von entgegengefegten 
Anfprichen erfordert werben fonnte. AIS nun dies aufhörte, 
als eine neue und fremde Bildung in die oberen Cfaffen ber 
Geſellſchaft eindrang, mußte bie eigentliche Nationalpoefie auf 
der Bühne erlöfchen; die gebildeten oder ſich für gebilbet 
haltenden Dichter wandten fid) vornehm ab von dem Bole, 
biefes aber ward von handwerksmäßigen Poeten mit rohen 
Schauſtücken unterhalten, und fo traten an die Stelle der früs 
heren wahrhaft volksthümlichen Dichtung eine gelehrte und 
eine populäre, welche beide nichts taugten. 

Nach den Oefegen der Stetigfeit, welche alles Irdiſche 
regieren, fonnte der Berfall der Literatur und Bühne nicht 
plóglid und auf einmal, wie die hereinbrechende Nacht, eins 
treten. Die alten Nationaldidhter waren bem Volfe zu theuer 
geworden, als daß es diefelben fo bald hätte vergeffen- fónnen; 
die Schaufpiele des Calderon und der anderen Meifter ter 
jimgft vergangenen Zeit blieben auf dem Repertoire und auch 
in den Werfen einiger jüngeren Dichter, Die ſich von bem eins 
mal in Bewegung begriffenen Strome forttragen ließen, ers 
hielt ſich noch ein Schwacher Wiverfchein des alten Glanzes. 
Ebenfo bedurfte es ber Zeit, bis fid ber franzöſiſche Ges 
ſchmack unter einer, bis dahin fo ganz anderen Richtungen 
zugethanen, Nation Bahn zu brechen vermochte. Die been, 
bie Politif, die Sitten der nordifchen Nachbaren fanden zu⸗ 
nächſt nur am Hofe und bei den in unmittelbarer Berührung 
mit demfelben ftehenden Perfonen Eingang, und erft von bier 
aus drang der neue Geift nach und nad in andere Schichten 
der Gefellfchaft ein. So entftanden zwei Parteien in Spanien, 


— 4602 — 


deren eine auf Reform bes alten Gefchmade im Sinne ber 
nüchternen Eleganz und verfländigen Reflerion drang, die ans 
dere dagegen von feiner Neuerung wiffen wollte und flarr an 
der alten Trabition fefthielt. Diefer Kampf zieht fid) durch 
das ganze achtzehnte Jahrhundert hindurch und zeigt fidh in 
zwei verſchiedenen Phaſen; in ber erſten Hälfte des Jahr⸗ 
hunderts behielt die Nationalpartei die Oberhand, in der zwei⸗ 
ten neigte ſich der Sieg mehr und mehr auf die Seite der 
Galliciſten. 

An die Darſtellung dieſer entgegengeſetzten Beſtrebungen 
haben wir die Geſchichte des ſpaniſchen Theaters im achtzehn⸗ 
ten Jahrhundert anzuknüpfen; zunächſt aber mag es den rich⸗ 
tigen Blid in das Folgende fördern, wenn gleich hier zwei, 
biftorifch nicht unmichtige, Bemerkungen vortveggenommen 
werben. Erftlich drängt es ſich dem Beobachter bei dieſem 
Theile unferes Vorwurfes auf, daß die Rritif der Franzofen 
mit der Production, die in ihrem Dienfte fland, in Spanien 
gar nicht hätte zu Einfluß fommen fönnen, wenn nicht bie 
Nationalfraft gebrochen und der romantifche Geift mit bem 
poetifchen Gefühle im Erlöfchen gewefen wäre. Hätte Diele 
Zeit nod) einen Lope oder Calderon hervorzubringen vermodt, 
fo würde ein folder die alte Flamme wieder aus ber Afche 
bervorgerufen, der romantifchen Form des Drama’s zu neuen 
Siegen verholfen und die ſeichte Kritif zu Boden gefchmettert 
haben. Während dagegen das Volk mehr aus Gewohnheit, als 
aus inniger Liebe, an den alten Schaufpielformen fefthielt 
und mebrenthcil8 nur untergeoronete Talente, vie bloß bie 
Mebertreíbungen und Fehlerhaftigfeiten ihrer Vorgänger nad) 
ahmten, für die Nationalbühne thätig blieben, wurde den Be: 
- ftrebungen der Neuerer in die Hände gearbeitet und ihrem 
Tadel in den Augen derer, welche bie entartete Willfür mit 








— 


— 488 — 
ber erlaubten Freiheit verwechſelten, nur zu viel ſcheinbare Rich⸗ 
tigfett gegeben. Auf biefe Art begünftigte der Verfall die 
Neuerung, biefe aber trug wieder dazu bei, jenen reifienber 
zu machen. 

Ein anderer Vunft, ben wir ferner im Voraus bervor- 
heben wollen, ift, daß die Partei, welche in der Kritif den 
Ton angab, felbft in ber Zeit ihrer größten Macht nie zur 
ausfchließlichen oder nur überwiegenden Herrichaft auf dem 
fpanifchen Theater gelangt (ft; fie vermochte nur zu zerrütten, 
nicht zu fiegen. Die Schaufptele der alten Meifter, wie fehr 
fie aud) von den Krittlern geſchmähr wurben, verſchwanden 
doch nie ganz von der Bühne; eine ununterbrochene Reihe 
von Darftellungen derfelben zieht fi) von Lope de Vega an 
bis auf ben heutigen Tag. Auf der anderen Seite wurden 
bis gegen Ende bes fiebzehnten Jahrhunderts nod) fortwährend 
neue Dramen gefchrieben und aufgeführt, welche die Form 


und Manier der alten wenigftens noch in roben Umriffen bes * 


wahrten, wenngleich fie von deren Geift völlig entblößt waren. 
Indem nun aber zwei heterogene und unvereínbare Gattungen 
von Stüden auf derfelben Bühne gefehen wurden, Rad 
ahmımgen und Ueberfegungen von franzöfifchen Trauers und 
Luftfpielen neben Comödien im alten fpanifchen Stpl, fo kann 
von einem eigentlichen Nationaltheater, als dem Gefammts 
ausbrud bes Bolfsgeiftes und Geſchmacks in einer beftimmten 
Form, während diefer Periode nicht mehr die Rede fein, wer 
nigftens nit von bem Zeitpunfte an, wo jener Zwieſpalt 
hervortrat. Aber die Verſchiedenheit der fich auf den fpanifchen 
Bretten umbertreibenden Stüde ging allmählig nod viel 
weiter und führte in jenes Chaos, das gegenwärtig auf allen 
europätichen. herricht und für die Wiedergeburt eines eigen- 
thämlihen Drama’d fo wenig Hoffnung läßt. 


— 461 — 


Wir wenden und von biefen einleitenden Bemerkungen 
zur Erzählung deffen, was von ben Schidfalen des ſpaniſchen 
Theaters in dieſer fpäteren Zeit am bemerfenswertheflen 
ſcheint. 

Unter den Dichtern, die in den letzten Jahren von 
Karl's II. Regierung und dam bis in das achtzehnte Jahr⸗ 
hundert hinein für das Theater arbeiteten, nimmt der ſchon 
im vorigen Buche beſprochen Bances Candamo die vor⸗ 
züglichſte Stelle ein. Minder bedeutend ſind die mit ihm 
etwa gleichzeitigen Antonio Tellez de Acevedo, Juan 
de Vera y Billamel und Mel Hor Fernandez de 
Leon?) Die Scaufpiele bes Lebtgenannten werden von 
Blas Nafarre (Pról. a las Comedias de Cervantes, pag. 
49) febr gepriefen, obgleich fie unferes Bediinfens nichts Aus- 
gezeichnetes haben; das berühmtefle darunter ift El Sordo y 
el Montañes, ein Figurirſtück, weldes La Huerta, es für 
eine ber vorzüglichften Jierben des fpanifchen Theaters auss 
gebend, in feine Sammlung aufgenommen hat. Bon Juan de 
Bera íft Cuanto cabe en hora y media, ein nidyt úbles 
Luftfpiel, in bem bie fogenannte Einheit ber Zeit fo genau 
beobachtet wird, daf die Handlung in berfelben Frift ablaufen 
muß, wie die Darftellung, und in dem eine auf der Bühne 
befindliche Uhr beftändig bie fchon verronnene und die nod) 
ferner verftattete Zeit angibt. — Weit Länger, alg die Erwähn- 
ten, und noch bi8 gegen die Mitte des achtzehnten Jahrhun⸗ 
derts blieben Cañizares und Zamora in Tpätigfeit, zwei 
bier mit Adtung zu nennende Männer. Beide hätten wegen 


1) Moratin fegt Die Arbeiten diefer Dichter in bem Prolog zu fei- 
nen Gumóbien fámmtlid) in das achtzehnte Jahrhundert; aber dies if 
irrig, denn mehrere derfelben find ſchon in den fiebziger Jahren bes vor- 
hergebenden gedrudt. 


— 465 — 


ihrer Talente verdient, in ber früheren befferen Bett geboren 
zu werben. Da ihnen aber das Schidfal diefen Vorzug nicht 
gönnen wollte und da fie trog ſchöner Gaben nicht die felbft- 
ftändige Geiftesfraft und den fchöpferifchen Genius befaßen, 
um ihr Zeitalter au beherrfchen, fonnten fie ben üblen Ein: 
flüffen der verderbten und erfchlafften Periode, in welcher fie 
Iebten, nit entgehen. In ihren Comödien behielten fie ben 
Nationalftyl bet; aber wenn felbft von den geringeren ber 
früheren Dichter meiften® gefagt werben Fonnte, daß fie mit 
den großen Meiftern der fpanifchen Bühne aus berfelben Duelle 
getrunfen, fo muß man diefe fpäteren Dagegen ſchon entſchieden 
al8 Nachahmer bezeichnen. Faſt durchgehende bekundet bet 
ihnen eine gewiffe innere Mattigfeit und Lauheit den Mangel 
an urfprünglicher Begeifterung; was fie Gutes haben, ift 
größtentheild nur ein ſchwacher Wieverhall aus früheren Wer- 
fen, und nur ihre Fehler fónnen für ihr volles Eigenthum 
gelten. Ganz befonders bildeten fie die Formen des Dra- 
mas aus, in denen ſich, wie bereits bemerft wurde, ſchon 
während der Blüthenperiode des fpanifchen Theaters ber her: 
annahende Verfall angekündigt hatte. Wir meinen hier vor: 
námlid) dle Comedias de Figuron, welder Gattung .die 
berühmteften Stüde des Cañizares und Zamora angehören. 
Schon bei Rojas und Moreto fanden wir die Zerrbilber, 
welche das charafteriftiiche Merkmal diefer Stüde ausmachen, 
aber bei ihnen wurde doch nod) immer der Abel ber Poeſie 
aufrecht erhalten, das Kleinlihe, Engherzige und Verkehrte 
wurde im Sinne der ächten komiſchen Dichtung als mit dem 
Höheren, mit der unendlichen Freiheit und Bewegung bes 
Dufeins im Widerfpruche fichend, aufgefaßtz bei ben bier in 
Rede ftehenden Comöpienfchreibern dagegen hat das Fragen: 
Hafte ganz das Uebergewicht, wir werden in: eine Welt von 
Geſch. d. Lit. in Spanien. III. Bo, 30 


— 467 — 


Opernſtyls; bie bel weitem größte Zahl lehnt fih durchaus 
an das alte Nationaldrama. Alle diefe Werfe zeigen grofie 
Gemwandtheit des Talents, eine ungemeine Beherrſchung aller 
technifchen Mittel der Darftellung, aber wenig Originalität und 
fchöpferifche Kraft. Faft zu jedem der Stüde des Cañizares und zu 
allen interefJanten Scenen in denfelben Taffen ſich bei einiger 
Kenntniß der früheren Dramatifer die Vorbilder Teicht erfen- 
nen, und wir möchten ven Autor in diefer Hinficht mehr einen 
Dofatfarbeíter, als einen Dichter nennen. Daß feine geiftlichen 
Comddien in hohem Grave ſchwach find, wird Niemand bes 
ftreiten wollen; in Santa Gertrudis, San Vicente Ferrer 
und anderen finden wir die ganze Zügellofigfeit der früheren 
- Stüde diefer Gattung aus ber Zeit des Lope de Vega ohne 
auch nur einen Theil ihrer Schönheiten, und man begreift 
nicht, wie ein geiftreicher Mann, der doch ben Calderon ges 
Iefen hatte, fich einer fo durchgehends grob matertaliftifchen 
Auffaffung ber Religion hingeben Fonnte. Einige glüdtichere 
Griffe that Cañizares im hiftorifhen Schaufpiel, und man 
fann feinen Cuentas del Gran Capitan, feinem Enrique 
el Enfermo und feinem Picarillo en España Sntereffe 
und Lebenbigfeit ver Darftellung nicht abfprechen; aber nur 
fehr wenig von dem, was bie Schönheit diefer Stüde aus: 
macht, tft Original. Der meifte Beifall tft feinen Comedias 
de figuron zu Theil geworben, und unter diefen namentlich 
bem Domine Lucas. Daß fid) hier großes Talent zur komi⸗ 
fhen Schilderung übertriebener Lächerlichfeiten und Fehler 
zeige, kann gar nicht in Abrede geftellt werden; es ift recht 
eigentlich ein Stüd zum Todtladhen, und Denen, welche vom 
Luſtſpiel nichts weiter verlangen, als eine tüchtige Erfchüttes 
rung des Zwerchfells, beſtens zu empfehlen; der höhere Sinn 
bleibt aber freilich, felbft bei nur mäßigen Anſprüchen, ohne 
30% 


— 468 — 


alle Befriedigung. Anmuthiger und feiner hat Sañtizares in 
De los hechizos de Amor la musica es el mayor zu 
fherzen verftanden, und dieſes Luftfptel fcheint und auch durch 
die fehr kunſtreich angelegte Berwidelung die befte feiner 
Arbeiten zu fein. 

Zeitgenoffe des Vorígen und, gleich ihm, während eines 
langen Lebens raftlos für die Bühne thätig, war Antonio 
de Zamora, Kammerherr in Dienften Philipp's V. Em 
erfter Theil feiner Comödien erſchien im Sahre 1722. In ber 
Vorrede flagt er über den tiefen Verfall des Theaters feiner 
Zeit, und fagt in Bezug auf feine eigenen Beftrebungen: „Es 
würde eine Kühnheit fein, wenn ich behaupten wollte, ich hätte 
das Vorbild des größten Meifters ber dramatifhen Runft, 
unferes berühmten Calderon, nachzuahmen verftanden; aber 
fo viel darf ih wohl ausfprechen, daß ich mid) bemüht habe, 
demfelben zu folgen.“ Diefes edle Streben drückt fi unver 
fennbar in feinen Werfen aus, und daffelbe ward von einer 


achtungswerthen Begabung unterftiigt. Zamora arbeitete mit 


mehr Ernft und Gewiffenhaftigfeit, alg Cañizares, mit bem 
übrigens fein, vorzüglich in ber lebendigen Auffaffung der 
Sitten und Charaktere und in ber natürlichen Leichtigkeit des 
Styls ausgezeichnetes, Talent große Achnlichfeit hat; feine 
Werke find daher in ber inneren Geftaltung und Durchbildung 
benen feines Zeitgenoffen mehrentheild überlegen; um aber 
mit den Meiftern der früheren Zeit wettelfern zu können, 
fehlte ihm die Fülle der Begeifterung, die Tiefe der Seele und 
des Gemüthes, aus ber allein die höhere Kunft hervorblüfen 
kann; er fonnte fih die mehr äußerlichen Vorzüge von 
Calderon's Dichtungen zu eigen maden , nicht aber das, 
was ihren innerften Gehalt und eigentlihen Werth aus 
macht. Sn Mazariegos y Monsalves, einem auf die Feind 


— 469 — 


Schaft zweier alten vornehmen Geſchlechter zu Zamora gegrün⸗ 
deten Stücke, hat er freilich Tüchtigkeit der Erfindung und 
ächt poetiſche Behandlungsart gezeigt, aber dies ſcheint uns 
ein einzelnes Werk zu ſein, in dem er ſich einmal ungewöhn⸗ 
Lich hoch erhoben; in der Mehrzahl feiner übrigen Schaufpiele 
findet fi) zwar aud) nicht felten eine den Antheil des Lefers 
reizende Verwickelung, diefe oder jene intercifante Scene, und 
Die gewandte Routine des Autors verläugnet ſich nirgends; 
aber fragt man nad) den eigentlichen Motiven, nad) den Tebens 
fpendenden Adern der Poefie, fo ftößt man meiftens auf Kälte 
und Dürftigfeit. Died Legtere gilt ganz befonders von dem 
berühmten Luftfpiel El hechizado por fuerza; daß baffelbe 
einen Abend recht angenehm ausfüllen fónne, dag die Intris 
gue, wie ein munteres Mädchen ihrem einfältigen Vormund 
glauben macht, er fei behert und fid fo feine Einwilligung 
in eine von ihm nicht gewünfchte Heirath erliftet, fogar recht 
Tuftig fet, mag immerhin ¿ugeftanden werden; allein wer Die 
bewunderungswürdige Seinheit, den bezaubernden Duft ber 
Poeſie in den Intriguenſtücken des Calderon fennt, der wird 
diefem fihon ganz an der Gränze des Profaifchen ftepenben 
Stüde, feinem poffenhaften Ton und feiner ſich allzu abſicht⸗ 
lich vordrängenden Spaßmacherei nicht vielen Geſchmack ab⸗ 
gewinnen können. — Noch ſei hervorgehoben, daß Zamora 
die Geſchichte der Jungfrau von Orleans auf das Theater 
gebracht und daß er ben ſteinernen Gaſt bes Tirſo de Mos 
lina umgearbeitet hat. Diefe Umarbeitung, welche von vieler 
Geſchicklichkeit zeugt, hat fon faft ganz die Geftalt, die wir 
aus ber Oper fennen; bie früheren Abenteuer deS Don Juan 
in Neapel find darin weggefallen, und Zamora beginnt, wie 
der Verfaffer des Operntertes, mit der Ermordung des 
Comthurs. 


— 410 — 


Sm tiefer Inferiorität unter den Lebtgenannten ſtehen 
faft allen Diejenigen, welche gleichzeitig mit ihnen während 
der erften Hälfte bes achtzehnten Jahrhunderts, die ſpaniſche 
Bühne mit neuem Vorrath von Stúden verforgten. Die Schau 
fpiele des Eugenio Gerardo Lobo, des Tomas be 
Añorbe y Corregel, des Tofé de Neinofo y Quíiñtos 
nes und Anderer erinnern nur nod) in den roheften Umriſſen 
der äußeren Form an Die Schule Ealderon’s; der Geiſt 
ift gänzlich entwichen, und ber Mangel an innerem Gehalt 
wird durch gebáufte Xheaterftreiche und Wunder fchlecht vers 
det. ES will uns beim Lefen derfelben bediinfen, als wem 
die gröbften Materialien aus den fehlechteften Productionen 
der früheren Zeit mit eigenen albernen Erfindungen ber nenes 
ren Poeten zu einem Brei gefnetet und uns aufgetifcht würs 
den. Duelle, Eiferſucht, Kämpfe mit der Zufliz, Hin⸗ und 
Hergehen der Perfonen, Liebeserflärungen, Bermummungen, 
Schiffbruch, Märtyrthum, Wundererfcheinungen und Abenteuer 
aller Art drängen fid) in buntem Wirrwarr ohne Zwed und 
Ziel. Bon einer irgend geregelten Compofition findet ſich faft 
nirgends eine Spur, und mit pomphaften Aufzügen, Raufes 
reten und feltíamen Begebenheiten wechfeln gemeine Bouffo- 
nerien und efelhafte Späße in grotester Mifhung ab. Bon 
diefer Art ift Reinoſo's El Sol de la fé en Marsella, 
ein Stüd, das es fid zur Aufgabe gemacht zu haben fcheint, 
in feinen beiden Theilen alle Ausfchweifungen, die je in den 
geiftlihen Comödien gefehen worden waren, zu vereinigen; 


man fíebt darin bie heilige Magdalena an der franzöfifchen * 


Küfte Schiffbruch leiden, trodenen Fußes über die Wellen 
dabinfchreiten, hierauf bald am Himmel unter Engeln, bald 
auf der Erbe erfcheinen, um bie heidnifchen Gallier zu bete)» 
ren, dann durch ihr. bloßes Wort einen Apollotempel zu Boden 





— 411 — 


fehmettern und ¿ulegt den umgeftürzten Säulen befehlen, fi 
wieder aufzurichten; Dies Alles aber wird In einer durchaus 
roúften und rohen Weife ohne eine Spur von Phantafte vors 
getragen, und bie Sprache, mit allen Fchlern des Gonguries 
mus behaftet, jheint oft die eines Befeffenen zu fein. — Nicht 
viel günftiger fann man über die Schaufpfele urtheilen, die 
der oben mit feinem ganzen Namen angeführte Lobo, Com⸗ 
manbant der Stadt Barcelona, ein auch burd) Iyrifche Poeſien 
tm Estilo culto befannter Mann, der Bühne gab; feine 
Martires de Toledo y tejedor Palomeque find ein buntes 
Gemengfel von abgefchmadten Wundern und trivialen Poffen. 
Ein ganz ähnliches Gepräge tragen die Schaufpiele des Detfts 
lichen Añorbe, von denen acht im Sahre 1736 in einem 
Dande zufammen gebrudt find. Die Heldin feiner Comödie 
Princesa, ramera y martir {ft eine Fúrftin von Eppern, die 
tin Tempel ber Venus ihren Leib dem erften beiten Ankömm⸗ 
Ing pret8gibt, ¿ulegt aber den Märtyrertod flirbt. Die 
Tutora de la Iglesia fängt mit dem Briefe an, den der 
König Abgarus an den Heiland gefehrieben haben foll, und 
endet mit der Himmelfahrt der Jungfrau María. Glücklicher 
mählte Añorbe feinen Stoff in ben Amantes de Salerno, 
welchen Boccaccio's ſchöne Novelle von Guiscardo und Ghis⸗ 
monda zum Grunde liegt;aber aud) bier zeugt die Auffaffung 
son feiner Spur von dichterffchem Talent. Sn La encanta- 
.da. Melisendra rief diefer zu feiner Zeit berühmte Autor, ale 
ſei es mit den bedeutungslofen Wundern in feinen geiftlichen 
Schaufpielen nicht genug, zum Behuf des größeren Speftafels 
auch noch die Magie zu Hülfe. Jauberftúde von diefem Schlage, 
bei denen eigentlich der Dichter nur dem Mafchiniften vorzus 
arbeiten hatte, find aud von Zamora (EI espiritu folleto) 
und Cañizares (El Anillo de Giges) gefchrieben worden; 


— 472 — 


in viel größerer Entartung aber und zugleich Anzahl wur- 
der dergleichen mur auf den rohen Haufen beredinete Schau⸗ 
fpiele von ben geringeren Bühnenfchreibern, welchen die Kunſt 
durdaus ein Metier war, hervorgebracht. Unfterblihen Ruhm 
bei dem Pöbel von Madrid erwarb fid) befonder3 ber Schnei- 
der Juan Salvo y Bela durd feinen Magico de Salerno, 
deffen erfter, mit den abfurbeften Vorfommenbeiten angefülls 
ter Theil fo vielen Beifall fand, daß er fpäter nod vier 
andere von wo möglich nod) gefteigerten Tollheiten wimmelnde 
hinzufügte. Von den übrigen Bühnendichtern aus der erften 
Hälfte des fechszehnten Sahrhunderts, als da find: Pedro 
und Francisco de Scoti y Agoiz, Geronimo de 
Ouevdeja y Quiroga, Rodrigo Pedro de Urrutia, 
Diego de Torres y Billaroel u. f. to., fónnen wir 
fhweigen; eine Betrachtung ihrer Werfe würde und in den 
beften Fällen nur matte Wiederholungen von fon früher Das 
gewefenem, in den fchlechten wüfte und finnlofe Pläne in 
der unförmlichfien Ausführung zeigen. 

Während auf diefe Art Die Volksbühne immer mehr ver: 
wilderte, brad) ſich die franzöfifche Literatur und mit ihr die 
Kunftanficht der Schöngeifter aus Ludwig's XIV. Zeit mehr 
und mehr in Spanien Bahn. Nicht der neuen Dynaftie un- 
mittelbar fann diefes Eindringen eines fremden Gefchmads 
zugefchrieben werden, denn Philipp V. befümmerte ſich wenig 
um Wiffenfchaft und Pocfte, und die 1714 erfolgte Gründung 
der fóniglid fpanifchen Akademie nad dem Vorbilde der 
franzöfifhen ift fo ziemlich das einzige Zeichen einer Theil- 
nahme, die er für die geiftigen Intercffen feines Landes ges 
zeigt hätte. (ES bedurfte gar Feines Einfluffes vom Throne 
herab, um die franzöfifchen Sbeen in Spanien in Umlauf zu 
bringen; die vermehrten Communicationen mit Sranfreich, die 


— BSH se CN rra 1. - 


— 473 — 


Befegung vieler Hofftellen durch Ausländer bahnten ihnen von 
felbft den Weg; die erfte freundliche Aufnahme fanden diefelben im 
den näheren Umgebungen des Königs, bald aber breiteten fie fi) 
weiter unter den höheren Ständen und unter den Gelehrten aus. 
So bildete fih fon in dem erften Viertel des achtzehnten Jahr⸗ 
hunderts eine Partei, welche auf eine methodiſche Umbildung des 
fpanifchen Theaters nad) dem Mufter des franzöfifchen hinar- 
beitete, Das erfte Lebenszeichen, welches diefe Partei von fich 
gab, war die 1713 erfchienene Ueberfegung von Corneille's 
Cima durch ben Marques de San Juan. Bald darauf ließen. 
die Herausgeber des Diario de los literatos de España eS 
ſich angelegen fein, die feichte und grifttóbtende Kritif des 
Boileau bei ihren Landsleuten in Aufnahme zu bringen. Aber 
dies waren nur vereinzelte und ſchwache Beftrebungen, nur 
leichte Plänfeleien mit den Anhängern des alten Geſchmacks; 
erft Ignazio de Luzan rüdte in voller Waffenrüftung und 
mit fliegenden Bahnen zu einem Hauptangriff in’s Feld. Dies 
fer Mann, im Jahre 1702 zu Zaragoza geboren, hatte feine . 
Bildung in Stalien erhalten und dort mit ber franzöftfchen 
und italienifchen Literatur Bekanntſchaft gemadt. 1737 ers 
fchien feine berühmte Poetik, welche die fpanifche Literatur 
von Grund aus reformiren follte und bei den Balliciften faft 
bis auf den heutigen Tag als ein Gefegbud. des guten Ge: 
fhmads gegolten bat. Wenn wir fagen, baf btefe Poes 
tif durchaus auf Boileau und die franzöfifchen Snterpres 
tatoren des Ariftoteles gegründet iſt, fo Haben wir ihren 
Geiſt im Allgemeinen hinlängli bezeichnet. Der ordinäre 
Alltagsverftand war dem Luzan die Norm und Regel, Mugen 
und Vergnügen ber Zweck der Dictfunft. Das Theas 
ter follte nad ihm ungefähr in demfelben Sinne eine núgliche 


— 466 — 


Narren geführt, und das Luftfpiel geht ganz unb gar tn bie 
Farce über. Die zweite Richtung, in welcher diefe Männer 
das Drama dem Verberben entgegenführten, war, daß fie 
Zauberei, Wundererfcheinungen, Theaterftreiche und dergleichen 
auf den Beifall des Pöbels berechnete Kunftgriffe bäuften und 
fo durch Speftafelftüfe den Sinn für die höhere Runft mehr 
und mehr abftumpften. Auch diefe Richtung zieht ch freilich 
fhon burdy die frühere Gefchichte der Bühne, aber fie war 
bisher burd) edlere Productionen im Hintergrund gehalten 
worden, während ihr Ueberhanpnehmen ganz fperiell die vor 
liegende Periode bezeichnet. Wenn wir nun in den Werfen 
ber beiden bier im Allgemeinen befprochenen Dichter fchon 
offenbar die Spuren der Decadenz erbliden, fo müffen wir 
ihnen doch die Gerechtigkeit widerfahren laffen, daß fie auch 
ihre befferen Eigenſchaften befigen, durch welche fie hier und 
da an bie alte Zeit erinnern dürfen und noch immer hoch über 
den ungleih tieferen Verfall emporgeboben werben, ver fidh 
in den Productionen ihrer übrigen Zeitgenoffen fund gibt und 
nad) ihrem Tode nod) mehr einriß. 

