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Geschichte der Eisenbahnen
in
Elsass-Lothringen .
GESCHICHTE
DER
EISENBAHNEN IN ELSASS-LOTHRINGEN
UND IHRES
TRANSPORT-VERKEHRES
VON
OTTO FÖHLINGER.
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STRASSBURG
J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel)
4897.
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*5
VORWORT.
Wenn der Verfasser mit der vorliegenden Schrift
an die Oeffentlichkeit tritt, erfüllt er zunächst eine
Pflicht der Pietät gegen alte, liebgewonnene Freunde,
die er aus jahrzehntelanger Verborgenheit und Ver-
gessenheit befreit. Dieselben erzählten ihm manche
Geschichte von dem Wirken und Schaffen der Männer,
die einst an der Wiege der Eisenbahnen von Elsass-
Lothringen gestanden und mit prophetischem Munde
die Grossthaten des jungen Verkehrs-Riesen voraus-
gesagt hatten.
Ueber ein halbes Jahrhundert ist inzwischen in's
Land gezogen ! Zwei grosse Völker haben hier in
friedlicher Thätigkeit ein Werk vollenden helfen,
welches das Volks wohl in hervorragendem Masse zu
fördern bestimmt war. Aber auch Jahre des Kampfes
sind über die eisernen Schienen dahingezogen, da
der Mensch zerstörte, was er einst mühsam erbaut
hatte, und da er das Element der Wohlfahrt um-
wandelte in eine mächtige Waffe gegen seinen
Bruder.
Indessen hat der junge Riese ringsum alle Lande
sich dienstbar gemacht, und über die glatten Schienen-
strassen von Elsass-Lothringen bewegt sich heute der
Weltverkehr. Schon vor einem Jahrtausend war
derselbe an der «Strassburg» vorüber, den Rhein,
diese alte Kulturstrasse, hinauf und hinunter gezogen
237015
VI
und hatte aus dem Frankenlande, aus England und
Belgien den Weg durch das Elsass nach den Donau-
ländern und dem Morgenlande aufgesucht. Und
dieses Land des Handels, des Gewerbefleisses und
des Verkehres «par excellence», nimmt es nicht das
Interesse der weitesten Kreise in ganz Deutschland
fast mehr als jedes andere in Anspruch?
Möge die vorliegende Schrift berufenen Kräften
Anlass geben, die reichen Quellen über die Verkehrs-
geschichte dieses Landes, welche gleich ungehobenen
Schätzen in den Archiven und Bibliotheken zerstreut
sich vorfinden, weiter zu durchforschen ! Bietet doch
gerade dieser' Zweig der menschlichen Kulturent-
wickelungsgeschichte noch ein weites Feld zur Aus-
beute.
Strassburg i. Eis., im Mai 1897,
Der Verfasser.
Inhalts- Verzeichnis .
Seite
I. Kapitel Von 1831 bis 1842. Die ersten Eisenbahnen des
Elsass.
Das Fest zu Mülhausen 1
Die ersten Projekte 2
Die Bahn von Mülhausen nach Thann und Nikolaus
Köchlin 6
Die Bahn von Strassburg nach Basel 10
Der Verkehr auf den ersten Eisenbahnen des Elsass 17
Die Konkurrenz des Rhein-Rhone-Kanales 21
II. Kapitel. Von 1842 bis 1863. Die, weitere Elitwickelung
der Eisenbahnen von Elsass-Lothringen. Anschluss-
und Durchgangsbahnen.
Allgemeines über die französische Eisenbahn-Politik . 23
Die Eisenbahn von Paris nach Strassburg mit Abzweig-
ung nach Forbach und Diedenhofen 25
Vorverhandlungen 25
Bau der Bahn 31
Die Fortsetzung der Bahn von Basel nach Strassburg
über Strassburg hinaus im Anschlüsse an die
pfälzischen Bahnen 33
Vorverhandlungen 33
Strassburg-Lauterburg oder Strassburg-Weissenburg
und Bau der Strecke nach Weissenburg .... 40
Die Konstituirung der französischen Ostbahn-Gesellschaft
und ihre Bauthätigkeit 46
Fusionirung mit der Ardenner Gesellschaft und Erwerb
der Wilhelm-Luxemburg-Bahnen 49
Entwickelung des Verkehres bis zum Jahre 1863 ... 53
Die Tarife der französischen Ostbahn-Gesellschaft . . 60
Die Wirkungen der Eisenbahnen • 65
Unmittelbare Wirkungen 65
Einfluss auf die Industrie des Landes 69
Einfluss auf die allgemeinen Verkehrs-Verhältnisse
der Landstrassen und Kanäle 72
— VIII —
Seite
III. Kapitel. Von, 1863 (und früher) bis 1871. Die Lokal-
bahnen.
Die Initiative des Präfekten Migrieret 78
Verhandlangen des Generalrates nnd Fortschritt der Sache 81
Frühere Projekte 84
Endgültige Projekte 86
Verhandlangen mit der französischen Ostbahn n. a. m. 88
Bau der Lokalbahnen and Gesetz vom 12. Juli 1865 94
Bahn von Colmar nach Münster 97
Ausbau des lothringischen Eisenbahnnetzes u, a. m. 102
Verkebrs-Entwickelung bis znm deutsch-französischen
Kriege von 1870/71 106
Der Krieg and die Besetzung der Bahn durch die Deutschen 109
IV. Kapitel. Die Reichsbahnen (Von 1871 bis 1878). Erster
Ausbau des Netzes.
Frankfurter Friedens-Vertrag and Deutsche Verwaltung 112
Beschaffung der Betriebsmittel, Wiederherstellungs-
arbeiten und Bau von neuen Bahnen 116
Die Entwickelung des Verkehres auf den Reichs- und
Wilhelm-Luxemburg-Bahnen bis 1878 120
Reichsverfassung vom 16. April 1871 120
Der Wagenraum- und Gewichts-Tarif 123
Der Verkehr und der allgemeine wirtschaftliche Nieder-
gang 125
Der Reform-Tarif 132
V.Kapitel. Von 1878 bis 1896. Weiter- Ausbau des Netzes und
Erwerb von neuen Bahnen. Aufstrebende Entwickelang
Neubauten 134
Neue Bewilligungen jmd Entwürfe 140
Entwickelung des Verkehres von 1878 ab und heutige
Verkehrslage 143
Ende der Krisis 143
Schutzzoll oder Freihandel 144
Konkurrenzen, Arlbergbahn, Kanäle 150
Eröffnung der Rheinschiffahrt Strassburg-Mannheim, In-
ternationales Uebereinkommen, Handels-Verträge
u a. m . v 153
Fahrpreise auf den Reichsbahnen 157
Statistisches 161
Schluss »Betrachtung. Die wirtschaftlichen Kräfte von
Elsass-Lothringen und Luxemburg. Günstige geo-
graphische Lage 166
Rückblick 173
Anhang.
Beschreibung des Bahnnetzes. Eine Karte in Worten 175
Geschichtliche Daten über die Eröffnung der einzelnen
Strecken 177
Verwaltung der Reichseisenbahnen 179
Verzeichnis der geschichtlichen Original- n. a. Qnellen-
werke 180
I. KAPITEL.
Von 1831 bis 1842.
Die ersten Eisenbahnen des Elsass.
Das Fest zu Mülhausen.
An den Tagen des 19. und 20. September 1841 wurde
in Mülhausen und Strassburg kein Name höher gefeiert
als der des grossen Fabrikanten Nikolaus Köchlin. Er
wurde zum Gegenstande begeisterter Kundgebungen von
vielen Tausenden, welche zu den Einweihungsfeierlich-
keiten der von ihm erbauten Strassburg-Baseler Eisenbahn
erschienen waren. Die Eröffnung derselben war ein be-
deutendes Ereignis für das ganze Elsass, denn die Strecke
Strassburg-St. Ludwig war nicht nur die erste grosse
Bahn des Landes, sondern überhaupt die grösste aller bis
dahin in Frankreich erbauten Eisenbahnlinien. «Ein
grosses elsässisches Fest ist gefeiert worden,» schrieb der
Courrier du Bas-Rhin vom 21. September 1841, «Die
Tage des 19. und 20. September haben unsere bewun-
derungswürdige Eisenbahn würdig eingeweiht, dieses neue
Element der Wohlfahrt, welches die edle Beharrlichkeit
des Herrn Nikolaus Köchlin allen Elementen der Wohl-
fahrt beigefügt, die das Elsass schon besass. 134 Kilo-
meter Eisenbahn sind jetzt zur Befahrung eröffnet, und
das Elsass kann mit Stolz Frankreich diese erste grosse
Bahn zeigen, die es durchschneidet und seine Bevölkerung
vereinigt.»
• • • •
Am 19. September, morgens 10 Minuten vor 7 Uhr,
führte der aus 14 gedeckten und 10 offenen Waggons
bestehende, reichgeschmückte Festzug, gezogen von den
beiden Lokomotiven «La Sylphide» und «La France», die
Festtheilnehmer, unter denen der französische Minister
der öffentlichen Arbeiten, der Präfekt des Niederrheins
und die Vertreter aller hohen Obrigkeiten sich befanden,
von dem Bahnhofe in Königshofen nach Mülhausen. Nach-
dem der Zug an allen 22 Stationen gehalten und in
Schlettstadt und Golmar weitere Vertreter der Behörden
aufgenommen hatte, langte derselbe mit mehr als 400
Personen um halb 12 Uhr mittags in Mülhausen an, wo
um 2 Uhr nachmittags die Festlichkeiten begannen. In
dem Bankettsaale prangte in goldenen Lettern, weithin
sichtbar, der Name Nikolaus Köchlins und seiner zwei
Ingenieure Bazaine und Chaperon. Unter den zahlreichen
Toasten, welche bei dem Bankette ausgebracht wurden,
entsprachen hauptsächlich folgende dem allgemeinen Cha-
rakter des Festes : «Die Einigkeit der, an der Eisenbahn
gelegenen, Städte des Elsass», feierte Karl Börsch, Mit-
glied des Strassburger Gemeinderates, «den Fortschritt
des Menschengeistes » der Rektor der Strassburger Aka-
demie, Gottard. Dieser reihte den Errungenschaften früherer
Zeiten die Erfindung der Dampfmaschine und der Eisen-
bahn als hohes Ziel des unermüdlichen Menschengeistes
an. « Wertlose Lager eines Minerals waren den
Armen als Brennstoff überlassen, der Mensch erforscht
sie, untersucht sie Das Gas kommt daraus hervor,
und nun haben die Nächte ihre Sonne, die Schiffe fahren
über die Meere ohne Segel und ohne Ruder ; Wagen
verschlingen den Raum ohne Pferde, und bringen die
Völker einander näher, um sie in einer einzigen Familie
zu vereinigen, unter der dreifachen Fahne der Arbeit, der
Wohlfahrt und der Freiheit!» Der französische Na tional-
Oekonom und Staatsrat Michel .Chevalier feierte «die
schnelle Erbauung der europäischen Eisenbahnen.»
Die ersten Projekte.
Wenn wir nun das festliche Stimmungsbild verlassen,
um den Gang der Ereignisse zu verfolgen, so müssen
wir um 10 Jahre zurückgehen. Unter den Ländern, in
welchen die grosse That Stephenson's am frühesten ihre
_ 3 —
praktische Anwendung fand, nimmt Elsass-Lothringen,
durch seine bedeutende industrielle und kommerzielle
Thätigkeit dazu berufen, eine hervorragende Stelle ein.
Die ersten Eisenbahn-Projekte reichen bis auf die Anfangs-
zeiten des Bahnbaues auf dem europäischen Kontinente
zurück. Bereits im Jahre 1831 wurde von einem Metzer
Banquier, Worms, dem General-Direktor für Brücken- und
Strassen bau in Frankreich ein Gesuch um Ermächtigung
zur Anstellung von Untersuchungen über den Bau einer
Eisenbahn von Metz nach Saarbrücken eingereicht. Als
Hauptzweck der projektirten Linie war der Transport von
Kohlen aus dem Saarbrücker Kohlenrevier nach Metz
und den Häfen der Mosel und von da nach den reichen Erz-
gebieten Ost-Frankreichs angegeben. Es war in dem betr.
Projekte darauf hingewiesen worden, dass die Bahn von
Metz nach Saarbrücken auf den gesamten Personen- und
Güter-Verkehr zwischen dem Norden und Osten, zwischen
Belgien und Deutschland, Paris und Strassburg einen
gewaltigen Einfluss ausüben würde , hinsichtlich der
Raschheit, Billigkeit und Bequemlichkeit, welche die für das
Verkehrsleben so wesentliche Ersparnis an Zeit, Geld und
Mühe bedeutete. Das Kohlenbecken von Saarbrücken war
zu jener Zeit vorzugsweise dazu bestimmt, den Nordosten
Frankreichs, das Gebiet zwischen der Mosel bis Epinal,
der Meuse bis Verdun, der Marne bis Saint-Dizier, der
Vogesen bis nach Saint-Diö und das ganze zwischen Rhein
und Vogesen gelegene Land mit Kohlen zu versorgen.
Für die Nützlichkeit der projektirten Eisenbahn sprach
hauptsächlich die zu jener Zeit sehr oft beklagte Un-
regelmässigkeit und Langsamkeit der Transport- Verhält-
nisse auf den Schiffahrtstrassen (es kamen Saar und
Mosel in Betracht). Diese hatten seit längerer Zeit grosse
Massen-Anhäufungen von Gütern in Metz, Pont-ä-Mousson
und in den Eisenwerken während der Dauer der Ver-
kehrsstörungen verursacht. Das genannte Gesuch, ebenso
das gleiche vom Jahre 1836, wurde jedoch abgewiesen.
Im Jahre 1838 war von einem Consortium grosser
Geschäftsleute von Saarbrücken das Projekt einer Eisen-
bahn von Saarbrücken nach Mannheim aufgestellt und im
Anschlüsse daran an die Banquiers und Geschäftsleute von
Metz das Ansuchen gerichtet worden, ihrerseits für die
Ausführung einer Linie von Metz nach Saarbrücken ein-
zutreten. Die Vorbereitungsarbeiten waren auch wirklich
in die Wege geleitet und der französischen Regierung
_ 4 —
neue Vorschläge, von 2 Ingenieuren Flachat und Petiet
ausgearbeitet, mit wesentlich derselben Motivirung wie
die früheren, genauen Nutzberechnungen und einer Zu-
sammenstellung der voraussichtlichen Baukosten unter-
breitet worden. Letztere waren für eine eingleisige Bahn
von 78,10 km. auf 13 700000 frs. (d. h. pro km. =
175110 frs.) veranschlagt worden, wovon l l A auf Erd-
arbeiten, V4 ^f den Schienenweg, l j h auf Materialbe-
schaffung, x / 9 auf Kunstbauten und der Rest auf Verwal-
tungskosten und dgl. entfielen.
Ein zweites, für Elsass-Lothringen in Betracht zu
ziehendes Projekt, dessen Ursprung auf das Jahr 1832
zurückgeht, war dasjenige der Herren J. S. Blum von
den Minen bei Epinac. Dieses galt der Ausführung eines
ebenso grossen, als für die damalige Zeit kühn erscheinen-
den Unternehmens, nämlich der Herstellung einer Eisen-
bahn von Le Havre nach Marseille und von Nantes nach
Strassburg.' Neben den für die allgemeine Nützlichkeit
des gewaltigen Verbindungsmittels zwischen Ost- und
West-, zwischen Nord- und Südfrankreich sprechenden
Gründen war besonders die Wichtigkeit der von der Bahn
berührten Kohlenbecken von Epinac, Creuzot, Saint-
Etienne, Alais und Nantes, ferner die Bedeutung der
Bahn im Interesse der Landes- Verteidigung hervorge-
hoben, worden. Die erforderliche Bausumme wurde auf
200000000 frs. veranschlagt.
Ein anderes Projekt, welches bereits im Jahre 1834
von einem Mitgliede der «Soci6tö industrielle de Mulhouse»
aufgestellt wurde, dürfte umsomehr das allgemeine Inte-
resse beanspruchen, als seine Ausführung erst in der
neuesten Zeit erfolgte. Es war das Projekt einer Eisen-
bahn von Saarbrücken über Saargemünd, Diemeringen,
Ingweiler nach Strassburg. Dasselbe galt in erster Linie
dem Transporte von Kohlen aus dem Saarkohlen-Gebiete
nach Mülhausfcn. Die Kohlen-Transporte wurden damals
bis' Strassburg mittelst Landfuhren und von da bis Mül-
hausen durch den Rhein-Rhone-Kanal bewerkstelligt, so
dass die Herstellung einer Eisenbahn von Saarbrücken
nach Strassburg, welche eine Länge von 130 km. haben
sollte, eine wesentliche Herabminderung der Transport-
Kosten bewirkt haben würde. Die Herstellungskosten
wurden auf 17 000 000 frs., die jährlichen Einnahmen auf
ca. 1088 000 frs. veranschlagt, darunter 750000 frs. für
die Beförderung von Kohlen, 200000 frs. für allgemeine
— 5 —
Güter und 130000 frs. für Personen. Nach genauen Er-
hebungen, welche die Mülhauser Handelskammer anstellte,
betrug der Bedarf an Kohlen im Ober-Elsass für sämt-
liche industriellen Etablissements etwa 40000 Tonnen
jährlich, ausser einer grossen Menge anderer Heizungs-
materialien. Von einer Gesellschaft Gross-Industriefler
dem General-Direktor für Brücken- und Strassenbau im
Jahre 1838 vorgelegt, wurde das Projekt zurückgewiesen
und die Herstellung des Rhein-Marne-Kanals gefordert.
Die Bahn von Mülhausen nach Thann
und Nikolaus Köchlin.
Bevor die zuerst erwähnten Projekte zur Ausführung
kamen, erging aus dem Ober-Elsass, welches damals schon
zu den bedeutendsten Industrie-Gebieten des europäischen
Kontinentes zählte, die Anregung zum Bau einer Eisen-
bahn von Mülhausen, dem Gentrum jenes Gebietes, nach
dem ebenfalls industriellen Städtchen Thann. Verschiedene
Gross-Industrielle, Mitglieder der «Sociöti industrielle de
Mulhouse » , ersuchten im Jahre 1835 die französische
Regierung um die Concession zum Bau der gen. Linie.
Dieselbe wurde jedoch erst im Jahre 1837 der inzwischen
constituirten «compagnie des chemins de fer de Mulhouse
ä Thann» ertheilt, deren Haupt der bereits mehrfach
erwähnte Fabrikant Nikolaus Köchlin aus Mülhausen war.
Da der Name Köchlin nicht nur mit der Eisenbahn-
Geschichte von Elsass-Lothringen, sondern noch mehr
mit der Geschichte der Industrie von Mülhausen, nament-
lich der Baumwoll-Industrie, eng verknüpft ist, so dürfte
es hier von Interesse sein, über diesen Gegenstand den .fran-
zösischen National-Oekonomen Michel Chevalier sprechen
zu lassen. Derselbe sagt : «Im Jahre 1745 bemerkte ein
Mülhauser Commis, namens Schmaltzer, auf einer Reise
durch Bar-le-Duc die Industrie der Indiennes , der
gedruckten Baumwollzeuge. Es waren Gewebe aus Indien,
die man in Europa langsam und mit grossen Kosten
druckte. Diese Industrie beschloss er in Mülhausen ein-
zuführen. Samuel Köchlin lieferte die Kapitalien und der
Maler Henri Dollfus sein Talent. Dies waren die Anfänge
der Baumwoll-Industrie im Elsass, kleine Anfänge, wie
diejenigen von Rom. Dies war auch der Ursprung der
beiden Familien Köchlin und Dollfus, die ihre Einnahmen
— (i —
ausserordentlich vermehrt haben, getreu den Traditionen
ihrer Vater. Köchlin und Dollfus, diese beiden Namen
sind überall in Mülhausen ; man ist sicher, sie da zu
finden, wo eine Industrie aufblüht; noch sicherer aber
da, wo es sich um eine patriotische That, oder um ein
Unternehmen von lokalem oder allgemeinem Interesse
handelt. Die Indienne-Fabrik von Schmaltzer, Samuel
Köchlin und Henri Dollfus hat eine Menge kleinerer ge-
schaffen. Heute handelt es sich nicht nur um das Drucken
der Stoffe ; die aus Amerika oder Egypten eingeführte
rohe Baumwolle wird gesponnen und gewebt und hernach
gedruckt. Etwa 45 Millionen Kilogramm rohe Baumwolle
fuhrt ganz Frankreich jährlich ein, davon entfallen auf
Ober-Elsass ungefähr 9 Millionen, d. i. der fünfte Teil
vom ganzen Königreich. Noch mehr als durch die Menge
zeichnet sich die Waare durch ihre Güte aus. Die
feinsten Fäden, welche die französischen Spinnereien her-
vorbringen, kommen aus dem Elsass. Die im Ober-Elsass
gedruckten Baumwoll-Gewebe finden nirgends mehr ihres-
gleichen. Ausgesuchter Geschmack im Muster, Glanz und
Feinheit der Farben, Dauerhaftigkeit derselben und Güte
der Gewebe sind in hohem Masse vereinigt ; hierzu kommt
die Billigkeit, denn diese prächtigen Stoffe sind auf allen
Börsen vertreten, und jeden Tag sinken die Preise. Die
Baumwoll-Industrie konzentrirt sich auf einen kleinen
Raum zwischen Mülhausen und Logelbach, bei Colmar
und in den vier Seitenthälern der Vogesen, in demjenigen
von Rappoltsweiler, dem von Münster, von Gebweiler
und von Thann oder St. Amarin, wo die industriereiche
Stadt Thann zahlreiche Werke besitzt, und wo im Hinter-
grunde die grosse Fabrik von Wesserling sich erhebt,
deren Nebengebäude den Raum einer Stadt füllen.» Von
anderen Industriezweigen führt Chevalier die Fabrikation
von Wolle, Seide, Leinen und hauptsächlich von Dampf-
maschinen an, welch' letztere nirgends besser als in Mül-
hausen und Umgebung hergestellt würden. Die Firma
Köchlin war es auch, welche Frankreich die ersten Loko-
motiven vaterländischer Arbeit lieferte, während bisher
alle in Frankreich vorhandenen Lokomotiven in England
hergestellt worden waren. Die im Jahre 1825 begründete
«Soci6te industrielle de'Mulhouse» trug wesentlich zur
Hebung und Förderung der Industrie des Ober-Elsass bei.
Die ersten, von der französischen Regierung geneh-
migten Untersuchungsarbeiten für die Strecke Mülhausen-
— 7 —
Thann wurden durch Entscheidung des General- Direktors
für Brücken- und Strassenbau vom 30. Mai 1836 einge-
leitet und durch den Ingenieur des Kreises Altkirch,
M. Bazaine, geführt, denselben, welcher die Strecke Mül-
hausen-Thann, und in Gemeinschaft mit dem Ingenieur
Chaperon die Strecke Strassburg-Basel erbaut hat. Im
Dezember 1836 wurde das Vorprojekt der Bahn durch
Nikolaus Köchlin dem Präfekten des Ober-Elsass eingereicht
und von Letzterem gemäss Artikel 3 des Gesetzes vom
7. Juli 1833 eine EnquSte-Kommission mit der Feststellung
der Einzelheiten des Projektes betraut. In der Präfektur des
Departements, ferner in den Unter-Präfekturen von Alt-
kirch und Beifort waren gleichzeitig öffentliche Register
aufgelegt worden, in welche die Einwohner der betr. Ge-
bietstheile ihre Ansichten und Beschwerden eintragen
sollten. Die im Kreise Altkirch erhobene Opposition gegen
das Projekt brachte zum Ausdrucke, dass dasselbe eine
Privat-Spekulation sei, welche keinerlei Vortheil für das
öffentliche Interesse verbürge. Die zwischen Mülhausen
und Thann bereits vorhandenen leichten und bequemen
Verbindungen Hessen eine neue überflüssig erscheinen,
zumal ja durch eine solche keine neuen Absatzgebiete
geschaffen, dagegen viele den derzeitigen Verhältnissen
entsprechenden Einrichtungen zu Grunde gerichtet würden.
Im Kreise Beifort beschwerten sich verschiedene Besitzer
von Waldungen, welche von der geplanten Eisenbahn
durchschnitten werden sollten. Dieselben befürchteten eine
Verminderung des Wertes ihrer Besitzungen. Günstig
sprachen sich die Stadt Colmar, der Munizipalrath von
Dornach, Mülhausen und die Handelskammer daselbst aus.
Nach Prüfung der Einzelheiten des Projektes und der
erhobenen Beschwerden erkannte die Enquete-Kommission,
dass die geplante Eisenbahn alle Eigenschaften einer all-
gemein nützlichen Einrichtung vereinige, da sie sowohl
für die Industrie als auch durch die bedeutende Herab-
minderung der Preise für Brennmaterialien jeder Art für
die ärmeren Klassen einen Vortheil verbürge. Dieser
würde an Bedeutung gewinnen, sobald die geplante Bahn
von Saarbrücken nach Strassburg fertiggestellt wäre. Es
wurde noch besonders betont, dass die projektirte Eisen-
bahn die Beziehungen zwischen Mülhausen und den
Industrie-Orten der Vogesen vermehren und in Verbindung
mit der Schiffahrt auf dem Rhein-Rhone-Kanal die Ent-
wickelung und den Wohlstand des Landes fördern würde.
— 8 —
Ferner sei dadurch der Anstoss zur Schaffung neuer
Eisenbahnverbindungen im Elsass gegeben.
Die Strecke Mülhausen-Thann sollte eine Länge von
ca. 20 km. haben und über Dornach, Lutterbach, Senn-
heim nach ihrem Endpunkte sich hinziehen. Die Ein-
wohnerzahl von Mülhausen betrug damals etwa 25000,
von Thann etwa 5000. Mülhausen bezog seine Waaren,
meistens Baumwolle, von Marseille durch Rhone, Saone,
Rhein-Rhone-Kanal und von Le Havre und vertheilte sie
in den zahlreichen Thälern der Vogesen. Thann übertraf
durch seine Ausdehnung, seine Industrie und seinen Reich -
thum alle übrigen. Städte mit Ausnahme von Mülhausen.
Der vom Handelsminister der französischen Depu-
tirten-Kammer vorgelegte Gesetz-Entwurf wurde in der
Sitzung vom 24. Juni 1837 mit 218 gegen 22 Stimmen
angenommen und demgemäss durch Gesetz vom 17. Juli
desselben Jahres dem Herrn Nikolaus Köchlin die Gon-
cession ertheilt, die projektive Bahn von Mülhausen nach
Thann auf seine Kosten, Gefahr und Risiko zu erbauen.
Die Goncession3-Dauer war auf 99 Jahre festgesetzt. Alle
besonderen Bedingungen wurden in einem von dem Gon-
cessionär anerkannten Lastenhefte niedergelegt. Dasselbe
bestimmte, dass die zum Zwecke der Sicherheits-Polizei,
der Benützung und Unterhaltung der Bahn nötigen Be-
stimmungen in besonderen öffentlichen Verwaltungs-Reg-
lements nach Anhörung des Goncessionärs aufgenommen
würden. Die Strecke sollte innerhalb 3 Jahren fertigge-
stellt und eingleisig mit einer Spurweite von 1,44 m.
erbaut werden. Die Tarifsätze waren im Allgemeinen
folgende : (Die Regierung beschränkte sich auf Festsetzung
von Maximalsätzen.)
Für Personen, pro Kopf und km., in gedeckten
Wagen . frs. 0,08
Für Personen, pro Kopf und km., in offenen Wagen
frs. 0,06
Für Tiere, je nach Gattung, pro Stück und km.
frs. 0,10 — frs. 0,04 und frs. 0,03
Die Güter wurden klassifizirt, und zwar
1. Klasse: Kalk und Gips, Bruchsteine, Mühlsteine,
Sand, Thon, Ziegel, Schiefer, Düngermittel, Pflaster-
und Bausteine jeder Art u. dgl. m.
pro Tonne und km. zu frs. 0,15
2. Klasse: Getreide, Mehl, Erze, Koks, Holzkohlen,
Brennholz, Bretter, Marmor, Roheisen, Eisen in
Barren, Kolonial waaren pro Tonne u. km. zu frs. 0,16
3. Klasse: Gusseisen, bearbeitetes Eisen und Blei,
Kupfer und andere Metalle, Wein, Spirituosen,
Oele, Wolle und Baumwolle, Farbhölzer, Zucker,
Kaffee, Drogerie waaren u. dgl.
pro Tonne und km. zu frs. 0,17
Für Kohlen war ein besonderer ermässigter Satz
gewährt worden pro Tonne und km. zu frs. 0,12.
Auf Grund der Goncessions-Ertheilung bildete sich
alsbald eine Aktien-Gesellschaft, deren Haupt und einzig
verantwortliches Mitglied mit dem Titel eines Administra-
teur-g6rant der Fabrikant Nikolaus Köchlin war. Der Ge-
sellschaftsfonds wurde auf 2600000 frs., bestehend aus
5200 Aktien von je 500 frs., festgesetzt, davon stellten
2500000 frs. die Einlage und die Verpflichtungen des
Herrn Nikolaus Köchlin dar, 100000 frs. waren für unvor-
hergesehene Ausgaben bestimmt.
Die Arbeiten wurden im April 1838 begonnen und
derart gefördert, dass die ganze Strecke Mülhausen-Thann
am 1. September 1839 dem Betriebe übergeben werden
konnte. Die Kosten hatten 2805000 frs. betragen. Der
erzte Zug legte die ca. 20 km. lange Strecke in 25 Mi-
nuten zurück, also mit einer Geschwindigkeit von 800 Metern
in der Minute, oder 48 km. in der Stunde, während die,
durch die Neigung der Bahn begünstigte Rückfahrt in
15 Minuten, d. h. mit einer Geschwindigkeit von 79 km.
pro Stunde erfolgte.
Vor Eröffnung der Bahn hatte man auf einen Per-
sonen-Verkehr von etwa 100 bis höchstens 150 Reisenden
pro Tag gerechnet, während die Betriebs-Resultate sich
' in Wirklichkeit, wie folgt stellten :
Vom 1. Januar bis Ende Juni 1840 wurden im Ganzen
befördert ca. 100000 Reisende, d. h. pro Tag durch-
schnittlich 5 — 6 Hundert. Sehr bemerkenswert ist, 'dass
es gerade die minderbemittelten Klassen waren, welche
die Eisenbahn am meisten benützten. Der Güter- Verkehr
wurde erst am 1. Juli des Jahres 1840 eröffnet und
brachte in der ersten Zeit noch nicht den zehnten Theil
der Gesamt-Einnahmen. Es ist bekanat, dass auf den
ersten Bahnen der Güter- Verkehr fast immer hinter dem
Personen-Verkehr zurückgeblieben ist. Der Grund dafür
liegt in der natürlichen Langsamkeit, mit welcher sich
— 10 —
die Veränderung altgewohnter Verhältnisse immer voll-
zieht. Alte bewährte Verbindungen, die vor Einführung
der Eisenbahn bestanden, hemmten den Uebergang der
Güterbewegung auf das neue Transportmittel, dem man
zunächst noch wenig Zutrauen entgegenbrachte. Hierzu
kommt, dass Bahnen von nur, kurzer Ausdehnung und
ohne durchgehende Verbindungen auch noch nicht jene
Vortheile zu bieten vermochten, welche erst durch die
Anschlüsse an benachbarte Gebietsteile hervorgerufen
wurden. Ausserdem bestanden in der ersten Zeit vielfach
noch Verträge mit den verschiedenen Transport-Unter-
nehmern, die man nicht so leicht lösen konnte. Viel
schneller dagegen vollzog sich der Uebergang des Per-
sonen-Verkehrs auf die Eisenbahn. Den Reisenden kam
die Geschwindigkeit, mit welcher die Bewegung der
Lokömotivzüge von statten ging, vom ersten Tage an
zugute, zunächst, weil die Motive zum Reisen überhaupt
viel zahlreicher sind als die der Güter-Transporte, dann
aber auch, weil man durch Eilwagen u. s. w. schon a
priori an gewisse Ansprüche hinsichtlich der Schnellig-
keit und Bequemlichkeit der Beförderung gewöhnt war,
während man andererseits von dem Grundsatze ausging,
dass bei der Güterbewegung Verspätungen und Unregel-
mässigkeiten weder für den Versender noch für den
Empfänger irgend welchen Nachtheil brächten. Die Bahnen
von lokalem Interesse weisen auch heute noch den regsten
Personen-Verkehr auf, wie der Sozial-Politiker Riehl schon
bemerkt, «der Lokal -Verkehr füllt die Personenwagen.»
Die Bahn von Strassburg nach Basel.
Noch bevor Köchlin Goncessionär der Mülhausen-
Thanner Eisenbahn gewesen war, beschäftigte er sich
bereits mit den Voruntersuchungen für das Projekt einer
Eisenbahn von Strassburg nach Basel und ersuchte im
Oktober des Jahres 1837 um die Concession für diese
Strecke. Im selben Jahre noch wurde auf Grund des
bereits erwähnten Gesetzes vom 7. Juli 1833 eine En-
quete-Kommission ernannt, welche sich mit den Einzel-
heiten des Projektes befasste und angesichts der zahl-
reichen Reklamationen gegen dasselbe besonders folgende
Punkte für die Nützlichkeit des Unternehmens geltend
machte : Der Handel und die Industrie des Elsass würden
— 11 —
durch die projektive Bahn von Strassburg nach Mül-
hausen und Basel einen neuen Aufschwung nehmen und
neue Mittel zur Entwicklung und zum Aufblühen gewinnen,
namentlich im Hinblick auf die zu erwartende Verlänger-
ung der Bahn über Basel hinaus nach der Schweiz und
Ober-Italien und über Strassburg nach Mannheim, Mainz,
Köln und Anvers. Sie sollte ferner eine Abzweigung
der grossen von Paris ausgehenden Bahn nach Strassburg
und Süddeutschland bilden. (Die Voruntersuchungen zu
letzterer waren auch bereits von der französischen Re-
gierung in die Wege geleitet worden.) Die zahlreichen
Beschwerden der interessirten Bevölkerung des Elsass
brachten zum Ausdrucke, dass der Ackerbau notleiden,
der Boden und die Produkte entwertet, viele Industrien
auf dem Lande vernichtet würden ; dass ferner das ganze
Unternehmen eher eine Börsen-Spekulation als eine Sache
des öffentlichen Nutzens sei, dass beträchtliche Kapitalien
durch dasselbe verschlungen, andere eher vermindert als
vermehrt würden.
Hiergegen wurde Folgendes zur Entkräflung ange-
führt : Das Terrain, welches durch die Anlage der Eisen-
bahn für den Ackerbau verloren ginge, sei sehr gering,
da es im Kreise Schlettstadt, welches hauptsächlich in Be-
tracht gezogen war, etwa im Verhältnisse von 60 zu 118000
Hektar stehe. Dagegen sei die Bahn für das betr. Gebiet
von grossem Nutzen, da in demselben die Produktion die
Konsumtion bei weitem überwiege und der Haupt-Reich-
thum in dem Exporte von Getreide, Rübsamen, Hanf,
Lein u. dgl. mehr bestehe. Bis dahin konnte der Export
sich nur auf einen beschränkten Kreis erstrecken, da die
Transport-Kosten für grössere Entfernungen die Preise der
Produkte selbst überstiegen. Strassburg,Colmar, Schlettstadt
und die Ortschaften der Umgebung waren die einzigen
Märkte, auf welche der Produzent seine Waaren bringen
konnte, doch hier fand er starke Konkurrenz durch das
Vorhandensein der gleichen Produkte in grosser Menge. Die
Eisenbahn dagegen gestattete durch die Schnelligkeit ihrer
Beförderungsweise und die Billigkeit der Fracht den
Transport der Bodenerzeugnisse nach ferneren Gegenden
und eröffnete dadurch neue Absatzgebiete: z. B. Mül-
hausen, Basel, und wenn die geplante Verbindung zwischen
Basel und Zürich fertiggestellt sein würde, einen grossen
Theil der Schweiz. Auf der Eisenbahn konnte der Be-
wohner von Erstein schneller und billiger nach Mülhausen
— 12 —
und Basel als vorher nach Sirassburg gelangen. Ersparnis
an Zeit, Verminderung der Frachtkosten, Vermehrung der
Absatzgebiete für die Handels-Produkte waren die grossen
Vortheile und Wohlthaten der Eisenbahn. Dafür, dass die
Pferde, wie besonders betont wurde, ausser Thätigkeit
gesetzt würden, konnte auf den ausgedehnten Wiesen und
Weiden des Gebietes von Schiet tstadt eine rationelle Zucht
von Rindvieh betrieben werden, für welches sich in Stross-
burg, wo jährlich 5 bis 6000 Ochsen konsumirt wurden,
ein bedeutendes Absatzgebiet eröffnete. Grosse Strecken,
welche bis dahin als Weideland dienten, Hessen sich zum
Anbau von Gemüsepflanzen verwerten, welche mittelst der
Bahn rasch und billig nach Strassburg, Mülhausen und
Basel, wo dieselben, wie in allen grösseren Städten, hoch
im Preise standen, verschickt werden konnten.
So bedeutete die Eisenbahn für den Boden keinen
Schaden, sondern nur Vortheil und würde durch die
Hebung des Kapitalwertes von Grund und Boden ein
achtes Element des Gedeihens und des Reichthums des
ganzen Landes. Dafür, dass die kleineren Städte durch
die Annäherung an die grösseren an Bedeutung verlieren
würden, weil sie mit diesen die Konkurrenz nicht aus-
hielten, mussten die grossen Städte gewinnen. Grosse
Städte aber seien immer die eigentlichen Stätten des
Lichtes und der Zivilisation gewesen.
Die Kosten der Ausführung der Bahn wurden auf
26000000 frs. für eingleisigen Betrieb veranschlagt. Am
6. und 7. Februar 1838 fanden in der Deputirten-Kammer
die Beratungen über den vorgelegten Gesetzes-Entwurf
statt und bald darauf auch in der Pairskammer, welche
den Goncessionären die Verpflichtung auferlegte, sich zu
einer anonymen Gesellschaft zu constituiren. Dieses geschah
unter der Firma: «Gompagnie des chemins de fer de
Strasbourg ä Bäle» mit dem Sitze in Paris. Der Gesell-
schaftsfonds betrug 42000000 frs., bestehend aus 84 000
Aktien zu 500 frs., davon sollten 40000000 zur Aus-
führung der Eisenbahn mit allem Zubehör dienen. Die
definitive Goncessions-Ertheilung erfolgte durch Gesetz vom
6. März 1838 unter der gleichzeitigen Bedingung, dass die
Gesellschaft, sofern die in der Pfalz projektive Linie Mann-
heim-Lauterburg zur Ausführung käme, verpflichtet sei, in
einer Frist von 5 Jahren die Strecke Basel-Strassburg nach
Lauterburg zu verlängern. Die Eisenbahn Basel-Strassburg
sollte zweigleisig ausgebaut werden. Die Goncessions-
— 13 —
dauer wurde im Gegensatz zu früher nur für 70 Jahre
ertheilt. Ferner war neu bestimmt worden, dass der Satz
für Güter im Transit- Verkehre gleich demjenigen für
Kohlen sein sollte. Der Einheitspreis für die Beförderung
von Personen in gedeckten wurde auf frs. 0,075 und in
offenen Wagen auf frs. 0,05 ermässigt. Für die Güter
der 1. Klasse sollten frs. 0,12, für diejenigen der 3. Klasse
frs. 0,14 und für die 3. Klasse frs. 0,16 pro Tonne und
Kilometer erhoben werden.
Die Expropriation wurde auf Grund des Gesetzes vom
7. Juli 1833 eingeleitet, erregte aber derart die Opposition
der interessirten Bevölkerung, dass sich die Regierung zu
einer Revision des Gesetzes und in der Folgezeit zur Er-
richtung eines neuen Expropriations-Gesetzes, datirend
vom 3. Mai 1841, veranlasst sah, desselben, welches noch
heute mit wenigen Abänderungen, auch in Elsass-Loth-
ringen, gültig ist. Die Feindseligkeiten, mit welchen die zur
Vornahme der Expropriation eingesetzte Jury zu kämpfen
hatte, nahmen in -manchen Gebieten, so z. B. dem von
Schlettstadt und zwischen Mülhausen und Basel einen
solch bedrohlichen Charakter an, dass die Sicherheit nur
durch die öffentliche Gewalt wieder hergestellt werden
konnte. Die Forderungen der Eigentümer wurden jedoch
in den meisten Fällen um das zwei- und dreifache durch
die Angebote der Jury überschritten. Die gesamte für
Erwerb von Grund und Boden verausgabte Summe belief
sich auf etwa 5 bis 6 Millionen frs. Für Kunstbauten,
Brücken und Viadukte betrug die Gesamt- Ausgabe etwa
1425900 frs., für Herstellung des Oberbaues (zwei Gleise)
etwa 1800000 frs.
Das gesamte für die Herstellung der 139 km. langen
Bahn von Strassburg nach Basel verwendete Kapital
betrug 45052000 frs., darunter 29400000 frs. aus 84000
Aktien zu 350 frs. bestehend, 12600000 frs. Staats- An-
leihe, rückzahlbar zu 4°/ (ausschliesslich 1% Amortisa-
tion, welche erst im Jahre 1847 beginnen sollte) ferner
eine im Jahre 1843 gemachte Anleihe, bestehend in 2775
Obligationen zu 1000 frs., rückzahlbar zu 1250 frs. = zus.
3052000 frs.
Die Eröffnung der ersten Theils trecke Benfeld-Colmar
erfolgte am 19. Oktober 1840, die Eröffnung der Strecke
Mülhausen-St. Ludwig am 26. Oktober desselben Jahres,
der Strecke Benfeld-Königshofen und Mülhausen-Golmar
am l. Mai bezw. 15. August 1841, die Inbetriebnahme
— 14 —
der ganzen Linie Königshofen-(Aussenbahnhof Strassburg)
St. Ludwig am 19. September desselben Jahres. Die endgül-
tige Trace der Bahn war nach Verfügung der Ingenieure
Chaperon und Bazaine ausgeführt worden, welche die allge-
meinen Gesichtspunkte in einer Denkschrift angegeben
hatten, die als Anhang zum Vor-Projekte diente. Zuerst war
als Ausgangspunkt der Strecke die Gegend vom Spitalthore
in Strassburg bestimmt gewesen, alsdann erwählte man
mit Rücksicht auf die Einmündung später zu erbauender
Linien eine zwischen Kronenburger- und Steinthor gelegene
Stelle, genannt Grünerbruch, welche am geeignetsten
schien, die Bahnen von Basel, Paris und Lauterburg zu
vereinigen. Die Ausführung des letztgenannten Planes
erfolgte jedoch erst mehrere Jahre später, zunächst wurde
ausserhalb der Stadt, in Königshofen, ein provisorischer
Bahnhof errichtet. Die Entfernung zwischen Strassburg
und St. Ludwig beträgt in der Eisenbahnlinie 137,668 km.,
bis Basel 140 km. Sehr bemerkenswert ist es jeden-
falls, dass die Entfernung auf dem Rheine zwischen der
Kehler Brücke und der Brücke von Basel ebenfalls
140 km. beträgt. Die offizielle Volkszählung vom
Jahre 1844 giebt folgenden interessanten Aufschluss über
die Einwohnerzahl der von der Strassburg-Baseler Bahn
berührten Gemeinden. Es sollen hier nur die wichtigsten
derselben Erwähnung finden :
Die Einwohnerzahl betrug :
U n t e r - E 1 s a s s.
In Strassburg =70 298 In Erstem ■= 3 445
> Geispolsheim =2142 » Benfeld =. 2 688
» Fegersheim = 1771 » Scherweiler = 2 651
In Schlettsta4t = 8624.
Ober-Elsas s.
In Bergheim = 3 428 In Dornaoh = 2 920
> Golmar = 18619 > Mnlhansen = 38129
» Rufach =3332 » Rixheim = 3 022
Die Bahn berührte im Ganzen 58 Gemeinden mit
zusammen 200000 Einwohnern. Schon bei den ersten
Vorstudien* hatte man in Anbetracht der ziemlichen Be-
völkerungsdichtigkeit des Elsass zur Herbeiführung eines
regen Nachbar -Verkehres beschlossen, eine möglichst
grosse Anzahl von Stationen zu errichten und anfangs
20, alsdann noch 9 neue vorgesehen. Unter den 29 Sta-
— 15 —
tionen waren 5 Haupts tationen (Königshofen für Strass-
burg, Schlettstadt, Colmar, Mülhausen uüd St. Ludwig)
5 Stationen 2. Klasse : Erstein, Benfeld, Rappoltsweiler,
Rufach und Bollweiler, und 19 Stationen 3. Klasse, eine
Eintheilung, welche durch die Betriebs- Ergebnisse der
späteren Jahre vollständig gerechtfertigt worden ist, da
die Stationen 1. Klasse 75°/ , die Stationen 2. Klasse 10°/
und die 19 Stationen 3. Klasse zusammen 15°/ der Ein-
nahmen aus dem Personen-Verkehre erzielten. Die Her-
stellungskosten für die vier grossen Bahnhöfe von Schlett-
stadt, Colmar, Mülhausen und St. Ludwig betrugen etwa
1685000 frs., wovon auf Mülhausen allein 790000 frs.
entfallen.
Was nun die Ausrüstung dieser ersten grossen Bahn
des Elsass und von ganz Frankreich mit Betriebsmitteln
anbelangt, so waren von vornherein
16 Lokomotiven und Tender
26 gedeckte Personenwagen unds
100 andere Wagen vorgesehen.
Die Anzahl der Lokomotiven wurde jedoch bald nach
Inbetriebnahme der Bahn vermehrt, so dass im Jahre
1842 = 26 Lokomotiven im Dienste waren. Der Preis
der aus England gelieferten Maschinen betrug frei Mül-
hausen etwa 50 bis 52000 frs. (einschl. Tender), der
Preis der aus den Maschinenfabriken von Andr6 Köchlin
und J. Meyer hervorgegangenen etwa 50000 frs., die
mittlere Leistung jeder einzelnen etwa 20000 km. pro
Jahr. Auch die Anzahl der vorgesehenen Wagen wurde
vermehrt und zwar auf 44 gedeckte Personenwagen mit
zusammen 1246 Plätzen ; dieselben kosteten durchschnitt-
lich je 6500 frs.
Die Strecke Strassburg-Basel war, wie bereits zu
Anfang erwähnt, die grösste aller bis dahin in Frankreich
erbauten Bahnen, deren zweitlängste, die am 7. Juli 1841
eröffnete Strecke von Bordeaux nach La Teste, eine Länge
von 52 km. hatte. Das ganze zu jener Zeit ausgebaute
französische Eisenbahnnetz umfasste 570 km.
Die Wahrnehmung des Betriebsdienstes auf der Strecke
Basel-Strassburg erfolgte nach folgenden Grundsätzen :
Zur Ueberwachung und Unterhaltung der Bahn war eine
bestimmte Anzahl von Wärtern angestellt, deren Haupt-
funktionen darin bestanden , die Strecke in betriebs-
sicherem Zustande zu erhalten, die Barrieren zu öffnen
und zu schliessen und Hülfe für die, in Gefahr befindlichen
— 16 —
Züge zu vermitteln. Die Ankunft der Züge wurde durch
das Hornsignal von Posten zu Posten angekündigt. Zum
Notsignal diente eine gelb und rote Fahne, welche der
Wärter hin und herbewegte. Die Bahnwärter waren in
kurzen Entfernungen von ca. 1 000 m aufgestellt. Beweg-
liche Werkstätten besorgten die Unterhaltung des Ober-
baues, auf dessen Ergänzung und Wiederherstellung,
bezw. Erneuerung im Interesse der ungehinderten Be-
wegung der Züge die grösste Sorgfalt verwendet wurde.
Auf den kleineren Stationen geschah die Einziehung
und Verrechnung der Einnahmen durch den Stationschef,
auf den grösseren durch besondere Abfertigungs-Beamten ;
die Ueberwachung des gesamten Betriebsdienstes erfolgte
durch einen Verkehrs- Chef, welcher seinen Sitz in Mül-
hausen hatte, und welchem 2 oder 3 Kontrolöre zur Seite
standen.
Nach verschiedenen als unpraktisch erkannten Ver-
suchen wurde im Jahre 1842 folgender Abfertigungs-
Modus für den Personen-Verkehr eingeführt, welcher sich
durch Vereinfachung und Beschleunigung der Abfertigung,
sowie Erleichterung der Kontrole auszeichnete : Ein grosser
Schrank enthielt die im Voraus für jede Bestimmungs-
station und Wagengattung vorbereiteten Karten. Für
jede Bestimmung war eine Abtheilung von sechs Fächern
eingerichtet, darunter zwei für Eilwagen, ganze und halbe
Plätze (in gelber Farbe), zwei für sogenannte char-ä-bancs
(grün) und zwei für gewöhnliche Waggons (weiss). Ueber
den einzelnen Fächern war, auf einem in denselben Farben
wie die Karten gehaltenen Streifen Papier, der Preis der
Karte angegeben, welcher ausserdem auch in grossen
Ziffern ausserhalb des Bureaus für das Publikum ange-
bracht war.
Ein Stempel bezeichnete den Tag der Abfahrt und
den Buchstaben des Zuges auf der Karte, um eine miss-
bräuchliche Benutzung derselben Karte für verschiedene
Züge unmöglich zu machen. Der Abfertigungsbeamte
hatte nur die Vertheilung der Karten an die Reisenden,
die Abstempelung der Karten und die Einziehung der
Einnähmen für dieselben zu besorgen, ohne irgend ein
Wort zu schreiben. Die Eintragungen in die Rechnungen
geschahen erst nach Abfahrt des letzten Zuges. Man
sieht, dass dieses Verfahren, eingeführt im Elsass im
Jahre 1842, im Wesentlichen dasselbe ist, wie das noch
heute allgemein übliche.
— 17 —
Die technische Einrichtung der Billetschränke war
folgende : Jedes Fach enthielt ein kleines Bleiblättchen,
welches auf den Karten auflag, um sie festzuhalten.
Dieses Blättchen wurde, sobald eine Karte aus dem
Fache herausgenommen war, zur Seite gelegt, so dass
bei der späteren Feststellung die herausgenommenen
Blättchen die Fächer, aus welchen Karten verkauft worden
waren, anzeigten. Um die Anzahl der aus den einzelnen
Fächern entnommenen Karten ermitteln zu können, war
jede derselben mit zwei Nummern versehen, mit einer
Ordnungs - Nummer und einer Serien-Nummer. Jede
Serie enthielt hundert Karten, welche vom Vorsteher
gestempelt, in ein verschnürtes und mit seinem Amts-
siegel versehenes Packet gebracht wurden. Die Karten
waren so geöTdnet, dass der Abfertigungs-Beamte die
Richtigkeit feststellen konnte, ohne den Verschluss zu
verletzen. Beim Tagesschlusse wurde die letztverkaufte
Nummer jedes Faches in die Einnahme-Nachweisüng
eingetragen und gab durch Vergleichung mit derjenigen
vom Tagesanbruche die Anzahl der inzwischen verkauften
Karten an. Auf den Stationen lagen Tarife über die Be-
förderungsprei^ nach allen Bestimmungsorten auf, so dass
die Eintragung der erzielten Einnahmen aus dem Personen-
Verkehre, nach Wagengattung und Bestimmungsstationen
Getrennt, sowie die Feststellung der Richtigkeit der
[asse eine wenig zeilraubende Arbeit war.
Das beschriebene System, von M. Bazaine erfunden,
wurde bald auf allen Stationen eingeführt. Der «Indus-
triel alsacien» vom 27. März 1842 enthält eine längere
Abhandlung darüber, aus welcher die vorstehenden An-
gaben stammen.
Der Verkehr auf den ersten Eisenbahnen des
Elsass.
Den Hauptvortheil versprach man sich zunächst für
den Personen- Verkehr, da man allgemein annahm, dass
für viele schweren Güter, wie z. B. Kohlen, der Oberbau
nicht genügend Festigkeit besässe und derartige Trans-
porte daher bedeutende Unterhaltungs- und Wiederher-
stellungskosten verursachten. Was den Personen- Verkehr
anbelangt, so hoffte man, nach den auf anderen Eisen-
bahnen gesammelten Erfahrungen, dass derselbe sich
— 18 —
gegen bisher mindestens verdreifachen würde. Von Strass-
burg nach Basel verkehrten vor Einfuhrung der Eisen-
bahn täglich drei Eil wagen, welche durchschnittlich je
12 Reisende während der 6 Wintermonate und 13 Rei-
sende während der 6 Sommermonate, d. h. im Jahre ca.
7 — 8 Tausend und, für Hin- und Rücktour berechnet, ca,
15 — 16 Tausend Reisende beförderten. Verdreifacht würde
sich die Zahl von ca. 45000 ergeben. Hierzu rechnete
man die Reisenden, welche im Sommer den Rhein hinunter
und hinauf fuhren, diejenigen, welche das rechte Rhein-
ufer verlassen würden, um sich nach dem linken Ufer
und auf die Eisenbahn daselbst zu begeben, ferner alle
Landbewohner, welche täglich die Eisenbahn benutzen
mussten, um nach Mülhausen, Colmar und Strassburg
zu fahren. Bestimmte Zahlen der zu erwartenden Fre-
quenz Hessen sich jedoch noch nicht feststellen. Ver-
gleiche, wie sie damals vielfach üblich waren, z. B. mit
der Eisenbahn zwischen Liverpool und Manchester konnten
auf diesen speziellen Fall keine Anwendung finden, da
die beiden genannten Städte 225000 bezw. 130000 Ein-
wohner zählten, während Strassburg und Basel bezüglich
ihrer Einwohnerzahl viel bescheidenere Verhältnisse auf-
wiesen. *
Was nun die kommerzielle Bedeutung der Strecke
Basel-Strassburg anbetrifft, so kam man zu folgenden
Schlüssen: Von dem allgemein gültigen Satze aussehend,
dass zur Herbeiführung eines regen Güter-Verkelirs die
Produktions- Verhältnisse des einen Theiles des Verkehrs-
Gebietes den Konsumtions-Verhältnissen eines andern
entsprechen müssen, zog man für die Produkte des Acker-
baues in erster Linie die Märkte von Strassburg, Mül-
hausen, Colmar und Basel in Betracht. Doch sah man
in diesen Beziehungen keine genügende Verkehrskraft,
um einschl. der aus dem Personen-Verkehre erzielten
Einnahmen die auf 60 bis 80000 frs. pro Meile festge-
setzten Unterhaltungskosten und die Zinsen des Anlage-
Kapitals für die Bahn zu decken. Da die Linie Basel-
Strassburg in erster Linie als ein Verbindungsglied
grösserer noch zu erbauender Durchgangsrouten gelten
sollte, setzte man auch in den Durchgangs- und direkten
Verkehr die grössten Erwartungen. Für die aus dem
Süden Frankreichs über Strassburg nach Deutschland be-
stimmten Waaren' war zunächst der Rhein-Rhone-Kanal
eine wichtige Konkurrenzlinie. Man ging von der Voraus-
— 49 —
Setzung aus, dass für die Beförderung fast aller Güter,
hauptsächlich aber der Massengüter, die Schnelligkeit und
Regelmässigkeit nicht Bedingung sei, so dass also diese
Vorzüge des neuen Transportmittels nicht in Berücksich-
tigung gezogen wurden. Für die grössere Leistungsfähigkeit
der Kanäle und Flüsse im Güterverkehr sprach zunächst
die billigere Fracht, welche durchschnittlich 11 Cts. pro
Tonne und km. betrug, gegenüber 13 — 14 Cts. auf der
Eisenbahn, ausserdem der um ca. 5 km kürzere Transport-
weg des Rhein-Rhone-Kanals zwischen Mülhausen und
Strassburg. Ferner fielen die in Mülhausen erwachsenden
Kosten der Umladung' der Güter vom Schiffe auf die Eisen-
bahn in's Gewicht, wodurch die Fracht-Differenz zugunsten
des Kanalverkehrs noch erhöht wurde. Mehr liess sich da-
gegen erhoffen von dem Verkehr aus dem Innern Frank-
reichs und vom Rheine. Auf letzterem war in den letzten
Jahren ein bedeutendes Anwachsen des Verkehres beob-
achtet worden. Die Menge der im Hafen von Strass-
burg eingelaufenen Güter aus den am Rhein und am Main
gelegenen Städten war von 1831 bis 1835 von 3113 auf
50000 Zentner gestiegen, so dass man dieselbe kurz vor
Eröffnung der Strecke Basel-Strassburg auf etwa 100000
Zentner schätzen konnte. Ein Theil dieser Transporte
musste von Strassburg ab sicherlich, der Eisenbahn
zugutekommen. Dies waren die Erwartungen, welche
man in das neue Eisenbahn-Unternehmen für die erste
Zeit gesetzt hatte; ihrer eigentlichen Bestimmung sollte
die Strecke Basel-Strassburg erst entgegengehen, wenn
die grossen internationalen Verkehrs-Routen von Ober-
Italien, der Schweiz nach Mannheim, Mainz, Cöln und
Anvers einerseits und von Le Havre über Paris nach
Strassburg, Stuttgart, Ulm, München und Wien anderer-
seits ausgebaut sein würden, eine Erwartung, welche die
Erfahrungen der Folgezeit in der günstigsten Weise be-
stätigten. Es ist bekannt, dass die beiden genannten
Verkehrslinien schon vor einem Jahrtausend als Handels-
strassen dienten.
Am 15. August 1841 wurde auf der Strassburg-
Baseler Eisenbahn der Betrieb eröffnet. Die Anzahl der
beförderten Personen von diesem Zeitpunkt bis 31. De-
zember desselben Jahres, also während 4V 2 Monaten, be-
trug 294 849, ein Resultat, welches wohl grossentheils den
Einweihungsfeierlichkeiten und dem Reize der Neuheit,
welchen die Eisenbahn damals noch hatte, zu verdanken ist.
r _ 20 —
In den nächsten Jahren wurden befördert:
1842 = $26 799 Personen bei einer Einnahme von 1574126 frs.
1843 = 702 748 > » > > 1639324 frs.
Hinter diesen Resultaten blieb der Güter-Verkehr
lange Zeit weit zurück.
Derselbe brachte :
1842 = 270289 frs.
1843 = 607429 frs.
1844 = 684805 frs.
1845 = 692833 frs.
Die Gesamt-Einnahme der ersten Jahre betrug
1842 = 1844415 frs. oder 13800 frs. pro km.
1843 = 2146 753 frs. > 16000 frs. > > <
1844 = 2308202 frs. > 17300 frs. > >
Die kilometrische Roheinnahme überstieg bis zum
Jahre 1852 niemals die Summe von 17900 frs. Bis zu
diesem Jahre und auch noch im Jahre 1853 blieb die
Einnahme aus dem Personen- Verkehr der wesentlichste
Bestandteil der Gesamt-Einnahme.
In dem der Goncessions-Urkunde beigegebenen Lasten-
hefte für die Strassburg-Baseler Bahn waren bekanntlich
zwei . Wagenklassen für den Personen- Verkehr vorgesehen.
Durch königliche Ordonanz vom 29. Oktober 1840 wurden
drei Klassen eingerichtet und zwar:
1. Klasse in gedeckten und mit Fensterscheiben ge-
schlossenen Wagen, auf Federn ruhend
zum Satze von 0,10 frs.
2. Klasse in gedeckten auf Federn ruhenden Wagen
zum Salze von 0,075 frs.
3. Klasse in unbedeckten auf Federn ruhenden Wagen
zum Satze von 0,05 frs.
Vom Jähret 848 ab fielen die offenen Personenwagen
weg und wurden durch gedeckte, mit Vorhängen und
später mit Fensterscheiben geschlossene Wagen ersetzt.
Was das Verhältniss der Benützung der einzelnen Klassen
anbelangt, so stellte sich dasselbe für das Jahr 1848,
wie folgt:
1. Klasse 60 2. Klasse 290 3. Klasse 650 Reisende
pro Tausend.
Die von jedem Reisenden durchschnittlich durch-
fahrene Strecke pro Jahr:
1. Klasse 60 km 2. Klasse 39 km und 3. Klasse
29 km.
