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Full text of "Geschichte der Eisenbahnen in Elsass-Lothringen und ihres Transport-Verkehres"

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Geschichte der Eisenbahnen 



in 



Elsass-Lothringen . 



GESCHICHTE 



DER 



EISENBAHNEN IN ELSASS-LOTHRINGEN 



UND IHRES 



TRANSPORT-VERKEHRES 



VON 



OTTO FÖHLINGER. 




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STRASSBURG 

J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel) 

4897. 



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*5 



VORWORT. 

Wenn der Verfasser mit der vorliegenden Schrift 
an die Oeffentlichkeit tritt, erfüllt er zunächst eine 
Pflicht der Pietät gegen alte, liebgewonnene Freunde, 
die er aus jahrzehntelanger Verborgenheit und Ver- 
gessenheit befreit. Dieselben erzählten ihm manche 
Geschichte von dem Wirken und Schaffen der Männer, 
die einst an der Wiege der Eisenbahnen von Elsass- 
Lothringen gestanden und mit prophetischem Munde 
die Grossthaten des jungen Verkehrs-Riesen voraus- 
gesagt hatten. 

Ueber ein halbes Jahrhundert ist inzwischen in's 
Land gezogen ! Zwei grosse Völker haben hier in 
friedlicher Thätigkeit ein Werk vollenden helfen, 
welches das Volks wohl in hervorragendem Masse zu 
fördern bestimmt war. Aber auch Jahre des Kampfes 
sind über die eisernen Schienen dahingezogen, da 
der Mensch zerstörte, was er einst mühsam erbaut 
hatte, und da er das Element der Wohlfahrt um- 
wandelte in eine mächtige Waffe gegen seinen 
Bruder. 

Indessen hat der junge Riese ringsum alle Lande 
sich dienstbar gemacht, und über die glatten Schienen- 
strassen von Elsass-Lothringen bewegt sich heute der 
Weltverkehr. Schon vor einem Jahrtausend war 
derselbe an der «Strassburg» vorüber, den Rhein, 
diese alte Kulturstrasse, hinauf und hinunter gezogen 



237015 



VI 



und hatte aus dem Frankenlande, aus England und 
Belgien den Weg durch das Elsass nach den Donau- 
ländern und dem Morgenlande aufgesucht. Und 
dieses Land des Handels, des Gewerbefleisses und 
des Verkehres «par excellence», nimmt es nicht das 
Interesse der weitesten Kreise in ganz Deutschland 
fast mehr als jedes andere in Anspruch? 

Möge die vorliegende Schrift berufenen Kräften 
Anlass geben, die reichen Quellen über die Verkehrs- 
geschichte dieses Landes, welche gleich ungehobenen 
Schätzen in den Archiven und Bibliotheken zerstreut 
sich vorfinden, weiter zu durchforschen ! Bietet doch 
gerade dieser' Zweig der menschlichen Kulturent- 
wickelungsgeschichte noch ein weites Feld zur Aus- 
beute. 

Strassburg i. Eis., im Mai 1897, 



Der Verfasser. 



Inhalts- Verzeichnis . 

Seite 

I. Kapitel Von 1831 bis 1842. Die ersten Eisenbahnen des 

Elsass. 

Das Fest zu Mülhausen 1 

Die ersten Projekte 2 

Die Bahn von Mülhausen nach Thann und Nikolaus 

Köchlin 6 

Die Bahn von Strassburg nach Basel 10 

Der Verkehr auf den ersten Eisenbahnen des Elsass 17 

Die Konkurrenz des Rhein-Rhone-Kanales 21 

II. Kapitel. Von 1842 bis 1863. Die, weitere Elitwickelung 

der Eisenbahnen von Elsass-Lothringen. Anschluss- 
und Durchgangsbahnen. 

Allgemeines über die französische Eisenbahn-Politik . 23 
Die Eisenbahn von Paris nach Strassburg mit Abzweig- 
ung nach Forbach und Diedenhofen 25 

Vorverhandlungen 25 

Bau der Bahn 31 

Die Fortsetzung der Bahn von Basel nach Strassburg 
über Strassburg hinaus im Anschlüsse an die 

pfälzischen Bahnen 33 

Vorverhandlungen 33 

Strassburg-Lauterburg oder Strassburg-Weissenburg 

und Bau der Strecke nach Weissenburg .... 40 
Die Konstituirung der französischen Ostbahn-Gesellschaft 

und ihre Bauthätigkeit 46 

Fusionirung mit der Ardenner Gesellschaft und Erwerb 

der Wilhelm-Luxemburg-Bahnen 49 

Entwickelung des Verkehres bis zum Jahre 1863 ... 53 

Die Tarife der französischen Ostbahn-Gesellschaft . . 60 

Die Wirkungen der Eisenbahnen • 65 

Unmittelbare Wirkungen 65 

Einfluss auf die Industrie des Landes 69 

Einfluss auf die allgemeinen Verkehrs-Verhältnisse 

der Landstrassen und Kanäle 72 



— VIII — 

Seite 

III. Kapitel. Von, 1863 (und früher) bis 1871. Die Lokal- 

bahnen. 

Die Initiative des Präfekten Migrieret 78 

Verhandlangen des Generalrates nnd Fortschritt der Sache 81 

Frühere Projekte 84 

Endgültige Projekte 86 

Verhandlangen mit der französischen Ostbahn n. a. m. 88 

Bau der Lokalbahnen and Gesetz vom 12. Juli 1865 94 

Bahn von Colmar nach Münster 97 

Ausbau des lothringischen Eisenbahnnetzes u, a. m. 102 
Verkebrs-Entwickelung bis znm deutsch-französischen 

Kriege von 1870/71 106 

Der Krieg and die Besetzung der Bahn durch die Deutschen 109 

IV. Kapitel. Die Reichsbahnen (Von 1871 bis 1878). Erster 

Ausbau des Netzes. 
Frankfurter Friedens-Vertrag and Deutsche Verwaltung 112 
Beschaffung der Betriebsmittel, Wiederherstellungs- 
arbeiten und Bau von neuen Bahnen 116 

Die Entwickelung des Verkehres auf den Reichs- und 

Wilhelm-Luxemburg-Bahnen bis 1878 120 

Reichsverfassung vom 16. April 1871 120 

Der Wagenraum- und Gewichts-Tarif 123 

Der Verkehr und der allgemeine wirtschaftliche Nieder- 
gang 125 

Der Reform-Tarif 132 

V.Kapitel. Von 1878 bis 1896. Weiter- Ausbau des Netzes und 
Erwerb von neuen Bahnen. Aufstrebende Entwickelang 

Neubauten 134 

Neue Bewilligungen jmd Entwürfe 140 

Entwickelung des Verkehres von 1878 ab und heutige 

Verkehrslage 143 

Ende der Krisis 143 

Schutzzoll oder Freihandel 144 

Konkurrenzen, Arlbergbahn, Kanäle 150 

Eröffnung der Rheinschiffahrt Strassburg-Mannheim, In- 
ternationales Uebereinkommen, Handels-Verträge 

u a. m . v 153 

Fahrpreise auf den Reichsbahnen 157 

Statistisches 161 

Schluss »Betrachtung. Die wirtschaftlichen Kräfte von 
Elsass-Lothringen und Luxemburg. Günstige geo- 
graphische Lage 166 

Rückblick 173 

Anhang. 

Beschreibung des Bahnnetzes. Eine Karte in Worten 175 

Geschichtliche Daten über die Eröffnung der einzelnen 

Strecken 177 

Verwaltung der Reichseisenbahnen 179 

Verzeichnis der geschichtlichen Original- n. a. Qnellen- 

werke 180 



I. KAPITEL. 

Von 1831 bis 1842. 

Die ersten Eisenbahnen des Elsass. 

Das Fest zu Mülhausen. 

An den Tagen des 19. und 20. September 1841 wurde 
in Mülhausen und Strassburg kein Name höher gefeiert 
als der des grossen Fabrikanten Nikolaus Köchlin. Er 
wurde zum Gegenstande begeisterter Kundgebungen von 
vielen Tausenden, welche zu den Einweihungsfeierlich- 
keiten der von ihm erbauten Strassburg-Baseler Eisenbahn 
erschienen waren. Die Eröffnung derselben war ein be- 
deutendes Ereignis für das ganze Elsass, denn die Strecke 
Strassburg-St. Ludwig war nicht nur die erste grosse 
Bahn des Landes, sondern überhaupt die grösste aller bis 
dahin in Frankreich erbauten Eisenbahnlinien. «Ein 
grosses elsässisches Fest ist gefeiert worden,» schrieb der 
Courrier du Bas-Rhin vom 21. September 1841, «Die 
Tage des 19. und 20. September haben unsere bewun- 
derungswürdige Eisenbahn würdig eingeweiht, dieses neue 
Element der Wohlfahrt, welches die edle Beharrlichkeit 
des Herrn Nikolaus Köchlin allen Elementen der Wohl- 
fahrt beigefügt, die das Elsass schon besass. 134 Kilo- 
meter Eisenbahn sind jetzt zur Befahrung eröffnet, und 
das Elsass kann mit Stolz Frankreich diese erste grosse 
Bahn zeigen, die es durchschneidet und seine Bevölkerung 
vereinigt.» 



• • • • 






Am 19. September, morgens 10 Minuten vor 7 Uhr, 
führte der aus 14 gedeckten und 10 offenen Waggons 
bestehende, reichgeschmückte Festzug, gezogen von den 
beiden Lokomotiven «La Sylphide» und «La France», die 
Festtheilnehmer, unter denen der französische Minister 
der öffentlichen Arbeiten, der Präfekt des Niederrheins 
und die Vertreter aller hohen Obrigkeiten sich befanden, 
von dem Bahnhofe in Königshofen nach Mülhausen. Nach- 
dem der Zug an allen 22 Stationen gehalten und in 
Schlettstadt und Golmar weitere Vertreter der Behörden 
aufgenommen hatte, langte derselbe mit mehr als 400 
Personen um halb 12 Uhr mittags in Mülhausen an, wo 
um 2 Uhr nachmittags die Festlichkeiten begannen. In 
dem Bankettsaale prangte in goldenen Lettern, weithin 
sichtbar, der Name Nikolaus Köchlins und seiner zwei 
Ingenieure Bazaine und Chaperon. Unter den zahlreichen 
Toasten, welche bei dem Bankette ausgebracht wurden, 
entsprachen hauptsächlich folgende dem allgemeinen Cha- 
rakter des Festes : «Die Einigkeit der, an der Eisenbahn 
gelegenen, Städte des Elsass», feierte Karl Börsch, Mit- 
glied des Strassburger Gemeinderates, «den Fortschritt 
des Menschengeistes » der Rektor der Strassburger Aka- 
demie, Gottard. Dieser reihte den Errungenschaften früherer 
Zeiten die Erfindung der Dampfmaschine und der Eisen- 
bahn als hohes Ziel des unermüdlichen Menschengeistes 

an. « Wertlose Lager eines Minerals waren den 

Armen als Brennstoff überlassen, der Mensch erforscht 

sie, untersucht sie Das Gas kommt daraus hervor, 

und nun haben die Nächte ihre Sonne, die Schiffe fahren 
über die Meere ohne Segel und ohne Ruder ; Wagen 
verschlingen den Raum ohne Pferde, und bringen die 
Völker einander näher, um sie in einer einzigen Familie 
zu vereinigen, unter der dreifachen Fahne der Arbeit, der 
Wohlfahrt und der Freiheit!» Der französische Na tional- 
Oekonom und Staatsrat Michel .Chevalier feierte «die 
schnelle Erbauung der europäischen Eisenbahnen.» 

Die ersten Projekte. 

Wenn wir nun das festliche Stimmungsbild verlassen, 
um den Gang der Ereignisse zu verfolgen, so müssen 
wir um 10 Jahre zurückgehen. Unter den Ländern, in 
welchen die grosse That Stephenson's am frühesten ihre 



_ 3 — 

praktische Anwendung fand, nimmt Elsass-Lothringen, 
durch seine bedeutende industrielle und kommerzielle 
Thätigkeit dazu berufen, eine hervorragende Stelle ein. 
Die ersten Eisenbahn-Projekte reichen bis auf die Anfangs- 
zeiten des Bahnbaues auf dem europäischen Kontinente 
zurück. Bereits im Jahre 1831 wurde von einem Metzer 
Banquier, Worms, dem General-Direktor für Brücken- und 
Strassen bau in Frankreich ein Gesuch um Ermächtigung 
zur Anstellung von Untersuchungen über den Bau einer 
Eisenbahn von Metz nach Saarbrücken eingereicht. Als 
Hauptzweck der projektirten Linie war der Transport von 
Kohlen aus dem Saarbrücker Kohlenrevier nach Metz 
und den Häfen der Mosel und von da nach den reichen Erz- 
gebieten Ost-Frankreichs angegeben. Es war in dem betr. 
Projekte darauf hingewiesen worden, dass die Bahn von 
Metz nach Saarbrücken auf den gesamten Personen- und 
Güter-Verkehr zwischen dem Norden und Osten, zwischen 
Belgien und Deutschland, Paris und Strassburg einen 
gewaltigen Einfluss ausüben würde , hinsichtlich der 
Raschheit, Billigkeit und Bequemlichkeit, welche die für das 
Verkehrsleben so wesentliche Ersparnis an Zeit, Geld und 
Mühe bedeutete. Das Kohlenbecken von Saarbrücken war 
zu jener Zeit vorzugsweise dazu bestimmt, den Nordosten 
Frankreichs, das Gebiet zwischen der Mosel bis Epinal, 
der Meuse bis Verdun, der Marne bis Saint-Dizier, der 
Vogesen bis nach Saint-Diö und das ganze zwischen Rhein 
und Vogesen gelegene Land mit Kohlen zu versorgen. 
Für die Nützlichkeit der projektirten Eisenbahn sprach 
hauptsächlich die zu jener Zeit sehr oft beklagte Un- 
regelmässigkeit und Langsamkeit der Transport- Verhält- 
nisse auf den Schiffahrtstrassen (es kamen Saar und 
Mosel in Betracht). Diese hatten seit längerer Zeit grosse 
Massen-Anhäufungen von Gütern in Metz, Pont-ä-Mousson 
und in den Eisenwerken während der Dauer der Ver- 
kehrsstörungen verursacht. Das genannte Gesuch, ebenso 
das gleiche vom Jahre 1836, wurde jedoch abgewiesen. 
Im Jahre 1838 war von einem Consortium grosser 
Geschäftsleute von Saarbrücken das Projekt einer Eisen- 
bahn von Saarbrücken nach Mannheim aufgestellt und im 
Anschlüsse daran an die Banquiers und Geschäftsleute von 
Metz das Ansuchen gerichtet worden, ihrerseits für die 
Ausführung einer Linie von Metz nach Saarbrücken ein- 
zutreten. Die Vorbereitungsarbeiten waren auch wirklich 
in die Wege geleitet und der französischen Regierung 



_ 4 — 

neue Vorschläge, von 2 Ingenieuren Flachat und Petiet 
ausgearbeitet, mit wesentlich derselben Motivirung wie 
die früheren, genauen Nutzberechnungen und einer Zu- 
sammenstellung der voraussichtlichen Baukosten unter- 
breitet worden. Letztere waren für eine eingleisige Bahn 
von 78,10 km. auf 13 700000 frs. (d. h. pro km. = 
175110 frs.) veranschlagt worden, wovon l l A auf Erd- 
arbeiten, V4 ^f den Schienenweg, l j h auf Materialbe- 
schaffung, x / 9 auf Kunstbauten und der Rest auf Verwal- 
tungskosten und dgl. entfielen. 

Ein zweites, für Elsass-Lothringen in Betracht zu 
ziehendes Projekt, dessen Ursprung auf das Jahr 1832 
zurückgeht, war dasjenige der Herren J. S. Blum von 
den Minen bei Epinac. Dieses galt der Ausführung eines 
ebenso grossen, als für die damalige Zeit kühn erscheinen- 
den Unternehmens, nämlich der Herstellung einer Eisen- 
bahn von Le Havre nach Marseille und von Nantes nach 
Strassburg.' Neben den für die allgemeine Nützlichkeit 
des gewaltigen Verbindungsmittels zwischen Ost- und 
West-, zwischen Nord- und Südfrankreich sprechenden 
Gründen war besonders die Wichtigkeit der von der Bahn 
berührten Kohlenbecken von Epinac, Creuzot, Saint- 
Etienne, Alais und Nantes, ferner die Bedeutung der 
Bahn im Interesse der Landes- Verteidigung hervorge- 
hoben, worden. Die erforderliche Bausumme wurde auf 
200000000 frs. veranschlagt. 

Ein anderes Projekt, welches bereits im Jahre 1834 
von einem Mitgliede der «Soci6tö industrielle de Mulhouse» 
aufgestellt wurde, dürfte umsomehr das allgemeine Inte- 
resse beanspruchen, als seine Ausführung erst in der 
neuesten Zeit erfolgte. Es war das Projekt einer Eisen- 
bahn von Saarbrücken über Saargemünd, Diemeringen, 
Ingweiler nach Strassburg. Dasselbe galt in erster Linie 
dem Transporte von Kohlen aus dem Saarkohlen-Gebiete 
nach Mülhausfcn. Die Kohlen-Transporte wurden damals 
bis' Strassburg mittelst Landfuhren und von da bis Mül- 
hausen durch den Rhein-Rhone-Kanal bewerkstelligt, so 
dass die Herstellung einer Eisenbahn von Saarbrücken 
nach Strassburg, welche eine Länge von 130 km. haben 
sollte, eine wesentliche Herabminderung der Transport- 
Kosten bewirkt haben würde. Die Herstellungskosten 
wurden auf 17 000 000 frs., die jährlichen Einnahmen auf 
ca. 1088 000 frs. veranschlagt, darunter 750000 frs. für 
die Beförderung von Kohlen, 200000 frs. für allgemeine 



— 5 — 

Güter und 130000 frs. für Personen. Nach genauen Er- 
hebungen, welche die Mülhauser Handelskammer anstellte, 
betrug der Bedarf an Kohlen im Ober-Elsass für sämt- 
liche industriellen Etablissements etwa 40000 Tonnen 
jährlich, ausser einer grossen Menge anderer Heizungs- 
materialien. Von einer Gesellschaft Gross-Industriefler 
dem General-Direktor für Brücken- und Strassenbau im 
Jahre 1838 vorgelegt, wurde das Projekt zurückgewiesen 
und die Herstellung des Rhein-Marne-Kanals gefordert. 

Die Bahn von Mülhausen nach Thann 
und Nikolaus Köchlin. 

Bevor die zuerst erwähnten Projekte zur Ausführung 
kamen, erging aus dem Ober-Elsass, welches damals schon 
zu den bedeutendsten Industrie-Gebieten des europäischen 
Kontinentes zählte, die Anregung zum Bau einer Eisen- 
bahn von Mülhausen, dem Gentrum jenes Gebietes, nach 
dem ebenfalls industriellen Städtchen Thann. Verschiedene 
Gross-Industrielle, Mitglieder der «Sociöti industrielle de 
Mulhouse » , ersuchten im Jahre 1835 die französische 
Regierung um die Concession zum Bau der gen. Linie. 
Dieselbe wurde jedoch erst im Jahre 1837 der inzwischen 
constituirten «compagnie des chemins de fer de Mulhouse 
ä Thann» ertheilt, deren Haupt der bereits mehrfach 
erwähnte Fabrikant Nikolaus Köchlin aus Mülhausen war. 

Da der Name Köchlin nicht nur mit der Eisenbahn- 
Geschichte von Elsass-Lothringen, sondern noch mehr 
mit der Geschichte der Industrie von Mülhausen, nament- 
lich der Baumwoll-Industrie, eng verknüpft ist, so dürfte 
es hier von Interesse sein, über diesen Gegenstand den .fran- 
zösischen National-Oekonomen Michel Chevalier sprechen 
zu lassen. Derselbe sagt : «Im Jahre 1745 bemerkte ein 
Mülhauser Commis, namens Schmaltzer, auf einer Reise 
durch Bar-le-Duc die Industrie der Indiennes , der 
gedruckten Baumwollzeuge. Es waren Gewebe aus Indien, 
die man in Europa langsam und mit grossen Kosten 
druckte. Diese Industrie beschloss er in Mülhausen ein- 
zuführen. Samuel Köchlin lieferte die Kapitalien und der 
Maler Henri Dollfus sein Talent. Dies waren die Anfänge 
der Baumwoll-Industrie im Elsass, kleine Anfänge, wie 
diejenigen von Rom. Dies war auch der Ursprung der 
beiden Familien Köchlin und Dollfus, die ihre Einnahmen 



— (i — 

ausserordentlich vermehrt haben, getreu den Traditionen 
ihrer Vater. Köchlin und Dollfus, diese beiden Namen 
sind überall in Mülhausen ; man ist sicher, sie da zu 
finden, wo eine Industrie aufblüht; noch sicherer aber 
da, wo es sich um eine patriotische That, oder um ein 
Unternehmen von lokalem oder allgemeinem Interesse 
handelt. Die Indienne-Fabrik von Schmaltzer, Samuel 
Köchlin und Henri Dollfus hat eine Menge kleinerer ge- 
schaffen. Heute handelt es sich nicht nur um das Drucken 
der Stoffe ; die aus Amerika oder Egypten eingeführte 
rohe Baumwolle wird gesponnen und gewebt und hernach 
gedruckt. Etwa 45 Millionen Kilogramm rohe Baumwolle 
fuhrt ganz Frankreich jährlich ein, davon entfallen auf 
Ober-Elsass ungefähr 9 Millionen, d. i. der fünfte Teil 
vom ganzen Königreich. Noch mehr als durch die Menge 
zeichnet sich die Waare durch ihre Güte aus. Die 
feinsten Fäden, welche die französischen Spinnereien her- 
vorbringen, kommen aus dem Elsass. Die im Ober-Elsass 
gedruckten Baumwoll-Gewebe finden nirgends mehr ihres- 
gleichen. Ausgesuchter Geschmack im Muster, Glanz und 
Feinheit der Farben, Dauerhaftigkeit derselben und Güte 
der Gewebe sind in hohem Masse vereinigt ; hierzu kommt 
die Billigkeit, denn diese prächtigen Stoffe sind auf allen 
Börsen vertreten, und jeden Tag sinken die Preise. Die 
Baumwoll-Industrie konzentrirt sich auf einen kleinen 
Raum zwischen Mülhausen und Logelbach, bei Colmar 
und in den vier Seitenthälern der Vogesen, in demjenigen 
von Rappoltsweiler, dem von Münster, von Gebweiler 
und von Thann oder St. Amarin, wo die industriereiche 
Stadt Thann zahlreiche Werke besitzt, und wo im Hinter- 
grunde die grosse Fabrik von Wesserling sich erhebt, 
deren Nebengebäude den Raum einer Stadt füllen.» Von 
anderen Industriezweigen führt Chevalier die Fabrikation 
von Wolle, Seide, Leinen und hauptsächlich von Dampf- 
maschinen an, welch' letztere nirgends besser als in Mül- 
hausen und Umgebung hergestellt würden. Die Firma 
Köchlin war es auch, welche Frankreich die ersten Loko- 
motiven vaterländischer Arbeit lieferte, während bisher 
alle in Frankreich vorhandenen Lokomotiven in England 
hergestellt worden waren. Die im Jahre 1825 begründete 
«Soci6te industrielle de'Mulhouse» trug wesentlich zur 
Hebung und Förderung der Industrie des Ober-Elsass bei. 
Die ersten, von der französischen Regierung geneh- 
migten Untersuchungsarbeiten für die Strecke Mülhausen- 



— 7 — 

Thann wurden durch Entscheidung des General- Direktors 
für Brücken- und Strassenbau vom 30. Mai 1836 einge- 
leitet und durch den Ingenieur des Kreises Altkirch, 
M. Bazaine, geführt, denselben, welcher die Strecke Mül- 
hausen-Thann, und in Gemeinschaft mit dem Ingenieur 
Chaperon die Strecke Strassburg-Basel erbaut hat. Im 
Dezember 1836 wurde das Vorprojekt der Bahn durch 
Nikolaus Köchlin dem Präfekten des Ober-Elsass eingereicht 
und von Letzterem gemäss Artikel 3 des Gesetzes vom 
7. Juli 1833 eine EnquSte-Kommission mit der Feststellung 
der Einzelheiten des Projektes betraut. In der Präfektur des 
Departements, ferner in den Unter-Präfekturen von Alt- 
kirch und Beifort waren gleichzeitig öffentliche Register 
aufgelegt worden, in welche die Einwohner der betr. Ge- 
bietstheile ihre Ansichten und Beschwerden eintragen 
sollten. Die im Kreise Altkirch erhobene Opposition gegen 
das Projekt brachte zum Ausdrucke, dass dasselbe eine 
Privat-Spekulation sei, welche keinerlei Vortheil für das 
öffentliche Interesse verbürge. Die zwischen Mülhausen 
und Thann bereits vorhandenen leichten und bequemen 
Verbindungen Hessen eine neue überflüssig erscheinen, 
zumal ja durch eine solche keine neuen Absatzgebiete 
geschaffen, dagegen viele den derzeitigen Verhältnissen 
entsprechenden Einrichtungen zu Grunde gerichtet würden. 
Im Kreise Beifort beschwerten sich verschiedene Besitzer 
von Waldungen, welche von der geplanten Eisenbahn 
durchschnitten werden sollten. Dieselben befürchteten eine 
Verminderung des Wertes ihrer Besitzungen. Günstig 
sprachen sich die Stadt Colmar, der Munizipalrath von 
Dornach, Mülhausen und die Handelskammer daselbst aus. 
Nach Prüfung der Einzelheiten des Projektes und der 
erhobenen Beschwerden erkannte die Enquete-Kommission, 
dass die geplante Eisenbahn alle Eigenschaften einer all- 
gemein nützlichen Einrichtung vereinige, da sie sowohl 
für die Industrie als auch durch die bedeutende Herab- 
minderung der Preise für Brennmaterialien jeder Art für 
die ärmeren Klassen einen Vortheil verbürge. Dieser 
würde an Bedeutung gewinnen, sobald die geplante Bahn 
von Saarbrücken nach Strassburg fertiggestellt wäre. Es 
wurde noch besonders betont, dass die projektirte Eisen- 
bahn die Beziehungen zwischen Mülhausen und den 
Industrie-Orten der Vogesen vermehren und in Verbindung 
mit der Schiffahrt auf dem Rhein-Rhone-Kanal die Ent- 
wickelung und den Wohlstand des Landes fördern würde. 



— 8 — 

Ferner sei dadurch der Anstoss zur Schaffung neuer 
Eisenbahnverbindungen im Elsass gegeben. 

Die Strecke Mülhausen-Thann sollte eine Länge von 
ca. 20 km. haben und über Dornach, Lutterbach, Senn- 
heim nach ihrem Endpunkte sich hinziehen. Die Ein- 
wohnerzahl von Mülhausen betrug damals etwa 25000, 
von Thann etwa 5000. Mülhausen bezog seine Waaren, 
meistens Baumwolle, von Marseille durch Rhone, Saone, 
Rhein-Rhone-Kanal und von Le Havre und vertheilte sie 
in den zahlreichen Thälern der Vogesen. Thann übertraf 
durch seine Ausdehnung, seine Industrie und seinen Reich - 
thum alle übrigen. Städte mit Ausnahme von Mülhausen. 

Der vom Handelsminister der französischen Depu- 
tirten-Kammer vorgelegte Gesetz-Entwurf wurde in der 
Sitzung vom 24. Juni 1837 mit 218 gegen 22 Stimmen 
angenommen und demgemäss durch Gesetz vom 17. Juli 
desselben Jahres dem Herrn Nikolaus Köchlin die Gon- 
cession ertheilt, die projektive Bahn von Mülhausen nach 
Thann auf seine Kosten, Gefahr und Risiko zu erbauen. 
Die Goncession3-Dauer war auf 99 Jahre festgesetzt. Alle 
besonderen Bedingungen wurden in einem von dem Gon- 
cessionär anerkannten Lastenhefte niedergelegt. Dasselbe 
bestimmte, dass die zum Zwecke der Sicherheits-Polizei, 
der Benützung und Unterhaltung der Bahn nötigen Be- 
stimmungen in besonderen öffentlichen Verwaltungs-Reg- 
lements nach Anhörung des Goncessionärs aufgenommen 
würden. Die Strecke sollte innerhalb 3 Jahren fertigge- 
stellt und eingleisig mit einer Spurweite von 1,44 m. 
erbaut werden. Die Tarifsätze waren im Allgemeinen 
folgende : (Die Regierung beschränkte sich auf Festsetzung 
von Maximalsätzen.) 

Für Personen, pro Kopf und km., in gedeckten 

Wagen . frs. 0,08 

Für Personen, pro Kopf und km., in offenen Wagen 

frs. 0,06 

Für Tiere, je nach Gattung, pro Stück und km. 

frs. 0,10 — frs. 0,04 und frs. 0,03 

Die Güter wurden klassifizirt, und zwar 

1. Klasse: Kalk und Gips, Bruchsteine, Mühlsteine, 
Sand, Thon, Ziegel, Schiefer, Düngermittel, Pflaster- 
und Bausteine jeder Art u. dgl. m. 

pro Tonne und km. zu frs. 0,15 

2. Klasse: Getreide, Mehl, Erze, Koks, Holzkohlen, 



Brennholz, Bretter, Marmor, Roheisen, Eisen in 
Barren, Kolonial waaren pro Tonne u. km. zu frs. 0,16 

3. Klasse: Gusseisen, bearbeitetes Eisen und Blei, 
Kupfer und andere Metalle, Wein, Spirituosen, 
Oele, Wolle und Baumwolle, Farbhölzer, Zucker, 
Kaffee, Drogerie waaren u. dgl. 

pro Tonne und km. zu frs. 0,17 

Für Kohlen war ein besonderer ermässigter Satz 
gewährt worden pro Tonne und km. zu frs. 0,12. 

Auf Grund der Goncessions-Ertheilung bildete sich 
alsbald eine Aktien-Gesellschaft, deren Haupt und einzig 
verantwortliches Mitglied mit dem Titel eines Administra- 
teur-g6rant der Fabrikant Nikolaus Köchlin war. Der Ge- 
sellschaftsfonds wurde auf 2600000 frs., bestehend aus 
5200 Aktien von je 500 frs., festgesetzt, davon stellten 
2500000 frs. die Einlage und die Verpflichtungen des 
Herrn Nikolaus Köchlin dar, 100000 frs. waren für unvor- 
hergesehene Ausgaben bestimmt. 

Die Arbeiten wurden im April 1838 begonnen und 
derart gefördert, dass die ganze Strecke Mülhausen-Thann 
am 1. September 1839 dem Betriebe übergeben werden 
konnte. Die Kosten hatten 2805000 frs. betragen. Der 
erzte Zug legte die ca. 20 km. lange Strecke in 25 Mi- 
nuten zurück, also mit einer Geschwindigkeit von 800 Metern 
in der Minute, oder 48 km. in der Stunde, während die, 
durch die Neigung der Bahn begünstigte Rückfahrt in 
15 Minuten, d. h. mit einer Geschwindigkeit von 79 km. 
pro Stunde erfolgte. 

Vor Eröffnung der Bahn hatte man auf einen Per- 
sonen-Verkehr von etwa 100 bis höchstens 150 Reisenden 
pro Tag gerechnet, während die Betriebs-Resultate sich 
' in Wirklichkeit, wie folgt stellten : 

Vom 1. Januar bis Ende Juni 1840 wurden im Ganzen 
befördert ca. 100000 Reisende, d. h. pro Tag durch- 
schnittlich 5 — 6 Hundert. Sehr bemerkenswert ist, 'dass 
es gerade die minderbemittelten Klassen waren, welche 
die Eisenbahn am meisten benützten. Der Güter- Verkehr 
wurde erst am 1. Juli des Jahres 1840 eröffnet und 
brachte in der ersten Zeit noch nicht den zehnten Theil 
der Gesamt-Einnahmen. Es ist bekanat, dass auf den 
ersten Bahnen der Güter- Verkehr fast immer hinter dem 
Personen-Verkehr zurückgeblieben ist. Der Grund dafür 
liegt in der natürlichen Langsamkeit, mit welcher sich 



— 10 — 

die Veränderung altgewohnter Verhältnisse immer voll- 
zieht. Alte bewährte Verbindungen, die vor Einführung 
der Eisenbahn bestanden, hemmten den Uebergang der 
Güterbewegung auf das neue Transportmittel, dem man 
zunächst noch wenig Zutrauen entgegenbrachte. Hierzu 
kommt, dass Bahnen von nur, kurzer Ausdehnung und 
ohne durchgehende Verbindungen auch noch nicht jene 
Vortheile zu bieten vermochten, welche erst durch die 
Anschlüsse an benachbarte Gebietsteile hervorgerufen 
wurden. Ausserdem bestanden in der ersten Zeit vielfach 
noch Verträge mit den verschiedenen Transport-Unter- 
nehmern, die man nicht so leicht lösen konnte. Viel 
schneller dagegen vollzog sich der Uebergang des Per- 
sonen-Verkehrs auf die Eisenbahn. Den Reisenden kam 
die Geschwindigkeit, mit welcher die Bewegung der 
Lokömotivzüge von statten ging, vom ersten Tage an 
zugute, zunächst, weil die Motive zum Reisen überhaupt 
viel zahlreicher sind als die der Güter-Transporte, dann 
aber auch, weil man durch Eilwagen u. s. w. schon a 
priori an gewisse Ansprüche hinsichtlich der Schnellig- 
keit und Bequemlichkeit der Beförderung gewöhnt war, 
während man andererseits von dem Grundsatze ausging, 
dass bei der Güterbewegung Verspätungen und Unregel- 
mässigkeiten weder für den Versender noch für den 
Empfänger irgend welchen Nachtheil brächten. Die Bahnen 
von lokalem Interesse weisen auch heute noch den regsten 
Personen-Verkehr auf, wie der Sozial-Politiker Riehl schon 
bemerkt, «der Lokal -Verkehr füllt die Personenwagen.» 

Die Bahn von Strassburg nach Basel. 

Noch bevor Köchlin Goncessionär der Mülhausen- 
Thanner Eisenbahn gewesen war, beschäftigte er sich 
bereits mit den Voruntersuchungen für das Projekt einer 
Eisenbahn von Strassburg nach Basel und ersuchte im 
Oktober des Jahres 1837 um die Concession für diese 
Strecke. Im selben Jahre noch wurde auf Grund des 
bereits erwähnten Gesetzes vom 7. Juli 1833 eine En- 
quete-Kommission ernannt, welche sich mit den Einzel- 
heiten des Projektes befasste und angesichts der zahl- 
reichen Reklamationen gegen dasselbe besonders folgende 
Punkte für die Nützlichkeit des Unternehmens geltend 
machte : Der Handel und die Industrie des Elsass würden 



— 11 — 

durch die projektive Bahn von Strassburg nach Mül- 
hausen und Basel einen neuen Aufschwung nehmen und 
neue Mittel zur Entwicklung und zum Aufblühen gewinnen, 
namentlich im Hinblick auf die zu erwartende Verlänger- 
ung der Bahn über Basel hinaus nach der Schweiz und 
Ober-Italien und über Strassburg nach Mannheim, Mainz, 
Köln und Anvers. Sie sollte ferner eine Abzweigung 
der grossen von Paris ausgehenden Bahn nach Strassburg 
und Süddeutschland bilden. (Die Voruntersuchungen zu 
letzterer waren auch bereits von der französischen Re- 
gierung in die Wege geleitet worden.) Die zahlreichen 
Beschwerden der interessirten Bevölkerung des Elsass 
brachten zum Ausdrucke, dass der Ackerbau notleiden, 
der Boden und die Produkte entwertet, viele Industrien 
auf dem Lande vernichtet würden ; dass ferner das ganze 
Unternehmen eher eine Börsen-Spekulation als eine Sache 
des öffentlichen Nutzens sei, dass beträchtliche Kapitalien 
durch dasselbe verschlungen, andere eher vermindert als 
vermehrt würden. 

Hiergegen wurde Folgendes zur Entkräflung ange- 
führt : Das Terrain, welches durch die Anlage der Eisen- 
bahn für den Ackerbau verloren ginge, sei sehr gering, 
da es im Kreise Schlettstadt, welches hauptsächlich in Be- 
tracht gezogen war, etwa im Verhältnisse von 60 zu 118000 
Hektar stehe. Dagegen sei die Bahn für das betr. Gebiet 
von grossem Nutzen, da in demselben die Produktion die 
Konsumtion bei weitem überwiege und der Haupt-Reich- 
thum in dem Exporte von Getreide, Rübsamen, Hanf, 
Lein u. dgl. mehr bestehe. Bis dahin konnte der Export 
sich nur auf einen beschränkten Kreis erstrecken, da die 
Transport-Kosten für grössere Entfernungen die Preise der 
Produkte selbst überstiegen. Strassburg,Colmar, Schlettstadt 
und die Ortschaften der Umgebung waren die einzigen 
Märkte, auf welche der Produzent seine Waaren bringen 
konnte, doch hier fand er starke Konkurrenz durch das 
Vorhandensein der gleichen Produkte in grosser Menge. Die 
Eisenbahn dagegen gestattete durch die Schnelligkeit ihrer 
Beförderungsweise und die Billigkeit der Fracht den 
Transport der Bodenerzeugnisse nach ferneren Gegenden 
und eröffnete dadurch neue Absatzgebiete: z. B. Mül- 
hausen, Basel, und wenn die geplante Verbindung zwischen 
Basel und Zürich fertiggestellt sein würde, einen grossen 
Theil der Schweiz. Auf der Eisenbahn konnte der Be- 
wohner von Erstein schneller und billiger nach Mülhausen 



— 12 — 

und Basel als vorher nach Sirassburg gelangen. Ersparnis 
an Zeit, Verminderung der Frachtkosten, Vermehrung der 
Absatzgebiete für die Handels-Produkte waren die grossen 
Vortheile und Wohlthaten der Eisenbahn. Dafür, dass die 
Pferde, wie besonders betont wurde, ausser Thätigkeit 
gesetzt würden, konnte auf den ausgedehnten Wiesen und 
Weiden des Gebietes von Schiet tstadt eine rationelle Zucht 
von Rindvieh betrieben werden, für welches sich in Stross- 
burg, wo jährlich 5 bis 6000 Ochsen konsumirt wurden, 
ein bedeutendes Absatzgebiet eröffnete. Grosse Strecken, 
welche bis dahin als Weideland dienten, Hessen sich zum 
Anbau von Gemüsepflanzen verwerten, welche mittelst der 
Bahn rasch und billig nach Strassburg, Mülhausen und 
Basel, wo dieselben, wie in allen grösseren Städten, hoch 
im Preise standen, verschickt werden konnten. 

So bedeutete die Eisenbahn für den Boden keinen 
Schaden, sondern nur Vortheil und würde durch die 
Hebung des Kapitalwertes von Grund und Boden ein 
achtes Element des Gedeihens und des Reichthums des 
ganzen Landes. Dafür, dass die kleineren Städte durch 
die Annäherung an die grösseren an Bedeutung verlieren 
würden, weil sie mit diesen die Konkurrenz nicht aus- 
hielten, mussten die grossen Städte gewinnen. Grosse 
Städte aber seien immer die eigentlichen Stätten des 
Lichtes und der Zivilisation gewesen. 

Die Kosten der Ausführung der Bahn wurden auf 
26000000 frs. für eingleisigen Betrieb veranschlagt. Am 
6. und 7. Februar 1838 fanden in der Deputirten-Kammer 
die Beratungen über den vorgelegten Gesetzes-Entwurf 
statt und bald darauf auch in der Pairskammer, welche 
den Goncessionären die Verpflichtung auferlegte, sich zu 
einer anonymen Gesellschaft zu constituiren. Dieses geschah 
unter der Firma: «Gompagnie des chemins de fer de 
Strasbourg ä Bäle» mit dem Sitze in Paris. Der Gesell- 
schaftsfonds betrug 42000000 frs., bestehend aus 84 000 
Aktien zu 500 frs., davon sollten 40000000 zur Aus- 
führung der Eisenbahn mit allem Zubehör dienen. Die 
definitive Goncessions-Ertheilung erfolgte durch Gesetz vom 
6. März 1838 unter der gleichzeitigen Bedingung, dass die 
Gesellschaft, sofern die in der Pfalz projektive Linie Mann- 
heim-Lauterburg zur Ausführung käme, verpflichtet sei, in 
einer Frist von 5 Jahren die Strecke Basel-Strassburg nach 
Lauterburg zu verlängern. Die Eisenbahn Basel-Strassburg 
sollte zweigleisig ausgebaut werden. Die Goncessions- 



— 13 — 

dauer wurde im Gegensatz zu früher nur für 70 Jahre 
ertheilt. Ferner war neu bestimmt worden, dass der Satz 
für Güter im Transit- Verkehre gleich demjenigen für 
Kohlen sein sollte. Der Einheitspreis für die Beförderung 
von Personen in gedeckten wurde auf frs. 0,075 und in 
offenen Wagen auf frs. 0,05 ermässigt. Für die Güter 
der 1. Klasse sollten frs. 0,12, für diejenigen der 3. Klasse 
frs. 0,14 und für die 3. Klasse frs. 0,16 pro Tonne und 
Kilometer erhoben werden. 

Die Expropriation wurde auf Grund des Gesetzes vom 
7. Juli 1833 eingeleitet, erregte aber derart die Opposition 
der interessirten Bevölkerung, dass sich die Regierung zu 
einer Revision des Gesetzes und in der Folgezeit zur Er- 
richtung eines neuen Expropriations-Gesetzes, datirend 
vom 3. Mai 1841, veranlasst sah, desselben, welches noch 
heute mit wenigen Abänderungen, auch in Elsass-Loth- 
ringen, gültig ist. Die Feindseligkeiten, mit welchen die zur 
Vornahme der Expropriation eingesetzte Jury zu kämpfen 
hatte, nahmen in -manchen Gebieten, so z. B. dem von 
Schlettstadt und zwischen Mülhausen und Basel einen 
solch bedrohlichen Charakter an, dass die Sicherheit nur 
durch die öffentliche Gewalt wieder hergestellt werden 
konnte. Die Forderungen der Eigentümer wurden jedoch 
in den meisten Fällen um das zwei- und dreifache durch 
die Angebote der Jury überschritten. Die gesamte für 
Erwerb von Grund und Boden verausgabte Summe belief 
sich auf etwa 5 bis 6 Millionen frs. Für Kunstbauten, 
Brücken und Viadukte betrug die Gesamt- Ausgabe etwa 
1425900 frs., für Herstellung des Oberbaues (zwei Gleise) 
etwa 1800000 frs. 

Das gesamte für die Herstellung der 139 km. langen 
Bahn von Strassburg nach Basel verwendete Kapital 
betrug 45052000 frs., darunter 29400000 frs. aus 84000 
Aktien zu 350 frs. bestehend, 12600000 frs. Staats- An- 
leihe, rückzahlbar zu 4°/ (ausschliesslich 1% Amortisa- 
tion, welche erst im Jahre 1847 beginnen sollte) ferner 
eine im Jahre 1843 gemachte Anleihe, bestehend in 2775 
Obligationen zu 1000 frs., rückzahlbar zu 1250 frs. = zus. 
3052000 frs. 

Die Eröffnung der ersten Theils trecke Benfeld-Colmar 
erfolgte am 19. Oktober 1840, die Eröffnung der Strecke 
Mülhausen-St. Ludwig am 26. Oktober desselben Jahres, 
der Strecke Benfeld-Königshofen und Mülhausen-Golmar 
am l. Mai bezw. 15. August 1841, die Inbetriebnahme 



— 14 — 

der ganzen Linie Königshofen-(Aussenbahnhof Strassburg) 
St. Ludwig am 19. September desselben Jahres. Die endgül- 
tige Trace der Bahn war nach Verfügung der Ingenieure 
Chaperon und Bazaine ausgeführt worden, welche die allge- 
meinen Gesichtspunkte in einer Denkschrift angegeben 
hatten, die als Anhang zum Vor-Projekte diente. Zuerst war 
als Ausgangspunkt der Strecke die Gegend vom Spitalthore 
in Strassburg bestimmt gewesen, alsdann erwählte man 
mit Rücksicht auf die Einmündung später zu erbauender 
Linien eine zwischen Kronenburger- und Steinthor gelegene 
Stelle, genannt Grünerbruch, welche am geeignetsten 
schien, die Bahnen von Basel, Paris und Lauterburg zu 
vereinigen. Die Ausführung des letztgenannten Planes 
erfolgte jedoch erst mehrere Jahre später, zunächst wurde 
ausserhalb der Stadt, in Königshofen, ein provisorischer 
Bahnhof errichtet. Die Entfernung zwischen Strassburg 
und St. Ludwig beträgt in der Eisenbahnlinie 137,668 km., 
bis Basel 140 km. Sehr bemerkenswert ist es jeden- 
falls, dass die Entfernung auf dem Rheine zwischen der 
Kehler Brücke und der Brücke von Basel ebenfalls 
140 km. beträgt. Die offizielle Volkszählung vom 
Jahre 1844 giebt folgenden interessanten Aufschluss über 
die Einwohnerzahl der von der Strassburg-Baseler Bahn 
berührten Gemeinden. Es sollen hier nur die wichtigsten 
derselben Erwähnung finden : 

Die Einwohnerzahl betrug : 

U n t e r - E 1 s a s s. 

In Strassburg =70 298 In Erstem ■= 3 445 

> Geispolsheim =2142 » Benfeld =. 2 688 
» Fegersheim = 1771 » Scherweiler = 2 651 

In Schlettsta4t = 8624. 

Ober-Elsas s. 

In Bergheim = 3 428 In Dornaoh = 2 920 

> Golmar = 18619 > Mnlhansen = 38129 
» Rufach =3332 » Rixheim = 3 022 

Die Bahn berührte im Ganzen 58 Gemeinden mit 
zusammen 200000 Einwohnern. Schon bei den ersten 
Vorstudien* hatte man in Anbetracht der ziemlichen Be- 
völkerungsdichtigkeit des Elsass zur Herbeiführung eines 
regen Nachbar -Verkehres beschlossen, eine möglichst 
grosse Anzahl von Stationen zu errichten und anfangs 
20, alsdann noch 9 neue vorgesehen. Unter den 29 Sta- 



— 15 — 

tionen waren 5 Haupts tationen (Königshofen für Strass- 
burg, Schlettstadt, Colmar, Mülhausen uüd St. Ludwig) 
5 Stationen 2. Klasse : Erstein, Benfeld, Rappoltsweiler, 
Rufach und Bollweiler, und 19 Stationen 3. Klasse, eine 
Eintheilung, welche durch die Betriebs- Ergebnisse der 
späteren Jahre vollständig gerechtfertigt worden ist, da 
die Stationen 1. Klasse 75°/ , die Stationen 2. Klasse 10°/ 
und die 19 Stationen 3. Klasse zusammen 15°/ der Ein- 
nahmen aus dem Personen-Verkehre erzielten. Die Her- 
stellungskosten für die vier grossen Bahnhöfe von Schlett- 
stadt, Colmar, Mülhausen und St. Ludwig betrugen etwa 
1685000 frs., wovon auf Mülhausen allein 790000 frs. 
entfallen. 

Was nun die Ausrüstung dieser ersten grossen Bahn 
des Elsass und von ganz Frankreich mit Betriebsmitteln 
anbelangt, so waren von vornherein 

16 Lokomotiven und Tender 
26 gedeckte Personenwagen unds 
100 andere Wagen vorgesehen. 

Die Anzahl der Lokomotiven wurde jedoch bald nach 
Inbetriebnahme der Bahn vermehrt, so dass im Jahre 
1842 = 26 Lokomotiven im Dienste waren. Der Preis 
der aus England gelieferten Maschinen betrug frei Mül- 
hausen etwa 50 bis 52000 frs. (einschl. Tender), der 
Preis der aus den Maschinenfabriken von Andr6 Köchlin 
und J. Meyer hervorgegangenen etwa 50000 frs., die 
mittlere Leistung jeder einzelnen etwa 20000 km. pro 
Jahr. Auch die Anzahl der vorgesehenen Wagen wurde 
vermehrt und zwar auf 44 gedeckte Personenwagen mit 
zusammen 1246 Plätzen ; dieselben kosteten durchschnitt- 
lich je 6500 frs. 

Die Strecke Strassburg-Basel war, wie bereits zu 
Anfang erwähnt, die grösste aller bis dahin in Frankreich 
erbauten Bahnen, deren zweitlängste, die am 7. Juli 1841 
eröffnete Strecke von Bordeaux nach La Teste, eine Länge 
von 52 km. hatte. Das ganze zu jener Zeit ausgebaute 
französische Eisenbahnnetz umfasste 570 km. 

Die Wahrnehmung des Betriebsdienstes auf der Strecke 
Basel-Strassburg erfolgte nach folgenden Grundsätzen : 
Zur Ueberwachung und Unterhaltung der Bahn war eine 
bestimmte Anzahl von Wärtern angestellt, deren Haupt- 
funktionen darin bestanden , die Strecke in betriebs- 
sicherem Zustande zu erhalten, die Barrieren zu öffnen 
und zu schliessen und Hülfe für die, in Gefahr befindlichen 



— 16 — 

Züge zu vermitteln. Die Ankunft der Züge wurde durch 
das Hornsignal von Posten zu Posten angekündigt. Zum 
Notsignal diente eine gelb und rote Fahne, welche der 
Wärter hin und herbewegte. Die Bahnwärter waren in 
kurzen Entfernungen von ca. 1 000 m aufgestellt. Beweg- 
liche Werkstätten besorgten die Unterhaltung des Ober- 
baues, auf dessen Ergänzung und Wiederherstellung, 
bezw. Erneuerung im Interesse der ungehinderten Be- 
wegung der Züge die grösste Sorgfalt verwendet wurde. 

Auf den kleineren Stationen geschah die Einziehung 
und Verrechnung der Einnahmen durch den Stationschef, 
auf den grösseren durch besondere Abfertigungs-Beamten ; 
die Ueberwachung des gesamten Betriebsdienstes erfolgte 
durch einen Verkehrs- Chef, welcher seinen Sitz in Mül- 
hausen hatte, und welchem 2 oder 3 Kontrolöre zur Seite 
standen. 

Nach verschiedenen als unpraktisch erkannten Ver- 
suchen wurde im Jahre 1842 folgender Abfertigungs- 
Modus für den Personen-Verkehr eingeführt, welcher sich 
durch Vereinfachung und Beschleunigung der Abfertigung, 
sowie Erleichterung der Kontrole auszeichnete : Ein grosser 
Schrank enthielt die im Voraus für jede Bestimmungs- 
station und Wagengattung vorbereiteten Karten. Für 
jede Bestimmung war eine Abtheilung von sechs Fächern 
eingerichtet, darunter zwei für Eilwagen, ganze und halbe 
Plätze (in gelber Farbe), zwei für sogenannte char-ä-bancs 
(grün) und zwei für gewöhnliche Waggons (weiss). Ueber 
den einzelnen Fächern war, auf einem in denselben Farben 
wie die Karten gehaltenen Streifen Papier, der Preis der 
Karte angegeben, welcher ausserdem auch in grossen 
Ziffern ausserhalb des Bureaus für das Publikum ange- 
bracht war. 

Ein Stempel bezeichnete den Tag der Abfahrt und 
den Buchstaben des Zuges auf der Karte, um eine miss- 
bräuchliche Benutzung derselben Karte für verschiedene 
Züge unmöglich zu machen. Der Abfertigungsbeamte 
hatte nur die Vertheilung der Karten an die Reisenden, 
die Abstempelung der Karten und die Einziehung der 
Einnähmen für dieselben zu besorgen, ohne irgend ein 
Wort zu schreiben. Die Eintragungen in die Rechnungen 
geschahen erst nach Abfahrt des letzten Zuges. Man 
sieht, dass dieses Verfahren, eingeführt im Elsass im 
Jahre 1842, im Wesentlichen dasselbe ist, wie das noch 
heute allgemein übliche. 



— 17 — 

Die technische Einrichtung der Billetschränke war 
folgende : Jedes Fach enthielt ein kleines Bleiblättchen, 
welches auf den Karten auflag, um sie festzuhalten. 
Dieses Blättchen wurde, sobald eine Karte aus dem 
Fache herausgenommen war, zur Seite gelegt, so dass 
bei der späteren Feststellung die herausgenommenen 
Blättchen die Fächer, aus welchen Karten verkauft worden 
waren, anzeigten. Um die Anzahl der aus den einzelnen 
Fächern entnommenen Karten ermitteln zu können, war 
jede derselben mit zwei Nummern versehen, mit einer 
Ordnungs - Nummer und einer Serien-Nummer. Jede 
Serie enthielt hundert Karten, welche vom Vorsteher 
gestempelt, in ein verschnürtes und mit seinem Amts- 
siegel versehenes Packet gebracht wurden. Die Karten 
waren so geöTdnet, dass der Abfertigungs-Beamte die 
Richtigkeit feststellen konnte, ohne den Verschluss zu 
verletzen. Beim Tagesschlusse wurde die letztverkaufte 
Nummer jedes Faches in die Einnahme-Nachweisüng 
eingetragen und gab durch Vergleichung mit derjenigen 
vom Tagesanbruche die Anzahl der inzwischen verkauften 
Karten an. Auf den Stationen lagen Tarife über die Be- 
förderungsprei^ nach allen Bestimmungsorten auf, so dass 
die Eintragung der erzielten Einnahmen aus dem Personen- 
Verkehre, nach Wagengattung und Bestimmungsstationen 
Getrennt, sowie die Feststellung der Richtigkeit der 
[asse eine wenig zeilraubende Arbeit war. 

Das beschriebene System, von M. Bazaine erfunden, 
wurde bald auf allen Stationen eingeführt. Der «Indus- 
triel alsacien» vom 27. März 1842 enthält eine längere 
Abhandlung darüber, aus welcher die vorstehenden An- 
gaben stammen. 

Der Verkehr auf den ersten Eisenbahnen des 

Elsass. 

Den Hauptvortheil versprach man sich zunächst für 
den Personen- Verkehr, da man allgemein annahm, dass 
für viele schweren Güter, wie z. B. Kohlen, der Oberbau 
nicht genügend Festigkeit besässe und derartige Trans- 
porte daher bedeutende Unterhaltungs- und Wiederher- 
stellungskosten verursachten. Was den Personen- Verkehr 
anbelangt, so hoffte man, nach den auf anderen Eisen- 
bahnen gesammelten Erfahrungen, dass derselbe sich 



— 18 — 

gegen bisher mindestens verdreifachen würde. Von Strass- 
burg nach Basel verkehrten vor Einfuhrung der Eisen- 
bahn täglich drei Eil wagen, welche durchschnittlich je 
12 Reisende während der 6 Wintermonate und 13 Rei- 
sende während der 6 Sommermonate, d. h. im Jahre ca. 
7 — 8 Tausend und, für Hin- und Rücktour berechnet, ca, 
15 — 16 Tausend Reisende beförderten. Verdreifacht würde 
sich die Zahl von ca. 45000 ergeben. Hierzu rechnete 
man die Reisenden, welche im Sommer den Rhein hinunter 
und hinauf fuhren, diejenigen, welche das rechte Rhein- 
ufer verlassen würden, um sich nach dem linken Ufer 
und auf die Eisenbahn daselbst zu begeben, ferner alle 
Landbewohner, welche täglich die Eisenbahn benutzen 
mussten, um nach Mülhausen, Colmar und Strassburg 
zu fahren. Bestimmte Zahlen der zu erwartenden Fre- 
quenz Hessen sich jedoch noch nicht feststellen. Ver- 
gleiche, wie sie damals vielfach üblich waren, z. B. mit 
der Eisenbahn zwischen Liverpool und Manchester konnten 
auf diesen speziellen Fall keine Anwendung finden, da 
die beiden genannten Städte 225000 bezw. 130000 Ein- 
wohner zählten, während Strassburg und Basel bezüglich 
ihrer Einwohnerzahl viel bescheidenere Verhältnisse auf- 
wiesen. * 

Was nun die kommerzielle Bedeutung der Strecke 
Basel-Strassburg anbetrifft, so kam man zu folgenden 
Schlüssen: Von dem allgemein gültigen Satze aussehend, 
dass zur Herbeiführung eines regen Güter-Verkelirs die 
Produktions- Verhältnisse des einen Theiles des Verkehrs- 
Gebietes den Konsumtions-Verhältnissen eines andern 
entsprechen müssen, zog man für die Produkte des Acker- 
baues in erster Linie die Märkte von Strassburg, Mül- 
hausen, Colmar und Basel in Betracht. Doch sah man 
in diesen Beziehungen keine genügende Verkehrskraft, 
um einschl. der aus dem Personen-Verkehre erzielten 
Einnahmen die auf 60 bis 80000 frs. pro Meile festge- 
setzten Unterhaltungskosten und die Zinsen des Anlage- 
Kapitals für die Bahn zu decken. Da die Linie Basel- 
Strassburg in erster Linie als ein Verbindungsglied 
grösserer noch zu erbauender Durchgangsrouten gelten 
sollte, setzte man auch in den Durchgangs- und direkten 
Verkehr die grössten Erwartungen. Für die aus dem 
Süden Frankreichs über Strassburg nach Deutschland be- 
stimmten Waaren' war zunächst der Rhein-Rhone-Kanal 
eine wichtige Konkurrenzlinie. Man ging von der Voraus- 



— 49 — 

Setzung aus, dass für die Beförderung fast aller Güter, 
hauptsächlich aber der Massengüter, die Schnelligkeit und 
Regelmässigkeit nicht Bedingung sei, so dass also diese 
Vorzüge des neuen Transportmittels nicht in Berücksich- 
tigung gezogen wurden. Für die grössere Leistungsfähigkeit 
der Kanäle und Flüsse im Güterverkehr sprach zunächst 
die billigere Fracht, welche durchschnittlich 11 Cts. pro 
Tonne und km. betrug, gegenüber 13 — 14 Cts. auf der 
Eisenbahn, ausserdem der um ca. 5 km kürzere Transport- 
weg des Rhein-Rhone-Kanals zwischen Mülhausen und 
Strassburg. Ferner fielen die in Mülhausen erwachsenden 
Kosten der Umladung' der Güter vom Schiffe auf die Eisen- 
bahn in's Gewicht, wodurch die Fracht-Differenz zugunsten 
des Kanalverkehrs noch erhöht wurde. Mehr liess sich da- 
gegen erhoffen von dem Verkehr aus dem Innern Frank- 
reichs und vom Rheine. Auf letzterem war in den letzten 
Jahren ein bedeutendes Anwachsen des Verkehres beob- 
achtet worden. Die Menge der im Hafen von Strass- 
burg eingelaufenen Güter aus den am Rhein und am Main 
gelegenen Städten war von 1831 bis 1835 von 3113 auf 
50000 Zentner gestiegen, so dass man dieselbe kurz vor 
Eröffnung der Strecke Basel-Strassburg auf etwa 100000 
Zentner schätzen konnte. Ein Theil dieser Transporte 
musste von Strassburg ab sicherlich, der Eisenbahn 
zugutekommen. Dies waren die Erwartungen, welche 
man in das neue Eisenbahn-Unternehmen für die erste 
Zeit gesetzt hatte; ihrer eigentlichen Bestimmung sollte 
die Strecke Basel-Strassburg erst entgegengehen, wenn 
die grossen internationalen Verkehrs-Routen von Ober- 
Italien, der Schweiz nach Mannheim, Mainz, Cöln und 
Anvers einerseits und von Le Havre über Paris nach 
Strassburg, Stuttgart, Ulm, München und Wien anderer- 
seits ausgebaut sein würden, eine Erwartung, welche die 
Erfahrungen der Folgezeit in der günstigsten Weise be- 
stätigten. Es ist bekannt, dass die beiden genannten 
Verkehrslinien schon vor einem Jahrtausend als Handels- 
strassen dienten. 

Am 15. August 1841 wurde auf der Strassburg- 
Baseler Eisenbahn der Betrieb eröffnet. Die Anzahl der 
beförderten Personen von diesem Zeitpunkt bis 31. De- 
zember desselben Jahres, also während 4V 2 Monaten, be- 
trug 294 849, ein Resultat, welches wohl grossentheils den 
Einweihungsfeierlichkeiten und dem Reize der Neuheit, 
welchen die Eisenbahn damals noch hatte, zu verdanken ist. 



r _ 20 — 

In den nächsten Jahren wurden befördert: 

1842 = $26 799 Personen bei einer Einnahme von 1574126 frs. 

1843 = 702 748 > » > > 1639324 frs. 

Hinter diesen Resultaten blieb der Güter-Verkehr 
lange Zeit weit zurück. 
Derselbe brachte : 

1842 = 270289 frs. 

1843 = 607429 frs. 

1844 = 684805 frs. 

1845 = 692833 frs. 

Die Gesamt-Einnahme der ersten Jahre betrug 

1842 = 1844415 frs. oder 13800 frs. pro km. 

1843 = 2146 753 frs. > 16000 frs. > > < 

1844 = 2308202 frs. > 17300 frs. > > 

Die kilometrische Roheinnahme überstieg bis zum 
Jahre 1852 niemals die Summe von 17900 frs. Bis zu 
diesem Jahre und auch noch im Jahre 1853 blieb die 
Einnahme aus dem Personen- Verkehr der wesentlichste 
Bestandteil der Gesamt-Einnahme. 

In dem der Goncessions-Urkunde beigegebenen Lasten- 
hefte für die Strassburg-Baseler Bahn waren bekanntlich 
zwei . Wagenklassen für den Personen- Verkehr vorgesehen. 
Durch königliche Ordonanz vom 29. Oktober 1840 wurden 
drei Klassen eingerichtet und zwar: 

1. Klasse in gedeckten und mit Fensterscheiben ge- 
schlossenen Wagen, auf Federn ruhend 

zum Satze von 0,10 frs. 

2. Klasse in gedeckten auf Federn ruhenden Wagen 

zum Salze von 0,075 frs. 

3. Klasse in unbedeckten auf Federn ruhenden Wagen 

zum Satze von 0,05 frs. 

Vom Jähret 848 ab fielen die offenen Personenwagen 
weg und wurden durch gedeckte, mit Vorhängen und 
später mit Fensterscheiben geschlossene Wagen ersetzt. 
Was das Verhältniss der Benützung der einzelnen Klassen 
anbelangt, so stellte sich dasselbe für das Jahr 1848, 
wie folgt: 

1. Klasse 60 2. Klasse 290 3. Klasse 650 Reisende 
pro Tausend. 

Die von jedem Reisenden durchschnittlich durch- 
fahrene Strecke pro Jahr: 

1. Klasse 60 km 2. Klasse 39 km und 3. Klasse 
29 km. 



— 21 — 

Vom Jahre 1844 ab wurden folgende Gütermengen 
auf der Basel-Strassburger Eisenbahnsirecke befördert : 

1844 = 70819 Tonnen 
1846 = 72843 
1849 = 99500 
1851 = 110774 » 

Von der im Jahre 1844 beförderten Tonnenzahl ent- 
fallen auf: 

Postgüter = 831,194 Tonnen 

Eilgüter = 8702,930 

Frachtgüter = 48797,764 
Güter im Transit = 6378,426 > 

Kohlen = 6088,286 » 

In der Periode von 1841 bis 1853 betrug : 

Die mittlere kilometrische Roheinnahme = frs. 16,800 

> » > Aasgabe = > 10,600 

> > » Reineinnahme = » 6,200 

Verhältnis- Ausgabe zu Einnahme —63 zu 100. 
Das Betriebs-Ergebnis war = 2°/ vom aufgewendeten 
Kapital (314000 frs. pro km) 

oder 3°/ vom Aktienkapital (212000 frs.) 