Joſé de Cañizares, geboren zu Mabrib 1676, ges 
ftorben ebendafelbft gegen 1750, begann ſchon in feinem vier 
zehnten Sabre für das Theater zu fchreiben und widmete ſich 
diefer Beichäftigung während feines langen Lebens mit einer 
Sruchtbarfeit, wie fie den fpanifchen Dramatifern von jeher eigen 
war. Die Zahl feiner gedrudten Comödien beläuft fid auf 
achtzig. ES finden fid) unter benfelben hiftorifche, religtofe, 
mythologiſche, Sigurir-, Intríguens und Zauberftüde, fura, 
faft ſämmtliche Arten und Abarten von Schaufpielen. Nur 
in fehr wenigen zeigt ſich fchon eine Nachahmung ausländi⸗ 
(her Vorbilder, wie in El sacrificio de Ifigenia ber frans 
zöftichen Tragödie, in Temistocles en Persia des italienifchen 


— 467 — 


Opernſtyls; Die bel weitem größte Zahl Tebnt ſich durchaus 
an das alte Nationaldrama. Alle diefe Werfe zeigen grofie 
Gewandtheit des Talents, eine ungemeine Beherrfchung aller 
technifchen Mittel der Darftellung, aber wenig Originalität und 
ſchöpferiſche Kraft. Faft zu jedem der Stüde des Cañizares und zu 
allen intereffanten Scenen in benfelben Taffen ſich bei einiger 
Kenntniß der früheren Dramatifer die Vorbilder leicht erfen- 
nen, und wir möchten ben Autor in diefer Hinficht mehr einen 
Mofatkarbeiter, als einen Dichter nennen. Daß feine geiftlichen 
Combbien in hohem Grabe ſchwach find, wird Niemand bes 
ftreiten wollen; in Santa Gertrudis, San Vicente Ferrer 
und anderen finden wir bie ganze Zügellofigfeit der früheren 
- Stüde diefer Gattung aus ber Zeit des Lope de Vega ohne 
auch nur einen Theil ihrer Schönheiten, und man begreift 
nicht, wie ein geiftreicher Mann, ber doch ben Calderon ge» 
Iefen Hatte, fich einer fo durchgehends grob materialiftifchen 
Auffaffung der Religion hingeben fonnte. Einige glüdlichere 
Griffe that Cañizares im hiſtoriſchen Schaufpiel, und man 
fann feinen Cuentas del Gran Capitan, feinem Enrique 
el Enfermo und feinem Picarillo en España Sintereffe 
und Lebendigfeít ver Darftellung nicht abfprechen; aber nur 
fehr wenig von dem, was bie Schönheit dicfer Stüde aus: 
macht, ift Original. Der meifte Beifall ift feinen Comedias 
de figuron zu Theil geworben, und unter biefen namentlich 
dem Domine Lucas. Daß fid hier großes Talent zur fomis 
fhen Schilderung übertriebener Nächerlichfeiten und Fehler 
zeige, kann gar nicht in Abrede geftellt werden; es tft recht 
eigentlich ein Stúd zum Todtlachen, und Denen, welche vom 
Luſtſpiel nichts weiter verlangen, als eine tüchtige Erfchüttes 
rung des Zwerchfells, beftens zu empfehlen; der höhere Sinn 
bleibt aber freilich, felbft bei nur mäßigen Anſprüchen, ohne 
302 


— 468 — 


alle Befriedigung. Anmutbiger und feiner hat Cañizares in 
De los hechizos de Amor la musica es el mayor zu 
fherzen verftanden, und diefes Luftfpiel feheint ung auch durch 
die ſehr Funftreih angelegte Verwickelung die befte feiner 
Arbeiten zu fein. , 
Zeitgenoffe des Vorigen und, gleich ihm, währen eines 
langen Lebens raftlos für die Bühne thätig, war Antonio 
de Zamora, Kammerherr in Dienften Philipps V. Ein 
erfter Theil feiner Comödien erfchien im Sabre 1722. In ber 
Vorrede flagt er über den tiefen Verfall des Theaters feiner 
Zeit, und fagt in Bezug auf feine eigenen Beftrebungen: „Es 
würde eine Kühnheit fein, wenn td behaupten wollte, ich hätte 
das Vorbilb des größten Meifters der dramatifhen Runft, 
unferes berühmten Calderon, nachzuahmen verftanden; aber 
fo viel darf ich wohl ausfprechen, daß ich mich bemüht habe, 
demfelben zu folgen.” Diefes edle Streben brit fid) unver 
fennbar in feinen Werfen aus, und baffelbe ward von einer 
achtungswerthen Begabung unterftägt. Zamora arbeitete mit 
mehr Ernft und Gewiffenhaftigfeit, ald Cañizares, mit bem 
übrigens fein, vorzüglih in ber lebenbigen Auffaffung der 
Sitten und Charaktere und in ber natürlichen Leichtigkeit des 
Styls ausgezeichnetes, Talent große Achnlichfeit hat; feine 
Werke find daher in der inneren Geftaltung und Durchbildung 
benen feines Zeitgenoffen mehrentheils überlegen; um aber 
mit den Meiftern der früheren Zeit wettelfern zu können, 
fehlte ihm bie Fúlle der Begeifterung, die Tiefe ber Seele und 
des Gemüthes, aus der allein die höhere Runft hervorblühen 
kann; er fonnte fi die mehr äußerlichen Vorzüge von 
Calderon's Dichtungen zu eigen maden , nicht aber das, 
was ihren innerften Gehalt und eigentlichen Werth aus: 
macht, Gn Mazariegos y Monsalves, einem auf die Feind 


— 469 — 


fchaft zweier alten vornehmen Gefchlechter zu Zamora gegrün⸗ 
deten Stücke, hat er freilich Tüchtigkeit der Erfindung und 
ächt poetiſche Behandlungsart gezeigt, aber dies ſcheint uns 
ein einzelnes Werk zu ſein, in dem er ſich einmal ungewöhn⸗ 
lich hoch erhoben; in der Mehrzahl ſeiner übrigen Schauſpiele 
findet ſich zwar auch nicht ſelten eine den Antheil des Leſers 
reizende Verwickelung, dieſe oder jene intereſſante Scene, und 
die gewandte Routine des Autors verläugnet ſich nirgends; 
aber fragt man nach den eigentlichen Motiven, nach den leben⸗ 
ſpendenden Adern der Poeſie, ſo ſtößt man meiſtens auf Kälte 
und Dürftigkeit. Dies Letztere gilt ganz beſonders von dem 
berühmten Luſtſpiel El hechizado por fuerza; daß daſſelbe 
einen Abend recht angenehm ausfüllen könne, daß die Intri⸗ 
gue, wie ein munteres Mädchen ihrem einfältigen Vormund 
glauben macht, er ſei behext und ſich ſo ſeine Einwilligung 
in eine von ihm nicht gewünſchte Heirath erliſtet, ſogar recht 
luſtig ſei, mag immerhin zugeſtanden werden; allein wer die 
bewunderungswürdige Feinheit, den bezaubernden Duft der 
Poeſie in den Intriguenſtücken des Calderon kennt, der wird 
dieſem ſchon ganz an der Gränze des Proſaiſchen ſtehenden 
Stücke, feinem poſſenhaften Ton und ſeiner ſich allzu abficht- 
lid vordrängenden Spaßmacherei nicht vielen Geſchmack ab: 
gewinnen können. — Noch ſei hervorgehoben, daß Zamora 
die Geſchichte der Jungfrau von Orleans auf das Theater 
gebracht und daß er den ſteinernen Gaſt des Tirſo de Mor 
lina umgearbeitet hat. Dieſe Umarbeitung, welche von vieler 
Geſchicklichkeit zeugt, hat ſchon faſt ganz die Geſtalt, die wir 
aus der Oper kennen; die früheren Abenteuer des Don Juan 
in Neapel ſind darin weggefallen, und Zamora beginnt, wie 
der Verfaſſer des Operntextes, mit der Ermordung des 
Comthurs. 


— 410 — 


In tiefer Snferioritáit unter den Lebtgenannten ſtehen 
faft allen Diejenigen, telde gleichzeitig mit ihnen während 
ber erften Hälfte bes achtzehnten Jahrhunderts, die ſpaniſche 
Bühne mit neuem Vorrath von Stücken verforgten. Die Schau⸗ 
fpiele deS Eugenio Gerardo Lobo, des Tomas be 
Añorbe y Corregel, des Fofé de Reinofo y QDuiñios 
nes und Anderer erinnern nur nod) in den robeften Umriffen 
der äußeren Form an die Schule Ealderon’s; der Geiſt 
ift gänzlich entwichen, und der Mangel an innerem Gehalt 
wird durch gehäufte Zheaterftreiche und Wunder, fehlecht vers 
dect. (ES will uns beim Lefen berfelben bevünfen, al wenn 
die gröbften Materialien aus den fchlechteften Productionen 
der früheren Zeit mit eigenen albernen Erfindungen der neues 
ren Poeten zu einem Brei gefnetet und uns aufgetifcht würs 
den. Duelle, Eiferfuhht, Kämpfe mit der Juftiz, Hins und 
Hergeben der Perfonen, Liebesertlárungen, Vermummungen, 
Schiffbruch, Märtyrthum, Wundererfcheinungen und Abenteuer 
aller Art drängen fid) in buntem Wirrwarr ohne Zweck und 
Ziel. Von einer irgend geregelten Compofition findet fich faft 
nirgends eine Spur, und mit pomphaften Aufzügen, Raufes 
reien und feltfamen Begebenheiten wechfeln gemeine Bouffo- 
nerien und efelhafte Späße in grotester Mifchung ab. Von 
diefer Art ift Reinoſo's El Sol de la fé en Marsella, 
ein Stüd, das es ſich zur Aufgabe gemacht zu haben feheint, 
in feinen beiden Thetlen alle Ausfchweifungen, die je in den 
geiftlichen Comödien gefehen worden waren, zu vereinigen; 
man fieht darin die heilige Magdalena an ber franzöftihen * 
Küſte Schiffbruch leiden, trodenen Fußes über die Wellen 
babinfchreiten, hierauf bald am Himmel unter Engeln, bald 
auf der Erde erfcheinen, um die heipnifchen Gallier zu befehs 
ren, dann durch ihr. bloges Wort einen Apollotempel zu Boden 


0 


— 4 — 


fehmettern und ¿ulegt den umgeſtürzten Säulen befeblen, fich 
wieder aufzurichten; Dies Alles aber wird in einer durchass 
wiften und roben Weife ohne eine Spur von Phantafte vors 
getragen, und die Sprade, mit allen Schlern des Gonguriss 
mus behaftet, fcheint oft die eines Befeffenen zu fein. — Nicht 
viel günftiger fann man über Die Schuufpfele urtheilen, die 
der oben mit feinem ganzen Namen angeführte Lobo, Com⸗ 
mandant der Stadt Barcelona, ein auch durch lyriſche Poefien 
tm Estilo culto befannter Mann, der Bühne gab; feine 
Martires de Toledo y tejedor Palomeque find ein buntes 
Gemengſel von abgefhmadten Wundern und trivialen Poffen. 
Ein ganz ähnliches Gepräge tragen die Schaufpiele des Geiſt⸗ 
lichen Añorbe, von denen at tm Sahre 1736 in einem 
Dande zufammen gebrudt find. Die Helbin feiner Comödie 
Princesa, ramera y martir fít eine Fürftin von Eppern, dle 
im Tempel der Venus ihren Leib dem erften beften Anfómms 
ling preisgibt, zuleßt aber den Märtyrertod flirbt. Die 
Tutora de la Iglesia fängt mit bem Briefe an, ben der 
König Abgarus an ben Heiland gefehrieben haben foll, und 
endet mit der Himmelfahrt der Sungfrau Marla. Glüdlicher 
mählte Añtorbe feinen Stoff in ben Amantes de Salerno, 
welchen Boccaccio'8 fehöne Novelle von Guiscardo und Ghis⸗ 
monda zum Grunde liegt;aber auch bier zeugt die Auffaffung 
son feiner Spur von dichteriſchem Talent. Sn La encanta- 
‚da. Melisendra rief diefer zu feiner Zeit berühmte Autor, als 
ſei e8 mit den bedentungslofen Wundern in feinen geiftlichen 
Schauſpielen nicht genug, zum Behuf bes größeren Speftafels 
auch nod) die Magie zu Hülfe. Zauberftüde von diefem Schlage, 
bei denen eigentlich der Dichter nur dem Mafchiniften vorzus 
arbeiten hatte, find aud von Zamora (El espiritu folleto) 
und Cañizares (El Anillo de Giges) gefchrieben worden; 


— 42 — 


in viel größerer Entartung aber und zugleich Anzahl wur- 
der dergleichen nur auf den rohen Haufen berechnete Schaus 
fpiele von den geringeren Bühnenfchreibern, welchen die Kunft 
durchaus ein Metier war, hervorgebracht. Unfterblichen Ruhm 
bei dem Poöbel von Madrid erwarb fi) befonders ber Schnet- 
der Juan Salvo y Bela durd feinen Magico de Salerno, 
deffen erfter, mit ben abfurdeften Vorfummnenbeiten angefülls 
ter Theil fo vielen Beifall fand, daf er fpáter nod) vier 
andere von two möglich nod) gefteigerten Tollheiten wimmelnde 
hinzufügte. Bon den übrigen Bühnendichtern aus der erften 
Hälfte des fechszehnten Jahrhunderts, als da find: Pedro 
und Francisco de Scott y Agoiz, Geronimo be 
Buedeja y Duiroga, Rodrigo Pebro be Urrutia, 
Diego de Torres y Villaroel u. f. w., fónnen wir 
ſchweigen; eine Betrachtung ihrer Werfe würde uns in ben 
beiten Fällen nur matte Wiederholungen von fehon früher Das 
gewefenem, in ben fchlechten wüfte und finnlofe Pläne in 
der unförmlichften Ausführung zeigen. 

Während auf diefe Art die Volksbühne immer mehr ver- 
wilderte, brach fich die franzöfifche Literatur und mit ihr die 
Kunftanficht der Schöngeifter aus Ludwig's XIV. Zeit mehr 
und mehr in Spanien Bahn. Nicht der neuen Dynaftie un: 
mittelbar fann dieſes Kindringen eines fremden Geſchmacks 
zugefchrieben werben, denn Philipp V. befümmerte fic wenig 
um Wiſſenſchaft und Pocfte, und die 1714 erfolgte Gründung 
der fóniglid ſpaniſchen Afabemie nad dem Vorbilde der 
franzöfifhen ift fo ziemlich Das einzige Zeichen einer Theil- 
nahme, die er für die geiftigen Intercifen feines Landes ges 
zeigt hätte. ES bedurfte gar Feines Einfluffes vom Throne 
herab, um die franzöfifhen Sdeen in Spanien in Umlauf zu 
bringen; die vermehrten Gommunicationen mit Sranfreich, die 


— 473 — 


Beſetzung vieler Hofftellen durch Ausländer bahnten ihnen von 
ſelbſt ben Weg; die erfte freundliche Aufnahme fanden diefelben in 
den näheren Umgebungen des Rónigs, bald aber breiteten fie fich 
weiter unter den höheren Ständen und unter den Gelehrten aus. 
So bildete ſich ſchon in bem erften Viertel des adhtzehnten Jabrs 
hunderts eine Partei, welche auf eine methodifche Umbildung des 
fpanifchen Theaters nad bem Mufter des franzöfifchen hinar- 
beitete, Das erfte Lebenszeichen, welches diefe Partei von ſich 
gab, war die 1713 erfchienene Ueberfegung von Eorneille’s 
Einna durch den Marques de San Juan. Bald darauf ließen 
die Herausgeber des Diario de los literatos de España es 
fih angelegen fein, die feichte und gcifttóbtende Kritif des 
Boileau bei ihren Landéleuten in Aufnahme zu bringen. Aber 
dies waren nur vereinzelte und ſchwache Beftrebungen, nur 
Teichte Plänfeleien mit den Anhängern des alten Gefchmads; 
erft Ignazio de Luzan rüdte in voller Waffenrüftung und 
mit fliegenden Bahnen zu einem Hauptangriff in's Feld. Dies 


fer Mann, im Jahre 1702 zu Zaragoza geboren, hatte feine 


Bildung in Stalien erhalten und dort mit der franzöfifchen 
und italieniſchen Literatur Befanntfchaft gemacht. 1737 ers 
ſchien feine berühmte Poetif, welche die fpanifche giteratur 
von Grund aus reformiren follte und bei den Galliciften faft 
bis auf den heutigen Tag alg ein Gefegbud). des guten Be: 
fhmads gegolten hat. Wenn wir fagen, daß Ddiefe Poes 
tif durchaus auf Boileau und die franzöftfchen Interpres 
tatoren des Ariftuteles gegründet tft, fo haben wir ihren 
Geiſt im Allgemeinen binlänglich bezeichnet. Der ordinäre 
Alltagsverftand war dem Luzan bie Normund Regel, Nußen 
und Vergniigen der Zweck ber Didtfunft. Das Theas 
ter follte nach ihm ungefähr in demfelben Sinne eine núglide 


— 416 — 


Die von Luzan und Blas Nafarre zu Marft gebrachte 
Weisheit wurde 1750 von Aguftin de Montiano y 
Luyando in einem Discurso sobre las tragedias españo: 
las weiter verfúndigt *). Auch hier wird von den eigentlichen 
Zierden der fpanifchen Bühne mit twegiwerfender Verachtung 
geredet, aber auch bier fucht der Patriotismus zu bewetfen, 
daß eS in Spanien an ächten und Tunftgerechten Trauerfpielen 
nicht fehle; zu diefem Zwecke werden denn alle froftigen und 
trodenen Nachahmungen antifer Tragódien von Perez be 
Oliva an bis auf Francisco Lopez de Zarate aufgezählt und 
als die eigentlichen Zierden des fpantichen Parnaffes gepries 
fen. Die Urtheile der drei genannten Literatoren endlich wies 
derholte Jofeph Velasquez in feinen 1754 erfchienenen 
Origenes de la poesia española, indem er hinzufügte, jene 
Literatoren hätten gar nicht nöthig gehabt, ſich über das fpas 
niſche Nationalfchaufpiel fo zu ereifern; daffelbe fei von ges 
lebrten und einfichtsyollen Leuten pon jeher verachtet worden 
und habe nur bei dem unwiffenden Pöbel in Anfehen geftanden. 

Das Mifverftändnig der Ariftotelifchen Poetif und die 
verkehrte Beurtheilung der romantiſchen Poeſie nach Regeln, 
die auf fie feine Anwendung finden, ift ziemlich eben fo alt, 
wie bie neuere Literatur. So waren denn Anfichten und Urs 
theife, wie die eben Dargelegten, aud) in Spanien keineswegs 
neu; fon im 16ten Jahrhundert hatte Lopez Pinciano, im 
17ten Suarez de Yignerva und Cäscales Achnlidhes, und mit 
weit mehr Geiſt, ausgefprochen, aber dieſe Stimmen waren 
ohne allen Erfolg geblieben; daß Luzan und Blas Nafarre, 
bie das alte Gericht wieder aufwärmten und auf franzöſiſche 
Manier zubereiteten, für ihre Waare mehr Abfag fanden, 


» Diefer Discurs flieht vor dem meiter unten zu erwähnenden 
Trauerfpiel Montiano's Virginia, Madrid 1750. 


— 11 — 


fann nur bem veränderten Sinne eines großen Theiles ber 
Nation und dem Untergange des Tebendigen Gefühle für 
poetiſche Schönhett zugefchrieben werben. Uebrigens glaube man 
nicht, daß die neuen, oder vielmehr neu hervorgeſuchten kriti⸗ 
fhen Maximen unmittelbar vielen Eingang oder Einfluß ers 
langt hätten; das größere Publikum kümmerte ſich anfänglich 
gar nicht um fie, und auf der Bühne gab ſich bis zum Sabre 
1750, ja bis darüber hinaus, nicht die mindefte Einwirkung 
berfelben fund. Nur unter ben Gelehrten und Mitgliedern der 
ſpaniſchen Afademie ftanden fie von Anfang an in Achtung 
und wurden al8 Richtfehnur des guten Geſchmacks betrachtet, 
und erft allmählig brachen fie ſich in größeren Kreifen fo viel 
Bahn, daß für die beabfichtigte Reform der Bühne einige 
Ausſicht auf Erfolg vorhanden zu fein fehlen. 

Bevor wir die Schidfale des ſpaniſchen Theaters weiter 
verfolgen, haben wir nod Einiges in Bezug auf das äußere 
Bühnenweſen nachzuholen. 

Im Jahre 1708 kam ein gewiſſer Bartoli, Direktor ei⸗ 
ner italieniſchen Schauſpielertruppe, um die Erlaubniß ein, ein 
neues Schauſpielhaus in Madrid erbauen zu dürfen. Dieſes 
Theater, von bem Orte, wo es errichtet wurde, Los Caños 
del Peral genannt, war das erſte in Spanien, welches eine 
regelmäßige Geſtalt nach Art der franzöſiſchen und italieni⸗ 
ſchen erhielt; Anfangs war es nur dürftig eingerichtet, aber 
im Jahre 1737, als eine italieniſche Operngeſellſchaft dasſelbe 
zu ihrem Locale wählte, wandte man große Koſten auf deſſen 
reichere Ausſchmückung. Dieſes Beiſpiel veranlaßte die Be⸗ 
hörde von Madrid, nun auch an der Stelle der beiden Cor⸗ 
rales de la Cruz und del Principe neue Schauſpielhäuſer 
nad dem nämlichen Princip zu bauen. Das de la Cruz 
ward 1743, bas del Principe 1745 vollendet. Gn biefen 





— 418 — 


neuen Theatern war bie Anorbnung des für die Zufchauer 
beftimmten Theiles mit wenigen Mobificationen ber älteren, 
uns befannten, entfprechend und auch die früheren Ramen der 
Pläte wurden zum Theil beibehalten; der Saal nämlich theilte 
fi : 1) in die Aposentos, ¿wei Reihen Logen in dem obe⸗ 
ren Theif des Gebäudes; 2) in die Cazuela, die für die 
Weiber beftimmte Loge in ber Tiefe des Saales; 3) in die 
Gradas oder die unter den Logen amphitheatralifch erhöhten 
Site; 4) in den Patio oder das Parterre; 5) in die Lune- 
tas oder die vor dem Patio zunächſt der Bühne befinplichen 
Gige. — Mas die Bühne anbetrifft, fo erhielt diefe nicht 
fofort, fondern erft allmählig die Veränderungen im Mechas 
nismus und Decorationégrejen, welche fie mehr und mehr bem 
jegt auf den Bühnen von faft ganz Europa herrſchenden Sys 
ftem näher brachte. 

Ferdinand VI, der im Jahre 1746 ben fpanifjen Thron 
beftieg, nahm toeníg oder gar fein Intereffe an bem nationa⸗ 
len Drama, aber er begünftigte Die ttalienifche Oper, die, wie 
oben erwähnt, fehon feit bem Anfange des Jahrhunderts in 
Spanien eingedrungen war. Carlo Broshi, genannt 
Harinelli, ein Sänger, den ſchon Philipp V. an feinen 
Hof berufen hatte, wurde mit der Direction ber Bühne von 
Buen Retiro beauftragt, und unter feiner Leitung fanden auf 
berfelben die glänzendſten, mit aller feenifchen Pracht ausge 
rüfteten Opernvorflellungen Statt. Componfften, Sänger, Mus 
fifer, Dichter und Decorateurs waren Sstaliener, doch verans 
ftaltete man zum Beften der Zuhörer fpanifche Ueberfegungen, 
welche gedruckt unter das Auditorium vertheilt wurden. 

Unterveffen blieben die Volfsbühnen, ohne Unterftigung 
vom Hofe, ganz auf fid) und auf das Publifum angewiefen. 
Die Vorliebe des Volkes für das Theater war nod) immer 


— 4/9 — 


groß, unb feine Theflnahme an bemfelben fo lebhaft, daß fic 
feit bem Sabre 1740 mehrere Parteien bildeten, Die ſich ges 
genfeitig auf das Teivenfchaftlichtte befämpften. Die Parteigäns 
ger des Theaters be la Cruz führten den Namen Polacos 
yon ihrem Chef, dem Pater Polaco, einem Barfüßermönd), 
der bei den Mosqueteros für einen großen Kunftfenner galt; 
bie Anhänger des Principe hießen Chorizos, die der Cas 
fos del Peral Panduras, Namen, deren Urfprung dars 
zulegen zu weitläuftig fein würde. Diefe Parteten Vote fich 
durch Schleifen von verſchiedenen Farben an den Hüten uns 
terfchieden , befehdeten fich in der Art, daß jede die andere 
herabzufegen und die von ihr begünftigten neuen Stüde auss 
zuzifchen bemüht war. Ihre Benennungen haben lange fort 
gedauert und find zuletzt zu Bezeichnungen der Schaufpieler 
der verfchiebenen Bühnen, welche fie vertraten, geworden. 
Die Comödienſchreiber, welche nad) dem Tode des Ca— 
ftizares und Zamora um bie Ounft des Volkes bublten, führs 
ten das Theater immer mehr ins Verderben, indem fie eS 
mit närrifchen Wundergefchichten und finnlofen Zauberftüden 
überſchwemmten. Man Iefe das „Ungeheuer von Barcelona” . 
von Juan Htdalgo, Antonio Frumento” „Schnei- 
der, König und Verbredjer, oder der Zauberer von Aftrachan”, 
Juan Fernandez BDuftamantes „Schreden von Algier, 
oder der Zauberer Mahomet“, um das Aeuferfte von Vers - 
wilderung und Unfinn fennen zu lernen. Cine größere 
Anzahl dieſer entarteten Enfel Calderon's verdient nicht in 
demfelben Bande genannt zu werben, der mit dem Namen 
ihres großen Ahnen geſchmückt if. Heben wir nur nod). bers 
vor, daß in diefer Zeit noch eine fchlechte Gattung von Theas 
terftücen fehr beliebt wurde, nämlich die fogenannten Tona- 
dillas, eine Art von Vaudevilles oder Gaffenhauern. Meh⸗ 


— 480 — 


rentheil8 befland bas Perfonal einer ſolchen Tonadilla nur 
aus einer einzigen Schaufpielerin , die irgend ein Liebesaben- 
teuer abfang. Eine andere Art von feinen gehaltloſen Stüden, 
welche zu gleicher Zeit in Aufnahme fam, führte den Namen 
Follas. 