— 21 —
Vom Jahre 1844 ab wurden folgende Gütermengen
auf der Basel-Strassburger Eisenbahnsirecke befördert :
1844 = 70819 Tonnen
1846 = 72843
1849 = 99500
1851 = 110774 »
Von der im Jahre 1844 beförderten Tonnenzahl ent-
fallen auf:
Postgüter = 831,194 Tonnen
Eilgüter = 8702,930
Frachtgüter = 48797,764
Güter im Transit = 6378,426 >
Kohlen = 6088,286 »
In der Periode von 1841 bis 1853 betrug :
Die mittlere kilometrische Roheinnahme = frs. 16,800
> » > Aasgabe = > 10,600
> > » Reineinnahme = » 6,200
Verhältnis- Ausgabe zu Einnahme —63 zu 100.
Das Betriebs-Ergebnis war = 2°/ vom aufgewendeten
Kapital (314000 frs. pro km)
oder 3°/ vom Aktienkapital (212000 frs.)
Die Konkurrenz des Rhein-Rhone-Kanales.
Im Jahre 1841 wurden auf dem Rhein -Rhone-Kanal
befördert :
a) zwischen Strasburg und lliühausen = 27354 t.
b) im Verkehre nach Süd-Frankreich = 6993 t
c) im Transit- Verkehre = 7703 t
49,050 t.
Im Jahre 1842 zu a) = 21417 t.
» b) = 5869 t.
> c) = 6366 t.
33652 t.
Im Jahre 1848 zu a) = 16056 t.
> b) = 5286 t.
> c) = 9198 t
30540 t.
Der Verlust, welchen die Kanalschiffahrt seit Eröff-
nung der Eisenbahn erlitten hatte, betrug daher im Jahre
1842 gegen 1841 = 8398 t, d. h. l / 5 der Tonnenzahl.
Diese Reduktion war unzweifelhaft auf die Konkurrenz
der Eisenbahn zurückzuführen. Gh. Gollignon giebt darüber
— 22 —
folgende Erläuterung: Im Jahre 1844 betrug der Preis
fiir den Transport von 100 kg gewöhnlicher Güter auf
dem Wasserwege von Strassburgnach Mülhausen = 1 ,30 frs.
oder 13 frs, pro Tonne. Die Entfernung ist gleich 99 km,
es ergiebt sich daher ein Preis von 0,13 frs. pro Tonne
und km.
Die Eisenbahn verlangte fiir die gleiche Transport-
leistung bei Waaren 1. Klasse = 1,40 frs. und 2. Klasse =
1,20 frs. pro 100 kg, d. h. durchschnittlich ebenfalls 13 frs.
pro Tonne. Da die Entfernung mit der Eisenbahn indess
106 km beträgt, so ergiebt sich ein Preis von 12,26 Cts.
pro Tonne und km, also geringer als für den Transport
auf dem Kanäle, eine Erscheinung, die nirgends sonst
eine Analogie hatte.
Für den dadurch entstehenden Einnahme-Ausfall
entschädigte sich die Eisenbahn auf den Zwischenstationen.
-Die Eisenbahn-Gesellschaft hatte eine differentielle Tarif-
bildung gewählt, so dass dem Kanäle lebhafte Konkurrenz
geboten wurde.
Die Einheitssätze pro t. und km betrugen :
1. für die Entfernung
von Strassburg nach Mülhausen (106 km) = frs. 0,123
2. für die Entfernung
von Strassburg nach Schlettstadt (41 km) = frs. 0,256
3. für die Entfernung
von Schlettstadt nach Mülhausen (65 km) = frs. 0,206
4. für die Entfernung
von Strassburg nach Colmar (63 km) =■ frs. 0,210
5. für die Entfernung
von Colmar nach Mülhausen (43 km) = frs. 0,177
6. für die Entfernung
von Strassburg nach Bollweiler (87 km) = 0,166
7. für die Entfernung
von Strassburg nach St. Ludwig (134 km) = 0,121
und für die gleiche Entfernung im Transit- Verkehre = 0,097
Die höheren Sätze bezogen sich auf solche Strecken,
für welche die Konkurrenz des Kanals nicht in Betracht
kam, während für solche Strecken, welche von dem
Transporte auf dem Kanäle hätten profitiren können,
um die Konkurrenz des letzteren zu entkräften, niedere
Sätze angewendet wurden. Für die Strecke Strassburg-
Mülhausen kam die Konkurrenz des Kanals in Frage,
daher nur 0,123 frs. gegen 0,13 frs. auf dem Kanäle
berechnet wurden. Den Ausfall an Frachten deckten
die Transporte von Strassburg nach Schlettstadt z. B.,
— 23 —
auf welcher Strecke die Beförderung auf dem Kanäle
ausgeschlossen war.
Die Tonnenzahl der auf der Eisenbahn beförderten
Güter war von 2200 im Jahre 1841 auf 66468 im Jahre
1843 gestiegen. Diese, entwickelt Gollignon weiter,
setzten sich zusammen : Zunächst aus den bis dahin auf
den Landstrassen beförderten Gütermengen (ca. 9500 t.)
ferner aus solchen, welche vom Kanal auf die Eisenbahn
übergegangen waren, und endlich aus denjenigen, welche
man auf den grossen Landstrassen von Nancy nach
Strassburg, Colmar und Mülhausen seit Eröffnung der
Eisenbahn zu den bisher beförderten Gütern noch zuge-
laden hatte, damit dieselben nun per Eisenbahn ihren
Bestimmungsorten zugeführt würden. Man ergänzte die
Ladungen auf der Landstrasse Nancy-Strassburg durch
solche neuen Güter, welche ab Strassburg nach Mülhausen,
Colmar, Basel befördert werden sollten,, während die-
selben früher direkt per Landfuhre ihren Bestimmungs-
orten zugeführt worden waren.
IL KAPITEL.
Von 1842 bis 1863.
Die weitere Entwickelung der Eisenbahnen in
Elsass-Lothr ingen .
Allgemeines über die französische Eisen-
bahn-Politik.
In der Entwickelung des Bahnnetzes war Frank-
reich anfangs hinter den anderen Ländern zurückgeblieben.
Mit der Eröffnung der Strecke Basel-Strassburg jedoch
begann ein rascheres Vorgehen in dem Bau von Eisenbahnen.
In vielen Fällen nahm die französische Regierung die
Angelegenheit selbst in die Hand, da wo es sich um
das allgemeine Interesse des Landes handelte, oder sie
unterstützte die Privat-Initiative nach jeder Richtung durch
bereitwillige Goncessions-Ertheilung, in den meisten
— 24 —
Fällen aber auch durch Gewährung beträchtlicher Staats-
subventionen und Baar-Darlehen, zu deren Rückzahlung
sie die günstigsten Bedingungen stellte.
Das Gesetz vom IL Juni 1842 endlich, welches für
die Folgezeit von fundamentaler Bedeutung für die Eisen-
bahnen Frankreichs geblieben ist, bestimmte, dass der
Staat auf seine Kosten den Grunderwerb, die Erdarbeiten
und Kunstbauten übernehmen und den Gesellschaften die
Ausfuhrung des Oberbaues, die Lieferung des Betriebs-
materials und die Sorge für den Betrieb überlassen sollte.
Nach diesem Gesetze wurde die Ausgabe des Staates
allgemein auf 150000 frs. pro km, die der Privatgesell-
schaft auf 125000 frs. festgesetzt. In der Concessions-
Ertheilung griff ein doppelter Modus Platz, entweder die
direkte Goncession an die nachsuchende Gesellschaft, oder
die öffentliche Zusprechung, unter Zulassung des Wettbe-
werbes von verschiedenen Gesellschaften.
So entstand jenes einheitliche Eisenbahnnetz Frank-
reichs, welches sich wesentlich von denjenigen anderer
Länder unterscheidet und durch eine Menge radienförmig
von der Landeshauptstadt auslaufender Hauptlinien, die
vielfach untereinander verbunden sind, sich charakterisirt.
Bei dem streng durchgeführten Zentralisationssystem im
französischen Verwaltungswesen konnte es auch nicht
ausbleiben, dass der Staat sich schon frühzeiüg die obersten
Rechte über das gesamte Eisenbahnwesen vorbehielt.
Die Gonc^ssions-Ertheilung erfolgte in der Regel auf
99 Jahre, oft auch auf kürzere Dauer. Nach Ablauf
dieser Frist könnte der Staat ohne Weiteres in sämtliche
Rechte des Concessionärs eintreten, hatte aber ausserdem
das Recht, nach Ablauf einer gewissen Frist die Con-
cession früher abzukaufen. Die zur Sicherheits-Polizei,
Benützung und Unterhaltung der Bahn nöthigen Be-
stimmungen wurden in besonderen öffentlichen Ver-
waltungs-Reglements niedergelegt ; alle zur Ausführung
des Betriebsdienstes erforderlichen Einrichtungen bedurften
der Genehmigung der Regierung. Letztere setzte ferner
in den Lastenheuen der einzelnen Goncessionäre die all-
gemeinen Normen der Bauausführung, des Betriebes, der
Unterhaltung und Bewachung der Bahn fest und ver-
langte von den Goncessionären von vornherein sichere
Gewähreistung für die Ausführbarkeit der geplanten
Eisenbahnlinien durch Forderung von Kapital-Nachweisen
und beträchtlichen Kautionen. Besondere Gesetze, welche
— 25 —
schon aus den ersten Jahren datiren, regelten das Vor-
untersuchungs-, Enqu&te- und Expropriationswesen. Die
Regierung hatte sich das Recht Vorbehaltes, Goncessionen
für solche neuen Linien jederzeit zu ertheilen, welche
von den bereits concessionirten abzweigten oder sich an
dieselben als Verlängerungen anschlössen, und regelte
den Uebergang der Fahrzeuge von einer zur andern
Bahn. Im Interesse der Landesverteidigung und bei
allen Truppenbeförderuugen waren die Eisenbahn-Gesell-
schaften verpflichtet, die Bahn zu ermässigten Taxen
(die Hälfte der gewöhnlichen) jederzeit zur Verfugung zu
stelten. Die Regierung bestimmte gewisse Höchstsätze
der Beförderungskosten, welche von den Gesellschaften
nicht überschritten werden durften ; Ausnahmen unter-
standen der höheren Genehmigung und mussten veröffent-
licht werden. Endlich beauftragte der französische Staat
die einzelnen Eisenbahn-Gesellschaften sehr oft, als Gegen-
forderung für gewährte Subventionen und sonstige Ver-
günstigungen, die für die allgemeinen Landes-lnteressen
nöthig erscheinenden, oft weniger rentablen Linien im An-
schluss an die ohnehin concessionirten mit auszubauen,
während er in vielen Fällen den Eisenbahnbau auch
selbst in Angriff nahm und später von neuen Gon-
cessionären fortsetzen Hess.
Die Eisenbahn von Paris nach
Strassburg mit Abzweigung nach Forbach
u. s. w.
Vorverhandlungen .
Dem passiven Widerstände, welchen die französische
Regierung, im Gegensatze zu den meisten übrigen Staaten,
dem Ausbaue der Eisenbahnen anfangs entgegengestellt
hatte, war es zu verdanken, dass eine jener grossen
und überaus wichtigen Zentralisa tionsRoulen, die von
Paris nach der deutschen Grenze bei Strassburg, erst
sehr spät zur Ausführung kam, trotzdem die Vorstudien
zu derselben bis auf die Juli-Revolution im Jahre 1830
zurückreichen. Bereits damals waren von den mit der An-
fertigung von Plänen beauftragten Ingenieuren alle Ein-
zelheiten der Trace, genaue Berechnungen des Ter-
rains, der Erdarbeiten, Kunstbauten, Neigungs- Verhält-
nisse, u. s. w. festgestellt worden. Die Ausführung ver-
_ 26 — •
zögerte sich jedoch von Jahr zu Jahr, und erst auf die
dringenden Reklamationen des ganzen Landes beschäftigte
1838 der Minister der öffentlichen Arbeiten die Kammern
mit dieser wichtigen Frage, indem er denselben ein Projekt
über die Ausführung von Eisenbahnen in Frankreich unter-
breitete. Er schlug vor, 80 Millionen frs. für die Herstellung
einer Eisenbahn von Paris nach der Nord-Grenze, 32 Mil-
lionen für diejenige von Paris nach Le Havre, 20 Millionen
für diejenige von Paris nach Orleans und 25 Millionen für
die von Marseille nach Lyon anzuweisen. In dem Projekte
war die Linie von Paris nach Strassburg noch nicht ange-
geben, doch wurde sie vom Minister bereits als eine der
wichtigsten bezeichnet ; in kommerzieller Hinsicht galt sie
als eine notwendige Fortsetzung der Route von Le Havre
nach Paris. In der Darlegung der Motive für letztere
sagte der Minister der öffentlichen Arbeiten in der Sitzung
vom 15. Februar 1838, «dass die Eisenbahn von Le Havre
nach Paris das gemeinsame Haupt zweier grossen Linien
sein sollte, derjenigen vom Atlantischen Ozean nach
Strassburg und Deutschland und derjenigen vom Ozean
nach Lyon, Marseille und dem mittelländischen Meere.
Le Havre empfängt jährlich an Baumwolle und Kolonial-
waaren mehr als 300000 Tonnen, davon geht mindestens
ein Drittel nach Lille, Paris, Deutschland und der Schweiz.
Eine Eisenbahn, welche die Landwege mit einer bemer-
kenswerten Ersparnis an Zeit und Kosten ersetzte, würde
dem Lande unschätzbare Dienste erweisen.» In der darauf
eröffneten Diskussion wurde sehr umständlich die Frage
erörtert, ob die Ausführung der genannten Linien dem
Staate oderPrivat-Gesellschaften übertragen, amd ob nicht
zuerst die Eisenbahn nach Belgien hergestellt werden
solle; da keine Einigung erzielt wurde, fiel das Projekt
ganz. Dennoch waren im Laufe der Beratungen verschie-
dene Gesichtspunkte dargelegt worden, welche bereits
sehr günstig für die Eisenbahnlinie von Paris nach
Strassburg waren. Es war darauf hingewiesen worden,
dass dieselbe wichtige Interessen vereinigte, nämlich die-
jenigen des Transit- Verkehres, sowie nationale und vor
allem strategische Interessen. Zu den wichtigsten Unter-
nehmungen gehörten unzweifelhaft die Linien von Paris
nach Le Havre, nach England, Belgien, Strassburg, Mar-
seille und Bordeaux. Wenn Frankreich mit der Aus-
führung der Linie Paris-Strassburg zögerte, würde Belgien
seine Linien ausbauen, und der Transit-Verkehr zwischen
— 27 —
England, dem Meere und Deutschland sich ausserhalb
Frankreichs vollziehen. Deutschland, Preussen richteten
sich alsdann nach jener Seite, wo sich günstige An-
schlüsse fänden. Die grosse internationale Route Le Havre-
Paris-Strassburg nach der Donau müsste durch eine vorher
erbaute Linie ausserhalb Frankreichs an Wichtigkeit ein-
büssen ; und Frankreich würde dann enterbt und einer
bedeutenden Verkehrsader beraubt sein, die eines Tages
ganz Europa durchziehen sollte.
Endlich sprach sich ein Abgeordneter zugunsten der
Paris- Strassburger-Linie folgendermassen aus : «Die Frage
des Transit-Güter- Verkehres ist eine um so wichtigere,
als unsere Nordgrenze, Belgien, auf Staatskosten eine
Eisenbahn herstellt, welche, da sie nicht auf Gesellschafts-
betrieb zurückzuführen ist, dem Staate die Mittel an die
Hand giebt, die Frachtkosten nach Belieben herabzu-
setzen, wodurch eine ausserordentliche Güterbewegung
hervorgerufen wird. Belgien kann durch seinen ausgezeich-
neten Hafen von Anvers den Waarentransport bis ins
Innere von Deutschland bewerkstelligen. Aus diesen
Gründen muss die Eisenbahn von Le Havre nach Strass-
burg vor allen anderen die Aufmerksamkeit in Anspruch
nehmen. Man hat mit Vorliebe den Plan einer Eisenbahn
nach Belgien aufgenommen, welche, wie man hervorhebt,
London mit Paris verbindet. Aber, meine Herren, dieser
Grund würde genügen, um der gen. Linie für dieses
Jahr die Zustimmung zu verweigern ; denn Anvers würde
alsdann der Ausgangspunkt der Transporte von London
sein. Nicht Le Havre, nicht Dieppe, nicht Calais ; Anvers
würde die ganze Güterbewegung absorbiren, um nach
Paris dasjenige zu bringen, was den Engländern beliebte,
für uns zu bestimmen. Die Linie von Le Havre nach
Strassburg muss demnach die erste Linie sein, die aus-
geführt wird, da sie uns den Transit- Verkehr sichert ;
sie ignoriren, hiesse alle Häfen des Kanals la Manche
ruiniren ; dies ist nicht möglich, derartige Massregeln
können in einer französischen Kammer nicht durchgehen.»
Von einem anderen Abgeordneten wurde darauf hinge-
wiesen, dass ein dringendes Interesse vorliege, sich
Deutschland zu nähern. «In Deutschland beherrscht das
Prinzip des Absolutismus alle Mächte ; an uns ist es',
mit ihm in Berührung zu kommen ; wir müssen unsere
kommerziellen Interessen, unser Volk mit dem seinen ver-
mischen, vermittelst der wunderbaren Bewegung auf der
— 28 —
Eisenbahn; durch die unaufhaltsame Vermehrung der
Berührungspunkte mit Deutschland werden unsere Ideen,
unsere Prinzipien daselbst verbreitet »
Was die strategische Frage anbelangt, so wies derselbe
Redner darauf hin, dass durch eine senkrecht auf die
Eisenbahn Basel-Strassburg (die damals genehmigt war)
aufstossende Linie Paris-Strassburg mit Abzweigung nach
Metz die Verteidigung der Grenze bedeutend erleichtert
werde. In kommerzieller Hinsicht war es von Wichtig-
keit, dass Frankreich durch geeignete Verbindungen mit
solchen Völkern in Verkehr trat, welche nicht dieselben
Industrien und nicht dieselben Bedürfnisse hatten; denn
gerade die Verschiedenheit dieser beiden Faktoren ruft
die Notwendigkeit und die weitere Entwickelung eines
lebhaften Austausches hervor. Zwei grosse Transit-Ver-
kehrs-Routen waren durch die Natur vorgezeichnet : die-
jenige von Anvers nach Köln, um mittelst der Rhein-
schiffahrt den ungeheueren Markt Deutschlands zu ver-
sorgen, und diejenige von Paris nach Strassburg und
nach den Donauländern. Da Deutschland zu jener Zeit
noch keine so bedeutenden überseeischen Häfen besass,
war es gezwungen, die belgischen oder die französischen
zu benützen. Zwischen diesen beiden herrschte also eine
unvermeidliche Konkurrenz, welche der* Eroberung des
deutschen Marktes galt. Unter diesem Gesichtspunkte
war eine Eisenbahn von Paris nach Strassburg mit Ab-
zweigung nach Basel von ungeheuerer kommerzieller
Wichtigkeit, da dieselbe die Schweiz, Süddeutschland und
Preussen berührte, drei Länder, mit welchen Frankreich
einen jährlichen Geschäfts-Umsatz von ungefähr 300 Milli-
onen hatte, während der Verkehr mit Belgien bedeutend
geringer war. Hierzu kam, dass die meistens nach der
Ostgrenze bestimmten Güter solcher Natur waren, dass
sie die Eisenbahn in Anspruch nehmen konnten, während
die belgischen Kohlen sowohl als auch die französischen
Schiefersendungen aus Ersparnis-Rücksichten den bil-
ligeren Kanal weg vorzogen.
Die Frage blieb jedoch vorläufig unerledigt, trotzdem die
Strassburger Handelskammer, sowie der General-Rat vom
Unter-Elsass in seinen Sitzungen von 1840 und 1841 die For-
derung einer Eisenbahn yon Paris nach Strassburg drin-
gend wiederholten. Unter dem 19. Februar 1841 richtete
alsdann der Präfekt des Unter-Elsass auf Grund zahlreicher
Beschwerden an die Minister der öffentlichen Arbeiten
— 29 —
und des Handels, sowie an denjenigen des Innern und
den Kriegsminister eine Denkschrift, die sich sowohl durch
die Energie und Dringlichkeit, mit welcher die Sache
Strassburgs und der Departements des Osten Frankreichs
verteidigt wurde, als auch durch die verständige Würdig-
ung der Interessen und Bedürfnisse dieser Gebietsthefle
auszeichnete. In dieser Denkschrift wurden folgende
Gesichtspunkte klargelegt: Durch die Herstellung einer
Eisenbahn von Paris nach Mülhausen über Dijon mit
Ausschluss der direkten Linie Paris-Strassburg, würde
Strassburg ein toter Punkt des Verkehrs ohne kommer-
zielle Zukunft zugunsten von Basel und Mülhausen.
Ferner wäre Strassburg einer andern Gefahr von Seiten
Mannheims ausgesetzt ; denn der Grossherzog von Baden
dachte ernstlich daran, von diesem Hafen aus Verbindungen
mit Frankreich und Deutschland herzustellen. Mannheim,
vortrefflich gelegen am Zusammenfluss von Rhein und
Neckar, konnte mit der Donau durch das Neckarthal und
mit Saarbrücken durch eine Eisenbahn über Speier und
Kaiserslautern verbunden werden. Diese letztere Linie,
welche von Saarbrücken aus Anschluss über Saargemünd
und Nancy finden sollte, . würde Strassburg beiseite
lassen. Es handelte sich darum, Strassburg nicht zu ent-
erben, «diese Stadt der Intelligenz, diese Grenzfeslung,
den Schlüssel Frankreichs nach Osten, die natürliche
Niederlage aller aus Le Havre kommenden Kölonial-
waaren und der Pariser Luxusgegenstände auf der
einen und der Erzeugnisse des Ackerbaues und der
Viehzucht auf der andern Seite. Auf das genannte
Schreiben erfolgten jedoch sehr ungünstige ministerielle
Entscheidungen, dahin lautend, dass die Regierung die
ausserordentliche Wichtigkeit der Frage nicht verkenne,
dass sie aber diejenige Richtung der Eisenbahnlinie vor-
schlagen müsse, welche mehr den allgemeinen Interessen
entspreche, dass ferner die Vorstudien sowohl für die
Bahn nach Lyon als auch nach Strassburg im* Gange
seien, um die s. Zt. gemachten Projekte über die beiden
Bahnen zu verbessern, und dass es erst nach Beendigung
dieser Studien möglich sei, der weiteren Frage der zu
wählenden Richtungen näher zu treten. Auch die persön-
liche Interpellation des Ministers der öffentlichen Arbeiten
von Seiten des Bürgermeisters von Strassburg und des Prä-
fekten hatten keinen weiteren greifbaren Erfolg. In dieser
Lage beschloss der Präfekt, diejenigen Orte, welche das
— 30 —
dringendste Interesse an der Lösung der Frage hätten,
aufzufordern, bei der Regierung durch Anerbietungen des
Mitbewerbs und eigener Opfer vorstellig zu werden.
Diese Beweise des guten Willens würden einen günstigen
Einfluss auf die EntSchliessungen der Regierung ausüben
und eine der wichtigsten Erwägungen zu heben imstande
sein, nämlich diejenige über den Umfang der Ausgaben
für das Unternehmen. Es wurde alsdann eine Kommission
ernannt, deren Aufgabe es sein sollte, über die Mittel
zur Herausforderung des Mitbewerbs der einzelnen Orte
schlüssig zu werden und diese Anerbieten in einem Akten-
stücke zu sammeln.
In der Sitzung des Strassburger Munizipalrates vom
2. November 1841 wurde nun die Frage eingehend
erörtert. Ueber die zu wählende Richtung der Linie Paris-
Strassburg waren verschiedene Vorschläge gemacht worden.
Die Bahn sollte von Paris über Vitry-le-Frangais nach
Nancy und von da entweder durch das Moder- oder
Zorn- oder endlich durch das Breuschlhal nach Strass-
burg gehen. Die grösste Entfernung zwischen Paris
und Strassburg würde auf direktem Wege 520 km., die
kürzeste 440 km., die Routei über Dijon nach Strassburg
dagegen 703 bezw. 685 km. betragen haben, also letztere
bedeutend länger gewesen sein als erstere, selbst im
günstigsten Falle. Diese Unterschiede mussten sich bei
dem Transporte von Personen und Gütern sehr bemerk-
bar machen ; denn die geringste Geschwindigkeit der
Züge zu 32 km. gerechnet, ergaben sich für 480 km. auf
der direkten Linie Paris-Slrassburg 15 Stunden und für
703 km. auf der Linie Paris-Dijon-Strassburg 22 Stunden
Fahrzeit. Auch die kommerzielle Frage wurde eingehend
erörtert und besonders auf die Beziehungen zwischen
Preussen und Belgien über Köln nach Anvers, auf die
Verbindung von Köln mit Mainz und Mannheim aufmerk-
sam gemacht, wodurch Anvers für ganz Mittel- und Süd-
deutscfrland ein bedeutender Ausgangspunkt des Handels
würde, wogegen Frankreich ankämpfen müsste.
Es kam noch ein weiterer Umstand in Betracht.
Oesterreich war damals eifrig damit beschäftigt, die Do-
nau, diesen «wilden und sich selbst überlassenen Strom»,
schiffbar zu machen, wodurch derselbe für Europa und
Asien von unberechenbarer kommerzieller Wichtigkeit
wurde. Um die Donau jedoch zu einer internationalen
Verkehrsader zu gestallen, musste dieselbe mit dem Rheine
— 31 —
verbunden werden, welches bekanntlich schon der Ge-
danke Cäsars, Karls des Grossen und Napoleons gewesen
war. Zu jener Zeit war cter König von Bayern mit der
Herstellung eines Känales zwischen Donau und Main
beschäftigt, welcher im Jahre 1842 seiner Vollendung
entgegen gehen sollte. Ebenso waren Kanäle zwischen
Ulm und Mannheim oder Kehl geplant. Aus diesen
Gründen und im Hinblick darauf, dass Belgien seine Ver-
bindungen mit dem Rheine und Deutschland bald fertig-
gestellt hatte, galt es, unverzüglich die direkte Eisenbahn-
linie Paris-Strassburg herzustellen.
Nachdem der Munizipalrat seine EntSchliessungen in
diesem Sinne zusammengestellt hatte, wurde beschlossen,
der Regierung das hohe Interesse für die Ausführung der
Bahn von Paris nach Strassburg noch dadurch zu bekunden,
dass die Stadt Strassburg auf dem Wege des öffentlichen
Mitbewerbes die Summe von einer Million zeichnete, ein
Beispiel, welchem die anderen interessirten Orte sicherlich
folgen würden.
Bau der Bahn.
Im Jahre 1842 wurde durch Gesetz vom 11. Juni
endgültig der Bau einer Eisenbahn von Paris nach Strass-
burg mit Abzweigung von Frouard über Metz nach Saar-
brücken an die preussische Grenze genehmigt und die
Bauausführung auf der Hauptlinie unverzüglich auf Staats-
kosten in Angriff genommen. Den Weiterbau übertrug die
Regierung durch Gesetz vom 19. Juli 1845 der inzwischen
constituirten Paris-Strassburger Eisenbahn-Gesellschaft mit
einer gleichzeitigen Concessionsge Währung des Betriebes
der genannten Bahnen auf die Dauer von 43 Jahren
266 Tagen. Die besonderen, für die Gesellschaft äusserst
günstigen Bedingungen, niedergelegt in dem der Gesetzes-
Urkunde beigegebenen Lastenhefte, waren folgende: Die
Regierung verpflichtete sich zur Uebernahme des Grund-
erwerbs, der Erdarbeiten, Kunstbauten, Herstellung der
Stationen, Werkstätten und Wärterhäuser der Strecke
Paris-Strassburg, während die Gesellschaft auf ihre Kosten
den Oberbau mit allem Zubehör, einschliesslich Kiesbettung
ausführen, ferner das gesamte Betriebsmaterial, sowie
Signal - Vorrichtungen , Inventarien und Utensilien zur
Ausrüstung der Bahn liefern sollte. Die Abzweigung von
— 32 —
Frouard über Metz nach Saarbrücken, preassische Grenze,
hatte die Gesellschaft dagegen auf ihre alleinigen Kosten
auszuführen. Die ganze Bahn sollte zweigleisig hergestellt
werden.
Während 5 Jahren nach Eröffnung derselben war der
Gesellschaft der Genuss des vollen Reingewinnes zugesagt,
nach Ablauf dieser Frist fiel dem Staate die Hälfte des-
jenigen Betrages zu, welcher 8 °/ des von der Gesell-
schaft aufgewendeten Anlagekapitals überstieg. Die Höchst-
sätze der Beförderungspreise wurden, wie folgt, festgesetzt :
1. Klasse Personenbeförderung = 0,10 frs.
2. » > = 0,075 frs.
3. > » = 0,055 frs.
•
Viehbeförderung pro Stück und km. = 0,10 — 0,04 —
0,02 frs.
Eilgut: frische Fische, Austern = 0,50 frs. pro
Tonne und km.
Güter der 1. Klasse pro Tonne und km. = frs. 0,18
» »2. » » » »»= frs. 0,16
» » 3. » » » »»= frs. 0,14
Kohlen, Dünger, Schlacken, Asche etc. = frs. 0,10
Verschiedene andere Gegenstände, Wagen, Lokomo-
tiven und desgl. = frs. 0,25.
Für Eilgut-Beförderung die doppelten Sätze.
Die Gesellschaft hatte das Recht, diese Sätze nacl}
Ablauf einer gewissen Frist zu ermässigen, jedoch unter
der Bedingung höherer Genehmigung, öffentlicher Bekannt-
gabe und Ausschluss jeder Bevorzugung von einzelnen
Versendern. Vor Ausfuhrung der Arbeiten sollte die Ge-
sellschaft die Summe von 12500000 frs. hinterlegen. Der
Bau der Bahn verzögerte sich, zum Theil infolge der
Finanzkrisen und politischen Wirren der Jahre 1846 — 48
sehr lange, so dass die Eröffnung der ersten, auf elsass-
lothringischem Gebiete gelegenen Strecke : Paguy-Metz,
am 10. Juli 1850, der Strecke Saarburg- Strassburg am
29. Mai 1851, Metz-St. Avold am 24. Juli 1851, St. Avold-
Forbach am 16. November 1851, Avricourt-Saarburg am
15. August 1852 und Forbach-Saarbrücken am 16. No-
vember 1852 erfolgte.
Bereits im Jahre 1845 hatte die französische Regierung
im Anschlüsse an das Gesetz vom 11. Juni 1842 über
die Ausführung grosser Eisenbahnlinien eine Bahnpolizei-
— 33 —
Ordnung herausgegeben. Dieser folgte durch königliche
Ordonnanz vom 15. November 1846 das cReglement über
die Polizei, Sicherheit und den Betrieb der Eisenbahnen»,
welches in 8 Titeln Bestimmungen enthielt: 1. über die
Eisenbahnstationen und Strecken, 2. über das Betriebs-
material, 3. über die Zusammensetzung der Züge, 4. über
Abfahrt, Fahrt und Ankunft des Züge, 5. über Ein-
ziehung der Frachten und Nebengebühren, 6. über die
Ueberwachung des Betriebes, 7. über Massnahmen be-
treffend das ausserhalb der Eisenbahn stehende Publi-
kum, 8. Allgemeines. Dieses Reglement ist im Wesent-
lichen noch heute bei den französischen Bahnen gültig.
Fortsetzungder Bahn vonBasel nachStrass-
burg über Strassburg hinaus.
Vorverhandlungen.
Wie bereits an betreffender Stelle hervorgehoben
wurde, sollte die Linie Basel-Strassburg ein Verbindungs-
glied grösserer Durchgangs-Routen sein und erst als
solches ihre eigentliche Bestimmung erfüllen. In dem Pro-
tokolle der Enquete-Kommission war gesagt, dass die Kom-
mission es für ihre Pflicht halte, die Aufmerksamkeit der
Regierung auf einen Punkt zu lenken, welcher eines der
wesentlichsten Elemente für das Gelingen des Unterneh-
mens enthielte, nämlich die Verbindung der elsässischen
Eisenbahn mit einem Systeme anderer Linien, von
Strassburg nach Mannheim, von Strassburg nach Saar-
brücken, nach Paris und Le Havre. Die Kommission sei
davon überzeugt, dass die projektive Eisenbahn der Aus-
gangspunkt sein müsse für ein vollständiges System,
dessen Ausführung allein die Vortheile verwirklichen
könne, welche Frankreich von der Einführung des neuen
Verkehrsmittels erwarte. Infolgedessen sah sich die
Regierung veranlasst, einen besonderen Passus in dem
Lastenhefte als Artikel 1 aufzunehmen, welcher die Ge-
sellschaft verpflichtete, falls die in der bayerischen Pfalz
projektirte Eisenbahn von Mannheim nach Lauterburg
zur Ausführung käme, ihrerseits die Linie Basel-Strass-
burg in einer Frist von 5 Jahren bis nach Lauterburg
zu verlängern. Wenn innerhalb dieser Frist die Gesell-
schaft nicht in« die Lage gesetzt sei, diese Bedingung
3
— 34 —
zu erfüllen, so sei sie vollständig davon entbunden. Vier
Jahre später, im Jahre 1842, war die bayerische Strecke,
von Speier nach der Grenze noch nicht in Angriff ge-
nommen ; aber in Frankreich blieb die Notwendigkeit
der Bahn von Strassburg nach Speyer stets im Vorder-
grunde der Erörterungen und wurde auch in der Kon-
zessions-Urkunde der Paris-Strassburger-Gesellschaft zum
Gegenstande besonderer Abmachungen bezüglich des Ge-
meinschaftsbahnhofes Strassburg. Später fanden zwischen
der französischen und der bayerischen Regierung direkte
Verhandlungen statt, um die für beide Länder
gleich wichtige Angelegenheit zu gutem Ende zu
führen. Das Ergebniss dieser Unterhandlungen war
4ie am 4. Februar 1848 zu Strassburg abgeschlossene
Konvention zwischen Bayern und Frankreich, betreffend
Ausführung einer Eisenbahn von Strassburg nach Speyer.
Diese Konvention fand jedoch in der französischen Na-
tional- Versammlung so lebhaften Widerstand, dass eine
vorläufige Vertagung der Ratifikation des Vertrages
erfolgte. Gegen die projektirte Linie war besonders ange-
führt worden, dass bereits rechtsrheinisch eine Eisenbahn
bestände, so dass eine neue linksrheinische durch die
entstehende Konkurrenz beide vernichtete. Dieser Einwand
verfehlte nicht seine Wirkung, besonders auch auf die
journalistische Welt, so dass bereits am folgenden Tage
ein bedeutendes Blatt die gesetzgebendeVersammlung zu
dem Verlsfgungs- Beschlüsse beglückwünschte und dem
Erstaunen darüber Ausdruck gab, dass man einen der-
artigen Gesetz-Entwurf hatte unterbreiten können, der
zum Ziele hatte, «eine Eisenbahn von Paris nach Weissen-
burg zu erbauen, die doch unbedingt derjenigen von Basel
nach Strassburg hätte Konkurrenz machen müssen». Hier
war das betreffende Blatt anscheinend in eine eigentüm-
liche Komplikation geographischer Begriffe geraten.
Die Vertagung der wichtigen Angelegenheit hatte in
den betheiligten Kreisen des Unter- und Ober-Elsass
einen grossen Sturm hervorgerufen , und sowohl die
Strassburger Handelskammer als auch der Munizipalrat
beschäftigten sich eingehend mit der Frage. Letzterer
berief unterm 29. November 1849 eine Sitzung ein, in
welcher die von der gesetzgebenden Versammlung gegen
das Projekt vorgebrachten Gründe besprochen und ent-
kräftet wurden. Es wurde darauf hingewiesen, dass die
Herstellung des Anschlusses an die bayerische Grenze
— 35 —
durch eine Verlängerung der Basel-Strassburger-Linie
über Strassburg hinaus dringend erforderlich sei, da sie
ja das eigentliche Motiv der genannten Linie gewesen.
Die Basel-Strassburger Eisenbahn war s. Zt. ange-
sichts der badischen Bahn einerseits und derjenigen von
Strassburg nach Mannheim andererseits erbaut worden.
Nachdem man die Summe von über 40 Millionen für
dieselbe ausgegeben hatte, durfte man nicht zögern, ihr
durch eine neue Ausgabe von 12 Millionen- diejenigen
Lebenselemente zu liefern, welche ihr noch fehlten, um
sie in den Stand zu setzen, ihrem ursprünglichsten und
wesentlichsten Zwecke zu* dienen, demjenigen der Er-
haltung des Personen- und Güterverkehrs auf dem linken
Rheinufer. Um zu beweisen, dass die Strecke Strassburg-
Mannheim (linksrheinisch) durch die Konkurrenz mit der
badischen Bahn ihren eigenen Ruin finden würde,
hatten die Gegner des Projektes die Schwierigkeiten der
Ausfuhrung derselben absichtlich übertrieben. Während
von kompetenter Seite die Ausgaben pro km auf
207 000 frs. geschätzt wurden (11 bis 12 Millionen im
Ganzen für circa 60 km), hatten jene die Kosten
pro km auf 300 000 und sogar 500000 frs. ver-
anschlagt. Man molivirte dies damit, dass die bayerische
Pfalz durchweg Gebirgsland sei, und dass die geplante
Eisenbahn auch im Unter-Elsass gebirgiges Terrain
durchschneiden müsse. Jedem einigermassen mit den
geographischen Verhältnissen der beiden Länder Ver-
trauten ist es bekannt, dass diese Vermutung weder
für das eine, noch für das andere Land zutrifft.
Die ganze Strecke Mainz-Strassburg zerfiel in vier
Sektionen. Der erste Theil, von Mainz nach Ludwigs-
hafen, war von der hessischen Regierung concessionirt
und bereits im Bau begriffen, so dass die Eröffnung im
Laufe des Jahres 1851 erwartet wurde. Der zweite Theil,
von Ludwigshafen nach Speyer, war bereits seit 2 Jahren
in Betrieb. Für den dritten Theil, von Speyer nach
der französischen Grenze, hatte eine Gesellschaft von der
bayerischen Regierung die Concession erhalten und
wartete nur auf den Abschluss des internationalen Ver-
trages, welcher den Anschlusspunkt feststellen und die
Herstellung des vierten, des französischen Theiles,
sichern sollte.
Was nun die eigentlichen Elemente für das Gelingen
und den finanziellen Erfolg der geplanten Eisenbahn an-
— 36 • —
belangt, so hatten die Gegner des Unternehmens auf fran-
zösischer Seite diese vollständig in Abrede gestellt, indem
sie behaupteten, dass der in Betracht kommende Theil
des Elsass zwischen Weissenburg und Hagenau sehr
wenig bevölkert, gar nicht industriell sei, und sogar so
weit gingen, ihn mit dem Namen «Steppe» zu bezeichnen.
In der That aber hatte jenes mit Steppe betitelte Gebiet
bereits damals eine sehr dichte Bevölkerung von
120000 Seelen auf eine Länge von 50 km, d. h. pro
km durchschnittlich 2000 bis 2500 Einwohner, und nach
offiziellen Erhebungen belief sich der Personenverkehr
in den öffentlichen Wagen im Jahre 1845 auf 241 495
Personen und in Privat-Fuhrwerken auf 471 378. Der
Theil des. Departements Unter-Elsass, welcher von der
geplanten Eisenbahn durchschnitten werden sollte, war
vorzugsweise industriell und ackerbautreibend, und die
Produkte des Ackerbaues eigneten sich besonders für
den auswärtigen Handel. Die Stadt Bischweiler lieferte
2200 Tonnen Manufaktur- und Wollwaaren für den Han-
del, die Schmieden von Niederbronn, Jägerthal, Zinsweiler
und Merzweiler versandten etwa 4000 Tonnen rohes und
bearbeitetes Eisen, von denen mindestens 3000 der
Eisenbahn nach Hagenau als Transporte zugutekommen
mussten. Hagenau, Gries, Kurzenhausen, Bisch weiler,
Oberhofen, Hördt, Kaltenhausen, Schweighausen, alle
diese geschäfsthätigen Gemeinden, von denen einige zu
den reichsten des Elsass zählten, brachten mehrere
Tausend Tonnen Oele, Hopfen, Hanf und Krapp,
Sufflenheim , Oberbetschdorf , Lobsann, Bechelbronn,
Wingen u. a. mehrere Tausend Tonnen Glaswaaren,
Kitt und Töpferwaaren jeder Art in den Handel. Hieraus
ergab sich ein Binnen-Verkehr von ca. 12000 Tonnen
Industrie- und Ackerbau-Erzeugnissen. Rechnete man
ferner die Einfuhr hinzu, welche sich im Jahre 1846 auf
15125 Tonnen belief, ferner die Ausfuhr von 2680
Tonnen (desselben Jahres), so ergab sich ein Gesamt-
Guter- Verkehr, welcher das Unternehmen einer Eisen-
bahn von Strassburg nach der bayerischen Grenze schon
allein mehr als. genügend sicherstellen rnusste.
Ausserdem waren noch zwei wichtige Verkehrs-
Elemente zu berücksichtigen, der Transport von Kohlen
und der Durchgangs-Verkehr. Für den ersteren kamen
hauptsächlich die Gruben von Bexbach in Betracht. Die
Strecke Bexbach-Speyer (103 km) über Neustadt a. H.
— 37 —
war bereits seit August 1849 dem Betriebe übergeben,
es fehlte daher nur noch die Verbindung von Speyer mit
Strassburg, um den Transport von Kohlen aus Bexbach
nach dem Elsass per Eisenbahn zu ermöglichen. In
einem Zusatzartikel zu der Konvention vom 4. Februar
1848 hatte die bayerische Regierung bestimmt, «dass die
Güter im Transit-Verkehre von Speyer nach Strassburg
und die Kohlen von Neustadt nach Weissenburg zum
gleichen Satze befördert werden sollten wie aaf der
direkten Linie. Hierdurch ergaben sich für Kohlen von
Bexbach folgende Preise :
Dieselben kosteten auf dem Platze 70 bis 89 Gen-
times pro 100 kg, d. h. die erste Sorte 8,90 frs.
pro Tonne. Der Transportpreis für Massengüter, auch
Kohlen, war */» Kreuzer für die Meile (4 km) und 50 kg
auf den bayerischen Bahnen ; 28 Kreuzer = 1 frs., er-
giebt für die Tonne Kohlen 8«/ 4 Centimes pro km.
Zugunsten der Bexbacher Kohlen hatte die bayerische
Regierung folgende Frachtermässigungen eintreten lassen :
Von 2500 bis 5000 Zentner um 20°/
» 5000 » 7500 » » 25°/
» 7500 » 10000 » » 35°/
Ueher 10000 Zentner » 45°/
Die Entfernung von Bexbach nach Weissenburg
über Speyer beträgt 153 km. Nach dem bereits
erwähnten Zusatzartikel zu der Konvention vom 4.
Februar 1849 wurde für die nach Frankreich bestimmten
Kohlen die Fracht nach der direkten Linie Bexbach-
Neustadt- Weissenburg berechnet, d. i. 77 + 40= 117 km.
Der Preis der Kohlen stellte sich daher, unter An-
nahme des ermässigten Transport-Satzes von 4,81 Gentimes
pro km und Tonne zu einer
Fracht von frs. 5,62
Hierzu der Preis der Kohlen an der
Grube pro Tonne . . . . . » 8,90
auf zusammen frs. 14,52
pro Tonne 1. Qualität, nach Weissenburg geliefert.
Die Entfernung von Weissenburg nach Strassburg
war mit 60 km veranschlagt. Unter Annahme des
von der Basel-Strassburger Eisenbahn-Gesellschaft ge-
bräuchlichen Transportsatzes für Kohlen von 5 Gentimes,
stellte sich die Fracht von Weissenburg nach Strassburg
— 38 —
auf 3 frs. und der ganze Preis der bayerischen Kohlen,
nach Strassburg geliefert, daher zusammen auf 17,52 frs.,
während derselbe damals 34 frs. betrug.
Diese Zahlen beweisen zur Genüge, von welch'
grossem Vortheile die projektirte Bahn für die Industrie
des Ober- und Unter-Elsass war.
Was den Transit -Verkehr anbelangt, so war es
immerhin schwieriger, für denselben eine feste Grundlage
der Berechnung zu finden, denn nichts ist veränderlicher
als der Transit- Verkehr. Dieser sucht sich vor Allem
den billigsten Weg; wenige Gentimes Mehrfracht können
ihn vertreiben, wenige Centimes geringere Fracht können
ihn herbeirufen.
Der gesamte Transit- Verkehr von Frankreich betrug
etwa 33 000 Tonnen im Jahr, davon entfielen 15000 auf
das Elsass aus dem Verkehre zwischen Holland und der
Schweiz. Diesen galt es vor allem zu erhalten, denn je
weiter die badische Bahn vorgerückt war, um sich der
Schweiz zu nähern, um so fühlbarer war der Verlust
der Transporte im Transit- Verkehre für das Elsass ge-
wesen. Die offiziellen Erhebungen der Zollverwaltung
hatten seit 1846 ein beträchtliches Sinken des Verkehrs
aus Holland über Strassburg nach der Schweiz ergeben,
und zwar:'
von 14657 Tonnen im Jahre 1846
auf 12222 » » » 1847 und
auf 10677 » » » 1848.
Der Verlust würde noch grösser gewesen sein, ohne
die Dampfschiffe auf dem Rheine, welche die Waaren
von Köln und Holland auf direkter Linie nach Strassburg
brachten, ohne dass in Mannheim eine Umladung
auf die Eisenbahn stattgefunden hatte. Diese Transporte
betrugen im letzten Jahre über die Hälfte des Gesamt-
transportes. Da Baden im Süden zudem eine direkte Ver-
bindung mit der Eisenbahn nach Zürich plante, so war
das Elsass nahe daran, auch noch die letzte Tonne des
Transit- Verkehrs von Holland nach der Schweiz zu ver-
lieren. Das einzige Rettungsmittel bestand daher in der
schleunigen Herstellung der Linie Strassburg-Speyer,
um die Verbindung Mainz-Basel zu vervollständigen. Die
linksrheinische Strecke betrug alsdann 333 km
von Basel nach Mainz, gegen 376 km rechtsrheinisch von
Biebrich nach Basel. Dieser Vortheil von 43 km
— 39 —
musste sicherlich dazu beitragen, dem Elsass den alten
Transit- Verkehr wieder zu sichern und ferner einen
grossen Theil der rechtsrheinischen Güterbewegung auf
das linke Ufer überzuführen.
Noch bedeutender waren die Resultate, welche der
Personenverkehr zwischen Mainz und Basel durch die
Herstellung der geplanten Eisenbahn erwarten liess. Die.
offiziellen Erhebungen der Dampfschifffahrts-Gesellschaft
konstatirten s. Z. einen jährlichen Verkehr von Reisenden
auf dem Rhein von über einer Million. Der grösste, Theil
dieses Verkehrs war inzwischen auf die rechtsrheinische
Eisenbahn übergegangen, so dass die Dampfschifffahrt
rheinaufwärts zwischen Köln und Strassburg bereits ganz
aufgehört, während der Verkehr rheinabwärts ganz be-
deutend abgenommen hatte. Mainz war ein sprechender
Zeuge dessen, was aus dem linken Rheinufer werden
musste, wenn man demselben die projektive Eisenbahn
verweigerte. Seine ausgedehnten Hotels, die * sonst
während 6 Monaten im Jahre nicht Raum genug boten
für die Reisenden, die dort zusammen fluteten, waren
verlassen; seine Quais, welche sonst kaum genügten, um
die Entladung der Waaren, welche die RheinschifiTahrt
brachte, zu bewerkstelligen, zeigten keine Spur mehr von
dem Güterverkehr, der einst der Reichtum dieser be-
deutenden Handelsstadt gewesen war. Auf ihre Kosten
hatten sich Biebrich, Mannheim, Frankfurt bereichert.
Mannheim hatte von Jahr zu Jahr die Gütertransporte
sich erobert, Welche Mainz verlor ; und zwar betrug der
Verlust für Mainz nach den offiziellen Angaben etwa
42000 Tonnen, die Steigerung des Güterverkehrs für
Mannheim etwa 48000 Tonnen. Daher hatte Mainz nichts
versäumt, um sich mit Worms- und Speyer zu verbinden,
in der Erwartung, dass auch von Speyer aus die ge-
plante Eisenbahn nach Strassburg bald hergestellt sein
würde. Nur Frankreich zögerte noch mit der Herstellung
des elsässischen Theiles der Verbindung von Speyer mit
Strassburg, indem es die Ratifikation der Konvention mit
Bayern verweigerte, welche Letzteres inzwischen längst
verwirklicht hatte.
Auch in strategischer Hinsicht bot die geplante
Eisenbahn grosse Vortheile, da sie nach Fertigstellung
senkrecht aufstossender Linien aus dem Innern Frank-
reichs, von denen die Strecke Paris-Strassburg auch
bereits in Angriff genommen war, den Transport von
— 40 —
Truppen nach einem beliebigen Punkte der ganzen, 200 km
langen Rheinlinie im Falle der Notwendigkeit gestattete.
Diese Erwägungen waren es hauptsächlich, welche
den Munizipalrat von Strassburg in seiner Sitzung vom
November 1849 zu dem Beschlüsse führten, die fran-
zösische Regierung von Neuem zu ersuchen, die Konven-
tion vom 4. Februar 1848 in kürzester Frist der Sanktion
der gesetzgebenden Versammlung zu unterbreiten, damit
endlich die geplante Eisenbahn von Strassburg nach
Altenstadt bei Weissenburg auf französischem und die-
jenige von Altenstadt nach Speyer auf bayerischem
Gebiete hergestellt würde. «Die französische Regierung
wolle ferner», hiess der zweite Beschluss, «derjenigen
Gesellschaft, welche mit dem Baue der Bahn beauftragt
würde, eine Geldsubvention gewähren, sei es als Zins-
garantie oder irgend eine andere Unterstützung, welche
als angemessen und wirksam betrachtet werden könne,
damit durch die Massigkeit ihrer Tarife, die französische,
linksrheinische Eisenbahn imstande sei, die Konkurrenz
mit der rechtsrheinischen mit Erfolg durchzuführen».
Strassbu rg-Lauterburg oder Strassburg-
Weissenburg
Bau der Strecke Strassburg- Weissenburg.
Es dürfte hier am Platze sein, einige Daten nach-
zuholen. Bekanntlich hatte das Gesetz vom 6. März 1838
angeordnet, dass die Strecke Basel-Strassburg längs des
Rheines nach Lauterburg verlängert werden sollte, wo-
selbst die Eisenbahn von Mainz über Speyer einmünden
würde. Diese Bestimmung wurde auch noch später, im
Jahre 1844, aufrecht erhalten und von dem Kreisrate
von Weissenburg und dem Generalrate des Unter-Elsass
unterstützt. Im Jahre 1845 wiederholte der Kreisrat
seine Bitte, und der Präfekt erstattete dem Generalrate
Bericht, in welchem gesagt war, dass sich eine bayerische
Gesellschaft in Speyer konstituirt habe, welche von der
Regierung zur Herstellung einer Eisenbahn von Ludwigs-
hafen nach Lauterburg ermächtigt sei, dass ferner die
Basel - Strassburger Eisenbahn - Gesellschaft Vorstudien
unternommen habe, welche einer Verlängerung dieser
Bahn nach Weissenburg gelten und endlich, dass es
nicht ratsam sei, eine andere Linie zu wählen, als
— 41 —
diejenige des Rheinufers, da die bayerische Regierung
Lauterburg zum Anschlusspunkte bestimmt habe und auf
der genannten Linie die Schwierigkeiten des Terrains
weit geringere seien als in der Richtung nach Weissen-
burg. Der Generalrat erkannte daraufhin, dass die Rhein-
linie vorzuziehen, gleichzeitig aber die Städte Hagenau
und Bisch weiler mitzuberücksichtigen seien.
Somit schien die Angelegenheil endgültig zugunsten
der Gemeinden unterhalb Drusenheim bis Lauterburg
erledigt zu sein, als im Jahre 1846 die Stadt Weissen-
burg durch einen Artikel in dem Courrier du Bas-Rhin
eine Polemik über die Frage der Einmündung der Ver-
längerungslinie Basel-Strassburg eröffnete, indem sie zur
Darstellung brachte, dass die Strecke Hagenau-Weis-
senburg derjenigen von Bischweiler nach Lauterburg
vorzuziehen sei. Infolgedessen sahen sich die bei. der
Frage interessirten Orte am Rheine veranlasst , ihre
Rechte zu vertreten, und die Stadt Seh Hess durch einen
ihrer Mitbürger eine Denkschrift an die Deputirten-
kammer aufstellen. In dieser Denkschrift war angegeben,
dass die Städte zwischen Selz und Lauterburg sich seit
den Unglücksjahren 1814 und 1815 in der traurigsten
Lage befänden; weder der Handel, noch die Industrie,
noch auch der Ackerbau würden zur Geltung kommen,
da in der ganzen Umgebung kein einziges Absatzgebret
für ihre Produkte sich eröffnete. Diese Gegend hätte
daher das Recht, von der Regierung Berücksichtigung
zu verlangen, zumal ihr eigenes Interesse mit dem all-
gemeinen in diesem Falle übereinstimmte. Zunächst
würden die Mehrkosten für die Strecke Hagenau-
Weissenburg-Speyer gegenüber derjenigen über Lauter-
burg mehrere Millionen Francs betragen, ausserdem die
Transportpreise für die Güter sich durch den Umweg um
14 bis 15 Gentimes pro Gtr. erhöhen. In dem betreffenden
Artikel des Courrier du Bas-Rhin war angegeben worden,
dass die Vortheile für den Transit-Verkehr in keiner
Weise alterirt würden, ob man nun der einen oder der
anderen Linie den Vorzug gäbe, ferner wären auch die
individuellen Rechte der Einwohner der in Frage kom-
menden Gegenden auf der einen wie auf der anderen Seite
die gleichen, es müsste daher der Stadt Weissenburg,
als derjenigen Stadt, wo sich die zahlreichsten Interessen
vereinigt fänden, der Vorzug gegeben werden. Gegen
diese Behauptung richtete sich die Denkschrift der Stadt
— 42 —
Selz, indem sie die Richtigkeit der Prämissen in Abrede
stellte, da keineswegs auf den beiden Linien die gleichen
Vortheile für den Transitverkehr vorhanden wären. Die
Linie über Lauterburg würde aber auch eine grössere
Personen-Frequenz sichern, da die Bewohner zwischen
Bischweiler und Lauterburg alsdann nicht mehr, wie bis-
her, die badische Eisenbahn zu benützen brauchten, und
die Einwohner der Städte und Dörfer unterhalb des Ha-
genauer Waldes, dem Beispiele der Städte Molsheim,
Rosheim, Oberehnheim, Barr folgend, auf den Omnibus-
Wagen von Sulz u. W. und Weissenburg nach den Sta-
tionen Hagenau, Bisch^eiler, Selz und Lauterburg sich
überfuhren lassen könnten.
Bezüglich der zweiten Prämisse, Gleichheit der
beiderseitigen individuellen Rechte, wurde auf die traurige
Lage der Städte Selz und Lauterburg hingewiesen, eine
Lage, welche die Herstellung einer Eisenbahn zur
Existenzfrage machte, während für die Stadt Weissen-
burg, welche, als Sitz eines Gerichtshofes, einer Unter-
präfektur, einer Forst-Inspektion, eines Zoll-Haupt-
nureans, einer Garnison und demnächst einer Kreis-
direktion, sich bereits im Besitze aller erdenklichen
Rechte befände, die Anlage einer Eisenbahn nur ein
untergeordnetes Interesse beanspruchte.
Gegenüber der Behauptung, dass die Strecke Strass-
burg- Weissenburg einen dreifach bedeutenderen Fracht-
wagen-Verkehr aufweise, als diejenige von Lauterburg,
führten die Verteidiger der letzteren in der betreffenden
Denkschrift an, dass es allgemein bekannt sei, dass alle
Frachtwagen von Weissenburg ab die Strasse über
Niederrödern und Roppenheim und alsdann die Rhein -
route bis Strassburg benützten, aus dem einfachen
Grunde, weil die Abhänge von Riedselz-Schönenburg <
und Sauerburg für schwerbeladene Wagen unzugänglich
seien. Die Einfuhr über Lauterburg erfolgte entweder
für Strassburg oder für Bischweiler und Niederbronn.
Bischweiler allein empfing auf diesem Wege eine solche
Menge von Wolle, dass die Einfuhrgebühr für diesen
Artikel in Lauterburg etwa eine Million Francs jähr-
lich betrug.
Das Komite der bayerischen Eisenbahn-Gesellschaft,
welche für die Strecke Speyer-Lauterburg sich constituirt
hatte, war, für den Fall, dass die französische Regierung
die Richtung Weissenburg wählte, entschlossen, sich
— 43 —
aufzulösen. Die bayerische Regierung dagegen hatte
sich das Recht vorbehalten, die endgültige Trace zu be-
stimmen, nachdem die Vereinbarungen mit Frankreich
getroffen worden wären.
Es ist gewiss, dass die Gründe, welche die beiden
Parteien für ihre Sache vorbrachten, nicht rein ob-
jektiver Natur waren. Wie aber stellte sich die Frage
der zu wählenden Richtung , wenn man von einem
Standpunkte ausging, der nicht die Interessen Einzelner,
sondern diejenigen der Gesamtheit der Bevölkerung des
Elsass vertrat? Die Eisenbahn erfüllte bei ihrem ersten
Erscheinen je nach den Verhältnissen des einen oder des
anderen Landes einen verschiedenen Zweck. Entweder
war sie, in Ländern, wo alle Kultur noch im Anfangs-
stadium begriffen war, wie in Amerika, dazu bestimmt,
den Verkehr überhaupt erst zu schaffen, oder aber, wie
in den meisten Kulturstaaten Europas, bestand die Auf-
gabe des neuen Transportmittels darin, die Bedingungen
bereits vorhandenen lebhaften Verkehres zu erleichtern
und diesen selbst zu einer vorher nie geahnten Höhe
emporzuheben. In diesem Falle galt es vor Allem, solche
Gegenden zunächst zu berücksichtigen, welche die grösste
Bevölkerungsdichtigkeit , die günstigsten Produktions-
verhältnisse des Bodens und die reichsten Industrien
auszeichneten. Von diesem Standpunkte betrachtet, bot
aber die Strecke Strassburg-Hagenau-Weissenburg die
besten Chancen ; denn da war zunächst Bischweiler mit
seinen bedeutenden Tuchfabriken und seinem Wollhandel,
Hagenau als wichtiger Ausfuhrort für Hopfen, Krapp
und Oele, endlich Weissenburg, Kreisbauptstadt, hervor-
ragend durch die Landwirtschaft und die Mannigfaltig-
keit seiner Industrien. Die Verbindungslinie dieser drei
Punkte berührte einen der reichsten, dich testbevölkerten
und industriellsten Theile des Unter-Elsass. Wenn man
die bei der Lauterburger Strecke direkt interessirten
Gebietstheile mit denjenigen der Route über Bischweiler,
Hagenau und Weissenburg verglich, so ergab sich be-
züglich der Anzahl der Gemeinden das Verhältuis von
68 zu 108, bezüglich der Bevölkerungsdichtigkeit pro
km das Verhältniss von 1754 zu 2221, bezüglich
des Personen-Verkehres das Verhältniss von 12575 zu
45983 Reisenden pro km Länge. Der aus der
Grund- und Gewerbesteuer sich ergebende Reichtum
verhielt sich für die erstere Strecke zur zweiten, wie das
— 44 —
Einfache zum Doppelten. Die Linie Strassburg-Lauter-
burg (über Bischweiler) vermittelte einen Gesamt-Guter-
Verkehr von 1483 Tonnen, diejenige über Hagenau nach
Weissenburg einen solchen von 4514 Tonnen. Die
wichtigsten Erzeugnisse des Bodens und der Industrie,
welche dabei in Betracht kamen, waren Getreide,
Hanf, Hopfen, Krapp, Rübsaat, Oele, Bau- und Brennholz,
Asphalt, Töpferwaaren, Glaswaaren, rohes und be-
arbeitetes Eisen, Tücher u. s. w.
Für den Transit- Verkehr allerdings war die Lauter-
burger Linie günstiger, denn die Entfernung der projek-
tiven Linie Vendenheim-Langenkandel (bei Lauterburg)
war gleich 61,910 km, diejenige von Vendenheim nach
Weissenburg gleich 69,114 km, es verblieb also zugunsten
der ersteren eine Differenz von 7,204 km. Nun bestand
eines der wichtigsten Mittel, den Transit-Verkehr auf das
linke Rheinufer überzulenken und die badische Konkurrenz
zu entkräften, sicherlich darin, eine möglichst kurze Ver-
bindung zwischen den in Frage kommenden Städten Mainz
und Basel zu schaffen.