Die Konkurrenz des Rhein-Rhone-Kanales. 

Im Jahre 1841 wurden auf dem Rhein -Rhone-Kanal 
befördert : 

a) zwischen Strasburg und lliühausen = 27354 t. 

b) im Verkehre nach Süd-Frankreich = 6993 t 

c) im Transit- Verkehre = 7703 t 

49,050 t. 
Im Jahre 1842 zu a) = 21417 t. 
» b) = 5869 t. 

> c) = 6366 t. 

33652 t. 
Im Jahre 1848 zu a) = 16056 t. 

> b) = 5286 t. 

> c) = 9198 t 

30540 t. 

Der Verlust, welchen die Kanalschiffahrt seit Eröff- 
nung der Eisenbahn erlitten hatte, betrug daher im Jahre 
1842 gegen 1841 = 8398 t, d. h. l / 5 der Tonnenzahl. 
Diese Reduktion war unzweifelhaft auf die Konkurrenz 
der Eisenbahn zurückzuführen. Gh. Gollignon giebt darüber 



— 22 — 

folgende Erläuterung: Im Jahre 1844 betrug der Preis 
fiir den Transport von 100 kg gewöhnlicher Güter auf 
dem Wasserwege von Strassburgnach Mülhausen = 1 ,30 frs. 
oder 13 frs, pro Tonne. Die Entfernung ist gleich 99 km, 
es ergiebt sich daher ein Preis von 0,13 frs. pro Tonne 
und km. 

Die Eisenbahn verlangte fiir die gleiche Transport- 
leistung bei Waaren 1. Klasse = 1,40 frs. und 2. Klasse = 
1,20 frs. pro 100 kg, d. h. durchschnittlich ebenfalls 13 frs. 
pro Tonne. Da die Entfernung mit der Eisenbahn indess 
106 km beträgt, so ergiebt sich ein Preis von 12,26 Cts. 
pro Tonne und km, also geringer als für den Transport 
auf dem Kanäle, eine Erscheinung, die nirgends sonst 
eine Analogie hatte. 

Für den dadurch entstehenden Einnahme-Ausfall 
entschädigte sich die Eisenbahn auf den Zwischenstationen. 
-Die Eisenbahn-Gesellschaft hatte eine differentielle Tarif- 
bildung gewählt, so dass dem Kanäle lebhafte Konkurrenz 
geboten wurde. 

Die Einheitssätze pro t. und km betrugen : 

1. für die Entfernung 

von Strassburg nach Mülhausen (106 km) = frs. 0,123 

2. für die Entfernung 

von Strassburg nach Schlettstadt (41 km) = frs. 0,256 

3. für die Entfernung 

von Schlettstadt nach Mülhausen (65 km) = frs. 0,206 

4. für die Entfernung 

von Strassburg nach Colmar (63 km) =■ frs. 0,210 

5. für die Entfernung 

von Colmar nach Mülhausen (43 km) = frs. 0,177 

6. für die Entfernung 

von Strassburg nach Bollweiler (87 km) = 0,166 

7. für die Entfernung 

von Strassburg nach St. Ludwig (134 km) = 0,121 
und für die gleiche Entfernung im Transit- Verkehre = 0,097 

Die höheren Sätze bezogen sich auf solche Strecken, 
für welche die Konkurrenz des Kanals nicht in Betracht 
kam, während für solche Strecken, welche von dem 
Transporte auf dem Kanäle hätten profitiren können, 
um die Konkurrenz des letzteren zu entkräften, niedere 
Sätze angewendet wurden. Für die Strecke Strassburg- 
Mülhausen kam die Konkurrenz des Kanals in Frage, 
daher nur 0,123 frs. gegen 0,13 frs. auf dem Kanäle 
berechnet wurden. Den Ausfall an Frachten deckten 
die Transporte von Strassburg nach Schlettstadt z. B., 



— 23 — 

auf welcher Strecke die Beförderung auf dem Kanäle 
ausgeschlossen war. 

Die Tonnenzahl der auf der Eisenbahn beförderten 
Güter war von 2200 im Jahre 1841 auf 66468 im Jahre 
1843 gestiegen. Diese, entwickelt Gollignon weiter, 
setzten sich zusammen : Zunächst aus den bis dahin auf 
den Landstrassen beförderten Gütermengen (ca. 9500 t.) 
ferner aus solchen, welche vom Kanal auf die Eisenbahn 
übergegangen waren, und endlich aus denjenigen, welche 
man auf den grossen Landstrassen von Nancy nach 
Strassburg, Colmar und Mülhausen seit Eröffnung der 
Eisenbahn zu den bisher beförderten Gütern noch zuge- 
laden hatte, damit dieselben nun per Eisenbahn ihren 
Bestimmungsorten zugeführt würden. Man ergänzte die 
Ladungen auf der Landstrasse Nancy-Strassburg durch 
solche neuen Güter, welche ab Strassburg nach Mülhausen, 
Colmar, Basel befördert werden sollten,, während die- 
selben früher direkt per Landfuhre ihren Bestimmungs- 
orten zugeführt worden waren. 



IL KAPITEL. 



Von 1842 bis 1863. 

Die weitere Entwickelung der Eisenbahnen in 
Elsass-Lothr ingen . 

Allgemeines über die französische Eisen- 
bahn-Politik. 

In der Entwickelung des Bahnnetzes war Frank- 
reich anfangs hinter den anderen Ländern zurückgeblieben. 
Mit der Eröffnung der Strecke Basel-Strassburg jedoch 
begann ein rascheres Vorgehen in dem Bau von Eisenbahnen. 
In vielen Fällen nahm die französische Regierung die 
Angelegenheit selbst in die Hand, da wo es sich um 
das allgemeine Interesse des Landes handelte, oder sie 
unterstützte die Privat-Initiative nach jeder Richtung durch 
bereitwillige Goncessions-Ertheilung, in den meisten 



— 24 — 

Fällen aber auch durch Gewährung beträchtlicher Staats- 
subventionen und Baar-Darlehen, zu deren Rückzahlung 
sie die günstigsten Bedingungen stellte. 

Das Gesetz vom IL Juni 1842 endlich, welches für 
die Folgezeit von fundamentaler Bedeutung für die Eisen- 
bahnen Frankreichs geblieben ist, bestimmte, dass der 
Staat auf seine Kosten den Grunderwerb, die Erdarbeiten 
und Kunstbauten übernehmen und den Gesellschaften die 
Ausfuhrung des Oberbaues, die Lieferung des Betriebs- 
materials und die Sorge für den Betrieb überlassen sollte. 
Nach diesem Gesetze wurde die Ausgabe des Staates 
allgemein auf 150000 frs. pro km, die der Privatgesell- 
schaft auf 125000 frs. festgesetzt. In der Concessions- 
Ertheilung griff ein doppelter Modus Platz, entweder die 
direkte Goncession an die nachsuchende Gesellschaft, oder 
die öffentliche Zusprechung, unter Zulassung des Wettbe- 
werbes von verschiedenen Gesellschaften. 

So entstand jenes einheitliche Eisenbahnnetz Frank- 
reichs, welches sich wesentlich von denjenigen anderer 
Länder unterscheidet und durch eine Menge radienförmig 
von der Landeshauptstadt auslaufender Hauptlinien, die 
vielfach untereinander verbunden sind, sich charakterisirt. 
Bei dem streng durchgeführten Zentralisationssystem im 
französischen Verwaltungswesen konnte es auch nicht 
ausbleiben, dass der Staat sich schon frühzeiüg die obersten 
Rechte über das gesamte Eisenbahnwesen vorbehielt. 
Die Gonc^ssions-Ertheilung erfolgte in der Regel auf 
99 Jahre, oft auch auf kürzere Dauer. Nach Ablauf 
dieser Frist könnte der Staat ohne Weiteres in sämtliche 
Rechte des Concessionärs eintreten, hatte aber ausserdem 
das Recht, nach Ablauf einer gewissen Frist die Con- 
cession früher abzukaufen. Die zur Sicherheits-Polizei, 
Benützung und Unterhaltung der Bahn nöthigen Be- 
stimmungen wurden in besonderen öffentlichen Ver- 
waltungs-Reglements niedergelegt ; alle zur Ausführung 
des Betriebsdienstes erforderlichen Einrichtungen bedurften 
der Genehmigung der Regierung. Letztere setzte ferner 
in den Lastenheuen der einzelnen Goncessionäre die all- 
gemeinen Normen der Bauausführung, des Betriebes, der 
Unterhaltung und Bewachung der Bahn fest und ver- 
langte von den Goncessionären von vornherein sichere 
Gewähreistung für die Ausführbarkeit der geplanten 
Eisenbahnlinien durch Forderung von Kapital-Nachweisen 
und beträchtlichen Kautionen. Besondere Gesetze, welche 



— 25 — 

schon aus den ersten Jahren datiren, regelten das Vor- 
untersuchungs-, Enqu&te- und Expropriationswesen. Die 
Regierung hatte sich das Recht Vorbehaltes, Goncessionen 
für solche neuen Linien jederzeit zu ertheilen, welche 
von den bereits concessionirten abzweigten oder sich an 
dieselben als Verlängerungen anschlössen, und regelte 
den Uebergang der Fahrzeuge von einer zur andern 
Bahn. Im Interesse der Landesverteidigung und bei 
allen Truppenbeförderuugen waren die Eisenbahn-Gesell- 
schaften verpflichtet, die Bahn zu ermässigten Taxen 
(die Hälfte der gewöhnlichen) jederzeit zur Verfugung zu 
stelten. Die Regierung bestimmte gewisse Höchstsätze 
der Beförderungskosten, welche von den Gesellschaften 
nicht überschritten werden durften ; Ausnahmen unter- 
standen der höheren Genehmigung und mussten veröffent- 
licht werden. Endlich beauftragte der französische Staat 
die einzelnen Eisenbahn-Gesellschaften sehr oft, als Gegen- 
forderung für gewährte Subventionen und sonstige Ver- 
günstigungen, die für die allgemeinen Landes-lnteressen 
nöthig erscheinenden, oft weniger rentablen Linien im An- 
schluss an die ohnehin concessionirten mit auszubauen, 
während er in vielen Fällen den Eisenbahnbau auch 
selbst in Angriff nahm und später von neuen Gon- 
cessionären fortsetzen Hess. 



Die Eisenbahn von Paris nach 
Strassburg mit Abzweigung nach Forbach 

u. s. w. 

Vorverhandlungen . 

Dem passiven Widerstände, welchen die französische 
Regierung, im Gegensatze zu den meisten übrigen Staaten, 
dem Ausbaue der Eisenbahnen anfangs entgegengestellt 
hatte, war es zu verdanken, dass eine jener grossen 
und überaus wichtigen Zentralisa tionsRoulen, die von 
Paris nach der deutschen Grenze bei Strassburg, erst 
sehr spät zur Ausführung kam, trotzdem die Vorstudien 
zu derselben bis auf die Juli-Revolution im Jahre 1830 
zurückreichen. Bereits damals waren von den mit der An- 
fertigung von Plänen beauftragten Ingenieuren alle Ein- 
zelheiten der Trace, genaue Berechnungen des Ter- 
rains, der Erdarbeiten, Kunstbauten, Neigungs- Verhält- 
nisse, u. s. w. festgestellt worden. Die Ausführung ver- 



_ 26 — • 

zögerte sich jedoch von Jahr zu Jahr, und erst auf die 
dringenden Reklamationen des ganzen Landes beschäftigte 
1838 der Minister der öffentlichen Arbeiten die Kammern 
mit dieser wichtigen Frage, indem er denselben ein Projekt 
über die Ausführung von Eisenbahnen in Frankreich unter- 
breitete. Er schlug vor, 80 Millionen frs. für die Herstellung 
einer Eisenbahn von Paris nach der Nord-Grenze, 32 Mil- 
lionen für diejenige von Paris nach Le Havre, 20 Millionen 
für diejenige von Paris nach Orleans und 25 Millionen für 
die von Marseille nach Lyon anzuweisen. In dem Projekte 
war die Linie von Paris nach Strassburg noch nicht ange- 
geben, doch wurde sie vom Minister bereits als eine der 
wichtigsten bezeichnet ; in kommerzieller Hinsicht galt sie 
als eine notwendige Fortsetzung der Route von Le Havre 
nach Paris. In der Darlegung der Motive für letztere 
sagte der Minister der öffentlichen Arbeiten in der Sitzung 
vom 15. Februar 1838, «dass die Eisenbahn von Le Havre 
nach Paris das gemeinsame Haupt zweier grossen Linien 
sein sollte, derjenigen vom Atlantischen Ozean nach 
Strassburg und Deutschland und derjenigen vom Ozean 
nach Lyon, Marseille und dem mittelländischen Meere. 
Le Havre empfängt jährlich an Baumwolle und Kolonial- 
waaren mehr als 300000 Tonnen, davon geht mindestens 
ein Drittel nach Lille, Paris, Deutschland und der Schweiz. 
Eine Eisenbahn, welche die Landwege mit einer bemer- 
kenswerten Ersparnis an Zeit und Kosten ersetzte, würde 
dem Lande unschätzbare Dienste erweisen.» In der darauf 
eröffneten Diskussion wurde sehr umständlich die Frage 
erörtert, ob die Ausführung der genannten Linien dem 
Staate oderPrivat-Gesellschaften übertragen, amd ob nicht 
zuerst die Eisenbahn nach Belgien hergestellt werden 
solle; da keine Einigung erzielt wurde, fiel das Projekt 
ganz. Dennoch waren im Laufe der Beratungen verschie- 
dene Gesichtspunkte dargelegt worden, welche bereits 
sehr günstig für die Eisenbahnlinie von Paris nach 
Strassburg waren. Es war darauf hingewiesen worden, 
dass dieselbe wichtige Interessen vereinigte, nämlich die- 
jenigen des Transit- Verkehres, sowie nationale und vor 
allem strategische Interessen. Zu den wichtigsten Unter- 
nehmungen gehörten unzweifelhaft die Linien von Paris 
nach Le Havre, nach England, Belgien, Strassburg, Mar- 
seille und Bordeaux. Wenn Frankreich mit der Aus- 
führung der Linie Paris-Strassburg zögerte, würde Belgien 
seine Linien ausbauen, und der Transit-Verkehr zwischen 



— 27 — 

England, dem Meere und Deutschland sich ausserhalb 
Frankreichs vollziehen. Deutschland, Preussen richteten 
sich alsdann nach jener Seite, wo sich günstige An- 
schlüsse fänden. Die grosse internationale Route Le Havre- 
Paris-Strassburg nach der Donau müsste durch eine vorher 
erbaute Linie ausserhalb Frankreichs an Wichtigkeit ein- 
büssen ; und Frankreich würde dann enterbt und einer 
bedeutenden Verkehrsader beraubt sein, die eines Tages 
ganz Europa durchziehen sollte. 

Endlich sprach sich ein Abgeordneter zugunsten der 
Paris- Strassburger-Linie folgendermassen aus : «Die Frage 
des Transit-Güter- Verkehres ist eine um so wichtigere, 
als unsere Nordgrenze, Belgien, auf Staatskosten eine 
Eisenbahn herstellt, welche, da sie nicht auf Gesellschafts- 
betrieb zurückzuführen ist, dem Staate die Mittel an die 
Hand giebt, die Frachtkosten nach Belieben herabzu- 
setzen, wodurch eine ausserordentliche Güterbewegung 
hervorgerufen wird. Belgien kann durch seinen ausgezeich- 
neten Hafen von Anvers den Waarentransport bis ins 
Innere von Deutschland bewerkstelligen. Aus diesen 
Gründen muss die Eisenbahn von Le Havre nach Strass- 
burg vor allen anderen die Aufmerksamkeit in Anspruch 
nehmen. Man hat mit Vorliebe den Plan einer Eisenbahn 
nach Belgien aufgenommen, welche, wie man hervorhebt, 
London mit Paris verbindet. Aber, meine Herren, dieser 
Grund würde genügen, um der gen. Linie für dieses 
Jahr die Zustimmung zu verweigern ; denn Anvers würde 
alsdann der Ausgangspunkt der Transporte von London 
sein. Nicht Le Havre, nicht Dieppe, nicht Calais ; Anvers 
würde die ganze Güterbewegung absorbiren, um nach 
Paris dasjenige zu bringen, was den Engländern beliebte, 
für uns zu bestimmen. Die Linie von Le Havre nach 
Strassburg muss demnach die erste Linie sein, die aus- 
geführt wird, da sie uns den Transit- Verkehr sichert ; 
sie ignoriren, hiesse alle Häfen des Kanals la Manche 
ruiniren ; dies ist nicht möglich, derartige Massregeln 
können in einer französischen Kammer nicht durchgehen.» 
Von einem anderen Abgeordneten wurde darauf hinge- 
wiesen, dass ein dringendes Interesse vorliege, sich 
Deutschland zu nähern. «In Deutschland beherrscht das 
Prinzip des Absolutismus alle Mächte ; an uns ist es', 
mit ihm in Berührung zu kommen ; wir müssen unsere 
kommerziellen Interessen, unser Volk mit dem seinen ver- 
mischen, vermittelst der wunderbaren Bewegung auf der 



— 28 — 

Eisenbahn; durch die unaufhaltsame Vermehrung der 
Berührungspunkte mit Deutschland werden unsere Ideen, 
unsere Prinzipien daselbst verbreitet » 

Was die strategische Frage anbelangt, so wies derselbe 
Redner darauf hin, dass durch eine senkrecht auf die 
Eisenbahn Basel-Strassburg (die damals genehmigt war) 
aufstossende Linie Paris-Strassburg mit Abzweigung nach 
Metz die Verteidigung der Grenze bedeutend erleichtert 
werde. In kommerzieller Hinsicht war es von Wichtig- 
keit, dass Frankreich durch geeignete Verbindungen mit 
solchen Völkern in Verkehr trat, welche nicht dieselben 
Industrien und nicht dieselben Bedürfnisse hatten; denn 
gerade die Verschiedenheit dieser beiden Faktoren ruft 
die Notwendigkeit und die weitere Entwickelung eines 
lebhaften Austausches hervor. Zwei grosse Transit-Ver- 
kehrs-Routen waren durch die Natur vorgezeichnet : die- 
jenige von Anvers nach Köln, um mittelst der Rhein- 
schiffahrt den ungeheueren Markt Deutschlands zu ver- 
sorgen, und diejenige von Paris nach Strassburg und 
nach den Donauländern. Da Deutschland zu jener Zeit 
noch keine so bedeutenden überseeischen Häfen besass, 
war es gezwungen, die belgischen oder die französischen 
zu benützen. Zwischen diesen beiden herrschte also eine 
unvermeidliche Konkurrenz, welche der* Eroberung des 
deutschen Marktes galt. Unter diesem Gesichtspunkte 
war eine Eisenbahn von Paris nach Strassburg mit Ab- 
zweigung nach Basel von ungeheuerer kommerzieller 
Wichtigkeit, da dieselbe die Schweiz, Süddeutschland und 
Preussen berührte, drei Länder, mit welchen Frankreich 
einen jährlichen Geschäfts-Umsatz von ungefähr 300 Milli- 
onen hatte, während der Verkehr mit Belgien bedeutend 
geringer war. Hierzu kam, dass die meistens nach der 
Ostgrenze bestimmten Güter solcher Natur waren, dass 
sie die Eisenbahn in Anspruch nehmen konnten, während 
die belgischen Kohlen sowohl als auch die französischen 
Schiefersendungen aus Ersparnis-Rücksichten den bil- 
ligeren Kanal weg vorzogen. 

Die Frage blieb jedoch vorläufig unerledigt, trotzdem die 
Strassburger Handelskammer, sowie der General-Rat vom 
Unter-Elsass in seinen Sitzungen von 1840 und 1841 die For- 
derung einer Eisenbahn yon Paris nach Strassburg drin- 
gend wiederholten. Unter dem 19. Februar 1841 richtete 
alsdann der Präfekt des Unter-Elsass auf Grund zahlreicher 
Beschwerden an die Minister der öffentlichen Arbeiten 



— 29 — 

und des Handels, sowie an denjenigen des Innern und 
den Kriegsminister eine Denkschrift, die sich sowohl durch 
die Energie und Dringlichkeit, mit welcher die Sache 
Strassburgs und der Departements des Osten Frankreichs 
verteidigt wurde, als auch durch die verständige Würdig- 
ung der Interessen und Bedürfnisse dieser Gebietsthefle 
auszeichnete. In dieser Denkschrift wurden folgende 
Gesichtspunkte klargelegt: Durch die Herstellung einer 
Eisenbahn von Paris nach Mülhausen über Dijon mit 
Ausschluss der direkten Linie Paris-Strassburg, würde 
Strassburg ein toter Punkt des Verkehrs ohne kommer- 
zielle Zukunft zugunsten von Basel und Mülhausen. 
Ferner wäre Strassburg einer andern Gefahr von Seiten 
Mannheims ausgesetzt ; denn der Grossherzog von Baden 
dachte ernstlich daran, von diesem Hafen aus Verbindungen 
mit Frankreich und Deutschland herzustellen. Mannheim, 
vortrefflich gelegen am Zusammenfluss von Rhein und 
Neckar, konnte mit der Donau durch das Neckarthal und 
mit Saarbrücken durch eine Eisenbahn über Speier und 
Kaiserslautern verbunden werden. Diese letztere Linie, 
welche von Saarbrücken aus Anschluss über Saargemünd 
und Nancy finden sollte, . würde Strassburg beiseite 
lassen. Es handelte sich darum, Strassburg nicht zu ent- 
erben, «diese Stadt der Intelligenz, diese Grenzfeslung, 
den Schlüssel Frankreichs nach Osten, die natürliche 
Niederlage aller aus Le Havre kommenden Kölonial- 
waaren und der Pariser Luxusgegenstände auf der 
einen und der Erzeugnisse des Ackerbaues und der 
Viehzucht auf der andern Seite. Auf das genannte 
Schreiben erfolgten jedoch sehr ungünstige ministerielle 
Entscheidungen, dahin lautend, dass die Regierung die 
ausserordentliche Wichtigkeit der Frage nicht verkenne, 
dass sie aber diejenige Richtung der Eisenbahnlinie vor- 
schlagen müsse, welche mehr den allgemeinen Interessen 
entspreche, dass ferner die Vorstudien sowohl für die 
Bahn nach Lyon als auch nach Strassburg im* Gange 
seien, um die s. Zt. gemachten Projekte über die beiden 
Bahnen zu verbessern, und dass es erst nach Beendigung 
dieser Studien möglich sei, der weiteren Frage der zu 
wählenden Richtungen näher zu treten. Auch die persön- 
liche Interpellation des Ministers der öffentlichen Arbeiten 
von Seiten des Bürgermeisters von Strassburg und des Prä- 
fekten hatten keinen weiteren greifbaren Erfolg. In dieser 
Lage beschloss der Präfekt, diejenigen Orte, welche das 



— 30 — 

dringendste Interesse an der Lösung der Frage hätten, 
aufzufordern, bei der Regierung durch Anerbietungen des 
Mitbewerbs und eigener Opfer vorstellig zu werden. 
Diese Beweise des guten Willens würden einen günstigen 
Einfluss auf die EntSchliessungen der Regierung ausüben 
und eine der wichtigsten Erwägungen zu heben imstande 
sein, nämlich diejenige über den Umfang der Ausgaben 
für das Unternehmen. Es wurde alsdann eine Kommission 
ernannt, deren Aufgabe es sein sollte, über die Mittel 
zur Herausforderung des Mitbewerbs der einzelnen Orte 
schlüssig zu werden und diese Anerbieten in einem Akten- 
stücke zu sammeln. 

In der Sitzung des Strassburger Munizipalrates vom 
2. November 1841 wurde nun die Frage eingehend 
erörtert. Ueber die zu wählende Richtung der Linie Paris- 
Strassburg waren verschiedene Vorschläge gemacht worden. 
Die Bahn sollte von Paris über Vitry-le-Frangais nach 
Nancy und von da entweder durch das Moder- oder 
Zorn- oder endlich durch das Breuschlhal nach Strass- 
burg gehen. Die grösste Entfernung zwischen Paris 
und Strassburg würde auf direktem Wege 520 km., die 
kürzeste 440 km., die Routei über Dijon nach Strassburg 
dagegen 703 bezw. 685 km. betragen haben, also letztere 
bedeutend länger gewesen sein als erstere, selbst im 
günstigsten Falle. Diese Unterschiede mussten sich bei 
dem Transporte von Personen und Gütern sehr bemerk- 
bar machen ; denn die geringste Geschwindigkeit der 
Züge zu 32 km. gerechnet, ergaben sich für 480 km. auf 
der direkten Linie Paris-Slrassburg 15 Stunden und für 
703 km. auf der Linie Paris-Dijon-Strassburg 22 Stunden 
Fahrzeit. Auch die kommerzielle Frage wurde eingehend 
erörtert und besonders auf die Beziehungen zwischen 
Preussen und Belgien über Köln nach Anvers, auf die 
Verbindung von Köln mit Mainz und Mannheim aufmerk- 
sam gemacht, wodurch Anvers für ganz Mittel- und Süd- 
deutscfrland ein bedeutender Ausgangspunkt des Handels 
würde, wogegen Frankreich ankämpfen müsste. 

Es kam noch ein weiterer Umstand in Betracht. 
Oesterreich war damals eifrig damit beschäftigt, die Do- 
nau, diesen «wilden und sich selbst überlassenen Strom», 
schiffbar zu machen, wodurch derselbe für Europa und 
Asien von unberechenbarer kommerzieller Wichtigkeit 
wurde. Um die Donau jedoch zu einer internationalen 
Verkehrsader zu gestallen, musste dieselbe mit dem Rheine 



— 31 — 

verbunden werden, welches bekanntlich schon der Ge- 
danke Cäsars, Karls des Grossen und Napoleons gewesen 
war. Zu jener Zeit war cter König von Bayern mit der 
Herstellung eines Känales zwischen Donau und Main 
beschäftigt, welcher im Jahre 1842 seiner Vollendung 
entgegen gehen sollte. Ebenso waren Kanäle zwischen 
Ulm und Mannheim oder Kehl geplant. Aus diesen 
Gründen und im Hinblick darauf, dass Belgien seine Ver- 
bindungen mit dem Rheine und Deutschland bald fertig- 
gestellt hatte, galt es, unverzüglich die direkte Eisenbahn- 
linie Paris-Strassburg herzustellen. 

Nachdem der Munizipalrat seine EntSchliessungen in 
diesem Sinne zusammengestellt hatte, wurde beschlossen, 
der Regierung das hohe Interesse für die Ausführung der 
Bahn von Paris nach Strassburg noch dadurch zu bekunden, 
dass die Stadt Strassburg auf dem Wege des öffentlichen 
Mitbewerbes die Summe von einer Million zeichnete, ein 
Beispiel, welchem die anderen interessirten Orte sicherlich 
folgen würden. 



Bau der Bahn. 

Im Jahre 1842 wurde durch Gesetz vom 11. Juni 
endgültig der Bau einer Eisenbahn von Paris nach Strass- 
burg mit Abzweigung von Frouard über Metz nach Saar- 
brücken an die preussische Grenze genehmigt und die 
Bauausführung auf der Hauptlinie unverzüglich auf Staats- 
kosten in Angriff genommen. Den Weiterbau übertrug die 
Regierung durch Gesetz vom 19. Juli 1845 der inzwischen 
constituirten Paris-Strassburger Eisenbahn-Gesellschaft mit 
einer gleichzeitigen Concessionsge Währung des Betriebes 
der genannten Bahnen auf die Dauer von 43 Jahren 
266 Tagen. Die besonderen, für die Gesellschaft äusserst 
günstigen Bedingungen, niedergelegt in dem der Gesetzes- 
Urkunde beigegebenen Lastenhefte, waren folgende: Die 
Regierung verpflichtete sich zur Uebernahme des Grund- 
erwerbs, der Erdarbeiten, Kunstbauten, Herstellung der 
Stationen, Werkstätten und Wärterhäuser der Strecke 
Paris-Strassburg, während die Gesellschaft auf ihre Kosten 
den Oberbau mit allem Zubehör, einschliesslich Kiesbettung 
ausführen, ferner das gesamte Betriebsmaterial, sowie 
Signal - Vorrichtungen , Inventarien und Utensilien zur 
Ausrüstung der Bahn liefern sollte. Die Abzweigung von 



— 32 — 

Frouard über Metz nach Saarbrücken, preassische Grenze, 
hatte die Gesellschaft dagegen auf ihre alleinigen Kosten 
auszuführen. Die ganze Bahn sollte zweigleisig hergestellt 
werden. 

Während 5 Jahren nach Eröffnung derselben war der 
Gesellschaft der Genuss des vollen Reingewinnes zugesagt, 
nach Ablauf dieser Frist fiel dem Staate die Hälfte des- 
jenigen Betrages zu, welcher 8 °/ des von der Gesell- 
schaft aufgewendeten Anlagekapitals überstieg. Die Höchst- 
sätze der Beförderungspreise wurden, wie folgt, festgesetzt : 

1. Klasse Personenbeförderung = 0,10 frs. 

2. » > = 0,075 frs. 

3. > » = 0,055 frs. 

• 

Viehbeförderung pro Stück und km. = 0,10 — 0,04 — 
0,02 frs. 

Eilgut: frische Fische, Austern = 0,50 frs. pro 
Tonne und km. 

Güter der 1. Klasse pro Tonne und km. = frs. 0,18 
» »2. » » » »»= frs. 0,16 
» » 3. » » » »»= frs. 0,14 

Kohlen, Dünger, Schlacken, Asche etc. = frs. 0,10 

Verschiedene andere Gegenstände, Wagen, Lokomo- 
tiven und desgl. = frs. 0,25. 

Für Eilgut-Beförderung die doppelten Sätze. 

Die Gesellschaft hatte das Recht, diese Sätze nacl} 
Ablauf einer gewissen Frist zu ermässigen, jedoch unter 
der Bedingung höherer Genehmigung, öffentlicher Bekannt- 
gabe und Ausschluss jeder Bevorzugung von einzelnen 
Versendern. Vor Ausfuhrung der Arbeiten sollte die Ge- 
sellschaft die Summe von 12500000 frs. hinterlegen. Der 
Bau der Bahn verzögerte sich, zum Theil infolge der 
Finanzkrisen und politischen Wirren der Jahre 1846 — 48 
sehr lange, so dass die Eröffnung der ersten, auf elsass- 
lothringischem Gebiete gelegenen Strecke : Paguy-Metz, 
am 10. Juli 1850, der Strecke Saarburg- Strassburg am 
29. Mai 1851, Metz-St. Avold am 24. Juli 1851, St. Avold- 
Forbach am 16. November 1851, Avricourt-Saarburg am 
15. August 1852 und Forbach-Saarbrücken am 16. No- 
vember 1852 erfolgte. 

Bereits im Jahre 1845 hatte die französische Regierung 
im Anschlüsse an das Gesetz vom 11. Juni 1842 über 
die Ausführung grosser Eisenbahnlinien eine Bahnpolizei- 



— 33 — 

Ordnung herausgegeben. Dieser folgte durch königliche 
Ordonnanz vom 15. November 1846 das cReglement über 
die Polizei, Sicherheit und den Betrieb der Eisenbahnen», 
welches in 8 Titeln Bestimmungen enthielt: 1. über die 
Eisenbahnstationen und Strecken, 2. über das Betriebs- 
material, 3. über die Zusammensetzung der Züge, 4. über 
Abfahrt, Fahrt und Ankunft des Züge, 5. über Ein- 
ziehung der Frachten und Nebengebühren, 6. über die 
Ueberwachung des Betriebes, 7. über Massnahmen be- 
treffend das ausserhalb der Eisenbahn stehende Publi- 
kum, 8. Allgemeines. Dieses Reglement ist im Wesent- 
lichen noch heute bei den französischen Bahnen gültig. 



Fortsetzungder Bahn vonBasel nachStrass- 
burg über Strassburg hinaus. 

Vorverhandlungen. 

Wie bereits an betreffender Stelle hervorgehoben 
wurde, sollte die Linie Basel-Strassburg ein Verbindungs- 
glied grösserer Durchgangs-Routen sein und erst als 
solches ihre eigentliche Bestimmung erfüllen. In dem Pro- 
tokolle der Enquete-Kommission war gesagt, dass die Kom- 
mission es für ihre Pflicht halte, die Aufmerksamkeit der 
Regierung auf einen Punkt zu lenken, welcher eines der 
wesentlichsten Elemente für das Gelingen des Unterneh- 
mens enthielte, nämlich die Verbindung der elsässischen 
Eisenbahn mit einem Systeme anderer Linien, von 
Strassburg nach Mannheim, von Strassburg nach Saar- 
brücken, nach Paris und Le Havre. Die Kommission sei 
davon überzeugt, dass die projektive Eisenbahn der Aus- 
gangspunkt sein müsse für ein vollständiges System, 
dessen Ausführung allein die Vortheile verwirklichen 
könne, welche Frankreich von der Einführung des neuen 
Verkehrsmittels erwarte. Infolgedessen sah sich die 
Regierung veranlasst, einen besonderen Passus in dem 
Lastenhefte als Artikel 1 aufzunehmen, welcher die Ge- 
sellschaft verpflichtete, falls die in der bayerischen Pfalz 
projektirte Eisenbahn von Mannheim nach Lauterburg 
zur Ausführung käme, ihrerseits die Linie Basel-Strass- 
burg in einer Frist von 5 Jahren bis nach Lauterburg 
zu verlängern. Wenn innerhalb dieser Frist die Gesell- 
schaft nicht in« die Lage gesetzt sei, diese Bedingung 

3 



— 34 — 

zu erfüllen, so sei sie vollständig davon entbunden. Vier 
Jahre später, im Jahre 1842, war die bayerische Strecke, 
von Speier nach der Grenze noch nicht in Angriff ge- 
nommen ; aber in Frankreich blieb die Notwendigkeit 
der Bahn von Strassburg nach Speyer stets im Vorder- 
grunde der Erörterungen und wurde auch in der Kon- 
zessions-Urkunde der Paris-Strassburger-Gesellschaft zum 
Gegenstande besonderer Abmachungen bezüglich des Ge- 
meinschaftsbahnhofes Strassburg. Später fanden zwischen 
der französischen und der bayerischen Regierung direkte 
Verhandlungen statt, um die für beide Länder 
gleich wichtige Angelegenheit zu gutem Ende zu 
führen. Das Ergebniss dieser Unterhandlungen war 
4ie am 4. Februar 1848 zu Strassburg abgeschlossene 
Konvention zwischen Bayern und Frankreich, betreffend 
Ausführung einer Eisenbahn von Strassburg nach Speyer. 
Diese Konvention fand jedoch in der französischen Na- 
tional- Versammlung so lebhaften Widerstand, dass eine 
vorläufige Vertagung der Ratifikation des Vertrages 
erfolgte. Gegen die projektirte Linie war besonders ange- 
führt worden, dass bereits rechtsrheinisch eine Eisenbahn 
bestände, so dass eine neue linksrheinische durch die 
entstehende Konkurrenz beide vernichtete. Dieser Einwand 
verfehlte nicht seine Wirkung, besonders auch auf die 
journalistische Welt, so dass bereits am folgenden Tage 
ein bedeutendes Blatt die gesetzgebendeVersammlung zu 
dem Verlsfgungs- Beschlüsse beglückwünschte und dem 
Erstaunen darüber Ausdruck gab, dass man einen der- 
artigen Gesetz-Entwurf hatte unterbreiten können, der 
zum Ziele hatte, «eine Eisenbahn von Paris nach Weissen- 
burg zu erbauen, die doch unbedingt derjenigen von Basel 
nach Strassburg hätte Konkurrenz machen müssen». Hier 
war das betreffende Blatt anscheinend in eine eigentüm- 
liche Komplikation geographischer Begriffe geraten. 

Die Vertagung der wichtigen Angelegenheit hatte in 
den betheiligten Kreisen des Unter- und Ober-Elsass 
einen grossen Sturm hervorgerufen , und sowohl die 
Strassburger Handelskammer als auch der Munizipalrat 
beschäftigten sich eingehend mit der Frage. Letzterer 
berief unterm 29. November 1849 eine Sitzung ein, in 
welcher die von der gesetzgebenden Versammlung gegen 
das Projekt vorgebrachten Gründe besprochen und ent- 
kräftet wurden. Es wurde darauf hingewiesen, dass die 
Herstellung des Anschlusses an die bayerische Grenze 



— 35 — 

durch eine Verlängerung der Basel-Strassburger-Linie 
über Strassburg hinaus dringend erforderlich sei, da sie 
ja das eigentliche Motiv der genannten Linie gewesen. 

Die Basel-Strassburger Eisenbahn war s. Zt. ange- 
sichts der badischen Bahn einerseits und derjenigen von 
Strassburg nach Mannheim andererseits erbaut worden. 
Nachdem man die Summe von über 40 Millionen für 
dieselbe ausgegeben hatte, durfte man nicht zögern, ihr 
durch eine neue Ausgabe von 12 Millionen- diejenigen 
Lebenselemente zu liefern, welche ihr noch fehlten, um 
sie in den Stand zu setzen, ihrem ursprünglichsten und 
wesentlichsten Zwecke zu* dienen, demjenigen der Er- 
haltung des Personen- und Güterverkehrs auf dem linken 
Rheinufer. Um zu beweisen, dass die Strecke Strassburg- 
Mannheim (linksrheinisch) durch die Konkurrenz mit der 
badischen Bahn ihren eigenen Ruin finden würde, 
hatten die Gegner des Projektes die Schwierigkeiten der 
Ausfuhrung derselben absichtlich übertrieben. Während 
von kompetenter Seite die Ausgaben pro km auf 
207 000 frs. geschätzt wurden (11 bis 12 Millionen im 
Ganzen für circa 60 km), hatten jene die Kosten 
pro km auf 300 000 und sogar 500000 frs. ver- 
anschlagt. Man molivirte dies damit, dass die bayerische 
Pfalz durchweg Gebirgsland sei, und dass die geplante 
Eisenbahn auch im Unter-Elsass gebirgiges Terrain 
durchschneiden müsse. Jedem einigermassen mit den 
geographischen Verhältnissen der beiden Länder Ver- 
trauten ist es bekannt, dass diese Vermutung weder 
für das eine, noch für das andere Land zutrifft. 

Die ganze Strecke Mainz-Strassburg zerfiel in vier 
Sektionen. Der erste Theil, von Mainz nach Ludwigs- 
hafen, war von der hessischen Regierung concessionirt 
und bereits im Bau begriffen, so dass die Eröffnung im 
Laufe des Jahres 1851 erwartet wurde. Der zweite Theil, 
von Ludwigshafen nach Speyer, war bereits seit 2 Jahren 
in Betrieb. Für den dritten Theil, von Speyer nach 
der französischen Grenze, hatte eine Gesellschaft von der 
bayerischen Regierung die Concession erhalten und 
wartete nur auf den Abschluss des internationalen Ver- 
trages, welcher den Anschlusspunkt feststellen und die 
Herstellung des vierten, des französischen Theiles, 
sichern sollte. 

Was nun die eigentlichen Elemente für das Gelingen 
und den finanziellen Erfolg der geplanten Eisenbahn an- 



— 36 • — 

belangt, so hatten die Gegner des Unternehmens auf fran- 
zösischer Seite diese vollständig in Abrede gestellt, indem 
sie behaupteten, dass der in Betracht kommende Theil 
des Elsass zwischen Weissenburg und Hagenau sehr 
wenig bevölkert, gar nicht industriell sei, und sogar so 
weit gingen, ihn mit dem Namen «Steppe» zu bezeichnen. 
In der That aber hatte jenes mit Steppe betitelte Gebiet 
bereits damals eine sehr dichte Bevölkerung von 
120000 Seelen auf eine Länge von 50 km, d. h. pro 
km durchschnittlich 2000 bis 2500 Einwohner, und nach 
offiziellen Erhebungen belief sich der Personenverkehr 
in den öffentlichen Wagen im Jahre 1845 auf 241 495 
Personen und in Privat-Fuhrwerken auf 471 378. Der 
Theil des. Departements Unter-Elsass, welcher von der 
geplanten Eisenbahn durchschnitten werden sollte, war 
vorzugsweise industriell und ackerbautreibend, und die 
Produkte des Ackerbaues eigneten sich besonders für 
den auswärtigen Handel. Die Stadt Bischweiler lieferte 
2200 Tonnen Manufaktur- und Wollwaaren für den Han- 
del, die Schmieden von Niederbronn, Jägerthal, Zinsweiler 
und Merzweiler versandten etwa 4000 Tonnen rohes und 
bearbeitetes Eisen, von denen mindestens 3000 der 
Eisenbahn nach Hagenau als Transporte zugutekommen 
mussten. Hagenau, Gries, Kurzenhausen, Bisch weiler, 
Oberhofen, Hördt, Kaltenhausen, Schweighausen, alle 
diese geschäfsthätigen Gemeinden, von denen einige zu 
den reichsten des Elsass zählten, brachten mehrere 
Tausend Tonnen Oele, Hopfen, Hanf und Krapp, 
Sufflenheim , Oberbetschdorf , Lobsann, Bechelbronn, 
Wingen u. a. mehrere Tausend Tonnen Glaswaaren, 
Kitt und Töpferwaaren jeder Art in den Handel. Hieraus 
ergab sich ein Binnen-Verkehr von ca. 12000 Tonnen 
Industrie- und Ackerbau-Erzeugnissen. Rechnete man 
ferner die Einfuhr hinzu, welche sich im Jahre 1846 auf 
15125 Tonnen belief, ferner die Ausfuhr von 2680 
Tonnen (desselben Jahres), so ergab sich ein Gesamt- 
Guter- Verkehr, welcher das Unternehmen einer Eisen- 
bahn von Strassburg nach der bayerischen Grenze schon 
allein mehr als. genügend sicherstellen rnusste. 

Ausserdem waren noch zwei wichtige Verkehrs- 
Elemente zu berücksichtigen, der Transport von Kohlen 
und der Durchgangs-Verkehr. Für den ersteren kamen 
hauptsächlich die Gruben von Bexbach in Betracht. Die 
Strecke Bexbach-Speyer (103 km) über Neustadt a. H. 



— 37 — 

war bereits seit August 1849 dem Betriebe übergeben, 
es fehlte daher nur noch die Verbindung von Speyer mit 
Strassburg, um den Transport von Kohlen aus Bexbach 
nach dem Elsass per Eisenbahn zu ermöglichen. In 
einem Zusatzartikel zu der Konvention vom 4. Februar 
1848 hatte die bayerische Regierung bestimmt, «dass die 
Güter im Transit-Verkehre von Speyer nach Strassburg 
und die Kohlen von Neustadt nach Weissenburg zum 
gleichen Satze befördert werden sollten wie aaf der 
direkten Linie. Hierdurch ergaben sich für Kohlen von 
Bexbach folgende Preise : 

Dieselben kosteten auf dem Platze 70 bis 89 Gen- 
times pro 100 kg, d. h. die erste Sorte 8,90 frs. 
pro Tonne. Der Transportpreis für Massengüter, auch 
Kohlen, war */» Kreuzer für die Meile (4 km) und 50 kg 
auf den bayerischen Bahnen ; 28 Kreuzer = 1 frs., er- 
giebt für die Tonne Kohlen 8«/ 4 Centimes pro km. 

Zugunsten der Bexbacher Kohlen hatte die bayerische 
Regierung folgende Frachtermässigungen eintreten lassen : 

Von 2500 bis 5000 Zentner um 20°/ 

» 5000 » 7500 » » 25°/ 

» 7500 » 10000 » » 35°/ 

Ueher 10000 Zentner » 45°/ 

Die Entfernung von Bexbach nach Weissenburg 
über Speyer beträgt 153 km. Nach dem bereits 
erwähnten Zusatzartikel zu der Konvention vom 4. 
Februar 1849 wurde für die nach Frankreich bestimmten 
Kohlen die Fracht nach der direkten Linie Bexbach- 
Neustadt- Weissenburg berechnet, d. i. 77 + 40= 117 km. 
Der Preis der Kohlen stellte sich daher, unter An- 
nahme des ermässigten Transport-Satzes von 4,81 Gentimes 
pro km und Tonne zu einer 

Fracht von frs. 5,62 

Hierzu der Preis der Kohlen an der 

Grube pro Tonne . . . . . » 8,90 

auf zusammen frs. 14,52 

pro Tonne 1. Qualität, nach Weissenburg geliefert. 

Die Entfernung von Weissenburg nach Strassburg 
war mit 60 km veranschlagt. Unter Annahme des 
von der Basel-Strassburger Eisenbahn-Gesellschaft ge- 
bräuchlichen Transportsatzes für Kohlen von 5 Gentimes, 
stellte sich die Fracht von Weissenburg nach Strassburg 



— 38 — 

auf 3 frs. und der ganze Preis der bayerischen Kohlen, 
nach Strassburg geliefert, daher zusammen auf 17,52 frs., 
während derselbe damals 34 frs. betrug. 

Diese Zahlen beweisen zur Genüge, von welch' 
grossem Vortheile die projektirte Bahn für die Industrie 
des Ober- und Unter-Elsass war. 

Was den Transit -Verkehr anbelangt, so war es 
immerhin schwieriger, für denselben eine feste Grundlage 
der Berechnung zu finden, denn nichts ist veränderlicher 
als der Transit- Verkehr. Dieser sucht sich vor Allem 
den billigsten Weg; wenige Gentimes Mehrfracht können 
ihn vertreiben, wenige Centimes geringere Fracht können 
ihn herbeirufen. 

Der gesamte Transit- Verkehr von Frankreich betrug 
etwa 33 000 Tonnen im Jahr, davon entfielen 15000 auf 
das Elsass aus dem Verkehre zwischen Holland und der 
Schweiz. Diesen galt es vor allem zu erhalten, denn je 
weiter die badische Bahn vorgerückt war, um sich der 
Schweiz zu nähern, um so fühlbarer war der Verlust 
der Transporte im Transit- Verkehre für das Elsass ge- 
wesen. Die offiziellen Erhebungen der Zollverwaltung 
hatten seit 1846 ein beträchtliches Sinken des Verkehrs 
aus Holland über Strassburg nach der Schweiz ergeben, 
und zwar:' 

von 14657 Tonnen im Jahre 1846 
auf 12222 » » » 1847 und 
auf 10677 » » » 1848. 

Der Verlust würde noch grösser gewesen sein, ohne 
die Dampfschiffe auf dem Rheine, welche die Waaren 
von Köln und Holland auf direkter Linie nach Strassburg 
brachten, ohne dass in Mannheim eine Umladung 
auf die Eisenbahn stattgefunden hatte. Diese Transporte 
betrugen im letzten Jahre über die Hälfte des Gesamt- 
transportes. Da Baden im Süden zudem eine direkte Ver- 
bindung mit der Eisenbahn nach Zürich plante, so war 
das Elsass nahe daran, auch noch die letzte Tonne des 
Transit- Verkehrs von Holland nach der Schweiz zu ver- 
lieren. Das einzige Rettungsmittel bestand daher in der 
schleunigen Herstellung der Linie Strassburg-Speyer, 
um die Verbindung Mainz-Basel zu vervollständigen. Die 
linksrheinische Strecke betrug alsdann 333 km 
von Basel nach Mainz, gegen 376 km rechtsrheinisch von 
Biebrich nach Basel. Dieser Vortheil von 43 km 



— 39 — 

musste sicherlich dazu beitragen, dem Elsass den alten 
Transit- Verkehr wieder zu sichern und ferner einen 
grossen Theil der rechtsrheinischen Güterbewegung auf 
das linke Ufer überzuführen. 

Noch bedeutender waren die Resultate, welche der 
Personenverkehr zwischen Mainz und Basel durch die 
Herstellung der geplanten Eisenbahn erwarten liess. Die. 
offiziellen Erhebungen der Dampfschifffahrts-Gesellschaft 
konstatirten s. Z. einen jährlichen Verkehr von Reisenden 
auf dem Rhein von über einer Million. Der grösste, Theil 
dieses Verkehrs war inzwischen auf die rechtsrheinische 
Eisenbahn übergegangen, so dass die Dampfschifffahrt 
rheinaufwärts zwischen Köln und Strassburg bereits ganz 
aufgehört, während der Verkehr rheinabwärts ganz be- 
deutend abgenommen hatte. Mainz war ein sprechender 
Zeuge dessen, was aus dem linken Rheinufer werden 
musste, wenn man demselben die projektive Eisenbahn 
verweigerte. Seine ausgedehnten Hotels, die * sonst 
während 6 Monaten im Jahre nicht Raum genug boten 
für die Reisenden, die dort zusammen fluteten, waren 
verlassen; seine Quais, welche sonst kaum genügten, um 
die Entladung der Waaren, welche die RheinschifiTahrt 
brachte, zu bewerkstelligen, zeigten keine Spur mehr von 
dem Güterverkehr, der einst der Reichtum dieser be- 
deutenden Handelsstadt gewesen war. Auf ihre Kosten 
hatten sich Biebrich, Mannheim, Frankfurt bereichert. 
Mannheim hatte von Jahr zu Jahr die Gütertransporte 
sich erobert, Welche Mainz verlor ; und zwar betrug der 
Verlust für Mainz nach den offiziellen Angaben etwa 
42000 Tonnen, die Steigerung des Güterverkehrs für 
Mannheim etwa 48000 Tonnen. Daher hatte Mainz nichts 
versäumt, um sich mit Worms- und Speyer zu verbinden, 
in der Erwartung, dass auch von Speyer aus die ge- 
plante Eisenbahn nach Strassburg bald hergestellt sein 
würde. Nur Frankreich zögerte noch mit der Herstellung 
des elsässischen Theiles der Verbindung von Speyer mit 
Strassburg, indem es die Ratifikation der Konvention mit 
Bayern verweigerte, welche Letzteres inzwischen längst 
verwirklicht hatte. 

Auch in strategischer Hinsicht bot die geplante 
Eisenbahn grosse Vortheile, da sie nach Fertigstellung 
senkrecht aufstossender Linien aus dem Innern Frank- 
reichs, von denen die Strecke Paris-Strassburg auch 
bereits in Angriff genommen war, den Transport von 



— 40 — 

Truppen nach einem beliebigen Punkte der ganzen, 200 km 
langen Rheinlinie im Falle der Notwendigkeit gestattete. 
Diese Erwägungen waren es hauptsächlich, welche 
den Munizipalrat von Strassburg in seiner Sitzung vom 
November 1849 zu dem Beschlüsse führten, die fran- 
zösische Regierung von Neuem zu ersuchen, die Konven- 
tion vom 4. Februar 1848 in kürzester Frist der Sanktion 
der gesetzgebenden Versammlung zu unterbreiten, damit 
endlich die geplante Eisenbahn von Strassburg nach 
Altenstadt bei Weissenburg auf französischem und die- 
jenige von Altenstadt nach Speyer auf bayerischem 
Gebiete hergestellt würde. «Die französische Regierung 
wolle ferner», hiess der zweite Beschluss, «derjenigen 
Gesellschaft, welche mit dem Baue der Bahn beauftragt 
würde, eine Geldsubvention gewähren, sei es als Zins- 
garantie oder irgend eine andere Unterstützung, welche 
als angemessen und wirksam betrachtet werden könne, 
damit durch die Massigkeit ihrer Tarife, die französische, 
linksrheinische Eisenbahn imstande sei, die Konkurrenz 
mit der rechtsrheinischen mit Erfolg durchzuführen». 

Strassbu rg-Lauterburg oder Strassburg- 
Weissenburg 
Bau der Strecke Strassburg- Weissenburg. 

Es dürfte hier am Platze sein, einige Daten nach- 
zuholen. Bekanntlich hatte das Gesetz vom 6. März 1838 
angeordnet, dass die Strecke Basel-Strassburg längs des 
Rheines nach Lauterburg verlängert werden sollte, wo- 
selbst die Eisenbahn von Mainz über Speyer einmünden 
würde. Diese Bestimmung wurde auch noch später, im 
Jahre 1844, aufrecht erhalten und von dem Kreisrate 
von Weissenburg und dem Generalrate des Unter-Elsass 
unterstützt. Im Jahre 1845 wiederholte der Kreisrat 
seine Bitte, und der Präfekt erstattete dem Generalrate 
Bericht, in welchem gesagt war, dass sich eine bayerische 
Gesellschaft in Speyer konstituirt habe, welche von der 
Regierung zur Herstellung einer Eisenbahn von Ludwigs- 
hafen nach Lauterburg ermächtigt sei, dass ferner die 
Basel - Strassburger Eisenbahn - Gesellschaft Vorstudien 
unternommen habe, welche einer Verlängerung dieser 
Bahn nach Weissenburg gelten und endlich, dass es 
nicht ratsam sei, eine andere Linie zu wählen, als 



— 41 — 

diejenige des Rheinufers, da die bayerische Regierung 
Lauterburg zum Anschlusspunkte bestimmt habe und auf 
der genannten Linie die Schwierigkeiten des Terrains 
weit geringere seien als in der Richtung nach Weissen- 
burg. Der Generalrat erkannte daraufhin, dass die Rhein- 
linie vorzuziehen, gleichzeitig aber die Städte Hagenau 
und Bisch weiler mitzuberücksichtigen seien. 

Somit schien die Angelegenheil endgültig zugunsten 
der Gemeinden unterhalb Drusenheim bis Lauterburg 
erledigt zu sein, als im Jahre 1846 die Stadt Weissen- 
burg durch einen Artikel in dem Courrier du Bas-Rhin 
eine Polemik über die Frage der Einmündung der Ver- 
längerungslinie Basel-Strassburg eröffnete, indem sie zur 
Darstellung brachte, dass die Strecke Hagenau-Weis- 
senburg derjenigen von Bischweiler nach Lauterburg 
vorzuziehen sei. Infolgedessen sahen sich die bei. der 
Frage interessirten Orte am Rheine veranlasst , ihre 
Rechte zu vertreten, und die Stadt Seh Hess durch einen 
ihrer Mitbürger eine Denkschrift an die Deputirten- 
kammer aufstellen. In dieser Denkschrift war angegeben, 
dass die Städte zwischen Selz und Lauterburg sich seit 
den Unglücksjahren 1814 und 1815 in der traurigsten 
Lage befänden; weder der Handel, noch die Industrie, 
noch auch der Ackerbau würden zur Geltung kommen, 
da in der ganzen Umgebung kein einziges Absatzgebret 
für ihre Produkte sich eröffnete. Diese Gegend hätte 
daher das Recht, von der Regierung Berücksichtigung 
zu verlangen, zumal ihr eigenes Interesse mit dem all- 
gemeinen in diesem Falle übereinstimmte. Zunächst 
würden die Mehrkosten für die Strecke Hagenau- 
Weissenburg-Speyer gegenüber derjenigen über Lauter- 
burg mehrere Millionen Francs betragen, ausserdem die 
Transportpreise für die Güter sich durch den Umweg um 
14 bis 15 Gentimes pro Gtr. erhöhen. In dem betreffenden 
Artikel des Courrier du Bas-Rhin war angegeben worden, 
dass die Vortheile für den Transit-Verkehr in keiner 
Weise alterirt würden, ob man nun der einen oder der 
anderen Linie den Vorzug gäbe, ferner wären auch die 
individuellen Rechte der Einwohner der in Frage kom- 
menden Gegenden auf der einen wie auf der anderen Seite 
die gleichen, es müsste daher der Stadt Weissenburg, 
als derjenigen Stadt, wo sich die zahlreichsten Interessen 
vereinigt fänden, der Vorzug gegeben werden. Gegen 
diese Behauptung richtete sich die Denkschrift der Stadt 



— 42 — 

Selz, indem sie die Richtigkeit der Prämissen in Abrede 
stellte, da keineswegs auf den beiden Linien die gleichen 
Vortheile für den Transitverkehr vorhanden wären. Die 
Linie über Lauterburg würde aber auch eine grössere 
Personen-Frequenz sichern, da die Bewohner zwischen 
Bischweiler und Lauterburg alsdann nicht mehr, wie bis- 
her, die badische Eisenbahn zu benützen brauchten, und 
die Einwohner der Städte und Dörfer unterhalb des Ha- 
genauer Waldes, dem Beispiele der Städte Molsheim, 
Rosheim, Oberehnheim, Barr folgend, auf den Omnibus- 
Wagen von Sulz u. W. und Weissenburg nach den Sta- 
tionen Hagenau, Bisch^eiler, Selz und Lauterburg sich 
überfuhren lassen könnten. 

Bezüglich der zweiten Prämisse, Gleichheit der 
beiderseitigen individuellen Rechte, wurde auf die traurige 
Lage der Städte Selz und Lauterburg hingewiesen, eine 
Lage, welche die Herstellung einer Eisenbahn zur 
Existenzfrage machte, während für die Stadt Weissen- 
burg, welche, als Sitz eines Gerichtshofes, einer Unter- 
präfektur, einer Forst-Inspektion, eines Zoll-Haupt- 
nureans, einer Garnison und demnächst einer Kreis- 
direktion, sich bereits im Besitze aller erdenklichen 
Rechte befände, die Anlage einer Eisenbahn nur ein 
untergeordnetes Interesse beanspruchte. 

Gegenüber der Behauptung, dass die Strecke Strass- 
burg- Weissenburg einen dreifach bedeutenderen Fracht- 
wagen-Verkehr aufweise, als diejenige von Lauterburg, 
führten die Verteidiger der letzteren in der betreffenden 
Denkschrift an, dass es allgemein bekannt sei, dass alle 
Frachtwagen von Weissenburg ab die Strasse über 
Niederrödern und Roppenheim und alsdann die Rhein - 
route bis Strassburg benützten, aus dem einfachen 
Grunde, weil die Abhänge von Riedselz-Schönenburg < 
und Sauerburg für schwerbeladene Wagen unzugänglich 
seien. Die Einfuhr über Lauterburg erfolgte entweder 
für Strassburg oder für Bischweiler und Niederbronn. 
Bischweiler allein empfing auf diesem Wege eine solche 
Menge von Wolle, dass die Einfuhrgebühr für diesen 
Artikel in Lauterburg etwa eine Million Francs jähr- 
lich betrug. 

Das Komite der bayerischen Eisenbahn-Gesellschaft, 
welche für die Strecke Speyer-Lauterburg sich constituirt 
hatte, war, für den Fall, dass die französische Regierung 
die Richtung Weissenburg wählte, entschlossen, sich 



— 43 — 

aufzulösen. Die bayerische Regierung dagegen hatte 
sich das Recht vorbehalten, die endgültige Trace zu be- 
stimmen, nachdem die Vereinbarungen mit Frankreich 
getroffen worden wären. 

Es ist gewiss, dass die Gründe, welche die beiden 
Parteien für ihre Sache vorbrachten, nicht rein ob- 
jektiver Natur waren. Wie aber stellte sich die Frage 
der zu wählenden Richtung , wenn man von einem 
Standpunkte ausging, der nicht die Interessen Einzelner, 
sondern diejenigen der Gesamtheit der Bevölkerung des 
Elsass vertrat? Die Eisenbahn erfüllte bei ihrem ersten 
Erscheinen je nach den Verhältnissen des einen oder des 
anderen Landes einen verschiedenen Zweck. Entweder 
war sie, in Ländern, wo alle Kultur noch im Anfangs- 
stadium begriffen war, wie in Amerika, dazu bestimmt, 
den Verkehr überhaupt erst zu schaffen, oder aber, wie 
in den meisten Kulturstaaten Europas, bestand die Auf- 
gabe des neuen Transportmittels darin, die Bedingungen 
bereits vorhandenen lebhaften Verkehres zu erleichtern 
und diesen selbst zu einer vorher nie geahnten Höhe 
emporzuheben. In diesem Falle galt es vor Allem, solche 
Gegenden zunächst zu berücksichtigen, welche die grösste 
Bevölkerungsdichtigkeit , die günstigsten Produktions- 
verhältnisse des Bodens und die reichsten Industrien 
auszeichneten. Von diesem Standpunkte betrachtet, bot 
aber die Strecke Strassburg-Hagenau-Weissenburg die 
besten Chancen ; denn da war zunächst Bischweiler mit 
seinen bedeutenden Tuchfabriken und seinem Wollhandel, 
Hagenau als wichtiger Ausfuhrort für Hopfen, Krapp 
und Oele, endlich Weissenburg, Kreisbauptstadt, hervor- 
ragend durch die Landwirtschaft und die Mannigfaltig- 
keit seiner Industrien. Die Verbindungslinie dieser drei 
Punkte berührte einen der reichsten, dich testbevölkerten 
und industriellsten Theile des Unter-Elsass. Wenn man 
die bei der Lauterburger Strecke direkt interessirten 
Gebietstheile mit denjenigen der Route über Bischweiler, 
Hagenau und Weissenburg verglich, so ergab sich be- 
züglich der Anzahl der Gemeinden das Verhältuis von 
68 zu 108, bezüglich der Bevölkerungsdichtigkeit pro 
km das Verhältniss von 1754 zu 2221, bezüglich 
des Personen-Verkehres das Verhältniss von 12575 zu 
45983 Reisenden pro km Länge. Der aus der 
Grund- und Gewerbesteuer sich ergebende Reichtum 
verhielt sich für die erstere Strecke zur zweiten, wie das 



— 44 — 

Einfache zum Doppelten. Die Linie Strassburg-Lauter- 
burg (über Bischweiler) vermittelte einen Gesamt-Guter- 
Verkehr von 1483 Tonnen, diejenige über Hagenau nach 
Weissenburg einen solchen von 4514 Tonnen. Die 
wichtigsten Erzeugnisse des Bodens und der Industrie, 
welche dabei in Betracht kamen, waren Getreide, 
Hanf, Hopfen, Krapp, Rübsaat, Oele, Bau- und Brennholz, 
Asphalt, Töpferwaaren, Glaswaaren, rohes und be- 
arbeitetes Eisen, Tücher u. s. w. 

Für den Transit- Verkehr allerdings war die Lauter- 
burger Linie günstiger, denn die Entfernung der projek- 
tiven Linie Vendenheim-Langenkandel (bei Lauterburg) 
war gleich 61,910 km, diejenige von Vendenheim nach 
Weissenburg gleich 69,114 km, es verblieb also zugunsten 
der ersteren eine Differenz von 7,204 km. Nun bestand 
eines der wichtigsten Mittel, den Transit-Verkehr auf das 
linke Rheinufer überzulenken und die badische Konkurrenz 
zu entkräften, sicherlich darin, eine möglichst kurze Ver- 
bindung zwischen den in Frage kommenden Städten Mainz 
und Basel zu schaffen. 