Daß diefer Zuftand des Theaters bei den Einfichtsvolle- 
ren unter dem Publitum eine Reaction heroorrief, Tag Im 
Lauf der Dinge und ift ein erfreuliches Zeichen von bem nod) 
nicht gänzlichen Erlöfchen eines ernfteren und höheren Sinnes 
in der Nation. Unglüdlicher Weile hatten die ehrenwerthen 
Leute, welche die Monftrofitäten bes Tages verwerflich fan- 
ben, nicht genug Unterfcheidungsfraft und poetifchen Geift, 
um das gute Alte von dem fchlechten Neuen trennen zu fün- 
nen. Lope und Calderon gertethen bei ihnen in diefelbe Ver: 
adhtung, Die nur deren ausgearteten Nachkömmlingen gebührte, 
und fie erwarteten deshalb das Heil, welches nur von einer 
Reftauration des Achten Nationaltheaters kommen Fonnte, von 
einer gänglichen Verdrángung der alten Schauſpielformen durch 
andere von ganz entgegengefeßter Beichaffenheit. Die falfchen 
Kunftanfichten der Oalliciften waren unterbeffen in Tages: 
blättern und Flugſchriften fo häufig wiederholt worden, daß 
fie zulegt aud bei denen Gehör fanden, die ihnen bisher das 
Ohr am hartnädigften verfchloffen hatten; denn es iſt eine 
befannte Wahrheit, daß auch das MWiderfinnigfte und Abfurs 
befte, wenn man es nur recht häufig fagt, ¿ulegt wie ein 
Evangelium geglaubt wird. Auf diefe Art ward das Terrain 
für eine Ueberfiedelung der franzöfifhen Tragödie und Eo: 
möbie nad) Spanien gebahnt. Seit dem Jahre 1750 begegnen 
wir mehreren Ueberfegungen franzöflfcher Stúde , des Brit 
tanícus von Trigueros, der Athalia von Eugenio de Llaguno, 
des Luftfpiel® La raison contre la mode von Luzan. Der 


E E A  SEEEnn 


— — 


— 481 — 


fehon genannte Montiano gab 1750 und 1751 zwei, ganz nad) 
- franzöfifchen Muftern zugeftugte Trauerfpiele, Virginia und 
Ataulfo, heraus, von denen felbft Moratín (ein Hauptver⸗ 
treter des Claſſicismus), der Wahrheit die Ehre gebend, ur: 
theilt , fie bewiefen, daß ein Drama alle Regeln beobachten 
und Dennoch umerträglic fein fónne. Aber noch wagte man 
nicht, diefe Sachen zur Aufführung zu bringen. Ueberfegungen 
der italieniſchen Opern, die man zuvor zu Buen Retiro ges 
fpielt hatte, waren bie erften ausländifchen Stüde, die auf 
ven Bolfsbühnen Eingang fanden, Hier gab es doch wenig. 
feng etwas zu fehen und zu hören; mie dagegen durfte man 
hoffen, daß der große Haufe, der gern an einem Abend Him- 
mel und Hölle und alle fünf Welttheile durchflog, den drei 
Einheiten Geſchmack abgewinnen werde ? Erft ſeitdem im 
Jahre 1759 der bisherige König yon Neapel, Karl ML, em 
ganz von ausländifcher Bildung durchdrungener und reformas 
torifchen Beftrebungen zugethaner Prinz, den ſpaniſchen Thron 
beftiegen hatte, fehlen ber Partei, weldhe in ber Kritif ben 
Ton angab, ver Moment gefommen zu fein, um Ihre Tenden- 
zen. in weiterem Umfange zu vealifiren. Die beiden einfluß- 
reichten Staatsmänner des neuen Könige, ber Marques 
Grimaldi und der Graf von Aranda, nahmen felbft die Res 
form des Theaterd unter ihre befonbere Protection. Durd) 
fönigliches Decret vom 11ten Juni 1765 wurde die Darftels 
lung der Autos Sacramentaleg verboten, weil man fid) das 
durd den Ausländern Tächerlih made. Auf Beranftaltung 
des Marques Grimaldi wurden in Buen Retiro und anderen 
‚Königlichen Schlöffern verſchiedene Ueberfegungen franzöftfcher 
Tragödien aufgeführt; zu gleicher Zeit wandte der Graf 
Aranda feine Aufmerffamfeit auf die Theater de la Cruz 
und del Principe, fuchte den materiellen Theil berfelben zu 
Geſch. d. Lit. in Spanien. IH. Bo. 31 


verbeffern und bie Parteien, welche fie mit Tumult erfüllten, 
im Zaum zu halten, Tieß aud auf ihnen Ueberfegungen Cor 
neille'ſcher und Raçine'ſcher Stüde fpielen und ermunterte die 
ſpaniſchen Dichter, Driginalfehaufptele in dem neuen Styl zu 
ſchreiben. Diefe Aufforderung blieb nicht ofme Erfolg. Ricos 
las Fernandez de Moratin bradıte 1770 feine Horme- 
sinda auf die Bühne, die erfte fpanifche Tragödie in frans 
zöfifehen Formen, welche wirklich zur Aufführung fam; ber 
füngere Moratín urtheilt von biefem Werfe feines Vaters, es 
fei mehr Iobenswerth wegen einiger guten, darin vorfommens 
den Nachahmungen des Virgil, als in Betreff der Handlung. 
Der Hormefinda folgte ein anderes Trauerfpicl vesfelben Vers 
faffer8, Guzman el Bueno. Bald betraten verſchiedene ams 
ere Dichter den nämlichen Weg, Jofé Cadahal ſo mit feinem 
Santo García, in welchem durch paarweiſe Reimung der 
fünffüßigen Jamben die Alerandriner nachgeahmt werben follten, 
Gaspar Melhor de Jovellanos mit feinen Dunuza, 
"welcher benfelben Stoff behandelte, wie bie Hormefinda, 
Ignacio Lopez de Ayala mit einer Numancia destruida. 
"Daß alle diefe, den franzoͤſiſchen Regeln ängftlich angepaßten 
Tragödien ohne inneres "Leben und ohne didterifchen Gehalt 
ſeien, wird jegt aud in Spanien ziemlich allgemein zugeftans . 

ben. Alles, Sprade, Ideen und Sitten, ift in ihnen gezwuns 
‚gen und unnatürlic), die Reden find aus einzelnen, von hier 
"und dort mühſam herbeigeholten Worten zuſammengeflickt, 
nichts zeigt Begeifterung oder Originalität, und beftánbig bes 
merft man die Angft der Dichter vor dem Berftof gegen 
dieſe oder jene Megel. Der Erfolg von dergleichen Stüden 
bei ber Darftellung war begreiflicher Weife fehr gering, wie 
fehr ſich auch die Kritiker Mühe gaben, fie ale Meifterwerfe 
-anzupreffen. Sranzöftfche Luftfpiele nad Spanten zu verpflan- 


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zen, ließ ſich um die nämliche Zeit befonderd Thomas be 
Iriarte angelegen fein; auch fchrieb er aus eigener Erfin- 
Dung. Mehreres in bemfelben Styl, was fic) durchaus Feines 
Beifalls zu erfreuen hatte. Andere Luftfpiele, voll von Regel 
maͤßigkeit, aber Ieer an fonftigen guten Eigenfchaften, wurden 
von dem genannten älteren Moratín, von Cándido Maria 
Trigueros und Anderen verfaßt. Der Legtgenannte gab 
Sid) auch die Mühe, die Estrella de Sevilla und den An- 
‚zuelo de Fenisa bes Lope de Vega nad) den neu gelernten 
‚Regeln umzuarbeiten. Ein Gleiches nahm Don Sebaftian 
y Latre mit ber. Progne y Filomena des Rojas und mit 
Moreto's Parecido en la corte vor *). Aber fo groß war 
‚noch die Anhänglichkeit des Publifums an feine alten Dichter, 
; Daß. es die DVerfälfchung des letzteren Stücks nicht auf der 
Bühne dulbete, fondern ble Schaufpieler nöthigte, dasfelbe am 
folgenden Tage in feiner urfprünglichen Geftalt qu geben. 
Gn der That vermochten alle Diatriben ber Gelehrten 
"mb der ihrem Volte abtrünnig gewordenen Dichter die Nas | 
tionalcomödien nicht vom Theater zu vertreiben. Bine grofe 
Anzahl von Stüden des Calderon, Moreto und Rojas und 
vieler der anderen alten Lieblingeerhielt fid) beftändig auf Dem 
Repertoire. Gn diefen Gedichten Tebte fa mit ben alten Erz 
innerungen der alte Ruhm, wie hätten fie dem Spanier nicht 
theuer bleiben follen! Weber manche der geiftlichen Schaufpiefe, 
wie über Los zelos de San Josef von Ehriftoval de Mons 
roy und über ben Cain de Cataluña von Rojas, erging 
freifich „weil fie auf Degenftánde der Religion ein lächerliches 
Licht würfen“, dasſelbe Berbannungsurtheil, welches ſchon 


»- Bor der Ausgabe dieſer beiden Stüde, Madrid 1770, findet ſich 
‚auch ein ganz inpalteleerer Ensayo sobre la Comedia española. 
. 31 * 


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die Frohnleichnamsſpiele getroffen hatte; aber mit deſto größe: 
rem Enthuſiasmus wurden ſtets diejenigen aufgenommen, 
welche vor einer engherzigen moralifchen Anficht nod) Gnade 
fanden. — Aud) an neuen Theaterftüden, die wenigftens in 
den äußeren Umriffen fid) ben alten einheimifchen anfchloffen, 
war fortwährend fein Mangel. Sd darf mich nicht rühmen, 
viele von den zahfreihen Werfen des Fermin bel Rey, 
Manuel Fermín de Llaviano, Luis Moncin, Zofe 
Conha, Antonio de Vallabares y Sotomayor 
und anderer hierher gehörender Schaufpielfchreiber aus ber 
Zeit Karls IN. und IV. gelefen zu haben; aber nad) einigen, 
víe ich ferme (3. B. el Asturiano en Madrid von Mons 
ein, einer ganz rohen und widerlich poffenbaften Comedia 
de Figuron, die id nod) vor wenigen Sabren zu Granada 
babe fpielen fehen), und nad bem übereinftiinmenden Urtheil 
aller Spanier, welcher Partei fie aud) angehören mögen, find 
dieſelben durchaus von allem Kunftgehalt entblößt und ftehen 
mindefteng eben fo tief unter den Probuetionen des Cañizares 
und Samora, wie biefe unter denen des Ealberon. Befonderen 
- Ruf erwarb fi im legten Drittel des achtzehnten Jahrhun⸗ 
dert8 Luciano Francisco Comella, von bem man ges 
rühmt hat, „er fei bem alten Natfonalftyl näher gefommen, 
als irgend ein Anderer feiner Zeit;“ aber auch feine Schar 
fpiele find äußerft rob, durch Kriegslärm und melobramatifche 
Effekte auf den Beifall des PObelS berechnet; von dem Geifte 
over aud) nur der fpradjlichen Zierlichkeit ſelbſt der fchlechtes 
ften Dichter aus Calderons Zeit ift auch Fein Schatten mehr 
übrig geblieben. Diefer Somella hat namentlid) viele Ereigs 
niffe der neueren Geſchichte auf die ſpaniſche Bühne gebradht. 
Die nordifchen Namen in feiner Catalina II. en Cronstadt, 
feinen Federico Il. en el campo de Torgau múffen den 


- 


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Spaniern wunderlich geflungen haben. Aud) ein Wilhelm Tell 
son ihm ift vorhanden. — Andere Comödienſchreiber, die fid) 
ihm angefchloffen, find Gaspar de Zavala y Zamora 
und Vincente Rodriguez de Arellano. 

Sn fehr erfreulicher Weife ragt aus ber Mitte feiner 
Zeitgenoffen der im Auslande zu wenig befannte Don Ras 
mon de la Eruz hervor. Diefer merfwürdige Mann, der 
mit vollem Namen Ramon de la Eruz Gano y Olmedilla 
beißt, wurde im Sabre 1731 zu Madrid geboren und ‚vers 
brachte den größten Theil feines Lebens ruhig in feiner Vas 
terftabt, wo er ein nicht unbedeutendes Civilamt befleivete. 
Er ftarb um ben Ausgang bes achtzehnten Sahrhunderts. 
Seine Bildung blieb von den franzöfifchen Doetrinen nicht 
unberührt; einige Tragódien und Comödien, die er fohrieb, 
find ganz nad dem claffifchen Syſtem gemobelt. Aber fein 
Talent wollte ſich nicht in die Feffeln fchmiegen, die Ihm 
fein Verftand auferlegte; um einen freieren Spielraum für 
die Entfaltung beffelben zu gewinnen, warf er fid auf das 
Fach der Saynetes, eine Gattung, die faum zur Literatur 
gezählt wurde und welcher Daher von den engherzigen Rritis 
fern, die eS unter fhrer Würde hielten, fic) damit abzugeben, 
noch Feine Regeln dietirt worden waren. Ramon de la Cruz 
fhrieb mehrere Hundert folder Saynetes, die mit allge- 
meinem Beifalle aufgenommen wurden *). Literarifche Pri: 
tentionen auf Autorruhm fcheint er dabei gar nicht gemacht 


%) Ein Theil derfelben wurde mit den größeren Schaufpielen des 
Ramon de la Cruz zufammen zu Madrid 1786 — 91 in zehn Bändchen 
gebrudt. Eine neue Ausgabe der Saynetes allein, in welche auch die uns 
gebrudten aufgenommen werden follen, tft in ben legten Sahren zu Ma- 
drid begonnen worden. Der exfte Band, den ich allein gefehen habe, ent: 
hält $4 Stüde. 


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zu haben; ſich Telbft ein Paar heitere Stunden zu verfchaffen 
und feinen Zuhörern die Luſtigkeit, die ihn ſelbſt erfüllte, 
mitzutheilen, war alleın Anfchein nach fein einziger Zweck 
Aber troß diefer Sorglofigfeit, mit der er arbeitete und die 
fih freilich bisweilen in der mangelnden Gultur feiner Dar: 
ftellung zeigt, hat er mehr in ber komiſchen Dichtung ges 
leiftet, al8 irgend einer von feinen Zeitgenofjen. Bon feher 
war das Sapnete feinem Begriffe nad) nicht mehr geweſen, 
als die naturtreue Schilderung irgend eines komiſchen Mos 
ments aus dem gewöhnlichen Leben; wie viel ober wie wer 
nig eigentlich dramatifchen Charakter er ihm burd Plan und 
Verwickelung geben wollte, hatte ganz im Belieben des Did» 
ters geftanden. Aud) Ramon de la Eruz behielt biefe Gat- 
tung bei, wie er fie überfommen hatte; er gab derfelben hier 
und da eine Ausdehnung, welche fie mehr bem eigentlichen 
Luftfpiel annáberte, aber er verzichtete nicht auf das Recht, 
einzelne Scenen, die nur durd) fid) ſelbſt intereffiren wollen, 
ohne weitere innere Berfnüpfung an einander zu reihen. Ganz 
unbillig alfo ift eS, Die Saynetes unferes Dichters, wie bie 
fpanifchen Kritifer gethan haben, nad) den firengen Gefeten 
der dramatifchen Compofition, denen fe ſich abſichtlich ent 
ziehen, zu beurtheifen, und aller Tadel, der von diefer Seite 
über fie ergangen tft, hebt fich felbft auf. Nehmen wir fie 
nun als bas, was fie allein fein wollen, als unmittelbar 
nad) der Natur aufgefaßte Tebensbilder, fo fünnen wir ihnen 
mit Bezug auf die außerordentliche Naturwahrheit, auf bie 
Lebhaftigfeit der Darftellung, den Reichthum des Witzes und 
die Fomifche Stärfe den entfchiedenften Beifall nicht verfagen. 
Obgleich die gemeine Wirklichkeit copirt wird, fehlt es dod) 
nicht an poetifchen Colorit, das fchon burd) den Phantafies 
reichthum, durch das Malerifche in Sitten und Sprache des 


Südländers an die Hand gegeben wurde. Die meiften und 

vorzüglichiten. diefer Stüde bringen die unterften Volksklaſſen 
auf die Bühne. Die Laftträger und Maulthiertreiber, die 
Obſthändlerinnen und Fifchweiber werden darin, Jeber in 
feinem Coftüm „und mit den ihm, eigenthümlichen Debráuden, 
vorgeführt; wir. feben und bald auf einen Sahrmarft, bald 
unter die Zufchauer eined Stiergefechts, bald in das innere 
eines Wirthshaufes, bald in die Mitte eines Pilgerzuges, 
oder zu bem Fefte irgend eines Heiligen verfegt: und alle 
diefe Gemälde find mit fefter Meifterhand entworfen, zeigen 
in jedem Zuge Leben und Bewegung, und in der Anordnung 
der Gruppen herrſcht, troß bes Gewimmels ber Perfonen, 
überfichtliche Klarheit. Mit befonderem Intereffe wird man 
die Sagnetes Tefen, in welchen die Fangweiligen Tragödien 
nad franzöftfchem Mufter mit ihrer froftigen Rhetorik, ihren 
gemachten Affeften und ihrem Blutvergießen um nichts und 
wieder nichts. parodirt find. Hierher gehören El Marido so- 
focado, El Muñuelo, La Zara, Manolo. Befonders köſtlich 
it Manolo, weine Tragödie zum Lachen oder ein Saynete 
zum Weinen,” ganz in den fünffüßigen Samben ber Elaffts 
fen Tragödie und in hochpathetifchen Style gefchrieben, der 
dem Mabrider Gaffenpöbel in den Mund gelegt wird und 
im Gontraft mit ber Niedrigfeit des Gegenftandes, wie im 
Berein mit den hier und ba durchbrechenden gemeinen Re- 
dengarten eine unfáglid Fomifche Wirkung madt. Die Handlung 
tft, ebenfo wie die Sprache, eine Traveftie des regelmäßigen 
Trauerfpield. Als fid der tragifche Knoten zu ſchürzen bes 
ginnt, fpricht einer der Mitfpieler: 
| | | — — Pier 
Beginnt das Intereffe der Tragödie; | 
Und, daß die Slufion vollfommen fei, 


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Mög’ ihr Apollo nidht allein bie brei 
Einheiten, fondern hunderttauſend geben, 
Sa lieber gleich bas ganze Einmaleins. 

Am Schluffe findet ein Kampf zwifchen bem Kneipen 
wirth, der Eaftanienhänbdlerin, den Strafenjangen und ben 
andern Helden ähnlichen Gelichters, welche das Perfonal 
bilden, Statt. Nachdem fchon die Meiften im Kampfe geblies 
ben, endigt die Tragóbíe folgendermaßen: 

Vater Matute. 


Da fie Alle 
Geftorben find, fo will ich gleichfalls fterben, 
Um mir die often für die Trauerfleider 
Und die Beerb’gung zu erfparen. 


(Er ftirbt.) 
"Remilgada. 
10, 
Mein Bater! 
Mediodiente. 
Höre mich! 
Remilgada. 


Ich kann nicht hören, 
Denn ich muß auch in aller Eile ſterben. 
(Sie ſtirbt.) 
Potagera. 
Und ich nicht minder, da Manolo ſtarb. 
Sogleich will ich den Doctor rufen Taffen 
Und Tege mich zu Bett; denn es iſt Regel, 
Daß man mit Anftand fterben muf. 
(Ab.) 





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Sebafttan. 
Nun, Freund, 
Mir bürfen, hoff’ td), doch am Leben bleiben? 
Mebivdiente. : 


ES Hilft die nichts, in ben Tragödien muß 
Einmal geftorben fein, und Einen nur, 
Den Zähften, darf der Dichter Ieben laſſen, 
Um die moraliſche Sentenz zu fprechen. 


Sebaftian. 
So fprid fie denn, und denk', ich fei vor Lachen 
©eftorben. 

Mediodiente. 
Alſo Acht gegeben! — Was, 

Ihr Arbeitsleute, Hilft Euch all Ewr Müh'n? 
Wozu iſt alle Qual der Woche nütz, 
Wenn ihr nachher am Sonntag oder Montag 
Den Wochenlohn in's Wirthshaus tragen wollt? 

Auch die Saynetes des Ramon de la Cruz, welche im 
Kreiſe der Mittel- und höheren Klaſſen ſpielen, theilen den 
Vorzug naturtreuer Färbung und höchſter draſtiſcher Beweg⸗ 
lichkeit; zugleich verdienen dieſelben als die wahren Quellen, 
aus denen die Sittengeſchichte der Zeit geſchöpft werden kann, 
Aufmerkſamkeit. Sie zeigen, welchen großen Umſchwung in 
Sitte und Sinnesart ein halbes Jahrhundert in Spanien 
herbeigeführt hatte; denn Hunderte von Scenen begegnen uns 
hier, welche der Denkweiſe und den Grundſätzen der früheren 
Zeit durchaus zuwiderlaufen. Die Liebſchaften zwiſchen einem 
vornehmen Herrn und einer Manola oder Madrider Griſette; 
die Zudringlichkeit der Abates, die ſich bald als Hausfreunde, 
bald als Muſiklehrer oder unter anderen Masken im Schooße 


— 40 — 


der Familien einzuniften wiffen; die Freiheit der Weiber und 
enblih gar der Eortefo oder Gayaliere fervente, ber einer 
jungen Frau nicht fehlen darf: dies Alles führt uns in eine 
neue Welt der Sitte, in welcher von der früheren Gravität 
bes Adels, von feinen Chrenbegriffen und von der alten Eis 
ferfucht feine Spur mehr übrig geblieben if. 

In der Rritif hatten Luzan und diejenigen, welche feine 
Marimen alg Olaubensartifel verehrten, lange durchaus das 
Uebergewicht behauptet ; denn zwei vom entgegengefegten Stand 
punfte ausgehende Schriften über Dramaturgie *) - waren 
faft fpurlos vorübergegangen. Erft in ben achtziger Jahren 
begann ein patriotifher Mann, Vicente Garcia de la 
Huerta, Diítglieo ber ſpaniſchen Afademie und Föniglicher 
Bibliothekar (geboren 1742), die alten Dramatifer gegen die 
Schmähungen der Balliciften zu vertheidigen. Ehe La Huerta 
biefen Kampf unternahm, hatte er einige Dramen geichrieben, 
in welchen, nur mit einigen Mobificationen der franzöftfche 
Zufchnitt und die fteife Regelmäßigfeit vorherrfchen. Mit bes 
fonderem Beifall war darunter die Raquel (1778) aufge- 
nommen worden. Weber die Mißlungenpeit diefer Tragödie tfl 
peut zu Tage wohl nur Eine Stimme; die Handlung if ganz 
nah Diamante und mit Aufopferung aller Möglichfeit und 
Wahrſcheinlichkeit in die drei Einheiten gezmängt; was aber 
die Darftellung anlangt, fo findet ſich nichts, was von 
wahrer Dichtergabe zeugte, wohl aber viel hohles Pathos 
und falfche Nhetorif. Nod) weniger alg die Raquel war ber 
Agamemnon vengado geeignet, den Glanz des cafliliant- 


5) Discurso critico sobre las comedias de España de un in- 
genio de esta corte, Madrid 1750 (der Verfaffer ift Ignacio de Loyola). 


Die zweite Diefer Schriften, ein Discurso critico von Thomas 3avas- 


leta, ift mir nicht befannt geworden. 


— — — Men 


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fiden Drama’8 wieder Herzuftellen. Hatte nun la Huerta 
wenig Anlage zum Schaufpfefdichter bewährt, fo zeigte .er faft 
nod) weniger Beruf zum Rritifer. Der ehrenwerthen patrios 
tifhen Geſinnung, welche ihn zur Herausgabe einer Auswahl 
aus ben älteren Bühnenftüden ver Spanier beftimmte °), 
ſoll die gebührende Anerfennung nicht verfagt werben; allein 
vie Vorreden feined Theatro hespafiol, in denen er ben: 
franzöftichen Geſchmack zu befämpfen fuchte, zeigen, daß er 
nicht der Dann war, um die Nationalität mit Erfolg gegen 
die Auslándereí zu vertreten. In diefen Vorreden wimmelt 
es von Ausfällen gegen die Galliciften, „dieſe biffigen und 
neidiſchen Kritikaſter“, gegen Racine, „biefen froftigen und 
langweilig gewiffenhaften Pedanten“, und überhaupt gegen bie 
„in allen ihren Theilen verachtungswerthen Tragödien und 
Lufifpiele ber Franmjofen;” aber es findet fich darin nichts 
Pofitives zur Vertheidigung der romantiſchen Poeſie, Feine 
Spur von einer äfthetifchen Erfenntnif ihres Weſens. Auf 
ber anderen Seite zeigte La Huerta, während er in 
mafilofen Ausfällen gegen die antinationale Partei tobte, Doch 
wieder fo viel Zaghaftigfeit, daß er in feine Sammlung nur 
die altfpanifchen Stüde aufzunehmen wagte, welche am we⸗ 
nigften gegen die mechantfchen Regeln der Franzoſen verfties 
Ben, vornämlidy alfo Sntriguenfpiele und Comedias de Fi- 
guron, aber fein einziges von den fehönften Hiftorifchen und 
geiftlichen Dramen Lope’s, Calderon's, Tirfo'8 oder Mores 
t0’8. — Der Erfolg von La Huertas Beftrebungen mußte 
inter biefen Umſtänden fehr gering fein; feine Taftif war 
ſchlecht berechnet, fie verfehlte bas Ziel ihres Angriffe, 


9) Theatro Hespañol, por D. Vicente Garcia de la Huerta, 
Madrid 1785 sqq. 17 Bändchen. 


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und wir glauben wicht zu viel zu fagen, wenn wir behaup- 
ten, das oftgenannte Theatro español habe auf die ferneren 
Schidfale der fpanifhen Bühne in feiner Art eingewirkt. 
Faft alle Tagesblätter, die um biefe. Zeit ſchon bedeutenden 
Einfluß auf die öffentliche Meinung übten, der Pensador 
(von dem befannten Clavijo), ber Censor, das Memorial 
literario, die Espigadera, ftimmten in den von Luzan am 
geichlagenen Ton ein, und bas Borurtheil zu Gunften ber 
elaffifchen Regelmaͤßigkeit befeftigte fidy bei den literariſch Des 
bildeten immer mehr. 

Unterbeffen bot die Bühne das buntſcheckigſte Schaufptel 
von heterogenen Formen, von Altem und Neuem, von Gus 
tem und Schledhtem dar. Den einen Abend wurden die hoͤl⸗ 
zernen Puppen Racíne'3 und Corneille's in Bewegung ges : 
fegt und man vernahm In monotonen fpanifchen Jamben das, 
was bie Franzofen „gehaltene Würde des tragiichen Styls” 
nennen, nämlich Tächerlihe Marionettenphrafen, wie die fol- 
genden: Ä | 


Mourons, mon cher Osmin, moi comme un vizir, et toi 
Comme le favori d'un homme tel que moi. 
(Racine, Bajazet.) 


Den nádften Abend ward ein Drama von Lope ober 
Galderon gefpielt, dann folgte eine Oper von Metaftafto, ein 
Luftfpiel von Moliere, Regnard oder Goldoni, und den 
vierten Tag ergögte fih das Publifum an einem Speftafel- 
ſtück von Balladares oder Gomella. Aber die Mannichfaltigkeit 
ging noch mehr in's Große; fchon 1770 Batte Gaspar de ' 
Sovellanos, diefer im Uebrigen um fein Vaterland hoch⸗ 
verdiente und geiſtvolle Mann, ein bürgerliches Drama. voll 
häuslichen Jammers und bidaftifcher Tendenz, El delincuente 


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honrado gefchrieben; von dieſem Stücke mag wahr fein, was 
ein Spanier ihm nachrühmt, „daß es gelunde Ideen über 
Moral und Gefebgebung enthält und fich die Bekämpfung 
trauriger Borurtheile angelegen fein läßt“, aber mit ber 
- Poefte hat es offenbar nichts gemein. Gegen Ende des acts 
zehnten Jahrhunderts famen nun nod) manche folder thránens 
und moralreihen Scaufpiele aus ber Diderot'ſchen Schule 
über die Pyrenáen, und Franfreid) wurde zu einem Kanal, 
dur ben ſich allmaͤlig aud Melobramen fo wie englifche 
und deutfche Theaterflüce ber fehlechteften Art (von Lillo und 
Kogebue) nad) Spanien zogen. So ging der eigentlihe Nas 
: ttonalfigl der fpanifchen Bühne denn völlig in dem Gemiſch 
- verfchiedenartiger Formen verloren. Das achtzehnte Jahr⸗ 
hundert vererbte Dies bunte Allerlei des Repertoire's auf bas 
folgende. Mehrere der ſchon genannten Schaufpielverfertiger, 
wie namentlid Gaspar de Zavala y Zamora (geftorben 
1806) und Vicente Rodriguez be Arellano fuhren 
fort, ungefhlacdhte Comödien zu fehreiben, bie auf der Stus 
fenleiter der Entartung etwa eben fo tief unter Denen bes Lope 
ftehen, wie diefe über den erften Anfängen der Kunft; die 
ordínáren Galliciſten gaben fchlechte Ueberfegungen und Nach⸗ 
abmungen franzöfifcher Werke, nod) ordinárere Fabrifarbeiter 
führten, wie Martinez de la Rofa ſich ausdrückt, bie nichts» 
würdigften ausländifhen Producte, wahre Contrebande ber 
Kunft, in Spanien ein, und vollendeten die Verderbnif des 
Geſchmacks: zwifchen allen diefen theild todten Arbeiten des 
Gelehrtenfleißes, theils wüſten Mißbildungen aber gingen 
noch immer beträchtlich viele der älteren Comödien, verwun⸗ 
dert, fich in folder Gefellfehaft zu fehen, über bie Bretter. 

Wie die Schickſale des fpanifihen Theaters nad feiner 
Dlithenperiode nur in allgemeinen Umriffen und ohne Vers 


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weilen bei Einzelheiten geſchildert worden find, fo fand ſich 
auch feine Gelegenheit, von ben gefeiertíten Schaufpielern 
des achtzehnten Jahrhunderts zu ſprechen; nur ¿wei derfelben 
haben fi) fo hervorgethan, daß. ihre Namen bier nachgeholt 
werben. müflen; es find: Damian de Gaftro, ein Acteur, 
‚der fich befonders in den fogenannten FSiguron- Rollen auge 
-zeichnete, und zwar fo fehr, daß bie meiften Comedias de 
Figuron von Cañizares und Zamora für ihn gefchrieben fein 
.follen; er blühte zur Zeit Karl's II. und Philipps VI; Mas 
-ria Ladvenant, bie celebrirtefte Schaufpielerin ihrer Zeit, 
von welcher Signorelli, der fie nod) - fpielen ſah, fagt: fie 
.fet werth, unter die geiftooliften und Tebendigften Künftlerinnen 
alter und neuer Zeit gezählt. zu werden; vorzüglich glänzte 
-fie in den Schaufpielen pon Ealberon und Moreto; fie ftarb 
1767 , exft vierundzwanzig Jahre alt. 