Von verschiedenen Seiten wurden jedoch, haupt-
sächlich von der Strassburger Handelskammer, wohl-
begründete Zweifel hervorgebracht, dass der vielum-
strittene Transit für das Land nicht unbedingt eine
Quelle des Wohlstandes sein müsse, denn, so wurde an-
genommen, die von Mainz oder Ludwigshafen in Lauter-
burg einlaufenden Wagenladungen würden an der
Grenze verplombt und unverzüglich nach der Schweiz,
ihrem Bestimmungsplatze, weiterlaufen. Der Vortheil aus
diesen Transporten musste in erster Linie der Eisenbahn-
Gesellschaft zufallen, konnte für die verschiedenen Zweige
der inländischen Arbeit aber gar nicht in Betracht
kommen.
Ganz anders dagegen war es mit der Route Weissen-
burg beschaffen, durch welche die volkswirtschaftlichen
Interessen in höherem Masse berücksichtigt wurden.
Auf der Strecke Weissenburg-Hagenau-Brumath befanden
sich eine Menge von Industriewerken, welche die ein-
geführten Rohmaterialien, ölhaltigen Samen und Krapp-
wurzeln, in Fabrikate umwandelten und auf diese Weise
wieder zur Ausfuhr geeignet machten. Ferner begünstigte
diese Strecke die Einfuhr der bayerischen Kohlen aus
der Pfalz und die Ausfuhr von Gips aus Frankreich nach
der Pfalz, wo alljährlich beträchtliche Mengen zu Düng-
— 45 —
ungszwecken gebraucht wurden. Die Stadt Strassburg sah
für ihr Theil in der Herstellung der Lauterburger Linie
eine besondere Gefahr, indem sie befürchtete, dass als-
dann Lauterburg einen Hafen und bedeutende Handels-
Etablissements erhalten und dadurch die Bedeutung
Strassburgs vermindern würde. Die Zersplitterung der
wirtschaftlichen Kräfte eines Landes durch neue Kon-
kurrenzorte bedeute aber für das ganze Land einen
grossen Nachtheil.
Auf die dringenden Forderungen von sehen der
interessirten Kreise des Elsass und die verschiedenen
Eingaben der niederen und höheren Verwaltungs-Organe
erfolgte endlich die Ratifikation der Konvention mit der
bayerischen Regierung und die Konzessionirung der
Fortsetzung der Basel-Strassburger Linie über Venden-
heim, Bischweiler, Hagenau nach der pfalzischen Grenze
bei Weissenburg an die Slrassburg-Baseler Eisenbahn-
Gesellschaft durch das Gesetz vom 25. Februar 1852.
Der französische Staat gewährte eine Subvention von
300C000 Francs und eine Zinsgarantie von 4% auf das
Anlagekapital für die ersten 50 Jahre des Betriebes, unter
der Bedingung, dass die Herstellungskosten bei einem
Gleise die Summe von 10000000 Francs, bei zwei
Gleisen die Summe von 12000000 Francs nicht über-
steigen dürften. Der Grunderwerb, sowie alle Kunst-
bauten sollten für zwei, die Erdarbeiten und der Ober-
bau für ein Gleis ausgeführt, das zweite Gleis alsdann
ein Jahr nach der Eröffnung der Strecke gelegt werden.
Die bereits bei Konzessionirung der Paris-Strass-
burger Linie getroffene Bestimmung, dass der Bahnhof
Strassburg mit derjenigen Gesellschaft gemeinschaftlich be-
nützt werden sollte, welche später die Konzession zur
Fortsetzung der Basel-Strassburger Bahn erhalten würde,
fand hier ihre Bestätigung. Die Strecke Vendenheim-
Hagenau wurde am 18. Juli 1855, die ganze Linie
Vendenheim-Weissenburg am 23. Oktober desselben
Jahres dem Betriebe übergeben. Die Kosten hatten
11457694 Francs betragen. Die Herstellung des zweiten
Gleises erfolgte jedoch erst im Jahre 1871 durch die
unter der deutschen Regierung eingesetzte Betriebs-
Kommission in Strassburg.
— 46
Konstituirung der französischen Ostbahn-
Gesellschaft und ihre Bauthät i gk ei t.
Mit der Eröffnung der Strassburg-Baseler Eisenbahn
war für ganz Frankreich, besonders auch für den Osten,
der Zeitpunkt einer lebhafteren Entwickelung des Bahn-
baues eingetreten, welche nur in der Mitte der vierziger
Jahre bis gegen 1850 durch die Finanzkrisen und un-
sicheren politischen Zustände eine Unterbrechung fand.
Im Jahre 1845 allerdings bestand das französische Eisen-
bahnnetz erst aus 16 Bahnen mit zusammen 1350 km,
während zur selben Zeit beispielsweise das Königreich
Preussen, dessen Bevölkerungszahl kaum die Hälfte
derjenigen von Frankreich betrug, bereits 1062 km
und im August des nächsten Jahres 1352 km Bahnen
besass.
Die in den verschiedenen, von Eisenbahnen durch-
zogenen Gebieten erzielten Vortheile , der mächtige
Impuls, welchen das neue Verkehrselement dem ge-
samten Handel und durch die Erleichterung der Be-
schaffung von Rohmaterialien jeder Art sowie Vermehrung
der Absatzgebiete der Entwickelung aller Industriezweige
verlieh, die neue Aera, welche sich fiir alle von der Eisen-
bahn zuerst begünstigten Gegenden eröffnete, riefen bald
im ganzen Lande das lebhafte Verlangen nach Eisenbahnen
wach.
in Osten Frankreichs zeichneten bald zwei grosse,
von Paris nach Strassburg und nach Lyon und Dijon
auslaufende Linien die Umrisse eines Netzes vor, dessen
weiterer Ausbau durch eine Menge von Abzweigungen
und Transversallinien erfolgen musste. Die Konzession
zu diesen Bahnen wurde von verschiedenen Gesellschaften
nachgesucht. Eine derselben, welcher auch die Strecke
Paris-Mülhausen konzessionirt werden sollte, war bereits
damals mit der Ansicht hervorgetreten, dass eine Fusion
der verschiedenen Gesellschaften im Interesse eines wirt-
schaftlicheren Betriebes durch Verminderung der all-
gemeinen Verwaltungskosten ratsam und auch möglich
sei, um die gesamten, zwischen der Paris-Strassburger
und der Paris-Lyoner Linie gelegenen und noch zu er-
bauenden Bahnen zu vereinigen.
Die bedeutendste unter allen im Osten Frankreichs
— 47 —
thätigen Gesellschaften war die Paris-Strassburger,
welche nach und nach die anderen Strecken, sowie die
Konzessionen zu neuen erwarb und so den Stamm der
späteren «Compagnie des chemins de fer de TEst» bildete.
Durch die mit dem französischen Minister der öffentlichen
Arbeiten geschlossene Konvention vom 17. August 1853
erhielt dieselbe auch die Konzession u. a. für die Linie
Paris-Mülhausen sowie die verschiedenen bereits er-
wähnten Abzweigungs- und transversalen Bahnen des
Ostens von Frankreich und schliesslich auch die Linie
Strassburg-Basel mit Verlängerung nach Weissenburg
durch die Fusion der Strassburg-Baseler Gesellschaft.
Diese erfolgte endgültig durch das Dekret vom 21.
Januar 1854.
Im Jahre 1858 ging durch Dekret vom 29. Mai auch
die Abzweigung von Mülhausen nach Thann in den Besitz
der Ostbahn über. Diese ersuchte gleichzeitig um die
Konzession zur Verlängerung der gen. Bahn durch das
industriereiche Thurthal bis nach Wesserling. Die Kon-
zession für die gewünschte Fortsetzung von 13 km,
deren Kosten auf etwa 2300000 frs. veranschlagt waren,
wurde am 11. Juni 1859 ertheilt und die Strecke am
25. November 1863 dem Betriebe übergeben. Auch die
Linie Mülhausen-Belfort war seit dem 15. Februar 1858
eröffnet.
Bereits . längere Zeit vorher hatte die französische
Ostbahn-Gesellschaft Schritte gethan, um die zwischen
Strassburg und Kehl bestehende Lücke zur ununter-
brochenen Verbindung der Paris-Strassburger Linie
mit der badischen Bahn durch Herstellung einer An-
schlusslinie auszufüllen, und im Jahre 1853, vor-
behaltlich des Abschlusses eines internationalen Vertrages,
um die Konzession zur Hersteilung der Strecke von
Strassburg nach dem Rheine und einer festen Brücke
über den letzteren nachgesucht. Im Jahre 1857
endlich fanden vorläufige Abmachungen mit der
badischen Regierung statt. Die Anschlusslinie wurde
auf 9*/ 2 km und die Brücke auf 235 Meter festgestellt ;
letztere sollte für zweigleisigen Betrieb hergestellt
und die Kosten zur Hälfte von der Ostbahn- Gesellschaft
und zur Hälfte von der badischen Regierung getragen
werden. Die Arbeiten des Brückenbaues wurden im
Oktober 1858 begonnen. Die Gesamtausgabe war auf
etwa 7 Millionen frs. veranschlagt worden. Die Eröffnung
— 48 —
des Betriebes auf der Strecke Strassburg-Kehl fand am
11. Mai 1861 statt.
Durch Dekret vom 25. März 1852 war der Paris-
Strassburger Eisenbahn-Gesellschaft eine Verlängerung
der Konzessionsdauer auf 99 Jahre für die von ihr be-
triebenen Linien gewährt worden, unter der Bedingung,
auf eigene Kosten eine Eisenbahn von Metz nach Dieden-
hofen in einer Frist von 4 Jahren herzustellen und die-
selbe alsdann bis an die luxemburgische Grenze zu
verlängern. Der letzte Fall sollte nur dann eintreten,
wenn der Anschluss von Luxemburg an die französische
Grenze in Angriff genommen wäre. Die Eröffnung der
Strecke Metz-Diedenhofen erfolgte am 16. September 1854,
der Strecke Diedenhofen - luxemburgische Grenze bei
Gross-Hettingen am 11. August 1859.
Auch diese Bahn bildete nunmehr einen Bestandtheil
des französischen Ostbahnnetzes. Der in Elsass-Lothringen
belegene Theil desselben setzte sich im Jahre 1863 aus
folgenden Linien zusammem :
Basel-Strassburg-Weissenburg mit Abzweigung von
Mülhausen nach Thann und Wesserling;
Belfort-Mülb ausen ;
Strassburg-Avricourt und Strassburg-Kehl ;
Pagny-Metz-Saarbrücken ;
Metz-luxemburgische Grenze bei Gross-Hettingen.
Ueber die Kosten der ersten Herstellung der ge-
nannten Linien bis zum Schlüsse des Jahres 1862 giebt
der Bericht der französischen Ostbahn-Gesellschaft vom
Jahre 1863 folgenden Aufschluss :
Paris-Strassburg mit allen Abzweigungen nach
Reims, Forbach u. Cocheren-
Saarburg = 126 354751,44 frs.
Strassburg-Kehl = 8 230 657, 15 »
Thann- Wesserling = 2637 245,79 >
Metz-Gross-Hettingen = 9209575,41 b
Vendenheim-Weissenburg = 11351880,29 »
Strassburg-Basel und Mül-
. hausen-Thann = 52 593164,65 »
(darunter Ankaufspreis 45659773 frs.)
Paris-Mülhausen = 170474031,36 »
Das elsass-lothringische Eisenbahnnetz stand im
Jahre 1862 mit folgenden durchgehenden französischen
und internationalen Routen in Verbindung :
Die Strecke Strassburg- Basel setzte sich in der
Schweiz nach dem Genfer See und von da über Turin
nach Oberitalien fort. Projektirt war ferner bereits eine
direkte Verbindung durch den Gotthard nach Mailand.
Im Norden stand die Strecke Basel-Strassburg-Weissen-
burg über Mainz-Köln mit Amsterdam, sowie über
Frankfurt a. M. mit Hamburg-Berlin und den wichtigsten
Häfen der Ostsee, ferner mit Warschau und Lemberg in
direkter Verbindung. Die Linie Strassburg-Nancy-Metz
setzte sich im Norden über Luxemburg nach Brüssel
und Anvers fort. Eine direkte Schienenstrasse zog von
Gherbourg und Le Havre über Paris-Strassburg-München
nach Wien und dem Balkan, eine solche auch von Mül-
hausen über Lyon nach Marseille und dem Ostende der
Pyrenäen bei Port-Vendres..
Die Wilhelm -Luxemburg-Bahn en und
Fusionirung mit der Ardenner- Gesellschaft.
Wie bereits hervorgehoben wurde, war durch
das Dekret vom 25. März 1852 bestimmt worden,
dass die Paris-Strassburger Gesellschaft die Ver-
längerung der Strecke Metz-Diedenhofen nach der
luxemburgischen Grenze nur in dem Falle auszuführen
brauchte, wenn die Grossherzoglich Luxemburger Re-
gierung den Anschluss ihrer Eisenbahnlinien von Luxem-
burg nach der französischen Grenze in Angriff nehmen
würde. Die in Frage kommenden luxemburgischen
Strecken bildeten ein Netz von zusammen 160 km mit
der Hauptstadt als Mittelpunkt, und zwar handelte es
sich um folgende Linien :
1. Luxemburg-französische Grenze (Richtung Dieden-
hofen) .
2. » -belgische Grenze (Richtung Arlon).
3. » -preussische Grenze (Richtung Trier-
Coblenz).
4. » preussische Grenze (Richtung Spa,
Lüttich, Aachen, Köln).
Dieses Eisenbahnnetz war einer in Frankreich unter
der Obrigkeit des Grossherzogtums Luxemburg consti-
tuirten anonymen Gesellschaft konzessionirt und mit der
Konzession gleichzeitig eine Staats -Subvention von
3000 000 frs. für die Sektion Luxemburg- Weiss wampach
— 50 ~
gewährt worden. Noch vor Beginn der Arbeiten hatte
die genannte Gesellschaft beabsichtigt, den Betrieb ihrer
Bahnen der französischen Ostbahn-Gesellschaft zu über-
tragen, da sie sich ausserstande sah, den zur Beschaffung
der Betriebsmittel erforderlichen Kapital -Aufwand
zu leisten. Für die französische Ostbahn musste der
Betrieb der luxemburgischen Bahnen von dem grössten
Interesse sein. Zunächst vermittelten dieselben einen
neuen Anschluss an das deutsche Bahnnetz, dann aber
eine direkte Verbindung mit der grossen belgischen
Bahn über Arlon-Namur-Brüssel-Ostende uÄd Anvers.
Auf diese Weise wurde eine ununterbrochene Verkehrs-
Route zwischen der Nordsee, den Ufern des Rheines von
Strassburg bis Basel entlang, und dem Mittelländischen
Meere geschaffen. Die französische Ostbahngesellschaft
beeilte sich daher, in Unterhandlungen mit der luxem-
burgischen Gesellschaft einzutreten, welche im Jahre 1857
zum Abschlüsse eines Vertrages führten. In demselben
war festgesetzt worden, dass die französische Ostbahn
während einer Frist von 50 Jahren mit ihrem Material,
ihrem Personal und ihren Mitteln den Betrieb der der Kgl.
Grossherzoglich Luxemburgischen Eisenbahn-Gesellschaft
konzessionirten Linien am Tage der Fertigstellung des
Anschlusses an die französische Grenze übernehmen
sollte. Dieser Betrieb bezog sich auf die Unterhaltung
der Bahn, der Kunstbauten, Gebäude,^ Stationen, den
Transport von Personen und Gütern, die Unterhaltung
des festen und rollenden Materials sowie die Wahrnehm-
ung des Telegraphendienstes, unter Ausschluss aller
Vergrösserungsbauten und bedeutenderen Reparaturen,
soweit dieselben sich aus der Unzulänglichkeit der ersten
Einrichtung ergaben. Es sollten über die Wilhelm-
Luxemburgbahnen getrennte Rechnung geführt und auf
die Einnahmen von der Ostbahn im Voraus erhoben
werden :
1. eine . jährliche Summe von 500 frs. pro km Be-
triebslänge zur Deckung der Kosten für das rollende
Material ;
2. alle aus dem Betriebe sich ergebenden Ausgabe-
Beträge und zwar, wenn die kilometrische Einnahme bis
10000 frs. betrug, 65°/ der Roheinnahmen; bei 10000
bis 15000 frs. 60°/ ; bei 15000 bis 20000 frs. 55°/
und endlich bei mehr als 30000 frs. 40°/ der Roh-
einnahme.
— 51 —
Der die Summe von 3000000 frs. übersteigende
Betrag der Jahreseinnahme sollte zur Hälfte den beiden
Gesellschaften zufallen, unter Vorabzug des der Gross-
herzoglich-luxemburgischen Regierung zur Aufrechnung
der Staatssubvention von 3000000 frs. gehörenden An-
theiles. Ein gemeinschaftliches Komite, bestehend aus 8
Mitgliedern (4 von jeder Partei), war mit der Ueber-
wachung der Bauausführung und des Betriebes der
luxemburgischen Bahnen beauftragt.
Durch einen besonderen Anhang zu diesem Vertrage
wurde die luxemburgische Eisenbahn-Gesellschaft er-
mächtigt, eventuell die nördliche Linie zwischen Diekirch
und Weisswamspach (mit 55 km) wegfallen und dafür
ihren Konzessionen eine Abzweigung von Bettemburg nach
Rümelingen und Esch (mit 16 km) hinzufügen zu lassen.
In letzterem Falle verminderte sich die Länge des Netzes
von 160 auf ca. 120 km und dementsprechend auch der
im Vertrage stipulirte Betrag von 3 000 000 frs. auf
2000 000 frs.
Durch Gesetz vom 26. Dezember 1858 übertrug die
luxemburgische Regierung die gewährte Staatsbeihülfe
von 3 000 000 frs. auf die Strecke Luxemburg-Diekirch,
während die Ausführung der Linie Diekirch bis zur
Grenze einstweilen noch verschoben wurde. Die Kon-
zession der Bettemburg-Rümelinger und Escher Zweig-
bahnen erfolgte durch Grossherzogliche Verordnung vom
20. Juni 1859 und durch Gesetz vom 23. Dezember 1861
die Konzession zur Fortsetzung der nördlichen Linie über
Ettelbrück nach der belgischen Grenze nebst Gewährung
einer Staatsbeihülfe von 5000000 frs., so dass die ganze
Subvention nunmehr 8000000 frs. betrug. Die einzelnen
Strecken wurden eröffnet :
Am 5. Oktober 1859 von Luxemburg nach der
belgischen Grenze (Richtung Arlon) und nach
der französischen Grenze bei Gross-Hettingen.
Am 23. April 1860 die Zweigbahn nach Esch.
Am 1. Juni 1860 die Zweigbahn nach Oettingen.
Am 29. August 1861 die Linie nach der preussischen
Grenze (Richtung Trier).
Am 21. Juli 1862 die Linie bis Ettelbrück.
Am 16. November 1862 die Linie bis Diekirch.
Am 15. Dezember 1866 bis Ulflingen.
Am 20. Februar 1867 bis zur belgischen Grenze
und nach Spa.
— 52 —
Zur gleichen Zeit, als mit der luxemburgische»
Eisenbahn-Gesellschaft die Unterhandlungen im Gange
waren, hatten auch solche mit einer anderen Gesellschaft r
der «Compagnie des Ardennes» stattgefunden. Schon
seit längerer Zeit hatte das zwischen Reims-Diedenhofen
und der belgischen Grenze gelegene , an Produkte»
jeder Art, besonders an Industrien reiche Gebiet die
Aufmerksamkeit der französischen Ostbahn-Gesellschaft
auf sich gelenkt. Letztere hatte schon im Jahre 185&
um die Konzession zum Baue einer Bahn nach Dieden-
hofen über Longuyon in der Richtung nach Sedan
gleichzeitig mit der Ardenner Gesellschaft-, mit welcher
auch die Herstellungskosten getheilt werden sollten,
nachsuchen wollen, sich aber schliesslich dahin ent-
schieden, der Ardenner Gesellschaft den Bau jener Linie
allein zu überlassen und nach einer gewissen Reihe von
Jahren dieselbe auf dem Wege der Fusion von der
? genannten Gesellschaft zu erwerben. Ein zwischen der
ranzösischen Ostbahn- und der Ardenner Gesellschaft,
abgeschlossener Vertrag vom Jahre 1857 bestimmte, dass
die Letztgenannte mit der Ersteren sich vereinigte unter
Ueberlassung aller Konzessionen an diese. Die Fusio»
sollte frühestens 2 Jahre nach Inbetriebnahme sämt-
licher der Ardenner Gesellschaft konzessionirten Linien r
dagegen spätestens bis zum 1. Januar 1864 stattfinden.
Die Strecke Diedenhofen-Fentsch wurde am 25. April 1863-
eröffnet und ging durch die Fusion in den Besitz der
Ostbahn über.
Auch im Süden hatte Letztere im Jahre 1858 Unter-
handlungen angeknüpft, und zwar mit dem Kanton Basel
wegen der Konzession zum Baue einer Anschlusslinie
von der französischen Grenze bei St. Ludwig nach der
Schweizer Grenze bei Basel. Dieselben hatten vor Allem
den Zweck, den ungehinderten Transport von Personen
und Gütern nach den Schweizer Bahnen zu ermöglichen.
In Anbetracht verschiedener Schwierigkeiten, welche sich
der Ausführung entgegenstellten, hielt es die französische
Ostbahn schliesslich für ratsam, die Konzession zum
Baue der genannten Anschlussbahn der Schweizer
Zentralbahn zu überlassen und wegen Uebernahme de&
Betriebes in besondere Unterhandlungen mit dieser zu
treten, auf Grund deren eine Konvention zustande kam,,
welche die Ueberlassung der betreffenden Linie (von etwa
2 km) an die französische Ostbahn-Gesellschaft gegen eine
- 53 —
von dieser zu zahlende Entschädigung von in maximo
lOOOOOO frs, zum Gegenstande hatte.
Gleichzeitig wurden auch die Bedingungen der
gemeinschaftlichen Benützung des Schweizer Bahnhofes
Basel geregelt, und .zwar sollte der beiderseitige Jahres-
betrag für das von der Schweizer Zentralbahn auf-
gewendete Anlagekapital für den Gemeinschaftsbahnhof
nach Verhältniss des Verkehrs- Antheils für die Zenlral-
iahn 60°/ und für die Ostbahn 40°/ betragen.
Entwickelung des Verkehres bis zum
Jahre 1863.
Mit der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft, sowie
mit der Hessischen Ludwigsbahn und der Pfalzischen
Eisenbahn hatte die französische Ostbahn-Gesellschaft
nach der im Jahre 1860 erfolgten Eröffnung der Linien
von Bingen nach Köln, von Saarbrücken nach Trier und
Bingen, Verträge abgeschlossen, welche die Einführung
«eines direkten Dienstes für den Personen- und Güter- Ver-
kehr zum Zwecke hatten. Infolge dessen wurde zwischen
Köln und Basel ein regelmässiger Schnellzug eingerichtet,
welcher die Strecke täglich befuhr. Bezüglich des Güter-
Verkehres waren mit den genannten Bahnen direkte Tarife
vereinbart worden.
Die Rhein-Nahebahn von Saarbrücken nach Bingen bot
für den Verkehr von Paris nach der alten Welthandelsstadt
Frankfurt a. M. eine bedeutende Abkürzung von 350 km
.gegen die frühere Verbindung über Köln. Zur Ver-
wertung dieses Vortheiles, welcher in erster Linie dem
Oüterverkehre zu Gute kam, erwirkte die französische
Ostbahn die Errichtung eines internationalen Tarifes für
■die Transporte zwischen Paris-Le Havre und den be-
deutenderen Städten Frankreichs einerseits und Frankfurt
a. M. sowie den Städten der Rheinprovinz andererseits.
Von der grössten Wichtigkeit für den internationalen
Verkehr Frankreichs war die im Jahre 1860 erfolgte
Eröffnung der Strecke von Traunstein nach Frankenmarkt
in Bayern, welche nach Fertigstellung der Verbindungs-
linie Strassburg-Kehl im Jahre 1861 der direkten Route
Paris- Wien das letzte Glied anfügte. In Gemeinschaft
mit der französischen Nordbahn und den Oesterreichischen
Bahnen wurden sofort direkte Billete zwischen London-
— 54 —
Paris- Wien und Kosiantinopel eingeführt, welche eine
bedeutende Preis-Ermässigung gegenüber der früheren
Linie über Marseille boten. Der Fahrpreis betrug :
Von Paris über Wien nach Konstantihopel in
1. Klasse ==486,00 frs. in 2. Klasse = 344,70 frs.
Ueber Marseille dagegen in
1. Klasse = 568,65 frs. in 2. Klasse = 409,50 frs.
Besonders die elsass-lothringischen Bahnen profitirten
wegen ihrer äusserst günstigen Lage von diesen Welt-
verkehrslinien. Der englisch - belgisch - schweizerische
Transit- Verkehr, sowie der direkte Köln-Baseler Verkehr
trugen in Verbindung mit den stets wachsenden Binnen-
Transporten zur bedeutenden Vermehrung der Einnahmen
auf der Strassburg-Baseler Linie bei. Mit der Ent-
wicklung der Kohlen- und Eisen-Industrie fand auf der
Strecke Frouard-Metz-Forbach in einem Zeitraum von 6
Jahren eine Verdoppelung der Einnahmen, von ca.
23 000 frs. pro km auf 46 520 frs. statt. Die im Jahre
1859 erfolgte Organisation des Transit- Verkehres zwischen
Anvers nnd der französischen Ostbahn führte bald auf
der Linie Metz-Diedenhofen-luxemburgische Grenze eine
beträchtliche Steigerung des Verkehres herbei.
Eine wesentliche Steigerung des Verkehres brachte
auch die Eröffnung der Strassburg-Kehler Anschlusslinie.
Die Anzahl der zwischen Paris und Deutschland beför-
derten Personen stieg von 9 500 im Jahre 1860 auf 13 00O
im Jahre 1861 und auf 21574 im Jahre 1862 bei einer
Einnahme von 1 100 000 frs. Die Zahl der zwischen Strass-
burg und Kehl in .engerem Verkehre beförderten Personen
betrug in der ersten Zeit während sieben Monaten ca.
120000. Die Menge der über Kehl in Frankreich ein-
geführten Güter vermehrte sich von 31000 Tonnen im
Jahre 1860 auf 52000 Tonnen im Jahre 1861, wobei die
Einfuhr von Korn aus Ungarn eine grosse Rolle spielte.
Auch in Weissenburg und Basel wurden bedeutende
Mengen ungarischen Kornes und zwar 1861 17170 Tonnen
eingeführt.
Die französische Handels- und Zollgesetzgebung war
seit dem Jahre 1816 für Elsass-Lothringen nicht be-
sonders günstig gewesen, da die Einfuhr auf den Land-
wegen, für welche gerade der Osten in Frage kam, mit
schweren Abgaben belastet und für Kolonialwaaren lange
Zeit überhaupt verboten war. Besonders Strassburg,
welches im Anfang des 19. Jahrhunderts, zur Zeit der
— 55 —
Blokade der französischen Häfen durch England, als
Haupt-Niederlageort für ganz Frankreich gedient hatte,
verlor durch diese Bestimmungen sehr an Bedeutung.
Auch durch den Vertrag von 1840 mit den Niederlanden,
auf Grund dessen die Einfuhr auf dem Rheine und der
Mosel freigegeben wurde, sowie durch das Dekret von
1848, welches die Einfuhr von roher Baumwolle gegen
eine Gebühr von 30 frs. pro 100 kg. auf den Land-
wegen gestattete, war wenig gebessert worden. Das
Zollgesetz vom 5. Mai 1860 führte eine bedeutende Ent-
lastung der Rohmaterialien herbei. Von wesentlichem
Einfluss auf die Industrie und den Handel im Elsass
waren endlich die im Anfange der sechsziger Jahre mit
England, Belgien und vor Allem mit dem deutschen
Zollvereine abgeschlossenen Verträge. Strassburg eroberte
sich durch dieselben wieder seine alte Stellung als erster
Handels- und Stapelplatz des Ostens von Frankreich.
Dagegen lastete eine Zeit lang die durch den ameri-
kanischen Bürgerkrieg hervorgerufene Krisis im Baum-
woll-Handel schwer auf der Industrie des Elsass.
Wie bereits bei der Darstellung der Verkehrs- Ver-
hältnisse der Basel-Strassburger Bahn zu Anfang er-
wähnt, überstieg die kilometrische Roheinnahme auf dieser
Strecke bis zum Jahre 1852 niemals die Summe von«
17 900 frs. pro Jahr. Dieselbe betrug jedoch schon im
Jahre 1854 23807 frs. (einschliesslich Mülhausen-Thann)
und stieg in den folgenden Jahren immer mehr.
Sie betrug im Jahre 1855 = 25163 frs.
1856 = 28500 »
1857 = 28423 »
1858 = 26385 »
1859 = 27481 »
1860 = 32053 »
1861 = 35905 »
Die im Jahre 1858 und 1859 eingetretene Vermin-
derung der Einnahmen, welche sich auch auf der Strecke
Paris-Strassburg bemerkbar machte, war auf die im Jahre
1858 erfolgte Eröffnung der Paris-Mülhauser Bahn zu-
rückzuführen. Auf den übrigen Strecken stellte sich die
kilometrische Roheinnahme wie folgt:
— 56 —
In den c
Jahren. **
Paris- Frouard-Metz Metz -hu
cbrg. Vendenheim-
trassburg. Forbach.
Grenze. Weissenburg.
502 km. 117 km.
46 km. 58 km.
frs. frs.
frs.
frs.
1853
45 392 21 727
1854
59 988 23 648
1855
68 433 26 916
13956 6 373
1856
68 733 29 706
15381 9058
1857
71900 35 934
19004 11922
1858
66 353 35 933
19 600 12174
1859
63 028 41644
18984 10990
1860
64932 46 520
22110 14242
1861
68 935 49 418
24567 17 490
Im Jahre 1861 betrug die Zahl der auf den elsass-
lothringischen Stationen beförderten Personen :
Strassburg
= 356063 mit der Einnahme von 1721828,02 frs
Mülhausen
= 247 588 >
702434,73 »
Metz
= 260784 ■
853803,27 >
Weissenburg
= 24076 i
115649,80 »
luxbg. Grenze = 27 201
133198,26 »
Basel
= 61764
414501,06 »
Diedenhofen
= 64605 i
161760,12 >
Colmar
= 138064 >
342 658,76 »
Ars a. M.
= 43 830 i
> 48112,40 >
Kehl-Rheinbr.
= 87 766 >
483 638,30 >
Zabern
= 38 202 >
118 394,02 »
Thann
= 57 852 »
114190,70 >
JBchlettstadt
= 61548 >
164 250,70 »
Hagenan
= 57 726 »
118328.01 »
Altkirch
=s 48971 >
74228,95 >
Devant-les-Ponts =; 48 019 i
58 086,45 >
Lutterbach
;= 82074 «
25 914,30 »
Mit über 20 000 beförderten Personen folgen ferner-'
Saarburg, St. Ludwig, Hochfelden, Bischweiler (40000)
Eenfeld (41 000), Ueckingen, Bollweiler (50000), Dornach,
Nov^ant, Brumath, Rappoltsweiler, Sennheim, Rufach
Erstein.
Nach der Gesaml-Einnahme aus dem Personen- und
Güter- Verkehre folgen sich die Stationen :
Forbach
mit ca. 4790000 frs.
Bad. Grenze
mit
ca. 501000 frs
Strassburg
» 4237000 »
Zabern
403000 »
Mülhausen
> 1794000 >
Thann
398000 .
Metz
> 1748000 >
Hagendingen
385000 *
Weissenburg
> 1488000 »
Saarburg
335000 »
Stieringen
> 1067000 >
Schlettstadt
329000 »
Basel
928000 »
Avricourt
310000 »
Diedenhofen
754000 »
Hagenau
► ♦ £99000 •
Ars a. M.
594000 >
St. Ludwig
277000 »
Hochfelden, Bischweiler, Lützelburg,
Pfalzburg,
Benfeld mit über 200000 frs
— 57
St. Avold, Ueckingen, Bollweiler, Falkenberg,
Saarbrücken Grenze, Dornach, Remilly, Novöant, Alt-
kirch, Brumath, Rappoltsweiler mit über 100000 frs.
Bemerkenswert ist es, dass unter den Stationen der
französischen Ostbahn die' elsass-lothringischen bezüglich
der Gesamt-Einnahme den ersten Rang einnehmen.
. Unter den Stationen mit einer Gesamt-Einnahme
von über 1000000 frs. folgen sich
Paris, Forbach, Strassburg, La Villette, Reims,
Gray, Nancy, Mülhausen, Metz, Weissen bürg,
Beifort und Stieringen.
Die verhältniss massig höchste Rein-Einnahme erzielte
die französische Ostbahn im Jahre 1855. Die Betriebs-
resultate dieses Jahres stellten sich, wie folgt :
Gesamt-Einnahme (abzüglich aller Zuschläge für die
Staatskasse, sowie Fracht-Differenzen u. s. w.) =
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Ausgaben für den Betrieb.:
Bahndienst 2 875 517,30 frs.
39061386,43 frs.
Zugdienst
Betriebsdienst
Kommerzieller
Dienst
Zentraldienst
Lasten der Gesell-
schaft
7 353769,39
4224 581,38
132835,51
553315,81
297023,91
15437043,30 frs.
23 624 343,13 frs.
8215012,50 »
15409330,63 »
Ergiebt eine Rein-Einnahme von
Hiervon ab für Zinsen der Aktien,
Obligationen, Amortisation
und Pensionskasse
verbleibt
Von dieser Summe gehen ab für den
Reservefonds, dessen Jahres-
betrag mindestens 5% der
Rein-Einnahme sein musste 770466,15 »
bleiben als Dividende zu vertheilen 14638864,48 frs.
Der Betrag der Dividende für das Jahr 1855 stellte
sich auf 78,50 frs. pro Aktie (ä 500 frs.) oder 15,75%.
Für das Jahr 1857 betrug die Dividende nur noch
40,65 frs. oder 8,13% pro Aktie, für das Jahr 1862 35 frs.
oder 7% pro Aktie.
— 58 —
Bei den übrigen Bahnen, Orleans 100 frs., Nordbahn
62 frs., Paris-M^diterann^e 75 frs., Midi 52 frs., Ouest
35 frs. pro Aktie.
Die Ursache der nach dem Jahre 1855 eingetretenen
Verminderung der Rein-Einnahmen lag in den weit-
gehenden Verpflichtungen, welche der französische Staat
den einzelnen Gesellschaften bezüglich des Ausbaues ihrer
Bahnnetze auferlegt hatte.
Infolge der hierdurch hervorgerufenen, in ganz
Frankreich fühlbaren Finanzkrise, welche den Kredit der
Eisenbahn-Unternehmungen schädigte, sah sich die Re-
gierung veranlasst, einzutreten und schloss mit den
Eisenbahn-Gesellschaften Konventionjen ab, welche den
Zweck hatten,
1. die Rechte zu wahren, welche sich die Gesell-
schaften durch den Besitz und den Betrieb ihrer Bahnen
erworben hatten, die den Aktien-Inhabern zufallende
mittlere Dividende nicht zu schädigen,
2. ihnen den Auftrag zu geben, ohne ihre eigene
Gefahr, ungefähr 8 000 km neu9 Eisenbahnen herzustellen
und zu diesem Zwecke während 50 Jahren eine Zins-
garantie von 4°/ , sowie 0,65 °/o Amortisation des ge-
liehenen Kapitals zu sichern.
Die Konvention sollte für die Ostbahn ab 1. Januar
1864 in Kraft treten.
Die Absicht der Regierung und des Gesetzgebers
war, den Aktionären eine Dividende von mindestens
38 frs. pro Aktie für die älteren Linien (sogen, altes
Netz) zu sichern. Aber auch dieser Betrag wurde in den
nächsten Jahren nicht erreicht, denn im Jahre 1862
betrug, wie bereits erwähnt, die Dividende 35 frs. und
1864 33 frs.
Das gesamte im Jahre 1862 zum Betriebe einer
mittleren Bahnlänge von 1721 km. französische Ostbahn
und 103 km Wilhelm-Luxemburg-Bahn vorhandene
rollende Material betrug 510 Lokomotiven, 1593 Personen-
wagen und 11587 Güterwagen.
Die Einnahmen betrugen:
Aus d. Personen-Verkehre 22800580,61 frs. oder 12500,32 frs. p. km.
» Eilgut- > 4582144,42 > » 2512,14 »
> Frachtgut- » 39962592,44 > > 21909,31 > >
Ans verschiedenen anderen
Quellen 1182227,66 * > 648,15 >>
zusammen 68 527 545,13 frs. oder 37569,92 frs. p. km.
— 59 —
Davon gehen ab ordent-
liche Ausgaben 898018,79 frs. oder 492,33 frs. p. km.
Einnahme 67629526,54 frs. oder 37077,59 frs. p. km.
Die Ausgaben betrugen:
Für Zentral-Verwaltung 2595349,48 frs. oder 1442,89 frs. p. km.
> eigentlichen Betrieb 9580012,00 > » 5252,20 > >
> Material u. Zugdienst 11781292,86 > > 6439,04 > >
> Unterhaltung u. Be-
wachung d. Bahn 5644621,26 * > 3094,64 > >
zusammen 29601276,60 frs. oder 16228,77 frs. p. km
Hiervon ab verschiedene
kleine Einnahmen 146420,05 > » 80,27
Ausgaben 29454855,55 frs. oder 16 148,50 frs. p. km.
(Einschliesslich Wilhelm-Luxemburg-Bahn).
Die Gesamtzahl der von den Zügen durchlaufenen
Kilometer betrug :
Für Express- und direkte Schnellzüge = 1 200 050 km.
> Vergnügungszüge = 15 927 >
> Omnibuszüge (gew. Personenzüge) = 5 445 965 >
» Güterzüge = 7 037 423 »
13 699 365 km.
Auf der Wilh.-Luxbg.-Bahn zusammen 216 803 >
Die ganze Länge des Ostbahnnetzes ist demnach
täglich etwa 22 mal von Zügen durchfahren worden, wo-
von die Hälfte auf Personen-, die Hälfte auf Güterbe-
förderung entfallen. Diese Ziffer bleibt nur um wenig
hinter dem heuligen Resultate der etwa gleich langen
Reichsbahn zurück, wobei allerdings die durchschnittlich
grössere Belastung der deutschen gegenüber den fran-
zösischen Zügen zu berücksichtigen ist.
Die Züge brachten eine Einnahme von:
Aus Express-, direkten Schnell-
zügen, sowie Personen- u.
gemischten Zügen 26 865806,48 frs. oder 3,74 fr. p. km.
Aus Vergnügungszügen 227 271,92 > > 14,27» »
* Güterzügen 39 034 070,71 • • 5,78 >
Die Zahl der pro Jahr beförderten Personen betrug 7 354 398
pro Tag 20 149
auf 1 km 379 061 289
auf der ganzen Länge der Netzes 222 454
Die von jedem Reisenden durchschnittlich durchfahrene
Strecke war gleich 51,54 km.
■ — 60 —
Die gesamte Einnahme aus dem Personen- Verkehr
(einschliesslich Zuschlag von Vi*) 24072189,39 frs.
Die von jedem Reisenden durchschnittlich erzielte
Einnahme betrug 3,27 frs.
Die pro km. erzielte Einnahme betrug 0,0635 frs.
Das Verhältnis der einzelnen Wagenklassen war gleich 66 für 1. Kl.
136 > 2.
»
798 » 8.
^
pro Tausend.
Das Verhältnis der erzielten Einnahmen 255 frs. für 1.
Kl
186 > > 2.
»
559 > > a.
>
pro Tausend frs.
Es wurden im Laufe des Jahres 3545255 t
pro Tag 9713 t
auf 1 km 523990979 t
auf der ganzen Länge des Netzes 807 605 t befördert.
Die von jeder Tonne durchlaufene Strecke betrug
147,8 km.
Die Gesamt-Einnahme betrug 37608398,76 frs.
Die durchschnittliche Einnahme pro t 10,61 frs., die
Gesamtzahl der Expeditionen pro Jahr 1959515.
Die durchschnittliche Ron-Einnahme auf den franzö-
sischen Ostbahnstrecken betrug im Jahre 1862 ca. 40000
frs. (39131) pro km.
Für die elsass-lothringischen Strecken berechnet sich
«ine durchschnittliche Roh-Einnahme von ebenfalls ca.
40000 frs. (39900) durchschnittlich.
Das Ergebniss auf letzteren hätte sich demnach etwas
höher gestellt als der allgemeine Durchschnitt auf der
franz. Ostbahn. Es ist jedoch zu beachten, dass diese
Ziffer, da die franz. Ostbahn-Gesellschaft eine getrennte
Berechnung natürlich nicht vorgenommen hat, auf nicht
unbedingt zuverlässiger Grundlage beruht.
Die Tarife der französischen Ostbahn-
Gesellschaft.
Die Tarife der französischen Ostbahn waren nach
dem Wertklassensysteme festgesetzt , d. h. die Güter
wurden nach ihrem Werte, wobei sowohl der rein
kaufmännische als auch der volkswirtschaftliche, aus
dem grösseren oder geringeren Verbrauche sich ergebende
Wert in Betracht kam, in Klassen eingetheilt, so dass
— 61 —
die Beförderungspreise nach der allgemeinen Belastungs-
fähigkeit der einzelnen Transportartikel bemessen wurden.
Güter von höherem Werte und geringerem Konsum er-
tragen naturgemäss eine grössere Fracht als Güter von
geringerem Werte und grösserem Konsum. Bei dem
Wertklassensysteme kommen die Selbstkosten der Trans-
port-Einrichtung direkt nicht in Frage, (im Gegensatze
zum Wagenraum-System) umsomehr aber die volks-
wirtschaftlichen Interessen. Dabei leidet das Wertklassen-
system, wenn es streng durchgeführt ist, wie dies bei
der französischen Bahn der Fall, an empfindlichen Mängeln,
und zwar an Unübersichtlichkeit und allzugrosser Ver-
änderungsfähigkeit. Wie bereits verschiedene Male an-
geführt, setzte die französische Regierung in den Lasten-
heflen zu allen Konzessions-Urkunden die Tarif-Maxima
fest und gestattete den Gesellschaften, vorbehaltlich der
höheren Genehmigung, bei strengster Beachtung des Prin-
zipes der Gleichheit vor dem Tarife, unter der festge-
setzten Maximal-Grenze besondere Beförderungspreise zu
vereinbaren.
Die Tarif-Maxima betrugen nach der Konvention
vom Jahre 1858 für die französische Ostbahn bei
Frachtgut :
Für Güter der ersten Klasse = 0,16 frs. pro t und km
» » » zweiten » =0,14 » » » » »
» » » dritten »=0,10» »»» »
Die erste Klasse umfasste : bearbeitete Gegenstände
(Fabrikate), Naturprodukte von hohem Werte, Kolonial-
waaren oder einheimische, Spirituosen und Oele.
Die zweite Klasse solche Gegenstände, welche eine
erste Bearbeitung erfahren hatten, sogen. Halbfabrikate,
Naturprodukte von geringem Werte, wie Wein, Getreide
oder solche Gegenstände, die eine Umwandlung durch
die Industrie erwarteten, wie Wolle, Baumwolle, Eisen,
Guss, bearbeitetes Metall und Kokes.
Die dritte Klasse : Massenartikel von geringem Werte,
und zum unmittelbaren Gebrauche bestimmt, wie Kohlen,
Baumaterialien, Erze, Roheisen, Salz und Dünger.
Dies waren die allgemeinen Grundzüge der Güter-
klassifikation, nach welchen die französische Ostbahn
die spezielle Einreihung der Güter vornahm.
Ferner schuf dieselbe noch eine vierte Klasse zu
0,08 frs. für Entfernungen von bis 200 km, zu 0,07
für 200 bis 300 km, zu 0,06 frs, pro t und km für Ent-
— 62 -
fernungen von über 300 km, ausserdem einen Spezial-
tarif zu 0,05 frs.
Die vierte Klasse enthielt : Getreidearten, Reis und
Mehl, Lumpen, Bier in Fässern, Kohlen und Kokes,
ölhaltige sowie Futterkräuter, Borke und Lohe, Guano,
Sulfate.
Der Spezialtarif, welcher gleichzeitig auch das Prinzip
der Wagenausnützung berücksichtigte, indem ein Mindest-
gewicht von 5000 kg oder Frachtzahlung für dieses Ge-
wicht vorgeschrieben war, enthielt folgende Güter :
Schiefer, Thon, Asptialt,
unbearbeitete Hölzer jeder Art, Bretter, Latten u. s. w.,
Hau-, Bruch- und Backsteine,
Kalk, Sand, Gement,
Kartoffeln,
Dünger jeder Art,
Pflaster- und Kieselsteine,
Eisenerze.
Endlich hatte die Ostbahn -Gesellschaft eine Reihe
von Spezialtarifen geschaffen, (auch Differentialtarife oder
besser : «tarifs ä base d^crolssante», Staffeltarife genannt),
welche mit der wachsenden Entfernung eine fallende
Skala der kilometrischen Einheitssätze verbanden. Diese
Spezialtarife, welche ferner auch der Versorgung grosser
industrieller Etablissements, oder verschiedenen Verkehrs-
Beziehungen, Rechnung trugen, galten entweder nur im
Bereiche der Ostbahn oder aber auf Grund besonderer
Vereinbarungen mit den Nachbarbahnen im gegenseitigen
Verkehre und enthielten :
Unbearbeitete Steine mit Frachtermässigung bis zu
0,03 frs. pro t und km
Pflastersteine aus Paris u. Umgebung 0,03 » » » » »
Sand für die Glas-Industrie 0,03 » » » » »
Eisen und Guss zu 0,10, — 0,09 — 0,08, —0,06 und
0,05 frs. pro t und km je nach Erzeugnis und Entfernung.
Salz zu 0,03 frs.
Kohlen und Kokes zu 0,04 frs.
Der Transit -Verkehr wurde durch besondere Er-
mässigungen gegenüber dem Binnen- Verkehre begünstigt.
Diese letzteren Tarife erregten sehr oft die Opposition
der Geschäftswelt des Elsass, welche sich darüber be-
schwerte, dass z. B. Transporte von Gette und Marseille
nach Offenburg, Mannheim, Darmstadt, Frankfurt a. M.
billigere Frachtkosten verursachten, als die gleichen nach
— 63 —
elsässischen Städten. Besonders die Strassburger Handels-
kammer beschäftigte sich eingehend mit dieser Frage.
So ergab sich durch Vergleiche, dass die Fracht für
Wolle
von Marseille nach Offenburg = 58,80 frs.
dagegen nach Erstein = 71,55 »
und nach Bischweiler = 75,25 » betrug,
was umsomehr ungünstig für das Elsass war, als gerade
die Woll- Industrie daselbst von jeher eine grosse Rolle
spielte.
Für andere Artikel, wichtige Verbrauchsgegenstände,
wie Mandelkerne ü. s. w. betrug die Fracht nach dem
gewöhnlichen Tarife
Von Marseille nach Strassburg = 81,85 frs.
!Nach dem Transit-Tarif von Marseille
nach Offenburg = 59,50 »
Für Hopfen, einer der wichtigsten Handelsartikel des
Unterelsass stellte sich die Fracht (für den Verkehr nach
England berechnet)
VonKehl nach Boulogne(l . Serie) pro 1000 km auf 78,00 frs.
Von Strassburg nach Boulogne auf 118,00 »
Bei der Erörterung der Tarife müssen noch diejenigen
besonderen Gewinn-Antheile berücksichtigt werden, welche
dem französischen Staate unter verschiedenen Namen
aus dem Transport-Unternehmen zufielen. Diese Gewinn-
Antheile bestanden zunächst in mehrfachen Auflagen,
denen der Eisenbahn-Verkehr unterworfen war, ferner in
unentgeltlichen oder Leistungen zu ermässigten Sätzen
gegenüber dem Staate. Die Auflagen sind direkte, in-
sofern sie in den allgemeinen Ausgaben direkt erscheinen,
indirekte, sobald sie vom Publikum , geleistet werden,
von welchem die Eisenbahn- Gesellschaft einen besonderen
Zuschlag zu den festgesetzten Transportpreisen erhebt.
Die direkten Auflagen bestehen in Grund-, Thür- und
Fenstersteuern, in Patent-, Stempel- und Zollgebühren,
die indirekten Auflagen in Zuschlägen zu den Transport-
preisen, ferner Stempelgebühren für Frachtbriefe, Empfang-
scheine u. dgl., Licenzgebühren, Avisstempel u. a. m.
Der Zuschlag zu den Transportpreisen betragt nominell
10°/ , ist aber in Wirklichkeit höher, da diese 10% sich
auf die Transportpreise einschliesslich weilerer Zuschläge
beziehen, so dass derselbe z. Zt. z. ß. = 23,20°/ zu der
Haupttaxe ist.
Unentgeltlich befördert wurden Beamte und sonstige
— 64 —
Bedienstete der indirekten Steuern und Zölle, Staats-
beamte, im Telegraphendienst reisend, sowie die nötigen
Unterhaltungsmaterialien , ferner Gefangene , Beamte ,
Briefe und Depeschen der Post- Verwaltung, Tabak, Pulver
und Stempelpapier für die Finanz-Verwaltung. Zu er-
mässigten Preisen wurden Militär, Marine und alles
Material der Militär- und Marine- Verwaltung befördert.
Interessant sind die folgenden Vergleiche zwischen
dem früheren Frachtwagen-Verkehr und dem Eisenbahn-
Verkehre.
In den Jahren 1834 bis 1847 dauerte der Transport
mit gewöhnlichen Frachtwagen von Paris nach Metz
(322 km) 15 Tage und kostete pro 100 kg. = 15 frs.
Dagegen (1852 — 1859) auf der Eisenbahn gewöhnl.
Frachtgut = 6 Tage und kostete je nach der Klasse =
7,09 frs. bis zu 3,14 frs.
Von Paris nach Strassburg (461km) 18 Tage
und kostete 11,00 frs. per Frachtwagen.
Auf der Eisenbahn 7 Tage und kostete je nach der
Klasse 8,82 frs. bis zu 3,76 frs.
Während anfangs auf der Strecke Basel-Strassburg,
ebenso wie auf derjenigen von Mülhausen nach Thann der
Güter- Verkehr lange Zeit hinter dem Personen-Verkehre
zurückblieb, änderte sich dieses Verhältnis später voll-
ständig, und der Güter-Verkehr eroberte sich die be-
herrschende Stelle. Im Jahre 1850 noch betrugen auf der
französischen Ostbahn durchschnittlich
Die Einnahmen aus dem Personen- Verkehre 64,74 °/
» » » » Eilgut- » 8,14 °/
» » » » Frachtgut- » 27,12 °/
Dagegen die im Jahre 1860
Die Einnahmen aus dem Personen-Verkehre 33,96 %
» » * » Eilgut- j> 6,93 °/
» » » » Frachtgut- » 59,11%
Unter den auf der französischen Ostbahn beförderten
Gütern nahmen bald diejenigen den ersten Rang ein,
welche in der ersten Zeit d«s Bahnbaues Viele den
Kanälen als ausschliessliches Reservat-Recht zuweisen zu
müssen glaubten. Nach dem Berichte der französischen
Ostbahn von 1864 wurden in diesem Jahre befördert:
Kohlen 1241185097 t mit einer Einnahme von
7751543,90 frs.
Fabrikate 258596029 t mit einer Einnahme von
5296006,50 frs.
— 65 —
Getreide, Mehl, Futter und ölhaltige Körner, trockene
Gemüse, Kartoffeln, Reis u. a. m. 501130,708 t mit einer
Einnahme von 3944312,58 frs.
Die Wirkungen der Eisenbahnen.
Unmittelbare Wirkungen.
Die unmittelbaren Wirkungen, welche die Eisen-
bahnen hervorgerufen haben, sind diejenigen, welche das
eigentliche Verkehrsleben mit seinen gewaltigen Um-
wälzungen und Fortschritten betreffen. Dieselben bestehen
in einer Beschleunigung, Verbilligung, Erhöhung der
Sicherheit, Regelmässigkeit, Bequemlichkeit, Leistungs-
fähigkeit in der Fortbewegung bedeutender Gütermassen,
und infolge dieser Qualitäts-Zunahme in einer ungeheuren
Vermehrung oder Massenhaftigkeit der Transporte. Auf
diese primäre Gesamtwirkung sind jene sekundären Er-
scheinungen zurückzuführen, welche das wirtschaftliche
und geistige Leben zu Ende des 19. Jahrhunderts, als
des Zeitalters des Dampfes, kennzeichnen.
Die Transporte sind beschleunigt und verbilligt worden,
d. h. die Eisenbahnen haben eine bedeutende Ersparnis
an Zeit und Geld herbeigeführt, zwei Hauptquellen des
Nationalreichtums .
Nach amtlichen Feststellungen (mitgeteilt durch das
«Archiv für Post und Telegraphier, Jahrgang 1882) be-
trug die Dauer einer Reise von Paris nach Strassburg
(480 km)
im Jahre 1814 etwa 100 Stunden,
» » 1830 » 72 »
» » 1848 » 48 » mit der Messagerie,
im gleichen Jahre etwa 33 Stunden mit der Mallepost,
der schnellsten Beförderungsweise.
Heute durchfährt der Eilzug die 502 'km lange Eisen-
bahnstrecke von Paris nach Strassburg in etwa 11 Stunden.
Die Entfernung, welche ein Reisender heute zurück-
legen kann, beträgt demnach etwa das 3- bis 4-fache
derjenigen, die er kurz vor Einführung der Eisenbahn in
derselben Zeit zurücklegte.
Der Transport mit gewöhnlichen Frachtwagen dauerte
etwa 18 Tage und kostete 11 frs. pro Frachtwagen,
auf der Eisenbahn 1852—1857 dagegen 7 Tage und
kostete 3,76 frs. bis 8,82 frs. (gleiche Menge je nach der
Güterklasse).
- 66 —
Im Allgemeinen sind die Preise der Personenbeförderung
(nach Sax, Verkehrsmittel) durch die Eisenbahn gegenüber
den alten Landtransportmitteln um etwa50°/ , diejenigen
der Güterbeförderung um etwa 75% verbilligt worden,
was annähernd mit den a. a. Orten dieser Schrift ent-
haltenen Angaben übereinstimmt. Nach Löper betrug
übrigens der Preis für einen Platz in den Malle-Posten.
in den 30 er Jahren 1,50 frs für eine Post = 7,5 km,
in der Messagerie 1,00 frs. In der Eisenbahn betrug
der Fahrpreis bekanntlich pro km 0,055 bis 0,08 frs.,
was einer Ermässigung von 45 bis 60 °/ entspricht.
Für manche Güter, hauptsächlich Rohstoffe, wie Kohlen
u. a. m., die seitdem überhaupt erst in grösseren Mengen
versandfähig wurden, sind Frachtermässigungen bis auf
den 10. und 20. Theil der früheren Beförderungspreise
eingetreten. Hierzu kommt, «dass im Personenverkehr
durch die grössere Schnelligkeit des Ortswechsels in den
meisten Fällen die nicht unbedeutenden Unterwegs- und
Uebernachtungskosten auf der eigentlichen Reise wegge-
fallen sind. Zu berücksichtigen ist ferner, dass durch die
Eisenbahnen auch eine allgemeine Ermässigung der
Transportpreise auf den Landstrassen und schiffbaren
Wasserstrassen -hervorgerufen worden ist.
Im Jahre 1862 wurden auf der französischen Ost-
bahn von 7 Millionen Reisenden 380 Millionen Kilometer
zurückgelegt. Dies bedeutet gegen früher eine Zeitersparnis
von 28^ Millionen Stunden.
Die mittlere Geschwindigkeit der Diligence betrug 10 km
in der Stunde, die mittlere Geschwindigkeit der Eisenbahn
10 km in 15 Minuten, ergiebt eine Ersparnis von 45 Minuten
auf 10 km und von 28,5 Millionen Stunden auf 380 Mil-
lionen Kilometer. Die Zeit aber birgt eine Menge pro-
duktiver Kräfte in ihrem Schosse. Je mehr Kräfte bei
der Ueberwinduhg primitiver Hinderisse frei werden, um
so mehr Kräfte können zur Ueberwindung von Hinder-
nissen höherer Art, zur Erreichung höherer Kulturziele
verwendet werden.
Der Direktor der Brücken, Chausseen und Eisen-
bahnen Frankreichs hat im Jahre 1866 nachzuweisen
versucht, dass Frankreich alljährlich durch die Eisenbahn
eine Ersparnis von 60 Millionen Franken im Personen-
und 700 Millionen Franken im Waarentransporte erzielte.
(Löper).
Hieraus würde sich, unter Annahme gleicher Ver-
1
— 67 —
kehrs-Verhältnisse, für Elsass-Lothringen im Personen-
transporte eine Ersparnis von etwa 8 Millionen Stunden
und 3 bis 4 Millionen Franken, im Waarentransporte
eine solche von 40 bis 50 Millionen Franken in dem be-
treffenden Jahre ergeben.
Was die Sicherheit des Eisenbahnverkehrs anbelangt,
so ist es eine bekannte Thatsache, dass dieselbe bedeutend
höher ist, als diejenige des früheren Reisens und Waaren-
transportes. Nach «Röll's Encyklopädie des gesamten
Eisenbahnwesens» wurde für Frankreich berechnet, dass
der Eisenbahn-Verkehr eine Steigerung der körperlichen
Sicherheit auf das 13- bis 16-fache gegenüber dem Reisen
mittelst Post und Messagerien herbeigeführt habe. Röscher
(National-Oekonomie des Handels und Gewerbefleisses)
fuhrt an, dass im Königreiche Sachsen jährlieh mehr
Menschen vom Blitze getötet würden, als in 15 Jahren
auf sämtlichen deutschen Eisenbahnen durch Betriebs-
unfälle.
Hinsichtlich der Regelmässigkeit zeichnet sich die
Eisenbahn vor allen anderen Transportmitteln aus. Ist
doch die Regelmässigkeit eine der Hauptbedingungen des
Eisenbahnbetriebes, ohne welche dieser überhaupt nicht
den hohen Anforderungen genügen könnte, die an ihn
gestellt werden. Wie schlecht es mit der Regelmässigkeit
des Verkehrs auf Kanälen und Flüssen bestellt war, da-
von geben jene Klagen Zeugnis, welche schon vor Ein-
führung der Eisenbahn erhoben wurden, als man noch
gar nicht an hohe Ansprüche in dieser Hinsicht gewöhnt
war. Der Verkehr auf den Wasserstrassen ist, ebenso wie
derjenige auf den Landstrassen vielen Zufälligkeiteu der
Witterung und klimatischen Einflüssen unterworfen. Da-
gegen sind die durch elementare Ereignisse oder durch
Entgleisungen u. s. w. hervorgerufenen Störungen des
Eisenbahnbetriebes im Verhältnis zum Umfange des
zu bewältigenden Verkehres ganz selten.
Was die Bequemlichkeit anbelangt, so lässt in dieser
Beziehung der auf glatten Schienen dahinfährende," mit
allem Komfort versehene Eisenbahnwagen jedes andere
Strassen transportmittel weit hinter sich zurück. Die Be-
richte über die Annehmlichkeiten des Reisens in früherer
Zeit bestätigen dies zur Genüge. Erzählt doch ein be-
kannter Schriftsteller, L. Börne, dass er die Absicht, die
Stösse in dem Postwagen zu zählen, dem er sich an-
vertraut hatte, deshalb nicht habe ausführen können,
weil dieselben jedesmal mit dem Anstosse, sie zu notiren,
zusammengefallen seien. Wer denkt übrigens nicht mit
einem gwissen Unbehagen an einen würdigen Repräsen-
tanten jener früheren Vehikel, Omnibus genannt! Doch
ist an diesem der veredelnde Einfluss der Eisenbahn
nicht ganz spurlos vorübergegangen. Zu berücksichti-
gen ist ferner, dass seit Einführung der Eisenbahnen auch
die Strassen bedeutend besser geworden sind als früher.