Von verschiedenen Seiten wurden jedoch, haupt- 
sächlich von der Strassburger Handelskammer, wohl- 
begründete Zweifel hervorgebracht, dass der vielum- 
strittene Transit für das Land nicht unbedingt eine 
Quelle des Wohlstandes sein müsse, denn, so wurde an- 
genommen, die von Mainz oder Ludwigshafen in Lauter- 
burg einlaufenden Wagenladungen würden an der 
Grenze verplombt und unverzüglich nach der Schweiz, 
ihrem Bestimmungsplatze, weiterlaufen. Der Vortheil aus 
diesen Transporten musste in erster Linie der Eisenbahn- 
Gesellschaft zufallen, konnte für die verschiedenen Zweige 
der inländischen Arbeit aber gar nicht in Betracht 
kommen. 

Ganz anders dagegen war es mit der Route Weissen- 
burg beschaffen, durch welche die volkswirtschaftlichen 
Interessen in höherem Masse berücksichtigt wurden. 
Auf der Strecke Weissenburg-Hagenau-Brumath befanden 
sich eine Menge von Industriewerken, welche die ein- 
geführten Rohmaterialien, ölhaltigen Samen und Krapp- 
wurzeln, in Fabrikate umwandelten und auf diese Weise 
wieder zur Ausfuhr geeignet machten. Ferner begünstigte 
diese Strecke die Einfuhr der bayerischen Kohlen aus 
der Pfalz und die Ausfuhr von Gips aus Frankreich nach 
der Pfalz, wo alljährlich beträchtliche Mengen zu Düng- 



— 45 — 

ungszwecken gebraucht wurden. Die Stadt Strassburg sah 
für ihr Theil in der Herstellung der Lauterburger Linie 
eine besondere Gefahr, indem sie befürchtete, dass als- 
dann Lauterburg einen Hafen und bedeutende Handels- 
Etablissements erhalten und dadurch die Bedeutung 
Strassburgs vermindern würde. Die Zersplitterung der 
wirtschaftlichen Kräfte eines Landes durch neue Kon- 
kurrenzorte bedeute aber für das ganze Land einen 
grossen Nachtheil. 

Auf die dringenden Forderungen von sehen der 
interessirten Kreise des Elsass und die verschiedenen 
Eingaben der niederen und höheren Verwaltungs-Organe 
erfolgte endlich die Ratifikation der Konvention mit der 
bayerischen Regierung und die Konzessionirung der 
Fortsetzung der Basel-Strassburger Linie über Venden- 
heim, Bischweiler, Hagenau nach der pfalzischen Grenze 
bei Weissenburg an die Slrassburg-Baseler Eisenbahn- 
Gesellschaft durch das Gesetz vom 25. Februar 1852. 
Der französische Staat gewährte eine Subvention von 
300C000 Francs und eine Zinsgarantie von 4% auf das 
Anlagekapital für die ersten 50 Jahre des Betriebes, unter 
der Bedingung, dass die Herstellungskosten bei einem 
Gleise die Summe von 10000000 Francs, bei zwei 
Gleisen die Summe von 12000000 Francs nicht über- 
steigen dürften. Der Grunderwerb, sowie alle Kunst- 
bauten sollten für zwei, die Erdarbeiten und der Ober- 
bau für ein Gleis ausgeführt, das zweite Gleis alsdann 
ein Jahr nach der Eröffnung der Strecke gelegt werden. 

Die bereits bei Konzessionirung der Paris-Strass- 
burger Linie getroffene Bestimmung, dass der Bahnhof 
Strassburg mit derjenigen Gesellschaft gemeinschaftlich be- 
nützt werden sollte, welche später die Konzession zur 
Fortsetzung der Basel-Strassburger Bahn erhalten würde, 
fand hier ihre Bestätigung. Die Strecke Vendenheim- 
Hagenau wurde am 18. Juli 1855, die ganze Linie 
Vendenheim-Weissenburg am 23. Oktober desselben 
Jahres dem Betriebe übergeben. Die Kosten hatten 
11457694 Francs betragen. Die Herstellung des zweiten 
Gleises erfolgte jedoch erst im Jahre 1871 durch die 
unter der deutschen Regierung eingesetzte Betriebs- 
Kommission in Strassburg. 



— 46 



Konstituirung der französischen Ostbahn- 
Gesellschaft und ihre Bauthät i gk ei t. 

Mit der Eröffnung der Strassburg-Baseler Eisenbahn 
war für ganz Frankreich, besonders auch für den Osten, 
der Zeitpunkt einer lebhafteren Entwickelung des Bahn- 
baues eingetreten, welche nur in der Mitte der vierziger 
Jahre bis gegen 1850 durch die Finanzkrisen und un- 
sicheren politischen Zustände eine Unterbrechung fand. 
Im Jahre 1845 allerdings bestand das französische Eisen- 
bahnnetz erst aus 16 Bahnen mit zusammen 1350 km, 
während zur selben Zeit beispielsweise das Königreich 
Preussen, dessen Bevölkerungszahl kaum die Hälfte 
derjenigen von Frankreich betrug, bereits 1062 km 
und im August des nächsten Jahres 1352 km Bahnen 
besass. 

Die in den verschiedenen, von Eisenbahnen durch- 
zogenen Gebieten erzielten Vortheile , der mächtige 
Impuls, welchen das neue Verkehrselement dem ge- 
samten Handel und durch die Erleichterung der Be- 
schaffung von Rohmaterialien jeder Art sowie Vermehrung 
der Absatzgebiete der Entwickelung aller Industriezweige 
verlieh, die neue Aera, welche sich fiir alle von der Eisen- 
bahn zuerst begünstigten Gegenden eröffnete, riefen bald 
im ganzen Lande das lebhafte Verlangen nach Eisenbahnen 
wach. 

in Osten Frankreichs zeichneten bald zwei grosse, 
von Paris nach Strassburg und nach Lyon und Dijon 
auslaufende Linien die Umrisse eines Netzes vor, dessen 
weiterer Ausbau durch eine Menge von Abzweigungen 
und Transversallinien erfolgen musste. Die Konzession 
zu diesen Bahnen wurde von verschiedenen Gesellschaften 
nachgesucht. Eine derselben, welcher auch die Strecke 
Paris-Mülhausen konzessionirt werden sollte, war bereits 
damals mit der Ansicht hervorgetreten, dass eine Fusion 
der verschiedenen Gesellschaften im Interesse eines wirt- 
schaftlicheren Betriebes durch Verminderung der all- 
gemeinen Verwaltungskosten ratsam und auch möglich 
sei, um die gesamten, zwischen der Paris-Strassburger 
und der Paris-Lyoner Linie gelegenen und noch zu er- 
bauenden Bahnen zu vereinigen. 

Die bedeutendste unter allen im Osten Frankreichs 



— 47 — 

thätigen Gesellschaften war die Paris-Strassburger, 
welche nach und nach die anderen Strecken, sowie die 
Konzessionen zu neuen erwarb und so den Stamm der 
späteren «Compagnie des chemins de fer de TEst» bildete. 
Durch die mit dem französischen Minister der öffentlichen 
Arbeiten geschlossene Konvention vom 17. August 1853 
erhielt dieselbe auch die Konzession u. a. für die Linie 
Paris-Mülhausen sowie die verschiedenen bereits er- 
wähnten Abzweigungs- und transversalen Bahnen des 
Ostens von Frankreich und schliesslich auch die Linie 
Strassburg-Basel mit Verlängerung nach Weissenburg 
durch die Fusion der Strassburg-Baseler Gesellschaft. 
Diese erfolgte endgültig durch das Dekret vom 21. 
Januar 1854. 

Im Jahre 1858 ging durch Dekret vom 29. Mai auch 
die Abzweigung von Mülhausen nach Thann in den Besitz 
der Ostbahn über. Diese ersuchte gleichzeitig um die 
Konzession zur Verlängerung der gen. Bahn durch das 
industriereiche Thurthal bis nach Wesserling. Die Kon- 
zession für die gewünschte Fortsetzung von 13 km, 
deren Kosten auf etwa 2300000 frs. veranschlagt waren, 
wurde am 11. Juni 1859 ertheilt und die Strecke am 
25. November 1863 dem Betriebe übergeben. Auch die 
Linie Mülhausen-Belfort war seit dem 15. Februar 1858 
eröffnet. 

Bereits . längere Zeit vorher hatte die französische 
Ostbahn-Gesellschaft Schritte gethan, um die zwischen 
Strassburg und Kehl bestehende Lücke zur ununter- 
brochenen Verbindung der Paris-Strassburger Linie 
mit der badischen Bahn durch Herstellung einer An- 
schlusslinie auszufüllen, und im Jahre 1853, vor- 
behaltlich des Abschlusses eines internationalen Vertrages, 
um die Konzession zur Hersteilung der Strecke von 
Strassburg nach dem Rheine und einer festen Brücke 
über den letzteren nachgesucht. Im Jahre 1857 
endlich fanden vorläufige Abmachungen mit der 
badischen Regierung statt. Die Anschlusslinie wurde 
auf 9*/ 2 km und die Brücke auf 235 Meter festgestellt ; 
letztere sollte für zweigleisigen Betrieb hergestellt 
und die Kosten zur Hälfte von der Ostbahn- Gesellschaft 
und zur Hälfte von der badischen Regierung getragen 
werden. Die Arbeiten des Brückenbaues wurden im 
Oktober 1858 begonnen. Die Gesamtausgabe war auf 
etwa 7 Millionen frs. veranschlagt worden. Die Eröffnung 



— 48 — 

des Betriebes auf der Strecke Strassburg-Kehl fand am 
11. Mai 1861 statt. 

Durch Dekret vom 25. März 1852 war der Paris- 
Strassburger Eisenbahn-Gesellschaft eine Verlängerung 
der Konzessionsdauer auf 99 Jahre für die von ihr be- 
triebenen Linien gewährt worden, unter der Bedingung, 
auf eigene Kosten eine Eisenbahn von Metz nach Dieden- 
hofen in einer Frist von 4 Jahren herzustellen und die- 
selbe alsdann bis an die luxemburgische Grenze zu 
verlängern. Der letzte Fall sollte nur dann eintreten, 
wenn der Anschluss von Luxemburg an die französische 
Grenze in Angriff genommen wäre. Die Eröffnung der 
Strecke Metz-Diedenhofen erfolgte am 16. September 1854, 
der Strecke Diedenhofen - luxemburgische Grenze bei 
Gross-Hettingen am 11. August 1859. 

Auch diese Bahn bildete nunmehr einen Bestandtheil 
des französischen Ostbahnnetzes. Der in Elsass-Lothringen 
belegene Theil desselben setzte sich im Jahre 1863 aus 
folgenden Linien zusammem : 

Basel-Strassburg-Weissenburg mit Abzweigung von 

Mülhausen nach Thann und Wesserling; 
Belfort-Mülb ausen ; 

Strassburg-Avricourt und Strassburg-Kehl ; 
Pagny-Metz-Saarbrücken ; 

Metz-luxemburgische Grenze bei Gross-Hettingen. 
Ueber die Kosten der ersten Herstellung der ge- 
nannten Linien bis zum Schlüsse des Jahres 1862 giebt 
der Bericht der französischen Ostbahn-Gesellschaft vom 
Jahre 1863 folgenden Aufschluss : 

Paris-Strassburg mit allen Abzweigungen nach 
Reims, Forbach u. Cocheren- 
Saarburg = 126 354751,44 frs. 

Strassburg-Kehl = 8 230 657, 15 » 

Thann- Wesserling = 2637 245,79 > 

Metz-Gross-Hettingen = 9209575,41 b 

Vendenheim-Weissenburg = 11351880,29 » 
Strassburg-Basel und Mül- 
. hausen-Thann = 52 593164,65 » 

(darunter Ankaufspreis 45659773 frs.) 
Paris-Mülhausen = 170474031,36 » 

Das elsass-lothringische Eisenbahnnetz stand im 
Jahre 1862 mit folgenden durchgehenden französischen 
und internationalen Routen in Verbindung : 



Die Strecke Strassburg- Basel setzte sich in der 
Schweiz nach dem Genfer See und von da über Turin 
nach Oberitalien fort. Projektirt war ferner bereits eine 
direkte Verbindung durch den Gotthard nach Mailand. 
Im Norden stand die Strecke Basel-Strassburg-Weissen- 
burg über Mainz-Köln mit Amsterdam, sowie über 
Frankfurt a. M. mit Hamburg-Berlin und den wichtigsten 
Häfen der Ostsee, ferner mit Warschau und Lemberg in 
direkter Verbindung. Die Linie Strassburg-Nancy-Metz 
setzte sich im Norden über Luxemburg nach Brüssel 
und Anvers fort. Eine direkte Schienenstrasse zog von 
Gherbourg und Le Havre über Paris-Strassburg-München 
nach Wien und dem Balkan, eine solche auch von Mül- 
hausen über Lyon nach Marseille und dem Ostende der 
Pyrenäen bei Port-Vendres.. 

Die Wilhelm -Luxemburg-Bahn en und 
Fusionirung mit der Ardenner- Gesellschaft. 

Wie bereits hervorgehoben wurde, war durch 
das Dekret vom 25. März 1852 bestimmt worden, 
dass die Paris-Strassburger Gesellschaft die Ver- 
längerung der Strecke Metz-Diedenhofen nach der 
luxemburgischen Grenze nur in dem Falle auszuführen 
brauchte, wenn die Grossherzoglich Luxemburger Re- 
gierung den Anschluss ihrer Eisenbahnlinien von Luxem- 
burg nach der französischen Grenze in Angriff nehmen 
würde. Die in Frage kommenden luxemburgischen 
Strecken bildeten ein Netz von zusammen 160 km mit 
der Hauptstadt als Mittelpunkt, und zwar handelte es 
sich um folgende Linien : 

1. Luxemburg-französische Grenze (Richtung Dieden- 

hofen) . 

2. » -belgische Grenze (Richtung Arlon). 

3. » -preussische Grenze (Richtung Trier- 

Coblenz). 

4. » preussische Grenze (Richtung Spa, 

Lüttich, Aachen, Köln). 
Dieses Eisenbahnnetz war einer in Frankreich unter 
der Obrigkeit des Grossherzogtums Luxemburg consti- 
tuirten anonymen Gesellschaft konzessionirt und mit der 
Konzession gleichzeitig eine Staats -Subvention von 
3000 000 frs. für die Sektion Luxemburg- Weiss wampach 



— 50 ~ 

gewährt worden. Noch vor Beginn der Arbeiten hatte 
die genannte Gesellschaft beabsichtigt, den Betrieb ihrer 
Bahnen der französischen Ostbahn-Gesellschaft zu über- 
tragen, da sie sich ausserstande sah, den zur Beschaffung 
der Betriebsmittel erforderlichen Kapital -Aufwand 
zu leisten. Für die französische Ostbahn musste der 
Betrieb der luxemburgischen Bahnen von dem grössten 
Interesse sein. Zunächst vermittelten dieselben einen 
neuen Anschluss an das deutsche Bahnnetz, dann aber 
eine direkte Verbindung mit der grossen belgischen 
Bahn über Arlon-Namur-Brüssel-Ostende uÄd Anvers. 
Auf diese Weise wurde eine ununterbrochene Verkehrs- 
Route zwischen der Nordsee, den Ufern des Rheines von 
Strassburg bis Basel entlang, und dem Mittelländischen 
Meere geschaffen. Die französische Ostbahngesellschaft 
beeilte sich daher, in Unterhandlungen mit der luxem- 
burgischen Gesellschaft einzutreten, welche im Jahre 1857 
zum Abschlüsse eines Vertrages führten. In demselben 
war festgesetzt worden, dass die französische Ostbahn 
während einer Frist von 50 Jahren mit ihrem Material, 
ihrem Personal und ihren Mitteln den Betrieb der der Kgl. 
Grossherzoglich Luxemburgischen Eisenbahn-Gesellschaft 
konzessionirten Linien am Tage der Fertigstellung des 
Anschlusses an die französische Grenze übernehmen 
sollte. Dieser Betrieb bezog sich auf die Unterhaltung 
der Bahn, der Kunstbauten, Gebäude,^ Stationen, den 
Transport von Personen und Gütern, die Unterhaltung 
des festen und rollenden Materials sowie die Wahrnehm- 
ung des Telegraphendienstes, unter Ausschluss aller 
Vergrösserungsbauten und bedeutenderen Reparaturen, 
soweit dieselben sich aus der Unzulänglichkeit der ersten 
Einrichtung ergaben. Es sollten über die Wilhelm- 
Luxemburgbahnen getrennte Rechnung geführt und auf 
die Einnahmen von der Ostbahn im Voraus erhoben 
werden : 

1. eine . jährliche Summe von 500 frs. pro km Be- 
triebslänge zur Deckung der Kosten für das rollende 
Material ; 

2. alle aus dem Betriebe sich ergebenden Ausgabe- 
Beträge und zwar, wenn die kilometrische Einnahme bis 
10000 frs. betrug, 65°/ der Roheinnahmen; bei 10000 
bis 15000 frs. 60°/ ; bei 15000 bis 20000 frs. 55°/ 
und endlich bei mehr als 30000 frs. 40°/ der Roh- 
einnahme. 



— 51 — 

Der die Summe von 3000000 frs. übersteigende 
Betrag der Jahreseinnahme sollte zur Hälfte den beiden 
Gesellschaften zufallen, unter Vorabzug des der Gross- 
herzoglich-luxemburgischen Regierung zur Aufrechnung 
der Staatssubvention von 3000000 frs. gehörenden An- 
theiles. Ein gemeinschaftliches Komite, bestehend aus 8 
Mitgliedern (4 von jeder Partei), war mit der Ueber- 
wachung der Bauausführung und des Betriebes der 
luxemburgischen Bahnen beauftragt. 

Durch einen besonderen Anhang zu diesem Vertrage 
wurde die luxemburgische Eisenbahn-Gesellschaft er- 
mächtigt, eventuell die nördliche Linie zwischen Diekirch 
und Weisswamspach (mit 55 km) wegfallen und dafür 
ihren Konzessionen eine Abzweigung von Bettemburg nach 
Rümelingen und Esch (mit 16 km) hinzufügen zu lassen. 
In letzterem Falle verminderte sich die Länge des Netzes 
von 160 auf ca. 120 km und dementsprechend auch der 
im Vertrage stipulirte Betrag von 3 000 000 frs. auf 
2000 000 frs. 

Durch Gesetz vom 26. Dezember 1858 übertrug die 
luxemburgische Regierung die gewährte Staatsbeihülfe 
von 3 000 000 frs. auf die Strecke Luxemburg-Diekirch, 
während die Ausführung der Linie Diekirch bis zur 
Grenze einstweilen noch verschoben wurde. Die Kon- 
zession der Bettemburg-Rümelinger und Escher Zweig- 
bahnen erfolgte durch Grossherzogliche Verordnung vom 
20. Juni 1859 und durch Gesetz vom 23. Dezember 1861 
die Konzession zur Fortsetzung der nördlichen Linie über 
Ettelbrück nach der belgischen Grenze nebst Gewährung 
einer Staatsbeihülfe von 5000000 frs., so dass die ganze 
Subvention nunmehr 8000000 frs. betrug. Die einzelnen 
Strecken wurden eröffnet : 

Am 5. Oktober 1859 von Luxemburg nach der 
belgischen Grenze (Richtung Arlon) und nach 
der französischen Grenze bei Gross-Hettingen. 

Am 23. April 1860 die Zweigbahn nach Esch. 

Am 1. Juni 1860 die Zweigbahn nach Oettingen. 

Am 29. August 1861 die Linie nach der preussischen 
Grenze (Richtung Trier). 

Am 21. Juli 1862 die Linie bis Ettelbrück. 

Am 16. November 1862 die Linie bis Diekirch. 

Am 15. Dezember 1866 bis Ulflingen. 

Am 20. Februar 1867 bis zur belgischen Grenze 
und nach Spa. 



— 52 — 

Zur gleichen Zeit, als mit der luxemburgische» 
Eisenbahn-Gesellschaft die Unterhandlungen im Gange 
waren, hatten auch solche mit einer anderen Gesellschaft r 
der «Compagnie des Ardennes» stattgefunden. Schon 
seit längerer Zeit hatte das zwischen Reims-Diedenhofen 
und der belgischen Grenze gelegene , an Produkte» 
jeder Art, besonders an Industrien reiche Gebiet die 
Aufmerksamkeit der französischen Ostbahn-Gesellschaft 
auf sich gelenkt. Letztere hatte schon im Jahre 185& 
um die Konzession zum Baue einer Bahn nach Dieden- 
hofen über Longuyon in der Richtung nach Sedan 
gleichzeitig mit der Ardenner Gesellschaft-, mit welcher 
auch die Herstellungskosten getheilt werden sollten, 
nachsuchen wollen, sich aber schliesslich dahin ent- 
schieden, der Ardenner Gesellschaft den Bau jener Linie 
allein zu überlassen und nach einer gewissen Reihe von 
Jahren dieselbe auf dem Wege der Fusion von der 

? genannten Gesellschaft zu erwerben. Ein zwischen der 
ranzösischen Ostbahn- und der Ardenner Gesellschaft, 
abgeschlossener Vertrag vom Jahre 1857 bestimmte, dass 
die Letztgenannte mit der Ersteren sich vereinigte unter 
Ueberlassung aller Konzessionen an diese. Die Fusio» 
sollte frühestens 2 Jahre nach Inbetriebnahme sämt- 
licher der Ardenner Gesellschaft konzessionirten Linien r 
dagegen spätestens bis zum 1. Januar 1864 stattfinden. 
Die Strecke Diedenhofen-Fentsch wurde am 25. April 1863- 
eröffnet und ging durch die Fusion in den Besitz der 
Ostbahn über. 

Auch im Süden hatte Letztere im Jahre 1858 Unter- 
handlungen angeknüpft, und zwar mit dem Kanton Basel 
wegen der Konzession zum Baue einer Anschlusslinie 
von der französischen Grenze bei St. Ludwig nach der 
Schweizer Grenze bei Basel. Dieselben hatten vor Allem 
den Zweck, den ungehinderten Transport von Personen 
und Gütern nach den Schweizer Bahnen zu ermöglichen. 
In Anbetracht verschiedener Schwierigkeiten, welche sich 
der Ausführung entgegenstellten, hielt es die französische 
Ostbahn schliesslich für ratsam, die Konzession zum 
Baue der genannten Anschlussbahn der Schweizer 
Zentralbahn zu überlassen und wegen Uebernahme de& 
Betriebes in besondere Unterhandlungen mit dieser zu 
treten, auf Grund deren eine Konvention zustande kam,, 
welche die Ueberlassung der betreffenden Linie (von etwa 
2 km) an die französische Ostbahn-Gesellschaft gegen eine 



- 53 — 

von dieser zu zahlende Entschädigung von in maximo 
lOOOOOO frs, zum Gegenstande hatte. 

Gleichzeitig wurden auch die Bedingungen der 
gemeinschaftlichen Benützung des Schweizer Bahnhofes 
Basel geregelt, und .zwar sollte der beiderseitige Jahres- 
betrag für das von der Schweizer Zentralbahn auf- 
gewendete Anlagekapital für den Gemeinschaftsbahnhof 
nach Verhältniss des Verkehrs- Antheils für die Zenlral- 
iahn 60°/ und für die Ostbahn 40°/ betragen. 



Entwickelung des Verkehres bis zum 
Jahre 1863. 

Mit der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft, sowie 
mit der Hessischen Ludwigsbahn und der Pfalzischen 
Eisenbahn hatte die französische Ostbahn-Gesellschaft 
nach der im Jahre 1860 erfolgten Eröffnung der Linien 
von Bingen nach Köln, von Saarbrücken nach Trier und 
Bingen, Verträge abgeschlossen, welche die Einführung 
«eines direkten Dienstes für den Personen- und Güter- Ver- 
kehr zum Zwecke hatten. Infolge dessen wurde zwischen 
Köln und Basel ein regelmässiger Schnellzug eingerichtet, 
welcher die Strecke täglich befuhr. Bezüglich des Güter- 
Verkehres waren mit den genannten Bahnen direkte Tarife 
vereinbart worden. 

Die Rhein-Nahebahn von Saarbrücken nach Bingen bot 
für den Verkehr von Paris nach der alten Welthandelsstadt 
Frankfurt a. M. eine bedeutende Abkürzung von 350 km 
.gegen die frühere Verbindung über Köln. Zur Ver- 
wertung dieses Vortheiles, welcher in erster Linie dem 
Oüterverkehre zu Gute kam, erwirkte die französische 
Ostbahn die Errichtung eines internationalen Tarifes für 
■die Transporte zwischen Paris-Le Havre und den be- 
deutenderen Städten Frankreichs einerseits und Frankfurt 
a. M. sowie den Städten der Rheinprovinz andererseits. 

Von der grössten Wichtigkeit für den internationalen 
Verkehr Frankreichs war die im Jahre 1860 erfolgte 
Eröffnung der Strecke von Traunstein nach Frankenmarkt 
in Bayern, welche nach Fertigstellung der Verbindungs- 
linie Strassburg-Kehl im Jahre 1861 der direkten Route 
Paris- Wien das letzte Glied anfügte. In Gemeinschaft 
mit der französischen Nordbahn und den Oesterreichischen 
Bahnen wurden sofort direkte Billete zwischen London- 



— 54 — 

Paris- Wien und Kosiantinopel eingeführt, welche eine 
bedeutende Preis-Ermässigung gegenüber der früheren 
Linie über Marseille boten. Der Fahrpreis betrug : 

Von Paris über Wien nach Konstantihopel in 

1. Klasse ==486,00 frs. in 2. Klasse = 344,70 frs. 

Ueber Marseille dagegen in 

1. Klasse = 568,65 frs. in 2. Klasse = 409,50 frs. 

Besonders die elsass-lothringischen Bahnen profitirten 
wegen ihrer äusserst günstigen Lage von diesen Welt- 
verkehrslinien. Der englisch - belgisch - schweizerische 
Transit- Verkehr, sowie der direkte Köln-Baseler Verkehr 
trugen in Verbindung mit den stets wachsenden Binnen- 
Transporten zur bedeutenden Vermehrung der Einnahmen 
auf der Strassburg-Baseler Linie bei. Mit der Ent- 
wicklung der Kohlen- und Eisen-Industrie fand auf der 
Strecke Frouard-Metz-Forbach in einem Zeitraum von 6 
Jahren eine Verdoppelung der Einnahmen, von ca. 
23 000 frs. pro km auf 46 520 frs. statt. Die im Jahre 
1859 erfolgte Organisation des Transit- Verkehres zwischen 
Anvers nnd der französischen Ostbahn führte bald auf 
der Linie Metz-Diedenhofen-luxemburgische Grenze eine 
beträchtliche Steigerung des Verkehres herbei. 

Eine wesentliche Steigerung des Verkehres brachte 
auch die Eröffnung der Strassburg-Kehler Anschlusslinie. 
Die Anzahl der zwischen Paris und Deutschland beför- 
derten Personen stieg von 9 500 im Jahre 1860 auf 13 00O 
im Jahre 1861 und auf 21574 im Jahre 1862 bei einer 
Einnahme von 1 100 000 frs. Die Zahl der zwischen Strass- 
burg und Kehl in .engerem Verkehre beförderten Personen 
betrug in der ersten Zeit während sieben Monaten ca. 
120000. Die Menge der über Kehl in Frankreich ein- 
geführten Güter vermehrte sich von 31000 Tonnen im 
Jahre 1860 auf 52000 Tonnen im Jahre 1861, wobei die 
Einfuhr von Korn aus Ungarn eine grosse Rolle spielte. 
Auch in Weissenburg und Basel wurden bedeutende 
Mengen ungarischen Kornes und zwar 1861 17170 Tonnen 
eingeführt. 

Die französische Handels- und Zollgesetzgebung war 
seit dem Jahre 1816 für Elsass-Lothringen nicht be- 
sonders günstig gewesen, da die Einfuhr auf den Land- 
wegen, für welche gerade der Osten in Frage kam, mit 
schweren Abgaben belastet und für Kolonialwaaren lange 
Zeit überhaupt verboten war. Besonders Strassburg, 
welches im Anfang des 19. Jahrhunderts, zur Zeit der 



— 55 — 

Blokade der französischen Häfen durch England, als 
Haupt-Niederlageort für ganz Frankreich gedient hatte, 
verlor durch diese Bestimmungen sehr an Bedeutung. 
Auch durch den Vertrag von 1840 mit den Niederlanden, 
auf Grund dessen die Einfuhr auf dem Rheine und der 
Mosel freigegeben wurde, sowie durch das Dekret von 
1848, welches die Einfuhr von roher Baumwolle gegen 
eine Gebühr von 30 frs. pro 100 kg. auf den Land- 
wegen gestattete, war wenig gebessert worden. Das 
Zollgesetz vom 5. Mai 1860 führte eine bedeutende Ent- 
lastung der Rohmaterialien herbei. Von wesentlichem 
Einfluss auf die Industrie und den Handel im Elsass 
waren endlich die im Anfange der sechsziger Jahre mit 
England, Belgien und vor Allem mit dem deutschen 
Zollvereine abgeschlossenen Verträge. Strassburg eroberte 
sich durch dieselben wieder seine alte Stellung als erster 
Handels- und Stapelplatz des Ostens von Frankreich. 
Dagegen lastete eine Zeit lang die durch den ameri- 
kanischen Bürgerkrieg hervorgerufene Krisis im Baum- 
woll-Handel schwer auf der Industrie des Elsass. 

Wie bereits bei der Darstellung der Verkehrs- Ver- 
hältnisse der Basel-Strassburger Bahn zu Anfang er- 
wähnt, überstieg die kilometrische Roheinnahme auf dieser 
Strecke bis zum Jahre 1852 niemals die Summe von« 
17 900 frs. pro Jahr. Dieselbe betrug jedoch schon im 
Jahre 1854 23807 frs. (einschliesslich Mülhausen-Thann) 
und stieg in den folgenden Jahren immer mehr. 

Sie betrug im Jahre 1855 = 25163 frs. 

1856 = 28500 » 

1857 = 28423 » 

1858 = 26385 » 

1859 = 27481 » 

1860 = 32053 » 

1861 = 35905 » 

Die im Jahre 1858 und 1859 eingetretene Vermin- 
derung der Einnahmen, welche sich auch auf der Strecke 
Paris-Strassburg bemerkbar machte, war auf die im Jahre 
1858 erfolgte Eröffnung der Paris-Mülhauser Bahn zu- 
rückzuführen. Auf den übrigen Strecken stellte sich die 
kilometrische Roheinnahme wie folgt: 



— 56 — 



In den c 
Jahren. ** 


Paris- Frouard-Metz Metz -hu 


cbrg. Vendenheim- 


trassburg. Forbach. 


Grenze. Weissenburg. 


502 km. 117 km. 


46 km. 58 km. 




frs. frs. 


frs. 


frs. 


1853 


45 392 21 727 






1854 


59 988 23 648 






1855 


68 433 26 916 


13956 6 373 


1856 


68 733 29 706 


15381 9058 


1857 


71900 35 934 


19004 11922 


1858 


66 353 35 933 


19 600 12174 


1859 


63 028 41644 


18984 10990 


1860 


64932 46 520 


22110 14242 


1861 


68 935 49 418 


24567 17 490 


Im Jahre 1861 betrug die Zahl der auf den elsass- 


lothringischen Stationen beförderten Personen : 


Strassburg 


= 356063 mit der Einnahme von 1721828,02 frs 


Mülhausen 


= 247 588 > 








702434,73 » 


Metz 


= 260784 ■ 








853803,27 > 


Weissenburg 


= 24076 i 








115649,80 » 


luxbg. Grenze = 27 201 








133198,26 » 


Basel 


= 61764 








414501,06 » 


Diedenhofen 


= 64605 i 








161760,12 > 


Colmar 


= 138064 > 








342 658,76 » 


Ars a. M. 


= 43 830 i 








> 48112,40 > 


Kehl-Rheinbr. 


= 87 766 > 








483 638,30 > 


Zabern 


= 38 202 > 








118 394,02 » 


Thann 


= 57 852 » 








114190,70 > 


JBchlettstadt 


= 61548 > 








164 250,70 » 


Hagenan 


= 57 726 » 








118328.01 » 


Altkirch 


=s 48971 > 








74228,95 > 


Devant-les-Ponts =; 48 019 i 








58 086,45 > 


Lutterbach 


;= 82074 « 








25 914,30 » 



Mit über 20 000 beförderten Personen folgen ferner-' 
Saarburg, St. Ludwig, Hochfelden, Bischweiler (40000) 
Eenfeld (41 000), Ueckingen, Bollweiler (50000), Dornach, 
Nov^ant, Brumath, Rappoltsweiler, Sennheim, Rufach 
Erstein. 

Nach der Gesaml-Einnahme aus dem Personen- und 
Güter- Verkehre folgen sich die Stationen : 



Forbach 


mit ca. 4790000 frs. 


Bad. Grenze 


mit 


ca. 501000 frs 


Strassburg 


» 4237000 » 


Zabern 




403000 » 


Mülhausen 


> 1794000 > 


Thann 




398000 . 


Metz 


> 1748000 > 


Hagendingen 




385000 * 


Weissenburg 


> 1488000 » 


Saarburg 




335000 » 


Stieringen 


> 1067000 > 


Schlettstadt 




329000 » 


Basel 


928000 » 


Avricourt 




310000 » 


Diedenhofen 


754000 » 


Hagenau 




► ♦ £99000 • 


Ars a. M. 


594000 > 


St. Ludwig 




277000 » 


Hochfelden, Bischweiler, Lützelburg, 


Pfalzburg, 


Benfeld mit über 200000 frs 









— 57 



St. Avold, Ueckingen, Bollweiler, Falkenberg, 
Saarbrücken Grenze, Dornach, Remilly, Novöant, Alt- 
kirch, Brumath, Rappoltsweiler mit über 100000 frs. 

Bemerkenswert ist es, dass unter den Stationen der 
französischen Ostbahn die' elsass-lothringischen bezüglich 
der Gesamt-Einnahme den ersten Rang einnehmen. 

. Unter den Stationen mit einer Gesamt-Einnahme 
von über 1000000 frs. folgen sich 

Paris, Forbach, Strassburg, La Villette, Reims, 
Gray, Nancy, Mülhausen, Metz, Weissen bürg, 
Beifort und Stieringen. 

Die verhältniss massig höchste Rein-Einnahme erzielte 
die französische Ostbahn im Jahre 1855. Die Betriebs- 
resultate dieses Jahres stellten sich, wie folgt : 

Gesamt-Einnahme (abzüglich aller Zuschläge für die 
Staatskasse, sowie Fracht-Differenzen u. s. w.) = 



1. 
2. 
3. 
4. 

5. 

6. 



Ausgaben für den Betrieb.: 
Bahndienst 2 875 517,30 frs. 



39061386,43 frs. 



Zugdienst 

Betriebsdienst 

Kommerzieller 
Dienst 

Zentraldienst 

Lasten der Gesell- 
schaft 



7 353769,39 
4224 581,38 

132835,51 
553315,81 

297023,91 



15437043,30 frs. 



23 624 343,13 frs. 



8215012,50 » 
15409330,63 » 



Ergiebt eine Rein-Einnahme von 
Hiervon ab für Zinsen der Aktien, 

Obligationen, Amortisation 

und Pensionskasse 

verbleibt 

Von dieser Summe gehen ab für den 
Reservefonds, dessen Jahres- 
betrag mindestens 5% der 
Rein-Einnahme sein musste 770466,15 » 

bleiben als Dividende zu vertheilen 14638864,48 frs. 

Der Betrag der Dividende für das Jahr 1855 stellte 
sich auf 78,50 frs. pro Aktie (ä 500 frs.) oder 15,75%. 

Für das Jahr 1857 betrug die Dividende nur noch 
40,65 frs. oder 8,13% pro Aktie, für das Jahr 1862 35 frs. 
oder 7% pro Aktie. 



— 58 — 

Bei den übrigen Bahnen, Orleans 100 frs., Nordbahn 
62 frs., Paris-M^diterann^e 75 frs., Midi 52 frs., Ouest 
35 frs. pro Aktie. 

Die Ursache der nach dem Jahre 1855 eingetretenen 
Verminderung der Rein-Einnahmen lag in den weit- 
gehenden Verpflichtungen, welche der französische Staat 
den einzelnen Gesellschaften bezüglich des Ausbaues ihrer 
Bahnnetze auferlegt hatte. 

Infolge der hierdurch hervorgerufenen, in ganz 
Frankreich fühlbaren Finanzkrise, welche den Kredit der 
Eisenbahn-Unternehmungen schädigte, sah sich die Re- 
gierung veranlasst, einzutreten und schloss mit den 
Eisenbahn-Gesellschaften Konventionjen ab, welche den 
Zweck hatten, 

1. die Rechte zu wahren, welche sich die Gesell- 
schaften durch den Besitz und den Betrieb ihrer Bahnen 
erworben hatten, die den Aktien-Inhabern zufallende 
mittlere Dividende nicht zu schädigen, 

2. ihnen den Auftrag zu geben, ohne ihre eigene 
Gefahr, ungefähr 8 000 km neu9 Eisenbahnen herzustellen 
und zu diesem Zwecke während 50 Jahren eine Zins- 
garantie von 4°/ , sowie 0,65 °/o Amortisation des ge- 
liehenen Kapitals zu sichern. 

Die Konvention sollte für die Ostbahn ab 1. Januar 
1864 in Kraft treten. 

Die Absicht der Regierung und des Gesetzgebers 
war, den Aktionären eine Dividende von mindestens 
38 frs. pro Aktie für die älteren Linien (sogen, altes 
Netz) zu sichern. Aber auch dieser Betrag wurde in den 
nächsten Jahren nicht erreicht, denn im Jahre 1862 
betrug, wie bereits erwähnt, die Dividende 35 frs. und 
1864 33 frs. 

Das gesamte im Jahre 1862 zum Betriebe einer 
mittleren Bahnlänge von 1721 km. französische Ostbahn 
und 103 km Wilhelm-Luxemburg-Bahn vorhandene 
rollende Material betrug 510 Lokomotiven, 1593 Personen- 
wagen und 11587 Güterwagen. 

Die Einnahmen betrugen: 

Aus d. Personen-Verkehre 22800580,61 frs. oder 12500,32 frs. p. km. 
» Eilgut- > 4582144,42 > » 2512,14 » 

> Frachtgut- » 39962592,44 > > 21909,31 > > 

Ans verschiedenen anderen 

Quellen 1182227,66 * > 648,15 >> 

zusammen 68 527 545,13 frs. oder 37569,92 frs. p. km. 



— 59 — 

Davon gehen ab ordent- 
liche Ausgaben 898018,79 frs. oder 492,33 frs. p. km. 

Einnahme 67629526,54 frs. oder 37077,59 frs. p. km. 

Die Ausgaben betrugen: 

Für Zentral-Verwaltung 2595349,48 frs. oder 1442,89 frs. p. km. 

> eigentlichen Betrieb 9580012,00 > » 5252,20 > > 

> Material u. Zugdienst 11781292,86 > > 6439,04 > > 

> Unterhaltung u. Be- 

wachung d. Bahn 5644621,26 * > 3094,64 > > 



zusammen 29601276,60 frs. oder 16228,77 frs. p. km 



Hiervon ab verschiedene 

kleine Einnahmen 146420,05 > » 80,27 



Ausgaben 29454855,55 frs. oder 16 148,50 frs. p. km. 
(Einschliesslich Wilhelm-Luxemburg-Bahn). 

Die Gesamtzahl der von den Zügen durchlaufenen 
Kilometer betrug : 

Für Express- und direkte Schnellzüge = 1 200 050 km. 

> Vergnügungszüge = 15 927 > 

> Omnibuszüge (gew. Personenzüge) = 5 445 965 > 
» Güterzüge = 7 037 423 » 



13 699 365 km. 
Auf der Wilh.-Luxbg.-Bahn zusammen 216 803 > 



Die ganze Länge des Ostbahnnetzes ist demnach 
täglich etwa 22 mal von Zügen durchfahren worden, wo- 
von die Hälfte auf Personen-, die Hälfte auf Güterbe- 
förderung entfallen. Diese Ziffer bleibt nur um wenig 
hinter dem heuligen Resultate der etwa gleich langen 
Reichsbahn zurück, wobei allerdings die durchschnittlich 
grössere Belastung der deutschen gegenüber den fran- 
zösischen Zügen zu berücksichtigen ist. 

Die Züge brachten eine Einnahme von: 

Aus Express-, direkten Schnell- 
zügen, sowie Personen- u. 
gemischten Zügen 26 865806,48 frs. oder 3,74 fr. p. km. 

Aus Vergnügungszügen 227 271,92 > > 14,27» » 

* Güterzügen 39 034 070,71 • • 5,78 > 

Die Zahl der pro Jahr beförderten Personen betrug 7 354 398 
pro Tag 20 149 

auf 1 km 379 061 289 

auf der ganzen Länge der Netzes 222 454 

Die von jedem Reisenden durchschnittlich durchfahrene 
Strecke war gleich 51,54 km. 



■ — 60 — 

Die gesamte Einnahme aus dem Personen- Verkehr 
(einschliesslich Zuschlag von Vi*) 24072189,39 frs. 

Die von jedem Reisenden durchschnittlich erzielte 
Einnahme betrug 3,27 frs. 

Die pro km. erzielte Einnahme betrug 0,0635 frs. 

Das Verhältnis der einzelnen Wagenklassen war gleich 66 für 1. Kl. 



136 > 2. 


» 


798 » 8. 


^ 


pro Tausend. 




Das Verhältnis der erzielten Einnahmen 255 frs. für 1. 


Kl 


186 > > 2. 


» 


559 > > a. 


> 


pro Tausend frs. 




Es wurden im Laufe des Jahres 3545255 t 




pro Tag 9713 t 




auf 1 km 523990979 t 




auf der ganzen Länge des Netzes 807 605 t befördert. 





Die von jeder Tonne durchlaufene Strecke betrug 
147,8 km. 

Die Gesamt-Einnahme betrug 37608398,76 frs. 

Die durchschnittliche Einnahme pro t 10,61 frs., die 
Gesamtzahl der Expeditionen pro Jahr 1959515. 

Die durchschnittliche Ron-Einnahme auf den franzö- 
sischen Ostbahnstrecken betrug im Jahre 1862 ca. 40000 
frs. (39131) pro km. 

Für die elsass-lothringischen Strecken berechnet sich 
«ine durchschnittliche Roh-Einnahme von ebenfalls ca. 
40000 frs. (39900) durchschnittlich. 

Das Ergebniss auf letzteren hätte sich demnach etwas 
höher gestellt als der allgemeine Durchschnitt auf der 
franz. Ostbahn. Es ist jedoch zu beachten, dass diese 
Ziffer, da die franz. Ostbahn-Gesellschaft eine getrennte 
Berechnung natürlich nicht vorgenommen hat, auf nicht 
unbedingt zuverlässiger Grundlage beruht. 

Die Tarife der französischen Ostbahn- 
Gesellschaft. 

Die Tarife der französischen Ostbahn waren nach 
dem Wertklassensysteme festgesetzt , d. h. die Güter 
wurden nach ihrem Werte, wobei sowohl der rein 
kaufmännische als auch der volkswirtschaftliche, aus 
dem grösseren oder geringeren Verbrauche sich ergebende 
Wert in Betracht kam, in Klassen eingetheilt, so dass 



— 61 — 

die Beförderungspreise nach der allgemeinen Belastungs- 
fähigkeit der einzelnen Transportartikel bemessen wurden. 
Güter von höherem Werte und geringerem Konsum er- 
tragen naturgemäss eine grössere Fracht als Güter von 
geringerem Werte und grösserem Konsum. Bei dem 
Wertklassensysteme kommen die Selbstkosten der Trans- 
port-Einrichtung direkt nicht in Frage, (im Gegensatze 
zum Wagenraum-System) umsomehr aber die volks- 
wirtschaftlichen Interessen. Dabei leidet das Wertklassen- 
system, wenn es streng durchgeführt ist, wie dies bei 
der französischen Bahn der Fall, an empfindlichen Mängeln, 
und zwar an Unübersichtlichkeit und allzugrosser Ver- 
änderungsfähigkeit. Wie bereits verschiedene Male an- 
geführt, setzte die französische Regierung in den Lasten- 
heflen zu allen Konzessions-Urkunden die Tarif-Maxima 
fest und gestattete den Gesellschaften, vorbehaltlich der 
höheren Genehmigung, bei strengster Beachtung des Prin- 
zipes der Gleichheit vor dem Tarife, unter der festge- 
setzten Maximal-Grenze besondere Beförderungspreise zu 
vereinbaren. 

Die Tarif-Maxima betrugen nach der Konvention 
vom Jahre 1858 für die französische Ostbahn bei 
Frachtgut : 

Für Güter der ersten Klasse = 0,16 frs. pro t und km 
» » » zweiten » =0,14 » » » » » 
» » » dritten »=0,10» »»» » 

Die erste Klasse umfasste : bearbeitete Gegenstände 
(Fabrikate), Naturprodukte von hohem Werte, Kolonial- 
waaren oder einheimische, Spirituosen und Oele. 

Die zweite Klasse solche Gegenstände, welche eine 
erste Bearbeitung erfahren hatten, sogen. Halbfabrikate, 
Naturprodukte von geringem Werte, wie Wein, Getreide 
oder solche Gegenstände, die eine Umwandlung durch 
die Industrie erwarteten, wie Wolle, Baumwolle, Eisen, 
Guss, bearbeitetes Metall und Kokes. 

Die dritte Klasse : Massenartikel von geringem Werte, 
und zum unmittelbaren Gebrauche bestimmt, wie Kohlen, 
Baumaterialien, Erze, Roheisen, Salz und Dünger. 

Dies waren die allgemeinen Grundzüge der Güter- 
klassifikation, nach welchen die französische Ostbahn 
die spezielle Einreihung der Güter vornahm. 

Ferner schuf dieselbe noch eine vierte Klasse zu 
0,08 frs. für Entfernungen von bis 200 km, zu 0,07 
für 200 bis 300 km, zu 0,06 frs, pro t und km für Ent- 



— 62 - 

fernungen von über 300 km, ausserdem einen Spezial- 
tarif zu 0,05 frs. 

Die vierte Klasse enthielt : Getreidearten, Reis und 
Mehl, Lumpen, Bier in Fässern, Kohlen und Kokes, 
ölhaltige sowie Futterkräuter, Borke und Lohe, Guano, 
Sulfate. 

Der Spezialtarif, welcher gleichzeitig auch das Prinzip 
der Wagenausnützung berücksichtigte, indem ein Mindest- 
gewicht von 5000 kg oder Frachtzahlung für dieses Ge- 
wicht vorgeschrieben war, enthielt folgende Güter : 
Schiefer, Thon, Asptialt, 

unbearbeitete Hölzer jeder Art, Bretter, Latten u. s. w., 
Hau-, Bruch- und Backsteine, 
Kalk, Sand, Gement, 
Kartoffeln, 
Dünger jeder Art, 
Pflaster- und Kieselsteine, 
Eisenerze. 

Endlich hatte die Ostbahn -Gesellschaft eine Reihe 
von Spezialtarifen geschaffen, (auch Differentialtarife oder 
besser : «tarifs ä base d^crolssante», Staffeltarife genannt), 
welche mit der wachsenden Entfernung eine fallende 
Skala der kilometrischen Einheitssätze verbanden. Diese 
Spezialtarife, welche ferner auch der Versorgung grosser 
industrieller Etablissements, oder verschiedenen Verkehrs- 
Beziehungen, Rechnung trugen, galten entweder nur im 
Bereiche der Ostbahn oder aber auf Grund besonderer 
Vereinbarungen mit den Nachbarbahnen im gegenseitigen 
Verkehre und enthielten : 

Unbearbeitete Steine mit Frachtermässigung bis zu 

0,03 frs. pro t und km 
Pflastersteine aus Paris u. Umgebung 0,03 » » » » » 
Sand für die Glas-Industrie 0,03 » » » » » 

Eisen und Guss zu 0,10, — 0,09 — 0,08, —0,06 und 
0,05 frs. pro t und km je nach Erzeugnis und Entfernung. 
Salz zu 0,03 frs. 
Kohlen und Kokes zu 0,04 frs. 
Der Transit -Verkehr wurde durch besondere Er- 
mässigungen gegenüber dem Binnen- Verkehre begünstigt. 
Diese letzteren Tarife erregten sehr oft die Opposition 
der Geschäftswelt des Elsass, welche sich darüber be- 
schwerte, dass z. B. Transporte von Gette und Marseille 
nach Offenburg, Mannheim, Darmstadt, Frankfurt a. M. 
billigere Frachtkosten verursachten, als die gleichen nach 



— 63 — 

elsässischen Städten. Besonders die Strassburger Handels- 
kammer beschäftigte sich eingehend mit dieser Frage. 
So ergab sich durch Vergleiche, dass die Fracht für 
Wolle 

von Marseille nach Offenburg = 58,80 frs. 

dagegen nach Erstein = 71,55 » 

und nach Bischweiler = 75,25 » betrug, 

was umsomehr ungünstig für das Elsass war, als gerade 
die Woll- Industrie daselbst von jeher eine grosse Rolle 
spielte. 

Für andere Artikel, wichtige Verbrauchsgegenstände, 
wie Mandelkerne ü. s. w. betrug die Fracht nach dem 
gewöhnlichen Tarife 

Von Marseille nach Strassburg = 81,85 frs. 

!Nach dem Transit-Tarif von Marseille 

nach Offenburg = 59,50 » 

Für Hopfen, einer der wichtigsten Handelsartikel des 
Unterelsass stellte sich die Fracht (für den Verkehr nach 
England berechnet) 

VonKehl nach Boulogne(l . Serie) pro 1000 km auf 78,00 frs. 

Von Strassburg nach Boulogne auf 118,00 » 

Bei der Erörterung der Tarife müssen noch diejenigen 
besonderen Gewinn-Antheile berücksichtigt werden, welche 
dem französischen Staate unter verschiedenen Namen 
aus dem Transport-Unternehmen zufielen. Diese Gewinn- 
Antheile bestanden zunächst in mehrfachen Auflagen, 
denen der Eisenbahn-Verkehr unterworfen war, ferner in 
unentgeltlichen oder Leistungen zu ermässigten Sätzen 
gegenüber dem Staate. Die Auflagen sind direkte, in- 
sofern sie in den allgemeinen Ausgaben direkt erscheinen, 
indirekte, sobald sie vom Publikum , geleistet werden, 
von welchem die Eisenbahn- Gesellschaft einen besonderen 
Zuschlag zu den festgesetzten Transportpreisen erhebt. 
Die direkten Auflagen bestehen in Grund-, Thür- und 
Fenstersteuern, in Patent-, Stempel- und Zollgebühren, 
die indirekten Auflagen in Zuschlägen zu den Transport- 
preisen, ferner Stempelgebühren für Frachtbriefe, Empfang- 
scheine u. dgl., Licenzgebühren, Avisstempel u. a. m. 
Der Zuschlag zu den Transportpreisen betragt nominell 
10°/ , ist aber in Wirklichkeit höher, da diese 10% sich 
auf die Transportpreise einschliesslich weilerer Zuschläge 
beziehen, so dass derselbe z. Zt. z. ß. = 23,20°/ zu der 
Haupttaxe ist. 

Unentgeltlich befördert wurden Beamte und sonstige 



— 64 — 

Bedienstete der indirekten Steuern und Zölle, Staats- 
beamte, im Telegraphendienst reisend, sowie die nötigen 
Unterhaltungsmaterialien , ferner Gefangene , Beamte , 
Briefe und Depeschen der Post- Verwaltung, Tabak, Pulver 
und Stempelpapier für die Finanz-Verwaltung. Zu er- 
mässigten Preisen wurden Militär, Marine und alles 
Material der Militär- und Marine- Verwaltung befördert. 

Interessant sind die folgenden Vergleiche zwischen 
dem früheren Frachtwagen-Verkehr und dem Eisenbahn- 
Verkehre. 

In den Jahren 1834 bis 1847 dauerte der Transport 
mit gewöhnlichen Frachtwagen von Paris nach Metz 
(322 km) 15 Tage und kostete pro 100 kg. = 15 frs. 

Dagegen (1852 — 1859) auf der Eisenbahn gewöhnl. 
Frachtgut = 6 Tage und kostete je nach der Klasse = 
7,09 frs. bis zu 3,14 frs. 

Von Paris nach Strassburg (461km) 18 Tage 
und kostete 11,00 frs. per Frachtwagen. 

Auf der Eisenbahn 7 Tage und kostete je nach der 
Klasse 8,82 frs. bis zu 3,76 frs. 

Während anfangs auf der Strecke Basel-Strassburg, 
ebenso wie auf derjenigen von Mülhausen nach Thann der 
Güter- Verkehr lange Zeit hinter dem Personen-Verkehre 
zurückblieb, änderte sich dieses Verhältnis später voll- 
ständig, und der Güter-Verkehr eroberte sich die be- 
herrschende Stelle. Im Jahre 1850 noch betrugen auf der 
französischen Ostbahn durchschnittlich 

Die Einnahmen aus dem Personen- Verkehre 64,74 °/ 
» » » » Eilgut- » 8,14 °/ 

» » » » Frachtgut- » 27,12 °/ 

Dagegen die im Jahre 1860 
Die Einnahmen aus dem Personen-Verkehre 33,96 % 
» » * » Eilgut- j> 6,93 °/ 

» » » » Frachtgut- » 59,11% 

Unter den auf der französischen Ostbahn beförderten 
Gütern nahmen bald diejenigen den ersten Rang ein, 
welche in der ersten Zeit d«s Bahnbaues Viele den 
Kanälen als ausschliessliches Reservat-Recht zuweisen zu 
müssen glaubten. Nach dem Berichte der französischen 
Ostbahn von 1864 wurden in diesem Jahre befördert: 

Kohlen 1241185097 t mit einer Einnahme von 
7751543,90 frs. 

Fabrikate 258596029 t mit einer Einnahme von 
5296006,50 frs. 



— 65 — 

Getreide, Mehl, Futter und ölhaltige Körner, trockene 
Gemüse, Kartoffeln, Reis u. a. m. 501130,708 t mit einer 
Einnahme von 3944312,58 frs. 

Die Wirkungen der Eisenbahnen. 
Unmittelbare Wirkungen. 

Die unmittelbaren Wirkungen, welche die Eisen- 
bahnen hervorgerufen haben, sind diejenigen, welche das 
eigentliche Verkehrsleben mit seinen gewaltigen Um- 
wälzungen und Fortschritten betreffen. Dieselben bestehen 
in einer Beschleunigung, Verbilligung, Erhöhung der 
Sicherheit, Regelmässigkeit, Bequemlichkeit, Leistungs- 
fähigkeit in der Fortbewegung bedeutender Gütermassen, 
und infolge dieser Qualitäts-Zunahme in einer ungeheuren 
Vermehrung oder Massenhaftigkeit der Transporte. Auf 
diese primäre Gesamtwirkung sind jene sekundären Er- 
scheinungen zurückzuführen, welche das wirtschaftliche 
und geistige Leben zu Ende des 19. Jahrhunderts, als 
des Zeitalters des Dampfes, kennzeichnen. 

Die Transporte sind beschleunigt und verbilligt worden, 
d. h. die Eisenbahnen haben eine bedeutende Ersparnis 
an Zeit und Geld herbeigeführt, zwei Hauptquellen des 
Nationalreichtums . 

Nach amtlichen Feststellungen (mitgeteilt durch das 
«Archiv für Post und Telegraphier, Jahrgang 1882) be- 
trug die Dauer einer Reise von Paris nach Strassburg 
(480 km) 

im Jahre 1814 etwa 100 Stunden, 
» » 1830 » 72 » 

» » 1848 » 48 » mit der Messagerie, 

im gleichen Jahre etwa 33 Stunden mit der Mallepost, 
der schnellsten Beförderungsweise. 

Heute durchfährt der Eilzug die 502 'km lange Eisen- 
bahnstrecke von Paris nach Strassburg in etwa 11 Stunden. 

Die Entfernung, welche ein Reisender heute zurück- 
legen kann, beträgt demnach etwa das 3- bis 4-fache 
derjenigen, die er kurz vor Einführung der Eisenbahn in 
derselben Zeit zurücklegte. 

Der Transport mit gewöhnlichen Frachtwagen dauerte 
etwa 18 Tage und kostete 11 frs. pro Frachtwagen, 
auf der Eisenbahn 1852—1857 dagegen 7 Tage und 
kostete 3,76 frs. bis 8,82 frs. (gleiche Menge je nach der 
Güterklasse). 



- 66 — 

Im Allgemeinen sind die Preise der Personenbeförderung 
(nach Sax, Verkehrsmittel) durch die Eisenbahn gegenüber 
den alten Landtransportmitteln um etwa50°/ , diejenigen 
der Güterbeförderung um etwa 75% verbilligt worden, 
was annähernd mit den a. a. Orten dieser Schrift ent- 
haltenen Angaben übereinstimmt. Nach Löper betrug 
übrigens der Preis für einen Platz in den Malle-Posten. 
in den 30 er Jahren 1,50 frs für eine Post = 7,5 km, 
in der Messagerie 1,00 frs. In der Eisenbahn betrug 
der Fahrpreis bekanntlich pro km 0,055 bis 0,08 frs., 
was einer Ermässigung von 45 bis 60 °/ entspricht. 
Für manche Güter, hauptsächlich Rohstoffe, wie Kohlen 
u. a. m., die seitdem überhaupt erst in grösseren Mengen 
versandfähig wurden, sind Frachtermässigungen bis auf 
den 10. und 20. Theil der früheren Beförderungspreise 
eingetreten. Hierzu kommt, «dass im Personenverkehr 
durch die grössere Schnelligkeit des Ortswechsels in den 
meisten Fällen die nicht unbedeutenden Unterwegs- und 
Uebernachtungskosten auf der eigentlichen Reise wegge- 
fallen sind. Zu berücksichtigen ist ferner, dass durch die 
Eisenbahnen auch eine allgemeine Ermässigung der 
Transportpreise auf den Landstrassen und schiffbaren 
Wasserstrassen -hervorgerufen worden ist. 

Im Jahre 1862 wurden auf der französischen Ost- 
bahn von 7 Millionen Reisenden 380 Millionen Kilometer 
zurückgelegt. Dies bedeutet gegen früher eine Zeitersparnis 
von 28^ Millionen Stunden. 

Die mittlere Geschwindigkeit der Diligence betrug 10 km 
in der Stunde, die mittlere Geschwindigkeit der Eisenbahn 
10 km in 15 Minuten, ergiebt eine Ersparnis von 45 Minuten 
auf 10 km und von 28,5 Millionen Stunden auf 380 Mil- 
lionen Kilometer. Die Zeit aber birgt eine Menge pro- 
duktiver Kräfte in ihrem Schosse. Je mehr Kräfte bei 
der Ueberwinduhg primitiver Hinderisse frei werden, um 
so mehr Kräfte können zur Ueberwindung von Hinder- 
nissen höherer Art, zur Erreichung höherer Kulturziele 
verwendet werden. 

Der Direktor der Brücken, Chausseen und Eisen- 
bahnen Frankreichs hat im Jahre 1866 nachzuweisen 
versucht, dass Frankreich alljährlich durch die Eisenbahn 
eine Ersparnis von 60 Millionen Franken im Personen- 
und 700 Millionen Franken im Waarentransporte erzielte. 
(Löper). 

Hieraus würde sich, unter Annahme gleicher Ver- 



1 



— 67 — 

kehrs-Verhältnisse, für Elsass-Lothringen im Personen- 
transporte eine Ersparnis von etwa 8 Millionen Stunden 
und 3 bis 4 Millionen Franken, im Waarentransporte 
eine solche von 40 bis 50 Millionen Franken in dem be- 
treffenden Jahre ergeben. 

Was die Sicherheit des Eisenbahnverkehrs anbelangt, 
so ist es eine bekannte Thatsache, dass dieselbe bedeutend 
höher ist, als diejenige des früheren Reisens und Waaren- 
transportes. Nach «Röll's Encyklopädie des gesamten 
Eisenbahnwesens» wurde für Frankreich berechnet, dass 
der Eisenbahn-Verkehr eine Steigerung der körperlichen 
Sicherheit auf das 13- bis 16-fache gegenüber dem Reisen 
mittelst Post und Messagerien herbeigeführt habe. Röscher 
(National-Oekonomie des Handels und Gewerbefleisses) 
fuhrt an, dass im Königreiche Sachsen jährlieh mehr 
Menschen vom Blitze getötet würden, als in 15 Jahren 
auf sämtlichen deutschen Eisenbahnen durch Betriebs- 
unfälle. 

Hinsichtlich der Regelmässigkeit zeichnet sich die 
Eisenbahn vor allen anderen Transportmitteln aus. Ist 
doch die Regelmässigkeit eine der Hauptbedingungen des 
Eisenbahnbetriebes, ohne welche dieser überhaupt nicht 
den hohen Anforderungen genügen könnte, die an ihn 
gestellt werden. Wie schlecht es mit der Regelmässigkeit 
des Verkehrs auf Kanälen und Flüssen bestellt war, da- 
von geben jene Klagen Zeugnis, welche schon vor Ein- 
führung der Eisenbahn erhoben wurden, als man noch 
gar nicht an hohe Ansprüche in dieser Hinsicht gewöhnt 
war. Der Verkehr auf den Wasserstrassen ist, ebenso wie 
derjenige auf den Landstrassen vielen Zufälligkeiteu der 
Witterung und klimatischen Einflüssen unterworfen. Da- 
gegen sind die durch elementare Ereignisse oder durch 
Entgleisungen u. s. w. hervorgerufenen Störungen des 
Eisenbahnbetriebes im Verhältnis zum Umfange des 
zu bewältigenden Verkehres ganz selten. 

Was die Bequemlichkeit anbelangt, so lässt in dieser 
Beziehung der auf glatten Schienen dahinfährende," mit 
allem Komfort versehene Eisenbahnwagen jedes andere 
Strassen transportmittel weit hinter sich zurück. Die Be- 
richte über die Annehmlichkeiten des Reisens in früherer 
Zeit bestätigen dies zur Genüge. Erzählt doch ein be- 
kannter Schriftsteller, L. Börne, dass er die Absicht, die 
Stösse in dem Postwagen zu zählen, dem er sich an- 
vertraut hatte, deshalb nicht habe ausführen können, 



weil dieselben jedesmal mit dem Anstosse, sie zu notiren, 
zusammengefallen seien. Wer denkt übrigens nicht mit 
einem gwissen Unbehagen an einen würdigen Repräsen- 
tanten jener früheren Vehikel, Omnibus genannt! Doch 
ist an diesem der veredelnde Einfluss der Eisenbahn 
nicht ganz spurlos vorübergegangen. Zu berücksichti- 
gen ist ferner, dass seit Einführung der Eisenbahnen auch 
die Strassen bedeutend besser geworden sind als früher. 