Auf die weitere Geftaltung der fpanifchen Bühne, wirkte 
durch Rritil und Production befonders .ein Mann.-ein, der, 
wenn man gleich mit- feinen Principien feineswegs einver- 
standen fein und auch fein Dichterifches Talent nicht eben hoch 
anfchlagen kann, doch wegen feines ernften Gtrebeng und 
wegen feiner hübfchen Begabung weder mit ben. geiftlofen 
Pedanten, nod) mit den handwerksmäßigen Combdienfabris 
fanten feiner Zeit verwechfelt werben darf. Leandro Fer⸗ 
‚nandez des Moratín, Sohn des fon erwähnten gleid)s 
. namigen Dichters, geboren zu Madrid 1760, geftorben, nad) 
„einem vielbewegten Leben, zu Paris im Jahre. 1828, richtete 
fhon früh feine Aufmerffamfeit auf das Theater und machte 
die Reform deffelben zur Hauptaufgabe feines Lebens. Meber 
die Richtung, die er zur Erreichung biefes Ziels verfolgen 
zu müffen glaubte, fpricht er fich feloft in ber Borrede zu 
‚feinen gefammelten Werfen folgenbermafien aus: „Sch fab 


— 498 — 


von frähb an ein, Daß zur Ausrottung der eingewurzelten 
Uebel, welche unſere bramatifche Poeſte in einem ſchmach⸗ 
vollen 3uftande von Rohheit und Ertravaganz zurüdhielten, 
die bloße Kritik nicht hinreichte: eS mußten wiederholte Bets 
fpiele gegeben, es mußten Schaufpiele nad ben Regen der 
Kunft gefehrieben werden. Ein Eontemporiftren mit den Frets 
heiten Lope's over mit ben verrvorrenen Geweben Calderon's 
war dabei nit zu dulden; Beide hatten Nachfulger ohne 
Zahl hervorgebracht, durch welche das ſpaniſche Drama wábs 
rend zweier Sabrhunderte in einen Zufland ber äußerſten 
Verderbniß verfeßt worden war; ein Mann von tüchtiger 
Bildung durfte dem Irrthum feine neue Autorität leihen; 
bas Uebel durfte nicht vertufcht, eS mußte von Grund aus 
‚gehoben werben.” Moratin legt am angeführten Orte dann 
weiter dic Grundfäße dar, welche ihn bet der Abfaffung fet 
‚ner Luftfpiele (denn bie anderen Gattungen des Drama’s, 
Heß er außer dem Kreife feiner kritiſchen und und Titerarifchen 
. Beftrebungen) geleitet hätten. Das Luftfpiel müffe bie dialo- 
giſche Nachahmung eines Vorfalls fein, der fih an einem 
Drt und in wenigen Stimden unter Privatperfonen zuge⸗ 
tragen babe, und es miffe burd die Darftellung. Deffelben, 
mittelft der angemeffenen- Schilderung von Affeften und Cha⸗ 
rafteren, die gewöhnlichſten Fehler und Irrthümer der Gefells 
ſchaft Tächerlih machen, die Wahrheit und Tugend dagegen 
empfehlen.“ Man flebt, es find hier faft eben fo viele engs 
herzige Vorurtheile und Mißverſtändniſſe vorhanden, wie Worte, 
ed findet fih auch nichts irgend Neues, die Boileau'ſchen 
Srrthümer find nur auf die höchſte Spite getrieben. Wäre 
nun Moratín nur ber beichränfte Pedant, alg welcher er in 
feinen kritiſchen Ausfprüden und in dem Spflem, das er 
: feinen Dramen zu Grunde legte, erfcheint, er würde nur 


— 498 — 


mit einen Diontíano oder Luzan den traurigen Ruhm - theilen, 
Kritit und Poefte tn ein Metier verwandelt zu haben; aber 
er beſaß ein Talent, das ſich trog der Bornirtheit feiner 
äfthetifchen. Anfichten in erfreulicher Weife geltend zu: machen 
wußte und ung die freiwillige Einengung bebauern läßt, welcher 
er daffelbe unterwarf. Als Theoretiker hat er unfireitig einen 
durchaus nachtheiligen ‚Einfluß geübt, indem er gerade bas, 
was ganz außerhalb bes Poetifchen liegt, zur Norm ber 
Poefie machte und mit engherziger Intoleranz über Alles, 
was .diefem Mafftabe nicht entſprach, abımtheilte; als Lufls 
fpieldichter dagegen Bat er, dus darf ihm nicht abgeſprochen 
werden, zwar nicht die höheren Eigenfchaften, welche zu dem 
Berufe eines folden gehören, aber einige won den unterges 
orbneteren befeffen und überhaupt etwa fo viel Poeſie ent⸗ 
faltet, al8 mit bem Hauptzwede einer »belehrenven ‚Unter 
haltung“ vereinbar ift. Erfindungsgeift und Phantafte, tiefe 
Blide in das Menfchenherz und. in das Innere der Lebens 
verhältniffe darf man bei ihm nicht fuchen, wohl aber treue 
Schilderung der Sitten feiner Zeit, einen oft treffenden Mig 
und einen eben fo fließenden als eleganten Dialog, der bel 
aller Natürlichkeit bob nie in jenes triviale Geſchwätz vers 
fällt, welches anderen Comödienſchreibern, 3. B. dem Gol⸗ 
dont, für Natur gilt. Ueber biefen berühmten Staliener, bem 
Moratín in mander Hinficht etwa parallel zu ſtellen ſein 
möchte, erhebt ſich der Spanier, außer durch das mehr poe⸗ 
tiſche Colorit der Diction, auch noch durch die ‚größere Stärfe 
des Witzes; aber er ftebt ihm bedeutend nad) in der Erfindung 
und Coinplication der Fabel. | 

Das erfte Stüd, welches Morntin der Büpne gb, war 
El viejo y la niña, aufgeführt 1790. Das inaterielle Ges 
rúft der Handlung iſt, wie in allen feinen Dramen, nicht viel 


— — — 


— 497 — 


werth, bie Verwickelung ärmlich, und die allzu fichtlich hervor⸗ 
tretende Tendenz, die Rachtheile einer Ehe zwiſchen Perfonen 
von ungleichen Jahren anſchaulich zu machen, Täßt feine rechte 
Poeſie auffommen. Die Verfe find durchgehende vierfüßige 
Trochäien ınit ber Affonanz, die immer durch einen ganzen 
Akt feftgebalten wird. Moratín war durch fein mißverftandes 
nes Natürlichkeitsprincip zu ber Meinung verleitet worden, 
die Profa oder das genannte Maaß feien, alg ber Redeweiſe 
des gewöhnlichen Lebens am nächflen fommenb, allein für 
das Luftfpiel geeignet. Wahrlich, es tft recht merfwürbig, zu 
feben, wie eine falfche Theorie einen geiftreichen Mann fo 
irre führen Fonnte, daß er freiwillig auf die Vorthefle bes 
alten, bis zur Vollendung ausgebildeten Syſtems verzichtete 
und ftatt deffen ein auf die Länge höchſt monoton werdendes 
Metrum oder gar die ungebundene Rede abdoptírte. — Mos 
ratin’8 zweites, 1792 aufgeführtes Stüd war La comedia 
nueva, cin Angriff gegen bie ſchlechten Schaufpielfchreiber 
des Tages (bas heißt gegen Somella und beffen Genoffen); 
die vtele feichte Kunftweisheit, die hier ausgeframt wird, 
ſchwaͤcht wieder bie Wirkung, die einzelne wirklich treffende 
fattrifche Hiebe hervorbringen fónnten. (ES war übrigens bem 
Berfaffer Ernft mit feinem Vorhaben, die fpantfche Bühne 
zu reformiren. Er unternahm um diefe Zeit eine Reife nad 
Frankreich, England, Deutfchland und Italien, um die Theater 
diefer Länder fennen zu lernen. Die Frucht diefer Reife war 
eine Ueberſetzung des Hamlet; aber dieſe zeigt, daß er in ber 
Fremde nichts Neues gelernt hatte. Die Vorrebe und die An- 


merkungen dazu bewelfen, wie gänzlich ihm die Fähigkeit verfagt 


war, poetiſche Kunftwerfe in ihrer Totalität zu erfaffen; er 
nennt darin die englifche Tragödie eine eben fo aufierordents 
lihe wie monftröfe Production, deren Handlung durch uns 
Geld. d. Lit. in Spanien. IL. Bo. 32 


— 4098 — 


paffende Vorfälle und unnúge Epifoben geſchwächt werde und 
die nicht felten von der tragifchen Höhe herab tn grobe, auf 
das Gelächter des Publikums berechnete Bouffonerien ver: 
finfe; er vergleicht den AuSdrudf: not a mouse stirring mit 
den Worten der franzöftfchen Iphigenie 
Mais tout dort, et Parmée et les vents et Neptune, 

um zu beweiſen, daß Racine doch ein viel erhabnerer Dichter 
gewefen fet, als Shalfpeare; er macht zu ber erften Scene 
des englifhen Trauerfpield folgende Bemerkung : »Horatto, 
als ein gebifveter Dann, follte doch ſolchem Unfinn von Heren, 
Geiſtern und Zanberet feinen Glauben fchenfen! Dies Alles 
ift auf den Londoner Pobel und beffen Hang zum Wunbers 
baren berechnet; aber der dramatiſche Dichter hat die Pflicht, 
die Lafter zu tabeln und den Verftand aufzuflären, ftatt ber 
Untoiffenheit zu ſchmeicheln;“ ferner wird gefagt, Polontus 
tauge einzig zum Helden eines Zrotfchenfpiels; die Tobtens 
gräberfcene fet fo gemein, daß fie faum in der robften Poffe 
zu ertragen fein würde u.f. w. Doch genug von biefem Com⸗ 
mentar, der die Bewunberer Shaffpeare’s gewiß In die heiterſte 
Laune verfegen wird. Von feinen Reifen zurüdgefehrt, wurde 
Moratín von dem Gouvernement zum Mitgliede einer Junta 
ernannt, welche ſich mit ber Verbefferung des Theaters bes 
Thäftigen follte. In welchem Sinne er gewirft haben wird, 
läßt fic) denken; aber er trat bald von biefer Stellung zurüd. 
Die drei Schaufptele, welche er außer der Ueberfeßung einiger 
Molierefchen Stüde nod) in den Jahren 1803, 1804 und 1806 
zur Aufführung brachte, El Baron, la Mogigata und El si de 
las Niñas gelten für feine beften. Gn La Mogigata tft das 
Bild einer frómmelnden Heuchlerin mehr in feinen äußeren 
Umriffen lebendig gezeichnet, als in feinem innerften Weſen 
ergründet. Gu El si de las Niñas follen bie Gefahren ges 


— 49 — 


zeigt werben, weldje bamit verbunden find, wenn Eltern ihren 
Töchtern in ber Wahl eines Gatten Zwang auferlegen. Doña 
Francisca wird von ihrer Mutter aus bem Klofter, in welchem 
fie erzogen worden tft, zurückgeholt und mit dem ſchon in 
vorgerücktem Alter ſtehenden Don Diego verlobt. Dieſer 
wünfcht lebhaft, aus bem Munde der Braut ſelbſt zu Hören, 
daf er von ihr geliebt werde, aber die Mutter läßt die Tochter 
mie zu Worte fommen. Brancisca Tiebt im Geheimen den Nefs 
fen bes Diego, Don Carlos, mit bem fie ſchon von bem 
Kiofter aus ein Liebesverhältniß angefnüpft hat; als fie ihn 
von ihrer Lage unterrichtet, geräth er in heftige Bewegung; 
da er aber erfährt, daß ber Nebenbuhler fein Onkel fet, dem 
er vielfach zu Danf verpflichtet if, tritt er zurüd. So fcheint 
denn das Liebespaar für immer gefchieden zu fein; aber Diego 
erfährt zuletzt, daß Francisca feinen Neffen liebe, wird von 
dem Edelſinn, mit welchem diefer aus Rüdficht für Ihn zurüds 
getreten tft, auf's tieffte gerührt, und Tegt die Hand der De: 
liebten in bie bes Don Carlos, indem er am Schluſſe die 
Moral des Stüdes im folgenden Worten ausſpricht: „Da fehen 
wir, wie traurige Folgen ed hat, wenn den jungen Leuten 
Zwang angethan wird! Da fehen wir, mie viel man ſich auf 
das Ja der jungen Mädchen verlaffen kann!“ — Leber den 
Kunſtwerth diefer Stüde braucht nichts weiter gefagt zu wer⸗ 
den; fie zeigen bie fpärlichen Vorzüge, welche fon hervor: 
gehoben murben, aber freilich in noch weit höherem Grabe 
die Tähmenden Einflüffe des Joches, in das diefer Autor feinen 
ſchon an fid) nicht eben hochſtrebenden Pegafus gefpannt hatte. 
Wer von den Dichtungen der goldenen Periode unmittelbar 
zu denen des Moratin überginge,, bem müßte zu Muthe 
fein, vote etwa bem, der aus der üppigen Blüthenpracht des 
Frühlings yplöglih tu eine falte Winterlandfchaft verfegt 
7 32* 


würde. — Die fpätere Zeit feines Lebens widmete Moratín 
faft ausschließlich gelehrten Beichäftigungen und unter diefen 
namentlich der Sammlung und Beleuchtung ber älteflen Dos 
cumente des ſpaniſchen Drama'8. Ueber die Frucht dieſes 
Studium's, die Origenes del treatro español, ift in ber 
Vorrede zu dem vorliegenden Werfe gefprochen worden. 

Die Luftfpiele des Moratín machten Epoche, und mit 
Recht ; denn trog Allem, was uns hindert, diefelben mit ihren 
unbefchränften Bervunderern für Meifterwerfe zu erklären, 
fpringt doch ihr hohes Berdienft und ihre Ueberlegenbeit in 
die Augen, fobald man fie mit ben übrigen Comödien ders 
felben Zeit vergleicht. — Eine ähnliche Stellung zur Tragóbie, 
wie Sener zum Luftfpiel, errang fid) ungefähr um biefelbe 
Zeit Nicafio Alvarez de Cienfuegos, geboren zu Mas 
drid 1764, geftorben zu Orthez in Frankreich 1809. Diefer 
ebenfo durch den Adel feiner Geſinnung alg durch fein Dichter 
talent ausgezeichnete Mann verdient eine ebrenvolle Erwaͤh⸗ 
nung in der Befchichte der fpanifchen Poefle und darf in Feiner 
Art in die Reihe jener gelebrten Pedanten geftellt werben, 
welche fid) vor ihm bemüht hatten, das franzöftfche Trauers 
fpiel nad Frankreich zu verpflanzen. Daß er die gebundene 
und enge Form des legteren für ein nuthwendiges Requifit 
einer tragifchen Darftellung hielt, war ein Tribut, den er 
dem allgemeinen Vorurtheil feiner Zeit zollte; aber es war 
ibm Heiliger Ernft mit der Kunſt; er dichtete mit vollfter Seele, 
mit dem Herzen und Gefühle, nicht bloß mit dem Berftanbe, 
und fo gelang es ihm, feinen Tragddien Idomeneo, Zoraida, 
la Condesa de Castilla und Pitaco ein inneres poetiſches 
Leben mitzutheilen, das man an den meiſten Verſuchen ber 
Spanier in demfelben Style fo fehr vermißt. Hohe Würde 
der Geſinnung, poetifche Anfchauung, feurige Schilderung der 


— $1 — 


Leidenſchaften, edle Eharaftere und treffliche Gruppirung ber: 
felben zeichnen die genannten Trauerfpiele aus. Das gelun« 
genfte darunter möchte die Zorafde fein, welche Tragödie eine 
febr Iobenswerthe Anlage und Entwidelung bes Plans und 
eine wahrhaft erfchütternde Kataftropfe aufzumelfen hat; in 
einer freieren Form hätte ſich freilich dem romantiſchen Stoffe 
aus der Geſchichte von Granada noch ein ganz anderer Ers 
trag abgewinnen laffen. — Nicht gewöhnliche Anlagen für 
die Tragödie zeigte auch Manuel Jofé de Duintana 
(geb. zu Madrid 1772) in feinem Pelayo, aus welchem ein 
edler Geift in fráftiger und gebilbeter Rebe ſpricht. — In 
- Bezug auf die Sprache aller biefer Trauerfpiele fet nod) per 
vorgehoben, daß fie durchgehends in fünffüßigen Samben ohne 
Reim geichrieben find. So weit verblenbete bie Verehrung 
für die ausländiſchen Mufter, daß man dem fpanifchen Idiom 
ein Maaß aufzwängen zu múffen glaubte, welches die ganze 
Monotonie und bas Schleppende bes ftalienifchen Verso 
sciolto hat und deshalb aud von ben früheren Dichtern 
immer_nur in fehr eingefchränkter Weiſe angervanbt worden 
war. 
Man madht fi faum einen Begriff davon, in wie hohem 
Grade alle, felbft bie begabteften Geifter diefer Zeit ſich durch 
die verkehrten been von moralifhem Nuten, Regelrichtigfeit 
u. f. w. beherrichen Tiefen, fo daß fie allein von einer gänz- 
lichen Vernichtung ber Nefte des alten Nationaltheaters, die 
fih nod) bis auf ihre Tage erhalten hatten, Heil für die 
Bühne erwarteten. Hören wir nur, wie ber unvergefliche, 
um fein Vaterland fo vielfach verdiente Sovellanos fid in 
“ feiner Memoria sobre las diversiones públicas (Madrid 
1812, die Schrift (ft aber fon 1790 verfaßt) in biefer Be: 
ziehung ausſpricht: „Die Reform unferes Theaters muß mit 


— 502 — 


der Verbannung faft aller Dramen beginnen, ble heut zu 
Zuge aufgeführt werben; ich rede nicht allein von benen, 
weldyen man gegenwärtig einen albernen -und -barbarifchen 
Vorzug gibt, von den Mißgeburten hungriger: und unwiſſender 
Dichterlinge, welche allen Anftand.,. alle Wahrſcheinlichkeit, 
alles Intereſſe und alle gute Sprache von der Bühne vers 
bannen; dergleichen Monftrofitáten werben vor dem erften 
Blicke verſchwinden, den die Vernumft und ber gefunde Mens 
fihenverftand auf die Scene werfen werben: nein, id) meine 
auch diejenigen, welche mit Recht bei uns berühmt find, welche 
einft anderen Nationen zum Vorbilde gedient haben und welche 
von dem einſichtsvollſten und erleuchtetfien Tpeile unferer Ras 
tion nod) immer mit Freude und Entpufiagmus gefehen wers 
den; ich werde immer ber. Erfte fein, ihre unnadhahmlichen 
Schönheiten anzuerkennen, die Neuheit ihrer Erfindung, bie 
Schönheit ihres Stpls, den Fluß und die Natürlichkeit ihres 
Dialogs, die wunderbare Kunft ihrer VBerwidelung, das Feuer, 
das JIntereffe, ven Scherz und ben anmuthigen Witz, denen 
man in ihnen bei jedem Schritte begegnet: aber was hilft 
dies Alles, wenn dieſe felben Dramen, bei'm Licht der Res 
geln und vor Allem bei dem ber gefunden Vernunft befeben, 
von Taftern und Fehlern wimmeln, welche bie Moral und bie 
Holitif nicht dulden dürfen 9“ 

Die weitere Geſchichte des fpanifchen Theaters im neuns 
zehnten Jahrhundert wird fih am füglichiten an die Ermwähs 
nung ber einzelnen Dichter knüpfen. Wir fchiden bier nur 
einiges Allgemeine voraus. 

Durch die Werke des jüngeren Moratin und des Ciens 
fuegos faßte das claffifhe Spftem (wenn man einem Gewebe 
pon Vorurtheilen und Mißverſtaͤndniſſen biefen einmal pers 
gebrachten Namen laffen will) auch in der Praxis immer 


— 53 — 


feftere Wurzeln; man kann Die. ganze Zeit von 1800 68 1834, 
als die Periode von deſſen ausſchließlicher Herrſchaft bezeich⸗ 
nen. Einzelne Stücke in den freieren Formen ber. alten Cos 
mpbien wurden zwar nod) gefchrieben (3. B. von Gaspar 
de Zavala y Zamora, ber erft 1813 ftarb); auch kamen 
einige ausländifche Dramen, welche das Defeg der drei Ein- 
heiten nicht beobachteten, auf die fpanifche Bühne (z. B. das 
nichtswürdigſte aller Schaufpiele alter und neuer Zeit, Roge 
bue's Menſchenhaß und Rene): allein alle diefe Sachen wurs 
den nur als Caſſenſtücke für ben Pöbel angefehen, nicht 

eigentlich zur Literatur gerechnet; die Autoren, welche eine 
Iiterarifche Bedeutung anſprechen wollten, glaubten fich ben 
frangöfiichen Regeln unterwerfen zu müſſen. Ein Theil ber 
alten Nationalcomödien erhielt fich auf dem. Theater, aber 
mon fing an, willfürliche Veränderungen mit ihnen vorzus 
nehmen, um fie dem neuen Spflem näher zu bringen; man 
firid) die fcherzbaften Partieen, verwandelte die drei Jornadas 
in fünf, fuchte bie Ortsveränderung einzufcpränfen u. ſ. w., 
ohne zu bebenten, daß hierdurch ber ganze Organismus ber 
Werke zerftört würde. — Den regelrechten Tragódien einen 
Succeß zu verfchaffen, den fie vielleicht burd fic) felbft nicht 
erhalten haben würven, diente vorzüglich der berühmte Schaus 
fpieler Ifiboro Mayquez, beffen hier ausdrücklich gedacht 
werden muß. »Diefer große Künftler — fagt Martinez de la 
Reja — erhob die tragifche Declamation zu einer Höhe ber 
Vollkommenheit, wie fie in Europa felten tft und bis dahin 
in Spanien unbefannt geweſen war; er zeigte, in wie weit 
eS möglich fet, die Würde mit der Einfachheit zu verbinden, 
ven Ausdruck der Leidenfchaften burd) die Stimme, bie Ge- : 
berden, ja durch das Schweigen felbft wiederzugeben und ein 
Ganzes von folder Schönheit und Wahrheit aufzuftellen, daß 


— 52 — 


der Verbannung faft aller Dramen beginnen, ble peut zu 
Zuge aufgeführt werden; ich rede nicht allein von denen, 
welchen man gegenwärtig einen albernen -und barbariſchen 
Vorzug gibt, von den Mißgeburten hungriger und unwiſſender 
Didterlinge, welche allen Anſtand, alle Wahrfcheinfichkett, 
alles Intereſſe und alle gute Sprade von der Bühne vers 
bannen; dergleichen Monftrofitäten werben vor bem erften 
Blide verſchwinden, den die Vernimft umd ber gefunde Mens 
fihenverftand auf die Scene werfen werben: nein, ich meine 
auch diejenigen, welche mit Recht bei uns berühmt find, welche 
einft anderen Nationen zum Borbilde gevient haben und welche 
von dem einfichtsvoliften und erleudhtetften Theile unferer Ras 
tion nod) immer mit Freude und Enthuſiasmus gefehen wers 
den; ich werde immer ber. Erfte fein, ihre unnadhahmlichen 
Schönheiten anzuerfennen, die Neuheit ihrer Erfindung, bie 
Schönheit ihres Styls, den Aluß und die Natürlichkeit ihres 
Dialogs, die wunderbare Kunſt ihrer VBerwidelung, das Feuer, 
das Intereffe, den Scherz; und ben anmuthigen Wib, denen 
man in ihnen bei jedem Schritte begegnet: aber was Hilft 
dies Alles, wenn dieſe felben Dramen, bei'm Licht der Res 
geln und vor Allem bei dem ber gefunden Vernunft befeben, 
von Laftern und Fehlern wimmeln, welche die Moral und bie 
Holitif nicht dulden dürfen Y 

Die weitere Gefchichte des fpanifchen Theaters {m neuns 
zehnten Jahrhundert wird fih am füglichiten an bie Erwäh⸗ 
nung der einzelnen Dichter knüpfen. Wir fchiden bier nur 
einiges Allgemeine poraus. 

Durd) die Werfe des jüngeren Moratín und des Ciens 
fuegos faßte das claffifche Spftem (wenn man einem Gewebe 
pon Borurtheilen und Difoerftándniffen biefen einmal pers 
gebrachten Namen laffen will) auch in der Praxis immer 


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feftere Wurzeln; man kann bie ganze Zeit von 1800 bis 1834 
als die Periode von deſſen ausſchließlicher Herrfchaft bezeich- 
nen. Einzelne Stücke in den freieren Kormen ber. alten Cos 
mödien wurden ¿war nod) gefchrieben (3. B. von Gaspar 
de Zavala y Zamora, der erft 1813 flarb); auch famen 
einige ausländiſche Dramen, welche das Geſetz der drei Ein- 
heiten nicht beobachteten, auf die fpanifche Bühne (4. B. das 
nichtewürdigfte aller Schaufpiele alter und neuer Zeit, Roge: 
bue's Menſchenhaß und Rene): allein alle diefe Sachen wurs 
ben nur als Caſſenſtücke für ben Pöbel angefehen, nicht 
eigentlich zur Literatur gerechnet; die Autoren, welche eine 
literariſche Bedeutung -anfprechen wollten, glaubten fic) ben 
feangöfiichen Regeln unterwerfen zu miffen. Ein Theil ber 
alten Rationalcomödien erhielt fic) auf. dem. Theater, aber 
mon ‚fing an, willfürlihe Veränderungen mit ihnen vorzu⸗ 
nehmen, um fie bem neuen Spftem näher zu bringen; man 
Aid die fcherzhaften Partieen, vertwandelte die drei Jornadas 

in fünf, fuchte bie Ortöveränderung einzufchränfen u. |. w., 
ohne zu bevenfen, daß hierdurch ber ganze Organismus ber 
Werke zerflört würde. — Den regelrechten Tragödien einen 
Succeß zu verfchaffen, den fie vielleicht durch ſich felbft nicht 
erhalten haben würden, diente vorzüglich ber berühmte Schaus 
ſpieler Iſidoro Mayquez,. deffen hier ausprüdlich gedacht 
werden muß. »Diefer große Súnfiler — fagt Martinez be la 
Reja — erhob die tragifche Declamation zu einer Höhe ber 
Bolllommenpeit, wie fie in Europa felten tft und bis dahin 
in Spanien unbekannt gewelen war; er zeigte, in wie weit 
es möglich fet, die Würde mit der Einfachheit zu verbinden, 
den AuSbrud ber Leidenfchaften durch Die Stimme, die Ge⸗ 
berden, ja durch das Schweigen felbft wiederzugeben und ein 
Ganzes von folder Schönheit und Wahrheit aufzuftellen, daß 


_— 5 — 


: €8 zugleich emtzüdte und das Herz erſchütterte. Sein mannids 
faches und biegfames Talent hielt dem Publifum die volls 
fommenften Werke des Theaters zur Bewunderung vor, und 
felbft andere minder vollfommene erhielten vurd ihn einen 
Werth, ben fie in fich nicht befaßen. Dit Bewunderung und 
Zagen fahen die Zufchauer ben grofiberzigen Orosman, wie 
er mit ber Eiferfucht kaͤmpfte; fie ¿itterten, wenn fie ben 
Othello”) ſchweigend und das büftere Gemach mit den Blicken 


meffend eintreten fapen; wenn fie Cain ®) erblicten, wie er vers - 


‚ geblih mit dem verhängnißvollen Drange fämpfte, ber ihn 
zum Brudermorde fortriß; wenn fie Brutus fahen, wie er 
fih in feinen Mantel büllte und mit bebender Hand bas 
Haupt feiner Söhne dem erhobenen Belle ber Lictoren übers 
wies; mit einem Worte, fie bemunderten die hoͤchſte Vollen⸗ 
dung, zu welcher die Kunft gelangen kann, Indem fie in ber 
Nachahmung die Natur verfehönert.« 

Sp vereinigten Production, Kritif und Schaufpielfunft 
ihre Kräfte, um dem riguröfen Regelbrama einen dauernden 
Sieg zu ſichern. 

ES iſt das nic genug zu ſchätzende Verdlenft deutſcher 
Männer, namentlich des unvergeßlichen Schlegel (der das von 
Leffing begonnene Werk zum Ziele führte), zuerſt die innern, 


aus dem Weſen der dramatifchen Form fließenden Gefeße des - 


Schaufpield und zugleih das Kindiſche und Nichtige jenes 
mechanifchen Regelzwanges fhlagend und unwiderleglich dars 
gethan zu haben. Der Aberglaube an die Ariftotelifchen und 
Boileau'ſchen Präcepte, diefer Wahn, der die Literatur ganzer 


7) Der Othello des Dúcis, überfeht von Teodoro be la Galle. 


®) In La muerte de Abel von Antonio Sabiñon, nach Legouve’s 
Mort d'Abel. 