In gewisser Hinsicht bietet wohl die Reise auf den
eleganten Fluss- und Binnensee- Dampfern wegen des zur
Verfugung stehenden grösseren Raumes, des freieren
Ausblickes und der sanfteren Fahrt auf der glatten, weichen
Bahn noch grössere Annehmlichkeiten als die Fahrt in
engem Eisenbahnwagen. Dieselben kommen jedoch nur
für Vergnügungsreisen auf kurzen, nicht beliebig wähl-
baren Strecken in Betracht, während für die grosse
Mehrzahl der Reisen die Schnelligkeit des Ortswechsels
die wünschenswerteste Annehmlichkeit darstellt.
Diesen Vorzügen der Eisenbahn gegenüber den frühe-
ren Landtransportmitteln steht eine entsprechend hohe
Leistungsfähigkeit in der Fortbewegung von bedeutenden
Gütermassen zur Seite. In dieser Hinsicht ist die Eisen-
bahn dem Slrassenfuhrwerke bei weitem überlegen und
besitzt nur in den Fluss- und Kanal -Transportmitteln
wirkungsvolle Konkurrenten. Zwei Momente sind es,
welche die hervorragende Leistungsfähigkeit der Eisen-
bahn hervorrufen : Die in der Lokomotive als bewegende t
Kraft nutzbar gemachte ungeheure Expansionskraft des
Dampfes und die eine möglichst glatte Oberfläche bietende
Bahn, auf welcher der Reibungswiderstand auf ein äusserst
geringes Mass herabgemindert wird.
Die forlbewegende Kraft eines Pferdes auf der Land-
strasse nimmt man gewöhnlich zu 1 t auf 37,5 km. pro
Tag an. Eine schwere Güterzuglokomotive dagegen ver-
mag etwa 40 bis 50 Wagen zu je . 10000 kg. d. h. zu-
sammen 400 bis 500 Tonnen auf ganz bedeutende Ent-
fernungen zu befördern. Die Leistungsfähigkeit der letzteren
würde demnach etwa 400 bis 500 Pferdezugkräften auf ge-
wöhnlicher Landstrasse entsprechen, wobei die grössere
Geschwindigkeit und die weniger beschränkte Leistungs-
dauer der .Eisenbahn nicht berücksichtigt sind.
Alle diese wertgebenden Faktoren haben der Eisen-
bahn zu dem grossen Siege im Reiche des Verkehres
verholfen und jene Mössenhaftigkeit der Transporte her-
vorgerufen, welche noch vor einem halben Jahrhundert
Niemand zu ahnen vermochte. Während man anfangs
Berechnungen, die auf der Voraussetzung einer Ver-
doppelung des früheren Verkehrs aufgestellt waren,
für chimärisch hielt, brachten oft schon die ersten
Jahre eine Vermehrung der Personentransporte um das
zehn-, zwanzig- und mehrfache. In Frankreich wurden
(nach Köllj 1841 — 1855 per Post durchschnittlieh im
Jahre 710000 Reisende, mittelst Eisenhahn im Jahre
1855 dagegen 32,9 Millionen Reisende, also 46-mal so
viel befördert. Es ist bekannt, dass der Güter -Verkehr
auf der Eisenbahn sich zuerst nur langsam entwickelt
hat. Derselbe stieg jedoch bald in ganz . ungeahntem
Masse, in Frankreich z.B. von 353 Millionen im Jahre 1855
auf 4 Milliarden Tonnenkilometer im Jahre 1861, also
um das 11 -fache. Hierzu kommt, dass auch der Verkehr
auf den Landstrassen und Kanälen bedeutend zuge-
nommen hat.
Einfluss auf die Industrie des Landes.
Die durch die Eisenbahnen hervorgerufene Verkehrs-
Erleichterung machte' sich bald auf allen Gebieten des
wirtschaftlichen Lebens bemerkbar. Dadurch dass die
Rohstoffe auf einem immer dichter verzweigten Netze von
Eisenbahnen rasch und billig nach allen Theilen des
Landes verschickt werden konnten, wurden schlummernde
Produktionskräfte geweckt. Durch die zunehmende Ver-
kehrs-Erweiterung und Erleichterung wurden die Ab-
satzgebiete für die Produkte vermehrt und die Kon-
sumtion erhöht, neue Bedürfnisse wachgerufen und infolge-
dessen auch die Produktion vor neue Aufgaben gestellt,
welchen sie durch die nunmehr freigewordene innere
Kraft in immer reicherem Masse gerecht zu werden
wusste. Diese Erscheinungen zeigt uns vor Allem auch
die Industrie von Elsass-Lothringen in den ersten 20 Jahren
der Eisenbahn-Herrschaft.
Das im Elsass hergestellte Bier (hauptsächlich in
Strassburg und Umgebung) nahm in der Konsumtion von
Paris eine stets wachsende Bedeutung an, so dass im
Jahre 1859 bereits wöchentlich 2 besondere Bierzüge ab
Strassburg eingelegt werden mussten. In der Folge trat
eine beträchtliche Vermehrung der Brauereien und er-
— 70 —
höhte Produktionsfahigkeit der gesamten Bier-Fabrikation
ein.
. Der Eisenerz- Verkehr nahm, besonders nach Eröffnung
der luxemburgischen Linien, durch welche viele reichen
Erzlager dem Verkehre erschlossen wurden, immer grössere
Dimensionen an. Die Eisen-Industrie entwickelte sich
infolgedessen sehr rasch, so dass z. B. nach offiziellen
Erhebungen im Mosel-Departement der jährliche Verbrauch
an Kohlen in einem Zeiträume von 5 Jahren (1853 — 1858)
von 2400000 Zentner etwa auf 7300000 Zentner ge-
stiegen war.
Im Kohlen- Verkehre spielten die Stationen Forbach,
St. Avold und Weissenburg als Einfuhrorte für das
Saarbrücker und das Bayerisch -Pfälzische Kohlengebiet
eine hervorragende Rolle. Die Gesamt-Einfuhr von Kohlen
auf der französischen Ostbahn betrug :
Im Jahre 1859 645214 Tonnen.
Davon entfallen auf
Forbach und St. Avold 471 158
Weissenburg 35 008
Reims, Paris, Beifort, Gray u. s. w, nur 139048
auf die elsass-lothringischen Stationen also über 8 / 4 der
Gesamt-Einfuhr. In welchem Masse die Industrie des
Elsass im Laufe der Jahre zugenommen hat, davon
zeugen folgende Zahlen -Angaben :
Nach den von der Soci£t6 industrielle gesammelten
Dokumenten waren im Departement Ober-Elsass (Haut-
Rhin) für die Spinnerei-Industrie im Betriebe im Jahre
1847 = 12 Dampfmaschinen zu 208 Pferdekräften, im
Jahre 1861 = 66 Dampfmaschinen zu 1070 Pferdekräften.
Lange Zeit war die Produktion nicht imstande, den
gesteigerten Bedürfnissen zu genügen, erstere entwickelte
sich daher immer mehr. In Mülhausen z. B. hatten sich
im Verlaufe von wenigen Jahren (von 1852 bis 1854) die
Mehrzahl der Fabriken bedeutend vergrössert, einige sogar
auf das Donpelle des früheren Umfanges.
Die Zahl der Spindeln der Baumwoll- Spinnerei im
Ober-Elsass stieg von 779300 im Jahre 1846 auf
1237314 im Jahre 1862. Die Produktion dagegen steigerte
sich in noch viel grösserem Masse, und zwar von 16 Mil-
lionen frs. im Jahre 1828 auf 34 Millionen im Jahre 1846
und auf etwa 60 Millionen frs. jährlich im Jahre 1862.
— 74 • —
Die Webereien hatten eine Zunahme der jährlichen
Produktion von 20 Millionen frs. im Jahre 1828 auf
70 Millionen frs. im Jahre 1862 zu verzeichnen. Von den
übrigen Industrien sind noch zu erwähnen: Die Stoff-
Druckereien, deren Produktion im Jahre 1862 etwa 50 Mil-
lionen frs. gegen 38 Millionen frs. im Jahre 1828 betrug,
ferner die Fabrikation von gedrucktem Papier, von che-
mischen Produkten u. a. m.
Die Herstellung von Dampfmaschinen war ebenfalls
einer der wichtigsten Industriezweige des Elsass geworden.
Im" Jahre 1831 bestanden im Ober-Elsass 14 Werkstätten
mit zusammen 15 Dampfmaschinen, im Jahre 1862 da-
gegen 33 Werkstätten mit 46 Dampfmaschinen, darunter
etwa 6 oder 7 grosse, zur Herstellung von Maschinen
dienende Fabriken, welche mit den kleineren, Kessel-
schmieden, Giessereien u. s. w. zusammen etwa 6000
Arbeiter beschäftigten, die jährlich für 15 bis 18 Millionen
frs. produzirten. Das Anwachsen der Industrie zeigte sich
vor Allem auch durch den Verbrauch an Kohlen. Während
im Jahre 1851 im Ober-Elsass 864 000 Zentner verbraucht
wurden, betrug die Menge der von den Kohlenbassins
gelieferten Kohlefl im Jahre 1862 zusammen 2548460
Zentner, wovon 1154101 Zentner auf die Einfuhr über
Saarbrücken entfallen.
Der Handel des Elsass, begünstigt schon von jeher
durch die reiche Produktion des Landes und durch ein
kunstvoll angelegtes Netz von Strassen, sowie durch na-
türliche und künstliche Wasserstrassen, entwickelte sich
seit Einführung der Eisenbahnen noch in bedeutendem
Masse. Der Export erstreckte sich hauptsächlich auf
Wein, Mohn-, Hanf- und Leinöl, Weingeist und Essig,
Holz, exotische und einheimische Pflanzen, Baumwoll-
gewebe, Woll-Mousselin, Kattun, sogen, «elsässische oder
Mülhauser und Markircher Artikel», feine und gewöhn-
liche Tücher, Baumwoll- und Seidenbänder, chemische
Produkte, Papierwaaren, Getreide, Tabak, Bier, Hopfen,
Bauholz, Salz, Blei, Fische, Wild, sowie eine Menge von
Manufaktur-Waaren jeder Art aus der reichen Industrie
des Elsass.
Die Einfuhr erstreckt sich hauptsächlich auf: Gross-
Vieh, feine Weine und Liqueure, Olivenöl, Seidenwaaren,
feine Gewebe, Mode- Artikel, Wolle, Kohlen, Kolonialwaaren,
wie Zucker, Kaffee, Spezereien, Kakao, Farbhölzer, In-
digo, rohe Baumwolle, feine Glas- und Porzellan-Waaren,
— 72 —
Marmor, Gold, Silber, Zinn, Kupfer, Blei, Weissblech,
Bijouterie- und Uhren-Waaren u. a. m.
Einfluss auf die allgemeinen Verkehrsver-
hältnisse, Landstrassen und Kanäle.
Es ist eine bemerkenswerte Thatsache, dass die Ei-
senbahn in bedeutendem Masse den öffentlichen Volks-
reichtum erhöht und vor Allem nicht nur einen Theil
des früher vorhandenen Verkehres an sich gerissen,
sondern denselben beträchtlich vermehrt hat. Denn zur
selben Zeit, als der Eisenbahn-Verkehr immer grössere
Dimensionen annahm, hat die Bedeutung der Landstras-
sen und schiffbaren Wasserwege (Flüsse und Kanäle)
nicht nur nicht verloren, sondern noch bedeutend zuge-
nommen. So z. B. sind die Eisenbahntransporte in
Frankreich von 353 Millionen Tonnen-Kilometer im Jahre
1850, auf annähernd 4 Milliarden Tonnen-Kilometer im
Jahre 1861, zur gleichen Zeit aber auch der Verkehr
auf den Wasserstrassen des Innern von 1 722 000 000
Tonnen-Kilometer auf 2 360 000 000 Tonnen-Kilometer ge-
stiegen.
Allerdings hat überall da, wo Eisenbahnen in paral-
leler Richtung erbaut wurden, die Landstrasse für den
Fernverkehr weichen müssen, für die Transporte im en-
geren Verkehre und als Zufuhrweg aber an Bedeutung
gewonnen. Zwischen Eisenbahnen und Kanälen, sobald
sich diese ein und dasselbe Gebiet streitig machten,
herrschte anfangs eine heftige Konkurrenz, durch welche
theilweise die Transportpreise auf ein Mindestmass her-
abgesetzt wurden, und welche auch, wie bereits zu
Anfang auseinandergesetzt, zu besonderen differentiellen
Tarifbildungen von seiten der Eisenbahn-Gesellschaften
führten. Auch hatte die Strassburg-Baseler Eisenbahn-
Gesellschaft s. Zt. eine jährliche Frachtvergünstigung
von 3 bis zu 20%» je nach der Art und der Menge der
Güter, für alle diejenigen Sendungen gewährt, welche in
Mülhausen vom Rhein-Rhone-Kanal auf die Eisenbahn
umgeladen wurden. Das Verhältnis zwischen Kanal-
schiffahrt und Eisenbahn-Betrieb gestaltete sich jedoch
bald friedlicher, und die erstere bildete schliesslich, vor
allem, nachdem, wie in Frankreich, der Staat den Betrieb
der Kanäle selbst übernahm, eine in jeder Beziehung
nützliche Konkurrenz der Eisenbahnen.
— 73 —
Der französische Staat hatte daher nach wie vor
der Unterhaltung und Vermehrung der Landstrassen und
schiffbaren Wasserwege die grösste Sorgfalt zugewen-
det und von Jahr zu Jahr bedeutende Summeu zu diesem
Zwecke ausgeworfen.
Grosse Verdienste hat sich Frankreich um die An-
lage von Strassen und Kanälen in Elsass-Lothringen
erworben. Es bestanden im Eisass im Jahre 1864 sieben
kaiserliche Strassen mit zusammen etwa 332 km, und
zwar von Strassburg in der Richtung nach Paris und
Deutschland, von Strassburg nach Saarbrücken, nach
Bitsch (Zweibrücken) nach Weissenburg (Landau) nach
Basel und in der Richtung nach Lyon, ferner von Nancy
nach Schlettstadt.
Ausserdem im Unter-Elsass 26 Departemental-Strassen
mit zusammen 610 km, 20 Vizinalstrassen von grossem
Verkehr mit zusammen 370 km und 128 Vizinalstrassen
von gemeinsamem Interesse mit 1398 km.
Im Ober-Elsass : 16 Departemental-Strassen mit 412
km, 31 Vizinal-Strassen von grossem Verkehr mit 464 km,
53 Vizinal-Strassen von gemeinsamem Interesse mit
898 km.
Im Mosel-Departement befanden sich 13 kaiserliche
Strassen mit zusammen 461 km, ferner 13 Departemen-
tal-Strassen mit 366 km, 766 km Vizinalwege von
grossem Verkehr und 1070 km Vizinalwege von gemein-
samen Interesse. Der Strassenfuhrwerks-Verkehr betrug
nach vorgenommenen Zählungen in den Jahren 1863 und
1864 in den 3 Departements etwa 2000 Zugpferde (= 2000
Gewicht) täglich.
Die günstige Lage von Elsass-Lothringen zwischen
3 grossen Flussgebielen, dem des Rheins, der Seine
und der Rhone, hat die Anlage von Kanälen sehr be-
günstigt. Zwei grosse Kanäle, der Rhein-Rhone- und
der Rhein-Marnekanal, vermitteln eine schiffbare Verbin-
dung des mittelländischen Meeres durch die Rhone, mit
der Nordsee durch Rhein und Seine. Ausserdem dienen
eine Menge kleinerer Kanäle, unter denen der Saar-
kohlen-, der Breusch- und der Salinen-Kanal, die wich-
tigsten sind, dem inneren Verkehre.
Der Rhein -Rhone -Kanal verbindet die Saöne bei
Saint-Symphorien (219 km oberhalb Lyon) mit der 111
bei Strassburg. Der Ill-Rhein- und der Hüninger Zweig-
kanal (28 km) stellen die Verbindung mit dem Rheine
— n —
her. Die Gesamtlänge des Rhein-Rhone-Kanals beträgt
322 km. Die ersten Projekte, deren Ursprung einige
Schriftsteller schon auf die Zeit Karls des Grossen zu-
rückführen wollen, reichen nachweisbar bis auf das Jahr
1744 zurück ; der erste Theil des Kanales, zwischen
Saöne und Doubs, wurde jedoch erst auf Grund eines
König]. Beschlusses vom Jahre 1783 in Angriff genom-
men und nach Beendigung der Arbeiten durch Dekret
der Nationalversammlung vom 6. September 1792 die
Ausführung des übrigen Theiles zwischen Doubs und
Rhein genehmigt. Da die Arbeiten indessen sehr langsa-
men Fortgang nahmen und zeitweise ganz eingestellt
wurden, erfolgte ( erst 1813 die Eröffnung der Strecke
bis Besangon, 1820 zwischen Döle und Besangon. Die
Gesamtkosten wurden auf 21 Millionen frs. geschätzt,
wovon 11 Millionen frs. bereits verausgabt waren. Ein
Gesetz vom 5. August 1821 ermächtigte die Regierung,
der Gesellschaft den Restbetrag von 10 Millionen frs. zu
leihen gegen Zahluug von 6% Zinsen und 2% Amorti-
sation, welche auf die Reineinnahmen des Kanals im
Voraus zu erheben und im Falle der Unzulänglichkeit
vom Staate zu garantieren waren. Im Jahre 1821 wurde
die Schiffahrt bis Mülhausen, im Jahre 1834 der Verkehr
auf dem ganzen Kanal bis Strassburg eröffnet, nachdem
der Staat eine neue Subvention von 7 Millionen frs.
bewilligt haltte, so dass sich die Gesamt - Ausgaben
nunmehr auf 28 Millionen frs. beliefen. Elsässische Hä-
fen am Rhein-Rhone-Kanal wurden in Mülhausen, Neu-
breisach, Colmar, Markolsheim, Sundhausen, Boofzheim,
Krafft, Grafenstaden und Strassburg angelegt.
Die gewöhnlichen Frachtkosten (einschl. Schiff-
Abgaben und Versicherung) betrugen 1864 je nach der
Waaren-Gattung :
Von Strassburg nach Mülhausen(100 km) 15.00 frs. bis 7.50 frs. pro t
> > » Besancon (348 km) 25.00 frs. > 17.50 » » >
» Lyon (532 km) 45.00 frs. » 22.50 » » >
Die Schiffahrts-Abgaben, zuerst durch Dekret vom
11. April 1811 geregelt, sind im Laufe der Zeit ver-
schiedenen Aenderungen unterworfen gewesen. Im Jahre
1826 wurden dieselben auf die Hälfte ermässigt, im Jahre
1843 nochmals geändert und schliesslich der alte Tarif
wieder eingeführt. Infolge der zunehmenden Konkurrenz
der Eisenbahnen erfolgte durch Dekret vom 23. Mai 1850
— 75 —
für die Kanalstrecke zwischen Strassburg, Mülhausen und
Hüningen die Einführung eines Spezialtarifes zu :
0.02 frs. pro t und km der Güter der 1. Klasse
0.01 *»»»*» » »2. »
0.005 »»»»»» » »3. »
1858 wurde dieser Tarif auf die ganze Länge des
Kanales ausgedehnt und 1860 eine 4. Klasse zu 0,0025
frs. eingeführt. 1853 trat 'der französische Staat in den
Besitz des Kanales durch Rückkauf der Aktien der Ge-
sellschaft.
Die Zahl der beförderten Tonnen in Unter -Elsass
betrug :
1852 = 44 743 Tonnen.
1853 =■- 71735 »
1854 = 84 893 »
1855 = 115 861
1856 = 160414
1857 = 122 824
1858 =115082
Unter den während der letztgenannten 3 Jahre be-
förderten Tonnen figuriren bei der Auffahrt (Rhein nach
Rhone) hauptsächlich : Kohlen und Kokes, Steine, Kalk
und Baumaterialien, Eisen und Metalle, Bauholz, Ge-
treide, Wein und dgl., bei der Niederfahrt: Bauholz, Ge-
treide, Wein u. dgl.
Seit 1834 stiegen die Einnahmen des Kanales auf
der ganzen Länge regelmässig und zwar von 293586 frs.
auf 1018110 frs. im Jahre 1843. Auf der elsässischen
Strecke war, bereits in den Jahren 1842 und 1843 durch
die Konkurrenz der Strassburg Baseler Eisenbahn eipe
beträchtliche Verminderung des Verkehres eingetreten,
welche jedoch auf das Gesamt-Resultat des ganzen Kanals
keinen Einfluss ausübte. Die Transporte imTransit wurden zur
Vermeidungder umständlichen und mit Unkosten verknüpften
Umladung zunächst noch zum grössten Theile auf dem
Wasserwege bewirkt, und der Verkehr auf dem fran-
zösischen Theile war nach wie vor im Zunehmen be-
griffen. Im 'Departement Niederrhein betrugen die Ein-
nahmen im Jahre 1864 = 60000 frs.
Die Unterhaltungskosten für den ganzen Kanal wa-
ren gleich 438000 frs., für Ober-Elsass = 145 000 frs.
und für Unter-Elsass = 45000 frs.
— 76 —
Der Rhein-Marne-Kanal, 315 km lang, verbindet die
Marne bei VitryJe-Fran<jais mit der 111 bei Ruprechtsau,
2 km unterhalb von Strassburg, und stellt eine schiff-
bare Wasserstrasse von Le Havre durch die Seine mit
Strassburg her. Er tritt unweit D. Avricourt in Loth-
ringen ein und geht über Saarburg, Arzweiler, Zabern,
Brumath. Im Jahre 1827 wurde das erste Vorprojekt
von einer Gesellschaft aufgestellt und auf Grund des
Gesetzes vom 3. Juli 1838 mit der Ausfuhrung der Ar-
beiten begonnen, indem gleichzeitig ein Kredit von 45
Millionen frs. gewährt worden war. Bis zum Jahre 1844
schritt der Bau des Kanales rüstig fort. Eine Zeit lang
jedoch hatte man in Anbetracht der durch die Paris-
Strassburger Eisenbahn zu befürchtenden Konkurrenz die
Fortsetzung des Unternehmens ganz aufgegeben. Die
öffentliche Meinung, hauptsächlich vertreten durch den
eifrigsten Verteidiger der Kanalfrage, Ch. Collignon,
(Verfasser des Werkes: «Du concours des canaux et des
chemins de fer») und durch die französische Deputirten-
Kammer, entschied sich aber schliesslich für die Vollen-
dung des bereits weit vorgeschrittenen Werkes. Durch
Gesetz vom 5. Mai 1846 wurde denn auch der anfang-
lich gewährte Kredit von 45 auf 75 Millionen frs. erhöht.
Im Jahre 1853 erfolgte die Eröffnung des letzten Theiles,
zwischen Nancy und Strassburg.
Die Transportkosten betrugen für Güter in beschleu-
nigtem Verkehre etwa 0,065 bis 0,055 frs. pro t und km,
im gewöhnlichen Verkehre für
Kohlen und Kokes = 0,02 frs.
Steine etc. = 0,03 frs.
Bauholz = 0,03 bis 0,05 frs.
Brennholz = 0,02 frs.
verschiedene andere Güter = 0,05 bis 0,10 frs.
Die Zahl der beförderten Tonnen betrug; im Unter-
Elsass :
o
Im Jahre 1856 aufwärts (ab Strassburg) = 83235
niederwärts (nach Strassburg) = 133919
"217155
1857 aufwärts 61815
niederwärts 133944
"195759
— 77 -
1858 aufwärts 34260
niederwärts 204 818
239078
Die Transporte aufwärts erstreckten sich hauptsäch-
lich auf Steine, Kalk, Baumaterialien, Bauholz, Artikel der
keramischen und der Glas-Industrie, Getreide, Mehl,
Wein u. s. w ; auf der Niederfahrt wurden Steinkohlen
und Kokes, Steine, Kalk und Baumaterialien, (etwa zur
Hälfte aller Transporte) Eisen und Metalle, Brennholz,
Getreide, Mehl, Wein und Boden-Produkte befördert.
Da die Kanal-Schiffahrt vollständig frei von Abgaben
war, betrugen die jährlichen Einnahmen im Unter-Elsass
(für die Verpachtung der Erträgnisse und des Terrains,
sowie der Fischerei u. a. m.) etwa 2200 frs., die jähr-
liche Unterhaltung verursachte, dagegen eine Ausgabe
von 50 000 frs. Das Anlagekapital betrug bis zum 31.
Dezember 1858 für 50 km im Unter-Elsass etwa 7 Mil-
lionen frs.
Der Ill-Rhein-Kanal, 2,258 km lang, wurde von 1838
bis 1842 mit einem Gesamt -Kosten- Aufwände von
2500000 frs. erbaut. Er diente zur Verbindung des Rhein-
Rhone- und des Rhein-Marne-Kanals mit dem Rheine.
Im Jahre 1858 wurden 93480 t, hauptsächlich in Kohlen,
Kolonial-, Drogerie-, Spezereiwaaren, Getreide, Bauholz,
Kies, Sand, Pflastersteinen und Bruchsteinen bestehend,
befördert.
Der Breusch-Kanal, 19,780 km. lang, verbindet Sulz-
bad mit Strassburg. Projektirt bereits seit dem 15. Jahr-
hundert, wurde derselbe erst 1682 durch Vauban erbaut.
Die Arbeiten wurden auf Kosten des Königs mit Hilfe
der Armee ausgeführt. Der Kanal blieb lange Zeit unter
militärischer Leitung, bis im Jahre 1775 die Stadt Strass-
burg und 1824 von neuem die französische Regierung
Eigentümerin wurde. Der Breuschkanal dient ausser dem
Transport- Verkehre noch zum Betriebe einer grossen Zahl
von Mühlen für Mehl, Stärkemehl, Oele, Gips, Hanf, Krapp,
ferner von Bleichereien, mechanischen Webereien u. a. m.,
zusammen von 70 Werken (nach dem Stande von 1864). Die
Transporte erstreckten sich ausschliesslich auf den innern
Verkehr und zwar auf Brennholz, Bauholz, Steine aus
den Steinbrüchen des Breuschthales, Gips, Kalk, Sand.
Die Tonnenzahl aus dem Jahre 1856 war gleich 49509
und aus dem Jahre 1858 gleich 34593
— 78 -
Der Beförderungspreis zwischen Wolxheim und Strassburg
(23 km) betrug 0,027 frs. und 0,043 frs. (einschl. Be-
und Entladung) pro t und km.
Der Saarkohlen-Kanal würde im Jahre 1866 der
Schiffahrt übergeben. Er dient hauptsächlich zur Beför-
derung von Steinkohlen aus dem Saar-Revier und von
Mineralien und Baumaterialien in der entgegengesetzten
Richtung. Im- Jahre 1868 wurden 579573 Tonnen im
Ganzen befördert. Der Preis betrug 0,019 frs. pro t und
km. für Steinkohlen, so dass sich der mittlere Preis,
einschl. Schiffahrtsgebühren, von Saarbrücken nach Mül-
hausen auf dem Saarkohlen, Rhein-Marne- und Rhein-
Rhone-Kanal auf 5,87 frs. gegen 14,39 frs. auf der Eisen-
bahn stellte
III. KAPITEL.
Von 1863 bis 1871.
Die Lokalbahnen.
Die Initiative des Präfekten Migneret.
Im Jahre 1863 war das Eisenbahnnetz von Elsass-
Lothringen in seinen charakteristischen Zügen ausgebaut.
Fast alle wichtigeren Orte waren durch die eisernen
Schienenstrassen mit einander verbunden. Diese selbst
reihten sich als Verbindungsglieder von hervorragender
Bedeutung in das grosse System der kontinentalen Bahnen
ein. Doch waren seit einiger Zeit verschiedene Inter-
essen von nicht geringerer Wichtigkeit in den Vordergrund
des Verkehrslebens des Landes getreten und harrten ihrer
Berücksichtigung. Eine Menge von Kanton- Hauptorten
hatten bis jetzt von dem grossen durch die Eisenbahn
hervorgerufenen Aufschwünge des gesamten Verkehres
noch gar nichts profitieren können. Die neue Periode in
dem Baue von Eisenbahnen ist durch das Lokalbahn-
system gekennzeichnet, welches seinen Ursprung haupt-
sächlich der Initiative des Präfekten Migneret vom Unter-
Elsass verdankte. Derselbe richtete unterm 30. Juli 1858
an den Direktor der Vizinalstrassen des gen. Departements
folgendes Schreiben:
— 79 —
Herr Direktor,
Alles, was in der letzten Zeit gesagt und gedruckt
worden ist, ebenso wie die verschiedenen Eröffnungen,
welche mir bezüglich der Eisenbahnen gemacht worden
sind, haben mich davon überzeugt, dass ein grosses,
lokales Interesse, das bei allen Entwürfen .des Ostbahn-
netzes bis jetzt vollständig verkannt worden ist, lebendig
wird und Befriedigung sucht, indem. es sich, soweit als
möglich mit den allgemeinen Interessen vereinigt, um
diese seinen Forderungen anzupassen.
Ich habe mich nun gefragt, ob es der departementalen
Verwaltung nicht möglich sei, diesen Interessen Rechnung
zu tragen, indem dieselbe die Initiative zu einer Mass-
nahme ergreift, welche gesetzlich genügende Unterstütz-
ung findet, und sich von der Vormundschaft der Gesell-
schaften, der Enquöten und der Zentral- Verwaltung bei
Verfolgung dieser Interessen loszusagen.
Der Präfekt kann, in Uebereinstimmung mit dem
Generalrate, die Strassen von grossem Verkehre einteilen,
er kann dieselben nach eigenem besten Ermessen er-
bauen; er kann, in Uebereinstimmung mit dem General-
rate und den Gemeinden, in einem Departement wie dieses,
die zu den Apbeiten erforderlichen Hilfsquellen schaffen.
Andererseits finden wir, nach Beendigung eines grossen
Vizinal-Strassen-Netzes, das eine Ausdehnung von 337
km hat, mit 2500000 frs. erbaut worden ist, und von
einem geübten Beamten-Personale und einem Chef-Ingenieur
an der Spitze, geleitet wird, uns einer Eisenbahn gegen-
über, die das Departement von Norden nach Süden und
Osten nach Westen, mit Strassburg, dem politischen und
kommerziellen Hauptorte in der Mitte, durchzieht.
Ueberall sind bis heute Stimmen laut geworden,
welche das Ziel verfolgen, die enterbten Gegenden mit
der Hauptstadt einerseits und der grossen Verkehrsstrasse
andererseits zu verbinden. Die Bahn von Lille nach Strass-
burg mit ihren unzähligen Seitenlinien, diejenige von
Bitsch nach Hagenau dienen demselben Zwecke.
Sollte es nicht möglich sein, ein zweites und neues
Netz von Strassen mit grossem Verkehre zu schaffen,
welches jeden Kanton-Hauptort mit der Eisenbahn und
infolgedessen mit Strassburg verbindet, und dasselbe
Netz in Schienenwege mit einem Gleise umzuwandeln?
Sollte es der Ostbahn und nötigenfalls der lokalen In-
— 80 —
dustrie nicht ein Leichtes sein, je nach Massgabe ihrer
Vollendung, diese Bahnen zu pachten und das Legen von
Schienen sowie den Betrieb zu übernehmen?
Das neue Netz würde, vorbehaltlich aller späteren
Aenderungen, folgende Strecken in sich begreifen:
1. Von Lauterburg nach Hunspach mit Abzweigung
nach Selz.
2. Von Wörth nach Walburg,
3. Von Niederbronn nach Hagenau,
4. Von Hochfelden nach Buchsweiler,
5. Von Wasselnheim nach einem unter 6 näher zu
bestimmenden Punkte,
6. Von Molsheim nach Lingolsheim oder einem an-
deren Punkte bei Strassburg auf der Strecke
Strassburg-Basel.
7. Von Rosheim nach Oberehnheim und Erstein,
8. Von Barr nach Benfeld.
Doch bevor man diesem Gedanken Folge giebt, muss
derselbe einer ernsten Prüfung unterworfen werden, und
ich bitte Sie, dies zu thun. Viele dieser Wege sind bereits
für sich oder in Verbindung mit allgemeinen Entwürfen
zum Gegenstande von Untersuchungen gemacht worden,
welche zum Theil wertvolle Grundlagen zu neuen Berat-
ungen geliefert haben.
Die Vorstudien zu den anderen Wegen müssen, meines
Erachtens, mit Hülfe der bereits gegebenen Feststellungen
leicht sein.
Sobald die Ausführbarkeit der Entwürfe anerkannt
ist, handelt es sich noch darum, 1. eine provisorische
Karte aufzustellen, 2. die Ausgaben für den Grunderwerb,
für die Erdarbeiten und Kunstbauten zu veranschlagen.
(Die Sorge um die Anlage von Stationen wird man den
einzelnen Gemeinden überlassen können.)
Dieser Vorarbeiten bedürfte ich, um zu entscheiden,
welche Folge dem Projekt gegeben werden soll, und um
sie der nächsten Generalrats-Sitzung, in welcher so viele
Eisenbahn-Fragen zur Besprechung kommen sollen, zu
unterbreiten.
Ist das Projekt ausführbar, so würde das Unter-
Elsass die Initiative zu einer segenbringenden Massregel
ergriffen haben, wenigstens für sich, indem es seine
topographische Lage und die vorhandenen Wege benützt,
um dadurch allein den Vorzug zu haben, dass alle Kan-
— 81 —
ton-Hauptorte mit wenig Ausnahmen von einer Eisenbahn
berührt sind.
Genehmigen Sie, Herr Direktor,
Der Präfekt
gez. Migneret.
Die Verhandlu n g en des Generalrates des
Unter-Elsass und Fortschritt der Sache.
In- der Sitzung des Generalrates vom 27. August
1858 erstattete alsdann der Präfekt Migneret ausführlichen
Bericht über das Projekt und über das Ergebnis der
Vorarbeiten.
Nach den von dem Direktor der Vizinal-Strassen des
Unter-Elsass gelieferten Unterlagen betrug das ganze
herzustellende Netz von Vizinalstrassen etwa 147 km mit
7 Wegen. Die Baukoslei) wurden für Erdarbeiten und
Kunstbauten auf 17 000 frs. pro km = 2499000 frs.,
für die Stationen und Nebengebäude zu 8000 frs.
pro km auf 117 600 frs., zusammen auf 3 675000 frs.
geschätzt.
Dieser Betrag kam demjenigen gleich, welchen der
Staat bei Herstellung der grossen Eisenbahnlinien auf
sich genommen hatte.
Unter Annahme einer zehnjährigen Frist zur Been-
digung der Arbeiten, würde jährlich ein Betrag von ca.
400 000 frs. genügen, der auf Kommunal- und Departements-
lasten übernommen werden könnte. Es handelte sich nun
hauptsächlich darum, die Bestimmungen des Gesetzes vom
21. Mai 1836 über die Vizinalstrassen auf die Eisenbahnen
von sekundärem oder lokalem Interesse anzuwenden; Nach
diesem Gesetze konnten der Präfekt und der Generalrat
im Departement Wege von grossem Verkehre eintheilen,
die Richtung, Ausdehnung und Eingrenzung dieser Wege,
ebenso wie das Verhältnis festsetzen, nach welchem die
Gemeinden an den Kosten th eilnehmen sollten. Das De-
Sartement konnte Subventionen gewähren, sei es auf
rund fakultativer oder besonderer Zuschläge. Ausserdem
sollten Anerbieten von Privaten oder Privat-Gesellschaften
berücksichtigt werden.
Durch die Beschlüsse des Präfekten erfolgte die Nütz-
— 82 —
lichkeits-Erklärung, nachdem zuvor die Ueberlassung des
Grund und Bodens im Expropriationswege herbeigeführt
worden war. Die Einzelheiten der Bauausführung sollten
der betr. Verwaltung überlassen bleiben, welche mit der
Herstellung betraut wurde.
Was nun die Umwandlung eines nach diesen Be-
stimmungen hergestellten neuen Netzes von Vizinalstrassen
in Eisenbahnen durch eine Gesellschaft anbelangte, so
war durch das fundamentale Eisenbahngesetz vom 11.
Juni 1842 festgesetzt worden, dass die Ausführung der
(im Gesetze bezeichneten) Eisenbahnlinien durch Zusam-
menwirken des Staates, der Departements und der inte-
ressirten Gemeinden, erfolgen sollte. Zwei Drittel der
vom Staate für Grunderwerb geleisteten Ausgaben hatte
das Departement zu tragen. Der Generalrat befasste sich
alsdann mit der weiteren Frage der Beschaffung der
nötigen Hilfsmittel durch das Departement und die
interessirten Gemeinden. Das genannte Gesetz war bei
allen Eisenbahnen von allgemeinem Interesse grundlegende
Norm gewesen und musste es umsomehr sein, wenn es
sich um Bahnen von lokaler Bedeutung innerhalb der
Grenzen eines einzelnen Departements handelte. Wenn
bei jenen Bahnen der Staat die Kosten für Erdarbeiten,
Kunstbauten und Stationen übernahm, so traten in dem
vorliegenden Falle das Departement und die Gemeinden
an die Stelle des Staates.
Die mit der Prüfung der Vorschläge des Präfekten
beauftragte Spezial-Kommission des Generalrats unter-
breitete folgende Vorschläge: Die gemeinschaftliche Aus-
gabe des Departements und der Gemeinden wurde auf
6300000 frs., die Kosten des Oberbaues und des Be-
triebs-Materials auf 15120000 frs. veranschlagt; von
ersterem Betrage sollten annähernd */$ durch Subvention,
2 /s von den Betriebs-Unternehmern aufgebracht werden.
Zur Uebernahme des Betriebes würde sich am besten die
französische Ostbahn eignen, da dieselbe durch den Er-
werb der elsässischen Bahnen Material und Schienen
besass, welche sich für sekundäre Bahnen verwenden
Hessen. Ausserdem würde dieselbe diese Linien mit viel
geringerem Kostenaufwande betreiben und daher eine
Einnahme von etwa 9 bis 10°/ erzielen können. Der
Generalrat kam zu folgendem Entschluss:
Die Kosten der Voruntersuchungen sollten auf die
Dispositionsfonds des Departements-Budgets übernommen,
— 83 —
der Mehrbetrag dieser Fonds zu Subventionen verwendet
und ferner das Departement ermächtigt werden, während
10 Jahren, von 1859 ab, 5°/ Zuschlug zu den direkten
Steuern zu erheben, welche zum Baue der projektirten
Vizinalbahnen verwendet werden sollten. Unterm Februar
1859 richtete nun der Präfekt des Unter-Elsass an die ver-
schiedenen in Betracht kommenden Bürgermeister Schreiben,
in welchen er dieselben einlud, die für die Interessen des
Landes und speziell ihrer Gemeinden so wichtige Frage
des Baues von Vizinalstrassen und der Umwandlung der-
selben in Eisenbahnen den Gemeinderäten zur Beratung
zu unterbreiten. In den betreffenden Schreiben war noch
besonders betont, dass die entstehenden Kosten keine
neue Steuer-Erhebung veranlassen würden, sondern durch
die gewöhnlichen Einkünfte und besonderen Hilfsquellen
der Gemeinde -Verwaltung gedeckt werden könnten.
Was nun die einzelnen Strassen anbelangt, deren
Ausführung zunächst ins Auge gefasst wurde, so war die
wichtigste derselben diejenige von Strassburg nach Barr,
mit Abzweigung nach Wasselnheim. Dieselbe durchzog
Städte und Gegenden von grosser Bevölkerungs-Dichtig-
keit und berührte mehrere Vogesenthäler. Die Bevölkerungs-
zahl betrug 169000 (über */ 4 der gesamten Bevölkerung
des Departements) ; 85 Gemeinden kamen in Betracht ; die
voraussichtliche Ausgabe betrug 1 315000 Jrs.
Von den Gemeinden wurden verlangt 1 037 634 frs.
Vom Departement als Subvention 277 366 »
zusammen 1 315 000 frs.
Von den 85 Gemeinderäten hatten 78 günstig ge-
stimmt.
Die 2. Strasse war diejenige von Hochfelden nach
Buchsweiler (11 km lang), welche die reichen Produkte
der Forstwirtschaft, des Ackerbaues und der Industrie der
Kantone Buchsweiler und Lützelstein dem Verkehre er-
schliessen sollte. Die Gesamt-Ausgabe war in Anbetracht
der Schwierigkeiten des Terrains auf 520000 frs.,
die Subvention des Departements auf 235 028 »
veranschlagt worden.
Ausserdem hatte die Gesellschaft der Minen von
Buchsweiler eine solche von 24000 frsi angeboten. Von
41 Gemeinden hatten indes 30 ihre Zusage verweigert
und nur 11 dieselbe gegeben.
— 84 —
Die 3. Strasse, von Hagenau nach Niederbronn, war
diejenige, welche geringe Kosten verursachte und die
grössten Vortheile bot, indem sie die bedeutenden Hütten-
werke jener Gegend dem Verkehre erschloss. Die Familie
de Dietrich hatte eine besondere Subvention angeboten
und die verhältnissmässig armen Gemeinden bereitwilligst
ihre Zusage gegeben. Die Strasse Hagenau-Niederbronn
hatte eine Länge von 20 km und sollte 400000 frs.
kosten.
Der Beitrag der Gemeinden war auf 190500,42 frs.
die Subvention des Departements auf 152404,58 »
festgesetzt worden.
Die von der Familie de Dietrich angebotene Subven-
tion betrug 51657,00 frs.
Der Werl der vermutlich unentgeltlich erhaltbaren
Domänen-Güter wurde auf 5438,00 frs. geschätzt.
Die 35 Gemeinden hatten mit geringfügigen Vorbe-
halten sämtlich zugesagt.
Die Strasse von Schlettstadt nach Weiler (15 km)
durchzog das wichtige Thal von Weiler, in welches
das von Markirch einmündete. Die Gesamtkosten wurden
auf 325000,00 frs.
die Subvention der Gemeinden auf 173939,90 »
» » des Departements auf 151060,10 »
veranschlagt. 15 Gemeinden hatten zugesagt, 6 ab-
gesagt.
Die genannten Strassen sollten, nachdem dieselben
nach den Prinzipien des Gesetzes vom 21. Mai 1836 als
«Vizinalwege von grossem Verkehr» hergestellt waren,
mit möglichst geringen Kosten in Eisenbahnen umge-
wandelt werden. Dieses Ziel wurde erreicht durch An-
lage von nur einem Gleise, durch Vermeidung jedes
besonderen Luxus einerseits und durch Vertheilung der
Kosten nach dem Beispiele des genannten Gesetzes von
1842 andererseits.
Frühere Proj ekte.
Die aus der Initiative des Präfekten Migneret her-
vorgegangenen Entwürfe, welche sich durch die Eigen-
artigkeit des vorgeschlagenen Modus der Ausführung
auszeichneten, waren im Uebrigen die Folge von vielen,
-< 85 —
bereits früher aufgestellten Projekten, welche den Zweck
gehabt hatten, mehrere noch enterbte Zentren der Industrie,
des Handels und der Landwirtschaft an die Hauptver-
kehrsadern anzuschliessen.
Bereits im Jahre 1854 waren mit mipisterieller Er-
mächtigung Vorstudien zu der sogen. «Vogesenbahn»,
angestellt worden. Dieselbe sollte, bei Strassburg von der
Hauptlinie abzweigend, durch das Breuschthal nach Mols-
heim und Schirmeck, mit Abzweigung nach Barr und
Wasselnheim, gehen. Durch die Auflösung der Gesell-
schaft Lille-Strassburg, mit welcher sich das betreffende
Komite fusioniren wollte, erfolgte die Vertagung des
Projektes.
Eine andere Bahn von Hagenau nach Niederbronn
*und den Kohlenbassins von Preussen und Bayern war im
Jahre 1855 auf Kosten der Firma de Dietrich & Gie.
studiert worden ; dieselbe sollte von Hagenau durch das
Thal der Zinzel nach Niederbronn, von da über Bitsch
nach Saargemünd mit Anschluss in Kochern an die Linie
Nancy-Forbach gehen. Ueber ihre Ausführung war bis
dahin noch keine Entscheidung getroffen worden.
Als Theil der Eisenbahn von Lille nach Strassburg
war eine Linie in der Richtung von Saargemünd nach
Sleinburg durch das Eichelthal, dann von Steinburg nach
Wasselnheim zum Anschlüsse an die «Vogesenbahn» ge-
plant worden. Auch dieses Projekt zerschlug sich infolge
Auflösung der Lille-Strassburger Gesellschaft.
Für eine andere Bahn von Kochern nach Saarburg
war durch Dekret vom 17. August 1853 der Ostbahn-Ge-
sellschaft ein Vorzugsrecht gewährt worden. Diese Linie,
sowie diejenige von Kochern über Saargemünd nach
Bitsch und eine weitere von Falkenberg nach Dieuze und
Avricourt hatten den Zweck, die preussischen Kohlen-
becken von Saarbrücken und die französischen des Mosel-
Gebietes der Stadt Strassburg und dem Ober-Elsass, diesen
wichtigen Verbrauchszentren, zu nähern.
Ein anderes Projekt betraf eine von der Lille-Strass-
burger Bahn abzweigende Linie nach Lauterburg. Alle
die genannten Bahnen waren theilweise infolge Auflösung
der Lille-Strassburger Gesellschaft, sowie finanzieller
Schwierigkeiten, theilweise auch, weil die französische
Regierung der unklugen Spekulationssucht eine Schranke
vorschieben wollte, nicht zur Ausführung gekommen.
- 86 —
Endgültige Projekte.
Jene Hindernisse wurden nun mit einem Schlage
durch die glückliche Idee des Präfekten Migneret ge-
hoben. Die dem Generalrate in seiner Sitzung vom 21.
März 1859 vorgelegten, endgültigen Projekte bezogen sich
auf folgende Bahnen :
1. Von Strassburg nach Barr, Wasselnheim u. s. w.
(49 km).
2. Von Hochfelden nach Buchsweiler (13 km).
3. Von Hagenau nach Niederbronn (20 km).
4. Von Höfen nach Lauterburg und dem Rheine
über Selz (25 km). Diese Linie sollte die Wünsche der
durch die Herstellung der Bahn von Bischweiler nach
Weissenburg einst unberücksichtigt gebliebenen Gemeinden
befriedigen und gleichzeitig einen Anschluss an die, von
Karlsruhe nach dem Rheine geplante Eisenbahn in Baden
bilden.
5. Von Schlettstadt nach Weiler (15 km).
6. Von Schlettstadt nach Markolsheim (23 km). Diese
Linie sollte eine, hauptsächlich dem Ackerbau dienende
Gegend, die allerdings schon vom Rhein-Rhone-Kanal
durchzogen war, dem Eisenbahn-Verkehre erschliessen.
7. Von Buchsweiler nach Saar-Union durch das
Eichel-Thal ; (40 km). Diese Bahn erfüllte die Wünsche
der 3 Kantone Saar-Union, Drulingen und Lützelstein
nach einer raschen Verbindung mit Zabern und Strass-
burg. Sie sollte über Ingweiler, Wimmenau und Wingen
durch ein Tunnel bei Puberg und über Domfessel gehen.
8. Von Wörth nach Walburg (8 km). Diese Bahn,
wegen ihrer kurzen Ausdehnung im Uebrigen wenig ge-
winnversprechend, trug den Interessen der Industrie und
der Landwirtschaft Rechnung.
9. Von Truchtersheira nach Mundolsheim (10 km).
Die Gesamtlänge des ganzen Netzes belief sich auf
etwa 203 km. Die meisten der geplanten Bahnen sind
bekanntlich erst in allerneuester Zeit zur Ausführung ge-
kommen und im Allgemeinen nach jenen Prinzipien er-
baut worden.
In dem, dem Generalrate unterbreiteten Berichte des
Direktors der Vizinalstrassen des Unter-Elsass waren
folgende, auf Grund eingehender örtlicher Studien auf-
gestellten Veranschlagungen des zu erwartenden Personen-
2
3
4
»
Hochfeldeo
Hagenau
Höfen
5
6
7
8
9
»
Schlettstadt
Schlettstadt
Buchsweiler
Walburg
Mundolsheim
— 87 —
und Güter- Verkehres und der voraussichtlichen Betriebs-
Ergebnisse der projektirten Bahnen enthalten. Von der
allgemeinen Vorraussetzung ausgehend, dass die Zahl
der z. Z. in den öffentlichen Wagen und durch die son-
stigen regelmässigen Transport-Dienste beförderten Per-
sonen sich etwa verdoppeln würde, eine Annahme, welche
durch die wirklichen Betriebs-Ergebnisse der bis dahin
erbauten Bahnen mehr als bestätigt worden war, kam der
Berichterstatter zu folgenden Schlüssen :
pro Tag.
1 Von Strassburg nach Barr, Wasselnheim u. s. w.
= 1 182 Reisende
Buchsweiler = 167 »
Niederbronn = 375 »
Lauterburg
über Selz = 38 »
Weiler = 537 »
Markolsheim =193 »
Saar-Union = 200 »
Wörth = 99 »
Truchtersheim = 69 »
pro Tag 2860 Reisende
• Für den Eilgut- Verkehr wurde, unter entsprechender
Modifikation der von der Ost bahn auf der Strassburg- Baseler
und Mülhausen-Thanner Linie erzielten Resultate von 27
bezw. 13°/ , die Einnahme der neuen Bahnen auf 10°/
derjenigen aus dem Personen-Verkehre veranschlagt.
Was den Güter-Verkehr anbelangt, so hatte man in
den anfänglichen Projekten Zahlenangaben über die vor-
aussichtlich, zu befördernden Tonnen gemacht, welche
grösstenteils unter den in den Jahren 1857 und 1858 auf
den Landstrassen festgestellten blieben.
. Unter der Voraussetzung, dass auf den neuen Bahnen
die gewöhnlichen Tarife der französischen Ostbahn An-
wendung finden würden, wurde die kilometrische Rein-
Einnahme für Strassburg- Barr -Wasselnheim auf 6967
frs. und für Hofen-Lauterburg auf 497 frs. veranschlagt.
Die mit dem Legen der Schienen, der Ergänzung
der Werkstätten, den Lieferungen des rollenden Materials
und der Betriebsführung beauftragte Gesellschaft würde
eine Ausgabe von ungefähr 60000 frs., oder wenn man
späteren Vergrösserungen und Aenderungen Rechnung
trug, von etwa 70000 frs. pro km zu leisten haben. Als-
dann ergab sich eine Verzinsung des Anlage-Kapitals
von l°/o f ür Höfen - Lauterburg, von unter 3% f ,ir
Schlettstadt-Markolsheim, Walburg - Wörth und Mun-
dolsheim - Truchtersheim, von 3,7 bis 4,8°/ für Hoch-
felden - Buchsweiler, für Buchsweiler- Saar-Union, end-
lich von 5,8 bis ll,6°/ für Strassburg -Barr u. s. w.,
Hagenau - Niederbronn und Schlettstadt -Weiler.
Die von dem Generalrate des Departements in seiner
ausserordentlichen Sitzung vom März 1859 im Sinne' der
eingereichten Vorschläge gefassten Beschlüsse wurden als-
bald durch den Präfekten des Unter-Elsass dem Minister
des Innern zur Vorbereitung eines entsprechenden Gesetz-
Entwurfes, gleichzeitig auch die einzelnen Projekte dem
Minister des Ackerbaues, des Handels und der öffentlichen
Arbeiten, sowie dem Generalrate für Brücken- undStrassen-
bau eingereicht.
Verhandlungen mit der französichen
Ostbahn u. a. m.
In der Zwischenzeit waren auch mit der französischen
Ostbahn-Gesellschaft Unterhandlungen gepflogen worden.
Auf die Anfrage, ob dieselbe sich dem von dem Präfekten
vorgeschlagenen Systeme der Ausführung anschliessen
und den Betrieb auf einigen der geplanten Bahnen über-
nehmen wolle, hatte der Präsident des Verwaltungsrates
mitgetheilt, dass er nach Massgabe der durch eine ein-
gehende Prüfung der Angelegenheit zu erzielenden Re-
sultate dem Antrage weitere. Folge geben werde. Diese
Prüfung ergab, dass die vorgeschlagenen Bedingungen
der Betriebs-Uebernahme der Ostbahn-Gesellschaft nicht
günstig schienen, und dass dieselbe sich wohl mit dem
Betriebe und der Unterhaltung, einschliesslich Lieferung
des rollenden Materials, nicht aber mit dem Legen der
Schienen befassen könnte. Die über den voraussichtlich
zu erwartenden Verkehr angestellten Erhebungen enthielten
eine zum Theil beträchtliche Reduktion der ursprünglich
veranschlagten kilometrischen Roh-Einnahmen der ein-
zelnen Bahnen.
Da die weiteren Vorschläge der Ostbahn-Gesellschaft
wenig günstig schienen, die inzwischen stattgehabten
Konferenzen vorläufig keine Einigung erzielten, wurde
die Bildung von besonderen lokalen Gesellschaften ins
Auge gefasst. Die Organisation derselben konnte ent-
weder in der Weise erfolgen, dass sie die Herstellung
der Gleise nebst Zubehör, die Lieferung des rollenden
Materials, und den Betrieb der Bahnen mit eigener Ver-
waltung und eigenem Personal, unabhängig von der
französischen Ostbahn, übernahmen, oder aber, dass sie
nach Herstellung der Bahnen mit der französischen Ost-
bahn wegen des Betriebes Verträge abschlössen. Zwei
Anerbieten waren bei dem Präfekten eingegangen. Das
eine betraf die Bahn von Strassburg nach Barr und
Wasselnheim, das andere die Bahn von Hagenau nach
Niederbronn.
Der Baron de Bussierre verlangte für die Strecke
Strassburg-Barr-Wasselnheim eine beträchtliche Erhöhung
derim Projekte vorgesehenen Subvention von 1 315000 frs.
auf 2086000 frs. und beabsichtigte alsdann, für etwa
1800000 frs. das feste Material zu liefern, und wegen
des Betriebes sich mit der französischen Ostbahn-Gesell-
schaft, deren Verwaltungsrats-Mitglied er war, zu einigen.
Das Departement und die Gemeinden waren einverstanden.
Da jedoch die französische Ostbahn zu harte Bedingungen
stellte, zog de Bussierre sein Anerbieten zurück. Nach
der abgeschlossenen Konvention verlangte jene für den
Betrieb der Bahn eine jährliche Summe von 6000 frs.
als Miete für Bahnhof Strassburg, und 330000 frs., d. i,
6000 frs. pro km, auf die Einnahme vorerheben zu dürfen.
Die neue Gesellschaft sollte dagegen das feste Material
liefern und unterhalten. Inzwischen war eine Einigung
erzielt worden, dahingehend, dass die Einnahme von über
6000 frs. bis 10000 frs. zwischen den beiden vertrag-
schliessenden Gesellschaften zur Hälfte getheilt würde.
Es bildete sich nun eine neue lokale Gesellschaft, zu-
sammengesetzt aus den hauptsächlichsten Industriellen und
Eigentümern jenes Gebietes, welche sich verpflichtete, die
Umwandlung der Strassen nach Barr-Wasselnheim und
Mutzig in Eisenbahnen zu übernehmen und den Betrieb
der französischen Ostbahn unter den vorerwähnten Be-
dingungen zu übertragen. Das erforderliche Kapital zum
Legen der Schienen und zur Lieferung des festen Materials
nebst allen Zubehörs betrug 1800000 frs.
Die Ausgaben des Departements und der
Gemeinden beliefen sich auf 2280000 »
Zusammen 40800Ö0 frs.
— 90 —
Vom Staate wurde eine einmalige Subvention von
600000 frs., ferner eine Zinsgarantie von 4°/ während
50 Jahren nebst Amortisation zum gleichen Zinsfusse für
das Gesellschafts-Kapital von 1200000 frs. verlangt. Da
sich jedoch mit Sicherheit eine jährliche Roh-Einnahme
von 8500 frs. pro km erwarten Hess, welche genügte,
um die Betriebskosten, sowie Zinsen und Amortisations-
Raten zu decken, war diese letzte Forderung nur formell.
Somit schien die Ausfuhrung der vorgenannten Bahn
gesichert.
Aus dem von der Gesellschaft zur Unterstützung
ihrer Concession beigebrachten Material ergaben sich
folgende Einzelheiten über die wirtschaftlichen Verhält-
nisse der von der Bahn berührten Gebietstheile :
Die Bevölkerungszahl betrug nach den Feststellungen
von 1856
Im Kanton Strassburg = 77 656 d. i, 1001 pro Dkm
» » Barr = 19562 » » 139 » »
» » Oberehnheim = 15086 » » 164 » »
» » Rosheim = 14823 » » 103 » »
» » Molsheim = 22839 » » 122 » »
» » Wasselnheim = 17 822 » » 114 » »
Zusammen 167788
Die Zahl der in den 5 ^Kantonen Barr, Oberehnheim,
Rosheim, Molsheim und Wasselnheim vorhandenen in-
dustriellen Etablissements belief sich stuf 291; darunter
sind zu erwähnen: 121 Mühlen, 43 Ziegeleien, 33 Loh-
gerbereien, 26 Sägemühlen, 12 Webereien, 11 Schleifer-
eien, 10 Spinnereien u. a. m. In diesen Betrieben, sowie
in den verschiedenen Steinbrüchen, Metallfabriken, Möbel-,
Kleider-, Transport- u. a. Geschäften waren zusammen
26818 Arbeiter beschäftigt.
Die Kosten der Herstellung und das Verhältnis, in
welchem das Departement und die Gemeinden einerseits
und die concessionfordernde Gesellschaft andererseits an
denselben theilnehmen sollten, stellten sich wie folgt :
Herstellung der Vizinal-
strasse 1 464 154,20 frs. oder 29 283 frs. pro km
Subvention zur
Umwandlung
der Strasse in
eine Eisenbahn 815845,80 » » 16317 » » »
2280000,00 frs. oder 45600 frs. pro km
— 91 —
hierunter Antheil
der Gemeinden 1338603,00 frs.
Angebote von In-
dustriellen 15000,00 »
Antheil des De-
partements 926397,00 »
Ausgaben zu
Lasten der Gon-
cessionäre 1800000,00 » oder 36000 frs. pro km
für Betriebs-
material 1100000,00 » » 22000 » » »
zusammen zu Lasten
derConcessionäre2900000,00frs. oder 58000 frs. pro km
hierzu Antheil der
Gemeinden, In-
dustriellen und
des Departe-
ments wie obe n 2280000,00 » » 45600 » » »
zusammen 5180000,00frs.oder 103600frs.prokm.
Von den oben angeführten 1800000,00 frs. hatte die
Gesellschaft bereits 2 / s = 1200000 frs. aufgebracht.
Gleichzeitig verlangte dieselbe ausser der bereits ange-
führten Zins -Garantie von 4°/ eine Subvention von
600 0Q0 frs. Die jährlichen Betriebskosten wurden auf
ca. 7500 frs. pro km (bei 3 Zügen täglich nach jeder
Richtung), die Einnahmen auf 10000 frs. pro km ver-
anschlagt.
Die zweite Gesellschaft, unter der Führung der Herren
de Dietrich und Gie., Besitzer der grossen Werke von
Niederbronn, halte inzwischen um die Goncession für die
Bahn von Hagenau nach Niederbronn nachgesucht und
dabei hauptsächlich auf die bedeutende Industrie von
Niederbronn und Bitsch, welche zusammen 8000 Arbeiter
beschäftigte, hingewiesen. Die Hüttenwerke der Firma
de Dietrich und Gie. waren, ausser in Niederbronn, in
den Ortschaften Jägerthal, Merzweiler, Zinsweiler, Reichs-
hofen, Mutterhausen; Stahlwerke in Bärenthal, Glashütten
in Götzenbrück, Meisenthal, St. Louis zerstreut. Diese
Industrien eröffneten ein bedeutendes Absatzgebiet für
die Staatswaldungen in jenem Theile des Elsass und
Lothringens. Während der letzten 3 Jahre (1857 bis 1859)
— 92 —
waren allein zusammen 565153 Ster Holz für 2814550
frs. angekauft worden. Die Beschaffung der Kohlen von
Saarbrücken wurde durch eine direkte Verbindungsbahn
bedeutend erleichtert. Z. Zt. betrug der Preis derselben
30 bis 35 frs. und würde alsdann auf 18 frs. herabsinken.