In gewisser Hinsicht bietet wohl die Reise auf den 
eleganten Fluss- und Binnensee- Dampfern wegen des zur 
Verfugung stehenden grösseren Raumes, des freieren 
Ausblickes und der sanfteren Fahrt auf der glatten, weichen 
Bahn noch grössere Annehmlichkeiten als die Fahrt in 
engem Eisenbahnwagen. Dieselben kommen jedoch nur 
für Vergnügungsreisen auf kurzen, nicht beliebig wähl- 
baren Strecken in Betracht, während für die grosse 
Mehrzahl der Reisen die Schnelligkeit des Ortswechsels 
die wünschenswerteste Annehmlichkeit darstellt. 

Diesen Vorzügen der Eisenbahn gegenüber den frühe- 
ren Landtransportmitteln steht eine entsprechend hohe 
Leistungsfähigkeit in der Fortbewegung von bedeutenden 
Gütermassen zur Seite. In dieser Hinsicht ist die Eisen- 
bahn dem Slrassenfuhrwerke bei weitem überlegen und 
besitzt nur in den Fluss- und Kanal -Transportmitteln 
wirkungsvolle Konkurrenten. Zwei Momente sind es, 
welche die hervorragende Leistungsfähigkeit der Eisen- 
bahn hervorrufen : Die in der Lokomotive als bewegende t 
Kraft nutzbar gemachte ungeheure Expansionskraft des 
Dampfes und die eine möglichst glatte Oberfläche bietende 
Bahn, auf welcher der Reibungswiderstand auf ein äusserst 
geringes Mass herabgemindert wird. 

Die forlbewegende Kraft eines Pferdes auf der Land- 
strasse nimmt man gewöhnlich zu 1 t auf 37,5 km. pro 
Tag an. Eine schwere Güterzuglokomotive dagegen ver- 
mag etwa 40 bis 50 Wagen zu je . 10000 kg. d. h. zu- 
sammen 400 bis 500 Tonnen auf ganz bedeutende Ent- 
fernungen zu befördern. Die Leistungsfähigkeit der letzteren 
würde demnach etwa 400 bis 500 Pferdezugkräften auf ge- 
wöhnlicher Landstrasse entsprechen, wobei die grössere 
Geschwindigkeit und die weniger beschränkte Leistungs- 
dauer der .Eisenbahn nicht berücksichtigt sind. 

Alle diese wertgebenden Faktoren haben der Eisen- 
bahn zu dem grossen Siege im Reiche des Verkehres 
verholfen und jene Mössenhaftigkeit der Transporte her- 



vorgerufen, welche noch vor einem halben Jahrhundert 
Niemand zu ahnen vermochte. Während man anfangs 
Berechnungen, die auf der Voraussetzung einer Ver- 
doppelung des früheren Verkehrs aufgestellt waren, 
für chimärisch hielt, brachten oft schon die ersten 
Jahre eine Vermehrung der Personentransporte um das 
zehn-, zwanzig- und mehrfache. In Frankreich wurden 
(nach Köllj 1841 — 1855 per Post durchschnittlieh im 
Jahre 710000 Reisende, mittelst Eisenhahn im Jahre 
1855 dagegen 32,9 Millionen Reisende, also 46-mal so 
viel befördert. Es ist bekannt, dass der Güter -Verkehr 
auf der Eisenbahn sich zuerst nur langsam entwickelt 
hat. Derselbe stieg jedoch bald in ganz . ungeahntem 
Masse, in Frankreich z.B. von 353 Millionen im Jahre 1855 
auf 4 Milliarden Tonnenkilometer im Jahre 1861, also 
um das 11 -fache. Hierzu kommt, dass auch der Verkehr 
auf den Landstrassen und Kanälen bedeutend zuge- 
nommen hat. 

Einfluss auf die Industrie des Landes. 

Die durch die Eisenbahnen hervorgerufene Verkehrs- 
Erleichterung machte' sich bald auf allen Gebieten des 
wirtschaftlichen Lebens bemerkbar. Dadurch dass die 
Rohstoffe auf einem immer dichter verzweigten Netze von 
Eisenbahnen rasch und billig nach allen Theilen des 
Landes verschickt werden konnten, wurden schlummernde 
Produktionskräfte geweckt. Durch die zunehmende Ver- 
kehrs-Erweiterung und Erleichterung wurden die Ab- 
satzgebiete für die Produkte vermehrt und die Kon- 
sumtion erhöht, neue Bedürfnisse wachgerufen und infolge- 
dessen auch die Produktion vor neue Aufgaben gestellt, 
welchen sie durch die nunmehr freigewordene innere 
Kraft in immer reicherem Masse gerecht zu werden 
wusste. Diese Erscheinungen zeigt uns vor Allem auch 
die Industrie von Elsass-Lothringen in den ersten 20 Jahren 
der Eisenbahn-Herrschaft. 

Das im Elsass hergestellte Bier (hauptsächlich in 
Strassburg und Umgebung) nahm in der Konsumtion von 
Paris eine stets wachsende Bedeutung an, so dass im 
Jahre 1859 bereits wöchentlich 2 besondere Bierzüge ab 
Strassburg eingelegt werden mussten. In der Folge trat 
eine beträchtliche Vermehrung der Brauereien und er- 



— 70 — 

höhte Produktionsfahigkeit der gesamten Bier-Fabrikation 
ein. 

. Der Eisenerz- Verkehr nahm, besonders nach Eröffnung 
der luxemburgischen Linien, durch welche viele reichen 
Erzlager dem Verkehre erschlossen wurden, immer grössere 
Dimensionen an. Die Eisen-Industrie entwickelte sich 
infolgedessen sehr rasch, so dass z. B. nach offiziellen 
Erhebungen im Mosel-Departement der jährliche Verbrauch 
an Kohlen in einem Zeiträume von 5 Jahren (1853 — 1858) 
von 2400000 Zentner etwa auf 7300000 Zentner ge- 
stiegen war. 

Im Kohlen- Verkehre spielten die Stationen Forbach, 
St. Avold und Weissenburg als Einfuhrorte für das 
Saarbrücker und das Bayerisch -Pfälzische Kohlengebiet 
eine hervorragende Rolle. Die Gesamt-Einfuhr von Kohlen 
auf der französischen Ostbahn betrug : 

Im Jahre 1859 645214 Tonnen. 

Davon entfallen auf 

Forbach und St. Avold 471 158 

Weissenburg 35 008 

Reims, Paris, Beifort, Gray u. s. w, nur 139048 

auf die elsass-lothringischen Stationen also über 8 / 4 der 
Gesamt-Einfuhr. In welchem Masse die Industrie des 
Elsass im Laufe der Jahre zugenommen hat, davon 
zeugen folgende Zahlen -Angaben : 

Nach den von der Soci£t6 industrielle gesammelten 
Dokumenten waren im Departement Ober-Elsass (Haut- 
Rhin) für die Spinnerei-Industrie im Betriebe im Jahre 
1847 = 12 Dampfmaschinen zu 208 Pferdekräften, im 
Jahre 1861 = 66 Dampfmaschinen zu 1070 Pferdekräften. 

Lange Zeit war die Produktion nicht imstande, den 
gesteigerten Bedürfnissen zu genügen, erstere entwickelte 
sich daher immer mehr. In Mülhausen z. B. hatten sich 
im Verlaufe von wenigen Jahren (von 1852 bis 1854) die 
Mehrzahl der Fabriken bedeutend vergrössert, einige sogar 
auf das Donpelle des früheren Umfanges. 

Die Zahl der Spindeln der Baumwoll- Spinnerei im 
Ober-Elsass stieg von 779300 im Jahre 1846 auf 
1237314 im Jahre 1862. Die Produktion dagegen steigerte 
sich in noch viel grösserem Masse, und zwar von 16 Mil- 
lionen frs. im Jahre 1828 auf 34 Millionen im Jahre 1846 
und auf etwa 60 Millionen frs. jährlich im Jahre 1862. 



— 74 • — 

Die Webereien hatten eine Zunahme der jährlichen 
Produktion von 20 Millionen frs. im Jahre 1828 auf 
70 Millionen frs. im Jahre 1862 zu verzeichnen. Von den 
übrigen Industrien sind noch zu erwähnen: Die Stoff- 
Druckereien, deren Produktion im Jahre 1862 etwa 50 Mil- 
lionen frs. gegen 38 Millionen frs. im Jahre 1828 betrug, 
ferner die Fabrikation von gedrucktem Papier, von che- 
mischen Produkten u. a. m. 

Die Herstellung von Dampfmaschinen war ebenfalls 
einer der wichtigsten Industriezweige des Elsass geworden. 
Im" Jahre 1831 bestanden im Ober-Elsass 14 Werkstätten 
mit zusammen 15 Dampfmaschinen, im Jahre 1862 da- 
gegen 33 Werkstätten mit 46 Dampfmaschinen, darunter 
etwa 6 oder 7 grosse, zur Herstellung von Maschinen 
dienende Fabriken, welche mit den kleineren, Kessel- 
schmieden, Giessereien u. s. w. zusammen etwa 6000 
Arbeiter beschäftigten, die jährlich für 15 bis 18 Millionen 
frs. produzirten. Das Anwachsen der Industrie zeigte sich 
vor Allem auch durch den Verbrauch an Kohlen. Während 
im Jahre 1851 im Ober-Elsass 864 000 Zentner verbraucht 
wurden, betrug die Menge der von den Kohlenbassins 
gelieferten Kohlefl im Jahre 1862 zusammen 2548460 
Zentner, wovon 1154101 Zentner auf die Einfuhr über 
Saarbrücken entfallen. 

Der Handel des Elsass, begünstigt schon von jeher 
durch die reiche Produktion des Landes und durch ein 
kunstvoll angelegtes Netz von Strassen, sowie durch na- 
türliche und künstliche Wasserstrassen, entwickelte sich 
seit Einführung der Eisenbahnen noch in bedeutendem 
Masse. Der Export erstreckte sich hauptsächlich auf 
Wein, Mohn-, Hanf- und Leinöl, Weingeist und Essig, 
Holz, exotische und einheimische Pflanzen, Baumwoll- 
gewebe, Woll-Mousselin, Kattun, sogen, «elsässische oder 
Mülhauser und Markircher Artikel», feine und gewöhn- 
liche Tücher, Baumwoll- und Seidenbänder, chemische 
Produkte, Papierwaaren, Getreide, Tabak, Bier, Hopfen, 
Bauholz, Salz, Blei, Fische, Wild, sowie eine Menge von 
Manufaktur-Waaren jeder Art aus der reichen Industrie 
des Elsass. 

Die Einfuhr erstreckt sich hauptsächlich auf: Gross- 
Vieh, feine Weine und Liqueure, Olivenöl, Seidenwaaren, 
feine Gewebe, Mode- Artikel, Wolle, Kohlen, Kolonialwaaren, 
wie Zucker, Kaffee, Spezereien, Kakao, Farbhölzer, In- 
digo, rohe Baumwolle, feine Glas- und Porzellan-Waaren, 



— 72 — 

Marmor, Gold, Silber, Zinn, Kupfer, Blei, Weissblech, 
Bijouterie- und Uhren-Waaren u. a. m. 

Einfluss auf die allgemeinen Verkehrsver- 
hältnisse, Landstrassen und Kanäle. 

Es ist eine bemerkenswerte Thatsache, dass die Ei- 
senbahn in bedeutendem Masse den öffentlichen Volks- 
reichtum erhöht und vor Allem nicht nur einen Theil 
des früher vorhandenen Verkehres an sich gerissen, 
sondern denselben beträchtlich vermehrt hat. Denn zur 
selben Zeit, als der Eisenbahn-Verkehr immer grössere 
Dimensionen annahm, hat die Bedeutung der Landstras- 
sen und schiffbaren Wasserwege (Flüsse und Kanäle) 
nicht nur nicht verloren, sondern noch bedeutend zuge- 
nommen. So z. B. sind die Eisenbahntransporte in 
Frankreich von 353 Millionen Tonnen-Kilometer im Jahre 
1850, auf annähernd 4 Milliarden Tonnen-Kilometer im 
Jahre 1861, zur gleichen Zeit aber auch der Verkehr 
auf den Wasserstrassen des Innern von 1 722 000 000 
Tonnen-Kilometer auf 2 360 000 000 Tonnen-Kilometer ge- 
stiegen. 

Allerdings hat überall da, wo Eisenbahnen in paral- 
leler Richtung erbaut wurden, die Landstrasse für den 
Fernverkehr weichen müssen, für die Transporte im en- 
geren Verkehre und als Zufuhrweg aber an Bedeutung 
gewonnen. Zwischen Eisenbahnen und Kanälen, sobald 
sich diese ein und dasselbe Gebiet streitig machten, 
herrschte anfangs eine heftige Konkurrenz, durch welche 
theilweise die Transportpreise auf ein Mindestmass her- 
abgesetzt wurden, und welche auch, wie bereits zu 
Anfang auseinandergesetzt, zu besonderen differentiellen 
Tarifbildungen von seiten der Eisenbahn-Gesellschaften 
führten. Auch hatte die Strassburg-Baseler Eisenbahn- 
Gesellschaft s. Zt. eine jährliche Frachtvergünstigung 
von 3 bis zu 20%» je nach der Art und der Menge der 
Güter, für alle diejenigen Sendungen gewährt, welche in 
Mülhausen vom Rhein-Rhone-Kanal auf die Eisenbahn 
umgeladen wurden. Das Verhältnis zwischen Kanal- 
schiffahrt und Eisenbahn-Betrieb gestaltete sich jedoch 
bald friedlicher, und die erstere bildete schliesslich, vor 
allem, nachdem, wie in Frankreich, der Staat den Betrieb 
der Kanäle selbst übernahm, eine in jeder Beziehung 
nützliche Konkurrenz der Eisenbahnen. 



— 73 — 

Der französische Staat hatte daher nach wie vor 
der Unterhaltung und Vermehrung der Landstrassen und 
schiffbaren Wasserwege die grösste Sorgfalt zugewen- 
det und von Jahr zu Jahr bedeutende Summeu zu diesem 
Zwecke ausgeworfen. 

Grosse Verdienste hat sich Frankreich um die An- 
lage von Strassen und Kanälen in Elsass-Lothringen 
erworben. Es bestanden im Eisass im Jahre 1864 sieben 
kaiserliche Strassen mit zusammen etwa 332 km, und 
zwar von Strassburg in der Richtung nach Paris und 
Deutschland, von Strassburg nach Saarbrücken, nach 
Bitsch (Zweibrücken) nach Weissenburg (Landau) nach 
Basel und in der Richtung nach Lyon, ferner von Nancy 
nach Schlettstadt. 

Ausserdem im Unter-Elsass 26 Departemental-Strassen 
mit zusammen 610 km, 20 Vizinalstrassen von grossem 
Verkehr mit zusammen 370 km und 128 Vizinalstrassen 
von gemeinsamem Interesse mit 1398 km. 

Im Ober-Elsass : 16 Departemental-Strassen mit 412 
km, 31 Vizinal-Strassen von grossem Verkehr mit 464 km, 
53 Vizinal-Strassen von gemeinsamem Interesse mit 
898 km. 

Im Mosel-Departement befanden sich 13 kaiserliche 
Strassen mit zusammen 461 km, ferner 13 Departemen- 
tal-Strassen mit 366 km, 766 km Vizinalwege von 
grossem Verkehr und 1070 km Vizinalwege von gemein- 
samen Interesse. Der Strassenfuhrwerks-Verkehr betrug 
nach vorgenommenen Zählungen in den Jahren 1863 und 
1864 in den 3 Departements etwa 2000 Zugpferde (= 2000 
Gewicht) täglich. 

Die günstige Lage von Elsass-Lothringen zwischen 
3 grossen Flussgebielen, dem des Rheins, der Seine 
und der Rhone, hat die Anlage von Kanälen sehr be- 
günstigt. Zwei grosse Kanäle, der Rhein-Rhone- und 
der Rhein-Marnekanal, vermitteln eine schiffbare Verbin- 
dung des mittelländischen Meeres durch die Rhone, mit 
der Nordsee durch Rhein und Seine. Ausserdem dienen 
eine Menge kleinerer Kanäle, unter denen der Saar- 
kohlen-, der Breusch- und der Salinen-Kanal, die wich- 
tigsten sind, dem inneren Verkehre. 

Der Rhein -Rhone -Kanal verbindet die Saöne bei 
Saint-Symphorien (219 km oberhalb Lyon) mit der 111 
bei Strassburg. Der Ill-Rhein- und der Hüninger Zweig- 
kanal (28 km) stellen die Verbindung mit dem Rheine 



— n — 

her. Die Gesamtlänge des Rhein-Rhone-Kanals beträgt 
322 km. Die ersten Projekte, deren Ursprung einige 
Schriftsteller schon auf die Zeit Karls des Grossen zu- 
rückführen wollen, reichen nachweisbar bis auf das Jahr 
1744 zurück ; der erste Theil des Kanales, zwischen 
Saöne und Doubs, wurde jedoch erst auf Grund eines 
König]. Beschlusses vom Jahre 1783 in Angriff genom- 
men und nach Beendigung der Arbeiten durch Dekret 
der Nationalversammlung vom 6. September 1792 die 
Ausführung des übrigen Theiles zwischen Doubs und 
Rhein genehmigt. Da die Arbeiten indessen sehr langsa- 
men Fortgang nahmen und zeitweise ganz eingestellt 
wurden, erfolgte ( erst 1813 die Eröffnung der Strecke 
bis Besangon, 1820 zwischen Döle und Besangon. Die 
Gesamtkosten wurden auf 21 Millionen frs. geschätzt, 
wovon 11 Millionen frs. bereits verausgabt waren. Ein 
Gesetz vom 5. August 1821 ermächtigte die Regierung, 
der Gesellschaft den Restbetrag von 10 Millionen frs. zu 
leihen gegen Zahluug von 6% Zinsen und 2% Amorti- 
sation, welche auf die Reineinnahmen des Kanals im 
Voraus zu erheben und im Falle der Unzulänglichkeit 
vom Staate zu garantieren waren. Im Jahre 1821 wurde 
die Schiffahrt bis Mülhausen, im Jahre 1834 der Verkehr 
auf dem ganzen Kanal bis Strassburg eröffnet, nachdem 
der Staat eine neue Subvention von 7 Millionen frs. 
bewilligt haltte, so dass sich die Gesamt - Ausgaben 
nunmehr auf 28 Millionen frs. beliefen. Elsässische Hä- 
fen am Rhein-Rhone-Kanal wurden in Mülhausen, Neu- 
breisach, Colmar, Markolsheim, Sundhausen, Boofzheim, 
Krafft, Grafenstaden und Strassburg angelegt. 

Die gewöhnlichen Frachtkosten (einschl. Schiff- 
Abgaben und Versicherung) betrugen 1864 je nach der 
Waaren-Gattung : 

Von Strassburg nach Mülhausen(100 km) 15.00 frs. bis 7.50 frs. pro t 

> > » Besancon (348 km) 25.00 frs. > 17.50 » » > 

» Lyon (532 km) 45.00 frs. » 22.50 » » > 

Die Schiffahrts-Abgaben, zuerst durch Dekret vom 
11. April 1811 geregelt, sind im Laufe der Zeit ver- 
schiedenen Aenderungen unterworfen gewesen. Im Jahre 
1826 wurden dieselben auf die Hälfte ermässigt, im Jahre 
1843 nochmals geändert und schliesslich der alte Tarif 
wieder eingeführt. Infolge der zunehmenden Konkurrenz 
der Eisenbahnen erfolgte durch Dekret vom 23. Mai 1850 



— 75 — 

für die Kanalstrecke zwischen Strassburg, Mülhausen und 
Hüningen die Einführung eines Spezialtarifes zu : 

0.02 frs. pro t und km der Güter der 1. Klasse 
0.01 *»»»*» » »2. » 
0.005 »»»»»» » »3. » 

1858 wurde dieser Tarif auf die ganze Länge des 
Kanales ausgedehnt und 1860 eine 4. Klasse zu 0,0025 
frs. eingeführt. 1853 trat 'der französische Staat in den 
Besitz des Kanales durch Rückkauf der Aktien der Ge- 
sellschaft. 

Die Zahl der beförderten Tonnen in Unter -Elsass 
betrug : 

1852 = 44 743 Tonnen. 

1853 =■- 71735 » 

1854 = 84 893 » 

1855 = 115 861 

1856 = 160414 

1857 = 122 824 

1858 =115082 

Unter den während der letztgenannten 3 Jahre be- 
förderten Tonnen figuriren bei der Auffahrt (Rhein nach 
Rhone) hauptsächlich : Kohlen und Kokes, Steine, Kalk 
und Baumaterialien, Eisen und Metalle, Bauholz, Ge- 
treide, Wein und dgl., bei der Niederfahrt: Bauholz, Ge- 
treide, Wein u. dgl. 

Seit 1834 stiegen die Einnahmen des Kanales auf 
der ganzen Länge regelmässig und zwar von 293586 frs. 
auf 1018110 frs. im Jahre 1843. Auf der elsässischen 
Strecke war, bereits in den Jahren 1842 und 1843 durch 
die Konkurrenz der Strassburg Baseler Eisenbahn eipe 
beträchtliche Verminderung des Verkehres eingetreten, 
welche jedoch auf das Gesamt-Resultat des ganzen Kanals 
keinen Einfluss ausübte. Die Transporte imTransit wurden zur 
Vermeidungder umständlichen und mit Unkosten verknüpften 
Umladung zunächst noch zum grössten Theile auf dem 
Wasserwege bewirkt, und der Verkehr auf dem fran- 
zösischen Theile war nach wie vor im Zunehmen be- 
griffen. Im 'Departement Niederrhein betrugen die Ein- 
nahmen im Jahre 1864 = 60000 frs. 

Die Unterhaltungskosten für den ganzen Kanal wa- 
ren gleich 438000 frs., für Ober-Elsass = 145 000 frs. 
und für Unter-Elsass = 45000 frs. 



— 76 — 

Der Rhein-Marne-Kanal, 315 km lang, verbindet die 
Marne bei VitryJe-Fran<jais mit der 111 bei Ruprechtsau, 
2 km unterhalb von Strassburg, und stellt eine schiff- 
bare Wasserstrasse von Le Havre durch die Seine mit 
Strassburg her. Er tritt unweit D. Avricourt in Loth- 
ringen ein und geht über Saarburg, Arzweiler, Zabern, 
Brumath. Im Jahre 1827 wurde das erste Vorprojekt 
von einer Gesellschaft aufgestellt und auf Grund des 
Gesetzes vom 3. Juli 1838 mit der Ausfuhrung der Ar- 
beiten begonnen, indem gleichzeitig ein Kredit von 45 
Millionen frs. gewährt worden war. Bis zum Jahre 1844 
schritt der Bau des Kanales rüstig fort. Eine Zeit lang 
jedoch hatte man in Anbetracht der durch die Paris- 
Strassburger Eisenbahn zu befürchtenden Konkurrenz die 
Fortsetzung des Unternehmens ganz aufgegeben. Die 
öffentliche Meinung, hauptsächlich vertreten durch den 
eifrigsten Verteidiger der Kanalfrage, Ch. Collignon, 
(Verfasser des Werkes: «Du concours des canaux et des 
chemins de fer») und durch die französische Deputirten- 
Kammer, entschied sich aber schliesslich für die Vollen- 
dung des bereits weit vorgeschrittenen Werkes. Durch 
Gesetz vom 5. Mai 1846 wurde denn auch der anfang- 
lich gewährte Kredit von 45 auf 75 Millionen frs. erhöht. 
Im Jahre 1853 erfolgte die Eröffnung des letzten Theiles, 
zwischen Nancy und Strassburg. 

Die Transportkosten betrugen für Güter in beschleu- 
nigtem Verkehre etwa 0,065 bis 0,055 frs. pro t und km, 
im gewöhnlichen Verkehre für 

Kohlen und Kokes = 0,02 frs. 

Steine etc. = 0,03 frs. 

Bauholz = 0,03 bis 0,05 frs. 

Brennholz = 0,02 frs. 

verschiedene andere Güter = 0,05 bis 0,10 frs. 

Die Zahl der beförderten Tonnen betrug; im Unter- 



Elsass : 



o 



Im Jahre 1856 aufwärts (ab Strassburg) = 83235 
niederwärts (nach Strassburg) = 133919 

"217155 

1857 aufwärts 61815 

niederwärts 133944 

"195759 



— 77 - 

1858 aufwärts 34260 

niederwärts 204 818 

239078 

Die Transporte aufwärts erstreckten sich hauptsäch- 
lich auf Steine, Kalk, Baumaterialien, Bauholz, Artikel der 
keramischen und der Glas-Industrie, Getreide, Mehl, 
Wein u. s. w ; auf der Niederfahrt wurden Steinkohlen 
und Kokes, Steine, Kalk und Baumaterialien, (etwa zur 
Hälfte aller Transporte) Eisen und Metalle, Brennholz, 
Getreide, Mehl, Wein und Boden-Produkte befördert. 

Da die Kanal-Schiffahrt vollständig frei von Abgaben 
war, betrugen die jährlichen Einnahmen im Unter-Elsass 
(für die Verpachtung der Erträgnisse und des Terrains, 
sowie der Fischerei u. a. m.) etwa 2200 frs., die jähr- 
liche Unterhaltung verursachte, dagegen eine Ausgabe 
von 50 000 frs. Das Anlagekapital betrug bis zum 31. 
Dezember 1858 für 50 km im Unter-Elsass etwa 7 Mil- 
lionen frs. 

Der Ill-Rhein-Kanal, 2,258 km lang, wurde von 1838 
bis 1842 mit einem Gesamt -Kosten- Aufwände von 
2500000 frs. erbaut. Er diente zur Verbindung des Rhein- 
Rhone- und des Rhein-Marne-Kanals mit dem Rheine. 
Im Jahre 1858 wurden 93480 t, hauptsächlich in Kohlen, 
Kolonial-, Drogerie-, Spezereiwaaren, Getreide, Bauholz, 
Kies, Sand, Pflastersteinen und Bruchsteinen bestehend, 
befördert. 

Der Breusch-Kanal, 19,780 km. lang, verbindet Sulz- 
bad mit Strassburg. Projektirt bereits seit dem 15. Jahr- 
hundert, wurde derselbe erst 1682 durch Vauban erbaut. 
Die Arbeiten wurden auf Kosten des Königs mit Hilfe 
der Armee ausgeführt. Der Kanal blieb lange Zeit unter 
militärischer Leitung, bis im Jahre 1775 die Stadt Strass- 
burg und 1824 von neuem die französische Regierung 
Eigentümerin wurde. Der Breuschkanal dient ausser dem 
Transport- Verkehre noch zum Betriebe einer grossen Zahl 
von Mühlen für Mehl, Stärkemehl, Oele, Gips, Hanf, Krapp, 
ferner von Bleichereien, mechanischen Webereien u. a. m., 
zusammen von 70 Werken (nach dem Stande von 1864). Die 
Transporte erstreckten sich ausschliesslich auf den innern 
Verkehr und zwar auf Brennholz, Bauholz, Steine aus 
den Steinbrüchen des Breuschthales, Gips, Kalk, Sand. 
Die Tonnenzahl aus dem Jahre 1856 war gleich 49509 
und aus dem Jahre 1858 gleich 34593 



— 78 - 

Der Beförderungspreis zwischen Wolxheim und Strassburg 
(23 km) betrug 0,027 frs. und 0,043 frs. (einschl. Be- 
und Entladung) pro t und km. 

Der Saarkohlen-Kanal würde im Jahre 1866 der 
Schiffahrt übergeben. Er dient hauptsächlich zur Beför- 
derung von Steinkohlen aus dem Saar-Revier und von 
Mineralien und Baumaterialien in der entgegengesetzten 
Richtung. Im- Jahre 1868 wurden 579573 Tonnen im 
Ganzen befördert. Der Preis betrug 0,019 frs. pro t und 
km. für Steinkohlen, so dass sich der mittlere Preis, 
einschl. Schiffahrtsgebühren, von Saarbrücken nach Mül- 
hausen auf dem Saarkohlen, Rhein-Marne- und Rhein- 
Rhone-Kanal auf 5,87 frs. gegen 14,39 frs. auf der Eisen- 
bahn stellte 



III. KAPITEL. 
Von 1863 bis 1871. 

Die Lokalbahnen. 

Die Initiative des Präfekten Migneret. 

Im Jahre 1863 war das Eisenbahnnetz von Elsass- 
Lothringen in seinen charakteristischen Zügen ausgebaut. 
Fast alle wichtigeren Orte waren durch die eisernen 
Schienenstrassen mit einander verbunden. Diese selbst 
reihten sich als Verbindungsglieder von hervorragender 
Bedeutung in das grosse System der kontinentalen Bahnen 
ein. Doch waren seit einiger Zeit verschiedene Inter- 
essen von nicht geringerer Wichtigkeit in den Vordergrund 
des Verkehrslebens des Landes getreten und harrten ihrer 
Berücksichtigung. Eine Menge von Kanton- Hauptorten 
hatten bis jetzt von dem grossen durch die Eisenbahn 
hervorgerufenen Aufschwünge des gesamten Verkehres 
noch gar nichts profitieren können. Die neue Periode in 
dem Baue von Eisenbahnen ist durch das Lokalbahn- 
system gekennzeichnet, welches seinen Ursprung haupt- 
sächlich der Initiative des Präfekten Migneret vom Unter- 
Elsass verdankte. Derselbe richtete unterm 30. Juli 1858 
an den Direktor der Vizinalstrassen des gen. Departements 
folgendes Schreiben: 



— 79 — 
Herr Direktor, 

Alles, was in der letzten Zeit gesagt und gedruckt 
worden ist, ebenso wie die verschiedenen Eröffnungen, 
welche mir bezüglich der Eisenbahnen gemacht worden 
sind, haben mich davon überzeugt, dass ein grosses, 
lokales Interesse, das bei allen Entwürfen .des Ostbahn- 
netzes bis jetzt vollständig verkannt worden ist, lebendig 
wird und Befriedigung sucht, indem. es sich, soweit als 
möglich mit den allgemeinen Interessen vereinigt, um 
diese seinen Forderungen anzupassen. 

Ich habe mich nun gefragt, ob es der departementalen 
Verwaltung nicht möglich sei, diesen Interessen Rechnung 
zu tragen, indem dieselbe die Initiative zu einer Mass- 
nahme ergreift, welche gesetzlich genügende Unterstütz- 
ung findet, und sich von der Vormundschaft der Gesell- 
schaften, der Enquöten und der Zentral- Verwaltung bei 
Verfolgung dieser Interessen loszusagen. 

Der Präfekt kann, in Uebereinstimmung mit dem 
Generalrate, die Strassen von grossem Verkehre einteilen, 
er kann dieselben nach eigenem besten Ermessen er- 
bauen; er kann, in Uebereinstimmung mit dem General- 
rate und den Gemeinden, in einem Departement wie dieses, 
die zu den Apbeiten erforderlichen Hilfsquellen schaffen. 

Andererseits finden wir, nach Beendigung eines grossen 
Vizinal-Strassen-Netzes, das eine Ausdehnung von 337 
km hat, mit 2500000 frs. erbaut worden ist, und von 
einem geübten Beamten-Personale und einem Chef-Ingenieur 
an der Spitze, geleitet wird, uns einer Eisenbahn gegen- 
über, die das Departement von Norden nach Süden und 
Osten nach Westen, mit Strassburg, dem politischen und 
kommerziellen Hauptorte in der Mitte, durchzieht. 

Ueberall sind bis heute Stimmen laut geworden, 
welche das Ziel verfolgen, die enterbten Gegenden mit 
der Hauptstadt einerseits und der grossen Verkehrsstrasse 
andererseits zu verbinden. Die Bahn von Lille nach Strass- 
burg mit ihren unzähligen Seitenlinien, diejenige von 
Bitsch nach Hagenau dienen demselben Zwecke. 

Sollte es nicht möglich sein, ein zweites und neues 
Netz von Strassen mit grossem Verkehre zu schaffen, 
welches jeden Kanton-Hauptort mit der Eisenbahn und 
infolgedessen mit Strassburg verbindet, und dasselbe 
Netz in Schienenwege mit einem Gleise umzuwandeln? 
Sollte es der Ostbahn und nötigenfalls der lokalen In- 



— 80 — 

dustrie nicht ein Leichtes sein, je nach Massgabe ihrer 
Vollendung, diese Bahnen zu pachten und das Legen von 
Schienen sowie den Betrieb zu übernehmen? 

Das neue Netz würde, vorbehaltlich aller späteren 
Aenderungen, folgende Strecken in sich begreifen: 

1. Von Lauterburg nach Hunspach mit Abzweigung 

nach Selz. 

2. Von Wörth nach Walburg, 

3. Von Niederbronn nach Hagenau, 

4. Von Hochfelden nach Buchsweiler, 

5. Von Wasselnheim nach einem unter 6 näher zu 

bestimmenden Punkte, 

6. Von Molsheim nach Lingolsheim oder einem an- 

deren Punkte bei Strassburg auf der Strecke 
Strassburg-Basel. 

7. Von Rosheim nach Oberehnheim und Erstein, 

8. Von Barr nach Benfeld. 

Doch bevor man diesem Gedanken Folge giebt, muss 
derselbe einer ernsten Prüfung unterworfen werden, und 
ich bitte Sie, dies zu thun. Viele dieser Wege sind bereits 
für sich oder in Verbindung mit allgemeinen Entwürfen 
zum Gegenstande von Untersuchungen gemacht worden, 
welche zum Theil wertvolle Grundlagen zu neuen Berat- 
ungen geliefert haben. 

Die Vorstudien zu den anderen Wegen müssen, meines 
Erachtens, mit Hülfe der bereits gegebenen Feststellungen 
leicht sein. 

Sobald die Ausführbarkeit der Entwürfe anerkannt 
ist, handelt es sich noch darum, 1. eine provisorische 
Karte aufzustellen, 2. die Ausgaben für den Grunderwerb, 
für die Erdarbeiten und Kunstbauten zu veranschlagen. 
(Die Sorge um die Anlage von Stationen wird man den 
einzelnen Gemeinden überlassen können.) 

Dieser Vorarbeiten bedürfte ich, um zu entscheiden, 
welche Folge dem Projekt gegeben werden soll, und um 
sie der nächsten Generalrats-Sitzung, in welcher so viele 
Eisenbahn-Fragen zur Besprechung kommen sollen, zu 
unterbreiten. 

Ist das Projekt ausführbar, so würde das Unter- 
Elsass die Initiative zu einer segenbringenden Massregel 
ergriffen haben, wenigstens für sich, indem es seine 
topographische Lage und die vorhandenen Wege benützt, 
um dadurch allein den Vorzug zu haben, dass alle Kan- 



— 81 — 

ton-Hauptorte mit wenig Ausnahmen von einer Eisenbahn 
berührt sind. 

Genehmigen Sie, Herr Direktor, 

Der Präfekt 
gez. Migneret. 

Die Verhandlu n g en des Generalrates des 
Unter-Elsass und Fortschritt der Sache. 

In- der Sitzung des Generalrates vom 27. August 
1858 erstattete alsdann der Präfekt Migneret ausführlichen 
Bericht über das Projekt und über das Ergebnis der 
Vorarbeiten. 

Nach den von dem Direktor der Vizinal-Strassen des 
Unter-Elsass gelieferten Unterlagen betrug das ganze 
herzustellende Netz von Vizinalstrassen etwa 147 km mit 
7 Wegen. Die Baukoslei) wurden für Erdarbeiten und 
Kunstbauten auf 17 000 frs. pro km = 2499000 frs., 

für die Stationen und Nebengebäude zu 8000 frs. 
pro km auf 117 600 frs., zusammen auf 3 675000 frs. 
geschätzt. 

Dieser Betrag kam demjenigen gleich, welchen der 
Staat bei Herstellung der grossen Eisenbahnlinien auf 
sich genommen hatte. 

Unter Annahme einer zehnjährigen Frist zur Been- 
digung der Arbeiten, würde jährlich ein Betrag von ca. 
400 000 frs. genügen, der auf Kommunal- und Departements- 
lasten übernommen werden könnte. Es handelte sich nun 
hauptsächlich darum, die Bestimmungen des Gesetzes vom 
21. Mai 1836 über die Vizinalstrassen auf die Eisenbahnen 
von sekundärem oder lokalem Interesse anzuwenden; Nach 
diesem Gesetze konnten der Präfekt und der Generalrat 
im Departement Wege von grossem Verkehre eintheilen, 
die Richtung, Ausdehnung und Eingrenzung dieser Wege, 
ebenso wie das Verhältnis festsetzen, nach welchem die 
Gemeinden an den Kosten th eilnehmen sollten. Das De- 

Sartement konnte Subventionen gewähren, sei es auf 
rund fakultativer oder besonderer Zuschläge. Ausserdem 
sollten Anerbieten von Privaten oder Privat-Gesellschaften 
berücksichtigt werden. 

Durch die Beschlüsse des Präfekten erfolgte die Nütz- 



— 82 — 

lichkeits-Erklärung, nachdem zuvor die Ueberlassung des 
Grund und Bodens im Expropriationswege herbeigeführt 
worden war. Die Einzelheiten der Bauausführung sollten 
der betr. Verwaltung überlassen bleiben, welche mit der 
Herstellung betraut wurde. 

Was nun die Umwandlung eines nach diesen Be- 
stimmungen hergestellten neuen Netzes von Vizinalstrassen 
in Eisenbahnen durch eine Gesellschaft anbelangte, so 
war durch das fundamentale Eisenbahngesetz vom 11. 
Juni 1842 festgesetzt worden, dass die Ausführung der 
(im Gesetze bezeichneten) Eisenbahnlinien durch Zusam- 
menwirken des Staates, der Departements und der inte- 
ressirten Gemeinden, erfolgen sollte. Zwei Drittel der 
vom Staate für Grunderwerb geleisteten Ausgaben hatte 
das Departement zu tragen. Der Generalrat befasste sich 
alsdann mit der weiteren Frage der Beschaffung der 
nötigen Hilfsmittel durch das Departement und die 
interessirten Gemeinden. Das genannte Gesetz war bei 
allen Eisenbahnen von allgemeinem Interesse grundlegende 
Norm gewesen und musste es umsomehr sein, wenn es 
sich um Bahnen von lokaler Bedeutung innerhalb der 
Grenzen eines einzelnen Departements handelte. Wenn 
bei jenen Bahnen der Staat die Kosten für Erdarbeiten, 
Kunstbauten und Stationen übernahm, so traten in dem 
vorliegenden Falle das Departement und die Gemeinden 
an die Stelle des Staates. 

Die mit der Prüfung der Vorschläge des Präfekten 
beauftragte Spezial-Kommission des Generalrats unter- 
breitete folgende Vorschläge: Die gemeinschaftliche Aus- 
gabe des Departements und der Gemeinden wurde auf 
6300000 frs., die Kosten des Oberbaues und des Be- 
triebs-Materials auf 15120000 frs. veranschlagt; von 
ersterem Betrage sollten annähernd */$ durch Subvention, 
2 /s von den Betriebs-Unternehmern aufgebracht werden. 
Zur Uebernahme des Betriebes würde sich am besten die 
französische Ostbahn eignen, da dieselbe durch den Er- 
werb der elsässischen Bahnen Material und Schienen 
besass, welche sich für sekundäre Bahnen verwenden 
Hessen. Ausserdem würde dieselbe diese Linien mit viel 
geringerem Kostenaufwande betreiben und daher eine 
Einnahme von etwa 9 bis 10°/ erzielen können. Der 
Generalrat kam zu folgendem Entschluss: 

Die Kosten der Voruntersuchungen sollten auf die 
Dispositionsfonds des Departements-Budgets übernommen, 



— 83 — 

der Mehrbetrag dieser Fonds zu Subventionen verwendet 
und ferner das Departement ermächtigt werden, während 
10 Jahren, von 1859 ab, 5°/ Zuschlug zu den direkten 
Steuern zu erheben, welche zum Baue der projektirten 
Vizinalbahnen verwendet werden sollten. Unterm Februar 
1859 richtete nun der Präfekt des Unter-Elsass an die ver- 
schiedenen in Betracht kommenden Bürgermeister Schreiben, 
in welchen er dieselben einlud, die für die Interessen des 
Landes und speziell ihrer Gemeinden so wichtige Frage 
des Baues von Vizinalstrassen und der Umwandlung der- 
selben in Eisenbahnen den Gemeinderäten zur Beratung 
zu unterbreiten. In den betreffenden Schreiben war noch 
besonders betont, dass die entstehenden Kosten keine 
neue Steuer-Erhebung veranlassen würden, sondern durch 
die gewöhnlichen Einkünfte und besonderen Hilfsquellen 
der Gemeinde -Verwaltung gedeckt werden könnten. 

Was nun die einzelnen Strassen anbelangt, deren 
Ausführung zunächst ins Auge gefasst wurde, so war die 
wichtigste derselben diejenige von Strassburg nach Barr, 
mit Abzweigung nach Wasselnheim. Dieselbe durchzog 
Städte und Gegenden von grosser Bevölkerungs-Dichtig- 
keit und berührte mehrere Vogesenthäler. Die Bevölkerungs- 
zahl betrug 169000 (über */ 4 der gesamten Bevölkerung 
des Departements) ; 85 Gemeinden kamen in Betracht ; die 
voraussichtliche Ausgabe betrug 1 315000 Jrs. 

Von den Gemeinden wurden verlangt 1 037 634 frs. 
Vom Departement als Subvention 277 366 » 

zusammen 1 315 000 frs. 

Von den 85 Gemeinderäten hatten 78 günstig ge- 
stimmt. 

Die 2. Strasse war diejenige von Hochfelden nach 
Buchsweiler (11 km lang), welche die reichen Produkte 
der Forstwirtschaft, des Ackerbaues und der Industrie der 
Kantone Buchsweiler und Lützelstein dem Verkehre er- 
schliessen sollte. Die Gesamt-Ausgabe war in Anbetracht 

der Schwierigkeiten des Terrains auf 520000 frs., 

die Subvention des Departements auf 235 028 » 

veranschlagt worden. 

Ausserdem hatte die Gesellschaft der Minen von 
Buchsweiler eine solche von 24000 frsi angeboten. Von 
41 Gemeinden hatten indes 30 ihre Zusage verweigert 
und nur 11 dieselbe gegeben. 



— 84 — 

Die 3. Strasse, von Hagenau nach Niederbronn, war 
diejenige, welche geringe Kosten verursachte und die 
grössten Vortheile bot, indem sie die bedeutenden Hütten- 
werke jener Gegend dem Verkehre erschloss. Die Familie 
de Dietrich hatte eine besondere Subvention angeboten 
und die verhältnissmässig armen Gemeinden bereitwilligst 
ihre Zusage gegeben. Die Strasse Hagenau-Niederbronn 
hatte eine Länge von 20 km und sollte 400000 frs. 
kosten. 

Der Beitrag der Gemeinden war auf 190500,42 frs. 

die Subvention des Departements auf 152404,58 » 

festgesetzt worden. 

Die von der Familie de Dietrich angebotene Subven- 
tion betrug 51657,00 frs. 

Der Werl der vermutlich unentgeltlich erhaltbaren 
Domänen-Güter wurde auf 5438,00 frs. geschätzt. 

Die 35 Gemeinden hatten mit geringfügigen Vorbe- 
halten sämtlich zugesagt. 

Die Strasse von Schlettstadt nach Weiler (15 km) 
durchzog das wichtige Thal von Weiler, in welches 
das von Markirch einmündete. Die Gesamtkosten wurden 

auf 325000,00 frs. 

die Subvention der Gemeinden auf 173939,90 » 

» » des Departements auf 151060,10 » 

veranschlagt. 15 Gemeinden hatten zugesagt, 6 ab- 
gesagt. 

Die genannten Strassen sollten, nachdem dieselben 
nach den Prinzipien des Gesetzes vom 21. Mai 1836 als 
«Vizinalwege von grossem Verkehr» hergestellt waren, 
mit möglichst geringen Kosten in Eisenbahnen umge- 
wandelt werden. Dieses Ziel wurde erreicht durch An- 
lage von nur einem Gleise, durch Vermeidung jedes 
besonderen Luxus einerseits und durch Vertheilung der 
Kosten nach dem Beispiele des genannten Gesetzes von 
1842 andererseits. 

Frühere Proj ekte. 

Die aus der Initiative des Präfekten Migneret her- 
vorgegangenen Entwürfe, welche sich durch die Eigen- 
artigkeit des vorgeschlagenen Modus der Ausführung 
auszeichneten, waren im Uebrigen die Folge von vielen, 



-< 85 — 

bereits früher aufgestellten Projekten, welche den Zweck 
gehabt hatten, mehrere noch enterbte Zentren der Industrie, 
des Handels und der Landwirtschaft an die Hauptver- 
kehrsadern anzuschliessen. 

Bereits im Jahre 1854 waren mit mipisterieller Er- 
mächtigung Vorstudien zu der sogen. «Vogesenbahn», 
angestellt worden. Dieselbe sollte, bei Strassburg von der 
Hauptlinie abzweigend, durch das Breuschthal nach Mols- 
heim und Schirmeck, mit Abzweigung nach Barr und 
Wasselnheim, gehen. Durch die Auflösung der Gesell- 
schaft Lille-Strassburg, mit welcher sich das betreffende 
Komite fusioniren wollte, erfolgte die Vertagung des 
Projektes. 

Eine andere Bahn von Hagenau nach Niederbronn 
*und den Kohlenbassins von Preussen und Bayern war im 
Jahre 1855 auf Kosten der Firma de Dietrich & Gie. 
studiert worden ; dieselbe sollte von Hagenau durch das 
Thal der Zinzel nach Niederbronn, von da über Bitsch 
nach Saargemünd mit Anschluss in Kochern an die Linie 
Nancy-Forbach gehen. Ueber ihre Ausführung war bis 
dahin noch keine Entscheidung getroffen worden. 

Als Theil der Eisenbahn von Lille nach Strassburg 
war eine Linie in der Richtung von Saargemünd nach 
Sleinburg durch das Eichelthal, dann von Steinburg nach 
Wasselnheim zum Anschlüsse an die «Vogesenbahn» ge- 
plant worden. Auch dieses Projekt zerschlug sich infolge 
Auflösung der Lille-Strassburger Gesellschaft. 

Für eine andere Bahn von Kochern nach Saarburg 
war durch Dekret vom 17. August 1853 der Ostbahn-Ge- 
sellschaft ein Vorzugsrecht gewährt worden. Diese Linie, 
sowie diejenige von Kochern über Saargemünd nach 
Bitsch und eine weitere von Falkenberg nach Dieuze und 
Avricourt hatten den Zweck, die preussischen Kohlen- 
becken von Saarbrücken und die französischen des Mosel- 
Gebietes der Stadt Strassburg und dem Ober-Elsass, diesen 
wichtigen Verbrauchszentren, zu nähern. 

Ein anderes Projekt betraf eine von der Lille-Strass- 
burger Bahn abzweigende Linie nach Lauterburg. Alle 
die genannten Bahnen waren theilweise infolge Auflösung 
der Lille-Strassburger Gesellschaft, sowie finanzieller 
Schwierigkeiten, theilweise auch, weil die französische 
Regierung der unklugen Spekulationssucht eine Schranke 
vorschieben wollte, nicht zur Ausführung gekommen. 



- 86 — 



Endgültige Projekte. 

Jene Hindernisse wurden nun mit einem Schlage 
durch die glückliche Idee des Präfekten Migneret ge- 
hoben. Die dem Generalrate in seiner Sitzung vom 21. 
März 1859 vorgelegten, endgültigen Projekte bezogen sich 
auf folgende Bahnen : 

1. Von Strassburg nach Barr, Wasselnheim u. s. w. 
(49 km). 

2. Von Hochfelden nach Buchsweiler (13 km). 

3. Von Hagenau nach Niederbronn (20 km). 

4. Von Höfen nach Lauterburg und dem Rheine 
über Selz (25 km). Diese Linie sollte die Wünsche der 
durch die Herstellung der Bahn von Bischweiler nach 
Weissenburg einst unberücksichtigt gebliebenen Gemeinden 
befriedigen und gleichzeitig einen Anschluss an die, von 
Karlsruhe nach dem Rheine geplante Eisenbahn in Baden 
bilden. 

5. Von Schlettstadt nach Weiler (15 km). 

6. Von Schlettstadt nach Markolsheim (23 km). Diese 
Linie sollte eine, hauptsächlich dem Ackerbau dienende 
Gegend, die allerdings schon vom Rhein-Rhone-Kanal 
durchzogen war, dem Eisenbahn-Verkehre erschliessen. 

7. Von Buchsweiler nach Saar-Union durch das 
Eichel-Thal ; (40 km). Diese Bahn erfüllte die Wünsche 
der 3 Kantone Saar-Union, Drulingen und Lützelstein 
nach einer raschen Verbindung mit Zabern und Strass- 
burg. Sie sollte über Ingweiler, Wimmenau und Wingen 
durch ein Tunnel bei Puberg und über Domfessel gehen. 

8. Von Wörth nach Walburg (8 km). Diese Bahn, 
wegen ihrer kurzen Ausdehnung im Uebrigen wenig ge- 
winnversprechend, trug den Interessen der Industrie und 
der Landwirtschaft Rechnung. 

9. Von Truchtersheira nach Mundolsheim (10 km). 
Die Gesamtlänge des ganzen Netzes belief sich auf 

etwa 203 km. Die meisten der geplanten Bahnen sind 
bekanntlich erst in allerneuester Zeit zur Ausführung ge- 
kommen und im Allgemeinen nach jenen Prinzipien er- 
baut worden. 

In dem, dem Generalrate unterbreiteten Berichte des 
Direktors der Vizinalstrassen des Unter-Elsass waren 
folgende, auf Grund eingehender örtlicher Studien auf- 
gestellten Veranschlagungen des zu erwartenden Personen- 



2 
3 
4 


» 


Hochfeldeo 

Hagenau 

Höfen 


5 
6 

7 
8 
9 


» 


Schlettstadt 

Schlettstadt 

Buchsweiler 

Walburg 

Mundolsheim 



— 87 — 

und Güter- Verkehres und der voraussichtlichen Betriebs- 
Ergebnisse der projektirten Bahnen enthalten. Von der 
allgemeinen Vorraussetzung ausgehend, dass die Zahl 
der z. Z. in den öffentlichen Wagen und durch die son- 
stigen regelmässigen Transport-Dienste beförderten Per- 
sonen sich etwa verdoppeln würde, eine Annahme, welche 
durch die wirklichen Betriebs-Ergebnisse der bis dahin 
erbauten Bahnen mehr als bestätigt worden war, kam der 
Berichterstatter zu folgenden Schlüssen : 

pro Tag. 

1 Von Strassburg nach Barr, Wasselnheim u. s. w. 

= 1 182 Reisende 

Buchsweiler = 167 » 

Niederbronn = 375 » 
Lauterburg 

über Selz = 38 » 

Weiler = 537 » 

Markolsheim =193 » 

Saar-Union = 200 » 

Wörth = 99 » 

Truchtersheim = 69 » 

pro Tag 2860 Reisende 

• Für den Eilgut- Verkehr wurde, unter entsprechender 
Modifikation der von der Ost bahn auf der Strassburg- Baseler 
und Mülhausen-Thanner Linie erzielten Resultate von 27 
bezw. 13°/ , die Einnahme der neuen Bahnen auf 10°/ 
derjenigen aus dem Personen-Verkehre veranschlagt. 

Was den Güter-Verkehr anbelangt, so hatte man in 
den anfänglichen Projekten Zahlenangaben über die vor- 
aussichtlich, zu befördernden Tonnen gemacht, welche 
grösstenteils unter den in den Jahren 1857 und 1858 auf 
den Landstrassen festgestellten blieben. 

. Unter der Voraussetzung, dass auf den neuen Bahnen 
die gewöhnlichen Tarife der französischen Ostbahn An- 
wendung finden würden, wurde die kilometrische Rein- 
Einnahme für Strassburg- Barr -Wasselnheim auf 6967 
frs. und für Hofen-Lauterburg auf 497 frs. veranschlagt. 

Die mit dem Legen der Schienen, der Ergänzung 
der Werkstätten, den Lieferungen des rollenden Materials 
und der Betriebsführung beauftragte Gesellschaft würde 
eine Ausgabe von ungefähr 60000 frs., oder wenn man 
späteren Vergrösserungen und Aenderungen Rechnung 
trug, von etwa 70000 frs. pro km zu leisten haben. Als- 



dann ergab sich eine Verzinsung des Anlage-Kapitals 
von l°/o f ür Höfen - Lauterburg, von unter 3% f ,ir 
Schlettstadt-Markolsheim, Walburg - Wörth und Mun- 
dolsheim - Truchtersheim, von 3,7 bis 4,8°/ für Hoch- 
felden - Buchsweiler, für Buchsweiler- Saar-Union, end- 
lich von 5,8 bis ll,6°/ für Strassburg -Barr u. s. w., 
Hagenau - Niederbronn und Schlettstadt -Weiler. 

Die von dem Generalrate des Departements in seiner 
ausserordentlichen Sitzung vom März 1859 im Sinne' der 
eingereichten Vorschläge gefassten Beschlüsse wurden als- 
bald durch den Präfekten des Unter-Elsass dem Minister 
des Innern zur Vorbereitung eines entsprechenden Gesetz- 
Entwurfes, gleichzeitig auch die einzelnen Projekte dem 
Minister des Ackerbaues, des Handels und der öffentlichen 
Arbeiten, sowie dem Generalrate für Brücken- undStrassen- 
bau eingereicht. 

Verhandlungen mit der französichen 
Ostbahn u. a. m. 

In der Zwischenzeit waren auch mit der französischen 
Ostbahn-Gesellschaft Unterhandlungen gepflogen worden. 
Auf die Anfrage, ob dieselbe sich dem von dem Präfekten 
vorgeschlagenen Systeme der Ausführung anschliessen 
und den Betrieb auf einigen der geplanten Bahnen über- 
nehmen wolle, hatte der Präsident des Verwaltungsrates 
mitgetheilt, dass er nach Massgabe der durch eine ein- 
gehende Prüfung der Angelegenheit zu erzielenden Re- 
sultate dem Antrage weitere. Folge geben werde. Diese 
Prüfung ergab, dass die vorgeschlagenen Bedingungen 
der Betriebs-Uebernahme der Ostbahn-Gesellschaft nicht 
günstig schienen, und dass dieselbe sich wohl mit dem 
Betriebe und der Unterhaltung, einschliesslich Lieferung 
des rollenden Materials, nicht aber mit dem Legen der 
Schienen befassen könnte. Die über den voraussichtlich 
zu erwartenden Verkehr angestellten Erhebungen enthielten 
eine zum Theil beträchtliche Reduktion der ursprünglich 
veranschlagten kilometrischen Roh-Einnahmen der ein- 
zelnen Bahnen. 

Da die weiteren Vorschläge der Ostbahn-Gesellschaft 
wenig günstig schienen, die inzwischen stattgehabten 
Konferenzen vorläufig keine Einigung erzielten, wurde 
die Bildung von besonderen lokalen Gesellschaften ins 



Auge gefasst. Die Organisation derselben konnte ent- 
weder in der Weise erfolgen, dass sie die Herstellung 
der Gleise nebst Zubehör, die Lieferung des rollenden 
Materials, und den Betrieb der Bahnen mit eigener Ver- 
waltung und eigenem Personal, unabhängig von der 
französischen Ostbahn, übernahmen, oder aber, dass sie 
nach Herstellung der Bahnen mit der französischen Ost- 
bahn wegen des Betriebes Verträge abschlössen. Zwei 
Anerbieten waren bei dem Präfekten eingegangen. Das 
eine betraf die Bahn von Strassburg nach Barr und 
Wasselnheim, das andere die Bahn von Hagenau nach 
Niederbronn. 

Der Baron de Bussierre verlangte für die Strecke 
Strassburg-Barr-Wasselnheim eine beträchtliche Erhöhung 
derim Projekte vorgesehenen Subvention von 1 315000 frs. 
auf 2086000 frs. und beabsichtigte alsdann, für etwa 
1800000 frs. das feste Material zu liefern, und wegen 
des Betriebes sich mit der französischen Ostbahn-Gesell- 
schaft, deren Verwaltungsrats-Mitglied er war, zu einigen. 
Das Departement und die Gemeinden waren einverstanden. 
Da jedoch die französische Ostbahn zu harte Bedingungen 
stellte, zog de Bussierre sein Anerbieten zurück. Nach 
der abgeschlossenen Konvention verlangte jene für den 
Betrieb der Bahn eine jährliche Summe von 6000 frs. 
als Miete für Bahnhof Strassburg, und 330000 frs., d. i, 
6000 frs. pro km, auf die Einnahme vorerheben zu dürfen. 
Die neue Gesellschaft sollte dagegen das feste Material 
liefern und unterhalten. Inzwischen war eine Einigung 
erzielt worden, dahingehend, dass die Einnahme von über 
6000 frs. bis 10000 frs. zwischen den beiden vertrag- 
schliessenden Gesellschaften zur Hälfte getheilt würde. 
Es bildete sich nun eine neue lokale Gesellschaft, zu- 
sammengesetzt aus den hauptsächlichsten Industriellen und 
Eigentümern jenes Gebietes, welche sich verpflichtete, die 
Umwandlung der Strassen nach Barr-Wasselnheim und 
Mutzig in Eisenbahnen zu übernehmen und den Betrieb 
der französischen Ostbahn unter den vorerwähnten Be- 
dingungen zu übertragen. Das erforderliche Kapital zum 
Legen der Schienen und zur Lieferung des festen Materials 

nebst allen Zubehörs betrug 1800000 frs. 

Die Ausgaben des Departements und der 

Gemeinden beliefen sich auf 2280000 » 

Zusammen 40800Ö0 frs. 



— 90 — 

Vom Staate wurde eine einmalige Subvention von 
600000 frs., ferner eine Zinsgarantie von 4°/ während 
50 Jahren nebst Amortisation zum gleichen Zinsfusse für 
das Gesellschafts-Kapital von 1200000 frs. verlangt. Da 
sich jedoch mit Sicherheit eine jährliche Roh-Einnahme 
von 8500 frs. pro km erwarten Hess, welche genügte, 
um die Betriebskosten, sowie Zinsen und Amortisations- 
Raten zu decken, war diese letzte Forderung nur formell. 
Somit schien die Ausfuhrung der vorgenannten Bahn 
gesichert. 

Aus dem von der Gesellschaft zur Unterstützung 
ihrer Concession beigebrachten Material ergaben sich 
folgende Einzelheiten über die wirtschaftlichen Verhält- 
nisse der von der Bahn berührten Gebietstheile : 

Die Bevölkerungszahl betrug nach den Feststellungen 
von 1856 

Im Kanton Strassburg = 77 656 d. i, 1001 pro Dkm 
» » Barr = 19562 » » 139 » » 

» » Oberehnheim = 15086 » » 164 » » 
» » Rosheim = 14823 » » 103 » » 

» » Molsheim = 22839 » » 122 » » 
» » Wasselnheim = 17 822 » » 114 » » 
Zusammen 167788 

Die Zahl der in den 5 ^Kantonen Barr, Oberehnheim, 
Rosheim, Molsheim und Wasselnheim vorhandenen in- 
dustriellen Etablissements belief sich stuf 291; darunter 
sind zu erwähnen: 121 Mühlen, 43 Ziegeleien, 33 Loh- 
gerbereien, 26 Sägemühlen, 12 Webereien, 11 Schleifer- 
eien, 10 Spinnereien u. a. m. In diesen Betrieben, sowie 
in den verschiedenen Steinbrüchen, Metallfabriken, Möbel-, 
Kleider-, Transport- u. a. Geschäften waren zusammen 
26818 Arbeiter beschäftigt. 

Die Kosten der Herstellung und das Verhältnis, in 
welchem das Departement und die Gemeinden einerseits 
und die concessionfordernde Gesellschaft andererseits an 
denselben theilnehmen sollten, stellten sich wie folgt : 

Herstellung der Vizinal- 

strasse 1 464 154,20 frs. oder 29 283 frs. pro km 

Subvention zur 

Umwandlung 

der Strasse in 

eine Eisenbahn 815845,80 » » 16317 » » » 
2280000,00 frs. oder 45600 frs. pro km 



— 91 — 

hierunter Antheil 
der Gemeinden 1338603,00 frs. 

Angebote von In- 
dustriellen 15000,00 » 

Antheil des De- 
partements 926397,00 » 

Ausgaben zu 
Lasten der Gon- 
cessionäre 1800000,00 » oder 36000 frs. pro km 

für Betriebs- 
material 1100000,00 » » 22000 » » » 

zusammen zu Lasten 
derConcessionäre2900000,00frs. oder 58000 frs. pro km 

hierzu Antheil der 
Gemeinden, In- 
dustriellen und 
des Departe- 
ments wie obe n 2280000,00 » » 45600 » » » 

zusammen 5180000,00frs.oder 103600frs.prokm. 

Von den oben angeführten 1800000,00 frs. hatte die 
Gesellschaft bereits 2 / s = 1200000 frs. aufgebracht. 
Gleichzeitig verlangte dieselbe ausser der bereits ange- 
führten Zins -Garantie von 4°/ eine Subvention von 
600 0Q0 frs. Die jährlichen Betriebskosten wurden auf 
ca. 7500 frs. pro km (bei 3 Zügen täglich nach jeder 
Richtung), die Einnahmen auf 10000 frs. pro km ver- 
anschlagt. 