— 55 — 


Vólter zerrüttet und von ber Bahn ber naturgemáfien (Ents 
widelung abgeführt Bat, ift fo felbft bei den Nationen, welche 
ihm am bartnädigften anhingen, erichüttert worden; bie bald 
nad) dem Original erfähienene franzöftfche Ueberſetzung von 
Schlegel's Dramaturgie Härte felbft in ber Heimath bes 
modernen Claſſicismus viele Seifter über die alten Vorurtheile 
auf und bereitete den fpäter erfolgten Steg ber Romantiter 
vor. Aber feltfam! die fo glänzend und mit fo flegreicher 
Klarheit durchgeführte Theorie des berühmten deutfchen Rrés 
tikers blieb zunächſt ohne alle Ruͤckwirkung auf Spanien. Im _ 
glorreihen Kampfe fhüttelte die edle ſpaniſche Nation bas 
politiſche Joch des Nachbarſtaates ab, aber die Abhängigkeit 
von den literariſchen Defegen, die fie einft von dort empfangen 
Batte, dauerte fort. So tief hatten die franzöflfchen Sdeen in 
Spanien Wurzel gefaßt, ja fo fehr war ein großer Theil der 
modernen Spanier feinem Vaterlande und beffen eigenthüms 
lichen Erzeugniffen fremb geworden, daß ſich im Jahre 1818, 
alg unfer trefflicher Landsmann Böhl von Faber die Ans 
ſichten Schlegel’s über Ealberon tn fpanifcher Sprache befannt 
machte, ein allgemeiner Kampf gegen diefelben erhob; biefer 
Streit wurde in Tagesblättern und Flugſchriften aufs etfs 
rigfte geführt, und ber Deutfche mußte darin die Sadje des 
großen Eaftilianerd gegen die eigenen Landsleute bes Lepteren 
vertheidigen. Nod) im Fabre 1822 ward in einer befannten, 
von ſchatzbaren literarshiftorifchen Anmerkungen begleiteten Pues 
til das Syſtem der Unttäten und moralifchen Tendenzen mit 
derfelben Strenge eingefchärft, wie faft hundert Sahre früher 
in der des Luzan, und während bie bedeutendften Theoretifer 
einen fo apobiftifchen Ton anftimmten, hatten die Dichter 
feine Art von Ermuthigung zur Emancipation von den drücken⸗ 
den Gefjeln. Erft nachdem in Frankreich die neue Schule den 


— 56 — 


Sieg davongetragen hatte, als fogenammte romantifche Dramen 
felbft in das Heiligthum des Theatre francais eindrangen, 
begannen ſich and) in Spanien einige freiere Regungen Fund 
zu geben. Im Zahre 1834 ſtürzte bie Herrſchaft des Elaffi- 
eismus, und die Theater von Madrid öffneten fid für Dras 
men von minder gebundener Form. lm die Veränderung, 
welche in Folge diefed neuen Impulſes auf der fpanifchen 
Bühne vorgegangen éft, von Anfang an in das rechte Licht 
zu ftellen, mäffen wir fogleid) die beiden Parteien unterſchei⸗ 
den, von denen die Reartion gegen das claffifche Syſtem aus⸗ 
ging. Die erfte und unfireitig bei weiten achtungswertheſte 
ward von Solchen gebildet, welche ein Rüdlehr zu ben Nas 
tionalformen und die Verbindung berfelben mit Dem Geifte 
und den Anforderungen ber neuen Zeit prebigten. MIS der 
würbigfte Vertreter diefer Partei tft der trefflihe Aguftin 
Duran angufehen, welder in feinem Discurso sobre la 
decadencia del teatro espanol, in der Borrede zur Talia 
- española und in vielen Sournalartifeln mit eben fo vieler 
Einficht die früheren Mißverſtändniſſe aufflärte, als mit Wärme 
das alte Nationaltheater empfahl und den jüngeren Dichtern 
ven Weg wies, auf welchem, nicht durch ſclaviſches Anfchlies 
Ben, fondern durch freied Reproduciren zu einer Regeneration 
des lepteren zu gelangen wäre, Wirklich hatte diefer ausge 
zeichnete Mann die Freude, die von ihm empfohlene frucht⸗ 
bringende Straße bald von bedeutenden Zaleuten, unter denen 
wir befonderd Breton de los Herreros nambaft machen, 
betreten zu ſehen. — Nicht in gleich rühmlicher Weife fann 
der großen Schaar derer gedacht werben, melde, vom Taus 
mel der fogenannten romantifchen Schule in Frankreich forts 
geriffen, es fid) angelegen fein ließen, bie wüſten Stüde der 
Porte St. Martin nad. Madrid zu verpifanzen und Diefe in 


— 307 — 


eigenen Probuctionen nachzuahmen, oder welche, Die neuge⸗ 
wonnene Freiheit mißbraudend, Feine Hegel, Teine Schranfe 
anerkennen wollten; aus biefem Rreife find in Spanien eine 
Menge verwerflicher Dramen hervorgegangen, Dramen voll 
unnatürlicher Verbrechen, vol Mordfeenen und Blutſchande, 
Dramen, welche die widerwärtigfien Gräuel behaglich zur 
Schau ftellen und ftätt wirklicher Menſchen Zerrbilder von 
BDöfewichtern und Thoren zeichnen. Daß fih in manden 
diefer Schaufpiele, ebenfo wie in denen des Bictor Hugo, ein 
erfreulicher. poetifcher Lebensgeift rege, daß fie mehrentheils 
berechtigt gewefen feien, über bie todtgeborenen Erzeugniffe 
der Elafficiften zu flegen, wollen wir gar nicht Täugnen; und 
die Zügellofigfeit, die grelle Farbengebung mögen zum Theil 
als eine natürlihe Folge der erften gewaltfamen Reaction 
gegen die Tyrannei des alten Spflems entſchuldigt werben; 
aber doch müſſen wir es als- eine. ſehr glüdliche Erfcheinung 
fignalifiren, daß der erfle Raufch beffen, was man in Spas 
nien Romanticismus nannte, ziemlich bald verrauchte und 
Daß die begabteren Geifter, welche anfänglich in feinen Wirbel 
bineingezogen wurden, fid) bald aus ihm bervorarbeiteten, Die 
Bahn der Befonnenheit einfchlugen, der Wildheit und den 
ſchroffen Contraften entfagten und bet ihren Dichtungen Des 
müth und Natur zu Rathe zogen. Auf diefe Art haben mehrere 
Dichter, welche ¿uerft nur darauf ausgingen, das Publikum 
durch Schilderung wilder Leidenfehaften und durch flarfe Ge⸗ 
müthserichütterungen in ganz anarchiſchen Gebilden zu eleftris 
ſiren, mit den oben erwähnten Vertretern der beſſeren Rich⸗ 
tung gemeinſame Sache gemacht und verſchiedene ſehr lobens⸗ 
werthe Werke hervorgebracht. 

Den Zuſtand der ſpaniſchen Bühne im Jahre 1835, als bie 
Revolution gegen den Claſſicismus zuerſt feſtes Terrain zu finden 


— 508 — 


begann, können wir nicht beffer fepilbern, al8 mit ben Worten 
Larra’s (in ber Revista española): „Das Chaos von Titeln 
und Werfen auf unferer Bühne ift ungeheuer. Zuerft haben wir 
die Comedia antigua, unter welchem allgemeinen Titel alle bras 
matifchen Werke aus ber Zeit vor Eomella begriffen werben; 
zweitens das Melodrama, ein Probuft unferes Titerarifchen 
Snterregnums und von ber Porte St. Martin zu ums gez 
bradht; drittens bas fentimentale und das gräuelvolle Drama, 
älterer Bruder des vorigen und gleichfalls Ueberfegung; dann 
das fogenannte clafftiche Ruftfpiel von Moliere und Moratín 
mit feinem Affonanzenvers oder feiner bausbadenen Yrofa; 
hierauf die claffifche Tragdpie mit ihren pomphafien Berfen 
unb ihrem Zubehör von Metaphern und erhabenen Gebanfen 
von Föniglichem Geblüt; weiter die bisweilen abgefchmadten, 
bisweilen aber auch amüfanten Kleinigfeiten von Seribe; fos 
dann das hiſtoriſche Drama, eine verfificirte Chronik in poes 
tifher Profa mit altertfümlichen Trachten und Decorationen 
ad hoc; endlich, wenn td) nichts vergeffen habe, das romans 
tifche Drama, ein neues und originales, nie zuvor gefehenes 
nod) gehörte Ding, ein Komet, der zum erften Mal mit 
feinem Schwanz von Blut und Todtfchlag in bem literaris 
ſchen Syſtem erfcheint, eine Entbedumg, welche allen bi8s 
herigen Jabrhunderten unbefannt und ben Columbuffen des 
neungehnten vorbehalten geblieben, — mit. einem Wort, bie 
Natur auf den Brettern, das Lit, die Wahrheit und bie 
Freiheit in der Literatur, das proclamirte Menfchenrecht, die 
Anarchie, die fih zum Gefege zu geftalten firebt.« 

Aus diefer Mannichfaltigkeit heterogener Formen hat fic) 
nun freilich die fpantfche Bühne bi8 auf ben heutigen Tag 
nod) nicht völlig zur Seloftftindigtelt in einer beſtimmten Richtung 
hervorgearbeitet; noch immer öffnet fle fic) den geringfügigen 


— 509 — 


Tagespropuften ber Franzoſen; aber in etwas beginnt ble 
frühere Buntfchedigfeit fich zu vereinfachen. Die ftrenge Regel⸗ 
tragödie tft faft gänzlich in ber Atmofphäre von Tangerweile, 
bie fie um fich verbreitete, verbunftet, und felbft diejenigen 
Schriftfteller, welche früher bem Elafficismus am entſchieden⸗ 
ften zugethan geweſen, haben bem alten Vorurtheil entfagt; 
bie erfien Erploflonen des neuen Titerariichen Freiheitsgeiſtes 
find vorüber, und immer mehr gewinnen würbige, aus edlem 
Streben. hervorgegangene Originalprobuctionen die Oberhand 
über den Tand bes Auskındes, wie über die einheimifchen 
Mißgebilde. 

Wir laſſen nun einige Notizen über die bemerkenswer⸗ 
theſten unter den Dichtern folgen, welche ſich ſeit Moratin 
auf der ſpaniſchen Bühne hervorgethan haben. Manuel 
Eduardo Goroſtiza, geboren 1790 zu Veracruz, nach 
dem ſüdamerikaniſchen Unabhaͤngigkeitskriege mexikaniſcher Ge⸗ 
ſandter an verſchiedenen europäiſchen Höfen, machte ſich um 
das Jahr 1816 zu Madrid durch mehrere, mit großem Bei⸗ 
fall aufgenommene Comödien bekannt. In dieſen, namentlich 
in der berühmteſten darunter (Indulgencia para todos), fo 
wie in ſeinem ſpäteren Luſtſpiel Contigo pan y cebolla zeigt 
er ſich als geiſtvollen Nacheifexer Moratin's, dem er ſich in 
der Befolgung der Regeln und in der moraliſchen Tendenz 
anſchließt, aber an poetiſchem Geiſt, der hier und da ſchon 
an den Schranken des Claſſicismus zu rütteln beginnt, an Laune 
und komiſcher Lebendigkeit überlegen iſt. Einen großen Vorzug 
vor der monotonen Form Moratin's haben dieſe Stücke ſchon 
dadurch, daß fie außer der Romanze auch wieder. die fanfts 
gleitende, für das Luſtſpiel wie gefchaffene, Rebondille zur 
Anwendung bringen. 

Francisco Martinez de la Rofa, ber berühmte 


— 510 — 


Stadtsmann, der, wie bie Mendozas und Esquilaches ber 
früheren Zeit, den Dienft der Mufen mit der einflußreichiten 
politifchen Wirkfamkeit zu verbinden gewußt hat, geboren 1789 
zu Granada, richtete fchon früh feine Aufmerkfamfeit auf die 
dramatifche Literatur und behielt diefelbe während feines gans 
zen Lebens im Auge. Seine erften, 1812 erſchienenen Com⸗ 
pofitionen für die Bühne find ganz dem Syſtem angepaßt, 
welches damals in Spanien .herrfihte. Zu der Tragóble La 
viuda de Padilla, welche zum erften Mal zu Cadíz wäh 
rend der Belagerumg biefer Stadt burd die Franzofen und 
unter dem Krachen der feindlichen Bomben aufgeführt. wurde, 
pat Alfteri ale Vorbild gedient. Man kann biefem Drama 
nicht abſprechen, daß es das Ziel, welches fich der Verfaffer 
vorftedte, erreicht hat; Martinez de la Mofa beabſichtigte, „eine 
einzige Handlung ohne Epifoden und Vertraute, mit wenigen 
Monologen umd einer geringen Anzahl von Perfonen zum 
Ziele zu führen und die Kraft ber Gedanken, bie Energie 
und Conciſion des Styles nachzuahmen, welche bei dem ttas 
lieniſchen Dichter bis zu einem gewiffen Grade die Armuth 
an Begebenheiten und die Nadtheit des Plans verdeden,« 
Höher als dies Trauerfpiel müffen wir das gleichzeitig ers 
fbienene Luftfpiel Lo que puede un empleo ftellen; aud) 
bier Pat die tyranniſche Form der Entfaltung bes poetiſchen 
Lebens freilich einigen Eintrag gethan, aber die Anlage tft 
glücklich, der Dialog beweglih und voll komiſchen Salzes. 
Spätere regelreihte und von großer Beherrſchung des Ted 
nifchen zeugende Tragóbien unferes Autors find Edipo und 
Morayma; ir ber legteren, welche ihren Stoff aus den Bür- 
gerfriegen von Granada entlehnt, Taffen fi) einige romans 
tifche Anflánge verfpüren, denen ber Dichter bei der Erinnes 
rung an feine fhöne Heimath nicht auszuweichen vermochte, 


— 511 — 


Aber nod) dachte Martinez de la Rofa nicht daran, die Feſſeln 
des Claſſicismus zu durchbrechen; tm Jahre 1822 fchärfte er 
vielmehr in feiner Poetica dieſes Syftem in feiner ganzen 
Strenge ein, und aud) das um dieſelbe Zeit verfaßte Luſtſpiel 
La niña en casa y la: madre en la máscara iſt ganz ber 
von Moratín eingeführten Befchränfung unterworfen. Uebri⸗ 
gens befunbet die Tefitgenannte Comödie, ebenfo wie bie etwas 
fpätere Los zelos infundados, entſchiedenen Beruf zum komi⸗ 
[hen Dichter, eindringende Kenntniß des Menfchenherzens 
und feiner Schwächen, Erfindungsfraft in komiſchen Sítuas 
tionen, Birtuofität in Handhabung Der dramatiſchen Form und 
vor Allem feltene Behendigfeit in der Sprache. — Erft wäh. 
rend feines Aufenthaltes in Frankreich, der gerade in die Zeit 
der erften Triumphe der romantifchen Schule fiel, modificirte 
Martinez de la Rofa feine Anflchten über Dramaturgie, und 
fam ¿u dem Entfchluffe, „bei Abfaffung. feines nächſten Stücks 
jedes willkuͤrliche Syſtem zu vergeffen und nur jene Klaren, 
unumflößlichen Regeln zu befolgen, welche in dem Wefen des 
Drama’s felbft begründet find.” In biefem Sinne fchrieb er, 
urfprünglich in franzöſiſcher Sprache für die Porte St. Mar- 
tin, nachher aber auch auf ſpaniſch, das hiftorifche, ben Auf⸗ 
fland ber Morisfen in ben Alpufarras behandelnde Schau 
fptel Aben Humeya; ganz abgerorfen ift hier ver Täftige 
und unwürbige Zwang einer poeftesfeindlichen Theorie; die Hands 
Tung geht frei und mit Teichter Bewegung ihren Weg, und 
die mächtig Hervorfprubdelnbe bilderreiche Sprache beweiſt, daß 
der Dichter den Impulſen feines Herzens und ber Begeifle- 
rung gefolgt iſt, wie er denn auch bie Erinnerungen feiner 
eigenen, in dem zaubervollen Granada verlebten Jugend fehr 
glücklich benugt hat, um bem Ganzen eine angemeffene Locals 
farbe zu geben. &in zweites Hiftorifches Drama, La Conju- 


— 312 — 


racion de Venecia, wurde von Martinez de la Rofa tm 
Jahre 1834 auf die Madrider Bühne gebradht, und ¿war in 
derfelben Woche, in welder er als Minifter bas berüßmte 
Estatuto real publicirte. Auch diefem Drama mußte bas 
lebhafte Intereffe, welches die Handlung erregt, und bas ers 
greifende Pathos mehrere Situationen die Sympathie ves 
Publifums gewinnen; beflagen muß man nur, daß der Vers 
faffer, wie in bem vorigen, dem Berfe und den erhöhten 
Reizen, die die Eompofition durch ihn gewonnen haben würde, 
entfagt hat. — Während des Iepten Jahrzehends fcheint Mars 
tinez de la Rofa durd feine gehäuften politiſchen @efchäfte 
dem Dienfte der Mufen entfrembet worden zu fein, und nur 
von einem fpäteren Drama von ibm, El Español en Vene- 
cia 6 la cabeza encantada haben wir Kunde. 

Dei weitem ber bedentendite und.einflußreichfte unter allen 
modernen Dramatifern Spaniens ii Breton de log Hers 
reros. Diefer ausgezeichnete, in feinem Vaterlande hochge⸗ 
feierte, aber außerhalb deffelben noch nicht nad Verdienft bes 
fannte Dann (geboren in. der Provinz Logroño im Zahre 1800) 
widmete ſich von Jugend auf der bramatifdjen Poefle. Ein 
Luftfptel, das er mit ſiebzehn Jahren ſchrieb, A la vejez 
viruelas, wurde mit großem Beifall aufgenommen; diefer 
Erfolg ermuthigte den jungen Dichter, mit doppeltem Eifer 
fortzufahren, und er arbeitete von jener Zeit an mit fo umers 
müdlichem Fleiße für die Bühne, daß bis auf ben heutigen 
Tag an zweihundert Dramen von ihm aufgeführt worben find. 
Man fann nicht fagen, daß Breton’s Fruchtbarkeit dem Werthe 
feiner Probductionen Eintrag gethan habe, vielmehr find Dies 
felben burdaus mit großer Feinheit und Sorgfalt ausgears 
beitet. Den meiften und verdientefien Ruhm haben ihm feine 
Luſtſpiele eingetragen, und diefe werden nicht allein auf den 


’ — 513 — 


Diner :von Madrid, fonbern in bem ‚ganzen Lande bis in 
die Hetuften Stäbtchen hinein unter allgemeinem Applanfe ge- 
ſpielt. Yu ben früheren derſelben ſchniiegte ſich Breton nod 
in die claſſiſchen Formen und wich nur barin von Moratín 
«ab, dag er mannichfaltigere Versmaaße zur Anwendung brachte; 
aber ſelbſt unter diefem Zwange mußte er ein friſches poetis 
ſches Reben zu entfalten. Die Plaͤne der mehrſten Diefer Comdpien 
ſind yan großer. Einfachheit und können. ben Zufchauern, welche 
im Schaufpiel vornämlich Befriedigung der Neugier fuchen, wenig 
gefallen; in. dem ſehr belichten und populären Stüde Marcela 
o.& cual de los tres”¿. B. beſteht die ganze. Handlung daría, 
daß drei Liebhaber, deren jeber feine eigenen Schwächen und 
Lächerlichkeiten bat, fih um die. Hand einer jungen munteren 
Wittwe bewerben. und zuletzt alle .dref ‘einen Korb erhalten; 
aber bie Wendungen y Die- der Didier dieſem einfachen Plan 
zu geben, die verſchiedenen Combinationen, Die er auf fin qu 
gründen weiß, find fo finnreih und mannichfaltig, die Char 
zaltere mit fo frappanter -Wahrheit- und Natürlichkeit gezeich⸗ 
net, der Wig und bie Sronie fo treffend, und die Lebendigkeit 
des auf den Wogen der Iieblichften Berfification umhergau⸗ 
felnden Dialogs tft fo hinreißend, daß wir das Luſtſpiel nie 
anders, alg unter. allgemeinem Entzüden des Publikums und 
mit. von Scene zu Scene fleigendem Beifall haben aufführen 
fehen. Höher nod ſteht A Madrid me vuelvo, eine von 
Breton'8 . älteren Comödien, welche, ben Reiz der Irylle 
mit der Feinheit des EharaftertuftipielS verbindend., Stadts 
und Landleben in Contraft ſtellt. — In fpäteren Jahren ent 
fagte Breton. dem Zwange der Einheiten, welchem er feine 
früheren Dramen unterworfen hattez bed) iſt er. den Aus⸗ 
ſchweifungen der Romantiker immer fern geblieben. Das 
feinere Luftfpiel blieb auch jegt der Mittelpunkt feiner Thäs 


Seid. d. Lit. in Spanien. III. Br. 33 


— 514 — 


tigleit, amb er Pat jedes Jahr feines Lebens mit trefflichen 
Leiftungen in diefem Fade gegiert, deren Grazie und. Anmuch 
nicht genug gepriefen werben. können. ES if wahr, manche 
biefer Lufifpiele Haben mit der Schwierigkeit zu ringen, welche 
fi jedem modernen Comödiendichter entgegenftellt, mit jemer 
nämlich, eine Darfiellung der Gegenwart unb bes gewöhn⸗ 
lichen Rebens in das Bereich der Poefie zu erheben; und wir 
wollen nicht behaupten, daß biefe Schwierigleit überall völlig 
überwunden fet: aber vergleichen wir ben Spanier in diefer 


Hinficht mit bem berühmten Komiker der Franzoſen, mit Scribe, 


wie viele Vorzüge behauptet nicht ber Erftere, wie viel mehr 
hat er gethan, nicht allein feine Schilderungen alltäglidher 
Berhältniffe durch ein poetiſches Colorit zu ſchmücken, fons 
dern auch burd) höhere Dichtertweihe feine Stoffe innerlich zu 
abeln! — Es iſt uns nicht vergönnt, auf die zahlreichen neueren 
Productionen Breton's näher einzugehen unb nur. einige der⸗ 
felben, welche und bei ber Darftellung befonbers uwwergeßliche 
Eindrúde hinterlaffen haben, mögen nambaft gemacht werben. 
Das Luftfpiel Todo es, farsa en este mundo funfelt von 
aͤchtem Humor, und die fatirifchen Beziehungen auf politifche 
Berhältniffe rüden das. häusliche und gefellfchaftliche Leben, 
das zunächft geſchildert wird, fehr glücklich - aus feiner bes 
fhränften Sphäre heraus. Muérete y verás fcheint. und wegen 
der Feinfeit, mit welcher der Grundgedanke durchgeführt if, 
wegen der hinreißend, ſchönen Schilverung bes Charakters 
der Sfabel, fo wie wegen ber weichen und reizenden Fárbung, 
die in Licht und Schatten burd) bas ganze Gemälde hin treffe 
lich vertheilt ifl, wahrhaft. bewundernswerth zu fein. Sn Me 
voy de ‚Madrid find die fpantfchen Sournaliften und Pam⸗ 
phletiften und die Ertravaganzen ber romantifhen Schule auf 
eben fo koſtliche Weiſe Lächerlich gemacht, wie in las Flaque- 


— 55 — 


zas Ministeriales die Intriguen und der Egoismus nenefler 
Staatöverwaltungen. Die Berfalttät feines Talents pat Dres 
ton befonder® noch in einigen ernften: hiſtoriſchen Dramen ges 
zeigt, welche unter Allem, was. die neue ſpaniſche Bühne 
befigt, denen ber alten Meifter am nádften kommen möchten. 
Hierher gehören vornámiid dle Tragódien D. Fernando el 
emplazado und Bellido Dolfos. Als ein glüdlicher Verſuch, 
bie alte Sntriguencomödie in Calderon's Weiſe wieder in’s 
Leben zu rufen, «ft vas Cup No ganamos para sustos 
bervorzubeben. 


Großen Ruf als Bahnendachier bot in: nnenefer Zeit 
Antonio Gil y Zarate (geb. 1796) erhalten. Die frühes 
ren dramatiſchen Arbeiten diefes; auch durch politiſche Schrif- 
ten befannten Mannes waren ziemlich ſpurlos voriibergegan 
gen y aber-felt ven Tagen Calderon's hat Fein Schaufpiel groͤ⸗ 
fieres Auffehen und allgemeineren Enthuſiasmus in ganz 
Spanien erregt, als fein Carlos 'segundo el hechizado, 
mit dem er ¿uerft zu den Domantilern übertrat und: der im 
Jahre 1837 mehrere Monate lang uhter immer ſteigendem 
Beifall faft allein das Theater einnahm. Der befonnene Ryfe 
tifer fann in Bezug auf diejes Stüd dem Tirtheil des fpants 
ſchen Publikums ſchwerlich beipflichten; Dasfelbe iſt zu ſichtlich 
und mit Hintanſetzung höherer Rückſichten auf den Effect bes 
rechnet, und zeigt das Beſtreben, in ber materíellen Wirkung 
víe modernen franzöſifchen Blut⸗ und Schauderſpiele nod zu 
übertreffen; qu bem Plan und zu den hervorſtechendſten Cha⸗ 
rafteren: hat offenbar Victor Hugo's Notre Dame de Paris 
das Vorbild hergeliehen. Erfreulich iſt es, den Berfaffer, bem 
ein bedeutendes Talent nicht abgefprochen werden fann, in 
finen nieueften Dramen, Rosmunda (bie Geſchichte der eng- 


gg" 


— 6 — 


Ifchen Rofamımde) und Guzman el bueno wieder zur Des 
fonnenpeit zurüdgefehrt zu fehen. 

Angel be Saavebra, Herzog von Rivas, geboren 
1791 in Corbowa, nach vielen wechfelnden Schickſalen, bie 
ihn bald zu ben höchſten Staatdämtern emporhoben, bal 
Berfolgungen und die Dual des Eril8 erbulben ließen, nun⸗ 
mehr ſpaniſcher Geſandter am firtlianifchen Hofe, machte fü 
während feines Tangjährigen Aufenthaltes in London und 
Malta mit den Werfen der englifchen Dichter: bekannt, und 
gewann durch diefe Studien ſchon in der Zeit, als in feinem 
Vaterlande die franzöflfchen Theorien unbeſtritten herrſchten, 
einen freteren BIid in das Weſen der Poefle. Sn der Bor 
rede zu feinem erzáblenden Gedicht: El Moro expósito feßt 
er in fehr Flarer und überzeugenber, Weiſe aus einander, wie 
willkührlich und verkehrt jener ſogenannte Elafficismus fei, 
ber fich wie ein Mehlthau an die Blärhen der Dichtkunſt 
hänge, und die trefflihen Worte, die er hier ausſprach, haben 
unftreitig nicht wenig dazu beigetengen, das hergebrachte Spr 
fiem zu flürzen. Ein Drama, welches Saavedra nod) während 
feiner Verbannung gefehrieben ‚hatte und nad). feiner Rücklehr 
in’s. Vaterland im Jahre 1834-zu Madrid aufführen ließ, ift 
ficptlid) Darauf angelegt, bie Regeln über ben Haufen zu, flos 
fen; nicht ‚allein auf die Einheiten wird in dieſem Don AL 
varo 6 la fuerza del Sino feine Rüdfiht genommen, nein, 
was damals unerhört ſchien, auch Volksſcenen, in welchen 
Zigeuner und. andaluſiſche Maulthiertreiber ihren Dialekt ves 
den, kommen darin vor, und die Proſa wechſelt mit dem 
Verſe. Das an großen Schönheiten reiche Gedicht ermangelt 
übrigens der innern dorm; es führt die Sprache bes revos 
Iutipnären Terrorismus gegen den Despotismus der alten 
Bühnengefege und anullirt feine eigene Wirkung burd die 


— 57 — 


allzu große Häufung ſchrecklicher Kataſtrophen. — Bortrefflich 
iſt das neuerdings erſchienene Luſtſpiel Solaces de un pri- 
sionero, in welchem Saavedra auf glänzende Art bewiefen 
bat, „daß die Comödie Lope's und Calderon's einer. Erneues 
rung fähig fet, und daß die Eultur diefer alten einheimifchen 
* Mlanze einen befferen Ertrag verſpreche, alg das verfrüppelte 
aus bem Auslande nach- Spanien verpflanzte Geftrüpp.” 
Den Genannten hat fih mun noch ein -fehr zahlreicher 
Nachwuchs von jungen. Dirktern angefihloffen, welche in ven 
legten zwölf bis ſechszehn Jahren ihre, zum Theil von ſchö— 
nem Talent unterflügten,. Kräfte bem Theater gewidmet pas 
ben. Nur diejenigen unter dieſen, welche. fig) befonbers bes 
merklich gemacht, können bier namhaft gemacht werben. 

- Zuan Engento Hargenbufrh, geboren zu Madrid 
im Jahre 1806 von deutſchen Eltern, erregte ¿uerft durch 
feine Amantes de Teruel Auffehen, in welcher Tragödie er 
bem tragiſchen Stoffe noch nad) den früheren mehrfachen Bes 
handlungen neue Seiten abzugewinnen gewußt, und nament- 
lid) die des Montalvan, an die er ſich zunächſt ſchloß, tn der 
Richtigfeit der Motive bei weitem übertroffen. hat. Sowohl 
dieſes Drama, alg bie. fpäteren besfelben Verfaſſers, wte 
Doña Mencia und Alfonso el Casto, find in einem durch⸗ 
aus edlen Style gehalten, und zeichnen ſich durch ergreifende 
Situationen und feurige . Schilderungen ber Leivenfchaften aus. 

Zu bedauern tft, daf der unglüdlihe Mariano Jofé 
de Larra durch feinen früßzeitigen freimilligen Tod bie Er: 
fallung ber Heffnungen vereitelte, welche fein großes Talent 
erregt "hatte. Sein Macias, el- enamorado {if voll Glut und 
wahrer Poeſie. ' 

‚Mehr von Gewandtheit und technſſcher Fertigteit, na⸗ 
wentlich in der Berfification, als von eigentlichem Dichter⸗ 
beruf, ſcheinen une. die zahlreichen Schaufpiele zu zeugen, 


— 58 — 


welche Antonto Darcía Gutierrez zur Aufführung ge 
bracht bat; in bem Trovador, bem Stüde, weldjes dem funs 
gen Dramatifer ¿uerft einen Namen machte, unb welches auch 
von feinem feiner fpäteren Werfe übertroffen worben tft, find 


bie zum Theil glücklich erfonnenen romantifhen Begebenheiten . 


allzu äußerlich gefaßt und neben einander geftellt; eine inner 
che, das Einzelne verfchmelzende und ¿un Ganzen geftaltenbe 
Poeſie wird vermißt. 