Die Gesellschaft halte anfangs beabsichtigt, die Bahn mit
Pferden zu betreiben und ein Kapital von 850000 frs.
zur Verfügung zu stellen, in dem zweiten Gesuche an
den Minister der öffentlichen Arbeiten sich jedoch bereit
erklärt, Lokomotiv-Betrieb einzuführen unter Erhöhung
des Gesellschafts-Kapitals auf 1200000 frs., und gleich-
zeitig um dieselben Vergünstigungen wie die für die Strecke
Strassburg - Barr - Wasselnheim gewährten, nachgesucht,
nämlich 12000 frs. Subvention pro km und 4,65 °/ Zins-
Garantie nebst Amortisation für das Anlagekapital. Der
von dem Departement und den Gemeinden aufzubringende
Kosten-Antheil für die Strecke Hagenau - Niederbronn
(20 km) betrug etwa 680000 frs. (34000 frs. pro km),
die Staatssubvention 240000 frs. Durch Gesetz vom
1. August 1860 wurde diese Subvention, ebenso wie die-
jenige von 600000 frs. für die Strecke Strassburg -Barr-
Mutzig -Wasselnheim endgültig bewilligt, von der Gewäh-
rung der beantragten Zinsgarantie indess abgesehen. Der
Abschluss eines Vertrages zwischen der französischen
Ostbahn-Gesellschaft und der für die Herstellung der
letztgenannten Bahnen konstituirten lokalen Gesellschaft
erfolgte am 26. August 1860, Dieser Vertrag stützte sich
im Wesentlichen auf die bereits früher von der Ostbahn
gestellten Bedingungen. Letztere übernahm den Betrieb
und die Unterhaltung der gen. Bahn, die Lieferung des
rollenden Materials und beanspruchte dafür das Recht der
Vorerhebung von 80°/ der erzielten Einnahme. Die an-
zuwendenden Tarife für Personen- und Güter-Beförderung
sollten mit geringen Modifikationen dieselben sein wie
diejenigen auf den Hauptlinien. Die Dauer des Vertrages
wurde auf 20 Jahre festgesetzt.
Auch die für die Strecke Hagen au-Niederbronn kon-
stituirte Gesellschaft schloss mit der französischen Ostbahn
wegen Betriebs-Uebernahme einen Vertrag unter denselben
Bedingungen wie der vorgenannte ab. Der französische
Staat hatte inzwischen auf seine Kosten mit der aus stra-
tegischen Rücksichten wichtigen Verlängerung der Bahn
von Hagenau nach Nieder bronn bis Diedenhofen be-
gonnen.
— 93 —
Für die dritte Bahn von Schlettstadt nach Weiler
hatte sich lange Zeit kein Angebot gefunden. Erst nach-
dem der Präfekt des Ober-Elsass eine Verlängerung der
Bahn in das Markircher Thal bis Markirch vorschlug,
bildete sich in dem gen. Städtchen eine Gesellschaft. Die-
selbe erhielt ebenso wie die anderen eine Staatssubvention,
iedoch bedeutend höher, nämlich 40000 ftß. pro km, d. i.
850000 frs. insgesamt. Auch sie trat mit der französischen
Ostbahn wegen des Betriebes der Bahn in Unterhandlungen
ein, welche zum Abschlüsse eines Vertrages mit denselben
Bedingungen wie die vorgenannten führten.
Für die vierte, zunächst in Aussicht genommene
Bahn von Hochfelden nach Buchsweiler hatte sich eine
Gesellschaft von Industriellen aus letzterem Städtchen
konstituirt, welche unter Hinweis auf die Linie Schlett-
stadt-Markirch ebenfalls um eine Staatssubvention von
40000 frs. pro km oder 520000 frs. für 13 km, ferner
um eine Zinsgarantie von 4°/ uud 0,65 °/ Amortisitation
nachsuchte. Auch dieser Gesellschaft hatte die französische
Ostbahn die vertragsmässige Betriebs -Uebernahme der
Bahn zugesagt.
Während die genannten Gesellschaften ihre Vor-
bereitungen trafen, um eine definitive Goncession zur Um-
wandlung der Vizinalstrassen in Eisenbahnen* bei der
Regierung zu erwirken, hatte diese, da sie eine allge-
meine Vergrösserung der Eisenbahn-Netze aller grösseren
Gesellschaften beabsichtigte, der Ostbahn -Gesellschaft,
mit welcher inzwischen neue Verhandlungen mit Erfolg
angeknüpft worden waren, den Bau einer Menge von
Esgänzungslinien übertragen, unter welchen sich auch
die drei erstgenannten elsässischen Bahnen befanden.
Nach der, zwischen dem Minister der öffentlichen
Arbeiten und der französischen Ostbahn-Gesellschaft ab-
geschlossenen Konvention vom 1. Mai 1863, bestätigt
durch kaiserliches Dekret vom 11. Juni desselben Jahres,
sollten die drei Vizinal-Strassen von Strassburg nach Barr,
Mutzig und Wasselnheim, von Hagenau nach Niederbronn
und von Schlettstadt nach Markirch unter den bereits
früher vereinbarten Bedingungen, welche hier auf die
französische Ostbahn entsprechende Anwendung fanden,
dieser von den Departements Unter- und Ober-Elsass zur
Umwandlung in Eisenbahnen mit einem Gleise und zur
Inbetriebsetzung innerhalb eines Jahres übergeben werden.
Die den einzelnen lokalen Gesellschaften bewilligten
— 94 —
Staatssubventionen von 600000 frs. für die erste, 240000
frs. für die zweite und 850000 frs. für die dritte Bahn
wurden, ebenso wie die Beiträge der Departements von
600000 frs. pro km, unter diesen Verhältnissen auf die
französische Ostbahn übertragen.
Bau der Lokalbahnen und Gesetz vom
12. Juli 1865.
Ende 1863 war der erste Theil der Arbeiten, die
Herstellung der Strassen, beendet, und die französische
Ostbahn begann mit dem Legen der Schienen. Die ge-
samten Kosten hatten bis dabin betragen :
Für Strassburg-Barr, Mutzig etc. (49 km) 2 208 851,20 frs.
oder 45079 pro km.
» Hagenau-Niederbronn (20 km) 496249,12 frs.
oder 24812 pro km.
» Schlettstadt-Markirch (10 km U.-Els.) 280 203,60 frs.
oder 28020 pro km.
zusammmen 2985303,92 frs,
darunter vom Departement 1325541,10 frs. = 45°/
» • von den Gemeinden 1594762,80 frs. = 53°/
» von den Industriellen 65000,00 frs. = 2°/
Die einzelnen Strecken wurden dem Betriebe über-
geben :
Strassburg Barr am 29. September 1864,
Molsheim-Mutzig und Molsheim-Wasselnheim am 15.
Dezember 1864.
Hagenau-Niederbronn am 19. Dezember 1864.
Schlettstadt-Markirch am 29. Dezember 1864.
Die von der französischen Ostbahn geleisteten ersten
Ausgaben (einschliesslich Subvention des Staates) hatten"
betragen :
Für Strassburg-Barr-Mutzig-Wasselnheim 2479082,37 frs.
» Hagenau-Niederbronn 810879,37 »
* Schlettstadt-Markirch 1001543,78 »
Im Anschlüsse an die Bahn von Strassburg nach
Molsheim-Mutzig war bereits damals aus dem Vogesen-
Departement ein Antrag auf Verlängerung derselben nach
Schirmeck hervorgegangen. Das Departement Unter-Elsass
■ — 95 —
war gleichzeitig gebeten worden, sich an den Kosten der
Vorstudien, die sich auf etwa 6000 frs. belaufen soll-
ten, zu betheiligen. Der Antrag wurde angenommen.
Die Ausführung der Bahn ist jedoch erst später unter
deutscher Verwaltung erfolgt. Auch das zur Herstellung
einer direkten Verbindung des Ober-Elsass mit Lothringen
durch die Verlängerung der Strecke Barr - Molsheim-
Wasselnheim bis Schlettstadt und Zabern aufgestellte Pro-
jekt scheiterte, und zwar hauptsächlich auf das Betreiben
der französischen Ostbsihn, welche in den projektirten
Bahnen eine Konkurrenz 'für die Hauptstrecke Strassburg-
Schlettstadt befürchtete.
Das im Departement des Unter-Elsass gegebene Bei-
spiel der Selbsthilfe bei der Vertretung lokaler Verkehrs-
Interessen zog bald weitere Kreise. Die übrigen Departe-
ments ergriffen, ermutigt durch die Regierung, die Initiative
zu gleichem Vorgehen. Die Folge davon war das Gesetz
vom 12. Juli 1865, welches bestimmte, dass Eisenbahnen
von lokaler Bedeutung 1. durch die Departements oder
Gemeinden mit oder ohne Mitwirkung der interessirten
Eigentümer.
2. durch Goncessionäre unter Mitwirkung der De-
partements oder der Gemeinden hergestellt werden konnten.
Durch diese Bestimmungen war der lokale Charakter dieser
Bahnen ausgesprochen. Zu einer Definition des Begriffes
«Lokalbahnen» ist es jedoch nicht gekommen. Das Gesetz
besagte ferner, dass die Richtung, der Modus und die Be-
dingungen des Baues der Lokalbahnen, ebenso wie die
Verträge urfd sonstigen zur Sicherung des Betriebes nö-
tigen Vorkehrungen durch den Generalrat, nach vorher-
gegangener Instruktion durch den Präfekten, festgesetzt
werden sollten. Die Nützlichkeits-Erklärung und die
Genehmigung der Ausfuhrung erfolgten durch Dekret
auf Grund von Beratungen des Generalrates und der Be-
richte der Minister des Innern und der öffentlichen Ar-
beiten. Die Lokalbahnen sollten im Uebrigen den Be-
stimmungen des Gesetzes vom 15. Juli 1845 über die
Bahnpolizei unterworfen sein, mit folgenden Abweichungen :
Der Präfekt konnte die Herstellung von Einfriedi-
gungen auf einem Theile oder auf der ganzen Länge der
Bahn, sowie die Errichtung von Barrieren an Kreuzungen .
von geringem Verkehre erlassen.
Zu den Kosten der Herstellung konnte die Staats-
kasse Subventionen bis zu einem Drittel desjenigen Be-
— 96 —
träges gewähren, welcher den Departements, Gemeinden
und Interessenten zur Last fiel. Der Zweck der Lokal-
bahnen bestand in erster Linie darin, Orte von unterge-
ordneter Bedeutung unter sich oder mit den Hauptver-
kehrsadern zu verbinden. Bei der Tracirung sollten
Thäler oder Hochebenen berücksichtigt, dagegen alle die-
jenigen Terrains vermieden werden, durch welche kost-
spielige Kunstbauten, wie beim Durchbrechen von Ge-
birgszügen und Durchqueren grosser Thäler, nötig
wurden. Der Hauptvorzug war «eben die Billigkeit der
Anlage.
Offizielle Erhebungen, welche später in 19 Departe-
ments über die Herstellungskosten von Lokalbahnen an-
gestellt wurden, ergaben denn auch eine mittlere Ausgabe
von 118960 frs. pro km gegen 200 000 bis 300000 frs.
für Hauptbahnen. Davon entfielen auf Subventionen des
Staates etwa 21820 frs., der Departements etwa 39270
und der Interessenten etwa 16635 frs. Die Betriebskosten
beliefen sich im Durchschnitt auf 7000 bis 9000 frs.
pro km.
Unter den durch die Konvention vom 1. Mai 1863
der französischen Ostbahn concessionirten Bahnen hatten
sich auch diejenigen von Niederbronn über Saargemünd
nach Diedenhofen, von Beifort nach Gebweiler, von
Reims nach Metz und von Dieuze nach Avricourt befunden.
Letztgenannte Strecke war früher der Gesellschaft für die
Verwaltung der Salinen von Ostfrankreich unter gleich-
zeitiger Gewährung einer Slaatssubvenüon von 2000000
frs. genehmigt gewesen. Noch ehe diese Gesellschaft je-
doch mit den Arbeiten begonnen hatte, war dieselbe mit
der französischen Ostbahn-Gesellschaft in Unterhandlungen
getreten, welche zum Abschlüsse eines Vertrages führten,
der durch die Konvention vom 1. Mai seine Bestätigung
fand. Auch mit der Concessionirung der Bahnen von
Niederbronn nach Diedenhofen und von Beifort nach
Geb weiler war eine Staatssubvention für die erstere von
27410000 frs., für die zweite von 3000000 frs. gewährt
worden. Ausserdem hatte das Mosel - Departement für
Niederbronn - Diedenhofen eine Subvention von 1 200000
und das Departement des Ober-Elsass sowie verschiedene
Interessenten für Beifort - Gebweiler eine solche von zu-
sammen 20000 frs. pro km zugesagt. Die Strecke Dieuze-
Avricourt (22 km) wurde am 25. November 1864, die
Strecke Beningen-Merlebach-Saargemünd (22* km) am 16.
- 97 —
Dezember 1865, Karlingen - Beningen - Merlebach (10 km)
am 30. Dezember 1866 und die ganze Strecke Saarbrücken-
Niederbronn (63 km.) am 8. Dezember 1869 dem Betriebe
übergeben. Die Bahn von Beifort nach Gebweiler kam
nur theilweise zur Ausführung, und zwar die Linie Sent-
heim-Sennheim (14 km) am 30. Juli 1869 und Bollweiler-
Gebweiler (7 km) am 5. Februar 1870. Die Herstellungs-
kosten bis zum Eröffnungstage hatten für die Bahn von
Dieuze nach Avricourt (einschliesslich Subvention von
2000000 frs.) 3395860 frs., die für Saargemünd-Nieder-
bronn (einschliesslich Antheil der Subvention für Nieder-
bronn-Diedenhofen mit 16721140,63 frs.) 19974082 frs.,
für Sentheim-Sennheim und Bollweiler-Gebweiler (ein-
schliesslich Subvention von 2511 186 frs.) = 4639372 frs.
betragen.
Bahn von Colmar nach Münster.
So waren nach und nach alle, auch die anfänglich
unter den Prinzipien einer weitgehenden Dezentralisation
concessionirten Bahnen lokaler Bedeutung, unter das den
ganzen Osten Frankreichs beherrschende Monopol der
Ostbahn-Gesellschaft zurückgekehrt. Nur eine einzige
Bahn des Elsass gehörte nicht dieser Gesellschaft an,
nämlich die Lokalbahn von Colmar nach Münster. Die
erste Anregung zu derselben erfolgte im Jahre 1855 durch
ein Projekt, welches ein Ingenieur für Brücken- und
Strassenbau verschiedenen Industriellen nnd Eigentümern
aus dem Fecht-Thale vorlegte. Dieses Projekt hatte zum
Zwecke : erstens die Eindämmung des Flusses zwischen
Türkheim und Münster, zweitens die Herstellung einer
Eisenbahn von dieser letzten Stadt nach Colmar. Die
Interessenten, welche das Projekt günstig aufnahmen,
veranstalteten alsbald eine Subscription, um die für die
Voruntersuchungen nötigen Mittel zu beschaffen. Der
Minister der öffentlichen Arbeiten ermächtigte alsdann
das betreffende Komite durch Beschluss vom 3. Juli, mit
diesen Vorarbeiten zu beginnen. Ueber die Resultate
derselben wurde eine Denkschrift aufgestellt, welche ausser
dem gemeinschaftlichen Projekte dasjenige einer Eisen-
bahn besonders behandelte. Dieselbe sollte als Strassen-
bahn erbaut werden und den Zweck haben, das Zentrum
des Münsterthaies und seine hauptsächlichsten Werke
mit der elsässischen Bahn zu verbinden. Es war beab-
— 98 —
sichtigt, der Ostbahn-Gesellschaft den Betrieb zu über-
tragen. Die Strecke sollte eingleisig gebaut werden.
Das Münsterthal setzt sich aus 2Theilen zusammen,
die sich in Münster vereinigen. Oberhalb zerfällt es in
verschiedene kleine Thäler, in welchen bereits damals
zahlreiche Industrien zerstreut waren ; unterhalb Münster
bis Türkheim liegen die Dörfer Günsbach, Griesbach,
Weier im Thal, Sulzbach, Walbach, Zimmerbach und
Wintzenheim. Zwischen da und Golmar waren die aus-
gedehnten Manufakturen von Logelbach.
Die Gesamt-Ausgaben für den Bau der Eisenbahn
Golmar-Münster wurden auf 1365000 frs. veranschlagt.
Um die Wichtigkeit des Projektes und die Ausführbarkeit
desselben im Hinblick auf seine Rentabilität zu beweisen,
hatte man folgende Berechnungen über die voraussicht-
lichen Einnahmen aufgestellt. Wie bei allen, unter
günstigen Verhältnissen erbauten Eisenbahnen, nahm
man auch hier eine Vermehrung des seitherigen Personen-
Verkehrs auf etwa das dreifache an, bezüglich des Güter-
Verkehrs eine Steigerung von etwa 50°/ . Wenn auch
die geringen Entfernungen und die ungünstige Lage der
Station Golmar zum Mittelpunkte der Stadt wenig vor-
theilhaft für die Bahn waren, so fielen hiergegen eine
Menge günstigere Momente in die Wagschale. Das
Münsterthal war vorzugsweise gewerbthätig, produzirte
dagegen wenig für den Unterhalt der zahlreichen Arbeiter
nötige Lebensmittel, die daher von auswärts bezogen
werden mussten. Durch die Eisenbahn gestaltete sich
der Personen-Verkehr zwischen Golmar und Münster be-
quemer und billiger und wurde, wo er bislang zum Theil
unmöglich war, erleichtert. Das Münsterthal, wohl das
romantischste der Vogesen-Thäler, musste durch seine
zahlreichen Ruinen, seine herrlichen Seitenthäler, den
alpinen Charakter seiner Berge alljährlich eine Menge
Touristen herbeilocken, ein Verkehrs-Element, welches
hauptsächlich in neuester Zeit das Münster lhal mehr als
alle andern Seitenthäler der Vogesen belebt.
In Münster waren seiner Zeit 4 Wagen für den Per-
sonen-Verkehr eingerichtet* 2 zu 7 Plätzen, 1 zu 6, der
andere zu 8, zusammen 28 Plätze. Offizielle Feststel-
lungen aus den Jahren 1850 bis 1851 ergaben für die
Privat-Fuhrwerke dieselben Verhältnisse wie für die öffent-
lichen. Nach den Berechnungen wurden täglich 40 und
für Hin- und Rückfahrt durchschnittlich 80 Reisende an-
— 99 —
genommen ; hiernach liess sich im Hinblick auf die zu
erwartende Steigerung des Verkehrs eine jährliche Summe
von 57 600 Reisenden erwarten.
Bezüglich des Güter-Verkehrs ergaben die Zählungen
von 1850 und 1851 eine Gesamtzahl von 110 Zugpferden.
Unter der Annahme einer Tonne nutzbaren Gewichts für
ein Pferd betrug die Gesamtmenge der beförderten
Waaren 110 Tonnen täglich. Was nun den Einfluss des
neuen Verkehrsmittels betrifft, so mussten ohne Zweifel
die Schnelligkeit und Sicherheit der Verbindungen, die
beträchtliche Ersparnis an Frachtkoslen eine grosse An-
ziehungskraft auf die Güterbewegung ausüben. Die täg-
lichen Transporte stellten sich, wia folgt: .
Von Colmar nach Münster und umgekehrt: 10,5 t
Kohlen, 16,0 t Industrie-Erzeugnisse, 9,0 t Verbrauchs-
gegenstände, zusammen 35,5 Tonnen.
10,5 t Holz, 0,5 1 Baumaterialien 11,0t Verschiedenes,
zusammen 22 Tonnen.
Von Colmar nach Weiler i. Thal oder von Güntzbach
oder Wintzenheim nach Münster :
1,5 t Kohlen, 4,0 t Industrie-Erzeugnisse, 1,5 t Ver-
brauchsgegenstände, zusammen 7,0 Tonnen.
3,5 t Holz, 5,0 t Baumaterialien, 9,0 t Verschiedenes,
zusammen 17,0 Tonnen.
Von Colmar nach Wintzenheim, von Wintzenheim
nach Weiler i. Thal, von da nach Münster:
1,0 t Industrie-Erzeugnisse, 7,0 t Verbrauchsgegen-
stäude, zusammen 8,0 Tonnen.
7,0 t Holz, 5,0 t Baumaterialien, 9,5 t Verschiedenes,
zusammen 21,5 Tonnen.
Von diesen Gütern nahm man an, dass nur die ersten
3 Klassen ganz, und die andern 3 Klassen zur Hälfte
der Eisenbahn-Beförderung zufallen würden. Nach den
genauen Berechnungen, unter Berücksichtigung der Ent-
fernung u. s. w. ergab sich eine Gesamt-Tonnenzahl von
täglich 59 bis 60, hierzu 50°/ (wahrscheinliche Verkehrs-
steigerung), ist zusammen 32400 t jährlich. Diese Zahl
konnte als Minimum betrachtet werden, denn die Industrie
lieferte allein schon zu jener Zeit über 12000 t, und die
Eisenbahn war die einzige Verkehrs-Gelegenheit, welche
den ganzen Kanton Münster mit 20 000 Einwohnern und
einen grossen Theil des Kantons Wintzenheim mit ca
10000 Einwohnern berührte.
100 —
Die Reise von Colmar nach Münster kostete in öffent-
lichen Wagjen 1,50 frs. Sicherlich würde die Bahn von
Münster bei Anwendung der auf den grossen Linien ge-
bräuchlichen Tarife alle Transporte absorbiren. 0,06 frs.
als mittleren Preis oder 1,02 frs. für 17 km angenommen,
würde die Roh-Einnahme für 57 600 Reisende 58 752 frs.
betragen. Der Transportpreis für Güter betrug z. Z. von
Colmar nach Münster 4 frs. für Kohlen und 5 bis 6 frs.
für Handelsgüter. Unter Zugrundelegung von 6 cts pro
tkm für Kohlen, Holz und Baumaterialien, zusammen
1,02 frs, für 17 km und von 1,70 frs. für die übrigen
Güter, ergab sich folgende Einnahme:
für 10800 t Güter der I. Klasse
» 21 600 t Güter der IL Klasse
* zusammen
Hierzu
für Gepäck u. A. 10°/ . . .
» Wertgegenstände 6°/ . .
zusammen
ferner
für Reisende
Gesamteinnahme
11016 frs.
36720 *
47 736 frs.
4 700 frs.
2800 »
55236 frs.
58752 frs.
113988 frs.
Die geplante Eisenbahn von Colmar nach Münster
würde, so nahm man an, von einer neuen Gesellschaft
nicht gewinnbringend betrieben werden können, da in
diesem Falle die Verwaltungskosten, die Ausgaben für
eine besondere Station in Colmar mit erforderlichem Per-
sonal, für eigenes Betriebsmaterial, für Reparatur- Werk-
stätten die gesamte Einnahme verschlingen würden. Aus
diesem Grunde war von vornherein beabsichtigt, der
Ostbahn-Gesellschaft den Betrieb zu übertragen ; hier-
durch liess sich eine bedeutende Verminderung der ge-
samten Kosten erzielen, da in Colmar bereits eine Haupt-
"station, die alsdann gemeinschaftlichen Zwecken dienen
konnte, vorhanden war. Lokomotiven und Wagen, sowie
ein zahlreiches und geübtes Personal standen zur Ver-
fügung, und auf der neuen Strecke wurden weder eine
Zentral- Verwaltung noch besondere Werkstätten, Schuppen,
noch auch eine erhebliche Vermehrung des Bewachungs-
Personals erforderlich.
Durch die Einnahmen, welche sowohl für die zu er-
— 101 — ""-**
bauende neue Strecke, als auch durch diese für die
Hauptlinie Basel-Strassburg sich erwarten Hessen, würde
die französische Ostbahn ihre Ausgaben reichlich decken
und sich ausserdem einen angemessenen Gewinn von
etwa 45% auf die Roheinnahme der geplanten Eisenbahn
sichern können. Die übrigen 55°/ würden für die 4 2 / 3
prozentigen Zinsen und die 1 / 2 prozentigen Amortisations- .
Raten eines Kapitals von ungefähr 1 250 000 frs. genü-
gen ; der Rest wäre durch eine Subvention von 95000
frs. seitens der Gemeinden, Industriellen und des Depar-
tements aufzubringen. Es wurde vorgeschlagen, entwe-
der, dass eine lokale Gesellschaft um die Concession
nachsuchte, und den Betrieb der Ostbahn-Gesellschaft
übertrug oder derselben die Bahn durch Verkauf ganz
überliess, schliesslich, dass die Ostbahn-Gesellschaft den
Bau selbst übernahm.
Der Bau der Strecke Colmar-Münster wurde durch
Dekret vom 5. August 1866 der Stadt Münster concessio-
nirt, und zwar unter den Bedingungen des Gesetzes vom
12. Juli 1865, betr. Herstellung von Lokaleisenbahnen.
Durch Vertrag vom 22. November 1865 hatte die Stadt
Münster mit der französischen Ostbahn-Gesellschaft einen
Vertrag abgeschlossen, nach welchem diese auf der Strecke
Colmar-Münster den Betriebsdienst unter später zu ver-
einbarenden Bedingungen je nach den Anforderungen des
Verkehrs einrichten sollte. Die gesamten Kosten der lau-
fenden Unterhaltung, grosser" Reparaturen, der Erdarbei-
ten, Kunst- und Hochbauten, sowie der Wiederherstell-
ung der Bahn fielen der Ostbahn-Gesellschaft vorläufig
zur Last. Diese wollte im Uebrigen weder an dem Ge-
winne noch an dem Verluste des Unternehmens sich be-
theiligen, die Betriebsführung sollte daher gegen Erstat-
tung der Selbstkosten, einschliessl. Zinsen und Amorti-
sation des Anlagekapitals für das beschaffte Belriebsma-
terial geschehen.
Im Falle der Unzulänglichkeit der Einnahmen zur
Deckung der Ausgaben stand der Rekurs gegen die Stadt
Münster zu. Die Gültigkeit des Vertrages war auf 6
Jahre nach Eröffnung des Betriebes festgesetzt. Am 3.
Dezember 1868 wurde die Strecke Colmar-Münster er-
öffnet und von der französischen Ostbahn in Betrieb ge-
nommen,
• • • ••
Ausbau des lothringischen Eisenbahnnetzes.
Infolge der aus dem Unter-Elsass hervorgegangenen
Anregung halte der Generalrat des Mosel-Departements
in seinen Sitzungen von 1863, 1864, 1865 und 1866 sich
eingehend mit der Lokalbahnfrage beschäftigt. Nach
reiflicher Prüfung der Bedürfnisse des Landes und der
Opfer, welche die Bevölkerung und speziell die Interessenten
zu leisten imstande waren, wurden im Jahre 1864 vier
Vorschläge, welche von Mitgliedern des Generalrates unter-
breitet worden waren, zur Beratung gestellt. Diese Vor-
schläge betrafen 1. eine Eisenbahn von Metz nach Briey,
2. von Metz nach Bolchen, 3. von Saargemünd nach
Saaralben und 4. von Sierck nach Diedenhofen. Der
Generalrat beschloss infolgedessen, dass sowohl für die
genannten als auch für alle anderen Sekundärbahnen des
Departements, welche günstige Betriebs-Bedingungen er-
warten Hessen, Vorstudien in die Wege geleitet werden
sollten. Im Jahre 1865 wurden daher Vorprojekte für
folgende 9 Bahnen vorgelegt:
1. von Metz nach Briey ;
2. von Audun-le-Roman nach der luxemburgischen
Grenze bei Esch mit Abzweigung nach Oettingen und
Rümelingen ;
3. von Aumetz nach Longwy;
4. von Diedenhofen naeh Sierck ;
5. von Metz nach Bolchen und Teterchen;
6. von Rohrbach nach der Grenze bei Zweibrücken ;
7. von Saaralben nach der Strecke Diedenhofen-Nieder-
bronn ;
8. von Falkenberg nach Dieuze ;
9. von Herlingen nach Pont-ä-Mousson.
Nach einer allgemeinen Enquete, welche den Zweck
hatte, die verschiedenen Ansichten aus den Kreisen der
interessirten Bevölkerung zu sammeln, und nach ein-
gehendem Studium des finanziellen Theiles der geplanten
Unternehmungen, wurden alsdann im Jahre 1866 sämt-
liche Projekte ^wieder vorgelegt.
Für die erste Linie von Metz nach Briey (11 km) waren
die Herstellungskosten auf 110820 frs. pro km (aus-
schl. Betriebsmaterial), die Einnahmen auf 4546 frs.
pro km veranschlagt,
— .103 —
für die zweile von Audun-le-Roman nach Aumetz und
luxemburgische Grenze gegen Esch nebst Abzweigung
nach Oettingen und Villerupt (28 km) die Ausgabe
auf 82780 frs., die Einnahme auf 7832 frs. pro km,
für die dritte von Aumetz nach Longwy (20 km) die
Ausgabe aaf 73863 frs, die Einnahme auf 6120 frs.
pro km,
für die vierte : Diedenhofen-Sierck (18 Km) die Ausgabe
auf 85713 frs, die Einnahme auf 6167 frs pro km,
für die fünfte : Bolchen-Metz und Teterchen (35 km) die
Ausgabe auf 91 108 frs, die Einnahme auf 6830 frs.
pro km,
für die sechste: Rohrbach nach der Grenze bei Zwei-
brücken (14 km) die Ausgabe auf 104 800 frs, die Ein-
nahme auf 3581 frs. pro km,
für die siebente : Saaralben-Saargemünd (15 km) die
Ausgabe auf 90600 frs, die Einnahme auf 5249 frs,
pro km,
für die achte : Falkenberg-Dieuze,die Ausgabe auf 79 210 frs,
die Einnahme auf 4874 frs. pro km,
für die neunte : Herlingen-Pont-ä-Mousson, die Ausgabe
auf 77777 frs. die Einnahme auf 2134 frs. pro km.
Die allgemeine Enquete ergab jedoch ein grössten-
teils negatives Resultat. Die Anerbietungen des finan-
ziellen Mitbewerbes von Seiten der Gemeinden und Privaten
waren unbedeutender Natur. Nur für die Linie Saar-
gemünd-Saaralben erfolgte eine lebhaftere Betheiligung.
Die Stadt Saaralben hatte allein eine Subvention von
100000 frs. zugesagt. Ausserdem ergaben die von der
Verwaltung der Salinen von Salzbronn und Saaralben,
sowie von den Bewohnern der letzteren Stadt veranstal-
teten Subscriptionen einen Beitrag von 58200 frs. zusammen.
Es wurde daher zunächst die Vertagung sämtlicher Pro-
jekte, mit Ausnahme desjenigen für die Bahn von Farsch-
weiler bezw. Saargemünd nach Saaralben, beschlossen.
Zu letzterer genehmigte der Generalrat gleichzeitig eine
Betheiligung mit 30000 frs. in maximo, entsprechend den
Bestimmungen des Gesetzes vom 12. Juli 1865. Endlich
hielt es der Generalrat für nötig, «nichts zu versäumen,
um die Bevölkerung über ihre wahren Interessen aufzu-
klären. Er zähle, um dieses Resultat zu erreichen, nicht
nur auf die dem Präfekten zur Verfügung stehenden
Mittel der eigenen Initiative, sondern auch auf den Beistand
— 104 —
aller erleuchteten Männer und Redakteure von öffentlichen
Blättern, welche vorzüglich geeignet erscheinen, die
zur Gleichgültigkeit so sehr geneigten Geister wachzu-
rufen».
Die projektive Bahn von Saargemünd nach Saar-
alben deckte sich theil weise mit einer bereits lange zuvor
im Anschlüsse an das grosse Netz der Lille -Strassburger
Eisenbahn geplanten Linie von dem Saarbrücker Kohlen-
gebiete über Saargemünd nach Saarburg. Gleichzeitig
war, hauptsächlich unterstützt durch den Direktor der
Buchsweiler Minen, Schattenmann, das alte Projekt des
Saarkohlen-Kanales von neuem in den Vordergrund ge-
rückt worden. Die Industriellen des Elsass, welche an-
fangs die für die Industrie so wichtige Eisenbahn-Ver-
bindung von Saarbrücken nach Saarburg mit allen Mitteln
unterstützt hatten, sahen sich endlich, da die französische
Ostbahn immer wieder den Bau dieser Bahn zu hinter-
treiben suchte, veranlasst, für den Saarkohlen-Kanal ein-
zutreten, veranstalteten infolgedessen eine Subscription
und boten schliesslich der Regierung eine Anleihe von
11000000 frs. zur Herstellung des Kanales an. Der
Hauptzweck dieses Vorgehens war in erster Linie, die
französische Ostbahn zu zwingen, der Ausführung der
Linie Kochern-Saargemünd-Saarburg nichts mehr in den
Weg zu legen, worauf dieselbe dann endlich auch einsah,
dass sie nicht länger ihre eigenen Interessen den allge-
meinen Interessen des Landes voranstellen könnte, und
ein Angebot für den Bau der gen. Linie mit dem Ver-
sprechen einer bedeutenden Ermässigung des Transport-
preises für Kohlen auf der neuen Bahn unterbreitete.
Die Folge davon war, dass sowohl die Handelskammer
von Strassburg als auch diejenige von Nancy, sowie der
Generalrat des Meurthe-Depart^ments auf die Herstellung
des Saarkohlen-Kanals verzichteten. Hierzu drängten
ausserdem folgende Erwägungen:
Der Erfahrung gemäss verursachten die Kanäle in
diesen Gegenden jeden Winter grössere Wiederherstellungs-
und Ausbaggerungsarbeiten, durch welche der Verkehr
auf mindestens 3 Monate unterbrochen wurde. Die da-
durch veranlassten Massenbeschaflfungen von Kohlen führ-
ten durch die eintretende Zerstäubung und allgemeine
Verminderung der Heizkraft einen bedeutenden, für die
Industrie sehr empfindlichen Wert- Verlust herbei. Auf
der Eisenbahn fielen diese Unannehmlichkeiten selbst-
— 105 —
verständlich weg. Ausserdem kam zugunsten derselben
die grössere Schnelligkeit und Regelmässigkeit der
Transporte in Betracht. Was nun die Beförderungspreise
anbelangt, so hatte die französische Ostbahn bereits einen
Tarifsatz von 0,04 frs. pro tkm für Orte, wie Mülhausen,
Sennheim und Thann, bewilligt. Der Preis stellte sich
daher für die Tonne Kohlen von Saarbrücken auf der
Eisenbahn (Kochern-Saarburg) nach Mülhausen (237 km)
zu 0,04 frs. auf 9,48 frs.
auf dem Kanäle (263 km) zu 0,025 » auf 6,58 »
Diese Frachtdifferenz zugunsten des Kanales wurde
jedoch allgemein als viel zu gering gegenüber den son-
stigen Unannehmlichkeiten betrachtet, was schon dadurch
bewiesen war, dass z. B. von 20000 t im Jahre 1858
nur 15 000 Tonnen auf der Eisenbahn bis Frouard und
von da per Kanal nach Mülhausen und 5000 t direkt auf
der Eisenbahn nach Mülhausen befördert worden waren*
während damals die FrachtdifFerenz sogar 3,35 frs. zu-
gunsten der Kanäle betragen hatte.
Die Herstellungs-Kosten für den Saarkohlen-Kanal
waren anfangs auf 10 000000 frs., nach genaueren Prü-
fungen jedoch auf mindestens 15 000 000 frs. veranschlagt
worden. (Im Mai 1866 wurde der Saarkohlen-Kanal dem
Betriebe übergeben).
Auch der preussische Staat hatte eine direkte Ver-
bindung des Saarkohlengebietes mit dem Elsass und der
Schweiz durch den Bau einer Bahn von Saarbrücken nach
Saargemünd beschlossen. Diese Linie wurde am 1. Juni
1870 eröffnet. Den auf französischem Gebiete gelegenen
Theil mit 751 Metern hatte die Ostbahn-Gesellschaft, den
auf preussischem Gebiete gelegenen die preussische Re-
gierung hergestellt. Inzwischen war auch der Bau und
Betrieb der Bahn von Saargemünd nach Saarburg von
dem Departement des Niederrheins durch Vertrag vom
18. Dezember 1867 der Society beige des chemins de fer
übertragen worden. Das Departement hatte nach diesem
Vertrage das erforderliche Terrain unentgeltlich zur Ver-
fügung gestellt, ferner auf seine Kosten die Herstellung
von Parallelwegen, Wege Verlegungen, Zufuhrwegen be-
wirkt und endlich eine Subvention von 8000 frs. pro km,
der Staat eine solche von 380 000 frs. im Ganzen be-
willigt. Der Bau der Bahn wurde kurz vor Ausbruch
des Krieges von 1870/71 in Angriff genommen und später
— 106 —
der Soci^t^ anonyme des chemins de fer de la Lorraine
übertragen.
In die Jahre 1867 und 1869 fallen zwei Verträge,
welche die Herstellung und den Betrieb von neuen An-
schlusslinien an das badische Eisenbahnnetz zum Gegen-
stande hatten. Nach dem ersten, am 12. September 1867
zwischen der französischen Ostbahn und der Stadt Colmar
abgeschlossenen Vertrage übernahm Letztere den Bau
einer Bahn von Colmar über Horburg nach Neubreisach
zum Anschlüsse an die auf dem rechten Rheinufer bei
Altbreisach einmündende badische Linie von Freiburg und
die Ostbahn den Betriebsdienst auf der genannten Strecke
gegen Erstattung der Selbstkosten. Der zweite Vertrag
vom 22. Oktober 1869 bestimmte, dass die französische
Ostbahn-Gesellschaft und die grossherzoglich badische
Eisenbahn-Verwaltung, jede auf ihrem Gebiete, eine ein-
gleisige Verbindungslinie von St. Ludwig über Hüningen
nach Leopoldshöhe, sowie auf gemeinschaftliche Kosten eine
feste Rheinbrücke herstellen sollten.
Schliesslich wurde auch bezüglich der Wilhelm -Lu-
xemburg-Bahnen im Anschlüsse an den bereits im Jahre
1857 abgeschlossenen Vertrag unterm 21. Januar 1868
eine neue Vereinbarung getroffen, nach welcher die fran-
zösiche Ostbahn auf die Dauer von 45 Jahren (bis 31.
Dezember 1912) den Betrieb auf den Luxemburger Linien
gegen eine jährliche Pacht von 3000000 frs. übernahm.
Verkehr sen twickelun g bis zum Kriege
1870/71.
Wenn wir uns nun der Entwickelung des Verkehrs
in der, mit dem Jahre 1863 beginnenden, neuen Periode
der Geschichte der elsass-lothringischen Bahnen zuwenden,
so bleibt zunächst zu untersuchen, ob die an die Her-
stellung von Lokalbahnen s. Zt. geknüpften Erwartungen
sich erfüllt haben. Die mit Ablauf des Jahres 1864 er-
öffneten Linien ergaben für 1865 folgende kilometrische
Einnahme :
Strassburg - Barr, Mutzig und
Wasselnheim 49 km = 7966,77 frs.
Hagenau-Niederbronn 20 « = 6528,60 »
Schlettstadt-Markirch 21 « = 5585,04 »
Dieuze-Avricourt 22 « = 5846,48 »
— 107 -
Der Bericht der französischen Ostbahn-Gesellschaft
vom Jahre 1866 besagt hierzu, dass auf einigen der gen.
Linien die Betriebskosten von den Einnahmen bereits
überschritten worden seien, und dass für die Zukunft
auch eine Deckung der Zinsen des Anlage-Kapitals zu
erwarten sei. Im Uebrigen zeigten die obigen Ziffern,
Wie illusorisch die auf den Betrieb der elsässischen Linien
gesetzten Hoffnungen gewesen wären, und dass die von
Privaten, Gemeinden, Departements und dem Staate ge-
machten Ausgaben voraussichtlich noch lange Zeit als
tote Kapita tien zu betrachten sein könnten.
Dagegen war schon im nächsten Betriebsjahre 1866
eine ziemlich beträchtliche Steigerung der Einnahmen
auf sämtlichen der gen. Linien eingetreten, und zwar auf
der ersten um ca. 400 frs., auf der zweiten um ca. 800 frs.,
auf der dritten um ca. 650 frs. und auf der Strecke
Dieuze-Avricourt um ca. 1334 frs. pro km. Im Jahre 1869
betrug die kilometrische Einnahme auf der Strecke
Strassburg-Barr, Mutzig und Wasselnheim = 9970 frs.
Hagenau-Niederbronn = 8139 »
(im Jahre 1870) = 11809 »
Schlettstadt-Markirch = 7689 »
Dieuze-Avricourt = 9246 /-
Was die allgemeinen Verkehrs- Verhältnisse anbelangt,
so hatte eine Steigerung auf dem ganzen Netze der fran-
zösischen Ostbahn und speziell den elsass-lothringischen
Linien stattgefunden. Die Erträgnisse stellten sich nach
Stationen, im Jahre 1870 wie folgt:
frs.
Strassburg
= 3317595,81
Forbach
= 2851779,25
Mülhausen
= 1733G56.06
Bettemburg
= 1575361,82
Basel
= 1554811,25
Diedenhofen
= 1346096,89
Metz
= 1034870,71
Alsdann folgen mit einer Einnahme von über 500 000 frs.
die Stationen Weissenburg, Bettingen, Golmar, Stieringen-
Wendel, Luxemburg ; mit über 100000 frs. Ulflingen,
Dommeldingen, Saargemünd, Ars a. M. Dornach, Dieuze,
Saarburg, Thann, St. Ludwig, Markirch, Zabern, Nov^ant,
Schlettstadt, Bischweiler, Lützelburg-Pfalzburg, Hagenau,
Hayingen, Wesserling, Hochfelden, Avricourt, Altkirch,
Wasserbillig, Gebweiler, Benfeld, Bollweiler.
— 108 —
Die kilomelrische Roheinnahme war auf sämtlichen
elsass-lothringischen Linien, z. Th. in ganz beträchtlichem
Masse gestiegen, und zwar
auf Paris-Strassburg v. ca. 60000 frs. (1863) auf ca. 79 000 frs. (1869)
> Frouard-Metz-Forbach » » 45000 > (1863) • > 61000 > (1869)
> Metz-Luxbg. Grenze » » 27000 » (1863) » > 40000 » (1869)
> Vendenhm.-Weissenbg. » » 17000 > (1863) » » 22200 » (1869)
» Strsb.-Basel-Thanneic. » > 34000 > (1863) > > 42500 » (1869)
> Noisy-le-Sec-Mülhausen > > 34000 > (1863) > > 45000 > (1869)
Die Roheinnahme auf den luxemburgischen Linien be-
trug im Jahre 1869 = 24 850 frs. pro km.
Seit mehreren Jahren hatte die französische Ostbahn
auf einigen Stationen Rückfahrkarten mit Preis-Ermässigung
gegen die einfache Fahrt eingerichtet. Dieselben wurden
mit der Zeit, da sie eine bedeutende Steigerung des Per-
sonen-Verkehres herbeiführten, auf alle wichtigen Ver-
bindungen ausgedehnt. Auch die Vergnügungszüge zu
ermässigten Preisen fanden bei der Bevölkerung grossen
Anklang. Sogenannte Ausflugs-Billete zur Begünstigung
des Besuches der Vogesen wurden seit 1865 verausgabt
und erzielten bedeutende Erfolge.
Die Bestrebungen der französischen Ostbahn, den
Transit-Güter- Verkehr zwischen England, Belgien und der
Schweiz, ferner zwischen Rotterdam, Amsterdam und
Basel, Zürich auf ihre Linien herbeizuziehen, scheiterten
anfangs an der Schwierigkeit, welche sich durch die Ver-
schiedenartigkeit der Tarife bot. Vom Jahre 1863 ab
wurden jedoch von seiten der in Frage kommenden Bahn-
Verwaltungen besondere Erleichterungen gewährt, welche
schliesslich die Einführung von feststehenden Tarifen zwi-
schen Belgien und Holland einerseits und den Schweizer
Stationen andererseits zur Folge hatten.
Das Jahr 1866 übte durch den deutsch-österreichischen
Krieg, die Cholera-Epidemie und beständigen Regen ei-
nen sehr ungünstigen Einfluss auf die gesamten Verkehrs-
Verhältnisse der elsass-lothringischen Bahnen aus. In
allen Zweigen der Industrie und in den Eisenbahnbetrie-
ben hatte sich eine allgemeine Krisis bemerkbar gemacht,
welche schwer auf dem Lande lastete.
An anderer Stelle ist bereits bemerkt worden, dass
die von der französischen Ostbahn durchschnittlich erho-
benen Transportsätze bedeutend unter den durch die
Lastenhefte vorgeschriebenen Maximaltaxen blieben. Die-
selben ermässigten sich für die Folge immer mehr. Im
— 109 —
Jahre 1851 betrug der mittlere Transportsatz für Güter
etwa 0,093 frs. pro t u. km, im Jahre 1869 dagegen nur
noch 0,058 frs., d. i, um 40°/ weniger. Eine .von der
französischen Ostbahn angestellte Vergleichung zwischen
ihren Tarifen und denjenigen der übrigen Bahnen ergab für :
die Grossherzogl. Badischen Bahnen durch-
schnittlich 0,0778 frs.
die pfälzischen Bahnen 0,0723 »
die rheinischen » ........ 0,0737 »
die österreichischen Staatsbahnen .... 0,0829 »
die » Südbahnen .... 0,0765 »
die Saarbrücker Bahnen (Kohlen) .... 0,0591 »
die italienischen Bahnen (Süd-Austro-Lom-
bard) 0,0841 »
die Schweizer Zentralbahn ...... 0,1068 »
die Vereinigten Schweizer Bahnen . . . 0,1210 »
Der Krieg und die Besetzung der Bahn
durch die Deutschen.
Wir haben gesehen, dass auf allen von der franzö-
sischen Ostbahn betriebenen elsass-lothringischen Linien
bis zum Jahre 1869 die Verkehrs-Ergebnisse einer auf-
steigenden Linie gefolgt waren. Auch das Jahr 1870 hatte
unter den allergünstigsten Aussichten begonnen. Da er-
hielt am 15. Juli 1870 die französische Ostbahn- Gesell-
schaft von dem Minister der öffentlichen Arbeiten den
Befehl, «alle ihre Transportmittel zur Verfügung des Kriegs-
ministers zu stellen. Die dem öffentlichen Verkehre- die-
nenden Personen- und Güterzüge konnten auf dem ganzen
Eisenbahnnetze ausgesetzt werden.» Und nun galt es,
die Eisenbahnen einer Bestimmung zuzuführen, welche
schon in wenigen Monaten Entscheidungen der ernstesten
Natur für dar ganze Land bringen sollte !
Es ist bereits an betreffender Stelle darauf hingewie-
sen worden, dass die französische Regierung schon sehr
frühe sich die obersten Aufsichts-Rechte über die Ei-
senbahnen zu wahren wusste. Dies gilt, in einem Lande
wie Frankreich, wo der nationale Gedanke ausgeprägt
ist, wie kaum in einem anderen, natürlich auch von der
Benützung des neuen Verkehrsmittels im Interesse der
Landes-Verteidigung. Während in den, den Konzessions-
— 110 j-
Urkunden beigegebenen Lastenheften ausdrücklich jede
private Bevorzugung vor dem Tarife untersagt war,
musste .dem Staate*, hauptsächlich, wenn es sich um stra-
tegische Rücksichten, um die Beförderung von Truppen
und Kriegsmaterial handelte, eine Ermässigung um die
Hälfte, (z. Th. sogar auf */*) der gewöhnlichen Beför-
derungssätze gewährt werden. Ausserdem wurden durch
diese Lastenhefte, durch die Königl. Ordonnanz von 1846,
sowie besondere Verträge mit den Eisenbahn-Gesellschaf-
ten genaue Bestimmungen getroffen über die Benützung
der Bahnen in Kriegszeiten, die Zusammensetzung der
Züge, den Transport von Kriegsmaterial jeder Art, die
einheitliche Beförderung von Truppen u. s. w. Dagegen
bestand in Frankreich, wie der Betriebs-Direktor der fran-
zösischen Ostbahn, Jacqmin, in seinem vortrefflichen
Werke : «Les chemins de fer pendant la guerre de 1870/71»
hervorhebt, im Gegensatze zu Deutschland keine ernst
durchgearbeitete und erprobte Militär-Transport-Ordnung.
Es waren nur «zwei Versuche einer Organisation gemacht
worden, die eine von dem Marschall Niel auf das sorg-
fältigste ausgearbeitet, die andere, welche aber zu spät
kam, von Freycinet aufgestellt. Während des Krieges
gab es sozusagen gar keine Organisation: Jeder gab Be-
fehle, und die Eisenbahn-Verwaltungen standen fortwäh-
rend sich widersprechenden oder unausführbaren Befehlen
gegenüber. .... Die Gesellschaften erhielten zu gleicher
Zeit von der Intendantur, von der Geniekorps-Verwaltung,
von den Ateliers zu Meudon Aufträge, welche, vollständig
unabhängig von einander gegeben, die grösste Verwirrung
hervorriefen. Bei der Ankunft in Strassburg und Metz
herrschte eine Unordnung, von der Niemand eine Ahnung
hat, der nicht dabei gewesen ist, und welche alle
über jene traurigen' Ereignisse veröffentlichten Auf-
zeichnungen bestätigen.» Mit diesen charakteristischen
Worten giebt Jacqmin ein Bild von den Zuständen, welche
während der Kriegsmonate auf den ostfranzösischen
Bahnen geherrscht hatten.
Wenn aber auch der Wert der Leistungen dieser
Bahnen im Interesse Frankreichs während der Kriegszeiten
gering anzuschlagen ist, so darf nicht verkannt werden,
dass an die Leistungsfähigkeit derselben die allergrössten
Anforderungen gestellt wurden. Strassburg und Metz
waren bekanntlich die Hauptpunkte, welche es zunächst
zu erreichen galt. Am 16. Juli begannen die Truppen-
— 111 —
transporte. Dieselben bewegten sich hauptsächlich auf
folgenden grossen Linien :
1. Ardenner Bahn nach dem Norden Frankreichs,
2. Von Paris nach Strassburg für die Armeen aus
Paris, aus dem Innern und dem Westen Frankreichs,
3. Von Gray nach Metz und von Beifort nach Weis-
senburg für die Truppen' aus Lyon, aus dem Süden
Frankreichs und aus Algerien.
Die Zahl der Züge betrug in 22 Tagen 1223. Befördert
wurden in dieser Zeit 300000 Mann, 64 700 Pferde, 6600
Kanonen und Wagen, 4400 Proviant- und Munitions wagen.
Diese gewaltige Leistung war auf die Arbeiten der vom
Marschall Niel eingesetzten Kommission, welche sich aus
Generalstabs-Offizieren und Eisenbahn-Ingenieuren zu-
sammensetzte, zurückzuführen.
Am 8. August 1870 wurde der Betrieb in Saarburg
eingestellt. Am 10. August trafen die Deutschen in Was-
selnheim ein, und bereits am 12. September verliessen
die französischen Züge auf der Hauptlinie nicht mehr den
Bahnhof von Paris. In der Nacht vom 6. auf den 7. August
nach der Schlacht bei Fröschweiler, verliess der letzte fran-
zösische Zug die Station Hagenau, woselbst gleich darauf
der erste preussische Zug eintraf. Nach Wiederherstellung
der Bahn zwischen Hagenau und Weissenburg wurde sofort
der Betrieb eröffnet. In Nancy trafen am 21. August die
ersten deutschen Züge ein, und die Strecken Vendenheim-
Weissenburg und Vendenheim Nancy waren in deutschen-
Händen. Die Niederlage bei Forbach und die Kapitulation
von Metz am 29. Oktober 1870 lieferten die ganze
Strecke Frouard-Forbach in die Macht der Deutschen,
die alsbald mit der Wiederherstellung der Bahn und der
Organisation des Betriebes begannen. Am 28. September
kapitulirte Strassburg, am 24. Oktober Schlettstadt, und
am 14. November traf der erste deutsche Zug in Mül-
hausen ein. Von den Lokalbahnen des Elsass und der
Vogesen hielt sich Beningen-Saargemünd infolge der hart-
näckigen Verteidigung der Festung Bitsch am längsten.
Die übrigen Linien wurden zunächst von den Deutschen
mangels des erforderlichen Betriebsmaterials und wegen
der geringen Bedeutung dieser Bahnen im militärischen
Interesse gar nicht in Betrieb genommen. Von der Strecke
Paris-Mülhausen wurde nur der Theil von Mülhausen bis
Üammerkirch vorläufig besetzt.
Die Hauptaufgabe der deutschen Regierung während
— 112 —
des Krieges bestand darin, die besetzten Eisenbahnlinien
in betriebsfähigen Zustand zu versetzen. Zu diesem Zwecke
wurden 5 Betriebs-Kommissionen eingesetzt. Die erste
hatte ihren Sitz in Saarbrücken und umfasste die Strecken
Forbach-Metz-Frouard, Metz-Diedenhofen und Ben ingen -
Saargemünd. Die zweite, erst in Weissenburg, dann in
Strassburg ansässige, übernahm den Betrieb der Linien
Weissenburg-Strassburg-Nancy und der Bahnen des Elsass
bis Beifort. Ausserdem bestanden Betriebs-Kommissionen
in Nancy, Reims und Chaumoiit für alle übrigen, in
Frankreich besetzten Linien. An der Spitze jeder Betriebs-
Kommission stand ein Präsident, demselben zur Seite ein
Ingenieur und ein administratives Mitglied. Da die fran-
zösische Ostbahn- Gesellschaft das gesamte Betriebsmaterial
mit Ausnahme einiger in der Eile zurückgelassener Lo-
komotiven und Wagen nach dem Innern Frankreichs
gezogen hatte, und da die einzelnen Strecken ein Bild
der grenzenlosesten Zerstörungen boten, hatten die Betriebs-
Kommissionen im Anfang mit den grössten Schwierig-
keiten zu kämpfen. Von einem öffentlichen Verkehre
konnte natürlich nur in ganz beschränktem Masse die
Rede sein. Der Frankfurter Friedens-Vertrag vom 20. Mai
1871 endlich machte dem provisorischen Zustande des
Rechtes der Waffen ein Ende und verlieh der Besitzer-
greifung der elsass-lothringischen Linien durch die deutsche
Regierung völkerrechtliche Gültigkeit. Und hiermit be-
ginnt die zweite Epoche in der Geschichte der Eisenbahnen
von Elsass-Lothringen, die Geschichte der Reichsbahnen.
IV. KAPITEL.
Die Reichsbahnen (Von 1871 bis 1878).
Erster Ausbau des Netzes.
Frankfurter Friedens- Vertrag und deutsche
Verwaltung.
Nach dem Zusatz- Arlikel 1 zum Frankfurter Friedens-
verträge sollte «die französische Regierung innerhalb der
für den Austausch der Ratifikationen des gegenwärtigen
Vertrages festgesetzten Frist von dem ihr zustehenden
Rechte zum Rückkauf der, der Ostbahn-Gesellschaft er-
— 113 —
teilten Concessionen Gebrauch machen. Die deutsche
Regierung wird, soweit es sich um die in den abgetrennten
Gebieten gelegenen, vollendeten oder im Bau begriffenen
Eisenbahnen handelt, in alle Rechte eintreten, welche die
französische Regierung durch den Rückkauf der Conces-
sionen erworben haben wird.
§ 2. In diese Concession sind einbegriffen :
1. alle der gedachten Gesellschaft zugehörigen Grund-
stücke, ohne Unterschied ihrer Bestimmung, z. B. Bahn-
hofs- und Stations-Gebäude, Schuppen, Werkstätten,
Niederlagen u. s. w.
2. alle dazu gehörigen festen Pertinenzstücke, wie
Barrieren, Zäune, Weichen u. s. w.
3. alle Materialien, Brennstoffe und Vorräte aller Art,
Bahnhofs-Mobiliar u. s. w.
4. die Forderungen der Ostbahn-Gesellschaft an Kor-
porationen oder Personen, welche in den abgetretenen
Gebieten ihren Wohnsitz haben, auf Zahlungen von
Subventionen
§ 3. Ausgeschlossen von dieser Abtretung ist das
Betriebsmaterial. Die deutsche Regierung wird den etwa
in ihrem Besitz befindlichen Teil des Betriebsmaterials
nebst Zubehör der französischen Regierung zurückerstatten.»
§ 6. Die deutsche Regierung wird der französischen
Regierung für die Abtretung der in §§ 1 u. 2 erwähnten
Eigentumsrechte u. s. w. die Summe von 325000000 frs.
zahlen.»
Gleichzeitig hatte in Anbetracht der vollständig ver-
änderten Verhältnisse die deutsche Regierung sich bereit
erklärt, in alle für die französische Ostbahn aus den Kon-
ventionen mit der Wilhelm-Luxemburg-Bahn-Gesellschaft
erwachsenden Rechte einzutreten.
Die Gesamtlänge des von der französischen Ostbahn
abgetretenen Bahnnetzes von Elsass-Lothringen betrug ca.
740 km. Es umfasste folgende Strecken :
1. Basel-Strassburg-Weissenburg 205,44 km.
2. Mülhausen-Altmünsterol 34,75 »
3. Lutterbach-Wesserling I 40 71 »
4. Sennheim-Senntheim [ '
5. Bollweiler-Gebweiler 6,19 »
6. Schlettstadt-Markirch 21,37 ,»
7. Strassburg-Barr mit Abzweigungen von
Molsheim nach Mutzig und Wasseln-
heim 48,94 »
8
— 114 —
8. Strassburg-Kehl Grenze 7,98 »
9. Vendenheim-Avricourt 81,90 »
10. Avricourt-Dieuze 23,17 »
11. Hagenau-Beningen-Karlingen 115,88 »
12. Pagny Grenze-Metz- Stierin gen Grenze 89,02 »
13. Metz-Diedenhofen luxemb. Gr. 46,42 »
14. Diedenhofen-Fentsch Grenze 17,46 >
15. Saargemünd-preussische Grenze 0,75 *
Verpachtet waren
1 . an die bayerische Pfalzbahn die Strecke vom Bahn-
hof Weissenburg bis zur Grenze ;
2. an die Saarbrücker Eisenbahn
a. die Strecke vom Bahnhof Saargemünd bis zur
preussischen Grenze,
b. aie Strecke vom Bahnhof Stieringen bis zur
preussischen Grenze;
3. an die französische Ostbahn die Strecke vom
Bahnhof Diedenhofen bis zur französischen Grenze
bei Fenlsch.
Gepachtet waren
von der französischen Ostbahn
1. die Strecke von der französischen Grenze bis Beifort.
2. » » » » » » » Pagny.
Durch Vertrag mit der Stadt Münster vom 12. De-
zember 1871 wurde auch die Strecke Colmar-Münster
Eigentum des deutschen Reiches. Der Kaufpreis betrug
2700000 frs.
Durch Allerhöchsten Erlass vom 9. Dezember 1871
erfolgte die Einsetzung einer besonderen Behörde unter
dem Namen «Kaiserliche General-Direktion der Eisen-
bahnen in EIsass-Lothringen», welche mit allen Befug-
nissen und Pflichten einer öffentlichen Behörde ausgestattet
wurde und unmittelbar unter dem Reichskanzler-Amte
ressortirte. Die organische Zergliederung der Verwaltung
war zunächst folgende:
Das Zentralbüreau mit Administrationsbüreau, Be-
triebs-Kontrole, bautechnisches Bureau, betriebstechni-
sches Bureau und Hauptkasse, Direkt unter der General-
Direktion fungirlen der Obermaschinenmeister, der Tele-
graphen-Inspektor, Güter-Inspektor (Reklamations-Büreau)
und für die lokale Verwaltung 6 Betriebs-Inspektoren
in Mülhausen, Colmar, Strassburg, Saargemünd, Metz
— 115 —
und Luxemburg, ferner 6 Güter-Inspektoren in denselben
Orten, sowie Eisenbahn-Baumeister und unter diesen
Bahnmeister u. s. w. Die Wahrnehmung des Bahnbe-
wachungsdienstes erfolgte durch Barrieren wärter oder
durch Frauen von Rottenarbeitern, ferner durch Patrouil-
leure, die Wahrnehmung des Betriebsdienstes durch
Stations-Vorsteher, Stations- Aufseher und -Assistenten,
durch Stations-Kassen-Rendanten, Gepäck- und Güter-
Expedienten. Assistenten und Wiegemeister.
Betriebs-Maschinenmeister fungirlen in Mülhausen,
Strassburg, Montigny und Luxemburg. Eisenbahn* Werk-
stätten befanden sich zunächst in Mülhausen und Luxem-
burg.
Die vor dem Kriege begonnene Strecke Gourcelles-
Bolchen und die beinahe vollendete Linie Saarburg-Saar-
gemünd waren inzwischen von der Soci&6 beige des
chemins de fer an die Soci&ö anonyme des chemins de
fer de la Lorraine überlassen worden, welche den Weiter-
bau bewirkte. Mit dieser Gesellschaft schloss die Eaiserl.