Die zweite Gesellschaft, unter der Führung der Herren 
de Dietrich und Gie., Besitzer der grossen Werke von 
Niederbronn, halte inzwischen um die Goncession für die 
Bahn von Hagenau nach Niederbronn nachgesucht und 
dabei hauptsächlich auf die bedeutende Industrie von 
Niederbronn und Bitsch, welche zusammen 8000 Arbeiter 
beschäftigte, hingewiesen. Die Hüttenwerke der Firma 
de Dietrich und Gie. waren, ausser in Niederbronn, in 
den Ortschaften Jägerthal, Merzweiler, Zinsweiler, Reichs- 
hofen, Mutterhausen; Stahlwerke in Bärenthal, Glashütten 
in Götzenbrück, Meisenthal, St. Louis zerstreut. Diese 
Industrien eröffneten ein bedeutendes Absatzgebiet für 
die Staatswaldungen in jenem Theile des Elsass und 
Lothringens. Während der letzten 3 Jahre (1857 bis 1859) 



— 92 — 

waren allein zusammen 565153 Ster Holz für 2814550 
frs. angekauft worden. Die Beschaffung der Kohlen von 
Saarbrücken wurde durch eine direkte Verbindungsbahn 
bedeutend erleichtert. Z. Zt. betrug der Preis derselben 
30 bis 35 frs. und würde alsdann auf 18 frs. herabsinken. 
Die Gesellschaft halte anfangs beabsichtigt, die Bahn mit 
Pferden zu betreiben und ein Kapital von 850000 frs. 
zur Verfügung zu stellen, in dem zweiten Gesuche an 
den Minister der öffentlichen Arbeiten sich jedoch bereit 
erklärt, Lokomotiv-Betrieb einzuführen unter Erhöhung 
des Gesellschafts-Kapitals auf 1200000 frs., und gleich- 
zeitig um dieselben Vergünstigungen wie die für die Strecke 
Strassburg - Barr - Wasselnheim gewährten, nachgesucht, 
nämlich 12000 frs. Subvention pro km und 4,65 °/ Zins- 
Garantie nebst Amortisation für das Anlagekapital. Der 
von dem Departement und den Gemeinden aufzubringende 
Kosten-Antheil für die Strecke Hagenau - Niederbronn 
(20 km) betrug etwa 680000 frs. (34000 frs. pro km), 
die Staatssubvention 240000 frs. Durch Gesetz vom 
1. August 1860 wurde diese Subvention, ebenso wie die- 
jenige von 600000 frs. für die Strecke Strassburg -Barr- 
Mutzig -Wasselnheim endgültig bewilligt, von der Gewäh- 
rung der beantragten Zinsgarantie indess abgesehen. Der 
Abschluss eines Vertrages zwischen der französischen 
Ostbahn-Gesellschaft und der für die Herstellung der 
letztgenannten Bahnen konstituirten lokalen Gesellschaft 
erfolgte am 26. August 1860, Dieser Vertrag stützte sich 
im Wesentlichen auf die bereits früher von der Ostbahn 
gestellten Bedingungen. Letztere übernahm den Betrieb 
und die Unterhaltung der gen. Bahn, die Lieferung des 
rollenden Materials und beanspruchte dafür das Recht der 
Vorerhebung von 80°/ der erzielten Einnahme. Die an- 
zuwendenden Tarife für Personen- und Güter-Beförderung 
sollten mit geringen Modifikationen dieselben sein wie 
diejenigen auf den Hauptlinien. Die Dauer des Vertrages 
wurde auf 20 Jahre festgesetzt. 

Auch die für die Strecke Hagen au-Niederbronn kon- 
stituirte Gesellschaft schloss mit der französischen Ostbahn 
wegen Betriebs-Uebernahme einen Vertrag unter denselben 
Bedingungen wie der vorgenannte ab. Der französische 
Staat hatte inzwischen auf seine Kosten mit der aus stra- 
tegischen Rücksichten wichtigen Verlängerung der Bahn 
von Hagenau nach Nieder bronn bis Diedenhofen be- 
gonnen. 



— 93 — 

Für die dritte Bahn von Schlettstadt nach Weiler 
hatte sich lange Zeit kein Angebot gefunden. Erst nach- 
dem der Präfekt des Ober-Elsass eine Verlängerung der 
Bahn in das Markircher Thal bis Markirch vorschlug, 
bildete sich in dem gen. Städtchen eine Gesellschaft. Die- 
selbe erhielt ebenso wie die anderen eine Staatssubvention, 
iedoch bedeutend höher, nämlich 40000 ftß. pro km, d. i. 
850000 frs. insgesamt. Auch sie trat mit der französischen 
Ostbahn wegen des Betriebes der Bahn in Unterhandlungen 
ein, welche zum Abschlüsse eines Vertrages mit denselben 
Bedingungen wie die vorgenannten führten. 

Für die vierte, zunächst in Aussicht genommene 
Bahn von Hochfelden nach Buchsweiler hatte sich eine 
Gesellschaft von Industriellen aus letzterem Städtchen 
konstituirt, welche unter Hinweis auf die Linie Schlett- 
stadt-Markirch ebenfalls um eine Staatssubvention von 
40000 frs. pro km oder 520000 frs. für 13 km, ferner 
um eine Zinsgarantie von 4°/ uud 0,65 °/ Amortisitation 
nachsuchte. Auch dieser Gesellschaft hatte die französische 
Ostbahn die vertragsmässige Betriebs -Uebernahme der 
Bahn zugesagt. 

Während die genannten Gesellschaften ihre Vor- 
bereitungen trafen, um eine definitive Goncession zur Um- 
wandlung der Vizinalstrassen in Eisenbahnen* bei der 
Regierung zu erwirken, hatte diese, da sie eine allge- 
meine Vergrösserung der Eisenbahn-Netze aller grösseren 
Gesellschaften beabsichtigte, der Ostbahn -Gesellschaft, 
mit welcher inzwischen neue Verhandlungen mit Erfolg 
angeknüpft worden waren, den Bau einer Menge von 
Esgänzungslinien übertragen, unter welchen sich auch 
die drei erstgenannten elsässischen Bahnen befanden. 

Nach der, zwischen dem Minister der öffentlichen 
Arbeiten und der französischen Ostbahn-Gesellschaft ab- 
geschlossenen Konvention vom 1. Mai 1863, bestätigt 
durch kaiserliches Dekret vom 11. Juni desselben Jahres, 
sollten die drei Vizinal-Strassen von Strassburg nach Barr, 
Mutzig und Wasselnheim, von Hagenau nach Niederbronn 
und von Schlettstadt nach Markirch unter den bereits 
früher vereinbarten Bedingungen, welche hier auf die 
französische Ostbahn entsprechende Anwendung fanden, 
dieser von den Departements Unter- und Ober-Elsass zur 
Umwandlung in Eisenbahnen mit einem Gleise und zur 
Inbetriebsetzung innerhalb eines Jahres übergeben werden. 
Die den einzelnen lokalen Gesellschaften bewilligten 



— 94 — 

Staatssubventionen von 600000 frs. für die erste, 240000 
frs. für die zweite und 850000 frs. für die dritte Bahn 
wurden, ebenso wie die Beiträge der Departements von 
600000 frs. pro km, unter diesen Verhältnissen auf die 
französische Ostbahn übertragen. 

Bau der Lokalbahnen und Gesetz vom 
12. Juli 1865. 

Ende 1863 war der erste Theil der Arbeiten, die 
Herstellung der Strassen, beendet, und die französische 
Ostbahn begann mit dem Legen der Schienen. Die ge- 
samten Kosten hatten bis dabin betragen : 
Für Strassburg-Barr, Mutzig etc. (49 km) 2 208 851,20 frs. 
oder 45079 pro km. 
» Hagenau-Niederbronn (20 km) 496249,12 frs. 

oder 24812 pro km. 
» Schlettstadt-Markirch (10 km U.-Els.) 280 203,60 frs. 
oder 28020 pro km. 

zusammmen 2985303,92 frs, 

darunter vom Departement 1325541,10 frs. = 45°/ 
» • von den Gemeinden 1594762,80 frs. = 53°/ 
» von den Industriellen 65000,00 frs. = 2°/ 

Die einzelnen Strecken wurden dem Betriebe über- 
geben : 

Strassburg Barr am 29. September 1864, 
Molsheim-Mutzig und Molsheim-Wasselnheim am 15. 
Dezember 1864. 

Hagenau-Niederbronn am 19. Dezember 1864. 
Schlettstadt-Markirch am 29. Dezember 1864. 

Die von der französischen Ostbahn geleisteten ersten 
Ausgaben (einschliesslich Subvention des Staates) hatten" 
betragen : 

Für Strassburg-Barr-Mutzig-Wasselnheim 2479082,37 frs. 
» Hagenau-Niederbronn 810879,37 » 

* Schlettstadt-Markirch 1001543,78 » 

Im Anschlüsse an die Bahn von Strassburg nach 
Molsheim-Mutzig war bereits damals aus dem Vogesen- 
Departement ein Antrag auf Verlängerung derselben nach 
Schirmeck hervorgegangen. Das Departement Unter-Elsass 



■ — 95 — 

war gleichzeitig gebeten worden, sich an den Kosten der 
Vorstudien, die sich auf etwa 6000 frs. belaufen soll- 
ten, zu betheiligen. Der Antrag wurde angenommen. 
Die Ausführung der Bahn ist jedoch erst später unter 
deutscher Verwaltung erfolgt. Auch das zur Herstellung 
einer direkten Verbindung des Ober-Elsass mit Lothringen 
durch die Verlängerung der Strecke Barr - Molsheim- 
Wasselnheim bis Schlettstadt und Zabern aufgestellte Pro- 
jekt scheiterte, und zwar hauptsächlich auf das Betreiben 
der französischen Ostbsihn, welche in den projektirten 
Bahnen eine Konkurrenz 'für die Hauptstrecke Strassburg- 
Schlettstadt befürchtete. 

Das im Departement des Unter-Elsass gegebene Bei- 
spiel der Selbsthilfe bei der Vertretung lokaler Verkehrs- 
Interessen zog bald weitere Kreise. Die übrigen Departe- 
ments ergriffen, ermutigt durch die Regierung, die Initiative 
zu gleichem Vorgehen. Die Folge davon war das Gesetz 
vom 12. Juli 1865, welches bestimmte, dass Eisenbahnen 
von lokaler Bedeutung 1. durch die Departements oder 
Gemeinden mit oder ohne Mitwirkung der interessirten 
Eigentümer. 

2. durch Goncessionäre unter Mitwirkung der De- 
partements oder der Gemeinden hergestellt werden konnten. 
Durch diese Bestimmungen war der lokale Charakter dieser 
Bahnen ausgesprochen. Zu einer Definition des Begriffes 
«Lokalbahnen» ist es jedoch nicht gekommen. Das Gesetz 
besagte ferner, dass die Richtung, der Modus und die Be- 
dingungen des Baues der Lokalbahnen, ebenso wie die 
Verträge urfd sonstigen zur Sicherung des Betriebes nö- 
tigen Vorkehrungen durch den Generalrat, nach vorher- 
gegangener Instruktion durch den Präfekten, festgesetzt 
werden sollten. Die Nützlichkeits-Erklärung und die 
Genehmigung der Ausfuhrung erfolgten durch Dekret 
auf Grund von Beratungen des Generalrates und der Be- 
richte der Minister des Innern und der öffentlichen Ar- 
beiten. Die Lokalbahnen sollten im Uebrigen den Be- 
stimmungen des Gesetzes vom 15. Juli 1845 über die 
Bahnpolizei unterworfen sein, mit folgenden Abweichungen : 

Der Präfekt konnte die Herstellung von Einfriedi- 
gungen auf einem Theile oder auf der ganzen Länge der 
Bahn, sowie die Errichtung von Barrieren an Kreuzungen . 
von geringem Verkehre erlassen. 

Zu den Kosten der Herstellung konnte die Staats- 
kasse Subventionen bis zu einem Drittel desjenigen Be- 



— 96 — 

träges gewähren, welcher den Departements, Gemeinden 
und Interessenten zur Last fiel. Der Zweck der Lokal- 
bahnen bestand in erster Linie darin, Orte von unterge- 
ordneter Bedeutung unter sich oder mit den Hauptver- 
kehrsadern zu verbinden. Bei der Tracirung sollten 
Thäler oder Hochebenen berücksichtigt, dagegen alle die- 
jenigen Terrains vermieden werden, durch welche kost- 
spielige Kunstbauten, wie beim Durchbrechen von Ge- 
birgszügen und Durchqueren grosser Thäler, nötig 
wurden. Der Hauptvorzug war «eben die Billigkeit der 
Anlage. 

Offizielle Erhebungen, welche später in 19 Departe- 
ments über die Herstellungskosten von Lokalbahnen an- 
gestellt wurden, ergaben denn auch eine mittlere Ausgabe 
von 118960 frs. pro km gegen 200 000 bis 300000 frs. 
für Hauptbahnen. Davon entfielen auf Subventionen des 
Staates etwa 21820 frs., der Departements etwa 39270 
und der Interessenten etwa 16635 frs. Die Betriebskosten 
beliefen sich im Durchschnitt auf 7000 bis 9000 frs. 
pro km. 

Unter den durch die Konvention vom 1. Mai 1863 
der französischen Ostbahn concessionirten Bahnen hatten 
sich auch diejenigen von Niederbronn über Saargemünd 
nach Diedenhofen, von Beifort nach Gebweiler, von 
Reims nach Metz und von Dieuze nach Avricourt befunden. 
Letztgenannte Strecke war früher der Gesellschaft für die 
Verwaltung der Salinen von Ostfrankreich unter gleich- 
zeitiger Gewährung einer Slaatssubvenüon von 2000000 
frs. genehmigt gewesen. Noch ehe diese Gesellschaft je- 
doch mit den Arbeiten begonnen hatte, war dieselbe mit 
der französischen Ostbahn-Gesellschaft in Unterhandlungen 
getreten, welche zum Abschlüsse eines Vertrages führten, 
der durch die Konvention vom 1. Mai seine Bestätigung 
fand. Auch mit der Concessionirung der Bahnen von 
Niederbronn nach Diedenhofen und von Beifort nach 
Geb weiler war eine Staatssubvention für die erstere von 
27410000 frs., für die zweite von 3000000 frs. gewährt 
worden. Ausserdem hatte das Mosel - Departement für 
Niederbronn - Diedenhofen eine Subvention von 1 200000 
und das Departement des Ober-Elsass sowie verschiedene 
Interessenten für Beifort - Gebweiler eine solche von zu- 
sammen 20000 frs. pro km zugesagt. Die Strecke Dieuze- 
Avricourt (22 km) wurde am 25. November 1864, die 
Strecke Beningen-Merlebach-Saargemünd (22* km) am 16. 



- 97 — 

Dezember 1865, Karlingen - Beningen - Merlebach (10 km) 
am 30. Dezember 1866 und die ganze Strecke Saarbrücken- 
Niederbronn (63 km.) am 8. Dezember 1869 dem Betriebe 
übergeben. Die Bahn von Beifort nach Gebweiler kam 
nur theilweise zur Ausführung, und zwar die Linie Sent- 
heim-Sennheim (14 km) am 30. Juli 1869 und Bollweiler- 
Gebweiler (7 km) am 5. Februar 1870. Die Herstellungs- 
kosten bis zum Eröffnungstage hatten für die Bahn von 
Dieuze nach Avricourt (einschliesslich Subvention von 
2000000 frs.) 3395860 frs., die für Saargemünd-Nieder- 
bronn (einschliesslich Antheil der Subvention für Nieder- 
bronn-Diedenhofen mit 16721140,63 frs.) 19974082 frs., 
für Sentheim-Sennheim und Bollweiler-Gebweiler (ein- 
schliesslich Subvention von 2511 186 frs.) = 4639372 frs. 
betragen. 

Bahn von Colmar nach Münster. 

So waren nach und nach alle, auch die anfänglich 
unter den Prinzipien einer weitgehenden Dezentralisation 
concessionirten Bahnen lokaler Bedeutung, unter das den 
ganzen Osten Frankreichs beherrschende Monopol der 
Ostbahn-Gesellschaft zurückgekehrt. Nur eine einzige 
Bahn des Elsass gehörte nicht dieser Gesellschaft an, 
nämlich die Lokalbahn von Colmar nach Münster. Die 
erste Anregung zu derselben erfolgte im Jahre 1855 durch 
ein Projekt, welches ein Ingenieur für Brücken- und 
Strassenbau verschiedenen Industriellen nnd Eigentümern 
aus dem Fecht-Thale vorlegte. Dieses Projekt hatte zum 
Zwecke : erstens die Eindämmung des Flusses zwischen 
Türkheim und Münster, zweitens die Herstellung einer 
Eisenbahn von dieser letzten Stadt nach Colmar. Die 
Interessenten, welche das Projekt günstig aufnahmen, 
veranstalteten alsbald eine Subscription, um die für die 
Voruntersuchungen nötigen Mittel zu beschaffen. Der 
Minister der öffentlichen Arbeiten ermächtigte alsdann 
das betreffende Komite durch Beschluss vom 3. Juli, mit 
diesen Vorarbeiten zu beginnen. Ueber die Resultate 
derselben wurde eine Denkschrift aufgestellt, welche ausser 
dem gemeinschaftlichen Projekte dasjenige einer Eisen- 
bahn besonders behandelte. Dieselbe sollte als Strassen- 
bahn erbaut werden und den Zweck haben, das Zentrum 
des Münsterthaies und seine hauptsächlichsten Werke 
mit der elsässischen Bahn zu verbinden. Es war beab- 



— 98 — 

sichtigt, der Ostbahn-Gesellschaft den Betrieb zu über- 
tragen. Die Strecke sollte eingleisig gebaut werden. 

Das Münsterthal setzt sich aus 2Theilen zusammen, 
die sich in Münster vereinigen. Oberhalb zerfällt es in 
verschiedene kleine Thäler, in welchen bereits damals 
zahlreiche Industrien zerstreut waren ; unterhalb Münster 
bis Türkheim liegen die Dörfer Günsbach, Griesbach, 
Weier im Thal, Sulzbach, Walbach, Zimmerbach und 
Wintzenheim. Zwischen da und Golmar waren die aus- 
gedehnten Manufakturen von Logelbach. 

Die Gesamt-Ausgaben für den Bau der Eisenbahn 
Golmar-Münster wurden auf 1365000 frs. veranschlagt. 
Um die Wichtigkeit des Projektes und die Ausführbarkeit 
desselben im Hinblick auf seine Rentabilität zu beweisen, 
hatte man folgende Berechnungen über die voraussicht- 
lichen Einnahmen aufgestellt. Wie bei allen, unter 
günstigen Verhältnissen erbauten Eisenbahnen, nahm 
man auch hier eine Vermehrung des seitherigen Personen- 
Verkehrs auf etwa das dreifache an, bezüglich des Güter- 
Verkehrs eine Steigerung von etwa 50°/ . Wenn auch 
die geringen Entfernungen und die ungünstige Lage der 
Station Golmar zum Mittelpunkte der Stadt wenig vor- 
theilhaft für die Bahn waren, so fielen hiergegen eine 
Menge günstigere Momente in die Wagschale. Das 
Münsterthal war vorzugsweise gewerbthätig, produzirte 
dagegen wenig für den Unterhalt der zahlreichen Arbeiter 
nötige Lebensmittel, die daher von auswärts bezogen 
werden mussten. Durch die Eisenbahn gestaltete sich 
der Personen-Verkehr zwischen Golmar und Münster be- 
quemer und billiger und wurde, wo er bislang zum Theil 
unmöglich war, erleichtert. Das Münsterthal, wohl das 
romantischste der Vogesen-Thäler, musste durch seine 
zahlreichen Ruinen, seine herrlichen Seitenthäler, den 
alpinen Charakter seiner Berge alljährlich eine Menge 
Touristen herbeilocken, ein Verkehrs-Element, welches 
hauptsächlich in neuester Zeit das Münster lhal mehr als 
alle andern Seitenthäler der Vogesen belebt. 

In Münster waren seiner Zeit 4 Wagen für den Per- 
sonen-Verkehr eingerichtet* 2 zu 7 Plätzen, 1 zu 6, der 
andere zu 8, zusammen 28 Plätze. Offizielle Feststel- 
lungen aus den Jahren 1850 bis 1851 ergaben für die 
Privat-Fuhrwerke dieselben Verhältnisse wie für die öffent- 
lichen. Nach den Berechnungen wurden täglich 40 und 
für Hin- und Rückfahrt durchschnittlich 80 Reisende an- 



— 99 — 

genommen ; hiernach liess sich im Hinblick auf die zu 
erwartende Steigerung des Verkehrs eine jährliche Summe 
von 57 600 Reisenden erwarten. 

Bezüglich des Güter-Verkehrs ergaben die Zählungen 
von 1850 und 1851 eine Gesamtzahl von 110 Zugpferden. 
Unter der Annahme einer Tonne nutzbaren Gewichts für 
ein Pferd betrug die Gesamtmenge der beförderten 
Waaren 110 Tonnen täglich. Was nun den Einfluss des 
neuen Verkehrsmittels betrifft, so mussten ohne Zweifel 
die Schnelligkeit und Sicherheit der Verbindungen, die 
beträchtliche Ersparnis an Frachtkoslen eine grosse An- 
ziehungskraft auf die Güterbewegung ausüben. Die täg- 
lichen Transporte stellten sich, wia folgt: . 

Von Colmar nach Münster und umgekehrt: 10,5 t 
Kohlen, 16,0 t Industrie-Erzeugnisse, 9,0 t Verbrauchs- 
gegenstände, zusammen 35,5 Tonnen. 

10,5 t Holz, 0,5 1 Baumaterialien 11,0t Verschiedenes, 
zusammen 22 Tonnen. 

Von Colmar nach Weiler i. Thal oder von Güntzbach 
oder Wintzenheim nach Münster : 

1,5 t Kohlen, 4,0 t Industrie-Erzeugnisse, 1,5 t Ver- 
brauchsgegenstände, zusammen 7,0 Tonnen. 

3,5 t Holz, 5,0 t Baumaterialien, 9,0 t Verschiedenes, 
zusammen 17,0 Tonnen. 

Von Colmar nach Wintzenheim, von Wintzenheim 
nach Weiler i. Thal, von da nach Münster: 

1,0 t Industrie-Erzeugnisse, 7,0 t Verbrauchsgegen- 
stäude, zusammen 8,0 Tonnen. 

7,0 t Holz, 5,0 t Baumaterialien, 9,5 t Verschiedenes, 
zusammen 21,5 Tonnen. 

Von diesen Gütern nahm man an, dass nur die ersten 
3 Klassen ganz, und die andern 3 Klassen zur Hälfte 
der Eisenbahn-Beförderung zufallen würden. Nach den 
genauen Berechnungen, unter Berücksichtigung der Ent- 
fernung u. s. w. ergab sich eine Gesamt-Tonnenzahl von 
täglich 59 bis 60, hierzu 50°/ (wahrscheinliche Verkehrs- 
steigerung), ist zusammen 32400 t jährlich. Diese Zahl 
konnte als Minimum betrachtet werden, denn die Industrie 
lieferte allein schon zu jener Zeit über 12000 t, und die 
Eisenbahn war die einzige Verkehrs-Gelegenheit, welche 
den ganzen Kanton Münster mit 20 000 Einwohnern und 
einen grossen Theil des Kantons Wintzenheim mit ca 
10000 Einwohnern berührte. 



100 — 



Die Reise von Colmar nach Münster kostete in öffent- 
lichen Wagjen 1,50 frs. Sicherlich würde die Bahn von 
Münster bei Anwendung der auf den grossen Linien ge- 
bräuchlichen Tarife alle Transporte absorbiren. 0,06 frs. 
als mittleren Preis oder 1,02 frs. für 17 km angenommen, 
würde die Roh-Einnahme für 57 600 Reisende 58 752 frs. 
betragen. Der Transportpreis für Güter betrug z. Z. von 
Colmar nach Münster 4 frs. für Kohlen und 5 bis 6 frs. 
für Handelsgüter. Unter Zugrundelegung von 6 cts pro 
tkm für Kohlen, Holz und Baumaterialien, zusammen 
1,02 frs, für 17 km und von 1,70 frs. für die übrigen 
Güter, ergab sich folgende Einnahme: 



für 10800 t Güter der I. Klasse 
» 21 600 t Güter der IL Klasse 

* zusammen 
Hierzu 

für Gepäck u. A. 10°/ . . . 
» Wertgegenstände 6°/ . . 

zusammen 
ferner 

für Reisende 

Gesamteinnahme 



11016 frs. 
36720 * 



47 736 frs. 

4 700 frs. 
2800 » 



55236 frs. 
58752 frs. 



113988 frs. 



Die geplante Eisenbahn von Colmar nach Münster 
würde, so nahm man an, von einer neuen Gesellschaft 
nicht gewinnbringend betrieben werden können, da in 
diesem Falle die Verwaltungskosten, die Ausgaben für 
eine besondere Station in Colmar mit erforderlichem Per- 
sonal, für eigenes Betriebsmaterial, für Reparatur- Werk- 
stätten die gesamte Einnahme verschlingen würden. Aus 
diesem Grunde war von vornherein beabsichtigt, der 
Ostbahn-Gesellschaft den Betrieb zu übertragen ; hier- 
durch liess sich eine bedeutende Verminderung der ge- 
samten Kosten erzielen, da in Colmar bereits eine Haupt- 
"station, die alsdann gemeinschaftlichen Zwecken dienen 
konnte, vorhanden war. Lokomotiven und Wagen, sowie 
ein zahlreiches und geübtes Personal standen zur Ver- 
fügung, und auf der neuen Strecke wurden weder eine 
Zentral- Verwaltung noch besondere Werkstätten, Schuppen, 
noch auch eine erhebliche Vermehrung des Bewachungs- 
Personals erforderlich. 

Durch die Einnahmen, welche sowohl für die zu er- 



— 101 — ""-** 

bauende neue Strecke, als auch durch diese für die 
Hauptlinie Basel-Strassburg sich erwarten Hessen, würde 
die französische Ostbahn ihre Ausgaben reichlich decken 
und sich ausserdem einen angemessenen Gewinn von 
etwa 45% auf die Roheinnahme der geplanten Eisenbahn 
sichern können. Die übrigen 55°/ würden für die 4 2 / 3 
prozentigen Zinsen und die 1 / 2 prozentigen Amortisations- . 
Raten eines Kapitals von ungefähr 1 250 000 frs. genü- 
gen ; der Rest wäre durch eine Subvention von 95000 
frs. seitens der Gemeinden, Industriellen und des Depar- 
tements aufzubringen. Es wurde vorgeschlagen, entwe- 
der, dass eine lokale Gesellschaft um die Concession 
nachsuchte, und den Betrieb der Ostbahn-Gesellschaft 
übertrug oder derselben die Bahn durch Verkauf ganz 
überliess, schliesslich, dass die Ostbahn-Gesellschaft den 
Bau selbst übernahm. 

Der Bau der Strecke Colmar-Münster wurde durch 
Dekret vom 5. August 1866 der Stadt Münster concessio- 
nirt, und zwar unter den Bedingungen des Gesetzes vom 
12. Juli 1865, betr. Herstellung von Lokaleisenbahnen. 
Durch Vertrag vom 22. November 1865 hatte die Stadt 
Münster mit der französischen Ostbahn-Gesellschaft einen 
Vertrag abgeschlossen, nach welchem diese auf der Strecke 
Colmar-Münster den Betriebsdienst unter später zu ver- 
einbarenden Bedingungen je nach den Anforderungen des 
Verkehrs einrichten sollte. Die gesamten Kosten der lau- 
fenden Unterhaltung, grosser" Reparaturen, der Erdarbei- 
ten, Kunst- und Hochbauten, sowie der Wiederherstell- 
ung der Bahn fielen der Ostbahn-Gesellschaft vorläufig 
zur Last. Diese wollte im Uebrigen weder an dem Ge- 
winne noch an dem Verluste des Unternehmens sich be- 
theiligen, die Betriebsführung sollte daher gegen Erstat- 
tung der Selbstkosten, einschliessl. Zinsen und Amorti- 
sation des Anlagekapitals für das beschaffte Belriebsma- 
terial geschehen. 

Im Falle der Unzulänglichkeit der Einnahmen zur 
Deckung der Ausgaben stand der Rekurs gegen die Stadt 
Münster zu. Die Gültigkeit des Vertrages war auf 6 
Jahre nach Eröffnung des Betriebes festgesetzt. Am 3. 
Dezember 1868 wurde die Strecke Colmar-Münster er- 
öffnet und von der französischen Ostbahn in Betrieb ge- 
nommen, 



• • • •• 



Ausbau des lothringischen Eisenbahnnetzes. 

Infolge der aus dem Unter-Elsass hervorgegangenen 
Anregung halte der Generalrat des Mosel-Departements 
in seinen Sitzungen von 1863, 1864, 1865 und 1866 sich 
eingehend mit der Lokalbahnfrage beschäftigt. Nach 
reiflicher Prüfung der Bedürfnisse des Landes und der 
Opfer, welche die Bevölkerung und speziell die Interessenten 
zu leisten imstande waren, wurden im Jahre 1864 vier 
Vorschläge, welche von Mitgliedern des Generalrates unter- 
breitet worden waren, zur Beratung gestellt. Diese Vor- 
schläge betrafen 1. eine Eisenbahn von Metz nach Briey, 
2. von Metz nach Bolchen, 3. von Saargemünd nach 
Saaralben und 4. von Sierck nach Diedenhofen. Der 
Generalrat beschloss infolgedessen, dass sowohl für die 
genannten als auch für alle anderen Sekundärbahnen des 
Departements, welche günstige Betriebs-Bedingungen er- 
warten Hessen, Vorstudien in die Wege geleitet werden 
sollten. Im Jahre 1865 wurden daher Vorprojekte für 
folgende 9 Bahnen vorgelegt: 

1. von Metz nach Briey ; 

2. von Audun-le-Roman nach der luxemburgischen 
Grenze bei Esch mit Abzweigung nach Oettingen und 
Rümelingen ; 

3. von Aumetz nach Longwy; 

4. von Diedenhofen naeh Sierck ; 

5. von Metz nach Bolchen und Teterchen; 

6. von Rohrbach nach der Grenze bei Zweibrücken ; 

7. von Saaralben nach der Strecke Diedenhofen-Nieder- 
bronn ; 

8. von Falkenberg nach Dieuze ; 

9. von Herlingen nach Pont-ä-Mousson. 

Nach einer allgemeinen Enquete, welche den Zweck 
hatte, die verschiedenen Ansichten aus den Kreisen der 
interessirten Bevölkerung zu sammeln, und nach ein- 
gehendem Studium des finanziellen Theiles der geplanten 
Unternehmungen, wurden alsdann im Jahre 1866 sämt- 
liche Projekte ^wieder vorgelegt. 

Für die erste Linie von Metz nach Briey (11 km) waren 
die Herstellungskosten auf 110820 frs. pro km (aus- 
schl. Betriebsmaterial), die Einnahmen auf 4546 frs. 
pro km veranschlagt, 



— .103 — 

für die zweile von Audun-le-Roman nach Aumetz und 
luxemburgische Grenze gegen Esch nebst Abzweigung 
nach Oettingen und Villerupt (28 km) die Ausgabe 
auf 82780 frs., die Einnahme auf 7832 frs. pro km, 

für die dritte von Aumetz nach Longwy (20 km) die 
Ausgabe aaf 73863 frs, die Einnahme auf 6120 frs. 
pro km, 

für die vierte : Diedenhofen-Sierck (18 Km) die Ausgabe 
auf 85713 frs, die Einnahme auf 6167 frs pro km, 

für die fünfte : Bolchen-Metz und Teterchen (35 km) die 
Ausgabe auf 91 108 frs, die Einnahme auf 6830 frs. 
pro km, 

für die sechste: Rohrbach nach der Grenze bei Zwei- 
brücken (14 km) die Ausgabe auf 104 800 frs, die Ein- 
nahme auf 3581 frs. pro km, 

für die siebente : Saaralben-Saargemünd (15 km) die 
Ausgabe auf 90600 frs, die Einnahme auf 5249 frs, 
pro km, 

für die achte : Falkenberg-Dieuze,die Ausgabe auf 79 210 frs, 
die Einnahme auf 4874 frs. pro km, 

für die neunte : Herlingen-Pont-ä-Mousson, die Ausgabe 
auf 77777 frs. die Einnahme auf 2134 frs. pro km. 

Die allgemeine Enquete ergab jedoch ein grössten- 
teils negatives Resultat. Die Anerbietungen des finan- 
ziellen Mitbewerbes von Seiten der Gemeinden und Privaten 
waren unbedeutender Natur. Nur für die Linie Saar- 
gemünd-Saaralben erfolgte eine lebhaftere Betheiligung. 
Die Stadt Saaralben hatte allein eine Subvention von 
100000 frs. zugesagt. Ausserdem ergaben die von der 
Verwaltung der Salinen von Salzbronn und Saaralben, 
sowie von den Bewohnern der letzteren Stadt veranstal- 
teten Subscriptionen einen Beitrag von 58200 frs. zusammen. 
Es wurde daher zunächst die Vertagung sämtlicher Pro- 
jekte, mit Ausnahme desjenigen für die Bahn von Farsch- 
weiler bezw. Saargemünd nach Saaralben, beschlossen. 
Zu letzterer genehmigte der Generalrat gleichzeitig eine 
Betheiligung mit 30000 frs. in maximo, entsprechend den 
Bestimmungen des Gesetzes vom 12. Juli 1865. Endlich 
hielt es der Generalrat für nötig, «nichts zu versäumen, 
um die Bevölkerung über ihre wahren Interessen aufzu- 
klären. Er zähle, um dieses Resultat zu erreichen, nicht 
nur auf die dem Präfekten zur Verfügung stehenden 
Mittel der eigenen Initiative, sondern auch auf den Beistand 



— 104 — 

aller erleuchteten Männer und Redakteure von öffentlichen 
Blättern, welche vorzüglich geeignet erscheinen, die 
zur Gleichgültigkeit so sehr geneigten Geister wachzu- 
rufen». 

Die projektive Bahn von Saargemünd nach Saar- 
alben deckte sich theil weise mit einer bereits lange zuvor 
im Anschlüsse an das grosse Netz der Lille -Strassburger 
Eisenbahn geplanten Linie von dem Saarbrücker Kohlen- 
gebiete über Saargemünd nach Saarburg. Gleichzeitig 
war, hauptsächlich unterstützt durch den Direktor der 
Buchsweiler Minen, Schattenmann, das alte Projekt des 
Saarkohlen-Kanales von neuem in den Vordergrund ge- 
rückt worden. Die Industriellen des Elsass, welche an- 
fangs die für die Industrie so wichtige Eisenbahn-Ver- 
bindung von Saarbrücken nach Saarburg mit allen Mitteln 
unterstützt hatten, sahen sich endlich, da die französische 
Ostbahn immer wieder den Bau dieser Bahn zu hinter- 
treiben suchte, veranlasst, für den Saarkohlen-Kanal ein- 
zutreten, veranstalteten infolgedessen eine Subscription 
und boten schliesslich der Regierung eine Anleihe von 
11000000 frs. zur Herstellung des Kanales an. Der 
Hauptzweck dieses Vorgehens war in erster Linie, die 
französische Ostbahn zu zwingen, der Ausführung der 
Linie Kochern-Saargemünd-Saarburg nichts mehr in den 
Weg zu legen, worauf dieselbe dann endlich auch einsah, 
dass sie nicht länger ihre eigenen Interessen den allge- 
meinen Interessen des Landes voranstellen könnte, und 
ein Angebot für den Bau der gen. Linie mit dem Ver- 
sprechen einer bedeutenden Ermässigung des Transport- 
preises für Kohlen auf der neuen Bahn unterbreitete. 
Die Folge davon war, dass sowohl die Handelskammer 
von Strassburg als auch diejenige von Nancy, sowie der 
Generalrat des Meurthe-Depart^ments auf die Herstellung 
des Saarkohlen-Kanals verzichteten. Hierzu drängten 
ausserdem folgende Erwägungen: 

Der Erfahrung gemäss verursachten die Kanäle in 
diesen Gegenden jeden Winter grössere Wiederherstellungs- 
und Ausbaggerungsarbeiten, durch welche der Verkehr 
auf mindestens 3 Monate unterbrochen wurde. Die da- 
durch veranlassten Massenbeschaflfungen von Kohlen führ- 
ten durch die eintretende Zerstäubung und allgemeine 
Verminderung der Heizkraft einen bedeutenden, für die 
Industrie sehr empfindlichen Wert- Verlust herbei. Auf 
der Eisenbahn fielen diese Unannehmlichkeiten selbst- 



— 105 — 

verständlich weg. Ausserdem kam zugunsten derselben 
die grössere Schnelligkeit und Regelmässigkeit der 
Transporte in Betracht. Was nun die Beförderungspreise 
anbelangt, so hatte die französische Ostbahn bereits einen 
Tarifsatz von 0,04 frs. pro tkm für Orte, wie Mülhausen, 
Sennheim und Thann, bewilligt. Der Preis stellte sich 
daher für die Tonne Kohlen von Saarbrücken auf der 
Eisenbahn (Kochern-Saarburg) nach Mülhausen (237 km) 

zu 0,04 frs. auf 9,48 frs. 
auf dem Kanäle (263 km) zu 0,025 » auf 6,58 » 

Diese Frachtdifferenz zugunsten des Kanales wurde 
jedoch allgemein als viel zu gering gegenüber den son- 
stigen Unannehmlichkeiten betrachtet, was schon dadurch 
bewiesen war, dass z. B. von 20000 t im Jahre 1858 
nur 15 000 Tonnen auf der Eisenbahn bis Frouard und 
von da per Kanal nach Mülhausen und 5000 t direkt auf 
der Eisenbahn nach Mülhausen befördert worden waren* 
während damals die FrachtdifFerenz sogar 3,35 frs. zu- 
gunsten der Kanäle betragen hatte. 

Die Herstellungs-Kosten für den Saarkohlen-Kanal 
waren anfangs auf 10 000000 frs., nach genaueren Prü- 
fungen jedoch auf mindestens 15 000 000 frs. veranschlagt 
worden. (Im Mai 1866 wurde der Saarkohlen-Kanal dem 
Betriebe übergeben). 

Auch der preussische Staat hatte eine direkte Ver- 
bindung des Saarkohlengebietes mit dem Elsass und der 
Schweiz durch den Bau einer Bahn von Saarbrücken nach 
Saargemünd beschlossen. Diese Linie wurde am 1. Juni 
1870 eröffnet. Den auf französischem Gebiete gelegenen 
Theil mit 751 Metern hatte die Ostbahn-Gesellschaft, den 
auf preussischem Gebiete gelegenen die preussische Re- 
gierung hergestellt. Inzwischen war auch der Bau und 
Betrieb der Bahn von Saargemünd nach Saarburg von 
dem Departement des Niederrheins durch Vertrag vom 
18. Dezember 1867 der Society beige des chemins de fer 
übertragen worden. Das Departement hatte nach diesem 
Vertrage das erforderliche Terrain unentgeltlich zur Ver- 
fügung gestellt, ferner auf seine Kosten die Herstellung 
von Parallelwegen, Wege Verlegungen, Zufuhrwegen be- 
wirkt und endlich eine Subvention von 8000 frs. pro km, 
der Staat eine solche von 380 000 frs. im Ganzen be- 
willigt. Der Bau der Bahn wurde kurz vor Ausbruch 
des Krieges von 1870/71 in Angriff genommen und später 



— 106 — 

der Soci^t^ anonyme des chemins de fer de la Lorraine 
übertragen. 

In die Jahre 1867 und 1869 fallen zwei Verträge, 
welche die Herstellung und den Betrieb von neuen An- 
schlusslinien an das badische Eisenbahnnetz zum Gegen- 
stande hatten. Nach dem ersten, am 12. September 1867 
zwischen der französischen Ostbahn und der Stadt Colmar 
abgeschlossenen Vertrage übernahm Letztere den Bau 
einer Bahn von Colmar über Horburg nach Neubreisach 
zum Anschlüsse an die auf dem rechten Rheinufer bei 
Altbreisach einmündende badische Linie von Freiburg und 
die Ostbahn den Betriebsdienst auf der genannten Strecke 
gegen Erstattung der Selbstkosten. Der zweite Vertrag 
vom 22. Oktober 1869 bestimmte, dass die französische 
Ostbahn-Gesellschaft und die grossherzoglich badische 
Eisenbahn-Verwaltung, jede auf ihrem Gebiete, eine ein- 
gleisige Verbindungslinie von St. Ludwig über Hüningen 
nach Leopoldshöhe, sowie auf gemeinschaftliche Kosten eine 
feste Rheinbrücke herstellen sollten. 

Schliesslich wurde auch bezüglich der Wilhelm -Lu- 
xemburg-Bahnen im Anschlüsse an den bereits im Jahre 
1857 abgeschlossenen Vertrag unterm 21. Januar 1868 
eine neue Vereinbarung getroffen, nach welcher die fran- 
zösiche Ostbahn auf die Dauer von 45 Jahren (bis 31. 
Dezember 1912) den Betrieb auf den Luxemburger Linien 
gegen eine jährliche Pacht von 3000000 frs. übernahm. 

Verkehr sen twickelun g bis zum Kriege 
1870/71. 

Wenn wir uns nun der Entwickelung des Verkehrs 
in der, mit dem Jahre 1863 beginnenden, neuen Periode 
der Geschichte der elsass-lothringischen Bahnen zuwenden, 
so bleibt zunächst zu untersuchen, ob die an die Her- 
stellung von Lokalbahnen s. Zt. geknüpften Erwartungen 
sich erfüllt haben. Die mit Ablauf des Jahres 1864 er- 
öffneten Linien ergaben für 1865 folgende kilometrische 
Einnahme : 

Strassburg - Barr, Mutzig und 

Wasselnheim 49 km = 7966,77 frs. 

Hagenau-Niederbronn 20 « = 6528,60 » 

Schlettstadt-Markirch 21 « = 5585,04 » 

Dieuze-Avricourt 22 « = 5846,48 » 



— 107 - 

Der Bericht der französischen Ostbahn-Gesellschaft 
vom Jahre 1866 besagt hierzu, dass auf einigen der gen. 
Linien die Betriebskosten von den Einnahmen bereits 
überschritten worden seien, und dass für die Zukunft 
auch eine Deckung der Zinsen des Anlage-Kapitals zu 
erwarten sei. Im Uebrigen zeigten die obigen Ziffern, 
Wie illusorisch die auf den Betrieb der elsässischen Linien 
gesetzten Hoffnungen gewesen wären, und dass die von 
Privaten, Gemeinden, Departements und dem Staate ge- 
machten Ausgaben voraussichtlich noch lange Zeit als 
tote Kapita tien zu betrachten sein könnten. 

Dagegen war schon im nächsten Betriebsjahre 1866 
eine ziemlich beträchtliche Steigerung der Einnahmen 
auf sämtlichen der gen. Linien eingetreten, und zwar auf 
der ersten um ca. 400 frs., auf der zweiten um ca. 800 frs., 
auf der dritten um ca. 650 frs. und auf der Strecke 
Dieuze-Avricourt um ca. 1334 frs. pro km. Im Jahre 1869 
betrug die kilometrische Einnahme auf der Strecke 

Strassburg-Barr, Mutzig und Wasselnheim = 9970 frs. 

Hagenau-Niederbronn = 8139 » 

(im Jahre 1870) = 11809 » 

Schlettstadt-Markirch = 7689 » 

Dieuze-Avricourt = 9246 /- 

Was die allgemeinen Verkehrs- Verhältnisse anbelangt, 
so hatte eine Steigerung auf dem ganzen Netze der fran- 
zösischen Ostbahn und speziell den elsass-lothringischen 
Linien stattgefunden. Die Erträgnisse stellten sich nach 
Stationen, im Jahre 1870 wie folgt: 

frs. 



Strassburg 


= 3317595,81 


Forbach 


= 2851779,25 


Mülhausen 


= 1733G56.06 


Bettemburg 


= 1575361,82 


Basel 


= 1554811,25 


Diedenhofen 


= 1346096,89 


Metz 


= 1034870,71 



Alsdann folgen mit einer Einnahme von über 500 000 frs. 
die Stationen Weissenburg, Bettingen, Golmar, Stieringen- 
Wendel, Luxemburg ; mit über 100000 frs. Ulflingen, 
Dommeldingen, Saargemünd, Ars a. M. Dornach, Dieuze, 
Saarburg, Thann, St. Ludwig, Markirch, Zabern, Nov^ant, 
Schlettstadt, Bischweiler, Lützelburg-Pfalzburg, Hagenau, 
Hayingen, Wesserling, Hochfelden, Avricourt, Altkirch, 
Wasserbillig, Gebweiler, Benfeld, Bollweiler. 



— 108 — 

Die kilomelrische Roheinnahme war auf sämtlichen 
elsass-lothringischen Linien, z. Th. in ganz beträchtlichem 
Masse gestiegen, und zwar 

auf Paris-Strassburg v. ca. 60000 frs. (1863) auf ca. 79 000 frs. (1869) 

> Frouard-Metz-Forbach » » 45000 > (1863) • > 61000 > (1869) 

> Metz-Luxbg. Grenze » » 27000 » (1863) » > 40000 » (1869) 

> Vendenhm.-Weissenbg. » » 17000 > (1863) » » 22200 » (1869) 
» Strsb.-Basel-Thanneic. » > 34000 > (1863) > > 42500 » (1869) 

> Noisy-le-Sec-Mülhausen > > 34000 > (1863) > > 45000 > (1869) 

Die Roheinnahme auf den luxemburgischen Linien be- 
trug im Jahre 1869 = 24 850 frs. pro km. 

Seit mehreren Jahren hatte die französische Ostbahn 
auf einigen Stationen Rückfahrkarten mit Preis-Ermässigung 
gegen die einfache Fahrt eingerichtet. Dieselben wurden 
mit der Zeit, da sie eine bedeutende Steigerung des Per- 
sonen-Verkehres herbeiführten, auf alle wichtigen Ver- 
bindungen ausgedehnt. Auch die Vergnügungszüge zu 
ermässigten Preisen fanden bei der Bevölkerung grossen 
Anklang. Sogenannte Ausflugs-Billete zur Begünstigung 
des Besuches der Vogesen wurden seit 1865 verausgabt 
und erzielten bedeutende Erfolge. 

Die Bestrebungen der französischen Ostbahn, den 
Transit-Güter- Verkehr zwischen England, Belgien und der 
Schweiz, ferner zwischen Rotterdam, Amsterdam und 
Basel, Zürich auf ihre Linien herbeizuziehen, scheiterten 
anfangs an der Schwierigkeit, welche sich durch die Ver- 
schiedenartigkeit der Tarife bot. Vom Jahre 1863 ab 
wurden jedoch von seiten der in Frage kommenden Bahn- 
Verwaltungen besondere Erleichterungen gewährt, welche 
schliesslich die Einführung von feststehenden Tarifen zwi- 
schen Belgien und Holland einerseits und den Schweizer 
Stationen andererseits zur Folge hatten. 

Das Jahr 1866 übte durch den deutsch-österreichischen 
Krieg, die Cholera-Epidemie und beständigen Regen ei- 
nen sehr ungünstigen Einfluss auf die gesamten Verkehrs- 
Verhältnisse der elsass-lothringischen Bahnen aus. In 
allen Zweigen der Industrie und in den Eisenbahnbetrie- 
ben hatte sich eine allgemeine Krisis bemerkbar gemacht, 
welche schwer auf dem Lande lastete. 

An anderer Stelle ist bereits bemerkt worden, dass 
die von der französischen Ostbahn durchschnittlich erho- 
benen Transportsätze bedeutend unter den durch die 
Lastenhefte vorgeschriebenen Maximaltaxen blieben. Die- 
selben ermässigten sich für die Folge immer mehr. Im 



— 109 — 

Jahre 1851 betrug der mittlere Transportsatz für Güter 
etwa 0,093 frs. pro t u. km, im Jahre 1869 dagegen nur 
noch 0,058 frs., d. i, um 40°/ weniger. Eine .von der 
französischen Ostbahn angestellte Vergleichung zwischen 
ihren Tarifen und denjenigen der übrigen Bahnen ergab für : 

die Grossherzogl. Badischen Bahnen durch- 
schnittlich 0,0778 frs. 

die pfälzischen Bahnen 0,0723 » 

die rheinischen » ........ 0,0737 » 

die österreichischen Staatsbahnen .... 0,0829 » 

die » Südbahnen .... 0,0765 » 

die Saarbrücker Bahnen (Kohlen) .... 0,0591 » 

die italienischen Bahnen (Süd-Austro-Lom- 

bard) 0,0841 » 

die Schweizer Zentralbahn ...... 0,1068 » 

die Vereinigten Schweizer Bahnen . . . 0,1210 » 



Der Krieg und die Besetzung der Bahn 
durch die Deutschen. 

Wir haben gesehen, dass auf allen von der franzö- 
sischen Ostbahn betriebenen elsass-lothringischen Linien 
bis zum Jahre 1869 die Verkehrs-Ergebnisse einer auf- 
steigenden Linie gefolgt waren. Auch das Jahr 1870 hatte 
unter den allergünstigsten Aussichten begonnen. Da er- 
hielt am 15. Juli 1870 die französische Ostbahn- Gesell- 
schaft von dem Minister der öffentlichen Arbeiten den 
Befehl, «alle ihre Transportmittel zur Verfügung des Kriegs- 
ministers zu stellen. Die dem öffentlichen Verkehre- die- 
nenden Personen- und Güterzüge konnten auf dem ganzen 
Eisenbahnnetze ausgesetzt werden.» Und nun galt es, 
die Eisenbahnen einer Bestimmung zuzuführen, welche 
schon in wenigen Monaten Entscheidungen der ernstesten 
Natur für dar ganze Land bringen sollte ! 

Es ist bereits an betreffender Stelle darauf hingewie- 
sen worden, dass die französische Regierung schon sehr 
frühe sich die obersten Aufsichts-Rechte über die Ei- 
senbahnen zu wahren wusste. Dies gilt, in einem Lande 
wie Frankreich, wo der nationale Gedanke ausgeprägt 
ist, wie kaum in einem anderen, natürlich auch von der 
Benützung des neuen Verkehrsmittels im Interesse der 
Landes-Verteidigung. Während in den, den Konzessions- 



— 110 j- 

Urkunden beigegebenen Lastenheften ausdrücklich jede 
private Bevorzugung vor dem Tarife untersagt war, 
musste .dem Staate*, hauptsächlich, wenn es sich um stra- 
tegische Rücksichten, um die Beförderung von Truppen 
und Kriegsmaterial handelte, eine Ermässigung um die 
Hälfte, (z. Th. sogar auf */*) der gewöhnlichen Beför- 
derungssätze gewährt werden. Ausserdem wurden durch 
diese Lastenhefte, durch die Königl. Ordonnanz von 1846, 
sowie besondere Verträge mit den Eisenbahn-Gesellschaf- 
ten genaue Bestimmungen getroffen über die Benützung 
der Bahnen in Kriegszeiten, die Zusammensetzung der 
Züge, den Transport von Kriegsmaterial jeder Art, die 
einheitliche Beförderung von Truppen u. s. w. Dagegen 
bestand in Frankreich, wie der Betriebs-Direktor der fran- 
zösischen Ostbahn, Jacqmin, in seinem vortrefflichen 
Werke : «Les chemins de fer pendant la guerre de 1870/71» 
hervorhebt, im Gegensatze zu Deutschland keine ernst 
durchgearbeitete und erprobte Militär-Transport-Ordnung. 
Es waren nur «zwei Versuche einer Organisation gemacht 
worden, die eine von dem Marschall Niel auf das sorg- 
fältigste ausgearbeitet, die andere, welche aber zu spät 
kam, von Freycinet aufgestellt. Während des Krieges 
gab es sozusagen gar keine Organisation: Jeder gab Be- 
fehle, und die Eisenbahn-Verwaltungen standen fortwäh- 
rend sich widersprechenden oder unausführbaren Befehlen 
gegenüber. .... Die Gesellschaften erhielten zu gleicher 
Zeit von der Intendantur, von der Geniekorps-Verwaltung, 
von den Ateliers zu Meudon Aufträge, welche, vollständig 
unabhängig von einander gegeben, die grösste Verwirrung 
hervorriefen. Bei der Ankunft in Strassburg und Metz 
herrschte eine Unordnung, von der Niemand eine Ahnung 
hat, der nicht dabei gewesen ist, und welche alle 
über jene traurigen' Ereignisse veröffentlichten Auf- 
zeichnungen bestätigen.» Mit diesen charakteristischen 
Worten giebt Jacqmin ein Bild von den Zuständen, welche 
während der Kriegsmonate auf den ostfranzösischen 
Bahnen geherrscht hatten. 

Wenn aber auch der Wert der Leistungen dieser 
Bahnen im Interesse Frankreichs während der Kriegszeiten 
gering anzuschlagen ist, so darf nicht verkannt werden, 
dass an die Leistungsfähigkeit derselben die allergrössten 
Anforderungen gestellt wurden. Strassburg und Metz 
waren bekanntlich die Hauptpunkte, welche es zunächst 
zu erreichen galt. Am 16. Juli begannen die Truppen- 



— 111 — 

transporte. Dieselben bewegten sich hauptsächlich auf 
folgenden grossen Linien : 

1. Ardenner Bahn nach dem Norden Frankreichs, 

2. Von Paris nach Strassburg für die Armeen aus 
Paris, aus dem Innern und dem Westen Frankreichs, 

3. Von Gray nach Metz und von Beifort nach Weis- 
senburg für die Truppen' aus Lyon, aus dem Süden 
Frankreichs und aus Algerien. 

Die Zahl der Züge betrug in 22 Tagen 1223. Befördert 
wurden in dieser Zeit 300000 Mann, 64 700 Pferde, 6600 
Kanonen und Wagen, 4400 Proviant- und Munitions wagen. 
Diese gewaltige Leistung war auf die Arbeiten der vom 
Marschall Niel eingesetzten Kommission, welche sich aus 
Generalstabs-Offizieren und Eisenbahn-Ingenieuren zu- 
sammensetzte, zurückzuführen. 

Am 8. August 1870 wurde der Betrieb in Saarburg 
eingestellt. Am 10. August trafen die Deutschen in Was- 
selnheim ein, und bereits am 12. September verliessen 
die französischen Züge auf der Hauptlinie nicht mehr den 
Bahnhof von Paris. In der Nacht vom 6. auf den 7. August 
nach der Schlacht bei Fröschweiler, verliess der letzte fran- 
zösische Zug die Station Hagenau, woselbst gleich darauf 
der erste preussische Zug eintraf. Nach Wiederherstellung 
der Bahn zwischen Hagenau und Weissenburg wurde sofort 
der Betrieb eröffnet. In Nancy trafen am 21. August die 
ersten deutschen Züge ein, und die Strecken Vendenheim- 
Weissenburg und Vendenheim Nancy waren in deutschen- 
Händen. Die Niederlage bei Forbach und die Kapitulation 
von Metz am 29. Oktober 1870 lieferten die ganze 
Strecke Frouard-Forbach in die Macht der Deutschen, 
die alsbald mit der Wiederherstellung der Bahn und der 
Organisation des Betriebes begannen. Am 28. September 
kapitulirte Strassburg, am 24. Oktober Schlettstadt, und 
am 14. November traf der erste deutsche Zug in Mül- 
hausen ein. Von den Lokalbahnen des Elsass und der 
Vogesen hielt sich Beningen-Saargemünd infolge der hart- 
näckigen Verteidigung der Festung Bitsch am längsten. 
Die übrigen Linien wurden zunächst von den Deutschen 
mangels des erforderlichen Betriebsmaterials und wegen 
der geringen Bedeutung dieser Bahnen im militärischen 
Interesse gar nicht in Betrieb genommen. Von der Strecke 
Paris-Mülhausen wurde nur der Theil von Mülhausen bis 
Üammerkirch vorläufig besetzt. 

Die Hauptaufgabe der deutschen Regierung während 



— 112 — 

des Krieges bestand darin, die besetzten Eisenbahnlinien 
in betriebsfähigen Zustand zu versetzen. Zu diesem Zwecke 
wurden 5 Betriebs-Kommissionen eingesetzt. Die erste 
hatte ihren Sitz in Saarbrücken und umfasste die Strecken 
Forbach-Metz-Frouard, Metz-Diedenhofen und Ben ingen - 
Saargemünd. Die zweite, erst in Weissenburg, dann in 
Strassburg ansässige, übernahm den Betrieb der Linien 
Weissenburg-Strassburg-Nancy und der Bahnen des Elsass 
bis Beifort. Ausserdem bestanden Betriebs-Kommissionen 
in Nancy, Reims und Chaumoiit für alle übrigen, in 
Frankreich besetzten Linien. An der Spitze jeder Betriebs- 
Kommission stand ein Präsident, demselben zur Seite ein 
Ingenieur und ein administratives Mitglied. Da die fran- 
zösische Ostbahn- Gesellschaft das gesamte Betriebsmaterial 
mit Ausnahme einiger in der Eile zurückgelassener Lo- 
komotiven und Wagen nach dem Innern Frankreichs 
gezogen hatte, und da die einzelnen Strecken ein Bild 
der grenzenlosesten Zerstörungen boten, hatten die Betriebs- 
Kommissionen im Anfang mit den grössten Schwierig- 
keiten zu kämpfen. Von einem öffentlichen Verkehre 
konnte natürlich nur in ganz beschränktem Masse die 
Rede sein. Der Frankfurter Friedens-Vertrag vom 20. Mai 
1871 endlich machte dem provisorischen Zustande des 
Rechtes der Waffen ein Ende und verlieh der Besitzer- 
greifung der elsass-lothringischen Linien durch die deutsche 
Regierung völkerrechtliche Gültigkeit. Und hiermit be- 
ginnt die zweite Epoche in der Geschichte der Eisenbahnen 
von Elsass-Lothringen, die Geschichte der Reichsbahnen. 

IV. KAPITEL. 
Die Reichsbahnen (Von 1871 bis 1878). 

Erster Ausbau des Netzes. 

Frankfurter Friedens- Vertrag und deutsche 
Verwaltung. 

Nach dem Zusatz- Arlikel 1 zum Frankfurter Friedens- 
verträge sollte «die französische Regierung innerhalb der 
für den Austausch der Ratifikationen des gegenwärtigen 
Vertrages festgesetzten Frist von dem ihr zustehenden 
Rechte zum Rückkauf der, der Ostbahn-Gesellschaft er- 



— 113 — 

teilten Concessionen Gebrauch machen. Die deutsche 
Regierung wird, soweit es sich um die in den abgetrennten 
Gebieten gelegenen, vollendeten oder im Bau begriffenen 
Eisenbahnen handelt, in alle Rechte eintreten, welche die 
französische Regierung durch den Rückkauf der Conces- 
sionen erworben haben wird. 

§ 2. In diese Concession sind einbegriffen : 

1. alle der gedachten Gesellschaft zugehörigen Grund- 
stücke, ohne Unterschied ihrer Bestimmung, z. B. Bahn- 
hofs- und Stations-Gebäude, Schuppen, Werkstätten, 
Niederlagen u. s. w. 

2. alle dazu gehörigen festen Pertinenzstücke, wie 
Barrieren, Zäune, Weichen u. s. w. 

3. alle Materialien, Brennstoffe und Vorräte aller Art, 
Bahnhofs-Mobiliar u. s. w. 

4. die Forderungen der Ostbahn-Gesellschaft an Kor- 
porationen oder Personen, welche in den abgetretenen 
Gebieten ihren Wohnsitz haben, auf Zahlungen von 
Subventionen 

§ 3. Ausgeschlossen von dieser Abtretung ist das 
Betriebsmaterial. Die deutsche Regierung wird den etwa 
in ihrem Besitz befindlichen Teil des Betriebsmaterials 
nebst Zubehör der französischen Regierung zurückerstatten.» 

§ 6. Die deutsche Regierung wird der französischen 
Regierung für die Abtretung der in §§ 1 u. 2 erwähnten 
Eigentumsrechte u. s. w. die Summe von 325000000 frs. 
zahlen.» 

Gleichzeitig hatte in Anbetracht der vollständig ver- 
änderten Verhältnisse die deutsche Regierung sich bereit 
erklärt, in alle für die französische Ostbahn aus den Kon- 
ventionen mit der Wilhelm-Luxemburg-Bahn-Gesellschaft 
erwachsenden Rechte einzutreten. 

Die Gesamtlänge des von der französischen Ostbahn 
abgetretenen Bahnnetzes von Elsass-Lothringen betrug ca. 
740 km. Es umfasste folgende Strecken : 

1. Basel-Strassburg-Weissenburg 205,44 km. 

2. Mülhausen-Altmünsterol 34,75 » 

3. Lutterbach-Wesserling I 40 71 » 

4. Sennheim-Senntheim [ ' 

5. Bollweiler-Gebweiler 6,19 » 

6. Schlettstadt-Markirch 21,37 ,» 

7. Strassburg-Barr mit Abzweigungen von 

Molsheim nach Mutzig und Wasseln- 

heim 48,94 » 

8 



— 114 — 

8. Strassburg-Kehl Grenze 7,98 » 

9. Vendenheim-Avricourt 81,90 » 

10. Avricourt-Dieuze 23,17 » 

11. Hagenau-Beningen-Karlingen 115,88 » 

12. Pagny Grenze-Metz- Stierin gen Grenze 89,02 » 

13. Metz-Diedenhofen luxemb. Gr. 46,42 » 

14. Diedenhofen-Fentsch Grenze 17,46 > 

15. Saargemünd-preussische Grenze 0,75 * 

Verpachtet waren 

1 . an die bayerische Pfalzbahn die Strecke vom Bahn- 
hof Weissenburg bis zur Grenze ; 

2. an die Saarbrücker Eisenbahn 

a. die Strecke vom Bahnhof Saargemünd bis zur 
preussischen Grenze, 

b. aie Strecke vom Bahnhof Stieringen bis zur 
preussischen Grenze; 

3. an die französische Ostbahn die Strecke vom 
Bahnhof Diedenhofen bis zur französischen Grenze 
bei Fenlsch. 

Gepachtet waren 
von der französischen Ostbahn 

1. die Strecke von der französischen Grenze bis Beifort. 

2. » » » » » » » Pagny. 

Durch Vertrag mit der Stadt Münster vom 12. De- 
zember 1871 wurde auch die Strecke Colmar-Münster 
Eigentum des deutschen Reiches. Der Kaufpreis betrug 
2700000 frs. 

Durch Allerhöchsten Erlass vom 9. Dezember 1871 
erfolgte die Einsetzung einer besonderen Behörde unter 
dem Namen «Kaiserliche General-Direktion der Eisen- 
bahnen in EIsass-Lothringen», welche mit allen Befug- 
nissen und Pflichten einer öffentlichen Behörde ausgestattet 
wurde und unmittelbar unter dem Reichskanzler-Amte 
ressortirte. Die organische Zergliederung der Verwaltung 
war zunächst folgende: 

Das Zentralbüreau mit Administrationsbüreau, Be- 
triebs-Kontrole, bautechnisches Bureau, betriebstechni- 
sches Bureau und Hauptkasse, Direkt unter der General- 
Direktion fungirlen der Obermaschinenmeister, der Tele- 
graphen-Inspektor, Güter-Inspektor (Reklamations-Büreau) 
und für die lokale Verwaltung 6 Betriebs-Inspektoren 
in Mülhausen, Colmar, Strassburg, Saargemünd, Metz 



— 115 — 

und Luxemburg, ferner 6 Güter-Inspektoren in denselben 
Orten, sowie Eisenbahn-Baumeister und unter diesen 
Bahnmeister u. s. w. Die Wahrnehmung des Bahnbe- 
wachungsdienstes erfolgte durch Barrieren wärter oder 
durch Frauen von Rottenarbeitern, ferner durch Patrouil- 
leure, die Wahrnehmung des Betriebsdienstes durch 
Stations-Vorsteher, Stations- Aufseher und -Assistenten, 
durch Stations-Kassen-Rendanten, Gepäck- und Güter- 
Expedienten. Assistenten und Wiegemeister. 

Betriebs-Maschinenmeister fungirlen in Mülhausen, 
Strassburg, Montigny und Luxemburg. Eisenbahn* Werk- 
stätten befanden sich zunächst in Mülhausen und Luxem- 
burg. 