Glaͤnzend bebütirte Patricio de la EScofura mit 
feinem Drama La corte del Buen Retro, einem lebendi⸗ 
gen und mit Eunftoollem Pinfel ausgeführten Gemälde bes 
Hofes Philipp's IV. ; die hervorſtechendſten und intereffantes 
ften Figuren diefes Hofes, der Herzog von Olivarez, Velas⸗ 
quez, Calderon u. f. w., find bier in gefchidter Weife um 
den Grafen von Villantediana gruppirt,, deſſen Bermegenheit 
in Liebesabenteuern und endlicher Untergang den Mittelpunkt 
für das Intereſſe bildet. Die ſpäteren Productionen dieſes 
vielverheißenben Dichters, wie La Aurora de Colon, Hi- 
gamota u. ſ. w., find mir nicht befannt geworben. - - 

Ein in ganz Spanien mit Recht fehr beliebtes Luſtſpiel 
ift die Segunda Dama duende yon Ventura de la Vega, 
einem Schriftfteller, der ſonſt mehrentheild nur Ueberſetzungen 
aus bem Franzöftfchen geliefert hat. Diefes feine Sntriguens 
ſtück (ft von Seribe in feinem Operntert Le domino noir 
benußt worden. j | 

Als Lyrifer, Erzähler und Dramatiker genießt gegen 
wärtig Kofe Zorrilla eines Rufes, welcher den der meiften 
feiner Zeitgenoffen in Schatten zu ſtellen brobt. Diefer Dichter 
vermöchte bei feiner reichen Phantafle und feiner ungemeinen 
Herrfchaft über die Sprache unſtreitig Ausgezeichnetes zu lets 
ften, wenn er feine Kräfte concentriren und ſich mehr burd) 
den Werth als dur die Menge feiner" Productionen hervor: 


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| 


— 19 — 


zuthun ſuchen wollte; allen. Die‘ außerordentliche Leichtigkeit, 
mit der: er fchreibt, verführt ihn, alle feine Sachen nur fküich- 
tig binzınverfen, und feinen Dramen merkt man biefe impros 
vifirte Hervorbringung nur allzufehr an; fle enthalten: viele 
glaͤnzende Partien und der VerS metieifert in Pracht und: 
Reichthum nicht felten mit Lope und Ealberon: aber fie find 
nicht gehörig durchgearbeitet und ¿ur vollen Reife gebracht; 
auch fcheint ber Verfaſſer noch nicht zur Selbſtſtaͤndigkeit 
durchgedrungen zu. fein; in einigen feiner Stüde, 3. BD. Ga- 
nar: perdiendo und Cada tual con su razon, hat er das 
alte Theater fo genau: nachgeahmt, dag man Intriguenſpiele 
des ſiebzehnten Jahrhunderts vor ſich zu haben glaubt; tn 
anberen dagegen, z. B. in Los dos Vireyes unb. El Eco 
del -Torreñte hat er; wiederum bie (Effefte der modernen 
Sranzofen geſucht. Obgleich nun Jorrilla, unferes Bebünfens, 
bisper. den firengften Anforderungen noch nit Genüge gelets 
ſtet bat, fo iſt duch gewiß, bag ſich an dieſen nod) fehr jungen 
Dichter , bei feiner Strebſamkeit und feinem reihen Talent, 
bie fchönften. Hoffnungen für bie Zukunft knüpfen. Ueber Ihn 
fowohl, wie über die zahlreichen jungen. Dichter, weldhe ihm 
zur Seite gehen, al8: Jofé de Cairo y Orozeo, Ens 
genio de Tapta, Carlos Doncel, Tomas Rodris - 
guez Rubí, Sofé Barcia de Villalta, Mariano 
Rota de Togores, Miguel Aguftin Principe, Iſi⸗ 
doro Bil, Ramon Navarrete u A. m., wird erft die 
Nachwelt ein abſchließendes Urtheil fällen können; uns muß 
ed genug fein, mit Obigem auf bie vielen und firebfamen 
fungen Kräfte. hingewieſen zu haben, welche fich gegenwärtig 
in Spanien ber dramatiſchen Poefte widmen. . 

Als eine ‚befonbers erfreuliche Erſcheinung tft denn auch 
die Aufmerkſamkeit zu bezeichnen, welche man neuerbings wies 
der dem alten Nationaltheater zuzuwenden anfängt. Die Co- 


— 50 — 


leccion general de Comedias escogidas, tele 1826 im: 
Madrid zu erfcheinen begann und feítbem eine betraͤchtliche 
Zahl von Eomöbien des Lope de Vega, Alarcon, Tirfo de 
Molina, Rojas, Moreto, Guevara, Montalvan, Matos Fras 
gofo, Mira ve Mefeua, Leyba, Eubillo de Aragon, Solís, 
Eaftizares und Zamora geliefert hat, dann vas Teatro an- 
tiguo español (Mabrív 1837, 8 Bändchen) und die nene: 
Ausgabe des Tirfo de Molina (Madrid 1839, 12 Bände), 
haben viele felten geivorbene Stüde der alten Meiſter voteber 
fa Umlauf gebracht. Andy die Theater haben zu ben alten 
Dramen, die fid trabitionell auf bem Repertoire erhalten 
hatten, wieder viele hinzugefügt, welche von bemfelben vers 
ſchwunden waren, und namentlich find mande ber undergleich⸗ 
lichen Lufifpiele ves Tirſo de Molina mit großem Erfolg 
von Neuem in Scene geleßt worden. Ju bedanern iſt nur, 
def man fih mit diefen Comödien oft willkürliche Veraͤnde⸗ 
rungen erlaubt, bie drei Afte auf fünf ausbehnt, die Rolle 
des Spaßmachers ſtreicht u. f. w.; biefe umb. jene Veránbes 
rung oder Abfürgung mag hier und da nicht ganz verwerflich 
fein, aber man folíte das Gejchäft, dergleichen vorzunehmen, we⸗ 
nigftens geſchickten und poefleverfländigen Männern anvertrauen, 
. nicht folchen, welche die herrlichen Dichtungen ber früheren 
Zeit. ganz entftellen, wie man dies von ber Umarbeítung von 
Calberon'8 El Escondido y la Tapada fagen muß, die heut 
zu Tage in Madrid gefpielt wird. 

Aus dem Gefagten geht wohl ¿ur Genüge hervor, daß 
ſich gegenwärtig ein friiher Lebensgeiſt auf ber ſpaniſchen 
Bühne regt. Hoffen wir, daß dieſe Regung nicht vorüber⸗ 
gehender Natur ſein, ſondern zu einer Regeneration des glor⸗ 
reichen alten Theaters im Geiſte und nod. ben Bedurfniſſen 
der neuen Zeit führen werde! 

— — 


A | 
——— der großen ‚Sammlung 


e yon 


tt 


Comedias nuevas escogidas. de los mejores 
| Ingenios de Espana. 


(Madrid 1652 — 1704, y 


Oben Seite 399 war von biefer wichuen Sammlung die Rebe, 
Verſchiedene Bände derfelben führen Titel, welche von’ ber allgemeinen 
Ueberfchrift bifferiren; da bei ben Exemplaren, deren ich mich" bediente, 
das erfte Blatt nicht felten fehlte ober verflümmelt war, fo kann ich Diefe 
Titel nur von folgenden Theilen angeben. Der 4te heißt: Laurel de 
Comedias; ber 7te: Teatro- ‚poetioo; ; ber 10te: Nuevo teatro de Co- 
medias; ber 13te: De los mejores el mejor ; ; Der 14te: Pensil de 
Apolo; der 20fte: Comedias varias; ber Sifte: Minerva comica; 
der 46fte: Primavera numerosa de muchas armonias lucientes. 
Bei einigen der Bände muß auch bie Zhreezaht nuse gelafien 


Tomo L (1652, 


La Baltasara, de tres Ingenios, la primera Jornada de Luis 
Velez de Guevara, la segunda de D. Antonio Coello, y la 
tercera de D. Francisco de Rojas, . on 
No siempre 16 peor es:cierto, de D. Pedro Calderon. | 

Lo que puede el oir Missa,.del Doctor Mira de Mescua. 
La exaltacion de la Cruz, dé D. Pedto Calderon. 

Chico Baturi, y siempre es culpa la desdícha, de D. Antonio 
de Huerta, D. Gerónimo Cáncer y D. Pedro Rosete. ' 


tub 
a 


sea» 


— 54 — 


. Mejor está que estava, de D. Pedro Calderon. 
. San Franco de Sena, de D. Agustin Moreto. 
. El Hamete de Toledo, de Belmonte y D. Antonio Martinez. 


La Renegada de Valladolid,de Luis de Belmonte y de D. 
Antonio Bermudez. 


. Luis Perez el Gallego, de D. Pedro Calderon. 
. El trato muda costumbre, de D. Antonio Mendoza. 
. Con quien vengo vengo, de D. Pedro Calderon. 


Tomo II. (1653.) 


No guardas tu tu secreto, dé D. Pedro Caldero: 

Juan Latino, de D. Diego Ximenez de Enciso. 

Zelos, Amor y Venganza, de Luis Velez de Guevara, 

La firme Lealtad, de. Diego de Splis. . 

La sentencia sin firma, de Gaspar de Avila. 

Fingir lo que puede ser, de.D. Roman Montero de Espinosa. 
El Inobediente o la Ciudad sin Dios, de Claramonte. 

La Rosa Alexandrima, de Enis' Velen de Guevara. 


, El fuero de las cien doncellas, de D. Luis de Guzman. 


‘No ay contra el honor poder, de Antonio. Enriquez Gomez. 


. La obligacion de las mugeres, de Luis Velez de Guevara. 


Amor y honor, de Luis de Velmonte, | 
Tomo IH.. (1653.) 


. La Llave de la Honra, de Lope de Vega. 
. Mas pueden Zelos que Amor, de Lope de Vega. 


Engañar con la Verdad, de Geronitno de la Fuente. 


. La discreta Enamorada, de: ¡Lope de Vega. 


A un Traidor dos Aleyosos ya los dos el’ mas leal, de Mi- 
guel Gonzalez de Cuñedo. 


. La Portuguesa y dicha del Forastero, de Lope de Vega. * 
. El maestro de danzar, de Lupoe da Vega. 


La Fenix de Salamanca, del Doctor Mira de Mescua. 
Lo’ que está Determinado; de Lope: “' * --* : i 


, La'dichá por'malos’ medios,'de Gaspar de Avila: 
. San Diego de Alcalá, de' Lope: u 


Los'tres señores del' mundo, de - ‘Luis’ de. Belmonse. 


| Tome IV; (16585 
Amigo, Amante y Leal, de. D. Pedro. Calderon. 


. Oblígar con al Agrayio, de D., Erancigco: de Victoria, 





— 585 — 


. El Lego de Alomá, de Luis. Velez de Guevara. : 
. No «ay mal que por. bien no venga, de D. Juan. Ruiz de 


- Alarcon. 


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. Enfermar con el: Remedio, de D. Pedro Calderon, Luis Velez 


de Guevara y D. Geronimo Cancer. 


. Los riesgos que tienne un coche, de D. Antonio de Mendoza. 
. El respecto en el Ausencia, de Gaspar de Avila. 

. El Conde. Partinuples, .de Doña Ana Caro. , _ : 

. El Rebelde al beneficio, de D. Tomas Ossorio. 

. El Español Juan de Urbino, del Licenciado Manuel Gonzalez. 
. Lo que puede una sospecha, del Dector Mira de Mescua. 

. El negro del mejor amo, del Doctor Mira de Mesena. 


“Tomo V. (1053,) o 


) Oponerse : a las Estrellas, de tres Ingenios. 


Aman y Mardocheo, del Doctor Felipe Gadinez, 


. Estados mudan costumbres, de D. Juan de Matos. 


El Conde Alarcos, del Doctor Mira de Mescua. _ 
Donde ay agravios. no ay zelos, de D. Francisco de Rojas. 


. El marido de su hermana, de Juan de Villegs. , , 
. El licenciado Vidriera, de D. Agustin de Moreto. 
. Nuestra Señora" del Pilar, de Sebastian de Villaviciosa, D . 


Juan de Matos y D. Agustin Moreto. 


. El embuste acreditado: y el; disparate: creido, de Luis Velez 


de Guevara. o 
Agradecer y no amar, de D. Pedro Caldéron, 


y 


. No ay burlas con las mugeres, casarse y vengarse, del 


Doctor Mira de Mescua, 


. Los amotinados de Flandes, de Luis- Velez de Guevara. 


Tomo: VI. (£654.) ' 


N 


. No ay ser Padre siendo Rey, de, D. Francisco de Rojas. 
. Cado cual A su negocio, de D. Geronimo de Cuellar. 
. El burlador de Sevilla, del Maestro. Tirso de Molina. 


Progae y Filomena, de D. Francisco de Rojas. . 


. Los Trabajos de Job, del Doctor Felipe Godinez. . 


Obligados, y, Ofendidos, de D. Francisco de Rojas. 


. El Esclavo del Demonio, del Doctor Mira de Mescua. 
. El Martir de Portugal, de D. Francisco de Rojas. 
. La Vanda y ta Flor, de D. Pedro Calderon. 


10. 


12, 


— 56 — 


A un tiempo Rey y Vasallo, de tres ingenios. 
El pleyto del Demonio con la Virgen, de tres Ingenies. 
El gran Duque de Florencia, de D. Diego Ximeries de An 


ciso, 
Tomo VIL (1654) 


. Para vencer á Amor querer vencerle, de D. Pedro Cal- . 


deron. 


. La Muger contra el Consejo. La primera Jornada de D. Juan 


de Matos, la segunda de D. Antonio Martinez, la tercera de 
D. Juan de Zavaleta. 


. El buen Cavallero Maestre de Calatrava , de Juan Bautista 


de Villegas. 


. A su tiempo el Desengaño, de D. Juan de Matos. 
. El Sol a Media Noche y Estrellas á Medio dia, de JuanBau- 


tista de Villegas. 


. El poder de la Amistad, de D. Agustin Moreto. 

. D. Diego de noche, de D. Francisco de Rojas, 

. La Morica Garrida, de Juan Bautista de Villegas. 

. Cumplir dos Obligaciones, de Luis Velez de Guevara, 
. La misma Conciencia acusa, de D. Agustin Moreto. 

. El Monstruo de la Fortuna, de tres Ingenios. 

. La Fuerza de la Ley, de D. Agustin Moreto, 


Tomo VII. (1857.) 


. Darlo todo y no dar nada, de D. Pedro Calderon. 


Los Empeños de seis horas, de D. Pedro Calderon, 
La gran Comedia de Travesuras son valor. 


. Gustos y disgustos son no mas que imaginacion ‚de D. 


Pedro Calderon, 
Reynar por obedecer, de tres Ingenios. 


. El Pastor fido, de tres Ingenios. 

. La Tercerá de si misma, de D. Pedro Calderon. 
, Amado y aborrecido, de D. Pedro Calderon. 

. Perderse por no perdérse, de D. Alvaro Cubillo, 
. Del Cielo viene el buen Rey, de D. Rodrigo: de Herrera. | 
. El Agua! mansa, de D. Pedro Calderon. 

. El marques de las Nabas, del Doctor Mira de Mescua. 


Tomo IX. (1657.) 


. Las manos blancas no.ofenden, de D. Pedro Calderon. 


dub pub - 
5 ay 


pub. 
» 


SO» pasan 


Da 


. El Rey Enrique el Enfermo, de seis Ingenios 


— m — 


El mejor amigo el Muerto; de tres Ingenjes.. : « : 
Las Amasonas, - : ; 


, Vida y muerte de.San Lázaro, del Doctor, Mira de Mascha, 


El escondido y la tapada, de D. Pedro Calderon... 
La Victoria del Amor, de D, Manuel Morchon. 
La Adultera Penitente, de. tres Ingenjos. 

El Jo» de las Mugeres, de D. Juan de Matos. 


. El Valiente Justiciero, de D. Agustin Moreto. 
. La Razon busca venganza, de D. Manuel Morchon: ° 
. Gravedad en Villaverde, del Doctor. Juan ‚Perez de Mon- 


talvan. 


Tomo X. (1658,) 


. La vida de San Alejo, de D. Agustin- Moreto.. 


El Ermitaño Galan, de D. Juan de Zavaleta. - . 
Contra el amor no ay engaños, de D, Diego Enriquez. 

El hijo de Marco Aurelio, de.D. Juan de Zavaleta. —. 
El nieto de su padre,- de D. Guillen de Castro, _ 


Osar morir da la vida, de D. Juan de Zavaleta. 2: 
. A lo que obliga el ser Rey, de Luis Velez, 


El discreto porfiado, de tres Ingenios. 


. La lealtad contra su Rey, de Juan dé Villegas. 

. La mayor venganza de honor, de D. Alvaro Cubillo, 

. Sufrir mas por querer menos, de D. Rodrigo Enriquez, 
.. Los milagros del desprecio, de Lope de Vega. | 


Tomo XL (1659.). 


. El Honrador-de su Padre, de D. Juan Bautista Diamante, 


El Valor Contra Fortuna, de 'D. Andres de Baeza. 7 


. Hacer Remedio «el Dolor, de D. Agustin Noroto y D. Gero- 


nimo Cancer. 


‘4. El Robo de las Sabinas, de D. Juan Guello y Arias. a 
. El Loco en la Penitencia y Tirano mas impropio; de un In- 


genio de esta Corte. 


. Contra su suerte Ninguno, de Geronimo Malo de Molisa. - : 
. Vencerse es mayor Valor, de los Figueroas.  . : 
. El mas ilustre Frances San Bernardo, de D. Ast Mo. 


reto. : e. 


, El Escandalo de Grecia contra las Santas Imagense, de D, 


Pedro Calderon. . 


10. 


jub. 


sanenrep 


— 538 — 


No se pierden las Finétas, de D. Andres de Baeza. 


. La Silla de San Pedro, de D. Antonio Martineg,. 
18%, 


La mas constante Mager, burlesca: de Juan Maldonado, 
Diego la Dueña y Geronimo de Gifaonten, 


- Tomo XH. (1658,) 


. La dama Corregidor, de D. Sebastian de Villaviciosa y D. 


Juan. de Zavaleta. 


:'La Estrella de Monserrate, : de D. ‚ Christoval de Morales, o 
. Amor y Obligacion, de D. Agustin Moreto. 


Vengado antes que ofendido, de D, Geronimo de Cifuentes. 


. La Estrella de Monserrate, de D. Pedro Calderon. 

. Servir para merecer de Dismante: 

. Prudente, 'Sabia y'Heúrada, de Cubillo. .  ; 

. El vencimiento de “Tuimo, de D. Pedro Calderon, .  - 

. El Hercules de Ungria, de D, Ambrosio de. Arce. 

. Los desdichados dichosos, de -D.. Pedro Calderón. .. 

. Mas la Amistad que la:Sangre; de D. 'Andres de Baeza. . 

. Comedia :Burlesca del: Mariscal de Viron,. de D. Juan Mal- 


donado. E 


= omo xui. (4660). 


. Pobreza, Amor y, Fortuna, de los Figueroas. 
. El Conde de Saldaña, 2a. parte, de Alvaro Cabillo de Aragon. 
. Triunfos de Amor y Fortuna, de D. Antonio de Solis. Loa 


y Entremeses qué .Se representaron con esta Comedia a sus 


-:Magestades en el Coliséo del Buen Retiro, año. de 1088. 


. Fuego.de:Dios.en el querer hien, de D, Pedro Calderon.. 
‚Julian y: Basilisa, de: D Antonio de Hugrta, D. Pedro Ro- 


sete y D. Geronimo Cancer. 


. Los tres Afectos de Amor, Piedad, Desmayo y Valor de 
. D. Pedro Calderon: .  -: l 

. El Josef de las mugeres, de D. Pedro Calderon: 

. Cegar para. ver.mejor, de D. Ambrosio de Arce. 

. Los Vandos de. Yizcaya,. de D..Pedro Rosete. .- : 

. El-Amante mas cruel. y la amistad ya difunta, de D. Gon- 


zalo de Ulloa y Sandoval. 


. No. ay. Reynar.come vivir, del Dr. Mira, de 'Mescua. | 
. A igual agravio no ay duelo, de D. Ambrosio de Cuenca. 





29 


11. 
12. 


DA y 


— 59 — 
Tomo XIV. (1661.) 


. No puede ser, de D. Agustin Moreto. 
. Leoncio y Montano, de D. Diego y D. Joseph de Figueroa 


y Cordova, 


. El Delinquente sin culpa y Bastardo de Aragon, de D. Juan 


de Matos Fragoso. 

Mentir y mudarse a un tiempo, fiesta que se representó 
á sus Magestades en el Buen Retiro, de D. Diego y D. Jo- 
sef de Figueroa y Cordova. 


. Poco aprovechan avisos cuando ay mala inclinacion, de D. 


Juan de Matos Fragoso. 


. El valiente Campuzano, de D. Fernando de Zarate. 


El Principe Villano, de Luis Belmonte Bermudez. 


. Las canas en el papel y dudoso en la venganza, de D. Pe- 


dro Calderon. ' 


. La fuerza de la verdad, del Doctor D. Francisco de Mala- 


spina. 


. La hija del Mesonero, fiesta que se representó á sus Ma- 


gestades en Palacio, de D. Diego de Figueroa y Cordova. 
El galan de su muger, de D. Juan de Matos Fragoso. 

La mayor victoria de Constantino Magno, de D. Ambrosio 
Arce de los Reyes. 


Tomo XV. (1661.) 


. El Conde Lucanor, de D. Pedro Calderon. 
. Fingir y Amar, de D. Agustin Moreto. 


El mejor Padre de Pobres, de D. Pedro Calderon. 


. La Batalla del Honor, de D. Fernando de Zarate. 
. La Fuerza del Natural, de D. Agustin Moreto. 
. Los Empeños de un Plumaje y origen de los Guevaras, de 


un ingenio de esta Corte. 


. El Tercero de su Afrenta, de D. Antonio Martinez, 

. El Eneas de Dios, de D. Agustin Moreto, 

. Las Tres Justicias en Una, de D. Pedro Calderon. 

. San Estanislao Obispo de Crobia, de D. Fernando de Za- 


rate, 


. Cada Uno para Si, de D. Pedro Calderon. 
. Los Esforcias de Milan, de D. Antonio Martinez. 


Geld. d. Lit. in Spanien. III. Do, Y 


OIA Sa 


11. 
12. 


Tomo XVL (1662.) 


Pedir Justicia al Culpado, de D. Antonio Martinez. 
Solo en Dios la Confianza, de D. Pedro Rosete. 
Cada Uno con su Igual, de Blas de Mesa. 

El Desden Vengado, de D. Francisco de Rojas. 
El Diablo está en Cantillana, de Luis Velez. 

El Diziembre por Agosto, de D. Juan Velez, 


. Allá van Leyes donde quieren Reyes, de D. Guillen de Castro 


Servir sin Lisonja, de Gaspar de Avila. 


. El Verdugo de Malaga, de Luis Velez. 
. El Hombre de Portugal, del Maestro Alfaro. 


No es Amor como se pinta, de tres Ingenios. 
Castigar por defender, Burlesca, de D. Rodrigo de Herrera. 


Tomo XVIL (1662.) 


. Dar Tiempo al Tiempo, de D. Pedro Calderon. 
. Primero es la Honra, de D. Agustin de Moreto. 
. La Sortija de Florencia, de D. Sebastian de Villaviciosa. 


Antes que todo es mi Dama, de D. Pedro Calderon. 


. Las dos Estrellas de Francia, del Maestro D. Manuel de 


Leon y del Licenciado D. Diego Calleja, 


, Caer para levantar, de D. Juan de Matos Fragoso, D. Gero- 


nimo Cáncer y D. Agustin Moreto. 


. La Verdad en el Engaño, de D. Juan Velez, D. Geronimo 


Cancer y D. Antonio Martinez. 


. Tambien da Amor libertad, de D. Antonio Martinez, 
, Amor hace hablar los Mudos, de Villaviciosa, Matos y Za- 


valeta, 


. La Ofensa y la Venganza en el Retrato, de D. Juan Anto- 


nio Moxica. 

No ay Cosa como Callar, de D. Pedro Calderon. 

Muger Llora y venceras, fiesta que se representó á sus Ma- 
gestades, de D. Pedro Calderon. 


Tomo XVII. (1662.) 


. Dicha y desdicha del nombre, de D. Pedro Calderon. 
. Euridice y Orfeo, de D. Antonio de Solis. 


Seneca y Neron, de D. Pedro Calderon. 


. La Paciencia en los Trabajos, del Dr. Felipe Godinez, 


DY py» 


oo. 


10. 
11. 
12. 


prep 


* 


— 531 — 


. Los Medicis de Florencia, corregida y enmendada, de D. 


Diego Ximenez de Enciso. 
El Lindo D. Diego, de D. Agustin Moreto y Cabañas. 


- Las Niñezes del Padre Roxas, de Lope de Vega Carpio, ja- 


mas impressa. 


. Lo que son Suegro y Cuñado, de D. Geronimo de Cifuentes, 
. El Amor en Vizcaino y los Zelos en Frances, y Torneos 


de Navarra, de Luis Velez de Guevara. 
Amigo, Amante y Leal, de D. Pedro Calderon. 


. Firmeza, Amor y Venganza, de D. Antonio Francisco. 
. El Rey D. Alfonso el de la mano Horadada, Comedia bur- 


lesca, de un Ingenio de esta Corte. 


Tomo XIX. (1662.) 


. El Alcazar del Secreto, fiesta que se representó á sus Ma- 


gestades en el Buen Retiro, de D, Antonio de Solis, 
Travesuras de Pantoja, de D. Agustin Moreto. 
San Froylan, de un Ingenio de esta Corte. 


. El Cavallero, de D. Agustin Moreto. 
. El Rey Don Sebastian, de Francisco de Villegas, 
. En el Sueño está la muerte, de D. Geronimo Guedeja Qui- 


roga. 


. Los siete Durmientes, de D. Agustin Moreto. 


Los dos Filosofos de Grecia, de D. Fernando de Zarate. 


. La Lealtad en las injurias, de D. Diego de Figueroa y Cor- 


dova. - 

La Reyna en el Buen Retiro, de D, Antonio Martinez. 
Mudarse por mejorarse, de D. Fernando de Zarate, 

Zelos aun del ayre matan, fiesta que se representó á sus 
Magestades en El Buen Retiro, cantada. 


Tomo XX. (1663.) 


El Magico Prodigioso, de D. Pedro Calderon. 

Callar hasta la Ocasion, de Juan Hurtado Cisneros. 
Auristela y Lisidante, de D. Pedro Calderon. 

Guardar Palabra á los Santos, de D. Sebastian de Olivares. 


. La Difunta Pleyteada, de D. Francisco de Roxas Zorrilla. 
„ El Rigor de las desdichas y Mudanzas de Fortuna, de D. 


Pedro Calderon. 
D. Pedro Miago, de D. Francisco de Roxas Zorrilla. 


34% 


8. 


9. 
10. 


— 532 — 


El Mejor Alcayde el Rey y no ay cuenta con Serranos, de 
D. Antonio Martinez, 

Saber desmentir sospechas, de D. Pedro Calderon, 
Aristömenes Mesenio, del Maestro Alfaro. 


11 y 12, El Hijo de la virtud, San Juan Bueno, del Capitan Don 


tub. 


IDA 


Francisco de Llanos y Valdes, Dos partes. 


Tomo XXI, 


. Cual es mayor Perfeccion, de D, Pedro Calderon, fiesta que 


se hizo a su Magestad. 
Fortunas de Andromeda y Perseo, de D. Pedro Calderon. 


. Quererse sin declararse, de D. Fernando de Zarate. 


El Governador prudente, de Gaspar de Avila. 
Las siete Estrellas de Francia, de Luis de Belmonte, 
El Platero del Cielo, de Antonio Martinez, 


. La Conquista de Cuenca y primera Dedicacion de la Virgen 


del Sagrario, de D. Pedro Rosete. 


. La Hechicera del Cielo, de D. Antonio de Nanclares, 

. La Razon hace dichosos, de tres Ingenios. 

. Amar sin ver, de D. Antonio Martinez. 

. La Margarita preciosa, de Zavaleta, Cáncer y Calderon. 
. El mas heroico Silencio, de D. Antonio Cardona. 


Tomo XXII. (1665.) 


Los Españoles en Chile, de D. Francisco Gonzalez de Bustos, 


. Elegir al Enemigo, de D. Agustin de Salazar y Torres. 
. El Arca de Noe, de D. Antonio Martinez, D. Pedro Rosete 


y D. Geronimo Cancer. 

La Luna de la Sagra, Santa Juana de la Cruz, de D. Fran- 
cisco Bernardo de Quiros. . 

Labar sin Sangre una Ofensa, de D. Ramon Montero de Es- 
pinosa. 

Los dos Monarcas de Europa, de D. Bartolomé de Salazar 
y Luna, 

La Corte en el Valle, de D. Francisco Avellanada, D. Juan 
de Matos Fragoso y D. Sebastian de Villaviciosa, 


. Amar y no agradecer, de D. Francisco Salgada. 
. Santa Olalla de Merida, de D. Francisco Gonzalez de Bustos. 
. Merecer de la Fortuna, Ensalzamientos dichosos, de D. Diego 


de Vera y D. Joseph Ribera. 


. Muchos Aciertos de un Yerro, de D. Josef de Figueroa. 


Antes que todo es mi Amigo, de D. Fernando de Zarate. 


— 333 — 
Tomo XXIII. (1666.) 


. Santo Thomas de Villanueva, de D, Juan Bautista de Dia- 


mante. 


. Los dos Prodigios de Roma, de D. Juan de Matos Fragoso. 