General-Direktion am 4. April 1872 einen Vertrag, durch
welchen Letztere die genannten Bahnen vom Tage der Fer-
tigstellung an gegen einen Pachtzins von 4V 2 % fiir das
erste Jahr und von 5% des Anlage- Kapitals von
260000 Thaler pro Meile för die folgenden Jahre in Betrieb
nahm. Gleichzeitig wurde der Kaiserl. General-Direktion
das Recht eingeräumt, die Bahnen jederzeit gegen die
Kaufsumme von 260000 Thaler pro Meile zu erwerben.
Die Strecke Saarburg-Saargemünd wurde am 1. Novem-
ber 1872, die Strecke Gourcelles-Bolchen am 15. Juni 1873
dem Betriebe übergeben. Ferner erfolgte am 1. April 1873
die Eröffnung der bereits vor dem Kriege begonnenen Bahn
von Metz nach Amanweiler.
Inzwischen hatte die deutsche Regierung Schritte
gethan, um den Betrieb der Wilhelm-Luxemburg-Bahnen
mit demjenigen der Reichsbahnen in Elsass-Lothringen
zu vereinigen. Die zu diesem Zwecke zwischen der deut-
schen und der Grossherzogl. Luxemburgischen Regierung
getroffene Uebereinkunft vom 11. Juni 1872 (Gesetz vom
15. Juli 1872) bestimmte, dass die, der Königl. Gross-
herzogl. Wilhelm-Luxemburgischen Eisenbahn-Gesellschaft
im Gebiete des Grossherzogtums concessionirten Bahn-
strecken bis zum 31. Dezember 1912 durch die, mit der
Verwaltung der Eisenbahnen in Elsass-Lothringen betraute
Kaiserliche General-Direktion in Strassburg gegen eine
- 116 —
jährliche Pacht von 2500000 frs. verwaltet und betrieben
werden sollten. Gleichzeitig wurde mit Belgien unterm
11. Juli 1872 eine Uebereinkunft getroffen" wegen Ueber-
nahme des Betriebes auf der, auf belgischem Gebiete ge-
legenen Strecke Gouvy-Spa durch die belgische Regie-
rung, Der von Letzterer zu zahlende Antheil an der
jährlichen Pacht beträgt 500000 frs. Die ganze von der
französischen Oslbahn-Gesellschaft gezahlte Pacht betrug
3000000 frs.
' Der Betrieb wurde von der deutschen und belgischen
Verwaltung gleichzeitig am 16. September 1872 eröffnet.
Die von der Käiserl. General-Direktion in Betrieb genom-
menen Strecken der Wilhelm-Luxemburg-Bahn hatten eine
Länge von zusammen etwa 174 km und uinfassten :
1. Luxemburg-lothringische Grenze = 16,68 km
2. Betlemburg-Oettingen-Rümelingen = 10,72 »
3. Bettemburg-Esch a. Elz -= 9,55 »
4. Luxemburg-Bettingen Grenze = 18,76 »
5. Luxem burg-Ulflingen Grenze = 76,76 »
6. Ettelbrück-Diekirch = 4,13 »
7. Luxemburg-Wasserbillig = 37,44 »
Beschaffung der Betriebsmittel,
Wiederherstellungsarbeiten und Bau von
neuen Bahnen.
Da die Eisenbahnen in Elsass-Lothringen ohne Be-
triebsmittel an die deutsche Verwaltung übergegangen
waren, handelte es sich für Letztere vor Allem darum,
Lokomotiven und Wagen zu beschaffen. In der ersten
Zeit wurden dieselben von fremden Verwaltungen, haupt-
sächlich von der französischen Ostbahn und vielen deut-
schen Eisenbahn-Verwaltungen geliehen. Aus Kriegsfonds
waren für den Betrieb der besetzten Bahnen während
1870/71 = 86 Lokomotiven, 200 bedeckte und 341 ofTene
Güterwagen beschafft und später von der Kaiserlichen
General-Direktion käuflich übernommen worden. Bedeu-
tende Anschaffungen wurden in den folgenden Jahren aus
Mitteln des Reiches bewirkt, so dass Ende 1874 bereits
405 Lokomotiven, 776 Personen- Wagen, 200 Gepäck-
Wagen, 1735 bedeckte und 7845 offene Güter- Wagen
vorhanden und die letzten geliehenen Betriebsmittel ihren
— 117 —
Eigentümern zurückgegeben waren. Die Gesamt- Ausgaben
für die Beschaffung von Betriebsmitteln beliefen sich bis
Ende 1874 auf etwa 50 Millionen Mark.
Für die während des Krieges erfolgte Herstellung des
zweiten Gleises auf der Strecke Vendenheim-Weissenburg
waren 1203450 M., für sonstige Wiederhers tellungs- Ar-
beiten während des Krieges 1891422 M. aufgewendet
worden. Bedeutende Kosten verursachten die später aus-
geführten Wiederherstellungs-Arbeilen auf dem Bahnhofe
Strassburg und den südlich von Strassburg gelegenen
Bahnstrecken, sowie die Erweiteruug der Bahn- und Bahn-
hofs- bezw. Werkstätten-Anlagen u. s. w. Dieselben be-
liefen sich bis Ende 1876 auf etwa 17 Millionen Mark.
Eine grosse Aufgabe hatte die kaiserliche General-
Direktion durch den Bau folgender neuen Linien zn er-
füllen, welche theils zur Herstellung weilerer Anschlüsse
an Altdeutschland, theils zur besseren Verbindung der be-
deutenden Städte von Elsass und Lothringen dienten. Durch
die Reichsgesetze vom 15. Juni 1872 und 18. Juni 1873
wurden ausserordenliche Geldmittel für die Ausführung
der nachgenannten Bahnen aus Reichsfonds bewilligt:
1. Üiedenhofen-Sierck (24 km) als Fortsetzung der
zur gleichen Zeit von Trier aus projektiven Mosel-Bahn.
2. Rieding-Remilly (57 km und 4 km Kurve bei
Rieding), die wichtigste der herzustellenden Linien. Sie
stellte eine direkte Verbindung von Strassburg mit Metz
her und kürzte den früheren Weg zwischen den beiden
Hauptstädten des Landes über Saargemünd bezw. Frouard
ganz bedeutend ab.
3. Steinburg-Buchsweiler (13 km). Dieselbe diente
hauptsächlich der Erschliessung der Industrien der be-
treffenden Gebietsteile. Unter französischer Verwaltung
war bekanntlich eine Verbindung von Hochfelden mit
Buchsweiler bereits projektirt gewesen.
4. Zabern-Wasselnheim (18 km). Auch diese Bahn
war bereits unter französischer Regierung geplant. Sie
stellte im Anschlüsse an die Linie Barr-Schlettstadt eine
direkte Verbindung von Lothringen mit dem Ober-Elsass
unter Umgehung von Strassburg her.
5. Barr-Schlettstadt (18 km). Auf die Bedeutung
dieser beiden unter 4 und 5 genannten Bahnen im In-
teresse des lokalen Verkehres, auf die zahlreichen Industrien
des Breuschthales und der übrigen in Betracht kommenden
— 118 —
Seilenthäler, ist bereits an früherer Stelle hingewiesen
worden.
6. Mutzig-Schirmeck-Rothau (22 km), Für diese, die
Strecke Strassburg-Molsheim-Mutzig fortsetzende Bahn,
gilt das zuletzt Gesagte.
7. Strassburg-Lauterburg (56 km). Diese Strecke spielte
schon seit den frühesten Zeiten eine grosse Rolle in den
elsässischen Eisenbahn-Entwürfen. Sie ist verschiedene
Male verworfen worden. Ihre Hauptbedeutung war nun,
eine neue, kürzere, mililärich wichtige Verbindung zwischen
Strassburg und Mainz herzustellen.
8. Colmar-Breisach (21 km).
9. St. Ludwig-Hüningen-Leopoldshöhe (5,3 km, da-
von 3,5 auf elsässischem Gebiete) strategisch wichtig,
10. Mülhausen-Müllheim (21 km, davon 15,5 km auf
elsässischem Gebiete). Diese 3 letztgenannten Strecken
stellten neue Anschlüsse an das badische Eisenbahnnetz
her. Bezüglich der ersten 2 waren, wie wir gesehen
haben, schon zur französischen Zeit Verträge von der
Ostbahn-Gesellschaft abgeschlossen worden*
Ausserdem wurden zur Erweiterung der Bahn- Anlagen
verschiedene Projekte über die Grenzbahnhöfe Altmünsterol,
Avricourt, Novöant, Amanweiler und Fentsch und über
die Hauptbahnhöfe Strassburg, Metz, Saargemünd, Schlett-
sladt und Mülhausen aufgestellt und zum Theil schon
mit der Ausführung begonnen.
Von den projektiven Bahnstrecken wurde zuerst
Strassburg-Lauterburg am 25. Juli 1876 fertiggestellt und
dem Betriebe übergeben. Die Herstellungskosten hatten
8795739 M. betragen. Kurz darauf, am 15. Oktober 1876,
erfolgte auch die Eröffnung der Strecke Bolchen-Teterchen
durch die anonyme lothringische Eisenbahn-Gesellschaft,
mit welcher die'Kaiserl. General-Direktion unterm 15. Sep-
tember 1876 einen Pacht- Vertrag unter denselben Be-
dingungen wie die früheren Verträge abgeschlossen hatte.
Das Anlagekapital wurde hierbei auf 600000 M. pro
Meile, d. h. 601 920 M. für 7,524 km festgesetzt. Das-
jenige für Saarburg-Saargemünd betrug 5563792 M.,für
Gourcelles-Bolchen = 2337036 M.
In die Jahre 1877/78 fallt die Eröffnung einer grossen
Anzahl von Bahnen,- und zwar wurden dem Betriebe
übergeben :
2.
»
» » » »
3.
»
15. Oktober » »
4.
5.
J> » 9 »
10. Dezember » »
6.
»
» » » »
7.
»
5. Januar 1878 »
8.
»
6. Februar » »
— 119 —
1. Am 1. August 1877 die Strecke Zabern-Wasselnheim
(18 km)
» Schlettstadt-Barr
(17 km)
» Steinburg-Buchsweiler
(13 km) '
» Mutzig-Rothau (23 km)
Verbindungskurve Rieding-
Saaraltdorf (3 km)
Strecke Berthelmingen-Re-
milly (54 km)
» Colmar-Mitte Rhein-
brücke bei Altbrei-
sach (21 km)
» Mülhausen-Mitte
Rheinbrücke bei
Eichwald (18 km)
9. »11. » »» » St. Ludwig- Mitte
Rheinbrücke bei Hü-
ningen (4 km
Von diesen Linien waren diejenigen von Rieding
nach Remilly und Golmar -Altbreisach zweigleisig, die
übrigen eingleisig.
Die ersten Herstellungskosten hatten betragen:
für Zabern-Wasselnheim und Barr-
Schlettstadt = 5777159 M.
für Steinburg-Buchsweiler (aus Reichsfonds = 398 216 M.
ausserdem durch Subventionen des Lan-
des etc.) = 1008143 M.
für Mutzig-Rothau (aus Reichsfonds = 801496 M.
ausserdem durch Subventionen des
Landes etc.) = 1469291 M.
für Rieding -Remilly (aus Reichsfonds) = 8456106 M.
für Colmar-Altbreisach (aus Reichsfonds = 1869298 M.
ausserdem durch Subventionen des
Landes etc.) = 768000 M.
für Hülhausen-Mitte Rhein = 1004481 M.
für St. Ludwig-Hüningen = 390329. M.
Das gesamte vom Reiche aufgewendete Anlage-Kapital
für die Eisenbahnen in Elsass-Lothringen betrug am 1.
April 1878 zusammen 373484 637 M.
Da die, gemäss Zusatz-Artikel 1 zum Frankfurter
Friedensvertrage an die französische Regierung gezahlte
— 420 —
Kaufsumme von 325 Millionen frs. =260 Millionen Mark,
die wirklichen Herstellungskosten der übernommenen
Bahnen nachweislich um 91 433 428 M. übersteigt, — die
Baukosten berechnen sich nach rohen Ermittelungen auf
etwa 170000000 frs. — wird dieser Betrag zu Zwecken
der vergleichenden Statistik von dem Gesamt-Anlageka-
pital in Abzug gebracht und auf diese Weise das sogen,
gekürzte Anlage-Kapital ermittelt.
Die Entwickelung des Verkehres auf den
Reichs- und Wi lhelm-Luxemburg -Bahnen
bis 1878.
Der Krieg von 1870/71, welcher den deutschen
Stämmen die langersehnte Einheit brachte, hat auch auf
das gesamte Verkehrs-, insbesondere das Eisenbahnwesen
umgestaltend eingewirkt. Die politische Zersplitterung
Deutschlands hatte seit der ersten Entwickelung des
Eisenbahnwesens in einer bunten Vielgestaltigkeit auf
diesem Gebiete ihren Ausdruck gefunden. Eine bedeu-
tende Besserung war durch die Gründung des Nord-
deutschen Bundes und durch die Verstaatlichung einer
Anzahl von Privatbahnen in Preussen eingetreten, welcher
ein allgemeines Vorherrschen des Staatsbahn - Systems,
auch in Süddeutschland, gefolgt war.
Reichs verfass un g vom 16. April 1871.
Die Verfassung des deutschen Reiches vom 16. April
1871, durch Gesetz vom 25. Juni 1873 in Elsass-Loth-
ringen eingeführt, brachte eine allgemeine Regelung
sämtlicher Verkehrs- Verhältnisse.
Zunächst bestimmte dieselbe bezüglich des Eisenbahn-
wesens in den Artikeln 41 bis 47 Folgendes :
Artikel 41. Eisenbahnen, welehe im Interesse der
Verteidigung Deutschlands oder des gemeinsamen Verkehrs
für notwendig erachtet werden, können kraft eines Reichs-
gesetzes auch gegen den Widerspruch der Bundesmitglieder,
deren Gebiete die Eisenbahnen durchschneiden, unbe-
schadet der Landeshoheitsrechte, für Rechnung des Reichs
angelegt oder an Privat-Unter nehmer zur Ausführung
concessionirt werden.
— 121 —
Jede bestehende Eisenbahn- Verwaltung ist verpflichtet,
sich den Anschluss neu angelegter Eisenbahnen auf Kosten
der Letzteren gefallen zu lassen.
Artikel 42. Die Bundesregierungen verpflichten sich,
die deutschen Eisenbahnen im Interesse des allgemeinen
Verkehres wie ein einheitliches Netz verwalten und zu
diesem Behuf auch die neuherzustellenden Bahnen nach
einheitlichen Normen anlegen und ausrüsten zu lassen.
Artikel 43. Es sollen demgemäss in thunlichster
Beschleunigung übereinstimmende Betriebseinrichlungen
getroffen , insbesondere gleiche Bahnpolizei-Reglements
eingeführt werden. Das Reich hat dafür Sorge zu tragen,
dass die Eisenbahn-Verwaltungen die Bahnen jederzeit
in einem, die nötige Sicherheit gewährenden, baulichen
Zustande erhalten, und dieselben mit Betriebsmaterial so
ausrüsten, wie das Verkehrs-Bedürfnis es erheischt.
Auf Grund der Artikel 42 und 43 sind vorn Bundesrate
des deutschen Reiches einheitliche Normen für den Bau und
die Ausrüstung der Eisenbahnen Deutschlands, ferner ein
gemeinsames Bahnpolizei-Reglement vom 30. November
1885, eine Bahnordiiung für Bahnen untergeordneter Be-
deutung vom 12. Juni 1878, ferner die Signal- Ordnung
für die Eisenbahnen Deutschlands vom 30. November 1885
erlassen worden.
Durch Gesetz vom 27. Juni 1873 wurde das Reichs-
dsenbahnamt in Berlin errichtet. Dasselbe hat «das dem
Reiche zustehende Aufsichtsrecht über das Eisenbahnwesen
wahrzunehmen, für die Ausführung der, in der Reichs-
verfassung enthaltenen Bestimmungen, sowie der sonstigen
auf das Eisenbahnwesen bezughabenden Gesetze und
Vorschriften Sorge zu tragen, und endlich auf Abstellung
der hinsichtlich des Eisenbahnwesens hervortretenden
Missstände und Mängel hinzuwirken.»
Der Artikel 44 der Verfassung schreibt den Eisenbahn-
Verwaltungen die Verpflichtung vor, die für den durchge-
henden Verkehr und zur Herstellung ineinander greifender
Fahrpläne nötigen Personenzüge mit entsprechender Fahr-
geschwindigkeit, desgleichen die zur Bewältigung des Güter-
Verkehres nötigen Güterzüge einzuführen, auch direkte
Expeditionen im Personen- und Güter-Verkehre, unter Ge-
stattung des Ueberganges der Betriebsmittel von einer auf die
andere Bahn, gegen die übliche Vergütung einzurichten.
Artikel 45. «dem Reiche steht die Kontrole über das
Tarifwesen zu. Dasselbe wird namentlich dahin wirken :
— 122 —
1. dass baldigst auf allen deutschen Eisenbahnen
übereinstimmende Betriebs-Reglements eingeführt werden ;
2. dass die möglichste Gleichmässigkeit und Herab-
setzung der Tarife erzielt, und zwar, dass zunächst
thunlichst der Einpfennigtarif eingeführt werde.
In Ausführung dieser Artikel ist vom Bundesrate das
Betriebs-rReglement vom 11. Mai 1874 (an Stelle des Be-
triebs-Reglements für den norddeutschen Bund) erlassen
worden.
Artikel 47. Den Anforderungen der Behörden des
Reiches in betreff der Benützung der Eisenbahnen zum
Zwecke der Verteidigung Deutschlands haben sämtliche
Eisenbahn- Verwaltungen unweigerlich Folge zu leisten.
Insbesondere ist das Militär und alles Kriegsmaterial zu
gleichen ermässigten Sätzen zu befördern.
In Ausführung dieses Artikels wurde das Reichsgesetz
über die Kriegsleistungen vom 13. Juni 1873 und in der
Folge die Kriegs-Transport-Ordnung vom 26. Januar 1887
sowie die Friedens-Transport-Ordnung vom 11. Februar
1888 erlassen.
Auf Grund des Abschnittes VIII der Verfassung wurde
auch durch das Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1875
das Verhältnis der Eisenbahn zur Post geregelt und ersterer,
ähnlich wie dies auch in Frankreich der Fall war, weitgehende
Verpflichtungen der Post- Verwaltung gegenüber auferlegt.
Das Zoll- und Handelswesen ist durch Abschnitt IV der
Reichs Verfassung geregelt worden. Die Artikel 33 bis 40
bestimmen, dass Deutschland ein Zoll- und Handelsgebiet,
umgeben von einer gemeinschaftlichen Zollgrenze, bildet.
Eingeschlossen ist auch das Grossherzogtum Luxemburg.
Dem Reiche steht ausschliesslich die Gesetzgebung zu
über das gesamte Zollwesen, über die Besteuerung des
im Bundesgebiete gewonnenen Salzes und Tabaks, berei-
teten Branntweines und Bieres und aus Rüben oder an-
deren inländischen Erzeugnissen hergestellten Zuckers
und Sirups u. s. w.
Bereits durch das Vereinszollgesetz von 1869 waren
die Durchfuhr- und Ausgangszölle aufgehoben worden, so
. dass nur noch Eingangszölle auf Genuss- und Nahrungs-
mittel, auf Luxus-Gegenstände, sowie industrielle Fabrikate
und Halbfabrikate erhoben wurden.
123 —
Der Wagenraum- und Gewichts-Tarif.
Bezüglich des Eisenbahn-Tarifwesens waren bereits
vor dem Kriege Reformen vorbereitet worden. Als herr-
schendes Tarif-System bestand das, anfangs bei allen
Bahnen nach dem Vorbilde der Strassen- und Kanalbeför-
derungspreise eingeführte Wertklassen-Svstem, welches je-
doch mit der Zeit derart unübersichtlich geworden war,
dass es zu häufigen Klagen von seilen des Publikums Ver-
anlassung gab, andrerseits aber auch den einzelnen Kon-
kurrenz-Gesellschaften eine bequeme Handhabe zu unre-
eller Tarifpolitik bot. Diese Gründe, sowie der immer
mehr hervortretende Wagenmangel, der hauptsächlich
durch den Krieg noch verstärkt wurde, hatlen schliess-
lich die Tariffrage zu einer immer dringenderen gestal-
tet; Vereinfachung der Tarife, bessere Ausnützung der
Betriebsmittel einerseits, und Konkurrenz, freies Spiel der
Kräfte, andrerseits, waren die ruhenden Pole in dem Hin
und Wider der Erörterungen. Die beiden ersten Mo-
mente vereinigte der sogen. Wagenraumtarif, der in seiner
reinen Form allerdings nur bei einer einzigen Bahn, «der
Nassauischen», nach welcher er auch genannt wird, zur
Einführung kam. Dieser Tarif kanpte nur Eilgut, Stück-
gut, sperriges Gut und Wagenladungsgut (zu 5000 und
zu 10000 kg) Das leitende Princip des Wagenraumsy-
stems besteht in der Begünstigung einer tipöglichst guten
Wagenausnützung, der Berücksichtigung der Selbstkosten
der Eisenbahnleistung, der gleichmässigen Behandlung
aller Güter, Vermeidung der Gruppirung der Güter nach
ihrem objektiven Werte», (Rank) vor allen Dingen aber
in der Vereinfachung des Tarifwesens.
Elsass-Lohtringen, welches der Schauplatz der Kämpfe
um die Einheit Deutschlands gewesen war, wurde auch
das Versuchsfeld für ein einheitliches deutsches Tarif-
system. Während des Krieges konnte von einer Zulass-
ung des öffentlichen Verkehres nur in beschränktem Masse
die Rede sein. Die Festsetzung der Beförderungpreise
erfolgte unter den einfachsten Grundsätzen, indem für
Stückgut 7 l / § Centimes pro Centner *und Meile, für Güter
in Wagenladungen, in bedeckten Wagen 3 1 /* Gentimes
pro Gentner Wagentragfähigkeit und in offenen Wagen
2 l / 2 Gentimes erhoben wurden.
Ueber die weitere Entwicklung des Tarifwesens in
— 124 -
Elsass- Lothringen berichtet der preussische Staats- Anzeiger
in seiner Nr. 86 von 1871 Folgendes: «Diese hohen Sätze
konnten selbstverständlich nicht länger beibehalten wer-
den, zunächst kam in Frage, ob die früher bestandenen
französischen Ostbahntarife wieder eingeführt oder die auf
den deutschen Bahnen üblichen Frachtsätze, unter gleich-
zeitiger Anwendung einer der deutschen Waaren-Klassi-
fikationen, angenommen werden sollten. Beides schien
misslich. Das französische-Ostbahn-Tarifsystem ist über-
aus komplizirt und enthält eine Menge von Speziaisätzen
für einzelne Gütersorten, resp. für einzelne Versand- und
Bestimmungsorte, die anscheinend gewisse Verkehrszweige
besonders zu begünstigen und den Verkehr auf gewisse
Zentren hinzulenken bestimmt sind. Ein solches Tarif-
system auch nur provisorisch wieder einzuführen, konnte
nicht wohl angeraten werden. Aber auch einen der
deutschen Tarife auf die elsass-lothringischen Bahnen
überzuführen, glaubte man Anstand nehmen zu sollen.
Bei der unzureichenden Kenntnis von den lokalen Be-
ziehungen und Verkehrsbedürfnissen schien es bedenklich,
ohne Weiteres mit einem für andere Verhältnisse berech-
neten Tarif- und Klassifikationssystem vorzugehen ....
Bei dieser Sachlage war es angezeigt, in dem neuen Tarife
zunächst nur auf die Beseitigung der Härten und Un-
gleichheiten der bisherigen Tarifsätze hinzuwirken, im
Uebrigen aber in demselben sich an das bestandene,
einfache Tarif^ystem bis auf Weiteres anzuschliessen.
Ueberdies hatte sich dieses während seines kurzen Be-
standes eine immer allgemeinere Anerkennung erworben
demgemäss sieht der neue Tarif gleichfalls von
einer Waaren-Klassifikation ab und enlhält neben einem
treu eingeführten Satze für Eilgut, einen Tarifsatz für
Einzelgut und zwei Tarifsätze für Wagenladungsgut (einen
für Güter in gedeckten und einen für Güter in offenen
Wagen). Den Anforderungen der Gerechtigkeit und Billig-
keit entsprechend, sind dann die Sätze überall erheblich
ermässigt und für die Wagenladung&sätze, weniger die
mehr oder minder zufällig gegriffene Tragfähigkeit des
Wagens, als vielmehr das Gewicht und der Rauminhalt
des verladenen Gutes als entscheidend angenommen wor-
den. Die Sätze sind in der Weise gebildet, dass neben
einer festen Expeditions-Gebühr
1. für Einzelgut 4 Cts. pro Zentner und Meile, und
2. für Wagenladungsgut, a. in gedeckten Wagen 3 Cts.
— 425 —
pro Ztnr. und Meile für die ersten 100 Ztnr. und 2 Cts.
für jedes weitere in demselben Wagen verladene Gewicht,
b. in offenen Wagen 2 Cts, pro Zlnr. und Meile für die
ersten 100 Ztnr, und 1 Cts. für jedes weitere Gewicht
eingerechnet sind. Bei voller Ausnützung der Tragfähig-
keit eines 200 Zentner-Wagens (und ein solcher darf
heute als Normalwagen bezeichnet werden) kommt daher
in bedeckten Wag-en in offenen Wagen
für die ersten 100 Ztnr. ä 3 Cts. = 300 Cts. ä 2 Cts. = 200 Cts.
> > zweiten 100 > a 2 » = 200 > a 1 » = 100 »
für 200 Ztnr. 500 Cts. 300 Cts.
mithin für 1 Zentner nnd pro Meile 2*/ 2 Cts., bezw. Vf %
Cts., bei nicht voller Ausnützung der Tragfähigkeit, d. i.
bei voluminösen Gegenständen ein verhältnismässig hö-
herer Zentnersatz zur Erhebung.
Neben dieser für Güter aller und jeder Art zur An-
wendungkommenden, allen Geschäften und Industriezweigen
gleichmässig zugutekommenden Tarifirung hat übrigens
der sogen. Pfennigtarif als Ausnahme-Tarif Aufnahme
finden können und müssen».
Dieser Einpfennigtarif ist bekanntlich durch Artikel 45
der Verfassung des deutschen Reiches vom 16. April 1871
vorgeschrieben worden. Und zwar sollte «die mög-
lichste Gleichmässigkeit und Herabsetzung der Tarife
erzielt, insbesondere bei grösseren Entfernungen für den
Transport von Kohlen, Koks, Holz, Erzen, Steinen, Salz,
Roheisen, Düngungsmitteln und ähnlichen Gegenständen
ein, dem Bedürfnis der Landwirtschaft und Industrie ent-
sprechender, ermässigter Tarif, und zwar zunächst thun-
lichst der Einpfennigtarif, eingeführt werden.»
Artikel 46 schreibt vor, dass «bei eintretenden Not-
ständen, insbesondere bei Teuerung der Lebensmittel, die
Eisenbahn -Verwaltungen verpflichtet sind, für den Trans-
port, namentlich von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten und
Kartoffeln, zeitweise einen dem Bedürfnis entsprechenden,
von dem Kaiser auf Vorschlag des Bundesrats- Ausschusses
festzustellenden, niedrigen Spezialtarif einzuführen, welcher
jedoch nicht unter den niedrigsten auf der betr. Bahn
für Rohprodukte geltenden Satz herabgehen darf».
Der Verk e hr.
Nach dem Kriege war die Verkehrslage in Elsass-
Lothringen eine äusserst ungünstige, denn der Hände.
— 126 —
und die Industrie hatten schwer gelitten. Hierzu gesellte
sich für die Geschäftswelt die Befürchtung, durch die
Herstellung der neuen Zollgrenze die alten und natürlichen
Absatzgebiete in Frankreich zu verlieren. Die Geschäfts-
welt von Elsass-Loth ringen, vertreten durch die Handels-
kammern, wurde daher zu verschiedenen Malen bei der
französischen Regierung vorstellig, dieselbe möchte eine
Uebergangszeit von etwa 3 Jahren gewähren, während
welcher die im Elsass hergestellten Waaren beim Ueber-
gange nach Frankreich dieselben Vortheile wie die fran-
zösischen geniessen sollten. Infolgedessen kam zwischen
Frankreich und Deutschland die Konvention vom 12. Ok-
tober 1871 zustande, nach welcher die französische Grenze
bis zum 31. Dezember 1872 den elsässischen Produkten
zu ermässigten Gebühren geöffnet blieb. Im Uebrigen
wurde von einem grossen Theile der Geschäftswelt des
Elsass, hauptsächlich des Ober-Elsass, der Anschluss an
das deutsche Zollgebiet lebhaft begrüsst.
Der neue Tarif für den Binnen-Güter-Verkehr, auf-
gebaut auf dem Prinzipe des kombinirten Wagenraum-
und Gewichtssystems, fand den Beifall der Bevölkerung
und übte sehr bald einen günstigen Einfluss auf die Be-
triebs-Ergebnisse der Bahn aus. Im Jahre 1872 wurden
84064296,2 Zentner befördert, darunter
641131,4 Zentner als Eilgut,
1 527,2 » » Postgut,
4307274,7 » » Stückgut,
7206277,7 Zentner als Wagenladung, Klasse A,
15436902,2 » » Wagenladung, Klasse B,
53457 102,7 » » nach Spezialtarifen u. s. w.
Die Gesamte-Einnahme, aus dem Güter- Verkehr belief
sich auf etwa 15546516 M. Auf 1 km Bahnlänge ent-
fallen hiervon durchschnittlich 102642 Zentner mit 18982 M.
Einnahme; auf Elsass-Lothringen 18842 M. ; auf die
Wilhelm-Luxemburg-Bahn 21 154 M. Der Binnen- Verkehr
ergab eine Einnahme von etwa 64%, der direkte und
durchgehende Verkehr 36% des Gesamt-Ertrages.
In den direkten und durchgehenden Verkehren war
die Einrichtung von einheitlichen Tarifen anfangs auf
grosse Schwierigkeiten gestossen, da die übrigen Ver-
waltungen sich schwer dazu entschlossen, irgend welche
Abweichungen von ihren Tarifsyslemen zuzugestehen. Den-
noch gelang es bald, direkte Tarife mit Belgien, Holland
- 127 —
und Norddeutschland zu vereinbaren. Der Kohlen- Verkehr
aus dem Saargebiete, aus der Pfalz, dem Ruhrgebiete und
Belgien wurde durch besondere Tarife zwischen den betr.
Bahnen und Stationen von Elsass-Lothringen und Luxem-
burg, sowie von Frankreich und der Schweiz begünstigt.
Ausserdem bestanden Spezialtarife für Rohzucker von
Prag nach Paris, fiir Rohtabak von Wien nach Paris,
für Getreide, Hülsenfrüchte, Öelsaaten, Sämereien, Kar-
toffeln in Säcken, für Bier, Schiefer, Erze, Roheisen in
direkten und durchgehenden Verbindungen.
Am 1. März 1872 erfolgte die Einrichtung eines
südwestdeutschen Verbands-Güter- Verkehres, nachdem die
Verwaltungen der Pfälzischen, der Hessischen Ludwigs-,
der Königl. Saarbrücker Bahn und der Nassauischen Staats-
bahn den kombinirten Gewichts- und Wagenraumlarif im
Verkehre mit Elsass-Lothringen angenommen hatten, Die
Beziehungen der Reichsbahnen erweiterten sich indessen
immer mehr, sodass am 1. Juli 1872 der nordwestdeutsche
und bald darauf der mitteldeutsche Verband zustande-
kamen. Der Verkehr mit Frankreich erforderte zunächst
die Einführung eines Umexpeditionstarifes. Leichter da-
gegen gestaltete sich die Wiederanknüpfung der alten
Handelsbeziehungen mit den belgischen und holländischen
Seehäfen; bereits am 1. Oktober 1872 erfolgte die Ein-
führung eines direkten Gewichts- und Wagenraumtarifes.
Auf der Wilhelm-Luxemburg-Bahn Hess man es vorläufig
noch bei den von der französischen Ostbahn eingeführten
Tarifen bewenden, weil man von dem Verkehr der gen.
Bahn jede mit einem Betriebswechsel zusammenhängende
Störung hatte vermeiden wollen.
Die mit dem 1. Januar 1872 auf den Reichsbahnen
eingeführten Einheitssätze für die Personen-Beförderung
betrugen pro Person und Meile
für die I. Klasse Schnellzug 0,75 frs.
» » II. » » 0,45 «
» » I. » Personenzug 0,60 «
» » II. » » 0,35 «
» » III. » » 0,20 »
Besonders diese Personen-Tarife übten einen uner-
wartet günstigen Einfluss auf den Verkehr aus.
Für die Hin- und Rückfahrt wurden keine Fahrpreis-
Ermässigungen gewährt. Abonnemetitskarten gelangten
mit zweimonatlicher Gültigkeit und einer Preisermässig-
— 128 —
ung von 25%, Schüler-Abonnementskarten bis zu sechs-
monatlicher Gültigkeit zum Preise von 0,05 frs. pro
Fahrt und Meile zur Ausgabe. Direkte Personen-Tarife
wurden mit den meisten Nachbar- und deren Anschluss-
bahnen vereinbart, ausserdem bestanden durchgehende
Verkehre zwischen Stationen verschiedener deutscher
und österreichischer Bahnen, sowie zwischen Constantinopel
und Stationen der französischen Ostbahn bzw. London,
ferner verschiedene Rundreise-Verkekre.
Es wurden im Jahre 1872 im Ganzen befördert : 8 413 640
Personen,
davon entfallen auf I. Klasse 195113 » = 2,32%
» .II. * 1533 641 )> = 18,23°/
» HL » 6 470 986 » = 76,91°/
» » » Militär 213 900 » = 2,54°/
Die Einnahme aus dem Personen -Verkehre betrug
6 836037 M.
Von der Gesamtzahl der beförderten Personen ent-
fallen auf den Binnen- Verkehr 7 534740 Personen mit
einer Einnahme von 5330 832 M., auf die direkten Ver-
kehre 878 900 Personen mit 1505202 M.
Die höchsten Ziffern wiesen der südwestdeutsche Ver-
kehr über Forbach und Weissenburg, der süddeutsche
Verbands-Verkehr und der Verkehr mit der französischen
Ostbahn auf.
Die gesamte im Betriebsjahre 1872 erzielte Ein-
nahme aus dem Personen-, Gepäck- und Güter- Verkehre
sowie aus verschiedenen anderen Quellen (Pachten, Mieten
u. dgl. m.) betrug:
auf der Reichsbahn auf der Wilh.-Luxembg.-Bahn
rund 25197888 M. 1266132 M.
Die Ausgabe betrug:
für allgemeine Verwaltung (Reichsbahn) 1 255 440 M. rund
» Bahn- » » 6195861 » »
>* Transport- » » 11506326 » »
zusammen : 18957 627 M. rund.
Die Ausgabe der Wilh. -Luxemburg-Bahn ausschl.
Pacht stellte sich auf rund 1398453 M.
— 129 -
Die Einnahme für die Reichsbahn mit
25219341 M. angenommen
Die Ausgabe mi t 19059 639 M .
Ergiebt 6159702 M. Ueberschuss auf der
Reichsbahn.
Auf der Wilh. Luxemburg- Bahn betrug für die Zeit
vom 16. September 1872 bis Ende Dezember desselben
•Tf)hi*6S
die Einahme = 1 271 514 M.
die Ausgabe = 1 401 363 »
129849 M. Minder-Einnahme.
Die kilometrische Roheinnahme betrug rund 33000 M.
Die französische Ostbahn hatte auf der Gesamtlänge ihres
Netzes eine kilometrische Roheinnahme von rund 40000 frs.
im Jahre 1869 erzielt, welcher Durchschnitt auch für die
elsass-lothringischen Linien allein angenommen werden
kann. Die kilometrische Ausgabe z. Zt. der französichen
Ostbahn- Verwaltung betrug etwa 17000 frs., unter der
deutschen Verwaltung etwa 24 000 M.
Von den Ausgaben entfallen etwa 2 / 5 auf persönliche,
1 I J auf Unterhaltung und Erneuerung der Bahnanlagen,
1 / 5 auf Kosten des Bahn-Transports, l j A auf sonstige Kosten.
Das Jahr 1873 hatte mit den günstigsten Aussichten
begonnen, eine allgemeine Verkehrssteigerung war ein-
getreten — da machten die ersten Einwirkungen der Geschäfts-
krise sich bemerkbar, welche auf allen Gebieten des wirt-
schaftlichen Lebens von Deutschland eingetreten war, nach-
dem eine allzustarke Inanspruchnahme der Verbrauchskräfte
des Landes diese erschöpft hatte. Im Anfange der siebenziger
Jahre war eine ungeheure Expansion im Eisenbahnbaue
eingetreten. Im Jahre 1873 erreichte dieselbe ihren Höhe-
punkt. Die Längen-Zunahme des europäischen Eisenbahn-
netzes betrug 1233 geogr. Meilen. In den nächsten Jahren
trat alsdann ein plötzlicher Rückschlag ein, und 1875
z. B. wurden nur 905 Meilen dem Verkehre übergeben.
Dieselbe Erscheinung charakterisirt die Entwickelung der
Eisenbahnen der übrigen Erdtheile. Unter diesem un-
günstigen Einflüsse stand das wirtschaftliche Leben fast
der ganzen Erde.
Von dem allgemeinen Rückgange wurden hauptsäch-
lich die luxemburgische Bergwerks-Industrie und der
Güter- Verkehr auf den reichsländischen und luxem-
9
— 130 —
burgischen Eisenbahnlinien betroffen. Die Eisen-Industrie
in Luxemburg hatte derart zu leiden, dass von 23 Hoch-
öfen im Jahre 1874 nur noch 9 im Jahre 1876 im Be-
triebe waren. Infolge der günstigen Ergebnisse aus der
ersten Hälfte des Jahres 1873 brachte dieses noch eine
ganz bedeutende Mehr-Einnahme von etwa 5640000 M.
gegen das Vorjahr, Die Zahl der beförderten Personen
hatte um 1547385, die Einnahme aus dem Personen-
Verkehre um etwa 700000 M. zugenommen. An Gütern
wurden etwa 140 Millionen Zentner gegen 84 Millionen
aus dem Vorjahre befördert, die Einnahme war von
15546516 M. auf 21385641 M. gestiegen. Diese Steige-
rung war hauptsächlich auf die Vermehrung der Trans-
porte von Steinkohlen und von Gütern der übrigen
Spezialtarife zurückzuführen, welche rund 45 Millionen
Zentner mit einer Einnahme von 3 Millionen Mark gegen
das Vorjahr betrug.
Im Jahre 1874 fand eine allgemeine Erhöhung sowohl
der Personen- als auch der Gütertarife statt, welche trotz
des Verkehrs-Rückganges eine beträchtliche Steigerung
der Einnahmen herbeiführte. Die Einheitssätze waren je-
doch durchschnittlich noch etwas geringer als die der übrigen
deutschen Bahnen. Imlntersse der notleidenden 'Bergwerks-
Industrie wurden im folgenden Jahre Tarif-Ermässigungen
für Kohlen-, Koks- und Erzbeförderung bewilligt. Die
Personentransportpreise betrugen nunmehr für:
I. Klasse Schnellzug 9,1 Pfg.
IL » » 6,4 »
I. » Personenzug 8,0 »
II. d » 5,3 »
III. » » 3,4 »
(Seit April 1875 waren als Einheiten Kilometer und
Mark eingeführt worden). Für Rückfahrkarten wurden
besondere Ermässigungen gewährt.
Während die Betriebs-Ergebnsise in den Jahren 1873
bis 1878 starke Einbussen erlitten, halten sich indessen
die Verkehrs-Beziehungen der Reichs-Eisenbahnen be-
deutend erweitert. Dies sprechen am deutlichsten folgende
Zahlen aus : Im Jahre 1872 betrug das Verhältnis der im
Binnen-Verkehre zu den in den direkten Verkehren be-
förderten Gütermassen 64°/ zu 36%, im Jahre 1877/78
dagegen 34°/ zu 66 7 * und zwar hatte sich der Ver-
kehr hauptsächlieh den deutschen Nachbarländern immer
— 131 -
mehr zugewandt. Die mit letzteren durch die Eisenbahn
ausgetauschten Gütermengen beliefen sich in Versand und
Empfang auf etwa 2 Millionen Tonnen, mit Frankreich
etwa 650000, mit Belgien etwa 500000, mit der Schweiz
150000 Tonnen. An dem internationalen, durchgehenden
Verkehre nahmen die Reichsbahnen in hervorragendem
Masse, mit 1244507 Tonnen theil.
Was das finanzielle Ergebnis anbelangt, so belief
sich das gesamte für die Reichseisenbahnen .in Elsass-
Lothringen bis zum Schlüsse des Jahres 1875 aufge-
wendete Anlage-Kapital auf 341212356 M., das gekürzte
auf 252406128 M. Die Einnahme betrug in diesem Jahre
35125008 M.
die Ausgabe = 26562044 M.
mithin der Ueberschuss = 8 562964 M.
Das Anlage-Kapital hatte sich demnach mit 2,510%
(das volle) bezw. 3,393°/ (das gekürzte) verzinst. Wenn
von den Einnahmen und Ausgaben diejenigen der Wil-
helm-Luxemburg-Bahn, welche darin enthalten sind, aus-
geschieden, ferner die für die gepachteten Strecken be-
zahlten Pachten, unter entsprechender Erhöhung des An-
lage-Kapitals um die Bausumme dieser Bahnen, abgesetzt
werden, so ergiebt sich eine Verzinsung des Anlage-
Kapitals von 2,9% bezw. 3,9%. Im Jahre 1874 hatte
die Verzinsung nur 1,438% bezw. 1,973% betragen.
Sehr schwach war das finanzielle Ergebnis der Wilhelm-
Luxemburg-Bahnen. Das Anlage-Kapital von 50 114082 M.
verzinste sich bei einem Einnahme -Ueberschusse von
1 105068 M. mit 2,1%. Werden von dem Ueberschusse
diejenigen Beträge abgezogen, welche bestimmungsmässig
in das Schuldkonto der Wilhelm-Luxemburg-Bahn einge-
tragen wurden, so reduzirt sich die Verzinsungsziffer
auf 1,2%.
Dieser Umstand, sowie verschiedene andere Gründe
wirkten ungünstig auf die Betriebs-Ergebnisse der Reichs-
eisenbahnen ein. Zu diesen Gründen gehörten vor allem
das ungewöhnlich grosse Anlage-Kapital, das ungefähr
300000 M. pro km betrug, ferner die allgemein gedrückte
Verkehrslage jener Zeit, die bedeutenden Betriebs - Aus-
gaben, welche der Reichsbahn -Verwaltung nach dem
Kriege erwachsen waren, endlich der Umstand, dass die
genannte Verwaltung eine Menge von Nebenbahnen mit zu
verwalten halte, welche geringe Einnahmen, theilweise
— 132 —
sogar Mehrausgaben zu verzeichnen hatten« Zu den letz-
teren Linien gehörten Conrcelles-Teterchen, Diedenhofen-
Fentsch, Metz- Aman weiler, Karlingen - Saargeraünd-Ha-
genau, Strassburg-Lauterburg, Avricourt-Dieuze, Schlett-
stadt-Markirch. Colmar-Münster, Bollweiler-Gebweiler und
Lutterbach-Wesserling, Sennheim-Sentheim. Die Strecken
mit den höchsten Einnahmen waren : Metz-luxemburgische
Grenze und Metz-Forbach mit 25074 M. pro km,
Strassburg-Avricourt » 25549 » » »
Strassburg-Basel » 32231 » » »
Mülhausen-Altmünsterol » 29586 » » »
Der Reform-Tarif.
Der in Elsass-Lothringen eingeführte und von der
ganzen Geschäftswelt beifällig aufgenommene, kombinirte
Wagenraum- und Gewichtstarif hatte sich inzwischen
einen immer grösseren Anhängerkreis erworben. Nachdem,
wie bereits erwähnt,- die belgischen und holländischen
Häfen, und im Jahre 1872 auch die dem südwestdeutschen,
nordwestdeutschen und mitteldeutschen Verbände angehö-
renden Stationen im Verkehre mit der Reichsbahn, ferner
im Jahre 1874 die pfälzischen und hessischen Bahnen im
Binnen-Verkehre den genannten Tarif eingeführt hatten,
waren in Anlehnung an denselben auch die bayerischen und
württembergischen Bahnen zur Annahme eines neuen Tarif-
Sy stemes geschritten, welches im Prinzipe den Raumtarif
mit dem Wertklassen-Tarif durch Einrichtung von 3
Güterklassen vereinigte. Eine Menge von Bahnen stand
jedoch mit den elsass-lothringischen noch im Verkehre,
welche den Raum-Tarif nicht angenommen hatten. Infolge
der hierdurch verursachten Verschiedenheit in den Tarif-
Verhältnissen wurde auf den preussischen Staatsbahnen
zur Herbeiführung einer Vermittelung die Bildung eines
gemischten, sogenannten Raum- und Wertklassen-Tarifes
angeregt. Die übrigen norddeutschen Bahnen hatten
hingegen aus Konkurrenz-Rücksichten an dem elastischeren
Wertklassentarife festgehalten. So bestanden nebeneinander
in Deutschland der elsass-lothringische Raumtarif, der
norddeutsche Wertklassentarif, der bayerische und wür-
tembergische gemischte Tarif, ausserdem ein vom
Reichseisenbahn-Amt, und endlich ein von 40 deutschen
Bahn- Verwaltungen vorgeschlagener, neuer Tarif. Eine
Einigung wurde erst erzielt, als im Jahr 1876 nach ver-
— 133 —
geblieben Bemühungen von Seiten des Reiches der, aus
Vertretern verschiedener norddeutscher und süddeutscher
Bahnen gebildete Tarif-Verband sämtliche deutschen Ei-
senbahn-Verwaltungen aufforderte, sich an den zur Ein-
führung eines einheitlichen Tarifes einzuleitenden Ver-
handlungen zu betheiligen. Infolgedessen wurde im Jahre
1877 in einer Hauptversammlung die Einführung des
deutschen Eisenbahn-Güter-Tarifes beschlossen. Derselbe
schrieb für sämtliche deutschen Bahnen dasselbe Tarif-
Schema bei verschiedenen, je nach den Verhältnissen
festzusetzenden Einheitssätzen vor.
Der am 1. Oktober 1877 in Elsass-Lothringen einge-
führte Binnen-Güter-Tarif setzte sich aus folgenden Klassen
zusammen :
Allgemeine
™ „ „.. . stück- Wagenladungs-
Entfernungen. Eilgut. ö gut "- klasse.
Spezialt&rife.
AI B. A2
I H.
III
A. Streckensätze für 1000 kg auf 1 km
in Pfennig.
bis 200 km . . 23 11,5 7,1 5,5 5,5
von 201— 400km. 21 10,5 6,9 5,3 5,3
über 400 km . 20 10 6,6 5,0 5,0
4,5 3,5
4,3 3,3
4,0 3,0
2,7
2,5
23
B. Expeditions-Gebühren für 1000 kg in Pfennig.
bis 25 km . . 240 120 120 80 80
von 26—200 km. 300 150 150 100 100
über 200 km .400 200 200 120 120
80 80
100 100
120 120
80
100
120
Nach den allgemeinen Wagenladungsklassen A 1 und B
werden hochwertige, nach den Spezialtarifen weniger
wertvolle, in einem besonderen Verzeichnis aufgeführte
Güter tarifirt. Speizaltarif I umfasst eigentliche Fabrikate,
Spezialtarif II Halbfabrikate, Spezialtarif III Rohprodukte
und Massengüter. Das in dem sogen. Reformtarif enthal-
tene Wagenraumsystem charakterisirt sich dadurch, dass
Güter, welche in Mengen von 5000 kg auf einen Fracht-
brief und an einen Empfänger aufgegeben werden (bzw.
wenn für solches Gewicht die Fracht bezahlt wird), nach
A 1 bzw. A 2 bzw. Spezialtarif lila (der Satz von Sp.-T. II)
und solche Güter, welche in Mengen von 10000 kg u.
s. w. aufgegeben werden, nach B bzw. Spezialtarif I, II
oder III tarifirt werden.
Die aus Vertretern der deutschen Staatsbahnen und
einiger Privat-Bahnen zusammengesetzte Tarif-Kommission,
ferner der aus 13 Mitgliedern bestehende Verkehrs* Aus-
- 134 —
schuss beraten über die Tarif- Vorschriften und Klassifi-
kationen und legen die aufgestellten Abänderungs-Enlwürfe
der General-Konferenz der deutschen Eisenbahnen zum
Beschlüsse vor. Auf diesem Wege ist der z. Z. gültige
deutsche Eisenbahn-Güter-Tarif, Theil I, ferner der deut-
sche Eisenbahn-Tarif für die Beförderung von Leichen,
Fahrzeugen und lebenden Tieren, Theil I, herausgegeben
worden.
Seit 21. Oktober 1874 besteht in Elsass-Lothringen,
zur Beratung gemeinschaftlicher Interessen des Verkehres
und zur Vertretung derjenigen des Handelsstandes gegen-
über der Eisenbahn-Verwaltung, der sogenannte Eisen-
bahnausschuss. Die Anregung ging s. Z. von der Handels-
kammer zu Mülhausen aus, hauptsächlich infolge der
Erhöhungen, welche die Tarife der Eisenbahn verschiedent-
lich erfahren hatten. Der Eisenbahn-Ausschuss besteht
aus Mitgliedern der 4 Handelskammern zu Mülhausen,
Colmar, Strassburg und Metz, aus Vertretern der Land-
wirtschaft und der Industrie, ferner aus Mitgliedern der
Eisenbahn-Verwaltung. Er tritt jährlich zwei Mal, zur
Zeit der Feststellung der Eisenbahn-Fahrpläne zusammen.
Der Zweck dieser Zusammenkünfte besteht in der Be-
sprechung wichtiger Verwaltungs- Angelegenheiten , der
Organisation des Betriebes, projektirter Reformen und
der Tarif- Angelegenheiten, sowie der Vertretung der In-
teressen des Publikums, sobald dieselben einen allgemeinen
Charakter tragen.
V. KAPITEL.
Von 1878 bis 1806.
"Weiter- Ausbau
des Netzes und Erwerb von neuen Bahnen.
Neubauten.
Durch Gesetz vom 21. Mai 1877 wurden 6415000 M.
für den Bau einer eingleisigen Eisenbahn von Völklingen
und Bous nach Teterchen bewilligt. Diese Linie schloss
sich an die bereits erbaute Strecke Gourcelles-Teterchen
— 435 —
an und stellte eine Verbindung der lothringischen Bahnen
mit dem Kohlen-Gebiete von Hostenbach dar, wodurch
siö von grosser Wichtigkeit für den Kohlenverkehr wurde.
In strategischer Hinsicht halte sie durch die Herstellung
einer neuen Verbindung Lothringens mit den Saarbrücker
Bahnen Bedeutung.
Bereits unter französischer Verwaltung war der Bahn-
hof in Strassburg als unzureichend für die von Jahr zu
Jahr sich steigernden Verkehrs Verhältnisse erkannt worden.
Nachdem das Eisenbahnnetz nun immer weiter ausgebaut
worden war, wurde die Herstellung eines neuen Bahn-
hofes ein um so dringenderes Bedürfnis und war ver-
schiedenemale von Seiten der Strassburger Handelswelt
zum Gegenstande von Vorstellungen bei der Kais. Gene-
ral-Direktion gemacht worden, welche sich übrigens auch
schon bald mit neuen Entwürfen befasst hatte. Dieselben
wurden im Jahre 1877 genehmigt, und nachdem auch
das dazu vorgesehene Terrain in den Besitz der Eisen-
bahn-Verwaltung übergegangen war, begann letztere im
Mai 1878 mit dem Baue des neuen Bahnhofes von
Strassburg.
Durch Gesetz vom 8. Mai 1878 wurde die Summe
von 9900000 M. für den Bau der Strecke Chäteau-Sa-
lins-Saaralben bewilligt. Diese Bahn diente vor allem
lokalen Interessen und war ferner in politischer Beziehung
dadurch von Bedeutung, dass sie eine bessere Verbindung
der Gegend von Chäteau-Salins mit dem deutschen Mutter-
lande herstellte. Die Strecke sollte eingleisig ausgebaut
werden.
Durch dasselbe Gesetz war auch die Summe von
3000000 M. für den Bau einer eingleisigen Bahn von
Dieuze nach Bensdorf, ferner die Summe von 1785000 M.
für die Herstellung der, für den Erz- und Kohlen-Verkehr
aus dem Saar-Gebiet wichtigen , ebenfalls eingleisigen
Linie Karlingen-Falk bewilligt worden.
Durch Gesetz vom 9. Juli 1879 wurde die Summe
von 4404 515 M. für den Bau der Linie Teterchen-Die-
denhofen bewilligt. Gleichzeitig hatte das Land Elsass-
Lothringen den gleichen Betrag, und der Bezirk sowie
einzelne Gemeinden und Interessenten den Restbetrag zu-
gesagt. Im Anschlüsse an die bereits erbaute Bahn von
Sleinburg nach Buchsweiler war verwaltungsseitig das
Projekt einer Fortsetzung dieser Linie nach Schweigbausen
aufgestellt und dasselbe alsbald genehmigt worden. Letzt-
— 136 —
genannte Linie sollte auf alleinige Kosten des Landes,
bezw. des Bezirkes erbaut werden.
Ferner wurden für Rechnung der Landesregierung
Vorarbeiten für eine Menge von neuen Bahnen gemacht,
und zwar :
1. von Neuweiler nach der pfälzischen Grenze über
Meisenthal..
2. » Bitsch nach der pfälzischen Grenze südlich von
Hornbach.
3. » Bitsch nach Wimmenau.
4. » Buchsweiler nach Saaralben.
5. » Neuweiler nach Rieding bezw. Berthelmingen.
6. » Beaudrecourt nach Delme.
7. » Dieuze nach Vic.
8. » Bollweiler nach Sennheim.
9. » Burnhaupt nach Altmünsterol.
10. » Gebweiler nach Bühl.
11. » Sentheim nach Masmünster.
Von diesen Linien konnten jedoch nur die unter 10
und 11 genannten in Aussicht genommen werden.
Ausserdem wurden eine Menge von Projekten über
Erweiterungsbauten und Umänderungen von Bahnhöfen,
sowie die Herstellung von Verbindungs-Kurven z. B. bei
Saargemünd und Mülhausen, ferner über die Herstellung
von zweiten Gleisen auf einzelnen Linien aufgestellt und
genehmigt.
Am 15. Mai 1878 erfolgte die Eröffnung der, bereits
im Jahre 1873 genehmigten, eingleisigen Strecke Dieden-
hofen — Sierck (22 km). Die Herstellungskosten hatten
5247 204 M. betragen. Von den übrigen, durch die Reichs-
gesetze von 1877 und 1878 genehmigten Eisenbahnlinien
wurden dem Betriebe übergeben :
Am 1. April 1880 Teterchen-Bous und
» 1. April 1881 Wadgassen - Hostenbach bezw. Völk-
lingen.
Die ersten Herstellungskosten hatten 6 258 437 M. betragen.
Am 1. Mai 1882 Dieuze-Bensdorf und Karlingen-Hargarten.
» 1. November 1881 Buchsweiler-Schweighausen.
Die letztgenannte Strecke ist aus alleinigen Mitteln des
Landes und Bezirkes erbaut worden. Die Kosten hatten
2128606 M. betragen. Die aus Reichsfonds erstattete
Bausumme für Dieuze-Bensdorf und Karlingen-Hargarten
belief sich auf 3509066 M.
— 137 —
Inzwischen waren durch das Reichsgesetz vom 24. Mai
1881 die Mittel zum käuflichen Erwerbe der, der loth-
ringischen Eisenbahn-Gesellschaft gehörigen Bahnstrecken
t Saarburg-Saargemünd, Courcelles-Teterchen und Chäteau-
Salins-Chambrey bewilligt worden. Am 1. Juli 1881 gingen
die beiden erstgenannten, bis dahin pachtweise betriebenen
Strecken, am 1. November desselben Jahres auch die,
vorher von der französischen Ostbahn betriebene Strecke
Chäteau-Salins-Chambrey mit Abzweigung von Burthe-
court nach Vic in den Besitz des Reiches und den Betrieb
der Kaiserl. General-Direktion über. Die Kaufsumme für
alle drei Bahnen betrug zusammen 9 817564 M.
Am 15. August 1883 erfolgte die Inbetriebnahme
des neuen Bahnhofes von Strassburg für den Personen-,
Gepäck- und Eilgut -Verkehr und am 24. September des-
selben Jahres für den Güter- Verkehr. Am 25. September
1884 wurde das Verwaltungsgebäude in Benutzung ge-
nommen. Die gesamten Herstellungskosten für den Zen-
tralbahnhof Strassburg beliefen sich auf etwa 14000000 M.
Zur Ausbeutung der reichen Erzlager des Algringer
Thaies hatten mehrere Erzconcessionäre auf ihre Kosten
eine, 5 km lange, normalspurige Bahn von Hayingen bis
zum Dorfe Algringen erbaut. Diese Bahn wurde im Juli
1882 vollendet und von der Eisenbahn-Verwaltutig in
Betrieb genommen. Am L September 1884 erfolgte die
Eröffnung der Sekundärbahn Sentheim-Masmünster und
am 15. Dezember 1884 die Eröffnung derjenigen von
Gebweiler nach Lautenbach. Die Herstellungskosten, welche
aus Mitteln des Landes gedeckt worden sind, betrugen
504 433 Mk. bezw. 549242 M.
Inzwischen hatte die Wilhelm-Luxemburg-Eisenbahn-
Gesellschaft die Strecke Esch-D.-Oth Redingen fertiggestellt
und die Kaiserl. General- Direktion den Betrieb auf der-
selben am 1. November 1881 auf Grund des Vertrages
vom 9. Januar 1877 übernommen. Die Esch-D.-Oth-
Redinger-Bahn wird gegen Erstattung der Selbstkosten
betrieben.
Eine weitere Vermehrung der Betriebsstrecken erfuhr
.die Reichsbahn-Verwaltung durch die Fertigstellung der
Linie Oettingen-Rümelingen-Langenacker am 7. Mai 1884,
derjenigen von Tetingen nach Langengrund und Kirch-
berg, sowie der Verbindungskurve bei Nörzingen am
29. September 1884. Diese Linien, welche im Gross-
herzogtum Luxemburg gelegen sind, werden kurz unter
— 138 —
der Bezeichnung «Rümelinger Anschlussbahnen» zu-
sammengefasst und auf Grund des mit der Wilhelm-
Luxemburg- Eisenbahn-Gesellschaft abgeschlossenen Ver-
trages vom 22/24. Oktober 1882 von der Reichsbahn-^
Verwaltung betrieben. Sie dienen hauptsächlich dem Erz-*
verkehre.
Die bereits im Jahre 1870 an die Schiltigheimer
Aktien-Gesellschaft concessionirte und von dieser erbaute
und betriebene Abzweigungsbahn von Strassburg nach
Schiltigheim wurde im Jahre 1881 durch Vertrag vom
12. Mai gegen die Kaufsumme von 250000 M. erworben.
Sie dient nur" dem Güterverkehre.
Durch die Reichsgesetze vom 30. März 1887, vom
1. Juni 1887 und vom 26. März 1888 wurden die Mittel
für folgende neue Strecken bewilligt und deren Bau an-
geordnet :
Hagendingen-Gross-Moyeuvre, normalspurige Sekundär-
bahn, im Interesse des Erzverkehres,
Weiterführung der Eisenbahn Strassburg-Rothau nach
Saales.
Buchsweiler-Ingweiler, normalspurige Sekundärbahn.
Ferner wurden angeordnet durch Gesetz vom 4.
' März 188£: Die Herstellung der normalspurigen Eisenbahn
von Weilerthal nach Weiler, von Altkirch nach Pfirt,
sowie der schmalspurigen Bahn von Colmar nach Markols-
heim. Der Betrieb wurde eröffnet:
Am 15. November 1888 auf der Strecke Hagendingen-
Gross-Moyeuvre,
» 16. Dezember 1889 auf der Strecke Buchsweiler-
Ingweiler,
» 1. Oktober 1890 Rolhau-Saales,
» 3. November 1890 Horburg-Markolsheim,
» 1. Oktober 1891 Weilerthal- Weiler,
» 4. Januar 1892 Altkirch -Pfirt.