Die vor dem Kriege begonnene Strecke Gourcelles- 
Bolchen und die beinahe vollendete Linie Saarburg-Saar- 
gemünd waren inzwischen von der Soci&6 beige des 
chemins de fer an die Soci&ö anonyme des chemins de 
fer de la Lorraine überlassen worden, welche den Weiter- 
bau bewirkte. Mit dieser Gesellschaft schloss die Eaiserl. 
General-Direktion am 4. April 1872 einen Vertrag, durch 
welchen Letztere die genannten Bahnen vom Tage der Fer- 
tigstellung an gegen einen Pachtzins von 4V 2 % fiir das 
erste Jahr und von 5% des Anlage- Kapitals von 
260000 Thaler pro Meile för die folgenden Jahre in Betrieb 
nahm. Gleichzeitig wurde der Kaiserl. General-Direktion 
das Recht eingeräumt, die Bahnen jederzeit gegen die 
Kaufsumme von 260000 Thaler pro Meile zu erwerben. 
Die Strecke Saarburg-Saargemünd wurde am 1. Novem- 
ber 1872, die Strecke Gourcelles-Bolchen am 15. Juni 1873 
dem Betriebe übergeben. Ferner erfolgte am 1. April 1873 
die Eröffnung der bereits vor dem Kriege begonnenen Bahn 
von Metz nach Amanweiler. 

Inzwischen hatte die deutsche Regierung Schritte 
gethan, um den Betrieb der Wilhelm-Luxemburg-Bahnen 
mit demjenigen der Reichsbahnen in Elsass-Lothringen 
zu vereinigen. Die zu diesem Zwecke zwischen der deut- 
schen und der Grossherzogl. Luxemburgischen Regierung 
getroffene Uebereinkunft vom 11. Juni 1872 (Gesetz vom 
15. Juli 1872) bestimmte, dass die, der Königl. Gross- 
herzogl. Wilhelm-Luxemburgischen Eisenbahn-Gesellschaft 
im Gebiete des Grossherzogtums concessionirten Bahn- 
strecken bis zum 31. Dezember 1912 durch die, mit der 
Verwaltung der Eisenbahnen in Elsass-Lothringen betraute 
Kaiserliche General-Direktion in Strassburg gegen eine 



- 116 — 

jährliche Pacht von 2500000 frs. verwaltet und betrieben 
werden sollten. Gleichzeitig wurde mit Belgien unterm 
11. Juli 1872 eine Uebereinkunft getroffen" wegen Ueber- 
nahme des Betriebes auf der, auf belgischem Gebiete ge- 
legenen Strecke Gouvy-Spa durch die belgische Regie- 
rung, Der von Letzterer zu zahlende Antheil an der 
jährlichen Pacht beträgt 500000 frs. Die ganze von der 
französischen Oslbahn-Gesellschaft gezahlte Pacht betrug 
3000000 frs. 

' Der Betrieb wurde von der deutschen und belgischen 
Verwaltung gleichzeitig am 16. September 1872 eröffnet. 
Die von der Käiserl. General-Direktion in Betrieb genom- 
menen Strecken der Wilhelm-Luxemburg-Bahn hatten eine 
Länge von zusammen etwa 174 km und uinfassten : 

1. Luxemburg-lothringische Grenze = 16,68 km 

2. Betlemburg-Oettingen-Rümelingen = 10,72 » 

3. Bettemburg-Esch a. Elz -= 9,55 » 

4. Luxemburg-Bettingen Grenze = 18,76 » 

5. Luxem burg-Ulflingen Grenze = 76,76 » 

6. Ettelbrück-Diekirch = 4,13 » 

7. Luxemburg-Wasserbillig = 37,44 » 

Beschaffung der Betriebsmittel, 
Wiederherstellungsarbeiten und Bau von 

neuen Bahnen. 

Da die Eisenbahnen in Elsass-Lothringen ohne Be- 
triebsmittel an die deutsche Verwaltung übergegangen 
waren, handelte es sich für Letztere vor Allem darum, 
Lokomotiven und Wagen zu beschaffen. In der ersten 
Zeit wurden dieselben von fremden Verwaltungen, haupt- 
sächlich von der französischen Ostbahn und vielen deut- 
schen Eisenbahn-Verwaltungen geliehen. Aus Kriegsfonds 
waren für den Betrieb der besetzten Bahnen während 
1870/71 = 86 Lokomotiven, 200 bedeckte und 341 ofTene 
Güterwagen beschafft und später von der Kaiserlichen 
General-Direktion käuflich übernommen worden. Bedeu- 
tende Anschaffungen wurden in den folgenden Jahren aus 
Mitteln des Reiches bewirkt, so dass Ende 1874 bereits 
405 Lokomotiven, 776 Personen- Wagen, 200 Gepäck- 
Wagen, 1735 bedeckte und 7845 offene Güter- Wagen 
vorhanden und die letzten geliehenen Betriebsmittel ihren 



— 117 — 

Eigentümern zurückgegeben waren. Die Gesamt- Ausgaben 
für die Beschaffung von Betriebsmitteln beliefen sich bis 
Ende 1874 auf etwa 50 Millionen Mark. 

Für die während des Krieges erfolgte Herstellung des 
zweiten Gleises auf der Strecke Vendenheim-Weissenburg 
waren 1203450 M., für sonstige Wiederhers tellungs- Ar- 
beiten während des Krieges 1891422 M. aufgewendet 
worden. Bedeutende Kosten verursachten die später aus- 
geführten Wiederherstellungs-Arbeilen auf dem Bahnhofe 
Strassburg und den südlich von Strassburg gelegenen 
Bahnstrecken, sowie die Erweiteruug der Bahn- und Bahn- 
hofs- bezw. Werkstätten-Anlagen u. s. w. Dieselben be- 
liefen sich bis Ende 1876 auf etwa 17 Millionen Mark. 

Eine grosse Aufgabe hatte die kaiserliche General- 
Direktion durch den Bau folgender neuen Linien zn er- 
füllen, welche theils zur Herstellung weilerer Anschlüsse 
an Altdeutschland, theils zur besseren Verbindung der be- 
deutenden Städte von Elsass und Lothringen dienten. Durch 
die Reichsgesetze vom 15. Juni 1872 und 18. Juni 1873 
wurden ausserordenliche Geldmittel für die Ausführung 
der nachgenannten Bahnen aus Reichsfonds bewilligt: 

1. Üiedenhofen-Sierck (24 km) als Fortsetzung der 
zur gleichen Zeit von Trier aus projektiven Mosel-Bahn. 

2. Rieding-Remilly (57 km und 4 km Kurve bei 
Rieding), die wichtigste der herzustellenden Linien. Sie 
stellte eine direkte Verbindung von Strassburg mit Metz 
her und kürzte den früheren Weg zwischen den beiden 
Hauptstädten des Landes über Saargemünd bezw. Frouard 
ganz bedeutend ab. 

3. Steinburg-Buchsweiler (13 km). Dieselbe diente 
hauptsächlich der Erschliessung der Industrien der be- 
treffenden Gebietsteile. Unter französischer Verwaltung 
war bekanntlich eine Verbindung von Hochfelden mit 
Buchsweiler bereits projektirt gewesen. 

4. Zabern-Wasselnheim (18 km). Auch diese Bahn 
war bereits unter französischer Regierung geplant. Sie 
stellte im Anschlüsse an die Linie Barr-Schlettstadt eine 
direkte Verbindung von Lothringen mit dem Ober-Elsass 
unter Umgehung von Strassburg her. 

5. Barr-Schlettstadt (18 km). Auf die Bedeutung 
dieser beiden unter 4 und 5 genannten Bahnen im In- 
teresse des lokalen Verkehres, auf die zahlreichen Industrien 
des Breuschthales und der übrigen in Betracht kommenden 



— 118 — 

Seilenthäler, ist bereits an früherer Stelle hingewiesen 
worden. 

6. Mutzig-Schirmeck-Rothau (22 km), Für diese, die 
Strecke Strassburg-Molsheim-Mutzig fortsetzende Bahn, 
gilt das zuletzt Gesagte. 

7. Strassburg-Lauterburg (56 km). Diese Strecke spielte 
schon seit den frühesten Zeiten eine grosse Rolle in den 
elsässischen Eisenbahn-Entwürfen. Sie ist verschiedene 
Male verworfen worden. Ihre Hauptbedeutung war nun, 
eine neue, kürzere, mililärich wichtige Verbindung zwischen 
Strassburg und Mainz herzustellen. 

8. Colmar-Breisach (21 km). 

9. St. Ludwig-Hüningen-Leopoldshöhe (5,3 km, da- 
von 3,5 auf elsässischem Gebiete) strategisch wichtig, 

10. Mülhausen-Müllheim (21 km, davon 15,5 km auf 
elsässischem Gebiete). Diese 3 letztgenannten Strecken 
stellten neue Anschlüsse an das badische Eisenbahnnetz 
her. Bezüglich der ersten 2 waren, wie wir gesehen 
haben, schon zur französischen Zeit Verträge von der 
Ostbahn-Gesellschaft abgeschlossen worden* 

Ausserdem wurden zur Erweiterung der Bahn- Anlagen 
verschiedene Projekte über die Grenzbahnhöfe Altmünsterol, 
Avricourt, Novöant, Amanweiler und Fentsch und über 
die Hauptbahnhöfe Strassburg, Metz, Saargemünd, Schlett- 
sladt und Mülhausen aufgestellt und zum Theil schon 
mit der Ausführung begonnen. 

Von den projektiven Bahnstrecken wurde zuerst 
Strassburg-Lauterburg am 25. Juli 1876 fertiggestellt und 
dem Betriebe übergeben. Die Herstellungskosten hatten 
8795739 M. betragen. Kurz darauf, am 15. Oktober 1876, 
erfolgte auch die Eröffnung der Strecke Bolchen-Teterchen 
durch die anonyme lothringische Eisenbahn-Gesellschaft, 
mit welcher die'Kaiserl. General-Direktion unterm 15. Sep- 
tember 1876 einen Pacht- Vertrag unter denselben Be- 
dingungen wie die früheren Verträge abgeschlossen hatte. 
Das Anlagekapital wurde hierbei auf 600000 M. pro 
Meile, d. h. 601 920 M. für 7,524 km festgesetzt. Das- 
jenige für Saarburg-Saargemünd betrug 5563792 M.,für 
Gourcelles-Bolchen = 2337036 M. 

In die Jahre 1877/78 fallt die Eröffnung einer grossen 
Anzahl von Bahnen,- und zwar wurden dem Betriebe 
übergeben : 



2. 


» 


» » » » 


3. 


» 


15. Oktober » » 


4. 
5. 




J> » 9 » 

10. Dezember » » 


6. 


» 


» » » » 


7. 


» 


5. Januar 1878 » 


8. 


» 


6. Februar » » 



— 119 — 

1. Am 1. August 1877 die Strecke Zabern-Wasselnheim 

(18 km) 
» Schlettstadt-Barr 

(17 km) 
» Steinburg-Buchsweiler 

(13 km) ' 
» Mutzig-Rothau (23 km) 
Verbindungskurve Rieding- 
Saaraltdorf (3 km) 
Strecke Berthelmingen-Re- 
milly (54 km) 
» Colmar-Mitte Rhein- 
brücke bei Altbrei- 
sach (21 km) 
» Mülhausen-Mitte 
Rheinbrücke bei 
Eichwald (18 km) 
9. »11. » »» » St. Ludwig- Mitte 

Rheinbrücke bei Hü- 
ningen (4 km 
Von diesen Linien waren diejenigen von Rieding 
nach Remilly und Golmar -Altbreisach zweigleisig, die 
übrigen eingleisig. 

Die ersten Herstellungskosten hatten betragen: 

für Zabern-Wasselnheim und Barr- 

Schlettstadt = 5777159 M. 

für Steinburg-Buchsweiler (aus Reichsfonds = 398 216 M. 
ausserdem durch Subventionen des Lan- 
des etc.) = 1008143 M. 

für Mutzig-Rothau (aus Reichsfonds = 801496 M. 
ausserdem durch Subventionen des 
Landes etc.) = 1469291 M. 

für Rieding -Remilly (aus Reichsfonds) = 8456106 M. 

für Colmar-Altbreisach (aus Reichsfonds = 1869298 M. 
ausserdem durch Subventionen des 
Landes etc.) = 768000 M. 

für Hülhausen-Mitte Rhein = 1004481 M. 

für St. Ludwig-Hüningen = 390329. M. 

Das gesamte vom Reiche aufgewendete Anlage-Kapital 
für die Eisenbahnen in Elsass-Lothringen betrug am 1. 
April 1878 zusammen 373484 637 M. 

Da die, gemäss Zusatz-Artikel 1 zum Frankfurter 
Friedensvertrage an die französische Regierung gezahlte 



— 420 — 

Kaufsumme von 325 Millionen frs. =260 Millionen Mark, 
die wirklichen Herstellungskosten der übernommenen 
Bahnen nachweislich um 91 433 428 M. übersteigt, — die 
Baukosten berechnen sich nach rohen Ermittelungen auf 
etwa 170000000 frs. — wird dieser Betrag zu Zwecken 
der vergleichenden Statistik von dem Gesamt-Anlageka- 
pital in Abzug gebracht und auf diese Weise das sogen, 
gekürzte Anlage-Kapital ermittelt. 

Die Entwickelung des Verkehres auf den 
Reichs- und Wi lhelm-Luxemburg -Bahnen 

bis 1878. 

Der Krieg von 1870/71, welcher den deutschen 
Stämmen die langersehnte Einheit brachte, hat auch auf 
das gesamte Verkehrs-, insbesondere das Eisenbahnwesen 
umgestaltend eingewirkt. Die politische Zersplitterung 
Deutschlands hatte seit der ersten Entwickelung des 
Eisenbahnwesens in einer bunten Vielgestaltigkeit auf 
diesem Gebiete ihren Ausdruck gefunden. Eine bedeu- 
tende Besserung war durch die Gründung des Nord- 
deutschen Bundes und durch die Verstaatlichung einer 
Anzahl von Privatbahnen in Preussen eingetreten, welcher 
ein allgemeines Vorherrschen des Staatsbahn - Systems, 
auch in Süddeutschland, gefolgt war. 

Reichs verfass un g vom 16. April 1871. 

Die Verfassung des deutschen Reiches vom 16. April 
1871, durch Gesetz vom 25. Juni 1873 in Elsass-Loth- 
ringen eingeführt, brachte eine allgemeine Regelung 
sämtlicher Verkehrs- Verhältnisse. 

Zunächst bestimmte dieselbe bezüglich des Eisenbahn- 
wesens in den Artikeln 41 bis 47 Folgendes : 

Artikel 41. Eisenbahnen, welehe im Interesse der 
Verteidigung Deutschlands oder des gemeinsamen Verkehrs 
für notwendig erachtet werden, können kraft eines Reichs- 
gesetzes auch gegen den Widerspruch der Bundesmitglieder, 
deren Gebiete die Eisenbahnen durchschneiden, unbe- 
schadet der Landeshoheitsrechte, für Rechnung des Reichs 
angelegt oder an Privat-Unter nehmer zur Ausführung 
concessionirt werden. 



— 121 — 

Jede bestehende Eisenbahn- Verwaltung ist verpflichtet, 
sich den Anschluss neu angelegter Eisenbahnen auf Kosten 
der Letzteren gefallen zu lassen. 

Artikel 42. Die Bundesregierungen verpflichten sich, 
die deutschen Eisenbahnen im Interesse des allgemeinen 
Verkehres wie ein einheitliches Netz verwalten und zu 
diesem Behuf auch die neuherzustellenden Bahnen nach 
einheitlichen Normen anlegen und ausrüsten zu lassen. 

Artikel 43. Es sollen demgemäss in thunlichster 
Beschleunigung übereinstimmende Betriebseinrichlungen 
getroffen , insbesondere gleiche Bahnpolizei-Reglements 
eingeführt werden. Das Reich hat dafür Sorge zu tragen, 
dass die Eisenbahn-Verwaltungen die Bahnen jederzeit 
in einem, die nötige Sicherheit gewährenden, baulichen 
Zustande erhalten, und dieselben mit Betriebsmaterial so 
ausrüsten, wie das Verkehrs-Bedürfnis es erheischt. 

Auf Grund der Artikel 42 und 43 sind vorn Bundesrate 
des deutschen Reiches einheitliche Normen für den Bau und 
die Ausrüstung der Eisenbahnen Deutschlands, ferner ein 
gemeinsames Bahnpolizei-Reglement vom 30. November 
1885, eine Bahnordiiung für Bahnen untergeordneter Be- 
deutung vom 12. Juni 1878, ferner die Signal- Ordnung 
für die Eisenbahnen Deutschlands vom 30. November 1885 
erlassen worden. 

Durch Gesetz vom 27. Juni 1873 wurde das Reichs- 
dsenbahnamt in Berlin errichtet. Dasselbe hat «das dem 
Reiche zustehende Aufsichtsrecht über das Eisenbahnwesen 
wahrzunehmen, für die Ausführung der, in der Reichs- 
verfassung enthaltenen Bestimmungen, sowie der sonstigen 
auf das Eisenbahnwesen bezughabenden Gesetze und 
Vorschriften Sorge zu tragen, und endlich auf Abstellung 
der hinsichtlich des Eisenbahnwesens hervortretenden 
Missstände und Mängel hinzuwirken.» 

Der Artikel 44 der Verfassung schreibt den Eisenbahn- 
Verwaltungen die Verpflichtung vor, die für den durchge- 
henden Verkehr und zur Herstellung ineinander greifender 
Fahrpläne nötigen Personenzüge mit entsprechender Fahr- 
geschwindigkeit, desgleichen die zur Bewältigung des Güter- 
Verkehres nötigen Güterzüge einzuführen, auch direkte 
Expeditionen im Personen- und Güter-Verkehre, unter Ge- 
stattung des Ueberganges der Betriebsmittel von einer auf die 
andere Bahn, gegen die übliche Vergütung einzurichten. 

Artikel 45. «dem Reiche steht die Kontrole über das 
Tarifwesen zu. Dasselbe wird namentlich dahin wirken : 



— 122 — 

1. dass baldigst auf allen deutschen Eisenbahnen 
übereinstimmende Betriebs-Reglements eingeführt werden ; 

2. dass die möglichste Gleichmässigkeit und Herab- 
setzung der Tarife erzielt, und zwar, dass zunächst 
thunlichst der Einpfennigtarif eingeführt werde. 

In Ausführung dieser Artikel ist vom Bundesrate das 
Betriebs-rReglement vom 11. Mai 1874 (an Stelle des Be- 
triebs-Reglements für den norddeutschen Bund) erlassen 
worden. 

Artikel 47. Den Anforderungen der Behörden des 
Reiches in betreff der Benützung der Eisenbahnen zum 
Zwecke der Verteidigung Deutschlands haben sämtliche 
Eisenbahn- Verwaltungen unweigerlich Folge zu leisten. 
Insbesondere ist das Militär und alles Kriegsmaterial zu 
gleichen ermässigten Sätzen zu befördern. 

In Ausführung dieses Artikels wurde das Reichsgesetz 
über die Kriegsleistungen vom 13. Juni 1873 und in der 
Folge die Kriegs-Transport-Ordnung vom 26. Januar 1887 
sowie die Friedens-Transport-Ordnung vom 11. Februar 
1888 erlassen. 

Auf Grund des Abschnittes VIII der Verfassung wurde 
auch durch das Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1875 
das Verhältnis der Eisenbahn zur Post geregelt und ersterer, 
ähnlich wie dies auch in Frankreich der Fall war, weitgehende 
Verpflichtungen der Post- Verwaltung gegenüber auferlegt. 
Das Zoll- und Handelswesen ist durch Abschnitt IV der 
Reichs Verfassung geregelt worden. Die Artikel 33 bis 40 
bestimmen, dass Deutschland ein Zoll- und Handelsgebiet, 
umgeben von einer gemeinschaftlichen Zollgrenze, bildet. 
Eingeschlossen ist auch das Grossherzogtum Luxemburg. 
Dem Reiche steht ausschliesslich die Gesetzgebung zu 
über das gesamte Zollwesen, über die Besteuerung des 
im Bundesgebiete gewonnenen Salzes und Tabaks, berei- 
teten Branntweines und Bieres und aus Rüben oder an- 
deren inländischen Erzeugnissen hergestellten Zuckers 
und Sirups u. s. w. 

Bereits durch das Vereinszollgesetz von 1869 waren 
die Durchfuhr- und Ausgangszölle aufgehoben worden, so 
. dass nur noch Eingangszölle auf Genuss- und Nahrungs- 
mittel, auf Luxus-Gegenstände, sowie industrielle Fabrikate 
und Halbfabrikate erhoben wurden. 



123 — 



Der Wagenraum- und Gewichts-Tarif. 

Bezüglich des Eisenbahn-Tarifwesens waren bereits 
vor dem Kriege Reformen vorbereitet worden. Als herr- 
schendes Tarif-System bestand das, anfangs bei allen 
Bahnen nach dem Vorbilde der Strassen- und Kanalbeför- 
derungspreise eingeführte Wertklassen-Svstem, welches je- 
doch mit der Zeit derart unübersichtlich geworden war, 
dass es zu häufigen Klagen von seilen des Publikums Ver- 
anlassung gab, andrerseits aber auch den einzelnen Kon- 
kurrenz-Gesellschaften eine bequeme Handhabe zu unre- 
eller Tarifpolitik bot. Diese Gründe, sowie der immer 
mehr hervortretende Wagenmangel, der hauptsächlich 
durch den Krieg noch verstärkt wurde, hatlen schliess- 
lich die Tariffrage zu einer immer dringenderen gestal- 
tet; Vereinfachung der Tarife, bessere Ausnützung der 
Betriebsmittel einerseits, und Konkurrenz, freies Spiel der 
Kräfte, andrerseits, waren die ruhenden Pole in dem Hin 
und Wider der Erörterungen. Die beiden ersten Mo- 
mente vereinigte der sogen. Wagenraumtarif, der in seiner 
reinen Form allerdings nur bei einer einzigen Bahn, «der 
Nassauischen», nach welcher er auch genannt wird, zur 
Einführung kam. Dieser Tarif kanpte nur Eilgut, Stück- 
gut, sperriges Gut und Wagenladungsgut (zu 5000 und 
zu 10000 kg) Das leitende Princip des Wagenraumsy- 
stems besteht in der Begünstigung einer tipöglichst guten 
Wagenausnützung, der Berücksichtigung der Selbstkosten 
der Eisenbahnleistung, der gleichmässigen Behandlung 
aller Güter, Vermeidung der Gruppirung der Güter nach 
ihrem objektiven Werte», (Rank) vor allen Dingen aber 
in der Vereinfachung des Tarifwesens. 

Elsass-Lohtringen, welches der Schauplatz der Kämpfe 
um die Einheit Deutschlands gewesen war, wurde auch 
das Versuchsfeld für ein einheitliches deutsches Tarif- 
system. Während des Krieges konnte von einer Zulass- 
ung des öffentlichen Verkehres nur in beschränktem Masse 
die Rede sein. Die Festsetzung der Beförderungpreise 
erfolgte unter den einfachsten Grundsätzen, indem für 
Stückgut 7 l / § Centimes pro Centner *und Meile, für Güter 
in Wagenladungen, in bedeckten Wagen 3 1 /* Gentimes 
pro Gentner Wagentragfähigkeit und in offenen Wagen 
2 l / 2 Gentimes erhoben wurden. 

Ueber die weitere Entwicklung des Tarifwesens in 



— 124 - 

Elsass- Lothringen berichtet der preussische Staats- Anzeiger 
in seiner Nr. 86 von 1871 Folgendes: «Diese hohen Sätze 
konnten selbstverständlich nicht länger beibehalten wer- 
den, zunächst kam in Frage, ob die früher bestandenen 
französischen Ostbahntarife wieder eingeführt oder die auf 
den deutschen Bahnen üblichen Frachtsätze, unter gleich- 
zeitiger Anwendung einer der deutschen Waaren-Klassi- 
fikationen, angenommen werden sollten. Beides schien 
misslich. Das französische-Ostbahn-Tarifsystem ist über- 
aus komplizirt und enthält eine Menge von Speziaisätzen 
für einzelne Gütersorten, resp. für einzelne Versand- und 
Bestimmungsorte, die anscheinend gewisse Verkehrszweige 
besonders zu begünstigen und den Verkehr auf gewisse 
Zentren hinzulenken bestimmt sind. Ein solches Tarif- 
system auch nur provisorisch wieder einzuführen, konnte 
nicht wohl angeraten werden. Aber auch einen der 
deutschen Tarife auf die elsass-lothringischen Bahnen 
überzuführen, glaubte man Anstand nehmen zu sollen. 
Bei der unzureichenden Kenntnis von den lokalen Be- 
ziehungen und Verkehrsbedürfnissen schien es bedenklich, 
ohne Weiteres mit einem für andere Verhältnisse berech- 
neten Tarif- und Klassifikationssystem vorzugehen .... 
Bei dieser Sachlage war es angezeigt, in dem neuen Tarife 
zunächst nur auf die Beseitigung der Härten und Un- 
gleichheiten der bisherigen Tarifsätze hinzuwirken, im 
Uebrigen aber in demselben sich an das bestandene, 
einfache Tarif^ystem bis auf Weiteres anzuschliessen. 
Ueberdies hatte sich dieses während seines kurzen Be- 
standes eine immer allgemeinere Anerkennung erworben 

demgemäss sieht der neue Tarif gleichfalls von 

einer Waaren-Klassifikation ab und enlhält neben einem 
treu eingeführten Satze für Eilgut, einen Tarifsatz für 
Einzelgut und zwei Tarifsätze für Wagenladungsgut (einen 
für Güter in gedeckten und einen für Güter in offenen 
Wagen). Den Anforderungen der Gerechtigkeit und Billig- 
keit entsprechend, sind dann die Sätze überall erheblich 
ermässigt und für die Wagenladung&sätze, weniger die 
mehr oder minder zufällig gegriffene Tragfähigkeit des 
Wagens, als vielmehr das Gewicht und der Rauminhalt 
des verladenen Gutes als entscheidend angenommen wor- 
den. Die Sätze sind in der Weise gebildet, dass neben 
einer festen Expeditions-Gebühr 

1. für Einzelgut 4 Cts. pro Zentner und Meile, und 
2. für Wagenladungsgut, a. in gedeckten Wagen 3 Cts. 



— 425 — 

pro Ztnr. und Meile für die ersten 100 Ztnr. und 2 Cts. 
für jedes weitere in demselben Wagen verladene Gewicht, 
b. in offenen Wagen 2 Cts, pro Zlnr. und Meile für die 
ersten 100 Ztnr, und 1 Cts. für jedes weitere Gewicht 
eingerechnet sind. Bei voller Ausnützung der Tragfähig- 
keit eines 200 Zentner-Wagens (und ein solcher darf 
heute als Normalwagen bezeichnet werden) kommt daher 
in bedeckten Wag-en in offenen Wagen 

für die ersten 100 Ztnr. ä 3 Cts. = 300 Cts. ä 2 Cts. = 200 Cts. 
> > zweiten 100 > a 2 » = 200 > a 1 » = 100 » 
für 200 Ztnr. 500 Cts. 300 Cts. 

mithin für 1 Zentner nnd pro Meile 2*/ 2 Cts., bezw. Vf % 
Cts., bei nicht voller Ausnützung der Tragfähigkeit, d. i. 
bei voluminösen Gegenständen ein verhältnismässig hö- 
herer Zentnersatz zur Erhebung. 

Neben dieser für Güter aller und jeder Art zur An- 
wendungkommenden, allen Geschäften und Industriezweigen 
gleichmässig zugutekommenden Tarifirung hat übrigens 
der sogen. Pfennigtarif als Ausnahme-Tarif Aufnahme 
finden können und müssen». 

Dieser Einpfennigtarif ist bekanntlich durch Artikel 45 
der Verfassung des deutschen Reiches vom 16. April 1871 
vorgeschrieben worden. Und zwar sollte «die mög- 
lichste Gleichmässigkeit und Herabsetzung der Tarife 
erzielt, insbesondere bei grösseren Entfernungen für den 
Transport von Kohlen, Koks, Holz, Erzen, Steinen, Salz, 
Roheisen, Düngungsmitteln und ähnlichen Gegenständen 
ein, dem Bedürfnis der Landwirtschaft und Industrie ent- 
sprechender, ermässigter Tarif, und zwar zunächst thun- 
lichst der Einpfennigtarif, eingeführt werden.» 

Artikel 46 schreibt vor, dass «bei eintretenden Not- 
ständen, insbesondere bei Teuerung der Lebensmittel, die 
Eisenbahn -Verwaltungen verpflichtet sind, für den Trans- 
port, namentlich von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten und 
Kartoffeln, zeitweise einen dem Bedürfnis entsprechenden, 
von dem Kaiser auf Vorschlag des Bundesrats- Ausschusses 
festzustellenden, niedrigen Spezialtarif einzuführen, welcher 
jedoch nicht unter den niedrigsten auf der betr. Bahn 
für Rohprodukte geltenden Satz herabgehen darf». 

Der Verk e hr. 

Nach dem Kriege war die Verkehrslage in Elsass- 
Lothringen eine äusserst ungünstige, denn der Hände. 



— 126 — 

und die Industrie hatten schwer gelitten. Hierzu gesellte 
sich für die Geschäftswelt die Befürchtung, durch die 
Herstellung der neuen Zollgrenze die alten und natürlichen 
Absatzgebiete in Frankreich zu verlieren. Die Geschäfts- 
welt von Elsass-Loth ringen, vertreten durch die Handels- 
kammern, wurde daher zu verschiedenen Malen bei der 
französischen Regierung vorstellig, dieselbe möchte eine 
Uebergangszeit von etwa 3 Jahren gewähren, während 
welcher die im Elsass hergestellten Waaren beim Ueber- 
gange nach Frankreich dieselben Vortheile wie die fran- 
zösischen geniessen sollten. Infolgedessen kam zwischen 
Frankreich und Deutschland die Konvention vom 12. Ok- 
tober 1871 zustande, nach welcher die französische Grenze 
bis zum 31. Dezember 1872 den elsässischen Produkten 
zu ermässigten Gebühren geöffnet blieb. Im Uebrigen 
wurde von einem grossen Theile der Geschäftswelt des 
Elsass, hauptsächlich des Ober-Elsass, der Anschluss an 
das deutsche Zollgebiet lebhaft begrüsst. 

Der neue Tarif für den Binnen-Güter-Verkehr, auf- 
gebaut auf dem Prinzipe des kombinirten Wagenraum- 
und Gewichtssystems, fand den Beifall der Bevölkerung 
und übte sehr bald einen günstigen Einfluss auf die Be- 
triebs-Ergebnisse der Bahn aus. Im Jahre 1872 wurden 
84064296,2 Zentner befördert, darunter 

641131,4 Zentner als Eilgut, 
1 527,2 » » Postgut, 
4307274,7 » » Stückgut, 
7206277,7 Zentner als Wagenladung, Klasse A, 
15436902,2 » » Wagenladung, Klasse B, 
53457 102,7 » » nach Spezialtarifen u. s. w. 

Die Gesamte-Einnahme, aus dem Güter- Verkehr belief 
sich auf etwa 15546516 M. Auf 1 km Bahnlänge ent- 
fallen hiervon durchschnittlich 102642 Zentner mit 18982 M. 
Einnahme; auf Elsass-Lothringen 18842 M. ; auf die 
Wilhelm-Luxemburg-Bahn 21 154 M. Der Binnen- Verkehr 
ergab eine Einnahme von etwa 64%, der direkte und 
durchgehende Verkehr 36% des Gesamt-Ertrages. 

In den direkten und durchgehenden Verkehren war 
die Einrichtung von einheitlichen Tarifen anfangs auf 
grosse Schwierigkeiten gestossen, da die übrigen Ver- 
waltungen sich schwer dazu entschlossen, irgend welche 
Abweichungen von ihren Tarifsyslemen zuzugestehen. Den- 
noch gelang es bald, direkte Tarife mit Belgien, Holland 



- 127 — 

und Norddeutschland zu vereinbaren. Der Kohlen- Verkehr 
aus dem Saargebiete, aus der Pfalz, dem Ruhrgebiete und 
Belgien wurde durch besondere Tarife zwischen den betr. 
Bahnen und Stationen von Elsass-Lothringen und Luxem- 
burg, sowie von Frankreich und der Schweiz begünstigt. 
Ausserdem bestanden Spezialtarife für Rohzucker von 
Prag nach Paris, fiir Rohtabak von Wien nach Paris, 
für Getreide, Hülsenfrüchte, Öelsaaten, Sämereien, Kar- 
toffeln in Säcken, für Bier, Schiefer, Erze, Roheisen in 
direkten und durchgehenden Verbindungen. 

Am 1. März 1872 erfolgte die Einrichtung eines 
südwestdeutschen Verbands-Güter- Verkehres, nachdem die 
Verwaltungen der Pfälzischen, der Hessischen Ludwigs-, 
der Königl. Saarbrücker Bahn und der Nassauischen Staats- 
bahn den kombinirten Gewichts- und Wagenraumlarif im 
Verkehre mit Elsass-Lothringen angenommen hatten, Die 
Beziehungen der Reichsbahnen erweiterten sich indessen 
immer mehr, sodass am 1. Juli 1872 der nordwestdeutsche 
und bald darauf der mitteldeutsche Verband zustande- 
kamen. Der Verkehr mit Frankreich erforderte zunächst 
die Einführung eines Umexpeditionstarifes. Leichter da- 
gegen gestaltete sich die Wiederanknüpfung der alten 
Handelsbeziehungen mit den belgischen und holländischen 
Seehäfen; bereits am 1. Oktober 1872 erfolgte die Ein- 
führung eines direkten Gewichts- und Wagenraumtarifes. 
Auf der Wilhelm-Luxemburg-Bahn Hess man es vorläufig 
noch bei den von der französischen Ostbahn eingeführten 
Tarifen bewenden, weil man von dem Verkehr der gen. 
Bahn jede mit einem Betriebswechsel zusammenhängende 
Störung hatte vermeiden wollen. 

Die mit dem 1. Januar 1872 auf den Reichsbahnen 
eingeführten Einheitssätze für die Personen-Beförderung 
betrugen pro Person und Meile 

für die I. Klasse Schnellzug 0,75 frs. 

» » II. » » 0,45 « 

» » I. » Personenzug 0,60 « 

» » II. » » 0,35 « 

» » III. » » 0,20 » 

Besonders diese Personen-Tarife übten einen uner- 
wartet günstigen Einfluss auf den Verkehr aus. 

Für die Hin- und Rückfahrt wurden keine Fahrpreis- 
Ermässigungen gewährt. Abonnemetitskarten gelangten 
mit zweimonatlicher Gültigkeit und einer Preisermässig- 



— 128 — 

ung von 25%, Schüler-Abonnementskarten bis zu sechs- 
monatlicher Gültigkeit zum Preise von 0,05 frs. pro 
Fahrt und Meile zur Ausgabe. Direkte Personen-Tarife 
wurden mit den meisten Nachbar- und deren Anschluss- 
bahnen vereinbart, ausserdem bestanden durchgehende 
Verkehre zwischen Stationen verschiedener deutscher 
und österreichischer Bahnen, sowie zwischen Constantinopel 
und Stationen der französischen Ostbahn bzw. London, 
ferner verschiedene Rundreise-Verkekre. 
Es wurden im Jahre 1872 im Ganzen befördert : 8 413 640 
Personen, 

davon entfallen auf I. Klasse 195113 » = 2,32% 

» .II. * 1533 641 )> = 18,23°/ 

» HL » 6 470 986 » = 76,91°/ 

» » » Militär 213 900 » = 2,54°/ 

Die Einnahme aus dem Personen -Verkehre betrug 
6 836037 M. 

Von der Gesamtzahl der beförderten Personen ent- 
fallen auf den Binnen- Verkehr 7 534740 Personen mit 
einer Einnahme von 5330 832 M., auf die direkten Ver- 
kehre 878 900 Personen mit 1505202 M. 

Die höchsten Ziffern wiesen der südwestdeutsche Ver- 
kehr über Forbach und Weissenburg, der süddeutsche 
Verbands-Verkehr und der Verkehr mit der französischen 
Ostbahn auf. 

Die gesamte im Betriebsjahre 1872 erzielte Ein- 
nahme aus dem Personen-, Gepäck- und Güter- Verkehre 
sowie aus verschiedenen anderen Quellen (Pachten, Mieten 
u. dgl. m.) betrug: 

auf der Reichsbahn auf der Wilh.-Luxembg.-Bahn 

rund 25197888 M. 1266132 M. 

Die Ausgabe betrug: 

für allgemeine Verwaltung (Reichsbahn) 1 255 440 M. rund 
» Bahn- » » 6195861 » » 

>* Transport- » » 11506326 » » 

zusammen : 18957 627 M. rund. 

Die Ausgabe der Wilh. -Luxemburg-Bahn ausschl. 
Pacht stellte sich auf rund 1398453 M. 



— 129 - 

Die Einnahme für die Reichsbahn mit 

25219341 M. angenommen 
Die Ausgabe mi t 19059 639 M . 

Ergiebt 6159702 M. Ueberschuss auf der 

Reichsbahn. 

Auf der Wilh. Luxemburg- Bahn betrug für die Zeit 
vom 16. September 1872 bis Ende Dezember desselben 
•Tf)hi*6S 

die Einahme = 1 271 514 M. 
die Ausgabe = 1 401 363 » 

129849 M. Minder-Einnahme. 

Die kilometrische Roheinnahme betrug rund 33000 M. 
Die französische Ostbahn hatte auf der Gesamtlänge ihres 
Netzes eine kilometrische Roheinnahme von rund 40000 frs. 
im Jahre 1869 erzielt, welcher Durchschnitt auch für die 
elsass-lothringischen Linien allein angenommen werden 
kann. Die kilometrische Ausgabe z. Zt. der französichen 
Ostbahn- Verwaltung betrug etwa 17000 frs., unter der 
deutschen Verwaltung etwa 24 000 M. 

Von den Ausgaben entfallen etwa 2 / 5 auf persönliche, 
1 I J auf Unterhaltung und Erneuerung der Bahnanlagen, 
1 / 5 auf Kosten des Bahn-Transports, l j A auf sonstige Kosten. 

Das Jahr 1873 hatte mit den günstigsten Aussichten 
begonnen, eine allgemeine Verkehrssteigerung war ein- 
getreten — da machten die ersten Einwirkungen der Geschäfts- 
krise sich bemerkbar, welche auf allen Gebieten des wirt- 
schaftlichen Lebens von Deutschland eingetreten war, nach- 
dem eine allzustarke Inanspruchnahme der Verbrauchskräfte 
des Landes diese erschöpft hatte. Im Anfange der siebenziger 
Jahre war eine ungeheure Expansion im Eisenbahnbaue 
eingetreten. Im Jahre 1873 erreichte dieselbe ihren Höhe- 
punkt. Die Längen-Zunahme des europäischen Eisenbahn- 
netzes betrug 1233 geogr. Meilen. In den nächsten Jahren 
trat alsdann ein plötzlicher Rückschlag ein, und 1875 
z. B. wurden nur 905 Meilen dem Verkehre übergeben. 
Dieselbe Erscheinung charakterisirt die Entwickelung der 
Eisenbahnen der übrigen Erdtheile. Unter diesem un- 
günstigen Einflüsse stand das wirtschaftliche Leben fast 
der ganzen Erde. 

Von dem allgemeinen Rückgange wurden hauptsäch- 
lich die luxemburgische Bergwerks-Industrie und der 
Güter- Verkehr auf den reichsländischen und luxem- 

9 



— 130 — 

burgischen Eisenbahnlinien betroffen. Die Eisen-Industrie 
in Luxemburg hatte derart zu leiden, dass von 23 Hoch- 
öfen im Jahre 1874 nur noch 9 im Jahre 1876 im Be- 
triebe waren. Infolge der günstigen Ergebnisse aus der 
ersten Hälfte des Jahres 1873 brachte dieses noch eine 
ganz bedeutende Mehr-Einnahme von etwa 5640000 M. 
gegen das Vorjahr, Die Zahl der beförderten Personen 
hatte um 1547385, die Einnahme aus dem Personen- 
Verkehre um etwa 700000 M. zugenommen. An Gütern 
wurden etwa 140 Millionen Zentner gegen 84 Millionen 
aus dem Vorjahre befördert, die Einnahme war von 
15546516 M. auf 21385641 M. gestiegen. Diese Steige- 
rung war hauptsächlich auf die Vermehrung der Trans- 
porte von Steinkohlen und von Gütern der übrigen 
Spezialtarife zurückzuführen, welche rund 45 Millionen 
Zentner mit einer Einnahme von 3 Millionen Mark gegen 
das Vorjahr betrug. 

Im Jahre 1874 fand eine allgemeine Erhöhung sowohl 
der Personen- als auch der Gütertarife statt, welche trotz 
des Verkehrs-Rückganges eine beträchtliche Steigerung 
der Einnahmen herbeiführte. Die Einheitssätze waren je- 
doch durchschnittlich noch etwas geringer als die der übrigen 
deutschen Bahnen. Imlntersse der notleidenden 'Bergwerks- 
Industrie wurden im folgenden Jahre Tarif-Ermässigungen 
für Kohlen-, Koks- und Erzbeförderung bewilligt. Die 
Personentransportpreise betrugen nunmehr für: 

I. Klasse Schnellzug 9,1 Pfg. 
IL » » 6,4 » 

I. » Personenzug 8,0 » 

II. d » 5,3 » 
III. » » 3,4 » 

(Seit April 1875 waren als Einheiten Kilometer und 
Mark eingeführt worden). Für Rückfahrkarten wurden 
besondere Ermässigungen gewährt. 

Während die Betriebs-Ergebnsise in den Jahren 1873 
bis 1878 starke Einbussen erlitten, halten sich indessen 
die Verkehrs-Beziehungen der Reichs-Eisenbahnen be- 
deutend erweitert. Dies sprechen am deutlichsten folgende 
Zahlen aus : Im Jahre 1872 betrug das Verhältnis der im 
Binnen-Verkehre zu den in den direkten Verkehren be- 
förderten Gütermassen 64°/ zu 36%, im Jahre 1877/78 
dagegen 34°/ zu 66 7 * und zwar hatte sich der Ver- 
kehr hauptsächlieh den deutschen Nachbarländern immer 



— 131 - 

mehr zugewandt. Die mit letzteren durch die Eisenbahn 
ausgetauschten Gütermengen beliefen sich in Versand und 
Empfang auf etwa 2 Millionen Tonnen, mit Frankreich 
etwa 650000, mit Belgien etwa 500000, mit der Schweiz 
150000 Tonnen. An dem internationalen, durchgehenden 
Verkehre nahmen die Reichsbahnen in hervorragendem 
Masse, mit 1244507 Tonnen theil. 

Was das finanzielle Ergebnis anbelangt, so belief 
sich das gesamte für die Reichseisenbahnen .in Elsass- 
Lothringen bis zum Schlüsse des Jahres 1875 aufge- 
wendete Anlage-Kapital auf 341212356 M., das gekürzte 
auf 252406128 M. Die Einnahme betrug in diesem Jahre 

35125008 M. 
die Ausgabe = 26562044 M. 

mithin der Ueberschuss = 8 562964 M. 

Das Anlage-Kapital hatte sich demnach mit 2,510% 
(das volle) bezw. 3,393°/ (das gekürzte) verzinst. Wenn 
von den Einnahmen und Ausgaben diejenigen der Wil- 
helm-Luxemburg-Bahn, welche darin enthalten sind, aus- 
geschieden, ferner die für die gepachteten Strecken be- 
zahlten Pachten, unter entsprechender Erhöhung des An- 
lage-Kapitals um die Bausumme dieser Bahnen, abgesetzt 
werden, so ergiebt sich eine Verzinsung des Anlage- 
Kapitals von 2,9% bezw. 3,9%. Im Jahre 1874 hatte 
die Verzinsung nur 1,438% bezw. 1,973% betragen. 
Sehr schwach war das finanzielle Ergebnis der Wilhelm- 
Luxemburg-Bahnen. Das Anlage-Kapital von 50 114082 M. 
verzinste sich bei einem Einnahme -Ueberschusse von 
1 105068 M. mit 2,1%. Werden von dem Ueberschusse 
diejenigen Beträge abgezogen, welche bestimmungsmässig 
in das Schuldkonto der Wilhelm-Luxemburg-Bahn einge- 
tragen wurden, so reduzirt sich die Verzinsungsziffer 
auf 1,2%. 

Dieser Umstand, sowie verschiedene andere Gründe 
wirkten ungünstig auf die Betriebs-Ergebnisse der Reichs- 
eisenbahnen ein. Zu diesen Gründen gehörten vor allem 
das ungewöhnlich grosse Anlage-Kapital, das ungefähr 
300000 M. pro km betrug, ferner die allgemein gedrückte 
Verkehrslage jener Zeit, die bedeutenden Betriebs - Aus- 
gaben, welche der Reichsbahn -Verwaltung nach dem 
Kriege erwachsen waren, endlich der Umstand, dass die 
genannte Verwaltung eine Menge von Nebenbahnen mit zu 
verwalten halte, welche geringe Einnahmen, theilweise 



— 132 — 

sogar Mehrausgaben zu verzeichnen hatten« Zu den letz- 
teren Linien gehörten Conrcelles-Teterchen, Diedenhofen- 
Fentsch, Metz- Aman weiler, Karlingen - Saargeraünd-Ha- 
genau, Strassburg-Lauterburg, Avricourt-Dieuze, Schlett- 
stadt-Markirch. Colmar-Münster, Bollweiler-Gebweiler und 
Lutterbach-Wesserling, Sennheim-Sentheim. Die Strecken 
mit den höchsten Einnahmen waren : Metz-luxemburgische 
Grenze und Metz-Forbach mit 25074 M. pro km, 
Strassburg-Avricourt » 25549 » » » 

Strassburg-Basel » 32231 » » » 

Mülhausen-Altmünsterol » 29586 » » » 

Der Reform-Tarif. 

Der in Elsass-Lothringen eingeführte und von der 
ganzen Geschäftswelt beifällig aufgenommene, kombinirte 
Wagenraum- und Gewichtstarif hatte sich inzwischen 
einen immer grösseren Anhängerkreis erworben. Nachdem, 
wie bereits erwähnt,- die belgischen und holländischen 
Häfen, und im Jahre 1872 auch die dem südwestdeutschen, 
nordwestdeutschen und mitteldeutschen Verbände angehö- 
renden Stationen im Verkehre mit der Reichsbahn, ferner 
im Jahre 1874 die pfälzischen und hessischen Bahnen im 
Binnen-Verkehre den genannten Tarif eingeführt hatten, 
waren in Anlehnung an denselben auch die bayerischen und 
württembergischen Bahnen zur Annahme eines neuen Tarif- 
Sy stemes geschritten, welches im Prinzipe den Raumtarif 
mit dem Wertklassen-Tarif durch Einrichtung von 3 
Güterklassen vereinigte. Eine Menge von Bahnen stand 
jedoch mit den elsass-lothringischen noch im Verkehre, 
welche den Raum-Tarif nicht angenommen hatten. Infolge 
der hierdurch verursachten Verschiedenheit in den Tarif- 
Verhältnissen wurde auf den preussischen Staatsbahnen 
zur Herbeiführung einer Vermittelung die Bildung eines 
gemischten, sogenannten Raum- und Wertklassen-Tarifes 
angeregt. Die übrigen norddeutschen Bahnen hatten 
hingegen aus Konkurrenz-Rücksichten an dem elastischeren 
Wertklassentarife festgehalten. So bestanden nebeneinander 
in Deutschland der elsass-lothringische Raumtarif, der 
norddeutsche Wertklassentarif, der bayerische und wür- 
tembergische gemischte Tarif, ausserdem ein vom 
Reichseisenbahn-Amt, und endlich ein von 40 deutschen 
Bahn- Verwaltungen vorgeschlagener, neuer Tarif. Eine 
Einigung wurde erst erzielt, als im Jahr 1876 nach ver- 



— 133 — 

geblieben Bemühungen von Seiten des Reiches der, aus 
Vertretern verschiedener norddeutscher und süddeutscher 
Bahnen gebildete Tarif-Verband sämtliche deutschen Ei- 
senbahn-Verwaltungen aufforderte, sich an den zur Ein- 
führung eines einheitlichen Tarifes einzuleitenden Ver- 
handlungen zu betheiligen. Infolgedessen wurde im Jahre 
1877 in einer Hauptversammlung die Einführung des 
deutschen Eisenbahn-Güter-Tarifes beschlossen. Derselbe 
schrieb für sämtliche deutschen Bahnen dasselbe Tarif- 
Schema bei verschiedenen, je nach den Verhältnissen 
festzusetzenden Einheitssätzen vor. 

Der am 1. Oktober 1877 in Elsass-Lothringen einge- 
führte Binnen-Güter-Tarif setzte sich aus folgenden Klassen 
zusammen : 



Allgemeine 
™ „ „.. . stück- Wagenladungs- 
Entfernungen. Eilgut. ö gut "- klasse. 


Spezialt&rife. 




AI B. A2 


I H. 


III 


A. Streckensätze für 1000 kg auf 1 km 


in Pfennig. 




bis 200 km . . 23 11,5 7,1 5,5 5,5 
von 201— 400km. 21 10,5 6,9 5,3 5,3 
über 400 km . 20 10 6,6 5,0 5,0 


4,5 3,5 
4,3 3,3 
4,0 3,0 


2,7 
2,5 
23 


B. Expeditions-Gebühren für 1000 kg in Pfennig. 




bis 25 km . . 240 120 120 80 80 
von 26—200 km. 300 150 150 100 100 
über 200 km .400 200 200 120 120 


80 80 
100 100 
120 120 


80 
100 
120 



Nach den allgemeinen Wagenladungsklassen A 1 und B 
werden hochwertige, nach den Spezialtarifen weniger 
wertvolle, in einem besonderen Verzeichnis aufgeführte 
Güter tarifirt. Speizaltarif I umfasst eigentliche Fabrikate, 
Spezialtarif II Halbfabrikate, Spezialtarif III Rohprodukte 
und Massengüter. Das in dem sogen. Reformtarif enthal- 
tene Wagenraumsystem charakterisirt sich dadurch, dass 
Güter, welche in Mengen von 5000 kg auf einen Fracht- 
brief und an einen Empfänger aufgegeben werden (bzw. 
wenn für solches Gewicht die Fracht bezahlt wird), nach 
A 1 bzw. A 2 bzw. Spezialtarif lila (der Satz von Sp.-T. II) 
und solche Güter, welche in Mengen von 10000 kg u. 
s. w. aufgegeben werden, nach B bzw. Spezialtarif I, II 
oder III tarifirt werden. 

Die aus Vertretern der deutschen Staatsbahnen und 
einiger Privat-Bahnen zusammengesetzte Tarif-Kommission, 
ferner der aus 13 Mitgliedern bestehende Verkehrs* Aus- 



- 134 — 

schuss beraten über die Tarif- Vorschriften und Klassifi- 
kationen und legen die aufgestellten Abänderungs-Enlwürfe 
der General-Konferenz der deutschen Eisenbahnen zum 
Beschlüsse vor. Auf diesem Wege ist der z. Z. gültige 
deutsche Eisenbahn-Güter-Tarif, Theil I, ferner der deut- 
sche Eisenbahn-Tarif für die Beförderung von Leichen, 
Fahrzeugen und lebenden Tieren, Theil I, herausgegeben 
worden. 

Seit 21. Oktober 1874 besteht in Elsass-Lothringen, 
zur Beratung gemeinschaftlicher Interessen des Verkehres 
und zur Vertretung derjenigen des Handelsstandes gegen- 
über der Eisenbahn-Verwaltung, der sogenannte Eisen- 
bahnausschuss. Die Anregung ging s. Z. von der Handels- 
kammer zu Mülhausen aus, hauptsächlich infolge der 
Erhöhungen, welche die Tarife der Eisenbahn verschiedent- 
lich erfahren hatten. Der Eisenbahn-Ausschuss besteht 
aus Mitgliedern der 4 Handelskammern zu Mülhausen, 
Colmar, Strassburg und Metz, aus Vertretern der Land- 
wirtschaft und der Industrie, ferner aus Mitgliedern der 
Eisenbahn-Verwaltung. Er tritt jährlich zwei Mal, zur 
Zeit der Feststellung der Eisenbahn-Fahrpläne zusammen. 
Der Zweck dieser Zusammenkünfte besteht in der Be- 
sprechung wichtiger Verwaltungs- Angelegenheiten , der 
Organisation des Betriebes, projektirter Reformen und 
der Tarif- Angelegenheiten, sowie der Vertretung der In- 
teressen des Publikums, sobald dieselben einen allgemeinen 
Charakter tragen. 



V. KAPITEL. 
Von 1878 bis 1806. 

"Weiter- Ausbau 
des Netzes und Erwerb von neuen Bahnen. 

Neubauten. 

Durch Gesetz vom 21. Mai 1877 wurden 6415000 M. 
für den Bau einer eingleisigen Eisenbahn von Völklingen 
und Bous nach Teterchen bewilligt. Diese Linie schloss 
sich an die bereits erbaute Strecke Gourcelles-Teterchen 



— 435 — 

an und stellte eine Verbindung der lothringischen Bahnen 
mit dem Kohlen-Gebiete von Hostenbach dar, wodurch 
siö von grosser Wichtigkeit für den Kohlenverkehr wurde. 
In strategischer Hinsicht halte sie durch die Herstellung 
einer neuen Verbindung Lothringens mit den Saarbrücker 
Bahnen Bedeutung. 

Bereits unter französischer Verwaltung war der Bahn- 
hof in Strassburg als unzureichend für die von Jahr zu 
Jahr sich steigernden Verkehrs Verhältnisse erkannt worden. 
Nachdem das Eisenbahnnetz nun immer weiter ausgebaut 
worden war, wurde die Herstellung eines neuen Bahn- 
hofes ein um so dringenderes Bedürfnis und war ver- 
schiedenemale von Seiten der Strassburger Handelswelt 
zum Gegenstande von Vorstellungen bei der Kais. Gene- 
ral-Direktion gemacht worden, welche sich übrigens auch 
schon bald mit neuen Entwürfen befasst hatte. Dieselben 
wurden im Jahre 1877 genehmigt, und nachdem auch 
das dazu vorgesehene Terrain in den Besitz der Eisen- 
bahn-Verwaltung übergegangen war, begann letztere im 
Mai 1878 mit dem Baue des neuen Bahnhofes von 
Strassburg. 

Durch Gesetz vom 8. Mai 1878 wurde die Summe 
von 9900000 M. für den Bau der Strecke Chäteau-Sa- 
lins-Saaralben bewilligt. Diese Bahn diente vor allem 
lokalen Interessen und war ferner in politischer Beziehung 
dadurch von Bedeutung, dass sie eine bessere Verbindung 
der Gegend von Chäteau-Salins mit dem deutschen Mutter- 
lande herstellte. Die Strecke sollte eingleisig ausgebaut 
werden. 

Durch dasselbe Gesetz war auch die Summe von 
3000000 M. für den Bau einer eingleisigen Bahn von 
Dieuze nach Bensdorf, ferner die Summe von 1785000 M. 
für die Herstellung der, für den Erz- und Kohlen-Verkehr 
aus dem Saar-Gebiet wichtigen , ebenfalls eingleisigen 
Linie Karlingen-Falk bewilligt worden. 

Durch Gesetz vom 9. Juli 1879 wurde die Summe 
von 4404 515 M. für den Bau der Linie Teterchen-Die- 
denhofen bewilligt. Gleichzeitig hatte das Land Elsass- 
Lothringen den gleichen Betrag, und der Bezirk sowie 
einzelne Gemeinden und Interessenten den Restbetrag zu- 
gesagt. Im Anschlüsse an die bereits erbaute Bahn von 
Sleinburg nach Buchsweiler war verwaltungsseitig das 
Projekt einer Fortsetzung dieser Linie nach Schweigbausen 
aufgestellt und dasselbe alsbald genehmigt worden. Letzt- 



— 136 — 

genannte Linie sollte auf alleinige Kosten des Landes, 
bezw. des Bezirkes erbaut werden. 

Ferner wurden für Rechnung der Landesregierung 
Vorarbeiten für eine Menge von neuen Bahnen gemacht, 
und zwar : 

1. von Neuweiler nach der pfälzischen Grenze über 

Meisenthal.. 

2. » Bitsch nach der pfälzischen Grenze südlich von 

Hornbach. 

3. » Bitsch nach Wimmenau. 

4. » Buchsweiler nach Saaralben. 

5. » Neuweiler nach Rieding bezw. Berthelmingen. 

6. » Beaudrecourt nach Delme. 

7. » Dieuze nach Vic. 

8. » Bollweiler nach Sennheim. 

9. » Burnhaupt nach Altmünsterol. 

10. » Gebweiler nach Bühl. 

11. » Sentheim nach Masmünster. 

Von diesen Linien konnten jedoch nur die unter 10 
und 11 genannten in Aussicht genommen werden. 

Ausserdem wurden eine Menge von Projekten über 
Erweiterungsbauten und Umänderungen von Bahnhöfen, 
sowie die Herstellung von Verbindungs-Kurven z. B. bei 
Saargemünd und Mülhausen, ferner über die Herstellung 
von zweiten Gleisen auf einzelnen Linien aufgestellt und 
genehmigt. 

Am 15. Mai 1878 erfolgte die Eröffnung der, bereits 
im Jahre 1873 genehmigten, eingleisigen Strecke Dieden- 
hofen — Sierck (22 km). Die Herstellungskosten hatten 
5247 204 M. betragen. Von den übrigen, durch die Reichs- 
gesetze von 1877 und 1878 genehmigten Eisenbahnlinien 
wurden dem Betriebe übergeben : 

Am 1. April 1880 Teterchen-Bous und 

» 1. April 1881 Wadgassen - Hostenbach bezw. Völk- 
lingen. 
Die ersten Herstellungskosten hatten 6 258 437 M. betragen. 
Am 1. Mai 1882 Dieuze-Bensdorf und Karlingen-Hargarten. 

» 1. November 1881 Buchsweiler-Schweighausen. 
Die letztgenannte Strecke ist aus alleinigen Mitteln des 
Landes und Bezirkes erbaut worden. Die Kosten hatten 
2128606 M. betragen. Die aus Reichsfonds erstattete 
Bausumme für Dieuze-Bensdorf und Karlingen-Hargarten 
belief sich auf 3509066 M. 



— 137 — 

Inzwischen waren durch das Reichsgesetz vom 24. Mai 

1881 die Mittel zum käuflichen Erwerbe der, der loth- 
ringischen Eisenbahn-Gesellschaft gehörigen Bahnstrecken 

t Saarburg-Saargemünd, Courcelles-Teterchen und Chäteau- 
Salins-Chambrey bewilligt worden. Am 1. Juli 1881 gingen 
die beiden erstgenannten, bis dahin pachtweise betriebenen 
Strecken, am 1. November desselben Jahres auch die, 
vorher von der französischen Ostbahn betriebene Strecke 
Chäteau-Salins-Chambrey mit Abzweigung von Burthe- 
court nach Vic in den Besitz des Reiches und den Betrieb 
der Kaiserl. General-Direktion über. Die Kaufsumme für 
alle drei Bahnen betrug zusammen 9 817564 M. 

Am 15. August 1883 erfolgte die Inbetriebnahme 
des neuen Bahnhofes von Strassburg für den Personen-, 
Gepäck- und Eilgut -Verkehr und am 24. September des- 
selben Jahres für den Güter- Verkehr. Am 25. September 
1884 wurde das Verwaltungsgebäude in Benutzung ge- 
nommen. Die gesamten Herstellungskosten für den Zen- 
tralbahnhof Strassburg beliefen sich auf etwa 14000000 M. 

Zur Ausbeutung der reichen Erzlager des Algringer 
Thaies hatten mehrere Erzconcessionäre auf ihre Kosten 
eine, 5 km lange, normalspurige Bahn von Hayingen bis 
zum Dorfe Algringen erbaut. Diese Bahn wurde im Juli 

1882 vollendet und von der Eisenbahn-Verwaltutig in 
Betrieb genommen. Am L September 1884 erfolgte die 
Eröffnung der Sekundärbahn Sentheim-Masmünster und 
am 15. Dezember 1884 die Eröffnung derjenigen von 
Gebweiler nach Lautenbach. Die Herstellungskosten, welche 
aus Mitteln des Landes gedeckt worden sind, betrugen 
504 433 Mk. bezw. 549242 M. 

Inzwischen hatte die Wilhelm-Luxemburg-Eisenbahn- 
Gesellschaft die Strecke Esch-D.-Oth Redingen fertiggestellt 
und die Kaiserl. General- Direktion den Betrieb auf der- 
selben am 1. November 1881 auf Grund des Vertrages 
vom 9. Januar 1877 übernommen. Die Esch-D.-Oth- 
Redinger-Bahn wird gegen Erstattung der Selbstkosten 
betrieben. 

Eine weitere Vermehrung der Betriebsstrecken erfuhr 
.die Reichsbahn-Verwaltung durch die Fertigstellung der 
Linie Oettingen-Rümelingen-Langenacker am 7. Mai 1884, 
derjenigen von Tetingen nach Langengrund und Kirch- 
berg, sowie der Verbindungskurve bei Nörzingen am 
29. September 1884. Diese Linien, welche im Gross- 
herzogtum Luxemburg gelegen sind, werden kurz unter 



— 138 — 

der Bezeichnung «Rümelinger Anschlussbahnen» zu- 
sammengefasst und auf Grund des mit der Wilhelm- 
Luxemburg- Eisenbahn-Gesellschaft abgeschlossenen Ver- 
trages vom 22/24. Oktober 1882 von der Reichsbahn-^ 
Verwaltung betrieben. Sie dienen hauptsächlich dem Erz-* 
verkehre. 

Die bereits im Jahre 1870 an die Schiltigheimer 
Aktien-Gesellschaft concessionirte und von dieser erbaute 
und betriebene Abzweigungsbahn von Strassburg nach 
Schiltigheim wurde im Jahre 1881 durch Vertrag vom 
12. Mai gegen die Kaufsumme von 250000 M. erworben. 
Sie dient nur" dem Güterverkehre. 

Durch die Reichsgesetze vom 30. März 1887, vom 
1. Juni 1887 und vom 26. März 1888 wurden die Mittel 
für folgende neue Strecken bewilligt und deren Bau an- 
geordnet : 

Hagendingen-Gross-Moyeuvre, normalspurige Sekundär- 
bahn, im Interesse des Erzverkehres, 

Weiterführung der Eisenbahn Strassburg-Rothau nach 
Saales. 

Buchsweiler-Ingweiler, normalspurige Sekundärbahn. 

Ferner wurden angeordnet durch Gesetz vom 4. 
' März 188£: Die Herstellung der normalspurigen Eisenbahn 

von Weilerthal nach Weiler, von Altkirch nach Pfirt, 

sowie der schmalspurigen Bahn von Colmar nach Markols- 

heim. Der Betrieb wurde eröffnet: 

Am 15. November 1888 auf der Strecke Hagendingen- 
Gross-Moyeuvre, 

» 16. Dezember 1889 auf der Strecke Buchsweiler- 
Ingweiler, 

» 1. Oktober 1890 Rolhau-Saales, 

» 3. November 1890 Horburg-Markolsheim, 

» 1. Oktober 1891 Weilerthal- Weiler, 

» 4. Januar 1892 Altkirch -Pfirt. 