El Redemptor Cautivo, de Don Juan de Matos y de Villa- 
viciosa, 


4, El Parecido, de D. Agustin Moreto. 


DD 29 mn 


. Las Missas de San Vicente Ferrer, de D. Fernando de Za- 


rate. 


. No amar la mayor fineza, de D. Juan de Zavaleta. 

. Hazer fineza el desayre, del Lic. D. Diego Calleja. 

. Encontraronse dos arroyuelos, de D, Juan Velez. 

. La Virgen de la Fuencisla, de D. Sebastian de Villaviciosa, 


D. Juan de Matos y D. Juan de Zavaleta. 


. El Honrador de sus Hijas, de D. Francisco Polo. 
. El hechizo imaginado, de D. Juan de Zavaleta, 
. La Presumida y la Hermosa, de D. Fernando de Zarate. 


- Tomo XXIV. (1666. 


El Monstruo de la Fortuna, de tres Ingenios. 

La Virgen de la Salceda, del Maestro Leon y Calleja, 
Industrias contra finezas, de D. Agustin Moreto. 

La Dama Capitan, Fiesta que se representó a su Magestad, 
de los Figueroas. 


. Tambien tiene el Sol Menguante, de tres Ingenios. 
. Lo que puede Amor y Zelos, de un Ingenio de esta Corte. 


Los Amantes de Berona, de D. Christoval de Roxas. 


. El Soldado mas herido, y vivo despues de muerto, de D. 


Pedro de Estenoz y Lodosa. 


. El Maestro de Alexandro, de D. Fernando de Zarate. 
. San Pedro de Arbues, de D. Fernando de la Torre. 


Solo el Piadoso es mi hijo, de D. Juan de Matos, D. Se- 
bastian de Villaviciosa y D, Francisco de Avellaneda. 
La Rosa de Alexandria, la mas nueva, de D. Pedro Rosete. 


Tome XXV. (1666.) 


. El Letrado del Cielo, de D. Juan de Matos. 
. La mas dichosa venganza, de D, Antonio de Solis. 
. La fingida Arcadia, de D. Agustin Moreto. 


Jah pudo 
m 20032 o) 


S 


Jon m & 


_ 534 — 


Cuantas veo tantas quiero, de D. Sebastian de Villaviciosa 
y D. Francisco de Avellanada. 


. La Condesa de Belfor, de D. Agustin Moreto. 


No ay contra el amor poder, de D. Juan Velez de Guevara. 


- Sin honra no ay valentia, de D. Agustin Moreto. 
. Amor vencido de amor, de D. Juan Velez de Guevara, D. 


Juan de Zavaleta y D. Antonio de Huerta. 


. A lo que obligan los zelos, de D. Fernando de Zarate. 
. Lo que puede la crianza, de Francisco de Villegas. 
- La Esclavitud mas dichosa y Virgen de los Remedios, de 


Francisco de Villegas y Jusepe Rojo. 
Lorenzo me llamo, de D. Juan de Matos Fragoso. 


Tomo XX VL (1666.) 


. El Baquero de Granada, de D. Juan Bautista de Diamante. 
2. La dicha del carbonero y Lorenzo me llamo. La nueva, de 


D. Juan de Matos Fragoso. 


. Ay culpa en que no ay delito, de D. Roman Montero de 


Espinosa. 


. El Mancebo del camino, de D. Juan Bautista de Diamante. 
. Los successos de tres horas, de Luis de Oviedo. 


Fiar de Dios, de D. Antonio Martinez y D. Luis de Belmonte. 
Desde Toledo á Madrid, del Maestro Tirso de Molina. 

El amor puesto en razon, de D. Sebastian de Villaviciosa. 
San Luis Bertran, de D. Agustin Moreto. 


. La piedad en la justicia, de D. Guillen de Castro. 
. Resucitar con el agua, de D. Joseph Ruiz, D. Jacinto Hur- 


tado de Mendoza y Pedro Francisco Lanini Valencia. 


. Todo cabe en lo possible, de D. Fernando de Abila, 


Tomo XX VIL 


Los succesos en Oran por el Marques de Ardoles, de D. 
Luis Velez de Guevara. 

Los vandos de Ravena y institucion de la Camandula, de 
D. Juan de Matos Fragoso. 


. La Cortesana en la Sierra, de tres Ingenios de esta Corte. 
. Reynar es la mayor suerte, de un Ingenio de esta Corte. 
. El Labyrinto de Creta, de D Juan Bautista Diamante. 


La Ocasion hace al Ladron, de Juan de Matos Fragoso. 


. Nuestra Señora de Regla, de D. Ambrosio de Cuenca. 


— 535 — 


. Amar por Señas, del Maestro Tirso de Molina, 


Las Auroras de Sevilla, de tres Ingenios. 


. La Cruz de Caravaca, de D. Juan Bautista Diamante. 
. La Ventura con el Nombre, del Maestro Tirso de Molina. 
. La Judia de Toledo, de D. Juan Bautista Diamante. 


Tomo XXVIII (1667.) 


. El Principe D. Carlos, del Doctor Juan Perez de Montalvan, 


San Isidro Labrador de Madrid, de Lope de Vega Carpio. 
El Sitio de Breda, de D. Pedro Calderon. 

Los empeños de un engaño, de D. Juan de Alarcon, 

El mejor Tutor es Dios, de Luis de Belmonte. 


. El Palacio confuso, del Doctor Mira de Mescua. 
. Victoria por el amor, del Alferez Jacinto Cordero. 


La Victoria de Norlingen, de D. Alonso del Castillo Solor- 
zano. 


La Ventura en la disgracia, de Lope de Vega Carpio. 


. San Mateo en Etiopia, del Doctor Felipe Godinez. 
. Mira al fin, de un Ingenio de esta Corte. 
. La Corte del Demonio, de Luis Velez de Guevara. 


Tomo XXIX. 


, El Iris de las pendencias, de Gaspar de Avila. 


La Razon vence al Poder, de D. Juan de Matos Fragoso. 


. El Vaso y la Piedra, de D. Fernando de Zarate. 
. Piramo y Tisbe, de D. Pedro Rosete. 


La Defensora de la Reyna de Ungria, de D. Fernando de 
Zarate. 


. El mejor Representante San Gines, de D. Geronimo Cancer, 


D. Pedro Rosete y D. Antonio Martinez. 


. Ganar por la mano el juego, de Alvaro Cubillo de Aragon. 
. El primer Conde de Flandes, de D. Fernando de Zarate. 

. El Hamete de Toledo, Burlesca, de tres Ingenios. 

. Tetis y Peleo, fiesta que se hizo á las bodas de la Sere- 


nissima Señora Doña Maria Teresa de Austria, Reyna de 
Francia, de D. Joseph de Bolea. 


. Nuestra Señora de la Luz, de D. Francisco Salgado. 
. Como se vengan los Nobles, de D. Agustin Moreto, 


mb 


PIDA 


m 090 


— 56 — 
Tomo XXX. (1668.) 


. El Bruto de Babilonia, de D. Juan de Matos Fragoso, D. 


Agustin Moreto y D. Geronimo de Cancer. 
La Montañesa de Asturia, de Luis Velez de Guevara. 


. El Premio en la misma Pena, de D. Agustin Moreto. 
. Cuerdos hacen Escarmientos, de Francisco de Villegas, 


Hacer del Amor Agravio, de un Ingenio de esta Corte. 
El Mancebon de los Palacios, de D. Juan Velez de Guevara. 
La Conquista de Mejico, de D. Fernando de Zarate. 


. El Principe Viñador, de Luis Velez. 


El valeroso Español y primero de su Casa, de Gaspar de 
Avila, 


. La Negra por el Honor, de D. Agustin Moreto. 


No está en matar el Vencer, de D. Juan de Matos. 
S. Antonio Abad, de D, Fernando de Zarate. 


Tomo XXXL (1669.) 


. Querer por solo querer, de D. Antonio de Mendoza. 
. Sufrir mas por valer mas, de D, Geronimo Crux. 


Mentir por razon de Estado, de D, Felipe de Milan y Aragon. 


. No ay gusto como la Honra, de D. Fernando de Vera y 


Mendoza. 


. El Cavallero de Gracia, del Maestro Tirso de Molina. 
. El Pronóstico de Cadiz, de Alonso de Ossuna. 
. La Trompeta del Juizio, de D. Gabriel del Corral, 


Prodigios de Amor, de Villaviciosa. 


. El Amor Enamorado, de D. Juan de Zavaleta. 

. El Esclavo del mas impropio dueño, del Maestro Roa. 
. El Soccorro de los Mantos, de D. Carlos de Arellano. 
. La Traycion en Propia Sangre, del Maestro Ribera. 


Tomo XXXII (1669.) 


. La Culpa mas provechosa, de D. Francisco de Villegas. 

. El Vandolero Sol Posto, de Cancer, Rosete y Roxas, 

. La Vida en el Ataud, de D, Francisco de Roxas, 

. Los Muros de Jericó, de D. Sebastian de Olivarez. 

. Las cinco Blancas de Juan de Espera en 1 Dios, de D. As- 


tonio de Huerta. 


pp »n 


a 


— 597 — 


. La Virgen de los Desamparados de Valencia, de Marco An- 


tonio Ortiz. 


. Duelo de Honor y Amistad, de D. Jacinto de Herrera. 
. Selva de Amor y Zelos, de D. Francisco de Roxas. 

. El mas Piadoso Troyano, de D. Francisco de Villegas. 
. Pelear hasta morir, de D. Pedro Rosete Niño. 

. El legitimo Bastardo, de D. Christoval de Morales. 

. El Afanador de Utrera, de Luis de Belmonte. 


Tomo XXXII. (1670.) 


. El Sabio ensu Retiro, de D. Juan de Matos Fragoso. 

. Cuerdos ay que parecen Locos, de D, Juan de Zavaleta. 

. La Romera de Santiago, del Maestro Tirso de Molina. 

. Las Niñezes de Roldan , de Joseph Rojo y Francisco de Vil- 


legas. 


. Vida y Muerte de la Monja de Portugal, del Doctor Mira 


de Mescua. 


. El Voto de Santiago y Batalla de Clavijo, de D. Rodrigo de 


Herrera. 


. Perdida y Restauracion de la Bahia de todos Santos, de D, 


Juan Antonio Correa, 


. El casamiento con zelos y Rey D. Pedro de Aragon, de 


Bartolomé de Anciso. 


. Mateo Vizconde, de D. Juan de Ayala, 

. El mas dichoso Prodigio, de un Ingenio desta Corte. 

. El Fenix de Alemania, Vida y Muerte de Santa Cristina, de 
. D. Juan de Matos.  ' 

. La mas heroica Fineza y Fortunas de Isabela, de D. Juan 


de Matos, D. Diego y D. Joseph de Figueroa y Córdova, 
Cavalleros del Abito de Christo, Alcantara y Calatrava. 


Tomo XXXIV. (1670.) 


El Lazo, Vanda y Retrato, de D. Gil Enriquez. 

Rendirse a la Obligacion, de D. Joseph y D. Diego de Fi- 
gueroa. 

El Santo Christo de Calabria, de D. Agustin Moreto. 


. Pocos bastan si son buenos y Crisol de la Lealtad, de D. Juan 


de Matos Fragoso. 


. Verse y tenerse por muertos, de D. Manuel Freyre de An- 


drade. 


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— 538 — 


El Disparate creido, de D. Juan de Zavaleta. 


. La Venganza en el Despeño, de D. Juan de Matos Fragoso. 
. La Virgen de la Aurora, de D, Agustin Morete y D. Geró- 


nimo Cancer. 


. El Galan Secreto, del Doctor Mira de Mescua. 
. Lo que le toca al Valor y Principe de Orange, del Doctor 


Mira de Mescua. 


. Amor de Razon vencido, de un Ingenio de esta Corte. 
. El Azote de su Patria, de D. Agustin Moreto. 


Tomo XXXV. (1671.) 


El Defensor de su Agravio, de D. Agustin Moreto. 

La Conquista de Oran, de Luis Velez de Guevara. 

No ay Amar como fingir, del Maestro Leon. 

En Madrid y en una Casa, de D. Francisco de Roxas. 
La Hermosura y la Desdicha, de D. Francisco de Roxas. 
A lo que obliga el Desden, de D. Francisco de Roxas, 


. Zelos son Bien y Ventura, del Doctor Felipe Godinez. 
. La Confusion de Ungria, del Doctor Mira de Mescua. 
. El Sitio de Olivenza, de un Ingenio de esta Corte. 

, Empezar a ser Amigos, de D. Agustin Moreto. 

. El Doctor Carlino, de D, Antonio de Solis. 

. La escala de la Gracia, de D. Fernando de Zarate. 


Tomo XXXVI. (1671). 


. Santa Rosa del Peru, de D. Agustin Moreto y D. Pedro 


Francisco Lanini y Sagredo. 


. El Mosquetcro de Flandes, de D, Francisco Gonzalez de 


Bustos. 

El Tirano castigado, de D. Juan Bautista Diamante. 
Araspes y Pantea, de D, Francisco Salgado. 

El Prodigio de Polonia, de Juan Delgado. 

La Fenix de Tesalia, del Maestro Roa. 

El Nuncio falso de Portugal, de tres Ingenios. 

La Dicha por el Agravio, de D. Juan Bautista Diamante. 


. El Dichoso Vandolero, de D. Francisco de Cañizares. 


El Sitio de Betulia, de un Ingenio de esta Corte. 
Darlo todo y no dar Nada, Burlesca, de D. Pedro Francisco 
Lanini y Sagredo. 


. Las Barracas del Grao de Valencia, de tres Ingenios. 


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— 5399 — 
Tomo XXXVII. (1671.) 


. Un Bobo hace Ciento, de D. Antonio de Solis. 
. Riesgos de Amor y Amistad, de D. Juan Velez de Guevara. 
. Satisfazer Callando, de D. Agustin Moreto. 


El nuevo Mundo en Castilla, de D. Juan de Matos Fragoso. 
Los Prodigios de la Vara y Capitan de Israel, del Doctor 
Mira de Mescua. 

El Amor hace Discretos, de un Ingenio de esta Corte. 

Todo es enredos Amor, de D. Diego de Cordova y Figueroa, 
Poder y Amor Compitiendo, de Juan la Calle, 


. La Gitanilla de Madrid, de D. Antonio de Solis, 
. Escarraman, Comedia Burlesca que se hizo en el Buen Re- 


tiro, de D. Agustin Moreto, 


. El mejor Casamiento, de D. Juan de Matos Fragoso. 
. La Desgracia Venturosa, de D. Fernando de Zarate. 


Tomo XXXVII. 


. El Aguila de la Iglesia, de D. Francisco Gonzalez Bustos y 


D. Pedro Lanini Sagredo. 


. Las Niñezes y primer Triunfo de David, de D. Manuel de 


Vargas. 


. Tambien se ama en el Abismo, de D. Agustin de Salazar. 
. Los Muzarabes de Toledo, de Juan Hidalgo. 
. La Gala del nadar es saber guardar la ropa, de D. Agustin 


Moreto. 


. Olvidar Amando, de D. Francisco Bernardo Quiros. 

. Las tres Edades del Mundo, de Luis Velez de Guevara. 

. Del mal lo menos, de un Ingenio de esta Corte, 

. Vida y muerte de San Cayetano, de seis Ingenios de esta 


Corte. 


. El Hechizo de Sevilla, de D. Ambrosio de Arce. 
. Emendar Yerros de Amor, de D. Francisco Ximenez de 


Cisneros. 


. El cerco de Tagarete, burlesca, con su Entremes, de D. Fran- 


cisco Bernardo de Quirós. 
Tomo XXXIX. (1673.) 


. El mejor Par de los Doze, de D. Juan de Matos Fragoso y 


D. Agustin Moreto. 


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— M0 — 


La Mesonera del Cielo, del Doctor Mira de Mescua. 
La Milagrosa Eleccion de Pio Quinto, de D. Agustin Moreto. 


. La Dicha por el Desprecio, de D. Juan de Matos Fragoso. 
. El Veneno para si, de un Ingenio de esta Corte. 
. El Baquero Emperador, de D. Juan de Matos Fragoso, de 


D. Juan Diamante y de D. Andres Gil Enriquez. 


. La Cosaria Catalana, de D. Juan de Matos Fragoso. 


8. Las Mocedades del Cid, fiesta que se representó á sus Ma- 


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gestades Martes de Carnestolendas, de D. Geronino Cancer. 


. Los Carboneros de Francia, del Doctor Mira de Mescua. 
. Como nació San Francisco, de D. Roman Montero y D. Fran- 


cisco de Villegas. 


. La Discreta Venganza, de D. Agustin Moreto. 
. Contra la Fé no ay respeto, de D. Diego Gutierrez. 


Tomo XL. 


El Medico Pintor San Lucas, de D. Fernando de Zarate. 
El Rey D. Alfonso el Bueno, de D. Pedro Lanini Sagredo. 


. El Fenix de la Escriptura el Giorioso San Geronimo, de D. 


Francisco Gonzalez de Bustos. 


. Cuando no se aguarda, de D. Francisco de Leiva Ramirez 


de Arellano. 


. No ay contra lealtad cautelas, del propio Autor. 
. Amadis y Niquea, del propio Autor. 
. Las tres Coronaciones del Emperador Carlos Quinto, de D. 


Fernando de Zarate. 


. De los hermanos amantes y piedad por fuerza, de D. Fer. 


nando de Zarate. 


. El dichoso en Zaragoza, del Dr. Juan Perez de Montalvan. 
. Los Vandos de Luca y Pisa, de Antonio de Azevedo. 

. La Playa de Sanlúcar, de Bartolomé Cortés, 

. Origen de N. Señora de las Angustias y Rebelion de los 


Moriscos, de Antonio Faxardo y Azevedo. 


Tomo XLL 


. Juegos Olimpicos, de D. Agustin de Salazar. 

. El Merito es la Corona, del propio Autor. 

. Elegir al enemigo, del propio Autor. 

. Tambien se ama en el Abismo, del propio Autor 
. No puede ser, de D. Agustin Moreto. 


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10. 
11. 


— Mt — 


Hacer Fineza el Desaire, del Licenciado D. Diego Calleja. 


El Cavallero, de D. Agustin Moreto. 
El Alcazar del Secreto, de D. Antonio de Solis. 
Antes que todo es mi Amigo, de D. Fernando de Zarate. 


. El Hamete de Toledo, de Belmonte y D. Antonio Martinez. 
. La Presumida y la Hermosa, de D. Fernando de Zarate. 


Zelos aun del A yre matan, de D. Pedro Calderon. 
Tomo XLII. (1676.) 


Varios prodigios de Amor, de D, Francisco de Rojas, - 
San Francisco de Borja, de D. Melchor Fernandez de Leon. 
Dios hace justicia á todos, de D. Francisco de Villegas. 


. Yo por vos y vos por otro, de D. Agustin Moreto. 


El Luzero de Madrid, nuestra Señora de Atocha, de D. Pedro 


Francisco Lanini Sagredo. 
La mejor Flor de Sicilia Santa Rosalia, de D. Agustin de 


Salazar. 


. Como noble y ofendido, de D. Antonio de la Cueva. 
. Endimion y Diana, de D, Melchor Fernandez de Leon. 


Será lo que Dios quisiere, de D, Pedro Francisco Lanini 


Sagredo. 
El Hijo de la Molinera, de D. Francisco de Villegas. 
El gran Rey Anacoreta San Onofre, de D. Pedro Francisco 


Lanini Sagredo. 


. El Eneas de la Virgen y primer Rey de Navarra, de D. 


Francisco de Villegas y D. Pedro Francisco Lanini Sagredo, 


Tomo XLIIL (1678.) 
Cueva y Castillo de Amor, de D. Francisco de Leyba. 


. Porcia y Tancredo, de D. Luis de Ulloa. 
. Nuestra Señora de la Victoria y Restauracion de Malaga, 


de D. Francisco de Leyba. 

El Fenix de España, S. Francisco de Borja, de un Ingenio 
de esta Corte. 

El Cielo por los Cabellos, Santa Ynes, de tres Ingenios, 

El Emperador Fingido, de Gabriel Bocangel y Unzueta. 

La Dicha es la Diligencia, de D. Tomás Ossorio. 

Fiesta de Zarzuela llamada Cual es lo mas en Amor el des- 
precio 6 el favor, de Salvador de la Cueba. 


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— 343 — 


La infeliz Aurora y fineza acreditada, de D. Francisco de 
Leyba. 


. La nueva maravilla de la Gracia, de D. Pedro Lanini Sagredo. 
. Merecer para alcanzar, de D. Agustin Moreto. 
, El Principe de la Estrella y Castillo de la Vida, de tres In- 


genios. 


Tomo XLIV. 


. Quien habla mas obra menos, de D. Fernando de Zarate. 
. El Apostol de Salamanca, de D. Felipe Sicardo. 


8, Dexar un Reyno por otro y Martires de Madrid, de D. Gero- 


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nimo Cancer, D, Sebastian de Villaviciosa y D. Agustin 
Moreto. 


. Cinco venganzas en una, de D. Juan de Ayala, 
. Santa Pelagia, de D. Fernando de Zarate. 


La Confession con el Demonio, de D. Francisco de la Torre. 
La palabra vengada, de D. Fernando de Zarate. 
El engaño de unos zelos, de D. Roman Montero de Espinosa. 


. La prudencia en el castigo, de D. Francisco de Rojas. 
. La Sirena de Trinacria, de D. Diego de Cordoba y Figueroa. 


Las Lises de Francia, del Doctor Mira de Mescua. 
El Sordo y el Montañes, de D. Melchor Fernandez de Leon 


Tomo XLV. (1679.) 


. Los Vandos de Berona, de D. Francisco de Rojas. 
. La Sirena del Jordan S. Juan Bautista, de D. Christoval de 


Monroy. 


. Los Trabajos de Ulises, de Luis de Velmonte. 


Hasta la muerte no ay Dicha, de un Ingenio de esta Corte. 
La mudanza en el amor, de Montalvan. 


. Ingrato a quien le hizo el bien, de un Ingenio de esta Corte. 
. El gran Jorge Castrioto, de Velmonte, 

. El fin mas desgraciado y fortuna de Seyano, de Montalvan. 
. La traicion contra su sangre, burlesca, de un Ingenio de 


esta Corte. 


. Dejar dicha por mas dicha, de D. Juan Ruiz de Alarcon. 
. Quien engaña mas a quien, de Alarcon. 


El amor mas verdadero, burlesca, de un Ingenio de esta Corte. 


Tomo XLVI. (1679.) 


‚ La Mitra y Pluma en la Cruz, del Maestro Tomas Manuel 


de Paz. 


13. 


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— $48 — 


. Cuanto cabe en hora y media, de D. Juan de Vera y Vil- 


laroel. 


. Al Noble su sangre avisa, del Maestro Tomas Manuel de 


Paz. 


. El Patron de Salamanca, con Monroyes y Manzanos, de D. 


Juan de Vera y Villaroel. 
Las armas de la Hermosura, fiesta que se representó á sus 
Magestades, de D, Pedro Calderon. 


. Perico el de los Palotes, de tres Ingenios. 
. La señora y la criada, de D. Pedro Calderon. 


La corona en tres hermanos, de D. Juan de Vera y Vil- 
laroel. 


. La conquista de las Malucas, de D. Melchor Fernandez de : 


Leon. 


. Mas merece quien mas ama, Fiesta que se representó & sus 


Magestades, de D. Antonio Hurtado de Mendoza. 


. El Veneno en la Guirnalda y la Triaca en la Fuente, Fiesta 


que se representó á sus Magestades, de D. Melchor Fernan- 
dez de Leon. 

El Marques de Cigarral, de D. Alonso del Castillo Solor- 
zano. 


Tomo XLVIL 


Comedias de D. Antonio de Solis. 
Triunfos de Amor y Fortuna, con Loa y Entremeses. 


. Euridice y Orfeo. 
. El Amor al Uso. 


El Alcazar del Secreto. 
Las Amazonas, 
El Doctor Carlino. 


. Un Bobo hace ciento, con Loa. 
. La Gitanilla de Madrid. 
. Amparar al Enemigo. 


Tomo XLVIM. (1704.) 


. El Austria en Jerusalen, de D. Francisco de Bances Can- 


damo. 


. El Sol obediente al Hombre, de D. Garcia Aznar Belez. 
. El Duelo contra su Dama, de D. Francisco de Bances Can- 


damo. 


— 514 — 


Que es la ciencia del Reynar, de D. Garcia Aznar Belez. 

. Venir el Amor al mundo, de D. Melchor Fernandez de Leon. 

Cual es afecto mayor, Lealtad 6 Sangre 6 Amor, de D. 

Francisco de Bances Candamo. 

. Por su Rey y por su Dama, del propio Autor. 

Tambien ay Piedad con Zelos, de D, Garcia de Aznar Belez, 

. El Español mas Amante y desgraciado Macias, de tres In- 
genios. 

10. El Valor no tiene Edad, de D. Juan Bautista Diamante. 

Loa y Bayle para la Comedia de Ycaro y Dédalo. 
11. La gran Comedia de Ycaro y Dédalo, de D. Melchor Fernan- 
dez de Leon. 


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II. 


3 


Verzeichniß der wichtigeren Schriften über das Ganze 
oder über einzelne Theile der dramatiſchen Fiteratur 
und Kunſt in Spanien. 


Blas Nafarre, Vorrede zu ber zweiten Ausgabe ber Comedias y 
Entremeses de Cervantes (Madrid 1749) unb Apologia del dis- 
curso preliminar á las Comedias de Cervantes (Madrid 1750). 

Montiano y Luyando, Discurso sobre las Tragedias Españo- 
las, Madr. 1750. 

Velasquez, Origenes de la Poesia Castellana, Malaga 1754. 
Wiederholt in Bezug auf das Theater nur bie vorgenannten Schriften; 
ſchaͤtzbare bivgraphifche und bibliographifche Iufäge enthält bie deutſche 
Meberfeßung des Velasquez von Dieze, Göttingen 1769. 

Lampillas, Saggio storice-apologetico della letteratura spag- 
nuola, Genova 1778—81, 6 vol. (Spanifch überfeßt von Josefa Amar 
y Borbon, Zaragoza 1782.) Enthält in Bezug auf das Drama nicht 
Dieles von Belang. 

Andres, Dell’ origine, de'progressi e dello stato attuale 
d’ogni letteratura, Parma 1783— 97, 7 vol. Gleichfalld von wenig 
Erheblichfeit für die Dramatifche Literatur. 

, Signorelli, Storia critica dei Teatri antichi e moderni, neue 
Ausgabe Neapel. 1813. 


- 515 — 


Riccoboni, Reflexions historiques et critiques sur les diffe- 
rens Théatres de l'Europe, Paris 1738, 

Du Perron de Castera, Extraits de plusieures piéces du Théa- 
tre Espagnol avec des réflexions, Paris 1738, trois volumes. 

Linguet, Théatre espagnol (mit Einleitung), Paris 1770, 4 vol, 

La Huerta, Theatro Hespañol, Madrid 1785 sqq. 16 Tomos, 
Enthält eine kritiſche Einleitung und einige Furze biographifche Artikel. 

Pellicer, Tratado Historico sobre el Origen y Progresos 
de la Comedia y del Histrionismo en España, Madrid 1804, Dos 
tomos. 

Jovellanos, Memoria sobre las diversiones públicas, Ma- 
drid 1812. 

Bouterwek, Gefchichte der Poefle und Beredifamteit, Dritter Band, 
Göttingen 1804. 

Moratin, Origenes del Teatro español. (Querft gedrudt in ben 
Memorias de la Academia española, nachher in Ochoa's Tesoro 
del Teatro español.) * 

A. W. v. Schlegel, über das fpanifche Theater, Inder »Europa« von 
Fr. Schlegel, nachher ausführlicher in ben »Borlefungen über dramatifche 
Runft und Literature, 14te Borlefung ’). 


1) Herr Eduard Böcking hat in den Noten zu der von ihm beforgs 
ten neuen Ausgabe von Schlegel’s »fpanifchem Theater⸗, in welcher ber 
oben erwähnte Auffag neu abgedrudt ift, auf Seite XII die Bemerkung 
gemacht, das vorliegende Werk ftimme, Band I. ©. 852 ff., bei Ges 
legenheit der acht Comoͤdien des Cervantes, fehr mit Schlegel überein, 
ohne ihn zu nennen. Ein Bergleich zwifchen den 14 Seiten meines Buchs 
(S. 351 — 8365), auf welchen ich ausführlich von den Ocho Comedias 
handle, und den wenigen Bemerkungen, welche Schlegel a. a. O. über 
diefelben gibt, zeigt das Irrthümliche Diefer Behauptung. Auf allen biefen 
Seiten findet fid) auch Feine Halbe Zeile, welche irgend mit Schlegel 
übereinftimmte. Jene Wahrnehmung fann ſich daher allein auf Die von mir 
gebrauchten Worte »Barodien und Satiren auf den verderbten Zeitgeſchmack⸗, 
"bunte Mannidyfaltigteita und „Lockerheit der Compofltion« gründen ; nun find 
aber ſowohl biefe Worte als noch einiges Andere ebendafelbft (wie 14) in dem 
Brockhaus'ſchen Biblisgraphifchen Anzeiger diefes Sahresin Nr, 2 näher und 
mit Abdruck der Beweisftellen nachgewiefen habe) trene Ueberfekung von 
Ausdrüden, beren fih die Syanter Blas Nafarre und Lampillas bedies 
nen; um Die Anficht diefer Kritiker in das rechte Licht zu ftellen, mußten 
ihre eigenthümlichen Ausdrücke wiederholt werden, und aus diefer Quelle 


Geſch. d. Lit. in Spanien. III. Do, 85 


— 548 — 


Blanfenburg, Literarifche Zufäbe zu Sulzer's Allgemeiner Theorie 
ber fchönen Künfte, Leipzig 1796. Enthält eine nach damaligen Hülfes 
mitteln fleißig zufammengetragene Sammlung bibliographifcher Notizen. 