Die ersten Herstellungskosten dieser Bahnen nach
dem Stande vom 1. April 1893 betrugen für:
Hagendingen-Gross-Moyeuvre 1378650 M. aus Reichs-
fonds und 90500 M. aus Mitteln des Landes.
Buchsweiler-Ingweiler 512089 M. aus Reichsfonds und
170 975 M. aus Mitteln des Landes.
Rothau-Saales 372931 M. aus Reichfonds und 950700 M.
Subventionen des Landes.
— . 139 — •
Horburg-Markolsheim und Ankauf der Anscblusslin ie
Horburg-Colmar 579225 M. aus Reichsfonds und
350000 M. aus Landesmitteln.
Weilerthal-Weiler 479161 M; aus Reichsfonds und
208 000 M. Subventionen des Landes.
Altkirch-Pfirt 1316521 M. aus Reichsfonds und 603099 M.
aus Landesmitteln.
Zweite Gleise sind hergestellt worden auf der Strecke
Saargemünd-Berthelmingen, Courcelles-Teterchen, Har-
garten -Wadgassen - Bous und Völklingen - Diedenhofen-
Teterchen. Ausserdem wurden eine Verbindungsbahn
von Lutterbach nach Mülhausen, von Laulerburg nach
dem Rheinhafen, sowie die Verbindungskurve bei Saar-
gemünd und endlich eine Reihe von Erweiterungsbauten
auf verschiedenen Bahnhöfen : Saargemünd, Diedenhofen,
Wadgassen, Luxemburg, Golmar und Mülhausen aus-
geführt.
Unter den, durch die Etats-Gesetze vom 1. Februar
1890 und vom 22. März 1891 angeordneten Bauausfüh-
rungen sind hauptsächlich zwei zu erwähnen, welche für
die Verkehrs-Beziehungen, sowie die strategischen In-
teressen des Reiches von der grössten Bedeutung waren.
Um den immer grösser werdenden Anforderungen des
Verkehres von Saargemünd und aus dem Saarkohlen-
Revier nach dem Elsass Genüge zu leisten, war es nötig
geworden, eine Entlastung für die zweigleisige Bahn
Saargemünd-Berthelmingen, welche längst nicht mehr als
ausreichend erkannt wurde, zu schaffen. Diesem Zwecke
diente die projektive zweigleisige Bahn von Mommen-
heim über Obermodern nach Saargemünd. Eine zweite,
strategisch sehr wichtige zweigleisige Linie war die von
Hagenau nach Röschwoog, wo dieselbe rechtsrheinisch sich
in der Bahn nach Rastatt und Karlsruhe fortsetzt. Ausser-
dem betrafen die oben erwähnten Gesetze die Herstellung
von folgenden Linien:
Walburg- Wörth ,
Saarburg- Albersch weiler mit Abzweigung von Ober-
hammer nach Vallerysthal-Dreibrunnen,
Merzweiler- Walburg-Selz,
Schmalspurbahn Lützelburg-Pfalzburg,
Münster-Metzeral.
Eröffnet wurden :
Am 1. Dezember 1891 Walburg- Wörth,
■— 140 —
Am 4. Januar 1892 Saarburg- Alberschweiler,
Am 1. Juni 1891 ging die Schmalspurbahn Lützel-
burg-Pfalzbnrg durch Kauf in das Eigentum des Reiches
über. .Die Ankaufsumme- einschl. erste Instandsetzungs-
kosten, betrug 292313 M.
Ferner wurden eröffnet :
Am 1. Juni 1892 Oberhammer -Vallerysthal - Drei -
brunnen.
Am 1. November 1893 Merzweiler-Walburg-Selz.
* 1. » » Münster-Metzeral.
» 1. Mai 1895 Hagenau-Roppenheim -Mitte Rhein.
» 1. » » Mommenheim-Saaralben.
» 1. Oktob. » Kalhausen-Saargemünd.
Die bis zum 1. April 1896 auf diese Linien verwen-
deten Bausummen u. s. w. betrugen :
für Walburg -Wörth 182668 M. aus Reichsfonds und
537000 M. aus Landesmitteln,
für Saarburg-Alberschweiler mit Abzweigung von Hessen
nach Vallerysthal 1 094524 M. aus Reichsfonds und
1 131 646 M. aus Landesmitteln,
für Merzweiler-Selz 2472 548 M. aus Reichsfonds und
1566225 M. aus Landesmitteln,
für Münster-Metzeral 666761 M. aus Reichsfonds und
258445 M. aus Landesmitteln,
für Hagenau-Röschwoog 2 451 067 M. aus Reichsfonds,
für Mommenheim-Saargemünd- Saaralben 21117 876 M.
aus Reichsfonds und 3 732670 M. aus Landesmitteln,
für Rösch wog-Roppenheim-Milte Rheinbrücke 2 984 516 M.
aus Reichsfonds.
Die durch das Etats-Gesetz vom 26. März 1893 ge-
nehmigte Bahn von Wingen nach Münzthal -St. Louis, die
Erweiterung des Bahnhofes Mülhausen-Nord und Verbin-
dung mit Mülhausen-Wanne sind der Vollendung nahe.
Zweite Gleise sind noch auf den Strecken Bensdorf-Saar-
alben, Hagenau - Obermodern , Saaralben - Obermodern ,
Diedenhofen-Sierck und Hargarten-Beningen-Saargemünd
hergestellt worden. Die dafür verausgabten Summen be-
liefen sich auf etwa 11 Millionen Mark.
Neue Bewilligungen und Entwürfe.
Durch Gesetz vom 31. März 1897 sind die Mittel
für die folgenden Bauausführungen aus Reichsfönds be-
willigt worden :
— 141 —
1. Bau einer Eisenbahn von Masmünster nach Se wen
(1048500 M.)
2. Bau einer Eisenbahn von Wörth nach Lembach
(481 200 M.)
Beide Bahnen dienen lokalen Interessen.
3. Bau einer Eisenbahn von Oberhofen nach Bisch-
weiler (590 000 M.), militärisch wichtige Verbindung, der
Strecke Röschwoog-Hagenau mit derjenigen von Venden-
heim nach Bischweiler, als Abkürzung der alten, über
Hagenau führenden Linie.
4. Bau einer Eisenbahn von Busendorf nach Dillingen
(8 571 000 M.) Diese Bahn dient sowohl strategischen als
auch vornehmlich wirtschaftlichen Zwecken. Eine beträcht-
liche Subvention wird von der Firma Gebr. Stumm in
Neunkirchen bewilligt. Die Bahn, welche noch insofern
besonderes Interesse bietet, als dieselbe infolge der un-
günstigen Boden -Verhältnisse bedeutende Herstellungs-
kosten verursachen wird, soll von der Reichsbahn -Ver-
waltung bis nach dem, auf preussischem Gebiete liegenden
Endpunkte Dillingen (Strecke Saarbrücken-Trier) gebaut
werden.
5. Bau einer Eisenbahn von Lauterburg nach
Weissenburg (1509000 M.) Dieselbe dient lokalen In-
teressen.
6. Bau einer schmalspurigen Eisenbahn von Boll-
weiler nach Ensisheim und Colmar (1589000 M.) Dieselbe
vermittelt eine direkte, schmalspurige Eisenbahn-Verbin-
dung von Mülhausen überEnsisheim, Colmar, Markolsheim
nach Sirassburg, von welcher nur die Strecken Strassburg-
Markolsheim und Mülhausen-Ensisheim im Privatbesitze
sich befinden.
Ferner wurden durch dasselbe Gesetz die Mittel be-
willigt zur Anlage von zweiten Gleisen auf den Strecken
Kaihausen - Saargemünd, Strassen-Bartringen - belgische
Grenze bei Bettingen und Oetringen-preussische Grenze
bei Wasserbillig mit zusammen 2 724 000 M.
Pojektirt ist die Herstellung eines zweiten Gleises
auf der Strassburg-Lauterburger Linie, sowie der Bau
einer dem engeren Verkehre dienenden Bahn von Gross-
Hettingen nach Entringen, welche von der Reichsbahn-
Verwaltung auf Kosten der Firma Gebr. Stumm erbaut
werden soll, ferner eine direkte Verbindung von Fentsch
mit Deutsch-Oth. Von grösserer Bedeutung ist das Pro-
jekt einer Eisenbahn von Chäteau-Salins nach Metz.
— 142 —
Den Reichsbahnen steht demnach eine bedeutende
Erweiterung bevor, welche den verschiedensten, sowohl
politischen, als auch kommerziellen und industriellen In-
teressen Rechnung trägt, und für welche bedeutende
Summen aus Reichsmitteln, beträchtliche Zuschüsse des
Landes und von Interessenten aufgewendet werden
müssen. 1
Das Bahnnetz von Elsass-Lothringen hatte am 1.
April 1896 eine Länge von 1595 km ; Zweigleisige Haupt-
bahnen waren vorhanden mit einer Gesamtlänge von
829 km, ^eingleisige Hauptbahnen mit zusammen 421 km,
eingleisige Nebenbahnen mit 317 km und Schmalspur-
bahnen mit 28 km. An den dein Reiche eigentümlich
gehörigen Bahnen sind 192 Bahnhöfe, 101 Haltestellen
und 95 Haltepunkte gelegen.
Das Eisenbahnnetz im Grossherzogtum Luxemburg,
soweit dasselbe die der Luxemburger Eisenbahn -Gesell-
schaft gehörigen und von der Reichsbahn-Verwaltung
betriebenen älteren Linien betrifft, hatte eine Länge von
174 km, darunter 17 km zweigleisig.
Die Esch-Oth-Redinger Bahn, welche ebenfalls der
genannten Gesellschaft gehört uud von der Reichsbahn-
Verwaltung auf Rechnung der Eigentümerin betrieben
wird, hat eine Länge von 12 km.
Die Strecke Ulfingen-St. Vith, 7 km lang, ist seitens
der Wilhelm-Luxemburg-Eisenbahn -Gesellschaft an die
Königliche Eisenbahn-Direktion zu Köln verpachtet. Die
Rümelinger Ansschlussbahnen haben eine Länge von 13 km
und werden von der Reichsbahn-Verwaltung pachtweise
betrieben.
Eine einzige Linie, diejenige von Saargemünd nach
der preussischen Gr.enze = 1 km, ist verpachtet, und
zwar an die Königliche Eisenbahn-Direktion St. Johann-
Saarbrücken. Gepachtet ist noch die Strecke St. Ludwig-
schweizerische Grenze bei Basel (4 km) von der Schweizer
Gentralbahn. Die Gesamtlänge der für Rechnung des
Reiches betriebenen Bahnstrecken betrug am 1. April
1896 = 1583 km vollspurige und 28 km schmalspurige
Bahnen.
Hauptbahnen, d. h. solche Bahnen, welche nach der
1 Während des Druckes dieser Schrift hat die landespolizeiliche
Abnahme, nnd am 2]. Juli die Eröffnung der Bahn von Wingen nach
Münzthal-St. Lonis stattgefunden.
— 143 —
Betriebs-Ordnung für die Eisenbahnen Deutschlands be-
trieben werden, sind in Elsass-Lothringen 1250 km,
Nebenbahnen, betrieben nach der Bahnordnung für Bahnen
untergeordneter Bedeutung, 317 km.
Ausserdem befinden sich in den Reichslanden noch
folgende, verschiedenen Privat-Gesellschaften gehörigen
Bahnen im Betriebe :
Rappolts weiler Stadt bis zum Bahnhofe (4 km),
Die Schmalspurbahnen Mülhausen-Ensisheim und
Wittenheim bezw. Pfastatt, Golmar-Schnierlach, Colmar-
Winzenheim, Strassburg-Truchtersheim, Strassburg-Mar-
kolsheim mit Abzweigungen nach Erstein und Rheinau
(zusammen 129 km).
In den Städten Strassburg, Metz und Mülhausen
sind Strassenbahnen im Betriebe.
Die 12 km lange Strecke Saargemünd-bayerische
Grenze gehört der Pfalzbahn und wird von derselben
betrieben.
Entwickelung des Verkehres
von 1878 ab und die heutige Verkehrslage.
Ende der Krisis.
War die Verkehrslage der Jahre 1873 bis 1877 unter
dem ungünstigen Einflüsse einer andauernden Krisis aller
wirtschaftlichen Verhältnisse gestanden, so hatte das Jahr
1878/79 keine Besserung, zum Theil jedoch nur eine Ver-
schlechterung gebracht. In diesem Jahre war bekanntlich
der grosse wirtschaftliche Niedergang an seinem tiefsten
Punkte angelangt. Ein Ereignis, wie die Pariser Welt-
Ausstellung, konnte natürlich nur eine vorübergehende
Belebung des Verkehres hervorrufen.
In der That hatte die Ziffer der Personen-Frequenz
eine merkliche Erhöhung erfahren. Der Güter- Verkehr
dagegen war wenig, und in schlechtem Verhältnis zur
Zunahme des Eisenbahnnetzes gestiegen. Weitere Er-
mässigungen wurden auch in diesem Jahre zugunsten
der notleidenden Eisen- und Montan-Industrie von Loth-
ringen und Luxemburg gewährt. Auch die sonst so
blühende Industrie des Elsass hatte während der letzten
Jahre starke Einbusse erlitten. Die Baumwollproduction
war infolge einer allerwärts fühlbaren Stagnation in
— 444 —
der Nachfrage bedeutend zurückgegangen, verschiedene
Tuchfabriken, besonders im Unter-Elsass, hatten seit
längerer Zeit den Betrieb eingestellt.
Mit dem Jahre 1879 brach eine neue Aera für das
Verkehrsleben an. Sowohl der Personen- als auch der
Güter-Verkehr hatten eine bedeutende Steigerung bezüg-
lich der transportirten Personen und Gütermengen und
der erzielten Einnahmen aufzuweisen. Diese günstige
Verkehrslage war auf den neuen Aufschwung von Handel
und Industrie zurückzuführen. Besonders die unter dem
Drucke der Verhältnisse einst sehr geschwächte Erz-
und Eisenproduktion von Lothringen und Luxemburg
war in stetem Zunehmen begriffen. Die Berichte über
die Industrie im Elsass lauteten von Jahr zu Jahr günsti-
ger. Die Woll-Spinnereien standen theilweise einer derart
vermehrten Nachfrage gegenüber, dass sie kaum imstande
waren, derselben zu genügen. So hatte z. B. die Zahl
der Spindeln in Deutschland sich von 1879 bis 1882 um
etwa 200000 erhöht. Die Maschinen-Fabrikation im El-
sass war in voller Thäligkeit begriffen und wurde be-
sonders auch von den französischen Eisenbahn-Gesellschaf-
ten stark in Anspruch genommen. Die Folge davon waren
natürlich umfangreichere Beschaffungen 'aller Arten von
Roh- und Brennmaterialien. Die Stahlwaaren-Fabrikation
stand unter dem andauernd günstigen Einflüsse einer
bedeutenden Nachfrage aus Frankreich, der Schweiz und
Belgien. Die Rohmaterialien wurden hauptsächlich aus
Schweden (Eisen) und England (feiner • Stahl) beschafft.
Schutzzoll oder Freihandel.
Vorübergehend günstig waren die neuen Zolltarife von
1879 für die meisten Industriezweige. Der im Jahre 1879
eingeführte Zolltarif beruht bekanntlich auf dem Schutzzoll-
system. Die Tendenz desselben besteht in der Beschützung
der inländischen Produktion, oder vielmehr einzelner
Zweige derselben, vor der ausländischen Konkurrenz. Die-
ser Zweck wird erreicht durch die Erhebung hoher Abgaben
auf die Produkte der letzteren beim Eingange in das be-
treffende Gebiet. Der Schutzzoll ist im wahren Sinne
des Wortes eine national-egoistische Massregel, aber auch
als solche nicht unbedingt zu rechtfertigen. Dem Schutz-
zoll gegenüber steht der Freihandel (free-trade), welcher
— 145 —
jede künstliche Beschränkang des Verkehres verwirft.
Durch den Freihandel wird das Interesse der Konsu-
menten geschützt, da dieselben ihre Waaren überall dort
sich beschaffen können, wo es ihnen am vorteilhaftesten
erscheint. Schwerlich aber wird Jemand dem Volke be-
greiflich machen, dass es in seinem Interesse liege, im
Lande teurer zu kaufen, was im Auslunde billiger und
manchmal auch wohl besser, erhältlich ist. Nun predigt
die Schutzzolltheorie den Schulz der nationalen Arbeit,
indem sie andererseits den Konsumenten der Willkür ge-
winnsüchtiger Produzenten und Händler preisgiebt. Kon-
sumtion ist aber schliesslich doch das Endziel und der einzige
Zweck der Produktion, Konsumtion daher auch der Brenn-
punkt aller wahren wirtschaftlichen Interessenvertretung.
Vom Standpunkte der Weltwirtschaft, beruhend auf dem (eth-
ischen) Gefühle der Solidarität der gesamten Kulturwelt,
— und die Eisenbahnen haben gerade das Verdienst, den
kosmopolitischen Geist gefördert zu haben — ist nur der
Freihandel gerechtfertigt. Dem Geiste des unduldsamen
Mittelalters mochte es entsprechen, wenn der Kaufmann, der
in ein fremdes Gebiet kam, wenn das befrachtete Schiff,
das in einen fremden Hafen einlief, mit hohen Abgaben
beschwert wurden, wie denn auch die Schutzzoll-Politik
dem Gebahren der venetianischen und genuesischen
Häfen im Mittelalter entsprungen ist. Heute ist es ein
erstes Erforderniss, dass der Verkehr durch keinerlei
starre Schranken gehemmt werde. «Wir stehen im Zei-
chen des Verkehres, er durchbricht die Schranken, welche
die Völker trennen.» Erfreut sich die Kulturwelt nicht
zweier bedeutenden Errungenschaften auf dem Gebiete
des Verkehres, der Segnungen des Weltpostvereines und
des Internationalen Uebereinkommens über den Eisenbahn-
Frachtverkehr !
Die Lehren des grossen Schotten Adam Smith, des
eigentlichen Begründers der Freihandelstheorie, beruhend
auf dem wirtschaftlichen Gesetze der Arbeitsteilung, sind
nicht veraltet, haben vielmehr durch die Eisenbahnen nur
erhöhte Gültigkeit erlangt. «Der freie Austausch der Güter
fördert das Wohl der Individuen, wie das der Völker,
indem dieselben auf dasjenige Gebiet der Produktion ver-
wiesen werden, welches ihnen speziell eigentümlich ist.
Der Schutzzoll führt leicht eine Ablenkung auf andere,
der Natur der Landes nicht oder weniger entsprechende
Erwerbszweige herbei,» Sicherlich aber schützt sich die
10
— 146 —
Industrie am besten selbst, welche in sich die mächtigen
Mittel zur Entfaltung findet. Eine Unterstützung von
aussen her wird meistens nur den Erfolg künstlicher
Flügel verleihen können. Es kann dabei wohl nicht ver-
kannt werden, dass z. Zt. ein massiger Schutzzoll wohl-
thätige Wirkungen auf eine vorübergehend geschwächte
Industrie ausüben wird, wohlverstanden unter dem Ein-
flüsse unserer heutigen, noch unfreien wirtschaftlichen
Verhältnisse.
Der grösste Fehler des Schutzzolles besteht darin,
dass die Thatsache vollständig verkannt wird, dass
schliesslich kein Volk auf sich allein angewiesen sein
kann, dass daher der Schutzzoll sehr bald Gegenmass-
regeln des Gegners hervorrufen wird. Die Schutzzollbari-
kaden könnten aber leicht einmal den ganzen Weltmarkt
verbarrikadiren. Ein hohes Moral-Gebot im wirtschaft-
lichen Leben der Völker ist die Anerkennung der Inter-
essen der Weltwirtschaft. Auch die Zollkriege wird Nie-
mand als einen wünschenswerten Ersatz für die immer
mehr im Schwinden begriffenen Waffenkriege ansehen. In-
dessen will ich diese kurze freisinnige Betrachtung mit den
Worten schliessen, welche Gladstone im Jahre 1867 der
Gesellschaft für politische Oekonomie im Paris zurief:
«Auf der Bahn des Freihandels gilt, was auf derjenigen
der Tugend gilt: Der Anfang ist am schwersten, die
letzten Schritte sind die segensreichsten. Streben wir dar-
nach, die Schutzzölle bis zur letzten Spur zu entfernen
und dafür die reinen Finanzzölle aufrechtzuerhalten, welche
eine wahre Quelle nützlicher Einkünfte bilden!
Ein für Elsass-Lothringen wichtiger Industriezweig,
die Bierfabrikation, hatte sich seit einer Reihe von Jahren
immer ungünstiger gestaltet und hauptsächlich der Bierpro-
duktion der übrigen süddeutschen Staaten mehr und mehr
weichen müssen. Die Gründe für diese Thatsache liegen
in der bedeutenden Zollerhöhung auf Bier von Seiten Frank-
reichs, woselbst sich diese Industrie infolgedessen in be-
trächtlichem Masse entwickelte, ferner in der wachsenden
Bedeutung der aus Bayern und Baden eingeführten Biere.
Von den thatsächlichen Verhältnissen geben folgende Zah-
len ein Bild :
Im Jahre 1872 betrug die Produktion 812454 hl,
die Ausfuhr 206 257 hl, die Einfuhr aus deutschen Staa-
ten 51808 hl Bier.
Im Jahre 1895 betrug die Produktion 996775 hl,
— 147 —
die Ausfuhr nur noch 30421 hl, die Einfuhr dagegen
315565 hl.
Die im Allgemeinen günstige Lage des Handels
and der Industrie des Landes hatte die Verkehrs-Verhältnisse
vortheilhaft beeinflusst. Eine bedeutende Vermehrung der
Transporte brachte die, am 1. Juni 1882 stattgehabte Be-
triebseröffnung der, zum Netze der Gotthardbahn gehöri-
gen Strecke Luzern-Chiasso. Durch dieselbe hatte der
Verkehr zwischen Deutschland, Belgien, Holland, sowie
England einerseits und Italien andererseits einen neuen,
kürzeren Weg gefunden. Mit der Eröffnung der Gott-
hardbahn ist ein Werk von hervorragender Bedeutung
für den Welthandels- und internationalen Völker- Verkehr
zum Abschlüsse gelangt, mit dessen Ausführung unge-
heuere finanzielle und technische Schwierigkeiten ver-
knüpft waren. Das grosse Interesse, welches Deutsch-
land im Hinblick auf den zu erwartenden Aufschwung
des Verkehres mit Italien und den Häfen des Mittelmeeres
an dem Unternehmen hatte, bekundete sich hauptsäch-
lich durch den bedeutenden Kosten-Beitrag, welcher zu-
sammen 30000000 frs. betrug. Der auf die Elsass-
Lothringische Bahn entfallende Antheil war zunächst auf
2717 000 frs. festgesetzt, wovon 315000 frs. erstmalig im
Etat für 1873 ausgeworfen waren. Technisch interessant ist
besonders der Gotthard-Tunnel, welcher, z. Zt. der grösste
der Erde, eine Länge von 14 920 m hat. Mit dem 26.
Juli 1882 wurde bei der Kaiserlichen General-Direktion
das Verbandsabrechnungsbureau für den deutsch-italieni-
schen Verkehr eingerichtet.
Im Eetriebsiahre 1883/84 betrug die Betriebslänge
der Bahn nach dem Jahresdurchschnitt 1462 km.
Es wurden 11758092 Personen befördert, darunter
260610 in I. Klasse, 1977157 in IL Klasse, 9238872
in III. Klasse und 281 453 auf Militärbillet. Ferner wur-
den befördert:
25839 Tonnen Reisegepäck
45616 » Eilgut
365826 » Stückgut
8574172 » Frachtgut in Wagenladungen.
Das gesamte, zur Beförderung gelangte Frachtgewicht
betrug 9643 484 Tonnen.
Die Einnahme aus dem Personen-Verkehr belief sich
auf 9893635 M., davon entfallen auf I. Klasse 11,76 °/ ,
— 148 -
auf II. Klasse 30,81 °/ , auf III. Klasse 55,41 %, auf
Militär 2,02 °/ . Auf ein Kilometer Bahnlänge sind an
Personen-Fahrgeldern durchschnittlich 6776JM. eingenom-
men worden. Auf die elsass-lothringischen Linien entfallen
hiervon 7077 M., auf die Luxemburg-Bahn 4557 M. pro
km. Im Binnen- Verkehre Elsass-Lolhringens und Luxem-
burgs wurden 9 655307 Personen, im Verkehre mit
Deutschland, Belgien, Frankreich und der Schweiz
2055261 Personen, im Durchgangs-Verkehre 47 524 Per-
sonen befördert.
Nach der Zahl der zu- und abgegangenen Personen
ordnen sich die Stationen wie folgt :
Strassburg mit 2125012
Mülhausen » 1692432
Metz » 1224584
Colmar, Luxemburg, Saargemünd, Diedenhofen, Schlett-
. Stadt, Novöant, Zabern, Hagenau, Basel, Altmünsterol,
Weissenburg, D. Avricourt, Habsheim, Zillisheim, Rix-
heim, Devant-les^Ponts mit über 200 000 Personen.
Besondere Erwähnung verdient als spezifisch süd-
deutsche Verkehrs-Einrichtung die seit dem 1. Oktober
1883 in Elsass-Lothringen und Luxemburg eingeführte
Expressgutbeförderung, umsomehr, als dieser Verkehrs-
zweig an Bedeutung gewinnt und in mancher Hinsicht
der Postpacketbeförderung wirksame Konkurrenz bietet."
Als Expressgut werden solche Güter abgefertigt, welche
sich zur Beförderung im Packwagen eignen, aber nicht
als Reisegepäck zur Aufgabe gelangen. Die Abfertigung
geschieht auf Beförderungsschein. Als Expressgut werden
angesehen alle bei Gepäckabfertigungsstellen zur Beför-
derung aufgegebenen Gegenstände, sofern sie nicht
1. unter die in § 50 der «Verkehrs-Ordnung für die
Eisenbahnen Deutschlands » verzeichneten Gegenstände
fallen (d. h. solche, die dem Postzwange unterworfen sind,
oder solche, deren Beförderung aus Gründen der öffent-
lichen Ordnung verboten ist, alle der Selbstentzündung,
Explosion unterworfenen oder nur bedingungsweise zur
Beförderung zugelassenen Gegenstände, ferner Gold, Silber,
Geld, Edelsteine, Gemälde u. dgl. m.)
2. einer zoll- oder steueramtlichen Behandlung un-
terliegen,
3. ein Gewicht von 100 kg. übersteigen,
4. wegen des dafür nötigen Raumes, oder weil die
— 149 —
Verladung besonders schwierig erscheint, zur Beiladung
im Gepäckwagen nach bahnseitigem Ermessen ungeeig-
net sind.
Die Beförderung des Expressgutes geschieht mit allen
Personenzügen, während die Postpacketbeförderung auf
bestimmte Züge beschränkt ist. Hierin liegt ein nicht zu
unterschätzender Vortheil der Expressgut-Abfertigung, da
auf diese Weise die Ankunftszeit des Gutes vom Versender
genau vorher berechnet werden kann. Die Fracht beträgt
für 5 kg. und 1km 0,25 Pfg. (Minimaltaxe 0,30 M. Auf-
rundung von 5 zu 5 kg). Expressgut stellt sich nament-
lich dann billiger als Postgut, wenn es sich um geringe
Entfernungen und grössere Gewichtsmengen handelt ; z. B.
kosten 50 kg Expressgut für 50 km. 1,30 M., Postgut
dagegen 2,25 M.
Dem Expressgut-Verkehr sind nach und nach die
badische, pfälzische, hessische Ludwigs-, Main-Neckar-,
württembergische und bayerische Bahn beigetreten.
Die Gesamt-Einnahme aus dem Güter- Verkehre betrug
für 1883/84 322 54 657 M.
Davon entfallen auf Eil- und Expressgut 948 467 M.
» » » Stückgut 3556969 »
» » » Wagenladung Klasse A, 1. 1 093171 »
» » » « « B. 1746983 »
» » » Spezialtarif A, 2. 1190764»
» » » c -I. 2183273 »
» » » « IL 1416980 »
» » » Ausnahme-Tarif für Holz 1093 311 »
. » » » Spezialtarif III. 3314685»
» » » Roheisen, Erze, Steine,
Ausnahme-Tarif IL 3434 757»
» » » Steinkohlen und Koks 10600813»
» » » Vieh 641 188 »
u. a. m.
Im Ganzen wurden 843953994 Tonnen-Kilometer zu-
rückgelegt. Im Jahre 1872 betrugen dieselben etwa 370
Millionen, ergiebt eine Vermehrung auf mehr als das Dop-
pelte. Die Einnahme aus dem Güter- Verkehre war in
derselben Zeit von 15 1 / 2 Millionen auf 32 Millionen, Mark
gestiegen, die Zahl der beförderten Personen von 8. 1 /, Mil-
lionen auf etwa 12 Millionen, die Einnahme aus dem
Personen-Verkehre von etwa 7 Millionen auf 10 Millionen
Mark.
— 150 -
Die etatsmässigen Einnahmen des Betriebsjahres
1883-84 betrugen 45899511,91* M.
Die Gesamt-Ausgaben 29392224,87 »
Ergiebt einen Einnahme-Ueberschuss von 16507287,04 »
Davon entfallen auf die Reichsbahn 15741 641,38 M.
» » Wilh. -Luxem-
burg-Bahn 765645,66 M.
Das Anlagekapital verzinste sich mit 3,57°/ 0> das
volle, und 4,45°/ das reduzirte.
Der Einnahme-Ueberschuss war seit dem Jahre 1874
von 4 704 855 M. auf 16507 287 im Jahre 1883/84 ge-
stiegen.
Die höchsten Verzinsungsziffern hatten die Strecken
Diedenhofen-Teterchen mit ll,4°/ , Basel-Strassburg mit
8,l°/ , Melz-Stieringen, Metz-Novöant, Metz-Gross Het-
tingen mit 6,6°/ , Teterchen-Bous-Völklingen mit 5,3°/ ,
Rieding-Remilly mit 5°/ aufzuweisen.
Konkurrenzen, Arlbergbahn, Kanäle.
Die Verkehrs- Verhältnisse des Jahres 1884/85 hatten
unter verschiedenen ungünstigen Einflössen zu leiden
gehabt. Hierzu gehört vor allem die im Jahre 1884 er-
folgte Eröffnung der Arlbergbahn, welche die aus Oester-
reich-Ungarn herrührenden Getreide- und Viehtransporte
von dem alten Wege über Stuttgart-Strassburg-Avricourt-
Paris ablenkte und so gewissermassen alte, seit Jahr-
hunderten sanktionirte Verkehrs - Interessen verrückte.
Ein ferneres ungünstiges Moment war die in Süd-Frank-
reich ausgebrochene Cholera-Epidemie, welche den Ver-
kehr mit den französischen und schliesslich auch mit den
italienischen Bahnen hemmte.
Bedeutende Einnahme-Ausfälle brachte das Jahr
1885-86. Dieselben hatten verschiedene Ursachen, unter
denen die Konkurrenz ganz besonders scharf hervortritt.
Der Rückgang der Getreidetransporte war auf die durch
das Zollgesetz vom 20. Februar 1885 eingeführte Zoll-
erhöhung zurückzuführen, welche die grossen Handels-
häuser veranlasst hatte, rechtzeitig bedeutende Getreide-
mengen aus Amerika zu beziehen und ihre Lager damit
anzufüllen. Eine im Lande stattgehabte ausnahmsweise
reiche Ernte verminderte die Nachfrage nach auslän-
— 151 —
di schem Getreide. Die grossen Getreidehäuser in Mann-
heim hatten ebenfalls bedeutende Sendungen von den
belgischen und norddeutschen Häfen auf dem Wasser-
wege bezogen und dieselben alsdann durch die badische
Bahn nach der Schweiz weitergesandt, wodurch der el-
sass- lothringische Durchfuhr- Verkehr Einbusse erlitt.
Für den Kohlen-Verkehr kamen zwei ungünstige
Momente in Betracht : Erstens der Rückgang der Eisen-
Industrie und des Hüttenbetriebes im nördlichen Frank-
reich, in Lothringen und Luxemburg, zweitens die Kon-
kurrenz der Kanalschiffahrt. Seit einigen Jahren waren
nämlich verschiedene Verbesserungen an den elsass-lolh-
ringischen Kanälen vorgenommen worden, welche eine
Steigerung hauptsächlich des Steinkohlen-Verkehres auf
dem Saarkohlen-Kanale und den anschliessenden WaSser-
strassen zur Folge hatten. Der Gesamt-Verkehr auf den
Kanälen und der Mosel war in den Jahren 1881 — 1885
von 1116 378 auf 1 351 993 Tonnen gestiegen. Von diesen
letzteren entfallen auf Brennstoffe (Steinkohlen) 724355 t,
auf Baumaterialien, Erdarten und Gesteine 365666 t.
Der durchschnittliche Frachtsatz für Steinkohlen pro
Tonnenkilometer bewegte sich in den Jahren 1877 bis
1890 innerhalb der Grenzen von 1,51 bis 1,00 Pfg. Der
Transportpreis nach dem Eisen bahn-Binnen-Gütertarif
betrug etwa 2,6 Pfg.
Der Gesamt-Verkehr auf allen Wasserstrassen belief
sich auf
118060398 Tonnenkilometer im Jahre 1881, auf
151567102 » » » 1885 und auf
172631608 * » » 1887.
Von diesen letzteren entfallen auf den
Saarkohlen-Kanal (76 km) 70 1 17 323 tkm
Rhein-Marne-Kanal (104 km) 58778150 »
Rhein-Rhone-Kanal (132 km) 38 170 165 »
Mosel (75 km) 280227 »
Ill-Rhein-Kanal (2 km) 296277 '»
Verbindungskanal u. kanalisirte 111 (5km) 1 778985 »
Breusch-Kanal (20 km) 305500 »
Golmarer Zweig -Kanal (13 km) 575 133 »
Hüninger Zweig-Kanal (28 km) 2329348 >
Diese Steigerung eines so gewaltigen Konkurrenz- Ver-
kehres konnte natürlich nicht ohne erheblichen Einfluss
auf die Eisenbahn bleiben und hatte in der That, wie
— 152 —
bereits bemerkt, eine beträchtliche Verminderung des
Steinkohlentransportes auf letzterer zur Folge. Auch im
Jahre 1885/86 trat die Arlbergbahn als scharfe Kon-
kurrentin auf, indem sie die Holztransporte aus Oester-
reich-Ungarn nach Frankreich in ihre Verkehrs-Route
zog. Der Vieh-Verkehr hatte infolge des Durchfuhr-
verbotes für das deutsche Reichsgebiet beträchtliche Ein-
busse erlitten.
Der Binnen-Güter-Tarif war in den Jahren 1881,
1883 und 1889 verschiedenen Aenderungen unterworfen
gewesen. Mit dem Jahre 1887/88 erfolgte die Einführung
einer ermässigten, sogenannten 2. Stückgutklasse, in
welche Artikel von hervorragender wirtschaftlicher Be-
deutung, welche beim Eintritt der deutschen Tarif-Reform
verteuert worden waren, aufgenommen wurden.
Dem Lokal-Güter- Tarife lagen nunmehr folgende
Fracht-Einheitssätze pro Tonne und 1 km zu Grunde :
Eilgut = 22. Pfg. + 200 Pfg. Expeditions-Gebühr (bei
10 km) bzw. 400 Pfg. (bei über 100 km).
Stückgut = 11 Pfg. + 100 Pfg. bzw. 200 Pfg. E.-G.
»II = 8 » 4- 100 » » 200 » »
Wagenladg A,l (5000 kg)=6,7+100 » 200 » »
» B (10000 kg)=6 + 80 » 120 » *
Spezialtarif A,2 =5+80 » 120 » »
» I =4,5+ 80 » 120 » »
» II =3,5+ 80 » 120 » »
* III =2,6 bzw. 2,2+ 80 » 120 » »
Ausnahme-Tarif I
für Holz =3+80 » 120 » »
Ausnahme-Tarif II
für Steinkohlen ,
Eisenerze und Roh-
eisen, Koks =2,6+ 80 » 90 » »
Ausnahme-Tarif III
Metallurgische Er- \ je nach Entfer-
zeügnisse J ng + 80 Pfg. E.-
der Spezialtarife I u. II A=4,5 bzw. 4,0 f G. v. 1 — 25 km,
B==3,5 » 3,0 [1 00 Pfg. v. 26 bis
| 100 km u. 120 v.
/ über 100 km.
Ausnahme-Tarif IV
Steine des Spezialtarifs III = 2,6 + 60 Pfg. Exped.-Gebühr.
Direkte Verkehre bestanden mit deutschen, österrei-
— 153 —
chischen, ungarischen, schweizerischen Bahnen, mit der
Prinz-Heinrichbahn, ferner mit Stationen der französischen,
belgischen, holländischen, englischen, und italienischen
Bahnen.
Eröffnung der Rhei n Schiffahrt Strassburg-
Mannheim. Internationales Ueberein-
kommen, Handels-Verträge u. a. m.
Ein Ereignis aus der Verkehrs-Geschichte des Elsass,
welches besondere Erwähnung verdient, ist die im Früh-
jahre 1892 erfolgte Eröffnung der seit langen Jahren
brachgelegenen Rheinschiffahrt zwischen Mannheim und
Strassburg. Am 16. Juni 1892 lief das erste Jlheinschiff,
ein Schraubendampfer der «Rhein- und Seeschiffahrts-
Gesellschaft» in Köln, im Strassburger Hafenbecken ein.
Von dem genannten Tage bis zum 10. November desselben
Jahres brachten 28 grosse Rheinschiffe eine Gütermenge von
10 698 t nach Strassburg. Im Frühjahr 1893 wurde die
«Strassburger Rheinschiffahrts-Gesellschaft mit beschränk-
ter Haftung» gegründet, welche den Güter- Verkehr auf dem
Rheine zwischen Mannheim und Strassburg übernahm und
zu diesem Zwecke mit der «Mannheimer Schleppschiffahrts-
und der Mannheimer Lagerhaus-Gesellschaft» in Verbindung
trat. Im Jahre 1893 lieferte die Rheinschiffahrt trotz des
ausnahmsweise ungünstigen Wasserstandes bedeutende
Resultate. Es liefen in Strassburg 84 Schiffe mit zusam-
men 33600 t ein. Rheinabwarts wurden 43 Schiffe mit
3384 t rückbefrachtet.
Die Rheinschiffahrt hat sowohl auf den Kanal-Verkehr,
da sie eine direkte Verbindung mit den rheinischen und
holländischen Häfen herstellte, als auch auf den Eisen-
bahn-Verkehr südlich von Strassburg günstig eingewirkt.
Im Interesse des Hafen-Verkehrs von Strassburg wurden
eisenbahnseitig Ermässigungen der Ueberführungs-Ge-
bühren für die verschiedenen Vororte gewährt. Ausserdem
wurde die Station Strassburg in sämtliche im süd west-
deutsch-schweizerischen Verkehre bestehenden Ausnahme-
tarife für Steinkohlen, sowie Eisen und Stahl einbezogen.
Am 1. September 1894 erfolgte die Einführung eines
Ausnahmetarifes für Sendungen von Getreide , Hülse-
früchten, Malz u. dgl. m. von Strassburg nach Basel und
— 154 —
den vorgelegenen Stalionen im Binnen-Verkehre, sowie
eines Ausnahmetarifes für Getreide im Durchgangs-Ver-
kehre, soweit die betreffenden Sendungen von einem
belgischen oder holländischen Hafen nach Strassburg
verfrachtet und von da auf der Eisenbahn nach Basel u.
s. w. befördert wurden.
War das Jahr 1892 durch die Eröffnung der Rhein-
schiffahrt für das Elsass, besonders die Stadt Strassburg von
Wichtigkeit, so bedeutete dasselbe im Verkehre der Eisen-
bahnen des kontinentalen Europa einen überaus wichtigen
Wendepunkt durch die Einfuhrung des «Internationalen
Uebereinkommens für den Eisenbahn-Fracht-Verkehr.» Die
erste Anregung zu diesem bedeutungsvollen Werke ging
bekanntlich aus der Schweiz im Jahre 1874 hervor. Nach
verschiedenen, zwischen den Bevollmächtigten der einzelnen
Staaten und der Schweiz in Bern stattgehabten Konferenzen
(1878, 1881 und 1886) gelangte das «Internationale Ue-
bereinkommen» am 14. Oktober 1890 in der Schluss-
Konferenz zum Abschlüsse, wurde am 30. September 1892
von allen betheiligten Staaten genehmigt und erlangte
mit dem 1. Januar 1893 seine Gültigkeit. Der Geltungs-
bereich erstreckt sich auf Deutschland, Oesterreich-Ungarn,
Italien, Frankreich, Belgien, die Niederlande, Luxemburg,
die Schweiz und Russland. Der grosse Wert des «Inter-
nationalen Uebereinkommens für den Eisenbahn-Fracht-
Verkehr» besteht darin, eine einheitliche Regelung der
rechtlichen Beziehungen der Eisenbahn -Verwaltungen
untereinander und des Publikums zu den einzelnen Eisen-
bahn-Verwaltungen in allen Angelegenheiten der Beförder-
ung von Gütern herbeigeführt zu haben. Bekanntlich
gebührt Deutschland der Vorzug, in dem «Betriebs-Re-
glement für die Eisenbahnen Deutschlands» die beste und
mit geringen Modifikationen zur Norm erhobene Grund-
lage geliefert zu haben.
Gleichzeitig mit dem Internationalen Uebereinkommen
gelangte auf den deutschen Bahnen die an Stelle des
früheren Betriebs-Reglements getretene «Verkehrs-Ordnung
fiir die Eisenbahnen Deutschlands» zur Einführung,
welche das rechtliche Verhältnis des Publikums zur Eisen-
bahn in allen Angelegenheilen des Transport-Geschäftes
regelt und sich auf das deutsche Handelsgesetzbuch vom
Jahre 1869 stützt. Dieses handelt in den Artikeln 422 bis
431 speziell vom Eisenbahn-Fracht-Geschäfte.
Die handelspolitischen Beziehungen Deutschlands zu
— 155 —
den übrigen Staaten Europas wurden für 12 Jahre durch
die im Jahre 1892 abgeschlossenen Handelsverträge mit
Oesterreich-Ungarn, Jtalien, Belgien und der Schweiz
geregelt. Diesen schlössen sich im Jahre 1893 weitere
Verträge mit Spanien, Rumänien und Serbien und im
Jahre 1894 derjenige mit Russland an. An dem Zustande-
kommen derselben war die gesamte deutsche Geschäftswelt,
auch desElsass, lebhaft betheiligt. Das weitaus grösste Inte-
resse jedoch beanspruchte der Handelsvertrag mit Russ-
land, welcher zur Entlastung des inländischen Marktes
beitrug.
Die z. Z. auf den Reichsbahnen gültigen Tarife sind
auf der Verkehrs-Ordnung und, soweit es sich um den
Verkehr mit dem Auslande handelt, auf dem Internationalen
Uebereinkommen errichtet; und zwar kommen folgende
Tarife in Betracht:
1. Der deutsche Eisenbahn-Güter-Tarif, Theil I.
(Verkehrs-Ordnung) gültig für den Verkehr zwischen
sämtlichen Eisenbahnen Deutschlands,
2. Der allgemeine Eisenbahn-Güter-Tarif, Theil I,
für den deutsch-luxemburgischen Güter-Verkehr (Inter-
nationales Uebereinkommen),
3. der Eisenbahn-Güter-Tarif, Theil II, für den Binnen-
verkehr (Verkehrs-Ordnung),
4. der deutsche Eisenbahn-Tarif für die Beförderung
von Leichen, lebenden Tieren und Fahrzeugen, Theil I,
(Verkehrs-Ordnung) Verkehr zwischen den Eisenbahnen
Deutschlands,
5. der allgemeine Eisenbahn-Tarif für die Beförderung
von Leichen, lebenden Tieren und Fahrzeugen, Theil I,
im Verkehr mit dem Grossherzogtum Luxemburg (Betriebs-
Reglement des Vereins deutscher Eisenbahn- Verwaltungen
bzw. Internationales Uebereinkommen),
6. der Eisenbahn-Tarif u. s. w. wie vor, Theil II
für den Binnen- Verkehr (Verkehrs-Ordnung),
7. der deutsche Eisenbahn-Tarif für die Beförderung
von Personen, Reisegepäck und Hunden, Theil I (Ver-
kehrs-Ordnung) zwischen den Eisenbahnen Deutschlands,
8. desgl. Theil II, im Binnen-Verkehre der Eisen-
bahnen in Elsass-Lothringen und der Wilhelm-Luxemburg-
Bahn (Verkehrs-Ordnung),
9. der Eisenbahn-Tarif für die Beförderung von Ex-
pressgut im Binnen-Verkehre,
10. der Militär-Eisenbahn-Tarif,
— 156 —
11. u. 12. Ferner bestehen 2 besondere Tarife über
die Beförderung von Personen, Gepäck, Gütern u. s. w.
auf den Schmalspurbahnen Colmar-Markolsheim und
Lützelburg-Pfalzburg,
13. Güter-Tarif für den Verkehr zwischen Stationen
der Reichsbahnen, Hauptbahn, sowie der Schmalspurbahn
Colmar-Markolsheim einerseits und den Stationen der
Strassburger Strassenbahn bis Markolsheim andererseits.
Die Bildung von direkten Tarifen mit ausländischen
Bahnen erfolgt in der Regel derart, dass jede Bahn ihre
Schnittsätze (Binnensätze bis zur Grenze) an die der
anderen anstösst. Besondere Tarifermässigungen erfolgen
entweder auf Grund von Vereinbarungen oder aber in
der Weise, dass diejenige Bahn, in deren Interesse
eine solche liegt, dieselbe allein trägt. Transit-Tarife
bestehen für Sendungen, welche über die Häfen ein- und
ausgeführt werden u. s. w.
Eine charakteristische Erscheinung der neuesten Zeit
bilden die sogen. «Gemeinschaftsbetriebe». Seitdem näm-
lich die Eisenbahn-Unternehmungen sich mehr und mehr
gefestigt haben, ist im Allgemeinen die Tendenz vor-
herrschend geworden, auf möglichste Vermeidung des
Konkurrenzbetriebes von Parallel- u. dgl. Bahnen durch
Gemeinschafts-Vereinbarungen hinzuwirken, welche ent-
weder den Zweck verfolgen, die Tarife der in Betracht
kommenden Bahnen auf gleicher Höhe zu halten oder
Gewinn-Antheile auszugleichen. Aehnliche Einrichtungen
bestehen für die Reichsbahnstrecke belgische Grenze-
Luxemburg -Metz-Strassburg-Basel im Wettbewerbe mit
den Parallelbahnen in Frankreich und Baden.
Abgesehen von geringen Schwankungen, welche auf
vorübergehende Einflüsse, ungünstige Witterung, schlech-
ten Ernteausfall, Geschäftsstörungen der verschiedensten
Art, zurückzuführen sind, nahm der Verkehr auf den
Reichs-Eisenbahnen von Jahr zu Jahr grösseren Umfang
an. Der Personen- Verkehr wurde für kurze Zeit durch
den, infolge der politischen Verhältnisse an der französi- ,
sehen Grenze verhängten Passzwang ungünstig beeinflusst.
Eine ganz bedeutende Steigerung des Verkehres hatte das
Jahr 1895/96 durch die Gewerbe-Ausstellung zu Strass-
burg, die Schlachten-Gedenkfeiern und durch die allgemein
günstige Lage der Industrie von Elsass-Lothringen und
Luxemburg zu verzeichnen. Die Gesamt-Einnahme im Per-
sonen-Verkehre stieg gegen das Vorjahr von 13499926 M.
— 157 —
auf 15 408919 M. oder um 14,1 °/ , die Einnahmeft des
Güter- Verkehres von 44 998765 M. auf 48666848 M.
oder 8,2 °/ n . Von dieser Gesamteinnahme des Güter- Ver-
kehres entfallen :
auf Expressgut = 177 383 M.
» Eilgut = 1258 601 »
» Stückgut = 4 621619 »
» Allgemeine Wagen-
ladgskl. A, 1. u. B. = 3 809110 »
» Spezialtarif A, 2.
I, II, III a u. IIP = 14 206778 »
» Steinkohlen, Koks = 15365074 »
» Roheisen u. Eisen-
erze nach Aus-
nahmetarifen = 4 820891 *
» Steine nach Aus-
nahme-Tarif = 243620 »
» Holz nach Aus-
nahme-Tarif = 1203317 »
Die Einnahme aus dem Binnen- Verkehre betrug 12499702 M.
» » » » direkten » » 27067379»
» » » » Durchgangs-» » 9099767 »
Dem z. Zt. gültigen Tarife für Personen- und Ge-
päckbeförderung im Binnen -Verkehre der Eisenbahnen
in Elsass-Lothnngen und der Wilhelm-Luxemburg-Bahn
liegen folgende Einheitssätze zugrunde :
Einfacher Fahrpreis
Personenzug = 8,0 Pfg. (in minimo = 0,30 M.) I. Klasse.
» = 5,3 » » » = 0,20 » IL »
* = 3,4 » » » = 0,10 » III. »
Für Schnellzug wird ein Zuschlag von 1,1 Pfg. pro
Person und km zu vorstehenden Preisen erhoben. Mini-
malsätze für Schnellzug sind I. Klasse = 0,40 M., IL Klasse
= 0,30 M., III. Klasse = 0,20 M. Für Hin- und Rück-
fahrt, gültig 10 Tage, wird eine Ermässigung gewährt,
und zwar derart, dass bei Personenzügen a. Für Hin-
und Rückfahrt in I. Klasse eine Personenzugsfahrkarle
I. und eine III. Klasse, b. Für Hin- und Rückfahrt in
IL Klasse eine Personenzugsfahrkarte I. Kl. c. Für Hin-
und Rücfifahrt in III. Klasse eine Personenfahrkarte
— 158 —
II. Klasse, bei Schnellzügen a. Für Hin- und Rückfahrt
in I. Klasse eine Personenzugsfahrkarte I. und eine solche
II. Klasse b. Für Hin- und Rückfahrt in II, Klasse eine
Schnellzugsfahrkarte I. Klasse, c. Für Hin- und Rück-
fahrt in III. Klasse eine Schnellzugsfahrkarte II. Klasse
mit dem Rückfahrtstempel versehen, verausgabt wird.
Rundreisekarten : I. Klasse 5,7 Pfg. (pro Person und km)
» II. « 4,0 » » » » »
» III. « 2,65 » » » » »
Kinder unter 4 Jahren fahren unentgeltlich in Be-
gleitung ihrer Eltern ; solche über 4 bis zu 10 Jahren
zahlen die Hälfte des gewöhnlichen Fahrpreises.
Besondere Fahrpreis-Ermässigungen :
1. Allgemeine Zeitkarten werden auf die Dauer
von einem bis zu zwölf Monaten ausgefertigt und berech-
tigen zur beliebigen Fahrt auf der betr. Bahnstrecke in
% allen . fahrplanmässigen Zügen, welche die betr. Wagen-
klasse fuhren. Es werden berechnet :
Für Zeitkarten auf 1 Monat 30 einfache Fahrten
» » » 2 » 50 » »
für jeden weiteren Monat 15 einfache Fahrten. Für
Entfernungen von mehr als 10 km sind die so gefundenen
Preise um soviel Prozent (bis höchstens 50°/ ) zu er-
mässigen, als die Kilometerzahl über 10 beträgt.
2. Schülerzeitkarten (für Schüler und Schülerin-
nen aller Arten von Schulen, mit Ausnahme von akade-
mischen Anstalten, Universitäten, Hochschulen, Konser-
vatorien u. dgl. m.) werden auf die Dauer von einem bis
zu 6 Monaten verausgabt. Sie gelten für eine bestimmte
Bahnstrecke, entweder für einmalige Hin- und Rückfahrt
täglich oder, nur zu einer einmaligen Fahrt in einer Rich-
tung, mit Ausnahme von Sonn- und gesetzlichen Feier-
tagen.
Der Einheitssatz beträgt in der II. Klasse 0,75 Pfg.
» » » » » III. » 0,55 »
pro Kopf und km.
(L Klasse wird nicht verausgabt.) Die Schülerzeitkarten
berechtigen zur Fahrt in allen fahrplan massigen Zügen
fauch Schnellzügen). Schüler unter 10 Jahren geniessen
keine weitere Vergünstigung.
— 159 —
3. Arbeiterzeitkarten, nur für III. Klasse und
Personenzüge gültig, Preis pro Kopf und km 0,75 Pfg.
Sie werden für die Dauer eines Monates verausgabt, und
zwar zur einmaligen Hin- und Rückfahrt täglich bezw.
zur einfachen Fahrt täglich, mit Ausnahme von Sonn- und
gesetzlichen Feiertagen.
4. Arbeiter Rückfahrkarten für Personen, die
ausserhalb ihres Wohnortes in Arbeit stehen, mit dem
Einheitssatze von 1,7 Pfg., (3,4 Pfg. für Hin- und Rück-
fahrt) pro km. Sie berechtigen entweder zur Fahrt Vom
Wohnorte nach dem Arbeitsorte am Tage nach einem Sonn-
oder Feiertage und zur Rückfahrt nach dem Wohnorte am
Tage vor dem nächstfolgenden Sonn- oder Feiertage, oder
ferner zur Fahrt vom Arbeitsorte nach dem Wohnorte am
Tage vor und zur Rückfahrt am Tage nach einem Sonn-
oder Feiertage (oder mehreren hintereinander liegenden
Feiertagen.)
5. Gesellschaftsfahrten. Gemeinschaftliche
Reisen von mindestens 30 Personen berechtigen zu einer
Ermässigung von 50°/ auf den Preis der einfachen Fahrt,
bei Hin- und Rückfahrt zur Zahlung des Preises der ein-
fachen Fahrt.
Unbemittelte deutsche Staatsangehörige,
welche von den deutschen Hülfsvereinen in der Schweiz
empfohlen sind, werden auf der Rückkehr nach der Hei-
mat auf den Reichseisenbahnen in Elsass-Lothringen
in 3. Klasse zum halben tarifmassigen Fahrpreise beför-
dert ; dasselbe gilt für die von den schweizerischen
Hülfsvereinen in Elsass-Lothringen empfohlenen, nach der
Schweiz zurückkehrenden, unbemittelten schwei-
zerischen Staatsangehörigen auf der Fahrt bis
Basel. Ebenso unbemittelte Kranke und Geisteskranke,
sowie das sie begleitende Personal, bei seitens der Be-
hörden angeordneten Transporten.
Militärpersonen bezahlen auf allen deutschen
Bahnen 1,5 Pfg. pro km.
Die Beförderung der luxemburgischen Gendarmen
und Freiwilligen-Corps auf den Luxemburg-Bahnen ge-
schieht auf sogenannte Blanko-Offizierskarten zum halben
Fahrpreise.
Die Mannschaften vom Wachtmeister bezw. Feld-
webel abwärts zahlen jedoch 1,5 Pfg. pro km.
— 160 —
Der Beförderungspreis für einen Hund beträgt 1,5 Pfg.
pro km.
Der Einheitssatz für Reisegepäck-Beförderung be-
trägt 0, 424 Pfg. für je 10 kg und 1 km.
Die Reichseisenbahnen stehen mit den deutschen und
folgenden ausländischen Bahnen in direktem Verkehre :
Oes terreich- ungarischen, rumänischen, schweizeri-
schen, belgischen, niederländischen und italienischen
Bahnen, luxemburgischer Prinz-Heinrich-Bahn, ferner mit
Stationen französischer, englischer und russischer Bah-
nen sowie Hafenplätzen der Levante und des Schwarzen
Meeres über Hamburg seewärts.
Was die Wichtigkeit der einzelnen Verkehre anbe-
langt, so kommt in erster Linie der Binnen-Verkehr mit
einer Einnahme aus dem Güteriransporte von 12499702
M., ferner der südwesldeutsche Verbands- Verkehr mit
7 758133 M., der belgisch- und englisch-belgisch-süd-
westdeutsche Verkehr mit 5710100 M., der rheinisch-
westfälisch-südwestdeutsche Güter- Verkehr mit 5 479217
M., der Kohlen-Verkehr aus den Saarkohlengruben mit
2420975 M., der Erzverkehr mit der französischen Ost-
bahn, Nordbahn und der elsass-lothringisch-französische
Verkehr mit 1229 560 M., der süddeutsche Verbands-
Verkehr mit 1 135359 M., der mitteldeutsche Verbands-
Verkehr mit 892171 M. u, s. w. (Stand von 1895/96.)
Die Durchgangs- Verkehre, an welchen die Reichs-
bahn mit der grösslen Einnahme betheiligt ist, sind der
Saarkohlen-Verkehr nach der Schweiz, der deutsch- bzw .
englisch -belgisch -holländisch -italienische Güter- Verkehr,
der Durchgangs- Verkehr mit der Prinz-Heinrichbahn, der
Österreich-ungarisch-französische Güter- Verkehr und der
der Schweiz mit der französischen Ostbahn, der Saar-
kohlen-Verkehr mit Baden, der südwestdeulsch- und
norddeutsch-schweizerische Güter- Verkehr.
Elsa ss-Lothringen empfängt durch die Eisenbahn
aus Süddeutschland hauptsächlich Bier, Mehl und Salz;
vom Schwarzwald Holz, aus der Pfalz Wein und Steine,
aus dem Saar-Revier Kohlen; aus der Rheinprovinz
Braunkohlen und von Mannheim und Bremen Baum-
wolle, Zement, Getreide, Oel, Petroleum und Stärke.
Belgien (einschliesslich überseeischer Verkehr) versendet
nach Elsass-Lothringen hauptsächlich Steinkohlen, Wolle,
Eisenerze, Getreide, Mais, Kalk, Petroleum, Dünger,
Hafer und Gerste, Jute, Kartoffeln und empfängt von
Ü
- 461 —
hier Eisen, Holz, Glas, Soda, Salz. Die Handelsprodukte,
welche das Reichsland mit Frankreich austauscht, sind
im Versand Bier, Holz, Steine, Kohlen, Glas, im Ein-
fang Borke und Lohe, Erde, Wein, Kalk und Mehl,
ie Schweiz, welche fast ausschliesslich die Naturschön-
heiten ihrer Berge und Seen als Aequivalent für die
notwendigsten materiellen Lebensgüter zu bieten vermag,
empfängt von Elsass-Lothringen Kohlen, Eisen, Petroleum,
Thonwaaren, Dünger. Italien sendet Wein und Obst,
Ungarn: Getreide, Holland: Holz und Torf. Nach dem
Saar-Revier gehen aus Lothringen Eisenerze und Getreide,
nach Baden und Bayern aus dem Elsass Dampfkessel,
Erde, Garn, Gerste, Holz, Hopfen, Petroleum, Steine,
Wein, Borke und Lohe.
Die im Binnen- Verkehre hauptsächlich in Betracht
kommenden Transporte sind Wein, Bier, Malz, Getreide,
Mehl, Salpetersäure, Salz, Schwefelsäure, Steine, Petroleum,
Holz, Kalk, Baumwolle, Wolle, Eisen und Dünger. Von
Elsass nach Lothringen gehen : Wein, Bier, Erde und Kies,
Holz, Mehl, Petroleum, Steine, Vieh ; von Lothringen nach
dem Elsass: Roheisen, bearbeitetes Eisen, Eisenschienen,
Steinkohlen, Steine, Holz, Thonwaaren, Düngermittel, Soda,
Salz, Obst, Weizen, Hafer, Glas und Vieh. Nach Luxem-
burg versendet das Reichsland: Eisen, Eisenerz, Erde,
Steine.
Statistisches.
Die Betriebslänge nach dem Jahresdurchschnitt für
1895/96 betrug 1742,52 km vollspurige und 27,98 km
schmalspurige Bahnen. Das gesamte Anlage-Kapital belief
sich auf 539319869 M. bzw. 445436125 M. (das ge-
kürzte Kapital). Es wurden 19 165920 Personen, 16064941 1
Gesamt-Frachtgewicht, etwa 40000 Pferde, 741359 Stück
sonstiges Vieh, 37965 Achsen Kleinvieh, 1730 Fahrzeuge,
330076 Lokomotivkilometer Baugut in Arbeitszügen,
389 Leichen befördert und im Ganzen einschliesslich aller
Nebenerträge, sowie der etatsmässigen Einnahmen aus
Veräusserungen, für Ueberlassung von Bahnanlagen, Be-
triebsmitteln und Beamten an andere Verwaltungen u. s. w.