Die ersten Herstellungskosten dieser Bahnen nach 
dem Stande vom 1. April 1893 betrugen für: 
Hagendingen-Gross-Moyeuvre 1378650 M. aus Reichs- 
fonds und 90500 M. aus Mitteln des Landes. 
Buchsweiler-Ingweiler 512089 M. aus Reichsfonds und 

170 975 M. aus Mitteln des Landes. 
Rothau-Saales 372931 M. aus Reichfonds und 950700 M. 
Subventionen des Landes. 



— . 139 — • 

Horburg-Markolsheim und Ankauf der Anscblusslin ie 

Horburg-Colmar 579225 M. aus Reichsfonds und 

350000 M. aus Landesmitteln. 
Weilerthal-Weiler 479161 M; aus Reichsfonds und 

208 000 M. Subventionen des Landes. 
Altkirch-Pfirt 1316521 M. aus Reichsfonds und 603099 M. 

aus Landesmitteln. 

Zweite Gleise sind hergestellt worden auf der Strecke 
Saargemünd-Berthelmingen, Courcelles-Teterchen, Har- 
garten -Wadgassen - Bous und Völklingen - Diedenhofen- 
Teterchen. Ausserdem wurden eine Verbindungsbahn 
von Lutterbach nach Mülhausen, von Laulerburg nach 
dem Rheinhafen, sowie die Verbindungskurve bei Saar- 
gemünd und endlich eine Reihe von Erweiterungsbauten 
auf verschiedenen Bahnhöfen : Saargemünd, Diedenhofen, 
Wadgassen, Luxemburg, Golmar und Mülhausen aus- 
geführt. 

Unter den, durch die Etats-Gesetze vom 1. Februar 
1890 und vom 22. März 1891 angeordneten Bauausfüh- 
rungen sind hauptsächlich zwei zu erwähnen, welche für 
die Verkehrs-Beziehungen, sowie die strategischen In- 
teressen des Reiches von der grössten Bedeutung waren. 
Um den immer grösser werdenden Anforderungen des 
Verkehres von Saargemünd und aus dem Saarkohlen- 
Revier nach dem Elsass Genüge zu leisten, war es nötig 
geworden, eine Entlastung für die zweigleisige Bahn 
Saargemünd-Berthelmingen, welche längst nicht mehr als 
ausreichend erkannt wurde, zu schaffen. Diesem Zwecke 
diente die projektive zweigleisige Bahn von Mommen- 
heim über Obermodern nach Saargemünd. Eine zweite, 
strategisch sehr wichtige zweigleisige Linie war die von 
Hagenau nach Röschwoog, wo dieselbe rechtsrheinisch sich 
in der Bahn nach Rastatt und Karlsruhe fortsetzt. Ausser- 
dem betrafen die oben erwähnten Gesetze die Herstellung 
von folgenden Linien: 

Walburg- Wörth , 

Saarburg- Albersch weiler mit Abzweigung von Ober- 
hammer nach Vallerysthal-Dreibrunnen, 
Merzweiler- Walburg-Selz, 
Schmalspurbahn Lützelburg-Pfalzburg, 
Münster-Metzeral. 
Eröffnet wurden : 

Am 1. Dezember 1891 Walburg- Wörth, 



■— 140 — 

Am 4. Januar 1892 Saarburg- Alberschweiler, 
Am 1. Juni 1891 ging die Schmalspurbahn Lützel- 
burg-Pfalzbnrg durch Kauf in das Eigentum des Reiches 
über. .Die Ankaufsumme- einschl. erste Instandsetzungs- 
kosten, betrug 292313 M. 
Ferner wurden eröffnet : 

Am 1. Juni 1892 Oberhammer -Vallerysthal - Drei - 
brunnen. 

Am 1. November 1893 Merzweiler-Walburg-Selz. 
* 1. » » Münster-Metzeral. 

» 1. Mai 1895 Hagenau-Roppenheim -Mitte Rhein. 
» 1. » » Mommenheim-Saaralben. 
» 1. Oktob. » Kalhausen-Saargemünd. 
Die bis zum 1. April 1896 auf diese Linien verwen- 
deten Bausummen u. s. w. betrugen : 
für Walburg -Wörth 182668 M. aus Reichsfonds und 

537000 M. aus Landesmitteln, 
für Saarburg-Alberschweiler mit Abzweigung von Hessen 
nach Vallerysthal 1 094524 M. aus Reichsfonds und 
1 131 646 M. aus Landesmitteln, 
für Merzweiler-Selz 2472 548 M. aus Reichsfonds und 

1566225 M. aus Landesmitteln, 
für Münster-Metzeral 666761 M. aus Reichsfonds und 

258445 M. aus Landesmitteln, 
für Hagenau-Röschwoog 2 451 067 M. aus Reichsfonds, 
für Mommenheim-Saargemünd- Saaralben 21117 876 M. 
aus Reichsfonds und 3 732670 M. aus Landesmitteln, 
für Rösch wog-Roppenheim-Milte Rheinbrücke 2 984 516 M. 
aus Reichsfonds. 

Die durch das Etats-Gesetz vom 26. März 1893 ge- 
nehmigte Bahn von Wingen nach Münzthal -St. Louis, die 
Erweiterung des Bahnhofes Mülhausen-Nord und Verbin- 
dung mit Mülhausen-Wanne sind der Vollendung nahe. 
Zweite Gleise sind noch auf den Strecken Bensdorf-Saar- 
alben, Hagenau - Obermodern , Saaralben - Obermodern , 
Diedenhofen-Sierck und Hargarten-Beningen-Saargemünd 
hergestellt worden. Die dafür verausgabten Summen be- 
liefen sich auf etwa 11 Millionen Mark. 

Neue Bewilligungen und Entwürfe. 

Durch Gesetz vom 31. März 1897 sind die Mittel 
für die folgenden Bauausführungen aus Reichsfönds be- 
willigt worden : 



— 141 — 

1. Bau einer Eisenbahn von Masmünster nach Se wen 
(1048500 M.) 

2. Bau einer Eisenbahn von Wörth nach Lembach 
(481 200 M.) 

Beide Bahnen dienen lokalen Interessen. 

3. Bau einer Eisenbahn von Oberhofen nach Bisch- 
weiler (590 000 M.), militärisch wichtige Verbindung, der 
Strecke Röschwoog-Hagenau mit derjenigen von Venden- 
heim nach Bischweiler, als Abkürzung der alten, über 
Hagenau führenden Linie. 

4. Bau einer Eisenbahn von Busendorf nach Dillingen 
(8 571 000 M.) Diese Bahn dient sowohl strategischen als 
auch vornehmlich wirtschaftlichen Zwecken. Eine beträcht- 
liche Subvention wird von der Firma Gebr. Stumm in 
Neunkirchen bewilligt. Die Bahn, welche noch insofern 
besonderes Interesse bietet, als dieselbe infolge der un- 
günstigen Boden -Verhältnisse bedeutende Herstellungs- 
kosten verursachen wird, soll von der Reichsbahn -Ver- 
waltung bis nach dem, auf preussischem Gebiete liegenden 
Endpunkte Dillingen (Strecke Saarbrücken-Trier) gebaut 
werden. 

5. Bau einer Eisenbahn von Lauterburg nach 
Weissenburg (1509000 M.) Dieselbe dient lokalen In- 
teressen. 

6. Bau einer schmalspurigen Eisenbahn von Boll- 
weiler nach Ensisheim und Colmar (1589000 M.) Dieselbe 
vermittelt eine direkte, schmalspurige Eisenbahn-Verbin- 
dung von Mülhausen überEnsisheim, Colmar, Markolsheim 
nach Sirassburg, von welcher nur die Strecken Strassburg- 
Markolsheim und Mülhausen-Ensisheim im Privatbesitze 
sich befinden. 

Ferner wurden durch dasselbe Gesetz die Mittel be- 
willigt zur Anlage von zweiten Gleisen auf den Strecken 
Kaihausen - Saargemünd, Strassen-Bartringen - belgische 
Grenze bei Bettingen und Oetringen-preussische Grenze 
bei Wasserbillig mit zusammen 2 724 000 M. 

Pojektirt ist die Herstellung eines zweiten Gleises 
auf der Strassburg-Lauterburger Linie, sowie der Bau 
einer dem engeren Verkehre dienenden Bahn von Gross- 
Hettingen nach Entringen, welche von der Reichsbahn- 
Verwaltung auf Kosten der Firma Gebr. Stumm erbaut 
werden soll, ferner eine direkte Verbindung von Fentsch 
mit Deutsch-Oth. Von grösserer Bedeutung ist das Pro- 
jekt einer Eisenbahn von Chäteau-Salins nach Metz. 



— 142 — 

Den Reichsbahnen steht demnach eine bedeutende 
Erweiterung bevor, welche den verschiedensten, sowohl 
politischen, als auch kommerziellen und industriellen In- 
teressen Rechnung trägt, und für welche bedeutende 
Summen aus Reichsmitteln, beträchtliche Zuschüsse des 
Landes und von Interessenten aufgewendet werden 
müssen. 1 

Das Bahnnetz von Elsass-Lothringen hatte am 1. 
April 1896 eine Länge von 1595 km ; Zweigleisige Haupt- 
bahnen waren vorhanden mit einer Gesamtlänge von 
829 km, ^eingleisige Hauptbahnen mit zusammen 421 km, 
eingleisige Nebenbahnen mit 317 km und Schmalspur- 
bahnen mit 28 km. An den dein Reiche eigentümlich 
gehörigen Bahnen sind 192 Bahnhöfe, 101 Haltestellen 
und 95 Haltepunkte gelegen. 

Das Eisenbahnnetz im Grossherzogtum Luxemburg, 
soweit dasselbe die der Luxemburger Eisenbahn -Gesell- 
schaft gehörigen und von der Reichsbahn-Verwaltung 
betriebenen älteren Linien betrifft, hatte eine Länge von 
174 km, darunter 17 km zweigleisig. 

Die Esch-Oth-Redinger Bahn, welche ebenfalls der 
genannten Gesellschaft gehört uud von der Reichsbahn- 
Verwaltung auf Rechnung der Eigentümerin betrieben 
wird, hat eine Länge von 12 km. 

Die Strecke Ulfingen-St. Vith, 7 km lang, ist seitens 
der Wilhelm-Luxemburg-Eisenbahn -Gesellschaft an die 
Königliche Eisenbahn-Direktion zu Köln verpachtet. Die 
Rümelinger Ansschlussbahnen haben eine Länge von 13 km 
und werden von der Reichsbahn-Verwaltung pachtweise 
betrieben. 

Eine einzige Linie, diejenige von Saargemünd nach 
der preussischen Gr.enze = 1 km, ist verpachtet, und 
zwar an die Königliche Eisenbahn-Direktion St. Johann- 
Saarbrücken. Gepachtet ist noch die Strecke St. Ludwig- 
schweizerische Grenze bei Basel (4 km) von der Schweizer 
Gentralbahn. Die Gesamtlänge der für Rechnung des 
Reiches betriebenen Bahnstrecken betrug am 1. April 
1896 = 1583 km vollspurige und 28 km schmalspurige 
Bahnen. 

Hauptbahnen, d. h. solche Bahnen, welche nach der 



1 Während des Druckes dieser Schrift hat die landespolizeiliche 
Abnahme, nnd am 2]. Juli die Eröffnung der Bahn von Wingen nach 
Münzthal-St. Lonis stattgefunden. 



— 143 — 

Betriebs-Ordnung für die Eisenbahnen Deutschlands be- 
trieben werden, sind in Elsass-Lothringen 1250 km, 
Nebenbahnen, betrieben nach der Bahnordnung für Bahnen 
untergeordneter Bedeutung, 317 km. 

Ausserdem befinden sich in den Reichslanden noch 
folgende, verschiedenen Privat-Gesellschaften gehörigen 
Bahnen im Betriebe : 

Rappolts weiler Stadt bis zum Bahnhofe (4 km), 

Die Schmalspurbahnen Mülhausen-Ensisheim und 
Wittenheim bezw. Pfastatt, Golmar-Schnierlach, Colmar- 
Winzenheim, Strassburg-Truchtersheim, Strassburg-Mar- 
kolsheim mit Abzweigungen nach Erstein und Rheinau 
(zusammen 129 km). 

In den Städten Strassburg, Metz und Mülhausen 
sind Strassenbahnen im Betriebe. 

Die 12 km lange Strecke Saargemünd-bayerische 
Grenze gehört der Pfalzbahn und wird von derselben 
betrieben. 

Entwickelung des Verkehres 
von 1878 ab und die heutige Verkehrslage. 

Ende der Krisis. 

War die Verkehrslage der Jahre 1873 bis 1877 unter 
dem ungünstigen Einflüsse einer andauernden Krisis aller 
wirtschaftlichen Verhältnisse gestanden, so hatte das Jahr 
1878/79 keine Besserung, zum Theil jedoch nur eine Ver- 
schlechterung gebracht. In diesem Jahre war bekanntlich 
der grosse wirtschaftliche Niedergang an seinem tiefsten 
Punkte angelangt. Ein Ereignis, wie die Pariser Welt- 
Ausstellung, konnte natürlich nur eine vorübergehende 
Belebung des Verkehres hervorrufen. 

In der That hatte die Ziffer der Personen-Frequenz 
eine merkliche Erhöhung erfahren. Der Güter- Verkehr 
dagegen war wenig, und in schlechtem Verhältnis zur 
Zunahme des Eisenbahnnetzes gestiegen. Weitere Er- 
mässigungen wurden auch in diesem Jahre zugunsten 
der notleidenden Eisen- und Montan-Industrie von Loth- 
ringen und Luxemburg gewährt. Auch die sonst so 
blühende Industrie des Elsass hatte während der letzten 
Jahre starke Einbusse erlitten. Die Baumwollproduction 
war infolge einer allerwärts fühlbaren Stagnation in 



— 444 — 

der Nachfrage bedeutend zurückgegangen, verschiedene 
Tuchfabriken, besonders im Unter-Elsass, hatten seit 
längerer Zeit den Betrieb eingestellt. 

Mit dem Jahre 1879 brach eine neue Aera für das 
Verkehrsleben an. Sowohl der Personen- als auch der 
Güter-Verkehr hatten eine bedeutende Steigerung bezüg- 
lich der transportirten Personen und Gütermengen und 
der erzielten Einnahmen aufzuweisen. Diese günstige 
Verkehrslage war auf den neuen Aufschwung von Handel 
und Industrie zurückzuführen. Besonders die unter dem 
Drucke der Verhältnisse einst sehr geschwächte Erz- 
und Eisenproduktion von Lothringen und Luxemburg 
war in stetem Zunehmen begriffen. Die Berichte über 
die Industrie im Elsass lauteten von Jahr zu Jahr günsti- 
ger. Die Woll-Spinnereien standen theilweise einer derart 
vermehrten Nachfrage gegenüber, dass sie kaum imstande 
waren, derselben zu genügen. So hatte z. B. die Zahl 
der Spindeln in Deutschland sich von 1879 bis 1882 um 
etwa 200000 erhöht. Die Maschinen-Fabrikation im El- 
sass war in voller Thäligkeit begriffen und wurde be- 
sonders auch von den französischen Eisenbahn-Gesellschaf- 
ten stark in Anspruch genommen. Die Folge davon waren 
natürlich umfangreichere Beschaffungen 'aller Arten von 
Roh- und Brennmaterialien. Die Stahlwaaren-Fabrikation 
stand unter dem andauernd günstigen Einflüsse einer 
bedeutenden Nachfrage aus Frankreich, der Schweiz und 
Belgien. Die Rohmaterialien wurden hauptsächlich aus 
Schweden (Eisen) und England (feiner • Stahl) beschafft. 

Schutzzoll oder Freihandel. 

Vorübergehend günstig waren die neuen Zolltarife von 
1879 für die meisten Industriezweige. Der im Jahre 1879 
eingeführte Zolltarif beruht bekanntlich auf dem Schutzzoll- 
system. Die Tendenz desselben besteht in der Beschützung 
der inländischen Produktion, oder vielmehr einzelner 
Zweige derselben, vor der ausländischen Konkurrenz. Die- 
ser Zweck wird erreicht durch die Erhebung hoher Abgaben 
auf die Produkte der letzteren beim Eingange in das be- 
treffende Gebiet. Der Schutzzoll ist im wahren Sinne 
des Wortes eine national-egoistische Massregel, aber auch 
als solche nicht unbedingt zu rechtfertigen. Dem Schutz- 
zoll gegenüber steht der Freihandel (free-trade), welcher 



— 145 — 

jede künstliche Beschränkang des Verkehres verwirft. 
Durch den Freihandel wird das Interesse der Konsu- 
menten geschützt, da dieselben ihre Waaren überall dort 
sich beschaffen können, wo es ihnen am vorteilhaftesten 
erscheint. Schwerlich aber wird Jemand dem Volke be- 
greiflich machen, dass es in seinem Interesse liege, im 
Lande teurer zu kaufen, was im Auslunde billiger und 
manchmal auch wohl besser, erhältlich ist. Nun predigt 
die Schutzzolltheorie den Schulz der nationalen Arbeit, 
indem sie andererseits den Konsumenten der Willkür ge- 
winnsüchtiger Produzenten und Händler preisgiebt. Kon- 
sumtion ist aber schliesslich doch das Endziel und der einzige 
Zweck der Produktion, Konsumtion daher auch der Brenn- 
punkt aller wahren wirtschaftlichen Interessenvertretung. 
Vom Standpunkte der Weltwirtschaft, beruhend auf dem (eth- 
ischen) Gefühle der Solidarität der gesamten Kulturwelt, 
— und die Eisenbahnen haben gerade das Verdienst, den 
kosmopolitischen Geist gefördert zu haben — ist nur der 
Freihandel gerechtfertigt. Dem Geiste des unduldsamen 
Mittelalters mochte es entsprechen, wenn der Kaufmann, der 
in ein fremdes Gebiet kam, wenn das befrachtete Schiff, 
das in einen fremden Hafen einlief, mit hohen Abgaben 
beschwert wurden, wie denn auch die Schutzzoll-Politik 
dem Gebahren der venetianischen und genuesischen 
Häfen im Mittelalter entsprungen ist. Heute ist es ein 
erstes Erforderniss, dass der Verkehr durch keinerlei 
starre Schranken gehemmt werde. «Wir stehen im Zei- 
chen des Verkehres, er durchbricht die Schranken, welche 
die Völker trennen.» Erfreut sich die Kulturwelt nicht 
zweier bedeutenden Errungenschaften auf dem Gebiete 
des Verkehres, der Segnungen des Weltpostvereines und 
des Internationalen Uebereinkommens über den Eisenbahn- 
Frachtverkehr ! 

Die Lehren des grossen Schotten Adam Smith, des 
eigentlichen Begründers der Freihandelstheorie, beruhend 
auf dem wirtschaftlichen Gesetze der Arbeitsteilung, sind 
nicht veraltet, haben vielmehr durch die Eisenbahnen nur 
erhöhte Gültigkeit erlangt. «Der freie Austausch der Güter 
fördert das Wohl der Individuen, wie das der Völker, 
indem dieselben auf dasjenige Gebiet der Produktion ver- 
wiesen werden, welches ihnen speziell eigentümlich ist. 
Der Schutzzoll führt leicht eine Ablenkung auf andere, 
der Natur der Landes nicht oder weniger entsprechende 
Erwerbszweige herbei,» Sicherlich aber schützt sich die 

10 



— 146 — 

Industrie am besten selbst, welche in sich die mächtigen 
Mittel zur Entfaltung findet. Eine Unterstützung von 
aussen her wird meistens nur den Erfolg künstlicher 
Flügel verleihen können. Es kann dabei wohl nicht ver- 
kannt werden, dass z. Zt. ein massiger Schutzzoll wohl- 
thätige Wirkungen auf eine vorübergehend geschwächte 
Industrie ausüben wird, wohlverstanden unter dem Ein- 
flüsse unserer heutigen, noch unfreien wirtschaftlichen 
Verhältnisse. 

Der grösste Fehler des Schutzzolles besteht darin, 
dass die Thatsache vollständig verkannt wird, dass 
schliesslich kein Volk auf sich allein angewiesen sein 
kann, dass daher der Schutzzoll sehr bald Gegenmass- 
regeln des Gegners hervorrufen wird. Die Schutzzollbari- 
kaden könnten aber leicht einmal den ganzen Weltmarkt 
verbarrikadiren. Ein hohes Moral-Gebot im wirtschaft- 
lichen Leben der Völker ist die Anerkennung der Inter- 
essen der Weltwirtschaft. Auch die Zollkriege wird Nie- 
mand als einen wünschenswerten Ersatz für die immer 
mehr im Schwinden begriffenen Waffenkriege ansehen. In- 
dessen will ich diese kurze freisinnige Betrachtung mit den 
Worten schliessen, welche Gladstone im Jahre 1867 der 
Gesellschaft für politische Oekonomie im Paris zurief: 
«Auf der Bahn des Freihandels gilt, was auf derjenigen 
der Tugend gilt: Der Anfang ist am schwersten, die 
letzten Schritte sind die segensreichsten. Streben wir dar- 
nach, die Schutzzölle bis zur letzten Spur zu entfernen 
und dafür die reinen Finanzzölle aufrechtzuerhalten, welche 
eine wahre Quelle nützlicher Einkünfte bilden! 

Ein für Elsass-Lothringen wichtiger Industriezweig, 
die Bierfabrikation, hatte sich seit einer Reihe von Jahren 
immer ungünstiger gestaltet und hauptsächlich der Bierpro- 
duktion der übrigen süddeutschen Staaten mehr und mehr 
weichen müssen. Die Gründe für diese Thatsache liegen 
in der bedeutenden Zollerhöhung auf Bier von Seiten Frank- 
reichs, woselbst sich diese Industrie infolgedessen in be- 
trächtlichem Masse entwickelte, ferner in der wachsenden 
Bedeutung der aus Bayern und Baden eingeführten Biere. 
Von den thatsächlichen Verhältnissen geben folgende Zah- 
len ein Bild : 

Im Jahre 1872 betrug die Produktion 812454 hl, 
die Ausfuhr 206 257 hl, die Einfuhr aus deutschen Staa- 
ten 51808 hl Bier. 

Im Jahre 1895 betrug die Produktion 996775 hl, 



— 147 — 

die Ausfuhr nur noch 30421 hl, die Einfuhr dagegen 
315565 hl. 

Die im Allgemeinen günstige Lage des Handels 
and der Industrie des Landes hatte die Verkehrs-Verhältnisse 
vortheilhaft beeinflusst. Eine bedeutende Vermehrung der 
Transporte brachte die, am 1. Juni 1882 stattgehabte Be- 
triebseröffnung der, zum Netze der Gotthardbahn gehöri- 
gen Strecke Luzern-Chiasso. Durch dieselbe hatte der 
Verkehr zwischen Deutschland, Belgien, Holland, sowie 
England einerseits und Italien andererseits einen neuen, 
kürzeren Weg gefunden. Mit der Eröffnung der Gott- 
hardbahn ist ein Werk von hervorragender Bedeutung 
für den Welthandels- und internationalen Völker- Verkehr 
zum Abschlüsse gelangt, mit dessen Ausführung unge- 
heuere finanzielle und technische Schwierigkeiten ver- 
knüpft waren. Das grosse Interesse, welches Deutsch- 
land im Hinblick auf den zu erwartenden Aufschwung 
des Verkehres mit Italien und den Häfen des Mittelmeeres 
an dem Unternehmen hatte, bekundete sich hauptsäch- 
lich durch den bedeutenden Kosten-Beitrag, welcher zu- 
sammen 30000000 frs. betrug. Der auf die Elsass- 
Lothringische Bahn entfallende Antheil war zunächst auf 
2717 000 frs. festgesetzt, wovon 315000 frs. erstmalig im 
Etat für 1873 ausgeworfen waren. Technisch interessant ist 
besonders der Gotthard-Tunnel, welcher, z. Zt. der grösste 
der Erde, eine Länge von 14 920 m hat. Mit dem 26. 
Juli 1882 wurde bei der Kaiserlichen General-Direktion 
das Verbandsabrechnungsbureau für den deutsch-italieni- 
schen Verkehr eingerichtet. 

Im Eetriebsiahre 1883/84 betrug die Betriebslänge 
der Bahn nach dem Jahresdurchschnitt 1462 km. 

Es wurden 11758092 Personen befördert, darunter 
260610 in I. Klasse, 1977157 in IL Klasse, 9238872 
in III. Klasse und 281 453 auf Militärbillet. Ferner wur- 
den befördert: 

25839 Tonnen Reisegepäck 
45616 » Eilgut 
365826 » Stückgut 
8574172 » Frachtgut in Wagenladungen. 

Das gesamte, zur Beförderung gelangte Frachtgewicht 
betrug 9643 484 Tonnen. 

Die Einnahme aus dem Personen-Verkehr belief sich 
auf 9893635 M., davon entfallen auf I. Klasse 11,76 °/ , 



— 148 - 

auf II. Klasse 30,81 °/ , auf III. Klasse 55,41 %, auf 
Militär 2,02 °/ . Auf ein Kilometer Bahnlänge sind an 
Personen-Fahrgeldern durchschnittlich 6776JM. eingenom- 
men worden. Auf die elsass-lothringischen Linien entfallen 
hiervon 7077 M., auf die Luxemburg-Bahn 4557 M. pro 
km. Im Binnen- Verkehre Elsass-Lolhringens und Luxem- 
burgs wurden 9 655307 Personen, im Verkehre mit 
Deutschland, Belgien, Frankreich und der Schweiz 
2055261 Personen, im Durchgangs-Verkehre 47 524 Per- 
sonen befördert. 

Nach der Zahl der zu- und abgegangenen Personen 
ordnen sich die Stationen wie folgt : 

Strassburg mit 2125012 

Mülhausen » 1692432 

Metz » 1224584 

Colmar, Luxemburg, Saargemünd, Diedenhofen, Schlett- 
. Stadt, Novöant, Zabern, Hagenau, Basel, Altmünsterol, 
Weissenburg, D. Avricourt, Habsheim, Zillisheim, Rix- 
heim, Devant-les^Ponts mit über 200 000 Personen. 

Besondere Erwähnung verdient als spezifisch süd- 
deutsche Verkehrs-Einrichtung die seit dem 1. Oktober 
1883 in Elsass-Lothringen und Luxemburg eingeführte 
Expressgutbeförderung, umsomehr, als dieser Verkehrs- 
zweig an Bedeutung gewinnt und in mancher Hinsicht 
der Postpacketbeförderung wirksame Konkurrenz bietet." 
Als Expressgut werden solche Güter abgefertigt, welche 
sich zur Beförderung im Packwagen eignen, aber nicht 
als Reisegepäck zur Aufgabe gelangen. Die Abfertigung 
geschieht auf Beförderungsschein. Als Expressgut werden 
angesehen alle bei Gepäckabfertigungsstellen zur Beför- 
derung aufgegebenen Gegenstände, sofern sie nicht 

1. unter die in § 50 der «Verkehrs-Ordnung für die 
Eisenbahnen Deutschlands » verzeichneten Gegenstände 
fallen (d. h. solche, die dem Postzwange unterworfen sind, 
oder solche, deren Beförderung aus Gründen der öffent- 
lichen Ordnung verboten ist, alle der Selbstentzündung, 
Explosion unterworfenen oder nur bedingungsweise zur 
Beförderung zugelassenen Gegenstände, ferner Gold, Silber, 
Geld, Edelsteine, Gemälde u. dgl. m.) 

2. einer zoll- oder steueramtlichen Behandlung un- 
terliegen, 

3. ein Gewicht von 100 kg. übersteigen, 

4. wegen des dafür nötigen Raumes, oder weil die 



— 149 — 

Verladung besonders schwierig erscheint, zur Beiladung 
im Gepäckwagen nach bahnseitigem Ermessen ungeeig- 
net sind. 

Die Beförderung des Expressgutes geschieht mit allen 
Personenzügen, während die Postpacketbeförderung auf 
bestimmte Züge beschränkt ist. Hierin liegt ein nicht zu 
unterschätzender Vortheil der Expressgut-Abfertigung, da 
auf diese Weise die Ankunftszeit des Gutes vom Versender 
genau vorher berechnet werden kann. Die Fracht beträgt 
für 5 kg. und 1km 0,25 Pfg. (Minimaltaxe 0,30 M. Auf- 
rundung von 5 zu 5 kg). Expressgut stellt sich nament- 
lich dann billiger als Postgut, wenn es sich um geringe 
Entfernungen und grössere Gewichtsmengen handelt ; z. B. 
kosten 50 kg Expressgut für 50 km. 1,30 M., Postgut 
dagegen 2,25 M. 

Dem Expressgut-Verkehr sind nach und nach die 
badische, pfälzische, hessische Ludwigs-, Main-Neckar-, 
württembergische und bayerische Bahn beigetreten. 

Die Gesamt-Einnahme aus dem Güter- Verkehre betrug 
für 1883/84 322 54 657 M. 

Davon entfallen auf Eil- und Expressgut 948 467 M. 

» » » Stückgut 3556969 » 

» » » Wagenladung Klasse A, 1. 1 093171 » 

» » » « « B. 1746983 » 

» » » Spezialtarif A, 2. 1190764» 

» » » c -I. 2183273 » 

» » » « IL 1416980 » 

» » » Ausnahme-Tarif für Holz 1093 311 » 

. » » » Spezialtarif III. 3314685» 

» » » Roheisen, Erze, Steine, 

Ausnahme-Tarif IL 3434 757» 
» » » Steinkohlen und Koks 10600813» 

» » » Vieh 641 188 » 

u. a. m. 

Im Ganzen wurden 843953994 Tonnen-Kilometer zu- 
rückgelegt. Im Jahre 1872 betrugen dieselben etwa 370 
Millionen, ergiebt eine Vermehrung auf mehr als das Dop- 
pelte. Die Einnahme aus dem Güter- Verkehre war in 
derselben Zeit von 15 1 / 2 Millionen auf 32 Millionen, Mark 
gestiegen, die Zahl der beförderten Personen von 8. 1 /, Mil- 
lionen auf etwa 12 Millionen, die Einnahme aus dem 
Personen-Verkehre von etwa 7 Millionen auf 10 Millionen 
Mark. 



— 150 - 

Die etatsmässigen Einnahmen des Betriebsjahres 

1883-84 betrugen 45899511,91* M. 

Die Gesamt-Ausgaben 29392224,87 » 

Ergiebt einen Einnahme-Ueberschuss von 16507287,04 » 

Davon entfallen auf die Reichsbahn 15741 641,38 M. 
» » Wilh. -Luxem- 
burg-Bahn 765645,66 M. 

Das Anlagekapital verzinste sich mit 3,57°/ 0> das 
volle, und 4,45°/ das reduzirte. 

Der Einnahme-Ueberschuss war seit dem Jahre 1874 
von 4 704 855 M. auf 16507 287 im Jahre 1883/84 ge- 
stiegen. 

Die höchsten Verzinsungsziffern hatten die Strecken 
Diedenhofen-Teterchen mit ll,4°/ , Basel-Strassburg mit 
8,l°/ , Melz-Stieringen, Metz-Novöant, Metz-Gross Het- 
tingen mit 6,6°/ , Teterchen-Bous-Völklingen mit 5,3°/ , 
Rieding-Remilly mit 5°/ aufzuweisen. 



Konkurrenzen, Arlbergbahn, Kanäle. 

Die Verkehrs- Verhältnisse des Jahres 1884/85 hatten 
unter verschiedenen ungünstigen Einflössen zu leiden 
gehabt. Hierzu gehört vor allem die im Jahre 1884 er- 
folgte Eröffnung der Arlbergbahn, welche die aus Oester- 
reich-Ungarn herrührenden Getreide- und Viehtransporte 
von dem alten Wege über Stuttgart-Strassburg-Avricourt- 
Paris ablenkte und so gewissermassen alte, seit Jahr- 
hunderten sanktionirte Verkehrs - Interessen verrückte. 
Ein ferneres ungünstiges Moment war die in Süd-Frank- 
reich ausgebrochene Cholera-Epidemie, welche den Ver- 
kehr mit den französischen und schliesslich auch mit den 
italienischen Bahnen hemmte. 

Bedeutende Einnahme-Ausfälle brachte das Jahr 
1885-86. Dieselben hatten verschiedene Ursachen, unter 
denen die Konkurrenz ganz besonders scharf hervortritt. 
Der Rückgang der Getreidetransporte war auf die durch 
das Zollgesetz vom 20. Februar 1885 eingeführte Zoll- 
erhöhung zurückzuführen, welche die grossen Handels- 
häuser veranlasst hatte, rechtzeitig bedeutende Getreide- 
mengen aus Amerika zu beziehen und ihre Lager damit 
anzufüllen. Eine im Lande stattgehabte ausnahmsweise 
reiche Ernte verminderte die Nachfrage nach auslän- 



— 151 — 

di schem Getreide. Die grossen Getreidehäuser in Mann- 
heim hatten ebenfalls bedeutende Sendungen von den 
belgischen und norddeutschen Häfen auf dem Wasser- 
wege bezogen und dieselben alsdann durch die badische 
Bahn nach der Schweiz weitergesandt, wodurch der el- 
sass- lothringische Durchfuhr- Verkehr Einbusse erlitt. 

Für den Kohlen-Verkehr kamen zwei ungünstige 
Momente in Betracht : Erstens der Rückgang der Eisen- 
Industrie und des Hüttenbetriebes im nördlichen Frank- 
reich, in Lothringen und Luxemburg, zweitens die Kon- 
kurrenz der Kanalschiffahrt. Seit einigen Jahren waren 
nämlich verschiedene Verbesserungen an den elsass-lolh- 
ringischen Kanälen vorgenommen worden, welche eine 
Steigerung hauptsächlich des Steinkohlen-Verkehres auf 
dem Saarkohlen-Kanale und den anschliessenden WaSser- 
strassen zur Folge hatten. Der Gesamt-Verkehr auf den 
Kanälen und der Mosel war in den Jahren 1881 — 1885 
von 1116 378 auf 1 351 993 Tonnen gestiegen. Von diesen 
letzteren entfallen auf Brennstoffe (Steinkohlen) 724355 t, 
auf Baumaterialien, Erdarten und Gesteine 365666 t. 
Der durchschnittliche Frachtsatz für Steinkohlen pro 
Tonnenkilometer bewegte sich in den Jahren 1877 bis 
1890 innerhalb der Grenzen von 1,51 bis 1,00 Pfg. Der 
Transportpreis nach dem Eisen bahn-Binnen-Gütertarif 
betrug etwa 2,6 Pfg. 

Der Gesamt-Verkehr auf allen Wasserstrassen belief 
sich auf 

118060398 Tonnenkilometer im Jahre 1881, auf 

151567102 » » » 1885 und auf 

172631608 * » » 1887. 

Von diesen letzteren entfallen auf den 

Saarkohlen-Kanal (76 km) 70 1 17 323 tkm 

Rhein-Marne-Kanal (104 km) 58778150 » 

Rhein-Rhone-Kanal (132 km) 38 170 165 » 

Mosel (75 km) 280227 » 

Ill-Rhein-Kanal (2 km) 296277 '» 

Verbindungskanal u. kanalisirte 111 (5km) 1 778985 » 

Breusch-Kanal (20 km) 305500 » 

Golmarer Zweig -Kanal (13 km) 575 133 » 

Hüninger Zweig-Kanal (28 km) 2329348 > 

Diese Steigerung eines so gewaltigen Konkurrenz- Ver- 
kehres konnte natürlich nicht ohne erheblichen Einfluss 
auf die Eisenbahn bleiben und hatte in der That, wie 



— 152 — 

bereits bemerkt, eine beträchtliche Verminderung des 
Steinkohlentransportes auf letzterer zur Folge. Auch im 
Jahre 1885/86 trat die Arlbergbahn als scharfe Kon- 
kurrentin auf, indem sie die Holztransporte aus Oester- 
reich-Ungarn nach Frankreich in ihre Verkehrs-Route 
zog. Der Vieh-Verkehr hatte infolge des Durchfuhr- 
verbotes für das deutsche Reichsgebiet beträchtliche Ein- 
busse erlitten. 

Der Binnen-Güter-Tarif war in den Jahren 1881, 
1883 und 1889 verschiedenen Aenderungen unterworfen 
gewesen. Mit dem Jahre 1887/88 erfolgte die Einführung 
einer ermässigten, sogenannten 2. Stückgutklasse, in 
welche Artikel von hervorragender wirtschaftlicher Be- 
deutung, welche beim Eintritt der deutschen Tarif-Reform 
verteuert worden waren, aufgenommen wurden. 

Dem Lokal-Güter- Tarife lagen nunmehr folgende 
Fracht-Einheitssätze pro Tonne und 1 km zu Grunde : 

Eilgut = 22. Pfg. + 200 Pfg. Expeditions-Gebühr (bei 

10 km) bzw. 400 Pfg. (bei über 100 km). 

Stückgut = 11 Pfg. + 100 Pfg. bzw. 200 Pfg. E.-G. 

»II = 8 » 4- 100 » » 200 » » 

Wagenladg A,l (5000 kg)=6,7+100 » 200 » » 

» B (10000 kg)=6 + 80 » 120 » * 

Spezialtarif A,2 =5+80 » 120 » » 

» I =4,5+ 80 » 120 » » 

» II =3,5+ 80 » 120 » » 

* III =2,6 bzw. 2,2+ 80 » 120 » » 

Ausnahme-Tarif I 

für Holz =3+80 » 120 » » 

Ausnahme-Tarif II 
für Steinkohlen , 
Eisenerze und Roh- 
eisen, Koks =2,6+ 80 » 90 » » 
Ausnahme-Tarif III 

Metallurgische Er- \ je nach Entfer- 

zeügnisse J ng + 80 Pfg. E.- 

der Spezialtarife I u. II A=4,5 bzw. 4,0 f G. v. 1 — 25 km, 

B==3,5 » 3,0 [1 00 Pfg. v. 26 bis 
| 100 km u. 120 v. 
/ über 100 km. 
Ausnahme-Tarif IV 
Steine des Spezialtarifs III = 2,6 + 60 Pfg. Exped.-Gebühr. 

Direkte Verkehre bestanden mit deutschen, österrei- 



— 153 — 

chischen, ungarischen, schweizerischen Bahnen, mit der 
Prinz-Heinrichbahn, ferner mit Stationen der französischen, 
belgischen, holländischen, englischen, und italienischen 
Bahnen. 



Eröffnung der Rhei n Schiffahrt Strassburg- 

Mannheim. Internationales Ueberein- 

kommen, Handels-Verträge u. a. m. 

Ein Ereignis aus der Verkehrs-Geschichte des Elsass, 
welches besondere Erwähnung verdient, ist die im Früh- 
jahre 1892 erfolgte Eröffnung der seit langen Jahren 
brachgelegenen Rheinschiffahrt zwischen Mannheim und 
Strassburg. Am 16. Juni 1892 lief das erste Jlheinschiff, 
ein Schraubendampfer der «Rhein- und Seeschiffahrts- 
Gesellschaft» in Köln, im Strassburger Hafenbecken ein. 
Von dem genannten Tage bis zum 10. November desselben 
Jahres brachten 28 grosse Rheinschiffe eine Gütermenge von 
10 698 t nach Strassburg. Im Frühjahr 1893 wurde die 
«Strassburger Rheinschiffahrts-Gesellschaft mit beschränk- 
ter Haftung» gegründet, welche den Güter- Verkehr auf dem 
Rheine zwischen Mannheim und Strassburg übernahm und 
zu diesem Zwecke mit der «Mannheimer Schleppschiffahrts- 
und der Mannheimer Lagerhaus-Gesellschaft» in Verbindung 
trat. Im Jahre 1893 lieferte die Rheinschiffahrt trotz des 
ausnahmsweise ungünstigen Wasserstandes bedeutende 
Resultate. Es liefen in Strassburg 84 Schiffe mit zusam- 
men 33600 t ein. Rheinabwarts wurden 43 Schiffe mit 
3384 t rückbefrachtet. 

Die Rheinschiffahrt hat sowohl auf den Kanal-Verkehr, 
da sie eine direkte Verbindung mit den rheinischen und 
holländischen Häfen herstellte, als auch auf den Eisen- 
bahn-Verkehr südlich von Strassburg günstig eingewirkt. 
Im Interesse des Hafen-Verkehrs von Strassburg wurden 
eisenbahnseitig Ermässigungen der Ueberführungs-Ge- 
bühren für die verschiedenen Vororte gewährt. Ausserdem 
wurde die Station Strassburg in sämtliche im süd west- 
deutsch-schweizerischen Verkehre bestehenden Ausnahme- 
tarife für Steinkohlen, sowie Eisen und Stahl einbezogen. 
Am 1. September 1894 erfolgte die Einführung eines 
Ausnahmetarifes für Sendungen von Getreide , Hülse- 
früchten, Malz u. dgl. m. von Strassburg nach Basel und 



— 154 — 

den vorgelegenen Stalionen im Binnen-Verkehre, sowie 
eines Ausnahmetarifes für Getreide im Durchgangs-Ver- 
kehre, soweit die betreffenden Sendungen von einem 
belgischen oder holländischen Hafen nach Strassburg 
verfrachtet und von da auf der Eisenbahn nach Basel u. 
s. w. befördert wurden. 

War das Jahr 1892 durch die Eröffnung der Rhein- 
schiffahrt für das Elsass, besonders die Stadt Strassburg von 
Wichtigkeit, so bedeutete dasselbe im Verkehre der Eisen- 
bahnen des kontinentalen Europa einen überaus wichtigen 
Wendepunkt durch die Einfuhrung des «Internationalen 
Uebereinkommens für den Eisenbahn-Fracht-Verkehr.» Die 
erste Anregung zu diesem bedeutungsvollen Werke ging 
bekanntlich aus der Schweiz im Jahre 1874 hervor. Nach 
verschiedenen, zwischen den Bevollmächtigten der einzelnen 
Staaten und der Schweiz in Bern stattgehabten Konferenzen 
(1878, 1881 und 1886) gelangte das «Internationale Ue- 
bereinkommen» am 14. Oktober 1890 in der Schluss- 
Konferenz zum Abschlüsse, wurde am 30. September 1892 
von allen betheiligten Staaten genehmigt und erlangte 
mit dem 1. Januar 1893 seine Gültigkeit. Der Geltungs- 
bereich erstreckt sich auf Deutschland, Oesterreich-Ungarn, 
Italien, Frankreich, Belgien, die Niederlande, Luxemburg, 
die Schweiz und Russland. Der grosse Wert des «Inter- 
nationalen Uebereinkommens für den Eisenbahn-Fracht- 
Verkehr» besteht darin, eine einheitliche Regelung der 
rechtlichen Beziehungen der Eisenbahn -Verwaltungen 
untereinander und des Publikums zu den einzelnen Eisen- 
bahn-Verwaltungen in allen Angelegenheiten der Beförder- 
ung von Gütern herbeigeführt zu haben. Bekanntlich 
gebührt Deutschland der Vorzug, in dem «Betriebs-Re- 
glement für die Eisenbahnen Deutschlands» die beste und 
mit geringen Modifikationen zur Norm erhobene Grund- 
lage geliefert zu haben. 

Gleichzeitig mit dem Internationalen Uebereinkommen 
gelangte auf den deutschen Bahnen die an Stelle des 
früheren Betriebs-Reglements getretene «Verkehrs-Ordnung 
fiir die Eisenbahnen Deutschlands» zur Einführung, 
welche das rechtliche Verhältnis des Publikums zur Eisen- 
bahn in allen Angelegenheilen des Transport-Geschäftes 
regelt und sich auf das deutsche Handelsgesetzbuch vom 
Jahre 1869 stützt. Dieses handelt in den Artikeln 422 bis 
431 speziell vom Eisenbahn-Fracht-Geschäfte. 

Die handelspolitischen Beziehungen Deutschlands zu 



— 155 — 

den übrigen Staaten Europas wurden für 12 Jahre durch 
die im Jahre 1892 abgeschlossenen Handelsverträge mit 
Oesterreich-Ungarn, Jtalien, Belgien und der Schweiz 
geregelt. Diesen schlössen sich im Jahre 1893 weitere 
Verträge mit Spanien, Rumänien und Serbien und im 
Jahre 1894 derjenige mit Russland an. An dem Zustande- 
kommen derselben war die gesamte deutsche Geschäftswelt, 
auch desElsass, lebhaft betheiligt. Das weitaus grösste Inte- 
resse jedoch beanspruchte der Handelsvertrag mit Russ- 
land, welcher zur Entlastung des inländischen Marktes 
beitrug. 

Die z. Z. auf den Reichsbahnen gültigen Tarife sind 
auf der Verkehrs-Ordnung und, soweit es sich um den 
Verkehr mit dem Auslande handelt, auf dem Internationalen 
Uebereinkommen errichtet; und zwar kommen folgende 
Tarife in Betracht: 

1. Der deutsche Eisenbahn-Güter-Tarif, Theil I. 
(Verkehrs-Ordnung) gültig für den Verkehr zwischen 
sämtlichen Eisenbahnen Deutschlands, 

2. Der allgemeine Eisenbahn-Güter-Tarif, Theil I, 
für den deutsch-luxemburgischen Güter-Verkehr (Inter- 
nationales Uebereinkommen), 

3. der Eisenbahn-Güter-Tarif, Theil II, für den Binnen- 
verkehr (Verkehrs-Ordnung), 

4. der deutsche Eisenbahn-Tarif für die Beförderung 
von Leichen, lebenden Tieren und Fahrzeugen, Theil I, 
(Verkehrs-Ordnung) Verkehr zwischen den Eisenbahnen 
Deutschlands, 

5. der allgemeine Eisenbahn-Tarif für die Beförderung 
von Leichen, lebenden Tieren und Fahrzeugen, Theil I, 
im Verkehr mit dem Grossherzogtum Luxemburg (Betriebs- 
Reglement des Vereins deutscher Eisenbahn- Verwaltungen 
bzw. Internationales Uebereinkommen), 

6. der Eisenbahn-Tarif u. s. w. wie vor, Theil II 
für den Binnen- Verkehr (Verkehrs-Ordnung), 

7. der deutsche Eisenbahn-Tarif für die Beförderung 
von Personen, Reisegepäck und Hunden, Theil I (Ver- 
kehrs-Ordnung) zwischen den Eisenbahnen Deutschlands, 

8. desgl. Theil II, im Binnen-Verkehre der Eisen- 
bahnen in Elsass-Lothringen und der Wilhelm-Luxemburg- 
Bahn (Verkehrs-Ordnung), 

9. der Eisenbahn-Tarif für die Beförderung von Ex- 
pressgut im Binnen-Verkehre, 

10. der Militär-Eisenbahn-Tarif, 



— 156 — 

11. u. 12. Ferner bestehen 2 besondere Tarife über 
die Beförderung von Personen, Gepäck, Gütern u. s. w. 
auf den Schmalspurbahnen Colmar-Markolsheim und 
Lützelburg-Pfalzburg, 

13. Güter-Tarif für den Verkehr zwischen Stationen 
der Reichsbahnen, Hauptbahn, sowie der Schmalspurbahn 
Colmar-Markolsheim einerseits und den Stationen der 
Strassburger Strassenbahn bis Markolsheim andererseits. 

Die Bildung von direkten Tarifen mit ausländischen 
Bahnen erfolgt in der Regel derart, dass jede Bahn ihre 
Schnittsätze (Binnensätze bis zur Grenze) an die der 
anderen anstösst. Besondere Tarifermässigungen erfolgen 
entweder auf Grund von Vereinbarungen oder aber in 
der Weise, dass diejenige Bahn, in deren Interesse 
eine solche liegt, dieselbe allein trägt. Transit-Tarife 
bestehen für Sendungen, welche über die Häfen ein- und 
ausgeführt werden u. s. w. 

Eine charakteristische Erscheinung der neuesten Zeit 
bilden die sogen. «Gemeinschaftsbetriebe». Seitdem näm- 
lich die Eisenbahn-Unternehmungen sich mehr und mehr 
gefestigt haben, ist im Allgemeinen die Tendenz vor- 
herrschend geworden, auf möglichste Vermeidung des 
Konkurrenzbetriebes von Parallel- u. dgl. Bahnen durch 
Gemeinschafts-Vereinbarungen hinzuwirken, welche ent- 
weder den Zweck verfolgen, die Tarife der in Betracht 
kommenden Bahnen auf gleicher Höhe zu halten oder 
Gewinn-Antheile auszugleichen. Aehnliche Einrichtungen 
bestehen für die Reichsbahnstrecke belgische Grenze- 
Luxemburg -Metz-Strassburg-Basel im Wettbewerbe mit 
den Parallelbahnen in Frankreich und Baden. 

Abgesehen von geringen Schwankungen, welche auf 
vorübergehende Einflüsse, ungünstige Witterung, schlech- 
ten Ernteausfall, Geschäftsstörungen der verschiedensten 
Art, zurückzuführen sind, nahm der Verkehr auf den 
Reichs-Eisenbahnen von Jahr zu Jahr grösseren Umfang 
an. Der Personen- Verkehr wurde für kurze Zeit durch 
den, infolge der politischen Verhältnisse an der französi- , 
sehen Grenze verhängten Passzwang ungünstig beeinflusst. 
Eine ganz bedeutende Steigerung des Verkehres hatte das 
Jahr 1895/96 durch die Gewerbe-Ausstellung zu Strass- 
burg, die Schlachten-Gedenkfeiern und durch die allgemein 
günstige Lage der Industrie von Elsass-Lothringen und 
Luxemburg zu verzeichnen. Die Gesamt-Einnahme im Per- 
sonen-Verkehre stieg gegen das Vorjahr von 13499926 M. 



— 157 — 

auf 15 408919 M. oder um 14,1 °/ , die Einnahmeft des 
Güter- Verkehres von 44 998765 M. auf 48666848 M. 
oder 8,2 °/ n . Von dieser Gesamteinnahme des Güter- Ver- 
kehres entfallen : 

auf Expressgut = 177 383 M. 

» Eilgut = 1258 601 » 

» Stückgut = 4 621619 » 

» Allgemeine Wagen- 

ladgskl. A, 1. u. B. = 3 809110 » 

» Spezialtarif A, 2. 

I, II, III a u. IIP = 14 206778 » 

» Steinkohlen, Koks = 15365074 » 

» Roheisen u. Eisen- 
erze nach Aus- 
nahmetarifen = 4 820891 * 

» Steine nach Aus- 
nahme-Tarif = 243620 » 

» Holz nach Aus- 
nahme-Tarif = 1203317 » 

Die Einnahme aus dem Binnen- Verkehre betrug 12499702 M. 
» » » » direkten » » 27067379» 

» » » » Durchgangs-» » 9099767 » 

Dem z. Zt. gültigen Tarife für Personen- und Ge- 
päckbeförderung im Binnen -Verkehre der Eisenbahnen 
in Elsass-Lothnngen und der Wilhelm-Luxemburg-Bahn 
liegen folgende Einheitssätze zugrunde : 

Einfacher Fahrpreis 

Personenzug = 8,0 Pfg. (in minimo = 0,30 M.) I. Klasse. 
» = 5,3 » » » = 0,20 » IL » 

* = 3,4 » » » = 0,10 » III. » 

Für Schnellzug wird ein Zuschlag von 1,1 Pfg. pro 
Person und km zu vorstehenden Preisen erhoben. Mini- 
malsätze für Schnellzug sind I. Klasse = 0,40 M., IL Klasse 
= 0,30 M., III. Klasse = 0,20 M. Für Hin- und Rück- 
fahrt, gültig 10 Tage, wird eine Ermässigung gewährt, 
und zwar derart, dass bei Personenzügen a. Für Hin- 
und Rückfahrt in I. Klasse eine Personenzugsfahrkarle 
I. und eine III. Klasse, b. Für Hin- und Rückfahrt in 
IL Klasse eine Personenzugsfahrkarte I. Kl. c. Für Hin- 
und Rücfifahrt in III. Klasse eine Personenfahrkarte 



— 158 — 

II. Klasse, bei Schnellzügen a. Für Hin- und Rückfahrt 
in I. Klasse eine Personenzugsfahrkarte I. und eine solche 
II. Klasse b. Für Hin- und Rückfahrt in II, Klasse eine 
Schnellzugsfahrkarte I. Klasse, c. Für Hin- und Rück- 
fahrt in III. Klasse eine Schnellzugsfahrkarte II. Klasse 
mit dem Rückfahrtstempel versehen, verausgabt wird. 

Rundreisekarten : I. Klasse 5,7 Pfg. (pro Person und km) 
» II. « 4,0 » » » » » 

» III. « 2,65 » » » » » 

Kinder unter 4 Jahren fahren unentgeltlich in Be- 
gleitung ihrer Eltern ; solche über 4 bis zu 10 Jahren 
zahlen die Hälfte des gewöhnlichen Fahrpreises. 

Besondere Fahrpreis-Ermässigungen : 

1. Allgemeine Zeitkarten werden auf die Dauer 
von einem bis zu zwölf Monaten ausgefertigt und berech- 
tigen zur beliebigen Fahrt auf der betr. Bahnstrecke in 

% allen . fahrplanmässigen Zügen, welche die betr. Wagen- 
klasse fuhren. Es werden berechnet : 

Für Zeitkarten auf 1 Monat 30 einfache Fahrten 
» » » 2 » 50 » » 

für jeden weiteren Monat 15 einfache Fahrten. Für 
Entfernungen von mehr als 10 km sind die so gefundenen 
Preise um soviel Prozent (bis höchstens 50°/ ) zu er- 
mässigen, als die Kilometerzahl über 10 beträgt. 

2. Schülerzeitkarten (für Schüler und Schülerin- 
nen aller Arten von Schulen, mit Ausnahme von akade- 
mischen Anstalten, Universitäten, Hochschulen, Konser- 
vatorien u. dgl. m.) werden auf die Dauer von einem bis 
zu 6 Monaten verausgabt. Sie gelten für eine bestimmte 
Bahnstrecke, entweder für einmalige Hin- und Rückfahrt 
täglich oder, nur zu einer einmaligen Fahrt in einer Rich- 
tung, mit Ausnahme von Sonn- und gesetzlichen Feier- 
tagen. 

Der Einheitssatz beträgt in der II. Klasse 0,75 Pfg. 

» » » » » III. » 0,55 » 

pro Kopf und km. 

(L Klasse wird nicht verausgabt.) Die Schülerzeitkarten 
berechtigen zur Fahrt in allen fahrplan massigen Zügen 
fauch Schnellzügen). Schüler unter 10 Jahren geniessen 
keine weitere Vergünstigung. 



— 159 — 

3. Arbeiterzeitkarten, nur für III. Klasse und 
Personenzüge gültig, Preis pro Kopf und km 0,75 Pfg. 
Sie werden für die Dauer eines Monates verausgabt, und 
zwar zur einmaligen Hin- und Rückfahrt täglich bezw. 
zur einfachen Fahrt täglich, mit Ausnahme von Sonn- und 
gesetzlichen Feiertagen. 

4. Arbeiter Rückfahrkarten für Personen, die 
ausserhalb ihres Wohnortes in Arbeit stehen, mit dem 
Einheitssatze von 1,7 Pfg., (3,4 Pfg. für Hin- und Rück- 
fahrt) pro km. Sie berechtigen entweder zur Fahrt Vom 
Wohnorte nach dem Arbeitsorte am Tage nach einem Sonn- 
oder Feiertage und zur Rückfahrt nach dem Wohnorte am 
Tage vor dem nächstfolgenden Sonn- oder Feiertage, oder 
ferner zur Fahrt vom Arbeitsorte nach dem Wohnorte am 
Tage vor und zur Rückfahrt am Tage nach einem Sonn- 
oder Feiertage (oder mehreren hintereinander liegenden 
Feiertagen.) 

5. Gesellschaftsfahrten. Gemeinschaftliche 
Reisen von mindestens 30 Personen berechtigen zu einer 
Ermässigung von 50°/ auf den Preis der einfachen Fahrt, 
bei Hin- und Rückfahrt zur Zahlung des Preises der ein- 
fachen Fahrt. 

Unbemittelte deutsche Staatsangehörige, 
welche von den deutschen Hülfsvereinen in der Schweiz 
empfohlen sind, werden auf der Rückkehr nach der Hei- 
mat auf den Reichseisenbahnen in Elsass-Lothringen 
in 3. Klasse zum halben tarifmassigen Fahrpreise beför- 
dert ; dasselbe gilt für die von den schweizerischen 
Hülfsvereinen in Elsass-Lothringen empfohlenen, nach der 
Schweiz zurückkehrenden, unbemittelten schwei- 
zerischen Staatsangehörigen auf der Fahrt bis 
Basel. Ebenso unbemittelte Kranke und Geisteskranke, 
sowie das sie begleitende Personal, bei seitens der Be- 
hörden angeordneten Transporten. 

Militärpersonen bezahlen auf allen deutschen 
Bahnen 1,5 Pfg. pro km. 

Die Beförderung der luxemburgischen Gendarmen 
und Freiwilligen-Corps auf den Luxemburg-Bahnen ge- 
schieht auf sogenannte Blanko-Offizierskarten zum halben 
Fahrpreise. 

Die Mannschaften vom Wachtmeister bezw. Feld- 
webel abwärts zahlen jedoch 1,5 Pfg. pro km. 



— 160 — 

Der Beförderungspreis für einen Hund beträgt 1,5 Pfg. 
pro km. 

Der Einheitssatz für Reisegepäck-Beförderung be- 
trägt 0, 424 Pfg. für je 10 kg und 1 km. 

Die Reichseisenbahnen stehen mit den deutschen und 
folgenden ausländischen Bahnen in direktem Verkehre : 

Oes terreich- ungarischen, rumänischen, schweizeri- 
schen, belgischen, niederländischen und italienischen 
Bahnen, luxemburgischer Prinz-Heinrich-Bahn, ferner mit 
Stationen französischer, englischer und russischer Bah- 
nen sowie Hafenplätzen der Levante und des Schwarzen 
Meeres über Hamburg seewärts. 

Was die Wichtigkeit der einzelnen Verkehre anbe- 
langt, so kommt in erster Linie der Binnen-Verkehr mit 
einer Einnahme aus dem Güteriransporte von 12499702 
M., ferner der südwesldeutsche Verbands- Verkehr mit 
7 758133 M., der belgisch- und englisch-belgisch-süd- 
westdeutsche Verkehr mit 5710100 M., der rheinisch- 
westfälisch-südwestdeutsche Güter- Verkehr mit 5 479217 
M., der Kohlen-Verkehr aus den Saarkohlengruben mit 
2420975 M., der Erzverkehr mit der französischen Ost- 
bahn, Nordbahn und der elsass-lothringisch-französische 
Verkehr mit 1229 560 M., der süddeutsche Verbands- 
Verkehr mit 1 135359 M., der mitteldeutsche Verbands- 
Verkehr mit 892171 M. u, s. w. (Stand von 1895/96.) 

Die Durchgangs- Verkehre, an welchen die Reichs- 
bahn mit der grösslen Einnahme betheiligt ist, sind der 
Saarkohlen-Verkehr nach der Schweiz, der deutsch- bzw . 
englisch -belgisch -holländisch -italienische Güter- Verkehr, 
der Durchgangs- Verkehr mit der Prinz-Heinrichbahn, der 
Österreich-ungarisch-französische Güter- Verkehr und der 
der Schweiz mit der französischen Ostbahn, der Saar- 
kohlen-Verkehr mit Baden, der südwestdeulsch- und 
norddeutsch-schweizerische Güter- Verkehr. 

Elsa ss-Lothringen empfängt durch die Eisenbahn 
aus Süddeutschland hauptsächlich Bier, Mehl und Salz; 
vom Schwarzwald Holz, aus der Pfalz Wein und Steine, 
aus dem Saar-Revier Kohlen; aus der Rheinprovinz 
Braunkohlen und von Mannheim und Bremen Baum- 
wolle, Zement, Getreide, Oel, Petroleum und Stärke. 
Belgien (einschliesslich überseeischer Verkehr) versendet 
nach Elsass-Lothringen hauptsächlich Steinkohlen, Wolle, 
Eisenerze, Getreide, Mais, Kalk, Petroleum, Dünger, 
Hafer und Gerste, Jute, Kartoffeln und empfängt von 



Ü 



- 461 — 

hier Eisen, Holz, Glas, Soda, Salz. Die Handelsprodukte, 
welche das Reichsland mit Frankreich austauscht, sind 
im Versand Bier, Holz, Steine, Kohlen, Glas, im Ein- 
fang Borke und Lohe, Erde, Wein, Kalk und Mehl, 
ie Schweiz, welche fast ausschliesslich die Naturschön- 
heiten ihrer Berge und Seen als Aequivalent für die 
notwendigsten materiellen Lebensgüter zu bieten vermag, 
empfängt von Elsass-Lothringen Kohlen, Eisen, Petroleum, 
Thonwaaren, Dünger. Italien sendet Wein und Obst, 
Ungarn: Getreide, Holland: Holz und Torf. Nach dem 
Saar-Revier gehen aus Lothringen Eisenerze und Getreide, 
nach Baden und Bayern aus dem Elsass Dampfkessel, 
Erde, Garn, Gerste, Holz, Hopfen, Petroleum, Steine, 
Wein, Borke und Lohe. 

Die im Binnen- Verkehre hauptsächlich in Betracht 
kommenden Transporte sind Wein, Bier, Malz, Getreide, 
Mehl, Salpetersäure, Salz, Schwefelsäure, Steine, Petroleum, 
Holz, Kalk, Baumwolle, Wolle, Eisen und Dünger. Von 
Elsass nach Lothringen gehen : Wein, Bier, Erde und Kies, 
Holz, Mehl, Petroleum, Steine, Vieh ; von Lothringen nach 
dem Elsass: Roheisen, bearbeitetes Eisen, Eisenschienen, 
Steinkohlen, Steine, Holz, Thonwaaren, Düngermittel, Soda, 
Salz, Obst, Weizen, Hafer, Glas und Vieh. Nach Luxem- 
burg versendet das Reichsland: Eisen, Eisenerz, Erde, 
Steine. 

Statistisches. 



Die Betriebslänge nach dem Jahresdurchschnitt für 
1895/96 betrug 1742,52 km vollspurige und 27,98 km 
schmalspurige Bahnen. Das gesamte Anlage-Kapital belief 
sich auf 539319869 M. bzw. 445436125 M. (das ge- 
kürzte Kapital). Es wurden 19 165920 Personen, 16064941 1 
Gesamt-Frachtgewicht, etwa 40000 Pferde, 741359 Stück 
sonstiges Vieh, 37965 Achsen Kleinvieh, 1730 Fahrzeuge, 
330076 Lokomotivkilometer Baugut in Arbeitszügen, 
389 Leichen befördert und im Ganzen einschliesslich aller 
Nebenerträge, sowie der etatsmässigen Einnahmen aus 
Veräusserungen, für Ueberlassung von Bahnanlagen, Be- 
triebsmitteln und Beamten an andere Verwaltungen u. s. w. 
68545988,02 M. d. h. pro km 38602,65 M. eingenommen. 
Jede Person hat durchschnittlich 24,19 km, jede Tonne 
Gut 83,86 km durchfahren. 