Martinez de la Rosa, Sobre la Comedia española, alg Anhang 
zu ber Poetica in ben Obras literarias, Paris 1827, T. II. 

Sismondi, de la Littérature du Midi de Europe, Paris 1813, 
4 vol. (Deutſch von 2. Hain, Leipzig 1816, 2 Bánbe.) 

Lord Holland, Some account on the lives and writings of 
Lope de Vega and Guillen de Castro. London 1817. 2 vol. 


find diefelben fowohl in Schlegel’8 Buch wie in das meinige geflofien. 
Mas ferner bie Anficht betrifft, Gervantes habe Stüde in der Manier Des 
Zope de Vega und Feine Satiren auf diefelbe fchreiben wollen, fo if 
biefe Meinung lange vor Schlegel von Signorelli, Vicente de los Riss 
und von Pellicer ausgefprochen worden, ja fte Hat ſich Jedermann, außer 
dem Blas Nafarre und defien Nachtretern, als bie einfachfte und natür- 
lichfte von felbft Dargeboten, unb eben fo wie Schlegel hätte ich außer 
den Genannten auch noch Bouterwek, Moratin, Navarrete, Arrieta, Var: 
tinez de la Rofa und viele Andere citiren müflen. — Uebrigens finb die 
»Borlefungen« (die mir auf ihren faum dreißig Seiten über das fpanifche 
Theater allerdings Feine fehr fpecielle Hülfsquelle fein fonnten) ſchon in 
der Vorrebe bes erften Bandes unter den Vorarbeiten, auf welche Diefes 
Werk fih fügt, genannt worden, und fie werden es nun abermals in 
obiger Lifte; ſchon biefe allgemeine Berufung würde baher, wenn an 
jener Stelle wirklich, wie nicht der Fall if, Schlegel als Quelle gedient 
hätte, das Eitat im Einzelnen überflüffig gemacht haben. Früheren Schrif- 
ten gegenüber galt der Grundfaß, überall bie eigene Prüfung voranzu⸗ 
ftellen undalte Irrthümer möglichft zu berichtigen; dagegen wurde Feines: 
wegs auf Roften ber Wahrheit nach Originalitát getrachtet, und fomit 
ließ fidy eine Wiederholung von Diefem und jenem, was fdjon richtig ges 
fagt worden war, nicht umgehen. Wenn nun eine fuldje in irgend ausge: 
behnter Weife Statt fand, fo ift es immer angegeben worden; aber es 
verfteht fic) von felbft, baf weber jedes Factum unb jebe Notiz, noch 
jede einzelne fchon früher gemachte Bemerkung mit einem Citat belegtwerben 
konnte; einmal würde Dies eine unnübe Anfchwellung der Noten herbei 
geführt haben, zweitens aber wäre es mehrentheild auch unmöglich ge: 
wefen, indem man nad) langer Befchäftigung mit einem Gegenftande und 
ben darauf Bezug habenden Werken weber von jeber Idee zu fagen weiß, 
vb man fte fich felbft oder einem Anderen verdante, noch von jedem Aus- 
drucke, ob und wo berfelbe etwa ſchon früher gebraucht worden fei. 


_ 47 — 


(Auszugsweife deutfch vor den Schaufpielen Des Lope de Bega, übers 
fest von 3. Grafen von Soden, Leipzig 1820.) 

Chefs-d'Oeuvre du Theatre espagnol, 5 Bände (in der Samm⸗ 
lung der Chefs-d’Deuvre des Théatres étrangers (Paris 1822). In 
dem 1ften diefer Bände findet fich ein fleißig gearbeiteter und mir nüß- 
lich gewordener, vornämlich biographifcher, Artikel über Lupe de Bega 
von einem gewiffen La Beaumelle; von geringerem Gehalt ift der über 
Calderon. 

Damas-Hinard, Theatre espagnol, 4 vol. Paris 1842. In ben 
Einleitungen zu diefer neuen Ueberſetzung einer Auswahl aus Lope und 
Galderon ift Manches aus ber vorgenannten Sammlung wiederholt, aber 
auch verfchiedenes Neue hinzugefügt worden. 

M. Enf, Studien über. Lope de Vega, Wien 1889, Diefe Sqchrit 
beſteht aus Inhaltsüberſichten von 24 Comodien bes Lope, denen einige 
äfthetifche Bemerkungen beigegeben find. Die Wahl der analyfirten Stüde 
trifft nur bei vieren mit der meinigen überein. 

v. d. Malsburg, Vorreden zu Der Ueberfegung von Calderon's Schau: 
fpielen (Leipzig 1819 ff.) und zu » Stern, Scepter und Blume« von Lupe 
de Vega (Dresden 1824). 

Hciberg, de poéseos dramaticae genere Hispanico, praeser- 
tim de Calderone dissertatio inauguralis, Hafniae 1817, 

€. Tied, zerſtreute Bemerkungen über das fpanifche Drama in den 
sdramaturgifchen Blätterne und in der Borrede zu dem »Leben bes Mar: 
c08 be Obregon.« 

Solger, Kritif von Schlegel's Borlefungen, in feinen »Gefammelten 
Schriften“, Leipzig 1826, 

WVal. Schmidts „Ueberficht und Anordnung von Ealderun’s Dramen, « 
im Anzeigeblatt der Wiener Jahrbücher von 1822. 

Louis Biel Caftel, mehrere Auffüge über das Spanifche Theater in 
der Revue des deux Mondes von 1840. : 

Coleccion general de Comedias escogidas, Madrid 1826 sqq. 
Diefe Sammlung gibt hinter jedem Stüde einige äfthetifche, Eritifche und 
fonftige Bemerkungen, welche nachher zum Theil durch Ochoa's Tesoro 
del Teatro español weiter verbreitet worden find. 


— M8 — 
IH. 


Einige Bufäte und Serichtiguugen 3u dem ganzen 
Werke. 


Gil Vicente *). 


Ueber die Lebensverhaͤltniſſe Diefes portugieflfchen, aber auch für Die 
eaftiltanifche Literatur wichtigen Dichters Tiefert uns bie biographifche 
Arbeit, welche der neuen Ausgabe feiner Werke voranfteht, Feine erheb- 
lichen neuen Daten; Wir wenden uns baher fugleich zu defien bramatifchen 
Dichtungen. — Die geiftlichen Schäferfpiele Gil Vicente's, die früh: 
flen feiner Compofitionen, find, wie ſchon von feinen Zeitgenoſſen bemerkt 
wurde ?), denen bes Iuan del Encina nachgebildet; einige von Barreto 
und Monteiro hervorgehobene Stellen und Scenen lafien hierüber feinen 
3weifel; aber fchon biefe erften Berfuche des Portugiefen find von einem 
lebendigeren Hauche der Poeſie durchweht, als die des Spaniers, und be: 
funden mehr Fortfchritt zu einer eigentlich dramatifchen Handlung. Ves 
fonbere Aufmerkfamfeit verdient das Auto de los cuatro tiempos, weil 
fich Hier, wenn auch nur im erften Anfag, ſchon die Grundzüge zu den 


1) Der Umftand, daß mir die Benugung von Gil Vicente's Werken 
(in bem Eremplar ber Göttinger Bibliothef) nur fehr furze Zeit vers 
gönnt gewefen war, hat den diefem Dichter gewibmeten Artikel im erften 
Bande der vorliegenden Befchichte einigermaßen beeinträchtigt unb mich 
genöthigt, mich dort mehrfach an Bouterwek zu halten. Da mir nun bie 
Obras bes portugiefifchen Dichters in ber neuen Ausgabe von Barreto 
Feio und Monteiro zugefommen find, fo gebe ich Hier einige ergänzende 
Sufáge zu jenem Artikel. 

2) Garcia be Nefenbe fagt: 

E vimos singularmente 

Fazer representagoes 

D'estilo mui eloquente, 

De mui novas invencoes : 

Elle foi que inventou 

Isto cá eo usou 

Com mais graca e mais doutrina, 
Posto que Joam del Enzina 

O pastoril comegou. 


— 59 — 


fpäteren Autos finden; die verſchiedenen Jahreszeiten werben nämlich als 
Reyráfentanten ber irdiſchen Entzweiung, des raftlofen Swiefpalts in ber 
Erfcheinungswelt vorgeführt, unb zulegt erfcheint ber menfchgeworbene 
Gott ale das verſöhnende Princip, dem alle die ftreitenden Mächte ber 
Melt huldigen müſſen; auch die Herbeiziehung der alten Mythologie zur 
Berherrlichung bes Chriftentfums kommt hier fihon vor. — In Bezug 
auf Gil Vicenters geiftliche Schauſtücke von größerem Perſonal und rei⸗ 
cherem Inhalt haben die neuen portugiefifchen Heransgeber die Vermus 
thung aufgeftellt, diefelben feien Durch Die Befauntfchaft des Dichters mit Dew 
franzöfifchen Myfterien veranlaßt worben. Zur Unterflüßung diefer Annahme 
berufen fie fid) auf den Umftand, daß Lucifer dort Prince des diables 
und Procureur des enfers, hier Mayoral do Inferno und Meirinho 
da Corte infernal genannt wird. Allein biefe, buch Eeineswegs fehr auf: 
fallende Uebereinftimmung fcheint uns Die daraus gezogene Folgerung nicht 
zu rechtfertigen; Benennungen, wie bie angeführten, find ganz aus Den 
Vorſtellungsweiſen des Mittelalters hervorgegangen und brauchten von 
bem einen Lande nicht erft bem anderen überliefert zu werden; unfere Mebera 
zeugung, der Bortugiefe habe ſich an ähnliche ältere, auf ber pyrenäifchen 
Halbinfel heimische Stüde gefchlofien, bleibt baher unerfchüttert. Bon 
ber Beichaffenheit diefer Autos kann eine gebrángte Inhaltsanzeige bes: 
jenigen, welches den Titel Mofina Mendez führt, einen Begriff geben. 
Ein Mónd) beginnt mit einer langen Predigtp in welcher er viele Autor 
ren, unter Anderen Boéthius de consolatione, Augustinus de angelo- 
rum choris, Remigius de dignitate sacerdotum citirt. »Diefe gelebrs 
ten Männer — führt er fort — fenden mid auf dies heilige Amphi⸗ 
theater, bamit ich die Figuren, welche fogleich auftreten werben, einführen 
möge; das Werk, welches Ihr fehen follt, Heißt „Die Myſterien der Jung⸗ 
frau. — Nun treten vier Engel mit Mufif auf, hinter ihnen bie heilige 
Sungfrau als Himmelstónigin, ungeben von vier Mädchen, der Klug- 
beit, der Armuth, der Demuth und bem Glauben. Die Lebteren ſetzen 
fi) und jede von ihnen beginnt eine Meiffagung auf ben erwarteten Er⸗ 
Löfer zu lefen. Die Jungfrau fpricht aus, wie glüdlich fie fein würde, 
wenn fie "ber Mutter jenes erfehnten Heilandes auch nur als niedrigfte 
ihrer Sclavinnen bienen dürfte. Da erfcheint der Engel Gabriel, ihr zu 
verfündigen, wie fie felbft jene Exkorene fei, und Maria unterwirft fic) 
in dankbarer Demuth dem Befehle bes Höchften. Der hintere Theil bes 
Theaters, auf dem biefe Scene vorging, fhließt fich, und man erblickt 
eine Anzahl Hirten, wie fie nad) vollbrachtem Tagewerk den Abend mit 
Plaudereien und ländlichen Spielen Hinbringen; vorzüglich macht fich tn 
ihrer Mitte die Bäuerin Mofina Mendez buch ihre munteres Weſen bes 


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merklich; fle erheitert die Hirten durch bie Lieder und Gefänge, die fie 
anfführt, und nachdem biefe, auf's anmuthigfte gefchilderte Ergógung eine 
Zeit lang gewährt, ſtrecken ſich Alle zum Schlafen nieder. Bon Menem 
öffnet ſich ber Hintergrund; die Heilige Jungfrau Fniet anbetend vor bem 
Chriftfinde, die wier in Mädchengeftalt perfonificirten Eigenfchaften fingen 
einen Pfalm, und ein Engel wedt bie fchlafenden Hirten, um ihnen 
die Geburt bes göttlichen Knaben zu verfinbigen. Geſang und Tanz ber 
Hirten um Die Krippe befchließt dann das Auto. — Sehr richtig Hat 
Bouterwef die Comedia Rubena mit Rúdficht auf die lodere Berbin- 
dung der Scenen als dramatifche Novelle bezeichnet; in dem erften Theile 
biefes Stüdes wird, wie fon gefagt, Die bebrängte Lage ber Rubena, 
der Tochter cines Abtes, gefchildert, welche von einem jungen Geiftlichen 
verführt worden ift und nun, dem Zorn des Baters entfliehend, im Freien 
ihre Niederkunft hält. Eine Here Hilftihr mit Hülfe hölliſcher Geifter, die 
fie beſchwoͤrt, aus der Noth und übergibt bie neugeborene Tochter, welche 
den Namen Eismena erhält, Der Obhut ber Feen. Rubena verfchmwindet 
ganz ans dem Perfonal, und bie folgende Scene zeigt Cismena als Hirtin 
in einem abgelegenen Thale ihre Heerben hütend. Die Teen, welchen fie 
zur Pflege anvertraut ift, rathen ihr, fid) in die Stadt Greta zu begeben, 
weil dort ein feltenes Glück ihrer warte. Sie folgt dem Vorſchlage und 
gewinnt Durd) ihre Holdfeligkeit bald das Herz einer vornehmen Dame, 
welche fie an Kindes Statt annimmt. In der legten Scene ift bie mun 
ganz herangewachfene Cismena burch ben Tod ihrer Pflegemutter in ben 
Befitz von deren großem Vermögen gelangt und flieht fid) von vielen Be- 
werbern umbrängt. Diefe Scene (ein Ausdrud, der hier fo viel wie Alt 
bedeutet) ift von den früheren ganz unabhängig und fann als ein Eleines, 
für fich beſtehendes Lufifpiel angefehen werden. Unter den verfchiedenen 
Freiern befindet fich auch ein Prinz von Syrien, ber ſich alg Page ver: 
Heidet hat und zulegt ben Sieg über feine Nebenbubler davontraͤgt. — 
Unvergleichlich mehr dramatifche Nunbung hat bie Comödie El viudo, 
ein allerfiebftes Stúd, welches das Talent des Gil Vicente im glánzenb: 
fen Lichte zeigt. Ein Gefpräch zwifchen bem Wittwer unb feinem Ge- 
vatter bildet den Eingang. Der Erftere kann fich über den Verluft feiner 
Ehehälfte nicht tröften, ber Gevatter aber fagt ihm, er würde fich felig 
preifen, wenn er felbft an feiner Stelle fein Eönnte und entwirft darauf 
ein luftiges Gemälde von ber Noth, Die er mit feiner Frau auszuftehen 
habe. Während der Wittwer ſodann einen Sang zu dem Grabe ber Ber- 
fturbenen antritt, tritt zu jeinen Töchtern ein verfleideter Prinz, Namens 
Rosbel; er gibt fid) ihnen für einen Dudelſackſpieler aus und bittet fte 
um ihre Fürſprache bei dem Vater, daß biefer ihn in feine Dienfte neh⸗ 


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men möge. Der Wittwer kehrt zurück und flellt ein ſcharfes Examen mit 
bem Frembling an, der ihm verdächtig fcheint, ben er aber zulekt alg 
Knecht annimmt. Roberto verrichtet alle feine Handthierungen mit großer 
Pünflichkeit, fchleift Holz, melft Die Ziegen und macht inzwiſchen ben 
beiden Mädchen den Hof. Seine Artigfeiten finden leicht Eingang in ihr 
Herz, und als der Bater fie nöthigen will, anderen Männern bie Hand 
zu reichen, verweigern fie bie Einwilligung, erflärend, nur Rosbel Lieben 
zu Eönnen. Der Prinz ift einigermaßen in DBerlegenheit, weil er buch 
nicht Beide heirathen Tann, und macht ihnen ben Vorſchlag, fie follten, 
um ihn loofen; die Mädchen fügen fid), und die Eine wird Durch bie 
Sand des Geliebten beglücdt; um Der Anderen aus ber Noth zu helfen, 
muß Rosbel’s Bruder erfcheinen , welcher lange Die Welt durdhirrt hat 
um den Berlorenen aufzufucjen, und fehr verwundert ift, ihn in fo niedes 
ver Tracht zu finden; er reicht ber zweiten ber Schweitern feine Hand 
und der Wittwer feiert am Ende durch ein von Muſik und Tanz ver, 
fchönertes Feft bie Hochzeit feiner Töchter mit zwei Prinzen. — Die 
Neize, welche ber portugieftfche Dichter über Diefes Fleine, in mancher 
Hinficht freilich noch bic Kindheit ber Kunft verrathende Genrebilb zu 
verbreiten gewußt hat, fómnen nicht genug gepriefen werden. — Unter 
den Tragi-Comödien des Gil Vicente hat der Don Duardos nicht 
allein bie größte Ausdehnung, er macht auch die meiften Anfprüche auf 
eine eigentlich dramatifche Eompofition. Wir haben hier allen Ernftes 
ein Ritterftú mit Zweifämpfen, Turnieren, tomantifchen Abenteuern, 
Zaubereien und. fich freuzenden Liebjchaften, einen Amadisroman, nicht 
ohne Kunft in Scenen gebradt. Don Duardos, Prinz von England, 
fommt au den Hof des Raifers. Palmerin von Gonftantinopel, um deſſen 
Sohn Primaleon wegen einer Beleidigung zum Rampfe auf Tod und 
Leben zu fordern. Während biefes Kampfes, aus Dem er als Sieger her: 
vorgeht, erblict er die Brinzeffin Florida, die Schwefter feines Gegners 
und wird von ihrer Schönheit zu heftiger Liebe entflammt; da er unter 
feinem wahren Namen nicht an dem feindlichen Hofe zu bleiben wagt, 
faßt er auf den Rath der ihm gewogenen zauberfundigen Fürftiu Olimba 
den Entfchluß, fich verkleidet unter die Gärtner der Prinzeſſin aufnehmen 
zu laflen; ein Liebestranf, den feine Gönnerin bereitet, foll ihm bie Nei- 
gung Slorida'8 gewinnen. Alles geht auf's Defte von Statten, bas lies 
bende Baar (denn der Trank hat gute Mirfung dethan) trifft fich ‚oft im 
Garten, aber nur die Vermählung ber Kaiferstuchter mit einem Gärtner 
ſcheint noch eine Unmöglichkeit zu fein, da gefchieht es, daf Florida von 
einem Ritter beleidigt wird, Duardos legt wieder feine Fúrftentradt an, 
befiegt ben Frechen im Zweilampf, und biefe Heldenthat wird Veran: 


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lafinng, daß ber Raifer, welcher ihm erfennt, ihm ben früheren Sieg 
über Primaleon verzeiht und die Hand ber Tochter in die feine legt. 
Unter dem Gefang einer lieblichen Romanze verabfchiedet fih am 
Schluſſe das glückliche Paar vom conftantinopolitanifchen Hofe, um 
nach England heimzuziehen. — Man hat Unrecht, nach Bouterwek's 
Borgange hauptfächlich die Farqen des Gil Vicente als die eigentlichen 
Beweisftüde feines Talents hervorzuheben, denn fo viel Kunft in Anlage 
und Durchführung eines dramatischen Plans, wie ber Don Duardo's, 
verrathen Diefe nicht. Die meiften berfelben find vielmehr nur abgeriffene 
Scenen aus bem gewöhnlichen Leben und zeigen nicht einmal fo viel 
inneren motivirten Zufammenhang, wie bie befieren der fpäteren Entre⸗ 
mefes. An ber heiteren und muthwilligen Laune, an der Lebendigfeit und 
Anſchaulichkeit, mit welcher bas bunte Getreibe eines beweglichen Volts 
gefchilbert wird, ja an den verfchönernden Pinfelftrichen, welche die Dar: 
fiellung über bie gemeine Wirklichkeit zu erheben fuchen, mag man fich 
erfreuen: aber man rede nicht von einem bedeutenden Einfluß, ben Diefe 
Bargen auf das fpanifche Drama geübt hätten; eine fulche Einwirkung 
fónnte nur auf bie Zwifchenfpiele gedacht werden, allein Bilder des Treis 
bens der Gegenwart lagen den Spaniern wie dem Portugiefen vor Augen, 
and der helle Blid, um fie aufzufaflen, ift mehr Naturgabe, ale daß ee 
gelernt werden fónnte; was dagegen Sache bes Lernens war, innerer 
Fortſchritt der Handlung, gefchickte Verbindung der Scenen, darüber war 
bei Turres Naharro viel mehr Rath zu holen, als bei Gil Vicente. Zu 
Belegen für das Geſagte führen wir die Farsa do Velho da Horto und 
bie dos Almocreves an; in dieſen herrfcht farm mehr gevrdneter Zuſam⸗ 
menhang , alg in ben zufälligen Srfcheinungen des Lebens felbfl, welche 
darin gefihilbert werden; auch von ben übrigen Stücken biefer Gattung 
gilt daffelbe, und nur die Inez Pereira firebt nach mehr Fünftlerifcher 
Geftalt. Die Handlung diefes Lufifpiels ward ſchon in kurzem Abriß bars 
gelegt, aber fie möge hier als die befte unter allen, von Gil Vicente er⸗ 
fundenen, noch näher entmwidelt werden. Ines, die fidy über ihren Stand 
erhaben bünfende Tochter einer Frau aus dem niederen Volke, verrichtet 
unmuthig ihre Arbeit. Die Mutter fchilt fie wegen ihres thörichten Hoch- 
muths. Eine Gelegenheitsmacherin überbringt dem fchönen Mädchen einen 
Liebesbrief von Pero Viarques, einem reichen Landmanne. Bald kommt 
der Freier felbft, ein arger @infaltspinfel, der mit feinen Tölpeleien ge: 
nng zu lachen gibt; Ines gibt ihm einen Korb und fagt, fie wolle lieber 
gar feinen Mann, als folchen Efel. Drauf fommen zwei Juden ale Ehe⸗ 
ftandsmäffer und fehlagen ihr mehrere heirathsluſtige Ritter vor. Sie 
erflärt, fie wolle einen munteren und aufgewedten Mann, der fingen und 


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fpieten koͤnne. Bald erfcheint auch ein. Freier, wie fle ihm wünfcht, mit 
Geſang und Saitenfpiel; fte willigt ein unb die Hochzeit wird unter Feſten 
md Lufibariciten gefeiert. Mber bald erhalten Die Dinge ein trüberes 
Anfehen; ber Ehemann iſt argwöhnifch und despotiſch und läßt der lebens: 
luſtigen Frau nicht bie minbefte Freibeit. Ines beflagt daher, daß fte 
nicht Tieber dem erften dummen Yreier die Hand gegeben, unb iſt fehr 


froh, als fie Durch ben unerwarteten Tod ihres Peinigers in bie Lage verfegt: 


wird, das früher Verfiumte nachzuholen. Sie läßt dem reichen Vero 
Marques fagen, er möge nur fommen, fte werde ihn wicht wieder ab: 
weiſen; für fich rechtfertigt fle ihren Entfchluß mit dem Sprichwort; 
» 34 will Lieber einen @fel, der mich trägt, als ein Pferd, das mich abs 
wirft«; und fie trügt ſich nicht, benn der einfältige Landmann läßt ihr 
tn jeder Hinficht freies Spiel. Nicht lange nad) der Bermählung Flopft 
en @remit an Pero’s Thür; Ines geht, ihm ein Almofen zu reichen, 
der Eremit aber raunt ihr zu, er fet ein Ritter, der fich ihr zu Liebe 
verkleidet habe. Beide find bald einverfimden und bie junge Frau fpiegelt 
ihrem Manne vor, fle wolle zu bem: Eremiten wallfahrten. Der gut: 
müthige Pero lobt diefen Entfchluß feiner frommen Ines und geleitet 
fle felbft einen Theil dos Bega; ale fie an einen Sing fommen, wird 
das Sprichwort von dem Efel noch buchftäblicher wahr, denn der Mann 
mn fic) bequemen, die Frau auf feinem Rücken Yinitber zu tragen und 
fie fo mit eigener Mühſal in die Arme ihres Bublen zu fpebiren. 


Band I. ©. 156, Ferd. Bolf hat kürzlich: mit fehr plaufíblen 
Gründen wahrfcheinlich gemacht, daB aud der evíte Akt der Geleftina 
von: Fernando de Mujas herrühre. 

©. 864. Das köflliche Zwifchenfpiel des Cervantes, El Retablo 
de las maravillas, gründet fich auf einen alten Volksſchwank, welcher 
beutfch erzählt ift in dem Gedicht vom Pfaffen Amis (ſ. Benecke's Bei: 
träge zur Kenntniß Der altd. Sprache und Literatur, 2te Hälfte, (Goͤt⸗ 
tingen 1832, ©. 499 ff). 

Band II. S. 386. Lope's merfivirbiges Drama El Animal por- 
feta ift nach einer Legende, welche fich findet Bollandi Acta Sanct. 
2,974 ed. Antv. Jacebus de Voragine Legenda aurea Hist. 2 
und Vincent. Bell. Spec. hist. 9,115, wie aud) in ben Gesta Roma- 
norum c. 18, 

Seite 623 haben wir eine zu verfümmerte Idee von Alarcon's Don 
Domingo de Don Blas gegeben. Diefes Stüd zeichnet ſich befonders 


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durch bie hoͤchſt originelle unb humoriſtiſche Haltung ber Hauptperſon 
aus. D. Domingo, ein ehrenwerther und feinem Könige mit Blut unb 
Leben ergebener Ritter, Tiebt im Lanfe des gewöhnlichen Lebens feine 
Bequemlichkeit über Alles. Der König von Leon fommt nach Zamora, 
aber der gemäcdhliche Don Domingo fann fidy nicht entfchließen, ihm mit 
ben anderen Gavalieren feine Aufwartung zu madjen. Der König läßt 
ihn rufen, und erft num eilt er zu ihm, aber nur, um bas láftige Ge⸗ 
fchäft fo bald wie möglich zu beeuden. Der König fordert ihn auf, fid) 
eine Gnade auszuwählen, und er erbittet bie, daß fein Gebieter ihn waͤh⸗ 
renb feines Aufenthaltes in Zamora mit ferneren Audienzen verfchonen 
möge. Er hört in einem Hanfe Gefang, tritt ein, um fich an der Mufif 
in der Nähe zu erfreuen, und fept ſich fogleich nieder; ein eiferfüchtiger 
Galan fommt darüber zu und fordert ihn zum BZweilampf; er nimmt 
die Ausforderung an, aber unter ber Bebingung, daß er fich ſitzend jchlagen 
dürfe, Erft als die Umftände feine Thatkraft erfordern, wirft ex die Trágs 
beit von ſich und fteht zulegt ale Held ba. 

S. 639. Das Drama Del cielo viene el buen Rey 'von Ros 
brigo de Herrera berubt auf einer Legende, welche deutſch behandelt wors 
den ift in dem Gedicht »Der König im Bade.» S. bafielbe in Genthe’s 
deutſchen Dichtungen des Mittelalters, B. L S. 415. 

S. 641. In Antonio de Huerta'$ Cinco blancas de Juan de 
Espera en Dios ift die Sage vom ewigen Juden bebanbelt. 

Band TIL S, 403 ff. Die fpärlichen biographifchen Notizen über 
bie einzelnen Dichter, welche bier gegeben werden, find aus Baéna's 
Hijos ilustres de Madrid, aus Latafja, Limeno, NR. Antonio u. f. w. 

In Bezug auf die Stellen und Scenen, weldge bier und da (ich 
beziehe mid) auf Das ganze Werk) aus den Dramen hervorgehoben wurs 
den, muß ich bemerken, daß dabei Feine wörtliche Ueberfepung beabſich⸗ 
tigt ward; biefelben follten mur bie Inhaltsanzeigen der Stüde lebens 
biger machen, und deshalb ward der Dialog oft fehr abgekürzt. 


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48 Zeile 4 v. u. lies Volkes flatt Landes. 

54 lebte Beile, ift vor eine das Wort in zu ftreichen. 

62 Zeile 9 y. o. fehlt Hinter göttliche das Wort nicht. 

75 Zeile 3 y. o. flatt feine vollenbetften lies bie vollens 
dDetften des Calderon. 

89 Zeile 7 y. o. ift bas Wort und zu flreichen. 

98 Zeile 15 v. o. ftatt Begriffe lies Diefe Begriffe. 

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