68545988,02 M. d. h. pro km 38602,65 M. eingenommen.
Jede Person hat durchschnittlich 24,19 km, jede Tonne
Gut 83,86 km durchfahren.
Die Gesamt- Ausgaben betrugen 43 201 820,72 M. d. h.
ll
— 162 —
pro km. 24400,95 M. Hieraus ergiebl sich ein Ein-
nahme-Uebersehuss von 25310708,87 M. d.h, 14295,79 M.
pro km. Das Anlage-Kapital hat sich mit 4,65°/ bezw.
5,62 °/ (das gekürzte) verzinst. Von den Ausgaben ent-
fallen 8,79 °/ auf allgemeine Verwaltung, 34,05% auf Bahn-
verwaltung, 57,16 °/ auf Transportvertvaltung.
Die Gesamtzahl der Züge auf der Reichsbahn im
Jahre 1895/96 betrug 307648 auf Haupt-, 101948 auf
Neben- und 12470 auf Schmalspurbahnen, zusammen
422066 Züge. Hierzu kommen 4278 Arbeitszüge im
Interesse von Bau- und Betriebsfonds. Diese Zügeleisteten
täglich 41243 Zugkilometer, d.h. etwa 26 mal wurde die
ganze Länge des Reichsbahnnetzes täglich durchfahren.
Auf den Wilhelm-Luxemburg-Eisenbahnen betrug die
Anzahl der Züge 103616, der täglich zurückgelegten
Zugkilometer 5357 ; die ganze Länge des Netzes wurde
daher etwa 31 -mal täglich durchfahren.
Der Wagenpark der Reichsbahnen setzte sich aus
1175 Personen-, 463 Gepäck-, 2601 bedeckten und 14666
offenen Güterwagen zusammen. Unter diesen befinden
sich 131 Wagen leichterer Bauart für Nebenbahnen und
26 leichte Gepäckwagen zu demselben Zwecke. Für
Schmalspurbahnen waren 15 Personen-, 3 Post- und Ge-
päck-, 11 bedeckte und 49 offene Güterwagen vor-
handen. Die eigenen Wagen legten auf den Reichsbahnen
146309 715 Achskilometer, fremde Wagen 451 221 806 Achs-
kilometer, die eigenen Wagen dagegen auf fremden
Bahnen 309346470 Achskilometer zurück.
Sobald die Wagen der Reichsbahn auf fremde Bahnen
und fremde Wagen auf erstere übergehen, finden die Be-
stimmungen der entsprechenden Wagenübereinkommen
Anwendung und zwar:
1. Im Verkehre mit den Bahnen des Vereins deutscher
Eisenbahn-Verwaltungen das deutsche Vereins - Wagen-
übereinkommen ;
2. im Verkehre mit den dem Staatsbahn- Wagen-Ver-
bande angehörenden Bahnen das Staatsbahn-Wagen-
übereinkommen ;
3. im Verkehre mit der französischen Ostbahn die
mit derselben abgeschlossene Konvention vom 1. Sep-
tember 1880 ;
4. im Verkehre mit den Schweizer-Bahnen das
deutsche Vereins- Wagenübereinkommen ;
— 163 —
5. im Verkehre mit den italienischen Bahnen das
deutsch-italienische Wagen-Regulativ;
6. im Verkehre mit der helgischen Staatsbahn und
den übrigen, dem Verein deutscher Eisenbahn- Verwal-
tungen nicht angehörenden belgischen Bahnen, das Inter-
nationale Uebereinkommen.
Besondere Bestimmungen regeln den Uebergang
zwischen den Schmalspur-Bahnen Golmar-Markolsheim,
Golmar-Schnierlach und der Strassburger Strassenbahn.
Es waren 593 Lokomotiven, darunter 134 Personen-
zug-, 41 Gemischtezug- und 285 Güterzug-, ferner 125
Tender-Lokomotiven für Vollspur- und 8 für Schmalspur-
Bahnen vorhanden.
Das gesamte Anlage-Kapital für die Beschaffung von
Betriebsmitteln betrug Ende 1895/96 = 75203749 M.
Eine Vergleichung der Betriebs-Ergebnisse des Jahres
1873 mit denjenigen des Jahres 1895/96 ergiebt folgende
interessanten Resultate :
Im Jahre 1873 betrug der Einnahme - Ueberschuss
2194 405 M., d. h. 1533 M. auf 1 km oder 0,19 auf ein
Lokomotiv-Nutzkilometer und 0,01 M. auf ein Wagenachs-
kilometer, die Verzinsung des Anlage - Kapitals 0,70%
bzw. 0,99 °/ . Im Jahre 1895/96 stellte sich der Ein-
nahme-Ueberschuss auf 25344167 M., d. h. 14315 M.
auf 1 km oder 1,43 M. auf ein Lokomotiv-Nutzkilometer
und 0,04 M. auf ein Wagenachskilometer, die Verzinsung
des Anlage-Kapitals betrug 4,65°/ bzw. 5,62°/ -
Es erübrigt noch, einen Blick auf die einzelnen
Strecken zu werfen, welche bezüglich ihrer Verkehrs-
Ergebnisse charakteristisch sind. Den höchsten Ertrag
lieferte in dem Betriebsjahre 1895/96 die Strecke Basel-
Strassburg mit Abzweigung nach Königshofen, Lutterbach-
Mülhausen-Kanalhafen und St. Ludwig - Hüningen mit
einem Einnahme-Ueberschuss von 54348 M. pro km. Die
grosse Wichtigkeit der Strecke Basel-Strassburg besteht
vor allen Dingen darin, dass dieselbe ein Hauptverbin-
dungsglied der durchgehenden Routen über Metz-Luxem-
burg, über Weissenburg, Lauterburg, Avricourt und Basel
bildet und so den direkten und durchgehenden Verkehr
zwischen den Südwest- und norddeutschen, den belgischen
und holländischen, englischen und französischen Bahnen
einerseits und den schweizerischen und italienischen
"Bahnen andererseits vermittelt. Sie stellt ferner für den
Binnen- Verkehr einen Hauptverkehrsstrom dar, der die
— 164 —
grossen Städte des Landes verbindet, und in welchen
eine Menge von wichtigen Bahnen aus den industrie-
reichen Vogesen-Thälern als Zufuhrstrassen einmünden.
Das wesentlichste Verkehrs-Element der Strecke Strassburg-
Basel bilden die Güter-Transporte.
Einen Einnahme-Ueberschuss von 48601 M. pro km
lieferte die Bahn von Hagendingen nach Gross-Moyeuvre,
welche hauptsächlich dem Erzverkehre dient. An dritter
Stelle folgte die Strecke Mommenheim-Saargemünd, deren
Bedeutung in der Abkürzung des Weges von Strass-
burgnach Saargemünd und dem Saarkohlen-Gebiete besteht,
alsdann die Düdelinger und Rümelinger Anschlussbahnen,
welche ein Gebiet mit zahlreichen Eisenerzgruben, Hoch-
öfen und anderen nennenswerten Fabrikwerken durch-
schneiden. Die genannten Bahnen dienen fast ausschliess-
lich dem Güter- Verkehre, welcher bezüglich der Einnahme
den Personen- Verkehr um das dreissig- bis vierzigfache
übersteigt. Sehr einträglich sind die Strecken Dieden-
hofen-Sierck, Diedenhofen-Fentsch, Hay ingen-Algringen ,
Diedenhofen- Völklingen, Wadgassen-Bous und Courcelles-
Teterchen. Dieselben dienen hauptsächlich dem Kohlen-
und Erz- Verkehre und als Uebergangslinien nach Preussen
und Frankreich. Die Station Diedenhofen steht mit einer
Einnahme von über 7 Millionen M. pro Jahr an der
ersten Stelle unter den elsass -lothringischen Eisenbahn-
Stationen. Ueber dem Durchschnitte des auf der Gesamt-
länge des Netzes erzielten Einnahme-Ueberschusses folgten
alsdann die Strecken Strassburg-Kehl, Strassburg-Deutsch-
Avricourt, Vendenheim-Weissenburg, Saarburg -Metz -lu-
xemburgische Grenze, Metz-Noveant und Remilly - Stie -
ringen. Mit einer Mehrausgabe wurden die Linien Alt-
kirch-Pfirt und Golmar- Altbreisach betrieben. Besonders
interessant sind dieselben, ebenso wie diejenigen von
Walburg nach Wörth, von Merzweiler nach Walburg
und Selz, von Colmar nach Markolsheim dadurch; dass-
die Einnahme aus dem Personen-Verkehre die aus dem
Güter-Verkehre übersteigt, während im Allgemeinen das
Verhältnis der ersteren zur letzteren 1 : 3 ist.
Was die allgemeinen Verhältnisse der Reichs-Eisen-
bahnen gegenüber den übrigen deutschen Bahnen anbe-
langt, so ist zunächst erwähnenswert, dass erstere be-
züglich der Dichtigkeit des Netzes eine bevorzugte Stelle
einnehmen. Nach den, vom Reichseisenbahnamt heraus-
gegebenen, statistischen Mittheilungen für 1893/94 kamen
— 165 —
auf je 10Ö Dkm Bodenfläche in Elsass - Lothringen
(14 509,46 Gkm insgesamt) 10,07 km Eisenbahnen, in
Preussen durchschnittlich 7,50, in Bayern 7,68, in Baden
10,10 u. s. w. und in ganz Deutschland. Durchschnittlich
8,05 km. Eine grössere Dichtigkeit des Bahnnetzes wiesen
die Rhemprovinz mit 12,68 km, * das Grossherzogtum
Hessen mit 12,03 km, das Königreich Sachsen mit 15,18
km pro D km Bodenfläche und einzelne Herzogtümer auf.
Im Personen-Verkehre wurden auf 1 km durch-
schnittlicher Betriebslänge 8187 M. eingenommen, auf den
Preussischen Staalsbahnen 9573 M., auf den Sächsischen
Staatsbahnen 11474 M., auf den Badischen Staatsbahnen
10429 M., auf der Main-Neckarbahn 30731 M., auf allen
übrigen Bahnen weniger als auf der Reichsbahn. Im
Güter-Verkehre halte in dem zum Vergleiche herange-
zogenen Betriebsjahre die Reichsbahn nach der Main-
Neckarbahn die höchste kilometrische Einnahme mit
26733 M. zu verzeichnen. Die durchschnittliche Einnahme
pro km auf sämtlichen Eiseubahnen Deutschlands betrug
21 428 M. Hierbei fällt noch besonders ins Gewicht, dass
die Einnahme pro Tonnenkilometer auf der Reichsbahn
bedeutend geringer als auf jeder anderen der deutschen
Bahnen war. Während die Betriebsiänge der elsass-
lothringischen Linien etwa 1 / 30 derjenigen von ganz
Deutschland betrug, belief sich die Zahl der Tonnenkilo-
meter auf 1295046 966 gegen 24484557 751 Tonnen-
kilometer auf sämtlichen deutschen Bahnen, d. h. 1 j 19
der letzteren.
Bezüglich der Ausnützang der vorhandenen Sitzplätze
standen die Reichsbahnen mit 2 1,20°/ , mit verschwindenden
Ausnahmen, hinter den übrigen deutschen Bahnen zu-
rück, nahmen bezüglich der Ausnützung der Güterwagen-
achsen die zweite Stelle (hinter der Neustrelitz-Warne-
münder Eisenbahn) ein. Abgesehen von der Main -Neckar-
Bahn (mit 27 450 M.) hatten die Reichsbahnen mit
16997 M. pro km den höchsten Einnahme-Ueberschuss
erzielt. Das für die Reichsbahnen aufgewendete Anlage-
kapital war mit 340405 M. pro km das höchste gegen-
über allen übrigen deutschen Bahnen, Die Anzahl der
Beamten und Arbeiter betrug (1893/94) 16400, für welche
23763 782 M. an Besoldungen verausgabt wurden.
166
Schlussbetrachtung.
Die wirtschaftlichen Kräfte v. Elsass-Lothringen
u. Luxemburg. Günstige geographische Lage.
Aus den vorstehenden Angaben gehl hervor, dass
die Reichsbahnen bezüglich der Verkehrs-Verhältnisse
und der Betriebs-Ergebnisse eine hervorragende Stelle
unter den deutschen Eisenbahnen einnehmen. . Die be-
wegenden Kräfte eines lebhaften Verkehres liegen vor
Allem in dem vorhandenen Verkehrsbedürfnis, welches
durch die günstige wirtschaftliche Lage eines Landes,
durch die Verschiedenartigkeit der Produktions- und
Konsumtions-Verhältnisse in den einzelnen Theilen des
betreffenden Verkehrsgebietes hervorgerufen wird. Be-
günstigt wird der Verkehr durch die vorteilhafte geo-
graphische Lage des Landes, welche die Beziehungen
zu den anderen Ländern und somit die Verkehrsgelegen-
heit erleichtert. Auf den Güter-Verkehr wirkt die gute
wirtschaftliche Lage noch indirekt ein, indem sie die
materiellen und geistigen Bedürfnisse der Bewohner ver-
mehrt und somit einen lebhafteren Austausch jeder Art
von Verbrauchsgegenständen hervorruft, auf den Personen-
Verkehr hinwieder durch Vermehrung der Reisen der
Geschäftswelt nach den Absatzgebieten ihrer Waaren,
sowie durch die Erhöhung der allgemeinen Reiselust,
welche mit der leichteren Lebensführung steigt.
Wenn wir die angeführten Momente ins Auge fassen,
so finden wir, dass dieselben in den Reichslanden Elsass-
Lothringen und dem angrenzenden Grossherzogtum
Luxemburg in hohem Masse vertreten sind. Was zu-
nächst die wirtschaftlichen Verhältnisse anbelangt, so
zählt Elsass-Lothringen zu den fruchtbarsten und gewer-
bethätigsten Ländern Europas. Der grösste Theil von
Ober- und Unter-Elsass liegt in der überaus frucht-
baren Rheinebene, in welcher die meisten landwirt-
schaftlichen Produkte der gemässigten Zone gut gedeihen.
Der Weinbau ist an manchen Stellen bedeutend und
bringt vortreffliche We.ine hervor, welche in den ver-
schiedenen Theilen des Landes und auch in den an-
grenzenden Gebieten Deutschlands Absatz finden. Im
Mittelalter, besonders im 16. Jahrhundert hatten die el-
— 167 —
sässischen Weine einen solchen Ruf, dass sie nach
der Schweiz, nach Holland, England, Dänemark und
Schweden verschickt wurden. Heute nimmt das Elsass
im Weinbau die erste Stelle unter den deutschen Staaten
ein. Der jährliche Ertrag wird auf etwa 1 Million
Hektoliter, der Gesamtwert des mit Wein bebauten
Landes in Elsass-Lothringen auf über 300 Millionen M.
Anlage-Kapital geschätzt. Die Weinproduktion beträgt
etwa die Hälfte derjenigen von ganz Deutschland. An
Handelsgewächsen werden ferner Tabak, Hopfen, Ge-
treide und Hanf gezogen. Weizen wird, da die Kon-
sumtion die Produktion bedeutend (um etwa 2000000
Centner) übersteigt, in beträchtlichen Mengen eingeführt;
Gerste, Roggen und Hafer meistens ausgeführt. Der
grosse Reichtum des Landes an günstigen Wasserläufen
fördert die Industrie, da sowohl der Rhein als auch die
111 eine Menge Triebwerke in Bewegung setzen. Die
Nebenflüsse der 111 : Doller, Thur, Lauch, Fecht, Andlau
und Breusch haben in den Vogesen viele industriereiche
Thäler geschaffen, und werden daselbst zum Betriebe
von Fabrikwerken jeder Art benützt.
Sehr hoch entwickelt ist die Textil-Industrie, welche
nach der Gewerbezählung von 1882 über 71000 Arbeiter be-
schäftigte, und die Maschinenfabrikation. Im Elsass befinden
sich über 150 Webereien, annähernd ebensoviele Spinne-
reien, eine Menge von Färbereien, Druckereien, Bleichereien,
Appretur-Anstalten. Zwirnereien, Mühlen, Tuch-und Leder-
fabriken, Bierbrauereien, Branntweinbrennereien, chemi-
schen Fabriken, Gerbereien, Tabak- und Cigarrenfabriken,
Steingut-undThonwaarenfabriken, Maschinenfabriken, Gies-
sereien, Kalkbrennereien u. a. m. Die Zahl der Webstühle
betrug nach offiziellen Angaben für 1893/94 in den Kreisen
Mülhausen, Thann und Altkirch zusammen 15 930, (56
Webereien) die Zahl der Spindeln 1 126 619 (in 43 Spin-
nereien) und 11839 (in 7 Zwirnereien). In den Kreisen
Colmar, Gebweiler und Rappoltsweiler waren zusammen
18 397 Webstühle (in 90 Webereien), 741770 Spindeln
(in 39 Spinnereien) und 4696 Spindeln (in einer Zwirnerei)
thätig. Die vergleichenden Uebersichten des Verkehres
id der allgemeinen Niederlage zu Mülhausen für 1894
weisen 1 016 153 kg rohe Baumwolle nach. Der zollamt-
liche Waaren-Verkehr in den Kreisen, Mülhausen, Thann
und Altkirch betrug 1894 = 2178447 kg rohe Baum-
wolle, 937 418 kg Baumwollengarn, 4 481 737 kg Roh-
— 468 —
eisen, 1248971 kg Halbfabrikate von Eisen und groben
Eisenwaaren, 2282725 kg Wein und Most in Fässern.
Eine Uebersicht über die im Jahre 1895 in den 3 vorge-
nannten Kreisen zur Veredelung ein- und wieder ausgegan-
gener Waaren ergiebt als Ausfuhr für rohe Baumwollen-
gewebe annähernd 2 Mill. kg, welche nach Oeslerreich-
Ungarn, nach der Schweiz, nach Frankreich, Belgien,
England, Spanien und den Philippinen, nach Italien, den
Vereinigten Staaten, Brasilien u. s. w. gingen. Die Ein-
fuhr von roher Baumwolle im Ober-Elsass betrug im
Jahre 1893 == 18619539 kg, von Steinkohlen etwa
33000000 kg, von Roheisen und Eisenerzen zusammen
etwa 7 Millionen kg.
In Lothringen befinden sich Erzgruben, Eisenwerke,
Sägewerke, Eisengiessereien, Mühlen, Werkzeug- u. a.
Fabriken, Salinen, Ziegeleien, Hochöfen, Slahl- und Eisen-
werke, Maschinenfabriken, Brauereien, Töpfereien, Gerbe-
reien, Stein- und Gypsbrüche, Branntweinbrennereien,
Hüttenwerke, Steinkohlengruben, Walzwerke, Holzschnei-
defabriken , Ghampagnerfabriken , Handschuhfabriken,
Zementfabriken, Kalkbrennereien, Fayence-, Porzellan-
und Glasfabriken, chemische Fabriken u. a. m. Das
Grossherzogtum Luxemburg ist reich an Stahl- und Erz-
bergwerken, Hochöfen, Schlackenmühlen, Walzwerken,
Eisenerzgruben, Mühlen, Branntweinbrennereien, Gerbe-
reien, Bierbrauereien, Ziegelwerken und sonstigen Fabrik-
betrieben der verschiedensten Art. Eine so reiche Industrie
bedarf vor allen Dingen grosser Mengen von Kohlen
und Rohmaterialen, deren Transport der Eisenbahn die
grössten Einnahmen sichert.
Im Jahre 1895/96 wurden von der Station Algringen
746086 t Eisenerz, von Diedenhofen 218465 t Roheisen,
96912 t fabrizirtes Eisen, von Gross-Moyeuvre 577 815 t
Eisenerz, von Rombach 125213 t Roheisen, von Stie-
ringen-Wendel 76593 t fabrizirtes Eisen, von Ueckingen
96 000 t Roheisen versandt, während der Empfang von
Diedenhofen 59 352 t Eisenerz, 49 472 t Steine, 288878 t
Kohlen, 643127 t Kokes, der Versand von Kochern
804 138 t Kohlen u. s. w. nachweist.
In der Eisenerzeugung nimmt Elsass-Lothringen die
zweite Stelle (nach Preussen) in Deutschland ein. Die Erz-
förderung betrug 1891 über 3 Millionen Tonnen im Werte
von etwa 7 Millionen Mark. Kohlen finden sich im Kreise
Forbach. In Klein-Rosseln und Spittel wurden im Jahre
— 169 —
1891 = 845 600 t im Werte von über 8 Millionen Mark
produzirt. Die Salzausbeute beträgt etwa Vio derjenigen
vom ganzen deutschen Zollgebiete. In der Montan-Industrie
wurden insgesamt im Jahre 1888 für 58 Millionen Mark
erzeugt. Der Reichtum des Landes erhellt am besten aus
dem bei den Reichsbankstellen in Strasburg, Metz und
Mülhausen erziehen Geschäfts-Ümsatz, welcher bei ersterer
im Jahre 1891 etwa 1 Milliarde, bei der zweiten etwa
840 Millionen und bei der letzteren etwa 700 Millionen
Mark betrug.
Bezüglich der Bevölkerungsdichtigkeit nimmt Elsass-
Lothringen unter den 26 deutschen Staaten die elfte Stelle
ein. Die Einwohnerzahl betrug 1641220 (1895), davon
entfallen auf Unter-Elsass 638 402, Ober-Elsass 477 636,
Lothringen 525182. Die Bevölkerungszahl im Unter-
Elsass warl J. 1801 etwa 450000, im Ober-Elsass etwa
300 000. Das bedeutende Anwachsen einiger Städte ge-
genüber der Landbevölkerung, eine Erscheinung, welche
bekanntlich nicht zu geringem Theile der Herrschaft der
Eisenbahnen zuzuschreiben ist, veranschaulichen folgende
Zahlen : Mülhausen, diese eigentlich modern^ Stadt, zählte
zu Anfang dieses Jahrhunderts noch nicht 10000, 1890
annähernd 80000 Einwohner (76892). Der Ueberschuss
der Einwanderung gegen die Auswanderung betrug von
1871 bis 1890 + 8981 . Dieser Ziffer steht eine Verminderung
der Bevölkerung von Mülhausen Land von 9537 im gleichen
Zeiträume gegenüber.
Strassburgs Bevölkerung hat sich im Laufe dieses
Jahrhunderts von 54 454 (i. J. 1808) auf 135313 (1895)
vermehrt. Die Einwanderung in Strassburg-Stadt über-
wog die Auswanderung von 1870 — 1890 um 17057, in
Strassburg Land betrug das Mehr der Auswanderung
7599 i. gl. Zeitr.
Eine der konservativsten Städte ist Metz, deren Be-
völkerungszahl 1857 etwa 57 000 und 1890 etwa 60000
betrug. Das Mehr der Auswanderung im Landkreise Metz
war 8489 (1871—1890).
Von den übrigen Orten bieten noch folgende beson-
deres Interesse *
Golmar mit 13396 Einw. i. J. 1801 und 30399 i. J.
1890. Hag^nau mit 11196 Einw. i. J. 1851 und 17 050
i. J. 1895. Markirch mit 7724 Einw. i. J. 1851 'und
11870 i. J. 1890. Schiltigheim mit 2998 Einw. i. J. 1851
und 8596 i. J. 1895, Dornach mit 250 Einw. zu An-
— 170 —
d. Jahrh. und 2657 i. J. 1890. Saargemünd mit
6075 Einw. i. J. 1861 und 13076 i. J. 1890.
Ein Umstand darf hier nicht unerwähnt bleiben. Nach
amtlichen Ermittelungen über den Stand der allgemeinen
Bildung in Frankreich nahm das Unter-Elsass die erste
Stelle ein. Auf 1000 junge Leute von 20 Jahren entfielen
nur 15 Analphabeten, während in anderen französischen
Departements die Zahl der Analphabeten unter den jungen
Leuten mitunter 700 bis 800 pro Tausend betrug. Dieses
Verhältnis wurde ein anderes nach dem Kriege, da der allge-
meine Bildungsstand in Deutschland bekanntlich höher ist
als in Frankreich. Im Uebrigen herrschte im Elsass, wie in
allen Ländern von günstigen wirtschaftlichen Verhält-
nissen, von jeher ein sehr reges geistiges Leben. Und
gerade dieses Gebiet ist es, auf welchem sich auch am
klarsten der deutsche Geist der Bevölkerung wieder-
spiegelt. Gross ist die Schar der elsässisch- deutschen
Dichter, die, mit den Worten L. Spachs zu reden, «unbe-
kümmert um Lob oder Unterstützung der (französischen)
Zentralbehörden, gleichgültig gegen akademische Pariser-
palmen, den Gebrauch der Muttersprache für den Erguss
der innigsten Gefühle, für den Ausdruck der schwung-
vollsten Gedanken treu festhielten». Im elsässischen Sänger-
walde treffen wir einen Otfrit von Weissenburg, Gottfrit
von Strassburg, Sebastian Brant, Thomas Murner, Fischart,
Pfeffel, Stöber, Arnold, Gustav Mühl, Dürrbach, Daniel
Hirtz, Hackenschmidt u. a. m.
Unter den elsässischen Geschichtsschreibern sind be-
sonders Strobel, Röhrich, Jung, Karl Schmidt, Karl Heilz,
Piton zu erwähnen. Den verschiedenen, wissenschaft-
lichen und wirtschaftlichen Zwecken dienten oder dienen
noch die historisch-archäologische Gesellschaft des Elsass,
die litterarische Gesellschaft zu Strassburg, die Bevue
d'Alsace (seit 1850 bestehende Zeitschrift), die Gazette
mödicale von Strassburg, die Gesellschaft zur Beför-
derung der Naturwissenschaften, die Ackerbau-Gesellschaft
und endlich die Gesellschaft zur Beförderung der Industrie
in Mülhijusen.
Vortrefflich ist die geographische Lage von Elsass-
Lothringen und des angrenzenden Grossherzogtums Lu-
xemburg für den Eisenbahn-Verkehr. Inmitten einer Gruppe
der höchstentwickelten Kulturstaaten, zwischen Ländern
von hoher Produktivität und hervorragender industrieller
Thätigkeit gelegen, bildet das Reichsland ein wichtiges
— 171 —
Verbindungsglied des internationalen Verkehres, daher
auch schon in den frühesten Jahrhunderten völkerver-
bindende Handelsstrassen an Strassburg vorbeigingen.
Der Rhein selbst war von jeher eine wichtige Verkehrs-
strasse zwischen Italien und der Schweiz einerseits und
Norddeutschland, Belgien und Holland andererseits. Die
günstigen inneren geographischen Verhältnisse erleichter-
ten die Anlage von Strassen, Kanälen und Eisenbahnen,
durch welche sich Elsass-Lothringen vor vielen anderen
Ländern auszeichnet. Die Vogesen, eines der roman-
tischsten und zugänglichsten der deutschen Mittelgebirge,
bieten von Jahr zu Jahr erneuten Anreiz zu erhöhter
Reiselust, sowohl der elsässischen als auch der übrigen
deutschen Touristen. Zur Erleichterung des Besuches
der Vogesen bestehen seit einigen Jahren Eisenbahn-
Rundreisekarten für den Binnen-Verkehr mit Preis-Er-
mässigungen. Die Schweiz mit ihren herrlichen Seen
und himmelanstrebenden Bergen lockt alljährlich zur
schönen Jahreszeit viele Tausende herbei , von denen
Deutschland das gröbste und England ein bedeutendes
Kontingent stellen. Und dieser ganze Verkehrsstrom
flutet fast ausnahmlos über die reichsläudischen Eisen-
bahnlinien unter der denkbar günstigsten Ausnützung des
Netzes. Für den überseeischen Verkehr, besonders über
die belgischen, holländischen und französischen Häfen ist
die Lage Elsass-Lothringens und Luxemburgs sehr vor-
teilhaft. Zwei Länder, die Schweiz und Italien, welche
arm an Kohlen und Eisen sind, sind gezwungeÄ, ihren
Bedarf aus Belgien sowie aus dem Ruhr- und Saargebiet
zu decken, und die Reichsbahnen sind an dem Transporte
hervorragend betheiligt.
Die bedeutendsten kontinentalen Routen gehen über
die reichsländischen Linien. In dieser Beziehung beste-
hen z. Z. folgende grossen Schnellzugs- Verbindungen :
Der Orient-Expresszug (seit 1. Juni 1883), welcher
sich zwischen Paris und Konstantinopel bewegt, führt
über Paris-Nancy-Avricourt-Strassburg-Appenweier-Karls-
ruhe-Stuttgart-München-Simbach-Wien täglich einmal in
dieser und der entgegengesetzten Richtung. Von Wien ab
fährt derselbe zweimal wöchentlich über Budapest, Bel-
grad-Nisch- Sofia-Philippopel- Adrianopel nach Konstanti-
nopel und einmal wöchentlich über die alte Route Buda-
pest-Orsova-Bukarest-Giurgewo-Rustschuk-Varna und per
Expressdampfer nach Konstantinopel.
- 172 —
Der Ostende-Romer-Schnellzug stellt eine
Verbindung von London über Ostende-Brüssel-Luxemburg-
Metz- Strassburg- Basel - Ölten- Luzern-Göschenen- Airolo
(Gotthardtunnel) Chiasso-Corao-Mailand-Bologna mit Rom
her und befährt diese Route täglich einmal in jeder
Richtung«
Der Köln-Romer Schnellzug fährt täglich ein-
mal über Kohlenz-Bingen-Münster a. St.- Neustad a. H.-
Weissenburg-Strassburg-Basel u. s. w. wie der vorge-
nannte.
Von Paris geht ein Schnellzug über Nancy-
Metz-Saarbrücken-Frankfurt a. M.- Berlin oder Köln und
umgekehrt zweimal täglich.
Ferner bestehen Schnellzugs- Verbindungen : Basel-
Strassburg - Weissenburg - Frankfurt - Berlin und zurück
Strassburg- Weissenburg-Mannheim-Frankfurt- Berlin ;
Basel -Strassburg - Lauterburg - Mannheim-Frankfurt-
Kassel -Nordhausen -Magdeburg- Potsdam -Berlin in jeder
Richtung ;
Metz-Diedenhofen-Trier- Berlin in jeder Richtung;
Metz-Kalhausen Rastatt -Nürnberg bzw. München in
jeder Richtung ;
Strassburg — Rösch woog — Rastatt — Nürnberg bzw.
München ;
Basel-Mülhausen-Altmühsterol-Paris in jeder Richi-
ung, über dieselbe Route bis Galais in jeder Richtung;
Strassburg -Metz in jeder Richtdng ;
Stuttgart-Karlsruhe-Strassburg-D. Avricourt-Paris in
jeder Richtung.
Von Köln« nach Basel und umgekehrt.
So sind die Reichseisenbahnen in Elsass.-Lothringen
durch ihre günstige geographische Lage und die reichen
wirtschaftlichen Kräfte des Landes, welche sie durch-
ziehen, in hervorragender Weise Vermittler des Weltver-
kehres, welcher auf der Grundlage des Welthandels, auf
den immer zahlreicher werdenden sozialen Wechselbezieh-
ungen zwischen den einzelnen Gliedern der ganzen Mensch-
heit und auf der wunderbaren Verkehrskraft der völker-
verbindenden Eisenbahn beruht.
173
Rückblick.
Wir wollen dieses Kapitel nicht schliessen, ohne
zuvor einen kurzen Rückblick auf die Entwickelungs-
Geschichte der Eisenbahnen von Elsass-Lothringen und
die charakteristischen Merkmale der, dieser Schrift zu-
grundeliegenden, chronologischen Eintheilung geworfen zu
haben.
Wir sehen im Elsass, einem von jeher durch Handel,
Gewerbe. und Verkehr ausgezeichneten Lande, schon sehr
frühe Eisenbahn-Projekte auftauchen. Bereits vier Jahre
nach der Eröffnung der ersten Bahn auf dem Kontinente
wird Mülhausen, dieses «Manchester» des Elsass, durch
die eiserne Schienenstrasse mit Thann verbunden, und
zwei Jahre später, 1841, vermittelt, dank der thatkräftigen
Initiative des verdienstvollen Fabrikanten Nikolaus Köchlin,
die Lokomotivbahn den Verkehr zwischen Strassburg und
Basel. Elsass besitzt die grösste Bahn von ganz Frankreich.
Wie überall, so zeigt auch hier der Verkehr beschei-
dene Anfänge. Der Personen-Verkehr übersteigt wohl
die Erwartungen, aber das eigentliche Element, die
Massengüter-Transporte, fehlen. Die alten Landstrassen,
natürlichen und künstlichen Wasserwege genügen den
Anforderungen, und der Eisenbahn steht das Publikum,
weil ohne Erfahrungen, z. Th. misstrauisch gegenüber.
Die zweite Periode, von 1842 bis 1863, ist die grösste
und zugleich eine der wichtigsten. Strassburg, Metz
und Mülhaussen werden mit Paris-Le Havre verbunden ;
es werden Anschlüsse an Luxemburg, Preussen, die Pfalz,
Baden und die Schweiz hergestellt. Ununterbrochene
Schienenstrassen, welche Elsass-Lothringen durchschneiden,
ziehen nun von den Gestaden des Atlantischen Ozeans,
vom Ostende der Pyrenäen nach dem Balkan, von der
Nordsee nach dem Mittelländischen Meere und machen
dieelsass-lothringischen Bahnen zu wichtigen Mittelgliedern
des Weltverkehres. Das Monopol der französischen Ost-
bahn-Gesellschaft herrscht in Elsass-Lothringen. Der
Verkehr ist in stetigem Wachsen begriffen, Handel und
Industrie haben einen gewaltigen Aufschwung genommen,
latente Kräfte sind in allen Theilen des Landes geweckt
worden.
Die dritte Periode, von 1863 bis 1871, ist durch das
— 474 —
Lokalbahnsystem gekennzeichnet. Verschiedene, bis jetzt
unberücksichtigt gebliebene Gegenden werden an das
Hauptverkehrsnetz durch Schienenstrassen zweiter Ord-
nung angeschlossen. Die Initiative des Präfekten Migneret
vom Unter-Elsass tritt in den Vordergrund der Eisenbahn-
Angelegenheit, seine Idee beherrscht die ganze Periode.
Der deutsch-französische Krieg von 1870/71 ruft ge-
waltige Umwälzungen politischer und wirtschaftlicher
Natur hervor. Die Eisenbahnen von Elsass-Lothringen gehen
in den Besitz des deutschen Reiches über. Der Verkehr
ist gezwangen, neue Wege zu suchen. Indessen wird
das Reichsbahnnetz seiner neuen Bestimmung entsprechend,
weiter ausgebaut, durch Herstellung wichtiger innerer
Verbindungen und besserer Anschlüsse an Altdeutschland.
Charakteristisch für diese Periode ist der grosse wirt-
schaftliche Niedergang, der in der Mitte der siebenziger
Jahre beginnt und 1878 seinen tiefsten Punkt erreicht.
Derselbe hat die Verkehrs-Verhältnisse der Reichsbahnen,
ebenso wie diejenigen des übrigen Deutschland und der
meisten anderen Länder gewaltig beeinflusst.
Die letze Periode, von 1878 bis heute, kann die Zeit
der ruhigen, stetig aufstrebenden Entwickelung genannt
werden. Das Netz wird bedeutend vergrössert durch eine
Menge von Nebenbahnen und Hauptbahnen von strate-
gischer und wirtschaftlicher Wichtigkeit. —
Ein dichtes Netz von Verkehrsadern bedeckt heute
ElsaSs-Lothringen ; durch dasselbe strömen stets neues
Leben und neue Kräfte in alle Theile des Landes. Hier
stellt die schwer beladene Achse, als wahre Förderin der
Kultur, den Ausgleich her zwischen Erzeugung und Ver-
brauch ; dort fördert das leichtbeschwingte Rad die flinken
Werke der Buchdruckerkunst und die leichten Boten der
Liebe und Freundschaft in Stadt und Land, oder trägt
die bunte Menge an Sonn- und Feiertagen an den Fuss
ruinengekrönter Berge. So belebt die Eisenbahn in jedem
Augenblicke den Pulsschlag des Volkes und macht das-
selbe immer reifer zu den höchsten Aufgaben der Menschheit,
den sozialen Forderungen und Pflichten der Menschlichkeit,
welche nur auf dem Boden der fortschreitenden mate-
riellen und geistigen Kultur erblühen und gedeihen
kann.
Anhang.
Beschreibung des Bahnnetzes. Eine Karte in
Worten.
Das Eisenbahnnetz von Elsass - Lothringen und Luxemburg
charakterisirt sich auf der Karte als eine, die Längsrichtung des
Landes durchziehende Hauptverkehrsader, von welcher in allen
wichtigen Funkten Seitenlinien ausgehen, die vielfach verzweigt und
unter einander verbunden, den Landesgrenzen zustreben. Die Haupt-
linie nimmt bei Basel an der Schweizer Grenze ihren Anfang, zieht
zunächst nordwestlich über St. Ludwig bis Mülhausen, von da im
Allgemeinen nordöstlich über Lutterbach, Bollweiler, Colmar, Rap-
poltsweiler, Schlettstadt, Erstein, Strassburg, wendet sich alsdann
nordwestlich über Vendenheim, Mommenheim, Steinburg, Zabern,
Lützelburg, Saarburg, Berthelmingen, Bensdorf, Remilly, Cour-
celles a/N., Metz. Von Metz ab verfolgt die Bahn eine genau nörd-
liche Richtung über Hagendingen, Diedenhofen, Suftgen (luxemb.
Grenze), Bettemburg, Luxemburg, Ettelbrück, ' Ulflingen nach der
belgischen Grenze. Die ganze Linie ist zweigleisig bis Luxemburg,
eingleisig von da bis zur belgischen Grenze.
Die Strecke von Basel bis Strassburg steht mit der badischen
Bahn in Verbindung durch die eingleisigen Hauptbahnen : St. Ludwig-
Hüningen-Mitte Rhein (Leopoldshöhe), Mülhausen-Banzenheim-Mitte-
Rhein bei Eichwald (Müllheim), Colmar -Neubreisach -Mitte-Rhein
(Freiburg) und die zweigleisige Hauptbahn Strassburg-Kehl-Mitte-
Rhein (Appenweier).
Nach Osten zweigt ferner die Schmalspurbahn Colmar-Markols-
heim ab, welche durch die Strassburg-Markolsheimer Strassenbahn
(Privat) bis Strassburg sich fortsetzt.
Nach der Westseite führt von Mülhausen eine zweigleisige
Hauptbahn über Altkirch an die französische Grenze bei Altmünsterol
(und weiter nach Beifort u. s w.) Von dieser Linie zweigt in Alt-
kirch die eingleisige Nebenbahn Altkirch-Pfirt ab.
Eine eingleisige Hauptbahn führt von Lutterbach über Sennheim
in das Thurthal nach Wesserling und von Sennheim eine eingleisige
Nebenbahn in das Dollerthal nach Masmünster. In Bollweiler zweigt
eine eingleisige Nebenbahn in das Lauchthal nach Lautenbach, in Colmar
eine solche in das Fechtthal nach Metzeral und von Schlettstadt eine
solche in das Leberbachthal nach Markirch ab, welche in Weilerthal
eine Seitenlinie (Nebenbahn) in das Giessenthal nach Weiler U/Els. ent-
sendet. Ferner sind die im Privatbesitze befindlichen Strassenbahnen
Mülhausen-Ensisheim, Mülhausen- Witteisheim, Colmar-Schnierlach und
Strassburg-Truchteraheim zu erwähnen. Eine eingleisige Hauptbahn
stellt eine direkte Verbindung 'von Schlettstadt über Molsheim mit
- 176 —
Zabern (unter Umgehung von Strassburg) her. Diese kreuzt in Mols-
heim mit der, von Strassburg durch das Breuschthal nach Rothau
ziehenden, eingleisigen* Hauptbahn, welche sich als Nebenbahn bis
Saales fortsetzt.
Von Strassburg aus geht parallel mit dem Rheinstrome die
(vorläufig) eingleisige Hauptbahn nach Lauterburg und von Venden-
heim die zweigleisige Hauptbahn nach Weissenburg. Die erstere setzt
sich in der Pfalz nach Speyer-Ludwigshafen, die zweite nach Landau-
Neustadt a/H. fort. Die beiden vorgenannten Linien in Röschwoog
bzw. Hagenau durchkreuzend , zieht eine zweigleisige Hauptbahn,
von Rastatt kommend, über Roppenheim (Mitte-Rhein), Röschwoog,
Hagenau, Schweighausen nach Obermodern. Weiter nördlich ver-
bindet eine eingleisige Nebenbahn Selz (auf der Lauterbureer Linie)
mit Walburg (auf der Weissenburger Linie) und mit Wörth und
Merzweiler.
Der bereits zu Anfang erwähnten Hauptverkehrsader parallel,
zieht eine eingleisige Hauptbahn von Hagenau, Schweighausen über
Saargemünd-Beningen, von da als eingleisige Nebenbahn nach Har-
garten und weiter als zweigleisige Hauptbahn nach Diedenhofen.
Diese beiden Parallellinien sind durch - mehrere Strecken mit ein-
ander verbunden. In dieser Beziehung ist zunächst die Hauptbahn
Mommenheim-Saargemünd zu erwähnen, welche bis Obermodern ein-
gleisig, bis Kaihausen zweigleisig und bis Saargemünd eingleisig be-
trieben wird. Von Steinburg führt eine eingleisige Nebenbahn nach
Buchsweiler und von da, sich gabelnd, nach Obermodern und Ing-
weiler. Eine zweigleisige Hauptbahn verbindet Berthelmingen mit
Saargemünd und wird in Saaralben von der ebenfalls zweigleisigen
Hauptbahn Bensdorf-Kalhausen gekreuzt. Eine weitere zweigleisige
Hauptbahn geht von Remilly über Beningen nach Saarbrücken,
eine solche auch von Courcelles a/N. über Teterohen -nach Wadgassen-
Bous bzw. Völklingen.
In Lützelburg zweigt die Schmalspurbahn nach Pfalzburg ab.
Anschlüsse an Frankreich stellen folgende Strecken her:
Saarburg-D. Avricourt (Igney-Avriconrt-Luneville), zweigleisige
Hauptbahn mit Abzweigung Saarburg- Oberhammer- Alberschweiler
bzw. Vallerysthal, eingleisigeNebenbahnen.
Bensdorf-Chambrey (Moncel-Frouard) eingleisige Hauptbahn mit
Abzweigung Burthecourt - Vic, Nebenbahn, und Verbindungsstrecke
Bensdorf-D. Avricourt, Nebenbahn.
Metz-Noveant (Pagny-Frouard), zweigleisige Hauptbahn.
Metz-Amanweiler (Batilly-Conflans), Nebenbahn.
Diedenhofen -Fentsch (Audun-le-Roman Longuyon), eingleisige
Hauptbahn, mit Abzweigung Hayingen-Algringen, Nebenbahn.
In Hagendingen zweigt eine Nebenbahn nach Gross-Moyeuvre
ab. Einen Anschluss an Preussen stellt die zweigleisige Hauptbahn
Diedenhofen-Sierck (Trier) her. Im Grossherzogtum Luxemburg fällt
als Hauptknotenpunkt die Hauptstadt des Landes mit 2 eingleisigen
Hauptbahnen zunächst ins Auge. Diese beiden Linien kreuzen die
Hauptlininie Bettemburg-Ulflingen und fuhren nach Bettingen-belgisehe
Grenze, bzw. Wasser billig-preussische Grenze. In Bettemburg zweigt
die, als eingleisige Haupthahn betriebene Strecke Bettemburg-Redingen
mit Zweiglinien Bettemburg-Düdelingen-Werk, Nörzingen-Tetingen,
Verbindungs-Kurve bei Nörzingen (eingleisige Hauptbahnen) ab. Von
Ettelbrück führt eine eingleisige Hauptbahn naoh Diekirch mit An-
schluss an die Prinz- Heinrichbahn.
— 177 —
Geschichtliche Daten über die Eröffnung der
einzelnen Strecken.
Hülhausen-Thann am 12. September 1839.
Benfeld-Colmar am 18. Oktober 1840.
Mülhausen-St. Ludwig am 25. Oktober -1840.
Königshofen-Ijgpfeld am 1. Mai 1841.
Colmar-Mülhansen am 15. August 1841.
Strassburg-Eönigshofen am 26. März 1844.
St. Ludwig-Schweizer-Grenze am 13. Juni 1844.
Metz-Noveant-französ. Grenze am 10. Juli 1850.
Strassburg-Saarburg am 29. Mai 1851.
Metz-St.-Avold am 24. Juli 1851.
St.-Avold-Forbach am 16. November 1851.
Saarbnrg-Avricourt-französ. Grenze am 15. August 1852.
Forbach-Stieringen-preuss. Grenze am 16. November 1852.
Metz-Diedenhofen am 16. September 1854.
Vendenbeim-Hagenau am 18. Juli 1855.
Hagenau-Weissenburg-bayer. Grenze am 23. Oktober 1855.
Mülhausen-Dammerkirch am 15. Oktober 1857. .
Dammerkirch-Altmünsterol-französ. Grenze am 15. Februar 1858.
Diedenhofen-Suftgen-luxemb. Grenze am 11. August 1859.
Strassburg-Kehl (Mitte-Rhein) am 11. Mai 1861.
Diedenhofen-Fentsch-französ. Gienze am 25. April 1863.
Thann-Wesserling am 25. November 1863*
Barr-Molsheim am 29. September 1864.
Strassburg-Molsheim am 29. September 1864.
Avricourt-Dieuze am 25. November 1864.
Molsheim-Mutzig am 15. Dezember 1864.
Molsheim- Wasselnheim am 15. Dezember 1864.
Hagenau-Niederbronn am 19. Dezember 1864.
Schlettstadt-Markirch am 29. Dezember 1864.
Saargemünd-Beningen am 16. Dezember 1865.
Beningen-Karlingen am 1. Mai 1866.
Sennheim-Sentheim am 30. Juni 1869. (
Nieder bronn-Saargemünd am 8. Dezember 1869.
Bollweiler-Gebweiler am 5. Februar 1870.
Saargemünd-preneeische Grenze am 1. Juni 1870.
Diese Bahnen gingen durch den Frankfurter Friedens-Vertrag
vom lO.jäO. Mai 1871 in das Eigentum des deutschen Reiches über.
Von der Stadt Münster wurde durch Kaufvertrag vom 12. De-
zember 1871 die, von derselben erbaute Bahn von Colmar nach
Münster, eröffnet am 3. Dezember 1868, erworben.
Von der anonymen lothringischen Eisenbahn-Gesellschaft wurden
durch Kaufvertrag vom 23.125. Juni 1881 folgende Strecken er-
worben : .
Saarburg-Saargemünd, eröffnet am 1. November 1872,
Courcelles-Bolchen, eröffnet am 15. Juni 1873,
Bolchen-Teterchen, eröffnet am 15. Oktober 1876,
ferner durch Kaufvertrag vom 19.|20. Oktober 1881 :
Chäteau-Salins-Chambrey-französ.-Grenze mit Abzweigung von
Burthecourt nach Vic, eröffnet am 2h Juni 1873. .
12
— 178 —
Von einzelnen Gesellschaften wurden folgende Strecken er-
worben :
Abzweigung .bei Strassburg nach Schiltigheim durch Kaufver-
trag vom 12rMai 1881, in Betrieb genommen am 15. Oktober 1881.
Hayingen-Algringen (Algringer Erzbahn), im Betriebe seit dem
1. Juni 1882, als öffentliche Bahn am 4. Januar 1892 erklärt.
Colmar-Horburg (Schmalspurbahn) durch Kaufvertrag vom
15./16. Juli 1890, in Betrieb genommen am 1. August 1890.
Lützelburg-Pfalzburg, in Betrieb seit 1. September 1888, durch
Kaufvertrag vom 11. Mai 1891, in Betrieb genommen am 1. Juni 1891.
Unter der Verwaltung der Kaiser!. General-Direktion wurden
auf Kosten des Reiches bezw. des Landes Elsass-Lothringen erbaut :
Met z-A man weilei-f ranz ös. Grenze am 1. April 1873 (Reichsfonds).
Strassburg-Lauterburg-baver. Grenze am 26. Juli 1876 (Reichs-
fonds).
Zabern-Wasselnheim am 1. August 1877 (Reicbsfonds).
Barr-Schlettstadt am gleichen Tage (dgl.).
Steinburg-Buchsweiler am 16. Oktober 1877 (Reichs- und
Landesfonds).
Mutzig-Rothau am gleichen Tage (dgl.).
Rieding-Remiliy am 10. Dezember 1877 (Reichsfonds).
Colmar- Breisach (Mitte Rhein) am 6. Januar 1878 (Reichs und-
Landesfonds).
Mülhausen-Banzenheim (Mitte - Rhein) am 6. Februar 1878
(Reichsfonds).
St Ludwig-Hüningen (Mitte-Rhein) am 11. Februar 1878 (Reichs-
fonds).
Diedenhofen-Sierck (preuss. Grenze) am 16. Mai 1878 (Reichs-
fonds, geringe Landessubvention J.
Teterenen- Bous am 1. Aprl 1880 (Reichsfonds).
Wadgassen-Völklingen am 1. April 1881 (dgl.)
Chäteau-Salins-Saaralben am 1. November 1881 (Reichsfonds,
geringe Landessubventio).
Buchsweiler-*Schweighau8en am 1. November 1881 (Landesfonds\
Dieuze-Bensdorf am 1. Mai 1882 (Reichsfonds, geringe Landes-
subvention).
Karlingen-Hargarten am gleichen Tage (dgl).
Teterchen-Diedenhofen am 1. Juni 1883 (Reichs- und Landes-
fonds).
Sentheim-Masmünster am 1. September 1884 (Landesfonds).
Lauter burger Hafenbahn am 1. November 1884 (Reichsfonds).
Gebweiler-Bühl-Lautenbach am 15. Dezember 1884 (Land esfonds).
Verbindungsbahn Lutterbach-Mülhausen^Hafen am 6. August 1886
(Reichsfonds).
Hagendingen-Gross-Moyeuvre am 16. November 1888 (Reichs-
fonds, geringe Landessubvention).
Bucfcsweiler-Ingweiler am 16. Dezember 1889 (Reichs- und
Landesfonds).
Rothan-Saales am 1. Oktober 1890 (Reichs- und Landesfbnds).
Horburg-Markolsheim am 8. November 1890 (dgl.).
Weilerthal-Weiler am 1. Oktober 1891 (dgl.).
Walburg- Wörth am 1. Dezember 1891 (dgl.).
Altkirch-Pfirt am 4. Januar 1892 (dgl.).
Saarburg-Alberschweiler mit Abzweigung nach Vallerysthal am
4. Januar bzw. 1. Juni 1892 (Reichs- und Landesfonds).
— 479 —
Merzweiler-Walburg-Selz am 1. November 1893 (dgl.)«
Münster-Metzeral am gleichen Tage (dgl.)
Hagenau-Rösohwoog (Mitte-Rhein) am 1. Mai 1895 (dgl.).
Mommenheim-Saaralben am 1. Mai 1895 (dgl.).
Ka) hausen- Saargemünd am 1« Oktober 1895 (dgl.).
Im Bau begriffen sind:
Wingen-Münzthai-St. Louis.*
Erweiterung des Bahnhofes Mulhausen-Nord und Verbindung
mit Mülhausen-Wanne.
Verwaltung der Reichseisenbahnen,
Durch Allerhöchsten Erlass vom 9. Dezember 1871 wurde der
weitere Ausbau, der Betrieb und die Verwaltung der Reichseisen-
bahnen einer besonderen Behörde unter dem Namen: «Kaiserliche
General-Direktion der Eisenbahnen in Elsass-Lothringen> übertragen.
Durch Reichsgesetz vom 15. Juli 1872 erfolgte die Genehmigung
des Luxemburger Vertrages vom 11. Juni 1872 und am 16. Septem-
ber 1872 die Betriebs-Uebernahme auf den Luxemburg-Bahnen.
Durch Gesetz vom 27. Juni 1873 Errichtung des «Reichseisen-
bahnamtes.»
Durch Gesetz vom 29. Februar 1876 Festsetzung des neuen
Rechnungsjahres vom 1. April bis zum 31. März d. f. Js.
Durch Kaiserlichen Erlass vom 27. Mai 1878 Errichtung des
«Reichsamtes für die Verwaltung der Reichseisenbahnen.»
Die Eisenbahnen in Elsass- Lothringen gehören dem deutschen
Reiche und werden nebst den älteren Linien der Wilhelm-Luxem-
burg-Bahn von der Kaiserl General-Direktion nach Massgabe der
Organisation vom 18. Dezember 1871 verwaltet und betrieben. Die
Kaiserliche General-Direktion, ausgestattet mit den Befugnissen und
Pflichten einer öffentlichen Behörde, ist in allen Angelegenheiten des
Betriebes, der Verwaltung und des Ausbaues der ihr unterstellten
Bahnen im Allgemeinen selbständig, mit Ausnahme, wenn es sich um
besonders wichtige Angelegenheiten oder um grössere Beträge han-
delt. In diesen Fällen, sowie bei der Anstellung bestimmter Beamten-
Kategorien ist die Entscheidung dem «Reichsamte für die Verwaltung
der Reichseisenbahnen» vorbehalten!
Die Kaiserliche General-Direktion ist eine kollegialisch organi-
sirte Behörde, welche aus einem Präsidenten, 3 Abtheilungs- Vor-
stehern, sowie administrativen, juristischen und technischen Mitglie-
dern undHülfsarbeitern besteht. Die Thätigkeit derselben im Einzelnen
ist durch eine besondere Geschäftsordnung geregelt.
Unter der Kais. General-Direktion steht das Zentralbüreau mit
folgenden Abtheilungen :
Zentral- Administrationsbüreau (Sekretariat, Registratur, Kanzlei,
Drucksachen-Kontrolle , Tarifbüreau, Betriebs-Kalkulatur, Zentral-
Betriebs-Kontrolle), Hauptkasse, betriebs- bau- und maschinentech-
1 Eröffnet im Juni 1897.
— 180 —
nisches Bureau, Materialien -Bureau, Abrechnungsbureau für den
deutsch- italienischen Verkehr.
Von der Kaiserlichen General-Direktion ressortiren mit einer
gewissen, bedingten Selbständigkeit;
Die Betriebs-Direktionen zu Mülhausen, Colmar, Strass-
burg I u. II, Saargemünd, Metz und Luxemburg ;
Die Verkehrs-lnspektionen zu Basel, Mülhausen, Colmar,
Strassburg 1 u. II, Saargemünd, Metz und Luxemburg ;
Die Werkstätten -Inspektionen zu Mülhausen, Bischheim,
und Montigny;
Die Maschinen-Inspektionen zu Mülhausen, Strassburg,
Saargemünd, Sablon und Luxemburg;
Die Telegraphen-Inspektion zu Strassburg.
Die Thätigkeit der einzelnen Bureaus und Ressorts ist durch
besondere, von der Kaiserlichen General-Direktion erlassene Instruk-
tionen u. s. w. geregelt.
Verzeichnis der geschichtlichenOriginab-
u. a. Quellenwerke.
1. Ghemin de fer du Havre ä Marseille, de Strasbourg ä Nantes,
demande en concession par J. S. Blum. 1832.
2. Chambre des deput6s. Session 1837. Opinion de M. Haas
sur le chemin de fer de Mulhouse a Thann. 1837.
3. Chambre des deputes, Session 1838, Opinion de M. L. Carl,
depute de Strasbourg, dans la discussion sur les chemins de fer. 1838.
4. Du projet d'un chemin de fer de Strasbourg a Bäle, par
Ch. Börsch. 1838.
5. Chemins de fer et canaux, Petition ä la chambre des deputes
par Ch. H. Schattenmann 1838.
6. Projet d'un chemin de fer de Metz ä Sarrebrück, dresse par
M. M. Eugene Flachat et Jules Petiet. 1839.
7. Considerations militaires et commerciales sur les chemins
de fer de Paris ä Strasbourg etc. par M. de Bussieres. 1842.
8. Chemin de fer direct de Paris ä Strasbourg, Proces verbal
de la seance du conseil municipal de Strasbourg. 2. 11. 1841.
9. Courrier du Bas-Rhin, 21 septembre 1841.
10. Das Eisenbahnfest in Strassburg, Gedichte. 1841.
11. Michel Chevalier, Lettres sur le chemin de fer de Stras-
bourg a Bäle. 1842.
12. Ch. Collignon, du concours des canaux et des chemins de
de fer etc. 1845.
13. Rapport de la compagnie du chemin de fer de Strasbourg
a Bäle. 1844.
14. M. W. Grosseteste, Chemin de fer de Mulhouse ä Thann
1889. Societe industrielle de Mulhouse, Documents.
— 181 -
15. M. P.-D. Bazaine, Chemin de fer de Strasbourg a Bale,
Notes et documents. 1892.
16. Öbservations sur la direction da chemin de fer de Stras-
bourg a la frontiere de la Baviere Rhenane 1847. La ville de Seltz
a la Chambre des deputös. 1847.
17. Transit du Ha vre snr Mannkeim par nn chemin de fer de
Mommenheim a Seltz par Hagnenaa 1845.
18. Du projet d'un chemin de fer de Mayence ä Strasbourg 1847.
19. Chemin de fer de Strasbourg ä la Ba viere Rhenane. Proces-
verbal de la seance du conseil municipal de Strasbourg (29. 11. 1849.
20. Tarifs. Manuel pour les Expeditions. 10 octobre 1849.
21. Chambre de commerce de Strasbourg. Chemin de fer de
Strasbourg ä la frontiere de la Baviere Rhenane. 1847.
22. Chemin de fer de Lille a Strasbourg avec trac6 par Mols-
heim etc. Extrait du Courrier du Bas-Bhin. 1855;
23. Bericht über die Eröffnung der Eisenbahn von Strassburg
nach Bischweiler-Ha genau am 18. Juli 1855. Ch. Börsen. Nieder-
rheinischer Kurier. 19. Juli 1855.
24. Chemin de fer de Colmar ä Münster. Avant-projet 1856.
25. Chemin de fer de Lille ä Strasbourg, Cocheren ä Strasbourg.
Memoire ä Son Excellence, Monsieur le Ministre. 1857.
26. Examen des voies de communication, proposees pour Com-
puter le chemin de fer de Lille a Strasbourg. 1859.
27. Les chemins de fer vicinaux dans le departement du Bas-
Rhin. Recueil des documents officiels. 1864.
28. Conseil genöral de la Moselle, Chemins de fer d'intäret local
Session de 1864.
29. P. Ristelhuber, L'Alsace ancienne et moderne 1867.
30. Chemin de fer ä travers la chaine des Vosges. Chambre con-
sultative des arts et manufactures. Seance du 8 decembre 1867.
31. Projet du chemin de fer de Colmar au Rhin, Departement'
du Haut-Rhin. Documents officiels. 1869.
32. Chambre de commerce de Strasbourg. Expose des travaux
1848—1887.
33. Annuaire de l'Economie politique et de la Statistique, Maurice
Block. 1844—1871.
34. F. Jacqmin, Les chemins de fer pendant la guerre de 1870/71.
35. Palaa, Dictionnaire legislatif et reglementaire des chemins
de fer. 1872.
36. L'Alsace, sa Situation et ses ressources au moment de l'an-
nexion. Charles Grad. 1872.
37. Löper, Zur Verkehrsgeschichte von Elsass-Lothringen 1878.
38. F. R. Perrot. Der Wagenraum-Tarif. 1873.
39. Ch. Grad. Coup d'oeil sur les chemins de fer d'Alsace-
Lorraine. 1875.
40. Bulletin des Lois. Compagnie de TEst.
— 482 —
41. Bericht« über die Verwaltung der Eisenbahnen in Elsass-
Lotbringen. 1873 bis 1895/96.
42. Bergmann, Bemerkungen über das Ergebnis der Enquete,
bezgl. des Entwurfes eines einheitl. Tarifsystemes.
43. Compagnie des chemins de fer de TEst Rapports 1865 bis
1871.
44. Jahresberichte der Handelskammern Mülhausen, Colmar,
Strassburg und Metz bis 1896.
46. Statistik über den Verkehr auf den Kanälen und der Mosel
in Elsass-Lothringen. 1886—1890. Aufgestellt im Ministerium für
Els.-Lothr.
46. Noöl, Les chemins de fer en France et a l'etranger. 1887.
47. Archiv für Post und Telegraphier verschiedene Jahrgange,
besonders angeführt.
48. Statistische Mittheilungen. Herausgegeben von dem Sta-
tistischen Bureau des Kaiserlichen Ministeriums für Elsass-Lothringen
Heft XXni u. a.
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