Die Gesamt- Ausgaben betrugen 43 201 820,72 M. d. h. 

ll 



— 162 — 

pro km. 24400,95 M. Hieraus ergiebl sich ein Ein- 
nahme-Uebersehuss von 25310708,87 M. d.h, 14295,79 M. 
pro km. Das Anlage-Kapital hat sich mit 4,65°/ bezw. 
5,62 °/ (das gekürzte) verzinst. Von den Ausgaben ent- 
fallen 8,79 °/ auf allgemeine Verwaltung, 34,05% auf Bahn- 
verwaltung, 57,16 °/ auf Transportvertvaltung. 

Die Gesamtzahl der Züge auf der Reichsbahn im 
Jahre 1895/96 betrug 307648 auf Haupt-, 101948 auf 
Neben- und 12470 auf Schmalspurbahnen, zusammen 
422066 Züge. Hierzu kommen 4278 Arbeitszüge im 
Interesse von Bau- und Betriebsfonds. Diese Zügeleisteten 
täglich 41243 Zugkilometer, d.h. etwa 26 mal wurde die 
ganze Länge des Reichsbahnnetzes täglich durchfahren. 

Auf den Wilhelm-Luxemburg-Eisenbahnen betrug die 
Anzahl der Züge 103616, der täglich zurückgelegten 
Zugkilometer 5357 ; die ganze Länge des Netzes wurde 
daher etwa 31 -mal täglich durchfahren. 

Der Wagenpark der Reichsbahnen setzte sich aus 
1175 Personen-, 463 Gepäck-, 2601 bedeckten und 14666 
offenen Güterwagen zusammen. Unter diesen befinden 
sich 131 Wagen leichterer Bauart für Nebenbahnen und 
26 leichte Gepäckwagen zu demselben Zwecke. Für 
Schmalspurbahnen waren 15 Personen-, 3 Post- und Ge- 
päck-, 11 bedeckte und 49 offene Güterwagen vor- 
handen. Die eigenen Wagen legten auf den Reichsbahnen 
146309 715 Achskilometer, fremde Wagen 451 221 806 Achs- 
kilometer, die eigenen Wagen dagegen auf fremden 
Bahnen 309346470 Achskilometer zurück. 

Sobald die Wagen der Reichsbahn auf fremde Bahnen 
und fremde Wagen auf erstere übergehen, finden die Be- 
stimmungen der entsprechenden Wagenübereinkommen 
Anwendung und zwar: 

1. Im Verkehre mit den Bahnen des Vereins deutscher 
Eisenbahn-Verwaltungen das deutsche Vereins - Wagen- 
übereinkommen ; 

2. im Verkehre mit den dem Staatsbahn- Wagen-Ver- 
bande angehörenden Bahnen das Staatsbahn-Wagen- 
übereinkommen ; 

3. im Verkehre mit der französischen Ostbahn die 
mit derselben abgeschlossene Konvention vom 1. Sep- 
tember 1880 ; 

4. im Verkehre mit den Schweizer-Bahnen das 
deutsche Vereins- Wagenübereinkommen ; 



— 163 — 

5. im Verkehre mit den italienischen Bahnen das 
deutsch-italienische Wagen-Regulativ; 

6. im Verkehre mit der helgischen Staatsbahn und 
den übrigen, dem Verein deutscher Eisenbahn- Verwal- 
tungen nicht angehörenden belgischen Bahnen, das Inter- 
nationale Uebereinkommen. 

Besondere Bestimmungen regeln den Uebergang 
zwischen den Schmalspur-Bahnen Golmar-Markolsheim, 
Golmar-Schnierlach und der Strassburger Strassenbahn. 

Es waren 593 Lokomotiven, darunter 134 Personen- 
zug-, 41 Gemischtezug- und 285 Güterzug-, ferner 125 
Tender-Lokomotiven für Vollspur- und 8 für Schmalspur- 
Bahnen vorhanden. 

Das gesamte Anlage-Kapital für die Beschaffung von 
Betriebsmitteln betrug Ende 1895/96 = 75203749 M. 

Eine Vergleichung der Betriebs-Ergebnisse des Jahres 
1873 mit denjenigen des Jahres 1895/96 ergiebt folgende 
interessanten Resultate : 

Im Jahre 1873 betrug der Einnahme - Ueberschuss 
2194 405 M., d. h. 1533 M. auf 1 km oder 0,19 auf ein 
Lokomotiv-Nutzkilometer und 0,01 M. auf ein Wagenachs- 
kilometer, die Verzinsung des Anlage - Kapitals 0,70% 
bzw. 0,99 °/ . Im Jahre 1895/96 stellte sich der Ein- 
nahme-Ueberschuss auf 25344167 M., d. h. 14315 M. 
auf 1 km oder 1,43 M. auf ein Lokomotiv-Nutzkilometer 
und 0,04 M. auf ein Wagenachskilometer, die Verzinsung 
des Anlage-Kapitals betrug 4,65°/ bzw. 5,62°/ - 

Es erübrigt noch, einen Blick auf die einzelnen 
Strecken zu werfen, welche bezüglich ihrer Verkehrs- 
Ergebnisse charakteristisch sind. Den höchsten Ertrag 
lieferte in dem Betriebsjahre 1895/96 die Strecke Basel- 
Strassburg mit Abzweigung nach Königshofen, Lutterbach- 
Mülhausen-Kanalhafen und St. Ludwig - Hüningen mit 
einem Einnahme-Ueberschuss von 54348 M. pro km. Die 
grosse Wichtigkeit der Strecke Basel-Strassburg besteht 
vor allen Dingen darin, dass dieselbe ein Hauptverbin- 
dungsglied der durchgehenden Routen über Metz-Luxem- 
burg, über Weissenburg, Lauterburg, Avricourt und Basel 
bildet und so den direkten und durchgehenden Verkehr 
zwischen den Südwest- und norddeutschen, den belgischen 
und holländischen, englischen und französischen Bahnen 
einerseits und den schweizerischen und italienischen 
"Bahnen andererseits vermittelt. Sie stellt ferner für den 
Binnen- Verkehr einen Hauptverkehrsstrom dar, der die 



— 164 — 

grossen Städte des Landes verbindet, und in welchen 
eine Menge von wichtigen Bahnen aus den industrie- 
reichen Vogesen-Thälern als Zufuhrstrassen einmünden. 
Das wesentlichste Verkehrs-Element der Strecke Strassburg- 
Basel bilden die Güter-Transporte. 

Einen Einnahme-Ueberschuss von 48601 M. pro km 
lieferte die Bahn von Hagendingen nach Gross-Moyeuvre, 
welche hauptsächlich dem Erzverkehre dient. An dritter 
Stelle folgte die Strecke Mommenheim-Saargemünd, deren 
Bedeutung in der Abkürzung des Weges von Strass- 
burgnach Saargemünd und dem Saarkohlen-Gebiete besteht, 
alsdann die Düdelinger und Rümelinger Anschlussbahnen, 
welche ein Gebiet mit zahlreichen Eisenerzgruben, Hoch- 
öfen und anderen nennenswerten Fabrikwerken durch- 
schneiden. Die genannten Bahnen dienen fast ausschliess- 
lich dem Güter- Verkehre, welcher bezüglich der Einnahme 
den Personen- Verkehr um das dreissig- bis vierzigfache 
übersteigt. Sehr einträglich sind die Strecken Dieden- 
hofen-Sierck, Diedenhofen-Fentsch, Hay ingen-Algringen , 
Diedenhofen- Völklingen, Wadgassen-Bous und Courcelles- 
Teterchen. Dieselben dienen hauptsächlich dem Kohlen- 
und Erz- Verkehre und als Uebergangslinien nach Preussen 
und Frankreich. Die Station Diedenhofen steht mit einer 
Einnahme von über 7 Millionen M. pro Jahr an der 
ersten Stelle unter den elsass -lothringischen Eisenbahn- 
Stationen. Ueber dem Durchschnitte des auf der Gesamt- 
länge des Netzes erzielten Einnahme-Ueberschusses folgten 
alsdann die Strecken Strassburg-Kehl, Strassburg-Deutsch- 
Avricourt, Vendenheim-Weissenburg, Saarburg -Metz -lu- 
xemburgische Grenze, Metz-Noveant und Remilly - Stie - 
ringen. Mit einer Mehrausgabe wurden die Linien Alt- 
kirch-Pfirt und Golmar- Altbreisach betrieben. Besonders 
interessant sind dieselben, ebenso wie diejenigen von 
Walburg nach Wörth, von Merzweiler nach Walburg 
und Selz, von Colmar nach Markolsheim dadurch; dass- 
die Einnahme aus dem Personen-Verkehre die aus dem 
Güter-Verkehre übersteigt, während im Allgemeinen das 
Verhältnis der ersteren zur letzteren 1 : 3 ist. 

Was die allgemeinen Verhältnisse der Reichs-Eisen- 
bahnen gegenüber den übrigen deutschen Bahnen anbe- 
langt, so ist zunächst erwähnenswert, dass erstere be- 
züglich der Dichtigkeit des Netzes eine bevorzugte Stelle 
einnehmen. Nach den, vom Reichseisenbahnamt heraus- 
gegebenen, statistischen Mittheilungen für 1893/94 kamen 



— 165 — 

auf je 10Ö Dkm Bodenfläche in Elsass - Lothringen 
(14 509,46 Gkm insgesamt) 10,07 km Eisenbahnen, in 
Preussen durchschnittlich 7,50, in Bayern 7,68, in Baden 
10,10 u. s. w. und in ganz Deutschland. Durchschnittlich 
8,05 km. Eine grössere Dichtigkeit des Bahnnetzes wiesen 
die Rhemprovinz mit 12,68 km, * das Grossherzogtum 
Hessen mit 12,03 km, das Königreich Sachsen mit 15,18 
km pro D km Bodenfläche und einzelne Herzogtümer auf. 

Im Personen-Verkehre wurden auf 1 km durch- 
schnittlicher Betriebslänge 8187 M. eingenommen, auf den 
Preussischen Staalsbahnen 9573 M., auf den Sächsischen 
Staatsbahnen 11474 M., auf den Badischen Staatsbahnen 
10429 M., auf der Main-Neckarbahn 30731 M., auf allen 
übrigen Bahnen weniger als auf der Reichsbahn. Im 
Güter-Verkehre halte in dem zum Vergleiche herange- 
zogenen Betriebsjahre die Reichsbahn nach der Main- 
Neckarbahn die höchste kilometrische Einnahme mit 
26733 M. zu verzeichnen. Die durchschnittliche Einnahme 
pro km auf sämtlichen Eiseubahnen Deutschlands betrug 
21 428 M. Hierbei fällt noch besonders ins Gewicht, dass 
die Einnahme pro Tonnenkilometer auf der Reichsbahn 
bedeutend geringer als auf jeder anderen der deutschen 
Bahnen war. Während die Betriebsiänge der elsass- 
lothringischen Linien etwa 1 / 30 derjenigen von ganz 
Deutschland betrug, belief sich die Zahl der Tonnenkilo- 
meter auf 1295046 966 gegen 24484557 751 Tonnen- 
kilometer auf sämtlichen deutschen Bahnen, d. h. 1 j 19 
der letzteren. 

Bezüglich der Ausnützang der vorhandenen Sitzplätze 
standen die Reichsbahnen mit 2 1,20°/ , mit verschwindenden 
Ausnahmen, hinter den übrigen deutschen Bahnen zu- 
rück, nahmen bezüglich der Ausnützung der Güterwagen- 
achsen die zweite Stelle (hinter der Neustrelitz-Warne- 
münder Eisenbahn) ein. Abgesehen von der Main -Neckar- 
Bahn (mit 27 450 M.) hatten die Reichsbahnen mit 
16997 M. pro km den höchsten Einnahme-Ueberschuss 
erzielt. Das für die Reichsbahnen aufgewendete Anlage- 
kapital war mit 340405 M. pro km das höchste gegen- 
über allen übrigen deutschen Bahnen, Die Anzahl der 
Beamten und Arbeiter betrug (1893/94) 16400, für welche 
23763 782 M. an Besoldungen verausgabt wurden. 



166 



Schlussbetrachtung. 

Die wirtschaftlichen Kräfte v. Elsass-Lothringen 
u. Luxemburg. Günstige geographische Lage. 

Aus den vorstehenden Angaben gehl hervor, dass 
die Reichsbahnen bezüglich der Verkehrs-Verhältnisse 
und der Betriebs-Ergebnisse eine hervorragende Stelle 
unter den deutschen Eisenbahnen einnehmen. . Die be- 
wegenden Kräfte eines lebhaften Verkehres liegen vor 
Allem in dem vorhandenen Verkehrsbedürfnis, welches 
durch die günstige wirtschaftliche Lage eines Landes, 
durch die Verschiedenartigkeit der Produktions- und 
Konsumtions-Verhältnisse in den einzelnen Theilen des 
betreffenden Verkehrsgebietes hervorgerufen wird. Be- 
günstigt wird der Verkehr durch die vorteilhafte geo- 
graphische Lage des Landes, welche die Beziehungen 
zu den anderen Ländern und somit die Verkehrsgelegen- 
heit erleichtert. Auf den Güter-Verkehr wirkt die gute 
wirtschaftliche Lage noch indirekt ein, indem sie die 
materiellen und geistigen Bedürfnisse der Bewohner ver- 
mehrt und somit einen lebhafteren Austausch jeder Art 
von Verbrauchsgegenständen hervorruft, auf den Personen- 
Verkehr hinwieder durch Vermehrung der Reisen der 
Geschäftswelt nach den Absatzgebieten ihrer Waaren, 
sowie durch die Erhöhung der allgemeinen Reiselust, 
welche mit der leichteren Lebensführung steigt. 

Wenn wir die angeführten Momente ins Auge fassen, 
so finden wir, dass dieselben in den Reichslanden Elsass- 
Lothringen und dem angrenzenden Grossherzogtum 
Luxemburg in hohem Masse vertreten sind. Was zu- 
nächst die wirtschaftlichen Verhältnisse anbelangt, so 
zählt Elsass-Lothringen zu den fruchtbarsten und gewer- 
bethätigsten Ländern Europas. Der grösste Theil von 
Ober- und Unter-Elsass liegt in der überaus frucht- 
baren Rheinebene, in welcher die meisten landwirt- 
schaftlichen Produkte der gemässigten Zone gut gedeihen. 
Der Weinbau ist an manchen Stellen bedeutend und 
bringt vortreffliche We.ine hervor, welche in den ver- 
schiedenen Theilen des Landes und auch in den an- 
grenzenden Gebieten Deutschlands Absatz finden. Im 
Mittelalter, besonders im 16. Jahrhundert hatten die el- 



— 167 — 

sässischen Weine einen solchen Ruf, dass sie nach 
der Schweiz, nach Holland, England, Dänemark und 
Schweden verschickt wurden. Heute nimmt das Elsass 
im Weinbau die erste Stelle unter den deutschen Staaten 
ein. Der jährliche Ertrag wird auf etwa 1 Million 
Hektoliter, der Gesamtwert des mit Wein bebauten 
Landes in Elsass-Lothringen auf über 300 Millionen M. 
Anlage-Kapital geschätzt. Die Weinproduktion beträgt 
etwa die Hälfte derjenigen von ganz Deutschland. An 
Handelsgewächsen werden ferner Tabak, Hopfen, Ge- 
treide und Hanf gezogen. Weizen wird, da die Kon- 
sumtion die Produktion bedeutend (um etwa 2000000 
Centner) übersteigt, in beträchtlichen Mengen eingeführt; 
Gerste, Roggen und Hafer meistens ausgeführt. Der 
grosse Reichtum des Landes an günstigen Wasserläufen 
fördert die Industrie, da sowohl der Rhein als auch die 
111 eine Menge Triebwerke in Bewegung setzen. Die 
Nebenflüsse der 111 : Doller, Thur, Lauch, Fecht, Andlau 
und Breusch haben in den Vogesen viele industriereiche 
Thäler geschaffen, und werden daselbst zum Betriebe 
von Fabrikwerken jeder Art benützt. 

Sehr hoch entwickelt ist die Textil-Industrie, welche 
nach der Gewerbezählung von 1882 über 71000 Arbeiter be- 
schäftigte, und die Maschinenfabrikation. Im Elsass befinden 
sich über 150 Webereien, annähernd ebensoviele Spinne- 
reien, eine Menge von Färbereien, Druckereien, Bleichereien, 
Appretur-Anstalten. Zwirnereien, Mühlen, Tuch-und Leder- 
fabriken, Bierbrauereien, Branntweinbrennereien, chemi- 
schen Fabriken, Gerbereien, Tabak- und Cigarrenfabriken, 
Steingut-undThonwaarenfabriken, Maschinenfabriken, Gies- 
sereien, Kalkbrennereien u. a. m. Die Zahl der Webstühle 
betrug nach offiziellen Angaben für 1893/94 in den Kreisen 
Mülhausen, Thann und Altkirch zusammen 15 930, (56 
Webereien) die Zahl der Spindeln 1 126 619 (in 43 Spin- 
nereien) und 11839 (in 7 Zwirnereien). In den Kreisen 
Colmar, Gebweiler und Rappoltsweiler waren zusammen 
18 397 Webstühle (in 90 Webereien), 741770 Spindeln 
(in 39 Spinnereien) und 4696 Spindeln (in einer Zwirnerei) 
thätig. Die vergleichenden Uebersichten des Verkehres 
id der allgemeinen Niederlage zu Mülhausen für 1894 
weisen 1 016 153 kg rohe Baumwolle nach. Der zollamt- 
liche Waaren-Verkehr in den Kreisen, Mülhausen, Thann 
und Altkirch betrug 1894 = 2178447 kg rohe Baum- 
wolle, 937 418 kg Baumwollengarn, 4 481 737 kg Roh- 



— 468 — 

eisen, 1248971 kg Halbfabrikate von Eisen und groben 
Eisenwaaren, 2282725 kg Wein und Most in Fässern. 
Eine Uebersicht über die im Jahre 1895 in den 3 vorge- 
nannten Kreisen zur Veredelung ein- und wieder ausgegan- 
gener Waaren ergiebt als Ausfuhr für rohe Baumwollen- 
gewebe annähernd 2 Mill. kg, welche nach Oeslerreich- 
Ungarn, nach der Schweiz, nach Frankreich, Belgien, 
England, Spanien und den Philippinen, nach Italien, den 
Vereinigten Staaten, Brasilien u. s. w. gingen. Die Ein- 
fuhr von roher Baumwolle im Ober-Elsass betrug im 
Jahre 1893 == 18619539 kg, von Steinkohlen etwa 
33000000 kg, von Roheisen und Eisenerzen zusammen 
etwa 7 Millionen kg. 

In Lothringen befinden sich Erzgruben, Eisenwerke, 
Sägewerke, Eisengiessereien, Mühlen, Werkzeug- u. a. 
Fabriken, Salinen, Ziegeleien, Hochöfen, Slahl- und Eisen- 
werke, Maschinenfabriken, Brauereien, Töpfereien, Gerbe- 
reien, Stein- und Gypsbrüche, Branntweinbrennereien, 
Hüttenwerke, Steinkohlengruben, Walzwerke, Holzschnei- 
defabriken , Ghampagnerfabriken , Handschuhfabriken, 
Zementfabriken, Kalkbrennereien, Fayence-, Porzellan- 
und Glasfabriken, chemische Fabriken u. a. m. Das 
Grossherzogtum Luxemburg ist reich an Stahl- und Erz- 
bergwerken, Hochöfen, Schlackenmühlen, Walzwerken, 
Eisenerzgruben, Mühlen, Branntweinbrennereien, Gerbe- 
reien, Bierbrauereien, Ziegelwerken und sonstigen Fabrik- 
betrieben der verschiedensten Art. Eine so reiche Industrie 
bedarf vor allen Dingen grosser Mengen von Kohlen 
und Rohmaterialen, deren Transport der Eisenbahn die 
grössten Einnahmen sichert. 

Im Jahre 1895/96 wurden von der Station Algringen 
746086 t Eisenerz, von Diedenhofen 218465 t Roheisen, 
96912 t fabrizirtes Eisen, von Gross-Moyeuvre 577 815 t 
Eisenerz, von Rombach 125213 t Roheisen, von Stie- 
ringen-Wendel 76593 t fabrizirtes Eisen, von Ueckingen 
96 000 t Roheisen versandt, während der Empfang von 
Diedenhofen 59 352 t Eisenerz, 49 472 t Steine, 288878 t 
Kohlen, 643127 t Kokes, der Versand von Kochern 
804 138 t Kohlen u. s. w. nachweist. 

In der Eisenerzeugung nimmt Elsass-Lothringen die 
zweite Stelle (nach Preussen) in Deutschland ein. Die Erz- 
förderung betrug 1891 über 3 Millionen Tonnen im Werte 
von etwa 7 Millionen Mark. Kohlen finden sich im Kreise 
Forbach. In Klein-Rosseln und Spittel wurden im Jahre 



— 169 — 

1891 = 845 600 t im Werte von über 8 Millionen Mark 
produzirt. Die Salzausbeute beträgt etwa Vio derjenigen 
vom ganzen deutschen Zollgebiete. In der Montan-Industrie 
wurden insgesamt im Jahre 1888 für 58 Millionen Mark 
erzeugt. Der Reichtum des Landes erhellt am besten aus 
dem bei den Reichsbankstellen in Strasburg, Metz und 
Mülhausen erziehen Geschäfts-Ümsatz, welcher bei ersterer 
im Jahre 1891 etwa 1 Milliarde, bei der zweiten etwa 
840 Millionen und bei der letzteren etwa 700 Millionen 
Mark betrug. 

Bezüglich der Bevölkerungsdichtigkeit nimmt Elsass- 
Lothringen unter den 26 deutschen Staaten die elfte Stelle 
ein. Die Einwohnerzahl betrug 1641220 (1895), davon 
entfallen auf Unter-Elsass 638 402, Ober-Elsass 477 636, 
Lothringen 525182. Die Bevölkerungszahl im Unter- 
Elsass warl J. 1801 etwa 450000, im Ober-Elsass etwa 
300 000. Das bedeutende Anwachsen einiger Städte ge- 
genüber der Landbevölkerung, eine Erscheinung, welche 
bekanntlich nicht zu geringem Theile der Herrschaft der 
Eisenbahnen zuzuschreiben ist, veranschaulichen folgende 
Zahlen : Mülhausen, diese eigentlich modern^ Stadt, zählte 
zu Anfang dieses Jahrhunderts noch nicht 10000, 1890 
annähernd 80000 Einwohner (76892). Der Ueberschuss 
der Einwanderung gegen die Auswanderung betrug von 
1871 bis 1890 + 8981 . Dieser Ziffer steht eine Verminderung 
der Bevölkerung von Mülhausen Land von 9537 im gleichen 
Zeiträume gegenüber. 

Strassburgs Bevölkerung hat sich im Laufe dieses 
Jahrhunderts von 54 454 (i. J. 1808) auf 135313 (1895) 
vermehrt. Die Einwanderung in Strassburg-Stadt über- 
wog die Auswanderung von 1870 — 1890 um 17057, in 
Strassburg Land betrug das Mehr der Auswanderung 
7599 i. gl. Zeitr. 

Eine der konservativsten Städte ist Metz, deren Be- 
völkerungszahl 1857 etwa 57 000 und 1890 etwa 60000 
betrug. Das Mehr der Auswanderung im Landkreise Metz 
war 8489 (1871—1890). 

Von den übrigen Orten bieten noch folgende beson- 
deres Interesse * 

Golmar mit 13396 Einw. i. J. 1801 und 30399 i. J. 
1890. Hag^nau mit 11196 Einw. i. J. 1851 und 17 050 
i. J. 1895. Markirch mit 7724 Einw. i. J. 1851 'und 
11870 i. J. 1890. Schiltigheim mit 2998 Einw. i. J. 1851 
und 8596 i. J. 1895, Dornach mit 250 Einw. zu An- 



— 170 — 

d. Jahrh. und 2657 i. J. 1890. Saargemünd mit 
6075 Einw. i. J. 1861 und 13076 i. J. 1890. 

Ein Umstand darf hier nicht unerwähnt bleiben. Nach 
amtlichen Ermittelungen über den Stand der allgemeinen 
Bildung in Frankreich nahm das Unter-Elsass die erste 
Stelle ein. Auf 1000 junge Leute von 20 Jahren entfielen 
nur 15 Analphabeten, während in anderen französischen 
Departements die Zahl der Analphabeten unter den jungen 
Leuten mitunter 700 bis 800 pro Tausend betrug. Dieses 
Verhältnis wurde ein anderes nach dem Kriege, da der allge- 
meine Bildungsstand in Deutschland bekanntlich höher ist 
als in Frankreich. Im Uebrigen herrschte im Elsass, wie in 
allen Ländern von günstigen wirtschaftlichen Verhält- 
nissen, von jeher ein sehr reges geistiges Leben. Und 
gerade dieses Gebiet ist es, auf welchem sich auch am 
klarsten der deutsche Geist der Bevölkerung wieder- 
spiegelt. Gross ist die Schar der elsässisch- deutschen 
Dichter, die, mit den Worten L. Spachs zu reden, «unbe- 
kümmert um Lob oder Unterstützung der (französischen) 
Zentralbehörden, gleichgültig gegen akademische Pariser- 
palmen, den Gebrauch der Muttersprache für den Erguss 
der innigsten Gefühle, für den Ausdruck der schwung- 
vollsten Gedanken treu festhielten». Im elsässischen Sänger- 
walde treffen wir einen Otfrit von Weissenburg, Gottfrit 
von Strassburg, Sebastian Brant, Thomas Murner, Fischart, 
Pfeffel, Stöber, Arnold, Gustav Mühl, Dürrbach, Daniel 
Hirtz, Hackenschmidt u. a. m. 

Unter den elsässischen Geschichtsschreibern sind be- 
sonders Strobel, Röhrich, Jung, Karl Schmidt, Karl Heilz, 
Piton zu erwähnen. Den verschiedenen, wissenschaft- 
lichen und wirtschaftlichen Zwecken dienten oder dienen 
noch die historisch-archäologische Gesellschaft des Elsass, 
die litterarische Gesellschaft zu Strassburg, die Bevue 
d'Alsace (seit 1850 bestehende Zeitschrift), die Gazette 
mödicale von Strassburg, die Gesellschaft zur Beför- 
derung der Naturwissenschaften, die Ackerbau-Gesellschaft 
und endlich die Gesellschaft zur Beförderung der Industrie 
in Mülhijusen. 

Vortrefflich ist die geographische Lage von Elsass- 
Lothringen und des angrenzenden Grossherzogtums Lu- 
xemburg für den Eisenbahn-Verkehr. Inmitten einer Gruppe 
der höchstentwickelten Kulturstaaten, zwischen Ländern 
von hoher Produktivität und hervorragender industrieller 
Thätigkeit gelegen, bildet das Reichsland ein wichtiges 



— 171 — 

Verbindungsglied des internationalen Verkehres, daher 
auch schon in den frühesten Jahrhunderten völkerver- 
bindende Handelsstrassen an Strassburg vorbeigingen. 
Der Rhein selbst war von jeher eine wichtige Verkehrs- 
strasse zwischen Italien und der Schweiz einerseits und 
Norddeutschland, Belgien und Holland andererseits. Die 
günstigen inneren geographischen Verhältnisse erleichter- 
ten die Anlage von Strassen, Kanälen und Eisenbahnen, 
durch welche sich Elsass-Lothringen vor vielen anderen 
Ländern auszeichnet. Die Vogesen, eines der roman- 
tischsten und zugänglichsten der deutschen Mittelgebirge, 
bieten von Jahr zu Jahr erneuten Anreiz zu erhöhter 
Reiselust, sowohl der elsässischen als auch der übrigen 
deutschen Touristen. Zur Erleichterung des Besuches 
der Vogesen bestehen seit einigen Jahren Eisenbahn- 
Rundreisekarten für den Binnen-Verkehr mit Preis-Er- 
mässigungen. Die Schweiz mit ihren herrlichen Seen 
und himmelanstrebenden Bergen lockt alljährlich zur 
schönen Jahreszeit viele Tausende herbei , von denen 
Deutschland das gröbste und England ein bedeutendes 
Kontingent stellen. Und dieser ganze Verkehrsstrom 
flutet fast ausnahmlos über die reichsläudischen Eisen- 
bahnlinien unter der denkbar günstigsten Ausnützung des 
Netzes. Für den überseeischen Verkehr, besonders über 
die belgischen, holländischen und französischen Häfen ist 
die Lage Elsass-Lothringens und Luxemburgs sehr vor- 
teilhaft. Zwei Länder, die Schweiz und Italien, welche 
arm an Kohlen und Eisen sind, sind gezwungeÄ, ihren 
Bedarf aus Belgien sowie aus dem Ruhr- und Saargebiet 
zu decken, und die Reichsbahnen sind an dem Transporte 
hervorragend betheiligt. 

Die bedeutendsten kontinentalen Routen gehen über 
die reichsländischen Linien. In dieser Beziehung beste- 
hen z. Z. folgende grossen Schnellzugs- Verbindungen : 

Der Orient-Expresszug (seit 1. Juni 1883), welcher 
sich zwischen Paris und Konstantinopel bewegt, führt 
über Paris-Nancy-Avricourt-Strassburg-Appenweier-Karls- 
ruhe-Stuttgart-München-Simbach-Wien täglich einmal in 
dieser und der entgegengesetzten Richtung. Von Wien ab 
fährt derselbe zweimal wöchentlich über Budapest, Bel- 
grad-Nisch- Sofia-Philippopel- Adrianopel nach Konstanti- 
nopel und einmal wöchentlich über die alte Route Buda- 
pest-Orsova-Bukarest-Giurgewo-Rustschuk-Varna und per 
Expressdampfer nach Konstantinopel. 



- 172 — 

Der Ostende-Romer-Schnellzug stellt eine 
Verbindung von London über Ostende-Brüssel-Luxemburg- 
Metz- Strassburg- Basel - Ölten- Luzern-Göschenen- Airolo 
(Gotthardtunnel) Chiasso-Corao-Mailand-Bologna mit Rom 
her und befährt diese Route täglich einmal in jeder 
Richtung« 

Der Köln-Romer Schnellzug fährt täglich ein- 
mal über Kohlenz-Bingen-Münster a. St.- Neustad a. H.- 
Weissenburg-Strassburg-Basel u. s. w. wie der vorge- 
nannte. 

Von Paris geht ein Schnellzug über Nancy- 
Metz-Saarbrücken-Frankfurt a. M.- Berlin oder Köln und 
umgekehrt zweimal täglich. 

Ferner bestehen Schnellzugs- Verbindungen : Basel- 
Strassburg - Weissenburg - Frankfurt - Berlin und zurück 
Strassburg- Weissenburg-Mannheim-Frankfurt- Berlin ; 

Basel -Strassburg - Lauterburg - Mannheim-Frankfurt- 
Kassel -Nordhausen -Magdeburg- Potsdam -Berlin in jeder 
Richtung ; 

Metz-Diedenhofen-Trier- Berlin in jeder Richtung; 

Metz-Kalhausen Rastatt -Nürnberg bzw. München in 
jeder Richtung ; 

Strassburg — Rösch woog — Rastatt — Nürnberg bzw. 
München ; 

Basel-Mülhausen-Altmühsterol-Paris in jeder Richi- 
ung, über dieselbe Route bis Galais in jeder Richtung; 

Strassburg -Metz in jeder Richtdng ; 

Stuttgart-Karlsruhe-Strassburg-D. Avricourt-Paris in 
jeder Richtung. 

Von Köln« nach Basel und umgekehrt. 

So sind die Reichseisenbahnen in Elsass.-Lothringen 
durch ihre günstige geographische Lage und die reichen 
wirtschaftlichen Kräfte des Landes, welche sie durch- 
ziehen, in hervorragender Weise Vermittler des Weltver- 
kehres, welcher auf der Grundlage des Welthandels, auf 
den immer zahlreicher werdenden sozialen Wechselbezieh- 
ungen zwischen den einzelnen Gliedern der ganzen Mensch- 
heit und auf der wunderbaren Verkehrskraft der völker- 
verbindenden Eisenbahn beruht. 



173 



Rückblick. 



Wir wollen dieses Kapitel nicht schliessen, ohne 
zuvor einen kurzen Rückblick auf die Entwickelungs- 
Geschichte der Eisenbahnen von Elsass-Lothringen und 
die charakteristischen Merkmale der, dieser Schrift zu- 
grundeliegenden, chronologischen Eintheilung geworfen zu 
haben. 

Wir sehen im Elsass, einem von jeher durch Handel, 
Gewerbe. und Verkehr ausgezeichneten Lande, schon sehr 
frühe Eisenbahn-Projekte auftauchen. Bereits vier Jahre 
nach der Eröffnung der ersten Bahn auf dem Kontinente 
wird Mülhausen, dieses «Manchester» des Elsass, durch 
die eiserne Schienenstrasse mit Thann verbunden, und 
zwei Jahre später, 1841, vermittelt, dank der thatkräftigen 
Initiative des verdienstvollen Fabrikanten Nikolaus Köchlin, 
die Lokomotivbahn den Verkehr zwischen Strassburg und 
Basel. Elsass besitzt die grösste Bahn von ganz Frankreich. 

Wie überall, so zeigt auch hier der Verkehr beschei- 
dene Anfänge. Der Personen-Verkehr übersteigt wohl 
die Erwartungen, aber das eigentliche Element, die 
Massengüter-Transporte, fehlen. Die alten Landstrassen, 
natürlichen und künstlichen Wasserwege genügen den 
Anforderungen, und der Eisenbahn steht das Publikum, 
weil ohne Erfahrungen, z. Th. misstrauisch gegenüber. 

Die zweite Periode, von 1842 bis 1863, ist die grösste 
und zugleich eine der wichtigsten. Strassburg, Metz 
und Mülhaussen werden mit Paris-Le Havre verbunden ; 
es werden Anschlüsse an Luxemburg, Preussen, die Pfalz, 
Baden und die Schweiz hergestellt. Ununterbrochene 
Schienenstrassen, welche Elsass-Lothringen durchschneiden, 
ziehen nun von den Gestaden des Atlantischen Ozeans, 
vom Ostende der Pyrenäen nach dem Balkan, von der 
Nordsee nach dem Mittelländischen Meere und machen 
dieelsass-lothringischen Bahnen zu wichtigen Mittelgliedern 
des Weltverkehres. Das Monopol der französischen Ost- 
bahn-Gesellschaft herrscht in Elsass-Lothringen. Der 
Verkehr ist in stetigem Wachsen begriffen, Handel und 
Industrie haben einen gewaltigen Aufschwung genommen, 
latente Kräfte sind in allen Theilen des Landes geweckt 
worden. 

Die dritte Periode, von 1863 bis 1871, ist durch das 



— 474 — 

Lokalbahnsystem gekennzeichnet. Verschiedene, bis jetzt 
unberücksichtigt gebliebene Gegenden werden an das 
Hauptverkehrsnetz durch Schienenstrassen zweiter Ord- 
nung angeschlossen. Die Initiative des Präfekten Migneret 
vom Unter-Elsass tritt in den Vordergrund der Eisenbahn- 
Angelegenheit, seine Idee beherrscht die ganze Periode. 

Der deutsch-französische Krieg von 1870/71 ruft ge- 
waltige Umwälzungen politischer und wirtschaftlicher 
Natur hervor. Die Eisenbahnen von Elsass-Lothringen gehen 
in den Besitz des deutschen Reiches über. Der Verkehr 
ist gezwangen, neue Wege zu suchen. Indessen wird 
das Reichsbahnnetz seiner neuen Bestimmung entsprechend, 
weiter ausgebaut, durch Herstellung wichtiger innerer 
Verbindungen und besserer Anschlüsse an Altdeutschland. 
Charakteristisch für diese Periode ist der grosse wirt- 
schaftliche Niedergang, der in der Mitte der siebenziger 
Jahre beginnt und 1878 seinen tiefsten Punkt erreicht. 
Derselbe hat die Verkehrs-Verhältnisse der Reichsbahnen, 
ebenso wie diejenigen des übrigen Deutschland und der 
meisten anderen Länder gewaltig beeinflusst. 

Die letze Periode, von 1878 bis heute, kann die Zeit 
der ruhigen, stetig aufstrebenden Entwickelung genannt 
werden. Das Netz wird bedeutend vergrössert durch eine 
Menge von Nebenbahnen und Hauptbahnen von strate- 
gischer und wirtschaftlicher Wichtigkeit. — 

Ein dichtes Netz von Verkehrsadern bedeckt heute 
ElsaSs-Lothringen ; durch dasselbe strömen stets neues 
Leben und neue Kräfte in alle Theile des Landes. Hier 
stellt die schwer beladene Achse, als wahre Förderin der 
Kultur, den Ausgleich her zwischen Erzeugung und Ver- 
brauch ; dort fördert das leichtbeschwingte Rad die flinken 
Werke der Buchdruckerkunst und die leichten Boten der 
Liebe und Freundschaft in Stadt und Land, oder trägt 
die bunte Menge an Sonn- und Feiertagen an den Fuss 
ruinengekrönter Berge. So belebt die Eisenbahn in jedem 
Augenblicke den Pulsschlag des Volkes und macht das- 
selbe immer reifer zu den höchsten Aufgaben der Menschheit, 
den sozialen Forderungen und Pflichten der Menschlichkeit, 
welche nur auf dem Boden der fortschreitenden mate- 
riellen und geistigen Kultur erblühen und gedeihen 
kann. 



Anhang. 

Beschreibung des Bahnnetzes. Eine Karte in 
Worten. 

Das Eisenbahnnetz von Elsass - Lothringen und Luxemburg 
charakterisirt sich auf der Karte als eine, die Längsrichtung des 
Landes durchziehende Hauptverkehrsader, von welcher in allen 
wichtigen Funkten Seitenlinien ausgehen, die vielfach verzweigt und 
unter einander verbunden, den Landesgrenzen zustreben. Die Haupt- 
linie nimmt bei Basel an der Schweizer Grenze ihren Anfang, zieht 
zunächst nordwestlich über St. Ludwig bis Mülhausen, von da im 
Allgemeinen nordöstlich über Lutterbach, Bollweiler, Colmar, Rap- 
poltsweiler, Schlettstadt, Erstein, Strassburg, wendet sich alsdann 
nordwestlich über Vendenheim, Mommenheim, Steinburg, Zabern, 
Lützelburg, Saarburg, Berthelmingen, Bensdorf, Remilly, Cour- 
celles a/N., Metz. Von Metz ab verfolgt die Bahn eine genau nörd- 
liche Richtung über Hagendingen, Diedenhofen, Suftgen (luxemb. 
Grenze), Bettemburg, Luxemburg, Ettelbrück, ' Ulflingen nach der 
belgischen Grenze. Die ganze Linie ist zweigleisig bis Luxemburg, 
eingleisig von da bis zur belgischen Grenze. 

Die Strecke von Basel bis Strassburg steht mit der badischen 
Bahn in Verbindung durch die eingleisigen Hauptbahnen : St. Ludwig- 
Hüningen-Mitte Rhein (Leopoldshöhe), Mülhausen-Banzenheim-Mitte- 
Rhein bei Eichwald (Müllheim), Colmar -Neubreisach -Mitte-Rhein 
(Freiburg) und die zweigleisige Hauptbahn Strassburg-Kehl-Mitte- 
Rhein (Appenweier). 

Nach Osten zweigt ferner die Schmalspurbahn Colmar-Markols- 
heim ab, welche durch die Strassburg-Markolsheimer Strassenbahn 
(Privat) bis Strassburg sich fortsetzt. 

Nach der Westseite führt von Mülhausen eine zweigleisige 
Hauptbahn über Altkirch an die französische Grenze bei Altmünsterol 
(und weiter nach Beifort u. s w.) Von dieser Linie zweigt in Alt- 
kirch die eingleisige Nebenbahn Altkirch-Pfirt ab. 

Eine eingleisige Hauptbahn führt von Lutterbach über Sennheim 
in das Thurthal nach Wesserling und von Sennheim eine eingleisige 
Nebenbahn in das Dollerthal nach Masmünster. In Bollweiler zweigt 
eine eingleisige Nebenbahn in das Lauchthal nach Lautenbach, in Colmar 
eine solche in das Fechtthal nach Metzeral und von Schlettstadt eine 
solche in das Leberbachthal nach Markirch ab, welche in Weilerthal 
eine Seitenlinie (Nebenbahn) in das Giessenthal nach Weiler U/Els. ent- 
sendet. Ferner sind die im Privatbesitze befindlichen Strassenbahnen 
Mülhausen-Ensisheim, Mülhausen- Witteisheim, Colmar-Schnierlach und 
Strassburg-Truchteraheim zu erwähnen. Eine eingleisige Hauptbahn 
stellt eine direkte Verbindung 'von Schlettstadt über Molsheim mit 



- 176 — 

Zabern (unter Umgehung von Strassburg) her. Diese kreuzt in Mols- 
heim mit der, von Strassburg durch das Breuschthal nach Rothau 
ziehenden, eingleisigen* Hauptbahn, welche sich als Nebenbahn bis 
Saales fortsetzt. 

Von Strassburg aus geht parallel mit dem Rheinstrome die 
(vorläufig) eingleisige Hauptbahn nach Lauterburg und von Venden- 
heim die zweigleisige Hauptbahn nach Weissenburg. Die erstere setzt 
sich in der Pfalz nach Speyer-Ludwigshafen, die zweite nach Landau- 
Neustadt a/H. fort. Die beiden vorgenannten Linien in Röschwoog 
bzw. Hagenau durchkreuzend , zieht eine zweigleisige Hauptbahn, 
von Rastatt kommend, über Roppenheim (Mitte-Rhein), Röschwoog, 
Hagenau, Schweighausen nach Obermodern. Weiter nördlich ver- 
bindet eine eingleisige Nebenbahn Selz (auf der Lauterbureer Linie) 
mit Walburg (auf der Weissenburger Linie) und mit Wörth und 
Merzweiler. 

Der bereits zu Anfang erwähnten Hauptverkehrsader parallel, 
zieht eine eingleisige Hauptbahn von Hagenau, Schweighausen über 
Saargemünd-Beningen, von da als eingleisige Nebenbahn nach Har- 
garten und weiter als zweigleisige Hauptbahn nach Diedenhofen. 
Diese beiden Parallellinien sind durch - mehrere Strecken mit ein- 
ander verbunden. In dieser Beziehung ist zunächst die Hauptbahn 
Mommenheim-Saargemünd zu erwähnen, welche bis Obermodern ein- 
gleisig, bis Kaihausen zweigleisig und bis Saargemünd eingleisig be- 
trieben wird. Von Steinburg führt eine eingleisige Nebenbahn nach 
Buchsweiler und von da, sich gabelnd, nach Obermodern und Ing- 
weiler. Eine zweigleisige Hauptbahn verbindet Berthelmingen mit 
Saargemünd und wird in Saaralben von der ebenfalls zweigleisigen 
Hauptbahn Bensdorf-Kalhausen gekreuzt. Eine weitere zweigleisige 
Hauptbahn geht von Remilly über Beningen nach Saarbrücken, 
eine solche auch von Courcelles a/N. über Teterohen -nach Wadgassen- 
Bous bzw. Völklingen. 

In Lützelburg zweigt die Schmalspurbahn nach Pfalzburg ab. 

Anschlüsse an Frankreich stellen folgende Strecken her: 

Saarburg-D. Avricourt (Igney-Avriconrt-Luneville), zweigleisige 
Hauptbahn mit Abzweigung Saarburg- Oberhammer- Alberschweiler 
bzw. Vallerysthal, eingleisigeNebenbahnen. 

Bensdorf-Chambrey (Moncel-Frouard) eingleisige Hauptbahn mit 
Abzweigung Burthecourt - Vic, Nebenbahn, und Verbindungsstrecke 
Bensdorf-D. Avricourt, Nebenbahn. 

Metz-Noveant (Pagny-Frouard), zweigleisige Hauptbahn. 

Metz-Amanweiler (Batilly-Conflans), Nebenbahn. 

Diedenhofen -Fentsch (Audun-le-Roman Longuyon), eingleisige 
Hauptbahn, mit Abzweigung Hayingen-Algringen, Nebenbahn. 

In Hagendingen zweigt eine Nebenbahn nach Gross-Moyeuvre 
ab. Einen Anschluss an Preussen stellt die zweigleisige Hauptbahn 
Diedenhofen-Sierck (Trier) her. Im Grossherzogtum Luxemburg fällt 
als Hauptknotenpunkt die Hauptstadt des Landes mit 2 eingleisigen 
Hauptbahnen zunächst ins Auge. Diese beiden Linien kreuzen die 
Hauptlininie Bettemburg-Ulflingen und fuhren nach Bettingen-belgisehe 
Grenze, bzw. Wasser billig-preussische Grenze. In Bettemburg zweigt 
die, als eingleisige Haupthahn betriebene Strecke Bettemburg-Redingen 
mit Zweiglinien Bettemburg-Düdelingen-Werk, Nörzingen-Tetingen, 
Verbindungs-Kurve bei Nörzingen (eingleisige Hauptbahnen) ab. Von 
Ettelbrück führt eine eingleisige Hauptbahn naoh Diekirch mit An- 
schluss an die Prinz- Heinrichbahn. 



— 177 — 



Geschichtliche Daten über die Eröffnung der 
einzelnen Strecken. 

Hülhausen-Thann am 12. September 1839. 

Benfeld-Colmar am 18. Oktober 1840. 

Mülhausen-St. Ludwig am 25. Oktober -1840. 

Königshofen-Ijgpfeld am 1. Mai 1841. 

Colmar-Mülhansen am 15. August 1841. 

Strassburg-Eönigshofen am 26. März 1844. 

St. Ludwig-Schweizer-Grenze am 13. Juni 1844. 

Metz-Noveant-französ. Grenze am 10. Juli 1850. 

Strassburg-Saarburg am 29. Mai 1851. 

Metz-St.-Avold am 24. Juli 1851. 

St.-Avold-Forbach am 16. November 1851. 

Saarbnrg-Avricourt-französ. Grenze am 15. August 1852. 

Forbach-Stieringen-preuss. Grenze am 16. November 1852. 

Metz-Diedenhofen am 16. September 1854. 

Vendenbeim-Hagenau am 18. Juli 1855. 

Hagenau-Weissenburg-bayer. Grenze am 23. Oktober 1855. 

Mülhausen-Dammerkirch am 15. Oktober 1857. . 

Dammerkirch-Altmünsterol-französ. Grenze am 15. Februar 1858. 

Diedenhofen-Suftgen-luxemb. Grenze am 11. August 1859. 

Strassburg-Kehl (Mitte-Rhein) am 11. Mai 1861. 

Diedenhofen-Fentsch-französ. Gienze am 25. April 1863. 

Thann-Wesserling am 25. November 1863* 

Barr-Molsheim am 29. September 1864. 

Strassburg-Molsheim am 29. September 1864. 

Avricourt-Dieuze am 25. November 1864. 

Molsheim-Mutzig am 15. Dezember 1864. 

Molsheim- Wasselnheim am 15. Dezember 1864. 

Hagenau-Niederbronn am 19. Dezember 1864. 

Schlettstadt-Markirch am 29. Dezember 1864. 

Saargemünd-Beningen am 16. Dezember 1865. 

Beningen-Karlingen am 1. Mai 1866. 

Sennheim-Sentheim am 30. Juni 1869. ( 

Nieder bronn-Saargemünd am 8. Dezember 1869. 

Bollweiler-Gebweiler am 5. Februar 1870. 

Saargemünd-preneeische Grenze am 1. Juni 1870. 

Diese Bahnen gingen durch den Frankfurter Friedens-Vertrag 
vom lO.jäO. Mai 1871 in das Eigentum des deutschen Reiches über. 

Von der Stadt Münster wurde durch Kaufvertrag vom 12. De- 
zember 1871 die, von derselben erbaute Bahn von Colmar nach 
Münster, eröffnet am 3. Dezember 1868, erworben. 

Von der anonymen lothringischen Eisenbahn-Gesellschaft wurden 
durch Kaufvertrag vom 23.125. Juni 1881 folgende Strecken er- 
worben : . 

Saarburg-Saargemünd, eröffnet am 1. November 1872, 

Courcelles-Bolchen, eröffnet am 15. Juni 1873, 

Bolchen-Teterchen, eröffnet am 15. Oktober 1876, 
ferner durch Kaufvertrag vom 19.|20. Oktober 1881 : 

Chäteau-Salins-Chambrey-französ.-Grenze mit Abzweigung von 
Burthecourt nach Vic, eröffnet am 2h Juni 1873. . 

12 



— 178 — 

Von einzelnen Gesellschaften wurden folgende Strecken er- 
worben : 

Abzweigung .bei Strassburg nach Schiltigheim durch Kaufver- 
trag vom 12rMai 1881, in Betrieb genommen am 15. Oktober 1881. 

Hayingen-Algringen (Algringer Erzbahn), im Betriebe seit dem 
1. Juni 1882, als öffentliche Bahn am 4. Januar 1892 erklärt. 

Colmar-Horburg (Schmalspurbahn) durch Kaufvertrag vom 
15./16. Juli 1890, in Betrieb genommen am 1. August 1890. 

Lützelburg-Pfalzburg, in Betrieb seit 1. September 1888, durch 
Kaufvertrag vom 11. Mai 1891, in Betrieb genommen am 1. Juni 1891. 

Unter der Verwaltung der Kaiser!. General-Direktion wurden 
auf Kosten des Reiches bezw. des Landes Elsass-Lothringen erbaut : 

Met z-A man weilei-f ranz ös. Grenze am 1. April 1873 (Reichsfonds). 

Strassburg-Lauterburg-baver. Grenze am 26. Juli 1876 (Reichs- 
fonds). 

Zabern-Wasselnheim am 1. August 1877 (Reicbsfonds). 

Barr-Schlettstadt am gleichen Tage (dgl.). 

Steinburg-Buchsweiler am 16. Oktober 1877 (Reichs- und 
Landesfonds). 

Mutzig-Rothau am gleichen Tage (dgl.). 

Rieding-Remiliy am 10. Dezember 1877 (Reichsfonds). 

Colmar- Breisach (Mitte Rhein) am 6. Januar 1878 (Reichs und- 
Landesfonds). 

Mülhausen-Banzenheim (Mitte - Rhein) am 6. Februar 1878 
(Reichsfonds). 

St Ludwig-Hüningen (Mitte-Rhein) am 11. Februar 1878 (Reichs- 
fonds). 

Diedenhofen-Sierck (preuss. Grenze) am 16. Mai 1878 (Reichs- 
fonds, geringe Landessubvention J. 

Teterenen- Bous am 1. Aprl 1880 (Reichsfonds). 

Wadgassen-Völklingen am 1. April 1881 (dgl.) 

Chäteau-Salins-Saaralben am 1. November 1881 (Reichsfonds, 
geringe Landessubventio). 

Buchsweiler-*Schweighau8en am 1. November 1881 (Landesfonds\ 

Dieuze-Bensdorf am 1. Mai 1882 (Reichsfonds, geringe Landes- 
subvention). 

Karlingen-Hargarten am gleichen Tage (dgl). 

Teterchen-Diedenhofen am 1. Juni 1883 (Reichs- und Landes- 
fonds). 

Sentheim-Masmünster am 1. September 1884 (Landesfonds). 

Lauter burger Hafenbahn am 1. November 1884 (Reichsfonds). 

Gebweiler-Bühl-Lautenbach am 15. Dezember 1884 (Land esfonds). 

Verbindungsbahn Lutterbach-Mülhausen^Hafen am 6. August 1886 
(Reichsfonds). 

Hagendingen-Gross-Moyeuvre am 16. November 1888 (Reichs- 
fonds, geringe Landessubvention). 

Bucfcsweiler-Ingweiler am 16. Dezember 1889 (Reichs- und 
Landesfonds). 

Rothan-Saales am 1. Oktober 1890 (Reichs- und Landesfbnds). 

Horburg-Markolsheim am 8. November 1890 (dgl.). 

Weilerthal-Weiler am 1. Oktober 1891 (dgl.). 

Walburg- Wörth am 1. Dezember 1891 (dgl.). 

Altkirch-Pfirt am 4. Januar 1892 (dgl.). 

Saarburg-Alberschweiler mit Abzweigung nach Vallerysthal am 
4. Januar bzw. 1. Juni 1892 (Reichs- und Landesfonds). 



— 479 — 

Merzweiler-Walburg-Selz am 1. November 1893 (dgl.)« 
Münster-Metzeral am gleichen Tage (dgl.) 
Hagenau-Rösohwoog (Mitte-Rhein) am 1. Mai 1895 (dgl.). 
Mommenheim-Saaralben am 1. Mai 1895 (dgl.). 
Ka) hausen- Saargemünd am 1« Oktober 1895 (dgl.). 
Im Bau begriffen sind: 
Wingen-Münzthai-St. Louis.* 

Erweiterung des Bahnhofes Mulhausen-Nord und Verbindung 
mit Mülhausen-Wanne. 



Verwaltung der Reichseisenbahnen, 

Durch Allerhöchsten Erlass vom 9. Dezember 1871 wurde der 
weitere Ausbau, der Betrieb und die Verwaltung der Reichseisen- 
bahnen einer besonderen Behörde unter dem Namen: «Kaiserliche 
General-Direktion der Eisenbahnen in Elsass-Lothringen> übertragen. 

Durch Reichsgesetz vom 15. Juli 1872 erfolgte die Genehmigung 
des Luxemburger Vertrages vom 11. Juni 1872 und am 16. Septem- 
ber 1872 die Betriebs-Uebernahme auf den Luxemburg-Bahnen. 

Durch Gesetz vom 27. Juni 1873 Errichtung des «Reichseisen- 
bahnamtes.» 

Durch Gesetz vom 29. Februar 1876 Festsetzung des neuen 
Rechnungsjahres vom 1. April bis zum 31. März d. f. Js. 

Durch Kaiserlichen Erlass vom 27. Mai 1878 Errichtung des 
«Reichsamtes für die Verwaltung der Reichseisenbahnen.» 

Die Eisenbahnen in Elsass- Lothringen gehören dem deutschen 
Reiche und werden nebst den älteren Linien der Wilhelm-Luxem- 
burg-Bahn von der Kaiserl General-Direktion nach Massgabe der 
Organisation vom 18. Dezember 1871 verwaltet und betrieben. Die 
Kaiserliche General-Direktion, ausgestattet mit den Befugnissen und 
Pflichten einer öffentlichen Behörde, ist in allen Angelegenheiten des 
Betriebes, der Verwaltung und des Ausbaues der ihr unterstellten 
Bahnen im Allgemeinen selbständig, mit Ausnahme, wenn es sich um 
besonders wichtige Angelegenheiten oder um grössere Beträge han- 
delt. In diesen Fällen, sowie bei der Anstellung bestimmter Beamten- 
Kategorien ist die Entscheidung dem «Reichsamte für die Verwaltung 
der Reichseisenbahnen» vorbehalten! 

Die Kaiserliche General-Direktion ist eine kollegialisch organi- 
sirte Behörde, welche aus einem Präsidenten, 3 Abtheilungs- Vor- 
stehern, sowie administrativen, juristischen und technischen Mitglie- 
dern undHülfsarbeitern besteht. Die Thätigkeit derselben im Einzelnen 
ist durch eine besondere Geschäftsordnung geregelt. 

Unter der Kais. General-Direktion steht das Zentralbüreau mit 
folgenden Abtheilungen : 

Zentral- Administrationsbüreau (Sekretariat, Registratur, Kanzlei, 
Drucksachen-Kontrolle , Tarifbüreau, Betriebs-Kalkulatur, Zentral- 
Betriebs-Kontrolle), Hauptkasse, betriebs- bau- und maschinentech- 



1 Eröffnet im Juni 1897. 



— 180 — 

nisches Bureau, Materialien -Bureau, Abrechnungsbureau für den 
deutsch- italienischen Verkehr. 

Von der Kaiserlichen General-Direktion ressortiren mit einer 
gewissen, bedingten Selbständigkeit; 

Die Betriebs-Direktionen zu Mülhausen, Colmar, Strass- 
burg I u. II, Saargemünd, Metz und Luxemburg ; 

Die Verkehrs-lnspektionen zu Basel, Mülhausen, Colmar, 
Strassburg 1 u. II, Saargemünd, Metz und Luxemburg ; 

Die Werkstätten -Inspektionen zu Mülhausen, Bischheim, 
und Montigny; 

Die Maschinen-Inspektionen zu Mülhausen, Strassburg, 
Saargemünd, Sablon und Luxemburg; 

Die Telegraphen-Inspektion zu Strassburg. 

Die Thätigkeit der einzelnen Bureaus und Ressorts ist durch 
besondere, von der Kaiserlichen General-Direktion erlassene Instruk- 
tionen u. s. w. geregelt. 



Verzeichnis der geschichtlichenOriginab- 
u. a. Quellenwerke. 



1. Ghemin de fer du Havre ä Marseille, de Strasbourg ä Nantes, 
demande en concession par J. S. Blum. 1832. 

2. Chambre des deput6s. Session 1837. Opinion de M. Haas 
sur le chemin de fer de Mulhouse a Thann. 1837. 

3. Chambre des deputes, Session 1838, Opinion de M. L. Carl, 
depute de Strasbourg, dans la discussion sur les chemins de fer. 1838. 

4. Du projet d'un chemin de fer de Strasbourg a Bäle, par 
Ch. Börsch. 1838. 

5. Chemins de fer et canaux, Petition ä la chambre des deputes 
par Ch. H. Schattenmann 1838. 

6. Projet d'un chemin de fer de Metz ä Sarrebrück, dresse par 
M. M. Eugene Flachat et Jules Petiet. 1839. 

7. Considerations militaires et commerciales sur les chemins 
de fer de Paris ä Strasbourg etc. par M. de Bussieres. 1842. 

8. Chemin de fer direct de Paris ä Strasbourg, Proces verbal 
de la seance du conseil municipal de Strasbourg. 2. 11. 1841. 

9. Courrier du Bas-Rhin, 21 septembre 1841. 

10. Das Eisenbahnfest in Strassburg, Gedichte. 1841. 

11. Michel Chevalier, Lettres sur le chemin de fer de Stras- 
bourg a Bäle. 1842. 

12. Ch. Collignon, du concours des canaux et des chemins de 
de fer etc. 1845. 

13. Rapport de la compagnie du chemin de fer de Strasbourg 
a Bäle. 1844. 

14. M. W. Grosseteste, Chemin de fer de Mulhouse ä Thann 
1889. Societe industrielle de Mulhouse, Documents. 



— 181 - 

15. M. P.-D. Bazaine, Chemin de fer de Strasbourg a Bale, 
Notes et documents. 1892. 

16. Öbservations sur la direction da chemin de fer de Stras- 
bourg a la frontiere de la Baviere Rhenane 1847. La ville de Seltz 
a la Chambre des deputös. 1847. 

17. Transit du Ha vre snr Mannkeim par nn chemin de fer de 
Mommenheim a Seltz par Hagnenaa 1845. 

18. Du projet d'un chemin de fer de Mayence ä Strasbourg 1847. 

19. Chemin de fer de Strasbourg ä la Ba viere Rhenane. Proces- 
verbal de la seance du conseil municipal de Strasbourg (29. 11. 1849. 

20. Tarifs. Manuel pour les Expeditions. 10 octobre 1849. 

21. Chambre de commerce de Strasbourg. Chemin de fer de 
Strasbourg ä la frontiere de la Baviere Rhenane. 1847. 

22. Chemin de fer de Lille a Strasbourg avec trac6 par Mols- 
heim etc. Extrait du Courrier du Bas-Bhin. 1855; 

23. Bericht über die Eröffnung der Eisenbahn von Strassburg 
nach Bischweiler-Ha genau am 18. Juli 1855. Ch. Börsen. Nieder- 
rheinischer Kurier. 19. Juli 1855. 

24. Chemin de fer de Colmar ä Münster. Avant-projet 1856. 

25. Chemin de fer de Lille ä Strasbourg, Cocheren ä Strasbourg. 
Memoire ä Son Excellence, Monsieur le Ministre. 1857. 

26. Examen des voies de communication, proposees pour Com- 
puter le chemin de fer de Lille a Strasbourg. 1859. 

27. Les chemins de fer vicinaux dans le departement du Bas- 
Rhin. Recueil des documents officiels. 1864. 

28. Conseil genöral de la Moselle, Chemins de fer d'intäret local 
Session de 1864. 

29. P. Ristelhuber, L'Alsace ancienne et moderne 1867. 

30. Chemin de fer ä travers la chaine des Vosges. Chambre con- 
sultative des arts et manufactures. Seance du 8 decembre 1867. 

31. Projet du chemin de fer de Colmar au Rhin, Departement' 
du Haut-Rhin. Documents officiels. 1869. 

32. Chambre de commerce de Strasbourg. Expose des travaux 
1848—1887. 

33. Annuaire de l'Economie politique et de la Statistique, Maurice 
Block. 1844—1871. 

34. F. Jacqmin, Les chemins de fer pendant la guerre de 1870/71. 

35. Palaa, Dictionnaire legislatif et reglementaire des chemins 
de fer. 1872. 

36. L'Alsace, sa Situation et ses ressources au moment de l'an- 
nexion. Charles Grad. 1872. 

37. Löper, Zur Verkehrsgeschichte von Elsass-Lothringen 1878. 

38. F. R. Perrot. Der Wagenraum-Tarif. 1873. 

39. Ch. Grad. Coup d'oeil sur les chemins de fer d'Alsace- 
Lorraine. 1875. 

40. Bulletin des Lois. Compagnie de TEst. 



— 482 — 

41. Bericht« über die Verwaltung der Eisenbahnen in Elsass- 
Lotbringen. 1873 bis 1895/96. 

42. Bergmann, Bemerkungen über das Ergebnis der Enquete, 
bezgl. des Entwurfes eines einheitl. Tarifsystemes. 

43. Compagnie des chemins de fer de TEst Rapports 1865 bis 
1871. 

44. Jahresberichte der Handelskammern Mülhausen, Colmar, 
Strassburg und Metz bis 1896. 

46. Statistik über den Verkehr auf den Kanälen und der Mosel 
in Elsass-Lothringen. 1886—1890. Aufgestellt im Ministerium für 
Els.-Lothr. 

46. Noöl, Les chemins de fer en France et a l'etranger. 1887. 

47. Archiv für Post und Telegraphier verschiedene Jahrgange, 
besonders angeführt. 

48. Statistische Mittheilungen. Herausgegeben von dem Sta- 
tistischen Bureau des Kaiserlichen Ministeriums für Elsass-Lothringen 
Heft XXni u. a. 



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